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frei nach dem Engliſchen

* 8 von

Theodor Hildebrand.

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* Ye 5 i 1 1 N.

4 | j bei N | Ernſt Settmann | 1824.

1

i 3wolftes Kapitel.

Einige Tage nach André's Zurückkunft nach

London erhielt er einen Brief von ſeiner Großmutter, welcher zwar hauptſaͤchlich nur auf einige kleine Gegenſtaͤnde Bezug hatte,

die fie ihm uͤberſandte; aber es fand ſich

darin eine Nachſchrift von Dominik Tanny⸗

il, welche unſerm Helden das unbefchreiblichfte »

Vergnuͤgen gewaͤhrte, ohne daß er zwar ei— gentlich beſtimmt wußte, warum.

Marie Cunningham, welche teils von Edinburg nach Craigland zuruͤckge⸗ kommen war, und in der Fulle aller Reize der Jugend glaͤnzte, kam auf ihren Spazier— gaͤngen durch das Dorf ſehr haͤuſig in die Hütte der alten Marthe; und der Zufall wollte

es auch, daß fie gerade an dem Tage hinein—

ER wo Tannyhhill, der Schulmeiſter, den oben⸗ 1 =

RR RR.

J

7 4.2

4 AB 2 an Andre ſchrieb. Als fie

hoͤrte, fuͤr wen er beſtimmt war, ſagte ſie mit einer Art von Luſtigkeit: „Machen Sie ihm viele Empfehlungen von mir, und ſchrei⸗ ben Sie ihm, daß ich ihn immer noch er⸗ warte; aber daß er eilen muͤſſe, ſein Gluͤck zu machen, wenn ich nicht meine Geſinnungen ändern fol; denn ich nehme ihn nur, wenn er in einem Wagen, mit vier prächtigen Pfer⸗ den beſpannt, zu mir kommen wird, um mich zu freien.“

Tannyhill lachte viel uͤber dieſen Scherz, und ſchrieb André'n woͤrtlich die Ausdruͤcke, deren fie ſich bedient hatte. Er fügte als Neuigkeit hinzu, daß William Cunningham Dienſte in der Armee genommen habe, zum groͤßten Mißvergnuͤgen ſeiner Tante, da er der letzte maͤnnliche Sproͤßling ſeiner . lie war.

Während unſer Held dieſen, Brief, oder vielmehr die Nachſchrift, zum dritten oder vierten Male durchlas, beſuchte ihn Karl Pierſton; und nachdem er ihm das Schreiben mitgetheilt hatte, rief dieſer lachend aus, auf

4

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1

die Nachſchrift deutend: „Nun, Wylie, ich wuͤnſche dir Gluͤck!

„Ruhe, Ruhe, Karl! antwortete Andre; du weißt ſehr gut, daß ich es nie gewagt habe, meine Augen bis zu der Tochter des Beſi itzers von Craigland zu erheben, und es iſt leicht zu errathen, daß ſie ſich nur meine Koſten ein wenig luſtig machen will; Nein, nein; Marie Cunningham muß einen rothen Rock mit goldenen Treſſen haben, das heißt, einen Offizier.“ | x

„Die Liebe iſt blind, erwiederte Pierſton; woher weißt du denn, daß ſie dich nicht huͤbſch finder 2 „Wenn dieß der Fall wäre, antwortete André mit einem halb ernſthaften Tone, ſo wuͤrde ich ſie für vahnſinnig halten, und eher Alles in der Welt thun, als das ſchoͤnſte Miüdchen, das ich je geſehen habe, zur Suns nehmen.“ 6

Seitdem Andre im Haufe des Grafen

* Sandyford, fo wie einiger feiner Bekannten,

vorzuͤglich der Herzogin von Daſhingwell, Zur tritt erhalten hatte, bemerkte Karl in ihm

*

1

eine Veränderung, die ihm unerklärlich war; denn ſein Freund hatte ihm lie etwas von jenem Maskenball, noch von den Verbindun⸗ gen, die die Folge davon waren, erzählt. Er fühlte eine gewiſſe Nachgiebigkeit gegen feine Meinungen in ſich, und es war ihm unmoͤg⸗ lich, ſich derſelben zu erwehren. Wylie er— trug ſeine Scherze, ohne daruͤber mehr üble Laune, als fruͤherhin, zu zeigen; aber dieß geſchah mit einer Art von Würde, welche Achtung einfloͤßte, und ungeachtet ſeines fei— nen, gewandten Betragens und ſeiner elegan- ten Kleidung, fing Karl zu fühlen an, daß André ihm an Geiſteskraͤften überlegen war, Aber dieſes Gefühl war weder mit Neid noch mit Haß vermiſcht; denn Karl hatte ein vor⸗ treffliches Herz, und er fand in dem Charak⸗ ter ſeines Freundes ein gewiſſes Etwas, das an ihn feſſelte, ſelbſt wenn er ſich gezwungen ſah, uͤber die Zuͤge s Originalität zu lachen.

Auch von der beträchtlichen Beſoldung, welche Andre von Vellum bezog, wußte Karl nicht das Geringſte. Es fiel daher dem Letz⸗

. .

U

1 tern auf, daß er ihm her bisher noch nichts mitgetheilt hatte, und er brachte heute das Geſpraͤch auf dieſen Gegenſtand. „Gut, daß ich darauf komme, André, fing er an;

du haſt mir ja noch nicht geſagt, was du

fuͤr Gehalt beziehſt. Em, wie hoch beläuft

es fi ch?“ „Auf etwas mehr als hundert Pfund,“

antwortete André nachlaͤſſig.

„Dann wird es ſich noch tuͤchtig vermeh— ren muͤſſen, erwiederte Karl, ehe der Wagen mit den vier Pferden einrücken kann.“

„Man muß an nichts verzweifeln, ſagte

N Andre lachend; du weißt, daß bei mir ein Pfennig weiter e als bei dir ein

Pfund.“ |

„Das iſt freilich wahr, und kommt daher, weil ich keine Marie Cunningham beſitze, die mich noͤthigt, Pfund auf Pfund zu haufen.“ „Du ärgerſt mich, Karl! rief André mit einiger uͤblen Laune; wenn ich von ihrem Stande waͤre, ſo koͤnnteſt du ganz nach Be— lieben daruͤber ſcherzen; ſo aber iſt es nicht freundſchaftlich, es mich fuͤhlen zu laſſen, daß

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meine Armuth mich verhindern wire, eine Augen ſo hoch zu erheben, ſelbſt wenn ich eben ſo gewandt und eben ſo Ae wine als du.“

„Auf meine Peg ee Pierſton ne ich glaubte nicht, daß es ſchon ſo weit mit ihm waͤre. Wahrhaftig, er iſt vert bis uͤber die Ohren!“

„Und wenn es. wäre, da es doch Be iſt, antwortete André erroͤthend, und mit einiger Bitterkeit: ſo koͤnnteſt du mir doch deine Scherze erſparen, da du die eaten einſiehſt. .

„Pfui! André, pfui! Wer u wird ſo 0 Muth haben. Weißt du nicht, daß in der Liebe, wie im Kriege, geiſtige Vorzuͤge, die dir doch nicht abgehen, alles Andere uͤber⸗ treffen?“ 11 a

„Schon gut, ſchon gut, erwiederte u dem übrigen diefe Bemerkung nicht mißfiel; aber du wuͤrdeſt mir einen großen Gefallen thun, Karl, wenn du mir nicht mehr von Marien ſpraͤcheſt.“

„Es ſei! Aber eile, ſobald als möglich

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0 2 baufend Pfund zu gewinnen, reiſe dann nach Craigland; und wenn es dir gelingt, die alte verrückte Miß Mizy in dein In⸗ tereſſe zu ziehen: ſo wette ich zehn gegen eins, daß Marie deine Frau wird.“

André antwortete nichts auf dieſe Behaup⸗ tung, und Karl verließ ihn darauf; aber bald ſollte ſich ein Ereigniß zutragen, durch wel-

ches ſchon ein Theil dieſer ſcherzhaften mr fogungen in Erfüllung ging.

Am naͤchſten Sonntage beſuchte hen feinen Zern, wieder, und rief beim Eintres ten: „André, du mußt mir verſprechen, heute nicht böfe auf mich zu werden, denn ich theile dir eine Neuigkeit mit. Marie Cunningham iſt in London; ihr Bruder iſt in einer der letzten Schlachten verwundet worden und da fein Zuſtand es nicht zuläßt, die Reiſe nach Schottland zu machen: ſo iſt fie mit Miß Mizy hierher gekommen, um ihn zu pflegen.“ | Wenn man nach den Geſichtszuͤgen unſeres Helden haͤtte urtheilen ſollen, ſo wuͤrde man ſchwer haben glauben koͤnnen, daß die Neuig⸗ keit von der Ankunft Mariens ihm einige

#

3 Vergnuͤgen berurſachte; denn er chien ver wirrt, und wechſelte mehrmals ſeine Farbe. g

„Armer William! ſagte er endlich; er: war ein braver, rechtſchaffener Junge, und nicht ohne Talente. Es dauert mich, daß er vers wundet iſt; aber ich hoffe, er wird wieder f geheilt werden.“

„Aber Marie iſt das ſchönſte Mädchen, das ich kenne, fuhr Pierſton fort. Sie hat geſtern mit ihrer Tante bei meinem Onkel zu Mittag gefpeift, Ach, Andre! das iſt das große Loos in der Lotterie, wenn du ſie erhalten kannſt. Sie hat ſich bei mir mit vielem Antheile nach dir erkundigt, und ich habe ihr verſprochen, dir ihre Wohnung zu ſagen, damit du ſie beſuchen kannſt.“

„Ich habe gar keine Gelegenheit, dorthin zu gehen,“ ſagte Andre zerſtreut. |

„Welche Einfalt! Mußt du nicht deinen alten Schulfreund beſuchen? Ich komme heute bloß, um mit dir hinzugehen. William wird ſich außerordentlich freuen, dich zu ſehen, und ſelbſt Miß Mizy hat mich beauftragt, dir zu ſagen, daß ſte dir die böfen Streiche, die

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du ihr sefpiet haft, Shan lange vergeſſen habe.“ e

„Und ich habe ihr auch die funfzig Pfalmen verziehen, die ich ihretwegen habe auswendig lernen muͤſſen.“

„Und um fo mehr, feste Karl laͤchelnd hinzu, weil ſie auf dem Kirchhofe Gelegen— heit dazu gaben, daß ſich die Liebe zwiſchen dir und Marien eingeſchlichen hat.“

„Ich ſage dir zum letzten Male, pierſton, laß deine Scherze, wenn du mich nicht 3 haft boͤſe machen willſt.“

„Nun, ſo komm doch, ſagte Pierſton; und wenn Marie zufaͤlligerweiſe ausgegangen ſein

ſollte, fo haſt du vielleicht den Troſt, mit der liebenswuͤrdigen Perſon, ihrer Tante Mizy, plaudern zu koͤnnen.“

„Teufels Element! ſagte André, 115 ue Laune wieder gewinnend; ich moͤchte eben fo gern Haare in meiner Suppe finden, als dies ſer alten murrkoͤpfigen Schachtel mit der rothen Naſe in den Wurf kommen.“ Und er klei⸗ dete ſich an, um Karl'n zu begleiten. Die beiden Freunde gelangten in Kurzem

nach der Wohn 9, wo die Eun inghanı

geſtiegen war Sobald Marie André'n Pr blickte, empfing fie ihn mit den Ausrufungen der lauteſten Freude, welche aber nur einige Augenblicke lang dauerte; ihr ſanfteres und

ruhigeres Betragen, welches hierauf folgte,

bewies, daß ſie ein wahres Vergnuͤgen empfand, ihn wiederzuſehen; und ſie zeigte jene reine und frohe Zuneigung gegen ihn, welche eine Schweſter fuͤr einen geliebten Bruder empfin⸗ det. Sie bezeigte ihm ihre Zufriedenheit daruͤber, daß er ſo glücklich geweſen wäre, das

Zutrauen des Advokaten, bei dem er arbeitete, zu erlangen, und erzählte ihm von der Zaͤrt⸗

lichkeit ſeiner guten Großmutter, ſo wie von dem Vergnügen, womit fie Jedermann auch das kleinſte Pfand ſeiner Dankbarkeit zeigte, das fie von ihm erhalten hatte. Aber mitten in dem gütigen Tone, mit welchem fie zu ihm redete, glaubte André eine gewiſſe Art von Zuruͤckhaltung zu bemerken, welch ihm weniger gefiel, als ihre ehemaligen Scherze; und er fuͤhlte ſich mehr geſchmeichelt, obgleich ein wenig außer Faſſung gebracht, als fie ihm

1

1)

nachher: mehrere en Begebenheiten aus ih⸗ rer Jugendzeit in's Gedaͤchtniß zuruͤckrief, ſo 9 ie Art, wie er feine Pfalmen, auf einem chenſtein ſitzend, erlernt hatte. ne dieſer augenblicklichen Verlegenheit

wurde er durch die Dazwiſchenkunft der Miß | Mizy gezogen, welche mit einer äußerſt wich⸗

tigen Miene aus dem Zimmer Williams her— austrat. Sie richtete ſogleich ein ſehr gnaͤ⸗ diges Laͤcheln an Pierfton, welcher Mühe hatte, feine Ernſthaftigkeit zu behaupten, und warf kaum einen Blick auf unſern Helden, als auf ein Weſen niedrigerer Art. Dieß verwandelte

den Widerwillen Andres, welchen er ehemals

gegen das ſtolze Betragen der Miß gefuͤhlt hatte, augenblicklich in Verachtung, und er ſagte daher mit einer aͤußerſt nachlaͤſſigen Miene, welche ſeinen Freund Pierſton und Miß Marie faſt zum lauten Gelaͤchter zwang: „Ei, Miß Mizy! Aber, mein Gott, wie alt ſind Sie geworden! Ich haͤtte nie ge⸗ glaubt, daß fo kurze Zeit eine fo große Vers Anderung hervorbringen koͤnnte!“

Die alte Dame fand dieſes Kompliment

ar

eben nicht ehrerbietig „und wußte anfangs nicht, was ſie antworten ſollte. Endlich aber ergriff fie die Partie, ihm in demſelben Tone zu erwiedern: „Mit Ihnen iſt es nicht der: ſelbe Fall, Wylie; Sie ſind immer noch eben ſo haͤßlich und ungezogen, als zu der eit, wo Sie in Stoneyholm waren.“

„Das iſt wahr, Miß Mizy, antwortete André; aber weder Sie noch ich können daran etwas andern; Gottes Hand hat uns ſo ge⸗ formt, und die ganze Kunſt der Menſchen wuͤrde nichts dagegen ausrichten.“

„Ich ſehe, daß Sie immer noch ein naͤr⸗ riſcher Menſch ſind, ſagte Miß Mizy, und daß man mit Ihnen keine Hoffnung hat, das letzte Wort zu behalten; denn es gehoͤren lange Loͤffel dazu, um mit dem Teufel Suppe zu eſſen. Uebrigens freue ich mich aber, Sie ſo munter zu ſehen, und zu wiſſen, daß es Ihnen gut geht.“ Sie ladete ihn hierauf ein, in das Zimmer ſeines alten Schulfreun⸗ des zu treten, was er ſogleich annahm.

Die Zeit, welche der Miß Mizy Reize nicht erhoͤhte, hatte aber mit William eine

beträchtliche Veraͤnderung hervorgebracht. Er war jetzt, was man einen ſchönen Mann nen⸗ nen kann, und ſein Stand hatte ſeinen edlen und männlichen Geſichtszuͤgen ein Gepräge des Muths und der Entſchloſſenheit mitgetheilt, das ihm vortrefflich ſtand. Seine Wunde feſſelte ihn an's Bett, und er konnte daher André'n nur durch einen Haͤndedruck das Ver: gnügen zu erkennen geben, welches er bei feis nem Wiederſehen empfand, während feine Aus gen das Erſtaunen ausdruͤckten, bei ihm im⸗ mer noch dieſelbe Miene der Einfachheit und Originalität wahrzunehmen.

Marie, welche Andre’n in das Zimmer ih⸗ res Bruders begleitet hatte, kam nochmals

auf die alten Zeiten zuruͤck, erinnerte die bei⸗

den Freunde an die Verſchwoͤrung gegen ihre Tante, und zog Andre'n über den Verluſt des erſten Gegenſtandes ſeiner Zuneigung, der Elſter, auf. Die Erfahrung in der großen Welt, die Freiheit, vielleicht die Ausgelaſſenheit des Sol— datenlebens hatte dem jungen William eine Menſchenkenntniß verſchafft, die vielleicht über

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ſeinem Alter ſtand; und er betrachtete in die⸗ fen Augenblic ſeine Schweſter mit einer Miene, welche Marie'ns Wangen mit einer plöglichen Rothe uͤberzog. Der Beſuch wurde aber bald darauf abgebrochen, da die Aerzte dem Verwundeten die ungeſtoͤrteſte Ruhe an⸗ empfohlen hatten; und ſie kehrten daher nach einigen Minuten in den Salon zuruͤck, wo Pierſton mit Miß Mizy geblieben war.

André wollte ſich hier nicht erſt wieder niederſetzen, und indem er das Zeichen mit dem Kopfe gab, welches ſeine gewoͤhnliche Art des Grußes war, ſchickte er ſich an, ſich zu entfernen. Indem er ſich umwendete, bewerkte er auf dem Kamin mehrere Viſitenkarten, über welchen mit einiger Prahlerei eine Einladungs⸗ karte zu einem Balle bei der Herzogin von Daſhingwell angebracht war. Andre ſagte nichts; aber kaum war er zum Hauſe hinaus, als er ſich unter einem Vorwande von Pier: ſton trennte, und der Herzogin einen n abſtattete. f

Wie ſchon fruͤher erwaͤhnt it, war Andre ſehr häufig bei der Herzogin von Daſhingwell

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eingeladen N u deren Guͤnſtling er ſich emporgeſchwung hatte. Aber aus einer Art von Zartgefuͤhl ie er ne feit der Zeit der Abreiſe des Lords Sandyford von London nicht zu ihr begeben, und die Herzogin ſah mit Bedauern ſein gaͤnzliches Verſchwinden. Sie empfing ihn daher heute auf die ſchmei— chelhafteſte Weiſe, und ſagte, daß ſie unbe⸗ dingt auf ſeine Gegenwart bei einem Balle, den ſie in einigen Tagen geben wuͤrde, rechnete.

„Ich werde mit fo viel größerem Vergnuͤ⸗

gen erſcheinen, Mylady, antwortete Andre,

als ich auf dieſem Balle eine junge Dame aus meinem Vaterlande zu finden hoffe.“ „Ei, ei! Und wer iſt dieſe junge Dame? fragten Ihre Gnaden, ein wenig überrafcht von dem Bewegungsgrunde, den er anfuͤhrte, um die Einladung ſo gern anzunehmen, und ihre Frage mit einem liſtigen Blicke hegleitend. „Miß Cunningham,“ antwortete André. Aber die Herzogin bemerkte jetzt in ſeiner Stimme ein leiſes Zittern, welches ihre W gierde noch mehr anſpornte. 0

„In der That! Wylie, Sie haben einen II. Thl. 4

18

ausgeſuchten Geſchmack. Wahrhaftig, ‚fie iſt uͤberaus ſchoͤn und ſehr gebildet“

ſie iſt huͤbſch,“ ſagte André, ein wenig erröthend, und einen Ton der Einfach⸗ heit annehmend, der zum Zweck zu haben ſchien, die Spoͤttereien der Herzogin von ſich abzuwenden, im Grunde aber darauf berechnet

war, fie in fein Intereſſe zu ziehen; denn er

wußte wohl, daß, wenn ſte ſich entfchlöffe, ihn zu begünftigen, ihr guͤtiger Charakter fie bes wegen wuͤrde, ihn in dem a Lichte erſcheinen zu laſſen. eu;

„und feit wann kennen Sie Miß Cun⸗ ningham?“

„O, ſchon ſehr lange! Seit unſerer Kind⸗

heit. 1 „Seit Ihrer Kindheit

„Ja, Mylady. Ihr Vater iſt der Bet ißer

des Dorfes, wo ich in meiner Großmutter Huͤtte wohnte. Daher wuͤnſchte ich auch, daß Ihre Gnaden nicht glauben moͤchten, ich haͤtte einen andern Grund, warum ich mich freue, Miß Cunningham auf Ihrem Balle zu fin⸗

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den, als den Wunſch „eine ae ek, zu erneuern.“

„Wenn jeder Andere, als Sie Wylie, ſo zu mir fpräche, fo möchte ich es wohl glau— ben. Aber Sandyford ſchreibt mir, daß Sie die Geſetze der Natur beſſer kennen, als die zwölf Geſchwornen die des Landes: alſo ſuchen Sie mich nicht zu taͤuſchen; ich ſehe klar, daß Sie Miß Cunningham lieben, ich bin uͤber— zeugt davon.“

„Wenn das der Fall! waͤre, Mylady, ſo

wuͤßte ich nicht, was ich anfangen ſollte. Eine

Katze kann freilich wohl einen Koͤnig anſehen;

aber Ihre Gnaden wiſſen recht gut, daß ein

Mann, der ein junges Maͤdchen nach ſeinem Wunſche findet, deßwegen noch keinen Grund zu glauben hat, daß er ihr gefalle.“

„Jetzt, Wylie, ſagte die Herzogin mit einem ernſthaften Tone, obgleich der Scherz in ihren Augen zu leſen war, habe ich große Luſt, auf Sie zu zuͤrnen. Wie koͤnnen Sie

es wagen, ſo Ihre Liſt anwenden zu wollen, um mich zu Ihrer Vertrauten zu machen? Denn Sie wiſſen ſehr gut, daß eine Frau, Be | 2 * 5

Vet, 9

legenheit eingeweiht iſt, auch eine Rolle darin

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ſpielen will. Ich durchſchaue Sie recht gut;

Sie denken, daß die Unterſtuͤtzung einer Her— zogin dem guten Erfolge Ihrer Anſpruͤche nicht ohne Nutzen ſein koͤnnte.“

„Ihre Gnaden ſchneiden die Sache ein wenig kurz, antwortete Wylie. Wie koͤnnen Sie mir ſolche Gedanken zumuthen? Wenn

ich überdieß betrachte, Mylady, wer ich bin,

und wer Miß Cunningham iſt: fo heißt das

den Scherz etwas weit treiben.“ Die Unterhaltung dauerte in aͤhnlicher Art

noch einige Zeit lang fort; das Ende war aber,

daß André, als er die Herzogin verließ, ſicher war, ſie als ſeine erklaͤrte Goͤnnerin, die ihm bei dieſer Angelegenheit alle Unterſtuͤtzung lei— ſten wuͤrde, zu betrachten, und er empfahl ſich ihr, von einem durchaus neuen Geiſte beſeelt.

Der erſte Beweis, welchen er von dieſem neuen Geiſte gab, war, daß er ſogleich zu einem Schneider ging und ſich einen vollſtaͤndigen

Anzug beſtellte, mit dem ausdruͤcklichen Bei⸗ ſatze, das feinſte Tuch, das er finden koͤnnte,

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zu nehmen, und ihn etwas mehr nach der

Mode zu machen, als denjenigen, welchen er

trug, und welcher auf ſein Verlangen nach

160 Muſter der aus Schottland mitgebrach—

geſchnitten war. Mit dieſem neuen Anzuge erſchien er auf dem Balle bei der Herzogin. Als dieſe ihn

A eintreten ſah, und den Blick auf ihn warf,

mit welchem alle Frauenzimmer gewohnlich den Anzug eines Mannes zu muſtern pflegen: bemerkte fie ſogleich die Veränderung, und ſagte lachend zu ihm, daß ſie glaube, wie der Einfluß der Miß Cunningham auf ihn vor⸗ theilhaft fuͤr ſeinen Schneider geweſen ſei. In demſelben Augenblick meldete man Miß Marie Cunningham, welche mit ihrer Tante eintrat. Als ſie ſich der Herzogin naͤherte, erſtaunte fie fo ſehr, André'n neben derfelben ſtehen zu ſehen, und uͤber die Vertraulichkeit, womit Ihre Gnaden die Hand auf ſeinen Arm

ſtuͤtzten, daß eine brennende Roͤthe ihr Geſicht

uͤberflog. Sie fuͤhlte ſich ſo verwirrt, daß ſie kaum im Stande war, die gewöhnlichen Höf- lichkeits-Worte vorzubringen.

Die hellſehende Herzogin bemerkte ihren Zuſtand ſehr wohl, und kniff André'n bos⸗ hafterweiſe in den Arm. „Liebe Miß Cun⸗ ningham, ſagte ſie mit ihrer gewoͤhnlichen Hoͤflichkeit und frohen Laune, ich bin doppelt erfreut, Sie zu ſehen; denn hier mein Freund Wylie hat mich gebeten, ihm eine Taͤnzerin fir den nächften Walzer auszuſuchen, und ich wußte nicht, auf wen ich meine Wahl richten ſollte, da er ein ſo ſeltſamer Menſch iſt, daß ich ſicher bin, er tanzt den ganzen Abend nicht, wenn er nicht die Hand der (Hann Dame in der Geſellſchaft erhält.”

Miß Mizy, welche waͤhrend dieser Rede kaum ihren Augen traute, ging endlich mit ſo großem und komiſchen Erſtaunen auf ihn zu, daß er Mühe hatte, feine Ernſthaftigkeit bei— zubehalten. N

„Ei, beim Himmel! Miß Mizy, r er aus, ſind Sie es wirklich? Ich glaubte, daß Ihre Zeit des Tanzes vorüber wäre.“

„Wahrhaftig! ſagte Mizy zu ihrer hne 5 es iſt Wylie!“ |

Marie batte unterdeſſen Bee want, %

ſich Miß

ein wenig zu erholen, und da die Herzogin befchäft t war, mehrere andere ankommende

Damen zu empfangen, ſo ſagte fie mit leiſer Stimme zu André: „Ich will frei mit Ihnen ſprechen, Wylie; bedenken Sie, daß Sie nicht mit mir tanzen koͤnnen.“

„0 bin der Meinung, Miß Marie, ant⸗ wortete André ein wenig beißend, daß Sie hätten warten follen, bis ich Sie zum Tan- zen aufforderte, ehe Sie es mir abſchlugen; und doch habe ich Ihnen noch nicht ein Wort davon geſagt.“

Marie erroͤthete und biß ſich in ie ip pen, aber antwortete nichts; Andre, ihr zur

Seite bleibend, ging hierauf mit ihr und ihrer

Tante einige Zeit lang in dem Saale auf und nieder. Da hier viele Perſonen gegenwaͤrtig waren die er häufig ſowohl bei dem Grafen e Herzogin ſah: ſo konnte Nizy nicht von ihrem Erſtaunen er⸗

holen, als fie bemerkte, wie Männer vom erſten Range André'n die Hand druͤckten, ſtehen e und vertraulich mit ihm plauderten. Nachdem er einige Zeit lang Nee kleinen

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Triumph genoſſen hatte, fragte er? en, ob ſie Luſt haͤtte zu tanzen. „Ich frage nicht, fuͤgte er hinzu, um Sie fuͤr mich dazu aufzu⸗

fordern; denn ich weiß ſehr wohl, daß Sie

ſich wenig daraus machen, mit einem Bauer,

wie ich bin, zu tanzen; aber wenn Sie es

wünſchen, fo bin ich der Meinung, daß ich

Ihnen einen Tänzer verſchaffen will.“ | Marie zauderte mit der Antwort, und

fühlte, daß André in dieſem Augenblick ein

Uebergewicht über fie habe. „O, fügte

André, Sie haben nicht noͤthig, gegen mich zuruͤckhaltend zu fein, oder an das, was die Her⸗ zogin ſagte, zu denken. Denn ſelbſt, wenn Sie auch wollten, ſo kann ich gar nicht tanzen.“

Mit dieſen Worten verließ er ſie, und ſuchte einen jungen Lord von feiner Bekannt⸗ ſchaft auf, der durch feine Taille und feine

vortheilhafte Geſtalt bemerkenswerth war, deſſen |

Verſtand aber eben fo befchränft, als fein Vertrauen auf ſich ſelbſt groß war.

„Wollen Sie mit Miß Cunningham tanzen, Mylord? fragte er ihn. 3% will Sie ihr vorſtellen.“

Die Schönheit Mariens hatte bereits die Aufmerkſamkeit der ganzen Geſellſchaft auf ſich gezogen, und dieſer Vorſchlag wurde alſo eifr angenommen. Lord Dimpleton folgte unſerm Helden, wurde der Tante und der Nichte vorgeſtellt, bat die letztere um eis nen Tanz, und fuͤhrte ſie im neh in den Kreis. 9 Indem André dieſen Ritter fuͤr Miß Cunningham auswaͤhlte, ſo hatte er dabei feis nen eigenen Vortheil nicht aus den Augen geſetzt. Er kannte den Verſtand und Scharf⸗ blick Mariens, und wußte ſehr gut, daß we⸗ der das gefaͤllige Aeußere, noch der Rang des | jungen Lords hinreichen wurden, auf das Herz der jungen Schottlaͤnderin einen Eindruck zu machen, der ſeinen Anſpruͤchen im Geringſten nachtheilig werden koͤnnte Anſpruͤchen, die er ſich ſelbſt heute zum erſten Male eingeſtand. Uebrigens bezeichnete kein außerordentlicher Vorfall dieſen Abend. Miß Cunningham und ihre Tante entfernten ſich, Williams Krank— heit wegen, ziemlich fruͤh. Als André fie am folgenden Morgen beſuchte, empfing ihn Marie

0

a

mit Verlegenheit und Kälte; ihre Tante hin⸗ gegen nahm ihn auf die ſchmeichelhafteſte Weiſe auf, und bezeigte ihm ihr Erſtaunen, daß er von ſo vielen Perſonen des hoͤchſten Standes gekannt wuͤrde. Aber das Vergnuͤ— gen über dieſe Veraͤnderung in dem Betragen der Miß Mizy wurde ihm wieder durch die kalte Zurückgezogenheit Mariens verbittert, und er bemerkte, daß dieſe die Folge eines Nach⸗ denkens geweſen fein muͤſſe, welches feinen ge⸗ heimen Wuͤnſchen nicht günſtig war. Deſſen⸗ ungeachtet verlor er den Muth nicht, denn ihre jetzige Kälte war gewiſſermaßen ein Be⸗ weis, daß fie die Ungleichheit ihrer Geburt nicht mehr als ein unuͤberſteigliches Hinder— niß gegen die Wuͤnſche betrachtete, die jetzt ernſtlich in ihm aufzuſteigen anfingen. Waͤhrend der Zeit, wo die Cunningham's ſich noch in London aufhielten, fuhr André fort, fie haufig zu beſuchen; aber Marie be— hielt ihr zuruͤckhaltendes Weſen bei, und er hatte die Klugheit, ſich keine groͤßeren Frei— heiten gegen ſie, als früherhin, zu erlauben. Aber in Abſicht auf Miß Mi veraͤnderte er

die Batterien, indem er fie bei ihrer ſchwa— chen Seite angriff, ihre Meinungen zu den ſeinigen machte, ihre Empfindungen theilte, und jederzeit zuvorkommend gegen ſie war. Er machte fo gute Fortſchritte in ihrer Gunſt, daß ſie ihn bald als den kluͤgſten, witzigſten und ſcharfſinnigſten jungen Mann von der Welt betrachtete; und wenn in feiner Anwe— ſenheit ihre Nichte ſcheinen wollte, als wenn fie ſich auf feine Koſten luſtig machte, fo nahm Miß Mizy jederzeit ſeine Partie, und fuͤgte oft mit einem prophetiſchen Tone hinzu, daß fie uͤberzeugt ſei, ihn noch eines Tages als

Lord - Major von London zu erblicken.

Dreizehntes Kapitel.

Sobald William ohne Gefahr die Reiſe antreten konnte, verließ er mit feiner Schwe- ſter und Tante London, und es verging eine geraume Zeit, ehe unſerm Helden etwas be— gegnete, das hier erzaͤhlt zu werden verdiente. Er fuhr fort, feine Pflichten bei Vellum zu verſehen, und die Geſellſchaften bei der Her— zogin von Daſhingwell, fo wie bei andern Pers

a.

fonen von hohem Stande, zu beſuchen, die ſeine Laune beluſtigte, und welche ſich ein Vergnuͤgen daraus machten, ihn bei ſich zu ſehen. Nichts war aber André'n angenehmer, als ein Brief, den er endlich von Lord Ganz dyford erhielt, und worin er eingeladen wurde, einige Tage in Chaſtington Hall zuzubringen; eine Einladung, die Vellum ihm ohne Schwie— rigkeit anzunehmen erlaubte.

Der Zweck, warum der Graf ihn 5 ſaͤchlich zu ſich kommen ließ, war, daß er ihm behuͤlflich fein ſollte, die noͤthigen Anordnun⸗ gen in Abſicht auf die Einkuͤnfte, die San⸗ dyford der Graͤfin zuſichern wollte, in's Werk zu ſetzen; und der Graf erklaͤrte ſich ‚fpäterhin nie darüber, aus welcher Urſache er ſich hier⸗ bei nicht geradezu Vellum's ſelbſt bedienen wollte.

André miethete alſo einen Platz auf einer Diligence, und da Sir Mordaunt, welchen er jetzt ebenfalls zu ſeinen Freunden zaͤhlte, ungefähr eine Stunde Weges von der Straße, die nach Chaſtington fuͤhrte, und eine Tage⸗ teiſe von London entfernt, ein Gut beſaß, auf N

9 -

g welchem er ſich aufhielt: ſo beſchloß er dieſen zu beſuchen, und von dort aus zu Fuße bis nach Chaſtington zu gehen. Er ſtieg daher an dem Orte, wo er die große Straße ver—

laſſen mußte, um nach Mordaunt's Landgut zu 9 langen, von der Diligence ab, und em⸗ pfahl dem Schiermeifter, ja Sorge zu tragen,

daß ſein Mantelſack in dem Wirthshauſe zum

Wappen von Sandyford abgegeben wuͤrde.

Sein Weg führte ihn durch einen großen, von einer Gebirgskette eingeſchloſſenen Wald, worin es aber ſo einſam und ſtill war, daß ſich nirgends ein lebendes Weſen blicken ließ.

Schon hatte er einige Stunden auf dem ihm bezeichneten Wege zuruͤckgelegt, und immer

noch wollte ihm nicht einmal eine einzelne

Hütte, geſchweige denn das Landgut Mors

daunt's erſcheinen: als endlich ſchon die Sonne

den Horizont zu verlaſſen anfing. Andre fuͤrchtete von der Nacht uͤberfallen zu werden, und dieſe nichts weniger als angenebme Er—

wartung ward durch einen plötzlichen Blitz

ſtral eben nicht aufgeheitert, der aus den uͤber ihm am Himmel hangenden ſchweren und

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dunkeln Wolken herabfuhr, und von einem Donnerſchlag begleitet wurde, welchen alle Echo's der benachbarten Berge wiederholten.

Was ſoll ich anfangen, wenn der De gen mich übereilt, ehe ich angekommen bin? fragte unſer Held erſchrocken ſich ſelbſt, den drohenden Himmel betrachtend. Ein Blitz⸗ ſtral nach dem andern theilte die Wolken, der Donner rollte ſtaͤrker; und waͤhrend nun André lief, als wenn das Firmament auf ſeine Schultern ſtuͤrzen wollte, fingen ſchon große Tropfen herabzufallen an. Nach der einen Seite hin erblickte er nichts als un— fruchtbare Berge, deren Gipfel ſchon von der Finſterniß umhuͤllt waren; nach der andern Seite hatte er den Wald, in welchem es ihm immer ſchwieriger wurde, den Fußſteig zu erkennen.

Unterdeſſen leuchteten die Blitze immer häufiger, der Donner krachte immer heftiger, und der immer ſtaͤrker fallende Regen ſchien eine neue Suͤndflut anzukuͤndigen. Das Ta⸗ geslicht hatte heute nicht mit der Daͤmmerung abgewechſelt, und undurchdringliche Sinfters

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niß hatte plöglich die ganze Gegend umſchleiert. Andrs ſetzte feinen Weg ohne Aufenthalt fort, und nur bei dem Scheine der Blitze erkannte er endlich, daß er nicht mehr im Walde ſei, auch die Gebirgskette nicht mehr zu ſeiner Rechten habe, und ſich auf einer große Wieſe befaͤnde.

Jetzt hatte er durchaus ſeine fruͤhere Richtung verloren, und wußte ſchlechterdings nicht mehr, wohin er ſich wenden ſollte. Waͤhrend es unausgeſetzt regnete, ging er auf's Gerathewohl immer weiter fort, und gelangte endlich abermals an einen Wald; aber er wagte es nicht hineinzugehen, und folgte viel— mehr dem Saume deſſelben, indem er hoffte,

auf dieſe Art doch endlich eine menſchliche A Wohnung anzutreffen. 8

Glücklicherweiſe blieb dieſe Hoffnung auch nicht unerfuͤllt; mit welcher Freude ſah er plötzlich ein Licht durch die Bäume fehimmern! Zwar war es noch in einer ziemlichen Ent— fernung, aber deſto raſcher eilte er darauf zu, und erreichte endlich ein ziemlich anſehnliches Dorf, an deſſen Eingange er ſogleich einem

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Einwohner begegnete, bei welchem er ſich nach einem Wirthshauſe erkundigte.

„Ein Wirthshaus haben wir hier nicht, war die Antwort; auch wird der Herr übers haupt hier kein erträgliches Nachtlager finden koͤnnen, es ſei denn, daß es ihm gelänge, von unſerm Herrn Pfarrer, dem Doktor Saffron, aufgenommen zu werden.“ a

„Wolltet Ihr mich wohl dahin 1 guter Freund?“

„Sehr gern; er wohnt nur wenige Schritte von hier. Aber ſo viel ich weiß, ſo giebt er Niemanden etwas, obgleich er ſehr reich iſt, und ich zweifle, daß Sie bei ihm unterkom⸗ men. Doch Sie muͤſſen es verſuchen.“

So dachte André auch, und als er die Thuͤr des Pfarrhauſes erreicht, und ſich bei ſeinem Wegweiſer bedankt hatte, fing er an, zu klopfen. Ein Hund antwortete ſogleich mit einem ſchrecklichen Geheule, und in dem⸗ ſelben Augenblick öffnete auch ein Bedienter in Livrée die Thür, mit der Frage, was er wolle?

„Sagt Eurem Herrn, antwortete Andrs,

daß ein junger, hoͤchſt ermuͤdeter Menſch A um ein Nachtlager bittet.“

„Antworte dem Narren, daß er feinen. Weg gehen ſoll,“ rief aus dem Innern des Hauſes eine tiefe Vaßſtimme.

„Ich habe jetzt keinen andern Weg zu gehen, als den nach einem Bette; denn meine Kleider ſind naß, meine Beine ermuͤdet, ich weiß nicht wohin, und Sie werden nicht wollen, daß mir ein Ungluͤck begegne.“

„Wer ſeid Ihr? Wer ſeid Ihr? fragte der Doktor, indem er durch die Thuͤr fah, und Andreé'n eine illuminirte Naſe unter eis ner großen weißen Nachtmuͤtze erblicken ließ.

5 „Ein Chriſt! antwortete Andre boshaft, und ich hoffe hier noch 7 Chriſten zu finden.

„Noch einmal frage ich, wer r bels Ihr 2% ſchrie jetzt der Doktor mit ſtarker Stimme, und trat, ein Licht in der. ro ganz qus der Thuͤr. er:

„Ich bin ein e t Zu Notarin, in dieſem Kanton auf einer Reiſe begriffen.“ „Wie 2 Ohne, Wagen! Ohne Pferd! Ihr

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müßt ſehr dreiſt fein, als ein ganz unbekann⸗ ter Menſch, zu dieſer Stunde, an die Thuͤr eines Mannes von Stande zu klopfen.“ Und er war im Begriff, dem Bedienten den Be⸗ fehl zu geben, daß er die Thuͤr wieder zumachen ſollte. André ſchrie aber ſchnell:

„Sie haben ſehr recht, Doktor; aber es war nur ſo eine Idee von mir, zu Fuß zu gehen. Ich wollte einige Tage bei dem Grafen San⸗ dyford verweilen, als es mir plotzlich einfiel, vorher noch meinen Freund Mordaunt zu be⸗ ſuchen, der hier in der Gegend in Beech-Gove wohnen muß. Ich ſtieg daher vom Wagen ab, und habe mich nun im Walde verirrt.“ | Bei diefen Worten veränderte der Doktor ſogleich ſeinen Ton, ladete André'n ein, naͤher

zu treten, und befahl ſeinem Bedienten, ein

Bett fuͤr ihn in Stand zu ſetzen. |

Während dieſer Zeit fpann ſich eine Uns terhaltung in dem Salon des Doktors Saff— ron an, welcher anfangs ſehr uͤberraſcht uͤber die ſeltſamen Sitten ſeines Gaſtes war. Aber bald glaubte er in ihm einen Mann zu ſehen, der an gute Geſellſchaft gewohnt war, und

da André den Namen des Grafen Sandyford genannt hatte, ſo betraf dieſen die Unterhal— tung ganz vorzuͤglich. Der Doktor wurde nicht muͤde, ſeinetwegen Fragen an ihn zu richten, und André war daher neugierig, die Urſache dieſer fahnen Theilnahme zu erfahren.

„Kennen Sie den Grafen perſönlich?“ Bee endlich Andre, | „Nein, antwortete der Doktor; aber ich habe gehoͤrt, daß einer meiner Neffen ſehr ernſthaft in ſeine Angelegenheiten verwickelt iſt.“

„Ho! ho! rief André aus. Sind Sie zu» falligerweiſe der Onkel eines gewiſſen Ferrew?“

„Ungluͤcklicherweiſe, ja! Seine Mutter war meine Schweſter, und er iſt mein rechtmaͤßi⸗ ger Erbe. Aber ich fuͤrchte, er wird mich zwingen, die Rechte zu vergeſſen, welche ihm die Natur und meine Zuneigung uͤber mich geben.“ |

„Und wo iſt er 16000

„Niemand weiß es; Alles, was ich von ihm Bm habe, iſt, daß er vor einigen Monaten

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1

mit der Graͤfin von Sandyford in der Ge⸗ gend von Elderbower geſehen wurde.“ |

„Vielleicht iſt er noch jetzt bei ihr. Wo hält fie ſich jetzt auf?“ An,

„Nein, nein. Bis zu dieſem Punkt hat fh die Gräfin noch nicht vergeſſen. Sie lebt jetzt äußerſt renig und fromm in einem alten, einſamen Schloſſe ihres Vaters.

„Es iſt unangenehm, Verwandte zu haben, die ſich ſchlecht betragen; aber ich hoffe, er hat doch weiter nichts begangen, als daß er einen Hahnrei machte.“

Der Doktor runzelte die Stirn über die⸗ ſen freien Ausdruck. „Es giebt Fehler, die zwar von dem Geſetzen nicht beſtraft werden, ſagte er mit einem frommen Tone, aber die doch auf die Außerffe moraliſche Verdorbenheit hinweiſen.“

„Nun, und das waͤre?“

„Er hat ein junges ungluͤckliches Maͤdchen, eine Fremde, eine Italiaͤnerin, mit welcher er lebte, in dem Augenblicke verlaſſen, wo ſie Mutter werden ſollte. Da ſich die Arme ohne alle Huͤlfe ſah, faßte ſie den verzweifelten

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Entſchluß, ihm nach dem Schloſſe Rooksborough zu folgen, und fie ſtarb in einem Wirthshauſe des Dorfes, indem ſie einer Tochter das Leben

5 „Und was iſt aus dem Kinde geworden?“

„Gluͤcklicherweiſe reiſete gerade eine Dame von hohem Range durch das Dorf, die von Mitleiden fo geruͤhrt wurde, daß fie nicht nur die Koſten zum Begraͤbniß der Mutter hergab, ſondern auch die Erziehung des Kin— des uͤbernahm.“

„Wie lange iſt dieß her? Wer iſt die Dame?“ fragte André lebhaft.

"N weiß es nicht gewiß; aber mein Freund, der Pfarrer in Rooksborough, Betz muthet, daß es Lady Sandyford iſt.“

Bei dieſen Worten vergaß André ſeine Muͤdigkeit, und ſprang wie naͤrriſch im Zim⸗ mer umher. „Welche Nachrichten! rief er aus; ich wette einen Pfennig gegen einen Heller, daß ich der einfaͤltigſte Kerl unter Gottes Sonne geweſen bin!“

Der Doktor war ſtarr vor Erſtaunen. André erholte ſich endlich von ſeiner unge⸗

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ſtuͤmen Freude, und beantwortete nun ſeines |

Wirths ſchon mehrmals wiederholte Fragen, indem er ihm die vollſtändige Geſchichte der Veruneinigung zwiſchen dem Lord und feiner Gemahlin erzählte, und ihm auseinanderſetzte, welcher Verdacht ſich gegen die Letztere, durch die ſonderbaren Umſtande der Geburt des Kins des und des Zuſammentreffens mit 8 erhoben hatte.

Nachdem Andre eine dete Abend⸗ mahlzeit zu ſich genommen hatte, legte er ER froh wie ein König in das ihm an Bett; aber ſeine Unruhe ließ ihn A ſchlafen, und er war die ganze Nacht mit

Planen beſchaͤftigt, wie er jetzt am raſcheſten

die Ausfühnung der beiden Gatten herbeifuͤh— ren koͤnne. 5

Sein Entſchluß war endlich dahin ausge⸗ fallen, daß er ſogleich, ohne Mordaunt zu be⸗ ſuchen, zum Grafen eilen wollte. Am fol⸗ genden Morgen ließ daher der Doktor eine Poſtchaiſe kommen, und noch ehe die Sonne den Mittagspunkt erreicht hatte, ſtand André in Chaſtington vor dem Grafen.

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„Ich freue mich außerordentlich, Sie zu ſehen, rief Lord Sandyford aus, ſobald er ihn erblickte, und zwang ſich, eine froͤhliche Miene anzunehmen; aber ich habe eine ſehr dringende Bitte an Sie, Wylie. Dieſe iſt, daß Sie niemals in meiner Gegenwart den Namen der Gräfin ausſprechen, auch nicht die geringſte Anſpielung auf ſie machen, au— ßer in den Geſchaͤften, um deren willen ich Sie eingeladen habe, mich zu beſuchen.“ „Aber wenn ich Ihnen gute Nachrichten Miles, Nachrichten von ihrer Un⸗

W, Ich ine nicht den geringſten Antheil daran, und bitte Sie nochmals um Stillſchwei— gen in dieſer Rückſicht.“

Wylie wankte, als wenn ein heftiger Schlag auf den Kopf ihn betaͤubt hätte, und blieb einige Zeit lang ſitzen, ohne ein Wort hervorzubringen. Der Graf ſtellte ſich, als wenn er nichts von dieſem Zuſtande unſeres Helden bemerkte, und fing ſogleich ein ande⸗ res Geſpraͤch an, an welchem André aber nur mit halb abweſendem Griffe Theil nahm.

Endlich ſprang André auf, ergriff haſtig eine Hand des Grafen, und hielt ſie unge⸗ faͤhr eine Minute lang ſchweigend in der ſei— nigen, ſeinen Blick auf den Boden geheftet. Lord Sandyford erſtaunte, und fühlte eine heiße Thrane auf feine Hand fallen. „Um's Himmels willen, Wylie, was ſoll dieß bedeuten?“ rief er aus. | 5 Andrs ließ jetzt ſeine Hand los, und drehte ſich einige Augenblicke lang um, 1 ſeine innere Bewegung beruhigt hatte. Als er wie der zu ſich gekommen war, ſagte er y- lord, warum wollen Sie mir ni 1, Ihnen in einer Angelegenheit, vie pi mehr als alle anderen zu Herzen geht, zu die⸗ nen? Warum wollen Sie mit aller Gewalt in Selbſttaͤuſchung verharren 2 warum die ſchoͤnſten Tage Ihres Lebens verlieren? My— lord, das heißt nicht als ein weiſer Mann handeln, und Sie muͤſſen mich mit Geduld anhoͤren, bis ich Ihnen Alles erzählt habe, was ich erſt geftern noch erfuhr.“ Dieſen neuen Angriff hatte der Graf nicht erwartet; aber Wylie übte in dieſem Augen⸗

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blick einen Einfluß uͤber ſein Inneres aus, dem er ſich ſchlechterdings nicht entziehen konnte. Er ſetzte ſich daher auf das Sofa, und hörte, ohne ihn zu unterbrechen, die Er: zahlung von der Unterhaltung mit an, welche André in Betreff der Geburt des Kindes der Roſe und Krone mit dem Doktor Saffron gehabt hatte. In der heftigſten Bewegung ſprang er dann auf, und eilte ploͤtzlich aus dem Zimmer in den Park. Andre wollte ihn zurückhalten, und ergriff ihn ſogar an ſeinen en; aber der Graf machte ſich von ihm los, gab ihm ein Zeichen, ihm nicht zu

folgen, und machte die Thür hinter ſich zu. AUnruhig erwartete nun Andre feine Rück kehr und den Erfolg der ihm gemachten Ent: deckung. Im tiefſten Nachdenken am Fenſter ſtehend, ſah er auf einmal eine Poſtehaiſe vor dem Schloſſe halten, und einen ihm un⸗ bekannten Mann mie der größten Haft aus⸗ ſteigen. Es war der Lord Riversdale, Bruder der Gräfin Sandyford, welcher ſchon ſeit mehreren Jahren ſich im Auslande auf⸗ gehalten hatte, und jetzt, auf einen Brief von

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feiner Schweſter, nach England zuruͤckgekehrt war. Kaum auf dieſer Inſel angekommen, eilte er, ehe er noch ſeinen Vater und ſeine Schweſter ſehen wollte, mit dem Grafen San⸗ dyford, ſeinem alten Freunde, eine Unterre⸗ dung zu haben. i

Dem Portier, welcher ihn in der Hausflur nach ſeinem Namen fragte, um ihn anmelden zu laſſen, antwortete der Lord, daß er ſich nur dem Grafen ſelbſt zu erkennen geben wolle; und er wurde daher durch einen Lakaien nach dem Zimmer gefuͤhrt, in welchem ſich André befand, und wo man auch den Grafen vermuthete. André warf einen Blick des Mißtrauens und der Neugier auf die ſchwaͤch— liche und blaſſe Figur, welche ſo unerwartet eintrat. | „Man ſagte mir, daß der Graf Sandyford in dieſem Zimmer ſei,“ redete der Lord ihn an, indem er Wine machte, wieder umzu⸗ lehren.

„Er hat mich ſo eben ae iwas tete André, und wird auf jeden Fall bald zuruͤckkommen. Wollen Sie ſich die Muͤhe

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geben, ſich zu ſetzen?“ In dieſem Augenblick fiel André'n die große Aehnlichkeit des Lords mit ſeiner Schweſter auf. Schon öfters hatte er von ihm ſprechen hoͤren, und er zweifelte nicht, daß er nur deßwegen aus dem Aus⸗ lande nach England gekommen ſei, um der Graͤfin gegen ihren Gemahl Huͤlfe zu leiſten. Ein unbeſchreibliches Gefuͤhl von Unruhe be— maͤchtigte Andre's; er fürchtete, daß der Lord Alles wieder verderben wuͤrde, was er ſo eben gut gemacht zu haben glaubte; und doch war er noch nicht gewiß, ob es Lord Riversdale wirklich ſei. Er beſchloß endlich, ſich auf ſeine gewoͤhnliche Weiſe aus dieſer Verlegen⸗ heit zu ziehen, und uz nach einiger Ueber legung:

„Mylord Riversdale! ich bin der Mei⸗ nung, daß es gut ſein wuͤrde, den Grafen vorher wiſſen zu laſſen, daß Ihre Herrlichkeit es ſind, die ihn ſprechen wollen.“ N

Riversdale, dem ſchon André's Aeußeres aufgefallen war, erſtaunte, ſich von einem Unbekannten beim Namen nennen, mit die N ſen Worten und dieſem Tone anreden zu hoͤ⸗ 6

ren. Er ſah ihn aufmerkſam vom Kopf bis zu den Fuͤßen an, und ſagte: „Sie kennen mich? Ich ſetze voraus, daß Sie Mylords Vertrauen beſitzen, da Sie meinen, daß es gut fein würde, ihm Seit zu laſſen, zu übers legen, ob er mich ſprechen will oder nicht.““ Auf dieſe Worte ging unſer Held mit einer feſten und entſchloſſenen Miene auf den Lord zu, und ſagte mit der groͤßten Kaltbluͤ⸗ tigkeit: „Der Graf iſt mein Freund und mein Wohlthaäter. Ich habe fo eben mit ihm, viel⸗ leicht etwas zu freimuͤthig, wahrſcheinlich über dieſelbe Angelegenheit geſprochen, welche Sie hierher fuͤhrt. Wenn Sie alſo meinem Rath folgen wollen, ſo werden Sie ihn nicht zu ſprechen ſuchen, ehe wir wiſſen, was fuͤr ei— nen Erfolg bei ihm meine Ermahnung haben wird, die zum Zweck hatte, der ungluͤcklichen Lage jener armen Dame, Ihrer Gräfin Schwe- ſter, ein Ziel zu ſetzen.“ 1 6 „Und wer ſind Sie denn, um ſos zu ſpre⸗ chen?“ rief Riversdale aus, uͤber dieſen freien Ton erſtaunt. f 7 0 „Ein Freund, antwortete Andre‘ ruhig,

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Ich verſichere Sie, Mylord, fuhr er etwas lebhafter fort, daß Sie mir erlauben muͤſſen, Sie in dieſer Angelegenheit zu leiten. Denn feit einer gewiſſen Zeit iſt der Graf ein uns bäaͤndiges Pferd, welches die Zuͤgel abgeſtreift hat; und er gleicht einem in die Höhe flie— genden Champagnerpfropfen, ſobald man in ſeiner Gegenwart nur en Namen 5 nennt.“ N Lord Riversdale ruͤckte einige Schritte zu⸗ kuͤck, die Augen mit Verwunderung auf eine | ihm ganz neue Erſcheinung gerichtet, auf ein originelles, ſeltſames Weſen, das er noch nie geſehen hatte, und welches mit ſolcher Vertrau⸗ lichkeit zu ihm redete. André folgte ihm, nahm einen Stuhl und ſetzte ſich neben ihn. „Mylord, fuhr er fort, ich bitte Sie, 8 aufmerkſam anzuhören, was ich Ihnen zu fas | gen habe. Ich bin der Meinung, daß es eine vortreffliche Sache für unſere Freunde ſein wuͤrde, wenn Sie und ich, ehe wir noch laͤnger den Grafen beſtuͤrmen, dieſe Angele— genheit mit der Gräfin. zu Stande bringen kennen, indem wir eine kleine freundſchaft⸗

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liche Unterredung mit ihr in jenem alten Schloſſe hielten, wo ſie ſich wie eine Nacht⸗ eule eingeniſtet hat. Was meinen Sie?“

„Bei Gott, das iſt das außerordentlichſte Abenteuer, das mir bisher begegnet iſt! Es gehoͤrt wahrlich eine außerordentliche Urſache dazu, um einem Menſchen von dieſem Aeu⸗ ßeren

„Was thut hier mein Aeußeres? fagte Eu

André ungeduldig; was hat es mit der Klug

heit, mit der Wahrheit zu thun? Entweder 1

ich taͤuſche mich ſehr, Mylord, oder Mylady wird mich gern mit Ihnen ankommen ſehen. Und in der That ſcheinen Sie mir auch eine viel zu kitzliche Haut zu haben, als daß ich Sie mit einem Manne, wie der Graf iſt, allein laſſen koͤnnte, der jetzt immer bereit iſt, ſich zu baͤumen. Es giebt bereits genug boͤſes Blut zwiſchen Ihnen Beiden.“ N

„Und doch glaube ich nicht, antwortete der Lord halb laͤchelnd, daß ein Streit zwi⸗ ſchen uns Beiden zu fuͤrchten iſt, Graf San⸗ dyford iſt mein alter Freund.“

„Das kann Alles wahr ſein, aber 10

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traue Ihnen nicht. Der Graf iſt noch nicht

aufgelegt, Ihrer Schweſter Gerechtigkeit wi⸗ derfahren zu laſſen; und wenn Sie die Graͤ— fin lieben, wie ich nicht zweifle, wenn Sie Muth haben, wie mir dieß gewiß ſcheint: was kann Ihre Zuſammenkunft für einen ans dern Erfolg haben, als daß Sie mit blanken Degen gegen einander uͤber ſtehen?“

„Sandyford kann unmoglich auf eine ſolche ſeiner unwuͤrdige Art handeln, rief Riversdale,

mehr als jemals erſtaunt, aus.

„Moͤglich oder nicht; aber was ich Ihnen ſage, iſt ſicher, iſt ganz gewiß.“ | In dieſem Falle iſt es nur um fo noͤ— thiger, daß ich ihn ſogleich ſpreche! ſchrie der Lord, plotzlich aufſtehend.

„Holla! hola! ſagte André, ihn zuruͤck⸗ haltend, und ihn ſanft auf den Stuhl wieder niederdruͤckend. Nicht gleich ſo hitzig! Setzen Sie ſich, und hören Sie ruhig / was ich Ihnen ſagen werde. Haben Sie denn den el im Leibe?“

Lord Riversdale nahm feinen vorigen Platz wieder ein, und André ſetzte ihm nun die

i Art auseinander, wie der Graf ſeit der Tren⸗ nung von ſeiner Frau lebte, wie ein gehei⸗ mer Kummer an ſeinem Herzen nagte, wel⸗ cher Verdacht ſich gegen die Gräfin erhoben hatte; kurz alle die Umſtaͤnde, welche dem Leſer ſchon bekannt ſind.

„Nach allem dieſem, Mylord, fuͤgte er hinzu, muͤſſen Sie einſehen, daß uͤber dem Betragen der Gräfin noch ein Nebel ſchwebt. und ich bin der Meinung, daß unſere a Sorge fein muß, ihn zu verſcheuchen, ehe Sie den Grafen ſprechen koͤnnen.“

Riversdale war von der Deutlichkeit, Ver: ſtaͤndlichkeit und Klugheit betroffen, welche in André's Worten herrſchte, und geſtand ſich ſelbſt, daß er zuerſt uͤber das Betragen der Gräfin einige Aufklärung haben moͤchte, die fie ſelbſt nur geben konnte. Er kam daher endlich mit Andren uͤberein, daß ſie ſogleich nach Britonsbeild abreiſen, und den Grafen ſeinem Nachdenken uͤberlaſſen wollten. „Denn, ſagte André, dieſe Reiſe wird das zerbrochene Porzellan wieder ganz machen, oder es in

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tauſend Stucke zerſchmettern; und in manchen Faͤllen iſt es am beſten: je eher, je lieber!“ Der Lord ſtieg alſo, in Begleitung Andre's, wieder in ſeine Poſtehaiſe, und reiſete ab, ohne daß ſein Schwager von ſeiner Ankunft unter⸗ richtet wurde. Auf dem halben Wege aber mußte Riversdale, der nur eine hoͤchſt ſchwaͤch⸗ liche Geſundheit hatte, und von ſeiner bisher gemachten weiten Reiſe ſchon ſehr ermuͤdet Nr, in einem Saſthofe zurückbleiben, um ſich, nach dem Rathe Wylie's, eine Nacht uͤber auszuruhen, während dieſer voraus fuhr, um der Gräfin die Ankunft ihres Bruders zu melden. Als der Graf aus dem Park in's Schloß zuruͤckkam, und Wylie'n in feinem Bibliothek: zimmer nicht mehr fand, klingelte er einem Bedienten, und fragte nach ihm. Da dieſer von der Abweſenheit des Grafen und ſeinem Spaziergange im Garten nichts wußte, wun⸗ derte er ſich uͤber dieſe Frage, und ſagte: daß Sit Wylie ſchon ſeit einer Stunde mit einem fremden Herrn, der in einer Poſtchaiſe hier angekommen ſei, ohne ſeinen Namen zu nen⸗ nen, abgereiſt ſei. . II. Thl, 4

on MN

120 Sandyford erſtaunte, und ſuchte vergebens zu entraͤthſeln, wer der Fremde geweſen ſei. Er machte ſich Vorwürfe, Andre’n fo plötzlich verlaſſen, und vielleicht ſein Gefuͤhl gekraͤnkt zu haben. Daher ſchrieb er ſogleich an ihn nach London, wohin er ihn zuruͤckgetehrt glaubte, und bat ihn, ſo ſchnell als e wieder du ihm zu kommen.

Vierzehntes Be 5 Es war ſchon ziemlich ſpat, als Andre im Schloſſe Britonsbeild ankam, und als er an der Thuͤrglocke zog, war die Gräfin ſo eben im Begriff, ihren Thee einzunehmen. Indem er über: die Flur ging, ſagte er Flounce'n einige Scherze; die Graͤfin erkannte ſeine Stimme, ſtand ſogleich auf, und oͤffnete ihm ſelbſt die Thuͤr des Salons, um Bi we em⸗ pfangen. SH. 1 1 „Ihr Beſuch ie: mir eben fe en als unerwartet, Wylie,“ ſagte ſie, ihm ihre Hand mit einer Herzlichkeit entgegenſtreckend, welche ganz verſchieden von der ihr fruͤher gewoͤhnlichen, abgemeſſenen Höflichkeit, war;

* 31 |

Andre erwartete eine fo freundliche Aufnahme

nicht, und er war davon um fd mehr übers

raſcht / als er nicht ohne Kummer die blaſſen

Wangen, die einfache und faſt nachlaͤſſige

Kleidung einer Frau erblickte, die er fruͤher nur von Reiz und Schmuck überſtralend ges ſeben hatte. | Die Gräfin feste ihm ſelbſt einen Stuhl ; EN; Ren den ihrigen, ladete ihn ein, ſich nieder> id ulaſſen, ſchenkte ihm eine Taſſe Thee ein, en ſagte: „Ich ſetze voraus, daß Sie in e waren, und hoffe, fuͤgte ſie mit einem leichten Zittern in ihrer Stimme: u daß Sie Mylord bei guter eee een haben.“

„O ja, Mylady, er iſt geſund, wenigſtens bege er nicht zu Bette, wie ich geſehen habe. Aber mein Gott, in welchem finſtern trauri⸗ gen Neſte wohnen Sie hier, Mylady! Ich bin wahrhaftig nicht erſtaunt, daß Sie einen jungen Galant, wie ich bin, ſo gut aufneh⸗

men; denn Sie muͤſſen Allen, die Sie beſu— chen, eine gute Miene machen, wenn Sie nicht wollen, daß man raſch wieder davoneilt. Sie Be. N Men

*

BR.

haben wahrſcheinlich Ihren Gäften hier kein anderes Vergnügen darzubieten, als die Mufif des Windes, der hier ſtets durch das Schluͤſſel⸗ loch pfeift. Sie ſind uͤberraſcht, mich zu ſehen, Mylady, und ich merke wohl, Sie den⸗ ken, daß ich um Nichts gewiß nicht hierher gekommen bin.“

Die Graͤfin ſeufzte, und antwortete nicht, obgleich Andre ſchwieg, als wenn er ihre Ant⸗ wort erwartete. „Gewiß, Mylady, fuhr 9 endlich fort, Niemand wuͤrde es fruͤher ge⸗ glaubt haben, daß eine Frau von Ihrem Alter und von Ihrem Verſtande ſich ſo in ein altes Schloß einmauern wuͤrde, wie eine Nonne in ein Kloſter.“ | 5 x

„Ich habe noch nicht auf die Welt vers zichtet, ſagte die Gräfin. Ich will nur ruhig hier erwarten, welchen Ausgang wohl die ſelt⸗ ſame Lage, in der ich mich befinde, noch neh⸗ men konnte. Ich kenne meine Unſchuld, und hoffe, früh oder ſpaͤt meiner jetzigen Leiden wegen entſchaͤdigt zu werden. Mein ganzes Vergehen iſt nur eine Unvorſichtigkeit.“ |

„Die Unvorſichtigkeit, von welcher PR

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ſprechen, Mylady, iſt ohne Zweifel, daß Sie dem Rathe des alten Diplomaten, des Mar⸗ quis, Ihres Vaters, gefolgt ſind?“ a Ganz recht, Wylie; ich habe mir ſonſt keinen andern Fehler gegen meinen Mann vorzuwerfen, um deſſen willen ich ſo ſtrenge behandelt werden koͤnnte.“ f 5

„Aber wenn Sie dieſen Fehler erkannten, warum kehrten Sie nicht zu Ihrem Gemahle, ein Schnupftuch vor den Augen, und waͤre es auch nur der Wohlanſtändigkeit wegen gewe⸗ ‚fen, wieder zuruͤck?“ An Ich glaube, daß ich als eine Frau, die nur zur Haͤlfte Unrecht hatte, Alles gethan habe, was man von mir erwarten konnte, indem ich mich zu der Mutter meines Man— nes nach Elderbower begab.“ „Was das betrifft, ſo kann ich N da⸗

wider ſagen.“ N

„Nun wohl; aber was ſolte ich nachher anfangen? Was ſoll ich jetzt beginnen? Wuͤßte ich einen guten Weg, ich wuͤrde ihn verfol⸗ gen, ohne daß man mich dazu einladete. Ich will frei mit Ihnen reden, Wylie. Als

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Frauenzimmer uͤberhaupt denke ich, wenn Sandyford eine Ausſoͤhnung wuͤnſchte, fo wäre es an ihm, als Mann, den Anfang dazu zu machen; dieß wäre ein Schritt, deſſen ganzen Werth ich fuͤhlen wuͤrde. Aber als Gat würde ich nicht bei einer leeren Etikette ſtehen bleiben. Wünſcht er mich wiederzuſehen? Sa⸗ gen Sie mir nur ein Wort, und ich eile ſogleich zu ihm; ich wuͤrde die Vergangenheit vergeſſen, und mein ganzes W ene Gluͤcke widmen.“ |

Andre erſtaunte über dieſe Sen ee die er durchaus nicht erwartet harte, und da er nicht beſtimmt auf ihre Frage antworten konnte, ſo rief er aus: „Mylord iſt ein Narr! Er fuͤhlt den Werth des Geſchenkes nicht, das ihm der Himmel gemacht hat! Er kennt den 550 Werth der Perle nicht, die er von ſich wirft!“ |

Die Gräfin laͤchelte über dieſen Enthuſias⸗ mus, und ſchien nicht unzufrieden über das Kompliment. „Nun, guter Freund, ſagte ſie, laſſen Sie uns von andern Dingen ſprechen. | Es ſei! ich kann nicht zu Sandyford zuruͤck⸗ kehren, wenn er es nicht wünſcht. /

| SR „Ich habe Ihnen ja nicht geſagt, daß. er

es nicht wuͤnſcht! rief André aus; im Gegen⸗ theil, ich glaube, daß nichts in der Welt ihm mehr Vergnügen machen wuͤrde, als Sie in Chaſtington⸗Hall zu ſehen. Aber ....“

e Hier hielt er ploͤtzlich inne, und die Graͤ⸗ ſin ſah mit Verwunderung ſeine Verlegenheit, welche aus ſeinem Widerwillen hervorging, von den Angelegenheiten mit Sir Jerrew etwas zu erwähnen. Ein Augenblick des Nach⸗ denkens beſtimmte ihn endlich, fuͤr jetzt von dieſem Gegenſtande abzubrechen.

„Aber, um uns nicht mit unglücklichen Ber gebenheiten zu beſchaͤftigen, fuhr er fort, will ich Ihnen eine gute Nachricht mittheilen, Mylady. Ihr Vruder iſt angekommen, und wird morgen früh hier eintreffen.“ Er er⸗

zählte ihr jetzt die Art ſeines Zuſammentreffens

mit ihm, und warum er ihn uͤberredet habe, den Grafen Sandyford noch nicht zu ſprechen. | Die Gräfin, welche mit der größten Ruhe zugehört hatte, bemerkte endlich, daß ſie nicht einfähe, warum er einen Streit zwiſchen ihnen; Seiten; befürchtet hätte, da fie doch e

* 86 ſei, daß ſie nicht die Wegahleſewe davon werden koͤnne.

„Ich weiß es eigentlich ſelbſt küche ant⸗ wortete André, durch dieſe Bemerkung einen Augenblick lang außer Jaſſung gebracht; denn, Mylady, da ich es Ihnen doch ſagen ſoll, My⸗

lord iſt ſo hart wie Eiſen, und will ſelbſt nicht einmal Ihre Rechtfertigung mit anhoͤren.“

Die Gräfin ſtand auf, und ging einige Male, wie verwirrt, im Zimmer auf und nie⸗ der. Endlich kamen ihr die Thraͤnen zu Huͤlfe, und ſie ſagte ſchluchzend: „Ich haͤtte nicht ge⸗ glaubt, daß Sandyford ſo 3 We an mir nahme,

Dieſer Ton und diefe Worte ee Wylie's Herz. Er ſah, daß die Gräfin feiner Rede einen andern Sinn unterſchob, als er ſelbſt ihr eigentlich hatte geben wollen, und verſuchte daher, das Uebel wieder gut zu machen. „Ich bin der Meinung, Mylady, ſagte er, daß daran etwas Anderes Schuld iſt. Er nimmt mehr Antheil an Ihnen, als er ſelbſt glaubt und Andern glauben machen: möchte, vorzüglich, weil er ſich einbildet, daß Sis ſich

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am ihn nicht bekümmern. Uebrigens werden

wir ja morgen mit Ihrem Bruder das Wei⸗ tere ſehen; aber Sie wuͤrden uns viele Muͤhe erſparen, wenn Sie Ihre Beine unter die Arme nehmen, und mit uns einen Abſtecher nach Chaſtington „Hall machen wollten. Sie wuͤrden ſi ch gewiß am beſten unter vier ae mit Mylord verſtaͤndigen.“

Die Gräfin lächelte, und ſuchte das Ge⸗ | ſpräch auf andere Dinge zu bringen; ſie fragte ihn nach ihren Bekannten in London, und fo’ A beide den Abend.

Als André am andern Morgen mit der Geh eben beim Fruͤhſtuͤck ſaß, kam Lord Riversdale an, und die Lady eilte ihm ſchon bis auf die Treppe entgegen, um ihn zu um⸗ armen. André bemerkte aber nach den erſten Freudebezeigungen des Wiederſehens, daß das Geſpraͤch anfing, empfindſam zu werden, und bediente ſich daher ſeiner guten Laune, um ihm eine andere Wendung zu geben; denn er rechnete darauf, erſt nach dem Fruͤhſtück feine) Batterien ſpielen zu laſſen, und die Gräfin: allinälig zur Erklarung der ihm noch

dunklen 0 mit an zu fuͤhren. . 1 Nach beendigter Mahlzeit ber hi ſich in den Lieblingsſalon der Gräfin, der ſich auf der Suͤdſeite des Schloſſes in einem achtek⸗ kigen Thurme befand, und Andre eröffnete jetzt feinen Angriff: „Nun, Mylady! ſagte er, glauben Sie wohl, daß ich die ganze Nacht an Sie gedacht habe, ſo wie an dieſen hals⸗ ſtarrigen Lord Sandyford? Alles, was ich nun bei der ganzen Sache zu bemerken finde, iſt, daß Sie ſich mit ihm zu verſoͤhnen wuͤnſchen, und daß er es gleichfalls wanne aber daß er Zweifel hegt.“ 7

„Zweifel? ſagte die⸗ Gröfin. Was 80 nd das für Zweifel, und wie kann ich re ent⸗ fernen?“

„Ich bin der eee Mofas, n der Brief, welchen Ihnen die alte Wittwe ge⸗ ſchrieben hat, auf dieſe beiden Fragen ant⸗ wortet, und daß Sie wohl fühlen muͤſſen, wie ſehr man wünſchen muß, einige Erklärung . über die Zuſammenkuͤnfte zu erhalten, die Sie mit einem gewiſſen Six! Her cam gehabt

ade N

haben .... O weh! das wege Wort 1

lich heraus!“ | Die Gräfin erzählte Hierauf mit en fo viel Ruhe als Kaltbluͤtigkeit die Begebenheit,

wodurch ſie Fertew hatte kennen lernen; fie beſchrieb die Art von Wuth, womit er ihr

nachher alle moͤglichen Aufmerkſamkeiten be⸗ wies, und ſich gewiſſermaßen an jeden ihrer Fußtritte feſſelte; fie ſetzte endlich die Um⸗ fände auseinander, welche Bezug auf das Kind der Roſe und der Krone hatten, ſo wie

die zufälligen Urſachen, welche Veranlaſſung

waren, daß Ferrew ihr zweimal, ſeit ihrer Abreiſe von London, begegnete.

„Wie Schade! rief Lord Riversdale, ba der Graf nicht diefen Ton der Wahrheit und Aufrichtigkeit mit anhoͤrte! Gewiß, er würde keinen andern Beweis deiner Unſchuld ver⸗ langen Ari

„Aber ich fürchte, daß ihm ſehr wenig

Falch gelegen iſt, ob ich ſchuldig oder Ae dig bin, ſagte die Graͤfin ſeufzend; ſein Herz

iſt sch. n lange dem meinigen entfremdet.“ icht fein Herz, antwortete André leb⸗

* w Fr Ric,

haft, fondern nur fein Kopf, und bei der Meinung, die er von Ihnen hat, Mylady, giebt er keinen großen Beweis * Sa blicks.“ n oi

Ach! Wylie! rief die Gräfin, ziehen Sie ſeinen Scharfblick nicht in Zweifel. Ich ſelbſt muß ſeiner Rechtlichkeit, Geradheit und ſeinem Verſtande Gerechtigkeit widerfahren laſſen, und wenn ich an die Vergangenheit zuruck⸗ denke, ſo muß ich erſtaunen, wie er es nur ſo lange mit mir hat aushalten koͤnnen. Ich weiß es, ich habe mich allzuſehr den falſchen Grundſaͤtzen und Anſichten der 1 Welt hingegeben.“

Die Aufrichtigkeit, Betruͤbniß und Wurde 5 womit die Gräfin dieſe Worte ausſprach, er⸗ regten Andre's Bewunderung, und Lord Ki: verödale, unfähig feiner Ruͤhrung zu wider⸗ ſtehen, ſtand ploͤtzlich auf, näherte ſich einem Fenſter, und blieb dort einige Minuten ‚file ſchweigend ſtehen. RO

8 Nes; 95 „Auguſte, ſagte er endlich, ich werde Low Sandyford ſprechen z er kann untaöglich zu⸗

1

geben, daß du dich ſelbſt ſo opferſt, denn ich

kenne den Adel ſeiner Seele.“ 1

Die Gräfin, ſah einen Augenblick ihren Bruder ruhig an, und ſagte dann: „Ich glaubte, du fennteft mich beſſer, Riversdale. Niemals werde ich einwilligen, zu Lord Sandyford als ein Gegenſtand ſeines Mitleidens, nicht einmal

‚feiner Großwuth, zurückzukehren. Ich nahm

nichts weniger an, als feine. ganze

0 Sberlchkeit, nicht, weil ich behaupte, ein Recht darauf zu haben, ſondern weil ich fie jetzt zu verdienen wiſſen werde.“

| Mitt dieſen Worten ging ſie aus dem Zim⸗ mer, waͤhrend ihr Bruder eben ſo eee als in Verlegenheit war.

„Nun, Mylord, haben Sie jemals zwei fo eingefleiſchte Teufel geſehen, die recht ges macht dazu ſcheinen, zwei rechtliche Maͤnner, wie Sie und ich, zu quälen? Aber verdammt will ich ſein, wenn ſie mich überliften koͤnnen. Wir reiſen jetzt zuſammen nach Chaſtington⸗ Hall, Mylord, und wir wollen ſehen, ob wir es nicht durchfuͤhren, was ich mir in den

*

62s = Kopf geſetzt babe, ai ie beide) Bi. glücklich zu machen. 95 „Sie ſind ein wb relflch Se ie der Lord, und ich fuͤhle, daß die Oewalt Ihres gefunden Verſtandes mich mit fortzieht, ob⸗ gleich das Zartgefuͤhl mich zurückhalten ſollte.“ 8 1 „Das Zartgefühl! Mylord! Und was iſt denn dieſes Zartgefuͤhl?, Eine ak womit die Kinder fpielen. Mit dergle Dingen befaſſe ich mich nicht wenn ii gutes Werk vorhabe. Wir wollen die E haiſe wieder beſteigen, womit Sie hierher gekom⸗ men ſind, und ohne Zeitverluſt nach Chaſting⸗ ton abreiſen.“ Und eine halbe Stunde da⸗ rauf ſaßen beide gluͤcklich im Wagen.

„Das kann ſo nicht länger bleiben, My⸗ lord, ſagte André, als er die zerſtreute und melancholiſche Miene des Grafen Sandyfors bemerkte; Sie gleichen einer Gans, die zu lange am Spieße bratet; alles Fett ſchmilzt, und es bleibt nur ein hartes Fleiſch uͤbrig, das man hoͤchſtens den Hunde e Tann.“

„Sie ſind's, Wylie! rief der ee Wos

iſt denn aus Ihnen geworden? Warum haben Sie mich denn ſo plotzlich verlaſſen?s „Ich Sie verlaſſen, Mylord?“ „Nun! aber wo ſind Sie genen Was haben Sie gemacht““ „Ich bin der Meinung, daß es ein wenig Nachdenken erfordert, ehe man zwei Fragen in einem Athem beantworten kann. Uebrigens

5 können wir fie ganz unbeantwortet laſſen,

. venigſtens fuͤr jetzt, denn ich habe Ihnen külchterliche Neuigkeiten mitzutheilen.“ „Wirklich? fragte der Graf unruhig. Was giebt's denn? Haben Sie etwas Neues erfahren, das Beziehung auf die Gräfin hat?“ „Sie wiſſen, daß Sie mir verboten haben, von ihr zu ſprechen. Die arme Dame! ſagte André geheim nißvoll; aber was ich erfahren habe, iſt etwas ganz Anderes.“ „Sind etwa die Franzoſen gelandet?“ fragte der Graf, ſich bemuͤhend, ſeine Melan⸗ cholie zu unterdruͤc el einen e Ton anzunehmen. ki „Ich will nicht ſagen, . die Feinde des | Königs in England find; aber ich weiß, daß

*

1

3 * 1 99 Jemand angekommen iſt, den Sie vielleicht nicht

ſehr gern ſehen werden: Lord Riversdale.“ „O, ich weiß es ſchon. Man hat mir ſogar geſagt, daß er hier geweſen ſein ſoll.“ „Nun gut, Mylord; ſoll ich ihm melden, daß Sie bereit ſind, ihn zu empfangen?“ „Er iſt alſo jetzt mit Ihnen hier? Sie waren wohl mit ihm bei der i a der Graf uͤberraſcht.“

. jetzt beide hier.“ 0 pille Lord Sandyford antwortete bi er

ging, heftig bewegt, in dem Zimmer auf und

nieder, ſeine Hand von Zeit zu Zeit an die

Stirn bringend, und nur mit Mühe Athem

holend. André beunruhigte ſich uͤber n Zuſtand des Grafen. |

„Sollten Sie ſich nicht wohl Bea Mylord? fragte er mit dem Ausdruck des Schmerzes. Ich fuß au weit gegangen zu fein.“

„Nein, Wylie, nein, antwortete der er Graf etwas ruhiger, aber ohne ihn anzuſehen; nicht weiter, als es ein Freund thun mußte.“

1

„Ja, Mylord, wir waren beide Eder, 0 .

*

Einige Minuten gingen ſtillſchweigend voruͤber, und eugenſcheinlich ſuchte der Graf ſeine innere Bewegung zu beherrſchen. End—

Iich ſetzte er ſich, und ſagte ſeufzend zu André: „Ich ſehe wohl, ich muß mich uͤberwinden, ich kann mich dem Beſuche des Lords nicht

entziehen. Führen Sie ihn alſo zu mir; aber jetzt noch nicht, laſſen Sie mir einige Augen⸗

Alle, um mich vorzubereiten.

André machte eine Bewegung, um fh 5

nen: aber als er fo eben die Thür öffnen

wollte, ſah er fih zufällig noch einmal um,

und erſchrak, als er die bleichen und zerſtoͤr⸗

ten Geſichtszuͤge des Lords Sanpnford ber

3

4 „Wyle rief der Graf mit einer r Stimme, die ſeine Rührung ankuͤndigte, Sie haben mich

durch Ihre Freundſchaft gerettet; Sie haben

mir die Augen geoͤffnet, und es mich fuͤhlen laſſen, daß mein Betragen meiner unwuͤrdig war. Meine Ehre und mein BA 59 0 in Ihren Haͤnden ae N 5

André war außer ſich ser 3 Worte;

er wollte reden, aber ſeine gunge perſagte ihm

Ba 5

PN Wer

den Dienſt; daher kehrte er ſich ploͤtzlich um, und verließ das Zimmer, um den Lord Rivers⸗ dale einzufuͤhren.

Der Graf und Lord Riversdole e einander mit einer kalten Hoͤflichkeit. Letzterer eröffnete die Unterhaltung, und Außerte fein tiefſtes Bedauern, daß die Verſchiedenheit des Charakters, die zwiſchen dem Grafen und ſei⸗ ner Gemahlin herrſchte, dieſe Zuſammenkunft

nöthig gemacht habe. Er ſprach hierauf fehe

weitlaͤuftig, und ohne nur ein einziges Mal unterbrochen zu werden, von den Begebenhei⸗ ten in Bezug auf Ferrew und das Kind, und endete endlich damit, daß er bemerkte, wie leicht es dem Grafen geweſen ſein wuͤrde, die Wahrheit zu entdecken, wenn er hierüber e eine ernſthafte Unterſuchung angeftelle hätte, „Ich würde nicht ermangelt haben, es zu thun, antwortete der Graf, wenn dieſe Ange⸗ legenheit fuͤr meine Perſoͤnlichkeit nur im mindeſten wichtig geweſen waͤre; aber da ich fühlte, daß ich als ein Mann von Ehre mir nicht erlauben konnte, irgend ein gerichtliches Verfahren gegen Lady Sandyford einzuleiten:

67 ſo hatte ich nicht noͤthig, von einer Sache, die mir ſchon hinreichend bewieſen zu ſein ſchien, neue Beweiſe aufzuſuchen.“

„Aber meine Schweſter iſt unſchuldig, rief, Riversdale; das gediegenſte Gold iſt, ns reiner, als ihre Ehre!“

„Ich freue mich, es zu hoͤren,“ antwortete Sandyford kalt. g

„Aber welchen Weg wollen Sie denn nun einfangen?“

„Ich will Alles thun, was ich im nee bin, um fie gluͤcklich zu machen. Was wuͤnſcht fie, um gluͤcklich zu ſein? Die Bewunderung: und die Huldigungen der Welt. Nun gut, ich werde ihr ein hinreichendes Einkommen fern er fie ihrer Eitelkeit RER lei⸗ ſten k.

0 * un wird dieſes Anerbieten ! mit F tung von ſich weiſen, Mylord, und ich ſehe mit Bedauern, daß Sie fie weder zu ſchaͤtzen wiſſen, noch ihr F wien laſſen.“ f Riversdale ſprach dieſe Worte mit % | ſchmerzhaftem Tone aus, daß Sandyford da | 3 1

68 \ durch beinahe außer Faſſung kam. Doch blieb er Herr uͤber ſich, und ſetzte ihm nun mit der groͤßten Kaltbluͤtigkeit auseinander, wie er bereits mehrere Jahre mit der Graͤfin ver—

heirathet geweſen ſei, ohne daß er jemals von

ihr irgend einen Beweis ihrer Zuneigung er⸗ halten habe; wie ihr ganzes Gluͤck nur darin beſtanden habe, in der großen Welt zu glaͤn⸗

zen, > Yan er alſo fe muͤſſe, eie ä

Hut

es enblich auf dieſe if fuͤr beide Theile |

am beſten fein würde, bei der einmal geſche⸗ henen Trennung zu beharren. Alles dieſes machte einen tiefen Eindruck auf das zarte

3

und feinfühlende Gemuͤth des Lords Rivers⸗

dale. Nachdenkend ſaß er eine geit lang, ohne ein Wort zu erwiedern, und ein allgemeines Stillſchweigen herrſchte mehrere Minuten hin⸗ durch, bis ſich Riversdale endlich wie ein

Mann, der ſeinen Entſchluß gefaßt hat, erhob.

„Mylord, ſagte er zum Grafen, ich fühle die ganze Wichtigkeit deſſen, was Sie ſo eben geſagt haben. Das Ungluͤck meiner Schweſter ſchmerzt mich tief, aber ich ſehe kein Mittel,

1

| ihm abzuhelfen. Laſſen Sie uns alſo nicht weiter von dieſer n Ae ö ſprechen.“ | Lord Sandyford gab ein 1 mit ſei⸗ nem Kopfe, um anzudeuten, daß er hiermit einverſtanden ſei; und um das Gefpräch auf andere Gegenſtaͤnde zu lenken, fing er an, von der Weltbegebenheit zu ſprechen, welche damals alle Gemuͤther beſchäftigte, von der franzoͤſiſchen 8 als André ihn ter wine brach. N 0 W Wr und Erde! rief er aus; ſind Sie denn nicht recht bei Verſtande? Und das iſt nichts, daß die Gräfin ihren ehemaligen Fehler einſieht, daß ſie den Grafen liebt, und nur ſeine Liebe zu beſitzen wuͤnſcht? Was! und alle meine Muͤhe, alle meine Sorgen, meine Arbeiten hatten nun keinen andern Ausgang, als ein Gewaͤſch uͤber die Narrheiten, die man in Frankreich begeht? Was heißt das, My⸗ lord? Und Sie, Lord Riversdale, iſt Ihnen der Kopf verwirrt? Soll Lady Sandyford in Kummer und Entehrung, die ſie nicht

verdient hat, umkommen? Ich bin

70 der Meinung, dig dieß ſo nahe enden kann!“

Mit dieſen Worten, und ER cht Na über feine Abſichten zu erklaren, verließ e plotzlich, warf ſich in die poſtehaiſe. welche noch im Hofe hielt, und war auf dem Wege nach Britonsbeild, ehe ſich noch die beiden Lords von dem Erſtaunen erholt hatten, das ihnen ſein Betragen verurſachte.

Er kam in Britonsbeild in dem Augen⸗ blick an, wo die Gräfin fo eben ihre einſame

Mittagsmahlzeit beendigt hatte; und fie ers

kannte ſogleich, als fie ihn erblickte, daß er ihr eine wichtige Nachricht braͤchte. Daher ſchickte fie die Bedienten fort, und ſtand vom Tiſche auf, um ihn zu empfangen. „Ihr Narr von Bruder und Ihr Tollkopf von Mann, ſagte André, haben in ihren gan⸗ zen Leibern nicht ſo viel geſunden Menſchen⸗ verſtand, als Sie in der Spitze ihres kleinen Fingers, Mylady. Sie muͤſſen mit mir nach Chaſtington fahren, ſonſt wird es mich nicht wundern, daß jene . un 1 gegen Sie verbinden.“

71

„Was wollen Sie ſagen?“ rief Lady

Sandyford, auf ihren Stuhl zuruͤckſinkend. „Was ich ſagen will, Mylady? Daß Sie

2 ſchon viel zu lange hier geblieben ſind. Denn

ich bin in dieſem Augenblick nicht im Stande, Ihnen zu erzählen, was ſich alles zugetragen hat. Ihr Mann hat geſagt, daß Sie ſo kalt

ſind, wie eine Porzellantaſſe, und deßwegen

will er Sie nicht mehr haben; und Ihr ein⸗ fältiger Bruder findet dieſe Urſache ganz vor⸗

trefflich. Alſo, Mylady, muß man ihnen zei⸗ gen, was Sie ſind: Porzellan oder nicht; Sie

muͤſſen mit mir zum Lord Sandyford zuruͤck⸗ kehren. Zoͤgern Sie nicht; ſein Herz gehoͤrt Ihnen, es handelt ſich nur darum, ihm zu zeigen, daß Sie auch ein Herz haben, was Sie ihm dagegen zurückgeben können. Schmet⸗ tern Sie ihn zu Boden, indem Sie ihm zei⸗ gen, wer Sie ſind, welchen Seelenadel Sie beſitzen, um ihre eigene Erniedrigung erkannt

zu haben. Indem Sie Ihren fruheren Irr⸗

thum bekennen, werden Sie nur um ſo herr⸗

licher glaͤnzen. Auf! machen Sie ſich fertig!

Ich verwette meine beiden Ohren, daß der

ve

Sommer Ihrer Masten‘ Tage db noch bevorſteht!

„Ich merke wohl, daß mein Bruder mich verlaſſen hat, und daß ich keinen andern Freund mehr beſitze, als Sie, Wylie, fogagais, Gräfin traurig laͤchelnd. Wohlan, ich folge Ihrem Rath. Ich muß fo die Unvorſichtigkeit buͤßen, welche ich beging, indem ich dem Rath mei— nes Vaters Gehoͤr gab. Ja, ich will Sie be⸗ gleiten, und der Eifer, womit Sie mich be⸗ ſtuͤrmen, läßt mich hoffen, daß Sandyford meinem Wunſche, ſeine Zuneigung wieder zu gewinnen, Gerechtigkeit ante laſſen wird.“

„Das nenne ich noch eine brave Frau, und Sie verdienen, daß man Ihnen einen Pfennig ſchenkt, um ſich Aepfel zu kaufen,“ rief André mit einem Tone aus, als wenn er zu einem Kinde ſpraͤche, das ſich ſeine Bu friedenheit erworben hatte.

Die Gräfin lächelte, und befahl, fi

alle Anſtalten zu ihrer Abreiſe zu machen.

ur N 713 12 7 574 1 * 1. 1 >

*

RN Re Funfzehntes Kapitel.

Unterdeffen befanden fih der Graf und Lord Riversdale, nach Andre's ploͤtzlicher Ab⸗ reife, beinahe in einem Zuſtande von Bewußt⸗ loſigkeit. Sie fuhren zwar fort, ſich zu unter⸗ halten, aber es war augenſcheinlich, daß ſie nur der Wohlanſtaͤndigkeit wegen mit einander ſprachen, und daß ihr Geiſt mit ganz andern Dingen beſchaͤftigt war, als mit dem Sieden ſtande ihrer Unterhaltung.

Riversdale erhob ſich endlich, um wieder

abzureiſen, ohne nur noch ein Wort in Be⸗

ziehung auf ſeine Schweſter fallen zu laſſen. Er kannte noch nicht hinreichend den ſeltſamen Charakter unſeres Helden, um auf feine plögs liche Flucht irgend eine wahrſcheinliche Vers muthung zu gründen, und wußte durchaus nicht, was er von einem ſo außerordentlichen und unerklärlichen Betragen denken ſollte. So war es aber nicht mit dem Lord San⸗ dyford. Die Vorſtellung, daß André wohl zur Gräfin. geeilt fein koͤnne, um fie abzuholen, wurde zwar ſeiner Einbildungskraft einige

74

Male ziemlich deutlich; aber er unterdruͤckte ſie wieder, in der Ueberzeugung, daß er es nie wagen wuͤrde, ſich einen ſolchen Schritt zu erlauben. Doch beſchaͤftigte ihn dieſer Ge— danke viel, und dieß war vielleicht der Grund, ohne daß er ihn ſich ſelbſt geſtand, warum er ſeinen Schwager dringender, als die gewoͤhn— liche Hoͤflichkeit erforderte, bat, zum Mittags- eſſen zu bleiben. Denn es ſchien ihm ganz gewiß, daß Andre mit der Ausführung irgend eines auf die Verſöͤhnung mit feiner Ges mahlin Bezug habenden Vorhabens beſchaͤf— tigt ſei, und bald zuruͤckkommen wuͤrde; er wuͤnſchte fi) daher von Lord Riversdale nicht zu trennen, ehe er Nachricht von ihm erhal⸗ ten haͤtte. Gegen Abend endlich, als der Graf eben mit dem Lord Riversdale eine Partie Tocca— tegli angefangen hatte, um die Zeit zu ver— kuͤrzen, erſcholl das Geraͤuſch eines Wagens im Schloßhofe. Sandyford eilte an ein Fen⸗ ſter, erblaßte und erroͤthete hintereinander, und lief in der heftigſten Bewegung aus dem Zimmer. Riverödale, weniger lebhaft in ſei⸗

re

nen Bewegungen, war ebenfalls aufgeſtanden, um zu ſehen, wer angekommen ſei; indem er aber mit langſamen Schritten auf ein Fenſter zuging, öffnete ſich die Thür, und Andre ſtuͤrzte herein. Er warf fih in einen Armſtuhl, und blieb in demſelben einige Minuten lang ſttzen, ohne ein Wort hervorzubringen, mit ausge— ſtreckten Beinen, den Ruͤcken an die Lehne ge⸗ ſtuͤtzt, die Augen an die Decke geheftet, als wenn er aufmerkſam die ſie ſchmuͤckenden Ma⸗ lereien betrachtete, und von Zeit zu Zeit einen unruhigen Blick nach der Thür hinwerfend.

Lord Riversdale ſtaunte ihn mit der Außer ſten Neugierde an; aber ein ihm unerklaͤr⸗ liches Gefuͤhl verhinderte ihn, ihn anzureden. | pPloͤtzlich ſprang Andre auf, ging mit großen Schritten nach der Thuͤr, und war im Begriff fie zu öffnen: als ihn wahrſcheinlich ein neuer ihm einfallender Gedanke zuruͤckhielt; er kehrte nach dem Armſtuhl zuruͤck, kreuzte ſeine Arme uͤber einander, ließ den Kopf auf ſeine Bruſt ſinken, und heftete mit finſterer und beſorglicher Miene ſeine Augen ge a den Fußboden.

9

Es vergingen abermals mehrere Minuten. Er rieb ſich die Stirne, ſtampfte mit dem Fuße, und rief endlich, ſeine Augen auf Lord Riversdale richtend: „Ich bin der Mei⸗ nung, daß der Teufel ſich hineinmiſcht! So warten zu muͤſſen, iſt unertraͤglich!“

Die Thuͤr ging in dieſem Augenblick auf. André ſprang eilig auf, und lief dorthin; als er aber ſah, daß es nur ein Bedienter ſei, der etwas holen wollte: drehte er ſich wieder um, und ſtellte ſich an ein Fenſter, gleichſam als wenn er ſeine Bewegung und Ungeduld verbergen wollte.

„Was giebt es denn? Was fehlt Ihnen?“ | fragte endlich Lord Riversdale, welcher anfing unruhig zu werden, da er ihn in einem ſe ſeltſamen Zuſtande ſah. 5 Ich habe entweder einen Topf wieder ganz gemacht, oder ihn vollends zerbrochen,“ antwortete André. N Ar

„Um Gottes willen, erklaren Sie ſich!“ ſchrie der Lord lebhaft. je

„Warten Sie doch, bis ich meinen Kopf wieder in Ordnung gebracht habe; bis dahin

7 A

bin ich nicht im Stande, Ihnen etwas zu ſagen!“ Ich fuͤrchte“ .... ſagte Riversdale. „Ich auch!“ unterbrach ihn André. In dieſem Augenblick hoͤrte man mehrere Male klingeln, und es ſchien auf der Vor⸗ flur eine außerordentliche Bewegung zu herr— | ſchen. André ſtürzte hinaus, ſchrie laut auf . vor Freude und trat bald darauf mit dem rafen und der Gräfin wieder in den Salon. 5 ufriedenheit glänzte in ſeinen Augen; das Vergnügen. feinen Zweck erreicht zu haben, gab ſeinem ganzen Aeußeren eine ſo auffallende Miene von Adel und Würde, daß Lord Rivers⸗ dale davon betroffen wurde, und beinahe zwei⸗ felte, daß dieſes das ſeltſame Weſen ſei, deſſen Sitten und Geberden ſtets eben ſo originell ER als feine Reden. | Als fie im Salon waren, fagte Lord Sans dyford mit dem Tone des Scherzes, welcher aber bald darauf ernſter und erhabener wurde: „Wie Schade, daß man jetzt auf das mytho⸗ logiſche Syſtem der Alten verzichtet hat! Ich wuͤrde heute Abend einen Altar zu Ehren Merkurs, unter der Geſtalt von André Wylie,

= 885 A

Si

errichten laſſen, und ir gend ein Feſt zu ſeiner Ehre ſtiften. Sie haben mich gelehrt, mein theu⸗ rer, beſter Freund, daß der Himmel uns in den Dienſten, die wir unſeren Nebenmenſchen lei⸗ ſten, oft unſeren eigenen Vortheil finden läßt. Der Antheil, den ich an Ihnen nahm, von dem erſten Augenblicke an, wo ich Sie ſah, der mich bewog, Ihnen nuͤtzlich zu werden, und welcher jetzt mein ganzes Leben hindurch eine Pflicht fuͤr mich iſt war ohne Bu eine Eingebung des Himmels, der mir in Ihnen das Weſen zufuͤhrte, das mich zu mir ſelbſt zuruͤckrufen, mir meine Gluͤckſeligkeit wiedergeben, und mich den ganzen Werth eines Schatzes kennen lehren ſollte, welchen 5 beſaß, ohne ihn zu kennen.“

„Wohlan, Mylord, wohlan, ſagn Andte⸗ 4 welcher die Thraͤnen der Freude nicht mehr zurückhalten konnte, Gott ſei gelobt! Aber je weniger wir davon ſprechen, deſto beſſer iſt es; und da man ſo eben das Abendeſſen ankuͤn⸗ digt, ſo erlauben Sie mir fuͤr heute, nur fuͤr heute, Mylady an den Platz zu fuͤhren, der ihr an Ihrem Tiſche gebuͤhrt.“ :

Lord Sandyford ergriff die Hand feiner Gemahlin, und legte fie in André's Hand, ihn mit Augen anblickend, die fo von Zufrie— denheit und Dankbarkeit glaͤnzten, daß dieſer Blick, wie unſer Held es nochmals oͤfters be— theuerte, mehr werth war, als tauſend Pfund Goldes. Sie begaben ſich in den Speiſeſaal, von Lord Riversdale gefolgt, fuͤr welchen dieſe verlöliche Ausſoͤhnung ein Wunderwerk war, an welches er kaum glauben konnte.

Schon am folgenden Tage reiſte Andre, ungeachtet aller Bitten des Grafen und ſeiner Gemahlin, nach London zuruͤck; er ſagte, daß ſeine Anweſenheit in Chaſtington-Hall jetzt gluͤcklicherweiſe nicht mehr von Nutzen ſei, und daß er daran denken muͤſſe, ſeine Pflich⸗ ten gegen Herrn Vellum zu erfuͤllen.

Nach ſeiner Abreiſe bemerkte Riversdale, welcher mit der Gräfin allein war, daß er es fuͤr die Pflicht der beiden Familien anſehe, alle ihre Kraͤfte zu vereinigen, um Wylie'n in der Welt fort zu helfen, und im den Weg des Glucks zu bahnen.

„Ich bin uͤberzeugt, antwortete ſeine

Schweſter, bah mein Vater lebhaft die Ver⸗ bindlichkeiten fuͤhlen wird, welche wir ihm ſchuldig ſind. Was Sandyford und mich be— trifft, ſo iſt er unſer Freund, und wir werden fein Zartgefuͤhl nie durch das Anerbieten einer Belohnung in Gelde beleidigen. Wir ver⸗ danken ihm unſer Gluͤck, und muͤſſen nur daran denken, ihm das ſeinige zu ſichern.

Einige Tage nachher langte der ne, von Avonſide an, um den beiden Gatten über ihre Wiedervereinigung Gluͤck zu wuͤnſchen, und erfuhr, durch welches ſeltſame Mittel ſie herbeigefuͤhrt worden war. Er fragte nach den näheren Umſtaͤnden in dem Charakter und in den Fͤͤhigkeiten dieſes Wylie, und ſagte zum Grafen, er zweifele nicht daran, daß er ihn fuͤr ſolche Dienſte großmuͤthig belohnt habe.

In Abſicht auf eine Belohnung an Gelde iſt es mir unmöglich, antwortete Sandyford; mein ganzes Vermögen wuͤrde nicht hinreichen. Es ſteht zu feinem Dienſte, zu feiner Vers fuͤgung; aber wenn Sie dieſen ſeltſamen jungen Mann kennen ſollten, ſo wuͤrden Sie ſehen, daß ich bei dieſem Anerbieten nicht viel |

RN * 81 N

befuͤrchte denn ich bin überzeugt, daß er von mir nicht einen Schilling unter dem Namen einer. Belohnung annehmen wuͤrde.“ 28 „Wenn das iſt, ſagte der Marquis, fo ſehe ich wohl, was ich thun muß. Ich werde ihn unter meinen beſonderen Schutz nehmen; das Erſte, was ich bei meiner Ruͤckkunft nach: London thun will, iſt, daß ich ihn zu mir kommen laſſe, um zu ſehen, wozu er ſich eignet; Hund dann werde ich fir ihn das ganze Ge— wicht meines Einfluſſes in die 1 legen.“ 5 „Ich fuͤrchte, yo erwiederte der ER welcher eben keine hohe Meinung von den Ta⸗ lenten und der Urtheilskraft feines Schwieger— vaters hatte, daß Sie nicht ſogleich einſehen werden, was er fuͤr Fähigkeiten hat; allein ich verſichere Sie, daß er im Stande iſt, einen hoͤheren Poften auszufuͤllen, als alle die- jenigen, welche Sie ihm verſchaffen könnten.“ Sobald der Marquis wieder in London angekommen war, ließ er unſern Helden zu ſich kommen. Wylie's Perſon war ihm nicht Br gänzlich unbekannt, da er ihn fruͤher ſchon II. Thl. 6

| *

mehrmals bei ain Grafen Sandyford geſehen hatte; aber er hatte noch niemals mit ihm geſprochen, und es ſogar ziemlich außerordent⸗ lich gefunden, daß ſein Schwiegerſohn einen Menſchen von ſo ſeltſamem Weſen bei ſich zu— ließ. Er erſtaunte, als er ihn eintreten ſah; indeſſen nahm er ihn ſehr gut auf, ladete ihn 4 ein, einen Stuhl zu nehmen, und nachdem er ſich auf ſeinen Armſtuhl vor ſeinem Schreib⸗ tiſche wieder niedergeſetzt hatte, ſagte er: Lord und Lady Sandyford haben Sie mir auf das Angelegentlichſte empfohlen, Herr Wylie, und auch mein Sohn, der Lord Riversdale, hat den Wunſch geaͤußert, daß ich meinen ganzen Einfluß zu Ihren Gunſten anwenden moͤchte. Da es mir nun ein Vergnuͤgen iſt, ihnen Genuͤge zu leiſten, und zugleich Ihnen zu beweiſen, wie ſehr ich Ihren Eifer und Ihre Klugheit zu ſchaͤtzen weiß: ſo habe ich Sie zu mir kommen laſſen, um zu hoͤren, womit ich Ihnen dienen kann.“

André kannte ſchon den Charakter des Marquis, und dieſe wenigen Worte reichten hin, ihm denſelben gaͤnzlich zu entſchleiern.

1

„Ich bin Ihnen ſehr verbunden, Mylord, antwortete er; aber ich bin der Meinung, daß es mir für jetzt ſchwer fein würde, Ihnen zu ſagen, auf welche Art der maͤchtige Schutz Ihrer Herrlichkeit mir nuͤtzlich ſein kann.“

„Wuͤnſchen Sie eine Anſtellung im Auslans de? fragte der Marquis; ein Konſulat zum Bei⸗ ſpiel? Nichts waͤre leichter Ihnen zu gewaͤhren.“

„Dieſe Laſt mochte vielleicht etwas zu ſchwer fuͤr meine Schultern ſein, antwortete André; und da ich eine wiſſenſchaftliche Laufe

bahn angetreten habe, die eines Advokaten,

8

ſo bin ich der Meinung, daß ich wohl thun wuͤrde, darin fortzufahren.“ „Sie ſcheinen mir ein ſehr vernünftiger junger Mann zu ſein, ſagte der Marquis, und ich werde auch gewiß Mittel finden, Ihnen in Ihrem Stande nuͤtzlich zu fein.“ „Ich zweifle nicht daran, Mylord, ant⸗ wortete André ehrerbietig. Von welchem Stande auch ein Mann ſein moͤge, ſo haben Ihre Herrlichkeit Macht genug, ihn bis auf die oberſte Sproſſe der Leiter zu heben, wenn Sie es belieben.“ * 6 *

* 84 —&

Der Marquis lächelte wohlgefällig, und fuhr mit dem Tone der guten Laune fort: „Und ich kann Sie verſichern, Herr Wylie, daß ich geneigt bin, alle meine Kraͤfte anzu⸗ wenden, um Sie hinaufzuheben.“

Die Unterhaltung dauerte noch einige Zeit hindurch, und André wußte ſich immer mehr das Wohlwollen des Marquis zu erwerben. Dieſer endigte endlich mit den Worten: „Ich muß geſtehen, daß Ihre Klugheit und Be⸗ ſcheidenheit meinen Wunſch noch ſehr vers größern, Ihnen nuͤtzlich zu werden. Ich will damit den Anfang machen, Ihnen meine Pri— vatangelegenheiten zu uͤbertragen; doch kann dieß nicht ſogleich geſchehen, da mein alter Freund, Jack Docquet, ſie noch in Haͤnden hat. Aber er iſt 72 Jahr alt, und ſchon zwei» mal vom Schlage geruͤhrt worden; rechnen Sie darauf, ſein Nachfolger zu werden, und Sie ſollen ſehen, daß es der Muͤhe wer th iſt. Uebrigens wenden Sie ſich jederzeit, wenn ich Ihnen dienen kann, mit Zutrauen an mich, und ich werde bereit dazu ſein.“ a

André betrachtete dieſe Unterredung mit

83

Recht als die wichtigſte Begebenheit ſeines f Lebens. Die Klientſchaft des Marquis war ihm zugeſichert, obgleich noch zu einer unbes

ſtimmten Zeit, die aber nicht mehr weit ent⸗ fernt ſein konnte. Dieſe Klientſchaft begriff nicht nur die Prozeßangelegenheiten, ſondern auch die Verwaltung aller Güter des Marquis, welche aͤußerſt betraͤchtlich waren. Uebrigens ſprach der Marquis, welcher ſeinen Schutz nie halb gewährte, von ihm allenthalben wie von einem Wunder der Klugheit, wie von einem

jungen Manne, der die ſchoͤnſte Zierde ſeines 5 Standes zu werden verſpraͤche; und er kün⸗

digte zugleich feinen Entſchluß an, daß er ihn unter Ainet Aekgnberen, Su genommen habe.

Einige Zeit beſtoß hierauf, 5 55 855 in dem Leben unſeres Helden nichts Merkwuͤrdiges vorfiel. Er beſuchte den Grafen und die Gräfin Sandyford, welche ihren Wohn⸗ ſitz in Chaſtington⸗Hall nicht veränderten,

ſehr häufig, und ermangelte ſelten, auf dem

Wege dahin bei Sir Mordaunt abzuſteigen, der ihm ebenfalls die Uebertragung ſeiner

.

we 86

Angelegenheiten verſprochen hatte, ſobald er ſich auf eigene Rechnung anſetzen würde, und ihn jedesmal zu dieſem Letzteren aufforderte.

„Dieſer Augenblick wird kommen, antwor— tete ihm André; aber ich muß meinen Federn Zeit laſſen, zu wachſen. Wenn ich mich ſtark genug fühlen werde, mit meinen eigenen Slüs geln fliegen zu koͤnnen, werde ich nicht ver— fehlen, Sie davon zu benachrichtigen, und um die Unterſtuͤtzung durch Ihre Freundschaft zu bitten.“

Der Graf und die Gräfin machten ihm weder Verſicherungen ihrer Dankbarkeit, noch Anerbietungen ihrer Dienſte; aber ſie empfin⸗ | gen ihn als einen wahren Freund, und erwar⸗ teten mit Ungeduld eine Gelegenheit, ihm auf eine andere Art als durch Worte ihre Ach— tung und Zuneigung zu beweiſen.

Ein ploͤtzliches, aber nicht unerwartetes Ereigniß ſollte bald die Gunſt ſeiner Freunde auf die Probe ſtellen, und André ſah ſich auch in ſeinen Hoffnungen durchaus nicht betrogen. Ein dritter Schlagfluß endete das Leben des alten Jack Docquet, und noch an demſelben

Tage benachrichtigte ihn ein Schreiben des Marquis von Avonſide von dieſer Begeben— beit, fo wie, daß er ihm von nun an die Fuͤh⸗ rung und Verwaltung aller feiner Privat- angelegenheiten vertraute. Am andern Morgen ging André in Vels | lum's Schreibſtube, und bat ihn um Erlaubs niß, einen Beſuch bei Mordaunt und dem Grafen Sandyford machen zu duͤrfen, ſo wie um Auszahlung einer kleinen Summe von ſeinen Erſparniſſen, die er ihm uͤbergeben hatte. Vellum bewilligte beides ohne Schwie⸗ rigkeit, und waͤhrend er eine Zahlungsanwei⸗ fung an feinen Bankier ſchrieb, fuhr Andre fort: „Es iſt mir eine Idee durch den Kopf gefahren, Herr Vellum; wenn es Ihnen naͤm⸗ lich angenehm waͤre, ſo koͤnnten wir wohl Kompagnie zuſammen machen.“ Dem Advokaten ſiel die Feder aus der Hand, und er ſah Andréin an, als wenn er in ſeinen Augen leſen wollte, ob er den Ver— ſtand verloren hätte. Da er hiervon kein Zeichen bemerkte, ſo glaubte er ihn falſch ver⸗ ſtanden zu haben.

„Was ſagten Sie?“ fragte er. „Ich ſagte Ihnen, Herr Vellum, wenn es Ihnen angenehm waͤre, ſo koͤnnten wir wohl in unſern Geſchaͤften Serra mit einan⸗ der machen.“ „Kompagnie? Woran denken Sie! Sie

ſind ja nur noch ein Neuling, und kennen

weder hinreichend die Seam noch die Ge⸗ ſetze.“

„Das mag ſein, Due Vellum, und doch bin ich der Meinung, wenn Sie mich zum Kom⸗ pagnon annehmen wollten, ſo wuͤrden wir uns beide dabei wohl befinden.“ -

Vellum hatte weder den ahnlichen Antrag vergeſſen, welchen ihm der Graf Sandyford f ſchon fruͤher einmal machte, noch die Art, wie er von ihm die Bewilligung eines Gehalts von 700 Pfund Sterling fuͤr unſern Helden erlangte. Das jetzige Anerbieten Andre's miß⸗ fiel ihm alſo um fo mehr, da es in dem Au⸗ genblick geſchah, wo er ihm ſeine Reiſe nach Chaſtington ankuͤndigte. Er glaubte daher, daß der Graf dahinter ſtecke, und daß die Klugbeit erfordere, ruhig und ernſt zu antworten.

9 „Mit der Zeit, Wylie, koͤnnen Sie einigen

Grund zu Ihrer Hoffnung haben, aber für

jetzt muͤſſen Sie ſelbſt fühlen, daß Sie noch zu jung ſind.“

„Ich bin der Meinung, Herr Vellum, 16 Pitt nicht viel Älter war als ich, als man ihn zum Miniſter machte.“ |

„Ich hoffe, Sie wollen ſich nicht 1 vergleichen?“ |

„Behuͤte der Himmel! Aber Pitt war Miniſter von drei Koͤnigreichen, und ich ver⸗ lange nur einen Theil von Ihren Geſchaͤften.“

Der Advokat wußte kaum mehr, was er antworten ſollte; es beunruhigte ihn, daß

Wylie mit einer Art von Hartnaͤckigteit bei

ſeiner Forderung blieb, und dieſer Gedanke vergroͤßerte nur noch ſeinen Verdacht. „Herr Wylie, ſagte er, hat Ihnen Jemand dieſe Idee eingegeben? Antworten Sie frei!“

IIch werde Ihnen mit eben ſo viel Frei⸗ muͤthigkeit antworten, als Sie mich fragen, Herr Vellum. Nein! Niemand hat mir ein Wort davon geſagt. Es iſt eine Idee, die in meinem eigenen Gehirne entſtanden iſt, und

*

90

ich glaubte, daß Sie jetzt wohl ſchon wiſſen

muͤſſen, daß ich nicht ganz ohne Gönner bin.“

„Ich habe gute Urſach gehabt, es zu be— merken,“ ſagte Vellum bedeutend.

„Nun, ich ſagte es auch voraus, fuhr André mit der größten Ruhe fort, und ich glaubte, daß Sie darauf Ruͤckſicht nehmen würden. Daher möchte ich ſobald als möglich wiſſen, ob Sie mich zum Kompagnon nehmen wollen oder nicht.“

„In einigen Jahren, Herr Wylie, könnten Sie mir allenfalls dieſe Frage thun; aber jetzt iſt die Birne noch nicht reif.“

„Ich will nicht beurtheilen, ob ſie es iſt, Herr Vellum, das moͤgen Sie entſcheiden. Aber ich weiß, daß ein Mann, der Geld in der Taſche oder gute Freunde hat, ſich die ihm fehlenden Talente und Kenntniſſe vers ſchaffen kann. Es giebt in unſerem Stande eine Menge junger Leute, voll von Verſtand und Geſchicklichkeit, und ſelbſt Maͤnner, die ſich ſchon ſeit langer Zeit angeſetzt haben, welche wegen der Klienten, die ich ihnen zufuͤhren | würde, mich gern als Kompagnon annaͤhmen.“

Mr Dieſer Kunſtgriff war für Vellum eine

| Sturmglocke. „Herr Wylie, S Sie ſcheinen ein

wenig zu ſehr auf die Guͤte des Grafen San⸗ dyford zu rechnen,“ ſagte er lebhaft.

„Keinesweges, antwortete André trocken; doch das gehört nicht zur Frage, ob Sie mich zum Kompagnon annehmen wollen.“

„In der That, Herr Wylie, ſagte der Advokat, welcher dieſen Vorſchlag ſchon ernſt⸗ licher uͤberlegte, und Berechnungen zu machen anfing; Sie konnen doch nicht verlangen, daß

ich Ihnen noch in dieſem Augenblick auf eine

pie Frage antworten fol.“

„Ich verlange auch nicht ſogleich eine 5 völlige Uebereinkunft, Herr Vellum; ſagen Sie mir nur, ob Sie mich zum Kompagnon haben wollen, und ich werde Ihnen hin— reichende Zeit laſſen, zu uͤberlegen, welchen An⸗ theil vom Gewinnſte Sie mir geben wollen.“

Obgleich Vellum ſich vor Aerger in die Lippen biß, ſo konnte er ſich doch nicht ent⸗ halten, über dieſe letztere Bemerkung zu laͤcheln,

und er ſagte mit anſcheinend guter Laune: „Wohlan, Wylie, ich ſehe, daß ich mich ent-

.

ſchließen muß. Es ſei! Wir wollen in Roms pag nie treten, und ich hoffe, daß wir uns uͤber die naͤheren Bedingungen einigen werden.“ f „Ich hoffe es auch, antwortete Andre, und damit Sie ſehen, daß ich kein Mehl aus der Tuͤhle holen will, ehe ich Getreide hineinge⸗ bracht habe, ſo will ich Ihnen eroͤffnen, daß ich ſogleich die Klientſchaften der Herzogin von Daſhingwell, des Sir Mordaunt, und ſeines Schwiegervaters Sir Thomas Burdet, des reichſten Mannes in ganz London, ſo wie von vier oder fuͤnf ſeiner Freunde mitbringe, welche, wie ich hoffe, dazu beitragen werden, daß unſer Fleiſchtopf kochen kann; und ich will Ihnen uͤberdieß noch entdecken, daß, da der alte Jack Docquet todt iſt, der Marquis von Avonſide mir geſtern Abend geſchrieben hat, daß er mir die Fuͤhrung aller ſeiner Pri⸗ vatangelegenheiten uͤbertrage.“ 5 Vellum erſtaunte, und rieb ſich dann mit der hoͤchſten Zufriedenheit die Hände, indem er lachend fagtes „Sie find das unbegreiflichſte Weſen, das ich kenne, Wylie! Sie beſitzen die Bosheit, mir den Puls zu befühlen, wahrend

8

1

Sie fehrr gut die Wiheigteit der Klienten

kennen, die Sie das Talent oder das Gluck

hatten, ſich zu verſchaffen. Aber um Ihnen

zu zeigen, daß ich dieſe Wichtigkeit auch zu

ſchätzen weiß: ſo nehme ich Sie von dem heu⸗ | tigen Tage an zu meinem Kompagnon an, und jeder von uns Beiden fol gleichen a.

am Gewinn haben.“

„Der Handel if richtig, ſchrie Andre, und Sie koͤnnen darauf rechnen, Herr Vellum, daß der Esel, welcher die Säcke zur Mühle trägt, nicht weniger nuͤtzlich iſt, als dat 1 welches fie treibt.)

„Jetzt, Wylie, dürfen Sie aber nicht mehr,

wenigſtens für heute nicht, an die Reife den-

ken, welche Sie vorhatten. Ich erwarte einige Klienten und Freunde zu Tische, und Sie muͤſſen dabei ſein, damit ich Sie als meinen Kompagnon vorſtellen kann. Ich bin über: zeugt, daß dieſe Wendung der Dinge uns beiden zur Zufriedenheit und zum e Gr 3 3 wied. eee minen e

PR SR Schsiesntes .

Da Andre 0 0 ur dieſe Weise vieblic auf einen ſehr anſtaͤndigen Fuß in der Welt geſetzt ſah, dachte er daruͤber nach, daß er fernerhin nicht mehr mit der großen Spar⸗

ſamkeit leben koͤnne, die er immer noch beobs⸗

achtet hatte, ohne ſich die gerechteſten Vor— wuͤrfe ſeiner Freunde zuzuziehen. Er beſchloß daher, der Meinung der Welt etwas zu opfern, ohne ſich jedoch von einer weiſen Mittelſtraße zu entfernen; und da er wußte, welche Mei— nung von ihm alle feine Bekanntſchaften heg⸗ ten, nahm er ſich vor, ſie zu uͤberraſchen.

In einer ziemlich dunklen Straße, aber mitten in der Stadt, hatte er an einem großen Hauſe einen Zettel bemerkt, welcher ankuͤn⸗ digte, daß es mit dem ganzen Mobiliar zu vermiethen ſei; und er ging hin, es zu beſehen. Es war geräumig und ſehr bequem; das Moͤb⸗ lement war zwar nicht altmodiſch, aber dennoch war nicht ein einziges Stuͤck nach der Mode des Tages. Kurz, dieſes Haus war fruͤher das Eigenthum eines alten, ſehr reichen Hages

95 mM 1% Ne

Ä bogen von hoͤchſt ſeltſamen Launen, der nur ſeinen Geſchmack befolgte, indem er es moͤb⸗ lirte, und es dadurch vollkommen des Miethers würdig gemacht hatte, der ſich jetzt dazu mel⸗ dete. |

Die Lage dieſes Hauſes und das darin beſindliche ſeltſame Mobiliar, obgleich es ſehr ſchoͤn, ſelbſt reich und in dem beſten Zuſtande war, war Urſache, daß ſich bisher kein Lieb— haber dazu gefunden hatte; daher erhielt es auch André zu einer ſehr wohlfeilen Miethe, und er beluſtigte ſich ſchon im Voraus, wenn er an das Erſtaunen ſeiner Freunde dachte, ſobald ſie ihn darin eingerichtet ſehen wuͤrden.

Nachdem er dieſe Angelegenheit abgeſchloſſen

hatte, begab er ſich zu einem beruͤhmten Trai⸗ teur, den er kannte, weil er an den großen Gallatagen für den Grafen Sandyford arbei⸗ tete; und dieſem trug er auf, ihm eine Wirth⸗ ſchafterin und einen Bedienten zu verſchaffen.

„Sie muͤſſen ſie mir aus den beſten ihrer Art auswählen, fagte er. Die Frau muß ſich gut auf die Haushaltung verſtehen, aber auf eine weiſe Haushaltung, auf die Haus haltung

4

einer RB 6 VORLORR Was den Bedien⸗ ten anbetrifft, ſo muß ich einen Burſchen von mittlerem Alter haben, der ruhig und geſetzt iſt, und mit Klugheit und Voͤrſicht zu leben vers ſteht. Er wird noch einen zweiten Burſchen nöchig haben, um ihm zu helfen; aber er ſoll 8 ihn ſelbſt auswaͤhlen, wenn Sie mir ſagen,

daß ich mich deßwegen auf ihn verläffen fann.

Was ihren Lohn anbetrifft, ſo will ich dabei nicht knauſern, wenn fie. ihre Sachen nur gut machen. Jetzt muß ich Ihnen noch ſagen, daß ich heute uͤber vier Wochen eine Geſellſchaft zu Tiſche bei mir haben will; und Sie, Herr Com,fit, beauftrage ich, Alles zu dieſem Mahle zu beſorgen. Bedenken Sie, daß es mein erſtes Gaſtmahl iſt, und daß Nichts dabe k fehlen ſoll. Es muß Alles dabei ſein, was es in der Welt nur von den ſeltenſten und beſten ' Speiſen giebt, damit diefe Mahlzeit mir und Ihnen Ehre einlegt. Um noch auf eine andere Sache zu kommen: Sie werden den erſten und zweiten Gang auf Porzellan auf⸗ tragen; aber fuͤr den dritten Gang und fuͤr das Deſſert will ich ein Service haben, wie

* 97

man es noch nie geſehen hat. Sie muͤſſen

daher in jene Laͤden gehen, wo man alte Por—

zellangeſchirre und Kurioſitaͤten verkauft, und

daſelbſt alles das ausſuchen, was Sie fuͤr das

Seltſamſte, Laͤcherlichſte und Schoͤnſte halten, aber doch ohne etwas zu kaufen, denn ich habe es weiter nicht noͤthig. Sie miethen Alles, gleichviel um welchen Preis, aber ſagen Nie— manden etwas von meiner Abſicht.

Comſit verſprach, ſich nach dieſer Anlei—

tung auf das Genauſte zu richten, und es iſt

London Geld hat, braucht nur zu wuͤnſchen, um im Augenblick befriedigt zu ſein.

Unſer Held war fo häufig bei dem Grafen von Sandyford, bei der Herzogin von Daſ— hingwell, und bei andern Perſonen des hoͤch⸗ ſten Standes erſchienen, daß er in der großen

Welt allgemein bekannt war. Als man daher

erfuhr, daß er ein Haus gemiethet habe, und

daſelbſt ein Gaſtmahl geben wolle, machte dieſe Nachricht mehr Aufſehen, als irgend eine Begebenheit ſeit mehreren Jahren verurſacht

II. Thl. 7

nicht noͤthig anzufuͤhren, daß er Alles auf's Puͤnktlichſte in's Werk ſetzte; denn wer in

en

i * hatte. Er ladete ein und zwanzig Perſonen

dazu ein, ſaͤmtlich vom erſten Range, und ſie nahmen alle dieſe Einladung an, einige aus Neugier; andere, weil ſie ſeine originelle Laune liebten; noch andere, weil ſie dachten, daß ſein einfaches und anſpruchloſes Aeußere große Faͤhigkeiten verſteckte. Alle kamen uͤberein, daß ein Gaſtmahl, von Wylie gegeben, und in einer Straße, deren Namen kein Kutſcher von gutem Ton einmal kannte, eine ganz außerordentliche Sache ſein muͤßte, und daß

man ſich auf jeden Fall, wie auch die Mahl⸗

zeit ſelbſt fein möchte, ſehr beluſtigen würde. Es gelang, die Namen der eingeladenen Gaͤſte

kennen zu lernen, und dieſe Entdeckung vers

doppelte den Eifer von vielen Perſonen, eben— falls gebeten zu werden. Aber André war uner—

bittlich, und er vertheidigte ſich gegen die ihm

deßwegen gemachten Bitten, indem er ſagte, daß fein Haus zu klein ſei, um eine zahlrei⸗ chere Geſellſchaft aufzunehmen, und daß er ſei⸗ nen älteften Bekanntſchaften den Vorzug habe geben muͤſſen. Kurz, dieſes Gaſtmahl machte ſo viel Laͤrmen, daß Gräfinnen „Maraquiſen,

99 ſelbſt Herzoginnen dabei fein wollten; aber Alles war umſonſt, und André antwortete ihnen, daß, wenn eine Thuͤr nicht breit genug ſei, von vielen Menſchen einer nach dem

andern hindurchgehen muͤſſe.

Unter denjenigen Damen, welche Andre beſtuͤrmten, eine Ausnahme zu ihren Gunſten zu machen, warı vorzüglich die verwittwete Lady Clack die hartnaͤckigſte; und obgleich ſie immer abgewieſen wurde, ſo griff ſie doch immer wieder an. Als fie daher eines Abends bei der Herzogin von Daſhingwell ihre Bitten

erneuerte, nahm er fie bei Seite, und bes ſchwerte ſich mit klaͤglichem Tone bei ihr uͤber die Qualen, welche er wegen 5 auszuſtehen habe.

„Iſt es nicht hart, Mylady, ſagte er, daß fich ich weiß nicht wie viel Frauen gegen mich verbunden haben, um mich wegen eines ungluͤcklichen Mittagbrots verrückt zu machen? Nur Sie ſind die einzige, die es mir gelingen wird zu beruhigen. Warum wollen jene nicht warten? Haben Sie denn noch nicht gehoͤrt, daß ich mir vorgenommen habe, bald einen 7 *

N 100

Ball nebſt Abendbrot zu geben? Und ich habe nicht noͤthig, Ihnen zu ſagen, Mylady, welche Dame ich bitten will, dabei die Honneurs zu machen. Aber wenn man mir noch laͤnger wegen eines Mittagbrots, wozu ich doch nicht die ganze Stadt und die Vorſtaͤdte einladen kann, den Kopf zerbricht: ſo ſoll mich der Teufel holen, wenn es einen Ball oder 0 brot giebt.“ b

Lady Clack ermangelte nicht, dieſe Unter⸗ redung allen ihren Bekanntſchaften mitzuthei⸗ len, und ſie brachte die Wirkung hervor, die André davon erwartete. Man ſprach von nichts weiter mehr, als von dem Ball und dem Abendbrot, welches Herr Wylie geben, und bei welchem Lady Clack die Honneurs machen wuͤrde. Einige Damen dachten, daß er wohl eine beſſere Wahl hätte treffen koͤn⸗ nen; aber gleichviel, ein Ball, von Wylie ger geben, mußte etwas unendlich Seltſames ſein, und aus Furcht, daß er dieſe Idee wieder auf⸗ geben moͤchte, ſprach Niemand mehr mit N uͤber ſein Mittagbrot.

Der große Tag brach endlich an, und zur

L

1

beſtimmten Zeit fingen die Equipagen in einer Straße zu raſſeln an, wo man ſonſt nur ſel— ten dergleichen ſah. Das Aeußere des Hauſes hatte nichts Merkwuͤrdiges, als daß es durch die Zeit, den Nebel und den Rauch ſehr ſchwarz geworden war; aber ſobald die Gaͤſte nur in die Hausflur traten, erkannten ſie, daß ſie ſich eine falſche Vorſtellung von dem Innern ge— macht hatten. Sie wurden daſelbſt durch einen Lakaien in einfacher, aber eleganter Livrée empfangen, und obgleich hier keine Pracht zu

ſehen war, ſo bemerkte man doch ee

die Außerfte Reinlichkeit.

Das Erſtaunen wuchs beim Eintritt in den Salon, deſſen Moͤblement mit Nichts zu vergleichen war, was dieſe Herrſchaften bisher geſehen hatten. Alles war hier ſonderbar und ſeltſam; Alles, was man hier fand, haͤtte an keinen andern Ort hingepaßt; die Form oder die Maſſe machte jedes Möbel zu einem außer: ordentlichen Stuͤck, aber das Ganze war voll— kommen, und machte einen befriedigenden Ein— druck. André empfing feine Gaͤſte mit feinem gewoͤhnlichen leichten und gefaͤlligen Tone;

= 7 8

100 Jedermann ſagte ihm Schmeicheleien uͤber ſeine Wohnung; aber Vellum, welcher beſſer als irgend ein Anderer die Sparſamkeit unſeres Helden kannte, erſtaunte ſo ſehr, daß er lange Zeit unbeweglich ſtand, ohne ein Wort hervor⸗ bringen zu koͤnnen.

Man trat endlich in den Speifefaf und jetzt ſtieg erſt die Bewunderung auf den hoͤch⸗ ſten Gipfel. Nichts uͤbertraf die Eleganz des erſten und zweiten Ganges; das Porzellan— geſchirr war prächtig, die Speiſen waren koͤſt⸗ lich, die Weine unvergleichlich; und die Gaͤſte ſahen einander an, gleichſam um ſich zu fragen, durch welches Zaubermittel Wylie im Stande geweſen waͤre, ein ſolches Feſt zu bereiten.

Man brachte den dritten Gang auf den Tiſch, und jetzt erkannte man das Originals Genie unſeres Helden. Alles war ebenfalls auf Porzellan, aber nicht eine Schuͤſſel, nicht ein Teller glich dem andern. Noch nie hatte man eine ſo außerordentliche Sammlung von antiken, ſeltſamen, komiſchen, ſonderbaren und doch hoͤchſt koſtbaren Porzellangeſchirren ge— ſehen, und am wenigſten zum Gebrauch bei

ER N, N 10

103

einer Tafel. Sammtliche Gaͤſte empfingen dies

ſes Schauſpiel mit dem froͤhlichſten und lau⸗ teſten Gelächter.

„Wohlan! ſagte André, der unendliches Vergnügen bei der Fröhlichkeit feiner Gaͤſte

genoß, ich bin der Meinung, daß Sie mit

vollem Herzen lachen. Sie hätten wohl vor— her denken konnen, daß ich nicht Teller genug haben wuͤrde, um Sie Ihnen ſtets von glei—

cher Art geben zu koͤnnen; und daher war ich

freilich gezwungen, zu dergleichen verfchieden- artigen Geſchirren meine Zuflucht zu nehmen; aber deſſenungeachtet ſchmeichle ich mir, daß es nicht von ganz ſchlechtem Geſchmacke iſt,

und der König ſelbſt kann eine ſolche Samm⸗

lung vielleicht nicht beſitzen.“ Der dritte Gang war indeſſen gegen die Sonne des Oeſſerts nichts als der Morgens

ſtern. Die Pagoden aus Indien, die Tempel

aus China und Japan, und mit einem Wort die Produkte aller Welttheile ſchienen hier in Kontribution geſetzt worden zu fein. Die Geſellſchaft ging erſt ſehr ſpaͤt aus⸗ einander, und vom andern Morgen an war

* N

BR

von dieſem Gaſtmahle in der ganzen Stadt die Rede. Die Weine, die Speiſen, die Moͤbel, das Haus, der Herr, Alles wurde für unvergleichlich erklärt; und die Beſchreibung, welche davon gemacht wurde, vergroͤßerte nur noch den Wunſch, den angekuͤndigten Ball mit dem Abendbrot zu ſehen. Aber André ließ in dieſer Ruͤckſicht kein Wort von ſich hoͤren.

Doch Lady Clack hatte ſein Verſprechen nicht vergeſſen, und ſobald ſie ihn daher ſah, erinnerte ſie ihn daran, und fuͤgte hinzu, daß alle Damen wuͤnſchten, daß es ein maskirter Ball ſein moͤchte.

„Ein maskirter Ball! Lady Clack! rief André aus; ich einen maskirten Ball geben! Ich bin der Meinung, Sie glauben, daß ich verruͤckt geworden bin. Und was wuͤrden meine Nachbarn ſagen, wenn ich in einem Hauſe, wie das meinige, einen maskirten Ball geben wollte? Nein, nein, Mylady, ſolche Toll⸗ heiten werde ich nicht begehen. Als ich Ihnen von einem Balle ſagte, verſtand ich nur dar— unter einen Tanz, um die jungen Maͤdchen tuͤchtig umzuſchuͤtteln. Schon habe ich mit

ee

einem alten Blinden in meiner Nachbarſchaft

geſprochen, der es mir zugeſagt hat, fuͤr eine halbe Krone, nebſt Brot, Kaͤſe und einem

Glase Schnaps, die Geige zu ſpielen; und wenn man das Springens muͤde ſein wird,

werde ich die Erfriſchungen auftragen laſſen: kleine Paſteten für zwei Pence das Stuck, hart geſottene Eier und gutes Ale. Ich

ö hoffe, Sie werden die Honneurs dabei machen,

Mylady; Sie haben es mir ſchon Baht und halb verſprochen.“

„Ich! Aber Sie reden wohl nicht im ewa Sie koͤnnen doch nicht glauben, daß ich bei einem ſolchen Bierfeſte erſcheinen werde.“

55 „In dieſem Fall, Mylady, giebt es bei mir weder Ball noch Abendbrot. Alfo machen

Sie das Alles mit denen ab, mit welchen Sie |

davon geſprochen haben; ich für meine Per⸗ ſon habe nur gegen Sie den Mund Ren: aufgethan. 4 ö

„Und da haben Sie ſehr uͤbel mit mir ge— handelt, Herr Wylie!“ ſchrie Lady Clack; und indem ſie ihn außer ſich vor Zorn verließ, |

verbreitete fie dieſe Neuigkeit, ihn mit dem }

106

Geinamen eines Knickers und Knauſers be⸗ legend in der ganzen Geſellſchaft. |

Die Herzogin von Daſhingwell, welche bei dem Gaſtmahle geweſen war, ſah in den Reden Andee’s nichts als einen neuen Zug ſeiner Originalität. Sie lief auf der Stelle zu ihm hin, und ſagte: da Lady Clack ſich weigerte, die Honneurs auf ſeinem Balle zu machen, ſo wolle ſie ſelbſt es uͤbernehmen.

Andrs ſah ſich in ſeinen eigenen Netzen gefangen. Er hatte im Ernſt an keinen Ball gedacht, aber das Anerbieten der Herzogin war eine Ehre, die er zu ſchaͤtzen wußte, und er zoͤgerte nicht einen Augenblick.

„Ihre Gnaden kennen ſchon meine Be⸗ dingungen, antwortete er. Mein Haus iſt nicht groß genug, um große Baͤlle darin zu geben; wenn Sie aber einen kleinen Tanz da⸗ ſelbſt haben wollen, ſo bin ich der Meinung, daß es mir ſchlecht anſtehen wuͤrde, mich zu weigern. Wie geſagt alſo, Mylady, ich werde den Blinden kommen laſſen, welcher die Geige ſpielen ſoll; und zum Abendbrot werden wir die kleinen Paſteten zu zwei Pence, die harten

N

Eier, und das beſte Ale haben, das ich finden kann.“ 1

„Das wird köſtlich fein! rief die Herzogin; das wird ein Ball, wie man ihn noch nie ges ſehen hat, und ich moͤchte dafuͤr nicht mit allen Feſtlichkeiten tauſchen, zu welchen ich binnen einem Jahre eingeladen werden konnte. Wohlan, Wylie, Sie muͤſſen ſogleich den Tag beſtimmen.“ | „Das kommt am beſten Ihrer Gnaden zu, antwortete André. Da Sie dieſen Ball auf Ihre Gefahr übernehmen, fo muͤſſen Sie doch wenigſtens die Zeit beſtimmen; und Sie moͤgen nach Ihrem Gutduͤnken die Gaͤſte dazu ein- laden; nur bitte ich Sie, auf die Größe meis nes Saales Ruͤckſicht zu nehmen; denn ich glaube, wenn ſich ſechszehn Paar Beine darin herumbewegen, ſo wird es ee genug ſein.“

Die Herzogin war entzuͤckt uͤber dieſen Auftrag, und begann ſogleich ihre Einladungen, wozu fie nur die juͤngſten, ſchoͤnſten und liebens⸗ wuͤrdigſten Damen ihres Zirkels auswaͤhlte. André willigte ſogarein, die Anzahl der Gaͤſte

108

zu vermehren; und als der beſtimmte Tag er⸗ ſchienen war, empfand Jedermann das vollkom⸗ menſte Vergnügen uͤber die Einrichtung dieſes Balles, und geſtand, daß er nicht weniger außerordentlich ſei, als jenes Mittagbrot.

Siebzehntes Kapitel.

Karl Pierſton, der ſich ſeit einiger Zeit mit Hülfe ſeines Onkels als Kaufmann ange⸗ ſetzt hatte, und deſſen Geſchaͤfte ziemlich gut zu gehen ſchienen, beſuchte eines Abends ſeinen Freund André, und bat ihn, ihm tauſend Pfund Sterling zu leihen. Unſer Held war von die⸗

ſem Verlangen eben nicht ſehr uͤberraſcht,

denn mehrere Umſtaͤnde, die ihm zu Ohren gekommen waren, hatten ihm Grund genug gegeben, zu vermuthen, daß auch ſein Freund die Folgen jener politiſchen Erſchuͤtterungen empfand, welche damals ſelbſt die erſten Han⸗ delshäuſer ihrem Falle nahe brachten.

„Ich ſchlage es dir nicht ab, Karl, ant— wortete er ihm; aber ich bin der Meinung, daß du mich in Stand ſetzeg mußt, zu beur⸗ ö theilen, ob dir dieſe tauſend Pfund einen

109

wahren Dienſt leiſten koͤnnen. Alſo hole mit deine Handelsbuͤcher, und wenn ich einen Blick hineingeworfen haben werde, ſo will ich dir Antwort geben; und ich wuͤnſchte, daß es in Form einer Anweiſung auf die tauſend Pfund geſchehen moͤge.“ Pierſton war freilich durch dieſe Antwort nur halb befriedigt, doch konnte er ſich einem fo vernünftigen Verlangen nicht weigern, und er ging daher ſeine Buͤcher zu holen. Sobald er zuruͤckkam, nahm fie André in Empfang, und ſagte: „Kurz und gut, Karl! Aber du mußt ſte mir bis morgen fruͤh hier laſſen, und ich hoffe, daß die Antwort guͤnſtig ſein wird.“ Als er ſich entfernt hatte, ließ André einen in Handelsgeſchaͤften ſehr unters richteten Mann zu ſich kommen, und pruͤfte mit ihm Karls Buͤcher ſehr aufmerkſam. Der Erfolg dieſer Unterſuchung war nicht zweifel— haft. Pierſton kam am folgenden Morgen wieder, und wurde von ihm mit der groͤßten Herzlichkeit empfangen; aber André ſprach lange Zeit hindurch nur von ganz gleichgültigen Dingen. Karl, welcher ſchon durch das Vor!

101 N

fahren ſeines Freundes ziemlich mißvergnuͤgt geworden war, fuͤhlte ſehr gut, daß dieß das Vorſpiel einer abſchlägigen Antwort ſei; doch wollte er nicht laͤnger in Ungewißheit bleiben, und fragte alſo plotzlich, ob Andre die Buͤcher durchgeſehen haͤtte. g e uud,

Anſtatt ihm zu antworten, ſchien Andre einige Zeit in Nachdenken verſunken; dann ſagte er: „Ich wuͤrde dir die Summe ſehr gern leihen, Karl, wenn ſie dir nuͤtzlich ſein koͤnnte; aber deine Lage iſt weit ſchlechter, als du es vielleicht denkſt. Obgleich ich ge— ſehen habe, daß du ſelbſt dir nichts dabei vor⸗ zuwerfen haſt: ſo ſcheint es mir doch unmoͤg⸗ lich, daß du dich bei der gegenwaͤrtigen Lage der Dinge uͤber dem Waſſer erhalten kannſt. Folge alſo meinem Rath, Karl, und kaͤmpfe nicht länger vergeblich gegen dein Schickſal; mit einem Wort, kuͤndige morgen in der Zei⸗ tung deine Zahlungsunfaͤhigkeit an.“

Karl erblaßte, ſeine Lippen zitterten, und ſeine Augen ſpruͤhten Zorn auf ſeinen Freund.

„Du mußt mich nicht mißverſtehen, Karl, nur als dein Freund gebe ich dir dieſen Rath.

10

111 je

Dein Ruf blibt unbefleckt, denn du biſt nicht Schuld an deinem Ungluͤck. Wenn du dich in deiner jetzigen Lage noch laͤnger erhalten willſt, ſo mußt du zu tauſend Mitteln Zuflucht nehmen, die am Ende dich voͤllig verderben werden. ö

Pierſton nahm ſeine Buͤcher, und entfernte ſich, ohne etwas zu antworten. André hielt ihn auch durchaus nicht auf; aber kaum war er fort, ſo begab er j ch zum Marquis von Avonſide.

„Mylord, ſagte er, ich habe einen RE welcher 5000 Pfund Sterling gegen geſetzliche Zinſen ausleihen will; und da Ihre Herrliche 1 keit gezwungen ſein werden, eine kleine An⸗ leihe zu machen, um die Ausgaben bei den bevorſtehenden Parlaments-Wahlen zu bes ſtreiten: ſo ſcheint mir dieß eine Gelegenheit zu ſein, die man nicht vernachlaͤſſigen muß.“ „Der Marquis dankte ihm für feine ums» ſichtige Vorausberechnung, und ſagte, daß er dieſe Summe ſehr gern auf ein Jahr borgen mochte. Er hielt ihn noch laͤngere Zeit auf, um mehrere andere Geſchaͤfte mit ihm abzu⸗

U

machen. Endlich tand André auf, um 8 5 zu empfehlen.

„Mylord, ſagte er, ich habe eine tleine Angelegenheit, und bin der Meinung, daß Ihre Herrlichkeit mir dabei einen großen Dienft leiſten koͤnnten. Einer meiner Freunde, ein rechtlicher und kenntnißvoller junger Mann, bedarf einer Anſtellung, gleichviel welcher, und ſei es im Koͤnigreiche oder außerhalb; aber nur müßte fie mit einem hinreichenden Ges halt verbunden ſein, und * lange auf ſich warten laſſen.“

Der Marquis antwortete laͤchelnd: „Ich habe ſchon manchmal geglaubt, Wylie, daß Sie den Einfluß Ihrer Freunde nicht zu be⸗ nutzen verſtaͤnden; und da dieß der erſte Dienſt iſt, welchen Sie von mir verlangen, fo vers ſpreche ich Ihnen, daß er Ihnen gewährt ſein ſoll.“

„Sie ſind ſehr guͤtig, Mylord; 5 ic kann Sie verſichern, daß Ihre Herrlichkeit Ihren Schutz keinem Unwuͤrdigen bewilligen.“

Schon an demſelben Abend kuͤndigte ein Billet des Marquis Anderen: an, daß eine

er De

113

Stelle als Chef eines Rechnungsbuͤreaus in

Indien zu vergeben ſei, und nur noch der Name fehlte, um das Patent zu vollziehen. Sogleich ließ Andre Pierſton holen.

„Nun, Karl, ſagte er, haſt du daruͤber nachgedacht, was ich dir heute Morgen ſagte?“

Karl antwortete, daß er ſehr viel daruͤber nachgedacht habe, aber in der mendlichſen Verlegenheit ſei. |

„„Deſto ſchlimmer, ſagte Andre, Man

muß eine Partie zu ergreifen wiſſen, vorzuͤg⸗

lich, wenn ſie das einzige Mittel is RN guten Ruf zu erhalten.“ E e Die Scham, der Kummer und tauſend andere unbeſchreibliche Gefuͤhle machten Pier⸗ ſton noch ziemlich lange unentſchloſſen. Doch verließ er endlich ſeinen Freund in der voll⸗ kommenſten Ueberzeugung, daß er nichts Beſſe⸗ res thun könne, als ſeinem Rathe folgen, und

ſchon am andern Morgen kündigte er ſeine

Zahlungsunfaͤhigkeit an. | André hatte Karl'n nicht ein Wort von

dem für ihn gethanen Schritte geſagt, aber

II. Thl. 8

14 N am andern Morgen begab er ſich zum Marquis, und verließ ihn nicht eher wieder, als bis er aus dem Buͤreau des Miniſteriums das Pa⸗ tent fuͤr Karl Pierſton in Haͤnden hatte. Der Marquis beluſtigte ſich uͤber ihn wegen ſeiner Eilfertigkeit, dieſe Stelle zu verſchaffen, und fragte ihn lachend, wieviel ihm dieſe Angele⸗ genheit einbrachte.

„Drei große Vortheile, Mylord, antwor⸗ tete André. Erſtens, einen Beweis erhalten zu haben, daß Ihre Herrlichkeit mich Ihrer Achtung nicht fuͤr unwuͤrdig halten; zweitens, einem guten Freunde eine Anſtellung verſchafft zu haben, deren er hoͤchſt noͤthig bedurfte; drit⸗ tens, einen jungen Mann angeſtellt zu ſehen, der Fahigkeiten und Grundfäge beſitzt, und Ihrer Herrlichkeit nie Anlaß geben wird, den ihm bewilligten Schutz zu bereuen. Denn wäre ich deſſen nicht gewiß geweſen, fo hätte ich nie etwas für ihn von Ihrer Herrlichkeit verlangt.“ U a

Es wäre unnütz, die Szene zu beſchreiben, als Wylie ſeinem Freunde das Patent über

15 feine Anſtellung uͤberbrachte; aber die Folge wird zeigen, daß den Ws Dienſt --

nie vergaß. Zu dieſer Zeit ping ſchon ein dunkles Ge⸗

rüuͤcht von der bevorſtehenden Aufloͤſung des

Parlaments im Lande umher, und bald ers hielt auch der Marquis von Avonſide im Ge heimen die Gewißheit, daß fie in kurzer Zeit bes werkſtelligt werden wuͤrde. Er hatte bisher im⸗ mer die Wahl eines Repraͤſentanten i im Flecken

N Bedfort nach ſeinem Willen geleitet, aber er wußte, daß dießmal eine ziemlich zahlreiche

Partei ſich ſeinem Einfluß widerſetzen wollte, und daß er große Summen wuͤrde anwenden muͤſſen, um ihn ſich zu erhalten. Daher ließ er Andren, als ſeinen Geſchaͤftsfuͤhrer, rufen, um ſich mit ihm über die Mittel, wodurch er fie herbeiſchaffen könne, zu verabreden.

Der edle Marquis war einer von den uns

eigennützigſten Stuͤtzen der Miniſter des Koͤ⸗

nigs, ſo lange ſie ihre Stelle beſaßen; daher

konnte man ihn auch eigentlich nicht als einen

Parteimann betrachten. Sein Betragen rich⸗

tete ſich durchaus nach demjenigen, was man 8 *

m | 3 N

die erbliche Politik feiner Familie nennen konnte; und ſein Vermoͤgen war dadurch keines⸗ ioeges vergrößert worden, da er, um ſeinen Einfluß auf die Wahlen zu erhalten, oͤfters bedeutender Summen benoͤthigt war, die er augenblicklich nur durch Anleihen ehe, konnte.

Als Wylie zu ihm eintrat, war er allein. Die Unterhaltung drehte ſich anfangs um die abermals beſchloſſene Anleihe, zur Deckung der bei der neuen Wahl der Repraͤſentanten noͤ⸗ thigen Koſten. „Aber, wenn ich es recht überlege, rief er plotzlich aus, Sie ſelbſt, Wylie, warum ſollten Sie nicht in das Haus der Gemeinen eintreten wollen? Fuͤr Sie wuͤrde ich meinen Einfluß in Bedfort lieber, als fuͤr jeden Andern anwenden; nicht weil ich denke, daß Sie im Parlament als Redner auftreten ſollen; aber man kann ſich nützlich machen, ohne gerade an den oͤffentlichen Ver⸗ handlungen Theil zu nehmen. Viele Ange⸗ legenheiten werden ja durch beſondere Aus⸗ ſchuͤſſe abgemacht, und hierbei werden Sie mehr als Jemand Dienſte leiſten koͤnnen.

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17

Denken Sie darüber nach, und wenn Sie geneigt „find, mein Anerbieten anzunehmen, fo will ich Ihnen eine goldne Brücke bauen.“ )

Wylie war keinesweges abgeneigt, dieſen Vorſchlag anzunehmen. Seitdem er ſich in der Welt uͤber ſeinen fruͤheren Stand ſchon weit erhoben hatte, war in ihm ſchon mehr⸗ mals der Ehrgeiz, Parlaments-Mitglied zu werden, rege geworden; und er hatte ſogar ſchon den Vorſatz gefaßt, den Marquis deß⸗ wegen auszuforſchen. Aber feine natürliche

f Klugheit gebot ihm, ſeine wahren Gedanken

nicht ſogleich zu enthuͤllen. Ich bin der Meinung, Mylord, anfwor: tete er, daß ich Ihnen für Ihr Anerbieten großen Dank ſchuldig bin; aber dieſer Vor: ſchlag erfordert eine reife Ueberlegung, und ich fuͤhle wenig Faͤhigkeit in mir, ein Mit⸗ glied des großen Raths der Nation zu wer— ) Das heißt: Sie ſollen mir weniger, als jeder Andere bezahlen, um als Parlaments- Mitglied ernannt zu werden. Es iſt hinreichend bekannt, daß eine große Anzahl einflußreicher Perſonen in England, welche die Wahlen in den Flecken leiten, ſich die Stellen als Parlaments- Mitglieder gut bezahlen laſſen. Br

© | 1

den; nicht, weil ich nicht wußte, daß im Mars lament oft Knaͤuel vorkommen, die ich ſo gut wie jeder Andere abwickeln kann; aber Sie wiſſen, Mylord, daß Sie von mir erwarten, wie ich alle Ihre politiſchen Meinungen mit meiner Stimme unterſtuͤtzen ſoll: und ich habe vielmehr Neigung zu den politiſchen Meinun⸗ gen Ihres edlen Schwiegerſohns, des Grafen von Sandyford, uͤber welchen ich Ihre Herr— lichkeit mehrmals, als einen Dresen Br klagen hören.“ | |

Dieſe Antwort RN den Marquis ein wenig in Verlegenheit; ſie war weder eine Weigerung noch eine Einwilligung, aber ſie ſchien noch eine Thuͤr zur Unterhandlung offen zu laſſen. Daher glaubte er, ohne eine Bloͤße zu geben, antworten zu dürfen: „Gewiß, Wylie, rechnete ich darauf, daß Sie bei allen politiſchen Fragen mit meinen Freunden, den Miniſtern, ſtimmen Kine; aber damit wollte ich nicht Ihren Meinungen durchaus Gewalt anthun. Nur nehme ich vorzuͤglich zwei Gegen⸗ ſtande aus: die Reform des Parlaments und die Emancipation der Katholiken; denn uͤber

0

dieſe beiden iſt mein Entſchluß gefaßt, und welche auch ſelbſt die Meinung der Miniſter ſein moͤchte, ſo erwarte ich von Ihnen eine verweigernde Stimme darüber.“

„Ich bin der Meinung, Mylord, daß Sie uͤber dieſe beiden Punkte ruhig ſein konnen, da man doch nicht vorausſetzen kann, daß ich die Leiter umſtuͤrzen werde, auf welcher ich emporgeſtiegen bin, und mein Gewiſſen mir verbietet, irgend etwas zu thun, was unter uns den Aberglauben und die religiöfe Heu⸗ chelei zuruͤckfuͤhren koͤnnte. Alſo, da ich jetzt

weiß, daß Ihre Herrlichkeit von mir verlan⸗ gen, ich ſoll ſtets fuͤr die Miniſter ſtimmen: was fordern Sie fuͤr meine Ernennung als Mitglied des Unterhauſes? | | Diefe auf eine fo rauhe Weiſe ausge⸗ ſprochene Frage erſchreckte den Marquis gleich» ſam; aber doch konnte er ſich nicht enthalten,

uͤber die Freimüthigkeit und Einfach Ads zu lachen. „Wenn Sie von einem der Flecken, uber | welche ich verfügen kann, zum Beiſpiel von Bedfort, zum Mitglied ernannt werden wollen:

120

ſo wird dieß Ihnen 3500 Pfund koſten, da ich einem jeden Anderen meine Unterſtuͤtzung nur fuͤr 4000 Pfund bewilligen wuͤrde.“

„Dieß iſt wahrhaftig eine große Verſu— chung, Mylord, und ich glaube daß wir mit einander fertig werden koͤnnten, wenn Sie noch einen Schritt thun wollten, und mir etwas mehr Freiheit meines Gewiſſens ließen.“

Ich glaube nicht, daß wir uͤber dieſen Punkt Schwierigkeiten finden koͤnnen, Wylie; denn Sie ſind ein vernuͤnftiger Mann, und ich wuͤrde mich auf Ihre Einſicht bei poli⸗ tiſchen Angelegenheiten eben ſo gut verlaſſen, als auf jeden Anderen. Aber die nne muß aufrecht erhalten werden.“ 5

„Mylord, ſagte André ſehr ernſthaft, ic glaube nicht, daß Jemand mich im Verdacht haben könnte, als wenn ich im Stande waͤre, etwas gegen die Regierung meines Landes zu übernehmen. Aber ich will Ihnen einen Vor⸗ ſchlag machen, Mylord. Bewilligen Sie mir voͤllige Freiheit, nach meiner Ueberzeugung zu ſtimmen, und ich will ſaͤmtliche Koſten, welche meine Wahl in Bedfort erfordern wird,

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und die ſi ch Na auf weit hoͤher als 4000 Pfund belaufen, übernehmen.“

„Sie ſind ein ſeltſamer Menſch, ſagte der Marquis lachend; aber ich kann ſolchen Vor— ſchlag nicht ablehnen. Indeſſen rechne ich auf Ihre guten Grundſaͤtze, und ich hoffe, daß Sie die Partei meiner Freunde, der Miniſter, un⸗ terſtützen werden.“

„Ich hoffe, Mylord, daß jene 10 nie⸗ mals zwingen werden, fuͤr eine andere Partei zu ſtimmen.“

Dieſes waren die Fee welche André Wylie in's Haus der Gemeinen fuͤhrten; denn der Einfluß des Marquis, und das nebens bei angewandte Geld, trug auch dieſes Mal, zu Gunſten des von ihm vorgeſchlagenen Bes werbers, den Sieg uͤber die entgegengeſetzte Partei in Bedfort davon, und André ward Repraͤſentant dieſes Fleckens.

Wylie wußte ſehr wohl, daß ſeine an politiſche Verbindung mit dem Marquis von Avonſide, ihn noͤthigen würde, in Kurzem am Hofe zu erſcheinen; und überdieß hatte es ihm auch der Marquis deutlich genug geſagt, daß

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er ſich dem Koͤnige vorſtellen laſſen müßte, und daß er dieß ſelbſt übernehmen wolle. Die Neugierde war in dem Herzen Andres eine nur hoͤchſt untergeordnete Leidenſchaft, und er hatte ſich noch nie bemüht, feinen König zu ſehen; ja er kannte durchaus nicht einmal, obgleich er mit Perſonen des hoͤchſten Ranges in Verbindung ſtand, den Privatcharakter Georgs des Dritten. Und in der That war auch der König, durch die Zurückgezogenheit, in welcher er mit ſeiner Familie zu Windſor wohnte, feinen Unterthanen faſt gaͤnzlich fremd geworden; nur bei offentlichen Feierlichkeiten, Hoftagen und dergleichen Gelegenheiten wurde der König ſichtbar, ausgenommen des Sonn⸗ tags Abends, wo er auf der Terraſſe des Schloſſes zu Windſor ſpazieren ging. 0

Die Erfahrung hatte André'n gelehrt, daß die Kenntniß des Charakters und der Ge⸗ wohnheiten derjenigen Perfonen, mit denen man zu thun hat, ein großes Hälfemittel iſt, um vorwärts zu kommen; und eine Vorſtellung bei Hofe, welche man in der Regel als eine bloße Förmlichkeit betrachtet, war für ihn,

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und das mit Recht, eine hoͤchſt wichtige Be: gebenheit. Da es leicht moͤglich war, daß er in der Ausübung feiner kuͤnftigen Geſchaͤfte, als Parlaments Mitglied, im unmittelbare Berührung mit dem Könige kommen koͤnnte: ſo dachte er, daß es weſentlich ſein wuͤrde, ſich bei der erſten Zuſammenkunft ſo zu be⸗ tragen, daß er durchaus keinen unguͤnſtigen Eindruck auf den König machte, und. ihm viel⸗ mehr eine gute Meinung von ſich beibraͤchte. Er beſchloß alſo, ohne Jemanden etwas von ſeinem Vorhaben zu entdecken, vorher noch den Koͤnig ſelbſt zu ſehen, und ſo viel Nach⸗ richten als moͤglich von ſeinem Charakter ein⸗ zuziehen; hierzu war es noͤthig, ſich nach Wind: for zu begeben, und er nahm daher einen Platz in der Diligence, wo er ſich in eine Ecke des Wagens druͤckte, um nicht zufälig erkannt zu werden. | Hr

7 Achtzehn tes Kapitel.

Auf dieſer Reiſe begegnete unſerm Sins! tot nicht das geringſte Abenteuer, und er kam ohne Aufenthalt gegen Abend in Wind⸗

m —. *

ſor an, wo er in einem Gaſthofe unweit des koͤniglichen Schloſſes abſtieg. Nachdem er hier ſeinen Thee eingenommen, und ſich bei einem Aufwaͤrter nach mehreren Oertlichkeiten erkundigt hatte: benutzte er den noch uͤbrigen Theil des Tages, das Schloß und die Um⸗ gegend in Augenſchein zu nehmen. Wie ſehr erſtaunte er aber, ſtatt aller Pracht und der geraͤuſchvollen Lebhaftigkeit, die er von dem Wohnſitze eines Koͤnigs erwartete, nur die Stille eines Kloſters zu finden. Nachdem er das Schloß von außen und von den Höfen aus beſehen hatte, begab er ſich wieder in feinen Gaſthof, da es heute ſchon zu ſpaͤt war, ſich das Innere der koͤniglichen Zimmer zeigen zu laſſen; er beſchloß aber, dieß morgen zu thun, weil er dabei hoffte, den ihn begleiten⸗ den Aufſeher hinlaͤnglich uͤber die Perſoͤnlich⸗ keit des Koͤnigs ausforſchen zu koͤnnen. Mit dem Anbruche des folgenden Tages war Andre ſchon auf den Beinen, da er er⸗ fahren hatte, daß der Konig ſtets ſehr früh aufſtehe, und hieraus ſchloß, daß dieß wahr⸗ ſcheinlich auch die Gewohnheit ſeiner Diener⸗

a = ſchaft ſei, deten einige er zu begegnen und auszufragen hoffte. In dieſer Hoffnung ging er daher in den Park, und hielt ſich in der Naͤhe des Schloſſes auf, um genau zu beob— achten, wenn Jemand herauskommen wuͤrde.

Aber tiefe Stille herrſchte noch allenthalben,

und es kam ihm keine menſchliche Geſtalt zu Geſicht. | | Andre urtheilte, daß es doch wohl noch ein wenig zu fruͤh ſein moͤchte, und ging daher in dem Park ſpazieren: als er ploͤtzlich, nur wenige Schritte entfernt, einen großen Mann, ſchon von einem gewiſſen Alter, erblickte, der mit einem blauen Rocke und ſcharlachrothem Kragen, nebſt dergleichen Aufſchlaͤgen, angethan war: eine Kleidung, die er anfangs fuͤr eine Livrée hielt. Indeſſen fand er in der Miene dieſes Mannes ein gewiſſes Etwas, das ihm nicht erlaubte, denſelben für einen Bedienten zu halten; und der Stock mit dem goldnen Knopfe, den er mit einer gewiſſen Nachlaͤſſig⸗ keit in der Hand fuͤhrte, brachte ihn endlich zu dem Gedanken, daß es ein alter Offizier ſein moͤchte. „Das iſt gerade die Perſon,

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welche ich ſuche, ſagte er zu ſich ſelbſt; denn die alten Soldaten ſchwatzen gewoͤhnlich gern, und ich kann leicht von ihm Alles erfahren, | was er von dem Könige zu ſagen weiß. Bei dieſen Worten ging er auf ihn zu; aber kaum hatte er einige Schritte gethan, ſo blieb det Greis ſtehen, betrachtete ihn aufmerkſam, und ſagte mit lauter Stimme: „Das iſt ein Frem— der, ich kenne ihn a 50 e hp nie geſehen.

„Guten Morgen, mein Herr, fadhe Wylie, ſich ihm naͤhernd; ein ſchoͤner Tag heute, und Sie find fruͤh aufgeſtanden, ihn zu genießen, Aber Seine Majeſtaͤt, der brave Mann, geht Ihnen darin, wie in vielen andern Sachen, mit gutem Beiſpiel voran; nicht wahr?“ „Sie find ein Schotte? ſagte der Greis, ſeine Ausſprache bemerkend. Es iſt hier viel wärmer, als bei Ihnen; nicht wahr? Und aus welchem Theil von Schottland kommen Sie? Wie finden Sie Windſor 2 Sind Sie hierher gekommen, um den Koͤnig zu ſehen, he?“ Und zu gleicher Zeit fl er in ein lautes Gelächter au.

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AUnſer neuer Senator erſtaunte einigerma⸗ ßen, einen Unbekannten fo leicht und frei mit ſich ſprechen zu hoͤren; aber er bekam dadurch noch mehr Hoffnung, die Unterredung mit ihm fortzuſetzen. „Ich bin der Meinung, ſagte er, daß es nicht leicht iſt, fo viel Fra⸗ gen auf einmal zu beantworten; aber, um bei der erſten anzufangen, ſo will ich Ihnen ſagen, daß Sie ſich nicht irren, und daß ich in der Grafſchaft Ayr gebuͤrtig bin.“ '

„Aha! aus der Grafſchaft Ayr! Schöne Grafſchaft, gutes Land. Treibt man dort noch Schleichhandel, he? Sieht man dort noch Lords auf die Zollbedienten ſchießen? Schlechtes Spiel! ſchlechtes Spiel! Macht man dort noch Verbeſſerungen im Ackerbau? Nichts iſt beſſer! Zum Kriege ſind Menſchen noͤthig, und der Ackerbau ſaͤet Drachenzaͤhne. Ißt man dort die Kartoffeln hu fo gern, wie in Irland, he?“

Fuͤr dießmal wurde die guſtigkeit d des Unbe— kannten anſteckend; ſein abermaliges lautes Gelaͤchter brachte daſſelbe bei André hervor, und einer lachte, weil er den andern lachen

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ſah. Dieſe Szene dauerte einige Minuten hindurch, und erzeugte eine Art von Vertrau⸗ lichkeit unter ihnen. b 5 „Kurz und gut, ſagte endlich Andre; aber Sie machen mir da eine Menge neuer Fragen, und ich habe die erſten noch nicht beantwortet. Ich bin der Meinung, daß man bei dieſen anfangen muß. Ich will Ihnen alſo ſagen, daß ich wirklich nach Windſor gekommen bin, um den Koͤnig zu ſehen; und bei dieſer Ge— legenheit möchte ich wohl auch eine Frage thun. Was fuͤr eine Art von Menſch iſt der Koͤnig? Denn, was die Koͤnige und die Miniſter betrifft, ſo kann man da weder den Zeitungen noch den Geſchichtſchreibern glauben.“ | „Was! nicht an die Geſchichte glauben? Das iſt Schottiſche Vorſichtigkeit! Wohlan, ich will Ihnen ſagen/ daß der Koͤnig weder alles das Gute verdient, noch alles das Boͤſe, was man von ihm ſpricht. Aber ich weiß, daß er ſtets geſucht hat, ſeine Pflichten als König gewiſſenhaft zu erfüllen. | „Ich bin der Meinung, daß dieß Jeder⸗ mann von ihm denkt. Aber ich frage nicht

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nach feinen’ Eigenfchaften als König, ſondern ich moͤchte wiſſen, was er in den Punkten, wo er nur ein Menſch wie alle andere iſt, für eine Denk- und Handelsweiſe hat.“

„Ha! ha! Neugierde; das iſt einzig, eins zig! Und was haben Sie fuͤr Urſache, mein lieber Freund, um ſo zu fragen? Sie muͤſſen doch eine haben. Unmoͤglich iſt die Frage ohne Grund!“ 0 |

Iſt es nicht ſehr narürlich, willen zu wollen, was für eine Art von Menſchen man zum Souveraͤn hat, dem man Ehrfurcht, Ge horſam und Treue ſchwur, dem man zu jeder Stunde mit dem Arm, dem Kopf und dem en dienen ſoll?“ 5

„Wahr, wahr, wahr! Sehr richtige Se merkung! Sie ſind eines Geſchaͤfts wegen hierher gekommen? Was fuͤr ein Geſchaͤft?“

„Mein vorzuͤglichſtes Geſchaͤft in dieſem dlugenblick iſt, den König au ſehen, und ihn kennen zu lernen.“

„Was! das iſt ein Geſchaͤft? ein einziges Geſchaͤft. Haben Sie weiter keine Geſchaͤfte? II. hl, 0 97

r

Wollen Sie vielleicht dem Koͤnige einen Streich ſpielen?“ rief der Unbekannte lachend.

Wylie wußte nicht mehr, was er von der frohen und ſcherzhaften Laune feines Gefell- ſchafters denken ſollte, und ſagte nun in ei⸗ nem ernſthaftern Tone: „Ich bin der Mei⸗ nung, daß es Ihnen verboten iſt, ſich gegen Fremde uͤber den König zu aͤußern; denn Sie weichen der Frage aus, wie es 1 im Par⸗ lament geſchieht.“

„Im Parlament? Sind Sie da geweſen? ; Wohlan, was denken Sie davon? Viel Ge- ſchrei und wenig dahinter! Nicht wahr, he?“

„Das iſt wahr, mein Herr, und ich wollte, daß man dort eben ſo kurz und bündig fpräche, wie es unfer König thun fol. Denn man fagt, er ſpricht mit vieler Grazie und Salbung.“

„Das konnte wahr ſein, als er jung war; aber er iſt alt geworden; er iſt das nicht mehr, wie ich ihn fruͤher geſehen habe.“

„Ich vermuthe, Sie ſind lange in ſeinen Dienſten geweſen?“

„Ja, ich bin einer ſeiner aͤlteſten Dane

rd = ich kann ſagen, daß ich ſein Diener war, hy dem ich mich ſelbſt kenne!“

„Und ich zweifle nicht, daß die Guͤte des Koͤnigs Ihnen Ihren Dienſt 15 7 leicht ge⸗ macht hat?“

„Ganz gewiß war ich ihm i immer gehor⸗ ſam. Aber welche Belohnung habe ich zu erwarten? Wenigſtens in dieſer Welt kann ich nicht daruͤber urtheilen.“

„Sie wird ſehr freigebig ſein, oder ich täuſche mich ſehr; denn Sie haben das An— ſehen eines klugen und vorſichtigen Mannes, und Sie verdienen gewiß den Poſten, den Sie ſchon ſo lange bekleiden. Ich werde mich dieſer Unterredung erinnern, und es iſt moͤg⸗ lich, daß dieß Ihnen im Parlament nuͤtzlich werden kann. Der Koͤnig kann keine großen dummen Streiche machen, wenn er mit wei⸗ ſen und klugen Maͤnnern umgeben iſt, wie Sie mir zu ſein ſcheinen, obgleich Ihre Gei— ſtesfunken, die ich bemerkte, drollig genug ſind. Wie heißen Sie?“

Der Unbekannte ſah ihn ſtarr an, und anſtatt auf ſeine Frage zu antworten, rief

9 *

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er lachend aus: „Sie ſitzen alſo im Parla⸗ ment? Ich habe dort auch eine Stelle! Ich gehe nicht oft hin; doch iſt es moͤglich, daß wir uns dort wiederſehen. Adieu! Adieu!“

„Verzeihen Sie meine Freiheit, mein Herr, ſagte André einigermaßen uͤber die Art außer Faſſung gebracht, womit ſeine neue Bekannt⸗ ſchaft ſich fo ganz obenhin von ihm trennte; aber wenn Sie nichts Beſſeres zu thun ha⸗

ben: ſo wuͤrde ich mich freuen, wenn Sie

mit mir fruͤhſtuͤcken wollten.“

„Unmoͤglich! Unmoͤglich!“ rief der Unbe⸗ |

kannte, indem er ſchon ging. Aber nachdem er einige Schritte gethan hatte, drehte er ſich

um, und fuͤgte hinzu: „Ich muß mit dem

Koͤnige fruͤhſtuͤcken! Er wuͤrde ohne mich nicht fruͤhſtuͤcken!“ Und er ſetzte feinen Weg fert indem er aus vollem Halſe lachte.

Dieſe Unterredung hatte die Neugier unſetes Helden wenig befriedigt, und er begab ſich in etwas uͤbler Laune nach dem Wirthe⸗ hauſe zuruͤck, da ſich ſein Magen ſchon zu melden anfing. Während des Fruͤhſtuͤcks aber

erfuhr Andre von einigen Fremden „daß die

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133

beſte Gelegenheit, den König zu ſehen, in der Kirche ſei. Dieſen Wink beſchloß Andre zu befolgen, und ſtand daher ſchon lange vor der gewöhnlichen Zeit an der Kirchthuͤr Yo feinem Poſten. |

Eine ziemlich einfache Kutſche fuhr end— lich vor, aber das koͤnigliche Wappen war auf dem Kutſchenſchlage, und der Kutſcher fo wie die Lakaien trugen die Livrée des Ko» nigs. Die Menge machte Platz, und die Worte: das iſt der Koͤnig! das iſt der Koͤnig!

welche von allen Seiten mit leiſer Stimme

ausgeſprochen wurden, kuͤndigten André'n an, daß er nun ſeinen Souveraͤn ſehen ſollte. Aber wie wurde ihm zu Muthe, als er den Unbekannten aus dem Wagen ſteigen, und der Königin den Arm geben fahe! Sein Schrecken war unbeſchreiblich, und er dachte nur darauf, ſich unter der Menge zu verſtek⸗ ken, aus Furcht vom Koͤnige erkannt zu werden.

Weit entfernt, noch laͤnger in Windſor zu bleiben, um ſich die gewuͤnſchte Auskunft uͤber den Koͤnig zu verſchaffen, eilte er, ſich in die nächſt abgehende Diligence zu ſetzen, und nach

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1

London zuruͤckzukehren. Erſt in dem Wagen gelang es ihm, ſeines Schreckens gaͤnzlich Meiſter zu werden, und kaltbluͤtig uͤber das Geſchehene nachzudenken. Es ſchien ihm bald, daß der König nicht die geringſte Urſache haben koͤnne, mit ihm unzufrieden zu ſein; und er endete damit, herzlich uͤber ſein Abenteuer zu lachen, das er aber Niemanden zu erzählen beſchloß.

Da der Koͤnig nach einigen Tagen im Pallaſt St. James zu London großen Hoftag halten wollte, fo fuhr ſchon am andern Mor⸗ gen der Marquis von Avonſide bei unſerem Helden vor, und benachrichtigte ihn, daß er bei dieſer Gelegenheit vorgeſtellt werden muͤſſe. Dieß war eine Ehre, die André gern noch aufgeſchoben hatte, weil er glaubte, daß der Koͤnig ihn dann wahrſcheinlich vergeſſen haben, oder ihn nicht mehr erkennen wuͤrde. Aber der Marquis beſtand darauf, ihn am naͤchſten Hoftage vorzuſtellen, indem er ſagte, daß dieß unumgänglich nothwendig fuͤr ſeine politiſchen Abſichten ſei, und André mußte ſich alſo fuͤgen.

Als der gefuͤrchtete Tag angebrochen war,

an

fühlte ſich unſer Held zum erſten Male in ſeinem Leben uͤbler Laune. Er fand, daß ſein Hofkleid ihm ſchlecht ſtehe, daß die Farbe zu auffallend, die Stickerei nicht beſcheiden genug ſei. „Und dieſer Bratſpieß, fuͤgte er hinzu, als er ſeinen kurz vorher gekauften Galla— Degen anſteckte, haͤtte auch wohl weit beque— mer an der rechten Seite haͤngen koͤnnen.“ Immer langer zoͤgernd, kam er endlich bei dem Marquis von Avonſide an, der ſchon vor Ungeduld, ſo lange auf ihn warten zu muͤſſen, bitterte, und ſchwur, daß er noch nie fo ſpaͤt bei Hofe erſchienen ſei. Als ſie in's Palais eintraten, wendete Andre alle mögliche Sorg— falt an, ſich von dem Marquis durch die Menge nicht trennen zu laſſen; das Herz ſchlug ihm ziemlich ſtark, als der Augenblick immer näher kam, wo er vor den Koͤnig tre⸗ ten ſollte; aber er hoffte durch Behendigkeit ſeinen Blicken zu entſchluͤpfen. In der That machte er auch die gewoͤhnliche Kniebeugung ſo raſch, und buͤckte ſeinen Kopf ſo ſchnell und unterthaͤnig, daß das lebhafte und durchdrin⸗ gende Auge des Königs. nicht auf feinen Ge—

Fes

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ſichte haften konnte. Aber während er, ſich wieder aufrichtend, ſich hinter einen dicken geiſtlichen Wuͤrdentraͤger zu verſtecken ſuchte, ertappte ihn der Koͤnig auf der That, or erkannte ihn im Augenblick.

„Aha! rief George aus, dad iſt mein: Schotte aus der Grafſchaft Ayr. Guten Morgen, mein Herr! ein ſchoͤner Tag heute, he? Sie ſind hierher gekommen, um den Ainig zu ſehen; nicht wahr?“ |

Da unſer Held einfahe, daß ihm bier jeder Ruͤckzug abgeſchnitten ſei, nahm er ee nen Muth zuſammen, und auf die gute Laune des Koͤnigs rechnend, welche er bei jener Unter⸗ redung im Park von Windſor gezeigt bang! antwortete er: „Ach, Sire! Ew. Majeſtaͤt haben mir in die Dame geſchlagen, als Sie mich wie eine Elſter ſchwatzen ließen, ohne mir zu verrathen, mit wem ich ſprach.“

Der Marquis von Avonſide war wie ver⸗ ſteinert, und ſein Schrecken ſchien die gute Laune des Koͤnigs noch zu vermehren, welcher fi) von Neuem an André wandte:

„Sie bieten mir heute kein Frühſtuͤck an?“

a.

a

he? Zu ſpaͤt! ich habe mit dem Könige ges

fruͤhſtuͤckt!“ Und ſich hierauf zu einem Schot⸗ tiſchen Lord umwendend, der neben ihm ſtand, fuhr er fort: „Mylord, Ihr Landsmann iſt verteufelt liſtig! Aber er iſt ein rechtlicher Mann! Ein rechtlicher Mann, das edelſte Werk der Gottheit!“

Da der Koͤnig hierauf mit einer andern

Perſon ſprach, benutzte der Marquis dieſe Ger

legenheit, um ſich mit André zu entfernen; und nachdem er ſich dieſes Geheimniß hatte

erklaͤren laſſen, nahm er einen hoͤchſt ernfthaf:

ten Ton an, und ſagte, er habe große Gefahr

gelaufen, von Seiner Majeſtat übel, aufge⸗

nommen zu werden. Der Graf von Sandy⸗

ford aber dachte hierüber ganz verſchieden von

ſeinem Schwiegervater; denn als er dieſes Abenteuer erfuhr, behauptete er, daß der Koͤnig ſeinen Schotten aus der Grafſchaft Ayr ſtets mit Vergnuͤgen wiederſehen wuͤrde. Er taͤuſchte ſich nicht in ſeiner Erwartung; als ſich André zum erſten Male wieder bei Hofe einfand, er⸗ kannte ihn der Koͤnig ſogleich, und ladete ihn

zu einer Aſſemblée ein, welche einige Tage

133 W

ſpaͤter bei der Königin in Buckingham⸗Houſe Statt haben ſollte.

Waͤhrend des Winters, welcher auf die Wahl Andres zum Parlaments-Mitglied folgte, kamen der Graf und die Graͤfin San⸗ dyford, obgleich wider ihren Willen, nach Lon⸗ don zuruck; aber den älteren Freunden des Grafen war es endlich gelungen, ihn zu über- zeugen, daß er, als Pair des Koͤnigreichs, auch die Pflichten eines ſolchen erfüllen muͤſſe. Eben dieſer Winter wurde auch entſcheidend für das Schickſal unſeres Helden, und die Göttin des Glucks ſchuͤttelte aus ihrem Fuͤll⸗ horne fo viel Ehrenſtellen und Reichthümer uͤber ihn aus, daß es ſchien, als warte ſie nur auf den Augenblick, wo es André gefallen wuͤrde, fie aufzunehmen. Alles, was nur irgend zu der Familie des Grafen Sandyford und des Marquis von Avonſide gehoͤrte, hatte ihm ſeine Klientſchaft uͤbertragen, und ſuchte mit immer neuem Eifer jede Gelegenheit auf, ihm Dienſte zu leiſten. Der Graf und die Gräfin für ihre Perſon hatte noch nichts für ihn gethan; aber ſie erwarteten von der Zeit,

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daß ſie noch im Stande ſein wuͤrden, ihm ihre 8 und Dankbarkeit zu bewei- ſen, ohne ſein Ehrgefuͤhl zu beleidigen.

„Ich habe mir vorgenommen, ſagte der Graf eines Tages zu ſeiner Gemahlin, ihm einen Beweis meiner Achtung zu geben, den er als eine Ehre anſehen wird; denn ich habe bemerkt, daß er mehr Werth auf Alles legt, was ſein perſoͤnliches Anſehen vergrößert, als auf jeden andern Vortheil.“ |

Er erklärte ſich uͤber feine Abſicht nicht weiter; aber als ihm, ungefähr. 3 Monate fpäter, die Gräfin einen Sohn geboren hatte, machte er ihr bekannt, daß er Wylie'n als einen der Pathen einladen wolle.

„Ich wuͤrde mich unendlich freuen, ant— wortete die Gräfin, für unſer theures Kind einen ſolchen Freund zu erlangen, und es ſei⸗ ner Zuneigung durch die auf die Taufe ge— gründeten heiligen Bande zu verſichern; aber Wylie iſt u. Schotte, und daher Presbyte— rianer; ich fuͤrchte alſo, daß die Strenge ſei⸗ ner Grundſaͤtze ihn verhindern moͤchte, dieſe Einladung anzunehmen.“

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In dieſem Augenblick kam die Herzogin von Daſhingwell herzu, und da ſie die ver⸗ trauteſte Freundin der Graͤfin war, ſo machte man ſie mit dem een des 8 bekannt.

„Auch ich, ſagte ſie, habe ſo gut als der Graf Sandyford bemerkt, daß unter der Ein⸗ fachheit Wylie's nicht nur die Schlauheit eis nes Fuchſes, ſondern auch der hoͤchſte Ber verſteckt iſt.“

„Es iſt mir ſchon oͤfters e gte die Gräfin, daß er, bei det vollkommenen Gleichguͤltigkeit, womit er allgemein unſer Ger ſchlecht betrachtet, irgend ee Nei⸗ gung in ſich nähert u man ng „Sie haben recht geurtheilt! 105 die Her⸗ zogin aus; ich erinnere mich eines Umſtandes, der davon einen Beweis giebt, und der liſtige Fuchs hat die Geſchicklichkeit gehabt, nicht nur mich zu ſeiner Vertrauten zu machen, ſondern auch, mich gewiſſermaßen für: ihn ver den zu laſſen. Ich weiß nicht, was der Er⸗ folg davon war; aber ich ſehe noch immer die junge und ſchöne Schottin vor mir, welche

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mit ihrer Tante in einer meiner’ Affembleen war. Guter Gott! was habe ich für ein Gedaͤchtniß! Ich habe ihren Namen vergeſſen. Aber Wylie war in die Nichte verliebt, bis uͤber die Ohren verliebt, das iſt gewiß, und ich glaube, er hat mir geſagt, ſchon von ſei— ner Kindheit an. Wir muͤſſen ihn doch da⸗ nach fragen!“

Waͤhrend die Herzogin mit N gewoͤhn⸗ lichen Froͤhlichkeit und Lebhaftigkeit ſo ſchwatzte, wechſelten der Graf und die Graͤfin einige Blicke des Einverſtaͤndniſſes mit einander, welches ſie waͤhrend der Anweſenheit der Her— zogin nicht durch Worte erklären wollten; als fie ſich aber entfernt hatte, fagte der Graf lachend: „In ganz Großbritannien moͤchte wohl keine alte Mutter der lieben Herzogin den Preis der Schwatzhaftigkeit ſtreitig machen; aber in dem, was ſie uns ſo eben erzaͤhlt hat,

finde ich einige Umſtaͤnde, welche mich das

Betragen Wylie's in einem ganz neuen Lichte erſcheinen laſſen. Wenn es wahr iſt, daß er ſchon ſeit mehreren Jahren verliebt iſt, ſo finden wir in dieſer Leidenſchaft die Bewegungs⸗

1 gruͤnde, welche auf die Art ſeines Seins Ein⸗

fluß gehabt haben; und ich wollte zehn gegen |

eins wetten, daß es kluge und überlegte Bes wegungsgruͤnde find. Doch muͤſſen wir Ges ſchicklichkeit anwenden, um ſie zu entdecken.“ Bald darauf trat Andre ſelbſt ein, und wahrend er die Schoͤnheit des Saͤuglings bes wunderte, welcher auf dem Schooße feiner Mutter lag, ſagte der Graf zu ihm ohne weitere Einleitung: „Nun, Wylie, Sie werden mir doch das Vergnuͤgen machen, einer der Pathen dieſes kleinen Burſchen zu ſein?“ „Ich bin der Meinung, daß dieß eine große Ehre für mich ſein wuͤrde, antwortete

Andre ohne zu zaudern; aber ich glaube, daß

es mir unmoͤglich iſt. Ich weiß zwar nicht recht, was man unter einem Pathen verſteht; aber ohne im Geringſten die Gebraͤuche der biſchoͤflichen Kirche in England herabzuſetzen, werden mir Ihre Herrlichkeit doch erlauben, zu ſagen, daß davon nichts in den zehn Ge⸗ boten ſteht. Ich hoffe alſo, daß Sie mich gürigft entſchuldigen werden.“ n Der Graf ſah Lady Sandyford laͤchelnd

*

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an, und ſagte zu André mit dem herzlichſten Tone: „Die ſtrenge Befolgung Ihrer Grund— füge zwingt mich, Sie darum nur noch mehr zu achten, Wylie; und ich vermuthe jetzt, daß die Entbehrungen, die Sie ſich ſo lange Zeit hindurch auferlegten, aus irgend einem lobens— werthen Bewegungsgrunde entſtanden ſein, den ich bisher noch nicht entdecken konnte. Ich habe Sie noch nie von Ihrer Familie ſpre— chen hoͤren.“

„Das kommt daher, weil ich keine Familie habe, Mylord.

Aber, erwiederte der Graf lächelnd, die Herzogin von Daſhingwell, welche heute Mor⸗ gen hier war, ſagte uns doch, daß fie ſich eis. ner jungen und ſchoͤnen Schottin erinnere, welcher Sie ſehr zugethan waͤren.“ 4

Die Verwirrung, welche ſich auf dem Ges ſichte unſeres Helden malte, ließ dem Grafen keinen Zweifel mehr übrig. „Wenn wir Hs nen, fuhr er in einem hoͤchſt freundſchaftlichen Tone fort, auf irgend eine Art bei der Aus⸗ fuͤhrung ihrer Plane nuͤtzlich ſein koͤnnten,

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Wylie: warum erklären Sie ſich nicht? Lady Sandyford und ich ſind gegen Sie eine Schuld eingegangen, welcher wir uns niemals entle— digen koͤnnen. Sie würden unſer Gluck voll⸗ kommener machen, wenn Sie uns ſagen woll— ten, was wir zu dem e bana konnen.“

André fühlte, daß er endlich das Ziel er: reicht haͤtte, dem er ſeit ſo langer Zeit und mit fo vieler Beſtaͤndigkeit entgegen gegangen war. Er wußte, daß er ſich jetzt auf einem Stand⸗ punkte befaͤnde, welcher dem der Miß Marie Cunningham die Wagſchale hielt; und zum erſten Male geffand er ſich ſelbſt die ganze Gewalt einer Neigung, welche die geheime Urſache ſeines Betragens, von ſeiner Ankunft in London an, geweſen war, obgleich er ſich kaum erlaubt hatte, ſich mit der geringſten Hoffnung zu ſchmeicheln. Lord und Lady San⸗ dyford bewunderten das Zartgefuͤhl, womit er ihnen den geheimen Bewegungsgrund geſtand, der ihn bewogen hatte, die Geſellſchaft der Perſonen von Stande zu ſuchen, und womit er von ſeinem urſpruͤnglich niedrigen Stande

ſprach, indem er ihm den Rang der ia Craigland entgegenſetzte.

„Aber jetzt, fuhr er fort, wenn Sie das Werk vollenden wollen, woran Sie ſchon fo lange, ohne es zu wiſſen, Hand angelegt ha⸗ ben: ſo bitte ich Sie, mir in den Augen meiner alteſten Bekannten einen Theil von jenem Anſehen zu verſchaffen, welches weder Geld noch Ehrenſtellen geben. Mit einein Worte, Mylord und Mylady, Gott und Ih⸗ rem Schutze ſei's gedankt, was das Vermoͤ— gen betrifft, ſo bin ich jetzt im Stande, mich um Miß Cunningham zu bewerben; erſt vor Kurzem habe ich die Herrſchaft Wylie in Schottland fuͤr 30,000 baare Pfund Sterling gekauft, wodurch ich doch gerade keine verwerf— liche Partei geworden bin; aber die Miß ges hoͤrt einer alten Familie an, und uͤberdieß möchte ich ihr auch keinen Antrag machen, ehe ich nicht uͤberzeugt wäre, daß keine Ruͤck⸗ ſicht auf mein Geld fie dazu DONE, ihn een 4

„Das heißt die Gewiſſenhaftigkeit etwas weit treiben, ſagte der Graf laͤchelnd. Aber

II. Thl. 10

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wie Finnen Sie Gewißheit über ihre wahren Gefuͤhle erlangen? Das iſt durchaus nicht leicht. Haben Sie einige Urſache zu glauben, daß ſie Ihre Zuneigung erwiedert?“

„Um das zu behaupten, habe ich nicht Ei⸗ telkeit genug, antwortete Andre; aber wir ſtanden in Beziehung auf einander, als wir noch ſehr jung waren; und wenn ich ſehen ſollte, daß ſie ſich derſelben mit Vergnuͤgen erinnert, ſo wäre das hinreichend für mich,

Er erzaͤhlte ihnen jetzt die Geſchichte ſei⸗ 1 ner erſten Jugendjahre, und miſchte ſo viel Witz und Originalität hinein, daß der Graf und die Graͤfin mehrmals laut an zu lachen fingen. Sie verſicherten ihm zuletzt, daß ſie, ſobald der kleine Lord Chaſtington getauft ſein würde, mit ihm eine Reife nach Schott⸗ land machen wollten, um mit den Einwohnern von Craigland und Stoneyholm, von denen er ihnen ſo eben erzaͤhlt hatte, Vene zu machen. er

Nach dieſem wichtigen Geftändnife unfes res Helden dachte die Gräfin Sandyford, deren Dankbarkeit und Theilnahme fuͤr ihn ohne

ee

9 Grenzen war, beständig darüber nach, ve

| welche Mittel man ihm die Erreichung feiner Wuͤnſche erleichtern koͤnnte. Eine Idee ſiel ihr unter Anderm ein; ſie dachte, wenn fuͤr ihn der Titel eines Ritters Baronet zu er— halten ware: ſo würde dieß einen großen Einfluß auf die Unterdruͤckung der Vorurtheile der Familie Craigland haben, und fie theilte daher dem Grafen ihre Meinung mit. Lord Sandyford war vollkommen damit einverſtan⸗ den, und noch an demſelben Tage fuhr die

1 Gräfin zu m. Vater, dem 5 von Avonſide.

Dier Marquis wunderte ſch anfangs über die Bitte ſeiner Tochter; denn dieſen Ehrgeiz

hatte er Andre'n nicht zugetraut, da er ihn als einen Mann kannte, welcher auf derglei— chen leere Titel gar keinen Werth legte. Als er aber erfuhr, daß Wylie ſelbſt an dieſer Bitte keinen Theil habe, und mit den übri- gen Umſtaͤnden, welche ihm dieſe Standeserhoͤh⸗ ung wuͤnſchenswerth machten, bekannt wurde: willigte er ſogleich ein, ſich feines Einfluſſes

zu dieſem Zweck zu bedienen. Er that noch

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N

an demſelben Tage die nöthigen Schritte bei dem erſten Miniſter, ſeinem vertrauten Freunde; und da auch dieſer Andre’n hinlaͤnglich kannte, und wußte, welchen Nutzen er ſchon im Par⸗ lamente bei den verſchiedenen Ausſchuͤſſen ge— leiſtet hatte: ſo wurde ſeine Erhebung in den Stand eines Ritters Baronet re beſchloſſen.

In Folge deſſen kündigte die offziele gei⸗ tung am naͤchſten Sonnabend, zum großen Er⸗ | ſtaunen unſeres Helden und aller feiner Freunde, die nichts von dem Geheimniß wußten, feine Erhebung in den Stand eines Baronets an, unter dem Titel: Sir Andrée ern von Wylie. |

Neunzehntes Kapitel.

Unterdeſſen blieb Marie Cunningham, ob⸗ | gleich die ſchoͤnſte unter den Schoͤnen in der Grafſchaft Ayr, die zugleich ein Vermoͤgen, wie wenige unter ihnen, zu erwarten hatte, immer noch eine Roſe, welche Niemand abzu⸗ pfluͤcken wagte. In der That hatte fie ſich zwar allenthalben die Bewunderung, die ſie zu

genießen berechtigt war, erworben, und war mehr als einmal das Ziel habfüchtiger Ber werber um ihre Hand geweſen; aber in der Einſamkeit, in welcher ſie der Geſchmack und die Trägheit ihres Vaters, fo wie der Stolz und die Klugheit ihrer Tante, zuruͤckhielt, konnte es keinem der jungen Leute, die eine annehm⸗ liche Partie fuͤr ſie geweſen waͤren, gelingen, ſich ihr haufig genug vorzuſtellen, und ihre Zuneigung zu gewinnen. Denn man ſah ſie nur hoͤchſt ſelten das Schloß Craigland ver— laſſen, außer, wenn fie auf den Ball fahren durfte, welcher alljaͤhrlich in Kilwinning ge⸗ geben wurde. 8 Ungeachtet ihrer Einſamkeit verlebte aber Marie ihre Tage nicht mit Nichtsthun, ſon— dern ſie verſtand die Kunſt, ſich ſelbſt Freu⸗ den zu ſchaffen, welche fuͤr ſie eben ſo an— genehm, als nuͤtzlich fur Andere waren. Bei dem betraͤchtlichen Vermögen ihres Vaters konnte ſie mit Leichtigkeit ihr Vorhaben aus— führen, das fie gefaßt hatte: die Gärten, den Park und das Schloß aus dem verwilderten Zuſtande zu ziehen, in welchen die Nachläſſig⸗

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keit des Beſitzers alles dieſes hatte verſinken laſſen; und da fie mit vieler Geſchicklichkeit die dazu erforderlichen Summen von ihrem Vater erpreßt hatte, leitete ſie ſelbſt mit vie- lem Geſchmack die Verbeſſerungen. Dieſe Ar⸗ beiten vertrieben die Duͤrftigkeit aus dem Dorfe, und ließen der Faulheit keinen Vor⸗ wand ſich zu beklagen uͤbrig. Jedermann fand im Schloſſe Arbeit, und Marie wußte Jedem eine feinen Kräften eme Wia zu uͤbertragen.

Von allem dieſem wurde e Andre in Kenntniß geſetzt; denn jedes Mal, wenn die alte Marthe dem Schulmeiſter Tannyhill einen Brief diktirte, verfehlte der letztere nie eine Nachſchrift hinzuzufuͤgen, in welcher er ihn von Allem, was in Stoneyholm vorging, in Kenntniß ſetzte. Der Geſchmack, von welchem Marie bei der Verſchoͤnerung des vaͤterlichen Guts Beweiſe ablegte, die Wohlthaten, welche | fie. haufig im Dorfe an Kranke und Gebrech⸗ liche ſpendete, waren diejenigen Gegenſtaͤnde, bei welchen er ſich gern am laͤngſten aufhielt, obgleich er nicht wußte, welchen lebhaften

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Antheil der, Eispfänger des Briefes daran nahm. 1 Schon vor langer Zeit hatte Andre vers ſprochen, ſeinen Geburtsort zu beſuchen; aber man verlor die Hoffnung, als man erfuhr, daß er Mitglied des Parlaments, und endlich gar Baronet geworden ſei. „Indeſſen, ſagte Tannyhill, beweiſen ſeine Briefe, daß feine | Standeserhoͤhung nicht die getingſte Veraͤn⸗ derung in ſeinen Geſinnungen hervorgebracht hat, denn jedes ſeiner Worte iſt ihm von einem vortrefflichen Herzen in die En diktirt.“ 5

Einige Monate, lee Sir Andre Wylie, denn ſo muͤſſen wir ihn nun nennen, den Titel eines Baronets erhalten hatte, erfüllten endlich der Graf und die Gräfin Sandyford ihr Verſprechen, mit ihm nach Schottland zu reiſen, und alle drei traten in einem Wagen den Weg dahin an. Man war uͤbereingekom⸗ men, ſich in Kilmarnock von einander zu trennen, von wo aus der Lord und feine Gemahlin ihre Richtung nach dem Schloſſe Auchinward in der Grafſchaft Ayr nahmen,

152 dem Wohnſitze des Sir Archibald und der Lady Marguerite Maybale, feiner Gemahlin, einer vertrauten Freundin der ver— ſtorbenen Mutter der Graͤfin. Von hier aus hatten ſie ſich vorgenommen die Vorurtheile in Eraigland zu bekaͤmpfen. | Sir André verweilte fih einige Stunden lang in dem Gaſthofe zu Kilmarnock, da er erſt nach angebrochener Dunkekheit in Stoney⸗ holm anzukommen wuͤnſchte, welches nur eine gute Stunde entfernt war; bei anbrechender Daͤmmerung trat er aber ſeinen Weg zu Fuße an, und erblickte endlich beim Schein der Sterne zuerſt die gothiſchen Thuͤrme des Schloſſes Craigland, in welchem mehrere Fen- ſter erleuchtet waren. Eine noch nie gefuͤhlte aͤngſtliche Beklemmung ſeines Herzens drohte ihm den Athem zu rauben, und mit lang⸗ ſamem Schritt, in einer höchft ernſten und nachdenklichen Stimmung, naͤherte er ſich nun der Huͤtte ſeiner Großmutter. Aber er fuͤhlte, daß er ſo nicht bei ihr eintreten muͤſſe; er ſuchte Herr ſeiner ſelbſt zu werden, jede me⸗ lancholiſche Vorſtellung von ſich zu verbannen,

verdoppelte den Schritt, und ſtand nach eini⸗ gen Minuten vor der Thuͤr derjenigen, welche in ſeiner Kindheit ſo cee für Ir ger Brei hatte.

Sein Vorſatz war, ſch plötzlich zu zeigen, um ſich einen Genuß an den Ausbruͤchen ihrer Freude und Ueberraſchung zu verſchaffen; aber als er eben eintreten wollte, hoͤrte er in der Huͤtte ſprechen. Er blieb einen Augenblick ſtehen, um zu horchen; die Stimme war ihm nicht unbekannt, und rief in ſeine Einbildungs⸗ kraft, beſſer als es durch das treuſte Gemaͤlde haͤtte geſchehen fünnen, die vornehmſten Bes 5 gebenheiten ſeiner erſten Lebensjahre zurück; die Spiele, an denen er ſich mit Kameraden vergnügte, von denen einige todt, andere aus⸗ gewandert, noch andere zu den ſchweren Ar— beiten eines Landmannes verurtheilt waren; ſelbſt das Bild der armen Maggy, feiner Elſter, deren tragiſches Ende ihm die Noth— wendigkeit auferlegte, fu ufzig Palmen auswendig zu lernen; endlich Marie Cunning⸗ ham, wie. fie ihm bei dieſer Aufgabe half. Dieſe Stimme war mit einem Worte die des

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würdigen Tannyhill, welchem die alte Marthe ſo eben einen Brief an ihren Enkel diktirte, um ihn zu bitten, daß er jetzt, da er ein großer Mann, und ein erwachſener Mann, geworden ſei, zu kommen, um ſie noch einmal vor 0 Tode zu ſehen.

Das Herz ſchlug ihm Wiens und FR Hand zitterte, als er die Thuͤr oͤffnete, um hineinzugehen. Der Schulmeiſter ſtand beim erſten Geraͤuſche auf, nahm das Licht zur Hand, und wollte nach der Thuͤr gehen, um zu ſehen, wer fo ſpaͤt und fo ploͤtzlich ein⸗ treten koͤnne; aber ſchon druͤckte Andrs ſeine Großmutter in feine Arme. Wir uͤberlaſſen es der Einbildungskraft unſerer Leſer, ſich ein Bild von der jetzt vorfallenden Szene darzu⸗ ſtellen; welchem Pinſel koͤnnte es gelingen, mit treuen Farben die freudigen Entzuͤckungen der kindlichen Liebe und der ine Sutz lichkeit zu malen! 7

Am folgenden Morgen ging Sie Andre | ſchon ſehr früh aus, um feinen alten Lieblings⸗ fpaziergang in das Gehoͤlz von Craigland zu machen; aber er kehrte zu ſeiner Großmutter

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zuruck, ohne irgend einen Bekannten ſeiner Jugend zu ſehen. Nach dem Fruͤhſtuͤck begab er ſich mit der alten Marthe und Tannyhill in die Kirche, indem es ein Sonntag war; und da ſeine Ankunft jetzt ſchon im Dorfe bekannt geworden, ſo war der groͤßte Theil der Einwohner aufndem Kirchhofe verſammelt, indem man nicht zweifelte, ihn hier zu erblicken. Man machte ihm ehrerbietig Platz, und bil dete ſo eine Gaſſe, in welcher er wie im Triumphe zwiſchen ſeiner Großmutter und dem guten Tannyhill einherging; ſobald er aber einen ſeiner Bekannten erblickte, reichte er ihm die Hand, ſprach zu ihm mit Herzlichkeit und Laune, und zeigte ihnen ſo, daß er der ehema⸗ ligen, ene mit ihnen ſich keinezweges ſchaͤme. nt:

Eine ungewoͤhnliche Denge erfüllte : 1050 die a und alle Augen waren bis zu den Augenblick, wo der Prediger die Kanzel be: ſtieg, auf Sir André gerichtet. Der Zufall wollte, daß gerade ein Pſalm angeſtimmt wurde, welcher anfing: „Herr! dir dank' ich, du haſt mich erhoben,“ und ſo genau mit der Lage

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und den Empfindungen Andre's in dieſem Au⸗ genblick uͤbereinſtimmte. Sir Wylie erbebts, unwillkürlich; dieß war auch einer von jenen Pſalmen, welchen er fo oft der Miß Cunning⸗ ham auf dem Kirchhofe hergefagt hatte. Mecha⸗ niſch richtete er feinen Blick auf den Kirchen⸗ ſtuhl des Gutsbeſitzers, und hier ſah er dies ſelbe Sonne ſtralen, welche ſo lange und ſo ohne Unterlaß feine Gedanken befchäßigng: 1

Als der Gottesdienſt geendigt war, verließ Sir Andre die alte Marthe, und ſagte ihr, daß er noch einige ſeiner alten Bekannten zu ſprechen wünſche, nachher aber zu ihr zuruͤck⸗ kommen würde. Hierauf begab er ſich auf den Kirchhof, und ſtellte ſich an jenen Leichen⸗ ſtein, wo Marie Cunningham ihn ehemals fo oft aufgeſucht hatte; bald war er hier voͤllig von den Einwohnern des Dorfes umgeben, deren ihm jeder feine Freude, ihn wiederzu— ſehen, zu bezeigen ſuchte, und deren jedem er etwas Angenehmes oder Scherzhaftes zu ſagen hatte. Aber waͤhrend er ſo mit ihnen ſprach, hatte er unverwandt feinen Blick auf die Thür der Kirche gerichtet, aus welcher er endlich

den Gutsbeſi ider, Miß Mizy und Marie Cun⸗ ningham hervortreten ſah.

Die Zeit hatte den Ruͤcken des alten Craig land gekruͤmmt, ſeine Schultern gerundet, und er trug jetzt nicht mehr ſeine Haͤnde in den Taſchen; denn die eine ſtuͤtzte ſich auf den Arm ſeiner Tochter, in der andern trug einen großen Rohrſtock. Miß Mizy hatte ihren ge— raden Wuchs erhalten; aber obgleich ſie ma— ger war, fo ſchien fie doch ſchwerer und uns behuͤlflicher geworden zu ſein. Guͤnſtiger hatte die Zeit auf Marie Cunningham gewirkt, des ren Reize ſich jetzt in ihrer voͤlligen Reife befanden, und ſo ihre Lieblichkeit erhöhten. Sir Andre ging fogleich auf fie zu, und | der alte Craigland druͤckte ihm mit Herzlich— keit die Hand. Miß Mizy empfing ihn mit ſichtbarer Zufriedenheit, und ſelbſt Miß Marie ſchien ihn mit fo vielem Vergnügen wieder⸗ zuſehen, daß einige ſcharfſichtige Beobachten unter den umſtehenden Dorfbewohnern mit leiſer Stimme bemerkten, daß es wohl nicht unmoͤglich ſei, in André Wylie noch einſt den Gemahl der Tochter des Gutsherrn zu erblicken.

Sie hatten den Kirchhof der Laͤnge nach zu durchſchreiten, um nach einer Thuͤr zu ge⸗ fangen, welche auf einen näheren: Weg nach dem Schloſſe führte, und Sir Andrs beglei⸗ tete ſie. Sie kamen bei jenem Leichenſtein, dem Zeugen ſeiner Zuſammenkuͤnfte mit Ma⸗ rien in ihrer Kindheit, vorbei, und er be⸗ merkte, daß ſie einen Blick darauf warf, der nicht ohne Abſicht zu ſein ſchien. Dieſer Stein, welcher damals ganz neu war, hatte jetzt ſchon nach unten zu eine Decke von Moos, nach oben zu aber eine ſchwaͤrzliche Farbe erhalten.

„Die Zeit hat ihn nicht verſchont,“ ſagte Sir André zu Marien mit halblauter Stimme.

Miß Cunningham erröoͤthete; aber fie er⸗ holte ſich bald, und antwortete lebhaft und ſcherzend: „Und ich glaube, ſie hat Sie auch wohl einige von J funfzis Wan vergeſſen laſſen?“ |

Diefe Unterhaltung wurde jetzt . chen, denn der alte Craigland wandte ſich an unſern Helden: „Sir André, ſagte er, ich hoffe, Sie werden es uns nicht abſchlagen,

a

heute Mittag eine Suppe bei uns zu eſſen? Meine Schweſter meint zwar, ſie ſei heute nicht dazu eingerichtet, weil wir nur einen Hammelskopf und ein kaltes Geflügel haben; aber ich weiß, daß geſtern ein Spanferkel ge— ſchlachtet worden iſt, und wenn Sie meine Bitte bewilligen, ſo iſt es noch Zeit, es an den Spieß zu ſtecken. Was ſagen Sie dazu? Ich hoffe, Sie werden keine Umſtaͤnde machen?“

Dieſe Einladung machte Sir André großes Vergnuͤgen, und er dachte durchaus nicht daran, ſie abzulehnen. Er nahm daher einen ſcherzenden Ton an: „Wenn es keine Suͤnde iſt, am Sabbath außer dem Hauſe zu ſpeiſen,

ſo macht es mir viel Vergnuͤgen, es bei Ih⸗ nen zu thun; aber ich bin der Meinung, daß ich Großmutter davon aaieige fonf würde fie böfe fein.“

„Sie haben Recht, ſagte Srälgfand, mit einem guͤtigen Tone; Sie find ihr vielen Dank ſchuldig, aber ich weiß, daß Sie ſie nicht vergeſſen haben. Ich hoffe indeſſen, daß Sie kommen werden.“

„„Ich glaube, lieber Bruder, Gase; Miß

SL

Mizy, daß du eben fo gut thuſt, auch Mie

riß Marthe einzuladen. Sie iſt jetzt gewiſſer⸗ maßen eine Frau von gutem Stande, da ihr Enkel Mitglied des Parlaments und Ritter Baronet iſt.“ |

„Das iſt ſehr wahr, Mizy, antwortete der Gutsherr, und ich werde ſie mit Vergnuͤgen bei mir ſehen. Ich hoffe, Sir André, daß Sie ſie mitbringen werden, und ich bitte Sie, ſie in meinem Namen einzuladen.“

Waͤhrend dieſes Geſpraͤchs war man an die Thuͤr des Kirchhofes gelangt, wo Sir André ſehr uͤberraſcht war, eine Equipage warten zu ſehen; aber man merkte es ihr gleich an, daß fie dem alten Craigland gehoͤre. Von den Pferden war das eine ſchwarz, das andere grau, und beide ſchienen ſeit ihrer Ge— burt noch nicht geputzt worden zu ſein; übers dieß war das eine ein Stutz⸗, das andere aber ein Langſchwanz. Das Riemzeug war an mehreren Orten mit kleinen Stricken ausge⸗ beſſert, der ubrigens ziemlich elegante Was gen durchaus von oben bis unten mit Koch beſpritzt. Allem dieſem machte Robin Taigle,

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der Kutſcher, Ehre, welcher außerdem noch die Dienſte eines Jaͤgers, Hundewaͤrters, Kam— merdieners und Lakaien, nebenbei auch eines Poſtillons, verrichtete; ſeine ganze Livrée bes ſtand in einer alten grauen Jacke, und ſeine Fuͤße hatte er in Stroh gewickelt, um dadurch die Stiefeln zu erſetzen.

Andre half den beiden Damen und dem Gutsherrn in den Wagen. Miß Mizy, ih⸗ ren Kopf aus dem Kutſchenſchlage ſteckend, rief in einem vornehmen Tone: Nach dem Schloſſe! und nickte hierauf Sir Andrern mit einem aͤußerſt grazioͤſen Lächeln zu, waͤhrend die Pferde ſich wie gewöhnlich, das heißt in langsamem Schritt, in Bewegung ſetzten. Sir Andre blickte der ſich langſam ent» fernenden Equipage zwei oder drei Minuten lang nach, und heute ſchien es ihm zum erſten Male in ſeinem Leben keine Anmaßung zu ſein, wenn er ſeine Augen bis zu Miß Cun⸗ ningham erhoͤbe.

Mir plötzlich eine Stimme hinter ihm; ich

II. Chi, .

„Nicht wahr, das iſt eine peöchtige Karoſſe?“ |

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wette, Ihr habt nie eine bone in London geſehen!“

Sir André wandte ſich beende um, und erblickte einen Mann in einer alten, in Lumpen umherhängenden Kavallerie-Uniform, auf dem Kopfe einen alten Hut, deſſen Krems pen er beſchnitten hatte, um ihm das Anſehen eines Czackots zu geben; ſein Hals und ſeine Süße waren nackt; um feinen. Leib hatte er ſtatt eines Gürtelö einen Stric gebunden, und ſtatt eines Degens einen Stock hindurch geſteckt. - Es war Jamie, ein wahnſinniger Bett ler, deſſen Tollheit hauptſaͤchlich in der Eins bildung beſtand, daß er einen hohen militäs riſchen Grad beſitze, daher er auch bei keiner Revuͤe der Truppen in der ganzen Grafſchaft fehlte. Sein Wahnſinn blieb indeſſen immer ruhig und gutmuͤthig.

„Ich glaube, fuhr Jamie fort, Ihr woll⸗ tet die eine von den beiden Damen gern zu Frau haben? Auch ich habe ſchon oͤfters daran gedacht, aber ich weiß nur noch nicht welche.“ ;

a Andre fah jetzt, mit wem er es zu thun batte „Wirklich?“ ſagte er. iR 5

* „Da, wahrhaftig! Freilich iſt Miß Marie die huͤbſcheſte; aber Miß Mizy hat die Schluͤſ⸗

ſel zum Speiſekeller, und ich liebe gut Eſſen Rund Trinken für mein Leben! Aber ich will

Euch etwas ſagen. Sprecht doch einmal fuͤr mich,

und dann will ich auch fuͤr Euch ſprechen.“ „Seht gern, unſer Handel iſt richtig,

ſagte Sit André lachend; ich werde fuͤr dich bei Miß Mizy ein Wort einlegen.“

„Und warum nicht bei Miß Marie? Aha! das iſt die Feſtung, die Ihr belagert! Doch

meinetwegen; hier meine Hand, und Ihr koͤnnt von nun an auf mich rechnen. Gebt

Achtung 1 Rechts um!“ um ſeiner los zu werden, gab ihm André

ein Sechs Pence⸗Stuͤck, und nahm feinen Weg nach der Huͤtte der alten Marthe, die er gleich mit der Einladung in das Schloß be-

kannt machte. Sie weigerte ſich zwar an— fangs, dieſe Einladung anzunehmen, welche fie als eine viel zu große Ehre für ſich an

ſah; aber André drang in fie, und fie wil⸗

11 *

164 ligte endlich, um ihm en, zu ma⸗

“m ‚em VUnſer Held hatte ſeinen un S8 die

e gute Marthe mit auf's Schloß nehmen

zu wollen. Er kannte vollkommen den Cha⸗ rakter des Gutsherrn und feiner Schweſter,

und wollte ſich nun überzeugen, ob vielleicht

Marie ihre Vorurtheile geerbt hätte, Seine Zärtlichkeit für fie, obgleich viel ſtärter und eben ſo beſtaͤndig, als die eines Bruders, war jedoch nicht, was man in der Romanenſprache eine Leidenſchaft nennt; und ehe er fich ſei⸗ ner Neigung ganz uͤberlaſſen wollte, hatte er beſchloſſen, Marien einer Pruͤfung zu unter⸗ werfen, indem er Beobachter würde, mie fie

ſich gegen ſeine ehrwuͤrdige W be⸗

W moͤchte.

Als Sir André und die au Dauthe im

Schloſſe ankamen, wurden ſie durch Robin Laigle, welcher jetzt den Dienſt eines Lakaien

verſah, in den Salon gefuͤhrt. Miß Mizy

hatte freilich gemeint, daß es unnoͤthig waͤre, ſo viele Umſtände zu machen, und der alte Craigland ſtimmte ihr vollkommen bei; Bi

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irn

163 Mar ie mochte allen Einwendungen ein Ende, indem ſie ihrer Tante in's Gedͤͤchtniß zuruͤck⸗ rief, in welcher glaͤnzenden Geſellſchaft ſie ihn in London getroffen haͤtten. u

‚Eraigland faß allein im Salon, als die beiden Gaͤſte eintraten. Sobald er ſie erblickte, rief er, ohne vom Stuhle aufzu⸗ ſtehen: „Nur herein, Marthe, nur herein, nehmen Sie doch einen Stuhl! Ich freue mich ſehr, Sie zu ſehen, und ich habe mit Vergnügen erfahren, daß Ihr Enkel feinen Weg in der Welt gemacht hat, und der Troſt Ihres Alters ſein wird.“

N Ein ſolcher Empfang, der alle gebröuch⸗ . liche Höflichkeit bei Seite ſetzte, h hätte doch * beinahe unſern Helden unwillig gemacht; allein er beruhigte ſich auf der Stelle, ſobald er an den Charakter Craiglands dachte, ſetzte ſich mit vieler Beſcheidenheit in einiger Entfer⸗ nung von ihm nieder, und fing nun ein Ge⸗ ſſdraͤch mit ihm an, das aber bald durch die Ankunft der Miß Mizy unterbrochen wurde. Auch dieſe machte ſich einer gleichen Unhöf⸗ lichkeit ſchuldig, ging bei der guten Marthe

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vorbei, nahm einen Stuhl, und ſetzte ſich, ih⸗

rem Bruder gegenuͤber, nieder, ehe ſie 78 ein Wort geſprochen hatte.

„Liebe Schweſter, ſagte der Gutshert, ſo⸗ bald fie ſaß; weißt du wohl, daß ich mit An⸗ dre Wylie's gutem Verſtande fehr juftieden Rin?“ .

15 „Woran denkſt , lieber Bruder, daß du ſo ſprechen kannſt, rief Miß Mizy bei dieſen Worten aus; haſt du vergeſſen, daß er jetzt Ritter Baronet und Mitglied des Parlaments iſt? Entſchuldigen Sie meinen Bruder, fuhr ſie, ſich mit einem angenehmen Lächeln an

Andre wendend, fort; aber Sie kennen feine .

Sitte, und werden ſich nicht beleidigt fuͤhlen,

wenn er von Zeit zu Zeit vergeſſen ſollte, Ihnen den gebührenden Titel zu geben“

„Nein, gewiß nicht, Miß Mizy, erwiederte Sir André. Ihr Bruder und ich kennen uns ja nicht erſt ſeit geſtern, und wir koͤnnen da⸗

her unter uns Beiden wohl 5 Manches hei

Seite ſetzen.“ In dieſem Augenblick trat auh Marie

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ein. Ihre Geſichtsfarbe war etwas lebhaft geroͤthet, aber wir wiſſen nicht, ob wir dieß einer phyſiſchen oder moraliſchen Urſache zu⸗ ſchreiben ſollen. Es iſt moͤglich, daß irgend ein geheimes Gefuͤhl, welches ſich in ihrem Herzen erhob, als ſie unſern Helden von ihrem Vater guͤnſtig aufgenommen ſah, dieſe Roͤthe ihrer Wangen hervorgerufen hatte; auch iſt es moͤglich, daß die Wirkung des Feuers in der Küche, wo fie bis jetzt die Vorbereitungen zu dem heutigen Feſte beaufſichtigt hatte, dieſe | außerordentliche Gefichtöfarbe hervorbrachte: aber wie dem auch ſei, fie näherte ſich zuerſt der alten Marthe, und ſagte zu ihr in einem hoͤchſt guͤtigen und theilnehmenden Tone: „Ich freue mich ſehr, gute Marthe, Sie zu ſehen, und es iſt ein großes Vergnuͤgen fuͤr mich, daß Sie es nicht abgeſchlagen haben ..... Sie ſtockte hier einen Augenblick, und fuͤgte dann hinzu: Ihren Enkel zu begleiten.“

Sie wendete ſich hierauf an den Baronet, und ſagte mit einer froͤhlichen, aber doch eini- germaßen verlegenen Miene: „Ich fuͤrchte, Sir André, daß die großen Gaſtmaͤler in London

ER Ihnen Verachtung eines einfachen Mittags⸗ eſſens auf dem Lande eingefloͤßt haben.“

„Die Geſellſchaft, antwortete André galant, iſt ſtets die beſte Schuͤſſel bei einer Mahlzeit, und der Hammelskopf, ſo wie das Spanferkel, e uns verſprochen hat, koͤnnen mit der Sauce der Miß Mizy und Ihrer Ver⸗ zierung, Miß Marie, nicht anders als hoͤchſt vortrefflich ſein.“

Es lag etwas Scherzhaftes in dieſem Komp liment, und Miß Cunningham fuͤhlte es voll⸗ kommen. Aber ihre Tante nahm es nach dem Buchſtaben, und der Gutsherr brach, ſich rückwärts auf die Lehne ſeines Stuhles wer- fend, in ein lautes Gelaͤchter aus, mit dem Ausruf, daß er die Zeit nicht wuͤßte, wo er eine ſo witzige Antwort gehoͤrt haͤtte.

Als Robin Taigle anmeldete, daß die Speiſen aufgetragen ſeien, machte Sir Andre einige Schritte vorwaͤrts, um der Miß Mizy feinen Arm anzubieten; da er aber ſah, daß der Gutsherr allein ging, ohne an Marthen zu denken, beſchloß er mit der naͤmlichen Münze zu zahlen, ließ ihn ſo wie ſeine Schweſter

ee

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vor ſich vorbeigehen, und folgte N 5 mit ſeiner Großmutter.

Marie bemerkte das Manoͤver des Baro⸗ | nets, und errieth die Urſache. Ihr Zartge⸗ fühl ſagte ihr auf der Stelle, was fie zu thun habe; und anſtatt unmittelbar auf ihren Vater

und ihre Tante zu folgen, kehrte ſie in den

hinteren Theil des Saales zuruͤck, als wenn

ſie dort etwas vergeſſen haͤtte, und folgte hierauf

hinter André'n und der alten Marthe in den N

ae Kapitel. Der Graf und die Graͤfin von Sandy⸗

ford waren ungefaͤhr um dieſelbe Zeit in

Auchinward angekommen, als André in Stoney⸗ holm. Sir Archibald und Lady Margarethe waren außer ſich vor Freude, ſie bei ſich zu ſehen; und als ſie von dem geheimen Be⸗

wegungsgrund ihrer Reiſe, ſo wie von ihren

Wuͤnſchen, Sir André nuͤtzlich zu werden, unterrichtet wurden, gingen ſie ſogleich mit Eifer in ihre Plane ein. Doch ſagten ſie ihnen, daß Miß Cunningham allgemein fuͤr

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ſehr ſtolz gehalten wuͤrde, ein Fehler der ganzen Familie Craigland, da fie ſchon einige der be— ſten Partien im Lande ausgeſchlagen habe.

„Sehen Sie manchmal dieſe en 2 fragte die Gräfin.

„Manchmal, antwortete Sir Archibald, ja, und die beiden Damen beſuchen auch uns von Zeit zu Zeit; was aber den alten Craigland betrifft, das iſt ein Baͤr, der nicht leicht aus ſeiner Höhle herauszubringen iſt.“ | „Und wie koͤnnen wir Bekanntſchaft mit

ihm machen, fragte der Graf, wenn Sie ihn

nicht zu ſich einladen?“

„Nichts iſt leichter, ſagte Sir Archibald; wir ſtatten morgen insgeſammt einen Beſuch in Craigland ab, laden Sir André auf uͤber⸗

morgen zu uns zum Mittagseſſen ein, wodurch

wir dem alten Craigland einen Beweis der

Achtung geben, welche alle Freunde des jun⸗

gen Baronets gegen ihn haben; und auf jeden Fall bitten wir auch ihn ſelbſt zum Eſſen.“ So wurde es auch beſchloſſen; ſie ſtiegen alle vier des Morgens nach Beendigung des Gottesdienſtes in einen Wagen, und kamen

* [2 a Zu

in dem Augenblick in Craigland an, wo man ſich hier zu Tiſche ſetzte. Niemals konnte ein Beſuch mehr zur unrechten Zeit kommen, wie Miß Mizy und ihr Bruder ſogleich ur⸗ theilten; denn man konnte weder eine Aus⸗ flucht ſuchen, um Perſonen von dieſem Range nicht zu empfangen, noch konnte man ſie warten laſſen, und das Mittagseſſen war alſo verdorben. Ueberdieß, wenn der Gutsherr Sir Archibald und den Fremden empfangen mußte, ſo war es eben ſo unerlaͤßlich, wie Miß Mizy ſagte, daß ſie und ihre Nichte den beiden Damen die Honneurs machte; und was ſollte während dieſer Zeit aus ihren Gaͤ⸗ ſten werden? Marie brachte Alles in einem Augenblick in Ordnung, indem ſie erklaͤrte, daß ſie bei Tiſche bleiben würde, während ihr Vater und ihre Tante die Wb he em⸗ pfingen.

Kaum hatte, nach den erſten Komplimen⸗ ten, Lord Sandyford, der ſich vorgenommen hatte, auf jede Weiſe den Gutsherrn fuͤr ſich zu gewinnen, denſelben zwei Minuten lang beobachtet: als er der Luſt nicht widerſtehen

re

konnte, ſich auf feine Koften zu vergnügen. Er ſtellte ſich alſo, als wenn er zwei im Salon aufgehaͤngte Gemälde, welche dem alten Eraig⸗ land und ſeiner verſtorbenen Gemahlin in ihrer Jugend ähnlich geſehen haben ſollten, ſehr aufmerkſam betrachtete, und fragte end⸗ lich mit hoͤchſt ernſthafter Miene, ob dieß nicht die Bildniſſe de ug von ze und Voltaire's ſeien?

Craigland erſtaunte nicht, nein, er ti über dieſe Frage; aber die Gräfin’ ließ ihm keine Zeit zu antworten, und fragte ihn, ob er ſchon Sir André Wylie geſehen habe. „Gewiß, ohne Zweifel habe ich ihn ge⸗ ſehen; er iſt in dieſem Augenblicke mit ſeiner Großmutter bei uns. Der arme Junge ſcheint ziemlich ſein Gluͤck in der Welt gemacht zu haben, und ich mußte ihm doch einige Theil⸗ \ nahme zeigen.“ AB

„Aber wo iſt Miß Cunningham? fragte Lady Margarethe. Ich wuͤnſchte ſehr, fie bei dieſer Gelegenheit mit it N bekannt zu machen.“

„Schweſter, rief der onen, geh, und

475

hole ſie, damit ſie desen Damen mr Auf⸗

wartung machen fann. // 5 „Aber du weißt doch, lieber Bruder, A wortete Miß Mizy mit den Augen blinzend,

daß ſie unſeren Baer Geſellſchaft leiſten

muß.“ .

„und denen tee Graislähr. Was haben wir noͤthig, mit Leuten wie Marthe Docken und ihrem Bonn viel Umſtaͤnde zu machen!“ |

„Ich bitte Sie, EN der Graf, laſſen Sie N Miß Cunningham bei Ihren Gäſten bleiben. Sir André Wylie verdient ſo viel Aufmerk⸗ ſamkeit, daß weder Lady Sandyford noch ich die Hintenanſetzung der ſeinem Rufe und feinen Talenten ſchuldigen Ruͤckſichten veran⸗ laſſen moͤchte.“

Craigland wußte nicht recht, was dieß Alles bedeuten, noch was er dem Grafen ante worten ſollte; aber Sir Archibald zog ihn

aus der Verlegenheit, indem er ſagte: „Wir

hatten die Abſicht, dem achtungswerthen Ba⸗ tonet einen Beſuch abzuſtatten, um ihn zu morgen Mittag, nach Auchinward einzuladen.

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Ich hoffe, Craigland, daß Sie uns das Vu gnuͤgen machen werden, ihn zu begleiten

Lady Margarethe machte zu gleicher Zeit der Miß Mizy dieſelbe Einladung, und ſagte, wie ſie ſich mit der Hoffnung ſchmeichle, daß ſie, ſo wie Miß Marie, von der Partie ſein wuͤrde. Miß Mizy nahm die Einladung an, ohne zu zoͤgern; aber der Gutsherr, welcher eben nicht zufrieden war, zu ſehen, daß man für unſeren Helden dieſelben Ruͤckſichten hatte, wie für ihn ſelbſt, zeigte ſich nicht fo aufges legt dazu.

„Ich bitte Sie, mich zu entſchuldigen, Sir Archibald, antwortete er; meine Geſund⸗

heit iſt in dieſem Augenblick ziemlich zerruͤttet.

Lord Sandyford, welcher die Urſache dieſer Weigerung errieth, aͤußerte ſehr geſchickt gegen

ſeine Gemahlin: „Wenn die Geſundheit des

Herrn Craigland ihm nicht erlaubt, morgen mit uns zu ſpeiſen, ſo wird es unnoͤthig ſein,

den Wagen unſeres Freundes, des Baronets,

herzuſchicken, denn dieſe Damen werden ihm gewiß einen Platz in ihrem Wagen bewilligen. 4 Miß Mizy betrachtete unſeren Helden zwar,

175 ſeitdem ſie ihn bei einer Herzogin geſehen, und ſeitdem er ſich bemühte, ihre Gunſt zu gewinnen, mit andern Augen, als früher; aber ihn in den Wagen der Familie Craigland aufzunehmen, das ging weiter, als es ihr Stolz zuließ. Sie hatte daher Geſchicklichkeit | genug, den Streich zu pariren, und fagfe zu Sir Archibald: „Mein Bruder wird ja ſehen, wie er ſich morgen befindet, und wenn das Wetter ſchoͤn iſt, faͤhrt er wahrſcheinlich mit uns.“

Niemand zweifelte an dem wahren Ber wegungsgrunde dieſer Antwort, aber Miß Mizy ſollte noch nicht ſo wohlfeilen Kaufs davon kommen; denn Lady Margarethe ſagte zur Graͤfin: „Sie koͤnnten ja auch Ihren Was gen herſchicken; er iſt groß genug, die ganze Geſellſchaft aufzunehmen. Ich hoffe, daß Miß Mizy die Guͤte haben wird, der Großmutter des Baronets meine Empfehlungen zu machen, und ihr zu ſagen, daß ſie mir ebenfalls das Vergnuͤgen geben moͤchte, ſie bei mir zu ſehen.“

Der Gutsherr und ſeine Schweſter erſtarr— ten, und wußten nicht mehr, was fie fagen

N 7 176

ſollten. Der Graf nahm jetzt das Wort:; |

„Es ſcheint mir, daß wir die Partie am beſten

gleich arrangiren koͤnnten, da der Baronet und die Dame gerade hier ſind.“ a Die Dame! Marthe Doden eine Dame!

dachte Miß Mizy und ihr Bruder zu *

cher Zeit. |

Der Lauf ihrer Gedanken wurde . 1 Sir Archibald unterbrochen, welcher den Gra⸗ fen fragte, ob er ſich wohl ſo viel Freiheit mit ſeinem Freunde, dem Baronet, erlauben koͤnnte, um ihn einen Augenblick beim Eſſen zu ſtöͤren, weil ſonſt der Zweck ihrer Fahrt nach Stoneyholm gaͤnzlich verfehlt waͤre. Dieſe

Frage erinnerte den Lord Sandyford, daß der

Gutsherr und ſeine Schweſter die Tafel ver⸗ laſſen hätten, um ſie zu empfangen; und er bat ſie daher mit feiner gewöhnlichen Hoflich- keit und Anmuth um Verzeihung. Sich hierauf gegen Sir Archibald wendend, ant⸗ wortete er ihm: „Mein Freund Sir André

iſt ein Mann ohne alle Anſprüche; aber er iſt gewohnt, bei allen denen, die ihn kennen und

zu ſchaͤtzen wiſſen, ſo viel Rüͤckſichten und

177 Aufmerkſamkeit gegen ſich zu finden, daß ich nicht weiß, ob ich mir dadurch nicht zuviel in den Vortechten der Freundſchaft heraus— nehmen wurde. Wenn ſich aber Miß Mizy, fünte er ſich gegen dieſe verneigend, hinzu, die Mühe geben wollte, ihn zu benachrichtigen, sap Ady Smeg, hier . 0 kenne id datan zweifeln ſolte, er wuͤrde lch ein Vet⸗ gnuͤgen daraus, Wachen, Alles u 15 57 um fie zu ſehen. u. 5 |

Nur mit obe Muͤhe . die Grä⸗ fin und Lady Margarethe ihre Ernſthaftigkeit beibehalten, als ſie die erſtaunte Miene er⸗ blickten, womit Craigland und ſeine Schweſter einander anſahen, indem fie einen Grafen in ſolchen Ausdrucken von dem Enkel der Marthe Docken ſprechen hoͤrten. | f Miß Mijy erhob fich beſſen ohne ein Wort zu ſagen, und als fie in den Speiſeſaal 5 ttat, ſagte fie zum Baronet mit einem fo ehterbietigen Weſen, wie fie noch nie gegen ihn gezeigt hatte, und welches ſelbſt die alte Marthe bemerkte! daß Lord und Lady San⸗ II. Tht. 12

1478 dyford mit Sir Archibald und Lady Marga⸗ rethe Maypole im Salon waͤren, und ſich ſehr freuen würden, ihn zu ſehen.

Sir André, welchen die Veraͤnderung in dem Tone der Miß Mizy ſehr beluſtigte, ſtand ſogleich auf, und wollte ſich zur Geſell⸗ ſchaft in den Salon begeben. Aber er kam auch in demſelben Augenblick wieder zurück, und ſagte zu Marien: „Miß Cunningham, ich habe Sie um Etwas zu bitten: die Graͤ⸗ fin von Sandyford wuͤnſcht Ihnen vorgeſtellt zu ſein; erlauben Sie mir, daß 15 Sie zu ihr fuͤhre.“

Marie ſtand vom Tiſche auf, und André bot ihr ſeinen Arm, zum großen Erſtaunen der alten Marthe, welche die Verwegenheit ihres Enkels nicht begreifen konnte. Sie blieb allein im Speiſeſaale zuruͤck, da Miß Mizy ihrer Nichte und Sir Andre’n folgte. Aber noch groͤßer als Marthens Erſtaunen war das des alten Craigland, ſobald er unſern Helden, ſeine Tochter am Arme, eintreten, und fie: der Gräfin ganz mit dem unge⸗ zwungenen Weſen einer alten Vertraulichkeit

N des Lords Sandyford am andern Morgen Sir

7

179

| vorſtellen Tab; vorzüglich aber als er hoͤrte,

wie ihn hierauf der Graf wiederum der Lady Margarethe als ſeinen beſten und vertraute⸗ ſten Freund, als einen Mann, den er vor Allen am meiſten hochſchaͤtzte, und der ihm die wichtigſten Dienſte geleiſtet hatte, vorſtellte. Nach den erſten Komplimenten bat ihn Lady Margarethe, doch feine wuͤrdige Groß⸗ mutter bewegen zu wollen, daß ſie morgen ebenfalls zum Eſſen nach Auchinward kame. „Ich bin der Meinung, daß dieß unmoͤg⸗

lich iſt, Mylady, antwortete Andre; fie faͤngt an alt zu werden, und es iſt eine vernünftige

Frau, welche gern in ihrem Kreiſe bleibt. Nichts deſtoweniger aber danke ich Ihnen fuͤr die Ehre, die Sie ihr anthun.“

Man kam nun uͤberein, daß die Equipage

André und die Familie Craigland abholen ſollte. Hierauf fing die Zeremonie des Ab»

ſchiednehmens an; Andre gab der Gräfinfeinen

Arm, um ſie an ihren Wagen zu fuͤhren. Man ging dann in den Speifefaal zuruck, um

das unterbrochene Mittagseſſen zu vollenden;

12

und der Gutsherr, obgleich innerlich ein wenig mißgeſtimmt, zwang ſich, dem Baronet etwas mehr Rüͤckſichten und Zuvorkommenheit zu bes zeigen. f *

Der Nachmittag diese Tages wurde durch nichts Merkwuͤrdiges ausgezeichnet. Der alte Craigland that an Sir Andre eine Menge Fragen, London betreffend, welche dieſer mit der groͤßten Genauigkeit beantwortete, in det Hoffnung, dadurch ſeine Gunſt zu erlangen. Es gelang ihm auch, wenigſtens zum Theil; aber es herrſchte ein ſichtbarer Zwang in det ganzen Geſellſchaft, und Niemand war eigent⸗ lich bei vollkommen guter Laune. Miß Mizy war ganz aus ihrer Faſſung gebracht; denn die Achtung, welche der Graf und Sir Archi⸗ bald fuͤr Sir Andre gezeigt hatten, war ges wiſſermaßen ein Vorwurf für fie, daß fie ihm vorher mit weniger Rückſicht begegnete; der Gutsherr war mißvergnügt, dieſe Herren, von einem weit hoheren Range als der ſeinige, einen Bauern aus ſeinem Dorfe bis zu ihres Gleichen erhoben zu ſehen. Der Baronet war nicht ohne Unruhe über den Ausgang ſeines

181 Vorhabens; die alte Marthe ſah ſich augen: ſcheinlich ganz außer ihrem Element, und Miß Cunni gham war haͤufig zerſtreut, ſtets in Nachdenken verſunken, und ſuchte die Urſache zu erforſchen, welche wohl eigentlich Andre’n ſo plöglich nach Stoneyholm geführt haben koͤnnte. Als endlich die Dunkelheit anbrach, empfahl ſich Andre mit feiner, Großmutter, und kehrte nach der Huͤtte zurück „wohin er Dominif Tannyhill zum algen eingeladen hatte. .

Ka m waren ſte fort, 15 befchäftigte fi 0 auch ſchon die Familie Craigland damit, die Begebenheiten dieſes Tages naͤher zu unter⸗ ſuchen; und wenn hierbei der alte Gutsherr auch nicht der hellſte Kopf war, ſo nahm er doch wenigſtens den entſcheidendſten Ton an.

„Ich begreife nicht, ſagte er, was man mit dieſem Enkel der Marthe Docken für Weſen macht; dieſer engliſche Graf und ſeine Frau thun ja, als wenn er mit ihnen ganz von gleichem Stande ware. Uebrigens find die Engländer auch gerade nicht die kluͤgſten Leute, das iſt gewiß, und Jedermann bekannt;

Ya

N 5 8 7 182 aber ich moͤchte nur wiſſen, auf welche Weiſe

André den Titel eines Baronets etage konnte.“

„Das iſt ſehr natuͤrlich, lieber Bruder, ſagte Miß Mizy; denn Sir Andrs iſt reich, und Mitglied des Parlaments. Ich habe dir ja ſchon erzähle, daß wir ihn in London bei der Herzogin von Daſhingwell getroffen haben; und was mich damals vollends in Erſtaunen ſetzte, war, daß die Lari Herren ihm freundſchaftlich die Hand druͤckten.“

„Du haſt es mir erzählt, antwortete Craig⸗ land, aber die ganze Welt weiß, daß die eng⸗ liſchen Herzoginnen oft thun, was ſie nicht thun ſollten.“ 11

„Sie vergeſſen, lieber Vater, ſagte Marie, N daß Lady Margarethe die Schwägerin der Herzogin iſt; und als ſie uns einen Empfeh⸗ lungsbrief an Ihre Gnaden gab, verſicherte ſie uns, daß es eine Frau von fleckenloſem Rufe ſei, die von Allen, welche ſie kennten, hochgeſchaͤtzt wuͤrde.“

„Glaubſt du denn, daß Lady Masgareshe

183

von einer ihrer Verwandten haͤtte Boͤſes re⸗ den wollen?“

„Aber Sir Andre hat fi ch ein großes Bers

mögen erworben, ſagte Miß Mizy; er hat ja die Domäne Wylie gekauft.“ /

„Hat er fie bezahlt? das iſt es, was 5 gern wiſſen moͤchte.“

„Es ſcheint mir doch, ſagte Marie mit einiger Furchtſamkeit, daß Sir André Ver— dienſte und Talente haben muß; denn Sie wiſſen ja, lieber Vater, daß r ganz ohne Fuͤrſprache war; und er hat dennoch Mittel gefunden, Reichthum und Ehre zu erwerben.“

„Aber wie hat er dieß erworben? das iſt' die Frage. Edelleute und Fuhrmannsknechte, die ganze Welt kann Geld und Würden ers langen. Aber, Gott ſei gedankt! der Adel des Bluts iſt ein Vorzug, auf welchen dieſe Demokraten keinen Anſpruch machen koͤnnen.“

„Nach den Bekanntſchaften und Verbin- dungen Andres zu urtheilen, kann man wohl nicht vermuthen, daß er die Geſinnungen der Demokraten angenommen hat, und...“

„Wer hat dich zum Richter daruͤber beſtellt?“

184

„Ich will nicht daruͤber ist, la 9

Vater; ich denke nur ...“

„Wer hat dir befohlen iu denken Iſt es nicht ſo klar, wie zweimal zwei vier, daß der undel den Ruin des Landes macht? In einigen Jahren weiß ich nicht, wo man noch einen Edelmann wird finden konnen, denn aller Poͤbel bereichert ſich jetzt.“

„Ich bin erſtaunt, lieber Vater, daß Sie ſolche Vorurtheile gegen diejenigen haben, welche ihr Verm . und ihre Erhebung ihren, Verdienſten verdanken. Die Stammvater der

beruͤhmteſten Familien ſind aus dem a hervorgegangen.“ a

„Das iſt wahr, mein Kind, ſehr a 4

Aber ſeine Erhebung einem Schwerte oder einer Serviette, deſtunkende iſt das nicht zweierlei?“

„Aber, lieber Bruder, Sit Abere kat nichts mit einer Serviette zu thun. Ec ih, ja ein Rechtsgelehrter.“ „Noch tauſendmal ſchlimmer. Di: ganze Welt weiß, daß das Wort Rechtsgelehrter ſo viel bedeutet, als Spitzbube. Wurde ich nicht

n 41

.

7

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*

1 N 9 0 10

' 185

gezwungen, an James Gottera ſtebzehn Pfund Sterling und einige Schilling, ſo wie den Werth des geſtorbenen Thieres, zu bezahlen, weil ich mit meinem Stock einer Kub, welche an meiner Hecke fraß, die Augen ausgeſchla⸗ gen hatte? Hat man je eine aͤhnliche Unge⸗ rechtigkeit gefehen ? Und doch iſt Gottera ein Rechtsgelehrter.“

„Mit dieſer Denkungsart, lieber Vater, werden Sie freilich nie in eine freundſchaft⸗ liche Verbindung mit dem Baronet treten.“

„Baronet! Baronet! Wozu mir immer die Ohren mit dieſem Wort zerfleiſchen? Ihr ſolltet fühlen, daß es mir nicht gefallt. Bas ronet! der Enkel des Marthe Docken Baronet!“

„Das hindert nicht, daß er jetzt Gutsherr

von Wylie iſt, ſagte Miß Mizy, und dafür A 30000 richtige Pfund Sterling bezahlt hat.“ f „Geborgtes Geld! Es iſt nicht ſchwer, Güter mit fremdem Gelde zu kaufen.“

„Aber wer hat porn alba lieber Bote, daß der Baronet.

„Noch immer der Baronet! PAR Teufel!

18868

Nimm ihn fuͤr dich, dieſen dan, ben er dir ſo ſehr gefällt.“ EN

„8 ſie koͤnnte wohl ſchlechter 0 ſagte Miß Mizy. Er iſt ein verſtaͤndiger Mann, und du haſt doch geſehen, mit welcher Achtung ihn ſowohl der Graf und die Gräfin, als auch Sir Archibald und Lady Margarethe behandelten. u

„Ja, und gewiß hatten fie ihre Gründe dazu,“ ſagte Marie.

„Ei, was! Gruͤnde hin, Gruͤnde her, rief der Gutsherr; das ganze Geſchwaͤtz macht mir

Langeweile. Ich will nichts mehr davon hör

ren!“ Mit dieſen Worten legte er ſich in feinen Lehnſtuhl zuruͤck, ſchloß die Augen, und ſchien einzuſchlafen.

„Es wundert mich, ſagte Marie leiſe zu ihrer Tante, daß mein Vater einen ſo gro— ßen Widerwillen gegen Sir André hat. Was mag die Urſache davon fein ?“

„Nicht gegen ſeine Perſon hat er ſolchen Widerwillen, ſondern gegen die Emporkömm⸗ linge, die Neugeadelten uͤberhaupt.“

„Ich ſchlafe nicht,“ ſagte der Gutsherr,

187

ohne Zweifel um ſie merken zu laſſen, daß er ihnen zuhöoͤrte. Und indem er ſich nun in ſeinem Armſtuhle aufrichtete, fuhr er fort: „Ich dachte jetzt an unſere vorige Unterhal⸗ tung, Schweſter, und will dir nur ſagen, wenn

Sir Andre dir einen Heiratsantrag macht,

ſo habe ich nichts dagegen.“

„Mir! ſchrie die alte Jungfer; mir Heis ratsantraͤge zu machen?“

„Was haben Sie für Gründe, lieber Bas ter, ihm diefes Vorhaben zuzumuthen?“ un i Marie lachend.

„„O, ich habe fehr gut gemerkt, was er ihr von Zeit zu Zeit für Blicke zuwarf.“ „Wie kannſt du dir ſo tolles Zeug in den Kopf ſetzen!“ rief Miß Mizy.

„Zum Teufel! Wozu nimmſt du denn ſo eifrig ſeine Partie? Uebrigens wollen wir doch erwarten, was da geſchehen wird. Ich ver— ſpreche dir indeſſen im Voraus, daß ich nichts dagegen habe; denn in der That, Schwefter, du haſt keine Zeit mehr zu verlieren!“

Voll Selbſtzufriedenheit über dieſen witzi— gen Einfall brach er in ein lautes Gelaͤchter

N A 5 a

| aus; er nahm hierauf ein Rice; und ging aus dem Zimmer, ſeiner Tochter und Schwe⸗

%

ſter die Freiheit laſſend, dieſe Unterredung ſo

lange fortzuſetzen, als ſie wollten.

Einundzwanzi gſtes Kapitel Das Dienſtmädchen RN Schloſſe Eräige

land war feine von den gewöhnlichen Maͤgden,

wie man ſie auf dem Lande ſieht; denn eis nige Zuͤge von Feinheit und Witz, die ihr von Zeit zu Zeit, und ganz zufaͤlligerweiſe,

Ks *

entſchluͤpften, bewieſen, daß es ihr nicht an

natuͤrlichem Verſtande fehlte. Ueberdieß hatte ihr Tannyhill, der fie als kleines Madchen

wegen ihrer Drolligkeit liebgewann, ſeine be⸗

ſondere Aufmerkſamkeit geſchenkt, und lehrte

ſie nicht nur leſen, ſchreiben und rechnen, ſon⸗

dern ſogar auch die lateiniſche Sprache. Bell Lampit that ſich aber auf dieſe Kenntniſſe weiter nichts zu Gute, ſondern trat in ihrem achtzehnten Jahre auf dem Schloſſe als Magd in Dienſt; wenn ſie indeſſen bei ihren Arbei⸗ ten zufällig einmal zu ſingen anfing, wie dieß auf dem Lande ſehr gewoͤhnlich iſt, ſo waren

189

Di es ni t Balladen und andere dergleichen Ge⸗

N

ſaͤnge, ſondern fie recitirte auserwaͤhlte Stel⸗ len aus den lateiniſchen und engliſchen Dich⸗ tern; und es war nicht ſelten, fie * des

; Horaz herſagen zu hoͤren.

Unter den. übrigen Eigenſchaften', ehe Bell von der Natur erhalten, befand ſich vorzuͤglich ein unwiderſtehlicher Hang, andern Menſchen mitzutheilen, was ſie geſehen oder

| gehört hatte. Als fie daher nach der Ankunft

des Grafen und der Graͤfin Sandyford von

den Zeichen der Achtung reden hoͤrte, welche

dieſe Sir André'n bewieſen hatten: war ihr ſeynlichſter Wunſch, hierüber in dem Dorfe plaudern zu koͤnnen; und kaum erhielt fie von der Miß Mizy die Erlaubniß auszugehen, un⸗ ter dem gewohnlichen Vorwande, zu welchem die Dienſtmaͤdchen des Sonntags ihre Zuflucht nehmen, ihre Verwandten beſuchen zu wollen:

ſo befand fie ſich auch ſchon in einer zahlrei⸗

chen Geſellſchaft von Einwohnern des Dorfes,

denen fie mit aller Lebhaftigkeit und Geläus ſigkeit ihrer Zunge die Ereignife auf dem Schloſſe erzählte.

*

e 9 1 190 b

Der Schluß, welchen hre Zube aus dieſer Erzählung zogen, machte dem prophe⸗ tiſchen Geiſte derſelben Ehre; denn fie ur theilten einſtimmig, daß Sir Andre und Miß Marie ſich unverzuͤglich heiraten wuͤrden, und daß dieſe Heirat ſchon mit Miß Mizy, auf ihrer Reiſe nach London, verabredet worden waͤre. Obgleich nun dieſe Vermuthung der Dorfbewohner eigentlich aus ihrer eigenen Er- zaͤhlung entſtanden war, fo griff die kluge Bell dieſen Gedanken ſogleich als eine neue Idee auf, welche ihr zur Gewißheit wurde; und ſie konnte nun dem Wunſche nicht laͤn⸗ ger widerſtehen, die Neuigkeit der uͤbrigen Die⸗ nerſchaft auf dem Schloſſe zuerſt anzukuͤndigen. Mit aller Eilfertigkeit kehrte ſie daher ſogleich nach dem Schloſſe zuruͤck, und ihr Eifer, dieſe Neuigkeit mitzutheilen, war fo groß, daß ſie laut rief, ohne darauf zu mer⸗ ken, daß Miß Mizy mit einem Lichte in der Kuͤche war, um aus einem Schranke etwas hervorzulangen: „Könnt Ihr es glauben? Sir André iſt von London angefeſen um i Marie zu heiraten.“ Na

191

„Was ſagſt du da, Bell?“ rief Miß Mizy, ſich plotzlich umwendend.

„Was ich da ſage? antwortete Bell, ohne außer Faſſung zu kommen; ich ſage, was alle Welt im Dorfe ſagt, und was alle Welt ſagt, muß doch wahr ſein.“

Welchen Eindruck auch dieſe Worte auf

| Miß Mizy machten, fo erwiederte fie doch

nichts, und kehrte in den Speiſeſaal zuruͤck, wo ihr Bruder nach dem Abendeſſen in ſeinen

Armſtuhle eingeſchlafen war, und Marie in

einem Andachtsbuche las. W Marie, ſagte Mizy leiſe, aber mit trium⸗ phirender Miene, weißt du wohl, welche Neuig⸗

keit Bell im Dorfe hat erzählen hören?“

„Wie koͤnnte ich es rathen?“ ſagte Marie, ihr Buch zumachend, und einigermaßen von der belebten Miene ihrer Tante uͤberraſcht.

„Man ſagt, daß du Sir Andre heiraten wuͤrdeſt; nun, was denkſt du davon? Sind nun alle meine Prophezeihungen von ſeiner Erhebung nicht in Erfuͤllung gegangen? Wirſt du noch daruber ſpotten?“

ch erſtaune eben nicht uͤber hiefes 1

192

berne Gerücht, antwortete Marie lachend, das

wahrſcheinlich von dem verruͤckten Jamie her⸗

8 ruͤhrt, der voll ‚Freude über die von Sir André erhaltenen feche Pence zu mir ge⸗ kommen iſt, und mir een er ihn Bw > heiraten.“

Sie lachte indeſſen nur mit kuchen Minde, 9 denn ein geheimes Vorgefühl beſthäftigte ihre Kr Seele. Sie erinnerte ſich aller jener Augen⸗ blicke, welche fie ſchon Andre’n genähert hat⸗ ten, ehe er noch Re ichthum und Ehre erwor⸗ ben; und ein gewiſſes Etwas ſchien ſte zu benachrichtigen, es ſei nicht unmoͤglich, daß er einen ſolchen Plan entworfen hatte.

„Ich moͤchte wohl wiſſen, was dein Va⸗ ter dazu ſagt,“ fuhr Mizy fort, indem fie ſich dem Armſtuhle naͤherte, auf nn * Bruder ſchlief.

„Mein Gott, wie koͤnnen Sie Pr viel Gewicht auf ein albernes Geruͤcht legen, ſagte Marie, fie zuruͤckhaltend. Wecken Sie meinen Vater nicht auf, ich bitte Sie, und bedenken Sie feine Vorurtheile. Dieſe Vorſtellung allein ſchon würde ihn in den hoͤchſten Zorn bringen.“

„Wirklich! du koͤnnteſt Gott danken, wenn André dir einen Heiratsantrag machte. Die Frau des Beſitzers der Domaͤne Wylie zu werden! Glaubſt du denn, n es dir Baro⸗ nets regnen wird?“

„Ich erſtaune, liebe Tante, daß Sie von einem ſolchen Gegenſtande ſo leicht hinſpre⸗ chen. Und doch bin ich überzeugt, daß Nie⸗ mand kurzer als Sie den Heiratsantrag des Sir Andre zurückweiſen⸗ würden.“ 8

„Meine größte Furcht iſt nur, daß er APR um dich anhalten wirds du haſt alſo nicht noͤthig, dir ein ſo hohes Anſehen zu geben, Marie Cunningham, und die Trauben fauer zu nennen, die du nicht erreichen kannſt, wie n a: in sa INNE NUR. Ich weil es ba iſt, ihn er diese Rai bare bereiten.“ | Marie antwortete nicht, und entfernte ſich ſchnell aus dem Zimmer, waͤhrend ihre Tante den Gutsherrn tuͤchtig am Arme er um ihn aufzuwecken.

„Nun, Schweſter, rief dieſer, ſich die Auge

i. ag. 13

N

4

reibend; warum zum Teufel, ſtörſt dir mich in meinem Schlaf? Immer haſt du etwas, mich zu quälen, ſei es nun auf die RE oder en die andere Art.“ | 1 „Und woran denkſt du, daß du ha immer in der Ecke am Feuer ſchlafen wilt? das Ge⸗ hirn möchte dir ja zerſchmelzen. Aber es giebt große Neuigkeiten hier im Dorfe.“ „So? und was wären dan; fuͤr große Neuigkeiten? Iſt Pr 4 ge⸗ gangen??? . RARTTN „O, fie find: moch außetervönelicherz be moͤchteſt ſie vielleicht nid mit * vielem e gnügen anhoͤren.“ ein

und woher weißt du, ene Ver⸗ gnügen machen, oder nicht? Es iſt unglaublich,

daß ich mich ſo immer von dir quaͤlen laſſen muß. Du laͤßt mir ja weder 1 Be Rache Ruhe!“ 1115 „Jedermann weiß, lieber Bruder.“ „Jedermann weiß, liebe Schweſter, daß du ein wahrer Hausteufel biſt, und wenn du das nicht waͤreſt, fo wuͤrde ich deiner ſchon laͤngſt los geworden ſein! Aber wo Teufel

. 5

Ä 195 pole ich wohl den Narren finden? der eine ſolche Tollheit beginge! Bi 2 „Nun gut! Es kann wohl ſein, daß ich dir nicht mehr lange im Wege bin; denn wenn die Neuigkeiten, die ich erfuhr, ihren Grund haben, fo wird es nur von mir ab⸗ zängell meinen Fuß auf beſſeren Boden zu ſetzen.“ a 0 „So? ſagte der Gutsherr, indem er ſeine Augen ſtaunend eroͤffnete. Es find alfo wirk⸗ f lich große Neuigkeiten?“ 2 „Ich will ſie dir nicht verhehlen. Man ſagt, daß deine Tochter und Sir André ein⸗ ander heiraten werden.“ E „Wer wagt das zu ſagen?“ rief der Guts⸗ herr, von feinem Armſtuhle aufſtehend. „Da haben wir's. Hab ich dir nicht ge⸗ ſagt, daß du nicht über die * Wige lachen wuͤrdeſt? vnd woher weißt du, ob ich daruͤber oder weinen werde? Alles, was ich dir ſügin kann, iſt, a ich nicht ein Wort davon glaube.“ | „Da iſt wenig daran gelegen „ob du es 13 *

196

glaubſt oder nicht. Aber wenn dieſe Heirat 1

vor ſich gehen ſoll, was m. du dabei zu 51

„Das iſt eine kitliche Frage, und ich weiß

nicht, wie ich darauf antworten wuͤrde, wenn in den Kontrakt eine Klauſel geſetzt werden ſollte, um mich von dir zu befreien. Aber Alles, was ich jetzt dabei ſagen kann, iſt, daß es nicht wahr iſt. Marie wird ſich niemals ohne meine Einwilligung verheiraten.“

„Was das betrifft, ſo moͤchte ich fuͤr nichts ſchwoͤren. Marie iſt die Tochter ihres Va⸗ ters, ein Abkoͤmmling des alten Stammes; und wenn Sir Andre ihr Anträge macht, fo

iſt es moͤglich, daß ſie ihn abweiſt, bloß wegen

ihres Geiſtes des Widerſpruchs, den ſie ge⸗

erbt hat, ich will nicht ſagen, von wem. Aber

eben ſo gut iſt es auch moglich....“ wMizy, ſchrie der Gutsherr, noch niemals

iſt ein gutes Wort aus deinem Munde ge⸗ kommen, und es iſt ſehr ſchlecht von dir,

daß du ſo von deiner eigenen Nichte ſprichſt, einem ſanften und gehorſamen Maͤdchen, was

e

man außerdem noch nie von einem Frauen⸗

zimmer der Familie fägen konnte.“ „Wie es dir gefaͤllig iſt; aber die Zeit iſt eine große Lehrmeiſterin. Wer nur am

Leben bleibt, der wird's ſchon ſehen.“

Der Gutsherr antwortete hierauf nichts; aber er ergriff ſeinen Rohrſtock, und be damit heftig auf den Fußboden.

„Was willſt du denn haben?“ ſagte ſeine

Schweſter. 1

Aber anſtatt ihr zu antworten, klopfte er von Neuem heftig mit dem Stocke, bis end⸗ lich Robin Taigle erſchien. |

„Geh „und ſage meiner Tochter, ic wil he ſprechen.“ ER |

„Und was haft du ihr denn zu ſugen?“

fragte Miß Mizo.

„Was geht's dich an? Ich bin ihr Vater, und du biſt nur ihre Tante. Das merke Dir.“ Robin trat ab; aber kaum war er hinaus,

ſo hoͤrte man die kreiſchende Stimme der Bell

Lampit aus allen Kraͤften ſchreien: „Miß Marie! Miß Marie! kommen Sie doch raſch

Wer Er

4. 18 herunter, der Herr iſt zornig, . wenn ſich mit Miß Mizy.“ anne

„Hol' der Teufel den Aſchenbrödel, ſagte Craigland; ich weiß nicht, wie ich ſie ſo lange habe hier ertragen koͤnnen. Das Schloß koͤnnte ganz mit Fremden angefuͤllt ſein, und

ſie würde doch keinen Anſtoß nehmen, ſo zu ſchreien. He! Bell Lampit! Galgenſtrick! Wer hat dich gelehrt, von deinem Heinz mit fo wenig Achtung zu reden?“ |

Bell befand ſich vor der Thuͤr, hörte fich + rufen, und trat ſogleich in's Zimmer.

„Was wollen Sie von mir?“ fragte fi e ihren Herrn.

„Hier haſt du, was ich will,“ ſchrie Craig⸗ land, indem er ihr ſeinen Stock an den Kopf warf. Gewiß, noch nie iſt ein Mann durch tolle Weiber ſo auf's Aeußerſte gebracht wor⸗ den, als ich es in dieſem Augenblick bin. Sie werden mich noch verrückt machen.“

Miß Cunningham eilte, ſogleich herabzu⸗ kommen, als ſie ſich rufen hoͤrte, und ſobald fie eintrat, nahm ihr Vater einen fanften, ja faſt liebkoſenden Ton an, und ſagte: „Marie,

19

meine Liebe, deine verruͤckte Tante bringt

Frauenzimmer reden N du nun? Iſt hier ein

mich in den hoͤchſten Zorn, da ſie behauptet, daß du es machen willſt, wie ſie ſelbſt, und daß du dir ein Vergnuͤgen daraus machen wüuͤrdeſt, mir ungehorſam zu ſein, und gegen meinen Willen zu handeln.“ 1

„Ich hoffe, lieber Vater, daß Sie nie

etwas Unvernuͤnftiges von mir verlangen

werden, wodurch ich gezwungen fein laune,

mich zu weigern.“

„Das nenn’ ich noch wie ein: vecninftige un Mizy, was fagft iſt des Widerſpruchs?“ „Aber ſtelle ſie 1 auf die Probe; frage ſie, ob ſie einwilligt, Sir André Wylie zu heiraten. Hier will ich ſie fangen.“ „Es ſcheint mir, ſagte Marie mit einiger Bewegung, daß es Zeit genug ſein wird, auf dieſe Frage zu S „wenn Sir Andre fie ſelbſt thun wird.““ Raug „Gut geantwortet, ef, der Gutshert; 4

das iſt eine ſehr kluge Bemerkung. Man muß erſt den Fiſch fangen, ehe man ihn in

den Keſſel ſtecken will. Ich hoffe, daß der

3

heutige Abend deiner Tante zur Lehre dienen, und daß ſte mich nicht mehr mit ihren Weiſ⸗ ſagungen quälen wird. Aber jetzt, da wir einander gehoͤrig verſtaͤndigt haben, möchte ich wohl wiſſen, wie ein eu Gee ben ff. An. Miß r ſelbſt war in Betreff dieſes Gegenſtandes faſt eben fo neugierig als ihr Vater, und obgleich ſie den wahnſinnigen Jamie im Verdacht hatte, der Urheber dieſer Nachricht zu fein, ſo wuͤnſchte ſie doch ganz genau zu wiſſen, was man Alles geſagt haben koͤnnte. Nach einer kurzen Berathſchlagung wurde beſchloſſen, Bell Lampit erſcheinen zu laſſen, und ſie zu befragen. Man rief ſie alſo herbei. Der Stock des Gutsherrn lag noch auf der Erde, als ſte eintrat; ſie nahm ihn auf, reichte ihm denſelben mit der Spitze

bin, indem ſie ihren Arm fo lang als möglich

ausſtreckte, und ſprang dann einen guten Schritt weit zurück um außer dem a

zu ſein. eme ul e 4 „Nun, Bell, fügte: he wi Ae er ſei⸗ nen Stock an den gewohnlichen Ort ſtellte,

u h

2 201 was haſt du denn eigenlich beute Abend aus dem Dorfe für Neuigkeiten mitgebracht???

„Ich habe keine mitgebracht,“ antwortete Bell mit einer natürlichen und aufrichtigen Einfachheit. we Ze | „Iſt denn das nach deiner Meinung nichts,

ſchrie Miß Min, was du hier im ganzen

Schloſſe von Miß Marie und Sir André

Wylie geſchwatzt haft? Der Herr will wiſſen,

was du davon im Dorfe haſt reden hören,” An; Plaubereien, a. antwortete Bell, nichts |

als Plaubereien, vox populi. « ee e „Vox des Teufels! ſchrie der Gutsherr.

Aber was ſagte man?“ **

„Daß Sir Andre fhon ‚Hot er Zeit

| Miß Marie geheiratet haben wuͤrde, aber

daß Sie verlangt. hätten, er muͤſſe fuͤr jedes Pfund, das Sie ihr zur Mitgift geben, zwei Pfund im Vermoͤgen beſitzen.“ 5

„Das iſt eine ſchaͤndliche Luͤge,“ rief der

SGButsherr zornig, en a ung a

laͤchelten. „Das habe ich Gch geſagt, fuhr Bell

fort; und viele Leute dachten, daß Sie nie⸗ mals in dieſe Heirat willigen wurden.“ N

„Wer dachte das? Was hatten fe ſich darein zu miſchen? Ne 8

„O, ich weiß nicht. Aber was ah ber trifft, ſo habe ich geſagt, ich glaubte nicht, daß Miß Marie einen ehemaligen Bauer wie dieſen Wylie, zum Mann nehmen würde:

„Und wer Teufel fraͤgt dich daruͤber um deine Meinung! Fort, an deine Arbeit, du N Mauläffin! Sie dachten und du glaub⸗ teſt! Wenn ich nicht mehr bedachte, ſo wollte ich dich und ſie glauben und denken lehren.“

„Geh' hinaus Bell, ſagte Marie. Sie haben ſehr Recht, lieber Vater, man muß der Dienerſchaft nicht erlauben, ihren Zungen ſo freien Lauf zu laſſen. Die Bemerkung uͤber Sir André ſchickte ſich durchaus Big für die Bell.“

„Sie iſt halb verruͤckt, inte . ſeine Kaltbluͤtigkeit wieder gewinnend. Sir Andr«s iſt doch jetzt gerade kein Bauer mehr.“

„Und es iſt ein Mann von vielem Ver⸗

Es

Kira ER air

ſtande, was fehr Wacheig 0 fuͤgte Miß Mizy hinzu. "all

„Seit wann verſtehſt du dich denn auf den Verſtand, Mizy? ſagte der Gutsherr mit

triumphirender Miene. Du haſt heute Abend von dem deinigen keinen großen Beweis ge⸗

geben. Komm Marie, meine Liebe, gieb mir den Arm, und geleite mich in mein Schlaf— zimmer. Gute Nacht, Mizy; wenn du kuͤnf⸗ tig ein Prognoſtikum ſtellen willſt, ſo rathe ich dir, einen beſſern Kalender zu befragen.“

Nach feiner unveränderlichen Gewohnheit,

wenn er glaubte, ein witziges Wort geſagt

zu haben, brach er in ein langes und lautes Gelächter aus, und ging, auf den Arm ſeiner

ge geſtüt, aus dem ee ö

A * 4 5

aweiunbiwanzigſtes ante

„Schweſter! ſagte der Gutsherr am an⸗ dern Morgen, als er zum Fruͤhſtuͤck in's Zim⸗ mer trat: es paßt nicht zur Würde unſerer Familie, uns eines fremden Wagens zu ıber dienen, um einen Beſuch in Auchinward abs zuſtatten. Wit muͤſſen dieſen Engländern gets

N

204

gen, daß wir ſo gut wie ſie eine Equipage

haben. Robin Taigle ſoll alſo die Pferde in Bereitſchaft ſetzen, und ſich n 1 anziehen.“

Miß Mizy war ganz e . und Robin Taigle erhielt alſo den Befehl, die Equipage in Stand zu ſetzen. Sir André ſollte nun allein in dem Wagen des Grafen fahren, was Marie ebenfalls ganz angemeſſen fand, weil, wie ſie ſagte, die lächerlichen Ger ruͤchte, welche ihretwegen im Dorfe umher⸗ gingen, noch mehr Gewicht bekommen wuͤrden, wenn man ſie in einem Wagen mit Sir André fahren: ſaͤhe. „Es iſt mir, übrigens unbegreiflich, fuhr ſie fort, wie man nur ei⸗ nen Augenblick lang an ſo etwas glauben

konnte; man kann ſehr gut mit André lachen,

und ſich auf feine Koſten beluſtigen, aber“...

„Was, aber? ſchrie Miß Mizy, die ihre Meinung um die ganze Welt nicht aufgege⸗ ben haben wuͤrde. Ohne Zweifel ſteht er jetzt mit dir im Range gleich, denn der König

| hat ihn zum Baronet erhoben, und er iſt ein

Mann von außerordentlichen Kenntniſſen und

\

3

ſo bielem Verſtande, wie es unter den funf⸗

zehn Lords des Gerichtshofes in Edinburg, und ſelbſt in Craigland, nicht giebt.“ „Wohl moͤglich, daß er ein großer Mann iſt, ſagte Marie laͤchelnd, aber dadurch wird ſeine Taille noch um keinen Zoll breit laͤnger.“ Der Gutsherr, welcher ein Ei in der Hand hatte, legte es wieder auf den Teller, und ſich auf die Ruͤckenlehne ſeines Armſtuhles zuruͤckwerfend, brach er in ein lautes Gelaͤch⸗ ter aus, welches wohl eine bis zwei Minuten

lang dauerte. Hierauf nahm er ſein Ei eben

ſo ernſthaft wieder zur Hand, als wenn er

| gar nicht daran gedacht haͤtte, zu lachen. hi

„Wie dem auch ſei, fagte die kluge Miß

Mizy, da wir nicht in dem Wagen des Lords Sandyford nach Auchinward fahren: fo iſt es

ſchicklich, daß wir Sir André ſagen laſſen, wir würden uns des unfrigen bedienen.“ | „Ohne Zweifel, ſagte Marie, es ware eine Unhöflichfeit, wenn wir es nicht thäten.“ Der Gutsherr erklaͤrte, daß er die Vor⸗ ſtellung, gegen irgend Jemanden eine Unhoͤf— lichkeit zu begehen, gar nicht ertragen koͤnne;

.

ale

daher wurde Bell: Lampit herbeigerufen, um ihr dieſe Botſchaft aufzutragen. 35 N |

„Bell, ſagte Miß Mi, du ſollſt zu Marthe Docken gehen; du machſt Sir Anden unfere Empfehlungen, und....“

„Das wirſt du nicht thun, bief 151 Gut. herr, denn ich will ihm nicht den ee | Muth machen.“ 0

„Du ſagſt zu Sir André, 9 * Marie das Wort, daß mein Vater ſich wohl genug befaͤnde, um heute nach Auchinward zu fahren; | daß wir uns daher in unferem eigenen Wagen dahin begeben wuͤrden ‚und er fh We

Mühe nicht nahen möchte, uns hier STE holen.“ 15 „Es iſt, beim Zeufel, unbegreiflich, ſchrie * der alte Craigland, daß Ihr beide mich nicht reden laſſen wollt, um dieſer Meerkatze die noͤthigen Befehle zu geben! Bell, du ſagſt zu Sir André, daß wir Niemandes Equipage beduͤrfen, um nach Auchinward zu fahren, da wir ſelbſt eine haben. Weiter nichts! Nun fort, und thue was ich dir ſage.“

Bell machte ſich ſogleich nach dem Dorfe

5

auf den Weg, und unterließ nicht, über ihre Beootſchaft während des Gehens nachzudenken; das Reſultat davon war, daß die Familie Craigland beſchloſſen hatte, die Anträge des Sir André zuruͤckzuweiſen. In dieſer Voraus⸗ ſetzung ſagte ſie beim Eintreten in die Huͤtte ohne weitere Umſtaͤnde zum Baronet, der eben mit ſeiner Großmutter beim Fruͤhſtuͤck ſaß: „Sir André, Sie werden allein nach Auchinward fahren, da in unſerem wan kein Platz für Sie iſt.“ | „Was ſagſt du da, Mischen? fegte der Baronet, welcher ungefähr den Sinn ihrer | Berſchaft errieen. 8 „O, lege kein Gewicht auf ihre Worte, ſagte die alte Marthe; ſie hat noch nie viel Verſtand gehabt, und das Bißchen, was fie, befaß, hat ihr Tannyhill noch verwirrt, indem er ihr das Lateiniſche lehrte.“ | Unterdeſſen hatte fih Bell auf einen Stuff gefegt, ohne die Einladung dazu abzuwarten; und indem ſie ihren Körper hin und her wiegte, reeitirte fie Popeꝛs Ueberſetzung von der Anrede ö . an die übrigen Götter im Homer.

Ka

1 228

„Behalte jetzt deine Weisheit, Bell, ſagte Marthe, und da du doch eine ſo geläufige N Zunge haſt, ſo erzähle uns lieber, was du uns eigentlich binterbringen ſollſt.“ T 1 cd

„Ich habe weiter nichts zu e eee als daß meine Herrſchaft in ihrem ke Wagen nach Auchinward fahren will.“

„und wer will fie daran mae nstggenit⸗ derte Sir Andr. ee

„Das geht mich weiter PERS an, Zn wortete Bell; aber ich habe mir fo eine Idee gemacht, daß meine Herrſchaft aus einer ge⸗ wiſſen Urſache, ie Sie wohl kennen, nicht mit Ihnen zufrieden iſt.“ er „„Ich!“ rief der Baronet; aber ein e 5 blick des Nachdenkens verhinderte ihn, mehr zu ſagen; und Bell fing nun an, von freien Stuͤcken der alten Marthe die Unterhaltung der Craiglands zu erzählen, die fie mit ange⸗ hoͤrt hatte, als man ihr die Inſtruktion zu ihrer Botſchaft gab. Aber Sir Andrs ließ ihr nicht Zeit zu vollenden, und rief: „Schon gut, Bell; kehre zuruck, und beſtelle eine Em pfehlung von mir an deinen Herrn; ſage

8 209 5 ihm, daß es mich freut zu hoͤren, er ſei wohl

auf, und daß ich das Vergnuͤgen haben wuͤrde,

ihn in Auchinward zu ſehen. Hier haſt du zwei Schilling, um dir ein Band zu kaufen.“ „Mein, nein, ſagte Bell, indem ſie aufſtand,

| um zu gehen, man koͤnnte glauben, daß ich

mich beſtechen laſſen will.“ Aber kaum war ſie an der Thuͤr, als auch die Luſt nach einem neuen Bande ſchon ihre Gtundſaͤtze beſtegt hatte. Sie kehrte alſo um, ſtreckte lachend

ihre Hand aus, und nahm die zwei Schillinges

Bell war noch nicht lange fort, als Tanny⸗ hill eintrat, und mit einer hoͤchſt traurigen, niedergeſchlagenen Miene einen ſchwarzgeſie⸗ gelten Brief auf den Tiſch legte. Er ſetzte ſich, ohne zu ſprechen, und ſtieß einen tiefen Seufzer aus. Sir André dachte noch: über die Nachrichten nach, welche er ſo eben vom Schloſſe erhalten hatte, und bemerkte alſo dieſen Zuſtand des Schulmeiſters nicht. ace

er Großmutter wurde aufmerkſan.

9

„Was fehlt Ihnen denn, Mäſter e sin? Dosen dieſer Brief?“

Ich habe e Neuigkeiten fahrer u. N 14

=

ſagte Dominik ſeufzend. Dieſer Brief iſt an Sir André, und wird A eben ugs fehn

erfreuen.“ 2 * name N dl

Bei dieſen Worten eh der Baronet

aus ſeinem träumenden Zuſtande, und nahm den Brief; aber ehe er ihn erbrach, fragte er den Schulmeiſter, woher er ihn erhalten habe.

„Einer meiner alten Freunde hat ihn mit ai Indien gebracht, um Ihnen denſelben einzuhändigen. Sie werden das Teſtament darin finden“?“ ee SU

„Das Teſtament? Von wem?“ b W erſtaunt. i, f

„Von dem armen ‚Kart irre Er if todt!“ fagte Tannyhill ſchmerzhaft. „Todt?“ ſchrie Sir André, ploͤtzlich auf⸗ ſchreiend, und den et nun 15 den Tiſch legend. ba vibe an „Ja, todt, und zwar auf dem Gee ge⸗ ſtorben. Er lag in Indien an einer ſchweren Krankheit danieder, und die Aerzte riethen ihm, die Luft e ſeines Vaterlandes wieder ein⸗ zuathmen. Er war daher mit Watty Ettle,

meinem Seeungnanf der Reife nach England, hir ‚vr

IX

*

211 aber er ſollte dem Tode nicht entgehen, und N ſtarb auf dem Schiffe. Watty verſichert, daß ſein Vermoͤgen, welches er Ihnen vermacht hat, ſich e wenig tauſend Pfund Sterling beläuft.“ Die Sache verhielt ſich wirklich ſo, und n hatte, ehe er ſich einſchiffte, ſein Teſtament gemacht, worin er ſeinem Freunde fein ganzes Vermoͤgen beſtimmte, und zugleich ſeiner Sorgfalt ein natuͤrliches Kind empfahl, fuͤr deſſen Vater er ſich erklaͤrte. Sir André war auf's heftigſte bewegt, als er dieſen letzten Willen des ungluͤcklichen Pierſton las. Er ſchrieb aber ſogleich an Vellum nach London, und bat ihn, eine Schenkungsakte aufzuſetzen, worin das ganze Vermoͤgen Pierſtons ſeinem Sohne uͤberlaſſen wurde; doch ſo, daß er in ſeinem zwanzigſten Jahre nur die Haͤlfte des Kapitals, und in feinem fuͤnf nnd dreißigſten Jahre erſt die andere Hälfte angreifen durfte. „Denn es iſt moͤglich, ſchrieb er in ſeinem Briefe, daß der Sohn dem Vater aͤhnlich iſt, und in dieſem Falle wird es gut ſein, ihn ein wenig unter Zaum und Zuͤgel zu halten.“ Dieſe Nachricht von Pierſtons Tode war

14 *

212

durch eine ſeiner Verwandten, Miß Peggy Picken, eine Freundin der Miß Mizy, an demſelben Morgen auch nach dem Schloſſe Craigland gekommen. Da Pierſtons Mutter ſich nicht mehr am Leben befand, ſo war dieſe Miß Picken, ſeine Tante, ſeine nächfte Ver⸗ wandte und Erbin; und obgleich ſie in ſehr guten Vermoͤgensumſtaͤnden war, fo würden ihr dieſe zwanzig tauſend Pfund doch hoͤchſt angenehm geweſen ſein. Sie beklagte ſich daher in ihrem Briefe an Miß Mizy bittere lich uͤber das Teſtament, und ſagte, daß der Verſtorbene durch die Liſt eines Emporkoͤmm⸗ lings, Namens Wylie, dazu en wor⸗ den ſei. |

Als Mizy diefen Brief REN Bee war der Gutsherr ganz der Meinung der Miß Picken, und ſagte: „Nun darf man ſich nicht mehr wundern, daß der Baronet, da man ihm doch einmal dieſen Beinamen geben muß, reich geworden iſt; denn wenn man aus der Schwachheit der Sterbenden Nutzen zieht, ſo iſt es wohl leicht, ſich ein wee zu⸗ ſammen zu ſcharren.“. 1 EM

2

„Aber, lieber Bruder, ſagte Miß Mizy, du vergißt, daß Sir Andrs ſehr weit entfernt von Karl Pierſton war, als dieſer ſtarb.“

Dieſe Bemerkung gab Veranlaſſung zu dem gewoͤhnlichen Streit zwiſchen den beiden

Geſchwiſtern, der erſt dann geendet wurde,

wenn der Gutsherr den Gründen feiner Schweſter nichts mehr entgegenzuſetzen wußte; ſein Huͤlfsmittel war dann immer, daß er ſich in ſeinen Lehnſtuhl ſetzte, und ſich ſtellte, als wenn er ſchliefe. Marie ſagte nichts zu

dieſer Unterhaltung, und ſchien in tiefes Nach⸗

denken verſunken zu ſein. Gegen Mittag kam der Wagen des Lords Sandyford, und holte Sir André nach Auchin⸗

ward ab. Unmittelbar darauf beſtieg die

Familie Craigland auch den ihrigen, waͤhrend Bell Lampit und einige andere Maͤgde in der halbgeoͤffneten Thuͤr ſtanden, und ſich damit

beluſtigten, die Abreiſe mit anzuſehen. Jamie,

der alte wahnwitzige Soldat, welcher ſchon den ganzen Morgen hindurch rings um das Schloß umhergeſtrichen war, verſteckte ſich bis zu dem Augenblick, wo der Wagen durch

214

das Schloßthor fuhr. Dann aber ſprang er raſch hinten auf, und ſpielte den Lakaien mit einer triumphirenden Miene, ſich auf einem ſo erhabenen Standpunkte zu ſehen, waͤhrend ihn das laute Gelächter der Maͤgde begleitete.

Lord Sandyford ging mit Sir Archibald vor dem Schloſſe Auchinward ſpazieren, als Sir André ankam. Er war erſtaunt, ihn allein aus dem Wagen ſteigen zu ſehen; aber Andre erklaͤrte ihm kurz, wie es der alte Craigland vorgezogen habe, in ſeiner eigenen

Equipage zu fahren; zugleich theilte er ihm

die Nachricht von Pierſtons Tode, und von

der Art mit, wie er uͤber das von ihm ge⸗

erbte Vermögen verfuͤgt habe.

„Das Alles klingt ein wenig aasee x

ſagte der Graf laͤchelnd; Sie hätten beſſer ge: than, die Erbſchaft fuͤr ſich zu behalten, wenig⸗ ſtens einige Zeit lang. Sie haͤtte als Ger gengewicht gegen die Vorurtheile des alten Craigland gute Dienſte leiſten koͤnnen.“ Während ſie noch ſo zuſammen ſprachen, ſah man endlich auch die Karoſſe der Craig⸗ lands ankommen. Robin Taigle peitſchte

115

unaufhoͤrlich feine beiden Roſſe, um fie in den Trab zu bringen; aber vergebens. Das komiſche Anſehn dieſes ungeſchickten Kutſchers; das ſeltſame Schauſpiel der beiden alten Gaͤule, die jeder von einer ganz verſchiedenen Farbe, und vor einen uͤbrigens ſehr ſchoͤnen und ele⸗ ganten Wagen geſpannt waren; vorzuͤglich aber der Anblick Jamie's, in alter zerriſſener Uniform, i hochaufgerichtetem Kopfe, und einer wichtigen martialiſchen Miene hinten aufſtehend zwangen den Grafen und Sir Archibald in das Haus hineinzugehen, um beſſer ihre Lachluſt befriedigen zu koͤnnen; und fie uͤberließen daher unſerm Helden, welcher mehr Gewalt uͤber ſeine Geſichtsmuskeln hatte, die Sorge, die ankommenden Gaͤſte iu em⸗ pfangen.

Sobald der Wagen anhielt, ſprang Jamie raſch vom demſelben ab, und eilte den Kutſchen⸗ ſchlag zu rin fo wie den Tritt BR ſchlagen. N Si en a Du: 99 Jamie? rief der alte Craig⸗ land. Durch welchen Zufall kommſt ' du her?“ „Ho! ho! antwortete Jamie; Sie koͤunen

*

216

ſich ruͤhmen, heute einen Lakaien auf ihrem Wagen gehabt zu haben, wie man wohl fan zu ſehen bekommt.“ Pee

! Craigland und feine beiden Reiſegeführtin⸗ nen hatten ſchon während des ganzen Weges bemerkt, daß alle diejenigen, welche ihnen be⸗ gegneten, ſtehen blieben, um den Wagen vor⸗ beifahren zu ſehen, und ein lautes Gelächter erhoben, was ihnen unerklaͤrlich und ſogar aͤrgerlich war; aber der Gutsherr errieth jetzt augenblicklich die Urſache, ſobald ihn Jamie benachrichtigte, eiche Rolle er ſo eben ge⸗ ſpielt habe. Er ergriff daher ſeinen Stock mit beiden Handen, und gab ihm einen fo wohl angebrachten Hieb über: die Schultern, daß Jamie mit lautem Geſchrei die n ergriff.

„Narr! ſchrie Craigland zu en geit ich will dich lehren, mich zum ee des Gelaͤchters zu machen!“ Nachdem die Gaͤſte mit ü ed Hoͤflichkeit empfangen worden waren, begab man ſich bald darauf in den -Speiſeſaal, wo Lady Margarethe dem Grafen Sandyford

2m -

ſeinen Platz am Tiſche zu ihrer rechten Seite anwies, und ſich hierauf zu unſerem Helden wandte, indem fie ihm den Platz zu ihrer Linken zeigte: „Sir André, hier iſt Ihr Platz!“ Er zoͤgerte einen Augenblick, was er zu thun habe, und ging einige Schritte vorwaͤrts, als wenn er ſich dorthin ſetzen wollte; aber plötz⸗ lich drehte er ſich um, und ſagte zu dem alten Craigland, der ſchon außer ſich daruͤber war, daß man dem Enkel der Marthe Docken vor⸗ zugsweiſe vor ihm den Ehrenplatz angewieſen hatte: „Sie wiſſen, Maͤſter Craigland, daß das Alter eine Ehre iſt, welche die Zeit allein verſchaffen kann. Der König kann einen Ritter Baronet machen, aber keinen Greis, und in dieſer Ruͤckſicht bitte ich Sie, den ehren⸗ vollſten Platz an dieſer Tafel anzunehmen.“ Craigland nahm mit ziemlich verlegener Miene den ihm angebotenen Platz an, waͤhrend Sir Andrs ſich zwiſchen die Gräfin und Miß Marie ſetzte; aber nichts ſetzte den erſtern fo fepkin Erſtaunen, als die Ungezwungenheit und das Selbstvertrauen / welche Andre während der ganzen Mahlzeit zeigte.

218 Der Eindruck, weichen der Brief der wii

n Picken auf Miß Mizy gemacht hatte,

fing ſchon an ſich wieder zu verwiſchen, und während des Eſſens erwarb ſich Sir Andre durch allerhand kleine Aufmerkſamkeiten ihre vollkommene Gunſt wieder; als ſich daher die Damen entfernten, und die Männer allein bei Tiſche ließen, war ſie die erſte, welche das Geſpraͤch auf die guten Eigenſchaften des Baronets brachte. „Er iſt wirklich aͤußerſt liebenswuͤrdig, ſagte ſie, und ich haͤtte nie geglaubt, daß er ſo ſehr in einer guten Ge⸗ ſellſchaft den Ton angeben koͤnnte.. „In der That, antwortete die Gräfin, kann ich Sie verſichern, daß er in London allgemein fuͤr einen jungen Mann von eben ſo viel Lebensart als Verſtand gilt, und daß er zu den beſten Geſellſchaften gezogen wird. Seine Laune iſt zwar oͤfters ziemlich ſonder⸗ bar und ſeltſam, aber ſie macht ſeine unter⸗ batsung nur deſto anziehender“ Ich begreife aber! nicht, ſagte asg Si „daß er nach ſo langem Aufent⸗ halt in London immer noch ſo mauffal⸗

1

lend die Schottiſche Auoforche beibehalten

ee eee e 7

„Dieſe A ue eee mir e, bent mehr als je vorherrſchend zu ſein, erwiederte die Graͤfin; aber er hat uͤberhaupt eine große Liebe zu Allem, was ihn an ſein Vaterland erinnert. Es wurde mich gar nicht uͤberraſchen, wenn ich erfuͤhre, daß er in ſeiner Jugend ſein Herz an irgend ein huͤbſches Landmaͤd⸗ chen in dieſer Gegend verſchenkt hat. Wiſſen Sie vielleicht etwas davon, Miß Cunning⸗

ham?“ Und ohne eine Antwort abzuwarten,

fuhr ſie fort: „Wir haben es ſchon oft außer⸗ ordentlich gefunden, daß er in London durchaus nicht daran dachte, ſich zu verheiraten, da er doch die vortheilhafteſten Partien haͤtte machen koͤnnen ze und fein Betragen ſchien uns daher nur durch die Vermuthung zu erklaren, daß er fein Herz in Schottland gelaſſen habe.“ „Wenn das der Fall waͤre, ſagte Lady Margarethe, ſo glaube ich, daß er ſchon fruͤher zuruͤckgekommen, und laͤngſt verheiratet fein wurde. Aber Sir Andrs hat zu viel Ver⸗ ſtand, um nicht einzuſehen, daß er mit einem

10

b Aufathen Landmädchen) in ſeiner Yehigen Sagt doch nicht glücklich leben würde,“ 1

„„So denke ich auch, antwortete die Gül; aber nach dem, was ich beobachtet habe / glaube ich, daß ſeine Abſichten höher hinaufgehen. Sagen Sie mir doch, Miß Cunningham, be⸗ finden ſich einige . er e e in der Umgegend?“

Marie hatte waͤhrend dieſer . haltung wie auf glühenden Kohlen geſeſſen, ohne eigentlich recht zu wiſſen, warum; und fie antwortete daher auf dieſe Frage mit einem Tone und Benehmen, welche augenſcheinlich ihre innere Bewegung verriethen.

„Sir André, ſagte ſie, war immer ein

höchft ſeltſames Weſen.n2Lꝰ „Ha! ha! rief Miß Miy lachend, wenn der Baronet ſein Herz ſchon vor ſeiner Ab⸗

reiſe in Schottland gelaſſen hat, ſo wuͤrde es

mich nicht wundern zu erfahren, daß er Miß Marien ein Geſchenk damit machte.“

„Wie koͤnnen Sie dergleichen ſagen, Tante?“ ſagte Marie erroͤthend, und kaum wagend, ihre Augen zu erheben

de 0 5 71 N \ 4 r

Wen dieſe Neigung erwiedert würde, fuhr die Gräfin fort, fo hatte ich einige Hoffnung; einer Schottiſchen Hochzeit beizu⸗ | wohnen. Erroͤthen Sie nicht fo, liebe Miß Cunningham; Sir Andr«é iſt ein vortrefflicher Mann, und ich kenne wenig junge Maͤdchen, denen ein Heiratsantrag von ſeiner Seite nicht großes Vergnuͤgen machen wuͤrde. Sagen Sie alſo frei: wuͤrden Sie wohl Ihren Namen mit dem der Lady Wylie vertauſchen?“ -

„Sie? ſchrie Miß Mizy; nie wird ſie dieſen Namen fuͤhren. Sie hoͤrt nicht ein⸗ mal gern, wenn man den Baronet lobt.“ „Sie irren ſich, liebe Tante, ſagte Marie, mit ziemlicher Feſtigkeit. Ich habe nicht noͤthig, ihm fo prunkende Lobeserhebungen, wie die Ihrigen, zu machen, um ſeinen Verdienſten Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen. Aber es iſt mir noch nie in den Sinn gekommen, daß er ſich mir als Liebhaber darſtellen koͤnnte.“ Vv„Wie haͤtten Sie es auch glauben koͤnnen, antwortete die Gräfin, da er fo lange abwe⸗ ſend war, und Ihre Bekanntſchaft jetzt gleich ſam wieder erneuert werden mußte!“

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“a IE „So iſt es, ſagte Marie, und vielleicht

kenne ich auch deßhalb feine Verdienſte weniger)

als Perſonen, die ihn häufiger geſehen haben.“ „Miß Marie hat beſchloſſen, rief ihre Tante mit einiger Bitterkeit aus, alle ne haften Partien auszuſchlagen.“ 10 „Vortheilhafte? wiederholte Marie un⸗ willig; ja, ich habe diejenigen ausgeſchlagen, welche Sie und mein Vater fuͤr vortheilhaft hielten, aber die ein Maͤdchen von einigem Zartgefuͤhl niemals annehmen kann!“ „Ich fürchte; daß wir dieſe Unterhaltung ein wenig zu weit e N ſagte die Graͤfin. T ine ee BIER Im Geringſten ai antwortete Marie

mit Wuͤrde. Ich ſehe nicht ein, warum ich

nicht eingeſtehen ſollte, daß ich wenig Männer ſo hoch achte, als den Baronet, re 05 ihn nur ſehr wenig kenne.“

„Dem Sie aber doch behuͤlflich n ſind, auf dem Kirchhofe, hinter einem Leichen⸗ ſteine, funfzig Pfalmen auswendig zu lernen“, fagte die Gräfin laͤchelnd. *

Der Blick, welcher dieſe Bemerkung be⸗

ie

gleitete, machte Marien erbeben, und fi e ſchlug

die Augen abe ae ya untworten. |

sr‘ 13% 1

Dreiunszwänsigfes Kapitel.

"Während unſere vier Damen im Salon ſo vertraulich mit einander plauderten, wurde

auf den alten Craigland im Speiſeſaale ein

ſehr ernſthafter Angriff ausgefuhrt. Sir Archibald hatte es an dem köſtlichſten Weine nicht fehlen laſſen; Craigland war ziemlich luſtig geworden, und er behandelte daher unſern Helden mit ſo vieler Vertraulichkeit, daß er ſogar Wie“ ihm über ſein gehabtes Gluck z ſcherzen anfing, und ihn fragte, warum er nicht eine Frau aus England mit⸗ gebracht babe. „Man ſagt, daß Sie ein vor⸗ tteffliches Geſchäft mit dem Kauf der Domaͤne Wylie gemacht haben; aber es fehlt dort noch etwas: eine Hausfrau“ .

715 1 1

a „So denke ich auch, fügte Eir Kedibale,

und ich bin überzeugt, daß Sir André nichts

Beſſeres thun könnte, als Ihre Tochter in dieſer Eigenſchaft dort einzuführen, Craig⸗

9

land!“ Und ohne ihm Zeit zur Antwort zu laſſen, fuhr er, zum Grafen gewendet, fort: „Mylord, Sie ſollten ſich mit mir vereinigen, um unſern Freund Sir Wylie dazu zu übers reden. Es iſt wahr, daß ſein Rang dem en gleich iſt und daß 10 die Schweſter

11

Zeus

milie Ctaigland iſt ſehr achtungswütdig, ob⸗ a gleich ſie keinen Titel hat. Verzeihung, Sir dh, ich ſchetze vielleicht etwas zu frei.“ | „O, rief Lord Sandyford aus, wenn Sie unſern Wylie fo kennten wie ich, fo würden Sie auf den Unterſchied dez Ranges nicht ſo viel Gewi cht legen. Aber ſagen Sie mir doch, Mäſter Craigland, war Ihr Vater Parlaments Mitglied?“ Die Wendung, welche daB Gefpräd jetzt 8 genommen hatte, ließ dem Gutsherrn nicht die geringſte Luſt mehr übrig, zu ſcherzen. Er konnte nur mit halblauter Stimme antworten: Nein! Aber die Miene und das zerknirſchte Weſen, womit dieſe Silbe begleitet war, haͤtten beinahe die Ernſthaftigkeit der 1 zu Schanden gemacht. nee %

2

„Aber Ihr Großvater war es ohne Nr fel?“ fuhr der Graf fort. Der Gutsherr fand ſich doppelt en . als er auch dieſe Frage verneinen mußte. „Das iſt doch außerordentlich,“ ſagte der Graf, ſich mit einer gewiſſen Miene von Wurde und Ueberlegenpeit in die Höhe richtend. Der arme, noch vor Kurzem auf ſeine | Wichtigkeit fo ſtolze Gutsherr, war jetzt in der groͤßten Verlegenheit, daß man ihn in einem Augenblick von ſeiner eingebildeten Hoͤhe unter die Menge des großen Haufens herabwarf. Aber ſeine Kraͤnkung ſtieg auf's Hoͤchſte, als er Sir ae hinzufügen börse: Bet: „Ich erinnere mich ME Erohhlanti ob einer von Ihren Vorfahren jemals den Titel eines Ritters gehabt hat.“ a, „Und was iſt daran gelegen, ob eig gehabt haben, oder nicht, ſchrie Sir André, welcher urtheilte, daß der Scherz jetzt weit genug getrieben ſei; das wird Niemanden hindern, Miß Marien eben fo liebenswürdig

‚au finden, als fie. ſchoͤn iſt. Aber ſelbſt wenn II. Ih, 15

26

Craigland und ich uͤber alle Punkte ſchon einig wären, fo bleibt doch noch ein harter Knoten übrig: die Einwilligung der Miß Mizy.“

„Und wer Teufel deduͤrfte in dieſem Falle der Einwilligung meiner Schweſter?“ ſchrie der alte Gutsherr, voll Freuden, jetzt bewei⸗ ſen zu koͤnnen, daß er doch e ganz un⸗ bedeutend ſei. |

Lord Sandyford danse ſogleich daß der alte Craigland auf. fein haͤusliches Anſehen eiferſuͤchtig ſei, und veraͤnderte daher die Bat⸗ terien. „Es iſt ganz natürlich, ſagte er, daß einer alten Jungfer, einer alten Tante, wenig daran gelegen iſt, ihre Nichte in einen hoͤheren Rang, als der ihrige, erheben zu ſehen; aber gewiß will mein Freund, Sir André, nur ſcherzen, indem er vorausſetzt, daß Maͤſter Craigland ein Mann ſei, der ſich von ſeiner Schweſter leiten laſſen wuͤrde, wenn von der Verheiratung feiner Tochter die Rede wäre, Ich kann dergleichen nicht glauben.“ |

„Der Teufel ſoll mich holen, wenn etwas daran iſt, ſchrie der Gutsherr, mit der Fauſt | auf den Tiſch ſchlagend, um ſeiner Laune,

22

6 nung mehr Kraft zu geben; meine Tochter if meine ae und das 41 Wa * mein Gut.“ 1515

„Ich glaube daß es 1 in weiblicher Linie erblich ſei,“ ſagte Sir Archibald. „Ohne Zweifel, antwortete Craigland; es faͤlt nach meinem Tode an meine Tochter.“ 29750! 1 das verändert: die Sache, rief der Graf aus. In dieſem Falle kann es ze einmal an Miß Mizy fallen., ©

„Was wollen Sie ene 3 der Gutsherr lebhaft. Ain

„Nichts, gaht der Graf gleichgättig, durchaus nichts, als daß die obgleich entfernte Ausſicht Ihrer Schweſter, das Gut einmal zu erben, ſie anfeuern kann, der Vekheiratung Ihrer Tochter p in den har z rim IH,

Der Gutsherr ſah ii Geſelſchefter wechſelsweiſe mit ſtieren Augen und offnem Munde an; aber er erſtaunte noch mehr, als Sir Archibald hinzufuͤgte, indem er den Kopf ſchüttelte: „Ei, ei, jetzt wird mir die ganze Sache klar. Wußten wir doch nicht, warum

* ; 15

| 2 = ein vernuͤnftiger Mann, wie Craigland, feine Tochter ſo eingezogen hielt! Wir dachten aber nicht an dieſe moͤglichen Wee ee der Miß Mizy.“ | „Soll mich der Teufel bolen⸗ wenn Sie } nicht richtig gerathen haben, ſchrie Craigland; und ich ſehe jetzt ſehr gut ein, warum meine Schweſter immer etwas gegen die ſich darbie⸗ tenden Partien hatte. Beim Himmel! Sir André; ich wollte, daß Sie e e blicke um Marien anhielten.“ f „Und ich halte von ganzem Herzen um fe an,“ rief unfer Held mit Lebhaftigkeit. „Wohlan, geben Sie mir Ihre Hand, und der Handel iſt richtig, vorausgeſetzt, daß Marie einwilligt.“ Und indem er ihm die Hand darreichte, drückte er die ſeinige mit Herzlich keit. Der Graf ſchlug hierauf vor, ſich zu den Damen zu begeben, was auch a angenommen wurde. f 0 4 Der alte Craigland trat, ein Pr vom Wein erhitzt, und ſtolz uͤber die ſo eben ab⸗ geſchloſſene Angelegenheit, ohne ſeine Schweſter zu Rathe gezogen zu haben, mit triumphirender

229 Miene in den Saal; obgleich er ein wenig wankte, und die Arme balancirend von ſich ſtreckte, als wenn er dadurch einen ſicherern Gang zu erhalten daͤchte. Miß Cunningham ſprang auf ihn zu, mee ihn in einen Armſtuhl.

„Du biſt eine gute Auch eg ſagte er, ein vortreffliches Maͤdchen. Aber Alles iſt i Richtigkeit, Alles in Richtigkeit.“ 0

„Was iſt in Richtigkeit?“ rief Miß Mizy.

„Was haſt du dich darein zu miſchen, Mizy? antwortete der Gutsherr. Bilde dir nicht ein, daß du deinen Loͤffel in eine fremde Schuͤſſel thun wirſt. Meine Damen, ich muß Sie nur benachrichtigen, daß Sir André und ich ſo eben einen Vertrag geſchloſſen haben, und zwar in Gegenwart des Lord Sandyford und Sir Archibald, nach welchem meine Tochter, Marie Cunningham, die Sie dort ſehen, Lady Wylie werden ſoll, meine Schweſter mag auch dazu ſagen, was fie will. Nun, Sir André! Marſch, vorwaͤrts, kuͤſſen Sie ſie auf eine Backe, u dann auf die andere! Pflegt man denn in London nicht der Liebe ſo?“ 5

7 *

Da dieſe Szene Marien ſehr in Verlegen⸗ heit brachte, fo bemerkte fie, daß es ſchon ehr ſpaͤt ſei, und daß man daher an die Abreiſe denken muͤſſe. Die Wagen wurden alſo be⸗ i ſtellt, und fuhren in wenigen Minuten vor. |

Wahrend der Gutsherr in dem Speiſe⸗ ſaale die kraͤftigſten Angriffe auf den Bordeaux⸗ und Champagner »WBein feines Wirths gemacht | hatte: war aber auch Robin Taigle in der Küche nicht muͤßig geweſen, und ſchonte noch weniger ſein Ale, ſo daß er vollkommen be⸗ 2 rauſcht war, als er mit dem Wagen der Fa⸗ milie Craigland vorfuhr. Sir Andre, welcher in dem Wagen des Lords zuruͤckfahren ſollte, beſchwor den Gutsherrn, den Weg in ſeiner Geſellſchaft zu machen; und die beiden Damen waren auch ſehr bereit dazu, We: e 1 blieb unbeugſam. f 5 „Wir habemunſern Wagen, foot er, warum ſollten wir uns deſſelben nicht bedienen? Was dieſen Taugnichts von Robin betrifft, ſo ſollt Ihr ſehen, was ich ihm zugedacht habe, wenn wir nach Hauſe kommen. In Kurzem fol eine vollkommene Revolution in meinem Hauſe

231

Statt finden, darauf gebe ich Euch mein

Wort; alſo Schweſter, nimm dir dein Kleid auf, und ſteige ein, und du, Marie, tritt her, daß ich mich auf dich ſtuͤtze.“

Sir André enthob Miß Cunningham der betraͤchtlichen Laſt ihres Vaters, und half ihm in den Wagen, worauf Robin ſeine Pferde ſogleich durch einen tuͤchtigen Peitſchenhieb benachrichtigte daß es Zeit ſei loszuſchreiten. Der Baronet aber, welcher ernſtlich ein Un⸗ gluͤck fuͤrchtete, befahl dem Kutſcher des Grafen, dicht hinter dem Wagen des Gutsherrn zu bleiben, um im Fall der Noth zur Huͤlfe bei der Hand zu ſein. Dieſe Vorſicht ſchien auch nicht ohne Nutzen zu fein, denn Robin fing ſehr bald an, eine groͤßere Strecke Weges in der Breite, als in der Länge zurückzulegen; und ſein Wagen glich einem Schiffe, das gegen den Wind lavirt, ſo ſehr machte er unauf⸗ hoͤrliche Zickzacks von einer Seite des Wee nach der andern.

Einige Zeit hindurch ging Alles noch ſo neulich gut, denn der Inſtinkt der Pferde kam ihrem trunknen Fuͤhrer zu Hülfe; dieſer

aber wurde bald fo freigebig mit feinen | Peitſchenhieben, daß die armen Gaͤule nac und nach ihr ruhiges und friedliches nd vergeſſen mußten, endlich anfingen durchzu⸗ gehen, und ſo in einem Augenblick den Wagen in einem Graben warfen.

Sir André ſprang ſogleich herbei, und zog, mit Huͤlfe des Bedienten des Grafen Sandyford, die drei Reiſenden unter dem Wagen hervor; denn nachdem die Pferde ſo einen Augenblick lang uͤber die Straͤnge ge⸗ ſprungen waren, ſtanden ſie ploͤtzlich ſtill, ſo⸗ bald der Wagen auf der Seite lag. Die beiden Dam en hatten durchaus keinen Scha⸗ den gelitten, aber der arme Gutsherr war ohne Beſinnung; doch kam er bald genug wieder zu ſich, und verſicherte, daß er durchaus nicht verwundet ſei. Er ſtieg mit ſeiner Schweſter und Tochter in den Wagen des Grafen; aber kaum war er in Craigland angekommen, ſo be⸗ klagte er ſich über lebhafte innerliche Kopfſchmer⸗ zen, indeſſen doch noch hinzufuͤgend, er danke Gott, daß ſein Kopf hart genug geweſen ſei, um einem ſolchen Schlage zu widerſtehen.

U he

Der Baronet rieth, nach einem Arzte zu ſchicken; iber der Gutsherr wollte nicht ein⸗ mal davon ſprechen hoͤren, denn unter ſeinen zahlreichen Vorurtheilen befand ſich auch ein großer Widerwille gegen dieſe Fakultät. Sir Andre überließ ihn daher der Sorgfalt ſeiner Familie, und kehrte zu ſeiner Großmutter heim; am andern Morgen, aber, gleich nach dem Fruͤhſtück, erſchien er ſchon wieder auf dem Schloſſe, ſowohl um ſi ch nach der Ge⸗ ſundheit des Gutsherrn zu erkundigen, als auch um mit Marien eine Unterredung unter vier Augen zu haben, und ihr die wahren Be⸗ wegungsgruͤnde feiner, Reife nach Schottland zu entdecken.

Man ließ ihn in den Salon n in welchem ſich Miß Mizy allein befand. Sie fagte ihm, daß die Schmerzen ihres Bruders die Nacht uͤber ſo ſtark geworden waͤren, daß er um Hülfe hätte rufen müſſen; die ganze Familie war ſogleich aufgeſtanden, und da der Morgen erſchien, ohne dem Kranken einige Linderung zu bringen, ſo hatte man ſich end⸗ lich entſchloſſen, der Doktor At o my holen

zu laſſen. Sir André verſicherte ſie, wie großen Antheil er an dieſem unglücklichen Vorfall naͤhme, und druͤckte ſich uͤber dieſen Gegenſtand, wie Miß Mizy nachher erzählte, auf eine Art aus, welche ſowohl ſeinem Her⸗ zen als ſeinem Verſtande Ehre machten

Wahrend dieſer Zeit befand ſich Miß

Marie bei ihrem Vater, und unter dieſen un⸗ glücklichen Umſtaͤnden lief der Baronet große Gefahr, fi fi ch wieder entfernen zu müffen, ohne fie geſehen zu haben. Aber Bell Lampit, welche bei den wiederholten Beſuchen des Sir André vorherſah, daß endlich eine Heirat die Folge davon ſein würde, konnte dem Wunſche nicht widerſtehen, ihre junge Herrſchaft davon zu benachrichtigen, daß er im Schloſſe ſei. N Sie trat alfo, dreiſt in das Zimmer des Kranken, und ſtellte ſich, als wenn ſie glaubte, gerufen worden zu ſein. „Was befehlen Sie, Miß Marie 24 fragte fie,

„Ich habe nicht geklingelt, antwortete Marie; vielleicht that es meine Tante.“

„Nein, nein, erwiederte Bell mit lei⸗

1

235

ſer Stimme, ſie hat andere Erbſen zu le⸗ ſen. Sie iſt mit Sir André im Salon.“

„Was macht der Aſchenbroͤdel hier?“ fragte der Gutöherr,: e ihre Stimme erkannte. Te ic b nn

„Ach mein Gast, PEN ich glaubte, Sie ſchliefen. Nun, wie befinden Sie ſich heute, nach der ſchoͤnen Fahrt von geſtern? Der arme Robin iſt auch uͤbel daran, wir glauben, er hat ſich den Hirnkaſten zerſchmettert.“

„Wenn ich dich nur erreichen koͤnnte, ſo

wollte ich dir den deinigen zerſchmettern.

Hat man je ein ſolches Murmelthier in einer achtungswuͤrdigen Familie geſehen?“ | „Werden Sie nicht zornig, Herr! Man muß Leiden mit Geduld ertragen lernen. Der rechtliche Mann, welcher gegen das Unglück kaͤmpft, iſt ein Anblick der Goͤtter wuͤrdig.“ Marie mußte ſich einigen Zwang anthun, um nicht uͤber dieſe ſo paſſende Citation aus dem Seneka zu lachen, und ſagte zur Biel . fie ſich entfernen ſollte.

„Da ſiehſt du, Marie, ſagte der Gutsherr,

was es heißt, die Grenzen der Erziehung uͤber⸗

236

ſchreiten; denn es iſt keinem Zweifel unter⸗ worfen, die Gelehrſamkeit hat dieſem Mädchen den Verſtand verwirrt. Das Volk braucht nichts weiter zu lernen, als die zehn Gebote Gottes und ſeinen Katechismus; ich ſelbſt habe ja nicht viel mehr gelernt.“

Er fuhr fort, uͤber die Erziehung, welche man den untern Klaſſen geben müͤſſe, abzu⸗ handeln, und das Fieber machte ihn immer geſpraͤchiger, als Miß Mizy eintrat. N

„Marie, fügte die Tante zu der Nichte, indem fie ihr einen ausdrucksvollen Blick zu⸗ warf, leiſte Sir André im Salon Geſellſchaft; ich werde bei deinem Vater RUN 9 der Doktor da iſt.“ in 305 . „Der Doktor? 8 der S und wer Teufel hat dir befohlen, nach dem Doktor zu ſchicken? Ich mag weder vom Doktor noch vom Apotheker etwas wiſſen; ſie ſollen von mir nicht eine Stecknadel haben.“ a

Du ſprichſt zu viel, lieber Bruder, ſagte Miß Mizy, welche Marien ſachte bis nach der Thur gefuͤhrt batte ai bang 3 MR ruhig!“ 49 Er 103

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„Wo iſt Marie? Ihre Geſellſchaft iſt mir lieber als die deinige, denn ſie iſt von ſanf⸗ ter und friedlicher Gemuͤthsart, was ein Ge⸗ ſchenk des Himmels iſt, wie der Prediger am letzten Sonntage ſagte. Aber es giebt Mens ſchen von groͤberem Stoffe, taube Weizen⸗ ee die in Ewigkeit kein Mehl geben.“ i

„Ich fürchte wahrhaftig, lieber Bruder, ou biſt krünker, als du glaubſt. u |

BI,

= „Ich habe Durſt, einen Durſt vom. Zeus fel; das iſt eine narriſche Natur: je mehr man teinkt, deſto mehr durſtet man. Aber der Wein bei Sir Archibald war köstlich, und dieſer Sir Andre iſt wirklich ein prächtiger Menſch. Wie glücklich wird er mit Marien leben; ach und die kleinen Kinder, die fie haben werden, ich ſehe fi e ſchon in der Stube umherlaufen! a

„Lieber Bruder, ſagte 0 ängſtlich, du mußt nicht ſo viel ſprechen!“ Aber der Guts⸗ herr hörte nicht darauf; feine Sieben immer mehr zu, und er ſpra wie im Wahnſinne, ſo daß ſei

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plöglich das Zimmer verließ, und in den Salon eilte, ihre Befuͤrchtungen mitzutheilen. Hier ſtoͤrte ſie den Baronet und Miß Marie mitten in einer ſehr anziehenden Uns terredung. Sir André hatte ſich nicht, wie es ſonſt bei allen Romanhelden uͤblich iſt, vor: zuͤglich wenn ihre Geſchichte von einer Frau geſchrieben iſt/ vor dem Gegenſtande ſeiner Anbetung auf die Kniee geworfen; er rief ihr nur zuerſt verſchiedene Begebenheiten aus ih⸗ ren Kinderjahten in's Gedächtniß zurück, ging dann zu denen des vorigen Tages über, und war fo eben im Begriff, ihr den Zustand ſeines Herzens zu enktſchleiern. Miß Cunningham hörte ihm lu, als wenn ſte eine alte Prophezeihung hätte in Erfüllung gehen hh 5 Was auf ihrem Ge haft bewegt. Schon feit langer Zeit, denn wir koͤnnen jetzt ohne Zuruͤckhaltung von ihren e reden, fuͤhlte fie eine ge⸗ ng fuͤr Andre Wylie; und wenn eine gewiſſe Kälte gegen ihn chah dieß nur, weil ſie glaubte,

zeigte, fo ı

-

daß die Vorurtheile ihres Vaters einer Verbindung, die ſie wuͤnſchte, unuͤberſteig⸗ liche Hinderniſſe entgegenſetzen wuͤrden. Jeder Schritt, welchen unſer Held in der Welt vorwärts that, ſchien denſelben ihr zu nähern, und ein von der Vorſehung gegebenes Zeichen zu fein, daß fie für ihn beſtimmt ſei. Et war eine Art von Vorgefuͤhl, deſſen ſie ſich nicht erwehren konnte, das ihr aber nicht die geringſte unangenehme Vorſtellung erweckte. Das Bild Wylie's ſtellte ſich ihr nur, mit jenen Erinnerungen aus ihren Kinderjahren umgeben, vor, welche dieſelben gewoͤhnlich zu den gluͤcklichſten des Lebens machen; und die guten Eigenſchaften ſeines Herzens, die ihr bekannt waren, feſſelten das ihrige.

Sie war alſo ſchon ſeit langer Zeit auf das Geſtaͤndniß vorbereitet, welches Sir Andre ihr ſo eben zu machen im Begriff war; und ſie hatte ſich vorgenommen, offenherzig darauf zu antworten, als Miß wehr ploͤtzlich in den Salon trat. R 1 i

„Marie! rief ſie aus, ich glaube, wi dein Vater wahnſinnig iſt.

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Miß Cunningham eilte ſogleich hoͤchſt be⸗ unruhigt in das Zimmer ihres Vaters. In dieſem Augenblick traf auch der herbeigerufene Arzt, Doktor Atomy, ein, und wurde von der Miß Mizy zu ihrem Bruder geführt, deſſen Antwort auf die erſte Frage des Arztes W baft charakteriſtiſch war. 65 | Ich befinde mich wohl, Doktor, W men wohl; ich befand mich noch niemals wohler. Nur eine Sache, die ich nicht be⸗ greifen kann, quält mich unaufhoͤrlich.⸗ Warum laßt man in mein Zimmer ſo viele Perſonen ein, die ich gar nicht kenne? Ich ſehe eine Menge Figuren ſich alle Augenblicke auf mein Bett ſetzen; ich hoͤre ſie leiſe mit einander reden, als wenn fie ſich gegen mich verſchwoͤ⸗ ren wollten; und ich mag ſie fragen ſo viel ich will, der Teufel ſoll mich helene wenn 5 e mir eine Antwort geben.“

Seine Tochter und feine Sawefer.; 105 floſſen in Thraͤnen, als ſie ihn ſo ſprechen hörten; Atomy richtete noch einige Fragen an ihn, auf welche eben fo unzuſammenhaängende Antworten erfolgten. Endlich, nachdem er

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alle Zeichen ſeiner Krankheit beobachtet hatte, ſchuͤttelte er den Kopf, und gab mit möglich ſter Schonung zu verſtehen, daß die Krankheit des Greiſes einen traurigen Ausgang nehmen koͤnnte. Doch verſchrieb er ein Arzneimittel, mehr zur Ehre feiner Kunſt, als in der Hoffe nung, daß es helfen wuͤrde, Wee, er a wieder entfernte,

Am Nachmittage dieſes Tages ne ſch die Heftigkeit ſeines Fiebers; der Kranke wurde ruhiger, und er blieb mehrere Tage lang in demſelben Zuſtande; aber augenſchein⸗ lich nahmen ſeine Kräfte mer mehr und mehr ab, und er fiel endlich in einen voll— kommenen Zuſtand der Kindheit. Unmoͤglich konnte man ihn ohne das innigſte Mitleiden anſehen; er hatte jede Vorſtellung von der Gegenwart verloren, und ſchien ſich nur mit der Erinnerung an die n u bes ſchuͤftigen. e,

Sehr oft dachte er an 115 eiſtsbene Gemahlin; er glaubte ſie vor ſich zu ſehen, und ſprach mit ihr von feinen haͤuslichen Angelegenheiten. Am meiſten een II. Chi. 16

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ihn aber ſeine Kinder. Er glaubte ſie, in ihrem Alter von fuͤnf bis ſechs Jahren, um ſich herum ſpielen zu ſehen, beluſtigte ſich uͤber ſie, und lachte laut; ſobald er aber zu⸗ fälligerweiſe den Namen William ausſprach, der an ſeinen Wunden geſtorben war, ſo ſtellte ſich feiner Einbildungskraft der Schmerz, den er bei ſeinem Tode empfunden hatte, lebhaft wieder vor, und er klagte laut uͤber den Ver⸗ luſt dieſes geliebten Sohnes. e

Sieben Tage lang verlebte er noch in dies ſem Zuſtande; am Morgen des achten machte die geſchwaͤchte Natur eine letzte Anſtrengung, um alle ihre Kraͤfte wieder zu ſammeln; ſie kämpfte einige Stunden gegen den heran⸗ nahenden Tod, aber vergebens: ſie mußte end⸗ lich unterliegen. Seine irdiſche Huͤlle wurde mit vieler Feierlichkeit am dritten Tage der Erde zur Verweſung uͤbergeben.

Dieſer Tod ſchob zwar fuͤr unſern Helen die Vollendung ſeines Gluͤcks noch einige Zeit lang auf, aber er hinderte es durchaus nicht; und ſobald die Wohlanſtaͤndigkeit es erlaubte, wurden Marie Cunningham und der Varonet

ee

durch den Segen des Geiſtlichen auf immmer vereinigt. Dieß geſchah in der dazu wieder in Stand geſetzten Kapelle des Schloſſes, da Miß Cunningham wuͤnſchte, daß die in ſolchen Fällen gewöhnlichen Luſtbarkeiten nicht Statt finden ſollten „indem erſt e ſechs Monate ſeit dem Tode ihres Vaters verfloſſen waren. Die ehrwuͤrdige Marthe Docken, Maͤſter Tannyhill und Miß Mizy un nie en ur dabei. er: Fly Der Graf und die ee von Sendifors waren unmittelbar nach dem Tode des alten Craigland nach Chaſtington⸗ Hall zuruͤckge⸗ kehrt, und die Reuvermählten reiſten dorthin, um den erſten Monat nach ihrer Verheira—

tung bei ihnen zuzubringen. Aller Bitten

ſeiner alten Freunde ungeachtet war aber Sit André nicht dazu zu bewegen, ſich in ihrer l Nachbarſchaft niederzulaſſen, wozu ihm der Graf Sandyford das Schloß Rooksborough, welches er gekauft hatte, anbot. Er blieb unerſchuͤtterlich, und kehrte in die Gegenden zuruͤck, wo er geboren war; nachdem er ſeine Stelle als Parlaments⸗Mitglied niedergelegt 16 *

IHR

hatte, und zugleich auch aus feiner Verbin: dung mit Vellum getreten war, Seine Gegen⸗ wart in Stoneyholm bezeichnete er durch viele weiſe und wohlthätige Einrichtungen und Verbeſſerungen, daß ſich im ganzen Dorfe Gluͤck und Zufriedenheit verbreiteten; alljährz lich verfehlte er aber nicht, ſeinen Freunden im Suͤden mit Lady Wylie Beſuche abzu⸗ ſtatten; und bei einem derſelben war es, wo er den Tod des Sir Ferrew erfuhr, welcher in Kriegsdienſte getreten, und in einer Schlacht gegen die Franzoſen geblieben war. Auch der Doktor Saffron war geſtorben, und hatte die verwaiſete Aline als Erbin eingeſetzt. Das Einzige, was in dem Betragen Sir Andres vielen Leuten zweideutig ſchien, war die Art, womit er gegen ſeine ehrwuͤrdige Großmutter verfuhr. Man glaubte allge⸗ mein, daß er ſie in's Schloß Craigland auf⸗ nehmen, oder fie nach dem Schloſſe Wylie bringen würde, Aber wie erſtaunte man, als ſie immer noch in ihrer Huͤtte verblieb, nur mit dem einzigen Unterſchiede, daß fie ein junges Maͤdchen aus dem Dorfe zur Bedie⸗

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nung zu ſich nahm. Beſſer unterrichtete

Leute wußten indeſſen, daß Lady Wylie ſte mit den dringendſten Bitten beſtuͤrmt hatte, ihre beſcheidene Wohnung zu verlaſſen, in welcher ſie ihr ganzes Leben zugebracht; aber durch eine fo vieljaͤhrige Gewohnheit war der alten Marthe dieſe Hütte allzutheuer gewor— en. Ueberdieß war ſie verſtaͤndig genug, einzuſehen, daß fie mitten unter der Geſell⸗

ſchaft, welche man im Schloſſe haͤuſig empfing, nicht an ihrem Platze ſei; und ſſte erklärte fo

beſtimmt, ſhre noch uͤbrigen Tage in der Einſamkeit, und mit den Dankgebeten an Gott fuͤr die von ihm erhaltenen Wohlthaten, zubringen zu wollen, daß Sir Andre wicht 3 länger in ſie zu dringen.

Da um dieſe Zeit der Pfarrer in Stone Wen eine anderweitige Anſtellung erhielt, und Sir Andre wußte, daß Maäſter Tannyhill Theologie ſtudirt, auch in fruͤheren Zeiten die Licenz erhalten hatte: ſo ſetzte er ſeinen ehemaligen Schullehrer zum Pfarrer ein,

zum großen Erſtaunen, aber auch zur Zu⸗ friedenheit ſaͤmmtlicher Einwohner des Dorfes.

Nach drei oder vier Jahren nahmen Sir André und Lady Wylie ihren beſtimmten Wohnſitz in dem Schloſſe Wylie; aber Miß Mizy zog es vor, in Craigland zu bleiben, wo der Baronet und ſeine Gemahlin Mei ins deſſen haufig beſuchten. |

Eine Merkwuͤrdigkeit darf aber am Schluſſe e dieſer Geſchichte nicht uͤbergangen werden; dieſe war nichts weniger, als die Entdeckung eines Manuſkripts von dem verſtorbenen Craigland, gewiß eine große ee der Literatur in den jetzigen Zeiten. Es iſt daher zu hoffen, daß dieſe Schrift ſo bald als moͤglich durch den Druck dem betreffenden Publikum übergeben‘ werde; fie führt den Titel: Um ſtaͤndliche Beſchreibung der Titel und Wappen aller adli⸗ gen Familien in Europa, eine Schrift, die dem Verſtorbenen gewiß manch i en keines hat arinı

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In gleicher Berfogsfanbfung j nd. 978

4 erſcienen:

A. uften, J. Anna. Ein Familiengemaͤlde, Aus dem Engliſchen uͤberſetzt von W. A. Lindau. 2 Bde. 8. 1822. 2 Thlr. 12 gr.

8 aczko, Ludw. von, Geſchichte Paolo Pennaloſa, eines Kloſterbruders; oder es wird eine ewige Vergeltung ſein. Zweite wohlfeilere Ausgabe. 8. 1823. 1 Thlr.

Calthorpe oder geſunkenes Gluͤck. Ein Roman. Frei nach dem Engliſchen des Verfaſſers der Lollharden, von Georg Lotz. 2 Thle. 8. 1823. 2 Thlr. 12 gr.

Flüchtlinge, die. Romantiſche Unterhaltungen. Von dem Verfaſſer des Romans Heliodora. Mit Kupfern von Junge und Roßmaͤßler. 8. 1820. I Thlr. 8 gr.

Geſchichten, romantiſche. Vom Verfaſſer des Romans He⸗ liodora. (W. A. Lindau) 8. 1819. 1 Thlr. 6 gr.

Joͤrdens, G. Bunte Bilder, Erzählungen und Skizzen von einigen theils melancholiſchen, theils lußtigen Freunden. 18 Bdchn. 8. 1823. 1 Thlr. 6 gr.

Lanzelot vom See. Rittergeſchichte aus den Zeiten der Tafelrunde. Nebſt einem Anhange. Mit einem Kupfer von Riedel. 8. 1822. 1 Tylr. to gr.

Die Saßeesgeifen der Ehe. Eine Erzäh⸗

lung. 8. 1822. 1 Thlr. 2 ie Vermühlung. Ein Nachtſtuͤck. Mit einem Muſikblatte. 8. 1822. 542 gr.

Kruſe, L. Deodat's Geburt. Poeſie und Proſa aus dem Leben. 3 Thle. Mit Artern von Roßmäßler.

8. 1823. 4 Thlr. 6 gr. Roderich, C. Nachtſtuͤcke aus dem Gebiet des wirk⸗ lichen Lebens. 8. 1823. 1 Thlr. 12 gr.

Scott, Walter, dit Pirat. Aus dem Engliſchen uͤber⸗ ſetzt bon Georg Lotz. 3 Thle. 8. 1822. gut Pap. 4 Thlr. 12 gr. ord, Pap. 3 Thlr. 8 gr.

| Scott, Walter. Der ſchwarze Zwerg. n roma tiſches Gemaͤlde. Aus dem Engliſchen uͤberſetzt ve W. A. Lindau. Zweite verbeſſerte. 1823. N Sommerfruͤchte ele von C. N. Bu einem Kor: wort von 'r. 8. 1823. 0 8 gr.

Willmar, Wilhelmine, Gesotungeunde, N Mit einem hg von Opitz und Eßlinger. 8. 1823. I Thlr. 18 gr.

Zeiten, andere, oder die Mönche von Leadenhall. Nach

dem Engliſchen des Verfaſſers der Lollh arden, des

Calthorpe ꝛc., frei bearbeitet von Georg Lotz. 3 Bde. 8. 1824. 23 Thlr. 12 gr.

Gilling, F. W. Ariſtomenes der Zweite. Eine roman⸗ tiſche Erzählung. Mit Kupfern W und Bruͤckner. 8. 182124. Thlr. 4 gr

= Erzählungen. 3 A Mit Kupfern von Brückner, Junge und Roßmaͤßler. 8. 1821

und 1822. 3 Thlr. 16 gr. „„ Fluch. Ein Ne 2 Sole. Mit Kupfer von Rolmähteps und Siek 8. 1 2 Thlr. 16 gr.

* —— Seekönig Ingolf und ſeine Wikinger. Ein Roman der Vorzeit. Mit einem Kupfer von Roßmaͤßler und Junge. 8. 1820. 1 Thlr. 8 gr.

Jugendliebe, oder das Kloſter in der

Sierra: Mörena, Mit Kupfern. 8. (Beſonderer Abdruck aus den Erzählungen) 1820. 18 gr.

Eduard Müllers Leben bis zu ſeiner

N Verheiratung. Mit Kupfern von Junge und Roß⸗ maͤßler. 8. 1821. 1 Thlr. 12 gr. Otto von Wetterode. Ein romantl⸗

ſches Gemälde aus den letzten Jahren des dreißigjaͤh⸗

rigen Krieges. Ir, er und zr Theil. Mit Kupfern

von Roßmaͤßler. 8. 5 u 3 HR 20 9,00

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