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Die Meisterstucke der deutschen Lyrik. IV

DIE LYRISCHEN MEISTERSTUCKE

VON

JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

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DIE

LYRISCHEN

MEISTERSTUCKE

VON

GOETHE

ZWEITER BAND

l-MIT-EinLEITUnC-UnD-ANMEßKUflGEn W _^m VON ^^m.

RICMARDMMEYER,

LEIPZIG

•VERLAGVOttWILnELMWEICnER-

DIE

LYRISCHEN MEISTERSTÜCKE

VON

JOHANN WOLFGANG

VON GOETHE

IN ZWEI BÄNDEN

Mit Einleitung und Anmerkungen

von

RICHARD M. MEYER

ZWEITER BAND

Leipzig: "Wilhelm Weicher, Inselstrasse lo, p.r.

Paris : A. Perche, 45 Rue Jacob

Bruxelles : Spineux & Cie, 3 Rue du Bois Sauvage

Lausanne: Edwin Frankfurter, 12 Grand-Chene

London & Glasgow : Gowans & Gray, Ltd.

1908

INHALT GEDICHTE. ZWEITER THEIL

SONXTTE SEITE

Mächtiges UberrascJun ------ i

Rtisezehrung --------I

Abschied- --------2

Epoche ---------3

VERMISCHTE GEDICHTE KLiggesang --------^

NLahomets Gesang _.----- 6

Gesang der Geister über den Wassern - - - - 8

Meine Göttin - - - - - - - -lO

Harzreise im IVinter - - - - - -12

An Schivjger Kronos - - - - - "*5

IVandrers Sturmlied - - - - - - -16

Seefahrt - - - - - - - " -20

Prometheus - - - - ~ " -21

Ganijtned - - - - - - * "-3

Grunzen der Menschheit - - - - - "-4

Das Göttliche - - -26

Lilt's Park i!^

Liebebedürfniss - - - - - - - "3-

Morgenklagen - - - - - - - "33

Der Besuch - - - - - - - "35

Der Becher - - - - - - - "37

Nachtgedanken - - - - - - - "3^

An Lida .-------38

vi INHALT

SEITE Im Vorübergehn - - - - - - "38

AUS WJLIIELM MEISTER

Heiss mich nicht reden, he'tss mich schiveigen - - "39

Nur iver die Sehnsucht kennt - . . - . ^o

So las st mich scheinen, bis ich iver Je - - - . 40

IVer sich der Einsamkeit ergibt - - - - "41

An die Thüren ivill ich schleichen - - - - - 42

Pi^er nie sein Brot mit Thronen ass - - - - 42 Fhiline -.------.42

ANTIKER FORM SICH NÄHERND Warnung -._-._-- 44

Einsamkeit -------- 44

Erivählter Fels ---..--44

Spiegel der Muse - - - - - - -45

Schiveizeralpe --------4^

AN PERSONEN Ilmenau -------«-46

KUNST Der Wandrer --.-----52 Amor als Landschaf tsmahler - - - "59

ALTERSLYRIK

Trilo^ie der Leidenschaft

An Werther ------- 61

Elegie - - - - - - - "63

Aussöhnung - - - - - - -68

Aolsharfen - - - - - - - -68

Mai 70

Zivischen beiden Welten - - - - - "7*

GOTT UND WELT

Proamion - - - - - - - "7'

Weltseele --------72

INHALT VM

SEITE Dauer im Wechsel - - - - - - "73

Eins und Alles --.-----'7<f

Vermächtniss - - - - - - - -76

Metamorphose der Thiere - - - - - "77

Die Reliquien Schill:: rs - - - - - -80

Urivorte. Orphisch - - - - - - -81

HoivarJs Ehr engedächt niss - - - - - -83

Lebensgenuss -------- 84

Schlusspoetik - - - - - - - -

Zahme Xenien

Wenn im Unendlichen dasselbe - - - - 85

Vom Vater hab' ich die Statur - - - - 86

Theilen kann ich flieht das Leben - - - - 86

VERSTREUTE LYRIK

AUS PANDORA [1808] Der Seligkeit Eülle die hab' ich empfunden / - - - 86

Wer "von der Schönen zu scheiden •verdammt ist - " ^7

AUS WILHELM MUSTERS WANDERJAHREN [1821] Ein Wunder ist der arme Mensch geboren - - - 88

AUS FAUST, ZWEITER THl.IL [1831] Trauergesang - - - - - - - -89

Lied des Lynceus --.--._^0

WEST-ÖSTLICHER DIVAN [1814-1819] Hegire --------- go

Seiigt Sehnsucht - - - - - - -9z

Versunken - - - - - - - "93

Schlechter Trost - - - - - - "93

" Die Jahre nahmen dir, du sagst, so vieles " - - - 94

An Suleika ........ 94

Gingo biloba - - - - - - - "95

Volk und Knecht und Uberzvinder - - - "95

viii INHALT

SEITE Hatem ---------^6

An "vollen Büschelziveigen - - » - - -^y

Deinem Blick mich zu bequemen - - - - - 97

IViederßnden - - - - - - - -98

In tausend Formen magst du dich verstecken, - - - 99

Vermächtniss altpersischen Glaubens - - - - loo

£inlass - - - - - - - ' -103

Lasst mich iveinen/ umschränkt von Macht - - - 104

LETZTES LIEDERBUCH

CHINESISCH-DEUTSCHE JAHRESZEITEN [1827]

Ziehn die Schafe von der JViese, - - - - -105

D'dmmrung senkte sich von oben - - - -105

ABSCHIEDSKLÄNGE

CURISTMNE

Du versuchst. 0 Sonne, vergebens - - - - -106

£in rascher Sinn, der keinen Ziveifel hegt, - - - 106

LOKD BYRON [1829]

Ein freundlich IVort kommt eines nach dem andern - - 106

An Lord Byron - - - - - - -107

AN DIE NEUNZEHN FREUNDE IN ENGLAND

Worte, die der Dichter spricht - - - - - I07

DICHTUNG UND WELT

Dem au/gehenden Vollmonde - - - - -lOo

Früh ivenn Thal, Gebir^ und Garten - - - - 108

IVenn ich mir in stiller Seele - - - - - 109

Worte sind der Seele Bild - - - - - 109

T. W. VON GOETHE

GEDICHTE. ZVrEITE?. THEIL. 1815 50 NETTE

EIN Strom entracscht um-- ' ^ '

Dem Ocean «ich cüig 2_ .::_.. . Was aoch sich spiegeln mag von Grund zu

Gnioden, Er wandeit miaiifhaltsam fort za Thale.

Dämonisch aber stürzt mit einem Male

Ihr folgten Berg und Wald in Wirbelwinden

Sich Oreas, Behagen dort za finden.

Und hemmt den Lauf, begränzt die weite Schale«

Die Welle sprüht, nnd staunt zurück und weichet. Und schwillt bergan, sich immer selbst zu trin ken ; Gehemmt ist nun zum Vater hin das Streben.

Sie schwankt und ruht, zum See zurückgedeichet ; Gestirne, spiegelnd sich, beschaun das Blinken Des Wellenschlags am Fels, ein neues Leben«

ENTW^ÖHNEN sollt' ich mich vom Glanz der Blicke, Mein Leben sollten sie nicht mehr Terschöncn« 130 I

J. W. VON GOETHE

Was man Geschick nennt, l'ässt sich nicht

versöhnen, Ich weiss es wohl und trat bestürzt zurücke

Nun wusst' ich auch von keinem weitern Glücke ; Gleich fing ich an von diesen und von jenen Nothwend'gen Dingen sonst mich zu entwöhnen: Nothwendig schien mir nichts als ihre Blicke.

Des Weines Gluth, den Vielgenuss der Speisen,

Bequemlichkeit und Schlaf und sonst' ge Gaben, Gesellschaft wies ich weg, dass wenig bliebe.

So kann ich ruhig durch die Welt nun reisen : Was ich bedarf ist überall zu haben. Und Unentbehrlichs bring' ich mit die Liebe.

Abschied

WAR unersättlich nach viel tausend Küssen,

Und musst' mit Einem Kuss am Ende scheiden. Nach herber Trennung tiefempfundnen Leiden War mir das Ufer, dem ich mich entrissen,

Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen,

So lang ich's deutlich sah, ein Schatz der Freuden; Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden An fernentwichnen lichten Finsternissen.

Und endlich, als das Meer den Blick umgränzte, Fiel mir zurück in's Herz mein heiss Verlangen; Ich suchte mein Verlornes gar verdrossen.

Da war es gleich als ob der Himmel glänzte ;

Mir schien, als wäre nichts mir, nichts entgangen. Als hätt' ich alles, was ich je genossen.

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Epoche

MIT Flammenschrift war innigst eingeschrieben Petrarca's Brust, ror allen andern Tagen, Charfreitag. Eben so, ich darf's wohl sagen, Ist mir Advent von Achtzehnhundert sieben.

Ich fing nicht an, ich fuhr nur fort zu lieben

Sie, die ich früh im Herzen schon getragen, Dann wieder weisHch aus dem Sinn geschlagen, Der ich nun wieder bin an's Herz getrieben.

Petrarca's Liebe, die unendlich hohe.

War leider unbelohnt und gar zu traurig. Ein Herzensweh, ein ewiger Charfreitag ;

Doch stets erscheine, fort und fort, die frohe, Süss, unter Palmenjubel, wonneschaurig, Der Herrin Ankunft mir, ein ew'ger Maitag.

VERMISCHTE GEDICHTE

Klaggesang von der edlen Frauen des Asan Aga, aus dem Ldorlack'tschen

WAS ist Weisses dort am grünen Walde ?

Ist es Schnee wohl oder sind es Schwäne ?

War' es Schnee, er wäre weggeschmolzen ;

Wären's Schwäne, wären weggeflogen.

Ist kein Schnee nicht, es sind keine Schwäne,

's ist der Glanz der Zelten Asan Aga.

Niederlicgt er drin an seiner Wunde ;

Ihn besucht die Mutter und die Schwester,

Schamhaft säumt sein Weib, zu ihm zu kommen.

3

J. W. VON GOETHE

Als nun seine Wunde linder wurde, Liess er seinem treuen Weibe sagen : " Harre mein nicht mehr an meinem Hofe, Nicht am Hofe und nicht bei den Meinen.'*

Als die Frau dies harte Wort vernommen, Stand die Treue starr und voller Schmerzen, Hört der Pferde Stampfen vor der Thüre, Und es deucht ihr, Asan kam', ihr Gatte, Springt zum Thurme, sich herab zu stürzen. Angstlich folgen ihr zwei liebe Töchter, Rufen nach ihr, weinend bittre Thränen : *' Sind nicht unsers Vaters Asan Rosse, Ist dein Bruder Pintorowich kommen ! "

Und es kehret die Gemahlin Asans, Schiinst die Arme jammernd um den Bruder : " Sieh die Schmach, o Bruder, deiner Schwester ! Mich Verstössen, Mutter dieser fünfe ! "

Schweigt der Bruder, ziehet aus der Tasche,

Eingehüllet in hochrothe Seide, Ausgefertiget den Brief der Scheidung, Dass sie kehre zu der Mutter Wohnung, Frei sich einem andern zu ergeben.

Als die Frau den Trauer-Scheidbrief sähe, Küsste sie der beiden Knaben Stirne, Küsst' die Wangen ihrer beiden Mädchen. Aber ach ! vom Säugling in der Wiege Kann sie sich im bittern Schmerz nicht reissen !

Reisst sie los der ungestüme Bruder, Hebt sie auf das muntre Ross behende, Und so eilt er mit der bangen Frauen G'rad nach seines Vaters hoher Wohnung.

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Kurze Zeit war*s, noch nicht sieben Tage ; Kurze Zeit g'nug ; von viel grossen Herren Unsre Frau in ihrer Witwen-Trauer, Unsre Frau zum Weib begehret wurde.

Und der grösste war Imoski's Cadi ; Und die Frau bat weinend ihren Bruder: ** Ich beschwüre dich bei deinem Leben, Gib mich keinem andern mehr zur Frauen, Dass das Wiedersehen meiner Heben Armen Kinder mir das Herz nicht breche ! "

Ihre Reden achtet nicht der Bruder,

Fest, Imoski's Cadi sie zu trauen.

Doch die Gute bittet ihn unendlich :

'* Schicke wenigstens ein Blatt, o Bruder,

Mit den Worten zu Imoski's Cadi :

Dich begrüsst die junge Wittib freundlich.

Und lässt durch dies Blatt dich höchlich bitten,

Dass, wenn dich die Suaten herbegleiten.

Du mir einen langen Schleier bringest,

Dass ich mich vor Asans Haus verhülle.

Meine lieben Waisen nicht erblicke."

Kaum ersah der Cadi dieses Schreiben, Als er seine Suaten alle sammelt. Und zum Wege nach der Braut sich rüstet, Mit den Schleier, den sie heischte, tragend.

Glücklich kamen sie zur Fürstin Hause, Glücklich sie mit ihr vom Hause wieder. Aber als sie Asans Wohnung nahten. Sahn die Kinder oben ab die Mutter, Riefen : " Komm zu deiner Halle wieder ! Iss das Abendbrot mit deinen Kindern ! '* Traurig hört' es die Gemahlin Asans,

5

J. W. VON GOETHE

Kehrete sich zu der Suaten Fürsten : *' Lass doch, lass die Suaten und die Pferde Halten wenig vor der Lieben Thiire, Dass ich meine Kleinen noch beschenke."

Und sie hielten vor der Lieben Thüre, Und den armen Kindern gab sie Gaben ; Gab den Knaben goldgestickte Stiefel, Gab den Mädchen lange reiche Kleider, Und dem Säugling, hültios in der Wiege, Gab sie für die Zukunft auch ein Röckchen.

Das beiseit sah Vater Asan Aga,

Rief gar traurig seinen lieben Kindern :

" Kehrt zu mir, ihr lieben armen Kleinen ;

Eurer Mutter Brust ist Eisen worden,

Fest verschlossen, kann nicht Mitleid fühlen."

Wie das hörte die Gemahlin Asans, Stürzt' sie bleich den Boden schütternd nieder, LTnd die Seel' entfloh dem bangen Busen, Als sie ihre Kinder vor sich fliehn sah.

Mahomets Gesang

SEHT den Felsenquell,

Freudehell,

Wie ein Sternenblick ;

Über Wolken

Nährten seine Jugend

Gute Geister

Zwischen Klippen im Gebüsch,

Jünglingfrisch

Tanzt er aus der Wolke

Auf die Marmorfelsen nieder,

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Jauchzet wieder Nach dem Himmel.

Durch die Gipfelg'änge Jai2t er bunten Kieseln nach. Und mit frühem Führertritt Reisst er seine Bruderquellen Mit sich fort.

Drunten werden in dem Thal Unter seinem Fusstritt Blumen, Und die Wiese Lebt von seinem Hauch.

Doch ihn hält kein Schattenthal,

Keine Blumen,

Die ihm seine Knie' umschlingen,

Ihm mit Liebes- Augen schmeicheln:

Nach der Ebne dringt sein Lauf

Schlangenwandelnd.

Bäche schmiegen

Sich geselHg an. Nun tritt er

In die Ebne silberprangend.

Und die Ebne prangt mit ihm.

Und die Flüsse von der Ebne

Und die Bäche von den Bergen

Jauchzen ihm und rufen : Bruder !

Bruder, nimm die Brüder mit.

Mit zu deinem alten Vater,

Zu dem ew'gen Ocean,

Der mit ausgespannten Armen

Unser wartet.

Die sich ach ! vergebens öffnen,

Seine Sehnenden zu fassen ;

Denn uns frisst in öder Wüste

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GEDICHTH. ZWEITER THEIL

Zum Himrr^' *- ". Und wifdr. Zur I^rdr muM e». Ewig wechwind.

Der reiae Strahlt Daoo mlabt er KrUich Ifl Wolkrawcllni Z«D glatten Fcfa« Uadlncte

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J. W. VON GOETHE %

V

Gier'ger Sand ; die Sonne droben Saugt an unserm Blut ; ein Hügel Hemmet uns zum Teiche ! Bruder, Nimm die Bri.ider von der Ebne, Nimm die Brüder von den Bergen Mit, zu deinem Vater mit !

Kommt ihr alle ! Und nun schwillt er Herrlicher ; ein ganz Geschlechte Trägt den Fürsten hoch empor ! Und im rollenden Triumphe Gibt er Ländern Namen, Städte Werden unter seinem Fuss.

Unaufhaltsam rauscht er weiter, Lässt der Thürme Flammengipfel, Marmorhäuser, eine Schöpfung Seiner Fülle, hinter sich.

Cedernhäuser trägt der Atlas Auf den Riesenschultern : sausend Wehen über seinem Haupte Tausend Flaggen durch die Lüfte, Zeugen seiner Herrlichkeit.

Und so trägt er seine Brüder, Seine Schätze, seine Kinder, Dem erwartenden Erzeuger Freudebrausend an das Herz.

Gesang der Geister üher den Wassern

DES Menschen Seele Gleicht dem Wasser : Vom Himmel kommt es.

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Zum Himmel steigt es, Und wieder nieder Zur Erde muss es, Ewig wechselnd.

Strömt von der hohen Steilen Felswand Der reine Strahl, Dann stäubt er lieblich In Wolkenwellen Zum glatten Fels, Und leicht empfangen, Wallt er verschleiernd, Leisrauschend, Zur Tiefe nieder.

Ragen Klippen Dem Sturz entgegen, Schäumt er unmuthig Stufenweise Zum Abgrund.

Im flachen Bette

Schleicht er das Wiesenthal hin.

Und in dem glatten See

Weiden ihr Antlitz

Alle Gestirne.

Wind ist der Welle Lieblicher Buhler ; Wind mischt vom Grund aus Schäumende Wogen.

Seele des Menschen, Wie gleichst du dem Wasser ! Schicksal des Menschen, Wie gleichst du dem Wind !

J. W. VON GOETHE

Meine Gottin

WELCHER Unsterblichen Soll der höchste Preis sein ? Mit niemand streit' ich, Aber ich geb' ihn Der ewig beweglichen, Immer neuen, Seltsamen Tochter Jovis, Seinem Schooskinde, Der Phantasie.

Denn ihr hat er

Alle Launen,

Die er sonst nur allein

Sich vorbehält.

Zugestanden,

Und hat seine Freude

An der Thörin.

Sie mag rosenbekränzt Mit dem Lilienstengel Blumenthäler betreten, Sommervögeln gebieten. Und leichtnährenden Thau Mit Bienenlippen Von Bliithen saugen :

Oder sie mag

Mit fliegendem Haar

Und düsterm Blicke

Im Winde sausen

Um Felsen wände,

Und tausendfarbig.

Wie Morgen und Abend,

Immer wechselnd,

lO

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Wie Mondesblicke, Den Sterblichen scheinen.

Lasst uns alle Den Vater preisen ! Den alten hohen, Der solch eine schöne Unverwelkliche Gattin Dem sterblichen Menschen Gesellen mögen !

Denn uns allein Hat er sie verbunden Mit Himnielsband, Und ihr geboten. In Freud' und Elend, Als treue Gattin Nicht zu entweichen.

Alle die andern Armen Geschlechter Der kinderreichen Lebendigen Erde Wandeln und weiden In dunkelm Genuss Und trüben Schmerzen Des augenblicklichen Beschränkten Lebens, Gebeugt vom Joche Der Nothdurft.

Uns aber hat er Seine gewandteste Verzärtelte Tochter, Freut euch ! gegönnt. Begegnet ihr lieblich,

II

J. W. VON GOETHE

Meine Göttin

WELCHER Unsterblichen Soll der höchste Preis sein ? Mit niemand streit' ich, Aber ich oßW ihn Der ewig beweglichen, Immer neuen, Seltsamen Tochter Jovis, Seinem Schooskinde, Der Phantasie.

Denn ihr hat er

Alle Launen,

Die er sonst nur allein

Sich vorbehält,

Zugestanden,

Und hat seine Freude

An der Thörin.

Sie mag rosenbekränzt Mit dem Lilienstengel Blumenthäler betreten, Sommervögeln gebieten, Und leichtnährenden Thau Mit Bienenlippen Von Blüthen saugen :

Oder sie mag

Mit fliegendem Haar

Und düsterm Blicke

Im Winde sausen

Um Felsen wände,

Und tausendfarbig.

Wie Morgen und Abend,

Immer wechselnd.

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GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Wie Mondesblicke, Den Sterblichen scheinen.

Lasst uns alle Den Vater preisen ! Den alten hohen, Der solch eine schöne Unverwelkliche Gattin Dem sterblichen Menschen Gesellen mögen !

Denn uns allein Hat er sie verbunden Mit Himniclsband, Und ihr geboten. In Freud' und Elend, Als treue Gattin Nicht zu entweichen.

Alle die andern Armen Geschlechter Der kinderreichen Lebendigen Erde Wandeln und weiden In dunkelm Genuss Und trüben Schmerzen Des augenblicklichen Beschränkten Lebens, Gebeugt vom Joche Der Nothdurft.

Uns aber hat er Seine gewandteste Verzärtelte Tochter, Freut euch ! gegönnt. Begegnet ihr lieblich,

IX

J. \V. VON GOETHE

Wie einer Geliebten ! Lasst ihr die Würde Der Frauen im Haus !

Und dass die alte Schwiegermutter Weisheit Das zarte Seelchen Ja nicht beleid'ge !

Doch kenn' ich ihre Schwester, Die ältere, gesetztere, Meine stille Freundin : O dass die erst Mit dem Lichte des Lebens Sich von mir wende, Die edle Treiberin, Trösterin HolFnuns !

Harzretse im Wtnter

DEM Geier gleich.

Der auf schweren Morgenwolken

Mit sanftem Fittig ruhend

Nach Beute schaut,

Schwebe mein Lied.

Denn ein Gott hat Jedem seine Bahn Vorgezeichnet, Die der Glückliche Rasch zum freudigen Ziele rennt : Wem aber L^nglück Das Herz zusammenzog, Er sträubt vergebens

12

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Sich gegen die Schranken Des ehernen Fadens, Den die doch bittre Schere Nur einmal lös't.

In Dickichts-Schauer Drängt sich das rauhe Wild, Und mit den Sperlingen Haben länost die Reichen In ihre Sümpfe sich gesenkt.

Leicht ist's folgen dem Wagen, Den Fortuna führt, Wie der gemächliche Tross Auf gebesserten Wegen Hinter des Fürsten Einzug.

Aber abseits wer ist's ?

In's Gebüsch verliert sich sein Pfad,

Hinter ihm schlagen

Die Sträuche zusammen.

Das Gras steht wieder auf.

Die Ode verschlingt ihn.

Ach, wer heilet die Schmerzen

Dess, dem Balsam zu Gift ward ?

Der sich Menschenhass

Aus der Fülle der Liebe trank ?

Erst verachtet, nun ein Verächter,

Zehrt er heimlich auf

Seinen eignen Werth

In ung'nügender Selbstsucht.

Ist auf deinem Psalter, Vater der Liebe, ein Ton Seinem Ohre vernehmlich, So erquicke sein Herz 1

»3

J. W. VON GOETHE

Offne den umwölkten Blick Über die tausend Quellen Neben dem Durstenden In der Wüste.

Der du der Freuden viel schaffst, Jedem ein überfliessend Mass, Segne die Brüder der Jagd Auf der Fährte des Wilds Mit jugendlichem Uberrauth Fröhlicher Mordsucht, Späte Rächer des Unbills, Dem schon Jahre vergeblich Wehrt mit Knütteln der Bauer.

Aber den Einsamen hülF

In deine Goldwolken !

Umgib mit Wintergrün,

Bis die Rose wieder heranreift,

Die feuchten Haare,

O Liebe, deines Dichters !

Mit der dämmernden Fackel

Leuchtest du ihm

Durch die Furten bei Nacht,

Über grundlose Wege

Auf öden Gefilden ;

Mit dem tausendfarbigen Morgen

Lachst du in's Herz ihm ;

Mit dem beizenden Sturm

Trägst du ihn hoch empor ;

Winterströme stürzen vom Felsen

In seine Psalmen,

Und Altar des lieblichsten Danks

Wird ihm des gefürchteten Gipfels

Schneebehangner Scheitel,

»4

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Den mit Geisterreihen Kränzten ahnende Völker.

Du stehst mit unerforschtem Busen

Geheimnissvoll offenbar

Über der erstaunten Welt,

Und schaust aus Wolken

Auf ihre Reiche und Herrlichkeit,

Die du aus den Adern deiner Brüder

Neben dir wässerst.

jin Schwager Kronos

SPUDE dich, Kronos! Fort den rasselnden Trott ! Bergab gleitet der Weg ; Ekles Schwindeln zöoert

o

Mir vor die Stirne dein Zaudern. Frisch, holpert es gleich, Über Stock und Steine den Trott Rasch in's Leben hinein !

Nun schon wieder Den erathmenden Schritt Mühsam Berg hinauf! Auf denn, nicht träge denn, Strebend und hoffend hinan !

Weit, hoch, herrlich der Blick Rings in's Leben hinein. Vom Gebirg' zum Gebirg' Schwebet der ewige Geist, Ewigen Lebens ahndevoll.

Seitwärts des Uberdachs Schatten Zieht dich an,

»5

J. W. VON GOETHE

Und ein Frischung verheissender Blick Auf der Schwelle des Mädchens da. Labe dich ! Mir auch, Mädchen, Diesen schäumenden Trank, Diesen frischen Gesundheitsblick !

Ab denn, rascher hinab ! Sieh, die Sonne sinkt ! Eh' sie sinkt, eh' mich Greisen Ergreift im Moore Nebelduft, Entzahnte Kiefer schnattern Und das schlotternde Gebein.

Trunknen vom letzten Strahl Reiss mich, ein Feuermeer Mir im schäumenden Aug', Mich geblendeten Taumelnden In der Hölle nächtliches Thor.

Töne, Schwager, in's Hern,

Rassle den schallenden Trab,

Dass der Orcus vernehme : wir kommen,

Dass gleich an der Thüre

Der Wirth uns freundlich empfange.

Wandrers Sturmlied

WEN du nicht verlassest, Genius, Nicht der Regen, nicht der Sturm Haucht ihm Schauer über's Herz. Wen du nicht verlassest, Genius, Wird dem Regengewölk, Wird dem Schlossensturm Entgegen singen. Wie die Lerche, Du da droben. i6

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Den du nicht verlassest, Genius, Wirst ihn heben liber'n Schlammpfad Mit den Feuerflügeln ; Wandeln wird er Wie mit Blumenfüssen Über Deukalions Fluthschlamm, Python tödtend, leicht, gross, Pythius Apollo.

Den du nicht verlassest, Genius, Wirst die wollnen Flügel unterspreiten. Wenn er auf dem Felsen schläft. Wirst mit Hüterfittigen ihn decken In des Haines Mitternacht.

Wen du nicht verlassest, Genius, Wirst im Schneegestöber Wärmumhüllen ;

Nach der Wärme ziehn sich Musen, Nach der Wärme Charitinnen.

Umschwebet mich, ihr Musen,

Ihr Charitinnen !

Das ist Wasser, das ist Erde

Und der Sohn des Wassers und der Erde,

Über den ich wandle

Güttergleich.

Ihr seid rein, wie das Herz der Wasser, Ihr seid rein, wie das Mark der Erde, Ihr umschwebt mich und ich schwebe Über Wasser, über Erde, Göttergleich.

Soll der zurückkehren Der kleine, schwarze, feurige Bauer ? 181 17

J. W. VON GOETHE

Soll der zurückkehren, erwartend

Nur deine Gaben, Vater Bromius,

Und hellleuchtend umwärmend Feuer ?

Der kehren muthig ?

Und ich, den ihr begleitet,

Musen und Charitinnen alle.

Den alles erwartet, was ihr,

Musen und Charitinnen,

Umkränzende Seligkeit

Rings um's Leben verherrlicht habt,

Soll muthlos kehren ?

Vater Bromius ! Du bist Genius, Jahrhunderts Genius, Bist, was innre Giuth Pindarn war, Was der Welt Phöbus Apoll ist.

Weh ! Weh ! Innre W^ärme,

Seelenwärme,

Mittelpunkt !

Glüh entgegen

Phüb' Apollen ;

Kalt wird sonst

Sein Fürstenblick

Über dich vorübergleiten,

NeidgetrofFen

Auf der Ceder Kraft verweilen,

Die zu grünen

Sein nicht harrt.

Warum nennt mein Lied dich zuletzt? Dich, von dem es begann, x8

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Dich, in dem es endet,

Dich, aus dem es quillt,

Jupiter Pluvius !

Dich, dich strömt mein Lied,

Und kastalischer Quell

Rinnt ein Nebenbach,

Rinnet Massigen,

Sterblich Glücklichen

Abseits von dir.

Der du mich fassend deckst,

Jupiter Pluvius !

Nicht am Ulmenbaum

Hast du ihn besucht,

Mit dem Taubenpaar

In dem zärtlichen Arm,

Mit der freundlichen Ros' umkränzt,

Tändelnden ihn, blumenglücklichen

Anakreon,

Sturmathmende Gottheit !

Nicht im Pappelwald An des Sybaris Strand, An des Gebirges Sonnebeglänzter Stirn nicht Fasstest du ihn, Den Blumen-sinuenden Honig-lallenden Freundlich winkenden Theokrit.

AVenn die Räder rasselten

Rad an Rad rasch um's Ziel weg,

Hoch flog

Sieodurchglühter

Jünglinge Peitschenknall,

J. W. VON GOETHE

Und sich Staub wälzt',

Wie vom Gebirg' herab

Kieselwetter in's Thal,

Glühte deine Seel' Gefahren, Pindar,

Mmh.— Glühte :—

Armes Herz !

Dort auf dem Hügel,

Himmlische Macht I

Nur so viel Gluth,

Dort meine Hütte,

Dorthin zu waten !

Seefahrt

LANGE Tag' und Nächte stand mein Schiff

befrachtet ; Günst'ger Winde harrend, sass mit treuen Freunden, Mir Geduld und guten Muth erzechend, Ich im Hafen.

Und sie waren doppelt ungeduldig : Gerne gönnen wir die schnellste Reise, Gern die hohe Fahrt dir ; Güterfülle Wartet drüben in den Welten deiner, Wird Rückkehrendem in unsern Armen Lieb' und Preis dir.

Und am frühen Morgen w^ard's Getümmel, Und dem Schlaf entjauchzt uns der Matrose, Alles wimmelt, alles lebet, webet. Mit dem ersten Segenshauch zu schiffen.

Und die Segel blühen in dem Hauche, Und die Sonne lockt mit Feuerliebe ; Ziehn die Segel, ziehn die hohen Wolken, Jauchzen an dem Ufer alle Freunde

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Hoffbnngslieder nach, im Freudetaumel Reisefreoden wähnend, wie des Einschiffmorgens, Wie der ersten hohen Stemennächte.

Aber gottgesandte Wechselwindc treiben Seitwärts ihn der vorgesteckten Fahrt ab. Und er scheint sich ihnen hinzugeben. Strebet leise sie zu überlisten. Treu dem Zweck auch auf dem schieren We^e.

Aber aus der dumpfen grauen Ferne K"n:!f: le'^ewandelnd sich der Sturm an.

D-: :: i-

Vögel nieder auPs Gewässer,

Dr::. :: r:

^^J^. sehen schwellend Herz darnieder.

V:L -: ...^

r :. Vor seinem starren Wüthen

Mi:'-V'l:

::: :fr: klag die Segel nieder, "Zsterfüllten Balle spielen

Wir.! L^

" "en.

U- - r:

'-'- drüben stehen

F.c.:.-:'_

r , beben auf dem Festen :

Ach, War-

Ach, er s-o

r :■: e: nicht hier geblieben !

\'erschlagen weg vom Glücke !

- Grunde gehen ? iie, ach, er könnte ! Götter !

D -

männlich an dem Steuer ;

- ^-^ielen Wind und Wellen;

Wi

icht mit seinem Herzen:

L:.^ ,....-

: die grinune Tiefe,

_ , i oder landend,

Seinen G .:

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Promrtbcus

EEDEC'"~ vinen Himmel, Zeus, Mit Wl. . it,

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J. W. VON GOETHE

Und übe, dem Knaben gleich,

Der Disteln köpft,

An Eichen dich und Bergeshöhn ;

Iviusst mir meine Erde

Doch lassen stehn,

Und meine Hütte, die du nicht gebaut,

Und meinen Herd,

Um dessen Gluth

Du mich beneidest.

Ich kenne nichts Ärmeres

Unter der Sonn', als euch, Götter !

Ihr nähret kümmerlich

Von Opfersteuern

Und Gebetshauch

Eure Majestät,

Und darbtet, wären

Nicht Kinder und Bettler

Hoffnungsvolle Thoren.

Da ich ein Kind war.

Nicht wusste wo aus noch ein.

Kehrt' ich mein verirrtes Auge

Zur Sonne, als wenn drüber war'

Ein Ohr, zu hören meine Klage,

Ein Herz, wie mein's,

Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir

Wider der Titanen Ubermuth ?

Wer rettete vom Tode mich.

Von Sklaverei ?

Hast du nicht alles selbst vollendet,

Heilig glühend Herz ?

Und glühtest jung und gut,

22

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Betrogen, Rettungsdank Dem Schlafenden da droben ?

Ich dich ehren ? Wofür ?

Hast du die Schmerzen gelindert

Je des Beladenen ?

Hast du die Thränen gestillet

Je des Geängsteten ?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet

Die allmächtige Zeit

Und das ewige Schicksal,

Meine Herrn und deine ?

Wähntest du etwa,

Ich sollte das Leben hassen,

In Wüsten fliehen.

Weil nicht alle

Blüthenträume reiften ?

Hier sitz' ich, forme Menschen

Nach meinem Bilde,

Ein Geschlecht, das mir gleich sei,

Zu leiden, zu weinen.

Zu geniessen und zu freuen sich,

Und dein nicht zu achten,

Wie ich 1

Ganymed

WIE im Morgenglanze

Du rings mich anglühst,

Frühling, Geliebter 1

Mit tausendfacher Liebes wonne

Sich an mein Herz drängt

Deiner ewigen Wärme

«3

J. W. VON GOETHE

Heilig Gefühl, Unendliche Schöne !

Dass ich dich fassen möcht* In diesen Arm !

Ach an deinem Busen

Lieg' ich, schmachte,

Und deine Blumen, dein Gras

Drängen sich an mein Herz.

Du kühlst den brennenden

Durst meines Busens,

Lieblicher Morgenwind !

Ruft drein die Nachtigall

Liebend nach mir aus dem Nebelthal.

Ich komm', ich komme ! Wohin ? Ach, wohin ?

Hinauf! Hinauf strebt's.

Es schweben die Wolken

Abwärts, die Wolken

Neigen sich der sehnenden Liebe.

Mir! Mir!

In euerm Schoose

Aufwärts !

Umfangend umfangen !

Aufwärts an deinen Busen,

Alliebender Vater ?

G ranzen der Menschheit

WENN der uralte Heilige Vater Mit gelassener Hand 24

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Aus rollenden Wolken Segnende Blitze Über die Erde sät, Küss' ich den letzten Saum seines Kleides, Kindliche Schauer Treu in der Brust.

Denn mit Göttern Soll sich nicht messen Irgend ein Mensch. Hebt er sich aufwärts, Und berührt

Mit dem Scheitel die Sterne, Nirgends haften dann Die unsichern Sohlen, Und mit ihm spielen Wolken und Winde,

Steht er mit festen Markigen Knochen Auf der wohlgegriindeten Dauernden Erde ; Reicht er nicht auf, Nur mit der Eiche Oder der Rebe Sich zu vergleichen.

Was unterscheidet Götter von Menschen ? Dass viele Wellen Vor jenen wandeln. Ein ewiger Strom : Uns hebt die Welle, Verschlingt die Welle, Und wir versinken.

2S

J. W. VON GOETHE

Ein kleiner Ring Begränzt unser Leben, Und viele Geschlechter Reihen sich dauernd An ihres Daseins Unendliche Kette.

Das Göttliche

EDEL sei der Mensch, Hülfreich und gut ! Denn das allein Unterscheidet ihn Von allen Wesen, Die wir kennen.

Heil den unbekannten

Höhern Wesen,

Die wir ahnen !

Ihnen gleiche der Mensch ;

Sein Beispiel lehr' uns

Jene glauben.

Denn unfühlend

Ist die Natur :

Es leuchtet die Sonne

Über Bös' und Gute,

Und dem Verbrecher

Glänzen, wie dem Besten,

Der Mond und die Sterne.

Wind und Ströme, Donner und Hagel Rauschen ihren Weg, Und ergreifen, 26

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Vorübereilend, Einen um den andern.

Auch so das Glück Tappt unter die Menge, Fasst bald des Knaben Lockige Unschuld, Bald auch den kahlen Schuldigen Scheitel.

Nach ewigen, ehrnen, Grossen Gesetzen Müssen wir alle Unseres Daseins Kreise vollenden.

Nur allein der Mensch Vermag das Unmögliche : Er unterscheidet, Wählet und richtet ; Er kann dem Augenblick Dauer verleihen.

Er allein darf Dem Guten lohnen, Den Bösen strafen, Heilen und retten. Alles Irrende, Schweifende Nützlich verbinden.

Und wir verehren Die Unsterblichen, Als wären sie Menschen, Thäten im Grossen, Was der Beste im Kleinen Thut oder möchte.

J. W. VON GOETHE

Der edle Mensch Sei hülfieich und gut ! Unermiidet schaff' er Das NützHche, Rechte, Sei uns ein Vorbild Jener geahneten Wesen !

LU?s Park

IST doch keine Menagerie

So bunt, als meiner Lili ihre !

Sie hat darin die wunderbarsten Thiere

Und kriegt sie 'rein, weiss selbst nicht wie.

O, wie sie hüpfen, laufen, trappeln,

Mit abgestumpften Flügeln zappeln,

Die armen Prinzen allzumal,

In nie gelöschter Liebesqual !

Wie hiess die Fee : Lili ? Fragt nicht nach ihr ! Kennt ihr sie nicht, so danket Gott dafür.

Welch ein Geräusch, welch ein Gegacker, Wenn sie sich in die Thüre stellt Und in der Hand das Futterkörbchen hält ! Welch ein Gequiek, welch ein Gequacker ! Alle Bäume, alle Büsche Scheinen lebendig zu werden : So stürzen sich ganze Heerden Zu ihren Füssen ; sogar im Bassin die Fische Patschen ungeduldig mit den Köpfen heraus. Und sie streut dann das Futter aus Mit einem Blick Götter zu entzücken. Geschweige die Bestien. Da geht's an ein Picken, 28

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

An ein Schlürfen, an ein Hacken ;

Sie stürzen einander über die Nacken,

Schieben sich, drängen sich, reissen sich,

Jagen sich, ängsten sich, beissen sich,

Und das all um ein Stückchen Brot,

Das, trocken, aus den schönen Händen schmeckt.

Als hätt' es in Ambrosia gesteckt.

Aber der Blick auch ! der Ton,

Wenn sie ruft : Pipi ! Pipi !

Zöge den Adler Jupiter's vom Thron ;

Der Venus Taubenpaar,

Ja, der eitle Pfau sogar.

Ich schwöre, sie kämen,

Wennn sie den Ton von weitem nur vernähmen.

Denn so hat sie aus des Waldes Nacht

Einen Bären, ungeleckt und ungezogen,

Unter ihren Beschluss herein betrogen.

Unter die zahme Kompagnie gebracht.

Und mit den andern zahm gemacht :

Bis auf einen gewissen Punkt, versteht sich !

Wie schön und ach, wie gut

Schien sie zu sein ! Ich hätte mein Blut

Gegeben, um ihre Blumen zu begiessen.

*' Ihr sagtet: Ich! Wie? Wer?"

Gut denn, ihr Herrn, grad aus : Ich bin der Bär ;

In einem Filetschurz gefangen.

An einem Seidenfaden ihr zu Füssen.

Doch wie das alles zugegangen.

Erzähl' ich euch zur andern Zeit ;

Dazu bin ich zu wüthig heut.

Denn, ha ! steh' ich so an der Ecke, Und hör' von weitem das Geschnatter,

29

J. W. VON GOETHE

Seh' das Geflitter, das Geflatter,

Kehr' ich mich um

Und brumm',

Und renne rückwärts eine Strecke,

Und seh' mich um

Und brumm',

Und laufe wieder eine Strecke,

Und kehr' doch endHch wieder um.

Dann fängt's auf einmal an zu rasen,

Ein mächt'ger Geist schnaubt aus der Nasen,

Es wildzt die innere Natur.

Was, du ein Thor, ein Häschen nur !

So ein Pipi, Eichhörnchen, Nuss zu knacken!

Ich sträube meinen borst'gen Nacken,

Zu dienen ungewöhnt.

Ein jedes aufgestutzte Bäumchen höhnt

Mich an ! Ich flieh' vom Boulingreen,

Vom niedlich glatt gemähten Grase ;

Der Buchsbaum zieht mir eine Nase,

Ich flieh' ins dunkelste Gebüsche hin.

Durchs Gehäge zu dringen,

Über die Planken zu springen !

Mir versagt Klettern und Sprung,

Ein Zauber bleit mich nieder.

Ein Zauber häkelt mich wider.

Ich arbeite mich ab, und bin ich matt genung.

Dann lieg' ich an gekünstelten Kaskaden,

Und kau' und wein' und wälze halb mich todt,

Und ach ! es hören meine Noth

Nur porzellanene Oreaden.

Auf einmal ! Ach, es dringt Ein seliges Gefühl durch alle meine Glieder ! Sie ist's, die dort in ihrer Laube singt ! 30

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Ich höre die liebe, liebe Stimme wieder, Die ganze Luft ist warm, ist bliithevoll. Ach, singt sie wohl, dass ich sie hören soll ? Ich dringe zu, tret' alle Strauche nieder. Die Büsche fiichn, die Bäume weichen mir, Und so zu ihren Füssen liegt das Thier.

Sie sieht es an : " Ein Ungeheuer, doch drollig !

Für einen Bären zu mild,

Für einen Pudel zu wild.

So zottig, tapsig, knollig ! "

Sie streicht ihm mit dem Füsschen übern Rücken ;

Er denkt im Paradiese zu sein.

Wie ihn alle sieben Sinne jucken !

Und Sie, sieht ganz gelassen drein.

Ich küss' ihre Schuhe, kau' an den Sohlen,

So sittig, als ein Bär nur mag ;

Ganz sachte heb' ich mich und schwinge mich

verstohlen Leis an ihr Knie am günst'gen Tag Lässt sie's geschehn und kraut mir um die Ohren Und patscht mich mit muthwillig derbem Schlag ; Ich knurr', in Wonne neu geboren ; Dann fordert sie mit süssem, eitlem Spotte : Allons tout doux ! eh la menotte l Kt f altes Serviteur Comme un jolt Seigneur. So treibt sie's fort mit Spiel und Lachen ! Es hofft der oft betrogne Thor ; Doch will er sich ein bischen unnütz machen, Hält sie ihn kurz als wie zuvor.

Doch hat sie auch ein Fläschchen Balsam-Feuers,

Dem keiner Erde Honig gleicht,

W^ovon sie wohl einmal, von Lieb' und Treu' erweicht,

J. W. VON GOETHE

Um die verlechzten Lippen ihres Ungeheuers

Ein Tröpfchen mit der Fingerspitze streicht

Und wieder flieht und mich mir überlässt,

Und ich dann, losgebunden, fest

Gebannt bin, immer nach ihr ziehe,

Sie suche, schaudre, wieder fliehe

So lässt sie den zerstörten Armen gehn,

Ist seiner Lust, ist seinen Schmerzen still ;

Ha ! manchmal lässt sie mir die Thür halb offen stehn,

Seitblickt mich spottend an, ob ich nicht fliehen will.

Und ich ! Götter, ist's in euren Händen, Dieses dumpfe Zauberwerk, zu enden. Wie dank' ich, wenn ihr mir die Freiheit schafft ! Doch sendet ihr mir keine Hülfe nieder Nicht ganz umsonst reck' ich so meine Glieder, Ich f ühPs ! Ich schwör's ! Noch hab' ich Kraft.

JLiebebedürfniss

WER vernimmt mich ? Ach, wem soll ich's klagen?

Wer's vernähme, würd' er mich bedauern?

Ach ! die Lippe, die so manche Freude

Sonst genossen hat und sonst gegeben,

Ist gespalten, und sie schmerzt erbärmlich.

Und sie ist nicht etwa wund geworden.

Weil die Liebste mich zu wild ergriffen,

Hold mich angebissen, dass sie fester

Sich des Freunds versichernd ihn genösse:

Nein, das zarte Lippchen ist gesprungen.

Weil nun über Reif und Frost die Winde

Spitz und scharf und lieblos mir begegnen.

LTnd nun soll mir Saft der edlen Traube, Mit dem Saft der Bienen bei dem Feuer

J2

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Meines Herds vereinigt, Lindrung schaffen. Ach, was will das helfen, mischt die Liebe Nicht ein Tröpfchen ihres Balsams drunter ?

Morgen klagen

O DU loses, leidigliebes Mädchen, Sag mir an, womit hab' ich's verschuldet, Dass du mich auf diese Folter spannest, Dass du dein gegeben Wort gebrochen ?

Drucktest doch so freundlich gestern Abend Mir die Hände, lispeltest so lieblich : Ja, ich komme, komme gegen Morgen Ganz gewiss, mein Freund, auf deine Stube.

Angelehnet Hess ich meine Thüre,

Hatte wohl die Angeln erst geprüfet

Und mich recht gefreut, dass sie nicht knarrten.

Welche Nacht des Wartens ist vergangen ! Wacht' ich doch und zählte jedes Viertel ; Schlief ich ein auf wenig Augenblicke, War mein Herz beständig wach geblieben, Weckte mich von meinem leisen Schlummer.

Ja, da segnet' ich die Finsternisse, Die so ruhig alles überdeckten, Freute mich der allgemeinen Stille, Horchte lauschend immer in die Stille, Ob sich nicht ein Laut bewegen möchte.

*' Hätte sie Gedanken wie ich denke, Hätte sie Gefühl, wie ich empfinde, Würde sie den Morgen nicht erwarten. Würde schon in dieser Stunde kommen." 132 33

J. W. VON GOETHE

Hüpft' ein Kätzchen oben übern Boden, Knisterte das Mäuschen in der Ecke, Regte sich, ich weiss nicht was, im Hause Immer hofft' ich, deinen Schritt zu hören, Immer glaubt' ich, deinen Tritt zu hören.

Und so lag ich lang' und immer länger, Und es fing der Tag schon an zu grauen. Und es rauschte hier und rauschte dorten.

*' Ist es ihre Thüre ? Wär's die meine ! " Sass ich aufgestemmt in meinem Bette, Schaute nach der halb erhellten Thüre, Ob sie nicht sich wohl bewegen möchte. Angelehnet blieben beide Flügel Auf den leisen Angeln ruhig hangen.

Und der Tag ward immer hell und heller ; Hört' ich schon des Nachbars Thüre gehen. Der das Taglohn zu gewinnen eilet. Hört' ich bald darauf die Wagen rasseln. War das Thor der Stadt nun auch eröffnet. Und es regte sich der ganze Plunder Des bewegten Marktes durch einander.

Ward nun in dem Haus ein Gehn und Kommen Auf und ab die Stiegen, hin und wieder Knarrten Thüren, klapperten die Tritte ; Und ich konnte wie vom schönen Leben Mich noch nicht von meiner Hoffnung scheiden.

Endlich, als die ganz verhasste Sonne Meine Fenster traf und meine Wände, Sprang ich auf und eilte nach dem Garten, Meinen heissen, sehnsuchtsvollen Athem Mit der kühlen Morgenluft zu mischen. Dir vielleicht im Garten zu begegnen :

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GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Und nun bist du weder in der Laube Noch im hohen Lindengang zu finden.

Der Besuch

MEINE Liebste wollt' ich heut beschleichen, Aber ihre Thüre war verschlossen. Hab' ich doch den Schlüssel in der Tasche ! Offn' ich leise die geliebte Thüre !

Auf dem Saale fand ich nicht das Mädchen, Fand das Mädchen nicht in ihrer Stube ; Endlich, da ich leis die Kammer öffne, Find' ich sie, gar zierlich eingeschlafen, Angekleidet auf dem Sopha liegen.

Bei der Arbeit war sie eingeschlafen ; Das Gestrickte mit den Nadeln ruhte Zwischen den gefaltnen zarten Händen ; Und ich setzte mich an ihre Seite, Ging bei mir zu Rath', ob ich sie weckte.

Da betrachtet' ich den schönen Frieden, Der auf ihren Augelidern ruhte : Auf den Lippen war die stille Treue, Auf den Wangen Lieblichkeit zu Hause, Und die Unschuld eines guten Herzens Regte sich im Busen hin und wieder. Jedes ihrer Glieder lag gefällig Aufgelöst vom süssen Götterbalsam.

Freudig sass ich da, und die Betrachtung Hielte die Begierde, sie zu wecken, Mit geheimen Banden fest und fester.

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J. W. VON GOETHE

O du Liebe, dacht' ich, kann der Schlummer, Der Verräther jedes falschen Zuges, Kann er dir nicht schaden, nichts entdecken. Was des Freundes zarte Meinung störte ?

Deine holden Augen sind geschlossen, Die mich offen schon allein bezaubern ; Es bewegen deine süssen Lippen Weder sich zur Rede noch zum Kusse ; Aufgelöst sind diese Zauberbande Deiner Arme, die mich sonst umschlingen. Und die Hand, die reizende Gefährtin Süsser Schmeicheleien, unbeweglich. Wär's ein Irrthum, wie ich von dir denke. War' Selbstbetrug, wie ich dich liebe, Müsst' ich's jetzt entdecken, da sich Amor Ohne Binde neben mich gestellet.

Lange sass ich so und freute herzlich Ihres Werthes mich und meiner Liebe ; Schlafend hatte sie mir so gefallen, Dass ich mich nicht traute, sie zu wecken.

Leise leg' ich ihr zwei Pomeranzen

o

Und zwei Rosen auf das Tischchen nieder ; Sachte, sachte schlich ich meiner Wege. Oilnet sie die Augen, meine Gute, Gleich erblickt sie diese bunte Gabe, Staunt, wie immer bei verschlossnen Thüren Dieses freundliche Geschenk sich finde.

Seh' ich diese Nacht den Engel wieder, O, wie freut sie sich, vergilt mir doppelt Dieses Opfer meiner zarten Liebe.

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GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Der Becher

EINEN wohlgeschnitzten vollen Becher Hielt ich drückend in den beiden Händen, Sog begierig süssen Wein vom Rande, Gram und Sorg' auf einmal zu vertrinken.

Amor trat herein und fand mich sitzen, Und er lächelte bescheiden-weise, Als den Unverständigen bedauernd.

" Freund, ich kenn' ein schöneres Gefässe, Werth, die ganze Seele drein zu senken ; Was gelobst du, wenn ich dir es gönne, Es mit anderm Nektar dir erfülle ? "

O, wie freundlich hat er Wort gehalten ! Da er, Lida, dich mit sanfter Neigung Mir, dem lange Sehnenden, geeignet.

Wenn ich deinen lieben Leib umfasse, Und von deinen einzig treuen Lippen Langbewahrter Liebe Balsam koste. Selig Sprech* ich dann zu meinem Geiste ;

Nein, ein solch Gefäss hat ausser Amorn Nie ein Gott gebildet noch besessen ! Solche Formen treibet nie Vulcanus Mit den sinnbegabten feinen Hämmern ! Auf belaubten Hügeln mag Lyäus Durch die ältsten, klügsten seiner Faunen Ausgesuchte Trauben keltern lassen. Selbst geheimnissvoller Gährung vorstehn : Solchen Trank verschafft ihm keine Sorgfalt !

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J. W. VON GOETHE

Nachtgedanken

EUCH bedaur' ich, ungliickserge Sterne, Die ihr schön seid und so herrlich scheinet, Dem bedrängten Schitfer gerne leuchtet, Unbelohnt von Göttern und von Menschen : Denn ihr liebt nicht, kanntet nie die Liebe ! Unaufhaltsam führen ew'ge Stunden Eure Reihen durch den weiten Himmel. Welche Reise habt ihr schon vollendet, Seit ich weilend in dem Arm der Liebsten Euer und der Mitternacht vergessen !

j4n Li da

DEN Einzigen, Lida, welchen du lieben kannst,

Forderst du ganz für dich, und mit Recht.

Auch ist er einzig dein ;

Denn, seit ich von dir bin,

Scheint mir des schnellsten Lebens

Lärmende Bewegung

Nur ein leichter Flor, durch den ich deine Gestalt

Immerfort wie in Wolken erblicke :

Sie leuchtet mir freundlich und treu.

Wie durch des Nordlichts bewegliche Strahlen

Ewige Sterne schimmern.

Im Voruhergehn

ICH ging im Felde So für mich hin. Und nichts zu suchen, Das war mein Sinn.

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GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Da stand ein Blümchen Sogleich so nah, Dass ich im Leben Nichts lieber sah.

Ich wollt' es brechen, Da sagt' es schleunig : Ich habe Wurzeln, Die sind gar heimlich.

Im tiefen Boden Bin ich gegründet. Drum sind die Blüthen So schön gerundet.

Ich kann nicht liebeln, Ich kann nicht schränken ; Musst mich nicht brechen, Musst mich verpflanzen.

Ich ging im Walde So vor mich hin ; Ich war so heiter, Wollt' immer weiter Das war mein Sinn.

AUS WILHELM MEISTER Mhnon

HEISS mich nicht reden, heiss mich schweigen, Denn mein Geheimniss ist mir Pflicht ; Ich möchte dir mein ganzes Innre zeigen, Allein das Schicksal will es nicht.

39

J. W. VON GOETHE

Zur rechten Zeit vertreibt der Sonne Lauf Die finstre Nacht, und sie muss sich erhellen ; Der harte Fels schliesst seinen Busen auf, Missgönnt der Erde nicht die tiefverborgnen Quellen.

Ein jeder sucht im Arm des Freundes Ruh, Dort kann die Brust in Klagen sich ergiessen ; Allein ein Schwur drückt mir die Lippen zu, Und nur ein Gott vermas sie aufzuschliessen.

Dieselbe

NUR wer die Sehnsucht kennt

Weiss, was ich leide!

Allein und abgetrennt

Von aller Freude,

Seh' ich an's Firmament

Nach jener Seite.

Ach ! der mich liebt und kennt

Ist in der Weite.

Es schwindelt mir, es brennt

Mein Eingeweide.

Nur wer die Sehnsucht kennt

W^eiss, was ich leide !

Dieselbe

SO lasst mich scheinen, bis ich werde; Zieht mir das weisse Kleid nicht aus ! Ich eile von der schönen Erde Hinab in jenes feste Haus.

Dort ruh' ich eine kleine Stille, Dann öffnet sich der frische Blick, 40

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Ich lasse dann die reine Hülle, Den Gürtel und den Kranz zurück.

Und jene himmlischen Gestalten Sie fragen nicht nach Mann und Weib, Und keine Kleider, keine Falten Umgeben den verklärten Leib.

Zwar lebt' ich ohne Sorg' und Mühe, Doch fühlt ich tiefen Schmerz genung. Vor Kummer altert' ich zu frühe ; Macht mich auf ewi^ wieder jung !

Harfenspieler

WER sich der Einsamkeit ergibt, Ach ! der ist bald allein ; Ein jeder lebt, ein jeder liebt, Und lässt ihn seiner Pein.

Ja ! lasst mich meiner Qual ! Und kann ich nur einmal Recht einsam sein, Dann bin ich nicht allein.

Es schleicht ein Liebender lauschend sacht.

Ob seine Freundin allein ?

So überschleicht bei Tag und Nacht

Mich Einsamen die Pein,

Mich Einsamen die Qual.

Ach werd' ich erst einmal

Einsam im Grabe sein.

Da lässt sie mich allein !

4X

J. W. VON GOETHE

Derselbe

AN die Thiiren will ich schleichen, Still und sittsam will ich stehn : Fromme Hand wird Nahrung reichen. Und ich werde weiter gehn. Jeder wird sich glücklich scheinen, Wenn mein Bild vor ihm erscheint ; Eine Thr'äne wird er weinen, Und ich weiss nicht was er weint.

Derselbe

WER nie sein Brot mit Thränen ass,

Wer nie die kummervollen Nächte

Auf seinem Bette weinend sass,

Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Ivlächte.

Ihr führt in's Leben uns hinein, Ihr lasst den Armen schuldig werden, Dann überlasst ihr ihn der Pein : Denn alle Schuld rächt sich auf Erden,

Ihm färbt der Morgensonne Licht

Den reinen Horizont mit Flammen,

Und über seinem schuld'gen Haupte bricht

Das schöne Bild der ganzen Welt zusammen.

Phiiine

SINGET nicht in Trauertönen Von der Einsamkeit der Nacht ;

42

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Nein, sie ist, o holde Schönen, Zur Geselligkeit gemacht. Wie das Weib dem Mann gegeben Als die schönste Hälfte war, Ist die Nacht das halbe Leben, Und die schönste Hälfte zwar.

Könnt ihr euch des Tages freuen, Der nur Freuden unterbricht ? Er ist gut, sich zu zerstreuen ; Zu was anderm taugt er nicht.

Aber wenn in nächt'ger Stunde Süsser Lampe Dämmrung fliesst. Und vom Mund zum nahen Munde Scherz und Liebe sich ergiesst ;

Wenn der rasche lose Knabe, Der sonst wild und feurig eilt, Oft bei einer kleinen Gabe Unter leichten Spielen weilt ;

Wenn die Nachtigall Verliebten Liebevoll ein Liedchen singt. Das Gefangnen und Betrübten Nur wie Ach und Wehe klingt :

Mit wie leichtem Herzensregen Horchet ihr der Glocke nicht, Die mit zwölf bedächt'gen Schlägen Ruh und Sicherheit verspricht !

Darum an dem langen Tage Merke dir es, liebe Brust : Jeder Tag hat seine Plage Und die Nacht hat ihre Lust.

43

J. W. VON GOETHE

ANTIKER FORM SICH NÄHERND

Warnung

WECKE den Amor nicht auf! Noch schläft der liebliche Knabe ; Geh, vollbring' dein Geschäft, wie es der Tag dir gebeut ! So der Zeit bedienet sich klug die sorgliche Mutter, Wenn ihr Knäbchen entschläft, denn es erwacht nur zu bald.

Einsamkeit

DIE ihr Felsen und Bäume bewohnt, o heilsame Nymphen, Gebet jeglichem gern, was er im Stillen begehrt! Schaffet dem Traurigen Trost, dem Zweifelhaften Belehrung, Und dem Liebenden gönnt, dass ihm begegne sein Glück. Denn euch gaben die Götter, was sie den Menschen versagten, Jeglichem, der euch vertraut, tröstlich und hülflich zu sein.

Eviv'dhiter Fels

HIER im Stillen gedachte der Liebende seiner

Geliebten ; Heiter sprach er zu mir : Werde mir Zeuge, du

Stein ! Doch erhebe dich nicht, du hast noch viele Gesellen ;

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GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Jedem Felsen der Flur, die mich, den Glücklichen, nährt, Jedem Baume des Walds, um den ich wandernd mich schlinge : Denkmal bleibe des Glücks ! ruf ich ihm weihend und froh. Doch die Stimme verleih* ich nur dir, wie unter der Menge Einen die Muse sich wählt, freundlich die Lippen ihm küsst.

Spiegel der Muse

SICH zu schmücken begierig verfolgte den rinnenden

Bach einst Früh die Muse hinab, sie suchte die ruhigste Stelle. Eilend und rauschend indess verzog die schwankende

Fläche Stets das bewegliche Bild ; die Göttin wandte sich

zürnend ; Doch der Bach rief hinter ihr drein und höhnte sie:

Freilich Magst du die Wahrheit nicht sehn, wie rein dir mein

Spiegel sie zeiget ! Aber indessen stand sie schon fern, am Winkel des

Seees, Ihrer Gestalt sich erfreuend und rückte den Kranz

sich zurechte.

Sch'welz,eraipe

WAR doch gestern dein Haupt noch so braun wi< die Locke der Lieben, Deren holdes Gebild still aus der Ferne mir winkt;

45

J. W. VON GOETHE

Silbergrau bezeichnet dir früh der Schnee nun die Gipfel, Der sich in stürmender Nacht dir um den Scheitel ergoss. Jugend, ach ! ist dem Alter so nah, durch's Leben verbunden, Wie ein beweglicher Traum Gestern und Heute verband.

AN PERSONEN Ilmenau

am 3 . September 1 7 8 3

ANMUTHIG Thal ! du immergrüner Hain ! Mein Herz begrüsst euch wieder auf das beste ; Entfaltet mir die schwerbehangnen Äste, Nehmt freundlich mich in eure Schatten ein. Erquickt von euren Höhn, am Tag der Lieb' und

Lust, Mit frischer Luft und Balsam meine Brust !

Wie kehrt' ich oft mit wechselndem Geschicke,

Erhabner Berg ! an deinen Fuss zurücke.

O lass mich heut an deinen sachten Höhn

Ein jugendlich, ein neues Eden sehn !

Ich hab' es wohl auch mit um euch verdienet:

Ich sorge still, indess ihr ruhig grünet.

Lasst mich vergessen, dass auch hier die Welt So manch Geschöpf in Erdefesseln hält, Der Landmann leichtem Sand den Samen anvertraut Und seinen Kohl dem frechen Wilde baut, 46

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Der Knappe karges Brot in Klüften sucht. Der Köhler zittert, wecn der Jäger flucht. \ erjüngt euch mir, wie ihr es oft gethan, Als fing' ich heut ein neues Leben an.

Ihr seid mir hold, ihr gönnt mir diese Träume, Sie schmeicheln mir und locken alte Reime. Mir wieder selbst, von allen Menschen fern. Wie bad' ich mich in euren Dü.'ten gern ! Melodisch rauscht die hohe Tanne wieder, Melodisch eüt der Wasserfall hernieder ; Die Wolke sinkt, der Nebel drückt in's Thal, Und es ist Nacht und Dämmrung auf einmal.

Im finstern Wald, bei'm Liebesblick der Sterne, Wo ist mein Pfad, den sorglos ich verlor ? Welch seltne Stimmen hör' ich in der Ferne ? Sie schallen wechselnd an dem Fels empor. Ich eile sacht zu sehn, was es bedeutet. Wie von des Hirsches Ruf der Jäger still geleitet.

Wo bin ich ? ist's ein Zaubermährchen-Land : Welch nächtliches Gelag am Fuss der Felsen wand? Bei kleinen Hütten, dicht mit Reis bedecket. Seh' ich sie froh an's Feuer hingestrecket. Es dringt der Glanz hoch durch den Fichten-Saal; Am niedern Herde kocht ein rohes Mahl ; Sie scherzen laut, indessen bald geleeret Die Flasche frisch im Kreise wiederkehret.

Sagt, wem vergleich' ich diese muntre Schaar ?

Von wannen kommt sie : um wohin zu ziehen ?

Wie ist an ihr doch alles wunderbar !

Soll ich sie grossen r soll ich vor ihr fliehen ?

Ist es der Jäger wildes Geisterheer ?

Sind's Gnomen, die hier Zauberkünste treiben ?

47

J. W. VON GOETHE

Ich seh' im Busch der kleinen Feuer mehr ;

Es schaudert mich, ich wage kaum zu bleiben.

Ist's der Agyptier verdächtiger Aufenthalt ?

Ist es ein flüchtiger Fürst wie im Ardenner-Wald ?

Soll ich Verirrter hier in den verschlungnen Gründen

Die Geister Shakespeare's gar verkörpert finden ?

Ja, der Gedanke führt mich eben recht :

Sie sind es selbst, wo nicht ein gleich Geschlecht !

Unbändig schwelgt ein Geist in ihrer Mitten,

Und durch die Rohheit fühl' ich edle Sitten.

Wie nennt ihr ihn ? Wer ist's, der dort gebückt Nachlässig stark die breiten Schultern drückt ? Er sitzt zunächst gelassen an der Flamme, Die markige Gestalt aus altem Heldenstamme. Er saugt begierig am geliebten Rohr, Es steigt der Dampf an seiner Stirn empor. Gutmüthig trocken weiss er Freud' und Lachen Im ganzen Cirkel laut zu machen. Wenn er mit ernstlichem Gesicht Barbarisch bunt in fremder Mundart spricht.

Wer ist der andre, der sich nieder An einen Sturz des alten Baumes lehnt, Und seine langen feingestalten Glieder Ekstatisch faul nach allen Seiten dehnt. Und, ohne dass die Zecher auf ihn hören, Mit Geistesflug sich in die Höhe schwingt. Und von dem Tanz der himmelhohen Sphären Ein monotones Lied mit grosser Inbrunst singt ?

Doch scheinet allen etwas zu gebrechen. Ich höre sie auf einmal leise sprechen. Des Jünolings Ruhe nicht zu unterbrechen. Der dort am Ende, wo das Thal sich schliesst,

48

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

In einer Hütte, leicht gezimmert,

Vor der ein letzter Blick des kleinen Feuers schim- mert,

Vom Wasserfall umrauscht, des milden Schlafs geniesst.

Mich treibt das Herz nach jener Kluft zu wandern.

Ich schleiche still und scheide von den andern.

Sei mir gegrüsst, der hier in später Nacht Gedankenvoll an dieser Schwelle wacht ! Was sitzest du entfernt von jenen Freuden ? Du scheinst mir auf was Wichtiges bedacht. Was ist's, dass du in Sinnen dich verlierest. Und nicht einmal dein kleines Feuer schürest ?

** O fraae nicht ! denn ich bin nicht bereit, Des Fremden Neugier leicht zu stillen ; Sogar verbitt' ich deinen guten Willen ; Hier ist zu schweigen und zu leiden Zeit. Ich bin dir nicht im Stande selbst zu sagen Woher ich sei, wer mich hierher gesandt ; Von fremden Zonen bin ich her verschlagen Und durch die Freundschaft festgebannt.

Wer kennt sich selbst ? wer weiss was er vermag ?

Hat nie der Muthige Verwegnes unternommen ?

Und was du thust, sagt erst der andre Tag,

War es zum Schaden oder Frommen.

Liess nicht Prometheus selbst die reine Himmelsgluth

Auf frischen Thon vergötternd niederfliessen ?

Und könnt' er mehr als irdisch Blut

Durch die belebten Adern giessen ?

Ich brachte reines Feuer vom Altar ;

Was ich entzündet, ist nicht reine Flamme.

133 49

J. W. VON GOETHE

Der Sturm vermehrt die Gluth und die Gefahr, Ich schwanke nicht, indem ich mich verdamme.

Und wenn ich unklug Muth und Freiheit sang Und Redlichkeit und Freiheit sonder Zwang, Stolz auf sich selbst und herzliches Behagen, Erwarb ich mir der Menschen schöne Gunst : Doch ach ! ein Gott versagte mir die Kunst, Die arme Kunst, mich künstlich zu betragen. Nun sitz' ich hier zugleich erhoben und gedrückt, Unschuldig und gestraft, und schuldig und beglückt.

Doch rede sacht ! denn unter diesem Dach

Ruht all mein Wohl und all mein Ungemach :

Ein edles Herz, vom Wege der Natur

Durch enges Schicksal abgeleitet.

Das, ahnungsvoll, nun auf der rechten Spur

Bald mit sich selbst und bald mit Zauberschatten

streitet. Und was ihm das Geschick durch die Geburt

geschenkt Mit Müh und Schweiss erst zu erringen denkt. Kein liebevolles Wort kann seinen Geist enthüllen Und kein Gesang die hohen Wogen stillen.

Wer kann der Raupe, die am Zweige kriecht, Von ihrem künft'gen Futter sprechen ? Und wer der Puppe, die am Boden liegt. Die zarte Schale helfen durchzubrechen ? Es kommt die Zeit, sie drängt sich selber los Und eilt auf Fittigen der Rose in den Schoos.

Gewiss, ihm geben auch die Jahre Die rechte Richtung seiner Kraft. Noch ist bei tiefer Neigung für das Wahre Ihm Irrthum eine Leidenschaft.

so

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Der Vorwitz lockt ihn in die Weite,

Kein Fels ist ihm zu schroff, kein Steg zu schmal ;

Der Unfall lauert an der Seite

Und stürzt ihn in den Arm der Qual.

Dann treibt die schmerzlich überspannte Regung

Gewaltsam ihn bald da bald dort hinaus,

Und von unmuthiger Bewegung

Ruht er unmuthig wieder aus.

Und düster wild an heitern Tagen,

Unbändig ohne froh zu sein.

Schläft er, an Seel' und Leib verwundet und

zerschlagen, Auf einem harten Lager ein: Indessen ich hier still und athmend kaum Die Augen zu den freien Sternen kehre. Und, halb erwacht und halb im schweren Traum, Mich kaum des schweren Traums erwehre.*'

Verschwinde Traum !

Wie dank' ich, Musen, euch ! Dass ihr mich heut auf einen Pfad gestellet. Wo auf ein einzig Wort die ganze Gegend gleich Zum schönsten Tage sich erhellet ; Die Wolke flieht, der Nebel fällt. Die Schatten sind hinweg. Ihr Götter, Preis und

Wonne ! Es leuchtet mir die wahre Sonne, Es lebt mir eine schönre Welt ; Das ängstliche Gesicht ist in die Luft zerronnen, Ein neues Leben ist's, es ist schon lang begonnen.

Ich sehe hier, wie man nach langer Reise Im Vaterland sich wieder kennt, Ein ruhig Volk in stillem Fleisse Benutzen, was Natur an Gaben ihm gegönnt.

51

J. W. VON GOETHE

Der Faden eilet von dem Rocken

Des Webers raschem Stuhle zu ;

Und Seil und Kübel wird in längrer Ruh

Nicht am verbrochnen Schachte stocken ;

Es wird der Trug entdeckt, die Ordnung kehrt

zurück, Es folgt Gedeihn und festes irdisches Glück.

So niüg', o Fürst, der Winkel deines Landes Ein Vorbild deiner Tage sein ! Du kennest lang die Pflichten deines Standes Und schränkest nach und nach die freie Seele ein. Der kann sich manchen Wunsch gewähren, Der kalt sich selbst und seinem Willen lebt ; Allein wer andre wohl zu leiten strebt, Muss fähig sein, viel zu entbehren.

So wandle du der Lohn ist nicht gering Nicht schwankend hin, wie jener Sämann ging, Dass bald ein Korn, des Zufalls leichtes Spiel, Hier auf den Weg, dort zwischen Dornen fiel ; Nein ! streue klug wie reich, mit männlich stäter

Hand, Den Segen aus auf ein geackert Land ; Dann lass es ruhn : die Ernte wird erscheinen Und dich beglücken und die Deinen.

KUNST Der Wandrer

WANDRER

GOTT segne dich, junge Frau, LTnd den säugenden Knaben

52

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

An deiner Brust !

Lass mich an der Felsenwand hier,

In des Ulmbaums Schatten,

Meine Bürde werfen,

Neben dir ausruhn.

FRAU

Welch Gewerbe treibt dich Durch des Tages Hitze Den staubigen Pfad her ? Bringst du Waaren aus der Stadt Im Land herum ? Lächelst, Fremdling, Über meine Frage ?

WANDRER

Keine Waaren bring' ich aus der Stadt : Kühl wird nun der Abend. Zeige mir den Brunnen, Draus du trinkest. Liebes junges W^eib !

VRAU

Hier den Felsenpfad hinauf. Geh voran ! Durch's Gebüsche Geht der Pfad nach der Hütte, Drin ich wohne, Zu dem Brunnen, Den ich trinke.

WANDRER

Spuren ordnender Menschenhand Zwischen dem Gesträuch ! Diese Steine hast du nicht gefügt, Reichhinstreuende Natur !

53

J. W. VON GOETHE

FRAU

Weiter hinauf!

WANDRER

Von dem Moos gedeckt ein Architrav ! Ich erkenne dich, bildender Geist ! Hast dein Siegel in den Stein gepr'ägt.

FRAU

Weiter, Fremdling !

WANDRER

Eine Inschrift, über die ich trete ! Nicht zu lesen ! Weggewandelt seid ihr, Tiefgegrabne Worte, Die ihr eures Meisters Andacht Tausend Enkeln zeigen solltet.

FRAU

Staunest, Fremdling, Diese Stein' an ? Droben sind der Steine viel Um meine Hütte.

WANDRER

Droben ?

FRAU

Gleich zur Linken Durch's Gebüsch hinan ; Hier.

WANDRER

Ihr Musen und Grazien !

FRAU

Das ist meine Hütte. 54

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

WANDRER

Eines Tempels Trümmer !

FRAU

Hier zur Seit' hinab Quillt der Brunnen, Den ich trinke.

WANDRER

Glühend webst du Über deinem Grabe, Genius ! über dir Ist zusammengestürzt Dein Meisterstück, O du Unsterblicher !

FRAU

Wart', ich hole das Gefäss Dir zum Trinken.

WANDRER

Epheu hat deine schlanke

Götterbildung umkleidet.

Wie du emporstrebst

Aus dem Schutte,

S'äulenpaar !

Und du einsame Schwester dort,

Wie ihr.

Düstres Moos auf dem heiligen Haupt,

Majestätisch trauernd herabschaut

Auf die zertrümmerten

Zu euren Füssen,

Eure Geschwister !

In des Brombeergesträuches Schatten

Deckt sie Schutt und Erde,

55

J. W. VON GOETHE

Und hohes Gras wankt drüber hin.

Schätzest du so, Natur,

Deines Meisterstücks Meisterstück ?

Unempfindlich zertrümmerst du

Dein Heiligthum :

Säest Disteln drein ?

FRAU

Wie der Knabe schläft ! Willst du in der Hütte ruhn, Fremdling ? Willst du hier Lieber in dem Freien bleiben ? Es ist kühl ! Nimm den Knaben, Dass ich Wasser schöpfen gehe. Schlafe, Lieber! schlaf!

WANDRER

Süss ist deine Ruh !

Wie's, in himmlischer Gesundheit

Schwimmend, ruhig athmet !

Du, geboren über Resten

Heiliger Vergangenheit,

Ruh ihr Geist auf dir !

Welchen der umschwebt,

Wird in Götterselbstuef ühl

Jedes Tags geaiessen.

Voller Keim blüh' auf,

Des glänzenden Frühlings

Herrlicher Schmuck,

Und leuchte vor deinen Gesellen !

Und welkt die Blüthenhülle weg,

Dann steig' aus deinem Busen

Die volle Frucht,

Und reife der Sonn' entgegen !

56

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

FRAU

Gesegne's Gott ! Und schl'äft er noch ?

Ich habe nichts zum frischen Trunk,

Als ein Stück Brot, das ich dir bieten kann.

WANDRER

Ich danke dir.

Wie herrlich alles blüht umher

Und grünt !

FRAU

Mein Mann wird bald

Nach Hause sein

Vom Feld. O bleibe, bleibe, Mann !

Und iss mit uns das Abendbrot.

WANDRER

Ihr wohnet hier ?

FRAU

Da, zwischen dem Gemäuer her. Die Hütte baute noch mein Vater Aus Ziegeln und des Schuttes Steinen. Hier wohnen wir. Er gab mich einem Ackersmann, Und starb in unsern Armen. Hast du geschlafen, liebes Herz ? Wie er munter ist, und spielen will ! Du Schelm !

WANDRER

Natur ! du ewig keimende, Schaffst jeden zum Genuss des Lebens, Hast deine Kinder alle mütterlich Mit Erbtheil ausgestattet, einer Hütte. Hoch baut die Schwalb' an das Gesims,

57

J. W. VON GOETHE

Unfühlend, welchen Zierrath

Sie verklebt ;

Die Raup' umspinnt den goldnen Zweig

Zum Winterhaus für ihre Brut ;

Und du flickst zwischen der Vergangenheit

Erhabne Trümmer

Für deine Bedürfniss'

Eine Hütte, o Mensch,

Geniessest über Gräbern !

Leb' wohl, du glücklich Weib !

FRAU

Du willst nicht bleiben ?

WANDRER

Gott erhalt' euch, Segn' euern Knaben !

FRAU

Glück auf den Weg !

WANDRER

Wohin führt mich der Pfad Dort über'n Berg ?

FRAU

Nach Cuma.

WANDRER

Wie weit ist's hin ?

FRAU

Drei Meilen gut-

WANDRER

Leb' wohl !

O leite meinen Gang, Natur !

Den Fremdlings- Reisetritt,

58

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Den über Gräber

Heiliger Vergangenheit

Ich wandle.

Leit' ihn zum Schutzort,

Vor'ra Nord gedeckt,

Und wo dem Mittagsstrahl

Ein Pappel Wäldchen wehrt.

Und kehr' ich dann

Am Abend heim

Zur Hütte,

Vergoldet vom letzten Sonnenstrahl ;

Lass mich empfangen solch ein Weib,

Den Knaben auf dem Arm !

Amor als Landschaftsmahier

SASS ich früh auf einer Felsenspitze, Sah mit starren Augen in den Nebel ; Wie ein grau grundirtes Tuch gespannet Deckt' er alles in die Breit' und Höhe.

Stellt' ein Knabe sich mir an die Seite, Sagte : Lieber Freund, wie magst du starrend Auf das leere Tuch gelassen schauen ? Hast du denn zum Mahlen und zum Bilden Alle Lust auf ewig wohl verloren ?

Sah ich an das Kind und dachte heimlich : Will das Bübchen doch den Meister machen !

Willst du immer trüb' und müssig bleiben, Sprach der Knabe, kann nichts Kluges werden Sich, ich will dir gleich ein Bildchen mahlen, Dich ein hübsches Bildchen mahlen lehren.

59

J. W. VON GOETHE

Und er richtete den Zeigefinger, Der so röthlich war wie eine Rose, Nach dem weiten ausgespannten Teppich, Fing mit seinem Finger an zu zeichnen:

Oben mahlt' er eine schöne Sonne, Die mir in die Augen mächtig glänzte. Und den Saum der Wolken macht' er golden, Liess die Strahlen durch die Wolken dringen ; Mahlte dann die zarten leichten Wipfel Frisch erquickter Bäume, zog die Hügel, Einen nach dem andern, frei dahinter ; Unten liess er's nicht an Wasser fehlen. Zeichnete den Fluss so ganz natürlich, Dass er schien im Sonnenstrahl zu glitzern, Dass er schien am hohen Rand zu rauschen.

Ach, da standen Blumen an dem Flusse, Und da waren Farben auf der Wiese, Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes, Alles wie Smaragd und wie Karfunkel ! Hell und rein lasirt' er drauf den Himmel Und die blauen Berge fern und ferner, Dass ich ganz entzückt und neu geboren Bald den Mahlcr, bald das Bild beschaute.

Hab' ich doch, so sagt' er, dir bewiesen, Dass ich dieses Handwerk gut verstehe ; Doch es ist das Schwerste noch zurücke.

Zeichnete darnach mit spitzem Finger Und mit grosser Sorgfalt an dem Wäldchen, Grad an's Ende, wo die Sonne kräftig Von dem hellen Boden widergiänzte. Zeichnete das allerliebste Mädchen, Wohlgebildet, zierlich angekleidet, 60

GEDICHTE. ZWEITER THEIL

Frische Wangen unter braunen Haaren, Und die Wangen waren von der Farbe, Wie das Finger eben, das sie gebildet.

O du Knabe ! rief ich, welch ein Meister Hat in seine Schule dich genommen, Dass du so geschwind und so natürlich Alles klug beginnst und gut vollendest ?

Da ich noch so rede, sieh, da rühret

Sich ein Windchen, und bewegt die Gipfel

Kräuselt alle Wellen auf dem Flusse,

Füllt den Schleier des volikommnen Madchens,

Und was mich Erstaunten mehr erstaunte.

Fängt das Mädchen an den Fuss zu rühren.

Geht zu kommen, nähert sich dem Orte,

Wo ich mit dem losen Lehrer sitze.

Da nun alles, alles sich bewegte, Bäume, Fluss und Blumen und der Schleier Und der zarte Fuss der Allerschönsten ; Glaubt ihr wohl, ich sei auf meinem Felsen, Wie ein Felsen, still und fest geblieben ?

ALTERSLYRIK

Trilogie der Leidenschaft

An Werthdr

NOCH einmal wagst du, vielbeweinter Schatten, Hervor dich an das Tageslicht, Begegnest mir auf neu beblümten Matten Und meinen Anblick scheust du nicht.

6i

J. W. VOM GOF.THE

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Es isi als ob da lebtest in der Frühe, Wo uns der i'hau aut Einem Feld erquickt. Und nach d^l^^es unwillkommner IVlühc Der Sch^^^^^^|uer Strahl entzückt ; ZuniJ^^^^^^^^BScheiden du erkoren, Gi^^^^^^^^^^^BitflHMi^l^icr 1 o ren .

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J. W. VON GOETHE

Es ist als ob du lebtest in der Frühe, Wo uns der Thau auf Einem Feld erquickt, Und nach des Tages unwillkommner Mühe Der Scheidesonne letzter Strahl entzückt ; Zum Bleiben ich, zum Scheiden du erkoren, Gingst du voran und hast nicht viel verloren.

Des Menschen Leben scheint ein herrlich Leos : Der Tag, wie lieblich, so die Nacht, wie gross ! Und wir, gepflanzt in Paradieses Wonne, Geniessen kaum der hocherlauchten Sonne, Da kämpft sogleich verworrene Bestrebung Bald mit uns selbst und bald mit der Umgebung ; Keins wird vom andern wünschenswerth ergänzt. Von aussen düstert's, wenn es innen glänzt. Ein glänzend Äussres deckt mein trüber Blick, Da steht es nah und man verkennt das Glück.

Nun glauben wir's zu kennen ! Mit Gewalt Ergreift uns Liebreiz weiblicher Gestalt: Der Jüngling, froh wie in der Kindheit Flor, Im Frühling tritt als Frühling selbst hervor. Entzückt, erstaunt, wer dies ihm angethan ? Er schaut umher, die Welt gehört ihm an. In*s Weite zieht ihn unbefangne Hast, Nichts engt ihn ein, nicht Mauer, nicht Palast ; Wie Vögelschaar an Wäldergipfeln streift, So schwebt auch er, der um die Liebste schweift, Er sucht vom Äther, den er gern verlässt, Den treuen Blick, und dieser hält ihn fest.

Doch erst zu früh und dann zu spät gewarnt, Fühlt er den Flug gehemmt, fühlt sich umgarnt. Das Wiedersehn ist froh, das Scheiden schwer, Das Wieder-Wiedersehn beglückt noch mehr

62

ALTERSLYRIK

Und Jahre sind im Augenblick ersetzt ; Doch tückisch harrt das Lebewohl zuletzt.

Du lächelst, Freund, gefühlvoll wie sich ziemt : Ein grässlich Scheiden machte dich berühmt ; Wir feierten dein kläglich Missgeschick, Du liessest uns zu Wohl und Weh zurück ; Dann zog uns wieder ungewisse Bahn Der Leidenschaften labyrinthisch an ; Und wir verschlungen wiederholter Noth, Dem Scheiden endlich Scheiden ist der Tod ! Wie klingt es rührend wenn der Dichter singt. Den Tod zu meiden, den das Scheiden bringt ! Verstrickt in solche Qualen halbverschuldet Geb' ihm ein Gott zu sasen was er duldet.

Elegie

Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, Gab mir ein Gott zu sagen was ich leide.

WAS soll ich nun vom Wiedersehen hoffen, Von dieses Tages noch geschloss'ner Blüthe ? Das Paradies, die Hölle steht dir offen ; Wie wankelsinnig regt sich's im Gemüthe ! Kein Zweifeln mehr ! Sie tritt an's Himmelsthor, Zu ihren Armen hebt sie dich empor.

So warst du denn im Paradies empfangen. Als wärst du werth des ewig schönen Lebens ; Dir blieb kein Wunsch, kein Hoffen, kein Verlangen, Hier war das Ziel des innigsten Bestrebens, Und in dem Anschaun dieses einzig Schönen Versiegte gleich der Quell sehnsüchtiger Thränen.

63

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WAS soll ich nun vom Wiedersehen hoffen, Von dieses Tages noch geschloss'ner Blüthe ? Das Paradies, die Hölle steht dir otfen ; Wie wankelsinnig regt sich's im GemJthe ! Kein Zweitein mehr ! Sie tritt an's Himnn Zu ihren Armen hebt sie dich empor.

So warst du denn im Paradies empfang« Als wärst du werth des ewig schönen L< Dir blieb kein Wunsch, kein Hoffen, kein Hier war das Ziel des innigsten Bestrcl Und in dem Anschaun dieses einzii^ Sei Versiegte gleich der Quell sehnsüchtiger

J. W. VON GOETHE

Wie regte nicht der Tag die raschen Flügel, Schien die Minuten vor sich her zu treiben ! Der Abendkuss, ein treu verbindlich Siegel : So wird es auch der nächsten Sonne bleiben. Die Stunden glichen sich in zartem Wandern Wie Schwestern zwar, doch keine ganz den andern.

Der Kuss der letzte, grausam süss, zerschneidend Ein herrliches Geflecht verschlunoner Minnen. Nun eilt, nun stockt der Fuss die Schwelle meidend, Als trieb' ein Cherub flammend ihn von hinnen ; Das Auge starrt auf düstrem Pfad verdrossen. Es blickt zurück, die Pforte steht verschlossen.

Und nun verschlossen in sich selbst, als hätte Dies Herz sich nie geöffnet, selige Stunden Mit jedem Stern des Himmels um die Wette An ihrer Seite leuchtend nicht empfunden ; Und Missmuth, Reue, Vorwurf, Sorgenschwere Belasten's nun in schwüler Atmosphäre.

Ist denn die Welt nicht übrig ? Felsen wände Sind sie nicht mehr gekrönt von heiligen Schatten ? Die Ernte reift sie nicht? Ein grün Gelände Zieht sich's nicht hin am Fluss durch Busch und

Matten ? Und wölbt sich nicht das überweltlich Grosse, Gestaltenreiche, bald gestaltenlose ?

Wie leicht und zierlich, klar und zart gewoben. Schwebt, Seraph gleich, aus ernster Wolken Chor, Als glich' es ihr, am blauen Äther droben. Ein schlank Gebild aus lichtem Duft empor ; So sahst du sie in frohem Tanze walten Die lieblichste der lieblichsten Gestalten.

64

ALTERSLYRIK

Doch nur Momente darfst dich unterwinden

Ein Luftgebild statt ihrer fest zu halten ;

In's Herz zurück, dort wirst dü's besser finden,

Dort regt sie sich in wechselnden Gestalten ;

Zu vielen bildet Eine sich hinüber,

So tausendfach, und immer immer lieber.

Wie zum Empfang sie an den Pforten weilte Und mich von dannauf stufenweis beolückte ; Selbst nach dem letzten Kuss mich noch ereilte, Den letztesten mir auf die Lippen drückte: So klar beweglich bleibt das Bild der Lieben, Mit Flammenschrift, in's treue Herz geschrieben.

In's Herz, das fest wie zinnenhohe Mauer Sich ihr bewahrt und sie in sich bewahret, Für sie sich freut an seiner eignen Dauer, Nur weiss von sich, wenn sie sich offenbaret, Sich freier fühlt in so geliebten Schranken Und nur noch schlägt, für alles ihr zu danken.

War Fähigkeit zu lieben, war Bedürfen Von Gegenliebe weggelöscht, verschwunden ; Ist Hoffnungslust zu freudigen Entwürfen, Entschlüssen, rascher That sogleich gefunden ! Wenn Liebe je den Liebenden begeistet. Ward es an mir auf's lieblichste geleistet ;

Und zwar durch sie ! Wie lag ein innres Bangen Auf Geist und Körper, unwillkommer Schwere: Von Schauerbildern rings der Blick umfangen Im wüsten Raum beklommner Herzensleere ; Nun dämmert Hoffnung von bekannter Schwelle, Sie selbst erscheint in milder Sonnenhelle.

Dem Frieden Gottes, welcher euch hienieden Mehr als Vernunft beseliget wir lesen' s

134 6;

J. W. VON GOETHE

Vergleich' ich wohl der Liebe heitern Frieden In Gegenwart des allgeliebten Wesens ; Da ruht das Herz und nichts vermag zu stören Den tiefsten Sinn, den Sinn ihr zu gehören.

In unsers Busens Reine wogt ein Streben,

Sich einen Höhern, Reinern, Unbekannten

Aus Dankbarkeit freiwillig hinzugeben,

Enträthselnd sich den ewig Ungenannten ;

Wir heissen's: fromm sein! Solcher seligen Höhe

Fühl' ich mich theilhaft. wenn ich vor ihr stehe.

Vor ihrem Blick, wie vor der Sonne Walten, Vor ihrem Athem, wie vor Frühlingslliften, Zerschmilzt, so langst sich eisig starr gehalten, Der Selbstsinn tief in winterlichen Grüften ; Kein Eigennutz, kein Eigenwille dauert. Vor ihrem Kommen sind sie weggeschauert.

Es ist als wenn sie sagte : " Stund' um Stunde Wird uns das Leben freundlich dargeboten. Das Gestrige Hess uns geringe Kunde, Das Morgende, zu wissen ist's verboten ; Und wenn ich je mich vor dem Abend scheute, Die Sonne sank und sah noch was mich freute.

Drum thu' wie ich und schaue, froh verständig, Dem Augenblick in's Auge ! Kein Verschieben ! Begegn' ihm schnell, wohlwollend wie lebendig. Im Handeln sei's zur Freude, sei's dem Lieben ; Nur wo du bist sei alles, immer kindlich. So bist du alles, bist unüberwindlich."

Du hast gut reden, dacht' ich, zum Geleite Gab dir ein Gott die Gunst des Augenblickes, Und jeder fühlt an deiner holden Seite 66

ALTERSLYRIK

Sich Augenblicks den Günstling des Geschickes ; Mich schreckt der Wink von dir mich zu entfernen, Was hilft es mir so hohe Weisheit lernen !

Nun bin ich fern ! Der jetzigen Minute Was ziemt denn der ? Ich wüsst' es nicht zu sagen ; Sie bietet mir zum Schönen manches Gute, Das lastet nur, ich muss mich ihm entschlagen ; Mich treibt umher ein unbezwinglich Sehnen, Da bleibt kein Rath als gränzenlose Thränen.

So quellt denn fort ! und fiiesset unaufhaltsam ; Doch nie gelang's die innre Gluth zu dämpfen ! Schon rast's und reisst in meiner Brust gewaltsam, Wo Tod und Leben grausend sich bekämpfen. Wohl Kräuter gäb's, des Körpers Qual zu stillen ; Allein dem Geist fehlt's am El ntschluss und Willen,

Fehlt's am Begriff: wie sollt' er sie vermissen? Er wiederholt ihr Bild zu tausendmalen. Das zaudert bald, bald wird es weggerissen, Undeutlich jetzt und jetzt im reinsten Strahlen ; Wie könnte dies geringstem Tröste frommen. Die Ebb' und Fluth, das Gehen wie das Kommen ?

Verlasst mich hier, getreue Weggenossen ! Lasst mich allein am Fels, in Moor und Moos ; Nur immer zu ! euch ist die Welt erschlossen, Die Erde weit, der Himmel hehr und gross ; Betrachtet, forscht, die Einzelheiten sammelt, Naturgeheimniss werde nachgestammelt.

Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren, Der ich noch erst den Göttern Liebling war ; Sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,

67

J. W. VON GOETHE

So reich an Gütern, reicher an Gefahr ; Sie drängten mich zum gabesehgen Munde, Sie trennen mich, und richten mich zu Grunde.

Aussöhnung

DIE Leidenschaft bringt Leiden! Wer be- schwichtigt Beklommnes Herz das allzuviel verloren ? Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt ? Vergebens war das Schönste dir erkoren ! Trüb' ist der Geist, verworren das Beginnen ; Die hehre Welt wie schwindet sie den Sinnen !

Da schwebt hervor Musik mit Engelschwingen,

Verflicht zu Millionen Tön* um Töne,

Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,

Zu überfüllen ihn mit ew'ger Schöne :

Das Auoe netzt sich, fühlt im höhern Sehnen

Den Götter-Werth der Töne wie der Thränen.

Und so das Herz erleichtert merkt behende

Dass es noch lebt und schlägt und möchte schlagen.

Zum reinsten Dank der überreichen Spende

Sich selbst erwidernd willig darzutragen.

Da fühlte sich o dass es ewig bliebe !

Das Doppel-Glück der Töne wie der Liebe.

Äolsharfen Gespräch

KR

ICH dacht' ich habe keinen Schmerz Und doch war mir so bang um's Herz, 68

ALTERSLYRIK

Mir war's gebunden vor der Stirn Und hohl im innersten Gehirn Bis endlich Thrän' auf Thräne lliesst, Verhaltnes Lebewohl ergiesst. Ihr Lebewohl war heitre Ruh, Sie weint wohl jetzund auch wie du.

SIE

Ja er ist fort, das muss nun sein ! Ihr Lieben, lasst mich nur allein, Sollt' ich euch seltsam scheinen. Es wird nicht ewig währen ! Jetzt kann ich ihn nicht entbehren, Und da muss ich weinen

ER

Zur Trauer bin ich nicht gestimmt

Und Freude kann ich auch nicht haben :

Was sollen mir die reifen Gaben,

Die man von jedem Baume nimmt !

Der Tas ist mir zum Uberdruss,

Langweilig ist's, wenn Nächte sich befeuern ;

Mir bleibt der einzige Genuss

Dein holdes Bild mir ewig zu erneuern,

Und fühltest du den Wunsch nach diesem Segen,

Du kämest mir auf halbem Weg entgegen.

SIE

Du trauerst dass ich nicht erscheine, Vielleicht entfernt so treu nicht meine. Sonst war' mein Geist im Bilde da. Schmückt Iris wohl des Himmels Bläue ? Lass regnen, gleich erscheint die Neue, Du weinst ! Schon bin ich wieder da.

6g

J. W. VON GOETHE

ER

Ja du bist wohl an Iris zu vergleichen ! Ein liebenswürdig Wunderzeichen. So schmiegsam herrlich, bunt im Harnionie Und immer neu und immer gleich wie sie.

Mai

LEICHTE Silberwolken schweben Durch die erst erwärmten Lüfte, Mild, von Schimmer sanft umgeben, Blickt die Sonne durch die Düfte ; Leise wallt und drängt die Welle Sich am reichen Ufer hin, Und wie reingewaschen helle. Schwankend hin und her und hin, Spiegelt sich das junge Grün.

Still ist Luft und Lüftchen stille ; Was bewegt mir das Gezweige ? Schwüle Liebe dieser Fülle, Von den Bäumen durch's Gesträuche. Nun der Blick auf einmal helle. Sieh ! der Bübchen Flatterschaar, Das bewegt und regt so schnelle, Wie der Morgen sie gebar, Flügelhaft sich Paar und Paar.

Fangen an das Dach zu flechten ; Wer bedürfte dieser Hütte .'* L^nd wie Zimmrer, die gerechten, Bank und l'ischchen in der Mitte ! Und so bin ich noch verwundert, Sonne sinkt, ich fühl' es kaum ;

70

ALTERSLYRIK

Und nun führen aber hundert Mir das Liebchen in den Raum, Tag und Abend, welch ein Traum !

Zivischen beiden Wehen

EINER Einzigen angehören, Einen Einzigen verehren Wie vereint es Herz und Sinn ! Lida! Glück der nächsten Nähe, William ! Stern der schönsten Höhe, Euch verdank' ich was ich bin. Tag' und Jahre sind verschwunden. Und doch ruht auf jenen Stunden Meines Werthes Vollsewinn,

GOTT UND WELT

Procemion

IM Namen dessen, der Sich selbst erschuf! Von Ewigkeit in schaffendem Beruf; In Seinem Namen, der den Glauben schafft, Vertrauen, Liebe, Thätigkeit und Kraft ; In Jenes Namen, der, so oft genannt. Dem Wesen nach blieb immer unbekannt :

So weit das Ohr, so weit das Auge reicht,

Du findest nur Bekanntes das Ihm gleicht,

Und deines Geistes höchster Feuerflug

Hat schon am Gleichniss, hat am Bild genug ;

Es zieht dich an, es reisst dich heiter fort,

Und wo du wandelst, schmückt sich Weg und Ort ;

71

J. W. VON GOETHE

Du zahlst nicht mehr, berechnest keine Zeit, Und jeder Schritt ist Unermesslichkeit.

Was war' ein Gott, der nur von aussen stiesse, Im Kreis das All am Finger laufen Hesse ! Ihm ziemt's, die Welt im Innern zu bewegen, Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen. So dass was in Ihm lebt und webt und ist, Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermisst.

Im Innern ist ein Universum auch ; Daher der Völker löblicher Gebrauch, Dass jeglicher das Beste was er kennt, Er Gott, ja seinen Gott benennt. Ihm Himmel und Erden übergibt, Ihn fürchtet, und wo möglich liebt.

JVeltseele

VERTHEILET euch nach allen Regionen Von diesem heil'uen Schmaus ! Veroeistert reisst euch durch die nächsten Zonen In's All und füllt es aus !

Schon schwebet ihr in ungemess'nen Fernen Den sel'gen Göttertraum, Und leuchtet neu, gesellig, unter Sternen Im lichtbesäten Raum.

Dann treibt ihr euch, gewaltige, Kometen, In's Weit' und Weitr' hinan. Das Labyrinth der Sonnen und Planeten Durchschneidet eure Bahn. 7i

GOTT UND WELT

Ihr greifet rasch nach ungeformten Erden Und wirket schöpfrisch jung, Dass sie belebt und stets belebter werden, Im abgemess'nen Schwung.

Und kreisend führt ihr in bewegten Lüften Den wandelbaren Flor,

Und schreibt dem Stein in allen seinen Grüften Die festen Formen vor.

Nun alles sich mit göttlichem Erkühnen Zu übertreffen strebt ; Das Wasser will, das unfruchtbare, grünen Und jedes Staubchen lebt.

Und so verdrangt mit liebevollem Streiten Der feuchten Qualme Nacht ; Nun glühen schon des Paradieses Weiten, In überbunter Pracht.

Wie regt sich bald, ein holdes Licht zu schauen, Gestaltenreiche Schaar, Und ihr erstaunt, auf den beglückten Auen, Nun als das erste Paar,

Und bald verlischt ein unbegränztes Streben Im sel'gen Wechselblick.

Und so empfangt, mit Dank, das schönste Leben Vom All in's All zurück.

Dauer im Wechsel

HIELTE diesen frühen Segen Ach, nur Eine Stunde fest ! Aber vollen Blüthenregen Schüttelt schon der laue West.

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J. W. VON GOETHE

Soll ich mich des Grünen freuen Dem ich Schatten erst verdankt ? Bald wird Sturm auch das zerstreuen, Wenn es falb im Herbst geschwankt.

Willst du nach den Früchten crreifen. Eilig nimm dein Theil davon ! Diese fangen an zu reifen Und die andern keimen schon ; Gleich mit jedem Reaengusse Ändert sich dein holdes Thal, Ach, und in demselben Flusse Schwimmst du nicht zum zweitenmal.

Du nun selbst ! Was felsenfeste Sich vor dir hervorgethan, Mauern siehst du, siehst Paläste Stets mit andern Augen an. Weggeschwunden ist die Lippe, Die im Kusse sonst genas, Jener Fuss, der an der Klippe Sich mit Gemsenfreche mass,

Jene Hand, die gern und milde Sich bewegte wohlzuthun. Das gegliederte Gebilde, Alles ist ein andres nun. Und was sich an jener Stelle Nun mit deinem Namen nennt. Kam herbei wie eine Welle Und so eilt's zum Element.

Lass den Anfang mit dem Ende Sich in Eins zusammenziehn ! Schneller als die Gegenstände Selber dich vorüberfliehn.

74

GOTT UND WELT

Danke, dass die Gunst der Musen Unvergängliches verhelsst, Den Gehalt in deinem Busen Und die Form in deinem Geiste

Eins und Alles

IM Gränzenlosen sich zu finden Wird gern der Einzelne verschwinden, Da lös't sich aller Uberdruss ; Statt heissem Wünschen, wildem Wollen, Statt l'äst'gem Fordern, strengem Sollen, Sich aufzusehen ist Genuss.

Weltseele komm uns zu durchdringen ! Dann mit dem Weltfjeist selbst zu ringen Wird unsrer Kräfte Hochberuf. Theilnehmend führen gute Geister, Gelinde leitend, höchste Meister,' Zu dem der alles schafft und schuf.

Und umzuschaffen das Geschaffne, Damit sich's nicht zum Starren waffne, Wirkt ewiges lebend'ges Thun. Und was nicht war, nun will es werden. Zu reinen Sonnen, farbigen Erden, In keinem Falle darf es ruhn.

Es soll sich regen, schaffend handeln. Erst sich gestalten, dann verwandeln ; Nur scheinbar steht's Momente still. Das Ew'ge regt sich fort in allen : Denn alles muss in Nichts zerfallen. Wenn es im Sein beharren will.

75

J. W. VON GOETHE

Vermächtnlss

KEIN Wesen kann zu Nichts zerfallen! Das Ew'ge regt sich fort in allen, Am Sein erhalte dich beglückt ! Das Sein ist ewig : denn Gesetze Bewahren die lebend'gen Schätze Aus welchen sich das All geschmückt.

Das Wahre war schon längst gefunden, Hat edle Geisterschaft verbunden, Das alte Wahre fass es an ! Verdank' es Erdensohn dem Weisen, Der ihr die Sonne zu umkreisen Und dem Geschwister wies die Bahn.

Sofort nun wende dich nach innen. Das Centrum findest du dadrinnen Woran kein Edler zweifeln mag. Wirst keine Regel da vermissen : Denn das selbstständige Gewissen Ist Sonne deinem Sittentag.

Den Sinnen hast du dann zu trauen, Kein Falsches lassen sie dich schauen, Wenn dein Verstand dich wach erhält. Mit frischem Blick bemerke freudig. Und wandle sicher wie geschmeidig Durch Auen reichbegabter Welt.

Geniesse massig Füll* und Segen, Vernunft sei überall zugegen Wo Leben sich des Lebens freut. Dann ist Vergangenheit beständig, Das Künftige voraus lebendig, Der Augenblick ist Ewigkeit. 76

GOTT UND WELT

Und war es endlich dir gelungen, Und bist du vom Gefühl durchdrungen Was fruchtbar ist, allein ist wahr, Du prüfst das allgemeine Walten, Es wird nach seiner Weise schalten, Geselle dich zur kleinsten Schaar.

Und wie von Alters her im Stillen Ein Liebewerk nach eignem Willen Der Philosoph, der Dichter schuf. So wirst du schönste Gunst erzielen ; Denn edlen Seelen vorzufühlen Ist wünschenswerthestcr Beruf.

Metamorphose der Thiere

WAGT ihr, also bereitet, die letzte Stufe zu steigen Dieses Gipfels, so reicht mir die Hand und öffnet

den freien Blick in's weite Feld der Natur. Sie spendet die

reichen Lebensgaben umher, die Göttin ; aber empfindet Keine Sorge wie sterbliche Fraun um ihrer Gehörnen Sichere Nahrung ; ihr ziemet es nicht : denn zwie- fach bestimmte Sie das höchste Gesetz, beschränkte jegliches Leben, Gab ihm gemess'nes Bedürfniss, und ungemessene

Gaben, Leicht zu finden, streute sie aus, und ruhig begünstigt Sie das muntre Bemühn der vielfach bedürftigen

Kinder ; Unerzogen schwärmen sie fort nach ihrer Bestim- mung.

17

J. W. VON GOETHE

Zweck sein selbst ist jegliches Thier, vollkommen

entspringt es Aus dem Schoos der Natur und zeugt vollkommene

Kinder. Alle Glieder bilden sich aus nach ew'gen Gesetzen Und die seltenste Form bewahrt im Geheimen das

Urbild. So ist jeglicher Mund geschickt die Speise zu

fassen Welche dem Körper gebührt, es sei nun schwächlich

und zahnlos Oder mächtig der Kiefer gezahnt, in jeglichem

Falle Fördert ein schicklich Organ den übrigen Gliedern

die Nahrung. Auch bewegt sich jeglicher Fuss, der lange, der

kurze, Ganz harmonisch zum Sinne des Thiers und seinem

Bedürfniss. So ist jedem der Kinder die volle reine Gesundheit Von der Mutter bestimmt : denn alle lebendigen

Glieder Widersprechen sich nie und wirken alle zum Leben. Also bestimmt die Gestalt die Lebensweise des

Thieres, Und die Weise zu leben sie wirkt auf alle Gestalten Mächtig zurück. So zeiget sich fest die geordnete

Bildung, Welche zum Wechsel sich nei<it durch äusserlich

wirkende Wesen. Doch im Innern befindet die Kraft der edlern

Geschöpfe Sich im heiligen Kreise lebendiger Bildung be- schlossen.

78

GOTT UND WELT

Diese Gränzen erweitert kein Gott, es ehrt die

Natur sie : Denn nur also beschränkt war je das Vollkommene

möglich.

Doch im Innern scheint ein Geist gewaltig zu

ringen, Wie er durchbräche den Kreis, Willkür zu schaffen

den Formen Wie dem Wollen ; doch was er beginnt, beginnt er

vergebens. Denn zwar drängt er sich vor zu diesen Gliedern,

zu jenen. Stattet mächtig sie aus, jedoch schon darben dagegen Andere Glieder, die Last des Übergewichtes ver- nichtet Alle Schöne der Form und alle reine Bewegung. Siehst du also dem einen Geschöpf besonderen

Vorzug Irgend gegönnt, so frage nur gleich, wo leidet es

etwa Mangel anderswo, und suche mit forschendem Geiste; Finden wirst du sogleich zu aller Bildung den

Schlüssel. Denn so hat kein Thier, dem sämmtliche Zähne

den obern Kiefer umzäunen, ein Hörn auf seiner Stirne getragen, LTnd daher ist den Löwen gehörnt der ewigen Mutter Ganz unmöglich zu bilden und böte sie alle Gewalt

auf; Denn sie hat nicht Masse genug die Reihen der

Zähne Völlig zu pflanzen und auch Geweih und Hörner zu

treiben.

79

J W. VON GOETHE

Dieser schöne Begriff von Macht und Schranken,

von Willkür Und Gesetz, von Freiheit und Mass, von beweg- licher Ordnung, Vorzug und Mangel, erfreue dich hoch ; die heilige

Muse Bringt harmonisch ihn dir, mit sanftem Zwange

belehrend. Keinen hohem Begriff erringt der sittliche Denker, Keinen der thätige Mann, der dichtende Künstler ;

der Herrscher, Der verdient es zu sein, erfreut nur durch ihn sich

der Krone. Freue dich, höchstes Geschöpf der Natur, du

fühlest dich fähig Ihr den höchsten Gedanken, zu dem sie schaffend

sich aufschwang, Nachzudenken. Hier stehe nun still und wende die

Blicke Rückwärts, prüfe, vergleiche, und nimm von Munde

der Muse, Dass du schauest, nicht schwärmst, die liebliche

volle Gewissheit.

Die Reliquien Schillers

IM ernsten Beinhaus war's wo ich beschaute Wie Schädel Schädeln angeordnet passten ; Die alte Zeit gedacht' ich, die ergraute.

Sie stehn in Reih' geklemmt die sonst sich hassten, Und derbe Knochen die sich tödtlich schlugen Sie liegen kreuzweis zahm allhier zu rasten.

Entrenkte Schulterblätter ! was sie trugen 80

GOTT UND WELT

Fragt niemand mehr, und zierlich thät'ge Glieder,

Die Hand, der Fass zerstreut aus Lebensfugen. Ihr Müden also lagt vergebens nieder,

Nicht Ruh im Grabe Hess man euch, vertrieben

Seid ihr herauf zum lichten Tage wieder, Und niemand kann die dürre Schale lieben.

Welch herrlich edlen Kern sie auch bewahrte.

Doch mir Adepten war die Schrift geschrieben Die heil'gen Sinn nicht jedem offenbarte.

Als ich in Mitten solcher starren Menge

Unschätzbar herrlich ein Gebild gewahrte, Dass in des Raumes Moderkält' und Enae

Ich frei und wärmefühlend mich erquickte,

Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge. Wie mich geheimnissvoll die Form entzückte !

Die gottgedachte Spur die sich erhalten !

Ein Blick der mich an jenes Meer entrückte, Das fluthend strömt gesteigerte Gestalten.

Geheim Gefäss, Orakelsprüche spendend !

Wie bin ich werth dich in der Hand zu halten. Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend

Und in die freie Luft, zu freiem Sinnen,

Zum Sonnenlicht andächtig hin mich wendend. Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,

Als dass sich Gott-Natur ihm offenbare ?

Wie sie das Feste lässt zu Geist verrinnen.

Wie sie das Geisterzeuste fest bewahre.

Urworte. Orph'isch

AAIMßX, DÄMON

WIE an dem Tag, der dich der Welt verliehen, Die Sonne stand zum Grusse der Planeten, 135 8i

J. W. VON GOETHE

Bist alsobald und fort und fort gediehen, Nach dem Gesetz wonach du angetreten. So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen, So sagten schon Sibyllen, so Propheten ; Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt Geprägte Form die lebend sich entwickelt.

TTXH, DAS ZUFÄLLIGE

Die strenge Gr'anze doch umgeht gefällig Ein Wandelndes, das mit und um uns wandelt ; Nicht einsam bleibst du, bildest dich gesellig, Und handelst wohl so wie ein andrer handelt : Im Leben ist's bald hin- bald wiederfällig. Es ist ein Tand und wird so durchgetandelt. Schon hat sich still der Jahre Kreis gerundet, Die Lampe harrt der Flamme die entzündet.

EPfiS, LIEBE

Die bleibt nicht aus! Er stürzt vom Himmel nieder, Wohin er sich aus alter Ode schwang. Er schwebt heran auf luftigem Gefieder Um Stirn und Brust den Frühlingstag entlang. Scheint jetzt zu fliehn, vom Fliehen kehrt er wieder, Da wird ein Wohl im Weh, so süss und bang. Gar manches Herz verschwebt im Allgemeinen, Doch widmet sich das edelste dem Einen.

AXArKH, NÖTHIGUNG

Da ist's denn wieder wie die Sterne wollten ;

Bedingung und Gesetz und aller Wille

Ist nur ein Wollen, weil wir eben sollten.

Und vor dem Willen schweigt die Willkür stille ;

Das Liebste wird vom Herzen weggescholten.

Dem harten Muss bequemt sich Will' und Grille.

8a

GOTT UND WELT

So sind wir scheinfrei denn nach manchen Jahren Nur enger dran als wir am Anfang waren.

EAIIIS, HOFFNUNG

Doch solcher Granze, solcher ehrnen Mauer

Höchst widerwärt'ge Pforte wird entriegelt,

Sie stehe nur mit alter Felsendauer !

Ein Wesen regt sich leicht und ungezügelt :

Aus Wolkendecke, Nebel, Regenschauer

Erhebt sie uns, mit ihr, durch sie beflügelt,

Ihr kennt sie wohl, sie schwärmt durch alle Zonen ;

Ein Flügelschlag und hinter uns Äonen!

Hoivards Ehremed'dchtniss

WENN Gottheit Camarupa^ hoch und hehr, Durch Lüfte schwankend wandelt leicht und schwer. Des Schleiers Falten sammelt, sie zerstreut, Am Wechsel der Gestalten sich erfreut. Jetzt starr sich halt, dann schwindet wie ein Traum, Da staunen wir und trau'n dem Auge kaum ;

Nun regt sich kühn des eignen Bildens Kraft, Die Unbestimmtes zu Bestimmtem schafft ; Da droht ein Leu, dort wogt ein Elephant, Kameles Hals, zum Drachen umgewandt. Ein Heer zieht an, doch triumphirt es nicht, Da es die Macht am steilen Felsen bricht ; Der treuste Wolkenbote selbst zerstiebt Eh' er die Fern' erreicht, wohin man liebt.

Er aber, Howard, gibt mit reinem Sinn Uns neuer Lehre herrlichsten Gewinn. Was sich nicht halten, nicht erreichen lasst,

83

J. W. VON GOETHE

Er fasst es an, er hält zuerst es fest ; Bestimmt das Unbestimmte, schränkt es ein, Benennt es treffend ! Sei die Ehre dein ! Wie Streife steigt, sich ballt, zerflattert, fällt, Erinnre dankbar deiner sich die Welt.

Lehensgenuss

" WIE man nur so leben mag ? Du machst dir gar keinen guten Tag ! '* Ein guter Abend kommt heran. Wenn ich den ganzen Tag gethan.

Wenn man mich da- und dorthin zerrt Und wo ich nichts vermag. Bin von mir selbst nur abgesperrt. Da hab' ich keinen Tag.

Thut sich nun auf was man bedarf Und was ich wohl vermag, Da greif ich ein, es geht so scharf, Da hab' ich meinen Tag.

Ich scheine mir an keinem Ort, Auch Zeit ist keine Zeit, Ein geistreich-aufgeschloss'nes Wort Wirkt auf die Ewigkeit.

Schlusspoetik

SAGE, Muse, sag' dem Dichter Wie er denn es machen soll r Denn der wunderlichsten Richter Ist die liebe Welt so voll. 84

GOTT UND WELT

Immer hab' ich doch den rechten Klaren Weg im Lied gezeigt,

Immer war es doch den schlechten Düstren Pfaden abaeneigt.

Aber was die Herren wollten Ward mir niemals ganz bekannt ; Wenn sie wüssten was sie sollten, War' es auch wohl bald genannt.

** Willst du dir ein Mass bereiten ; Schaue was den Edlen misst. Was ihn auch entstellt zu Zeiten, Wenn der Leichtsinn sich vergisst.

Solch ein Inhalt deiner Sänge Der erbauet, der gefällt. Und, im wüstesten Gedränge, Dankt's die stille bess're Welt.

Frage nicht nach anderm Titel, Reinem Willen bleibt sein Recht ! Und die Schurken lass dem Büttel, Und die Narren dem Geschlecht.'*

Z,ahme Xenien

WENN im L^nendlichen dasselbe Sich wiederholend ewig lliesst. Das tausendfältige Gewölbe Sich kräftig in einander schliesst ; Strömt Lebenslust aus allen Dingen, Dem kleinsten wie dem grössten Stern, Und alles Drängen, alles Ringen Ist ewige Ruh in Gott dem Herrn.

85

J. W. VON GOETHE

VOM Vater hab' ich die Statur, Des Lebens ernstes Führen, Von Mütterchen die Frohnatur Und Lust zu fabuliren. L^rahnherr war der Schönsten hold, Das spukt so hin und wieder, Urahnfrau liebte Schmuck und Gold, Das zuckt wohl durch die Glieder. Sind nun die Elemente nicht Aue dem Complex zu trennen, Was ist denn an dem ganzen Wicht Oriainal zu nennen ?

THE IL EX kann ich nicht das Leben, Nicht das Innen noch das Aussen, Allen muss das Ganze geben. Um mit euch und mir zu hausen. Immer hab' ich nur geschrieben Wie ich fühle, wie ich's meine, Und so spalt' ich mich, ihr Lieben, Und bin immerfort der Eine.

VERSTREUTE LYRIK

AUS PANDOP.A [i8c8]

DER Seligkeit Fülle die hab' ich empfunden ! Die Schönheit besass ich, sie hat mich gebunden ; Im Frühlingsgefülge trat herrlich sie an. Sie erkannt' ich, sie ergriff ich, da war es gethan ! Wie Nebel zerstiebte trübsinniger Wahn, Sie zog mich zur Erd' ab, zum Himmel hinan. 86

VERSTREUTE LYRIK

Du suchest nach Worten sie wüidig zu loben, Du willst sie erhöhen ; sie wandelt schon oben. Vergleich' ihr das Beste ; du hältst es für schlecht. Sie spricht, du besinnst dich ; doch hat sie schon

Recht. Du stemmst dich entgegen ; sie gewinnt das Gefecht. Du schwankst ihr zu dienen, und bist schon ihr

Knecht.

Das Gute, das Liebe, das mag sie erwidern. Was hilft hohes Ansehn ? Sie wird es erniedern. Sie stellt sich an's Ziel hin, beßügelt den Lauf; Vertritt sie den Weg dir, gleich hält sie dich auf. Du willst ein Gebot thun, sie treibt dich hinauf. Gibst Reichthum und Weisheit und alles in den Kauf.

Sie steiget hernieder in tausend Gebilden, Sie schwebet auf Wassern, sie schreitet auf Gefilden, Nach heiligen Massen erglänzt sie und schallt, Und einzig veredelt die Form den Gehalt, Verleiht ihm, verleiht sich die höchste Gewalt, Mir erschien sie in Juoend-, in Frauen-Gestalt.

WER von der Schönen zu scheiden verdammt ist, Fliehe mit abgewendetem Blick ! Wie er, sie schauend, in Tiefsten entflammt ist. Zieht sie, ach ! reisst sie ihn ewig zurück.

Frage dich nicht in der Nähe der Süssen : Scheidet sie? scheid' ich? Ein grinnniger Schmerz Fasset im Krampfdich, du liegst ihr zu Füssen Und die Verzweiflung zerreisst dir das Herz.

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J. W. VON GOETHE

Kannst du dann weinen und siehst sie durch

Thiänen, Fernende Thränen, als wäre sie fern : Bleib' ! Noch ist's möglich ! Der Liebe, dem

Sehnen Neigt sich der Nacht unbeweglichster Stern.

Fasse sie wieder ! Empfindet selbander Euer Besitzen und euren Verlust ! Schlägt nicht ein Wetterstrahl euch auseinander ; Inniger dränget sich Brust nur an Brust.

Wer von der Schönen zu scheiden verdammt ist, Fliehe mit abegewendetem Blick ! Wie er, sie schauend, im Tiefsten entflammt ist. Zieht sie, ach ! reisst sie ihn ewig zurück.

AUS WILHELM MEISTERS WANDER JAHREN

[1821]

EIN Wunder ist der arme Mensch geboren.

In Wundern ist der irre Mensch verloren.

Nach welcher dunklen, schwer entdeckten Schwelle

Durchtappen pfadlos ungewisse Schritte ?

Denn in lebendigem Himmelsglanz und Mitte

Gewahr' empfind' ich Nacht und Tod und Hülle.

Bist noch so tief in Schmerz und Qual verloren. So bleibst du doch zum Jugendgllick geboren ; Ermanne dich zu rasch gesundem Schritte, Komm in der Freundschaft Himmelsglanz und Helle, Empfinde dich in treuer Guten Mitte, Da spriesse dir des Lebens heitre Quelle.

VERSTREUTE LYRIK

AUS FAUST, ZWEITER THEIL [1831]

Trauergesang

NICHT allein! wo du auch weilest, Denn wir glauben dich zu kennen, Ach ! wenn du dem Tag enteilest, Wird kein Herz von dir sich trennen. Wüssten wir doch kaum zu klagen, Neidend sinken wir dein Loos : Dir in klar- und trüben Tagen Lied und Muth war schön und gross.

Ach ! zum Erdengliick geboren, Hoher Ahnen, grosser Kraft, Leider ! früh dir selbst verloren, Jugendblüthe weggerafft. Scharfer Blick die Welt zu schauen, Mitsinn jedem Herzensdrang, Liebesoluth der besten Frauen Und ein eigenster Gesang.

Doch du ranntest unaufhaltsam Frei in's willenlose Netz, So entzweitest du gewaltsam Dich mit Sitte, mit Gesetz ; Doch zuletzt das höchste Sinnen Gab dem reinen Muth Gewicht, Wolltest Herrliches gewinnen, Aber es gelang dir nicht.

Wem gelingt es ? Trübe Frage, Der das Schicksal sich vermummt, Wenn am unglückseligsten Tage Blutend alles Volk verstummt.

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J. W. VON GOETHE

Doch erfrischet neue Lieder, Steht nicht länger tief gebeugt : Den der Boden zeugt sie wieder, Wie von je er sie gezeugt.

Lied des Lynceus

ZUM Sehen geboren.

Zum Schauen bestellt, Dem Thurme geschworen, Gefällt mir die Welt. Ich blick' in die Ferne, Ich seh' in der Näh, Den Mond und die Sterne, Den Wald und das Reh. So seh' ich in allen Die ewige Zier, Und wie mir's gefallen Gefair ich auch mir. Ihr Glücklichen Auoen

Ö o

Was je ihr gesehn. Es sei wie es wolle. Es war doch so schön !

WEST-ÖSTLICHER DIVAN [1814-1819]

Hegire

NORD und West und Süd zersplittern,

Throne bersten, Reiche zittern. Flüchte du, im reinen Osten .Patriarchenluft zu kosten, 90

WEST-ÖSTLICHER DIVAN

Unter Lieben, Trinken, Singen Soll dich Chisers Quell verjüngen.

Dort im Reinen und im Rechten Will ich menschlichen Geschlechten In des L'"rsprungs Tiefe dringen, Wo sie noch von Gott empfingen Himmelslehr' in Erdesprachen, Und sich nicht den Kopf zerbrachen.

Wo sie Väter hoch verehrten ; Jeden fremden Dienst verwehrten ; Will mich freun der Jugendschranke: Glaube weit, eng der Gedanke, Wie das Wort so wichtig dort war, Weil es ein gesprochen Wort war.

Will mich unter Hirten mischen. An Oasen mich erfrischen, Wenn mit Caravanen wandle, Schawl, Caffee und Moschus handle ; Jeden Pfad will ich betreten Von der Wüste zu den Städten.

Bösen Felsweg auf und nieder Trösten, Hafis, deine Lieder, Wenn der Führer mit Entzücken Von des Maulthiers hohem Rücken Singt, die Sterne zu erwecken Und die Räuber zu erschrecken.

Will in Bädern und in Schenken, Heil'ger Hafis, dein gedenken ; Wenn den Schleier Liebchen lüftet. Schüttelnd Ambralocken düttet. Ja des Dichters LiebeHüstern Mache selbst die Huris lüstern.

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J. W. VON GOETHE

Wolltet ihr ihm dies beneiden, Oder etwa gar verleiden ; Wisset nur, dass Dichterworte Um des Paradieses Pforte Immer leise klopfend schweben Sich erbittend ew'ges Leben.

Selige Sehnsucht

SAGT es niemand, nur den Weisen, Weil die Menoe gleich verhöhnet, Das Lebend'ge will ich preisen Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung, Die dich zeugte, wo du zeugtest. Überfällt dich fremde Fühlung Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen In der Finsterniss Beschattung, Und dich reisset neu Verlangen Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig. Kommst geflogen und gebannt, Und zuletzt, des Lichts begierig. Bist du Schmetterling verbrannt.

Und so lang du das nicht hast, Dieses : Stirb und werde ! Bist du nur ein trüber Gast Auf der dunkeln Frde.

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WEST-ÖSTLICHER DIVAN

Versunken

VOLL Locken kraus ein Haupt so rund! Und darf ich dann in solchen reichen Haaren Mit vollen Händen hin und wieder fahren, Da fi.ihl' ich mich von Herzensgrund gesund. Und kliss' ich Stirne, Bogen, Auge, Mund, Dann bin ich frisch und immer wieder wund. Der fünfgezackte Kamm wo sollt' er stocken ? Er kehrt schon wieder zu den Locken. Das Ohr versagt sich nicht dem Spiel, Hier ist nicht Fleisch, hier ist nicht Haut, So zart zum Scherz, so liebeviel ! Doch wie man auf dem Köpfchen kraut, Man wird in solchen reichen Haaren Für ewig auf und nieder fahren. So hast du, Halis, auch gethan, Wir fangen es von vornen an.

Schlechter Trost

MITTERNACHTS weint' und schluchzt' ich,

Weil ich dein entbehrte.

Da kamen Nachtgespenster

Und ich schämte mich.

Nachtgespenster, sagt' ich,

Schluchzend und weinend

Findet ihr mich, dem ihr sonst

Schlafendem vorüberzogt.

Grosse Güter vermiss' ich.

Denkt nicht schlimmer von mir

Den ihr sonst weise nanntet,

Grosses Übel betrifft ihn ! -

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J. W. VON GOETHE

Und die Nachtgespenster Mit langen Gesichtern Zogen vorbei, Ob ich weise oder thörig Völlig unbekümmert.

"DIE Jahre nahmen dir, du sagst, so vieles : Die eigentliche Lust des Sinnespieles, Erinnerung des allerliebsten Tandes Von gestern, weit- und breiten Landes Durchschweifen frommt nicht mehr ; selbst nicht

von Oben Der Ehren anerkannte Zier, das Loben Erfreulich sonst. Aus eignem Thun Behagen Quillt nicht mehr auf, dir fehlt ein dreistes Wagen ! Nun wüsst* ich nicht was dir Besondres bliebe ? "

Mir bleibt genug ! Es bleibt Idee und Liebe !

jt4n Suleika

DIR mit Wohlgeruch zu kosen, Deine Freuden zu erhöhn. Knospend müssen tausend Rosen Erst in Gluthen untergehn.

Um ein Fläschchen zu besitzen Das den Ruch auf ewig hält, Schlank wie deine Fingerspitzen, Da bedarf es einer Welt ;

Einer Welt von Lebenstrieben, Die in ihrer Fülle Drang

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WEST-ÖSTLICHER DIVAN

Ahneten schon Bulbuls Lieben, Seeleregenden Gesang.

Sollte jene Qual uns quälen, Da sie unsre Lust vermehrt ? Hat nicht Myriaden Seelen Timurs Herrschaft aufgezehrt ?

G'tngo h'iloha

DIESES Baums Blatt, der von Osten Meinem Garten anvertraut, Gibt geheimen Sinn zu kosten, Wie's den Wissenden erbaut.

Ist es Ein lebendig Wesen, Das sich in sich selbst getrennt ? Sind es zwei, die sich erlesen, Dass man sie als Eines kennt?

Solche Frage zu erwidern Fand ich wohl den rechten Sinn ; Fühlst du nicht an meinen Liedern, Dass ich eins und doppelt bin ?

SULEIKA

VOLK und Knecht und Uberwinder Sie gestehn, zu jeder Zeit : Höchstes Gluck der Eidenkinder Sei nur die Persönlichkeit.

Jedes Leben sei zu führen.

Wenn man sich nicht selbst vermisst ;

Alles könne man verlieren.

Wenn man bliebe was man ist.

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J. W. VON GOETHE

HATEM

Kann wohl sein ! so wird gemeinet ; Doch ich bin auf andrer Spur : Alles Erdenglück vereinet Find' ich in Suleika nur.

Wie sie sich an mich verschwendet, Bin ich mir ein werthes Ich ; Hätte sie sich weggewendet, Augenblicks verlor' ich mich.

Nun mit Hatem war's zu Ende ; Doch schon hab' ich umgelos't : Ich verkörpre mich behende In den Holden, den sie kos't.

Wollte, wo nicht gar ein Rabbi, Das will mir so recht nicht ein, Doch Ferdusi, MotanabbI, Allenfalls der Kaiser sein.

Hat

em

LOCKEN, haltet mich gefangen Im dem Kreise des Gesichts ! Euch geliebten braunen Schlangen Zu erwidern hab' ich nichts.

Nur dies Herz, es ist von Dauer, Schwillt in jugendlichstem Flor ; Unter Schnee und Nebelschauer Ras't ein Ätna dir hervor.

Du beschämst wie Morgenröthe Jener Gipfel ernste Wand, 96

WEST-ÖSTLICHER DIVAN

Und noch einmal fühlet Hatem Frühlingshauch und Sommerbiand.

Schenke her ! Noch eine Flasche ! Diesen Becher bring' ich ihr ! Findet sie ein Häufchen Asche, Sagt sie : der verbrannte mir.

AN vollen Büschelzweigen, Geliebte, sieh nur hin ! Lass dir die Früchte zeigen Umschalet stachlig grün.

Sie hängen längst geballet, Still, unbekannt mit sich, Ein Ast der schaukelnd wallet Wiegt sie geduldiglich.

Doch immer reift von Innen Und schwillt der braune Kern, Er möchte Luft gewinnen Und sah' die Sonne gern.

Die Schale platzt und nieder Macht er sich freudig los ; So fallen meine Lieder Gehäuft in deinen Schoos.

DEINEM BHck mich zu bequemen, Deinem Munde, deiner Brust, Deine Stimme zu vernehmen War die letzt' und erste Lust.

Gestern, ach, war sie die letzte. Dann verlosch mir Leucht' und Feuer,

lae Q7

J. W. VON GOETHE

Jeder Scherz der mich ergetzte Wird nun schuldenschwer und theuer.

Eh' es Allah nicht gefällt Uns auf's neue zu vereinen, Gibt mir Sonne, Mond und Welt Nur Geleoenheit zum Weinen.

Wiederfinden

IST es möglich ! Stern der Sterne, Drück' ich wieder dich an's Herz ! Ach, was ist die Nacht der Ferne Für ein Abgrund, für ein Schmerz ! Ja du bist es ! meiner Freuden Süsser, lieber Widerpart ; Eingedenk veroangner Leiden Schaudr' ich vor der Gegenwart.

Als die Welt im tiefsten Grunde Lag an Gottes ew'ger Brust, Ordnet' er die erste Stunde Mit erhabner Schüpfungslust, Und er sprach das Wort : Es werde ! Da erklang ein schmerzlich Ach ! Als das All mit Machtgebärde In die Wirklichkeiten brach.

Auf that sich das Licht : so trennte Scheu sich Finsterniss von ihm, Und sogleich die Elemente Scheidend auseinander fliehn. Rasch, in wilden wüsten Traumen Jedes nach der Weite rang, 98

WEST-OSTLICHER DIVAX

Starr, in ungemess'nen Räumen, Ohne Sehnsucht, ohne Klang.

StumDi war alles, still und öde. Einsam Gott zum erstenmal ! Da erschuf er Morgenrüthe, Die erbarmte sich der Qual ; Sie entwickelte dem Trüben Ein erklingend Farbenspiel, Und nun konnte wieder lieben Was erst auseinander fiel.

Und mit eiligem Bestreben Sucht sich was sich angehört ; Und zu ungemess'nem Leben Ist Gefühl und Blick gekehrt. Sei's Erareifen, sei es Raifen, Wenn es nur sich tassr und hält ! Allah braucht nicht mehr zu schaffen, Wir erschalfen seine T^ eJt.

So, mit morgenrothen Flügeln, Riss es mich an deinen Mund, L^nd die Nacht mit tausend Siegeln Kräfti'Tt sternenhell den Bund. Beide sind wir auf der Erde Musterhaft in Freud' und Qual, L^nd ein zweites Wort : Es werde ! Trennt uns nicht zum zweitenmal.

IN tausend Formen magst du dich verstecken, Doch, Allerliebste, gleich erkenn' ich dich ; Du magst mit Zauberschleiern dich bedecken, All gegen wärt' ge, gleich erkenn' ich dich.

99

J. W. VON GOETHE

An der Cypresse reinstem, jungem Streben, Allschöngewachs'ne, gleich erkenn' ich dich ; In des Canales reinem Wellenleben, Allschmeichelhafte, wohl erkenn' ich dich.

Wenn steigend sich der Wasserstrahl entfaltet Allspielende, wie froh erkenn' ich dich ; Wenn Wolke sich gestaltend umgestaltet, Allmannigfalt'ge, dort erkenn' ich dich ;

An des geblümten Schleiers Wiesenteppich, Allbuntbesternte, schön erkenn' ich dich ; Und greift umher ein tausendarm'ger Eppich, O Allumklammernde, da kenn' ich dich.

Wenn am Gebirg der Morgen sich entzündet, Gleich, Allerheiternde, begrüss' ich dich. Dann über mir der Himmel rein sich rundet, Allherzerweiternde, dann athm' ich dich.

Was ich mit äusserm Sinn, mit innerra kenne, Du Allbelehrende, kenn' ich durch dich ; Und wenn ich Allahs Namenhundert nenne. Mit jedem klingt ein Name nach für dich.

Vermächtniss altper suchen Glaubens

WELCH Vermächtniss, Brüder, sollt' euch kommen Von dem Scheidenden, dem armen Fronmien, Den ihr Jüngeren geduldig nährtet, Seine letzten Tage pflegend ehrtet ?

Wenn wir oft oesehn den König reiten, Gold an ihm und Gold an allen Seiten, Edelstein' auf ihn und seine Grossen Ausgesät wie dichte Hagelschlossen,

WEST-ÖSTLICHER DIVAN

Habt ihr jemals ihn darum beneidet ? Und nicht herrlicher den Blick geweidet, Wenn die Sonne sich auf Morgenflügeln Darnawends unzähl'gen Gipfelhügeln

Bogenhaft hervorhob ? Wer enthielte Sich des Blicks dahin ? Ich fühlte, fühlte Tausendmal, in so viel Lebenstagen, Mich mit ihr, der kommenden, getragen

Gott auf seinem Throne zu erkennen. Ihn den Herrn des Lebensquells zu nennen, Jenes hohen Anblicks werth zu handeln Und in seinem Lichte fortzuwandeln.

Aber stieg der Feuerkreis vollendet, Stand ich als in Finsterniss geblendet, Schlug den Busen, die erfrischten Glieder Warf ich, Stirn voran, zur Erde nieder.

Und nun sei ein heiliges Vermächtniss Brüderlichem Wollen und Ged'ächtniss : Schtverer Dienste tägliche Beivahrung, Sonst bedarf es keiner Offenbarung.

Regt ein Neugeborner fromme Hände, Dass man ihn sogleich zur Sonne wende. Tauche Leib und Geist im Feuerbade ! Fühlen wird es jeden Morgens Gnade.

Dem Lebendigen übergebt die Todten, Selbst die Thiere deckt mit Schutt und Boden, Und, so weit sich eure Kraft erstrecket, Was euch unrein dünkt, es sei bedecket.

Grabet euer Feld in's zierlich Reine, Dass die Sonne gern den Fleiss bescheine ;

lOI

J. W. VON GOETHE

Wenn ihr Bäume pflanzt, so sei's in Reihen, Denn sie lässt Geordnetes gedeihen.

Auch dem Wasser darf es in Canälen Nie am Laufe, nie an Reine fehlen ; Wie euch Senderud aus Bergrevieren Rein entspringt, soll er sich rein verlieren.

Sanften Fall des Wassers nicht zu schwächen, Sorgt, die Gräben fleissig auszustechen ; Rohr und Binse, Molch und Salamander, Ungeschöpfe, tilgt sie mit einander !

Habt ihr Erd' und Wasser so im Reinen, Wird die Sonne gern durch Lüfte scheinen. Wo sie, ihrer würdig aufgenommen, Leben wirkt, dem Leben Heil und Frommen.

Ihr, von Müh zu Mühe so gepeinigt. Seid getrost, nun ist das All gereinigt, Und nun darf der Mensch als Priester wagen Gottes Gleichniss aus dem Stein zu schlagen.

Wo die Flamme brennt erkennet freudig, Hell ist Nacht und Glieder sind geschmeidig. An des Herdes raschen Feuerkräften Reift das Rohe Thier- und PHanzensäften.

Schleppt ihr Holz herbei, so thut's mit Wonne, Denn ihr tragt den Samen ird'scher Sonne ; Pflückt ihr Pambeh, mögt ihr traulich sagen : Diese wird als Docht das Heil'ge tragen.

Werdet ihr in jeder Lampe Brennen Fromm den Abglanz höhern Lichts erkennen, Soll euch nie ein Missaeschick verwehren Gottes Thron am Morgen zu verehren.

WEST-OSTLICHER DIVAN

Da ist unsers Daseins Kaisersiegel, Uns und Engeln reiner Gottesspiegel, Und was nur am Lob des Höchsten stammelt Ist in Kreis' um Kreise dort versammelt.

Will dem Ufer Senderuds entsagen, Auf zum Darnawend die Flügel schlagen, Wie sie tagt ihr freudig zu begegnen Und von dorther ewig euch zu segnen.

E'miajs

HURI

HEUTE steh' ich meine Wache Vor des Paradieses Thor, Weiss nicht grade wie ich's mache, Kommst mir so verdächtig vor !

Ob du unsern Mosleminen Auch recht eigentlich verwandt ? Ob dein Kämpfen, dein Verdienen Dich an' 8 Paradies gesandt :

Zählst du dich zu jenen Helden : . Zeige deine Wunden an. Die mir Rühmliches vermelden. Und ich führe dich heran.

DICHTER

Nicht so vieles Federlesen ! Lass mich immer nur herein ; Denn ich bin ein Mensch gewesen Und das heisst ein Kämpfer sein.

Schärfe deine kräft'gen Blicke ! Hier durchschaue diese Brust,

103

J. W. VON GOETHE

Sieh der Lebens- Wunden Tücke, Sieh der Liebes-Wunden Lust.

Und doch sang ich glaub' ger Weise : Dass mir die Geliebte treu, Dass die Welt, wie sie auch kreise, Liebevoll und dankbar sei.

Mit den Trefflichsten zusammen Wirkt' ich, bis ich mir erlangt Dass mein Nam' in Liebesflaramen Von den schönsten Herzen prangt.

Nein ! du wählst nicht den Geringern Gib die Hand, dass Tag für Tag Ich an deinen zarten Fingern Ewigkeiten zählen mag.

LASST mich weinen ! umschränkt von Nacht,

In unendlicher Wüste.

Kamele ruhn, die Treiber dessgleichen,

Rechnend still wacht der Armenier ;

Ich aber, neben ihm, berechne die Meilen

Die mich von Suleika trennen, wiederhole

Die wegeverlängernden ärgerlichen Krümmungen.

Lasst mich weinen ! das ist keine Schande.

Weinende Männer sind gut.

Weinte doch Achill um seine Briseis !

Xerxes beweinte das unerschlagene Heer,

Über den selbstgeniordeten Liebling

Alexander weinte.

Lasst mich weinen ! Thränen beleben den Staub.

Schon grunelt's.

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LETZTES LIEDERBUCH

CHINESISCH-DEUTSCHE JAHRESZEITEN [1827]

III

ZIEHN die Schafe von der Wiese, Liegt sie da, ein reines Grün, Aber bald zum Paradiese Wird sie bunt geblümt erblühn.

Hoffnung breitet leichte Schleier Nebelhaft vor unsern Blick : Wunscherfüllung, Sonnenfeier, Wolkentheilung bring' uns Glück.

VIII

DÄMMRUNG senkte sich von oben, Schon ist alle Nähe fern ; Doch zuerst emporgehoben Holden Lichts der Abendstern ! Alles schwankt in's Ungewisse, Nebel schleichen in die Höh ; Schwarzvertiefte Finsternisse Wiederspiegelnd ruht der See.

Nun am östlichen Bereiche

Ahn' ich Mondcnglanz und -Gluth,

Schlanker Weiden Haargezweige

Scherzen auf der nächsten Fluth.

Durch bewegter Schatten Spiele

Zittert Luna's Zauberschein,

Und durch's Auge schleicht die Kühle

Sänftigend in's Herz hinein.

J. W. VON GOETHE ABSCHIEDSKLÄNGE

CHRISTIANE

Den 6. Juni l8l6

DU versuchst, o Sonne, vergebens Durch die düstren Wolken zu scheinen ! Der ganze Gewinn meines Lebens Ist ihren Verlust zu beweinen.

[1816]

EIN rascher Sinn, der keinen Zweifel hegt, Stets denkt und thut und niemals überlegt. Ein treues Herz, das wie empfängt so gibt, Geniesst und mittheilt, lebt indem es liebt. Froh glänzend Auge, Wange frisch und roth. Nie schön gepriesen, hübsch bis in den Tod.

Da blickt' ich ihn noch manchmal freundlich an Und habe leidend viel für ihn gethan. Indess mein armes Herz im Stillen brach. Da sagt' ich mir : bald folgst du ihnen nach ! Ich trug des Hauses nun zu schwere Last, Um seinetwillen nur ein Erdengast.

LORD BYRON [1829]

EIN freundlich Wort kommt eines nach dem andern Von Süden her und bringt uns frohe Stunden ; Es ruft uns auf, zum Edelsten zu wandern. Nicht ist der Geist, doch ist der Fuss gebunden. 106

ABSCHIEDSKLANGE

Wie soll ich dem, den ich so lang begleitet, Nun etwas Traulichs in die Ferne sagen ? Ihm, der sich selbst im Innersten bestreitet. Stark angewohnt das tiefste Weh zu tragen.

Wohl sei ihm doch wenn er sich selbst empfindet ! Er wage selbst sich hoch beglückt zu nennen, Wenn Musenkraft die Schmerzen überwindet ; Und wie ich ihn erkannt, mög' er sich kennen.

yln Lord Byron

STARK von Faust, gewandt im Rath Liebt er die Hellenen ; Edles Wort und schöne That Füllt sein Aug' mit Thränen.

Liebt den Säbel, liebt das Schwert, Freut sich der Gewehre ; Sah' er, wie sein Herz begehrt, Sich vor muth'gem Heere !

Lasst ihn der Historia, Bändigt euer Sehnen ; Ewig bleibt ihm Gloria, Bleiben uns die Thränen.

AN DIE NEUNZEHN FREUNDE IN ENGLAND JVeimary den 28. August, 1831

WORTE, die der Dichter spricht, Treu, in heimischen Bezirken, Wirken gleich, doch weiss er nicht, Ob sie in die Ferne wirken.

107

J. W. VON GOETHE

Briten ! habt sie aufgefasst :

'* Thätigen Sinn, das Thun gezügelt ;

Stetig Stieben, ohne Hast.'*

Und so wollt ihr's denn besiegelt.

DICHTUNG UND WELT Dem aufgehenden Vollmonde

Dornburg, 25. August l8z8

WILLST du mich sogleich verlassen ! Warst im Augenblick so nah ! Dich umiinstern Wolkenmassen Und nun bist du gar nicht da.

Doch du fühlst wie ich betrübt bin, Blickt dein Rand herauf als Stern ! Zeugest mir dass ich geliebt bin, Sei das Liebchen noch so fern.

So hinan denn ! hell und heller,

Reiner Bahn, in voller Pracht!

Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller,

Uberselig ist die Nacht.

Dornburg, September 1828

FRÜH wenn Thal, Gebirg und Garten Nebelschleiern sich enthüllen. Und dem sehnlichsten Erwarten Blumenkelche bunt sich füllen ;

Wenn der Äther, Wolken tragend, Mit dem klaren Tage streitet, 108

ABSCHIEDSKLÄNGE

Und ein Ostwind, sie verjagend, Blaue Sonnenbahn bereitet ;

Dankst du dann, am Blick dich weidend, Reiner Brust der Grossen, Holden, Wird die Sonne, röthlich scheidend, Rings den Horizont vergolden.

WENN ich mir in stiller Seele Singe leise Lieder vor : Wie ich fühle, dass sie fehle. Die ich einzig mir erkor ; Möcht' ich hoffen, dass sie sänge, Was ich ihr so gern vertraut. Ach, aus dieser Brust und Enge Drängen frohe Lieder laut !

WORTE sind der Seele Bild— Nicht ein Bild ! sie sind ein Schatten ! Sagen herbe, deuten mild Was wir haben, was wir hatten. Was wir hatten wo ist's hin ? Und was ist's denn was wir haben ? Nun, wir sprechen ! Rasch im Fliehn Haschen wir des Lebens Gaben.

lOq

ANMERKUNGEN

BAND I

I. Hollenfahrt Jesu Christi. Das Gedicht des sechs- zehnjährigen Goethe wurde in einer obskuren Frankfurter Zeitschrift '-'Die Sichtbaren" 1766 gedruckt. " Ich hätte mögen toll darüber werden," schrieb der Dichter 12. Oktober 1767 an seine Schwester, als er erfuhr, dass " die vermaledeite Wochenschrift" sein Produkt veröffentlicht hatte, '•' und noch dazu mit dem J. W. G.," also einer in der Vaterstadt leicht verständlichen Andeutung des Verfassers. Erst Februar 1 8z6 wurde das Gedicht in dem Originalabdruck von Eckermann wieder ent- deckt, der es allzusehr lobt (vgl. Goethes Gespräche mit Eckermann 16. Feb. 1826). Goethe, der schon in "Dichtung und Wahrheit" aus ungenauer Erin- nerung von dem Gedichte gesprochen hatte, meinte nun, es sei vielleicht von seiner frommen Freundin Frl. V Klettenberg veranlasst worden. Die Dichtung steht natürlich noch unter dem Einfluss der gleich- zeitigen, besonders der geistlichen Dichtung ; pathe- tische Reime wie ''Triumphe: Sumpfe" fing der junge Goethe schon damals selbst an, als gesucht zu verspotten. Überhaupt trägt das Gedicht einen stark rhetorischen Charakter ; die Anschaulichkeit reiferer Dichtungen darf man hier noch nicht suchen. Immerhin ist zu beachten, wie Goethe durch eine durchgeführte Personifikation der Hölle bestrebt ist der Gefahr vager Allgemeinheit zu entgehen. Spätere Eigenheiten sind in der starken Ausarbeitung des freilich durch die Sache selbst gegebnen! Gegensatzes von Hell und Dunkel angedeutet; auch ist die Wahl des Stoffes doch bezeichnend : wie im *•' Faust " wird der Sieg Gottes über den Teufel

1x0

ANMERKUNGEN

dargestellt (vgl. besonders Str. 9 !), Metrisch ist das Gedicht recht gewandt; nur die veralteten Flick- formen des Verbums ('•' stirbet," "lieget" u. dgl.) verraten noch Unsicherheit. Eine ähnliche Situation wie in den ersten Strophen schildert Goethe in dem merkwürdigen Fragment "der ewige Jude": die Heimkehr Christi zu den Menschen. Wie weit steht aber da die Vergegenwärtigung ab von diesen ängstlichen "an jenen Ort," '''aus den dunklen Orten ! " Ebenso widerstrebt dem späteren Goethe die hier mit aller Härte ausgedrückte Anschauung der ewigen Verdammnis durchaus.

S. 6. Brief an Riese. J. J. Riese war ein drei Jahr älterer studirender Landsmann Goethes, an den er von Leipzig aus einen mit Versen untermischten Brief richtet. Die leichte Handhabung der unglei- chen Verse hat man nicht mit Unrecht besonders auf das Vorbild Hagedorns zurückgeführt. Der jugendliche Dilettant versucht alle Künste der an- gesehenen Meister. Der Manier seiner Zeit gehört ebensowohl das antikisirende Spiel mit " Zephyr " und "Nord" an, als wiederum die Unbestimmtheit von Ausdrücken wie " den Ort." Auch die epigram- matische Zuspitzung der Schlusszeile gehört hierher; solche Momente lassen jetzt noch keine reine Lyrik aufkommen.

8.7. An die Mutter. Ein etwas mühsam durchgeführtes Gleichnis schädigt den Eindruck der herzlichen Worte. Die "Bilderjagd" hatte vor allem Ewald V. Kleist in Blüte gebracht.

S. 8. Wie Eugen WolfF in seiner nützlichen Ausgabe "Der junge Goethe" hervorhebt, ist dies die erste Probe eines von Goethe für Gesang und Komposi- tion bestimmten Liedes. Str. i, "Bettler oft zum Throne...'^: vielleicht eine Anspielungauf ein berühm- tes Impromptu Voltaires, in dem er sich " zum König träumte." Str. 2, " Lust" im erotischen Sinn. "Neid'scher Seide " : die Seide der Bluse neidet ihm den Anblick der Brust, gönnt ihn dem Liebhaber nicht. Str. 3," von dem Gefieder" : von den Flügeln, mit denen der Schlafgott ausgestattet ist. Die Kon- struktion der Schlusszeilen ist ein wenig gewaltsam,

III

ANMERKUNGEN

ohne dass die Absicht, die stammelnde Verwirrung des Liebenden zu malen, vorausgesetzt werden dürfte.

S. 9. An meine Lieder. Str. 2, ''Er, dem ich euch sang, mein Freund" : Behrisch, der das "Buch Annette " mit seiner zierlichen Handschrift hergestellt hat.

S. 9. Zueignung. Der Dichter stellt sich in der her- kömmlichen Rolle des anakreontischen Dichters dar, der " am Rand des Bachs " improvisirt. Rasch geht er aber von der Konvention zur Wirklichkeit über und nimmt auf seinen Gesundheitszustand und die dadurch erforderte Diät ganz realistisch Rücksicht. Str. 2, '•' blinzt " : sieht mit halb geschlossenem Auge. Str. 3, " Halb scheel, halb weise " : eine jener mild- ironischen Teilungen, w^ie Goethe sie liebt ; so im "Faust" : " Halb Kinderspiel, halb Gott im Herzen." Str. 4: die üblichen Stufen des anakreontischen Liebesverhältnisses. "Dem Abgrund," grammatisch abhängig von " in der Nähe " = '•' nah."

S. IG. M^ahrer Genuss : ursprünglich als ein moralisches Strafgedicht an den Fürsten von Dessau gedacht, dessen illegitimen Sohn jener Behrisch zu erziehen hatte ; allmählich aller direkten Beziehungen ent- kleidet. Str. 2 : die freiwillige Gebundenheit ist ein Lieblingsgedanke Goethes. Str. 4, " Wollüstig nur an meiner Seite...," Str. 5, "des Liebsten Füsse..." : ererbte Wendungen der epigrammatischen Liebespoesie.

S. 12. NeujahrslieJ. Goethe war am 7 Dez. 1768 von einem Rückfall schwerer Krankheit befallen worden ; kaum genesen, beruhigt er seine durch die Nachricht geängstigten Freunde. Er lässt ein Bänkelsängerlied drucken, wie sie damals noch wirklich auf den Strassen gesungen wurden, und schickt es nach Leipzig zur Verteilung an seine dortigen Freunde. Da eben erst " diätetische Ruh " ihm " den Daumen auf die Augen " gedrückt hatte, ist es natürlich, dass sein bänkelsängerisches Neujahrslied sich zu einer Parade der Lebensalter vor Amor gestaltet. Er selbst nennt sich an letzter Stelle als einen, der den Freuden der Liebe entsagt. Ein wehmütig-lächeln- des Lied! Str. i, "kömmt": dialektische Form.

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ANMERKUNGEN

"Devisen": Sprüche, etwa auf ändern gedruckt, wie sie der Bänkelsänger verkauft.

S. 14. An Madcmoiselle Oeser, die liebenswürdige und gescheite Tochter seines Leipziger Zeichenlehrers, die ihm den bildungsfrohen Ton der Universitätsstadt gegenüber der heimischen Rückständigkeit vertritt. Str. I, •' Mennonist ": eine pietistische Sekte. Str. 2, " Cortex China" : Chinarinde. Str. 3:Boucher als Vertreter der Eleganz, Gerhard Dow als Reprä- sentant der nüchternen Sachlichkeit. "Tisane": Krankensuppe. Str. 4, •'•' Halb siech, und halb gesund " : aus dem ersten Abschnitt wieder auf- genommen. "Alraune": zauberkräftige Wurzel- geister. Str. 6, "rechte gute Leute" : für "recht gute Leute." Str. 8, "das Frauenzimmer": alt- modischer Ausdruck für die Gesamtheit der weib- lichen Umgebung. "Herr Schübler" : Daniel Schiebeier, der am Schlüsse seiner Romanze "Pygma- lion " den Amor nach Hamburg weist ; "Statuen wirst du finden, so schöne macht ein Künstler nie " (Eugen Wolff). Str. IG, "aus Bergamo": die Bergamasken waren in der italienischen Komödie die Tölpel, wie noch in Sliakespeares "' Sommernachtstraum." " Grandison " : Richardsons Mustermensch be- herrschte die Lektüre der "Provinz." Str. 14, "mein böses Mädchen" : Käthchen Schönkopf Str. 17, "fatale" : mir vom Schicksal bestimmt.

3. 20. Sehnsucht. Das Gedicht erschien erst 1793 in der Zeitschrift " Urania " mit dem Hinweis : Melodie: O Vater der Barmherzigkeit. Der pietistische Ton verweist in frühe Zeit, ebenso der Stil zumal der ersten Strophe. Str. 3, "ausgefüllt" : terminus technicus der pietistischen Sehnsucht nach Gott.

S. 20. Sesenheimer Liederbuch : der erste Klang reiner Liebeslyrik. Die Deminutiva bilden die Kinder- sprache nach.

Erivache, Friederike. Str. I, "Geschwister": die beiden Schwestern Friederike und "' Olivia," die Str. 3 bei einander schlafen. Str. 2 : die laut- singende Nachtigall wagt die Schlafende nicht zu wecken, während die andern Vögel leise flüstern. Am Ende beginnt Philomele denn doch zu singen,

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ANMERKUNGEN

aber noch immer schlummert Friederike. Das Gedicht ist gewiss aus unmittelbarem Erlebnis in Sesenheim entstanden.

S. 22. Elegie. Str. 2: das doppelte "dir" entspricht einer syntraktischen Neigung Goethes. Wie im "Neujahrslied" werden die Lebensalter, unter dem Zeichen der Hoffnung diesmal, verglichen : die Gaukelnden, spielenden Kinder ; die Jungfrau, die fühlt und hofft ; der reife Mann, der sät und hofft.

S. 23. Empßndsamkeit. Str. i, "Zauberspiegel": wie etwa im " Macbeth " oder in Feenmärchen derartige, das Ferne vergegenwärtigende Spiegel eine Rolle spielen.

S. 24. An Liii\ Kampf zwischen Liebe und Scheiden.

S. 25. Ihr 'verblühet... '. aus dem Schauspiel mit Gesang "Erwin and Elmire," das auf eine Romanze Goldsmiths zurückgeht.

S. 25. An den Herzog. " Umschwänzen," sonst "um- schwänzeln": liebedienerisch umkreisen. " Umkre- denzen": neugebildetes Wort für die dienstfertigen Höflinge.

S. 26. An den Herzog', ein freundliches Mahngedicht an den Fürsten, im Ton etwa an den "' ewigen Juden " erinnernd. Das Gedicht wurde durch einen Bauern überreicht, als der Herzog Frau v Stein auf ihrem Gute Kochberg in dem benachbarten Herzogtum Meiningen besuchte.

S. 27. Warum gabst du uns... : die erste und eins der schönsten unter jenen philosophischen Dichtungen Goethes, die für ihn so charakteristisch sind wie für Schiller dessen ganz anders geartete Gedankenlyrik. Goethe spielt hier mit dem Gedanken der Seelen- wanderung, indem er das Schicksal befragt, was ihn zu der Geliebten zwinge. Str. i, " Wähnend " : hoffend, und dabei doch "Hangend und bangend" " Gewühle " : ein Goethischer Ausdruck für das unruhige Treiben der Welt, oder, wie hier, des Herzens. Str. 2, "Dumpf" : ohne klare Absicht und Einsicht. " Schweben " : sich ohne feste Grund- lage hin und her bewegen. Das ganze Gedicht ist erfüllt von solchen Ausdrücken, die der Dichter sich zu seinem individuellsten Gebrauch geprägt hatte.

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ANMERKUNGEN

Str. 4, " wie die reinste Nerve...": Gleichnis von der wohlgestimmten Saite.

S. 29. Und ich geh... Str. i, "Wiese" : zunächst ganz wörtlich zu verstehen von der Wiese an der sein Gartenhaus lag. Str. 2, '•' des Herren " : des Herzogs. Die zweite Strophe ist wieder fast ganz in jener Geheimsprache persönlicher Prägungen verfasst.

S. 29. Aus dem Zauberthal. Str. I, "umtrübt'': trübend umgiebt.

S. 30. Um Mitternacht^^ : ein Elfenlied.

S. 30. Sag, ich' s euch... Str. 2, " Freud- und Schmerzen " : so liebt Goethe die beiden sich ergänzenden Pluralia oder ähnliche zusammengehörige zu Einem Begrifi zusammenzuziehn. '•' Dichte, dichte, dicht " : emphatische Wiederholung.

S. 32. Cupido, loser eigensinniger Knabe...: ein Gedicht, das Goethe besonders lieb war. Am 6 April 1829 hat er mit Eckermann über seinen Ton und die laut- malende Kraft des Versmasses lehrreich gesprochen.

S. 33. Zueignung: ursprünglich als Prolog zu den didaktischen ■'•Geheimnissen " gedacht. Das Gedicht ist für Goethes Auffassung seines Dichterberufs aufklärend wie kein zweites und zugleich ein Meisterstück anschaulicher Allegorie. Str. i : das physische Emporsteigen als Bild des geistigen. Str. 2-3: eine Kunst der Beobachtung und Schil- derung von Wolkengestalten, wie sie nur dem geübten Auge des Meteorologen gelingen konnte! Str. 7 : die Wahrheit, in deren Dienst er zur Zeit des " Sturmes und Dranges " mit vielen Gespielen "geirrt" hatte, während er jetzt mit seiner neuen klassicistischen Erkenntnis alleinsteht; noch hatte er, als er dies schrieb, die Stellung nicht wiederero- bert, die ihm sonst " Götz " geschaffen hatte. Str. 8, "Übermensch": das durch Nietzsche berühmt gewordene Wort, von Goethe nicht zuerst geprägt, stammt bei jenem von hier. Str. 9 : der ewige Kon- flikt zwischen P^ita contemplativa und activa. Str. 11: der wunderbare Schleier, wohl dem der Leukothea bei Homer nachgebildet, kehrt am Schluss der " Helena" im zweiten l'eil des " Faust" wieder.

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ANMERKUNGEN

S. 36. Vorklage. Goethe hat das Un künstlerische, das eigentlich in jeder Gedichtsammlung liegt, durch feinsinnige Anordnung zu überwinden gewusst, wie zuerst Wilhelm Scherer gezeigt hat.

S. 37. Heidenröslän : individualisirende Bearbeitung eines Volksliedes, im Ton diesem gleichend.

S. 38. Der Musensohn : Mittelpunkt einer Gruppe von Liedern, die Komposition und Gesang erfolgreich herausfordern.

S. 39. Gefunden : bezieht sich auf Christiane Vulpius.

S. 41. Der GoldschmieJgeseU. Ein Reim ist durch alle Strophen durchgeführt.

S. 42. Glück und Traum : ein frühes Gedicht, das unter den lebensvolleren ein wenig leer wirkt; es ist um die schöne Schlusswendung- gedichtet.

S. 43. An Luna: ebenfalls ein älteres Gedicht. Str. i, '•' das erste Licht " ist natürlich die Sonne. Str. 2, '•Durch das g'läserne Gewitter": durch das ver- gitterte Fenster.

S. 44. N'dJie des Geliebten: 1795 als Gegenstück zu einem Lied der Dichterin Friederike Brun verfasst, welches beginnt: ''Ich denke dein, v^enn sich im Blütenregen Der Frühling malt." Die Melodie Zelter hatte das erste Lied komponirt hatte nach Goethes späterem Geständnis an Zelter für ihn '•'einen unglaublichen Reiz;" er eignete sie sich an, indem er ihr ein eigenes Gedicht unterlegte.

S. 47. Meeres Stille Glückliche Fahrt : Meisterstücke der Lautmalerei.

S. 48. Mut: hiess ursprünglich '•' Eislebenslied," womit das vom Eislauf genommene Gleichnis klarer angedeutet wird.

S. 48. Willkommen und Abschied: aus dem Sesenheimer Liederbuch. Der Seelenzustand des aufgeregten Reiters ist mit grossartiger Kunst wiedergegeben.

S. 49. Neue Liebe neues Leben: an Lili ; ebenso das folgende.

S. 52. Mit einem gemahlten Band. Dieser damals beliebte Liebesgruss ward an Friederiken gesandt.

S. 53. An Lottchen: wieder eins jener wunderbaren Gedichte, in denen des Dichters persönlichstes Empfinden sich zu Weltempfindung erweitert

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ANMERKUNGEN

Gedichte, wie es sie vor Goethe nicht gab. '' Ohne Sturm und ohne Ruh " : ohne rechte Anstrengung und ohne rechte Ruhe. '-'Die so oft dich trog'': man beachte die Kraft dieser kurzen inhaltsvollen Zeile!

S. 54. Auf dem See. Die Empfindungen des Dichters, der auf dem Boot langsam dem Ufer zu treibt und aus der Allheit der Natur heraus ins fest Umgrenzte fährt wird mit wunderbarer poetischer Kraft ohne alle Hilfsmittel poetisirender l'echnik gegeben.

S. 56. Frühzeitiger Frühling : " wahrscheinlich 1801 entstanden, als Goethe nach schwerer Krankheit den frühzeitigen Frühling dieses Jahres seinem Land gut Oberrossla bei Weimar genoss " (L. Blume in seiner guten kommentirten Auswahl Goethischer Gedichte).

S. 58. Rastlose Liebe: Ilmenau 6 Mai 1786 entstamien ; kurz vorher hatte Goethe aus dem Städtchen geschrieben: "Hier ist den ganzen Morgen Schnee." Leidenschaftlichster Ausdruck der Liebesunruhe; ein so individuelles Seelengemälde, wie sie die Lyrik erst seit Goethe kennt.

S. 59. Schäfers Klagelied : bildet mit ''Jägers Abendlied "' und "Wandrers Nachtlied " eine Gruppe von Seelengemälden, die durch eine geeignete Scenerie und ein sorgsam gewähltes Kostüm in ihrer Wirksamkeit verstärkt werden. Das Gedicht ist volkstümlich gehalten und bedient sich wirklicher Reminiscenzen aus dem Volkslied, Es ist die träumerische Stimmung eines mit halbem Anteil an den Dingen in der Natur dahinlebendeii Mannes zu vergegenwärtigen, wie sie Goethe etwa bei geschäft- lichen Ritten überkommen mochte. Der Hauptton liegt auf dem Unwillkürlichen, Instinktiven der Empfindung und Handlung.

S. 59- Trost in Thränen. Auch hier sind die beiden ersten Strophen nahezu wörtlich einem Volkslied ent- nommen. Str. 3, " Vertraue den Verlust " : komme vertrauend über den Verlust fort (nicht etwa: " Vertraure"!).

S. 61. Nachtgesang: ebenfalls durch ein Volkslied (und seine Melodie!) angeregt, diesmal aber ein italien- isches mit dem Refrain: "Dormi, che vuoi di piu?"

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ANMERKUNGEN

In jeder Strophe wird ein Vers der vorigen auf- genommen und als musikalisches Thema variirt, wie denn überhaupt das Lied mehr eine musikalische Stimmung erwecken als einen bestimmten Inhalt bergen soll. Es ist auf diese Weise ganz auf zwei Reime gestellt, die zugleich die herrschenden Gedanken tragen : den Gegensatz der träumerischen Ruhe auf dem Lager, in der der halb Schlummernde sich den "ewigen Gefühlen hingiebt," zu dem ''irdischen Gewühl" des hellen lauten Tages. Selten hat selbst Goethe den melodischen Reiz dieser Komposition erreicht.

S. 6i. Sehnsucht : wahrscheinlich an die jugendlich liebliche Silvie v. Ziegesar gerichtet, die in einem nah gelegnen " Bergschloss " den Stammsitz ihrer Familie hatte. Die mehrmalige Verwandlung des Liebenden in den Vogel, den Stern, bis amSchluss der Beglückte in seiner wahren Gestalt der Geliebten zu Füssen liegt ist ein Märchenmotiv, das auch in dies Gedicht einen volkstümlichen Zug trägt. Str. 2, " Umfittigen " : kühne Neubildung im Sinne von '"'umkreisen mit schlagenden Fittigen." Str. 3, "Sie wandelt am Bache die Wiesen entlang": die typische Situation der Liebenden bei Goethe.

S. 63. An Mignon. Der Titel ist nicht klar, da eine weibliche Person (Str. 4) spricht; ist etwa "an" hier so zu verstehn, dass das Gedicht an den Mignon -cyklus anzuhängen wäre ? Auch hier liegt eine fremde, wieder eine italienische Anregung vor. Die "schöne Mailänderin," die der Dichter in Castel Gandolfo geliebt hatte,, entliess ihn mit den Worten : " Ihr seid glücklich. ..Schon lange seh ich vor meinem Fenster Schiffe kommen und abgehn, ausladen, und einladen ; das ist unterhaltend, und ich denke manchmal, woher und wohin dies alles " (v. Loeper in seiner grundlegenden kommentirten grösseren Ausgabe der Gedichte). Man denkt an Tennyson's "Lady von Shalott " : die stille beschauliche Einsamkeit der Frau im Gegensatz zu dem "Gewühle" der arbeitsamen Männer. Das Reim- paar " Schmerzen : Herzen " ist durch alle Strojihen durchgeführt, Goethes jetziger Neigung ent-

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ANMERKUNGEN

sprechend, die zwischen den Gliedern eines Gedichts gern verbindende " Verzahnungen " anbringt. Es ist der häufigste Reim der deutschen Sprache, aber wie wirkt er hier so gar nicht trivial, so aus der Situation heraus neu erfunden! Str. 4, "Herz im Herzen " : das innerste des Herzens, cor cordls.

S. 64. An ein goldnes Herz : wieder ein Lililied, Die Nachbarschaft ist durch das Spiel mit dem Worte ''Herz" (Str. 2) veranlasst.

S. 65. Wandrers NachÜieJ. " Am Hang des Ettersberg, den 12 Februar 76" steht auf der Handschrift. Dieser wunderschöne Ausdruck einer tiefen Nacht- stimmung bringt wieder das unruhige Treiben der Welt zu der Sehnsucht nach Ruhe in Gegensatz. V. 2 und V. 6 in ihrer kühnen Konstruktion entsprechen sich refrainartig.

S. 65. Ein gleiches. Dies berühmte Nachtlied schrieb Goethe in der Nacht vom 6 zum 7 Sept. 1780 mit Bleischrift auf die Wand des Bretterhäuschens auf dem Gickelhahns, dem höchsten Berge bei Ilmenau. "Noch im August 1831, also ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung und kurz vor seinem Tode, " recognoscirte " er sie an Ort und Stelle " (Briefwech- sel mit Zelter, 280). Als er damals das Lied überlas wusste später sein Begleiter zu berichten strömten ihm die Tränen über die Wangen. Die Augen trocknend, soll er mit wehmütigem Ausdruck die Worte wiederholt haben: "Warte nur, balde, balde ruhest du auch 1 "

S. 65. Jägers Abendlied: eins der schönsten unter den herrlichen Mondliedern Goethes. Der Reim mit " Bild " ist nur durch die erste Hälfte durchgeführt.

S. dd. An den Ädond : ursprünglich 19 Januar 1778 an Frau V. Stein übersandt als ein Klagelied, nachdem sich die junge Christiane v Lassberg in der Um ertränkt hatte und der Dichter des "Werther" für ihren Selbstmord verantwortlich gemacht worden war. Das Gedicht musste daher später starke, nicht immer glückliche Änderungen erleiden. Die ur- sprüngliche Fassung in den "Briefen an Frau v. Stein "... Der Dichter wandelt wieder am Fluss die Wiese entlang und hört in der still gewordenen

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ANMERKUNGEN

Natur nur noch die ewigen Elementartöne. Die Stimmung milder Menschenscheu überkommt den Einsamen und die einzelnen Strophen lässt er sich von dem treueren Freund, dem Fluss, reihe nach zuflüstern.

S, 67. Gesellige Lieder : für eine wirkliche Tafelrunde von Freunden verfasst.

S. 67. Bundeslied. Dies Gedicht ist älter und schon 1775 auf die Hochzeit eines Freundes gedichtet.

S. 69. Tischlied. ••' Die erste Strophe ist eine freie Wieder- gabe der zweiten Strophe des bekannten Studenten- liedes aus dem 12 Jahrhundert: Meum est propositum in taberna mori " (v. Loeper). Dies war von Bürger verdeutscht worden ; man schrieb es dem Engländer Walter Map zu. Wie im Original wird in jeder Strophe ein Reim viermal wiederholt. Das Hoch gilt zuerst dem Fürsten als dem Mittelpunkt des Kreises, dann den Herrscherinnen über die Herzen der Genossen, diesen selbst, schliesslich allen in braver Gesinnung Verwandten.

S. 71. Gcneralbeichte : der Titel vielleicht von Schiller. Das Alotiv der scherzhaften Beichte ist in der mittel- alterlichen Dichtung und in der Zeit des Humanismus beliebt : für Goethe scheint (nach Vosslers Nachweis) ein solches Gedicht des Lorenzo de Medici als Vorbild gedient zu haben. Der Protest gilt dem philiströsen Lebensdilettantismus, der keine günstige Gelegenheit rechtschaffen auskostet.

S. 72. O^ne Tafel : Bearbeitung eines Scherzgedichts von La Motte mit dem Refrain '•' Va-t'en voir s'ils viennent, Jean."' Der Schluss gehört Goethe, "der das biblische Gleichnis von den geladenen Gästen, Lucas 14, 17-23, von früh an poetisch zu verwenden liebte " (v. Loeper) Die Reihenfolge ist ungefähr dieselbe wie im •'■' Neujahrslied."

S. 74. Rechenschaft : veranlasst durch einen Brief von Goethes Freund Zelter vom 30 Dec. 1809 : «<Fast hätte ich aber auch Lust, die deutschen Poeten bei Ihnen zu verklagen, die sich in ihren Liedern gar zu ernsthaft ausgeben, und ich dächte, Sie redeten die guten Leute einmal fröhich an, sich nicht gar zu pensiv und finster vernehmen zu lassen ; man müsste

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ja wohl des Wimmerns und Ächzens im gemeinen Leben sich voll ersättigen können." Schon am 14 Feh. 1810 empfing Zelter das Gedicht, das er nun seinerseits sofort komponirte : eine gemeinsame Arbeit zu polemischen Zwecken, wie wenn Goethe mit Heinrich Meyer Manifeste gegen neue Richtun- gen der Malerei ergehn liess. Im Übrigen ist dies Aufzählen guter Werke, auch eine Art von General- beichte, ein Gegenstück zu dem Katalog böser Werke z. B. der Hexen im '-'Macbeth." Str. 3, '•'Kegel" : eigentlich uneheliches Kind, hier (dem Reim zu lieb !) überhaupt für ein schwächliches, zurückgesetztes Wesen. "Mannsen" : volkstümlich lustiger Ausdruck. Str. 5, '«'wollte mich erneuen ": gegen die Goethe unsympathischen Bestrebungen der Patrioten, auf ganz neue Wege zu lenken, die freilich eine grössere Berechtigung hatten, als der für die Kontinuität der Kultur fürchtende Dichter glaubte. Str. 6, " Druckser " : der sich mit falscher Beschei- denheit duckt und ächzt. Str. 7 : die Ungerechtig- keit der Schlussstrophe ist nur aus der allgemeinen Stellung Goethes zu begreifen, der nun einmal im kulturellen Fortbau auf der alten Basis durch keine deutschtümliclien Tendenzen behindert sein wollte.

S. 78. ^rgo bibamus. Auch dies noch heut gern gesun- gene Lied verdankt einer äussern Anregung seine Entstehung. Goethe erzählte März 18 10 von dem wunderlichen Schulmann Basedow, mit dem er einst zusammengereist, und der zu behaupten pflegte, " die Konklusion ergo bibamus passe zu allen Prämissen. Es ist schönes Wetter, ergo bibamus ! Es ist ein hässlicher Tag, ergo bibamus! Wir sind unter Freunden, ergo bibamns ! Es sind fatale Burschen in der Gesellschaft, er^ro bibamus." Dies reg-te Goethes Gesellschafter, den Philologen Riemer, zu einem Gedicht an, dem wiederum Goethe selbst das seine folgen Hess. Str. 3, " sich schmorgt " : vulgärer Ausdruck, etwa : in Fetzen abfällt.

S. 79. Balladen : episch-lyrische Dichtungen, an denen vor allem das berülimte Balladenjahr 1797, das Jahr des Wetteifers mit Schiller, reicli war.

S. 79. Mignon. 1784 für den Roman " Wiliielm

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Meister " gedichtet. Das wunderbare Lied gibt der Sehnsucht Goethes nach Italien Ausdruck, die ihn vor seiner Reise fast krank maciite. Wie die Land- schafter jener Tage erst die Vegetation zeichnen, sie dann durch eine heroische Architektur beleben, so geht auch der Dichter %'or ; die dritte Strophe malt dann den Weg über die Alpen zu dem ersehnten Ziele. Str. 3 : dass die Cäsur den niederstürzenden Bach teilt (•'•und über ihn die Fluth"), pries der ber- ühmte Ästhetiker Vischer als eine besondere Schönheit des an ergreifender Lautmalerei reichen Gedichtes.

S. 80. Der Sänger : um 1783. Die typische Situation des Sängers bei Hofe zum Ruhm des Dichters ausge- deutet, dem seine göttliche Gabe reichster Lohn ist. Schiller äusserte ähnliche Gedanken.

S. 81. Da$ Veilchen', schon von 1774. Die stille Erge- benheit hinsterbender Liebe an einem volkstümlichen Symbol Tcrherrlicht ; es ist Goethes •'* Ritter Toggen- barg."

S. 82. Erltönig : 1782 für das Singspiel " die Fischerin " gedichtet, von der Sängerin Corona Schröter, der Freundin des Dichters, zuerst komponirt und ge- sungen. Der ••Erlkönig" ist eigentlich ein Elfen- könig, der die geheimnisvoll unheimliche Stimmung des unbelebten nächtlichen Waldes darstellt. Das Gedicht ist ein durchaus '•' modernes," indem es den pathologischen Zustand des aufgeregten und nicht zn beruhigenden Kindes mit grösster Kunst des Ein- fuhlens veranschaulicht ; und doch gehört es in jene gern mit volkstümlichen Alärchenmotiven arbeitende Zeit.

S. 83. Der Fischer : etwa von 1778. Goethe 19 Jan. 1779 an P''2U ^- Stein : '•' Diese einladende Trauer hat was gefahrlich anziehendes wie das Wasser selbst, and der Abglanz des Himmels, der aus beiden leuch- tet, lockt uns." Ibsen hat dieselbe Kraft, die lockt und zieht, auf seine Art in dem fremden Mann der '•'Frau von Meere" symbolisirt.

S. 84. Der König in Thule : die älteste Ballade Goethes, 1773 anzusetzen. ** Thule" bezeichnet von den Alten her ein in romantischer Ferne liegendes Eiland.

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85. Der Schatzgräber : 1797 durch ein Bild angeregt. In einer Übersetzung einer Schrift Petrarcas fand Goethe eine Abbildung mit der '•' artigen Idee, dass ein Kind einem Schatzgräber eine leuciitende Schale bringt." Die Schale ward dem Dichter zum Sinnbild fröhlichen Lebensgenusses und so entstand die eigen- tümliche episch-lyrisch-didaktische Kunstwerk. Man beachte die Kunst der Reimordnung, die sym- bolisch "Kreis um Kreise" zieht.

86. Der Zauberlehrling : 1797 nach einer Erzählung bei Lucian, der ähnliche Sagenmotive bei neueren Völkern zur Seite stehen. Das Gedicht tritt drama- tisch auf als Monolog des Lehrlings, den am Schluss der Meister ablöst. Str. i, <'Wort und Werke" gehören zu jedem Zauberbrauch : Zauberspruch und rituelle Handlung.

89. Die Braut -von Korinih : 4-5 Juni 1797 ; nach einer antiken Quelle. Das Interesse für die vorzugsweise slavischen Vampyrsagen half der Entstehung. Mit dem '' König in Thule " und dem " Gott und der Bajadere " bildet das Gedicht den Höhepunkt der Goethischen Balladenkunst. Den persönlichen Anteil des Dichters erweckte seine Abneigung gegen die neu auftauchende romantische Religiosität und Unduldsamkeit. Str. 4, '"'Dass er angekleidet..." : der Dichter Chamisso entdeckte auf seiner Weltumsegelung, dass der Vers eine Hebung zu viel hat. Str. 7, "Ceres Gabe" : Brot (vgl. Str. 14); die Toten schlürfen Wein, nehmen aber keinerlei feste Nahrung zu sich. Die Kunst der Sprache und des Versbaus ist auch hier unvergleichlich. "Wie kontrastiren die lang gezogenen ersten Verse mit dem kosenden Getändel der zwei kurzen Zeilen, und wie innig sind sie durch den langen feierlichen Schlussvers zusammengehalten, grade wie Tod und Leben, wie Grabesschauer und stammelndes Liebesgeflüster in der Ballade sich verweben " (M. Carriere).

96. Der Gott und die Bajadere : 6-9 Juni 1797, also unmittelbar nach der '•' Braut von Korinth " gedichtet. Nach indischer Quelle, aus der Goethe den grossen auch christlichen Gedanken der Entsühnung

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durch liebende Aufopferung heraus las. Str. i, •'Mahadöh"" : der grosse Gott. Eigentlich ist es Wischnu, der in mancherlei Gestalten auf Erden wandelt. Diese Mischung des Göttlichen und Menschlichen bildet der starke Rhythmuswechsel ab. Str. 9 : das Bild der Schlusstrophe ward durch Andachtsgemälde an die Hand gegeben, in denen die Heilige unten im Sarkophag beigesetzt wird und oben in den Lüften von Christus empfangen.

S. 99. Paria. Goethe lernte die indische Quelle früh kennen und trug sich 1816-1821 mit der Idee, die dann durch die Tragödie ''le Paria" von Casimir Delavignefreigemacht wurde. Wie der greise Dichter Trilogien liebt, hat er auch diesen Stoff in eine solche gelegt. Str. i, *<die Bramen : " den Stand der Priester; '-'die Rajas " : die Fürsten. Str. 2: der Paria nährt sich von dem, das die höheren Stände verwerfen. Str. 5 : der Anblick göttlicher Schön- heiten stört die Andacht der Frommen in manch indischer Legende.

S. 105. Elegien. Die '•' Römischen Elegien " entstanden erst in Deutschland nach der Heimkehr, als der Dichter sich eine Fortdauer der italienischen Zustände an Christianens Seite vorzutäuschen suchte. L : die vorbereitende Stimmung, wie im Anfang von "Romeo und Julia." IL, "das traurige Spiel " : Goethe blieb dem Kartenspiel abgeneigt, das in jenen Jahren erst so recht die Gesellschaft eroberte. "Alalbrough" : Malbrouck s^en va-t-en guerre, mirontonton, mirontain. V.: ^'noc- turna "veriate manu, "versate diurna.^^ Dass die Plastik wesentlich auf den Tastsinn angewiesen sei, hatte Goethes Lehrer Herder verkündigt. "Seinen Triumvirn" : den "Triumvirn der Liebe," Catull, Tibull, Properz. VII. "Jupiter Xenius," der Hüter der Fremden, der " wirthliche Gott." "Cestius' Mal," wo der Friedhof der Nichtkatholiken war. VIII. "Als ein besonderes Kind" : ein Kind von eigener Art. XI. Auch die berühmte Schilderung der antiken Göttertypen bildet Anregungen Herders genial weiter. Xll. "Der Profane" der nicht in die Mysterien eingeweiht war. Goethe scheint die

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Einführung des Neophyten nach dem Bild der Frei- maurerweihe zu schildern ; mit Wieland gehörte ei seihst der Loge an. XIII. : Verteidigung der für die " Elegien " gewählten Kunstform. '•' Dich, Aurora " : die Morgenstunde gehörte zu den liebsten Arbeitszeiten des Dichters. XV. : der Poet hatte auf Kaiser Hadrians Reisen das Epigramm gedichtet: "Ich möchte nicht die Welt regieren, Durch Eng- land irren, bei den Skythen frieren ! " Der Kaiser replicirte: "Und ich möcht' nicht wie Florus in den Gassen mich von den Wirtshauswanzen plagen lassen!" "Grösseres sähest du nichts..." : wieder eine lateinische Reminiscenz aus Horaz, Carmen taeculare V. g : ^'•Alme Sol...possis nihil urbe Roma viser e maius \'^ "glücklicher Räuber" : die Sage vom Raub der Sabinerinnen und überhaupt vom Ursprung Roms. S. 122. Amyntas. Goethe notirt 19 Sept 1797 im Tage- buch der Schweizerreise: "Ein Apfelbaum, mit Epheu umwunden, gab Anlass zur Elegie Amyntas." Er dachte an sein Liebesverhältnis mit Christianen, das ihm so vielfach abgeraten wurde und dessen Gefahren er selbst auch erkannte, ohne verzichten zu können. Die Liebe zu den Elementarmächten gestellt S. 125. Die Metamorphose der Pßanzen. 1798 gedichtet, gibt sich dies wunderbare Lehrgedicht als ein Versuch Christianen in die Grundanschauungen von Goethes Entwicklungslehre der Pflanzen einzuführen. Eigentlich ist es wohl doch mehr ein Versuch, zwischen den getrennten Reichen der Forschung und der Dichtung nach dem Muster der Alten eine Brücke zu schlagen. An ein grosses Lehrgedicht über die Natur hat Goethe lange gedacht; nur dies Bruchstück und die "Metamor- phose der Thiere " kam zu stände. S. 129. Hermann und Dorothea : 1796 als Ankündigung des gleichnamigen Epos an Schiller gesandt. Im Bewusstsein iiirer Gemeinschaft verkündet der Freund dem Freunde, wie kein Pliilisterium und keine Splitterrichterei ihn in der Nachfolge der Alten beirren soll, die seit der italienischen Reise, sein

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unerschütterliches Evangelium geworden war. Neben der Dichtung (Römische Elegien !) kommt auch seine Lebenshaltung zur Sprache, die in dem Liebes- verhältnis zu Christianen : "der Heuchelei dürftige Maske verschmäht! " Doch geht der Vers <'Dass kein Name mich täuscht..." wohl speciell auf die Kämpfe gegen Newton und seine Farbenlehre. "Erst die Gesundheit des Mannes..." : des Philo- logen Wolf, der die Einheit der homerischen Gedichte bestritt; "des Dichters Geist..." : J. H. Voss. 131. Epigramme : 1790 in Venedig entstanden, "ein poetisches Tagebuch von Goethes Aufenthalt in Vene- dig." Str. 2, "die Wiege Virgils" : " bei Man- tua, den Grenzbezirk Italiens anzudeuten." Str. 3, " Vetturine " : die Lohnkutscher, denen man sich für die Reisen in Italien anvertraute ; "die Dogane " : das Zollamt; "Rinaldo" : den paradiesisch verzauberten Rinaldo hat Goethe selbst zum Gegenstand einer Kan- tate nach Ariost gemacht. Str. 4, "Faustinen " : die Geliebte der "Elegien." Str. 5, "Daphne" : die in einen Lorbeer verwandelte Nymphe. Str. 7 : bezieht sich auf Frau v. Stein, die er seit der Flucht nach Italien verloren hatte. Str. 20, "der neue geflügelte Kater" : der Markuslöwe, den Gegensatz antiker und mittelalterlicher Kunst auszudrücken, Str. 22, "Jupiter Pluvius " : der Gott des Regens. Str. 29: ungerechte Klage des Dichters, der den Wohlklang der italienischen Sprache einseitig beneidet. Str. 34 : schönes Dankwort an Carl August.

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BAND II

S. I. Sonette : entstanden Winter 1807-8, als eine in Jena erscliienene Ausgabe von Petrarcas Sonetten und der Aufenthalt des eifrig sonettirenden Roman- tikers Zacharias Werner den Dichter reizten, sich in dieser Form breiter zu versuchen, die er erst abgelehnt, dann nur gelegentlich angev^'-andt hatte. Die Sonette gelten überwiegend Minna Herzlieb, der Pflegetochter jenes Verlegers Frommann, bei dem die Petrarca- Ausgabe herausgekommen war. Man darf sie nicht zu den höchsten Kunstleistungen des Dichters rechnen, der in der musikalischen Lyrik seinen Thron hatte. Doch haben sie für die Einbürgerung des Sonetts viel geleistet, das eine Zeit lang alleinige Domäne der Romantii^er bleiben zu sollen schien.

S. I. Mächtiges Überraschen : der Strom wie in " Maho- mets Gesang " und sonst als Gleichnis für die "dämonische" Persönlichkeit; Ureas, die Berg- nymphe, als Vertreterin des unerwarteten Lebense- reignisses : der Liebe. Der Dichter, auf dem gleichmässigen Wege ins All, wird durch dies Erlebnis in seiner Rulie aufgestört ; aber die Aufre- gung ballt sich in die glatte Kunstform des Sonetts zusammen.

S. 3. Epoche, Am i Advent 1807, 29 Nov., begegnete der Dichter Minna Herzlieb zum ersten Mal im Frommannschen Hause.

S. 3. Kluggesang : nach dem Serbischen.

S. 6. Mahomets Gesang : 1772-73 als Dialog für das Mahomet-Drama gedichtet. In dem Propheten sieht der Dichter das Wesen des Genies verkörpert und schildert in dem poetischen Bilde des Felsenquells die typische Entwicklung der grossgeistigen Erol)ercr.

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S. 8. Gesang der Geister über den fVassern : 1779 ^^^ ^^^ Schweizer Reise den Wasserfällen abgelauscht. Man beachte, wie prachtvoll sich der Rhythmus und die Klangfarbe jeder Bewegung des Gedankens ansch- miegen !

S. 10. Meine Göttin : 15 Sept. 1780 an Frau v. Stein geschickt. Str. 3, ''Sommervögel" : Sclimetterlinge.

S. 12. Harzreise im Winter : die Reise fand 29 Nov.-i Dez. 1777 statt ; sie galt eigentlich einem unglück- lichen Hypochonder, Plessing, der sich hilfesuchend an den Dichter gewandt hatte. Goethe hat selbst anlässlich einer Abhandlung von 1820 (•'•'Über Goethes Harzreise im Winter, von Dr Kannegiesser ") sich in ausführlichem Kommentar über das schwierige Gedicht geäussert. Str. 2 und 6 beziehen sich auf Plessing, den er als Verteter des unglücklichen Lebensverfehlens zu sich selbst in mitleidsvollen Gegensatz bringt. "Seine herzliche Teilnahme ergiesst sich im Gebet " (Str. 7). Str. 8, " die Brüder der Jagd" : "der Dichter erinnert sich seiner engver- bundenen Freunde, welche grade in dieser Jahreszeit und Witterung eine bedeutende Jagd unternehmen, um das in gewisser Gegend sich mehrende Schwarz- wildpret zu bekämpfen." Str. 10, '•' des gefürchteten Gipfels..." : der Brocken ist der Sitz mancher Spuksage. Str. 11 "Du stehst..." : "' Hier ist leise auf den Bertrbau bedeutet. Der unerforschte Busen

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des Hauptgipfels wird den Adern seiner Brüder entgegengesetzt. Die Metalladern sind gemeint, aus welchen die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit gewässert werden."

S. 15. An Schivager Kronos '. IG Okt. 1774 im Postwagen gedichtet. " Schwager " : volkstümlich gemütliche Benennung für den Postillon. Str. i : dein Zaudern verursacht mir ein Gefühl des Unbehagens, eine Art Seekrankheit, wie man sie beim Boot fühlen kann, wenn es zu lang an der Landungsstelle hält. Die Fahrt wird Sinnbild des Lebens und seiner wechseln- den Momente. Str. 5 "Entzahnte Kiefer" : die ihre spitzen Nasen verloren haben. Str. 6 "Trunk- nen..." : kühne latinisirende Konstruktion.

S. 16. PVandrers Sturmlied : aus der Zeit vor der Abreise

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nach Wetzlar. April 1772. '•' Ich sang diesen Halbunsinn leidenschaftlich vor mich hin, da mich ein schreckliches Wetter unterwegs traf, dem ich entgegengehn musste." Str. i : der '•' Genius " wie das Daimonion des Sokrates. als ein selbständiger Schutzgeist des '•' dämonischen " Menschen gedacht. Str. 2, ''Deukalions Flutschlamm" : der nach Ablauf der Sintflut auf der Erde geblieben war. Str. 5, "der Sohn des Wassers und der Erde'' : der durchnässte Boden. Str. 7, '•' Der kleine schwarze feurige Bauer '' ist als ein wirklich auf dem Wege erblickter aufzu- fassen. "Vater Bromius ■' : Bacchus. Str. 8 : eine Art Gedankenfiucht ist für die Improvisation char- akteristisch. Die " Musen und Charitinnen," kaum angerufen, sind Begleiterinnen geworden ; die Nen- nung des Bromius führt zu seiner Anrede, da der duchnässte Dichter sich nach dem wärmenden Trunk sehnt : höchster Schwung der Poesie und realistische Wiedergabe der Stimmung unmittelbar verschwistert. Str. 9, "Mittelpunkt"*: ein Lieblingsausdruck aus den ästhetischen Theorien des jungen Goethe, hier ohne Vermittlung herausgeschleudert. Str. 11, •'Tändelnden ihn" : wieder jener Latinismus. Die folgenden Verse erfüllt von Erinnerungen an Dicht- ungen des Anakreon, Theokrit, Horaz. Der Schluss kehrt wieder von der den Wanderer geleitenden Muse zur prosaischen Wirklichkeit zurück.

20. Seefahrt: 1776 entstanden, als die grosse Wendung im Leben des Dichters auch wohlwollende Freunde mit Sorge erfüllte (v. Loeper). Inhaltlich stehen " Meeresstille " und " Glückliche Fahrt " nahe. Str. 2, "Rückkehrendem" : Latinismus. Str. 3, "entjauchzt" : weckt durch Jauchzen. Str. 4, " Einschiffmorgens " : Morgen des EinschifTens. Die Meisterscliaft in Beherrschung der neugewon- nenen Form der "freien Riiytiimen " zeigt sich besonders in der Schilderung des heranbrausenden Sturms.

21. Prometheus : 1774 gedichtet, ein selbständiger Monolog neben dem begonnenen Drama. Die Stimmung des genialen Individualismus hat niemals grossartigeren Ausdruck gefunden. Aber Prome-

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theus ist nicht schlechtweg Goethe 1 Berühmt ward die Dichtung noch durch die Rolle, die sie in dem Kampf zwischen den Philosophen Mendelssohn und Jacobi um Lessings Spinozismus spielte : Lessing hatte das Gedicht seinem Inhalt nach gebilligt, was den Theisten Alendelssohn entsetzte.

S. 23. Gani/med '. etwa gleichzeitig oder (nach Köster) schon etwa um 1772. Das aus der Frühlingserde dringende Lebensgefühl hebt den Dichter gleichsam physisch in die Höhe, wie Ganymed zu Zeus emporgetragen wurde.

S. 24. Gräfizen der Menschheit : gleichsam ein Widerruf des '•' Ganymed," in dem der begeisterte Mensch sich ''aufwärts hob." Str. 2, "Berührt mit dem Scheitel die Sterne" : horazische Reminiscenz.

S. 26. Das Göttliche : 1775? Dem didaktischen Ton ent- sprechend sind die freien Rhythmen zu gleichartigeren Strophen geordnet. Str. 7, "Er kann dem Augen- blick Dauer verleihen " : in Goethes Ausdruckweise das besondere Vorrecht des verewigenden Dichters.

S. 28. Lili's Park : natürlich aus der Zeit des Kampfes mit Lilis Koketterie. Str. 6, " Filetschurz" : "Knoten einer weiblichen Handarbeit" (v. Loeper).

S. 32. Liebebed'iirfniss : 2 Nov. 1776 unter dem Titel " An den Geist des Johannes Secundus," des durch sein Gedichtbuch " Basia " ("Küsse ") berühmten Human- isten.

S. 33. Morgenklagen : "aus der Zeit der ersten Verbin- dung mit Christiane Vulpius, dem Hochsommer 1788;" inhaltlich den "Römischen Elegien" nahe verwandt.

S. 35. Der Besuch : gleicher Zeit und gleicher Art. Wir besitzen eine Handzeichnung Goethes, die Christianen so auf dem Sofa schlafend darstellt. Str. 5, "Hielte" : veraltete Form.

S. 37. Der Becher : Sept. 1771. Str. 4, " Lida " : Kose- form für Frau v. Stein.

S. 38. Nachtgedanken : 20 Sept. 1781 an Frau v. Stein.

S. 38. An Lida : Okt. 1781 an Frau v. Stein.

S. 38. Im Vorübergehn : 1813, als Goethe sein 25 jähriges Jubiläum mit Christiane feiern konnte. Volkstüm- lich, dem " Heideröslein " zu vergleichen; auch die

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ungenauen Reime wie " schleuning : heimlich" sind wohl archaisirender Absicht zuzuschreiben.

S. 39. Aus Wilhelm Meister ', 1783-95 entstanden.

S. 40. So lasst mich scheinen .. . : aus der Situation im Roman zu verstehen : Mignon ist in ein weisses Gewand gekleidet, '"'Den Gürtel und den Kranz" : Symbole der Jungfräulichkeit. Im übrigen zeigen grade diese tief ergreifenden Gedichte, mit welcher Kraft Goethe in seinen Figuren allgemein menschliche Empfindungen restlos auszudrücken verstanden hat.

S. 42. Philine : die Repräsentantin heiterer, ja lockerer Lebensanschauung im Roman. Str. 7, ''Jeder Tag hat seine Plage " : ein bekanntes Bibelwort halb parodistisch fortgesetzt.

S. 44. Antiker Form sich nähernd : ungefälliger Gesamttitel für eine Reihe von Dichtungen in antiken Massen, zumeist Epigrammen im alten Sinn des Wortes. "Erwählter Fels" : auf einem Stein im Weimarer Park noch heut zu lesen. ''Schweizeralpe" : 1797 auf der Schweizerreise gedichtet ; damals begann der Dichter zu ergrauen.

S. 46. An Personen : die Überschrift ist nicht schön. Aber da der Dichter seine poetischen Hervorbringun- gen sonst als " Bruchstücke einer grossen Beichte" zusammenfasste, musste er wohl die abgrenzen, die einer mehr äusserlichen Anregung ihr Dasein ver- danken. Freilich befinden sich unter diesen auch Dichtungen von persönlichstem Charakter, wie gleich " Ilmenau."

S. 46. Ilmenau. "Am 3 Sept. 1783 " Goethe hatte sich bemüht, in Ilmenau, wo sonst der Herzog gern zur Jagd weilte, das alte Bergwerk wieder in Betrieb zu bringen. Nun stand dessen Wiedereröffnung bevor : das gab wohl den äussern Anlass zu der herrlichen Dichtung. Der Dichter übersieht bei dieser Gele- genheit sein ganzes bisheriges Wirken in den Landen des Herzogs; als seine eigentliche Aufgabe erscheint ihm die Einwirkung auf den Fürsten, aus dessen vom Ungestüm verwirrter Seele das edle Metall heraus- zuholen ist." Bedenkt man, wie diese Verse sich unmittelbar an den Herzog selbst richten, so erstaunt man über den tapfern Freimut des Mannes, den man

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so oft als unterwürfigen Höfling zu schildern gewagt hat, Die poetische Situation ist die, dass nach der Anstrengung einer Jagd der Herzog mit seinem Gefolge im Walde ausruht ; Goethe sitzt an dem an- gezündeten Herdfeuer und betrachtet nachdenkend die Gruppe. Er erinnert sich früherer Besuche in diesem Tal. Str. z, •'•' Erhabner Berg " : der Gickel- hahn, auf dem das " Abendlied '" entstand; "sachte Hölin " : sanft ansteigende. Str. 3 : Klage über die übertriebene Jagdlast des Herzogs ; sie kehrt in Goethes Briefen wieder. ''Der Knappe" : nämlich der Bergknappe. Str. 4, ••Melodisch": die Worte fordern kühn zur Würdigung von des Dichters eigner melodischer Kunst auf. Str. 7, "der Jäger wildes Geisterheer ; " das Heer des " wilden Jägers ; " "Ägyptier;" französische Benennung der Zigeuner. ; <•' wie im Ardennerwald " : Anspielung auf Shake- speares •'•'Wie es auch gefällt." Str. 8 und 9 : Por- traits zweier Hofleute, von denen einer jedenfalls Goethes " Urfreund," v. Knebel, ist, der die erste Bekanntschaft mit dem Herzog vermittelt hatte. "Ekstatisch faul" : in wahrer Begeisterung der Trägheit, in begeistertem Genuss des Nichtstuns. Str. 10 iSchilderung Karl Augusts. " So war er ganz und gar," sagte Goethe nach dem Tode des Herzogs zu Eckermann, •'•'es ist darin nicht der kleinste Zug übertrieben." Str. 11 : Anrede an das eigne Selbst des Dichters. Str. la, "Von fremden Zonen " : natürlich nicht geographisch zu verstehen, sondern von dem Exil aus rein poetischer Lebenstätigkeit. Str. 13 : Selbstanklagen des Dichters, der sich so kühn an so schwierige Aufgaben gemacht. Str. 14 : der Erfolg des " Götz," dem Goethe seine Dichterkrone ver- dankte. Str. 15 : das Gedicht kehrt zu dem Herzog zurück. " Durch enges Schicksal abgeleitet " : wie Hamlet durch eine zu grosse Aufgabe, ist der "dä- monisch " veranlagte Fürst durch deren Kleinheit gefährdet : sie zwingt ihn zu zweckloser Vergeudung seiner Kräfte; "Und was ihm das Geschick..." : Goethe schrieb Okt. 1780 an Lavater : "Herrschaft wird niemand angeboren, und der sie ererbte, muss sie so bitter gewinnen als der Eroberer." Man

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denke auch an die berühmten Verse '•' Was du ererbst von deinen Vätern hast, erwirb es um es zu be- sitzen ; " doch ist dort ein inneres Aneignen gemeint, hier eine unnütze Bemühung. Str. 17 : dass der Herzog sich waghalsig überflüssigen Gefahren aus- setzte, bildet ebenfalls ein Hauptthema der Klagen in Goethes Briefen an Frau v. Stein. Str. 18 : die Vision schwindet und beruhigt sieht der Dichter nun auch das Gute um ihn her. Str. 20, '•' der Winkel deines Landes " : Ilmenau war eine wei- marische Enklave. Str. 21 : •'•'jener Sämann" : Matth. 13.

S. 52. Ddr IVatidrer : in Wetzlar 1772 entstanden, ein Reflex der Wanderungen des unruhvollen Junglings, ins heroische der Landschaft hineinstilisirt. Das Gedicht gehörte von Anfang an zu den meistbewun- derten.— Das Bild der Landschaft rollt sich wie aul einem Fries ab ; Glieder : die säugende Frau, mit der der Wandrer spricht; der Wandrer in Betrach- tung der Tempeltrümmer ; an der Wiege des schlafenden Knaben; Gebet; Abschied. ••'Diese Steine hast du nicht gefügt " : die Natur wandelt die W'erke der Kunst wieder in Natur um, gleicht sie sich an. Diese Berührungen von alter Kunst und Natur bilden den gedanklichen Inhalt des Gedichtes, wie der Gegensatz des ruhelosen Wan- derers zu der idyllischen Stille der an ihrer Scholle festgewurzelten Landleute den Stimmungsgehalt schartet. (Ahnlich der grosse Gegensatz von Ruhe und Bewegung in ''Hermann und Dorothea.'') *•' Ihr Musen und Grazien " : Wielandischer Ausruf. "Welchen der umschwebt..." : wie in "Wandrers Sturmlied " latinisirende Konstruktion : quem tu ]S/lelpomene... Der Schluss wendet das Gedicht zur Allegorie auf den Dichter, der über Gräber vorwärts muss, über die verehrten Gräber früherer Kunst. Ein herzlich gefühlter Wunsch des "Unbehausten " als Sciilussakkord.

S. 59. Amor als Lands chaftsmahltr : von der italienischen Reise wie das Gedicht " Cupiilo, loser eigensinniger Knabe." Ein reizendes Märchen in der Art der Sage von Pygmalion, \^'ie in "Ilmenau" taucht

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die helle Landschaft, durch den Geist von dem Nebel befreit, aus der Dämmerung hervor.

S. 6l. Trilogie der Leidemchaft : nur die beiden letzten Gedichte gehören innerlich zusammen ; das dritte hat Goethes Neigung zu Trilogien hinzugesellt, weil es an die Perioden jugendlicher Leidenschaft erinnert. Goethe sagt i Dez. 1831 zu Eckermann: *'Dann wollte Weygand eine neue Ausgabe meines Werther veranstalten und bat mich um ein Vorrede, welches mir denn ein höchst willkommner Anlass war, mein Gedicht an Werther zu schreiben. Da ich aber noch immer einen Rest jener Leidenschaft (zu Ulrike v. Levetzow) im Herzen hatte, so gestal- tete sich das Gedicht wie von selbst als Introduktion zu jener Elegie. So kam es denn, dass alle drei jetzt beisammenstehenden Gedichte von demselben liebesschmerzlichen Gefühl durchdrungen worden und jene "Trilogie der Leidenschaft" sich bildete, ich weiss nicht wie."

S. 61. An V/erther. Str. i: <' in der Frühe" : zu jener frülien Zeit, da Goethe und Werther Altersgenossen waren. Str. 2 : Schilderung typisclien Lebenslaufes ; man vergleiche die *•' Orphischen Urworte." Str. 5, "Ein grässlich Scheiden" : halb ironische Erinne- rung an Werthers Selbstmord. " Gieb' ihm ein Gott" : Anspielung auf die berühmten Verse des " Tasso " : " Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen was ich leide" Die Schlussverse führen zu der "Elegie" über.

S. 63. Elegie : die sogenannte Marienbader Elegie. Goethes Zeugnis : "Ich schrieb das Gedicht un- mittelbar als ich von Marienbad abreiste und ich mich noch im vollen frischen Gefühl des Erlebten befand. Morgens acht Uhr auf der ersten Station schrieb ich die erste Strophe und so dichtete ich im Wagen fort und schrieb von Station zu Station das im Gedächtnis Gefasste nieder, so dass es Abends fertig auf dem Papiere stand " Diese Angal)en scheinen nicht völlig genau, geben aber jedenfalls die Energie zutreffend wieder, mit der Goethe die ungeheuere Gemütserschütterung dichterisch ver-

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arbeitete. Es handelte sich um die leidenschaftliche Liebe, die den Dichter zu der jungen Ulrike v. Levetzow ergriffen hatte. Str. 6 : der höcliste Ausdruck der verzweifelnden Leidenschaft, in dem alles zu wanken, ja zu vergehn scheint, was der Greis in einem langen Leben als die selbstverständ- liche Grundlage aller Existenz angesehen. Str. 7 : wiederum die Vision der Geliebten, wie sie aus der erregten Stimmung körperhaft hervorgezaubert wird. Str. 13, '"'Dem Frieden Gottes..." : Paulus an die Phillipper 4, 7. Str. 23, ''Pandoren" : deren Büchse als verhängnisvolles Geschenk alle Übel enthielt.

S. 68. Aussöhnung : Marienbad 19 Aug. 1823. Vor allem hatte das Klavierspiel der Virtuosin Fr. v. Szymanowska ihn begeistert und beruhigt. Die melodische Überwindung des grenzenlosen Schmer- zes im Liede hat kein ergreifenderes Denkmal als dies Gedicht gefunden, das in seinem unmittelbaren Anschluss an das vorige das wirklich Erlebte un- mittelbar mit gewaltiger Kraft in die Sphäre des poetischen Erlebnisses hebt.

S. 68. Aolsharfen : Sommer 1882 ; die beliebte Spiel- erei der Äolsharfen, an Bäumen befestigter Saiten, die der Wind zum Tönen brachte, wird von Goethe symbolisch umgedeutet auf jene Stimmen, die die Gemütserregung aus der Natur heraushört. Die Träne erscheint auch hier als einzig mögliche Losung der ungeheuren Spannung.

S. 70. Mai : 2 Januar 1818. Ein Bild von Corot! Amoretten durchfliegen den wunderschönen Früh- lingstag.

S. 71. Zivischen beiden fVe/ten : aus der Zeit der Liebe zu Frau v. Stein und an sie gerichtet ; sie und Shakespeare als Schutzgötter seines irdischen und geistigen Lebens.

S. 71. Gott um/ Welt : Gedankendichtung des Greises, vorzugsweise mit Schelling übereinstimmend ; spino- zistisch schon im Titel : '^ Jeus sive natura/ "

S. 71. Proamion : Anruf Gottes, feierlich theologisch gehalten. Str. 2, "Du findest nur Bekanntes..." : weil "alles Vergängliche nur ein Gleichnis," nur

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Abglanz des Unfassbaren ist. "Hat schon am Gleichniss" : '«Am farbigen Abglanz haben wir das Leben," wie es im "'Faust" heisst... Str. 3, '■ Was war ein Gott.,." : die berühmte Erklärung gegen einen ausserweltlichen Gott.

S. 72. Weltseele : Wohl 1881-2; zuerst '«Weltschö- pfung"" genannt. Es ist ein Gegenstück zum Schluss der "Helena" im >'•' Faust," w^o sich die beseelenden Kräfte der Natur wieder in sie auflösen : so verteilen sie sich hier nach allen Regionen und erfüllen es mit Leben. Str. 5, "Den wandelbaren Flor"' : die Wolken. Str. 6, "Das Wasser will grünen " : "' will Leben zeugen."

S. 73. Dauer im Wechsel : etwa gleichzeitig. Str. 2, "Ach. und in demselbem Flusse..."' : ein Spruch des Heraklit, der den unaufhörlichen Fluss der Dinge ausdrückt. Alles wandelt sich ; nur dem Dichter ist es gegeben, das Vorüberfliehende festzuhalten, dem Moment Dauer zu verleihen.

S. 75. Eins und Alles \ Okt. 1821. Der Geist des Ein- zelnen, des Forschers oder Dichters wird jenen Naturseelen verglichen, die in unaufhörlichem Wandel die Welt durchfliegen und beleben. Die Sehnsucht Werthers, sich im Universum aufzulösen, um. der drückenden Schranke Individualität ledig zu werden, kehrt bei dem Greis wieder, aber hofl^end, wo Werther klagte! "'Weltseele" : im Anschluss an Schellings Terminologie die Gesamtheit der belebenden Kräfte oder ihre Quintessenz. Die beiden letzten Verse werden von dem nächsten Gedicht widerrufen.

S. 76. Vermacht niss. Eckermann 1 2 Feb. 1 829 :"' Goethe lieset mir das frisch entstandene, überaus herrliche Gedicht : Kein Wesen kann zu nichts zerfallen. Ich habe, sagte er, dieses Gedicht als Widerspruch der Verse : -denn alles muss zu nichts zerfallen, Avenn es im Sein beharren will,' geschrieben, welche dumm sind und welche meine Berliner Freunde bei Gelegenheit der naturforschenden Versammlung zu meinem Arger in goldenen Buchstaben ausgestellt haben." Tatsächlich han- delt es sich nur um eine stärkere Betonung der im

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Wechsel beharrenden Individualität. Es ist wirk- lich das Vermächtnis seiner letzten Philosophie, deshalb auch in pathetischem Tone vorgetragen, der doch die Anwendung selbst ein wenig prosai- scher Kunstausdrücke nicht verschmäht. Str. i, '•'Das Sein ist ewig" : eben jene Weltseele des vorigen Gedichts. Str. 2 und 3 im Anschluss an Kant : " der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir " als die beiden erhaben- sten Dinge. Parallelismus des Kosmos, der Welt mit ihrem geordneten Aufbau, und des Mikrokos- mos, des Menschen. Ebenso oben S. 72 : *' Im Innern ist ein Universum auch." Str. 4 : '"'die Sinne trügen nicht! " Str. 6 : •'•'Geselle dich zur kleinsten Schaar " : der der Auserwählten.

S. 77. Melamorphosi der Thiere : ungewissen Ursprungs. Auch hier wird die Dauer im Wechsel verkündet : wie durch alle Metamorphosen hindurch die Art der Tiere sich behauptet womit die Grenze von Goethes •'*' Darwinismus " ausgesprochen ist. "Zweck sein selbst ist jegliches Thier " : Ableh- nung der Teleologie, die alle Tiere zur Nahrung für andre und schliesslich zum Besten des Menschen erschaffen sein lässt. '•' Und die seltenste Form bewahrt im Geheimen das Urbild" : der Gedanke einer, lediglich theoretischen, Urpflanze, einer allen wechselnden Gestaltungen zu gründe liegenden '•' Urpflanze." "Doch im Innern..." : der " Bildungs- trieb," der entwickelnd wirkt.

S. 80. Die Reliquien Schillers : so nennt Goethe^ das Gedicht an Zelter, 24 Okt. 1827; sonst die Über- schrift : "Bei Betrachtung von Schillers Schädel." 17 Sept. 1826, als der Schädel in das Piedestal der Danneckerschen Schillerhüste auf der Weimarer Bibliothek niedergelegt wurde. ..Die Terzinen sind vielleicht symbolisch für das Ineinandergreifen der Glieder im menschlichen Körper gemeint. Die ersten Worte erinnern an die Hamlets auf dem Kirchhof. Die Schlussverse enthalten wieder jene pantheistiche Anschauung von dem Dauer des Göttlichen durch allen Wechsel der Erscheinungs- formen hindurch.

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S. 8i. Ur-worte. Orphisch. Es gelüstet den Greis, die Summe seiner Welterkenntnis, soweit sie das Menschenschicksal betrifft, in geweihter Form niederzulegen ; er wählt das Kleid des uralten mystichen Sängers, Das Gedicht entsteht Okt. 1817 unter Mitwirkung mythologischer Studien Der Lebenslauf wird als ein fest geformtes Natur- produkt aufgefasst, der durch fünf notwendige Entwicklungsstufen hindurchgehe. Die Geburt giebt die unveränderliche Grundlage : die Indivi- dualität erscheint als ein nicht weiter aufzulösendes "Urphänomen." Dazu gesellt sich dann die Summe der zufälligen, d. h. vom Wesen des Individuums unabhängigen Einflüsse. Die Reife der Persönlichkeit offenbart sich sodann in ihrem Begehren der Aussen- welt gegenüber, bis das Schicksal zur Entsagung zwingt ; doch bleibt die Hoffnung auf immer neue Gestalten des individuellen Lebens. Str. i : das Urphänomen der angeborenen Eigenschaften astro- logisch poetisirt. "Geprägte Form" : wieder die Lehre von der Unvergänglichkeit des Lebendigen. Str. 3, '<Er " : Eros.

S. 83. Hotvardi EhrengeJächtn'iss, April oder Mai 1821 zum Gedächtnis des Begründers der wissenschaft- lichen Meteorologie verfasst, nachdem Goethe schon 15 Dez. 18 17 die von Howard gekennzeichneten Wolkenformen (Cirrus, Stratus, Cumulus) in Verse gesetzt hatte. Str. i, '"Camarupa" : die indische Wolkengöttin. Die Wolken als Sinnbild des ewig Wechselnden. Str. 2 : wieder eine Anspielung auf eine bekannte Hamletstelle.

S. 84. Lebensgenuss : 1821. Schlusspoetik ; abschliessende Rückblicke auf Kunst und Lebenskunst unter Hin- blick auf die zeitgenössische Kritik. "Was den Edlen misst" ; was den Massstab für den Edlen hergiebt ; "dem Geschlecht" ; ilirer eignen Generation, mit der die Narren vergehn.

S. 85. Zahme Xenien : so im Gegensatz zu den " wilden " Xenien des Kampfes gegen den Dilettantismus genannt, übrigens vielfach schärfer als Goethes damalige Xenien; lehrhaft-lyrischer Natur. Goethe liielt diese Improvisationen des Ärgers oder "Über-

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muts " in Schreibtisch zurück; sie wurden aus dem Nachlass veröffentlicht. ''Vom Vater..." : eine scherzhafte Analyse der docli unteilbaren Individua- lität, wie manche gleichzeitige Sprüche gegen die Originalitätssucht der jungen Generation gerichtet. " Theilen kann ich nicht das Leben" ; wiederum die Lehre von der Unveränderlichkeit der Individualität durch allen Wechsel der "Häutungen," der Reife- formen hindurch.

S. 86. Versireute Lyrik \ Epos und Drama des Greises geben ihm Gelegenheit zu lyrischen Ergüssen von unvergleichlicher Schönheit, wie es sonst das Leben tat.

S. 86. Aus Pandora. "Der Seligkeit Fülle..." : die heisse Lebens- und Liebessehnsucht des reifenden Jünglings wird von dem Greis noch einmal mit wunderbarer Kraft ausgesungen. Die Bewegung der Form ist freier dem Inhalt angepasst, als sonst in den meisten Altersdichtungen. Ein Reflex der letzten Liebe ist schwerlich zu verkennen. Str. i : "das Ewig- Weibliche zieht uns hinan." "Wer von dem Schönen zu scheiden verdammt ist" : das ergreifende Abschiedslied an die unüberwindliche Schönheit I

S. 88. Aus Wilhelm Meisters Wanderjahren : die beiden sich antwortenden Strophen sind glossenartig auf dieselben Reime gestellt. Wie hierin zeigt sich romantischer Einflussauch in dem starken Gebrauch des romantischen Lieblingswortes " Wunder."

S. 89. Aus Faust, zxveitem Thcil. Trauergesang : auf Lord Byron. Ued des Lynceus : vielleicht das schönste Lied des goethischen Greisenalters. Wie in jenem Gesang aus "Pandora" von der Schönheit der Frau, nimmt er hier von der des Lebens tief bewegten Abschied. Der Türmer als Abbild des auf höchster Warte stehenden Dichters.

S. 90. Westöstlicher Divan : die Selbststilisirung, mit der Goethe sich der allzuhoch angewachsenen Kultur erledigt und sich in den nur unmittelbar von der Natur belehrten Sänger des Orients wandelt, macht ihn noch einmal für eine reiche Produktion lyrisch- betraciitender Poesie fruchtbar. Wir liaben hier nur rein lyrische Stücke auswählen können; der

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"Divan " erhält seinen eigentümlichsten Wert aber grade durch die eigentümliche bunte Mischung seiner Elemente auch dem dichterischen Rang nach ist keine Sammlung Goethes so ungleich wie diese.

S. 90. Hegire oder Hedschra : die epochemachende Flucht des Propheten Mahomed, von der der Islam seine Zeitrechnung datirt. Str. i ; Anspielung auf die gewaltigen Zeitereignisse der napoleonischen Periode. ••Chiser" : der Vertreter ewiger Jugend in der morgenländischen Legende. Str. 5 : Hafis, der berühmteste Lyriker des Orients, dessen von Hammer-Piirgstall übersetzte Gedichte zu den wichtigsten Fermenten des ''Divans" gehören, wird zum Führer in der orientalischen Dichtung gewählt. Str. 6, "die Huris" : die himmlischen Jungfrauen des islamitischen Paradieses.

S. 9z. Selige Sehnsucht : bei diesem mystischen Gedicht ist an die Allsehnsucht von '■ Eins und Alles " zu erinnern, freilich aber auch zu beherzigen, dass Goethe sich hier mehr noch zum Interpreten orien- talischer Mystik als eigner Gefühle macht!

S. 94. An Suleika. Der Name der persischen Geliebten gilt im "Divan " der Freundin Marianne v. Wille- mer. Str. I : das Rosenöl wird aus Tausenden von Rosen hergestellt. Str. 3, '•Bulbul"' : die Nachtigall.

S. 95. Gingo biloba : allegorische Ausdeutung des eigen- tümlich gespaltenen Blattes dieser Pflanze.

S. 95. Volk und Knecht... : auch hier beschäftigt den Dichter, wenn auch in spielender Form, das Pro- blem von Dauer und Verwandlung. Str 6, Ferdusi, Motanabbi ; orientalische Dichter.

S. 96. Hatem. Unter diesem Namen versteckt Goethe in anmutigem Reimspiel (Str. 3) seinen eignen Namen.

S. 97. An 'Vollen Büschelziveigen... : ging dem Dichter unter den Kastanien der Heideli)erger Schlosster- rasse auf.

S. 98. Wiederßmlen ; die grossartige Anwendung orien- talisch-pantheistisch Naturphilosophie zur Verherr- lichung der Geliebten. Str. 2 ; der Schmerz der uranfänglichen Trennung. Str. 4, "Sie entwi- ckelte ■' ; das Wort noch prägnant genommen ; sie

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wickelte aus dem Trüben, Farblosen ein helle« Farbenspiel. Der Mythos Piatons von der Liebe als Wiedervereinig'uno- der einstmals 2:etrennten Elemente leise berührt. S. 99. In tausend Formen : der Pantheismus der Liebe in geistreichstem Ausdruck, in Anlehnung an die orientalische Verherrlichung des einen Gottes unter tausend Namen. S. 100. Vermächtniss altpersischen Glaubens. Der Dicliter Tersetzt sich aus dem Kreis der Mahomedaner in den der persischen Feueranbeter Str. 3, "Darnawend" : die iiöchste Spitze des Eiburs am Kaspischen Meer. An ihn knüpfen sich viele Wundersagen. Str. 4, "Bogenhaft hervorhob*' : die aufsteigende Sonne beschreibt einen Bogen am Horizont. Str. 16, '•Pambeh" : Baumwolle. Str. 19, '•' Senderud "' : der Strom an dem Ispahan liegt. S. 103. Einlass. Der Dichter benutzt die Maske des islamischen Ketzers, um sich mit den Anforderungen heimischer Orthodoxie auseinander zusetzen.

S. IC4. Lasst mich iveinen \ der unmittelbare Ausdruck starker Empfindung als ein weiteres befreiendes Geschenk ursprünglicherer Verhältnisse.

S. 105. Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten. Der Dichter, durch neue Lektüre angeregt, sucht sich die Gemeingiltigkeit seiner Empfindungen, wie einst an persischen, so jetzt an chinesischen Zuständen zu vergegenwärtigen, die ihm das Bild alter gefestigter, reinlicher Kultur geben. III. : eine syml)olische Anwendung der geliebten Meteorologie.

S. 106. Abschiedsklänge : unter diesem Titel fasse ich die letzten Dichtungen von persöiilicliem Charakter zussammen. '• Du versuclist...'' : unter dem unmittel- baren Eindruck Christianens Todes verfasst. "Ein rascher Sinn..."' : abwägendes Urteil des Liebenden.

S. 106. Ein freundlich Wort... \ in erwiderung einer Zusendung von Lord Byron.

S. 107. An Lora Byron : nach seinem Tod ; ein anderer Threnos in den zweiten Teil des '•' Faust" eingelegt ; 8. o.

S. 107. An die neunzehn Freunde in England : auf Carlyles Veranlassung hatten ihm 19 englische Verehrer ein

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Petschaft überschickt, das eine sich in den Schwanz beisende Schlange darstellte und Goethes Worte trug <<Ohne Hast, ohne Rast." Goethe umschreibt nun diese seine eigenen Worte. S io8. Dornburg : der letzte Cykius goethischer Gelegenheitsdichtung.

ENDE DES ZWEITEN BANDES

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