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DIE KOMPOSITION
DER
POMPEJÄNISCHEN WÄNDGEMÄLDE
VON
GERHART RODENWALDT
MIT 38 ABBILDUNGEN IM TEXT
BERLIN
WEIDMANNSCHE BUCHHANDLUNG 1909
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MEINEN ELTERN
Vorwort.
Die folgenden Untersuchungen haben im Sommer des Jahres 1908 der philosophischen Fakultät der Universität Halle in lateinischer Sprache als Doktordissertation v^orgelegen, und ihre drei ersten Kapitel sind unter dem Titel „Qua ratione pictores Pompeiani in componendis parietibus usi sint" als Dissertation gedruckt worden. Sie wollen einen Beitrag geben zur Erkenntnis der Stellung der pompejanischen Ge- mälde innerhalb der römischen und ihres Verhältnisses zur griechischen Malerei. Ferngelegen hat die Absicht, das Ma- terial vollständig zusammenzufassen; dagegen war es mein Bestreben, die besten und die charakteristischsten Bilder aus- zuwählen .
Dankbar bekenne ich die mir von vielen Seiten zuteil ge- wordene Hilfe. Dem Kaiserlich Deutschen Archäologischen Institut in Rom verdanke ich die Erlaubnis zur Wiedergabe einer Reihe von Zeichnungen; die Firmen Bruckmann in München, Brogi in Florenz und Sommer in Neapel gestatteten mir bereitwilligst die Reproduktion ihrer Photographien und Publikationen. Zu warmem Dank verpflichteten mich durch manche freundlich gewährte Unterstützung Walter Altmann, Paul Herrmann^ Christian Huelsen und Otto Kern.
Vor allem aber gilt mein Dank an dieser Stelle meinem hochverehrten I^ehrer Carl Robert, der mir die Anregung zu diesen Untersuchungen gegeben und sie bis zum Abschluß des Druckes mit seinem stets bereiten, gütigen Rat begleitet und gefördert hat.
Halle a. d. S., im Februar 1909.
Gerhart Rodenwaldt.
Inhalt.
Seite
I. Raumdarstellung auf griechischen Tafelbildern i
II. Römische Wandbilder 20
III. Pompejanische Wandbilder zweiten Stils 41
IV. Dritter Stil. Landschaft 48
V. ,, ,, Architektviren 82
VI. ,, ,, Heiliger Bezirk 99
VII. ,, ,, Innenräxune 108
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen 149
IX. ,, ,, Kopien griechischer Tafelbilder 197
X. Ein griechisches Kompositionsprinzip 250
Register 267
Abkürzungen.
H. = W. Heibig, Wandgemälde der vom Vesuv verscliütleten Städte Campanieus. 1868. H.-Br. — Herrmaun - Bruckmann, Denkmäler der Malerei des
Altertums (Lieferung i — 6). M. B. = ^luseo Borbonico.
So. = A. Sogliano, Le pitture murali campane. 1879. Guida = Guida del Museo Nazionale di Napoli. 1908. Heibig, Unters. ^ Untersuchungen über die campanische Wandmalerei. 1873. Mau, Geschichte ^= Geschichte der dekorativen Wandmalerei in Pompeji. 1882. Mau, Pompeji = Pompeji in Leben und Kunst. 1900. (i. Auflage.)
I.
Raumdarstellung auf griechischen Tafelbildern.
Die Gemälde, die uns auf den Wänden von Pompeji er- halten sind, müssen, wie alle Produkte römischer Kunst, in irgendwelcher Weise von griechischen Vorbildern abhängig sein. Das Problem, wie wir uns diese Abhängigkeit zu denken haben, ist noch nicht gelöst, und, um es zu lösen, bedürfte es umfassenderer Untersuchungen, als sie hier angestellt werden können. Hier soll nur eine Seite des Problems beleuchtet werden, die Frage nach der Komposition, die im wesentlichen auf die Frage nach der Darstellung des Raumes und dem Verhältnis der Figuren zum Räume hinausläuft. Wenn es gelänge, durch eine Analyse der Monumente eine Entwicklung innerhalb des uns übersehbaren Materials festzustellen, müßte es möglich sein, eine Scheidung zwischen dem übernommenen griechischen Gut und dem, was der römischen Entwicklung angehört, durch- zuführen. Aber es ist vielleicht gut, sich vorher klarzumachen, was wir von den allgemeinsten Kompositionsprinzipien der griechischen Malerei wissen können. Es ergeben sich daraus keine festen Resultate, aber doch gewisse Voraussetzungen und ein ungefähres Maß, nach dem wir die Erscheinungen in der römischen Kunst beurteilen können.
Die Zahl der in Betracht kommenden griechischen Monu- mente ist gering, die Schriftstellerzeugnisse sind wenig beredt; wir müssen uns also mit ganz allgemeinen Vorstellungen be- gnügen. Wickhoff hat uns gelehrt, daß wir in der griechischen Malerei eine lange Periode anzunehmen haben, die einen räum-
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. \
2 I. Raumdarstellung griechischer Tafelbilder.
liehen Zusaninienschluß im Bilde nieht kannte. Den Beweis bilden die in Herkulaneuni und Pompeji gefundenen Marmor- bilder, die zuletzt von Robert in den Hallischen Winckelmanns- programmen verö ff entlieht sind, die Beobachtungen, die Wickhoff an den erhaltenen Farbspuren griechischer Reliefs machte, die im Gegensatz zu dem Streben nach Lokalfarbe das Prinzip der Schönfarbigkeit aufweisen, und endlich die Tatsache, daß wir in den erhaltenen Gemäldebeschreibungen nichts von der ört- lichkeit erfahren.
Wir dürfen in diesem Falle aus dem vSchweigen der Zeug- nisse unsere Schlüsse ziehen. Allerdings handelt es sich bei allen um Inlialtliches, nicht um Formales; aber die Art der Beschreibung läßt uns auch die Art der Komposition erkennen. Niemals werden Figuren, die hinter anderen stehen, erwähnt, sondern das Verhältnis der Figuren untereinander wird durch die Präpositionen aä, iuxta, nagä, nXrjaiov usw. festgestellt, z. B. PUn. N. H. XXXV, 70. (Parrhasius pinxit) Phüiscum
et Liberum patrem adstante Virtute item sacerdotem
adstanie puero . . .
74 Cychps dormiensinparvola tabella, cuiusetsic magnitudinem exprimere cupiens pinxit iuxta Satyr os thyrso pollicem eins metientes.
Das schließt eine freie räumhche Verteilung der Figuren aus und ergibt ein reliefartiges Nebeneinanderstellen. Dazu kommt, daß uns aus der späten Periode Bilder literarisch über- liefert sind mit Angabe des Raumes.
Die Frage ist nun, wie diese Perioden zeitlich gegeneinander abzugrenzen sind. Wickhoff glaubte, noch die Alexanderzeit der ersten Epoche zuweisen zu müssen, und, da die Pompeja- nischen Gemälde fast durchweg räumliche Geschlossenheit zeigen, verlegte er den Anfang der zweiten in die Zwischenzeit. Mit Hilfe von Polemons Beschreibung eines Gemäldes des Hippys datierte er ihn noch genauer auf den Beginn des zweiten Jahrhunderts. Mit Recht ist gegen diese Datierung Einspruch erhoben worden, i) Die erste Erwähnung einer Räumlichkeit
1) Fr. Winter, Repert. für Kunstwissenschaft 1897, S. 47, W. Klein, Gesch. d. Griech. Kunst III, S. 5. Beide datieren ohne
I. Raumdarstellung griechischer Tafelbilder. o
finden wir bei einem Gemälde der Alexanderzeit, bei Aetions Hochzeit Alexanders mit Rhoxane:^) Lucian: Herod. sive Aetion 5 ^dXafiög «art nsQixaXk^g xai xlipij vvficpixrj.
Die Worte zeigen, daß das Gemach nicht, wie auf früheren Vasenbildern, angedeutet, sondern gemalt war. Das ergab einen räumlichen Zusammenschluß. Ebenso steht es mit dem von Wickhoff ausführlich interpretierten Bilde des Hippys.^) Von Antiphilos, dem Nebenbuhler des Apelles, heißt es Plin. N. H. XXXV, 138 Antiphüus fuero ignem conflante laudatur ac fulchra alias domo splendescente ipsiusque pueri ore. Daran schließen sich einige Bilder, bei denen die Räum- lichkeit solche Bedeutung erlangt hat, daß der Titel des Bildes danach gewählt ist : Plin. N. H. XXXV, 143 Phüiscus (pinxit) officinam pidoris ignem conflante piiero. (Das Motiv ist offen- bar von Antiphilos entlehnt, der sich bei dem Knaben an den des L3"kios halten mochte.) Plin. N. H. XXXV, 112 (Piraeicus) tonstrinas sutrinas(}ue pinxit. Plin, N. H. XXXV, 143 Simus (pinxit) . . . officinam fullonis. Bei diesen beiden Malern ist die Zeit nicht genau festzustellen, aber zweifellos gehören sie der hellenistischen Periode an.
Damit ist, wenigstens für den Innenraum, der räumliche Zusammenschluß für die Zeit seit Alexander erwiesen. In- wieweit dieser künstlerische Fortschritt maßgebend wurde, ob er das ältere Prinzip ersetzte oder es nur zurückdrängte, das zu beurteilen fehlt uns jeder Anhalt. Wahrscheinlich ist es allerdings nach vielen Analogien in der griechischen Kunst, daß mit dem Eintritt des Neuen das Alte nicht abstarb, sondern neben ihm bestehen blieb. Dagegen ist es anderseits auch wahrscheinlich, daß diese neue Erscheinung sich nicht auf einen inhaltlich begrenzten Teil der Malerei, die Innendarstellungen,
zwingenden Beweis die geschlossene Ranmdarstellung noch höher hinauf. Klein will sie schon dem Kentaurenbilde des Zeuxis zuweisen, weil Lukians s-l //.or,; e'jHa/.o'j; die Lokalfarbe bezeuge; aber eine Wiese wird auch in Zeiten der Schönfarbigkeit durch grüne Farbe bezeichnet.
1) Klein, a. a. O., S. 16,
2) Athen, p. 474 D. Wickhoff, Wiener Genesis, S. 51.
1*
A I. Rauindarstclluiig j^ricthiscliLr Tafelhilder.
beschränkte, sondern auch die anderen Darstellungsgebiete eroberte. Am leichtesten konnte es dort geschehen, wo der Gegenstand eine dem Innenraum verwandte enge räumliche Begrenzung darbot. Allein über die Wahrscheinlichkeit kommen wir nicht hinaus, und die Überlieferung läßt uns hier im Stich. Von größter Bedeutung ist nun die Frage, wie in dieser zweiten Periode die Räumlichkeit gestaltet wurde. W'ickhoff begnügte sich mit der Annahme einer kontinuierlichen Ent- wicklung bis zur pompe janischen Malerei hin. So verlockend diese Annahme erscheinen mag, wir dürfen sie nicht einfach akzeptieren, sondern müssen die allerdings wenig zahlreichen Älonumente daraufhin prüfen. Zunächst kommt ein pom- pejanisches Mosaikbild in Betracht, das sicher auf ein hellenistisches Gemälde zurückgeht, das von Dioskurides signierte INIosaik mit der Darstellung von Metragyrten.i) Die Anordnung der Figuren unterscheidet sich nicht \'on der, wie wir sie für die erste Periode annehmen müssen; innerhalb eines ganz engen Raumes sind die Figuren aufgestellt, der Unterschied besteht darin, daß der Grund als Wand eines Hauses, in das zur Rechten eine Tür führt, charakterisiert ist. Damit ist ein enger, bühnenartiger Raum geschaffen, durch den das Verhältnis der Figuren zum Räume nicht verändert wird. Weit wichtiger, auch wegen der genauen Datierung, ist das Relief des Archelaos, dessen enger Zusammenhang mit der ^Malerei wiederholt, besonders treffend von Watzinger^), hervorgehoben ist. In seinem untersten Streifen ist das Innere eines Tempels dargestellt, soweit das einem antiken Künstler überhaupt mög- lich war, d, h. durch Angabe der Raumgrenzen. Der Relief- grund ist als eine Reihe von Vorhängen gekennzeichnet, über die Säulenkapitäle hervorragen, im übrigen unterscheidet sich die Reliefbehandlung nicht von der früherer Reliefs; eine ge- wisse Freiheit in der räumlichen Gruppierung der Figuren ist schon Reliefs des vierten und dritten Jahrhunderts, besonders
^) 'Sl. B. IV, 34, Winter, Arch. Anzeiger 1895, S. 121 ff., Guida 167, vgl. H. 1473.
^) 63. Berliner Winckelmaiinsprogranuu, S. 16.
I. Raumdarstelluug griechischer Tafelbilder. e
Grab- und Weihreliefs eigen und zeigt uns, daß wir das relief- mäßige Nebeneinander nicht zu streng auffassen dürfen.
Die gleiche Darstellung des Raumes finden wir auch auf den oberen Streifen unseres Reliefs. Sie ist nur gegenständlich verschieden, insofern als die Bearbeitung des Grundes uns auf- fordert, ihn nicht für eine Reihe von Vorhängen, sondern für eine Bergwand zu halten. Indessen füllt der Berg nicht den ganzen Grund aus, sondern findet oben einen ungefähr halb- kreisförmigen Abschluß, so daß rechts und links je ein glatter Teil des Marmors übrigbleibt, in den zur Rechten Arm und Gewand der Kalliope, zur linken Adler und Szepter des Zeus hineinragen. Zweifellos hat man diese Teile für Luft zu halten, und natürlich waren sie noch durch Farbe besonders als solche gekennzeichnet. Von Bedeutung scheint es mir nun zu sein, daß die Gestalt des Zeus nicht auf, sondern vor der Spitze des Berges dargestellt ist, sodaß allein die Umrisse der Felsen zwischen Berg und Luft die Grenze bilden.
Die Bedeutung scheint mir darin zu liegen, daß wir auf einem etwas späteren, ebenfalls stark unter dem Einflüsse der Malerei stehenden Monumente neben dieser Anordnung eine prinzipiell davon verschiedene finden. Ich meine den perga- menischen Telephosfries. Die Fragmente mit der Erbauung der Arche^) zeigen einen der Art des Archelaosreliefs sehr ähnlichen Felshintergrund ; v o r dem Felsen sehen wir auf dem ersten Fragment vier Männer mit dem Bau des Fahrzeugs beschäftigt, auf dem zweiten eine kauernde Sklavin (Abb. i), bei beiden aber sitzt je eine Gestalt auf den Felsen, hier Auge, neben der zwei Sklavinnen stehen, dort eine Bergnymphe (wie diese Figur doch wohl zu deuten ist). Während nun an den unteren Teilen das Verhältnis der Figuren zum Hintergrunde genau das gleiche ist wie beim Archelaosrelief, ist es oben grimdsätzHch davon ver- schieden. Dort bildet der Berg gleichsam eine Wand, vor der die Figuren stehen, und dessen Begrenzung den Rest des Grundes als Luft erscheinen läßt, hier bilden Berg und Figuren eine
1) Jahrb. d. Inst. II, S. 244, III, S. 97 (Robert), XV, vS. 113. Abb. 10 (Schrader).
I. RaumflarstcUuug griechischer Tafelbilder.
Einheit im \'erhältnis zum Reliefgrunde; beide spielen vereint und gleichwertig die Rolle, die dort allein Berg oder Wand spielt. Wie mag dieses Prinzip entstanden sein?
Es zeigt eine Verwandtschaft mit dem Kompositionsprinzip des ])()nii)eianischcn ^Mosaiks mit der Alexanderschlacht, das
Wickhoff a. a. O. S. 51 analysiert hat. Sein Wesen ist die Ausfüllung des größeren Teils der Bildfläche mit Figuren; dadurch wird das Pro- blem der räumlichen Geschlossenheit allerdings nicht gelöst, sondern um- gangen, aber diese Umgehung zeigt, da sie bewußt ist, die Stellung des Problems bei den Malern der Zeit Alexanders. Das malerische Vorbild des Mosaiks wird jetzt meist dem Philoxenos von Eretria, Schüler des Nikomachos, zugeschrieben; die Zu- weisung ist wahrscheinlich, fraglich aber ist es, ob wir die Erfindung dieses Motivs einem Künstler zu- schreiben dürfen, der uns nur als erfolgreicher Schüler eines be- rühmten Malers überliefert ist. Philoxenos hatte einen bedeuten- deren und älteren Mitschüler, den jüngeren Aristeides, einen Sohn des Nikomachos. Von dem ist uns über- liefert PHn. N. H. XXXV, 99 pinxit proelium cum Persis, centum homines tabula ea conplexus. Ein so figuren- reiches Gemälde können wir uns, da wir in dieser Zeit keine poly- gnotischen Kompositionen mehr erwarten können, kaum anders als ähnlich der Alexanderschlacht gemalt denken; wahrscheiiüich war das Gemälde älter als das des Philoxenos, und so liegt es nahe, in Aristeides den Schöpfer dieses Prinzips zu sehen. Welchen
Abb. I.
Fragment des Telephosfrieses.
Nach Phot. Reimann.
I. Raumdarstellung griechischer Tafelbilder. fj
Einfluß es auf die Folgezeit hatte, ist schon von WickhofE für einige Monumente ausgefülirt worden. Man kann noch ein weit- aus interessanteres und wiederholt besprochenes hinzufügen, das uns allerdings nur literarisch bekannt ist, das von Plinius N. H. XXXV, 142 besprochene Gemälde des Nealkes. ingeniosus et sollers iste, siquidem, cum proelium navale Persarum et Aegyptiorum pinxisset, quod in Nilo, cuius est aqua maris similis, fact^^m volehat intellegi, argumento declaravit, quod arte non poterat; aselluin enim bibentem in litore pinxit et crocodilum insidiantem ei. Aus den Worten geht deutlich hervor, das der Künstler die Lokalität nur durch die Beschaffenheit, d, h. die Farbe des Wassers, bezeichnen konnte,^) Es war ihm also nicht möglich, das andere Ufer des Flusses wiederzugeben, denn das hätte eine räumlich freie Darstellung verlangt. So mußte er den Mangel des künstlerischen Könnens seiner Zeit durch einen sinnreichen Einfall ersetzen. Zugleich ist nach der Alexanderschlacht e'n gänzlicher Verzicht auf räumliche Geschlossenheit unwahrschein- lich, besonders wenn der Gegenstand diesem Bestreben entgegen- kam. Denn die Körper der Schiffe mußten fast die ganze Fläche des Bildes ausfüllen. So haben der Esel und das Krokodil wohl auf dem schmalen Räume vor den Figuren Platz gefunden, wo auf dem pompejanischen Mosaik Helme und Lanzen liegen. Als ein halbes oder ein ganzes Jahrhundert später Moschos den TciXagog der Europa beschrieb, war er weniger skrupulös als der geistreiche Maler, (v. 47) xvdpov d' hhvxro ^dXaaaa . • • (v. 53) ccQyrQfog fisv irjv NfiXov ^öog.
Von den erhaltenen Monumenten weist der Telephosfries auch dieses Prinzip auf, besonders schön in dem Fragmente, das den König Teuthras^) und seine Begleiter zeigt.
Indessen war es nur für einen beschränkten Kreis von Gegenständen brauchbar; daraus erklärt es sich, daß einer-
^) Wenn Brunn , Künstlergesch. II, S. 290 interpretiert ,,die breite Fläche hätte leicht zu einer Verwechselung mit dem Meere Anlaß geben können", so ist das eine Hineindeutung, die den Worten nicht entspricht und eine unbehinderte Ravundarstellvmg vor- aussetzt.
2) Jahrb. d. Inst. III, vS. 87, Q., XV, S. 121, Abb. 13.
3 I. RauiiKlarstcllung j^riethischer Tafelbilder.
seits wahrscheinlich auch in dieser Periode Bikler ohne räum- lichen Zusammenhang gemalt werden konnten, und daß anderer- seits dieses Prinzip mit anderen, wie mit dem des Archelaosreliefs, kombiniert wurde. Dies ist auf den oben besprochenen Frag- menten des Telephosfrieses geschehen.
In deren oberem Teile bilden Figuren und Felsen eine die Bildfläche füllende jMasse, die nur gegenständlich von der des Alexandermosaiks verschieden ist, indem für die Figuren zum Teil andere Dinge eingetreten sind. In ähnlicher Weise ist auf einem anderen Fragmente desselben Frieses, das Herakles zeigt, wie er den Telephosknaben erblickt,^) ein Teil der Fläche mit Figuren, der andere durch Fels, Baum usw. ausgefüllt. Wir werden später diesen Kombinationen auf pompejanischen Gemälden begegnen, und es wäre interessant, wenn wir ihre Ent- stehung zeitlich fixieren könnten. Auf jeden Fall ist sie zwischen Aristeides und dem Telephosfries anzusetzen, vielleicht aber kann man sie, da das Archelaosrelief sie noch nicht zeigt, der Zeit zwischen 210 und der Entstehung jenes Frieses, also etwa dem Anfange des zweiten Jahrhunderts zuweisen.
Indessen diese wenigen Denkmäler, deren Erhaltung dem Zufall verdankt wird, können uns noch keinen ]\Iaßstab zur Beurteilung der griechischen Raumdarstellung geben. Wir müssen auch das übrige Material heranziehen, die auf römischen und pompejanischen Wänden zweiten Stils erhaltenen Kopien griechischer Tafelgemälde, und vorher noch einen kurzen Blick auf die Anfänge räumlicher Vertiefung auf den Neapler ]\Iarmor- bildern werfen.
Diese Gemälde zeigen uns meist "^j eine Komposition, die auf einem einfachen Nebeneinanderstellen von Figuren beruht, und die Versuche, die enge Raumschicht durch das Schrägstellen von Figuren zu erweitern, wie es schon bei dem ,, Weihgeschenk eines Apobaten" und dem „Kentaurenkampf" geschehen ist,
1) Jahrb. d. Inst XV, S. 124, Abb. 16.
"-) Die Architektir des Niobebildes (24. Hall. Winckelmanns- progr.) ist nicht raumbildend, sondern aus inhaltlichen Gründen den Figuren hinzugefügt.
I. Raumdarstcllung griechischer Tafelbilder. g
nehmen im Vergleich dazu eine ganz sekundäre Stellung ein. Das berühmteste Beispiel einer solchen Vertiefung des Raumes mittels der Figuren ist das Stieropfer des Pausias. Eine allerdings sehr schwächliche Illustration dieser Experimente gibt uns das nur wenig schräg gestellte Maultier auf der Tafel des „Müden Silens''.^) Sehr zu beachten ist es, daß bei diesen Verkürzungen, wie auf den attischen Vasenbildern, eine wenn auch noch so ungefähr bestimmte Höhe des Augenpunktes fehlt, daß daher die \'erkürzungen nur in der horizontalen Richtung erfolgen, während in der vertikalen die Übertragung ganz relief- mäßig erfolgt, und höchstens der sichtbaren Standfläche der Figuren eine kleine Konzession gemacht wird. In ähnlicher Richtung muß sich die Kunst des Apelles bewegt haben, wenn uns von seinem „Alexander mit dem Blitz'^ berichtet wird (Plin. IST. H. XXXV, 92) : digiti eminere videntur et fulmen extra tahulam esse. Die von Wickhoff aufgestellte, von Winter bestrittene Behauptung, daß Apelles noch keinen räumlichen Zusammenschluß in seinen Bildern gehabt habe, wird auch noch durch andere Einzelheiten der Überlieferung wahrscheinlich. Die berühmte Linie, die Apelles auf der Tafel des Protogenes zog, scheint, wenigstens im Sinne dessen, der die Anekdote über- lieferte oder erfand, auf die Schönheit und Feinheit der Linie an sich als Ideal seines künstlerischen Schaffens hinzuweisen, und auf andere Ziele als räumliche Geschlossenheit weist auch die Nachricht des Plinius a.a.O., 80, Melanthio dispositione cedebat, Asclepiodoro de mensuris, hoc est quanto quid a quoque distare deberet. Die dispositio muß sich auf das Verhältnis der Figuren untereinander, die mensurae ( = symnietria Plin. XXXV, 107) wie die Exegese der Stelle lehrt, auf das Verhältnis der Figuren zu den Intervallen beziehen;-) d. h. maßgebend für die Kom- position der Figuren ist das Verhältnis zur Fläche, nicht zum
1) 23. Hall. Wiiickelinannsprogramm.
-) Brunns Deutung (Künstlergesch. II, S. 221. Aufgenommen von Br. Sauer in Thieme- Beckers Künstlerlexikon) „perspektivische Behandlung" widerspricht dem Wortlaut und trägt falsche Voraus- setzungen hinein.
JO I- Raunidarstclhmjj ^griechischer Tafelbilder.
Räume. Daß dies das für Apelles vorbildliche Prinzi]5 war, lehren die Worte ccdcbat als Beweis für die Beseheideiilieit des Künstlers und mirabatur an einer s])äteren vStelle (107). Daher darf man in Apelles schwerlich den Bahnljrecher einer neuen Kunst])eriode sehen, sondern den großen Vollender aller vorhergehenden Bestrebungen und insbesondere der der Sikyonischen Schule. Daraus erklärt es sich vielleicht auch, daß uns Apelles in der Überlieferung nicht wie Lysipp als Haupt einer großen und weitverzweigten Schule erscheint.
Während die Marmorbilder der ersten Periode der grie- chischen ]\Ialcrei angehören, geben die auf Wänden zweiten und dritten Stils erhaltenen Kopien griechische Tafelgemälde wieder, die nach Stil und Inhalt der hellenistischen Periode zuzuweisen sind. Obgleich auch Pompeji und Boscoreale uns viele derartige Bilder geschenkt haben, will ich ausführlicher nur auf die in Rom erhaltenen eingehen; jene bieten nichts Neues und sind meist schlecht erhalten und nicht veröffentlicht.
Die römischen Gemälde, die des Hauses der Livia auf dem Palatin und die jetzt im Thermenmuseum aufbew'ahrten der sogenannten Casa Tiberina, lassen sich, wenn man von den großen Gemälden, die die Mitte der Wände einnehmen, absieht, in zwei Gruppen einteilen. Die eine zeigt die Bilder mit hölzernen Rahmen umgeben und mit Türen versehen und scheinbar auf dem vorspringenden Gesimse stehend, bei der anderen scheinen sie in die Wände eingelassen zu sein. Beide Arten sind uns literarisch überliefert, doch scheint die zweite erst in Augusteischer Zeit aufgekommen zu sein. Plinius gebraucht bei der Aufstellung von Statuen meist die Worte esse und dicare, bei Bildern wendet er gelegentlich auch diese Ausdrücke an, häufiger aber die Bezeichnung ponere, die also terminus technicus gewesen zu sein scheint. Dieser kann sich natürlich nur auf die erste Art beziehen. Einmal sagt er uns auch, wo solche Tafeln aufgestellt waren, 1. 1. XXXV, 108: (Nicomachus) pinxit raptuni Proser- pinae, quae tabula fuit in Capitolio in Minervae deliibro supra aediculam Juventutis. Dieser Ort stimmt genau mit dem der Kopien überein, wo ja auch die Wand unter dem Gesimse mit je einer aedicula geschmückt ist.
I. Raumdarstellung griechischer Tafelbilder. jl
Über die Sitte des Einlassens der Bilder in die Wand gibt es bekanntlich bei Plinius zwei Stellen, N. H. XXXV, 26: in thermarum quoque calidissima parte marmoribus incluserat parvas tahellas Paulo ante, cum reficerentur, sublatas und N. H. XXXV, 27: idem (Augustus) in curia quöque quam in comitio consecrabat duas tabulas inpressit parieti.
Aus dem Wechsel des Ausdruckes geht hervor, daß es eine bestimmte Bezeichnung für diese Technik noch nicht gab; daß er nicht etwa einer stilistischen Feinheit des Autors zuzu- schreiben ist, geht daraus hervor, daß er zwischen diesen beiden Stellen zweimal das Wort und die Form posuit gebraucht.
Gemalte Nachbildungen solcher aufgestellten oder einge- lassenen Bilder konnte es natürlich erst dann geben, als man überhaupt begann, die Architekturen und Inkrustationen der Wände in Malerei nachzuahmen, d. h. im zweiten Dekorations- stile, und eine frühere Ansetzung dieser Sitte, wie sie Heibig annahm, beruht auf einer nicht zwingenden Interpretation einer Plautusstelle.i) Daraus folgt, daß die uns erhaltenen Bilder nicht etwa eine von unmittelbarer Nachbildung der Originale unabhängige Entwicklung hinter sich haben, sondern als, wenn auch flüchtige, so doch ebenso unverfälschte Nachbildungen anzusehen sind, wie etwa die Gesimse, auf denen sie stehen.
In dem sogenannten Tablinum des Hauses derlyivia sind uns zwei Bilder unversehrt erhalten, die beide inhaltlich dem helle- nistischen Genre angehören. Das Bild der Schmalwand (M, d. J. XI. T. 23) enthält drei weibliche Figuren, eine sitzende zwischen
^) Plautus, Menaechmi I, 2, 34. (vgl. Letronne, lettres d' un antiquitaire S. 83, Heibig, Unters. S. 139.)
Die nii, enumquavi tu vidisti tabidam pictain in pariete, Ubi aqutla Catameituni raperet aut ubi Venus Adoneum ? Die Interpretation muß sich in diesem Falle nach den durch die Monumente gegebenen Tatsachen richten. Die Synaloephe kann nicht zwingen, pictani von tabulam zu trennen; tabula konnte, wenn es nicht der Zusammenhang ergab, nicht ohne weiteres als Tafelbild verstanden werden, und somit bildet tabula picta gleichsam einen Begriff (z. B. Cic. de nat. deor. II, 34, 87), der durch die metrische Form nicht auseinandergerissen werden kann.
12 J- Raumdarbtcllung griechischer Tafelbilder.
zwei stehenden; alle drei befinden sich in derselben Raumschicht. Die Farbe der übrigen Fläche zeij<t an, daß sie als Wand eines Zimmers anzusehen ist. Also genau das Prinzip vom untersten Streifen des Archelaosreliefs. Das linke Bild der Längswand (M.d. J. XI, T. 22)1) zeigt eine Opferszene, wieder drei symmetrisch verteilte Figuren. Die Dienerin mit dem Lamm ist unverhältnis- mäßig klein gezeichnet, aber nicht entfernt zu denken, sondern sie steht unmittelbar hinter der Basis des Beckens auf dem Boden auf. Wir haben also zwei ineinander übergehende Raum- schichten, wue auch häufig auf den oben besprochenen grie- chischen Monumenten. Unmittelbar auf die Figuren folgt die bräunlich-violette Wand, die oben mit einem dunkelvioletten Vorhange geschmückt ist. Auf der rechten Seite derselben Wand ist noch ein fragmentiertes Gemälde mit einer Kampfszene erhalten (M. d. J. XI, t. 22). Bei ihm scheint ein Hintergrund und damit jede räumliche Zusammenfassung zu fehlen.
Viel zahlreicher, aber zum Teil nicht so gut erhalten sind die Bilder des im Garten der Villa Farnesina gefundenen Hauses. Sie zerfallen wieder in verschiedene Gruppen, von denen uns nur zwei etwas angehen. Die anderen ahmen teils in die Wand eingelassene Marmorbilder des fünften Jahrhunderts nach, deren Stil mit dem der attischen weißgrundigen Lekythen überein- stimmt, teils zeigen sie Figuren auf dunkelviolettem Grunde. lyCtzteres ist deshalb erwähnenswert, weil die Bilder hellenistisch sind und doch auf einen Hintergrund verzichten, erklärt sich aber aus ihrem lediglich dekorativen Zwecke.
Die Bilder der drei cubicula^) sind sämtlich mit Türen ver- sehen in der gleichen Art wie die des palatinischen Hauses, mit denen sie auch die Farbengebung — lebhafte, satte, vor- wiegend gelbe, grüne, violette und braune Töne — gemeinsam haben. Es \\äirde zu weit führen, wollte ich jedes dieser Büder einzeln beschreiben, besonders da sie in den Monumenti in bequemen Abbildungen vorliegen. Es genügt hervorzu-
1) Woltmami, Gesch. d. Malereil (Woerniaiin), S. 117. Fig. 30. -) Heibig, Führer II 2, 1131, 11 32, 1141, 1142. M. d. I. XII, T. 8 u. 27.
I. Raumdarstellung griechischer Tafelbilder. I ^
heben, daß sie sämtlich die gleichen Kompositionsprinzipien zeigen: die Figuren in einer oder zwei ineinander übergehenden Raumschichten verteilt, unmittelbar hinter ihnen die Wand. Interessant ist noch die Dekoration dieser Wände. Auf den meisten finden wir Vorhänge, wie auf dem einen Bilde des Hauses der Livia^; vielleicht darf man in ihnen die häufig erwähnten aulaea^) erkennen. Außerdem zeigen die meisten eine Teilung in verschieden getönte Abschnitte, so M. d. J. XII, 27, 3 links violett, rechts weiß, 8, 3 links und rechts hellviolett, in der Mitte dunkelviolett usw. Möglicherweise sind das Andeutungen einer dem ersten pompejanischen Stile vorausgehenden Deko- rationsweise.
Die Originale dieser Bilder innerhalb der hellenistischen Periode genauer zu datieren wird kaum möglich sein. Eine gewisse Ähnlichkeit des Motivs mit der nova nupta des Aetion scheint bei dem Bilde XII, 8, i eine frühe Ansetzung zu befür- worten; indessen scheinen andere Bilder ihrem Inhalte nach eine spätere Datierung zu empfehlen.
Die sechzehn Bilder der Cryptoporticus^) sind nicht als auf- gestellte Tafeln, sondern als in die Wand eingelassen gedacht. Sie müssen, mit Ausnahme der fünf später hinzugefügten, außer- ordentlich gut gewesen sein, haben aber durch Zerstörung sehr gelitten. Mit Ausnahme von zweien, M. d, J. XII, 29, 2 und 31, I, stimmen sie in der Weite des Raumes und in der Ver- teilung der Figuren mit den bisher besprochenen überein, im einzelnen zeigen sie nicht geringe stilistische Differenzen und müssen daher mindestens einem anderen Künstler, wahrschein- lich einer anderen Zeit zugewiesen werden. Manches spricht
^) Über entsprechende Vorhänge auf ostgriecliischen hel- lenistischen GrabreHefs, s. Pfuhl, Jahrb. d. Inst. 1905, S. 123, I — 12. woselbst auf die früheren und gleichzeitigen Analogien hin- gewiesen ist,
2) Vgl. Thesaurus linguae Lat. II, p. 1459. Besonders wichtig sind Sali. hist. frg. 2, 70, 2, Propert. II, 32, 12, Val. Max. IX, i, 5.
3) Heibig, Führer II 2, S. 250. M. d. I. XII, T. 28—33.
JA I. Rauiiidar.stellung griechischer Tafelbilder.
dafür, sie für älter 7ai halten, doch wage ich das nicht zu ent- scheiden.^) Besonders auffallend ist bei einigen eine bis zur Härte gesteigerte Symmetrie, so XII, 30, 2. Die nicht von Figuren eingenommene Fläche ist bei den meisten mit einem kräftigen Blau ausgefüllt, über dessen Bedeutung man zunächst zweifelhaft sein kann, ob man es als blaue Wand, als Himmel oder einfach als farbigen Grund auffassen soll. XII, 29, i ist der Grund rechts hell, links braun, also die Wand eines Zimmers; mitten in dem Braun aber befindet sich ein blauer Fleck, der vielleicht ein Fenster dargestellt hat, XII, 30, i zeigt zur Linken einen Pfeiler, von dem aus ein Vorhang nach rechts ausgespannt ist; der Rest ist wieder blau. 31, 2 : links ein Pfeiler, die übrige Fläche nimmt ein rotbrauner Vorhang ein; wo dieser sich teilt, erscheint wieder die blaue Farbe. 32, i zeigt den blauen Grund, an jeder Seite von einem weißen Pfeiler unter- brochen.
Diese Bilder scheinen doch darauf hinzuweisen, daß wir den blauen Grund als Himmel anzusehen haben. Der Künstler hat es uns nicht leicht gemacht, diese Absicht zu erkennen. Wir können die Tiefe des Raumes, die nicht größer ist als die der Figuren, an der braunen Farbe des Bodens ermessen. In der Höhe, wo diese aufhört, müßte der Augenpunkt liegen, da- mit wir das darüber befindliche Blau als Himmel erkennen könnten. Im Gegensatz dazu sind aber die Figuren ohne An- nahme eines bestimmten Augenpunktes in reliefmäßiger Weise auf die Fläche übertragen. Vielleicht hängt dieses Blau mit der blauen Ausfüllung des Grundes auf Reliefs zusammen. Auch dort führte ja die Entwicklung bei den unter dem Einflüsse der Malerei stehenden Reliefs dahin, die blaue Farbe des Grundes als Farbe der Luft aufzufassen.
Wie dem auch sein mag, die Tiefe des Raumes und
3) Die späteste, an sich mögliche Datierung wäre die An- nahme gleichzeitiger Tafelgemälde, zu der die Kopie der Arteinis des Menaichmos und Soidas, auf dem Bilde M. d. I. XII, T. 29, i führen könnte (Studniczka, Rom. Mitt. 1888, S. 292). Doch ist der Gnmd nicht zwingend.
I. Raumdarstellung griechischer Tafelbilder. X5
die Anordnung der Figuren ist bei allen gleich, und wo der Raum geschlossen ist, stimmt er genau mit dem der oben besprochenen Bilder überein.
Zwei der Bilder fallen aus dieser Reihe heraus. XII, 31, i (Abb. 2) zeigt die gleiche Komposition, wie wir sie am Telephosfriese kennen gelernt haben; bis auf einen verhältnis- mäßig kleinen oberen Teil wird die ganze Bildfläche von Figuren
Abb. 2. Kopie eines hellenistischen Tafelbildes. Nach Mou. d. Inst.
und Dingen ausgefüllt, die gleichsam eine kompakte Masse bilden. Den seitlichen Abschluß bilden Felsen, und Figuren, die teils vor, teils neben ihnen gruppiert sind, verbinden sie mit dem die Mitte einnehmenden Steinsitze des ruhenden Jünglings. Über dem Jüngling ragt ein Pfeiler empor, durch den die ungefähr halbkreisförmige Linie, die die untere Masse von dem Himmel scheidet, unterbrochen wird. Wir werden später sehen, daß diese Linie auf griechischen Gemälden eine große Rolle spielt.
l6 !■ RauiiiclarsUllitiig yriccliisclur Tafelbilder.
Die Komposition von 29, 2 steht ungefähr in der Mitte zwischen dieser und jener, die wir bei den anderen Gemälden desselben Raumes kennen gelernt lia])en; die untere Fläche ist nicht vollständig ausgefüllt. Das ist eine Inkonsequenz oder vielmehr ein Kombinieren verschiedener Prinzipien, wie wir es auch beim Telephosfriese finden.
Wir waren davon ausgegangen, von der Raumdarstellung der hellenistischen Zeit eine Anschauung zu gewinnen. Daß alle hier herangezogenen Bilder dieser Zeit angehören, ergibt Stil und Inhalt; von einer genaueren Datierung müssen wir allerdings absehen. Das aber ist hervorzulieben, daß diese Bilder nicht, was bei der Gleichzeitigkeit der Dekoration ja immerhin möglich w^äre, eine Auswahl aus den Werken einer bestimmten, eng begrenzten Zeit oder gar eines einzigen Künst- lers darstellen, sondern uns Werke verschiedener Meister und wohl auch verschiedener Epochen wiedergeben, deren stilistische Verschiedenheiten %vir bei der Flüchtigkeit der Reproduktion allerdings nicht bis in ihre feinsten Konsequenzen verfolgen können. Da ist es nun von höchster Bedeutung, daß in der Darstellung des Raumes alle diese verschiedenen Bilder mit den Reliefs ein absolut einheitliches Bild ergeben. Der Forderung nach räumlichem Zusammenschluß wird entweder durch Aus- füllung der Fläche genügt, oder es wird der Grund gegenständ- lich als Begrenzung eines engen, bühnenartigen Raumes ge- kennzeichnet. Die Stellung der Figuren im Raum wird durch diese Änderungen nicht berührt, und somit hat das Neue, das seit der Zeit Alexanders durch den räumlichen Zusammen- schluß in die Malerei hineinkommt, gegenüber den bleibenden Kompositionsbedingungen nur eine sekmidäre Bedeutung.
Allerdings dürfen wir nicht mehr als das Grundprinzip der Raumdarstellung durch diese Beispiele festzustellen hoffen. W'ir müssen berücksichtigen, daß nur eine geringe Anzahl von In- halten — meist hellenistisches Genre — auf ihnen vertreten ist, und können nicht erwarten, alle Abwandlungen und Besonder- heiten, die sich aus anderen Zwecken der Bilder und aus Dar- stellungen anderer Inhalte ergeben, in ihnen zu finden.
Es sind noch andere griechische ^lonumente erhalten, die
I. Raumdarstellung griechischer Tafelbilder. jy
einen räumlichen Zusammenschluß in der Form eines Innen- raumes aufweisen^ die aediculae der tarentinischen Vasen. Ein Teil von ihnen geht vielleicht zeitlich den von uns angenom- menen Anfängen der Darstellung eines geschlossenen Raumes in der Tafelmalerei voran; trotzdem können sie diesen Ansatz nicht widerlegen. Denn erstens darf man die Komposition dieser Vasenbilder nicht mit der großen Tafelmalerei, wenigstens nicht mit der des griechischen Mutterlandes verbinden/) sondern muß sie als verschiedene, nicht nur verschiedenwertige Gat- tungen auseinanderhalten; sodann kann man überhaupt diese aediculae, wie auch z. B. den Tempel auf dem Iphigeniebilde bei Overbeck, Her. Galerie T. XXX, 8 und das Haus der Herakles- vase des Assteas (s. unten S. 117) nicht als Innenräume auffassen. Es sind nicht nur die inneren Raumgrenzen gegeben, sondern das ganze, von außen gesehene Gebäude, genau wie ein plastisches Werk. Die Gesamtdarstellungen aber, deren Teil diese aediculae sind, entbehren jedes räumlichen Zusammenhanges und zeigen die Figuren vermittelst Terrainlinien in mehreren Streifen ver- teilt. Diese Vasendarstellungen können also nicht für die Ge- schichte der Bildkomposition verwandt werden.
Dagegen muß ein anderes Denkmal in diesem Zusammen- hange seinen Platz finden, die sogenannte Aldobrandinische Hochzeit. 2) Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Fi- guren dieses Bildes einem griechischen Originale entstammen, das ungefähr der Zeit des Aetion angehört haben mag. Vieles zeigt große Verwandtschaft mit den Kopien griechischer Tafelbilder in Rom; die Stellung der Figuren im Räume, die Art, wie der Raum, dessen Tiefe wir an der Farbe des Bodens ermessen können, mit den Figuren aufhört, die viel kleiner ge- bildeten Dienerinnen links, die doch nur unmerklich weiter zurückstehen, die Begrenzung des größten Teils des Raumes
^) Watzinger, Studien zvir unteritalischen \'asenuialerei, Bonn 1899.
-) B. Nogara, Le Nozze Aldobrandine etc.. Milano' 1907. Von älterer Literatur s. besonders R. Foerster, Arch. Zeit. 1874, S. 80; C. Robert, Hermes XXXV, 1900, S. 657.
Rodenwaldt, Pompejanische A\'andgemälde. 2
l8 I- K-aumdarstellung griechischer TafeH)ilder.
durch die Maiic-r, während rechts ein Felsen die Fläche zwischen dem Rande und der ersten Figur ausfüllt, und für die kleinen Intervalle zwischen jener und den beiden nächsten Figuren die blaue P^irbe des Himmels den Hintergrund bildet. Somit steht aus stilistischen Gründen nichts der Annalime entgegen, die gesamte Komposition für eine treue Kopie eines griechischen Tafelgemäldes zu halten.
Bedenklich ist die außerordentliche Breite des Bildes trotz der von Robert angeführten Parallelen, dem Alexander mosaik und den drei Bildern des Apelles, der Verleumdung, der pompa des ]\Iegabyzos und dem Opferzug aus dem Asklepieion von Kos. Denn das Alexandermosaik ist nur ungefähr doppelt so breit wie hoch, und ungefähr das gleiche Verhältnis läßt sich für die Verleumdung des Apelles annehmen, wofern war aus den Rekonstruktionen der Renaissancemaler Schlüsse ziehen dürfen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß schon die Vorlage ein Fries- bild gew'esen ist. Die nächsten Analogien für die Anein- anderreihung der Figuren in einer F^bene und für ihre Grup- pierung bilden zwei Bilder der Domus aurea, Hippolytos^) und noch ähnlicher Ares und Aphrodite'^). Auf beiden fehlt nach den Stichen jegliche Andeutung eines Hintergrundes. Das könnte nun allerdings eine Folge der beabsichtigten rein deko- rativen Wirkung innerhalb der Deckenmalerei sein, aber es wäre auch möglich, daß die Mauer auf der Aldobrandinischen Hochzeit nicht dem Originale entlehnt, sondern von dem rö- mischen ]\Ialer hinzugefügt ist. Dafür könnte auch die auffallende Ähnlichkeit des Pfeilerkapitäls in der Mitte des Bildes mit dem unter der rechten Bildseite erhaltenen Kapital der Wand- dekoration, deren Teil das Gemälde w-ar, geltend gemacht werden,
1) Mirri, Vestigia delle temie di Tito T. 43, Ponce, Description des Bains de Titus T. 42, Tliiersch, Dissert. qua probatiir etc. 1835, T. 4 Arch. Zeit. 1883, T. 7, 3, Rom. iSIitt. 1901, S. 225, Robert, D. an* tiken Sarkophagreliefs III, 2, S. 177.
2) Mirri, T. 25, Ponce T. 23. Codex Esciirial., herausg. v. Egger, S. 70, Fig. 43.
I. Raumdarstelhing griechischer Tafelbilder. jn
vielleicht auch die in jedem Falle seltsame Bezeichnung des Innenraums durch eine nicht bis oben durchgeführte ^A'and. Das neueste, allerdings erst zum Teil veröffentlichte Material zur Geschichte der griechischen ^lalerei bilden die von Arv^ani- topullos^) in Pagasae gefundenen bemalten Grabstelen. Über diese s. unten Kap. VII.
1) E'f. Aqx- 1908, S. I ff., T. I — 4.
II.
Römische Wandbilder.
Man kann sich kaum größere Gegensätze denken, als wenn man von den eben betrachteten Kopien griechischer Tafel- gemälde vor die Vatikanischen Odysseelandschaften ^) tritt, Gegensätze, die weder auf einer verschiedenen Güte der Arbeit, noch auf einem wesentlich anderen Inhalte beruhen, sondern auf etwas völlig Neuem, das uns hier zum ersten IMale entgegentritt, auf der Landschaftsmalerei. Indessen haftet auch dem Worte lyandschaft noch viel zu viel Gegenständliches an, um das Wesen dieser neuen Kunst zu bezeichnen, das in der uneingeschränkten Beherrschung der räumlichen Darstellung besteht. Hier finden wir keinen engen, bühnenartigen Raum mehr und keine Relief mäßigkeit in der Anordnung der Figuren; eine Reihe mannigfaltigster und weitester Landschaften dehnt sich, teilweise bis zum Horizont, vor unseren Augen aus, und in der Stellung der Figuren schwelgt der Maler beinahe in seinem neuen Können. Ungehindert verteilt er sie hier und dort und sucht alles zu vermeiden, was an Relief art erinnern könnte; die Be- wegungen fast aller Figuren geschehen schräg zur Bildfläche.
Doch ich will auf die Figuren später genauer eingehen, und einer Beschreibung der Landschaft enthebt mich die neueste
^) K. Woennami, Die antiken Odysseelandschaften, ^lünchen 1876, B. Nogara, Le Nozze Aldobrandine, ^lilano 1907, Fr. Wickhoff, Die Wiener Genesis, Einl. S. 79 £E., dagegen Mau, Rom. Mitt. 1895, S. 230.
II. Römisclu- Wandbilder. 21
Publikation von B. Nogara. Nur einen, den wichtigsten Unter- schied zwischen diesen Gemälden und den griechischen Tafel- bildern möchte ich noch besonders hervorheben; jenen fehlt die Annahme einer bestimmten Höhe des Augenpunktes, und die Gegenstände sind in reliefmäßiger Weise auf die Bildfläche übertragen; die Odysseelandschaften dagegen sind von einer be- stimmten Augenhöhe aus gesehen, die bei den Seebildern durch die Linie des Horizontes bezeichnet wird. Dieser Unterschied ist von so wesentlicher Bedeutung, daß sich kaum eine direkte Entwicklung von dem einen zum anderen denken läßt, wenn man die Konstanz in der Kompositionsweise der uns erhaltenen Kopien hellenistischer Gemälde berücksichtigt.
Die Vatikanischen Landschaften sind nicht als Tafelbilder gedacht, sondern als Prospekte. Ahnliche Prospekte sind uns auf den Wänden eines Zimmers der Villa des P. Fannius Sinistor in Boscoreale^) erhalten, deren gesamte dekorative Ausstattung dem zweiten Stile angehört. Diese Wände — auf Tafel IX und X der Publikation von Barnabei — zeigen als Dekoration eine doppelte Reihe von Pfeilern und Säulen, zwischen denen sich scheinbar der Blick ins Freie öffnet. Die örtlich- keiten aber, die wir dort sehen, hängen untereinander nicht zusammen, sondern jedes Interkolumnium bietet ein Bild für sich; der Maler beabsichtigte also nicht eine panoramaartige Wirkung hervorzubringen, die bei den Odysseelandschaften durch die hohe Anbringung und die heroische Staffage ein- geschränkt war, sondern erzielte vielmehr eine Art bildmäßiger Wirkung, ohne daß doch der Charakter des Prospekts auf- gegeben war. Die einzelnen Landschaften lassen sich mit den Vatikanischen schwer vergleichen, weil sie teils inhaltlich verschieden sind, wie z, B. Städteansichten, teils nicht so weite Räume bieten. Doch mag man den Garten auf Tafel IX mit denjenigen der Odysseelandschaften vergleichen, auf denen die See nicht sichtbar ist. Auf beiden wird der Raum nicht bis zum Horizont ausgedehnt, sondern mit Felsen, Bergen, Baulichkeiten
1) F. Barnabei, La villa Poiiipeiana di P. Fannio Sinistore, Roma 1901, tav. IX und X.
22 II- I<-öniische Wandbilder.
geschlossen. Kr ist in Boscorealo enger, aus unmittelbarer Nähe gesehen, aber weit von der Ivnge griechischer Tatelbilder ent- fernt und von einer bestimmten Augenhöhe aus aufgenommen. Somit schließt er sich mit den Odysseelandscliaften zu einer grundsätzlich von jenen Tafelbildern verschiedenen Einheit zu- sammen.
Nun ist aber noch ein sehr bedeutsamer Unterschied der Mangel der heroischen vStaffage, der den Odysseelandschaften Inhalt und Namen gibt, und es entsteht die Frage nach dem Zusammenhange dieser beiden Erscheinungen, die wieder eng mit der Frage nach der Entstehung dieser Gattung überhaupt zusammenhängt. Die Monumente stellen das Problem, die Lösung ist uns in der literarischen Überlieferung erhalten. Denn es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die uns erhaltenen Odysseelandschaften im Zusammenhange stehen mit den von Vitruv, De architectura VII, 5, 2 erwähnten megalographiae habentes deorum simulacra seu fabularum dispositas explicationes, non minus troianas pugnas seu Ulixis errationcs per topia. Vitruv erwähnt aber diese Denkmäler nicht nur, sondern überliefert uns auch den kunstgeschichtlichen Zusammenhang, in dem sie stehen.
Ich muß diese Stelle des Vitruv und die dazugehörige des Plinius hier besprechen, ohne auf die teils übereinstimmenden, teils abweichenden Behandlungen von Letronne, Brunn, Heibig, Woermann und Mau^) eingehen zu können. Vitruv gibt uns a. a. O. einen kurzen Abriß von der Geschichte der Wand- dekoration, der sich in verschiedene Abschnitte teilen läßt (vgl. Mau, a. a. O. S. 247), von denen der erste dem ersten Stile, die anderen dem zweiten Stile entsprechen.
(I) antiqui qui initia expoUtionibus instituerunt iniitati sunt primum crustarum marmorearum varietates et conlocationes,
^) Letronne, Lettres d' un antiquitaire, p. 253 £E, Brunn, B. d. I. 1863, p. 81 ff., Heibig, Rhein. Mus. 1870, S. 393, Heibig, Wand- gemälde, S. 385 ff., Untersuchungen, S. 62, 217, Woermann, Die Land- schaft in der Kunst der alten Völker, München 1876, S. 221 ff.. Mau, Ge- schichte, S. 246 ff'., Pompeji, S. 469.
II. Römische \\'andbildcr. 23
(II) deinde coronarum et silaceorum cuneorum inter se varias distributiones.
(III) (a) postea ingressi sunt ut etiam aedificionim figuras, columnarum et fastigioriDn eminentes proiecturas imitarentur,
(b) patentibus aiitem locis uti exhedris propter amplitudines parietum scaenarum frontes tragico more aut comico sen satyrico designarent,
(c) amhulationes vero propter spatia longiludinis varietatibus topiorum ornarent ab certis locorum proprietatibus imagines ex- primentes. pinguntur enim portiis promuntoria litora flumina fontes euripi fana luci montes pecora pastores,
(d) nonnullis locis item signantur megalographiae habentes deorum simulacra seu fabularum dispositas explicationes , non minus troianas pugnas seu Ulixis errationes per topia, ceteraque quae sunt eorum similibus rationibus ab rerum natura proer eata,
(IV). sed haec quae ex veris rebus exempla sumebantur, nunc iniquis moribus inprobantur etc.
Vitruv gibt eine zeitliche Entwicklung wieder, deren Aufeinanderfolge durch die Worte prinium, deinde, postea und nunc bezeichnet wird. Die Malereien der dritten Stufe, die selbst ein etwas fortgeschrittenes Stadium des zweiten Stils repräsentiert, teilt er uns in sehr ausführlicher Weise mit, besonders die mit c und d bezeichneten, da für a eine kurze Angabe genügte, und die unter b genannten scaenae schon an einer früheren Stelle eingehend von ihm besprochen worden sind (V, 6, 9). Die Worte des Vitruv lassen nicht den ge- ringsten Zweifel, daß er sich die Landschaftsmalerei in der Dekorationsmalerei des zweiten Stils entstanden denkt, daß sie nicht in der Tafelmalerei, sondern im Prospektbild ihren Ursprung hat. Unter diesen Landschaften wird eine Gattung (d) nicht den anderen gleichgesetzt, sondern besonders aus- führlich beschrieben und hervorgehoben, die megalographiae. Es ist selbstverständlich, daß diese Gattung nicht im Anfange der Landschaftsmalerei steht, sondern daß sie eine etwas spätere Entwicklung darstellt ; dafür spricht auch ihre Er- wähnung an letzter Stelle. Natürlich kann diese zeitliche
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II. Röiiiisclio Wandbilder.
Aufeinan(k'rf()lj.;e sehr schnell v^or sich gegangen sein und be- zieht sich nur auf den Beginn der einzelnen Gattungen; daß sie nebeneinander bestanden, lehrt pinguntur und signantur.
Das Wort megalographia bezeichnet keine besonderen for- malen Eigenschaften, sondern ist nur magnarum reruni pic- tura^). Daher ist der Unterschied von der Landschaftsmalerei nur ein inhaltlicher und besteht darin, daß den Landschaften fabulanim dispositae expiicationes hinzugefügt wurden. Wenn nun die Entwicklung von der Landschaft zur Landschaft mit mythologischer Staffage führt, so dürfen wir eine Zwischenstufe mit einfacher, nicht mythologischer Staffage erwarten. Diese ist denn auch bei \^itruv an der Stelle, wo wir sie erwarten können, zwischen jenen beiden Gattungen überliefert durch pecora, pastorcs. Wir kennen sie aber genauer durch den immer im Zusammenhange mit dieser vStelle des Vitruv be- handelten Exkurs des Plinius über den ]\Ialer vStudius, N. H. XXXV, ii6. Daß beide Stellen zusammengenommen werden müssen, ergibt sich daraus, daß es sich bei beiden um dieselben Gegenstände der Malerei, um Wanddekorationen und um Augusteische Zeit handelt. Plinius zählt erst die verschie- denen Landschaften auf und fährt dann fort: varias ihi ohavi- hidantmm species aut navigantium terraque villas adeimtium asellis aut vehiculis, iani piscantes aiiciipantesquc aut venantes aut etiam vindemiantes etc.
Dadurch ergibt sich für die Wandmalerei diese Entwicklung : I. Landschaften, II. Landschaften mit Staffage, III. Landschaften mit m^'thologischer Staß'age. Für die erste Stufe kann als Beispiel die oben besprochene Wand von Boscoreale gelten, für die zweite ]\Iau, Taf. VII, 2, für die dritte die Odysseelandschaften, ohne daß bei dem schließlichen Nebeneinandergehen der drei Gattungen gerade diese Bilder in dieser zeitlichen Aufeinanderfolge entstanden sein müßten.
Es ist nun zu beachten, daß in der Stelle des Vitruv der Tafelmalerei keine Erwähnung geschieht, und daß bei
^) Stephanus, Thesaurus Graecae ling. uiyaXoynaqiia.
II. Römische Wandbilder. 25
Plinius die ^lalerei des Studius in schärfsten Gegensatz zur Tafelmalerei gestellt wird, indem es heißt (ii8): sed nulla gloria
artificum est nisi qui tabulas pinxere, non enim parietes
excolebant dominis tantum .... nondum lihehat parietes totos iinguere.
Ferner lehrt die detaillierte Beschreibung beider Autoren, daß es sich tim eine neue und besondere Erscheinung handelt, die auch verschieden ist von den bei Plinius und \"itruv kurz vorher erwähnten scaenae, die es sowohl in der dekorativen wie in der Tafelmalerei gab.^) Damit bestätigt sich das, was die Betrachtung der ]\Ionumente schon wahrscheinlich machte, daß die Darstellung der Landschaft und damit die unbehinderte Be- herrschung der räumlichen Darstellung in keinerlei Zusammen- hang mit der Tafelmalerei steht, sondern aus der dekorativen Wandmalerei, dem Schmücken der Wände mit Panoramen, hervorgegangen ist. Wir dürfen nicht versuchen, zwischen den zaghaften Anfängen eines räumlichen Zusammenschlusses auf hellenistischen Tafelbildern und der Weiträumigkeit der Odyssee- landschaften einen kausalen Zusammenhang zu finden und eine Entwickelungsreihe zu statuieren, von der uns kein Denkmal und kein literarisches Zeugnis eine Kunde gibt, sondern beide sind verschiedene und voneinander absolut unabhängige Gat- tungen. Das ist ein Fall, der uns wieder die \^erschiedenheit
1) Plin. N. H. XXXV, 113 ... Serapionis tabula . . . /lü scaenas opthne pinxit. Als der ^^'andmalerei angehörige scaenae und zwar satyrico inore gemalte erkenne ich die Wände der bei Prinia- porta gefxmdenen Villa ad Gallinas (Antike lienkmäler I, 11, 24, 60). Brunn (B. d. I. 1863, p. 81 ff.) und Heibig (Wandgemälde, S. 385) bringen sie mit Studius zusammen. Aber gerade das Charakte- ristische, die Staffage, fehlt, vmd von der auf Studius folgenden Stufe der Landschaftsmalerei, den Odysseelandschaften, sind sie gänzUch ver- schieden. Daher sind sie nur als Vorläufer der ^Malerei des Studius zu betrachten. Eine Vorstellung einer comico inore gestalteten scaena kann uns das Xeapler Schauspielerrelief geben (Schreiber, Hellenistische Reüef- bilder T. 83). Wenn Mau (Pompeji S. 469, vgl. auch Heibig, Unter- suchvmgen S. 100) die großen, ganze Wände füllenden Landschaften vierten Stils mit Studius in Verbind vmg bringt, so spricht deren alleiniges Vorkommen im vierten vStile dagegen.
26 li- Roiniiche Waudldlfler.
in den Iviit\vickhin^i-u der antiken und der moflernen Kunst lehrt; dort ein kontinuierliches Ansteij^en bis zur freien räum- lichen Darstellung, hier eine ^a-\visse Ivntwicklunj^ und dann plötzlich danel)en der Ansatz einer ganz neuen Reihe. Dort eine, hier zwei Reihen, eine Warnung da\-or, irgendwelche Lücken der einen Kunst mit Analogien aus der anderen ausfüllen zu wollen.
Nachdem wir das Wesen der Dandschaftsmalerei als einer neuen Gattung erkannt haben, bleibt die Frage, wann und wo diese Gattung entstanden ist. Eigentlich ist die Antwort darauf schon im Vorhergehenden enthalten. Vitruv bezeugt durch pinguntur und signantur, daü diese Wandmalerei zu seiner Zeit existierte; einen terminus post quem ergeben die Worte postea ingressi sunt. Diese beziehen sich auf eine entwickeltere Stufe des zweiten Stils, und wenn wür dessen Beginn mit Mau (a. a. O. S. 287) um 80 v. Chr. annehmen, so ergibt sich als Spielraum für die Entstehung der Prospektmalerei die Zeit von ungefähr 60 oder 50 bis zu der Zeit, wo Vitruv sein Buch schrieb. Wo die Erfindung gemacht wurde, sagt uns Vitruv nicht. Aller- dings haben Heibig und W^oermann in dem am Anfange des ganzen Abschnittes stehenden antiqui Aufschluß darüber finden wollen, das sie auf die Griechen des Hellenismus be- ziehen. Grammatisch wäre das berechtigt. Wenn wir aber bedenken, daß Vitruv uns hier einen Überblick über eine zwei- bis dreihundert] ährige Entwicklung gibt, daß er ferner kein Stilist ersten Ranges ist, dürfen wir das antiqui auf w-eiter nichts als auf den ersten Satz beziehen, worauf es ja auch vorzüglich paßt. Zu dem ingressi sunt müssen wir dann ebenso ein un- bestimmtes Subjekt ergänzen, wie wir uns zu pinguntur und signantur nicht ah antiquis hinzudenken dürfen.
Somit steht Vitruv nicht im Gegensatz, sondern im besten Einklang zu Plinius, der uns Zeit und Ort der Entstehung genau überliefert, wenn er die Erfindung der neuen Gattung dem Maler Studius, der zur Zeit des Augustus lebte, zu- schreibt. Wir dürfen diese Erfindung nicht so skeptisch an- sehen wie die Nachrichten über ältere iVQsasic, werden sie aber wohl richtig so beurteilen, daß Studius nicht zuerst Pro-
II. Römische ^^'a^dbil(ler.
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spekte gemalt hat, sondern, diese Malerei zuerst zu künstlerischer Bedeutung erhoben hat. Daran darf uns auch das absprechende Urteil des Plinius nicht irre machen, denn nur der \'on ihm \'er- zeichnete Gegensatz zur Tafelmalerei, nicht dessen Wertung durch Plinius, kann für die Geschichte dieser Gattung verwandt werden. Jedenfalls stimmt der Zeitansatz des Plinius zu dem aus Vitruv erschlossenen Beginn der Prospektmalerei. Aus Plinius ergibt sich nun ferner, daß die neue Gattung in Rom entstanden ist, und wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln ; denn Rom wurde eben in jener Zeit zum Mittelpunkte der künst- lerischen Entwicklung, neben dem die hellenistischen Kunst- zentren ihre Bedeutung verloren. Dieselbe Wahrscheinlichkeit ergeben allgemeine Erwägungen. Für das Entstehen einer solchen neuen Gattung war der Boden Italiens am günstigsten, weil er am freiesten von dem Zwange langer Traditionen war, und gerade dieser Gattung, der ungehemmten Darstellung der wirklichen räumlichen Weite, der Wirklichkeitssinn der Römer ebenso sehr entgegen kam, wie die Illusionsfähigkeit der Griechen ihrer Entstehung ein Hemmnis bot.
Vielfach hat man den Ägypter Demetrios ^) für den ersten Landschaftsmaler gehalten, schwerlich mit Recht. Ein- mal ist es bedenklich, einem nur in einer historischen Quelle zufällig erwähnten Künstler eine bedeutende Rolle in der Kunst- geschichte zuzuschreiben. Sodann ist es zweifelhaft, ob man Tonoyoäffov oder, wie Letronne wollte, zonioyQutfov mit Land- schaftsmaler übersetzen darf. Wenn es einen solchen terminus technicus damals schon gegeben hätte, wäre das Fehlen dieser Bezeichnung bei Vitruv und Plinius und die detaillierte Be- schreibung, die beide von der Landschaftsmalerei des zweiten Stils geben, höchst auffallend. Man müßte also, wenn es sich um einen Landschaftsmaler handelte, eine Umschreibung dieses Begriffs erwarten, der gleiche Einwand, den Heibig, der die
1) Diod. Sic. Exe. d. V. et V. XXXI, p. 5S4, Exe. Vat. XXXI, 8. p. 96 (Dindorf). Val. Max. Y, i, i (Kempf). Heibig, Untersuchungen S. 289, Woermann, Landschaft vS. 220. Die Bezeichnung pictor bei Val. Max. ist natürlich nur ungenaue Übersetzung von TonoyncUfo^.
2S II- Köinisrhc Waiulbihkr.
Existenz einer liellenistischen Landschaftsmalerei \-oraussetzte, gegen Brunns Deutung von tonoyQÜifoc als Lanrlkartennialer erhob. Dagegen reiht sich Demetrios als Maler von Landkarten, von denen man allerdings mit Brunn^) annehmen muß, ,,daß diese Art von Karten in der ganzen Behandlung sich der Land- schaftsmalerei annähern mochte," vorzüglich in einen von Helbig^) selbst ausgeführten historischen Zusammenhang ein. Denn in ähnlicher Weise müssen wir uns nach den erhaltenen Beschreibungen die Gemälde ausgeführt denken, die Sem- pronius Gracchus und L. Hostilius Mancinus^) in Rom auf- stellen ließen; von dem ersteren sagt Heibig a. a. O. selbst: ,,mag dasselbe auch von mehr landkartenartiger Behandlung gewesen sein." Vielleicht dürfen wir uns diese Art der Darstellung ähnlich der auf den tabulae Iliacae vorstellen. Diese Gemälde fallen nun um 174 und 146 v. Chr., Demetrios lebte um die Mitte des zweiten Jahrhunderts in Rom. Damit gewinnen wir eine zeitlich bestimmte, anscheinend wieder speziell römische Art der Malerei, die aber nicht mit der Land- schaftsmalerei zu identifizieren, sondern als eine besondere Gattung anzusehen ist. Ob sie bei der Entstehung der Prospekt- malerei im zweiten Dekorationsstile irgendwelchen Einfluß ge- habt hat, ist eine nicht von vornherein abzuweisende, aber un- kontrollierbare ^Möglichkeit.
Bevor ich auf die übrigen in Rom erhaltenen Wandgemälde zweitens Stils eingehe, möchte ich die Figuren, die wir in den Odysseelandschaften finden, kurz besprechen. Zweierlei unterscheidet sie von den Figuren griechischer Tafelbilder, die Art, wie sie im Räume verteilt sind, und die Art, wie die ein- zelnen Gestalten stehen oder sich bewegen. Die griechischen Prinzipien, die Figuren in einem reliefmäßigen Nebeneinander zu komponieren, die Bewegungen möglichst parallel der Bild- fläche geschehen zu lassen und die Körper in der Bildfläche
^) Künstlergesch. II. S. 280.
2) Untersuch. S. 289 f.
3) Liv. XLI, 28 und Plin. X. H. XXXV. 23.
II. Römische Wandbilder. 29
auszubreiten, sind aufgegeben; zwanglos sind die Figuren durch die ganze Weite des Raumes verteilt, die Bewegungen der meisten gehen schräg nach vorn oder in die Tiefe, fast alle sind stark verkürzt. Dafür bietet ein besonders glänzendes Beispiel die Gestalt des liegenden Tityos,i) die auf einem griechischen Tafel- bilde ganz undenkbar wäre. Die einzelnen Figuren zeigen meist außerordentlich schlanke Proportionen und sind auf das lebhafteste bewegt; an diesen Bewegungen scheinen alle Glieder, Kopf, Rumpf, Arme und Beine, Anteil zu haben; besonders auf- fallend sind die Übertreibungen in den Drehungen des Körpers und den Bewegungen der Extremitäten, die manchmal bis an die Karikatur streifen. Selbst die stehenden Figuren scheinen in größter Unruhe; eigentümhch sind die Standmotive, z. B. des Hirten am linken Rande des zweiten Laestr3'gonenbildes. (Abb. 3)2) Das Knie des Spielbeins ist dem anderen genähert, der Fuß zur Seite gesetzt, so daß ein Winkel zwischen Ober- und Unterschenkel entsteht; die Arme sind stark bewegt. In der Zeichnung ist es eigentümlich, daß die Gelenke sehr dünn, die Partien zwischen ihnen bei den hohen Proportionen immer noch unverhältnismäßig schlank, aber doch sehr viel runder gebildet werden, sodaß eine lebhafte Bewegung auch in den Konturen eintritt. Diese Unruhe der Umgrenzungen, die Härte, mit der sich die Linien der einzelnen stark bewegten Teile schneiden, geben den ganzen Figuren etwas Unsicheres; man hat die Empfindung, als könnten sie jeden Augenblick umfallen. Um es kurz zu sagen, es fehlt ihnen alles, was die Griechen unter Rhythmus und Symmetrie verstanden. Durch diese wesent- liche stilistische Verschiedenheit ist es ausgeschlossen, daß die Figuren einer griechischen Vorlage entstammen; sie sind, wie die Landschaften, in denen sie stehen, Eigentum des römischen Künstlers. Eine Ausnahme bilden nur zum Teil die weibhchen Figuren; bei ihnen mochte schon die Darstellung des Gewandes es dem Künstler nahe legen, griechische Vorlagen heranzuziehen. Es fragt sich nun, ob dieser besondere Figurenstil das Eigen-
1) Nogara, T. XXV, XXVI, Woermann, T. \'II.
2) Nogara, T. XV, XVI, Woermann, T. II.
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II. RömihclK- WanilbiMt-T.
tum dieses einen .Meisters ist, oder ob er als eine allgemein römische (Gattung anzusehen ist.
In I'(>ni])eji befinden sich in einem Zimmer der so- genannten casa degli epigramnii fünf (iemälde zweiten Stils, unter denen auf dem Inhalt bezügliche griechische Kjjigramme stehen, so^) vSo, 6oi (Abb. 4), 197, 241, 242, 381. Dem Inhalte ent- s])recliend ist der Raum hier enger, die Figuren sind größer als auf den Odysseelandschaften, aber die Art der räunüichen Vertiefung und die freie Verteilung der Figuren ist genau die gleiche. Ferner können wir die im Hinter- grunde dargestellten Postamente mit Götterbildern und den Rundtempel auf dem Bilde vSo. 242 aus der Prospektmalerei her- leiten; lud und fana werden bei Vitruv und Plinius unter ihren Motiven genannt, und der Tempel, vor dem sich der Kampf zwischen Pan und Eros abspielt, ist eng ver- wandt mit dem auf der bei Mau T. VIT, b abgebildeten Wand, die doch wahrscheinlich als Prospekt aufzufassen ist.-) Daraus er- gibt sich, daß diese Bilder nicht Kopien der griechischen Originale sind, auf die sich die Epigramme bezogen, sondern römische Illustrationen jener Epigramme. Dasselbe ist aus inhaltlichen Gründen, wenigstens für eins der Bilder, den Ringkampf zwischen Pan und Eros, von O. Bie^) erschlossen worden; eine Relief schale in Berlin kann uns eine Vorstellung von dem Originale geben, zu dem das Epigramm gehörte. — Von den Figuren des pompejanischen Bildes geht die der Aphrodite, wie manche von den weiblichen Figuren der Odysseelandschaften, auf ein griechisches Original zurück (der Stab in ihrer Hand ist, wie O. Bie meint, römische Hin-
Abb. 3. Hirteder Odysseeland- schaften. Nach Nogara
1) M. d. I. X, T. 35 und 36, Mau, Pompeji T. XI.
2) Rom. Mitt. 1903, S. 123 (Petersen) vmd S. 258 (Mau).
3) Jahrb. d. Inst. IV, 1889, S. 129 if.
II. Römische Wandbilder.
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Abb. 4, Homer und die Fischer. Nach Mon. d. Inst
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II. Ki)iiiis(lif Wandbilder.
zuiü\:,nn^}, die anderen stimmen sämtlicli mit denen der Odysseelandschaften so eng üherein, daü wir die Ähnlichkeiten bis in die einzelnen Bewegungen und Linien \erfolgen können. Man vergleiche z. B. den vorderen Knaben auf dem Bilde vSo. 6ol mit den iMguren des Antilochos mid seiner (Genossen auf dem ersten Laestrygonenbilde^) und die stehenden Figuren So. 197 mit dem oben erwähnten Hirten auf dem zweiten Ivaestrygonen- bilde. Die gleichen Standprinzipien, Bewegungen, Konturen.
Dieses Auftreten desselben Figurenstils auf zwei völlig von- einander unabhängigen, gleichzeitigen ^Monumenten lehrt uns, daß wir es hier nicht mit einer zufälligen Einzelerscheinung zu tun haben, und da beide ]\Ionumente römische Schöpfungen sind, dürfen wir auch die durchaus ungriechischen Figuren als römisch bezeichnen. Daß der Stoff dieser Bilder griechisch ist, kann für die Beurteilung der folgenden Monumente von Wert sein.
Wir finden genau die gleichen Figuren auf dem dekorativen Friese der rechten Ala des Hauses der Livia auf dem Palatin und auf den dekorativen Landschaften, die in dem schwarzen Zimmer der Casa Tiberina mit gelber Farbe flüchtig auf dem schwarzen Grunde gemalt sind.^) Diese Skizzen setzen die Existenz einer Landschaftsmalerei wie die der Odysseeland- schaften voraus, und wir müßten sie allein deshalb für römische Erfindung halten. Diese Annahme wird nun durch die stilistische Übereinstimmung der Figuren bestätigt. Der äg>'ptische Cha- rakter mancher landschaftlicher ]\Iotive kann sie ebensowenig widerlegen, wäe bei den Od^'sseelandschaften und den Bildern der Casa degli epigrammi die griechische Fabel, und erklärt sich eben aus dem großen Interesse, das man damals in Rom für Ägypten besaß.*) Infolgedessen ist es nicht nur unmöglich, den Triumph-
1) T. XIV, XXVII, Woermami T. I.
■-) Heibig, Führer 11 24, M. d. I. XI. T. 44.
*) Studniczka. Tropaemii Traiaiii, S. 65, Amii. 144. Aus den ägyptischen ^Motiven der stadtröniischen und pompe janischen Land- schaften Schlüsse auf ihre Herkunft zu ziehen, geht deshalb nicht an, weil sie auf den Prospektbilderu und den großen Wandbildern zweiten bis vierten Stils fehlen und sich nur auf dekorativen, die eigenthchen Prospekte voraussetzenden Malereien oder imierhalb der Dekoration be-
II. Römische Wandbilder. ^^
bogen, dessen Darstellung wir auf einer dieser Landschaften finden, aus Alexandria herzuleiten, sondern er kann geradezu als ein weiterer Beweis für den römischen Ursprung dieser Malereien gelten.^)
In demselben schwarzen Zimmer der Casa Tiberina be- findet sich der berühmte Fries mit Gerichtsdarstellungen ;2) seine Figuren stimmen mit denen der hier zusammengestellten Monu- mente durchaus überein. x\hnliche Figuren finden wir endlich neben solchen, die griechischen Vorlagen nachgebildet sind, auf den im Thermenmuseum befindlichen Wandgemälden eines Kolumbariums mit Darstellungen aus der römischen Sage.^)
Alle diese Gemälde entstammen derselben Zeit und zeigen den gleichen Figurenstil, alle sind Wandgemälde, zum Teil de- korativ, ohne mythologischen Inhalt. Es wäre verlockend, darin den Einfluß eines bedeutenden Künstlers zu sehen, und dann
findlichen Bildchen finden. Aus diesem Verhältnis geht hervor, daß sie auch zeitHch sekundär sind. Über den römischen Charakter der dargestellten Landschaft auf diesen Bildern, einem Teil der StuckreHefs des Farnesinahauses imd verwandten pompe janischen Gemälden vgl. CoUignon, Rev. de l'art anc. et mod. 1897, IL P- 209. S. auch Woermann u. Weltmann, Gesch. d. Malerei I, S. 132.
1) Löwy, Festschrift f. O. Hirschfeld, S. 418 ff., Studniczka a. a. O. S. 65, Anm. 144.
2) M. d. I. XI, T. 44 — 48. Heibig, Führer 1124, zu der dort ge- nannten Literatur Robert, Hermes XXXVI, S. 364 ff. Mag der Roman, den der Fries illustriert, griechisch oder römisch sein, jeden- falls zeigt der Figiirenstil, daß die Erfindxuig der Illustrationen römisch ist. Man vergleiche, welche großen stihstischen Unterschiede szenische Darstellungen zeigen, die auf griechische Originale zurück- gehen, z. B. M. d. I. XL T. 30 — 32. Dagegen lassen die Terenz- Illustra- tionen durch den Schleier der späteren Umbildimg, namenthch der Zeichmmg, hindurch erkennen, daß ihnen derselbe Figurenstil zugrunde hegt; übereinstimmend ist auch die Anordnung der Figirren, die An- deutung der örtüchkeit durch Türen usw. — Der Fries läßt sich in Gruppen zerlegen, die den einzelnen Bildern der Terenz-IUustrationen entsprechen. Es wäre also niöghch, daß er auf eine gleichzeitige, römische illustrierte Buchausgabe zurückgeht.
3) Heibig, Führer 1 163 — 1 165 a. 'S!, d. I. X, T. 60 imd 60 a.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. 3
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II. Römische WaiKlhilder.
könnte nur vStiidius dafür in Betracht koninieu. Die lite- rarische übedieferunj^ würde vorzüj^lich dazu stimmen.
(ii])t es Vorstufen zu diesem vStile? Eine gewisse Verwandt- schaft könnte man in den auf dem EsquiHn entdeckten Wand- gemälden finden, die dem ICnde des dritten Jahrhunderts an- gehören mögen. ^) Die Figuren sind dort der Zeit entsprechend relief mäßig angeordnet, obwohl sich damit an einigen Stellen ein der griechischen Art fremdes Aufbauen in die Tiefe ver- bindet, aber die Art, wie sie stehen, wie sich die Kniee einander nähern, die Füße voneinander entfernen, wie die Konturen des Körpers von den Armen durchschnitten w-erden, zeigt eine wenn auch allgemeine Ähnlichkeit. Die Qualität dieser ]\Ialerei ist zu gering, als daß sich sichere kunstgeschichtliche Folgerungen daran anschließen ließen, aber sie ergibt doch immerhin die Möglichkeit der Annahme, daß die Wandmaler der Augusteischen Zeit, insbesondere Studius, eine Tradition vorfanden, von der aus sie ihren eignen Figurenstil bilden konnten.
Jedenfalls schloß sich eine lange Tradition an diesen Figuren- stil an. Wir finden ihn vom zweiten bis zum vierten Stil auf allen pompe janischen Bildern, deren Inhalt römisch ist, dem von Heibig so genannten ,, campanischen Genre". 2) Daß der Unterschied dieser Figuren 'von den griechischen nicht etwa auf der schlechteren Qualität beruht, ein Gedanke, der einem bei der üblichen, meist auch berechtigten Geringschätzung dieser Gattung leicht kommen kann, das beweist jede Vergleichung mit den vielen ebenso schlechten, oder noch viel geringeren Kopien griechischer Gemälde, die uns auf pompejanischen
1) Heibig, Führer I *, S. 420, 2 1 . Bull, della conim. archeol. connnunale XVII (1889), T. XI, XII p. 340—350 (C. L. Visconti). Der Vermutung Gamurrinis (Rom. IVIitt. II, 1887, S. 233, i) xind Viscontis, daß die Bilder dem berühmten Fabius Pictor zuzuschreiben seien, hat Huelsen (Rom. IMitt. VI, 1891, S. in) ^\•idersprochen, der sie für jünger hält.
2) Man vergleiche z. B. So. 604, das den Streit der Pompejarier mit den Bewohnern von Nuceria darstellt, mit den Landschaften aus dem schwarzen Zimmer der Casa Tiberina.
II. Römische Wandbilder.
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Wänden erhalten sind. Ihre Figuren sind von denen dieser römischen Bilder durchaus abweichend. Wenn wir diese römi- schen Figuren mit wenigen Ausnahmen nur in dieser untergeord- neten Gattung finden, so lehrt uns das, daß diese spezifisch römische Art in den folgenden Dekorationsstilen zu der Rolle einer Unterströmung verurteilt wurde, ein Schicksal, das so vieles Römische gegenüber den Einflüssen der griechischen Kultur traf. Daß diese Verdrängung stattfand, erklärt sich daraus, daß die griechischen Figuren künstlerisch hoch über den römi- schen standen. Zu einer Vergleichung und Wahl zwischen beiden Gattungen mußte es aber kommen, als die Dekorations- malerei gezwungen war, sich mit der Tafelmalerei auseinander- zusetzen, und dies geschah von dem Augenblick an, wo die panoramaartigen Prospekte zu Bildern wurden.
Wir haben oben gesehen, daß die Gemälde der casa degli epigrammi sich dadurch von den Odysseelandschaften unter- schieden, daß die Figuren zur Hauptsache geworden waren. Es ist dies die erste Stufe, die auf die von Vitruv beschriebene Entwicklung der Wandmalerei folgt. Solange die mytholo- gischen Figuren nur als Staffage der Landschaft dienten, konnte der Schein eines Ausblicks in die Landschaft durch eine gemalte Architektur hindurch aufrecht erhalten werden, wie es in den vatikanischen Landschaften geschehen ist; sobald aus dem Parergon das Wesentliche geworden war, mußte diese Fiktion aufgegeben w^erden, und aus dem Prospekt wurde ein auf die Wand gemaltes Bild. In dieser Form treten uns denn auch, wie ]\Iau nachgewiesen hat, die meisten der uns erhaltenen Ge- mälde zweiten Stils entgegen.
Es ist selbstverständlich, daß in dem Momente, wo die Fiktion eines Prospekts aufgegeben wurde, auch die Fiktion eines Fensters oder einer Säulenreihe, durch die man hindurch- blickt, fallen gelassen werden mußte. An deren Stelle trat der von Mau sogenannte ,, Bildträger". i) Es ist charakteristisch,
^) Auf die Frage, ob durch die hier angenommene Entwicklung der Bilder das Problem des Wesens xmd der Entstehimg des ,, Bild- trägers" berührt mrd, kann ich hier nicht eingehen. Vgl. Eug. Petersen,
36
n. Römische Wandbilder.
daß die Umrahmung dieser neuen und eigentümlichen Bild- gattung absolut von der der griechischen Tafelbilder abweicht, mögen sie nun als auf dem Gesims aufgestellt oder als in die Wand eingelassen gedacht sein. Aber selbst wo die Art der Umrahmung die Möglichkeit nahe legt, daß das Bild als auf eine Tafel gemalt gedacht ist, wie in der stanza degli epigrammi, ist es in praktischem Interesse jedenfalls richtiger, die Be- zeichnung Tafelbild bei dieser Gattung zu vermeiden. Denn ihrem Ursprünge und ihrem Wesen nach hat diese Malerei mit der vorhergehenden Tafelmalerei nichts gemeinsam, und wenn sie einmal auf einer Tafel erscheint, so ist das etw^as ganz vSekun- däres. Deshalb ist es besser, die Besonderheit dieser Gattung auch durch den Namen auszudrücken und ihre Bilder, wie es schon Robert^) getan hat, als Wandbilder zu bezeichnen.
Ich wende mich jetzt zu den übrigen in Rom erhaltenen Wandbildern zweiten Stils. Da kommt, wie bei den Kopien griechischer Tafelbilder, zunächst wieder das Tablinum des Hauses der Livia in Betracht. Auf der Schmalwand befindet sich das jetzt fast ganz verblichene Gemälde mit Polyphem und Galathea,-) das in der räumlichen Weite und der freien Verteilung der Figuren mit den Odysseelandschaften wett- eifert und damit deutlich seinen Ursprung kundgibt, obgleich es selbst nicht mehr als Prospekt aufzufassen ist. Die Figuren sind im Verhältnis zum Räume größer geworden, und damit nimmt das Gemälde eine Mittelstellung ein zwischen der Land- schaft mit Staffage und dem Figurenbilde.
Ein ganz anderes Gepräge trägt das Bild der Langwand, das Jo von Argos bewacht darstellt, ^) während Hermes heran- schleicht, sie zu befreien. Das Bild geht, wie andere in Pompeji
Ära Pacis Augustae, S. 148 ff., :Mau. Wandscliirm luid Bildträger (Rom. Mitt. 1902, S. 179 — 231), Petersen, Antike Architekturmalerei (Rom. Mitt. 1903, S. 87 — 140), Mau, Tafelbild oder Prospekt? (Rom. Mitt. 1903, S. 222 ff.).
1) Robert, 19. Hall. Winckeliuamisprogr. Votivgemälde eines Apobaten, S. 6 und 7.
2) M. d. I. XI, T. 23.
3) M. d. I. XI, T. 22.
II. Römische Wandbilder.
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erhaltene Exemplare beweisen, in der Hauptsache auf ein grie- chisches Tafelgemälde zurück. Über die Frage, wie das Original ausgesehen hat, siehe unten Kap. IX; hier will ich nur seine Stellung als Wandbild untersuchen. Von den anderen Bildern dieser Gattung unterscheidet es die geringe Tiefe des Raumes, der mit Felsen eng geschlossen ist (wie die Fläche zwischen Hermes und dem linken Bildrande ausgefüllt war, läßt sich nicht mit Sicherheit erkemien) und der engen Bühne griechischer Tafelbilder ent- spricht; manches aber spricht dagegen, in dem Gemälde eine treue Kopie eines griechischen Tafelbildes zu sehen. Zunächst die äußere Form, die ganz der des anderen Bildes des Tablinums entsprechend gebildet ist und der dieser Gattung eigentümlichen Form des Bildträgers ihre Entstehung verdankt. Ein hohes Format konnte in der griechischen Tafelmalerei nur bei ganz wenigen, eng aneinander gedrängten Figuren entstehen; niemals konnte dem Himmel ein so großer Teil der Bildfläche eingeräumt werden. Die von ]\Iau betonte Verschiedenheit der Farben- gebung zwischen diesem Bilde und den Straßenprospekten an den Seiten derselben Wand ist, wie Petersen dagegen mit Recht bemerkt hat, nicht von wesentlicher Bedeutung, und der aller- dings nicht wegzuleugnende Unterschied erklärt sich daraus, daß das Mittelbild gegenüber den Prospekten eben eine vorgeschrit- tene Stufe repräsentiert; beide schließen sich im Vergleich zu der völlig abweichenden Farbengebung, die die im gleichen Zimmer befindlichen Kopien griechischer Tafelbilder aufweisen, zu einer Einheit zusammen. Nicht so wesentlich wie Format und Farbengebung, aber doch bemerkenswert, sind einige Eigentümlichkeiten der Disposition. Die Figuren von Jo und Argos sind schräger gestellt, als es auf den uns erhaltenen Kopien griechischer Tafelbilder üblich ist; ungewöhnlich ist auch die starke perspektivische Verkleinerung des Hermes. Ferner bilden Jo und Argos eine nach Linien und Massen äußerst fein abgewogene Gruppe, zu der die Gestalt des Hermes in kein be- friedigendes Verhältnis gebracht ist. Endlich spielt der Pfeiler mit dem Götterbilde eine ziemlich unglückliche Rolle, da er weder eine Mitte bezeichnet, noch in Zusammenhang mit der Figurengruppe gebracht ist, sondern im Gegenteil die Konturen
38
IJ. Köiiiisclie Wandbilder.
der Jo sehr unschön durchschneidet. Auch räunüich ist er undenkbar, wenn man sich von ihm, dem Felsen und den Figuren den Grundriß vorstellt. Die starke Empfindung dieser Härten mag zum Teil durch die von demselben Original abhängigen pompejanischen Bilder x'eranlaßt sein, aber zusammen mit dem, was über Form und Farbe des Bildes gesagt ist, scheint sich doch daraus zu ergeben, daß gegenüber der Gesamtheit des Bildes das Übernommene nur von sekundärer Bedeutung ist.
Ganz eng mit den Prospekten hängt das Bild im ,,Trikli- nium' des palatinischen Hauses zusammen,^) auf dem keinerlei Staffage angebracht ist; es entspricht den lud, nemora des Studius.
Flüchtiger gemalt, aber sonst ganz ähnlich sind zwei Mittel- bilder von Wänden der Casa Tiberina^), nur daß bei ihnen Figuren hinzugefügt sind.
Dagegen stehen zwei andere Wandbilder desselben Hauses, die ,, Opferszene" und die ,, Pflege des kleinen Dionysos durch die Nymphen"^) den Bildern aus dem Tablinum des Hauses der Livia nahe. Ihre Figuren sind noch größer im Verhältnis zur Bildfläche, aber der Raum ist bei weitem nicht so eng, me auf dem Jobilde, und die Figuren sind frei und ungezwungen darin verteilt. Nirgends tritt der gewaltige Unterschied von der griechischen Malerei in Form, Farbe und Komposition uns so handgreiflich entgegen, wie auf diesen Wänden, wo wieder die Kopien hellenistischer Tafelbilder dicht über den Wand- bildern gemalt sind. Und doch ist hier schon der Raum durch Mauern, Tor und Gebäude verhältnismäßig eng begrenzt und dadurch der Tafelmalerei angenähert.
In dieser Annäherung zeigt sich der Einfluß der griechischen Tafelmalerei, der in dem Moment zu wirken beginnt, wo die Prospekte zu Bildern geworden waren; nocli mehr aber zeigt er sich darin, daß alle diese Bilder, im Gegensatz zu den vorher betrachteten, nicht mehr römische Figuren zeigen, sondern
1) Mau. Geschichte, T. IX, Rom. Mitt. 1902, vS. 213, Fig. 11".
2) M. d. I. XII, T. 23 und 24.
3) M. d. I. XII, T. 6, I. M. d. I. XII, T. 18 und 20.
B
II. Römische Wandbilder. 29
solche, die griechischen Vorlagen entnommen sind. Danach würde der aus Vitruv und Plinius erschlossene Entwicklungs- gang (s. oben S. 24) der Wandmalerei schematisch folgender- maßen zu ergänzen sein: [ I. Prospekte. A< II. Prospekte mit Staffage.
[ III. Prospekte mit mythologischer Staffage, IV. Wandbilder mit römischen Figuren in Landschaft (stanza degli epigrammi). V. Wandbilder mit griechischen Figuren in Land- schaft (Polyphem und Galathea). VI. Wandbilder mit griechischen Figuren in engerem Raum (Casa Tiberina).
Natürlich beansprucht diese Entwicklungsskizze nicht mehr Geltung als jedes Schema. Die wirkliche Entwicklung wird viel weniger systematisch vor sich gegangen sein, wird Sprünge und Kombinationen aufgewiesen haben. Vor allem lehren uns die pompejanischen Bilder, daß die einzelnen Gattungen dieser Reihe nicht von den folgenden abgelöst wurden, sondern neben ihnen weiter bestanden.
Bevor ich mich zu diesen wende, muß ich noch zwei Bilder der Casa Tiberina kurz berühren, die dieselbe Stelle in der Wand einnehmen wie die anderen Wandbilder, aber einen ganz anderen Charakter tragen. Es sind keine Gemälde, sondern vielmehr far- bige Zeichnungen auf weißem Grunde.^) Das eine stellt Aphrodite, Peitho und Eros dar.^) Die Art der Zeichnung weicht ganz von der der bisher betrachteten römischen Bilder ab und findet, wie Heibig bemerkt, in der graziösen und zierlichen Charakte- ristik Analogien in der attischen Kunst der perikleischen Zeit. Daher glaube ich nicht, daß dies Bild eine römische Zeichnung nach einem griechischen Kultbilde ist, wie Petersen und Robert meinen,^) sondern daß es auf ein griechisches Gemälde des
1) Ann. d. Inst. 1884, S. 319 (Mau).
2) M. d. I. XII, T. 21, Heibig, Führer 1131.
3) Petersen, Rom. Mitt. 1892, S. 60. Robert, 19. Hall. Winkelmanns- progr. S. 7, Anm. 17.
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II. Riiinisilie WaiulbiUltr.
fünften JahrhiuuKrts zurücksteht, ^) das dann seinerseits von einer gleichzeitigen Kultgruppe abhängen mag. Daß eine solche Kopie in der Mitte der Wand ihren Tlatz finden konnte, erklärt sich erstens aus ihrem eigentündiclien Charakter, der den Ein- druck der Wiedergabe eines plastischen Werkes macht, sodann aus der Bildmäßigkeit der sonst an dieser vStelle befindlichen Wandbilder
Das andere dieser Bilder^) hat den Versuch einer räumlichen Gestaltung an sich erfahren. Die beiden weiblichen Figuren sind absolut reliefmäßig gezeichnet, und die übrige Fläche ist weiß gelassen, scheint also auf räumliche Illusion zu verzichten. Trotzdem scheint der weiter unten gemalte Rehbock darauf hinzuweisen, daß man die Fläche unter den Figuren als Raum vor ihnen aufzufassen habe, und daß somit die Figuren in einer gewissen räumlichen Entfernung zu denken seien. Da nun aber die Figuren in reliefmäßiger Weise auf die Bildfläche übertragen sind, scheinen alle ihre vorderen Punkte und damit auch die Grundlinie, auf der sie stehen, in dieser Fläche zu liegen. W^enn man daher den Versuch macht, einen räumlichen Zusammenhang zwischen den Figuren und der unteren Bildfläche zu sehen, so erscheint entweder diese nach unten, oder die Figurengruppe nach hinten umgeklappt. Dieser Zwiespalt ist von Bedeutung, da wir ihm später auf Bildern dritten Stils wieder begegnen werden.
1) Mau, Ann. d. Inst. 1885, S. 311.
2) M. d. I. XII, T. 6, 2, Heibig, Führer 1142.
III.
Pompejanische Wandbilder zweiten Stils.
Von den in Pompeji erhaltenen Wandbildern zweiten Stils haben wir bereits die in der stanza degli epigrammi kennen gelernt, bei denen nicht nur der Raum, sondern auch der Figurenstil römisch ist. Wie in Rom, finden wir nun aber auch in Pompeji Bilder mit Figuren, die griechischen Vorlagen entnommen sind, wie die vier berühmten Gemälde aus der casa del citarista, H. 152, 323, 566, 1401.
Über das Bild H. 323 (Guida 1307), das Ares und Aphrodite, den schlafenden Alektryon und eine vierte Figur darstellt, die als zweiter Wächter, Gingron oder Helios gedeutet ist,i) kann ich mich nach Winters ausführlicher Behandlung kurz fassen. 2) Daß die landschaftliche Szenerie, die ja ein Produkt der Pro- spektmalerei ist, von dem römischen Kopisten hinzugefügt worden ist, hat auch Winter angenommen. Dagegen kann ich nicht mit ihm in den Figuren die Wiedergabe einer einheitlichen Komposition des vierten Jahrhunderts sehen. Nicht nur wiegen der unglaublichen Härten und Unausgeglichenheiten, die diese Komposition aufweisen würde — man achte auf die Dissonanz
1) Heibig, Rhein. Mus. 1869, S. 520 £f., C. Dilthey, B. d. I. 1869, S. 151, Ann. d. Inst. 1875, S. 15 ff., Winter s. unten S. 102 ff., Robert, Hermes 1902, S. 319 f.
^) Über Vorlagen pompejanischer Wandgemälde, österr. Jahresh. V, 1902, S. 96 ff., Fig. 15.
A2 III- I'oinpejaiiische Wandbilder zweiten Stils.
in der Responsion der Konturen der Aphrodite und des soge- nannten Oingron -, auch nicht wegen der Schwierigkeiten der Interpretation. Sondern die Figurengruppe weicht nicht nur, wie Winter bemerkt, in der Ausfüllung der Fläche, sondern vor allem in dem räumlichen Verhältnis der Figuren zueinander von den bei Winter angeführten Reliefs ab. Und was für die Räumlichkeit der Reliefs gilt, dürfen wir nach dem cjben Gesagten auch von den gleichzeitigen Gemälden erwarten. Die Stellung des schlafenden Wächters zu der Gruppe von Ares und Aprodite findet dort keine Parallele, ebensowenig wie die des Hundes, für die man den Hund auf dem Grabrelief von Thespiae^) ver- gleichen möge. Sie sind durch die römische, eine bestimmte Augen- höhe annehmende Raumdarstellung bedingt. Ob nun das grie- chische Original dieselben Figuren, aber anders komponiert, gehabt hat, oder ob etwa die Figur des Gingron erst von dem römischen Maler hinzugefügt ist, will ich nicht entscheiden; daß die Gestalt des sitzenden Knaben schwerlich eine Zutat des Kopisten ist, hat Winter gezeigt. Vielleicht könnte man sich diese Figur im Originale in die Höhe der anderen Figuren gerückt denken; dann würde sie sehr schön der Gestalt der Aphrodite ent- sprechen.
Das Bild H. 566 (Guida 1308)-) hat eine sehr ähnliche Räum- lichkeit; die Größe der Figuren ist relativ ebenso groß. Wahr- scheinlich sind sie einem hellenistischen Tafelbilde entnommen.
H. 1401 (Guida 1309) zeigt einen schutzflehenden Jüngling vor einem Barbarenkönige. 3) Winter glaubt, daß die Figuren auf ein Original des vierten Jahrhunderts zurückzuführen seien.*) Manches scheint dafür zu sprechen; indessen weist die geringe Güte der Zeichnung, vor allem aber das Schwanken in den Proportionen darauf hin, daß die Kopie mindestens sehr ungenau ist. Das Zelt wäre an und für sich als Hintergrund auf einem Gemälde vom Ende des vierten Jalirhunderts denkbar.
1) a. a. O. 8. 99, Abb. 18, Friederichs- Wolters 1124.
2) Photogr. Sommer 9243.
3) Stein, Arch. Zeit. 1866, S. 121 ff., T. 205.
4) a. a. O. vS. 105.
III. Pompejanisclie Wandbilder zweiten Stils. A'i
aber seine Übereinstimmung mit den dahinter in perspektivischer Verkleinerung sichtbaren Zelten, die sicher dem römischen Künstler zuzuweisen sind, macht es wahrscheinlich, daß es eine Zutat des Kopisten ist.
In demselben Zimmer, wie H. ^2^ und 1401, befand sich das Leda oder Nemesis darstellende Bild H. 152 (Abb. 5, Guidai3io), das uns nicht in eine Landschaft, sondern in eine ganz eigenartige Räumlichkeit, in den Vorhof eines Tempels, führt, von der wir a priori annehmen müssen, daß sie mit der Prospektmalerei zusammenhängt. Ihr Vorbild besitzen wir in der bei Mau, T. VII abgebildeten Wand, auf der wir einen Rundtempel, im Hintergrunde eine Mauer und einen anderen Tempel gemalt sehen. Während aber hier neben dem Tempel einige Figuren als Staffage gemalt sind, ist bei dem Gemälde der casa del citarista durch die mythologische Handlung (fabularum dispositio ) aus dem Prospekt eine megalographia geworden.
Die Figuren sind von Furtwängler und Winter auf ein ziemlich frühes griechisches Tafelgemälde etwa aus dem Anfang des vierten Jahrhunderts zurückgeführt worden,^) wo sie natür- lich jedes Hintergrundes entbehrten. Denn daß sie etwa von dem pompejanischen Maler nach plastischen Vorbildern zusammengestellt seien, worauf der statuarische Charakter und Differenzen zwischen der Hauptfigur und der linken Dienerin hinzuweisen scheinen, ist durch das Fehlen von Analogien und die stilistische Verwandtschaft der Leda-Nemesis mit der Aphro- dite des Parisurteils H. 1286, wo sicher ein Gemälde die Vorlage bildet, ausgeschlossen. Den plastischen Charakter müssen wir für die meisten Gemälde jener Zeit voraussetzen, und der altertüm- liche Eindruck der Dienerin ist vielleicht dem Kopisten zur Last zu legen; sonst würde ich an eine Entlehnung aus einem anderen Tafelbilde denken, wie ja auch die Schale mit den Tauben einem zeitlich verschiedenen malerischen Vorbilde entnommen ist.
Die Mittelfigur steht auf zwei hohen Stufen; seitlich davon
^) Pvirtwängler, Sammlung Sabouroff, Vaseneinl. S. 12, Winter a. O. S. 97.
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III. rompejanische Wandbilder zweiten Stils
Abb. 5. Leda oder Nemesis. Nach Phot. Sommer-Xeapel.
III. Pompejanische Wandbilder zweiten Stils. 45
erscheinen dem hohen Augenpunkte entsprechend in einem höheren Teile der Bildfläche je ein Götterbild auf hoher Basis. Den linken Teil des Hintergrundes schließt eine Mauer, über die ein Berg hervorragt, von dem der Adler eben im Begriff ist sich herabzuschwingen. Den ganzen rechten Teil des Grundes nimmt ein anscheinend dorischer, achtsäuliger, prostyler Tempel ein. Auffallend ist die Tiefe des Pronaos und die enge Säulenstellung der Vorderseite, jenes an etruskische Bauweise erinnernd, dieses davon abweichend. Das Gebälk scheint griechisch zu sein; ob der Tempel als von Stufen umgeben gedacht ist, läßt sich nicht erkennen. Entweder hat der Künstler also aus dem Gedächtnis gemalt, oder es liegt, was bei der Entstehung dieser Bildgattung das WahrscheinHche ist, schon eine von unmittelbarer Anschauung freie Tradition vor. Noch eine Eigen- tümlichkeit ist zu besprechen. Die linke Ante scheint auf einer :Mauer aufzustehen, die zur Ecksäule hinführt, wodurch zunächst der Eindruck hervorgerufen wird, als stände der Tempel auf einem hohen Podium. Die Säule aber ruht nicht auf der Mauer, sondern ist, wie die anderen Säulen auch, weiter herabgeführt; die Mauer ist also zwischen Ante und Ecksäule eingeschoben. Der Künstler hätte, um dies klar zu machen, auch die Ante weiter herabführen müssen. Es fragt sich nun, ob die Zwischen- mauer aus der wirkUchen Architektur übernommen ist, wo wir sie häufig, allerdings nicht an dieser Stelle finden.^) Allein, näher liegt eine andere Erklärung. Wir sehen derartige Zwischen- mauern auf den meisten Wänden zweiten Stils, bald zwischen, bald hinter den Säulen. Der Maler unseres Bildes hatte diese Dekorationen täglich vor Augen, malte sie vielleicht sogar selbst. Was war natürlicher, als daß er dieses übliche :Moti\- auch hier,
1) Z. B. am Tempel F in Selinus tmd am Olympion zu Akragas, vgl. über die Verwandtschaft ihres Aufbaues nüt den pompeja- nischen Wanddekorationen Koldewey und Puchstein, Die griechischen Tempel in Unteritaüen tmd Siziüen. S. 162. Über die Nachahmung des Motivs der Atlanten des Olympions im Tepidarimn der Formiis- thermen zu. Pompeji s. Koldewey und Puchstein S. 158 (H. v. Rhoden, Die Terracotten von Pompeji T. 25), vgl. auch Jahrb. d. Inst. 1905, S. 137, Abb. 21—28 (Pfuhl). Priene S. 191.
40 ^^'- l''J"ip<-jani.sclii.- Wandbilder zweil« ii MiN.
wie SO oft, zwischen Pfeiler und Säule einschob? Daß er den Pfeiler nicht nach inilcn durchfülirte, ist natürlich eine Vergeß- lichkeit.
Die vier besprochenen Bilder sind zweifellos Schöpfungen eines und desselben INIalers. Ivs ist wertvoll, daß sie in der Kom- j)osition mit Bildern aus Rom übereinstimmen; denn sie zeigen uns damit einerseits die Gleichartigkeit der Kunst in Pom- peji und im Zentrum der Kunstentwicklung, andererseits geben sie uns die Berechtigung, die nur in Rom erhaltenen Variationen der Wandbilder zweiten Stils auch für Pom])eii vorauszusetzen.
Eine ganz eigenartige Stellung nehmen dieFiguren dtstj^rande triclinio der Villa in Boscoreale ^) ein. Sie sind offenbar als lebendige, auf dem Sockel stehende Personen gedacht. Engelmann^) hat es für eine der Darstellungen, (T. VII u. VIII), wahrschein- lich gemacht, daß sie auf ein griechisches Gemälde zurückgeht, und vermutlich haben wir das für alle Figuren, also auch für die der Aphrodite, anzunehmen. Auf den Originalen standen die Figuren vermutlich ähnlich wie hier vor einem indifferenten Grunde, aber nicht innerhalb einer Architektur. Es ist ein verwandter Vorgang wie auf den eigentlichen Wandgemälden, wo griechische Figuren in eine römische Landschaft versetzt werden, wenn wir auf dem Mittelfeld der Hauptwand hinter der Figur der Aphrodite eine inhaltlich zu ihr in Beziehung gesetzte Landschaft gemalt sehen, die natürlich nicht als Prospekt gedacht, aber in letzter Linie aus der Prospektmalerei abgeleitet ist. Beide Teile sind räumlich nicht miteinander in Beziehung gebracht, und wir können diese Malereien daher nicht als eigent- liche Wandbilder ansehen und in deren Entwicklung einreihen. Sie können höchstens als Parallele zu den Vorgängen innerhalb der Entwicklung der Wandbilder verwandt werden, und die
^) Barnabei, La villa Pompejana di P. Faiuiio Sinistore. p. 51, Fig. II, T. V — VIII. Petersen, Ära Pacis Augustae, S. 148 ff.. Mau, Rom. Mitt. XVII, 1902, S. 186 ff., Petersen, Rom. INIitt. XVIII, 1903, S. 117 ff.
2) Zeitschr. f. bild. Kunst, 1908, S. 315.
III. Pompejanische Wandbilder zweiten Stils.
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Stellung der Figuren eines griechischen Tafelbildes vor eine Wanddekoration zweiten Stils ist vielleicht maßgebend gewesen für die häufige Wahl architektonischer Hintergründe auf Wand- bÜdern dritten Stils^ die in ihrem ganzen Aufbau und in vielen Einzelheiten in direkter Abhängigkeit von den Wänden zweiten Stils stehen. Allerdings lassen sich die Architekturen jener Bilder nicht allein aus dieser Abhängigkeit erklären, sondern bei ihrer Entstehung waren noch andere Einflüsse von Bedeutung (darüber siehe unten Kap. VII).
IV.
Dritter Stil. Landschaft.
Die IMehrzahl der Wandbilder zweiten Stils unterschied sich durch die Größe und Bedeutung der Figuren von den Odysseelandschaften. Es gibt eine Reihe Bilder dritten Stils, die sich direkt an diese anschließen lassen, aber doch scheint die größere Menge den Landschaftsbildern näher zu stehen. Woraus sich diese Erscheinung erklärt, ob aus der geringen Zahl der zufällig erhaltenen Wandbilder zweiten Stils, aus einer Reaktion gegen eine zu schnell vorschreitende Entwicklung, aus emem nicht direkten Anknüpfen an den zweiten Stil, kann ich nicht entscheiden.
Zunächst lebt das Landschaftsbild in verschiedenen Formen fort. Es ist erfreulich, daß wir für eine neu auftretende Gattung derselben, kleine Bilder mit der Darstellung von Villenanlagen, eine Untersuchung besitzen, die unabhängig von formalen Gesichtspunkten ihren Ursprung erörtert. Rostowzew^) hat erwiesen, daß auf ihnen ,, Italische Wirklichkeit von einem in Italien lebenden Künstler dargestellt" ist. Er war so vorsichtig, sein Resultat auf den von ihm untersuchten Kreis von Dar- stellungen zu beschränken, wir dürfen nach dem oben Aus- geführten die Konsequenz für die ganze Gattung ziehen.
Bisweilen finden wir Darstellungen von Landschaften mit einem Heiligtum als ]\Iittelpunkt und Opfernden als Staffage
^) Jahrb. d. Inst. XIX, 1904, S. 103, Poinpejanische Landschaften und römische Villen. Für andere Bilder vgl. Collignon, Re%*ue de l'art anc. et mod. 1897, II, p. 209.
IV. Dritter Stil. Landschaft. aq
(z. B. So, 684 — 87).!) Sie setzen die von Vitruv und Plinius literarisch überlieferte, im Hause der Livia und in der casa Tiberina in Beispielen erhaltene Gattung fort und erhalten sich bis in den vierten Stil. Eine dekorative Abart dieser Gat- tung ist es, wenn wir Darstellungen des heiligen Baumes mit opfernden Figuren auch ohne landschaftlichen Hintergrund auf weißem Grunde gemalt sehen.
Besonders charakteristisch für den dritten Stil sind die großen Landschaftsbilder mit m5rthologischer Staffage, die in engstem Zusammenhange mit den Odysseelandschaften stehen, aber gemäß der im Verlauf des zweiten Stils erfolgten Ent- wicklung nicht mehr als Prospekte, sondern als Bilder auftreten. Als Beispiel nenne ich das Bild H. 252a,^) das den Frevel und die Bestrafung des Aktaion darstellt. Der Augenpunkt ist ebenso hoch genommen wie bei den Odysseelandschaften, die landschaft- lichen Motive sind die gleichen, die Figuren sind in derselben freien Weise im Räume verteilt. Dagegen sind die Vorlagen offenbar griechischen Bildern entlehnt, und das Format ist ein anderes. Diese Veränderung erklärt sich daraus, daß die Bilder hier eine andere Stelle der Wand einnehmen. Die Odyssee- landschaften geben sich als Prospekt durch eine Pfeilerreihe, diese Bilder dagegen sind in der meist von dem gemalten Pavillon eingerahmten Mitte der Wand angebracht, und diese Stellung ergibt, wie bei den Bildern zweiten Stils, das hohe Format.
Noch höher als bei dem eben erwähnten Bilde ist das Format bei vier Bildern eines Hauses der fünften Region, die in den Römischen Mitteilungen V. 1890, s. 263 ff. von Mau be- sprochen und abgebildet sind (no. 5 — 8).^) 6 stimmt nicht nur in der Landschaft mit den Odysseebildern überein, sondern zeigt auch „römische Figuren", die besonders denen der stanza degli epigrammi nahe stehen. Von 8 werde ich später handeln (s. Kap. VI), die Figuren auf 5 und 7 sind teils den römischen ähnlich,
1) Mau, Geschichte S. 321 £E., Pompeji S. 469.
2) Heibig, Atlas T. VIII, Wickhoff, Wiener Genesis, S. 80. Auf die kontimiierHche Darstellung kann ich nicht eingehen. Auch sie läßt sich bei diesen Bildern aus den Odysseelandschaften herleiten.
^) S. auch Mau, Pompeji, S. 470 ff., Kg. 275 und 276.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. 4
50
I\'. Drillt-r Stil. Landschaft.
teils scheinen sie griechischen Ursprungs zu sein. Der Raum ist meist so komponiert, daß er im Mittelgrunde durch Fels oder Mauer seitlich geschlossen erscheint.
Von der Art, wie Figuren eines griechischen Tafelbildes in eine r()mische Landschaft gemalt wurden, hat uns G, Loeschcke*) in glänzender Weise ein Beispiel nachgewiesen in dem Bilde H. 1182. Es ist dies besonders wichtig, weil er nicht von dem pompejanischen Gemälde, sondern von dem griechischen Originale der Figuren, das jeder räumlichen Geschlossenheit entbehrte, ausging und, ohne allgemeine Prinzipien vorauszusetzen, die Ge- schichte der FigurcngTuppe rekonstruierte. Während sich aber in diesem Falle das Verhältnis der Figuren des Originals nur in- sofern veränderte, als die Gestalt der Athena ein wenig nach vorn gerückt w^urde, konnte es natürlich auch geschehen, daß der Zusammenliang ganz gelöst, und die Figuren frei im Räume verteilt wurden, wie es bei einigen der vorher genannten Land- schaften geschehen ist,
Ähnhch Hegt der Fall bei dem Bilde H, 1283b, 2) das in einer Landschaft das Urteil des Paris darstellt. Zur Linken steht Paris auf einem Felsen, neben ihm steht Hermes, der mit aus- gestrecktem Arm auf die Göttinnen weist. Diese befinden sich weit im Hintergrunde und sind der Entfernung entsprechend kleiner gebildet. Daraus ergibt sich nun aber gegenständlich, daß Paris die Göttinnen gar nicht sehen kann, und der zeigende Arm des Hermes an ihnen vorbei weist. Auch wenn es uns nicht andere Repliken derselben Darstellung lehrten, könnten wir daraus folgern, daß im Original eine Ebene alle fünf Figuren enthielt. Der Maler dieses Bildes hat die Gruppe des Originals in zwei Teile zerlegt, von denen jeder die ursprüngliche Anordnung beibe- halten hat, aber die hintere Gruppe perspektivisch verkleinert.
Für die Unabhängigkeit des Raumes von den FigTiren ist noch das Verhältrus zweier Bilder zueinander interessant. Auf dem Bilde So. 523 3) sehen -«ir oben Daidalos durch die Luft fliegen,
^) G. Loeschcke, Die Enthauptung der Meduse, Bonn 1894.
2) Heibig, Atlas, T. XVI.
3) Arch. Zeit. XXXV, 1877, T. i, S. i (Robert).
IV. Dritter Stil. Ivandschaft. 5I
unten klagen die Nymphen um den toten Ikaros. Noch mehr als auf den bisher betrachteten Bildern ist seitUch der Raum geschlossen; vorne aber ist ein ziemlich weiter Raum ohne Figuren gelassen, es folgt eine Schicht, die die Nymphen und den Leichnam des Ikaros enthält, dann öffnet sich zwischen zwei Felsen ein weiter Ausblick,
Ganz ähnUch ist das Bild So. 524 (Guida 1353) ^), das dieselben Figuren enthält mit Ausnahme der rechts auf einem Felsen sitzen- den Nymphe ; die Differenzen sind für den Gesamteindruck gering- wertig, aber doch sehr beachtenswert. Zunächst ist der freie Blick ins Weite sehr beschränkt worden, indem sich die Felsen des Mittelgrundes einander nähern, und nahe Berge den Horizont schließen, dann aber ist die ganze Bildfläche im Verhältnis zu den Figuren kleiner geworden; der freie Raum vor den Figuren ist schmaler, die Fläche des Himmels geringer, die Hegende Gestalt des Ikaros ist näher an die Nymphen herangerückt. Dasselbe Verhältnis wie zwischen diesen Bildern besteht zwischen So. 531 und So. 532 und wahrscheinlich noch öfter. Mit der größeren Rolle, die damit die Figuren spielen, führen diese Bilder von den Land- schaften mit Staffage hinüber zu den Figurenbildern, denen wir uns jetzt zuwenden wollen.
Wenn wir diese Bilder als Gheder einer Bntwicklungsreihe betrachten, so ist damit über das zeitliche Verhältrus der einzelnen Bilder zueinander nicht geurteilt. Wir vermögen die Zeit der einzelnen Bilder meist nicht zu bestimmen; aber auch wenn das möglich wäre, hätten wir wahrscheinlich damit nicht viel ge- wonnen. Denn wir dürfen in Pompeji nicht eine direkte Ent- wicklung voraussetzen, sondern die sprungweise Übernahme von Errungenschaften, die in den Zentren der künstlerischen Ent- wicklung gewonnen wurden. Somit müssen wir uns mit der Konstatierung der Entwicklungstendenzen begnügen. Diese Ten- denzen gewinnen wir dadurch, daß wir die Reihe zusammen- hängender Bilder, die zunächst nur ein Nebeneinander bedeutet, mit dem sicher Früheren, d. h. hier der Landschaftsmalerei zweiten Stils, und dem sicher Späteren, d. h. den Figurenbildern
1) Zeichnung beim römischen Institut.
4*
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IV. Dritter Stil. Landschaft.
des vierten Stils, verbinden. Diese Anknüpfung gibt uns die Berechtigung, das Nebeneinander auch als ein zeitliches Nach- einander zu betrachten.
Mit der Räumlichkeit des Bildes mit Daidalos und Ikaros, So. 524, nah verwandt ist die des Dirke-Bildes H. 1151^) (Abb. 6 Guida 1297), die mit die anmutigste Landschaft zeigt, che uns in der pompe janischen Malerei erhalten ist, und die selbst in der Abbildung bei Rochette, dessen glatte Nachbildungen uns sonst so unerträglich sind, gut wiedergegeben ist. Zwischen einem Felsen, der den Mittelpunkt links begrenzt, und einer romantischen Felspartie zur Rechten öffnet sich der Blick auf einen Wiesen- grund, dem ein lichter Wald folgt, zwischen dessen vSchatten die Sonne spielt. Das Ganze ist in den vornehmen, zurückhaltenden Farben des dritten Stils gemalt. Im Vordergrunde sind die Fi- guren verteilt, und zwar in zwei Ebenen, von denen die vordere Zethos, Antiope, den Stier und Dirke, die weiter zurück gelegene Amphion und den alten Hirten umfaßt. So römisch die Raum- darstellung ist, so ganz griechisch ist der Stil der Figuren.-) Beide Gruppen sind inlialtlich so eng miteinander verbunden und stimmen stilistisch so überein, daß sie demselben Original ent- nommen sein müssen. Nun können aber in dem griechischen Original die Figuren nicht in zwei ganz verschiedenen Ebenen verteilt gewesen sein. Wenn wir nun sehen, daß die hinteren Figuren die gleichen ]\Iaße zeigen wie die vorderen — der pompe- janische Maler hat sich nicht die 'Muhe gegeben, sie perspektivisch zu verkleinern — , wenn wir an das Verfahren bei dem Parisurteil H. 1283 b denken, so scheint sich die Lösung zu ergeben, daß in dem Original eine Raumschicht beide Figurengruppen umfaßt hat; der Stier mit Dirke nahm dann die Mitte zwischen zwei Gruppen von je zwei Figuren ein. Damit gewinnen wir eine Komposition, die auffallend der des Iphigeniebildes aus der casa del poeta tragico, H. 1304, ähnelt, das sicher die Kopie eines Tafelbildes ist;
1) Rochette, 23. Rühl, Rom. Mitt. III, 1888, S. 237f. Bulle, Rom. :Mitt. VIII, 1893. S. 246. Fr. Studniczka, Zeitschrift f. bildende Ktmst 1903, S. 171 ff.
2) Vgl. auch K. Dilthey, Arch. Zeit. XXXVI, 1878, S. 48-
IV. Dritter Stil. Landschaft,
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in der Mitte eine stark bewegte Gruppe, dann auf jeder Seite eine Zäsur und wie Pfeiler die seitlichen Figuren, hier statt je einer zwei eng miteinander verbundene. Auch Formen, Zeichnung und
Abb. 6. Bestrafung der Dirke. Nach Raoul-Rochette. choix de peint.
Farben stimmen überein. Mit dieser Rekonstruktion schwände auch die getadelte Gleichgültigkeit des Amphion und des Pädagogen; dem mitleidigen Blicke der Antiope entspräche der des Amphion,
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IV. Dritter Stil. I.and.schaft.
während diese Figuren durch den Wechsel von Vorder- und Rückansicht zuj^lcich in kontrastierender Beziehung ständen.
Wir müßten das Original wohl in die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts weisen. Bedenken erweckt dabei die räumliche Tiefe, die der Stier und Dirke hervorbringen. Allerdings waren Schräg-, ja Querstelhingen damals beliebt, aber hier ist das Motiv verdoppelt, und noch Ijcdenklicher ist die starke Ober- ansicht der Gruppe, die einen hohen Augenpunkt voraussetzt. Nun hat Bulle in Rom ein j)lastischesWerk entdeckt, das die Gruppe von Stier und Dirke in ganz entsprechender Weise wiedergibt und mit unserem Bilde in irgendwelchem Zusammenhange stehen muß. Daß die bildliche Darstellung nicht von der plastischen abhängig sein kann, ergibt sich daraus, daß sich alle Figuren des Bildes auf ein einheitliches Original zurückführen lassen, dessen Formen wohl plastisch gewirkt haben, aber mit der Plastik nichts zu tun haben. Da nun auch ein umgekehrter direkter Zusammen- hang ausgeschlossen ist, muß die Marmorgruppe von derselben malerischen Vorlage abhängen wie das Bild, und damit gewinnen wir in ihr neues Material zur Rekonstruktion des Originals. Sie zeigt nun eine sehr viel geringere räumliche Tiefe. Der Körper des Tieres steht quer, nur der Kopf ist nach vorne gebogen; Dirke ist höher gehoben, ihr Leib parallel dem Stier und an ihn gelehnt. So liegen beide Körper in einer einzigen und klaren Raumschicht. Daß diese andere Gruppierung nicht eine Anpassung an die plastische Form ist, geht aus der ganz übereinstimmenden Zu- sammenstellung von Menschen- und Tierkörper auf pompejani- schen, sicher von malerischen Vorlagen abhängenden Gemälden hervor, z. B. H. 124 ff. Europa auf dem Stier, H. ißigif. Thetis, von Triton getragen. Somit dürfen war die Mittelgruppe des beiden Werken zugrunde liegenden Tafelbildes nach dem plas- tischen Werke rekonstruieren.
An dieses Bild kann man H. 1146 (Abb. 7, Guida 1295), Herakles und Nessos, anschließen, das von den vier mir bekannten Bildern, die dieselbe Komposition zeigen,^) das beste Exemplar
1) H. 1146 (Guida 1295), So. 501, 502 (Guida 1294), B. d. I. 1883, p. 203.
IV, Dritter Stil, Landschaft.
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ist. Der Raum dehnt sich nicht ebenso weit in die Tiefe aus, es fehlt der weite AusbHck in der Mitte, die von der Seite aus-
Abb. 7. Herakles und Nessos. Nach Phot. Sommer-Neapel,
gehenden Begrenzungen schließen den Raum fast ganz. Die Fläche ist kleiner im Verhältnis zu den Figuren. Diese sind wieder
56 IV. Dritter Stil. Landschaft.
in zwei Gruppen geteilt, die einander jedoch nicht parallel sind, sondern, wenn man ihre Grundlinien fortsetzt, einen spitzen Winkel miteinander bilden, wie auf dem vorhergehenden Bilde innerhalb der vorderen Gruppe die Figuren des Stieres und der Dirke. Eigentümlich ist der Gegensatz zwischen der Güte der einzelnen Figuren und den Härten der Komposition. Rechts große Lücken, links ein Drängen und Zusammenschieben der Figuren, sodaß die Hände der Deianeira, die den Hyllos tragen, verdeckt werden; nur mühsam können wir mit Hilfe der Inter- pretation aus Kopf und Beinen den Knaben rekonstruieren.
Dürfen wir diese Dissonanz dem Meister zutrauen, der die Figuren erfand, oder entsteht sie aus dem Zusammensetzen inkongruenter Teile?
Wenn wir die Gruppe des Herakles und Nessos genauer betrachten, so fällt bei Nessos die starke Vorderansicht des Ober- körpers im Verhältnis zu seiner schrägen Stellung im Raum auf; Herakles steht so schräg, daß er umzufallen droht. Verbinden wir dagegen den auf dem Boden ruhenden Fuß des Herakles durch eine lyinie mit dem vorderen Knie und Hinterfuß des Kentauren und denken uns diese Linie als Grundlinie, so stehen beide Figuren richtig — die des Herakles weicht unbedeutend von der Senkrechten ab — , und es entsteht eine Komposition, die genau der auf griechischen Tafelbildern üblichen entspricht : zwei relief- mäßig und parallel der Bildfläche angeordnete Figuren. Diese Figuren übernahm der pompejanische Maler, suchte aber ihre Reliefmäßigkeit zu vermeiden und sie frei im Räume zu ver- teilen. Den Eindruck der räumlichen Schrägstellung glaubte er dadurch erreichen zu können, daß er die Figuren schräg in die Bildfiäche malte.
Bei der außerordentlichen Sorgfalt, mit der die Figuren gemalt sind, dürfen wir die Frage wagen, welcher Zeit das Original angehören mag. Six^) glaubte den Herakles mit dem „Hercules aversus" des Apelles in Verbindmig bringen zu können, macht aber selbst darauf aufmerksam, daß das Motiv der Rückansicht nicht von Apelles erfunden sei. Bei Poh'gnot war es ja besonders
1) Jahrb. d. Inst. XX, 1905, S. 169.
IV. Dritter Stil. lyandschaft.
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beliebt. Inhalt und Motiv führen sofort darauf^ unsere Figuren mit dem Neapler Kentaurenbilde i) zusammenzubringen. Die Übereinstimmung ist so groß, daß man geneigt sein möchte, mehr als eine ungefähre Gleichzeitigkeit des Originals anzunehmen. Man vergleiche die Stellung des Kentauren, die Art, wie die Hinterbeine auf dem Boden aufstehen, wie das rechte Vorderbein gebogen ist, die Verkürzung des rechten Armes, vor allem aber die Konturen des menschlichen Körpers. Man ist beinahe versucht, die Bilder für Gegenstücke zu halten. Jedenfalls aber kann man wohl unsere Figuren demselben Kunst- kreise, dem des Zeuxis, zuweisen.
Das vermutliche Original wird durch die Figuren des Herakles und des Nessos aber nicht vollständig wiedergegeben. Es fehlt rechts die dem Herakles entsprechende Figur, die Deianeira gewesen sein muß. Aber nicht die Deianeira unseres Bildes. Wir müssen dort eine einzelne, dem Herakles in der Größe ent- sprechende Figur voraussetzen; diese Deianeira aber bildet mit dem Wagen, auf dem sie steht, und dem Gespann eine Gruppe für sich, die sich mit den beiden anderen Figuren nicht vereinigen läßt. 2) Dazu kommt, daß Wagen und Gespann in ihrer Schräg- stellung so stark in die Tiefe gehen, wie wir es auf einem grie- chischen Tafelgemälde, besonders jener frühen Zeit, nicht an- nehmen können, und daß ihre perspektivische Zeichnung eine, wenn auch nur gefühlsmäßig bestimmte, gewisse Höhe des Augen- punktes voraussetzt. Damit ist die Abhängigkeit dieser Gruppe nicht nur von demselben, sondern überhaupt von einem griechi- schen Tafelgemälde ausgeschlossen. Dennoch scheint die Schön- heit der Gruppe, die imposante Würde der Deianeira, die Eleganz der Rosse auf ein hervorragendes Original hinzuweisen.
^) C. Robert, 22. Hall. Winckelmannsprogr.
^) Herr Professor Robert macht mich auf eine inhaltliche Un- gereimtheit der Darstellmig aufmerksam. Der Wagen ist bei dieser Scene absurd. ISIit ihm kann Deianeira ohne Hülfe des Kentauren den Fluß passieren, oder, wenn dies als nicht möghch gedacht sein sollte, müßten Herakles und Deianeira den Wagen im Stich lassen. Auch dies spricht für die nicht originale Darstellxmg imseres Bildes.
58 IV. Dritter Stil. I.ancl.schaft.
Für Deianeira scheint sich (.in stilistisch verwandtes Werk zu finden, die auf mehreren Bildern vierten vStils erhaltene, wahrscheinlich auf Tinioniachos zurückj.;ehende Medea,^) Die einzelnen Re])liken sind verschieden, stimmen aber in den wesent- lichen stilistischen Eigentümlichkeiten überein. Die Verwandt- schaft mit der Deianeira ist um so bemerkenswerter, weil es sich bei der Vergleichung um gute Bilder aus verschiedenen vStilen handelt.
Die Ähnlichkeit beruht zunächst auf dem festen, ruhigen Stand; nur der Oberkörper zeigt eine leise Drehung, der Kopf ist leicht zur Seite gewandt. Bei H. 1262 entspricht auch die Armhaltung der der Deianeira, aber H. 1264 scheint das Original treuer wiederzugeben. Die Kontur des Gesichts, die großen, tiefliegenden Augen, die Umrahmung der Stirn durch die Haare, die lange, schmale Nase, der weiche Mund stimmen überein. Besonders charakteristisch ist aber die Behandlung des Gewandes. An Hals und Brust liegt es eng am Körper an und ist durch unregelmäßige Falten belebt; das ganze übrige, hängende Gewand dagegen ist in verschiedene Teile gegliedert, von denen jeder aus einem System paralleler, runder Falten besteht. So bei der Medea der horizontal umgelegte IVIantel, darunter der Bausch, dann das bis an die Erde reichende Gewand, das vom Arm herab- hängende Stück, bei der Deianeira der horizontale Teil über dem linken Arm, die darunter schräg herablaufenden Falten des Mantels, die dann im Winkel nach unten umbiegen.
Endlich stimmen die Gesamtkonturen über ein. Wenn wir nun die gleichen stilistischen Eigentümlichkeiten bei einer anderen gleichfalls auf Timomachos zurückgeführten Figur finden, der Iphigenie auf dem Bilde aus der casa del citarista (H. 1333) (s. Kap. Vni), so ist es doch verlockend, die Gestalt der Deianeira gleich- falls dem Timomachos oder seinem Kreise, mindestens aber seiner Zeit zuzuschreiben. Ob sie dort die gleiche Bedeutung gehabt hat, lasse ich dahingestellt.
Wie verhält sich dazu Gespann und Wagen? Wir finden beide in ganz ähnlicher Weise auf einem Monumente der Augu-
1) H. 1262 — 64, Heibig, Untersuchungen, S. 146.
IV. Dritter Stil. Landschaft. ^q
steischen Zeit wieder^ auf der in Wien befindlichen Gemma Augustea.i) Links ist Tiberius vom Wagen herabsteigend dar- gestellt. Übereinstimmend ist es, wie seine Gestalt auf dem Wagen steht, die Form des Wagens, die schräge Stellung der Pferde, die Art, wie der Wagen von dem Hinterteil des rechten Pferdes überschnitten wird, wie die Pferde die Köpfe zueinander neigen. Abweichend ist der Stil der Figur des Tiberius, die Hinzu- fügung eines Wagenlenkers, die Zahl der Pferde, vier, von denen aber nur drei sichtbar sind. 2) Die Ähnlichkeiten sind so groß, daß \^dr einen Zusammenhang annehmen müssen, aber eine direkte Abhängigkeit des einen Monuments von dem anderen ist ausgeschlossen. Wenn wir nun aus diesen Quellen das gemeinsame Original rekonstruieren wollen, so müssen wir ihm die Vierzahl der Pferde — denn sie erklärt das Überschneiden des Wagens — und die Gestalt der Deianeira zuweisen; denn der Stil des Tiberius stimmt mit dem der anderen Figuren der Gemme überein, ist also Stil des Dioskurides.
So zeigt uns die Vergleichung mit der Gemme erstens, daß Deianeira mit dem Wagen zusammenzunehmen ist, und sodann gibt sie einen weiteren Anhaltspunkt dafür, in Timomachos den Meister des Originals zu vermuten. Seinen Einfluß dürfen wir in einem Werk der Augusteischen Zeit am ehesten annehmen. Nun ist Timomachos aber, wenn wir sein yevog bestimmen wollen, der griechischen Tafelmalerei zuzurechnen. Verträgt sich damit das über die räumliche Tiefe und die perspektivische Ansicht der Gruppe Gesagte?
Als axfiri des Künstlers ist allerdings die Zeit des Diktators Caesar überliefert.^) Aber in dieser Zeit Hegen die An- fänge der Prospektmalerei, und es beginnt die römische Raum- darstellung und die durch sie hervorgerufene freie Verteilung der Figuren ihre RoUe zu spielen. Daß Timomachos sie nicht übernommen hat, werden uns seine anderen Bilder lehren, aber
^) A. Ftirtwängler, Die antiken Genunen, T. LVI.
2) Furtwängler, Erläuterungen, S. 257.
3) Die Literatiu: über Timomachos s. bei Klein, Gesch. d. griech. Kvmst III, S. 297, Amn. 2.
60 I^'. I>ritUT Stil. Landschaft.
sehr möglich ist es, daß er von ilir gelernt hat. I )af,) das Gemälde, aus dem unsere (irupi)e entnomiiu-u ist, densel))eii Mythos be- handelte, ist nieht wahrschcinlieh.
Aus der Zuteiluni; der iM^urcn an verschiedene Originale ergibt sich folgendes: aus einem rJunischen Raum und Figuren verschiedener Vorlagen hat der ixjmpejanische Maler — oder seine Vorlage — ein neues Gemälde komponiert.
Bevor ich auf die anderen Exemplare dersell)en Darstelhmg eingehe, möchte ich zwei andere Kom])ositionen dieser anreihen. Das Meleagerbild H. 1165 (Abb. 8, Guida 1299) stammt aus dem- selben Zimmer wie das eben besprochene. Den Hintergrund bildet links .auch hier eine Mauer, die aber nicht wie dort durch ihre Schrägstellung den Blick in die Tiefe führt, sondern der Bildfläche parallel verläuft. Wo sie in einem Pfeiler endet, wird sie von Felsen, über die Bäume emporragen, abgelöst. So entsteht eine der Bildfläche parallele Begrenzung des Raumes, ähnlich wie auf griechischen Tafelbildern, nur daß die Beschaffenheit dieser Begrenzung ein Produkt der Landschaftsmalerei ist, und daß der von ihr begrenzte Raum ungleich tiefer ist. Die Figuren sind auch hier in zwei Raumschichten verteilt, in der vorderen links Atalante und Meleager, in der hinteren rechts die als Oheime des Meleager gedeuteten Jünglinge. Also das Prinzip ähnlich wie auf dem Dirkebilde H. 1151, die hinteren Figuren sind jedoch kleiner gezeichnet (s. oben S. 50. H. 1283b). Sehr bemerkenswert gegenüber den bisher betrachteten Bildern ist folgender Unter- schied: w'ährend dort der Boden, über den die Figuren verteilt sind, sichtbar ist, sind hier die Intervalle z\\ischen den Figuren ausgefüllt mit dem Sitz des Meleager, dem Kopf des Ebers und dem Felsen, auf dem die Oheime sitzen. Somit wird der Raum gleichsam aus raumfüllenden Gegenständen aufgebaut. Welches mag der Grund dieser Art der Darstellung gewesen sein ? \'ielleicht eine gewisse Zaghaftigkeit des Künstlers gegenüber seiner Auf- gabe, vielleicht der Einfluß eines griechischen Kompositions- prinzips, der Flächenfüllung nach Art der ,, Alexanderschlacht" oder des Telephosfrieses. Indessen ist hier vor den Figuren noch ein ziemHch tiefer Raum freigelassen worden, sodaß sich für das ganze Bild eine Dreiteilung, in den freien Vordergrund, den
IV. Dritter Stil. Landschaft. 6l
den Figuren überlassenen Mittelgrund und den begrenzenden Hintergrund ergibt. Wir werden sehen, daß die Kompositions- weise des Mittelgrundes im vierten Stil eine große Rolle spielt.
Abb. 8. Meleager und Atalante. Nach Phot. Sommer-Neapel.
Bei diesem und dem Nessosbilde ist die Augenhöhe ungefähr die gleiche; sehr viel höher ist sie auf dem Bilde H. 1137 (Guida 1359) ^)j ^^.s den trunkenen Herakles bei Omphale darstellt. Die
1) Rom. Mitt. XVII. 1902, S. 224, Fig. 14.
02 IV- Dritter vStil. Landschaft.
Figuren sind hier üljcr drei Gründe verteilt; im vordersten liegt Herakles, im zweiten steht der Altar, auf dem und neben dem die Eroten spielen, im letzten sitzt Omphale, neben ihr stehen zwei Dienerinnen. Diese Dreiteilung ist also ganz verschieden von der des Meleagerbildes und wohl auch nicht beabsichtigt; Vorder- imd IVIittelgrund gehen ineinander über. Hier ist auch der Raum zwischen den Figuren nicht ausgefüllt, sondern wir können den ganzen Boden übersehen. Während aber im Hinter- grunde links die Figuren der Omphale und ihrer Dienerinnen den Raum schließen, hat der Künstler vergessen, uns über den Verlauf oder die Begrenzung des Raumes auf der rechten Seite aufzuklären, und einfach dort den Boden nicht weitergeführt. So entstellt dort eine Lücke, die die Regellosigkeit der Kom- position noch erhöht. Vielleicht erklärt sie sich daraus, daß der IMaler ihre einzelnen Bestandteile aus einem griechischen Tafelbilde übernahm, wo sie eines räumlichen Zusammenhanges entbehrten, und der weiße Grund die von den Figuren lücht ein- genommene Fläche ausfüllte. Die drei weiblichen Figuren stehen relief mäßig nebeneinander, sämtliche Gestalten tragen griechischen Charakter, die mit den Waffen des Herakles spielenden Eroten erinnern 1) an ihre Genossen auf dem Bilde des Aetion, So ist römisch an diesem Bilde wieder nur der Raum und die Kom- position.
Ein zweites Exemplar derselben Darstellung, H. 11382), enthält im wesentlichen dieselben Bestandteile; es fehlen die Begleiterinnen der Omphale, die Eroten weichen im einzelnen ab. Eine wesentliche Abweichung zeigt dagegen die Anordnung, indem der Altar weiter nach hinten gerückt ist und in derselben Raumschicht wie Omphale steht. Das zeigt, wie die pompe ja- nischen Maler mit den Bestandteilen ihrer griechischen \'orlagen wie mit Mosaiksteinchen operieren, die sie in dem seinem Prinzip nach gleichbleibendem Raum bald so, bald so verteilen.
Diesen Charakter haben die Bilder H. 1151, 1146, 1165, 1137, 1138 miteinander gemein. Von dem Nessosbüde existieren nun
1) Vgl, d. Tonlampe, Bull. Nap. III, 1854, T. 2. p, 12 (]Minervini).
2) Rochette, 19,
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noch mehrere Exemplare, die in der Darstellung des Raumes und in der Verteilung der Figuren mit dem oben besprochenen im allgemeinen übereinstimmen, im einzelnen aber nicht sehr auffallende, aber wichtige Abweichungen zeigen. Wir müssen uns klar machen, wie wir uns den Zusammenhang dieser Bilder untereinander zu denken haben. Zunächst ist natürlich die An- nahme naheliegend, daß alle auf ein gemeinsames Original zurück- gehen. Nun haben wir aber gesehen, daß das Bild aus Bestand- teilen verschiedener Tafelbilder, von denen das eine einer wenig älteren Epoche angehört, zusammengesetzt ist. So bliebe nur die Möglichkeit übrig, daß das Original ein gleichzeitiges Tafelbild wäre. Das hieße aber erstens die Kausahtät unnötig hinaus- schieben, andererseits läßt es sich nicht beweisen, daß die Tafel- malerei sich völHg der Wandmalerei angepaßt habe. Eine gewisse Annäherung ist ja wahrscheinlich,^) aber das einzige, was wir über die Tafelmalerei der Zeit wissen, ist, daß sie eine sterbende Kunst war (vgl. unten Kap. IX). Somit ist ein Einfluß der gleich- zeitigen Tafelbilder auf die Wandmalerei mindestens sehr un- wahrscheinlich.
Andererseits ist das Bild H. 1146 relativ so gut gemalt, daß wir seinem Verfertiger auch die Erfindung der durchaus nicht glänzenden Komposition zutrauen dürfen. Die anderen Exemplare dagegen stehen, obwohl auch sie zu der Zahl der besseren Gemälde gehören, an Güte weit hinter diesem zurück. Besonders wichtig scheint mir ein Letztes. Bei dem Bilde H. 1146 sind die Nähte zwischen den verschiedenen Bestandteilen so deutlich, daß wir das Bild mühelos in sie auflösen können; bei den anderen dagegen sind sie verwischt. Dann müßte H. 1146 eine absolut exakte Kopie des Originals sein, die anderen Bilder nicht, während wir doch, wenn alle Bilder nur Kopien wären, denselben Charakter bei ihnen erwarten müßten. Daher glaube ich annehmen zu können, daß H. 1146 das Original für die anderen ist. Wir dürfen voraussetzen, daß die tüchtigeren Maler Gehilfen und Schüler beschäftigten. Vielleicht gelingt es einmal, die Tätig- keit verschiedener Werkstätten in Pompeji und Herkulaneum
*) Robert, Votivgemälde eines Apobaten, S. 6 f.
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nachzuweisen; diese Untersuchunj^ müßte allerdings von den malerischen Eigentümlichkeiten der Wandbilder ausgehen.
Das Bild B. d. I. 1883, p. 203 (Abb. 9) ist nicht so gut erhalten, besonders im oberen Teil, sodaß der räumliche Abschluß sich nicht erkennen läßt; es ist tingeschickt, aber sorgfältig gemalt. Das Format ist höher, die (iröiße der I'iguren im Verhältnis zur Fläche ungefähr gleich. Die Abweichungen bestehen in der Stellung der Figuren. Die Gruppe des Herakles und Xessos stellt auch hier schräg, aber in entgegengesetztem vSinne, sodaß Herakles vorn, Nessos weiter nach hinten steht, und Zusammen- hang und Reliefmäßigkeit der Gruppe ist gelöst dadurch, daß Herakles hier geradestehend gemalt ist. Die Gestalt des Herakles ist die gleiche, aber er ist bartlos, der rechte Arm ist stark zurück- gebogen, beide Füße ruhen mit ganzer vSohle auf dem Boden auf ; beide Abweichungen sind Ungeschickliclikeiten. Der Oberkörper des Kentauren stimmt mit der Vorlage überein, den Pferdeleib dagegen hat der Maler, ungeschickt genug, versucht, entsprechend der Schrägstellung zu verkürzen; außerdem hat er den rechten Arm zu lang, den linken zu kurz gemalt. Endlich ist das räumHche Verhältnis der vorderen zu der hinteren Gruppe verändert; der Wagen ist weiter nach vorn gerückt, sodaß das rechte Rad ganz sichtbar ist und unmittelbar hinter dem Fuß des Nessos aufsteht, das Gesträuch zwischen dem Kentauren und den Pferden ist fortgelassen, die Pferde sind mehr nach vorn und nach rechts gerückt. Auch hier, wie überall, sind die Abweichungen von der Vorlage zugleich Verschlechterungen. Trotzdem ist eines ver- bessert: durch die Annäherung der Gestalten des Herakles und derDeianeira ist die Unmöglichkeit, sich zwischen ihnen unverzerrt den Körper des Hyllos vorzustellen, beseitigt. Wenn wir nun noch den Versuch, den Körper des Kentauren zu verkürzen, und die Geradstellung des Herakles berücksichtigen, so scheint es doch, daß diese Veränderungen nicht zufäUige Abweichungen sind, sondern aus dem bewußten Versuch einer Korrektur des Originals entspringen. Dieser Versuch war insofern nicht angebracht, als der Maler nicht fähig w-ar, ihn gut durchzuführen, aber er hat außer der Korrektur noch eine wichtige Änderung im Gesamt- verhältnis der Figuren zueinander hervorgebracht. Die Tiefe
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Abb. 9. Herakles und Nessos. Nach Zeichnung des Instituts.
Rodenwaldt, Pompe janische Wandgemälde.
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des von ihnen eingenommenen Raumes ist verringert worden, und die Figuren sind in zwei einander parallelen Raumschichten aufgestellt. Durch die Tiefe dieser vSchichten und deren schräge Stelltmg zur Bildfläche sind sie noch grundverschieden von der Komposition griechischer Tafelbilder. Wenn wir aber nun be- denken, daß das Bild später ist als H. 1146, und die Entwicklung der Wandmalerei betrachten, die von der Landschaftsmalerei zu der eben besprochenen Gruppe von Figurenbildern führt, so sind wir berechtigt, dieses Bild als ein weiteres Glied dieser Ent- wicklung zu betrachten, deren Tendenz eine Annäherung und Anpassung an die Kunst der Tafelmalerei ist.
Noch stärker weicht von dem Originale das Bild So. 502 (Abb. IG, Guidä 1294) ab, das aus demselben Zimmer stammt wie So. 79 und So. 196 und, trotzdem es nicht ganz so hoch steht wie jene, doch von demselben Maler gemalt sein Nvird, der auch die anderen Bilder desselben Hauses verfertigte.^)
Die eindrucksvolle Schönheit der Gruppe des Herakles und des Nessos beruht im Originale auf dem engen nervösen Konnex der beiden Figuren, wie Auge in Auge rulit, und wie jede Be- wegung des einen durch die des anderen hervorgerufen und bedingt zu sein scheint. Beide bilden eine Einheit. Diese war selbst auf dem vorhergehenden Bilde noch erhalten, hier ist sie zerrissen, indem die Gestalt des Herakles durch eine andere ersetzt ist. Auch dieser Herakles ist künstlerisch gut, aber mit Nessos ist er nur dadurch verbunden, daß seine Hand — bei einer im Ver- hältnis zu der Güte der übrigen Gestalt ganz verunglückten Ver- kürzung des Arms — auf dem Kopf des Kentauren liegt. Er steht in Vorderansicht und damit, wie der Kentaur, parallel zur Bildfläche, aber nicht in derselben Ebene, sondern weiter zurück. Infolgedessen macht Nessos seine Bew^egungen, die doch dem Herakles die Tiefe des Wassers andeuten sollen, zwecklos in die Luft; Herakles blickt teilnahmslos in die Feme. Damit ist auch der inhaltliche Zusammenhang beider Figuren verzerrt.
Dagegen \^ird infolge der Veränderung der vorderen Gruppe
1) So. 541, 555, 569, 551 vind 627. Letzteres iind So. 502 bei Winter. 55. Berl. Winckelmannsprogr. Anm. 16 vergessen.
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Abb. lo. Herakles und Nessos. Nach Zeichnung des Instituts.
die Gestalt der Deianeira nicht mehr von der des Herakles über- schnitten, sondern sie ist, wo sie nicht der Wagenkorb verdeckt, ganz sichtbar und hält den Knaben Hyllos in den Armen. Wagen
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und Pferde sind noch mehr als auf dem vorhergehenden Bilde nach vorne gerückt und stehen der Bildfläche parallel. Durch diese Veränderungen hat der Maler gewaltsamer, aber glücklicher die Mängel des Originals korrigiert, dessen gute Ausführung er allerdings nicht erreichte. Das Drängen und überschneiden der Figuren auf der linken vSeite des Originals ist einem Neben- einandererscheinen in der Fläche gewichen; dadurch ist auch die Leere der rechten Seite vermindert und durch eine kräftigere Zeichnung und Rundung der Pferdekörper ausgeglichen worden. So ist an die Stelle eines Aggregats verschiedener Bestandteile eine in sich geschlossene Komposition getreten. Allerdings auf Kosten des Inhalts, und dies allein ist Beweis genug, daß wir es hier mit einer abgeleiteten und nicht originalen Komposition zu tun haben.
Die Tiefe der Raumschicht, die die Figuren umfaßt, ist hier noch geringer als bei dem vorigen Bilde, und sie ist der Bildfläche parallel, ebenso wie die einzelnen Bestandteile der Komposition. Damit entfernt sich diese noch mehr von dem Ausgangspunkte und nähert sich den Prinzipien der Tafelmalerei, ohne doch ein Tafelbild zur Vorlage zu haben. Wahrscheinlich hängt das Bild direkt von der Vorlage H. 1146 ab, aber es entfernt sich noch mehr von ihm als das zweite Bild und zwar in derselben Ent- wicklungsrichtung. Wir können also diese Bilder als drei auf- einander folgende Stufen innerhalb des dritten Stils betrachten und gewinnen damit ein gesichertes Einzelbeispiel einer Ent- wicklung, für die wir sonst aus entfernteren Anknüpfungen und allgemeinen Erwägungen nur WahrscheinHchkeit beanspruchen dürfen.
Daß die Fugen zwischen den einzelnen Bestandteilen, aus denen sich das Original zusammensetzt, in den Wiederholungen geschwunden sind, lehrt uns nun, daß wir nicht überall, wo wir solche Fugen nicht erkennen können, für die Figuren ein ein- heitliches griechisches Vorbild annehmen können, selbst dann nicht, wenn sie durch Inhalt oder Komposition eng miteinander verbunden erscheinen. Jedes einzelne Bild muß daraufhin be- sonders untersucht w^erden. Wir dürfen auch nicht, wenn unter zusammengehörigen Figuren eine fremde erscheint, an Ent-
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lehnungen aus der Plastik denken; sondern es wurden auch ein- zelne Figuren aus Tafelgemälden übernommen und in andere Zusammenhänge gebracht.
Bei dem Bilde So. 502 hal^e ich eine Besonderheit noch nicht erwähnt, die mit dem engen Zusammenschieben der Figuren nicht im Einklang zu stehen scheint; die Figurengruppe ist im Ver- hältnis zu dem dargestellten Räume und zur Bildfläche kleiner als auf den anderen Bildern. Diese Abweichung ist nun aber nicht das Produkt irgendwelcher Entwicklung, sondern der Re- sponsion zu den beiden anderen Bildern desselben Zimmers, die beide sehr nahe miteinander verwandt sind, so daß es scheint, als sei das Nessosbild zu jenen hinzugefügt worden und habe nach ihnen seine größere Räumlichkeit empfangen. Diese Bilder sind So. 79 (Abb. 11, Guida 1296), Europa auf dem Stier und So, 196 (Guida 1298), Pan unter den Nymphen.
Der Hintergrund des Europabildes wird von steilen Felsen gebildet, über die Baumwipfel hervorragen; sie schließen sich mit der in der Mitte von ihnen eingeschlossenen Säule zu einer bühnenartigen Begrenzung des Raumes zusammen, deren Prinzip griechisch, deren Elemente römisch sind. Der Stier scheint von links schräg nach vorn zu schreiten; rechts von ihm stehen drei Gefährtinnen der Europa, von denen eine seinen Kopf in die Arme schließt. Der Raum, den diese Figuren einnehmen, ist nicht eben groß; das Gewand des hinten stehenden Mädchens stößt unmittelbar über dem der vorderen auf dem Boden auf; er ist also nicht tiefer, als wie er durch das eigentümliche Stand- motiv des vordersten Mädchens bestimmt ist. So werden die Figuren von einer Raumschicht umschlossen, vor der sich ein breiter, freier Streifen Bodens befindet. Es ist also hier dieselbe Dreiteilung, wie auf dem oben besprochenen Meleagerbilde, nur daß der Mittelgrund hier nur von einer Schicht gegenüber den zwei Plänen jenes Bildes gebildet wird. So erinnert die Reihe der Figuren an ein griechisches Tafelbild. Wir brauchen uns aber hier nicht mit der Wahrscheinlichkeit zu begnügen, sondern können die Herkunft beweisen.
Der Stier scheint schräg nach vorn zu schreiten. Sehen wir ihn uns aber genauer an, so finden wir, daß er durchaus nicht
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IV. Oritler Stil. Landschaft.
schräg im Raum steht. Der Augenpunkt des Bildes scheint ziem- lich hoch zu sein; das Rndc des Bodens^ den wir übersehen können, gibt seine geringste mögliche Höhe an. Wenn der vStier daher schräg stände, so müßte der Standpunkt der Hinterbeine in der
Abb. II. Europa. Nach Phot. Sommer-Neapel.
Fläche höher als der der Vorderbeine erscheinen, und die paral- lelen Linien, die sich an Rücken, Bauch und Verbindungslinie der Füße konstruieren lassen, müßten zusammenlaufen. Man wende nicht dagegen ein, daß die Römer ja die Perspektive nur
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nach dem Gefühle handhabten und ihre Gesetze nicht kannten. Das beweist nur, daß wir niemals eine richtige Perspektive er- warten dürfen, wie wir sie auch niemals finden. Meistens aber verlaufen auf römischen Bildern die verkürzten Linien nach dem Horizonte zu, d. h. bei den tiefer gelegenen Gegenständen schräg nach oben, z, B. an dem Sitz der Nymphe auf dem Pendant dieses Bildes, So. 196. i) Dieses Beispiel zeigt uns auch, daß die Maler nur wußten, daß die Parallelen in der Verkürzung zu- sammenlaufen, nicht die Seite, nach der sie zusammenlaufen. Daher häufig, wie hier, eine umgekehrte Perspektive. Niemals aber gehen sie parallel, wie bei dem Stiere unseres Bildes. Daß der rechte Hinterfuß sogar etwas tiefer steht als der entsprechende Vorderfuß, ist wohl nur eine Ungeschick- lichkeit des Malers; der linke Hinterfuß steht nur wenig höher auf als der rechte, das entspricht der Stellung des hinten stehenden Mädchens. Über die absonderliche Stellung des linken Vorder- fußes s. unten.
Woher kommt nun aber der Bindruck des Vorschreitens? Er kommt daher, daß der Stier schräg von vorne gezeichnet und in der Länge verkürzt ist. Die Verkürzung hat aber nur in der Abscissenachse stattgefunden, und der Körper ist im übrigen ohne Annahme einer bestimmten Augenhöhe in reliefmäßiger Weise auf die Fläche übertragen. Dieser also nicht perspektivisch gezeichnete Stier ist in einen perspektivisch gezeichneten Raum gesetzt worden, und alle Bedenklichkeiten schwinden, wenn wir uns die Figuren aus dem Räume herausnehmen und auf eine weiße Fläche als Grund setzen. Dann entsteht ein Bild, für das wir ein genau entsprechendes Beispiel in dem Marmorbilde des müden Silen besitzen. Der auf diesem Tafelbilde dargestellte Esel ist genau in derselben Weise als schrägstehend gedacht und gezeichnet. Bei beiden ist von der Reliefmäßigkeit nur insofern
1) Bei gelegentlichen Vorläufern perspektivischer Zeichnung in der griechischen Vasenmalerei, die sich innnerzu aus der tmmittelbaren Beobachtxmg ergaben, wird der Gegenstand entweder nach dieser Beob- achtung eingesetzt, oder es wird die Grundlinie der Figuren als Horizont angesehen. Eine siimgemäße Vereinigung beider Verfahren z. B. an der Neapler Perservase und verwandten.
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IV. iJritter vStil. I.aiiflschaft.
abgewichen, als von dem Boden, auf dem die Fij^iiren stehen, eine geringe Aufsicht gegel^en ist, sodaß eine kleine Verkürzung auch in der Ordinatenachse eintritt, die aber das Wesen dieser Art nicht verändert. Diese Art der Zeichnung hat also das PY-hlen einer bestimmten Augenhöhe zur Voraussetzimg. Der Maler unseres Bildes hat es nicht gewagt, diese Zeichnung des Stieres zu verändern, wie es z. B. der Maler des Dirkebildes getan hat, aber eine gewisse Anpassung hat er doch versucht, indem er den linken Vorderfuß des Stieres weit zurücksetzte. Dies ist die einzige Konzession, die er der Räumlichkeit machte, und diese ist ihm gründlich mißlungen, da so das Verhältnis des Beins zum Körper ganz unsinnig ist.
Mit Stellung und Stil des Stieres und der Europa stimmen die drei anderen Figuren überein, sodaß wir wohl annehmen können, daß die ganze Komposition die getreue Wiedergabe eines grie- chischen Originals ist, das derselben Zeit angehören mag, wie der „müde Silen". Das ist um so wichtiger, weil es sich um eins der besten und schönsten Bilder Pompejis handelt, das wir somit nicht nur bis in die einzelnen Feinheiten der Komposition, sondern auch in Linienführung und Formengebung für die Geschichte der griechischen Malerei verwerten können. In der Komposition ist auffallend, wie der Stier, Huropa und das vorderste Mädchen ein Dreieck bilden, dessen Spitze über dem Kopfe der Europa liegt, während die Köpfe der drei IMädchen selbst wieder ein Drei- eck bezeichnen. Es scheint, als habe die Höhe der Dreiecke und die Entfernung der Spitzen von der Mittelachse des Bildes wieder in bestimmten Verhältnissen gestanden. Vielleicht haben wir das Recht, in der dispositio und den mensurae der griechischen Tafelbilder solche Feiiüieiten zu suchen.
Das Gegenstück des Europabildes, So. 196, ist sehr älmlich komponiert. Vorne ein großer freier Raum, dann der Mittelgrund mit den Figuren, endlich der Hintergrund, der aber nicht so wandartig flach ist wie dort, sondern durch das perspektivisch gezeichnete Gebäude links mehr in die Tiefe führt und überhaupt wegen der größeren Rolle, die er bei der geringeren Figurenzahl spielt, mit mehr Liebe ausgeführt ist. Nicht so leicht ist hier die Frage nach dem Original der Figuren. Der griechische Ursprung
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ist zweifellos, und eine älmliche Dissonanz wie auf dem vorigen Bilde finden wir in der Stellung der leierspielenden Frau, die wie auf die Wand aufgemalt erscheint; die Füße müßten weiter vorne aufstehen. Auch hier sind alle Figuren in einer Ebene, aber sie sind nicht durch die Komposition so eng miteinander verbunden wie die Figuren des Europabildes. Dazu kommt, daß der Sitz des Mädchens links der Augenhöhe entsprechend in perspektivischer, allerdings falscher Verkürzung erscheint. Die stilistische Über- einstimmung der Figuren empfiehlt dagegen wieder, ein gemeinsames Original vorauszusetzen. Jedenfalls müssen wir dann annehmen, daß der Künstler die Komposition des ihm vorliegenden Tafelbüdes nicht genau wiedergegeben hat. Daß er nicht nach einem Schema arbeitete, lehren die anderen Bilder, die in demselben Hause von seiner Hand ausgeführt sind.
Mit diesen Bildern zusammenzunehmen ist H. 1205,^) Pasiphae, Daidalos und der Stier. Der Raum ist mit Felsen geschlossen wie auf dem Europabüde, die Hauptfiguren stehen in einer Ebene, vor der sich wieder eine freie Fläche ausdehnt. Weder der Sitz der Pasiphae noch die Stellung des Stieres ist dem Räume entsprechend gebildet, sondernbeide sind unverändert der Vorlage, die also wieder ein griechisches Tafelbild gewesen ist, entnommen.
Diese drei Bilder unterscheiden sich also von der ersten Gruppe dadurch, daß die den griechischen Vorlagen entnommenen Figuren nicht mehr frei im Raum verteilt werden, sondern daß die ganze Komposition übernommen wird. Der Verlust der räumlichen Vertiefung, die die freie Figurenverteilung hervor- gebracht hatte, wird durch die den Figuren vorgelegte Fläche ausgegHchen. Für den dritten Stil ist dieses Prinzip besonders charakteristisch. Ihm gehören noch zwei hervorragende Bilder an, Ares und Aphrodite, H. 325, und die Bestrafung des Eros, H. 826.2)
Auf dem Bilde H. 826 (Abb. 12, Guida 1289) bilden Felsen
^) Zeichnung von Amely beim Institut. 2) H.-Br., Tafel i und 2.
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und Bäume den Hintergrund. Sie füllen aber nicht die ganze Breite aus, sondern lassen zur Linken zwischen sich eine Lücke wie auf dem Dirkebilde H. 1151. Durch diese Lücke sehen wir nun aber nicht in eine entferntere Räumlichkeit und können auch nicht den Verlauf der Felsformen nach hinten verfolgen, sondern erl)licken einfach eine leer gelassene Fläche. Damit ver- lieren auch die Felsen ihre räumliche Form und erscheinen wie Kulissen, die an eine Wand angelehnt sind. Es wäre an sich nicht unmöglich, diese Kulissen schon dem Original der Figuren, die vor ihnen stehen, zuzuschreiben, denn sie entsprächen der Wand der Innenräume und hätten ihrem Wesen nach eine Parallele in dem Archelaosrelief. Andererseits scheint doch die Art der Felsen und Bäume, die z. B. mit denen des Europabildes eng verwandt ist, darauf hinzuweisen, daß auch dieser Hintergrund direkt mit der Landschaftsmalerei zusammenhängt und in seiner Form nur eine weitere Anpassungserscheinung an die Prinzipien der Tafelmalerei bedeutet. Dasselbe lehrt die Betrachtung des Hintergrundes auf dem anderen Bilde H. 325 (Guida 1286), wo Felsen und Bäume wie auf dem Europabilde den ganzen Grund füllen, und wo es schon aus sachlichen Gründen ausgeschlossen scheint, denselben Hintergrmid für das Original anzunehmen. Auf beiden Bildern stehen die Figuren unmittelbar vor diesen Kuhssen und sind genau in eine Raumschicht eingeschlossen. Der griechische Ursprung ist für alle Figuren zweifellos, und das Bild H. 325 bietet sogar ein besonders gutes Beispiel der Inkon- gruenz von Figuren und Raum. Der Thronsessel der Aphrodite steht genau schräg zum Beschauer. Mit seinen reichen Lehnen bietet er eine große Anzahl von Parallelen, die bei einer auch nur ungefähr bestimmten Höhe der Augen nach zwei Fluchtpunkten zusammenlaufen müßten, die ein römischer Maler allerdings vielleicht falsch angenommen hätte. Statt dessen gehen alle Linien in der Fläche parallel, nur die Verbindungslinien der Füße weichen wegen der schmalen Aufsicht des Bodens \'on der Parallelen ab. Diese Zeichnung des Stuhles, der wir meist auf griechischen Vasen begegnen, kann nur in einem raumlosen, reliefmäßigen Bilde entstanden sein und steht hier in einem un- lösbaren Widerspruch zu der Fläche, die sich vor den Figuren
IV. Dritter Stil. Landschaft. 75
ausdehnt. Ebenso reliefmäßig sind nun aber auch die Figuren beider Bilder. Wenn wir daher die Figuren 1)etr achten, so scheinen
Abb. 12. Bestrafung des Eros. Nach Herrmann Bruckmann.
ihre vorderen Punkte und die vordere Begrenzungslinie der schmalen Fläche, auf der sie stehen, in der Bildfläche zu Hegen.
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IV. Dritter Stil. Landschaft.
Damit steht nun aber die Fläche unter den Figuren nicht im Einklang. Denn obwohl sich der Maler nicht die Mühe gegeben hat, sie durch besondere Merkmale als räumlich zu charakteri- sieren, so lehrt doch die Farbe und die Vergkiclmng mit anderen Bildern, daß sie als eine von einem ziemlich hohen Augenpunkte gesehene, vor den Figuren ausgedehnte Fläche zu betrachten ist. So entsteht derselbe Widersi)ruch, den wir schon auf einem Bilde der Casa Tiberina gefunden haben (vgl. S. 40). Denken wir uns die Figuren gerade im Räume stehend, so erscheint die Fläche nach unten umgebogen, denken wir uns die Fläche horizontal, so scheinen die Figuren nach hinten umgeklappt zu sein. Der Winkel, den die Vorderfläche mit der Grundfläche der Figuren zu bilden scheint, würde einen rechten betragen, wenn nicht von dieser Grundfläche eine schmale Aufsicht gegeben wäre. So ist er ein stumpfer und ließe sich berechnen, wenn wir die Tiefe der Figurenschicht kennten.
Die Figuren des Bildes mit der Bestrafung des Eros gehen sicher auf ein einheitliches Original zurück; Stil und Komposition verbinden sie eng miteinander.^) Bei dem anderen Bilde kann diese Frage erst durch eine Vergleichung und Beurteilung des Bildes aus dem Hause des Lucretius Fronto, das dieselbe Gruppe
1) Die den Eros führende Frau hat L. Curtius (Jahrb. d. Inst. XIX, 1904, S. 74) mit einer Hygieia der Sammlung Hope (a. a. O. S. 64, Abb. 6) vergHchen. Die Ähnlichkeit ist schlagend, aber doch scheint die Figur des Bildes sehr viel weicher bewegt zu sein. Wir finden ähn- Hche Gestalten, Bewegtmgen, Konturen auf Vasen der Kertscher Gruppe (Furtw. -Reich. T. 40, 68, 69, 70). deren ganz verschiedene Zeichnung dem Stil der Vasemnalerei zuzuschreiben ist. Man vergleiche stehende Figuren auf T. 40, 68, 70. Auf T. 40 und 69 finden %\dr sitzende Figuren, die im Motiv der Aphrodite unseres Bildes gleichen. Eigentümhch ist die Art, wie das Gewand hinter der Figur auf dem Sitze aufüegt. Man vergleiche die Aphrodite auf T. 69. Besonders übereinstinmiend sind die Bewegungen der Anne und Hände. Man vergleiche den rechten Arm der Aphrodite des Bildes mit dem linken Arm des Zeus auf T. 69, und ihren linken mit dem rechten der Aphrodite auf jener Tafel. Diese Vasenbilder hat Hauser (östr. Jahresh. VI, 1903, S. 94£E.) mit den ReHefs vom Altar des Zeus Soter im Piraeus zusammengestellt, die von dem jüngeren Kephisodot stammen. Auch diese Reliefs zeigen AhnUchkeiten mit der stehenden Figur vmseres Budes, gehören aber deuthch einer
IV. Dritter Stil. Landschaft. 77
von Ares und Aphrodite zeigt, entschieden werden (vgl. Kap. VII). Der fehlende Zusammenhang zwischen der Gruppe und der kauernden Dienerin scheint allerdings darauf hinzuweisen, daß diese einer besonderen Vorlage entnommen ist. Herrmami hat^) auf das Vorkommen dieses Motivs in der Plastik hingewiesen, allein älmliche Motive sind auch in der Malerei^) beliebt gewesen. StiUstisch geht sie mit den Figuren von H. 823 zusammen und ist vielleicht einem anderen Bilde desselben Meisters entnommen.
Der Kontrast zwischen Figuren und Raum, der hier so viel stärker ist als etwa bei dem Europabilde, läßt sich vielleicht aus der Art der Entstehung dieser Bilder erklären. Derselbe Kontrast
späteren Zeit an. Daher scheint niir das Original der Figviren zeitlich zwischen der Hygieia Hope einerseits und den Vasen und Reliefs anderer- seits zu stehen.
Gibt es einen Maler, bei dem wir einen Einfluß auf die attischen Vasenmaler vmd auf Kephisodot erwarten köimen? Man vergleiche die Aphrodite unseres Bildes mit der lo H. 131. Beide scheinen beim ersten Anblick grimdverschieden zu sein. Wenn wir aber bei der lo alles fort- denken, was der Malweise des vierten Stils angehört, so sind die Ähn- hchkeiten außerordentUch groß, imd die Verschiedenheiten scheinen nur auf der verschiedenen malerischen Behandlimg im dritten und vierten Stil, von denen aber allein der dritte das Original sorgfältig wiedergibt, zu beruhen. Man vergleiche das Motiv des Sitzens, die Stellung der Beine, die Bewegtmgen von Körper imd Armen, die Neigimg des Kopfes, die Anordnung des Gewandes, das vom Sitz neben dem Unterschenkel herabhängende Gewandstück, das von der Brust geghttene Untergewand, die Konturen. Die Übereinstiimnungen sind so groß, daß man nicht nur die gleiche Zeit, sondern auch denselben Meister annehmen muß. Nun ist die lo vielleicht auf Nikias zurückzuführen (vgl. imten Kap. IX). Dazu würde der Einfluß auf den Sohn des Praxiteles imd die attischen Vasen vorzüghch passen (Furtwängler, Text, S. 43, dachte für die Vasen an sikyonischen Einfluß). Vasen vmd Gemälde würden dem Meister entsprechen, qui diligentissime mulieres pinxit (Plin. N. H. XXXV, 130, schwerHch mit Arvanitopullos auf Grabstelen zu beziehen, '^ff. 'Ap/. 1908, S. 21). Der plastische Charakter der Figmren imseres Bildes könnte die Überlieferung illustrieren : lumen et umbras custodia atque iit eminerent e tabulis picturae 7naxime curavit (PHn. N. H.XXXV, 131).
1) Text, S. 7.
2) Hileaira auf dem Marmorbilde der Knöchelspielerinnen, 21. Hall. Winckehnannsprogr., die kauernde Dienerin auf dem Telephosfriese (Abb. i), das kniende Mädchen H. 1460.
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IV. Dritter Stil. Landschaft.
lag vor bei dem Bilde der Casa Tiberina, wo er allerdings h)ei der mangelnden Ausfüliriiiig der Räumlichkeit kaum in Erscheinung trat. Mit diesem Bilde kann man ein i)ompejanisches Gemälde mit der Darstellung von Phaidra und Hippolytos*) in Verbindung bringen, das sich auf einer Wand des sogenannten Kandelaber- stils befindet und also zeitlich zwischen dem römischen Bilde und der Bestrafung des Eros steht. Zwischen den beiden Kandelabern sind auf einer weißen Fläche die Figuren so gemalt, daß sie alle in einer Ebene stehen; vStil und Komposition weisen auf ein griechisches Original, Nur eine Säule und ein Baum sind den Figuren hinzugefügt, die übrige Fläche ist weiß gelassen, eine Umrahmung fehlt; damit ist der Charakter als Tafelbild negiert, andererseits geben Säule und Baum einen gewissen An- stoß zu räumlicher Vorstellung. Indem nun die Figuren fast die ganze Breite des Bildes ausfüllen, bleibt es dem Belieben des Beschauers überlassen, sich die Fläche unter den Figuren als Raum vor ihnen vorzustellen, eine Vorstellung, die bei dem Bilde der Casa Tiberina durch den grasenden Rehbock angeregt vnid. So ist in beiden Bildern eine Räumlichkeit potentiell vor- handen, ausgeführt ist sie nicht wegen ihres dekorativen Cha- rakters. Das Wesentliche dieser Komposition ist, daß nicht die Darstellung dieses Raumes, sondern das Kopieren der Figuren das Primäre ist, von dem der Maler ausgeht. Diese Kompositions- weise zeigen nun auch unsere Bilder H. 325 und 823. Während bei allen vorher besprochenen Bildern der Maler zuerst den Raum entw^arf und dann die Figuren mehr oder minder angepaßt in ihn hineinsetzte, hat er hier zuerst die Figuren nach den Vor- lagen, die er hatte, mit großer Sorgfalt kopiert und ihnen dann erst den Hintergrund imd die Vorderfläche hinzugefügt. Dadurch erklärt sich nicht nur die Schroffheit des Kontrastes von Figuren und Raum, sondern auch die UnräumUchkeit des Hintergrundes und die Zusammenhangslosigkeit des vorderen Raumes und des Hintergrundes; beide wurden eben nicht mehr zusammen ent- worfen. Die Vorlage für diese Mahveise bildete natürlich die dreigeteilte Komposition des Europabildes oder eines ihr ähn-
1) Rom. Mitt. V, 1890, S. 260.
IV. Dritter Stil. Landschaft. 7g
liehen. So sehließen sich im Resultat diese Bilder mit jenen zu einer Gruppe zusammen, die für die Folgezeit von nicht minderer Bedeutung war wie die erste, die vor allem durch das Nessosbild und das Meleagerbild repräsentiert wurde.
Diesen Bildern, die durch ihre Güte vor den anderen hervor- ragen, will ich noch einige minder bedeutende hinzufügen, deren Komposition abweichend, aber doch aus der römischen Raum- gestaltung heraus entstanden ist.
H. 249I) stellt die Bestrafung des Aktaion dar. Die äußere Form des Bildes erinnert mit seinem giebelförmigen oberen Abschluß an die Bildformen des zweiten Stils. '^) Vorne ist auch hier ein freier Raum; es folgt die Gestalt des Aktaion, den von drei Seiten die ganz dem Räume entsprechend gezeichneten Hunde angreifen. Hinter ihm ist der Raum mit Felsen und Bäumen geschlossen, mit Ausnahme der linken Seite, wo, halb noch von dem Felsen verdeckt, Artemis her vorstürmt.
Die Komposition hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem lobilde im Tablinum des Hauses der Livia. Besonders ähnlich ist die Art, wie Artemis und Hermes hinter dem Felsen vor- kommen; den Gestalten der lo und des Argos entsprechen Aktaion und die Hunde. Nur ist die Räumlichkeit hier sehr viel freier und weiter, und es nicht wie dort eine ganze Gruppe des Originals kopiert, sondern nur die einzelnen Figuren sind grie- chischen Vorlagen entnommen. Dieser Vergleich lehrt uns, daß diese Räumlichkeit nicht etwa an die eines dem lobilde ähnlichen Gemäldes zweiten Stils anknüpft, sondern beide repräsentieren parallele Entwicklungen ; die Figurenbilder zweiten Stils stellen eine frühere und schnellere Anpassung an das Tafelbild dar, die aber unfruchtbar blieb, indem nicht alle, aber die meisten Bilder dritten Stils an die Landschaftsmalerei des zweiten Stils an- knüpften.
Dilthey und Heibig 2) glaubten in der Gestalt des Aktaion eine gewisse Altertümlichkeit zu spüren. Ich habe diesen Ein-
1) Heibig, Atlas, T. VII.
-) Z. B. im Hause der lyivia auf dem Palatiu und in der casa del citarista.
^) B. d. I. 1869, S. 151, Heibig, Untersuchungen S. 66 und 329.
8o IV, Dritter Stil. I^andschaft.
druck nicht erhalten, aV)er es wäre möj^lich, daß diese Figur auf ein Orij^inal des fünften Jahrhunderts zAirückginge.^) Die Figur der Artemis scheint später zu sein.
Die übrigen Bilder des Zimmers, in dem sich das Aktaion- bild befindet, sind bis auf undeutliche Farbreste verblichen. 2) Sie haben entsprechende äußere Formen und scheinen nach den Resten der grünen Farbe des Bodens auch eine ähnliche Räum- lichkeit gehabt zu haben.
H. 893^) stellt Orpheus, Herakles und die Musen dar. Auch hier dehnt sich vor den Figuren eine breite, freie Fläche aus, die infolge ihrer satten grünen Farbe besonders hervortritt. Dann folgen in einer Ebene der sitzende Herakles und die Gruppe von Euterpe und Thalia, Unmittelbar dahinter steigt der Berg an, der die ganze übrige Bildfläche, soweit sie erhalten ist, ausfüllt, über ihn sind die Figuren des Orpheus und der übrigen Musen verteilt. Sie haben eine gewisse Strenge an sich, die es w^ahi- scheinlich macht, daß die Vorbilder noch dem vierten Jahr- hundert angehören. Keinesfalls aber kann der ganze Berg mit den Figuren so, wie er hier gemalt ist, mit seiner großen räumlichen Vertiefung und der perspektivischen Verkleinerung der oberen Figuren auf ein griechisches Original zurückgehen. Um sich den ganzen Unterschied von einer griechischen Komposition zu ver- gegenwärtigen, vergleiche man das Bild mit dem Relief des Archelaos, das ja auch die Musen auf einem Berge verteilt zeigt. Es ist möglich, daß die Figuren unseres Bildes von einem ähn- lichen griechischen Bilde stammen. Dann hat der jSIaler ihre Größenverhältnisse entsprechend der durchaus römischen Dar- stellung des Raums verändert.
In demselben Hause wie dieses Bild befi.ndet sich H. 1132 b*) die Befreiung der Hesione. Ob es von demselben Maler stammt, kann ich bei der schlechten Erhaltung und der Verschiedenheit der Maße nicht entscheiden. Der Raum ist hier verhältnismäßig
^) Vgl. die :Metope von Seliniint, Benndorf, T. IX. Für die Stellung der Hunde vgl. das rotfigurige Vasenbild :\I. d. I. XI, T. 42.
2) B. d. I. 1867, S. 165 (Kekule).
3) Heibig, Atlas, T. X.
4) Heibig, Atlas T. XIV.
IV. Dritter Stil. Landschaft. 8l
eng, etwa wie auf den Figurenbildem zweiten Stils, mit denen das Bild auch in der Größe übereinstimmt. Die breite Vorder- fläche fehlt, dagegen ist die auf dem Felsen sitzende Hesione, wie die Musen des vorigen Bildes, in starker perspektivischer Verkleinerung gezeichnet. Dadurch entsteht ein scharfer Kontrast zu der riesenhaften Gestalt des Telamon, der doch mit seiner linken Hand ihren rechten Arm hält. Dieser unsinnige Gegensatz ist nur dadurch zu erklären, daß der Maler der räumlichen Ver- tiefung zuliebe die Figur des Originals, die dieselbe Größe hatte wie Telamon, verkleinert hat, genau so, wie es bei dem Musen- bilde geschehen ist. Denkt man sich die Gestalt der Hesione, deren Verhältnis zu der des Telamon ja durch die Haltung der Arme gegeben ist, in entsprechender Größe gezeichnet, so entsteht eine wundervoll harmonische Gruppe. Mit dieser Gruppe ist dann allerdings Herakles ebenso wenig wie auf diesem Bilde in Einklang zu bringen. Er steht teilnahmslos zur Rechten und ist durch keine Handlung und keine psychische Teilnahme mit den beiden anderen Figuren verbunden. Auffallend ist auch, daß er kleiner ist als Telamon, und daß er schräg im Räume steht. Diese Schrägstellung ist wohl ebenso zu erklären wie auf dem Nessosbilde H. 1146 und auf der Darstellung eines Herakles- m3rthus in der casa del Narcisso VI, 16, 15. i) So scheint es, daß er der ursprünglichen Komposition fremd und aus einer anderen Vorlage entnommen ist, ein Verfahren, für das wir schon ver- schiedene Beispiele kennen gelernt haben. Dann aber müssen wir wahrscheinlich das Original nicht als Befreiung der Hesione, sondern als Befreiung der Andromeda durch Perseus deuten.
1) Not. d. scav. 1908, S. 78, Fig. 8.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde.
V.
Architekturen,
Der Zusammenhang der Bilder dritten Stils mit den Pro- spekten und den aus ihnen hervorgegangenen Wandbildern zweiten Stils zeigt sich nun auch in den Darstellungen, die Fi- guren in einem architektonisch gestalteten Räume zeigen.
Einer der oben (S. 21) erwähnten Prospekte im cubiculum der Villa des Fannius in Boscoreale^) stellt eine nach italischer Weise sich am Abhänge eines Hügels aufbauende Stadt dar. Ein Haus ragt über dem anderen, eine Mauer nach der anderen hervor und die Spitze krönt ein prost^der Tempel, 2) So weit mag die Ansicht der Wirklichkeit entsprechen, dann läßt der Maler seiner Phantasie die Zügel schießen; eine ungeheure Mauer verläuft von dem Tempel schräg nach rechts, zwischen ihr und einer niedrigeren Mauer im Vordergrunde erscheinen gewaltige Bäume.
Eine ganz entsprechende Stadtansicht finden wir auf einem Bilde desselben Hauses, aus dem wir schon das Europabild u, a. kennen gelernt haben, So, 627 (Guida 1261),^) Wieder finden wir
1) Bamabei, T. IX, älinlich die beiden Darstellungen auf T. X.
■^) Er zeigt wieder eine Mauer zwischen Ante und Ecksäule.
•') Zum ersten Male veröffentlicht und im Zusanunenhange mit der Replik aus der casa d. Amorini dorati (Not. d. scav. 1906, S. 378, Fig- 4) gedeutet von R. Engelmann, Zeitschr. f. bild. Kunst 1908, S. 312), Die Figuren, die sich in einer Ebene befinden, mit ihrer streng symmetrischen Komposition gehen sicher auf ein griechisches Tafel- gemälde zurück. Der runde Grabbau ist dagegen, wie der ganze Hinter- grmid, ein Zusatz des pompejanischen Malers imd bei der Interpretation des Inhalts mit Vorsicht zu benutzen. Der kauernde Sklave wie die Haltung des Phoinix finden bei Engehnanns Deutmag auf die Abh'olvmg des Neoptolemos von Skyros keine befriedigende Erklärung.
V. Architekturen. gß
die breite Vorderfläclie, dann die die P'iguren einschließende Raumschicht, endhch den Hintergrund. Also genau das Kom- positionsprinzip des Europabildes, nur die Darstellung des Hinter- grundes ist verschieden. Zur Linken sieht man einen runden Turm, wie wir solche in den verschiedensten Variationen so oft auf pom- pejanischen Landschaftsbildern finden; die Waffen auf der Spitze des Daches scheinen ihn als Grabmal zu bezeichnen. Auf der rechten Seite entspricht ihm eine der Bildfläche parallel laufende, von Bäumen überragte Mauer, wie sie auch das Prospektbild zeigt. Sie endet an einer Säule, wie sie dort vor der Mauer steht. Zwischen dieser Säule und dem Turm sieht man — dieser Teil des Bildes ist sehr ausgeblichen — die Reste einer Mauer, Zinnen mit darüber gelegten, gekreuzten Speeren, darunter Steine und Gräser. Über diesen Resten erscheint ein der Entfernung ent- sprechend sehr klein gezeichnetes Tor, von dem aus eine Mauer zum linken Bildrand führt, über dieser Mauer mehrere Häuser und ein Tempel. So baut sich in genau derselben Weise wie in Boscoreale die Stadt längs dem linken Bildrand in die Höhe auf ; vielleicht war auf der jetzt verlorenen rechten Bildseite ebensolche Mauer gemalt w4e dort.
Wir müssen annehmen, daß der Maler wenn nicht dasselbe so doch ein ihm ähnliches Prospektbild^) gekannt und benutzt hat. So ist auch in diesem Bilde die gesamte Räumlichkeit römisches Eigentum.
Wie dieses Bild, so stehen auch verschiedene andere in engstem Zusammenhange mit Architekturdarstellungen zweiten Stils; zugleich stimmen sie mit den Kompositionsprinzipien, die wir bei den Landschaftsbildern kennen gelernt haben, überein. Dieses Ineinanderspielen verschiedener Einflüsse verbietet es, innerhalb dieser Bilder eine zeitliche Aufeinanderfolge zu suchen.
Nach der einen maßgebenden Kompositionsart wurden die Figuren frei im Räume verteilt, nach der anderen wurden sie hinter einem freigelassenen Räume in eine Schicht zusammengedrängt. Die inhalthch verschiedene Räumlichkeit ergibt nun aber auch verschiedene Bedingungen für die Darstellung. Eine Darstellung
Z. B. Casa del Labirinto, Zahn II, 70.
84
V. Architekturen.
wie die des eben betrachteten Bildes unterscheidet sich nicht wesentHch von der einer von ferne gesehenen Landschaft. Da- gegen kann eine inhalthch gef (orderte, der Bildfläche parallele Begreii/Ain^ leicht dazu veranlassen, nun auch die Fij^uren jjarallel dazu zu grui)i)ieren, z. B. 1)ei einem Innenrauni. Andererseits macht eine Architektur mit ihren linear begrenzten I'^ormen dem Künstler die Darstellung einer Räumlichkeit sehr viel leichter als eine Landschaft, und daraus ergibt sich leicht die Unterordnung der Figurenstellung unter die Verteilung der architektonischen Formen. Daraus ist es vielleicht zu erklären, daß bei den ersten Bildern dieser Gattung die freie Figurenverteilung überwiegt; das Bild So. 627 zeigt das andere Prinzip und beweist damit die Einheitlichkeit der Entwicklung bei beiden Gattungen. Aller- dings ist die Zahl der Beispiele so gering, daß wir sichere Folge- rungen für das Verhältnis' der beiden Kompositionsprinzipien nicht ziehen können. Wohl aber erklärt sich dadurch, daß wir auf dem Bilde So. 551 das erste Prinzip bei einem Meister finden, der sonst nur das andere angewandt hat.
So. 580 (Guida 1290)^) stellt den Raub des Palladiums durch Odysseus und Diomedes dar. Am linken Rande erhebt sich auf hoher Basis eine dorische Säule; auf der anderen Seite entspricht ihr eine ionische, die mit Binden umwunden ist und von einer Urne bekrönt wird. Hinter ihr beginnt eine Stufe, auf der etwas weiter zurück und mehr nach der Mitte zu ein großer Altar steht, hinter dem ein hoher Pfeiler hervorragt, der einen Dreifuß trägt. Den linken Teil des Hintergrundes nimmt ein viersäuHger, pro- styler, dorischer Tempel ein, von dem jedoch ein großer Teil von einem Vorhange verdeckt wird, der vom Dache ausgespannt zu sein scheint. Zwischen der Cella und den vorderen Säulen scheinen nach der Zeichnung des Giornale degli sca\'i noch zwei Säulen zu stehen; somit zeigt der Tempel eine niclitgriechische, italische Form. Der rechte Teil des Hintergrundes ist mit Bäumen ausgefüllt. Durch dieses Neben- und Hintereinanderstellen von architektonischen Formen ist ein festes Raumgefüge entstanden, in das die Figuren hineingesetzt sind, ohne selbst eine raum-
1) Giornale degli scavi 1870, T. X.
V. Architekturen. 85
bildende Funktion zu haben. Vier der Figuren stehen hnks zwischen dem Altar und dem linken Bildrande, die übrigen zwei vor dem Altar. Wenn ^^ir nun sehen, daß jede dieser Gruppen innerhalb einer Raumschicht steht, und daß die Figuren beider Gruppen die gleichen Maße haben, so scheint hier derselbe Fall vorzuliegen wie bei dem Dirkebilde H. 1151; eine relief mäßige griechische Komposition ist von dem römischen Maler in zwei Teile zerlegt worden.
Aus demselben Triklinium wie das Bild So. 627 stammt das Gemälde, das Jason vor PeHas zeigt. So. 551 (Abb. 13, Guidai26o), das also wieder von dem Meister des Europabildes gemalt ist.^) Dieser Meister ist besonders deshalb wichtig, weil wir von ihm Figurenbilder mit landschaftlichem und mit architektonischem Hintergrunde und Innenräume besitzen. Er ist kein großer Künstler, aber mit seiner etwas kleinlichen und temperament- losen Sorgfalt und Gediegenheit ein vorzüglicher Vertreter der Eigentümlichkeiten des dritten Stils.
Das Bild gehört zu den wenigen, die in neuerer Zeit eine eingehende kunstgeschichtliche Würdigung erfahren haben,^) deren Resultat ich allerdings nicht zustimmen kann.
Die Szenerie dieses Bildes erinnert lebhaft an die des Leda- bildes H. 152 und ist ihr so ähnlich, daß ein direkter Zusammen- hang zwischen beiden Kompositionen bestehen muß. Die Fläche vor den Figuren ist allerdings entsprechend den Prinzipien des dritten Stils breiter als dort. Dagegen entsprechen den dort im Mittelgrunde verteilten Altären und Basen die Stufen, die zum
1) Eine im großen und ganzen übereinstimmende Wiederhollang in der casa d. Amorini dorati (Not. d. scav. 1908, S. 28, Fig. i). In dem- selben Hause befinden sich Repliken von So. 627 (vgl. S. 82) imd So. 569 (Not. d. scav. 1906, S. 382, Fig. 6). Bei letzterem ist den beiden Haupt- figuren je eine weibliche Figur hinzugefügt, und bei beiden sind die Figturen im Verhältnis zur Fläche und damit auch zum Raimie viel größer, ein Beweis, daß ntu: die Figuren und nicht der Raum konstant sind, und ferner dafür, daß auch die Auswahl der Figturen der Vorlage behebig ist. Die Wiederholung von So. 569 entspricht in der Größe dem Jason- bilde und den anderen Bildern dieses Hauses.
'-) Fr. Winter, Eine attische Lekythos des Berhner Museums, 55. Berl. Winckelmannsprogramm.
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V, Arcliitukturcn.
Tempel emporführen, und der (^rund ist in genau derselben Weise links durcli eine \-oii Bäumen ülx-rra^lc Mruicr, rcclit'^ dnrcli einen
Abb. 13. Jason und Pelias. Nach Phot. Sommer-Neapel.
Tempel ausgefüllt. Dieser Tempel entspricht in seiner Gesamt- anordnung ganz dem des Ledabildes und weicht nur in unwesent-
V. Architekturen. 87
liehen Einzelheiten von ihm ab. Die Zahl der Säulen beträgt nur sechs, von der Tür ist ein größerer Teil sichtbar, die Ante ist unter die Zwischenmauer herabgeführt, was dort vergessen war. Dagegen ist die Zwischenmauer, die entweder hinter oder neben der Ecksäule enden müßte, vorn über die Säule hinweg- geführt, sodaß man bei der Betrachtung dieses Teiles den Eindruck ge\^dnnt, als stände die Säule auf der Mauer, Daß die Säule aber sehr viel tiefer hinunterreicht, zeigt nicht nur die Ante, sondern beweisen auch die anderen Säulen, deren Verlauf sich sehr viel weiter hinunter verfolgen läßt. Daher ist diese falsche Über- schneidung der Säule eine Ungeschicklichkeit des Malers. Wir finden sie sehr häufig auch bei der Darstellung von Innenräumen, und sie erklärt sich wohl daraus, daß die Maler zur Zeichnung der Geraden sich eines lyineals bedienten, dabei aus Versehen die Linien zu weit zogen und diesen Fehler dann auch bei der Aus- füllung mit Farbe nicht beseitigten. So sind hier zuerst die Verti- kalen für die Säulen gezogen, dann die Horizontale der Mauer, die, was sehr nahe lag, bis zu der vor der Säule stehenden Figurjheran- geführt wurde. Daß der Tempel einem anderen Vorbilde ent- nommen wurde, erklärt auch die Zusammenhangslosigkeit zwischen ihm und den Stufen, die doch als zu ihm führend gedacht sind. Auf diesen Stufen steht Pelias mit seinen Begleiterinnen, in der Fläche vor den Stufen links ein Opferdiener mit einem Stiere, rechts Jason und die dritte Peliade^). Daß die linke Gruppe etwas höher steht, stört die Symmetrie der Komposition nicht, die sich in klarer pyramidaler Form aufbaut. Diese Ein- fachheit der Komposition gibt dem Bilde einen Charakter, den man je nach der Bewertung des Bildes als Strenge und Würde oder als Härte bezeichnen kann. Daß die Darstellung den Inhalt adäquat zum Ausdruck bringe, wie Winter meint, scheint mir zweifelhaft. Die Komposition gibt den Hauptakzent der Figur des PeHas; Jason und der Opferdiener sind sich ganz gleich- wertig. Daß sich aller Augen auf ihn richten, ist auch abgesehen davon, daß es für Pelias und die linke Peliade nicht zutrifft, doch nur ein gegenständliches Moment. Erst die Interpretation
1) 21. Hall. Winckelmannsprogr. S. 17, Anm. ^6.
88 V. Architekturen.
kann die Bedeutung der Figur des Jason lehren. Wie gut in der griechischen Malerei auch in einer symmetrischen Komposition die Bedeutung einer seitlichen Figur hervorgehoben \Nerden konnte, lehrt die Briseis auf dem Bilde vierten vStils der casa del poeta tragico H, 1309, das sicher die genaue Wiedergabe eines griechischen Originals ist (s, unten).
Dagegen ergab sich der pyramidale Aufbau zwanglos aus der Räumlichkeit, wie wir ihn ja auch, wenn auch minder aus- geprägt, auf dem Ivedal)ilde finden. Wie dort Leda um eine Stufe erhöht A\ar, so lag es nahe, hier die ^Mittelgruppe auf die Stufen des Tempels zu stellen.
Wir kommen zu den Figuren selbst. Wir können bei den meisten^ zunächst bei Pelias und seinen Töchtern, ohne weiteres sagen, daß sie einem griechischen Tafelbilde entstammen, aller- dings schwerlich des fünften Jahrhunderts, Das Gewand der Unken Peliade stimmt in seiner Anordnung auffallend mit dem des vordersten IVIädchens auf dem Europabilde überein. Man könnte diese Übereinstimmung ja dem pompejanischen Maler zuschreiben wollen, da aber auch die anderen Figuren stilistisch denen des Europabildes nahestehen, so liegt es doch nahe, die Originale in der gleichen Zeit zu suchen, also wohl im vierten Jahrhundert. Daß Pelias und seine andere Tochter um eine Stufe erhöht waren, können wir auch dem Originale zutrauen.
Der Opferdiener links unten stimmt in Stil und Größe mit diesen Figuren genau überein und ist folglicli demselben Origi- nale entnommen, wo er aber vermutlich in derselben Ebene stand wie die linke Peliade. Ganz sonderbar ist nun aber im Verhältnis zu dem Opferdiener die Kleinheit des Stieres, der doch volle, ausgewachsene Formen zeigt. Die Rinder des Parthe- nonfrieses sind bei weitem größer, und wie ganz anders gebärden sie sich meist, als dieses sanft und fromm schreitende Tier! Sollen wir diesen Widerspruch dem Originale zutrauen? Nein, denn wir können die Herkunft dieses Stieres genau bestimmen; es ist derselbe, der auf dem Bilde So. 79 die Europa trägt. Er ist noch etwas mehr verkürzt, stimmt aber sonst bis in jede Einzelheit mit jenem überein, selbst die verdrehte Stellung des linken Vorderbeines, die eine Anpassung an die römische Raum-
V. Architekturen 89
darstellung bedeutet, ist beibehalten. Die Frage, in welchem Bilde der Stier original sei,i) ist nicht schwer zu beantworten. So wundervoll er sich in die Stimmung und in die Linienharmonie des Europabildes einfügt, so wenig paßt er in das Jasonbild hinein. So dürfen wir annehmen, daß er aus jenem Bilde in dieses übernommen ist, und aus dieser Übertragung läßt sich auch das Größenverhältnis erklären. Bei dem Europabilde beträgt der Höhenunterschied zwischen dem Kopfe des Stieres und dem der Europa ein Drittel der Gesamthöhe ; dieselbe Differenz hat der Maler auch hier angenommen, ohne zu beachten, daß es sich dort um eine auf dem Stier sitzende, hier um eine neben dem Stiere stehende Figur handelt. Wenn der Stier eine Hinzufügung des pompe j anischen Malers ist, könnte das ursprüngliche Motiv der Figur ein Hin- zeigen auf das sein, was auf der anderen Seite des Bildes vorgeht. 2) Es bleibt die Gruppe zur Rechten. Das perspektivische
1) Wenn man von dem Kontrast des Stieres zu dem Opferdiener absieht, läge es an sich nahe, bei der stilistischen Älmlichkeit der Figiuren beider Bilder den Stier in beiden für original zu halten. Die gleiche Figur auf zwei verschiedenen Bildern finden wdr bei demselben Meister noch einmal; die sitzende Nymphe des Bildes So. 196 kehrt auf einem ganz ähnhch komponierten Bilde der Casa degli Amorini dorati wieder, das ein Pendant zu der in demselben Zimmer befindlichen Wiederholung des Jasonbildes bildet (Achill, Briseis xmd Patroklos, Not. d. scav. 1908, S. 33.. Fig. 3). Zur Beurteilung dieser Fälle kommen folgende Gesichts- punkte in Betracht, i. Bei dem Nessosbilde So. 502 hat der Meister eine Figur aus einem fremden Originale für den Herakles eingesetzt. 2. Auf dem Bilde So. 569 hat er zwei Figmren fortgelassen, die auf der Wieder- holimg der casa degH Amorini vorhanden sind. 3. Auf dieser Wieder- holung steht Helena auf einer perspektivisch gezeichneten Stufe, die dem Bilde So. 569 und wohl auch dem Originale fremd ist. 4. Bei dem Europabilde ist die Figurengruppe miverändert aus dem Originale über- nommen. 5. Bei den drei in Betracht kommenden Bildern, So. 551, 196, luid dem Bilde der casa degh Amorini, ergibt sich aus anderen Gründen schon, daß die Komposition verändert ist. Daraus läßt sich der wahrschein- liche Schluß ziehen, daß die Figuren nur auf je einem Originale vorkamen imd in das zweite Bild übertragen wurden. — Indessen erforderte das Verhältnis dieses ^Meisters zu seinen \"orlagen eine Sonderbearbeitung.
■^) Auffallend, aber \'ielleicht zufälUg imd kamn zu erklären ist die Ähnhchkeit dieser Figtir mit der auf einer in Pagasae gefundenen Grab- stele Elf. 'Ap/. 1908, Tafel 3.
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V. Architekturen.
Hintereinander von Jason, flem Tisch und dem 0])fer(liener ist bei einem griecliischen Tafelgemälde des vierten Jahrhunderts ausgeschlossen. Schon die Zeichnung des Tisches ist mindestens ungewöhnlich. Wir finden zwar durch die ganze Geschichte der Vasenmalerei hindurch bisweilen richtige perspektivische Zeich- nung von Tischen Stühlen usw., aber normal ist die Art, nach der die Gegenstände nur in der Abscissenachse verkürzt wurden. Dagegen wird von runden Gegenständen, Wasserbecken und runden Tischen schon früh regelmäßig eine Aufsicht gegeben, i) Häufiger finden wir Versuche perspektivischer Darstellung auf den Tarentiner Prachtamphoren, wo dann meist der Horizont tief angenommen ist.-) Dagegen ist der Tisch, der auf dem untersten Streifen der Neapler Dariusvase^) vor dem Schatz- meister steht, dem unseres Bildes sehr ähnlich, wenn er auch sehr viel flüchtiger gezeichnet ist, und der hintere Fuß nur \\enig über dem vorderen erscheint. Allein diese Vase gehört dem Ende des vierten Jahrhunderts an und ist vielleicht jünger als die Vorlage unseres Bildes. Entscheidender ist, daß auf dem stilistisch so verwandten Europabilde der Stier nicht richtig perspektivisch verkürzt ist, und daß wir uns folglich die Komposition und die Räumlichkeit des Originals nach dem Muster des Europabildes oder der Tafel des „müden Silen" vorstellen müssen.
Zu der Annahme, daß der Tisch von dem pompe janischen Maler stammt, stimmt es denn auch, daß sich die Stellung des Mädchens nicht mit ihm vereinigen läßt. Von diesem sieht man nur den über den Tisch hervorragenden Teil, etwa von der Mitte der Oberschenkel an. Wollen wir den unteren Teil, ergänzen, so müßte es unmittelbar neben Jason aufstehen. Dies geht aber wegen des Tisches nicht, und so hat man den Eindruck, als ob die Figur unten abgeschnitten sei. Nun beweist aber die stili- stische Übereinstimmung dieser Figur mit den anderen, daß sie dem Originale angehört. So ergibt auch diese Betrachtung, daß der Tisch ein Zusatz, oder mindestens seine Zeichnung ver- ändert ist.
1) Z. B. Fvirtwängler-Reich. T. lo, 68,
2) Vgl. H. 1401. Winter, östr. Jahresh. V, 1902, S. 105.
3) Piirtwängler- Reich. T. 88, Text, S. 47.
V. Architekturen.
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Es bleibt die Hauptfigur, der Jason, Bei der jetzigen Ver- teilung der Figuren fällt es kaum auf, daß Jason kleiner ist als alle anderen, natürlich die gebückte Peliade neben ihm ausgenommen. Man könnte das dadurch erklären, daß der Künstler ihn so als kaum erwachsenen Jüngling charakterisieren wollte. Denkt man sich aber im Originale die Figuren neben- einander, so wäre es immerhin auffallend, daß er kleiner gebildet ist als der ihm auf der anderen Seite entsprechende Opferdiener.
Sehr eigentümlich ist das Standmotiv, die Bewegungen des Körpers und die dadurch bedingten Konturen. Es ist der Moment des Schreitens gewählt, wo der linke Fuß mit der ganzen Sohle auf dem Boden ruht, und der rechte eben nachgezogen werden soll. Da die Spitze des rechten Fußes noch auf dem Boden ruht, und die Gestalt steil aufrecht steht, so scheint der Maler ein plötzliches Einhalten im Vorschreiten gemeint zu haben. Die Füße sind genau von der Seite gesehen, ebenso auch noch der linke Oberschenkel, so weit er unter dem gehobenen Gewände sichtbar ist. Dann aber scheint der Körper plötzlich in der Hüfte gedreht zu sein, und Brust und Schultern erscheinen in Vorder- ansicht, der Kopf dagegen ist wieder genau im Profil gezeichnet. Da die Kniee eng aneinander gerückt sind, ergibt die unge- wöhnHch lange und weite Chlamys auf jeder Seite des Körpers zwei leichtgeschwungene lange Linien, die von den Schultern ausgehen und an den Knieen beinahe zusammenlaufen, wie ein langer Sack, an dem oben der Kopf, unten die Füße befestigt sind.
Diese eigentümlichen Konturen finden wir häufig bei „rö- mischen Figuren" auf Bildern des ,, römisch-campanischen Genres", z. B, H. 1501 und 1504. Sie bieten aber nicht nur für die Konturen, sondern auch für das ganze Motiv eine Parallele. Ein im Bull. d. Inst. 1885, p, 246, 13 beschriebenes Bild (Abb. 14) stellt ein Gastmahl dar.i) In der Mitte steht ein Knabe, der einem sitzenden Gaste einen Becher reicht. Er ist mit einer kurzen, gegürteten Tunika bekleidet, die rechte Hand mit dem Becher ist nach vorn gestreckt, die linke hängt herab. Im übrigen gleicht er ganz dem Jason. Auch er hält im Schreiten inne,
1) Guida 1812. Guhl u. Koner 6, Fig. 966.
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V. Architekturen.
das vStandmotiv, die Drehung des Oberkörpers, die Profilstellung des Kopfes sind genau entsprechend; selbst die Konturen mit ihren langen von den vSchultern nach dem Knie zusammen- laufenden Linien sind trotz der Verschiedenheit des Gewandes entsprechend gebildet.
Abb. 14. Gastmahl. Nach Zeichnung des Instituts.
Die Übereinstimmung gerade mit dieser Figur \\'ird zufäUig sein, aber sie zeigt uns, wo wir die Herkunft des Jason zu suchen haben. So sehr er von den übrigen Figuren desselben Bildes abweicht, so eng geht er mit den ,, römischen Figuren" des Genre-
V. Architekturen. Q3
bildes zusammen. Ob er nun von unserem Meister erfunden ist, oder ob dieser ihn von einem anderen römischen Bilde übernommen hat, läßt sich nicht entscheiden und ist auch unwichtig. Für das Original der anderen Figuren müssen wir dann, wenn es, was ja wahrscheinlich ist, denselben Inhalt darstellte, einen anderen Jason annehmen. Unser Meister ist bei der Komposition dieses Bildes ganz genau so verfahren wie bei dem Nessosbilde, indem er die Figurenanordnung der Vorlage veränderte, eine Figur fortließ und durch eine andere ersetzte.
So stellt sich auch dieses Bild als eine Zusammensetzung verschiedenster Bestandteile dar, und aus dieser Entstehung erklären sich manche Härten und Ungereimtheiten. Aber es muß außer dieser mehr passiven Leistung doch noch etwas in dem Bilde stecken, wenn Winter in ihm eine Stimmung fühlte, die ihn an die Kunst des fünften Jahrhunderts erinnerte, und dies ist der starke Eindruck der Feierlichkeit, der namentlich trotz ihrer großen Mängel von der Gestalt des Jason mit ihrem scheuen Innehalten im Schreiten und der leisen Bewegung des Armes aus- geht. Das Gefühl für das Feierhche war den Römern eigen. Damit gab der Künstler das Beste, was der römische Geist geben konnte.
Eine ähnliche Komposition bietet So. 560 (Guida 1293),^) wo ebenfalls die Figuren eine pyramidale Form ergeben; die mittlere steht auf der Höhe einer Treppe, die anderen sind seitlich in der vorderen Ebene aufgestellt. Die eigentümliche Architektur dieses Bildes kann erst bei der Behandlung der Innenräume erklärt werden.
Bei diesen beiden Bildern ist die Komposition symmetrisch. Dem entspricht bei dem Jasonbilde die Architektur nicht ganz. Allerdings liegt die Front des Tempels ziemlich in der Mitte des Bildes, aber die Langseite des Tempels füllt die rechte Büdfläche aus, während links die Mauer einen großen Teil frei läßt. Daraus ergibt sich ein Prävalieren der einen Seite, wie es auch das Bild So. 627 und die mit diesem zusammenhängenden Prospekte aus Boscoreale zeigen. Wo nun die Architektur nicht, wie eine Land-
1) Giomale degli scavi 1870, T. XI. Robert, Hermes XXII,
1887, S. 454 fE.
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V. Arclütckturen.
Schaft hinter den P'iguren erscheint, wie vSo. 627, sondern die Figuren in sich einschUeßt, konnte es, wenn die Figuren sich nicht in drei Gruppen verteilen ließen, leicht zu einer Schrägkompo- sition kommen. Dies ist bei dem Iphigeniebilde vSo, 583 (Abb. 16, (kiida 1312)!) geschehen.
Den ganzen rechten o1)eren Teil des Bildes nimmt der Pronaos eines dorischen Tempels ein, der al )er so, wie wir ihn hier sehen, nicht der Wirklichkeit nach- gebildet sein kann. V^on den Tempeln auf demLedabilde mid So. 551 weicht diese Darstellung schon insofern ab, als nicht der ganze Tempel, sondern nur ein Teil der Fassade sichtbar ist. Dann scheint es, als ob die Stütze am rechten Bildrande nicht eine Säule, sondern einen Pfeiler bezeichne, denn die gleichmäßig ge- tönte Fläche entbehrt jeder die Rundung bezeichnenden Schatten. Zwischen dieser Stütze ist eine bei einem Tempel an dieser Stelle ganz unsinnige Zwischenmauer eingeschoben, die wiederum fälschlich die Stütze überschneidet. Eine zweite Mauer befindet sich zwischen der Ecksätde und der als Säule gebildeten Ante. Ferner dürfte die Kassettendecke erst über den Trigl3^hen aufliegen, \Aährend sie hier unmittel- bar über dem Architravbalken erscheint.
Alle diese Widersprüche erklären sich, wenn wir einen BHck
Abb. 15.
Nach Mau, Geschichte d. dekorat.
Wandmalerei.
1) Arch. Zeit. 1875, Taf. 13 (Robert).
V. Architekturen.
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^IT^
Abb. i6. Iphigenie in Tauris. Nach Arch. Zeit.
auf das Gegenstück dieses Bildes werfen, das bei Mau, Geschichte, Tafel XIII (Abb. 15) abgebildet ist. Dort ist eine Innenarchi- tektur dargestellt, deren Herkunft ich später behandeln werde
96
V. Architekturen.
(vj^l. Ka]).VII), die im wesentlichen mit Bildern wie S(j. 541, 555, 56(j übereinstimmt. Wir finden dort densell>en seitlichen Pfeiler, den den oberen liildrand begleitenden Epistylbalken, die Zwi- sclienmauer zwischen einer Säule und dem hier allerdings fort- gelassenen vSeitenpfeiler uud die übereinstimmend gezeichnete Decke. vSomit stellt sich dieser scheinbare Tempel als ein etwas variierter Ausschnitt aus der Darstellung einer Innenarchitektur des Gegenstückes dar. Wir werden später sehen, daß diese allerdings griechischer Herkunft, aber in dieser speziellen Er- scheinung eine römische Umbildung ist. Daraus ergibt sich das Resultat, daß die Tempelarchitektur unseres Bildes eine vSchöp- fung des pompe janischen Malers ist und lücht auf ein anderes Original zurückgehen kann.
Vor den Säulen steht Iphigeme und eine Dienerin, während drei andere in dem Pronaos stehen. Von ihnen blickt eine über die Zwischenmauer, ein bei Innendarstellungen sehr be- liebtes Motiv (vgl. das Gegenbild). In der Fläche vor dem Tempel stehen Hnks Orest und Pylades; es ist nur die Hälfte der Ge- stalt des Pylades erhalten, aber \\ir können die Gruppe nach der des Bildes vierten Stils H. 1333 ergänzen, da der erhaltene Teil mit dem jener Gruppe übereinstimmt. Rechts neben der Gruppe steht ein Tisch, auf dem ein tragbares Miniaturkultbild steht, der übrige Raum der Vorderfläche ist freigelassen. Links neben dem Tempel bildet den Hintergrund eine von Bäumen überragte Mauer, von der ein Ansatz erhalten ist.
So ergibt die von dem pompe janischen Maler geschaffene Architektur auch die Komposition der Figuren, die in einer diagonalen Gruppierung beruht. Die Frage nach dem Originale der Figuren ist hier von besonderer Bedeutung, da bei ihrer Beantwortung das Verhältnis zu dem Gemälde des Timomachos berücksichtigt werden muß. Dies kann aber erst im Zusammen- hange mit dem Gemälde H. 1333 behandelt werden. (Vgl. Kap. VIII.)
Diese wenigen Bilder sind die besten ihrer Gattung und damit die für die geschichtliche Untersuchung bedeutendsten. Ihnen füge ich noch einige w^eniger hervorragende hinzu, die aber doch bemerkenswerte Eigentümlichkeiten haben.
V. Architekturen.
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H, 1206 (Guida 1435) ^) stellt wieder die so außerordent- lich beliebte Sage von Daidalos und Pasiphae dar. Die Figuren haben hier keine breite Fläche vor sich, sondern sind nicht weit vom Rande entfernt aufgestellt, etwas weiter zurück steht schräg im Räume die Kuh, im Grunde links erhebt sich ein prostyler, dorischer Tempel. Den Eindruck seiner räumlichen Entfernung erhöht der Baum, der ihn überschneidet. Ihm entspricht rechts ein zweiter Baum, der über einer Mauer her- vorzublicken scheint. Die Architektur steht hier nicht in or- ganischer Verbindung mit den Figuren, sondern bildet nur einen Teil des Hintergrundes. Trotz der geringen Rolle, die sie spielt, hat aber auch sie den Einfluß der Innendarstellungen erfahren in dem Motiv, wie man durch das Fenster Wand und Decke des Inneren sieht; es erinnert an einen Ausschnitt einer Innen- architektur, wie er durch Pfeiler, Zwischenmauer und Architrav gebildet wird (z. B. H. 1462, So. 555.)
Die Figuren scheinen keine direkten Kopien griechischer Vorlagen zu sein. Pasiphae ist von einer bestimmten Augen- höhe aus gesehen, wie der Sitz, die Fußbank und der rechte Fuß zeigen. Man vergleiche z. B. die Fußbank der Aphrodite auf dem Bilde der Casa di M. Lucrezio Frontone^) oder die der Phaidra H. 1243. Bei beiden ist so gut wie keine Aufsicht gegeben. Die Gestalt des Daidalos scheint beim ersten Anblick mit denen der Fischer auf dem Bilde H, 119 Ähnlichkeit zu haben, das sicher auf ein griechisches Original zurückgeht. Sieht man näher zu, so findet man, daß nicht nur das Standmotiv dem der römischen Figuren ähnlich ist, sondern daß auch der Kopf einen ausgeprägt römischen Charakter trägt. ^) Somit scheint griechischer Einfluß bei diesen Figuren nur indirekt vorzu- liegen.
Eine im dritten Stile mehrfach wiederholte Komposition ist „Theseus, von Ariadne den Knäuel empfangend". Ich
^) Rochette, choix 13.
2) Notizie degli scavi 1901, S. 154, Fig. 8. Zeitschr. f. bild. Kunst 1901, S. 288, Abb. 2. Rom. IVIitt. 1901, S. 340, Fig. 3.
3) Heibig, Unters. S. 338 fühlte sich an die sogen. Porträts des älteren Scipio erinnert.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde 7
98
V. Architekturen.
führe das hei Röchelte ah^'^-bildete Exemplar H. 121 1^) an. Man kann die RäumHchkeit kaum noch zu den Architekturen rechnen, da diese eigentlich nur angedeutet ist. Rechts wird der Raum durch die schräg gestellte Pforte des Labyrinths ge- schlossen, an sie schließt sich eine Mauer an, die der Bildfläche parallel bis zum linken Rande fülirt. In der mittleren Tiefe des also begrenzten Raumes sind die Figuren aufgestellt, (he beide einen durchaus griechischen Eindruck machen und wohl einem Tafelbilde entnommen sind.
^) Roche tte, 27.
VI.
Heiliger Bezirk.
Es könnte, namentlich in Hinsicht auf die geringe Zahl guter Beispiele, bezweifelt werden, ob es in einer Darstellung, die sich nicht mit dem Inhalt der Bilder beschäftigt, berechtigt ist, die Gemälde, die die Figuren innerhalb eines heiligen Be- zirks zeigen, zu einer besonderen Gruppe zusammenzufassen. Handelt es sich doch um eine zunächst nur gegenständliche Verschiedenheit der dargestellten Räumhchkeit. Andererseits ist es interessant, bei diesem inhaltlich verschiedenen Stoff die gleichen Kompositionsprinzipien festzustellen wie bei den anderen Gruppen. Sodann hat die Darstellung eines von festen Grenzen, d. h. hier von meist geraden Mauern eingeschlossenen Raumes Eigentümhchkeiten, die besondere Bedingungen für die Kom- position ergeben. Die Gestaltung der Landschaft in den Figuren- bildern ging darauf aus, eine möghchst nahe, klare und einfache Begrenzung des Raumes zu finden. Dies war nicht durchzufüliren, ohne den Gegenständen der Natur Gewalt anzutun, und führte zu einer kuhssenhaften Bildung des Hintergrundes. Die Dar- stellung des heiHgen Bezirkes kam nun diesem Bestreben ent- gegen, indem sie in der den Bezirk umgebenden Mauer eine solche wandartige Begrenzung bot. Sie maskierte gleichsam den durch die Entwicklung gebotenen Zwang. Daraus erklärt es sich vielleicht, daß wir bisweilen, besonders im vierten Stil, die jNIauern des heiligen Bezirkes als FoUe für die Figuren auch da finden, wo er inhalthch gar nicht paßt. EndHch mußte im Gegensatz zu den Architekturen die der Bildfläche parallele
7*
100 ^'I- Heiliger Bezirk.
Raumbegrenzung dazu verlocken, auch die Figuren dement- sprechend zu stellen.
Schon im zweiten vStile lernten wir auf zwei Bildern der casa Tiberina einen heiligen Bezirk kennen. Die Räumlichkeit spielt indessen hier gegenüber den Figuren eine so geringe Rolle, daß sich an diese Bilder keine Entwicklimg anschließen läßt. Dagegen können wir auch in dieser Gattung den engen Zusammen- hang zwischen Landschaftsbildern und Figurenbildern konsta- tieren.
Ein schon erwälmtes pompejanisches Gemälde zeigt in einer Landschaft Herakles und die Hesperiden.^) Die Mitte des Bildes bezeichnet ein Baum, der in einem von zwei schräg nach hinten zusammenlaufenden Mauern gebildeten W'inkel steht. Wie und wo sich diese Mauern vereinigen, kann man nicht genau erkennen. Die linke flauer biegt vorne nach hinten um, so daß man, wie oft auf pompejanischen Gemälden, nicht genau entscheiden kann, ob eine einfache Mauer oder ein Haus ge- meint ist. Die andere, rechte, die eine sehr viel geringere Höhe hat, endet vorne in einem Pfeiler, der eine Urne trägt. Die übrige Fläche ist mit Felsen und Bäumen gefüllt; in dem Räume vor den Mauern stehen die Figuren. Somit befindet sich hier der heilige Bezirk innerhalb einer Landschaft, und da er also nicht ganz von Mauern umschlossen ist, so wäre es möglich, daß diese Art der Darstellung von der, die wir an den folgenden Bildern kennen lernen, abhängig ist. Jedenfalls zeigt sie die nahe Verwandtschaft beider Gattungen.
Den heiligen Bezirk eines Tempels hatten wir schon auf dem Bilde des Palladiumraubes, So. 580, kennengelernt; diesem ähnlich ist die Örtlichkeit auf dem Bilde So. 581 (Gmda 1292)2)^ das den Tod des Laokoon und seiner Söhne darstellt. Der linke Teil des Bildes ist zerstört, aber der fehlende Teil ist nicht groß genug, als daß dort ein Tempel dargestellt gewesen sein könnte. Laokoon ist auf die Stufen eines Altars geflüchtet, der lebhaft bewegte Körper, das flatternde Gewand ist mög-
^) Rom. Mitt. 1890, S. 260, vgl. oben S. 50. -) S. unten Kap. X.
VI. Heiliger Bezirk. lOI
liehst in der Fläehe ausgebreitet. Sehr viel weiter vorne ist rechts der eine Sohn, von der Schlange umstrickt, ins Knie gesunken; auch seine Gestalt ist ganz relicf mäßig. Der andere, schon getötet, liegt in derselben Ebene vor dem Altare. Der Raum ist ziemlich tief und wird im Grunde durch eine Mauer geschlossen. Wie weit diese entfernt ist, kann man ermessen aus der Aufeinanderfolge des Stieres, der hinter Laokoon schräg nach rechts sprengt, eines zweiten, schräg in die Tiefe gehenden Altars und der Figuren, die zwischen diesem Altare und der Mauer stehen. Sie verläuft in ihrem größten Teile der Bild- fläche parallel, links biegt sie nach hinten um. Das erste ent- spricht dem Prinzip der Raumbegrenzung, das zweite erklärt sich aus der Leichtigkeit, auf diese Weise eine Tiefenanregung geben zu können. So sehen wir meist an der Seite die Mauer umbiegen oder einer zweiten, schräg verlaufenden begegnen. — Die freie Verteilung der Figuren entspricht der des Nessosbildes oder der Architekturbilder. Auf die wichtige Frage, ob und wie die Figuren dieses Bildes mit der Gruppe des Hagesander und seiner Genossen zusammenhängen, werde ich später ein- gehen. Mögen sie nun aber in der Erinnerung an jenes Werk entstanden sein oder einem griechischen Tafel- gemälde entstammen, jedenfalls ist die Darstellung des Raumes und die Anordnung der Figuren Eigentum des römischen Künstlers.
In einem Zimmer der casa del citarista befinden sich zwei Bilder, H. 1388 und H. 1378 b i), die von den bisher betrach- teten völlig abweichen. Sie verzichten auf jede Räumlichkeit und zeigen die Figuren reliefmäßig auf hellem Grunde. Ihr Stil w^eist auf das fünfte Jahrhundert hin; zw^eifellos besitzen wir in ihnen Kopien, und zwar äußerst exakt ausgeführte Kopien von Tafelbildern des fünften Jahrhunderts, H. 1378 b stellt einen musikalischen Wettstreit dar zwischen einem sitzenden, die Kithara haltenden Manne und einem ihm gegenüberstehenden, zur Leier singenden Mädchen. Mit diesem Bilde steht, wie Heibig ausgeführt hat, die Darstellung H. 1379 in engstem Zu-
1) Heibig, Atlas, T. XVIII, i und 2.
102 VI. Heiliger Bezirk,
sainiiicnlian^e. vSie zeigt dieselben Figuren, nur lauseht hier das Mädclieu dem Spiele des Mannes. P'alls diese Änderung nicht ein Werk des pompe janischen Malers ist, müssen die Vor- lagen Gegenstücke sein und von demselben Meister herrühren. Ganz verschieden ist nun aber die Räumlichkeit beider Bilder, dort weder Tiefe noch Zusammenliang des Raumes, hier ein weiter Bezirk, in dessen Mitte sich die Figuren befinden. Vom linken Rande läuft eine Mauer schräg nach rechts und hinten, dann biegt sie um und verläuft in ihrem größten Teile parallel der Bildfläche. So entsteht eine der des vorhergehenden Bildes im wesentlichen gleiche, wenn auch einfacher gestaltete Räum- lichkeit, die wir als heiligen Bezirk bezeichnen dürfen. Maß- gebend für die Wahl dieser Darstellung war wohl, daß sie vor- züglich zu dem Thema der Figuren, einem musischen Agone, paßt.
In der mittleren Tiefe dieses Raumes sind nun die Figuren aufgestellt und zwar so, daß die reliefmäßige »Stellung in einer Ebene beibehalten ist. Dagegen sind die Figuren in horizontaler Richtung auseinandergeschoben, so daß der enge Zusammen- hang zwischen ihnen gelöst ist. In ihrer Mitte steht eine Basis, die eine Säule trägt (älmlich H. 1378), der weiblichen Figur ist eine zweite hinzugefügt. Das sind Veränderungen, die mit der räumlichen Umgestaltung zusammenhängen.
So repräsentiert das Bild H. 1378 b das griechische Original, H, 1379 die römische Umgestaltung, die in der Hinzufügung des Raumes besteht. Das ist eine parallele Entwicklung zu der, die Löschcke für die Darstellung der Enthauptung der Medusa festgestellt hat. Nur handelt es sich dort um eine Landschaft mit Staffage, hier um ein Gemälde, das wir trotz der Bedeutung der Räumlichkeit als Figurenbild bezeichnen können. Ferner ist der ursprüngliche Zusammenhang der Fi- guren nicht genau gewahrt, so daß ihre Verwendung ungefähr in der ]\Iitte steht zwischen dem Prinzip des Europabildes So. 79 und dem des Dirkebildes H. 1151.
So. 616 (Guida 1328)1) zeichnet sich dadurch aus, daß es
1) Mau, Geschichte, Taf. XII.
VI. Heiliger Bezirk. IO3
fast den ganzen von einem Pavillon eingerahmten Mittelteil einer Wand einnimmt und somit in engstem Zusammenhange mit den großen Mittelbildern zweiten Stils steht. Der Raum ähnelt in seinem Aufbau dem des vorhergehenden Bildes. Die Figuren — auf ihre strittige Benennung kann ich nicht ein- gehen — stehen in ziemlicher Tiefe und befinden sich in einer Raumschicht. Der Jüngling mit dem hoch aufgestellten linken Fuße ist ebenso wie die Priesterin deutlich griechischen Ur- sprimgs, mid so mag die Gruppe ziemlich getreu aus einem Tafelbilde entnommen sein. Vor den Figuren ist ein breites Stück des bramien Bodens freigelassen. Unmittelbar hinter dem Jüng- ling beginnt am linken Bildrande eine Mauer, die sich sofort in einer Ecke schräg nach hinten wendet und dort auf eine zweite Mauer stößt, die der Bildfläche parallel geht. Wiederum läßt es sich, wie bei dem Hesperidenbilde, nicht genau ent- scheiden, wie diese Mauern sich zueinander verhalten, offenbar deshalb, weil die Maler keine wirklichen Vorbilder abzeichneten, sondern einzelne Motive aneinandersetzten. Das Wesen der Komposition ist hier wieder die Dreiteilung in eine leere Vorder- fläche, den Mittelgrund mit den Figuren und den Hintergrund. Von dem vorhergehenden Bilde unterscheidet sich dieses durch die im Verhältnis zur Bildfläche größeren Figuren.
In der Komposition diesem Bilde nahe verwandt ist das Parisurteil, H. 1286,1) (Abb. 17) aus der casa del citarista, ein nicht sehr hervorragend, aber äußerst sorgfältig gemaltes Bild. Die fünf Figuren stehen ungefähr in einer Ebene, nur die mittleren weichen ein wenig zurück. Wenn wir ihren Grundriß zeichnen wollten, so würde sich eine schwach gekrümmte Linie, ein Segment eines großen Kreises ergeben. Damit klingt in der Stellung der Figuren im Räume ein Motiv nach, das für ihre
1) K. Ivöwy, Zuiii Repertorium der späteren Kirnst, in Melanges Nicole, S. 653, Abb. 3. Ich kann I,öwy nur insofern beistimmen, als in letzter Linie natürlich alle von ihm zusammengestellten Darstellungen des Parisurteils auf ein Original zurückgehen, dem mir H. 1 286 am nächsten zu stehen scheint. Wahrscheinlich für H. 1285, sicher für H. 1284 (s. unten) scheint mir die auch von Löwy zugegebene Existenz variierender Zwischenstufen anzvmehmen zu sein.
104
VI. Heiliger Bezirk.
Erscheinung in der Fläche wesenthch ist, che halbkreisförmige lyinie, die die Figurengriqjpe gegen die oV)ere ßildfläche ab-
Abb. 17. Das Urteil des Paris. Nach Phot. Brogi.
grenzt. Sie wird durch die äußeren Konturen der seitHchen Figuren und die Köpfe der mittleren gebildet. Wie sdir sie dem Künstler am Herzen lag, zeigt die Responsion des Hermes
VI. Heiliger Bezirk. IO5
und der Aphrodite, der zuliebe der rechte Arm der Göttin mit dem Gewände so weit nach hinten gebogen ist. Diese obere Begrenzung der Figuren in Form eines Kreissegments haben wir schon bei dem Phaidrabilde , Rom. Mitt. V 1890, S. 260 gefunden, und wir werden ihr noch öfter auf Bildern begegnen, die sicher griechische Tafelbilder kopieren. Daraus dürfen wir wohl schließen, daß dieses Kompositionsprinzip, das ganz auf der Erscheinung der Figuren in der Fläche beruht, auf der symmetria im Gegensatz zur disposüio, und das durch einen reichen Hintergrund nur gestört wird, der griechischen Tafel- malerei angehört, wo es bei einem indifferenten Grunde am schönsten in Erscheinung treten konnte. Daher dürfen wir auch diese Gruppe auf ein griechisches Original zurückführen. Die Figuren zeigen in Stil, Gewandung und Motiven nahe Ver- wandtschaft mit der Leda H. 152,1) die dem ausgehenden fünften oder dem beginnenden vierten Jahrhundert zugeschrieben wird. Wahrscheinlich gehören sie derselben Zeit an. Die Vornehm- heit der Charakteristik und die noch gebundene Anmut der Bewegungen sprechen selbst aus dieser harten Nachbildung.
Das Parisurteil fand nach der Sage auf dem Ida statt, w^o Paris seine Herden zu weiden pflegte. Auf grie- chischen Tafelbildern konnte diese Räumlichkeit nur durch einzelne Felsen oder Tiere der Herde bezeichnet werden, wie es auch die Vasenmaler taten; dagegen zeigen uns die pom- pejanischen Landschaften, die diese Szene als Staffage haben. Wiesen und Berge.^) Hier aber befinden sich die Figuren inmitten eines von Mauern umgebenen heiligen Bezirkes, in einem Miheu, das ganz und gar nicht zu ihnen paßt und allein schon die Zusammensetzung des Bildes aus Raum und Fi- guren lehrt.
Die Darstellung des Hintergrundes entspricht der der
1) Ich habe nicht untersucht, ob die Bilder von demselben Maler stammen. Die stihstische ÄhnHchkeit beruht wohl darauf, daß die Vor- lagen für beide Bilder sich entweder bei dem Maler oder bei dem Be- sitzer des Hauses befanden.
1) H. 1282— 1283 b, So. 563.
Io6 ^'I- Heiliger Bezirk.
anderen Bilder. Die Mauer beginnt am rechten Bildrande, verläuft eine Weile parallel der P>ildnäche, bie^t dann nach hinten um und trifft dort auf eine zweite Mauer. Die Stelle des Zusannnentreffens wird verdeckt durch eine hohe, vierseitij:(e Basis, die eine von einem Gefäß bekrönte Säule trägt. Hinter dieser Säule erscheint ein in der Manier des dritten Stils wunder- voll gemalter Baum. Vor den Figuren finden wir hier eine besonders breite freie Fläche.
Die drei Gattungen, die ich besprochen habe, schließen sich zu einer Einheit zusammen gegenüber der Darstellung von Innenräumen, nicht nur gegenständlich — sie fallen alle unter den Begriff des Wortes topium — sondern vor allem ihrer Entstehung nach. Diese Einheit zeigt sich denn auch in der Gemeinsamkeit der Kompositionsprinzipien trotz der Menge verschiedener Gegenstände und der Verschiedenheit der Vorlagen für die Figuren, die vom fünften Jahrhundert bis zu Timomachos reichen, wenn auch die ältere Kunst dabei bevorzugt ist. Dieses allen Gemeinsame würde sich demnach als das eigentümlich Römische erweisen, auch wenn wir nicht von einem anderen Ausgangspunkte aus den Zusammenhang der Räumlichkeit und der Figurenverteilung mit der Landschaftsmalerei und diese wiederum als spezifisch römische Gattung feststellen könnten. So führen beide Untersuchungen zu demselben Resultat.
Der dritte Stil stellt sich für die Gemälde dar als der be- ginnende Prozeß einer Verbindung römischen und griechischen Gutes mit schwankendem Verhältnis des einen zum anderen. In dem einen Kompositionsprinzip, nach dem die Figuren frei im Räume verteilt werden, überwiegt durchaus das römische, zu dessen Gunsten der Zusammenhang der übernommenen Fi- guren zerrissen wird, bei dem anderen führt das Beibehalten der griechischen Figurenkomposition zu einer schematischen Ge- staltung des Raumes. Vermutlich ist das zw^eite Prinzip, da das Griechische in der Wandmalerei überhaupt das Sekundäre ist, auch das spätere. Jedenfalls ergeben sich aber mit diesen zwei nebeneinander bestehenden Prinzipien zwei Reihen, die
VI. Heiliger Bezirk. IO7
in ihrer Weiterentwicklung zu verschiedenen Resultaten führen mußten. Die größere künstlerische Leistung liegt in dem ersten Prinzip^ da das zweite nur in einem Zusammensetzen mehrerer Bestandteile besteht.
Charakteristisch ist es aber, daß wir in allen Bildern diese Zusammengesetztheit erkennen können, daß eine wirkliche, zu einem einheitlichen neuen Kun.stwerke führende Durchdringung beider Elemente nirgends stattgefunden hat. Das ist wertvoll für die geschichtliche Erkenntnis und bestimmend für die Be- w^ertung dieses Stils. Wir stehen in den Anfängen einer Ent- wicklung. Wahrscheinlich bildete sich mit dem Entstehen der Wandmalerei ein neuer Stand von Malern, der, obwohl nulla laus est artificum, nisi qui tabulas pinxere, doch den Künst- lern näher steht, als den Handwerkern. In diesem Stande hatte aber noch nicht eine Scheidung in einige besonders her- vorragende Meister und die Masse der minder begabten statt- gefunden. Daraus erklärt sich wohl die ungefähre qualitative Gleichmäßigkeit der Bilder dritten Stils, die, trotzdem wir die Bilder wohl unter einige wenige Meister zu verteilen haben, doch im Vergleich zum vierten Stile sehr auffallend ist. Es ist charakteristisch, daß man die Bilder nach der Sorgfalt zu beur- teüen pflegt, mit der die Figuren nach den griechischen Origi- nalen kopiert sind.
VII.
Innenräuine.
Verhältnismäßig zahlreich sind im dritten Stile die Dar- stellmigen von Szenen, die im Inneren des Hauses spielen. Die Anknüpfung an die Landschaftsmalerei, die die anderen Gat- tungen miteinander gemeinsam haben, fehlt hier, und wenn wir die gleichen Kompositionsprinzipien auch hier finden, so folgt daraus nur die Einheitlichkeit des dritten vStils und nicht ein gemeinsamer Ursprung. Diese Kompositionsprinzipien sind nun aber innerhalb der Landschaftsmalerei entstanden mid können daher in der Darstellung von Innenräumen nur sekundär sein, während wir die Vorlagen für die Innenarchitekturen anderswo suchen müssen. Somit können die Innenräume keine Parallel- entwicklung zu den anderen Gattungen bieten, innerhalb deren sich die direkte Entwicklung vollzog. Daraus müssen ^^ir von vorneherein schließen, daß die Probleme hier sehr viel verwickelter sind als in den drei anderen Gattungen. Deshalb ist es vielleicht notwendig, bei dieser Gattung erst das gesamte ^Material zu- sammenzufassen, um sichere Resultate über ihr Wesen und ihre Entstehung zu gewinnen. Die folgenden Beobachtungen können daher nur den Wert von Ansätzen zu einer Lösung beanspruchen.
Es ist wertvoll, daß wir von einem Meister Darstellungen mehrer Gattungen und verschiedener Kompositionsprinzipien be- sitzen. Der Meister des Europabildes hat drei Bilder mit Innen- räumen gemalt, So. 541 (Gmdai285),i) Phaidra und Hippolytos,
1) Rom. IMitt. V,. 1890, T. II. S. 17 ff. (B. Sauer).
VII. Innenräume.
109
So. 555 (Abb. 18, Guida 1288), Medea und ihre Kinder, So. 569 (Abb. 19. Guida 1291), Paris und Helena. Diese drei Gemälde sind in der Komposition und in der auf ihnen dargestellten Architektur ein- ander äußerst ähnlich und somit nur Variationen eines einzigen Typus. Das Kompositionsschema ist genau das gleiche wie auf dem Europabilde. Den Vordergrund bildet eine ziemlich breite freie Fläche, den Mittelgrund nehmen die Figuren ein, auf sie folgt eine den Raum parallel der Bildfläche begrenzende Architektur. Die Übereinstimmung beschränkt sich aber nicht auf das Prinzip, sondern erstreckt sich bis auf die Größenverhältnisse der einzelnen Teile zueinander; besonders bemerkenswert ist die verhältnis- mäßig gleiche Größe des Grundes im Verhältnis zu den Figuren. Da wir nun die Entstehung des Raumes auf dem Europabilde und den übrigen ihm entsprechenden Gemälden kennen, kann es nicht zweifelhaft sein, welche Gattung die Vorlage für die andere abgegeben hat. Ohne daher zu wissen, woher der Maler die Architekturen genommen hat, müssen wir es von vorne- herein als wahrscheinlich annehmen, daß die Vorlage nicht getreu kopiert, sondern zugunsten der Responsion zu jenen anderen Bildern, wenn nicht gestaltet, so doch wenigstens abgewandelt ist. Wenn wir das Verhältnis der Figuren zum Hintergrunde untersuchen, so finden wir, daß die Figuren nicht eigentlich vor, sondern innerhalb der Architektur stehen. Auf dem Medeabilde lehnt sich der Sitz der Medea seitlich an den rechten Pfeiler an, der im Spiele links auf dem Boden knieende Knabe befindet sich neben dem linken Pfeiler, in derselben Ebene steht zwischen ihnen der zweite Knabe. Ebenso steht auf dem Phaidrabilde die Dienerin rechts in derselben Höhe auf dem Boden auf, in der der Pfeiler ansetzt, und die beiden anderen Figuren befinden sich in derselben Raumschicht. Auf dem dritten Bilde, So. 569, (Abb. 19) wird der rechte Pfeiler allerdings von dem Postament, an das sich Helena lehnt, überschnitten, Helena selbst aber und Paris be- finden sich in derselben Ebene wie die Pfeiler. Ungefähr kann man sagen, daß die Grundlinie der Figuren gleich der Verbindungs- linie der unteren Pfeilerenden ist. Dieser Stellung der Figuren entsprechend müssen wir uns die Säulen und Wände, die zwischen den Pfeilern hinter den Figuren erscheinen, um die Tiefe der
HO
VII. Iniifiiräume.
P'ij^urenscliiclit hinter den Pfeilern zurückstehend denken. Dem widerspricht aber der obere Verlauf der Säulen. Ihre Kapitale trafen das Gebälk, das über dc-n Pfeilern lie^t, sie bilden also mit den Pfeilern eine Reihe v(;n Stützen und sind mit ihnen
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a> ^M
Abb. i8. Medea. Nach Zeichnung d, Instituts.
durch Zwischenmauern verbunden, die der Bildfläche parallel verlaufen. Nur an einer Stelle hat der Künstler diesen Wider- spruch gemerkt, bei der rechten Z-vNischenwand auf dem Medea- bilde, und hat infolgedessen dem oberen Abschluß der Z\\ischen-
VII. Innenräume.
III
mauer die schräge Richtung der Wand gegeben, die den hinter den Säulen liegenden Raum rechts begrenzt; allerdings hat er die Inkonsequenzen der Zeichnung dadurch nur vermehrt.
Wenn wir diesen Widerspruch nur bei einem Bilde fänden,
Abb. 19, Paris und Helena. Nach Zeichnung d. Instituts.
dürften wir ihn für eine nicht beachtenswerte Zufälligkeit halten. So aber müssen wir ihm ebenso große Beachtung schenken, wie etwa auf dem Europabilde der Inkongruenz der Stellung des Stieres zu dem dargestellten Räume, und können vielleicht hoffen,
112 VII. Innenräume.
aus ihm die Entstehung der liiUk-r zu erschHeßcn. Zunächst müssen wir fragen, oIj es irgendwelche ähnHchen Architekturen auf griechischen Gemälden gegeben hat.
Wir besitzen eine solche seit kurzem auf einer der von ArvanitopuUos in Pagasae entdeckten und in der 'IviTjUSf/i? "Ar//. 1908, vS. I ff., Taf. I — 4 veröffentlichten bemalten Grab- stelen. Außer den sieben dort bekannt gegebenen sind noch eine ganze Reihe von Stelen gut erhalten und auf zweihundert weiteren haben sich Farbreste gefunden, die vielleicht die Kom- position erschließen lassen werden. Die Folgerungen für die Kunstgeschichte werden erst gezogen werden können, wenn das ganze Material zusammenhängend bearbeitet wird. Die Be- deutung der Stelen für die Geschichte der Malerei hat der Heraus- geber bereits gewürdigt, allerdings ist er in seiner Schätzung wohl zu weit gegangen. Außerordentlich wichtig sind sie für die Geschichte der Maltechnik, für Einzelheiten m Zeichnung und Farbengebung, Dinge, von denen uns die pompejanischen Ge- mälde nichts lehren können. Dagegen repräsentieren sie eine ganz eng begrenzte Gruppe von Darstellungen, die gegenüber der großen Malerei ihre Eigentümlichkeiten haben wird wie die Grabreliefs im Verhältnis zur übrigen Plastik, und wenigstens die veröffentlichten Grabstelen stehen künstlerisch tief unter den guten pompejanischen Gemälden. Der Herausgeber hat für einige Fälle nachgewiesen, daß literarisch überlieferte Maler auch Grab- stelen bemalt haben, die meisten der von ihm angeführten Bei- spiele sind jedoch auch nach seinem eigenen Urteile zweifelhaft. Diese Grabstelen sind jedenfalls handwerksmäßige Arbeit. Zeit- lich gehören sie etwa in den Beginn des zweiten Jahrhunderts und verteilen sich auf einen Zeitraum von etwa fünfzig Jahren.^) Ich will mich darauf beschränken, sie auf ihre Komposition hin kurz zu besprechen.
1) Diese zeitliche Ansetzung verdanke ich der Güte von Herrn Professor O. Kern. Wie er mir freundhchst mitteilt, weist die Form des /7 in das zweite Jalirhundert, die von \' .1/ iS" vmd das kleine O eher in frühere Zeit. Die inschriftlose Stele T. i ist in Form und Dekoration mit der auf T. 3 so verwandt, daß sie schwerhch durch einen größeren Zeitratmi von ihr geschieden ist.
VII. lunenräume. II3
Bei den meisten ist die Bildfläclie ohne eine plastische Um- rahmung, nur durch den farbigen Grund von der übrigen Fläche der Stele geschieden, auf Abb. 6, i und 2, Tafel 2, Tafel 4, i nimmt sie die ganze Breite der Stele ein und paßt sich damit bei den drei letzten der nach oben sich verjüngenden Form der- selben an. Dasselbe ist Tafel 4, 2 der Fall, wo die Bildfläclie jedoch nicht zu den Rändern reicht und von einem gemalten dunkeln Rahmen umgeben ist. Tafel 2 stehen die Figuren auf weißem Grunde, jeglicher Raumzusammenhang fehlt, das Motiv, die sitzende Frau mit der Dienerin dahinter, erinnert an die sogen. Dichterin aus der Villa des Fannius in Neapel (Barnabei T. V.) wo jedoch die Formen und die malerische Behand- lung gänzlich verschieden sind. Tafel 4, 2 ist der Grund in eine helle und in eine dunkle Seite geteilt. Das ist genau das Verfahren, wie wir es auf den Kopien hellenistischer Tafelbilder in der casa Tiberina gefunden haben; wahrscheinlich haben wir uns also auch hier den Grund als eine verschieden getönte Wand vor- zustellen. Auf den drei anderen Bildern läßt sich der Grund nach den Abbildungen schlecht erkennen, er wird wohl auch hier von einer indifferenten Farbe ohne Bezeichnung eines Raumes gebildet worden sein.
Die beiden anderen Stelen haben die Form eines Naiskos, die eine, Tafel i, trägt keine Inschrift, stimmt aber stilistisch mit der anderen überein und wird wohl ungefälir der gleichen Zeit angehören. Ganz verschieden ist aber die Art, wie in ihnen die Gemälde angebracht sind. Auf Tafel 3 trägt der obere Teil der Innenfläche eine dreizeilige Inschrift, die mit der auf dem Archi- travbalken befindlichen gleichzeitig ist. Darunter erst beginnt das Gemälde, das dann den Rest der Innenfläche ausfüllt. Das Verhältnis des Bildes zur Stele ist also hier genau das gleiche wie bei den anderen Stelen und ist ganz unabhängig von der Naiskosarchitektur. Dem entspricht auch die Komposition; die beiden Figuren befinden sich in einer Ebene, eine Räumlichkeit ist nicht angegeben. Das Überwiegen der Bilder ohne räum- lichen Zusammenhang mag bei diesen wenigen Bildern ein Zufall sein, vielleicht erklärt es sich bei den Grabstelen aus der Stärke der Tradition.
Rödenwaldt, PonipejaniscUe \\'andgemälde. 8
114
V'II. Inneiirauiiic.
Völlij^ abweichend ist die auf Tafel i (Al)b.2o) a])^ebildetevStele. Das Bild führt hier keine Sonderexistenz, sondern füllt die ganze \'()n der Arcliit cktur unisc-lilossene Mäche aus und fiilirl in seiner
Abb. 20. Gemalte Grabstele aus Pagasae. Nach einer Kopie v. E. Gillieron im Archaeol. Museum zu Halle.
Darstellung diese Architektur fort. Den vorderen Raum nahm wohl in seiner ganzen Breite das Lager der im Wochenbett ge- storbenen Toten ein, der ]\Iann, dessen Kopf noch erhalten ist,
VII. Innenräume. II5
saß wohl auf oder neben dem Lager. Es folgen zwei von den Seiten ausgehende, der Bildfläche parallele Wände, die aber nicht in der Mitte zusammenstoßen, sondern einen breiten Zwischenraum frei- lassen ; ihre Enden sind durch viereckige Stützen mit der Decke verbunden. Über und zwischen den Mauern sieht man die Rück- wand des Raumes, die ungefähr in der Mitte von einer Türe durch- brochen wird. Zwischen Mittelwand und Tür steht eine Gestalt, die das Kind in den Armen trägt, eine vierte erscheint in der halb- geöffneten Türe. Somit haben wir hier eine komplizierte Archi- tektur mit einem räumlichen Hintereinander von vier Figuren, von denen die letzte der Entfernung entsprechend verkleinert ist. Wäh- rend also die Bilder der anderen Stelen mit den im ersten Kapitel besprochenen Kopien griechischer Tafelbilder zusammengehen, finden wir hier eine abw^eichende, sehr viel freiere Darstellung.
Schon die ungefähre Gleichzeitigkeit der Stelen lehrt uns, daß wir es hier nicht mit dem Produkt einer späteren Entwicklung, sondern mit einer anderen Gattung zu tun haben. Auch von den skulpierten Grabdenkmälern weichen diejenigen, die die Form eines Naiskos haben, in ihrer späteren Entwicklung von den Gesetzen der übrigen gleichzeitigen Reliefplastik ab, indem sie uns häufig ein Hintereinander von drei bis vier Figuren zeigen. Die Architektur wurde eben nicht einfach als Umrahmung eines Reliefs empfunden, sondern als Nachbildung eines Tempelchens, in dem mm die Figuren aufgestellt wurden. Genau so ist es bei dieser Grabstele. Die gemalte Architektur ist nur eine Ausführung der durch die Nai'skosform gegebenen Architektur, die ganze Darstellung des Raumes und die Verteilung der Figuren ist von ihr abhängig, z. B. ist die Stellung der Zwischenmauer, die Symmetrie der beiden mittleren Stützen durch das Verhältnis zu den Anten bedingt. Die Räumlichkeit ist also eine Folge der Form des Monuments und hat nichts mit der Darstellung von Innenräumen, wie wir sie auf der Stele Tafel 4, 2, und in der Casa Tiberina finden, gemeinsam. Wenn wir die Räumlichkeit definieren wollten, müßten wir sie als Nachbildung eines Naiskos mit darin verteilten Figuren bezeichnen.
Es fragt sich nun, ob wir diese Gattung nur der Grabkunst zuweisen oder ein häufigeres Vorkommen annehmen sollen.
8*
Il6 VII. Iniicnräunic.
Die Form des Nai'skos finden wir hei den meisten attischen Vütivreliefs, die l)ei vSchöne') und jetzt bei vSvoronos-) ver- öffentlicht sind. Wie hei der Stele Tafel 3, scheint auch hei ihnen häufig die Darstelluni^ von der Naiskosarchitektur unahliängig zu sein, wenn Felsen oder Bäume andeuten, daß die Szene im Freien spielt.^) Andererseits paßt vielfach auch die Handlung in die Architektur hinein und wir können unhedenklich annehmen, daß dann die Architektur hisweilen, wie hier, durch Älalerei weiter ausgeführt war. Jedenfalls müssen wir damit rechnen, daß solche Votivtafeln auch ganz in Malerei ausgeführt wurden, wo- hei die umrahmende Architektur entweder plastisch ausgeführt oder auch in Malerei wiedergegeben werden konnte. Damit ge- winnen wir eine besondere Bildgattung, die neben die Tafelbilder tritt, deren Form wir aus den Kopien auf römischen Wänden kennen. Wann diese Gattung entstanden ist, welche Bedeutung sie neben der anderen gehabt hat, läßt sich noch nicht entscheiden.
Eine ganz entsprechende, wenn auch in der dargestellten Räumlichkeit nicht genau übereinstimmende, plastische Aus- gestaltung der Naiskosarchitektur finden wir auf den von Pfuhl im Jahrbuch d. Inst. 1905, S. 123 ff,, Abb. 21 — 28, besprochenen ostgriechischen Grabreliefs. Die spezielle Bildung dieser Ar- chitektur, die viele Parallelen zu den Vorlagen pompe janischer Wandbilder dritten und auch vierten Stils aufweist, ist durch den Inhalt — es sind vorwiegend Totenmahlreliefs — bedingt. Auch hier befinden sich die Figuren, im Gegensatze zu den später zu besprechenden pompejanischen Umbildungen, innerhalb einer Halle, deren rückw^ärtige Begrenzung die Architektur des Hintergrundes bildet.
Durch sie hat auch die Architektur auf der Heraklesvase des Assteas*) ihre Erklärung gefunden.^) Sie steht nicht vde die
^) R. Schöne, Griecliische Reliefs, Leipzig 1872.
2) J. N. Svoronos, Das Athener Nationahnuseuni, Deutsche Ausgabe von W. Barth.
3) Z. B. Svoronos, T. 53, 62, 75,2, jy.
*) M. d. I. VIII, T. IG, Wiener Vorlegebl. B, T. i. Dörpfeld imd Reisch, Das griechische Theater S. 310. Jahrb. d. Inst. 190Q, S. 60, Fig. I (verbessert von H. Wölfflin), (Bethe), 1901, S. 22 ff. (Dörpfeld).
5) s. Pfuhl a. a. O., S. 137, Anm. 277.
VII. Inueuräume. II7
aediculae der tarentinischen Vasen als ein Teil inmitten einer größeren Darstellung, sondern bildet mit den schlanken ionischen Säulen und dem schmalen Architravbalken ohne Gebälk und Giebel lediglich die Umrahmung für die Darstellung. An ihrer Entstehung mögen viele Einflüsse beteiligt gewesen sein, aber es ist sehr wahrscheinlich, daß die bildmäßige Gestaltung auf der Anregung — nicht durch ein Grabrelief, sondern indirekt durch ein Gemälde in Naiskosform beruht.
Für die Bewertung der pompejanischen Gemälde ist es von Bedeutung, daß wir aus ihnen, ohne die Hilfe der bemalten Grabstelen, diese Gattung hätten feststellen können. Heibig hat auf die Wichtigkeit hingewiesen, die die vier von Winckelmann ^) eingehend besprochenen Bilder H. 1389b (Abb. 21. Guida 1468), 1435 (Guida 1471), 1460 (Guida 1470) und 1462 (Guida 1473) haben, „wo es gilt, sich einen Begriff von der antiken Malerei in höherem vSinne zu machen"; und Robert^) hat sie wegen ihrer Stoffe zu den wenigen Bildern gerechnet, die man als direkte Kopien griechischer Tafelgemälde betrachten könne. Sie sind auf besondere Stuckplatten gemalt und zeichnen sich durch ihre ungemein feine und sorgfältige Ausführung aus. Diese Exaktheit berechtigt uns, bei diesen Bildern auch auf Einzel- heiten einen Wert zu legen, den wir ihnen bei geringer ausge- führten Bildern nicht beimessen dürften. Ich will nur die für unseren Zusammenhang vv^ichtigen Einzelheiten anführen und verweise im übrigen auf die Beschreibungen von Winckelmann, Heibig u, a.
Heibig und Winckelmann haben beide auf die komphzierte gemalte Umrahmung hingewiesen. Ihr innerster Streifen ist weiß und offenbar als ein Rahmen von rechteckigem Durch- schnitt gedacht, dessen perspektivische Seitenansicht meist ein schmaler Streifen an der Innenseite bezeichnet. Nur auf dem Bilde H. 1460 wird dieser plastische Rahmen oben und an den Seiten von dem folgenden, dunkleren Streifen verdeckt. Dieser
1) Geschichte der Kunst, Buch 7, Kap. 3, § 20 — 23.
2) Votivgemälde eines Apobaten, 19. Hall. Winckelmannspro- gramm, S. 6.
ii8
\'II. Jniic-nriimiie.
Raliineii bildet nun aber nicht nur die IJmj^renzunj^ der Bild- fläclie, sondern steht in enj^em räumhehen Zusamnienhanj^e mit den F'iguren und der Architektur der Bilder, so daß er, strenj^ genommen, nicht als Kalinun bt/.eichnet werfk-n darf, sondern mit zur Bildfläche «/eluirl..
Abb. 21. Jüngling und Bote. Nach Phot. Sommer-Neapel.
Auf dem Bilde H. 1435/) das die Schmückung eines Mädchens zum Festzuge darstellt, steht Unks ein zuschauendes ^Mädchen, dessen Stellung der für die Pol3'h3-mnia üblichen nahe verwandt
1) H.-Br. T.
VII. Inuenräumc. IIQ
ist. Sie steht schräg neben dem linken Bildrande und zwar so, daß sie mit einem Teile ihres Körpers mid mit dem schräg nach vorne ragenden, nur mit der Spitze auf dem Boden ruhenden Fuße des Spielbeins den Rahmen überschneidet. Das zwingt dazu, den Rahmen als einen plastischen Pfeiler aufzufassen, neben und vor dem das Mädchen steht. Wenn dies der einzige Fall dieser Behandlung wäre, könnte man ihn für einen Zufall halten, so aber treten weitere Beobachtungen hinzu, die seine Beurteilung bestätigen. Zunächst erklärt sich dadurch das eigentümliche Abschneiden des Tisches auf der rechten Seite des Bildes, das so nicht bedingt erscheint durch den durch den Rahmen gegebenen Ausschnitt, sondern dadurch, daß er zum Teil durch den Pfeiler verdeckt wird. Dasselbe ist der Fall auf dem Bilde H, 1462, wo der Stuhl und ein Teil des Körpers des links sitzenden Mädchens von der Umrahmung überschnitten wird. Diese verhält sich hier zu der Figur umgekehrt wie auf dem ersten Bilde; beides erklärt sich nur durch die Auffassung der Umrahmung als eines zum Bilde gehörenden Pfeilers. Dem entspricht auf dem Bilde H. 1389b, daß der hintere Teil des Pferdes von dem Rahmen überschnitten wird.
An zwei Stellen wird die plastische Form des Rahmens noch deutlicher bezeichnet. Auf dem Bilde H. 1460 ragt der vorgestellte Fuß des sitzenden Mannes über den Rahmen heraus, wie die Gestalt des Mädchens auf dem ersten Bilde, und der Bote auf dem Bilde H. 1389b steht auf der perspektivisch ver- kürzten inneren Seite der Umrahmung.
Wenn wir uns von dem dargestellten Räume eine Vorstellung machen wollten, so müßten wir ihn uns denken als einen auf einer Seite offenen Kasten, in den die Figuren hineingestellt sind. Die Ränder der offenen Seite wären mit einer einfach profilierten Leiste geschmückt, der Grund des Kastens wäre um die Breite dieser Leiste erhöht, während sie an den anderen Seiten die.ganz seitlich stehenden Dinge verdeckte. Dieser Raum stimmt seinem Wesen nach genau mit dem Naiskos überein, den die Grabstele aus Pagasae, das Bild der Assteasvase und die attischen Votivreliefs darstellen, nur sind dort die Ränder der Öffnung als Pfeiler und Gebälk charakterisiert. Wenn die Tempel-
I20 VII. Imienräunie.
arcliitektur nun aber so sehr /Aiin Rahmen geworden war wie auf der Asstcasvase, konnte die arcliitektonische Form leicht vernachlässigt werden und nur der ])lastische Rahmen übrig bleiben. So ist es auf vielen Votiv- und Grabreliefs geschehen, wo allerdings meist noch die innere Kontur des Antenkapitäls angegeben wird. Bisweilen fehlt auch diese, aber auch dann bleibt die ursprüngliche Bedeutung des Rahmens noch bev^'ußt; denn wir finden auch hier noch das so unendlich häufige Heraus- treten der Figuren oder einzelner Teile vor die Umrahmung.^) Diese letzte Form finden wir ;iiif den vier Neapler Gemälden, die sich somit als eine Variation der Gemälde in Xaiskosform darstellen. Wir brauchen daher nicht anzmiehmen, daß der römische Kopist erst diese Vereinfachung des Rahmens vor- genommen hat, sondern können sie wie die gesamte Darstellung für eine getreue Nachbildung der griechischen Vorlage halten.
Daraus folgt denn auch, daß die hinter den Figuren er- scheinende Innenarchitektur ebenfalls dem Originale angehören muß, und dies wird dadurch bestätigt, daß sie im allgemeinen mit dem, was uns die Grabstele und die Assteasvase lehren, übereinstimmt. Sie ist auf jenen beiden Denkmälern selbst so verschieden, daß wir nicht mehr als eine prinzipielle Ähnlichkeit erwarten dürfen.
H. 1462 zeigt hinter den Figuren eine Querwand wie auf der Grabstele, davor in der Mitte eine Säule, die ein Gebälk stützt, also eine Wiederholung des ]\Iotivs der Front, hinten die Rückwand. Die Architektur von H. 1435 läßt sich, da ein großer Teil des Bildes zerstört ist, nicht mehr sicher deuten. Bei dem Bilde H. 1460 füllt den Grund die Rückwand, die wie auf der Grabstele ungefähr in der ]\Iitte von einer Türe durchbrochen ist. Auf dem vierten Bilde, H. 1389b, ist, ganz entsprechend der Assteasvase, der Raum mit einer perspektivisch gezeichneten Balkendecke versehen^ nur ist der Raum hier tiefer und schmaler als dort; zwischen der Rückw^and aber und den Figuren ist, ganz entsprechend der Grabstele, eine nicht die ganze Breite ausfüllende Querwand eingeschoben. Diese Ähnlichkeiten sind
1) Z. B. Berlin, Katalog 804.
VII. Innenräume. 121
ausreichend, um das gleiche Wesen aller dieser Architekturen zu bestimmen.
Entsprechend der Freiheit der Figurenverteilung auf griechi-schen Grabreliefs finden wir nun auch hier auf den Bildern 1460 und 1462 ein Hintereinander von mehreren Figuren. Aber es ist ganz verschieden von der Art, die wir auf den pompeja- nischen Gemälden mit römischen Kompositionsprinzipien kennen gelernt haben. Zunächst befinden sich die Hauptfiguren in einer Raumschicht, dann aber ist die ReUefmäßigkeit hier so streng, daß außer der geringen Seitenansicht der Umrahmung keine Aufsicht des Bodens, auf dem die Figuren stehen, gegeben ist. Man vergleiche z. B. die Gruppe rechts auf dem Bilde 1460 mit dem Hintereinander von Jason, Tisch und Peliade auf dem Bilde So. 551. Die Stühle und vor allen Dingen das Pferd auf dem Bilde 1389 b sind Musterbeispiele der für die griechische Malerei charakteristischen Art der Zeichnung, die nur in der horizontalen Achse verkürzt; dagegen sind natürlich die am Modell beobachteten Verkürzungen von Gliedern des mensch- lichen Körpers richtig wiedergegeben, und der runde Tisch H. 1435 ist von oben gesehen. Während die Zeichnung dieser Dinge durch die künstlerische Tradition bedingt war, konnte die unmittelbare Beobachtung einsetzen bei der Dar- stellung der Decke, die denn auch, wie bei Assteas und auch sonst auf den unteritalischen Vasen, der Wirklichkeit wenigstens angenähert ist. Ich hatte schon oben erwähnt, daß auf jenen Vasen bisweilen bei niedrigen Stufen und selbst bei Stühlen die perspektivischen Linien nach unten verlaufen, daß also ein niedriger Augenpunkt vorschwebt.^) In dieser Weise sind hier die Fußschemel H. 1435 und 1462 gezeichnet.
Die Ähnlichkeiten mit diesen Vasen sind natürlich zufällig, aber es wäre doch möglich, daß die Originale der Bilder in die gleiche Zeit gehören. Als Winckelmann das Bild H. 1389 b beschrieb und deutete, sagte er (Kunstgeschichte, Buch 7, Kapitel 3, § 22) : „Die eine (Figur) sitzet, und ist vorwerts gekehret, jung und voll Feuer und Kühnheit im Gesichte, und
1) Z. B. Furtwängler - Reich. T. 88 — 90. So auch z. B. auf dem Friese v. Gjölbaschi.
1.22 \'Ii. IiinL-nräiiiiK-,
voll Aufmerksamkeit auf die Rede der anderen Fi^ur, so daß dieselbe den Achilles \'orstellen köiuite." Es ist frapjjiercnd, wie sehr diese Figur einem anderen Achill gleicht, der erst sehr viel später gefunden wurde, dem auf dem Briseisbilde der Casa del poeta tragico (H. 1309), desto bemerkenswerter, weil die Bilder verschiedenen vStilen angehören und beides gute und treue Kopien griechischer Vorlagen sind. Das Briseisbild gehört noch ins vierte Jahrhundert, in dessen zweite Hälfte würde auch das Motiv des stehenden Jünglings und die Zeichnung des Pferdes weisen. Es kann kaum zweifelhaft sein, daß die anderen Bilder diesem gleichzeitig sind; dann würde das Motiv des Mädchens links auf dem Bilde H. 1435 zu den vielen Fällen gehören, wo die Malerei der Plastik vorausgeht.
Die Grabstele, die Assteasvase, die ostgriechischen Gral)- reliefs und jene vier Bilder stimmen auch in dem Größenver- hältnis der Figuren zur Architektur überein. Diese Überein- stimmung ist sehr wichtig, wenn wir uns jetzt wieder zu den oben behandelten drei Bildern So. 541, 555 und 569 wenden. Denn diese Bilder zeigen eine sehr viel höhere und freiere Archi- tektur, die ihrerseits wieder, wie wir oben sahen, in der Größe mit den Hintergründen auf anderen Bildern desselben Meisters übereinstimmt. Eine auffällige Einzelheit sind auf dem Bilde So. 541 die hinter der linken Säule von der Decke aus aufge- spannten Vorhänge; sie sind verschieden von denen, die wir auf den Kopien griechischer Tafelbilder, auf dem Archelaos- relief, auf dem Neapler Schauspielerrelief finden, dagegen finden wir ähnliche auf Bildern und bei Architekturen, wo ihre römische Herkunft wahrscheinlich ist, so daß die \-erschiedenen Beispiele sich gegenseitig stützen können. i) Andererseits ist che Tür mit den nach hinten geöffneten Flügeln ein sicher griechisches Element, wir finden sie in genau entsprechender \\"eise auf der Assteasvase und sehr häufig auf Plilyakenvasen. So ist Griechisches mit Römischem vermischt.
Betrachten wir nun die oben erwähnte Stellung der Figuren innerhalb der Seitenpfeiler auf einer Grundlinie, die der Ver-
^) H. 759, 1243, 1297, 1318 c, 1385, 1391, So. 560, 580.
VII. Innenräume. I23
bindimgslinie der unteren vSäulenenden entspricht, so gleicht sie ganz genau der Stellung der Figuren auf den Naiskosbildern, nur ist der untere, die Pfeiler verbindende Teil des Rahmens fortgelassen, weil der Maler, der einen Kompositions weise des dritten Stils entsprechend, den Raum durch eine vorgelegte Fläche erweitern wollte. Wenn wir uns andererseits die Figuren fortdenken und die mittleren Stützen den Seitenpfeilern ent- sprechend nach unten verlängern, wie es auf dem Bilde So. 541 bei der rechten Stütze geschehen ist, so entsteht folgende Ar- chitektur. Ein langer, schmaler Raum, dessen Breite aus der perspektivisch gezeichneten Decke ersehen werden kann, wird vorn durch eine Reihe von Stützen begrenzt, deren Zwischen- räume durch verschieden hohe Querwände, die unmittelbar hinter den Stützen stehen, geschlossen werden. Seitlich wird er durch gerade oder schräge Wände begrenzt, hinten scheint er So. 541 und 555 offen, So. 569 geschlossen zu sein. Dieses System ist nun genau das gleiche, das wir in der dekorativen Architekturmalerei des zweiten Stils finden, das Prinzip der perspektivischen Erweiterung des Zimmers durch einen da- neben erscheinenden Raum, z. B. Mau, Geschichte, Tafel III und IV, das Tablinum des palatinischen Hauses usw. Die Architektur stellt also einfach eine Wand zweiten Stils dar, die Seitenpfeiler bilden den seitlichen Abschluß der Wand, auf dem von ihnen und den mittleren Stützen getragenen Gebälk ruht die wirkliche Decke des Zimmers, hinter ihnen folgt die scheinbare Erweiterung des Raums. Dagegen ist der Sockel und der reiche dekorative Schmuck jener Wände fort- gelassen, der Maler wollte also das, was er malte, als wirkliche Architektur und nicht als Wand zweiten Stils angesehen wissen. Wir haben uns also die Entstehung des Bildes folgender- maßen zu denken. Der Maler benutzte ein griechisches Original, das die Figuren in einer Naiskos- Architektur enthielt; wahr- scheinlich zeigte die Umrahmung dort noch die architektonische Gestaltung. Um die Komposition der im dritten Stile üblichen anzupassen, mußte er erstens den unteren Teil des Rahmens fortlassen, um den Raum nach vorne zu erweitern, sodann mußte er die Architektur umgestalten und dazu benutzte er
124 \'II Iiinciiräuuie.
(las ü])lichc Schema der Dekorationsmalereien zweiten vStils, die er ja in weit größerer Zalil, als heute erhalten sind, vor Augen hatte, und die schon im zweiten Stile selber, wenn auch nicht in bildmäßiger Weise, mit den Figuren griechischer Tafel- bilder in Verbindung gebracht worden waren (s. oben vS.46). Diese Anknüpfung lag sehr nahe, da die Maler ja für ihre Land- schaftsdarstellungen an die Oemälde auf den Wänden zweiten Stils anknü])ftcn. vSo stellt sich die Architektur dar als ein Gemisch aus Motiven des Originals der Figuren und aus Motiven der dekorativen Architekturmalerei, und es ist nicht möglich, sie mit der wirklichen Architektur des griechischen oder reimischen Hauses zusammenzubringen.^) Diese Zusammensetzung wird durch die Inkongruenz der vStellung der Figuren zum Räume bewiesen; hätte der Maler nur die Figuren einer Vorlage ent- nommen und die Architektur nur hinzugefügt, so ließe sich die Stellung der Figuren nicht erklären; er hätte sie dann vor die Architektur gesetzt.
Für die griechischen Vorlagen dieser Bilder können wir somit nur die Figuren verwerten und die Tatsache, daß sie eine Naiskosform hatten. Das Wesen jener Form ist durch die Umgestaltung gänzlich verschoben; dort eine gemalte Archi- tektur, die in sich die Figuren enthielt, hier die Darstellung eines Innenraums durch die Wiedergabe der einen begrenzenden Wand. Somit entsprechen diese Bilder in ihrem Wesen den nachgeahmten Tafelbildern der Casa Tiberina usw\, nur die Gestaltung der Raumbegrenzung ist verschieden.
Denselben Kontrast finden wir nun auch noch auf einigen anderen Bildern. Das Original der Kultszene H. 1411^) scheint
^) Eine andere Frage, auf die ich hier nicht eingehen kami, ist es, inwiefern die Architekturen der Naiskosbüder und der dekorativen ^Malerei niit der wirkHchen Architektur, tmd in\\'iefern beide tuitereinander zu- sammenhängen; z. B. erscheint die Architektiu: von Mau Geschichte, T. IV als eine Vervielfachrmg des Motivs, das auf dem Bilde H. 13S9 b vorhegt, wenn wir uns dort die Unuahmtmg in der vusprünghchen archi- tektonischen Gestaltung denken. Auch die Frage müßte mindestens auf- geworfen werden, ob die Form des sogenannten Bildträgers im zweiten Stile irgendwie mit den Naiskosbüdern zusammenhängt.
2) Zeichnung beim Institut.
VII. Innenräume. I25
zeitlich ungefähr zusammenzugehen mit H. 1389 b. Der Stier steht nicht ganz so schräg wie dort das Pferd, ist aber in der übUchen Weise verkürzt. Den Figuren ist hier nur ein schmaler Raum vorgelegt, aber der untere Teil des Rahmens fehlt natürlich und ebenso der der rechten Seite. Die obere Gestaltung der Architektur ist nicht ganz klar, jedenfalls aber steht die eine hier vorhandene Säule in derselben Bbene wie der linke Seitenpfeiler, während sie, wenn man von den Figuren ausgeht, hinter dem Jüngling erscheint, der seinerseits neben dem Pfeiler steht.
Bei den beiden Naiskosbildern H. 1389 b und 1462 erscheint die Querwand unmittelbar neben dem Seitenrahmen; es erklärt sich das aus der reliefmäßigen Darstellung, die räumliche Ver- tiefung wird nur durch die Figuren angegeben. Unmittelbar dahinter erscheint aber in schräger Ansicht die Seitenwand; das erklärt sich nicht nur aus dem Versuch einer perspektivischen Wiedergabe, der vielleicht dabei mitspielt, sondern man muß sich die Wand wirklich als schräg stehend denken; denn diese schräge Ansicht erscheint nur auf der einen Seite des Bildes. So finden wir diese schräge Seitenwand denn auf den Bildern So. 541 und 569 je einmal. So. 555 auf beiden Seiten, Dieses unmittelbare Zusammentreffen der direkt neben dem Pfeiler erscheinenden Quermauer und der schrägen Wand dahinter konnte leicht dazu verführen, die Mauer für an den Pfeiler anstoßend zu halten, und mag die unsinnige Darstellung der Architektur mitverschuldet haben.
Ouermauer und je eine schräge Wand finden wir auch auf drei Biklern, die im Bull. d. Inst. 1883, p. 131, 8 und 132 9 und 10 von Mau beschrieben sind.^) Sie haben die übliche Drei- teilung in leere Vorderfläche, Figuren und Hintergrund; die Architekturen sind verschieden, aber nur Abwandlungen eines Typus, und da 9 nur Fragment ist, auch 8 Beschädigungen auf- weist, beschränke ich mich auf die Behandlung von 10 (Abb. 22), das die Darstellung von Ares und Aphrodite enthält. Die Grundlinie der Figuren ist wieder gleich der Verbindungs-
^) Zeichnungen beim Institut.
126
\'II. Iniunräume.
linie der unteren Enden der Umrahnniu^. Diese ist, wenn wir
den Zc'idimin^cn trauen kcHincn, hier und auf den beiden anderen Bildern nicht architektonisch gestaltet, s(jndern ein einfacher breiter
Abb. 22. Ares und Aphrodite, Nach Zeichnung d. Instituts.
Rahmen, wie auf den vier Naiskosbildern und auch sonst, z. B. H. 1318 c, So. 521, So, 539, ein weiterer Beweis für den Zusammen- hang mit jener Bildgattung. Statt der zwei irmeren Stützen finden wir hier nur eine, die nicht genau in der Mitte steht; sie
VII. Innenräunie. 127
trägt den Rahmen und erscheint andererseits wieder hinter den Figuren. Ihr entspricht eine hintere Säule, die auf der anderen Seite des schmalen, gedeckten Raumes steht; beide sind durch eine Mauer miteinander verbunden. Die der Bildfläche parallelen Quermauern reichen auf diesem Bilde und auf dem Bilde 8 nur vom rechten Rande bis zur Säule, der linke Zwischenraum ist frei. Die Responsion der Säulen erklärt sich natürlich aus der durch die dekorative Malerei bedingten Auffassung der Architektur. An diese erinnert auch der Schmuck des Architravs mit hängenden Tympana und Guirlanden. So haben wir auch hier ein Verarbeiten verschiedener ]\Iotive; die Dissonanz in der Stellung der Figuren macht es wahrscheinlich, daß das Original dieses Bildes auch die Naiskosform hatte.
So klar und einfach sich bei diesen sieben Bildern die Be- standteile auseinanderlösen lassen, so schwer ist es bei einer zweiten, wesentlich verschiedenen Gruppe. Aus der Casa dei cinque scheletri stammen die Bilder H. 1310, 1331 (Guida 1282)^), 1391 b (Guida 1273)2), und 1391, vielleicht auch 1187 (Guida 1361), das die bekannte Gruppe des Perseus und der Andro- meda (vgl. unten Kap. IX) in eine Landschaft versetzt. Von diesen gehören die drei ersten, die aus demselben Zimmer stammen, zusammen, es scheint aber, daß auch die anderen Bilder von demselben Maler stammen. Innerhalb der ersten Gruppe stehen sich wieder besonders nahe H. 1310, Helena mit Paris schmollend, (Abb. 23) und 1331, Odysseus und Penelope.
Eine schmale, freie Fläche vor den Figuren ist auch hier vorhanden, sie ist aber lange nicht so breit, wie sonst auf Bildern dritten Stils und für den Gesamteindruck unwesentlich. Wieder findet sich hinter den Figuren der schmale gedeckte Raum mit der einen schrägen Seitenwand, in der Front von zwei symmetrisch gestellten Säulen getragen, mit einer breiten Tür- öffnung in der Rückwand. Der untere Teil dieser Öffnung wird auf dem Bilde H. 1310 durch eine z^;\ischen den Säulen stehende Mauer 3) verdeckt, an die sich Helena lehnt. Der von den Säulen
1) H.-Br. T. 55.
2) Rochette, choix 25, Panofka, Arch. Zeit. 1848, T. 16. ^) \'on Heibig fälschlich als Fenster beschrieben.
128 \'II. Imicnrauine.
j^etraj^eiic Architravbalken ist sichtbar, dagegen fehlen die seit- lichen Pfeiler. Ivs fragt sich nun, wie man diese Architektur auffassen soll. Betrachtet man den Architravbalken als Teil der Umrahmung, so wäre sie die durch das Fortlassen der Seiten-
Abb. 23. Paris und Helena. Nach Zeichnung d. Instituts.
pfeiler nicht ganz vollständige Wiedergabe der speziell römischen Gestaltung, die wir bei der ersten Gruppe kennen gelernt haben. Identifiziert man dagegen den Architravbalken mit demjenigen, der auf dem Bilde H. 1462 im Hintergrunde erscheint, so müßte man die Architektur und somit das ganze Bild für die treue
VII. Innenräume.
129
Kopie eines Naiskosbildes halten, bei der der gesamte Rahmen auf allen vier Seiten fortgelassen ist, während bei der ersten Annahme die Komposition im wesentlichen römisch wäre, und nur die Figuren einer griechischen Vorlage entstammten.
Man muß zu diesen beiden Bildern ein drittes hinzuziehen, das die gleiche Architektur zeigt, die aus der Casa di M. I^ucrezio Frontone stammende Darstellung der Liebesszene zwischen Ares und Aphrodite.^) Abweichend ist nur, daß neben der linken Säule noch eine Ouermauer erscheint, und daß die Türöffnung nicht so breit ist. Dagegen wird der untere Teil der Türe, wie dort durch eine Mauer, so hier durch das quer davorstehende Bett verdeckt. In der Türe erblicken wir wie dort zwei Figuren, ein entschieden griechisches Motiv, wenn war an die Grabstele von Pagasae denken; allerdings erscheint dort, dem Prinzip des Alexandermosaiks verwandt, die in der Türe stehende Figur etwas tiefer, während sie hier die im Vordergrunde stehenden Figuren überragen, eine Variation, die mindestens an eine römische Umwandlung denken läßt. Die von Mau hervor- gehobene eigentümliche Zeichnung des Bettes ist durchaus griechisch, ebenso die einzelnen Figuren. Wenn wir die Gruppe mit der sehr ähnlichen H. 325 vergleichen, so scheint der auf jener Wiederholung fehlende, ganz griechisch gezeichnete Fuß- schemel dafür zu sprechen, unser Bild für die genauere Wieder- gabe zu halten. Endlich paßt es vorzüglich, daß die Szene in einen Innenraum verlegt ist, während die landschaftliche Um- gebung auf dem anderen Bilde ganz und gar römisch ist. Das sind gewichtige Gründe, die die Annahme einer getreuen Kopie befürworten.
Andererseits erv/eckt die selbst für ein Nai'skosbild ganz außergewöhnliche räumliche Vertiefung Bedenken, ferner die ungewöhnlich vielen Personen, die dieser intimen Szene bei- wohnen — gewöhnlich ist das Paar allein oder nur von Eroten umgeben dargestellt, denn die Dienerin H. 325 ist aus einem anderen Vorbilde hinzugefügt; ähnlich ist es vielleicht H. 323
^) Not. degli scavi 1901, S. 154, Fig. 8, Rom. ]VIitt. XVI, 1901, S. 340, Fig. 3, Zeitschr. f. bild. Kunst, 1901, S. 288, Abb. 2.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. 9
130
\'1I. InnL'iiräuiuc.
(s. ()l)iii S. 41)'). Ferner steht d'w Zeichnung des Sitzes des MädclRus rechts im Widers] )riich zu der des Thrones und des Ik'ttes. Dieses Mädchen sell)st ist eine nur unwesentHch ver- änderte und im Gegensinne gegebene Wiederholung der Nymphe auf dein Bilde So. 196, KndHch ist auch die Grup])e des Ares und der Aphrodite nicht ganz getreu kojjicrt, es fehlen am Helme des Gottes die Federn, die wir auf der anderen Wiederholung sehen. Diese Federn finden wir sonst auf unteritalischen Bildwerken des vierten Jahrhunderts. 2) Zu dieser Zeit würde der Stil der Gruppe passen, und es wäre sehr gut möglich, daß sie auf ein unteritalischcs Tafelbild des vierten Jahrhunderts zurückginge, das sich vielleicht in pompe janischem Privatbesitze befand. Daraus würde sich vielleicht auch der von Heibig gerügte Mangel an Zartheit der Charakteristik erklären. Jedenfalls können diese Beobachtungen die Vermutung nahelegen, daß das Bild mit seiner eigentümlichen Variation des M}i;hus von dem pom- pe janischen Maler aus verschiedenen Bestandteilen komponiert sei. So halten sich Für und Wider die Wage, und mir scheint keine Beobachtung für ausreichend, die eine oder die andere Anschauung durchschlagend zu begründen. Vielleicht läßt sich aber doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn wir das den beiden erstgenannten Bildern als drittes entsprechende Gemälde hinzuziehen, H. 1391 b. Die Abbildungen bei Rochette und in der Archäologischen Zeitung weichen allerdings in Einzel- heiten von einander ab, aber im w^esentlichen Aufbau der Kom- position stimmen sie doch überein. Der schmale Raum mit seiner Kassettendecke nimmt auch hier den Grund ein, aber die eine Stütze ist mit Binden umwunden und dadurch als eine heilige Säule, wie wir sie häufig zur Bezeichnung eines
^) Im Gegensatze dazu die \aelfigurigen Darstellungen der Ent- deckvmg auf Sarkophagen, Robert III, T. 62, 62 a und die Gemälde der Domus Aurea, Ponce, Description des Bains de Titus T. 23, Codex Escurialensis, herausg. v. H. Egger, Fol. 10 v., S. 70 fE.
2) Z. B. auf der Heraklesvase des Assteas, der Neapler Patroklos- vase, Furtwängler- Reich. T. 89, den Wandgemälden aus Paestvmi, Bull, napol. N. S. IV, T. 4—7, vgl. auch Bethe, Jahrb. d. Inst. XV. 1900, S. 60, Anm. 7.
VII. Iiiueuräume. I3I
idpfvog finden, charakterisiert, auf die Zwischenmauer ist ein Dreifuß gesetzt, rechts erhebt sich ein zu der übrigen Archi- tektur schräg stehender Aufbau, der ein Götterbild trägt, der am Hnken Bildrande sichtbare Pfeiler, der bei Rochette als Säule gekemizeichnet ist, mag ein Rudiment des Seitenpfeilers sein. So sind hier die ursprünglichen Motive verwirrt und variiert, und auch gegenständlich ist die Architektur eine andere geworden.
Daraus ergibt sich mit Sicherheit, daß die Architektur dieses Bildes nicht direkt auf ein griechisches Original zurück- geführt werden kann. Ergänzt wird dieser Schluß durch das Thema der Darstellung, wenn diese, wie sie Robert^) gedeutet hat, Anchises, Aineias und Askanios vor der Sibylle von Mar- pessos vorstellt, Ist dieses Bild somit eine Schöpfung des römischen Künstlers, so ist die Wahrscheinlichkeit doch sehr groß, daß wir das gleiche auch von den beiden anderen, in der Kompo- sition so sehr ähnlichen Bildern desselben Meisters und von dem Ares- und Aphroditebilde annehmen können. Benutzt sind natürlich auch bei diesen Bildern griechische Vorlagen, aber es hat nicht, wie sonst oft im dritten Stile, eine mechanische Zusammensetzung verschiedener Bestandteile stattgefunden, sondern die einzelnen Elemente haben sich miteinander ver- bunden, so daß man griechisches und römisches Gut nicht reinlich von einander scheiden kann.
Von dem Augenblicke an, wo sich aus einer Vereinigung griechischer und römischer Motive ein neues Schema zur Dar- stellung von Innenrädmen gebildet hatte, war diese Architektur natürlich zu einem Motiv geworden, das von den pompejanischen Malern ebenso beliebig verwendet werden konnte wie die aus der Prospektmalerei hergeleiteten landschaftlichen Hinter- gründe. Damit tritt die Darstellung von Innenräumen trotz ihrer verschiedenen Entstehung in Parallelität zu den anderen Gattungen des dritten Stils. Die Dissonanz in der Stellung der Figuren verschwindet nun, und die Architektur bildet nur noch den Hintergrund für die Figuren. Das griechische Original, das
1) Hermes XXII, 1887, S. 454 ff-
9*
132
\'^II. Itinenräuinc.
wir \iclfach für iMguren \'(jraussctzcn müssen, kann dann immer noch ein Naiskosbild j^ewesen sein, aber wir können es aus dem ])ompejanischcn Gemälde heraus nicht mehr beweisen.
Das eigentümhche architektonische Gebilde stand seiner Entstehung gemäß in keiner unmittelbaren AV)hängigkeit von irgendwelcher wirklich existierenden Architektur. vSchon die lyandschaft auf pompejanischen (jemälden entbehrt der un- mittelbaren Betrachtung der Natur; sie variiert oder entwickelt die Motive der in Rom entstandenen und aus Rom in die Provinz übertragenen Landschaftsmalerei; die so charakteristischen Motive der landschaftlichen Umgebung Pompejis fehlen fast ganz. Dieser Mangel einer Anlehnung an die Wirklichkeit mußte eine Weiterbildung dieser Phantasicarchitektur besonders be- günstigen. Daher finden wir auf einer Reihe von Bildern zwar den Grundcharakter gewahrt, dagegen einzf.'lne Motive fort- gelassen, andere hinzugefügt oder umgewandelt.
Verhältnismäßig am reinsten hat sich die urs])rüngliche Architektur erhalten auf dem Bilde So. 521 (Guida 1327)^), Belle- rophon, der von Proitos in Anwesenheit der Stheneboia den Brief erhält. In dem ziemlich breiten Vordergrunde sind die Figuren so verteilt, daß sich rechts vorn Bellerophon und der Pegasos, links etwas zurück Proitos und Stheneboia befinden. In der originalen Komposition mögen sich alle Figuren in einer Ebene befunden haben, hier sind die hinteren verkleinert, und zwar etwas zu stark. Hinter den Figuren setzt die Architektur an. Den seitlichen und oberen Abschluß bildet auch hier eine nicht mehr architektonisch gestaltete Umrahmung, eine archi- tektonische Bildung des Epistyls beginnt erst über dem oberen Teil des Rahmens. Die S3'mmetrisch gestellten mittleren Säulen tragen nicht die Umrahmung, sondern einen weiter zurück- liegenden Deckbalken, unmittelbar hinter ihnen schließt eine Quermauer den Raum in seiner ganzen Breite ab. Diese Archi- tektur entspricht ganz genau der des Naiskosbildes H. 1462, es fehlt nur der untere Teil des Rahmens und Fortsetzung und
1) Gioni, d. scav. n. s. I, 1868, T. VII, n. 2. Wiener Vorlege- bl. VIII, 8, 2.
VII. Iiinenräuiue.
133
Abschluß des Raumes hinter der Querwand. Das letztere ist eine Anpassung an die römische Gestaltung der Architektur, während die hintere vStellung der Säulen aus der griechischen Form beibehalten ist. Es ist sehr möglich, daß dieses Gemälde auf ein Naiskosbild zurückgeht; wenn wir es rekonstruieren wollten, so müßten wir die Figuren in ihren Größen Verhält- nissen ausgleichen und sie in die Architektur hineinsetzen.
So. 579 (Abb. 15)1), das Pendant zu demIphigeniebildeSo.583, ist leider zum größtenvTeile zerstört, so daß der Gegenstand der Darstellung, nach Mau die Heimbringung der Leiche Hektors, hypothetisch bleiben muß, von der oberen Partie hat sich jedoch genug erhalten, um die Architektur mit Sicherheit rekonstruieren zu können. Wie die Anordnung der Figuren auf dem verlorenen Teile war, können wir natürlich nicht wissen, vor der einen erhaltenen Figur ist eine ziemlich breite Fläche frei gelassen; die Architektur ist ziemlich groß im Verhältms zu den Figuren, sodaß der Gesamteindruck dem der drei ersten in diesem Ka- pitel behandelten gleichkommt. Dagegen stehen die Figuren mit Ausnahme der über die Querwand blickenden vor und nicht innerhalb der Architektur, und dementsprechend ist diese freier ausgestaltet. Der eine seitliche Rahmen fehlt, der andere ist als Pfeiler gebildet. Zwischen der linken Mittelsäule und dem Bildrande ist eine Quermauer eingeschoben, der ent- sprechende seitliche Abschluß des gedeckten Raumes verläuft schräg. Dieser Raum ist hinten weder von einer Wand ge- schlossen noch offen, sondern wird der Vorderseite entsprechend von zwei Säulen zwischen zwei seitlichen Pfeilern begrenzt. So entsteht eine schmale, von Säulen getragene Halle, für die wir wieder kein Korrelat in der wirklichen Architektur suchen dürfen. Diese symmetrische Gestaltung beider Seiten entfernt sich noch weiter als die der bisher besprochenen Bilder von dem Ausgangspunkte, den Naiskosbildern, und bedeutet eine weitere Anpassung an die künstlichen Gebilde der dekorativen Malerei, wie sie uns auf Wänden zweiten Stils, z. B, in der Casa
1) A. d. I. 1877, tav. d'agg. O. P., Mau, Geschichte, T.XIII und XIV, Pompeji, S. 465, Fig. 271.
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VII. Iiineiiräume.
del Ivabirinto und in ihrer üppigsten Ausgestaltung in der Villa des Fannius in Boscoreale entgegentreten. Dieser Malerei ist nun ein weiteres Motiv entnommen. Wie wir dort zwischen und über den Querwänden der vorderen Architektur einen von vSäulen umgebenen Hof erblicken, so erscheint hier hinter den Säulen und Pfeilern eine perspektivisch gezeichnete, schräg nach hinten laufende, mit einem Triglyphenfries geschmückte dorische Säulenhalle. Wir können also hier in einem Einzelfalle die direkte Abhängigkeit von der dekorativen Malerei des zweiten Stils beweisen imd gewinnen damit eine weitere Bestätigung für den allgemeinen Zusammenhang der Architekturen mit der dekorativen Malerei. — Einzelne Motive dieser Architektur ver- wandte der Künstler dann, als er auf der gegenüberliegenden Wand das Iphigeniebild malte, zur Darstellung eines Tempels, der demgemäß keinesfalls auf das Original der Figuren zurück- gehen kann.
Das Motiv der über die Querwand hinüberblickenden Fi- guren, die hier mit besonderer P'einheit ausgeführt sind, ist sicher griechisch, finden wir es doch schon auf der Assteasvase. Der charakteristische Unterschied ist aber, daß es sich dort um eine rückwärts gelegene Wand handelt; w^enn auf den pom- pejanischen Bildern die Mauer in derselben Ebene erscheint wie die Umrahmung und die Mittelstützen, so ist das ein Produkt der römischen Umwandlung der Architektur.
In die Reihe dieser phantastisch ausgestalteten Architek- turen gehört nun auch das schon oben S. 93 angeführte Bild So. 560,^) dessen Darstellung mit den entsprechenden Bildern H. 1381 und 1391 b zuletzt von Robert im Hermes XXII, 1887, S. 454 fT. behandelt ist. Diese drei Bilder sind deshalb wichtig, weil sie zeigen, wie nur die Hauptfiguren konstant sind, während ihre Stellung, ihr Verhältnis zum Raum und endlich der dar- gestellte Raum selbst wechseln. Daß die Hintergrundarchitektur einer direkten Beziehung zur wirklichen Architektur entbehrte, gab die Möglichkeit, sie zur Bezeichnung verschiedener Räum- lichkeiten, sei es eines Zimmers oder eines Palastes oder eines
1) Giorn. d. scav., n. s. II, 1869, T. XI.
VII. Innenräume.
135
Tempels zu verwerten. Zu einem Tempel verwandte sie der Maler des Iphigeniebildes, ein Tempel ist wohl auch auf dem Bilde H. 1391b gemeint, und so hat wohl Soglianoi) recht, wenn er auch die Architektur dieses Bildes als einen Tempel auffaßt, dagegen irrt er, wenn er sie mit einem Teile eines wirklichen Tempels zu identifizieren sucht.
Den charakteristischen Rahmen finden wir auch hier^) oben und an den Seiten, und zwar außerordentlich breit gebildet und ohne architektonische Gestaltung. Die weitere Ausbildung der Architektur entspricht den oben besprochenen Bildern: Bull, d. Inst. 1883, p. 131 ff., 8 — IG. Den schmalen Raum stützt an der Vorder- und an der Rückseite je eine Säule, beide stehen symmetrisch zu einander und sind durch eine Quermauer ver- bunden. Der einzige Unterschied ist der, daß sie die Decke nicht direkt sondern vermittelst eines untergeschobenen Balkens tragen. Zwischen der vorderen Säule und dem rechten Seiten- rahmen ist auch hier eine Mauer eingeschoben, die zur Bezeich- nung des Heiligtums wie auf dem Bilde H. 1391 b einen Dreifuß trägt, den oberen Rahmen schmücken Tympana oder kleine runde Schilde. Von dem Dreifuß spannt sich zum linken Rahmen hin ein malerisch drapierter Vorhang. In dem freien Interkolumnium links erscheint eine perspektivisch verkürzte, nach hinten verlaufende ]\Iauer, die der Säulenhalle des vor- hergehenden Bildes entspricht. Soweit setzt sich die gesamte Architektur aus bekannten Motiven zusammen.
Nun machte der Maler der Idee eines Tempels eine weitere Konzession, indem er in die Mitte eine Treppe malte, auf der die Sib^dle einen sehr wirkungsvollen Platz finden konnte. Er übersah dabei die perspektivischen Widersprüche, die sich aus dem Verhältnis der Treppe zum Rahmen und zu der mittleren Säule ergeben. . Dieses Verfahren ist ganz analog dem auf dem Jasonbilde So. 551, wo der Maler die Tempel-
^) Giorn. d. scav. a. a. O. S. 433 ff.
2) Die Architektur des jetzt zerstörten Bildes H. 1381 stimmte nach der Abbildung bei Gell and Gandy, Pompeiana, London 18 17 — 19, T. 40, im wesentüchen mit So. 560 überein.
i>
VII. Innenräume.
architc'ktur aus einer Vorlaj^^e zweiten Stils entnahm und seiner.seils eine Trejjpe hinzufüj^te, die auch in keinem organischen Zusammenhange mit dem Tempel steht. Genau so wie dort ergab sich aus dieser Anlage nun eine jjyra- midenförmige Komposition, indem der Jüngling, der H. 1391 b hinter dem sitzenden Alten steht, auf die andere »Seite der Treppe gerückt wird. Daß diese Komposition die abgeleitete ist, er- gibt sich aus der von Robert hervorgehobenen Tatsache, daß Schild und Helm des Jünglings zu den Füßen des sitzenden Mannes liegen. Diese Parallele ist wichtig zur Beurteilung der Komposition des lasonbildes, deren r<)mischen Ursprung aller- dings auch andere Gründe beweisen.
Vor den Figuren dehnt sich eine außerordentÜch breite Fläche aus, die die Koni])osition mit der der anderen Gattungen in völlige Übereinstimmung bringt. Ob das Bild H, 1391 b oder ein anderes, nicht gefundenes Wandgemälde das Original für die Figuren ist, oder ob die Bilder von einem nicht viel älteren römischen Tafelbilde abhängen, wage ich nicht zu ent- scheiden.
Verhältnismäßig streng ist die Architektur des Bildes H. 1243 1) aus dem Hause des Epidius Sabinus. Wie auf dem Gegenstück H. 1132, Befreiung der Hesione, ist die Räumlich- keit ziemlich eng, die Figuren stehen in einer Ebene und mögen ziemlich unverändert einem griechischen Originale entnommen sein. Der obere Teil des Bildes ist zerstört und läßt den Ab- schluß der Architektur nicht erkennen. Der rechte Seiten- rahmen fehlt, die linke Seite der Architektur ist umgestaltet. Vor eine Stütze, die der rechten, vorderen Stütze des sclimalen Raums, dessen Decke sichtbar ist, zu entsprechen scheint, tritt ein viereckiger Pfeiler vor, der in mittlerer Höhe mit einem vorkragenden Gesims geschmückt ist. Dieses Gesims setzt sich an einer schräg nach vorn laufenden Wand fort, die dicht neben dem Bildrande abbricht, so daß ihre Schmalseite dem sonst hier befindlichen Bildrahmen entspricht. So setzt sich hier die Architektur nicht nach hinten, sondern nach vorn fort. Hinter
^) Zeichnung beim Institut.
VII. Inneuräume.
137
dem rechten Pfeiler ist an der Decke ein Vorhang befestigt, der symmetrisch nach beiden Seiten ausgespannt ist, das gleiche Motiv, dem wir schon auf dem Bilde So. 541 begegnet sind.
Das Bild H. 1391 stellt einen Krieger dar, der ein Orakel befragt. Die Publikation bei Rochette^) ist allerdings nach Heibig gänzlich verfehlt, aber im ganzen wird sie die Archi- tektur ungefähr richtig wiedergeben. Die Umrahmung fehlt auf allen Seiten, dagegen scheint sich rechts ein Stück des schmalen Innenraums mit Quermauer und schräger Wand erhalten zu haben. Es erinnert an Ausschnitte, wie wir sie etwa auf den Bildern So. 555 und 569 sehen. Von der übrigen Architektur haben sich nur noch zwei Säulen erhalten, die in ihrer Bedeu- tung an sich unverständlich und nur als Rudiment jener voll- ständigeren Architektur erklärlich sind. Von der einen von ihnen ist auch hier ein Vorhang symmetrisch nach beiden Seiten ausgespannt, er ist aber nicht hinter, sondern vor der Säule befestigt und verdeckt infolgedessen ihren unteren Teil. Im Hintergrunde erscheint eine perspektivisch gezeichnete Mauer, die von Bäumen überragt ist. Wenn sie wirklich auf dem Origi- nale vorhanden war, fände sie Parallelen in mehreren der eben besprochenen Bilder. Über den Vorhang ragen zwei Statuen hervor.
Dieses letzte Motiv finden wir auf einem Bilde wieder, dessen komplizierte Architektur sich wegen der schlechten Erhaltung nicht mehr genau analysieren läßt, auf der einzigen Darstellung aus der römischen Geschichte, H. 1385 (Guida 1400) 2), die den Tod der Sophoniba darstellt. Das Erhaltene genügt aber zu der Erkenntnis, daß die reiche, von mehreren Säulenreihen ge- tragene Halle nichts anderes als eine Erweiterung der Archi- tektur ist, die wir auf den Bildern So. 541, 555 und 569 in ihrer reinen Ursprungsform kennen gelernt haben. Die Umrahmung fehlt nach der Abbildung des Museo Borbonico auf allen drei Seiten, während sie nach der bei O. Jahn wiedergegebenen Ab-
1) choix, p. 289.
2) M. B. I, 34, O.Jahn, Tod der Sophoniba, Bonn 1859, Bernoulli, Rom. Ikonographie I, T. 4, S. 56, der die Deutung verwirft.
l >8 \'ll. Iniii-nräiiine.
bildun^' in Viscontis Ikon()^ra])hie an der rechten Seite erlialten wäre. Hinter der Fii^ur des Massinissa erliebt sich eine schlanke vSänle. Nach der Analogie anderer Bilder dürfen wir in der Lücke oberhalb der (Gestalt des vScipio eine entsj^rechende vSäule ergänzen, an der die vom linken Bildrande ausgehende Quer- mauer endete. Diese Säulen sind die Mittelstützen der ursprüng- lichen Architektur. Der schmale Raum, den sie vorne be- grenzen, hat, wie üblich, eine schräge Schmalseite, an der hier, wie So. 539, eine Tür angebracht ist. Ein breiter, reicher Vor- hang schHeßt die nicht mit Querwänden versehenen beiden rechten Interkolumnien. Neu ist bei diesem Bilde nur der Blick, der sich ül)er den Vorhängen öffnet; wir sehen dort eine ganze Reihe von Säulen und zwei Statuen, die offenbar auf hohen Postamenten stehen. Wenn es auch nicht gelingt, Ordnung und System in diese hintere Architektur zu l)ringen, so ist doch ihre Herkunft klar; sie entstammen den Säulenhöfen auf den Architekturmalereien zweiten Stils genau so wie die perspekti- visch gezeichneten Säulenhallen, die wir auf anderen Bildern kennen gelernt haben.
Die Figuren haben ausgeprägt römische Köpfe, in der engen Anordnung aber und in der kleinen Zeichnung der Dienerinnen hat sich der Maler an griechische Vorlagen angeschlossen. Eine solche hatte er auch für die Figur des hinter Scipio stehenden Mannes, der fast genau mit dem Hephaistos des griechischen Tafelgemäldes übereinstimmt, von dem uns in den Bildern H. 13 16 ff. Kopien erhalten sind.
Eine ganz andere Architektur gibt das Bild So. 641 (Guida 1329), das ein Gastmahl darstellt. Im Vordergrunde sind die Figuren gruppiert. Hinter ihnen schiebt sich von jeder Seite kulissenartig eine Wand vor, doch bleibt der größere Teil in der Mitte frei. Hier öffnet sich der Blick in ein Zimmer, dessen Decke von Säulen getragen wird. Die Wandstücke zwischen den Säulen sind je in eine untere violette Partie geteilt, die etwa bis zu zw^ei Drittel Höhe reicht, und eine kleinere obere, die, wenn ich richtig gesehen habe, grün ist, während die Decke eine dunkelgrüne Färbung hat. Zweifellos ist das eine vereinfachte Darstellung eines Zimmers, das in einfachem zweiten Stile aus-
VII. Innenräume.
139
gemalt ist. Hier läge also ein Fall vor, wo der Maler einmal nach der wirklichen Architektur gezeichnet hat.
Mit diesem Bilde schließe ich die Reihe der Darstellungen von Innenräumen dritten Stils ab. Die pompe janischen und, wie wir annehmen können, auch die römischen Maler suchten bei dieser Gattung für den Mangel einer Anknüpfung an die Bilder zweiten Stils einen Ersatz darin, daß sie von einer be- sonderen Gruppe griechischer Tafelbilder ausgingen und aus ihren Motiven und denen der dekorativen Malerei des zweiten Stils sich ein neues Schema schufen. Bestimmend für die Aus- wahl dieser Gruppe, deren Stellung innerhalb der Tafelmalerei sich mit dem jetzigen Material schwer bestimmen läßt, war wohl die Ähnlichkeit mit der dekorativen Malerei. Mit der Schaffung dieses Schemas wurde es möglich, die Darstellung von Innenräumen in eine den anderen Gattungen parallele Ent- wicklung hinüberzuführen, und so finden wir die dort vorhan- denen verschiedenen Prinzipien in diesen Bildern wieder. Das ist die beste Probe auf die Einheitlichkeit der Bilder des dritten Stils.
Ich möchte hier einige Bilder vierten Stils anschließen, deren Hintergründe in direktem Zusammenhange mit den eben besprochenen Bildern dritten Stils stehen, ohne auf ihre teils übereinstimmende, teils . charakteristisch abweichende Kom- position in jedem einzelnen Falle näher einzugehen.
H. 1337/) Minos und Skylla, gehört in die Reihe der Bilder aus der Casa dei cinque scheletri, H. 1310, 1331 und 1391 b, mit denen es auch in der Anordnung der Figuren auffallend übereinstimmt. Es mag von demselben Meister oder aus seiner Schule stammen. Die seitlichen Rahmen fehlen auch hier, von dem oberen hat sich ein Stück erhalten, das aber nach der Ab- bildung in der Archäologischen Zeitung ganz unorganisch nicht über sondern hinter den Säulenkapitälen erscheint. Die linke Schmalwand des mit einer Kassettendecke versehenen Raums verläuft schräg, ein Teil der Rückwand ist geschlossen. Zwischen
1) Arch. Zeit. 1866, T. 212.
lAQ \II. Imu-iiräiiinc.
den vorderen vStützeii l)efindct sich aucli hier wie H. 1310 uiirl IJ91 1) eine Querwand.
Das P.ild II. i.;i8c (Ouida 1370)!) stellt Thetis in der vSchniiede des Hephaistos dar; die Komposition ist abweichend von jener, die iihereinstininieiid durch die Bilder H. 1316 bis 1318 b, vSo. 576 und ein (k-inäidc der Casa de^li Ainorini dorati repräsentiert wird, ('ber sie und über die Fij^urenkomposition dieses Bildes vergleiche Kap. IX.
Die Architektur von H. 1318c steht in engerem Zusammen- hange als die des vorher bes])rochenen Bildes mit der ursprüng- lichen Form der Na'iskosbilder, ohne daß man sich jedoch die Figuren wie etwa bei dem Beilerophonbilde So. 560 in die Archi- tektur hineinversetzt denken könnte. Ihr oberer und seitlicher Abschluß ist als einfache Umrahmung ohne architektonische Glie- derung gestaltet, das untere Ende der Seitenrahmen wird durch die Figuren verdeckt. Die Umrahmung wird gestützt durch eine einzige, nicht in der Mitte sondern mehr links stehende, mäch- tige dorische Säule. j\Iit dem linken Seitenrahmen verbindet sie eine Zwischenwand, die offenbar, da sie sich auf der rechten Seite nicht fortsetzt, als seitlich an die vSäule anstoßend gedacht ist, aber wie so oft fälschlich den Rahmen überschneidet. Diese Architektur bildet den vorderen Abschluß des schmalen ge- deckten Raums, dessen eine Seitenwand, die rechte, schräg ver- läuft. Hinten scheint er durch eine feste Wand abgeschlossen zu sein, die nur in ziemlicher Höhe eine breite, fensterartige Öffnung freiläßt. Genau läßt sich die Gestaltung der hinteren Architektur nicht erkennen, da ein großer Teil durch einen mächtigen Vorhang verdeckt wird, der unter zwei an der Decke hängenden runden Schilden herabfällt. Er füllt den ganzen Raum zwischen der Säule und dem rechten Seitenrahmen aus, rechts stößt er auf einen aus der Wand vortretenden Pfeiler auf und gleitet von dort zur Erde nieder.
Mit den Bildern H. 1381 und 1391 hängt das jetzt in Neapel befindliche, von Mau im Bull. d. Instituto 1879, p. 254, 4 be- schriebene Bild zusammen, das den Empfang des Aineias bei
1) Photogr. vSoinmer 9252, Heibig, Atlas, T. XVII.
VII. Innenräuine.
141
Dido darstellt. Es ist wohl kein Zufall, daß wir gerade unter diesen durchaus römischen Kompositionen mehrere römische Themata finden. Wie das Architekturschema auf jenen Bildern zur Bezeichnung eines Heiligtums verwandt wurde, so hier zur Darstellung eines Palastes. Der Rahmen ist oben und an der linken Seite erhalten und wird von zwei Säulen gestützt, von denen die eine über der Gestalt der Königin, die andere über dem Kopfe der Venus erscheint. Diese letztere Säule war mit dem rechten Rande durch eine Ouermauer verbunden. Von der Mitte des oberen Rahmens spannt sich ein breiter Vorhang nach der linken Seite aus. In diese Architektur ist nun am linken Rande, wie H. 1381 und 1391 in der Mitte die Treppe, ein durch drei Stufen zugängliches Postament hineingebaut, auf dem Didos Thron steht. Da der linke Seitenrahmen am vorderen Rande des Postamentes endet, entsteht auch hier ein Widerspruch zu der Stellung der mittleren Säulen, während die drei übrigen Figuren, von denen die beiden männlichen ausgesprochen römische T^^pen sind, vor der Architektur stehen.
Mit der Gestaltung der Architektur auf dem Bilde So. 579 aus dem Hause des Caecilius Jucundus verwandt ist die Hochzeit des Peirithoos So. 539. Es ist in demselben Zimmer wie die Bilder So. 164 und 527 gefunden worden und steht zu dem letzteren in so inniger Beziehung, daß ich dieses hier be- sprechen will, obgleich es keinen Innenraum darstellt.
So, 527 (Guida 1383) zeigt Theseus nach der Tötung des Minotauros.i) Links sehen wir den Eingang zum Labyrinth, in dem der tote Minotauros liegt, daran schließt sich ein schräg von vorne gesehener, viereckiger, mit Gesims und Zinnen ge- schmückter Turm. Seine rechte Seite und die Türwand sind beschattet, während die linke Seite im hellsten Lichte liegt, und der Eingang zum Labyrinth tiefschwarz erscheint. So entsteht ein lebhafter Wechsel von Licht und Schatten. Zinnen und Gesims des Turmes setzen sich auch an der verkürzten Seite horizontal fort, und so wäre es immerhin möglich, daß die ganze scaena auf ein griechisches Original zurückginge. Eine gleiche
Arch. Zeit. 1872, T. 67, Kunstgeschichte in Bildern I, 98, 3.
14-
VII. Inncnräumc.
Zc'ichmini^ rindcii wir ]k-\ dem Mauc-rx-orsprunge auf der linken vSeite der Aldohrandinisclien Hoclizeit, wo gleichfalls die Origi- nalität unsicher ist, aber auch hei Architekturen auf römischen Landschaftsbildern, /. li. hei der hohen viereckigen Basis auf dem Parisurteil H. 1286, wo sie sicher römisch ist. leinen sicheren Schluß können wir also aus dieser Einzelheit nicht ziehen.
Dagegen müssen wir ein griechisches Original, trotz des porträtmäßigen Kopfes des Theseus, für die Mittelgruppe der Figuren annehmen, die ähnlich So. 528 und H.1214 wiederkehrt. Die Figuren, Theseus, die stehenden Knaben rechts und links und der auf dem Boden kniende, stehen in einer Ebene und bilden eine pyramidale Komposition, die aber ganz abweichend z. B. von der des Jasonbildes So. 551 ist, wo die Figurengruppen die Ecken einer Pyramide bezeichnen. Der rechte Arm des Theseus und der Knüttel, den seine Linke hält, liegen in der Richtung der schrägen Seiten, im übrigen dominieren in der Komposition die Vertikalen der drei stehenden Figuren, wie wir es häufiger auf griechischen Kompositionen finden, z. B. H. 1304, 1151.
Diese dem Eindruck bestimmende Eigenart wird hier etwas verwischt durch die Figuren, die den Hintergrund rechts von dem Turme füllen. Hinter dem vorne stehenden Knaben sind zwei Figuren noch ganz sichtbar, von einer dritten Kopf und Brust, von den drei letzten nur noch die Köpfe. Dieses Hintereinander von fünf Figuren, wenn man den Knaben mitrechnet, erweitert den Raum beträchtlich und gibt erst der rechten Seite des Turmes den Eindruck des perspektivischen Zurückweichens. Somit ist die Funktion dieser Figuren gleichzeitig raumschließend und raumerweiternd. Es ist unmöghch, diese Figuren auf ein griechisches Original zurückzuführen. jVIan darf es nicht ver- wechseln mit dem Kompositionsprinzip der ,, Alexanderschlacht", wo auch zwischen den vorderen Figuren die Körper oder Köpfe hinten stehender erscheinen. Denn erstens ist dort der Zweck nicht, den Raum zu erweitern, sondern, um einen scheinbaren Raumzusammenhang herzustellen, die Fläche zu füllen, und zweitens erscheinen dort die Köpfe der hinteren Figuren meist
VII. Innenräume.
143
in derselben Höhe oder etwas tiefer als die der vorderen, wenn sie aber höher erscheinen, wie H, 1309, niemals in einem so starken Übereinander wie hier, das durch den hohen Augenpunkt bedingt ist.
Somit müssen wir annehmen, daß dieses Motiv von einem römischen Wandmaler erfunden worden ist, schwerlich von dem Verfertiger dieses Bildes, vielleicht von einem bedeutenden in Rom tätigen Künstler. Daß es aber von dem Maler dieses Bildes mit bewußter künstlerischer Absicht angewandt wurde, zeigt sich darin, daß wir es auf seinem Pendant, So. 539 (Guida 1385)1), wiederfinden. Genau in derselben Weise ist auf ihm rechts die Schar der zur Türe hereindrängenden Kentauren gemalt, die dem Peirithoos ihre Hochzeitsgeschenke bringen. Die Komposition, auf deren Responsion zu dem Theseusbilde Heydemann und Trendelenburg-) hingewiesen haben, geht nicht sehr in die Tiefe und erweitert sich nur auf der rechten Seite durch die Schar hintereinander erscheinender Figuren. Der Aufbau der Architektur erinnert an der Vorderseite an die der Schmiede des Hephaistos H. 1318 c. Eine, hier kannelierte Säule stützt den Rahmen und ist mit dem linken Seitenpfeiler durch eine Quermauer verbunden. Obwohl hier neben der Säule der seitliche Abschluß der Mauer perspek- tivisch wiedergegeben ist, überschneidet die Mauer doch wieder den linken Bildrahmen; es ist aber interessant, daß die Mauer, die doch ursprünglich hinter den Säulen gedacht ist, allmählich in dieselbe Ebene rückt wie Säulen und Rahmen. Von dem Rahmen fehlt die rechte Seite ganz, oben ist er in einen breiten Teil, der nur bis zur vSäule reicht, und in einen schmaleren geteilt. Der innere Raum mit seiner Balkendecke hat auch hier wieder eine schräge Seite, die aber fast in ihrer ganzen Breite von einer Türe durchbrochen ist. Ihr allein sichtbarer linker Pfosten verbreitert sich unten zu einem Mauervorsprung, genau so wie der rechte Seitenrahmen bei der Hephaistosschmiede. Diese Umwandlung der Architektur erklärt sich aus dem Inhalte und
1) Arch. Zeit. 1872, T. 67.
2) Arch. Zeit. 1872, S. 89 ü., Arch. Zeit. 1876, S. 5.
144
\1I. Iniiciiräiiine.
ans der Parallelität zu (Um Theseusbildc, die Ijeide wieder zu einaiKkr in Beziehunj^ stehen mögen. Der Maler l)rauchte eine OlTunng' in der Architektur, wenn er die von aulien in den Palast hereindrängenden Kentauren malen wollte. Er hat diese For- derung geschickt erfüllt, aber dadurch die urs])rüngliche Ar- chitektur fast unkenntlich gemacht. Ihre Puntscheckigkeit wird durch ein weiteres Motiv verstärkt, das er hinzugefügt hat, die ])ers])ektivisch gezeichnete »Säulenhalle, die man durch den schmalen Raum hindurch über der Querwand sieht. Die.se ist wieder, wie bei dem Bilde So. 583, der dekorativen Malerei des zweiten Stils entnommen, ohne daß diese Entlehnung hier direkt zu sein braucht; sie könnte schon durch den dritten Stil hindurch- gegangen sein. Eine vorzügliche Parallele bietet der innerste Teil der Seiten wände in dem Cubicolo^) der \'illa in Boscoreale, wo links und rechts zwischen den seitlichen und den mittleren Stützen der schmalen Architektur über den Zwischenwänden solche nach hinten laufenden vSäulenreihen erscheinen.
Die Figuren des Bildes H. 11 13,-) die Personifikationen der drei Erdteile, gehen mit ihrer einfachen, rehef artigen Gruppierung zweifellos auf ein Tafelbild zurück, die Architektur dagegen hängt eng mit Architekturen dritten und den aus jenen abge- leiteten vierten Stils zusammen. Von der Umrahmung ist nur ein kleiner Rest am oberen linken Bildrande erhalten, der untere Teil wird w'ieder durch die Ouermauer verdeckt, die eigentlich zwischen dem Rahmen und der ^littelstütze stehen sollte. Diese Mittelstütze ist vorhanden, dagegen ist die andere Seite, Gebälk, Dach und Rückwand des schmalen Raumes verschwunden. Ein ]\Iotiv hat dieses Rudiment aber noch bewahrt, die per- spektivisch gezeichnete Säulenhalle, die über der Querwand des seitlichen Interkolumniums hier wie auf dem vorigen Bilde er- scheint. Dasselbe Verfahren begegnet uns im vierten Stile auch bei landschaftlichen Hintergründen, wo gleichfalls ]\Iotive, die aus dem dritten Stile herzuleiten sind, in verkürzter Form zur
1) Baniabei, p. 79, fig. 19, Rom. ^Mitt. XVII, 1902, S. 191, Fig. 5. -) Röchelte, choix 28.
VII. Innenräiime.
145
Ausfüllung der nicht von den Figuren eingenommenen Fläche verwandt werden.
H. 1332^) stellt die Begegnung des Odysseus und derPenelope dar. Das Bild geht in seinen Figuren auf dasselbe Original zurück, wie H. 1331 (vgl. oben S. 127), enthält aber außer den beiden Hauptfiguren nur eine, über die Querwand bückende Dienerin. Es ist möglich, daß dieses Motiv dem Originale ent- nommen ist, obwohl man sich natürlich auch denken kann, daß es von den pompe janischen Malern behebig verwertet wurde, nachdem sie es einmal von griechischen Tafelbildern kopiert hatten. Die Anbringung der Querwand entspricht ganz dem römischen Schema dieser Architekturen. Sie steht zwischen dem linken Bildrande, wo der Rahmen fehlt, mid der einen Mittelsäule, die hier ganz an die linke Seite des Bildes gerückt ist. Das Säulenkapitäl trägt den oberen Rahmen, überhaupt entspricht die Architektur im übrigen dem Schema. Die rechte Schmalwand ist außerordenthch schräg und erscheint daher sehr breit, hinten ist der Raum geschlossen, nur eine hohe, schmale Tür öffnet sich ins Freie. Penelope steht neben dem rechten Rahmen, Odysseus befindet sich in derselben Raum- schicht, und die Walze, auf der er sitzt, reicht sogar noch weiter in die Tiefe. Trotzdem erscheint die Säule hinter ihm, und so entsteht derselbe Widerspruch, den wir auf Bildern dritten Stils gefunden haben. Wir dürfen aber dieses Bild nicht zur Analyse der einzelnen Bestandteile verwenden, denn die Zusammen- setzung der Figuren mit dieser Architektur hat, wie das Bild H. 1131 lehrt, bereits im dritten Stile stattgefunden. Wir finden auch dort die Säulen stark zur Seite gestellt und die rechte Schmal- seite außerordenthch schräg. Trotzdem kann H. 1131 nicht das direkte Vorbild unseres Gemäldes sein, denn abgesehen von seiner Kleinheit und seiner nicht hervorragenden Ausführung fehlt ihm der rechte Seitenrahmen, dessen Existenz erst das Miß- verhältnis zwischen Architektur und Figuren hervorbringt. Wir dürfen also als Vorlage ein Bild dritten Stils annehmen, das im
1) H.-Br. T. 54.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. 10
Ia() \'II. IiuiLiiraiime.
allgemeinen H, 1331 gleich, aber von besserer Qualität war und fkn rechten Seitenrahmen besaß. Daß die Architektur dieses ]>il(ks eine abgeleitete ist, ergibt sich auch aus dem Fehlen der einen Mittelstütze — wo urs])rünglich nur eine vorhanden ist, pflegt sie mehr in der Mitte zu stehen — und aus den ver- änderten Verhältnissen der einzelnen Architekturteile unter- einander, z. I). der großen Rolle, die die schräge Schmalseite spielt. Beides erklärt sich daraus, daß die Architektur hier nur noch die Folie für die ungleich größer als im dritten vStile ge- zeichneten Figuren l)il(kt, und dieses hängt wieder innig mit der charakteristischen Fjgenart des vierten Stils zusammen.
Das im Bull. del. Inst. VI 1884, p. 106, 15^) von Mau be- schriebene Gemälde ist seiner Komposition nach, wie die Zeich- nung des Marmorsitzes und des Tisches beweist, römisch, für die Figuren, mindestens für die des Apollo, mag der Maler eine griechische Vorlage gehabt haben. Von dem Architekturschema ist nur der linke vordere Seitenpfeiler und die Rückwand erhalten ; diese ist aber nicht wie die geschlossene Wand gebildet, die wir auf dem Penelopebilde u. a. finden, sondern nach dem Muster der Querwände, die ja eigentlich zur Vorderseite gehören. Sie ist mit einem Gesims bekrönt, nur an der linken Seite geht die Wand weiter in die Höhe. Die i\Ialer waren sich eben des Wesens dieser Architektur nicht mehr bewußt und setzten willkürlich die einzelnen Motive aneinander. Über der Querwand erscheint ein perspektivisch gezeichnetes, schräg nach hinten verlaufendes Gebäude, ein Motiv, das wnr auf Bildern dritten Stils und nach- gebildet im vierten Stile auf den Bildern H. 1139 und 11 13 fanden.
Ganz verschwunden ist die vordere Architektur auf dem Medeabilde H. 1262 (Abb. 24, Guida 1360 ; übereinstimmend H. 1263); dagegen nimmt, wie auf dem Apollobilde, den größten Teil des Hintergrundes die Querwand mit der darüber er- scheinenden perspektivisch verkürzten Säidenhalle ein. Daß sie auch hier als Rest der Rückwand aufzufassen ist, lehrt der, wie die Zeichnung der Türe beweist, im schrägen Winkel daran an-
^) Zeichnung beim Institut.
VII. Inneiiräume,
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Stoßende Mauerteil. In diesem ist uns die schräge Seitenwand der ursprünglichen " Architektur erhalten, die wie auf dem Peirithoosbilde vSo. 593 von einer Türe durchbrochen ist. Man
Abb. 24. JMedea. Nach Phot. Sommer-Neapel.
vergleiche diese Architektur mit der jenes Bildes, um sich den Zusammenhang und die Weiterbildung klarzumachen.
Daraus ergibt sich, daß wir auf das hier in Betracht kommende
10*
jj^g VII. Innenräumc.
Original des Timomachosi) nur die Figuren und nicht die Räum- lichkeit zurückführen können. Eine Bestätigung dafür ist es, daß auf einem dritten Exemplar der gleichen Darstellung, von dem uns nur die Figur der Medea H. 1264 (Guida 1316, Fig. 75) erhalten ist, die Räumlichkeit anders war. Allerdings reicht das Erhaltene nicht aus, um die Gestaltung der Architektur auf jenem Bilde zu rekonstruieren.
1) Heibig, Unters. S. 146, Wickhoff, Wiener Genesis S. 72, Klein, Gesch. d. griech. Kunst III, S. 299.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen.
Die Figurenbilder des zweiten Stils fanden im dritten Stile eine verhältnismäßig geringe Nachfolge, dagegen erhielt sich die Landschaftsmalerei in der während des zweiten Stils erfolgten Umwandlung aus dem Prospekte zum Bilde, und die Figuren- bilder des dritten Stils knüpften direkt an die lyandschafts- malerei an. Wir haben also für die Gemälde eine vom zweiten zum dritten Stil führende kontinuierliche Entwicklung, die durch keinerlei plötzlich auftretende fremde Einflüsse unter- brochen wird. Ägyptische Motive finden wir auf diesen Bildern nicht, sondern sie sind auf die kleinen innerhalb der dekorativen Malerei angebrachten BUdchen beschränkt. Das gibt uns das Recht, die Möglichkeit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung auch für die Gemälde des vierten Stils einfach vorauszusetzen, obgleich die Frage nach der kontinuierlichen Folge für die Entstehung der Dekorationsstile noch nicht geklärt erscheint. Selbst wenn der dritte und vierte Stil nicht in Italien entstanden wären,!) könnten wir doch für die Wandgemälde eine eigene Entwicklung annehmen, da ihr Bildcharakter sie aus dem unmittelbaren Zusammenhange mit der Wanddekoration gelöst hatte. Andererseits sind die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Stilen auch in den Gemälden vorhanden nicht nur in Zeichnung, Farbengebung und Komposition, sondern auch in der Auswahl der Stoffe und der künstlerischen Vorlagen; das
1) Mau, Rom. IVIitt. X, 1895, S. 233 ff., Pompeji, S. 455 und 459.
jtfQ \III. X'iirtcr Stil. Röiuisclio Kompositionen.
allein btTfcliti^l lins ja, die Scheidung der dekorativen Stile auch auf die Oeniälde zu ühertra^en. Wenn es nun gelänge, für die Gemälde eine konstante Entwicklung festzustellen, so könnte das Resultat doch bei einer Beurteilung der vier Stile in dem Sinne, wie sie vStudniczka in seiner Schrift über das Tropaeum Traiani^) ausgesi)rochen hat, mitbestimmend sein.
Der vierte Stil ist nicht nur der Zahl seiner Bilder nach, sondern auch in seinem Wesen sehr viel reicher und mannig- faltiger als der dritte Stil. Deshalb empfiehlt es sich nicht, die Scheidung nach inhaltlich bestimmten (Gattungen, deren jede die gleichen Kompositionsprinzipien hat, als maßgebend beizu- behalten, sondern sie der allgemeinen Frage unterzuordnen, in welchem Verhältnisse die Bilder einerseits zu den Kompositions- prinzipien dritten Stils und andererseits zur griechischen Tafel- malerei stehen.
Nur wenige Bilder stimmen in ihrer Komposition genau mit den Prinzipien des dritten Stils überein. Wir hatten ein solches mit der Darstellung eines Innenraumes in dem Bilde H. 1337 kennen gelernt. Zwei Bilder dritten Stils, H. 1137 ^"^ i^S^, stellten den trunkenen Herakles bei Omphale dar, ein drittes Exemplar ist uns auf einer Wand vierten Stils in der Casa di Sirico erhalten, H. 1139.^) Die Komposition ist im wesentlichen die gleiche und offenbar von den Bildern dritten Stils abhängig. Wenn wir von Einzelheiten absehen, so sind bemerkenswerte Veränderungen nur, daß die Figur des Herakles enger an den Altar herangerückt ist, und daß im Hintergrunde eine ganze Reihe von Figuren, Dionysos und der Thiasos, hinzugefügt sind. Das ist eine bewußte Korrektur des Bildes H. 1137, das an dieser Stelle eine große Lücke aufweist, die der Maler von H. 1138 durch das Hinaufschieben des Altars auszufüllen suchte. Der Künstler erreichte dadurch einen Abschluß des Raumes und zu- gleich eine gleichmäßige Ausfüllung der Bildfläche. Die Tiefe des Raumes ist etwas, allerdings unbedeutend verringert durch das
1) Abh. d. phil.-hist. Klasse der Kgl. Sachs. Akad. d. Wiss. XXII. No. IV, 1904, S. 65 und 69.
2) Photogr. Sommer 11913, Wiener Vorlegebl. B, T. III, 4.
VIII. Vierter Stil. Ronii-sche Kompositionen. jcj
Aneinanderrücken von Altar und Herakles. Wenn wir, vielleicht etwas willkürlich, in der Erscheinung der Figuren in der Fläche ein Prinzip suchen wollten, so könnte man sagen, daß sie im Kreise um die Mitte des Bildes herum gruppiert sind.
Dasselbe gilt von einem zweiten Bilde vierten vStils, dessen Komposition auch sonst mit den Heraklesbildern zu- sammengeht, H. 974, meist auf Zephyros und Chloris ge- deutet.^) Links im Vordergrunde liegt das schlafende Mädchen, Hypnos (?) sitzt ihr zu Häupten, Eros hebt ihr Gewand. Diese Gruppe ist den Darstellungen der verlassenen Ariadne entlehnt, z. B. H. 1237. Die von zwei Eroten umgebene zu- schauende Göttin im Hintergrunde links entstammt sicher eben- falls einer griechischen Vorlage, sie hat eine gewisse Verwandt- schaft mit der Omphale des eben besprochenen Bildes. Die herab- schwebende Gottheit erinnert im Zusammenhange mit der am Boden schlafenden Gestalt an die Endymiondarstellungen'^) und noch mehr an die Darstellungen von Mars und Rhea Silvia.^) Schwerlich ist unser Gemälde für jene das Vorbild, sondern es ist von derselben Vorlage abhängig, denn es ist ganz in der Art des dritten Stils aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt und wohl eine Schöpfung des pompe janischen Künstlers oder eines gleichzeitigen römischen Wandmalers. Die Raumdar- stellung mit dem hohen Augenpunkt und der freien Verteilung der Figuren entspricht ganz der des vorigen Bildes.
1) Mus. Borb. IV, 2, Guida 1464, Fig. 78.
2) Robert, Die antiken Sarkophagreliefs III, T. 12 — 17, S. 53 ff., H. 952 — 954, 956 ff., vSo. 457 usw.
3) Robert, Die antiken Sarkophagreliefs III, T. 60 nnd 61, S. 227. (Vgl. Guida 1401, Not. d. sc. 1905, p. 93 — 95, Fig. 2.) Vielleicht waren die Endymiondarstellungen die Vorlage, denn die pompe janischen Bilder gehen in ihrem ursprüngUchen Bestände, d. h. ohne die sogen. 'Axuä imd Hxonud, sicher auf griechische Tafelbilder zurück (s. unten). Wir haben auch bei ihnen, wie bei den RheavSilvia-Darstellungen für Mars, für Selene neben dem Motiv des Herabschwebens das des Schreitens, z. B. H. 955. Beide Motive nebeneinander auf zwei Bildern der Casa di Narcisso (Not. d. scavi 1908 s. miten). Von ihnen ist wohl auch das Motiv des Schwebens auf die Darstellung des Perseus bei der Befreiung der Andromeda übertragen worden H. 1183, So. 517, vgl. d. Gemälde des Euanthes, Achill. Tat. III, 6: 6 üfQGivg iyiygceriTO xraaßcdi'ioy tS (Unog.
2^2 VIII. Vierter .Stil. Römi.sche Kompositionen.
Die Bilder H. 823 (Abb. 25, Guida 1324) und 25 5 (Guida 1320)1) sind die besten Exemplare zweier mehrfach wiederholten Darstellmigen, von denen die eine eine Reihe von Figuren zeigt, die bewundernd ein Erotennest betrachten, die andere eine Szene aus dem Artemismythos enthält, die Petersen zweifellos richtig als Werbung des Hippol>'tos um Artemis gedeutet hat. 2) Ich bitte, das Erotennest H. 823 mit dem Meleagerbilde dritten vStils H. 1165 (Abb. 8) zu vergleichen. Es besteht eine auffallende Ähnlichkeit in dem Verhältnis der Gruppe des Meleager und der Atalante und der vorderen Gruppe des Erotennestes zu den beiden rechts im Hinter- grunde befindlichen Gruppen. Auf beiden Bildern befinden sich die vorderen Figuren dicht nebeneinander in einer Raumschicht. Etwas weiter zurück folgen rechts hinter einem Preisen je zw^ei Figuren, die eine schräg zur Bildfläche stehende Gruppe bilden, auf dem Meleagerbilde schräg von vorne rechts nach hinten links, umgekehrt bei dem Erotennest. Als Folie für die Figuren füllen den Hintergrund auf beiden Bildern rechts Fels und Gebüsch; der Säule des Meleagerbildes entspricht bei dem Erotennest ein Pfeiler, während die INIauer der linken Seite fortgeblieben ist und nur die darüber erscheinenden Bäume erhalten sind. Die Zwischenräume zwischen den Figuren sind wie auf dem Meleagerbilde durch Felsen, Pfeiler und die Steinsitze der vorderen Figuren ausgefüllt, sodaß der Eindruck der räumlichen Vertiefung durch das Hintereinandererscheinen von Figuren und Gegenständen erreicht wird. Diese Überein- stimmung der Kompositionsprinzipien ist so w^esentlich, daß sie nicht zufällig sein kann, das Meleagerbild ist aber in der Komposition der Figuren und der Darstellung des Hinter- grundes ein Produkt des dritten Stils. Damit ist eine gemeinsame Abhängigkeit etwa von einem Tafelbilde ausgeschlossen, vielmehr muß der Schöpfer des Erotennestes das Meleagerbild oder viel-
1) Brotennest H. 821 — 23, Artemis und Hippolytos. H. 253 — 255, So. 119; H. 823 und 253 bei Hermi.-Br. T. 17 und 18; daselbst itn Text S. 26 und 27, Fig. 5 und 6 Abbildungen der Repliken aus der Casa del poeta tragico H. 821 imd 823.
2) Rom. mtt. XIV, 1899, S. 91 ff..
VIII. Vierter Stil. Römische Kompo.sitioiien.
153
mehr ein in derselben Weise komponiertes Wandgemälde dritten Stils gekannt haben.
Wir kommen nun zu den bedeutsamen Verschiedenheiten der beiden Bilder. Zunächst ist die freie Fläche vor den Figuren,
Abb. 25. Erotennest. Nach Phot. Sommer- Neapel.
die für den dritten Stil so besonders charakteristisch ist, hier geschwunden, die Figuren stehen unmittelbar über dem unteren Bildrahmen. Links hinter den vorderen Figuren sind zwei weitere, nur in ihren oberen Teilen sichtbare Figuren hinzu-
I tr ( \'III. X'iertcr Stil. Kölnische Komi)o;>iti(.inen.
j;c'fii^t, die einen gewissen symmetrischen Ausgleich zu den rechts im Plintergrunde befindhchen schaffen. Zugleich füllen sie die Fläche und kommen damit dem Bestreben entgegen, die Bedeutung des landschaftlichen Hintergrundes zu verringern. Dieser beansprucht gegenüber dem Meleagerbilde, wo er fast die (lop])eltc Höhe der Figuren hat, eine nur geringe Fläche über (k'U K<)])fen der Figuren, sodaß der Pfeiler von dem Hild- rahmen überschnitten wird; wie in der ICntwicklung der Innen- räume kann das ein Beweis dafür sein, daß mindestens die Gestaltung des Hintergrundes aus einer vollständigeren Kom])()siti()U al)geleitet ist. Auch in der Breite sind die Figuren /Aisammengeschoben, und dadurch die Zwischenräume, die wir auf dem Meleagerbilde noch zwischen der Gestalt der Atalante und dem linken Bildrandc, sowie zwischen dem linken Bein des Meleager und dem Felsen rechts finden, geschlossen.
Durch diese Umwandlungen ist nicht nur die Tiefe des Raumes, sondern auch die Größe der Fläche in Höhe und Breite im Verhältnis zu den Figuren verringert worden; zugleich ist an die Stelle eines Zusammenseins verschiedener Elemente eine geschlossene Komposition getreten, die aber in allen ihren Teilen noch die Herkunft aus jener früheren Form verrät. Dieser Zu- sammenhang unterscheidet sie von den griechischen Tafelbildern , deren Wesen sie sich nähert, wenn sie auch von ihrer Relief- mäßigkeit weit entfernt ist. Sie repräsentiert die nächste Stufe jener Entwicklungsreihe, die von der Landschaftsmalerei des zweiten Stils zu den Figurenbildern dritten Stils führt.
Diesem Bilde entspricht H. 253, die Werbung des Hippo- lytos um Artemis, so genau, daß beide Darstellungen von einem Maler als Gegenstücke erfunden sein müssen ; ob von dem Meister selbst, der in Pompeji diese Bilder malte, lasse ich dahin- gestellt (s. unten Kap. IX). Die Responsion ist nicht so pedantisch, daß jeder Figur und jeder Linie eine ähnliche ent- spräche, aber das Prinzip der Verteilung der Figuren im Raum und in der Fläche ist genau das gleiche. Den Vordergrund nehmen die Figuren der Göttin mit dem sich an sie schmie- genden Eros und des Hippolytos, der Sitz der Göttin, eine niedrige Mauer in der Mitte und eine höhere links neben Hippo-
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. I'i^
lytos ein. Es folgen ein Felsen und ein stehendes Mädchen, hinter dem Felsen erscheinen noch zwei weibliche Figuren. Der Hintergrund ist mit einer hohen, viereckigen Basis, mit Bäumen und Felsen gefüllt. Auch hier wird ein Pfeiler, der auf der Basis steht, vom Bildrande abgeschnitten, die beiden zuschauenden Nymphen stehen schräg hintereinander; das Motiv, wie sie die Köpfe zur Seite biegen, begegnet uns schon im dritten »Stile, z. B. So. 583.
Eigentümlich römisch ist auch die Erscheinung der Figuren in der Fläche. Wie bei den Bildern H. 1139 und 974 nimmt keine Figur die eigentliche Mitte des Bildes ein, sondern die Figuren und damit die den Eindruck bestimmenden Linien gruppieren sich um die Mitte herum. Daraus ergibt sich eine ungefähr kreisförmige Komposition, die allerdings nie genau innegehalten wird und nicht einmal bewußt gewesen zu sein braucht. Zum Teil ist sie einfach die Folge der räumlichen Anordnung der Figuren, jedenfalls ist sie ohne diese nicht denk- bar und kann nicht aus der Tafelmalerei abgeleitet werden. Es ist aber wichtig, daß die Römer auch eine eigene dispositio ausbildeten, wie schon im dritten Stile bei einigen Bildern die pyramidale Anordnung, Auf die Herkunft der Figuren will ich später kurz eingehen, die Einheit der Komposition ergibt von vornherein die Voraussetzung, daß sie sich nicht so bequem wie beim dritten Stile aus dem Zusammenhange lösen und auf bestimmte Vorbilder zurückführen lassen.
Das Kompositionsprinzip des dritten Stils, aus dem sich diese Bilder entwickelt haben, war nur eins neben anderen, und gerade das Pendant des Meleagerbildes, H. 1146, zeigte eine ganz freie Figurenverteilung. Zwischen beiden, doch den eben behandelten Bildern näher, steht das Herakles bei Omphale darstellende Gemälde H. 1136^). Die Figuren sind im Ver- hältiüs zur Bildfläche nicht so groß wie auf jenen Bildern, aber doch größer, als es im dritten Stile üblich ist; vor den Figuren ist eine schmale Fläche frei gelassen ; die Zwischenräume zwischen ihnen sind mit Felsen ausgefüllt, aber erst in der zweiten Fi-
^) Zeichnung beim Institut.
1=5 VIII. vierter vSlil. Römische Kompositionen.
ßurenschicht. Die erste vSchicht umfaßt nur Omphale und ihren Sitz und ist im übrigen frei ; die zweite schließt die anderen P'iguren ein, ohne docli streng innegehalten zu sein, z. B. ist die links sitzende Frau etwas nach \()rne gerückt, so daß sie sich zwischen Om])hak' und den hinteren Figuren befindet. Den beiden vorher besprochenen Bildern entsjjricht die Zweiteilung in Figuren und Hintergrund, das Fortlassen des breiten Vorder- grundes und ungefähr auch die Grciße der Figuren, dagegen erklärt sich die etwas abweichende Komposition aus dem An- schlüsse an andere Vorlagen.
Eine noch viel freiere Anorcüiung der Figuren zeigt eins der besten Gemälde vierten Stils, der Ringkampf zwischen Pan und Eros, aus dem oecus e der Casa dei Vettii.^) Wie bei dem Nessosbilde H. 1146 können wir die hier allerdings sehr viel engere Fläche, über die die Figuren verteilt sind, übersehen. Ganz im Vordergrunde stehen die beiden kleinen Kämpfer, hinter ihnen bilden Dionysos und Ariadne (Liber und Libera) eine von links vorne schräg nach rechts in die Tiefe gehende Gruppe, Es kann zufällig sein, erinnert aber doch an die beiden ersten Bilder, daß der Zwischenraum zwischen der Figur des Dionysos und dem linken Bildrande auch hier mit einem Felsen ausgefüllt ist. Die Figur der Ariadne geht am weitesten von den Figuren der Hauptgruppe in die Tiefe, Silen, der wie auf der sehr verwandten Darstellung des Sarkophages Casali"^) als Paidotrib gedacht ist, steht rechts im Mittelgrunde.
Der Hintergrund dient, auch hier ganz unräumlich, nur als Folie für die Figuren, seine Motive entstammen dem dritten Stile. Außer Felsen und Bäumen enthält er einen sehr wirksam hinter den beiden Hauptfiguren hochragenden, breiten, oben vom Rahmen abgeschnittenen Pfeiler, von dem nach beiden Seiten phantastische Vorhänge ausgehen, ein den Innenräumen dritten Stils entnommenes ]Motiv.
Zwischen diesem Pfeiler und einem Felsen, von dem am linken Bildrande ein schmales Stück zu sehen ist, drängt sich
1) Rom. jMitt. XI, 1896, S. 20, 37, H. Br. T. 44.
2) Jetzt in Xy-Carlsberg. , Brunn-Bruckm. 410.
VIII. Vierter »Stil. Römische Kompositionen.
157
der Thiasos hinein; die beiden vorderen Figuren sind noch zur Hälfte sichtbar, von den beiden anderen Micken nur die Köpfe
Abb. 26. Ringkampf von Pan und Eros. Nach Herrmann Bruckmann.
herüber. Das ist das gleiche Motiv, wie wir es auf den Bildern So. 527 und 539 kennen gelernt haben. O. Bie^) hat für ein un-
1) Jahrb. d. Inst. IV, 1889, S. 134.
jcf^ VIII. VierttT Stil. Röiiiisclie KcMupositioneii.
bedeutenderes, zweifellos von diesem Oemälde abhängiges pom- ])ejunisches Bild (H. 404) den römischen Charakter der Dar- stellung nachgewiesen. Der Gegenstand muß beliebt gewesen sein, hat doch schon ein Maler zweiten vStils den Kampf von Pan und Eros als Illustration zu einem griechischen Epigramm dargestellt, auf dem Bilde (Kr casa degli epigrammi, w'O wir aber noch nicht die speziell römische Einfülirung des Silens und des Ijakchischen Thiasos finden.
Wenn dieses Bild sicher eine römische »Schöpfung ist, so ist die (^l)ereinstimmung mit den vorher besprochenen Bildern desto wertvoller. Die Tiefe des von den Figuren eingenommenen Raumes ist die gleiche, el)enso die Bildung des Hintergrundes, während auf den Bildern H. 1146, 1151, deren Kompositions- ])rinzip für die Anordnung der Figuren die Vorlage abgegeben haben mag, die Landschaft noch räumliche Form und Tiefe hat. Die Figuren haben dieselbe Größe im Verhältnis zur Bildfläche, Endlich bilden auch hier die Figuren einen Kreis, dessen Mittel- punkt etwa neben dem rechten Knie der Ariadne liegt. Daß er nicht zur Bildfläche symmetrisch ist, wird durch die Figuren des Thiasos und dadurch, daß die wirksamsten Formen, Farben und Lichter sich auf seiner linken Seite zusammendrängen, aus- geglichen. So hängt das Gemälde mit den Vorlagen des dritten Stils und mit den gleichzeitigen Bildern des vierten Stils aufs engste zusammen.
Zwei Gemälde, H. 138 (Guida 938) und 139 (Guida 1345), stellen lo dar, wie sie vom Nil der Isis (?) zugeführt wird; von ihnen ist H. 138 das bessere.^) Wie bei dem Hippolytosbilde und dem Erotennest, wird der Raum von Figuren, Felsen, Steinsitzen aufgebaut. Ganz vorne sitzt Isis, neben ihr der kleine Harpokrates, es folgt links nur wenig zurück der aus dem Wasser auftaucliende Nil, der die lo trägt, über Isis erscheinen zwei weiter zurück stehende jNIädchen, Rechts im Hintergrunde erhebt sich über ihnen ein äg3'ptischer Altar, links hinter lo ein Felsen, Die Figuren sind auch hier wieder um
1) Rochette choix 17, H. - Er. T. ^6. — H. 139: H. - Br. T. 58, 2.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. i^q
die leere Mitte herum gruppiert. Man vergleiche die Kom- position mit der des Hippolytosbildes H. 253, Wenn für jenes nicht ein Gegenstück erhalten wäre, käme man in Versuchung, dieses Gemälde dafür zu halten. Es ist gefunden worden zusammen mit H. 135 (Guida 937),^) lo bewacht von Argos, dem Hermes eine Syrinx reiche. Argos sitzt ganz zur Rechten, Hermes steht weiter zurück und etwas erhöht in der Mitte, lo sitzt in mittlerer Tiefe auf der linken Seite des Bildes. So ent- steht eine ungefähr pyramidale Komposition, die bei ihrer ge- ringen Figurenzahl eine noch geringere räumliche Tiefe hat als die vorher besprochenen Bilder, aber trotz dieser An- passung an die Tafelmalerei den römischen Ursprung noch deutlich erkennen läßt. Er wird zur Gewißheit dadurch, daß die Figuren einem sicher zu rekonstruierenden (s . unten) griechischem Tafelgemälde entnommen sind, das eine andere Szene des gleichen Mythos darstellt, am besten überliefert durch H. 131. Die lo gleicht der jenes Bildes genau, Hermes ist aus der Gestalt des Argos umgebildet, die im Gegensinne mit ver- änderter Kopf- und Armhaltung wiedergegeben ist. Die Vor- lage für den Argos dieses Bildes ist bis jetzt nicht bekannt.
Ähnlich komponiert sind die denselben Gegenstand dar- stellenden Bilder H. 136 und 137 (Guida 1374) ^). Nur lo, die hier oben in der Mitte sitzt, erinnert an die der anderen Bilder, Hermes und Argos sind anderen Vorlagen entnommen. Die Verschiedenheit beider Bilder, die römische Komposition, die Entlehnung von Figuren aus anderen Darstellungen schließen die Existenz eines griechischen Tafelbildes als Vorlage aus und beweisen, daß die bildliche Darstellung dieser Szene mindestens auf diesen Bildern römisch ist. Das scheint für die von Deub- ner^) ausgesprochene, von Herrmann a. a. O. bezweifelte An- sicht zu sprechen, daß überhaupt diese Version des Mythus römisch und zwar von Ovid, Met. I, 672 ff. erfunden ist.
1) H.-Br. T. 57.
-) 136: M. d. I. II, 59, 6. — 137: Overbeck, Atlas der griechischen Kunstmythologie VII, 15, Herrm.-Br. T. 58, i, vgl. Engehnann, Jahrb. d. Inst. 1903, S. 54, 19 und 20.
^) Philologus 1905, S. 482, Ainn. 4.
j5o V'III. \'ierter Stil. Kölnische Kompositionen.
In engerem Zusammenhange mit den vorhergehenden Bil- dern steht das inhalthch noch nicht gedeutete Ck-mälde vSo.623.^) Wir sehen vorne links eine auf dem Boden sitzende vveibHche Gestalt und einen Eros, der sich gegen eine Mauer oder Basis lehnt, auf der ein Mädchen sitzt. Den mittleren Vordergrund nimmt ein breiter Felsblock ein, rechts sind in drei >Schi<:hten hintereinander drei zuschauende Figuren grupj>iert (vgl, ihre Beschreibung bei vSogliano). Ihre räumliche Anordnung, die kreisförmige Verteilung um die leer gelassene Mitte entsprechen dem Hippolytosbilde u. a. Kin Unterschied besteht darin, daß in der Breite die Figuren nicht so eng aneinandergeschoben sind; der Zusammenhang ist lockerer und loser, sodaß zwischen dem Arme der links sitzenden Göttin und dem Felsen in der Mitte des Bildes eine Lücke entsteht. Dementsprechend ist das ganze Format des Bildes breiter; der Unterschied tritt be- sonders hervor, wenn man das Bild mit dem Erotennest H. 823 vergleicht, wo wir die gleiche Raumdarstellung und die gleiche Zahl der Figuren, aber mehr zusammengedrängt, finden. Dieses lockere Nebeneinander der Figuren fand sich auch auf einer Vor- lage für diese Gattung, dem Meleagerbild H. 11 65 — die Lücke neben dem Arme der Göttin kann man mit der zwischen dem Felsen und dem linken Bein des Meleager vergleichen — ; da- mit gewinnen wir hier wieder eine direkte Anknüpfung an den dritten Stil und einen weiteren Beweis für die Richtigkeit der Herleitung dieser Gruppe.
An dieses Bild schließt sich ein von Mau im Bull. d. Inst. 1885, p. 164, 122) beschriebenes Gemälde an. Links sitzt Narkissos auf einem Steinsitze, wie wir ihn H, 1165 für Meleager und H. 823 für die beiden vorderen Figuren gefunden haben, um ihn spielen Eroten, rechts sitzt eine Nymphe auf dem Boden, hinter ihr blicken zwei andere von einer KHppe herab. Wie bei dem vorigen Bilde sind die Figuren in zwei seitliche Gruppen geteÜt, aber das Intervall zwischen ihnen ist kleiner und nicht wie dort durch einen Felsblock geschlossen. Dadurch VNird die
1) Zeichnung beim Institut, H.-Br. T. 19, i. ") Photogr. Sommer. 11925.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. i6l
Komposition einem Kreise noch ähnlicher. Die vorderen Fi- guren, Narkissos, die Eroten und die eine Nymphe, befinden sich in einer Raumschicht, an die das dahinter Folgende gleichsam wie angesetzt erscheint. Es wäre möglich, daß diese vordere Schicht auf ein griechisches Tafelgemälde zurückginge, und die zuschauenden Nymphen von dem römischen Maler hinzugefügt wären, eine Kompositionsweise, die sich für andere Bilder mit vSicherheit nachweisen läßt (s. unten).
H. 1285 (Casa di Meleagro)i) stellt das Urteil des Paris dar. Wir haben dasselbe Thema auf dem Bilde dritten Stils H. 1286 kennen gelernt, wo sich die gesamte Figurenkomposition auf ein griechisches Tafelbild zurückführen läßt. Die Anord- nung der Figuren ist auf diesem Bilde grundverschieden. Zu- nächst ist die landschafthche Szenerie eine andere, der Maler hat etwas sinngemäßer keinen heiligen Bezirk, sondern den Abhang eines Berges gewählt. In der linken Ecke sitzt Paris, hinter ihm steht mit hochaufgestelltem linken Bein Hermes, der mit ausgestrecktem Arm auf Aphrodite hinweist, die rechts vorne, aber etwas weiter zurück, steht. Zwischen ihnen er- scheint Hera, die ein gut Teil zurück am Abhänge des Berges sitzt, Athena steht neben ihr. Links oben auf der Spitze des Hügels sitzt ein Hirte, der die Leier (?) spielt, vielleicht der Berggott des Ida.
Schon auf verschiedenen der vorher besprochenen Bilder schienen die hinteren Figuren etwas höher zu stehen als die vorderen; aus den Klippen, die wir auf dem Bilde So. 623 und dem Narkissosbilde fanden, ist hier ein Berg geworden. Das könnte sich einfach aus dem Inhalt erklären; indessen ist es möglich, daß der Grund etw^as tiefer liegt. Der hohe Augen- punkt der römischen Kompositionsweise ergab das höhere Er- scheinen der hinteren Figuren in der Fläche. Nun mußte die allmähliche Annäherung an die Tafelmalerei und das beständige Verdecken des Horizontes zu einer gewissen Unsicherheit in der Anwendung dieser Komposition führen; diese Unsicherheit suchte der Maler zu bemänteln, indem er das höhere Erscheinen
^) Röchelte, choix 11, Löwy, Melatiges Nicole S. 653, Abb. 4.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. 1 \
l52 VIII. Vierter .Stil. Römische Kompositionen.
dieser Figuren auch gegenständlich dadurch rechtfertigte, daß er sie auf eine ]iodenerhöhung stellte. Das wäre dann ein wei- terer Schritt auf jener Bahn, die von dem Ausgangspunkt, der Prospektmalerei, sich immer weiter entfernt. — Zugleich ist es lehrreich, dieses Bild mit H. 893, Orpheus, Herakles und die Musen (s. oben S. 80) zu vergleichen, wo auch die Figuren vor und an dem Abhänge eines Berges gruppiert sind. Beide schließen sich gegenüber einer griechischen Komposition, wie sie durch das Archelaosrelief vertreten wird, zu einer Einheit zusammen, zugleich zeigt aber das Parisurteil dieselbe charak- teristische Weiterbildung, die wir auf den anderen Bildern dieses Stils kennen gelernt haben; die leere Vorderfläche ist fortgelassen, die Bildfläche kleiner geworden, die Figuren sind in beiden Ausdehnungen zusammengedrängt.
Auch die dispositio stimmt zu den anderen Bildern dieses vStils. Man vergleiche Hermes und Paris mit Narkissos und den Eroten des vorigen Bildes, Aphrodite mit der vordersten Nymphe, Hera und Athena mit den beiden anderen Nymphen. Die Verteilung um eine leere Mitte ist die gleiche, nur sind die Figuren noch enger aneinandergeschoben. Bestimmend für den Eindruck ist aber nicht die Kreisform, sondern die Re- sponsion des Hermes und der Aphrodite und die von ihren Köpfen zu dem der Athena verlaufenden, eine pyramidenartige Bekrönung des unteren Teils bildenden Linien. Das Grund- prinzip der Figurenanordnung war eben sehr variationsfähig.
Das Bild ist so schlecht, daß eine eingehendere Analyse be- denklich ist, doch enthält es noch verschiedenes Bemerkenswerte. Selbstverständlich sind die Figuren einem griechischen Tafel- bilde entnommen aber in ihrer Stellung und ihren Proportionen verändert. Das ergibt sich aus den Inkonsequenzen in beiden von selbst. Dieses vorauszusetzende Original hat dann aber große Verwandtschaft mit dem des Parisurteils H. 1286. Die Reihe der Figuren ist die gleiche und nur im Gegensinne ge- geben. Übereinstimmend sind die Motive der meisten Figuren, besonders charakteristisch die Haltung der Arme bei den dre' Göttinnen, auch Einzelheiten in der Drapierung des Gewandes, besonders bei der Gestalt der Hera. Dagegen blickt Paris hier
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. i53
nicht von. den Göttinnen fort, die Figur des Hermes ist nicht mit in den Gegensinn übertragen, und sein Bhck hat dieselbe Richtung wie der des Paris. Aber auch hier ist die Verwandt- schaft noch groß genug, um die Annahme eines direkten Zu- sammenhanges zu erzwingen. Es fragt sich nun, ob die Ver- änderungen auf das Konto des pompe janischen Malers zu setzen sind. Besonders charakteristisch ist die Abwandlung zweier Motive. Auf dem Bilde dritten Stils stützt sich Hera mit dem linken Arme auf ihr Zepter, Aphrodite hebt mit einer halb Verlegenheit, halb neugierige Spannung ausdrückenden Ge- bärde den linken Zeigefinger an das Kinn. Beide Motive sind auf dem anderen Bilde ersetzt, bei Hera durch ein Anfassen d€s Schleiers, bei Aphrodite durch ein Hinüberziehen des Ge- wandes. Diese schwächliche und ärmliche Umwandlung be- weist natürUch, daß das Bild dritten Stils die primäre Vorlage wiedergibt; dem entspricht auch die Nacktheit der Aphrodite auf dem Bilde vierten Stils gegenüber der eng vom Gewand um- schlossenen Göttin auf dem Bilde dritten Stils. Nun sind aber auch die Motive dieses Bildes durchaus griechisch, besonders das kokette Herüberziehen des Gewandes über die Schulter, und das schließt es ziemlich aus, dem unbedeutenden pompe- janischen Maler diese Umwandlungen zuzutrauen. Wahr- scheinlich müssen wir die Umgestaltung dieser Motive, nicht etwa auch der Stellung der Figuren, schon in die griechische Vorlage dieses Bildes übertragen und gewinnen damit ein Bei- spiel einer Entwicklung innerhalb der Tafelmalerei. ZeitUch mögen die beiden Vorlagen nicht sehr weit auseinanderUegen. Eine Bestätigung dieser Annahme ist es, daß wir diese Reihe später noch um eine zweite und durchgreifendere Umwandlung erweitern können (vgl. unten Kap. X). Der pompejanische Maler hat, wie so oft, die reliefmäßig angeordneten Figuren ausein- andergenommen und im Räume verteilt, den zuschauenden Berggott hat er hinzugefügt.
Den höheren Stand der hinteren Figuren finden wir auch auf einigen Bildern, die die Ankunft des Dionysos und seines Thiasos bei der schlafenden Ariadne darstellen. Sie zeichnen sich zugleich durch einen großen Figurenreichtum aus.
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l(yA Vlir. Vierter Stil. Römische Kompositionen.
H. 1237 (Guida 1410)*). Im Vordergründe liegt Ariadne, es folgen etwas tiefer Hypnos, ein Eros und der Silen, noch höher und weiter zurück steht Dionysos, hinter ihm drängt der Thiasos heran. Auch hier baut sich die Komposition auf breiter Basis pyramidenfcirmig in die Höhe auf, die Figuren sind in der charakteristischen Weise um einen freien Mittel- punkt herum gruppiert.
H, 1240,2) Die vorderen Figuren, Ariadne, ein vSatyr, Nemesis (?), Dionysos und eine Bacchantin sind in einem nicht sehr tiefen Räume verteilt, der von steilen Felsen abgeschlossen ist. In der Mitte lassen die Felsen eine Lücke frei, in der der heranziehende Thiasos erscheint, vSilen, ein Satyr und sieben Bacchantinnen, die vorderen fast noch in ganzer Figur sicht- bar, von den hinteren nur noch die Köpfe, genau so wie bei den Bildern So. 527, 539 und dem Ringkampf von Pan und Eros im Hause der Vettier.
Da der Thiasos schräg von rechts kommt, erscheinen die Köpfe über dem Felsen rechts. Dies Motiv benutzte der Maler von H. 1235 (Guida 1405),^) trotzdem er die Figuren sich nicht durch eine Lücke in den vorderen Raum hineindrängen ließ. Es wäre interessant, für die Ariadnedarstellungen den ur- sprünglichen Kern und die Geschichte festzustellen, aber dazu bedürfte es einer besonderen Untersuchung.
Zwei Bilder der Gattung, der Heibig die Deutung „Pom- pejanische Wassergottheiten" gegeben hat, gehen bei ihrer ge- ringeren Figurenzahl mit den vorher behandelten Bildern zu- sammen. H. 1018^) zeigt eine ganz freie und ungezwungene Verteilung der Figuren, leider ist der obere Teil zerstört. In dem Bilde 1020^) ist wieder die pyramidale Anordnung mit einer Gruppierung um eine freie Mitte verbunden. Es wäre wichtig, wenn die uns unbekannten M>i:hen dieser Bilder, wie
1) M. B. XIII, 6, Photogr. Sommer. 9251.
2) Photogr. Sonuner. 11904.
3) M. B. XIII, 7.
4) Heibig, Atlas, T. 1 1 a.
5) Heibig, Atlas, T. 12.
VIII. vierter Stil. Römische Kompositionen. 165
Heibig meintj im Sarnustale zu Hause wären.^) Es bliebe dann immer noch ein Anschluß an ältere, in Pompeji ausgeführte Tafelbilder möglich, allein wahrscheinlicher wäre es dann, die ganze Darstellung für eine Schöpfung des Malers dieser Bilder zu halten.
Andere Bilder, die noch in diese Reihe gehören, sind H. 376, 1231, 1390, So. 164.
Nach den Bildern, die die Figuren in einer Landschaft zeigen, kommen wir zu den Architekturen. Wir hatten den direkten Zusammenhang kennen gelernt, der ein Bild dritten Stils, Jason vor Pelias So. 551, mit einem Gemälde zweiten Stils H. 152, Leda, verband; Architektur und Komposition des einen waren aus dem anderen Bilde hergeleitet. Diese Linie findet nun auch im vierten Stile ihre Fortsetzung, in dem Iphigeniebilde H. 1333 (Abb. 27, Guida 1314).
Der Raum ist genau in der gleichen Weise gestaltet, wie auf dem Jasonbilde. Vorne eine glatte Fläche, dann eine Treppe, die hier nur umgekehrt wie dort von vorne rechts schräg nach links hinten führt, endlich die Front des Tempels, die hier von einem mächtigen Vorhange verdeckt wird, wie wir solche Vor- hänge häufig bei Innenräumen und, allerdings phantastischer drapiert, bei einem Tempel So. 580 fanden. Die Verteilung der Figuren in diesem Räume entspricht dem Jasonbilde genau, oben auf der Treppe Iphigenie, wie dort Pelias und seine Töchter, in der Fläche vor der Treppe in zwei Gruppen rechts Thoas und sein Doryphoros, links Orest und Pylades mit ihrem Wächter. Zweifel- los hat das Jasonbild, das ja mindestens in zwei vorzüglichen Exemplaren in Pompeji vorhanden war, hier direkt als Vorlage für die Komposition gedient. Sie zeigt im übrigen die charakte- ristische Umbildung der aus dem dritten Stile hergeleiteten Bilder vierten Stils; die freie Vorderfläche ist fortgelassen, an den Seiten reichen die Figuren bis direkt an den Rand — der Wächter links wird sogar von ihm überschnitten — und die Zwischenräume zwischen den Figuren sind verringert. Dementsprechend ist die Treppe, trotzdem sie eine Stufe mehr hat, rüedriger, und den
1) Zu ihrer Deutiong vgl. Robert, Arch. Zeit. XXXV, 1877, S. 3.
l56 VIII. Vierter Stil. Köinischf Kuiiipo.sitionen.
Zwischenraum zwischen den vorderen Fij^uren hat der Maler durch eine Kanne und einen Altar auszufüllen gesucht, trotzdem schon neben Ii)liijienie ein Altar steht.') Bei der Frage nach dem
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Abb. 27. Ipliigeuie. Nach Phot. Sommer- Neapel.
Original der Figuren muß jedenfalls die Räumlichkeit und die Komposition gänzlich aus dem Spiele bleiben.
Diese Frage ist hier besonders interessant, weil dabei immer das Iphigenienbild des Timomachos im Hintergrunde steht, von
1) Vgl. die Abbildung M. d. I. VIII, T. 22.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. 157
dem wir in den verschiedenen erhaltenen Bildern einen Nach- klang zu finden erwarten dürfen. i)
Die Gruppe des Orestes und Pylades muß auf ein hervor- ragendes Original zurückgehen, denn sie war auf dem Bilde So. 583 (Abb. 16) jedenfalls in fast genau der gleichen Weise wieder- gegebeUj und mehr oder minder verändert finden wir sie H. 13343 1335^ 1336, So. 584, auf zwei Gemmen^) und auf allen drei Klassen der Sarkophage^) wieder. Die Übereinstimmung der beiden besten Monumente, der Bilder H. 1334 und So. 583, und ihre vorzügliche Ausführung bürgt uns dafür, daß auf ihnen die originale Fassung erhalten ist.
Es fragt sich nun, welche Iphigenie zu diesen Figuren gehört. Die Iphigeniefiguren beider Bilder sind hervorragend gut nicht nur erfunden, sondern auch kopiert, aber grundverschieden von- einander und auf Grund stilistischer Vergleichung schwer mit der Gruppe der Jünglinge zu vereinigen oder von ihr zu trennen. Auf dem Bilde H. 1333 eine steile, mächtige Gestalt mit schwerer, strenger Gewandung, auf dem anderen Bilde eine wenn auch nur leise, so doch weich und beinahe elegant bewegte Figur mit sanft geschwungenen Konturen und zierlichen, durchscheinenden Ge- wändern. Auch die erste Gestalt hat einzelne sehr feine Züge, wie die Wendung des Kopfes, die wir aus dem Erhaltenen nur noch erraten können, und das Hochziehen des Gewandes mit der Rechten, aber sie sind der ruhigen Würde der gesamten Figur untergeordnet.
Beide finden auf pompejanischen Gemälden ihre stilistischen Parallelen. Die Iphigenie des Bildes So. 583 und die Dienerin an ihrer Seite sind aufs engste verwandt mit den Figuren des Pelias und seiner Töchter auf dem Jasonbilde So. 551. Eine Gegenüber- stellung beider Bilder ergibt die absolute stilistische Überein-
1) Vgl. die ausführliche Behandlung von Heibig, A. d. I. XXXVII, 1865, S. 330 £f., Robert, Arch. Zeit. XXXIII, 1875, S. 133 ff., Hei- big, Unters. S. 147 ff., Robert, Sarkophage II, S. 184.
2) Die eine bei Cades, impr. vol. 32, H. 17, die andere abge- büdet von Robert, Arch. Zeit. XXXIII, 1875, T. 13.
^) Robert, Sarkophage II, T. 57 — 59.
lf)8 VIII. Vierter Stil. Röniisthc K(jinj)osilionen.
stinunim^ der P'iguren. vStellimj^, (k-wandung, Konturen, die gehaltene Durstellung des Affekts stimmen überein; man ver- gleiche lünzelheiten, wie die Bekränzung, (he Kontur der linken Seite des Körpers, (he linke Hand, \'or allem (he Stellung der Füße. Sie weist darauf hin, daß vielleicht auch auf den C)rigi- nalen cUese Figuren auf je einer Stufe standen, allerdings schwerlich wie hier auf einer Treppe. Jedenfalls müssen die Originale von einem Meister stammen, von demselben, der auch die Figurenkomposition des Europabildes geschaffen hat, und der wohl ins vierte Jahrhundert gehören mag. Ob auch die pompejanischen Bilder von einem Maler ausgeführt sind, habe ich an den Originalen nicht untersucht, und nach Ab- bildungen läßt es sich nicht entscheiden.
Zu der Iphigenie des Bildes H. 1333 gibt es zwei stihstisch genau entsprechende Figuren, die Medea der Bilder H. 1262 — 1264 imd die Deianeira des Nessosbildes H. 1146. Man vergleiche die ganze Haltung, die Drehung des Kopfes, die Bewegung der Arme, die in einfacher Schwingung von der Schulter zum Fuß laufenden Konturen, das Anliegen des Gewandes auf der Brust, darunter die Querfalten des Mantels, die schweren, runden Falten des nicht ganz bis zum Boden reichenden Chitons unter dem Mantel, endlich die vom linken Arm herabhängende Gewandmasse. Die Zurückführung des Medea auf Timomachos ist höchst wahr- scheinlich, und wenn wir hier eine stilistisch genau überein- stimmende Iphigenie finden, so führt das zu dem sicheren Schluß, daß beide auf den bedeutendsten Maler der Zeit Caesars zurück- gehen. Wickhoff hat an dem Medeabilde (he psychologische Eigenart (heser Kunst mit ihrer Bändigung des Affekts charak- terisiert,^) aber er irrt, wenn er diesen Charakter für nur dieser Zeit eigentümhch und wesentlich erklärt; denn wir finden die- selbe Mäßigung der Gefühle, che sich nur im Blick und im Spiel der Finger ausdrücken, auch bei der Iphigenie des Bildes So. 583 und bei dem PeUas des Jasonbildes. Offenbar knüpft die cae- sarisch-augusteische Kunst, me die pompejanischen Bilder zeigen, direkt an (he ihrer psychischen Eigenart entsprechende Epoche
1) Wiener Genesis, S. 72.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. i5q
der griechischen Kunst an, obgleich die Formensprache eine andere ist. So geht auch das von Wicklioff als für diese Zeit charakteristisch hervorgehobene Prachtrelief, Perseus, die An- dromeda vom Felsen herabgeleitend, wahrscheinlich auf ein Gemälde des vierten Jahrhunderts zurück (s. unten Kap. IX). Dieselbe psychologische Eigenart, wie die Figuren der beiden Iphigenien, zeigen nun auch die Figuren des Orest und Pylades, und es ist daher nicht möglich, sie allein ihretwegen mit der einen oder der anderen Iphigenie zu verbinden. Auch eine rein stilistische Vergleichung ist bedenklich, da geeignete Anknüpfungspunkte fehlen. Nun ist uns auf dem herkulanen- sischen Friesbilde H. 1334 (Guida 1313)^) eine Komposition erhalten, die sicher auf das gleiche Original zurückgeht wie die Figuren von So, 583. Die reliefartige Anordnung gibt die Vorlage sicherlich genauer wieder als die räumliche Verteilung des pompe janischen Bildes, im übrigen steht es seiner Qualität nach tief unter jenem und ist im einzelnen, z. B. in dem Aus- einanderziehen der Figuren des Orestes und Pylades und in der Stellung und Bildung der Iphigenie, vielfach abgewandelt. Daß es aber nicht etwa aus dem Bilde So. 583 oder einem ihm ähnlichen, etwa auf einer Wand in Herkulaneum gemalten Bilde abgeleitet ist, ergibt sich aus der durchaus griechischen Zeichnung des Tisches und aus dem Motiv der sich bückenden Dienerin, die ganz auffallend mit dem einen Mädchen des auf denselben griechischen ]\Ieister zurückgehenden Buropabildes So. 79 übereinstimmt. Beide Motive gehören sicherlich dem griechischen Originale an. Diese Bilder stellen also zwei von- einander unabhängige Zeugen dar und ergeben die große Wahrscheinlichkeit, daß Orest und Pylades mit dieser Iphigenie zusammengehören. Auf dasselbe Original \^ürden dann, wie Heibig und Robert ausgeführt haben, auch die beiden von Robert angeführten Gemmen, die zweite Gruppe der Sarkophage, Robert II, T. 58, und vielleicht auch das Epigramm der Anth. Planud. IV, 128 zurückgehen. Dieses Original ist aber nicht von Timomachos, sondern von einem vorläufig nicht be-
M. B. VIII, 19. Heibig und Robert a. a. O.
jyo \'lll. \icrter Slil Römische Kompositionen.
stimmbaren Maler des vierten Julirliuuderls, während uns eine KoiMe des Timomachos auf dem Jiilde H. IJ33 erhalten ist.
Wie verhält sich dazu nun die Figur des Thoas? Dem Bilde des vierten Jahrhunderts, das die vSzene v(;r dem uvayv(aQia(i6q darstellte, war er natürlich fremd; es fragt sich aber, ob er wie die I])liigenie desselben Bildes auf Timomachos zurückgeht.
Wir ihiden genau dieselbe Figur auf einem der kleinen Bilder des uecus q im Hause der Vettier,^) das die Szene darstellt, wie Ipliigenie mit dem Kultidol aus dem Tem])el tritt, um die Sühnung am Meere \-orzunehmen. Natürlich sind Einzelheiten, wie der Sitz des Thoas, l)ei dem flüchtig ausgeführten Bildchen abweichend. Ganz verschieden sind nun aber die P'iguren der Iphigenie, neben der noch eine kleine, nur flüchtig skizzierte Dienerin steht, und des Orest und Pylades, Allein eine Ver- gleichung dieser Bilder w^ürde ergeben, daß die Gruppe aus dem Hause der Vettier mit dem gespannt auf die beiden anderen Figuren blickenden Pylades für diese Szene original ist, während die schmerzlich erregten Gestalten des anderen Bildes für die Szene vor der Erkennung erfunden sind. Die ursprünghche Zusammengehörigkeit des Thoas mit der Gruppe im Hause der Vettier geht auch aus der genauen Entsprechung zwischen Thoas und dem sitzenden Orestes hervor, der gemäß wir nun auch eine dem Pylades respondierende Gestalt erwarten müßten. Den Doryphoros, dessen Fehlen an sich bei dem Könige befremdend ist, dürften wir ergänzen, auch wenn er nicht auf dem Bilde H. 1333 erhalten wäre; die Responsion beider Gruppen ist dann vollkommen und beweist eine einheit- liche Erfindung. Der Brennpunkt ist nun die Frage, ob die Gestalt der Iphigenie, die auch hier in der Linken ein Idol, in der Rechten aber eine Fackel trägt, eine genaue Nachbildung der Vorlage ist — dann hätten wir eine dritte, wieder von Timomachos unabhängige Iphigeniedarstellung — , oder ob sie eine freie Um- gestaltung der Iphigenie des Timomachos ist.
Zu ihrer Entscheidung können vielleicht die Sarkophage weiter helfen, Robert II, T. 59, 177 und 178. Dort sitzt rechts
1) Rom. Mitt. XI, 1896, S. 67, 141, Herrm.-Br. T. 20, 3, Text S. 31.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. jyj
Thoas, hinter ihm sein Doryphoros, Hnks neben ihm steht Iphi- genie, auch hier in der Rechten eine Fackel haltend, allerdings in anderer Haltung als auf dem Bilde im Hause der Vettier/wo sie die Fackel senkt. Wenn wir nun die Iphigenie der Sarkophage, besonders von 177, mit der des Bildes H. 1333 vergleichen, so finden wir, daß sie, soweit das bei der geringen Ausführung möglich ist, in Haltung und Gewandung genau mit dieser überein- stimmen mit Ausnahme der Fackel, aber selbst die Haltung des Armes ist die gleiche. Welches Motiv ist nun das ursprüng- liche? Daß wir die Fackel sow^ohl auf den Sarkophagen, wie im Hause der Vettier finden, spricht dafür, sie für das originale Motiv zu halten; andererseits legt die Übereinstimmung der Iphigenie der Sarkophage und des Bildes H. 1333 die Vermutung nahe, daß diese Figur die ursprünglich in den Zusammenhang des Thoas und der entsprechenden Gruppe der Jünglinge gehörige ist, und daß die Iphigenie im Hause der Vettier von dem Maler frei verändert ist, wie er auch den Sitz des Thoas umgewandelt und den Doryphoros fortgelassen hat. Dann müßte der Maler des Bildes H. 1333 die Fackel in der Hand der Priesterin fort- gelassen und durch das Heraufziehen des Gewandes ersetzt haben. Das ist nun in der Tat sehr wahrscheinlich. Denn die Fackel finden wir auch auf diesem Bilde, allerdings nicht in der Hand Iphigeniens, sondern auf den Stufen des vorderen Altars liegend; das Emporziehen des Gewandes mit der herabhängenden Hand entnahm der Künstler der Iphigenie des Bildes So. 583. Diese mußte er ja genau kennen, sei es, daß er die Figuren des Orestes und Pylades direkt aus diesem Bilde oder dem gemein- samen Originale kopierte.
Wir haben also zwei Originalkompositionen. Die eine, ein Werk des vierten Jahrhunderts, stellte die Szene vor dem afayycoQiüfjiog dar und enthielt Iphigenie mit einigen Begleiterinnen und die Gruppe der beiden Jünglinge und ihres Wächters. Die andere war von Timomachos und zeigte in der Mitte Iphigenie mit dem Kultbild und einer Fackel — die Dienerin auf dem Bilde im Hause der Vettier ist vielleicht ein Zusatz — , rechts Thoas mit seinem Doryphoros, links die Jünglinge ohne einen Wächter, deren Gruppierung übrigens an die der Kinder auf den Medea-
1^2 VIII. Vierter Stil. Römische Kijinpositionen.
bildcrii erinnert. lUide Darstellungen sind von Euripides ab- hängig.
Der Maler des Bildes H. 1333 vercjuickle, wie es so oft auf ])c)ni])ejanisclien Bildern geschehen ist, die beiden Vorlagen, indem er von Tiniomachos den Thoas und die Iphigenie, von dem anderen Bilde die Gruppe der Jünglinge üh)ernahm. Daraus entstehen die Schwierigkeiten, die Heibig in der Interpretation fand; gemeint hat der Maler natürlich die vSzene der ri)erlistung des Thoas. Aus dem Bilde des Tiniomachos übernahm er auch den rechts neben Iphigenie stehenden Altar, ^) der an dieser Stelle sehr ungewöhnlich ist, und fügte \'orne einen zweiten hinzu, an dem er die Fackel unterbrachte.
Dieselbe Vermischimg der beiden Kompositionen finden wir auch auf den vSarkophagen Robert II, T. 58, 177 und 178. Ob zwischen ihnen und dem Bilde H. 1333 ein Zusammen- hang besteht — man könnte an ein in Rom befindliches Wand- gemälde vierten Stils denken, von dem der pompe janische ^laler abhängig war — wage ich nicht zu entscheiden. Die Benutzung des ersten Bildes auf der zweiten Klasse der Sarkophage und die Fackel in der Hand der Iphigenie scheinen allerdings dafür zu sprechen, daß die Sarkophagarbeiter beide Originalkom- positionen kannten, und die freie Verwendung der Jünglings- gruppe auf den Sarkophagen 167 und 168 legt es nahe, auch hier ein selbständiges Komponieren anzunehmen. Dadurch, daß man zu der Szene der Überlistung des Thoas die Gruppe des vierten Jahrhunderts verwandte, wurde die Gruppe des Timomachos frei, und man benutzte sie nun zur Darstellung der Scene Eurip. Iphig. Taur. V. 657 — 724. Zu diesem Zwecke wurde die auf- merksame, gespannte Haltung beider in den Ausdruck tiefer Trauer verwandelt. Die Berechtigung, diese Gestaltung für die abgewandelte zu halten, gibt uns die Beobachtung, daß die andere, dem ersten Bilde entnommene Gruppe in entgegen- gesetztem Sinne umgewandelt ist. Es ist möglich, daß man bei dieser Umgestaltung sich an eine ähnliche Vorlage, wie die der
^) Wir finden ihn an derselben Stelle auf dem Sarkophag: Robert II. T. 59, 178.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. i^ß
Etruskischen Urnen (Brunn, I rilievi delle urne etrusche I, T.84, nr. I u. 2, T. 85 nr. i), anlehnte. Fraglich bleibt es, wie sich der Onyxcameo der Sammlung Blacas (Winckelmann, Mon. ant. ined. II nr. 129) dazu verhält.^)
In dem Zimmer p des Hauses der Vettier befinden sich drei Gemälde. Das eine, Rom. Mitt. 1896, S. 52, 98, stellt die Ankunft des Dionysos bei Ariadne dar; es ist nicht gut erhalten, läßt aber erkennen, daß es in der räumlichen Vertiefung und der freien Verteilung der Figuren den oben besprochenen Dar- stellungen des gleichen Inhalts entspricht. Wie häufig in Zimmern mit drei Bildern schließen sich gegenüber dem ersten Bilde die beiden anderen, a. a. O. 96, Daidalos und Pasiphae, und 97, Bestrafung des Ixion, durch die Entsprechung der Komposition zu einer Einheit zusammen. Offenbar sind sie von demselben Künstler entworfen, in der Ausführung dagegen erreicht das Pasiphaebild nicht die Höhe des anderen, sodaß man annehmen kann, daß es nach dem Entwurf des Meisters von einem Schüler ausgeführt ist.
Die Räumlichkeit des Pasiphaebildes (Abb. 29) 2) zerfällt in zwei Teile, deren hinteren ein von zwei Säulen getragener Pavillon einnimmt, in dem die Königin mit ihren Dienerinnen sitzt. Im Vordergrunde der relativ breiten Fläche vor dem Pavillon stehen Daidalos und sein Gehilfe. Von der rechten Säule spannt sich em Vorhang schräg nach vorne, bis er vom Bildrande überschnitten wird, parallel diesem Vorhange steht schräg im Räume die Kuh.
Die Elemente der Architektur stammen wieder aus dem dritten Stile, und die Vorlage läßt sich sogar direkt nachweisen in dem Iphigenienbilde So. 583, Der Pavillon entspricht in seinem Aufbau und seiner Stellung im Bilde dem auf jenem Gemälde
^) Wollte man annehmen, daß die Bildimg der Sarkophage und des Cam.eos die ursprünghche ist, so müßte man glauben, daß sie ein selb- ständiges Bild repräsentierte, an das sich dann einerseits die Etruskischen Urnen und andererseits entweder Timomachos oder der Maler des Hauses der Vettier anschlössen. Aber dieser L,ösvmgsversuch scheint noch mehr Schwierigkeiten zu ergeben.
2) H.-Br. T. 38.
174
VIII. Vicrtrr Stil. Römi.schc Kompositionen.
dargestellton 'rini])cl. ICiii schmaler, mit einer Balkendecke ver- sehener, hinten j.;eschl()ssener, vorne von frei stehenden vStützen j^etra^ener Raum. Die .Mittelstütze und dements])reehend die vordere Ouerniauer sind fortgelassen, d;i (Ue lMj.iuren den Raum in seiner ganzen Breite füllen, dagegen ist che seitliche Mauer zwischen der Ivckstütze und der Rückwand erhalten. Die »Stufen, die auf dem I])higenienbilde die Architektur als Tempel be- zeichnen, sind fortgelassen, da diese inhaltliche Forderung hier wegfiel, und die ganze Komposition mehr zusammengeschcjben
wurde. Der Tempel des Iphigenien- l)ildes war aus einer Innenarchitektur entstanden. An sich wäre es ja mög- lich, für die Architektur des Pasiphae- l)ildes eine parallele Entstehung an- zunehmen, aber die Übereinstimmung zwischen beiden ist so frappant, daß ein cUrekter Zusammenhang vorliegen muß. Die Abkürzung der Vorlage ent- spricht genau dem Verfahren, das wir bei Innenräumen vierten Stils, bei dem Medeabilde u.a., kennen gelernt haben. Gemeint ist wohl auch auf diesem Bilde ein Innenraum, wie ja auch seine Vor- lage, allerdings nur indirekt, mit den eigentlichen Innenräumen zusammen- hängt. Auch das Motiv des Vorhangs ist Bildern dritten Stils entnommen und ersetzt die auf dem Iphigenienbilde wahrscheinlich an dieser Stelle vorhandene Mauer. — In der Verteilung der Figuren ent- spricht Pasiphae mit ihren Dienerinnen der Iphigenie und den Tempelmädchen, Daidalos der Gruppe der Jünglinge und, wenn man will, der Tisch mit dem Gehilfen dem dreibeinigen Untersatz des tragbaren Götterbildes. Dem Iphigenienbilde noch ähnlicher ist die Komposition bei dem Gegenstück, der Bestrafung des Ixion.
Pasiphae und ihre Dienerinnen sind in IMotiven und Ge- wandung griechisch und sicher aus einem griechischen Tafelbilde
Abb. 28. Nach Mon. del Inst.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen.
175
genommen; das beweist auch die Zeichnung des Stuhles mit seinen nicht einem festen Augenpunkt entsprechend zusammen- laufenden Geraden. Ganz eigenartig ist aber die Gestalt des von
Abb. 29. Daidalos und Pasiphae. Nach Phot. vSommer-Neapel.
hinten gesehenen Daidalos, für den es schwerlich in der gesamten griechischen Kunst eine Parallele gibt. Er trägt ein mit Ärmeln versehenes, über der Hüfte gegürtetes Gewand, wie wir es bei Figuren auf Bildern des römisch-campanischen Genres finden.
lyf) Vm. Vierter Stil. Römische Kompositionen.
z. B. H. 1477, 1479» 150-2 und auf den Bildern der stanza degli epij;ramini vSo. 197, 242 und 601.^) Von der rechten Schulter ist CS nach Art der Exomis herabgelassen, genau wie bei dem vorderen Knaben auf dem Homerbilde »So, 601 (Abb. 4). Wir dürfen es also wohl als eine Tunica bezeichnen. Die eigentündichen Verdrehungen des Körpers, die eckigen Bewegungen, die Unsicherheit des Standes, die dadurch bedingten regellosen Konturen stimmen genau mit dem Charakter der oben be- sprochenen ,, römischen Figuren" überein. Das tritt besonders klar hervor, wenn man eine im Motiv übereinstimmende Figur zumW-rgleich heranzieht, den stehenden Hirten des ersten Laestry- gonenbildes der Odysseclandschaften (Abb, 3). Gewand, Stand und Umrisse sind genau die gleichen, man beachte Einzelheiten wie die dünnen Fuß- und Kniegelenke, dazwischen die runden Waden usw. Für die Drehung des Körpers vergleiche man den schon erwähnten Knaben des Homerbildes So. 601, für die Haltung des rechten Armes den Jäger So. 197 (Abb. 28), für die Wendung des sehr realistischen Kopfes den Jason So. 551 und den Knaben Bull. d. Inst. 1885, p. 246, 13 (Abb. 14). Genau dasselbe gilt für den kleinen Gehilfen, der an dem Tische arbeitet. Man vergleiche ihn mit dem Knaben des letztgenannten Bildes, der einem Gaste den vScliuh auszieht. Der gewaltige Unterschied zwischen diesen Figuren und denen der Pasiphae und ihrer Dienerinnen ^^^rd an einer Einzelheit klar, wenn man deren feine und graziös bewegte Hände mit den kindlich steifen und eckigen des Daidalos ver- gleicht, ein Unterschied, der nicht etwa auf einer beabsichtigten verschiedenen Charakterisierung besteht. ]Mit virtuosem Rea- lismus ist dagegen der nackte Rücken des Daidalos gemalt, so- daß es scheint, als habe der Maler hier direkt nach dem Modell gearbeitet. Im ganzen war sein Können gering; das zeigen außer den schon angeführten Härten die Ungeschicklichkeiten in der Zeichnmig der Kuh, in dem Hinüberragen des Armes der einen Dienerin über den Kopf des Daidalos und in der Wiedergabe der griechischen Figuren gegenüber dem Ixionbilde; was dort
1) M. d. I. X, T. 35 und 36.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. inn
weich und doch zugleich kraftvoll erscheint, ist hier trocken und steif.
Das Ixionbild^) steht in der Komposition der Figuren dem Iphigenienbilde noch näher, weicht aber in der dargestellten Architektur beträchtlich von ihm ab. Diese sich in verschiedener Weise äußernde Abhängigkeit der beiden Bilder von einer ge- meinsamen Vorlage erklärt sich wohl am leichtesten, wenn wir, wie es oben geschehen ist, annehmen, daß der Entwurf beider Bilder von demselben Meister stammt.
An das Iphigenienbild erinnert die Erhöhung des Stand- ortes von Hera und Iris um eine Stufe, dagegen ist die Archi- tektur, die dieselbe Stelle einnimmt wie dort, in ihrer Aus- gestaltung verschieden. WahrscheinHch ist sie das Rudiment einer vms nicht erhaltenen Vorlage dritten Stils; die Elemente sind jedenfalls alle bekannt, ein Pfeiler, an den sich eine Quer- mauer anschließt, und eine Reihe Säulen, wie bei dem Sophoniba- bilde H, 1385. Vor dieser Architektur sitzt Hera, neben der Iris steht; sie entsprechen der Gruppe von Iphigenie und ihren Diene- rinnen, während Hermes und Hephaistos den Platz von Orestes und Pylades einnehmen. Hinter den Figuren ist der Grund ein- fach weiß gelassen und nicht wie sonst mit einer Mauer oder Buschwerk oder einem Vorhange ausgefüllt. Diese Negation des räumUchen Zusammenhanges erklärt sich offenbar daraus, daß der Künstler zuerst ganz allgemein die Architektur und die Komposition der Figuren entwarf, dann die Figuren aus einer griechischen, eines Raumzusammenschlusses entbehrenden Vor- lage kopierte und schließlich vergaß, ihnen einen Hintergrund hinzuzufügen. Daß die Figuren einer, und zwar einer einzigen griechischen Vorlage entstammen, kann bei dem einheithchen Stile keine Frage sein. Welch Unterschied zwischen dem Hermes und dem Daidalos des anderen Bildes! Eigentümlich sind die Falten, die vom Kme der Nephele symmetrisch herunterhängen, sie verbreitern sich nach unten, ihr ganz flacher Rücken ist leicht eingesenkt. Wir finden sie auch am Gewände der Hera und bei der Pasiphae. Offenbar liegt für diese eine den Figuren
1) H.-Br. T. 39.
Rodenwaldt, Pompe janische Wandgemälde. ]^2
lyg VI IT. Vierter Stil. Römische Kompositionen.
des Ixionbildes verwandte Vorlage vor, dagegen ist die Aus- führung, wie man gerade an diesen Falten vergleichen kann, \()n einer anderen Hand.
In dem griechischen Tafelgemälde, das die Vorlage für das Ixionbild abgab, müssen die Figuren anders geordnet gewesen sein; wir mü.ssen, wollen wir es rekonstruieren, Hera und Iris in dieselbe Ebene rücken \\\v die vorderen Figuren. Dann ergibt sich eine Komposition von vollendeter Symmetrie, die oben von einer an den Seiten sanft ansteigenden und dann in der Mitte sich tief zum Kopfe der Nephele herabsenkenden Linie begrenzt wird. Die Bedeutung dieser die Komposition nach oben abschließenden Linie haben wir bei dem Parisurteil H. 1286 (s. oben S. 103 ff.) kennen gelernt. Wie dort, würde hier cb'e obere Linie im Grundriß der Figuren nachklingen, da hier die mittelste Figur am weitesten vorne stände. Eine entsprechende obere Begrenzungslinie bietet eine der Kopien hellenistischer Tafel- gemälde aus dem im Garten der Farnesina gefundenen Hause, M. d. I. XII, T. 31, I (Abb. 2), und aus noch früherer Zeit die Figurengruppe des Bildes So. 627 (s. oben S. 82).
Zur Bestimmung der Zeit des Originales haben \nr einen sicheren Anhaltspunkt in der Ähnlichkeit des Hermes mit dem Herakles Lansdowne.^) Sie stimmen stilistisch ganz genau überein, wenn wir von dem Herakles die Härten der Kopie, von dem Hermes die der Wandmalerei des vierten Stils eigen- tümliche malerische Behandlung abziehen, und sind daher in die gleiche Zeit zu setzen.
Der pompe janische Maler benutzte die Vorlage, indem er zunächst eine Räumlichkeit malte — auf dem Original konnte sie, wo die Szene auch spielen mag, nur aus dem Inhalte er- schlossen werden — und dann die Figuren des Originals in zwei Gruppen zerlegte und in dem Raum verteilte, wie es im dritten Stile z. B. H. 1151, So. 580, 583 geschehen ist. Die Komposition entspricht mit ihrer Verteilung der Figuren um einen freien Mittelpunkt ganz den oben besprochenen des vierten Stils, ebenso die Größe der Figuren im Verhältnis zur Bildfläche.
^) Furtwängler, Meisterwerke S. 516, Fig. 92.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. j^g
Diese beiden Bilder, Pasiphae und Ixion, hängen mit den Innenräumen dritten Stils nur indirekt zusammen, dagegen stellen einige Bilder mit ihnen in unmittelbarem Zusammenhange, genau wie die Reihe der oben S. 139 ff. behandelten Bilder, und zeigen andererseits die gleichen Kompositionsprinzipien wie die bisher besprochenen Bilder des vierten Stils. Ihre direkten Vorstufen sind Bilder wie die Schmiede des Hephaistos H. 1318 c und Ares und Aphrodite in der Casa di M. lyucrezio Frontone.i)
Das Gemälde „Herakles die Schlangen erwürgend" in dem Triclinium des Hauses der Vettier ^) ist offenbar eine Schöpfung desselben Malers, von dem der Ringkampf zwischen Pan und Eros in demselben Hause stammt, mit dem es in der Tiefe des Raums, in der Komposition und im Figurenstil übereinstimmt. Wie auf jenem und verwandten Bildern der landschaftliche Hintergrund, dient hier die Architektur nur als Folie für die Figuren. Das Grundmotiv der Innenarchitekturen, der schmale, hier mit Kassetten gedeckte Raum ist geblieben, man vergleiche z, B. das oben besprochene Bild So. 579 (Abb. 15). Der eine Seitenrahmen fehlt, der andere ist zu einer Wand verbreitert, ebenso hat sich rechts die eine schräge Wand des schmalen Raums erhalten, dagegen sind auf beiden Seiten die Mittel- stützen fortgelassen. Diese Veränderungen mögen mit An- lehnungen an Motive der dekorativen Malerei zusammenhängen, wie wir sie z. B. gerade oberhalb dieses und der anderen Bilder desselben Raums finden. Die weite Öffnung wird zum Teü durch den Altar verdeckt, zum Teil öffnet sich der Blick auf eine schräg nach hinten laufende Säulenhalle, wie So. 579. So stellt sich auch diese Architektur als eine Weiterbildung, allerdings teil- weise eine Verkümmerung der im dritten Stile entstandenen und miteinander verbundenen Motive dar, und damit ist jeder direkte Zusammenhang mit griechischen Bildern in Naiskosform ausgeschlossen.
In dem tiefen Raum vor der Architektur sind ganz frei die
^) S. oben S. 129,
2^ Rom. mit. XI, 1896, S. 44, 93 (Mau), Herrm.-Br. T. 41.
12*
jgo Vm. Vierter Stil. Römische Kompositionen.
Figuren verteilt und zwar so, daß sie in der Fläche kreisförmig um einen leeren Mittelpunkt gruppiert erscheinen; denn für den Ivindruck ist der geschmückte Altar mit dem darauf sitzenden Adler gegenüber dem Hintergrunde den Figuren gleichwertig. Von den Figuren geht der kleine Herakles auf ein V)elieV>tes griechisches Motiv zurück/) auch Amjjhitrycm und Alkmene sind von griechischen Vorlagen abhängig, wenn auch vielleicht frei umgestaltet, 2) wie z, B. aus der Zeichnung der Fußbank hervorgeht. Dagegen ähnelt der Jüngling links in seiner momentanen Bewegung den „römischen Figuren", allerdings ist er tmgleich besser gemalt als selbst der für diese Gattung schon hervorragende Daidalos des Pasiphaebildes und dem Stile der anderen Figuren angepaßt.
Eine ähnliche Umbildung der Architektur finden wir auf dem Bilde H. 1402.^) Auch hier sind die Mittelstützen fortgelassen, ebenso aber auch die Decke und Seitenwand, sodaß nur ein einfacher Ralimen übrig geblieben ist. Seine eine Seite ist hier zu einer noch breiteren Wand erweitert, aus der der Rahmen nur noch eine große öffnmig auszuschneiden scheint. Diese Architektur ist verbunden mit Motiven, wie wir sie im dritten Stile bei der Darstellung des heiligen Bezirkes kennen gelernt haben, geraden Wänden, die schräg gegeneinander laufen. — Die Figuren sind offenbar einer griechischen Vorlage entnommen, aber mit größerer Freiheit im Räume verteilt.
Ein Gemälde des Hauses der Vettier, das. von einem sehr viel geringeren Künstler ausgeführt ist als die beiden bisher besprochenen Bilder desselben Hauses, stellt Achilleus und Odysseus auf Skyros dar.*) Die Figuren sind auf der in starker Oberansicht dargestellten Fläche mit großer Freiheit verteilt. In der vordersten Schicht sehen wir links Odysseus, rechts eine der Töchter, etwas tiefer in der Mitte Achilleus, links eine zweite Tochter, noch weiter zurück Deidameia.^) Der
1) Vgl. Heydemann, Arch. Zeit. XXVI, 1868, S. 33 ü.
2) Vielleicht nach dem Originale des Bildes H. 1 123. s. iinten S. 238.
3) Omati delle pareti di Pomp. I, 21.
*) Rom. IVIitt. XI, 1896, S. 90, 183 (Mau), Phot. Sommer 11957. 5) Vgl. Mau a. a. O.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. jgi
obere Teil des Bildes ist zerstört, sodaß man weitere Figuren und die Ausgestaltung der Architektur nicht erkennen kann. Doch ist links noch eine Querwand sichtbar und der Oberkörper des über sie herüberblickenden Trompeters, Danach können wir als Abschluß dieser Wand mindestens eine Säule oder einen Pfeiler ergänzen. In diesem Falle ist das Motiv des Hinüber- blickens über die Querwand sicher römisch, denn wir finden es auf den anderen Darstellungen nicht, weder H. 1296, noch H, 1297 und So. 572, während die anderen Figuren aus jenen Bildern ent- lehnt sind. Der Achilleus erinnert in seiner Bewegung an den des Bildes H. 1296, dagegen ist die nach rechts fliehende Tochter dem Bilde So. 572 oder seiner griechischen Vorlage entnommen — allerdings, wie so oft, im Gegensinne — , und auch das Verhältnis der Figur des Odysseus zu der hinter ihm erscheinenden Tochter erinnert an jenes Bild und H. 1297. Die Ärmlichkeit des Malers unseres Bildes zeigt sich darin, daß er das Motiv des nach rechts fliehenden Mädchens, das doch natürlich, was nicht erst der Vergleich mit So. 572 zu lehren braucht, für eine weibliche Figur erfunden ist, noch einmal verwandte und zwar für den Odysseus. Ebenso übertrug er das eigentümliche Motiv, wie bei jenem Mädchen das eng anHegende Gewand unten an den Füßen glockenförmig auseinander geht, auch auf die nicht derselben Vorlage entnommene Deidameia.
Aus dem Tabhnum der Casa del poeta tragico stammt das Bild H. 1158 (Guida 1388), i) dessen übHche, aber wenig be- friedigende Deutung auf Admetos und Alkestis lautet. Es stimmt in der räumlichen Verteilung der Figuren und in der Komposition genau mit dem ,, Erotennest" H. 821 und dem Hippolytosbilde H. 254 desselben Hauses überein und muß von demselben Maler erfunden sein. 2) Admet und Alkestis ent- sprechen dem Mädchen und dem Jünglinge H. 821, Apollo und die sogenannte Nympheutria den dort von rechts zuschauenden Figuren, die beiden Alten den dort hinter der vorderen Gruppe
1) H.-Br. T. 13.
2) Ein anderes Exemplar des Admetbildes, H. 1161, bildet das Gegenstück zu dem Hippolytosbüde H. 255.
j32 VIII. \ urlcr Mil. Römische KompositiDiifu.
links erscheineiukn (k-stalten. Nur sind dit- Zwischenräume zwischen den x-ordc-rcn T'^i^nren nicht ausgefüllt, und statt des landschaftlichen Hintergrundes sehen wir zwei vSäulen, dahinter oben eine Kassettendecke inul eine geschlossene Rückwand.
Wie verhält sich nun dieses Bild zu den anderen den gleichen Stoff darstellenden Gemälden? H. 1157 (Guida 1355) und 1159 (Guida 1330) haben mit ihm die Figur des sitzenden Sklaven gemeinsam, im übrigen sind alle Figuren verschieden, obgleich sie offenbar dieselben Personen darstellen. Dagegen stimmen diese beiden Bilder untereinander im wesentlichen überein, nur sind H. 1159 noch zwei Figuren hinzugefügt. Die Figuren des Bildes H. 1157^) sind eng aneinander geschlossen und bauen sich in einer streng pyramidalen Gruppe auf. Diese Komposition erinnert auf das lebhafteste an das „Achilleus auf Skyros" darstellende Gemälde So. 572, das wir als Kopie eines griecliischen Gemäldes kennen lernen werden (s. Kap. IX); es ist dasselbe Prinzip der Ausfüllung der Fläche durch die Figuren, das wir auf dem Alexandermosaik linden. Wir können also wohl dieses Bild als eine im allgemeinen treue Kopie eines griechischen Gemäldes betrachten. Auf dem Bilde H. 1159^) ist diese strenge Komposition gelockert, die pyramidale Form der Gruppe durch das Hinzufügen zweier Figuren und das Auseinanderlösen der übrigen aufgehoben und ihre reliefmäßige Flachheit durch eine stärkere räumliche Vertiefung ersetzt. Der Maler hat hier seine Vorlage im Sinne der Zeit abgewandelt. Dem entspricht der malerisch herunterhängende Vorhang gegenüber dem des Bildes H. 1157, der wie auf den Kopien griechischer Tafelbilder in der Casa Tiberina usw-. nur den oberen Abschluß der Bildfläche bildet. Dagegen gehört die nach hinten geöffnete Tür sicher dem Originale an.
Der Maler des Bildes H. 1158 hat diese Vorlage natürHch gekannt und aus ihr die Anregung zu seiner Darstellung, den Stoff und die Figur des Sklaven genommen. Seine Komposition hat er nach dem Vorbilde der beiden oben erwähnten Gemälde ge-
1) M. B. VII, 53, Arch. Zeit. XXI, 1863, T. 180, i.
2) Ornati delle pareti dl Pomp. I, 20.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. 183
schaffen. Besonders charakteristisch dafür ist die Stellung des Sklaven im Verhältnis zu Admet; auf den Bildern H, 1157 und II 59 sind beide Figuren eng aneinander geschoben und nehmen zusammen die linke Hälfte des Bildes ein, hier sind sie auseinander- gerückt und auf die beiden Seiten des Bildes verteilt; sie ent- sprechen so genau der Artemis und dem Hippolytos H. 255, dessen Gegenstück H. 1161 eine Wiederholung unseres Bildes ist. Aus Bildern vierten Stils, wie dem Erotennest, hat er dann auch die flauer genommen, über die Apollo und die sogen. Nympheutria herüberblicken; die Kassettendecke mit dem in der Mitte ange- nommenen Augenpunkt stammt vielleicht aus der dekorativen Malerei, wo wir sie z.B. über den Bildern H.253 und 823 finden.
Bei dieser gänzlichen Umgestaltung hätte er die Figuren des Originals nur schwer gebrauchen können und hat sie deshalb mit Ausnahme des Sklaven durch andere ersetzt, deren Vorbilder wir natürlich nicht im einzelnen nachweisen können. Es ist ein Zufall, daß wir es für eine von ihnen, die des Admet, doch vermögen. Wir finden dieselbe Figur auf einer der Kopien griechischer Tafelgemälde in der Casa Tiberina, Mon. del. Inst.XII, T. 29, 2. Nur die Haltung des linken Arms ist verändert, im übrigen gleichen sich die Figuren so, daß die übereinstimmende Gestaltung dieses in verschiedenen Variationen sehr beliebten Motivs nicht zufällig sein kann. Da nun ein direkter Zusammen- hang ausgeschlossen ist, da ferner das römische Gemälde die Kopie eines griechischen Tafelbildes, und die Figur des Admet in unserem Bilde der Ersatz einer anderen ist, so scheint es zweifellos, daß der pompej anische Maler die Figur dem Originale des römischen Bildes entnahm. Er nahm nur in der Stellung der Figur eine leichte, aber charakteristische Änderung vor, indem er die Figur schräg zur Bildfläche stellte, während sie ihr auf dem römischen Bilde fast parallel ist, ohne daß dadurch das Motiv und vor allem die Konturen wesentlich verändert wurden.
Die Reihe dieser Bilder vierten Stils zeichnet sich vor der Masse der pompej anischen Gemälde, wenn wir die Kopien griechischer Tafelgemälde ausnehmen, durch die Güte der Aus- führung aus, und das berechtigt uns dazu, in ihnen das Wesen der guten Wandmalerei dieses Stiles zu suchen. Sie schließen
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sich nicht nur in der Kom])osition, .sondern auch in ihren male- ri.schen Eigenschaften zu einer noch engeren Gruppe zusammen als die Bilder dritten Stils, an deren beste und zugleich selb- ständigste Formen sie anknüpfen. Die dort noch ungelenken Versuche, die Figurendarstellung der griechischen Tafelmalerei in die der Wanddekoration eigentümliche I^andschaft zu über- tragen, führen hier zu in sich geschlossenen Kunstwerken. Die Räumlichkeit läßt .sich fast bei jedem einzelnen Bilde unmittelbar aus (k-m dritten Stile herleiten und stellt sich in ihrer (jcsamtheit als eine weitere Stufe der Entwicklung dar, die den weiten Raum der freien Landschaft zugunsten der Figuren immer mehr verengt. Diese eigenartige Anpassung der neueren Formen an die älteren hängt mit der eigentümUchen Konstellation zu- sammen, daß diese neuen Formen zugleich die römischen und die alten die griechischen waren. Sie i.st daher nur ein Einzelfall der Durchdringung der römischen durch die griechische Kultur. Diese Entwicklung durchkreuzt sich nun mit der renaissance- mäßigen Wiederholung der griechischen Kunst durch die Aus- wahl der Vorlagen bei den römischen Künstlern, sodaß wir in den immer noch weiten Räumen des dritten Stils die streng- vornehmen Gestalten des fünften und vierten Jahrhunderts, und vor den landschaftlichen oder architektonischen Folien der Bilder vierten Stils die schon sehr viel freier im Räume bewegten und gestellten Figuren späterer griechischer Malerei finden. vSelbst- verständlich ist diese Ausw^ahl nicht streng zu scheiden, und bis- weilen erscheinen uns Figuren auf Bildern dritten Stils wegen ihrer ängstlich sorgfältigen Wiedergabe älter und solche vierten Stils in ihrer flüchtig impressionistischen Ausführung jünger, als wir nach ihren Vorlagen urteilen würden.
Auch die Vorbilder des vierten Stils verteilen sich auf ver- schiedene Zeiten, wie z. B. das des Ixionbildes in das vierte Jahrhundert gehört, aber auch ihre Auswahl scheint einheitlicher als im dritten Stile. Die Figur des Admet läßt sich auf ein helle- nistisches Original zurückführen. Stilistisch genau entsprechend sind die Figuren der von demselben ]\Ieister stammenden Bilder H. 254 und 821, die sich nicht aus dem räumlichen Zusammen- hange lösen und auf bestimmte Vorlagen zurückführen ließen.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. ig^
Dann vergleiche man den Admet mit der lo des Bildes H. 138; nicht nur das Motiv im allgemeinen, sondern auch die Einzel- formen und die Konturen, wie z. B. die eigentümUch geschwungene Linie des Rückens, stimmen überein. Die gleichen stilistischen Eigenschaften finden wir bei dem Dionysos des Ringkampfes zwischen Pan und Eros und bei dem Amphitryon auf dem Bilde des schlangenwürgenden Herakles im Hause der Vettier. Endlich gehören H. 1018, 1020, So. 623, B. d. I. 1885, p. 164, 12 hierher. Selbstverständlich gehen diese Figuren alle in letzter Linie auf hellenistische Vorlagen zurück. Wenn wir nun aber bedenken, daß gerade auf diesen Bildern Raum und Figuren am innigsten miteinander verbunden sind, und daß gerade einige dieser Bilder in mehreren Exemplaren vorUegen, so scheint es doch, daß wir in ihnen den Figurenstil der höheren Malerei dieser Zeit besitzen. Ihrem Geiste entspricht die vornehme Eleganz dieser Figuren, ihre weichen Bewegungen und graziösen Linien, endlich die Sinn- lichkeit in der Art der Entblößung. Auch die Art, wie die Stoffe behandelt sind, steht mit diesem Empfinden im Einklang. Be- sonders charakteristisch ist dafür das Bild des schlangenwür- genden Herakles. Da finden wir keine gewaltige Erregung, keine aufs höchste gesteigerte Spannung, nicht das Pathos der beiden anderen Bilder desselben Zimmers, sondern eine angeregte, vor- nehme, heitere Eleganz. Amphitryon blickt dem Kampfe nicht anders zu als Dionysos dem Streit von Pan und Eros. — Wir dürfen diese ganze Gruppe als römische Schöpfungen in Anspruch nehmen, die von griechischer Kunst durchdrungen sind, ohne doch Kopien griechischer Gemälde zu sein.
Neben den Bildern dritten Stils, die die Figuren frei im Räume verteilt zeigten, stand gleichberechtigt ein anderes Prinzip, bei dem die Figuren in einer Ebene standen, während sich vor ihnen eine freie Fläche ausdehnte, und hinter ihnen ein land- schaftlicher oder architektonischer Hintergrund den Raum schloß. Wenn die Komposition der Bilder vierten Stils wirklich aus dem dritten Stile abgeleitet ist, müssen wir erwarten, auch dieses Prinzip im vierten Stile wiederzufinden.
Den direkten Zusammenhang zwischen ähnlich kompo- nierten Bildern dritten und vierten Stils haben wir schon bei
j36 VIII. Vierter Stil. Römi.scbc Komjjositiouen.
einigen Innendarstellungen kennen gelernt; so stimmte H. 1337, Minos und Skylla, in seiner Architektur und der Anordnung der Figuren mit einer Gruppe von Bildern dritten vStils überein (s. oben S. 139). Eine genau übereinstimmende Komposition finden wir nun auch bei einem Bilde, das die Figuren in einer Ivandschaft zeigt.
H. 1142^) .stellt Auge dar, die \'on Herakles am Bache überrascht wird. Von Felsen und Mauern wird der Raum ge- schlossen, in dem die Figuren ungefähr in einer Raumschicht, aber doch ziemlich sorglos verteilt sind. J)al.5 diese Darstellung, auf der die Figuren in zwei Gruppen zerfallen, nicht vollständig sei, lehrten die Bilder So. 499 und 500, wo oberhalb der Auge eine geflügelte Frau hinzugefügt ist. Endlich wurde ein viertes Exemplar im Hause der Vettier gefunden, das ebenfalls die geflügelte Frau enthält. 2) Die fünf Figuren bilden hier eine geschlossene Gruppe von geringer räumlicher Tiefe, die der Bild- fläche genau parallel steht, wie die Figurenkomposition des Europabildes So, 79. Vor den Figuren dehnt sich auch hier eine ziemlich breite Fläche aus, die zum Teil von dem Bache eingenommen ist; hinter ihnen erscheinen Felsen und Bäume, die hier allerdings noch unräumlicher wirken als auf dem Europa- bilde und mehr an den Hintergrund von H. 325, Ares und Aphro- dite, erinnern. Die Dreiteilung der Komposition ist genau die gleiche wie bei jenen Bildern dritten Stils, und wenn die um- gebende Wanddekoration nicht erhalten wäre, würde uns nur die malerische Ausführung lehren, daß wir es mit einem Bilde vierten Stils zu tun haben. Wir haben auch bei der anderen Gruppe einige Bilder vierten Stils kennen gelernt, deren Kom- position der des dritten Stiles gUch. (über die Stellung, die die Figurenanordnung dieses Bildes innerhalb der griechischen Malerei einnimmt, vgl. unten Kap. X.)
^) Röchelte, choix 7.
2) Rom. Mitt. XI, 1896, S. 91, 184 (Mau), Hemn.-Br. T. 47. Zur Deutung vgl. Mau und Sogliano a. a. O., Robert, Ann. d. Inst. 1884, S. 75 ff., E. Maass, Jahrb. d. Inst. XXI, 1906, S. 89 ff. (dazu s. Robert b. Pavdy-Wiss. u. Euthykrates) , Herrm.-Br. Text, S. 58.
VIII. Vierter vStil. Römische Kompositionen.
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Ganz anders ist der Eindruck des BildesH.2i2(Abb.3o)/) auf dem wir rechts den sitzenden Apollo, links, stehend und auf einen Pfeiler gestützt, Daphne (?) sehen. Die beiden Figuren befinden sich in einer Raumschicht und sind möglichst in der Fläche
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Abb. 3u. Apoll und Geliebte. Nach Phot. Sommer-Neapel.
ausgebreitet, zweifellos ist die Gruppe die getreue Kopie eines griechischen Tafelbildes, allerdings so ganz in der Manier des
1) Overbeck, Atlas zur griechischen Kunstmythologie, T. XX\'I. II. Heibig, Atlas I. XII.
l38 VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen.
vierten Stils ausgeführt, daß wir nur die allgemeinsten Formen und Linien auf das Original zurückführen können. Vor den Fi- guren ist eine geringe freie Fläche, die für den Eindruck ganz unwesentlich ist. Im Hintergrunde links sehen wir einen runden, einen Dreifuß tragenden Turm, wie wir ihn in mannigfachen Gestaltungen auf so vielen römischen und ])ompejanischen Land- schaftsgemälden finden, an der Seite und in der Mitte Bäume, rechts einen steil abstürzenden Felsen. Eine räumliche Ver- mittlung zwischen der Fläche, auf der die Figuren stehen, und dem Hintergrunde findet nicht statt, er dient lediglich als Folie für die davorgestellten Figuren. Diese Art des Hintergrundes ist, wie wir im ersten Kapitel gesehen haben, der griechischen Malerei fremd. Sie kennt wohl einen Hintergrund für die Fi- guren, aber in Form einer wirklichen engen Begrenzung des Raumes z. B. durch eine Felswand, sie kennt auch andere topi- ariae res, wie die Bäume auf dem Telephosfries und dem Bilde des „müden Silen", aber sie sind dann den Figuren gleichwertig, oder es ist, wenn sie in räumlicher Ferne erscheinen, wie der Baum des Alexandermosaiks oder das Zelt auf dem Briseis- bilde H. 1309, die untere Fläche mit Figuren ausgefüllt und dadurch der Eindruck einer wirkHchen Vertiefung erreicht. Das- selbe ist der Fall bei gelegentlichen Vorläufern einer Hinter- grundsdarstellung noch ohne den Versuch eines räumhchen Zu- sammenschlusses, wie auf dem Niobebilde, den Friesen des Nereidenmonuments und von Gjölbaschi.
Wir hätten diese negierenden Bestimmungen gar nicht nötig, denn alle Elemente des Hintergrundes und ihre folienartige Ge- staltung finden \nr schon im dritten Stile, nur daß diese dort erst neben der wirklich räumhchen Erscheinung auftritt, während sie im vierten Stile, wie wir bei der ersten Gruppe gesehen haben, zur Regel wird. Das Bild setzt sich demnach aus zwei leicht voneinander zu lösenden Bestandteilen zusammen, den aus einem griechischen Original kopierten Figuren und dem aus dem dritten Stile abgeleiteten Hintergrund. Wie ist diese Kompositions- weise aus dem dritten Stile entstanden?
Sie ergibt sich ohne weiteres, wenn wir an einem Gemälde dritten Stils, das die Figuren in einer Raumschicht enthält.
VIII, Vierter Stil. Römische Kompositionen. jSo
dieselben Veränderungen vornehmen, durch die sich die Bilder der ersten Gruppe von den entsprechenden Bildern dritten Stils unterscheiden, wie sie besonders klar bei dem Erotennest H. 823 im Verhältnis zu dem Meleagerbilde H. 1165 hervortreten. Nehmen wir z. B. bei dem Europabilde So. 79 die freie vordere Fläche fort vmd verkleinern wir die Fläche neben und über den Figuren, bis sie zu ihnen in demselben Verhältnis steht wie bei der ersten Gruppe, so erhalten wir genau die Komposition unseres Bildes. Dasselbe Resultat ergibt sich, wenn wir einen Innen- raum vierten Stils H. 1113, die Personifikationen der drei Erd- teile, mit einem ähnlichen dritten Stils So. 579 vergleichen; wir haben dabei den Vorteil, die degenerierende Umgestaltung des Hintergrundes genau verfolgen zu können.
Nach diesem Prinzip ist nun die große Menge der schlecht und handwerksmäßig ausgeführten Bilder vierten Stils kom- poniert. Es ist sehr bemerkenswert, daß in den Kompositions- prinzipien hier eine Scheidung zwischen den Bildern guter und schlechter Qualität eintritt, daß aber beide Prinzipien nach den gleichen Gesetzen aus dem dritten Stile hergeleitet sind. Die guten Bilder knüpfen an die freiere und selbständigere, die schlechten an die schematischere und von den Vorlagen ab- hängigere Form an. Während dort die gesamte Verteilung der Figuren im Raum und in der Fläche eine positive Leistung des Künstlers ist, besteht die Arbeit, die hier der Handwerker leistet, nur in dem Aneinandersetzen zweier Bestandteile.
Eine eingehende Besprechung verdienen diese Bilder, von denen H. 212 eins der besten ist, nicht, ich will nur einige er- wähnen.
Auf dem Bilde So. 134 füllen die Figuren, Ares und Aphrodite, den größten Teil der Fläche aus, doch erscheint hinter ihnen eine von Bäumen überragte Mauer, die aus der Darstellung des heihgen Bezirkes auf Bildern dritten Stiles abgeleitet ist. Diese RäumHchkeit ist für diese Szene natürlich noch viel weiüger passend als für das Parisurteil H. 1286 und erklärt sich aus der gedankenlosen Zusammenfügung von Figuren und Hintergrund durch den pompe janischen Maler.
Eine gleiche Mauer finden wir H. 318, 1164, 1455, 1456;
jqo VIII. Vierter Stil. Römische Koinpositicjiicn.
ein schräg gestelltes Gehäude oder eine Mauer vSo. 74, 622; ein Heiligtum, Turm oder vSäule H. 219, 221, 222^ 950, 1344, So. 75, 457> 58^ i Bäume und Felsen H. 211, 329, So. 588 usw.
Man kiuin den Unterschied zwischen diesen Bildern und der ersten Klasse auch so definieren, daß auf jenen der Raum, auf diesen die übernommenen iMguren das Primäre sind. Die Maler der ersten Gruppe mußten zuerst den Raum und die Ver- teilung der Figuren in ihm skizzieren, ehe sie die Figuren, wenn sie sich an direkte Vorlagen anschlössen, kopieren konnten; da- gegen gingen die Verfertiger dieser Bilder von den Figuren aus, indem sie sie wohl zuerst flüchtig skizzierten, dann den Hinter- grund und schließlich die Figuren ausführten. In dieser Art der Entstehung bilden diese Bilder also eine direkte Fortsetzung der Reihe, die von dem Bilde der Casa Tiberina M. d. I. XII, T. 6, 2 zu den Bildern H. 325 und 826 führt (s. oben S. ']9>) und repräsentieren auch in dieser Hinsicht gegenüber der selb- ständigeren die sich enger an die griechischen Vorlagen an- schließende Form.
Durch das gleiche Ausgehen von den griechischen Originalen schließen sich an diese Bilder eine Reihe von Gemälden an, die in der Qualität gleich gering sind, in ihrer äußeren Erscheinung aber den Bildern der ersten Gruppe ähneln.
H. 957^) zeigt links den auf einem Steine sitzenden Endymion, rechts schwebt Selene herab; beide Figuren befinden sich in einer Raumschicht. Den Hintergrund bildete, soweit die Abbildung bei Zahn es erkennen läßt, Fels und Gebüsch. Zweifellos geht diese Komposition auf ein griechisches Original zurück, auf dem wir uns einen einfachen Felshintergrund zu denken haben. In dieser Anordnung stimmen die meisten Wiederholungen überein, dagegen zeigt die Mehrzahl Endymion auf einem Felsen liegend. Ob diese Variation auf zwei in der Komposition übereinstimmende Originale zurückgeht, läßt sich kaum entscheiden; sie geht nicht Hand in Hand mit dem Wechsel einer schwebenden und schrei- tenden Selene; denn diese Motive finden sich beide mit dem
1) Zahn, III, 79.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen. inj
liegenden Endymion verbunden^). In dieser Gestalt reihen sich diese Bilder ganz den vorher besprochenen an, indem nur der Hintergrund bisweilen mit Motiven, die in der Wandmalerei entwickelt sind, bereichert ist.
Dagegen zeigt H. 960 (Guida 1365)'^) eine wesentliche Umgestaltung. Die beiden Hauptfiguren entsprechen dem üblichen Schema; Endymion ist hier, anders als H. 957, von der Seite gesehen und entspricht so der reliefmäßigen Anordnung noch mehr. Nun sind aber rechts hinter Endymion noch zwei weitere, weibliche Figuren sichtbar, die der vorderen Szene zuschauen. Durch sie wird der Raum vertieft, die Fläche gefüllt, und durch ihre Gruppierung ein den Bildern der ersten Gruppe ähnlicher Eindruck erreicht. Auch jene mögen aus einer Bereicherung einfacherer Kompositionen entstanden sein, aber es ist wesentlich, daß dort die übernommenen Figuren in die Räumlichkeit hineingepaßt sind, während hier durch die neu hinzugefügten Figuren eine räumliche Vertiefung gleichsam an die Komposition des Originals angesetzt ist. Wir haben also in diesem Bilde den Versuch eines unbedeutenden Malers vor uns, es den führenden Meistern nachzutun. Da er aber von der Kopie der Figuren ausging, ist seine Komposition von den Bildern der ersten Gruppe prinzipiell verschieden.
Dieses Bild ist nicht das einzige Beispiel dieser Art.^) Eine solche Erweiterung der ursprünglichen Komposition durch etwas tiefer im Räume gestellte Figuren finden wir besonders häufig bei der Darstellung des Narkissos. Es ist eine schöne Bestä- tigung für die Hinzufügung dieser Figuren durch die römischen
^) Endymion liegend und Selene schwebend H. 952, 953, 954, 956, So. 457. Endymion liegend und Selene schreitend H. 955 tmd VI, 16, 15 s. unten (vgl. Musees de l'Algerie, Musee Alaoul, PI. VII, 128).
2) Zahn, II, 78.
^) Ein glänzendes Beispiel der engräumigen griechischen Kompo- sition und der erweiterten römischen bilden die beiden Endymionbilder des Hauses VI, 16, 15. Das eine, Not. d. scav. 1908, S. j},, Fig. 5 zeigt nur die beiden Hauptfiguren, Endymion hier liegend und Selene heran- schreitend, vor einem Felshintergrunde, das andere a. a. O. S. -jj , Fig. 7 stimmt mit H. 960 überein.
JQ2 \'III. Vierter Stil. Röuiiiclic Kompositionen.
Maler, daß die Bilder, die Narkissos allein /.eigen, den einfachsten Hintergrund haben — da.s Exemplar in der Casa di M. Lucrezio r'rontcMie mag das Original am treuesten wiedergeben^) — , daß dagegen auf den Bildern, wo Eros und weibliche Gestalten hinzugefügt sind, die Hintergründe meist mit den Motiven der r(')misclienlvandschaftsmalerei, Pfeilern, vSäulen und runden Basen ausgestattet sind. 2)
Wir finden diese zuschauenden, sitzenden Figuren schon im dritten Stile, H. 1187 (üuida 1361), wo die Gruppe des Perseus, (kr die Andromeda befreit, in eine Landschaft übertragen ist, und bei den Darstellungen des Todes des Ikaros H. 1209 und 1210, So. 523 und 524, Aus solchen Bildern übernahmen sie offenbar die Maler des vierten Stils.
Heibig deutete diese Figuren bei den Narkissosbildern als Nymphen, sonst als "Axtai und ^xoniai.^) Sie lassen sich in zwei Gruppen scheiden. Die erste, die sogenannten ^xontal, um- faßt die über Felsen hinüberbhckenden, nur in ihrem oberen Teile sichtbaren Figuren, Dieses Motiv, das wir auch bei Aktaion, der Artemis im Bade erblickt, finden, ist sicher auf griechischen Bildern mit einem einfachen Felshintergrund entstanden und entspricht den über eine Querwand hinüberblickenden Figuren der Innenräume. Selbstverständlich dürfen wir es deshalb nicht bei allen Bildern für original halten, sondern es konnte von den pompejanischen Malern beliebig auch dort hinzugefügt werden, wo es ursprünglich fremd war, z, B. H. 353 und 354, So. 146 (s. unten).
Die andere Gruppe wird von den sitzenden oder stehenden (H. 960), frei im Räume verteilten Figuren gebildet. Ihre Bildimg schheßt sich natürlich an griechische Vorlagen an, ihre Ver- wendung dagegen ist durchaus römisch. Wir müssen für diese
1) Not. d, scav. 1901, S. 161, Fig. 14, vgl. auch H. 1351.
2) H. 1358, 1360, 1361, 1363, 1366.
^) Nach dem Vorgänge von Stephani, Melanges greco-romains I, S. 524 £E., Arch. Zeit. XXI, 1863, S. 117, Rhein. MuseuniXXIV, 1869, S. 497 fE., Untersuchungen S. 215 ff., Woemiann, Landschaft in der Kunst der alten Völker 1876, S. 253 fE.
VIII. Vierter »Stil. Römische Kompositionen. igo
Figuren nach einer einheitlichen Benennung suchen und zwar nach einer den Römern vertrauten und geläufigen. Solche be- grifflichen Personifikationen, wie sie die ^AxTai und ^xoniai dar.- stellen würden, finden wir bei den römischen Dichtern aus dem Anfang der Kaiserzeit nicht, dagegen die Natur mit Nymphen, Naiaden, Dryaden usw. belebt. Für diese Benennung ist gegen- über der auf schwankender Grundlage aufgebauten Deutung Helbigs, wie mir scheint, mit Recht, Adolf Gerber^) eingetreten. Eine noch weitere Räumlichkeit als auf diesen Bildern ist einer griechischen Komposition auf dem Bilde H. 1266^) in der Casa di Sirico hinzugefügt worden. Ganz im Vordergrunde befinden sich in einer Ebene Apollo und Poseidon; die Kom- position einer sitzenden und einer stehenden Figur war in der griechischen Malerei sehr beliebt. Zwischen und über den Figuren öffnet sich der Blick auf eine weite Landschaft, die aber wieder wegen der ungeschickten Vermittlung mit dem Vordergrunde nur als Folie wirkt. Im Mittelgrunde steht ein viereckiger Altar, der dem des Gegenbildes H. 11 39, Herakles bei Omphale,. ent- spricht. Offenbar ist also dieser Hintergrund mit Rücksicht auf jenes Bild gestaltet worden, das selbst aus dem dritten Stile hergeleitet war. In der Ferne sehen wir den Bau der Mauern Troias, die Weite des Raumes entspricht den Landschaftsbildern, die vom zweiten bis zum vierten Stile reichen. Die Figuren des Hintergrundes mit ihren überlebhaften Bewegungen haben wieder denselben Charakter wie die der Odysseelandschaften oder des Friesbildes M. d. I. X, T. 60, wo ebenfalls ein Mauer- bau dargestellt ist. Somit gibt sich auch hier der landschaftliche Hintergrund als ein Zusatz zu den Figuren, die einem griechischen Originale entstammen, zu erkennen.
1) Jahrb. f. klass. Philol. 13. Supplementband 1884, S. 293 ff., vgl. Wilaniowitz, Arch. Zeit. 1875, S. 174 und Kug. Petersen, Archäol. epigr. Mitteil, aus Österreich, V, 1881, S. 49. Besonders für die Be- nennung in Betracht zu kommen scheinen mir Stellen wie Verg. Aen. I, 326 fE., XI, 836 fE.
2) Photogr. Sommer 1228. O verbeck, Atlas z. griech. Kunst- mythologie XII, 24.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. ]^Q
lof VIII. \'ierter Stil. Rönii.sche Konipo.sitionen.
Eine richtige Landschaft, ohne Staffage, finden wir endlich bei einer Darstellung der fischenden Ai)hrodite >So, 145 (Abb. 31). Es ist schwer, aus den vielen, sämtlich sehr geringen Wiederholungen dieser Komposition die Gestaltung des Originals zu rekonstruieren. Die Mehrzahl, H.348 — 352, vSo. 145 usw., enthält nur zwei Figuren, rechts Aphrodite auf einem Felsen sitzend, links einen stehenden Eros. Das beste Exemplar, auf dem allerdings noch ein zweiter Eros hinzugefügt ist, scheint So. 144^) zu sein, das durch seine exakte Zeichnung hervorragt. Auf allen Bildern, die diese ein- fache Komposition zeigen, ist die Figur der sogenannten Aphrodite außerordentlich herbe und streng, sodaß wir mit der zeitlichen Ansetzung des Originals wohl sehr hoch hinaufgehen können. Wir werden in der Stellung der Figur im Räume und der Be- zeichnung des Ortes durch Kfippen an die Darstellung von fischenden Göttern und ^Menschen auf schwarz- und rotfigurigen Gefäßen erinnert, z. B, auf der Schale des KachryHon.-) Vielleicht gehen unsere Bilder in letzter Linie auf ein Original nicht viel späterer Zeit zurück.
Es könnte Bedenken erregen, daß diese Darstellung einige Male das Gegenstück zu der Darstellung des verliebten Polyphem bildet, die doch frühestens nach Philoxenos, wahrscheinlicher erst unter dem Einflüsse Theokrits entstanden sein kann. Die Zusammenstellung findet sich unter den bei Heibig und Sogliano beschriebenen Gemälden dreimal;
H. 353 — H. 1044 H. 354 — H. 1049 So. 146 — So. 472.
In diesen drei Fällen ist aber bei der Aphrodite nicht die ursprüngliche Komposition erhalten, sondern es sind zuschauende Nymphen {^xoniai) hinzugefügt. Daraus geht hervor, daß die Gegenüberstellung dieser beiden Darstellungen erst ein Werk der pompejanischen Maler ist. Ob die Bilder, die Polyphem
^) Photogr. Sommer. 9213.
■-) Hart%vig, Meisterschalen, T. V, Text 8. 59.
VIII. Vierter Stil. Römische Kompositionen.
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darstellen, von hellenistischen Originalen abhängig sind, oder ob sie, was bei der Popularität der bukolischen Dichtung bei den Römern sehr möglich wäre, römischer Erfindung sind, läßt sich danach nicht entscheiden.
Abb. 31. Fischende Aphrodite. Nach Zeichnung d. Instituts.
Auf dem Bilde So. 145 (Abb. 31) ist nun die ursprüngliche Komposition der Figuren bewahrt, hinter ihnen aber eine weite Landschaft mit den Türmen und Mauern einer Stadt in der Ferne hinzugefügt. Daß dieses Bild dem griechischen Originale
13*
jq5 VIII, Vierter Stil. Römische Kompositionen.
ferner steht, würde sich auch daraus ergeV>en, daß die Felsen auf beiden Seiten im Verhältnis zu den Figuren größer ge- worden und realistischer wiedergegeben sind, und daß in der weichlichen Gestalt der Aphrodite sich nichts von der alten Strenge erhalten hat. Wir hal)en hier also denselben Prozeß, wie auf den vorher besprochenen Bildern: an eine schlecht kopierte griechische Komposition ist eine Räumlichkeit angesetzt worden.
IX.
Kopien griechischer Tafelbilder.
Während die Masse der handwerksmäßig ausgeführten Bilder vierten Stils in ihrem schematischen Aneinandersetzen grie- chischer und römischer Bestandteile ein ziemHch einheitUches Bild gibt, scheiden sich die guten Bilder in zwei verschiedene, in sich reich variierte, aber ihrem Wesen nach einheitliche Gruppen. Die eine von ihnen, deren Komposition sich aus dem dritten Stile heraus entwickelt hat, haben wir bereits kennen gelernt. In denselben Häusern, deren Wände diese Bilder tragen, finden Avir nun Gemälde, teilweise von der Hand derselben Meister ausgeführt, die sich nicht an den dritten Stil oder die aus ihm abgeleiteten Bilder vierten Stils anschließen lassen, sondern sich deutlich als treue Kopien griechischer Tafelgemälde zu erkennen geben. Die Originale dieser Bilder entstammen natürlich nicht einer Zeit oder Schule und zeigen dementsprechend auch in der Komposition eine sehr viel größere Mannigfaltigkeit, als die erste, dem vierten Stile eigentümliche Gruppe, deren stilistische Differenzen sich auf die aus verschiedenen Vorlagen entnommenen Figuren beschränkten. Es entspricht dem Gange der Entwicklung, daß die Kopien griechischer Tafelbilder im vierten Stile eine un- gleich größere Rolle spielen als im dritten, wo sie allerdings auch zu den am besten ausgeführten Gemälden gehören (wie H. 1378 b, 1388, 1389 b usw.), aber neben der Masse der übrigen Bilder ihrer Zahl nach fast verschwinden.
Iq8 I^- Kopion griechischer Tafell)il(icr.
Aus dem Pcristyl der Casa del poeta tragico stammt das oft l)c-s])r()dK-nc'Iphij^'eiiiel)ildH. 1304 (Guida 1278, Fij^. 72)^). Ich kann ;iul" die \erscliie(lenen Ansichten, (He über dieses Bild geäußert worden sind, nicht eingehen, sondern nniü mich auf die für unsere T'ntersuchun^ wesentHchsten Punkte beschränken. Das Bild ist mit peinlicher vSorgfalt ausgeführt, aber cjhne großes Geschick, wie die gänzlich verunglückte Gestalt der I])higenie beweist, die mit der Güte der übrigen Figuren nicht im Kinklange steht. Schwerlich ist es, wie Winter^) meinte, von dem Meister des Europabildes (So. 79) gemalt, sondern der ähnliche Gesamt- eindruck beruht wohl auf einer wenn auch nicht sehr engen zeitlichen Verwandtschaft der Vorlagen; jedenfalls bedürfte es zu jener Annahme eines eingehenderen Beweises, den Winter bisher schuldig geblieben ist. Die Art der Ausführung berechtigt uns dazu, den Anschluß an das Original für sehr genau zu halten und andererseits die Ungeschicklichkeiten auf das Konto des pompejanischen Malers zu setzen.
Wie auf den Marmorbildern fehlt jeder räumliche Zusammen- schluß und damit jede größere Tiefe des Raumes, die I'iguren stehen vor einem mit indifferenter heller Farbe ausgefüllten Grunde. Eine Raumschicht, die so tief ist, daß sie ein Hinter- einander von zwei Figuren erlaubt, umschließt die Figuren des Bildes. Das ist eine Kompositionsweise, wie sie für die Vorlagen von so vielen Bildern dritten und vierten Stils — z. B. für die Figuren des Europabildes So. 79 — erschlossen werden kann. Sie ist hier genau kopiert, während im dritten Stile die Figuren in eine Landschaft versetzt wurden, und auf den geringen Bildern vierten Stils ihnen eine landschaftliche Folie hinzugefügt wurde.
Die drei mittleren Figuren bilden eine Gruppe für sich; an den Seiten ist je ein scharfer Einschnitt, und es folgt je eine mächtige Figur, Kalchas und Agememnon, die in ihrer monu- mentalen Ruhe mit der fast erstarrten Äußerung des AlYekts zugleich einen Gegensatz und Abschluß und Rahmen für die lebhaft bewegte Gruppe in der ]\Iitte bilden. So kUngt der ge-
1) Herrin. -Br. T. 15, S. 23 und die dort angefülirte Literatur.
2) 55. Berliner Winckelmannsprogramm S. 14.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. jgg
waltig sich äußernde Schmerz der mittelsten Figur durch die lebhaft teilnehmenden Gestalten der sie tragenden Männer in den seitUchen Figuren allmählich ab, wo er in tiefer, ruhiger Trauer fast ganz gebändigt ist. Die gleiche Skala der Emp- findungen, wenn auch etwas vereinfacht, haben wir auf dem Dirkebilde H. 1151 gefunden, dessen originale Komposition der des Iphigeniebildes sehr ähnlich war. Wenn dort je zwei Figuren einen pfeilerartigen seitHchen Abschluß bilden, so wird hier das Volumen der seitlichen Figuren links durch die Säule mit dem Götterbilde, rechts durch den Altar verstärkt. Eine strenge, fein durchdachte Symmetrie ist das Grundprinzip dieser Kom- position. Die Farbengebung verstärkt noch den symmetrischen Eindruck. Dem violetten Gewände des Agamemnon entspricht das des Kalchas, derselbe Farbenton, nur sehr viel heller, kehrt in dem Körper der Iphigenie wieder, beide Farbennuancen werden geschieden durch die braunen Körper der Männer mit ihren dunkelroten Schürzen.
In der Zeichnung tritt diese Symmetrie dadurch etwas zurück, daß der Einschnitt zwischen der Figur des Kalchas und der mitt- leren Gruppe sehr eng geraten ist; durch dieses Aneinanderrücken entsteht eine lange diagonale Linie zwischen dem Kopfe des Kalchas und den Köpfen der beiden mittleren Männer. i) Diese Linie steht im Widerspruch zu der übrigen symmetrischen Ge- staltung der Komposition und läßt sich auch schwer durch irgendwelche künstlerischen Absichten rechtfertigen. Da nun sicher in der ungeschickten Zeichnung der Iphigenie eine Ab- weichung vom Originale vorliegt, können wir unbedenklich an- nehmen, daß diese ungeschickte Durchbrechung der Symmetrie dem pompejanischen Maler zur Last zu legen ist.
Welcher Zeit gehört das Original an? An ein eklektisches Machwerk 2) kann heute keiner mehr denken, wir müssen sicher ein griechisches Tafelbild als Vorlage annehmen. Das Fehlen jedes räumlichen Zusammenhanges macht es wahr- scheinlich, das Original vor 350, der Zeit, in der die Generation
^) Herrmann, Text S. 24.
2) Heibig, Wandgemälde S. 284.
200 ^X- Kopien griechischer Tafelbilder.
des Aetioii ])egann, anzusetzen, einen tcrminus post quem können wir aus dem Verhältnis zu Timantlies gewinnen. Ein direkter Zusammenliang mit dessen Gemälde, von dem wir mög- licherweise in der Ära des Kleomenes eine Kopie besitzen, ist natürlich ausgeschlossen. Amelung^) und Robert'^) haben auf die Anzeichen einer späteren Entstehung hingewiesen, anderer- seits nötigt vor allem das Motiv des Agamemnon dazu, zwischen dem Bilde des Timantlies und dem Originale unseres Gemäldes irgendeine Verbindung anzunehmen. Der Agamemnon entspricht in dem Abwenden von der Hauptgruppe, in der Gewandung und in der Haltung des Kopfes und des ilin stützenden Armes dem auf der Ära des Kleomenes,^) dagegen weicht das Hochstellen des einen Fußes von ihm ab. Dieses Hochstellen finden wir aber auf der Ära bei dem Jünglinge, der links der Gestalt des Aga- memnon entspricht. Die Figur unseres Bildes ist also eine Kombination aus den zwei Figuren auf dem Bilde, das dem Verfertiger der Ära vorlag. Danach stellt sich das Original unseres Bildes als eine Darstellung des Opfers der Iphigenie dar, die nach Timanthes mit Benutzung von Motiven seines Bildes gestaltet worden ist. Wir müssen es also in die erste Hälfte des vierten Jahrhunderts setzen, eine genauere Datierung ist vorläufig kaum möglich. Diesem Originale mögen vielleicht auch die Figuren der Artemis und der Nymphe in ihrer symmetrischen Stellung entsprechen; jedenfalls liegt kein absolut durchschlagender Grund vor, sie für einen Zusatz des pompejanischen Malers zu halten, der sich im übrigen, entgegen den Gepflogenheiten seiner geringeren Zunftgenossen, jeder Zusätze enthielt.
Das Bild H. 1309 (Guidai277),*) die Entführung der Briseis, aus dem Atrium desselben Hauses, führt uns in eine etwas spätere Zeit, steht aber deutlich mit dem Kompositionsprinzip des
^) Rom. Mitt. 1905, S. 307, vgl. auch Rom. Mitt. 1908, S. 00.
2) Votivgemälde eines Apobaten, 19. Hall. Winckelmannsprogr. S. 6, Amn. 16.
3) Rom. IVIitt. 1905, S. 307, Fig. 3.
4) H.-Br. T. 10.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 201
Iphigeniebildes in engem Zusammenhange. Den mittleren Figuren jenes Bildes entspricht hier die Gruppe von Achilleus, Phoinix und Patroklos, die in Form einer Pyramide aufgebaut ist, deren Spitze von dem Kopfe des Phoinix, deren Seiten von den Armen des Achilleus und des Patroklos gebildet werden. Die strenge Respon- sion der Köpfe und Arme dieser beiden Figuren tritt schon in der Zeichnung und in einer nichtfarbigen Reproduktion stark hervor, wird aber durch das Kolorit noch bedeutend erhöht, da sich die nackten Körper mit ihrer satten braunen Färbung und den leuch- tenden aufgesetzten Lichtern mächtig von den hellen, lichten Farben der übrigen Figuren abheben. Sehr wirkungsvoll sind auch hier die dunkelroten, um die Hüften geschlagenen Mäntel. Dem Kalchas des Iphigeniebildes entspricht hier die Gestalt der Briseis, wälirend wir auf der anderen Seite des Bildes, wie auf dem Dirkebilde H. 1151, zwei eng aneinander geschobene Figuren, die beiden Herolde, sehen. Zwischen Patroklos und Briseis ist auch hier ein scharfer Einschnitt, auf der anderen Seite ist er durch das nähere Heranrücken des rechten Herolds an Achilleus und das Übergreifen der unteren Teile des sitzenden Achilleus auf die linke Bildseite sehr verwischt. Die Teilung der Komposition in eine Mittelgruppe und steile Seitenfiguren ist genau die gleiche wie auf dem Iphigeniebilde, und es ist wesentlich, daß sie die sechs Hauptfiguren umschließt, während die Krieger des Hinter- grundes inhaltlich entbehrlich sind.
Ebenso bewußt, wie sich der Meister dieses Gemäldes an jenes Kompositionsprinzip anschloß, hat er es umgestaltet und bereichert. Zunächst sind die Figuren enger aneinandergerückt worden, sodaß die Scheidung der Mittelgruppe von den seitlichen Figuren ihre für den Eindruck wesentliche Bedeutung eingebüßt hat; sie hat diese abgetreten an die künstlicher dis- ponierte und über die Seitenfiguren hinübergreifende Mittelgruppe. Sodann sind die Lücken zwischen den Köpfen und den oberen Teilen der Figuren durch die fünf dahinter stehenden Krieger geschlossen worden, die mit ihren Schilden zugleich in raffinierter Weise als Folie für die Köpfe der vorderen Figuren benutzt worden sind. Damit ist die ganze untere Bildfläche mit Figuren ausgefüllt, und das über ihnen erscheinende Zelt bringt den
202 J-^' Kopien griechischer Tafelbilder.
Iviudruck hervor, als vertiefe sich der Raum nach hinten. Dieses Prin/.i]) der Um^eluniK des Raumjjrohlenis ist dasselbe wie auf dem Alexandermosaik, und die stilistischen Eigenschaften des Bildes lassen keinen Zweifel, daß wir es ungefähr in die gleiche Zeit, etwa um .525, zu setzen haben. Es ist möglich, wenn es sich auch nicht beweisen läßt, daß das Bild auf Theoros (Theon), der in derselben Zeit einen Zyklus von Darstellungen des Kampfes um Ilion malte,') zurückgeht. Gegenüber der Rehefmäßigkeit dieser Kompositionsweise s])ielen die von Herrmann^) hervor- gehobenen Versuche von räumlicher Vertiefung durch die Stellung der Figuren nur eine sekundäre Rolle und gehen nicht über das Maß hinaus, das wir schon vorher auf Bildern und Reliefs finden, die jedes räumlichen Zusammenschlusses entbehren. vSie bleiben innerhalb der bestimmten vSchicht, die alle Figuren um- faßt. Demnach stellt sich die Komposition dieses Bildes dar als eine von einem hervorragenden Künstler ausgeführte Umwand- lung und Erweiterung des Prinzips des Iphigeniebildes nach der gleichzeitigen, neuen Kompositionsweise, die wir am besten durch das Alexandermosaik kennen.^)
Eine weitere Abwandlung ist durch die Rücksicht auf den Inhalt der Darstellung bedingt. Auf dem Iphigeniebilde befand sich die Hauptfigur in der Mitte, hier galt es, die Aufmerksamkeit auf die an der Seite stehende Briseis zu lenken. Der Künstler hat es verstanden, ihre Bedeutung nicht nur durch die Be- wegungen und die Blicke der Figuren, also eigentlich inhaltliche Momente, sondern schon durch die Komposition hervorheben. Zu- nächst entspricht Briseis allein den beiden Herolden der anderen Bildseite, eine bei dem peinlich S3'mmetrischen Aufbau der mitt- leren Figuren besonders auffallende Durchbrechung der S^-m- metrie. Sodann ist der Hintergrund in drei Teile geteilt, von denen der linke weiß ist, der mittlere, der wie der letzte dem
5) Plin. N. H. XXXV, 144.
-) Text, S. 14.
3) Vgl. dazu die Komposition von So. 627 und dem Originale des Ixionbildes im Hause der Vettier mit dem kopierten Tafelbilde der casa Tiberina (Abb. 2), und das Parisurteil H. 1286 mit 1284 (s. unten Kap. X).
IX. Kopien griechischer Tafelbilder, 20^
Zelte gehört, hellviolett, der rechte dunkel violett. Um den Schematismus dieser Stufenfolge zu mildern, ist der vordere obere Zeltrand auf dem mittleren Felde dunkel, auf dem rechten Felde hellviolett gemalt, indem das Licht, wie auch bei den Figuren, als von rechts kommend gedacht ist. Durch diese ver- schiedene Tönung des Grundes wird der Blick von links nach rechts gelenkt, wo sich die Gestalt der Briseis und über ihr die Helme der Soldaten hell von dem dunklen Hintergrunde ab- heben. So wird in die ruhende Symmetrie eine seitliche Be- wegung hineingebracht.
Von dem Bilde H. 1308 (Guida 1283), i) das als Entlassung der Chryseis oder als Entführung der Helena gedeutet worden ist, hat sich nur der Hnke, größere Teil erhalten, und ein be- stimmtes Prinzip der Verteilung der Figuren in der Fläche läßt sich mcht mit Sicherheit erkennen. Links bilden auch hier die Figuren eine geschlossene Masse, die nur oben einen Luftraum freiläßt, unmittelbar daran schheßt sich das Schiff an, auf dem mindestens eine,'^) vielleicht noch mehrere Figuren folgten. Daß trotz dieser übereinstimmenden Ausfüllung der Fläche das Bild nicht auf denselben Meister wie das vorhergehende Gemälde zurückgehen kann, hat aus stilistischen Gründen P. Herrmann nachgewiesen. Das ist wichtig als Voraussetzung für die Unter- suchung des dritten Bildes aus demselben Atrium im Hause des tragischen Dichters; denn es geht daraus hervor, daß die Bilder nicht Kopien eines griechischen Gemäldezyklus, sondern erst von dem pompejanischen Maler zusammengestellt w^orden sind. Wenn das dritte Bild mit einem der beiden anderen zusammen- gehörte, so bedürfte diese Annahme eines eingehenden Beweises.
Dieses Bild ist das Zeus und Hera auf dem Ida dar- stellende Gemälde H. 114 (Abb. 32, Guida 1281).^) Wie auf dem Briseisbilde ist die untere Fläche mit Figuren ausgefüllt; es ist aber zu bemerken, daß sie nicht den ganzen Raum einnehmen, sondern daß ein Teil von den
1) H.-Br. T. 12, Text S. 18 f.
2) Vgl. die geringe Wiederholung, Rom. Mitt. V, 1890, S. 269.
3) H.-Br. T. II. Text S. 15 fi.
20A IX- Kopien griechischer Tafelbilder.
Felsen, auf denen Zeus sitzt, in Anspruch genommen wird. Vor den Felsen sind die drei Jünglinj^e gruppiert, die wohl als Ortsgottheiten, vielleicht die idaeischen Daktylen, schwerlich als yififiüii'tg^) zu deuten sind. Diese Figuren und Felsen nehmen eine bestimmte Rauniscliiclit ein, wie auf dem I])higeniebilde und H. 1309. Zwischen den Figuren erscheint im Hintergrunde eine Säule mit den Attributen der Kybele, Becken, Tympanon, auf dem Kapitell Löw^enstatuetten. Der Baumschlag des Hinter- grundes hat dasselbe Gepräge wie auf den im vorigen Kapitel besprochenen Bildern vierten Stils und ist wohl von dem pom- pejanischen Kopisten hinzugefügt worden. Die Bereicherung des Kompositionsprinzips des Alexandermosaiks durch das Hinein- beziehen von vorher nur als Hintergrund verwendeten landschaft- lichen Elementen, wie den Felsen, haben wir auf dem Archelaos- relief noch nicht, dagegen auf dem Telephosfriese gefunden. Ließe sich die Gleichzeitigkeit unseres Bildes mit dem Briseis- bilde beweisen, so müßten wir die Art des Archelaosreliefs als zufällig und nicht geschichtlich bedeutsam ansehen; anderenfalls muß es in die Zeit nach dem Archelaosrelief gehören.
Für die Zusammengehörigkeit beider Bilder ist P, Herrmann mit sehr gewichtigen Gründen eingetreten. Außer auf den etwas schwer diskutierbaren Begriff der Psyche dieser Bilder hat er besonders auf die Lichtführung und das ähnliche Hineingehen in die Tiefe hingewiesen. Es fragt sich aber, inwieweit die Licht- führung auf den pompejanischen Maler zurückgeht, inwieweit sie, wenn sie original ist, für eine bestimmte Zeit charakteristisch ist; endlich ist die Sammlung des Lichtes auf der Figur der Hera ungleich auffallender und bestimmender für den Eindruck als bei dem anderen Bilde die auf der Figur des Achilleus. Die Tiefen- gebung ist der allgemeinen Verwandtschaft der Komposition untergeordnet. Somit glaube ich allerdings, daß diese Beobach- tungen die Verwandtschaft beider Bilder treffend charakterisieren, aber doch nicht entscheidend für die Lösung der Frage sind.
Ein sehr bedeutender Unterschied ist die Großfigurigkeit
^) Stephan], Heibig. Woermann, Gerber a. a. O. Wilamowitz, Arch. Zeit. 1875, S. 174.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
205
unseres Bildes gegenüber dem Briseisbilde, die nur zum Teil durch die geringere Figurenzahl bedingt ist; der Luftraum über den Figuren ist hier relativ nur halb so hoch wie dort. Das schließt
Abb. 32. Zeus und Hera auf dem Ida. Nach Phot. Sommer-Neapel.
es aus, daß die Bilder etwa als Pendants oder als Glieder einer Reihe erfunden w^orden sind, und könnte auf das Kunstempfinden einer anderen, wahrscheinlich einer späteren Zeit hinweisen.
2()ß IX. K(jpicn griechischer Tafelbilder.
Feriur li:il auf (km Alexanderniosaik und auf (kni Briseisl)ilde flie l''i^urcnniasse einen unj^efähr j^erack-n oberen Aljschluli, der sich aus (k-r Untstehung (k-s Prinzii)S erklärt. Hier senkt sich die Ivinie des oberen Abschlusses in der Mitte tief nach unten/) eine Veränderunj^;, die bereits eine Umbildung der Ausgangsforni bedeutet, und läßt in der Mitte die hohe vSäule sehen. Genau dieselbe Komposition, wenn auch mehr in die Breite gezogen, finden wir auf einem der kopierten Tafelbilder in der Casa Ti- berina M. d. I. XII, T. 31, I (Abb, 2), das, auch wenn wir von den Beziehungen der Komposition zum Archelaosrelief und zum Telephosfriese absehen, nach dem vStile der Figuren in helle- nistische Zeit und schwerlich vor das zweite Jahrhundert zu setzen ist. Dann müßten die Figuren natürlich in Anlehnung an ältere Vorlagen geschaffen sein, und dieses Verfahren kann \-ielleiclit durch ein in der Komposition außerordentlich ähnliches, in Herkulaneum gefundenes Gemälde veranschaulicht werden.
H. 1143 (Abb. 33, Guida 1272)2) stellt Herakles dar, wie er in Anwesenheit der Arkadia den kleinen Telephos findet. Auch hier ist bis auf einen kleinen oberen Teil die Fläche mit P'iguren und Felsen gefiillt; aber nicht nur das Prinzip, sondern auch die \'er- teilung der Figuren im einzelnen ist außerordentlich ähnlich. Dem Zeus entspricht die Arkadia, der Hera und der sogenannten Iris Herakles und die geflügelte Frau, der Gruppe der drei Jüng- linge die in genau der gleichen Weise vor den Felsen gestellte Hirschkuh, die den Telephosknaben säugt.
O. Jahn, Heibig und E. Maaß^) haben ausgeführt, daß in- haltliche Gründe es sehr wahrscheinlich machen, dieses Gemälde der Schule von Pergamon zuzuweisen. Eine Untersuchung des Stils bestätigt diese Annahme. Die Art der Komposition ist
^) Vorstufen dieser Komposition ohne jeden Ramnzusanimenschluß sind die nr.sprünglichen Figurengruppierimgen von So. 627 (s. oben S. 82) und dem Ixionbilde des Hauses der \'ettier (s. oben S. 178).
2) Aus der Basilika von Herkulaneimi, wie H. 1214. vgl. C.Robert, Eratosthenis Catasterismorum reliquiae S. 247, J. Six, Jahrb. d. Inst. XX, 1905, S. 171 ff.. E. Maaß, Jahrb. d. Inst. XXI. 1906, S." loi ff.
2) O.Jahn, Arch. Aufsätze, vS. 160 fif., Heibig, Untersuchungen, S. 152 ff., Maaß, a. a. O., vgl. auch Six. a. a. O.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
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genau dieselbe wie auf dem Telephosfriese — die Figuren teils vor den Felsen stehend, teils mit ihnen gegenüber dem Luftraum
Abb. ^^. Herakles und Telephos. Nach Phot. Sommer-Neapel.
eine einheitliche Masse bildend — , die Gestalt des Herakles entspricht in ihren runden, vollen, quellenden Massen ohne die Zerlegung in Einzelformen, wie wir sie etwa beim Farnesischen
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IX. Kopien jjriechischer Tafelbilder.
Herakles finden, der des Telei)hosfrieses,') mit der sie aucli trotz der Verschic-deidieit des Motivs in der Stellunj^ der Beine nnd der Gesamt haltun;^ des K(')r])ers verwandt ist, endlich findet die Arkadia eine inhaltliche und formale Parallele in der Berg- nymphe des Tele])hosfrieses,2) die dem Bau der Arche zusieht (Abb. i); die Haltung und die Gewandung, z. B. die Art, wie der Mantel vom vSitz aus auf die Ober.schenkel heraufgezogen sind, stimmen üherein. Danach kann es kein Zweifel sein, daß das offenbar mit großer Treue kopierte Original dieses Gemäldes in die pergamenische Kunst der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts gehört.
Nun hat J. Six a. a. O., dessen Zurückführung des Gemäldes auf Apelles kaum einer Widerlegung bedarf, auf die Verwandt- schaft des Herakles mit dem des Nessosbildes H. 1146 hinge- wiesen, der noch in das fünfte Jahrhundert, vielleicht in den Kreis des Zeuxis gehört. Trotz der Ver.schiedenheit in der Stellung der Beine und zum Teil auch in der Haltung der Arme sind die Figuren im Motiv einander sehr ähnlich, während sie in der Be- handlung der Formen den ganzen Unterschied zwischen perga- menischem Barock und der strengen, knappen Formengebung des fünften Jahrhunderts zeigen. Beide Bilder sind so gut aus- geführt, daß wir diese stilistischen Unterschiede auf die Originale zurückführen können. Offenbar hat der pergamenische ]\Ialer, wie wir es von der pergamenischen Plastik her kennen, sich für seine Figuren ältere Vorlagen gesucht, die er in der pergamenischen Gemäldesammlung^) finden konnte. So mag er bei dem Herakles, w^enn auch nicht das uns zufälHg in Pompeji erhaltene, so doch ein Gemälde derselben Schule vor Augen gehabt haben. Auch für die Arkadia müssen wir eine ältere Vorlage voraussetzen, die vielleicht in das vierte Jahrhundert gehört — die Hera auf dem Ixionbilde des Hauses der Vettier mag die Zeit und ungefähr auch den Stil der Vorlage veranschaulichen — , während die
1) Jahrb. d. Inst. XV, 1900, S. 124, Abb. 16.
2) Robert, Jahrb. d. Inst. III, 1888, S. 97, Schrader, Jahrb. d. Inst. XV, 1900, S. 113, Abb. 10.
3) Vgl. Fränkel, Jahrb. d. Inst. VI, 1891, S. 49 ü.
iiiii^
BBi^tg TU*.ijmmj
IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
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T,«-.:
Nebenfiguren, vor allem der Satyrknabe, eher auf gleichzeitige Erfindung hinweisen. Damit gewinnen wir für dieses Bild ein ähnliches Resultat wie für die Mehrzahl der pompejanischen Gemälde, daß nämlich nur die Komposition und, vielleicht in höherem Maße als in Pompeji, eine Umwandlung der Formen im Sinne der Zeit Eigentum des Künstlers sind, während die Motive der Figuren älterer Kunst entstammen.
Was gewinnen wir daraus für die Beurteilung des Bildes H. 114? Zunächst ergibt sich eine sichere Bestimmung der Zeit, zu der die oben angeführten Beobachtungen ergänzend und be- stätigend hinzutreten; denn die ÄhnHchkeit der Komposition ist so groß, daß wir beide Bilder derselben Periode zuweisen müssen. Allerdings nicht derselben Schule; die etwas künstliche Würde der Figuren auf dem Zeus- und Herabilde ist gänzlich verschieden von der üppigen Schwere des pergamenischen Bildes. Dagegen erklärt sich der auf viel ältere Zeiten hinweisende Charakter der Figuren durch die An- lehnung an Vorlagen des fünften und vierten Jahrhunderts, Das :Motiv des Zeus erinnert an das des Achilleus auf dem Briseis- bilde, ohne daß deshalb ein Zusammenhang zwischen beiden be- stehen müßte. Die Stellung zeigt eine wesentHche Verschiedenheit, indem der Oberkörper des Achilleus, wie auch auf dem stilistisch eng verwandten Bilde H. 1389 b, der Bildfläche parallel ist, während er beim Zeus schräg gestellt ist. Sehr verwandt ist der Zeus des Parthenonfrieses, nicht nur in der ganzen lässig bequemen Haltung, sondern auch in Einzelheiten, wie in dem auf- gelehnten linkem Arme, einem Motiv, das natürlich für die Lehne eines Thronsessels erfunden und hier auf den Felssitz übertragen ist. Allerdings ist auf dem Friese der Unterkörper von den Hüften ab ins Profil gestellt, während wir die gleiche Stellung wie auf unserem Bude bei den Götterfiguren des sogenannten Theseions finden . B ei der H äufigkeit des Motivs ist natürlich eine bestimmte Vorlage nicht herauszufinden, aber zweifellos hat dem Künstler ein Bild oder ein Relief des fünften Jahrhunderts vorgelegen. Auf das fünfte Jahrhundert weisen auch die mächtigen runden Steil- falten in dem unteren Teile des Gewandes der Hera, während die komplizierte Anordnung der oberen Gewandpartie mit ihren
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde.
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2o8 I^- Kopien griechischer Tafelbilder.
Herakles riiulon, der des Telephosfrieses,*) mit der sie auch trotz der Verschiedeidieit des Motivs in der Stelluiij^ der Beine und der Gesanitlialtun^ des Körpers verwandt ist, endlich findet die Arkadia eine inhaltliche und formale Parallele in der Berg- nymphe des Telei)liosfrieses,2) die dem Bau der Arche zusieht (Abb. i); die Haltung und die Gewandung, z. B. die Art, wie der Mantel vom Sitz aus auf die Oberschenkel heraufgezogen sind, stimmen überein. Danach kann es kein Zweifel sein, daß das offenbar mit großer Treue kopierte Original dieses Gemäldes in die pergamenische Kunst der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts gehört.
Nun hat J. Six a. a. O., dessen Zurückführung des Gemäldes auf Apelles kaum einer Widerlegung bedarf, auf die Verwandt- schaft des Herakles mit dem des Nessosbildes H. 1146 hinge- wiesen, der noch in das fünfte Jahrhundert, vielleicht in den Kreis des Zeuxis gehört. Trotz der Verschiedenheit in der vStellung der Beine und zum Teil auch in der Haltung der Arme sind die Figuren im Motiv einander sehr ähnlich, während sie in der Be- handlung der Formen den ganzen Unterschied zwischen perga- menischem Barock und der strengen, knappen Formengebung des fünften Jahrhunderts zeigen. Beide Bilder sind so gut aus- geführt, daß wir diese stiUstischen Unterschiede auf die Originale zurückführen können. Offenbar hat der pergamenische Maler, wie wir es von der pergamenischen Plastik her kennen, sich für seine Figuren ältere Vorlagen gesucht, die er in der pergamenischen Gemäldesammlung^) finden konnte. So mag er bei dem Herakles, wenn auch nicht das uns zufällig in Pompeji erhaltene, so doch ein Gemälde derselben Schule vor Augen gehabt haben. Auch für die Arkadia müssen wir eine ältere Vorlage voraussetzen, die vielleicht in das vierte Jahrhundert gehört — die Hera auf dem Ixionbilde des Hauses der Vettier mag die Zeit und ungefähr auch den Stil der Vorlage veranschaulichen — , während die
1) Jahrb. d. Inst. XV, 1900, S. 124, Abb. 16.
2) Robert, Jahrb. d. Inst. III, 1888, S. 97, Schrader, Jahrb. d. Inst. XV, 1900, S. 113, Abb. 10.
3) Vgl. Fränkel, Jahrb. d. Inst. VI, 1891, S. 49 fE.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 20Q
Nebenfiguren, vor allem der Satyrknabe, eher auf gleichzeitige Erfindung hinweisen. Damit gewinnen wir für dieses Bild ein ähnliches Resultat wie für die Mehrzahl der pompejanischen Gemälde, daß nämlich nur die Komposition und, vielleicht in höherem Maße als in Pompeji, eine Umwandlung der Formen im Sinne der Zeit Eigentum des Künstlers sind, während die Motive der Figuren älterer Kunst entstammen.
Was gewinnen wir daraus für die Beurteilung des Bildes H. 114? Zunächst ergibt sich eine sichere Bestimmung der Zeit, zu der die oben angeführten Beobachtungen ergänzend und be- stätigend hinzutreten; denn die Ähnlichkeit der Komposition ist so groß, daß wir beide Bilder derselben Periode zuweisen müssen. Allerdings nicht derselben Schule; die etwas künstliche Würde der Figuren auf dem Zeus- und Herabilde ist gänzlich verschieden von der üppigen Schwere des pergamenischen Bildes. Dagegen erklärt sich der auf viel ältere Zeiten hinweisende Charakter der Figuren durch die An- lehnung an Vorlagen des fünften und vierten J ahrhunderts. Das Motiv des Zeus erinnert an das des Achilleus auf dem Briseis- bilde, ohne daß deshalb ein Zusammenhang zwischen beiden be- stehen müßte. Die Stellung zeigt eine wesentliche Verschiedenheit, indem der Oberkörper des Achilleus, wie auch auf dem stilistisch eng verwandten Bilde H. 1389 b, der Bildfläche parallel ist, während er beim Zeus schräg gestellt ist. Sehr verwandt ist der Zeus des Parthenonfrieses, nicht nur in der ganzen lässig bequemen Haltung, sondern auch in Einzelheiten, wie in dem auf- gelehnten linkem Arme, einem Motiv, das natürlich für die Lehne eines Thronsessels erfunden und hier auf den Felssitz übertragen ist. Allerdings ist auf dem Friese der Unterkörper von den Hüften ab ins Profil gestellt, während wir die gleiche Stellung wie auf unserem Bilde bei den Götterfiguren des sogenannten Theseions finden. Bei der Häufigkeit des Motivs ist natürlich eine bestimmte Vorlage nicht herauszufinden, aber zweifellos hat dem Künstler ein Bild oder ein Relief des fünften Jahrhunderts vorgelegen. Auf das fünfte Jahrhundert weisen auch die mächtigen runden Steil- falten in dem unteren Teile des Gewandes der Hera, während die komplizierte Anordnung der oberen Gewandpartie mit ihren
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. 11
210 I^- Kopien griechischer Tafelbilder.
vielen langen, schmalen, sich kreuzenden Fältchen das Gepräge einer sehr viel späteren Zeit trägt. Man vergleiche im Gegensatz dazu die Einheitlichkeit in der Gewandung der Briseis, die stilistisch zwischen den beiden Extremen steht, die an der Figur der Hera vereint sind. Wir haben hier also ein eklektisches Verfahren vor uns, ein Verarbeiten mannigfaltiger Anregungen zu einem neuen Ganzen. Um die Würde der ruliig heranschrei- tenden Göttin auszudrücken, benutzte der Künstler die Ge- wandung eines stehenden Götterbildes des fünften Jahrhunderts, wie in ähnlicher Weise auf dem Telephosbilde von der rechten Schulter der ArkacHa eine steile, runde, tütenförmig sich nach unten erweiternde Falte herabhängt, die zu der Weichheit des übrigen Gew^andes im Widerspruche steht. Auch die Motive der drei Jünglinge gehen in das fünfte Jahrhundert zurück. Von der Schule, der dieses Bild angehört, läßt sich nur so viel sagen, daß sie nicht pergamenisch ist.
Der verwandte Eindruck dieses und des Briseisbildes ist zum großen Teil wohl in der Ausführung durch denselben pom- pejanischen ]\Ialer begründet. Wir dürfen diesem ]\Ialer vielleicht noch einige auffallende Einzelheiten zuschreiben, wie den Blick der großen, runden Augen nicht nur bei der Hera, sondern auch bei Briseis und Achilleus, den wir auch sonst, z. B. H.320, finden. Diese Augen fand man damals schön, wie aus den gleichzeitigen Porträts hervorgeht, z. B. So. 673.^) Vielleicht erklärt sich daraus auch die absolute Übereinstimmung in dem JNIotiv des aufgelehnten und das Zepter haltenden linken Armes mit dem über den Ellbogen herübergezogenen Gewände bei Achilleus und Zeus. Dieses Motiv w^ar außerordentlich häufig, vgl. z. B. H. 320 und das Ixionbild des Hauses der Vettier, für die das Zepter haltende Hand ferner So. 551 und H. 1297. Es läßt sich leicht begreifen, daß der pompejanische Maler zwei außerordentlich ähnliche Motive, die er auf den beiden unmittel- bar nacheinander von ihm kopierten Gemälden fand, gänzlich miteinander ausghch.
1) Sie waren nicht nur damals beliebt, vgl. J. P. ]VIilliet, Les yenx hagards, Note sur une mode artistique de l'epoque alexandrine (in Melanges Nicole, p. 357).
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 211
Ist die Zurückführung unseres Bildes auf ein Original, das etwa anderthalb Jahrhunderte jünger ist als das des Briseisbildes, richtig, so gilt hier dasselbe wie für das Bild H. 1308: die Zu- sammenstellung der Gemälde ist erst von dem pompejanischen Maler vorgenommen worden.
H. 320 (Guida 1362)^) ist eine ganz vorzügliche Kopie einer sonst nur in Bildern geringer Qualität erhaltenen Komposition, Ares und Aphrodite, vor und neben ihnen je ein spielender Eros. Auch hier ist die ganze untere Fläche von den Figuren und ihrem Sitze eingenommen; die Lücken, die an den Seiten bleiben, sind rechts von einem Felsen, links durch den Schild des Ares ge- schlossen. Die Größe der Figuren im Verhältnis zur Bildfläche ist die gleiche wie auf den eben besprochenen Bildern, und da der vStil die Figuren sicher in hellenistische Zeit w^eist, dürfen wir wohl auch dieses Bild in dieselbe Zeit, in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts, setzen. Zweifellos sind auch hier ältere Vorlagen benutzt, wie z. B. das Heben des Gewandes der Aphro- dite und manches andere im Aufbau der Gruppe und in den Motiven der Figuren an die Vorlage des Bildes H. 323 erinnert. Auch die mit den Waffen spielenden Eroten sind keine neue Erfindung, wenn wir auch auf Aetions Alexanderbilde nicht die gleichen Motive finden. 2)
Während auf den Bildern H, 114 und 1143 die Figuren sich an den Seiten aufbauen und in der Mitte oben einen Raum frei lassen, sind sie hier pyramidenförmig angeordnet; das Hinüber- rücken der Spitze nach der rechten Seite ist durch den gehobenen Arm der Aphrodite und den neben ihr stehenden Eros ausge- glichen. Noch mehr für den Eindruck bestimmend ist aber der in der Diagonale des Bildes liegende, hell und leuchtend gemalte Körper der Aphrodite, für dessen wundervolle Linien und Formen, von deren Schönheit uns das pompe janische Wandbild wohl nur einen schwachen Abglanz gibt, alles andere, selbst die Figur des Ares, nur die Folie abgibt. Der weibHche Akt war dem Maler die
1) H.-Br. Taf. 4, S. 9.
2) Ob das Überschneiden des Rahmens durch den Schild ein aus den Naiskosbildern übernommenes Motiv ist oder dem pompejanischen Kopisten zugeschrieben werden kann, wage ich nicht zu entscheiden.
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212 I^- Kopien griechischer Tafelbilder.
Hauptsache, und, um seine Wirkung nicht zu beeinträchtigen, hat er dem Ares ein Gewand, das in ungewöhnlich großflächiger Weise behandelt ist, gegeben.
Der nur flüchtig angedeutete Baumschlag des Hintergrundes ist wohl, wie H. 114, ein Zusatz des pompe janischen Malers, Die im übrigen in der Komposition kaum von dem Originale abweichende Wiedergabe gibt uns die Möglichkeit, das oben untersuchte Verfahren der geringeren pompejanischen Maler in der Benutzung griechischer Originale an einem Beispiele zu kon- trollieren. Ich führe von den anderen Exemplaren das des Hauses VI, 16, 15^) an. Vorne, oben und an den Seiten ist die Bildfläche und damit auch die Raumtiefe erweitert, der un- mittelbar links an die Figur der Aphrodite anschließende Schild ist fortgelassen; dafür erscheint hinter zwei Felsstufen ein Eros, der ein Kästchen bringt, phantastische Felsen und Bäume füllen den übrigen Grund. Die Gruppe ist vor einen aus dem dritten Stile hergeleiteten Hintergrund gesetzt, während auf dem Bilde H. 320 der auch hinzugefügte Hintergrund nur flüchtig skizziert und für den Eindruck ganz unwesentlich ist. Im einzelnen sind dann noch eine Menge Veränderungen und Verschlechte- rungen vorgenommen.
Das uns zuerst beim Alexandermosaik begegnende Kom- positionsprinzip, die Fläche mit Figuren zu füllen, war nur eins neben anderen. Wir müssen erwarten, auch die durch einen nahen Hintergrund geschlossene Räumlichkeit des Archelaos- reliefs, die, wie die Kopien der Casa Tiberina usw. zeigen, für die hellenistischen Innendarstellungen typisch war, in pom- pejanischen Kopien zu finden. Auf den kurz besprochenen Endymion- und Narkissosbildern haben wir bereits solche durch eine Felswand eng geschlossenen Räume kennen gelernt, aber bei der Mehrzahl der von schlechten Malern häufig wiederholten Darstellungen war der ursprüngliche Charakter durch Interpola- tionen der pompejanischen Maler stark getrübt.
Sehr gut erhalten ist er trotz der schlechten Qualität der
2) Not. d. scav. 1908, S. 76, Fig. 6.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 213
Ausführung auf drei Bildern der Casa degli Amorini dorati/) von denen eins wieder einen Innenraum darstellt und die Gleich- artigkeit der Raumgebung für Landschaft und Innenräume be- stätigt. Das Bild der Rückwand zeigt Leda mit dem Schwane vor einer einfachen glatten Wand, die links oben von einem Fenster durchbrochen ist, der gleiche Raum wie auf den im ersten Kapitel besprochenen Kopien griechischer Tafelbilder (vgl. auch H. 140). Auf dem Bilde der rechts vom Eingang gelegenen Wand ist an die Stelle der Zimmerwand ein den Grund in seiner ganzen Breite ausfüllender Felsen getreten, der nur den linken oberen Teil für den Himmel freiläßt. Davor sitzt Aphrodite, der zwei Eroten beim Fischen behilflich sind. Mit der üblichen Dar- stellung der fischenden Aphrodite hat sie nichts zu tun, sie sitzt nach links, während der Oberkörper in der Hüfte gedreht und der Kopf nach rechts gewandt ist, sehr ähnlich dem rechten Knaben auf dem Bilde H. 114. Offenbar haben wir es hier mit einer hellenistischen Neugestaltung der alten Darstellung zu tun. Dafür spricht auch die diagonale Stellung der Figur, wie H. 320, auf den Narkissosbildern usw. (s. unten). Das dritte Bild stellt Artemis dar, die von Aktaion beim Bade überrascht wird. Die Felswand, aus der rechts eine Quelle sprudelt, ist hier fast ebenso steil und glatt wie die Wand eines Zimmers und über- läßt oben nur einen schmalen Streifen des Grundes dem Himmel. In dem engen Räume vor dieser Wand steht links Artemis, mit der Linken die Scham, mit der Rechten die Brust bedeckend, in der Stellung der Mediceischen Aphrodite. Rechts oben er- scheint über dem Felsen Kopf, Brust und der staunend erhobene Arm des Aktaion. Dieses Motiv entspricht den über Felsen hinüberblickenden, fälschUch ^xoniai genannten Nymphen und den hinter einer Querwand erscheinenden Figuren der Innen- räume. Wir haben also in diesen drei Bildern wenn nicht sehr gute, so doch ohne wesentliche Abweichungen ausgeführte Kopien hellenistischer Tafelgemälde vor uns.
Eine dem letzten Bilde räumlich sehr ähnliche Darstellung
^) Not. d. scav. 1908, S. 40, Fig. 7.
214 ^"^' ^^P'^*^ griechischer Tafelbilder.
desselben Gegenstandes ist das Bild H. 250. i) Die steile Fels- wand finden wir auch hier, ebenso den diesmal auf der linken Seite herüberblickenden Aktaion. Dagegen ist für die stehende Artemis eine kauernde eingesetzt, die wir auch auf allen übrigen Darstellungen finden. Wir haben hier also denselben Wechsel zwischen einer im Bade stehenden und kauernden Figur, wie in der Plastik bei Aphrodite. Den Typus der stehenden Figur können wir in der Plastik so genau verfolgen, daß hier wohl ein Motiv aus dieser von der Malerei übernommen worden ist, wie das im Gegensatz zu Kompositionen von Gruppen für Einzelfiguren sehr möglich ist. Für die Komposition mit der kauernden Artemis können wir aus der Parallehtät zur Plastik wohl eine Entstehung in der zweiten Hälfte des dritten Jahr- hunderts annehmen, die andere ist vielleicht etwas älter. Dieses Vorhandensein zweier hellenistischer Variationen einer im großen und ganzen ähnlichen Komposition entspricht dem Wechsel einer schwebenden und schreitenden, sitzenden und liegenden Figur auf den Endymionbildern. Die Bilder H. 249 b, 251, 252, 252c, So. 116 und 117 zeigen in lehrreicher Weise die Benutzung der Bestandteile der originalen Komposition auf Landschaftsbildern dritten und vierten Stils.
Für diese Kompositionsweise — die Figuren in einem engen, von einer Felswand geschlossenem Räume — besitzen wir ganz hervorragende Beispiele in zwei der besten pompejanischen Ge- mälde, den beiden die Bestrafung des Pentheus und der Dirke 2) darstellenden Bildern des Hauses der Vettier. Auf beiden ist der schmale, bühnenartige Raum von einem steilen Felsaufbau be- grenzt, der oben nur einen schmalen Streifen für den Himmel freiläßt; auf dem Dirkebilde ist dieser obere Abschluß zum größten Teile zerstört, war aber jedenfalls genau so gestaltet wie auf dem Gegenstück. Dieser Raum entspricht ganz genau dem des Ledabildes der Casa degli Amorini und des Archelaos- reliefs. In ihm sind die Figuren, wenn wir die auch nur wenig
1) Zeichnung beün Institut.
2) Mau, Rom. Mitt. 1896, vS. 45 ff., No. 94 luid 95, H.-Br. T. 42 und 43, Text, S. 54, 55. Dort die weitere Literatur.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 215
tiefer stehenden, über den Felsen blickenden Figuren des Pen- theusbildes, die wieder genau dem Aktaion des Ledabildes ent- sprechen, ausnehmen, so gru])])iert, daß sie sich innerhalb einer
Abb. 34. Tod des Pentheus. Nach Herrmann Bruckniann.
Raumschicht befinden, die dieselbe Tiefe hat, wie wir sie auf griechischen Reliefs und Kompositionen griechischer Tafelbilder kennen gelernt haben. Die größte Tiefenausdehnung innerhalb
2l6 IX- Kopien griechischer Tafelbilder.
der beiden Figurengruppen wird durch die Gestalt des vStieres gebildet^ dessen Größe wir an der Entfernung des Felsblocks, auf den sein linker Hinterfuß aufsetzt, genau ermessen können. Die Reliefmäßigkeit dieser beiden Bilder, deren Grund als Fels- wand charakterisiert ist, tritt besonders klar hervor, wenn wir das dritte Bild desselben Zimmers, den schlangenwürgenden Herakles, zum Vergleich heranziehen. Dieses Bild gehört zu den selbständigen Schöpfungen des vierten Stils, die sich in der Verengung des Raumes jedoch schon der Tafelmalerei nähern. Trotz dieser Anpassung ist er noch außerordentlich viel tiefer als auf den beiden anderen Bildern; die Tiefe des von dem Stiere des Dirkebildes eingenommenen Raumvolumens ist noch nicht so groß wie auf dem Heraklesbilde der Raum vor dem Altare, auf den dann noch der Altar selbst, der schmale Innenraum und endlich der Prospekt des Hintergrundes folgen. Auch die Verteilung der Figuren in der Fläche ist sehr wesentlich ver- schieden. Während auf dem Heraklesbilde die dargestellte Räum- lichkeit eine verhältnismäßig große Rolle gegenüber den Figuren spielt, bildet sie auf den beiden anderen Gemälden den ziemlich indifferenten und für den Eindruck ganz unwesentlichen Grund für die in rhythmischen Wechsel von Formen und Intervallen die Fläche gleichmäßig fiülenden Figuren. Häufig fanden wir auf Bildern vierten Stils eine durch die räumliche Anordnung bedingte und auch im Grundriß ausgedrückte Verteilung der Figuren um eine leere Mitte. Auch bei dem Pentheus- und dem Dirkebilde können wir die Komposition kreisförmig nennen, aber sie wird hervorgebracht durch die höhere Stellung der hinteren Figuren, die wiederum nicht so weit zurückstehen wie auf den Bildern H. 1285 usw. (vgl. oben S. 161), und alles formale und ps3'chologische Interesse sammelt sich auf den ungefähr in den Mittelpunkt gesetzten Köpfen des Pentheus und der Dirke. Endlich sind die Farben der Bilder verschieden; so findet sich, um nur eins zu erwähnen, die sehr wirkungsvolle metallische, dunkelrote Farbe, mit der das Gewand des Amphitryon gemalt ist, auf den beiden anderen Bildern nicht.
Aus alledem geht hervor, daß diese Bilder zu dem Herakles- bilde im schroffen Gegensatze stehen und sich nicht an die
IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
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originalen Kompositionen des vierten Stils anschließen lassen, denen ja auch ihr gewaltiges Pathos so ganz fremd ist. Anderer- seits steht ihre Räumlichkeit und die Anordnung der Figuren im Einklänge mit dem, was wir von der Komposition helle-
Abb. 35. Bestrafung der Dirke. Nach Herrmann Bruckmann.
nistischer Tafelbilder wissen, und aus der Untersuchung der Bilder selbst kann sich kein Widerspruch dagegen erheben, sie für genaue Kopien von Tafelbildern zu halten. Ihre gute Aus- führung muß den Wunsch erwecken, die Zeit und Schule genauer
2ll
IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
als durch den allgemeinen Begriff des Hellenistischen festzustellen. Dabei sehe ich zunächst von dem Dirkebilde ab, dessen Beur- teilung durch die Frage nach dem Zusammenhange mit der Gruppe des Farnesischen Stieres so sehr kompliziert wird.
Den großen Schwung und den starken Affekt finden wir in
der Kunst von Pergamon, aller- dings nicht nur dort, und auch das Motiv des aufs Knie ge- stürzten Pentheus, das auf dem großen Friese von Pergamon so oft wiederholt ist, ist zu allgemein, um das Bild dorthin zu weisen. Auffallender ist schon die Ver- wandtschaft der Gruppe des Pen- theus mid der ihn am Haare packenden Mänade mit der Gruppe der Athena und des Al- kyoneus. Genau so wie dieser streckt Pentheus den einen Arm zur vSeite, mit dem anderen sucht er die Hand, die seinen Kopf an den Haaren zurückreißt, zu packen. Der Blick der Augen, das leichte Öffnen des Mundes, die Art, wie die etwas krausen, in kurze, runde Wellen geteilten Haare den Kopf umrahmen, sind die gleichen wie beim Al- kyoneus und der Gaia, ebenso das Ablösen der Konturen des Körpers von dem dahinter er- scheinenden Gewände. Noch größer ist die Verwandtschaft in der Gewandbehandlung zwischen dem Gewände der linken Mänade und den Figuren des Frieses. Man vergleiche als besonders charakteristisch die Aphrodite am hnken Ende der Nordseite des Altars (Abb. 36). . An dem vorgestreckten Bein liegt das Gewand ganz eng den Formen an, sodaß sich nur wenige schmale, niedrige
Abb. 36. Aphrodite vom großen
Altar in Pergamon.
Nach Phot. G. Reimer.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 21Q
Fältchen von der Fläche erheben. Unmittelbar daneben schlägt da.s Gewand tief nach hinten zurück, während sich die Falten- rücken in geschwungenen, zuletzt in die Richtung der Körper- bewegung umbiegenden, sich hoch von dem tiefen Grunde ab- lösenden schmalen Graten fortsetzen. Zusammen mit den tiefen Faltentälern ergeben sie eine sehr stark bewegte Kontur des Gewandes, die noch dadurch bereichert wird, daß sich bisweilen, mehrfach bei der Aphrodite, bei der Mänade einmal in der Mitte, die schmalen Faltenrücken in zwei Enden mit einer nie- drigeren Faltentiefe zwischen sich zerteilen. Diese Übereinstim- mung der Gewandbehandlung zusammen mit den übrigen, an sich nicht bew^eiskräftigen Momenten gibt uns das Recht, dieses Gemälde der pergamenischen Malerei zuzuweisen, deren Bedeutung wir nach der Überlieferung und nach dem Charakter der pergamenischen Plastik sehr hoch anschlagen müssen.^)
Wie verhält sich dazu nun das Gegenstück, die Bestrafung der Dirke? Sogliano, Mau-) u. a. haben es für eine Übertragung der Gruppe des Farnesischen Stieres in die Malerei erklärt, da- gegen hat P, Herrmann ^) auf die Verschiedenheit des dargestellten Momentes und die enge Zusammengehörigkeit des Gemäldes mit dem Pentheusbilde hingewiesen.
Wenn wir überhaupt einen Zusammenhang zwischen beiden Monumenten annehmen, muß das eine von dem anderen ab- hängig sein, und dieser Zusammenhang kann, besonders nach Studniczkas*) Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes der Gruppe, kaum zweifelhaft sein. Das Fehlen der Antiope im Gegen- satze zu anderen Monumenten, der Aufbau mit Dirke in der Mitte, über ihr der Stier, neben ihr und etwas höher die beiden Jünglinge, die Stellung des schräg von links nach vorne sprengen- den Stieres, selbst die Standmotive der beiden Jünglinge — Zethos
1) Vgl. Milchhoefer, Befreiung des Prometheus, 42. Berl. Winckel- niannsprogr. S. 19.
-) Sogliano, Atti della R. Accad. di Archeologia etc. X\"II, Part. I, no. 6, Mau a. a. O.
3) Text, S. 55. Vgl. auch Milchhoefer a. a. O. S. 38.
*) Zeitschr. f. bild. Kunst, N. F. XIV, 1903, S. 171 fE., vgl. Klein, Geschichte der griechischen Kunst III, S. 212 ff.
220 ^^- Kopien griechischer Tafelbilder.
hat den einen Fuß hochgestellt, Amphion die Beine weit ausein- ander gestellt — all diese Übereinstimmungen sind nur erklärlich, wenn das eine Monument die Umbildung des anderen ist.
Wir besitzen, wenn wir von den vielen, nie auf Bildern ver- wandten statuarischen Einzelfiguren absehen,^) ein sicheres Bei- spiel der Nachbildung einer plastischen Gruppe in der pompe- janischen Malerei in den Bildern, die die Gruppe des Chiron wiedergeben, der dem Knaben Achill das Leierspiel lehrt. Zwei Darstellungen in der Casa d'Adonide ferito, H. 1295, 2) suchen direkt den Schein einer Marmorgruppe zu erreichen, H. 1291 zeigt die Gruppe farbig vor dem Sockel einer bunten Wand, ohne damit den statuarischen Eindruck aufzugeben; dagegen H. 1292 und 1294 ist die Gruppe im wesentlichen unverändert in einer den im vorigen Kapitel besprochenen Bildern entsprechenden Räumlichkeit aufgestellt. Also entweder gemalte Plastik oder Anpassung an die Kompositionsprinzipien des vierten Stils.
Wäre unser Bild in Anlehnung an die ursprüngliche Kom- position des Farnesischen Stieres entstanden, so hätte die Gruppe sehr wesentliche Veränderungen durchgemacht. Amphion und Zethos wären nach unten und nach vorne in dieselbe Ebene wie Dirke gerückt worden, die von vorne nach hinten gehende Bewegung der Dirke wäre in eine der Bildfläche parallele um- gewandelt worden, der Stier wäre weiter nach vorne gerückt, sodaß sein Vorderkörper sich über der Dirke befindet, kurz aus der selbst in Studniczkas Rekonstruktion noch immer räumlich stark in die Tiefe gehenden Gruppe wäre eine streng relief- mäßige Komposition geworden, in der eine Raumschicht alle Figuren umfaßt, und die vordersten Teile sämtlicher Figuren, den Stier mit eingeschlossen, in einer Ebene liegen.
Eine solche Umwandlung einer nach strengen künstlerischen Grundsätzen aufgebauten plastischen Gruppe zu noch stärkerer Gebundenheit in der Malerei wäre schon an sich paradox und wird es noch mehr, wenn wir an die dem vierten Stile, wo er keine griechischen Vorlagen kopiert, eigene Kompositionsweise
1) Vgl. Milchhoefer a. a. O. S. 35, Anm. 29 u. 30.
2) H.-Br. T. 52.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 221
denken, wie sie in einem vorzüglichen Beispiele durch, das Herakles- bild des Hauses der Vettier vertreten wird. Eine Komposition entsprechend jenen Bildern oder eine genaue Kopie müßten wir erwarten, wäre unser Bild eine Kopie jener Gruppe.
Der einzige Ausweg, die Annahme des umgekehrten Ver- hältnisses zu vermeiden, wäre die sehr gekünstelte Hypothese, daß der Maler die Gruppe benutzt habe, um ein Pendant zu dem Pentheusbilde zu schaffen, und daß sich aus dieser Anpassung die Räumlichkeit und die Umwandlung zu größerer Relief- mäßigkeit erkläre. Schon eine Einzelbeobachtung vermag diese Annahme zu entkräften. In der originalen Fassung der Gruppe packte, wie aus der Münze von Thyateira und dem Neapler Cameo hervorgeht,^) Zethos die Dirke an den Haaren. Dieses Motiv entspricht genau dem Pentheusbilde, und seine Fort- lassung wäre absolut unerklärlich, wenn der Maler aus der Gruppe ein Pendant zu jenem Bilde schaffen wollte. Waren andererseits die Originale beider Bilder Pendants und schlössen sich Apollonios und Tauriskos an das Gemälde an, so kannten sie natürlich beide Bilder und konnten bei der Umgestaltung der Gruppe ein Motiv des Gegenstückes übernehmen.
Allein, schon eine Untersuchung der Bilder selbst ergibt ihre originale Zusammengehörigkeit und Entsprechung, die sich nicht auf die oben besprochenen Ähnlichkeiten der Raumgebung und Komposition beschränkt. Die einzelnen Figuren entsprechen einander in ihrer Stellung genau. Daß Dirke nicht so hoch hinauf- reicht wie Pentheus, erklärt sich daraus, daß sie unter dem Stiere erscheinen mußte; daraus ergab sich auch ihre mehr liegende Haltung. Dagegen entsprechen sich an den abgewandten Kon- turen des Körpers der Winkel zwischen Hüfte und Oberkörper, ferner das eine seitwärts ausgestreckte Bein, das beide Male von dem vorgestellten Fuße der seitlichen Figur überschnitten wird. Die obere Mänade kommt schräg aus dem Grunde hervor in einer dem Stiere des anderen Bildes entsprechenden Bewegung; selbst die Haltung der Arme könnte in Rücksicht auf die Responsion zu den Hörnern des Stieres erfunden sein. Die
^) s. Studniczka a. a. O.
222 IX- Kopien griechischer Tafelbilder.
Stellung des Zethos und der rechten Mänade sind einander so ähnlich, daß jede Biegung in den einander zugewandten Um- rissen des Körpers, die Neigung des Kopfes, selbst der Blick der Augen, die Haltung der Arme, die Stellung der Beine auf einander berechnet zu sein scheinen. Während diese beiden Figuren sich etwas zur Seite drehen, sind die beiden anderen Figuren, Amphion und die linke Mänade, die, wenn wir die beiden Bilder als eine Einheit betrachten, sei es, wie hier, auf rechtwinklig aneinanderstoßenden Wänden, sei es, wie wir vielleicht für die Originale annehmen dürfen, nebeneinander aufgestellt, den ent- sprechenden seitlichen Abschluß bilden, mehr von vorne gesehen und mit ihren Bewegungen weiter in der Fläche ausgebreitet. Daraus geht hervor, daß hier die durch Rhythmus und Symmetrie hervorgebrachte Einheit des Kunstwerks sich nicht in dem ein- zelnen Bilde, sondern erst in der Zusammenstellung beider ver- wirklicht. Das findet in dem weiteren Aufbau der Bilder seine Bestätigung. Auf dem Pentheusbilde vermögen die beiden seit- Hchen Mänaden einander nicht das Gleichgewicht zu halten, nicht so sehr, weil die eine höher steht, sondern weil die Bewegung nicht nur in der Fläche, sondern auch im Räume schräg verläuft. Durch diese schräge Stellung ergeben die Füße der Mänaden mit dem Knie des Pentheus eine schräge lyinie, die die Basis der ganzen Figurenkomposition bildet. Die entgegengesetzte Bewegung des Pentheus mit der Durchbrechung der Grundlinie durch das ausgestreckte rechte Bein sucht den Ausgleich inner- halb des Bildes zu bewirken, aber trotz der scheinbar so sym- metrischen Komposition ist die Einheit des Einzelbildes der Responsion zu dem anderen luitergeordnet. Denn der schrägen Basis entsprechen weiter die kunstvoll in zwei genauen Parallelen angeordneten Arme des Pentheus und der Mänaden, endlich natürlich deren Köpfe. Dieselben Linien, aber in entgegenge- setzter Richtung, finden wir nun auf dem Dirkebilde, wo die Grundlinie allerdings nicht ganz so schräg, aber auch nicht von dem Bein der Dirke durchschnitten ist. So sind die beiden Bilder in ihrer Komposition aufeinander angewiesen, und, wenn sich die Abhängigkeit des Dirkebildes von der plastischen Gruppe beweisen ließe, müßten wir annehmen, daß ein genau so dem Pentheus-
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 22'\
bilde entsprechendes Gemälde verloren gegangen sei. Daß aber gerade das Dirkebild jenes originale Pendant gewesen sein muß, wird durch eine Einzelbeobachtung zur Gewißheit. Es entsprechen sich die parallelen Schrägen, die durch den aus der Tiefe vorkommenden Körper des Stieres gebildet werden, und das System der Arme auf dem Pentheusbilde. Bei dem Stiere ergeben sich diese Linien aus dem Gegenstande von selbst, auf dem anderen Bilde sind sie das Produkt einer höchst ge- künstelten Anordnung. In diesem Falle ist also die Komposition des Pentheusbildes durch die Rücksicht auf die respondierende Darstellung der Dirke bestimmt. Damit wird die Annahme daß die plastische Gruppe in der Umsetzung in die Malerei dem Pentheusbilde angepaßt sein könne, unmöglich gemacht; beide Bilder müssen gleichzeitig als Pendants erfunden sein.^)
Die einheitliche Zusammengehörigkeit beider Bilder hat sich selbst in der malerischen Ausführung durch den pompejanischen Künstler erhalten, vgl. Mau, Rom. Mitt. 1896, S. 48, „I tre quadri di questa stanza sono della stessa mano, e specialmente quello di Penteo mostra essenzialmente gli stessi charatteri di quello di Dirce."
Die Führung des Lichtes ist, wie P. Herrmann ausgeführt hat, der wirklichen Lichtquelle des Raumes, in dem sich die Bilder befinden, angepaßt. Trotzdem glaube ich, daß wir sie im wesentlichen schon auf das Original zurückführen können. Denn das Licht kommt bei dem an der Rückwand befindlichem Pen- theusbilde nicht von einer mehr vorne befindlichen Quelle, sondern genau so von der Seite, natürlich in entgegengesetzter Richtung, wie bei dem Dirkebilde. Bei den beiden seitlichen Figuren steht die Schattengebung in strengster Responsion, während die nur graduellen Unterschiede bei der Mittelfigur auf der etwas variierten Haltung beruhen.
Daß die Farben anders sind als auf dem Heraklesbilde, habe ich schon erwähnt, inwieweit wir sie aber auf das Original zurückführen können, ist zweifelhaft. Es sind die gleichen
1) Auch ein inhaltlicher Zusammenhang liegt vor; das Lokal ist beide Male der Kithairon.
224 ^■^" ^op'*^^ griechischer Tafelbilder.
hellen, lichten Töne wie auf den meisten Wandgemälden; wir finden dieselben Farben auf der von demselben Maler ausgeführten sicher römischen Komposition des Hauses der Vettier, die den Kampf von Pan und Eros darstellt. Eine große Rolle spielt der sicher den Originalen angehörige Gegensatz des dunklen Körpers des Pentheus zu den hellen Gestalten der Mänaden und auf dem anderen Bilde der lichten Figur der Dirke zu den braunen Körpern der beiden Jünglinge. Diese Antithese — ein JüngHng von Frauen, eine Frau von Jünglingen getötet — spricht für die gleichzeitige Erfindung und für die Zeit der Entstehung. Was für ein Pendant man in früherer Zeit zu der Darstellung des Todes des Pentheus w-ählte, zeigen zwei Gemälde des athe- nischen Dionysostempels Paus. I, 20, 3: xttf fT^vO^eig xai yivxovQyoc 0)i' ig Jiovvaov vßgtaav öiöoviig ölxag.^)
Das Original unseres Bildes gehört also in die pergamenische Kunst der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts. In diese Zeit weist auch im Gegensatz zu der eleganten Zurückhaltung des Heraklesbildes der Schwung und das Pathos, das von dem Künstler mindestens beabsichtigt war. Die Frage, ob es echt und groß ist, muß allerdings verneint werden, und damit stellt sich das Bild ganz zu den pergamenischen Altarskulpturen.
Das Thema der Darstellrmg w^ar der pergamenischen Malerei nicht fremd ; wir finden es wieder zwar nicht auf einem Gemälde, aber auf einem der in ihrer Form und wohl auch in ihrer Wirkung der Malerei sehr nahe kommenden Reliefs, die an den Säulen des der Königin Apollonis von ihren Söhnen in Kyzikos geweihten Tempels angebracht waren. 2) Es enthielt eine Figur mehr, die
^) Über ihre Zeit vgl. Heibig, Untersuchungen, S. 256 ff., Hitzig- Blünmer I, i, S. 230
2) vStudniczka und Klein a.a.O. Über die Form der or«.'Ao7rn'«x(«. .. 7itQifxo}'T« (h'ayXv'fovg laioQucg vgl. E. Q. Visconti, Iscrizioni Grec. Triop., Roma 1794, p. 102, Jacobs, Exerc. crit. II, p. 139 — 204, Raoul Rochette, Peint. ant. inedites, Paris 1836, p. 142 — 44, Letronne, Appendice avix lettres d'un antiquitaire, Paris 1837, p. 85 f., Duebner, Anth. Pal. I, p. 45, Dilthey, Arch. Zeit. XXXVI, 1878, S. 44, Anm. 9 tmd die bei ihnen angeführte Literatur. Diltheys, schon vorher von Urlichs, Chrestomathia Pliniana, p. 399 (vgl. Arch. Zeit. 1872, S. 72 Ciirtius)
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 225
Antiope, und war jedenfalls gleichzeitig und in Beziehung zu den anderen inhaltlich zusammengehörigen Reliefs geschaffen worden. So schwer sich das Gemälde des Hauses der Vettier als eine Übertragung einer plastischen Gruppe in die Malerei .erklären läßt, so ungezwungen ergeben sich alle Umwandlungen, wenn wir den umgekehrten Vorgang annehmen. Auf dem Gemälde befindet sich der ganze Vorderkörper des Stieres der strengen Reliefmäßigkeit zuliebe über der Gestalt der Dirke. Diese Dar- stellung war bei einem freiplastischen Werke technisch unmöglich, oder es hätte auf dem Kopfe der Dirke eine Stütze angebracht werden müssen. Daher mußte der Stier hinter die Gestalt der Dirke gerückt werden. Daraus ergab sich von selbst eine Ver- schiebung des dargestellten Moments. Nicht mehr der Augen- blick, wo der Stier schon losgelassen über Dirke hinwegsprengt, sondern die vorhergehende Fesselung mußte dargestellt werden. Dazu mußte die Gestalt des Amphion herumgedreht und in ihrer Aktion verändert werden. Bei der Gestaltung dieses Motivs schlössen sich die Künstler an die rechte Mänade des Pentheus- bildes an. wie sie auch das Motiv, wie Pentheus von der linken
ausgesprochene Identifizierung niit den columnae caelatae läßt sich mit der Bedeutung des Wortes niva'e (s. Letronne, Lettres d'iui antiquitaire p. 78 ff.) nichr vereinigen. Die Säulenrehefs von Ephesos kann man nicht als niyuxfg bezeichnen. Das Wort gibt das Wesen imd die Form des ]Monvmients als einer Tafel, die hier nur keine Malerei, sondern ein Rehef, natürhch ein bemaltes Bas-Reüef enthielt, wie das ReUef des Archelaos imd andere Weihrehefs; gab es doch auch eherne nifuxK^ z. B. am Leichenwagen Alexanders (Diod. XVIII, 26) imd bei Phil. Vit. Ap. T. II, 20, p. 33 heißt es: yukxol niraxtg iyatxQojiji'Kei loiyw. Daher kamen Salmasius, ad Hist. Aug. II, 326, vmd Bracci, Dissert. sopra un clipeo votivo, der Wahrheit näher, wenn sie die Rehefs als diskusförmige, an den Säulen befestigte Tafeln erklärten. Visconti wies zuerst auf die einzig und allein dem Wortsinne genau entsprechende Analogie in den scheinbar an den Säulen hängenden, dvurch Unterbrechvmg der Kanneherung her- vorgebrachten (Durm, Handb. d. Archit., Baukunst d. Griechen I^, S. 196), mit Inschriften geschmückten, viereckigen Tafeln an den Säulen des Tempels von Euromos oder Labranda hin (Ion. Ant. I, c. 1\ , tav. III, Choiseul - Gouffier, Voyag. pittor. I, pl. 105 ff.). In derselben Weise müssen wir ims die Anbringixng der Rehefs an den vSäulen des Tempels in Kyzikos vorstellen.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde. 15
226 IX- Kopien griechischer Tafelbilder.
Mänade an den Haaren gepackt wird, auf Zethos und Dirke übertrugen. So erklären sich die räumlichen und gegenständ- lichen Umwandlungen in letzter Linie aus einem technischen Zwange. Eine zweite Gruppe von Veränderungen dient dem einheitlichen Zusammenschluß der Figuren durch Rhythmus und Symmetrie, die bei dem Gemälde dem Verhältnisse zu dem Gegenbilde untergeordnet waren. Hier steht in erster Linie das Herausrücken der Dirke aus ihrer durch die Responsion zum Pentheus bedingten seitlichen Stellung in die Vertikale, für die die schwere Gewandmasse zwischen den auseinandergespreizten Beinen eine kraftvolle Basis bildet. Für diese Gestaltung ver- weise ich im übrigen auf die glänzende Analyse Fr. Studniczkas. Sie verdient das von jenem ihr gespendete Lob und recht- fertigt die Anerkennung, die das Werk des Apollonios und Tauriskos im Altertume fand. Ihrer künstlerischen Leistung vermag die Anlehnung an eine Vorlage nach antiker Anschauung noch weniger als nach der unsrigen Eintrag zu tun.^)
Die Zusammenstellung einer römischen Komposition und einer Kopie eines griechischen Tafelbildes ist von demselben Maler noch in einem anderen Zimmer desselben Hauses vor- genommen worden. In dem Zimmer e des Hauses der Vettier befindet sich gegenüber dem Kampf von Pan und Eros eine Darstellung des sitzenden Kyparissos.^) Der Raum ist derselbe wie auf dem Pentheusbilde oder dem Aktaionbilde der Casa degli Amorini, eine schmale Bühne, die von einer senkrechten, der Bildfläche parallelen Wand begrenzt wird. Vor ihr sitzt Kyparissos, seine völlig weiblichen Formen sind fast ganz in die Fläche gedreht, die Figur ist wieder streng in der Diagonale auf- gebaut wie auf den Narkissosbildern, H. 320, der Fischerin der Casa degli Amorini, H. 1369 usw. Vor ihm liegt ein verendender
^) Über die vermutlichen verwandtschaftlichen Beziehungen des Apollonios und Tauriskos zu Perganion vmd das politische Verhältnis von Rhodos zvini perganienischen Reiche, die als Folie zu der ange- nommenen Abhängigkeit der Gruppe dienen können, verweise ich auf Klein, Geschichte der griechischen Kimst III, S. 210 ff., der die Gruppe aber mit dem Kyzikenischen Relief in Verbindimg bringt.
2) Rom. Mitt. XI, 1896, S. 19, No. 36, H.-Br. T. 45.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 227
Hirsch, rechts, etwas zurück, steht auf einer Basis ein hoher Dreifuß, wie wir ihn, gleichfaUs vor dem Felshintergrunde, hinter der Statue des Dichters auf dem ArchelaosreUef finden. Wie Aktaion auf Artemis, blickt hier links über den Felsen eine Nymphe herüber.
Genau entsprechende Figuren, die sich aber mit der Aktion ihrer Arme lebhaft an der Handlung beteiligen, finden wir nun auch auf dem Pentheusbilde, während sie auf dem Dirkebilde fehlen. Eine befriedigende Erklärung für diese Unregelmäßigkeit läßt sich nicht finden, und sie bleibt ebenso rätselhaft für den, der das Dirkebild für ein im Anschluß an die Gruppe geschaffenes Pendant zu dem Pentheusbilde hält. An sich steht nichts im Wege, das Motiv für original zu halten; wollte man, was allerdings wenig wahrscheinlich ist, die Worte des Properz, III, 15, 37, auf das Dirkebild beziehen, so könnte man glauben, daß dort Antiope und Arakynthos gemalt gewesen wären, wenn es nicht bedenklich wäre, zwei so wichtigen Figuren eine so relativ unbedeutende Stelle anzuweisen. Andererseits könnte man ästhetische Gründe, eine gewisse Schwere des oberen Teils, gegen die Originalität der Figuren geltend machen, zu denen den Künstler das Kyparissosbild angeregt haben könnte, während sie doch wieder so gut in das Gefüge der anderen Fi- guren hineinpassen. Vielleicht ist sei es für das Hinzufügen der Figuren auf dem Pentheusbilde oder für ihr Fortlassen auf dem Dirkebilde das Bestreben maßgebend gewesen, das Bild der mittleren Wand vor den anderen auszuzeichnen, und dies könnte in der Absicht geschehen sein, durch die Hervorhebung des Mittelbildes vor den Bildern der Seitenwände den Gegensatz zwischen dem Heraklesbilde und den beiden anderen zusammen- gehörigen Gemälden etwas zu mildern.^)
Während uns diese Bilder die geschlossene, aber beschränkte Raumdarstellung der hellenistischen Malerei veranschaulichen, führen uns zwei der wenigen Bilder, die auf literarisch über- lieferte Gemälde zurückgeführt sind, in die Anfänge des räum- lichen Zusammenschlusses. Die beiden mehrfach wieder-
Trendelenburg, Arch. Zeit. XXXIV, 1876, S. 3.
15^'
22S ^^- Kopien griechischer Tafelbilder.
holten Kompositionen, lo von Argos bewacht und Perseus die Andromeda vom Felsen herabgeleitend, sind von Heibig als Kopien der Gemälde des Nikias angesehen worden, i) Seine Gründe sind durchaus beweiskräftig, dagegen scheint mir die Rekonstruktion der originalen Komposition nicht richtig zu sein. Für die lo stehen uns zwei Fassungen zur Verfügung, die eine durch die pompej anischen Bilder H. 131 — 134 vertreten, die nur lo und Argos enthält, und die des Hauses der Livia,^) auf der noch Hermes hinzugefügt ist. Wenn wir ganz von den oben ausgeführten, vielleicht subjektiv empfundenen Mängeln in der Komposition des palatinischen Bildes absehen, so ergibt sich bei einer Vergleichung. beider Kompositionen folgendes : Die beiden Figuren des pompej anischen Bildes H.131 (Abb. 37,^) mit dem die anderen Exemplare übereinstimmen, stehen in einer Raumschicht, hinter der nur in der Mitte ein schmaler Felsen einen natürlichen Abschluß bildet. Die übrige Fläche ist teils indifferent, teils mit nur flüchtig skizziertem Baumschlag ausgefüllt, der, wie auf den Bildern H. 114, 320 u. a., von dem pompe- j anischen Maler hinzugesetzt ist. Auf dem römischen Bilde da- gegen ist schon die ganze Bildform durch die Wandarchitektur bedingt, der mächtige Baum des Hintergrundes und die hohe Säule mit dem Götterbilde sind Elemente der Prospektmalerei des zweiten Stils. Daraus folgt ohne weiteres, daß das pompej anische Bild die Vorlage genauer kopiert. Der Hermes des Bildes auf dem Palatin erscheint hinter dem Felsen, also in beträchtiicher räumlicher Tiefe, er ist in perspektivischer Ver- kleinerung gegenüber den vorderen Figuren gezeichnet und steht, einem hohen Augenpunkte entsprechend, höher in der Bildfläche als jene. Das ist dem vierten Jahrhundert so fremd, wie es für die römischen Wandgemälde charakteristisch ist, während die Komposition des pompej anischen Gemäldes, wenn wir uns den
1) Untersuch vingen, 8. 140 ff., Klein, Geschichte der griechischen Kunst II, S. 325 f. Engehnann, Arch. Zeit. XXVIII, 1870, S. 39.
2) Overbeck, Kunstmythologie II, S. 483. No. 20, Atlas T. VII, II, Wiener Vorlegebl. 1890/91, T. XII, 3. Winter, Kunstgeschichte in Bildern I, T. 96, 2.
3) H.-Br. T. 53.
JX. Kopieu griechischer Tafelbilder.
229
Baumschlag fortdenken, absolut der Zeit entspricht, in die uns der Stil der Figuren weist. Der Raum ist noch nicht durch
Abb. Tf-j . lo und Argos. Nach Herrmann Bruckmann.
eine wandartige Begrenzung geschlossen, aber ein Ansatz zu räumlichem Zusammenschluß ist mit dem in der Mitte hinter den Figuren erscheinenden Felsen gemacht. Endlich ist die Zusammen-
230 ^•^' Kopien griechischer Tafelbilder,
Stellung einer sitzenden und einer stehenden Figur in der grie- chischen Malerei so häufig, die Komposition von so vollkommener Geschlossenheit und Harmonie, daß wir zweifellos in ihr und nicht in dem palatinischen Bilde die Fassung des Originals zu erkennen haben. Die Umwandlung auf jenem Bilde entspricht ganz der üblichen Benutzung griechischer Vorlagen im zweiten Stile, z.B. bei den Bildern der Casa del citarista; eine dem vierten Stile angehörige Verwendung und Bereicherung der Figuren zur Darstellung einer anderen Szene desselben Mythus haben wir auf dem Bilde H. 135 kennen gelernt (s. oben S. 159).
Auch bei dem Andromedabilde glaubte Heibig die voll- ständigere Komposition für die dem Originale näher stehende halten zu müssen. Das ist für die Bilder H. 1 183— 1 184 und 1187 (Guida 1361), die die Gruppe in eine Landschaft versetzen, ganz unmöglich, selbst wenn man die Landschafts- malerei nicht für eine erst römische Erfindung hält. Da- gegen entspricht das Bild H, 1186 (Guida 1364, Fig. yjY) in der Darstellung der Räumlichkeit — die Figuren in einer Raumschicht, der Hintergrund teilweise von Felsen gebildet — ganz genau dem lobilde und damit den Kompo- sitionsprinzipien des vierten Jahrhunderts, Dazu kommt, daß das Bild H. 11 86 von den verschiedenen Exemplaren das bei weitem am besten ausgeführte Bild ist. Endlich beweist das von demselben Originale abhängige, mit dem pompejanischen Gemälde in keinerlei Beziehung stehende, aber genau in der Komposition übereinstimmende Prachtrelief des Kapitolinischen Museums,'^) daß das Original nur zwei Figuren enthielt. Das- selbe Resultat ergibt sich aus dem Epigramm des Antiphilos,^) falls es sich auf das Gemälde des Nikias bezieht. Andererseits ist das Hineinsetzen einer griechischen Figurenkomposition in eine Landschaft in der pompejanischen Malerei gang und gäbe, und das Hinzufügen von zuschauenden Nymphen auf dem Bilde
1) M. B. V, 32, Röchelte, choix 26, Photogr. Sommer. 9226.
2) Heibig, Führer I'^, 469, vSchreiber, d. hellen. Reliefbilder, T. XII.
3) Anthol. Planud. IV, 147, Benndorf, de anth. graec. epigr. p. 62, 71.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 2^1
H. 1187 entspricht den bei den Darstellungen des Narkissos, Endymion usw. gemachten Beobachtungen (vgl. oben vS. 192).
Ein letzter Grund für die Originalität der einfacheren Kom- positionen ist die Responsion der beiden Bilder, die der wichtigste Beweis für die Zurückführung auf Nikias ist. Stellen wir die Bilder H. 131 und H. 1186 nebeneinander, so finden wir, daß — von der absoluten stilistischen Übereinstimmung abgesehen — nicht nur das Verhältnis der beiden Figuren zu einander und die Motive des Argos und Perseus, Einzelheiten, wie die Steine, auf denen lo sitzt, Andromeda steht, die Jünglinge ihre Füße stellen, sondern auch die dargestellte Räumlichkeit und das Verhältnis der Figuren zur Bildfläche, ganz genau übereinstimmen. Die letzteren Ähnlichkeiten fallen fort, wenn wir H. 11 85 und das Bild vom Palatin für Kopien der Originale halten.
Auch wenn wir von der Beziehung zu Nikias absehen, müßten wir die Bilder für Werke desselben Meisters halten. Die zeitliche Ansetzung ergibt sich aus der oben besprochenen stili- stischen Übereinstimmung zwischen der lo und der Aphrodite des Bildes 826, die wie die andere Figur desselben Bildes mit den Figuren der Kertscher Vasengruppe zusammengeht. In das vierte Jahrhundert passen auch die anderen Figuren — ich verweise nur auf die Ähnlichkeit des Argos mit Lysipps Sandalenbinder. Die Tatsache, daß stilistische Gründe die Origi- nale in das vierte Jahrhundert weisen, zusammen mit der Über- lieferung, daß Nikias eine lo und eine Andromeda malte, machen es ganz sicher, daß die Bilder wie auch das Kapitolinische Relief auf Nikias zurückgehen. Mit dem Bilde H. 826, der Bestrafung des Eros, besitzen wir dann drei Kopien von Werken dieses Meisters, die uns nicht nur für die Komposition und Motive, sondern auch für die Gewandbehandlung und lyinienführung viel lehren können, wenn man die malerischen Eigentümlichkeiten des dritten und vierten Stils dabei berücksichtigt^) . Mit Unrecht hat
^) Kine vierte Komposition besitzen wir in dem Relief des Louvre (früher Villa Albani) : Friederichs — Wolters 1 869 (vgl. d. Glaspaste b. O verbeck, Gallerie her. Bildw. T. 32, 10). Das Motiv des Odysseus ist dem des Argos so ähnlich, das Verhältnis der Figuren zu einander und ziu: Bildfläche, die Art des Hintergrundes gehen so absolut mit
232 IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
Wickhoff,^) der das Verhältnis zu dem lobilde nicht beachtete, die Komposition des Perseus, der die Andromeda vom Felsen herabgeleitet, wegen der Übereinstimmung mit dem Kapitoh- nischen Relief in die Zeit Caesars gesetzt. Das Relief ist eine Übertragung des Bildes in Marmor, aber der Stilcharakter beider ganz verschieden; man könnte im Gegenteil an einer Gegenüber- stellung beider Monumente den Unterschied der Eleganz der Zeit des Praxiteles und der der Cäsarisch-Augusteischen Kunst veranschaulichen ,
Von den übrigen auf literarisch überlieferte Gemälde zurück- geführten Bildern erwähne ich hier nur noch die „Danae auf Seriphos" darstellenden Bilder H. 119 — 121,2) So. 76 — 78, deren gemeinsames Original vielleicht am besten durch das Bild H. 119 (Guida 1421)3) wiedergegeben wird. Eine räumhche Vertiefung fehlt ihm ganz; die Figuren, der Kasten und der über- hängende Felsen, unter dem Danae sitzt, werden von einer Raumschicht umschlossen. Der Felsen dient hier nicht als Hintergrund, sondern ist in seiner Funktion den Figuren völlig gleichwertig, wie der Baum auf dem Bude des „müden Silen". Der Grund ist, wenn die Abbildung bei Rochette nicht trügt, mit blauer Farbe ausgefüllt, die wohl das Meer bezeichnen soll, genau die gleiche Behandlung, wie auf dem Phrixosbilde H. 1251 (Guida 1426), wo sie, wie Heibig*) ausgeführt hat, zweifellos die Darstellung des Originales wiedergibt. Diese Behandlung des Raumes und der strenge Stil der Figuren weisen auf eine frühere Entstehung des Danaebildes hin, als sie bei der ohnehin
dem lo- und dem Andromedabilde zusammen, daß das Relief von einem Gemälde desselben Meisters abhängen muß. Dieses ist die necyomantea desNikias (PHn. N. H.,XXXV, 132, Anthol. Pal. IX, 792). Zu ihr verhält sich das Rehef, von seiner geringeren Quaütät abgesehen, wie das Kapitolinische Relief zu dem Original des Andromedabildes. Benutzt ist das Gemälde des Nikias auch auf dem Unterweltsbilde der Odysseelandschaften (vgl. Röscher III, i, S. 672).
^) Wiener Genesis, S. 72.
2) Heibig, Untersuchungen S. 145.
^) Rochette, choix p. 19.
*) Untersuchungen, S. 66 f.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 2"^^
unsicheren Verknüpfung mit Artemon angenommen werden müßte.
Auf den anderen, schlechteren Repliken des Phrixosbildes ist der Himmel angedeutet. Vielleicht dürfen wir daher dieselbe Form wie bei dem Phrixosbilde auch für die Originale einiger unter sich verwandter Darstellungen annehmen, von deren uns erhaltenen Exemplaren keins so gut ausgeführt ist, daß wir eine treue Wiedergabe des Originals erwarten können. Es sind dies die Büder H. 124 ff,. So. 80 ff., Europa vom Stier durchs Meer getragen, H.308 ff., So. 132, Aphrodite auf dem Meere, H. 1027 ff., So. 468, 469, Nereide, H. 1319 — 1321, So. 577, 578, Thetis, die Waffen bringend. Die Originale mögen in das vierte Jahrhundert gehören, wir finden die nächsten Parallelen auf unteritalischen Vasen. 1)
Ein Beispiel der Wiedergabe eines Innenraumes haben wir schon bei dem Ledabilde der Casa degli Amorini dorati (vgl. oben S. 213) kennen gelernt. Eine Räumlichkeit, die der des Archelaos- reliefs genau entspricht, finden wir auf dem Bilde H. 964, für das eine bestimmte Deutung noch nicht gefunden ist. Die Figuren stehen nebeneinander in einer Raumschicht, den Hintergrund bildet in der Mitte eine Säule, von der nach jeder Seite ein den ganzen übrigen Grund schließender Vorhang aus- geht. Der einzige Unterschied vom Archelaosrelief ist der, daß die Säule vor den Vorhängen stellt, sodaß sie ganz und gar zu sehen ist, während dort über den Vorhängen nur die Kapitale der Säulen erscheinen.
In engem Anschlüsse an das griechische Original ist eine schmale, bühnenartige Räumlichkeit auf den Bildern wieder- gegeben, die Mikon und Pero^) im Gefängnis darstellen. Das Verhältnis der Figurengruppen der verschiedenen Exemplare unter einander — mit Ausnahme des später gefundenen im Hause des M. Lucretius Fronto — und zu der glasierten Terrakotta-
1) Z. B. Gerhard, Apulische Vasenbilder, T. VII.
2) H. 1376 (Guida 1397), So. 599 (Guida 1396), dazu H. v. Rohden, Terrakotten von Pompeji, S. 57 und T. XL VII, Rom. Mitt. XVI. 1901, S. 350 f. Abb. Not. d. scav, 1900, S. 190.
234 ^'^' ^°P'^^ griechischer Tafelbilder.
gruppe hat H. v. Rohden a. a. O. ausführlich behandelt; während er in dieser Beziehung das bei Ternite^) abgebildete Exemplar für die treueste Nachbildung des Originals hielt, glaubte er die Gestaltung des Hintergrundes am besten auf dem Bilde So. 599 (Guida 1369) erhalten. Auf die Frage, ob die erste Annahme be- rechtigt ist, will ich hier nicht eingehen, das zweite Urteil trifft sicherlich das Richtige. Der Hintergrund dieses Bildes ist relativ am reichsten und verständlichsten gebildet und stimmt mit dem überein, was wir von der Ausgestaltung der raumbegrenzenden Wand seit der Mitte des vierten Jahrhunderts wissen. Eine einfache glatte Wand schließt den engen Raum, in dessen Tiefe gerade die Figuren Platz finden, ab; über den größeren, linken Teil ist ein etwas hellerer Vorhang ausgespannt, genau wie auf den Kopien von Tafelbildern in der Casa Tiberina, z. B. M. d. I. XII, T. 27, 5 (T. 23). In der rechten oberen Ecke befindet sich ein vergittertes Fenster, durch das der Wächter hereinblickt, wie die hinteren Figuren auf der Heraklesvase des Assteas und die über Ouermauern und Felswände hinüberblickenden Figuren, Den durch das Fenster einfallenden Lichtstrahl hat Heibig-) besprochen. Eine genauere Datierung des Originals innerhalb des vielgestaltigen, durch den Namen des Hellenismus zusammen- geschlossenen Zeitraumes ist vorläufig kaum möglich. Das auf dem Exemplar im Hause des M. lyucretius Fronto befindliche Epigramm^) lehrt ims das umgekehrte Verhältnis von Bild und Aufschrift kennen, wie bei der stanza degli epigrammi: dort römische Illustrationen zu griechischen Epigrammen, hier ein lateinisches Epigramm auf ein griechisches Gemälde.
In dem Zimmer an der Nordwestecke des Atriums der Casa di Sirico befindet sich neben zwei römischen oder in römischem Sinne umgewandelten Kompositionen, H. 1139 und 1266 (s. oben S. 150 und 193), ein Bild, das unzweifel- haft eine im wesentlichen treue Kopie eines griechischen
1) 2. Abt. I, 8, S. 62. ^) Untersuchungen, S. 215.
3) Vgl. zuletzt Mau, Rom. Mitt. XX, 1905. S. 188 ff. u. Wick in Atene e Roma 1905, n. 79, S. 211 ff., n. 84, S. 381 ff.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. ^35
Tafelgemäldes ist. H. 13 16/) zu dem die weiteren Exemplare H. 1317 (Guida 1368) und 1318, So. 576 treten, stellt Thetis in der Schmiede des Hephaistos dar. Die typisch griechische Kompositionsweise wird hier besonders klar, wenn man das Bild mit dem den gleichen Gegenstand behandelnden Gemälde H. 1318 c vergleicht, dessen spezifisch römische Ge- staltung des Hintergrundes wir bereits kennen gelernt haben (s. oben S. 140). Ein einfacher, oben umgeschlagener Vorhang, wie auf den Bildern der Casa Tiberina und des Hauses der Livia, schließt hier den Raum ab, während dort eine reiche, hohe Ar- chitektur den Hintergrund bildet. Die Figuren sind in einer wie meist zwei Figuren umfassenden Raumschicht angeordnet in symmetrischer Gruppierung um den in die Mitte gesetzten Schild, der im Widerspruch zu der inhaltlichen Wahrscheinlich- keit der dekorativen Wirkung zuliebe der Bildfläche genau parallel steht, während der Amboß und sein hoher Untersatz übereck gestellt sind. Welch kompliziertes räumliches Verhältnis besteht dagegen auf dem Bilde H. 1318 c zwischen dem sitzenden Hephaistos, dem schräg gehaltenen Schilde und dem ihn stützen- den Diener ! Thetis, ebenfalls schräg gestellt, sitzt etwas weiter vorne, während der arbeitende Kyklop sich ganz im Vorder- grunde befindet. Endlich sind verschiedene Waffen in der Mitte des Vordergrundes zusammengestellt, sodaß genau die gleiche Komposition entsteht, wie auf den spezifisch römisch kom- ponierten Bildern des vierten Stils, eine im Raum ovale, in der Fläche ungefähr kreisförmige Verteilung um eine leere Mitte. So sind auf diesem Bilde Figurenkomposition und Hintergrund so durchaus römisch, wie auf dem Bilde H. 1316 griechisch.
Der Meister, von dem die Komposition des Bildes H. 1318c (Guida 1370) stammt, hatte zweifellos bei der Anlage seiner Fi- guren griechische Vorlagen vor Augen, und es ist sehr wahr- scheinlich, daß er sogar jene andere Darstellung kannte. Das scheint aus dem ähnlichen Typus des Hephaistos, der Gruppierung der Thetis mit einer hinter ihr stehenden Figur u. a. hervor- zugehen und wird ziemlich gewiß dadurch, daß wir jetzt eine
1) Photogr. Sommer 1226.
2^5 IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
Kopie der griechischen Komposition kennen, die dem dritten Stile angehört. Sie befindet sich in der Exedra G der Casa degH Amorini dorati^) neben der Wiederholung des lasonbildes und einer als Achilleus, Patroklos undBriseis gedeuteten Darstellung 2), die sich näher entsprechen, sodaß das Bild der Hephaistos- schmiede ihnen gegenübersteht, wie in der Casa di Sirico den beiden anderen Bildern desselben Zimmers und im Hause der Vettier das Heraklesbild den Darstellungen von Pentheus und Dirke.
Die Hauptgruppe ist dort, wenn wir von unwesentlichen Veränderungen, z. B. in der Gewandung und in der Stellung der Waffen absehen, in ihren Bestandteilen dieselbe, aber den charakteristischen Kompositionsprinzipien des dritten Stils entsprechend in ihrer Anordnung umgewandelt. Zu- nächst ist der Raum erweitert, indem vor die Figuren die übliche leere Fläche gelegt ist. Sie ist etwas schmaler als auf den meisten Bildern und entspricht damit den anderen Bildern desselben Hauses, die den gleichen Unterschied von ihren Re- pliken aufweisen und sich auch durch ihr großes Format vor der Mehrzahl der Bilder dritten Stils auszeichnen. Die Figuren sind in einer Ebene gelassen, aber in der Breite auseinander- gezogen, wie auf dem Bilde H. 1379 im Verhältnis zu 1378 b (vgl. oben S. 102). Während der Körper der Thetis auf dem Bilde H. 1318 bis hinter den Amboß reicht, ist hier zwischen beiden eine Lücke. Dagegen war der Abstand des Hephaistos von dem Amboß durch das Halten des Schildes fest bestimmt, und um nun trotz der Erweiterung der rechten Seite dem Schilde seine Stellung genau in der Mitte des Bildes zu lassen, ver- längerte der Maler links hinter Hephaistos die Wand, die er oben durch ein Fenster unterbrach, und malte in dem unten frei- bleibenden Räume einen mit der Arbeit beschäftigten Gehilfen, dem ein zweiter zusieht.
Dieses Bild mag der Maler von H. 13 18 c gekannt haben,
1) Not. d. scavi 1908, p. 31, Fig. 3.
2) Engelmann (Zeitschr. f. bild. Kunst, 1907, S. 303 f ) : Aniphi- tryon, Alkmene und Antenor.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 237
und aus ihm hat er vielleicht den arbeitenden Gehilfen genommen, dem er nur eine veränderte Stellung gab. Wir finden ihn nun auch auf dem Bilde H. 1316, und es entsteht die Frage, ob diese Figur dem Originale angehört und auch von dem Maler dritten Stils nur kopiert ist, oder ob er auch hier sei es nach dem Bilde dritten Stils sei es nach H. 1318 c hinzugefügt ist. Die mit H. 1316 übereinstimmenden Bilder H. 1317 und So. 576 ent- halten ihn ebenfalls. Daß er jedenfalls in der rudimentären Form, wie wir ihn auf dem Bilde der Casa di Sirico sehen, nicht erfunden sein kann, lehrt der Augenschein; Kopf, Arme und Unterschenkel werden von dem Körper des Hephaistos überschnitten, sodaß die Tätigkeit der Figur unklar bleibt und erst aus dem Vergleich mit der vollständigeren Darstellung von H. 1318 c und dem Bilde dritten Stils erschlossen werden kann. Dazu kommt die Beobachtung der streng symmetrischen Komposition der Hauptgruppe, die es verlangt, daß der Schild genau in der Mitte steht, ein Schema, das selbst bei der ausein- andergeschobenen Gruppe in der Casa degli Amorini beobachtet worden ist. Die Symmetrie wäre auch hier vollkommen, wenn der Bildrand sich unmittelbar neben der Figur des Hephaistos befände, entsprechend der Gestaltung der anderen Seite. Daraus scheint hervorzugehen, daß die Erweiterung der linken Bild- seite mit der Figur des kauernden Gehilfen dem Originale fremd und ein Zusatz des pompejanischen Malers ist, der aus einer der uns bekannten Quellen geschöpft ist^) . Die bei weitem schlechter ausgeführten Bilder So. 576 und H. 1317 mögen von Schülerhand stammen.
Verwandt ist die Räumlichkeit des Bildes So. 493, Herakles die Schlangen würgend.^) Auch hier sind die Figuren eng an- einandergerückt, sodaß sie von ein und derselben Raum- schicht umschlossen werden; auch hier ist oben ein in derselben Weise umgeschlagener Vorhang angebracht, der in symmetrischer, segmentförmiger Gestalt herabhängt. Dagegen
^) Das gleiche gilt von dem zweiten, noch weiter im Hintergnmde befindlichen Gehilfen.
2) Arch. Zeit. 1868, Taf. 4. S. 33 (Heydemann).
2^8 IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
ist die übrige Gestaltung der Rückwand aus der Abbildung in der Archäologischen Zeitung nicht mit Sicherheit zu erkennen. Links scheint sich eine etwas zurückweichende Wand zu befinden; im übrigen läßt der Wechsel von hellen und dunkleren Partien keine sichere Entscheidung darüber zu, ob es sich um Teile eines Vorhangs oder um verschieden getönte Ab- schnitte der Wand handelt. Der terminus post quem für die Entstehung dieses Bildes wird etwa durch die Zeit Aetions gegeben, aber es ist möglich, daß die Motive der einzelnen Figuren schon älterer Zeit entstammen. In der engen räumlichen Ver- teilung der Figuren geht dieses Bild mit dem ebenfalls auf ein griechisches Original zurückgehenden Gemälde H. 1123 zusammen, das zwar für den Amphitryon ein verwandtes Motiv hat, sonst aber andere Figuren enthält. Damit stehen beide im Gegensatze zu der römischen Komposition im Hause der Vettier mit ihrer tiefen Räumlichkeit und freien Verteilung der Figuren, für die zum Teil das Bild H. 1123 die Vorlage abgegeben hat.
Obwohl die Auswahl der Vorlagen im dritten und vierten Stile so sehr verschieden ist, dürfen wir doch erwarten, unter den Kopien griechischer Tafelbilder im vierten Stile auch eine Spur von den Naiskosbildern zu finden, deren Nach- und Weiterbildung im dritten Stile so beliebt war, wenn diese wirklich eine besondere Bildgattung repräsentierten. War im dritten Stile doch auch die andere Form der Innenräume durch die Hephaistosschmiede der Casa degli Amorini vertreten. Die Kopie eines solchen Naiskosbildes ist uns in dem allerdings nicht mit der pein- lichen Genauigkeit einiger Bilder dritten Stils, sondern in der sorglosesten Manier des vierten Stils ausgeführten Gemälde So. 572 (Guida 1284), Achilleus auf Skyros, erhalten. i)
Wie auf dem Bilde H. 1389 b usw. (vgl. S. 117 ff.) umgibt ein plastisch gedachter, hier dunkelroter Rahmen, dessen Innen- seite auf allen vier Seiten sichtbar ist, das ganze Bild, das also wieder, wenn man die Räumlichkeit genau und ihrem Ursprünge entsprechend bezeichnen will, einen Kasten wiedergibt, in den die Figuren hineingestellt sind. Auf der unteren Seite ist die
^) Photogr. Soninier 921 1.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 239
von der Innenseite des Bildrahmens gegebene Aufsicht stärker und zugleich etwas vertieft, sodaß eine, immer noch ganz schmale Fläche entsteht, auf der die vorderen Figuren stehen und die kleinen ndg^gya liegen. Nur diese drei vorderen, in ganzer Gestalt sichtbaren Figuren sind auf dem Mosaik in der Casa di Apolline^^ wiedergegeben. Die weitere Vertiefung der Räumlichkeit ge- schieht durch drei Stufen, auf denen wir uns die übrigen Figuren stehend zu denken haben, darauf folgt der Hintergrund. Dieser besteht zunächst aus zwei Säulen, die ein hier nicht wie auf dem Bilde H. 1462 sichtbares, sondern durch den oberen Bild- rahmen verdecktes Gebälk tragen. Den Abschluß des Raumes bildet eine Wand, die zwischen den Säulen und an den Seiten breite, sie fast ganz auflösende Öffnungen hat. An der mittleren befinden sich nach hinten aufstehende Türflügel, wie bei Assteas, auf Phlyakenvasen usw. Endlich ist das Größenverhältnis der Figuren zu der Architektur im Gegensatze zu den römischen Um- bildungen das gleiche wie auf der Stele von Volo, bei Assteas und den Kopien dritten Stils. So entspricht jeder Teil dieser Räumlichkeit den Prinzipien der Naiskosbilder, und wir dürfen die Wiedergabe durch den pompe janischen Maler für ziemlich treu halten.
Der pyramidale Aufbau der Figurenkomposition ist der des Bildes H. 1157 auffallend ähnlich (vgl. oben S. 182) und ist wie dort in dem engen Aneinanderschluß der Figuren, die die Fläche vollständig ausfüllen, nach dem Prinzip des Alexandermosaiks gebildet. Der auffallende Unterschied von diesem Mosaik, der hohe Stand der hinteren Figuren, ist nicht wie auf den spezifisch römischen Bildern durch einen hohen Augenpunkt, sondern rein gegenständlich durch die Stufen ge- rechtfertigt. Die Lücken, die zwischen den vorderen Figuren noch bleiben, sind wie auf dem Briseisbilde H. 1309 durch die Figuren der Krieger, deren Schilde wieder als Folie für die Köpfe der vorderen Figuren verwendet sind, und den Trompeter ausgefüllt. Das Original mag also in dieselbe Zeit, den Ausgang des vierten Jahrhunderts gehören, und es ist sehr gut möglich,
^) Röchelte, choix 20.
240 I^- Kopien griechischer Tafelbilder.
daß es auf das Gemälde des Athenion zurückgeht. Denn nach der Überlieferung scheint Athenion ein jüngerer Zeitgenosse des Nikias gewesen zu sein^) und also in die genannte Zeit zu ge- hören. Vielleicht könnte die frequentia, deren Deutung aller- dings unsicher ist, wenigstens indirekt auf das Kompositions- prinzip hinweisen.
Die Figurengruppe ist im Verhältnis zu der des Briseis- bildes, mit dem sie im Wesen übereinstimmt, lockerer, und diese nicht sehr erhebliche Auflösung mag dem pompejanischen Maler zuzuschreiben sein, wie bei dem Bilde H. 1159 gegen- über H. 1157. Noch stärker ist diese Auflockerung auf dem zweiten, schon länger bekannten, aber nicht ganz vollständigen Exemplare dieser Darstellung H. 1297 (Guida 1274), 2) das sehr viel besser ausgeführt ist, w^enn es auch nicht zu den hervorragendsten pompejanischen Gemälden gehört. Dort ist die eine Lykomedestochter, die unmittelbar hinter Odysseus erscheint, durch eine andere ersetzt, die sehr viel höher, beinahe in der gleichen Höhe wie L3^komedes steht. Dadurch und durch die viel hellere, lichtere Behandlung des Lykomedes wird die pyramidale Gruppierung der Hauptfiguren fast unwirksam oder wenigstens stark beeinträchtigt. Daß sie aber im Originale streng betont war, geht aus dem Linien- gefüge hervor, das die Figuren des Odysseus, Achilleus, L3"ko- medes und Diomedes bilden. Durch die veränderte Stellung des Mädchens wird auch der einzige rechts sichtbare Krieger weiter nach hinten und oben gedrängt, so daß er seine Funktion als Hintergrund für den Kopf des Odysseus verliert. Wir dürfen daher wohl in diesem Falle die Gruppierung der Figuren auf dem schlechteren Exemplare für die genauere Wiedergabe halten.
Sicher verändert ist auf dem Bilde H. 1297 die Architektur. In ihrer allgemeinen Erscheinung scheint sie der des anderen
^) Brvum, Geschichte der griechischen Künstler II, S. 294, vgl. vS. 133. Rossbach bei Pauly-Wiss, Br. Sauer in Thieme - Beckers Künstlerlexikon.
-) Herrm. -Br. T. 5, die einzige genaue Wiedergabe des Hinter- grundes.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 241
Bildes völlig zu gleichen: auch hier, wenn wir den 'fehlenden Teil ergänzen, zwei Säulen, dann weiter hinten die Wand, von drei Öff- nungen durchbrochen, von denen die mittlere mit Türen versehen ist. Dagegen ist der obere Rahmen hier deutlich als Gebälk für die vSäulen aufgefaßt, wie auf einer Reihe von Bildern dritten Stils. Das ist nicht etwa eine Flüchtigkeit, wie auf dem anderen Bilde, wo die Kapitale gleichfalls etwas auf den Ralimen überzu- greifen scheinen, sondern der Maler hat in konsequenter Weise nun überhaupt die Idee des Rahmens, in dem die Figuren stehen, aufgegeben und nicht nur den unteren Rahmen fortgelassen, sondern auch die seitlichen Rahmen nicht bis unten durch- geführt. Der allein erhaltene rechte Rahmen verschwindet unter einem Vorhange, um unten nicht wieder zum Vorschein zu kommen, während die Stufen bis an den wirklichen Bildrand ent- sprechend verlängert sind. Damit rückt der ursprünglich in der Bildfläche gelegene Rahmen in dieselbe Ebene wie die Säulen und bildet mit ihm gleichsam die Front einer Architektur, zu der mehrere Stufen heraufführen, und vor der die ursprünglich in dem Rahmen befindlichen Figuren stehen. Einen weiteren Beweis dafür, daß auf diesem Bilde die Architektur umgewandelt ist, liefert der rechts unter einem Schilde herabhängende Vorhang; wir haben solche an anderen Architekturen kennen gelernt, die ebenfalls römische Gestaltungen griechischer Motive waren, z. B. ganz entsprechend auf dem Bilde H. 1318 c, der römischen Komposition der ,,Hephaistosschmiede". Somit kann das Ver- hältnis dieser beiden Bilder, wo uns die originale Form und ihre Abwandlung durch den pompejanischen Maler erhalten ist, zur Illustration des parallelen Vorgangs dienen, der für die Um- gestaltung der Architekturen der Naiskosbilder auf den Ge- mälden dritten Stils angenommen werden muß.
Die hier zusammengestellten Kopien griechischer Tafelbilder geben ein anderes Bild als die im vorigen Kapitel besprochenen römischen Gemälde. Dort eine absolute Einheitlichkeit der Komposition, hier eine bunte Mannigfaltigkeit aus den ver- schiedensten Zeiten und Schulen, die sich nur durch die Be- schränktheit der räumlichen Darstellung gegenüber jenen Bildern zu einer Gruppe zusammenschließen. Nicht so groß ist der
Rodenwaldt, Pompe janische Wandgemälde. llj
2A2 I^- Kopien griechischer Tafelbilder,
Unterschied im Stilcharakter der Figuren, da diese ja auch auf den römischen Kompositionen in mehr oder minder freier Anlehnung an griechische Kompositionen geschaffen sind, und doch schließt sich auch da eine größere Zahl der römischen Bilder zu einer Einlieit zusammen.
Die treuen Kopien griechischer Tafelgemälde mid die selb- ständigen römischen Schöpfungen haben miteinander die gute Qualität gemeinsam, während die Masse der geringen Bilder eine andere, zwischen beiden eine Mittelstellung einnehmende Kompositionsweise hat. Das muß in der eigentlich handwerks- mäßigen Ausübung der Wandmalerei begründet sein.
Im dritten Stile finden wir im allgemeinen nur ein Exemplar einer Darstellung oder Figurengruppe, und wenn es mehrere gibt, so sind sie entweder Wiederholungen desselben Meisters oder Schülerarbeiten nach einem Wandbilde des Meisters. Es lag also in jedem Einzelfalle eine besondere Vorlage vor. Wir müssen annehmen, daß jeder dieser Maler ein Skizzenbuch besaß, in das er ganze Kompositionen, Gruppen oder einzelne Figuren in kleinem Maßstabe abzeichnete oder abmalte, um sie dann bei der Anlage seiner Bilder zu verwenden. Dieses Buch stand natürlich nur ihm und keinem der anderen ]\Ialer zur Verfügung. Häufig mag es auch vorgekommen sein, daß die Maler direkt von Tafelgemälden kopierten, die sich entweder in ihrem Besitz oder in dem des Hauses, mit dessen Ausschmückung sie be- auftragt waren, befanden. Die Zahl der Maler dürfen wir nicht hoch veranschlagen, müssen auch wohl annehmen, daß sie in mehreren benachbarten Orten zugleich tätig waren.
Dagegen finden wir im vierten vStile eine Reihe von Dar- stellungen in einer Menge von Exemplaren, ein Unterschied, der mit dem schon genannten in engem Zusammenhange steht. Wie schon erwähnt, ist die Güte der Bilder dritten Stils ziemlich gleich und weist jedenfalls keine bemerkenswerten Schwan- kungen auf, während die Bilder vierten Stils in eine Masse ganz gering ausgeführter und eine beschränkte Zahl ganz be- sonders guter Bilder zerfallen, ein Unterschied, der wohl im all-
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 24.'^
gemeinen auch für die dekorative Wandmalerei gilt. Mit dem Aufkommen der Wandmalerei mußte sich dafür ein besonderer Stand von Malern bilden; dieser differenzierte sich im Laufe der Zeit aus Generationen ziemlich gleichmäßig begabter Leute, die eine Mittelstellung zwischen Künstlern und Handwerkern einnahmen^ zu einer die Malerei rein handwerksmäßig be- treibenden, beträchtlich tiefer stehenden Masse und einer kleineren Anzahl ungleich bedeutenderer und die eigentliche Entwicklung repräsentierender Künstler. Dieser Prozeß hat in der Entwicklung vom dritten zum vierten Stile stattgefunden.
Damit steht es denn im Einklänge, daß die guten Bilder vierten Stils denselben Reichtum an den verschiedensten Sujets aufweisen, wie die Gemälde des dritten Silts, denen sie künstlerisch weit überlegen sind, während wir die häufigen Wiederholungen bei den geringen Bildern finden. Diese Gleich- artigkeit muß auf der Gemeinsamkeit der Vorlagen beruhen, die diese Handwerker, deren Zahl wir gleichfalls nicht allzu hoch schätzen dürfen, besaßen. Wahrscheinlich existierte ein Musterbuch, das eine Reihe der beliebtesten Kom- positionen, die nicht mit den besten oder literarisch bekannten identisch zu sein brauchen, enthielt und sich in der Hand eines jeden dieser Maler befand, ein richtiges Buch, wie Varros imagines, aber hier zum praktischen Gebrauch innerhalb eines beschränkten Kreises. Aus der Ähnlichkeit der Figuren auf diesen Bildern und den wechselnden landschaftlichen Hintergründen geht ferner hervor, daß dieses Buch nur die Figurenkomposition, die natürlich einem griechischen Tafelbilde entstammte, enthielt, während die landschaftliche Folie von den Malern hinzugefügt wurde. Selbst- verständlich können wir den Inhalt dieses Musterbuches, dessen Benutzung selbst wieder von der momentanen oder lokalen Mode abhängig war, nicht genau rekonstruieren. Aber einiges läßt sich doch darüber vermuten. Zunächst kann man annehmen, daß es eine Reihe von einzelnen Figuren, be- sonders von Göttern enthielt, wie solche sich häufig innerhalb der gemalten Architektur befinden. Für die Zuweisung von Bildern an dieses Buch kommen namentlich drei Punkte in Betracht, zunächst die Häufigkeit, dann das Vorkommen nicht
16*
2AA IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
nur in Pompeji, sondern auch in Herkulaneum und Stabiae und endlich die häufige Verbindung mancher Bilder als Gegenstücke. i) So mögen, ohne daß die Zusammenstellung auf Vollständigkeit und absolute Sicherheit Anspruch macht, folgende Kompositionen darin enthalten gewesen sein:
H. 115 ff. Danae.
H. 123 ff., So. 80 ff. Europa.
H. 140 ff., So. 84, 85 Leda.
H. 153 ff., So. 86 f. Ganymed.
H. 206 ff. Apollo und Daphne.
H. 212 ff., So. 108 Apoll und Gehebte.
H. 225 ff. Marsyas und Olympos.
H. 307 ff., So. 132 Aphrodite auf dem Meere.
H. 314 ff., So. 133 ff. Ares und Aphrodite.
H. 329 ff.. So. 141 ff. Aphrodite und Adonis.
H. 346 ff.. So. 144 ff. Fischende Aphrodite.
H. 950 ff., So. 456 f. vSelene und Endymion (vielleicht
zwei Fassungen).
H. 1027 ff., So. 468 f. Nereide.
H. 1044 ff.. So. 472 ff. Polyphem und Galateia.
H. 1193 ff. Perseus und Andromeda. ? H. 1216 ff., So. 531 ff. Theseus und Ariadne. ? H. 1222 ff.. So. 534 ff. Ariadne verlassen. ? H. 1233 ff., So. 538 Dionysos und Ariadne.
H. 1251 ff.. So. 549 f. Phrixos.
H. 1338 ff., So. 586 ff. Narkissos.
Dazu kommt dann noch die Anlehnung an bessere Wand- gemälde, wie H. 404 wohl eine Kopie des Bildes im Hause der Vettier ist, und H. 316 und 317 wohl direkt von dem Bilde zweiten Stils in der Casa del citarista H. 323 abhängen. 2)
Selbstverständlich benutzten die guten Künstler ein solches Musterbuch nicht, sondern hielten sich bei ihren Vorlagen ent-
1) Trendelenbvirg, Die Gegenstücke in der camp. Wandmalerei, Arch. Zeit. XXXIV, 1876. S. i, 79.
2) Winter, österr. Jahreshefte V, 1902, S. 104, Anm. 17.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. gvc
weder an die Originale oder an Kopien, die von jenen genommen waren. Wir sehen nun sowohl die speziell römischen Komposi- tionen wie die treuen Kopien griechischer Tafelbilder von der Hand derselben Meister ausgeführt, wie z.B. im Hause derVettier das Heraklesbild und die Darstellungen von Pentheus und Dirke, und es muß, wenn wir von den direkten Beziehungen absehen, die vom zweiten zum vierten Stile führen, wenigstens die Frage aufgeworfen werden, ob es sich nicht bei der ersten Gruppe um Nachbildungen gleichzeitiger Tafelbilder handeln könnte.
In einer Nische des Atriums des Hauses VI, i6, 15, be- findet sich ein Narkissosbild,i) das — ein im vierten Stile nicht häufiger Fall — als Tafelbild mit hölzernem Rahmen und Türen gebildet ist. Es ist nicht, wie die nachgeahmten Tafelbilder auf Wänden zweiten Stils, auf dem oberen Gesims, sondern auf Konsolen stehend gedacht. Aber nicht nur die äußere Form, sondern auch die malerische Ausführung unterscheidet es von den übrigen Wandgemälden, Es ist äußerst sorgfältig gemalt, wie die Bilder dritten Stils, die Farben, besonders die des landschaft- lichen Hintergrundes, sind außerordentlich dunkel, viel dunkler, als wir es von der üblichen, leichten Farbengebung gewohnt sind, und die Behandlung des Gewandes zeigt eine eigenartige Ver- schiedenheit; der Mantel des Narkissos bildet eine gleichmäßige sattgrüne Fläche, deren Zerlegung in belichtete Höhen und be- schattete Tiefen nicht durch strichförmig aufgesetzte Lichter oder Schatten, sondern durch keilförmige, dunkelgraue Flächen hervorgebracht wird. Offenbar haben wir es hier mit einer nicht hervorragenden, aber treuen Kopie eines Tafelgemäldes zu tun. Daß dies nun kein griechisches Tafelgemälde gewesen sein kann, geht aus dem Hintergrunde hervor, in dessen Mitte sich einer der in der Wandmalerei so häufigen Rundbauten be- findet. Die Komposition ist also die gleiche wie auf den geringen Bildern vierten Stils, z. B. H. 1360. Zweifellos will das Bild ein gleichzeitiges Tafelgemälde nachbilden. Wir brauchen nun nicht aus dieser einen Probe zu schließen, daß alle gleichzeitigen Tafelbilder diese unselbständige Form der Komposition hatten.
Not. d. scavi 1908, p. 66, Fig. 2.
2^6 IX. Kopien griechischer Tafelbilder.
und können ihnen auch freiere Schöpfungen zutrauen. Jedenfalls ergibt sich aus dem Narkissosbilde die Parallelität beider Gat- tungen. Welche von beiden der gebende Teil gewesen ist, kann nach dem allgemeinen Gange der Entwicklung nicht zweifelhaft sein; die freie räumliche Darstellung ist in der Wandmalerei ent- standen und hat sich in ihr zu immer größerer Anpassung an ältere griechische Kompositionsweise fortgebildet. Wenn wir in der Tafelmalerei dieselben Prinzipien finden, so sind sie dort sekundär und aus der Wandmalerei übernommen. Daß wir in dieser Zeit von jeder führenden Rolle der Tafelmalerei absehen müssen, ergibt sich auch aus der literarischen Überlieferung. i)
Nachdem Plinius von der Bedeutung der Tafelmalerei ge- sprochen hat, sagt er N. H. XXXV, 29: Hadenus dictum sit de dignitate artis morientis.
Dieses Urteil bezieht sich, wenn man die anderen in Betracht kommenden Stellen des Plinius heranzieht, nicht auf die gleich- zeitige Malerei überhaupt, sondern nur auf die gleichzeitige Tafelmalerei. Diese Stellen sind: XXXV, 50 ... . clarissimi pictores, cum tahulae eorum singulae oppidorum venirent opibus. nunc et purpuris in parietes migrantihus .... nulla nobilis pictura est. Daraus ergibt sich, daß Plinius persönlich die Wand- malerei nicht für eine nobilis pictura hielt. Dasselbe spricht er in dem Abschnitte über Studius aus, wo er sagt, daß in der guten alten Zeit nur die Tafelmaler Ruhm erlangt hätten, als man keine Wände ausschmückte, an denen nur die Besitzer des Hauses sich erfreuen können, und keine Häuser, die an die Stelle gebannt sind und nicht aus Feuersnot gerettet werden können : XXXV, 118 sed nulla gloria artificum est nisi qui tabulas pinxere, eo venerabilior antiquitatis prudentia apparet. non enim parietes excolebant dominis tantum, nee domos uno in loco mansuras quae ex incendiis rapi non possent. .... nondum libebat parietes totos tinguere etc.
Aus derselben absprechenden Beurteilung der Wandmalerei heraus konnte Petronius sagen, daß es mit der Malerei zu Ende
1) Letronne, Lettres d'un antiquit. 257 £E., Heibig, Untersuchungen S. 60 ff., Brunn, Geschichte der griechischen Künstler S. 306 ff".
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 247
gehe, während aus den vorhergehenden Worten hervorgeht, daß es sich um die Tafelmalerei handelt. Satir. 88 (Buecheler) : erectus his sermonibus consulere prudentiorem coepi aetates tabu- larum et quaedam argumenta mihi obscura simulque causam desidiae praesentis excutere, cum pulcherrimae artes perissent, intcr quas pictura ne minimum quidem sui vestigium reliquisset.
Ebenso ist es auf die Tafelmalerei zu beziehen, wenn Pe- tronius, nachdem er über den Verfall der Beredsamkeit und Geschichtschreibung gesprochen, an einer anderen Stelle sagt: Satir. 2 pictura quoque non alium exitum fecit, postquam Aegyp- tiorum audacia tarn magnae artis compendiariam invenit?)
Diese beiden Stellen des Petronius und die erstangeführte des Plinius geben daher nicht einfach, wie Heibig meinte, ein ab- schätziges Urteil über die Malerei ihrer Zeit, sondern das Wert- urteil, das in ihnen liegt, bezieht sich, wiedieVergleichung mit den anderen Pliniusstellen lehrt, nur auf die Wandmalerei, während sie in bezug auf die Tafelmalerei mit den Worten moriens ars und pictura exitum fecit nur die historische Tatsache ausdrücken, daß eben die Tafelmalerei zu absoluter Bedeutungslosigkeit herabgesunken war. Beurteilt wird nur das Verhältnis der Tafel- malerei zur Wandmalerei. Für die letztere lehren uns diese Stellen zunächst die vielleicht berechtigte Geringschätzung, die sowohl Petronius als Plinius ihr gegenüber hatten, sodann aber die historische Tatsache, daß sie, wenigstens ihrer Ausdehnung nach, in höchster Blüte stand und die Tafelmalerei abgelöst hatte. Diese Überlieferung steht in absolutester Übereinstimmung mit den Monumenten, und der Widerspruch, den Heibig zwischen beiden zu finden glaubte, erklärt sich aus der Übertragung dessen, was beide Zeugen über die Tafelmalerei sagen, auf die gesamte Malerei. Damit sind auch die Schlüsse, die Heibig aus diesem Widerspruch zog, hinfällig.^)
1) Vgl. Heibig, a. a. O., S. 136 ff.
2) a. a. O. S. 61: ,, Somit werden wdr auch hier zwischen Erfindung und Ausführung zu scheiden haben. Daß sich die letztere in dem ersten Jahrhundert der Kaiserzeit auf einer verhältnismäßig hohen Stufe hielt, ist nach den Wandbildern, die doch nur einen annähernden Begriff von den \^orzügen der gleichzeitigen Tafelmalerei geben, unzweifelhaft."
248 I^- Kopien griechischer Tafelbilder.
Die Möglichkeit, daß die römischen Kompositionen des vierten Stils Kopien gleichzeitiger Tafelbilder sind, ist also aus- geschlossen, wäre es auch ohne die Schriftquellen durch den Entwicklungsgang der Wandmalerei, Daß wir, auch wenn wir von dem direkten Beweis aus der Untersuchung der Gemälde heraus absehen, berechtigt sind, der von Plinius und Petronius so hart getadelten Wandmalerei originale Schöpfrmgen von immer- hin großer künstlerischer Höhe, wie sie uns in den besten pom- pejanischen Gemälden vorliegen, zuzutrauen, geht daraus hervor, daß Plinius sich trotz seines wegw^erfenden Urteils veranlaßt sieht, außer Studius noch einige Wandmaler zu erwähnen. Allerdings deckt er sich gegen schärfere Kritiker für dieses Zu- geständnis durch das scharfe Urteil im 118. Paragraphen. Der zuerst genannte Arellius war natürlich, wie schon aus seiner Zeit hervorgeht, Tafelmaler und wird nur einer Kuriosität wegen aufgeführt; irgendwelche Ordnung dürfen wir in diesem bunt zusammengesetzten Abschnitte nicht erwarten^). Dagegen ist Famulus (?) wahrscheinlich ein Wandmaler gewesen. Das geht aus den Worten in machinis, die doch wohl schwerlich von einem an einer Staffelei arbeitenden Tafelmaler gesagt werden könnten, hervor und aus der Bemerkung carcer eins artis domus aurea fuit, et ideo non extant exempla alia magnopere. Dann ist es höchst wahrscheinlich, daß die großen in der domus aurea gefundenen Dekorationsreste mit ihm in Verbindung zu bringen sind.2) Bndlich sind Pinus und Attius Priscus, die gleichzeitig mit der letzten Periode der pompejanischen Malerei für Vespasian den Tempel des Honos und der Virtus ausmalten, zweifellos Wandmaler gewesen. Die Dekoration der vornehmen Häuser Roms und namentlich der Kaiserpaläste mußte ganz hervor- ragende Maler dieser Gattung heranziehen.
Es bleibt nun noch die Möglichkeit, daß die Bilder vierten
1) N. H. XXXV, 119 ff., vgl. Robert, Arch. Märchen, S. 85.
2) Mirri, Vestigia delle terme di Tito. Ponce, Description des Bains de Titus, Paris 1786; vgl. Robert, Rom. Mitt. 1901, S. 2090. Micha- elis, Codex Escurialensis S. 64 ff. Eine Vergleichung mit den pom- pejanischen Gemälden ist insofern schwierig, als es sich hier meist mn Deckengemälde handelt.
IX. Kopien griechischer Tafelbilder. 249
Stils mit römischer Kompositionsweise Kopien von Wand- gemälden wären, die sich von der Hand bedeutender Maler etwa in Rom oder in anderen Zentren der künstlerischen Ent- wicklung befanden. Die pompejanischen Maler hätten sich dann von diesen Wandgemälden in derselben Weise wie von Tafel- gemälden Kopien angefertigt, nach denen sie ihre eigenen Wand- gemälde ausgeführt hätten. Eine Entscheidung darüber kann ich nicht geben, vielleicht vermöchte eine eingehende Scheidung der einzelnen Maler und ihrer Arbeiten zu ihrer Lösung bei- zutragen. Die mancherlei direkten Beziehungen pompe janischer Gemälde untereinander scheinen dagegen zu sprechen; auch mögen einige der besten Bilder von auswärtigen Künstlern, die nach Pompeji berufen wurden, ausgeführt sein.
Bei der Erwähnung der Wandmaler Pinus und Priscus hat uns Plinius ein sehr wichtiges Kunsturteil überliefert (120) . Priscus antiquis simüior. Das Wesen der Entwicklung der Wand- malerei ist der allmählich immer stärker werdende Einfluß der älteren griechischen Tafelmalerei auf die neue, spezifisch römische Gattung der Malerei. Aus dem Urteil über Priscus, verglichen mit dem Abschnitt über Studius und Vitruv VII, 5, könnten wir genau dieselbe Entwicklung rekonstruieren, auch wenn ims kein Rest eines Wandgemäldes erhalten wäre.
X.
Ein griechisches Kompositionsprinzip.
Wir haben einige nach dem Prinzip des Alexandermosaiks komponierte Bilder kennengelernt (H, 1309, H. 1297, H. 1157?), die ihren stilistischen Eigenschaften nach ungefähr in die gleiche Zeit gehören mögen. Daß diese Kompositionsweise sich nicht auf einen begrenzten Zeitraum beschränkte, sondern neben anderen und entwickelteren Formen fortbestand, geht aus Monumenten und Schriftquellen hervor. Deshalb können wir erwarten, ihr auch auf pompe janischen Gemälden zu begegnen, deren Originale nicht mehr in den Ausgang des vierten Jahr- hunderts, sondern in spätere Zeiten des Hellenismus gehören.
H. 1284I) stellt das Urteil des Paris dar. Das Bild gehört zu der Klasse geringer Arbeiten, die die Figuren eines griechischen Tafelbildes mit geringer Sorgfalt, aber ohne größere Veränderungen kopieren und aus Eigenem nur einen Hintergrund hinzufügen. Dieser besteht nur aus einer flüchtig angedeuteten Bergkuppe, ähnlich wie auf dem Bilde zweiten Stils H. 323. Die Stellung der Figuren weicht gänzlich ab von der spezifisch römischer Kompositionen und weist darauf hin, daß in dieser Beziehung das Original ziemlich treu wiedergegeben ist. An der linken Seite sitzt Paris, rechts stehen die drei Göttinnen, dazwischen Hermes. Mit Ausnahme des umgestellten Hermes entspricht Zahl und Reihenfolge der Figuren der Gruppierung auf den
1) Abb. b. Löwy, Melanges Nicole, S. 653, Abb. 5, vgl. auch Giiida 1263, Rom. Mitt. V, 1890, S. 272 ff.
X. Ein griechisches Kompositionsprinzip. 2'^!
Bildern H. 1286 (oben S. 103) und H. 1285 (obenS. 161). Während aber dort die Figuren, wenn wir von der Umstellung auf dem Bilde H. 1285 absehen, in strengem Nebeneinander aneinander- gereiht sind, stehen hier in einer vorderen Ebene Paris, Athena und Aphrodite, die beiden anderen Figuren dagegen etwas weiter zurück, und während dort verhältnismäßig große Intervalle zwischen den einzelnen Figuren sind, ist hier die Bildfläche fast in ihrer ganzen Breite mit Ausnahme unwesentlicher Lücken an den Seiten von ihnen ausgefüllt. Um dies zu erreichen, ist Hera, welche dort saß, stehend gemalt, und die Figuren sind so eng aneinandergeschoben, daß von den beiden hinten stehenden, besonders von Hera, große Teile verdeckt werden. Daher ist die Gruppe kaum breiter als hoch, im Gegensatze zu der Weit- läufigkeit des Bildes H. 1286.
Durch diese Veränderungen ist die gleiche Komposition entstanden, wie auf dem Alexanderm.osaik oder, um ein weniger figurenreiches Beispiel heranzuziehen, auf dem Briseisbilde H.1309. Die Ausfüllung der Fläche ist dort vielleicht noch exakter, aber inhaltliche Gründe verboten es bei der Darstellung des Paris- urteils, zu diesem Zwecke Nebenfiguren zu verwenden, wie dort die im Hintergrunde befindlichen Krieger, und der gleiche Effekt, wenn auch nicht ganz so vollkommen, mußte und konnte durch das enge Zusammendrängen der fünf Figuren erreicht werden. Auf dem Briseisbilde war ein altes Kompositionsprinzip über- nommen und dem neuen Empfinden gemäß umgestaltet worden, hier wurde nicht nur ein Kompositionsprinzip, sondern eine vorhandene Darstellung von einem hellenistischen Künstler umgewandelt. Zw^eifellos kannte er ältere Darstellungen, wie sie durch die Bilder H. 1286 und 1285 vertreten sind, und schuf sie bewußt nach dem Prinzip des Alexander- mosaiks um. Der Zusammenhang geht aus der Verwandt- schaft der gesamten Darstellung, auch aus der Überein- stimmung des Paris mit dem des Bildes H. 1285 hervor. Wir haben demnach in dem Originale dieses Bildes eine dritte Variante vor uns, die gegenüber den beiden anderen eine grund- legende Veränderung bedeutet und unmöglich als eine selbständige Umwandlung durch den pompejanischen Maler an-
2^2 X- Ein griechisches Kompositionsprinzip.
gesehen werden kann. Zwei Einzelheiten sind für die zeitliche Aufeinanderfolge der drei Versionen interessant, obwohl sie nicht für sie bestimmend sind. Auf dem Bilde H. 1286 ist Aphrodite eng in Gewänder gehüllt, H. 1285 ist der Oberkörper nackt, H. 1284 ist nur der rechte Oberschenkel von einem Gewand- zipfel bedeckt. Während auf den beiden ersten Bildern Paris in heroischer Nacktheit erscheint und nur durch die phr3^gische Mütze als Barbar gekennzeichnet wird, ist er auf dem Bild H. 1284 in ein reiches orientalisches Kostüm gekleidet. Die für die Erscheinung der Figuren in der Fläche so bedeutungs- volle segmentförmige Begrenzung der Gruppe nach oben ist auch auf dieser Weiterbildung erhalten, wo sie durch den Gegen- satz der eine geschlossene Masse bildenden Figurengruppe zu der freien, oberen Fläche noch wirkungsvoller ist, aber nicht mehr die halbkreisförmige Gestalt hat wie dort.
H. 1140 (Guida 1319) stellt Herakles bei Omphale dar in einer von den Bildern dritten Stils H. 1136, 1137 und 1138 und dem mit ihnen zusammengehenden Bilde H. 1139 gänzlich abweichenden Gestaltung. i) Die drei Hauptfiguren, Priap, Herakles und Omphale, stehen wie bei dem Parisurteile in einer Raumschicht dicht nebeneinander. Zwischen ihnen bleiben nur geringe Lücken, die wie auf dem Briseisbilde von den Körpern und Köpfen von Nebenfiguren, den Mädchen der Omphale, aus- gefüllt werden. Durch das Erscheinen der Köpfe der hinteren Figuren konnte der Eindruck eines ziemlichen tiefen Hinter- einander, hier von drei Figuren, hervorgebracht werden, ohne daß doch eine wirkliche räumliche Vertiefung dargestellt wurde. Eine ungefähre Augenhöhe ist nicht angenommen, nur von dem Boden, auf dem die Figuren stehen, ist eine Aufsicht gegeben und dem entsprechend erscheinen die Köpfe der hinten stehenden Dienerinnen, die aber auch wohl an sich kleiner gedacht sind als die Hauptfiguren, tiefer als die der vorderen Figuren. Da- durch ist diese Art der Darstellung grundsätzlich verschieden von der spezifisch römischen auf den Bildern So. 527, 539 (oben
^) Niccolini, Le case ed i monumenti di Pompei I, 60, Photogr. vSoirmier. 9225.
X. Ein griechisches Kompositionsprinzip. , 253
S. 142), WO die Köpfe der hinteren Figuren in der Fläche sich in die Höhe aufbauen. Zweifellos ist das griechische Original mit großer Treue kopiert. Mit dem Parisurteil verbindet es nicht nur die Anordnung der nebeneinander stehenden Figuren, bei der die Vertikalen eine große Rolle spielen, sondern auch die bogenförmige obere Begrenzungslinie. Trotzdem ist es nicht wahrscheinlich, daß beide Bilder dieselbe Bntstehungszeit haben. Es ist allerdings gewagt, bei dem Parisurteil aus der elenden Ko- pie Schlüsse auf den Stil des Originals ziehen zu wollen, aber es scheint ihm doch die lastende Massigkeit und schwere Bewegung des Heraklesbildes zu fehlen. Wir finden diese am ähnlichsten auf dem nach Pergamon gehörenden Telephosbilde H. 1143, das uns vielleicht einen wenn auch nur ganz ungefähren Anhalt für die zeitliche Ansetzung geben kann. Auch die Größe der Figuren im Verhältnis zur Bildfläche ist dieselbe wie auf den Bildern H. 1143, 114, 320, die vielleicht in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts gehören, und dieser allgemeinen zeit- lichen Ansetzung würden die übrigen stilistischen Eigenschaften des Gemäldes wenigstens nicht widersprechen.
Auf den diesem Bilde entsprechenden Gemälden desselben Zimmers H. 379 (Guida 1317)^) und 565^) sind die charak- teristischen Momente, Erzielung von Raumtiefe und räum- licher Zusammenschluß durch Ausfüllung der Fläche, nicht so treu gewahrt, aber die Kopien mögen auch darin genau sein und höchstens, wie es häufig geschehen ist, die Ge- schlossenheit der ursprünglichen Komposition etwas gelockert haben, besonders H. 565. Auf dem Bilde H. 379 war aus einem rein sachlichen Grunde, nämlich wegen der darzu- stellenden Tiere, eine solche Füllung nicht möglich, dafür schließen sich oben die Figuren eng zusammen. Die lyücken des unteren Teils lassen uns aber erkennen, daß tatsächlich kein räumlicher Zusammenschluß vorhanden war wie auf allen römischen Gemälden, abgesehen von friesartigen Dar- stellungen, sondern daß der Boden, auf dem die Figuren stehen.
1) NiccoHni I, T. 54.
2) Niccolini I, T. 57.
254 ■^" ■^^^ griechisches Kompositionspriiizip,
sich nicht fortsetzt, und mit den Figuren auch der Raum auf- hört. Nahe verwandt mit diesem Bilde ist der „Bacchische Zug" im Hause des M. Lucretius Fronto.i) Auf dem Bilde H. 565, der Schmückung eines Tropaions, ist nur eine unbedeutende lyücke zwischen den Figuren, aber die Gruppierung ist nicht so geschlossen wie auf den beiden anderen Bildern. Den oberen Abschluß bildet auf den Gemälden H. 379 und 565 keine ein- heitlich geschwungene lyinie wie auf dem Heraklesbilde, sondern ein unregelmäßiges Steigen und Fallen, dessen Höhepunkt aUer- dings nach der Mitte zu gelegen ist.
In den hellenistischen Gemälden mit einer schmalen, bühnen- artigen Räumlichkeit spielte die diagonale Anordnung der Figur eine Rolle, so bei Narkissos, Kyparissos, Adonis, Auf dem Bilde H. 1369,2) das die Schmückung des Hermaphroditen darstellt, ist diese Komposition mit der der eben besprochenen Bilder vereinigt. Dem Gegenstande nach würde man sich die Szene in einem Innenraume spielend denken. Wahrscheinlich war auf dem Originale die Räumlichkeit überhaupt nicht be- zeichnet, denn die hier im Hintergrunde erscheinende Alauer und die ein Gefäß tragende Säule mitsamt dem zwischen beiden ausgespannten Vorhange sind zweifellos ein Zusatz des pom- pejanischen Malers. In einer vorderen Raumschicht befindet sich links eine stehende, von Gerhard^^) als Aphrodite mit dem Barte (?) gedeutete Gestalt, daneben der sitzende Hermaphrodit, dessen ausgestrecktes rechtes Bein beinahe bis zur unteren rechten Bildecke reicht. Da seine Stellung auch räumlich schräg ist, steht die rechts hinter ihm befindliche Frau gegenüber den vorderen Figuren nur wenig zurück. Die große Lücke zwischen ihr und dem Oberkörper des Hermaphroditen wird durch ein etwas tiefer stehendes Mädchen ausgefüllt, das jenem eine Kette um die Brust legt. So ist auch hier bis auf einen schmalen oberen Teil die ganze Fläche mit Figuren ausgefüllt,
1) Not. d. scav. 1901, p. 155, Fig. 9, Rom. IMitt. 1901, S. 342, Fig. 4, Zeitschrift für bildende Kunst 1901, S. 289, Abb. 3.
2) Rochette, choix 10.
3) Arch. Zeit. I, 1843, S. 84 fE., Taf. V, i.
X. Ein griechisches Kompositionsprinzip. 255
von denen die seitlichen zugleich eine Art von Rahmen für die schräg sich aufbauende Gestalt des Hermaphroditen geben. Die Größe der Figuren ist die gleiche wie bei den vorher be- sprochenen Bildern und mag für eine gleiche Entstehungszeit sprechen, die Darstellung selbst scheint auch hier nach dem Osten zu weisen.
An das Parisurteil H. 1284 lassen sich noch zwei Kom- positionen anschließen, die einige gegenüber der Gesamt- anordnung nur sekundäre, aber doch wichtige Abweichungen aufweisen, zunächst die Bilder, die Auge darstellen, wie sie bei der Wäsche am Bach von Herakles überrascht wird. Von ihnen ist das beste und vollständigste das im Hause der Vettier be- findliche Exemplar (s. oben S. 186). Wie oben ausgeführt, ist die landschaftliche Szenerie das Werk des pompejanischen Malers; auf das Original sind nur die Figuren, diese aber bis auf die Qualität ohne wesentliche Veränderungen, zurückzuführen.
Fünf Figuren sind, wie auf dem Bilde H. 1284, eng zusammen- geschlossen, sodaß der größte Teil der Fläche von ihnen aus- gefüllt ist, drei befinden sich in einer vorderen Ebene, während die Lücken zwischen ihnen durch die beiden hinten stehenden geschlossen sind. Den Rahmen des Originals müssen wir unten unmittelbar unter den Figuren laufend denken, sodaß gerade noch das Ufer des Baches angegeben werden konnte, wälirend er an den Seiten direkt neben den Füßen der seitlichen Figuren an- setzte und oben nur einen schmalen Raum freiheß. Die Gesamt- heit der Figuren ist auch hier durch eine im wesentlichen s^'^m- metrische, ungefähr halbkreisförmige Linie begrenzt, die wie bei dem Parisurteil H. 1286 auch die äußeren Konturen der genau entsprechend gestellten und aufgebauten seitlichen Figuren einschließt. Der Höhepunkt dieses Aufbaues befindet sich nicht genau in der Mitte, sondern ist in der Figur der geflügelten Frau nach links verschoben, wie bei dem Parisurteil H. 1284 in der Gestalt des Hermes. Die Lücken zwischen den Figuren sind dort unbedeutend, hier beanspruchen sie schon mehr Auf- merksamkeit, da nicht nur zwischen den Beinen des Herakles, sondern zu beiden Seiten zwischen den sich nach innen neigenden Gestalten und dem Rahmen Teile der Fläche leer bleiben. Der
2Kß X. Ein griechisches Kompositionsprinzip.
ursprüngliche Charakter der Komposition ist dadurch nicht auf- gehoben, aber es hat sich in eine neue Erscheinung umgesetzt, die in der Verschmelzung der Figuren zu einer einzigen Gruppe besteht. Auf älteren Gemälden, auch bei dem Parisurteil, besteht die Grup- pierung in einer Nebeneinanderstellung der einzelnen Figuren, und wenn mehrere Figuren zu einer Gruppe in dem uns gewohnten Sinne vereint sind, wie die mittleren Figuren des Iphigenie- bildes H. 1304, so bilden sie nur einen Teil der gesamten Dar- stellung und sind nicht zu einer so geschlossenen Masse geformt wie auf diesem Bilde, Eine abweichende Art der Gruppenbildung finden wir auch auf den Pentheus- und Dirkebildern des Hauses der Vettier, ein Unterschied, der nicht auf der Verschiedenheit von Zeit und Schule zu beruhen braucht, sondern nur die Mannigfaltigkeit gleichzeitig üblicher Kompositionsprinzipien beweist; eine genauere Datierung unseres Bildes außer dem terminus post quem 330 wird kaum möglich sein. Bei jenen Bildern im Hause der Vettier beruht die Gruppierung auf dem rhythmischen Wechsel von Formen und Intervallen, d. h. die Beziehung der Figuren untereinander ist dem Ver- hältnis der Gesamtheit der Figuren zu der Fläche untergeordnet. Auf diesem Bilde dagegen ist die Bedeutung der Bildfläche da- durch, daß sie von den Figuren fast ganz ausgefüllt ist, aus- geschaltet, und das Wesen der Komposition besteht in der Be- ziehung der einzelnen Figuren untereinander innerhalb einer von den Figuren auszufüllenden Raumschicht. Diese Ver- bindung der Figuren erklärt sich daraus, daß diese Art der Gruppenbildung aus dem Kompositionsprinzip des Parisurteils H. 1284 entstanden ist. Innerhalb einer sehr breiten Raumschicht von geringer und gleichmäßiger Tiefe sind die Figuren in ihrer Stellung und jeder Bewegung so aufeinander berechnet, daß sich keine aus dem Zusammen- hange lösen läßt, ohne die anderen Figuren künstlerisch un- verständlich zu machen; am charakteristischsten dafür ist das Verhältnis des Herakles zu dem Mädchen auf der anderen Seite des Bildes, das für den Eindruck am wesentlichsten ist. Damit ist die Einheit der einzelnen Figuren der höheren Einheit ihrer Gesamtheit vollkommen untergeordnet und zum ersten Male
X. Ein griechisches Kompositionsprinzip.
257
eine eigentliche Gruppe geschaffen, die in ihrer in der Fläche ausgebreiteten und räumlich flachen Geschlossenheit eine durch ihre Entstehung bedingte eigentümliche Form besitzt. Nachdem
Abb. 3S. Tod des Xeoptoleinos. Nach Phot. Brogi.
diese Gruppierung zur Hauptsache geworden war, konnte die ursprüngliche ängstliche Ausfüllung der Fläche etwas vernach- lässigt werden. Daraus erklären sich die Lücken in der Figuren- komposition dieses Bildes.
Rodenwaldt, Pompejanische Wandgemälde
17
258 X. Ein griechisches Kompositionsprinzip.
Eine ähnliche Komposition zeigt die Figurengruppe des Gemäldes im Hause des M. Lucretius Fronto, das die Tötung des Neoptolemos durch Orest (Abb. 38) darstellt. i) In der vorderen Raumschicht befinden sich hier Neoptolemos, der Delpher, der ihn von links angreift und die zu Boden gesunkene Tempeldienerin. Unmittelbar hinter ihr und mit dem Oberkörper in die vordere Raumschicht hineinragend steht Orestes, während die Fläche links durch die Gestalt des Apollo ausgefüllt wird. Diese tritt in ihrer einfachen Zeichnung und hellen Färbung gegenüber den anderen Figuren so zurück, daß sie ihnen nur in ihrer Funktion die Fläche auszufüllen gleichwertig ist, während sie für den Auf- bau der Figuren kaum in Betracht kommt. Der dadurch bewirkte Gegensatz des Gottes zu den vorne kämpfenden Menschen ist ge- wiß beabsichtigt und sicher dem Originale zugehörig. Die Gestalt wirkt wie ein Teil des Hintergrundes. Die vorderen vier Figuren füllen mit ihren flatternden Gewändern den größten Teil der Fläche aus, doch sind die lyücken sowohl zwischen den Figuren unter einander wie zwischen den seitlichen Figuren und dem unmittelbar neben ihren Füßen ansetzenden Rande noch größer als bei dem vorigen Bilde. Die drei Figuren der vorderen Raum- schicht sind in Form eines Dreiecks aufgebaut, dessen linker Teil durch die Fülle der Formen den rechten übertrifft; durch die Gestalt des Orestes wird der Schwerpunkt des Aufbaues nach rechts verschoben. Das seitliche schräge Ansteigen der Gruppe, die geschwungene obere Begrenzung mit dem seitlichen Höhepunkt stimmen mit dem vorigen Bilde überein. Offenbar ist die Gruppe ziemlich genau aus einem vorläufig nicht datier- baren hellenistischen Tafelbilde kopiert, während die mancherlei Härten und die ganz eigentümlich manierierte Gewandbehandlung wohl dem pompe janischen Maler zugeschrieben werden können.
Im Hintergrunde sehen wir außer einem Stiere, der noch einen Teil der I^ücken zwischen den Figuren ausfüllt, einen den größten Teil der Fläche einnehmenden Tempel und einen Dreifuß. Sind diese, wie so viele Hintergründe, von dem pom-
1) Not. d. scavi 1900, p. 199, Fig. i, Rom. Mitt. 1901, S. 347, Abb. 7, Zeitschrift für bildende Ktmst 1901, S. 290, Abb. 4 (Engelmann).
X. Ein griechisches Kompositionsprinzip. 259
pejanischen Maler hinzugefügt, oder waren sie schon auf dem Originale vorhanden? An sich wäre bei diesem Kompositions- prinzip das Vorhandensein dieser räumlich entfernten Dinge nicht unmöglich; sie würden dem Baume auf dem Alexander- mosaik und dem Zelt auf dem Briseisbilde H. 1309 entsprechen. Kompliziert wird die lyösung durch die Frage, ob wir einen Zusammenhang zwischen dem Originale dieses Gemäldes und dem in den Ann. d. Inst. 1868, tav. d'agg. E veröffentlichten Vasenbilde anzunehmen haben, wie das namentlich R. Engel- mann a. a. O. getan hat. Auch dort ist die Tötung des Neopto- lemos dargestellt vor einem Tempel und einem Dreifuß im Hintergrunde, eine gewiß auffallende Analogie. Aber es fehlt dem Vasenbilde jeglicher räumliche Zusammenschluß, der auf dem Originale des pompejanischen Bildes durch die Ausfüllung der Fläche doch wenigstens scheinbar erreicht war; Tempel und Dreifuß bilden keineswegs einen Hintergrund für die Figuren, sondern sind diesen völlig gleichwertig über die räumlich in- differente schwarze Fläche verteilt. Wenn es überhaupt möglich ist, von dem Vasenbilde, abgesehen von den Motiven der Figuren, irgendwelche Schlüsse auf ein gleichzeitiges Tafelgemälde zu ziehen, so müßten wir annehmen, daß der Künstler, von dem das Original des pompejanischen Bildes stammt, die Komposition eines älteren Gemäldes durch Zusammenrücken der Figuren in ähnlicher, nur noch durchgreifenderer Weise umgestaltet hätte, wie es bei dem Parisurteil H. 1284 geschehen ist. Es fragt sich aber, ob die Übereinstimmungen mit dem Vasenbilde groß genug sind, um eine so kühne Hj^Dothese zu rechtfertigen.
Von den Figuren haben nur die des Neoptolemos und des lanzen werf enden Mannes beider Bilder miteinander Ähnlichkeit; auch beim Neoptolemos ist, wenn wir von der irrelevanten Dar- stellung im Gegensinne absehen, die Haltung von Armen, Kopf und Oberkörper verschieden. Es bleibt das Aufstützen des Kniees, aber dieses Motiv ist für einen an den Altar geflüchteten Helden so üblich, daß sich daraus keine Schlüsse ziehen lassen. Der Lanzenwerfer ist, abgesehen von der Verschiedenheit der dargestellten Person, auf dem Vasenbilde bis auf den über Arm und Schulter hängenden Mantel nackt, auf dem pom-
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200 ^- ^'^ griechisches Kompositionsprinzip.
pejanischen Gemälde dagegen in ein langes Gewand gekleidet. Alle anderen Figuren sind völlig verschieden; auf dem Vasen- bilde fehlt der den Neoptolemos mit der Lanze verwundende Delpher, die Tempeldienerin, der Opferstier; Orestes ist hinter dem Omphalos versteckt, Apollo sieht von der Höhe dem Kampfe zu, links oben erscheint die Pythia mit vor Schrecken erhobenen Händen. Sie fehlt auf dem Gemälde, ebenso die Palme und der Omphalos; die Tempel haben nur eine ganz entfernte Ähnlichkeit miteinander. So bleibt nur die inhaltliche Verwandtschaft der Darstellung, aber selbst diese ist nur sehr allgemein. Wenn wir beide Monumente von Euripides ab- hängig denken, so entspricht das pompejanische Gemälde den Versen Androm. 1149 — 1152, das Vasengemälde der in den Versen 11 14 — 1126 beschriebenen vorhergehenden Szene. Daher glaube ich, daß keinerlei Zusammenhang zwischen beiden Dar- stellungen vorhanden ist. Bei einer vor dem delphischen Tempel spielenden Begebenheit einen Tempel und einen Dreifuß hinzu- zufügen, lag so nahe, daß es auf verschiedenen Darstellungen unabhängig voneinander geschehen konnte.
Das Vasenbild muß also bei der Frage nach der Originalität des Tempels ausgeschaltet werden. Interessant ist aber eine Vergleichung der perspektivischen Zeichnung beider Tempel. Auf dem Vasenbilde bildet die Traufrinne der Längsseite die Fortsetzung der Giebelsima, wir haben also, wenn wir von der naiven Vereinfachung der übrigen Darstellung absehen, einen Fall einer richtigen Perspektive vor uns. Diese Art der Zeichnung ist auch üblich bei den aediculae der unteritalischen Vasen, sofern dort überhaupt eine Ansicht der Seite gegeben ist.^) Dagegen ist auf dem pompejanischen Gemälde der Tempel gänzlich unperspektivisch gemalt, indem das Gebälk der Längs-
^) Oder die Horizontalen der Seite gehen noch stärker nach unten, nie ist das Dach sichtbar. Vgl. Wiener Vorlegebl. E, T. i, 2, 3, 6, Bl. ceram. III, 29 usw., dagegen weicht bei dem Tempel M. d. I. II, 43, Orest und Pylades vor Iphigenie (Watzinger, De vasc. Tarent. S. 34, no. 5), das Gebälk der Seite kaum von der Richtung der Front ab. Der Tempel ist aber auch hier von vorne gesehen, und das Dach nicht sichtbar.
X. Ein griechisches Kompositionsprinzip. 261
wand, dem die übrigen Linien der Architektur entsprechen, die gerade Fortsetzung des Gebälks der Front bildet und der Linie des Dachfirstes parallel ist. Diese Zeichnung stimmt annähernd überein mit der der Tempel auf den Bildern H. 114 und So. 551, wo sie sicher nicht dem griechischen Ori- ginale angehören, und die Übereinstimmung der Form und der Stellung im Bilde macht es sogar sehr wahrscheinlich, daß der Tempel des lasonbildes So. 551 die direkte Vorlage für den dieses Bildes abgegeben hat. Dann müssen wir uns natürlich die Längsseite der Bildfläche parallel und die Front nach hinten zurückweichend denken, umgekehrt wie auf dem Vasenbilde. Diese Art der Zeichnung widerspricht dem Streben der römischen Malerei nach ungefähr richtiger Perspektive; sie erklärt sich aber aus der Annahme eines in der Höhe des Gebälkes gelegenen Augenpunktes und schematischer Anpassung der übrigen Linien an die des Gebälkes. So finden wir sie neben richtiger gezeichneten Architekturen auf vielen Landschaftsbildern, z. B. auf den kleinen Bildchen dritten Stils mit Darstellungen römischer Villen aus demselben Hause. ^) Auch sie könnten die Zeichnung dieses Tempels beeinflußt haben. Auf dem Ledabilde H. 114 ist der Giebel perspektivisch gezeichnet, und die Linien des Gebälkes gehen, wenn auch nur wenig, dem hohen Augenpunkt ent- sprechend nach unten. Beides ist auch noch bei dem Tempel des lasonbildes vorhanden, aber so verflüchtigt, daß es erst durch Messung festgestellt werden kann. Bei einer weiteren
^) Jahrb. d. Inst. XIX, 1904, T. 5 — 7. Aus ihnen geht die spezifiisch römische Art dieser Zeichnung hervor. Wir finden sie genau entsprechend auf „hellenistischen Reüefbildern", die ich sonst absichtüch nicht heran- gezogen habe; iin Gegensatz zu der Isoherung auf Vasen vom Rande ausgehend und als Hintergrund: auf der Ära Pacis (Petersen, T. VII mit einem dem Ledabilde H. 114 genau entsprechenden Winkel), einem der Wiener Brunnenreliefs (Schreiber T. 2), den Rehefs Spada (Schreiber T. 6, 7), den KitharodenreHefs (a. a. O. T. 34 — 40; über ihre Zeit zuletzt Studniczka, Jahrb. d. Inst. XXI, 1906, S. 77 fP.), ferner Schreiber, T. 74, 79, 89, 94, 99; nicht vom Rande aus- gehend, aber in derselben Art gezeichnet: T. 10, 80, 103, femer beim Grabmal der Haterier, auf Triumphahrehefs, Sarkophagen usw. Sie kann geradezu als ^Merkmal römischer Entstehung verwandt werden.
202 ^' ^i^ griechisches Kompositionsprinzip.
Nachbildung ohne Konnex mit wirkhcher Beobachtung mußte die schematisierte Gestalt des Neoptolemosbildes herauskommen, die also ein Produkt direkter Fortbildung eines im zweiten Stile entstandenen Motivs durch den dritten und vierten Stil hin- durch ist. — Ob der Dreifuß ebenfalls von dem pompejanischen Maler hinzugetan oder original ist, läßt sich kaum entscheiden.
An die Gruppierung der beiden eben besprochenen Gemälde, die Ausbreitung mehrerer zu einer Einheit zusammengeschlossener Figuren in einer Raumschicht, lassen sich vielleicht noch andere Kompositionen anschließen, bei denen das Prinzip der Flächen- füllung noch mehr zurücktritt, z. B. H. 206 ff,,i) wo Apollo und Daphne zu einer geschlossenen, in der Fläche ausgebreiteten, pyramidenförmig aufgebauten Gruppe vereint sind. Die Kom- position entspricht, abgesehen von der kleineren Zahl der Figuren, genau der von Herakles und Auge, wenn wir uns die seitlichen Rahmen des Originals unmittelbar neben den nach außen gestellten Füßen der beiden Figuren denken.
E. Maaß^) wollte das Augebild als die Kopie einer Erz- gruppe des Euthykrates ansehen. Nach dem oben Ausgeführten ist diese Annahme unmöglich, das Original war sicher ein Ge- mälde, da seine Komposition sich nur aus der Entwicklung der Malerei heraus verstehen läßt. Andererseits hat Maaß recht, wenn er die große Verwandtschaft mit einer plastischen Gruppe empfindet, nur daß bei dem in unserem Sinne unmalerischen Charakter der griechischen Malerei daraus nicht auf eine Priorität der Skulptur geschlossen werden darf, sondern eher der um- gekehrte Prozeß angenommen werden muß. Diese Gruppen- komposition ließ sich ohne Veränderung nicht nur ins Relief, das immer mit der Malerei zusammengeht, sondern auch in die Freiplastik übertragen, und wir dürfen bei Gruppenbildungen, im Gegensatze zu Einzelfiguren, immer eine Abhängigkeit der Skulptur von der Malerei annehmen. Vielleicht dürfen wir uns das Symplegma des Kephisodot und das des Heliodor als ähnHch
1) H. 208: M. B. X, 58, Röchelte, choix 5. Overbeck, Atlas zur griechischen Kunstmythologie, T. XXVI, 9.
2) Jahrb. d. Inst. XXI, 1906, S. 97. Dazu Robert b. Pauly-Wiss.
X. Kill griechisches Kompositionsprinzip. 263
komponierte Gruppen vorstellen/) etwa wie die Gruppe von Apollo und Daphne H. 206 ff., die sich auch ohne weiteres in Marmor übertragen ließe. Natürlich brauchten diesen Bild- werken keine direkten malerischen Vorlagen vorzuliegen, sondern es handelte sich um die Übertragung eines Kompo- sitionsprinzips aus der Malerei in die Plastik.
Daß es sicher in die Skulptur übertragen worden ist, lehrt die Gruppe des Laokoon. Wie bei dem Auge- und dem Neopto- lemosbilde bauen sich die zu einer Einheit verbundenen Figuren ungefähr pyramidenförmig in die Höhe auf, die Spitze ist auch hier nach der Seite verschoben. Die Lücken zwischen den Figuren sind nur gering und werden zum größten Teile durch den Altar und die herabhängenden Gewänder geschlossen. Man vergleiche den sehr ähnlichen Aufbau der drei vorderen Figuren auf dem Neoptolemosbilde. Doch muß man zum Vergleiche auch noch die Figur des Orestes heranziehen, durch die erst die entsprechende seitliche Verschiebung der Spitze hervorgebracht wird. Orestes befindet sich räumlich etwas tiefer, und gerade diese Teilung des die gesamte Gruppe einschließenden, relativ schmalen Raum- volumens in eine vordere und hintere Schicht ist für diese Kom- positionsweise wegen ihrer Entstehung aus dem Prinzip des Alexandermosaiks charakteristisch. Es ist bei der übrigen Über- einstimmung der Laokoongruppe mit der Komposition jener Bilder wichtig, daß wir auch bei ihr diese Teilung finden. Der linke Sohn und das vorgestellte rechte Bein des Laokoon be- finden sich in einer vorderen Raumschicht gegenüber der übrigen Gruppe. Bei der üblichen Erklärung der Form der Laokoon- gruppe durch die Bestimmung für eine Nische findet gerade dieser Umstand keine Berücksichtigung, dagegen erklärt sich die Gruppe in ihrer gesamten Erscheinung, dem Aufbau, der fast lückenlosen Ausbreitung in der Fläche, dem Hintereinander zweier schmaler Raumschichten durch die Anlehnung an jenes in der Malerei entstandene Kompositionsprinzip.
Selbstverständlich ist es absolut nicht nötig anzunehmen,
1) Plin. XXXVI, 24 und 35, vgl. zuletzt Klein, Geschichte der griechischen Kunst II, S. 399, III, S. 255 ff.
264 ^- ^^^ griechisches Kompositionsprinzip.
daß die Künstler des lyaokoon ein Gemälde mit der gleichen Darstellung vor Augen gehabt haben, obwohl dafür der durch- aus plastische Charakter der Gruppe nicht als Beweis angeführt werden darf. Nur als Vermutung und unter allem Vorbehalt möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, daß ein älteres Ge- mälde mit dieser Darstellung existierte^) .
Schon oben ist die Räumlichkeit des Laokoonbildes So. 581 besprochen worden. Sie ist, ob nun die Figuren mit der Gruppe des Laokoon zusammenhängen oder nicht, sicher ein Werk des pompejanischen Malers und ohne Anlehnung oder Kenntnis von Vergil^) in Ausspinnung der durch die Figurendarstellung ge- gebenen I^okalität geschaffen worden. Laokoon ist auf den Altar geflüchtet, rechts im Vordergrunde ringt der eine der Söhne mit der Schlange, der andere liegt tot am Boden. Mau, Kekule, Foerster, Klein u. a.^) haben mit Recht angenommen, daß die Übereinstimmungen mit der Gruppe, namentlich im Motiv und in der Bewegung des Laokoon, so groß sind, daß ein Zusammen- hang zwischen beiden Monumenten vorliegen müsse, und da kam als einzig diskutierbare Möglichkeit nur die Abhängigkeit des Gemäldes von der Gruppe in Frage. Nun wäre aber eine der- artige Benutzung einer plastischen Gruppe in der pompejanischen Malerei ein Unikum; denn die Parallelen der beiden Dirkebilder sind hinfällig und bei der sicher der Plastik entnommenen Gruppe von Chiron und Achill ist die Vorlage genau kopiert. Sodann wäre es unerfindlich, warum der Maler die Gewänder hinzugefügt
^) Die gleiche Anschauung, z. T. aus denselben Gründen, hat Milchhoefer ausgeführt im 42. Berliner Winckelmannsprogr. S. 38 f. (Die Befreiung des Prometheus.) Vgl. überhaupt seine Ausführungen über das Verhältnis der antiken Plastik zur Malerei.
2) Robert, Hermes XXII, S. 458 ff.
3) Mau, Anm. d. Inst. 1875, S. 273 — 289, Kekule, Zur Deutimg und Zeitbestinmiung des Laokoon 1883, S. 27 ff., R. Foerster, Verh. d. 40. Philologen vers., S. 74 ff., wo die übrige Literatur zusammen- gestellt ist, zuletzt Klein, Geschichte der griechischen Kunst III, S. 318. Kleins Ansicht, daß die von Foerster (Jahrb. d. Inst. VI, 1891, S. 185, Abb. 7) veröffentlichte Zeichnung Filippino Lippis auf ein stadtrömisches Wandgemälde zvurückgehe, läßt sich m. A. nach Foersters Untersuchung a. a. O. nicht halten.
X. Ein griechisches Kompositionsprinzip. 265
hätte, da er doch vor der Darstellung eines nackten Körpers bei dem rechten Knaben nicht zurückschreckte.
Die Qualität des Bildes ist, wie das namentlich Mau a. a. O, hervorgehoben hat, so gering, daß jede an den Stil ansetzende Kritik bedenklich ist. Trotzdem ist ein deutlicher Unterschied zu konstatieren zwischen den im Motiv ausgezeichneten und relativ auch besser gemalten Figuren des lyaokoon und des rechten Sohnes gegenüber dem auf dem Boden liegenden zweiten Sohne und den Figuren des Hintergrundes. Wir müssen, wie das auch bei einer Abhängigkeit von der Gruppe der Fall wäre, annehmen, daß der Maler sich für die beiden ersten Figuren an Vorlagen anschloß und die anderen selbst erfand. Die Ähn- lichkeiten mit der Gruppe sind nun immerhin so allgemeiner Natur, daß der Maler sie nur aus dem Gedächtnis reproduziert haben könnte.^) Dann wären die stilistischen oder Qualitäts- unterschiede zu den anderen Figuren unerklärlich; anders, wenn er eine direkte malerische Vorlage, sei es ein Tafelbild oder die Kopie eines solchen, besaß. Endlich stände das schöne Motiv des schmerzlichen Blickes, den Laokoon auf den mit der Schlange ringenden Sohn wirft, im Widerspruch zu der geringen Güte des Bildes, wenn wir es als Erfindung des pompe janischen Malers ansehen wollten.
Alle Analogien weisen auf die Benutzung eines Tafelbildes, dem wir die Figuren des Laokoon und des rechten Knaben zuweisen müßten. Natürlich ist die räumliche Verteilung der Figuren ein Werk des pompejanischen Malers; in dem Originale müßten wir den Knaben in dieselbe Ebene und unmittelbar neben Laokoon rücken. Den anderen Knaben müßten wir dann ergänzen und würden ihn auch ohne Kenntnis der plastischen Gruppe auf die andere Seite des Laokoon rücken, da die beiden erhaltenen Figuren den größeren Teil einer pyramidenförmig aufgebauten Gruppe bilden. Dann entstände ein Bild, das die größte Ähn- lichkeit mit der Gruppe der vier vorderen Figuren auf dem Neoptolemosbilde hätte. Die Lücken wären zum größten Teile durch die flatternden Gewänder, der Rest durch den auch hier
1) Vgl. Kekxüe, a. a. O. S. 29.
256 •^' -ß^^ griechisches Kompositionsprinzip.
hinter den Figuren nach rechts sprengenden Stier ausgefüllt. Die Ähnlichkeit im Aufbau, in dem Motiv der Tempeldienerin und des rechten Knaben, dem Stiere hinter den Figuren ist so groß, daß man beinahe geneigt sein möchte, einen engeren Zusammenhang zwischen beiden Bildern anzunehmen. Zeitlich bestimmt wäre es durch die Daten rund nach 200 und vor 50, nach Euphorion^) und vor der Gruppe.
Die Art, wie dieses Gemälde auf dem Bilde dritten Stils benutzt, eine Figur fortgelassen, andere hinzugefügt, eine Räum- lichkeit hinzugetan, der ursprüngliche Zusammenhang gelockert wäre, entspräche genau den Prinzipien dritten Stils, z. B. auf dem Dirkebilde H. 1151, den Nessosbildern H. 1146 usw. Anderer- seits ließen sich, wenn man daraus die Konsequenz zieht und die Gruppe von dem Bilde abhängig sein läßt, alle Veränderungen in ausführlicher ästhetischer Untersuchung rechtfertigen. Die Gruppe der drei Künstler stände zu diesem Gemälde, über dessen Güte wir kein Urteil mehr haben, in demselben abhängigen, und doch nach antiker Anschauung künstlerisch selbständigen, nicht nach- sondern fortbildenden Verhältnisse wie Apollonios und Tauriskos zu dem pergamenischen Gemälde.
^) Vgl. Foerster, a. a. O.
Register.
Achilleus 122. 220.
Achilleus auf Skyros 180. 238.
Admet und Alkestis 181 ff.
aediculae 17.
Aegyptische Motive 32. 149.
Aetion 3. 13.
Aineias b. Dido 140.
' Axiai 192.
Aktaion 49. 79. 213.
Aldobrandinische Hochzeit 17.
Alexandermosaik 6.
Antiphilos 3.
Apelles 9 f. 56.
Aphrodite 39.
auf pergam. Fries 218.
vmd Adonis 244.
fischend 194. 213. 244.
im Meer 233. 244. Apollo 146. 193.
Apollo und Daphne 187. 244. 262. Apollonios 226. Apollonis 224. Archelaosrelief 4. Arellius 248. Ares lind Aphrodite 41. 73. 125.
129. 211. 244. Ariadne 244.
Ariadne vmd Dionysos 164. 173. 244. Ariadne und Theseus 97. 244. Aristeides 6. Arteniis und Hippolytos 152 ff.
Artemon 233. Asklepiodoros 9. Assteas 116. Athenion 240. Attius Priscus 248. aulaea 13.
Bacchischer Zug 254. Bellerophon 132. Bildträger 35. 124. Boscoreale 21. 46. 82. Briseis 200.
Casa Tiberina 12. 32. 38. Casali, Sarkophag 156. Chiron 220. Chloris 151. Chryseis 203.
Daidalos und Ikaros 50 f.
Daidalos vmd Pasiphae 7^,. 97. i73-
Danae 244.
Danae auf Seriphos 232.
Deianeira 58,
Demetrios 27.
Dionysosknabe 253.
Dionysos, Pflege des 38.
Dioskurides, Gemme des 59.
Dioskurides, Mosaik des 4.
Dirke 52, 219 ff.
disposito 9.
Domus aurea i?:. 248.
268
Register.
Endymion 151. 190. 244.
Erdteile 144.
Eros, Bestrafving des 74.
Eros, Kampf mit Pan 30. 156.
Erotemiest 152.
Esqtiilin, Wandgemälde 34.
Euanthes 151.
Europa 54. 69. 89. 233. 244.
Euthykrates 262.
Famulus 248. Farnes, Stier 219 ff.
Galateia 36. 244. Ganymed 244. Gastmahl 92. 138. Gemma Augustea 59. Gerichtsdarstellungen 33. Grabreliefs, ostgriechische 116. Grabstelen, bemalte 112 ff.
Heiligtiun 38. 48. Hektor 95. 133. Helena 203. Heliodor 262. Herakles 80.
Lansdowne 178.
luid Auge 186. 255.
und die Hesperiden 100.
imd Nessos 54. 62 ff.
bei Omphale 61. 150. 155. 252. Herakles, die Schlangen würgend
179. 237. Herakles und Telephos 8. 206. Hermaphrodit 254. Hesione 80.
Hippolytos u. Phaidra 78. 108. 136. Hippys 2. Homer 30. Hygieia Hope 76.
lason 85 ff. 136.
lo üi Aegypten 158.
lo imd Argos 36. 159. 228.
Iphigenie 94. 165. 198.
Iphigenie auf Gemmen 167.
auf Sarkophagen 167. 170. Ixion 177.
Kephisodot -jj. 262. Kertscher Vasen -jG. Kleomenes, Ära d. 200. Kultscene 124. Kyparissos 226.
Landkarten 28. Laokoon 100. 263 ff. Leda 43. 213. 244.
AtifjLijiVK; 204.
Livia, Haus der 11. 38. Lykurgos 224.
Marmorbilder 8. Mars 151. Marsyas 244. Medea 109. 146. Meduse 50. megalographia 24. Melanthios 9. Meleager 60. 152. mensurae 9. Metragyrten 4. Mikon 233.
Minos vmd Skylla 139. Moschos 7. Musterbuch 243.
Naiskos 113.
Naiskosbilder 117 ff. 238.
Narkissos 160. 191. 244. 245.
Nealkes 7 .
necyomantea 232.
Nemesis 43.
Neoptolemos in Skyros 82..
Neoptolemos, Tod des 258.
Nereide 233. 244.
Nikias 77. 228 ff.
Nikomachos 6.
Odysseelandschaften 20 ff. Odysseus vmd Penelope 127. 145.
Register.
269
Odysseus und Teiresias, Relief 231. |
Plinius, |
XXXV, 107 |
9- |
|
Orakel 137. |
,, |
108 |
10. |
|
Orestes 258. |
112 |
3- |
||
Orestes vind Pylades 167. |
116 |
24, |
||
Orpheus 80. |
118 |
246 |
||
Ovid 159. |
119 138 |
248 3. |
||
Palladionraub 84. |
142 |
7- |
||
Pan 72. |
143 |
3- |
Pan luid Eros 30. 156.
Paris vmd Helena 109. 127.
Parisurteil 50. 103. 161. 250.
Parrhasios 2.
Pausias 9.
Peirithoos 143.
Peitho 39.
Pelias 85.
Pentheus 214 fi. 224.
Pergamenische Malerei 206. 219.
Pero 233.
Perseus vmd Andromeda 127. 151.
169. 230. 244. Perseus und Andromeda, Relief
169. 232. Perspektive in der griechischen Ma- lerei 9. 71. 74. 90. 97. 121. 142, 169. 252. Petronius 246 f. Phaidra 78. 108. 136. Philiscus 3. Philoxenos 6. Phrixos 232. 244. Pinus 248 f. Piraeicus 3. Plautus I I . Plinius, N. H.
XXXV, 26: II.
27 : II.
29 : 246.
50 : 246.
70 : 2.
74: 2.
80: 9.
92: 9.
99:6.
Polemon 2.
Polyphem und Galateia 36. 194. 244.
ponere 10.
Poseidon 193.
Primaporta 25.
Properz 227.
ReUefbilder 261. Rhea Silvia 151.
Römische Figuren 28 ff. 91. 176. 180. 193.
scaenae 25.
Schmückmig des Tropaions 245.
Schmückvmg zum Festzug 118.
Schutzflehender 42.
Serapion 25.
Sibylle von Marpessos 93. 131. 134.
Simus 3.
2/.oni(ci 192.
Sophoniba 137.
Studius 24. 26. 34.
OTvkoTTlPKXlK 224«
Sühnung 102. symmetria 9. Symplegma 262.
tabula picta 11. Tarentinische Vasen 17. 260. Tauriskos 226. Telephosfries 5. 7. 8. Tempel auf pompe janischen Ge- mälden 45. 84. 87. 94. 135. 261. Tempel auf unterital. Vasen 260. Theoros 202. Thetis auf dem Meere 54. 233.
270
Register.
Thetis bei Hephaistos 140. 235 fE. Vorhänge auf römischen Gemälden
Theseus 141.
Theseus rmd Ariadne 97. 244.
Thoas 170.
Timanthes 200.'
Timomachos 58. 148. 168 £E.
lonoyQutfog 27.
84. 122. 135. 137. 138. 140. 141. 174.
Wassergöttheiten 164. Wettstreit, musikaUscher loi f.
Villendarstellungen 48.
Vitruv 22. Zephyros 151.
Vorhänge auf griechischen Bildern Zeus imd Hera 203.
13. 182. 233. 234. 235. Zeuxis 3. 57.
Druck von G. Bernstein in Berlin.
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