Ascaeis E% hala als Seurcllage ZRS ja r | N .2 Geschichte Be |- Risse A Ent wicke |w 5x m£chanik oliese£ Spezies Varı OB j Se 5 ı [ x Sheassen. Mil s Tallen und 99 Keyfall:/} CH. Mare: x bb fun e f N, Steassen Olle I 7, ZOOLOGICA Original-Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der Zoologie. Herausgegeben von Professor Dr. Carl Chun in Leipzig. | nn I — — ns Heft 401 Siebzehnter Band. Zweite Lieferung. Inhalt: „\ Otto zur Strassen, Die Geschichte der T-Riesen von Ascaris megalocephala als Grundlage zu einer Entwickelungsmechanik dieser Spezies. Mit 87 Textabbildungen. E. Schweizerbartsche Verlagsbuchhandlung (E. Nägele). . I STUTTGART. | | 1906. l } N ANALYTISCHER TEIL. = een ErstessRKapıvel. Ziele und Wege. il Der analytische Teil meiner Arbeit enthält einen Versuch, die Entwicklungsmechanik des Ascariskeimes in erster Annäherung darzustellen. Wir gehen dabei in einer Reihenfolge vor, die sich vielleicht auch anderwärts empfehlen möchte. Zu Anfang werden sämtliche Einzelfaktoren der Formbildung, d. h. jene besonderen Geschehensarten, die durch ihr typisch geregeltes Eingreifen bewirken, daß aus dem grundlegenden und als gegeben hingenommenen Prozesse der Zellvermehrung nicht ein ordnungsloses Aggregat gleichgroßer, gleichbeschaffener Zellen, sondern eben der typisch differenzierte Embryo entsteht, für sich der ‚Analyse unterworfen. Hierdurch er- ringen wir uns erst das Material zu einer umfassenden und möglichst zuverlässigen Gesamt- beurteilung der ÖOntogenesis. — Solche „formbildende Faktoren“ sind in der Geschichte des Ascariskeimes die folgenden. Zunächst eine Reihe von näheren Bestimmungen des Klüftungsvorganges selbst: die Zellteilungen treten nach einem typisch differenzierten Rhythmus ein, die Richtung der Spindel ist durchweg eine vorgeschriebene, und manchmal differiert die Größe der beiden Tochterzellen; die Mitose erfolgt mit oder ohne Diminution, und während ihres Verlaufes kann der Gehalt der Zelle an Dotter- körnchen sich in bestimmter Weise so verteilen, daß eine größere Menge auf die eine Tochter, eine kleinere auf die andere übergeht. Es gibt ferner formbildende Geschehens- arten, die außerhalb der Klüftungsperioden an fertigen Blastomeren in Erscheinung treten: die Zellen modifizieren oft nachträglich ihre äußere Gestalt und nehmen vermittels typisch gerichteter Bewegungsvorgänge bestimmte gegenseitige Stellungen ein. Indem wir dazu übergehen, die Ursachen aller dieser Geschehensarten so weit als mög- lich aufzudecken, unterstellen wir die kommende Analyse in rigorosester Form dem Prinzipe der Sparsamkeit. Unbekümmert um irgend ein dogmatisches oder sonstwie gebildetes Vorurteil wollen wir in nüchterner Geschäftsmäßigkeit die von Fall zu Fall er- reichbare einfachste Erklärung suchen, uns allemal für diejenige Hypothese entscheiden, die in ihren Anforderungen an struktureller Komplikation über das im Ascariskeim sichtbar vor- handene oder bereits nachgewiesene Maß am wenigsten hinausgeht. Neue Geschehensgründe führen wir nicht eher ein, als bis die Unmöglichkeit, mit den alten auszukommen, erwiesen ist. Dieses Prinzip, dessen absolut zwingende Verbindlichkeit zwar theoretisch von nie- mandem bestritten, das aber in praxi keineswegs immer und überall mit der nötigen Strenge gehandhabt wird, verpflichtet uns zunächst, an der ausschließlichen In- EN: Fe anspruchnahme chemisch-physikalischer Faktoren mit äußerster Zähigkeit fest- zuhalten. Denn offenbar ist eine maschinelle, den sicheren Boden der Physikochemie nicht verlassende Erklärung selbst bei beliebig hoch gesteigerter Komplikation immer noch öko- nomischer, als die Neueinführung einer selbständig - vitalistischen Wirkungsweise. Und ge- rade hier wird von einigen Autoren gegen das Sparsamkeitsprinzip gefehlt: „sie resignieren zu früh“, wie Roux einmal sagt, und rufen schon den Vitalismus zu Hilfe, ehe sie ernstlich versucht haben, einen hinreichend hoch komplizierten und leistungsfähigen Mechanismus auszudenken. Im speziellen aber ergibt sich für den Bereich der physikochemischen Er- klärungsversuche folgender modus procedendi. Zu allererst wird immer probiert, ob der zu analysierende Formbildungsvorgang sich etwa ohne jede Vermehrung der strukturellen Komplikation über das Sichtbare hinaus und ohne Zuhilfenahme von Wirkungsarten, die in irgend einer Weise hypothetisch sind, er- klären läßt. Dieser günstigste aller Abschlüsse würde dann erzielt, wenn es gelänge, den betreffenden Vorgang als rein mechanischen Effekt auf Zug- oder Druckzustände zu- rückzuführen, deren Ursprung, typische Lokalisation und Richtung in der sichtbar vorhandenen Mannigfaltigkeit des Keimes ihre Begründung fänden. Mechanisch differenzierenden Wirkungen solcher Art könnte die Zelle in zweifacher Weise unterworfen sein. Erstens von ihrer Umgebung her: indem die Berührung zwischen Keim und Schale oder das innige Nachbarschaftsverhältnis der Zellen untereinander einen Druck, vielleicht auch einen Zug bedingte, oder indem von Zelle zu Zelle wirkender Druck und Zug mit den Klüftungsvorgängen oder den Zelldislokationen verbunden wäre. Sodann aber auch innerlich; denn wie gesagt sind die Dottermassen auf die Be- zırke des Embryo und sogar innerhalb gewisser Zellen typisch ungleich verteilt, so daß aus einer mechanischen Wechselwirkung zwischen dem Dotter und den plasmatischen Teilungs- organen typische Differenzierung entstehen könnte. — Formbildungsvorgänge der hier skizzierten allereinfachsten Art, bei denen die lebendige Zelle wie ein totes Objekt in ihr besonderes Schicksal hineingetrieben wird, bezeichnen wir als „passive“. Wenn nun ein bestimmtes Geschehnis durch keinerlei mechanische, in der sichtbaren Mannigfaltigkeit des Keimes begründete Faktoren erklärt werden kann, so tritt als nächste Hauptstufe der ökonomischen Skala die Hypothese ein, daß außer der sichtbaren Komplikation im Embryo noch unsichtbare vorhanden sei: feinste Strukturen der Plasmasubstanz und chemische Differenzierungen, deren zur Zeit noch ungelöstes Dunkel das mechanistische Ursachengetriebe in sich aufnimmt und unserem Einblick entzieht. Wir wollen alle solche Geschehnisse, bei denen die unbekannte Komplikation des lebenden Proto- ‘ plasma den Effekt ganz oder zum Teil bestimmt, „aktive“ nennen; ohne daß natürlich mit dieser sprachlichen Unterscheidung die Existenz einer scharfen Grenze zwischen aktiven und passiven Vorgängen präjudiziert werden sollte. Unter allen aktiven Geschehnissen aber sind diejenigen wiederum die sparsamsten, bei denen die sichtbar vorhandene Mannigfaltigkeit wenigstens zur Mitwirkung in Gestalt von Reizen herangezogen wird; denn in dem Maße, wie dies geschieht, kann die neu- geforderte ‘unsichtbare Plasmakomplikation entlastet werden. Solcher möglichen Reiz- wirkungen gibt es zweierlei: entweder stimmt die Zelle, die etwas aktiv Formbildendes voll- AN WER bringt, in ihrer Beschaffenheit mit anderen überein und wird durch den empfangenen Reiz aus der Korona der Gleichbefähigten zu ihrer besonderen Leistung ausgewählt — „forma- tiver Reiz‘ —; oder die Zelle trägt von Geburt an die strukturellen Gründe ihres aktiven Sonderverhaltens in sich selbst, bedarf aber zur vorschriftsmäßigen Betätigung zeitlicher oder räumlicher Orientierungsmittel, die sie der sichtbaren Komplikation des Embryo ent- nimmt. Es ist klar, daß die zuerst genannte Art von Reizwirkungen eine größere Gleich- artigkeit des Keimes zuläßt, d. h. ökonomischer ist, als die zweite. Darum sind wir zu dem Bestreben verpflichtet, jedes als aktiv erkannte Geschehnis der Formbildung womöglich auf das Spiel formativer Reize zurückzuführen. Gelingt es nicht, so sehen wir zu, ob der sichtbar vorhandenen Mannigfaltigkeit nicht wenigstens in der bescheidenen Rolle von zeit- lich auslösenden oder Richtungsreizen ein Anteil an der Kausalität des Gescheh- nisses gesichert werden kann. Allein es besteht die Möglichkeit, daß diese haushälterischen Versuche wiederum ver- geblich sind, und daß wir uns daher zuguterletzt entschließen müssen, den ganzen Auf- wand an Komplikation, dessen ein Vorgang zu seiner Einleitung und Durchführung bedarf, als hypothetisches Novum in die Mannigfaltigkeit des Ascariskeimes hineinzutragen. Hier- bei könnte der geforderte Mechanismus samt allen seinen Detailbestimmungen in einer einzigen Zelle enthalten sein. Andererseits schlösse aber die Sachlage eine Ver- teilung der Kausalität auf zwei oder mehrere Zellen, d. h. die Verwendung äußerer Reize, auch jetzt nicht aus: nur eben mit dem Unterschied gegen früher, daß diejenigen Strukturen und Komplikationen, von denen der Reiz geliefert werden soll, nicht- sichtbar vorhanden wären; und unter Umständen könnte ein Erklärungsversuch dieser Art von ökonomischem Werte sein. Wenn endlich alle jene Erlebnisse, durch deren Eintritt — sei es während oder nach der Geburt — eine bestimmte Ascariszelle von anderen verschieden wird, im Sinne unseres Programmes physiologisch gekennzeichnet sind; wenn überdies erörtert ist, inwieweit etwa die Zustände der Umgebung die Rolle von Vorbedingungen spielen; und wenn diese Einzelanalyse so weit als nötig und möglich auf sämtliche Blastomere des Stammbaumes ausgedehnt werden konnte: dann erst gelangt die allgemeine Hauptfrage zur Entscheidung, ob und in welchem Grade die Entwickelung des Ascariskeimes Selbstdifferenzierung genannt zu werden verdient. An geeigneter Stelle wird auch die wichtige Frage nach dem Vorkommen regula- torischer Prozesse zu beantworten sein, 2 a. Nachdem wir die Ziele unserer Analyse dargelegt haben, betrachten wir kurz die vor- handenen Mittel zu ihrer Durchführung. Von der Verwendbarkeit normal-deskriptiver Tatsachen für analytische Zwecke halten die Entwickelungsmechaniker zumeist nicht viel. Bei Ascaris bedingen jedoch die Umstände, daß die deskriptive Methode in manchen Fällen Erfolg verspricht, besonders da, wo es gilt, rein passive Zusammenhänge auszuschließen. Die Möglichkeit mechanischer Bewirkung von Formbildungsvorgängen ist für den Ascariskeim von vornherein ziemlich be Zoologica. Heft 40, 6 schränkt. Nicht alle vorhandenen Differenzierungsarten eignen sich überhaupt dazu. Und da andererseits die Summe derjenigen sichtbaren Mannigfaltigkeit, von der eine Zelle mechanisch in ihrem formbildenden Verhalten beeinflußt werden könnte, besonders in frühen Stadien eine geringe, und ferner die Wirkungsweise mechanischer Faktoren im allgemeinen leicht zu überblicken ist, so führt wohl hie und da die aufmerksame Betrachtung der Einzelzelle schon zu der begründeten Ansicht, daß ihr Verhalten gar nicht auf passivem Wege bewirkt sein kann. Durch Vergleichung vieler Zellen, bei denen eine bestimmte Art der Form- bildung unverändert wiederkehrt, während die in Betracht kommenden mechanischen Ver- hältnisse vielleicht verschieden sind, wird die deskriptive Argumentation umfassender und zwingender. Unzweifelhaft analytischen Wert aber gewinnt die normale Entwickelung von Ascaris durch den günstigen Umstand, daß ihr deskriptiver Ablauf in weiten Grenzen variiert. Schon innerhalb der Nachkommenschaft eines einzigen Ascaris- weibchens findet man, da der typisch vorgeschriebene Teilungsrhythmus nie strikte eingehalten wird, gleichaltrige Keime von recht verschiedener Konfiguration. Von Ascaris zu Ascaris aber nehmen die Unterschiede erhebliche Grade an; denn zu der rhythmischen Ungenauig- keit treten noch Differenzen des Dottergehaltes und der Dotterverteilung, der relativen Zellengröße, Zellgestalt oder anderer, minder auffälliger Details, und für gewisse Einzel- bestimmungen wird die Schwankung so ausgedehnt und allgemein, daß man kaum noch weiß, welche Form des Ablaufs man unter all den möglichen „normalen“ als die wahrhaft „typische“ betrachten soll. In dieser Veränderlichkeit, ja Unbeständigkeit zahlreicher deskriptiver Einzelheiten liegt nun ein Arbeitsmaterial, das bei vorsichtiger Ausnutzung eben so klare Antwort auf gewisse Fragen geben kann, wie das Experiment, und zwar in doppelter Weise. Erstens wird sich zuweilen zeigen lassen, daß ein veränderlicher Vorgang nicht als Wirkung auf einen vorausgegangenen konstanten Faktor bezogen werden darf; zweitens aber können variable Zustände des Keimes ihrerseits nicht Ursache gewisser beständiger Formbildungen sein. Weitaus das fruchtbarste und für nicht wenige Fragen allein verwendbare Material aber liefern natürlich diejenigen Ascariskeime, bei denen die Abweichung vom Typus aus einem inneren oder äußeren Grunde über die Grenzen des „noch normalen“ hinausgeht, so daß tiefgreifende Veränderungen der Konfiguration mit entsprechend schweren Folge- erscheinungen zu stande kommen: das sind die abnormen oder monströsen Keime. Freilich heißt es hier keineswegs „je mehr je besser“. Daß die Abnormität nicht in De- generation und sinnlose Zellvermehrung ausarten darf, ist selbstverständlich. Doch setzt die analytische Brauchbarkeit monströser Gebilde eine noch weitergehende Einschränkung ihres atypischen Verhaltens unbedingt voraus: an jedem, der Prüfung zu unterwerfenden Zweige des Zellenstammbaumes muß von der Summe typischer Vorschriften, die das normale Pro- gramm für diese Stelle enthält, mindestens so viel übrig geblieben sein, daß man die mor- phologische Bedeutung des Zweiges gerade noch bestimmen und sein Schicksal mit dem des entsprechenden normalen vergleichen kann. Diese Bedingung wird zunächst von den typisch entwickelten echten Ascaris- riesen, die ich früher (1898b) geschildert habe, auf das vollkommenste erfüllt. Hier gleicht die abnorme Genealogie in allen formbildenden Einzelheiten der regulären — mit Aus- nahme der konstanten und deshalb in keiner Weise störenden Größendifferenz. Unter — sc solchen Umständen kann jedes einzelne Blastomer dieser Riesen eben so leicht mit seiner Formel bezeichnet werden, als an normalen Keimen. Brauchbar sind auch gewisse, allerdings seltene Monstrositäten von Einzeleiern, bei ‘denen ein Teil der Zellfamilien aus unbekannten Gründen in falsche Bahn gerät oder gar völlig stehen bleibt, während die übrigen Keimbezirke sich weiterhin typisch entfalten (Taf. V, Fig. 65—67). Form und Gruppierung der letzteren lassen über ihren morphologi- schen Wert keinen Zweifel. Und so ergibt sich wiederum die Möglichkeit, durch den Ver- gleich der regelrechten mit der abnormen Entwickelung Auskunft zu gewinnen, ob jene Nachbarschafts- oder sonstigen Verhältnisse, in denen das Monstrum eigene Wege geht, an der Formbildung kausal beteiligt sind oder nicht. Unser wertvollstes Material aber sind diejenigen Keime, bei denen durch einen Ein- griff von außen — sei es der hindernde Kontakt mit einem zweiten Individuum, sei es der Druck der abnorm gestalteten Eischale — eine tiefgehende und dauernde Alteration der Zellengruppierung erzwungen worden ist; die Zwillinge und vorallem die T-Riesen. Denn trotz der starken Abnormität dieser Gebilde, die uns die reichste Ausbeute kausaler Ergebnisse verspricht, sind wir im stande, die morphologische Bestimmung ihrer ÖOnto- genesis, wenn nicht für jedes einzelne Blastomer, so doch in weitem Umfange durchzu- führen. Für die Ventralfamilie, deren Angehörige durch relative Größe, Dottergehalt, Kern- beschaffenheit und Form normalerweise nicht minder charakterisiert sind als durch ihre Lage, gelingt die Indentifizierung noch auf den höheren Stufen und oft sogar dann, wenn man die Entfaltung der einzelnen Familienzweige nicht unmittelbar im Leben verfolgen konnte. Das primäre Ektoderm mit seinen gleichförmigen, fast nur an der typischen Gruppierung erkennbaren Elementen bereitet natürlich — und leider! — viel größere Schwierigkeit; doch besteht wenigstens über die Grenzen der Familie, mit Ausnahme weit vorgeschrittener Stadien, kaum je ein Zweifel. Und da es bei dauernder Kontrolle lebendiger Riesen immerhin möglich ist, die ersten zwei oder drei Teilungsstufen des ektodermalen Stammbaumes mit Sicherheit festzustellen, so gilt von der Gesamtheit des T-Riesenmaterials, daß bei den jüngeren und für die Analyse wichtigsten Stadien jede einzelne Zelle, bei älteren wenigstens ein großer Teil bekannt ist und genealogisch mit dem normalen Schema ver- glichen werden kann. Die kausalen Aufschlüsse aber, die wir von den T-Riesen und Zwillingen erwarten, sind folgende. Zunächst wird uns das reiche Material bei der Entscheidung der Frage, ob das formbildende Verhalten der Zellen rein passiv durch mechanische Einwirkung von außen her verursacht werde, vielfältige und zuverlässige Dienste leisten. Denn offenbar müßte jeder solche Vorgang von der Konfiguration der unmittelbaren Umgebung, dem Lageverhältnis der Zelle zu allen oder einigen ihrer Nachbarinnen hochgradig abhängig sein: verändert sich, wie das bei T-Riesen in ausgedehntestem Maß geschieht, die vorge- schriebene Ordnung der Nachbarzellen, oder werden einzelne Blastomere völlig entfernt, so ändert auch ein typischer, zur Formbildung benötigter Druck oder Zug seine Stärke, viel- leicht seine Richtung, eventuell verschwände er ganz, und es würde unmöglich, daß der be- treffende Vorgang in typischer Form von statten ginge. Wenn sich nun zeigen läßt, daß irgend ein typischer Prozeß in der Geschichte der T-Riesen trotz ganz beliebig veränderter Umgebung vorschriftsmäßig wiederkehrt, so kann dieses Geschehnis nicht rein mechanisch U von außen her verursacht sein. — Minder uneingeschränkt ist die Verwendbarkeit der T-Riesen, wenn es sich nicht um mechanische Bewirkung, sondern um die Fräge handelt, ob ein als aktiv erkannter Vorgang in völliger Unabhängigkeit von der Umgebung geschieht, oder ob es irgend welcher von anderen Teilen des Keimes ausgehender Reize bedarf, um ihn hervorzurufen und typisch zu dirigieren. Denn solche die Zelle treffende Reizwirkungen wären wohl immer oder doch vorwiegend chemische; als solche würden sie weniger, als die mechanischen Wirkungen an unmittelbare Berührung von Zelle zu Zelle gebunden sein und brauchten bei einer Störung der typischen Konfiguration nicht gleich zu verschwinden. Aus der vorschriftsmäßigen Wiederkehr eines aktiven Prozesses bei den T-Riesen folgt darum im allgemeinen nur die Wahrscheinlichkeit, nicht Sicherheit, daß jener Vorgang von äußeren Reizwirkungen unabhängig ist. Aber diese Wahrscheinlichkeit kann unter Um- ständen eine außerordentlich große sein. In einem der uns zu Gebote stehenden Fälle grenzt sie sogar an Gewißheit: bei unserem Dreifachzwilling wurde das untere Individuum in zwei der ersten Klüftung entsprechende Hälften vollkommen aufgeteilt, die sich in weiter Entfernung voneinander, durch den Schalenengpaß getrennt, entwickelten; und niemand wird auf den Gedanken kommen, es habe eine normalerweise vorhandene formbildende Reiz- beziehung zwischen diesen beiden Hälften typisch fortgewirkt. — Übrigens sind in einer wichtigen Spezialfrage: bezüglich der Beteiligung äußerer Richtungsreize, alle T-Riesen zuverlässig. Denn jede atypische Veränderung des Lageverhältnisses zwischen der den Rich- tungsreiz empfangenden Zelle und ihrer Reizlieferantin müßte — falls die Dislokation nicht etwa genau in der Reizrichtung selber geschehen wäre — mit einer entsprechenden Ver- änderung des Effektes verbunden und dadurch erkennbar sein. 3. Zum Schlusse rücken wir ein paar besondere, dem Material anhaftende Schwierig- keiten gleich hier ins rechte Licht, damit nicht späterhin störender Aufenthalt durch sie verursacht werde. Da ist zuerst die vielberufene Angelegenheit der „Vorbedingungen“. A prior steht der Annahme nichts im Weg, daß die normale Entfaltung und Gruppierung des Ascariskeimes mechanische oder chemische, allgemeine oder spezieller lokalisierte Zustände mit sich bringt, die zwar nicht selbst die Rolle formbildender Faktoren spielen, dennoch aber nicht fehlen dürfen, wenn ein bestimmter aktiver Formbildungsprozeß typisch von statten gehen soll. An solche innere Vorbedingungen wären die Mechanismen aktiver Dif- ferenzierung in ähnlicher Weise „angepaßt“, wie das Sichentwickeln des ganzen Keimes an chemische, termische oder sonstige Zustände des äußeren Mediums. Zum Beispiel könnte im regelrechten Ascariskeim ein formbildender Mechanismus vorhanden sein, der zwei von- einander entfernte Zellen zwingt, aktiv zusammenzukriechen; aber die Kraft und besondere Wirkungsart des Apparates wäre ganz speziell auf solche Druck- und Widerstandsverhältnisse eingerichtet, wie sie ein normaler Embryo stets enthält: fehlen diese „mechanischen Vor- bedingungen“, so unterbliebe das Zusammenwandern der Zellen, obwohl die typischen Ur- sachen dazu, der aktive Mechanismus, vollständig und funktionsbereit vorhanden wären. Gerade so, wie ein Fisch auf dem Trockenen nicht schwimmen kann. — Oder es möchte N das normale Verhältnis zwischen Masse und Oberfläche des Keimes Vorbedingung irgend welcher feinen Chemismen in aktiv formbildenden Zellen sein, die ohne jene geometrische Beziehung versagen. Oder die typische Gesamtkonfiguration liefert vielleicht auf eine un- endlich komplizierte Weise ein chemisches Milieu, darin allein die Zellen im stande sind, formbildende Mechanismen zu typischer Verwendung zu bringen. Oder ähnliches. Das kausale Interesse, das der Nachweis solcher Abhängigkeitsverhältnisse und ihre Erforschung im einzelnen erwecken kann, ist mäßig. Leider aber drängt sich die Frage der Vorbedingungen derartig tief in unsere eigentliche, auf Klarlegung der formbildenden Ursachen gerichtete Analyse hinein, daß wir von jener Notiz nehmen müssen, ob wir wollen oder nicht. Sie macht nämlich die Ausnutzung des uns zu Gebote stehenden Materials zur Hälfte illusorisch. Wenn irgend ein Formbildungsvorgang bei einer bestimmten Sorte abnormer Ascaris- keime ständig wiederkehrt, so folgt daraus ein Doppeltes: neben dem wichtigen Resul- tate, daß die Ursachen des Vorganges nicht in denjenigen Zuständen gelegen sind, in denen das abnorme Gebild sich vom Typus unterscheidet, zugleich noch das minder wichtige, daß jene als modifizierbar erwiesenen Zustände auch nicht die Rolle von Vorbedingungen spielen. Aber durch diese kaum verlangte Nebenauskunft wird die Klarheit des ersten Ergebnisses in gar keiner Weise getrübt, und so verlieren denn die typisch verlaufenden, „positiven“ Fälle unseres Materials durch die Dazwischenkunft der Vorbedingungsfrage nichts von ihrer Brauchbarkeit. Wie aber, wenn ein typischer Prozeß unter gewissen abnormen Verhältnissen regelmäßig unterbleibt? Darf dann etwa der analytisch wichtige Schluß gezogen werden, daß die Ursache des typischen Geschehens ganz oder zum Teil in den von der Störung betroffenen Zuständen gelegen und hier mit ihnen verschwunden sei? Natürlich nicht; denn ebenso gut könnte ja der deskriptive Ausfall des Effektes nur darum eingetreten sein, weil der verlorene Normalzustand als eine Vorbedingung des — anderweit verursachten — typischen Ablaufes nicht zu entbehren war. Unter solchen Umständen vermöchte die Fest- stellung, daß irgend ein typisches Ereignis bei sämtlichen Riesen glatt in Wegfall käme, dennoch zur Aufklärung der kausalen Situation fast gar nichts beizutragen. Eine zweite Eigenschaft unseres Materials beschert uns „negative“ Fälle in größerer Zahl und — gleicher Unbrauchbarkeit. Es geschieht nicht selten, daß ein und derselbe Prozeß der Formbildung sich bei monströsen Keimen einer bestimmten Sorte schwankend verhält. Statt konsequent zu verschwinden, oder ständig wiederzu- kehren, finden wir ihn bei den einzelnen, gleichartig abnormen Exemplaren der betreffenden Kategorie bald typisch ausgeprägt, bald verkümmert, oder gar nicht. Dies hängt so zusammen: Jeder Ascarisriese, auch der „echteste‘ und völlig typisch entwickelte, ist doch von seiner ersten Entstehung an ein krankhaftes Gebilde. Denn zweifellos liegt der Daseinsgrund des Riesen, die Verschmelzung von Einzeleiern, immer in einer pathologischen Veränderung beider oder eines der sich verbindenden Keime. Nun spricht offenbar jede Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Grad der Erkrankung nicht durchweg genau der gleiche ist, sondern wechselt: daß er von sehr gelinden Störungen, die eben noch zur Produktion eines Doppeleies ge- nügend sind, bis zu schweren Affekten hinunterführt. Also stellt die Gesamtheit der echten, d. h. überhaupt entwickelungsfähigen Riesen wohl eine bunte Gesellschaft dar, Leicht- und Schwerkranke durcheinander, ohne daß es im allgemeinen ein Mittel gäbe, den Zustand DAN el des Einzelnen vorweg zu diagnostizieren. Da aber mit zunehmendem Grade der konstitu- tionellen Erkrankung die Fähigkeit der Embryonen, typisch vorgeschriebene Leistungen zu vollbringen, sich fortschreitend vermindern wird, so ist schon a priori unwahrscheinlich, daß das Verhalten unserer sämtlichen Patienten in irgend einer Einzelfrage der Formbildung genau übereinstimmen sollte. — Hieraus ergibt sich dann für die Bewertung des Tatsachen- materials das Folgende. Wenn ein typischer Vorgang bei einem Riesen wiederkehrt, so wissen wir bestimmt, daß dieses eine Individuum gesund genug war, um sein Pensum in dem betreffenden Punkte durchzuführen; und der analytischen Ausnutzung des Falles steht nichts im Wege. Unterbleibt aber derselbe Prozeß bei einem anderen Exemplar von gleich- artıger Abnormität, so lehrt das Verhalten dieses zweiten Riesen nicht etwa das Gegenteil, sondern gar nichts: es wird als eine durch Krankheit entschuldigte Verfehlung aufgefaßt und von der Analyse ausgeschlossen. im ganzen gibt es also für jeden negativen Einzelfall drei mögliche Motivierungen. Entweder ist durch die abnorme Veränderung die typisch formbildende Ursache selbst ver- nichtet worden; oder der Normalzustand stellte eine unentbehrliche Vorbedingung dar, so daß nach seiner Störung der typische Effekt unterbleiben mußte; oder endlich, die krank- hafte Disposition des betreffenden Individuums machte sich allzusehr geltend. Eine der- artige Vieldeutigkeit raubt natürlich den negativen Fällen fast jeden analytischen Wert. Zum Glücke enthält unser Material, besonders auch die Geschichte der T-Riesen, klar posi- tive Fälle in reicher Zahl. Zweites Kapitel. Die Kerndiminution und der Teilungsrhythmus. Wir beginnen mit zwei ın mehrfacher Hinsicht verwandten Problemen der Form- bildung, deren Analyse verhältnismäßig geringe Schwierigkeit bietet, so daß sie zweckdien- lich als erste Einführung in unser Arbeitsgebiet dienen können; — freilich nur darum, weil eben zur Zeit ein tieferes Eindringen in die Physiologie der beiden Geschehensarten nicht möglich ist. Diese Probleme sind erstens das Ungleichwerden der Kerne durch den von Bov&ri entdeckten Vorgang der „Diminution“ in sämtlichen von der Keimbahn successive abgezweigten somatischen Zellfamilien; und zweitens die Differenzierung des Teilungs- rhythmus. I. Die Diminution. Vıermal wiederholt sich in der typischen Embryonalentwickelung das seltsame Ereig- nis, daß Kerne, die in der Ruhezeit von echten Keimbahnkernen gar nicht zu unterscheiden waren, beim Übergang zur Mitose, spätestens aber nach Ausbildung der Äquatorialplatte alle Schleifenenden abwerfen, wie etwas wertlos gewordenes, und aus dem übrig ge- bliebenen Chromatin eine Menge winziger, runder, zu einer kleinen Scheibe dicht zusammen- gedrängter Chromosome entstehen lassen. Aus solchen Elementen rekonstruieren sich blasse, kugelförmige Ruhekerne; ihr Typus erhält sich darauf in der Fortentwickelung der vier somatischen Familien ohne sichtbare neue Veränderung. Nun läßt wohl schon der deskriptive Hergang kaum bezweifeln, daß die „Keimbahn- mitose“ und die Bildung ruhender „Keimbahnkerne“ als primitive, einfachere Geschehensart zu gelten hat, die ohne das Eingreifen besonderer Faktoren gleichmäßig auf alle Familien des Ascariskeimes übergehen müßte; während andererseits der viermal wiederholte Diminutionsvörgang mit seinen dauernden Folgen eben durch solche be- sonderen Gründe in die Erscheinung gerufen wird. Diese sich aufdrängende, aber noch nicht bewiesene Vorstellung erlangt durch die Beobachtung atypischer Keime vollkommene Sicherheit. Man findet nämlich krankhaft entwickelte Furchungsstadien, bei denen die Diminutiön in einer oder in mehreren Ursomazellen unterblieben ist (Taf. V, Fig. 65 bis 67), und öfters stark abnorme Zellkomplexe, die lediglich Kerne vom Keimbahn- typus enthalten. Aber dem umgekehrten Falle: einem atypischen Zuviel an Diminution begegnet man nie. Offenbar gehören die Faktoren, auf deren geregeltem Eingreifen die typische Diminution beruht, zu den empfindlicheren. Bei krankhafter Disposition oder — AN Schädigung des Eies versagen sie, worauf dann der einfachere Keimbahntypus von selber übrig bleibt. Welcher Art mögen nun die Ursachen sein, die da bewirken, daß von zwei Bruder- kernen, an denen äußerlich nicht der geringste Unterschied zu finden war, der eine zur Diminution und damit auf eine völlig neue Bahn mitotischen Verhaltens getrieben wird? Streben wir eine ökonomische, d. h. ein möglichst geringes Maß neuer Komplikation erfordernde Erklärung an, so ist offenbar die günstigste Hypothese die, daß die zur Dimi- nution berufenen Kerne bei ihrer Entstehung den Keimbahnkernen nicht nur anscheinend, sondern in Wirklichkeit gleichwertig sind; und daß irgendwelche Differenzierung im Keimganzen, die nachgewiesenermaßen ohnehin vorhanden ist, das divergente Verhalten der Kerne bedingt. In der Liste der möglichen Bewirkungsarten stehen, was Spar- samkeit betrifft, die rein mechanischen Faktoren allemal voran. Es fragt sich darum in erster Linie, ob ein mechanischer Druck oder Zug, der von der typisch geordneten Um- gebung her die Zelle trifft, den Eintritt und Ablauf des Diminutionsvorganges unmittelbar bewirken könnte. Nun bietet ja das Chromatin der in der Diminution begriffenen Zellen zuweilen einen Anblick dar, der an mechanische Zertrümmerung recht lebhaft gemahnt. Aber die nähere Betrachtung der deskriptiven Verhältnisse lehrt sogleich die Unmöglichkeit, mit rein mechanischen Faktoren auszukommen. Denn wie Boveri (1899 p. 419) geschildert hat, beginnt die folgenschwere Neugruppierung des Chromatins — außer in der allerersten Ursomazelle — immer schon zu einer Zeit, in der die äußere Umgrenzung des bläschen- förmigen Kernes noch nicht die geringste Veränderung erkennen läßt, so daß ein solcher Kern besonderen Zug- oder Druckwirkungen sicherlich ebensowenig unterworfen ist, als sein der Keimbahn angehörender Bruderkern. Der Diminutionsprozeß ist demnach unbedingt den aktiven, physiologischen Vorgängen beizuzählen. Aber damit fällt die ökonomische Möglichkeit, den geregelten Eintritt der Kern- differenzierung auf die gegebene typische Konfiguration der Furchungsstadien mit ihren für die einzelnen Blastomeren typisch ungleichen Kontakt- und Formverhältnissen zurückzuführen, noch nicht hinweg. Es könnte ja der besondere Zustand, der sich für eine Ursomazelle aus ihrer typischen Lage ım Ganzen ergibt, als formativer Reiz funktionieren, der den Diminutionsprozeß zur Auslösung bringt, — eine Reaktion, zu der alle übrigen Kerne, wenn nur der adäquate Reiz sie träfe, ebensogut befähigt wären. Allein diese Annahme wird durch die Tatsache widerlegt, daß bei den T-Riesen, wo die normale Anordnung :der Blastomere verschwunden ist und irgendwelche typischen Reize nicht liefern könnte (Taf. I, Fig. 12), der Diminutionsvorgang durch alle Stufen bis an sein typisches Ende von statten geht. Nun ist aber die typisch geregelte Konfiguration der Zellen nicht die einzige deskriptiv erkennbare Mannigfaltigkeit im Ascariskeim. Es gibt in den in Betracht kommenden frühen Stadien noch merkliche Differenzen der Zellgröße und des Dottergehaltes, und beide Momente könnten a priori im stande sein, den Diminutionsprozeß in bestimmten Zellen — sei es als Reiz oder durch einen Zusammenhang nutritorischer Art — hervorzurufen. Allein die Mitwirkung dieser Faktoren wird durch ein anderes Beweismittel widerlegt. Sowohl die Größendifferenz als die ungleiche Dotterverteilung sind nämlich viel zu variabel, als daß ein so konstanter Prozeß, wie die schrittweise Diminution von ihnen abhängen könnte. Zwar SEE Ze a ist die Ursomazelle AB immer größer und immer dotterärmer als P,; aber EMSt unter- scheidet sich nur manchmal, gleichsam fakultativ, in Größe oder Dottergehalt oder in beidem von der schwesterlichen Keimbahnzelle, stimmt aber in anderen Fällen durchaus mit ihr überein. Ähnliches gilt für das Verhältnis der Ursomazelle C zu P;. Und zwischen der Zelle D und ihrer zur Keimbahn gehörigen Schwester findet sich, so viel ich sagen kann, überhaupt nie ein wahrnehmbarer Unterschied. Um aber die Unabhängigkeit der Diminution von den Größen- und Dotterverhältnissen völlig zu beweisen, fügt es sich, daß gerade an der einzigen Stelle, wo Dottergehalt- und Größenunterschied wirklich beständig sind, also am Ursprunge des primären Ektoderms, der Diminutionsprozeß seinerseits einer zeitlichen Schwankung unterliegt: nur selten erfolgt die Diminution in der ektodermalen Ursomazelle selber; sondern sie pflegt um eine Teilungsstufe, d. h. auf die beiden Tochterzellen A u. B hinausgeschoben zu sein. j Nach alledem ist uns folgendes über die Kausalität des Diminutionsvorganges mit Gewißheit bekannt. Die typische Konfiguration des ganzen Keimes kommt weder direkt (indem sie mechanische Wechselwirkungen zwischen den Zellen bedingte), noch als die Lieferantin auslösender Reize, noch etwa auch als eine Vorbedingung in Frage. Demnach enthalten die Zellen, die nach dem typischen Programm zur Diminution berufen sind, alle Ursachen derselben in sich selbst; d.h. sie müssen von den zugehörigen Keim- bahnzellen von Geburt an verschieden sein. Dieser Unterschied besteht nicht in der Größendifferenz noch im ungleichen Dottergehalt, sondern .eben in etwas anderem, un- bekannten. II. Der Teilungsrhythmus. A. Deskriptive Einführung. 1. Der Rhythmus, der dem vielstufigen Prozeß der mitotischen Zellvermehrung von Ascarıs zu Grunde liegt, zeigt sich auf zweierlei Weise typisch differenziert. Schon auf den frühesten Stufen verrät die obere Zellfamilie, das primäre Ektoderm, die Eigenschaft, sich rascher fortzuentwickeln als die ganze untere. Diese untere Familie spaltet sich ihrerseits in viele einzelne Gruppen von sehr ungleicher Teilungsgeschwindigkeit: die Darmanlage schreitet rascher fort als die Keimbahn, aber langsamer als das Mesoderm, das Mesoderm bleibt wieder hinter der Schlundanlage zurück, und man darf sagen, daß jedem einzelnen Zweige des morphologischen Stammbaumes von seinem Ursprunge ab ein besonderes Klüftungstempo eigentümlich wird: die rhythmische Differenzierung folgt der Prospektivität. Innerhalb einer prospektiv zusammengehörigen Gruppe aber ist der Rhyth- mus gleich. Während nun der rhythmische Abstand zwischen den Zellfamilien sich anfangs nur langsam steigert, gewinnen die Unterschiede gegen das Ende der eigentlich embryonalen Entwickelung gleichsam ruckweise bedeutend höheren Wert. Dies geschieht dadurch, daß einzelne Gruppen, sobald eine gewisse, für jede besonders vorgeschriebene genealogische Zoologica, Heft 40. 7 — 50 — Stufe erreicht ist, überhaupt aufhören sich zu teilen. So macht die Keimbahn, nachdem im Stadium LVI durch ihren fünften Teilungsschritt die beiden Urgeschlechts- zellen entstanden sind, plötzlich Halt und rührt sich nicht, solange das sich entwickelnde, immer schlanker und beweglicher werdende Würmchen in seiner Eischale verweilt. Erst später, vermutlich gleich nach dem Freiwerden der Larve im Wirt, d.h. dem Beginne des Körperwachstums, tritt die ruhende Geschlechtsanlage in eine neue Vermehrungsperiode ein und liefert dann, solange die Ascaris lebt, Millionen von Deszendenten. Andere Zellfamilien beendigen ihre Klüftung zwar etwas später als die Keimbahn, dafür aber dauernd; — wenigstens geht ein solches Verhalten aus der Vergleichung älterer Larvenstadien mit der seltsamen Histologie des erwachsenen Wurmes deutlich hervor. Das ganze Exkretions- organ besteht, wie man schon lange weiß, aus einer einzigen, ungeheuren Zelle, und nur an der Bildung des Ausführungsganges sind nach Goldschmidt (1903 p. 30 Anm.) zwei weitere, um vieles kleinere Elemente beteiligt. Natürlich liegt die Vermutung nahe, daß diese wenigen Bausteine eines wichtigen Organes schon frühzeitig in der Ontogenese ge- sondert werden. Und in der Tat fand Müller (1903 p. 18; 23) vom etwa fünfhundertzelligen Stadium an am hinteren Ende der Mundspalte eine auffallend große Zelle, die später in die Tiefe versinkt, um sich dort zu teilen; er vermutet in dieser Zelle bereits die Anlage des Fxkretionsorganes. Nun hat Müller in der Zeichnung seiner ältesten Larve (Taf. IV, Fig. 22) ungefähr an der Grenze von Schlund und Darm ein großes, scharf begrenztes Skizze des Vorderkörpers einer ausgebildeten Larve. Nach einem konservierten Präparate. P.e. Porus excretorius. E. Excretionsorgan. Zellenpaar dargestellt, worin ich die Nachkommen eben jener versinkenden Zelle erblicken möchte. Und an der gleichen Stelle finde ich bei völlig ausgewachsenen Larven konstant einen länglichen, sehr hellen Raum mit zwei Kernen darin, der öfter durch eine schmale Verlängerung mit dem bereits deutlich erkennbaren Porus excretorius verbunden und sicher- lich nichts anderes ist, als das junge Exkretionsorgan (Fig. N). Vielleicht wird von den beiden Zellen die eine sich nochmals teilen und bildet den Ausführungsgang, die andere aber wächst zu der enormen Größe der reifen Exkretionszelle heran, ohne die mitotische Tätigkeit nochmals aufzunehmen. Ferner ist sicher, daß auch der Schlund schon auf vergleichsweise früher Stufe, jedenfalls noch während des Aufenthaltes im Ei, seinen endgültigen Zellenbestand erreicht. Der ganze, ansehnliche Oesophagus der erwachsenen Ascaris enthält nach Looss (1896 p.7) ausgerechnet dreißig Zellen — eine Anzahl, die im Stomadaeum älterer Embryonen nicht nur bereits vorhanden ist, sondern sogar (Müller 1903 p. 21) um ca. das Doppelte über- schritten wird! Hierdurch gewinnt die Möglichkeit Raum, daß außer dem eigentlichen Oeso- phagus noch andere Gewebe, vielleicht das jenen umgebende Mesoderm, aus der embryo- nalen „Schlundanlage“ ihren Ursprung nehmen. Jedenfalls aber geht die Klüftung der eigent- Er lichen Schlundrohrzellen über den Bestand einer sehr frühen Stufe nicht hinaus. Und wenn nach langer Ruheperiode im Ei das Körperwachstum der ausgeschlüpften Larve beginnt, so begnügen sie sich, wie die Exkretionszellen, ungeteilt zu riesiger Größe heranzuwachsen. Nach solchen Erfahrungen nehmen wir als sicher an, daß auch die wenigen Zellen, aus denen nach Goldschmidt (1904 p.2) der Spicularapparat, der Enddarm, die Lippen be- stehen, ferner die vier kolossalen „Nassonowschen“ Elemente nichts anderes sind, als enorm vergrößerte „Furchungszellen“, die alle schon der mikroskopische Embryo komplet enthält. Auf einer nur wenig höheren Stufe, vielleicht bald nach dem Übertritt der Larven in den Wirt, müßte auch die Vermehrung der Muskelzellen, die ja ebenfalls durch ihre Größe und verhältnismäßige Spärlichkeit seit lange aufgefallen sind, zum Abschluß kommen. Und nur ein einziges Organsystem nimmt an der allgemeinen, früher oder später eintreten- den, bald temporären, bald endgültigen Unterbindung der mitotischen Tätigkeit keinen An- teil: der eigentliche entodermale Darm, dessen Elemente durch die ganze Larvenzeit hin- durch und auch noch später (Goldschmidt) in dauernder mitotischer Vermehrung be- griffen sind. Dies ist in großen Zügen der rhythmische Differenzierungsplan. Ehe jedoch die Ana- lyse beginnt, muß noch der deskriptive Hergang in mehrfacher Hinsicht schärfer gekenn- zeichnet werden. 2) a. Natürlich stellen die Zeitbestimmungen des typischen Rhythmus, soweit sie Inter- valle zum Ausdruck bringen, keine absoluten Werte dar. Die Entwickelungsdauer eines Ascariseies bis zum Embryo schwankt je nach den äußeren Bedingungen, vor allem der Temperatur, in ungemein weiten Grenzen: von Tagen zu Monaten. So ist auch im einzelnen die Zeit, die zwischen der Geburt einer beliebigen Zelle und ihrer eigenen Teilung vergeht, höchst variabel. Aber wie schnell oder langsam die Entwickelung eines Eies sich vollziehen mag, so bleibt doch der verhältnismäßige Zustand aller seiner Zellfamilien der gleiche, typische. Offenbar erleiden die rhythmischen Zeitmaße durch die schwankende Temperatur etc. eine streng proportionale Veränderung. Wonach wir berechtigt sind, von jenen Schwankungen der absoluten Zeitmaße vollkommen abzusehen: sie gehören in das Gebiet der reinen Ernährungsphysiologie. Was unserer Analyse zu Grunde liegt, ist nur das typische Verhältnis der einzelnen Teilungszeiten. Es gibt aber noch eine zweite Art von zeitlichen Schwankungen, die nicht den absoluten, sondern den relativen Wert der Teilungszeiten betrifft, nämlich eine weitgehende rhythmische Ungenauigkeit von Individuum zu Individuum. Kaum irgend eine rhythmische Beziehung kehrt ausnahmelos bei allen Eiern wieder. Daß die untere Furchungskugel des Stadiums II sich vorschriftswidrig vor der oberen teilt, ist etwas sehr Gewöhnliches; manchmal aber eilt die untere Gruppe auch noch im vierzelligen Stadium der oberen voraus. Von den vier ersten Zellen der Ventralfamilie, worunter programmgemäß die Zelle MSt den Vortritt haben sollte, eröffnet doch in praxi jede einzelne gelegentlich den Reigen. Ja selbst das allermarkanteste Zeitverhältnis, das ich bei den gesunden Eiern ausnahmelos vorgefunden hatte, nämlich die rhythmische Differenz zwischen den Urzellen des Schlundes und Mesoderms, kann nach Boveri einer Abänderung — allerdings äußerst selten — unterworfen sein. Was wir den 52 typischen Rhythmus der Ascarisentwickelung nennen, ist demnach eigentlich eine Abstraktion, eine Norm, deren genaue Werte nur durch die Vergleichung zahlreicher Ontogenesen er- mittelt werden konnten. Aber das setzt natürlich ihren Wert als formbildende Geschehens- art nicht herab: die rhythmische Norm ist typisch und muß durch typische Faktoren ver- ursacht sein. Unter solchen Umständen bieten auch die individuellen Schwankungen des Rhythmus im Rahmen unserer Untersuchung kein Interesse dar. Wir sehen von ihnen ab und erblicken nunmehr das zu lösende Problem ausschließlich in der Erscheinung, daß jede Furchungs- und Embryonalzelle von Ascaris eine bestimmte, für sie typische Zeit nach ihrer Geburt zur Denlungäschreitet, oder aberam dauernder Ruhe verharrt. a): Es ist für die Beurteilung dieser Dinge vor allem wichtig, daß wir uns über die deskriptive Natur der außermitotischen Zustände — sei es von Zellen, die noch zu weiteren Teilungen berufen sind, oder von persistierenden „Dauerzellen“ — die rechte Vor- stellung machen. Man könnte wohl a priori denken, der außermitotische Zustand sei in beiden Fällen wirklich das, als was man ihn zu bezeichnen pflegt: eine Zeit der Ruhe, in welcher der Teilungsapparat der Zelle sich gar nicht ändert, — aus der er ohne einen Anstoß von der Umgebung her natürlich auch nicht erwachen würde. Daraus ergäbe sich die offenbare Notwendigkeit, den Eintritt einer Mitose allemal auf einen solchen Anstoß zurückzuführen; d.h. von der Gegenwart äußerer Anlässe und ihrer geordneten Aufeinander- folge würde sowohl die periodische Klüftung an sich, als auch deren typisch differenzierter Rhythmus abhängig sein. Nun spricht viel dafür und nichts dagegen, daß die mitotischen Apparate der „Dauer- zellen“, die für ein ganzes langes Ascarisleben programmgemäß nichts mehr zu leisten haben, in der Tat in einen Zustand vollkommener Ruhe übergetreten sind, und daß sie jedenfalls von selber keine neue mitotische Tätigkeit beginnen würden. Ganz anders aber stellt sich die „Ruhezeit“ derjenigen Furchungszellen dar, denen über kurz oder lang eine Teilung bevorsteht. Bei Ascaris geraten die Kerne solcher Zellen, wie man besonders an den somatischen mit aller Sicherheit erkennen kann, über- haupt nie in einen Zustand wirklicher Ruhe. Denn auf die Ereignisse, denen der junge bläschenförmige Kern seine Entstehung verdankt, folgen ohne jede Pause weitere Ver- änderungen seiner Struktur und Größe; und hat er im Laufe der Zeit eine gewisse, typisch vorgeschriebene Endbeschaffenheit erreicht, so stellen sich unaufhaltsam, als letzte Phase des ganzen Verwandlungsprozesses, die Vorbereitungen der neuen Mitose ein. Demnach muß der zwischen zwei Teilungen liegende Zeitraum als eine kontinuierliche Reifezeit des Kernes betrachtet werden. Die Teilung tritt ein, sobald der Kern seine Reife vollendet hat, nicht früher, aber auch nicht einen Augenblick’ später. Der ganze, über Generationen ausgedehnte Klüftungsvorgang aber stellt eine zusammenhängende, in sich fortlaufende Erscheinung dar. Hierdurch verändert sich das Bild des rhythmischen Problems in höchst bedeutungs- voller Weise, Zunächst ist klar, daß es besonderer, den Teilungsapparat der Zelle von außen Era treffender Einflüsse, die bei wirklicher „Ruhe“ von Fall zu Fall den Eintritt einer Mitose bedingen müßten, nun nicht mehr bedarf. Sodann fällt auf die Frage nach der rhythmi- schen Differenzierung ein anderes Licht. Das Ausschlaggebende für die Rhythmik auf- einander folgender Mitosen ist, wie wir jetzt wissen, die Dauer der einzelnen Reifezeiten: wäre diese Dauer bei sämtlichen Kernen des Ascariskeimes gleich, so müßte auch der Klüftungsrhythmus ein durchweg homogener sein; und umgekehrt beruht die typische Dif- ferenzierung des Rhythmus auf typischer Ungleichheit der Reifezeiten. Es gilt also Fak- toren aufzufinden, durch welche im Ascariskeim die Reifedauer bestimmter Zellen oder ihrer Teilungsapparate typisch abgeändert, z.B. verzögert wird. Und endlich wird diejenige Geschehensart, die nach der früheren Vorstellung den Zustand ungestörter Ruhe, des Gleichgewichts zu repräsentieren schien und einer besonderen Er- klärung überhaupt nicht bedurfte: das zeitweilige oder definitive Aufhören der Klüftung in gewissen Zellfamilien, jetzt ebenfalls zum Problem. Hier müssen Ursachen wirksam sein, die eine Reifeperiode sehr stark zu verzögern, oder gar den Klüftungsprozeß, der andern- falls von selber weiterlaufen würde, auf einer bestimmten Generationsstufe völlig zu unter- binden im stande sind. 4. Nachdem wir in solcher Weise den Hergang der rhythmischen Differenzierung von Ascaris gekennzeichnet haben, bemerken wir, daß unser Problem dadurch wenigstens zu einem Teile aufhört, ein Problem für sich zu sein. Offenbar hat es nur dann physiologi- schen Wert, die Schnelligkeit zweier ablaufenden Entwickelungsvorgänge miteinander zu ver- gleichen, wenn diese Vorgänge auch wirklich kommensurabel, d. h. in ihrem Ausgangspunkte, ihrer Bahn und vor allem in ihrem Ziele übereinstimmend sind. Daß Kerne von ganz verschiedener Größe oder Beschaffenheit auch ungleich lange Zeit zu ihrer Reifung brauchen werden, ist selbstverständlich; — das Gegenteil wäre ja sonderbar und forderte eine Erklärung heraus. Wo also in der Entwickelung von Ascaris die rhythmische Divergenz zweier Zellfamilien mit einer sichtbaren, anatomischen Ver- schiedenheit der Kerne verbunden ist, da haben wir — wenigstens in diesem Kapitel — nichts mehr zu untersuchen: das rhythmische Problem wäre für jeden solchen Fall auf das der morphologischen Kerndifferenzierung zurückgeführt. Nun gibt es im Ascariskeim drei große Kategorien von Zellen, deren Kerne in ihrem endgültigen Bau oder in ihrer Entwickelungsweise sichtbar verschieden sind: Keimbahn-, Diminutions- und Somazellen. Diese Zellarten teilen sich alle mit typisch ungleicher Ge- schwindigkeit. Indem wir aber in ihrer rhythmischen Divergenz die unmittelbare und un- vermeidliche Folge derselben Ursachen erblicken, auf denen der Diminutionsprozeß beruht, scheiden wir sie, als schon im vorigen Abschnitt erledigt, von unserer gegenwärtigen Unter- suchung aus. Allein es fehlt in der Entwickelung von Ascaris durchaus nicht an Fällen, wo Blasto- mere mit äußerlich gleichen Kernen rhythmischer Differenzierung unterworfen sind. Die Keimbahn selber enthält ein solches Problem: wie geht es zu, daß die zwei Zellen der Urgenitalanlage, deren Kerne genau ebenso aussehen, wie alle früheren Keimbahnkerne, durch einen Zeitraum hindurch in Ruhe verharren, der die Gesamtdauer der voraus- gegangenen Klüftung um ein vielfaches übertrifft? Vor allem aber ist ja das Soma mit seinen einzelnen ungleichwertigen Zellfamilien der eigentliche Schauplatz der rhythmischen Differenzierung. Und hier im Soma sind alle Kerne, so viel man in den frühen Stadien erkennen kann, untereinander gleich. Die Art ihrer Umwandlung, der Bau ihrer endlichen Reifezustände und, wofern es sich um dieselbe Generationsstufe handelt, auch ihre maximale Größe stimmen überein. Nur eben die Ge- schwindigkeit ihres Herausreifens ist typisch verschieden. Und es gibt keinen markan- teren Fall, das ungleiche Reifetempo gleich beschaffener Kerne zu demonstrieren, als die schon vorhin erwähnte rhythmische Divergenz der Urzellen des Schlundes und des primären 1 O. [00] w Schema der Entwickelung des Schlund-Mesoderms. Die Schlundzellen sind schraffiert. Mesoderms (Fig. ©, 1—3). Beide sind Geschwisterzellen, ihre Kerne bei der ersten Ent- stehung, wie in ihren Endzuständen für das Auge absolut gleich. Aber von Anfang an eilen die Schlundzellen in der Reifung voraus und teilen sich — bei gesunden Eiern so gut wie ausnahmslos — vor ihren mesodermalen Schwestern; wenn auch die Größe der Differenz natürlich individuellen Schwankungen unterworfen ist. Jetzt steht uns endlich das zu erörternde Problem in reiner Form und definitiver Um- grenzung gegenüber. Es soll ermittelt werden, wie es kommt, daß äußerlich gleiche Kerne mit typisch ungleicher Geschwindigkeit reifen, eventuell aber lange pausieren oder gar in einen Zustand dauernder Untätigkeit verfallen können. B. Die Ursachen des Teilungsrhythmus. Wir haben in der ersten Hälfte des Kapitels die Erfahrung gemacht, daß die Kern- diminution, die einen beträchtlichen Anteil der rhythmischen Gesamtdifferenzierung ohne weiteres in sich schließt, eine durchaus unabhängige aktive Leistung der Ursomazellen ist, zu der dieselben durch eine kongenitale, ihrem Wesen nach freilich noch unbekannte Ver- schiedenheit befähigt werden. Unter solchen Umständen neigen wir von vornherein der Vermutung zu, es möchte in den noch übrig bleibenden Fällen von rhythmischer Divergenz nicht anders sein. Allein gewissenhaftes Streben nach Ökonomie verlangt, daß neue Kompli- anne kationen, von denen das Auge nichts sieht, nur dann und nur insoweit als vorhanden an- genommen werden, als es eben nachgewiesenermaßen durchaus nicht zu umgehen ist. Wir unternehmen deshalb notgedrungen den Versuch, das rhythmische Divergieren äußerlich gleichbeschaffener Kerne — unter der Annahme, daß diese Übereinstimmung nicht nur eine scheinbare, sondern eine wirkliche sei — auf den Einfluß irgend einer Art von ohnehin vorhandenen typischen Verschiedenheiten des Ascariskeimes zurückzuführen. Die aller- sparsamste Hypothese aber wäre nach unserer früheren Aufstellung die, daß das besondere Reifetempo eines Kernes rein passiv, d.h. durch mechanischen Druck oder Zug von der Umgebung her erzwungen würde. 1. Mechanische Faktoren. Offenbar ist die Möglichkeit, die Quelle mechanischer Bewirkung in ungleichen gegenseitigen Druckverhältnissen der Zellen zu erblicken, wie sie aus der wechselnden Konfiguration der Stadien hervorgehen mögen, in unserem Falle von Haus aus sehr gering. Es ist wenig glaubhaft, daß ein Druck, den die Zelle erfährt, auf das schnellere oder langsamere Reifen ihres tief im Zellleib geborgenen Kernes be- stimmenden Einfluß gewinnen, oder denselben gar auf eine lange Zeit oder selbst für immer am Reifwerden verhindern sollte. Auch entspricht der rhythmischen Differen- zierung im normalen Ascariskeim, soweit man sieht, durchaus keine streng analoge Ver- schiedenheit der Druckverhältnisse. Z. B. sind gerade die paradigmatischen Urzellen des Schlundes und Mesoderms allem Anscheine nach gleichen oder äußerst ähnlichen mechani- schen Bedingungen ausgesetzt. Wenn aber trotz alledem die deskriptive Beobachtung noch eine letzte Möglichkeit lassen sollte, das Reifetempo der Kerne auf typisch ungleiche Druck- zustände ihrer Zellen zurückzuführen, so räumt die Geschichte der T-Riesen hiermit auf, Der typische Teilungsrhythmus — auch der äußerlich gleichbeschaffenen Kenner skehrtabeir gesunden T-Riesen mit größter. Genauigkeit wieder. Wie strikte seine Vorschriften eingehalten werden, habe ich im Beschreibenden Teile (p. 16) durch einen Kunstgriff demonstriert. Wir dachten uns die vorschriftsmäßigen Lage- beziehungen der verschobenen Blastomere wiederhergestellt und erhielten in jedem Falle, wie durch Zauberschlag, einen Embryo, bei dem das Altersverhältnis der einzelnen Zellen und Zellengruppen nicht nur in großen Zügen das richtige, sondern sogar unter den mancherlei geringen Varianten, die der normale Rhythmus individuell gestattet, gerade die allergewöhnlichste war. Selbstverständlich befand sich bei diesen Riesen jede Zelle, der ge- störten Konfiguration entsprechend, unter abnormen Druckverhältnissen. Wenn dessen- ungeachtet der typische Teilungsrhythmus erhalten blieb, so ist bewiesen, daß auch in der normalen Ontogeness von außen her bewirkte Druckzustände der Zellen nicht die mechanische Ursache des Rhythmus sind. Es gibt aber zweitens einen Faktor, der innerhalb der Zellen lokalisiert ist, dennoch aber die Differenzierung der Klüftungszeiten auf rein mechanischem Wege bedingen könnte, der relative Dottergehalt. Und eine von Balfour begründete, noch immer verbreitete Lehre glaubt bekanntlich die meisten oder womöglich alle vorkommenden Fälle von rhyth- —ı He mischer Ungleichheit als passive Folge gerade dieses Faktors begreifen zu können: man stellt sich vor, was auch ganz plausibel klingt, daß der mitotische Vorgang bei dotter- reichen Zellen gleichsam durch inneren Reibungswiderstand verzögert werde (vgl. Korschelt- Heider 1902, p. 210). Nun wissen wir, daß auch bei Ascaris Dottertröpfchen in das Plasma der Furchungszellen eingelagert sind und zwar — ganz wie die zu prüfende Annahme vor- aussetzt — je nach Familien in ungleicher Quantität. Allein bei näherer Betrachtung ergibt sich schnell die Unmöglichkeit, den Rhythmus der Ascarisfurchung mit der Dotterverteilung in eine kausale Beziehung zu bringen. Zu- nächst kommt wiederum das apriorische Bedenken ın Betracht, daß nicht die Zeit der Mitose, sondern die Reifezeit der Differenzierung unterliegt. Und so glaubhaft es sein mag, daß der mitotische ‘Prozeß mit seinen Spindel- und Strahlenbildungen durch ein- gestreute Dottermassen stark verzögert werden könne, so unwahrscheinlich ist die Annahme eines irgendwie erheblichen Widerstandes der Dotterkörnchen gegen die langsame Dehnung des bläschenförmigen Kernes bei Ascaris. Vor allen Dingen aber geht die ungleiche Dotterverteilung der rhythmischen Differenzierung keineswegs parallel. Die Nachkommenschaft der unteren Furchungskugel P, ist allerdings im ganzen dotterreicher und zugleich langsamer im Klüftungstempo als die der oberen; und wenn in Stadium VIII die Urdarmzelle E ihre Schwester MSt an Dottergehalt übertrifft, so würde auch in diesem Falle die Balfoursche Regel anwendbar sein, denn MSt furcht sich rascher als ihre dunklere Schwester. Aber das sind nur zufällige Übereinstimmungen. Denn erstens ist die ungleiche Verteilung des Dotters auf gewisse Zellen — mit Ausnahme des Stadium II — ja eine schwankende, sie kann vorhanden sein, aber auch völlig fehlen, während die rhythmische Vorschrift unabhängig davon bestehen bleibt. Zweitens aber und vor allen Dingen spielt die Dotterdifferenzierung in höheren Stadien, innerhalb der somatischen Familien, wo sie am nötigsten gebraucht würde, überhaupt keine Rolle mehr: so zeigen z. B. die Schlund- und Mesodermzellen, bei denen die zeitliche Divergenz so ungemein deutlich hervortritt, in ihrem Dottergehalte keinerlei irgend erkennbaren Unterschied. Der Dottergehalt hat also mit der rhythmischen Differenzierung bei Ascaris ebenfalls nichts zu tun. Und da eine weitere mechanische Bewirkungsart, soviel ich sehe, nicht mehr zu Gebote steht, so betrachten wir fortan das rhythmische Problem als ein physiologisches. 2. Physiologische Faktoren. Es muß nun erörtert werden, ob es möglich ist, das rhythmisch ungleiche Verhalten gleichwertiger Kerne auf eine physiologische Einwirkung von seiten der vorhandenen Anisotropie des Ascariskeimes zurückzuführen — eine Vorstellung, die unter allen jetzt noch möglichen die geringste Vermehrung an Komplikation erfordern würde. A priori könnte das typisch differenzierte Reifungstempo der Kerne z. B. von der Konfiguration des betreffenden Stadiums physiologisch abhängig sein, sogar auf zweierlei Art: entweder durch einfach nutritorische Beziehungen, indem die mehr oder minder günstige Lage der Zelle zur Sauerstoffzufuhr, oder die relative Größe der im nor- malen Kontaktverhältnis freibleibenden Zelloberfläche auf die Ernährung und Reifung des 0 Kernes von Einfluß wäre; oder durch die Vermittelung formativer Reize, indem in der typischen Konfiguration der Umgebung, vielleicht gar des ganzen Keimes ein adäquater Reiz gelegen wäre, der die davon betroffene Zelle veranlaßt, in dieser oder jener vorausbestimmten Weise das Reifen ihres Kernes zu modifizieren. Aber von alledem trifft bei Ascaris in Wirklichkeit nichts zu. Wir haben ja vorhin erst daran erinnert, daß die normale Anord- nung der Blastomere in der beliebigsten Weise verändert werden darf, wie bei den T-Riesen vom ersten Typus geschieht, ohne daß der vorgeschriebene Teilungsrhythmus die leiseste Störung bemerken ließe. Dann kann natürlich von irgend einem physiologischen Zusammenhange zwischen Kernreifung und Konfiguration des Keimes, sei es nun auf Grund von Lage-, Kontakt- oder Formverhältnissen, ebensowenig die Rede sein, als von unmittel- bar mechanischen Bewirkungen. Der Kreis der für das rhythmische Verhalten als möglich in Betracht kommenden physiologischen Ursachen ist damit auf die einzelne Zelle selber eingeschränkt. Und es fragt sich nun, ob etwa das ungleiche Reifetempo der Kerne durch irgend eine deskriptiv bekannte zelluläre Verschiedenheit innerhalb des Ascariskeimes physiologisch herbei- geführt werde. Solcher Verschiedenheiten gibt es auf den frühen Entwickelungsstufen zwei: ungleicher Dottergehalt und ungleiche Zellengröße. Von diesen beiden Faktoren haben wir den einen, den Dottergehalt, vor kurzem analysiert und dargetan, daß er den typischen Rhythmus bestimmt nicht auf eine mechanische Art bewirkt, da zwischen den beiderseitigen Differenzierungen überhaupt kein durchgängiger deskriptiver Parallelismus vorhanden ist, — womit natürlich zugleich die Möglichkeit eines physiologischen Zusammenhanges verschwindet. Also steht nur noch die Zellengröße zu Protokoll. Hier aber bekommen wir mit einem Faktor zu tun, dem in neuerer Zeit eine äußerst allgemeine, ja fundamentale Be- ziehung zur Rhythmik der Zellteilungen zugeschrieben wird, und dessen physiologische Stellung in der Ontogenese von Ascaris darum eine gründliche Besprechung erfordert; um so mehr, als von den beteiligten Autoren wiederholt auf meine Angaben über Ascaris, als ein in dieser Frage bedeutungsvolles Objekt, verwiesen worden ist. Teilungsrhythmik und Zellengröße. 11: In zweierlei verschiedener Form hat man die Zellengröße als einen bestimmenden Faktor des Teilungsrhythmus eingeführt. Morgan (1895) und Driesch (1898) beobachteten, daß bei total entwickelten Echinidenkeimen, die aus isolierten Y; oder Yı Blastomeren erzogen worden waren, die Zellen- zahl gewisser Organanlagen eine viel zu geringe, die Zellengröße aber die typische war. Für einige andere experimentell erforschte Objekte (Morgan, Driesch, Herlitzka 1897, p.652 ergab sich Entsprechendes. Und da ferner bei der histologischen Vergleichung großer und kleiner Individuen einer Tier- oder Pflanzenspezies (Sachs 1893, Conklin 1897, p. ı2) die Zellengröße wiederum konstant und nur die Anzahl schwankend gefunden wurde, so lag eine Summe von Argumenten vor, die das Bestehen einer konstanten Zellengröße für ge- Zoologiea. Heft 40. 8 — ..bI ze wisse morphologisch spezifizierte Zellkategorien klar zu beweisen schien. Driesch begründete daraufhin die Hypothese, daß bei den morphogenetischen Prozessen die Zellvermehrung, die mit fortschreitender Verkleinerung der Elemente verbunden ist, allemal durch die Er- reichung der betreffenden „fixen Zellengröße“ beendet werde, und hielt die Gültigkeit dieses Satzes für nahezu unbeschränkt (1899 p. 829). Allein Boveri (1902, 1905) bewies durch scharfsinnige Analyse halbkerniger und partiell befruchteter Keime, daß ın der Formbildung der Echiniden die absolute Zellengröße nur scheinbar jene wichtige Rolle spielt. Der Teilungs- und Verkleinerungsprozeß bestimmter Zellfamilien findet nämlich mit dem Erreichen der typischen Zellengröße nur dann sein Ende, wenn zu gleicher Zeit auch der Kern die typische Größe besitzt. Ist aber der Kern auf die Hälfte seines normalen Volumens reduziert, so geht die Klüftung ohne Rücksicht auf die Zellengröße um einen im typischen Programm nicht vorgesehenen Teilungsschritt weiter; enthält der Kern die doppelte Menge von Chromatinsubstanz, so hört die Teilung um eine Stufe früher auf, als in der regelrechten Ontogenesis und die Organanlage enthält dann Zellen vom doppelten Maß der „fixen Zellengröße“. Offenbar liegt also das eigent- lich Bestimmende in einem für die betreffende Zellfamilie typischen ultimären Größen- verhältnis zwischen Zellleib und Kern. Dieses feste Verhältnis wird im Verlauf der Klüftung, bei der die Kernmasse von Stufe zu Stufe heranwächst, die Zellleibsubstanz aber nicht, je nach der typischen oder abnormen Menge der vorhandenen Chromosome früher oder später erreicht, aber nie überschritten. — Nun ließen alle sonstigen Angaben aus früherer Zeit, die den kausalen Wert der absoluten Zellengröße beweisen sollten, eine Um- deutung im Sinne dieser Vorstellung zu; desgleichen eine Anzahl neuer Beobachtungen an erwachsenen Tieren (Rabl 1899 p. 134; Boveri 1904 p. 94). Und da Gerassimow (1901, 1902, 1904) die Wandelbarkeit der Zellengröße je nach der vorhandenen Kernsubstanz bei Spirogyra durch schöne Experimente direkt beweisen konnte, so ist Boveri — wenn ich ihn recht verstehe — geneigt, dem festen Verhältnisse zwischen Plasma und Kern dieselbe fun- damentale Bedeutung zuzuschreiben, die Driesch in seiner früheren Theorie für die absolute Zellengröße in Anspruch genommen hatte. Mittlerweile war R. Hertwig (1903 a, b) durch seine Protozoenstudien ebenfalls zu der Vorstellung gelangt, daß eine typisch vorgeschriebene „Kern-Plasmarelation“, für die Rhythmik der Zellteilungen, speziell auch des Klüftungs- prozesses von höchster Bedeutung sei. Da endlich auch Driesch in seiner neuesten Schrift 1905) sich der Boverischen Auffassung nicht nur völlig anschließt, sondern sie auch durch interessante Beobachtungen an parthenogenetischen Seeigelkeimen unterstützt, so scheint zur Zeit die Lehre von der Kern-Plasmarelation und ihrem universellen Einflusse auf die Teilungs- rhythmik mit seltener Einmütigkeit angenommen zu sein. Immerhin ist die Zahl der endgültig analysierten Fälle viel zu gering, als daß die ältere Lehre Drieschs -—— wonach die absolute Zellengröße den Teilungsrhythmus regulieren soll, -—- nicht wenigstens als eine physiologische Denkmöglichkeit in immer noch weitem Umfange bestehen bliebe. Und wenn jetzt unsere eigene Analyse die Frage in Angriff nimmt, ob etwa bei Ascaris die Zellengröße ein Faktor der rhythmischen Differenzierung sei, so beanspruchen beide Möglichkeiten: die Größe als absolutes Maß einerseits und als Kern-Plasmarelation andererseits aufgefaßt, gleichmäßige Berücksichtigung. DV Die typische Rhythmik der Ascarisentwickelung beruht aber nur zum Teil auf der- jenigen Geschehensart, um die es sich in Drieschs und Boveris Theorien ausschließlich handelt: der geordneten Beendigung des Klüftungsprozesses gewisser Zellfamilien. Ebenso wichtig, wie jene, ist für uns die andere Form der rhythmischen Differenzierung, die während der Klüftung selber in Erscheinung tritt und darin besteht, daß die Kerne morphologisch divergierender Zellfamilien von deren gemeinsamem Ausgangspunkte an in ungleichem Tempo reifen. Auch diese Art von rhythmischer Differenzierung könnte a priori von Größenverhält- nissen der Blastomere physiologisch abhängig sein. Z. B. durch eine nutritorische Beziehung, indem von zwei völlig gleichwertigen Kernen derjenige, der in einer größeren Zelle einge- schlossen ist, reichlichere Mittel zu seiner Ernährung fände und rascher wüchse, als sein Konkurrent; oder vielleicht auch so, daß allemal die größere Zelle, weil sie von der ulti- mären Kern-Plasmarelation entfernter ist als eine kleinere, ihre Teilung beschleunigte. Es ist jedoch leicht zu beweisen, daß ein solcher Zusammenhang nicht besteht. Die rhythmische Differenzierung deckt sich durchaus nicht, wie man natürlich voraussetzen müßte, mit der deskriptiv bekannten Größendifferenzierung der Blastomere. Hierfür nur ein einziges, aber schlagendes Beispiel: zwischen den Schwesterzellen St und M, deren rhythmische Ver- schiedenheit am allermarkiertesten und zugleich am konstantesten ist, findet ‘sich niemals ein irgendwie wahrnehmbarer Größenunterschied. Wenn also bei Ascaris die Zellengröße überhaupt an der Kausalität des Rhythmus Anteil nimmt, so würde schon auf Grund der normal-deskriptiven Entwickelungsgeschichte ihr Aktionsbereich auf die zweite Gruppe rhythmischer Erscheinungen zu beschränken sein: jene teils dauernden, teils vorübergehenden Beendigungen der Mitosenfolge, deren Ein- greifen so sehr dazu beiträgt, der Histologie des erwachsenen Wurmes ihr seltsames Ge- präge zu verleihen. Und in der Tat, — die Vorstellung, daß es die Zellengröße sei, die der fortlaufenden Klüftung und Verkleinerung einer Zellfamilie auf bestimmter Stufe ein Ziel setzt, scheint wenigstens für den prominentesten Fall, das plötzliche Stehenbleiben der Keimbahn nach ihrem fünften Teilungsschritte, überaus sympathisch. Nach fünf Mitosen wäre die Minimalgröße der Keimbahnzellen, respektive die ultimäre, unüberschreitbare Re- lation zwischen ihrem Plasma und den stattlichen Kernen erreicht: die Zellteilung ruht und geht nicht eher weiter, als bis die Ascarislarve in ihren Wirt gelangt ist, Nahrung findet und wächst, wobei das Massenverhältnis zwischen Kern und Zellleib sich wiederum zu Gunsten des letzteren verschieben dürfte. Nicht ganz so willig stehen die übrigen Fälle der Hypothese gegenüber. Die Zellen des Schlundes, des Exkretionsorganes und anderer früh vollendeten Gruppen nehmen nach dem Eintritt des Wachstums die mitotische Tätig- keit keineswegs wieder auf, sondern erreichen mit der Zeit, ohne sich zu teilen, eine er- staunliche Größe und eine sehr ungünstige Kern-Plasmarelation. In diesen Fällen müßte also wohl die Teilungsfähigkeit während der langen Ruheperiode gänzlich verloren ge- gangen sein. — Prüfen wir, ob diese Vorstellung in experimentellen Ergebnissen Bestätigung findet. — 60 — 3. Ein Material, das die Frage nach dem kausalen Werte der absoluten Zellen- größe für die Beendigung bestimmter Mitosenfolgen sogleich entscheiden muß, sind die „echten Riesen“. Wie das noch ungeteilte Riesenei selber, so besitzt jede seiner Furchungs- zellen doppeltes Größenmaß; d. h. auf einer bestimmten genealogischen Stufe im allge- meinen dasjenige Volumen, das in der normalen Ontogenesis für die vorhergehende Altersstufe vorgeschrieben ist. Wenn also in der normalen Entwickelung die Minimal- Zellengröße wirklich der Faktor wäre, der die Klüftungsfolge einer Zellfamilie zum Abschluß bringt, so müßte offenbar bei den Riesen allemal ein ganzer Teilungsschritt zugegeben werden. Die Keimbahn z. B. ginge statt bis zur fünften, bei echten Riesen zu einer sechsten Stufe, ehe sie ihre mitotische Tätigkeit unterbricht, so daß die Geschlechtsanlage der Riesen- larve aus vier und nicht aus zwei Zellen bestehen würde. Und ebenso müßten die Zellen des Schlundes, des Exkretionsorganes, des Enddarmes u. s. w., ehe sie die obligatorische Minimalgröße erreichen, von einer im typischen Programm nicht vorgesehenen Extrateilung betroffen werden. Danach enthielte die junge, zum Ausschlüpfen reife Riesenlarve in allen ihren Organanlagen, mit dem Typus verglichen, die doppelte Anzahl normalgroßer Elemente. Aber das ist durchaus nicht der Fall. Ein reifer junger Riese ist unverkennbar in allen Teilen großzelliger und großkerniger als die normale Larve. Und überall, wo eine Zählung der Bausteine im einzelnen möglich war, habe ich in den Organanlagen der Riesen die vorschriftsmäßige Summe festgestellt. So findet sich bei allen Riesen ein primitives Exkretionsorgan von doppelter Größe, das zwei Kerne erkennen läßt, wie beim normalen Embryo. Vor allen Dingen aber: die Keimbahn geht über die fünfte Teilungsstufe, auf der ıhre beiden Vertreter noch ebenso groß sind, als die ungeteilte Urgeschlechtszelle der typischen Entwickelung, keineswegs hinaus; und alle ausgewachsenen Riesenlarven ent- halten zweizellige Geschlechtsanlagen von doppelter Größe. Nun ist offenbar nicht der ge- ringste Grund zu der Annahme vorhanden, daß die Riesenlarven mit ihrem Zellbestande den ausgleichenden Teilungsschritt, den sie während ihres langen Aufenthaltes in der Ei- schale zu tun versäumen, etwa nachholen würden, sobald ihr parasitisches Leben und da- mit ihr Körperwachstum beginnt. Ich halte vielmehr für zweifellos, daß ein gesunder junger Riese, der das fast unverantwortliche Glück haben sollte, seinen Bestimmungsort im Pferdedarm zu erreichen, zu einer vorschriftsmäßig zusammengesetzten Riesenascaris mit typischen Zellnumeris heranwachsen würde. — Die Annahme, das absolute Maß der Zellengröße bestimme die Beendigung der einzelnen Klüftungsreihen, ist also widerlegt. 4. Es fragt sich nun an zweiter Stelle, ob etwa bei Ascaris — wie bei den Echiniden — für einzelne Zellfamilien ein ultimäres Größenverhältnis zwischen Kern und Plasmaleib vorgeschrieben ist; diese Möglichkeit steht nämlich, wie schon Driesch (1902 p: 932 Anm.) und dann Boveri (1905 p. 68) hervorgehoben haben, trotz der „echten Riesen“ zunächst noch frei. Ein Ascarisriese enthält ja nicht nur die doppelte Plasmamenge, son- dern auch abnorm viel Chromatin. Und wenn er doppelt so viel Kernsubstanz besäße, als der normale Keim, so würde die Kern-Plasmarelation auf allen Stufen seiner Klüftung ie durchaus die typische sein: es bestände kein Grund, warum irgend eine Zellfamilie, z. B. die Keimbahn, über die normale Anzahl von Teilungsschritten hinausgehen sollte, und die Geschichte der. T-Riesen bewiese in der Tat gar nichts gegen die kausale Rolle der Kern- Plasmarelation. Aber die echten Riesen enthalten ja, da sie aus der Verschmelzung zweier Eier und eines Spermatosoms hervorgegangen sind, nicht doppelt, sondern nur anderthalbmal soviel Kernsubstanz, als regelrechte Keime. Ihre Kern-Plasmarelation ist also nicht nur von Anfang an abnorm, sondern sie kann auch — was für die Analyse besonders ins Ge- wicht fällt -— auf keine Weise, auch nicht durch eine über die typische Mitosenzahl hinaus zugegebene Extrateilung rektifiziert werden. Denn wenn in einer genealogischen Reihe zwischen Kern und Plasma an der kritischen Teilungsstufe die Größenrelation 12:2 besteht, so erwüchse aus einer weiteren, programmwidrigen Mitose nur das umgekehrte, sogar noch schlimmere Mißverhältnis ı%:ı. Wir wissen, daß bei den echten Riesen ein solcher über- zähliger Teilungsschritt stets unterbleibt; — spricht dies nun für oder gegen die zu prüfende Hypothese ? Hier kommt alles darauf an, wie man sich im speziellen die physiologische Wirkungs- weise der „Kern-Plasmarelation“ zu denken hat. Handelt es sich um einfache Auslösung der Mitose durch das Nichterfülltsein des typischen ultimären Größenverhältnisses, so muß eine Zelle, deren Plasma überhaupt noch präponderiert, unbedingt zur Teilung schreiten, selbst wenn durch die überzählige Mitose ihre Kern-Plasmarelation sich nicht verbessern, wohl gar verschlechtern _wird. Bei solcher Auffassung würde die Lehre von der Kern- Plasmarelation für Ascaris abzulehnen sein. Denn bei den echten Riesen sind alle Zell- familien, wenn die kritische Stufe erreicht ist, von dem normalen Größenverhältnisse zwischen Kern und Plasma noch entfernt, ohne sich doch zu teilen. Allein Boveri schöpfte aus seinen Studien an Seeigelkeimen bereits die Erkenntnis, daß die Sache so einfach nicht zugeht (1905 p. 53). Die Furchungszelle „strebt“ vielmehr, wie es scheint, nach einem Optimum der Kern-Plasmarelation. „Ist sie diesem Optimum ungeteilt näher, als wenn sie sich teilen würde, so beharrt sie in ihrem Zustand, im anderen teilt sie sich.“ Wenden wir diese Auffassung, die allerdings das ganze Problem mit einem Schlag zu einer unvergleichlich höheren Komplikationsstufe erhebt, auf Ascaris an, so stimmt das Verhalten der echten Riesen mit den Anforderungen der Hypothese überein. Vermut- lich liegt doch das Optimum der Kern-Plasmarelation in dem normalen Größenverhältnisse 1:1; von diesem erstrebten Ziele sind die Riesen am Ende der typischen Mitosenzahl zwar noch entfernt, aber weniger weit, als wenn sie sich nochmals klüften und dabei notgedrungen über das Optimum hinausschießen würden: also unterbleibt die überzählige Mitose. D: Wenn nun nach dieser Darlegung das Verhalten echter Riesen der Anwendung der Hypothese auf Ascaris nicht länger widerstrebt, so halten wir doch keineswegs einen posi- tiven Beweis dafür in Händen, daß wirklich die vorschriftsmäßige Beendigung der Mitosen- folge bei Riesen und normalen Keimen durch eine optimale Kern-Plasmarelation physio- logisch verursacht wird. Hiervon könnte erst dann die Rede sein, wenn sich die Möglich- keit erweisen ließe, durch experimentelle Verschiebung des Optimums um mehr als die Hälfte eines Klüftungsintervalles die Beendigung der Klüftung zu modifizieren, sie um einen Teilungsschritt zu beschleunigen oder hinauszuschieben. D. h. wir bedürfen zur wirklichen Entscheidung unserer Angelegenheit eines Materials, bei welchem der Chromatin- gehalt im Verhältnis zur Protoplasmamenge stärker, als bei den Riesen, verändert ist. Ein solches Material liefern zum Glück die Einfachzwillinge. Von diesen aus doppelbefruchteten Einzeleiern entstehenden, für die Analyse ungemein wichtigen Gebilden — wir kommen später ausführlich auf sie zurück — hat uns Boveri in zwei kleinen Schriften (1904b und Boveri u. N. M. Stevens 1904) interessante Dinge mitgeteilt. Er zeigte, daß ihre Entwickelung mit einer simultanen Vierteilung des Eies beginnt, und daß bei dieser Gelegenheit die vorhandenen, der Normalzahl gegenüber um die Hälfte vermehrten Chromo- some sehr häufig in einer „regellosen Weise“ auf die sich absondernden vier Zellkörper übergehen. Z. B. beobachtete er bei der Varietät bivalens mehrfach den Fall, daß die Keimbahn des einen Zwillingsindividuums nicht drei Chromosome, wie man bei gleich- mäßiger Aufteilung des Bestandes erwarten müßte, sondern vier enthielt, also die volle Normalzahl; während doch gleichzeitig die Größe der Keimbahnzellen auf die genaue Hälfte des typischen Maßes verringert war. Infolge dieses starken Mißverhältnisses zwischen Zellengröße und Chromosomenzahl hätte offenbar die Keimbahn solcher Individuen ihre optimale Kern-Plasmarelation um eine ganze Teilungsstufe früher erreicht, als in der normalen Entwickelung; und unsere Angelegen- heit könnte durch die Feststellung, ob die Beendigung der Keimbahnmitosen sich hier- nach gerichtet haben würde oder nicht, sogleich entschieden worden sein. Nun ist in praxi eine solche Methode auf Einzelfälle natürlich nicht anwendbar. Nur durch die Untersuchung zahlreicher, bis über die Stufe der normalen Urgeschlechtszellenbildung hinaus entwickelter Einfachzwillinge, von denen ja nach Boveri die Mehrzahl abnorm verteilte Chromosome enthalten muß, hätte sich ein Urteil gewinnen Älterer Einfäch-Zeilling, konserviert lassen. Doch hat Boveri über den Abschluß G und G‘ die Geschlechtsanlagen. der Keimbahn bei den von ihm gefundenen Zwillingen nichts mitgeteilt. Inzwischen habe ich selbst ein sehr großes Material von Einfachzwillingen jeden Stadiums untersuchen können und mich mit Sicherheit überzeugt, daß die Entfaltung der Keimbahn ohne Rücksicht auf die Größe der Kerne allemal bis an ihr typi- sches Ende von statten geht. Es genüge hier, auf einen einzigen charakteristischen Fall hinzuweisen (Fig. P). Der offenbar sehr gesunde Einfachzwilling stammte mit wenigen anderen von einer univalens. Ich überließ ihn der Fortentwickelung im Leben, bis die gleichaltrigen Normaleier eine dem Abschluß der Keimbahn entsprechende Stufe erreicht hatten; hierauf wurde das Präparat konserviert und gefärbt. Es zeigte sich jetzt, daß der Zwilling schätzungs- weise doppelt soviel Blastomere enthielt, als die umgebenden Embryonen, also mit jedem seiner Individuen der gleichen Stufe, wie jene, angehörte. In beiden, äußerlich allerdings — Mae kaum abgegrenzten Individualbezirken lag eine doppelzellige Geschlechtsanlage, und von den vier Genitalzellen war jede halb so groß als eine der normalen. Außerordentlich ungleich aber fand ich die Größe ihrer Kerne. Das eine Paar war winzig klein, wie sie auf keiner Stufe der typischen Ontogenesis jemals gefunden werden; doch stand ihr Volumen mit dem der zugehörigen, auf halbes Maß reduzierten Zellkörper in bester Harmonie. Offenbar hatte die Keimbahn dieses Individuums bei der Vierteilung des doppelbefruchteten Eies von den verfügbaren sechs Chromosomen ein einziges in ihren Besitz gebracht, d. h. die genaue Hälfte des für univalens Typischen. Und so bestand hier beim Abschluß der Keimbahn die vorschriftsmäßige, wenn auch zwergenhaft verkleinerte Kern-Plasmarelation 12:1. Anders die zweite Geschlechtsanlage. Hier blieben die Kerne in Größe und Chromatingehalt hinter denen der umgebenden Normalembryonen nicht nur nicht zurück, sondern übertrafen sie sogar, enthielten also wohl nicht die typische Zahl von zwei, sondern drei Chromosome. Aber an Zellprotoplasma fehlte es: die halbgroßen Körper der Genitalzellen bildeten kaum mehr als einen dünnen Überzug über die vergleichsweise kolossalen Kerne; bestand doch zwischen diesen und jenen die hochgradig abnorme Relation von 11:1. Es ist klar, daß dieses In- dividuum die optimale Kern-Plasmarelation ı:ı bereits mit der vorletzten, mindestens aber mit der letzten Teilung seiner Keimbahn überschritten hatte. Also kann bei Ascaris ein ultimäres Größenverhältnis zwischen Zellleib und Kern unmöglich der Faktor sein, der die Mitosenfolge der Keimbahn zu ihrem Abschluß bringt. Hiernach aber wird die Mit- wirkung einer Kern-Plasmarelation auch für die übrigen in Betracht kommenden Zellfamilien von Ascaris endgültig zu verwerfen sein. 6. Es erübrigt noch, die Frage kurz zu berühren, inwiefern das abweichende Verhalten von Ascaris die allgemeine Wertschätzung der Zellengröße als eines die Rhythmik der Teilungen regulierenden Faktors beeinflussen kann. Waren doch einige Autoren geneigt, der für gewisse Fälle von ihnen nachgewiesenen Kausalbeziehung universelle Bedeutung zu- zuschreiben. Driesch hatte früher (1902 p. 931) gemeint, die negative Beweiskraft meines Befundes an Ascarisriesen dadurch in Zweifel ziehen zu können, daß er sagte, die gesamte von mir beobachtete Formgestaltung gehöre vielleicht noch der „Furchung‘“ selber an. Während der Zeit der Furchung aber, solange die Elemente von der fixen Zellengröße noch weit entfernt sind, sei auch bei großen und kleinen Echiniden die Zahl der Zellen konstant, die Größe schwankend.. — Nachdem ich jetzt näher auseinandersetzen konnte, daß die heran- gewachsenen Ascarisriesen, von denen ich damals sprach, mit dem größeren Teile ihrer Organanlagen nicht nur die Rlüftung hinter sich haben, sondern daß sogar viele ihrer doppeltgroßen Zellen bereits die endgültigen Körperzellen sind, wird der von Driesch er- hobene Einwand natürlich gegenstandslos. Allein es wäre nicht ausgeschlossen, daß jemand nunmehr ein umgekehrtes Bedenken gegen die Beweiskraft von Ascaris geltend machte. Gerade weil hier der Abschluß der Klüftung gewisser Zellfamilien kein vorübergehender ist, wie in den von Driesch, Boveriu.A. untersuchten Fällen, sondern ein definitiver, so könnte man behaupten, die ganze Erschei- nung gehöre bei Ascaris einer anderen Szene der Ontogenesis an: der Organogenese; ER Ascaris besäße wohl gar keine „Furchung‘“ im gewöhnlichen Sinn und begänne die Ent- wickelung sogleich mit der Sonderung und Ausgestaltung einzelner Organe. — Dem steht jedoch erstens entgegen, daß von den in Betracht kommenden Zellfamilien der Ascaris- entwickelung wenigstens eine, die Keimbahn, sich deskriptiv genau so verhält, wie die Objekte der Autoren: sie klüftet sich, pausiert auf bestimmter Stufe und fährt nach Eintritt des allgemeinen Körperwachstums mit der Vermehrung fort. Und zweitens, daß auch bei anderen Geschöpfen mit determinierter Entwickelungsweise gewisse Furchungszellen schon endgültige Organzellen sind, z. B. nach Woltereck (1904) bei Polygordius. Nach alledem stellt der Beendigungsprozeß der Mitosenreihen bei Ascaris deskriptiv die gleiche Erscheinung dar, wie das von Driesch, Boveri u.a. analysierte Phänomen, und darf in physiologischer Hinsicht durchaus mit jenem verglichen werden. Dann aber ist von einer Universalität des Zusammenhanges zwischen Zellengröße und Furchungsrhythmik be- stimmt keine Rede mehr. Nun hat Boveri (1905 p.68) eine Ansicht ausgesprochen, durch welche die Ausnahme- stellung von Ascaris erklärt und dennoch die Allgemeingültigkeit der Lehre von der Kern- Plasmarelation gewahrt werden könnte. Er meint, bei Ascaris, wo die Aufrechterhaltung der typischen Zellenzahl von größter Bedeutung sei, bestehe vielleicht irgend eine besondere, mit der Kern-Plasmarelation rivalisierende und ıhr an Stärke überlegene Entwickelungs- tendenz, die jene Zellenzahl garantiert. — Das kann ich natürlich nicht widerlegen. Ich sehe aber nicht ein, warum man bei Ascaris, wo doch die Wirksamkeit einer Kern-Plasmarelation in keiner Weise erkennbar wird, überhaupt das Vorhandensein einer solchen annehmen soll; — es sei denn in dem Sinne, daß auch hier zur Einleitung und Durchführung der Mitose ein gewisses Quantum den Kern umhüllender Plasmamasse unerläßlich ist; aber das wäre doch trivıal. Mir scheint vielmehr, daß man den Wert der Kern-Plasmarelation überschätzt, indem man eine fundamentale und allgegenwärtige Beziehung darin erblicken will. Vielleicht verhält sich die Sache ähnlich, wie mit jenen von OÖ. Hertwig früher verteidigten Sätzen, wonach die Richtung größter Plasmamasse über die Spindelstellung, einseitige Dotter- anhäufung über die Größe der Teilungsprodukte, ungleicher Dottergehalt der Zellen über rhythmische Differenzen allein entscheiden sollten. Auch diese „Gesetze“ traten mit dem Anspruche auf, fundamental zu sein. Und doch sind jene Faktoren, wie R. S. Bergh und ich selbst (vgl. zur Strassen 1898a p. 150) erörtert haben, weiter nichts als praktische Hilfs- mittel der Ontogenesis, Reize, die zur Herbeiführung eines typischen Entwickelungsgeschehens, wo es angeht, Verwendung finden, während in anderen Fällen die gleichen Zustände von der Formbildung durchaus nicht berücksichtigt werden oder gar nicht vorhanden sind. So stellt wohl auch die Kern-Plasmarelation bei der Zellteilung der Protozoen, der Echiniden, bei Spirogyra, vielleicht bei den meisten Organismen ein ökonomisches und zweckmäßiges Reizmittel dar, um die Einhaltung der für die betreffende Kategorie ge- wünschten Größe zu gewährleisten. Ich könnte auch glauben, daß in noch anderen Fällen die absolute Zellengröße, wie Driesch früher annahm, als regulierender Faktor heran- gezogen wird. Aber es gibt eben auch Formen, die ihre typische Rhythmik mit ganz anderen Mitteln zuwege bringen; bei denen die Zellengröße weder als absolutes Maß noch in ihrem Verhältnis zur Kernmasse eine Rolle spielt. Zu diesen gehört Ascaris. =. bb re ll. Abschluss des Kapitels. Wir fassen nunmehr in neuer Gruppierung alles zusammen, was sich über die Kau- salität der Diminution und des typischen Rhythmus ermitteln läßt. Wenn eine Ascariszelle sich in Diminution begibt, oder die Reifungsgeschwindigkeit ihres Kernes in typischer Weise reguliert, oder nach vollzogener Rekonstitution des Kernes in einen vorübergehenden oder dauernden Zustand mitotischer Untätigkeit verfällt, so ıst an diesen Geschehnissen die Umgebung der betreffenden Zelle in keiner Form kausal be- teiligt: weder durch mechanische Wirkung, noch durch einen von der Konfiguration ge- lieferten formativen Reiz, noch auch als eine Vorbedingung. Die Zelle enthält viel- mehr die Ursachen ihres typischen Verhaltens vom Moment ihrer Geburt an komplet in sich selbst. Sie würde im Zustande völliger Isolation nicht anders ver- fahren. Und da die hierher gehörigen Differenzierungen, mit Ausnahme der typischen Be- endigung von Mitosenreihen, allemal an Schwesterzellen zutage treten, so daß die Mitose zwei von Geburt an verschiedenen Schwestern den Ursprung gibt, so ist für eine Anzahl von Fällen das Vorhandensein erbungleicher Zellteilung nachgewiesen. Nun aber verlangte aus ökonomischen Gründen der Umstand Berücksichtigung, daß man auf den in Betracht kommenden Entwickelungsstufen ein kongenitales Verschieden- werden der Zellen in mehrfacher Hinsicht bereits kennt. Manche Schwesterzellenpaare zeigen von ihrer Geburt an typische Verschiedenheit in Dottergehalt oder Größe, und mit dem Klüftungsprozesse verbindet sich eine successive Verkleinerung sämtlicher Elemente. Es war zu prüfen, ob etwa eine dieser gegebenen Veränderungsformen ganz oder zum Teil für Rhythmus und Diminution mit verantwortlich sei. Die Analyse ergab völlıge Unab- hängigkeit der beiderseitigen Erscheinungen. Ungleiche Größe und ungleicher Dottergehalt von Schwesterzellen bewirken weder die Diminution noch regulieren sie die Reifungs- geschwindigkeit der betreffenden Kerne. Und mit der stetig abnehmenden Zellengröße hat die geordnete Beendigung der Mitosenfolge nichts zu tun. Demnach ist die Ontogenese von Ascaris mit eigenen Komplikationen für die Durchführung der Diminution und des Rhythmus ausgerüstet, — aber von welcher Art? Da die Beteiligung der Kerne an allen diesen Vorgängen deskriptiv so sehr in den Vordergrund tritt, so liegt wohl die Vermutung nahe, daß es die Kerne sind, die die Ursachen der diminutorischen und rhythmischen Divergenz allein enthalten, und denen ihre besondere Beschaffenheit durch eine komplizierte Folge erbungleicher Kernteilungen übertragen wird: Je nach ihrer angeborenen Art träten die Kerne in Diminution, reiften schnell oder langsam, blieben auf bestimmter genealogischer Stufe stehen. — Es darf aber nicht vergessen werden, daß diese Annahme keineswegs bewiesen ist, und daß die rhythmischen und diminutorischen Geschehnisse ebensogut auch auf irgend einer — z. B. chemischen — Verschiedenheit des Zellkörpers der einzelnen, zu ungleichem Ver- halten bestimmten Blastomere beruhen könnten. Wie dem auch sei — in jedem Falle erlaubt unser teratologisches Material noch eine wichtige Folgerung: sie betrifft die Herkunft derjenigen — im Kern oder Plasma ge- legenen — Differenzierung, die das besondere Schicksal der einzelnen Zelle bestimmt. Es Zoologiea. Heft 40, 9 — 66 — steht vollkommen fest, daß in Sachen des Rhythmus und der Diminution nicht nur die Zelle selbst, sondern ihr ganzer Stammbaum von der Konfiguration der Umgebung kausal unabhängig ist; daß also nicht etwa die Mutter- oder Großmutterzelle etc. be- sondere Einwirkungen aus ihrer Nachbarschaft empfängt und empfangen muß, um den späteren Eintritt des fraglichen Geschehnisses vorzubereiten. War doch bei jenen T-Riesen vom ersten Typus (Taf. I, Fig. ı2; Taf. II, Fig. ı7), die auf einer vorgeschrittenen Ent- wickelungsstufe diminutorische und rhythmische Vorgänge fehlerfrei zur Ausführung brachten, die Konfiguration nicht erst seit der letzten Teilungsperiode abnorm geworden, sondern sie war auf allen früheren Stufen vom vierzelligen Stadium an gestört. Hieraus ergibt sich im Prinzip die Möglichkeit, den Stammbaum Schritt für Schritt in lauter isolierte Zellen auf- zulösen, ohne daß der typische Ablauf der Diminution und des Rhythmus darunter leiden würden. Die Ascarisontogenese ist also — soweit es sich um die hier analysierten Vorgänge handelt — echte Evolution; alle jene Geschehnisse sind schon im Ei durch irgendwelche Zustände oder Komplikationen vorbereitet. EN ER Drittes Kapitel. Die Teilungsrichtung. Wenn für die Ascariszelle die Stunde ihrer Teilung nach Maßgabe des rhythmischen Programms gekommen ist, so tritt ein neuer Faktor der Formbildung in sein Recht: die typisch gerichtete Teilungsweise. In allerhand Richtungen des Raumes liegen die neu auf- tretenden Scheidewände durcheinander, oft scheinbar ganz regellos. In Wirklichkeit aber ist ihre Lage für jeden einzelnen Fall mit hoher Genauigkeit typisch vorgeschrieben. Und wir fragen jetzt nach den kausalen Grundlagen dieser Gesetzmäßigkeit. Zuvörderst aber muß, wie im vorigen Kapitel, das deskriptive Material, mit dem die kommende Analyse sich beschäftigen soll, einer Klärung und in mehreren Punkten einer Erweiterung über das bisher bekannte hinaus unterzogen werden. I. Deskriptive Einführung. ig Der Teilungsprozeß weist vom Beginn der Mitose bis zur vollendeten Durchschnürung eine Reihe zusammenhängender, mannigfach gerichteter Bewegungsphasen auf, von denen jede in typischer Beziehung zum Raume stehen könnte. Es fragt sich, ın- wieweit dies wirklich der Fall ist, vor allem aber, wann eigentlich im Spiele der Phasen die Richtung der künftigen Teilungsebene zum ersten Male ein- deutig bestimmt erscheint. A priori läge sowohl die Möglichkeit vor, daß nur die neue Scheidewand selber die typische Richtung zum Ausdruck brächte, als auch das andere Extrem: daß schon am ruhenden Kern und Zellleib die Lage der künftigen Teilungsebene erkennbar wäre; oder irgend eine mitotische Zwischenstufe könnte der Schauplatz der Ent- scheidung sein. Da nun die Ursachen der typischen Teilungsrichtung offenbar an eben dieser Stelle wirksam sind, so bedarf unsere deskriptive, für die kausale Untersuchung aber grundlegende Angelegenheit vor allen Dingen der Erledigung. Zunächst gelingt es leicht, die letzten Phasen des Ganzen: das Auseinandergehen der Tochterplatten und den gleichzeitig damit beginnenden eigentlichen Durchschnürungsprozeb aus der Reihe der in Betracht zu ziehenden Vorgänge auszuscheiden. Bei Ascaris ergibt sich, wie fast überall, die Stellung der Scheidewand notwendig und unmittelbar aus der- jenigen Lage, in der sich die mitotische Figur zuletzt befunden hatte: Scheidewand und Äquatorialplatte fallen haarscharf in die gleiche Ebene; und da die Äquatorialplatte immer genau senkrecht zur Spindelachse steht, so ist die Richtung der fertigen Spindel maßgebend für alles Folgende. Die Ursachen der typischen Teilungsrichtung, die wir finden wollen, haben an dieser Stelle ihr Werk bereits getan. — Es wäre jedoch in physiologischem Zusammenhange nicht nur überflüssig, die Stellung der Scheidewand ins Auge zu fassen, da schon die reife Spindel die Teilungsrichtung klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, sondern sogar verfehlt. Aus Gründen, die mit dem Problem der Teilungs- richtung nichts zu schaffen haben, geschieht es häufig, besonders am Anfang der Ent- wickelung, daß eine mitotische Zelle von dem Zeitpunkte an, da die Längsstreckung ihres Körpers beginnt, ihre Lage im Zellkomplex durch Gleiten und Drehen ver- ändert. Dann stimmt die Richtung der Scheidewand mit der der Äquatorialplatte, auf das Ganze bezogen, nicht überein; wodurch natürlich die analytisch verwertbaren, vielleicht kausalen Richtungsbeziehungen der betreffenden Mitose in einer die Untersuchung er- schwerenden Weise verschleiert werden. — Was unserer Analyse zu Grunde gelegt werden muß, ist also spätestens die Spindelstellung. Allein es ist zunächst noch sehr die Frage, ob die reife Spindel auch die früheste Phase ist, in der die Teilungsrichtung erscheint. Wenn in ähnlich exakter und unvermeid- licher Weise, wie die Scheidewand von der Spindellage abhängig ist, die fertige Spindel ihrerseits immer in diejenige Richtung zu liegen käme, in der eine Weile vorher das auseinandergerückte Centrosomenpaar am bläschenförmigen Kern seine diametrale Auf- stellung nahm; wenn ferner diese Endstellung der Centrosome wiederum das notwendige Resultat einer regelmäßigen, nach Richtung und Weglänge genau vorgeschriebenen Wanderung wäre; — so würde durch den deskriptiven Nachweis eines solchen Ver- haltens unser Problem stufenweise auf die entsprechenden Vorphasen der Mitose einge- schränkt. Die Bewegungsart der Centrosome, ja die Lage der noch ruhenden Muttersphäre wären maßgebend für die Teilungsrichtung und so zugleich der einzige Gegenstand für unsere Analyse. Prüfen wir, wie es sich hiermit verhält. 2 ai Zunächst ist von großer Wichtigkeit, daß bei Ascaris nicht, wie es anderwärts wohl der Fall sein mag, eine konstante und für alle Mitosen gültige Beziehung zwischen der Lage des ruhenden Centrosoms und der späteren Spindelrichtung besteht. Nennen wir mit Heidenhain (1894) die Richtung, in der die Mittelpunkte des ruhenden Kerns und der Sphäre innerhalb ihrer Zelle gelegen sind, deren „organische Achse“, so gilt zwar für die Mehrzahl aller Blastomere das übliche Gesetz, daß die fertige Spindel quer zur organischen Achse zu liegen kommt. So steht z. B. bei der oberen Zelle AB des zweizelligen Stadiums (Fig. Q .ı u. 2) die organische Achse „ver- tikal“, und ihre Spindel richtet sich horizontal. In beiden Töchtern dieser Furchungszelle (A und B des Stadium IV, Fig. R ı u. 2) liegt die Verbindungslinie von Kern und Sphäre „schräg“, aber genau innerhalb der Medianebene: senkrecht zu dieser Ebene, also wiederum =2,.H97 == quer zu den organischen Achsen liegen die Spindeln der beiden Blastomere. Und weiterhin sind in der ganzen jüngeren Nachkommenschaft von AB, dem epithelial geordneten primären Ektoderm die organischen Achsen radiär, d. h. senkrecht zur Fläche des Epithels gerichtet, die Spindeln aber liegen dieser Fläche — mit Ausnahme der Zellen a und « — durchweg parallel. — Es ist klar, daß in allen diesen Fällen die Weglänge vom Ruhe- punkt der Sphäre bis zu den Polen der ausgebildeten Spindel für beide Centrosome die gleiche ist. 1 R. 2 Q. AB A 1 P ElSt Y Schemata der Stadien II und IV von der Seite gesehen. 1 in Ruhe, 2 in Teilung. Die Pfeile deuten die Richtung der organischen Achse an. Andererseits aber orientiert sich im Stadium II die Spindel der unteren Zelle P, vertikal, d.h. in die organische Achse (Fig. ©), Hier wandert also das eine Centrosom im weiten Halbkreis um den Kern, das andere markiert den unteren Spindelpol an derselben Stelle, wo früher die ungeteilte Sphäre lag. Und ganz besonders auffallend und für die Analyse wichtig sind die Mitosen von EMSt und P;, den beiden ventralen Zellen im rhombisch geordneten Stadium IV, deren organische Achsen zur Ruhezeit, wie bei A und B, mit je einer Diagonale des Rhombus zusammenfallen. Die fertigen Spindeln dieser Zellen liegen sehr genau in der Mittelebene des ganzen Keimes, aber sie treten weder in die Richtung der betreffenden Diagonale, noch senkrecht dazu, sondern sie bilden je einen ganz bestimmten schiefen Winkel mit ihr, in der Zelle EMSt einen anderen, als in P, (Fig. R 2). Aber niemandem fiele ein, die Teilungsrichtung unserer beiden Blastomere nach ihrem Winkelverhältnis zu den Diagonalen deskriptiv berechnen zu wollen; denn eine andere Richtungsbeziehung ist ein- facher und — wenigstens bei der Zelle P, — auch auffälliger: beide Spindeln liegen ın der Mittelebene „horizontal“. Um das klar zu erkennen, bedarf es allerdings oft einiger Auf- merksamkeit. Da nämlich beide Zellen sehr geneigt sind, ihre Lage im Keimganzen gleitend und sich drehend zu verändern, sobald ihre fortschreitende Mitose die geringste Streckung des Zellleibes bedingt, so gilt unsere Richtungsbestimmung nur für eine knapp bemessene —ı 70 Zeit, die mit der endgültigen Stellungnahme der Zentren anhebt und schon mit der Aus- bildung der Äquatorialplatte ihr Ende findet. In dieser Zeit liegt die Spindel der hinteren Zelle P, in typischen Fällen tadellos horizontal, ihre vordere Sphäre berührt die Mitte der gegenüberliegenden senkrecht stehenden Zell-Scheidewand, die Äquatorialplatte liegt dieser Fläche genau parallel (Fig. S). Schwieriger ist es, über die exakte Spindelrichtung von EMSt ins klare zu kommen, schon deshalb, weil diese Zelle gewöhnlich als letzte zur Mitose schreitet, und dann die wahren Lageverhältnisse bereits durch Verschiebung des ge- klüfteten Materials verdunkelt werden. Daß die frisch entstandene Äquatorialplatte nie in der Richtung der Diagonale liegt, sondern bedeutend steiler, erkennt man bald: die Verlängerung der Platte, die bei diagonaler Stellung durch den Mittelpunkt des ganzen Rhombus gehen müßte, trifft vielmehr weiter kopfwärts auf die Kante, in welcher die Kontaktfacetten von A, B und EMSt zusammentreffen. Allein dadurch wird die Lage der Spindel noch immer nicht völlig horizontal, und ich schwankte anfangs, ob ich nicht eine leicht nach vorn an- steigende Richtung als typisch für die Spin- del dieser Zelle annehmen sollte. Untersucht man aber noch etwas frühere Stadien der frag- lichen Mitose, so findet man, daß dann der Schwerpunkt des in Auflösung begriffenen Kernes und das hintere Centrosom auf einer Geraden liegen, die wirklich horizontal ist Sa I nr Bor os na nen und die Kontaktfläche von P, in ihrer Mitte konservierten Präparat. rechtwinklig schneidet. Das vordere Zentrum von EMSt steht allerdings auch in diesen Fällen zumeist um eine Kleinigkeit zu hoch: es sieht aus, als wenn es durch irgend einen unbekannten Faktor hinaufgezogen würde, oder besser vielleicht, als wäre die ganze mitotische Figur dorsalwärts ein wenig gekrümmt (Fig. S). Und in der Tat kann noch an der fertigen Spindel oft eine schwache Krümmung oder Knickung dieser Art beobachtet werden, so daß die mitotische Achse der Zelle mit der von P, keinen Winkel bildet, sondern mit sanftem Schwunge in jene übergeht. Doch sind mir auch Fälle vorgekommen, wo unbestreitbar die ganze, fertige Spindel von EMSt in der Horizontalrichtung lag. Nach alledem haben wir das Recht, auch der Zelle EMSt eine im Prinzipe horizontale Spindelstellung zuzuschreiben. — In beiden unteren Schwesterzellen aber muß die der Spindelbildung vorausgegangene Dis- lokation der Zentren sehr kompliziert gewesen sein; denn je zwei Centrosome liegen von ihrem gemeinsamen Ausgangspunkte verschieden weit entfernt, woraus im günstigsten Falle zu schließen wäre, daß sie mit ungleicher Geschwin- digkeit gewandert sind. Nun unterscheiden sich, wie man leicht erkennt, diese wechselnden Winkelverhältnisse zwischen organischen Achsen und Spindeln noch in anderem Sinne: in ihrer physio- logischen Begreiflichkeit. Die erste und häufigste Art, wonach die beiden aus- einandergehenden, am ruhenden Kern herabsteigenden Centrosome in gleichem Tempo gleiche Strecken zurücklegen, und dementsprechend die Spindelbildung quer zur organischen Achse erfolgt, ist in mechanischer Hinsicht so einfach, daß wir bis zum Beweis des Gegen- teils geradezu verpflichtet sind, zu glauben, hier sei die symmetrische Wanderung der Be we. Centrosome in der Tat das Primäre, Geregelte, und die quere Spindelstellung nur die not- wendige Folge davon; ein Kausalzusammenhang, der übrigens nach Heidenhains Dar- legung in der Tat für zahllose Mitosen fremder Geschöpfe höchst wahrscheinlich ist. Anders aber liegt die Sache in denjenigen Fällen, in denen die Spindel mit der organischen Achse einen schiefen Winkel bildet oder mit ihr zusammenfällt, wo also vom Ruhepunkt der Sphäre aus ungleich lange Wege zu den Spindelpolen führen. Daß das eine Centrosom aus inneren Gründen unbeweglich an seiner Stelle bleiben und die ganze Wanderung dem Schwesterzentrum überlassen sollte, oder daß zwar beide auf das Ziel los- marschieren, aber mit ungleicher Geschwindigkeit, erschiene, vom physiologischen Stand- punkte aus betrachtet, schon seltsam genug. In Wirklichkeit aber ist der Vorgang der Sphärenwanderung in diesen Zellen noch komplizierter: die Zentrenpaare von P,, P; und EMSt trennen sich nämlich zunächst symmetrisch zur organischen Achse, als wenn die Spindel quer zu ihr gerichtet werden sollte, und erst auf einem späteren Stadium stellt sich ihre Verbindungslinie in den vorgeschriebenen Winkel ein. Daraus er- gibt sich mit Notwendigkeit, daß allemal das eine der beiden Centrosome entweder seine Geschwindigkeit oder gar die Marschrichtung während des Wanderns verändern muß. In der Zelle P, läuft in der Tat das untere Centrosom den ganzen Weg, den es vom Ruhepunkte aus emporgestiegen war, einfach wieder zurück. Trotz alledem wäre unser Mißtrauen gegen die Idee, daß eine derartig komplizierte Bewegungsweise der Sphären primär geregelt sein und in den Zellen P,, P; und EMSt das Winkelverhältnis der Spindel zur organischen Achse direkt und ganz allein bewirken sollte, noch kein Beweis gegen ihre Zulässigkeit. Erst folgendes bringt die Entscheidung: das Längen- und Richtungsverhältnis der ungleichen Wege, die von den beiden Zentren zurück- gelest werden, ıst fur die einzelne Zelle sar nicht konstant, sondern variiert erheblich. In P, macht das untere Centrosom oft nur eine kleine seitliche Exkursion, manchmal aber steigt es bis zum Äquator der Zelle empor, und wenn dann die Spindel sich zu formieren beginnt, so liegt sie für ein Weilchen horizontal, wie in der oberen Zelle (v.Erlanger, 1897 p.333). Und etwas ganz Seltsames beobachtete ich an den Blastomeren P, und EMSt im rhombischen Vierzellenstadium. Auch hier ist zunächst das Maß, bis zu welchem die Tochtersphären symmetrisch zur organischen Achse auseinandergehen, ehe die Vorbereitung der endgültigen Spindellage beginnt, ein wechselndes. Sodann aber variiert in diesen beiden Zellen sogar die Situation des Ausgangspunktes der Sphärenwanderung innerhalb der Zellen. Denn während normalerweise die ruhende Sphäre von P, und EMSt genau am Ende der betreffenden Diagonale liegt und bis zum Eintritt der Zentrentrennung liegen bleibt, fand ich bei mehreren univalens-Weibchen, daß P,; und EMSt am Ende der Ruhezeit ihre — seitlich gesehen — symmetrische Gestalt auffallend veränderten. Die vor- springenden hellen Buckel, an denen man im Leben die Lage der Sphäre erkennen kann, rückten genau in der Medianrichtung von der gemeinsamen Scheidewand des Zellenpaares kopf- und schwanzwärts hinweg und zwar, wie es schien, so weit, als eben möglich war (Fig. T). So gelangte der Buckel, d. h. die Sphäre der Zelle EMSt bis dicht an den Rand der anstoßenden Ektodermzelle A; und in P, wo der Spielraum freier war, postierte sich die Sphäre sogar genau gegenüber der Scheidewand, so daß die organische Achse, falls wir sie auf diesem Stadium noch so bezeichnen dürfen, jetzt horizontal gerichtet war. Da nun aber bei allen diesen Eiern die Orientierung der fertigen Teilungsspindeln von P, und EMSt der typischen Vorschrift durchaus entsprach, so mußte offenbar die Bewegungsart der Tochterzentren, das Längenverhältnis ihrer Bahnen ein völlig anderes gewesen sein, als das normale. — Für P, ergab sich dabei die be- merkenswerte Konsequenz, daß ihre Spindel nun- mehr in die organische Achse eingestellt wurde, z wie ın der Zelle P, des vorausgegangenen Stadiums. Sa IV ron ke BENSer demup chen! Somit hat die Vertiefung unserer deskrip- tiven Kenntnis uns bisher zu der Ansicht ge- führt, daß der Winkel, den die fertige Spindel mit der organischen Achse bildet, höchstens dann als notwendige Folge auf die Art des Auseinander- Sehens der Tochterzentren zurückgeführt werden darf, wenn die Spindel senkrecht zur Achse liegt, die Zentren also gleiche Strecken symmetrisch durchwandert haben; was allerdings für die weitaus größte Mehrzahl aller Mitosen zutreffend ist. In den abweichenden Fällen aber, wo die Bahnen der Tochterzentren ungleiche sind, ist die relative Länge derselben nicht primär geregelt, kann also auch nicht die Ursache einer typischen Erscheinung sein. Sonach muß in diesen Zellen das typische Winkelverhältnis zwischen der Spindel und der ruhenden organischen Achse durch eine anderweite Ursache herbeigeführt werden. 3% Allein mit der Angabe des Winkels, den die Spindel mit der organischen Achse bildet, ist die typische Richtung einer Mitose im Raum nur für einen einzigen Spezialfall voll- ständig bestimmt: wenn nämlich Spindel und Achse (wie bei der Zelle P,) zusammenfallen. Bei allen übrigen Mitosen wird dadurch die Unendlichkeit der möglichen Spindelstellungen nur auf eine (zur organischen Achse symmetrische) Fläche eingeschränkt, und zwar entweder — wenn der Winkel ein rechter ist, — auf eine Ebene, oder sonst auf den Mantel eines Doppelkegels. Innerhalb dieser Fläche aber wählt jede Zelle cine ganz bestimmte “ „spezielle Richtung“ aus, die eben für ihre Spindelstellung typisch ist. Wann wird über diese spezielle Richtung entschieden ? Wenn man die an sich wohl erlaubte Annahme macht, daß die Wanderung der zu- sammengehörigen Centrosome vom Ruhepunkt bis an die Pole der fertigen Spindel in einer Ebene vor sich gehe — gleichviel ob die durchlaufenen Bahnen von identischer Länge sind oder nicht —, so stellte offenbar die Schnittlinie dieser Ebene mit der durch das Winkel- verhältnis normierten Fläche von Möglichkeiten die endgültige Spindelrichtung dar; d. h. ‘ die „spezielle Richtung‘ der Spindel würde schon beim ersten Auseinandergehen der Tochterzentren erkennbar sein. Ein solches Verhalten wäre für unsere Analyse von größter Bedeutung; enthielte es doch den Hinweis auf die Möglichkeit, daß die Teilungsrichtung aller jener Zellen, deren Spindeln auf Grund gleichlanger Zentrenbahnen senkrecht zur or- ganischen Achse stehen, vollständig und ausschließlich in den Vorphasen der Mitose ent- Er schieden werde, — nämlich einerseits durch die Situation der ruhenden Sphäre, anderer- seits durch die Richtung des Auseinandergehens der Tochtersphären. Prüfen wir jetzt den Tatbestand, so erhalten wir ein eigentümliches Ergebnis. Zu- nächst ein negatives: es zeigt sich, daß die Richtung, in der die jungen Zentren- paare einer Zelle auseinandergehen, überhaupt nicht fest geregelt, sondern variabel ist. Sieht man z. B. die Zelle EMSt am Anfang ihrer Mitose von der Bauch- seite (Fig. U), oder P, von hinten an, so stellt sich oft heraus, daß die jungen Tochter- sphären nicht scharf in der Mittelebene (worin doch die organische Achse lag und später die fertige Spindel wiederum liegen wird) auseinandergegangen sind, sondern ihren Weg schief nach links und rechts über die Flanken genommen haben. Und bei den Zellen des U. ıV, Stadium IV— VIII, von der Bauchseite. Stadium IV, von oben und vorn. Beide nach konservierten Präparaten. Ektoderms, also denen, die ihre Spindeln fast ausnahmelos quer zur organischen Achse orintieren, herrscht gleiche Willkür. A und B z. B. stellen ihre Spindeln normalerweise senkrecht auf die Medianebene; ihre Zentrenpaare aber sieht man häufig schräg oder selbst in der Mittelebene auseinandergehen (Fig. V). Natürlich zwingt uns solche Variabilität zu einem ähnlichen Schlusse, wie er vorhin bezüglich der ungleich langen Zentrenbahnen ge- zogen wurde: die unabänderlich fest bestimmte Richtung, die eine Spindel innerhalb der ihr (durch das typische Winkelverhältnis) zugewiesenen Fläche einnimmt, kann nicht die einfache Folge des Auseinandergehens der Centrosome sein; sie wird vielmehr durch eigene, noch aufzusuchende Ursachen herbeigeführt. Aber neben diesem negativen Ergebnisse erhalten wir noch ein anderes, das ebenso- wenig vernachlässigt werden darf. Wohl gilt für die Marschrichtung der divergierenden Tochtersphären kein absolut festes Gesetz; allein es ist unverkennbar, daß häufig, viel zu oft, als daß es ein Zufall sein könnte, die jungen Zentren sofort und genau die Richtung auf die vorausbestimmten Spindelpole nehmen. Nun ist offenbar nicht glaubhaft, daß die typische Spindelstellung einer und derselben Zelle bald schon durch die Bewegungsart der Zentren, bald durch eine andere, nur auf die Spindel selber wirkende Ursache bestimmt werde; sondern jene spätere Ursache wird für die Orientierung der fertigen Spindel auch dann und im selben Maße verantwortlich bleiben, wenn die Tochtersphären — was weder konstant noch notwendig ist — sogleich den zutreffenden Weg gefunden haben. Aus unserer zweiten Feststellung folgt also jedenfalls, dab die Zoologiea. Heft 40, 10 obligatorische Richtungsursache der Spindel auch auf die Zentren in gleichem Sinne richtend einwirken kann, — was offenbar als physiologisches Erkennungszeichen jener noch un- bekannten Ursache von einiger Bedeutung ist. 4. Endlich bedarf die Frage, ob etwa schon im „ruhenden“ Kern die typische Richtung der künftigen mitotischen Figur durch eine konstant gerichtete innere Verteilung vorbereitet sei, noch der Erledigung. Man weiß aus Boveris Schriften, daß die ruhenden Kerne der ersten zwei oder vier Blastomere und weiterhin aller Zellen vom „Keimbahntypus“ ziemlich deutlich einen axial-symmetrischen Bau erkennen lassen. Sie sind fast immer scheibenartig zusammengedrückt, von der breiten Seite gesehen annähernd rund; doch ragt an der einen, oft etwas stärker abgeplatteten Fläche eine wechselnde Anzahl randständiger, den Chromo- somenenden entsprechender Zipfel mehr oder minder weit hervor. Innerhalb ihrer Zellen sind die Kerne dieser Kategorie derartig untergebracht, daß die Symmetrieachse des Kerns mit der organischen Achse der Zelle zusammenfällt, und die zipfelförmigen Fortsätze nach der vom Centrosoma abgewendeten Seite, also nach „innen“ zeigen. Auf Grund dieser Beschaffenheit und Lokalisation könnte zunächst zwischen der Achsenrichtung des Kerns und gewissen Dimensionen der Spindelstellung ein ähnlicher Zusammenhang angenommen werden, wie er — vielleicht — in der Mehrzahl der Fälle für die Ruhelage der Centrosome gilt. Im besonderen liegt auch der Gedanke verlockend nahe, daß die vertikale Mitose der Zelle P, vollständig und unmittelbar durch den Bau des noch ruhenden Kernes bedingt sein könnte; denn die Achse dieses Kernes entspricht ohne weiteres der Spindelrichtung, und die Chromosome, deren künftige Enden in den Randzipfeln ja be- reits gegeben sind, brauchten nur vollends in die von jenen markierte horizontale Ebene einzutreten, so wäre die typisch gerichtete Äquatorialplatte hergestellt. Allein davon kann keine Rede sein. Denn sowohl in der Zelle P, als in allen übrigen hierher gehörigen Blastomeren erleiden die Kerne sehr häufig in den ersten Phasen der Mitose, ehe noch Spindel und Chromosome gebildet sind, die ausgiebigsten und da- bei variabelsten Veränderungen ihrer Achsenrichtung (Nußbaum 1902). Sie werden — vermutlich unter dem Einflusse der auseinanderrückenden Centrosome — schief zur organischen Achse gedreht, auf die Kante gestellt oder gar völlig umgeworfen, so daß die Chromosomenzipfel distalwärts gewendet sind. Daß aber unter solchen Umständen die anfängliche Achsenrichtung der Kerne in keinerlei obligatorischem Zusammenhange mit der Spindelstellung stehen kann, ist selbstverständlich. Andererseits jedoch tritt an den ruhenden Kernen der Keimbahnkategorie nicht selten eine Erscheinung hervor, die an die Fähigkeit der Centrosome, bei ihrem ersten Ausein- andergehen „freiwillig“ die Spindelrichtung zum Ausdruck zu bringen, lebhaft gemahnt. Ge- wöhnlich kann an den Kernen irgend ein besonderes Gerichtetsein quer zur Achse, etwa mit Hilfe der randständigen Chromosomenzipfel, nicht unterschieden werden; dazu sind letztere zu zahlreich und auch zu unregelmäßig verteilt. Man trifft jedoch bei der Varietät univalens, die durch ihre geringere Chromosomenzahl ohnehin günstigere Bedingungen bietet, oft genug Kerne an, deren vier Zipfel leidlich genau quadratisch angeordnet sind, oder die — was die Übersicht noch viel mehr erleichtert — überhaupt nur zwei diametral gestellte Chromatinfortsätze von doppelter Größe tragen. An derartig günstigem Materiale macht es keine Schwierigkeit festzustellen, daß die Lage der Kerne in ihrer Flächenrichtung zwar vielfach ganz willkürlich ist, daß aber doch auffallend häufig eine bestimmte Situation zur Mittelebene und damit auch zur späteren Spindelachse inne- gehalten wird: die Chromosomzipfel liegen z. B. paarweise links und rechts, oder auch, wenn es nur zwei sind, genau in der Median- ebene. In Fig. W sind solche Fälle für die Ektodermzellen A und B dargestellt. Hieraus ergibt sich die Folgerung, daß die Kerne vom Keimbahntypus zwar nicht gezwungen, aber befähigt sind, auf richtungsbestimmende Ursachen — höchstwahrscheinlich dieselben, denen auch die Spindel ihre Einstellung ver- dankt, — mit gewissen Drehungen um ihre Achse zu reagieren; wodurch wiederum auf die Zwei Stadien IV von univalens, konservierte Natur jener noch unbekannten Ursachen im ee NO Be voraus ein Streiflicht fällt. Ob bei den diminuierten Kernen der rein somatischen Zellfamilien etwas Ähnliches geschieht, muß fraglich bleiben. Diese Kerne sind äußerlich kugelrund und innen, soviel man sieht, durchaus isotrop, so daß man irgend eine etwa vorhandene Stellungnahme zur Teilungsrichtung doch nicht zu erkennen vermöchte. 5. Fassen wir jetzt zusammen, wie unsere Kenntnis vom Hergange der typisch ge- richteten Teilungsweise sich gestaltet hat. Es wurde gezeigt, daß die frühen und frühesten Phasen des mitotischen Prozesses, sowie die Zustände des „ruhenden“ Teilungsapparates der typischen Einstellung im Raum nicht gerade völlig fremd gegenüberstehen. Aber sie nehmen gleichsam nur fakultativ, ohne Verantwortung daran teil, oder kommen im besten Falle nur als Ursache einzelner Dimen- sionen der Spindelstellung in Betracht. Die Ruhelage des Centrosoms hat vermutlich — wenigstens spricht bis jetzt nichts dagegen — insofern kausalen Wert, als in zahlreichen Fällen auf Grund des symmetri- schen Auseinandergehens der Tochterzentren die zur organischen Achse senkrechte Ebene bestimmt ist, in der die Spindel liegen wird. Eine Normierung anderer Winkelverhältnisse zwischen Spindel und organischer Achse durch geregelte ungleiche Wanderung der Zentren findet jedoch nicht statt; so daß in solchen Fällen schon für die Herbeiführung des Winkelverhältnisses eine besondere Ursache benötigt wird. Zwischen der Ebene, in der die Tochtersphären von der organischen Achse hinweg zunächst auseinandergehen, und der endgültigen Spindellage besteht kein notwendiger kausaler Zusammenhang; doch ist eine gewisse Neigung der Zentren vorhanden, die künftige Spindelrichtung bereits bei ihrer Trennung „freiwillig‘‘ vorweg zu nehmen. Auch die ruhenden Kerne — wenigstens die vom Keimbahntypus — drehen sich bisweilen so um ihre Achse, daß zwischen der Lage ihrer zıpfelförmig vorragenden Chromosomenden und der bevorstehenden Teilungsrichtung ein bestimmtes, einfaches Verhältnis resultiert. In jedem Falle aber haben wir die reife, die Äquatorialplatte tragende Spindel als dasjenige Gebilde erkannt, an dem allein die Kausalität der typisch gerichteten Teilung unter allen Umständen zur Geltung kommt und zwar vollständig, d.h. in Bezug auf alle Dimensionen. Demnach wird der Hauptgegenstand und das eigentliche Ziel unserer Analyse sein die Ursachen aufzudecken, durch die in jeder Zelle die vorschriftsmäßige Einstellung der reifen Spindel bewirkt wird. — Unsere Kenntnis, daß jene Ursache ihrer Natur nach befähigt sein muß, auch auf den ruhenden Kern und die sich trennenden Tochtersphären richtend einzuwirken, kann uns dabei als ein Indicium vielleicht von Nutzen sein. Wir suchen jetzt, auf Grund des früher von uns aufgestellten Programmes, zunächst eine Antwort auf die Frage, ob die typische Einstellung der Spindel passiv geschieht, als Wirkung einfacher mechanischer Faktoren, oder aber durch eine aktive Keistunerdes Zellprotoplasma — mit oder ohne Beteiligung äußerer Richtungsreize — zu stande kommt. II. Mechanische Faktoren. Man weiß, wie sehr verbreitet früher die Ansicht war, daß alle typisch bestimmte Teilungsrichtung durch mechanische Einflüsse erklärt werden könne. Da die langgestreckte Spindel samt ihren wachsenden Polstrahlungen zumeist die ganze Furchungszelle durchsetzt, ja oft kaum den nötigen Platz darin zu finden scheint, zugleich aber beweglich und ver- schiebbar ist, so lag es wirklich nahe zu glauben, eine Spindel müsse durchaus und ganz von selbst in diejenige Achse ihrer Zelle zu liegen kommen, die ihr zur Ausdehnung den reichlichsten Raum gewährt: in die Richtung der größten Protoplasmamasse (Hert- wigsche Regel). Wobei eine solche Richtung entweder durch einseitige Anhäufung des Dotters innerhalb der Zellen, oder durch gegenseitigen Druck und die daraus entstehende Deformation der ganzen Zellen geschaffen werden sollte. Seither ist der Glaube an die allgemeine Bedeutung des in der Hertwigschen Regel ausgedrückten Kausalzusammenhanges stark vermindert worden. In der Furchungsgeschichte von Ascaris besitzt derselbe, wie ich schon früher (1896a) hervorgehoben habe und hier in größerer Vollständigkeit und besserer Begründung noch einmal auseinandersetzen will, be- stimmt keine Gültigkeit. Daß zunächst der Dotter, den die Ascariszellen enthalten, mit der typischen Ein- stellung der Spindeln nichts zu tun haben kann, ist jedem klar, der ein lebendes Furchungs- stadium unseres Wurmes gesehen hat. Die Dotterkörnchen sind in das Plasma der meisten Zellen ja viel zu spärlich, immer aber gleichmäßig eingestreut und bedingen durch ihre Gegenwart überhaupt keine Richtung größter Protoplasmamasse. Es gibt freilich eine Aus- nahme: das ungeteilte Ei. Hier zieht sich, wenn die Mitose anhebt, der Dotter in die Nähe ne: des unteren Poles zusammen; dadurch wird innerhalb des kugelrunden Gebildes der Be- reich des eigentlichen Protoplasma in der Achsenrichtung eingeengt, und es entsteht dem Äquator parallel eine Richtung größter Protoplasmamasse, die nach Hertwigs Gesetz der Spindel eine „horizontale“ Stellung verleihen müßte. Aber es ist, als wenn uns am Ascarisei die Machtlosigkeit mechanischer Faktoren eigens demonstriert werden sollte: die erste Teilungsspindel stellt sich vertikal, und ihr unteres Centrosoma taucht tief in die an- gesammelte Dottermasse. Etwas günstiger liegen a priori die Verhältnisse für die andere Voraussetzung, nach welcher die Spindelstellung durch die Gestalt der ganzen Zelle im Sinne der Hertwig- schen Regel mechanisch bedingt werden soll. Denn die Form der Ascariszellen ist — mit Ausnahme des ungeteilten Eies — ja keine kuglige: aus dem gegenseitigen Kontakt- verhältnis ergibt sich für eine jede, zum Teil unter Mitwirkung des Schalendruckes, eine bestimmte Gestalt mit Ecken und Kanten, an der sich natürlich allemal irgend eine Rich- tung größter Protoplasmamasse bezeichnen läßt. Und wie die Zellformen, so sind auch diese Richtungen typische, könnten also ganz wohl die Ursache einer typisch geregelten Spindelstellung sein. Allen die Richtung der größten Plasmamasse ist bei der Mehrzahl der Ascariszellen durchaus nicht diejenige, in welche die Teilungs- spindel zu liegen kommt. Bei sehr zahlreichen epithelial gelagerten Blastomeren, z. B. fast allen Ektodermzellen der mittleren Entwickelungsstufen steht infolge der seitlichen Kompression die längste Achse senkrecht auf der freien Oberfläche des Embryo; die Spindeln aber liegen nicht in dieser selben Achse, sondern rechtwinklig zu ihr, der Ober- fläche des Epithels parallel, also jedenfalls nicht in der Richtung der größten Protoplasma- masse. Und bei der Klüftung des Stadium II stellt sich die Spindel der in axialer Richtung komprimierten unteren Zelle (Fig. Q, p. 69, P,) sogar zweifellos in die Richtung der ge- ringsten Protoplasmamasse, des größten Druckes ein, der Hertwigschen Regel zum Hohne (zur Strassen, 1895). — Wenn demnach schon das Studium der normalen Teilungsweise ge- stattete, für die Mehrheit aller Spindelstellungen des Ascariskeimes passiv-mechanische Be- wirkung nach Hertwigs Regel auszuschließen, so mußte doch andererseits zugegeben werden, daß bei einigen Blastomeren, z. B. der oberen, ektodermalen Zelle des Stadium II (Fig. Q, AB), die Spindelstellung mit der größten Ausdehnung des Plasma zusammenfällt; wonach man wenigstens für diese Fälle an eine passive Einstellung der Spindel glauben konnte. Allein auch diese bescheidene Möglichkeit, der Hertwigschen Regel einige Geltung zu gewähren, wird gerade für den genannten charakteristischen Fall — und damit sehr wahrscheinlich für alle — durch das Experiment zerstört. An unserem Dreifachzwilling er- litt die ektodermale Zelle des senkrechten (auf dem Kopfe stehenden) Individuums durch den Druck der eingeschnürten Schale eine derartig starke Deformation, daß ihr größter Durchmesser, der sonst quer zur Längsachse steht, in die Richtung der Achse zu liegen kam (Taf. IV, Fig. 50—52). Dennoch orientierte sich die Spindel dieser Furchungskugel, wie typisch, quer zur Achse, also diesmal senkrecht zur Richtung der größten Plasmamasse. Nun werden viele der Ansicht sein, daß mit der Disqualifikation der Hertwigschen Regel überhaupt die ganze Frage, ob etwa die Spindelstellung aller oder doch einiger Zellen von Ascaris mechanisch erklärt werden könne, ihre Erledigung gefunden habe. Dem stimme ich nicht ohne weiteres bei. Man weiß so wenig über die Physiologie der mitotischen Er- scheinungen: wo die bewegenden Kräfte lokalisiert sind, welche Teile ziehen, welche ge- zogen oder geschoben werden. Sind wir da wohl zu der Meinung berechtigt, daß eine passive Bewirkung der Spindellage schlechterdings nur im Sinne der Hertwigschen Regel denkbar sei? Es könnte vielleicht Zellen geben, bei denen aus rein mechanischen Gründen nicht die Spindel, sondern die Äquatorialplatte in die Richtung der größten Aus- dehnungsmöglichkeit, der größten Plasmamasse zu liegen kommt. Hiernach wäre also nicht ganz ausgeschlossen, daß bei gewissen Mitosen des Ascariskeimes, z. B. der unteren Zelle im Stadium II, die typische Spindelstellung, obwohl sie der Hertwigschen Regel wider- streitet, dennoch auf passivem Wege durch Druck- und Raumverhältnisse innerhalb der Zelle herbeigeführt würde. — Allein auch diese Verlegenheitshypothese ist — wenigstens für den genannten Hauptfall — bereits widerlegt. Bei Rieseneiern mit oblonger Schale fehlt im Stadium II die axiale Kompression der unteren Zelle, und an normalen Eiern tritt der gleiche Zustand ein, wenn man durch Hin- und Herrollen die Schale ein wenig verlängert und so den Keim von ihrem Gegendrucke befreit. Das hindert jedoch, wie ich früher mitgeteilt habe (1898a p. 149), die nunmehr fast rundliche untere Zelle keineswegs, ihre Äquatorialplatte vorschriftsmäßig in die „horizontale“ Ebene einzustellen, in der nor- malerweise eine so ausgeprägte Richtung größter Protoplasmamasse gegeben ist. Endlich spricht auch die oben mitgeteilte Tatsache, daß die typische Spindelrichtung gelegentlich schon durch die Lage des ruhenden Kernes oder die Ebene, ın der die Tochter- sphären auseinandergehen, vorweg zum Ausdruck gebracht werden kann, a priori gegen eine grob mechanische Kausalität. Es wäre kaum einzusehen, wie die Richtung größter Protoplasma- masse auf die Bewegungen jener räumlich beschränkten Zellorgane einwirken sollte; — und warum nur gelegentlich ? Nunmehr betrachte ich unsere erste und wichtigste Frage als endgültig klargestellt. Da für die Zellen des Ascariskeimes keinerlei konstante Beziehung zwischen den Teilungsrichtungen einerseits und den Richtungen größter Ausdehnungsmöglichkeit andererseits besteht, indem einige Spindeln sich in die Richtung der größten, andere in die der kleinsten Protoplasmamasse, noch andere in keine von beiden orientieren, so kann hier natürlich von einer allgemeinen Gültigkeit der Hertwigschen Regel oder irgend eines anderen rein mechanischen Erklärungsprinzipes keine Rede sein. In jedem Falle stünde den mechanisch erklärten Fällen eine Menge unerklärter Ausnahmen gegenüber. Da aber oben- drein für gewisse Mitosen erwiesen ist, daß man die betreffende Achse, wenn sie lang ist, künstlich in eine kurze verwandeln darf und umgekehrt, ohne daß die typische Teilungs- weise verhindert würde, so wird selbst die Annahme einer teilweisen Gültigkeit mechani- scher Erklärungen äußerst unwahrscheinlich. Die Zelle selbst muß — sicher in vielen, wahr- scheinlich in allen Fällen— in ihrem feineren Bau eine Ursache enthalten, die ihre Spindel- stellung entweder ganz allein beherrscht oder doch wesentlich mitbestimmt. Die typisch 2, 70, = gerichtete Klüftung der Ascariszellen stellt keinen passiven, sondern einen aktiven, nicht einen mechanischen, sondern einen physiologischen Vor- gang dar. III. Physiologische Faktoren. A. Einleitung. Il; Das Ergebnis des vorigen Abschnittes ist für unser Urteil über die Komplikations- höhe der fertigen Spindel, also desjenigen Gebildes, an dem der Einstellungsprozeß in Er- scheinung tritt, bedeutungsvoll. Wir wissen jetzt, daß dieser Komplex von Fasern, Sphären und Chromosomen nicht nur einen Mechanismus darstellt, der im weiteren Verlauf sich selber und die Zelle in zwei diametrale Hälften zerspaltet, sondern der darüber hinaus noch zu der Leistung befähigt ist, von schwankender Anfangslage aus eine ganz be- stimmte Richtung innerhalb der Zelle durch drehende Bewegung aufzu- finden und festzuhalten. Darin aber liegt zugleich ein Urteil über die Beschaffenheit der Umgebung. Denn es ist klar, daß jene Leistung des mitotischen Apparates innerhalb einer völlig isotropen Umgebung nicht von statten gehen könnte. Sie setzt vielmehr das Vorhandensein irgendwelcher fest lokalisierter und typisch angeordneter Orientierungs- mittel außerhalb der beweglichen Spindel unbedingt voraus. Mit anderen Worten: der Einstellungsvorgang ist ein Reizvorgang. Und zwar besteht nach Lage der Dinge kaum ein Zweifel, daß es sich im besonderen um chemische Reize, um chemotaktische Bewegungen handeln werde. Die Analyse aber wird vor die Aufgabe gestellt, die spezielle Einrichtung dieser Reiz- mechanismen aufzudecken. Wir wollen wissen, woher eine jede von diesen scheinbar gleich- artigen Zellen, die mit so verblüffender Sicherheit ihre Spindel in eine vorgeschriebene Stellung bringen, die eine in die Längsachse des Embryo, andere quer oder in einem haar- scharf bestimmten Winkel schräg dazu, den orientierenden Reiz bezieht: ein Problem, das mich seit dem Beginn meiner Studien über die Ascarisentwickelung auf das lebhafteste be- schäftigt hat, — vielleicht besonders lebhaft deshalb, weil eben durchaus keine Möglichkeit bestand, durch noch so genaue Beobachtung normaler Embryonen irgend eine Auskunft zu erhalten. A priori fand ich zwei Möglichkeiten vor. Die geforderten festen, typisch geordneten Punkte, von denen aus der orientierende Richtungsreiz auf die Spindel oder einzelne Teile derselben wirken soll, konnten entweder innerhalb der in Mitose begriffenen Zelle selbst oder aber in den die Zelle umgebenden Keimbezirken — sogenannte „außere“, d.h. von außerhalb des Keimes herantretende Reize kommen nicht in Betracht — gelegen sein. Die erste Annahme war mir von Haus aus sympathisch, weil doch das un- geteilte, kugelrunde und einer Nachbarschaft entbehrende Ei seine typisch axiale Spindel- stellung fraglos auf Grund eines inneren Richtungsreizes — als solcher könnte z. B. die — 80 0 — stark anisotrope Dotterverteilung dienen — zur Ausführung bringt. Wenn ich aber die Verhältnisse der Klüftungsstadien recht bedachte, so fühlte ich mich doch geneigt, der zweiten Möglichkeit den Vorzug zu geben. Denn innerhalb der Furchungszellen sieht man im Umkreis der mitotischen Figur nichts von typischer Anord- nung irgend welcher Teile. Und die unregelmäßige, wechselnde Art, in der die Dotterkörnchen in das helle Plasma eingelagert sind, erweckt gewiß nicht den Ein- druck, als ob in dieser sorglos gemischten Substanz anisotrope Differenzierung etwa in unsichtbarem Zustande vorhanden wäre. Dahingegen sind typisch gelagerte Punkte außerhalb der Zellen ohne weiteres da. Kommt doch vom zweizelligen Stadium ab jeder Furchungszelle eine in vielen Einzelheiten streng typisch geordnete Um- gebung zu, in deren Plasmaleibern oder Kernen, Berührungsflächen, Kanten oder Ecken die orientierenden Reize lokalisiert sein könnten. Und jede vollendete Klüftungsperiode stellt eine neue und immer wachsende Auswahl derartiger Richtungspunkte für die bevorstehen- den Mitosen von selbst zur Verfügung. — Unter solchen Umständen erscheint die Annahme, daß bei mehrzelligen Ascariskeimen die Richtungsreize von der Umgebung der be- treffenden Zelle geliefert würden, als die einfachste und darum — bis zum etwaigen Be- weise des Gegenteils — die einzig zulässige. Als nun die Geschichte der T-Riesen endlich Hoffnung gab, eine wirkliche Ent- scheidung in dieser Frage herbeizuführen, widmete ich begreiflicherweise den Teilungs- richtungen von Anfang an besondere Aufmerksamkeit. Dabei fand ich in der Tat eine Ent- scheidung, aber nicht diejenige, die ich erwartet hatte. 2. Vor dem Eintritt in die Analyse muß zuvörderst noch eine kleine methodologische Schwierigkeit behoben werden. Dasjenige, was die Geschichte der T-Riesen für eine kausale Untersuchung der Teilungsrichtungen wertvoll macht, ist natürlich wieder — wie beim Rhythmus und allen übrigen Einzelfragen — die Alternative, ob die typischen Spindel- stellungen nach Störung der normalen Gesamtkonfiguration und der typischen Nachbar- schaftsverhältnisse erhalten bleiben oder nicht. Im vorigen Kapitel, als wir die Physiologie des Rhythmus untersuchten, war es leicht, den Tatbestand festzustellen: die Blastomere mochten noch so sehr durcheinandergeraten sein, — sobald ihre Identifizierung überhaupt gelang, machte die Beurteilung des normalen oder abnormen Charakters ıhres Teilungs- rhythmus keine größere Schwierigkeit, als in der regulären Entwickelung. Anders, wenn es sich um die Spindelstellungen handelt. Was bedeutet denn innerhalb des atypisch geord- neten Zellenmaterials der T-Riesen, wo die Gesamtform bis zur Unkenntlichkeit verändert, die Mehrzahl der typischen Lagebeziehungen abnorm geworden ist, — „typische Teilungsrichtung“ ? In der normal-deskriptiven Darstellung der Ascarisfurchung machen wir, um die typische Richtung einer Mitose erkennbar zu bezeichnen, von verschiedenen Mitteln Ge- brauch. Da vom Beginne der Entwickelung an deutliche Beziehungen zwischen den Teilen des Keimes und den späteren Hauptebenen des Embryo zu erkennen sind, so werden die Teilungsrichtungen mit Vorliebe nach ihrem Verhältnis zu jenen Ebenen aufgefaßt: wir sprechen von frontalen, sagittalen, transversalen Scheidewänden, oder nennen, in der Voraus- me le Se setzung, daß dem Keim eine konstante Orientierung erteilt wird, die Spindelrichtungen horizontal und vertikal. Hin und wieder erscheint es aus besonderen Gründen bequem, die Richtung einer Mitose nicht auf das Ganze, sondern auf eine angrenzende, ihrer Lage nach bekannte Furchungskugel, z. B. die zugehörige Schwesterzelle zu beziehen. In solchem Falle wird am besten die gemeinsame Kontaktfläche beider Zellen zu Grunde gelegt, und die Spindelrichtung als senkrecht, parallel oder schräg zu dieser Fläche dargestellt. Oder man benutzt de Form der zur Teilung schreitenden Zelle als Merkmal und sagt, die Spindel liege in der längsten Zellachse oder zeige auf eine bestimmte Ecke hin. Am wenigsten werden wir bei Ascaris geneigt sein, eine letzte, sonst nicht ungebräuchliche Methode der Richtungsbestimmung deskriptiv zu verwenden, wonach die Spindelrichtung überhaupt nicht mit der Umgebung der Zelle, sondern mit der Richtung der voraus- gegangenen Mitose (aus der die Zelle selbst hervorging), also mit einem früheren inneren Zustande der Zelle verglichen wird. Diese ‚interne‘ Bestimmungsart mag für die deskrip- tive Darstellung dort zweckmäßig sein, wo die Furchungszelle von Teilung zu Teilung ihren Ort nicht verändert. Bei Ascaris aber, deren Blastomere in mannigfachster Weise sich drehen und durcheinandergleiten, setzt das Verfahren die genaueste Kenntnis und Berück- sichtigung aller stattgehabten Bewegungen voraus und wäre darum schwierig und unzuver- lässig. Es liegt auf der Hand, warum wir in der deskriptiv-normalen Entwickelungs- geschichte von Ascaris alle die genannten Methoden und wohl noch andere promiscue ge- brauchen dürfen, wie sie uns von Fall zu Fall am bequemsten sind. Infolge der hohen Regelmäßigkeit des normalen Ablaufs können eben für jede Spindelstellung nicht eins, sondern beliebig viele Richtungsverhältnisse bezeichnet werden: zum Ganzen, zur unmittel- baren Nachbarschaft, wie zu inneren Richtungen der Zelle selbst. Alle sind gleichzeitig typisch, und wo wir irgend eines von ihnen verwirklicht finden, da müssen es — ohne weitere Prüfung — auch alle übrigen sein. Dies ist ja eben der Grund, warum das Studium der deskriptiv-normalen Ascaris- Entwickelung über ein kausales Verhältnis zwischen der sich typisch orientierenden Spindel und ihrer Umgebung nicht das geringte verrät. Welche etwa von all den räum- lichen Beziehungen, die sich beschreibend verwenden lassen, im geheimen die kausale ist, ob der richtende Reiz aus der Ferne oder Nähe oder gar aus dem Inneren der Zelle kommt, bleibt völlig dunkel. Anders aber liegen die Dinge, sobald es sich um T-Riesen handelt. Wie die Bilder eines schlecht zentrierten Opernglases nicht mehr zusammenfallen, so bringt die Verlagerung des Zellenmaterials die frühere Koinzidenz aller räumlichen Beziehungen innerhalb des Keimes zum Verschwinden; und zwar geraten — je nach der Stärke der Störung — ent- weder nur einzelne oder gar sämtliche Merkmale untereinander in Disharmonie. Dazu kommt, daß bei den T-Riesen ein Teil der für eine gewisse Mitose deskriptiv verwendbaren Merk- male überhaupt fehlen kann. Eine Spindelstellung auf die „Hauptebenen des Ganzen“ zu beziehen, ist häufig ausgeschlossen, da an dem monströsen Gebilde Hauptebenen gar nicht erkennbar sind. Die Zellgestalt läßt uns sogar meistens im Stich, denn bei fast allen T-Riesenzellen ist die Form eine etwas andere, als die typische. Kontaktflächen mit be- stimmten Nachbarzellen, nach denen man sonst sich richten konnte, fehlen oft, da die be- Zoologiea. Heft 40, 11 — mM treffende Nachbarin abseits verschoben wurde, und es mag Zellen geben, bei denen kein einziges der gebräuchlichen Merkmale mehr zur Verfügung steht. Hierin liegt nun für unsere Analyse eine Erschwerung und ein Gewinn. Eine Er- schwerung insofern, als wir uns, wenn bei T-Riesen über typische oder atypische Spindel- lage geurteilt werden soll, selbstredend nicht auf die Feststellung beschränken dürfen, ob die für den betreffenden Fall bisher deskriptiv verwendete Richtungsbeziehung noch gilt, oder nicht; sondern wir müssen alle Merkmale prüfen. Eventuell würde, wenn die gebräuch- lichen samt und sonders versagen sollten, darüber hinaus zu untersuchen sein, ob etwa irgend eine andere, in den normalen Verhältnissen bisher nicht beachtete räumliche Be- ziehung erhalten bleibt. Der für uns unschätzbare Vorteil aber besteht darin, daß bei dem Auseinanderfallen der Merkmale der bis dahin verborgene Rangunterschied zwischen deskrip- tiven und kausalen Richtungsbeziehungen zu Tage treten muß. Die Spindel folgt dem ihr zugeordneten Richtungsreize, wie immer sein Ausgangspunkt in Bezug auf andere Teile des Systems verlagert sein mag. Dadurch wird für jeden Einzelfall die Zahl der möglichen Reizverhältnisse zum mindesten eingeschränkt: denn alle diejenigen deskrip- tiven Richtungsbeziehungen, die durch die Verlagerung aufgehoben worden sind, scheiden vom Wettbewerb um den Rang des kausalen Verhältnisses aus. Allein die Analyse läßt sich noch weiterführen. Offenbar spricht eine sehr große Wahrscheinlichkeit dafür, daß der orien- tierende Reiz nicht im einen Falle von der Zellgestalt, im anderen von einer Nachbarzelle, im dritten von der Form des Ganzen geliefert werde, sondern daß für alle Spindel- stellungen des Ascariskeimes eine und dieselbe Art von Richtungsreizen wirksam ist. Wenn wir nun beim Studium viele Einzelfälle finden werden, daß bei der wechselnden Kombination verschwindender und erhaltener Richtungsbeziehungen eine einzige ist, die unter gar keinen Umständen je verloren geht, so haben wir mit fast vollkommener Gewißheit den wahren Richtungsreiz isoliert. Und nun ans Werk. Wir beginnen mit der systematischen Prüfung aller derjenigen deskriptiven Richtungsbeziehungen, deren feste Merkmale außerhalb der in Teilung be- findlichen Zelle gelegen sind. B. Spindelstellung und äußere Richtungen. «. Verhältnis der Spindel zu den Hauptrichtungen des Embryo. Die einfachste und gebräuchlichste Bestimmungsweise ist die, nach der man das räum- liche Verhältnis einer Spindelstellung zu den Hauptrichtungen des Keimes ins Auge faßt. Bringen wir zunächst die Frage auf eine Form, die für unsere Analyse der Reizver- hältnisse einen Sinn ergibt; — denn es ist selbstverständlich, daß die „Hauptrichtungen“ als solche keinen Reiz liefern können. Aber es wäre doch a priori denkbar, daß in der typischen Entwickelung die Orientierung einer jeden Spindel von der vorschriftsmäßig geordneten N Cr Gesamtheit der Blastomere geleitet würde, oder: daß wenigstens größere Bruchstücke des Ganzen, in denen die Hauptrichtungen bereits zum Ausdruck kommen, zu einer gemein- samen und gegenseitigen Beeinflussung ihrer Spindelrichtungen verbunden wären. Im ersteren Falle könnte bei T-Riesen, denen die normale Gesamtform ja immer fehlt, niemals eine einzige Mitose in irgend einem Sinne typisch sein. Im zweiten bestände die Möglichkeit, daß diejenigen Zellen eines Riesen, deren Lage zu den Hauptrichtungen — falls solche er- kennbar sind — die typische ist, sich vorschriftsmäßig teilen, die anderen aber nicht; und hier eröffnete sich ein Angriffspunkt für die Analyse. In der Teilungsperiode IV—VIII bietet sich uns ein höchst geeigneter Gegenstand zur Prüfung und Entscheidung der aufgeworfenen Frage, denn alle genannten Voraus- setzungen sind hier erfüllt: ein vierzelliger zur Klüftung reifer T-Riese läßt sämtliche Haupt- ebenen, oft auch die Richtung von vorn nach hinten, gerade so klar unterscheiden, als das normal orientierte rhombische Stadium; und er enthält alles, was wir brauchen, nämlich erstens drei Zellen (A, B und EMSt), deren Lage zu jenen Ebenen die typische ist, zweitens eine abnorm gelagerte: die „unterste Furchungskugel P;, die von Rechts wegen sich weiter oben im Winkel zwischen ihrer Schwester EMSt und der Ektodermzelle B befinden sollte. — Wie teilen sich diese vier Zellen ? Es zeigt sich zunächst, daß die beiden oberen Blastomere A und B ihre Spindeln, wie es der zu prüfenden Hypothese entspricht, ausnahmelos in das typische Stellungsver- hältnıs zum Gesamtkeim orientieren, nämlich und „horizontal“ und zwar quer zur Medianebene, in der sie selbst gelegen sind (Taf. I, Fig. 2; Taf. III, Fig. 24). Auch die unterste Zelle P, : i j 2 5 Dir Teilung von EMSt und P, eines T-Riesen. verhält sich so, wie man vom Standpunkte NE Te unserer Annahme erwarten sollte: sie liegt an falscher Stelle und teilt sich auch falsch; denn in der typischen Entwickelung ist eine horizontale Spindelstellung für sie vorgeschrieben, bei T-Riesen aber richtet sich ihre Spindel ohne jede Ausnahme vertikal (Fig. X, P;). Allein die noch übrige vierte Furchungskugel, die „Mittelzelle“ der T-Figur, fügt sich der von uns geprüften Annahme um so weniger. Diese Zelle liegt, wie schon hervorgehoben, zur Zeit ihrer Teilung stets an derselben Stelle des Keimes, gleichviel ob es sich um normale Entwickelung oder um T-Riesen handelt: nämlich in der Medianebene mitten unter dem ektodermalen Schwesternpaare. Sie teilt sich im Typus horizontal, derartig, daß ihre beiden Sprößlinge in der Medianebene und im Kontakt mit den Ektodermzellen hinter- einanderliegen. Bei T-Riesen aber wird die Spindel der Mittelzelle beinahe immer genau vertikal eingestellt (Fig. X, EMSt). Und von den Tochterzellen, die aus der Teilung hervorgehen, behält nur die obere Anschluß an das darüber balancierende, zu dieser Zeit meist vierzellig gewordene Ektoderm. Somit ergibt sich aus den Vorgängen dieser Klüftungsperiode zweierlei; zunächst, daß EN) in der normalen Gesamtkonfiguration kein orientierender Reiz — und natürlich auch keine Vorbedingung — für die typische Einstellung der Spindeln enthalten ist; denn die „normal“ situierten Zellen A und B teilen sich bei T-Riesen, deren .Gesamtgestalt eine abnorme ist, immer typisch. Zweitens aber erfahren wir, daß die Spindelstellung mit den Hauptebenen auch in beschränkterem Kreise, nämlich soweit sie durch eine Zellmajorität noch klar zum Ausdruck gebracht werden, physiologisch nichts zu schaffen hat, wenigstens nicht in allen Fällen; denn die Zelle EMSt liegt A und B gegenüber an der richtigen Stelle und teilt sich — ın Bezug auf jene — dennoch falsch. ß. Verhältnis der Spindel zu einzelnen Nachbarzellen. Ik Nachdem sich — was ja im Grunde vorauszusehen war — gezeigt hat, daß der deskriptiven Beziehung der Spindelrichtung zu den Hauptebenen des Keimganzen eine kausale Bedeutung nicht innewohnt, untersuchen wir jetzt eine neue Art von Richtungs- beziehungen, bei denen die Wahrscheinlichkeit, es möchte sich hier um die wirkliche Reiz- beziehung handeln, von Haus aus ungleich größer ist: die Beziehung der Spindel- richtung zur Lage einer einzelnen, bestimmten Nachbarzelle. Hierbei wird in erster Linie an die Schwesterzelle des in Teilung begriffenen Blastomers zu denken sein. Wohl sicher wäre unter allen überhaupt möglichen Ursachen der typisch geregelten Teilungsweise die physiologisch einfachste die, daß jede Spindel von einer bestimmten Nachbar- zelle aus derartig „angezogen“ würde, daß sie ihre Längsachse, einer Magnetnadel ähnlich, in die Richtung des Reizes, d.h. senkrecht auf die Trennungsfläche der beiden Blastomere einstellen müßte. Zum Beispiel wäre die vertikale Spindelstellung der unteren Zelle P, im Stadium II, die, wie wir erfahren haben, von äußeren Druckverhältnissen ganz unabhängig ist, auf diese Weise sogleich erschöpfend erklärt. In anderen Fällen, wenn die Spindel mit allen vorhandenen Berührungsflächen schiefe Winkel bildet oder parallel dazu gerichtet ist, also jedenfalls nicht einfach in die Richtung des einwirkenden Reizes eingestellt werden kann, müßte der vorauszusetzende Reizmechanismus komplizierter sein. — Durch die Annahme aber, daß die einander zugeordneten Funktionen des orientierenden Reizes und seiner typi- schen Beantwortung durch die Spindel allemal auf Schwesterzellen verteilt seien, ge- wänne der Vorgang der ontogenetischen Herstellung jener Koordination sehr an Begreif- lichkeit. Nun wird, so denke ich, keinem meiner Leser entgangen sein, daß die vorhin von uns erörterte „abnorme“ Teilungsrichtung der Zellen EMSt und P; des vierzelligen Stadiums nicht nur als negativer Beweis gegen die kausale Bedeutung der Hauptebenen verwendbar ist, sondern zugleich ein sehr positives Zeugnis für die jetzt geprüfte Art von Richtungsbeziehungen abzulegen scheint, für die Beziehung zwischen Spindel und Schwester- zelle. In der typischen Entwickelung sind die beiden unteren Blastomere vom Ende des Orientierungsprozesses ab hintereinander in der Richtung der Längsachse gelagert, ihre gemeinsame Scheidewand ist also transversal, und da die Spindeln beider Zellen mit der Längsrichtung zusammenfallen, so stehen dieselben ihrerseits senkrecht auf der ER Scheidewand (Fig.S, p.70). Bei einem T-Riesen aber, dessen unteres Zellenpaar die vertikale Stellung niemals verlassen oder doch nach mißglücktem Orientierungsversuche wieder einge- nommen hat, liegt selbstverständlich die Berührungsfläche der Zellen horizontal. Wenn nun, wie wir gesehen haben, bei T-Riesen die Spindelrichtung der untersten Zelle ausnahmelos und die ihrer Schwester EMSt fast immer die vertikale ist, so stehen beide Spindeln wiederum senkrecht zur Scheidewand und wiederholen damit getreulich das typische Verhältnis der normalen Entwickelung. Hier wie dort ist es eine gestreckte, vierzellige, nur ungleich gelagerte Säule, die aus der Teilung des Paares ihren Ursprung nimmt. Bei genauerem Studium in Klüftung begriffener T-Riesen stellt sich heraus, daß ın ganz gleicher Weise viele Mitosen, deren Richtung beim ersten Anblick möglichst regel- los erscheint, die typische Beziehung zu der zugehörigen Schwesterzelle auf- recht erhalten. So finden wir, daß in der Übergangsperiode zum ı16zelligen Stadium die deplaeierte ©, Schwanzzelle” „(Big Y, ey) fast zuverlässig ihre Spindel, wie ım Typus, parallel zu derjenigen Scheidewand orientiert, mit der sie an der vor ihr gelegenen Keim- bahnzelle haftet. Und diese letztere Furchungs- kugel besteht mit gleicher Hartnäckigkeit dar- auf, ihre Spindel senkrecht zu dieser selben Richtung einzustellen; wie andererseits auch die Urzelle des Darmes und ihre Schwester, die Schlund-Mesodermanlage, von ihrer gegenseitigen Beziehung nur ausnahms- weise abgewichen sind, — Beispiele, die sich T-Riese im Stadium XVI. Nach dem Leben. aus der Beschreibung anderer Teilungs- Dez uleıns a enlere perioden reichlich vermehren ließen. Die Auffälligkeit dieser Erscheinung tritt noch besonders hervor, wenn man bedenkt, daß ja die schwesterliche Scheidewand — vom zweizelligen Stadium abgesehen — durch- aus nicht die einzige, oft nicht einmal die größte Kontaktfläche der betreffenden Zelle ist. So wird zum Beispiel in der Teilungsperiode IV--VIII die obere Zelle des ventralen Paares durch die zwei resp. vier großen Kontaktfacetten, die sie mit den Ektodermzellen bildet, viel intensiver in ihrer Form beeinflußt, als durch die eine Fläche an ihrer Schwesterzelle (Fig. X, p. 83). Dennoch ist es gerade diese, die bei der deskriptiven Bestimmung der Spindel- richtung allein in Frage kommt! Unter solchen Umständen ist nicht zu bestreiten, daß die Annahme, die deskriptive Beziehung zwischen der Teilungsrichtung einer Zelle und ihrer schwesterlichen Berührungs- fläche sei der Ausdruck eines wirklich physiologischen ReizverHhältnisses, ziemlich viel Wahr- scheinlichkeit für sich hat. 2. Allein die Konstanz dieser Beziehung gilt — und das ist für unsere Analyse von aus- schlaggebender Bedeutung — nur für viele Fälle, nicht für alle. Abgesehen davon, daß erh in der normalen Entwickelung einzelne Schwesternpaare, z. B. die symmetrischen Anlagen des Schlund-Mesoderms, sich völlig voneinander trennen und dennoch ihre Teilungsrichtung typisch zu regeln vermögen, findet sich auch in der Geschichte der T-Riesen eine Anzahl von Fällen, in denen eine mitotische Zelle die typische Beziehung zu ihrer benachbarten Schwester nicht innehält. Bei dem Taf. II, Fig. ı5 dargestellten Riesen z. B. teilt sich die hellblaue Urdarm- zelle E in ungefähr derselben Richtung, in der ihre Schwester, die dunkelblaue Urzelle des Schlundes und Mesoderms zerlegt worden ist; dem Typus nach aber sollten die beiden Teilungen zueinander senkrecht stehen. Und bei dem Riesen Fig. 17 müßten die Teilungs- figuren der grünen und rotblauen Zellen jeder Seite in die Verbindungslinie des betreffen- den Paares eingestellt sein, was offenbar nicht geschieht. Das auffallendste und für unsere Analyse ganz fundamental wichtige Beispiel aber liefert wiederum die Übergangsperiode vom vierzelligen zum achtzelligen Stadium. Als ich oben die Teilungsweise des ventralen Zellenpaares genauer schilderte, um daraus für die Dauer- haftigkeit der Beziehung zwischen Spindelstellung und schwesterlichem Kontakt ein Argu- ment zu gewinnen, machte ich zwischen den beiden Zellen insofern einen Unterschied, als ich mich nur auf die untere von ihnen absolut berufen konnte, bei der oberen aber ge- nötigt war, das Vorkommen seltener Ausnahmen zuzugeben. Nun wohl, die Ausnahmen, die ich beobachtet habe, drei an der Zahl, bestanden darin, daß die Spindel der oberen Zelle EMSt wie in der normalen Ontogenesis, und unter Preisgabe des „typischen“ Verhältnisses zur Berührungsfläche, in die Horizontalebene eingestellt wurde! Einer von diesen drei Riesen — es war derjenige, der uns für den zweiten Entwickelungstypus als Paradigma diente — hatte vom Beginn seiner Furchung an unter Kontrolle gestanden, und ich wußte deshalb, daß die Teilung seiner Mittelzelle, ob- wohl ıhre Spindel die (dem Ektoderm gegenüber) richtige Ebene aufgefunden hatte, doch innerhalb dieser Ebene keineswegs typisch war (Taf. III, Fig. 25 bis 27). Sie hätte programm- gemäß mit der morphologischen Medianrichtung, die ich bei diesem Riesen aus dem be- kannten Verwandtschaftsverhältnis der Ektodermzellen bestimmen konnte, zusammenfallen sollen; statt dessen bildete sie mit jener einen horizontalen Winkel von ungefähr 90%. — Die beiden anderen hierhergehörigen Riesen aber, deren genaue Vorgeschichte mir unbekannt geblieben war, ließen die Bestimmung der Medianebene nicht zu: so bleibt es ungewiß, ob etwa auch bei ihnen die Lage des aus der Mittelzelle hervorgegangenen horizontalen Paares zur Seite hin verschoben, oder aber in ihrer Beziehung zu den vom Ektoderm markierten Grundebenen des Keimes wirklich vollkommen typisch war (Taf. II, Fig. 13). Nun könnte man geneigt sein, angesichts der ostentativen Sicherheit, mit der die Mehrzahl der Mitosen ihre typische Beziehung zur schwesterlichen Berührungsfläche auf- recht erhält, den Wert der hier aufgezählten Ausnahmen nicht allzu hoch einzuschätzen. Ich selbst habe ja in der Einleitung darauf hingewiesen, daß Riesenbildungen stets teratologisch sind, und daß man sich nicht wundern dürfe, wenn man sieht, daß irgend eine wahrhaft typische und gesetzliche Beziehung zwar bei dem größeren Teile der Riesen, aber doch nicht bei allen in Geltung steht. Unsere Ausnahmen würden dann als Folgeerscheinung krankhafter Zustände des mitotischen Apparates zu entschuldigen und von der Beweisführung einfach auszuschließen sein, De RE Allein mit dieser Einrede ist hier nichts getan. Diejenigen Riesen, an denen wir ab- weichende Mitosen aufgefunden haben, machen durchaus nicht den Eindruck, als wenn sie kränker wären, als die übrigen. War es doch gerade der auf Taf. II, Fig. ı7 und ı8 dar- gestellte Riese, der uns durch die außerordentliche Genauigkeit, mit der seine Zellen den typischen Teilungsrhythmus befolgt hatten, in Staunen versetzte. Und ganz besonders lehr- reich ist, daß einer von den zuletzt genannten drei Riesen, bei denen die Spindel der Mittel- zelle EMSt horizontal gerichtet lag, dem zweiten Typus der T-Riesenentwickelung angehörte: denn die Riesen dieser Kategorie, denen es durch Vorgänge sehr überraschen- der Art nachträglich gelingt, die normale Konfiguration fast völlig herzustellen, können offenbar — soweit von einem solchen Unterschiede überhaupt die Rede ist — höchstens gesünder sein, als ihre Genossen vom ersten Typus. Demnach liegt die Sache so: das deskriptive Richtungsverhältnis einer Spindel zur Kontaktfläche der Schwesterzelle kehrt bei den T-Riesen zwar auffallend häufig wieder, aber bestimmt nicht immer. Dann kann unsere Analyse hiermit noch nicht zu Ende sein. Wir müssen weiter ver- suchen, ob etwa eine Richtungsbeziehung sich aufdecken läßt, die für sämtliche Mitosen normaler Eier und gesunder T-Riesen gültig ist. y. Verhältnis der Spindel zur Zellgestalt. ıE Nachdem wir weder in der ferneren Umgebung der Zelle noch in ihrer nächsten Nachbarschaft das von uns vermutete absolut konstante Richtungsmerkmal gefunden haben, untersuchen wir jetzt an dritter Stelle die Tragweite der deskriptiven Beziehung zwischen der Spindelrichtung der Zelle und ihrer eigenen Gestalt; ein Merkmal also, das zwischen außen und innen gleichsam die Grenze bildet, dennoch aber, da es wesentlich durch die Konfiguration der Umgebung bedingt wird, in physiologischem Zusammenhange der Umgebung zugezählt werden darf. Die Zellgestalt hat uns schon früher beschäftigt. Als wir am Eingang dieses Kapitels Antwort auf die Frage suchten, ob die geregelte Teilungsrichtung ein aktiver oder passiver Vorgang sei, da ergab sich, daß die Zellgestalt auf keinen Fall als die unmittelbare, mechanische Ursache der typischen Spindelrichtung gelten kann. Natürlich aber schließt dieser Nachweis die Möglichkeit, daß die Form der Zelle sich in der Rolle eines orien- tierenden Reizes am Einstellungsvorgange beteilige, noch lange nicht aus. Ja, eine solche Vorstellung ist, physiologisch angesehen, sogar ganz wahrscheinlich. Die Zellgestalt besitzt ja in der normalen Ontogenesis alle Eigenschaften, deren ein Orientierungsmittel be- darf: sie ist erstens an jeder Zelle durch die besondere Stellung, Zahl und Form ihrer Flächen und Kanten nach verschiedenen Richtungen hin charakterisiert, und zweitens ist sie in allen Fällen typisch vorgeschrieben. Wenn nun der mitotische Apparat so eingerichtet wäre, daß er die Zelloberfläche — z. B. durch die Vermittelung der Strahlen- figuren — gleichsam „spürte“, und auf den Reiz einer besonderen Konfiguration mit einer bestimmten, adäquaten Bewegung antworten müßte, so könnten wohl die Spindeln auf solche Art in die für jede vorgeschriebene Stellung geleitet werden. —ı Ki Eins steht in dieser Angelegenheit allerdings ohne weiteres fest: daß nämlich auf keinen Fall die exakte Normalgestalt mit allen ihren Einzelheiten zur richtigen Einstellung der Spindeln erforderlich ist. Denn bei den meisten T-Riesen hat kaum eine einzige Zelle genau dieselbe Form wie in der normalen Entwickelung; und dennoch ist, wie der bisherige Gang unserer Analyse ergeben hat, zum mindesten bei einem guten Teile ihrer Mitosen die Spindelstellung eine „typische“. Um an ein Beispiel zu erinnern: Die Zelle B des vierzelligen Stadiums hat bei T-Riesen stets abnorme Gestalt, nämlich eine Kontaktfläche weniger, als in der normalen Entwickelung; ihre Spindel aber liegt ausnahmelos, wie nach typischer Instruktion, horizontal und quer zur Medianebene. Die genaue, typisch detaillierte Zellgestalt kann also der orientierende Reiz nicht sein. Das war ja aus physiologischen Gründen wohl auch gar nicht anzunehmen; es ist viel eher wahrscheinlich, daß nur die gröbere Form der Zelle in Frage kommt. Liefert dann vielleicht das Maßverhältnis der Zelldimensionen, die Lage der längsten oder kürzesten Achse den richtungsbestimmenden Reiz? — Auch dies ist — wenigstens für zwei prägnante Fälle — bereits widerlegt: Im Stadium II dürfen ja die Achsen beider Zellen, wie wir gesehen haben, durch Deformation beliebig verkürzt oder verlängert werden, ohne daß doch die typische Orientierung ihrer Spindeln darum verloren ginge. Es gibt aber noch eine dritte Art, die Beziehung zwischen Spindelrichtung und Zell- form aufzufassen: wenn nämlich unter „Zellgestalt‘ das Symmetrieverhältnis der Zelle verstanden wird. Die weitaus größte Mehrzahl der ruhenden Zellen im Ascariskeim besitzt auf Grund der vorherrschend radiären Gruppierung einachsig-symmetrische Gestalt; die. Sym- metrieachsen ziehen vom Zentrum des ganzen Keimes peripherwärts durch den Schwerpunkt der betreffenden Zelle bis zum Mittelpunkt ihrer freien, gewölbten Außenfläche. Im be- sonderen kann — je nach der Zahl der vorhandenen Berührungsflächen — die axiale Symmetrie eine allseitige sein, z. B. bei den zwei ersten Furchungszellen; oder eine di- symmetrische, — so bei den vier Blastomeren des rhombisch geordneten Stadium IV; oder endlich, und das gilt für beinahe alle oberflächlich gelegene Zellen der folgenden Stadien, eine mehr oder minder genau polysymmetrische. Es gibt ferner noch eine Anzahl ausge- prägt bilateraler Zellen innerhalb der ventralen Zellfamilie, und schließlich auch asym- metrische. Nun wäre denkbar, daß der Richtungsreiz, dessen eine Mitose zu ihrer vorschrifts- mäßigen Orientierung bedarf, weder in der genauen Normalform der Zelle, noch im Maß- verhältnis der Dimensionen, sondern eben in der von beiden unabhängigen Symmetrie be- stände. Insbesondere würde ein Reizmechanismus, der bedingt, daß die Spindel einer axial- symmetrischen Zelle sich allemal in die Richtung der Symmetrieachse einstellen muß, gleichviel ob diese Achse kürzer oder länger ist, als der quere Durchmesser, oder ob ihre relative Länge gar experimentell verändert wurde, physiologisch ziemlich leicht vorstellbar sein. Und fassen wir jetzt die deskriptive Beziehung zwischen Zellform und Spindelstellung im Sinne dieser Annahme auf, so wäre in der Tat die Teilungsweise einer Zelle, nämlich der unteren Zelle P, des zweizelligen Stadiums, für alle bekannt gewordenen Fälle voll- ständig erklärt. a Allein bei weiterer Umschau finden wir sofort, daß die Beziehung der Spindel zur Zellsymmetrie doch ebensowenig Anspruch auf allgemein beständige Gültigkeit besitzt, als die zu den übrigen Modalitäten der Zellgestalt. Denn schon in den Zellen EMSt und P; des nächstfolgenden Stadiums hat offenbar die Lage der Symmetrieachse nichts mit der Teilungsrichtung zu tun. Diese beiden Blastomere sehen bei den T-Riesen zwar sehr viel anders aus, als in der normalen Entwickelung, sind aber nichtsdestoweniger hier wie dort von einachsiger Symmetrie. Während jedoch ihre Teilungsspindeln normalerweise einen schiefen Winkel mit der Symmetrieachse bilden (Fig. R p. 69), treten sie bei T-Riesen fast ausnahmelos in die — hier vertikal gestellte — Symmetrieachse selber ein. Und Ähnliches gilt für andere Zellen der ventralen Zellfamilie. 2. Nun aber ist folgendes bemerkenswert und auf den ersten Blick geeignet, unser schon fast abgeschlossenes Urteil über die physiologische Wertlosigkeit jeder Art von Zellgestalt für die Teilungsrichtung ins Wanken zu bringen: Vergleicht man die Klüftungsweise der oberen Familie, also der epithelial geordneten Nachkommenschaft der Ekto- dermzelle AB, unter normalen und abnormen Bedingungen, so findet man das Richtungsverhältnis der Mitosen zu den Symmetrieachsen überall gleich und unbe- dingt konstant. Sämtliche Familienglieder — mit zwei Ausnahmen — teilen sich nämlich normalerweise so, daß ihre Spindeln die Symmetrieachse recht- winklig schneiden, das heißt, da alle Achsen radiär gerichtet sind, sie teilen sich „paratangential‘“, parallel der Flächenrichtung des sich bildenden Epithels. Und dieses typische Verhältnis kehrt im primären Ektoderm der T-Riesen und anderer monströsen Keime mit ganz derselben Genauigkeit wieder, obwohl hier die Form der Zellen in Einzelheiten oft stark verändert ist. Z. B. hat die Zelle B des vier- zelligen Stadiums, die in der normalen Entwickelung drei ebene Kontaktflächen trägt, bei T-Riesen nur zwei; im völlig isolierten Ektoderm unseres Dreifachzwillings (Taf. IV, Fig. 55 und 56) verblieb ihr gar nur eine einzige Berührungsfläche, und ihre sonst doppelte Sym- metrie verwandelte sich in allseitige; aber die Spindeln wurden in jedem Falle ganz un- beirrt senkrecht zur Symmetrieachse eingestellt. So könnte es denn scheinen, als ob in der Tat für die Spindeln des primären Ekto- derms die Symmetrie der Zellgestalt einen Richtungsreiz von ausschlaggebender Bedeutung lieferte. Allein in Wirklichkeit ist das doch nicht der Fall. Denn wenn auch unleugbar eine kausale Verknüpfung zwischen Symmetrie und Spindelstellung in dieser‘Familie besteht, so handelt es sich doch, wie sich zeigen wird, nicht um die direkte Zuordnung von Reiz und Reaktion, sondern nur um einen ziemlich entfernten, durch mehrere Glieder vermittelten Zusammenhang. Das erste von diesen Gliedern ist eine Erscheinung, über die ich an anderer Stelle (1901) ausführlich berichtet habe. Bei sämtlichen Zellen des Ascariskeimes wird nach Ab- schluß der Mitose und Herstellung der axial-symmetrischen Ruheform die Lage der Sphäre innerhalb des Zellkörpers — eventuell durch mehr oder minder weite Wanderung — der- artig reguliert, daß die Sphäre distal vom Kern in die Symmetrieachse der Zoologica. Heft 40. 12 — 0. — Zellform zu liegen kommt; d.h. in ruhenden Zellen fällt die „Formachse“ mit der die Schwerpunkte des Kernes und der Sphäre enthaltenden „organischen Achse“ zusammen. Diese Erscheinung ist nun keineswegs auf die Zellen normaler Embryonen beschränkt, son- dern findet sich mit gleicher Zuverlässigkeit bei den T-Riesen, ja selbst bei völlig abnormen, sinnlosen Zellkonglomeraten, wie sie aus der Teilung stark pathologischer Riesenbildungen hervorgehen können. Es handelt sich also um eine gemeinsame, von morphologischer Be- deutung und spezieller Form ganz unabhängige Eigenschaft aller embryonalen Zellen von Ascaris. An diese durchaus generelle Erscheinung schließt sich nun, als nächstes Glied, eine andere, die für den Gesamtkeim nur teilweise, für das uns hier beschäftigende primäre Ektoderm jedoch unter allen Umständen gilt. Auch diese zweite Tatsache ist bereits be- kannt. Als in der Einleitung des Kapitels das deskriptiv-normale Verhältnis der Spindel- stellungen zu den organischen Achsen erörtert wurde, hat sich der charakteristische Unter- schied herausgestellt, daß die Spindeln der ektodermalen Zellfamilie — immer mit den erwähnten beiden Ausnahmen — die zugehörige organische Achse recht- winklig schneiden, indem die Tochtersphären von ihrem Ruhepunkte aus symmetrisch auseinandergehen; während andererseits die ventrale Familie allerhand verschiedene Winkel- verhältnisse bei ungleichmäßiger Wanderung der Centrosome erkennen läßt. Da nun im primären Ektoderm, wie überall, organische Achsen und Symmetrieachsen zusammenfallen, so ist für den Bereich der normalen Ontogenesis die auffallend konstante Beziehung der ektodermalen Spindeln zur Symmetrie schon jetzt erklärt. Und nun kommt als letztes Glied der Ursachenkette eine Tatsache, die zwar an sich neu ist, die aber, da sie an schon mitgeteilte Dinge anknüpft, sich nunmehr von selbst er- gibt. Es war hervorgehoben worden, daß die Ektodermzellen ihre Spindeln auch bei T-Riesen und überhaupt in jedem nur möglichen Begrenzungs- und Formzustande senk- recht zur Symmetrieachse orientieren. Nun sind auch in diesen abnormen Zuständen, wie uns bekannt ist, Symmetrieachsen und organische Achsen durchweg gleichbedeutend. So besteht denn offenbar die alles verbindende Tatsache einfach darin, daß die charak- teristische Teilungsweise der normalen Ektodermzellen, das gleichmäßige Auseinandergehen der Tochterzentren und die zur organischen Achse senk- rechte Spindel, auch unter abnormen Formverhältnissenzerhalten bleibt. Hierin unterscheiden sich die Ektodermzellen abermals von jenen Blastomeren der ventralen Zellfamilie, bei denen die Spindeln andere als rechte Winkel mit den organischen Achsen bilden, speziell von P,;, und EMSt. Denn diese beiden Zellen verändern, wie oben mit- geteilt wurde, in der T-Riesenentwickelung das normale Verhältnis ihrer Spindelstellung zur Achse ihrer Symmetrie; und wir wissen ja, daß dann zugleich die normale Be- ziehung zwischen Spindel und organischer Achse verloren geht. Allein dieser bemerkenswerte Unterschied in der Teilungsweise jener ventralen Blastomere auf der einen und fast des gesamten Ektoderms auf der anderen Seite erscheint uns bei genauerer Betrach- tung beinahe selbstverständlich. Schon durch das Studium der deskriptiv-normalen Verhält- nisse sahen wir uns zu dem Schlusse gedrängt, daß bei der Teilung der ventralen Zellen P,, Ps, und EMSt kein kausaler Zusammenhang zwischen der Ruhelage des Centrosoms am distalen Ende der organischen Achse und der Teilungsrichtung bestehen könne: die Her- =, Om stellung eines typischen, aber nicht senkrechten Winkelverhältnisses zwischen beiden durch geregelt ungleiche Wanderung der Centrosome schien physiologisch allzu kompliziert zu sein; ferner erwies sich die Bewegungsart der Tochtersphären nicht einmal für eine und dieselbe Zelle als konstant, und selbst die Ruhelage des Centrosoms fanden wir bei P; und EMSt variabel. Diese a priori gewonnene Vorstellung ist also jetzt, wenn es noch nötig war, durch das Verhalten derselben Zellen bei T-Riesen bestätigt worden. Dahingegen sahen wir keinen Grund zu bezweifeln, daß die unter allen Umständen quere Spindelstellung der Ektodermzellen wirklich die Folge der gleichmäßigen Wanderung ihrer Tochtersphären- paare sei. Denn hier ist die Bewegungsart der Sphären erstens konstant, zweitens aber und vor allen Dingen: sie ist physiologisch das Einfachste und Natürlichste, was es geben kann, —- diejenige Geschehensart, die allemal von selber eintreten muß, wenn auf die rela- tive Geschwindigkeit der Tochterzentren gar keine besonderen Ursachen wirken. In der Tat begegnen wir dieser allgemeinsten Form der Zentrenbewegung und Spindelstellung aus- nahmelos bei der Klüftung der völlig abnormen Riesengebilde, deren improvisierte Zellen natürlich auf nichts anderes eingerichtet sind, als eben auf Vermehrung schlechthin. Dann aber ist selbstverständlich, daß auch die Zellen des Ektoderms sich ihre primitive „paratangentiale“ Teilungsweise unter abnormen Bedingungen unverändert, — man könnte sagen: erst recht bewahren werden. Somit ist diese Angelegenheit, die uns für einen Augenblick bedenklich machte, jetzt aufgeklärt. Die Symmetrie der Zellgestalt spielt in der Tat als Richtungsreiz eine Rolle; aber sie wirkt nicht auf die Spindel der in Teilung begriffenen Zelle, sondern lange vorher auf die axiale Einstellung des ruhenden Kernes und der Sphäre, -— und zwar ganz gleich- mäßig bei allen Zellen des Ascariskeimes. Und wenn im primären Ektoderm das so ge- schaffene feste Verhältnis zwischen organischer Achse und Zellsymmetrie eine gleichfalls konstante Beziehung zwischen Symmetrie und Spindel nach sich zieht, so beruht dies. auf etwas Negativem, auf der Abwesenheit besonderer, die Spindel in ein anderes Winkel- verhältnis überführender Faktoren, wie sie bei anderen Mitosen tätig sind. Auf keinen Fall aber würde die typische Spindelstellung der ektodermalen Zellen iereh jenen entfernten Zusammenhang mit der Symmetrie „erklärt“. Denn mit der Bestimmung, daß eine ektodermale Spindel sich quer zur Symmetrieachse ihrer Zelle orientieren muß, wäre ja nur eine Ebene zulässiger Spindelstellungen festgelegt; und um der Spindel die Auffindung der typischen Spezialrichtung innerhalb dieser Ebene zu ermöglichen, müßte allemal noch ein besonderer, bis jetzt unbekannt gebliebener Richtungsreiz vorhanden sein. 3. Die Frage, ob die äußere Gestalt der Zellen den orientierenden Reiz für alle Teilungs- richtungen liefere, ist nunmehr endgültig gelöst. Die Antwort lautet durchaus verneinend. Und damit ist unsere letzte Hoffnung, außerhalb des Zellinneren den allgemeinen mitotischen Richtungsreiz aufzufinden, zu nichte geworden. Unter solchen Umständen ist unserer Analyse folgender weitere Weg vorgezeichnet. Wir untersuchen, ob vielleicht eine bisher unbeachtete — weil schwer erkennbare — Be- ziehung der Spindelstellung zu inneren Richtungen der Zelle sich dadurch, daß sie re bei T-Riesen immer erhalten bleibt, als die gesuchte kausale und allgemeine Beziehung enthüllen werde. Mißglückt auch dieser letzte Versuch, so steht uns die unerfreuliche Wahl bevor, ob wir lieber an das Vorhandensein eines buntscheckigen Durcheinanders grundver- schiedener Reizmechanismen glauben, oder aber das Problem des mitotischen Richtungs- reizes als vorderhand unlösbar beiseite legen wollen. Ich verrate aber im voraus, daß uns diese ultima ratio erspart bleiben wird. C. Spindelstellung und innere Richtungen. I. Einführung. Wie in den früheren Abschnitten des Kapitels wollen wir, ehe die eigentliche Analyse beginnt, uns klar zu machen suchen, wie denn eininnerer Reizmechanismus, der die typische Einstellung der Spindeln für alle Dimensionen garantiert, beschaffen sein müßte. Die Auseinandersetzung wird länger sein, als die früheren, aber sie ist unentbehrlich und geschieht, da wir diesmal zum Ziel gelangen, ja nicht umsonst. ie Zunächst eine wichtige Vorfrage. Wenn zwischen der regellos schwankenden jungen Spindel einerseits und dem „Zellinnern“ andererseits eine typisch orientierende Wechselwirkung sich vollziehen soll, so setzt dies natürlich voraus, daß in dem die Spindel umgebenden Zellprotoplasma zur Zeit der Einstellung irgend eine fest und typisch lokalisierte Diffe- renzierung vorhanden ist. Dem Auge aber erscheint das Plasma der Furchungszellen weder axial noch bilateral noch sonstwie differenziert, sondern völlig isotrop. Und so stehen wir denn vor der Aufgabe, zu prüfen, ob die Spindel ein typisches Richtungsverhältnis zu etwas gänzlich Unsichtbarem beibehält, — ein Unternehmen von einer, wie man denken sollte, wahrhaft verzweifelten Schwierigkeit. Allein das Vertrauen auf glücklichen Erfolg der Analyse gewinnt wieder Raum, so- bald wir uns über die Herkunft der geforderten Differenzierung klar geworden sind. A priori wäre denkbar, daß sie erst dann, wenn sie gebraucht wird, also etwa zur Zeit der Mitose, sich innerhalb des Zellprotoplasma bildete, und daß vorher das Plasma der Zelle wirklich ein überall gleichartiges, isotropes Substanzgemisch wäre, wie es dem Auge er- scheint. Aber das kann nach unseren bisherigen Ergebnissen bestimmt nicht sein. Es ist doch klar, daß ein nachträgliches typisch gerichtetes Differenziertwerden des isotrop ge- dachten Zellleibes wiederum die Mitwirkung irgendwelcher Orientierungsmittel, die bereits vor- her typisch lokalisiert sind, voraussetzen würde. Wo aber fänden wir solche? Da offenbar irgend ein Faktor, der die Richtung der Plasmadifferenzierung typisch bestimmte, hierdurch zugleich zur späteren Spindelstellung in ein genau ebenso konstantes Verhältnis gelangen würde, als wenn er direkt auf die Spindelstellung selber wirkte, so gälte das ganze Protokoll, das wir über die unmittelbaren Ursachen der Spindelstellung bisher aufgenommen haben, hier Satz für Satz nocheinmal. Demzufolge kämen als allgemeines Örientierungsmittel für ra eine neu zu bildende plasmatische Differenzierung weder die Form der Zelle, noch ihre Um- gebung in weiterem und engerem Kreis, noch auch — nach den Angaben der deskriptiven Einleitung — Kern und Sphäre in Betracht. Das heißt aber nichts anderes, als daß die gesuchte Differenzierung überhaupt nicht neu auftreten kann. Also muß der differen- letzte, aenpisch serichtete, Bau, der nach unserer Annahme zur Zeit der Spindeleinstellung im scheinbar isotropen Plasma jeder Zelle vorhanden ist, von der Geburt der Zelle an, als Erbteil von der Mutterzelle, bestanden haben. Dieser Nachweis ist es, der uns die Möglichkeit verschafft, in eine spezielle Analyse der inneren Reizmechanismen einzutreten. Denn wenn auch für unser Auge ein angeborenes Gerichtetsein des die Spindel umschließenden Zellprotoplasma natürlich ebenso unsichtbar bleibt, als dies bei nachträglichem Auftreten der Fall gewesen sein würde, so bietet doch die unmittelbare Anknüpfung an die Geburt, d.h. an einen Zustand, in dem die Zelle typische innere Richtungen mit aller Deutlichkeit erkennen läßt, die Mög- lichkeit exakter Lagebestimmung. Der Spindelanteil, der auf die junge Tochterzelle entfällt, samt Chromosomen, Sphäre und der das Plasma zum Teil durchdringenden Strahlenfigur markieren innerhalb der Zelle eme axiale Symmetrie. Und es ist klar, daß diese „primäre Achsen- richtung“, wie wir sie künftig nennen wollen, zu einer angeborenen und typisch ge- lagerten, wenn auch unsichtbaren Differenzierung des Zellprotoplasma unter allen Umständen in einer konstanten räumlichen Beziehung stehen müßte. Denken wir uns die zur Orien- tierung der Spindel dienende Plasmastruktur z. B. als eine axiale, so könnte dieselbe mit der Primärachse zusammenfallen oder sie senkrecht schneiden oder irgend einen schiefen, aber typisch bemessenen Winkel mit ihr bilden. Oder, falls die Spindel von einer strukturell hervorgehobenen, durch den Mittelpunkt der Zelle gehenden Ebene geleitet würde, so gälte für deren geometrisches Verhältnis zur Primärachse entsprechendes. Und da man sich die Richtung der Primärachse auch dann noch, wenn die Strahlung schwindet und Kern und Sphäre ihren Platz verlassen haben, geometrisch im Inneren der Zelle fixiert denken kann, so müßte später zwischen ihr und der fertig eingestellten Spindel ein nicht minder einfaches Raumverhältnis zu Tage treten. Nun aber wäre die Lage einer etwaigen Reizstruktur im Zellleib durch ihr Verhältnis zur Primärachse doch nur für zwei Spezialfälle komplet und eindeutig bestimmt, nämlich dann, wenn eine lineare Struktur mit der Achse zusammenfiele, oder eine flächenhafte zu ihr senkrecht stände. In allen sonstigen Fällen hätten wir durch die Kenntnis jener Be- ziehung nur geometrische Örter unendlich vieler möglichen Situationen festgelegt. Allein die Methode erlaubt zum Glück insofern eine durchgreifende Erweiterung, als es möglich ist, auch das primäre Gerichtetsein der Mutterzelle und selbst noch älterer Generationen mit in Rechnung zu ziehen. Da eine neugeborene Zelle einfach die Hälfte ihrer Mutterzelle ist, so gehen irgendwelche definierte und bis zum Schluß geometrisch fest- gehaltene innere Richtungen der Mutter bei der Geburt in den Besitz der Tochter über und vermehren daselbst die Zahl der bekannten, zur Raumbestimmung tauglichen Elemente. Fassen wir z. B. den Fall ins Auge, daß die Mitose, durch die eine bestimmte Zelle ge- boren wurde, quer zur primären Achse der Mutterzelle gerichtet war; dann bezeichneten RN innerhalb der Mutterzelle Spindel und Primärachse eine Ebene, die von der Tochterzelle als ihrer Lage nach genau bekannte „primäre Sagittalebene‘‘ übernommen wird; und sogleich erweitert sich die Möglichkeit, etwaige Richtungsstrukturen in dieser Tochterzelle räumlich festzulegen. Wır wären z. B. zur endgültigen Lokalisation einer axialen Struktur auch dann noch im stande, wenn dieselbe quer zur Primärachse gerichtet wäre: sie könnte sowohl innerhalb der übernommenen Sagittalebene als senkrecht zu ihr gelagert sein. Und je nach Bedarf würde man aus der jüngeren oder älteren Vorgeschichte der Zelle andere typisch festgelegte Richtungen in solcher Menge beziehen können, daß Aussicht auf die Möglich- keit besteht, sämtliche axialen oder flächenhaften Strukturen, deren die Hypothese bedarf, eindeutig zu lokalisieren. — Jede derartig bestimmte Raumbeziehung einer orientierenden Plasmastruktur zu „primären Richtungen“ hätte aber wiederum ein ebenso klares Verhältnis zwischen den primären Richtungen und der Spindel selber zur Folge. So leuchtet denn ein, daß unsere Aufgabe, die deskriptiv-normale Beziehung der Spindelstellungen zu inneren Strukturen des Zellleibes auf ihre Konstanz zu prüfen, an der Unsichtbarkeit der plasmatischen Differenzierungen keineswegs zu scheitern braucht. Wir setzen an Stelle der dem Blick entzogenen Struktur das zwar nicht jederzeit und in toto sichtbare, aber doch aus bekannten Daten rekonstruierbare „primäre Gerichtetsein“ ; und analysieren das Verhältnis zwischen diesem und der Spindel. Wenn sich zeigt, daß die normale Raumbeziehung. einer Spindel zu den primären Richtungen der be- treffenden Zelle bei T-Riesen unverändert wıederkehrt, so ist zugleich das Verhältnis: der Spindel zu irgend .einer unsichtbaren plasmatischen Ditse- renzierung konstant geblieben. Womit der Analyse ein Weg geebnet ist. 2: In praxi freilich kann die Anwendung des Verfahrens unter Umständen schwierig sein. Denn seine unentbehrliche Voraussetzung, daß man die Lage der primären Richtungen einer Zelle zur Zeit ihrer Mitose auch wirklich kennt, ist keineswegs immer erfüllt, — nicht einmal für den Bereich der normalen ÖOntogenesis. Ja, wenn die Zellen samt und sonders von der Geburt bis zur Teilung in ihrer Situation verblieben, dann freilich ginge aus dem deskriptiven, ein für allemal festgestellten Teilungsplane ohne weiteres hervor, welchen Winkel irgend eine Spindel mit der Primärachse der eigenen oder einer voraus- gegangenen Zelle bildete. Aber das gilt höchstens für einige Blastomere der früheren Stadien. Die Mehrzahl der Zellen erleidet typische und zwar zum Teil sehr ausgiebige Ver- schiebungen, wohl gar auch Drehungen, und da das primäre Gerichtetsein natürlich mit ge- dreht oder verschoben wird, so müßte bei der Rekonstruktion der primären Richtungen der Winkelwert der Gesamtbewegung auf das genaueste verrechnet werden. Aber das ist nun eben das Erschwerende, daß man Vorhandensein und Ausmaß solcher die primäre Richtung verändernden Bewegungen noch längst nicht immer kennt. Denn wenn wir auch über alle größeren, mit beträchtlicher Dislokation verbundenen Zellverschiebungen der regulären Ent- wickelung gut genug unterrichtet sind, so ist doch manchmal schwer zu sagen, ob eine gleitende Zelle sich während ihrer Wanderung dreht und wie sie sich dreht, und ob nicht gar solche Blastomere, die ihren Platz im Keimganzen überhaupt nicht ändern, trotzdem — 9 — einer passiven Drehung durch wandernde Nachbarinnen unterworfen sind. Die deskriptive Forschung hat diese Verhältnisse bisher ignoriert; so muß denn in der folgenden Analyse auf die entsprechende Vertiefung unserer Kenntnis einige Mühe und ziemlich viel Raum ver- wendet werden. Noch sehr viel schwieriger aber stellt sich die Sache dar, wenn es sich um die Re- konstruktion primärer Richtungen an dem atypisch verlagerten Zellenmateriale der T-Riesen handelt; denn hier kommt das allererschwerendste Moment hinzu: die reichlich gebotene und in den höheren Stadien kaum mehr zu kontrollierende Möglichkeit atypischer Gleit- und Drehungsbewegungen. Wir werden darum, sobald über das Verhalten einer T-Riesen- zelle nicht völlige Klarheit herrscht, auf anscheinend negative Ergebnisse nur geringes Ge- wicht legen dürfen. Und nur den positiven Fällen, in denen die typische Beziehung der Spindel zur primären Richtung nachweislich erhalten bleibt, erkennen wir volle Beweiskraft zu. Das Folgende wird zeigen, daß positive Fälle solcher Art — vor allem in den frühen, leicht und sicher zu überschauenden Entwickelungsstufen — in ganz genügender Menge vor- handen sind. 3. Wird nun die Analyse der Teilungsrichtung mit Hilfe der hier angegebenen Methode fortgeführt, so verspricht sie sogar noch mehr, als nur die allgemeine Entscheidung, ob die typische Orientierung der Spindeln überhaupt von inneren Strukturen kausal abhängig sei: es werden sich auch über die speziellere Beschaffenheit der unsichtbaren Differen- zierungen — wenn solche vorhanden sind —, vor allem über die äußerst wichtige Frage nach ihrer Herkunft wertvolle Informationen gewinnen lassen. Unser Leitstern bei den hierauf gerichteten Untersuchungen ist, wie immer, das Prinzip der Sparsamkeit. Man könnte freilich zunächst auf den Gedanken kommen, gerade in diesem Falle sei von einer ökonomischen Stufenfolge verschiedener Möglichkeiten wohl kaum die Rede. Falls die Geschichte der T-Riesen in der Tat den Beweis erbringen wird, daß jede typisch gerichtete Spindel eine besondere, festliegende Struktur im zugehörigen Zellleib erforderlich macht: müßte dann nicht diese der Zelle angeborene Differenzierung überhaupt vom An- fang der Entwickelung an vorhanden gewesen sein? Die kausale Unabhängigkeit von der Umgebung gilt doch wohl, wie schon beim Rhythmus dargelegt wurde, nicht nur für die einzelne T-Riesenzelle, sondern für ihre gesamte, abnorm gelagerte Vorfahrenreihe bis herauf zum T-förmigen Vierzellenstadium, wohl gar zum Ei; auf keiner dieser Stufen könnte eine Einwirkung von außen her Veranlassung zur Ausbildung der typischen Reizstruktur ge- geben haben. Wenn aber der unentwickelte Keim einmal mit einer solchen Masse präfor- mierter und im Hinblick auf spätere Leistungen bereits typisch gerichteter Strukturen be- lastet werden muß — ist es dann in ökonomischer Hinsicht nicht ganz egal, ob diese Differenzierungen im einzelnen so oder so beschaffen und gerichtet waren? Allein gar so hoffnungslos für den Komplikationsetat des Eies liegen die Dinge nicht, wenigstens nicht a priori. Sondern in zweierlei Hinsicht könnten sehr bedeutende Erspar- nisse erzielbar sein. Erstens wäre möglich, daß nicht für jede einzelne Spindelstellung eine separate Richtungsstruktur im Eiplasma vorhanden wäre, sondern mehrere oder viele Mitosen ihre Direktion von einer gemeinsamen Strukturanlage aus er- — 96. — hielten, die anfangs vielleicht eine gerade Linie oder Fläche bildete und erst allmählich durch den Prozeß der Klüftung und geordneten Zellenverschiebung zersprengt, gebrochen, in ihren Teilen verdreht würde. Durch die genaue, generationenlang fortgeführte Kontrolle der primären Richtungen würde ein derartiger Zusammenhang, der offenbar das Ei in hohem Maße zu entlasten vermöchte, zu ermitteln sein. Zweitens aber bietet sich noch eine andere, überaus ökonomische Möglichkeit. Es wäre denkbar, daß die Richtungsstrukturen nicht durchweg vom Ei her ererbt, sondern — wenigstens zum Teil — während des Entwickelungsverlaufs, und zwar durch bekannte interne, typisch gerichtete Prozesse de novo gebildet würden. Vor allem kämen hierfür die mitotischen Vorgänge selber in Betracht. Wenn die „primäre Achse“ einer Zelle, nachdem Spindel und Strahlen zurückgebildet sind, für das Auge ver- schwindet, so könnte doch eine strukturell hervorgehobene Spur ihrer Lage im Plasma dauernd übrig bleiben; und es wäre möglich, daß die Spindel der Zelle “ den richtenden Reiz erhielte. Und ebenso wäre denkbar, daß von der Mutter- und Großmutterzelle auf gleiche Weise in sich selbst ge- schaffene Strukturen im Erbgang auf die Tochter übertragen würden, die dann bei ihrer von dieser „primär-axialen Differenzierung‘ Geburt ein ganzes System verschiedenartig gerichteter, typisch geordneter Differenzierungen und dadurch die Mittel erhielte, mannigfache typische Spindelstellungen herbeizuführen. Als letztes Ziel aber winkte die Möglichkeit, daß das ungeteilte Ei von präformierten Richtungs- strukturen gänzlich entlastet und statt dessen der fortschreitende Klüftungsprozeß als Lieferant aller benötigten Strukturen in Pflicht genommen würde. — Manchem Leser wird diese ganze Vorstellung freilich nicht sympathisch sein, und ich sage ja gar nicht, daß sie mir selber gefällt. Abgesehen davon, daß man derartiges noch nie gehört hat, spricht auch eine gewisse, der Hypothese anhaftende Überempfindlichkeit gegen sie: jede kleine Abweichung der Spindelstellung müßte sich ja bei folgenden Generationen in steigendem Maße schädlich geltend machen. Allein darauf kommt hier nichts an. Die Annahme nachträglicher Ent- stehung der Reizstrukturen durch ohnehin vorhandene, typisch gerichtete Vorgänge im Innern der Zelle wäre jedenfalls im höchsten Grade sparsam und muß daher, wenn unsere Analyse auf festem Grunde erbaut werden soll, mit allem Ernst erörtert werden. II. Spindelstellung und innere Richtung am normalen Keim. Nach Erledigung dieser ausgedehnten, aber unvermeidlichen Präliminarien wenden wir uns zunächst zu der Frage: Wie sind in der normalen Ontogenesis die Spindeln gegenüber den primären Richtungen orientiert? Hiermit aber verknüpfen wir aus technischen Gründen sogleich noch weiteres. Da nämlich, wie oben dargelegt, jedes deskriptiv erkannte Verhältnis zwischen Spindel und pri- märem Gerichtetsein auf wirklich kausalem Zusammenhange beruhen könnte, eventuell auch die Möglichkeit besteht, die ursprüngliche Gemeinsamkeit zahlreicher Strukturen zu beweisen, so empfiehlt es sich, von Fall zu Fall in unmittelbarem Anschluß an den deskriptiven Befund die Frage nach den erforderlichen Reizmechanismen und ihrer Herkunft klarzustellen. Darum soll auch die größere oder geringere Einfachheit der Mechanismen in struktureller wie ge- netischer Hinsicht maßgebend für die Reihenfolge sein. ee il Natürlich gibt es keine einfachere Möglichkeit, als die, daß eine Spindel ın die Richtung der primären Achse selber zu liegen kommt. Bau und Entstehung der orientierenden Reizstruktur wären in diesem Falle höchst ökonomisch, und die Reaktions- weise der Spindel desgleichen. Nach dieser „rein axialen‘‘ Methode, die übrigens als „ein- reihige Zellvermehrung‘“ bei fremden Geschöpfen oft einen bedeutenden Anteil an der Ent- wickelung nimmt, teilt sich z. B. die Zelle P, und einige andere. 2. Aber die rein axiale Teilungsweise spielt doch im jungen Ascariskeim eine be- schränkte Rolle. Fast immer sieht man die Spindeln mit den primären Achsen bestimmte, für die betreffende Zelle natürlich genau vorgeschriebene Winkel bilden. Und unter allen Möglichkeiten ist wohl die verbreitetste die, daß die Spindel zur primären Achse ge- nau senkrecht steht. So z. B. bei der Zelle AB, ihren beiden Töchtern A und B, bei der Nachkommenschaft der Ektodermzelle all (IAri nach meiner früheren Bezeichnung, vgl. 1896a Taf. IX, Fig. 44—48) durch drei Perioden hindurch, ferner bei den ersten Teilungen in der Schwanzzellen- und Darmgruppe, und manchen anderen. — Wie kann nun diese scharf markierte und anscheinend mit einer gewissen Vorliebe verwendete Beziehung zwischen Spindel und primärer Achse durch einen inneren Reizmechanismus vermittelt sein? Zunächst ist wohl ohne viel physiologisches Bedenken die Annahme erlaubt, daß die betreffenden Spindeln auf den von der Achsenrichtung ausgehenden Reiz nicht mit Längs-, sondern mit Querstellung reagieren, oder auch, was auf das Gleiche hinauskommt, daß im Plasma der Zelle von der Ursprungsmitose her eine zur primären Achse senk- rechte „Schichtung“ zurückgeblieben ist, in deren Fläche die Spindel sich orientiert. Aber damit wären wir noch keineswegs am Ziele. Denn offenbar ständen wir wieder, wie schon mehrfach, der Tatsache gegenüber, daß die von uns angenommene Wechselwirkung nicht die endgültige Lage der Spindel, sondern nur eine Ebene mög- licher Spindelstellungen gewährleistete. Nun wird bei allen den Spindeln, um die es sich hier handelt, die endgültige Orien- tierung innerhalb jener Ebene durch eine und dieselbe deskriptive Ortsbestimmung präzisiert: sie liegen nämlich sämtlich zugleich paratangential, denn sie gehören ausnahmelos solchen Zellen an, bei denen die Spindel auf Grund symmetrischer Bewegung der Tochter- sphären quer zur organischen Achse gebildet wird. Hierin aber bietet sich, wie man leicht erkennt, eine willkommene Möglichkeit, mit sehr geringem Aufwand an Komplikation eine Erklärung aller dieser Spindelstellungen aufzufinden. Es steht bis jetzt der Annahme nichts im Weg, daß die paratangentiale Teilungsweise, obwohl auch sie immer nur eine Ebene von Möglichkeiten zu bestimmen vermag, ein physiologisch selbständiger, durch eigene Kausalität geregelter Vorgang ist. Denken wir uns nun die fraglichen Mitosen, z. B. die von A und B (Fig. Z p. 98) so eingerichtet, daß ihre Spindeln erstens paratangential gebildet werden, zweitens sich quer zur primären Achse stellen müssen, so erhalten zwei Ebenen Einfluß auf ihre Lage, die, wenn sie sich schneiden, in ihrer Schnittlinie die Stellung der Spindel eindeutig bestimmen. Und bis zum etwaigen Beweis des Gegenteils wird diese sehr Zoologica. Heft 40. 13 et ökonomische Hypothese für alle hierher gehörigen, „quer-paratangentialen“ Spindelstellungen zu acceptieren sein. >. Nicht ganz so wohlfeil gelingt die Erklärung einer weiteren Art von Spindelrichtungen, die im Ascariskeim nach der zuletzt betrachteten wohl am verbreitetsten ist. Es handelt sich gleichsam um eine Übertragung der „einreihigen“ Teilungsweise ins Sphärische. Viele paratangentiale Spindeln scheinen, wenn man senkrecht zur gewölbten Oberfläche des Embryo auf sie blickt, die Richtung der primären Achse — die von der Mitose der Mutterzelle her bekannt ist — ganz genau einzuhalten, während doch bei veränderter Betrachtung sogleich erkennbar wird, daß beide Richtungen miteinander einen nach innen offenen, je nach dem Wölbungsgrade des Epithels mehr oder minder stumpfen Winkel bilden. Dabei liegen die Spindel, die primäre Achse ihrer ?. AA. Stadium IV, von rechts, jedoch etwas schräg von hinten und oben Teilung von P,. Nach z. Str. 1896 a, gesehen. Die Pfeile bezeichnen die organischen Achsen von A und Taf. V, Fig. 11c. p...a gemeinsame Primär- B; p-..a, gemeinsame Primärachse der beiden Zellen. achse von P, und C. Zelle und, falls inzwischen keine seitlichen Verschiebungen vorgekommen sind, die Spindel der Mutterzelle sämtlich in einer Ebene, die auf der Wölbung der Gesamtoberfläche ungefähr senkrecht: steht. Wenn nun das betreffende Epithelstück sehr flach und demzufolge der Winkel, den eine Spindel mit der in gleicher Flucht gelegenen Mutterspindel bildet, ein sehr stumpfer oder fast gestreckter ist, so hält man eine besondere Untersuchung dieser „gleichsinnigen” Teilungsweise — wie wir sie nennen wollen — vielleicht für überflüssig, Man denkt, daß solche Spindeln ganz einfach, wie die von P,, in die primäre Achse ihrer Zelle orientiert werden, und daß eine leichte, der Wölbung entsprechende und durch sie bewirkte Drehung oder Verbiegung der primären Achse für die geringe Winkeldifferenz verantwortlich seı. Allein es gibt in frühen Stadien der Ontogenesis Fälle solcher Teilungsweise, bei denen die relative Wölbung des Zellkomplexes doch zu stark, der Winkel, den Spindel und primäre Achse miteinander bilden, viel zu markiert ist, als daß man ihn für physiologisch be- deutungslos erklären dürfte. Betrachten wir z.B. die Teilung der in der Medianebene gelegenen Keimbahnzelle P, (Fig. AA). Diese Zelle ist samt ihrer Schwester C aus einer genau medianen und zwar ursprüng- = od lich horizontal gelagerten Mitose hervorgegangen. Noch während der Durchschnürung aber wurde das Schwesternpaar am kaudalen Ende des Embryo steil emporgerichtet und schließ- lich sogar — immer in der Medianrichtung — hakenförmig umgekippt. Diese ganze Lage- veränderung war jedoch augenscheinlich eine gemeinsame; d. h. die Berührungsweise der beiden Schwesterzellen und das gegenseitige Verhältnis ihrer inneren Richtungen blieb trotz aller Bewegungen unverändert so, wie es sich bei der Geburt herausgebildet hatte. Dann muß offenbar auch die primäre Achse der Zelle P, zur Zeit ihrer eigenen Mitose immer noch in der zentralen Verbindungslinie beider Schwestern gelegen sein. In diese Richtung aber wird die Spindel unserer Zelle nicht eingestellt. Betrachtet man den Embryo von seiner Hinterseite, so sieht man zwar die Spindel in gleicher Flucht mit den primären Achsen der Schwesterzellen und scheinbar senkrecht zu deren gemeinsamer Kontaktfläche liegen. Im Profil aber (Fig. AA) erkennt man sofort die wahren Verhältnisse: die Spindel von P, liegt, wie ihre primäre Achse, genau median, aber zugleich paratangential und bildet darum mit der Achse einen Winkel, der bei der starken Wölbung dieses Be- zirkes ein ganz erheblicher ist. Wie muß nun die plasmatische Differenzierung der Zelle P, und anderer Blastomere von „paratangential-gleichsinniger“ Teilungsweise beschaffen sein, damit sie befähigt werden, der Spindel zu ihrer typischen Einstellung den Weg zu weisen. Natürlich wird für die Einhaltung der Paratangentialebene wiederum, wie es bei Zellen dieser Kategorie ein für allemal geschieht, die Eigenschaft ihrer mitotischen Apparate, die Spindel quer zur organischen Achse auszubilden, verantwortlich gemacht. Aber für das eigentlich zu er- klärende, die spezielle Richtung innerhalb der Paratangentialebene, kommen wir mit der Annahme einer primär-axialen oder zur Primärachse senkrechten Differenzierung, die bisher genügte, nicht mehr aus. Denn die Spindel wird hier weder in die primäre Achse, noch quer zu ihr, sondern in eine bestimmte, die Primärachse enthaltende Ebene eingestellt; und diese Ebene kann von seiten der beweglichen Spindel nur dann aufgefunden werden, wenn sie im Plasma durch irgend eine strukturelle, als Richtungsreiz dienende Besonder- heit gekennzeichnet ist. Bei der Zelle P, handelt es sich um die Medianebene; also denken wir uns.den Plasmaleib von P, zur Zeit der Mitose in der Richtung der Median- ebene differenziert, die Spindel aber so eingerichtet, daß sie innerhalb dieser medianen Ebene ihre Stellung nimmt. Und Analoges gilt für die anderen Fälle. Woher aber stammt die strukturelle Auszeichnung der Medianebene oder einer sonstigen, radiär zum Keimganzen gelagerten Ebene im Plasmaleib dieser Zellen? Daß hier die verlangte Struktur nicht durch die vorausgegangene Mitose allein entstanden sein kann, ist evident. Dennoch bietet sich eine vielversprechende Möglichkeit, ihr Auftreten auf ohne- hin vorhandene Geschehnisse im Innern der Zelle zurückzuführen. Jedes von diesen Blasto- meren erleidet, wie wir wissen, in der zwischen ihrer Geburt und ihrer Mitose liegenden Zeit da- durch eine innere Veränderung, daß die organische Achse ihre primär-axiale Anfangslage verläßt, in einer gegen die äußere Oberfläche des Embryo gewendeten Bahn sich „auf- richtet“ und endlich in der radiär gestellten Symmetrieachse der mittlerweile etablierten Zellgestalt zur Ruhe kommt. Nun wird durch zwei bekannte Richtungen: die primäre Achse einerseits und die endgültige Stellung der organischen Achse andererseits, die beide nicht zusammenfallen, innerhalb der Zelle — zunächst rein geometrisch — eine Ebene — 100 — bestimmt. Es wäre aber denkbar, daß dieser Ebene eine wirkliche Differenzierung des Zellleibes entspräche: sei es nun, daß die Endlage der organischen Achse ebenfalls im Protoplasma fixiert wird und in gemeinsamer Reiztätigkeit mit der Primärachse funktionell eine Ebene repräsentiert, oder sei es auch, daß die wandernde Sphäre von der im Plasma fixierten Primärachse aus eine Bahn hinter sich her zieht, deren Struktur und Richtung als Ebene sekundär auf den ganzen Zellleib übergreift. Dann brauchte nur noch bewiesen zu werden, daß die an der jungen Zelle ge- schaffene, radiär zum Keimganzen gestellte Ebene auch wirklich mit derjenigen Ebene, worin später die Spindel der Zelle „gleichsinnig‘‘ mit der Primärachse ihre Lage findet, identisch ist. Dies ist in vielen, vielleicht den meisten Fällen gleichsinniger Teilungsweise gewiß der Fall. Für die Keimbahnzelle P, ist wenigstens zweifellos, daß ihrem Plasma auf die hier erörterte Art eine Differenzierung verliehen würde, die in der Medianebene ent- steht und darin verbleibt; und das ist genau dieselbe Ebene, deren strukturelle Kenn- zeichnung wir zur Erklärung der zugleich medianen und paratangentialen Spindelstellung dieser Zelle verlangen mußten. 4. Stellt demnach auch die paratangential-gleichsinnige Teilungsart an das Komplikations- budget, das wir so haushälterisch verwalten, doch nur bescheidene Ansprüche, so stoßen wir bei den folgenden zwei Mitosen zum ersten Male auf ernstliche Schwierigkeit. Es handelt sich um die beiden vorderen Ektodermzellen a und « im Stadium VIII. BB. Teilung von a und «. 1 von rechts; 2 von vorn. Die Teilungsrichtung dieses Blastomerenpaares, das nach vollendeter Orientierung sich in eigentümlich windschiefer Situation befindet — die rechte Zelle ist bedeutend höher hinauf- und mehr in die Mittelebene eingerückt, als ihre Schwester —, scheint auf den ersten Blick durchaus irregulär. Betrachtet man den Keim von der Seite, so liegen die mitotischen Figuren von a und « schräg gekreuzt (Fig. BB, ı). Bei der Ansicht von vorne aber stellt sich die bemerkenswerte, schon früher erwähnte Tatsache heraus, daß in beiden Zellen die Spindel mit der organischen Achse einen schiefen Winkel bildet, also im Gegensatz zu allen übrigen Gliedern der primären Ektodermfamilie nicht paratangential gerichtet ist (Fig. BB). — 11 — Dennoch entdecken wir an diesen kapriziös gerichteten Figuren bei aufmerksamer Betrachtung sowohl von vorn als im Profil je eine, für unsere kausalen Bestrebungen sehr willkommene Regelmäßigkeit. Orientiert man einen völlig typischen Embryo — und nur von diesen soll zunächst die Rede sein — in solcher Weise, daß man genau von vorn auf die Richtung der durch die vier Ventralzellen festgehaltenen Medianebene blickt (Fig. BB 2), so wird die Lage der beiden Spindeln dieser Ebene parallel. Und in der Profil ansicht (Fig. BB ı) fällt der nicht minder bedeutungsvolle Umstand bald ins Auge, daß beide Zellen ihre Spindeln genau parallel zu derjenigen Berührungsfläche ge- richtet haben, mit der eine jede an die hintere Ektodermzelle der gleichen Körperseite grenzt. Diese letztere, ungemein exakte, in morphologischer Hinsicht jedoch gänzlich un- motivierte Richtungsbeziehung machte mir schon bei meiner deskriptiven Untersuchung Kopfzerbrechen (1896 a. p. 44 f.). Da sie doch irgend einen Sinn haben mußte, so meinte ich damals, sie sei die Folge eines richtenden „Einflusses“ jeder hinteren Zelle auf die Spindel der zugehörigen vorderen. An einen solchen Zusammenhang denke ich jetzt natür- lich nicht mehr: nach der neuen Theorie, deren Komplikationsbedürfnisse wir hier vorweg besprechen, soll ja die Umgebung einer Zelle von der Kausalität ihrer Spindel- stellung prinzipiell ausgeschlossen sein. Aber es gibt eine andere Deutung, die das eigen- tümliche Verhältnis besser und vor allem im Einklang mit unseren analytischen Ergebnissen auf folgende Art begreifen läßt. Wir nehmen an, daß bei der typischen Umordnung des ektodermalen Materials die Zellen a und «@ unter Aufgabe ihrer ursprünglichen Kontakt- fläche aneinander gleiten, was eine gegenseitige Verwerfung ihrer (bei der Geburt na- türlich homonomen) primären Richtungen zur Folge hat. Andrerseits aber soll jede von beiden Zellen diejenige Kontaktfläche, die sie mit der hinter ihr gelegenen Ektodermzelle der gleichen Seite bildet, während der Umordnung unverändert beibehalten — d.h. offenbar auch das angeborene Verhältnis ihrer primären Richtungen zu dieser Fläche. Wenn nun die Spindeln von a und a aus inneren Gründen in eine primär differenzierte Richtung eingestellt werden, die bei der Geburt zur hinteren Kontaktfläche parallel lag, so ist das Auftreten dieser selben geometrischen Beziehung zwischen der Spindel und der inzwischen total verschobenen Kontaktfläche — als etwas gleichsam Zufälliges — erklärt. Hiernach geben uns die beiden Kontaktflächen ab und «/ß ein Mittel an die Hand, das Lageverhältnis der Spindeln von a und «a zu den primären Richtungen dieser Blastomere für zwei Dimensionen auf indirektem Wege festzulegen, — vorausgesetzt natürlich, daß ihrerseits die räumliche Beziehung zwischen unseren Kontaktflächen und den primären Rich- tungen von a und « bestimmbar ist; diese Bedingung aber ist erfüllt. Denken wir uns, um Klarheit zu gewinnen, die gegenseitige Verschiebung des linken und des rechten Zellen- paares rückgängig gemacht, bis alle vier Ektodermzellen in ihrer horizontal -quadratischen Anfangsstellung eingetroffen sind (Fig. CC), so tritt die primäre Bedeutung der beiden Kontaktflächen sogleich zu Tage: sie fallen jetzt in eine und dieselbe Ebene und liegen genau transversal. Warum? — weil offenbar die gemeinsame Ebene nichts anderes ist, als die quergestellte, aus longitudinaler Mitose hervorgegangene Trennungsebene von A und B, den beiden Mutterzellen. Das Fazit unseres Verfahrens aber ist folgendes: Jede am — 12 — normalen Embryo durch a oder « gelegte, zu der entsprechenden hinteren Kontaktfläche parallele Ebene ist für die Zelle „primär transversal“. Demnach liegen die Spindeln von a unda« in einer primären Transversalebene ihrer Zelle. Nun aber gestatten die beiden Spindeln zum Glück die Bestimmung ihrer primären Lage auch für die noch folgende dritte Dimension. Wir haben gehört, daß am typisch aus- geprägten Embryo die Spindeln von a und « parallel zur Medianebene oder „paramedian“ liegen; da nun das linke Zellenpaar von der Örientierungsbewegung so gut wie gar nicht betroffen wird, die Zelle « am allerwenigsten, so kann zunächst die „paramediane“ Lage- beziehung ihrer Spindel ohne weiteres als eine primäre behandelt werden. Danach ist die Situation dieser Spindel an unserem schematisch rektifizierten Embryo sowohl der Trans- versal- als auch der Medianebene parallel; d. h. die Spindel von «a steht primär vertikal! Nicht völlig so klar liegen die Dinge bei der Schwesterzelle.e. In unserem Schema Fig. CC haben wir allerdings das Ergebnis der hypothetischen Rückwärtsdrehung so darge- Darstellung eines hypothetischen Stadiums VIII mit quadratisch angeordnetem Ektoderm. Von rechts, jedoch ein wenig schräg von vorn. stellt, daß die Spindel von a innerhalb der Transversalebene, in die sie notwendig gelangen mußte, der Medianebene parallel geblieben, d. h. ebenfalls vertikal geworden ist. Allein dieses Verfahren war willkürlich und für den Augenblick nur durch den Mangel besserer Kenntnis motiviert. Denn daß das rechte Zellenpaar im typischen Orientierungsprozesse, in dem es seine Stellung zum Ganzen wie zu den Nachbarzellen so gründlich ändert, nur ge- rade das ursprüngliche Winkelverhältnis seiner primären Richtungen zur Mittelebene genau bewahren soll, steht offenbar nicht ohne weiteres fest. Unser Schema hat also in diesem Punkte noch keinen Anspruch auf Zuverlässigkeit. Man wird nur auf Grund der deskriptiv paramedianen Spindellage der Zelle a und im Hinblick auf das Verhalten der Schwester- zelle behaupten dürfen, daß unsere schematische Rekonstruktion der primären Zustände wahrscheinlich ordnungsgemäß vollzogen sei. Wir halten uns darum, bis weiteres Material zur sicheren Bestimmung jener Mitose beschafft worden ist, an die zweifellos und endgültig festgelegte vertikale Spindelstellung von « und werfen im Sinne unserer Hypothese die Frage auf: Wie muß das Plasma der Zelle « beschaffen sein, damit ihre Spindel die Möglichkeit gewinnt, die typisch vorgeschriebene Richtung aufzufinden. Da das Prinzip der paratangentialen Teilungsweise in diesem Falle nicht zu Hilfe kommt, die Plasmastruktur demnach für alle drei Dimen- sionen der Spindelstellung verantwortlich bleibt, so lautet die Antwort: im Zellleib von « muß die primäre Vertikalrichtung strukturell hervorgehoben sein. Das klingt einfach, ist aber in Wirklichkeit, wenn man nämlich die Herkunft der geforderten Diffe- renzierung in Rechnung zieht, bedenklich kompliziert. Die bisher angenommenen Arten plasmatischer Differenzierung waren in genetischer Hinsicht darum so ökonomisch, weil es immer möglich war, sie als direkte Folge bekannter Vorgänge bei und nach der Geburt der in Teilung begriffenen Zelle selber aufzufassen. Dies aber geht bei der geforderten primär-vertikalen Differenzierung von « nicht an. Zunächst kommt für die Entstehung einer solchen Struktur in « die Aufrichtung der organischen Achse, die ja hier in einer zu den Hauptebenen schrägen Richtung vollzogen wird, überhaupt nicht in Frage. Ebensowenig aber reicht die Mitose, aus der @ hervorging, dazu aus. Da die Spindel der Mutterzelle A bekanntlich horizontal und transversal gerichtet war, so vermochte sie der Zelle « eine Differenzierung aufzuprägen, die einerseits die quere Achsenrichtung der Mitose selbst, andrerseits die dazu senkrechte, der Medianebene parallele Ebene erkennbar werden ließ; in dieser „paramedianen“ Ebene liegt die Spindel von «a in der Tat. Um aber deren Stellung vollständig zu bestimmen, müßte im Zellleib min- destens noch ein Merkmal der Transversalebene, der die Spindel gleichfalls angehört, DD. Hypothetisches Stadium VII mit quadratischem Ektoderm. Schräg von vorn, oben, links ge- sehen. In Zelle @ ist die Paramedian- und die Transversalebene „horizontal* schraffiert, die erstere dichter. vorhanden sein. Und es bleibt nichts übrig, als anzunehmen, daß die Zelle a die Differenzierung der Transversalebene, die sie notwendig braucht und doch nicht selbst zu beschaffen vermag, fix und fertig von ihrer Mutter- zelle A bezogen habe; d.h, daß jene Differenzierung in A vor ihrer Mitose bereits enthalten war. Haben wir dieses wichtige Zugeständnis, das uns aus Gründen der Ökonomie nicht leicht fallen durfte, einmal gemacht, so finden wir in der Zelle A sogleich, was wir brauchen. A ging aus einer Mitose mit horizontal- medianer Spindelstellung hervor und konnte deshalb in statu nascendi eine Struktur empfangen haben, in der die Transversalebene kenntlich war. Wenn nun die Zelle diese Struktur bis zu ihrer Teilung behielt und über die Mitose hinaus auf @ vererbte, so waren in « von Geburt an zwei senkrecht stehende und sich schneidende Ebenen (Fig. DD), die paramediane und die transversale, strukturell ausgezeichnet, und die vertikale Spindelstellung der Zelle ist erklärt. Nun aber bietet das gewonnene Ergebnis zugleich ein Mittel dar, die Angelegenheit der Schwesterzelle a, deren Spindelstellung bisher nur für zwei Dimensionen — die primäre — 104 — Transversalebene — sicher bestimmt werden konnte, mit Aussicht auf Erfolg noch einmal in die Hand zu nehmen. Wir hatten aus der deskriptiv paramedianen Lage dieser Spindel deshalb nicht zuverlässig auf ihre primäre Richtung innerhalb der Transversalebene zu schließen vermocht, weil das rechte Zellenpaar seine ursprüngliche Situation im ganzen stark verändert hat und darum die Möglichkeit, ja fast Wahrscheinlichkeit nicht zu bestreiten ist, daß mit der ausgiebigen Schwenkung noch eine Achsendrehung des Paares in diesem oder jenem Sinne verbunden gewesen sei. Natürlich aber bleibt die Wahrscheinlichkeit einer solchen Drehung auf einen mäßigen Spielraum beschränkt. Daß das Zellenpaar sich um ı80° oder auch nur um 90° um seine Längsachse gedreht haben sollte, wäre wiederum äußerst seltsam und unwahrscheinlich. Danach scheidet, wenn wir jetzt das Kriterium der genetischen Sparsamkeit auf alle überhaupt möglichen, d. h. innerhalb der primären Trans- versalebene gelegenen Spindelstellungen von a in Anwendung bringen, gerade die allerein- fachste unbedingt aus: die horizontale. Läge die Spindel von a primär horizontal, so nähme sie ja genau die gleiche Stellung ein, wie die Spindel der Mutterzelle A, gehörte also zur Gruppe der rein axialen, die von allen am leichtesten zu erklären sind. Aber der Winkel- abstand der deskriptiven, paramedianen Spindellage von der Horizontalrichtung ist viel zu groß: es würde gewaltsam sein, eine derartig starke Umwälzung des rechten Zellenpaares anzunehmen. Dann aber gibt es nur noch eine Spindelstellung von relativer Einfachheit; nämlich eben die vertikale. Wäre die Primärlage der Spindel unter irgend einem Winkel schräg, so fände die dazu benötigte Struktur in keiner einzigen der vorausgegangenen Mitosen oder sonstigen Geschehnisse bis zur Teilung der Eizelle hinunter einen Daseinsgrund, und es müßte zugegeben werden, daß jene Struktur bereits im Eiplasma eigens für den Gebrauch unserer Spindel vorbereitet war. Nehmen wir aber an, die Spindel von a sei primär vertikal gerichtet, so gewinnt das Ganze außerordentlich an Einfachheit. Erstens nähme die zu fordernde Zellstruktur an derjenigen, verhältnismäßig einfachen Herleitung teil, die für die Zelle « durchgeführt werden konnte. Zweitens findet die Tatsache, daß an den völlig typi- schen Keimen die Spindel von a parallel zur Medianebene gerichtet ist, die ungezwungenste Erklärung. Wir halten also bis zum etwaigen Beweise des Gegenteils an dem Satze fest, daß die scheinbar so irregulären Spindeln von a und «a deskriptiv in der primär-vertikalen Rich- tung ihrer Zelle gelegen sind. Für unsere Hypothese der inneren Reizmechanismen bedeutet dieser Nachweis insofern eine erhebliche Belastung mit neuer Komplikation, als hier zum erstenmal die Möglichkeit gefordert wird, daß eine bestimmte angeborene Plasma- struktur von einer Zellgeneration auf die andere übergeht; — eine Vorstellung, deren Schwierigkeit wir in Anbetracht der strukturellen Revolution, die bei Gelegenheit der Mitose den ganzen Zellleib ergreift oder doch zu ergreifen scheint, nicht unterschätzen. Andrerseits aber fällt unverkennbar die bloße Tatsache, daß die alte Vertikalrichtung an zwei verschobenen Zellen im Stadium VIII wieder auftaucht, wo sie äußerlich gar nicht zum Ausdruck kommt und für die ontogenetischen Ziele in solcher Genauigkeit zwecklos ist, zu Gunsten kausaler innerer Richtungsbeziehungen nachdrücklich ins Gewicht. — 10 — Unsere bisher fast über Erwarten bestätigte Hoffnung, daß die Komplikation, zu deren Annahme uns der noch zu erbringende Nachweis innerer Reizbeziehungen zwingen könnte, schließlich keine besonders große sein werde, wird dennoch durch folgendes ent- täuscht. Wenn man den Furchungsplan von Ascaris, besonders der oberen Zellfamilie, über- blickt, begegnet man unter den paratangentialen Mitosen außer der Menge der gleichsinnig mit der primären Achse oder quer zu ihr gerichteten doch auch nicht wenigen, die den Eindruck machen, als wenn die Spindel in der Richtung der Paratangentialebene einen bestimmten schiefen Winkel mit der Primärachse bildete. Dieser Eindruck wird allemal durch die Lage der zugehörigen Schwesterzelle bedingt; man ist geneigt, die Verbindungslinie der Mittelpunkte zweier Schwesterzellen mit der Richtung ihrer beiden primären Achsen zu identifizieren. Allein die Klüftung von a und «a hat uns schon gelehrt, wie unzuverlässig solche Art der Beurteilung ist. Auch diese beiden Schwestern stellen ihre Spindeln schief zu ihrer zentralen Verbindungslinie, aber darum doch nicht schief, sondern quer zu den primären Achsen; denn diese letzteren haben inzwischen, indem die Zellen sich gleitend aneinander vorbeibewegten, die anfängliche Koinzidenz mit jener Linie aufgegeben. Und was in diesem Falle gilt, kann auch in anderen geschehen sein. Ja, es besteht sogar eine gewisse Nötigung, aus ökonomischen Gründen der Hypothese, daß die zur primären Achse an- scheinend schiefe Einstellung irgend welcher Spindeln durch gegenseitige Drehung der Schwesterzellen lediglich vorgetäuscht werde, immer dann den Vorzug zu geben, wenn über die etwaige Bewegungsart des betreffenden Zellenpaares nichts Sicheres zu er- mitteln ist. Nun gibt es aber eben gewisse in der Paratangentialebene schiefe Mitosen, die auch bei strenger Anwendung dieses Grundsatzes noch nicht gerade werden. Auf höheren Entwickelungs- stufen des ektodermalen Epithels zeigt sich dessen mittlerer Bezirk von Zellverschiebungen nahezu frei. Unter anderen bleiben die beiden Schwesterzellen IAlißa und l13b der 32zelligen Ektodermplatte durchaus da liegen, wo sie geboren sind (zur Strassen 1896a. Taf. IX, Fig. 46—48, blaue Felder), und auch von ihren Nachbarinnen verändert ringsum nicht eine einzige nachträglich ihren Ort oder ihr Kontaktverhältnis mit unseren Schwesterzellen. So besteht denn nicht der geringste Grund, warum die beiden Zellen oder eine von ihnen sich etwa verschoben oder gedreht haben sollte. Dennoch produziert die rechte von ihnen, IAlı@b, eine zur zentralen Verbindungslinie des Paares, d.h. zu ihrer primären Achse inner- halb der Paratangentialebene stark geneigte Spindelstellung (l. c. p. 77, Taf. VII, Fig. z3ob). Soweit es sich um normal-deskriptive Interessen handelt, kann die Mitose von IAlipb für die Existenz „schiefer‘‘ Spindelstellungen, wie wir sie kurz nennen wollen, als beweisend gelten. Da aber alle die deskriptiven Feststellungen dieses Abschnittes nur Material für die kommende ungleich wichtigere Untersuchung der T-Riesen bereitzustellen bestimmt sind, so nützt uns doch gerade dieser deskriptiv so klare Fall nicht viel. Denn es ist leider so gut wie hoffnungslos, im 32zelligen Ektoderm eines T-Riesen irgend eine bestimmte Zelle Zoologica. Heft 40. 14 — 106 — herausfinden und die Beständigkeit oder Veränderlichkeit des typischen Verhältnisses ihrer Spindel zum primären Gerichtetsein beurteilen zu wollen. Zum Glücke gibt es schiefe Paratangential-Mitosen, die einer einwandfreien Beur- teilung zugänglich sind, auch auf einer sehr frühen, im vollen Bereich der Analyse liegen- den Entwickelungsstufe. Es handelt sich um b und ß, die beiden hinteren Ektoderm- zellen des achtzelligen Stadiums, die vorhin als Begleiterinnen von a und.« vielfach erwähnt worden sind. Diese zwei Schwesterzellen liegen zwar in der Zeit von ihrer Geburt bis zur Teilung keineswegs stille, sondern rücken um eine ganze Zellbreite voneinander ab, und die rechte sinkt obendrein beträchtlich ventralwärts. Aber wir sind nichtsdestoweniger über die definitive Lage ihrer primären Achsen mit einer fast vollkommenen Sicherheit in- formiert. Wie wir vorhin sahen, bewahrt jede vordere Ektodermzelle durch den ganzen Verschiebungsprozeß hindurch ihre ursprüngliche Kontaktfläche an der betreffenden hinteren. Dann aber ist beinahe sicher, daß auch die hintere Zelle einer jeden Seite sich nicht etwa gegen ihre vordere Cousine vordreht, sondern beharrlich die Front gegen sie beibehält und EE. F'F. 7 Stadium VIII, rechte Seite, doch etwas schräg von Stadium VIII, von oben in der Spindelrichtung der Zelle a oben gesehen. gesehen. Die primäre Paramedianebene der rechten Ektoderm- zellen erscheint als Linie. so die ganze Wanderung in fester Verbindung mit ihr zurücklegt. Also gilt natürlich, was vorhin für a und « festgestellt wurde, auch hier: in jeder hinteren Ektodermzelle bleibt das angeborene parallele Stellungsverhältnis zwischen den primären Richtungen und der vorderen Kontaktfläche bis zur Mitose konstant, und irgend eine geometrisch einfache Be- zıehung der Spindel zu jenen inneren Richtungen müßte, wie bei a und a, eine entsprechende Beziehung auch zur Kontaktfläche nach sich ziehen. Von solcher Einfachheit des räumlichen Verhältnisses zwischen Spindel und Kontakt- fläche aber ist bei b und ß keine Rede. Vie beiden Spindeln liegen, wenn man den Keim ım Profil betrachtet, jener Berührungsfläche nicht parallel, sondern bilden mit ihr sehr deutlich schiefe Winkel, links obendrein einen anderen als rechts (Fig. EE). Und, was besonders merkwürdig ist, die Differenz der beiden Winkel zwischen je einer Spindel und Kontaktfläche macht gerade so viel aus, als die Drehungsdifferenz des linken und rechten Zellenpaares, so daß die Spindeln trotz alledem links und rechts in fast ge- nau gleichgerichteter Lage gefunden werden. — Wenn demnach die Spindeln von b und ß nicht, wie die ihrer vorderen Verwandten, der primären Transversalebene an- — 117 — gehören, so zeigt die Betrachtung des Embryo von der Rückenseite, daß sie ebensowenig innerhalb der Paramedianebene gelegen sind. Denn blickt man eine der rückwärtigen Ekto- dermzellen genau in der Spindelrichtung der zugehörigen vorderen an, wobei sowohl die Kontaktfläche als die gemeinsame Paramedianebene des betreffenden Paares als Linien er- scheinen, so steht allemal die hintere Spindel zu beiden Ebenen geneigt (Fig. FF). Unter diesen Umständen kommt für b und 8 eine transversal-paramediane Struktur, die bei a und «a die Spindelstellung gewährleistete, natürlich gar nicht in Frage. Aber auch die einfachen Reizmechanismen, die früher für andere paratangential gerichtete Mitosen er- dacht werden konnten, sind hier nicht anwendbar. Erstens steht ja die Spindel nicht quer zur Primärachse, wie bei der „paratangential-quergestellten“ Teilungsart. Und zweitens kann diejenige Ebene, die im Verein mit der Paratangentialebene die endgültige Spindellage ent- scheidet, nicht — wie bei den „gleichsinnigen“ Mitosen — durch die Aufrichtung der organi- schen Achse innerhalb der Zelle bestimmt worden sein; denn ın beiden Zellen, besonders zweifellos bei 3, ist die Achsenwanderung in einer fast genau transversalen, sicher aber nicht, wie doch verlangt werden müßte, in einer stark geneigten Ebene vor sich gegangen. — Nun wäre an sich die Annahme vielleicht erlaubt, die Spindeln unserer beiden Zellen stellten sich auf Grund einer besonderen, komplizierten Reaktionsfähigkeit immer geneigt zur primären Achse, und zwar ocnau unter dem der Zelle vorgeschriebenen Winkel; so daß durch diese Bestimmung, wie in den früher analysierten Fällen von paratan- gentialer Teilung, zunächst eine Fläche von Möglichkeiten festgelegt wäre: diesmal der Mantel eines Doppelkegels, der die primäre Achse symmetrisch umgibt. Aber das hülfe uns nicht viel. Denn während die Ebene, die der Spindel bei senkrechter oder gleichsinniger Stellung zur Primärachse angewiesen ist, genügt, um im Verein mit dem Prinzipe der paratangentialen Teilungsweise die Lage der Spindel im Raum endgültig zu entscheiden, schnitte die Para- tangentialebene aus unserem Doppelkegel zulässiger Spindelstellungen allemal zwei Rich- tungen heraus, von denen doch nur eine die wirklich typische ist. So bedürften wir zur Entscheidung der drohenden Stichwahl einer weiteren Differenzierung, etwa in der Trans- versal- oder Paramedianebene, auf deren Reiz die Spindel wieder mit besonderen Winkel- stellungen reagieren müßte. Und dadurch wächst die benötigte Gesamtkomplikation so be- denklich an, daß es wohl keine Belastung mehr, sondern Ersparnis bedeutet, wenn wir kurzerhand annehmen, das Plasma der Zellen b und $ sei eben von Geburt an in seinersdenSpindelrichtungventsprechenden, alseralle-primären Haupt- richtungen unter bestimmten schiefen Winkeln schneidenden Ebene diffe- renziert; und diese Struktur sei vom Ei aus durch alle Generationsfolgen auf unsere Zellen übergegangen. Dieses Zugeständnis, das unsere ökonomische Hoffnung, womöglich alle für die Teilungsrichtung erforderlichen Plasmastrukturen während der Klüftung und durch sie ent- stehen lassen zu können, zunichte macht, und nun zum ersten Male das Eiprotoplasma selber in Anspruch nimmt, würde nur für eine geringe Zahl von Mitosen nötig sein: außer für b und 8 vermutlich noch bei jener schiefen Mitose im vorgeschrittenen primären Ektoderm, und vielleicht für wenige andere. Bei der weitaus größeren Majorität gelangen in physiologischer, besonders genetischer Hinsicht viel anspruchslosere Methoden, wie die der rein axialen, der gleichsinnigen, der quer-paratangentialen Spindelstellung zur Anwendung, und es ist gar — 108 — nicht zu verkennen, daß diese systematische Bevorzugung der einfachsten Teilungsarten nachdrücklich für die Richtigkeit der Annahme innerer Reiz- mechanismen spricht. Aber andrerseits wirkt doch die Notwendigkeit, für einige Zellen einen so hohen Komplikationsbetrag zuzugeben, verstimmend gegen unsere Hypothese. Und wir empfinden jetzt, wo es zu spät ist, noch einmal mit besonderer Lebhaftigkeit, wie viel bequemer es — für Ascaris und für uns — gewesen wäre, wenn die Umstände erlaubt hätten, die ohnehin typisch geordnete Umgebung der sich teilenden Zelle als Lieferantin des orientierenden Reizes in Anspruch zu nehmen. Wie dem auch sei: die Geschichte der T-Riesen birgt die Entscheidung. Wenn sich herausstellt, daß das deskriptiv-normale Verhältnis der Spindeln zu den primären Rich- tungen der betreffenden Zelle unter allen Umständen erhalten bleibt, so ist der Beweis, daß eben dieses Verhältnis das einzig kausale ist, trotz alledem erbracht. — Wir prüfen jetzt nacheinander die vier verschiedenen Abarten innerer Richtungsbeziehungen auf ihre Be- ständigkeit. Ill. Spindelstellung und primäre Richtung bei T-Riesen. A. Rein axiale Teilungsweise. Von den nicht zahlreichen Fällen rein axialer Spindelstellung, die mir aus der früheren Entwickelung von Ascaris bekannt sind, kommen gerade die deskriptiv am leichtesten er- kennbaren für unsere Analyse zunächst nicht in Betracht. Die augenscheinlich axiale Teilung der unteren Furchungskugel P, im zweizelligen Stadium deshalb nicht, weil diese Mitose noch vor der Schwelle jener Ereignisse liegt, die einen Ascariskeim eventuell zum T-Riesen stempeln, und so an der kausal-analytischen Verwertbarkeit derselben keinen Anteil hat. Doch ist uns von früher (p.78) wenigstens erinnerlich, daß die typisch vertikale Spindelstellung von P, durch künstliche Modifikation der Zellgestalt nicht beeinträchtigt wird, — immerhin ein positives Argument für die ursächliche Bedeutung des typisch-axialen Rich- tungsverhältnisses, dem kein negatives gegenüber steht. — Andrerseits gehören einige an- scheinend axiale Mitosen, die in der Klüftung des Mesoderms, der Schlundanlage etc. zu beobachten sind, einer zu späten Entwickelungsstufe an, als daß ihre genaue Kontrolle an T-Riesen noch möglich wäre. Dafür enthält die allergünstigste Periode: der Übergang vom Stadium IV zu VIII, zwei schöne Fälle rein axialer -Teilungsweise, die, einmal als solche erkannt, für unsre ganze Beweisführung von entscheidender Bedeutung sind, — freilich aber zuvor ihrem deskriptiven Wesen nach mit einiger Sorgfalt enthüllt werden müssen. pr Wie verhält sich eigentlich die Spindel der Zelle P,, dieser im Ascariskeim wahrhaft schicksalbestimmenden Furchungskugel, normalerweise zu ihrer primären Achse? Davon ist bisher noch keine Rede gewesen. — 109 — In der normalen Ontogenesis liegt die Spindel unserer Zelle median und horizontal (Fig. S, p. 70). Die Spindel der Mutterzelle P, aber stand vertikal, ebenso natürlich auch die primäre Achse von P, bei ihrer Geburt. Hieraus würde sich sehr einfach ergeben, daß die Spindelstellung unserer Zelle senkrecht zur Richtung ihrer Primärachse er- folgte. — wenn nur nicht zwischen Geburt und Teilung die Lage von P, durch den berühmten Orientierungsprozeß, der das vierzellige T zum Rhombus verwandelt, so radikal verändert worden wäre. Das Einschreiten dieses Vorganges aber bewirkt, daß wir nach Her- stellung des endgültigen Arrangements über die nunmehrige Situation der Primärachse von P, nichts wissen; wenigstens nicht, so lange die spezielle Bewegungsart der wandernden Zelle nicht völlig klar vor unseren Augen liegt. A priori könnte ja P, an ihrer oberen Schwester, der Mittelzelle EMSt, entlang geglitten sein, die gegenseitige Berührungs- fläche in jedem Augenblick verschiebend, aber in ihrer Haltung sich selbst parallel (wie ein Ballon vor dem Winde schräg in die Höhe steigt), so daß sie mit unverrückt senkrechter Primärachse in ihre Stellung gelangte. Oder ihre Bewegungsart könnte eine rollende sein, wobei der Kontaktbereich an beiden Nachbarzellen gleichmäßig um je ein Viertel des Zellumfanges vorgerückt, die primäre Achse von P, aber schließlich auf den Kopf gestellt würde; oder eine Kombination von Rollen und Gleiten; oder eine rutschende, indem -P, ihre eigene Kontaktfläche zwar beibehielte, auf dieser aber, wie auf einer Sohle, an der Wölbung ihrer Schwester dahin führe; — eine Reihe von Möglichkeiten, von denen jede ihre besonderen Konsequenzen für die Fortbewegung und endliche Stellung der primären Achse in sich schließt. Ich habe jedoch bei früherer Gelegenheit (1901 p. 8) die Gründe angegeben, warum ich glaube, daß die Bewegungsart der wandernden Zelle keiner der hier genannten Methoden folgt. Der Örientierungsprozeß des Vierzellenstadiums darf überhaupt, so sehr auch die kaudalwärts gerichtete „Wanderung“ der untersten Zelle äußerlich in den Vordergrund tritt, gar nicht als eine Privatangelegenheit dieser Zelle behandelt werden. Vielmehr lehrt die Betrachtung äußerer wie innerer Momente, daß an der Neuordnung auch die Mittel- zelle EMSt — sei es nun aktiv oder passiv ort merklich zu verändern, erfährt sie doch gleichzeitig und gleichsinnig mit der Wanderung der unteren Zelle eine entsprechende Drehung um sich selbst. Infolgedessen bleibt das Kontaktverhältnis beider Schwesterzellen unverändert; der Orientierungsprozeß eigenen Anteil nimmt. Ohne ihren Stand- stellt sich als gemeinsame Viertelschwenkung zweier fest verbundenen Zellen dar. Nun hat die Gemeinsamkeit der Bewegung von P, und EMSt für die Beurteilung ihres inneren Gerichtetseins eine wichtige, uns schon von früher her (p. ıor) bekannte Folge: das bei der Geburt zutage tretende Verhältnis der beiderseitigen Primärachsen zur schwesterlichen Kontaktfläche bleibt konstant. Damit aber sind uns die Mittel in die Hand gegeben, die uns beschäftigende Frage, wie im rhombischen Vierzellen- stadium die primäre Achse der Zelle P, gelagert sei, mit Sicherheit zu entscheiden. Bei der Geburt lag die Kontaktfläche der Schwestern horizontal, ihre primären Achsen standen senkrecht, wie die Spindel der Mutterzelle. ‘Indem nun bei der gemeinsamen Viertel- schwenkung des Paares die Berührungsfläche allmählich in transversale, die Längsrichtung des Embryo rechtwinklig schneidende Lage übergeht, gelangt die primäre Achse von — 10 — P,, die ihre anfänglich lotrechte Stellung zu der sich verschiebenden Fläche nie verliert, in die Längsrichtung selber. In die Längsrichtung aber, median und horizontal, wird auch die Spindel unserer Zelle eingestellt. Folglich fallen hier Spindelstellung und Primär- achse zusammen; die Zelle P, befolgt in der normalen Ontogenesis die rein axiale Teilungsweise (Fig. GG). Die deskriptiv geordnete Angelegenheit unserer Furchungszelle auch nach der analyti- schen Seite hin zu erledigen, ist nun nicht mehr schwer. Wir wissen ja längst, daß bei den T-Riesen die Spindel der Zelle P, ohne jede » > a Ausnahme vertikal gerichtet ist. Was be- ne P2 deutet das? Da die Schwenkung des unteren Rhombisches Stadium IV von links. p—a gemeinsame Zellenpaares bei T-Riesen unterbleibt, oder Deinirachee. ck wantallen anrtas: doch nach einem mißglückten Versuche rück- gängig gemacht wird, so liegt die schwester- liche Berührungsfläche zur Zeit der Teilung, wie bei der Geburt, horizontal. Das heißt: die Primärachse der Zelle P, steht vertikal; und ihre Spindel fällt bei T-Riesen, wie in der typischen Ontogenesis, mit der primären Achse zusammen. EMSt. l- Was über das deskriptiv-normale Verhältnis der Spindel von P, zur zugehörigen Primärachse festgestellt wurde, gilt offenbar — wegen der Gemeinsamkeit der Orientierungs- bewegung — in vollem Umfang auch für ihre Schwester, die Mittelzelle. Auch in dieser muß die primäre Achse nach Herstellung des rhombischen Arrangements immer noch senk- recht zu der schwesterlichen Berührungsfläche stehen (Fig. GG); d. h., da die Fläche in- zwischen transversal geworden ist, die Primärachse von EMSt liegt in der regu- lären Entwickelung median und horizontal — wie die Spindel. Also fällt auch hier die Spindelrichtung normalerweise in die primäre Achse. Und wie verhält sich die Zelle EMSt bei den T-Riesen? Es ist das interessanteste und dankbarste Problem aus dem ganzen Kapitel der Teilungsrichtungen, das uns jetzt ent- gegentritt, — freilich wohl auch das schwierigste. Ja, wenn weiter nichts aufzuklären wäre, als der uns von früher her bekannte Um- stand, daß bei den meisten T-Riesen die Spindel der Mittelzelle vertikal gerichtet ist, so könnten die Akten über unseren Fall schr bald geschlossen werden. Es scheint ja so klar zu sein: Da die rechtwinklige Schwenkung des ventralen Zellenpaares bei T-Riesen unterbleibt, so kommt auch die sonst damit verbundene Vierteldrehung der Mittelzelle in Wegfall, ihre primäre Achse behält bis zur nächsten Klüftungszeit die ursprünglich vertikale Lage bei. Stellt sich nunmehr ihre Spindel gleichfalls vertikal, so tritt darin das typische Verhältnis zutage: Spindel und primäre Achse fallen zusammen, quod erat demonstrandum. Allein das Problematische liegt eben darin, daß die Zelle EMSt die straffe Zuverlässig- keit, mit der ihre Schwester das typische Verhältnis zwischen Spindel und Primärachse auch — 11 — in den veränderten Bedingungen der T-Riesenentwickelung reproduziert, durchaus vermissen läßt. Unter den paar Dutzend überhaupt beobachteter Fälle fand sich (vgl. p. 86) die be- denklich hohe Anzahl von drei eklatanten Ausnahmen. Dreimal wurde die Spindel von EMSt in die Horizontalebene eingestellt, wie es sonst für die reguläre Entwickelung typisch ist. Ob freilich innerhalb dieser Ebene auch die vorschrifts- mäßig mediane Richtung eingehalten wurde, war in zwei von den Ausnahmefällen nicht zu erkennen; im dritten stand zweifellos die horizontale Spindel atypischerweise quer zur Me- dianebene. Nun haben wir schon oben (p. 87) mit Bestimmtheit erklärt, daß diese drei Aus- nahmefälle nicht etwa als krankhafte, durch ein Versagen des typischen Reizmechanismus verschuldete Abnormität beiseite geschoben werden dürfen: die Riesen, um die es sich handelt, erschienen eben so gesund, als andere, der dritte sogar sehr gesund. Auch war ja nicht eine beliebige, sinnlose Spindelrichtung an die Stelle der zur schwesterlichen Kontakt- fläche typischen getreten, sondern in allen drei Fällen eine ganz bestimmte, mit Entschieden- heit ausgeprägte, die obendrein gleichfalls Anspruch auf das Prädikat „typisch“, wenn auch ın anderem Sinne, erheben konnte. Demnach liegt unsere Angelegenheit jetzt so: es muß sich beweisen lassen, daß bei den T-Riesen unter gewissen Umständen die primäre Achse der Mittelzelle in diejenige Richtung gelangt, in der die Spindeln der drei Aus- nahmeriesen gelegen sind, d.h. in horizontale und — mindestens zuweilen — zur Medianebene senkrechte. Wenn dieser Beweis nicht glückt, oder gar sich zeigen sollte, daß die Primärachse von EMSt auf keinerlei Weise ın die betreffenden Situationen geraten kann, so hat eben die Primärachse mit der Kausalität dieser Spindel- stellungen trotz alles günstigen Anscheines nichts zu tun; dann war unsre Hoffnung, in den inneren Richtungsbeziehungen die Zauberformel zu finden, die alle Widersprüche löst, eine trügerische. Versuchen wir zunächst, diejenige Eigenschaft aufzuklären, die allen drei Fällen sicher gemeinsam ist, die Einstellung der Spindel in die Horizontale. Wenn hier die deskriptive Beziehung zwischen Spindel und Primärachse noch gelten soll, so muß in der Zwischenzeit die Zelle EMSt mit ihrem inneren Gerichtetsein eine Vierteldrehung ausgeführt haben, die ihre anfangs vertikale Primärachse in die Horizontal- ebene brachte; obwohl doch an dieser Bewegung die untere Schwester, die in der typischen Ontogenesis mit EMSt fest verbunden bleibt und gemeinsam wandert, keinen Anteil nimmt. Wie kann man das begreifen? Der Gedanke, daß EMSt ohne die Begleitung ihrer Schwester sich gedreht haben sollte, erscheint wohl auf den ersten Blick sonderbar, weil man geneigt ist, der Zelle P;, deren Schicksal äußerlich so sehr in den Vordergrund tritt, die aktive Rolle zuzuschreiben und anzunehmen, daß die Mittelzelle nur passiv von der anderen mit herumgedreht würde; dann gäbe es natürlich ohne Fortbewegung der Lokomotive P, auch keine Drehung der Mittelzelle. Allein zu einer solchen Verteilung der physiologischen Rollen haben wir gar kein Recht, Im Gegenteil: genaue Betrachtung lebender Vierzellenstadien, besonders von Riesen und solchen normalen Eiern, deren obere Furchungszelle in der Klüftung zurück- geblieben ist, bringt uns zu der Überzeugung, daß der Orientierungsprozeß eine aktive Leistung der sich streckenden, krümmenden und endlich sich drehenden Mittelzelle sei, wenigstens in seinem ersten Teile; während gerade die „Wanderzelle“ P, passiv von jener herumgetragen wird (zur Strassen 1896a. p. 34). Hierdurch ändert sich die Sachlage: eine selbständige, ohne Beteiligung ihrer Schwester vollzogene Vierteldrehung der Zelle EMSt, wie wir sie brauchen, rückt in den Bereich der Möglichkeit. Worauf es jetzt noch ankommt, ist nur die Frage, wie fest wir uns die Kontaktverbindung zwischen beiden Zellen zu denken haben, und ob die Drehungsenergie der Mittelzelle ausreicht, den Widerstand, den die Kontaktstelle einer seit- lichen Verschiebung entgegensetzen könnte, zu überwinden. Ist dieser Widerstand nicht zu groß, so steht der Annahme nichts im Wege, daß EMSt ihre programmgemäße Drehung zur Ausführung bringt, auch wenn ihre Schwester durch mechanische Hemmung am Mit- kommen verhindert ist; P, würde von der sich drehenden Mittelzelle gleichsam abgestreift. Wenn aber umgekehrt die Dauerhaftigkeit der primären Berührungsstelle größer ist, als die Drehungsenergie von EMSt, so hält die mechanisch festgehaltene Zelle P, ihrerseits die Mittelzelle fest, und deren Drehung muß unterbleiben. — Nun ist uns jedoch das normale gegenseitige Größenverhältnis der beiden Faktoren leider völlig unbekannt, denn eine Konkurrenz zwischen ihnen, wie sie bei T-Riesen stattfindet, fehlt in der typischen Ontogenesis. Wir sehen nur, daß in der normalen Entwickelung die schwesterliche Kontakt- verbindung hinreichend haltbar ist, um während des Transportes aus einer Stellung in die andere nicht nachzugeben; und daß ebenso die Drehungskraft von EMSt für ihre normale, nicht schwierige Aufgabe genügt. Was aber geschehen würde, wenn man im stande wäre, die unterste Zelle eines in Orientierung begriffenen normalen und fraglos kerngesunden Vierzellenstadiums festzuhalten: ob dann die Mittelzelle ebenfalls in der momentanen Stel- lung verharren, oder ob sie sich von ihrer Schwester losreißen und dennoch drehen würde, das wissen wir nicht. — Jedoch betrachten wir als gewiß, daß je nach dem typischen Größenverhältnis der beiden ausschlaggebenden Faktoren entweder das eine oder das andere in sämtlichen Fällen geschehen müßte. Unter solchen Umständen stehen wir bei den T-Riesen, wo zwischen den zwei Fak- toren mit einem Male ein Kampf beginnt, der ihren latenten Rangunterschied ans Licht bringen muß, beiden Möglichkeiten des Ausganges zunächst ganz unparteiisch gegenüber: horizontale wie vertikale Endstellung der Primärachse von EMSt würde uns a priori gleich verständlich sein. Und so gelangen wir jetzt zu einer veränderten Fassung des uns beschäftigenden Problems. Wir fragen nicht länger, wie eine selbständige Vierteldrehung der Mittelzelle überhaupt möglich sei, sondern, wie es kommt, daß wir in der Geschichte der T-Riesen beiden Spindelstellungen begegnet sind, also von unserem Stand- punkte aus annehmen müssen, daß EMSt sich in einigen Fällen quand m&me gedreht, in anderen die dazu nötige Energie nicht gefunden habe. Darin aber liegt keine besondere Schwierigkeit. Riesen sind, wie in der Einleitung hervorgehoben wurde, immer verdächtig, krank zu sein. Je tiefer die Schädigung ging, die mit der Entstehung eines Riesen — sei es als Ursache oder Wirkung — verbunden war, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß in der Entwickelung des Riesen ein oder — 113 — das andere typische Geschehnis gleichsam verkümmert wiederkehren oder gar völlig aus- fallen werde; und zwar droht den normalen Ereignissen im allgemeinen um so eher der Untergang, je komplizierter sie sind. Wenn wir also, um das divergente Verhalten der Zelle EMSt bei T-Riesen aufzuklären, nichts weiter brauchen, als ein physiologisches Minus, die Schwächung oder den Ausfall eines normalen Gestaltungsfaktors, so steht einer solchen Annahme nichts im Weg. Hierzu aber bietet sich uns sogar eine doppelte Möglichkeit. Wir könnten uns erstens vorstellen, die drei Ausnahmeriesen mit horizontaler Spindel der Mittel- zelle litten an einer ganz besonderen, pathologischen Schwäche der Kontaktverbindung P,|EMSt, so daß bei ihnen die Drehungsenergie von EMSt, ohne größer zu sein als bei den übrigen, abnormerweise die Oberhand gewinnt. Zweitens aber ist die Annahme erlaubt - und aus verschiedenen Gründen wahrscheinlicher —, daß gerade unsere Ausnahmen die gesünderen Riesen sind, bei denen der Drehungsmechanismus der Mittelzelle seine volle Leistungsfähigkeit oder wenigstens noch sein Übergewicht über den Widerstand des schwesterlichen Kontaktverhältnisses bewahrt; während dieser selbe Widerstand bei dem minder gesunden Gros der T-Riesen genügt, den Drehungsversuch, für den nur unzu- reichende Kräfte zu Gebote stehen, total zu vereiteln. Wie dem auch sei, jedenfalls ist die Möglichkeit, ja sogar die Wahrscheinlichkeit dar- getan, daß EMSt bei einem Teil der T-Riesen ihre ursprüngliche Stellung mit vertikaler Primärachse bis zur Mitose beibehält, in anderen Fällen jedoch eine Vierteldrehung erleidet, die ihre Primärachse, wie in der normalen Ontogenesis, in die Horizontalebene überführt. Und damit kommen wir dem erstrebten Ziele, alle bei den T-Riesen beobachteten Spindel- richtungen von EMSt als mit der primären Achse zusammenfallend darzustellen, um einen guten Schritt näher: die drei Ausnahmeriesen, die auf den ersten Blick mit unserer Hypo- these fast unvereinbar schienen, machen insofern, als ihre Spindeln in die Horizontalebene orientiert wurden, schon keine Schwierigkeit mehr. 3% Allein wir vergessen nicht, daß wir die Aufgabe, die uns hier gesetzt ist, bisher nur zu einem Teile bewältigt haben. Es ist noch nicht aufgeklärt, wie es geschehen kann, daß bei T-Riesen die Spindel der Mittelzelle zwar — im Einklang mit der typischen Vor- schrift — horizontal gelegen ist, innerhalb der Horizontalebene jedoch an- nähernd einen rechten Winkel mit der morphologischen Medianebene bildet, mit der sie zusammenfallen sollte. Von den drei in Betracht kommenden Riesen ließen zwei eine Bestimmung ihrer Medianebene überhaupt nicht zu. Wir würden uns also, was diese beiden betrifft, bei der jedenfalls nicht widerlegbaren Annahme beruhigen können, daß ihre Spindelstellung eine absolut normale gewesen sei. Ganz zweifellos aber war die Regelwidrigkeit der horizontalen Mitose bei dem dritten Riesen. Und dieser eine sichere Fall verlöre, selbst wenn er wirk- lich vollkommen isoliert stehen sollte, doch nichts von seiner ausschlaggebenden Wichtig- keit. Denn wie ich schon früher hervorhob, war gerade dieser T-Riese der gesündeste und lebenskräftigste, den ich überhaupt gesehen habe, und wenn es irgend eine typische Be- Zoologiea. Heft 40. 15 =. Ye ziehung bei den T-Riesen gibt, so würde dieser eine der erste sein, bei dem sie zu erwarten wäre. Unter solchen Umständen steht und fällt die hier geprüfte Hypothese mit der Mög- lichkeit, auch für diese seitliche Abweichung der Spindel einen nach Rich- tung und Ausmaß entsprechenden Drehungsvorgang der Mittelzelle und ihrer primären Achse nachzuweisen. Von irgend einer seitwärts aus der Medianebene heraus gerichteten Bewegung der Mittelzelle ist bisher in dieser Schrift keine Rede gewesen. Wie auch in den deskriptiven Darstellungen der meisten Autoren jede Andeutung über einen derartigen Vorgang fehlt. Und wenn es wahr wäre, daß ın der normalen Entwickelung Bewegungen dieser Art ein- fach nicht vorhanden sind, so würde es überflüssig sein, bei T-Riesen danach suchen zu wollen; denn zu atypischen Gleit- oder Drehbewegungen, wie sie in höheren Stadien durch mechanische Wechselwirkung der abnorm gelagerten Elemente vielfach geschehen müssen, fehlt der Zelle EMSt — und gerade hierdurch wird sie für unsere Analyse so be- deutungsvoll — jeder Grund und jede Gelegenheit. Ich habe jedoch bereits ın meiner deskriptiven Ascarisarbeit (1896a p. 34) betont, daß die normale Schwenkung vom vierzelligen T zum Rhombus, obwohl ihr Anfang und ihr Ende ın der gleichen Ebene, nämlich der Medianebene gelegen sind, dennoch keineswegs immer in HH. dieser selben Ebene vollzogen wird. Vielmehr tritt zu allermeist die Bewegung gleich in ihrem ersten Stadium rechtwinklig aus der T-Ebene Normales Stadium IV während der Orientierung, heraus. Die Mittelzelle streckt und a A krümmt sich also zunächst nicht kau- dalwärts, sondern zur Seite hin, ihre Schwester P, in der gleichen Richtung vor sich her schiebend (Fig. HH). Da nun das untere Zellenpaar, wie wir wissen, endlich doch wieder in der Medianebene liegt, so muß natürlich der Betrag der seitlichen Abweichung durch eine spätere Rückkehrbewegung kom- pensiert werden. Dies geschieht zu einer ungemein variablen Zeit. Zuweilen fast unmittel- bar nach dem Beginn des Orientierungsvorganges; dann vollzieht sich die Schwenkung in der Hauptsache wirklich innerhalb der Medianebene. Am häufigsten tritt die Rückkehr zur Mediane ungefähr in der Mitte des Prozesses ein, so daß P, einen kurzen bogenförmigen Umweg über die eine Flanke beschreibt. Gar nicht selten aber macht sich der Ausgleich nicht -eher geltend, als bis die Seitwärtsbewegung den Wert einer fast vollständigen Viertel- drehung erreicht hat, die vier Zellen vorübergehend ein Tetraöder bilden, und eine horizon- tale Drehung über 90° nötig wird, um das ventrale Zellenpaar in die Medianebene zurück- zuführen. Man erkennt sogleich, wie außerordentlich die Lage durch diese Präzisierung des deskriptiven Verhaltens zugunsten unsrer Hypothese verändert wird. Nehmen wir an, der problematische T-Riese mit der horizontalen, aber quergestellten Spindel gehöre zu der letzten Kategorie; seine Mittelzelle habe sich also nach der Seite hin um ein volles Viertel gedreht: so lag nach dem Abschlusse dieser Bewegung die Primärachse der gedrehten — 15 — Zelle horizontal und quer zur Mittelebene, d.h. in derjenigen Stellung, in der nach- her die Spindel gebildet wurde. Aber damit wäre das Problem noch immer nicht ganz gelöst. Wir wissen jetzt, daß die Primärachse von EMSt in diejenige Situation, die wir brauchen, normalerweise oft ge- rät, und also auch bei unserem Riesen auf Grund normaler Mechanismen gelangen konnte. Allein die quer-horizontale Achsenstellung ist ın der typischen Ontogenesis doch etwas vor- übergehendes, sie wird ohne Pause in die längs-horizontale umgewandelt. Und man sieht nicht ohne weiteres ein, warum denn der Musterriese mitten in der vorschriftsmäßig be- gonnenen Drehbewegung Halt gemacht und sich den Rest geschenkt haben sollte. — Um diese auffällige Unterlassungssünde zu entschuldigen, erinnere ich abermals daran, daß bei den T-Riesen jeder typische Einzelvorgang der Gefahr pathologischer Veränderung unter- liegt, und daß die so bedingten Ausfälle in unkontrollierbarer Willkür für sich allein oder mit andern zusammen auftreten können. Nun legt die eigentümlich ungeregelte Art, in der die seitliche und die kaudalwärts gerichtete Schwenkung des T-Stammes ineinandergreifen, wohl den Gedanken nahe, daß die Gesamtdislokation, wie sie sich geometrisch in zwei Komponenten zerlegen läßt, auch physiologisch kein einheitliches Geschehnis sei; sondern jeder Bestandteil durch einen eigenen, vom anderen ganz unabhängigen Drehungsmechanis- mus vollzogen werde. Und diese Vermutung wird unsere spätere Analyse bestätigen. Da nun offenbar von zwei gesonderten Mechanismen, die für die komplete Umlagerung der Zelle EMSt normalerweise in Gebrauch genommen werden, bei Riesen der eine gesund, der andere krankhaft verändert sein könnte, so gewinnt die Möglichkeit Raum, daß irgend ein T-Riese den ersten, seitwärts gerichteten Teil der Gesamtdrehung tadellos vollendet, beim zweiten aber matt und unsicher ist, oder ganz versagt. Und unser Musterriese könnte in solcher Lage gewesen sein. — Übrigens lag ja die inkriminierte Spindel nur annähernd quer zur Mittelebene; in Wirklichkeit war sie um einen geringen Winkel seitlich gegen jene verdreht; so daß die Zelle EMSt den horizontalen Teil ihres Bewegungspensums hier wenigstens begonnen haben mochte. Betrachten wir jetzt, nachdem die Möglichkeit dessen, was wir vom Standpunkte unserer Hypothese aus fordern mußten, so klar vor Augen liegt, noch einmal die Vor- geschichte unseres Riesen, so gibt auch diese Zeugnis davon, daß seine Mittelzelle die von uns als möglich vorausgesetzten Schicksale in Wirklichkeit erlitten hat. Die Zelle benahm sich, wie wir uns erinnern, zur Zeit des Orientierungsversuches sehr auffällig. Sıe krümmte sich wesentlich stärker, als es die frühzeitig ins Stocken geratene Gesamt- schwenkung bedingt hätte, so daß der T-Stamm förmlich durchgebogen wurde (Taf. III, Fig. 21). Und als die Ruheperiode begann, wurde die Form unserer Zelle nicht regelmäßig monaxon, wie es sonst bei T-Riesen geschieht, sondern sie behielt eine einseitige, weit vor- springende Wölbung bei, was sie einer normal orientierten Mittelzelle nicht unähnlich er- scheinen ließ (Fig. 22, 23). Aus diesen ungewöhnlichen Vorgängen ist zunächst mit größter Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, daß hier die vorschriftsmäßige Vierteldrehung der Mittel- zelle, ohne Rücksicht auf das Zurückbleiben ihrer Schwester P;, sich in der Tat vollzogen hatte, Allein die stärkste Wölbung der Zelle befand sich nicht, wie es für den normalen Rhombus gilt, genau am Vorderende, sondern viel weiter linksseitig neben der Medianebene! So bleibt denn wohl kein Zweifel, daß die Mittelzelle unseres Riesen — 116 — sich um volle 90° von links nach rechts und gleichzeitig ein wenig kaudalwärts ge- dreht hatte; daß folglich ihre Primärachse horizontal und annähernd quer zur Medianebene gerichtet war und in dieser Situation verblieb. In genau die gleiche Rich- tung wurde darauf die Spindel eingestellt. 4. Somit haben wir, denke ich, den Nachweis erbracht, daß bei den T-Riesen die Spindelrichtung der Zelle EMSt in sämtlichen überhaupt beobachteten Fällen mit der Primärachse übereinstimmt, sich also genau so verhält, wie in der normalen Entwickelung. Dieser Nachweis ist darum so ganz besonders bedeutungsvoll, weil EMSt mit ihrer scheinbar kapriziösen Teilungsweise —- führt sie uns doch ihre Spindel in nicht weniger als drei verschiedenen und zueinander senkrechten Stellungen vor —, aller bisherigen Versuche, sie auf irgend eine Richtungsbeziehung festzulegen, gespottet hat. Die übrigen in Betracht kommenden Blastomere, z. B. auch die Schwesterzelle P;, stellen hierin der Analyse weit minder günstige Bedingungen. Bei diesen Zellen kehrt in der T-Riesengeschichte allemal das eine oder andere normal-deskriptive Richtungsverhältnis . zu Punkten der Umgebung regelmäßig wieder; so behält P; die deskriptive senkrechte Beziehung ihrer Spindel zur schwesterlichen Kontaktfläche neben derjenigen zur Primär- achse unter allen Umständen bei. Und unsere Analyse war darauf angewiesen, durch den Nachweis der allgemeinen, für alle Mitosen gültigen Beständigkeit innerer Richtungs- beziehungen die Wahrscheinlichkeit ihres kausalen Vorranges darzutun. Die Mittelzelle EMSt aber bewahrt weder zu ihrer Schwester P;, noch zu den Ektodermzellen, noch auch zu ihrer äußeren Gestalt, — das heißt zur Gesamtheit der die Zelle rings umgebenden, geordneten und als mögliche Reizlieferanten etwa in Frage kommenden Gebilde -—- irgend ein konstantes Verhältnis ihrer Spindelstellung: einzig und allein nur zu ihrem eigenen inneren Gerichtet- sein. Dann aber ist gewiß, daß auch nur dieses, und zwar die im Zellleib fixiert gedachte Primärachse, den orientierenden Reiz für alle Spindel- stellungen unserer Zelle ljietern kanm. Hieran reiht sich weiter Schluß an Schluß. Wenn von der primären Achsenrichtung, wie erwiesen ist, ein orientierender Reiz ausgeht, so muß sich diese Richtung innerhalb des plasmatischen Zellleibes durch irgend eine strukturelle Differenzierung unter- scheiden; und es steht der ökonomischen Annahme nichts im Wege, daß die primär-axiale Plasmastruktur bei der Geburt der Zelle durch die Lage der damaligen Spindel hervorgebracht worden sei. Von einer solchen Struktur sieht man aber zur Zeit der neuen Mitose nichts ; vielmehr erscheint das Zellprotoplasma, nachdem die primäre, bei der Geburt übernommene Strahlung verschwunden ist und Kern und Sphäre außerhalb der Primärachse eine neue Stellung ein- genommen haben, dem Auge durchaus isotrop. Also lernen wir aus der Teilungsgeschichte von EMSt mit positiver Sicherheit, daß das homogen aussehende Protoplasma der Ascariszellen typisch gerichtete Strukturen enthalten kann. Und damit ge- winnen wir für künftige Annahmen, bei denen es sich um noch größere Komplikationen handeln wird, ein für alle Mal festen Grund und Boden. — 17 — Natürlich berechtigt uns ja der in einem einzigen, hervorragend günstigen Falle ge- lieferte Beweis noch nicht, zu behaupten, daß nun für sämtliche Mitosen von Ascaris die kausale Rolle der primären inneren Richtungen bewiesen sei; so zuversichtlich wir auch in dieser Hinsicht nunmehr gestimmt sein mögen. Die Analyse der übrigen Mitosen bleibt uns also nicht erspart. Aber wir dürfen ihr immerhin mit einigem Interesse entgegensehen, da sie ja nicht nur die allgemeine Gültigkeit unserer Hypothese definitiv bestätigen soll, sondern auch bestimmt ist, im spezielleren darüber Auskunft zu geben, ob die von uns er- dachten Pläne verschiedener innerer Reizmechanismen richtig sind, und in wie hohem Grade wir das Plasma des Eies mit einzeln präformierten Richtungsstrukturen belasten müssen. Auf diesem Gebiete steht uns mehr als eine wichtige Überraschung bevor. B. Paratangentiale und zur Primärachse senkrechte Spindelstellung. Nach der rein axialen Teilungsweise erschien uns — vom Standpunkt unserer Hypo- these beurteilt — diejenige Art von Spindelstellungen die physiologisch einfachste zu sein, bei welcher die Spindel paratangential und zugleich quer zur primären Achse gerichtet wird. Denn diese Kategorie von Teilungen erforderte unter gewissen Voraussetzungen keinen höheren Grad plasmatischer Komplikation, als die rein axiale: lediglich eine axial-symmetrische Differenzierung des Zellleibes in der Richtung der vorausgegangenen Mitose. Nehmen wir an, daß die Spindel einer solchen Zelle auf den Reiz der axialen Struktur allemal mit Querstellung reagiert, so reichte die dadurch bestimmte Ebene von Möglichkeiten aus, um in Gemeinschaft mit dem Prinzipe der paratangentialen Spindelbildung die eindeutige, typische Orientierung der Spindel zu gewährleisten. Wie verhalten sich nun diejenigen Zellen, deren normale Mitose einer physiologischen Deutung im Sinne des hier entwickelten Planes zugänglich ist, bei experimenteller Ver- änderung ihrer deskriptiven Lage- und Formverhältnisse ? Zu einem Teile ist uns die Antwort im voraus bekannt. Wir wissen nämlich aus einem früheren Kapitel (p. 91), daß die Methode der paratangentialen Klüftung von allen den Blastomeren, die ihr normalerweise unterworfen sind, auch bei T-Riesen und überhaupt in jeder beliebigen Schicksalslage beibehalten wird. Danach ist dies eine sicher: die para- tangentialen Spindeln der für die folgende Untersuchung in Betracht kommenden Zellen liegen bei T-Riesen unter allen Umständen wiederum paratangential, d. h. senkrecht zur organischen Achse, oder, was bekanntlich auf dasselbe hinausläuft, senkrecht zur Sym- metrieachse der jeweiligen Zellgestalt. Wenn also die Gestalt einer Zelle bei T-Riesen atypisch verändert ist, so kann die spezielle Stellung ihrer Spindel gewissen primären Merkmalen gegenüber ebenfalls atypisch sein. Aber eine solche abnorme Ver- schiebung der Paratangentialebene würde nicht ausschließen, daß die Spindel innerhalb der neuen, ihr zugewiesenen Möglichkeitsebene diejenige Stellung wählt, die das typisch senkrechte Lageverhältnis zur Primärachse aufrecht erhält. Ob dies in allen Fällen ge- schieht oder nicht, das zu entscheiden ist die nächste Aufgabe für unsere Analyse. — 118 — A undB. ie Die Ektodermzellen A und B des vierzelligen Stadiums dienten uns in ihrer typischen Spindelstellung als ausgezeichnet klare Paradigmata der quer-paratangentialen Teilungsweise p- 98, Fig. Z). Minder dankbar ist ihre Analyse an der Hand der eigentlichen T-Riesen- geschichte, da unsere beiden Zellen von der bekannten, für uns so wertvollen Stellungs- anomalıe des ventralen Paares allzuwenig betroffen werden. Besonders die vordere Zelle A zeigt sich bei den T-Riesen weder in ihren un- mittelbaren Nachbarschaftsverhältnissen noch auch, was für uns jetzt wichtiger ist, in ihrer typischen Form und Lage im geringsten gestört: daraus geht hervor, daß die Richtung ihrer Primärachse einerseits und ihrer organischen Achse andererseits mit der normalen identisch ist (Fig. JJ ı und 2). Wenn nun diese Zelle ihre Spindel bei T-Riesen ausnahmelos hori- zontal und quer zur Medianebene stellt, wie in der regulären Ontogenesis, so bedeutet das, wie dort, zugleich „quer zur primären Achse und paratangential“. Die typische Be- ziehung der Spindel zur Primärachse erweist sich also bei A als konstant; womit freilich für sich allein nicht viel gesagt ist; denn alle übrigen deskriptiven Richtungs- verhältnisse dieser Mitose werden ja nicht minder getreulich beibehalten. 1 II. 2 Form- und Achsenverhältnisse der Zellen A und B in der normalen Ontogenesis (1) und bei T-Riesen (2). p—a Primärachsen ; die organischen Achsen sind durch Pfeile dargestellt. Instruktiver ist schon das Verhalten der hinteren Ektodermzelle B. Diese Zelle verändert zwar in der T-Riesengeschichte ebensowenig als A die typische, genau mediane und longitudinale Stellung ihrer primären Achse, wohl aber ihre Gestalt. Indem die dritte Kontaktfläche, die ihr normalerweise die wandernde Zelle P, verschafft, in Wegfall kommt, erhält oder besser: bewahrt — unsere Zelle genau die gleiche disymmetrische Form mit zwei basalen Berührungsflächen, wie ihre Schwester (Taf. I, Fig. ı). Mit dieser Form- veränderung geht aber selbstverständlich eine atypische Aufstellung des Kerns und der Sphäre Hand in Hand. Während im rhombisch orientierten Vierzellenstadium die organische Achse von B steiler aufgerichtet ist, als die von A, liegt sie jetzt eben so schräg wie jene (Fig. JJ, ı und 2). Nur in einem, sehr wesentlichen Punkte ändert sich nichts: die organische Achse von B fällt nach wie vor in die morphologische Mittelebene. Erheben wir jetzt einmal vorweg die Frage, wie denn die Spindelstellung der Zelle B, wenn sie ım Einklang mit unserer Hypothese einerseits an die Paratangentialebene, anderer- 2 seits an das senkrechte Verhältnis zur Primärachse gebunden ist, unter den geänderten Ver- hältnissen der T-Riesen ausfallen müßte, so erkennen wir bald, daß die Spindelstellung hierbei ganz unverändert so bleiben würde, wie sie war: horizontal und quer zur Median- ebene. Die organische Achse von B dürfte sich sogar noch stärker nach oben oder unten verschieben: so lange sie innerhalb der Mediane bleibt, schneidet die von ihr abhängige Paratangentialebene die andere, durch die Primärachse normierte Ebene von Möglichkeiten allemal längs der gleichen queren Linie; und wenn die Spindel unserer Zelle in der Tat von jenen zwei Grenzebenen geleitet wird, so muß sie bei T-Riesen in dieselbe Linie fallen, wie in der normalen Entwickelung. Daß dies letztere in der Tat geschieht, ist uns wohlbekannt. Alsordarf — soweit die Beweiskraft der T-Riesengeschichte hier eben reicht — auch die Spindelstellung von B im Sinne der von uns geprüften Hypothese gedeutet werden. 2. Nun aber die erste von den Überraschungen, die ich verkündigt habe. In der Ge- schichte des Dreifachzwillings geschieht etwas, das die Physiologie der Spindelstellung von A und B mit einem Schlage in völlig verändertem Lichte erscheinen läßt. Wir wollen die Überlegung, die wir vorhin über das geometrische Verhältnis der beiden von der primären und organischen Achse bestimmten Ebenen angestellt haben, so- weit es dort in Frage kam, jetzt bis an ıhr Ende führen. Was geschähe wohl, wenn die organische Achse einer dieser Zellen sich auf der Medianebene so weit nach abwärts ver- schöbe, daß sie in die Richtung der primären Achse selber zu liegen .käme? Die Antwort ist einfach. In solchem Falle würden auch die zwei Ebenen, die im Schwer- punkte der Zelle auf den Achsen senkrecht stehen und sonst sich längs einer queren Linie schneiden, zusammenfallen, und die Schnittlinie zwischen ihnen verschwände. Wenn nun die Spindel der gedachten Zelle aus physiologischen Gründen einerseits in die zur organischen Achse senkrechte Paratangentialebene, andererseits in die zur Primärachse senkrechte Ebene gerichtet wird, wie unsere Hypothese lautet, so würde ihr durch zweifache Kausalität eine und dieselbe Ebene angewiesen. Aber nichts ist da, was ihr innerhalb dieser Ebene von Möglichkeiten eine endgültige, spezielle Richtung verleihen könnte. Die Stellung der Spindel müßte also in ihrer doppelt garantierten Ebene willkürlich, vom „Zufall“ ab- hängig sein. Das Experiment, das hier in Gedanken ausgeführt wurde, hat eine glückliche Fügung in der Geschichte des sonderbaren Dreifachzwillings — ein einziges Mal! — verwirklicht. Wir erinnern uns, daß die beiden Ektodermzellen des senkrecht auf dem Kopfe stehenden Individuums im Augenblicke ihrer Geburt von der zugehörigen ventralen Keimeshälfte los- gerissen wurden und gänzlich isoliert in der kleineren Schalenkammer liegen blieben (Taf. IV, Fig. 53). Diese beiden Blastomere — die wir, ohne zu wissen, welches die eine und welches die andere war, doch gemeinsam als A und B bezeichnen dürfen waren somit gegenüber den Verhältnissen echter T-Riesen je einer weiteren Kontaktfläche beraubt: die schwesterliche Scheidewand war die einzige, die ihnen geblieben war. Natürlich erhielt unter solchen Umständen jede der Zellen, analog dem normalen Stadium II, eine zur Rich- — 120 — tung der vorausgegangenen Mitose, d.h. zur primären Achse allseitig symmetrische Ruhe- form (Taf. IV, Fig. 55). Und da, wie immer, die beiderseitigen Kerne und Sphären in der Achse der Zellsymmetrie Stellung nahmen (oder vielmehr behielten), so ist klar, daß jetzt in beiden Ektodermzellen die organische Achse mit der primären in der Tat zusammenfiel. — Was hätten wir nun von der Spindelstellung dieser Zellen, falls unsere Hypothese des hier geltenden Reizmechanismus richtig ist, unbedingt erwarten müssen? Offenbar dies: daß zwar die eine wie die andere Spindel quer zu der primär- organischen Einheitsachse ihrer Zelle, d. h. parallel zur schwesterlichen Scheidewand ge- richtet würde; daß aber die Auswahl einer speziellen Richtung innerhalb der solchermaßen freigestellten Ebene einer jeden Spindel gleichsam selber überlassen wäre: irgendwelche geometrisch einfache Beziehung oder gar Übereinstimmung zwischen den beiderseitigen speziellen Spindelstellungen wäre ausgeschlossen, oder könnte höchstens das Ergebnis eines sehr sonderbaren Zufalles sein. In Wirklichkeit aber geschah folgendes. Die isolierten Schwesterzellen teilten sich nicht gleichzeitig, wie es in der typischen Entwickelung gesunder Eier fast ausnahmelose Regel ıst, sondern die eine war bereits durchgeschnürt, als in der anderen die Spindel sich völlig ausgebildet hatte (Taf. IV, Fig. 56). Hierbei ergab sich zunächst, daß beide Spindeln genau parallel der gemeinsamen Scheidewand, d. h. senkrecht zu der betreffenden primär- organischen Achse gerichtet worden waren. Unsere erste Voraussage war also in der Tat erfüllt; um so gründlicher enttäuscht wurde die zweite. Denn die spezielle Richtung der Spindeln innerhalb der ihnen zugewiesenen Ebenen war keineswegs, wie wir erwartet hatten, eine beliebige und beiderseits disharmonische, sondern die Spindeln lagen einander haarscharf parallel. Hier treffen wir also — in unserer Analyse ein noch nicht dagewesener Fall — bei den abnormen Keimen auf ein zu hohes Maß typischer Beständigkeit, ein höheres, als die von uns bis jetzt verteidigte Hypothese vertragen kann. — Oder fände sich vielleicht doch noch ein Weg, die Kongruenz der beiden Spindelrichtungen als ein minder bedeutungs- volles Ereignis hinzustellen? Wir lassen die Möglichkeit einer „zufälligen“ Übereinstim- mung als gar zu unwahrscheinlich aus dem Spiel. Aber man könnte wohl denken, den beiden Spindeln sei von Haus aus keine spezielle Richtung vorgeschrieben gewesen; erst da- durch, daß die eime Zelle sich vor der anderen teilte, schuf sie für ihre Schwester eine be- stimmte Richtung, in die dann die andere Spindel gezwungen war, ebenfalls einzutreten: z. B., indem an der Schwesterzelle quer zur Primärachse eine Richtung geringsten Wider- standes oder größter Protoplasmamasse entstanden wäre, die die Spindel, als die bequemste unter allen freigestellten, angenommen hätte, oder durch eine gegenseitige richtende Beein- flussung vermittels orientierender Reize. Allein dem steht entgegen, daß die Deformation der zurückgebliebenen Zelle durch das anhaftende Töchterpaar höchstens senkrecht zur Verbindungslinie des letzteren eine Richtung größter Ausdehnungsmöglichkeit bedingen könnte. Und zweitens, daß es eine gegenseitige richtende Einwirkung der Spindeln von A und B ın der normalen Ontogenesis, wo man öfters die eine quer, die andere schräg gelagert sieht und zum Schluß doch allemal beide in die Querstellung übergehen, bestimmt nicht gibt. — 121 — Somit bleibt nichts übrig, als den Fall wirklich ganz ernst zu nehmen. Offenbar hat jede von den beiden Schwesterzellen ihre Spindel in eine nach allen drei Dimensionen fest bestimmte Richtung dirigiert, wozu natürlich fest lokalisierte innere Orientierungsmittel nötig waren; und die Kongruenz der Spindelstellungen beruht auf einer von Geburt aus homonomen und seither nicht gestörten Lagerung der beiderseitigen Orientierungsmittel. Ferner ist selbstverständlich, daß es sich nur um typische Richtungsmittel, um eine typisch geregelte Spindelstellung handeln kann. Dann aber kommt nur eine einzige Deutung der von den Spindeln gewählten Lage in Betracht: die isolierten Schwesterzellen haben sich offenbar genau so geteilt, wie in der typischen Ontogenesis; die Ebene, in der beide Spindeln gelegen sind, ist in Bezug auf das primäre Gerichtetsein der Zellen keine andere, als jene „Horizontalebene“, die in der normalen Entwickelung und bei den T-Riesen die Spindeln von A und B enthält, die man aber hier, wo infolge der Isolation und der seither eingetretenen unkontrollierbaren Drehungen des Paares jede Orientierung über oben und unten in morphologischem Sinne ausgeschlossen ist, nicht mehr als solche erkennen kann. Übertragen wir die gewonnene Erfahrung auf die normale Entwickelung, so ist jetzt sicher, daß die Spindeln von A und B, wenn es gelänge, die beiden Zellen unter Auf- rechterhaltung ihres typischen Verhältnisses zu den Hauptrichtungen des Embryo emporzuheben, bis jeder Kontakt mit dem ventralen Blastomerenpaare ver- schwindet und die organischen Achsen unserer Zellen in das Niveau der Primärachsen niedergesunken sind, — dennoch wieder horizontal gerichtet würden. Und damit ist er- wiesen, daß unsere aus Sparsamkeitsgründen aufgestellte Hypothese über den Reizmechanis- mus dieser Art von Teilungen falsch, daß sie eben zu einfach war. Die Zellen A und B besitzen eine höhere Komplikation der inneren plasmatischen Struktur, als nur die axial- symmetrische, die sich aus der bei der Geburt vorhandenen gleichgerichteten Differenzierung so ökonomisch herleiten ließ. Aber welche? Wir sind schon so gewöhnt, die geometrisch einfachen Richtungen als diejenigen an- zusehen, deren strukturelle Hervorhebung am billigsten zu erhalten ist, daß wir, wenn für die Zellen A und B schon mindestens eine Flächenstruktur gebraucht wird, sogleich an die Medianebene denken. Wurde doch für die Zelle P, schon auf die normalen Verhältnisse hin eine Mediandifferenzierung verlangt und sehr ökonomisch besorgt. Nehmen wir also an, das Plasma der Zellen A und B sei in der Richtung der Medianebene diffe. renziert, also median-symmetrisch; und die Spindel stelle sich in beiden Zellen senkrecht zu der hervorgehobenen Ebene. Dann ist klar, daß eine solche Hypo- these‘ für das Verhalten der Zellen in der normalen Entwickelung, bei T-Riesen, wie auch für das isolierte Ektoderm unseres Dreifach-Zwillings in der Tat genügen würde: unter allen Umständen lägen beide Spindeln „horizontal“. Die paratangentiale Teilungsweise aber wäre als Faktor ausgeschaltet, und so verstände sich ganz selbst, daß eine Veränderung der organischen Achse keinen Einfluß auf die Spindellage haben könnte. Allein durch folgende Überlegung entpuppt sich das Geschäft doch als viel weniger vorteilhaft, als es den Anschein hatte. Die für die „gleichsinnige‘“ Mitose der Zelle P, be- gründete Hypothese einer medianen Symmetrie war deshalb in physiologischem Sinne ver- gleichsweise anspruchslos, weil sie der primären, bei der Geburt vorhandenen Differenzierung Zoologica. Heft 40. 16 — 12 — des Zellleibes doch keine größere Komplikation zumutete, als die axial-symmetrische. Man konnte sich nämlich denken, daß die primär-axiale Struktur erst durch die postmitotische, in der Medianebene vollzogene Wanderung der organischen Achse in eine median-symmetrische verwandelt werde. Dieser bedeutende Vorzug kommt der Hypothese für den Fall der Ekto- dermzellen A und B nicht zu. Zwar würde die normale Entwickelung, wie auch die Ge- schichte der T-Riesen die Übertragung jener genetischen Herleitung recht wohl gestatten; hier wie dort geschieht ja die Wanderung der organischen Achsen von A und B in der Tat genau median. Aber das isolierte Ektoderm des Dreifach-Zwillings steht wiederum im Wege. Denn da die organischen Achsen dieser beiden Schwesterzellen ihre ursprüngliche Stellung in der Primärachse überhaupt nicht verlassen, so kann natürlich durch ihre „Wan- derung“ keinerlei sonstige Differenzierung geschaffen worden sein. Wenn man die Verhältnisse des Ektodermzellenpaares im Zustande der Isolierung recht bedenkt, so leuchtet aber ferner ein, daß ebenso sicher jeder andere Versuch, ein „nachträgliches“ Auftreten der medianen Struktur in ihrem Plasma begreiflich zu machen, scheitern müßte. Denn um die Achse der einsamen Zellen herum ist alles homogen: die Form ist kreisrund auf allen Querschnitten, eine Nachbarschaft fehlt, und auch die abge- platteten Kerne bieten, wie wir aus der deskriptiven Einleitung wissen, quer zur Achse keinerlei gerichtete Differenzierung dar. Also muß die strukturelle Auszeichnung der Medianebene, die in den Zellen A und B sicher vorhanden’ ist..schon zur Zeit ihrer Geburt als primäre Eigenschaft bestanden haben. Das aber ist ein folgenschweres Resultat. Für das Auftreten einer primär-axialen Struktur konnten wir allemal die Vorgänge bei der Geburt der Zelle verantwortlich machen. Jetzt aber muß im Hinblick auf den Dreifachzwilling zugegeben werden, daß die Mitose, aus der A und B hervorgegangen sind, nichts enthält, woraus eine mediane Differenzierung sich herleiten ließe. Die strukturelle Median-Symmetrie von A und B muß durchaus schon während und — sit venia verbo — vor ihrer Geburt vorhanden gewesen sein: sie ist mit einem Worte ein Erbteil von AB, ıhrer gemeinsamen "Mutterzelle. Mit diesem Ergebnisse dürfen wir uns jetzt nicht mehr bescheiden. AB, die obere Furchungskugel des zweizelligen Stadiums, entpuppt sich plötzlich als Trägerin einer me- dianen Differenzierung, von der wir bisher keine Ahnung hatten. Wie kommt sie zu dieser Eigenschaft? Fassen wir die geforderte Differenzierungsebene genauer ins Auge (Fig. KK 2), so erkennen wir, daß sie zwei deskriptiv bekannte Achsenrichtungen der Zelle selbst enthält: nämlich erstens ihre senkrecht stehende organische Achse, die zugleich Primärachse ist, zweitens, da die Zelle AB sich in longitudinaler Richtung teilt, die Spindelachse der kom- menden Mitose. In diesem Bestimmtsein der gesuchten Ebene durch zwei bekannte Rich- tungen liegt nun aber ein Fingerzeig, wie wir uns den Ursprung der Bilateralität von AB möglichst ökonomisch denken könnten. Nehmen wir an, das Plasma der Zelle AB sei von Geburt an in der Richtung ihrer primären Achse bloß axial-symmetrisch differenziert. Indem nun die Spindel der zur Teilung schreitenden Zelle in irgend einer beliebigen „speziellen“ — 123 — Richtung quer zur Primärachse gebildet wird, liefert sie für die geforderte vertikale Ebene das zweite geometrische Bestimmungselement; worauf die geschaffene Flächenrichtung auf diese oder jene Weise strukturell im Plasma markiert und als nunmehrige Medianebene auf die Tochterzelle vererbt werden könnte. 717 A | 1“ N. „—— ———_—_—— —— Y Spindelstellung der normalen Stadien IV und II, von links, jedoch etwas schräg von oben und hinten. Die primäre Medianebene der Zellen A und B in Fig. 1, AB in Fig. 2 ist vertikal schraffiert. Wenigstens darf diese Vorstellung dann als die am meisten ökonomische gelten, wenn die spezielle Richtung der Spindel von AB innerhalb der ihr zugewiesenen Horizontalebene auch wirklich eine „zufällige“ und nicht etwa durch eine vorhandene Struktur ım voraus geregelt ist. Hierüber wissen wir zur Zeit noch nichts. Ziemlich bald aber werden wir darauf zurückzukommen haben. MSt und C. 1 Nach dem unbestrittenen Erfolge der eben abgeschlossenen Erörterung darf die Ana- lyse der übrigen hierhergehörenden Mitosen um so kürzer gehalten werden. Die Mehrzahl von ihnen, nämlich die zahlreichen zur Primärachse queren Teilungen, die das ektodermale Epithel enthält, kommt ohnehin für analytische Zwecke gar nicht in Frage, da mir die Schwierigkeit, solche Zellen im Ektoderm der T-Riesen zu identifizieren, bisher unüberwind- lich gewesen ist. Aber auch die klar ausgeprägten queren Mitosen der beiden „ventralen“ Zellen MSt und € sind trotz ihrer frühen Entwickelungsstufe keine angenehmen Objekte mehr. In der typischen Ontogenesis liegen diese Zellen zwischen benachbarten Blastomeren fest ein- gepackt, verschieben sich höchstens auf der Medianebene, ohne das primäre Kontaktverhältnis zu ihren bezüglichen Schwesterzellen E und P, aufzugeben, und haben zu unkontrollierten Drehungen keine Gelegenheit (Fig. LL, p. 124). Bei T-Riesen aber ist ihre Situation am An- fang und Ende der freihängenden, gekrümmten Ventralreihe (Taf. I, Fig. 3) so exponiert, daß sie darin aus rein mechanischen Gründen eigentlich gar nicht verbleiben dürften. Und es ist ein Problem für sich, wenn man sie dennoch die ursprüngliche Lagebeziehung zu te ihren Nachbarn zumeist bewahren sieht. Oft genug aber — vermutlich bei stärker ge- schädigten Riesen — wird die viergliederige Säule durch allerhand atypische Verschiebungen zu einem gedrungenen Aggregat (Taf. II, Fig. ı5). Und da bei dieser Gelegenheit jede gleitende Zelle Drehungen ausführen kann, von denen man absolut nichts weiß, so kennt man auch die endgültige Lagerung der Primärachsen nicht und darf deshalb die anscheinend abnormen Spindelstellungen weder pro noch contra in Rechnung ziehen. LL. Stadium XII von rechts, nach Boveri. Teilung von MSt und C. Man blickt in der Richtung der beiden Spindeln. p—a die Primär- achsen von MSt und C. Analytisch verwendbar sind nur diejenigen Fälle, in denen die Stellung oder doch wenigstens das primäre Kontaktverhältnis von MSt und C sicher unverändert ist. Solcher Fälle sind mir über zwanzig bekannt geworden: und alle bezeugten die Konstanz des typischen Verhältnisses zwischen primärer Achse und Spindelstellung der Zellen MSt und C. So wurde bei dem Musterriesen vom I. Typus (Taf. I, Fig. 5—8) die Scheidewand von MSt (dunkelblau) fraglos quer zur Richtung der vorausgegangenen Mitose angelegt. Freilich verschaffte sich das Töchterpaar noch während der Durchschnürung durch atypische Drehung ein bequemeres Unterkommen. Und an demselben Riesen bewahrte auch die (rote) Schwanzzelle C, die zwar, wie das gewöhnlich geschieht, bis zur Berührung der Urdarmzelle emporgeglitten war, deren Primärachse jedoch die von der ventralen Gruppe markierte „Medianebene“ nie verlassen hatte, das vorgeschriebene Verhältnis. Denn ihre Spindel stand genau senkrecht zu jener Ebene, also auch senkrecht zu der darin be- findlichen Primärachse; und außerdem lag diese Spindel, da die organische Achse von C ebenfalls in der partiellen Medianebene verblieben war, vorschriftsmäßig paratangential. Weniger zuverlässig.ist die Analyse der Teilung von MSt bei dem Musterriesen des II. Typus (Taf. III, Fig. 34 bis 36). Hier hatte gerade die Zelle MSt Verschiebungen in ihrer Nachbarschaft erlitten, von denen unklar blieb, ob und wie weit die Lage ihrer eigenen Primärachse davon ergriffen war. Immerhin ist nicht zu verkennen, daß die Spindelstellung unserer Zelle, indem sie senkrecht zur Längsachse des Embryo stand, wenigstens die Wahr- scheinlichkeit für sich hatte, das typische Verhältnis der Primärachse gegenüber reprodu- ziert zu haben. Ganz sicher aber lag wiederum die Spindel der Schwanzzelle quer zur pri- mären Achse und paratangential, obgleich doch der ektodermale Anteil ihrer Umgebung keineswegs vollkommen typisch war. — 1255 — In den bisher betrachteten normalen wie abnormen Fällen hat allemal die Primär- achse von MSt oder CE mit der organischen Achse einen Winkel gebildet. Die beiden von diesen Achsen normierten Ebenen schneiden sich also: sie reichen . zusammen aus, die Spindelstellung eindeutig zu bestimmen. Und wir würden demnach nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sein, für MSt und C die ursprüngliche Hypothese über den Reiz- mechanismus der „queren“ Spindelstellungen aufrecht zu erhalten, — so wenig uns vielleicht nach den Erfahrungen mit A und B eine solche Ökonomie von Herzen kommen möchte. Allen ich habe mich doch von der Unzulänglichkeit des früher ausgedachten Mechanismus, wenigstens für C, überzeugt. Es kommt nämlich, wie ich schon oben an- deutete, gelegentlich vor, daß die Schwanzzelle ihre freie terminale Lage am Ende der ventralen Säule bis zur Mitose bewahrt, ohne mit den höher gelegenen Blastomeren neue Be- rührungen einzugehen (Fig. MM). Dann bleibt natürlich die Form von C die allseitig-symme- trische, in der sie geboren wurde; ihr Kern und ihre Sphäre haben keinen Grund, die Lage in der Primärachse mit einer anderen zu ver- tauschen. Und man erkennt mit Leichtigkeit, daß nun die Kette von Schlußfolgerungen eben- so weitergehen würde, wie bei den isolierten Ektodermzellen des Dreifachzwillings: ist un- sere frühere Hypothese richtig, so müßte die N Spindel der freigebliebenen Schwanzzelle zwar der basalen Kontaktfläche parallel, innerhalb T-Riese von 16 Zellen, bei welchen die Schwanz- Ä zelle sich geteilt hat, ohne mit höher gelegenen der so bestimmten Ebene aber regellos gelagert Zellen in Kontakt getreten zu sein. sein. Statt dessen lag in allen diesen Fällen die Spindel der Schwanzzelle genau senkrecht zu der durch die Krümmung der Ventral- gruppe markierten „Medianebene“. Also mußte diese Ebene, die der morphologischen Mediane entspricht, im Plasma der freien Schwanzzellen durch irgend eine strukturelle Her- vorhebung kenntlich gewesen sein. Damit aber ist auch für C die Notwendigkeit, mindestens eine median-symmetrische Differenzierung ihres Zellleibes anzunehmen, sichergestellt. Und wenn wir eine solche für die in jeder Hinsicht analoge Zelle MSt aus Mangel an Beweisen noch immer verweigern wollten, so wäre das zwar ökonomisch, aber wohl gar zu gewissenhaft. Ganz wie im Falle der Ektodermzellen A und B ergibt sich aus dem Vorstehenden noch eine wichtige genetische Folgerung. Auch diesmal kann die strukturelle Medıan- Symmetrie weder nach der Geburt der Zelle C durch die Wanderung der organischen Achse, noch unmittelbar durch die Mitose ihrer Mutterzelle geschaffen worden sein. Sondern die Schwanzzelle muß ihre mediane Struktur als Erbteil von der Mutterzelle P, erhalten haben. Hieran aber schließen sich wiederum, wie sich bald zeigen wird, bedeutungsvolle Konsequenzen für die physiologische Beurteilung der Spindelstellung von P; und anderer Zellen. — 126 — C. Paratangentiale und der Primärachse gleichsinnige Teilung. Nachdem das Vorhandensein einer der Zelle angeborenen median - symmetrischen Differenzierung schon für eine Anzahl zur Primärachse quergerichteter Mitosen nachgewiesen worden ist, bei denen wir auf Grund der normalen Verhältnisse mit einer rein axialen Struktur auszukommen vermeint hatten, ist natürlich die von uns aufgestellte, nach der Komplikations- höhe geordnete Stufenfolge der Reizmechanismen nicht mehr viel wert. Wir sahen uns durch die normale Beobachtung genötigt, den Zellen mit gleichsinnig-paratangentialer Teilungsweise zum ersten Mal eine strukturell hervorgehobene Ebene zuzuschreiben. Aber unser damaliges, methodologisch sehr begründetes Widerstreben ist mittlerweile durch die Ergebnisse des vorigen Abschnittes überholt. Für die wirkliche Existenz der erschlossenen Struktur verlangen wir jetzt kaum noch Beweise und versprechen uns von der Analyse dieser Kategorie von Teilungen weiter nichts, als immer neue Bestätigungen unserer all- gemeinen Hypothese der inneren Reizverhältnisse. — Vielleicht finden wir dennoch etwas mehr. BzundeBR;r 1k, Wenn wir uns vorstellen, die normale, „gleichsinnige‘“ Spindelstellung der Zellen E und P, ergebe sich physiologisch aus der Durchschnittslinie der Paratangentialebene mit der ım Zellleib differenzierten Medianebene, so hält diese Annahme auch bei den T-Riesen — von unkontrollierbaren Fällen nach Art des auf Taf. II, Fig. ı5 dargestellten natürlich wieder abgesehen — immer stand. Ausnahmelos liegen die Spindeln der beiden Zellen in jener Ebene, die wenigstens für die ventrale Zellfamilie der Riesen- keime die Medianrichtung zum Ausdruck bringt; aber die spezielle Spindel- stellung innerhalb der Ebene schwankt voraussetzungsgemäß je nach der Form der Zelle, .d. h. je nach der Lage der .organischen Achse. Ein ausgezeichnetes Beispiel, das wir statt aller übrigen betrachten wollen, liefert die Teilung von P, beim Musterriesen des I. Typus (Taf. I, Fig. 4-5, weiß). Die Form der Zelle und die Lage ihrer organischen Achse sind infolge des atypischen Emporgleitens der Schwanzzelle stark abnorm. Andererseits ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen, ob die Primärachse von P, der wandernden Schwanzzelle bis zuletzt gefolgt ist, so daß sie nach wie vor senkrecht auf der schwesterlichen Kontaktfläche steht, oder ob etwa die beiden Zellen sich gegeneinander atypisch verschoben haben. Allein diese Ungewißheit schadet nichts. Da nämlich weder P, noch € zu irgend einer Zeit von der Medianrichtung abge- wichen, auch alle ihre Berührungsflächen immer genau senkrecht zu jener Richtung ge- blieben sind, so ist die Möglichkeit, daß P, sich seitlich verdreht haben könnte, mechanisch auszuschließen. Wie also auch die Primärachse unserer Zelle zur Zeit der Teilung gerichtet gewesen sein mag: jedenfalls lag ihre primäre Medianebene immer noch „median“; und ihre organische Achse desgleichen. Die Spindel aber stand im Einklang mit unserer Hypo- these sehr genau median und paratangential. Wenn wir somit die Frage, ob der für diese Kategorie von Teilungen von uns er- dachte einfachste Reizmechanismus unter allen Umständen genügt, mit bestem Gewissen bejahen dürfen, so gilt dies nicht zugleich für unsere früheren Vermutungen über die Herkunft der geforderten medianen Struktur. Die normalen Verhältnisse gestatteten die besonders sparsame Hypothese, daß im Plasma von E, P, und anderen Zellen die Differen- zierung einer besonderen Ebene erst durch die postmitotische, in der betreffenden Ebene vollzogene Wanderung der organischen Achse geschaffen worden sei. Diese Spezialannahme, die sich auf die strukturelle Median-Symmetrie der Zellen A, B und € freilich schon nicht anwenden ließ, stößt nun auch für E und P; der T-Riesen auf unüberwindliche Schwierig- keit. Und zwar aus doppeltem Grunde. Zunächst ist die äußere Symmetrie der Zellgestalt bei T-Riesen oft eine andere oder eine weniger ausgeprägte, als in der normalen Entwickelung, und dementsprechend die Garantie, daß Kern und Sphäre auf ihrem Wege nach der „Formachse“ auch wirklich die primär- mediane Ebene auffinden und innehalten, gering. Bei unserem Musterriesen Taf. I, Fig. 4 erfüllte ja freilich die Form der Zelle P, in dieser Hinsicht alle Bedingungen: ihre organische Achse konnte sich trotz der abnormen Zellgestalt nur auf der Medianebene verschoben haben. Wo aber lag die Formachse der (hellblauen) Urdarmzelle E? Streng genommen immer noch in der primären Achsenrichtung, so daß zu einer Wanderung von Kern und Sphäre eigentlich gar kein Grund vorhanden war; hätte aber die Drehung der organischen Achse in eine quere Stellung dennoch stattgefunden, so würden doch zwei zueinander senk- rechte Richtungen zu dem Anspruche, die Formachse der Zelle darzustellen, gleich- berechtigt gewesen sein. Vollends unklar aber wird das Verhältnis der Zellgestalt zur medianen Ebene bei denjenigen T-Riesen, deren emporsteigende Schwanzzelle den Kontakt mit der Urdarmzelle nicht erreicht, so daß E und P, ihre ursprünglich cylindrische, oben und unten von parallelen Flächen begrenzte Gestalt ziemlich unverändert beibehalten. Kurzum, die Form der Zellen E und P, wäre für die wandernde organische Achse bei T-Riesen ein schlechter Wegweiser: es müßten Schwankungen und Mißgriffe in der Be- wegungsrichtung der organischen Achsen wenigstens gelegentlich zu verzeichnen sein, und jeder derartige Fehler würde nach unserer Annahme eine abnorme Stellung der im Plasma differenzierten Ebene nach sich ziehen. Damit aber verträgt sich die Tatsache nicht, dab die Spindeln von E und P, bei T-Riesen mit ungestörter Ventralgruppe ausnahmelos mit absoluter Genauigkeit in der gleichen Ebene, der „Medianebene“, gelegen sind. Unser zweites Argument ist fast noch überzeugender. Wir haben vor kurzem mit aller nur wünschenswerten Sicherheit bewiesen, daß die Schwanzzelle € ihre median-bilaterale Struktur von ihrer Mutterzelle geerbt haben muß. Die Mutterzelle der Schwanzzelle abeı ist — auch die Mutter von P,! Das heißt, wir wissen aus einer zwar etwas entfernten aber durchaus zuverlässigen Quelle, daß die Mutter der uns interessierenden Zelle P, zur Zeit ihrer Teilung eine Differenzierung derselben Ebene besaß, in der etwas später ihre Tochter P, notwendig wiederum differenziert sein muß, um ihre Spindel vorschriftsmäßig orientieren zu können. Dann aber wäre es keine Sparsamkeit, sondern im Gegenteil Ver- schwendung an Komplikation, wenn wir annehmen wollten, die mediane Struktur der Mutter- — 123 — zelle sei nur der Schwanzzelle als bleibendes Erbteil überliefert worden, sei aber ım Plasma der anderen Tochter P, erloschen und später an gleicher Stelle zum zweiten Male auf- getreten. So zwingt uns also die strenge Methode zu der Folgerung, daß auch die Zelle P;, ihre, median-symmetrische Struktur "nieht „selber mit->Hıltesrder wan- dernden organischen Achse produziert, sondern sie fix und fertig als primäre Eigenschaft bei ihrer Geburt übernommen hatte. Was wir hier mit fast völliger Gewißheit für C, P, und ihre gemeinsame Mutter be- haupten konnten, gilt nun sehr wahrscheinlich auch für die analogen, mehr kopfwärts gelagerten Familienglieder. Auch die Zelle MSt bedurfte zu ihrer queren Mitose einer median-symmetrischen Struktur und hat dieselbe vermutlich von Haus aus mitbekommen. Für die Urdarmzelle E, die Schwester der vorigen aber ist die Annahme einer primären Median- Symmetrie aus anderen Gründen so gut wie unvermeidlich. Dann unterstützt offenbar die eine Wahrscheinlichkeit noch die andere, und wir dürfen getrost für erwiesen halten, daß auch: das Schwesternpaar MSt und Eidie Differenzierungsider "Medianeblene durch Erbschaft von der gemeinsamen Mutterzelle erhalten hat. Jetzt aber drängt uns die gewonnene Einsicht unaufhaltsam zu neuen wichtigen Fol- gerungen. Wer sind denn eigentlich die beiden Mutterzellen, die da zur Zeit ihrer Teilung median-symmetrische Struktur besessen haben müssen, um sie ihren respektiven Töchtern MSt und E, P, und C zu vererben? Es sind .die Zellen EMSt und P,, die beiden unteren Blastomere des vierzelligen Stadiums. Wir hatten früher, als wir uns eingehend mit der Teilungsphysiologie dieser beiden Zellen beschäftigten, keinen Grund, ihnen eine flächenhafte Differenzierung zuzuschreiben; sondern die einfache primär-axiale Struktur hatte zur Erklärung ihrer Teilungsweise durchaus genügt. Man könnte nun denken, durch die neuerdings nachgewiesene Median-Symmetrie sei die Annahme einer „nur“ axial-symmetrischen Differenzierung überholt, gleichsam über- flüssig geworden, — aber das ist doch nicht der Fall. Die Hypothese der „gleichsinnigen“ Teilungen, wonach die differenzierte Medianebene in Gemeinschaft mit der Para- tangentialebene die Spindelstellung bestimmt, ist auf die Mitosen von EMSt und P; keineswegs anwendbar: denn die Spindeln der beiden Zellen liegen gar nicht in der Para- tangentialebene, sondern eben primär-axial. Also muß die früher geforderte strukturelle Kennzeichnung der Primärachse außer der jetzt hinzugetretenen Medianstruktur bestehen bleiben. Nur hat natürlich unsere damalige Hypothese, daß die primär-axiale Struktur von P, durch die mitotischen Bewegungen bei ihrer Geburt geschaffen worden sei, einen Teil ihrer ökonomischen Bedeutung eingebüßt. Aber woher stammt die mediane Struktur der Zellen EMSt und P;? Denken wir an die Verhältnisse der regelrechten Entwickelung g, so zwingt uns unser Öökono- misches Gewissen trotz aller bisherigen Mißerfolge sofort wieder zu der Hypothese: die vorhandene bilaterale Konfiguration des rhombischen Vierzellenstadiums habe zunächst die äußerliche Symmetrie der beiden Zellen bedingt, hierdurch ihre von Haus aus longitudinal gerichteten organischen Achsen nach bekanntem Gesetz gezwungen, in der Medianebene — 129 — emporzusteigen, und diese mediane Wanderung habe.endlich auf irgend eine Art zur Aus- bildung der medianen Differenzierung den Anstoß oder doch das Orientierungsmittel ge- geben. Während nun eine solche Vorstellung bloß auf Grund der deskriptiv-normalen Tat- sachen nicht widerlegt werden könnte, scheitert sie an der Geschichte der T-Riesen ganz und gar. Betrachten wir zunächst die unterste Zelle P,, deren Verhältnisse die physiologische Sachlage — wie seinerzeit die isolierten Ektodermzellen — mit wundervoller Klarheit über- blicken lassen. Die Form dieser Zelle bleibt bei den T-Riesen, im Gegensatz zur normalen Entwickelung, die allseitig axial-symmetrische:: die kreisrunde schwesterliche Scheidewand, auf deren Mittelpunkt sich senkrecht die Symmetrieachse erhebt, ist und bleibt ihre einzige Be- rührungsfläche (Taf. I, Fig. ı). Daraus ergibt sich wiederum, daß auch die organische Achse unserer Furchungskugel ihre Stellung in der Primärachse beibehält. Also kann eme Bewegung der organischen Achse nicht schuld am Auftreten der medianen Differenzierung sein. Mit gleicher Sicherheit scheiden alle sonstigen nur denkbaren Ursachen aus: es gibt nichts und kann nichts geben, was geeignet wäre, dieser ringsum symmetrischen, frei hängenden Zelle nachträglich eine disymmetrische, bestimmt gerichtete Differenzierung von außen her aufzuprägen. Der Kern der Zelle selbst kommt, wie wir wissen, auch nicht ın Betracht. — Dann hilft kein Sträuben: die Zelle P,;, muß ihre mediane Struktur vonder Mutterzellie PB, geerbt haben. Für EMSt, die „Mittelzelle“ der T-Figur und Schwester von P;, liegen die Dinge, wenn auch minder klar, doch im Prinzipe nicht anders. Auch diese Zelle bewahrt bei der Mehrzahl der T-Riesen ihre ursprüngliche Formsymmetrie. Und wenn noch ein Zweifelbestehen sollte, ob Kern und Sphäre der Zelle dann ebenfalls in der primären Achsenrichtung liegen bleiben, so würde doch die Unsicherheit, die sich hieraus etwa ergeben könnte, durch den für P, geführten zuverlässigen Nachweis mit beseitigt: die gemeinschaftliche Mutterzelle der beiden Schwestern besaß zweifellos die mediane Struktur; also wird wohl diese ıhre Eigenschaft gleichmäßig auf beide Töchter übertragen worden sein. 4, So sind wir denn mit unserer Forderung einer nie gesehenen, aber jedesmal einwand- frei bewiesenen Medianstruktur von Generation zu Generation zurückgedrängt worden bis zur Stammzelle der ganzen Ventralfamilie! P,, die äußerlich allseitig- symmetrische untere Furchungskugel des zweizelligen Stadiums, ist zur Zeit der Teilung in ihrem Plasmabau disymmetrisch differenziert, und zwar nach einer bestimmten vertikalen Ebene, die bei den T-Riesen durch Krümmungen, Spindel- stellungen und Lage aller Nachkommen von P, als eine Art „partieller Medianebene“ dauernd kenntlich bleibt (Fig. NN, p. 130, ı—3), in der typischen Entwickelung aber durch den Orientierungsprozeß des vierzelligen Stadiums derartig gedreht wird, daß sie fortan mit der Medianrichtung des ganzen Körpers zusammenfällt. Wir sind uns diesmal keinen Augenblick im Zweifel, zu welcher Folgerung uns diese Erkenntnis bezüglich der Herkunft der festgestellten Differenzierung zwingen werde. Was sich in früheren Fällen nur durch künstliche Isolation oder durch Freilegung der Blastomere Zoologiea. Heft 40. 17 — 150° — beweisen ließ, ist hier von jedem normalen Zweizellenstadium ohne weiteres abzulesen: die strukturelle Disymmetrie von P, kann nicht durch irgend einen gerichteten, uns bekannten Vorgang innerhalb der von Haus aus primär-axial gebauten Zelle, z.B. durch eine Wanderung der organischen Achse, geschaffen worden sein, denn die Form unserer Zelle bleibt von der Geburt bis zur Teilung symmetrisch zu ihrer Primärachse, eine Wanderung von Kern und Sphäre gibt es darum nicht, und bei ihrer eigenen Mitose stellt sie die Spindel wiederum primär-axial. Unter solchen Umständen scheint gleich auf den ersten Blick nach dem Muster der vorausgegangenen Erörterungen nichts übrig zu bleiben, als der bedrohliche Schluß, daß P, ihre disymmetrische Struktur abermals durch Erbschaft übernommen habe, und zwar von der ungeteilten Eizelle selber. Allein ganz so einfach liegen die Dinge diesmal nicht. 1 NN. 1-3 Stadien aus der Entwickelung der T-Riesen. Schräg von der Seite und oben. Die primäre „Medianebene“ der Ventralfamilie ist „horizontal“ schraffiert. Es besteht in der genetischen Beurteilung der strukturellen Disymmetrie von P, und derjenigen ihrer Nachkommen folgender Unterschied. Wenn wir bei den ventralen Zellen C, MSt, E und P,, oder in der vorhergehenden Generation bei EMSt und P, das Vorhandensein einer strukturell hervorgehobenen Ebene zur Zeit der Teilung beweisen konnten, so war die Lage dieser Ebene eine im voraus bestimmte: sie fiel allemal in jene „Medianebene‘ der Ventral- familie, die bei den Örientierungsversuchen des T-förmigen Vierzellenstadiums, also vor der Teilung aller dieser Zellen zum ersten Male (nach unserer damaligen Kenntnis) sichtbar ge- worden und für alle Folgezeit entschieden war. Indem wir nun vorhin nachgewiesen haben, daß schon P, die echte „Medianebene‘“ in unsichtbarer Form besaß, wurde deren erstes Auf- treten um eine Teilungsstufe zurückdatiert. Aber wir haben bis jetzt keinen Grund zu glauben, daß sie noch früher vorhanden gewesen sei. Vielleicht ist sie also von P, als ein novum geschaffen worden, — so gut, wie wir annehmen durften, daß die vertikale „Medianebene“ der oberen Zelle AB des gleichen Stadiums durch eine zufällige horizontale Spindelstellung aus zahllosen Möglichkeiten herausgegriffen werde. Denn das Auftreten einer disymmetrischen Struktur innerhalb einer Zelle ist an und für sich kein Geschehnis, dessen kausale Wurzeln den Bereich der Zelle selber überschreiten müßten: erst durch das ; — 131 — Vorhandensein typischer Richtungsbeziehungen zu irgendwelchen bereits vorher typisch ge- ordneten Punkten der Zellumgebung wird die Herkunft der Ebene für uns zum Problem. 5. Hier muß nun in die Erörterung ein neues Rechnungselement eingeführt werden; eine deskriptive Tatsache, die in der bisherigen Analyse vorübergehend schon eine Rolle spielte, die aber jetzt für den Fortgang und Abschluß der Untersuchung von ausschlag- gebendster Bedeutung zu werden verspricht. Ein festes, typisches Richtungsverhältnis der Symmetrieebene von P, zu geordneten ‚ die das Ektoderm in seinen ersten Spindelstellungen zum Ausdruck bringt und die, wie wir erkannt haben, schon in der teilungsreifen Zelle AB fertig enthalten ist, das gibt es in der Tat. Damit ist nicht der Umstand gemeint, daß in der regulären Ontogenesis die beiden partiellen Medianebenen späterhin durch den im Stadium IV vollzogenen Orientierungsprozeß zu einer einzigen „Medianebene des ganzen Embryo“ vereinigt werden; denn es wäre ja möglich, daß diese Herstellung eines neuen festen Verhältnisses zwischen beiden nur in ihrem End- ziel typisch wäre, und von beliebigen Anfangslagen aus begonnen werden könnte: was uns aber gegenwärtig interessiert, ist gerade nur die Frage, ob zwischen den Anfangslagen der zwei Ebenen eine typische Beziehung herrscht, oder nicht. Nun, damit verhält es sich so: Punkten der Umgebung: nämlich zu jener anderen „partiellen Medianebene“ Wenn im T-förmigen Vierzellenstadium die Orientierungsbewegung eben beginnt, d. h. die latente Medianrichtung der Ventralfamilie zum ersten Male zu sichtbarem Ausdrucke ge- langt, so ist die Lage der dorsalen Medianebene an der Stellung der beiden oberen Tochterzellen A und B bereits zu erkennen. Hierbei stellte sich nun heraus, daß die Schwenkung des ventralen Paares wenigstens in ihrer allerersten Phase nicht auf das künftige Schwanzende zu gerichtet ist, son- dern, wie schon bei jener früheren Gelegenheit hervorgehoben wurde (Fig. HH, p. 114), unter rechtem Winkel seitwärts aus der vom Pilskordkensmig m azkı entens Medianebiene hinausgeht. Im T-förmigen Stadium IV liegen demnach die beiden Ebenen senkrecht zueinan- der. Und da in der MOralSSsSangsenen Periode Stadium II, schräg von der Seite und oben. Obere und keinerlei Verschiebungen oder Drehungen der untere partielle Medianebene „horizontal* schraffiert. Blastomere zu beobachten sind, so muß mit Notwendigkeit geschlossen werden, daß im zweizelligen Stadium die in P, ent- haltene ventrale Medianebene zu der dorsalen Medianebene der Zelle AB typischerweise senkrecht steht (Fig. OO). Durch die Tatsache dieser einfachen und konstanten Raumbeziehung wird das Vor- handensein eines kausalen Zusammenhanges zwischen dem Auftreten der oberen und dem der unteren partiellen Medianebene mit einem Schlage offenbart; und zwar werden — 132 — der Analyse zwei Hauptmöglichkeiten dargeboten. Entweder, so lautet die logische Regel, sind beide Erscheinungen Effekte einer gemeinsamen Ursache — d.h. sie wer- den jede für sich vom Ei aus bestimmt —, oder aber: eine ist die Ursache der anderen; was sich durch eine richtende Reizwirkung zwischen ihnen vermittelt denken ließe. Es ist ohne weiteres klar, welche von diesen Möglichkeiten die größere Ersparnis an plasmatischer Komplikation in Aussicht stellt. Während im ersteren Falle mit der Verant- wortung für beide typisch gerichteten Ebenen auch die ganze dazu erforderliche Struktur der ungeteilten Eizelle zugeschoben wird, erlaubt die zweite Möglichkeit die ökonomische Hypo- these, daß das Plasma der Eizelle isotrop sei, und daß eine in der oberen oder unteren Furchungs- kugel zuerst auftretende, beliebig gelagerte Vertikalebene die Richtung der andern zugleich mitbestimme. Danach ist uns folgendes weitere Verfahren vorgezeichnet. Wir untersuchen zu- nächst, ob die Annahme einer typisch richtenden Wechselwirkung zwischen der oberen und unteren Medianebene mit den Tatsachen in Übereinstmmung gebracht werden kann; wenn nicht, so bleibt uns die andere Möglichkeit als ultima ratio. Auf den ersten Blick erscheint die Lösung der Frage, ob das typisch-rechtwinklige Richtungsverhältnis der Ebenen durch eine Wechselwirkung zwischen ihnen zustande ge- kommen sei, nicht schwierig: die beiden Trägerinnen der zwei partiellen Medianebenen, AB und P,, werden mit Rücksicht auf diesen Punkt zu konfrontieren sein, und wenn sich dabei ergeben sollte, daß eine von den Ebenen nach der anderen entsteht, so darf als bewiesen gelten, daß die spätere von der früheren in ihrer Richtung beeinflußt worden ist. Aber so einfach dieses Verfahren scheint, so hoffnungslos war nach dem bisherigen Stande unserer deskriptiven Kenntnisse seine Durchführung. Denn da uns die eine von den kon- kurrierenden Ebenen, nämlich die ventrale, sicher erst längere Zeit nach ihrer Entstehung und jedenfalls nach der kritischen Periode erkennbar wurde, so blieb uns natürlich das wahre Altersverhältnis beider Medianebenen noch völlig unbekannt. Unter solchen Um- ständen war ich genötigt, wenn möglich auf eine Erweiterung des Tatsachenmateriales aus- zugehen, und fand dabei — an einem sehr großen Materiale — einige deskriptive Kleinig- keiten, die an sich ohne Wert, für unsere spezielle Frage aber von geradezu entscheiden- der Bedeutung sind. Schon in der Einleitung dieses ganzen Kapitels wurde die seltsame Erscheinung mit- geteilt, daß die typische Richtung eines bestimmten Geschehnisses hin und wieder durch ein anderes, ihm zeitlich vorausgehendes, gleichsam fakultativ vorweg zum Ausdruck gebracht wird, z.B. die Spindelstellung durch die erste Bewegungsrichtung der zugehörigen Tochtersphären. Fälle dieser Art können unter Umständen von analytischem Interesse sein. Denn sie beweisen, daß die richtenden Ursachen des betreffenden typischen Vorganges schon vor dem Zeitpunkte ihrer eigentlichen, obligatorischen Wirksamkeit und mindestens zur Zeit der „freiwilligen“ Antizipation vorhanden waren. Einer solchen freiwilligen Vorwegnahme seiner Richtung unterliegt nun nicht gar so selten auch dasjenige Ereignis, das uns im Stadium IV die Lage und das strukturelle Vorhandensein der ventralen Medianebene zum ersten Male typisch vor Augen führt: die Schwenkung des unteren Zellenpaares. Wir erinnern uns aus der deskriptiven Einleitung (p: 71), daß die Spindel der Zelle P, durchaus nicht immer sogleich in der genauen Ver- tikalrichtung liegt, sondern häufig und bei manchen Ascarisweibchen sogar fast konstant zu- — . 133 — nächst einen mehr oder minder ausgesprochenen Winkel mit der Achse bildet. Hierbei hat die vertikale Ebene, die von der schräg gestellten Spindel markiert wird, in vielen, vielleicht den meisten Fällen keinen besonderen typischen Sinn. Es gibt aber Ascarisweibchen, bei deren Eiern die Mehrzahl der schrägen Spindeln von P, nicht in einer beliebigen, variabeln Ebene liegt, sondern — die spätere Bewegungsrichtung des ventralen Tochter- zellenpaares genau antizipiert! Bei einigen Ascaris, die ich untersuchte, war dieses Verhalten sogar geradezu das typische: mit wenigen Ausnahmen lagen hier alle schrägen Spindeln von P, in der ventralen Medianebene. Woran man das er- kennen konnte? Nun, zur selben Zeit war ja natürlich die Spindel der oberen Zelle AB fast immer ebenfalls ausgebildet und endgültig eingestellt; da lag denn die obere Spindel mit fast überraschender Genauigkeit senk- recht zu der von der schräggestellten unteren . gu = Spindel bezeichneten Vertikalebene (Fig. PP ı u. 2). Blickte man den Keim von vorne oder hinten an, so daß die mitotische Figur der oberen Zelle in axialer Verkürzung sichtbar wurde, so lag die Spindel der unteren schräg; bei seitlicher Ansicht schien sie genau ver- tikal zu stehen. Und wenn man das Ei so drehte, daß eine Zelle über der anderen lag, SO Stadium II in Teilung, nach einem konservierten Präparate. offenbarte sich beim Fokussieren die kreuz- 1. von vorn, 2. von der Seite. weise Stellung der beiden Spindeln mit be- sonderer Deutlichkeit. (Vgl. auch M. Nußbaum 1902 p. 662. Ferner Boveri 1888 Taf. IV, Eis 78, 1899 Taf. XL, Eie. 1.) Der Wert dieser ersten Beobachtung für den Fortschritt unserer Analyse ist jedoch geringer, als man zuerst denken möchte. Sie demonstriert ganz hübsch ad oculos, was wir mit Sicherheit bereits erschlossen hatten: daß eine strukturelle Hervorhebung der ventralen Medianebene schon in der Zelle P,, und zwar mindestens zur Zeit ihrer Teilung, vorhanden war. Aber für unsere eigentliche Frage, das Altersverhältnis der beiden partiellen Medianebenen, erfahren wir immer noch nichts. Natürlich, um die typische Richtung der einen nachweisen zu können, mußte ja allemal die andere gleichfalls schon erkennbar sein. Und so wissen wir denn jetzt, wie früher, daß in der Zeit der neuen Klüftungen die Schwesterzellen AB und P, ihre Medianebenen im typischen gegenseitigen Stellungsverhält- nisse bereits enthalten; aber noch immer nicht: seit wann. Weiter ausgedehnte Untersuchung der zweizelligen Stadien lehrte nun, daß es mög- lich ist, den Zeitpunkt der frühesten Erkennbarkeit beider Medianebenen um noch einen guten Schritt rückwärts hinauszuschieben. In der deskriptiven Einleitung wurde unter den Abarten freiwilliger Richtungsbeziehung (p. 74) auch folgende erwähnt: die ruhenden, ab- geflachten Kerne vom Keimbahntypus, besonders diejenigen der Ektodermzellen A und B, zeigen fakultativ, aber ziemlich oft in der Gruppierung ihrer zipfelförmigen, die Enden der Chromosome enthaltenden Fortsätze ein geometrisch einfaches Verhält- nis zur Mittelebene des Embryo. Auf Grund der inzwischen gewonnenen Einsicht dürfen wir jetzt sagen: die Keimbahnkerne reagieren gelegentlich auf den Reiz der disym- — 134 — metrischen Plasmastrukturen durch bilaterale Einstellung. Nachdem sich nun das Vorhanden- sein differenzierter Ebenen in beiden Blastomeren des zweizelligen Stadiums ergeben hatte, lag der Gedanke nahe, daß möglicherweise auch diese Ebenen, falls sie etwa schon vor der Klüftungszeit existieren sollten, durch eine fakultative Reaktion der ruhenden Kerne ihre sonst unsichtbare Gegenwart verraten könnten. Diese Vermutung wurde durchaus bestätigt. Zwar schwankt das gegenseitige Lageverhältnis der ruhenden Kerne von AB und P,, wie so viele andere Nebenerscheinungen der AÄscarisontogenese, in weiten Grenzen; zuweilen liegen die beiden, die als Bruderkerne nach Boveris fast immer zutreffender Lehre gleich- viel und homogen gruppierte Fortsätze tragen, einander gerade gegenüber, oder die kor- respondierenden Zipfel sind um einen beliebigen Winkel — bis zu 180° — gegeneinander ver- dreht. Aber unverkennbar tritt die vorzugsweise Häufigkeit einer genau kreuz- weisen Stellung des oberen und unteren Kernes hervor (Fig. QO). Und wieder fanden sich Ascarisweibchen, bei deren ganzer Nachkommenschaft eine solche, die Richtung der späteren Spindelstellungen antizipierende Lagerung der beiden Kerne die ausgesprochen typische war. 3 Stadien II, nach konservierten Präparaten. Damit war einwandfrei der Beweis erbracht, daß die Differenzierung der zu- einander senkrechten partiellen Medianebenen in AB und P, nicht erst zur Zeit ihrer Klüftung, sondern schon lange vorher besteht. Das war neu und einigermaßen interessant; nur bewies es leider immer noch nicht dasjenige, was wir aus ökonomischen Gründen gerne finden möchten: die Priorität einer von beiden Ebenen. — Aber es lag ja auf der Hand, was zur Förderung dieser unserer Angelegenheit jetzt noch geschehen konnte und mußte. Ich untersuchte eine möglichst große Anzahl von zweizelligen Stadien zur Zeit ihrer Entstehung und fand folgendes. Das von den Autoren gewöhnlich dargestellte Verhalten, wobei die Hälften der Äquatorialplatte mit ihren zum Teil nachhängenden Schleifenenden geradewegs auseinandergehen und sich in diesem selben gegenseitigen Stel- lungsverhältnisse zu jungen Kernen rekonstruieren, darf sicherlich als das typische betrachtet werden. Auf solche Art mögen die zahlreichen Fälle von durchaus gleichsinniger Lagerung beider ruhenden Kerne entstanden sein. Aber ungemein häufig, bei manchen Ascaris nahezu immer, findet unmittelbar nach vollendeter Durchschnürung oder selbst noch wäh- rend derselben eine gegenseitige horizontale Verdrehung der jungen Kerne statt. Dann lassen die in Umwandlung zu Kernzipfeln begriffenen Enden der Chromosome — 15° — sich nicht mehr, wie früher, bei der Betrachtung von oben zur Deckung bringen, sondern jeder junge Zipfel ist gegen den korrespondierenden des anderen Kernes um einen be- stimmten Betrag in horizontaler Richtung vorgerückt. Und noch viel schlagender wird die stattgehabte Drehung dann bewiesen, wenn einzelne besonders lang herabhängende Schleifen- enden beiderseits schräg, aber in umgekehrtem Sinne gerichtet sind, als würden biegsame Stränge von zwei in entgegengesetzter Richtung sich fortbewegenden Körpern in einem widerstrebenden Medium nachgezogen (Fig. RR). Auch kommt es gelegentlich vor, daß ein Paar von Schwesterchromosomen mit den äußersten Enden fast noch zusammenhängt, wenn die plasmatische Durchschnürung bereits vollendet und die Rekonstruktion der jungen Kerne im übrigen ziemlich weit vorgeschritten ist; haben sich dann die Kerne gegeneinander gedreht, so erlaubt die daraus resultierende schraubenartige Schiefstellung des durchgehenden Chromatin- stranges, den Betrag der horizontalen Verlagerung mit besonderer Deutlichkeit abzulesen. — Da man nun alle möglichen Winkelwerte der Drehung vertreten findet, weitaus am häufigsten aber den von 90°; und da ferner gerade diejenigen Ascaris, bei denen die ausgesprochen kreuzweise Stellung der ruhenden Kerne sozusagen typisch war, auch die kongenitale Ss. 1 RR. 2 IN IN Zwei Stadien II, kurz nach erfolgter Durch- schnürung. Obere und untere partielle Medianebene im Ei. Drehung am regelmäßigsten erkennen ließen, so besteht wohl kein Zweifel, daß die spätere Kreuzung häufig oder immer auf eine bei der Geburt der Zellen vollzogene rechtwinklige Drehung der Kerne zurückgeht. Hierin aber liegt eine bündige Entscheidung unserer Angelegenheit. Wir erblickten in der Kreuzstellung ruhender Kerne eine „freiwillige“ Reaktion auf den Reiz der im Plasma von AB und P, differenzierten gekreuzten Medianebenen. Wenn sich nun zeigt, daß die recht- winklige Drehung der Kerne nicht erst in späterer Zeit, sondern unmittelbar nach der Ge- burt der Zellen vor sich geht, so müssen die Medianebenen in beiden Zellen und zwar im typischen Stellungsverhältnis schon bei der Geburt vorhanden sein. Also ist keine von ihnen älter als die andere, keine die richtende Ursache der andern. Und was wir aus Gründen der Sparsamkeit nicht eher, als bis es bewiesen war, glauben durften, steht jetzt fest: Das ungeteilte Ei enthält im Augenblicke seiner Mitose beide Ebenen -— die obere, dauernd mediane und die untere, zunächst noch transversale, — fertig ausdifferenziert, oder doch alle Ursachen, die ihre sofortige Entstehung in typischer Lage bewirken müssen (Fig. SS). — 136 — Begnügen wir uns vorderhand mit diesem Ergebnisse. Später, wenn wir eine gewisse Summe weiterer Hilfsmittel gesammelt haben, wird die Analyse nochmals aufzunehmen und fortzuführen sein. D. Primär-vertikale Teilung. 1% Die Spindeln der beiden vorderen Ektodermzellen im Stadium VIIlL,aunda, sind am normalen Keim in eine Richtung eingestellt, die wir, auf die primäre Situation der Blastomere bezogen, als „vertikale“ bezeichnen konnten: sie liegen in der Schnittlinie der primären Transversal- und Paramedianebene, d.h. der als senkrecht angenommenen Achsen- richtung des Eies parallel. Zur physiologischen Beurteilung dieser beiden Mitosen liefert die Geschichte der T-Riesen folgende Grundlagen. In sämtlichen Fällen, die eine sichere Identifizierung der Zellen a und «@ überhaupt gestatteten, und die zur Zeit der Mitose selber beobachtet wurden, lagen die Spindeln der beiden Blastomere, wie in der typischen Ontogenesis, parallel zu der- jenigen Kontaktfläche, in der die betreffende Zelle mit der zugehörigen hinteren Ektoderm- zelle zusammenstieß. Da wir von früher wissen, daß diese ursprünglich transversalen Kontaktflächen ihr primäres Stellungsverhältnis an unseren beiden Zellen normalerweise nie TT. ß Der auf Tafel III dargestellte T-Riese im Stadium VII. Das Ektoderm von rechts gesehen. Schema. verlieren, und da durchaus kein Grund einzusehen ist, warum bei T-Riesen hiervon abge- wichen werden sollte, so ergibt sich zunächst, daß bei allen T-Riesen die Spindeln von aunda in die primäre Transversalebene eingestellt werden. In einem Falle, nämlich bei dem Musterriesen des zweiten Typus (Taf. III, Fig. 31) wurde dies be- sonders klar. Hier war die typisch vorgeschriebene Schiefstellung des rechten und linken Zellenpaares durch die abnormen Bewegungen der ventralen Familie behindert, später sogar völlig ausgeglichen worden, so daß die ektodermale Zellengruppe zur Zeit der neuen Klüftungen einen ebenen Rhombus bildete. Unter solchen Umständen lagen die rück- wärtigen Kontaktflächen von a und « — auf das Ektoderm allein bezogen — wiederum deskriptiv-transversal (Fig. TT); und ihre Spindeln desgleichen. Nicht ganz so geschwinde erhalten wir Aufschluß über die endgültige Lage der beiden Spindeln, d.h. über ihr Verhältnis zur primären Mittelebene. Bei T-Riesen ist die Verschiebung des linken und rechten Zellenpaares zumeist noch stärker, als in der nor- malen Ontogenesis, überdies aber variabel und in ihren Einzelheiten kaum berechenbar; — 137 — und da die Lage der Ventralgruppe dem Ektoderm gegenüber ebenfalls atypisch ist, so weiß man im entscheidenden Moment fast nie, wo die primäre Paramedianrichtung der beiden Zellen liegt. Nur in einem Falle bestand hierüber Sicherheit: wiederum bei unserem Musterriesen (Fig. TT). Hier ließ das regelmäßig-horizontale Stellungsverhältnis der vier Ektodermzellen über die Lage der Mittelebene gar keinen Zweifel, und siehe da: die Spindeln von a und « waren nicht nur primär-transversal, sondern zugleich in die Paramedian- ebene ihrer Zellen, d.h. in primär-vertikale Richtung eingestellt. Allein das Ver- halten des Musterriesen war doch in unserer Angelegenheit insofern noch nicht unbedingt beweisend, als gerade hier die endgültig vertikale Orientierung der beiden Spindeln auch auf das Konto paratangentialer Teilungsweise hätte gesetzt werden können; denn die or- ganischen Achsen von a und « lagen nicht schräg, wie sonst, sondern auf Grund der freier gewölbten Zellgestalt horizontal. Dieser Einwand wird zum Glück durch die Beobachtung anderer T-Riesen durchaus beseitigt. Es zeigte sich, daß die Spindeln von a und « unter abnormen Bedingungen ebensowenig an die Paratangentialebene gebunden sind, als in der normalen Entwickelung. Demnach beweist die Geschichte der T-Riesen, daß auch bei a unda das deskrsptive Verhältnis der Spindel zu einem inneren Merkmal, in diesem Falle der primären Vertikalrichtung, beständig ist; — ein Resultat, das freilich in Anbetracht des greifbar primären Charakters gerade dieser deskriptiven Richtungsbeziehung kaum zweifelhaft sein konnte. 2. Leider enthält die Geschichte der T-Riesen nichts, was geeignet wäre, über die spezielle Beschaffenheit des zur Verwendung kommenden Reizmechanismus und über die Herkunft der betreffenden Strukturen neuen Aufschluß zu geben. Und doch bedarf diese Angelegenheit, nachdem die Grundlagen der genetischen Beurtei- lung sich inzwischen bedeutend geändert haben, dringend einer Revision. Wir hatten früher die Hypothese aufgestellt, daß die vertikale Teilungsrichtung von a und @ durch gleichzeitiges Vorhandensein einer primär-paramedianen und primär-transver- salen Flächendifferenzierung im Plasma der Zellen ermöglicht werde; und zwar sollten diese Strukturen bei der Geburt der Zellen a und « einerseits und ihrer gemeinsamen Mutterzelle andrerseits als Nebenprodukte der mitotischen Plasmadifferenzierung neu entstanden sein. Diese Annahme stellte damals gegenüber der Vorstellung, die Differenzierung der beiden Ebenen sei schon im Ei vorhanden gewesen und sei durch mehrere Klüftungen hindurch auf a und « übergegangen, unbedingt eine Komplikationsersparnis dar. Jetzt aber ist äußerst fraglich geworden, ob jene Hypothese sich nicht durch eine ökonomischere ersetzen läßt. Mit unseren gutgemeinten Versuchen, mitotische und postmitotische Vorgänge inner- halb der Zelle als Erzeuger der benötigten Strukturen heranzuziehen, hatten wir bisher wenig Glück. Andrerseits ist das Bestehen bestimmt gerichteter Strukturen im Plasma des Eies und deren stufenweiser Übergang auf Furchungszellen mittlerweile ein erwiesenes Faktum geworden, so daß wir diese Annahme, falls sie nur sonst ökonomisch ist, nirgends mehr zu scheuen brauchen. Zoologica. Heft 40, 18 — 138 — Wir haben erfahren, daß das ungeteilte Ei — wenigstens in seiner oberen Hälfte — eine Struktur besitzt, die es möglich macht, die Medianebene aufzufinden, und daß diese Struktur im Erbgang auf AB und A übertragen wird. Wie hat man sich eigentlich die spezielle Beschaffenheit einer solchen Flächendifferenzierung vorzustellen? — Darüber wurde bisher nichts ausgesagt. Es bieten sich mehrere Möglichkeiten. Die Differenzierung könnte z. B. darin bestehen, daß mitten in den homogenen Zellleib, den Schwerpunkt ent- haltend, eine dünne Lamelle von irgendwie differentem Plasma eingelassen wäre. Andrerseits könnte aber auch die ganze Plasmamasse von einem besonderen inneren Gefüge sein, das die betreffende Flächenrichtung, wie Spaltflächen eines Kristalles, nicht nur in der Mitte der Zelle, sondern allenthalben erkennbar werden ließe. Und dieser zweiten Spezialhypothese dürfte wohl, wenn man bedenkt, daß das Plasma ein Schaum ist, und daß in einem regelmäßig aufgebauten Schaumgefüge gewisse sich senkrecht und schräg durchschneidende Systeme von Flächenrichtungen ohne weiteres kenntlich sind, a priori die größere Einfachheit zuzusprechen sein. Nehmen wir nun erstens an, die vom Ei geerbte „Mediandifferenzierung‘“ der Zelle A sei in der Tat nichts anderes, als eine der Mittelebene parallele „Schichtung‘“ ihres gesamten Plasmaleibes; und diese Struktur erhalte sich auch dann, wenn die Zelle durch eine mediane Scheidewand in ihre beiden Töchter a und « zerfällt; so ist klar, daß unseren beiden Zellen die strukturelle Hervorhebung der Paramedianebene, deren sie bedürfen, fix und fertig bei der Geburt geliefert würde. Zweitens aber enthält das Ei, wie uns bekannt ist, in seiner unteren Hälfte eine Differenzierung der Transversalebene. Denken wir uns auch diese Struktur als eine entsprechende Schichtung der Plasmamasse, und nehmen an — was offen- bar sehr wahrscheinlich ist —, daß die Struktur von der unteren auf die obere Hälfte übergreift, so könnten die Zellen a und « außer der paramedianen Differen- zierung auch die transversale von ihren Vorfahren erben; und der Bedarf der Zellen an Richtungsmitteln für die Mitose wäre gedeckt. Ja, noch mehr. Nach den Ergebnissen der Analyse setzt die Spindelstellung der Zellen P, EMSt und P, das Vorhandensein einer primär-axialen Differenzierung voraus; wobei aus Gründen der Sparsamkeit angenommen wurde, daß die axiale Differenzierung allemal durch die vorausgegangene Mitose neu entstanden sei. Als dann später für die gleichen Zellen das unabhängige Vorhandensein einer ursprünglich transversalen — später medianen — Flächendifferenzierung, die schon im Ei besteht und trotz der Mitosen sich forterbt, festgestellt worden war, verlor die Annahme des mitotischen Ursprungs der axialen Differenzierung, ohne gerade überholt zu sein, doch reichlich die Hälfte ihres ökonomischen Wertes. Und gegenwärtig sind wir sehr bereit, sie völlig preiszugeben. Wir wissen jetzt, daß das Ei zwei präformierte Ebenen enthält, die mediane und die transversale; in ihrer Schnittlinie, der Vertikalachse, liegt die erste Furchungsspindel. Nehmen wir nun an, daß außer der transversalen — was ja erwiesen ist — auch die mediane Differenzierung auf P, und deren beide Töchter übergehe, so besitzen alle diese Zellen eine er- erbte Struktur, die ihren Spindeln das Auffinden der primären Achsenrichtung ohne weiteres möglıch macht. Diese an sich begründete Neuregulierung der axialen Teilungsart und ihrer Ansprüche an struktureller Vorbereitung offenbart aber ihren ganzen ökonomischen Wert erst dann, — 139 — wenn wir sie mit unseren Ergebnissen über die Mitosen von a und « zusammenstellen. Es fee uns geglückt, die Spindelriehtung des Eies, der Blastomere P,, EMSt, P, a und a, deren innere Verwandtschaft deskriptiv nicht eben offensicht- Mebezn laresljeetnauf’eine und dieselbe’ Differenzierung des Eiplasma — bei gleicher Reaktionsweise der Spindeln — zurückzuführen. E. Paratangentiale und in der Richtung der Paratangentialfläche zur Primärachse schiefe Teilung. 1‘ Die paratangentiale und dabei in der Flächenrichtung schiefe Mitose von b und ß erforderte vom Standpunkte unserer Haupthypothese aus den höchsten Grad plasmatischer Komplikation. Hier liegen darum die Verhältnisse für die von uns verteidigte Lehre der inneren Richtungsreize — bei deskriptiver Beurteilung — am bedenklichsten. Und wenn irgendwo, so fühlte man sich wohl an dieser Stelle versucht, die Möglichkeit einer aus- nahmeweisen Beteiligung von Richtungsreizen aus der Zellumgebung im Notfalle zuzu- geben — wenn sich nur absehen ließe, woher denn der orientierende Reiz für diese son- derbaren, haarscharf vorgeschriebenen und doch an allen etwa denkbaren Richtungspunkten der Nachbarschaft vorbeizielenden Spindelstellungen kommen sollte. So gewährt es denn besonderes Interesse zu erfahren, ob auch bei dieser letzten und physiologisch anspruchs- vollsten Art von Teilungen das deskriptive Verhältnis der Spindeln zu inneren Richtungs- merkmalen sich als konstant erweisen werde, oder nicht. Aus technischen Gründen, hauptsächlich wegen der Schwierigkeit, die genaue Lage der beiden Spindeln auch dann festzustellen, wenn atypische Gleit- und Drehbewegungen stattgefunden haben, beschränkt sich leider das analytisch verwendbare Material auf einen einzigen, aber einwandfreien Fall: den Musterriesen des zweiten Typus (Taf. III, Fig. 30 bis 32). An diesem wertvollen Riesenkeime trat zunächst mit größter Deutlichkeit hervor, daß die Zellen b und $ ihre Spindeln paratangential, also quer zur Richtung ihrer gegenwärtigen organischen Achsen stellten (Fig. UU ı p. 140). Für 8, die linke, bedeutete das keine erhebliche Veränderung; ihre Spindel, die in der normalen Entwickelung parallel der Medianebene liegt, wurde nur um eine Kleinigkeit nach oben-einwärts abgelenkt. Um so ausgesprochener war die Abnormität der Spindelstellung, die für die Zelle b aus ihrer para- tangentialen Teilungsweise erwachsen mußte. Am regulären Embryo nimmt diese Zelle, um- ringt von nicht weniger als fünf Nachbarinnen, die rechte Flanke ein, und ihre organische Achse zeigt ziemlich genau lateral. Bei unserem T-Riesen aber lag die Zelle nahezu frei; und da sie die rückwärtige Spitze der rhombisch geordneten Ektodermgruppe bildete, so war zur kritischen Zeit ihre organische Achse schräg nach hinten gekehrt, gerade auf die Schwanzzelle zu, die sich durch seltsame Bewegungsvorgänge von ihrer weit entfernten An- fangsstellung in diese Nachbarschaft begeben hatte. Als nun die Teilung der Zelle b senk- recht zu ihrer organischen Achse vor sich ging, erhielt das Tochterzellenpaar eine quere, von der normalen durchaus verschiedene Lagerung, die das Schicksal, von der andrängenden Schwanzzelle in der Mitte durchschnitten zu werden, förmlich herausforderte. — 140 ° — Nun aber die zweite und wichtigere Frage: wie waren die Spindeln von b und ß innerhalb der Paratangentialebene orientiert? — Man sah auf den ersten Blick, daß die „spezielle“ Spindelrichtung von 8 der typischen Vorschrift insofern zum mindesten nahe kam, als sie schräg nach vorn und oben zeigte. Der Winkel, den die Spindel mit der vorderen Kontaktfläche bildete, war ähnlich steil, wie in der normalen Entwickelung. Und bei gewisser Perspektive, wenn nämlich der Embryo derartig von der Seite angesehen wurde, daß sowohl die Kontaktfläche $|@, als auch die von den vier Ektodermzellen ge- bildete Ebene in linearer Verkürzung erschienen (Fig. UU 2), wurde der Winkel dem 2 vv. 1 ! Der auf Taf. Ill dargestellte T-Riese im Stadium VIII. 1. schräg von hinten und oben, 2. von rechts gesehen. Schemata. typischen gleich. Hieraus ergibt sich, daß die durch die Veränderung der organischen Achse bedingte Ablenkung der Spindel längs einer schiefen Ebene stattgefunden hatte, die bei der angegebenen Aufstellungsweise des Riesenkeimes eben- falls genau auf den Beschauer zu gerichtet war. Versuchen wir, diese „Drehungs- ebene“ der Spindel, die für die physiologische Beurteilung offenbar von größter Wichtigkeit ist, genauer zu bestimmen. Mit der gewaltsamen Rückdrängung aller Ektodermzellen in eine einzige Ebene zeigt sich an unserem Riesen ein Experiment — wenigstens zum Teil — verwirklicht, das wir früher einmal, um die normale Spindelstellung von a und « besser be- greifen zu können, in Gedanken unternommen hatten: die ursprüngliche „Horizontalebene“, in der alle vier Ektodermzellen bei der Geburt gelegen sind, war wiederhergestellt, die Kontaktflächen $)@ und b|ja lagen — wenn auch gegeneinander verschoben — wiederum transversal, und wenn man jetzt in der Richtung aller dieser Flächen blickte, so sah man natürlich senkrecht auf die ektodermale Medianebene. Da nun gleichzeitig mit der Kontakt- fläche auch die „Drehungsebene“ der Spindel von ß in Linearverkürzung erscheint, so muß auch diese Fläche senkrecht zur Mediane stehen. Dann aber ist klar, daß unsere Drehungsebene die primäre Achse der Zelle ß enthält. Und jetzt erkennen wir deutlich, was geschehen ist. Sowohl in der typischen Ontogenesis, als bei dem T-Riesen liegt die Spindel von 8 in einer Ebene, die auch die Primärachse aufnimmt und die einen bestimmten schiefen Winkel mit der primären Transversalebene bildet. In Bezug auf diese Ebene ist die Spindelstellung von $ bei unserem Riesen typisch gewesen. — 141 — _ Untersuchen wir nunmehr die Teilung der in Form und Lage weit.intensiver ver- änderten Zelle b, so finden wir trotz der entstandenen großen Differenz der Paratangential- ebenen doch ohne Mühe die gleiche Gesetzmäßigkeit. In der Richtung der Primärachse an- gesehen (Fig. UU 2), erscheint die Spindel von b sehr stark verkürzt; aber ihre Richtung gegen die transversal gestellte vordere Kontaktfläche ist genau die typische. Auch hier hat also die Spindel sich über einer Ebene „gedreht“, in der die primäre Achse gelegen ist, und die unter einem typischen Winkel die Transversalebene durchschneidet. Zweierlei ist hiermit festgestellt. Erstens als Hauptergebnis, die abermalige Stich- haltigkeit unserer Hypothese der inneren Reizbeziehungen: auch die schiefen Mitosen von b und ß behalten bei T-Riesen das typische Verhältnis zu einer inneren Richtung bei. Und zweitens haben wir über die spezielle Art des Reizmechanismus, den wir den beiden Zellen vom Standpunkte der Hypothese aus mindestens zugestehen müssen, einen Aufschluß erreicht. Überlassen wir wiederum die Verantwortung für eine Ebene von Möglichkeiten dem wohlfeilen Prinzipe der paratangentialen Teilungsweise, so braucht im Plasma von b und ß nur noch die betreffende schiefe „Drehungsebene“ auf irgend eine Art strukturell hervorgehoben zu sein: wenn dann die Spindeln ge- zwungen wären, einerseits in der fixierten Drehungsebene, andrerseits quer zur jeweiligen organischen Achse ihrer Zelle Stellung zu nehmen, so wäre ihr Verhalten am normalen Embryo wie an unserem T-Riesen zureichend erklärt. 2 ir Nun aber harrt noch eine wichtige Frage der Erledigung: woher kommen die beiden schiefen Ebenen? Wir haben jetzt Übung genug, um rasch zu überblicken, daß die schiefe Differenzierungsebene von b und ß keinesfalls durch die Begleitvorgänge irgend- welcher früheren Mitosen erzeugt worden sein kann, denn in der genealogischen Vor- geschichte unserer Zellen finden sich transversale, longitudinale, vertikale, aber niemals schiefe Spindelstellungen. Eben so sicher hat auch die „Aufrichtung‘ der organischen Achsen von b und ß nichts mit der Entstehung der fraglichen Struktur zu tun: sonst hätten ja bei unserem T-Riesen, wo in beiden Zellen die Bewegungsart und endgültige Lagerung der Sphären- eine durchaus abnorme war, atypisch gestellte „Drehungsebenen“ resultieren müssen. Ferner sind nach früheren Darlegungen sowohl innere, vom Kern ausgehende, als auch aus der äußeren Zellumgebung stammende Richtungsursachen nicht acceptabel. Ins- besondere wird der auf Grund des rein normalen Verhaltens vielleicht naheliegende Ge- danke, es könnte zwischen den Zellen b und ß irgend ein unentbehrlicher gegenseitiger Einfluß wirksam sein, der die auffällige Parallelstellung der linken und rechten Drehungs- ebene und so auch der beiderseitigen Spindeln (Fig. EE, p. 106) zu stande brächte, durch unseren T-Riesen völlig widerlegt. Denn hier lagen Spindeln wie Drehungsebenen von b und % in hohem Grade schief zueinander, was doch nicht hinderte, daß jede für sich — in dem jetzt erkannten Sinne — typisch war. Übrigens kommen wir in einem späteren Kapitel auf den normalen Parallelismus der beiden Spindeln zurück; wobei die seltsame Erscheinung, die hier eine so nebensächliche Rolle spielte, ihren eigentlichen Sinn offenbaren und uns zu wertvollen Aufschlüssen verhelfen wird. Wenn also die schiefgerichtete plasmatische Struktur der Zellen b und 8 weder in ihnen selbst, noch in einer der genealogisch vorausgegangenen Furchungszellen neu ent- standen ist, so bleibt nur die Annahme übrig, daß beide schiefe Ebenen schon im Ei — spätestens zur Zeit seiner Teilung — vorhanden waren und auf b und $ b 1. Das typische Stadium VIII von rechts, doch etwas schräg von oben und hinten gesehen. Die Drehungsebene von b und # schraffiert. 2. Dasselbe nach Herstellung des primären Verhältnisses der 4 Ektodermzellen. im Erbgange übertragen worden sind. Aber wie lagen die Ebenen im Ei? Um uns das klar zu machen, verwenden wir den früheren Kunstgriff wieder: wir denken uns b und ß auf die gleiche Weise, in der sie in ihre typische Endstellung gelangt sind, d. h. unter Wahrung ihres primären Kontaktverhältnisses zu der betreffenden vorderen Ektodermzelle, in ihre horizontal-quadratische Anfangslage zurückgeführt (Fig. VV 2). Die beiden Ebenen liegen jetzt nicht mehr parallel, sondern schief zueinander, denn sie bilden ja mit den vor- deren Kontaktflächen, die rein transversal gerichtet sind, die typischen, beiderseits ver- Das Ei mit den schiefen Drehungsebenen der Spindeln von b und #, von rechts, doch etwas schräg von oben und hinten gesehen. schiedenen Winkel. Außerdem steht jede für sich, weil sie die primäre Achse ihrer Zelle enthält, senkrecht auf der Medianebene. Und gerade so wie hier muß die Lage der beiden Drehungsebenen vor der Mitose in der Mutterzelle B gewesen sein. Da nun in der voraus- gegangenen Familiengeschichte von B bis zum Ei hinunter keinerlei Ortsveränderung passiert, so entspricht auch die zuletzt berechnete Richtung, unserer Ebenen unmittelbar ihrer Lage im Ei (Fig. WW). A E — 143 — IV. Zusammenfassung und Abschluss. L: Das zu Gebote stehende Material ist nun durchgearbeitet. Es hat sich herausgestellt, daß bei sämtlichen Teilungen bis zu denen des achtzelligen Stadiums inklusive, d.h. in allen Fällen, die einer exakten kausalen Prüfung überhaupt zugänglich waren, die normal-deskriptive Beziehung der Spindel zu irgend einer inneren — linearen oder flächenhaften — Richtung konstant ist. Und damit stehen wir vor der Möglichkeit, unser Urteil über die Physiologie der Teilungsrichtung in diesen Zellen endgültig abzugeben. Folgendes war der bisherige Gang der Analyse. Eine Musterung des deskriptiven Herganges im allgemeinen ergab zunächst, daß das eigentliche Substrat der typisch ge- richteten Teilungsweise, der Gegenstand, an dem ihre Kausalität sich vollständig und aus- nahmelos abspielt, die fertig formierte Spindel samt Zentren und Äquatorial- platte ist. Hierauf wurde geprüft, ob die Einstellung der Spindel in eine typische Rich- tung etwa rein passiv durch mechanische Faktoren bewirkt werde, oder nicht; — wir er- kannten den Vorgang mit Sicherheit als einen physiologischen, als eine aktive Leistung der zur mitotischen Figur vereinigten Gebilde. Nachdem dies entschieden war, erhob sich die Frage, welcher Art die äußeren Orientierungsmittel sind, deren die aktiv be- wegliche Spindel sich offenbar bedienen muß, um die ihr vorgeschriebene Richtung aufzufinden. Und die Verfolgung dieses wichtigen Problems zwang uns zu einem lang- wierigen, aber doch nicht langweiligen Verfahren. Die Eigentümlichkeit unseres analy- tischen Materiales, der T-Riesen, ließ nämlich voraussehen, daß wir im Einzelfalle nicht imstande sein würden, unmittelbar zu entscheiden, welche von den zahllosen deskriptiven Richtungsbeziehungen der betreffenden Spindel die wirklich kausale sei; denn durch die atypische Verlagerung der Blastomere mußte zwar der Kreis der in Betracht kommen- den möglichen Reizlieferanten eingeschränkt werden, aber doch nicht so, daß allemal nur ein einziger übrig bliebe. Um tiefer einzudringen, stellten wir daher eine Arbeitshypo- these auf. Wir sagten uns, daß sehr wahrscheinlich eine und dieselbe Sorte von Richtungsreizen in sämtlichen Fällen Verwendung finden werde. Sollte nun die Prüfung aller überhaupt analysierbaren Mitosen das Resultat ergeben, daß eine be- stimmte Kategorie von Richtungsbeziehungen, während die anderen schwanken, in sämtlichen Fällen beständig bleibt, so würde mit hoher Wahrscheinlichkeit diese eine als die durch- weg kausale anzusprechen sein. Nun haben wir nach einer Reihe mißlungener Versuche in den „inneren Richtungsverhältnissen‘‘ die unter allen Umständen konstante Beziehung, deren Existenz wir ahnten, in der Tat aufgedeckt. Und damit wäre ja der angestrebte Indizienbeweis bereits in unseren Händen. Aber die Analyse ergab mehr als dies. In einer kleinen Zahl von Fällen, nämlich bei EMSt und dem Schwesternpaare A und B, gewährte der glückliche Umstand, daß die betreffenden Spindeln gelegentlich aller ihrer deskriptiven Richtungsbeziehungen verlustig gingen außer der internen, die Möglichkeit, das Vor- handensein innerer Reizmechanismen für diese Einzelfälle direkt und einwandfrei zu beweisen. — 14 — Nimmt man noch die schon früher hervorgehobene Tatsache hinzu, daß auch die Spindel des kugelrunden Eies ohne jeden Zweifel in eine strukturell präformierte, in diesem Falle sogar dem Auge erkennbare Achsenrichtung zu liegen kommt, so handelt es sich kaum mehr um Wahrscheinlichkeit, sondern um nahezu völlige Sicherheit, wenn wir jetzt end- gültig behaupten: Die Spindeln aller von uns analysierten Furchungszellen bewerk- stelligen ihre typische Orientierung mit Hilfe innerer, d.h. in der Zelle ge- legener Richtungsreize. Die benachbarten Keimbezirke tragen hierzu ent- weder gar nichts bei, oder — in einer gewissen Klasse von Zellen — nur insofern, als die Lage der Paratangentialebene, darin die Spindel liegt, von der Konfiguration der Umgebung abhängig ist. Das Vorhandensein der typischen Nachbarschaft oder eines Teiles derselben stellt — außer in dem eben genannten Sinne — auch keine Vorbedingung des regelrechten Ver- haltens dar. Jede einzelne von unseren Zellen würde im Zustand gänzlicher Isolation, daran zweifle ich nicht, das typische Verhältnis zwischen Spindel und innerem Gerichtet- sein fehlerlos zur Ausführung bringen. B) Jetzt aber verlangt die Frage nach dem Geltungsbereich dieser Sätze innerhalb der ganzen Ascarisontogenese dringend eine Erörterung; denn wie das analysierbare Material, so reichen auch die Schlüsse, die wir daraus gezogen haben, zunächst nur vom Ei bis zu den Teilungen des achtzelligen Stadiums. Nun ist offenbar äußerst wahrscheinlich, daß die interne Reizphysiologie der Spindelstellungen mit der letzten analysierten Stufe nicht etwa ihr Ende findet, sondern unvermindert auch für die Klüftungs- periode des sechzehnzelligen Embryo, dann weiter für die nächstfolgende, und überhaupt für alle diejenigen Mitosen gilt, die an eine typische, genau vorgeschriebene Richtung ge- bunden sind. Ob aber bis an das letzte Ende der Ontogenesis? Das möchte ich doch nicht unterschreiben. Boveri und ich selbst haben zwar gezeigt, daß die Spindelstellungen bis in ziemlich hohe Stadien der normalen Entwickelung durchweg geregelt sind, — auch im primären Ektoderm, das schon auf seiner vierundsechzigzelligen Stufe aussieht, wie ein gleichartiges, sich regellos vermehrendes Epithel; und Müller (1903) hat für gewisse Bezirke des Embryo noch bis zu einer viel höheren Stufe regelmäßige Teilungsrichtungen nachgewiesen. Aber ich halte doch für wahrscheinlich, daß diese Vorschriftsmäßigkeit zu- letzt, wenigstens in denjenigen Organen, die ihren Zellbestand zeitlebens vermehren, ein Ende findet, einfach weil sie zwecklos wird. Vermutlich sind die Spindelstellungen der über eine gewisse Stufe hinaus herangewachsenen Darmwand nur noch für die zwei Dimensionen der Epithelfläche geregelt, wozu die paratangentiale Teilungsart ohne jeden inneren Reiz genügen würde. Die Teilungsrichtungen innerhalb des Keimfaches sind vielleicht ganz und gar dem Zufall anheimgestellt. — So treffen wir denn gewiß das Richtige, wenn wir von jetzt an annehmen, daß die internen Reizmechanismen der Spindelstellung für alle Mitosen der eigentlichen Entwickelung obligatorisch sind; daß sie aber jenseits dieser Grenze, soweit die Zellvermehrung überhaupt ihren Fortgang nimmt, allmählich verschwinden; es tritt dann an Stelle der überflüssig gewordenen dreidimensional geregelten Spindelrichtungen ungeregelte oder rein paratangentiale Teilungsweise. Technische Gründe bestimmten uns, in die Erörterung der jetzt abgeschlossenen Haupt- angelegenheit zugleich die Spezialfrage zu verweben, wie denn im einzelnen die inneren Reizmechanismen — falls solche vorhanden sind — beschaffen sein müßten. Wir kon- struierten uns, zunächst rein auf Grund der normalen Verhältnisse, für jede Teilung ein Bild derjenigen inneren Struktur, die imstande wäre, die typische Stellung der betreffenden Spindel bei größtmöglicher Einfachheit in anatomischer und ontogenetischer Hinsicht zu garantieren. Hierzu gehörte vor allem, daß das anspruchslose Prinzip der paratangentialen Teilungsweise, soweit es anging, als mitbestimmender Faktor verwendet wurde, und zweitens, daß wir nach Möglichkeit versuchten, typisch gerichtete innere Ereignisse aus der Vor- geschichte der Zelle, nämlich vorausgegangene Mitosen und die Bewegungen der organi- schen Achsen, als Entstehungsgründe der benötigten Struktur heranzuziehen. Die Analyse der abnormen Ascariskeime hat dann diese Apriori-Schemata nur zum Teil bestätigt. Daß die Paratangentialteilung als ein kausaler Faktor anzusehen sei, blieb zwar für viele Fälle bestehen. Aber andererseits erwies sich die ökonomische Hoffnung, das AX, Übersicht über die bisher erschlossenen Differenzierungen im Ei, von rechts, doch etwas schräg von hinten und oben RT N gesehen. Mediane Schichten sind „vertikal“, quere „horizontal“ IR RS INES: schraffiert. NUUD I Auftreten der inneren plasmatischen Differenzierungen auf ohnehin vorhandene, typisch ge- richtete Antezedentien der Zelle zurückführen zu können, als eine vergebliche. Es blieb nur die Annahme übrig, daß die Strukturen bereits im ungeteilten Ei um die Zeit der ersten Klüftung vorhanden sind und im Erbgange Schritt für Schritt auf die einzelnen Blastomere übertragen werden. So erschlossen wir endlich für das zur Teilung reife Ei folgende innere Beschaffenheit (Fig. XX). Im Plasma des Eikörpers sind zwei aufrechtstehende, einander rechtwinklig schneidende „Schichtsysteme‘“ ausgebildet, das eine der medianen, das andere der transversalen Ebene parallel, die auf die folgenden Generationen erblich übertragen werden. Die axiale Schnittlinie beider Ebenen, in der schon die erste Furchungsspindel ge- legen ist, liefert demnächst den Richtungsreiz für die Zellen P, EMSt und P;. Ferner be- wirken zwei seitliche Schnittlinien der gekreuzten Schichtsysteme die Orientierung der primär vertikal, aber nicht axial gestellten Spindeln von a und «. Im Bereich der unteren Keimeshälfte kommt der transversalen Differenzierung noch eine spezielle Rolle zu: nach- dem sie im vierzelligen Stadium durch die bekannte Schwenkung median geworden ist, er- möglicht sie eine Stufe später die paratangential-gleichsinnigen Mitosen von E und P, und die queren von MSt und der Schwanzzelle C. In der oberen Hälfte wird die mediane Ebene gebraucht, um die (im übrigen paratangentiale) Spindelstellung von AB und die transversale Zoologiea. Heft 40. 19 — 146 — ihrer beiden Töchter A und B zu erklären. Nur für die schiefe, links und rechts ver- schiedene Teilungsweise der Zellen b und 8 mußte eine besondere Vermehrung der Eikompli- kation ın Gestalt entsprechend geneigter Strukturen zugestanden werden. Der Bauplan, den wir hier auf Grund einer bestimmten Summe von Tatsachen und nur für diese entworfen haben, entfernt sich ganz gewiß bedeutend von der Wirklichkeit. Er soll ja natürlich nichts anderes sein, als ein Schema, das geometrisch veranschaulicht, welche Richtungen in den einzelnen Bezirken des Eies strukturell markiert sein müssen, — ohne der Frage näher zu treten, wie dies geschieht. Doch auch in geometrischer Hinsicht ist unser Schema nur ein Provisorium. Wir haben, als wir die sparsamsten Reizmechanismen für alle einzelnen Mitosen berechneten, den gegenwärtigen Stand unserer Tatsachenkenntnis zu Grunde gelegt: also können wir durch neue Erfahrungen zur Annahme anderer Mechanismen und anderer Plasmastrukturen ge- zwungen werden. Wenn sich z. B. zeigen sollte, daß unsere — bis jetzt wohl berechtigte — Voraussetzung, die einzelnen Spindeln könnten auf Grund besonderer Reaktionsfähigkeit bald in der Richtung einer differenzierten Ebene, bald senkrecht zu ihr Stellung nehmen, unzulässig ist, indem vielmehr sämtliche Spindeln sich hierin gleich verhalten, so reichten die von uns angenommenen Strukturen schon nicht mehr aus: in der unteren Eihälfte müßten ent- weder für die transversalen Spindeln von MSt und €, oder für die longitudinalen von E und P, besondere, „horizontal“ gerichtete Differenzierungen vorhanden sein. Auch in der oberen Hälfte würde, falls etwa sämtliche Spindeln in die Richtung der betreffenden Strukturen zu liegen kämen, für die Teilung der Zelle B eine transversale, bis jetzt nicht erforderliche Ebene gebraucht, und so fort. Ich glaube aber nicht, daß solche Kor- rekturen jemals zu einer Vereinfachung des von uns angenommenen Ei- baues führen könnten. Unser Schema stellt also wohl das Mindestmaß benötigter Komplikationen dar. 4. Auf der anderen Seite scheint bei flüchtiger Betrachtung sogar sicher zu sein, daß dem entworfenen Bauplane, der nur Mitosen bis inklusive des achtzelligen Stadiums berück- sichtigt, durch die Heranziehung der späteren Teilungsstufen eine sehr starke Vermehrung seiner Einzelstrukturen bevorsteht. Wenn doch nach unserer eben erst ge- wonnenen Überzeugung in sämtlichen Klüftungsperioden der Ontogenese die typischen, nach allen Richtungen des Raumes geordneten Spindelstellungen von inneren Reizmechanismen vollzogen werden; und wenn in allen diesen Fällen — wie fast als sicher vorausgesetzt werden darf — die benötigten Strukturen ebenfalls schon im Plasma des Eies vorhanden sind; — wird dann nicht das Ei zu einem äußerst komplizierten Mosaik kreuz und quer und schief unter allerhand Winkeln gestellter, typisch angeordneter Differenzierungen ? Der üble, für unsere Lehre nachteilige Eindruck, den diese Überlegung erwecken muß, vermindert und verliert sich bei genauerem Zusehen. Zunächst liegen die Dinge in der ventralen Keimeshälfte, wo bis zum Stadium VIII mit einer einzigen, ursprüng- lich transversal gestellten Ebene auszukommen war, auch fernerhin günstig. Wie die schematische Übersicht Fig. YY ı erkennen läßt, stellen sich in der nächstfolgenden, vierten Klüftungsperiode der Ventralfamilie die Spindeln von FI und EI, P, und D wiederum ge- — 117 — nau transversal und longitudinal, so daß sie außer der vorhandenen Mediandifferenzierung gar keine neuen Strukturen erfordern würden. In c und y sind allerdings-die Spindeln dem Bereich der Medianebene entrückt und können darum durch eine rein mediane Differen- zierung auch nicht geleitet sein; dafür aber liegen sie der Mittelebene beiderseits parallel. Und für die links und rechts auseinandergedrängten Töchter von MSt gilt, wenn man eine geringe, vermutlich mit der Dislokation verbundene Drehung in Anrechnung bringt, das gleiche. Unter solchen Umständen ist die Forderung nicht zu umgehen, daß das Ei in seiner ventralen Hälfte links und rechts von der strukturell hervorgehobenen „Medianebene“ noch weitere, parallel zu jener gerichtete Flächenstrukturen für unsere vier Zellen bereit hält. Allein darin liegt nicht notwendig eine Belastung mit neuer Komplikation. Stellen wir Spindelstellungen bei der vierten und fünften Klüftung der Ventralfamilie. Stark schematisiert. uns nämlich die „mediane“ (in Wirklichkeit transversale) Differenzierungsart der unteren Ei- hälfte jetzt im speziellen als eine entsprechend gerichtete parallele Schichtung vor — eine naheliegende Hypothese, die oben bereits zur Erklärung der Spindelstellung von a und « gefordert wurde, — so deckt die früher zugestandene Struktur des Eies zugleich den Bedarf der seitlich gelagerten Töchterpaare von MSt und C. Denn jede Tochterzelle erhielte ja bei ihrer Geburt als Erbteil eine geschichtete, der Medianebene ursprünglich parallele Dit- ferenzierung ihres Plasmaleibes, die den Richtungsreiz für gleichsinnige oder quere Mitosen liefern könnte. Und somit hätten wir sämtliche Spindelstellungen der achtzelligen Ventral- familie erklärt, ohne die Komplikation unseres früheren Bauplanes überhaupt zu erhöhen. Kaum anders liegen die Dinge bei der hiernach folgenden fünften Klüftung der unteren Zellfamilie (Fig. YY 2). Zwar nimmt die Mehrzahl der neuen Spindeln eine zur Mittelebene etwas geneigte Stellung ein; wenn man aber bedenkt, daß alle betreffenden Zellen seit ihrer Geburt gewisse leichte Verschiebungen erlitten haben, so scheint die Zurückführung der vorkommenden Aberrationen auf vorausgegangene Drehungen der Zellen wiederum so un- gezwungen, daß mit genügender Sicherheit auch diesmal behauptet werden darf: alle Spindeln liegen entweder in der Richtung der parallel-geschichteten Struktur, oder senk- recht zu derselben; wonach auch diese ganze neue Teilungsstufe keinerlei über unseren früheren Plan hinausgehende Komplikation des Eies erfordern würde. — 1418 — Mit fortschreitender Ontogenese wird freilich die Beurteilung infolge der wachsenden Unklarheit über die Details der Zellverschiebungen immer schwieriger, teilweise so gut wie aussichtslos. Dennoch lauten auch fernerhin alle zuverlässigen Ergebnisse, die überhaupt zu erlangen sind — mit einer einzigen Ausnahme —, günstig. Zunächst erkennt man leicht, daß am kaudalen Ende der Familie die überlieferte winkelrechte Teilungsart noch über einige Stufen unvermindert weitergeht. Aus den Zellen cIı und ylı, die nach dem fünften Teilungs- schritte den rückwärtigen Abschluß der Gesellschaft bildeten, entsteht durch lauter der Mittelebene parallel gerichtete Mitosen jene achtzellige, wie ein schmales Band auf den Rücken hinaufreichende „Doppelreihe“, die ich früher (1896a p.93) beschrieben habe. Zweitens liegen auch im Schlund-Mesoderm die Spindeln mindestens noch beim nächsten, vermutlich auch bei weiteren Teilungsschritten (vgl. Müller 1903, Taf. I, Fig. 2—4) der primären „Medianstruktur“ ihrer Zellen parallel: wenn man alle mechanisch oder sonstwie bedingten Verschiebungen dieser Zellen ausschalten könnte, so bildete wohl links und rechts die ganze Deszendenz von mst und wor je eine einfache, gerade Zellenreihe. — Für die fernere Klüftung der Gruppen d und ö, clI und ylI, die sich beide bogenförmig um die Ge- schlechtsanlage herum gruppieren und immer in der Richtung des Bogens weiterteilen, gilt ungefähr das gleiche. Teilung von cI2 und yl2, von hinten gesehen, schematisch nach Müller. So taucht denn wohl der Gedanke an die verlockende Möglichkeit auf, die Spindel- stellungen der Ventralfamilie samt und sonders durch die vom Ei ererbte, von Zelle zu Zelle weitergegebene paramediane Plasmaschichtung erklären zu können; aber durch eine einzige, in mehrfacher Hinsicht sonderbare Mitose wird Eintracht und Symmetrie aufs gröb- lichste gestört. Eine Urenkelin der Schwanzzelle C, nämlich das linke „Mikromer“ yl2, stellt ihre Spindel nach Müllers (1903 p. ıı) interessanter Entdeckung unter etwa 45° schief gegen die Mittelebene (Fig. ZZ), was um so auffallender ist, als die Mitose der neben ihr liegenden, in Stellung und Größe genau übereinstimmenden Cousine zweiten Grades cI2 in durchaus winkelrechter Weise vollzogen wird. Die Ausrede, daß die Schiefstellung der Spindel durch eine vorher eingetretene Achteldrehung der Zelle ver- schuldet sei, trifft diesmal nicht zu; denn unsere Zelle, die wie ihre Schwester ylı und überhaupt ihre ganze Nachbarschaft seit der letzten Klüftung in Ruhe liegen geblieben ist, hatte zu unkontrollierten Drehungen weder Grund noch Gelegerheit. Also handelt es sich — 149 — ganz bestimmt um eine Spindel, die nach Art der Ektodermzellen b und $ mit der Primär- achse einen (in der Flächenrichtung) schiefen Winkel bildet. Wenn nun.für unsere Zelle die analytischen Ergebnisse, die wir an jüngeren Stadien gewonnen haben, noch gültig sind — und ich wüßte nicht, warum man hieran zweifeln sollte —: wenn also weder Kern und Sphäre der Zelle von innen heraus die schiefe Richtung der Spindel herbeigeführt haben, noch auch ein äußerer, d.h. aus der Zellumgebung stammender Reiz für die typische Einstellung in Frage kommt; und wenn endlich auch in der Zelle selber typisch gerichtete Plasmastrukturen, die den Richtungsreiz für die schiefe Mitose liefern könnten, nicht nach- träglich mit Hilfe äußerer Orientierungsmittel entstanden sind, — so gilt eben für ylz trotz der Länge ihrer Genealogie dasselbe, wie für die früheren, exakt analysierten Fälle: schon im Ei muß ihre schiefe Spindelstellung durch eine entsprechend gerichtete undelokalisierte Struktur vertreten sein. Dies aber wäre, soweit die jetzige Kenntnis reicht, die einzige Veränderung unseres schematischen Differenzierungsplanes, zu der uns die Ausdehnung der Theorie auf alle Spindelstellungen der Ventralfamilie zwingen könnte. Und so darf denn behauptet werden, daß der erweiterte Geltungsbereich, statt durch ein übermäßiges Anwachsen der erforder- lichen Komplikation die von uns angenommenen inneren Reizmechanismen zu diskreditieren, im Gegenteil ihre Wahrscheinlichkeit erhöht, indem eine fast überraschend große Zahl von Spindelstellungen durch sie eine leichte und einheitliche Erklärung findet. Wie aber verhält sich hierin die obere Hälfte des Keimes, das primäre Ektoderm? Wir wissen aus der deskriptiven Entwickelungsgeschichte, daß die Spindeln dieser Familie, die schon im Stadium VIII zu einer erheblichen strukturellen Belastung der oberen Eihälfte gezwungen hatten, auch fernerhin zumeist unregelmäßig, links und rechts vielfach verschieden gerichtet sind. Und wenn jede von diesen Richtungen, so wie sie bei der Mitose liegt, im Ei eine gleich gestellte Struktur voraussetzen würde, so stände es um den Komplikationsetat der dorsalen Eihälfte freilich schlimm. Allein der größeren Mannig- faltigkeit der Spindelstellungen im primären Ektoderm entspricht auch eine viel intensivere, asymmetrische Beweglichkeit der Blastomere. Die Zellverschiebungen in dieser Familie sind so groß und allgemein, und ihre Details so schwer zu beurteilen, daß ich, wie ich schon früher sagte, über das Stadium VIII hinaus mich nicht getrauen würde, für die Mehr- zahl der in Teilung tretenden Zellen auch nur die Richtung der primären Achse sicher an- zugeben; geschweige denn etwa bestimmen zu wollen, wie die Struktur einer Zelle ehedem, als sie noch einen Teil des Eikörpers bildete, gelagert war. Unter solchen Umständen darf die Frage, ob die Ausdehnung der Theorie auf alle typisch gerichteten Mitosen des primären Ektoderms eine Vermehrung der früher von uns erschlossenen Eikomplikation bedingt oder nicht, zur Zeit nur mit einem non liquet beant- wortet werden. Nach der begründeten Vorstellung, daß jede schematische Ebene un- seres Bauplanes in Wirklichkeit die Richtung eines Systems paralleler Schichten zum Ausdruck bringt, und daß diese Schichtsysteme auf Nachbarbezirke übergreifen, bekommt jede Tochterzelle von a und’«, b und ß$ bei der Geburt ein Plasma mit, das nach mehreren, senkrecht und schräg sich durchkreuzenden Ebenen geschichtet ist. Hierin besäßen die Ektodermzellen ein Mittel, ihre Spindeln je nach deren Reaktionsweise in verschiedene — 150 — Richtungen typisch einzustellen. Und die Annahme, daß bei sämtlichen ektodermalen Mitosen allemal eine von den Strukturebenen unseres Bauplanes den Richtungsreiz geliefert habe, ist vorderhand mindestens ebenso wahrscheinlich als das Gegenteil. So beschließen wir das Kapitel der Teilungsrichtungen mit der gefestigten Über- zeugung, daß in der Struktur des Ascariseies eine relativ geringe Anzahl von Flächenrichtungen vorbereitet ıst, wie spalttlachen ınzeinemekrrıstall Diese Richtungen, die auf einzelne oder alle Blastomere übergehen, dienen den Spindeln derselben als orientierende Reize. — 11 — Miertes Kapitel: Der Teilungsmodus und die Differenzierung des Dottergehaltes. Auf eine verhältnismäßig kleine Zahl von Klüftungen sind bei Ascaris zwei weitere Faktoren des Differenzierungsprozesses beschränkt: Inäqualität der Mitose und ungleiche Ver- teilung der Dottersubstanz. Zwischen beiden Geschehensarten besteht ein gewisser Zusam- menhang, der ihre gemeinsame Darstellung als zweckmäßig erscheinen läßt. Und zwar möge aus technischen Gründen die Dotterdifferenzierung, obwohl sie den eigentlich mitoti- schen Vorgängen ferner steht, zuerst betrachtet werden. I. Die Dotterdifferenzierung. 1% Bei allen ruhenden Ascariszellen ist der vorhandene Dotter — aus grünlich glänzen- den, sehr stark lichtbrechenden Tröpfchen und etwas größeren, ihrer Helligkeit wegen aber kaum sichtbaren Bläschen bestehend — in isotroper Verteilung dem Plasma eingelagert. Klüftet sich eine solche Zelle, so wird natürlich — vorausgesetzt, daß nicht vor oder wäh- rend der Mitose die Isotropie noch einer Störung unterliegt — die Dichtigkeit des Dotters in beiden Töchtern identisch sein. So verhält sich in der Tat die weitaus größte Mehrzahl aller Teilungen des Ascariskeimes. Daß dennoch die lebenden Furchungsstadien aller Stuten nicht gleichmäßig mit Dottertröpfchen durchsetzt, sondern in einzelnen Bezirken hell, ın anderen, vor allem der Darmanlage, erheblich reicher an dunklen Tröpfchen sind, beruht — neben der ungleichen Verkleinerung des Zellmaterials, vielleicht auch verschiedenem Dotterverbrauche — auf folgenden Ausnahmen. Kurz ehe das Ei sich anschickt, die erste Furchung auszuführen, zieht sich der größere Teil der Dottertröpfchen nach einer Seite hin zu einer dunklen Wolke zusammen, während der gegenüberliegende Bereich arm an Dotter und hell erscheint (Zoja 1896 p. 225). Dieser Zustand erhält und verschärft sich sogar bis zur Durchschnürung selbst; wobei dann die auftretende Furche den dunklen und hellen Bezirk voneinander scheidet: der oberen Zelle AB wird das hellere, der Zelle P, das dotterreichere Plasma zugeteilt. In quantitativer Hinsicht ist die Erscheinung variabel: die Differenz der beiden ersten Furchungszellen be- züglich ihres Dottergehaltes schwankt in weiten Grenzen, und es gibt, wenn auch selten, Eier, bei denen ein Helligkeitsunterschied zwischen P, und AB kaum oder gar nicht zu be- merken ist. Immer aber verhält sich darin die ganze Nachkommenschaft eines Ascaris- weibchens völlig gleich. Eine ähnliche Variabilität, nur mit umgekehrtem Häufigkeitsverhältnisse, gilt für die zwei noch folgenden Fälle anisotroper Dotterverteilung. Es ist die Regel, daß bei allen späteren Furchungen das Dotterquantum der Mutterzelle, soweit man das beurteilen kann, gleichmäßig auf ihre Sprößlinge übergeht. Gelegentlich aber findet man eine Ascaris, deren sämtliche Eier bei der Mitose der unteren Furchungszelle P, die Diffe- renzierung der Dottermenge nochmals wiederholen. Diesmal sammelt sich die Wolke im oberen Bereich der Zelle; also wird EMSt die dunklere von den beiden Töchtern, P, bleibt hell, so daß das rhombische Vierzellenstadium von drei gleichmäßig hellen und einer dunklen Zelle gebildet wird (Fig. AAA ı, 2). 1 444. 2 3 1 und 2 Stadium IV einer A. m. univalens, von links, nach dem Leben. 3 Stadium VI—VIII desselben Eies. Zum dritten Male kann der Prozeß der Dotterdifferenzierung bei der Mitose von EMSt, und zwar in solcher Weise vor sich gehen, daß nun die kopfwärts liegende Tochter- die hintere, E, fast allen Dotter mitbekommt (Fig. AAA 3). E ist die Urzelle des Darmes; und so dient denn offenbar die stufenweise Differenzierung der zelle MSt sehr wenig, Helligkeit zu nichts anderem, als rasch und gründlich den größeren Teil des Dottergehaltes auf die Darmanlage zu konzentrieren, — ein Zustand, der in späteren Stadien auch von den übrigen Eiern, wenn auch mit anderen Mitteln und weniger vollkommen erreicht wird. 2. Fragen wir jetzt nach den Ursachen der anisotropen Dotterverteilung, so ist von vorn- herein klar, daß hier eine grob mechanische Bewirkung durch die Schwere keine Rolle spielt. Das was die Dottertröpfchen bestimmter Ascariszellen nach einer vorge- schriebenen, bald „vertikalen“, bald „horizontalen“ Richtung treibt, müssen kompliziertere Vorgänge oder Zustände in der plasmatischen Umgebung der Tröpfchen sein. Nun können und brauchen wir nicht zu untersuchen, ob hierbei ein Teilchen der „Dottersubstanz“ sich wie ein toter Flüssigkeitstropfen verhält, der passiv, etwa durch lokali- sierte Änderung seiner Oberflächenspannung dahingezogen wird, oder ob etwa das Teilchen — 13 — in feinerer Weise auf einen Richtungsreiz mit Bewegung reagiert. Sicher ist jedenfalls, daß die typisch gerichtete Dislokation des Dotters ohne eine entsprechende Anisotropie der Umgebung nicht geschehen könnte: irgend etwas im Inneren der Zelle selbst oder in ihrer Nachbarschaft, das schon vorher typisch geordnet war, muß das Dottertröpfchen nach der betreffenden Richtung hin — sei es mechanisch, sei es durch Reizvermittelung — drängen oder ziehen. Ständen wir jetzt noch ganz am Beginn der Analyse und wüßten von inneren Struk- turen der Blastomere weiter nichts als das, was man mit dem Auge sieht, so wäre nach dem Gesetze der Sparsamkeit der folgende Erklärungsversuch, der mit ohnehin vorhandenen Anisotropien rechnet, der einzig erlaubte. Sowohl bei P, als bei EMSt liegt in derselben Richtung, in der die Verschiebung des Dotters vor sich geht, eine Nachbarzelle, nämlich AB (oder deren Töchterpaar) im einen, P, im anderen Falle. Dann ließe sich denken, dab allemal die betreffende Nachbarzelle — z. B. durch eine chemische Emanation — den An- trieb oder Richtungsreiz zur Bewegung der Dotterkörnchen lieferte; daß also der Dotter von P, durch die obere Furchungszelle AB nach oben, der von EMSt durch die hinter ihr gelegene Zelle P, horizontal nach rückwärts „gezogen“ würde. Experimentelle Gegenbeweise, die etwa das Fortbestehen der typischen Dotterdifferenzierung im Zustande der Isolation demonstrierten, liegen zur Zeit nicht vor. Und so würde denn selbst die offenbare Sonder- stellung des Eies, das seinen Dotter ungleich verteilt, ohne daß eine Nachbarzelle ihm zu Hilfe käme, das also doch zweifellos eine dazu bestimmte innere Anisotropie besitzen muß, — die Annahme der sparsamen Hypothese für P, und EMSt kaum verhindern können. Seitdem wir aber wissen, daß das Innere aller Blastomere — zunächst für die Be- dürfnisse der Teilungsrichtung — anisotrope Strukturen enthält, ist die Vorstellung, die un- gleiche Dotterverteilung möchte in allen drei Fällen übereinstimmend durch innere Anıso- tropie bewerkstelligt werden, recht wohl konkurrenzfähig, ja sogar von vornherein die wahr- scheinlichere. Und wir wollen uns rasch überzeugen, wie überaus gering die Ansprüche auf Einführung neuer Komplikationen sind, zu denen uns der veränderte Standpunkt zwingen würde. Die drei Geschehnisse, die in der Art ihres deskriptiven Ablaufes sich kaum von- einander unterscheiden, und die, wie wir sahen, dem gleichen morphogenetischen Endzwecke dienstbar sind, stehen auch in geometrischer Hinsicht in einem bemerkenswert innigen Zusammenhange. Natürlich erfolgt in allen drei Fällen die Dislokation der Dottertröpfchen, die ja doch zu einer Verteilung auf die künftigen Tochterzellen führen soll, parallel zur Spindelachse der betreffenden Zelle. Da zeigt sich nun, daß P, und EMSt jener kleinen Blastomerengruppe angehören, bei denen die fertige Spindel genau in der Richtung der Primärachse liegt. Und wir erinnern uns ferner, daß die „horizontale“ Achsenrichtung der kurz vorher um 90° gedrehten Zelle EMSt genetisch mit der „vertikalen“ von P,, und diese wieder mit der Teilungsachse des Eies zusammenfällt. Was folgt daraus? Die Dotter- tröpfchen verschieben sich, auf das primäre Gerichtetsein bezogen, in allen drei über- haupt bekannten Fällen parallel zu einer einzigen Graden, der Achse des Eies. Dann ist, um die typische Orientierung sämtlicher Verschiebungsbahnen sicher zu stellen, nur eine einzige Art von Anisotropie erforderlich; und zwar brauchte diejenige Aniso- tropie, die ohne jeden Zweifel im Ei das Wandern des Dotters reguliert, Zoologica. Heft 40. 20 — 1514 — nur auf die Tochter- und Enkelzelle überzugehen. — Nun wechselt freilich die Richtung, in der die Dotterteilchen sich parallel der primären Achse fortbewegen, von Stadium zu Stadium: im Ei wandern sie abwärts, in P, nach oben, in EMSt (unter Berück- sichtigung der Viertelschwenkung dieser Zelle) wieder nach „unten“. Allein der deskriptive Hergang gestattet dennoch die folgende für alle drei Fälle genügende Hypothese. Nehmen wir an, die axiale Anisotropie des Eies bestehe darin, daß sein Plasmaleib quer: zur Spindelachsevin "parallele Schichten zerfällt, deren stoffliche Be- schaffenheit sich in ‘der Achsenrich- tung — allmählich oder sprunghaft — ver- AB ändert; und diejenige, unterhalb der Mitte gelegene Zone, die mit dem dritten Teilungs- schritt ungefähr in die Urdarmzelle E über- geht (Fig. BBB), soll von den übrigen dadurch verschieden sein, daß die Dottertröpfchen etwas stärker zu ıhr hingezogen werden: dann wäre die Ansammlung der Dotterwolke in der ventralen Hälfte des Eies, das Aufsteigen der Tröpfchen nach oben bei der Teilung von P,, Schema des Eibaues zur Erklärung der Dotterverschiebung. ihr Rückwärtsdrängen in der um 90° ge- drehten Zelle EMSt befriedigend und überaus ökonomisch erklärt. — Natürlich dürfte die anziehende Kraft der Zone E während der Zellruhe, ın der die Tröpfchen sich diffus im Plasma zerstreuen, nicht wirksam sein, oder doch nicht zur Geltung kommen. Auch zwänge die Variabilität der ganzen Geschehensart zu der Annahme, daß das attraktive Übergewicht der Urdarmzone über die anderen Keimbezirke, vielleicht auch ihre Lage und Begrenzung vielfachem Wechsel von Ascaris zu Ascaris unterworfen sind. ll. Der Teilungsmodus. Ib: Häufiger, als die zuletzt betrachtete Geschehensart, findet sich bei Ascarıs ein diffe- renzierter Teilungsmodus, d. h. ungleiche Größe der aus einer Mitose hervor- gegangenen Produkte; doch hält sich der Größenunterschied immer in mäßigen, manchmal in sehr engen Grenzen. Schon die allererste Klüftung ist inäqual: die obere Zelle AB übertrifft um einen geringen, aber typischen Betrag die untere, P, an Volumen. In ungefähr demselben Grade können die beiden Töchter von P,, besonders bei A. m. univalens, verschieden sein, wobei dann EMSt die größere ist (Boveri 1899 p. 393); doch ist die Ungleichheit in diesem Falle nicht konstant. Gleiches gilt für die Mitose der Zelle P,, die bei univalens ziemlich oft eine kleinere Keimbahnzelle P, und eine größere Schwanzzelle liefert (Boveri 1899 Taf. XL, und XLI, Fig. ıı und ı2). Weitaus die stärkste bei Ascarıs vorkommende Inäqualität, eine — 15 — Art Mikromerenbildung, findet sich an den Zellen cl und yl der Schwanzzellengruppe; eine ebenfalls recht markierte nach Müller (1903 p. ıı) bei dem links gelegenen, in schiefer Richtung sich teilenden „Mikromer“ yl2. Auch im primären Ektoderm begegnet man einigen für unsere Analyse recht instruktiven Fällen ungleicher Mitose. Boveri teilt in seinem großen Ascariswerke (1899 p. 399) die auffallende Erscheinung mit, daß die Spindeln von a und a@ exzentrisch liegen, als wenn aus jeder Zelle eine größere obere und eine kleinere untere Tochter her- vorgehen sollte; trotzdem aber, so gibt er an, sind nach vollzogener Durchschnürung die Tochterzellen an Größe gleich. Ich selbst hatte früher an dem von mir verwendeten Materiale die Teilung der beiden Zellen durchaus äqual gefunden. Nachdem ich aber durch Boveris Angabe auf die Möglichkeit quantitativer Schwankungen an dieser Stelle hingewiesen worden war, untersuchte ich neuerdings Ma- Ccc. terial von möglichst vielen Ascaris und stellte fest, daß in der Tat die Teilung der Zelle a zuweilen eine stark inäquale ist, mit einem Volumenverhältnis der oberen zur unte- ren Hälfte wie 2:ı (Fig. CCC). Dagegen bleibt die Teilung der linken Schwesterzelle « ent- weder völlig äqual, oder sie zeigt nur einen ge- ringen, nach erfolgter Durchschnürung kaum noch erkennbaren Größenunterschied. Nun ist h USt 7 Inäquale Teilung von a, nach der Umstand von besonderem Interesse, dab ep die hier eingetretene, fakultative Differenzie- rung über mehrere Teilungsstufen systematisch weitergehen kann, einem bestimmten morpho- genetischen Ziele zu, das schließlich von allen Eiern erreicht wird. all, die obere, d. h. der Schwanzzelle CE benachbarte, und bisweilen größere Tochterzelle von a vollzieht auf der nächsten Stufe, wie Zoja zuerst gesehen hat (1896 p. 231), abermals — und zwar ziemlich oft — eine inäquale Mitose; auch hier ist diejenige Zelle, allz, die größere, die der Schwanzzellengruppe am nächsten liegt. In der nun kommenden Klüftungsperiode zerfällt all2 durch eine genau mediane Scheidewand in zwei gleichgroße, symmetrisch zur Mittelebene am Hinterrand der Ektodermplatte gelagerte Blastomere, IArißa und IArißb meiner früheren Bezeichnungsweise. Diese beiden Zellen teilen sich unter allen Umständen inäqual (zur Strassen 1896 a, p. 78); und da zum dritten Male die größere Tochterzelle kaudalwärts gelegen ist, so trifft man am Hinterrand der 64zelligen Ektodermhaube konstant zwei mächtige, beiderseits der Mittelebene gelagerte Blastomere an. — In derselben Klüftungsperiode treten außerdem noch zwei seitliche Randzellen des primären Ektoderms, IBlißb und IBrißb, in deutlich in- äquale Mitose; doch ist in diesem Falle das Größenverhältnis der Produkte gerade um- gekehrt: die größere Zelle liegt kopfwärts von der kleineren. — Endlich hat Müller (1903 p. 10, 16) noch ein paar Beispiele von älteren Stadien mitgeteilt. Und ich halte für ganz wahrscheinlich, daß noch manche andere Zellteilung des Ascariskeimes eine typisch inäquale ist, ohne bisher — infolge allzu geringer Größendifferenz der Produkte — als solche er- kannt zu sein. ID Der deskriptive Hergang sämtlicher ungleichen Mitosen ist folgender. Wie bei den regulären, so bildet sich auch bei den inäqualen Teilungen die Scheidewand genau dort, wo die Äquatorialplatte im Zellleib gelegen ist. Die Durchschnürung selber hat also mit der Frage, ob die Produkte gleich oder ungleich werden sollen, nichts mehr zu tun, sie führt nur aus, was durch die Lage der Spindel bereits komplet und unabänderlich entschieden war. Die Spindel aber trägt die Verantwortung: wir finden sie in allen Fällen inäqualer Mitose um einen bestimmten Betrag in der Richtung ihrer eigenen Achse exzentrisch vorgerückt, und das Größenverhältnis der Tochterzellen entspricht un- mittelbar dem Grade der Exzentrizität. So liegt z. B. die erste Furchungsspindel — wenigstens bei typisch ausgeprägten Eiern — nicht etwa genau zentral, wie man sie auf schematisierten Abbildungen gezeichnet findet, sondern um eine kleine Strecke, dem ge- ringen Größenunterschied der beiden ersten Zellen entsprechend, ventralwärts hinabgeschoben (Fig. DDD). DDD. EEE. Erste Mitose. Nach einem konservierten Präparate. Exzentrische Lage des Kernes in a. Zu der hier behaupteten Gesetzmäßigkeit der Beziehung zwischen inäqualer Trennungs- ebene und Spindellage steht freilich dasjenige, was Boveri (s.p. 154) über die Mitose von a und « berichtet, anscheinend in Widerspruch: die Spindeln liegen exzentrisch, die Durch- schnürung aber sei — so gibt er an — äqual! Boveri selber glaubte vermutlich, daß die verschobene Lage der beiden Spindeln noch kurz vor der Durchschnürung mit einer zentralen vertauscht werde; und die Möglichkeit eines solchen Vorganges ist zuzugeben. Da jedoch die von ihm beobachtete exzentrische Verschiebung der Spindeln eine wenig mar- kierte war, geringe Größendifferenzen aber an den bereits durchgeschnürten Blastomeren oft kaum zu bemerken sind, so halte ich doch für wahrscheinlicher, daß auch in Boveris Falle die exzentrische Mitose in eine echt inäquale Zellteilung überging. Ja, ich gestehe, daß ich an Boveris sehr genauen Bildern der fraglichen Stadien (Taf. XLI, Fig. 13a bis 15) sogar einen minutiösen Volumunterschied zwischen all und al zu erkennen glaube. Wenn also die Phase der reifen, fertig eingestellten Spindel diejenige ist, in der die Inäqualität der Teilung spätestens entschieden wird, so liegt die Vermutung nahe, daß sie zugleich auch die früheste sei. Wir erinnern uns, daß die typische Teilungsrichtung nicht eher, als an der fertigen Spindel obligatorisch zur Geltung kommt. Und da die zur In- — 157 — äqualität führende innere Dislokation jedenfalls genau in der endgültigen Spindelachse vor sich geht, so scheint sie den vorherigen Abschluß der die Spindellage bestimmenden Vorgänge bei- nahe vorauszusetzen ; auch macht die Vorstellung, daß erst die typisch orientierte Spindel in ihrer eigenen Achsenrichtung verschoben werde, den Eindruck besonderer mechanischer Einfach- heit. Allein so liegen die deskriptiven Verhältnisse nicht. Bei allen inäqualen Mitosen wird, soweit meine Erfahrung reicht, vielmehr die Exzentrizität der Spindel — und damit auch die endgültige Teilungsrichtung — in einer viel früheren Phase vorweggenommen. Bereits der bläschenförmige, kaum in die innere Umwandlung eingetretene Kern machtssiehivon der -Zellmitte aus auf’ den Weg, um in. der Richtung der SspateremiRenlumesachse mach der typischen Seite hin vorzurücken. .In Fig. EEE ist ein solches Stadium aus der Teilung von a naturgetreu dargestellt. Und daß die inäquale Mitose des Eies durch eine entsprechende Dislokation der beiden Pronuclei im voraus kenntlich wird, weiß man seit lange. Nach dieser Kennzeichnung des deskriptiven Ablaufes ist es fast überflüssig, hervor- zuheben, daß bei Ascaris die exzentrische Lage der Spindel nicht etwa mit einem Größen- unterschiede der Pohlstrahlungen, wie Child (1897) bei Arenicola fand, oder der Centro- some, wie Goldschmidt (1905, p. 643) für einige Platoden beschrieben hat, zusammen- hängt. Vielmehr scheinen dem Auge die beiden Spindelpole inäqual geteilter Ascariszellen in jeder Hinsicht gleich zu sein. Wir erblicken nunmehr das eigentliche Problem in der nach Richtung und Ausmaß typischen Dislokation des zur Mitose übergehenden Kernes und beginnen, wie sonst, die Analyse mit der Frage, ob die innere Ortsveränderung auf Grund mechanischer Baktoren,voder’ als’eineraktive Leistung”des.lebendigen Protoplasma vollzogen wird. D. Die zur Inäqualität führende Kernverschiebung kann zunächst nicht durch einen von außen kommenden Druck oder Zug mechanisch bewirkt worden sein. Es ist ja wohl zuzugeben, daß keilförmige Deformation einer Zelle, z. B. infolge ungleichen Druckes, das Ausweichen des Kernes nach der geräumigeren Seite hin direkt erzwingen könnte; aber auf Ascaris paßt diese Vorstellung nicht. Die Zellen, um die es sich handelt, sind, wenn über- haupt, so doch nicht in der Verschiebungsrichtung keilförmig deformiert, und das kugel- runde Ei produziert, obwohl es nirgendwo gedrückt wird, dennoch eine ungleiche Mitose. Das Mikromer yl2 ist genau so geformt und unterliegt denselben Druckwirkungen, wie die symmetrisch neben ihr liegende Schwesterzelle cl2; trotzdem teilt sich diese äqual, jenes hochgradig inäqual. Und endlich liefert die Geschichte der T-Riesen wenigstens für zwei der in Betracht kommenden Fälle, die Mikromerenbildung von cI und yl, den sicheren Be- weis, daß äußere mechanische Faktoren unbeteiligt sind. Der auf Taf. II, Fig. 17 und 138 dargestellte Riese zeigt die beiden Zellen typisch inäqual geteilt, obgleich doch Form und Druckzustände der Mutterzellen zweifellos ganz andere waren, als in der normalen Ent- wickelung. Aber es gibt einen anderen, im Inneren der Zelle lokalisierten Faktor, der zur rein mechanischen Herbeiführung inäqualer Mitosen, auch kugeliger Zellen, geeignet scheint, und — 158 — den seit lange einige Forscher für alle ungleichen Teilungen verantwortlich machen möchten: das ist der Dottergehalt. Durch eine anisotrope Verteilung des Dottermaterials, so sagt man, wird der Kern, der immer die Mitte des lebendigen Plasma einzunehmen sucht, in eine exzentrische Stellung gedrängt. Hieraus folgt die inäquale Mitose in solcher Art, daß eine kleinere dotterarme und eine größere dotterreiche Zelle zu stande kommt. Allein auch mit dieser mechanischen Erklärung ist bei Ascaris nichts anzufangen. Vor allen Dingen trifft ja doch die Voraussetzung, daß in der betreffenden Zelle zur Zeit ihrer Mitose ungleich verteilter Dotter vorhanden sei, für den Ascariskeim nur in Ausnahme- fällen zu. Die Blastomere cI und yl, bei denen die Differenz der Produkte am stärksten ist, die sonderbare Zelle yl2, die hierhergehörigen ektodermalen Elemente zeigen keine nur irgend merkliche Anhäufung des Dotters an der einen Spindelseite; die Tröpfchen sind viel- mehr von der Geburt der Zellen bis zu ihrer Teilung wahllos in das Plasma eingestreut und überhaupt zu spärlich, als daß sie den Kern auf mechanischem Wege aus der Mitte verdrängen könnten. Trotz dieser negativen Erfahrung beansprucht wohl das Verhalten der- jenigen drei Fälle, in denen die Mehrzahl der Dottertröpfchen sich vor dem Beginn der Mitose einseitig zusammenzieht, entscheidendes Interesse. Aber es zeigt sich, daß auch diese Fälle der mechanischen Hypothese nicht günstig sind. Bei der Zelle P, geht mit der fakul- tativen Inäqualität der Mitose eine ungleiche Dotterverteilung häufig Hand in Hand; und in der Tat wird hier die dotterreichere Zelle EMSt die größere. Aber schon der zweite Fall sieht ganz anders aus: wenn die Zelle EMSt sich unter Dotterdifferenzierung teilt (Fig. AAA 3, p. 152), so sind nichtsdestoweniger ihre beiden Sprößlinge, wie stets, von gleicher Größe, die Spindel hat sich also durch die einseitig angehäufte Dottersubstanz durchaus nicht aus ihrer zentralen Lage vertreiben lassen. Und endlich liefert der dritte Fall, das Ei, sogar den allerschlagendsten Beweis für die Wertlosigkeit der rein mechanischen Erklärung bei Ascaris. Denn wie ich schon früher (1898a p. 145) hervorgehoben habe, entspricht bei der ersten Furchung die dotterreichere Partie der kleineren Tochterzelle, d. h. die Spindel des Eies rückt in die ventrale Dotterversammlung hinein, statt umgekehrt, wie doch allein mechanisch begreifbar wäre. Da also auch der „innere“ mechanische Faktor bei Ascaris durchaus versagt, so kann die zur inäqualen Teilung führende Kernverschiebung hier überhaupt kein. passiver, sondern sie muß ein aktiver, physiologischer Vorgang sein. 4. Die aktive, in typischer Richtung geschehende Fortbewegung eines Kernes setzt das Vorhandensein typisch geordneter Anisotropie in seiner Umgebung voraus, die auf den Kern als Ganzes oder auf einzelne seiner Konstituenten (Chromosomen, Sphäre) richtend einwirkt. Liegt diese richtende Anisotropie außerhalb oder innerhalb der zu inäqualer Mitose berufenen Zelle? Wir haben gesehen, daß die exzentrische Verschiebung der Kerne in allen Fällen auf derjenigen Geraden vor sich geht, die für die endgültige Spindelstellung der zugehörigen Zelle typisch ist. Hierdurch gewinnt von vornherein der Gedanke, die Kernverschiebung stelle nur eine einzelne Szene eines größeren, kausal in sich zusammenhängenden Prozesses dar, der alle typischen Details der betreffenden Mitose reguliert, und werde darum gleich — 159° — der Spindelstellung ausschließlich von inneren Mechanismen geleitet, die größte Wahrschein- lichkeit. Wenn aber dieses Indizium nicht genügen sollte, so bringt die Geschichte abnormer Keime die Entscheidung. Es wurde schon vorhin mitgeteilt, daß die Zellen el und yl auch bei völlig gestörter Konfiguration und durchweg abnormen Nachbarschaftsverhältnissen ihre stark inäquale Teilung genau nach Vorschrift zur Ausführung bringen (Taf. II, Fig. ı7, 18); also können diese Zellen, wie sie von der normalen Umgebung nicht mechanisch zur Mikromerenbildung gezwungen sind, auch keine richtenden Reize von ihr zu erwarten haben. Und ferner ist auf Taf. V, Fig. 65 ein krankhaft entwickeltes Einfachei dargestellt, bei dem am Hinterrande des primären Ektoderms die „Groß- und Rleinzellen“ IArißay und IArißax, IBlißbx und IBlißby etc. vorschriftsmäßig entstanden sind, obgleich ein Teil der normaler- weise benachbarten Zellen fehlt. Nimmt man noch die offenbare Tatsache hinzu, daß das Ei auf Grund rein innerer Anisotropie die exzentrische Stellung seiner Spindel zuwege bringt, so darf die Annahme irgend einer äußeren Mitwirkung bei inäqualen Mitosen des Ascariskeimes als widerlegt bezeichnet werden. Es ergibt sich hieraus für alle in Betracht kommenden Blastomere das Vorhanden- sein einer in der Teilungsrichtung ungleichpoligen inneren Anisotropie, und zwar werden wir uns dieselbe, wie bei der Dotterverteilung, am einfachsten als eine stoff- liche oder strukturelle Verschiedenheit quer zur Achse aufeinander folgender Zonen vorzu- stellen haben. — Sehen wir jetzt zu, wie die Gesamtkomplikation des Keimes durch diese neue und unabweisbare Forderung erweitert wird. FFL. Schema des Eibaues zur Erklärung inäqualer Mitosen Die römischen Ziffern markieren die aufeinander folgenden Teilungsschritte, die Pfeile deuten die Lage der kleineren Zelle für die betreffende Mitose an. Für das Ei und die Zelle P,, denen ja auf Grund ihrer Dotterdifferenzierung eine ungleichpolige Schichtung quer zur Achse bereits zugestanden war, macht die Veränderung nicht viel aus. Auch haben wir wenig Mühe, uns die dort nachgewiesene quere Schichtung auf die Zelle P,, die als Schwester von EMSt an der die Dotterverteilung bewirkenden Anisotropie von Haus aus Anteil hat, und deren Spindel ebenfalls genau in der Achsen- richtung liegt, übertragen zu denken. Die Inäqualität der genannten drei Mitosen ist an- scheinend in ähnlicher Weise einem gemeinsamen morphogenetischen Zwecke unterstellt, wie die drei Fälle von Dotterverschiebung: dort kommt es darauf an, den Dotter auf die Ur- darmzelle zu konzentrieren; hier bewirken drei aufeinanderfolgende inäquale Mitosen schritt- weis eine relative Verkleinerung der zur Keimbahn gehörigen Zellenreihe. Dann ist, wie früher, die Annahme nicht unsympathisch, daß den drei verbündeten Geschehnissen auch ein und dieselbe physiologische Spezialursache zu Grunde liegt. Denken wir uns ım Plasma des Eies (Fig. FFF) eine der Zelle P, entsprechende Zone präformiert und stofflich oder strukturell von solcher Beschaffenheit, daß allemal die zur Mitose schreitenden Kerne zu ihr — 160 — hingezogen werden, so verständen wir, warum bei der Teilung des Eies und der Zelle P, die kleinere Tochterzelle unten, bei der von P; aber oben gelegen ist. Aber die Annahme einer horizontalen, anomogenen Schichtung im Ei und deren Übertragung auf die Furchungszellen leistet uns noch größere, fast unverhoffte Dienste, Wir wissen, daß die Spindeln von a und « primär vertikal, d. h. der Eiachse parallel ge- richtet sind. Wenn nun die Fähigkeit dieser beiden Zellen zu inäqualer Mitose das Vor- handensein einer zur Spindellage queren, also primär horizontalen Schichtung in ihrem Plasma beweist (Fig. GGG 1), so wird damit der Komplikation des Ganzen offenbar il GGG. 2 3 ae 2), Zurückführung der inäqualen Mitosen von a, ihrer Tochter all und ihrer Urenkelin IArlga auf die vertikale Anisotropie des Eies. Der Pfeil deutet den schrittweisen Übergang der ursprünglich vertikalen Achse in Horizontallage an. keinerlei neue Belastung zugemutet: die wohlbekannte quere Schichtung des Eies braucht nur auf a und « überzugehen. Ja sogar die wirksame Polarität der Schichtung könnte in a und «, da ja auch hier die größere Zelle oben, die kleinere unten liegt, dieselbe wie im Ei geblieben sein. Nun wurde vorhin des weiteren gezeigt, daß die Differenzierung des Teilungsmodus, die bei der Zelle a nur selten ist, bei ihrer oberen, eventuell größeren Tochterzelle all sich ziemlich oft wiederholt. Freilich scheint auf den ersten Blick die Richtung diesmal eine andere. Betrachtet man das Furchungsstadium im Profil (Fig. GGG 2), so liegt die Spindel der Zelle all ungefähr horizontal, und es sieht nicht aus, als ob zwischen dieser inäqualen Mitose und der des Eies ein physiologischer Zusammenhang bestehen könnte. Allein bei gleicher Betrachtung lag schon die Spindel der Mutterzelle a nicht wirk- lich vertikal, sondern infolge der vorausgegangenen Schwenkung des rechten Ektodermzellen- paares schräg. Und da die Zelle all die Dislokation ihrer Mutter sozusagen weiterführt, indem sie um etwa den gleichen Betrag wie jene kaudalwärts gleitet, so ist die Annahme nicht nur er- laubt, sondern äußerst wahrscheinlich, daß bei dieser Gelegenheit ihre primäre Achse aus der schrägen Stellung, in der sie sie bei der Geburt erhielt, vollends in die horizontale verdreht werde. Dann aber gestattet auch diese Mitose, ihre In- aqualität der primär-horizontalen Schichtung des Eies zur Last zu legen. Sind wir einmal so weit gelangt, so macht die Aufklärung des letzten und im Sinne der Morphogenese offenbar wichtigsten Falles: der ausnahmelos inäqualen Teilung von IAr1ßa und IAr1pb, keine Mühe mehr (Fig. GGG 3). In diesen beiden Enkelzellen von all befindet sich die primäre Schichtung unverändert in der aufrechten Situation, die sie zuletzt erhalten hatte; der ursprünglich untere Pol zeigt nach vorn. Und da die Spindeln der Blastomere kopf- — 161 — wärts in horizontaler Richtung verschoben sind, so haben auch diese Fälle ihre Er- klärung gefunden, ohne daß die Komplikation des Eies im geringsten erhöht worden wäre. Es ist lehrreich, wieder einmal vorzurechnen, welch überraschende Menge typisch ge- richteter, auf den ersten Blick aber ziemlich heterogener Ereignisse hier auf ein kleines Maß von Differenzierung zurückgeführt worden sind. Wir nehmen im Ei eine horizontale, ungleichpolige Schichtung an und erklären damit die Inäqualität der Mitose in sieben Fällen: forrdassmı .D,, DB. a und «, all! und deren beide Enkelinnen; ferner‘ — unter der Vor- aussetzung, daß eine einzelne, bestimmt gelagerte Schicht auf die Dottertröpfchen wirkt, — die differenzierte Dotterverteilung des Eies und der Zellen P, und EMSt. Und jedermann wird erkennen, daß nunmehr auch auf einige Spindelrichtungen neue Beleuchtung fällt. Auf einer früheren Stufe des analytischen Gebäudes gebot die Sparsamkeit, für die primär- vertikale Teilungsweise der Zellen P,, EMSt, P,, a und «a das gleichzeitige Vorhandensein medianer und transversaler Flächenstruktur verantwortlich zu machen. Jetzt aber erscheint die Annahme vielleicht natürlicher, daß die genannten Spindeln, und diejenigen von all und ihren Enkelinnen obendrein, ebenfalls durch die inzwischen nachgewiesene primär-horizontale Schichtung der Plasmakörper — zu der die Spindeln sich allemal senkrecht stellen müßten — geleitet werden. Minder durchsichtig sind die physiologischen Verhältnisse der übrigen inäqualen Mitosen. Die Zellen cI und ylII, deren Teilung als eine wahre Mikromerenbildung be- zeichnet wurde, gehören zur Nachkommenschaft von P, und haben die inneren Richtungen dieser Zelle in ziemlich unveränderter Lage bewahrt (Fig. YY, p. 147). Und da ihre stark exzentrischen Spindeln zwar nicht in die primäre Achsenrichtung des Eies, aber doch para- tangential-gleichsinnig zu ihr gestellt werden, so könnte wohl eine horizontale, anomogene Schichtung des Eiplasma nach ihrem schrittweisen Übergange auf P,, P,, die Schwanz- zelle C, deren Töchter c und y und schließlich unsere beiden Blastomere cl und yl hier immer noch die richtende Ursache inäqualer Mitose sein. Auch die von Müller entdeckte ungleiche Teilung des linken Mikromers yl2 (Fig. ZZ, p- 148), dessen Spindel unter 45° schief zur Medianebene liegt, zwingt noch nicht unbedingt zur Annahme neuer primärer Komplikation. Vielleicht wirkt die angestammte „quere” Schichtung auch hier als ein Reiz, der den in Umwandlung begriffenen Kern parallel zur Mittelebene nach oben zieht; weil aber schon der mitotische Kern in seinen Bewegungen an die schräggestellte, der Spindel vorgeschriebene Ebene, wie an eine Gleitfläche, gebunden ist, so verwandelt sich die rein kaudale Dislokation in eine schräge. Allein es schadet nichts, wenn die Analyse in diesen letztgenannten Fällen so wenig, und in andern zurzeit noch gar nicht gefördert werden kann. Wir sprechen trotzdem, als Endresultat des ganzen Kapitels, die Überzeugung aus, daß sowohl die typische Dotter- verteilung als der typisch differenzierte Teilungsmodus ausschließlich von ererbten, inneren Eigenschaften der betreffenden Blastomere ab- hängig sind. In beiden Fällen dient eine zur Spindelachse quergestellte, ungleichpolige „Schichtung“ des Plasmaleibes als Riehtungsreiz für die ihren Ort verändernden inneren Gebilde. Es ist sicher, daß für den größeren Teil der in Betracht kommenden Geschehnisse ein horizontales System von heterogenen Schichten im Ei genügt; vielleicht genügt es für alle. Zoologiea. Heft 40. 21 — 162 — Fünftes Kapitel. Komplexbildung und polyedrische Zellgestalt. Wir schreiten nunmehr zur Analyse aller derjenigen Vorgänge, durch welche das gegenseitige Verhältnis der Blastomere im Raum (soweit nicht die Gründe hierfür schon in den Teilungsrichtungen enthalten sind) nach einer typischen Regel ge- ordnet werden, und der unlösbar damit verbundenen Frage nach der Herkunft der Zell- gestalt; — ein Doppelproblem, das uns in mehrfacher Form und Anwendung entgegen- tritt. Hier soll zunächst die allgemeine Komplexbildung samt den durch sie be- dingten Zellgestalten besprochen werden. Wenn das Ei seine „Durchschnürung‘ vollendet hat, so fallen die Tochterzellen AB und P, nicht voneinander, sondern bleiben in unmittelbarem Kontakt, ja sie vergrößern so- gar nach einiger Zeit den ursprünglich knapp bemessenen Zusammenhang zu einer breiten Berührungsfläche. In ganz derselben Weise sieht man auf allen Stufen der Embryonal- entwickelung das jeweils vorhandene Zellenmaterial mit ausgedehnten Kontaktfacetten innig zusammenhalten. Erst nach dem Eintritt der völligen Reife gelangen bestimmte Zellen — die Geschlechtsprodukte — zu räumlicher Unabhängigkeit. Fassen wir zunächst, wie immer, den deskriptiven Hergang der neuen Ge- schehensart schärfer ins Auge, so muß vor allen Dingen festgestellt werden, daß das Ver- einigtbleiben der Blastomere von Ascaris nicht etwa auf dem Vorhandensein eines all- seitigen Netzes plasmatischer Brücken oder Verbindungsstränge zwischen ihnen beruht. Die ganze Art der Zellteilung bei Ascaris schließt zunächst die Existenz peripherer Plasmaverbindungen, wie sse Hammar (1897 p. 99) für Furchungsstadien zahlreicher Tier- formen beschreibt, vollkommen aus. Denn bei Ascaris geschieht die Teilung des Eies und jeder Zelle offenkundig durch das Einschneiden einer Ringfurche, die an der äußersten Peripherie beginnt; nicht aber „interplasmatisch“, wie Hammar sich denkt, d. h. als Spalt- bildung innerhalb eines Grenzsaumes, der bei sämtlichen Teilungen „respektiert“ wird und so auf allen Stadien die Blastomere zusammenhält. Dagegen können allerdings bei Ascaris, wenigstens vorübergehend, gewisse (vielleicht alle?) Schwesterzellen durch primäre Brücken verbunden sein, die in der gemein- samen Achsenrichtung liegen. Wie Herla (1894 p. 478) an konservierten Präparaten erkannte, wird bei der ersten Furchung der Plasmaleib des Eies nicht sogleich völlig durch- geteilt, sondern ein dünner, axialer Verbindungsstrang erhält sich zwischen den Tochter- — 198 — zellen. Ich selber habe im ersten Abschnitte dieser Schrift (p. 18) beschrieben, wie man an Riesenkeimen bei der Mitose der Zelle P, das Fortbestehen einer schmalen Brücke im Leben beobachten kann. Und ich füge jetzt hinzu, daß bei den lebendigen Rieseneiern auch die erste Furchung in ganz übereinstimmender, nachher noch etwas genauer zu besprechender Weise von statten geht. Allein die bei der Mitose übrig bleibenden axialen Zellverbindungen sind, wie gesagt, keine dauernden. Schon Herla fand än seinen Präparaten auf einer nur wenig vorge- schrittenen Stufe des zweizelligen Stadiums keine Spur davon. Auch ich vermochte an feinen Längsschnitten des ruhenden Stadium II nur das Vorhandensein einer durchgehenden, nir- gends unterbrochenen Trennungsfläche festzustellen. Überdies käme ja doch auf solche Art, selbst wenn eine primäre Verbindung bei allen Schwesterpaaren persistierte und nach der nächsten Klüftung noch die betreffenden vier Enkel und immer größere Verwandtschaftskreise zusammenhielte, nur eine reihenweise Verkoppelung zu stande, nicht aber ein allseitiges Netz von Brücken, wie es zur Erklärung der flächenhaften und massigen Komplexbildung unerläßlich wäre. Und was sollte wohl solche Zellen zusammenhalten, deren Nachbarschaftsverhältnis überhaupt kein primäres, sondern ein nachträglich entstandenes ist? Z. B. haften doch die Zellen P, und B des rhombischen Vier- zellenstadiums, die erst der Orientierungsvorgang aus ursprünglich weiter Entfernung zu- sammenführt, eben so breit und fest aneinander, als Schwesterzellen. Und wenn man etwa vermuten sollte, daß in diesem und in anderen Fällen sekundäre Plasmabrücken zwischen den Blastomeren nachträglich gebildet würden, so habe ich mich an feinen Schnitten vier- zellig-rhombischer Embryonen wiederum von der Irrtümlichkeit einer solchen Annahme überzeugt. Nach alledem haben wir die einzelnen Zellen des Ascariskeimes als selb- ständige, anatomisch voneinander isolierte Gebilde anzusehen, deren Ver- einigung zum Komplex und breite Zusammenfügung durch besondere Faktoren vermittelt wird. Wir prüfen programmgemäß an erster Stelle, ob diese Faktoren mechanische oder physiologische sind. A. Mechanische Faktoren. Ir Es gibt eine Ursache, die das Vereinigtbleiben und die gegenseitige Abplattung von Furchungszellen auf eine sehr grob mechanische Art bewirken kann, bei manchen Tier- formen wohl auch in der Tat bewirkt: indem nämlich die Blastomere durch eine eng um- schließende feste Schale beieinandergehalten und zusammengedrängt werden. Betrachtet man einen lebenden, normalen Ascariskeim der zweizelligen oder vierzellig-T-förmigen Stufe, dessen Zellen die innere Schalenhaut nicht nur berühren, sondern ın ihrer Gestalt die Wiır- kung einer zentripetalen Kompression sogar ganz offenkundig zur Schau tragen, so möchte man vielleicht glauben, die triviale Erklärung des Phänomens durch Schalendruck passe auch hier. Allein von der nächstfolgenden Stufe an wird der Ascarisembryo durch kom- paktere Anordnung der Elemente einerseits und wirkliche Verkleinerung seines Volumens — 164 — andererseits von der Schale völlig frei. Und wenn hiernach für alle höheren Stadien die Mitwirkung des Schalendruckes schon nicht mehr in Frage kommt, so kann man sich an T-Riesen mit langgestrecktem Doppelgehäuse leicht überzeugen, daß auch im zwei- und vierzelligen Stadium der Druck oder auch nur die Berührung der Schale für die vorschrifts- mäßige Zusammenfügung der Zellgesellschaft überflüssig ist. Ebensowenig beruht unsere Geschehensart etwa auf dem Vorhandensein einer be- sonderen dünnen, den Keim elastisch umspannenden „Dotterhaut“‘, wie solche wohl ander- wärts gefunden werden. Membranen von dieser Beschaffenheit müssen über Furchen und Einschnitte zwischen den Blastomeren hinüberspringen; davon aber sieht man bei Ascaris mit der schärfsten Vergrößerung nichts. Auch weist ja schon die sonderbare, sperrige Ge- stalt mancher jüngeren T-Riesen sehr deutlich darauf hin, daß eine den Keim zusammen- ziehende elastische Grenzhaut nicht vorhanden ist. 2. Nicht ganz so spielend leicht gelingt die Widerlegung des tolgenden, aus einer Reihe von Gründen wahrhaft verführerischen Versuches, das uns beschäftigende Phänomen auf rein physikalische Art zu erklären. Man könnte denken, die Komplexbildung der Ascariszellen werde in derselben Weise durch Oberflächenspannung bewirkt, wie der Zusammen- schluß und die Form einer Gruppe von Seifenblasen. Seit Berthold (1886) und Chabry (1887) wird diese physikalische Wirkungsart sehr allgemein für die Gestaltungsverhältnisse von Zellsystemen verantwortlich gemacht, und ist auch bereits für Ascaris von mir (1896 a p. 154) und von Boveri (1899 p. 403) in solchem Sinne verwendet worden. Dasjenige Moment, das die Vorstellung einer kausalen Analogie zwischen dem Seifen- schaum und dem Zellkomplex so überaus nahelegt, ist die hohe Ähnlichkeit, zum Teil Identität der beiderseitigen Konfigurationen. Schon die Betrachtung eines normalen, ruhen- den Furchungsstadiums von Ascaris läßt kaum einen Zweifel daran zu, daß das von Plateau begründete „Prinzip der kleinsten Flächen‘, nach welchem die Seifenschaumlamellen geordnet sind, auch hier die Form und Stellung wenn nicht aller, so doch der meisten Grenzflächen und Scheidewände beherrschen müsse. Wie die Kammern des Schaumes, so sind die Zellen scharfkantig-polyedrisch geformt und fügen sich — von der Furchungshöhle abgesehen — lückenlos aneinander. Alle Kantenwinkel des Zellkomplexes betragen 120°, so daß immer je drei Flächen längs einer Kante zusammenstoßen. Alle freien Oberflächen sind sphärisch gewölbt. Sodann: sehr häufig sind die Kontaktfacetten eben, und zwar be- sonders da, wo auch die Anordnung der Zellen mit derjenigen von Seifenschaumkammern übereinstimmt. Und endlich: die Form der meisten Zellen ist eine „isometrische‘“ ; das heißt, soweit die Polyedrie es gestattet, sind alle ihre Dimensionen ungefähr gleich. — In der beschränkenden Fassung der beiden letzten Sätze liegt ein Hinweis auf das Vorhanden- sein gewisser Differenzen, in denen der lebendige Zellkomplex eigene Wege geht; worüber wir in späteren Kapiteln noch verhandeln werden. Aber offenbar sind die Einzelheiten, ın denen die Konfiguration des Ascariskeimes dem Prinzipe der kleinsten Flächen genau ent- spricht, so zahlreich und zum Teil so durchgreifend allgemein, daß die kausale Beteiligung des Prinzips eigentlich schon hierdurch bewiesen ist. — 15 — Und sollte etwa die rein normal-deskriptive Beurteilung noch einen Rest von Mög- lichkeit für die a priori höchst unwahrscheinliche Annahme bestehen lassen, daß die typisch detaillierte Polyedrie der Ascariszellen von jeder einzelnen aktiv hervorgebracht würde und die Ähnlichkeit mit Seifenschaumformen nur eine ‚zufällige‘ wäre, so würde diese letzte Möglichkeit durch die abnormen Keime völlig zerstört. Es zeigt sich nämlich, daß die normalerweise vorhandenen Kanten, Flächen und sonstigen Details einer Zellgestalt bei atypisch verändertem Arrangement der Blastomere durchaus nicht etwa beständig sind, sondern widerstandslos preisgegeben und durch neue Formen ersetzt werden, an denen die Übereinstimmung mit dem Plateauschen Prin- Alpes mindestens eben so’scharf, oft noch»schärferhervortritt, als vorher. Man betrachte nur die Konfiguration des ganz abnorm geordneten Ektoderms an dem auf Taf. II, Fig. 17 und ı8 dargestellten Riesen: es sieht aus, wie ein Seifenschaum. Oder man denke an die geometrisch-regelmäßigen Formen, die das isolierte Ektoderm des Dreifachzwillings auf seiner vier-, acht- und sechzehnzelligen Stufe erkennen ließ (Taf. II, Fig. 57—59). Die Ektodermzelle B, die in der normalen Entwickelung drei ebene Kontakt- flächen trägt, verliert bei den gewöhnlichen T-Riesen eine davon, beim Dreifachzwilling (Taf. IV, Fig. 53) noch eine zweite: hier, wie in anderen Fällen, vergrößert sich an Stelle jeder verschwundenen Facette die freigewölbte Außenfläche — wie beim Seifenschaum. Und niemand kann bezweifeln, daß die Zellen A und B und überhaupt jede gesunde Furchungszelle von Ascaris, von der Berührung mit anderen völlig befreit, sich unter Ver- lust aller Ecken und Kanten nach allen Richtungen hin rundlich umgrenzen und — falls es eine isometrische Zelle war — sogar zur reinen Kugelform übergehen würde. Die kausale Verknüpfung aller jener typischen, wie atypischen Gestaltungs- momente von Ascaris mit dem Prinzipe der kleinsten Flächen ist also end- gültig festgestellt. 3. Aber damit ist keineswegs entschieden, daß nun auch diejenige besondere Geschehens- art, die im Ascariskeim nach der Schablone des Plateauschen Prinzipes wirkt, gerade die- selbe Sorte von Oberflächenspannung sein müsse, wie beim Seifenschaum. Es gibt, wie wir bald sehen werden, auch andere Kräftekombinationen, denen die gleiche geometrische Betätigungsform eigentümlich ist. Und daß speziell bei Ascaris die für das Prinzip charak- teristischen Kanten, Ecken und Winkel auf eine ganz andere Weise zu stande kommen müssen, als beim Schaum, ergibt sich aus folgendem. Das Lamellensystem eines Seifenschaumes stellt ein einziges, in sich zusammenhängen- des Quantum Flüssigkeit dar, dessen Gesamtoberfläche auf Grund ihrer überall gleich- artigen Spannung nach dem erreichbaren Minimum strebt. Hiermit aber läßt sich ein Zell- komplex, — wie Driesch schon 1892 (p. 535) hervorgehoben hat, seitdem aber nicht immer genügend bedacht worden ist —, nicht ohne weiteres vergleichen. Ein einfaches Agglomerat von flüssigen Blastomeren brächte bloß auf Grund der Spannung seiner Oberflächen weder den Zusammenschluß noch die dem Plateauschen Prinzip konforme Ausgestaltung der Kontaktflächen hervor; und zwar selbst dann nicht, wenn man mit Roux (1896) die An- nahme macht, daß die Spannung an den Kontaktfacetten eine geringere sei, als an den — 166 — freien Außenflächen. Solange an den inneren Berührungsflächen überhaupt eine positive Spannung besteht, würde diese lediglich eine Abrundung jeder einzelnen Zelle und eine Trennung des Komplexes bewirken können. Will man also Oberflächenspannung nach Art des Seifenschaumes als Ursache der dem Plateauschen Prinzip entsprechenden Zellen- zusammenfügung gelten lassen, so setzt dies unbedingt voraus, daß eine die Zellen um- hüllende und miteinander verbindende, in sich zusammenhängende und homogene „Zwischenschicht“ vorhanden ist, deren Oberflächenspannung die des eigentlichen Zellprotoplasma übertrifft. Eine solche Flüssigkeitsschicht würde sich dann verhalten, wie das Seifenwasser im Seifenschaum, und der Zusammenschluß der Zellen, wie die Übereinstimmung ihrer Gestalten mit dem Plateauschen Prinzipe wären leicht erklärt (Bir EIEIE Tr): Nun kann ja eine flüssige Hüll- und Zwischenschicht von der geforderten Beschaffen- heit bei irgendwelchen Zellkomplexen in der Tat vorhanden sein, ist wohl auch wirklich hie und da gefunden worden. Es ist aber gewiß, daß sie bei Ascaris fehlt. Bei flüchtiger Betrachtung geeignet konservierter Ascariskeime, etwa des zwei- oder vierzelligen Stadiums, könnte man allerdings zunächst der gegenteiligen Ansicht sein. Man HHH. 2 JJIJ. Optischer Schnitt durch die Scheidewand eines 1 und 2 Schemata von hypothetischen Zell- Stadiums Il; Alkohol-Essigsäure-Konservierung. membranen im Stadium II. F eingesprengter Flüssigkeitstropfen. sieht sehr deutlich — und es ist längst bekannt —, daß nicht nur alle Zellen an ihrer freien Oberfläche von einer dünnen, doppelkonturierten Hüllschicht umgeben sind, sondern daß Schichten von ganz der gleichen Lichtbrechung, Struktur und Färbbarkeit zwischen die Blastomere hereindringen, und sie überall voneinander scheiden. Für unsere Frage aber kommt es darauf an, ob eine solche Zwischenplatte eine in sich zusammenhängende Lamelle von flüssigem Protoplasma ist, wie die schematische Figur HHH ı zur Anschauung bringt, oder aber nach der Art der Fig. 2 eine Doppelscheibe, in der die beiderseitigen Zell- membranen sich nur berühren, aber nicht vereinigen. Die schärfere Untersuchung zeigt, daß das letztere der Fall ist. Schon van Beneden und Neyt (1887, Taf. I, Fig. ı2), Boveri (1888 p. 131), Herla (1894 p. 476) haben die Zwischenplatte des zweizelligen Stadiums als doppelte beschrieben und dargestellt. Ich selbst habe mich an mannigfach variierten Totalpräparaten der Stadien II und IV, sowie an feinen Schnitten von der unbedingten Richtigkeit dieser Auffassung überzeugen können. Nun macht man gelegentlich, auch an lebendigen Eiern, die verdächtige Beobachtung, daß die „Grenzflächen“ der Blastomere, die in der Profilansicht als feine Linien erscheinen — 167 — sollten, auffallend scharf markiert und glänzend sind, — als läge dennoch zwischen den beiderseitigen Zellmembranen eine besondere, überaus dünne Zwischenschicht, die dann natürlich durch ihre Öberflächenspannung die Rolle des Seifenwassers im Seifenschaum übernehmen könnte. Um hierüber Klarheit zu gewinnen, untersucht man zweckmäßig solches Eiermaterial, bei welchem zwischen den beiden ersten Furchungszellen sich allemal ein eingesprengter Tropfen derselben Flüssigkeit befindet, die auch den Raum zwischen Schale und Embryo erfüllt (Herla 1894; v. Erlanger 1897 p. 430) — eine Varietät, die nicht eben selten ist. Gäbe es nun eine zusammenhängende Zwischenschicht von besonderer Substanz, so müßte dieselbe an dem linsenförmigen Tröpfchen sichtbar werden, sei es nun, daß sie frei den kleinen Raum durchspannte, oder einseitig an ihm vorüberzöge. Aber keins von beidem ist je der Fall (Fig. JJJ). Sondern der Tropfen erscheint von nichts an- derem ringsum begrenzt, als von der nackten Alveolarschicht, genau so, wie sie überall die freien Oberflächen bildet. Vermutlich entsteht die glänzende Zwischenzone dadurch, daß außer dem großen Tropfen noch eine Menge winziger Tröpfchen der den Embryo um- spülenden Flüssigkeit zwischen die Blastomere eingedrungen sind; Fälle, wie sie Herla (1894 p. 479) beschreibt, und ich ebenfalls häufig gesehen habe, wobei eine Schichte kleinerer, linsenförmiger Einschlüsse, die sich berühren, fast die ganze Breite der Kontakt- fläche erfüllt, bilden zwischen beiden Extremen einen Übergang. Wir haben damit festgestellt, daß die Furchungszellen von Ascaris keinesfalls durch zähflüssige, in sich und untereinander zusammenhängende Zwischenschichten verbunden sind. Unter solchen Umständen aber fällt die kausale Vergleichbarkeit mit einem Seifenschaum hinweg. Da nun außer den zweierlei a priori möglichen Faktoren, die wır auf ihre Leistungs- fähigkeit geprüft und als unverwendbar erwiesen haben, andere rein mechanische -Ur- sachen der Komplexbildung nicht zu Gebote stehen, so kann das Vereinigtbleiben der Ascariszellen und ihre dichte, polyedrische Zusammenfügung über- haupt kein rein mechanischer Vorgang sein: es müssen mindestens zum Teil physiologische Leistungen der Blastomere dabei eine Rolle spielen. B. Physiologische Faktoren. ik Wenn wir sehen, daß eine Gesellschaft anatomisch unabhängiger Blastomere sich dicht zusammendrängt, ohne durch rein mechanische Gründe hierzu gezwungen zu sein, SO bleibt von vornherein kaum eine andere Deutung übrig, als die, daß zwischen den Zellen eine gegenseitige, durch chemische Reize vermittelte Anziehung besteht. Die Annahme einer solchen Geschehensart für Ascaris ist um so weniger gewagt, als Roux (1894) bekanntlich im stande war, an künstlich isolierten Froschblastomeren attraktive Wechselwirkungen (Cytotropismus) einwandfrei nachzuweisen; eine schöne Entdeckung, die später Rhumbler (1899 p. 77) für Zellen von Triton bestätigt hat. — Nun wäre ja ın dieser für unser gegenwärtiges Problem, wie auch für spätere Fragen überaus wichtigen Angelegenheit sehr erwünscht, wenn man mit Ascariszellen die Rouxschen Experimente — 1685 — wiederholen könnte. Leider geht das nicht. Aber es gibt zum Glück auch bei Ascaris tat- sächliche Unterlagen, durch die unsere a priori wahrscheinliche Hypothese ausreichend ge- sichert wird. Ich habe in meiner deskriptiven Arbeit (1896 a) auf eine besonders in frühen Stadien auffallende Eigentümlichkeit der freien Zelloberflächen von Ascaris hingewiesen, die darin besteht, daß eine solche Fläche während der Ruhezeit nicht gleichmäßig gewölbt ist, son- dern ringsum an ihrem Rande, wo sie mit den Kontaktfacetten zusammentrifft, niedrige, aber deutlich vorspringende Wülste bildet; daraus ergibt sich eine viel ausge- dehntere Berührung der Zellen, als nach dem Prinzip der kleinsten Flächen zu erwarten wäre (Fig. KKR). Form und Lage dieser Wülste sind in der normalen Entwickelung für jede Furchungszelle typisch vorgeschrieben. Dennoch werden sie sicher nur durch das Kontakt- verhältnis, nicht etwa durch eigene, völlig unabhängige Selbstgestaltung der Zelle hervorge- bracht. Denn an den verlagerten Zellen der T-Riesen verschwinden die Wülste, sobald die normalerweise anstoßende Kontaktfacette verloren geht. Und umgekehrt stellen sie sich zuverlässig und in der gewöhnlichen Ausbildung überall ein, wo irgend ein neues, atypisches KKK. 1 LLL. 2 3 Stadium II mit Randwäülsten. Durchschnürung eines Rieseneies, nach dem Leben. Berührungsverhältnis, selbst zwischen Zellen zweier Einzelkeime, gewonnen wurde. Diese voll- kommene und allgemeine Abhängigkeit der Wulstbildung vom Zellkontakt wird einerseits durch das Verhalten der zwei isolierten Ektodermzellen des Dreifachzwillings (Taf. IV, Fig. 55), andererseits durch die beiden an der Grenze der Zwillingsindividuen atypischerweise zu- sammenstoßenden Zellen P, (ebenda Fig. 49) vortrefflich illustriert. — Im Leben erscheinen die Ringwülste hell, und es sieht, besonders in den Stadien II und IV, beinahe aus, als wenn jede der beiden Nachbarzellen mit einem niederen, ringförmigen Pseudopodium auf die andere hinübergekrochen wäre. Aus dem Vorhandensein der Wülste schloß ich schon damals (1896 a p. 165) auf eine attraktive oder adhäsive Wechselwirkung zwischen sämt- lichen Furchungszellen; versäumte jedoch, die richtige Folgerung zu ziehen: daß dann eine Oberflächenspannung A la Seifenschaum zur Erklärung der Komplexbildung überhaupt über- flüssig sei. Seither hatte ich Gelegenheit, an Riesenkeimen die Durchschnürung von Zellen, auch des Eies selbst, unter günstigeren Umständen zu beobachten, als die normale Ent- wickelung sie je gewährt, und fand dabei weitere, recht überzeugende Beweise für das Be- stehen und frühzeitige Auftreten einer Attraktion. Schon die auf S. ı8 dargestellte Mitose der Zelle P, läßt erkennen, daß die eine Tochterzelle sich in der Richtung auf die andere “ — 169 — bereits abzuplatten beginnt, ehe die beiden getrennten und nur durch den axialen Ver- bindungsstrang zusammengehaltenen Blastomere sich zu neuem Kontakt genähert haben. Aber viel schöner noch sieht man den eigentümlichen Vorgang bei der ersten Furchung von Rieseneiern, die frei in einer langgezogenen Doppelschale liegen, und so dem Drucke, der die zwei ersten Blastomere normalerweise aufeinanderpreßt, entzogen sind (Fig. LLL ı—3). Wenn die helle, längsgestreifte Brücke noch ziemlich starkes Kaliber besitzt, pflegt eine nahezu halbkugelige Abplattung der Tochterzellen sich bereits auszu- prägen. Allmählich treten dann ringsum die Randpartien über das Niveau der ein- ander zugekehrten Flächen ein wenig hinaus, aber nicht gleichmäßig, sondern in welligen Lappen, wie Pseudopodien; fast unwiderstehlich drängt sich dadurch die Vorstellung auf, als strebten beide Zellen nach gegenseitigem Kontakt, und würden nur durch den schlanken, axialen Verbindungsstrang wie durch einen steifen Strebepfeiler einander fern- gehalten. Schließlich aber tritt die Berührung wirklich ein, und zwar, wie sich nach dem Vorausgegangenen schon denken ließ, zuerst in den vorgedrängten Randpartien; so daß das letzte Schicksal des immer dünner gewordenen Fädchens in allen Fällen dem Auge ent- zogen war. — Endlich spricht noch folgendes mit Nachdruck für unsere Hypothese eines aktiven Zusammendrängens der Blastomere. Wenn Furchungszellen von Ascaris auf irgend eine 1 MMM. 2 1 Vierzelliges Stadium nach Kältewirkung; 2 desgl. nach Radiumbestrahlung. Art stark geschädigt sind, so reduzieren sie in der Regel ihren gegenseitigen Kontakt, und wenn die Schädigung zum Tode führt, nicht selten so weit, daß sie abge- rundet wie ein Haufen Schrotkugeln beieinanderliegen. Z. B. stellt Fig. MMM ı ein durch Kälte geschädigtes Vierzellenstadium dar (zur Strassen 1898b p. 664). Und Fig. MMM 2 zeigt die eigentümliche Verminderung des Zusammenhanges, den eine Serie von Ascaris- eiern unter der Einwirkung von Radiumbestrahlung erlitten hatte. Roux, der den Vorgang der Kontaktlösung an „spontan“ absterbenden Froschembryonen zuerst gesehen und als „Framboisia embryonalis“ bezeichnet hat (1835 p. 150), vermochte ihn später am selben Objekt durch allerhand Chemikalien, sowie durch elektrische Durchströmung künstlich hervorzu- rufen (1899 p. 355), und deutet ihn, offenbar mit Recht, als das Ergebnis des Aufhörens derjenigen Zellfunktion, die im gesunden Keim den dichten Zusammenschluß der Elemente bedingt. Dann muß aber auch für Ascaris die Vermutung, daß die Gleichartigkeit des Krankheitsbildes nach vielerlei Schädigung durch den Ausfall einer normalerweise vorhan- denen, vielleicht besonders empfindlichen Lebenstätigkeit verursacht werde, äußerst wahr- scheinlich sein. Zoologica. Heft 40, 22 — 1090 — Halten wir jetzt die drei Indizien, die wir der typischen und abnormen Entwickelung entnommen haben, zusammen und bedenken dann, daß nach Zurückweisung aller mechanıi- schen Erklärungen die Hypothese einer gegenseitigen Attraktion der Zellen als Ursache der Komplexbildung die fast allein mögliche war, so dürfen wir diese Annahme wohl als bewiesen gelten lassen. Die aktive, cytotropische Zusammendrängung der Ascariszellen, zu deren Anerkennung wir uns entschlossen haben, bedeutet jedoch nur die eine Hälfte des Problems. Die zweite ist diese: warum die zum Komplex vereinigten Elemente sich derartig gruppieren und ge- stalten, daß ihre Anordnung und Form, die Gestalt ihrer Flächen, Kanten und Ecken, die Größe der Winkel in den allermeisten Fällen der Konfiguration eines Seifen- schaumes zum Verwechseln ähnlich wird. Denn diese frappante Übereinstimmung in der Gestaltung eines körperlichen Lamellensystems von zäher Flüssigkeit und der eines sozusagen bloß geometrischen Verbandes von Grenzflächen und Zwischenräumen ist offen- bar nichts weniger als selbstverständlich. Nun hat der Botaniker Zimmermann (1891 p. 159) für pflanzliche Zellsysteme her- vorgehoben, daß eine dem Plateauschen Prinzip konforme Ausgestaltung auch durch Turgorspannung mechanisch zusammengedrängter Zellen entstehen könnte. Der Turgor verleiht den Zellen eine Tendenz sich kugelig abzurunden. Da sie hieran durch Raummangel verhindert und vielmehr genötigt sind, unter ausgedehnter gegenseitiger Be- rührung polyedrische Formen anzunehmen, so wird wenigstens nach Möglichkeit, eventuell unter Zuhilfenahme von Gleitbewegungen, die Vermeidung allzu scharfer Kanten und spitzer Ecken angestrebt. Hierbei wird zumeist der Vorteil, den eine Zelle gewinnt, nachteilig für ihre Nachbarzellen sein. Es resultiert ein Kampf aller einzelnen Rundungstendenzen, und der Gleichgewichtszustand, der schließlich erreicht wird, ist aus begreiflichen Gründen von solcher Beschaffenheit, daß die Gesamtheit aller Scheidewände aussieht, wie ein Seifen- schaum. Das gleiche Grundprinzip vermochte Roux (1896 b) mit Hilfe von schwimmenden Öltropfen, die durch den kreisförmigen Rand eines Weinglases zusammengedrängt waren, sehr hübsch zu demonstrieren. Die Tropfen strebten natürlich jeder für sich, und zwar in diesem Falle auf Grund ihrer individuellen Oberflächenspannung, nach der Kugelgestalt. Unter dem Zwange des knappen Raumes aber gruppierten sie sich so und nahmen solche Formen an, daß die Ähnlichkeit der Tropfengesellschaft mit gewissen, dem Plateauschen Prinzip entsprechenden Furchungsstadien eine ganz frappierende war. Wie man sieht, kommt auf die spezielle Natur der hierbei wirkenden Faktoren nichts an. Ganz allgemein produzieren Aggregate plastischer, gleitfähiger Körper, von denen aus irgend einem Grunde jeder einzelne sich abzurunden strebt, während doch alle durch irgend einen anderen Faktor auf beschränkten Raum zusammenge- drängt werden, eine Konfiguration ihrer Grenz- und Scheidewände, die einem Seifenschaume so ähnlich ist, wıe die von Ascaris. Hier bietet sich offenbar ein neuer und aussichtsvoller Weg, zur Lösung der uns be- schäftigenden Frage vorzudringen. Denn von den zwei verbündeten Faktoren, deren das — 171 — Prinzip bedarf, ist ja der eine, nämlich die zentripetale Zusammendrängung, bei Ascaris bestimmt vorhanden ; und es macht für den Erfolg keinen Unterschied, daß die mechanische Druckwirkung der von Zimmermann und Roux behandelten Fälle bei uns durch eine physiologisch vermittelte gegenseitige Attraktion der komplexbildenden Elemente ver- treten wird. Aber auch ein Faktor der zweiten Sorte: einer, der nach individueller Ab- rundung aller Konstituenten strebt, muß im Ascaris-Zellkomplex wirksam sein; tritt doch, wie wir gesehen haben, bei den verschobenen und ihrer typischen Nachbarschaft zum Teil beraubten Zellen abnormer Keime an die Stelle jeder verlorenen Kante oder Kontaktfacette sogleich eine entsprechende Vergrößerung der freien, kugelig gewölbten Oberfläche. Nur wissen wir noch nicht, auf welchen Gründen diese fraglos vorhandene Rundungstendenz der Ascariszellen eigentlich beruht. Die zur Zeit verbreitetste Auffassung vom Aggregatzustande lebendiger Blasto- mere, in unserem Falle noch besonders verstärkt durch den suggestiven Vergleich mit Roux’ Öltropfenexperiment, drängt uns fast zu der Annahme, die Zellen strebten einfach vermöge der homogenen Spannung ihrer individuellen flüssigen Ober- flächen, wie irgend ein Tropfen, nach der Kugelgestalt. Allein gegen diese ihrer Spar- samkeit wegen sympathische Annahme spricht doch zu viel, als daß sie bestehen könnte. Man hat für gewöhnlich gar keine Gelegenheit, sich über die Konsistenz der Oberflächen- schicht an lebenden Ascariszellen ein auf Beobachtung beruhendes Urteil zu bilden. So habe auch ich mir diese Schicht — unter dem Eindrucke der verblüffenden Seifenschaumähnlich- keit des Ganzen — anfangs als relativ leichtflüssig vorgestellt; woran die Tatsache, daß der helle Saum an konservierten Eiern häufig wie eine starre Membran erscheint, natürlich nichts ändern konnte. Aber die Beobachtung jener sonderbaren Ereignisse, durch die unser Dreifachzwilling in zwei ungleichwertige Stücke aufgeteilt wurde, belehrte mich eines besseren. Die helle äußere Plasmaschicht erwies sich vielmehr als ungemein zähe, zog sich zu einem dünnen Faden aus, und als derselbe endlich gerissen war, blieb ein winziges Stümpfchen an einer der isolierten Ektodermzellen noch mehrere Stunden lang stehen. Es war ganz gewiß, daß mindestens an dieser Stelle und während der Zeit, in der das Stümpfchen sich erhielt, die Hautschicht nicht leichtflüssig, sondern von einer Zähigkeit war, die an Festheit grenzte. Unter solchen Umständen aber wird es schwer zu glauben, daß die Oberflächen- spannung dieser selben Schicht der Faktor sei, der den Zellen die energische und kontinuier- lich wirkende Rundungstendenz, deren das Prinzip bedarf, verleihen könnte. Aber selbst wenn die Zellen von Ascaris genügend flüssig wären, um bloß auf Grund dieses Zustandes einzeln die Kugelgestalt anzustreben, so könnte diese Tendenz doch inner- halb des Zellkomplexes nicht als gestaltender und ordnender Teilfaktor wirksam sein. Wir sind doch zu der Überzeugung gelangt, daß zwischen den Zellen eine attraktive, irgend- wie chemisch vermittelte Wechselwirkung bestehen müsse. Das ist so ziemlich das Gegen- teil einer zur Abrundung führenden positiven Oberflächenspannung. Zum mindesten könnten die Oberflächen der Zellen, die aus der Umgebung von chemischen Stoffen berührt und verändert werden, nicht homogen gespannt sein und könnten darum auf Form und Stellung der Scheidewände nicht in solcher Weise wirken, daß die Gesamtanordnung dem Prinzipe der kleinsten Flächen entspricht. Endlich verdient noch folgendes Bedenken gegen die Annahme einer positiv ge- spannten, flüssigen Oberfläche an Ascariszellen hervorgehoben zu werden. Wenn individuelle Flüssıgkeitstropfen, wie in Roux’ Versuch, zusammengedrängt und zur Ausbildung breiter Kontaktflächen gezwungen sind, so kommt es doch zwischen den konvergierenden Flächen eines Tropfens nicht zur Entstehung wirklicher Kanten und Ecken. Die Oberflächen- spannung nimmt mit dem Krümmungsgrade zu; und wenn an einem Tropfen das schmale Grenzgebiet zwischen zwei benachbarten Kontaktflächen eine gewisse Kleinheit des Krüm- mungsradius unterschreitet, so wird an dieser Stelle die Spannung eine relativ so gewaltige, daß sie einer ferneren Zuschärfung erfolgreich widersteht. Aus diesem Grunde tritt zwischen je drei benachbarten Tropfen nicht eine gemeinsame, lineare Berührungskante auf, in der die drei Scheidewände unmittelbar zusammentreffen; sondern ein enger, prismatischer, von gewölbten Flächen begrenzter Hohlraum bleibt zwischen den Zellen frei, in dessen Kanten die Scheidewände einzeln übergehen, wie aus den Zeichnungen Roux’ zu ersehen ist (Fig. NNN). Solche prismatische Zwischenräume aber sind an den Zellkomplexen von Ascaris unbekannt. NNN. Zusammengedrängte Öltropfen. Kopie nach Roux. Aus allen diesen Gründen muß die Annahme, daß die Rundungstendenz der komplex- bildenden Ascariszellen auf individueller Oberflächenspannung beruhe, endgültig aufgegeben werden. Da aber auch der von Zimmermann verwendete Faktor der Turgorspannung, der natürlich das Vorhandensein einer im Leben scharf begrenzten Zellmembran voraussetzt, für unseren Fall nicht leistungsfähig ist, und andere mechanische Erklärungsgründe, soviel ich sehe, nicht zu Gebote stehen, so muß wohl die Ursache der Rundungstendenz eine aktive, physiologische sein. Der Vorgang der Komplexbildung von Ascaris besteht demnach für uns aus zwei physiologischen Faktoren. Die Zellen streben erstens auf Grund unbekannter innerer Zu- stände oder Vorgänge einzeln nach Abrundung, zum größeren Teil sogar nach der Kugelgestalt. Aber dieselben Zellen üben zweitens eine gegenseitige Anziehung aus, die das Rundungs- bestreben überwindet und eine lückenlose Zusammenfügung mit breiten Polyederflächen er- zwingt; hierbei kann sich die Rundungstendenz nur noch insofern geltend machen, als sie auf eine spezielle Ausgestaltung und Ordnung aller Scheidewände hinarbeitet, die mit der Konfiguration eines Seifenschaumes äußerlich fast identisch ist. Vergleichen wir zum Schluß die Kausalität des hier analysierten Geschehens mit der- jenigen aller bisher betrachteten Vorgänge der Formbildung, so tritt ein wichtiger Unterschied klar zutage. Die Entscheidung über den Teilungstermin, die Richtung der oO oO ’ — 13 — Spindel, die relative Größe der Produkte waren ausschließlich eine innere Angelegenheit der betreffenden Zelle selbst, und die Umgebung war nicht einmal in der bescheidenen Rolle einer „Vorbedingung‘ daran beteiligt. Bei der Komplexbildung liegt es anders. Zwar ist das „Verhalten“ der einzelnen komplexbildenden Zelle, d.h. die Art, wie sie typische Leistungen auf Grund innerer Organisationsverhältnisse vollbringt, eben so unabhängig von. der Um- gebung als dort. Aber der typische Erfolg ihres Verhaltens „bedingt“ das Vorhandensein der Umgebung und ihrer typischen Beschaffenheit. Ohne die physiologische Mitwirkung der Nachbarzellen entstünde aus der Tätigkeit der Zelle noch keine „Attraktion“. Und Einzelheiten des Effektes, nämlich die typisch-polyedrische Form der Zelle, werden durch mechanische Massenkorrelation (Roux 1885 p. 504) mit der Umgebung unmittelbar herbeigeführt. Sechstes Kapitel. Epithelbildung und epitheliale Zellgestalt. 1. Die Frage der Komplexbildung ist so von uns behandelt worden, als wenn in allen Stadien die Zusammenfügung der jeweils vorhandenen Zellen eine vollkommen dichte und nach allen Richtungen hin lückenlose wäre. In Wirklichkeit trifft dies nicht zu. Vielmehr wird die Lückenlosigkeit des Komplexes durch ein besonderes Moment der Formbildung eingeschränkt, dessen Vorhandensein zwar für die Erörterungen und Resultate des vorigen Kapitels ohne Bedeutung war und dort außer acht gelassen werden durfte, das aber jetzt für sich ein neues und wichtiges Problem repräsentiert, — in Wahrheit wieder ein Doppel- problem: die Anordnung eines Teiles der Blastomere zu einem einschichtigen, die Furchungs- höhle begrenzenden „Epithel“ und die damit verbundene Entstehung der „epithelialen“ Zell- gestalt. Der deskriptiv-normale Hergang ist folgender. Noch unmittelbar nach der Klüftung des vierzelligen Stadiums pflegt der Zusammenschluß aller Zellen ein vollkommen dichter zu sein. Indem aber die neu entstandenen acht Blastomere durch Gleitbewegungen in ihre definitive, rundliche Gesamtkonfiguration übergehen, geschieht es, daß im Zentrum des Ganzen ein kleiner polyedrischer Hohlraum freigegeben wird, den eine helle Flüssigkeit erfüllt: das ist der Anfang der Furchungshöhle. Recht häufig aber fällt der Ursprung des Blastocöls in eine noch frühere Zeit der Ontogenesis. Ich wies im vorigen Kapitel auf die verbreitete, längst bekannte Erscheinung hin, daß mitten in der Scheidewand der beiden ersten Furchungszellen ein linsenförmiger, von klarer Flüssigkeit erfüllter Hohlraum gefunden wird. Dies eingesprengte Tröpfchen erhält sich während der folgenden Klüftung und liegt im fertigen Vierzellenstadium, ohne gewachsen zu sein, im Winkel zwischen den beiden Ektodermzellen und EMSt. Beim Eintritt der neuen Mitosen aber vergrößert der kleine Raum sich rasch, begibt sich, indem er erst die beiden Töchter von EMSt, dann P, und schließlich auch € berührt, in den Mittelpunkt des Zellkomplexes und wird zur typischen Furchungshöhle. Bei sämtlichen Eiern wächst hierauf das Blastocöl durch einige Stadien hindurch heran, bildet eine ansehnliche Blase von länglicher Gestalt, um endlich zur Zeit der Gastrulation und des Versinkens mesodermaler und anderer Zellengruppen wiederum auf schmalere Spalträume reduziert zu werden. An der Begrenzung der Furchungshöhle nehmen die beiden Haupt-Zellfamilien in un- gleicher, für jede charakteristischer Weise teil. Die obere, das primäre Ektoderm, gruppiert sich auf allen Stadien der frühen Ontogenesis einschichtig um — 15 — den leeren Raum, so daß jede ihrer Zellen mit einer freigewölbten Fläche gegen die Furchungshöhle, mit einer zweiten nach außen gewendet ist, während die wechselseitigen Kontaktfacetten eine am Zellkörper ringsum laufende Zone bilden. Dabei ist die Gestalt der Zellen eine keilförmig nach innen verjüngte. Und zwar richtet sich die Konvergenz der Seitenfacetten und der Größenunterschied der inneren und äußeren freien Oberfläche nach dem Krümmungsgrade des Epithelstückes, in dem die betreffende Zelle gelegen ist, d. h. nach dem Verhältnis zwischen seinem Radius und seiner Zellenzahl. Bei sehr geringer An- zahl der verbundenen Zellen und stark prononcierter Krümmung, wie sie noch zum Beginn der vierzelligen Entwickelungsstufe des primären Ektoderms besteht, fehlt die innere freie Fläche ganz und mit ihr die Furchungshöhle: die Zellen stoßen mit ihren basalen Enden unmittelbar an die Elemente der Ventralfamilie. Aber darin liegt wohl kaum ein Grund, den allerersten Stufen des primären Ektoderms — wenigstens in physiologischem Zusam- menhange, — den epithelialen Charakter abzusprechen; um so weniger, als ja nicht selten die Furchungshöhle in diesen frühen Stadien bereits durch einen kleinen Hohlraum vertreten ist, und dann den ersten Ektodermzellen, ja selbst der Stammzelle AB eine „innere“ freie Oberfläche keineswegs fehlt. — Eine geometrisch so einfache, ausgeprägt epitheliale Gruppierung wie dem primären Ektoderm kommt den Elementen der unteren Familie nicht zu. Hier sind die Zellen im Umkreis der Furchungshöhle kompakter und minder regelmäßig zusammengefügt, besonders im Darm und Mesoderm; während allerdings die Deszendenz der Schwanzzelle C frühzeitig ein Verhalten zum Ausdruck bringt, das sie dem primären Ektoderm in allen Punkten nähert, so daß auf späteren Stadien beide Gruppen zur gemeinsamen Bildung einer ausgedehnten Epithelschicht verbunden sind. Auf jeder Stufe ihrer Bildung und Entfaltung ist die Furchungshöhle normaler Keime ein vollständig abgeschlossener Raum. Manchmal, wenn eine Zelle des begrenzenden Epithels in der Durchschnürung begriffen ist, möchte man hieran zweifeln: es scheint, als wenn zu beiden Seiten der immer dünner werdenden Plasmabrücke die Höhle offen stände. Dreht man aber das Ei nach allen Richtungen und beobachtet scharf, so findet man allemal, daß beiderseits Nachbarzellen in spitze, flache Zipfel ausge- zogen sind, die sich vollkommen dicht an die in Teilung begriffene Zelle schmiegen und das Blastocöl geschlossen halten. Hierin spricht sich eine starke Abneigung der Zellen aus, die gegenseitige Berührung aufzugeben; wie ja schon bei der Zerreißung des Dreifach- zwillings ein überraschend zäher Zusammenhang erkennbar geworden war. In einer kleinen Schrift über die „Mechanik der Epithelbildung‘ (1903) hatte ich Ge- legenheit, im Rahmen der allgemein gehaltenen Analyse auch Daten aus der Entwickelungs- geschichte von Ascaris herbeizuziehen. Durch jene vorgreifende Verwendung aber wird eine neue Analyse des Gegenstandes an dieser Stelle nicht überflüssig: wir gehen hier auf eine erschöpfendere Behandlung der Frage aus, soweit sie Ascaris betrifft. Andererseits ermög- lichen die in früheren Kapiteln gewonnenen Ergebnisse im Vergleich zu meiner damaligen Schrift eine wesentliche Vereinfachung der Argumentation. Uns ist jetzt bekannt, daß zwischen den Zellen des Ascariskeimes „gegenseitige An- ziehung‘ besteht. Setzen wir voraus — was bis zum etwaigen Beweise des Gegenteils offen- bar geboten ist —, die Zellen verhielten sich hierin isotrop, d.h. die Attraktion jeder Zelle wirkte gleichmäßig an ihrer ganzen Oberfläche, so ergäbe sich — 16 — daraus für jede von ihnen eine zentripetalgerichtete Bewegungstendenz. Nun sind die Blastomere in derjenigen Stellung, in der sie geboren werden, nicht etwa fixiert, sondern fähig zu gleiten; führen sie doch nach jeder Klüftungsperiode durch gegenseitige Ver- schiebungen eine Anordnung herbei, die dem Prinzipe der kleinsten Flächen entspricht. Unter solchen Umständen müßten die Zellen, trotz der von Stadium zu Stadium durch- geführten paratangentialen Teilungsweise, immer wieder zu ganz soliden Klumpen zusammen- gezogen werden. Wenn dies in Wirklichkeit aber nicht geschieht, so muß entweder eine besondere mechanische oder physiologische Ursache vorhanden sein, die die zentralwärts drängenden Blastomere an der Peripherie zurückbehält; oder — die gegenseitige Anziehung der Zellen ist keine isotrope. >) =. Von Haus aus die einfachste und ansprechendste Hypothese ist, wie gewöhnlich, eine mechanische. Wenn man voraussetzt, daß die Flüssigkeit, die das Blastocöl auf allen Stufen seiner Bildung vollständig erfüllt, von den Zellen selber nach innen abgeschieden werde, und daß die ringsum geschlossene Epithelwand genügend dicht sei, um ein Ab- strömen in den äußeren Schalenraum zu verhindern, so könnte wohl der Gegendruck der jeweils vorhandenen eingeschlossenen Flüssigkeit die Ursache sein, die in allen Stadien das Freibleiben eines zentralen Raumes von entsprechender Größe und die Zusammendrängung der Epithelzellen in eine einzige Schicht erzwingt. Diese Annahme findet in einigen Tatsachen der normalen Entwickelung noch be- sondere Stützen. Zunächst trifft die Voraussetzung, die Blastocölflüssigkeit werde vom Embryö direkt nach innen abgeschieden, sehr wahrscheinlich zu. Sicher ist und seit lange bekannt, daß das Ei diejenige Flüssigkeit, die sich zwischen ihm und der Schalenwand befindet, selber geliefert hat: das Plasma der Ovocyte war massenhaft von hellen Vakuolen durchsetzt, die ihren Inhalt in dem Maße, wie das Ei sich von der Schale hinweg zusammenzieht, in den auftretenden Raum ergießen. Und diese Tätigkeit findet mit dem Beginn der Furchung keineswegs ihr Ende; wie sollte sonst möglich sein, daß während der Dauer der Embryonalentwickelung das Volumen des Keimes immer kleiner, der „leere“ Schalenraum immer größer wird? Offenbar dringen die hellen Tropfen, von denen die Blastomere noch eine Menge enthalten, dauernd nach außen. Nun aber stimmt mit dieser äußeren Flüssigkeit die innere, die das Blastocöl erfüllt, allem Anscheine nach völlig über- ein. Dann ist zu vermuten, daß auch die innere Flüssigkeit unmittelbar von den angrenzen- den Plasmateilen ausgeschieden werde. — Und eine Tatsache gibt es, die sogar den Druck, den die Zellen nach unserer Hypothese durch die zwischen sie eingedrängte Flüssigkeit erleiden sollen, zu demonstrieren scheint. Ich meine das Auftreten des linsen- förmigen Tröpfchens, das als voreilige Anlage des Blastocöls so häufig zwischen den beiden ersten Furchungszellen gefunden wird. Allen die Entwickelung abnormer Keime beweist die absolute Unzulässigkeit dieser mechanischen Hypothese. Wie ich schon oben hervorhob, müßte von Stufe zu Stufe die Quantität der jeweils ausgeschiedenen Flüssigkeit primär geregelt, für jede besondere — 117. — Weite der Furchungshöhle und verfügbare Größe der Epithelschicht typisch sein: wäre zu wenig Saft gebildet worden, so bekäme die Wandung Falten oder verlöre die Einschichtig- keit; würde der innere Druck zu stark, so müßte die Epithelschicht platzen. Nun aber zeigt jeder gewöhnliche T-Riese vom ersten Typus, bei dem die Versenkung des Darmes und Mesoderms unterbleibt, und demzufolge eine weite, leere, für das betreffende Stadium viel zu voluminöse Furchungshöhle zustande kommt, daß die Quantität der Innenflüssigkeit nicht primär geregelt ist; denn die enorme „Furchungshöhle“ solcher Riesen ist ebenso prall gefüllt, wie ein typisches Blastocöl. Andererseits geht aus der Geschichte des Drei- fachzwillings hervor, daß auch ‚zu wenig‘ Flüssigkeit vorhanden sein kann: als das isolierte Ektoderm des durchgerissenen Individuums achtzellig geworden war, schlossen seine Ele- mente im Zentrum noch lückenlos aneinander, und erst auf der sechzehnzelligen Stufe trat ein kleines Lumen auf; während doch normale Keime der zugehörigen Entwickelungs- stadien längst mit ansehnlichen Furchungshöhlen versehen sind. Damit ist vollkommen sichergestellt, daß nicht das vorhandene Flüssigkeitsquantum die Weite des Blastocöls re- guliert, sondern daß umgekehrt die Furchungshöhle allemal zuerst gegeben ist, die Flüssigkeit aber, wie immer sie entstehen mag, genau nach Maß- gabe des dargebotenen Raumes geliefert wird, um jene sogleich und völlig aus- zufüllen. Und wohl am allerschlagendsten wird die Unmöglichkeit, irgend eine hydromechanische Wirkung von seiten des Blastocölinhaltes zur Erklärung formbildender Vorgänge heranzu- ziehen, durch eine Sorte krankhaft entwickelter Einzeleier (Taf. V, Fig. 65—67) erhellt, die ich gelegentlich gefunden und schon oben einmal erwähnt habe. Bei diesen Eiern war immer ein Teil der unteren Zellfamilie auf früherer oder späterer Entwickelungsstufe zu- rückgeblieben, und ganz besonders die Nachkommenschaft der Schwanzzelle C erwies sich als stark abnorm: sie zeigte keine Spur von epithelialer Entfaltung, sondern bestand aus wenigen, großen, regellos gehäuften Zellen mit Keimbahnkernen. Da aber das primäre Ekto- derm sich durchaus normal zu einer breiten, am Hinterrande bogenförmig abgeschnittenen Scheibe entwickelt hatte, so war die dichte Verlötung beider Zellfamilien, wie sie typischer- weise besteht, vereitelt worden: der langgedehnte Hinterrand des primären Ektoderms lag frei, und die Furchungshöhle kommunizierte sperrangelweit mit dem äußeren Schalenraume. Es ist klar, daß unter diesen Umständen die Binnenflüssigkeit weder dem Andrängen der Epithelschicht Widerstand zu leisten, noch etwa gar selber einen Überdruck in distaler Richtung auszuüben befähigt war. Die Ascariskeime mit offenstehendem Blastocöl beweisen aber zugleich auch die Un- möglichkeit, das peripherische Zurückbleiben der infolge isotroper Anziehung (wie angenommen wird) zentralwärts gezogenen Blastomere durch irgend einen physiologischen Vorgang be- wirkt zu denken. Auf Grund der normalen Verhältnisse würde ja folgende Hypothese zulässig sein. Wenn neben der gegenseitigen Attraktion noch eine besondere, von jener unabhängige und sie nicht störende chemotaktische Reizbarkeit der in Betracht komnıenden Zellen bestände, die ihnen eine Tendenz zu zentrifugaler Bewegung verleiht, — indem sie entweder negativ auf den flüssigen Inhalt der Furchungshöhle oder positiv auf den des äußeren Schalenraumes reagierten — so würde dadurch das zentripetale Gleitbestreben der Blasto- mere eventuell aufgehoben. Und das Zusammenspiel beider Faktoren bewirkte vielleicht die Zoologica. Heft 40, 23 — 1785 — Eingliederung aller Ektodermzellen in eine einfache Schicht und deren Aufblähung im Um- kreis der Furchungshöhle. Wir wissen aber jetzt, daß hieran nicht zu denken ist. Die Grundbedingung eines solchen Reizgeschehens wäre immer die, daß die eine Flüssigkeit sich von der anderen chemisch unterscheidet. Bei offener Furchungshöhle aber könnte eine chemische Differenz der beiden Flüssigkeiten, falls sie je zu stande käme, sich doch nicht dauernd halten: die ganz besondere Langsamkeit der Ascarisentwickelung ließe für ausgleichende Diffusionsvorgänge mehr als genügende Zeit. Es ist darum zweifellos, daß bei unseren krankhaften Keimen die Bildung des Epithels und der Furchungshöhle trotz chemischer Gleichartigkeit des innen und außen umspülenden Mediums typisch vollzogen wurde, Dann aber können auch in der normalen Ontogenesis Reizvorgänge, wie die genannten, an der Kausalität der uns beschäftigenden Vorgänge nicht beteiligt sein. Die analytische Situation ist nunmehr folgende. Wir standen vor der Wahl: ent- weder ein Mittel aufzuzeigen, das den epithelbildenden Ascariszellen eine zentrifugale Be- wegung erteilen oder doch ihrem Vordrängen nach innen hinreichenden Widerstand ent- gegensetzen könnte; oder aber die vom Standpunkte der Sparsamkeit zunächst gebotene Annahme preiszugeben, daß die gegenseitige Attraktion der in Betracht kommenden Zellen eine isotrope sei. Nachdem wir nun gezeigt haben, daß weder eine mechanische, noch irgend eine physiologische Ursache zur Verfügung steht, zentralwärts drängende Blastomere an der Peripherie zurückzuhalten, tritt unsere zweite Alternative in ihr Recht: offenbar besitzen die Zellen gar keine nach innen gerichtete Bewegungstendenz, weil eben ihre Anziehung keine isotrope ist. Nach früheren, z. B. bei der Analyse des Teilungsmodus gewonnenen Erfahrungen sind wir zu dem Entschlusse, eine funktionelle, d. h. natürlich auch anatomische Aniso- tropie der Zellen zur Erklärung der Epithelbildung zuzugeben, ohne viel Widerstreben bereit. Allein bei dem Versuche, von der speziellen Beschaffenheit der benötigten Strukturen ein Bild zu entwerfen, stoßen wir diesmal auf Hindernisse. Wie wir vorhin bemerkten, ergibt sich für jedes „epithelbildende‘“ Glied des Zellen- stammbaumes von Ascarıs je nach dem Krümmungsgrade des Epithelstückes, dem es an- gehört, eine nach Form und Konvergenz der Berührungsflächen und nach der Größe der freien Wölbungen bestimmte Gestalt. Wenn nun jede von diesen Zellen ihre epithelbildende Funktion ausschließlich nur für einen einzigen, genau bemessenen Krümmungsgrad zu betätigen brauchte: die eine nur im flachgewölbten vielzelligen Epithel, dessen Elemente beinahe prismatisch sind, eine andere in diesem oder jenem scharf gekrümmten Anfangs- stadium, wo infolge der mächtigen Konvergenz der Seitenfacetten die innere- freie Oberfläche winzig wird oder gar verschwindet, — dann wäre die Aufgabe, zu zeigen, wie das geschehen kann, nicht schwer. Es müßte nur an jeder einzelnen Zelle die attraktive Tätigkeit auf denjenigen scharf umschriebenen Bereich beschränkt sein, mit dem sie im Epithelverband Kontaktflächen bildet, während die frei bleibenden Wölbungen indifferent oder gar kontaktwidrig gestimmt wären. Diese präformierte Attraktionszone läge an den — 1719 — isoliert und kugelig gedachten Zellen je nach dem Krümmungsgrade des zu liefernden Epithels bald nahezu äquatorial (Fig. OO0 ı), bald stärker nach „unten“ verschoben (Fig. 000 2) und nähme bei Ektodermzellen frühester Stufe, denen im typischen. Zusammenhang die innere freie Wölbung fehlt, die ganze untere Kalotte ein. — Es ist klar, daß Aggregate so beschaffener Zellen allemal ein einschichtiges, freies Epithel von bestimmtem Krümmungs- grade liefern müßten. 1 000. 2 MN) ll li | /i 1 und 2 Schemata eines schwach und eines stark gekrümmten Epithels; darunter isolierte Zellen, Die Attraktionszonen sind schraffiert. Allein die Voraussetzung dieser relativ sparsamen Hypothese trifft bei den Epithel- zellen von Ascaris ganz und gar nicht zu. Schon in der normalen Ontogenesis geschieht es hie und da, daß innerhalb eines und desselben Stadiums der Krümmungsgrad des ektoder- malen Epithels lokal verändert wird (zur Strassen 1806a, p. 69), so daß die gleichen Zellen zuerst ein flacheres, darauf ein stärker gekrümmtes Epithel erbauen helfen ; doch sind in diesen Fällen die sich ergebenden Unterschiede der Zellgestalt naturgemäß unbedeutend. In der Entwickelung abnormer Keime aber werden die Ektodermzellen sehr oft in Epithel- verbände von einem Krümmungsgrade eingereiht, der sich von dem für die einzelne Zelle typischen recht weit entfernt. Bei den gewöhnlichen T-Riesen ist die ektodermale Epithel- haube, gegenüber den gleichaltrigen normalen Stadien immer zu stark gekrümmt. Und ganz besonders scharf tritt der Unterschied am isolierten Ektoderm des Dreifachzwillings zutage: sechzehn Zellen, die in der normalen Entwickelung zum Aufbau einer ziemlich platten Epithelschicht Verwendung finden, bildeten hier die kugelige Pseudoblastula (Taf. IV, Fig. 59), waren von konischer Gestalt und zeigten relativ winzige freie Innenflächen; auf der acht- zelligen Stufe aber standen die Zellen, im Gegensatz zu den normalen Verhältnissen, sogar noch mit ihrer ganzen Basalpartie in gegenseitigem Kontakt. Andererseits wird durch ge- wisse Zwillingsbildungen dargetan, daß Ektodermzellen auch befähigt sind, an Epithel- verbänden geringeren Krümmungsgrades teilzunehmen, als ihrer Altersstufe im Rahmen der typischen Entwickelung entspricht. Riesenzwillinge, die mit den Kopfenden verwachsen sind, lassen häufig die Furchungshöhlen, auch wenn sie doppelt angelegt worden waren, späterhin zu einer einzigen von unverhältnismäßiger Weite zusammenfließen. Und bei den „Zwillingen“, denen ein doppelbefruchtetes Einfachei den Ursprung gibt, ist ein von Anfang an gemeinsames Blastocöl sogar die Regel; hier bilden dann zwei verbundene Ektoderm- — 18909 — zellenpaare — falls es sich in der Tat um solche handelt, was später noch zu untersuchen ist, — zwischen sich und der Ventralgruppe bereits eine ansehnliche Furchungshöhle. Nach alledem wird die Vorstellung, daß jede Zelle nur in einer einzigen, ihrem Krümmungsgrade nach bestimmten Art von Epithel zu figurieren verpflichtet und befähigt wäre, unbedingt zu verlassen sein. Vielmehr haben die Zellen ihre Eigenschaft, Epithel zu bilden, auch bei abnormen Krümmungs- und Kontaktverhältnissen tadellos bewährt, und sehr wahrscheinlich ist ihr Spielraum in dieser Hinsicht nicht nur ein weiter, sondern überhaupt unbeschränkt. Niemand wird zweifeln, daß Ascaris- zellen jeder beliebigen Altersklasse befähigt sind, je nach der Zahl vorhandener Gefährten und der daraus sich ergebenden Massenkorrelation flachgewölbte oder scharfgekrümmte Epithelien erbauen zu helfen, oder sogar, wenn ihrer sehr wenige sind, sich unter Verlust der inneren freien Oberflächen zu einer soliden Masse „einschichtig‘“‘ zusammenzuschließen. Damit aber ist zugleich unsere erste Hypothese über den Mechanismus der epithel- bildenden Funktion widerlegt: sie ist zu einfach gewesen. Wir brauchen für jede Zelle einen Apparat, der sie — ohne Rücksicht auf ihr normales Kontaktverhältnis — zu jeder Art von Epithelbildung geeignet macht. Und dieser Apparat muß bei allen epithelbildenden Zellen der gleiche sein. 4. In dem vorhin erwähnten Aufsatze über die Ursachen der Epithelbildung habe ich einen Mechanismus schematisch angegeben, der, wie mir scheint, unserer Forderung genügen könnte. 1 PPP. w [S$) BINNEN 2 NIIT Su Schema der Epithelbildung auf Grund paralleler Attraktionszonen. 1 isolierte, 2 zu dritt, 3 zu vielen vereinigte Zellen. Die Zelloberflächen müßten symmetrisch zu einer Achse in viele aufeinander- folgende Zonen quantitativ oder qualitativ ungleicher Attraktionstätigkeit geschieden sein (Fig. PPP), z.B. in solcher Weise, daß die Stärke der Anziehung von einem Pol zum andern sich kontinuierlich verändert —; und immer die gleichstarken oder gleich- artigen Zonen strebten nach gegenseitigem Kontakt. Dann würden Aggregate solcher Zellen sich jenachdem mit ihren basalen Bezirken zu regelmäßigen soliden Gruppen verbinden, oder, bei größerer Anzahl, durch Einbeziehung der äquatorialen Zonen in den Kontaktbereich und Freigabe der Basalkalotten freischwebende Epithelien bilden, ohne daß eine Zelle aus dem Niveau der übrigen herauszugleiten im stande wäre. In allen Fällen würden die Symmetrieachsen in radiäre, die Zonengrenzen in paratangentiale Richtung ein- gestellt. Nun aber ist die Beurteilung der formbildenden Mechanismen allemal mit der Frage —. öl —= nach ihrer Herkunft unlösbar verknüpft, und hier begegnen wir der Schwierigkeit, von der ich vorhin gesprochen habe. Es ist sehr leicht einzusehen, welche Hypothese über den Ursprung und die genea- logische Weitergabe einer epithelbildenden Anisotropie, wie wir sie annehmen wollen, a priori die einfachste wäre. Aus der Fähigkeit der Zellen, in Epithelverbände abnormen Krüm- mungsgrades einzutreten, folgt mit Sicherheit, daß sie im stande sind, ihr Kontaktverhältnis mit Nachbarzellen im Bedarfsfalle durch eine drehende Richtungsveränderung ihrer Attraktionszonen zu regulieren. Warum sollte nicht ganz allgemein, auf jeder einzelnen nor- malen Entwickelungsstufe die epitheliale Zusammenfügung mit analogen Drehvorgängen, die den bei der Geburt der Zellen noch nicht paratangential geordneten Zonen erst die endgültige Richtung geben, verbunden sein? Diese Annahme er- scheint nichts weniger als gewagt. Denn gäbe es in der normalen Entwickelung solche Drehungen nicht, so müßten ja auf jeder Stufe die Attraktionszonen der jungen Zellen so- gleich in einer bestimmten, dem Krümmungsgrade des neuzubildenden Epithels im voraus entsprechenden Stellung geliefert werden, — eine Idee, deren übermäßige Komplikation auf der Hand liegt. Die Existenz regulierender Drehungen der Zonensysteme wäre also auch 1 000. 2 3 N —————— zz, — >>> ÜNEIINIANDDERARRNDEERIDADDERIINDDLDLANIUNDNIN? Schema der Epithelbildung auf Grund des primär-horizontalen Schichtsystemes. Die römischen Ziffern zeigen die Stellung der organischen Achsen in drei aufeinanderfolgenden Teilungsschritten, die Pfeile deuten ihre Bewegung an. für die normale Entwickelung wohl gewiß; und stellen wir uns jetzt den Drehungsvorgang als eine Totalbewegung der ganzen Zelle vor, so gewinnen wir die überaus ökonomische Möglichkeit, die Epithelbildung einer ganzen Generationsfolge, z. B. des gesamten primären Ektoderms, auf eine einzige Art von Anisotropie zurückzuführen. Denken wir uns, daß jede Mutterzelle ihre Zonen, die sie dem Krümmungsgrade ihrer eigenen Stufe entsprechend paratangential gerichtet hatte, im Teilungsprozeß so wie sie sind auf ihre beiden Töchter weitergibt; worauf die Töchter durch eine — in frühen Stadien (Fig. QQQ 2) bedeutende, allmählich aber (Fig. QQQ 3) immer geringer werdende — Drehung die Stellung der Zonen im Sinne des nunmehr erreichten Krümmungsgrades korrigieren. Dann braucht nur für die Stammzelle des betreffenden Verwandtschaftskreises, also speziell für die Urektoderm- zelle AB, das Auftreten der epithelbildenden Anisotropie gefordert zu werden. Und diese Hypothese gewänne noch ganz besonders durch folgendes an Sparsamkeit. In der Zelle AB stimmt die „paratangentiale“, d. h. zur Symmetrieachse senkrechte Richtung, in der die Attraktionszonen liegen sollen, mit der „horizontalen“ überein (Fig. QQQ 1). Dann könnte ja die hier geforderte Anisotropie mit jener horizontalen „Schichtung‘“ der Zelle AB und des Eies, die wir in früheren Kapiteln auf Grund gewisser Spindelstellungen, Dotterverschiebungen und inäqualer Mitosen erschlossen haben, einfach identisch sein. Allein so verlockend die hier skizzierte Hypothese ist, so stehen ihr doch auf an- derem Gebiete schwere Bedenken gegenüber. Wir haben die Teilungsrichtung einer Reihe von Stufen mit bestem Erfolg auf das Vorhandensein einer relativ geringen Summe innerer Strukturen zurückgeführt, die schon im Ei gegeben sind und durch den Klüftungsprozeß schrittweis auf die folgenden Stadien übergehen; hierdurch gewannen wir zugleich für die auffallende Tatsache, daß viele Spindeln eine geometrisch einfache Beziehung zu Nachbar- zellen erkennen lassen, eine leichte Erklärung. Diese ganze, durchaus befriedigende Lehre von der Teilungsrichtung geriete nun aber gefährlich ins Wanken, sobald der Epithelbildung zuliebe behauptet wird, daß jede von den beteiligten Zellen zwischen Geburt und Mitose ihre primäre Stellung zu den Nachbarinnen durch eine bisher nicht berücksichtigte totale Drehung verändert habe. Zum Beispiel hatte sich der Umstand, daß die Spindeln der Ekto- dermzellen a und «@ immer genau parallel zu den rückwärtigen Kontaktflächen a/b und «|ß liegen (p. 101), unter der Voraussetzung, die Zellenpaare a und b, « und ß hätten ihre pri- märe gegenseitige Stellung beibehalten, sehr einfach aufgeklärt. Vom Standpunkte der hier geprüften Epithelbildungshypothese aber müßte jetzt angenommen werden, daß a und«, um ihre ererbten Attraktionszonen ın paratangentiale Lage zu bringen, sich nach der Geburt gegen b und $ verdrehen! Dann wäre das einfache, geometrisch-genaue Richtungsver- hältnis, das gleichwohl später zwischen den Spindeln von a und « und der Lage jener Nachbarzellen zum Ausdruck kommt, nicht nur höchst anspruchsvoll in physiologischer Hin- sicht, sondern auch gänzlich unmotiviert: irgend ein morphologischer Zweck dieser kost- spieligen Genauigkeit ist nicht einzusehen. — Und gleiches gälte für andere Spindel- stellungen. Wenn auch natürlich die experimentell erwiesene Lehre von den inneren Rich- tungsursachen der Spindelstellung nicht erschüttert würde, so fiele doch von ihrer Einfach- heit und Klarheit ein großer Teil hinweg. Die Sparsamkeit in der Erklärung der Epithel- bildung schüfe uns an anderer Stelle eine Masse neuer Komplikation; und so wäre denn die verführerische Hypothese vom Standpunkte der Gesamtformbildung dennoch keine eigentlich ökonomische. Unter solchen Umständen wird folgende andere Erklärungsart konkurrenzfähig. In- dem die Attraktionszonen einer epithelbildenden Zelle — gleichviel von welcher Anfangs- stellung aus — durch einen Drehungsvorgang paratangential eingerichtet werden, gelangt diejenige Achse, zu der das Zonensystem der Zelle symmetrisch ist, in eine zur Epithelfläche senkrechte, zum Keimganzen radiäre Situation. Diese selbe radıäre Lage ıst aber, wie man sich wohl erinnert (p. 89), zugleich das Endziel einer anderen Achse, die sich im Inneren der Zelle bewegt, nämlich derjenigen als „organische Achse‘ bezeichneten Linie, auf der die Mittelpunkte des Kernes und der Sphäre gelegen sind. Nach der früheren Hypothese über die Herkunft der Zonen hätten beide Drehungsprozesse — außer der Gemeinsamkeit des Ziels für die bewegten Achsen — nichts miteinander zu tun: denn die organische Achse liegt ja bei der Geburt der Zelle, der Richtung der vorausgegangenen Mitose entsprechend, paratangential, also senkrecht zu der als radıar angenommenen Ausgangsstellung der Zonenachse. Und so müßten die zweierlei Drehungen in jedem Falle nach Richtung wie Ausmaß völlig verschieden sein, — eine Vorstellung, die in Anbetracht der schließlichen — 13 — Koinzidenz der Achsen als etwas schwerfällig empfunden wird. Um so willkommener ist daß unsere neue Hypothese über die Herkunft der Attraktionszonen zugleich den Luxus ? der doppelten Achsendrehung vermeidet. Wir nehmen an, die Zonen jeder neugebildeten Epithelzelle seien nicht paratangential, sondern senkrecht zur Epithelfläche, und zwar symmetrisch zur Spindelrichtung der vorausgegangenen Mitose orientiert: dann fällt die Symmetrieachse der Zonen schon von Geburt an mit der organischen Achse zusammen; die darauf eintretende Drehung beider Achsen in die Radiärlage könnte, wie sie äußerlich jetzt gemeinsam von statten geht, auch physiologisch ein und derselbe Vor- gang sein. 1 RER. 2 3 \ Schema der Epithelbildung auf Grund von Attraktionszonen, die bei jeder Mitose symmetrisch zur Spindelachse neu gebildet werden. p—a Primäre (— Spindel-) Achse. Die Pfeile deuten die Drehung der Primärachsen an. Der Nachteil dieser Hypothese gegenüber der früheren liegt offenbar darin, daß die Zonen nicht mehr von jeder Mutterzelle auf ihre Töchter einfach übergehen, sondern neu an jeder jungen Zelle entstehen müssen. Aber hier fällt immerhin zu Gunsten unserer An- nahme ins Gewicht, daß ja die neugeborene Zelle ganz offensichtlich eine zur organischen Achse symmetrische, ungleichpolige Anisotropie besitzt, die durch Vermittelung der die Strahlenfigur bewirkenden Kräfte leicht auf die Zelloberfläche übergreifen und dort ein System von Attraktionszonen, wie wir es brauchen, hervorrufen könnte. Warum sollte nicht z. B. die cytotaktische Anziehungskraft an der Oberfläche unmittelbar von der größeren oder geringeren Entfernung der stark exzentrisch gelegenen Sphäre abhängig sein? Dann aber — und dies ist das wichtigste — erspart uns die neue Hypothese die Notwendigkeit, unsere wohlbegründete Auffassung von der Kausalität vieler Spindelstellungen preiszugeben. Denn wenn die Attraktionszonen der Zelloberfläche mit der im Inneren ver- schiebbaren „organischen Achse“ ursächlich verbunden sind, so wird vielleicht das ganze System — Achse und Zonen — sich drehen können, ohne daß die Hauptmasse der Zelle das primäre Gerichtetsein ihrer inneren Struktur und deren Be- ziehungen zu Nachbarzellen verlieren müßte. Wir hätten den Mechanismus, dessen die Epithelbildung bedarf; aber er störte die von uns angenommenen Apparate der typischen Teilungsrichiung nicht in ihrer Wirksamkeit. Wie dem auch sei; es hat sich jedenfalls in diesem Kapitel gezeigt, daß diejenigen Blastomere, die in der normalen Ontogenesis das Epithel erbauen helfen, auf Grund einer angeborenen Differenzierung, die den übrigen Zellen fehlt, zu ihrer besonderen Tätigkeit befähigt und gezwungen sind. Die Umgebung der ein- — 154 — zelnen Epithelzelle trägt zur Kausalität ihres Verhaltens an sich nichts bei: die Zelle würde im Zustande der Isolation die gleiche anisotrope Reizbarkeit besitzen und brächte vielleicht die gleichen chemotaktisch wirksamen Stoffe an ihrer Oberfläche zur Ausscheidung, wie im normalen Keim. Aber wie bei der Komplexbildung, so setzt auch hier der programmgemäße Erfolg des „Epithelbildens“ die Gegenwart und Mitwirkung von Nachbarzellen voraus. Und Massenkorrelation mit der Umgebung bestimmt ganz allein, ob die auf Grund ihrer ererbten Beschaffenheit zu jeder Art von Epithelbildung qualifizierte Zelle als Baustein eines soliden Komplexes oder eines starkgewölbten oder flachen Epithelstückes Verwendung finden wird. — 155° — Sıiebrentes Kapitel. Spezialordnung der Zellen und Spezialgestalt. Wenn die Anordnung der Zellen im Ascariskeim und ihre Gestaltung ausschließlich von den beiden bisher analysierten Arten cytotaktischen Geschehens bestimmt würde: der komplexbildenden Tätigkeit im allgemeinen und der epithelbildenden im besonderen, so stünde es im voraus fest, daß die Gesamt-Formbildung des Keimes auf folgende Art von statten gehen müßte. Diejenigen Keimbezirke, die nicht mit dem Mechanismus der Epithelbildung ausgerüstet sind, würden auf jeder Stufe der Entwickelung zu einem kom- pakten Klumpen zusammengleiten; die Form aller dieser Zellen, die Stellung der Kontakt- flächen und die Größe der Kantenwinkel entspräche dem Plateauschen Prinzipe ebenso genau, als handelte es sich um einen Seifenschaum. Bei den epithelbildenden Zell- familien wäre die Gültigkeit des Prinzips auf zwei Dimensionen: die Flächenrichtung der Zellenschicht eingeschränkt. Innerhalb dieser Fläche aber müßten wiederum die Zellen so gruppiert, ihre Scheidewände so geordnet sein, daß die Summe aller Oberflächen, wie beim flüssigen Lamellensystem, ein Minimum wird; wobei die regelmäßige Form und Ver- teilung der Elemente die Entstehung einer runden, dem soliden Klumpen angehängten Blase bedingen müßte. In beiden Bezirken würde das endgültige, dem Plateauschen Prinzip genügende Arrangement der Zellen, soweit es nicht unmittelbar von der Furchung geliefert wird, durch besondere Form- und Ortsveränderungen des frischgeklüfteten Materials, die mit einer kontinuierlichen Verkleinerung der Gesamt-Flächensumme ver- bunden sind, herbeigeführt werden. Zellbewegungen aber, denen dieses Merkmal fehlt, kämen außerhalb der Klüftungsperioden bestimmt nieht’ vor. In Wirklichkeit ist das alles, wie schon früher hervorgehoben wurde, nicht der Fall. Sowohl in den kompakten, als in den epithelialen Bezirken finden sich Zellformen, Kanten- winkel, Gruppierungen, die dem Seifenschaum fremd sind; wie ja auch die Gesamtgestalt des normalen Keimes mit fortschreitender Entwickelung sich von der Klumpen- und Blasen- form, die dem Prinzip der kleinsten Flächen entspräche, in immer steigendem Maße entfernt. Diese abweichenden Konfigurationen aber nehmen ihren Ursprung auf mehrfache, an- scheinend heterogene Weise. Erstens dadurch, daß manche Blastomere in derjenigen, dem Plateauschen Prinzipe widersprechenden Anordnung, in der sie ge- boren sind, beharrlich liegen bleiben, anstatt zu gleiten. Sodann durch typische und oft sehr ausgiebige Dislokation von Zellen, die aber nicht zu einer Ver- kleinerung der Flächensumme, sondern offenkundig zu ihrer Vergrößerung dient. Ferner kann mit der Dislokation noch eine starke, aber vorübergehende Ver- änderung der isometrischen Zellgestalt, z. B. eine Streckung und Krümmung, ver- bunden sein. Endlich erhalten viele Blastomere eine anisometrische, vom Plateau- Zoologica. Heft 40, 24 zZ schen Prinzipe abweichende Form, die aber dauert und eventuell auf fol- gende Generationen übertragen wird. Man sieht, die Vorgänge der Zellenordnung und Zellgestaltung greifen auch diesmal innig ineinander, und ihre Abgrenzung wird vielfach schwierig oder kaum möglich sein. Dennoch betrachten wir die beiden Geschehensarten aus praktischen Gründen getrennt. Wir fassen zunächst alle diejenigen, nicht durch die Klüftung selbst bewirkten Besonder- heiten der Zellenanordnung, die dem Prinzipe der kleinsten Flächen zuwiderlaufen oder durch dasselbe nicht erklärbar sind, ohne Rücksicht auf die Zellgestalt als Vorgänge der „Spezialordnung‘ zusammen und beginnen ihre Bearbeitung mit einer Über- sıcht des deskriptiv-normalen Tatbestandes. Doch wird nur bei solchen, leider nicht zahl- reichen Fällen etwas länger zu verweilen sein, zu deren kausaler Beurteilung experimentelles Material vorhanden ist. I. Die Spezialordnung. A. Deskriptive Übersicht. Der erste und für die Analyse überaus lehrreiche Akt der spezialisierten Zellenordnung geschieht im Stadium IV: die oft erwähnte Umwandlung der T-förmigen Vierzellen- gruppe in einerhombische. Nach den Angaben meiner deskriptiven Arbeit (1896a p. 34) und dem, was ich neuerdings hinzufügen konnte (diese Schrift, p. 114), wissen wir über den selt- samen Vorgang folgendes. Die Schwenkung des T-Stammes ist eine gemeinsame Ange- legenheit des ventralen Geschwisterpaares EMSt—P;, und wird unter Aufrechterhaltung ihrer gegenseitigen primären Lagebeziehungen durchgeführt. Es gelangt also nicht nur äußerlich die gemeinsame Längsachse beider Zellen aus der vertikalen Stellung in die hori- zontale, sondern das gleiche gilt für die primär-vertikale Achse jeder einzelnen. Nun aber geht die schwenkende Bewegung nicht innerhalb der Mittelebene vor sich, in der die vier Zellen vor der Umordnung und nach deren Vollendung gelegen sind, sondern sie wendet sich gleich zu Anfang senkrecht aus dieser Ebene nach links oder rechts hinaus, um erst nach einer seitlichen Exkursion von wechselnder Höhe in die Medianebene zurückzukehren. Hierbei wird nicht nur die primär-vertikale Achse jeder Zelle in horizon- tale Stellung, sondern zugleich auch die primär-transversale in medianr- vertikale übergeführt. — Es ist augenscheinlich, daß der ganze Vorgang durch die Faktoren der Komplex- und Epithelbildung durchaus nicht erklärt wird; hätte doch nach dem Prinzip der kleinsten Flächen statt eines Rhombus ein vierzelliges Tetra&der entstehen müssen. Im Stadium VIII finden wir Vorgänge der Spezialordnung von doppelter Form. Die vierzellige Ventralgruppe zeigt deutlich das Phänomen des Verharrens in einer An- fangsstellung, die dem Prinzipe der kleinsten Flächen widerspricht. Diese vier Blastomere liegen bei der Geburt genau median, sie bilden, von der Bauchseite ange- sehen, eine schnurgerade Reihe. Während nun eine solche Konfiguration an einem Seifen- schaum sich nicht dauernd erhalten könnte, verändert zwar die dorsalwärts aufgebogene Zellenreihe ihren Krümmungsgrad innerhalb der Mittelebene nicht unbedeutend, aber die — 1870 — Ebene selbst verläßt sie nie. — Inzwischen haben die vier oberen, ektodermalen Zellen die genau quadratische Anfangslage, in der sie geboren waren, durch den bekannten Schwen- kungsprozeß des rechten Paares (vgl. p. 101) mit einer windschief T-förmigen Gruppierung vertauscht. Da nun in diesem Falle die Umordnung der Blastomere unbestreitbar mit einer kontinuierlichen Verkleinerung der Gesamtoberfläche, wie sie vom Plateauschen Prinzip er- fordert wird, verbunden ist, so könnte man glauben, daß hier die allgemeine Komplex- und Epithelbildung zur Erklärung ausreichend sei. Allein der Umstand, daß typischerweise die Zellen der rechten Seite rückwärts gleiten, während doch das geometrische Prinzip an solcher Bevorzugung keinerlei Interesse hat, beweist dennoch für dieses eine Geschehnis das Vorhandensein einer besonderen ordnenden Kausalität (1896a p. 44). Auf das achtzellige Stadium folgt zunächst durch Klüftung des primären Ektoderms ein zwölfzelliges. Die neuentstandenen Blastomere ordnen sich rasch in einer Weise, die allem Anscheine nach unter dem Zeichen der Flächenverkleinerung steht, und liefern links einen Rhombus, rechts eine regelmäßige T-Figur, deren Balken von den Schwesterzellen all 2 SsS. Orientierung des Stadiums XI. und al gebildet wird (Fig. SSSı). Nach einer längeren Zeit der Ruhe aber treten neue und wichtige Verschiebungen ein (Fig. SSS 2). Die Zelle all löst ihren Zusammen- hang mit al, steigt höher auf den Rücken hinauf, und zwischen den getrennten Schwestern kommt die linksseitige Zelle all, indem sie in die Medianebene tritt, mit bI in Berührung. Nun gibt es zwar Ascariskeime, bei denen diese nachträgliche Umordnung in- folge gewisser rhythmischen und sonstigen Varianten den Eindruck macht, als genüge sie dem Prinzip der kleinsten Flächen in ganz besonderem Maße und setze darum nur solche Ursachen voraus, die eben nach jenem Prinzip zu wirken gezwungen sind (Boveri 1899 p. 403 Anm. 2). Allein andere Entwickelungsvarietäten, bei denen der Embryo durch die Umordnung eher ein gedrücktes Aussehen gewinnt, widersprechen dem (z. Str. 18962 p. 49). Das Stadium XVI lehrt, daß die Verschiedenheit des cytotaktischen Gebahrens, die auf der achtzelligen Stufe zwischen oberer und unterer Gruppe bemerkbar wurde, in den Familien erblich ist. Die nunmehr achtgliedrige Ventralgruppe, aus lauter medianen und transversalen Mitosen hervorgegangen, behält wiederum diese, dem Plateauschen Prinzip durchaus zuwiderlaufende Anordnung mit winkelrechter Genauigkeit bei (p. 10, Fig. J). Nur die zwei vordersten, mst und wor, trennen sich und rücken an die Flanken der Urdarm anlage. Und diese Neigung der ventralen Zellen, die bilaterale Ordnung, die aus dem Klüftungsplane der Familie immer wieder resultiert, nicht preiszugeben, bedingt auch auf noch späteren Stufen dem leichter beweglichen Ektoderm gegenüber einen merklichen Unterschied. — 18 — Das primäre Ektoderm wird nämlich durch mehrere Stadien hindurch der Schauplatz ausgiebiger und für die Formbildung des Ganzen wichtiger Zellverschiebungen. Ich habe dieselben in meiner deskriptiven Arbeit (1896a) eingehend dargestellt und nachgewiesen, daß sie dem Plateauschen Prinzip nicht unterworfen sind. Da ich jedoch im Ektoderm der T-Riesen über die zuletzt geschilderte Stufe hinaus bestimmte Blastomere nicht mehr zu er- kennen vermochte, so kommen jene Verschiebungen für unsere Analyse nicht in Betracht und brauchen hier im einzelnen nicht angeführt zu werden. Ähnliches gilt für die mittleren und höheren Stufen der Ventralfamilie. Hier sind es vom Stadium XLVIII ab vor allem Versenkungen von Zellen, d.h. Dislokationen senkrecht zur Oberfläche des Keimes, die eine bedeutungsvolle Rolle spielen. Zuerst werden ım Gastrulationsprozeß die vier Zellen des Darmes versenkt, später der Reihe nach die beiderseitigen Anlagen des primären Mesoderms, des Schlundes, das sekundäre Mesoderm (Müller 1903), die Geschlechtsanlage, das tertiäre Mesoderm, — also der ganze ventrale Zellbestand, mit Ausnahme der Nachkommenschaft von cl und yl, zwei Enkeln der Schwanzzelle. Nun geht wohl im allgemeinen mit dem Versinken zwischen benachbarte Keimbezirke eine Verkleinerung der Gesamtoberfläche Hand in Hand, wonach diese wich- tigen Vorgänge physiologisch als durch das Plateausche Prinzip bedingte Nebenwirkungen der komplexbildenden Faktoren betrachtet werden könnten. Doch verliert eine solche Auffassung durch mehrere Gründe ihre Wahrscheinlichkeit. Erstens tritt die Versenkung einer Zellengruppe immer erst längere Zeit nach ihrer Entstehung, dann aber gleich- zeitig und gleichmäßig für alle ihre Glieder ein. Das tertiäre Mesoderm zum .Bei- spiel (die sogenannten „Bauchzellen“) liegt durch ein paar Stadien hindurch frei an der Oberfläche, ehe es rasch versinkt: es ist doch nicht einzusehen, warum die Komplex- bildung, dafern sie hier wirklich beteiligt ist, die vier Blastomere nicht gleich nach ihrer Ge- burt, wohl gar schon ihre Vorfahren in die Tiefe befördert haben sollte. Und zweitens sind die Versenkungen, besonders die des Darmes, mit starken Veränderungen der Zellgestalt und der inneren Beschaffenheit verknüpft, worüber wir im nächstfolgenden Abschnitte weiteres erfahren werden. — In der Tiefe nehmen die versunkenen Gruppen neue, dem Prinzip der kleinsten Flächen gehorchende Konfigurationen an, bei denen aber wiederum durch allzu genaue Detaillierung der typischen Vorschrift oder durch andere Gründe (zur Strassen 1896a p. 69) das Walten einer besonderen Kausalität bewiesen wird. Leider ent- ziehen sich alle diese interessanten Geschehnisse aus Mangel an experimentellem Material zurzeit einer gründlicheren Analyse. In einem vorgeschrittenen Entwickelungsstadium spielt sch am kaudalen Ende des Embryo noch ein höchst merkwürdiger und umfangreicher Zellenordnungsvorgang ab, der schon bei deskriptiver Beurteilung über seine völlige Unabhängigkeit vom Plateauschen Prinzipe keinen Zweifel läßt. Die Nachkommenschaft von cI und yl, die, wie vor- hin erwähnt wurde, an der Oberfläche des Keimes verblieben war, um hier nach Boveri am Aufbau der Körperhaut teilzunehmen, bildete zuletzt eine doppelte, median gelegene Zellenreihe. Dieses Doppelband verwandelt sich (zur Strassen 1895 p. 84; Müller 1903 p. 16) dadurch in ein einfaches, daß die beiderseitigen Blastomere, nachdem sie längere Zeit in alternierender Stellung ruhig beisammenlagen, mit spitzen Fortsätzen gegen die Mittelebene vordringen, sich keilförmig zwischen einander zwängen, um — 159 — endlich gemeinsam eine schnurgerade Reihe mit regelmäßig parallelen Zellgrenzen aufzubauen. Von den zugehörigen Kernen wird bei dieser Gelegenheit noch im besonderen ein wunderhübsches chasse croise ausgeführt: diejenigen der linken Seite überschreiten die Mittellinie und erhalten, nachdem die Einreihigkeit hergestellt ist, ihren dauernden Platz am äußersten rechten Ende ihrer Zellen; die andere Kolonne von Kernen macht es umgekehrt. — Es ist vollkommen klar, daß diese seltsame Zellenverschiebung, die nach Müller die Konfiguration des Embryo „rasch und total“ verändert, durch irgend eine besondere, dem Prinzipe der kleinsten Flächen ganz und gar nicht unterworfene Ursache bedingt sein muß. An einem Seifenschaum hätte der Vorgang höchstens in genau entgegen- gesetztem Sinne verlaufen können. So sehen wir denn die Ontogenese von Ascaris, so weit unsere detaillierte Kenntnis reicht, durchwoben von Vorgängen der typisch spezialisierten Zellenordnung. Und wenn für höhere und höchste Entwickelungsstufen ein solcher Nachweis bis jetzt nicht erbracht werden konnte, so halte ich dennoch für gewiß, daß sie nirgends fehlen, ja daß sogar die- jenigen typischen Gruppierungen, die an gewissen Einzelzellen des erwachsenen Wurmes zu beobachten sind, nicht unmittelbar durch die Teilungsrichtung oder durch die komplex- und epithelbildenden Faktoren geschaffen werden, sondern daß aktive „Spezialordnung“ an ihrem Zustandekommen die wesentlichste Rolle spielt. B. Einführung in die Analyse. Inwiefern verspricht nun die Untersuchung abnormer Keime weiteren Aufschluß über die Vorgänge der spezialisierten Zellenordnung ? Bei früheren Gelegenheiten erhoben wir immer zuerst die Frage, ob die betreffende formbildende Geschehensart passiv, d.h. durch mecha- nische Druck- oder Zugwirkungen innerhalb des Keimes bedingt werde, oder nicht. Wenn ein Geschehnis in der Entwickelung der T-Riesen, bei denen infolge der gestörten Kon- figuration auch alle gegenseitigen Druckwirkungen der Zellen atypisch sind, vorschriftsmäßig wiederkehrte, so schlossen wir auf seine Unabhängigkeit von jenen mechanischen Verhält- nissen. Allein diese Angelegenheit steht im gegenwärtigen Falle gar nicht mehr zur Dis- kussion: es ist bereits auf Grund der normalen Entwickelung ganz gewiß, daß die Vor- gänge der Spezialordnung, — soweit sie sich zweifellos als solche bestimmen ließen, — nicht passiv geschehen, sondern aktive Leistungen der Blastomere sind. Denn jede etwa in Betracht kommende mechanische Wirkungsart, die nach dem Plateau- schen Prinzip zu einer Verkleinerung der Flächensumme führen müßte, ist per definitionem ausgeschlossen. Mechanische Faktoren aber, die im Ascariskeim unter den gegebenen Be- dingungen eine anderweite Konfiguration schaffen und aufrecht erhalten könnten, gibt es nicht. — Dennoch haben wir aus folgenden Gründen das lebhafteste Interesse, zu erfahren, ob die Spezialordnung in der Geschichte der T-Riesen wiederkehrt. Erstens reichte die normal-deskriptive Beobachtung für einige Fälle doch nicht aus, um deren Zugehörigkeit zur Kategorie der spezialisierten Zellenordnung einwandfrei zu beweisen. So wissen wir nicht genau, ob im Stadium VIII die ganze Umordnung der vier Ektodermzellen als aktive Spezialleistung anzusehen ist, oder ob nur der Anstoß zum typisch ungleichen Verhalten der linken und rechten Seite aktiv geschieht, während die — 19 — eigentliche Dislokation den nach dem Plateauschen Prinzipe wirkenden Faktoren der Epithel- bildung und Massenkorrelation überlassen bleibt. Auch über die Orientierung des Ektoderms im Stadium XII bestehen in dieser Hinsicht noch Zweifel; ich selbst habe sie für aktiv angesehen, Boveri erklärte sie auf Grund seines Materials für rein mechanisch. Wenn nun irgend einer von diesen zweifelhaften Fällen bei T-Riesen sich wiederholen sollte, so wäre seine aktive Natur endgültig festgestellt. Darüber hinaus aber dürfen wir hoffen, daß Einzelheiten derjenigen Vorgänge der spezialisierten Zellenordnung, die bei den T-Riesen etwa wiederkehren, uns Anhaltspunkte zu einer Hypothese über die spezielle Beschaffenheit der zur Verwendung kommen- den Mechanismen liefern werden. Und endlich verspricht uns die Geschichte der Riesen Auskunft über die Frage, ob die normale Umgebung einer Zelle als auslösender Reiz für ihr spezialisiert-cytotaktisches Verhalten notwendig ist, oder ob die Zelle die Gründe ihrer Tätigkeit von Geburt an m sich trägt. Nun aber bereitet die analytische Ausbeutung der T-Riesengeschichte für unseren gegenwärtigen Zweck gewisse Schwierigkeiten, über deren Wesen und Umfang wir uns zur Vermeidung späteren Aufenthaltes vorweg verständigen wollen. Zunächst: was verstehen wir unter der „Wiederkehr“ eines Vorganges der typischen Spezialordnung bei den T-Riesen? In der deskriptiven Entwickelungsgeschichte von Ascaris verwendet man, um ein bestimmtes Geschehnis dieser Art in Kürze zu beschreiben, will- kürlich irgend eine auffallende räumliche Beziehung der Zellen, an denen die aktive Ord- nung sich abspielt, zu ihrer Nachbarschaft. Man sagt z. B., im Stadium VIII gleitet die vordere rechte Ektodermzelle a aus der quadratischen Anfangsstellung nach hinten, bis sie die Schwanzzelle C, von der sie früher um eine volle Zellenbreite entfernt war, erreicht B) (Fig. TTT). Aber das ist nicht die einzige deskriptive Möglichkeit: ebensogut kann man sich auf die Angabe der etwas minder auf- fallenden Tatsache beschränken, daß die wan- dernde Zelle mit der linken hinteren Ekto- dermzelle 8, die sie nach Abschluß der Klüftung nur eben berührte, eine breite Kontaktfläche bildet. Beide neugeschaffenen Kontaktverhält- nisse stellen typisch-deskriptive Merkmale der Stadium VIII nach der Orientierung; von oben. 7 genannten Verlagerung dar. Nun kann bei den T-Riesen, wenn die Konfiguration des Keimbezirkes, um den es sich handelt, abnorm verändert ist, die lückenlose Wiederkehr aller typisch-deskriptiven Be- ziehungen eines Vorganges direkt unmöglich sein. Aber das schließt im Rahmen einer kausalen Untersuchung noch nicht aus, daß die Art, wie der Vorgang sich abspielt, dennoch als „typisch“ bezeichnet wird. Es steht ja noch keineswegs fest, daß sämtlichen deskriptiven Merkmalen einer Spezialordnung auch wirklich ein physiologisches Geschehen entspricht; daß also in unserem Beispiele etwa die Zelle a sowohl von C, als von der linken hinteren Ekto- : dermzelle 8 aktiv herangezogen würde. Sondern nur die eine oder nur die andere Erschei- nung könnte durch eigene Ursachen bedingt und für den typischen Ablauf des Vorganges — 191 — unentbehrlich sein. Für die von uns angestrebte Beweisführung aber haben offenbar nur die selbständig bedingten, kausalen Beziehungen Interesse, auf sekundäre Nebenerscheinungen — mögen sie in deskriptiver Hinsicht noch so auffällig sein — kommt nichts an. Wenn nun von allen deskriptiven Merkmalen eines Zellenordnungsvorganges bei T-Riesen auch nur ein einzelnes ausnahmelos wiederkehrt; wenn beispielsweise im Stadium VIII die Zelle a zwar nie mit C, aber immer mit ß in Verbindung tritt, so betrachten wir dieses eine Detail als das allein kausale, als den vollgültigen Vertreter des ganzen Normal- Vorganges, und erklären, das Geschehnis sei bei dem Riesen vorschriftsmäßig wiedergekehrt. Beide Aufgaben unserer Analyse: die Enthüllung der eigentlich kausalen Bestandteile typisch- deskriptiver Spezialordnungsvorgänge und der Nachweis ihrer Wiederholung bei T-Riesen können eben nicht anders als gemeinsam erledigt werden. Und darum liegt in dieser Be- sonderheit unseres Materials, die auch im Kapitel über die Teilungsrichtungen bereits zur Geltung kam (p. 80), schließlich gar keine Erschwerung, sondern fast ein Gewinn. Bedenklicher ist die zweite Schwierigkeit; sie kann den Wert der T-Riesen für die Analyse der uns beschäftigenden Geschehensart in der Tat stark verringern oder selbst illusorisch machen. Wie immer der Mechanismus der aktiven Zellenordnungsvorgänge im speziellen beschaffen sein möge, so ist doch — besonders nach unseren Erfahrungen über die Physiologie der Komplex- und Epithelbildung — äußerst wahrscheinlich, daß in irgend einem Grade mechanische Massenkorrelationen mit der Umgebung für Einzel- heiten des deskriptiv-normalen Ablaufs nicht zu entbehren sind. Fassen wir wiederum die Orientierung des Ektoderms im Stadium VIII als Paradigma ins Auge, so wird möglicher- weise nur das Hauptereignis, nämlich das Rückwärtsgleiten der Zelle a, vielleicht auch die vorschriftsmäßig gerichtete Drehung des ganzen rechten Paares gegen das linke, eventuell sogar noch die Loslösung der Zelle b von ß durch irgend eine besondere Kausalıtät gewähr- leistet sein. Aber auf sämtliche Details der typischen Konfiguration erstreckt sich die Aufgabe der aktiv ordnenden Mechanismen wohl kaum: vielleicht ist die Art, wie das linke und rechte Zellenpaar windschief gegeneinander verdreht liegen bleiben, der genaue Ab- stand, zu welchem b und ß auseinanderrücken, nur das Ergebnis von Massenkorrelationen mit der sprenkelförmig gekrümmten ventralen Zellfamilie. Entzöge man dem Ektoderm das vierzellige Stützgerüst, auf dem es sich normalerweise bewegt, so ‚könnte wohl das Rück- wärtsgleiten, die Drehung der Paare, selbst eine Scheidung von b und ß, schwerlich aber — so vermutet man — das ganze deskriptiv-normale Bild der schiefen T-Figur zustande kommen. Wenn nun die Annahme der Mitwirkung von Massenkorrelationen richtig ist, so müssen wir uns darauf gefaßt machen, daß auch mancher wirklich aktive Spezial- ordnungsvorgang bei den T-Riesen in stark veränderter Form, oder, was schlimmer wäre, daß er gar nicht wiederkehrt. Denn auch für den Eintritt der selb- ständig bewirkten Hauptereignisse könnten gewisse Massenkorrelationen Vorbedingung sein. Alle „Ursachen“ eines typischen Vorganges sind vielleicht zur Stelle, die Blastomere, die an ihm kausal beteiligt sind, stehen in vorschriftsmäßiger Ausrüstung zur Aktion bereit; aber es geschieht nichts, weil die mechanischen Bedingungen, unter denen die ordnenden Mechanismen typisch wirken könnten, nicht vorhanden sind. — Und auch das Umgekehrte ist zu besorgen: bei einem T-Riesen könnte die Konfiguration derartig verändert sein, daß — 12 — ein bestimmter, vollkommen typisch vorbereiteter Verschiebungsprozeß durch unvor- gesehene :Hindernisse mechanisch vereitelt wird. Die Nutzanwendung von alledem liegt auf der Hand. Wenn irgend ein deskriptiv- normales Geschehnis der Spezialordnung bei den T-Riesen vorschriftsmäßig oder doch nur in solcher Veränderung wiederkehrt, daß die Abweichung als ein Ergebnis der modifizierten Massenkorrelation zu erkennen ist, so wissen wir bestimmt, daß hier die typischen Mecha- nismen der Zellenordnung in den normalerweise dazu berufenen Blastomeren vorhanden sind. Im gegenteiligen Falle aber gibt es zwei widersprechende, für uns nicht trennbare Möglichkeiten: der Vorgang kann einerseits lediglich aus Mangel an den mechanischen Vor- bedingungen der Massenkorrelation, aber bei Gegenwart der typischen Mechanismen unter- blieben sein, andrerseits deshalb, weil die typischen Mechanismen selber fehlten. Also gilt für die kommende Erörterung noch in besonders hohem Maße, was bei der analytischen Verwendung der T-Riesen überhaupt zu bedenken ist: daß nur die positiven Fälle wirklich beweisend sind. Und jetzt beginnen wir, genügend vorbereitet, die Analyse mit einer systematischen Darstellung alles dessen, was ich über die Wiederkehr typisch spezialisierter Selbstordnungs- vorgänge bei T-Riesen ermittelt habe. C. Typische Spezialordnung bei T-Riesen. a. Das Verharren. ‘ Das Phänomen des „Verharrens“ in einer dem Plateauschen Prinzip wider- sprechenden, einreihig-medianen oderstreng bilateralen Anfangsstellung, das für die frühen Entwickelungsstufen der Ventralfamilie so charakteristisch ist, erweckt, wenn man sein Auftreten am normalen Keim betrachtet, nicht den Eindruck, als ob es durch besonders komplizierte und kräftige Mechanismen bewirkt würde. Die Ventralfamilie liegt ja immer- hin gut eingepackt zwischen den ektodermalen Nachbarzellen, hat zum Ausgleiten aus der Medianebene gar nicht viel Gelegenheit; und man denkt mit berechtigter Ökonomie, ein kleines Quantum aktiver Selbstordnung und ein bedeutender Anteil mechanischer Massen- korrelation müßte von Stufe zu Stufe zur Aufrechterhaltung der durch den Klüftungsprozeß geschaffenen einreihig-bilateralen Anordnung genügend sein. Für die T-Riesen ergibt sich hieraus keine günstige Prognose. Da die Ventralfamilie der T-Riesen, aller ihrer normalen Stützen beraubt, gezwungen ist, sich frei in den Schalenraum hinaus zu entfalten, so ist für ihre einzelnen Zellen der Unterschied der Massenkorrelation enorm. Und die Vermutung liegt nahe, daß unter diesen total veränderten Umständen die nach dem Plateauschen Prinzipe wirkenden Faktoren der Komplexbildung die Oberhand gewinnen und das aktive Verharren der Blastomere, das auf solche Schwierigkeiten nicht eingerichtet ist, vereiteln müßten. Aber das Gegenteil geschieht; und hierin liegt ein ganz besonders markanter Zug aus der Geschichte der T-Riesen. Im Stadium VIII formieren die Glieder der vier- zelligen Ventralfamilie längere Zeit hindurch eine einfache, frei in den Schalenraum hinaus- gestreckte Reihe, verharren also zunächst genau in der Anordnung, in der sie entstanden a sind. Gegen das Ende der Ruheperiode wird durch einen Vorgang cellulärer Gestalt- veränderung, den wir ım nächsten Abschnitte analysieren werden, das Schwanzende der Reihe hakenförmig umgebogen, wobei gewöhnlich — aber nicht immer (Fig. UUU ı) — eine Berührung zwischen der Schwanzzelle Wir betrachten also die selbstordnende Dislokation der Ascariszellen als amöboides, durch Plasmaströmungen bewirktes Kriechen und untersuchen nun weiter, wie es geschehen kann, daß solche Ortsveränderungen in einer typischen Richtung und bis zu einem vorgeschriebenen Ziele vor sich gehen. A priori könnten die Ursachen dieser besonderen Richtungsbestimmungen sowohl innerhalb als außerhalb der bewegten Zelle gelegen sein. Es ist erstens denkbar, dal das Plasma einer Zelle auf Grund fest lokalisierter, anisotroper Differenzierungen nach einer be- stimmten Seite hin zu strömen beginnt, und daß die daraus folgende spontane Kriech- bewegung nach einer gewissen Zeit, d. h. an einem typisch vorgesehenen Ziele, wiederum aus inneren Gründen ihr Ende findet. Andrerseits aber könnte die Kausalität des Vor- — 207 — ganges räumlich zerspalten sein. Im äußersten Falle besäße die Zelle selber durch ihre Organisation nur die Fähigkeit zum Kriechen schlechthin, gleichviel nach welcher Seite, ver- hielte sich also in Bezug auf ihre amöboide Beweglichkeit isotrop, wie eine wirkliche Amöbe; Richtung und Ziel aber würden von typisch gelagerten Punkten der Umgebung her be- stimmt. Es leuchtet ein, welche von diesen beiden extremen Möglichkeiten für die Gesamt- ökonomie des Ascariskeimes die günstigere ist. Während die Annahme einer ausschließlich inneren Kausalität eigens für die Regulation der Bewegungsrichtung und die Beendigung des Kriechens neue, ad hoc einzuführende Mechanismen erfordern würde, gestattet die zweite Vorstellung, bei welcher ein Teil der Kausalität nach außen verlegt ist, die ohnehin vor- handenen typischen Richtungen des Zellkomplexes zur Mitarbeit heranzuziehen. Der hier- durch erzielbare Gewinn ist sehr bedeutend. Wenn z. B. die amöboid bewegliche Zelle von einer anderen, ursprünglich entfernt gelegenen durch einen chemotaktischen Reiz geradlinig zu sich hingezogen würde, so könnten beide zusammenwirkenden Zellen in ihrer selbst- ordnenden Tätigkeit isotrop sein: die eine lieferte mit ihrer ganzen Oberfläche den attrak- tiven Reiz, die andere wäre befähigt, an allen Punkten ihrer Peripherie, wo immer der Reiz- stoff sie trifft, mit Einleitung der amöboiden Bewegung zu reagieren; Richtung und Ziel der Dislokation ergäben sich dann vollständig aus der Anfangslage der koordinierten Blasto- mere. — Natürlich liegen auch Zwischenstufen des Verhaltens im Bereiche der apriorischen Möglichkeit. Sowohl die wandernde Zelle, als die den Richtungsreiz liefernde, oder sogar alle beide könnten, statt isotrop zu sein, ihre spezifische Tätigkeit nur an bestimmten Stellen ihres Leibes entfalten ; woraus dann, falls nicht etwa die Mittelpunkte der betreffenden Stellen in der zentralen Verbindungslinie der Zellen gelegen sind, eine gegenseitige Drehung resultieren würde. Aber selbst in solchen komplizierteren Fällen wäre der benötigte Mecha- nismus immer noch einfacher, als wenn die wandernde Zelle auf eigene Faust die amöboide Strömung ihres Plasma derartig lokalisieren und zeitlich begrenzen sollte, daß sie — oben- drein unter einigermaßen variabeln Nachbarschafts- und Druckverhältnissen! — den rich- tigen Weg einschlägt und an der richtigen Stelle liegen bleibt. Hiernach ergibt sich für unsere Analyse folgender modus procedendi. An erster Stelle probieren wir, ob die aktiven Selbstordnungsvorgänge nach der denkbar einfachsten Methode, nämlich durch isotrop-chemotaktische Wechselwirkung voneinander ent- fernter Blastomere, die sich bis zur Berührung nähern, erklärbar sind. Gelingt dies nicht, so wird der Versuch unter Verwendung anisotroper Reizmechanismen von steigender Komplikation, eventuell zwischen sich berührenden Zellen, wiederholt. Erst in letzter Linie hätte die enorm komplizierte Annahme einer ausschließlich internen Kausalität Anspruch auf Berücksichtigung. 0) oO, Als ich früher (1896a) auf Grundlage rein deskriptiver Erfahrungen den Versuch unternahm, die Physiologie der aktiven Zellenordnung von Ascaris aufzudecken, beschränkte ich die Analyse, außer der merkwürdigen Orientierung im Stadium IV, gänzlich auf die vielfachen Verschiebungen innerhalb des primären Ektoderms; die schrittweise Versenkung — 208 — des ventralen Zellenmaterials schien mir zu einer analytischen Inangriffnahme ihrem Wesen nach nicht klar genug; und daß das Phänomen des „Verharrens“ in einer prinzipwidrigen Anfangsstellung aktiver Natur sein müsse, hatte ich damals überhaupt nicht erkannt. Ich glaubte nun, für sämtliche Umordnungen des primären Ektoderms, bei denen in der Tat allemal die räumliche Vereinigung ursprünglich getrennt gewesener Blastomere nachgewiesen werden konnte, mit der verhältnismäßig sparsamen Annahme isotrop-chemotaktischer Reizvorgänge auszukommen. Wenn z.B. im Stadium VIII (Fig. TTT, p. 190) ein isotropes Attraktionsverhältnis zwischen der vorderen rechten Ektodermzelle a und der um eine reich- liche Zellenbreite von ihr entfernten Schwanzzelle C bestand, so mußten diese beiden Blasto- mere unter Trennung des zwischen ihnen hiegenden Schwesternpaares b und ß zusammentreten. Desgleichen genügte zur typischen Orientierung des achtzelligen Ektoderms {vgl. Fig. XXX, p. 201) eine isotrope Attraktion zwischen den Zellen «all und bI: indem diese beiden sich aktiv vereinigen, drängen sie die Schwesterzellen al und all um Zellenbreite auseinander. Und ebenso ließen spätere Dislokationen des Ektoderms, besonders auch diejenigen, die vom Stadium XLVIII an eine so wichtige Rolle in der Gesamtformbildung des Embryo spielen, eine entsprechende Beurteilung zu. Allein schon damals empfand ich die Unmöglichkeit, die Orientierung des vier- zelligen Stadiums —. jenen „wunderbarsten Vorgang“ aus der ÖOntogenese von Ascaris, wie ich sie nannte — ebenfalls rein auf isotrop-chemotaktische Mechanismen zu- rückzuführen. Zwar zeigte ich (1896a p. 163), daß die typische Verwandlung des vier- zelligen T in eine Rhombenfigur zur Not als das Ergebnis einer gleichzeitigen Anziehung zwischen den Zellen P;, und B und Abstoßung zwischen P; und A gedeutet werden könnte. Aber durch eine nicht allzu seltene rhythmische Variante wurde die Nutzlosigkeit dieses künstlichen Erklärungsversuches sogleich enthüllt. Da nämlich das untere Zellenpaar im stande ist, seine Schwenkung zu beginnen und bis zum typischen Ende durchzuführen, ehe die obere Furchungskugel ihre Scheidung in A und Brvollzosgenzshatszso müßte offenbar die angenommene entgegengesetzt-chemotaktische Leistung dieser beiden Blastomere schon in der Mutterzelle AB durch eine polare Verteilung anziehender und ab- stoßender Tätigkeit vertreten sein; das heißt, die Zelle AB verhielte sich in ihrer chemo- taktischen Betätigung anisotrop. Nun schien mir aber zu jener Zeit die Annahme unsicht- barer, fest geordneter Anisotropie im Plasma einer Ascariszelle mehr als gewagt. So griff ich zu der Verlegenheitshypothese, daß ja vielleicht die Spindel der Zelle AB, die schon eine Weile vor der Durchschnürung des Zellleibes ausgebildet und in die typische Median- richtung eingestellt ist, die ungleichpolige Reizwirkung auf das ventrale Zellenpaar voll- bringen könnte. Seitdem hat sich viel geändert. Die Existenz plasmatischer Anisotropien für allerhand Zwecke der Formbildung wurde mit Sicherheit festgestellt. Auch lernten wir die Epithel- bildung bereits als eine Art von Selbstgruppierung der Blastomere begreifen, die fraglos durch anisotrope Richtungsreize vollzogen wird. Dann aber gebietet uns die Ökonomie, aus der Schwenkfähigkeit des ventralen Paares bei ungeteilter oberer Furchungskugel den ein- fachen und natürlichen Schluß zu ziehen, daß eben die Zelle AB auf Grund einer fest geordneten Differenzierung ihres Plasmaleibes anisotrop chemotaktisch tätig ist. Zum Beispiel würde der typische Erfolg durch eine lokalisierte Anziehung von — 209 — derjenigen median, kaudal und etwas bauchwärts gelegenen Stelle aus, die später zur Kontaktfläche wird, gewährleistet sein (Fig. YYY ı). Bei der Teilung der oberen Furchungskugel aber ginge die Anisotropie auf die hintere Tochterzelle über (Fig. YYY 2) und diente daselbst in analoger Weise als Richtungsreiz. 1 YYYr. 2 Schema eines hypothetischen Mechanismus für die Umordnung der zweizelligen Ventralfamilie. Die Attraktionsstelle des Ektoderms ist schraffiert. Wenn also dieser wichtigste Fall von aktiver Selbstordnung die Einführung aniso- troper Mechanismen unentbehrlich macht, so bleibt doch die benötigte Komplikation inso- fern noch in mäßigen Grenzen, als von den zusammenwirkenden Zellen nur eine anısotrop beschaffen sein muß: die den Richtungsreiz liefernde. Die Zelle P, aber, die auf den Reiz mit amöboider Bewegung reagiert, könnte, ohne den typischen Endzweck zu gefährden, mit ihrer ganzen Oberfläche für den Reiz empfänglich und zu seiner Beantwortung befähigt sein. 4. Das Vorkommen anisotroper Reizmechanismen ist jedoch keineswegs auf diesen einen, evidenten Fall beschränkt. Denn in der Ascarisontogenese spielt eine Form von aktiver Selbstordnung, an deren Existenz ich früher gar nicht glauben wollte, weil sie mir allzu kompliziert erschien, eine bedeutende Rolle: gegenseitige Lageveränderung sich berührender Zellen. Es gibt Nachbarzellen, die aktiv und ohne Mitwirkung fremder Elemente aneinander vorübergleiten, und Blastomere, die sich aktiv auf der Stelle drehen. Weder das eine noch das andere würde durch isotrop-chemotaktische Wechselwirkung der beteiligten Zellen erklär- bar sein. j Einer der durchsichtigsten Fälle dieser Kategorie ist jenes hübsche, von Müller ge- nau beschriebene Freignis aus der späteren Entwickelung, wobei zwei parallele, von der Schwanzzelle abstammende Zellenreihen sich beinahe plötzlich zu einem einzigen, schnur- gerad ausgerichteten Bande ineinanderschieben (p. 188). Es ist zunächst klar, daß diese Umordnung keinesfalls durch eine bloße isotrope Anziehung zwischen Angehörigen der beiden Reihen selber bewirkt werden kann: denn im Kontaktverhältnis stehen die Zellen ja ohnehin, und mehr als das ließe sich hierdurch nicht erreichen. Dennoch kämen wir mit isotropen Mechanismen aus, wenn wir annehmen dürften, daß diejenigen Zellen des prı- mären Ektoderms, von denen die Doppelreihe beiderseits flankiert wird, an der Kau- salität des Vorganges beteiligt wären: bestände zwischen jeder Einzelreihe und den um Zoologica. Heft 40. 27 — 210 — Zellenbreite von ihr entfernten ektodermalen Nachbarzellen der anderen Seite isotrope Attraktion, so würde die eine Kolonne nach rechts, die andere nach lınks gezogen, und schließlich lägen sie beide unter gegenseitiger Durchdringung median. Aber daran ist gar nicht zu denken. Erstens würde auf solche Weise die höchst exakte Einreihigkeit, die wir beobachten, nicht erzielt, und zweitens verbietet die starke rhythmische Diskordanz, die auf dieser vorgeschrittenen Stufe zwischen der Ventralfamilie und dem primären Ektoderm be- reits besteht, die Annahme irgend einer selbstordnerischen Wechselwirkung zwischen Ange- hörigen der beiden Verwandtschaftskreise. Offenbar besorgen die Zellen der kau- dalen Doppelreihe ihre Umgruppierung ganz unter sich und ohne fremde Hilfe, indem die linken an den rechten aktiv vorübergleiten. Hierfür aber sind anisotrop-chemotaktische Mechanismen erforderlich. Ganz ähnlich beurteile ich jetzt die Vorgänge der Zellversenkung, an denen die Geschichte der Ventralfamilie so reich ist. Hier handelt es sich natürlich nicht etwa um isotrope Anziehung der versinkenden Zelle durch eine andere, die in ihrer Bewegungs- richtung liegt; denn in der Mehrzahl der Fälle wird durch das Versinken überhaupt kein neues Kontaktverhältnis herbeigeführt. Auch ist die a priori erlaubte Hypothese, daß die aktive Einwanderung einer Zelle ins Innere der Furchungshöhle durch isotrop-chemotaktische Anziehung von seiten der Blastocölflüssigkeit vermittelt werde, nicht anwendbar. Denn zwischen dieser inneren Flüssigkeit und der,äußeren, den Keim umspülenden, besteht, wie wir gesehen haben, kein Unterschied, und bei den Embryonen mit offener Furchungshöhle (Taf. V, Fig. 67) ist die Versenkung des Mesoderms ohne Schwierigkeit eingetreten. Folg- lich können die Reize, mit deren Hilfe eine Darm- oder Mesodermzelle den Weg nach ein- wärts findet, wohl nur von ihren Nachbarzellen geliefert sein: versinkende Blastomere gleiten ebenfalls aktiv an Zellen, die sie bereits berühren, vorbei und be- dürfen deshalb anisotroper Reizmechanismen. Ein wichtiges Objekt in unserer Erörterung ist auch die Zelle EMSt, das Mittel- glied der vierzelligen T-Figur. Wir wissen, daß diese Zelle, obgleich sie ihren Ort ım ganzen nicht verändert, an der vielberufenen Schwenkung vollen Anteil nımmt, unter an- derem auch, wie der ganze T-Stamm, eine rechtwinklige Horizontalverdrehung er- leidet. Auf Grund der normalen Verhältnisse könnte man wohl glauben, diese Drehung unserer Zelle geschehe passiv: sie würde von ihrer Schwester P,;, indem dieselbe nach ihrer seitlichen Exkursion in die Medianebene zurückstrebt, einfach mit herumgezogen. Aber die Geschichte der T-Riesen beweist das Gegenteil. In mehreren Fällen hat die Zelle EMSt ihre horizontale Drehung begonnen (Taf. III, Fig.21; p.ı15) oder sogar völlig durchgeführt, ohne daß P, überhaupt in die Lage gekommen wäre, ihr hierzu zu verhelfen. EMSt dreht sich also aktiv, wenn es auch zutreffen mag, daß die selbstordnende Tätigkeit unserer Zelle, besonders im letzten Teile des normalen Vorganges, durch den in gleichem Sinne wirkenden Zug ihrer Schwesterzelle P,; befördert wird. Um aber sich aktiv gegen ihre Nachbarzellen drehen zu können, muß EMSt mit einem anisotropen Reizmechanismus aus- gestattet sein. Endlich läßt auch das Phänomen des aktiven Verharrens in einer bestimmten, dem Plateauschen Prinzip zuwiderlaufenden Gruppierung die Annahme isotroper Mechanismen nicht zu. Wir wissen, daß diejenigen Zellen der Ventralfamilie, die die Erscheinung zeigen, a nicht etwa durch Klebstoff oder sonstwie fest miteinander verbunden, sondern ebenso gleit- fähig sind, wie andere Zellen. In der Tat verändern sie sowohl in der normalen Onto- genese als besonders bei T-Riesen vielfach ihre gegenseitige Anfangslage. Aber bei solchen Verschiebungen wird eben ein typisch vorgeschriebenes Stellungsverhältnis zwischen Kontakt- fläche und innerem Gerichtetsein gewahrt; und es ist klar, daß isotrope Anziehung der- artiges nicht bewirken könnte. Ja, noch mehr. Da die typische Lokalisation. der Kontakt- weise auf frühen Entwicklungsstufen der Ventralfamilie für alle ihre Zellen, also jedenfalls auch für die chemotaktisch zusammenwirkenden gilt, so liegen hier Fälle vor, in denen wir sogar die höhere Stufe von anisotropen Mechanismen zugestehen müssen: so- wohl die reizliefernde, als die mit amöboider Bewegung reagierende Zelle sind hier in Bezug auf diese ihre Funktion von anisotroper Beschaffenheit. Besonders verhängnisvoll aber für meine 222. frühere Ansicht über das Häufigkeitsverhält- nis isotrop- und anisotrop - chemotaktischer Wechselwirkung in der aktiven Selbstordnung von Ascaris ist dasjenige geworden, was sich aus der Geschichte der T-Riesen über den Orientierungsprozeß des vierzelligen Ektoderms (Fig. ZZZ) ergeben hat. Zunächst wurde die anscheinend natürlichste Annahme, daß das Rückwärtsgleiten der rechten Zellen, die Trennung von b und ß, die schiefe Verdrehung der Paare einzig und allein durch isotrope Attraktion zwischen den entfernten Zellen a und € — unter Zuhilfenahme von etwas Massen- korrelation —- verursacht werde, als falsch erkannt: das ektodermale Quartett besorgt die Sache aus eigenen Kräften. Aber in dieser Berichtigung liegt noch kein Zwang, den be- teiligten Zellen anisotrope Mechanismen zuzuschreiben. Isotrope Anziehung zwischen den an- Normales Stadium VIII nach der Orientierung, vom Rücken. fangs diagonal gelegenen, darauf zu breiter Berührung sich nähernden Ektodermzellen a und $ könnte wohl unter den Bedingungen der typischen Ontogenesis dasselbe leisten; nur würde der Anteil der Massenkorrelation etwas reichlicher zu bemessen sein. — Sodann ergab sich, daß möglicherweise die Trennung des Schwesternpaares b und 8 überhaupt nicht rein passiv nach dem Prinzipe der kleinsten Flächen, sondern wenigstens zum Teil durch aktive Tätig- keit der Blastomere geschieht. Auch hierin läge kein Grund, über die Forderung isotroper Mechanismen hinauszugehen: der ganze Vorgang würde nur durch das Hinzutreten nega- tiver, aber isotroper Chemotaxis zwischen b und 8 kompliziert. Allein die Geschichte unserer T-Riesen lehrte noch mehr. Allem Anscheine nach ist auch die Drehungsrichtung des rechten Paares gegen das linke kein passives Er gebnis der Massenkorrelation, etwa indem die schwanzwärts hinausgerückte Zelle b nach dem Plateauschen Prinzip ventralwärts abschwenken und dadurch auch die andere rechte Zelle „links herum“ drehen müßte. Vielmehr wird diese Drehungsrichtung des Paares aktiv herbeigeführt, durch Vorgänge der Selbstordnung zwischen der Zelle a und ihren ektodermalen Nachbarinnen; das heißt, durch Selbstordnung sich berührender Blasto mere. Dann muß der typisch gerichtete Drehungsvorgang durch anisotrope Mechanismen vermittelt sein. — Hiermit aber ist die relative Einfachheit, die der Selbstordnung wenigstens für den Bereich des primären Ektoderms noch zu verbleiben schien, gleich im ersten, ana- Iysierbaren Falle zerstört. Und so gewinnt der Gedanke Raum, daß auch auf späteren Stufen die Dislokationsvorgänge ektodermaler Zellen, die durchaus ähnlich verlaufen, einer experimentellen Analyse jedoch bisher nicht zugänglich gewesen sind, auf anısotroper Reiz- tätigkeit beruhen könnten. Nach alledem ergibt eine Übersicht über die selbstordnenden Mechanismen des Ascariskeimes jetzt folgendes Bild. Isotrop-chemotaktische Wechselwirkung zwischen ent- fernten Zellen spielt — im Gegensatz zu meiner früheren, noch allzu einfachen Vorstellung — höchstens eine bescheidene, vielleicht gar keine Rolle. Für weitaus die meisten, sicher für alle genügend scharf analysierten Fälle sind anisotrop-chemotaktische Mechanismen, und zwar fast immer solche, die zwischen Nachbarzellen wirken, erforderlich. Eine Notwendigkeit, rein interne Mechanismen der Selbstordnung anzunehmen, ist, wie sich erwarten ließ, nirgends hervorgetreten. Und jetzt betrachten wir den Versuch, in die speziellere Beschaffenheit der anısotrop- chemotaktischen Vorgänge und der von ihnen benötigten Strukturen einen Einblick zu ge- winnen, als unsere nächste Aufgabe. E. Spezielles über die sebstordnenden Mechanismen. ls wurde vorhin (Fig. YYY p.209) in rein schematischer Weise, nur um ein Muster für das Wesen anisotroper Reizvorgänge zu geben, die Möglichkeit angedeutet, daß die wandernde Zelle P, deshalb in ihre typische median-kaudale Situation gelangen könnte, weil sie nicht von der ganzen Zelle B, sondern eben nur von einem beschränkten, in Größe und Lage der späteren Kontaktfläche entsprechenden Areal derselben angezogen wird. Diese 1 AAAA. 2 Schema der Ineinanderschiebung zweier Zellenreihen. — G® 1 vor, 2 nach der Verschiebung. Vorstellung ließe sich a priori auf alle Fälle von spezialisierter Selbstordnung, auch solche mit beiderseitiger Anisotropie, übertragen: wenn allemal die beteiligten Blastomere mit den- jenigen Stellen ihrer Leiber, die nach dem typischen Plane zu Berührungs- flächen bestimmt sind, und nur mit diesen attraktiv aufeinander wirken, so ist das Zustandekommen der typischen Konfiguration natürlich garantiert. Denken wir zum Bei- spiel an die in Fig. AAAA schematisch dargestellte Ineinanderschiebung zweier Zellenreihen: hier brauchte nur zwischen den horizontalen, durch breite Striche hervorgehobenen Flächen der linken Kolonne (Fig. AAAA ı) und den punktierten Bezirken der rechten Attraktion zu bestehen, so führte das Streben der beiderseitigen Areale nach vollständigem Kontakt zur Einreihigkeit. Das klingt für den einzelnen Fall vielleicht sparsam genug. Bedenken wir aber den nötig werdenden Gesamtaufwand, und setzen wir vor allem auch die Frage nach der onto- genetischen Herkunft derartig präformierter Kontaktstellen in die Berechnung ein, so ver- liert die Hypothese sehr an ökonomischem Werte. Es müßten da auf den verschiedenen Entwickelungsstufen eine Masse separater, ad hoc geschaffener Einzelmechanismen vorhan- den sein. Und diese Mechanismen wären —- mindestens soweit die betreffenden Ereig- nisse durch ihre Wiederkehr bei T-Riesen ihre genetische Unabhängigkeit von der Kon- figuration des Keimes erwiesen haben —, schon im Ei auf irgend eine Weise gesondert vorbereitet. In allen Fällen aber wäre das richtige Auftreten der Attraktionsareale an den planmäßigen Stellen schwierig und kompliziert. — Versuchen wir darum, ob nicht auf anderem Wege eine gewisse Vereinheitlichung und Vereinfachung der selbstordnenden Mechanismen, womöglich unter Zuhilfenahme bereits nachgewiesener Strukturen sich erreichen läßt. «. Selbstordnungsmechanismen der Ventralfamilie. is Wir wählen die Vorgänge des aktiven Verharrens in medıan-bilateraler Gruppierung als zweckmäßigen Ausgangspunkt für unsere Analyse. Die Zellen, die hieran beteiligt sind, unterscheiden sich von allen übrigen dadurch, daß der chemotaktisch wirksame Bezirk ihrer Oberfläche nicht, wie bei jenen, die Form einer rund begrenzten „Kalotte‘“ besitzen könnte, die nach Lage und Umfang der wirklich gebildeten Kontaktfläche unmittelbar ent- spricht. Vielmehr müßte das kontaktfähige Areal, da unsere Zellen in der Richtung der Medianebene aneinander zu gleiten vermögen, vor allen Dingen in dieser selben Richtung ausgedehnter, z. B. bandförmig sein. Aber das allein genügte noch nicht. Denken wir uns . eine Zelle mit einer solchen attraktiv wirksamen Zone ausgestattet, die den Zellleib in der Rich- tung seiner primären Medianebene ganz umgreift, so könnte diese Zelle an einer andern, mit der sie auf Grund ihrer Attraktionszone zusammenhängt, sich gleitend oder rotierend da- hinbewegen, ohne daß das geometrische — nämlich senkrechte — Verhältnis zwischen der BBBB, Schema zweier Zellen, von denen die eine durch ein medianes Attraktionsband von der Breite der Kontakt- fläche an der anderen haftet. Kontaktfläche und der primären Medianebene unserer Zelle sich änderte (Fig. BBBB). Und wenn die zweite Zelle denselben Mechanismus besitzt, so gilt für sie das gleiche: die kreis förmige Kontaktfläche gehörte dann beiderseits einer Attraktionszone an und stände hüben wie drüben dauernd senkrecht zur primären Medianebene. Aber es ist klar, daß ein solcher Mechanismus die beiden Zellen nicht hindern würde, sich auf der gemeinsamen Be rührungsfläche gegeneinander zu drehen: eine Koinzidenz beider Mediıan- = Sl > ebenen würde durchaus nicht erreicht; und wo eine solche von Geburt an vor- handen ist, da müßte sie, sobald das Gleiten der Zellen beginnt, sogar verloren gehen. Das Phänomen des Verharrens besteht aber gerade darin, daß eine ganze Gruppe von Zellen die angeborene Gemeinsamkeit der primären Medianebene trotz aller typischen oder abnormen Verschiebungen bewahrt. Es ist leicht zu sehen, auf welche Weise der besprochene Mechanismus, der zwar das Gleiten nur in bestimmter Richtung zuläßt, das gegenseitige Drehen der Zellen aber noch nicht verhindert, in einen wirklich funktionsfähigen verwandelt werden könnte. So- lange die beiderseitigen Attraktionszonen von mindestens gleicher Breite sind wie die runde Kontaktfacette, ist die Drehfähigkeit der Zellen unbeschränkt. Aber sobald die nach Be- rührung strebenden Zonen um ein geringes schmäler sind, als die Kontaktfläche, redu- ziert sich der zu Gebote stehende Spielraum. Und denken wir uns gar die Zellen dieser Kategorie mit dünnen, primär-medianen Attraktionsstreifen ausgerüstet, die alle bestrebt sind, zu gegenseitiger Deckung zu gelangen, so könnte eine Gesellschaft solcher Zellen zwar immer noch leicht aneinander verschoben werden, aber sich kaum noch drehen Schema eines möglichen Attraktionsmechanismus Schema eines möglichen Attraktionsmechanismus der vier ersten Ventralzellen. Schräg von der am Kaudalende der achtzelligen Ventralfamilie. Seite gesehen. (Vgl. Taf T, Fig. 4). Vom Rücken gesehen. (Vgl. Taf. I, Fig. 6.) und behielte so die gemeinsame Medianebene mit hinreichender Genauigkeit bei. Durch das Zugeständnis eines solchen Mechanismus wäre demnach das Verhalten der zwei und vier ersten Ventralzellen am normalen Keim, wie bei T-Riesen in der erreichbar sparsamsten Weise aufgeklärt (Fig. CCCC). Allein schon die nächstfolgende Entwickelungsstufe der Ventralfamilie beansprucht mehr. Die Töchterpaare, die aus der Teilung der Zellen MSt und C hervorgehen, liegen bilateral, also beiderseits der Mittelebene, und sie behalten diese ihre Stellung unter normalen wie abnormen Verhältnissen mit demselben Grade von Zähigkeit bei, wie die andern ihre mediane. Es wird darum anzunehmen sein, daß auch diese seitlichen Zellen durch je ein streifenförmiges Attraktionsgebiet an ihre dauernd paramediane Gleitbahn gefesselt sind. Hieraus ergäbe sich für die bilateralen Zellen selber kein höheres Maß an Kompli- kation; wohl aber für die medianen, an denen sie gleiten. Die Zelle D z. B. müßte außer der medianen Attraktionszone, deren sie zur Sicherung ihres eigenen, ge- nau medianen Verharrens bedarf, nach links und rechts, als Gleitbahn für — 25 — c und y, je eine paramediane besitzen, erschiene also in ihrer chemotaktischen Tätigkeit sozusagen „gestreift“ (Fig. DDDD). Da nun das bilaterale Schwanzzellenpaar bei T-Riesen auch mit P! und selbst mit der hinteren Urdarmzelle El in Berührung kommt, und da am Vorderende zwischen den Schwestern mst— uor und dem medianen Entoderm analoge Mechanismen wirken müssen, so ergibt sich die Notwendigkeit paramedianer Streifung für die ganze achtzellige Ventralfamilie. Nun wissen wir, daß die bilateralen Schwesternpaare c—y und mst— uor oft schon geboren sind, ehe P, und E, die Mittelglieder der vierzelligen Stufe, zur Teilung schreiten: demnach muß die seitliche Streifung, die das „Verharren“ der beiden jungen Schwestern- paare garantiert, schon an P,; und E vor ihrer Klüftung vorhanden und funktionsfähig sein. Und wenn wir die Frage nach der Herkunft der paramedianen Zonen in c und y mst und wor erheben, so spricht die allergrößte Wahrscheinlichkeit dafür, daß diese Mechanismen nicht neu entstanden, sondern angeboren, daß sie als Erbteil von den respektiven Mutterzellen MSt und C direkt übernommen sind. Hiernach schreiben wir sämtlichen Gliedern der vier- zelligen Ventralgruppe außer der medianen auch paramediane Zonen chemotaktischer Tätig- keit zu. Und da natürlich in der Ursprungsfrage für diese und die vorausgegangenen Stufen die gleiche Wahrscheinlichkeit, wie später für c und y gilt, so erblicken wir jetzt ın der dreifach-parallelen Streifung eine Eigenschaft der Ventralfamilie, die vom Ei aus datiert und schrittweis auf alle Stufen übertragen wird. Sind aber die paramedianen Attraktionsmechanismen auf den ersten Stufen einmal da, so können sie auch funktionieren. Ohne Zweifel wird das rein mediane Verharren der ersten zwei und vier Ventralzellen, das wir mit Hilfe eines einzigen, schmalen, längs der Mittel- linie verlaufenden Attraktionsbandes gerade noch begreiflich machen konnten, durch die Gegen- wart und Mitarbeit seitlicher Streifen in der erwünschtesten Weise befördert und sichergestellt. Und wir ersetzen unsere frühere Hypothese jetzt, da es ohne besondere Kosten geschehen kann, sehr gern durch eine bessere. Wir denken uns, daß an der Oberfläche aller Ventralzellen paramediane Streifensysteme — .auf die Dreizahl der Zonen kommt nichts mehr an — von chemotaktischer Tätigkeit bestehen; und daß alle diese Streifen bei gegenseitigem Kontakt der Zellen bestrebt und befähigt sind, sich durch feinste amöboide Verschiebungen gleichsinnig, d. h. durchweg parallel einzustellen. Damit ist das Phänomen des Verharrens für alle Stufen der Ventralfamilie, z. B. auch für die paramediane Reihenbildung der beiderseitigen Mesodermgruppen und für die Entstehung der kaudalen Doppelkolonne in einheitlicher Weise aufgeklärt. Aber der Vorteil unseres neu gewonnenen Standpunktes für die Gesamtökonomie des Ascariskeimes ist viel bedeutender. Anisotrop-chemotaktische Tätigkeit an der Oberfläche einer Zelle setzt anisotrope, fest geordnete Strukturen im Innern des Zellkörpers un- bedingt voraus; und Zellen, deren selbstordnender Mechanismus „gestreift“ ist, müssen im Inneren — geschichtet sein. Hiernach besitzt die Ventralfamilie in allen ihren Gliedern eine plasmatische Schichtung parallel zur Mittelebene. Die Forderung einer solchen Schichtung ist aber nichts Neues: sie wurde bereits im Kapitel über die Teilungsrichtung aufgestellt und damals auf Grund einer zwingenden Beweisführung zugestanden. Nehmen wir jetzt an, diese selbe vorhandene innere Schichtung bedinge an der Oberfläche der Zellen streifenförmig-anisotrope Reiztätigkeit von der Art, — 216 — wie sie oben geschildert wurde, so ist durch eine einzige Hypothese das ganze diesmalige Bedürfnis an neuer Komplikation gedeckt; eine Ersparnis, die uns nicht zögern läßt, die Hypothese zu acceptieren. 2. Gehen wir weiter auf dem einmal betretenen Wege, so erhalten wir Schritt für Schritt neue und wesentliche Vereinfachung. Es stellt sich heraus, daß sämtliche Vorgänge der Spezialordnung durch die Annahme „gestreifter“ Attraktionsmechanismen, wenn nicht die einzig mögliche, so doch die beste Erklärung finden; und ferner, was für die Gesamt- ökonomie besonders schwer in die Wage fällt, daß die hierzu benötigten Plasmadifferen- zierungen fast durchweg schon ım Kapitel der Teilungsrichtung als vorhanden erwiesen worden sind. Zunächst genügt die eben besprochene paramediane Schichtung der ganzen Ventral- familie, sobald sie durch einen geringen Zusatz erweitert wird, auch zur Erklärung des Ineinanderschiebens der zwei kaudalen Zellenreihen. Nehmen wir an, die chemotaktische Streifung der fraglichen Blastomere, die das Verharren in zwei Kolonnen bewirkt, sei von links nach rechts keine gleichmäßige, sondern ändere sich von der Mittelebene aus nach den Seiten hin in irgend einer qualitativen oder nur graduellen Be- 1 EEEE. 2 Schema eines möglichen Attraktionsmechanismus für die Ineinanderschiebung der kaudalen Doppelreihe. I vor, 2 nach der Verschiebung. zıehung (Fig. EEEE ı); und zu der kritischen Zeit werde die Attraktionstätigkeit der Streifen plötzlich ın solcher Weise umgestimmt, daß nicht mehr die gleichnamigen Felder von Zelle zu Zelle aufeinander wirkten, sondern die medialen nach Berührung mit den lateralen strebten und umgekehrt: so schöbe sich jede linke Zelle zwischen ihre beiden rechten Nachbarinnen hinein und es entstände zuverlässig die einfache, schnurgerad ausgerichtete Reihe. — Die Sparsamkeit dieser Hypothese tritt aber erst durch folgendes ins rechte Licht. Wenn für die Zellen der kaudalen Doppelreihe eine bestimmt gerichtete Differenzierung der Zonen, d. h. natürlich auch innerer Schichten gefordert wird, so bedeutet das für den Ascariskeim nicht etwa eine vollkommene Neuerung. Vielmehr wurde in den Kapiteln über die Dotterverschiebung und die inäquale Teilungsweise schon dargelegt, daß auch die „horizontale“ Schichtung des Eies und vieler Blastomere keine homogene ist: die typisch gerichtete, primär vertikale Dislokation der Dotterkörnchen und Spindeln verlangte unbedingt das Vorhandensein irgend einer Differenzierung senkrecht zur horizontalen Schicht- ebene. Es gibt nun einen Umstand, der für unsere Kaudalzellen mit gleicher Schärfe dasselbe beweist. Während der Ineinanderschiebung der beiden Kolonnen begibt sich der Kern einer jeden Zelle in der Bewegungsrichtung nach vorn, überschreitet mit der vor- — 217 — dringenden Spitze die Mittellinie und bleibt, nachdem ‚ein Glied formiert‘ ist, am äußersten Seitenrande liegen (Fig. EEEE 2). Es ist ganz klar, daß diese innere Dislokation nicht durch mechanischen Druck oder durch Anziehung bewirkt sein kann. Also beweist die typisch gerichtete, entgegengesetzte Wanderung der Kerne innerhalb ihrer Zellen das Vorhandensein einer entsprechenden, links und rechts entgegen- gesetzten Differenzierung senkrecht zur Mittelebene; — d.h. gerade diejenige Komplikation, die wir für unsere Hypothese brauchen. 2 D. Nunmehr durchschauen wir schon mit einem einzigen Blicke, daß eine ganze, um- fangreiche Kategorie von Zelldislokationen auf eine ebenso einheitliche Art erklärbar sein müsse: die Vorgänge des Versinkens. Es handelt sich hierbei allemal um eine Ver- schiebung senkrecht zur Bauchfläche, das heißt, bei der üblichen Aufstellung des Embryo, im allgemeinen um eine Vertikalbewegung von unten nach oben. Dann wird wohl — so denken wir — eine „horizontal“ gerichtete chemotaktische Streifung der be- teiligten Blastomere, die auf horizontaler innerer Schichtung beruht und sämtlichen Zellen der Ventralfamilie eigen ist, die richtende Ursache dieser Dislokationen sein. 1 FFFF. 2 Schema eines Mechanismus zur Versenkung des primären Mesoderms. Ouerschnitte. 1 vor, 2 nach der Versenkung. E Entoderm, M Mesoderm, G Genitalanlage. Fassen wir zum Beispiel die Versenkung der ersten Mesodermzellengruppe ins Auge (Fig. FFFF ı, 2), so liegt auf der Hand, daß eine in horizontalen Streifen wirkende Attraktion zwischen den Mesodermzellen und dem bereits vorher in die Tiefe gerückten Entoderm ein brauchbares Mittel wäre, um auch jene hereinzuziehen. Der gleiche Mecha- nismus beförderte dann von Stufe zu Stufe fast alles, was von Angehörigen der Ventral- familie an der Oberfläche liegt, ins Innere der Furchungshöhle: die Anlagen des Schlundes, das sekundäre und tertiäre Mesoderm etc. Nur für den allerersten Vorgang dieser Kategorie, die Versenkung der Darm- zellen selber, reichte die hier angenommene homogene Schichtung nicht aus. Wenn das Entoderm einmal in der Tiefe liegt, so kann es wohl mit Hilfe einer gleichförmig horizontal- gestreiften Chemotaxis den nachfolgenden Gruppen den Weg weisen; aber was zeigt ihm selbst den Weg? Es ist offenbar unvermeidlich, anzunehmen, daß die horizontale Schicht- folge der Urdarmzellen in der Richtung des Versinkens, also von unten nach Zoologiea. Heft 40. 28 oben, eine Differenzierung qualitativer oder sonstiger Art besitzt; nur so wird das typisch gerichtete Vorübergleiten der Blastomere an den vorn und hinten anschließenden Zellengruppen kausal verständlich; wie wir ja auch für das Ineinanderschieben der beiden hinteren Zellenreihen eine Differenzierung in der Bewegungsrichtung zu fordern gezwungen waren. Und gerade wıe dort beseitigt auch in diesem Falle eine cytologische Tatsache unsere letzten Bedenken gegen die Annahme einer solchen Komplikation. Es ist schon lange bekannt (zur Strassen 1896a, p. 51), daß den Kernen der entodermalen Blastomere von der Urdarmzelle an (Fig. GGGG) eine auffallende Neigung innewohnt, während der Ruheperioden gegen die Furchungshöhle, also in vertikaler Richtung emporzusteigen. Auch diesmal beruht die Dislokation der Kerne bestimmt nicht auf mechanischen Druckverhält- nissen oder gar auf Anziehung von seiten der Blastocölflüssigkeit; sie muß vielmehr durch eine vertikale plasmatische Differenzierung, wie wir sie gegenwärtig brauchen, verursacht sein. Schema eines Mechanismus zur Versenkung des Entoderms. Medianschnitt durch ein Stadium XVI, Ist nun die dorsiventrale Differenzierung des Schichtsystems für die Darmzellen zu- gestanden, so liegt keine nennenswerte Komplikationsvermehrung darin, wenn man diese Eigenschaft, die doch bereits ım Plasma der unteren Eihälfte vorhanden sein mußte, auf sämtliche Glieder der Ventralfamilie überträgt. Hierdurch gewinnen die späteren Ver- senkungsvorgänge immerhin noch ganz erheblich an Sicherheit. Die Vorstellung, daß die ventralen Zellen sich darum successive und gruppenweise ins Innere des Blastocöls hinauf- begeben, weil eine allen gemeinsame, dorsiventrat differenzierte, schicht struktur nach vorgezeichnetem Programm erst hier, dann dort zu aktiver Reiztätigkeit übergeht, ist eben so ansprechend als einheitlich. Jetzt aber bleibt noch zu erörtern, ob die geforderte Komplikation der Ventralfamilie als etwas völlig neues in den Bauplan des Ascariseies hineingetragen wird, oder vielleicht — wie vorhin die mediane Streifung und Schichtung der gleichen Familie — ganz oder zum Teil mit Bildungen übereinstimmt, deren Vorhandensein wir schon in früheren Kapiteln er- wiesen haben. Wir trennen zu diesem Behufe die Annahme einer „horizontalen Schichtung schlechthin“ von der ihrer dorsiventralen Differenzierung. Offenbar muß das horizontale Schichtsystem der Ventralfamilie sich vor der viel- genannten, für alle Lagebeziehungen der Ventralfamilie so einschneidend wichtigen Schwen- kung im Stadium IV in einer anderen, und zwar zunächst, der damaligen Stellung des T-Stammes entsprechend, aufrechten Situation befunden haben. Doch nahm das System zu jener Zeit nicht etwa eine transversale Stellung ein, wie sie durch einfach medianes Nıederklappen der Horizontalschichtung sich ergeben würde; denn wir wissen ja, daß mit der Schwenkung zugleich eine Vierteldrehung in horizontaler Richtung verbunden ist: auch dieser Winkel muß bei der Bestimmung der ursprünglichen Lage unseres oa Schichtsystemes verrechnet werden, und wir erkennen jetzt: die spätere Horizontalschichtung der ventralen Keimeshälfte liegt im T-förmigen Stadium IV, das heißt im Ei parallel zur (ektodermalen) Medianebene. Nun hatten wir freilich bisher keinen Grund, in der unteren Hälfte des Eies eine solche Schichtung anzunehmen. Wohl aber ist für die obere ein paramedianes Geschichtetsein, nämlich auf Grund gewisser Teilungsrichtungen, er- schlossen worden, und die Übernahme dieser Struktur auf den ventralen Bereich macht offenbar sehr geringe ökonomische Schwierigkeit. Während hiernach die „horizontale Schichtung schlechthin‘, die wir für alle Ver- senkungsvorgänge notwendig brauchen, in der Tat auf äußerst wohlfeille Weise zu be- schaffen ist, bedeutet die Annahme einer dorsiventralen Differenzierung jenes Schichtsystems ein wirkliches novum für den Ascariskeim. Natürlich muß in den jüngsten Stadien, bevor die Strukturen der unteren Keimeshälfte durch Schwenkung und Drehung in ihre endgültige Stellung übergetreten sind, die spätere Dorsiventraldifferenzierung ebenfalls senkrecht zur — jetzt noch medianen — Schichtebene gelagert sein; das heißt, sie läuft quer zur Mittelebene von einer Seite zur anderen. Und bisher war von einer derartigen Asymmetrie der Ventralfamilie noch nie die Rede. 1 HHHH. 2 3 Schema der Orientierung im Stadium IV. Von links, doch etwas schräg von oben und hinten gesehen. Die Schwenkung des T-Stammes geht über die linke Flanke. Die ursprünglich rechte, später ventrale Hälfte des unteren Paares ist schraffiert. Wir glauben natürlich trotzdem an das Vorhandensein der neuen Differenzierung und fragen, welche Richtung sie eigentlich im T-förmigen Vierzellenstadium inne- hält: geht sie von links nach rechts, oder umgekehrt? Man erkennt sogleich, dab die Antwort auf diese Frage von derjenigen Richtung abhängig ist, in der im Sta- dıum IV die schraubenförmige Gesamtbewegung vollzogen wird. Hat das schwenkende untere Zellenpaar sich nach der linken Flanke der T-Ebene emporgebogen und hierauf „links herum“ gedreht (Fig. HHHH ı—3), so gelangt die ursprünglich linke Seitenfläche des Paares auf die Oberseite; das heißt, was an der Ventralfamilie späterhin oben und unten ist, lag vor der Schwenkung links und rechts. Bei der entgegengesetzten Schwen- kungsart aber ist es natürlich die rechte Seite, die sich dorsalwärts hinaufschraubt; dann wird die ursprüngliche Richtung von rechts nach links im rhombischen Stadium IV zur Dorsiventralrichtung der Ventralfamilie. Unter allen Umständen muß also die präformierte spätere Dorsalseite des unteren Zellenpaares vor der Schwenkung an derjenigen Flanke der T-Figur gelegen sein, nach welcher die erste Emporkrümmung des T-Stammes vor sich geht. Nun gilt für die Auswahl der linken oder der rechten Krümmungsrichtung, wie wir — 220 — wissen, durchaus kein Gesetz: die Schwenkung vollzieht sich ebenso oft über die eine Flanke als über die andere. So kommen wir zu dem etwas befremdlichen Ergebnisse, daß die spätere, für die Versenkungsvorgänge so wichtige Dorsiventraldifferenzierung der unteren Zellfamilie in den jüngsten Stadien beliebig von links nach rechts oder umgekehrt gelagert ist. Hieran werden jedoch sehr bald weitere Betrachtungen, die das befremdliche verschwinden lassen, zu knüpfen sein. 8. Selbstordnungsmechanismus des Stadiums IV. fe Nachdem uns gelungen ıst, beinahe alles, was von Vorgängen der Selbstordnung innerhalb der Ventralfamilie geschieht: das median-bilaterale Verharren, die Zusammen- schiebung der kaudalen Doppelreihe, die vielfachen Versenkungen, auf nur zwei gegen- einander gekreuzte, anomogene Schichtsysteme zurückzuführen, wenden wir uns zur Inangriff- nahme \Jes interessantesten Problems. Es gilt den besten und sparsamsten Mechanismus aufzufinden, der die im Stadium IV geschehende Umwälzung aller Lagebeziehungen zwischen der Ventralgruppe und dem primären Ektoderm bewirken könnte. Wenn man den Zustand des fertig zum Rhombus orientierten vierzelligen Keimes, wie er uns durch die Analyse der Teilungsrichtungen klar geworden ist, mit den Situations- verhältnissen vor der Umordnung vergleicht, so findet man zweierlei geändert. Erstens ist der T-Stamm aus seiner senkrecht herabhängenden Anfangslage in eine horizontale und zwar kaudalwärts gerichtete übergegangen, bekanntermaßen durch eine schwenkende Be- wegung um den Mittelpunkt der Zelle EMSt; zweitens aber hat das untere Zellenpaar eine Rotation um seine Längsachse ausgeführt, dergestalt, daß seine früher kaudale Fläche jetzt nicht oben, wie es bei einfach pendelnder Bewegung hätte geschehen müssen, sondern genau an der Flanke des Rhombus gelegen ist. In Wirklichkeit freilich geschehen diese beiden, nach Abschluß des ganzen Vorganges diagnostizierbaren Stellungsänderungen weder stets in der genannten Reihenfolge, noch überhaupt getrennt; ja, eine „Rotation um die Achse“ braucht nicht einmal als ein besonderes, reales Geschehnis vorhanden zu sein. Wir wissen vielmehr, daß die typische Vertauschung der Rücken- und Seitenfläche sich ohne jede Achsen- drehung als notwendige Folge der besonderen Schwenkungsart ergeben kann; und zwar wie folgt. Der T-Stamm schwingt auf Grund einer — später zu analysierenden — Form verände- rung der Mittelzelle zunächst seitwärts aus der T-Ebene hinaus und nimmt erst nachdem eine bestimmte, variable Höhe erreicht worden war, die Richtung auf sein Endziel in der Median- ebene. Wenn nun die Höhe der seitlichen Exkursion volle 90° beträgt, so wird der zweite Teil des Gesamtvorganges zu einer reinen Horizontalbewegung, und hierbei gerät die frühere Kaudalfläche ganz von selbst auf die Flanke. Allein dieser besondere Fall, den wir in früheren Kapiteln der Einfachheit wegen als typisch behandelt haben, ist keineswegs der einzig mögliche: sehr häufig kehrt das schwenkende Zellenpaar schon auf halber Höhe oder noch früher ın die Medianebene zurück. Und es ist klar, daß in allen solchen Fällen, um den vorgeschriebenen Endzustand herbeizuführen, eine wirkliche Rotation um die Längs- achse des Paares benötigt wird. Je gestreckter die Bahn, desto stärker wird die wälzende 2, Do Bewegung sich ausprägen müssen; und wo etwa ausnahmeweise die ganze Dislokation rein innerhalb der Mittelebene von statten gehen sollte, da würde eine echte Rollbewegung um die Achse des Paares im vollen Betrage von 90° notwendig sein. Hebt man den zwanglos herabhängenden Arm bis zur Schulterhöhe nach vorn und führt ihn darauf horizontal zur Seite, so liegt der Daumen oben; wenn man aber den Arm sogleich seitwärts in die Höhe schwingt, so bedarf es, um den Daumen heraufzubringen, einer besonderen rechtwinkligen Supinationsbewegung. 2. Die Auflösung des Gesamtvorganges in ein „Pendeln‘ von unten nach oben um EMSt als Drehpunkt und in ein „Rollen“ um die Längsachse des Paares ist also ın deskriptivem Zusammenhange durchaus schematisch. Dennoch empfiehlt es sich, für analytische Zwecke an dieser Scheidung festzuhalten. Wir fragen also zunächst nach einem Mechanismus, der den T-Stamm in die Horizontalstellung überführen könnte, dabei jedoch in seinen strukturellen Voraussetzungen über das bereits zugestandene Maß von Kom- plikation so wenig als möglich hinausgeht. Diese Aufgabe ist nicht schwer. Es hat sich in den Kapiteln über die Spindelstellung und über die Inäqualität der Mitosen (p. 161) unter anderem gezeigt, daß die zwei Zellen des T-Stammes vom Ei her eine „horizontale“ Schichtung besitzen, die nicht homogen, sondern in der Richtung der Vertikalachse diffe- renziert ist; ferner, daß das obere, ektodermale Zellenpaar ein inneres Schichtsystem parallel zur Transversalebene enthält. Nehmen wir jetzt an, im kritischen Moment l JIJIJI. 2 Schema eines Mechanismus zur kaudalwärts gerichteten Drehung des T-Stammes im Stadium IV, von links. entwickle das eine wie das andere Schichtsystem an den Zelloberflächen anisotrop-chemo- taktische Tätigkeit, und zwar in solcher Weise, daß die unteren horizontalen und die oberen transversalen Streifen nach möglichst ausgedehntem Kontakt und gegenseitiger Deckung streben, so müßten die beiden Paare sich drehend aneinander verschieben, bis ihre Längs- achsen parallel gerichtet sind. Allein unser Mechanismus wäre damit noch keineswegs komplet. Er würde zwar bewirken, daß aus dem T ein Rhombus hervorgehen muß, aber die Richtung, in der der T-Stamm zur Horizontalstellung emporpendelt, ließe er frei. Nun geht jedoch der Weg des schwenkenden Paares allemal gegen das Hinterende. Also muß noch eine weitere Komplikation vorhanden sein, die das Innehalten der vorgeschriebenen Drehungsrichtung ermöglicht und garantiert. Aber auch dieses Bedürfnis läßt sich zum Teil mit schon vorhandenen Mitteln bestreiten. Wir wissen, daß die Schichtung des ventralen Paares keine homogene ist, sondern von oben nach unten auf irgend eine Art sich ändert; dann kann natürlich auch die chemotaktische Tätigkeit seiner Oberfläche eine von oben nach unten differenzierte sein. Erteilen wir jetzt dem oberen Zellenpaare die gleiche Komplikation: nehmen wir an, die transversale Schichtung des Ektoderms sei von vorn nach hinten differenziert, und seine kau- dalsten Schichten strebten nach Vereinigung mit den untersten des ven- tralen Paares (Fig. JJJJ ı und 2), so reichte der Mechanismus für die ihm vorläufig .ge- stellte Aufgabe aus. Und die Annahme einer rostrokaudalen Differenzierung für die obere, transversal geschichtete Keimeshälfte wäre dabei die einzige Komplikation, die wir neu einzuführen hätten. Und nun zum zweiten Teile des Gesamtvorganges, der Rotation. Wenn das recht- winklige Gedrehtsein um die gemeinsame Längsachse, die das ventrale Paar nach Abschluß der Orientierung erkennen läßt, immer und vollständig auf dem Umwege über eine Flankenschwenkung zustande käme, dann enthielte die Erscheinung gar kein neues Problem. Der Mechanismus, der nach unserer Annahme den T-Stamm in seine endgültige, horizontal- medıiane Stellung bringt, würde offenbar befähigt sein, seine Tätigkeit auch dann zu ent- falten und sein Ziel zu erreichen, wenn die Ausgangskonfiguration eine andere als die T-förmige ist. Er würde das ventrale Zellenpaar, nachdem es sich seitwärts um 90° empor- gebogen hat, in horizontaler Richtung in die Medianebene führen, und brächte dabei ganz unvermeidlich die frühere Hinterfläche des Paares in die Seitenlage. Aber diese Voraus- setzung trifft eben nicht zu: es gibt, wie wir vorhin sahen, eine wirkliche, selbständige Rotation der unteren Zellen. Und da der von uns angenommene Mechanismus eine solche Drehung zwar in jedem beliebigen Maße zulassen, sie aber gerade darum nicht selber be- wirken und auf einen typischen Winkelwert beschränken könnte, so müssen in der Kausa- lität des Vorganges noch. weitere Komplikationen enthalten sein. Aber die Beschaffung eines Mechanismus, der alles noch fehlende zu vollbringen ge- eignet wäre, fällt überaus leicht. Wir haben früher erfahren, daß die ganze Ventralfamilie mit einer der späteren Medianebene parallelen, chemotaktisch wirksamen Schichtung ausgestattet ist, mit deren Hilfe die Blastomere in ihrer median-bilateralen Gruppierung aktiv „verharren“. Und es war sicher, daß diese vom Ei her ererbte paramediane Struktur sich vor der Örientierung des Vierzellenstadiums in transversaler Stellung befunden haben mußte. Hiernach bedeutet die Annahme, das gleiche Schichtsystem entfalte be- reits am Stamm der vierzelligen T-Figur seine chemotaktische Tätigkeit in Gestalt transversal gerichteter Attraktionsstreifen, kaum irgend eine Vermeh- rung an Komplikation. Fast ebenso wohlfeil stellt sich die Beschaffung eines hierzu koor- dinierten Apparates für de obere Keimeshälfte. Wir nehmen an, daß das primäre Ektoderm auf Grund einer inneren paramedianen Schichtung — deren wirkliches Vorhan- densein früher bewiesen wurde — paramediane Attraktionsstreifen trägt, und daß im kritischen Moment die transversalen Zonen des unteren und die para- medianen des oberen Zellenpaares sich gegeneinander auszurichten streben. Ein solcher Mechanismus böte für das Zustandekommen der typischen, rechtwinklig um die Achse gedrehten Endlage des Zellenpaares jede Garantie, gleichviel von welcher Anfangs- stellung aus und wann er operieren müßte. Hat der T-Stamm sich seitwärts bis in sein endgültiges Niveau heraufgebogen, so daß ein eigentlicher Rotationsvorgang überflüssig wird, so unterstützt und präzisiert unser neues Attraktionsverhältnis die horizontale Rückdrehung in die Medianebene. Bei geringerer Höhe des seitlichen Umweges aber, oder wenn derselbe ganz hinwegfallen sollte, erzwingt der Mechanismus eine wirkliche, je nach Bedarf mehr oder minder ausgeprägte Rotation. Denken wir uns jetzt den vierzelligen Keim mit beiden Mechanismen ausgestattet (Fig. KRKR). Obere und untere Hälfte enthalten je zwei gekreuzte chemotaktisch wirksame 1 KKKK. 2 7 ZUR RR EI Di \ IN) N ER AH ZI Ü ah A N N Schema eines doppelten Attraktions- \\ mechanismus zur vollständigen Orien- tierung des Stadiums IV. Schräg von links. > N] N I ie, A Schichtsysteme, die einander paarweis koordiniert sind: ein transversales System des unteren Paares strebt nach Kontakt mit einem paramedianen des oberen, und gleichzeitig suchen transversale, von vorn nach hinten differenzierte Attraktionsstreifen des T-Balkens sich mit entsprechend differenzierten Horizontalstreifen des Stammes auszugleichen. Ein so be- schaffener Keim würde zunächst zur Ausführung des normalen Umordnungsvorganges mit seinen mancherlei Varianten vorzüglich befähigt sein. Wir verstünden vollkommen, warum das typische Endresultat unter dem Eingreifen eines quantitativ so schwankenden Faktors, wie die bald rechtwinklige, bald kaum angedeutete Seitwärtskrümmung der Mittel- zelle es ist, nicht leidet, sondern auf beinahe beliebigem Wege zielsicher zu stande kommt. Ebenso erscheint die Tatsache, daß es für Eintritt und Ablauf der typischen Gesamt- bewegung keinen Unterschied macht, wenn die obere Furchungskugel AB im kritischen Moment noch ungeteilt geblieben ist, durchaus natürlich: die beiden Schichtsysteme, mit denen das Ektoderm operiert, müssen ja schon in der unversehrten oberen Furchungszelle vorhanden und typisch gerichtet sein, und nichts ist zwangloser als die Annahme, daß ihre chemotaktische Leistung schon dort beginnt. Vor allem aber rückt auch das Verhalten mancher vierzelligen Riesen, denen es gelingt, wenigstens einen Teil ihres Pensums durch- zuführen, mehr und mehr in das Licht physiologischer Begreiflichkeit. Nach der ganzen Anlage unseres Mechanismus ist. offenbar von den Zellen des T-Stammes EMSt diejenige, bei der die chemotaktisch selbstordnende Wechselwirkung mit dem Ektoderm am frühesten in Aktion tritt: um ihre beiden Schichtsysteme mit den koordinierten des benachbarten T-Balkens auszugleichen, dreht sich die Zelle und bewegt hierbei ihre untere Schwester mit, bis auch diese genügend nahe herangekommen ist, um ihrerseits in das Spiel einzugreifen. Und es ist sehr wohl möglich, daß EMSt, wenn ihre Schwesterzelle nicht vorhanden wäre, ihre eigene typische Neueinstellung in beiderlei Sinne ebenso gut besorgen könnte, als in Be Se den Verhältnissen der normalen Entwickelung. Unter solchen Umständen begreifen wir, daß das ventrale Zellenpaar die vorgeschriebene Rotation seines ursprünglich transversalen Schicht- systems in die Medianrichtung bei T-Riesen, wo auf die aktive Mitwirkung der Zelle P; nicht zu rechnen ist, ganz oder teilweise vollziehen kann, nämlich durch die alleinige Tätig- keit der Zelle EMSt. Ja selbst das eigentümliche Schicksal derjenigen Riesen, bei denen — wie bei dem Musterexemplar des zweiten Typus — die Mittelzelle auf eigene Faust ihre vertikale Vierteldrehung zur Ausführung bringt, wird uns verständlicher. Durch die Seitwärtskrümmung kommt das ursprünglich horizontale Attraktionssystem von EMSt der angestrebten Stellung näher, die Drehungstendenz der Zelle wächst und schließlich schnappt sie in der Krümmungsebene um, wie ein Sperrgelenk, den Widerstand der von der Schale zurückgehaltenen Zelle P, überwindend. Daß bei dieser programmwidrigen Ver- schiebung zwischen den Zellen EMSt und P, deren typisches ‚„median-bilaterales Lage- verhältnis nicht verloren geht, indem etwa die obere Zelle auch noch den „horizontalen“ Bestandteil der für sie vorgeschriebenen Gesamtdislokation eigenmächtig vollendete, ist eben- falls begreiflich, da der bekannte Mechanismus des Verharrens einer horizontalen Achsen- drehung der oberen Zelle gegen die untere größeren Widerstand entgegensetzen kann, als einer vertikalen Gleitbewegung. Indessen soll eine vollständige Theorie der ganzen, komplizierten Umordnung im Stadium IV erst dann gegeben werden, wenn auch das letzte daran beteiligte Element, die aktive Formveränderung von Zellen, analytisch verarbeitet worden ist. y Selbstordnungsmechanismus des vierzelligen Ektoderms. Wir haben jetzt, als letzte Aufgabe des Kapitels, einen Mechanismus aufzusuchen, der auf möglichst ökonomische Art die Umgruppierung der vier ersten Ektodermzellen be- wirken könnte, -—- das einzige Geschehnis aus der an spezialisierten Selbstordnungsvor- gängen so reichen Geschichte des primären Ektoderms, das einer experimentellen Prüfung bisher zugänglich war. Es zeigt sich wiederum, daß die Zugeständnisse an neuer Kompli- kation, zu denen wir gezwungen werden, überraschend geringe sind. Die aktive Selbstordnung des ektodermalen Quartetts erstreckt sich, wie wir inzwischen p. 211) erfahren haben, nicht lediglich auf das Rückwärtsgleiten der beiden rechtsgelegenen Blastomere a und b; sondern wohl auch die Trennung des kaudalen Schwesternpaares b-ß, vor allem aber die typisch gerichtete und bemessene Drehung des rechten Paares gegen das linke geschehen aktiv. Und die Erkenntnis dieser letzteren Tatsache war es, die uns zur Forderung anisotroper Mechanismen für den Gesamtvorgang gezwungen hatte. Da nun offenbar sehr wahrscheinlich ist, daß der als aktiv erkannte hochkomplizierte Drehungsvorgang die ihm vorausgehenden minder anspruchsvollen Teilgeschehnisse, be- sonders das einseitig Rückwärtsgleiten, in sich aufnehmen, d. h. durch seinen eigenen Mechanismus zugleich mit besorgen werde, so beginnen wir die Untersuchung sogleich mit der Frage nach einem Mechanismus, der das rechte Ektodermzellenpaar „links herum“ gegen das andere dreht, bis die bekannte, halbtetra&ädrische, windschiefe Konfiguration der Gruppe entstanden ist. ne Nachdem in allen bisher analysierten Fällen von Selbstordnung die Annahme chemo- taktisch koordinierter Zonensysteme, die durch den aktiven Prozeß zu gegenseitiger Deckung gebracht oder in solcher erhalten werden, die besten Dienste geleistet hat, versteht es sich fast von selbst, daß wir auch diesmal zunächst eine gleichartige Hypothese versuchen müssen. Wir nehmen an, das linke wie das rechte Zellenpaar besitze je ein chemotaktisch wirk- sames Schichtsystem; die Zonen der einen Seite divergieren in der quadratisch-horizontalen Anfangsstellung mit denen der andern, aber beide streben sich gegeneinander auszurichten, d. h. sie drehen die Zellenpaare; und bei der typischen Endkonfiguration der ganzen Gruppe sei die Deckung der beiderseitigen Schichten eben erreicht. -— In dieser Hypothese kommt auf die wirkliche Lage der Schichten, ihr geometrisches Verhältnis zu den Haupt- . ebenen des Embryo zunächst nichts an; wir hätten die Wahl, sie uns beliebig schief oder gerade das tetra@drisch gewordene Ektoderm durchschneidend vorzustellen. Nur das eine ist offenbar gewiß: daß in der quadratischen Anfangsstellung zwischen dem Schiehtsystem des lınken und dem des rechtenäPaares der gleiche’spitze Winkel bestehen müßte, über den der Drehungsvorgang der Paare sich bewegt, d.h. der Winkel, um den das linke und rechte Zellenpaar in der typischen Endkonfiguration divergieren. Diese letztere Notwendigkeit ruft uns ein früheres Ergebnis in die Erinnerung. Um die schiefe Spindelstellung der beiden hinteren Ektodermzellen b und 8 unter typischen wie abnormen Verhältnissen zu erklären, nahmen wir an (p. 142), daß in jeder von beiden Zellen eine schiefe, zur primären Medianfläche aber senkrechte Ebene strukturell hervorgehoben sei. Und zwar mußten die Richtungen der beiderseitigen Strukturebenen, da ja die Spindeln am typisch entwickelten Embryo gleichgerichtet sind, normalerweise — trotz der Asymmetrie des linken und rechten Zellenpaares — zusammenfallen. Hieraus aber folgte zugleich, dab vor der Umordnung des vierzelligen Ektoderms die schiefen Strukturebenen von b und 8 um denselben spitzen Winkel divergierten, der nach Ablauf der Orientierung zwischen dem linken und dem rechten Zellenpaare besteht. — Nun hat sich mittlerweile herausgestellt, daß die im Plasma differenzierten „Ebenen“, die wir im Kapitel der Teilungsrichtungen für viele Zellen gefordert hatten, durchweg in Wahr- heit „Schichtsysteme“ sind, und es liegt aus Gründen der Gleichartigkeit überaus nahe, auch mit den schiefen Strukturebenen von b und 8 eine solche Umdeutung vorzunehmen. So erhalten wir für beide hinteren Zellen des Ektoderms je ein schräges, zur Medianebene senkrechtes Schichtsystem, das in der quadratisch-horizontalen Anfangsstellung mit dem der Gegenseite sich unter spitzem Winkel kreuzt, nach vollzogener Umordnung aber gleich- gerichtet von einer Flanke zur andern übergeht. Allein wir glauben nach neueren Ergeb- nissen nicht mehr, daß eine solche Schichtung, die ja im Plasmaleib des Keimes schon lange vor der räumlichen Isolation der betreffenden Zelle bestanden haben muß, genau und ausschließlich auf den Bereich jener Zelle beschränkt sein könnte; sondern die schrägen Schichtsysteme, die den Spindeln von b und ß ihre Richtung geben, werden wohl auch in den zwei vorderen Ektodermzellen vorhanden sein (Fig. LLLL 1). Man sieht, die Lage ist für die wohlfeile Beschaffung der von uns benötigten Struk- turen wieder einmal eine äußerst günstige. Wir brauchen Schichtsysteme im linken und rechten Ektodermzellenpaar, die in der horizontal-quadratischen Anfangsstellung derartig Zoologiea. Heft 40, 29 26 — divergieren, daß durch die typische Drehbewegung der beiden Paare ihr Zusammenfallen ge- rade erreicht wird. Solche Schichtsysteme sind bereits da: Was wir hinzufügen müßten, ist lediglich die Annahme, daß jene vorhandenen schrägen Schichtungen, die uns durch die Spindelstellung von b und ß zuerst verraten wurden, chemotaktisch wirk- sam sind und daß sie von Zellenpaar zu Zellenpaar sich auszugleichen streben. Natürlich machen wir diese fast unverhofft ökonomische Hypothese sofort zur unsrigen. Die naheliegende Identifizierung der aus der Teilungsrichtung von b und ß er- schlossenen und der für die Selbstordnung des vierzelligen Ektoderms gebrauchten Schicht- 1 LLLL. 2 Schema eines Mechanismus zur Orientierung der vier ersten Ektodermzellen. Schräg von hinten oben und rechts gesehen, systeme ist um so sympathischer, als hierdurch endlich die Tatsache begreifbar wird, daß die Spindeln von b und $ im typischen Teilungsplane so sorgsam den gleichen Grad von Schiefstellung erhalten haben, eine Erscheinung, deren Auffälligkeit ihrem wirklich morphogenetischen Werte sonderbar widerspricht. Denn das unmittelbare Ergebnis dieser scharf bestimmten Teilungsart: die Parallelstellung des neugeborenen linken und rechten Tochterzellenpaares, spielt ın der Formbildung, wie wir wissen, keineswegs eine bedeutende Rolle; sie wird vielmehr baldigst durch asymmetrische Gleitbewegungen wieder zerstört. Und es befremdete uns, ein Ziel, das der Organismus selber mit solcher Gleichgültigkeit behandelt, zuvor durch eigene Maßnahmen herbeigeführt zu sehen. Jetzt aber gewinnt der Zusammenhang ein anderes und minder seltsames Gesicht. Daß die beiderseitigen Schicht- systeme durch den Vorgang der Orientierung gegeneinander ausgerichtet werden, bis eine einzige von links nach rechts durchgehende Parallelschichtung zu stande kommt, geschieht gar nicht den Spindeln von b und ß zuliebe: deren parallele Stellung ist in der Tat — wenigstens ın solcher Genauigkeit bedeutungslos, eine unbeabsichtigte Folge ihrer kau- salen Beziehungen zu jenen Schichtsystemen. Der wahre Endzweck, dessen morpho- genetische Wichtigkeit die geometrisch genaue Lokalisation der schrägen Schichten voll- kommen motiviert, liegt eben in der Umordnung des vierzelligen Ektoderms. Übrigens bringt unsere Theorie gewisse Variationen im Ablaufe des hier be- sprochenen Orientierungsprozesses, die sich durch abweichende Stellung der Teilungsspindeln verraten, ebenfalls dem Verständnis nahe. Dasjenige Verhalten der vier Mitosen, das im Kapitel über die Teilungsrichtung der Analyse zu Grunde gelegt wurde, nämlich genaue Paramedianlage der Spindeln von a und «a. übereinstimmende Schiefstellung für b und ß, kennzeichnet sich, wenn nicht durch überwiegende Häufigkeit, so doch durch seine hohe Regelmäßigkeit als das eigentlich typische. Aber das einzig mögliche ist es nicht. Es gibt Ascarisweibchen, bei deren Eiern man konstant die Richtung der hinteren Spindeln etwas ungleich findet. Und bei denselben Keimen liegen die Spindeln von a und « nicht parallel, sondern sie konvergieren nach abwärts, indem die eine oder die andere schief zur Median- ebene gelagert ist. Man hat beim Anblick so beschaffener Keime sogleich den Eindruck, daß die Lagebeziehung der Spindeln zu den primären Richtungen ihrer Zellen die gleiche sei, wie sonst; daß aber während des Schwenkungsvorganges eins von den Paaren — und zwar dasjenige, dessen vordere Spindel von der Paramedianrichtung abweicht —, eine kleine Rotation um seine Längsachse „nach außen“ erlitten habe. Nun ist folgen- des eine geometrische Eigentümlichkeit des von uns angenommenen Selbstordnungsmecha- nismus, die man sich leicht mit Hilfe eines Modells veranschaulichen kann. Sobald die anfangs parallel nebeneinander liegenden Zellenpaare einen geringen Grad gegenseitiger Verdrehung erreicht haben, eröffnet sich eine doppelte Möglichkeit, das linke und rechte Schichtsystem, die ja noch immer divergieren, zur Deckung zu bringen: einmal natürlich durch Weiterführung der bereits begonnenen Verdrehung, sodann aber auch durch Ro- tation eines Paares nach außen um seine Längsachse. Mit anderen Worten, die Anziehungskraft der beiderseitigen Zonen strebt nach einer solchen Rotation. Und wenn bei manchen Eiern durch individuelle Schwankung von Widerstands- und sonstigen Verhält- nissen der Fall eintritt, daß das angestrebte Ziel durch Rotation des einen oder andern Paares sich leichter erreichen läßt, als auf dem typischen Wege, so wird und muß sie erfolgen. E. Scheinbare Regulationen bei Ascaris. L. An die Analyse der selbstordnenden Mechanismen knüpfen wir eine Erörterung, die das zur Zeit beliebteste Gebiet entwicklungsmechanischer Fragen streift und darum vielleicht Aussicht hat, allgemeinerem Interesse zu begegnen. Die vorausgegangene Untersuchung war dazu wohl etwas zu trocken und mühsam; aber ohne sie würde das Folgende uns eben nicht wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen sein. — Es handelt sich um die Frage: Gibt es bei Ascaris regulatorische Zellverschiebungen oder nicht? Wer den beschreibenden Teil meiner Arbeit liest, muß fast unvermeidlich zu der An- sicht gelangen, daß diese Frage durchaus in positivem Sinne entschieden sei. Haben wir doch in der Geschichte der T-Riesen eine ganze Anzahl von Vorgängen der Zell- verschiebung kennen gelernt, die irgend eine typische, die Anordnung des Materials be- treffende Vorschrift zur Geltung brachten, — die aber im deskriptiv-normalen Ent- wickelungsplane von Ascaris nicht enthalten waren. Was ist das anderes, als Regulation ? Zu dieser Kategorie von Erscheinungen gehört schon der Umstand, daß bei allen T-Riesen die typische geschlossene Blasenform des primären Ektoderms von Stadium zu Stadium mit Hilfe einer Fülle improvisierter Gleitbewegungen durchgesetzt wird, obwohl die Ventralfamilie, die sonst am Aufbau der Blase stark beteiligt ist, ihre Mitwirkung fast ganz oder völlig versagt. Und in der Geschichte des Dreifach-Zwillings offenbarte sich eine a andere Art „regulatorischer“ Tätigkeit. An jenem wunderlichen, aus zwei Ventralfamilien und einem primären Ektoderm gebildeten Keime, der in der oberen Schalenkammer des Monstrums zur Entfaltung kam, hatten sich alle die einzelnen Zellensorten: Darm, Meso- derm, Geschlechtsanlagen je nach ihrer morphologischen Signatur und ohne Rücksicht auf ihre Herkunft zusammengefunden; eine Annäherung an den typischen Bauplan, die eben- falls nur durch außernormale, eigens hierfür bestimmte Zellverschiebungen ermöglicht werden konnte. Am auffallendsten aber ist der „regulatorische‘ Zug in der Entwickelung der T-Riesen vom zweiten Typus hervorgetreten. Natürlich: lag doch per definitionem die Eigentümlich- keit dieser Keime eben darin, daß sie die im Stadium IV entstandene Konfusion durch nachträgliche Umordnung des Zellenmaterials ganz oder teilweise kompensieren. Rufen wir uns den Hergang dieser Dislokationsvorgänge, die, ohne in der normal-deskriptiven Vor- schrift enthalten zu sein, zu typischen Effekten führten, an der Hand der Geschichte unseres Musterriesen kurz in Erinnerung. Die erste „regulatorische“ Leistung des Riesen vollzog sich bereits während der Klüftung der beiden T-Stammzellen P;, und EMSt. Da die Spindeln dieser Blastomere nicht, wie sonst, gleichsinnig in die Längsachse des Paares eingestellt, sondern fast rechtwinklig zueinander gerichtet waren, so lag die Vermutung nahe, daß aus den gekreuzten Mitosen eine — höchst abnorme — T-Figur entstehen würde, indem die junge Zelle P? entweder sogleich oder (aus mechanischen Gründen) bald nach der Ge- burt mit beiden Tochterzellen von EMSt in Berührung träte. Aber diese drohende neue Entgleisung blieb aus. Von Anfang an beschränkte sich der Kontakt, wie am normalen Embryo, auf die Zellen P, und E, die Gesamtanordnung der vierzelligen Gruppe wurde und blieb die vorschriftsmäßig lineare, und es scheint gewiß, daß dieser günstige Erfolg durch feine, aber bestimmt gerichtete! Verschiebungen zwischen den an Teilung begriffenen Mutterzellen EMSt und P, herbeigeführt worden war. Solche Verschiebungen aber sind in der normalen ÖOntogenesis unnötig und unbekannt. — Die Ein- reihigkeit der Ventralfamilie war also gerettet, allein ihre Gesamtform entfernte sich von den typischen Vorschriften mehr als je; statt gerade ausgestreckt oder dorsalwärts ge- krümmt zu sein, zeigte die viergliedrige Zellenreihe eine fast rechtwinklige Knickung nach der Bauchseite. Aber dieser bedenklich aussehende Zustand wurde im Laufe einiger Stunden ebenfalls reguliert. Die geknickte Reibe streckte sich, wie ein gebeugter Arm ım Gelenk, bis eine gerade, schlanke Säule entstanden war; und damit hatte wiederum ein Vorgang, den das typische Programm durchaus nicht kennt, — eigentlich nur eine konsequente Weiterführung des vorigen „Regulationsgeschehnisses‘ — das nachträgliche Zu- standekommen einer Lagebeziehung bewirkt, die in der normalen ÖOntogenesis das un- mittelbare Resultat der Klüftung ist. Nunmehr lag die ganze Ventralfamilie der vom primären Ektoderm bezeichneten „horizontalen“ Ebene parallel und näherte sich dadurch dem typischen Situationsplane mehr, als bei den andern Riesen; gleichwohl aber war das gegenseitige Lageverhältnis der oberen und unteren Gruppe noch keineswegs fehlerfrei. Aus uns bekannten Gründen divergierte vielmehr die ventrale Säule innerhalb der Horizontal- ebene um beinahe 90° nach rechts von ihrer programmmäßigen Lage. Und die Aus- gleichung dieses Fehlbetrages war der nächste Gegenstand, an dem die regulatorischen Ten- denzen unseres Riesenkeimes sich zu versuchen schienen. Über Nacht krümmte sich — 229 — nämlich die ventrale Gruppe so stark nach links, daß sie mit ihren drei hinteren Zellen fast in die für sie vorgeschriebene Medianstellung kam; nur ein Zufall — die Klüftung des Ektoderms — verhinderte den Fortgang der vielversprechenden Bewegung. Aber in der erreichten, schon nahezu normalen Situation drängten die drei Blasto- mere sich seitlich zu einer schnurgeraden Reihe hintereinander und be- wirkten durch diese an sich abnorme Verschiebung für drei Viertel der Ventralfamilie eine nach innen wie außen fast vollkommen typische Einstellung. Leider nahm die vorderste Zelle, MSt, an dieser glücklichen Wendung der Dinge nicht teil. Sie selbst, wie ihre beiden Töchter mst und uor blieben in sehr abnormer Lage zur linken Flanke hinausgedrängt, und auch die folgende Klüftungsperiode schuf hierin zunächst keine Besserung: das vierzellige Schlund-Mesoderm war immer noch wie abgeknickt von der tadellos genauen Bilateral- gruppierung der übrigen Ventralfamilie. Dann aber geschah das allersonderbarste. Während die Darmanlage vorschriftsmäßig in die Tiefe des Blastocöls versank, vollzog die ge- samte hintere, aus sechs Blastomeren bestehende Gruppe eine Frontverän- derung nach links, die ihre private Symmetrieebene mit derjenigen des Schlund-Meso- derms fast plötzlich in Einklang brachte. Die Schlund- und Mesodermzellen ihrerseits gruppierten sich genau bilateral zu dieser Ebene, rückten über dem versunkenen Darm heran, und damit war die absolut typische Anordnung sämtlicher ventralen Zellen Ereignis geworden. Zu der Zeit, als ich den Musterriesen lebendig vor Augen hatte, schien mir der eben beschriebene Schlußakt seiner Rektifizierungsgeschichte einerseits so verblüffend rationell und andrerseits in seinen kausalen Voraussetzungen so übermäßig kompliziert zu sein, daß ich sehr geneigt war, das günstige Ergebnis mindestens zu einem Teile auf Zufall zurück- zuführen. Hierzu fehlte es nicht an Gelegenheit. Daß bei den T-Riesen abnorme, mechanisch bedingte Zellverschiebungen reichlich vorkommen, ist ja notorisch. Und gerade unser Musterriese trug an seiner rechten Flanke eine klaffende Lücke zwischen dem Ekto- derm und den Schwanzzellen, die eine Linksdrehung der kaudalen Zellengruppe mechanisch bewirken oder doch begünstigen konnte. | Aber auf diese Einzelfrage kommt nichts an. Selbst wenn das Schlußereignis wirk- lich ganz und gar mechanisch bedingt und nur durch reinen Zufall günstig wäre, so würde dadurch die Selbständigkeit und Bedeutung der übrigen Vorgänge nicht eingeschränkt. Es ist offenbar widersinnig, zu glauben, daß ein und dasselbe Riesenindividuum gleich ein halb Dutzend Mal hintereinander das Glück gehabt haben sollte, durch zufällige, ja patho- logische Verschiebung seiner Blastomere immer wieder und zuletzt endgültig in die ver- lassene Bahn der Vorschriftsmäßigkeit hineinzutaumeln. Diese Bewegungen müssen viel- mehr durch eigene physiologische, der formbildenden Kausalität von Ascaris irgendwie sub- sumierte Ursachen gewährleistet sein. Und daß dem einen Exemplare „regulatorische“ Leistungen möglich waren, von denen sich bei der großen Mehrzahl der T-Riesen nicht einmal eine Andeutung findet, erklärt sich sehr zwanglos aus der Verschiedenheit ihrer Konstitution: unser Musterriese verriet schon durch die ungewöhnliche Energie seiner Um- ordnungsversuche im Stadium IV, daß er dem Gros der T-Riesen an Gesundheit überlegen war. Überdies steht ja die „Regulation“ des Musterriesen nicht völlig allein. Auch jener andere Riese, den wir dem „zweiten Typus“ beigerechnet haben (Fig. VVV—XXNX, p. 200), EN zeigt die Ansätze zu einer Herstellung der typischen Konfiguration. Und daß die seltsame Vereinigung gleichnamiger Zellensorten bei dem Dreifachzwilling, und gar die systematisch durchgeführte Blasenbildung des Ektoderms unter den abnormsten Umständen nicht Zu- fällıgkeiten, sondern physiologisch bewirkte, selbständige Phänomene sind, ist ohnehin zweifellos. Es bleibt also die Tatsache ganz unerschüttert stehen, daß an abnormen Ascaris- keimen Vorgänge aktiver Zelldislokation zu beobachten sind, die das nor- mal-deskriptive Programm nicht kennt; die aber dennoch typische Form- gestaltung als Ziel und Folge haben. 2. Was nun die physiologische Beurteilung jener Vorgänge betrifft, so ist uns durch unsere Analyse der Epithelbildung bereits ein Weg gewiesen. Unser damaliges Ergebnis war ein doppeltes. Einerseits zeigte sich, daß die Bildung und Erhaltung der einschichtigen Epithelblase in kausaler Hinsicht gar nicht so anspruchslos ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mochte; sondern die epithelbildenden Zellen müssen mit recht komplizierten, anisotrop-chemotaktischen Mechanismen ausgerüstet sein. Andrerseits aber — und darin lag wiederum eine erhebliche Vereinfachung — genügte ein und derselbe Apparat für sämt- liche beteiligten Zellen, gleichviel welcher genealogischen Stufe. Jede mit diesem Apparat versehene Zelle ist ohne Rücksicht auf die Anzahl und Herkunft der mit ihr verbundenen Genossinnen unter beliebig normalen oder abnormen Verhältnissen befähigt und gezwungen, am Aufbau einer einfachen, geschlossenen Epithelschicht teilzunehmen. Hierdurch fällt auf die außernormale Seite des epithelbildenden Geschehens ein eigentümliches Licht. Daß das primäre Ektoderm der :T-Riesen und sonstigen monströsen Keime sich vorschriftsmäßig zum Epithel gruppiert und zwar mit Hilfe von allerhand „abnormen“ Gleitbewegungen, er- scheint ganz selbstverständlich. Es bedarf zur Aufklärung dieser Tatsache weder besonderer, an der normalen Entwickelung unbeteiligter Faktoren, noch auch verdient die Erscheinung einen besonderen Namen. Das Verhalten der epithelbildenden T-Riesenzellen wird durch die Kausalität der normalen Epithelbildung restlos mitge- deckt; — eine Folgerung, die ich schon bei anderer Gelegenheit (1903 p. 112) gezogen habe. Nicht ganz so durchsichtig klar wie hier, aber von der gewonnenen Basis aus un- schwer verständlich liegen die Dinge bei einigen „Regulationen‘“ des Musterriesen; vor allem bei der schnurgeraden und innerlich korrekten Ausrichtung der drei ventralen Zellen E, P, und C, die, nachdem die Gruppe zuvor in regelwidrige, seitwärts gekrümmte Stellung geraten war, auf dem abnormen Wege der Dislokation vollzogen wurde. Wir wissen, daß die vier ersten Zellen der Ventralfamilie in der medianen Lage, in der sie geboren sind, aktiv verharren, indem die chemotaktisch wirksame, der Medianebene parallele Schichtung ihrer Plasmaleiber zwar Gleitbewegungen innerhalb dieser Ebene er- laubt, jede seitliche Abweichung von derselben aber mit Energie vereitelt. Nun würde, wie man leicht versteht, derselbe Mechanismus, der für gewöhnlich nur Entglejsungen aus der Medianebene zu verhindern hat, andererseits auch befähigt sein, bereits entgleiste Zellen in die Medianebene zurückzuführen. Nehmen wir an, ein Glied der vier- — 231 — zelligen Ventralfamilie sei durch äußere Gewalt zur Seite hinausgedrängt, so geraten die chemotaktischen, von Zelle zu Zelle koordinierten Schichtsysteme außer Zusammenhang; und falls die Entfernung nicht über den Wirkungsbereich der attraktiven Zonen hinausgeht, wird eine Tendenz zur Wiederherstellung des Mediangefüges durch seitliche Verschiebung die natürliche Folge sein. Der Mechanismus des Verharrens bewirkte also in solchen Fällen, ohne daß das geringste Neue hinzugefügt worden wäre, sichtbare Dislokation; eine Vorstellung, die um so weniger Bedenken erregt, als wir durch andere Tatsachen be- reits zu der Hypothese gedrängt worden sind, daß dieses selbe paramediane Schichtsystem der Ventralfamilie im Stadium IV in Wechselwirkung mit dem Ektoderm echte Zell- verschiebungen zu stande bringe. Nach dieser Darlegung hat aber das Verhalten der Zellen E, P, und C unseres Musterriesen nichts überraschendes mehr. Hier war der angeborene Zusammenhang der chemotaktischen Schichten durch den Prozeß der Seitwärtskrümmung in der Tat gestört. Also mußte an den Grenzflächen der Blastomere eine Spannung vorhanden sein, eine Tendenz, die gegeneinander verworfenen Schichtsysteme auszurichten, d. h., die gebogene Zellensäule in die median gestreckte Form zurückzuführen. Irgend ein Widerstand machte dies für die Gesamtheit der Vierzellengruppe unmöglich. So geschah denn, was auch ein- treten muß, wenn man ein hölzernes Stäbchen über seine Elastizitätsgrenze hinaus verbiegt. Die chemotaktische Spannung brachte den gelockerten Zusammenhang der Schichtsysteme an ihrer schwächsten Stelle zum völligen Bruch: drei Blastomere fanden dadurch Gelegen- heit, sich vorschriftsmäßig median aneinanderzureihen, die vierte lag wie abgestreift an der Seite. — Hiernach stellt dieses erste „regulatorische‘“ Ereignis aus der Geschichte des Riesen in physiologischer Hinsicht ebensowenig ein Novum für die Ascarisontogenese dar, als die Epithelbildung des Ektoderms an monströsen Keimen; es wird darum, wie jene, aus der Reihe der wahren Regulationen zu streichen sein. Um einen höchst bedeutungsvollen und doch im Grunde merkwürdig kurzen Schritt weiter führt uns die Analyse eines anderen „Regulationsvorganges‘“ aus der Entwickelung des Musterriesen. Er betrifft die horizontale Seitwärtskrümmung der vierzelligen Ventralfamilie. Es ist leicht zu erkennen, inwiefern dieses Geschehnis uns mehr zu raten aufgibt, als das vorher betrachtete. Dort — bei der Ausrichtung der Zellen E, P, und € — handelte es sich um die Herstellung einer Konfiguration, die auch in der normalen Ontogenesis durch eigene, aktive Faktoren gewährleistet wird, und wir brauchten nur nachzuweisen, daß dieser selbe Mechanismus sein typisches Ziel auch von abnormen Anfangslagen aus herbei- führen könnte. So einfach liegen die Dinge bei der Seitwärtskrümmung nicht. Von der absurden Idee, die Ventralgruppe habe ganz mit eigenen Mitteln die An- näherung an den typischen Gesamt-Bauplan eingeleitet und eine Strecke weit durchgeführt, sehen wir natürlich ab; wir sind uns von Anfang an darüber klar, daß die unmittelbare Ursache der Seitenkrümmung in einem physiologischen Zusammenspiel von Reiz und Reaktion zwischen der Ventralfamilie einerseits und dem darüber lagern- den Ektoderm bestehen muß, — vermutlich in einer chemotaktischen Wechselwirkung, die danach strebt, die beiderseitigen partiellen Medianebenen zur Deckung zu bringen. Und offenbar bliebe eine solche Annahme nicht nur durchaus im Rahmen des uns jetzt Ge- läufigen, sondern sie wäre in ihren strukturellen Voraussetzungen sogar ungemein an- spruchslos. Es würde nur verlangt, daß im Stadium VIII unseres Musterriesen zwei ohnehin vorhandene Schichtsysteme, nämlich die „paramediane“ Schichtung der Ventralfamilie und das gleichnamige, aber um 90° verdreht liegende System des Ekto- derms, chemotaktisch koordiniert waren und nach gegenseitiger Berührung strebten ; so, wie dieselben beiden Schichtsysteme im Stadium IV eines jeden normalen Embryo zur Herbeiführung einer horizontalen Vierteldrehung zusammenwirken. — Daß hierbei nicht die ganze ventrale Säule in toto herumschwenkte, sondern nur mit ihrem hinteren Abschnitte sich krümmte, während die Zelle MSt wie festgenagelt liegen blieb, konnte in ganz der- selben Weise, wie bei dem unmittelbar nachfolgenden, ebenfalls auf die Zellen E, P, und C beschränkten Vorgange der paramedianen Ausrichtung, durch mechanischen Widerstand oder andere, unbekannte Hemmnisse verschuldet worden sein. Aber diese an sich so einfach klingende Hypothese schwebt doch vorderhand noch auf eine ganz halsbrecherische Art in der Luft. Denn in der Physiologie der nor- malen Entwickelung ist von der Existenz eines solchen Mechanismus und überhaupt von einer aktiv selbstordnenden Wechselwirkung zwischen dem Ektoderm und der Ventralfamilie im Stadium VIII gar keine Rede gewesen. Die Betrachtung des normalen achtzelligen Embryo forderte zur Annahme derartiger aktiver Vorgänge nicht heraus. Man durfte sich sagen, daß das typische allgemeine Lage- verhältnis zwischen Ektoderm und Ventralfamilie, wie es im rhombischen Stadium IV er- reicht worden war, ganz von selber bestehen bleiben würde, sobald nur ın allen folgenden Stadien obere und untere Keimeshälfte ihre eigene typische Gestaltung aktiv herbeiführten oder aufrecht erhielten. Wozu dann noch ein überflüssiger Extraaufwand von Energie? Das ökonomische Prinzip legte uns, ohne daß eine besondere Untersuchung der nicht sehr dringlich scheinenden Frage stattgefunden hätte, die Vorstellung nahe, daß die chemo- taktische Wechselwirkung zwischen den beiden Hauptfamilien auf das Vierzellenstadium be- schränkt, im Stadium VIII also jedenfalls erloschen sei. Wenn diese Annahme unerschütterlich richtig ist, so befänden wir uns gegenüber der Aufgabe, die improvisierte Seitwärtskrümmung des Musterriesen physiologisch aufzuklären, in einer sonderbaren, an die des Tantalus erinnernden Situation. Was wir brauchen, ist ja so überaus wenig. Die chemotaktisch-koordinierte Wirksamkeit der oberen und unteren Paramedianschichtungen müßte bei unserem Riesen etwas länger gedauert haben, als sonst, oder sie müßte im Stadium VIII auf Grund der alten Strukturen noch einmal erwacht sein. Das ist gewiß eine so bescheidene Forderung, daß wir sie, falls eine zufällige Abnormität in Frage käme, sehr gern auf unser ökonomisches Gewissen nehmen könnten. Allein die vorschriftswidrige Fortdauer oder das Neuerwachen der chemotaktischen Tätigkeit wären ja — nach unserer früheren Feststellung — eben nicht zufällig: sie müßten ad hoc geschaffen, durch die abnorme Konfiguration des Riesen und ihr Bedürfnis nach Verbesserung hervorgerufen sein. Und damit rückte die physiologische Er- klärbarkeit des Vorganges, die uns so greifbar nahe schien, mit einem Schlage wieder ın Bu u —_— 23 — nebelhafte Ferne. Die Seitwärtskrümmung der ventralen Vierzellengruppe wäre trotz allem eine Regulation der geheimnisvollsten Art, an der unsere Vitalisten und Teleologen ihre Freude haben könnten. In Wahrheit aber —- und hierin liegt der prinzipielle, erkenntnisfördernde Wert dieser Besprechung — fällt es uns gar nicht ein, dem Verstande etwas so Ungeheuerliches zuzu- muten, wie die Annahme, daß die paramedianen Zonensysteme unseres Riesen eben des- halb ihre chemotaktische Wechselwirkung um eine Stufe verlängert hätten, weil es nützlich war. Es gibt nämlich noch eine andere Möglichkeit: unsere Meinung, daß in der nor- malen Ontogenesis das aktiv selbstordnende Zusammenwirken der Ventralfamilie mit dem Ektoderm vor Eintritt in das Stadium VIII erlischt, könnte irrig sein. Wir beriefen uns auf das ökonomische Prinzip. Aber war die daraus abgeleitete Position in diesem Falle wirklich eine genügend feste? Daß eine dauernde Attraktion der oberen und unteren paramedianen Schichtsysteme, wenn sie unter völlig normalen Verhältnissen auch entbehrlich schien, doch wenigstens eine weitere Garantie zur Aufrecht- erhaltung des im Stadium IV geschaffenen Zustandes liefern könnte, ist nicht zu bestreiten; und eine solche „mehrfache Sicherung‘, wie Rhumbler es nennen würde, mag immerhin bei kleinen Schwankungen des Entwicklungsverlaufes von ausschlag- gebender Bedeutung sein. Übrigens hatten wir schon früher Gelegenheit zu bemerken, daß die Mechanismen der Selbstordnung scheinbar etwas freigebig auf die Zellfamilien verteilt sind. Wenn im normalen Stadium VIII nur die Ventralfamilie oder nur das Ektoderm die Fähigkeit aktiver Selbstordnung besäße, so müßte wohl aus rein mechanischen Gründen allemal auch die andere Keimeshälfte zu der typischen Gruppierung übergehen. Dennoch fanden wir jede Hälfte für sich mit selbständigen Mechanismen ausgerüstet, und es leuchtet ein, daß auch dieser scheinbare Überfluß als „mehrfache Sicherung“ gegen die Gefahren rhythmischer und anderer Variationen ökonomisch berechtigt ist. Nach alledem liegt die Sache jetzt so, daß wir eine normale Fortdauer der para- medianen Selbstordnung zwischen Ektoderm und Ventralgruppe auch ohne das Zeugnis des regulatorischen Riesen für mindestens möglich und fast wahrscheinlich halten. Dann aber kommt die Angelegenheit eben durch das Schicksal des Musterriesen zur völligen Ent- scheidung. Die vielberufene Seitwärtskrümmung seiner vierzelligen Ventralfamilie wird für uns — weit davon entfernt, als selbständiges Regulationsgeschehnis unerhört komplizierte Ursachen vorauszusetzen —, ganz einfach zum Beweis für das normale Vorhanden- sein entsprechender chemotaktischer Mechanismen. Und hiermit stehen wir ganz und gar auf dem Boden des ökonomischen Prinzipes. Wir haben in der jetzt abgeschlossenen Erörterung ein Doppeltes erreicht. Erstens wurde der seltsam zweckmäßige Vorgang der Seitenkrümmung ebenfalls aus der Reihe der Regulationen ausgeschieden: er ist wiederum nichts anderes, als die ausnahmsweise sichtbar werdende Folge einer normalen Wechselwirkung zwischen oberer und unterer Keimeshälfte, die für gewöhnlich nur zur aktiven Aufrechterhaltung der im Stadium IV entstandenen Lagebeziehungen berufen ist. Und zweitens wurde uns eine methodologische Wahrheit klar, auf die ich im Interesse des folgenden besonderen Nach- druck legen wollte. Wir sehen ein, daß es berechtigt sein kann, aus dem Auf- treten sogenannter Regulationsvorgänge an abnormen Keimen den Schluß Zoologiea, Heft 40. 30 — 234 0 — zu ziehen, daß in der normalen Entwickelung äquivalente Ursachen der Formbildung vorhanden und wirksam sind; selbst wenn die typische Onto- genese, soweit sie bis dahin durchschaut war, die Existenz solcher Ur- sachen nicht verraten hatte. Der hier von uns studierte Fall war ideal günstig. Denn der ungeheuren Ersparnis, die durch die Erübrigung besonderer Regulationsursachen erzielt wird, stand ein so verschwindend geringer Mehraufwand an normaler Komplikation gegenüber, daß die Rentabilität des Tauschgeschäftes gar keinem Zweifel unterliegen konnte. Aber natürlich verlöre die neue Betrachtungsweise unter minder günstigen Umständen noch nicht sogleich ihre Berechtigung. Sobald sich künftig zeigen läßt, daß derjenige Mechanis- mus, dessen ein anscheinend regulatorischer Vorgang zu seiner Verwirklichung unmittelbar bedarf, auch in den Verhältnissen der typischen Ontogenesis in irgend einem Grade nützlich oder brauchbar ist, wird allemal das Zugeständnis dieses Mechanismus für die normale Ent- wiekelung ökonomischer sein, als die Anerkennung einer echten Regulation. 4. Wir wenden uns nun, genügend vorbereitet, zur Beurteilung eines anderen Ereig- nisses aus der Geschichte des Musterriesen, das uns zu etwas weitergehenden Annahmen zwingen wird. Wie kam es, daß die vierzellige Ventralgruppe, die aus bekannten Gründen in einer fast rechtwinklig geknickten, bauchwärts offenen Gruppierung geboren war, sich nachträglich dennoch die typische, gestreckte Säulenform mit Hilfe einer in der „Medianebene“ vollzogenen Drehung der beiden Schwesterzellenpaare ver- schaffen konnte? Dieser für die Herstellung der vorschriftsmäßigen Konfiguration überaus wichtige Vorgang erweckt, auf dem Hintergrunde des bisher Bekanntgewordenen angesehen, den Eindruck einer verblüffenden Spontaneität. Wir hatten von Mechanismen aktiver Selbst- ordnung für den internen Gebrauch der vierzelligen Ventralfamilie lediglich ein para- medianes Zonensystem zugestanden, das in der norınalen Entwickelung das aktive Verharren in der Medianebene bewirkt und offenbar auch bei dem Riesen dafür sorgte, daß die Umordnung der Gruppe so sicher in dieser selben Ebene vor sich ging. Wohl hatten wir an den normalen Keimen auch eine Drehbewegung zwischen oberem und unterem Zellenpaare kennen gelernt: an der Kontaktstelle tritt, zumeist schon während der Mitosen, eine dorsal gerichtete Knickung ein. Aber diese Dislokation betrachteten wir als eine durchaus passive. Sie wird allem Anschein nach von den Faktoren der Komplex- bildung nach dem Plateauschen Prinzip herbeigeführt und fällt hinweg, sobald das unmittel- bare Nachbarschaftsverhältnis mit den Zellen des Ektoderms, wie bei den gewöhniichen T-Riesen, verschwindet. Hiernach konnten und mußten wir annehmen, daß an der Kontakt- stelle der beiden Schwesternpaare jede Bewegung innerhalb der Medianebene, aufwärts wie abwärts freigegeben sei, ungefähr, als wenn die Paare durch ein Charnier mit quer- gestellter Achse verbunden wären; daß trotzdem am normalen Keim das in medianer Rich- tung frei bewegliche hintere Zellenpaar allemal dorsalwärts umklappen müsse, war durch die Konfigurationsverhältnisse ja vollkommen sichergestellt. Bei unserem Riesen aber passierte, hervorgerufen durch die abnormen Vorgänge der Klüftungsperiode, das Mißgeschick, daß das Charnier gegen die Verabredung ventralwärts niederklappte. Und nun sahen wir mit erstaunten Augen, wie das herabgesunkene Zellenpaar, statt hilflos wie ein umgefallener Kofferdeckel hängen zu bleiben, sich langsam aber sicher im Charnier emporrichtete | Aber so seltsam das Ereignis uns anmuten mag, Zauberei kann doch nicht im Spiele sein: ganz sicher wurde die Aufrichtung der geknickten Zellenreihe wenigstens un- mittelbar durch irgend einen physiologischen, vermutlich chemotaktischen Mechanismus bedingt. Und wir brauchen uns nicht lange zu besinnen, wie wohl ein solcher Apparat be- schaffen sein könnte. Nehmen wir an, jedes von den beiden Zellenpaaren sei zur kritischen 1 Schema eines Mechanismus zur Aufrichtung des Zellenpaares Ps—C. Die Ventralgruppe genau von links gesehen. Vgl. Taf. III, Fig. 27 bis 29. Zeit in der Richtung seiner Längsachse, aber senkrecht zur Medianebene geschichtet ge- wesen (Fig. MMMM ı). Die auf dieser Schichtung beruhenden chemotaktisch wirksamen Zonen wären hier wie dort in gleicher Weise und analoger Richtung differenziert, und die gleichnamigen Zonen streben nach Berührung; so mußte der Winkel zwischen den beiden MMMM. 2 Zellenpaaren bis zur Herstellung einer geraden Fluchtlinie ausgeglichen werden. Ein solcher Mechanismus wäre nun zunächst, wie man leicht erkennt, in struktureller Hinsicht durchaus nichts Neues. Wir haben früher (p. 217) auf Grund der aktiven Ver- senkung des Entoderms und anderer Elemente für die Ventralfamilie das Vorhandensein eines besonderen Schichtsystemes festgestellt, das an den betreffenden älteren Embryonen „horizontal“ gelagert und in dorsiventraler Richtung differenziert ist; vor Eintritt der doppelsinnigen Schwenkung im Stadium IV, d.h. zuletzt im Stamme der pri- mären T-Figur befand sich die gleiche Struktur in aufrechter Stellung und lief der ektodermalen Medianebene parallel. Mit diesem Schichtsysteme stimmt offenbar das neuerdings von uns beanspruchte, das ja nach Herstellung der gestreckten Säulenform ebenfalls die ganze Ventralfamilie horizontal durchsetzt, in allen seinen Eigenschaften, auch genetisch überein; denn daß bei dem Riesen die Zonen des oberen und unteren Zellen- paares vor der Rektifikation fast rechtwinklig gegeneinander verworfen waren, ergibt sich als notwendige Folge aus der wohlbekannten, abnormen Drehung der Mutterzellen in der vorausgegangenen ÖOrientierungsperiode. Wir wissen also bestimmt, daß die strukturellen Voraussetzungen des Mechanis mus, den wir brauchen, zur kritischen Zeit komplet vorhanden sind. Aber das allein führt uns noch nicht ans Ziel. Wenn es gelingen soll, aus der Kausalität des uns beschäftigen- den Vorganges selbständig-regulatorische Ursachen vollkommen auszuschließen, so muß — nach unserem neuen Rezept — der Nachweis führbar sein, daß ein entsprechender Mechanismus an jedem normalen Embryo des gleichen Stadiums wirklich funktioniert. Davon aber war bisher keine Rede. Nach unserer vorhin dargelegten, auf Sparsamkeit ge- gründeten Meinung hat die vom Ei her komplet überlieferte Horizontalschichtung im Stadium VIII noch nichts zu tun. Und wenn das zutrifft, dann liegt die Aufklärung der in Frage stehenden Regulation wieder in weitem Felde. Bestenfalls müßten wir uns zu der Idee bequemen, daß der im typischen Stadium VIII zwar schon vorhandene, aber schlum- mernde chemotaktische Apparat bei unserem Riesen eigens dem guten Zweck zuliebe vor- zeitig aktiviert worden sei. In solcher Not ist uns jede Hilfe recht, auch wenn wir sie von etwas weit her zitieren müssen. Wir erinnern uns aus dem Kapitel über die Spindelstellung, daß die zwei Mutterzellen der ventralen Vierergruppe, die im Stadium IV den Stamm der T-Figur bildeten, ihr gegenseitiges Lageverhältnis ganz unverrückt so, wie es aus der Mitose hervorgegangen war, beibehalten: die Kontaktfacette EMSt|P, ist am fertig orien- tierten Rhombus genau dieselbe, wie bei der Geburt. Für die gewöhnlichen T-Riesen gilt entsprechendes; und nur der Musterriese vom zweiten Typus machte eine Ausnahme: hier waren die beiden Blastomere — und zwar genau in der Richtung der ventralen Median- ebene —- gegeneinander verschoben worden. Nun haben wir freilich in unserer Übersicht der Selbstordnungsvorgänge das Verharren der Zellen EMSt und P, in ihrer gegenseitigen primär-axialen Lagebeziehung nicht als eine aktive Leistung dargestellt, — aber auch nicht behauptet, dasselbe geschehe passiv: ich glaubte aus technischen Gründen auf die Berück- sichtigung dieses minder klaren Falles damals verzichten zu sollen. Jetzt aber blicken wir das wohlbekannte Geschehnis zum ersten Mal interessierter an, und wir erkennen mit ziem- licher Sicherheit seine aktive Natur. Würde bei der Schwenkung des T-Stammes die Zelle P, von ihrer sich drehenden und in der (ventralen) „Medianebene“ krümmenden oberen Schwester völlıg frei durch den Schalenraum transportiert, so ließe sich verteidigen, daß ein besonderer Erklärungsgrund für das Fortbestehen des angeborenen Kontaktverhältnisses nicht nötig sei; ein bischen Adhäsion reichte wohl aus, um die Zellen auf eine so kurze Zeit zusammenzu- halten. Allein in Wirklichkeit führt der Transport schon im normalen, kugelrunden Ei dicht an der Schalenwand dahin und dürfte deshalb, besonders beim ersten Einsetzen der Dislokation, mit einem nicht unerheblichen Reibungswiderstande zu rechnen haben. Bei den echten, d. h. normal entwickelten Riesen mit sanduhrförmiger Doppelschale bedingt die mittlere Einschnürung sogar ein grobes mechanisches Hindernis, das unter starkem Druck, wie aus der Deformation der Zellen hervorgeht, aber ohne Preisgabe des primären Kontakt- verhältnisses überwunden wird. In der Entstehungsgeschichte der T-Riesen erweist sich andererseits die Festigkeit des schwesterlichen Zusammenhanges als groß genug, um die aktive Drehung, nach der die obere Zelle strebt, total zu vereiteln, sobald die untere am Mitkommen gehindert ist. Und bei dem „regulatorischen‘ Musterriesen führte die Zelle EMSt erst nach langer Bemühung und gleichsam ruckweise, als durchbräche sie gewaltsam eine Fessel, ihre mediane Vierteldrehung aus. Solche Hartnäckigkeit unter den schwierigsten Umständen wäre, wenn nur die Adhäsion der Zellen ihren primären Zusammenhang ver- bürgte, kaum zu begreifen; denn alle sonstige Erfahrung weist darauf hin, daß die Gleit- fähigkeit der Ascaris-Blastomere nur in geringem Maße durch adhäsiven Widerstand be- einträchtigt wird. Also muß das Verharren der Zellen EMSt und P, wohl eine aktiv selbstordnende Leistung sein. -- Nun ist von vornherein selbstverständlich, — 2370 — daß das paramediane Schichtsystem der Ventralfamilie, das nachgewiesenermaßen bereits zu dieser frühen Zeit in Tätigkeit ist, die Aufrechterhaltung des primär-medianen Verhältnisses unserer Zellen übernimmt. Aber dieser Mechanismus genügt nur für eine Hälfte, und zwar die kleinere, von dem, was wir brauchen. Denn da die Schwenkung des T-Stammes zuerst und am stärksten in der Richtung der ventralen Medianebene vor sich geht, so muß vor allem gesorgt sein, daß Gleitbewegungen innerhalb dieser gefährdeten Ebene verhindert werden. Hierzu eignet sich am besten ein chemotaktisch koordiniertes Zonensystem, das quer zur Medianebene und anfangs aufrecht gelagert ist, dann aber allmählich in horizon- tale Stellung übergeht; mit anderen Worten das wohlbekannte, auf späteren Stufen zur Durchführung der Versenkungsprozesse berufene „Horizontalsystem”. Allein der Widerstand dieses zweiten Mechanismus würde nicht nach beiden Richtungen, aufwärts wie abwärts der- Mittelebene, gleichmäßig beansprucht sein. Die drohende Gefahr ist ja nur die, daß beim Transport nach oben, besonders am Anfange desselben, die Zelle P, von ihrer sich krümmenden Schwester ventralwärts abgestreift werden könnte. Also genügt es, wenn der horizontale Mechanismus ein Gleiten der Zelle P, nach „unten“ unmöglich macht. Und falls dabei an Komplikation gespart werden kann, so mögen wir annehmen, daß die selbstordnende „Horizontalschichtung‘ der Zellen EMSt und P; vermöge irgend einer quantitativen oder qualitativen Verschiedenheit ihrer Zonen mediane Abwärts- drehung mit Energie verhindert, Aufwärtsdrehungen dagegen mehr oder minder widerstandslos erlaubt; etwa wie die Beweglichkeit des Arms im Ellbogengelenk durch die Sperrvorrichtung des Olecranon ulnae einseitig aufgehoben wird. Dieser ganze Exkurs war jedoch, wie uns nun wieder einfällt, nur Mittel zum Zweck. Wir suchten nach Anhaltspunkten für eine Begründung der Hypothese, daß die vierzellige Ventralfamilie im typischen Stadium VIII bereits der Schauplatz einer aktiv selbstordnen- den Tätigkeit auf Grund der Horizontalschichtung sei. Und ich denke, wir haben sie ge- funden. Wenn das horizontale Zonensystem schon auf der zweizelligen Stufe der Ventral- familie und wiederum auf der achtzelligen funktioniert, so wäre es vielleicht nicht einmal ökonomisch, den Apparat für die dazwischen liegende Zeit der vierzelligen Stufe extra, d.h: durch ein besonderes Geschehnis, außer Dienst zu stellen. Aber noch mehr. Wir finden auf einmal, daß ein chemotaktischer Mechanismus nach Art eines Sperrgelenkes, wie er auf Grund wirklichen Bedarfs für die Zellen EMSt und P, erschlossen wurde, auch für die vierzellige Ventralfamilie nicht unbedingt überflüssig wäre. Er ließe das dorsale Umkippen des hinteren Zellenpaares, das in der normalen Entwickelung ge- schieht und geschehen soll, frei, aber er verhinderte jedes Ausweichen oder Gleiten der Blastomere nach unten hin; und bei gewissen rhythmischen Variationen, wenn die Ventral- familie sich sehr frühzeitig teilt und ihr Kontakt mit dem Ektoderm beschränkter ist als sonst, könnte eine ventrale Sperrung recht wohl von Nutzen sein. Im Lichte einer solchen Auffassung wird auch die Tatsache, daß bei so vielen T-Riesen die viergliedrige Ventral- familie ihr schnurgerad-axiale Säulenform lange Zeit beibehält, erst recht begreiflich: hier hält die Attraktionskraft der Sperr-Zone, da die komplexbildende Wechselwirkung mit dem Ektoderm nicht zur Geltung kommt, die vier Zellen in ihrer angeborenen Lage erfolg- reich fest. Am wichtigsten aber ist, daß das Verhalten der vierzelligen Ventralgruppe bei unserem Musterriesen durch den hier angenommenen, normalen Mechanismus ebenfalls seine Erklärung fände. Jene horizontale Schicht, die am normalen Embryo auf Grund ihrer be- sonderen Stellung und Attraktionsweise das „Charniergelenk“ der Zellen E und P, ver- hindert, ventralwärts herunterzuklappen, stand bei dem Riesen seit den abnormen Ereignissen der Klüftungsperiode nicht, wie sonst, in durchgehendem Kontakt. Aus der Verwerfung der Schicht ergab sich, ähnlich den früheren Fällen, chemotaktische Spannung; so wurde der Mechanismus des Verharrens oder doch der einseitigen Sperrung auch hier zur Ursache einer sichtbaren Dislokation. Das untere Zellenpaar, das schon bei seiner Geburt sich an der Zelle EMSt kaudalwärts etwas vorgeschoben und so die Bildung einer reinen T-Figur verhindert hatte, erhob sich vollends im Charnier, bis die gestreckte Säulenform — die aus- geglichene Ruhestellung der Sperrschicht — erreicht worden war. Hier machte die Be- wegung, wie bei den gewöhnlichen T-Riesen, dauernd Halt. Aber es ist zu vermuten, daß die säulenförmige Gruppe in allen diesen Fällen ohne viel Widerstreben bereit gewesen wäre, sich durch Kontakt mit dem Ektoderm nach Art der normalen Keime in eine dorsal- wärts geknickte Reihe verwandeln zu lassen. Hiernach tritt das vorhin von uns begründete Prinzip in Kraft. Ein Mechanismus der Selbstordnung, dessen Wirksamkeit an den normalen Keimen möglich und selbst wahr- schemlich ist, reicht hin, die eigentümliche Streckung der ventralen Vierzellengruppe bei unserem Riesen aufzuklären. Dann sehen wir in eben diesem Verhalten nichts weiter, als den endgültigen, experimentellen Beweis für das Vorhandensein jenes Mechanis- mus in der normalen Entwickelung. Unser schwer errungenes Ergebnis aber ist, daß der Musterriese auch dieses Mal von dem auf ihn gefallenen Verdachte, er habe sich zu seiner Wiederherstellung außeretats- mäßiger Regulationen bedient, glänzend gereinigt wurde. 5. Und nun das große Wunder, mit dem der Riese seine Laufbahn so eindrucksvoll be- schloß: der ebenso elegante als plötzliche Übergang seiner zwölfzellig gewordenen Ventralfamilie zur absolut vorschriftsmäßigen Konfiguration! — Vielleicht geht es meinen Lesern wie mir, als ich mit der Durchdenkung der Selbstordnungsvorgänge so weit gekommen war: man fragt sich mit einigem Erstaunen, warum man eigentlich (dieses Geschehnis früher für so geheimnisvoll angesehen hatte. Wäre die Umordnung in solcher Weise vor sich gegangen, daß die gesamte hintere Portion der Ventralfamilie von der Darmanlage bis zu den Schwanzzellen in ge- schlossener Masse die Achteldrehung nach links vollzogen hätte, so unterschiede sich das Ereignis nur durch die größere Zahl der teilnehmenden Blastomere von der zuerst be- sprochenen, allereinfachsten „Regulation“: der medianen Ausrichtung der Zellen E, P, und €. Daß auch auf späteren Stufen der normalen Entwickelung die angeborene Bilateralität der Ventralfamilie durch aktive Mechanismen des Verharrens aufrecht erhalten wird, ist zweifel- los. Dann muß also auch auf Grund derselben Mechanismen jede später vorhandene Ab- weichung vom typischen Bauplan der Familie mit einer Tendenz, sich selber zu korrigieren, — 239 — verbunden sein. Bei unserem Riesen bestand eine Spannung dieser Art längs der bogen- förmigen Grenze zwischen den Schlund-Mesodermzellen, die noch immer nach links ver- worfen waren, und der Darmanlage; hier waren die koordinierten Schichtsysteme, die eine median-bilaterale Gruppierung garantieren sollten, außer Kontakt, also arbeiteten sie von beiden Seiten auf eine der typischen Vorschrift entsprechende Verschie- bung hin. — Wenn nun die ganze Ventralfamilie isoliert gewesen wäre, also unbeschränkte Bewegungsfreiheit für ihre Zellen besessen hätte, so würde die bilaterale Neuordnung ge- wiß zum größten Teil durch ein Hinüberwandern der Minorität, d. h. der vier Mesoderm- und Schlundblastomerc, erzielt worden sein. Im Zellverbande aber stieß die Dislokation der einen wie der anderen Partei natürlich auf Widerstände; jedoch nicht notwendig auf die gleichen. Vielleicht wurde der größeren hinteren Abteilung die angestrebte Links- drehung durch das zufällige Vorhandensein der Lücke im Ektodermrand verhältnismäßig leicht gemacht. Andererseits ist die Möglichkeit zuzugeben, daß die vordere Vierzellen- gruppe nicht nur mechanisch fester als jene verankert war, sondern noch obendrein durch typisch selbstordnende Beziehung zu ektodermalen Nachbarzellen zurückgehalten wurde. Wenn also zuguterletzt die Majorität sich in Bewegung setzte, um die Medianrichtung der Minorität aufzunehmen, so bereitete auch diese besondere Rollenverteilung unserem Ver- ständnisse keinerlei Schwierigkeit. Aber ganz so einfach war der Hergang nicht. Die Drehung der acht rück- wärtigen Ventralzellen trat nicht gleichzeitig ein, sondern etappenweise. Dies aber wiederum nicht so, daß etwa die Dislokation an der zuvorderst gelegenen Darmzelle begonnen und sich dann Schritt für Schritt nach hinten fortgepflanzt hätte; sondern merk- würdigerweise standen die sechs letzten Blastomere, von der Keimbahnzelle an, bereits halb- links, als die zweizellige Darmanlage noch geradeaus gerichtet war. So ergab sich vorüber- gehend ein Konfigurationsbild (Taf. III, Fig. 41), das die Vorstellung erwecken konnte, es habe über das Entoderm hinweg eine richtende Fernwirkung zwischen den beiden räum- lich getrennten und doch harmonisch gelagerten Gruppen stattgefunden. Eine solche Annahme steht jedoch mit unseren sonstigen Ergebnissen in Wider- spruch. Es ist doch klar, daß chemotaktische Zonensysteme ihre feine selbstordnende Wirksamkeit auf größere Distanz nicht betätigen könnten. Also dürfte die Hypothese un- vermeidlich sein, daß die zwei Darmzellen, wenn auch nicht äußerlich, so doch mit ihrer inneren Organisation sich in die neue Medianrichtung eingereiht hatten und solcher- maßen die Brücke bildeten, auf der das verantwortliche Schichtsystem in ununterbrochenem Kontakt von der vorderen auf die hintere Ventralgruppe überging. Und diese Hilfsannahme schwebt, wie wir gleich sehen werden, gar nicht so sehr in der Luft. In der normalen Ontogenesis entfaltet die Darmanlage, nachdem sie vierzellig ge- worden und in die Tiefe versunken ist, nochmals aktiv selbstordnende Tätigkeit, indem ihre Zellen sich nach bestimmter Vorschrift zu einem schief in der Horizontalebene gelagerten Rhombus umgruppieren (zur Strassen 1896a p. 68). Offenbar bedarf es zu dieser Leistung eines besonderen, schiefen und asymmetrisch gerichteten Schichtsystems, das im vierzelligen Entoderm zu chemotaktischer Aktivität erwacht, und durch den angestrebten Ausgleich mit den paramedianen Zonen benachbarter Ventralzellen eben die Umordnung des Darmes zu bewirken hat. Da aber die spätere Schrägstellung der entodermalen Schwesternpaare nicht — 240 — selten bereits von den Teilungsspindeln der Mutterzellen „antizipiert“ wird (zur Strassen l. c. p. 69; Boveri 1899 p. 408), so gewinnt die Möglichkeit Raum, daß eine Umdrehung der Zellen EI und EI gelegentlich um eine Stufe zu früh erfolgen könnte, oder daß das schiefe Schichtsystem sich doch im Innern der Blastomere vorzeitig bemerkbar macht. Der- artiges mag auch bei unserem Riesen, dessen zweizellige Darmanlage zur kritischen Zeit mit den Vorbereitungen zur Mitose beschäftigt war, der Fall gewesen sein: dann trat viel- leicht das schiefe Schichtsystem schon jetzt in Koordination mit dem paramedianen der an- stoßenden Schlund-Mesodermzellen, mit dem es zufälligerweise in beinahe gleicher Flucht gelegen war, und übermittelte so die neue Medianrichtung den rückwärtigen Gliedern der Ventralfamilie. Es lohnt wohl nicht, die Möglichkeiten, die hier gegeben sind, sowie entgegen- stehende Bedenken bis an ihr letztes Ende durchzuprüfen; vor allem deshalb nicht, weil ja der ganze, komplizierte Vorgang infolge der mehrfach betonten Schwierigkeit, aus seiner Kausalität das Eingreifen günstiger Zufälle sicher auszuschließen, für prinzipielle Ent- scheidungen doch nicht in Frage käme. Wir haben jedenfalls gezeigt, daß auch das letzte und — falls es wirklich in allen Stücken aktiv geschah — bemerkenswerteste „Regulations- geschehnis“ einer Aufklärung durch Mittel der normalen Ontogenese keineswegs unzugäng- lich ist, und damit dürfen die Akten über den Musterriesen des zweiten Typus und seines- gleichen geschlossen werden. Echte Regulation haben wir in ihrer Entwickelung nirgends entdeckt. 6. In den zuletzt analysierten Fällen zwang das von uns angewandte Prinzip, den Selbst- ordnungs-Etat der typischen Entwickelung mit Vorgängen neu zu belasten, die wir zwar ohne Kenntnis des Musterriesen wohl nicht direkt gefordert haben würden, deren nachträg- liches Zugeständnis sich aber dennoch mit Gründen normaler Zweckmäßigkeit motivieren ließ. So ergab sich immer noch eine entscheidende Ersparnis gegenüber der Neueinführung echter, kausal selbständiger Regulation. Etwas bedenklicher ist der Mehraufwand an typisch-selbstordnender Aktivität, den das letzte scheinbare Regulationsgeschehnis, das wir hier zu untersuchen haben, beanspruchen wird: de Umgruppierung und sortenweise Zusammenziehung der Blastomere, durch die der obere Keim des Dreifach-Zwillings aus zwei Ventralfamilien einen einheitlichen Rumpf zu stande brachte. Allerdings, was zur unmittelbaren Durchführung des Geschehnisses benötigt wird, ist diesmal einfach genug. Wir brauchen nur anzunehmen, daß zur Zeit der „Regulation“ eine isotrope Anziehung zwischen allen vorhandenen Darmzellen des Doppelleibes bestand, eine ebensolche zwischen sämtlichen Keimbahnzellen, zwischen den mesodermalen Elementen beiderlei Herkunft etc.; und daß diese attraktiven Tätigkeiten stark genug waren, um die Widerstände, die aus der individuell-selbstordnenden Wechselwirkung der blutsverwandten Zellen unter sich resultieren mußten, zu überwinden. Sobald wir aber fragen, woher kam diese nach Zellkategorien differenzierte Anziehungskraft, so merken wir, wie sehr sich die analytische Situation verändert hat. Zwei Möglichkeiten stehen, wie immer, zur Auswahl. Entweder trat die Attraktion der Zellensorten ad hoc in Erscheinung, eigens um zu regu- — 4l — lieren. Oder aber, die Anziehung, die wir brauchen, war ganz von selber da, weil sie den regelmäßigen Requisiten der Ascarisentwickelung zugehört: wenn nämlich am typischen Ascariskeim die Zellen einer jeden Organanlage, z. B. des Darmes, unter sich in einer be- sonderen Art chemotaktischer Wechselwirkung ständen, die sich von der aller übrigen unter- scheidet und nur diese ‘eine Sorte von Zellen zusammenzieht, so müßte eine fremde Darm- zelle, die mit der gleichen Reizbarkeit ausgestattet in den Wirkungsbereich der Darmanlage gelangt, chemotaktisch herbeigeholt und den vorhandenen Zellen angegliedert werden; und hiermit würde das Verhalten der zwei Ventralfamilien unseres Dreifachzwillings dem Ver- ständnisse eröffnet sein. Aber dieser bequeme und in den früheren Fällen bewährte Ausweg scheint uns diesmal versperrt. Es ist aus ökonomischen Gründen nicht glaubhaft, daß in der normalen Entwickelung die Zellen des Entoderms, die ohnehin dicht beisammen liegen und die durch die allgemeine komplexbildende Attraktion am Auseinanderfallen gehindert sind, obendrein noch mit einer besonderen, nur ihnen eigenen Attraktion aufeinander wirken sollten. Ebenso überflüssig scheint eine solche Spezialanziehung bei den Urgeschlechtszellen, oder für Schlund und Mesoderm. Und wenn demnach die Existenz einer sortenweise spezialisierten Anziehung im typischen Keim durch keinerlei unmittelbaren Nutzen motiviert werden könnte, — wäre es dann wohl erlaubt, die Annahme einer solchen normalen Wir- kungsart lediglich damit zu begründen, daß eben im Verhalten des Dreifachzwillings ihre Tätigkeit offenbar geworden sei? Wäre das nicht einfach nur eine Umschreibung des Problems? Setzten wir nicht an Stelle der Regulation, deren Mitarbeit wir nicht zugeben wollen, einen anderen deus ex machina von ebenso großer Unwahrscheinlichkeit’? In den früher analysierten Fällen hätte ich ein so summarisches Verfahren wie die glatte Umdeutung eines „Regulationsgeschehnisses“ in den direkten und einzigen Beweis für das Vorhandensein eines entsprechenden Normalvorganges, nicht zu empfehlen gewagt. Hier aber liegen die Dinge anders. Ich meine aus folgenden Gründen zur Weiterführung unserer Betrachtungsweise auf diesen extremsten Fall berechtigt zu sein. Zunächst ist nicht zu verkennen, daß das Wertverhältnis der beiden konkurrierenden Möglichkeiten sich eigentümlich verschoben hat. Früher stand der Notwendigkeit, den typischen Keim mit neuen Selbstordnungsvorgängen zu belasten, als Tauschobjekt allemal eine Regulation von sozusagen bester Qualität gegenüber: eine solche, die an gründlich ge- störtem Material in Erscheinung tritt und geradewegs zu normalen Verhältnissen überführt. Was aber bei unserem Dreifachzwilling geschah, das wäre, wenn es denn in der Tat als regulatorisch gelten soll, ein Regulationsprozeß von zweifelhafter Güte. Erst wurden gewisse interne Lagebeziehungen der beiden Ventralfamilien, die aus der Klüftung ganz vorschrifts- mäßig hervorgegangen waren, zerstört; aber hatte das so gebrachte Opfer Erfolg? Was der Regulationsvorgang produzierte, der doppelzellige Rumpf nach Art der T-Riesen, ist Ja doch wiederum monströs gewesen, und es bleibt mindestens ungewiß, ob das ent- standene Gebilde den Zielen der typischen Formbildung überhaupt näher kam. Eine derartige „Regulation“ als kausal selbständiges Geschehnis anzuerkennen, fällt uns natürlich besonders schwer. Wenn aber die Wahrscheinlichkeit der regulatorischen Auffassung unseres Falles gemindert ist, so sinkt die Wagschale zugunsten der normal-physiologischen. Zweitens kommt natürlich der Umstand sehr in Betracht, daß die zu beurteilende Leistung des Dreifachzwillings nicht isoliert dasteht, sondern das letzte Glied einer sich Zoologiea. Heft 40. 31 kontinuierlich ändernden Reihe wesensähnlicher Vorgänge bildet. Da aber in all den früheren Fällen Regulation mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, so gewinnt die Annahme, es möchte diesmal nichts anderes sein, weiterhin an Berechtigung. Endlich sprechen gewisse Tatsachen aus der Entwickelungsmechanik fremder Ge- schöpfe — der Ernst der Lage veranlaßt uns, auch solche heranzuziehen — gegen die Regulation und für das normale Vorhandensein einer nach Zellsorten differenzierten An- zıehung bei Ascaris. Eine spezialisierte Wechselwirkung dieser Art ist nämlich anderwärts in überraschend weitem Kreise nachgewiesen worden. Man hatte seit langer Zeit bemerkt, daß bei Doppelmißbildungen gleichnamige Organe miteinander zu verschmelzen pflegen, als zögen sie einander an, — eine naheliegende Vorstellung, die neuerdings durch die experimentellen Arbeiten von Born (1894, 1895, 1897), Joest (1897) und Anderen (s. auch Rabes, 1901) wesentliche Unterstützung gefunden hat. Roux (1896 p. 459) sprach zuerst die Ansicht aus, daß Vorgänge dieser Art auf Cytotropismus der morphologisch gleich- wertigen Zellen beruhen möchten. Ferner hat Rhumbler (1899 p. 83) an Tritonblastulis eine elektive Tendenz der Ektodermzellen, sich zu sammeln, wenn sie zerstreut worden waren, und sich dicht aneinanderzuschließen, experimentell dargetan und zur Erklärung gleichfalls den Cytotropismus herangezogen. Und über die spezielle Physiologie des Vorganges äußert er eine ansprechende Idee, die, wenn sie begründet ist, der gegenseitigen Attraktion gleich- artiger Zellen den Rang einer fast universellen Erscheinung verschaffen müßte. Nach alledem kann die Entscheidung des vorliegenden Falles wohl nicht mehr zweifelhaft sein. Wir leugnen auch diesmal die Existenz einer selbständigen Regulation und erblicken in dem Verhalten des Dreifachzwillings lediglich einen Beweis — in der Tat den einzigen — für das Vorhandensein eines isotropen, nach Zellkategorien verschiedenen Cyto- tropismus im typischen Ascariskeim. - (b Unser Gesamtergebnis aber ist folgendes. Die außernormalen, aktiven, typisch formbildenden Zellverschiebungen, die wir in der Geschichte der Ascaris- Riesen in einiger Häufigkeit angetroffen haben, sind keine Regulationen. Physiologisch betrachtet stellt keine einzige von ihnen ein Novum für die Entwickelung dar; denn die Mittel ihrer Durchführung gehören allemal von Anfang bis zu Ende in das ge- wöhnliche Instrumentarium der Ascarisontogenese: typisch selbstordnende Leistungen, deren programmäßige Aufgabe nicht in der Herstellung neuer, sondern in der Aufrechterhaltung gegebener Situationsverhältnisse besteht, so daß ihr Wirken am normalen Keim nicht in der Form von Dislokationen ohne weiteres erkennbar wird, gelangen durch etwas veränderte Bedingungen zu sichtbarer Betätigung. Das ist alles. Und sehr wahrscheinlich wird sich nicht einmal mit Hilfe dieses äußerlichen, deskriptiven Kriteriums eine Grenze zwischen der typischen und der außernormalen Art des Ablaufs konstruieren lassen. Auch an den völlig normalen Keimen geschieht es durch rhythmische oder sonstige Variationen wohl hie und da, daß Blastomere, die zum aktiven Verharren in einer bestimmten Gruppierung be- rufen sind, von ihrer vorgeschriebenen Stellung —- besonders während der Mitose -- um eine Kleinigkeit abgedrängt werden: der Mechanismus des „Verharrens“ führt sie dann durch eine minutiöse Dislokation an ihr typisches Ziel. — 243 — Wenn wir uns also weigern, außernormale Vorgänge, die mit Geschehnissen der typischen Entwickelung so eng verbunden, in physiologischer Hinsicht sogar identisch sind, als „Regulationen“ in eine besonders abgegrenzte Kategorie zu verweisen, — so geraten wir in Widerspruch mit Driesch. Es geschah nämlich in der jetzt abgeschlossenen Erörterung durchaus nicht zum ersten Male, daß typisch formbildende, dem deskriptiv- normalen Programm aber fremde Vorgänge gänzlich auf die Faktoren der regelrechten Ent- wickelung zurückgeführt werden konnten. Schon 1896 hat Driesch in seiner Schrift über die taktische Reizbarkeit der Mesenchymzellen bei Echiniden einen hübschen und ungemein klaren Fall dieser Art mitgeteilt. Schüttelt man die Seeigelblastula, bis die Mesenchym- zellen von ihrer Bildungsstätte hinweg sich regellos durch das Blastocöl zerstreuen, so gruppieren sich die versprengten Elemente dennoch, wie in der typischen Entwickelung, zur vorgeschriebenen Zeit an zwei bilateral gelagerten Sammelplätzen. Es ist natürlich klar, daß sie hierbei durch ganz den gleichen, von zwei beschränkten Ektodermbezirken aus- gehenden, isotropen Richtungsreiz geleitet werden, der die Zellen des Mesenchyms bei un- gestörtem Entwicklungsverlauf in ihre bilaterale Gruppierung überführt. Von der abnormen Anfangslage abgesehen, ist also bei den geschüttelten Keimen nichts Neues hinzugekommen, jedenfalls gar nichts Physiologisches: der Vorgang verläuft zur typischen Zeit, mit typischen Hilfsmitteln und Resultaten. Dennoch bezeichnet Driesch das selbstverständliche Gescheh- nis als Regulation! — Wenn man weiß, wie lebhaft Driesch gegen unnütze Aufstellung und unscharfe Umgrenzung von Sammelbegriffen zu protestieren pflegt, so kann man sich hierüber wun- dern. Aber des Rätsels Lösung liegt wohl in folgendem. Natürlich hat Driesch den tief- greifenden Unterschied, der zwischen dem Verhalten seiner Mesenchymzellen und echt regu- latorischen Vorgängen, wie etwa die Regeneration der Tritonlinse vom Irisrande aus, be- steht, schr wohl bemerkt. Er hat ihm sogar durch eine besondere Benennung theoretisch Rechnung getragen, indem er alle „Regulationen“, die mit den Hilfsmitteln der normalen Entwicklung vollzogen werden, als „primäre‘‘, später auch als „implicite‘ (1901 p. 74) den sekundären oder expliciten gegenüberstellt, bei denen fremde Faktoren Verwendung finden. Aber in praxi stößt er bei dem Versuche, das eine Gebiet vom andern deutlich abzugrenzen, auf Schwierigkeit. Da ihm nun aus spekulativen Grün- den an der Aufrechterhaltung eines selbständigen, umschriebenen Reiches der Regu- lationen gelegen ist, so entschließt er sich nicht, den Namen „Regulation“ auf diejenigen Vorgänge zu beschränken, in denen der normalen Ontogenesis fremde, wahrhaft regulato- rische Mittel eine Rolle spielen, was doch das nächstliegende gewesen wäre; sondern er nimmt Geschehnisse, die, wie die Ordnung des versprengten Seeigelmesenchyms, sich lediglich deskriptiv von der normalen Entwickelung unterscheiden, mit herein. Ich halte dieses Vorgehen Drieschs nicht nur für unzweckmäßig, indem der terminus technicus „Regulation“ des physiologischen Sinnes, den er ursprünglich besaß, dadurch ganz entkleidet wird, sondern auch methodologisch für anfechtbar. Denn wenn es zur Zeit nıcht gelingt, zwischen den sekundären und primären „Regulationen‘ eine scharfe Grenze zu finden, so ist der Übergang von den letzteren zu normalen Geschehnissen noch weit un- merklicher, vor allem aber, er liegt auf klar überschautem Gebiet: wir wissen, hier be- steht keine Grenze. Nun wird man sich zwar durch den Übelstand, daß der regulatorische re Bezirk weder an dieser noch an jener Stelle scharf abgesetzt werden kann, nicht gleich zur Preisgabe des Regulationsbegriffes bestimmen lassen; besser eine Gruppierung mit unge- wissen Grenzen, als gar keine. Aber es ist doch nicht erlaubt, den provisorischen Grenzpfahl mitten in das wohlbekannte, zusammenhängende Terrain, in dem das ausschließliche Walten der normalen Formbildungsursachen nachgewiesen ist, hineinzupflanzen. Bleiben wir also in Zukunft lieber. bei unserer Betrachtungsweise. Wir nennen jeden außernormalen, typisch formbildenden Vorgang so lange „Regulation“, als seine Zurück- führung auf rein normale Faktoren nicht gelingt. Unsere ökonomische Aufgabe aber ist, möglichst viele von diesen Geschehnissen als lediglich deskriptiv veränderte Wirkungen normal-physiologischer Ursachen aufzudecken. Tief eindringende Analyse der normalen Form- bildung muß der Weg zu diesem Ziele sein. Und unser glücklicher Erfolg bei Ascaris, wo Vorgänge von äußerst „regulatorischem” Ansehen als schlichte Normalwirkungen — allerdings komplizierter Art — entlarvt werden konnten, berechtigt zu der Hoffnung, dal eine fortschreitende Einengung des Regulationsgebietes auch anderwärts gelingen werde. — Im „Allgemeinen Teile“ meiner Schrift findet sich ein Versuch zur weiteren Förderung dieser in prinzipieller Hinsicht so überaus wichtigen Angelegenheit. ll. Spezialgestaltung. Als zweite der eng verbundenen Geschehensarten, die da bewirken, daß der Ascaris- keim in zahlreichen Einzelheiten sich von der Konfiguration eines Seifenschaumes entfernt, bezeichneten wir am Anfange dieses Kapitels die celluläre „Spezialgestaltung“. Wären nur die Faktoren der Komplex- und Epithelbildung in Tätigkeit, so müßten die Zellen durchweg isometrisch, d. h. nach allen Richtungen hin — soweit die Polyedrie es erlaubt — von un- gefähr gleicher Ausdehnung sein. Dies aber trifft nicht zu. Es gibt im normalen Ascaris- keim Zellen, die in geringem oder höherem Grade, zeitweilig oder dauernd anisometrisch, ja selbst völlig irregulär gestaltet sind. Und wir beginnen mit einer gedrängten Übersicht des deskriptiven Bestandes aller solcher Spezialgestalten. Ordnen wir die vorhandenen Abweichungen zunächst nach dem Grade ihrer Aniso- metrie, so ist der primitivste Fall natürlich der, daß die Zelle nach einer einzigen Dimen- sion anisometrisch wird, indem sie sich entweder stabförmig verlängert oder zur Platte ver- kürzt. Axiale Verlängerung zeigt im Stadium IV die Mittelzelle des T-Stammes, EMSt, beim ersten Einsetzen des Dislokationsvorganges; ferner die Zelle P, der nächstfolgenden Stufe. Auch die sonderbar aufgerichtete Kegelform der Schwanzzelle C gehört hierher Fig. NNNN ı). Der ausgewachsene Wurm enthält im Epithel des Darmes und Genitalrohres massenhaft Zellen von einachsig verlängerter Spezialgestalt. — Plattenförmige Verkürzung ist ebenfalls nicht selten. Sie findet sich sehr ausgeprägt an der Urdarmzelle E und ihren beiden Töchtern (Fig. NNNN 2 u. 3), überhaupt bei Zellen, die zum Versinken in die Tiefe bestimmt, oder bereits versunken sind; so auch bei den ins Innere gerückten Elementen des jungen Mesoderms. Andererseits zeigt sich die Urgenitalzelle P, ebenfalls deutlich verkürzt und zwar im gleichen Sinne, wie die Darmzellen (Fig. NNNN 3). Auf älteren Stufen nehmen mancherlei peripher gelagerte Zellen die Form flacher, regelmäßig umgrenzter Scheiben an. — So- dann gibt es Furchungszellen, bei denen die anisometrische Gestaltveränderung zwei zu- einander rechtwinklige Achsen ergreift: die Glieder der oft erwähnten kaudalen Doppelreihe (Fig. EEEE, p. 216) sind einerseits senkrecht zur Keimesoberfläche plattgedrückt, anderer- seits innerhalb dieser Plattenrichtung quer verlängert, so daß sie bandförmig werden. — 1 NNNN. 2 3 1 Normales Stadium VIII von links. 2 Stadium XII im Medianschnitt, 3 Stadium XVI—XXIV von vorn. Noch komplizierter ist die Spezialgestalt der Schwesterzellen mst und aor (Fig. NNNN 3). Diese stehen mit ihrer flachen, gestreckten und eigentümlich geschweiften Halbmondform in auf- fallendem Gegensatze zu den übrigen, regelmäßig umgrenzten Elementen ihres jungen Stadiums. -— Einer der merkwürdigsten und für die Ontogenese wichtigsten Fälle ist die scharfe, seitwärts aus der Medianebene hinaus gerichtete Krümmung der Mittelzelle EMSt, die sich zuvor axial verlängert hatte. Im Stadium VIII wiederholt P, die gleiche Gestalt- veränderung, freilich unter Umständen, die den Vorgang am normalen Keim nicht leicht erkennen lassen, innerhalb der Mittelebene. — Die allerkompliziertesten Spezialgestalten aber finden sich an älteren Larven und fertigen Würmern. Hier schafft die histologische Diffe- renzierung in Drüsen- und Nervenzellen, Muskeln und Spermatosomen Gebilde, an denen jeder Versuch, sie geometrisch zu charakterisieren, hoffnungslos zu schanden wird. Auch hinsichtlich ihrer Dauer unterscheiden sich die in Frage kommenden Form- veränderungen. Einige treten nur ganz vorübergehend auf, z. B. die Streckung und danach folgende Krümmung der Zellen EMSt und P,; andere Spezialgestalten, wie die plattenartige Verkürzung der ersten Darmblastomere, dauern längere Zeit; sie verschwinden erst, wenn die Zelle unter isometrischer Rundung zu einer neuen Mitose übergeht. In flachgedrückten Epithelschichten älterer Stadien erhält sich die Anisotropie auch während der Klüftung, d.h. von Generation zu Generation. Und bei den definitiven, zu weiterer Teilung nicht fähigen Gewebezellen ist die Spezialgestalt eine durchaus dauernde. > ar Die analytische Bearbeitung dieses deskriptiven Tatsachenmaterials hat aus Sparsam- keitsgründen, wie immer, von dem Versuche einer rein mechanischen Erklärung auszu- gehen. Hierzu bietet sich, wenigstens für den größten Teil der fraglichen Phänomene, eine verführerische Gelegenheit. Da die Zellkörper weich und plastisch sind, so steht von Haus aus der Annahme, daß sie durch exzessiven Druck in einer bestimmten Rich- tung komprimiert oder durch Zug gedehnt und selbst verbogen werden könnten, wohl nichts im Wege. Es brauchten nur im Ascariskeim konstante und genügend starke, vor allem aber typisch ungleiche Druck- und Zugwirkungen vorhanden zu sein. — Gibt es denn solche? Als von der Komplex- und Epithelbildung samt ihren isometrischen, dem Plateauschen Prinzip entsprechenden Zellgestalten die Rede war, da wurde eine allgemeine und unbeschränkte Gleitfähigkeit der Blastomere vorläufig vorausgesetzt. Jede Einzelzelle strebt — so lautete unsere Hypothese für sich nach kugeliger Rundung; die Attraktion der Gesamtheit zwingt sie jedoch, polyedrische Form mit Ecken und Kanten anzunehmen. Da nun der Grad dieser zwangsweisen Deformation von der Lage der Nachbarzellen abhängig ist, übermäßige Schärfe der Kanten und Spitzen also durch eine entsprechende Ortsveränderung der Zelle gemildert werden kann, so gleiten die Blastomere, bis durchweg ein Mittelmaß der Polyedrie, ein Gleich- gewicht aller noch unbefriedigten Rundungstendenzen erreicht worden ist. In einem derartig beschaffenen Zellsysteme könnte eine irgendwie entstandene lokale Druckdifferenz, die eine oder mehrere Zellen über das allgemeine Maß hinaus deformiert, sich höchstens vorüber- gehend erhalten: der Überdruck verschwände ganz von selbst in der gleitfähigen Umgebung. Allein wir wissen neuerdings, daß die Voraussetzung einer unbeschränkten Gleitfähigkeit für viele Punkte des Ascariskeimes nicht gilt. Zahlreiche Blastomere, ja ganze Zellfamilien sind durch die Mechanismen des „Verharrens“ in eine bestimmte, dem Plateauschen Prinzip durchaus nicht entsprechende Gruppierung gebannt und können daraus nicht entweichen. Andere Zellen führen prinzipwidrige Konfigurationen durch aktive Ortsveränderung zwangs- weise herbei. Und es ist klar, daß die ursprünglich angenommene Fähigkeit des Zell- komplexes, lokal auftretende Druckdifferenzen gleichmäßig auf das System zu verteilen, durch die Gegenwart aktiv geordneter, gleitunfähiger Gruppen vermindert und stellenweise aufgehoben wird. Lokal verstärkte Spannung kann jetzt entstehen, ohne sogleich zu ver- schwinden. Damit aber rückt die Annahme, daß typisch-anisometrische Zelldefor- mation durch Druck und Zug der Nachbarschaft verursacht werde, durchaus in den Bereich der apriorischen Möglichkeit. Prüft man darauf von Fall zu Fall, ob die besondere mechanische Einwirkung, die die Spezialgestalt einer bestimmten Zelle erklären könnte, auch wirklich zu Gebote steht, so findet man die Sachlage oft ungemein suggestiv in bejahendem Sinne. Daß die seitlich komprimierten Zellen der Mesodermanlage und anderer versunkenen Gruppen ihre Aniso- metrie dem Drucke der links und rechts angrenzenden, durch Selbstordnung in ihrer Lage festgehaltenen Keimbezirke verdanken, erscheint so selbstverständlich, daß keiner von den deskriptiven Autoren ein Wort darüber verliert. Die plattenförmige Verkürzung der Urdarm- zelle haben Zoja (1896 p. 252) und versuchsweise ich selbst auf einen von vorn und hinten wirkenden Druck bezogen, der sich aus der stattgehabten Umordnung im Bereiche des dor- salen Ektoderms ganz wohl ergeben konnte. Die kaudale Doppelreihe erweckt durch ihr aktives Zusammenrücken in eine einzige und doch nur wenig längere Mediankolonne den begründeten Verdacht, daß sie Widerstände in longitudinaler Richtung überwunden hat und dauernd unter Druck verbleibt: dann kann die spangenartige Deformation ihrer Zellen durch eben diesen Druck passiv verursacht sein. Auch liegt es ziemlich nahe, zu denken, die — 247 — Kegelgestalt der Schwanzzelle C werde durch allseitigen Andrang der Nachbarinnen, oder die sonderbare Halbmondform der Zellen mst und uor durch die Skulptur der festgefügten Unterlage, worauf sie ruhen, mechanisch bedingt. Daß die Zellen der ektodermalen Haut- schicht sich plattenartig verdünnen, obwohl doch ein Gegendruck von außen bestimmt nicht vorhanden ist, macht einer rein mechanischen Deutung ebensowenig Schwierigkeit: aktive Selbstordnung könnte die Anzahl der oberflächlich gelegenen Zellen gewaltsam reduziert und so die übrig bleibenden durch tangentialen Zug zu scheibenförmiger Ausdehnung gezwungen haben. Ja selbst die Streckung und Krümmung der Zelle EMSt erlaubt zur Not, wie ich in meiner deskriptiven Arbeit (1896a p. 163) mich darzulegen bemühte, eine mechanische Hypothese: wenn die unterste Zelle der T-Figur, P,, sich aktiv vom Ektoderm zu entfernen strebte, so würde die dazwischen liegende Mittelzelle axial in die Länge gereckt; und träte dann plötzlich ein Umschwung der cytotaktischen Wirkungen ein, indem P, nunmehr nach aufwärts und hinten gezogen würde, so könnte die knieförmige Verbiegung der gedehnten Mittelzelle wiederum mechanische Folge sein. Nur die kompliziertesten Fälle von Spezialgestaltung lassen bei deskriptiver Be- urteilung die Annahme mechanischer Bewirkung nicht zu. Daß eine Muskel- oder Ganglien- zelle mit ihren mancherlei Ausläufern und Anhängseln, ein „büschelförmiger Körper‘ oder eine der seltsam modellierten, von Goldschmidt beschriebenen Arkadenzellen durch Druck und Zug passiv geformt sein sollte, ist a priori ausgeschlossen; und zwar um so sicherer, als diese Gebilde infolge der eigentümlich spongiösen Beschaffenheit des Ascaris- leibes nicht einmal ringsum mit festen Teilen in Berührung stehen, sondern mehr oder minder frei im lockersten Mesenchym gelegen sind. Die Spermatosome erhalten ihre end- gültige Spezialgestalt sogar im Zustande vollkommener Freiheit. Hier wie in den an- deren histologischen Fällen müssen unbedingt aktive Leistungen der Zelle selber im Spiele sein. 3. Wenn also schon der deskriptiv-normale Tatbestand uns zwingt, die Möglichkeit einer aktiv anisometrischen Selbstformung von Einzelzellen zuzugeben, so macht die Geschichte der Riesen durch unsere ökonomische Hoffnung, wenigstens einen großen Teil der Spezial- gestalten mechanisch erklären zu können, gleichfalls einen Strich: die typische Aniso- metrie bestimmter Furchungszellen kehrt — soweit überhaupt Kontrolle möglich war — bei den T-Riesen wieder. Betrachten wir die experimentell geprüften Fälle in der Reihenfolge der Entwickelung, so führt das Schicksal der Riesen gleich beim ersten und wichtigsten Ereignisse: der wechselnden Spezialgestalt der Zelle EMSt, den a priori von uns aufgestellten mechanischen Erklärungsversuch ad absurdum. Zwar läßt sich die Annahme, daß die Mittelzelle eines Riesen, die sich im überreichlichen Raume der Doppelschale sogar weit auffallender in die Länge streckt, als am normalen Keim, durch den Zug der abwärts drängenden untersten Zelle passiv gedehnt worden sei, nicht unmittelbar widerlegen; aber sie verliert durch den Umstand, daß auch die unterste Zelle selbst, die den Vorspanndienst leisten sollte, sich bei den Riesen kräftig zu verlängern pflegt, jedes ökonomische Interesse und alle Wahrschein- lichkeit. Offenbar tritt an beiden Schwesterzellen gleichzeitig aktive Streckung ein; ein Vor-: gang, der in der engen Kugelschale des normalen Keimes nur abgeschwächt zur Geltung kommt, und bei der Zelle P, oft kaum zu bemerken ist. Und daß die spätere Krümmung der gestreckten Mittelzelle nicht passiv durch eine veränderte Zugrichtung der Zelle P, ge- schieht, folgt ohne weiteres aus dem Verhalten unseres zweiten Musterriesen (Taf. III, Fig. 21): dessen Mittelzelle krümmte sich ja in typischer Weise auf eigene Faust, und be- wies damit die kausale Unabhängigkeit ihrer Spezialgestalt von der Bewegungsrichtung ihrer zurückgebliebenen Schwesterzelle. Im Stadium VIII wiederholt P, den Streckungs- und Krümmungsprozeß sowohl in der typischen Ontogenesis, als auch bei allen T-Riesen (Taf. I, Fig. 2 u. 3). War es doch über- haupt erst die Riesengeschichte, durch die unsere Aufmerksamkeit auf das normale Vorhanden- sein des wichtigen, am regelrecht geordneten Keim aber schwer erkennbaren Vorganges gelenkt worden ıst. Natürlich fällt auch für diese Spezialgestalt jeder mechanische Deutungs- versuch hinweg. Die Zelle P, kann durch den „Zug“ der Schwanzzelle weder ın die Länge gereckt, noch verbogen sein; denn diejenigen Keimbezirke, von denen in der normalen Ent- wickelung ein richtender Reiz auf die Bewegungen der Schwanzzelle einwirken könnte, sind ja bei T-Riesen viel zu weit entfernt. Also bewirkt die Zelle P, aktiv ihre doppelte Gestalt- veränderung. 1 0000. 2 il S (| T-Riesen im Stadium VIII (1) und XVI (2). Nach dem Leben. Auch die axiale Verkürzung der Urdarmzelle E vollzieht sich bei T-Riesen unter Be- dingungen, die unsere frühere Annahme, es handle sich dabei um longitudinale, mechanisch verursachte Kompression, sogleich aufs bündigste widerlegen. Exzessiver Druck in der Längsrichtung könnte vielleicht am typischen Embryo durch die Selbstordnung des Ekto- derms, mit dem die Ventralfamilie an beiden Enden in Berührung steht, verursacht sein. Bei den T-Riesen aber liegt die ventrale Zellensäule frei. Und wenn die Urdarmzelle sich dennoch oft in demselben Grade verkürzt, wie in der normalen Ontogenesis (Fig. OO00 ı, ferner p. 20), so besteht an der aktiven, physiologischen Bewirkung dieser Spezialgestalt nicht der geringste Zweifel. Ganz das gleiche gilt im nächstfolgenden Stadium für EI und EN, sowie für die Urgenitalzelle, die sämtlich bei T-Riesen die vorschriftsmäßige axiale Verkürzung ohne jede Möglichkeit einer mechanischen Kompression produzieren können (Fig. OOOO2). — 249 — ‚Die Schwanzzelle C erhält ihre Kegel- oder Birnenform bestimmt nicht — wie man bei deskriptiver Beurteilung glauben durfte — durch den allseitigen Druck ihrer aktiv ge- ordneten Nachbarinnen; denn an dem p. 200 geschilderten Riesen fand sich die gleiche sonderbare Spezialgestalt trotz wesentlich veränderter Nachbarschaftsverhältnisse. Und daß die Halbmondform von mst und uor mit der Skulptur der Unterlage in Wirklichkeit nichts zu schaffen hat, ist durch die Geschichte unseres Musterriesen vom zweiten Typus, wo diese Blastomere stark deplaciert und dennoch typisch gestaltet waren (Taf. III, Fig. 38), deutlich bewiesen worden. Weiter reicht mein experimentelles Material, da von der Gastrulationsperiode ab die genealogische Analyse der T-Riesen aufhört zuverlässig zu sein, zur Zeit noch nicht. Ich kann nicht sicher entscheiden, ob die’ seitlich komprimierte Form der versunkenen Meso- dermelemente rein passiv durch Druck entsteht, oder ob vielleicht die Zellen sich selber eine Gestalt verschaffen, die für das Eindringen in schmale Räume günstig ist. Auch finde ich diejenigen Zellen der Oberflächenschicht, die sich an älteren Keimen in dünnes Platten- epithel verwandeln, bei T-Riesen nicht einzeln wieder, weiß also nicht bestimmt, ob die Spezialgestalt jener Zellen bei einer Veränderung der Konfigurations- und Druckzustände auftritt oder verschwindet. Ebenso bleibt leider ungewiß, ob die Zellen der vielgenannten kaudalen Doppelreihe sich während des Einrückens in die Medianlinie aktiv in querer Rich- tung verlängern, oder ob wirklich ein longitudinaler Druck vonnöten ist, um ihre schmale Spangenform mechanisch herbeizuführen. In allen drei Fragen spricht jetzt die größere Wahrscheinlichkeit für aktiven Ursprung der Spezialgestalt. Und ich kann immer- hin erwähnen, daß ich bei vielen älteren T-Riesen zwischen Haut und Darm mesoderm- ähnliche Zellengruppen von platter Form gefunden habe: daß ferner bei allen in leidlicher Gesundheit zu höherer Stufe entwickelten Individuen regionenweise Abflachung gewisser oberflächlich gelegener Zellen geschieht, die dem normalen Hautepithel genealogisch recht wohl entsprechen könnten. Wie dem auch sei: bei sämtlichen in jüngeren Stadien vorkommenden Fällen von anisometrischer Zellgestalt ist jedenfalls die Nichtbeteiligung mechanischer Faktoren, d.h. die aktive Natur des Geschehnisses einwand- frei festgestellt. Und da die Bildung der histologischen Spezialgestalten vom Aus- gang der Ontogenesis bereits auf deskriptive Gründe hin als aktiv bezeichnet werden konnte, so überblicken wir jetzt das ausgedehnte Wirkungsfeld einer neuen und hochbedeutsamen Ge- schehensart im Ascariskeim: der aktiven Spezialgestaltung von Einzelzellen. 4. In aller gebotenen und durch die gesammelte Erfahrung zum Glück auch ermög- lichten Kürze besprechen wir noch, wie denn der Mechanismus der neuen Geschehens- art beschaffen sei. Was zunächst die Fähigkeit der aktiven Gestaltveränderung an sich betrifft, so ge- nügt für unsere Zwecke der Nachweis, daß jene als eine besondere Form der amöboiden Bewegung begriffen werden kann. Bewegung und Gestaltung sind ja auch im Reich der niedersten freien Zellen, der Sarkodinen, ein und dasselbe Problem. Wie die ruhende Zoologica. Heft 40. 32 — 250 — Amöbe, indem sie zur Bewegung übergeht, ihre Kugelgestalt durch tiefgreifende Verschie- bung und Strömung ihrer Plasmateile in eine oblong gestreckte, gelappte oder strahlig ver- zweigte, immer aber charakteristische Eigenform verwandelt, so können auch im Plasmaleib einer Ascariszelle aktive Umlagerungen vor sich gehen, die eine Verlängerung, Verkürzung oder sonstige Differenzierung der isometrischen, d.h. von Haus aus kugelrunden Zellgestalt zur Folge haben. — Daß wir die kugelige Ausgangsform, die bei Amöben als rein mecha- nisches Ergebnis der homogenen ÖOberflächenspannung gilt, bei Ascaris bereits als eine aktive Leistung betrachten mußten, macht keinen wesentlichen Unterschied. Tritt die Formwandlung einer Ascariszelle nur vorübergehend auf, wie die Streckung und Krümmung der Zellen EMSt und P;,, so ist die Vergleichbarkeit des Geschehens mit amöboider Bewegungsweise eine unbeschränkte. Wenn aber die amöboid erreichte Spezial- gestalt sich längere Zeit wie in der Darmanlage — oder gar dauernd erhält, wie bei den histologisch differenzierten Gewebezellen, kommt sehr wahrscheinlich noch ein weiterer Faktor hinzu: zeitweilige oder dauernde Gerinnung eines Teiles des plas- matischen Wabenwerkes, so daß ein inneres elastisches Gerüst die Aufrechterhaltung der Form garantiert. Koltzoff (1903) und Gurwitsch (1904 p. 21) haben für andere Zellen von permanenter Spezialgestalt die Notwendigkeit innerer Stützgerüste hervorgehoben. Wichtiger ist für uns die Frage nach denjenigen Ursachen, die da bewirken, daß die aktive Spezialgestaltung der Ascariszellen — mit Ausnahme der freigewordenen Spermato- some — allemal typische Richtungen zum Gesamtkörper innehält. Warum ver- längert sich die Zelle EMSt vertikal, die Schwanzzelle C radiär nach außen, warum nimmt die Urdarmzelle die Form einer transversal gelagerten Platte an, wie kommt es, daß eine Bindegewebs- oder Ganglienzelle mit ihren langen und komplizierten Fortsätzen die vorschriftsmäßigen Kontaktverhältnisse an typischen Orten zu finden vermag? A priori könnte der Grund jeder derartigen Richtungsbestimmung außerhalb der Zelle oder inner- halb gelegen sein. Es läßt sich erstens denken, daß die mit der Fähigkeit anisometrischer Selbstgestaltung ausgerüstete Zelle zu ihrer typischen Orientierung im Keim eines taktilen oder chemischen Reizes aus ihrer typisch geordneten Nachbarschaft bedarf: in der Rich- tung dieses Reizes produziert sie jene inneren Ströme, die die Verlängerung, Verkürzung oder sonstige Umgestaltung ihres Leibes zur Folge haben. So liefert vielleicht die Be- rührungsfläche EMSt|P, den Richtungsreiz für die abwärts gewendete Verlängerung der Mittelzelle; oder die epithelialen Hautschichtzellen älterer Keime dehnen sich scheibenartig in der Richtung des sie ringsum treffenden Kontaktreizes ihrer Nachbarinnen, d.h. tangential. — Andererseits besteht die Möglichkeit, daß innerhalb einer Zelle .alle jene Kompli- kationen vorhanden sind, durch die nicht nur die aktive Formveränderung an sich ermög- licht, sondern auch ihre Richtung nach der typischen Vorschrift geleitet wird. Im Lichte des ökonomischen Prinzipes stellt sich die apriorische Wahrscheinlichkeit der einen und der anderen Hypothese wie folgt. Wenn die Richtung, in der die Formver- änderung einer Zelle vor sich geht, scharf und sichtbar in der Umgebung markiert ist, z. B. durch die Lage einer zweiten Zelle, einer Kontaktfacette oder ähnlichem, wovon ein Rich- tungsreiz geliefert werden könnte, während man andererseits innerhalb der sich gestalten- den Zelle eine entsprechende Differenzierung nicht kennt und eigens fordern müßte, — dann ist natürlich die Annahme äußerer Reizbestimmung sparsamer, d.h. wahrscheinlicher. Daß _ 2331 — eine junge Ganglienzelle mit ihren Fortsätzen Anschluß an weit entfernte Punkte gewinnt, ist nicht besonders erstaunlich, sobald ihre Selbstgestaltung durch Richtungsreize von jenen typischen Punkten aus gelenkt und zu sich hingezogen wird. Müßte sie ihre Ziele ohne solche Hilfe von außen erreichen, so würde ein sehr erheblicher Mehraufwand an innerer Komplikation Voraussetzung sein. Anders, wenn etwa die Richtung der äußeren Formver- änderung mit einer nachweisbar vorhandenen inneren Differenzierungsrichtung zusammen- fällt: dann wäre die Annahme einer rein internen Kausalität mindestens ebenso sparsam als die von äußeren Richtungsreizen. Und überblicken wir jetzt die Fälle, für die eine solche Möglichkeit bei unserer beschränkten Kenntnis der inneren Strukturen allein in Frage kommt, d. h. die wenigen Spezialgestaltungen der jugendlichen Stadien, so stehen wir dem recht bemerkenswerten Faktum gegenüber, daß eine solche Richtungsgleichheit der äußeren Anisometrie mit inneren Differenzierungen nicht etwa selten, sondern zumeist, am Anfang der ÖOntogenese sogar ausnahmelos gefunden wird. Gewiß läßt die vertikale Streckung der Zelle EMSt die Annahme zu, daß genau von unten, nämlich von ihrer Schwester P;, ein Reiz zur Verlängerung in dieser Linie an sie herangetreten sei. Aber indem die Mittelzelle sich so verhielt, hat sie zugleich die Richtung ihrer eigenen, vertikal gestellten Primärachse eingehalten; und diese innere Achsenrichtung ist, wie wir aus dem Kapitel der Spindelstellungen wissen, strukturell differenziert. Für die Streckung der untersten Zelle selber gilt das gleiche. Nicht minder aber auch für die axialen Verkürzungen der Blastomere E, EI und EI, P,, die sämtlich mit der Richtung der von Haus aus senkrechten, inzwischen aber horizontal gewordenen Achsenstruktur der Ventralfamilie zusammenfallen. Wenn sich bestätigt, daß die seitlich komprimierte Spezialgestalt der ver- sunkenen Mesodermzellen und die quere Spangenform der Kaudalreihe aktiv hervorgebracht werden, so steht uns, um die typische Orientierung dieser Vorgänge zu erklären, das sicher nachgewiesene paramediane Schichtsystem der Ventralfamilie mindestens eben so wohlfeil zu Gebote, als irgend ein äußerer Richtungsreiz. Besonders wichtig und ökonomisch wertvoll aber ist die sich bietende Möglichkeit, auch die typisch gerichteten Krümmungen der Zellen EMSt und P,, für die schon am nor- malen Embryo äußere sichtbare Richtungspunkte, die einen Reiz entsenden könnten, kaum aufzufinden sind, zwanglos auf nachgewiesene innere Differenzierung zurückzuführen. Wenn die Zelle P, im Stadium VIII sich dorsalwärts und zwar genau in der Mittellinie empor- - biegt, so kann die richtende Ursache der die Formwandlung bedingenden inneren Plasma- ströme in jener horizontalen, von unten nach oben differenzierten Schichtung, die für die ganze Ventralfamilie, also auch P,, erwiesen ist, gelegen sein (vgl. p. 218). Diese selbe, am achtzelligen Embryo horizontal gelagerte Differenzierung steht im T-förmigen Stadium IV noch aufrecht und so gegen den späteren Zustand gedreht, daß die künftige Dorsalseite des T-Stammes an seiner einen Flanke zu suchen ist; und zwar entspricht sie, wie wir kürzlich (p. 219) nachgewiesen haben, derjenigen Seitenfläche, nach der die Schwenkung des unteren Paares, d.h. die Krümmung der Mittelzelle EMSt von statten geht. Wir kennen also nicht nur eine von links nach rechts durchgehende Differenzierung der Mittelzelle, die zu quer gerichteten inneren Strömungen und seitlicher Verbiegung den Anlaß geben könnte; sondern diese Differenzierung wäre genau die gleiche, die auch der Krümmung der Zelle P, zugrunde liegt. Und offen- bar müßte eine solche Möglichkeit, zwei äußerlich übereinstimmende Geschehnisse auf einen und denselben Mechanismus zurückzuführen, überaus sympathisch sein. Fassen wir jetzt das Ergebnis unserer Wahrscheinlichkeitsberechnung a priori zu- sammen, so gibt es Fälle der Spezialgestaltung, bei denen die Annahme äußerer Richtungs- reize, andere, wo die Erklärung durch ausschließlich interne Hilfsmittel sparsamer ist, end- lich Fälle von indifferenter Wahrscheinlichkeit. Leider versagt das experimentelle Material, von dem die Entscheidung aller dieser Fragen erhofft werden könnte, fast ganz: die Kon- figuration meiner T-Riesen war zwar in hinreichendem Maße gestört, um die Beteiligung mechanischer Faktoren an der Spezialgestaltung auszuschließen, nicht aber so, daß auch die möglichen Reizverhältnisse in analytisch brauchbarem Grade verändert worden wären. Vor allem scheiden die zahlreichen Fälle axialer Verlängerung und Verkürzung gänzlich aus. Denn da die in Betracht kommenden Zellen, nämlich EMSt, P;, E und ihre beiden Töchter, P, und P,, ihr ursprüngliches Kontaktverhältnis zu mindestens einer der in axialer Richtung anstoßenden Nachbarzellen auch bei den T-Riesen beibehalten, so bleibt offenbar in allen diesen Fällen für beide Möglichkeiten der Richtungsbestimmung Raum. Z. B. könnte die axiale Verkürzung der Urdarmzelle bei dem in Fig. OOOO (p. 248) dargestellten T-Riesen ebensogut durch den Richtungsreiz der Zelle P, als durch innere axiale Strukturen vor- schriftsmäßig dirigiert worden sein. Nur für einen einzigen Fall liefert die Geschichte der abnormen Keime bisher einen wirklichen Beweis. Die Zelle P, krümmt sich bei allen T-Riesen genau in der von der Ventralfamilie markierten Mittelebene dorsalwärts, obgleich das Ektoderm, das den Richtungsreiz liefern könnte, in weiter Ferne und gänz- lich atypischer Orientierung gelegen ist. Besteht aber hier über die Unabhängig- keit der sich gestaltenden Zelle von äußeren Richtungsreizen kein Zweifel, so wird der gleiche Schluß für den Parallelvorgang der Zelle EMSt überaus wahr- scheinlich; um so mehr, als wir auf deskriptive Gründe hin bereits entschlossen waren, in beiden Fällen der Annahme ausschließlich innerlicher Bewirkung, als der minder kom- plizierten, den Vorzug zu geben. Daß wir unter diesen Umständen und nach allen unseren früheren Erfahrungen zu einer weiteren Ausdehnung der rein internen Hypothese, mindestens noch auf die Fälle axial- anisometrischer Spezialgestalt, die größte Neigung verspüren, ist unsere private Angelegen- heit und kommt für das Gesamtbild dieser Vorgänge nicht wesentlich in Betracht. Aus öko- nomischen Gründen muß doch für gewisse Einzelfälle, besonders die Selbstgestaltung der komplizierten Gewebezellen, an der Annahme äußerer Richtungsreize bis zum Beweis des Gegenteils festgehalten werden. N. Am Schluß der speziellen Untersuchung angelangt, fassen wir jetzt noch einmal das- jenige Geschehnis ins Auge, das durch die Klarheit seines Verlaufs ein wahres Paradigma in mancherlei Fragen der Formbildung zu liefern geeignet ist: die Umordnung des Vier- zellenstadiums. Hier liegt noch ein eigentümliches, bisher nur flüchtig berührtes Problem. — 29 — Der vorhin erbrachte Nachweis, daß die für den typischen Hergang so wichtige Formwandlung der Zelle EMSt, ihre axiale Streckung und seitwärts aus der T-Ebene herausgerichtete Krümmung aktive Vorgänge sind, und die fast sichere Zurückführung derselben auf rein interne Mechanismen haben die Gesamtkomplikation des Keimes, wie schon hervorgehoben wurde, nicht vermehrt. Die wohlbekannte, primär-axiale Struktur der Mittelzelle, die ihrer Spindel die senkrechte Lage weist, genügt als orientierendes Hilfsmittel auch für die vertikale Verlängerung. Und andererseits wird die Fähigkeit der Zelle, sich nach einer bestimmten Flanke — der künftigen Dorsalseite — hin aktiv zu verbiegen, durch die aus den Versenkungsprozessen erschlossene, später dorsiventrale, hier aber noch quer von Seite zu Seite durchgehende Differenzierung vollauf erklärt. Seitdem wir aber wissen, daß die „Dorsiventraldifferenzierung‘‘ der Ventralfamilie im T-förmigen Stadium IV nicht nur vorhanden ist, sondern bereits als wichtiger Mechanismus funktioniert, gewinnt eine schon früher erwähnte, bei der Genauigkeit aller sonstigen Vor- schriften nicht wenig auffallende Variabilität im Schicksal dieses Stadiums erhöhtes Interesse. Die Krümmung der Zelle EMSt geschieht ebenso oft nach der rechten als nach der linken Seite. Also muß diejenige Differenzierung ihres Plasmaleibes, die jetzt der Konkavität und nach erfolgter Schwenkung der Dorsalfläche entspricht, in der Hälfte der vierzellig-T-förmigen Ascariskeime links, in der vamdern Hälfte rechts von der Mittelebene gelegen sein. Allein die unvermeidliche Existenz dieser zweierlei Ascariskeime wird durch folgende Überlegung noch weit befremdlicher. Wir wissen, daß die spätere Entfaltung der Ventral- familie zwar im großen und ganzen bilateral von statten geht, daß aber dennoch in ge- wissen Einzelheiten die Symmetrie von links und rechts in typischer Weise durchbrochen wird. So verschieben sich die vier ersten Entodermzellen im Innern der Furchungshöhle asymmetrisch nach einer bestimmten Regel (vgl. p. 239); die beiderseitigen Schlundanlagen nehmen auf älteren Stadien durchaus verschiedene Gruppierung an (zur Strassen 1896a Taf. VIII, Fig. 34a); und das merkwürdig ungleiche Schicksal der Zellen cI2 und ylz, deren Familiengeschichte durchaus bilateral verlaufen war, ist in den Kapiteln über die Teilungs- richtung und den Teilungsmodus besprochen worden (p. 148 u. 161). Natürlich setzt in allen diesen Fällen das ungleiche Verhalten der beiden Körperhälften entsprechende Asymmetrie der Plasmadifferenzierung voraus. Und diese einseitigen Strukturen wiederum müssen vom Ei her im Erbgang auf die betreffenden Blastomere übertragen worden sein. So gelangen wir zu der Folgerung, daß bereits das T-förmige Vierzellenstadium in seinem unteren Zellen- paare einige feine strukturelle Asymmetrien enthält, die derartig lokalisiert sind, daß sie nach Ablauf der Schwenkungs- und Drehungsvorgänge programmgemäß links oder rechts von der Mittelebene zu liegen kommen. —. Und welches ist ihre Anfangsstellung am Stamme der T-Figur? Wo liegen hier z. B. die Strukturen, denen später die linke Zelle yl2 ihre abweichende Spindelrichtung und Teilungsgröße verdankt? Das hängt offenbar von der Schwenkungsart des T-Stammes ab. Geht die Schwenkung über die linke Seite des Embryo, wobei die Längsachse des ventralen Paares eine Vierteldrehung „links herum“ erfährt, so gelangt nach Abschluß der Dislokation die früher kopfwärts gerichtete Fläche der gedrehten Zellen auf die linke Flanke (Fig. PPPP, folg. S.). Für diese Körperhälfte bestimmte Strukturen müssen also im T-Stadium kranial gelegen sein. Wenn aber die Schwenkung a anders herum vollzogen wurde, dann kommt die ursprünglich hintere Fläche des T-Stammes nach links, und für die Anfangslage der links-asymmetrischen Differenzierung gilt das um- gekehrte. Hiernach besteht auch für die Ausgangsstellung der asymmetri- schen Strukturen eine doppelt entgegengesetzte Möglichkeit. Und diese 1 BBRPF. 2 3 59 Stadium IV während der Schwenkung über die linke Flanke. Von links gesehen. Die ursprünglich vordere, zuletzt linke Fläche jeder Ventralzelle ist durch einen schraftierten Kreis bezeichnet. zweite Sorte von Variabilität muß, wenn unsere präformistische Lehre richtig ist, mit der vorhin genannten in einer streng gesetzmäßigen Weise verbunden sein: Liegt die künftige „Dorsalstruktur‘ ‘am T-Stamm links, so befindet sieh die „Kınks- struktur. allemal vorne, liegt jene rechts, so entspricht die Kınkssfruktur ebenso konstant der Hinterfläche. — Andernfalls müßten sich Embryonen finden, bei denen die typische Asymmetrie der Ventralfamilie von links nach rechts vertauscht wäre; was jedoch (außer bei den total-inversen Keimen, von denen hier nicht die Rede ist) niemals geschieht. Wie hängt das nun zusammen? Denkt man sich das diametrale Schwanken in der Anfangslage der beiderlei Strukturen als ein dem Zufall preisgegebenes „Hinüberspringen“ von links nach rechts und von vorn nach hinten; oder auch so, daß jede von diesen Struk- turen doppelt vorhanden wäre, aber nur einseitig aktiviert würde, so ließe sich in der Tat schwer begreifen, warum die künftige Linksstruktur sich den Launen der bald an dieser, bald an jener Flanke des T-Stammes auftauchenden Dorsaldifferenzierung durch kompensa- torisches Vor- und Rückwärtsspringen so folgsam anschmiegen sollte. Ja, die zwingende Not- wendigkeit, mit der wir zu dieser unwahrscheinlichen Forderung getrieben würden, er- schütterte sogar das Vertrauen in die Richtigkeit unserer präformistischen Theorie. Allein der ganze Zusammenhang läßt eine andere, für uns günstigere Deutung zu. Man durchschaut zunächst mit Leichtigkeit, daß die geforderte konstante Lagebeziehung zwischen der dorsiventralen und der Linksrechts-Struktur im T-Stamm selbstverständlich wird, sobald wir uns den gleichzeitigen diametralen Ortswechsel der beiderlei Strukturen durch eine in toto ausgeführte Achsendrehung des ventralen Zellenpaares um 180° vermittelt denken. Befand sich z. B. die Dorsalstruktur auf der linken Flanke, die Links- struktur vorn, so würde durch eine halbe Umdrehung jene nach rechts, diese nach hinten befördert. Nur fragt sich eben, ob es erlaubt sei, das Auftreten eines so seltsamen und anspruchsvollen Geschehnisses, wie die halbe Umdrehung der unteren gegen die obere Keimeshälfte wäre, noch dazu ohne ersichtlichen Nutzen und in ausgerechnet 50% der Fälle ED anzunehmen? Hierzu bietet sich in der Tat Gelegenheit auf Grund einer Überlegung, die um so mehr für sich hat, als sie zugleich zu wesentlichen Vereinfachungen an einer anderen Stelle führt. Unsere bisherige Hypothese über die Lage und Herkunft der inneren Strukturen im T-förmigen Vierzellenstadium war in einem Punkte wenig sympatisch. Es wurde ange- nommen, daß die für die linke und rechte Seite der späteren Ventralfamilie bestimmten, im T-Stadium aber noch rechtwinklig deplacierten Strukturen sich schon von Anfang an, d.h.vom Ei her in dieser verbesserungsbedürftigen Lage befunden hätten. Dies leuchtet nicht recht ein. Das Ei, als Fundament der Entwickelung, sollte, so meint man, mit seinem inneren Gefüge in einer minder künstlichen Beziehung zu den Hauptachsen des werdenden Körpers stehen. Und diese Empfindung macht sich besonders geltend, wenn man bedenkt, daß dasjenige Ereignis, dem der Keim die schließliche Rektifikation seiner morphologischen Hauptrichtungen verdankt — nämlich die seitliche, mit einer Achsendrehung verbundene Schwenkung des T-Stammes im Stadium IV —- allem Anscheine nach ein neuer Er- werb der Ascarisontogenese ist; ein kleiner Kunstgriff, der die Umordnung des T zum Rhombus in der allzu knappen Kugelschale erleichtern soll, und der anderen Nematoden vermutlich fehlt. Wir begreifen vom ökonomischen Standpunkte aus sehr wohl, warum bei dieser Gelegenheit nicht einfach unter Beibehaltung aller Hauptachsen ein Mechanismus der wirklichen Lateralverbiegung geschaffen, sondern eben die rechtwinklige Frontver- änderung der unteren Keimeshälfte eingeführt wurde, die das Verhalten der Mittelzelle in morphologischem Sinne als eine Dorsalkrümmung erscheinen läßt: nach diesem originellen Rezepte konnte ja die fix und fertig vorhandene „Dorsiventraldifferenzierung‘ der Familie, wohl gar derselbe Apparat, der eine Stufe später die analoge Krümmung der Zelle P,; zu besorgen hat, sehr haushälterisch verwendet werden. Wenn wir aber fragen, wie denn die hierzu erforderliche Vierteldrehung der unteren Keimeshälfte sich stammesgeschichtlich voll- zogen habe, empfinden wir die Annahme, daß diese sekundäre, ad hoc geschaffene Alteration gleich bis aufs Ei oder wohl gar noch weiter zurückverlegt worden wäre, als gewaltsam und unökonomisch. War nicht der Modus zweckmäßiger, daß die wünschenswerte Um- drehung kurz vor ihrem Gebrauch, vielleicht im Zweizellenstadium, durch einen beson- deren, horizontalen Drehungsvorgang geschaffen wurde? Ein Mechanismus, der das bewirken konnte, stand ja fast unmittelbar bereit. Wir haben die „rollende“ Drehung des T-Stammes um seine Längsachse, die bei der Rektifikation der Hauptebenen so wichtig ist, auf chemotaktische Wechselwirkung zwischen zwei aufrecht stehenden, aber ge- kreuzten Schichtsystemen der T-Figur zurückgeführt: die mediane Schichtung der oberen Keimeshälfte und das zu dieser Zeit quer gelagerte (morphologisch gesprochen aber ebenfalls mediane) System der unteren ziehen sich plötzlich an. Warum sollte nicht die vorbereitende, reziproke Rollbewegung, deren wir bedürfen, auf Grund entgegengesetzt ge- stimmter Attraktionsverhältnisse vorausgegangen sein? Denken wir uns, im neugeborenen Stadium II sei der Gesamtplan noch der morphologisch richtige: oben und unten stimme die Lage der Mittelebene überein; hierauf aber trete das obere mediane Schichtsystem mit queren (morphologisch transversalen) Schichten der unteren Zelle in Attraktion; — so würde durch diesen unschwer zu gewinnenden Mechanismus die gekreuzte Stellung der oberen und unteren Medianebene, die spätestens im T-förmigen Vierzellenstadium etabliert sein muß, —— Bi herbeigeführt. Und damit wären wir der unsympathischen Verpflichtung ledig, schon für das Ei eine kreuzweise Verwerfung der Hauptachsen anzunehmen. Allein dieser kleine Nachtrag zur Theorie der frühesten Verschiebungen offenbart erst dadurch seinen ganzen ökonomischen Wert, daß er uns zugleich für die noch immer rätsel- hafte harmonische Stellungsvariabilität der asymmetrischen und der dorsiventralen Diffe- renzierungen des T-Stammes eine zwanglose Erklärung liefert. Wir sagten uns zuletzt, die Seltsamkeit dieser Harmonie verschwände, sobald wir glaubhaft machen könnten, daß der T-Stamm sich bei der Hälfte aller Fälle um 180° in toto um seine Achse dreht. Nun wohl, unsere jetzige Ansicht vom Gang der Dinge schließt zwar die geforderte halbe Umdrehung als solche nicht ein, führt aber fast notwendig zu der Folgerung, daß ein im Effekt mit jener identisches Geschehnis wirklich vorhanden ist. Da es sich bei der ersten, vorbereitenden Kreuzung der Medianebene lediglich darum handelt, die hintere (morphologisch gesprochen dorsale) Fläche der unteren Keimeshälfte „nach der Flanke“ zu drehen, die Richtung aber, in der diese rechtwinklige Dislokation geschieht, vollkommen gleichgültig ist, so wird die Entscheidung darüber schon aus Gründen der Sparsamkeit dem Zufall, d.h. winzigen und ganz und gar atypischen Differenzen von Ei zu Ei, überlassen sein. Die erste horizontale Drehung erfolgt also teils nach links, teils nach rechts; es wird T-förmige Vierzellenstadien geben, bei denen die Dorsalstruktur an der linken Flanke, die Linksstruktur kopf- wärts gelegen ist, und solche mit diametral entgegengesetzter Lage beider Differenzierungen. Das numerische Verhältnis dieser beiden Varianten aber gestaltet sich nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit wie ı:ı. Quod erat demonstrandum. Jetzt erst überblicken wir ganz die kleine Szene, die sich an der Schwelle der Ascaris- entwickelung wie ein Probestück der kommenden Erstaunlichkeiten so auffällig präsentiert. Wohl hat sich die Dislokation der unteren Keimeshälfte gegen die obere deskriptiv als etwas komplizierter herausgestellt, als äußerlich zu erkennen ist; in teleologischer Hinsicht aber wie auch in kausaler erscheint uns der Hergang, seit wir ihn gut begreifen, so ein- fach und natürlich, daß ich mich hinterdrein fast wundere, ziemlich viele Zeit und Mühe zu seiner erschöpfenden Darstellung gebraucht zu haben. Die untere Keimeshälfte hat zunächst den Spezialauftrag, im T-förmigen Vierzellen- stadium seitwärts aus der Medianebene auszubrechen, damit Raum für die bevorstehende Überführung des T-Stammes in Horizontallage geschaffen wird. Zu diesem Zwecke sind zweierlei Mittel vorgesehen: erstens axiale Verlängerung der ventralen Zellen, was in der engen Kugelschale fast notwendig zu einem Ausgleiten aus der T-Ebene führen muß; zweitens hakenförmige Biegung der Zelle EMSt nach der Seite. Ungünstigerweise liegt aber die strukturell begründete Biegungsfähigkeit der Familie just in der Richtung der Mittel- ebene, aus der sie doch hinausführen sollte. Was geschieht? Die untere Keimeshälfte rotiert einige Zeit vor dem gestellten Termin als Ganzes nach irgend einer Flanke hin, führt da- selbst programmgemäß ihr Kunststück aus und dreht sich wieder zurück. Ungefähr, wie ein Mensch sich in Positur setzt, um eine Arbeit unter zweckmäßigster Verwendung seiner Kräfte vorzunehmen. Inzwischen wird dann —- bald etwas früher, bald später beginnend — die möglich gewordene horizontale Umlegung des T-Stammes ausgeführt. — 2337 — Die Mechanismen aber, die solche Bewegungen vermitteln können, sind folgende. Die zweimalige entgegengesetzte Rotation wird dadurch ermöglicht, daß die Ventralfamilie zwei aufrechtstehende, miteinander gekreuzte Schichtsysteme enthält, die successive mit der Medianschichtung des Ektoderms in chemotaktische Wechselwirkung treten. Nachdem von Haus aus im ganzen Keim Gleichsinnigkeit der medianen und bilateralen Strukturen be- standen hatte, wird auf einer früheren Stufe das untere quergelagerte System plötzlich aktiviert: horizontale Drehung der ventralen Keimeshälfte um 90°, und zwar beliebig links- oder rechtsherum, ist die Folge. Nach einer von anderen Vorgängen ausgefüllten Pause wechselt dann die chemotaktische Stimmung dieser Schichten zum zweiten Male. Das trans- versale Schichtsystem der Ventralfamilie, das sich die Lage in der Mittelebene erzwungen und damit eine Verwirrung der Längs- und Querachsen angerichtet hatte, wird indifferent; das untere mediane System aber strebt jetzt seinerseits nach Ausgleich mit dem oberen, und die rückläufige Rotation, die alles wieder in Ordnung bringt, wird eingeleitet. — Für die aktive Längsstreckung seiner Zellen bedient sich der T-Stamm der Axıalstruktur. Die seit- liche Krümmung von EMSt beruht auf der „dorsiventralen“, zur kritischen Zeit allerdings quer gelagerten Plasmadifferenzierung. Endlich bewirkt ein transversales, von vorn nach hinten differenziertes Schichtsystem der oberen Hälfte in Wechselwirkung mit einem ent- sprechenden, aber anfangs horizontal gelagerten System des T-Stammes die schwanzwärts gerichtete pendelnde Überführung des letzteren in die Horizontalebene. Zoologiea. Heft 40. Achtes’Rapitel. Zusammenfassung und Abschluss der cellulären Entwicklungsmechanik. Nachdem in Einzelanalysen die sämtlichen formbildenden Geschehensarten auf ihre passive oder aktive Natur und auf die Lokalisation ihrer Ursachen außerhalb oder innerhalb der betreffenden Zellen untersucht worden sind, soll ein Gesamtbild von der Kausalität der Ascarisentwickelung, so gut es zurzeit gelingt, entworfen werden. Insbesondere gehen wir auf die bisher nur hie und da berührte Frage der „Vorbedingungen“ ein wenig genauer ein. Zum Schlusse fällt dann die Entscheidung, ob und in welchem Grade die Ontogenese von Ascaris Selbstdifferenzierung genannt zu werden verdient. 14 Gruppieren wir zunächst unser Material nach Maßgabe der am Beginn des Analyti- schen Teiles begründeten ökonomischen Stufenleiter, so gibt es, wie wir sahen, keine spar- samere und einfachere Denkmöglichkeit als die, daß alle oder einzelne Geschehnisse der Formbildung durch Druck- oder Zugverhältnisse, die aus der sichtbar vor- handenen Komplikation des Keimes herzuleiten sind, passiv verursacht werden. Allein unser pflichtmäßig wiederholter Versuch, mit diesem billigsten Erklärungsmittel aus- zukommen, schlug fast in jeder Einzelfrage fehl. Der Dottergehalt, der als mechanischer Faktor im Inneren der Zellen auf manche Formbildungsvorgänge, z.B. den Rhythmus, die Teilungsrichtung, die relative Zellengröße, hätte einwirken können, zeigt sich bei näherer Betrachtung zu wenig und nicht so differenziert, daß er den Anforderungen irgend einer Kategorie genügte. Obendrein unterliegt die Dotterverteilung starken Schwankungen von Ei zu Ei, kann also, wie früher dargelegt wurde, als variabler Faktor nicht für konstante Geschehnisse verantwortlich sein. Daß andererseits mechanische Kräfte, die eine Zelle von außen, d.h. von der Schale oder den Nachbarzellen treffen könnten, weder den Rhythmus noch die Diminution, weder Spindelstellung, Teilungsmodus, Dotterverschiebung, noch irgend eine Art der cytotaktischen Geschehnisse oder die Ausbildung einer Spezialgestait ver- ursachen, ging aus dem Studium der T-Riesen mit Sicherheit hervor. Wo die Anordnung der Blastomere und ihr Verhältnis zur Schale stark verändert sind, verschwinden natürlich auch die der normalen Ontogenesis eigentümlichen mechanischen Wirkungsmöglichkeiten ; dessenungeachtet sind alle die genannten Formbildungsvorgänge bei den T-Riesen vorschrifts- mäßig wiedergekehrt. — Einzig und allein gewisse Details der Zellgestalt machen eine Ausnahme: die Ringwülste am Rande der freien Oberflächen und die Polyedrie mit ihren besonderen, für jede einzelne Zelle typischen Facetten und Kanten werden rein passiv durch — 259 — den Gegendruck der benachbarten Blastomere bewirkt, denn sie ändern sich je nach der Form der Nachbarschaft und verschwinden im Zustande der Isolation. Aber gerade diese Geschehnisse sind so unbedeutend, daß sie den Namen der Formbildung kaum verdienen. Das wesentliche am ganzen Problem der Zellgestalt liegt in dem typisch geregelten Auf- treten der isometrischen, d.h. kugeligen Grundform oder spezialisierter Anisometrie. Diese aber erweisen sich unter veränderten mechanischen Bedingungen als konstant, werden also keinesfalls durch äußeren Druck oder Zug passiv herbeigeführt. Alle Vorgänge der eigentlichen cellulären Formbildung geschehen demnach im Ascariskeim „aktiv“. Ihr Eintritt und Ablauf beruht mindestens zu einem Teile auf Leistungen der lebendigen Substanz, deren mechanische Natur zwar keines- wegs geleugnet wird, die aber infolge ihrer Feinheit nicht kontrollierbar und sehr wahr- scheinlich durch ihre enorme Komplikation unserem Verständnis noch auf lange Zeit ver- schlossen sind. Nun bliebe der zu fordernde Aufwand an unsichtbaren Strukturen verhältnismäßig gering, wenn sich verteidigen ließe, daß alle Zellen von Haus aus gleichen Bau und gleiche Befähigung zu aktiv formbildender Funktion besäßen, ihr typisch differentes Ver- halten aber durch ‚„formative Reize“ veranlaßt würde; oder daß der Eingriff formativer Reize wenigstens für manche Fälle vorgesehen sei. Als Lieferantin der hierzu benötigten typisch lokalisierten Reize stände die sichtbare, von Stufe zu Stufe sich steigernde Mannigfaltigkeit des Keimes bereit. Auch diese Frage beantwortet unser analytisches Material, soweit es zureicht, verneinend. Die normale Konfiguration des Ganzen liefert offenbar gar keine derartigen Reize, denn sie darf ja, ohne daß die rhythmische oder sonstige Spezifikation des Klüftungsverkaufs, die aktive Regelung von Lage- und Gestalt- verhältnissen darunter litte, verschwinden. Und da die Geschichte der T-Riesen die gleiche Bedeutungslosigkeit auch für nicht wenige Nachbarschaftsverhältnisse in engerem Kreise ergeben hat, so halte ich die völlige Ausschließung formativer Reize aus der Kausalität der Ascarisontogenese für erlaubt. Es folgt hieraus, daß jede im typischen Pro- gramm der Formbildung mit einer besonderen Aufgabe betraute Zelle mitsamt den Gründen ihres Verhaltens geboren wird. Das heißt: Die Differenzierung des Ascarıskeimes beruht auf qualitativ ungleicher Zellteilung. Bei dieser für den Komplikationsetat bedenklichen Sachlage winkt noch die Möglıich- keit zu Ersparnissen, wenn es gelingt, den zeitlich bestimmten Eintritt formbildender Prozesse, besonders aber ihr typisches Gerichtetsein auf Reize von der Umgebung her zurückzuführen. Auch hier zumeist Enttäuschung. Daß in den jungen Stadien der Ascarisontogenese zeitliche Auslösung keine Rolle spielt, sondern jede einzelne Zelle für pünktliche Einhaltung aller ihrer Termine selber zu sorgen hat, läßt schon der deskriptive Hergang vermuten, und durch die T-Riesen, bei denen die Chronologie der Ereignisse ohne Störung wiederkehrt, wird es vollauf bestätigt. Es mag aber sein, daß ein oder der andere Prozeß der späteren Lebensgeschichte auf zeitliche Orientierung durch äußere Reize ange- wiesen ist: z.B. die Häutungen oder die nach längerer Pause neu erwachende Vermehrungs- tätigkeit der Genitalanlage. — Fast befremdlich wirkt der durch die T-Riesen erbrachte Nachweis, daß bei der Mehrzahl derjenigen Geschehensarten, bei denen überhaupt eine „Richtung“ in Frage kommt, auf die so ökonomische Verwendung äußerer Richtungsreize — 260 — verzichtet wird. Die typische Einstellung der Spindeln, die zur Inäqualität der Mitose führende einseitige Kerndislokation, die Wanderung der Dotterkörnchen, die anisometrische Gestaltveränderung nach vorgeschriebener Seite hin, — alles das vollbringt die Zelle aus inneren Gründen; umringt von einer Fülle sich darbietender Örientierungsmittel schafft sie blindlings nur für sich. Und wenn trotzdem am normalen Keime jede dabei befolgte Rich- tung so zuverlässig ein vorgeschriebenes Verhältnis zu der geordneten Umgebung trifft, so liegt dies lediglich an der Genauigkeit, mit der die Zelle samt ihrem inneren Gerichtetsein in der bestimmten Konfiguration des Ganzen ihre Stelle findet. Nur für eine Gruppe von formbildenden Geschehnissen hat sich die Annahme äußerer — vermutlich chemotaktischer — Richtungsreize bewährt: die Vorgänge der Zellenordnung. Homogene Attraktion von Zelle zu Zelle bewirkt die Komplexbildung, d. h. allseitige Zusammenfügung der Elemente nach dem Plateauschen Prinzip. Anomogen-chemotaktische Mechanismen ermöglichen die Entstehung des einschichtigen Epithels im Umkreis der Furchungshöhle und, als höchste Leistung, die mannigfachen Einzelverschiebungen innerhalb der massiven wie epithelialen Keimbezirke. 2. Um unser Endurteil über die Ascarisontogenese vorzubereiten, bedarf es ferner der Feststellung, ob für alle oder einige Formbildungsgeschehnisse der Zustand der Umgebung — soweit derselbe nicht schon als wirkliche Ursache an der Kausalität des betreffenden Vor- ganges beteiligt ist — die Rolle einer Vorbedingung spielt. Die Geschichte der T-Riesen widerspricht dieser Möglichkeit für die weitaus größte Mehrzahl der Einzelfälle. Rhythmische, diminutorische Vorgänge, Richtung und Modus der Teilungen, Dotterverschiebung und Spezialgestaltung sind weder von der normalen Gesamt- konfiguration noch auch vom Zustande ihrer spezielleren Nachbarschaft irgendwie abhängig. Es ist kaum zu bezweifeln, daß eine völlig isolierte Zelle alle genannten Aufgaben tadellos vollbringen, daß sie sich pünktlich und genau nach Vorschrift teilen, sich kugelig abrunden oder anisometrisch deformieren würde. Nur bei Vorgängen der aktiven Einzelordnung findet sich eine gewisse Abhängigkeit vom Zustande der Umgebung. Wie man voraussehen konnte, sind cytotaktische Mechanismen mehr oder minder auf eine bestimmte Massenkorrelation, die Druck- und Widerstandsverhältnisse der normalen Umgebung eingerichtet, und leiden in ihrem typischen Effekt oder versagen ganz, wenn jene fehlen. Aber selbst hier erwies sich der Einfluß der Vorbedingungen als lange nicht so groß, wie man aus ökonomischen Gründen hätte erwarten können. Zu dieser auf die Analyse jugendlicher T-Riesen begründeten ziemlich negativen Wertschätzung der Vorbedingungen im Ascariskeim steht nun folgende Tatsache, die eine prinzipielle Abhängigkeit der Entwickelung von der normalen Gesamtkonfiguration zu be- weisen scheint, in ebenso schroffem als unvermutetem Widerspruch. Keiner von den T-Riesen, die ich der freien Fortentwickelung überließ oder in Präparaten älterer Embryonen entdeckte, ist in leidlicher Verfassung zu höherem Alter oder gar bis an das Ziel der larvalen Entwickelung gelangt. Aus- nahmelos begann in den mittleren Stadien unter Stillstand der mitotischen Tätigkeit De- generation, die sich in Veränderungen der Plasmabeschaffenheit und Zellform äußerte — 261 — und schrittweise den Embryo völligem Zerfall entgegenführte. — Zwar kommt man nach kurzem Besinnen auf den Einfall, daß diese schlimme Prognose nicht sowohl durch die im Stadium IV gesetzte Störung der Konfiguration, als vielmehr durch angeborene Krankhaftig- keit der betreffenden Keime verschuldet sei. Riesenbildungen sind ja doch allemal patho- logisch. Aber diese Ausrede hält nicht stand. Denn in dem gleichen Materiale, dessen T-Riesen dem sicheren Tode geweiht waren, fanden sich zahlreiche echte Riesenkeime mit ungestörter Entwickelung: diese erreichten samt und sonders und gleichzeitig mit den nor- malen Eiern das typische Ziel. Es muß also in der Tat die Abnormität der Gesamtform auf irgend eine Weise für den Fortgang der Entwickelung über die Mittelstufe hinaus ver- derblich sein. Und ich zweifle nicht, daß auch ein völlig gesundes Einzelei, das man im Stadium IV durch künstliche Behinderung seines T-Stammes in die abnorme Bahn der T-Riesenentwickelung zu drängen vermöchte, zur üblichen Zeit an dieser Störung seiner Konfiguration zu Grunde gehen würde. Nun wäre offenbar der Schluß, daß die Unabhängigkeit von der Konfiguration als einer Vorbedingung, die für die jungen Stadien der ÖOntogenesis erwiesen ist, auf einer mittleren Altersstufe sich in ihr Gegenteil verkehre, — daß die so lange Zeit gesund ge- bliebenen T-Riesenzellen plötzlich durch die abnorme Gesamtform geschädigt, ja getötet würden, äußerst unwahrscheinlich. Auch belehrt uns die sehr geringe Pünktlichkeit des Sterbetermins, der immerhin um ein paar Zellgenerationen schwanken kann, sogleich eines besseren. Ohne Zweifel liegt vielmehr die Sache so, daß aus der veränderten Konfiguration schon vom Vierzellenstadium ab eine Schädigung des Keimes erwächst, die zwar auf frühen Stufen gering und für den typischen Ablauf der Entwickelung nicht hinderlich ist, mit der Zeit aber an Intensität gewinnt und schließlich den halbentwickelten Embryo — bald etwas früher, bald später — vernichtet. Worin aber das schleichende Unglück eigentlich besteht, ist schwer zu sagen. Der Gedanke, daß das abnorme Verhältnis zwischen Masse und freier Oberfläche, das für viele Zellen gestörter Keime aus der abnormen Anordnung resultieren muß, ihren Stoffwechsel schädigen könnte, wäre nicht ungereimt. Nur scheitert er an der Tatsache, daß echte Riesen zu völlig typischer Entwickelung fähig sind, obwohl doch an jeder ihrer Zellen ein anderes Verhältnis von Fläche zu Masse besteht, als das normale. — Vielleicht liegt die Wurzel des Übels in der Empfindlichkeit jener chemotaktischen Wechselwirkungen, auf denen die spezialisierte Selbstordnung vieler Blastomere beruht. Mindestens einige von diesen Vorgängen fallen bei T-Riesen aus: schon im Vierzellenstadium die horizontale Umlegung des T-Stammes, und später vielleicht noch ordnende Beziehungen zwischen dem Ektoderm und der Ventralfamilie. Kann es nicht sein, daß eine mit chemotaktischen Mechanismen ausgerüstete und funktionierende Zelle durch den Verlust der typischen Gegenwirkung ebenso leidet, wie manche Tiere durch einen unbefriedigten Trieb, daß dann die leichte Er- krankung der Mutterzelle bei ihren Töchtern und Nachkommen weitere Funktionsfehler mit immer schlimmeren Folgen nach sich zieht, und die entstandenen Krankheitsherde in der soundsovielsten Generation den ganzen Keim auf chemischem Wege zu Grunde richten’? Jedenfalls besteht am Wesen der ganzen Erscheinung als einer accidentellen Schädigung, die mit der Kausalität der Formbildung nichts gemein hat, wohl kaum ein Zweifel; wonach dieselbe aus den Akten unserer Analyse endgültig zu entfernen ist. — 262 — Und nun das Endurteil. Es gilt zu entscheiden, inwieweit der von Roux geschaffene Begriff der Selbstdifferenzierung für Ascaris zutrifft. Hierin liegt ein doppeltes Problem. Einerseits handelt es sich um die Frage der Unabhängigkeit oder Abhängigkeit des ganzen sich entwickelnden Eies von seiner Außenwelt. Zweitens aber soll für den engeren und stetig sich verkleinernden Bereich der Furchungszellen, der Äste und Zweige des genealogischen Stammbaums bis zum obersten Wipfel angegeben werden, ob diese Teilgebilde „sich selbst differenzieren“ oder in irgend einem Grade von ihrer Umgebung abhängig sind. Verbände sich mit dem Begriffe „Selbstdifferenzierung‘‘, wie der Wortlaut vielleicht vermuten läßt, die Forderung absoluter Beziehungslosigkeit zur Außenwelt, so ist ohne b) weiteres klar, daß unser Spruch in beiden Einzelfragen nur negativ lauten könnte. Zwar gehen die Blastomere. in der Mehrzahl der für sie vorgeschriebenen Leistungen auf eigene Faust zu Werke; ihre Grundgestalt, die Zeit und besondere Art ihrer Mitose haben mit dem Zustande und dem Vorhandensein der Umgebung nichts zu tun, und wenn die Zelle an einer Gabelung des morphogenetischen Stammbaumes gelegen ist, determiniert sie durch qualitativ ungleiche Teilung selbständig das divergente Schicksal ihrer beiden Tochterzellen. Aber andererseits rechnet jede einzelne Zelle wie auch der ganze Keim mit Reizen und Vorbedingungen der Außenwelt. An den Vorgängen der chemotaktisch vermittelten Zellen- ordnung sind alle Blastomere beteiligt; mechanische Massenkorrelation unterstützt gewisse typische Gleitbewegungen und bestimmt in weitem Umfange das Detail der polyedrischen Zellgestalt; thermische und chemische Zustände des Mediums sind Vorbedingungen für das Ei wie für seine Zellen. Und daß sogar der Gesamtkeim einen oder den anderen zeitlich auslösenden Reiz von seiner Außenwelt beziehen mag, mußten wir bis zum Beweise des Gegenteils ausdrücklich als denkbar anerkennen. Allein in derartig überexklusivem Sinne ist „Selbstdifferenzierung‘‘ nicht gemeint. Man kann gewiß nicht verlangen, daß ein Ei oder eine Zelle in ihren gestaltenden oder bewegen- den Funktionen unabhängiger von der Umgebung sei, als irgend ein freilebendes Geschöpf. Es gibt kein organisches Wesen, das nicht, um leben zu können, an thermische und chemische Vorbedingungen gebunden wäre, das nicht zum Schwimmen und Laufen mechanischer Massenkorrelation bedürfte, keines, das nicht in irgend einem Grade von äußeren Richtungsreizen planmäßig gelenkt würde. Wie aber niemand bestreitet, daß ein solcher Organismus selber lebt, selber läuft, selber die Richtung einschlägt auf das ıhm adäquate Orientierungsmittel, so dürfen wir auch sagen: eine Zelle, die außer den allge- meinen Vorbedingungen des Lebens lediglich Massenkorrelation und Richtungsreiz für ihre — Ein solcher Ausdruck würde sogar dann noch berechtigt sein, wenn auch die Spindelstellung, der Teilungsmodus, die [73 Bewegung in Anspruch nimmt, „differenziert sich selber. aktive Selbstgestaltung der Zelle durch äußere Reize typisch gerichtet würde, oder die Ab- hängigkeit von den mechanischen Vorbedingungen empfindlicher wäre, oder zeitliche Aus- lösungen vielfache Verwendung fänden. Aber das ist gar nicht der Fall: Ascaris hat für alle diese Dinge lieber innere Strukturen angeschafft; Wechselwirkung zwischen ihren Zellen benutzt sie nur, wo es schlechterdings nicht zu umgehen war. — — 263 — Also: räumlich oder zeitlich orientierende Reize sowie Vorbedingungen sind für die Frage der Selbstdifferenzierung durchaus bedeutungslos. Worauf es ankommt, ist lediglich, ob dem befruchteten Ei und jeder seiner Furchungszellen die Marschroute völlig gebunden, eine einzige Art des Verhaltens, eventuell der formbildenden Reaktionsfähigkeit auf adäquaten Reiz hin zugewiesen ist; ob nicht etwa formative Reize die Zelle in diese oder jene zur Auswahl gestellte Entwickelungsbahn drängen, oder gar unvorhergesehene äußere Umstände darüber entscheiden, was werden soll. Bei Ascaris bleibt den einzelnen Blastomeren so wenig eine Wahl als dem Ei. Keine Zelle leistet je etwas anderes oder mehr als das, wozu sie auf Grund des normalen Pro- grammes berufen ist. Regulatorische Extraleistungen der in abnorme Verhältnisse gebrachten Furchungszellen sind bei Ascarıs unbekannt. Die celluläre Entwickelung von Ascaris ist ein Fall von ausge- prägtester Selbstdifferenzierung. Neuntes Kapitel. Die Lokalisation der determinierenden Ursachen im Inneren der Zelle. Wir haben nunmehr, soweit es erreichbar war, genaue Kenntnis von der Lokalisation der Formbildungsursachen im Ascariskeim — bis heran an die Grenze der Zelle. Wie aber die Ursachen innerhalb der Zellen gelagert sind, darüber wissen wir fast noch nichts. Und doch fordert die sichtbare Komplikation des Zellinneren, der deskriptive Gegensatz zwischen Kern und plasmatischem Zellleib zu einer Prüfung dieser Angelegenheit dringend heraus. Als durch die Analyse der Diminution und der rhythmischen Differenzierung zum ersten Male das Vorhandensein qualitativ ungleicher Zellteilung bei Ascaris erwiesen war, da ließen wir die Frage, ob die bestimmenden Ursachen im Plasma oder im Kern ent- halten seien, ausdrücklich offen. Bei allen übrigen Formbildungsarten: der Spindelstellung, dem Teilungsmodus, der Dotterverschiebung, der Selbstordnung und spezialisierten Selbst- gestaltung der Blastomere lag ein besonders auffälliges Merkmal des deskriptiven Ge- schehens in seiner typischen Richtung zum Gesamtkeim, und es wurde festgestellt, daß nur das Plasma, nicht der Kern als Träger der richtenden Ursachen in Frage kommen könne. Denn nur die Zellleiber behalten im Wandel der Klüftungs- und Dislokationsvor- gänge konstante räumliche Beziehungen zueinander bei; infolgedessen wird jede Richtung, die sie auf Grund einer inneren Struktur hervorbringen, von der typisch und sichtbar ge- ordneten Nachbarschaft gleichsam reflektiert und gelangt dadurch erst selber zur deskrip- tiven Erkennbarkeit. Die Kerne aber sind hierzu nicht geeignet. Daß sie im Klüftungs- prozeß sich relativ weit voneinander entfernen, machte nichts aus, wenn nur die Art ihrer Fortbewegung unabänderlich wäre. Statt dessen schwanken und taumeln sie oft, über- schlagen sich wohl gar und verlieren damit jene räumliche Tradition, jene „Erinnerung“ an frühere typische Lagebeziehungen, die den auf fester Bahn beweglichen Zellkörpern erhalten bleibt. Nachdem aber die Fühlung mit der Nachbarschaft einmal unterbrochen ist, würden die Kerne ohne Hilfe von außen her nie und nimmer zur neuerlichen Anknüpfung typischer Richtungsverhältnisse befähigt sein. Allein mit der Festlegung der Richtungsursachen im Protoplasma formbildender Zellen ist das kausale Problem jener Vorgänge noch keineswegs erschöpft. Nach unserer Lehre enthält ja jede Zelle nicht nur ein einziges Schichtsystem, sondern eine Anzahl ver- schiedener, die an sich in gleichem Maße geeignet sind, als Richtungsmittel in die Form- bildung einzugreifen. Unter diesen wählt die Zelle dasjenige aus, dessen sie sich wirklich bedient; oder auch: verschiedene Blastomere verwenden ein und dasselbe System in differenter Weise. Zum Beispiel orientiert die Zelle P, ihre Spindel in die Richtung des medianen Schichtsystems, und eine ihrer beiden Töchter, P,, folgt ihrem Beispiel (Fig. YY, p.147); die Spindel von D, der andern Tochter aber liegt transversal, reagiert also mit Querstellung auf das mediane Richtungsmittel; oder, wenn man will: sie nimmt von der medianen Schichtung überhaupt keine Notiz und folgt vielmehr dem transversalen System, das ebenfalls in allen Zellen der unteren Familie enthalten ist. Offenbar muß die Zelle D, die aus internen Gründen so eigenwillig vorgeht, von ihrer Schwester und Mutter in irgend einer Art verschieden sein. Und da eine jede Zelle des Ascariskeimes, die sich in vorge- schriebener Richtung teilen, oder eine sonstige typisch gerichtete Leistung vollbringen soll, der gleichen Notwendigkeit selbständiger Auswahl gegenübersteht, so sehen wir, daß zur Erledigung aller dieser Aufgaben viel mehr gehört, als unsere allgemeinen, das Plasma durchsetzenden Schichtsysteme. Wir brauchen für jede einzelne an den gerichteten Formbildungsvorgängen beteiligte Zelle eine besondere, chemisch oder strukturell charakterisierte Beschaffenheit, die ihr durch qualitativ ungleiche Zell- teilung übermittelt wird. — Wo aber diese Differenzierung gelegen ist, das wissen wir ebensowenig, als wir den Sitz der Gründe kennen, die den Rhythmus und die Diminution bestimmen. Das Problem der inneren Lokalisation ist also für alle Arten der Formbildung und für den ganzen Stammbaum noch ungelöst. Dennoch entschließe ich mich nur zögernd, die Analyse, die bis an die Grenze der Zelle mit hinreichender Sicherheit durchgeführt werden konnte, noch auf die Frage nach der inneren Lokalisation, nach dem Vorrange des Kernes oder Zellleibes auszudehnen. Denn alles, was mir von Tatsachen der typischen wie abnormen Ascaris-Entwickelung durch fremde und eigene Studien bekannt geworden ist, reicht leider zu einer wirklichen Lösung des wichtigen und gerade in neuester Zeit wieder so aktuell gewordenen Problems nicht aus. Mit einer halben Sache die Arbeit abzuschließen, macht aber keine Freude. Ich sage mir jedoch, daß das bis jetzt bekannte Material analytisch verwendbarer Tatsachen immerhin so umfangreich und vielseitig ist, wie bei nur wenigen anderen Tier- formen, die seit langer Zeit im Mittelpunkte des entwickelungsmechanischen Interesses stehen; und daß auf eine wesentliche Vermehrung dieses Materials in absehbarer Zeit doch nicht gehofft werden kann. Also möge wenigstens klargestellt sein, in welcher Richtung bei Ascaris zurzeit die größte Wahrscheinlichkeit liegt. Außerdem gibt die Analyse dieser Frage Gelegenheit, eine Reihe abnormer und dennoch in typischem Sinne wirkender Geschehnisse aus der Vorgeschichte teratologischer Keime näher zu beleuchten und so zu zeigen, daß man auch diese zum Teil höchst seltsamen Dinge nicht als regulatorische Extraleistungen betrachten darf; wodurch unser ablehnendes Urteil über die Rolle der Regulation in der Ascarisontogenese, das bis- her nur auf Vorgänge der cellulären Entwickelung begründet war, erst seine Abrundung und völlig sichere Basis erhalten wird. Und ganz besonders mußte mich zur Veröffentlichung der Gedanken, die ich mir über die innere Lokalisation gemacht habe, der Umstand bestimmen, daß ein sehr kom- petenter Forscher: Boveri in zwei kleinen Schriften (1894a und b) die Lösung der Frage bereits unternommen und, wie er glaubt, zugunsten des Zellkörpers entschieden hat. Diesem Urteile aber stimme ich - auf Grund von Gesichtspunkten, die in den voraus- Zoologica. Heft 40. 34 — 266 — gegangenen Kapiteln gewonnen worden sind ——- nicht unbedingt zu, wie ich auch das von Boveri angewandte Beweisverfahren nicht für zwingend zu halten vermag. Unter solchen Umständen sehe ich mich veranlaßt, den stufenweisen Aufbau der Analyse, der uns bisher von Nutzen war, auch diesmal durchzuführen. Wir schicken also der experimentellen Erörterung eine Charakteristik der überhaupt vorhandenen Lokalisations- möglichkeiten und eine Berechnung voraus, welche von ihnen die ökonomisch günstigste wäre. A. Die Lokalisationsmöglichkeiten. Dreierlei Hypothesen stehen zur Wahl. Die Gründe, die das individuell formbildende Verhalten einer Ascariszelle bestimmen, könnten ausschließlich im Plasmaleib, oder nur im Kern, oder in beiden zugleich enthalten sein. le Beginnen wir mit dem Zellleib, so ist vor allen Dingen gewiß, daß durch die An- nahme, jede Zelle sei durch irgendwelche Besonderheiten ihres Plasma vor den übrigen soweit sie sich anders verhalten ausgezeichnet, die ganze Summe ihrer differentiellen Leistungen erklärt werden könnte. Der Zustand des Plasmakörpers bedingte — vielleicht auf einfach nutritorischem Wege —- das raschere oder langsame Reifen des darin ein- gebetteten Kernes; er brächte als adäquater Reiz die Kerne der Ursomazellen zur Dimi- nution; das Plasma würde durch seine Eigenart bestimmen, welches von den vorhandenen Schichtsystemen zu diesem, welches zu jenem Zwecke in Aktion treten soll: das eine System bemächtigt sich der drehbaren Spindel, das andere entfaltet an der Oberfläche chemotaktische Tätigkeit oder führt durch innere Dislokationen zu typisch gerichteter Gestaltveränderung. Bei weiterem Durchdenken dieser Möglichkeit stoßen wir jedoch auf eine Schwierig- keit. Da die Entwickelung von Ascaris reine Selbstdifferenzierung ist, müßte natürlich jede besondere, die Formbildung einer Zelle oder in sich gleichartigen Zellengruppe deter- minierende Plasmasorte bereits im Ei vorhanden und derartig gelagert sein, daß sie durch den Prozeß der Klüftung allmählich herausgeschnitten und der betreffenden Zelle überliefert würde. Es fragt sich nur, wie es geschieht, daß ein solches von Anfang an vor- handenes Sonderplasma seine determinierende Kraft nicht schon im Ei oder auf ge- nealogischen Zwischenstufen, sondern ausgerechnet erst dann entfaltet, wenn im Ablauf der Klüftung die ihm programmgemäß zugewiesene Zelle ent- standen ist. Die erste Antwort, die einem einfällt, ist diesmal nicht die beste: man denkt, die Sache sei wohl ganz einfach die, daß jedes Sonderplasma in Aktion tritt, sobald es durch die fortschreitende Zerlegung gänzlich isoliert worden ist; solange es noch mit anderen zusammen im Ei oder in einer älteren Furchungszelle liegt, könne es sich nicht be- tätigen. Aber dieser nächstliegende Erklärungsversuch scheitert sogleich an der Tatsache, daß bei Ascaris die aktive, differenzierte Formbildung nicht erst am Ende einer homogenen, lediglich auf Zerkleinerung des Eies und Isolation der Plasmasorten gerichteten Klüftung beginnt; schon während der Zerlegung, auf allen Zwischenstufen steht Formbildung in =. a voller Tätigkeit, und jede Furchungszelle müßte —- wenn unsere Hypothese richtig ist von allen übrigen durch eine Besonderheit ihres Plasmaleibes verschieden sein. Nun stände zwar der Annahme nicht viel im Wege, daß zwischen all den wohlsortierten Sonderplasmen, die das Ei für die letzte Zellgeneration bereithält, noch eigene Sorten für den Gebrauch der Zwischenstufen eingelagert wären; aber was hülfe das? Ein solches Plasma befände sich in der ihm zugewiesenen Furchungszelle ja niemals allein, immer noch in Gesellschaft der für Töchter und Enkel bestimmten Plasmareservate. Und die Ausübung einer ungestörten Determination würde zur Unmöglichkeit. Weismann hat bekanntlich (1892 p. 8ı) das hierin liegende allgemeine Problem, wie manches andere, als Erster gesehen und durchgedacht, und löst es durch die Annahme, daß die im Keimplasma (des Kernes) wie für Gewebezellen, so auch für alle Blastomere be- sonders vorbereiteten „Determinanten“ in typisch ungleichem Tempo „reifen“, und zwar nach einem derartig bestimmten Plane, daß jede in der ihr zugewiesenen Furchungs- zelle gerade fertig ist, weder früher noch später, und so ihre Aufgabe prompt und unge- stört erfüllen kann. Übertragen wir das Wesentliche dieser Theorie, die stufenweis diffe- renzierte, mit der Generationsfolge genau Schritt haltende „Reifung“ auf die von uns ge- prüfte Annahme einer rein plasmatischen Determination, so scheint auf den ersten Blick viel gewonnen. Die Vorstellung, daß eine Mannigfaltigkeit im Ascarisei enthaltener, für Zellen aller Stufen bestimmter Sonderplasmen mit typisch differenzierter Geschwindigkeit reif, d. h. determinationsfähig werden und nach getaner Arbeit gleichsam erlöschen sollte, wäre nicht übermäßig kompliziert; und sie erfüllte die Forderung, daß das Sonderplasma einer Furchungszelle weder auf den vorausgegangenen noch den nachfolgenden Stufen den rich- tigen Ablauf fremder Determination durchkreuzen würde. — Bei schärferem Zusehen ver- schwindet jedoch der scheinbare Gewinn, und zwar aus zweierlei Gründen. Zunächst paßt eine so überaus exakte Harmonie zwischen dem Reifetempo der Plasmasorten einerseits und dem Klüftungsrhythmus andererseits, wie sie gefordert würde, nicht ohne weiteres für den Ascariskeim, bei dem gerade die rhythmischen Vorgänge so schwankende sind. Da könnte es ja geschehen, daß ein programmgemäß für die zehnte Generation bestimmtes Sonderplasma reif wird und zu funktionieren beginnt, während die Klüftung noch nicht weiter gekommen ist, als bis zur neunten Stufe. Und wir müßten darum durch eigene Hilfsannahmen die Reifezeiten der determinierenden Plasmen mit der individuellen Variation des Teilungsrhythmus ins Einvernehmen bringen. Zweitens aber wäre die Übertragung der Reifungshypothese auf unseren Fall nicht ökonomisch; denn es gibt eine Möglichkeit, ohne sie, ja sogar — was wohl noch mehr bedeutet -—- ohne das Zugeständnis eigener Determinationsplasmen für den Gebrauch der Zwischenstufen auszukommen. Unsere bisherige Rechnung basierte auf der Idee, daß irgend ein Determinationsplasma nur dann eine typische Wirkung zu vollbringen vermöchte, wenn es sich innerhalb seiner Zelle entweder völlig isoliert oder doch allein in reifem, funktions- fähiıgem Zustand befände. Aber diese Vorstellung ist, wenn auch naheliegend, doch keines- wegs zwingend. Bedenken wir die kausale Situation einer Zelle, in der gleichzeitig mehrere funktionierende Plasmasorten vorhanden sind, so leuchtet ein, daß durch die Vielheit der Ursachen weder der Eintritt einer Wirkung überhaupt, noch der einer typischen, formbildenden Wirkung verhindert würde. Wo rein nutritorische Bewirkung in Frage kommt, re da könnte der Einfluß zweier Tochterplasmen sich in der Mutterzelle ganz einfach sum- mieren: nehmen wir beispielsweise an, die rhythmische Differenz der Schwesterzellen st und m, d. h. das ungleiche Reifetempo ihrer Kerne werde durch die Gegenwart eines schnell ernährenden Sonderplasma in der einen und eines langsam ernährenden in der an- deren Zelle bedingt, so würde deren gemeinsame Wirkung auf den Kern der Mutterzelle ein ebenfalls typisches, mittleres Tempo zur Folge haben. — Ungleich größer, ja wahrhaft un- beschränkt aber wird der Spielraum typischer Geschehensmöglichkeit auf Grund der kom- binierten Wirkung mehrfacher Sonderplasmen, sobald es sich und solches ist nach unserer Hypothese fast immer der Fall — um Reizvorgänge handelt. Hierfür ge- währen Physiologie (vergleiche besonders W. Pfeffer, 1904 $ 77) und ‚Tierpsychologie“ die treffendsten Vorbilder. Es kann zum Beispiel geschehen, daß die Betätigung eines bestimmten Reizes durch die gleichzeitige Gegenwart eines anderen total unter- bunden wird. Die sonst so reizbaren Pedicellarien des Seeigels schnappen nach v. Uex- küll nicht zu, wenn zugleich mit der Berührung der chemische Reiz eines Hautstoffes auf sie wirkt, der ihrer Spezies eigentümlich ist: darum beißen sie nicht in die Stacheln und Wandelfüßchen des eigenen Leibes. Denken wir uns nun, alles Plasma des Ascariseies mit Ausnahme eines kleinen, für die Urgenitalzelle reservierten Territoriums liefere den adäquaten Reiz zur Kerndiminution; das Sonderplasma der Genitalanlage aber besitze die Eigenschaft, durch seine Gegenwart die Wirkung des diminutorischen Reizes zu hintertreiben: dann ver- stünden wir sogleich, warum die Blastomere der Keimbahn den ursprünglichen Typus der Mitose bewahren, obwohl doch — wenigstens anfangs — mehr somatisches als genitales Plasma in ihnen enthalten ist; und warum jede von der Keimbahn abgezweigte, d. h. von der hemmenden Einwirkung jenes Sonderplasmas befreite Ursomazelle bei ihrer nächsten Teilung die Diminution vollzieht. Man weiß aber auch, daß Kombination von Reizen voll- kommen neue, den Einzelreizen überhaupt nicht zugeordnete Wirkungen hervorrufen kann. So reizt nach E. Hanel der abgetrennte Stiel eines Lindenblattes den Regenwurm in mäßigem Grade zum ergreifen; sitzt aber der Stiel am Blatt, so daß die chemischen Reize von Stiel und Spreite sich gleichzeitig geltend machen, so wirkt der Stiel im Gegen- teile stark repulsiv. Es ist klar, daß prinzipiell auch drei und vier oder viele verschiedene Reize planmäßig so miteinander verschränkt sein können, daß nur durch ihre gemein- same Gegenwart der Zauberspruch gebildet wird, der irgend einen Vorgang zur Aus- lösung bringt. Dann aber steht auch der Annahme nichts mehr im Wege, daß alle die Sonderplasmen, die im Ascarisei und jeder seiner Blastomere vereinigt sind, gleich- zeitig reif sind und „determinieren“: ihre Einzelwirkungen stören einander nicht, son- dern werden planvoll zur gemeinsamen Auslösung einer typisch formbildenden Reaktion zusammengefaßt. Hierfür ein schematisches Beispiel. Die obere Furchungszelle AB ent- hält die Plasmen ihrer vier Enkel a und «a, b und $. Diese besondere Kombination aabß liefert den adäquaten Reiz zur Auslösung folgender typischen Geschehnisse: Diminution, Aktivierung des paramedianen Schichtsystems behufs Einstellung der Spindel, Aktivierung der paramedianen und transversalen Attraktionszonen zur selbstordnenden Wechselwirkung mit der Ventralfamilie. Nachdem die Aufteilung der Zelle in die Plasmakombinationen a« und bß vollzogen ist, wird durch die neuentstandenen Reizqualitäten beiderseits das trans- versale Schichtsystem als Orientierungsmittel der nächsten Mitose aktiviert. Sind endlich die Plasmen a und «, b und ß einzeln freigelegt, so stellen sie abermals völlig neue Reize dar und bedingen eine Serie neuer Wirkungen. In a und « wird die Spindel primär-vertikal gerichtet, wobei überdies die Aktivierung einer senkrecht differenzierten Struktur in a un- gleiche Teilung zur Folge hat; in b und ß aber erwachen die schrägen Schichtsysteme und weisen den Spindeln ihre schiefe Lage an; und alle vier Plasmen determinieren die schrägen Zonensysteme zur chemotaktischen Tätigkeit. Im ganzen ist das Ergebnis unserer Kostenberechnung ein günstiges. Die Annahme, daß die Ursache des individuell formbildenden Verhaltens der Ascariszellen in ihren Plasmaleibern lokalisiert sei, läßt sich bis zum befruchteten Ei hinab durchführen, ohne daß der vertraute Boden physiologischer Zusammenhänge verlassen würde. Im Ei aber brauchten nur so viel verschiedene Plasmasorten in einer dem Klüftungs- plane angemessenen Ordnung vorhanden zu sein, als der morphogenetische Stammbaum Enden trägt: d.h. Zellen oder in sich gleichartige Zellengruppen, die sich formbildnerisch von anderen unterscheiden, aber nicht selber die Ursprungsstätte divergenter Zellenreihen sind. 2. Hiernach prüfen wir zum Vergleich die Durchführbarkeit und den ökonomischen Wert einer entgegengesetzten Hypothese: die Gründe der individuellen Formbildung sollen ausschließlich in den Kernen gelegen sein; die Zellleiber seien — von der allge- meinen Richtungsdifferenzierung abgesehen — isotrop und untereinander gleich. Soweit die typische Determination der einzelnen Zelle in Frage kommt, ist diese Annahme ebenso zulässig und wohlfeil als die frühere. Ein Kern, der von Geburt an irgend eine, z. B. chemische Sondereigenschaft besitzt, die ihn von andern unterscheidet, würde befähigt sein, unmittelbar auf Grund dieser Eigenschaft in Diminution zu treten, die relative Geschwindigkeit seines Heranreifens typisch zu regulieren. Seine Teilungsrichtung würde dadurch bestimmt, daß er selber vermöge seiner differenziellen Reizbarkeit das für ihn adäquate Schichtsystem unter den vorhandenen herausfände, oder auch: er reagierte auf den Reiz einer gewissen Struktur jenachdem mit gleichsinniger oder querer Spindelstellung. Ist er zu inäqualer Mitose ausersehen, so lockt ihn die einseitige Differenzierung des Zell- körpers, die auf seinen Bruderkern vielleicht ohne Wirkung bleibt, vom Zentrum hinweg. Und endlich ist klar, daß eine differenzielle Kernsubstanz ebensogut wie ein Sonderplasma als adäquater Reiz bestimmte innere Schichten oder äußere Zonensysteme zur Tätigkeit aktivieren und so zu typischen Gestalt- und Ortsveränderungen den Anstoß geben könnte. Wenden wir uns jetzt der Frage nach der Herkunft ungleicher Kernsubstanz in den Ascariszellen zu, so scheint die kausale Situation auf den ersten Blick von der der vorigen Hypothese noch weniger verschieden zu sein. Natürlich führt die Selbstdifferenzierung des Keimes auch hier zu der Forderung, daß jede Art von Kernsubstanz, die in der Entwicke- lung determinatorisch funktioniert, schon in der Kernmasse des befruchteten Eies gegen- wärtig ist. Aber wir bedürften ebensowenig wie vorhin einer besonderen Substanzsorte für jede einzelne Zelle der Ontogenesis. Es genügt durchaus, wenn nur die ultimären Zellen und Zellfamilien, die Endzweige des morphogenetischen Stammbaums separat im Ausgangs- material vertreten sind. Auf allen Zwischenstufen, wie auch im Ei, könnte die Wirkung der jeweils versammelten Sorten von Kernsubstanz sich einfach summieren oder zur Bildung einer neuen Reizqualität vereinigen. — Bis hierhin also erwüchse aus der anderweitigen Lokalisation der determinierenden Ursachen weder ein Nachteil, noch ein Gewinn. Aber das ändert sich sehr, sobald wir fragen, auf welchem Wege denn die vorschrifts- mäßige Verteilung der im Ausgangsmaterial vorhandenen Kernsubstanzen von statten geht. Bei Annahme plasmatischer Determinationsgründe war das die einfachste Sache von der Welt: im befruchteten Ei und jedem seiner Blastomere liegen die Sonderplasmen in solcher vorbedachten Ordnung beisammen, daß sie durch den typisch geregelten Klüftungs- prozeß Schritt für Schritt auseinandergeschnitten und immer wieder der gleichen Zelle zu- geteilt werden. Sind aber die Ursachen in den Kernen lokalisiert, so wird ihr Anspruch auf richtige Weitergabe und schließliche Beförderung ans Ziel durch zweierlei, der vorigen Hypothese fremde Gefahren schwer bedroht: erstens die vielfältige, fast unaufhörliche Um- lagerung aller dem Auge unterscheidbaren Substanzen innerhalb des Kernes — Be- wegungen, die allem Anscheine nach nicht strenge geregelt sind; und zweitens die uns be- kannten, ausgiebigen und ebenfalls recht veränderlichen Dislokationen der ganzen Kerne im Innern ihrer Zellen. Die Schwierigkeiten der ersten Kategorie, die ja für andere Objekte genugsam er- örtert worden sind und Weismann zu dem Schlusse führten, daß jedes kleinste Chromatin- körnchen die Gesamtheit der Ursachen in typischer Architektur enthalten müsse, scheiden wir willkürlich aus. Wir nehmen also an, bei Ascaris bestehe in der Tat der komplizierte Mechanismus erbungleicher Mitosen, die bewirken, daß die Summe verschiedenartiger Determinationssubstanzen, die ein Vaterkern enthält, nach fester Vorschrift in zwei typisch ungleiche Portionen — je einem Teilkern entsprechend — gesondert werden. Zum Beispiel möge der Kern der Zelle P, aus inneren Gründen befähigt sein, die für die Tochterzellen EMSt und P, bestimmten Substanzsortimente exakt voneinander zu scheiden. Dann stünden wir noch immer vor der Frage, wie es geschieht, daß die Kernsubstanzengruppe mit der Be- stimmungsadresse P;, auch wirklich in die Zelle P, gelangt, nicht in die Zelle EMSt und umgekehrt. Es ist die zweite Schwierigkeit, die schwankende Haltung der ruhenden Kerne und frühen Teilungsphasen innerhalb ihrer Zellkörper, mit der wir jetzt noch zu rechnen haben. Nach unserer Lehre erhält die fertige Teilungsfigur, die zur Zeit ihrer Entstehung noch nicht an eine vorgeschriebene Lage gebunden, sondern drehbar ist, dadurch ihre end- gültige, typische Situation, daß sie auf dem kürzesten Wege eine im Plasma der Zelle kennt- lich gemachte Achsenrichtung aufnimmt und darin verbleibt; etwa so, wie ein steuerlos ge- wordenes Schiff sich in die Richtung der Wellenkämme dreht. Von einer Polarität der Teilungsfigur, wie sie bei erbungleicher Mitose bestände, und von dem Anspruche dieser Pola- rität auf eine bestimmte Lage innerhalb der für die Spindel vorgeschriebenen Achsen- richtung war dabei keine Rede. Ganz wie die Spitze eines vom Nordsturm beigedrehten Schiffes nach Osten oder nach Westen zu liegen kommt, je nachdem sie vor dem Beginne der Drehung der einen oder andern Himmelsrichtung näher war, so stünden nach unserer bisherigen Hypothese auch der polar differenzierten, beweglichen Spindel je nach ihrer An- fangslage zwei Möglichkeiten der Einstellung frei, eine richtige, dem typischen Verteilungs- plane entsprechende, und eine entgegengesetzte, falsche: Es müßte denn durch irgendwelche =, Ol im Kern gelegenen Besonderheiten Sorge getragen sein, daß allemal der kürzeste Weg zur definitiven Teilungsachse zugleich der richtige ist; mit anderen Worten, daß jede erbungleiche Spindelhälfte der ihr zugewiesenen Zelle von Anfang an näher liegt, als der anderen. Hat diese letztere Forderung Aussicht auf Verwirklichung? — Wenn man den Mechanismus der erbungleichen Teilung sich derartig denkt, daß die im ruhenden Kern wahllos gemischten Sondersubstanzen zur Zeit der Mitose durch gegenseitige spezialisierte Anziehung und Abstoßung in zwei getrennte Gruppen zu- sammengezogen werden, so ist klar, daß die Richtung dieses Trennungsvorganges dem reinen Zufall überlassen bliebe; hiernach würde auch die Polarität der einzelnen Spindel vollkommen beliebig gerichtet, und eine typische Verteilung der Determinationssubstanzen ohne anderweite Hilfe undenkbar sein. Nimmt man aber an, die vielerlei Substanzen des reifen Vaterkernes befänden sich in einer fest geordneten, vom Ei her überlieferten Archi- tektur und würden bei der Mitose nur durchgeschnitten, so schlösse ein „Schwanken‘“ der Kerne die Erfüllung jener conditio sine qua non nicht unbedingt aus: es käme auf den Grad des Schwankens an. Vielleicht sind die ungeregelten Drehbewegungen der Kerne und der daraus resultierende Fehlbetrag in der Anfangslage der jungen Spindel immer auf einen gewissen Spielraum beschränkt: kleiner als 90°? Dann wäre der kürzeste Weg zur vorge- schriebenen Spindelachse in der Tat zugleich der Weg zur typischen Einstellung der Kern- 2999. Ei mit junger Furchungsspindel. Konserviert. Von dem- selben bivalens-Weibchen, wie das in Fig. DDD, p, 156 abgebildete Ei. polarität. Das planvolle Verhältnis zwischen der Architektur der Kernsubstanzen und den Richtungen des Zellenstammbaums, das in den Ruheperioden durch die Unstätigkeit der Kerne sich lockert, würde gelegentlich der Mitosen immer wieder straff gespannt, und jede junge Tochterzelle erhielte ihr Deputat an Kernsubstanzen prompt und zuverlässig ins Haus geliefert. Allein diese hoffnungsreiche Vermutung hält den Tatsachen gegenüber nicht stand. Esistgewiß, daß Kerne vom Keimbahntypus — die einzigen, an denen derartiges erkennbar wird — atypische Drehbewegungen weit über 90° hinaus erleiden können (p. 74). Und manche jungen Spindeln trifft man in einer Anfangslage, die mit der endgültigen Teilungsachse um einen vollen rechten Winkel differiert. Z. B. liegt die vorschriftsmäßig vertikale erste Furchungs- spindel bei ihrer Entstehung nicht gar so selten genau horizontal; und ich habe gelegentlich Material von ganz besonders „typischer“ Bildung unter den Händen gehabt, bei dem das genannte Verhalten (Fig. QQQOQ) fast ausnahmelos zu finden war. Setzen wir nun voraus, diese vorläufig horizontal gelagerte Kernfigur sei polar differenziert und zwar in einer bestimmten Richtung, enthielte etwa links das Erbteil der oberen, rechts das der unteren Tochterzelle: aa wie sollte sie dann aus sich selbst heraus bewirken können, daß sie bei der rechtwinkligen Umdrehung in die Vertikalachse vorschriftsmäßig einschnappt, den linken Pol nach oben, den rechten nach abwärts gekehrt; da doch in diesem Falle der richtige und der falsche Drehungsweg von gleicher Länge sind’? Man sieht, die Annahme, daß die Gründe der Determination ausschließlich im Kern lokalisiert seien, scheitert bei Ascaris vollkommen an der Unmöglich- keit einer planmäßigen Verteilung derartiger Determinationssubstanzen. Es müßte in jeder Mutterzelle mindestens noch eine entsprechend gerichtete Diffe- renzierung außerhalb des drehbaren Kernes, d.h. im Plasmaleib vorhanden sein, die auf die ungleichen Pole der Spindel orientierend wirkte, wie Nord- und Südpol der Erde auf eine Magnetnadel. In unserem Beispiele träte die richtige Einstellung der Spindelpolarität, die typische Verteilung der gesonderten Substanzengruppen sofort in den Bereich der Möglichkeit, wenn im Plasma des teilungsreifen Eies ein oberer und ein unterer Distrikt in irgend einer typischen Weise, vielleicht chemisch, verschieden wären. Nun wäre die Forderung einer solchen Differenzierung in diesem einen Falle durch- aus nicht kostspielig. Wir haben ja schon durch die Analyse der Dotterverteilung (p. 153) festgestellt, daß das Plasma des Eies in der Richtung der Vertikalachse ober- halb und unterhalb verschieden sein muß, und offenbar könnte die gleiche Anisotropie, die den Dotter ventralwärts zieht, auch das für P, bestimmte Kernsubstanzensortiment als adäquater Reiz nach unten lenken. Aber dieselbe Notwendigkeit gälte nicht nur hier, sondern für den gesamten Differenzierungsplan. Überall da, wo prospektiv un- gleiche ‚Zellen oder Zelltamilien chren JUÜTsprunesn ehmensswürdessm Plasma der betreffenden 'Mutterzelle typischVgerichterer Polarıtatzsals unentbehrliches Orientierungsmittel für die Spindel vorausgesetzt. Das heißt, wir brauchten im ganzen genau so viele plasmatische Verschiedenheiten, als es morpho- genetisch selbständige Zellen und Zellfamilien gibt. Und alle diese Verschiedenheiten müßten — wegen des Mosaikcharakters der Ascarisontogenese — bereits im Ei in fester Ordnung vorhanden sein. — Damit aber sähen wir uns, um nur die Annahme einer vom Kern ausgehenden Determination in denkmögliche Form zu bringen, zur Forderung genau der gleichen plasmatischen Parzellierung gedrängt, der vorhin für die Hypothese im Zellleib lokalisierter Determinationsgründe beansprucht wurde. Um dieses Zugeständnis: die Präformation aller Zellensorten ’im Plasmakorper-des Eies und erb- ungleiche Plasmateilung, kämen wir also keinesfalls herum. Nun wird man sich zwar sagen müssen, daß eine plasmatische Organisation, die für nichts weiter als nur die typische Einstellung polar differenzierter Spindeln zu sorgen hat, nicht so kom- pliziert zu sein brauchte, als eine solche, die sämtliche Geschehensarten der Formbildung determiniert: in beiden Fällen stimmte die Zahl und Lage der im Ei präformierten Zell- protoplasmen überein; aber innerhalb des einzelnen Territoriums wäre hier eine geringere, dort eine größere Komplikation erforderlich. Immerhin stellte sich die Notwendigkeit, außer der Vorbereitung aller Geschehnisse im Kern auch noch die komplete Organisation des Protoplasma anzunehmen, als eine Belastung der nuclearen Hypothese dar, die den ökono- mischen Vorrang der rein plasmatischen Determination entscheiden dürfte. — 2793 — Fassen wir zusammen, so ergibt die Apriori-Berechnung über Art und Wertverhältnis der vorhandenen Lokalisationsmöglichkeiten folgendes: Am sparsamsten wäre die Hypothese, daß die differenzielle Formbildung der Ascariszellen auf angeborener Verschiedenheit ihrer Protoplasmakörper beruhe, die ihnen durch erbungleiche Zerlegung einer im Ei- plasma präformierten Organisation übertragen wird. Etwas höhere Ansprüche stellt die zweite Hypothese, wonach die erbungleiche Teilung einer Kernorganisation unter Zuhilfenahme plasmatischer Differenzierung die Formbildung determiniert. Die Annahme einer rein nuklearen Determination ist, als bei Ascaris undurchführbar, ausge- schieden. Jetzt aber tritt die Analyse teratologischen Materials, die von Boveri bereits eine Strecke weit gefördert worden ist, in ihr Recht. Es soll sich zeigen, ob das ökonomische Rangverhältnis der beiden zulässigen Lokalisationshypothesen auch den Tatsachen der ab- normen Entwickelung gegenüber bestehen bleibt. Hierbei beginnen wir naturgemäß mit einer Darstellung und Kritik der von Boveri beigebrachten Argumente. B. Die doppelbefruchteten Einzeleier und die Einfachzwillinge. Ik Boveri forschte ursprünglich nur nach den Gründen der typisch geregelten Diminution. Er fragte sich, ob die Kernschleifen der Ursomazellen deswegen die sonder- bare Zerstückelung erleiden, weil sie von Geburt an, d.h. durch erbungleiche Spaltung der betreffenden Mutterschleifen anders beschaffen sind, als die aus derselben Mitose hervor- gegangenen Keimbahn-Chromosome; oder ob vielmehr ein ungleicher Zustand der um- hüllenden Plasmakörper das differenzielle Verhalten der (in diesem Falle von Haus aus gleichwertigen) Chromosome bedingt. 1 RRER. 2 Schema der simultanen Vierteilung eines doppel- befruchteten bivalens-Eies. Annahme erbungleicher Chromosomenspaltung. Der Weg, auf dem Boveri sich seinem Ziele näherte, war echt analytisch. In seiner großen Ascarisarbeit (1899 p. 424) wies er zunächst darauf hin, daß die von Herla (1894 Taf. XVIII, Fig. 81) beschriebenen doppelbefruchteten Einzeleier mit vier- poliger Teilungsfigur, falls man über ihr ferneres Schicksal unterrichtet wäre, den ge- wünschten Aufschluß wohl geben könnten. Bei diesen Keimen verteilen sich die anfangs vorhandenen sechs Chromosome — zwei weibliche und zweimal zwei männliche — regellos zwischen die Zentrenpaare, fast immer so, daß wenigstens eine der simultan entstehenden Zoologica. Heft 40. 35 vier Tochterzellen ihren Kernschleifenbestand von mehreren Seiten, aus mehreren Äquatorial- platten bezieht (Fig. RRRR). Wenn nun die Spaltung der Mutterchromosome differenziell ge- schähe, die ganze Mitose also sechs prädestinierte Keimbahnschleifen und sechs somatische, zur Diminution berufene Chromosome lieferte, so wäre unvermeidlich, daß oft in einer und derselben Zelle ungleichnamige Schleifen zusammenträfen (Fig. RRRR 2, rechts oben). Und käme es dann zur Diminution, so böte eine solche Zelle das Schauspiel einer ge- mischten, zum Teil somatischen, zum Teil dem Keimbahntypus folgenden Mitose. Seither gelang es Boveri (I904a und b), die Folgezustände dispermer Einzeleier auf- zufinden. Und siehe da: von einer Mischung der karyokinetischen Typen war keine Rede; ausnahmelos zeigte sich die Gesamtheit der in einer Zelle enthaltenen Chromosome ent- weder diminuiert oder nicht. Aber Boveri fand noch etwas anderes, unvermutetes: Etwa zwei Drittel’der doppelbefruchteten Eimzelerer entwickelten sicher — wenigstens in gewissen Zügen der Formbildung — als „Zwillinge“. Früher hatte Boveri (1899 p. 427) die Meinung ausgesprochen, daß die von mir (1898 b) beschriebenen, aus disperm befruchteten Doppeleiern hervorgehenden „Riesenzwillinge‘ immer nur dann entstehen könnten, wenn in dem Riesenei zwei wohlgesonderte Teilungsfiguren mit je einer einzigen Äquatorialplatte angelegt worden wären. Und dieser Vermutung schloß ich mich im ersten Teile der vorliegenden Arbeit (1903 p. 30) aus doppeltem Grunde an. Einerseits hatte ich das wirkliche Vorkommen der von Boveri erschlossenen Art der Spindelbildung in Rieseneiern und die Entwickelung solcher Eier zu Zwillingen inzwischen festgestellt; und ferner schien auch mir der Gedanke, daß ein Keim mit vierpolig verkoppelter Teilungsfigur und der fast unvermeidlich damit verbundenen Kernschleifen-Konfusion jemals zwei abgeschlossene Indi- vidualitäten liefern könnte, zu jener Zeit so sonderbar, daß ich mich leicht für eine gegen- teilige Lehre gewinnen ließ. Und nun Boveris überraschende Entdeckung der Einfach- zwillinge! Es nützte nichts, sich an die Ausflucht anzuklammern, daß auch bei Einzeleiern getrennte Furchungsspindeln — wenigstens gelegentlich — gebildet werden könnten, und daß die Zwillinge allemal aus solchen Eiern ihren Ursprung nähmen; denn unser Autor be- saß ein untrügliches Mittel, jedem Zwilling nachzurechnen, welcher Art seine erste Mitose gewesen war. Er zählte die Chromosome der doppelten Keimbahn. Hatte das Ei zwei selb- ständige Spindeln mit je einer einzigen Äquatorialplatte angelegt, so mußten in den beiden Keimbahnen notwendig zusammen sechs Chromosome (bei bivalens) vorhanden sein; und solches war in der Tat mehrfach der Fall. Aber bei den meisten Zwillingen stimmte es nicht. Einer von ihnen enthielt acht, ein anderer sieben Keimbahnschleifen, einer nur fünf. Alle diese Keime bewiesen einwandfrei, daß ihre erste Mitose nicht sauber verlaufen war, daß Chromosome, die auf den somatischen Bereich hätten entfallen sollen, vorschriftswidrig in Keimbahnzellen gelangt waren, oder umgekehrt. Und da die Überläufer sich nie durch irgend eine Eigenmächtigkeit verraten haben, sondern ausnahmelos alles, was von Chromo- somen in einer Zelle zusammengewürfelt war, sich uniform verhielt, so schließt Boveri, daß nur die Protoplasmabeschaffenheit der Zelle darüber entscheide, ob ein bestimmtes Chromosoma seinen ursprünglichen Charakter bewahren oder diminuiert werden soll. Die Annahme erbungleicher Kernteilung weist er für Ascaris zurück. ed — 25 — Allein so elegant diese Argumentation erscheint, so sehe ich mich dennoch außer stande, ihr beizustimmen. Eines ist nach Boveris Befunden allerdings gewiß: der Dimi- nutionsvorgang ist keinesfalls eine vom Zellprotoplasma gänzlich unabhängige, sowohl durch kongenitale Eigenschaften veranlaßte als rein mit inneren Mitteln durchgeführte Selbstleistung der Chromosome. Aber eine derartig vollkommene Autonomie des ganzen Vor- ganges war a priori wohl kaum wahrscheinlich; jedenfalls wird sie von einer Hypothese der nuclearen Determination nicht vorausgesetzt. Man durfte vielmehr von vornherein ver- muten, daß mindestens an der letzten, sichtbaren Szene, an der Zerstückelung des Chromo- soms irgend ein besonderer Zustand des umgebenden Protoplasmakörpers kausal — z. B. durch modifizierte Oberflächenspannung — beteiligt sei. Hat doch für andere mitotische Vorgänge ein ausschlaggebender Einfluß des Zellleibes auf die Verwandlung des Kerns und seiner Chromosome sich durch Beobachtung an polyspermen Rieseneiern mit Sicherheit er- weisen lassen (zur Strassen 1898b p. 662). — Die Frage, um die es sich handelt, ist viel- mehr die, ob jene besondere plasmatische Beschaffenheit der zur Mitose schreitenden Ur- somazelle ihr von Geburt an eigentümlich, d. h. durch erbungleiche Plasmateilung übertragen war, oder ob der diminutorische Zustand erst sekundär durch einen Reiz, der von dem Kerne ausgeht, hervorgerufen wird. Im letzteren Falle beruhte die Diminution auf erbungleicher Kernteilung, selbst wenn die eigentliche Vollstreckung des Urteils aus- schließlich dem Protoplasmakörper überlassen bliebe. Nehmen wir jetzt an, die Chromosome der Ursomazellen seien von denen der Keim- bahn in der Tat kongenital verschieden und zwar auf solche Art, daß die plasmatische Zell- substanz, je nachdem sie mit dieser oder jener Schleifensorte in Berührung kommt, dimi- nutionsbestimmend wird oder nicht. Und beide Sorten habe der Zufall einer multiplen Mitose in einer und derselben Zelle zusammengeführt, so daß der gleiche Zellleib dem heterogenen Einflusse beider Determinationen unterworfen wäre. Was geschieht? — Da gleichzeitig wirkende Reize in mannigfacher und unberechenbarer Weise sich aufheben, durchkreuzen, zu neuer Qualität verbinden können, so sind wir von der Möglichkeit einer bestimmten Voraussage natürlich sehr weit entfernt. Nur eines ist fast gewiß: der ein- tretende Effekt wird für den ganzen Zellbereich, soweit das Plasma kon- tinuierlich zusammenhängt, identisch sein: auch bei den polyspermen Rieseneiern verbreitet sich derjenige Zustand des Protoplasmakörpers, der auf das Schicksal der Kern- gebilde, wie vorhin erwähnt wurde, bestimmenden Einfluß nimmt, gleichmäßig in alle Winkel des oft bizarr geformten Leibes. Und eine zweite Vermutung liegt nahe oder ist mindestens durchaus erlaubt. Das Protoplasma unserer Zelle braucht unter der divergenten Einwirkung der zweierlei Chromosome, die es enthält, nicht notwendig eine intermediäre, oder auch gänzlich neue, jedenfalls abnorme Beschaffenheit anzunehmen; es kann vielmehr auch geschehen, daß einer von beiden Faktoren als unbestrittener Sieger aus dem Kampfe hervorgeht und das Verhalten des Plasmakörpers ganz allein und unverfälscht in seinem Sinne determiniert. Eine solche Zelle aber wird sich mit ihrem ganzen Be- stande an Chromosomen, trotz deren Verschiedenheit, entweder wie eine Keimbahn- oder wie eine Ursomazelle verhalten müssen. Boveris Beobachtung, daß man bei Zwillingen —_— 276 — und sonstigen dispermen Keimen nie eine mitotische Zelle findet, in der ein Teil der Chromosome diminuiert wird, der andere nicht, schließt also die Annahme erbungleicher Chromosomenteilung noch lange nicht aus. Aber sogleich erhebt sich die Frage, wie es denn geschieht, daß bei nicht weniger als zwei Dritteln der doppelbefruchteten Eier — eben den „Zwillingen“ — genau zwei Keimbahnen gebildet werden. Bei diesen Keimen vollzieht die Hälfte der aus der ersten Teilung simultan hervorgegangenen Vierzellengruppe — entweder sogleich oder um eine Stufe später — die Diminution. Wir müßten also vom Standpunkte der Hypothese erbungleicher Chromosomenspaltung schließen, die vierpolige Mitose verteile den Chromatinvorrat in zwei Dritteln der Fälle derartig auf die Tochterzellen, daß in dem einen Paare die kon- servative Tendenz der Keimbahnschleifen, im andern das diminutorische Element die Ober- hand erhält. Wie dies aber möglich wäre, leuchtet nicht ohne weiteres ein: in Anbetracht der „Regellosigkeit‘ jener multiplen Mitose sollte man glauben, daß eine so ausnehmend günstige, die beiderseitigen Einflußsphären genau proportional der typischen Vorschrift be- messende Gruppenbildung minder häufig zu stande käme. Nun fehlt uns freilich, solange wir über das Wesen der anzunehmenden Reizvorgänge, die Art, wie sie bei gleichzeitiger Gegenwart aufeinander wirken, ihr relatives Stärkeverhält- nis im unklaren sind, jede Grundlage zu einer erschöpfenden Beurteilung dieser Konkurrenz- frage. Aber darauf kommt es uns zurzeit auch gar nicht an. Was wir erfahren wollen, ist nur, ob eine prinzipielle Möglichkeit, das überwiegend häufige Auftreten zweier Keimbahnen mit der Hypothese erbungleicher Chromosomenteilung in Einklang zu bringen, sich er- weisen läßt. Und ich denke, daß solches gelingt. Stellen wir uns die Bedingungen des intracellulären Kampfes in einer Weise vor, gegen die das Odium zu hoher Komplikation jedenfalls nicht eingewendet werden kann: die Wirkungsart der zweierlei widerstrebenden Chromosome sei analog, ihre individuell-determi- natorische Kraft sei gleich, und einfach zahlenmäßige Majorität entscheide, ob diese oder jene Partei die andere überwältigen, das Zellprotoplasma in ihrem Sinne determinieren soll. Dann müßten also am Anfang jeder Zwillingsontogenesis die Chromosome derartig auf die Spindeln der vierpoligen Mitose verteilt worden sein, daß zwei von den vier Tochterzellen mehr Diminutions- als Keimbahnschleifen erhalten, die beiden anderen das umgekehrte. Und dieser Annahme steht, soweit die bisherigen Erfahrungen reichen, nichts Tatsächliches im Wege. Die von Boveri mitgeteilten und alle die zahlreichen Fälle, die ich selbst unter- suchen konnte, lassen die Möglichkeit einer entsprechenden Deutung zu; wie ja auch unser schematisches Beispiel (Fig. RRRR, p. 273) in den zwei oberen Zellen eine Majorität der dimi- nutorischen Chromosome, d.h. Diminution, in beiden unteren den Keimbahntypus ergeben würde. — Hätte nun diese besondere Art der Gruppenbildung irgendwelche Aussicht, häufiger als andere aufzutreten? Gewiß! Die Hypothese erbungleicher Kernteilung führt, wie wir gesehen haben, unweigerlich zu der Forderung, daß zwischen den differenziellen, für obere und untere Tochterzelle bestimmten Hälften der ersten Furchungsspindel und dem anisotropen Eiprotoplasma eine orientierende Wechselwirkung bestehen müsse, die für die richtige Einstellung der Spindelpolarität zu sorgen hat (vgl. p. 272). Nehmen wir an, es handele sich dabei um attraktive Wirkungen zwischen je einem Plasmapole und den pro- grammgemäß für die betreffende Seite designierten Tochterchromosomen, so ist fast gewiß, — 277 — daß der ordnende Einfluß dieses typischen Apparates sich auch bei der abnormen Mitose doppelbefruchteter Eier geltend machen werde. Jedes Chromosom, das zufällig in den Machtbereich eines aufrecht stehenden Zentrenpaares gelangt, gäbe die Spalthälfte „P,‘“ nach unten, die diminutorisch gestimmte Hälfte „AB“ nach oben ab. Und wenn schon hierdurch eine erhebliche Anhäufung gleichartiger Tochterchromosome um je zwei Zentren gesichert wäre, so bestände noch überdies die Möglichkeit, daß unter der richtenden Einwirkung der Plasmapolarität durchschnittlich die Mehrzahl der vorhandenen Kernschleifen sich auf die annähernd vertikalen Spindeln verteilte; hierdurch würde die Aussicht auf relativ reinliche Scheidung der beiderlei Chromosomensorten, die Bildung einer gleichnamigen Majorität in je zwei Tochterzellen noch mehr gesteigert. Das heißt, der Fall, daß von den vier ersten Zellen eines doppelbefruchteten Eies zwei ihre Kerne diminuieren, zwei andere nicht, müßte besonders häufig sein. Und so verträgt sich denn, wie wir sehen, die auf den ersten Blick befremdliche Tatsache, daß trotz der mit der multiplen Mitose verbundenen Konfusion überwiegend oft zwei Keimbahnen angelegt werden, dennoch ganz gut mit der Hypothese erbungleicher Chromosomenteilung. Andererseits hätte, wenn unsere Annahme zutrifft, das Vorkommen dispermer Keime, bei denen weniger oder mehr als die Hälfte des primären Zellenbestandes in Dimi- nution getreten ist, nichts überraschendes. Boveri legt auf die letztere Kategorie, die Fälle mit nur einer Keimbahn, viel Gewicht. Nach seiner Meinung entstehen sie allemal durch eine besondere Aufstellung der vierpoligen Mitose im Ei, indem die Centrosome sich nicht, wie sonst, paarweis auf seine obere und untere Hälfte verteilen, sondern ein einzelnes Zentrum den ventralen Plasmabereich für sich allein in Anspruch nimmt: so geht die „keim- bahnbildende‘‘ Beschaffenheit des unteren Plasmaviertels auch nur auf eine einzige Tochter- zelle über; alle andern, nämlich die gegenüberliegende obere und zwei ungefähr äquatoriale Zellen verfallen der Diminution. Nun hat zwar Boveri multiple Teilungsfiguren der hier geforderten Art an konserviertem Materiale mehrfach aufgefunden; daß aber zwischen den beiderlei Gebilden ein wirklicher und obliga- torischer Zusammenhang bestehe, vermutet er wohl nur. So bleibt es denn auch erlaubt, die fraglichen Fälle auf eigentümliche Gruppen- bildung differenzieller Chromosome, die eben den Keimbahnschleifen nur in einer Zelle die Majorität verschafft, hypothetisch zurückzufüh- ren. — Übrigens trat diese Art von Mißbildungen in dem von mir untersuchten Materiale viel sel- tener auf, als ihr Gegenstück: disperme Keime mit einem Überschuß an Keimbahneellen. Doppelbefruchteter Keim von A. m. bivalens. Fig. SSSS stellt ein solches Gebilde dar. Es macht im allgemeinen den Eindruck eines regelrechten Zwillingskeimes und trägt, wie jener, am unteren Pol ein Konglomerat von zweimal zwei Zellen mit Keimbahnkernen. Daran schließen sich vier Blastomere mit frischen Spuren stattgehabter Diminution, die ich als en doppelt vorhandene E-MStgruppe ansprechen möchte. Ganz oben aber liegen im Umkreis einer Furchungshöhle sieben Zellen, sechs somatische und mitten darunter eine größere, offenbar um einen Klüftungsschritt zurückgebliebene — vom Keimbahntypus. Ohne Zweifel ist bei der Vierteilung des Eies nur eine einzige in toto diminutionsfähige Ursomazelle ge- bildet worden, die sich genau nach dem Programm einer Ektodermzelle „AB“ entwickelt hat: zeigen doch zwei ihrer Enkelinnen aufs Haar diejenige exzentrische Spindelstellung, die für die Zellen a und « charakteristisch ist, und die bei sämtlichen normalen Eiern der be- treffenden Ascaris wiederkehrte. Außer dieser einen, wohlgeratenen Ursomazelle aber haben die Produkte der simultanen Vierteilung den Keimbahntypus beibehalten. Erst auf der nächstfolgenden Stufe kam es bei je einer ihrer Tochterzellen zur Diminution. — Man könnte nun, um die Entstehung derartiger Keime im Sinne Boveris zu erklären, auch hier be- haupten, daß durch besondere Lage der vierpoligen Spindelfigur die Abschnürung einer einzigen rein dorsalen Tochterzelle bewirkt worden sei, und daß diese Zelle, weil nur im dorsalsten Viertel des Plasmaleibes die Ursachen des Ektodermwerdens enthalten sind, allein von allen primäres Ektoderm geliefert habe. Aber offenbar ist wiederum die andere Hypo- these, wonach eine unglückliche Konstellation verschiedenartiger Chromosome die Ab- weichung verschuldet hätte, ebenso erlaubt. Ja, sie ist eigentlich sogar die bessere. Denn wenn man Boveris Erklärung für das Auftreten nur einer Keimbahn mit der hier ange- botenen analogen Hypothese über den Grund dreifacher Keimbahnbildung zusammenhält, so stößt man auf die nicht angenehme Frage, durch welche Plasmadifferenzierung wohl das Schicksal der im Äquator des Eies sich abschnürenden Tochterzellen bestimmt werden möge. Diese mittleren Blastomere nehmen in einem Falle an der Diminution der rein dorsalen Ur- somazelle teil, im anderen folgen sie der rein ventralen Keimbahnzelle. Nach alledem wird man zugeben müssen, daß in dem diminutorischen Verhalten der durch multiple Teilung doppelbefruchteter Einzeleier entstandenen Vierzellengruppen kein Beweis für rein plasmatische Determination und für das Fehlen erbungleicher Chromo- somenteilung zu finden ist. Die ontogenetischen Vorgänge dieser Kategorie sind doch wohl zu kompliziert, als daß sich ihre Kausalität durch ein Rechenexempel entschleiern ließe. 3. Sehen wir zu, ob die Vertiefung in das andere, minder verklausulierte Problem: wie es kommt, daß doppelbefruchtete Einzeleier überhaupt „Zwillinge“ liefern können, für unseren Zweck ersprießlicher ist. Eine simultan geborene Vierzellengruppe, die zwei Blastomere vom Keimbahn- und zwei vom Ursomatypus enthält, ist darum noch keine Zwillingsbildung. Hierzu gehört viel- mehr, daß je ein Paar der Zellen in allen seinen Eigenschaften — mit Ausnahme gewisser Differenzen der Form und Anordnung, die aus der veränderten Massenkorrelation ohne weiteres verständlich sind — sich so präsentiert, wie ein typisches Stadium II. Die beiden aufeinander bezogenen Zellen müssen daher vor allen Dingen im Dottergehalt und in der Größe um das typische Maß verschieden sein. Und diese Forderung finden wir bei einem Teile der doppelbefruchteten Vierzellenkeime in der Tat erfüllt. Allein die Kenntnis vom Vorhandensein solcher echten Zwillinge jüngster Stufe vermag — 279 — uns dennoch dem erstrebten Ziele nicht näher zu bringen, weil die Entstehung derselben kaum etwas Neues voraussetzt. Wie wir erfahren haben, verdankt ein sehr erheblicher Prozentsatz derjenigen dispermen Keime, die zwei primäre Ursomazellen bilden, den Vorzug dieses proportional-typischen Verhaltens nicht sowohl den Zufälligkeiten multipler Mitosen, als vielmehr dem ordnenden Einflusse der anisotropen Eistruktur auf Spindeln und Chromo- some. Nun sorgt am normalen Keim die polar differenzierte Plasmaschichtung, die der ersten Spindel ihre senkrechte Lage weist, zugleich auch für ihre Exzentrizität und für das Ventralwärtswandern der Dotterkörnchen. Da wäre es denn nicht wunderbar, wenn bei disper- men Eiern, denen auf Grund ihrer axialen Plasmastruktur die Herstellung zweier vertikalen Spindeln, eventuell auch die Vereinigung der meisten Chromosome in queren Äquatorial- platten gelungen ist, die beiden unteren Tochterzellen typisch kleiner und dotterreicher aus- fallen würden, als die oberen. — Erst wenn die Entwickelung über das zweimal-zweizellige, noch gar zu sehr unter den Auspizien der normalen Eistruktur geschaffene Stadium hinaus- geht, wird ihre Erklärung unter Umständen schwierig und interessant. Nehmen wir an, jeder Einzelkeim eines Zwillings durchlaufe — von unvermeidlichen, durch die Verlötung bedingten Alterationen wiederum abgesehen — das ganze typische Entwickelungsprogramm, oder sei doch von Haus aus zu einer solchen Leistung befähigt ; — was gehörte dazu? Da offenbar die Ontogenesis eines jeden Individuums „Selbstdifferen- zierung‘ wäre, formbildende Wechselwirkung zwischen den Zwillingsbrüdern also nicht statt- finden könnte, so müßte in jedem Einzelkeime die Gesamtheit derjenigen Strukturen und Komplikationen, deren die typische Entwickelung bedarf, enthalten sein. Ein doppel- befruchtetes Ascarisei, das Zwillinge liefert, würde demnach die formbildende Organisation von irgend einem Zeitpunkte, spätestens aber vom Ausgange der vierpoligen Mitose ab, zweifach enthalten müssen. In der Entstehung dieses abnormen Zustandes läge das Problem. Und da nicht ausgeschlossen ist, daß seine Lösung sich als verschieden schwierig erweisen würde, je nachdem man die Ursachen der Formbildung im Kern oder im Plasma lokalisiert, so verspräche in solchem Falle die Analyse will- kommene Aufklärung über die Leistungsfähigkeit der einen und der anderen Hypothese. Wenn die Kausalität des Differenzierungsprozesses ausschließlich auf die Kerne, speziell die Chromosome begründet wäre, so machte die Lösung gar keine Schwierigkeit. Stände doch ohnehin die Gesamtheit der Determinationsgründe, der Zahl vorhandener Kern- schleifen entsprechend, mehrfach zur Verfügung. Und es würde nur eine Frage der räum- lichen Verteilung durch zweipolige oder vierpolige Mitose sein, ob der typische Entwicke- lungsverlauf einmal oder zweimal determiniert werden sollte. Wir wissen aber, daß es bei Ascaris rein nukleare Determination nicht gibt und nicht geben kann. Selbst wenn die Chromosome sich erbungleich spalteten und einen bestimmenden Einfluß auf die Differen- zierung nähmen, würde daneben noch eine Fülle im Plasmakörper des Eies und der Furchungszellen lokalisierter Hilfsstrukturen unentbehrlich sein: einerseits die vielgenannten „Schichtsysteme“, die als Richtungslineale für die Spindeln und als strukturelle Grundlage der cytotaktischen Mechanismen dienen; andererseits aber eine planvoll geordnete, irgend- wie präformierte Repräsentation aller folgenden Zellen und Zellfamilien, damit die vorschrifts- mäßige Einstellung der Spindelpolarität, d. h. die richtige Verteilung der Kernsubstanzen ermöglicht werde. In der Voraussetzung einer Organisation des Eiprotoplasma sind also — 280 — beide überhaupt zulässigen Hypothesen gleich. Und beide erheben darum für den Fall kompleter Zwillingsontogenese die Forderung, daß jene plasmatische Organisation, die doch normalerweise nur einmal und einheitlich gegeben ist, von der Geburt des Vierzellenstadiums ab doppelt vorhanden sei; ein Anspruch, der, wie wir gleich sehen werden, seltsame und wichtige Konsequenzen nach sich zieht. Für gewisse Einzelpunkte des Verdoppelungsproblems stände freilich — voraus- gesetzt, daß die Trennungsfläche der neugeborenen Zwillinge ganz genau vertikal gerichtet wäre — eine überaus einfache Erklärung bereit: die betreffenden Örganisationsverhältnisse könnten durch bloßes Zerschneiden, ohne sich dabei ihrem Wesen nach geändert zu haben, in die verlangten gleichwertigen Hälften zerfallen sein. Das gälte in erster Linie für die der Spindelstellung dienenden plasmatischen Schichtsysteme. Nach unserer Annahme durchdringen sich die Schichtungen, wie Spaltflächen eines Kristalls; und diese Durchdringung brauchte nur eine völlige und allseitige zu sein, so erhielte jede Hälfte des vertikal durchschnittenen Eies die Gesamtheit ohne weiteres und in vorgeschriebener Lage zugeteilt. Leicht begreiflich wäre auch die Verdoppelung der im Plasma präformierten „Anlagen“ für die ventralen Furchungszellen EMSt und P,;,, und deren Töchter E, MSt, P;, und C, die allesamt in der Achsenrichtung des Eies, vielleicht als breite Scheiben, übereinander liegen. Schnitte die Grenzfläche einer im Werden begriffenen Zwillingsbildung da senkrecht hindurch, so fiele den ventralen Zellen beider Individuen die ganze, vorschrifts- mäßig geordnete Serie zu, und regelrechte Entwickelung der Ventralfamilie wäre beiderseits, wenigstens für die zwei nächstfolgenden Teilungsstufen, garantiert. Ferner würden auch solche Zellanlagen, die außerhalb der Eiachse im Protoplasma gelegen sind, unter der Bedingung, daß die Trennungsfläche durch ihre Mitte hindurchginge, beiden Zwillings- brüdern zugute kommen und ihre formbildende Aufgabe hier wie dort, also doppelt erfüllen können. Allein mit alledem wäre das Problem der doppelten plasmatischen Organisation noch lange nicht erschöpft. Wie der sich entfaltende Keim, so ist schon der Plasmaleib des Eies rings um die Achse herum differenziert. Zum Beispiel bilden darin die Anlagen der ektodermalen Furchungszellen a, «, b, ß, ein horizontales Quadrat, dessen Glieder in ihrem formbildenden Verhalten sämtlich verschieden und außer stande sind, sich gegenseitig zu vertreten. Und es ist klar, daß dieser Anlagenkomplex durch keine senk- recht stehende Trennungsebene, wie immer sie gerichtet wäre, in zwei einander oder gar dem Ganzen wesensgleiche Hälften zerschnitten werden könnte. Fände man also Zwillinge, die zweimal vier Ektodermzellen nach den Regeln der normalen Entwickelung gebildet haben, so müßte bei ihnen die Präformation der ektodermalen Vierzellen- gruppe unbedingt schon vor der Durchschneidung des Eies doppelt — näm- lich beiderseits der künftigen Grenzfläche um je eine eigene, individuelle Achse herum — vorhanden gewesen sein. Und für die Gesamtorganisation des Eiprotoplasma gälte, wenn man noch höhere Stadien in Rechnung zieht, das gleiche. Sollte sich aber zeigen, daß die Längsachse zweier neugeborenen Zwillings- brüder nicht parallel zueinander, d. h. zur Eiachse gerichtet sind, sondern unter irgend einem Winkel divergieren, so träte die Notwendigkeit, aus ihrem typisch formbilden- den Verhalten auf eine primäre, der Aufteilung vorausgehende Verdoppelung der Plasma- — 2831 — organisation zu schließen, noch früher ein. Hätte doch in solchem Falle nicht einmal die strukturelle Hervorhebung der Längsachse, deren die Spindel der Zelle P, zu ihrer Ein- stellung bedarf, den Zwillingen auf dem Wege einfacher Zerschneidung der Eistruktur über- tragen werden können. Und diese Möglichkeit ist darum für die Analyse bedeutungsvoll, weil ja nicht ausgeschlossen ist, daß die typische Entwickelung der Zwillinge gar nicht über die frühesten Stufen hinausreicht, oder ihre Kontrolle späterhin nicht mehr gelingt. So sehen wir denn, daß die Geschichte der von Boveri entdeckten Einfachzwillinge uns unter Umständen ein höchst bemerkenswertes Problem in Aussicht stellt: zu fragen, wie eine solche totale oder partielle Doppelorganisation im Plasma des undurchschnürten Eis denn wohl entstehen möchte. Wird durch die Gegenwart zweier Spermien eine bereits vorhandene, typisch ausgeprägte Plasmaorganisation nach vorausgegangener Verdoppelung ihrer Elemente zum Zweifachtypischen umgeordnet? Wird sie zerstört und dann ın Zweizahl neu aufgebaut? Oder aber: war vielleicht beim Eintritt der Dispermie noch gar keine Differenzierung des Zellleibes da, und ist unter der Herr- schaft der vierpoligen Mitose die doppelte Organisation in ganz derselben Weise und zur selben Zeit gebildet worden, wie bei den monospermen Eiern die einfache? Wie aber unser Urteil über die Herkunft der doppelten Plasmaorganisation sich auch gestalten möge, das eine wäre gewiß: daß durch die bloße Notwendigkeit, eine primäre Ver- doppelung zuzugeben, ganz neues Licht auf das ökonomische Wertverhältnis der beiden konkurrierenden Hypothesen über den Sitz der Differenzierungsgründe geworfen würde. Einerseits erschiene der Kern als Beherrscher oder Wecker der plasmatischen Organisation und erwürbe dadurch in höherem Maße, als vielleicht bisher, das Vertrauen, selber ein hochkompliziertes Gebilde zu sein. Andererseits stellte sich die Wandelbarkeit des plasma- tischen Baues unter der Herrschaft des Teilungsapparates als überaus seltsames Geschehnis dar; als ein Vorgang, der um so erstaunlicher wäre, je komplizierter man die zu ver- doppelnde oder doppelt anzulegende Organisation zu denken hätte. Hieraus aber ergäbe sich abermals ein neues Moment zur ökonomischen Charakteristik unserer beiden Hypo- thesen: wir sähen uns gedrängt, das Plasma nach Möglichkeit zu entlasten. Das heißt, wenn sich zeigen sollte, daß doppelbefruchtete Einzeleier Zwillinge von voll- kommener oder doch höherer Entwickelungsfähigkeit oder solche mit divergierenden Achsen zu liefern im stande sind, so gewänne die Hypothese der vorwiegend nuclearen Determination, die den größten Teil der präformierten Mannigfaltıgkeit in den Kern und nur eine relativ geringe Komplikation in das Plasma ver- legt, gegenüber der Annahme rein plasmatischer Organisation erheblich an Wahrscheinlichkeit. 4. Wenden wir uns jetzt von der Theorie zur Prüfung des vorliegenden Tatsachen- materials, so sehen wir das analytische Luftschloß, das wir gebaut haben, leider in Trümmer sinken. Die zweimal-zweizelligen echten Zwillinge klüften sich, wie Boveri erkannte, nur noch um eine gewisse Anzahl von Stufen regelmäßig weiter, worauf sie stehen bleiben und langsam sterben. Aber darin läge kein Grund, den Zwillingsbrüdern die prinzipielle Zuologiea. Heft 40. 36 Fähigkeit zur typischen Einzelentwickelung abzusprechen. Auch T-Riesen gehen ja ausnahme- los in den mittleren Stadien der Ontogenese ein; wie dort, so wäre auch bei den Einfach- zwillingen die frühe Sterblichkeit als accidentelles, durch schädlichen Einfluß der Konfigu- rationsstörung auf die cytotaktischen Mechanismen, vielleicht auch durch angeborene Schwäche der dispermen Eier bedingtes Ereignis leicht zu entschuldigen. Der Nachweis typischer Entwickelungsfähigkeit jedes Einzelkeimes gälte vielmehr schon dann als erbracht, wenn sich zeigen ließe, dab ıhre genealogische Entfaltung wenigstens noch um ein paar Stufen vorschriftsmäßig von statten ginge. Hierin aber versagt das Material. Die Verlötung der Zwillings-Individuen führt sehr bald eine derartig starke Dislokation der Elemente her- bei, daß eine treffende Beurteilung des morphologischen Wertes und formbildnerischen Verhaltens aller einzelnen Zellen ganz unmöglich wird. Und es gelang mir nicht einmal, festzustellen, was doch so wichtig wäre: ob die Entwickelung des Ektoderms an beiden Einzelkeimen über seine vierzellige Stufe hinaus typisch verläuft. Der früher (p. 277, Fig. SSSS) erwähnte disperme Keim, dessen „Ektoderm“ auf einer der typischen Periode VIII—XVI entsprechenden Teilungsstufe je einmal die vorschriftsmäßig inäquale Mitose der Zellen a und «@ erkennen ließ, kann nichts beweisen. Denn das Gebilde enthielt eine Keimbahnzelle zuviel, und darum blieb, trotz seiner zwillingsähnlichen Gestalt, zum mindesten zweifelhaft, ob es überhaupt als echte Zwillingsbildung betrachtet werden durfte. Nach diesem Mißerfolge bauen wir unsere ganze Hoffnung auf die andere Möglich- keit, aus der Geschichte der Einzelzwillinge analytischen Vorteil zu ziehen: auf das Problem der Achsenstellung. Zur Beantwortung der Frage, ob die Achsen typisch entwickelungs- fähiger Zwillingsbrüder immer genau parallel zur Eiachse gerichtet sind, oder aber diver- gieren dürfen, ohne daß die Fortentwickelung darunter litte, bedarf es ja zum Glück der älteren und allzuschwer zu kontrollierenden Zwillingskeime nicht. Im Gegenteil, die erste Klüftungsperiode, die auf das zweimal-zweizellige Stadium folgt, ist hierzu am aller- geeignetsten; muß doch die Achsenrichtung eines jeden Individuums, falls überhaupt die Entwickelung typisch weiter geht, an der „axialen“ Spindel seiner unteren Zelle P, unmittel- bar zum Ausdruck kommen. Vier konservierte Einfachzwillinge, Von einem bivalens-Weibchen. Boveri bezeichnet die Spindelstellung der beiden Zellen P, als „ungefähr radial“. Auch ich fand zahlreiche Zwillinge, bei denen die Spindeln der unteren Blastomere einen Winkel miteinander bildeten, oft 90° und mehr (Fig. TTTT). Und man könnte meinen, daß damit die Achsendivergenz entwickelungsfähiger Zwillinge entschieden sei. Allein so einfach ist das nicht. Zwischen dem Ende der Vierteilung, die das Zwillingspaar geliefert hat, und der Mitose seiner beiden unteren Zellen liegt eine Spanne Zeit, in der das ursprüngliche —_— 2893 0 — Stellungsverhältnis der Achsen sich leicht durch Gleiten geändert haben könnte. Wenn man bedenkt, daß die aus parallelachsiger Vierteilung entstehende genau quadratische An- ordnung dem Plateauschen Prinzipe sehr wenig entspricht, so wird man den Übergang der- artig geborener Keime zur günstigeren Tetraäderstellung sogar für recht wahrscheinlich halten. Jedenfalls beweist die radiäre Lage der beiden unteren Spindeln noch lange nicht, daß die individuellen Achsen der Zwillingsbrüder von jeher schief zueinander gerichtet waren. Und da die Verdrehung der Achsen sogleich nach der Doppelmitose, ja selbst in deren letzter Phase geschehen sein könnte, so wäre der Nachweis eines unmittelbaren Ur- sprunges schiefgestellter Zwillingsachsen aus der Mitose erst dann erbracht, wenn man die schiefachsige Vierteilung des betreffenden Keimes selber beobachtet hätte. Hierzu fand ich niemals Gelegenheit. Und ob Boveri einen solchen Zusammenhang direkt gesehen hat, ist aus der Fassung seiner Schriften nicht zu entnehmen. Andererseits gibt es Zwillinge von ausgezeichneter Entwickelungsfähigkeit, bei denen die Spindeln der beiden Zellen P, nicht radial, sondern sehr genau parallelzueinander und zur ursprünglichen Eiachse gerichtet sind. Solcher Zwillinge fand ich bei einem und demselben uniwvalens-Weibchen drei. Sie hatten im Vierzellenstadium die Form eines regelrechten Quadrates, lieferten darauf durch je zwei horizontale und vertikale Mitosen eine allerliebste Zwillings-T-Figur, an der sogar die ungewöhnlich starke Dottergehalts- UUUT. 2 2 Stadien eines Einfachzwillings. Nach dem Leben. differenzierung des Eimaterials sich zwerghaft wiederholte (Fig. UUUU), behielten noch während der ganzen Ruheperiode die winkelrechte Anordnung bei und schoben ihre Zellen erst beim Eintritt der folgenden Klüftungen unregelmäßig übereinander. Möglich, daß diese drei hübschen Zwillingsbildungen durch irgend eine besonders kräftige, selbstordnende Tätigkeit ihrer ersten Zellen das übliche Zusammengleiten zum Tetra@der vermieden hatten. Also auch in diesem Punkte Enttäuschung. Daß Zwillingskeime, deren Ventralfamilie sich bis zur nächsten Stufe typisch fortentwickelt, aus parallelachsigen Doppelmitosen her- vorgehen können, ist gewiß; daß alle zu solcher Entwickelung befähigten Zwillinge, auch die späterhin schiefachsigen, den gleichen Ursprung haben, muß wenigstens als möglich zu- gegeben. werden. Demnach scheint es, als sei die primäre Parallelstellung der Zwillings- achsen die Vorbedingung der typischen Entwickelungsfähigkeit. Wenn aber in der Tat die als „Zwillinge“ bezeichneten Spalthälften eines dispermen Eies nur insoweit noch typische Formbildung zu leisten vermöchten, als die dazu benötigte plasmatische Organisation durch einfaches Zerschneiden der Eiorganisation auf sie über- gehen kann, so deutete dies darauf hin, daß eine wirkliche, dem Schnitt voraus- — 284 — gehende Verdoppelung jener Mannigfaltigkeit eben nicht möglich ist. Da- mit aber wäre uns nicht gedient. Nur durch den Nachweis einer selbständigen Or- ganisationsverdoppelung wäre neues Licht auf unsere Frage nach dem Sitz der Differenzierungsgründe geworfen worden. Nach alledem lautet unser Urteil über den analytischen Wert der Einfachzwillinge für das Lokalisationsproblem durchaus negativ. Ihr von Boveri entdeckter Ursprung aus vier- polig verkoppelten Mitosen, der so ungemein wichtige Aufschlüsse zu versprechen schien, ist in Wirklichkeit ohne entscheidende Bedeutung. Und aus der Art ihrer Fortentwickelung über das zweimal-zweizellige Stadium hinaus läßt sich — soweit die bisherige Kenntnis reicht — nichts greifbares entnehmen. C. Die Riesenzwillinge. ie Unter diesen Umständen darf und muß ein Material in den Kreis der Betrachtung hereingezogen werden, das diejenigen analytischen Eigenschaften, die wir an den Einfach- zwillingen so sehr vermissen, zwar vollauf besitzt, das aber seinerseits mit einem nicht un- bedenklichen Mangel behaftet ist. Es handelt sich um die früher (1898b) von mir be- schriebenen, aus doppelbefruchteten Rieseneiern hervorgehenden „Riesenzwillinge“. Beginnen wir — captatio benevolentiae — mit den Vorzügen unseres Materials, so lassen die Riesenzwillinge nicht den geringsten Zweifel darüber, daß hier die ganze, dreidimensional differenzierte Plasmaorganisation noch vor dem Abschluß der Doppelmitose in Zweizahl und räumlicher Sonderung vorhanden ist. Das folgt zunächst aus dem Stellungsverhältnisse der Zwillingsachsen. Gleichsinnig- parallelachsige Orientierung der neugeborenen Individuen, wie sie bei Einfachzwillingen öfter, vielleicht sogar immer gefunden wird, kommt bei Riesenzwillingen nicht oder doch nur selten vor. In allen von mir gesehenen Fällen wenigstens bildeten die Dorsiventralachsen der vrVvv. Riesenzwillinge entweder — unter Wahrung der Gleichsinnigkeit ihrer Aufstellung — starke Winkel miteinander: so z. B. bei dem Dreifach- zwilling, der im Beschreibenden Teile dieses Werkes geschildert ist; oder die Achsen der Individuen lagen in einer Flucht, aber ent- gegengesetzt, so daß die Brüder mit ‘ihren dorsalen Zellen AB oder den ventralen P, zu- sammenhingen (Fig. VVVV) — ein Zustand, der sich offenbar als extreme Achsendivergenz gleichsinnig gerichteter Individuen verstehen Zweifachzwilling im Stadium 2XII. Konserviert, ließe. Schon allein die Tatsache, daß derartig orientierte und dabei typisch geformte Zwil- linge aus der Mitose des Rieseneies unmittelbar — denn von dem Einwande nachträglicher Achsenverschiebung ist hier keine Rede — hervorgehen können, setzt eine vom Typus ab- — 285 — weichende Gruppierung gewisser Organisationsbestandteile im Riesenei voraus: unmöglich kann doch die vorschriftsmäßige Differenz je zweier Zellen und die Ungleichheit ihres Dottergehaltes unter der Herrschaft der normalen Eiorganisation, wie bei den Einfachzwillingen, zu stande gekommen sein. Unser Dreifachzwilling bewies das ad oculus. Vor seiner ersten Teilung hatte die Dotterwolke sich nicht, wie beim normalen Ei, an einem Pole, sondern genau in der Mitte des Plasmaleibes zusammengezogen (Taf. IV, Fig. 48): entsprechend war natürlich auch die plasmatische Ursache der Dotterverschiebung und ebenso die der ungleichen Zellengröße lokalisiert. — Nun lehrt die Geschichte solcher Riesenzwillinge des weiteren, daß ihre beiden ventralen Blastomere sich vorschriftsmäßig ın der Richtung der individuellen Längsachse teilen und überhaupt durch mehrere Stadien zur typischen Fortentwickelung befähigt sind. Dann muß im Riesenei die hierzu nötige Plasmaorganisation, d.h. die strukturelle Hervorhebung der Längsachse und eine Anzahl dorsiventraler Differenzierungen doppelt, nämlich beider- seits der künftigen Zwillingsscheidewand in divergenter oder diametraler Lage vorhanden gewesen sein. Um aber behaupten zu können, daß wirklich der gesamte am typischen Determinations- prozeß beteiligte Plasmabau auf beide Zwillingsbrüder übergehe, bedarf es höherer Stadien. Wir müssen zum mindesten erfahren, ob auch das primäre Ektoderm eines jeden Indivi- duums durch völlig typischen Verlauf seiner Entwickelung das beiderseitige Vorhandensein der dazu erforderlichen circumaxialen Organisation dokumentiert. Und auch zu dieser ent- scheidenden Auskunft verhelfen uns die Riesenzwillinge. Zwar macht sich bei ihnen der Übelstand gestörter Konfiguration, den eine innige und dauernde Verlötung zur Folge haben muß, nicht minder geltend, als bei den Einfachzwillingen: liegt das Ektoderm im Bereich der Kontaktstelle, so schiebt es seine Zellen ebenso regellos wie dort durcheinander; liegt es frei, so erschwert und vereitelt die T-riesenartige Entwickelung das Kontrollieren der Genealogie. Aber die doppelbefruchteten Riesenkeime haben ein anderes, recht elegantes Mittel, uns zu überzeugen, daß jedes ihrer Zwillingskinder die ganze Eiorganisation ohne Abzug mitbekommt. Wie schon aus früheren Andeutungen zu entnehmen ist, liegen der simultanen Aufteilung eines doppelbefruchteten Rieseneies regelmäßig zwei völlig getrennte Spindelfiguren zugrunde, zwischen denen das Plasma — meist vor der Vollendung der beiderseitigen Mitosen — durchschnitten wird, ohne daß Chromosome daran beteiligt wären. Dieser rein plasmatische Trennungsvorgang führt nun gelegentlich aus irgend welchen, nicht sicher bekannten Gründen, vielleicht weil die Riesenschale besonders stark eingeschnürt, oder der Abstand zwischen den Chromosomengruppen von Anfang an ein ungewöhnlich großer war, zur vollkommenen Loslösung der beiderseitigen Plasmabezirke (Fig. WWWW, p. 286). Die so entstandenen isolierten, dem störenden Einflusse eines Kontakt- verhältnisses entzogenen Einzelkeime sind, wie sich behaupten läßt, komplet entwickelungsfähig. Zwar wurde in den vier Fällen, die ich lebend fand und längere Zeit beobachten konnte, meine Hoffnung, zuguterletzt zwei fertige Zwillingswürmchen in der gemeinsamen Riesenschale umherkriechen zu sehen, allemal durch den vorzeitigen Tod der Keime vereitelt: es scheint, daß die primäre Zerreißung des Plasmakörpers doch einen dauernden Nachteil, vielleicht eine Wunde der Oberflächenschicht zur Folge hat (vgl. Fig. WWWW 2), woran die Embryonen früher oder später sterben. Aber das schadet nichts. a Über die kritische Stufe, in der die Entwickelungsart des primären Ekto- derms offenbaren muß, ob das Plasma eines Einzelkeimes außer in der Achsenrichtung auch rund um die Achse typisch organisiert sei oder nicht, gelangten mehrere der isolierten Keime, ohne von der Bahn der regel- rechten Entwickelung abzuweichen, erheblich hinaus (Fig. XXXX). Wenn aber 1 WWWW. 2 AXAIX. Getrennter Dreifachzwilling, nach dem Leben. Das eine I und 2 doppelbefruchtete Zweifachkeime. Konserviert. Individuum ist auf dem Stadium IV abgestorben, das andere 1 im Begriff, sich in zwei getrennte Individuen aufzuteilen ; hat sich bis zum St. XLVIII typisch entwickelt, blieb dann 2 nach vollzogener Trennung. aber stehen, verfiel in „Framboisie* und ging zu Grunde. unter solchen Umständen die prinzipielle Entwickelungsfähigkeit getrennter Riesenzwillinge zum Typisch-Ganzen nicht zu bezweifeln ist, so hat es keinen Sinn, den übrigen Riesen- zwillingsbildungen die gleiche Fähigkeit abzusprechen. Riesenzwillinge, getrennte wie verlötete, besitzen also pro Kopf die ganze, dreidimensionale Organisation des Plasmaleibes. Und wenn nichts weiter gegen sie vorläge, so könnte die Schlußfolgerung, zu der die Einfachzwillinge uns nicht gelangen ließen, nunmehr in aller Ruhe und Sicherheit gezogen werden. Die Doppel- organisation dispermer Riesenkeime müßte, da ihre Bildung durch einfaches Zerschneiden des normalen Eibaues unmöglich ist, vor der Zwillingsteilung durch eine wirkliche Ver- doppelung der Eiorganisation entstanden sein. 2 a. Jetzt aber kommt der Punkt zur Sprache, der unbestreitbar die Riesenzwillinge den einfachen gegenüber in schweren Nachteil setzt, und der Boveri (1904b p. 411) sogar be- stimmte, die Zwillingsbildung der Riesen als unmaßgeblich von der Beweisführung auszu- schließen. Die Einfachzwillinge waren zur Lösung des uns beschäftigenden Problems, ob eine selbständige Organisationsverdoppelung möglich sei, wenigstens insofern durchaus qualifiziert, als über die primär einheitliche Beschaffenheit des zur Verwendung kom- menden Plasmaleibes des normalen Eies kein Zweifel war: was etwa später von — 287 0 — echter Doppelorganisation sich darin finden sollte, das müßte im Anschluß an die disperme Befruchtung oder durch dieselbe de novo geschaffen sein. Anders bei den Riesen. Ein Riesenzwilling stammt von mindestens zwei ursprünglich isolierten, dann miteinander „ver- schmolzenen“ Eiern ab. Aber wer weiß, ob diese Verschmelzung eine wirkliche Ver- mischung und gegenseitige Durchdringung war; ob nicht vielleicht jedes Einzelei den Besitz an Plasmaorganisation, den es mitbrachte, trotz der äußerlichen Verschmelzung in allen wesentlichen Punkten aufrecht erhielt? Dann stünde natürlich der Zwillingsontogenese die doppelte Plasmaorganisation, deren sie bedarf, ohne weiteres zur Verfügung, und das Vorhandensein der Riesenzwillinge wäre in der Tat für unsere ganze Frage so gut wie bedeutungslos. — Boveri freilich hält die Schwäche meines Materials dieser drohenden Gefahr gegen- über für größer als sie wirklich ist. Nach seiner Ansicht kommt Riesenzwillingsbildung nur dann zu stande, wenn die Eier sich erst nach Ausbildung der reifen und endgültig orien- tierten Furchungsspindel vereinigt haben, so daß eine Änderung der beiderseitigen Plasma- polarität gar nicht mehr möglich war. Und noch wahrscheinlicher ist ihm, daß beide Eier „erst bei Beginn der Furchung und ohne überhaupt ihre Protoplasmaleiber zusammen- fließen zu lassen, in Kontakt getreten sind“ (1904 p. 413). — Das trifft aber bestimmt nicht zu. Der Dreifachzwilling, dessen Geschichte vom Dreifachriesenei an ich 1903 veröffentlicht habe, beweist ja allein schon das Gegenteil. Und wenn ich auch die Möglichkeit derartig später Verlötungen nicht leugnen will — habe ich doch selber (1898b Taf. XVII, Fig. 23) einen monströsen Fall beschrieben, wo allem Anscheine nach ein Stadium IV mit seiner Zelle P;, den Anschluß vollzogen hatte —, so sind doch die echten Riesenzwillinge, deren Herkunft ich im Leben kontrollieren konnte, samt und sonders aus regelrecht verschmolzenen Rieseneiern hervorgegangen. Auch war die Verschmelzung immer lange vor Ausbildung der beiderseitigen Spindeln erfolgt. Und bei nicht wenigen der Riesenzwillinge, die erst auf höheren Stadien gefunden wurden, bewies’ das Vorhandensein eines einzigen zweiten Richtungskörpers von doppelter Größe und Chromosomenzahl unweigerlich, daß die plas- matische Gemeinschaft auch hier schon lange bestanden hatte. — Dagegen erkenne ich den Grundgedanken Boveris, daß a priori bei den Rieseneiern die Einzelorganisation der zur Verschmelzung kommenden Eier innerlich persistieren und so auf triviale Art die Zwillings- ontogenese gewährleisten könnte, als richtig an. Und darum muß, ehe wir die Riesen- zwillinge in unserem Sinne verwenden dürfen, der Zweifel an ihrer Kompetenz beseitigt sein. Vor Jahren hätte ich vielleicht eine schlagende Widerlegung des von Boveri er- hobenen Einwandes in folgendem erblickt. Die gegenseitige Stellung der Riesen- zwillingsbrüder ist, wie wir wissen, nicht regellos; sondern man findet die Individuen, wenn auch in wechselndem Grade divergent, doch allemal symmetrisch zu der sie trennen- den Zwillingsfläche orientiert, als wäre eines das Spiegelbild des anderen; genau so, wie hemitrope Zwillingskristalle verwachsen sind. Natürlich muß die gleiche Symmetrie schon vor der Aufteilung des Rieseneies zwischen den beiderseitigen Plasmaorganisationen bestanden haben. Und ich hätte mir gesagt, daß diese Richtungsverwandtschaft der Or- ganisationen zwar leicht durch ihren gemeinsamen Ursprung erklärt werden könnte, dagegen aber unbegreiflich sei, wenn die komplete Organisation der beiden Einzelkeime unmittelbar auf die der „verschmolzenen‘“ Eier zurückgeführt wird. Glaubte ich doch damals von einem — 288 — i ganz ähnlichen Gesichtspunkte aus das Alter gewisser Riesenbildungen beurteilen zu dürfen. Ich fand unter den Zweifachriesen neben solchen, die einheitliche Richtungskörper abgeschnürt und damit ihre Verschmelzung im Ovocytenalter unweigerlich bewiesen hatten, zahlreiche andere, bei denen die Richtungskörperbildung zwar beiderseits getrennt, aber dafür an sehr genau diametral gelegenen Punkten geschehen war (1898b p. 649). Diese auffällige und bei der Häufigkeit ihres Vorkommens bestimmt nicht accidentelle Lagebeziehung schien mir ebenfalls auf eine frühzeitige Verschmelzung hinzudeuten. Es lag wohl nahe, zu denken, daß deutliche Korrespondenz zwischen getrennt auftretenden Leistungen eines Riesenkeimes nur dann bestehen könne, wenn zu der betreffenden Zeit die Fusion der Einzeleier das Stadium einer bloß äußerlichen Verlötung bereits überschritten hatte. Heutzutage dürfen wir anderer Meinung sein. Wir wissen jetzt, daß die selbst- ordnende Wechselwirkung der beiden ersten Furchungszellen Mechanismen erfordert, die strukturell schon ım Plasma des ungeteilten Eies vorgebildet sind. Nehmen wir an — was keine besonders große Zumutung bedeuten würde —, diese schichtartig präformierte, nach den Hauptebenen geordnete Struktur besäße schon vor der ersten Mitose cytotak- tische Wirksamkeit; dann wäre durchaus begreiflich, daß zur Verschmelzung kommende Eier nicht richtungs- und regellos zusammengeschweißt würden, sondern daß sich auf Grund der beiderseits vorhandenen Mechanismen eine improvisierte, selbstordnende Wechselwirkung entspänne, die durch Drehung der Eier ein mehr oder minder weitgehendes Einvernehmen über die Hauptebenen der Organisation zu stande brächte. Derartig rektifizierte Riesen könnten genau diametrale Richtungskörper zeigen, auch wenn die Fusion der Einzeleier erst nach der Abschnürung derselben erfolgt war: die Eier samt Richtungskörpern hätten sich eben gedreht, bis ihre Achsen in eine Flucht und ihre ventrale Pole zusammenfielen. Und bei den Riesenzwillingen schlösse nach dem gleichen Rezept die obli- gatorische Symmetrie der Zwillingsbrüder noch lange nicht aus, daß jedes Finzelei die vollständige Organisation mit eingebracht, trotz der äußer- lichen Verschmelzung bewahrt und einem der Individuen komplet über- Inefertshabe. Dennoch glaube ich beweisen zu können, daß diese Annahme und damit der Ein- spruch Boveris gegen die analytische Verwendbarkeit der Riesenzwillinge unhaltbar ist. — Wenn jedes Zwillingsindividuum seine plasmatische Organisation direkt von einem der Einzeleier bezöge, so müßte offenbar die Schnittebene, die bei der Aufteilung des Riesen- eies die Zwillingsbrüder voneinander scheidet, mit der latenten Grenzfläche der beiden Ei- organisationen — wenigstens annähernd — identisch sein. Das aber ist ganz gewiß nicht immer der Fall. Die bloße Existenz der Dreifachzwillinge, deren Individuen je anderthalb- mal so groß sind, als ein normaler Keim, ist Zeuge für das Gegenteil: natürlich müßte hier wenigstens eine der drei verbundenen Organisationen mitten durchgeteilt worden sein. Und sollte jemand die Beweiskraft dieser Gebilde durch den Hinweis zu bemängeln suchen, daß jede Hälfte eines Dreifachzwillings immerhin eine unversehrte Gesamtorganisation erhält, die beiderseits die Leitung der Ontogenesis übernehmen könnte, während die Halbstücke des zerschnittenen dritten Eies desorganisiert und gleichsam aufgesogen würden, so liefern uns die Zweifachzwillinge ein Material, das auch dieser schwächlichen Ausflucht entzogen wäre. Doppelbefruchtete Zweifachriesen, deren Aufteilung zu völliger Iso- — 289 — lfation der Einzelkeime führt, liefern nicht selten Zwillingsbrüder von un- gleicher Größe. An dem in Fig. WWWW (p.286) dargestellten Päärchen erkennt man be- reits einen deutlichen Größenunterschied. Die stärkste Differenz jedoch, die ich gefunden habe (Fig. YYYY), war so markiert, daß das kleinere Individuum höchstens die halbe Masse eines YYYY. Getrennter Zweifachriese, dessen rechter Einzelkeim, ein typisch gebildetes Stadium VIII—XII, kaum halb so groß ist, als normal. Darüber ein normales Ei. Konserviertes Präparat. normalen Keimes besitzen konnte; dennoch hatte dieser niedliche Zwerg das Stadium VIII auf typische Weise erreicht und stand im Begriff, durch vorschriftsmäßige Teilung seiner Ekto- dermzellen zur zwölfzelligen Stufe überzugehen: ein sicherer Beweis, daß er im Vollbesitze einer dreidimensionalen Organisation auf die Welt gekommen war. Wäre nun der Riesen- körper wirklich aus zwei separat gebliebenen Einzelei-Organisationen zusammengeschweißt, so ist natürlich gewiß, daß bei seiner ungleichen Aufteilung das kleinere Produkt unter allen Umständen zu kurz kommen müßte. Irgend ein Teil des typischen ÖOrganisationsplanes fehlte ihm, und vorschriftsmäßige Entwickelung wäre ausgeschlossen. Also ist ganz unmög- lich, daß ein komplet entwickelungsfähiger Zwillingszwerg, wie die hier beschriebenen, seine plasmatische Organisation unverändert von einem der verschmolzenen Eier geerbt haben sollte. Sondern spätestens bei der Aufteilung muß der typisch-proportionale Bau des ihm zufallenden Plasmabezirkes auf irgend eine Weise neu be- gründet worden sein. Wenn aber die genetische Selbständigkeit der Plasmaorganisation für die zu klein geratenen, isolierten Zweifachzwillinge unweigerlich bewiesen ist, so wird man nicht zögern, dasselbe zugleich für die respektiven überlebensgroßen Zwillingsbrüder, die aus der nämlichen Teilung hervorgegangen sind, in Anspruch zu nehmen. Und hat man damit an- erkannt, daß proportional vergrößerte Organisation auf selbständige Ereignisse zurück- zuführen ist, fällt auch der Zweifel an der Beweiskraft äqual geteilter Dreifachzwillinge hin- weg, gleichviel ob diese sich trennen oder verlötet bleiben. Und so kommen wir zu dem Ergebnisse, daß bei den Riesenzwillingen, — mit vor- läufiger Ausnahme genau äqual geteilter Zweifachzwillinge, — die plasmatische Organisation der Einzelkeime nicht unmittelbar auf die der verschmolzenen Eier bezogen werden kann. Es muß bereits vor der Aufteilung des Riesenkörpers, und zwar spätestens, wenn die Größe der beiderseitigen Individuen entschieden ist, ihr Plasmabau in seiner definitiven Form auf irgend eine Weise neu begründet worden sein. Damit aber ist die wichtige Frage, nach Zoologica. Heft 40. 37 —_ Do deren Lösung wir strebten, beantwortet. Wir wissen jetzt, daß selbständige, durch die Doppelbefruchtung bedingte Neuorganisationen des Zellleibes jeden- falls vorkommen und möglich sind. Allein die weitere Analyse bietet uns noch erheblich mehr. Gehen wir der früher — in Bezug auf die Einfachzwillingsbildung (p. 281) — bereits kurz formulierten Frage, wie denn eine solche Neuorganisation geschehen möchte, jetzt auf den Grund, so handelt es sich bei den ungleich aufgeteilten Zweifach- und allen Mehrfach- zwillingen um zwei Hauptmöglichkeiten. Erstens könnten die beiderseits der künftigen Scheidewand neu begründeten Plasmaorganisationen auf der Basis der von den Einzel- eiern mitgebrachten Einzelorganisationen, also vorwiegend durch Umordnung vor- handener Bauelemente entstanden sein; indem die verschmolzenen, normalgroßen Organi- sationen durch respektive Ausdehnung auf einen größeren und Zusammenziehung auf einen kleineren Plasmabezirk, eventuell durch Zerstörung überzähliger Elemente die Zwillings- teilung vorbereiteten. Zweitens aber besteht die Möglichkeit, daß eine Organisations- veränderung irgend welcher Art überhaupt nicht geschähe, weil in dem Riesen- körper "zur kritischen Zeit noch gar keine Organısation worhankdıenewarne: dann hätte sich die zweifache Differenzierung in den für die Zwillings-Individuen bestimmten Plasmabezirken völlig de novo ausgebildet. Welche von diesen Hauptmöglichkeiten ist ökonomischer ? Vielleicht wird mancher für die zuerst genannte Vermutung eingenommen sein. Und in der Tat ist der normale Entstehungsmodus, den sie voraussetzt, sympathischer als bei der anderen. Wenn man sich schon entschließen muß, die plasmatische „Organisation“ des teilungsreifen Eies zuzugeben, so gewährt der Gedanke, daß auf die Herstellung des kompli- zierten Bauwerkes eine gehörig lange Zeit, und jedenfalls alle verfügbare, verwandt worden sei, eine gewisse Beruhigung: die Bildung der Organisation sollte mit der Geburt der Ovocyte begonnen haben und zur Zeit der Befruchtung — unserer kritischen Periode — fertig sein. Dieser naheliegenden Vorstellung gegenüber erscheint das normale Korrelat der zweiten Entstehungsmöglichkeit, wonach die lange Wachstumszeit der Ovocyte ungenutzt ver- streichen, und der Aufbau der gesamten Organisation sich in den kurzen Zeitraum zwischen Befruchtung und Teilung zusammendrängen müßte, als ebenso arger wie unmotivierter Zeit- verlust. Allein die ökonomische Abschätzung der beiden Hypothesen über den Ursprung der Organisation hat eben auch der Tatsache gerecht zu werden, daß durch Doppelbefruchtung Doppelorganisation entsteht; und hierdurch verkehrt sich das aus dem Normalen abgeleitete Wertverhältnis in sein Gegenteil. Wenn die Annahme gilt, das Plasma des normalen Einzeleies erhalte seine Organisation erst nach der Befruchtung, so läge die Erklärung für das Auftreten doppelter Orga- nisationen nicht ferne. Aus dem „post hoc“ würde mit einiger Wahrscheinlichkeit ein „propter hoc“ zu folgern sein; dergestalt, daß der frisch entstandene, aus zwei Pronucleis und einem Zentrenpaare zusammengesetzte „Furchungskern“ im Plasma des Eies, das ihn konzentrisch umgibt, die Organisation hervorriefe. Dann aber müßten wohl in jedem dispermen, zwei räumlich getrennte „Furchungskerne“ enthaltenden Riesenleibe, gleichviel aus wieviel Eiern er sich zusammensetzt und wie sein Plasma sich auf die beiden Kern- gruppen verteilen möge, zwei vollständige Organisationen gebildet werden. — Ganz anders, wenn das normale, also auch das Riesenei zur Zeit der Befruchtung bereits Organi- sation besitzt und diese darum im Falle der Dispermie zum zweifach-typischen ge- ändert werden müßte. Jede solche Veränderung wäre echte Regulation! Es wird aber nötig sein, erstens dies zu beweisen, zweitens darzutun, warum die Zu- mutung, hieran zu glauben, so schrecklich wäre. Nehmen wir an, die typische Organisation des Eies sei vor der Befruchtung fertig, ihr Aufbau geschähe also in ätiologischer Unabhängigkeit vom Furchungskerne, so müßte doch unter allen Umständen die Ursache der Organisationsveränderung in dispermen Rieseneiern den doppelten Furchungskernen zugeschrieben werden. Die Vorgeschichte der Dreifachzwillinge macht dies überzeugend klar: weil hier zwei Spermien in den Gesamtkeim eingetreten sind, werden darin zwei vollständige, d. h. weibliches und männliches Kern- material und je ein Zentrenpaar enthaltende Furchungskerne angelegt; und unter der Herr- schaft dieser Zweizahl verwandelte sich, falls unsere Annahme richtig ist, die dreifache Or- ganisation des Riesenleibes in eine vergrößert-doppelte.e. Demnach übte zweifellos jeder Furchungskern des Rieseneies, — sei es als Ganzes, sei es durch seine Be- standteile — eine im Sinne des typischen Organisationsplanes ordnende Wir- kung auf seine plasmatische Umgebung aus. Nun läge in diesem Verhalten der dispermen Riesenkeime, obwohl dabei etwas geschähe, was das normale Programm nicht: kennt, unter einer Voraussetzung nichts regulatorisches: wenn irgend eine die typische Or- ganisation begünstigende, vielleicht sie erhaltende Wechselwirkung zwischen dem Furchungs- kern und dem Eiprotoplasma auch in der normalen Ontogenesis bestände, so könnte diese selbe „Tendenz zum Typus“ unter abnormen Verhältnissen, wie sie die unegale Lage zweier Furchungskerne in einem Doppelei oder der Organisationsüberschuß der Mehrfach- riesen mit sich brächte, eine improvisierte und dennoch typisch-verbessernd wirkende Um- ordnung zuwege bringen. Das Geschehnis fände sein völliges Analogon in jenen scheinbar regulatorischen Zellverschiebungen, durch die eine Anzahl von T-Riesen die Unordnung ihrer Blastomere zum Teil korrigiert (p. 227). Auch dort gelangt ein physiologischer. Vor- gang, der für gewöhnlich nichts sichtbares leistet, unter veränderten Bedingungen zur Sichtbarkeit, ohne daß dabei irgend ein der normalen Entwickelung fremder Mechanismus in Gang gesetzt worden wäre. — Davon aber kann keine Rede sein. Denn zwischen den beiderlei Geschehnissen besteht, was die Wahrscheinlichkeit ihrer normalen Voraussetzungen betrifft, ein himmelweiter Unterschied. Bei den abnormen und doch korrektiven Zell- verschiebungen der T-Riesengeschichte ließ sich allemal zeigen, daß derjenige cytotaktische Mechanismus, dessen sie bedürfen, auch in der normalen Ontogenesis notwendig oder nütz- lich wäre: nämlich zur Aufrechterhaltung typischer, dem Plateauschen Prinzip aber nicht entsprechender und darum labiler Situationsverhältnisse. Daß aber eine zur Zeit der Be- fruchtung fertige plasmatische Organisation, deren Fortbestand im normalen Ei durch nichts bedroht erscheint, durch eine Tätigkeit des post festum gebildeten Furchungskernes über- wacht und garantiert werden sollte, hat keinen Sinn. Es wäre die größte Verschwendung, 02 einen so überflüssigen und obendrein gewiß nicht billigen Erhaltungsmechanismus extra zu begründen; und wir könnten wohl sicher sein, daß in der normalen Entwickelung nichts der Art vorhanden wäre. — Unter solchen Umständen aber charakterisierte sich das Auf- treten einer organisationsbestimmenden Betätigung des Furchungskernes, die wir für unsere doppelbefruchteten Rieseneier notwendig annehmen müßten, als wirkliche Regulation: sie würde mit Hilfe von Mechanismen durchgeführt, die in der normalen Ontogenesis über- haupt keine Verwendung finden. Nun stände dieser Fall von echter Regulation in der Entwickelung von Ascaris durchaus allein. Für die gesamte Furchungsgeschichte und ÖOrganogenese unseres Wurmes sind regulatorische, mit außeretatmäßigen Mitteln arbeitende Selbstverbesserungen unerhört, und es wäre befremdlich, daß zwischen dem Anfange der Ontogenesis und ihrer Fortführung ein derartig prinzipieller Widerspruch bestehen sollte. Aber die ganze Schwere der Mehrbelastung, die in der Annahme einer regulatorischen Umprägung der Organisationen durch doppelte Furchungskerne gelegen wäre, tritt doch erst dann hervor, wenn man die Frage nach der Herkunft eines solchen Geschehens in Rechnung zieht. Echte Regulationen können nach Weismann (1902 II, p. 26) für die Er- haltung der Spezies so wichtig sein, daß ihr Gebrauchswert die Beschaffungskosten übersteigt; wonach die Entstehung derartiger Regulationseinrichtungen der mechanischen Erklärung keine größere prinzipielle Schwierigkeit bereitet, als irgend andere zweckmäßige Vorgänge der Ontogenesis. Es ist aber klar, daß eine etwaige Befähigung der dispermen Ascarisriesen, ihre Plasmaorganisation regulatorisch umzuprägen, nicht unter diesem günstigen Gesichtswinkel betrachtet werden dürfte. Denn wenn die angenommene Regulation auch wirklich verhinderte, daß die Entwickelung einiger dispermen Rieseneier — die so selten sind! — von Anfang an in den Sumpf geriete, was hülfe das? Zwillingskeime sind ja in- folge des gegenseitigen Kontaktes von der Entwickelung über die mittleren Stufen hinaus ein für allemal ausgeschlossen; — es sei denn, sie würden bei der Aufteilung völlig von- einander abgetrennt. Und sollte sich ein Päärchen der letztgenannten Art in guter Gesund- heit (was mir bisher nicht vorgekommen ist) zum reifen Larvenstadium fortentwickelt haben, dann käme dieses eine unter Millionen normaler Konkurrenten gewiß nicht an seinen Be- stimmungsort im Pferdedarm; und von einer Vererbung des regulatorischen Talentes wäre immer noch keine Rede. Genug, man sieht: die mechanistische Legitimierung eines Regulationsgeschehens, wie wir es brauchten, läge außerhalb des Bereiches jeder Möglichkeit. Man wäre ge- nötigt, zwecktätige Ursachen heranzuziehen. Allein die Annahme dieser ultima ratio führte so tief in das Ungewisse hinein, so ganz ans Ende der ökonomischen Stufen- leiter, daß jede beliebige Hypothese über den Ursprung der Riesenzwillinge, die uns die Forderung einer regulatorischen Organisationsveränderung erspart, vor jener Annahme rangieren müßte. Dann aber sind wir einfach verpflichtet, der zweiten von uns zur Wahl gestellten Hauptmöglichkeit den Vorzug zu geben. Wir halten bis zum Beweise des Gegenteils für ausgemacht, daß Mehrfachzwillinge und unegal aufgeteilte Zweifachzwillinge ihre doppelte, von den normalen Größenmaßen abweichende Organisation nicht sekundär durch Umordnung fertig übernommener Bauelemente, son- 2. Duar m: dern primär und ganz in der gleichen Weise gewinnen, wie ein normales Ei seine Einzelorganisation erhält. Das zusammengesetzte Gebilde, das wir als „Furchungskern“ bezeichnen, ruft früher oder später in der Protoplasmahülle, die es kon- zentrisch und mehr oder minder deutlich abgegrenzt umgibt, die Organisation hervor. Ihr Maßstab ist aber nicht typisch vorgeschrieben, hängt auch nicht etwa von der Anzahl im Furchungskern vereinter Chromosome ab, sondern richtet sich nach der Größe der einem Furchungskerne als Wirkungsbereich zugewiesenen Protoplasmamenge. So entsteht im nor- malen Ei die einfache Organisation; in dispermen Riesenkörpern werden ohne Rücksicht auf die Anzahl verschmolzener Eier und auf die relative Größe der individuellen Plasma- bezirke zwei vollständige, typische Organisationen ausgebildet. 4. Es ist nicht der kleinste Vorzug dieser Hypothese, daß sie auch andere Tatsachen der Ascaristeratologie, auf die sie nicht gemünzt worden war, leicht und zwanglos erklärt. Genau symmetrisch aufgeteilte Zweifachzwillinge — die einzigen, bei denen die doppelte Organisation vermöge ihrer normalen Größe direkt auf verschmolzene Einzelorganisationen bezogen werden könnte —, verlieren jetzt ihre Sonderstellung. Diese Zwillinge verdanken ihr Dasein ganz einfach dem Umstande, daß in gewissen disperm be- fruchteten Zweifachriesen, wahrscheinlich den gesünderen, die beiden Furchungskerne sich gleichmäßig in das Plasma teilen; so wie ja auch unser Dreifachzwilling (Taf. IV) durch eine besondere, symmetrische Stellungnahme der Furchungskerne in zwei genau gleichgroße Individuen zerlegt worden ist. Daß aber bei der Halbierung eines Zweifacheies die normale Keimes- und Organisationsgröße wiederum resultiert, ist gleichsam zufällig und bedeutungslos. Mehr noch fällt folgendes ins Gewicht. Die Tatsache, daß monosperme Riesen- eier einer typischen und vollständigen Einheitsentwickelung als „echte Riesen“ fähig sind, enthält im Hinblick auf den Ursprung der hierzu benötigten ver- größert-typischen Einzelorganisation ein nahe mit unseren letzten Studien verwandtes Problem. — Wenn die betreffenden Rieseneier sehr frühe verschmolzen, oder gar — wie das Sala (1895) für manche der von ihm gesehenen Doppeleier annahm — durch den Hinwegfall einer programmgemäß letzten Keimzellenteilung entstanden wären, so bereitete das Vor- handensein echter Riesen der Hypothese, daß die Plasmaorganisation schon in der Ovo- cyte vollendet werde, keine besondere Schwierigkeit. Man würde sich sagen, in der nach Plasma- wie Kernsubstanz proportional vergrößerten Riesenovocyte sei, wie sonst, eine ein- heitliche Organisation, nur eben von doppeltem Größenmaß zur Ausbildung gekommen. Allein die Vorgeschichte der echten Riesen ist eine andere. Ich habe gezeigt (1898b p. 644), daß vielleicht alle, sicher die meisten Rieseneier und jedenfalls viele von denen, die echte Riesen liefern, durch nachträgliche Verschmelzung freier Ovocyten entstanden sind; und in nicht wenigen der für uns wichtigen Fälle deuten die Indizien der Schalenform und Richtungskörperbildung weit eher auf ein spätes, als auf ein frühes Datum der Verschmel- zung hin. Zwischen echten Riesen und vielen Riesenzwillingen besteht in diesem Punkte durchaus kein erkennbarer Unterschied. Hierdurch aber wird unser Urteil über den möglichen Ursprung der Einheitsorgani- sation ın Rieseneiern ganz wesentlich berührt. Wenn mehr oder minder befruchtungsreife Ovocyten mit vorgeschrittenem oder völlig fertigem Plasmabau verschmolzen sind, so ent- hält ja das Produkt zunächst eine mehrfache Organisation, die, ehe noch die Ontogenesis des echten Riesen begänne, durch irgend eine Umordnung zu einer einheitlichen zusammen- gezogen werden müßte. Das könnte z. B. durch gegenseitige Anziehung der gleichnamigen Bauelemente geschehen, oder dadurch, daß nach der monospermen Befruchtung der Furchungskern eine ordnende und umprägende Tätigkeit entfaltet: beides wäre teleo- logische Regulation; denn es hätte weder Sinn, für die normale Entwickelung ent- sprechende Vorgänge anzunehmen, noch auch zu glauben, daß eigens zum besten der mono- spermen Rieseneier mechanistisch begreifbare Regulationsapparate geschaffen worden seien. Von allen diesen in ökonomischer Hinsicht höchst ungünstigen Eventualitäten hat uns das Schlußergebnis unserer Analyse über die Herkunft der Riesenzwillinge im voraus befreit. Da nach unserer Überzeugung die Organisation des normalen Eies sich erst nach vollzogener Befruchtung unter der Herrschaft des Furchungskernes bildet, so findet auch ım monosperm befruchteten Riesenei der Furchungskern nichts vor, was er, ehe die Ent- wickelung beginnen kann, zu regulieren hätte. Er bewirkt in dem Plasma, das ıhn kugelig umgibt, auf typische Weise die einheitliche Organisation. D. Offene Fragen der Zwillingsbildung. Die Geschichte der doppelbefruchteten Ascariskeime enthält jedoch noch einige Probleme, die auch mit Hilfe unserer Lehre über die Organisationsentstehung nicht sicher oder vorläufig gar nicht zu lösen sind. Um nun die kausale Bilanz der Ascarisentwickelung nach Möglichkeit abzuschließen, und weil ich fürchte, daß die erwähnten Punkte, wenn ich sie ganz im Dunkeln ließe, als Schlupfwinkel teleologisch-regulatorischer Beurteilung dienen könnten, so soll von ihnen noch kurz die Rede sein. 1 Wie kommt es wohl, daß die zwei Organisationen, die von den räumlich so weit ge- trennten Furchungskernen eines dispermen Rieseneies hervorgerufen werden, allemal spiegelbildlich zueinander gelagert sind? — Der auf den ersten Blick nächst- liegende Gedanke, daß eine wechselseitig richtende Beziehung von Kern zu Kern bestehen möchte, die dann in mehr oder minder gleichsinniger Orientierung der Organisationen zum Ausdruck käme, wäre nicht ungereimt; denn gegen das normale Korrelat einer solchen Hypothese: die Annahme typisch richtender Wechselwirkungen zwischen Kernen oder Kern- bestandteilen, die gleichzeitig in einer Zelle enthalten sind, z. B. zwischen den beiden Pro- nucleis des Eies oder den Chromosomen unter sich, wäre nicht viel einzuwenden. Aber solche Geschehnisse, falls sie wirklich existieren, betätigten sich am normalen Keim in engster Nähe; und daß sıe bei Riesen auf so viel größere Distanz hin wirksam bleiben sollten, klingt kaum wahrscheinlich. Vielleicht sind in der Tat, wie früher schon einmal an- —_— 2% — gedeutet wurde (p. 288), die cytotaktisch wirksamen „Plasmaschichten‘ — die dann nur etwas früher, als unter normalen Verhältnissen eigentlich nötig scheint, in Aktion treten müßten — dabei im Spiel: sie bewirkten eine gegenseitige Drehung der im Entstehen begriffenen Nachbar-Organisationen und damit die Gleichsinnigkeit und Gemeinsamkeit gewisser Haupt- ebenen. Noch seltsamer erscheint mir der Umstand, daß die zwei Kerne bei manchen Riesen — vielleicht den gesünderen — die Punkte finden, von denen aus der plas- matische Riesenleib in zwei identische Portionen zerlegt werden kann: die Massenmittelpunkte zweier Plasmahälften. Wenn es sich nur um die sym- metrisch aufgeteilten Zweifachzwillinge handelte, so läge die Vermutung, jeder Kern habe seinen alten Platz im Zentrum seines Einzeleies beibehalten, nahe genug; und ich verfüge zurzeit nicht über Beobachtungen an lebenden Doppelzwillingen, die das mit Sicherheit widerlegen könnten. Allein die Vorgeschichte des im Beschreibenden Teil geschilderten Dreifachzwillings (Taf. IV, Fig. 44—48) zeigt, daß eine so einfache Deutung des Phänomens nicht zulässig ist. Wo die ursprüngliche Lage der Furchungskerne den Massenmittelpunkten je einer Riesenhälfte nicht entspricht, verlassen sie ihren Ort und begeben sich durch Wanderung an ihre neuen Plätze. Der interessante Dreifachkeim lehrt uns sogar noch mehr. Weder die äußere Form des Riesengebildes noch etwa auch das absolute Größenmaß des normalen Plasmaleibes kann bei der symmetrischen Placierung der Furchungskerne als dirigierender Faktor beteiligt sein. Vermochte doch der untere Kern seinen Anspruch an eine volle Hälfte des dreifachen Riesenkörpers durchzusetzen, obwohl ihn seine ursprüngliche Lage in einer abgeschnürten, nach Form und Größe von dem normalen Eileib kaum ver- schiedenen Plasmamasse von vornherein auf ein verkürztes Erbteil zu verweisen schien. Und dabei war der Kern, als wenn er die Gleichgültigkeit der äußeren Formverhältnisse eigens demonstrieren sollte, auch noch genötigt, mitten im Engpaß Stellung zu nehmen! Was für feine Wechselwirkungen zwischen Kern und Zellleib spielen da wohl hinein? Das Protoplasma, das vom Furchungskern auf irgend eine Weise den Anstoß erhält, sich um ihn herum zu organisieren, übt seinerseits bestimmenden Einfluß auf die Lage seines „Be- herrschers‘ aus, indem es ihn in das Zentrum seines Bereiches drängt. — Es ist aber klar, daß die zentrierende Wirkung des Zellprotoplasma auf den Furchungskern, die bei den Riesenzwillingen so auffällige Kerndislokationen zur Folge haben kann, in der normalen Entwickelung ebenfalls vorhanden und für entsprechende Geschehnisse notwendig, demnach nicht regulatorisch ist. 2. Vor allem aber bedarf das Verhältnis der von Boverı entdeckten „Einfach- zwillinge‘“ zu alledem, was über die Geschichte der Riesenzwillingsbildungen ermittelt werden konnte, einer Erörterung. Diese seltenen Keime stehen zur Zeit, da ja die deskriptive Hauptfrage, ob ihre beiden Individuen mit der kompleten Entwickelungsfähigkeit aus- gestattet sind oder nicht, noch der Beantwortung entgegensieht, etwas im Hintergrunde. Es ist jedoch gewiß, daß sie im einen wie im anderen Falle erhebliche Bedeutung für die weitere Analyse des Organisationsproblems gewinnen werden. Und da auf eine baldige Entscheidung der schwebenden Frage kaum gehofft werden kann, so halte ich zur Ver- — 2% — meidung möglicher Mißverständnisse eine Darlegung der Konsequenzen, zu denen jede von beiden Lösungen uns führen würde, schon hier für angebracht. Sollte sich zeigen, daß ein disperm befruchtetes Einzelei nur die axiale Differenzierung der Ventralfamilie doppelt, die circumaxiale Entfaltung des Ektoderms aber einheitlich voll- zieht; wonach wir annehmen müßten, der ganze Prozeß geschehe auf Grund einer einheitlichen Plasmaorganisation, und die Verdoppelung der Ventralfamilie samt Keimbahn sei nur die Folge vertikaler Durchschneidung derselben, — so ständen wir vor dem Problem: warum wird das Plasma des dispermen Einzeleies nur einfach, dasjenige des Rieseneies doppelt organisiert? — Es wäre jedoch nicht gar so schwer, einen Unter- schied zwischen beiden Kategorien aufzuzeigen, der die Differenz ihres organisatorischen Verhaltens bewirken könnte. Disperme Einzeleier sind immer kugelrund, und was sie an Kernen und Sphären enthalten, liegt bis zum Ende der Ruhezeit in einer Gruppe beisammen; weshalb auch allemal eine gemeinsame, vierpolig verkoppelte Teilungsfigur gebildet wird. Anders bei Riesenkeimen. Hier legen sich, soweit meine Kenntnis reicht, in dem oblongen, oft sogar eingeschnürten Plasmaleibe ausnahmelos zwei völlig getrennte Spindeln an; und wir wissen bestimmt, daß in manchen Fällen, z. B. bei unserem Dreifachzwilling, eine ent- sprechende Scheidung des Kern- und Sphärenmaterials in zwei getrennte Gruppen schon lange vor der Mitose bestanden hat. Zuweilen läßt die ganze Gestaltung des Riesenkeimes sogar keinen Zweifel darüber, daß die gesonderte Existenz der beiden Furchungskerne eine primäre ist, d. h. unmittelbar anknüpft an die der beteiligten Einzelkerne; sei es nun, weil zwei befruchtete Eier, ohne ihre Kerne zu einer zentralen Gruppe zu vereinigen, ver- schmolzen worden sind, oder weil doppelte Befruchtung eines Riesen eintrat, ehe die Fusion der Einzeleier entsprechend weit gediehen war, oder aus ähnlichen Gründen. Ob aber auch das Gegenteil zuweilen geschieht, ob in gewissen Fällen die anfangs einheitliche Kern- gruppe eines dispermen Riesen nachträglich in zwei getrennte Furchungskerne auseinander- gezogen wird, das wissen wir nicht; gesehen habe ich es nie. — Und hierauf gründet sich die Möglichkeit einer billigen Hypothese über die Ursachen einfacher und doppelter Organi- sation in dispermen Keimen. Es dürfte bis zum Beweis des Gegenteiles behauptet werden, daß alle echten Riesenzwillinge aus Rieseneiern mit primär getrennten Furchungskernen hervorgegangen seien. Hielte man dies mit der abweichenden Entwickelungsart der dispermen Einzeleier zusammen, so folgte ohne weiteres, daß die Anzahl der zur kriti- schen Zeit vorhandenen selbständigen „Furchungskerne“ die Zahl der zu bil- denden Organisationen unmittelbar bestimmt. Nach dieser Regel lieferten die unvollständig verschmolzenen dispermen Riesen Doppelorganisation und echte Zwillinge; bei Einzeleiern mit ihrem primär einheitlichen Furchungskerne wäre das — trotz seiner doppelten Centro- somenpaare! — ausgeschlossen. Im allgemeinen spricht aber wohl mehr dafür, daß auch die „Einzelzwillinge“ wirk- lich echte, komplet entwickelungsfähige Zwillinge sind. Sollte diese Vermutung und damit die Notwendiskeit, auch den dispermen Einzeleierngdens Besitz eines doppelt organisierten Plasma zuzuschreiben, durch weitere Untersuchungen be- wiesen werden, so schiede natürlich die Gruppenbildung der ruhenden Kerne aus der Liste organisationsbestimmender Faktoren aus: die Dispermie an sich, das Vorhandensein zweier männlichen Pronuclei und zweier Zentrenpaare — vermutlich aber nur das letztere — —_ 297 — wäre die unbestrittene und zureichende Ursache doppelter Organisation. Es müßte gefolgert werden, daß jedes disperm befruchtete Einzel- oder Vielfachei, gleichviel ob seine Kerne und Sphären von Haus aus in zwei Gruppen getrennt oder nahe beisammen liegen, zwei selbständige Organisationsmittelpunkte enthält, die ihren programmgemäßen Einfiuß auf das Plasma erfolgreich geltend machen; und daß die zentrierende Rückwirkung der beiden im Werden begriffenen Organisationen auf ihre Erreger diese selbst, dafern sie ursprünglich in einer Gruppe lagen, früher oder später — spätestens bei der Mitose auseinandertreibt. Hierdurch fiele zugleich ein neues Licht auf den Ursprung der Doppelkernigkeit in Zwil- lings-Rieseneiern. Es würde jetzt überaus wahrscheinlich, daß das Vorhandensein zweier getrennten Furchungskerne keineswegs immer ein primäres sei, sondern auch neuerdings entstehen könne, indem manche disperme Riesenkeime ihr Kern- und Sphärenmaterial, das anfangs dicht beisammen lag, späterhin, — aber immer noch einige Zeit vor der Mitose — in zwei Gruppen schieden. Und so gälte denn in der genetischen Hauptfrage für Riesen, trotz ihrer ursprünglichen Vielgestaltigkeit, und Einzeleier das gleiche: wenn sie disperm be- fruchtet sind, bildeten sie doppelte Organisation und lieferten echte Zwillinge. Um so befremdlicher wäre der Umstand, daß die zur Zwillingsentwickelung berufenen Einfach- und Rieseneier in mehreren Punkten ihres Detailverhaltens dennoch starke Differenzen zeigen. Disperme Einzeleier sind bis zum Beginn der Mitose kugelrund, Riesen- eier mehr oder minder oblong oder gar sanduhrförmig eingeschnürt; jene bilden vierpolig verkoppelte Teilungsfiguren, diese, deren Kern- und Sphärenmaterial im voraus in zwei Gruppen geschieden war, zwei völlig getrennte Mitosen. Die Achsen neugeborener Einfach- zwillinge liegen genau parallel oder divergieren höchstens um einen mäßigen Winkel, bei Riesenzwillingen ist die Achsendivergenz immer bedeutend und erreicht unter Umständen 180°. Woher diese Unterschiede’? Zunächst bemerkt man leicht, daß das scheinbar dreiteilige Problem einer bedeuten- den Kürzung zugänglich ist, indem zwei der widersprechenden Merkmalspaare fast sicher in unmittelbarem Kausalkonnex stehen: die Form des zur Teilung bereiten dispermen Eies und der gegenseitige Abstand der in ihm enthaltenen Organisationsmittelpunkte; nur fragt sich, welches von beiden Momenten wir als die Ursache des anderen betrachten sollen. Es wäre a priori denkbar, daß die dauernde Kugelform des doppelbefruchteten Einzeleies alle Kerne und Sphären gewaltsam dicht zusammenhielte, während die oblonge, vielleicht noch von der Verschmelzung herrührende Gestalt der Riesen das Auseinandergehen der Furchungs- kerne erleichterte oder bewirkte; aber auch das Gegenteil: die Stellung der Organisations- mittelpunkte könnte durch fremde Faktoren primär bestimmt und ihrerseits die Ursache der jenachdem runden oder gestreckten Gesamtform des Plasmaleibes sein. Allein wir bleiben über diesen Punkt nicht lange im Zweifel. Der Dreifachzwilling unseres Beschreibenden Teiles belehrte uns ja auf wahrhaft drastische Weise, daß eine von Anfang an vorhandene starke Einschnürung seines Plasmaleibes für die endgültige Aufstellung seiner Organisations- mittelpunkte ohne Bedeutung war. Die beiden Furchungskerne wählten ohne jede Rück- sicht auf die Gestalt des Plasmakörpers ihre Plätze. Und wenn der Umriß der einge- schnürten Schale es zugelassen hätte, so würde ganz zweifellos aus Anlaß der Kerndislokation eine entsprechende Formveränderung des dreifachen Riesenleibes eingetreten sein. — Da aber unter solchen Umständen niemand glauben wird, bei anderen Zwillingskeimen be- Zoologica. Heft 40. 38 = Ho e stimme umgekehrt die Form des Protoplasmaleibes Lage und Abstand der Furchungskerne, so darf die auffallende Formdifferenz dispermer Einzel- und Rieseneier durchweg als Folge der (durch eigene Ursachen bedingten) Gruppenbildung ihrer Kerne betrachtet werden. Erfreulicherweise besteht nun aber die Möglichkeit, auf dieses gleiche Problem der Kern- gruppierung auch noch das dritte Moment, worin die Einzeleier sich von den Riesen unter- scheiden: die gegenseitige Lage der Zwillingsachsen, zwanglos zurückzuführen. Es hat nämlich ganz den Anschein, als ändere sich die Divergenz der Zwillingsachsen pro- portional dem Abstande der Furchungskerne. Liegen die Kerne und Zentren bis zum Schluß in einer geschlossenen Gruppe beisammen, so divergieren später die Achsen der Individuen wenig oder gar nicht; bei weitestem Abstande der Kerne tritt diametrale Achsen- stellung ein; und möglicherweise verbindet eine kontinuierliche Reihe von Mittelstufen die beiden Extreme. Eine derartige Beziehung würde natürlich den Gedanken nahelegen, daß der Neigungswinkel der Zwillingsachsen von dem wechselnden Abstande der Furchungskerne auch kausal abhängig sei. Und in der Tat wäre es nicht schwer, einen Kausalzusammen- hang auszudenken, der, ohne regulatorisch zu sein, die Proportionalität zwischen Kerngruppierung und Achsendivergenz vermitteln könnte. Nehmen wir an, die Furchungs- kerne, durch deren Einfluß die doppelte Organisation hervorgerufen wird, seien mit einer ihrem Abstande umgekehrt proportionalen Energie bestrebt, sich gleichsinnig und parallel- achsig nebeneinander aufzustellen, so würde hiermit nichts unbedingt neues, d. h. regula- torisches in die Entwickelung eingeführt; denn es ist glaubhaft, daß auch unter normalen Verhältnissen eine gleichsinnig ordnende Wechselwirkung zwischen Kernen oder Chromo- somen vorhanden sei. Und andererseits nehmen wir an, daß jene cytotaktischen Mechanis- men, die wir uns schon im Ei für künftige Funktion bereitstehend denken dürfen, die beiden Organisationen in statu nascendi derartig gegeneinander zu drehen strebten, daß die Dorsi- ventralachse der einen genau mit der der andern zusammenfiele. Dann wirkten zwei wider- strebende Drehungstendenzen auf die Zwillingsachsen ein: die dem Grade nach wechselnde der Furchungskerne und die konstante der Organisationen. Und es ist klar, daß je nach der Größe des ersten Faktors das zu erwartende Resultat der zweifachen Beeinflussung ver- schieden wäre. Liegen die Furchungskerne — wie bei den Einfachzwillingen — zu einer geschlossenen Gruppe zusammengedrängt, so überwöge ihre gegenseitige Drehungstendenz; sie selbst und die Achsen der von ihnen hervorgerufenen Organisationen ständen parallel. In dem Maße aber, wie die Kerne sich voneinander entfernten, minderte sich ihr Einfluß, die abweichende Drehungstendenz der plasmatischen Organisationen käme zur Geltung und erzwänge endlich bei hinreichend weitem Abstand der Kerne das diametrale Zusammenfallen der Zwillingsachsen. | So hätte sich denn das dreifache Problem der Widersprüche zwischen den Zwillings- keimen auf ein einfaches reduziert. Es gälte noch einen nicht-regulatorischen Zusammen- hang aufzufinden, der uns erklären würde, warum die Kerne und Sphären dispermer Riesen- eier stets zwei getrennte Gruppen bilden, eventuell zur Zeit der Organisationsentstehung eigens auseinandergehen, — bei dispermen Einzeleiern aber alles Kern- und Sphärenmaterial in einer geschlossenen Gruppe beisammen bleibt. Da wir nach früheren Ergebnissen außer stande sind, im Protoplasma der Einzel- und Rieseneier primäre Unterschiede von einer so weittragenden Bedeutung zuzugeben, so kommt als Ursache der zu erklärenden Differenz — 299 — eigentlich nur noch dasjenige Moment in Frage, worin die beiderlei Keime sich auf den ersten Blick unterscheiden: ihr ungleicher Gehalt an weiblichen Pronucleis. Während das disperme Einzelei immer nur einen einzigen weiblichen Vorkern besitzt, ent- hält ein Riesenei deren mindestens zwei, hat also im Falle der Doppelbefruchtung für jedes eingedrungene Spermium einen weiblichen Partner bereit. Ist es so ungereimt, hierin den Gegensatz erblicken zu wollen, der die betreffenden Keime auf ungleiche Bahnen führt? Ich denke nein. Nehmen wir an, in der normalen Entwickelung bestehe zwischen männ- lichem und weiblichem Vorkern wenigstens zeitweilig Attraktion, und zwar eine solche, die auf irgendwelcher feinen, chemischen Verschiedenheit der beiden Gebilde beruhte, so bliebe diese Annahme durchaus im Rahmen der Wahrscheinlichkeit: die Vorgeschichte der beiden Kerne, wie ihr Verhalten im Ei deuten wirklich auf eine derartige Beziehung hin. Aus dieser einfachen und nichts weniger als gewagten Hypothese aber ergäben sich für den Fall der Doppelbefruchtung Konsequenzen, in denen das, was wir brauchen, sogleich enthalten wäre. Da gemäß unserer Annahme die Attraktion nur zwischen Vorkernen ungleichen Ge- schlechtes wirken soll, so verständen wir, daß die vier Kerne eines disperm befruchteten Doppeleies sich zu zwei Päärchen zusammenfinden, von denen jedes innig verbunden ist, aber vom andern nichts wissen will; wenn dann in der kritischen Zeit die beiden Organi- sationen, von je einem Zentrenpaar oder männlichen Pronucleus geweckt, zur Ausbildung kämen, so trieben sie in der früher dargelegten Weise ihre Organisationsmittelpunkte als isolierte Furchungskerne auseinander. Nicht so im dispermen Einzelei. Auch hier beständen zwei ÖOrganisationsmittelpunkte, die sich im Moment der Betätigung voneinander zu ent- fernen strebten. Allein der einzig vorhandene weibliche Pronucleus hielte beide männlichen Bewerber und damit zugleich die Zentrenpaare dauernd in einer Gruppe zusammen. Wenn also später einmal der Nachweis gelingt, daß doppelbefruchtete Einzeleier in der Tat — wie ich vermute — echte Zwillinge zu liefern befähigt, also mit doppelter Plasma- organisation versehen sind, dann würde der charakteristische Unterschied ihres speziellen Verhaltens gegenüber dem dispermer Riesen ohne besondere Mühe und jedenfalls ohne In- anspruchnahme außernormaler, d. h. regulatorischer Wirkungen erklärbar sein. Und sollte das deskriptive Problem zugunsten der anderen Möglichkeit entschieden werden, wonach ein dispermes Einzelei nur eine einzige Organisation zu stande brächte, so gälte doch für ihre nicht-regulatorische Erklärbarkeit genau das gleiche. Von den „Einfachzwillingen“ droht unserem mechanistischen Erklärungsbestreben also in keinem Falle Gefahr. 3. Endlich darf an dieser Stelle ein Vorgang aus der Geschichte der doppelbefruchteten Ascariskeime nicht verschwiegen werden, der mir wirklich rätselhaft geblieben ist: die ebenso komplizierte als ausgiebige Umordnung der Vorkerne bei unserem Drei- fachzwillinge, — ein Geschehnis, dessen äußeren Hergang ich im Beschreibenden Teile (p. 27, Taf. IV, Fig. 44—48) genau, doch ohne Kommentar, geschildert habe. Leider gelang es nicht einmal, das deskriptive Wesen dieser Kernverschiebungen mit einiger Zuverlässigkeit festzustellen. Daß zu den drei weiblichen Vorkernen des Dreifach- eies zwei Spermaelemente getreten waren, und daß die hiernach vorhandenen doppelten Zentrenpaare gelegentlich der Mitose in den beiden weit getrennten „Furchungskernen“ zur — 300. — Aktion gelangten, ging aus der Zwillingsentwickelung des Gebildes natürlich klar hervor. Ob aber die Trennung der Centrosome schon zu der Zeit bestand, als der Riese gefunden wurde, vielleicht also eine primäre war und auf getrennter Befruchtung des oberen und unteren Keimbezirkes beruhte, ist keineswegs gewiß. Denn offenbar könnte jener kleine Pronucleus, der am dritten Beobachtungstage aus dem oberen Revier in das untere hinüber- wanderte, recht wohl ein Spermakern samt Sphären gewesen sein. Oder war der reise- lustige Kern kein männlicher Freier, dem eine sehnsüchtige Braut bis an die Pforte ihres Hauses entgegenkam, sondern gerade umgekehrt weiblichen Geschlechts, und wollte er sich einem vereinsamten Spermakerne jenseits des Engpasses beigesellen? Oder war der Über- läufer zwar weiblich, brachte aber ein Zentrenpaar mit? Auf alle diese Fragen, in denen doch der ganze Sinn des Geschehnisses verborgen liegt, blieb der lebendige Riese die Ant- wort schuldig. Und was nach seinem gewaltsamen Tode aus den Chromatinverhältnissen der Keimbahnen und Richtungskörper geschlossen werden konnte, war auch nicht viel. Es zeigte sich nur, daß der Riese seine Chromosome auffallend ungleich an die Zwillingsbrüder verteilt hatte, denn eine der Keimbahnen — die einzige, die eine Zählung erlaubte — ent- hielt nur drei; während doch der Gesamtbestand nicht weniger als zehn betragen haben mußte. Und ferner wurde durch die Beschaffenheit und Lage der zweiten Richtungs- körper, von denen einer durch seine enorme Größe seine Doppelnatur verriet (Taf. V, Fig. 62, 63), wahrscheinlich gemacht, daß früher einmal alle weiblichen Pronuclei in der oberen Plasmamasse beisammen gewesen waren. Die Scheidung des Kernmaterials in zwei ge- sonderte, oberhalb und unterhalb des Engpasses liegende Gruppen, wie ich sie bei der Ent- deckung des Riesen vorfand, war also wohl keine wirklich primäre. Und so mochte denn schon beim ersten Auseinandergehen ein numerisches Mißverhältnis der Chromosomen- gruppen entstanden sein. Oder trug erst der Übertritt des wandernden Kernes die Schuld daran? Wir wissen es nicht. Nach alledem verdient die Vorgeschichte des Dreifachriesen, so reich an interessanten Geschehnissen sie sicher gewesen ist, doch eigentlich keine analytische Berücksichtigung: es lohnt nicht, über die Gründe von Vorgängen nachzudenken, von denen man nur das alleräußerlichste gesehen und begriffen hat. Auf keinen Fall aber scheint mir erlaubt, in der Kernverschiebung des Riesen schon jetzt ein echt regulatorisches, mit außernormalen Mitteln inszeniertes Geschehnis erblicken zu wollen. Daß Wanderungen der Vorkerne auf derartige Distanzen im normalen Entwickelungsprogramm nicht annähernd, Austauschs- vorgänge überhaupt nicht bekannt sind, steht offenbar fest. Auch gebe ich gerne zu, daß die ganze kleine Geschichte, dieses geschäftige und scheinbar wichtige Hinundher den Eindruck erwecken mußte, als sollte irgend etwas, das nicht stimmte, regulatorisch ın Ordnung gebracht werden. Aber darf man daraus schließen, die Ursachen dieser ab- normen Bewegungen seien der normalen Öntogenesis fremd? Wer gewohnt ist, zweck- tätige Ursachen in seine Rechnung einzusetzen, als wäre das eine Kleinigkeit, wird vielleicht antworten: ja wohl; denn die Zumutung, in der normalen Entwickelung Mechanismen anzunehmen, die etwas gänzlich Unbekanntes und jedenfalls nicht Sichtbares zu leisten hätten, dennoch aber im stande gewesen wären, bei unserem Dreifachriesen so ausgiebige und vielleicht „zweckmäßige‘ ‘ Folgen zu produzieren, sei doch viel zu gewagt. — Mir scheint im Gegenteil die Annahme selbständiger Regulation die allergewagteste. Sie — 301 — tritt in meiner ökonomischen Wertschätzung jetzt derartig in den Hintergrund, daß ich beim Anblick der die Szene wiedergebenden Zeichnungen mich gar nicht mehr des teleologischen Gefühls, das mich bei der Beobachtung noch beschlich, zu erwehren brauche. Was mir der halb durchschaute Vorgang zu verraten scheint, ist nur, daß die Strukturen und Mechanis- men des normalen Ascariseies eben noch sehr viel mannigfacher und komplizierter sind, als wir auf Grund unserer derzeitigen Tatsachenkenntnis herausgerechnet haben. E. Das Ergebnis. Was folgt nun aus der Analyse des neuerdings herangezogenen Materials für die Frage, von der wir ausgegangen sind: die Lokalisation der den Differenzierungsverlauf be- stimmenden Ursachen innerhalb der Furchungszellen? — Wie ich von Anfang an in Aussicht stellen mußte, haben wir nichts entscheidendes in Erfahrung gebracht. Die Durchdenkung der bei Ascaris vorliegenden Lokalisationsmöglichkeiten machte von vornherein gewiß, daß im Plasmakörper des befruchteten und zur Teilung reifen Eies auf jeden Fall eine „Organisation“ besteht, in der sämtliche zu eigener Formbildung berufenen Zellen und Zellensorten der Entwickelung differenziell vertreten sind. Und diese Organisation muß auf dem Wege erbungleicher Plasmateilung stufenweise zerspalten werden. Zweifelhaft aber blieb zunächst, ob die plasmatische Organisation die Trägerin sämtlicher determinierenden Ursachen ist, und zwar die alleinige, oder nur ein unentbehrliches Orien- tierungsmittel für die erbungleiche Zerlegung einer im Kern enthaltenen Mannigfaltigkeit, die ihrerseits den Ablauf der Differenzierung bestimmt. Aus Gründen der Einfachheit durfte man geneigt sein, das erstere anzunehmen. Die Gesamtkomplikation des Eies erscheint geringer, und der Modus der Ursachenzerlegung be- greiflicher, wenn das Plasma alle Determinationsgründe enthält, als im andern Falle. Allein die Analyse der Zwillingsbildungen machte uns mit Tatsachen bekannt, durch die das öko- nomische Wertverhältnis der beiden Hypothesen stark verschoben, ja geradezu umgedreht wurde. Es zeigte sich, daß die Organisation des Plasmakörpers — sei sie nun der kausale Untergrund der gesamten Differenzierung oder nur ein System von Richtungspunkten für den Bedarf der erbungleichen Zerlegung der Kerne — jedenfalls nicht von Anfang an vor- handen ist, sondern erst nach der Befruchtung ins Leben tritt. Und da bei doppelter Be- fruchtung doppelte Organisation entsteht, so ist nicht zweifelhaft, daß der aus Kernmaterial und Zentren formierte „Furchungskern“ hierbei eine fundamentalere Rolle spielt, als etwa — woran man denken könnte — die eines zeitlich auslösenden Reizes. Vielmehr steht die Bildung der Organisation auch räumlich und konfiguratorisch in voller Abhängigkeit vom Furchungskerne Demnach wird wohl im Furchungskerne selber, vielleicht ın seinem Chromatin, schon eine hochkomplizierte Mannigfaltigkeit: eine geordnete kausale Vorbereitung der plasmatischen Organisation ent- halten sein. Wenn aber der Kern eine Komplikation besitzt, die derjenigen des ganzen Entwickelungsverlaufes entspricht, so ist offenbar die einfachste Vorstellung die, daß diese nucleare Mannigfaltigkeit vermöge erbungleicher Zerlegung die Leitung des Determinationsprozesses unmittelbar übernimmt. Es erschiene als — 302 — kaum motivierbarer Umweg, wenn die Gesamtheit der Differenzierungsgründe zunächst vom Furchungskern auf das Eiprotoplasma übertragen würde, um dann in vielen Einzelheiten der Formbildung erst wieder auf die Kerne zurückzuwirken. Auch haben wir ein ökonomisches Interesse daran, uns die vom Furchungskern „hervorzurufende‘ plasmatische Organisation so einfach vorzustellen, als möglich ist, besonders in Anbetracht der knappen Zeit, die zur Durchführung dieser Metamorphose zu Gebote steht. Vielleicht gestaltet sich die Rollenverteilung zwischen Kern und Plasma etwa wie folgt: das Eiprotoplasma ist bis zur Befruchtung entweder völlig isotrop, oder es besitzt — und das ist ziemlich wahrscheinlich — bereits die nach mehreren Richtungen des Raumes „geschichtete“ Struktur, die später als Lineal der Spindelstellung und Grundlage cyto- taktischer Mechanismen vielfache Verwendung findet, im Ei aber bereits den Richtungs- körpern und Pronucleis gewisse Lagen und Bewegungsbahnen vorschreiben könnte. Die Ursachen des typischen Differenzierungsverlaufes aber liegen geordnet im Kern. Nachdem durch die Befruchtung weibliches und männliches Kernmaterial sowie Zentren ım „Furchungs- kern“ vereinigt worden sind, beginnt zu irgend einer Zeit — vielleicht kurz vor der Mitose — die nucleare Mannigfaltigkeit differenzierend auf den Zellleib einzuwirken und erzeugt in ihm die „Organisation“ — eine Art von stereometrischem Grundriß der Öntogenese mit Rubriken und Unterrubriken für alle selbständig formbildenden Blastomere. Wie nun ein Baumeister den einmal von ihm abgesteckten Bauplan benutzt, um sich künftig selber darin zu orientieren, so führt die Kernsubstanz mit Hilfe des selbstgeschaffenen Systems plas- matischer Richtungspunkte ihre erbungleiche Spaltung schrittweis durch und determiniert, indem sie die Rubriken des Bauplanes mit ihrem eigentlichen Inhalte erfüllt, den Ablauf der Differenzierung. — Ein Teil der im Furchungskern enthaltenen Mannigfaltigkeit müßte wohl unzerlegt in der Keimbahn weitergegeben werden und auf die Genitalzellen übergehen. Ich meine also, daß bei Ascaris die größere Wahrscheinlichkeit zugunsten einer Lokalisation der Differenzierungsgründe in den Kernen spricht. Aber der ökonomische Vorrang dieser Hypothese vor der anderen ist doch wohl nicht groß genug, als daß sie schon jetzt als „Lehre“ statuiert zu werden verdiente. Weitere Untersuchungen müssen hier entscheiden. Wertvoller ist zur Zeit, weil ungleich schärfer präzisiert, das nebenher gewonnene Material zur abschließenden Beurteilung der Regulationsfrage. In der Vorgeschichte der Zwillingsbildungen geschieht mancherlei, was im normal-deskriptiven Programm keine Stätte findet, dennoch aber im Sinne typischer Formbildung wirksam ist. Daß es sich um mechanistisch begreifbare Regulationsvorgänge auf Grund ad hoc geschaffener Apparate handeln könnte, war nach der Natur der Objekte, aus denen so gut wie nie ein fort- pflanzungsfähiger Organismus hervorgeht, ausgeschlossen. Also drohte die ökonomische Ge- fahr einer Zurückführung dieser Geschehnisse auf zwecktätige Gründe. Es hat sich jedoch gezeigt, daß wir in keinem Falle genötigt sind, zuzugeben, daß die Ursache eines solchen Vorganges nicht auch in der normalen Ontogenesis vorhanden und — wenn auch in un- sichtbarer Weise — tätig sei. Somit gilt jetzt für die gesamte Formbildung von Ascaris, was wir früher für den Bereich der cellulären Entwickelung feststellen konnten: bei Ascaris findet sich — soweit unsere Kenntnisse reichen — keine Spur von echter, d.h. mit außernormalen Mitteln durchgeführter Regulation. — 305 — Zeitmangel verhindert mich, die Summe der an Ascaris gewonnenen Ergebnisse aus- führlich und Punkt für Punkt, wie ich anfangs plante, dem vorhandenen Besitzstande ent- wickelungsmechanischer Kenntnis ein- und anzugliedern. Im folgenden kennzeichne ich nur ganz kurz die Tragweite des Hauptresultates. Hieran knüpfe ich den Versuch, von einem zwar naheliegenden, in der eigentlichen Entwickelungsmechanik jedoch bisher nur wenig angewandten Gesichtspunkte aus ein gleichmäßiges Verständnis der ontogenetischen Geschehensarten vorzubereiten. Die Lokalisation der Differenzierungsgründe. ie Man weiß, wie die kausale Auffassung der tierischen Ontogenese sich mit der Zeit gestaltet hat. Nachdem die ersten Errungenschaften der Entwickelungsmechanik ihren Be- gründer Roux zur Lehre von der „Selbstdifferenzierung‘ der Furchungszellen, zur „Mosaik- theorie‘ geführt hatten, erklärten bald darauf andere Forscher (Driesch, O. Hertwig), die Blastomere seien „aequipotential“ und ihre Differenzierung geschehe in formativer Ab- hängigkeit voneinander oder vom Ganzen. Allmählich wurde dann die Wahrheit erkannt, daß in der Tierreihe beide Arten des Kausalverlaufs nebeneinander bestehen und durch Zwischenglieder verbunden sind. Aber während man eine Zeitlang die mosaikartige Entwicke- lung als Ausnahme und die aequipotentiale als die Regel anzusehen geneigt war, gewinnt neuerdings — besonders durch E. B. Wilsons und Conklins neue Arbeiten, und seit Boveri das deskriptive Mosaik des Echinidenkeimes enthüllte, — die Lehre von der totalen oder doch vorwiegenden Selbstdifferenzierung mächtig an Boden. Es scheint, daß rein ab- hängige Differenzierung höchstens in seltenen Fällen zu finden ist. Unter den Formen nun, in deren Ontogenese Selbstdifferenzierung eine mehr oder minder ausgedehnte Rolle spielt, nimmt fortan Ascaris eine hervorragende Stelle ein. Erstens aus einem technischen Grunde: die lapidare Einfachheit des Nematodenbaues er- laubt schon jetzt, den größten Teil des gesamten Differenzierungsplanes auf das Vorhanden- sein formativer Reizwirkungen und sonstiger Abhängigkeiten hin zu analysieren; woran bei der Mehrzahl der in Betracht kommenden Objekte — Mollusken, Anneliden, Ascidien etc. — natürlich noch lange nicht zu denken ist. Und zweitens beruht die besondere Eignung der Ascarisontogenese zum Paradigma darin, daß hier die musivische Natur der Differenzierung auf die erreichbar höchste Spitze getrieben ist. Bereits die allererste Furche des Ascaris- eies scheidet völlig ungleichwertige Blastomere; formative Wechselwirkung kommt über- haupt nicht vor; und die Verwendung von zeit- oder richtungsbestimmenden Reizen, von Zoologica. Heft 40. 39 — 5306 — Massenkorrelationen und Vorbedingungen fanden wir — was durch den Begriff der reinen Selbstdifferenzierung gar nicht erfordert wird — auf ihr Mindestmaß eingeschränkt. 2. Auch in der Frage nach der Lokalisation der determinierenden Ur- sachen im Inneren des Eies stellt sich Ascaris mit besonderer Entschiedenheit auf die Seite einer neuerdings zur Anerkennung gelangenden Lehre. Die früher verbreitete und wirklich naheliegende Vorstellung, daß der Kern, wie er offenbar bei der Vererbung der Arteigenschaften die Hauptrolle spielt, so auch innerhalb der Ontogenesis die Differenzierung selbständig leite, und daß dementsprechend das Eiprotoplasma ganz oder nahezu isotrop sei, ist jetzt für eine Reihe von Formen experimentell widerlegt (Roux, Fischel, Lillie, E. B. Wilson, Zeleny u. A.); bei vielen anderen Arten darf ein kausaler Einfluß des Plas- makörpers auf die Differenzierung aus seinerdeskriptiv erkennbaren Komplikation wenigstens erschlossen werden (Driesch, Conklin u. A.). — Ascaris beweist durch ein anderes Indizium die hochgradige Anisotropie ihres Eiprotoplasma und deren Bedeutung für den Differen- zierungsprozeß: die schwankende Haltung der Kerne macht unter allen Umständen eine plasmatische Organisation erforderlich, die an Mannigfaltigkeit der des genealogischen Differenzierungsplanes mindestens entspricht. Und das ist mehr, als für irgend eine andere Tierform bisher behauptet werden konnte. Freilich erblicken wir ın dieser bestimmt vorhandenen, durch erbungleiche Plasma- teilung auf die Furchungszellen übergehenden Eistruktur von Ascaris nicht ohne weiteres — wie das für analoge Objekte von seiten der Autoren zumeist geschieht, — die einzige Ursache der ontogenetischen Selbstdifferenzierung. Vielmehr fand die a priori noch zu- lässige Hypothese, daß die plasmatische Organisation des Ascariseies nur in einem System von Richtungspunkten für die planmäßig erbungleiche Verteilung einer im Kern ent- haltenen determinierenden Mannigfaltigkeit bestehe, eine gar wesentliche Stütze in der auf- fallend späten Bildung der Plasmaorganisation und ihrer konfiguratorischen Abhängigkeit vom reifen Furchungskerne. — Ob unser Gedankengang sich auch auf andere Tier- formen — wenigstens teilweise — übertragen läßt? Die Möglichkeit scheint mir nicht aus- geschlossen. Denn unser Hauptargument: die bei Ascaris bis zum Eintritt der Befruchtung verzögerte Organisationsbildung, steht keineswegs völlig isoliert! Nachdem schon früher Chun, Driesch, Boveri, Conklin) auf deskriptivem Wege festgestellt worden war, daß die sichtbar anisotrope Substanzenverteilung mancher Eier erstin der Reifungs- periode zustande kommt, haben neuerdings E. B. Wilson (1903, 1904) und Yatsu (1904) für Nemertinen und Mollusken den ebenso späten Ursprung einer größtenteils unsicht- baren, determinierenden Plasmaorganisation durch schöne Versuche nachgewiesen. Roux hat gezeigt, daß die typisch-bilaterale Dotteranordnung des Froscheies im Anschluß an die Befruchtung entsteht. Also wirkt der reife Kern wohl auch in anderen Fällen, als bei Ascaris, organisierend auf das Plasma ein (vgl. Rabl 1906). Bedarf er hierzu, wie ich vermuten möchte, einer äquivalenten eigenen Organisation, so steht der Annahme, daß er sich erb- ungleich spalte und in irgend einem Grade an der Leitung des Differenzierungsprozesses be- teilige, nicht mehr viel im Wege. — 307 — Die Formbildung im Lichte der Stammesgeschichte. Das Ei von -Ascaris mit seiner hochgradig komplizierten Plasmaorganisation gehört zu denjenigen, bei denen von einer plasmatischen Differenzierung beinahe gar nichts sicht- bar ist; und das ist lehrreich. Denn wie die Geschichte der Entwickelungsphysiologie be- weist, will es gelernt sein, den Fehlschluß zu vermeiden, daß etwas einfach aussehendes notwendig auch in Wirklichkeit einfach sei. Dieses schädliche Vorurteil hat sich von jeher besonders gegen die Blastomere und embryonalen Zellen gerichtet. Weil man nicht viel an ihnen sieht, weil sie oft rund sind wie ein Tropfen und außer dem Kern zumeist nichts von innerer Organisation erkennen lassen, ist die Abneigung einiger Autoren, mehr als hilflose Protoplasmaklümpchen in ihnen zu er- blicken, die durch äußere Einflüsse — Druck, Zug, Oberflächenspannung etc. — zu ihrem form- bildnerischen Verhalten getrieben werden, unüberwindlich. Aus gleicher Quelle stammt aber auch, wie mir scheint, (die Mutlosigkeit — oder soll ich sagen der Mut? — womit andere Forscher autonom-biologische oder gar zwecktätige Faktoren zu Hilfe rufen, sobald einmal am Keim etwas passiert, was sie durch einfache, isotrope Zellfunktionen nicht erklären können. Hier wirkt Ascaris, wie ich glaube und hoffe, besonders erzieherisch. Es steht voll- kommen fest, daß die Ascaris-Furchungszellen zu komplizierten aktiv -formbildnerischen Leistungen — vor allem in cytotaktischer Hinsicht — berufen sind, und daß ihr Plasmaleib zur Durchführung ihres Pensums ein ansehnliches Maß typisch gerichteter Differenzierung enthält, von der das Auge nicht das geringste sieht. Was aber für die Blastomere von Ascaris sicher ist, muß bei den Zellen fremder Geschöpfe mindestens möglich sein. Wir haben allemal das Recht und unter Umständen die ökonomische Pflicht, an scheinbar homogenen Furchungszellen Strukturen und Leistungen vor- auszusetzen, die kompliziert sind, wie die von Ascaris. Und manches Rätsel der tierischen Formbildung, das demjenigen, der die beteiligten Zellen hartnäckig für iso- trope Gebilde ansieht, wie ein halbes Wunder erscheinen muß, dürfte von dieser Basis aus ohne Zwang seine mechanistische Lösung finden. Z.B. wird der immer wiederkehrende und unter abnormen Umständen zuweilen recht seltsam „regulatorisch“ aussehende Vorgang der Epithel- und Blastulabildung durch denjenigen Mechanismus, den wir den epithelbildenden Zellen von Ascaris zugestanden haben, ein für allemal erklärt zur Strassen 1903). Freilich aber genügt der von Ascaris geschaffene Komplikationsrekord bei weitem nicht für sämtliche Geschehensmöglichkeiten der cellulären Formbildung. Besonders an solchen Keimen, deren Entwickelung minder ausgeprägt als eine Mosaikarbeit von statten geht, treten Ereignisse ein, denen gegenüber die für Ascaris erdachten Zellmechanismen plump und machtlos sind. Ein in der Entwickelungsmechanik berühmt gewordenes Schul- beispiel für Vorgänge dieser Art ist die Geschichte des larvalen Echinidendarmes. Das bei der Entstehung einfach sackförmige, aus lauter gleich aussehenden Zellen zusammen- gesetzte Gebilde gliedert sich durch Einschnürung in drei nach Form und Umfang typisch ver- schiedene Portionen. Geschähe das nur am normalen Keim, so läge darin nicht notwendig etwas wunderbares: es wäre die Annahme zum mindesten erlaubt, daß die scheinbar gleich- — 308 — artigen Urdarmzellen in Wahrheit gruppenweise verschieden wären und die typisch ge- gliederte Endkonfiguration auf grund spezialisierter, angeborener Mechanismen der Selbst- ordnung und Selbstgestaltung zustande brächten. Allein der Vorgang verläuft nach Drieschs interessanter Entdeckung in durchaus proportionaler Weise auch dann, wenn aus irgend- welchen experimentell’ herbeigeführten Gründen die Zahl der Urdarmelemente stark abnorm, z. B. auf die Hälfte verringert ist! Die Zellen des sackförmigen Urdarmes sind also wirk- lich, nicht nur scheinbar gleich. Wie ektodermale Blastomere von Ascaris sich ohne Rück- sicht auf die Anzahl der Teilnehmer zum einschichtigen Epithel zusammenfügen, so produ- ziert eine große oder kleine Gesellschaft von Urdarmzellen des Echinidenkeimes allemal das- selbe, typisch geformte Gebild; aber nicht eine simple Schicht oder Kugel, sondern die komplizierte, eigentümlich gegliederte Form des Larvendarmes. Wir geben ohne weiteres zu, daß Ascariszellen trotz ihrer erheblichen Komplikation und individuellen Leistungsfähig- keit so etwas nie und nimmer fertig bringen würden. Um so mehr begreifen wir, wenn Driesch, der nie geneigt war, den Blastomeren komplizierte Einzelfunktionen zuzutrauen, an der mechanistischen Erklärbarkeit jenes Vorganges total verzweifelt und ihn als Haupt- beweis für autonom-biologisches Geschehen in Anspruch nimmt. Nun ist zu vermuten, daß Driesch und andere Vitalisten die weite Kluft, die zwischen den Leistungen der Ascarisblastomere auf der einen Seite und einem staunenswerten Ge- schehnisse, wie die in allen Sätteln gerechte Selbstgliederung des Echinidendarmes auf der andern, fraglos immer noch besteht, für prinzipiell und unüberbrückbar halten und die mechanistische Erklärbarkeit vieler Entwickelungsphänomene nach wie vor bestreiten werden. Unter solchen Umständen wäre der Wissenschaft bereits gedient, wenn die Wahrscheinlich- keit oder wenigstens die Möglichkeit sich zeigen ließe, daß die funktionelle Komplikation der Blastomere über das bei Ascaris erreichte Maß noch wesentlich hinausgehen könne, und zwar in einer Richtung, die uns dem mechanistischen Verständnis jener rätselhaften Geschehnisse näher brächte. Ich glaube, daß eine solche Argumentation gelingt. Der Weg dazu liegt in der Anwendung des phylogenetischen Gesichtspunktes auf die Kausalität der Entwickelung. Daß eine derartige Betrachtungsweise entwickelungsmechanischer Probleme an sich berechtigt sei, erscheint den meisten Zoologen selbstverständlich. Es gibt jedoch Entwicke- lungsmechaniker von Ruf, die stammesgeschichtliche und selektionstheoretische Auseinander- setzungen für ungefähr das schlimmste halten, was ein moderner Biologe verbrechen kann. Noch kürzlich klagte Driesch, daß man „immer wieder Forscher, die man schon ganz zu den unsrigen zählte, Rückfälle in Darwinismus und Stammbaumzoologie erleben sähe“! Das ist freilich schlimm. Es kommt davon, wenn man aus Neigung und Beruf in zu persön- liche Bekanntschaft mit der eigentlichen Zoologie: der Systematik und Lebensgeschichte, vergleichenden Anatomie und Paläontologie der Tiere gerät: da bleibt einem so etwas hängen. Doch Scherz beiseite. Ich halte die Selektionstheorie — und weiß mich darin mit der großen Mehrzahl meiner Leser eins — für unerschüttert; ihr ökonomischer Wert als mechanistische Erklärung des Zweckmäßigen ist fast unschätzbar. Und über die stammes- geschichtliche Verwandtschaft von Formen lassen sich Hypothesen bilden, deren Wahr- scheinlichkeit hie und da an Gewißheit grenzt — als ob das in den „exakten“ Wissen- schaften so prinzipiell anders wäre! Die Hauptsache ist, daß bei der hypothetischen Be- — 309 °— arbeitung eines Tatsachengebietes etwas herauskommt. Sehen wir also zu, wieviel etwa an ökonomischer Erklärbarkeit der Entwickelungsvorgänge durch die verpönte „Stammbaum- zoologie‘“ zu gewinnen ist. a. Stammesgeschichte der cellulären Einzelformbildung. 1. Schon früher deutete ich (p. 262) darauf hin, daß eine Ascariszelle sich in der Form- bildung nicht wesentlich anders als ein selbständiges, freilebendes Protozoon der höheren Gruppen verhält. Beide verschaffen sich aus inneren Gründen ihre Eigengestalt, bestimmen autonom den Zeitpunkt, die Richtung, eventuell die Inaequalität ihrer Teilung; sie sind mit Mechanismen der Selbstbewegung ausgerüstet, zu deren planmäßigem Gebrauche auslösende und richtende Reize von der Nachbarschaft her erforderlich sind. Diese Vergleichbarkeit von Blastomeren und Protozoen ist nun, wie ich glaube, keine zufällige und bedeutungs- lose, sondern beruht auf dem tieferen Grunde der Stammesverwandtschaft, auf wirklicher Homologie. Vielzellige Tiere sind durch Aggregation und polymorphe Differenzierung aus einzelligen hervorgegangen, wie der Bienenstaat — ein naheliegender und öfter gezogener Ver- gleich — aus einsam lebenden Jmmen. Und wie noch heute die körperlichen und in- stinktiven Eigenschaften bei Honigbienen und ihren solitären Verwandten vielfach identisch sind, mindestens aber, soweit sie differieren, den Stempel gemeinsamen Ursprunges an sich tragen (v. Buttel-Reepen 1903), so müssen auch Metazoenzellen und Protozoen in struk- tureller und funktioneller Hinsicht vergleichbar sein. Eine hierauf gerichtete Betrachtung hat offenbar von derjenigen, weit in der Phylo- genesis zurückliegenden Stelle auszugehen, wo die Verwandtschaft der beiderlei Gebilde am engsten, ihr Unterschied darum am kleinsten war: dem Übergange vom Reich der Proto- zoen zur niedrigsten Metazoenstufe. Wir müssen vor allem erfahren, wieviel von derjenigen cellulären Komplikation, deren die ersten Metazoen zu ihrer Formbildung bedurften, ihnen als Erbteil von ihren einzelligen Ahnen fix und fertig zugefallen war. Die herrschende Lehre erblickt die Urform aller höheren Vielzelligen in der kugelig- einschichtigen „Blastaea“ und leitet diese wieder von kugelförmigen Flagellaten- kolonien ab. Zwischen beiden hatte sich bei aller Ähnlichkeit der Endzustände ein wich- tiger genetischer Unterschied herausgebildet. Während die Zellen der Flagellatenkolonie auf jeder Stufe ihrer fortschreitenden Vermehrung gleich und immer echte Flagellaten waren, schied sich der ontogenetische Stammbaum der Blastaea mehr und mehr in definitive, die eigentlichen Lebensfunktionen versehende „Gewebezellen“ und in die nur dem typischen Aufbau dienenden „Blastomere“. Und dieser divergenten Bestimmung entsprechend wurde die Summe formativer Eigenschaften, die jede Flagellatenzelle in sich vereinigt hatte, anderweit verteilt. Nur die erwerbstätigen „Gewebezellen“ erhielten noch eine komplizierte, zu- nächst wohl ziemlich flagellatenähnliche Spezialgestalt mit Cilien, Mund und Vakuole. Für Blastomere war alles dies unnütz und wurde mit der Zeit so gründlich abgeschafft, daß ihre sichtbare gestaltliche Differenzierung zur Stufe der Isotropie, wie bei den ruhenden Amöben, heruntersank. Dahingegen waren die Blastomere der Notwendigkeit, die Richtung — 310 — ihrer Mitosen und ihr räumliches Verhalten zu Nachbarzellen typisch zu regeln, keineswegs enthoben. Auf diesem Gebiet der Formbildung waren sie geradeso verpflichtet und mußten ebenso funktionsfähig sein, als die Gewebezellen und als die Individuen der stammesgeschichtlich vorausgegangenen Flagellatenkolonie. — Wer nun die Entwickelungs- mechanik der Blastaeaden zu erforschen hätte und, wie wir im voraus erraten, zu dem Er- gebnis käme, daß man den scheinbar isotropen Furchungszellen dieser Tiere auf Grund ihrer Teilungsweise, epithelialen Zusammenfügung, vielleicht auch eines geringen Grades radiärer Selbstgestaltung einachsig-heteropolen Plasmabau und anisotrop-chemo- taktische Zonen zugestehen müsse, der hätte mit jener Forderung leichtes Spiel. Einachsig- ungleichpolige Differenzierung des Plasmaleibes, das ist ja für Flagellaten, die unmittelbaren Vor- fahren jener Zellen, das allerwenigste, ein niemals unterschrittenes Mindestmaß von. Aniso- tropie. Auch ist gewiß, daß Flagellatenindividuen — damals so gut wie heute — in aniso- trop-chemotaktischer Wechselwirkung mit ihresgleichen standen: offenbart doch jedes in spiegelbildlicher Stellung konjugierende Flagellatenpäärchen das Vorhandensein einer gleich- sinnig orientierenden Tätigkeit. Bei koloniebildenden Formen weist oft die typische Gesamt- ordnung, die sich durchaus nicht immer aus der Teilungsrichtung oder der Körpergestalt der Einzeltiere allein erklären läßt, auf aktiv ordnende Mechanismen hin. Und ganz be- sonders hübsch wird die Verbreitung anisotrop-chemotaktischer Funktionen bei flagellaten- ähnlichen Lebewesen durch das Verhalten mancher pflanzlichen Schwärmsporen illustriert, die bei der prinzipiellen Übereinstimmung aller Verhältnisse wohl zum Vergleich heran- gezogen werden dürfen. Nach Sauvageau (1895 p. 162) bilden die Zoosporen der Braun- alge Eetocarpus, indem sie sich Flanke an Flanke zusammendrängen, und jedes neu herbei- geschwommene Exemplar sich unter poly@drischer Abplattung innig zwischen die den Rand bildenden hineinschmiegt, einschichtige Scheiben; der Autor vergleicht den Vorgang mit der Entstehung eines tierischen Epithels. Und Hartog, der schon früher (1888) an /oosporen von Achlya und anderen Saprolegniaceen ähnliche Gruppierungen beobachtet und als „Adelphotaxie“ bezeichnet hatte, vermutet neuerdings (1895 p. 682) die Ursache der seltsamen Erscheinung in anisotroper, zur Längsachse symmetrischer Attraktion der Individuen. — Wenn also die formbildende Tätigkeit der scheinbar isotropen Blastaea-Furchungszellen die Annahme axial differenzierter Plasmastruktur und chemotakti- scher Zonen für sie notwendig macht, so geht diese Forderung über dasjenige Maß von cellulärer Komplikation, das ihre direkten Vorfahren bestimmt besessen hatten und in völlig gleicher Weise verwendeten, nicht hinaus. Dann aber erscheint die Annahme dieser Struk- turen und Mechanismen — derselben, die wir den epithelbildenden Zellen von Ascaris nur zögernd zugestanden haben! — hier äußerst ökonomisch: sie sind offenbar, als die Ver- wandlung der Flagellatenindividuen in kugelförmige Blastomere vor sich ging, als dauernd notwendig erhalten geblieben. Für die „Gewebezellen“ der Blastaeaden ist ein derartig lückenloser Zusammenhang der formativen, hier auch die komplizierte Selbstgestaltung um- fassenden Mechanismen mit denen der Flagellatenahnen ohnehin selbstverständlich. > . Um nun den stammesgeschichtlichen Vergleich in extenso durchzuführen, sollte zu- nächst von den Gastraeaden, bei denen die histologische Spezialgestaltung der Zellen auf — 311 — ein noch späteres Stadium hinausgeschoben ist, und die Form der Blastaea nur noch als embryonale „Blastula“ erscheint, die Rede sein; und weiter von Stufe zu Stufe. Aus Gründen der Kürze aber überspringen wir viele Zwischenglieder und wenden unseren Ge- sichtspunkt sogleich auf ein in formbildnerischer Hinsicht gut bekanntes Metazoon mittlerer Komplikationshöhe an: fragen wir, wie das phylogenetische Verhältnis zwischen den form- bildenden Leistungen der Ascariszellen und denen ihrer freilebenden Ahnen sich präzi- sieren läßt. An den Zellen der funktionierenden Gewebe von Ascaris findet sich kaum noch eine Spur der alten Flagellatengestalt mit ihren äußeren und inneren Differenzierungen. In manchen Organen ist der Komplikationsgrad der cellulären Selbstgestaltung gegen früher herabgesunken, so bei den Zellen des Darmepithels; in anderen aber bedeutend erhöht: Muskel-, Nerven- und Bindegewebszellen bedürfen zur Herstellung ihrer komplizierten Spezialgestalt und inneren Struktur eines relativ gewaltigen, für Flagellaten ganz unerhörten Maßes angeborener Mannigfaltigkeit. — Ebenso leisten auch die Blastomere von Ascaris, obwohl sie dem Auge nicht minder primitiv erscheinen, als vermutlich die der Blastaea, doch in formbildnerischer Hinsicht erheblich mehr. Zwar spielt die einschichtig-epitheliale Zusammenfügung auf Grund einachsig-ungleichpoliger Attraktionszonen, die dort die Gipfel- leistung der Blastomere war, auch bei Ascaris noch eine wichtige Rolle; und in der Teilungs- weise gehen manche, in der Selbstgestaltung fast alle ihre Furchungszellen über den Komplikationsgrad der Blastaea nicht hinaus. Andrerseits aber zwangen uns die zahlreichen Fälle genau spezialisierter Spindelstellung, vor allem die Vorgänge der typischen Selbst- ordnung, den betreffenden Ascarisblastomeren höhere Grade der Anisotropie: disymmetrische, bilaterale und sogar asymmetrische Strukturen zuzuschreiben. Ist diese Komplikationsdifferenz zwischen den formbildenden Mechanismen der Ascaris- zellen und ihrer Flagellaten-Ahnen verwunderlich oder gar unvereinbar mit dem Gedanken eines stammesgeschichtlichen Zusammenhanges? Gewiß nicht! Der Übergang vom Einzel- leben zur Staatenbildung, der für die Gemeinschaft ersprießlich ist, stellt in der Regel auch für das Individuum keinen Rückschritt, sondern Fortschritt dar. Wohl hat die Arbeitsbiene von der umfassenden Organisation der solitären Immen manches eingebüßt, aber das, was 'sie an Feinheit der Instinkte neu hinzuerworben hat, erhebt sie doch als Einzelwesen auf eine höhere Stufe. So ist auch a priori glaubhaft, daß Metazoenzellen, wenn- gleich sie in lokomotorischer und nutritorischer Hinsicht unbeholfen und unselbständig geworden sind, indem speziellen Ressort der Formbildung an neueundschwierigereAufgabenangepaßt werden,d.h.zu feinererOÖrganisationge- langen konnten, als ihre einzelligen Ahnen. Nur würde natürlich vorausgesetzt, daß eine Steigerung der protoplasmatischen Komplikation, und zwar bis zu derjenigen Höhe, die wir den Ascariszellen zugeschrieben haben, nach der physischen Natur der Ge- bilde überhaupt möglich war. Daran aber ist nicht zu zweifeln. Einachsig-ungleichpolige Symmetrie, die nach unserer vorsichtigen Hypothese den Ausgangspunkt der phylogene- tischen Reihe bilden soll, bedeutet doch, wie gesagt, unter Flagellaten nur ein Mindest- maß. Die Form der meisten jetzt lebenden Arten ist anisotrop in höherem Sinne: bilateral oder asymmetrisch, und wird natürlich von jedem Individuum mit Hilfe ebenso stark anisotroper innerer Strukturen ontogenetisch hergestellt. Wenn aber das dem — 312 — Einzelleben treu gebliebene Geschlecht der Flagellaten befähigt war, durch Anpassung an neue Existenzbedingungen die höheren Grade der inneren Anisotropie hervorzubrin- gen, so mußte wohl die gleiche Komplikationsstufe den aus derselben Wurzel ent- sprossenen, jedoch zum Kommunismus übergegangenen Stammesverwandten, den Metazoen- zellen, erreichbar sein: kein Wunder, daß Blastomere von Ascaris mit disymmetrischer oder asymmetrischer Plasmadifferenzierung ausgerüstet sind. — Nur die enorme Höhe der inneren Komplikation, die bei der Selbstgestaltung mancher Gewebezellen von Ascaris sich offenbart, überschreitet den Rahmen dessen, was wir an Flagellaten kennen. Aber auch darin liegt keine prinzipielle Schwierigkeit. An einer noch tieferen Stelle des Gesamt-Stammbaumes hängt auch die genealogische Reihe der Infusorien mit der der Flagellaten, d. h. der Metazoen zusammen. -Und was dieser ältere, solitär gebliebene Seitenzweig nach Maßgabe seiner physischen Natur an Komplikation hervorzubringen vermochte, bedeutet auch inner- halb der Hauptlinie keine Unmöglichkeit. Es ist aber gewiß, daß kaum irgend eine Meta- zoenzelle, jedenfalls keine von Ascaris in ihrer Selbstgestaltung die hohe Stufe eines Stentor oder einer Vorticella erreicht oder gar überschreitet. So dient uns denn die Anwendung des phylogenetischen Gesichtspunktes auf die Entwickelungsmechanik von Ascaris zur ökonomischen Beruhigung. Wir finden jetzt, daß dasjenige Maß von innerer Komplikation, das wir den Ascariszellen auf Grund ihrer Selbst- gestaltung, Selbstordnung, Teilungsrichtung etc. zugestehen mußten, und das uns anfangs so gefährlich groß erschien, in Wirklichkeit gar nichts besonderes ist. Freilebende Proto- zoen von heutzutage, die Blutsverwandten unserer Zellen, besitzen ganz bestimmt das gleiche Maß und mehr, und schon die flagellatenähnlichen Vorfahren des Metazoenstammes müssen einen ansehnlichen Teil davon enthalten haben. Wenn aber die Vorstellung, daß der Komplikationsgrad der einzelligen Ahnen, soweit er dauernd nützlich war, auf die Zellen der Blastaea übergegangen sei, als selbstverständlich bezeichnet werden darf, so ist die andere: daB ım Bedarfsfalle die Zellen der (hoheren Metazoenssichzweiter hin bis zu derjenigen Stufe. vervollkommnet haben, deren Erreichbarkeit durch genealogische Seitenzweige, die lebenden Flagellaten und Infusorien, ad.oculos demönstriert wird, zum mindesten sehr wahrscheinlich. 3. Allein diese nachträgliche Empfehlung von Hypothesen, für die wir uns nach bestem Wissen und Gewissen ohnehin entscheiden mußten, war keineswegs unser Ziel. Wir hofften vielmehr, an der Hand der stammesgeschichtlichen Betrachtung einen Weg zu finden, der von der relativ einfachen, mechanistisch deutbaren Ascarisontogenese zu rätselhaften Ge- schehnissen, wie etwa die Selbstgliederung des Echinidendarmes, hinüberführen sollte. Nur dieser Hoffnung zuliebe wurde die aufsteigende Reihe der Zellkomplikation bis an die Grenze des bekannten Gebietes stammesgeschichtlich legitimiert; sehen wir jetzt zu, ob und wie weit die Reihe sich in das unbekannte hinein verlängern läßt. Zunächst: worin besteht, auf welche Einzelfächer der cellulären Formbildung erstreckt sich das problematische jener Vorgänge. Richten wir unsere Aufmerksamkeit speziell auf den klassischen Fall des Echinidendarmes, so charakterisiert sich das Geschehnis im ganzen — 313 — als Faltung eines vielzelligen Epithels, — eine Methode der Formbildung, die bei Ascaris wenig oder gar nicht vertreten, bei fremden Geschöpfen aber bekanntlich von aller- größter Bedeutung ist. In einer früheren Zeit hielt man diese Art des Entwickelungs- geschehens allgemein für passiv, für die mechanische Folge seitlich ansetzender Druckvor- gänge. Es ist jedoch gewiß, daß Faltungen in der Regel durch aktive Selbstgestaltung und Selbstordnung der beteiligten Zellen hervorgebracht werden (zur Strassen 1898a p. 155). Und sicherlich gilt dies auch für die von äußeren Umständen so unabhängige Gliederung des jungen Echinidendarmes. Während alle die Zellen, die das Gewölbe des sackförmigen Urdarmes zusammensetzen, nach außen verdickt, nach innen verschmälert sind, tritt zu ge- gebener Zeit in ringförmigen, bestimmt gelagerten Bezirken eine neue Zellform auf: das dickere Ende wird einwärts verlegt. Hierdurch verwandelt sich an der betreffenden Stelle die konvexe Wölbung des Epithels in eine konkave. Verschärft sich die umgekehrt- keilförmige Deformation der Blastomere, und treten vielleicht noch Änderungen ihres cyto- taktischen Verhaltens hinzu, so wird eine mehr oder minder tiefe und scharf markierte „Einschnürung‘“ zustande kommen. — Nun ist offenbar der Komplikationsgrad der hierbei in Szene gehenden formbildnerischen Einzelleistungen an sich durchaus kein besonders hoher: mehr als ungleichpolig-axiale oder etwa disymmetrische Anisotropie der Zellen würde zu diesen Vorgängen keilförmiger Selbstgestaltung und einfacher Selbstordnung nicht ge- braucht. Aber das neue und den Verhältnissen der Ascarisentwickelung gegenüber enorm komplizierte besteht darin, daß nicht, wie es dort geschieht, einzelne, genealogisch genau bestimmte Zellen durch erbungleiche Teilung in den Besitz der entscheidenden Strukturen und Mechanismen gelangen, sondern auf einer gewissen Altersstufe des Urdarmepithels jede Zelle befähigt ist, durch differenzielle Selbstgestaltung und Selbst- ordnung an den Faltungsprozessen teilzunehmen, dafern die Zelle in dem betreffenden ringförmigen Bezirke liegt. Die Situation an einer be- sonderen, dem Ganzen gegenüber geometrisch charakterisierten Stelle des Urdarmes wirkt also in diesem Falle als Differenzierungsgrund! — Unsere Aufgabe aber wäre, zu prüfen, ob es möglich ist, die seltsame Befähigung der Blastomere als Resultat einer kontinuierlichen Fortentwickelung ererbter Protozoeneigenschaften anzu- sehen, oder ob hier wirklich, wie Driesch es will, etwas prinzipiell neues und mechanistisch nicht erklärbares uns entgegentritt. Man erkennt zunächst, daß der reaktive Bestandteil des Geschehens, also die Fähigkeit gewisser Metazoenzellen, sich je nach den Umständen in zwei oder mehr ver- schiedenen Arten des Verhaltens zu produzieren, durchaus keine Errungenschaft ıst, die etwa den Protozoen fehlte. Im Gegenteil: wenn wir die Ascariszellen mit Protozoen ver- glichen, blieb gerade in diesem Punkte ein Minus auf seiten des Metazoons. Bei Ascaris ist die Betätigung der Zelle stereotyp; einzellige Tiere aber sind niemals nur auf eine einzige Melodie, wie eine Spieldose, eingerichtet, sondern halten für eine Anzahl besonderer Reize ebenso viele zweckmäßige Reaktionsweisen bereit. Vermochte doch Jennings (1904 p. 227) selbst bei Amöben nicht weniger als dreierlei grundverschiedene Antwortsbewegungen fest- zustellen. Dann aber brauchen wir gar nicht zu fragen, ob etwa die mehrfache Reaktions- fähigkeit der Echinidenzellen direkt auf diejenige der Flagellaten zurückgeht, oder aber, nachdem sie inzwischen verloren war, neuerdings wieder eingeführt wurde. Sondern die Zoologica. Heft 40, 40 — 314 — Annahme, das Plasma dieser Zellen sei im Interesse der Gesamtformbildung so eingerichtet worden, daß es auf einige bestimmte Reize mit adäquaten Formveränderungen oder ungleicher chemotaktischer Tätigkeit reagieren müsse, ist unter allen Umständen durchaus erlaubt. 4. Um so ratloser stehen wir dem anderen Bestandteile des Vorganges gegenüber: der Qualität der zur Verwendung kommenden Reize und ihrer Rezeption durch die Zelle. Wie soll es möglich sein, daß ein Abstraktum, wie das geometrische Verhältnis zwischen dem Orte einer bestimmten Urdarmzelle und der Form und Größe des ganzen Organes, die nach Bruchteilen bemessene Proportion ihrer Abstände von Anfang und Ende als typisch auslösender Reiz auf eine — Furchungszelle wirkt! Wenn eine Schar von Menschen, gleichviel ob es zwanzig oder hundert sind, sich in der Form einer besonderen Figur, z. B. eines Quadrates gruppiert, so bestimmen Reize von ungeheurer Komplikation das Verhalten des Einzelnen. jeder Teilnehmer ruft sich auf die gehörte und begriffene Verabredung hin das Bild des Quadrates, das er im Gedächtnis bewahrte, als eine lebendige Vorstellung ins Bewußtsein. Er hat Augen, um das Ganze zu überblicken, mit dem vorgestellten Bilde zu vergleichen und sich selber darin zu orientieren, Intelligenz und Sprache, um sich mit den anderen über seine Rolle zu verständigen. — Aber Zellen? Wir überwinden jedoch mutig eine kleine Anwandlung resignationsbereiter Schwäche und machen uns vor allen Dingen klar, daß die Fähigkeit, homogene Gesellschaften von beliebiger Teilnehmerzahl nach einer bestimmten Proportion heterogen zu gruppieren, durchaus kein Vorrecht des menschlichen Geistes ist. Viele Vögel ordnen sich beim Wanderflug zu einer charakteristischen Figur, z. B. einem V, das die Spitze nach vorne wendet. Hier wird das Einzeltier wohl kaum durch die bewußte Vorstellung der zu bilden- den Figur und intelligente Beurteilung des eigenen Ortes geleitet; sondern der Vogel handelt instinktiv, er reagiert mit unbewußt-zweckmäßiger Bewegung auf äußere, vor allem durch den Gesichtssinn vermittelte, und innere, aus angeborenen Zuständen des Nerven- systems sich ergebende Reize. Aber wir finden die gleiche Fähigkeit der proportionalen Selbstgruppierung bei noch weit niedrigeren Geschöpfen, z. B. im Bienenstaat, über dessen „psychologische“ Grundlagen und Triebfedern wir — besonders durch v. Buttel- Reepens schöne Schriften — viel eingehender, als über die der Vögel, unterrichtet sind. Die Masse der Arbeitsbienen verteilt sich (wenn auch in diesem Falle nicht räumlich, son- dern nur individuell) auf die verschiedenen Funktionen: das Pflegen, Futterholen, Wasser- holen etc., und das numerische Verhältnis dieser einzelnen Gruppen bleibt überall, ohne Rücksicht auf die Stärke eines Volkes, ungefähr konstant. Wie geht das zu? Natürlich kennen die Bienen das vorgeschriebene Zahlenverhältnis nicht, haben auch nicht die Ab- sicht, es herzustellen, sondern verfahren bei der Entscheidung, ob sie sich dieser oder jener Tätigkeit widmen sollen, ebenso instinktiv, wie die Zugvögel bei der Wahl ihrer Position im Schwarme. Aber die Reize, von denen die Bienen geleitet werden, sind einfacherer Art als dort. Es ist ganz unmöglich, daß die Biene — im Dunkel des Bienenstockes! — etwa durchs Auge darüber informiert würde, wieviel Genossinnen in jedem Ressort zurzeit be- — 315 — schäftigt sind. Sondern Gerüche und Töne, wie sie nach wundervoll fein berechneten Plänen den ganzen Bienenstaat in seinem Verhalten zur Brut, zum Wachsbau, zur Weisel- und Drohnenzucht dirigieren (v. Buttel-Reepen, 1900), werden auch die Signale sein, nach denen die einzelne Arbeiterin sich automatisch bei ihrer Berufswahl richtet. Vielleicht ent- steht im Bienenhause, sobald die Zahl der in einem bestimmten Fache Beschäftigten den zweckdienlichen Prozentsatz überschreitet, ein ganz besonderer Geruch, der als ein adäquater Reiz auf die betreffenden Bienen zurückwirkt und eine gewisse „Stimmung“ in ihnen her- vorruft; und wenn auf einem anderen Gebiete fühlbarer Mangel an Arbeitskräften herrscht, so könnte der hierdurch verursachte abnorme Zustand die Mitglieder dieser Gruppe zur Produktion eines bestimmten Tones reizen: wirkte nun der Ton auf die zuvor „gestimmten“ Arbeiterinnen des überfüllten Berufes ein, so ergriffen sie automatisch die durch die Art des Tones bezeichnete anderweite Beschäftigung, was so lange geschehen würde, bis die richtige Proportion erreicht wäre und der Reiz verschwände. Und so ließe sich offenbar durch weitere Verschränkung sukzedan oder gleichzeitig verlaufender Reizvorgänge dafür sorgen, daß die Bienengesellschaft ein typisches Zahlenverhältnis zwischen allen ihren Be- schäftigungsgruppen jederzeit und unabhängig von der Gesamtstärke bewahrt. In diesen ganzen Zusammenhang aber spielt nichts hinein, das nicht — wenigstens im Prinzip — mechanistisch begreifbar wäre. Unser kleiner Exkurs hat uns dem kausalen Verständnisse des uns beschäftigenden Problems, der proportionalen Selbstgliederung des Echinidendarmes, erheblich näher ge- bracht. Trotzdem erscheint der Abstand von dem erstrebten Ziele immer noch reichlich weit. Bienen besitzen doch Sinnesorgane, um adäquate Reize aufzunehmen, Nerven, um sie zu leiten, vor allem ein kompliziertes Gehirn, darin die planmäßige Verschränkung gleichzeitiger Reizgeschehen untereinander oder mit den Residuen früher absolvierter Vor- gänge erfolgen kann. Furchungszellen aber besitzen nichts von alledem. — Hier bringt uns nun die schon erprobte Methode der stammesgeschichtlichen Betrachtungsweise wert- volle Hilfe. Wir haben ein für allemal ausgemacht, daß wir den Metazoenzellen auf jedem Spezialgebiete denjenigen Grad von struktureller und funktioneller Komplikation zuschreiben dürfen, der von den höchstorganisierten unter ihren solitär gebliebenen Seitenverwandten, den Infusorien, erreicht worden ist. Den so eröffneten Komplikations-Kredit gilt es jetzt im Interesse unseres Problems bis an die Grenze der Möglichkeit auszunutzen. Bestimmen wir also den Umfang dieser Möglichkeit: wie hoch steigert sich bei In- fusorien, z. B. einem Stentor, die Komplikation in der Reizsphäre. Hierüber hat uns be- sonders Jennings in einer Reihe vortrefflicher Studien Dinge mitgeteilt, von denen man sich früher nichts hätte träumen lassen. Stentor benimmt sich in allerhand wechselnden Lebenslagen, denen er häufiger ausgesetzt ist, so zweckentsprechend, daß er darin gegen manches Metazoon, z. B. eine Planaria, kaum irgendwie zurücksteht. Diese hohe Begabung beruht jedoch nicht sowohl in einer Fülle verschiedener Reaktionsmöglichkeiten auf separate Reize, sondern vor allem darin, daß ein und derselbe Reiz je nach den Umständen, unter denen er wirkt, in zweckmäßig differenzierter Weise beantwortet wird. Erreicht z. B. dem Wasser zugefügtes Karminpulver die Mundscheibe des festgehefteten Tieres, so nimmt es zu- nächst keine Notiz davon; erst eine Weile später biegt es sich, als ob es durch die dauernde — 316 — Gegenwart des Stoffes doch belästigt würde, leicht zur Seite, und diese Bewegung wird einige Male wiederholt. Da aber der Reiz noch immer nicht verschwunden ist, be- ginnt unser Stentor, indem er die Schlagrichtung der kräftigen Mund-Membranellen plötz- lich umgekehrt, zu husten — umsonst: die momentan zurückgeworfenen Partikelchen sind gleich wieder da. Jetzt greift das Geschöpf zu einem radikaleren Mittel: es zieht sich mit einem Ruck in seine gallertige Röhre zurück, — um beim hervorkommen auf das Karmin zu treffen. Abermalige Kontraktion, neue Enttäuschung. Nach drei- bis viermaliger Wieder- holung kommt es auf eine lange Zeit überhaupt nicht mehr zum Vorschein. Schließlich wird ihm die Sache zu bunt, es löst sich los und schwimmt davon. Ebenso zweckmäßig ist, daß Stentor auf eine erste leise Erschütterung hin sogleich in seine Röhre verschwindet, — es könnte ja ein Feind im Anzuge sein, — bei mehrfacher Wiederholung desselben schwachen Reizes aber nicht mehr reagiert: die Gefahr ist vorüber; oder wenn der fest- geheftete Stentor nicht, wie der frei umherschwimmende, durch Licht zu besonderen Re- aktionen veranlaßt wird. — Nun setzt die Fähigkeit des Infusors, den gleichen Reiz bald so, bald so zu beantworten, unweigerlich voraus, daß seine eigene körperliche Kondition in beiden Fällen nicht die gleiche ist. Der Stentor, der auf die Gegenwart von etwas Karmin mit heftigem Zurückfahren reagiert, muß anders beschaffen sein, als derjenige, der nur den Cilienschlag umkehrt, oder sich zur Seite wendet, oder überhaupt nichts tut. Und das angeheftete, dem Lichte gegenüber indifferente Tier muß sich vom schwimmenden, das durch den Lichtstrahl beeinflußt wird, qualitativ unterscheiden. Da nun diese wechselnden „physiologischen Zustände“, wie Jennings sie nennt (1904 p. 112; „Engramme“ nach Se- mon 1904), nur dann eintreten, wenn gewisse andere, aus Reiz und Reaktion bestehende Erlebnisse vorausgegangen sind, oder ein bestimmter Reiz (z. B. die Schwimmbewegung) gleichzeitig wirkt, so ist klar, daß unsere Zustände durch eben jene anderweiten Erlebnisse herbeigeführt werden. Dies aber geschieht in einer zweckdienlichen, ad hoc erworbenen Weise: es soll von jeder Reaktion auf das Karmin ein Zustand übrig bleiben, der nunmehr das Individuum, falls der Reiz nicht verschwunden ist, zu einer nach- drücklicheren Abwehrbewegung disponiert. So finden wir denn bei Stentor die Fähigkeit zur planvollen Verknüpfung gleichzeitig oder nacheinander wirkender Reizvorgänge, die wir vorhin den Bienen zugeschrieben haben, aufs klarste ausgeprägt und reichlich verwendet. Schade, daß es keine staatenbildenden Stentoren gibt: ich bin der Meinung, daß sie ver- möge der hohen Komplikation ihrer Reizsphäre die schönsten „sozialen Instinkte“ erlernen könnten. Jedenfalls würden sie der Aufgabe, sich nach bestimmter Pro- portion zu gruppieren, gerade so gut, wie die Arbeitsbienen, gewachsen sein; obwohl doch Stentor ebensowenig Sinnesorgane, Hirn und Nerven besitzt, als irgend eine Metazoenzelle. Da sind wir wieder bei unserem eigentlichen Probleme angelangt. Wir trauen den Zellen des Echiniden-Entoderms die gleiche Komplikation der Reizsphäre zu, wie Stentor, ihrem entfernten Verwandten. Die Darmzelle kann, wie jener, mit der Fähigkeit ausgerüstet sein, durch Reizerlebnisse in besondere physiologische Zustände versetzt zu werden, in denen sie auf andere Reize nach vorbedachtem Plane typisch reagiert. Dann wird wohl auch die proportionale Selbstgliederung des Echinidendarmes sich ohne das Ein- greifen eines vitalistischen deus ex machina, lediglich auf Grund hoch- — 317 — komplizierter Reizvorgänge und Reizverschränkungen prinzipiell begreifen lassen. Wie man sich freilich im speziellen den Mechanismus dieser Selbstgliederung zu denken habe, ist eine Gewissensfrage. Ich begnüge mich, vom möglichen Wesen solcher Kausalverläufe mit Hilfe eines stark vereinfachten Beispieles eine ungefähre Idee zu geben. Wir nehmen an, die Selbstgliederung bestehe nur darin, daß in der Mitte zwischen Anfang und Ende des Urdarmes eine ringförmige Einschnürung gebildet werde, — und fordern nun innerhalb der festgestellten Möglichkeitsgrenzen frisch darauf los. Die Ansatzstelle am Ur- mund mit ihren besonderen Spannungs- und Nachbarschaftsverhältnissen bedinge zur typi- schen Zeit einen differenziellen Zustand der dort gelegenen Blastomere, der sich durch einen chemischen Reiz über den Darm verbreitet, doch so, daß seine Stärke mit der Ent- fernung vom Urmund allmählich geringer wird. Andrerseits entstehe aber auch am distalen, blinden Ende des Darmsackes ein spezifischer Reiz; und dieser zweite Reiz soll ebenfalls in regelmäßigem Gefälle auf die Umgebung übergreifen. Dann ist eine jede zwischen An- fang und Ende gelegene Darmzelle der Wirkung zweier Reize, eines proximalen und eines distalen, ausgesetzt, deren gegenseitiges Intensitätsverhältnis sich in der Achsenrichtung ändert: nahe dem Urmund ist der proximale Reiz der stärkere, gegen das blinde Ende zu überwiegt der distale; in der Mitte des Ganzen aber — vorausgesetzt, daß das Gefälle beider Reize denselben Index besitzt — sind ihre Intensitäten gleich. Nun nehmen wir ferner an, jede Urdarmzelle sei außer der bis dahin geübten epithelbildenden Betätigung mit einer zweiten Reaktionsmöglichkeit ausgestattet: der Fähigkeit, sich „umgekehrt keil- förmig“ zu deformieren, ihr cytotaktisches Verhalten in dieser oder jener Weise zu ändern, überhaupt den formbildnerischen Weg einzuschlagen, der bei Beteiligung vieler zur Bildung einer konkaven Einsenkung führt. Und diese anderweite Art des Verhaltens trete ein, so- bald eine Zelle vom proximalen und distalen Reize gleich stark getroffen wird. Dann ist gewiß, daß in der Mitte des Ganzen rings um die Achse herum die Einschnürung beginnen müßte. Dicht oberhalb und unterhalb des am stärksten gereizten und am exaktesten reagie- renden Ringes könnten sich Nachbarzellen in minder ausgeprägtem Maße ähnlich verhalten und vermittelten so den Übergang zum ungereizten, in der konvexen Wölbung verbleiben- den Epithel. Und diese ganze Selbstgliederung wäre von der Größe. des Darmsackes, der Anzahl der ihn zusammensetzenden Zellen in weiten Grenzen unabhängig. — Analog, nur komplizierter würde die dreifache Selbstgliederung des Echinidendarmes zu deuten sein. Niemand darf gegen das prinzipielle dieser Darlegung einwenden, das alles sei viel zu spitzfindig für die Wirklichkeit und darum nicht annehmbar: wer so reden wollte, der bewiese nur, daß er die prozessuale Sachlage völlig verkennt. Mechanistische Erklärungen von ganz beliebig gesteigerter Komplikation — so sagten wir in der Einleitung — sind immer noch sparsamer als vitalistische. Darum fällt dem Vitalisten die Verpflich- tung zu, die prinzipielle Unerklärbarkeit eines strittigen Vorganges durch physiko-chemische Ursachen nachzuweisen. Gelingt dies nicht, oder vermag die Gegenpartei darzutun, daß eine Bewirkung durch mechanistische Faktoren nicht absolut ausgeschlossen ist, so gilt „in dubio pro reo“: im Zweifelsfalle zugunsten der verdächtigten mechanistischen Erklärungsart. — Ich denke aber, daß ich das letztere Erfordernis nicht nur erfüllt, sondern sogar — durch den stammesgeschichtlich begründeten Vergleich der Zellen mit Protozoen — die Wahr- — 318 — scheinlichkeit der Annahme, die Selbstgliederung des Echinidendarmes sei mecha- nistisch deutbar, bewiesen habe. Die allgemeinere Nutzanwendung ist natürlich die, daß man auf vitalistischer Seite sich mehr als bisher davor hüten sollte, ontogenetische Vorgänge, deren restlose Zurück- führung auf physiko-chemische Faktoren nicht gelingen will, als unanfechtbare Beweise autonom-biologischen Geschehens hinzustellen. Für eine so radikale Beurteilung sind eben die Blastomere — trotz ihres täuschend einfachen Aussehens — zu fein organisiert. Auf Grund verwickelter Strukturen und chemischer Besonderheiten im Zellleib und Kern er- reichen ihre Funktionen in reaktiver Hinsicht, vor allem aber in der Sphäre der Reizauf- nahme und Reizverwendung eine solche Höhe der Komplikation, daß man ihre programm- mäßige Betätigung mit den Instinkten selbständiger Tiere (zur Strassen 1898a p. 155) ruhig vergleichen darf. Da liegt denn doch die Befürchtung allzu nahe, daß die „Rätsel- haftigkeit‘“ eines Geschehnisses nur durch unser eigenes Unvermögen, den komplizierten Zusammenhang zu durchschauen, verschuldet werde. b. Stammesgeschichte der kommunalen Formbildung. Während wir bisher die formbildende Befähigung der einzelnen Zelle genetisch be- urteilt haben, wenden wir jetzt den gleichen Gesichtspunkt auf die Formbildung des ganzen Organısmus an: wir fragen, wie diejenigen Faktoren, durch die das typische Verschiedenwerden der Zellen innerhalb eines Individuums herbeigeführt wird, beschaffen und wie sie entstanden sind. Diese Besprechung darf — trotz der Größe ihres Ge- genstandes — verhältnismäßig kurz gehalten sein, da unsere Angelegenheit schon von be- rufenen Forschern, unter denen ich nur Weismann nenne, erörtert worden ist, ich selber aber nicht viel neues und wichtiges darin vorzubringen habe. Unser Problem umfaßt zweierlei wohl zu unterscheidende Dinge. Erstens das Un- gleichwerden der Zellen in aufeinanderfolgenden Generationen, also zwischen je einer Mutterzelle und ihren beiden Töchtern; zweitens das Auftreten einer Differenz innerhalb einer und derselben Generation, d. h. zwischen Schwesterzellen und Cousinen in irgend einem Grade. Die erstgenannte Erscheinung, die manals sukzedane Differenzierung bezeichnen könnte, ist vom genetischen Standpunkte aus sehr anspruchslos; für uns enthält sie, genau betrachtet, überhaupt kein neues Problem. Denken wir uns eine kugelige Blastaeadenform, deren Zellen auf jeder einzelnen Altersstufe untereinander sämtlich gleich, jedoch etappen- weise von Generation zu Generation verschieden werden, indem die Ausgangszelle durch sukzessive Klüftung zuerst den runden Blastomeren, später den kompliziert geformten, er- werbstätigen Gewebezellen, endlich durch Auflösung des Ganzen einem Schwarm isolierter Keimzellen den Ursprung gibt: dann könnte dieser mehrfach wiederholte Umschlag des formativen Verhaltens allemal durch einen im Organismus selbst, und zwar zu vorge- — 5319 — schriebener Zeit entstandenen Reiz hervorgerufen sein. Denn mit der fortschreiten- den Klüftung ändern sich gewisse zur Auslösung geeignete Zustände des Keimes in gesetz- mäßiger Weise. Zum Beispiel wird das Verhältnis zwischen der Masse der Einzelzelle und ihrer freien Oberfläche mit jedem Teilungsschritte ein anderes. Und wie sich denken ließe, daß ein bestimmtes, auf vorgeschriebener Stufe erreichtes Verhältnis dieser Art die Rolle des adäquaten Reizes spielte, der die betreffende Zellengeneration zur Ausbildung der tlagellatenähnlichen Spezialgestalt veranlaßte, so könnten in andern Fällen durch zeitlich normierten Eintritt einer Druckwirkung zwischen Keim und Schale, oder eine besondere „Kern-Plasmarelation“ (vgl. p. 58) formbildende Reaktionen ganzer Altersklassen zur Aus- lösung kommen. Für die genau äqual gefurchte, isotrope Blastula eines höheren Metazoons gälte dasselbe. Und es ist klar, daß diese einfachste Form der sukzedanen Differenzierung, die nichts weiter voraussetzt, als die Fähigkeit einer Zellenkategorie, auf eine kleine An- zahl ungleicher Reize mit zugeordneten inneren Bewegungen zu reagieren, sehr leicht aus derjenigen Reaktionsfähigkeit hervorgebildet werden konnte, die als Erbteil der Flagellaten auf die niedrigsten Vielzelligen übergegangen war. Aber auch die folgende, anscheinend viel kompliziertere Art von sukzedaner Differen- zierung bereitete der phylogenetischen Herleitung keine Schwierigkeit. Nehmen wir an, für irgend eine gleichzellige Blastaeade oder Blastula sei experimentell bewiesen worden, daß jede Einzelzelle der x-ten Klüftungsstufe ein bestimmtes Geschehnis, z. B. die Ausbildung der geißeltragenden Spezialgestalt, ohne Hilfe eines vom Zustande der Nachbarschaft ab- hängigen oder von der eigenen Größe oder Kern-Plasmarelation gelieferten Reizes absol- viert; und daß nur diese eine Altersklasse hierzu befähigt sei. Dann müßten die Zellen der x-ten Generation sich von den übrigen durch irgend ein unsichtbares qualitatives Merkmal unterscheiden. Die lebende Substanz der Ausgangszelle hätte die Eigenschaft, nach einer vorgeschriebenen Zahl von Klüftungen in allen Zweigen des genealogischen Stammbaumes die betreffende Besonderheit neu hervorzubringen. Aber diese Eigenschaft der „sukzedanen Selbstdifferenzierung“ stände den Entwickelungs- und Reaktionsverhältnissen der Protozoen doch nicht so fremd gegenüber, als es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Wenn ein Stentor durch bestimmte Erlebnisse in „physiologische Zustände“ versetzt wird, die ihn zu anderweiter Reaktionsweise disponieren, so halten solche Zustände nicht lange an: eine kleine Weile später ist das Geschöpfchen wieder ganz das alte, es hat sein Er- lebnis „vergessen“ und reagiert, als hätte es nichts erlebt. Aber natürlich ist die kürzere oder längere Dauer dieser Erscheinungen bedeutungslos, und wir glauben ohne weiteres, daß irgend eine andere Zelle den physiologischen Zustand, in den sie durch ein Erlebnis versetzt wird, bis an das Ende ihrer Existenz oder bis zur Teilung bewahrt und ihren beiden Töchtern überliefert. Wie es nun möglich war, den Stentor so zu organi- sieren, daß er durch vielmalige Wiederholung des gleichen Reizes nacheinander in vier bis fünf verschiedene Zustände gerät, so konnte auch eine Plasmaart die Eigenschaft, durch das periodische Erlebnis der Mitose Schritt für Schritt in neue Zustände und mit dem x-ten Schritte in denjenigen versetzt zu werden, der ein bestimmtes Bewegungsphänomen (als innerer Reiz) bewirken muß, durch Selektion erwerben. Und ebenso leicht erfüllbar war die notwendige Forderung, daß bei einer so beschaffenen Blastaeadenform die letzte Altersklasse schließlich alle eigenen Erlebnisse, wie die der vorausgegangenen Stufen „ver- — 320 — gessen“ und als ein Schwarm isolierter Keimzellen in den Zustand der Ausgangszelle zurück- fallen müßte. Übrigens ist ja das Ungleichwerden aufeinanderfolgender Zellengenerationen bei Proto- zoen mit komplizierterer Entwickelungsweise, z. B. den Coccidien, keineswegs unbekannt. Und es mag sein, daß diese sukzedanen Differenzierungen in einigen Fällen durch äußere Reize, in anderen durch eine gesetzmäßige Folge innerer Umstimmungen herbeigeführt werden. 2 2 ie Neue Fragen erheben sich dort, wo uns in Phylogenesis und Ontogenesis zum ersten Male typische Verschiedenheit gleichaltriger Zellen oder simultane Differenzie- rung entgegentritt. Daß es ein stammesgeschichtlicher Fortschritt war, die Isotropie der kugelrunden, gleichzelligen, ordnungslos umhertaumelnden Blastaea zu stören, indem durch Koordination des Cilienschlages eine bestimmte Bewegungsrichtung angenommen, und in der Achse dieser Bewegung Vorder- und Hinterende gestaltlich und funktionell diffe- renziert wurden, liegt auf der Hand. Wie aber mögen die Mechanismen, dieontogene- tisch das typische Ungleichwerden der Schwester- und Cousinenzellen bewirken, entstanden sein? Es ist wohl fast gewiß, daß in der ersten Zeit die Richtung der Achse, auf die ja durchaus nichts ankam, dem Zufalle überlassen blieb: nur so war es möglich, die alt- überlieferte Methode der erbgleichen Zellteilung auch fernerhin beizubehalten, indem die Fähigkeit, die Form und Bildung einer „axialen“ Zelle anzunehmen, sämtlichen Blastomeren einer bestimmten Klüftungsstufe (durch sukzedane Differenzierung) übertragen wurde. Offen- bar aber bedurfte dann die Ontogenesis der Hilfe irgend eines anisotropen Geschehens, das die Realisation dieser allgemeinen Befähigung auf eine beliebige Achse einschränken, das formbildende Ereignis „lokalisieren“ konnte. Hierzu boten sich zunächst gewisse Zu- stände der Außenwelt dar. Wurden z. B. die Zellen der prädestinierten Altersklasse so eingerichtet, daß diejenigen, die im entscheidenden Moment dem Lichte zugewendet waren, samt ihren Antipoden ein differenzielles Verhalten annehmen mußten, so war die Herstellung axialer Symmetrie bereits garantiert. Ebenso konnte das zufällige Verhältnis der Zellen zur Schwerkraft, oder, falls das Geschöpf zur sessilen Lebensweise überging, die erste Berührung mit einer festen Masse als adäquater Reiz verwendet werden. Es gab jedoch noch eine andere, von der Außenwelt unabhängige und darum für manche Fälle wohl zweckmäßigere Möglichkeit, die Lokalisation der Symmetrieachse durch einen Zufall besorgen zu lassen, eine besondere Form der Reizverschrän- kung, von deren Wesen ein Beispiel aus der Tierpsychologie die beste Vorstellung gibt. Man kennt die eigentümlich zweckmäßige Art, wie umgefallene Seesterne sich wieder auf die Beine helfen. Nachdem das Geschöpf die wimmelnden Füßchen nach allen Seiten hin „suchend“ ausgestreckt hatte, beginnt es die Spitzen von zwei oder drei be- nachbarten Armen bodenwärts umzudrehen, heftet daselbst die äußersten Füßchen und durch weitere Drehung immer neue an, neigt unter dem wachsenden Zuge der fixierten Arme bald auch die Mundfläche dieser selben Seite zu, überschlägt sich in elegantem Bogen und steht. Nun wissen wir durch Experimente von Romanes und anderen, daß alle fünf — 321 — Arme gleichmäßig und selbständig zur Ausführung des „Umkehrreflexes“ befähigt sind. Da aber die gleichzeitige Inangriffnahme durch alle fünf durchaus nicht zum Ziele führen, sondern den notwendigen Purzelbaum gerade vereiteln würde, so ist durch nervöse Reiz- vermittelung die Einrichtung getroffen, daß der Beginn der Drehung an irgend einem Arm — und einer wird ja aus naheliegenden Gründen immer der erste sein — den Umkehrtrieb der gegenüberliegenden Arme lähmt (Loeb 1899 p. 39). So dient hier eine geringe, zu- fällige und an sich bedeutungslose Differenz als Reiz zur Lokalisation der allseitig vor- handenen Umkehrfähigkeit auf eine beschränktere Stelle. Und reiner Zufall entscheidet, welcher Arm sich wirklich drehen, in welcher Richtung der Umschlag erfolgen soll. Nach diesem Prinzipe des zufälligen „Zuerstfertigseins“ konnte nun auch die Sym- metrieachse eines primitiven Metazoons ontogenetisch lokalisiert werden. Nehmen wir an, die sämtlichen Zellen der kritischen Klüftungsstufe erhielten durch irgend einen Vorgang sukzedaner Differenzierung die Fähigkeit, diejenige neue Form und Bildung, die für die Zellen des künftigen Vorderendes charakteristisch ist, von selber hervorzubringen. Dann wäre doch, schon wegen. der zeitlichen Ungenauigkeit der Klüftungen, gewiß, daß irgend eine Zelle mit ihrem Pensum zuerst begänne und fertig würde: so ergäbe sich trotz der Gleichartigkeit aller Befähigungen eine momentane Anisotropie. Aber dieser flüchtige Zustand könnte dadurch festgehalten werden, daß von der differenzier- ten Zelle sogleich ein chemischer oder sonstiger Reiz geliefert würde, der in allen übrigen Zellen die Fähigkeit, sich ebenso umzugestalten, dauernd unterbände. Durch die weitere Einrichtung, daß der Cilienschlag sich über- all gegen das Vordernde orientierte, konnten die gegenüberliegenden Zellen zur Annahme einer „kaudalen“ Differenzierung, z. B. zur Einstülpung als Urdarm, veranlaßt werden, und die axiale, ungleichpolige Symmetrie der Gastraeaden war hergestellt. Nachdem die Achsendifferenzierung des isotropen Keimes auf diese oder jene Art begründet war, machte die Beschaffung lokalisierender Reizmechanismen für weitere, nütz- lich werdende Formbildungsprozesse innerhalb der Achse und um die Achse herum keine Mühe. Jedes entstandene Organ konnte zur Auslösung anderer verwendet werden, und da auch sukzedane Differenzierung dauernd leistungsfähig blieb, so war der Spielraum forma- tiver Geschehensmöglichkeit schon jetzt nicht ganz gering; ohne freilich über den etwas monotonen Formenkreis der Rotationskörper hinauszugehen. Allein es ist ja klar, daß nach denselben Methoden, denen der gleichzellige Keim seine erste Simultandifferenzierung ver- dankt, ontogenetische Mittel für weitere Komplikationen und höhere Grade der Anisotropie bereitgestellt werden konnten. War es z. B. aus adaptiven Gründen wünschenswert, rund um die Mundöffnung einer genau symmetrischen Gastrula tentakelartige Gebilde in regel- mäßigen Abständen hervortreten zu lassen, so bot sich hierzu folgender Weg. Sämtliche Zellen des Urmundrandes erhielten durch den spezifischen Reiz dieser ihrer Lage die Fähig- keit, durch Annahme einer neuen Spezialgestalt, cytotaktischen Wirkungsart und Produktion neuer Reize die Bildung eines Tentakels einzuleiten. Damit aber die Verwirklichung dieser allgemeinen Fähigkeit auf wenige, bestimmt verteilte Punkte des Randes lokalisiert blieb, Zoologica. Heft 40. 41 wurde nach dem Prinzipe des Zuerstfertigseins verordnet, daß in dem Augenblicke, in dem die erste Tentakelknospe sich irgendwo differenzierte, alle übrigen Randzellen durch einen chemischen Hemmungsreiz in der Ausübung ihres formativen Rechtes behindert wurden. Nur diejenige Zelle, die den links und rechts herum in regelmäßigem Gefälle sich aus- breitenden Reiz von beiden Seiten in gleicher Stärke empfing, d. h. die diametral gegen- überliegende, blieb von der Hemmung frei: hier wuchs der zweite Tentakel. Es ist klar, daß nunmehr derselbe Reizmechanismus imstande war, beiderseits einen dritten und vierten, durch wiederholte Interkalation immer mehr Tentakel hervorzurufen. Und wenn die vor- gesehene Anzahl erfüllt, eine gewisse Kleinheit der Abstände von Tentakel zu Tentakel er- reicht worden war, so wurde durch einen neuen Hemmungsreiz der weiteren Interkalation — entweder dauernd, oder bis das Wachstum des Tieres wieder Raum geschaffen hatte, — ein Ziel gesetzt. — Ebensogut wie die Polysymmetrie des Radiärtieres konnten aber natür- lich auch disymmetrische, bilaterale, selbst asymmetrische Organisationen durch planvolle Ausnutzung der protoplasmatischen Reizbarkeit ontogenetisch begründet werden. So ist denn die Möglichkeit, bei durchweg erbgleicher Mitose mit Hilfe äußerer und innerer Auslösungen und Hemmungsreize typische Gestaltung hervorzubringen, a priori vollkommen unbeschränkt: die ungeheure Komplikation des Reizgeschehens, das etwa der Ontogenesis eines Wirbel- tieres mit ihrem fast unermeßlichen Reichtum an sukzedaner und simultaner Differenzierung zugrunde liegen müßte, bereitete, da sie kontinuierlich aus Vorgängen, wie sie (oceidium darbietet, entstehen konnte, kein prinzipielles Hindernis. Nur eine, unvermeidliche Öbliegenheit: die Bildung der Keimzellen , scheint sich mit dieser Art von Entwickelungsbetrieb weniger gut zu vertragen. Wo die Zahl der Klüftungsstufen und formativen Einzelgeschehnisse eine geringe ist, fällt uns die Vorstellung nicht schwer, daß alle Zellen der letzten Generation, oder einzelne, von selbst, oder auf Reize hin die physiologischen Zustände, in die sie sukzessive versetzt worden waren, „ver- gessen“ und die spezifische Ausgangs-Disposition, wie Stentor die seinige, zurückerhalten. Bei stark vermehrten Komplikationsverhältnissen aber erscheint diese Rückverwandlung selber als ein Problem. Man meint, am Ende einer so langen und erlebnisreichen Laufbahn sollte die Zellsubstanz sich allenthalben derart verändert haben, daß sie ihre ursprüng- liche Beschaffenheit nicht ohne weiteres, wie man ein Hemd wechselt, zurückgewinnen könnte. — Nun, dieser Schwierigkeit, falls eine solche bestand, war leicht zu begegnen. Es bedurfte nur der Einrichtung, daß eben die Keimzellen nicht erst als letzte Spitzen einer Generationsfolge, die an zahlreichen formbildenden Prozessen aktiv teilgenommen, ent- sprechend viele Reize empfangen und physiologische Zustände durchlaufen hatte, in Er- scheinung traten; sondern der Zweig des ontogenetischen Stammbaumes, der die Ge- schlechtsprodukte tragen sollte, frühzeitig allen formativen Nebenpflichten entzogen wurde. Vielleicht aber war die Zurückverwandlung der durch vorausgegangene Erlebnisse beliebig stark alterierten Zellensubstanz überhaupt nicht schwierig. Nehmen wir an, bei aller Ver- änderung der physiologischen Zustände bewahrte immer ein Teil der Zelle, z. B. der Kern, die ursprüngliche Beschaffenheit, so könnte dieser unveränderte Anteil unter bestimmten Verhältnissen die ganze Zelle in diejenige Disposition zurückversetzen, die für das Ei cha- rakteristisch war (vgl. Driesch 1894 p. 124). — Und wer weiß, ob nicht auch bei Stentor die Fähigkeit, in physiologische Zustände zu geraten, lediglich dem Zellleibe innewohnt, der — 32535 — Kern aber die wichtige Funktion besitzt, am Ende jeder Folge von Reizerlebnissen das Protoplasma in die neutrale Beschaffenheit zurückzuführen. 4. Wenn nun die Möglichkeit, mit Hilfe durchweg erbgleicher Teilung und eines Systems von wechselseitigen Reizvorgängen Tierkörper von ganz beliebig hoher Komplikation ontogenetisch herzustellen, keinem Zweifel unterliegt, so wissen wir doch, daß diese Mög- lichkeit in der Natur höchst selten, wohl nur bei einigen Coelenteraten (Maas 1905) ver- wirklicht ist. Bei weitaus den meisten Geschöpfen bedient sich die Ontogenesis, sei es zum Teil, sei es ausschließlich, eines anderen Instrumentes zur Herstellung simultaner Differen- zierungen: der erbungleichen Mitose; hierbei werden zwei Schwesterzellen, deren formbildnerisches Verhalten programmgemäß differiert, oder die durch sukzedane Selbst- differenzierung Nachkommenschaften von ungleicher Beschaffenheit hervorzubringen haben, typisch verschieden in die Welt gesetzt. Die Ungleichheit kann chemisch sein oder struk- turell; sie ist unsichtbar und nur durch Analyse zu beweisen, oder offensichtlich und wird schon durch ungleiche Größe oder ungleichen Dottergehalt dokumentiert; sie könnte auf völliger Separation der formbildenden Mechanismen beruhen, oder nur im einseitigen Besitz eines inneren lokalisierenden Reizes liegen, der die Ausübung einer Funktion, zu der im übrigen beide Schwestern befähigt sind, auf eine beschränkt. Es wäre sogar denkbar, daß die angeborene Ungleichheit zweier Schwesterzellen in etwas Relativem bestände, indem z. B. diejenige, die von irgend einem Stoffe mehr als die andere enthält, hierdurch zu ab- weichender Formbildung veranlaßt würde; in solchem Falle wirkte das „Mehr“ der einen Zelle als fest lokalisierter Hemmungsreiz auf ihre Schwester; wonach man diese Art des möglichen Geschehens als einen physiologischen (und vielleicht auch phylogenetischen) Über- gang zu reinen Reizprozessen betrachten dürfte. — Wie dem auch sei: das typisch un- gleiche Schicksal zweier Schwesterzellen wird in allen diesen Fällen durch die besondere Art der vorausgegangenen Mitose — zwar mehr oder minder zwangsweise, aber für den Be- reich der normalen Entwickelung immer entscheidend — festgelegt: die Divergenz der Schwestern beruht auf „simultaner Selbstdifferenzierung‘. Nun begreifen wir sehr wohl, daß Differenzierung durch erbungleiche Mitosen im allgemeinen zweckmäßiger ist, als die durch wechselseitige Reize. Ein formbildnerischer Einzelvorgang, dessen sämtliche Gründe durch erbungleiche Teilung in die Zelle selbst hineingelegt worden sind, wird in seinem richtigen Verlaufe zumeist gesicherter sein, als ein anderer, dessen Zustandekommen auf Mitwirkung formativer, von der Außenwelt oder an- deren Teilen des Keimes bezogener Reize angewiesen ist; denn viele Köche verderben leicht den Brei. Sind aber gar die kooperierenden Faktoren: Reiz und Reaktionsfähigkeit selber wieder von Reizvorgängen einer früheren Stufe genetisch abhängig, und ist in solcher Weise ein vielstufiges, nach oben zu erweitertes System von Abhängigkeiten, wie eine umgekehrte Pyramide, aufgebaut, so müßte jede winzige Verfehlung in frühen Stadien von Stufe zu Stufe immer weitere Kreise ziehen und schlimmere Defekte zeitigen, und die allzu häufige Entstehung von Krüppeln sollte die Folge sein. Darum: je mehr von den Simultandiffe- renzierungen einer Ontogenesis durch erbungleiche Teilung bewirkt werden, um so mehr — 324 — gewinnt ihr Gesamtverlauf an Sicherheit; am meisten, wenn von der Verwendung formativ ‚ wie bei Ascaris. — Ein adap- tives Interesse, die altüberlieferte erbgleiche Zellteilung bei höheren Metazoen durch erb- ungleiche zu ersetzen, Jag also vor. Wie aber mag die Umwandlung stammesgeschichtlich auslösender und hemmender Reize gänzlich abgesehen ist zugegangen sein? Wenn eine Zelle sich in zwei ungleiche Stücke zerlegen soll, so ist vor allem erforder- lich, daß sie zur kritischen Zeit Anisotropie besitzt. Diese Forderung erfüllen alle Metazoenzellen ohne weiteres. Sogar die scheinbar isotropen Blastomere sind ja zum mindesten einachsig-ungleichpolig differenziert. Und für die Eier gilt wohl sicher das gleiche; sollte aber dennoch bei irgend einer Metazoenform das Ei zur Stufe völliger Iso- tropie herabgesunken sein, so wäre im Bedarfsfalle gewiß nichts leichter, als die Axial- differenzierung, die der Gesamtheit der übrigen Zellen eigentümlich geblieben ist, neuerdings auf die Keimzellen auszudehnen. Unter solchen Umständen bot die Aufgabe, diejenigen Stoffe oder Strukturen, die das ungleiche Verhalten der Tochterzellen bewirken konnten, einseitig in der Mutter anzuhäufen, nirgendwo eine Schwierigkeit. Nur wenig schwerer war die Erfüllung des zweiten Erfordernisses: die anisotrope, zur simultanen Selbstdifferenzierung ausersehene Zelle mußte derartig aufgeteilt werden, daß nun auch wirklich jeder Tochter ein besonderes, von dem der anderen verschiedenes Erbteil zufiel. Bis dahin waren die Spindeln der Metazoen- zellen allemal senkrecht zur Achse gerichtet gewesen; die auftretende Scheidewand spaltete die innere Symmetrie der Länge nach in zwei erbgleiche Hälften; und da nach Abschluß der Mitose jede neugeborene Zelle mit ihrer gesamten Organisation sich „aufrichtete“, bis ihre Symmetrieachse senkrecht zur freien Oberfläche der Zellenschicht lag, so wurde sie bei der nächstfolgenden „paratangentialen‘“ Mitose wiederum längsgeteilt. Nun war zwar diese Teilungsweise uralt — ging sie doch unmittelbar auf die erbgleiche Längsteilung der Flagellaten zurück —, und empfahl sich außerdem durch ihre besondere cytologische Ein- fachheit. Da jedoch notorisch bereits bei Protozoen, nämlich den Infusorien und sogar einigen Flagellaten, die klassische Methode der erbgleichen Längsspaltung durch andere Teilungsrichtungen ersetzt worden ist, so dürfen wir glauben, daß sie auch in der Ent- wickelung der Metazoen, sobald damit ein greifbarer Gewinn verbunden war, modifiziert werden konnte. Hierzu bot sich ein doppelter Weg. Erstens lag ja nahe, den Teilungs- apparat einer Zelle so einzurichten, daß die Spindel nicht mehr senkrecht zur Achse, son- dern in die Achse selber zu liegen kam, die ungleichpolige Zelle also durch eine quere Scheidewand in eine „obere“ und „untere“ Hälfte zerschnitten wurde. Und diese Art von erbungleicher Teilung konnte für alle oder einzelne Zellen eines Keimes, für späte oder frühe Stufen verordnet werden. Bei manchen Medusen geschieht z. B. die Klüftung bis zum Blastulastadium durchaus erbgleich-paratangential, worauf von jeder Zelle die proximale, dotterhaltige Hälfte abgetrennt, und so mit einem Schlage die Scheidung von Entoderm und Ektoderm vollzogen wird. Bei Ascaris wird schon das Ei durch seine „vertikale“ Mitose erbungleich aufgeteilt. — Die zweite, in manchen Verhältnissen vielleicht noch praktikablere Möglichkeit, zum Zwecke erbungleicher Teilung die traditionelle Längsspaltung mit quer- gestellter Spindel abzuändern, war folgende. Es konnte bei irgendwelchen Zellen der Modus getroffen werden, daß die postmitotische „Aufrichtung‘“ der gesamten Organisation unter- — 325 — blieb, Kern und Sphäre aber innerhalb der Zelle sich drehten, bis ihre Verbindungs- linie — wie sonst die Symmetrieachse — senkrecht zur Oberfläche des Epithels gerichtet lag: erfolgte dann die Teilung paratangential, so schnitt die Scheidewand nicht mehr der Länge nach, sondern schräg oder gar quer zur Achse durch die Symmetrie hindurch und trennte die Zelle in zwei ungleichwertige Tochterzellen. Besonders gangbar erscheint dieser Weg zur erbungleichen Teilung auch für das Ei. Wird ein polar differenziertes, z. B. in seiner unteren Hälfte mit Dottermasse erfülltes Ei paratangential, und zwar speziell nach der be- quemen Hertwigschen Regel gefurcht, so folgt auf zwei meridionale, die Symmetrieachse enthaltende, also erbgleiche Furchen eine äquatoriale, die jedes Viertel in einen oberen plas- matischen und einen unteren dotterhaltigen Bezirk zerschneiden muß. | Aber mit der Frage nach der Phylogenie der simultanen Selbstdifferenzierung ver- knüpft sich unlösbar die andere, wie es möglich war, bei solcher Veränderung des kausalen Entwickelungsverlaufes die wichtige Funktion der Keimzellenbildung im Gang zu er- halten. Daß bei den durchweg erbgleich geteilten Organismen bestimmte Zellen, in denen ja alle für die Formbildung wesentlichen Bestandteile des Eies, wenn auch in neuer Gestalt und anderem „physiologischem Zustande“ vorhanden sind, schließlich doch zur Beschaffenheit der Ausgangszelle zurückkehren können, — eventuell unter dem Einflusse des unverändert gebliebenen Zellkernes —, begreifen wir. Aber es scheint auf den ersten Blick, als würde die hier gewahrte „Kontinuität“ von Ei zu Ei durch erbungleiche Teilung, falls diese den ganzen Keim betrifft, rettungslos vernichtet. Ob nun die Keimzelle aus dem unteren oder oberen erbungleichen Teilstücke ihren Ursprung nimmt: die eine Hälfte der form- bildenden Eiorganisation müßte ihr im Moment ihrer Entstehung doch wohl fehlen, und man fragt sich, wie sie das fehlende zu ersetzen imstande sein sollte. — Hier darf zunächst nicht vergessen werden, daß die Möglichkeit erbungleicher Teilung und simultaner Selbst- differenzierung bereits gegeben ist, wenn die Anisotropie der querzuteilenden Zelle in nichts anderem besteht, als in allmählicher, quantitativer Veränderung — z. B. des Dotterge- haltes — von Pol zu Pol. In solchem Falle besäße jedes Teilstück die gleiche Polarität, wie das Ei, und könnte unter adäquaten Bedingungen zur Keimzelle werden. Wo aber ein wirklich qualitativer Unterschied zwischen den beiden Hälften der Mutterzelle erkennbar wird, da wäre die Hilfshypothese, die vorhin in ähnlicher Bedrängnis verwendet wurde, daß näm- lich der Kern der Kontinuitätsvermittler sei, auch hier erlaubt. Nehmen wir an, die ungleichpolig-axiale, qualitative Anisotropie der Zelle erstrecke sich auf ihren Plasmaleib und ihren Kern; bei der Mitose aber werde nur der Zellleib erbungleich durchgeschnitten ; während der Kern, nachdem er seine einzelnen Bestandteile halbiert und hierauf mit Hilfe ordnender „Affinitäten“ (Weismann 1902 p. 4Ir) zu einer Doppel-Anisotropie verschoben hätte, sich erbgleich teilte; und endlich sei der Kern mit der Befähigung begabt, unter be- stimmten Verhältnissen die eigene, totale Anisotropie auf das Zellprotoplasma zu übertragen. Dann besäße jede Zelle, ohne Rücksicht auf den halbierten oder gevierteilten Zustand ihrer plas- matischen Differenzierung, die Mittel zur Herstellung der Gesamtanisotropie, d. h. die Qualı- fikation zur Keimzelle. So bot sich also Gelegenheit, durch einen kleinen Neuerwerb: die erbungleiche Auf- teilung der ohnehin vorhandenen, von den Blastaeazellen her übernommenen plasmatischen Anisotropie — sei es im Ei, sei es in allen oder einzelnen Blastomeren — eine Anzahl fest — 326 — lokalisierter Differenzpunkte in den Keim hineinzutragen, die fortan als zuverlässige innere Ursachen der simultanen Differenzierung verwendet werden konnten. Wie sehr gewann z. B. die Gastrulation an Sicherheit, wenn die Stelle der Einstülpung, die an der erbgleich geklüfteten, isotropen Blastula sich nur durch äußere Reize oder nach dem Prinzipe des Zuerstfertigseins umständlich genug lokalisieren ließ, klipp und klar durch die chemische oder strukturelle Besonderheit, die eine bestimmte Zellengruppe vom unteren Pole des anisotropen Eies bezog, entschieden wurde. Und wir begreifen, daß die weitaus größte Mehrheit der Geschöpfe sich diesen bedeutenden und leicht zu beschaffenden Vorteil nicht entgehen ließ. Allein der neu betretene Weg zur Besserung versprach noch mehr. Nach- dem die Methode der erbungleichen Teilung einmal erfunden war, lag es nahe, durch höhere Komplikation des Zellprotoplasma,vorallemimEi, für die Entstehung einer größeren Mannigfaltigkeit fest lokalisierter Differenzpunkte im abgefurchten Keime Sorge zu tragen. Wie solches geschehen konnte, ist klar. Der Kern als Träger der Kontinuität mußte mit neuen chemischen oder strukturellen Komplikationen belastet werden, die er einerseits durch erbgleiche Kernteilung den künftigen Keimzellen zu überliefern hatte, andererseits dazu verwendete, dem Protoplasmakörper entsprechend höhere Anisotropien auf- zuprägen. Diese aber wurden erbungleich zerlegt. Erhielt z. B. der einachsig-ungleichpolige Kern eines Eies irgendwo außerhalb seiner Achse eine asymmetrische Besonderheit, so konnte die hierdurch bewirkte analoge Veränderung des Eiprotoplasma, nachdem sie durch erb- ungleiche Aufteilung einer bestimmten, außerhalb der Keimesachse gelegenen Zellengruppe überwiesen worden war, daselbst die Ventralseite markieren. Und so weiter Schritt für Schritt. Schließlich kamen Ontogenesen zustande, bei denen jedes einzelne Geschehnis der Formbildung bereits im Ei durch eine fest lokalisierte Besonderheit vertreten und alle Simultandifferenzierung Selbstdifferenzierung ist, wie bei Ascaris. — Nebenher konnte die Fähigkeit, in denjenigen genealogischen Seitenzweigen, die nicht zu Keimzellen führen, auch den Kern in seine heterogenen Bestandteile erbungleich aufzulösen, nützlich sein und erworben werden. Allein man darf nicht glauben, daß die völlige Abschaffung formativ auslösender und hemmender Reize, die Stereotypierung des gesamten Entwickelungsverlaufes unter allen Umständen das adaptive Ideal gewesen sei, nach dem die Tierwelt strebte, und daß etwa die zahllosen Geschöpfe, in deren Entwickelung formative Reize eine mehr oder minder ausgedehnte Rolle spielen, in dieser Hinsicht durchweg auf einer tieferen Stufe ständen, als Ascaris. So absolut überragend ist doch die Zweckmäßigkeit der rein mosaik- artigen Entwickelung nicht. Schon unter normalen Verhältnissen werden vielmehr der Formbildung oft genug Aufgaben gestellt, die sich mit Hilfe von formativen Reizen leicht, durch reine Selbstdifferenzierung aber nur unter Aufbietung enorm komplizierter und ent- sprechend empfindlicher Mechanismen lösen lassen, so daß die größere Sparsamkeit und Sicherheit deutlich auf seiten des Reizgeschehens liegt. Hierzu gehören vor allem jene Fälle, in denen Keimesteile verschiedenen Ursprungs nach einer langen und wechselvollen Sonderentwickelung zum Aufbau eines gemeinsamen Or- ganes zusammentreffen. Wenn man erfährt, daß bei der Echinidenlarve die Mundbildung, die genau dort eintritt, wo kurz zuvor der hakenförmig umgebogene Urdarm das Ektoderm berührte, dennoch nicht durch eben diese Berührung ausgelöst, sondern ganz autonom vom Ekto- derm vollzogen wird (Driesch, Garbowsky), so fühlt man sich schon geneigt, diese Einrichtung vom ökonomischen Standpunkte aus zu mißbilligen. Zwar scheint weder die Lokalisation des Mundes durch erbungleiche Zerlegung einer besonderen, bilateralen Ei- struktur, noch die Beschaffung eines Mechanismus, der den Urdarm scharf in der Mittel- ebene ventralwärts umbiegt, übermäßig kompliziert. Aber daß die Selbstkrümmung des Darmes exakt genug von innen heraus geregelt sein sollte, um sein blindes Ende mit ab- soluter Treffsicherheit an die winzige präformierte Mundstelle heranzubringen, das glauben wir nicht: wenigstens die letzte Adjustierung und Verlötung des entodermalen Bestandteiles mit dem ektodermalen wird wohl durch orientierende Reizwirkung zwischen beiden zuwege gebracht. Sind hier aber Reize einmal nicht zu entbehren, so meinen wir: formative Aus- lösung der Mundbildung durch den Darm müßte bequemer, sicherer und ökonomischer sein. Und dabei handelt es sich in diesem Falle um die Verbindung zweier Keimesteile, deren getrennte Vorgeschichte nicht lang und relativ einfach war! — Wie viel schwieriger wäre z. B. die Aufgabe, die gegen die Haut vordringende Augenblase des Wirbeltieres mit einer durch simultane Selbstdifferenzierung bereitgestellten ektodermalen Linsenanlage pünktlich zusammenzuführen. Daß Keimesteile von so entfernter Verwandtschaft in der langen, ohne gegenseitigen Rapport durchlaufenen Generationenfolge die scharfe Richtung verlieren und im entscheidenden Moment das Rendezvous verfehlen würden, und daß deshalb durch chemotaktische Wechselwirkung für Korrektur gesorgt werden müßte, ist wohl gewiß. Aber damit allein kämen wir noch nicht aus: schlimmer als die räumliche Unstimmigkeit wäre die ebensowenig zu vermeidende zeitliche. Was sollte geschehen, wenn die „rhyth- mische Diskordanz‘ zwischen Augenblase und Linsenanlage im Laufe so vieler, allemal mit kleinen Schwankungen der Zeitmaße verbundenen Teilungsschritte den Wert von zwei oder drei Generationen erreichte?, der eine von beiden Partnern also noch gar nicht fertig wäre, um an dem Schicksal des anderen programmgemäß teilzunehmen? Hier war unzweifelhaft die Schaffung eines formativen Reizverhältnisses das einzig zweckmäßige. Wurde den Zellen der larvalen Epidermis durchweg die Fähigkeit erteilt, auf den spezifischen Kontaktreiz der Augenblase mit Linsenbildung zu reagieren, so war die räumliche und zeitliche Koinzidenz der beiderseitigen Geschehnisse mit einem Schlage sichergestellt. Und die Wirbeltier-Onto- genese, die in der Tat nach solcher Methode zu Werke geht (Herbst, Spemann, Lewis), steht technisch durchaus auf der Höhe. — Gleiches gilt für eine Unsumme analoger Fälle. Es gab aber noch einen anderen, nicht in normalen Verhältnissen wurzelnden Grund, der unter Umständen wünschenswert machen konnte, an der Entwickelung durch forma- tive Reizvorgänge festzuhalten, ja sogar: solche Vorgänge in eigenartiger Modalität neu ein- ‚ zuführen. Hiervon soll im folgenden und letzten Absatze die Rede sein. — 323 — ce. Stammesgeschichte der Regulation. Zunächst bedarf die vorhin gewonnene Einsicht, daß es im Wesen der durch Reize ver- mittelten Geschehnisse vielfach liegt, an mäßigen Störungen der absolut typischen Kon- figuration, wie sie in jeder längeren Ontogenesis normalerweise vorkommen müssen, nicht gleich zu scheitern, — der Vertiefung und Erweiterung. Es ist zu vermuten, daß die heil- same Schmiegsamkeit der Reizmechanismen sich nicht nur den normalen Konfigurations- schwankungen gegenüber, sondern manchmal auch dann noch bewähren werde, wenn die gesetzte Störung über die Grenzen des „noch normalen“ hinausgeht: wenn die räumlich-zeitlichen Beziehungen der Keimesteile zueinander infolge schwerer innerer Hemmung oder gewaltsamen Eingriffes von außen abnorm geworden sind. Und diese Annahme findet weitgehende Bestätigung. Schon früher (p. 243) war davon die Rede, daß diejenigen formbildnerischen Effekte, in deren Kausalität chemotaktischer Richtungsreiz eine Rolle spielt, auch unter stark abnormen Bedingungen erreicht werden können. So wandern nach Driesch die durch Schütteln in ganz abnorme Situation gebrachten Mesenchymzellen der Echiniden- larve zur vorgeschriebenen Zeit an die beiden Stellen, von denen der Reizstoff ausgeht. Bei Ascaris wurden gewisse aus der normalen Klüftung zwar unmittelbar resultierende, zu ihrer dauernden Erhaltung jedoch auf aktive Reizmechanismen angewiesene Kontaktverhältnisse, nachdem sie gewaltsam gestört worden waren, sogar durch eigene, der typischen Entwicke- lung unbekannte Dislokationen hergestellt. Dennoch erschienen uns diese in deskriptiver Hinsicht auffallenden Geschehnisse, sobald wir ihre chemotaktische Natur bedachten, als fast triviale Selbstverständlichkeiten. Ein chemischer Reizstoff wird ganz natürlich auch dann noch programmgemäß wirken, wenn der Abstand der koordinierten Keimesteile kleiner ist, als normal. Und daß er seine Wirkungskraft auch bei abnorm ver- größerter Distanz nicht gleich verlieren werde, ist äußerst wahrscheinlich. — Wir wissen ferner aus früheren Erörterungen (p. 317), daß, für die formativen Reize gleiches gilt. Wird z. B. ein hypothetischer gleichzelliger Urdarm durch planmäßige Ver- schränkung zweier chemischen Reize, die einerseits von seiner Ansatzstelle, andererseits von seinem blinden Ende geliefert werden, befähigt, „in der Mitte seiner Länge“ eine ring- förmige Einschnürung zu bilden, so tritt der gleiche Effekt in typisch-proportionaler Weise ein, wenn vor der kritischen Zeit die Zahl der Urdarmzellen auf einen Bruchteil des nor- malen, etwa die Hälfte verringert, vielleicht auch dann, wenn sie aufs doppelte erhöht worden war. Jetzt aber fügen wir zu dem bereits bekannten etwas neues: die prinzipielle „Schmieg- samkeit‘‘ der formativen Reizmechanismen geht unter Umständen noch sehr viel weiter. Behalten wir das erdachte Beispiel der Urdarmgliederung im Auge und stellen uns vor, die Zellen der Mittelzone würden, wenn der verschränkte Doppelreiz sie einmal getroffen hat, auf Lebenszeit und unwiderruflich in die zur Einschnürung führende neue Bahn ge- drängt, so ist gewiß, daß eine nachträgliche, gewaltsame Störung der Konfiguration, z. B. eine Verstümmelung des Darmes, auf das formbildnerische Verhalten der eingeschnürten — 329 — Zellen ohne jeden Einfluß wäre. Allein diese Vorstellung ist keineswegs die einzig mög- liche. Wir könnten ebensogut auch glauben, daß hier die Dauer der formbildnerischen Reaktion von einer fortlaufenden Einwirkung des Reizes abhängig sei; daß also die Zellen der eingeschnürten Zone, falls der Doppelreiz aus irgend einem Grunde plötzlich ver- sagen sollte, ihre differenzielle Selbstgestaltung und Selbstordnung auf- geben, in den neutralen, allgemein-epithelbildenden Zustand zurück- mertallens und die’begonnene oder gar’ perfekt gewordene Einschnü- rung annullieren würden. Nehmen wir jetzt an, von einem so beschaffenen, frisch eingeschnürten Darme schnitte jemand das distale, blindgeschlossene Viertel hinweg: was müßte geschehen? Unter dem Drucke der epithelbildenden Mechanis- men gelangte zunächst die Wunde zum Verschluß. Hierauf ginge von dem neuformierten blinden Ende der typische „distale‘“‘ Reizstoff aus und strömte in regelmäßigem Gefälle dem des „proximalen‘ Stoffes entgegen. Alleın die planmäßig berechnete, formativ wirksame Verschränkung der beiden Reize träte nicht mehr an der Stelle ein, wo der bereits ge- bildete Schnürring liegt, sondern sie fiele weiter proximalwärts, d. h. in das Gebiet des noch neutralen, konvex gewölbten Zellenmaterials. Hier würde, da alle Blastomere für unseren formativen Reiz empfänglich sind, die Bildung einer neuen Ringfurche eingeleitet. Die Zellen der alten aber befänden sich plötzlich außerhalb der kritischen Sphäre, ihr differenzieller Zustand verschwände, und mit dem Neuerwachen der neutralen Disposition gruppierten sie sich, wie früher, zum glatten, konvexen Epithel. — So wäre durch Um- gestaltung und Umordnung der Elemente ein zwar verkleinertes, aber typisch- proportional gegliedertes Abbild des regelrechten Darmes in die Erscheinung getreten, ohne daß irgend ein außeretatmäßiger Faktor mitgewirkt hätte Und da natürlich die Annahme, daß andere, auf noch viel komplizierteren Formativreizwirkungen be- ruhende Geschehnisse sich unter abnormen Bedingungen ebenso verhalten, nichts im Wege steht, so öffnet sich hier ein weites Feld von Möglichkeiten, wie scheinbar regulatorische Selbstverbesserungen auf rein normale Mechanismen zurückgeführt, d.h. aus der Liste der wahren Regulationen gestrichen werden könnten. Aber so heilsam die korrektive Veranlagung der richtenden und formativen Reiz- vorgänge sich für das Individuum in allen angeführten Fällen erweisen mag: für die Art und ihre Erhaltung stellt sie keinen oder nur einen verschwindend kleinen Vorteil dar. Denken wir zunächst an Ascaris. Was hilft dieser Spezies die Fähigkeit ihrer Furchungs- stadien, abnorme Störungen des Zellarrangements selbsttätig auszugleichen? Derartigen Störungen, soweit sie durch mechanischen Eingriff von außen verursacht werden, sind die gewöhnlichen Ascariseier mit ihrer festen, kugelrunden Schale niemals ausgesetzt: ein nor- maler Ascariskeim, den äußere Gewalt — nach Platzen der Schale — überhaupt erreicht, ist immer total verloren. Und andererseits fällt die geringe Hoffnung, daß eine aus inneren Gründen daran entstandene abnorme Konfigurationsstörung sich hie und da nachträg- lich rektifizieren könnte, bei einer Spezies, die viele Millionen gesunder Keime dem Unter- gange opfern muß, ehe sie einen einzigen bis zur Geschlechtsreife durchbringt, nicht ins Gewicht. Daß aber gar die Fähigkeit verschmolzener Ovocyten, eine typisch gebaute Riesen- larve zu bilden, oder die Zwillingsentwickelung doppelbefruchteter Keime oder die cyto- taktische Selbstkorrektur der T-Riesen bei der enormen Seltenheit aller dieser Vorkomm- Zoologica,. Heft 40. 42 — 3530. — nisse und ihren mehr als zweifelhaften Chancen für die Zukunft ohne Wert für die Art- erhaltung sind, wurde schon früher (p. 292, 294) hervorgehoben. Soweit also die Ascaris- ontogenese abnormen Bedingungen gegenüber „Schmiegsamkeit‘“ besitzt, ist diese Eigen- schaft als wertloses und zufälliges Nebenprodukt der formbildnerischen Ausrüstung gezeitigt, nicht aber ihrer selbst wegen erworben worden. Und wenn es für die Ökonomie der normalen Entwickelung irgend einen Gewinn bedeutete, jene Reizmechanismen, auf denen die Schmieg- samkeit beruht, durch anderweite Formbildungsmittel zu ersetzen, so stände dem der drohende Verlust der Selbstverbesserungsfähigkeit gewiß nicht entgegen. Nutzlos für die Erhaltung der Art ist auch die Eigenschaft der Echinidenlarve, ıhr Mesenchym nach typischer Vorschrift zu gruppieren, selbst wenn die Blastomere zuvor durch „schütteln“ in falsche Anfangsstellung gebracht werden; denn in der freien Natur werden diese Larven von niemandem geschüttelt. Und mit den formativen Reizen verhält es sich oftmals ebenso. Nehmen wir an, die Larve irgend eines Seegeschöpfes bewirke die Gliederung ihres Darmes genau in der sche- matisch von uns ausgedachten Weise und wäre deshalb befähigt, das fertige Organ, wenn es verstümmelt würde, durch Umgestaltung und Umlagerung der Elemente zu reparieren, so hätte doch die Spezies in ihrem Kampfe ums Dasein keinen Vorteil von dieser Fähig- keit: eine Larve, die durch den Biß eines räuberischen Feindes so schwer beschädigt wird, daß ihr ein Stück vom Darme mit verloren geht, bedarf wohl in den allermeisten Fällen keines Arztes mehr. Günstiger liegen die Dinge, wenn es sich nicht um den Darm oder andere tief im Leibesinnern geborgenen Teile handelt, sondern um irgend ein äußerliches Organ, dessen Beschädigung durch winzige Räuber nicht gleich den Untergang des Individuums zur unmit- telbaren Folge hätte. Allein es würde auch hier, wie vorhin bei Ascaris, zu bedenken sein, daß in dem ungeheuren Rechenexempel der Arterhaltung die Rettung einiger jungen Larven kaum eine Rolle spielt. Wo Hunderte von Keimen einer Art auf einmal verschlungen, Millionen an den Strand geworfen, vom Scegang vernichtet, durch eine kalte Strömung getötet werden können, da haben für die Selektion nur solche Verbesserungen Wert, diealienoder doch vielen Keimen nützlich sind; an den Erfolgen einzelner weniger schreitet sie achtlos vor- über. So sehen wir denn, daß es zahlreiche richtende und formative Reizvor- gänge geben kann und geben wird, denen eine starke, nach experimen- tellem Eingriff sich glänzend offenbarende Fähigkeit der Selbstkorrek- tur innewohnt, ohne däß Selektion diese Fähigkeit geschaffen hätte, oder Anstand nehmen würde, sie irgend eines anderen Vorteils halber zu beseitigen. Und solche Verhältnisse werden besonders bei jüngsten und jungen Keimen und innerlichen Organen anzutreffen sein. 2. Auf der anderen Seite ist nun bereits klar geworden, unter welchen Bedin- gungen die korrektive Veranlagung der Reizmechanismen erheblichen und selektionsfähigen Nutzen stiften könnte. Je mehr mit fortschreitender Entwickelung die Riesenziffer der in die Welt gesetzten Keime sich lichtet, desto stärkeres Interesse nımmt die Spezies an der Er- haltung jedes einzelnen der übrig gebliebenen Individuen; je größer und differenzierter diese — 33 — werden, um so mehr wächst in der Regel auch die Möglichkeit geringer, nicht unbedingt tötlicher Verletzungen, deren Reparatur sich lohnt. Und in gewissen Fällen, besonders bei festsitzenden, ungeschützten Tieren kann die Gefahr der Verstümmelung eine derartig chronische und dringende sein, daß die Fähigkeit der Selbstkorrektur geradezu eine Bedingung darstellt für die Erhaltung der Art. Für solche Tiere be- deuten dann die schmiegsamen Reizmechanismen, deren ihre Ontogenesis sich bedient, nicht mehr primitive, der Verbesserung fähige Formbildungsmittel, sondern im Gegenteil einen überaus wertvollen Besitz, den sie auf keinen Fall zugunsten anderer Vorteile (etwa erhöhter Sicherheit des ontogenetischen Normalverlaufs,, veräußern würden. Auch hierfür ein Beispiel. Ich habe früher (p. 321) schematisch dargelegt, wie ein polypenartiges Geschöpf nicht nur die einachsig-heteropole Hauptgliederung seines Leibes, sondern obendrein einen Kranz von regelmäßig geordneten Tentakeln rein mit Hilfe aus- lösender und hemmender Formativreize hervorzubringen vermöchte. Nehmen wir jetzt an, ein zarter, von einer Menge Feinde bedrohter Hydroidpolyp entwickele sich in der Tat nach solcher Methode, so müßte ihm offenbar die inhärente Selbstverbesserungsfähigkeit seiner formbildenden Mechanismen äußerst nützlich sein. Verlöre das Tierchen einen Tentakel, so wüchse er an der gleichen Stelle nach; würden sie ringsum sämtlich ab- genagt, so schlösse sich das verwundete Ektoderm und produzierte neue Tentakel ın typischer Verteilung. Und wahrhaft unverwüstlich erschiene ein solcher Polyp, wenn seine Zellensorten ebenso, wie vorhin für die eines hypothetischen Urdarmes angenommen wurde, zur dauernden Betätigung ihres Sonderverhaltens eines kontinuierlich wirkenden Formativreizes bedürften: dann könnte ein solches Geschöpf beliebig zerbissen, verstümmelt, bis auf den Stiel herunter weggefressen werden, es brächte doch durch Umordnung und Umgestaltung der ihm gebliebenen Zellen — falls ihrer nicht gar zu wenige sind — immer wieder ein typisch-proportional geformtes Polypenköpfchen mit Mund und Darm und Ten- takelkranz zustande, das sich ernähren und zur normalen Grösse heranwachsen könnte. Nun bestände wohl auch bei diesem Polypen die Aussicht, die Sicherheit und Präzision des ontogenetischen Normalverlaufs zu erhöhen, indem das komplizierte Zusammenspiel der formativen Reize abgeschafft und die ganze Verantwortung einer äquivalenten, durch erbungleiche Klüftung zu zerlegenden Differenzierung des Eies übertragen würde. Allein so sehr ein solcher Methodenwechsel sich 'anderwärts gewiß empfiehlt: bei unserem Poly- pen könnte er in anbetracht der Häufigkeit abnormer Störungen und des entscheiden- den Wertes einer Selbstverbesserungsmöglichkeit nur der verderblichste Rückschritt sein. — Ich halte für recht wahrscheinlich, daß Zweckmäßigkeitsgründe dieser Art in vielen Fällen, besonders bei stark gefährdeten Organen älterer Tiere, den Übergang vom Reizmechanismus zur völlig autonomen Bildungsweise hintangehalten haben, obwohl eine solche Umwandlung möglich und unter normalen Bedingungen nützlich war. Aber noch mehr. Es konnte im Wandel der Erdgeschichte sich öfter ereignen, dab eine Spezies neuerdings in Lebensverhältnisse geriet, die eine intensivere Gefahr ab- normer Störung in sich schlossen, als sie bis dahin bestanden hatte. Das Bedürfnis nach Korrektionsfähigkeit, das vordem keine Rolle spielte, wird nunmehr dringend. Und während ‚der Organismus in der verflossenen Periode verhältnismäßiger Sicherheit seine Formbil- -- 332 — dung vielleicht größtenteils stereotypiert, auf Selbstdifferenzierung gegründet hatte, liegt für die .Zukunft sein Heil in der neuerlichen Einführung richtender und. for- mativer Reize. Warum sollte ein solches Geschöpf den scheinbar rückwärts, in Wahr- heit aber doch vorwärts führenden Weg nicht beschreiten können? Nehmen wir z. B. an, ein Hydroidpolyp, dessen Köpfchen und Stiel durch feste Peridermgebilde geschützt worden waren, hätte die Mechanismen zur ontogenetischen Herstellung dieser kaum gefährdeten Teile insofern straffer gestaltet, als zwar das differen- zielle Verhalten der einzelnen Zellensorten noch immer durch formative Reize bestimmt, aber nicht dauernd von ihnen beherrscht, sondern durch einmalige Wirkung unwider- ruflich festgelegt würde; womit natürlich die Fähigkeit, schon fertig differenzierte Zellen durch Umformung und Umlagerung anderweit zu verwenden, beseitigt war. Und diesem Polypen erwüchse neuerdings ein Feind, der Kraft genug besäße, die Köpfchen trotz ihrer Peridermgehäuse anzufressen, und nun durch massenhafte, irreparable Verstümmelungen den Fortbestand der Art bedrohte. Dann würde die um ihr Dasein kämpfende Spezies die Wirkungsdauer der formativen Reize — falls dies erreichbar war — neuerdings verkürzt und so den Zellen die Möglichkeit, in den neutralen Zustand zurückzukehren, wieder eröffnet haben. — Ebensogut konnten wohl auch Vorgänge total stereotypierter, vom Ei aus ge- regelter Selbstdifferenzierung durch Selektion in schmiegsame Reizgeschehnisse zurückver- wandelt werden. Nun ist gewiß, daß zwischen Selbstkorrekturen der beiden hier genannten Arten einerseits und den vorhin besprochenen andrerseits in stammesgeschichtlicher Hin- sicht ein sehr bedeutender Unterschied bestände. Früher war die korrektive Befähigung, soweit sie überhaupt in freier Natur gelegentlich zur Geltung kam, ein zufälliger und obendrein für die Spezies gleichgiltiger Fund. Jetzt aber handelt es sich zum ersten Male um Eigenschaften, die als nützlich oder notwendig der Selektion unterlegen haben, um ihrer selbst willen bewahrt oder neu eingeführt wordensind. — Nichtsdestoweniger wären die korrektiven Geschehnisse dieser zweiten Art, vom Stand- punkte der ontogenetischen Physiologie betrachtet, den früheren völlig gleich: sie würden, wie jene, ausschließlich durch Mechanismen der normalen Entwicke- lung zuwege gebracht. Ein kurzer aber bedeutungsvoller Schritt führt uns -—- und führte vielleicht in der Stammesgeschichte —- von hier aus zu Selbstverbesserungsvorgängen einer prinzipiell neuen Kategorie: zu Vorgängen, die nicht nur deskriptiv, wie die früheren, aus dem Rahmen des normalen Programms herausfallen, sondern auch physiologisch selbständig sind. Bei der Behandlung unseres letzten Beispieles wurde vorausgesetzt, daß die zur Kor- rektur benötigte Rückverwandlung differenzierter Zellen in den „neutralen Zustand“ durch einfaches Aufhören eines aus Reiz und Reaktion bestehenden Formbildungsvorganges bedingt werde; wie eine elektrische Klingel zu läuten aufhört, sobald man den Strom unterbricht: dann stellte natürlich die Neutralisation keine besondere, durch eigene Mecha- nismen bewirkte Leistung dar. Allein diese Auffassung vom Wesen der formativen Reiz- prozesse und ihrer Beendigung war keineswegs denknotwendig. Apriori spricht eben so viel u a a ce ei de u u —_— 333 — für die andere Möglichkeit, daß jede Zurückversetzung einer Zelle in früheren, von ihr selbst oder ihrer ontogenetischen Vorfahrenreihe durchlaufenen Zustand ein kompliziertes, aktives und physiologisch selbständiges Geschehnis sei. Trifft diese letztere Vermutung zu, so gewänne das Beispiel des zerbissenen Polypen ein sehr verändertes Gesicht: die neu erworbene Fähigkeit seiner Haut- und Darmzellen, in den neutralen Zustand des Blasto- derms zurückzukehren, beruhte jetzt auf dem Vorhandensein eines besonderen Neutrali- sationsmechanismus, der durch das regelwidrige Aufhören formativer Wechselwirkungen als adaequaten Reiz in Gang gesetzt, bei normalem Ablaufe jedoch durchaus nicht verwendet würde. Und dieser besondere Mechanismus wäre eigens der Selbstverbesserungsmöglichkeit zuliebe geschaffen worden. Was aber in den einfachen Verhältnissen der Polypenentwickelung zum mindesten erlaubte Hypothese ist, wird komplizierteren Aufgaben gegenüber, wie sie das Korrek- tionsbedürfnis höherer Geschöpfe mit sich bringt, zur unabweislichen Forderung. Bis- her handelte es sich um die Notwendigkeit, das letzte Glied einer genealogischen Zellenreihe alle vorausgegangenen Erlebnisse und Stimmungen „vergessen“ zu lassen, wie ein gereizter Stentor die seinigen vergißt, und so den physiologischen Anfangs- zustand wieder heraufzuführen. Bei höheren Formen aber soll zu allermeist die Stim- mung und Reaktionsfähigkeit einer einzelnen Zwischenstufe wachgerufen wer- den, damit die korrektive Formbildung eben an jener Stufe, nicht aber am Anfang des ontogenetischen Pensums beginnt. Derartig spezialisierte Rückverwandlung stellt wohl unter allen Umständen eine schwierige, komplizierte, auf eigene Mechanismen angewiesene Leistung dar. Und es hindert uns nichts, zu glauben, daß Zuchtwahl solche Mechanismen, wo es nötig war, beschaffen konnte. Es gab aber außerhalb des Gebietes der stufenweise regulierten Rückverwandlung noch andere Gelegenheit, die Selbstkorrektur gefährdeter Tiere durch Schaffung eigener Mechanis- men zu einer wichtigen, höchst leistungsfähigen und dennoch ökonomischen Teilfunktion ihrer formbildnerischen Gesamtleistung auszugestalten; und zwar sowohl in der Reiz- als in der Reaktionssphäre. Die primitive Methode, das bloße Aufhören normaler Wechselwirkungen als adäquaten Reiz zur Auslösung des Korrektionsvorganges zu verwenden, reichte wohl bei komplizierteren Bauverhältnissen nicht immer aus. Auch haftete dem Verfahren der Nach- tel an, daß es den Organismus zwang, in der normalen Entwickelung kontinuier- lich wirkende formative Reizvorgänge beizubehalten oder einzuführen. Hier war jedoch Abhilfe nicht schwer: der mit der Verstümmelung verbundene Choc an sich, oder irgend ein besonderer, aus der abnormen Konfiguration resultierenden Zustand konnte künftighin als Reiz in Gebrauch genommen werden. War das erreicht, so lag einer unbeschränkten Vervollkommnung der normal-formbildenden Mechanismen nichts mehr im Wege. Selbst wenn die Spezies auf formative Reize völlig verzichtete, das korrektionsbedürftige Organ durch reine, vom Ei her festgelegte Selbstdifferenzierung hervorbrächte, so stände doch die Möglichkeit, daneben noch einen Mechanismus zu erwerben, der auf den Reiz der Ver- stümmelung hin die differenzierten Zellen in einen „früheren“ Zustand zurückführte und dann durch Aktivierung neuer Differenzierungsgründe das verstümmelte Organ wieder auf- baute, unvermindert frei. — 334 — Auf der anderen Seite konnte es unzweckmäßig oder unmöglich sein, verloren gegangene Teile genau in der Technik der typischen Ontogenesis nachzuliefern. Dann wurden zu diesem Behufe besondere, von den normalerweise verwendeten abweichende Formbildungsmechanismen in das Instrumentarium der Spezies eingestellt: neu erfundene Reize lösten eigenartige Reaktionen aus, oder speziell für diesen Fall präformierte Sondersubstanzen wurden zu erbungleicher Zerlegung ange- regt und brachten auf irgend einem zweckdienlichen Umwege das fehlende zu- stande; vielleicht auch nur etwas ähnliches; eventuell sogar, wenn darin ein Vor- teil lag, etwas ganz anderes. Handelt es sich z. B. um möglichst beschleunigte Reparatur eines zur Hälfte weggebissenen Tritonauges, so wäre eine getreue Wieder- holung der typisch-ontogenetischen Entstehungsweise, besonders die formative Auslösung der Linse beim ektodermalen Epithel, wohl kaum ökonomisch. Grund genug — wie Weismann zeigte — für die Selektion, den Mechanismus der berühmten, im Experiment so verblüffend zielstrebig scheinenden Linsenbildung vom Irisrande aus hervorzubringen. 4, Wir fassen zusammen. Wenn irgend eine Tierform abnorme Störungen der Kon- figuration im Sinne des typischen Entwickelungsprogramms zum Ausgleich bringt, so kann dies ein dreifach verschiedenes Geschehen sein. Entweder ist die Selbstverbesserung ein zufälliges und für die Erhaltung der Art bedeutungsloses Nebenresultat normaler Form- bildungsmittel; oder sie ist im Kampfe ums Dasein zwar von Wert, hat auch in der Geschichte der Spezies eine mitbestimmende Rolle gespielt, wird aber dennoch rein durch solche Mechanismen vollzogen, die auch in der normalen Entwickelung beschäftigt sind; oder endlich, der Organısmus bedient sich besonderer, um ihrer selbst willen geschaffener Korrektionsmechanismen. Wer aber Kategorien aufstellt oder anderweitig umgrenzt, dem fällt die Verpflich- tung zu, auch ihre künftige Benennung in den Kreis der Erörterung herein zu ziehen. In früheren Zeiten nannte man alle die Fälle, in denen ein Organismus abnorme Störungen seines Baues durch außernormal-formbildnerische Vorgänge verbesserte, unter- schiedslos „Regeneration“. Wobei als selbstverständlich galt, daß solche Geschehnisse nicht nur ın deskriptiver Hinsicht programmwidrig seien, sondern auch ihre eigene, des nützlichen Zweckes wegen vorhandene Kausalität besäßen. Als aber später Fälle bekannt wurden, in denen die Formverbesserung nicht eigentlich durch Neuentstehung von Zellmaterial, sondern zum teil oder gar ausschließlich durch Umordnung und Umgestaltung des übrig ge- bliebenen vor sich ging, da schien die Bezeichnung Regeneration ihrem Wortsinne nach zu eng. Nur wenige Forscher (Weismann, Morgan) behielten den alten Namen in nunmehr erweitertem Sinne bei. Die Mehrzahl aber wählte einen umfassenderen Terminus: „Regula- tion“ oder. „Selbstregulation“., Nun war zu jener Zeit „Regulation“ und „regulieren“ dem wissenschaftlichen Sprach- gebrauche ebensowenig fremd, als dem vülgären. Man redete von Selbstregulation einer Maschine, wenn das harmonische Ineinandergreifen ihrer Teile gleichmäßigen Gang be- wirkte. Das Pendel reguliert den Gang der Uhr, das Ventil denjenigen der Dampfmaschine. N VE — 35 — In offenbarer Anlehnung hieran haben die Biologen den gleichen Ausdruck in der Physio- logie der Erhaltungsfunktionen von jeher angewandt: Regulation des Blutdruckes, der Körperwärme sind und waren jedem geläufig. Ja, auch in der normalen Formbildungs- physiologie, bei Tieren sowohl, als bei Pflanzen, sprach man in solchem Sinne von Regu- lation. Zum Beispiel nannte Roux (1881 p. 321) den Bildungsmechanismus der Blutgefäße, der bei aller individuellen Verschiedenheit gewisse wertvolle Details der Ausführung immer wieder typisch zur Geltung bringt, mit Recht regulatorisch. Allen diesen Geschehnissen, biologischen wie maschinellen, ist ja das eine gemeinsam, daß ein bestimmter, typischer Effekt trotz schwankender Einzelfaktoren oder Bedingungen gewährleistet wird. Dabei stellt die Selbstregulation kein zufälliges, sondern immer ein „berechnetes“, vom Menschen oder der zweckmäßig schaffenden Natur durch separate Maß- nahmen herbeigeführtes Geschehen dar. Insofern lag der Ausdehnung des durch Sprachgebrauch definierten Regulationsbe- griffs auf das gesamte Gebiet der außernormalen Formverbesserungen, wie man sie da- mals ansah, nichts im Wege. Aber natürlich hörte diese Erlaubnis auf, sobald sich zeigte, daß es außernormale Formverbesserungen giebt, denen das Merkmal des „ad hoc Berechnetseins“ fehlt. Wenn ein typisch-formbildnerischer Effekt sich unter abnormen Bedingungen nur darum wiederholt, weil der betreffende normale Apparat eben auch unter diesen Bedingungen zufälligerweise noch wirksam bleibt, so hat ein solches Geschehen mit einer „Selbstregulation“ des Organismus nichts zu tun. Man müßte denn den alten Regulationsbegriff zu einem deskriptiven Sammelnamen für die verschiedenartigsten Dinge degradieren; was weder historisch berechtigt, noch praktisch wäre. Also sind, wie ich schon oft betonte (p. 243, 302, 328), die Vorkommnisse unserer ersten Kategorie, z. B. die Selbstverbesserungen abnormer Ascariskeime, die typische Ordnung des geschüttelten Echinidenmesenchyms, die proportionale Gliederung verkleinerter Larvendärme, keine Regulationen. Und da sie, physiologisch angesehen, von minimalem Interesse, zumeist sogar selbstverständlich sind, so erübrigt sich auch die Schöpfung eines neuen, eigenen Namens für diese ganze Kategorie. Dagegen nennen wir außernormale Formverbesserungen, deren bewirkender Mecha- nismus in irgend einer Weise auf den Ausgleich von Störungen zugeschnitten, z. B. eigens ıhm zuliebe geschaffen worden ist, mit Fug und Recht regulatorisch: also vor allem die Vor- gänge unserer dritten Kategorie; ferner auch — und hierin möchte ich einen früheren Satz (p. 244) modifizieren — diejenigen der zweiten. Darüber hinaus aber bedarf die dritte, durch außeretatmäßige Korrektionsmecha- nismen bewirkte Kategorie unzweifelhaft eines eigenen Terminus, der sie den sämtlichen, deskriptiv normalen oder abnormen Vorgängen, die mitnormalen Mitteln vollzogen werden, scharf gegenüberstellt. „Regeneration“ ist hierfür nicht geeignet; mit diesem Namen sollten die mit Neuentstehung von Material verbundenen Formverbesserungen ohne Rücksicht auf die Art ihrer Kausalität bezeichnet werden: darunter befinden sich vielleicht Vorgänge der ersten, zweiten und dritten Kategorie. Der von Driesch für alle gestaltlichen Korrekturen gebrauchte Ausdruck „Restitution“ ist ebenfalls deskriptiv und schließt unsere kausalen Gruppen sämtlich ein. Vielleicht entscheidet man sich für den neuen Namen „Rekti- fikation“. Als eigentliches Ergebnis der letzten Untersuchung, ja als die nützlichste Frucht des ganzen, jetzt abgeschlossenen Werkes aber betrachte ich folgendes. Indem wir dreierlei verschiedene Arten der morphologischen Selbstverbesserungsmög- lichkeit ihrem Wesen und ihrer stammesgeschichtlichen Herkunft nach begreifen lernten, erwuchs uns die Einsicht, daß alle in diesen drei Kategorien enthaltenen Ge- schehnisse einer Zurückführung auf mechanistisch-physiologische Gründe prinzipiell zugänglich sind. Nur eine Sorte von „Regulationsvorgängen“ hätte einer mechanistischen Deutung widerstrebt: wenn es Fälle der Selbstverbesserung gäbe, die nicht auf das Wirken der normalen Formbildungsmittel bezogen werden, aber auch nicht — da in der freien Natur ohne Wert — durch Zuchtwahl geschaffen sein können; — es wäre diejenige Form der „Regu- lation“, die im vermeintlichen Beweismaterial der Teleologen und Vitalisten eine so große Rolle spielt. Aber ‚wir haben durchaus keine Veranlassung, die Existenz einer solchen vierten Kategorie zuzugeben. Nach unserer bisherigen Erfahrung spricht eine große, in Ansehung der ökonomischen Wertverhältnisse sogar überwältigend große Wahrscheinlichkeit dafür, daß alle Geschehnisse, die man jener vierten Gruppe zugerechnet hat oder etwa künftig in sie einrangieren möchte, bei tieferer Einsicht dennoch in unseren drei mechanistisch be- greifbaren Kategorien unterzubringen sind. Besonders für die dritte und die erste Kategorie dürfte starker Zuwachs sicher sein. Einerseits hat Weismann (1899) an mehreren Bei- spielen gezeigt, wie sehr man sich bedenken sollte, regenerativen Prozessen, deren Nutzen für die Arterhaltung nicht gleich in die Augen springt, die Selektionsfähigkeit ab- zusprechen. Gelang ihm doch sogar der Beweis, daß einer der allerverdächtigsten Fälle, die Linsenregeneration vom Irisrande, eine Zurückführung auf Selektionsvorgänge ganz wohl erlaubt; nachdem schon Fischel den teleologischen Glorienschein dieses Geschehnisses vernichtet hatte. Und andrerseits: wenn über die absolute Nutzlosigkeit einer zweifelhaften Formverbesserung nicht zu streiten ist, dann handelt es sich wohl allemal um sichtbar ge- wordene oder sonstwie deskriptiv veränderte Wirkung normaler Mechanismen, d. h. um einen Vorgang unserer ersten Kategorie. Und diese Gruppe halte ich für überaus aufnahmefähig. Die Möglichkeit, viel seltsame und unbegriffene, nach künstlichen Experimenten aufgetretene Entwicklungsgeschehnisse bis zum Beweis des Gegenteils als einfache Wirkungen normaler Faktoren hinzustellen und so der ihnen zugeschriebenen vitalistischen Beweiskraft zu entkleiden, verdanken wir einem anderen Resultate dieser meiner Schrift: der Über- zeugung, daß die normal-formbildnerischen Leistungen der Einzelzellen höchst komplizierte sind. Sowohl in reaktiver Hinsicht, als ganz besonders auch in der Sphäre der Reizaufnahmen kommen sie freilebenden Protozoen — so dürfen wir glauben — nahe oder gleich. Die feste Basis aber, von der aus wir den Weg zu solcher Anschauung fanden und zu gehen wagten, war der sichere Nachweis einer verhältnismäßig geringeren, aber immer- hin gewaltig hohen Komplikation der cellulären Formbildung bei Ascaris. — 370 — Literaturnachweis. E. van Beneden et A.Neyt. 1887. 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Untersuchungen über die Entwickelung der Ascaris megalocephala. ‚A. Mikr. Anat. Bd. 47. — 340 — Inhaltsverzeichnis. Einleitung Beschreibender Teil. I. Erster Typus der T-Riesenentwickelung A. Geschichte eines lebendigen Riesen B. Beschreibung konservierter Riesen II. Zweiter Typus der T-Riesenentwickelung . III. Geschichte eines Dreifachzwillings Analytischer Teil. ı. Kap. Ziele und Wege 2. Kap. Die Kerndiminution und der Teilungsrhythmus I. Die Diminution II. Der Teilungsrhythmus A. Deskriptive Einführung B. Die Ursachen des een . Mechanische Faktoren 2. Physiologische Faktoren . Teilungsrhythmik und Zellengröße Il. Abschluß des Kapitels 3. Kap. Die Teilungsrichtung I. Deskriptive Einführung . II. Mechanische Faktoren II. Physiologische Faktoren A. Einleitung. - oe < B. Spindelstellung und äufsere Richähnen a. Verhältnis der Spindel zu den a des ne : ß. Verhältnis der Spindel zu einzelnen Nachbarzellen y. Verhältnis der Spindel zur Zell #stalt . Pag. SI x ) 'O I. 8. Kap. — 341 — €. Spindelstellung und innere Richtungen . I. Einführung a : A II. Spindelstellung und innere Richtung am normalen Keim . III. Spindelstellung und primäre Richtung bei T-Riesen. A. Rein axiale Teilungsweise Basar EMSt B. Paratangentiale und zur Primärachse Unkrechte Spindelstellung A und B MSt und C C. Paratangentiale und der Primärachse gleichsinnige Teilung . E und Ps. D. Primär-vertikale Teilung . E. Paratangentiale und in der Richtung der aa zur Primär- achse schiefe Teilung . IV. Zusammenfassung und Abschluß Der Teilungsmodus und die Differenzierung des Dottergehaltes. Die Dotterdifferenzierung. . Der Teilungsmodus . Komplexbildung und polyedrische Zellgestalt Mechanische Faktoren . Physiologische Faktoren . Epithelbildung und epitheliale Zellgestalt Spezialordnung der Zellen und Spezialgestalt Die Spezialordnung. A. Deskriptive Übersicht. B. Einführung in die Analyse . ; C. Typische Spezialordnung bei Riesen a. Das Verharren . a B ß. Die Orientierung des ereilisen Eltoderms y. Die Orientierung des achtzelligen Ektoderms d. Spezialordnung auf späteren Stufen und Abschluß D. Wesen und Komplikationsstufe der Spezialordnungsvorgänge . E. Spezielles über die selbstordnenden Mechanismen . a. Selbstordnungsmechanismen der Ventralfamilie . ß. Selbstordnungsmechanismus des Stadiums IV y. Selbstordnungsmechanismus des vierzelligen Ektoderms . F. Scheinbare Regulationen bei Ascaris Spezialgestaltung. Zusammenfassung und Abschluß der zellulären Entwickelungs- mechanik Pag. Er 9. Kap. Die Lokalisation der determinierenden Ursachen im Innern di A. Die Lokalisationsmöglichkeiten . ENT: B. Die doppelbefruchteten Einzeleier und die Einfachzwillinge B C. Die Riesenzwillinge . : IE: D. Offene Fragen der Zwillingsbildung NIE: Ei Das: Ergebnis. ) 2 1 AWree E RU N ea re Allgemeiner Teil. Die Lokalisation der Differenzierungsgründe. . Die Formbildung im Lichte der Stammesgeschichte.. a. Stammesgeschichte der cellulären Einzelformbildung® b. Stammesgeschichte der kommunalen Formbildung c. Stammesgeschichte der Regulation Literaturverzeichnis. 12, 13. 14, 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. Verzeichnis der babe ee ‚Hete 14N. Kohl, C., Rudimentäre Wirbeltieraugen. Nachtrag. 1895. 12,—. a» h Chun, C., Die pelagische Tierwelt in größeren Meerestiefen und ihre Beziehungen zu der, ß fauna. Mit 5 farb. Doppeltafeln. 1888. 20,—. Strubell, Ad,., Untersuchungen über den Ban und die Entwicklung des Rübennematoden Heterodane Schmidt. Mit 2 z. T. farb. Tafeln. 1888. 10,—. Vanhöffen, E., Untersuchungen üb. semäostome u, rhizostome Medusen. M.6 farb. Taf. u. 1 Karte. 1889 Heckert, G. A., Leucochloridium Paradoxum. Mönograpb: Darstellung der Entwicklungs- und geschichte des Distomum macorostomum, Mit 4 z. T. farb. Tafeln. 1889. 20,—. Schewiakoft, W., Beiträge zur Kenntnis der en Ciliaten. Mit 7 farb. Tafeln. 1889. 32,— Braem, Fr., Untersuchungen über die Bryozoen des süßen Wassers. Mit 15 z. T. farb. 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