hunmahe ur 2 3 Imarn Iadl ‘m. z EB 1 =] x SEAN. je Il: W-GibSon-Invi a >) et RL “ [7 = = 2 —® ih, 2 7 Nr i f i PELRRER h ey DIE PERIODISCHEN BEWEGUNGEN DER BLATTORGANE. RR -ZpN DIE PERIODISCHEN BEWEGUNGEN BLATTORGANE D"- W. PFEFFER, a BRARSL A. 0. PROFESSOR IN BONN. > Fk NEW YORK ae 3 MIT 4 LITHOGRAPHIRTEN TAFELN UND 9 HOLZSCHNITTEN, LEIPZIG, VERLAG VON WILHELM ENGELMANN. 1875. Dr nn ne r ’ IM ' ) g' R ' u! 11 Ei 4 y [8 f nA u EEE NEW YORK BOTANICAL_ HERRN H. HELMHOLTZ IN GRÖSSTER VEREHRUNG GEWIDMET VOM VERFASSER. UA" HIRRU Ah EP y . III. Inhalt: . Allgemeines Mechanik der durch Bein werke en Er NE WEERDERN, ) Variationsbewegungen . ) Nutationsbewegungen . ß bie Bielichen periodischen Bewegungen ; Aufhebung der täglichen Bewegungen durch nzliche Be leuchtung . e 2) Nachwirkung der en and ikksteüng die DR eespeniade h : 5 a Me vesungen hen ee 3 3 R Beziehung zwischen Beleuchtungszeit und ee ONE Bene tionsfähigkeit . s 5) Intensive und einseitige Balearen 6) Dunkelstarre BR 7) Combinationsbewegungen . Mechanik der täglichen Bewegungen . Intensität der Bewegungen . . Innere Ursachen der Bewegungen . Einfluss von Temperaturschwankungen . Einfluss der Schwerkraft . Autonome Bewegungen . Anatomische Verhältnisse Habituelles . . Verbreitung der periodischen Bewezungen . Historisches . Die wesentlichsten Ergebnisse Erklärung der Tafeln Seite. uadaentte ER Use , ats i FERNE SSRT ER) Sp BL Rı ich Au “ I ev. E init} 4 PR 1 I. Allgemeines. Periodische Bewegungen nenne ich, gleichviel welche Ursache und Mechanik denselben zu Grunde liegt, alle mit Wiederholung statt- findenden Bewegungen. Für die durch Wachsthum zu Stande kommen- den Bewegungen ist bereits die Bezeichnung »Nutationsbewegungen« gebräuchlich, die Bewegungen aber, welche durch abwechselnde Ver- längerung und Verkürzung bestimmter Gewebecomplexe, also ohne Wachsthum ausgeführt werden, sollen »Variationsbewegungen« genannt werden. Diese, welche z.B. bei den Leguminosen allgemein verbreitet sind, werden durch mehr oder weniger deutlich gelenkartig erschei- nende Partien der Blätter vermittelt, während die sehr vielen Blatt- organen zukommenden Nutationsbewegungen in Lamina oder Blatt- stiel, und oft in einer verhältnissmässig längeren Partie dieser, durch ungleichseitiges Wachsthum zu Stande kommen. Die Nutationsbewe- gungen finden, weil vom Wachsthum abhängig, mit dem Erlöschen dieses in den betreffenden Organen ihr Ende und wie die Zone maxi- malen Wachsthums fortrückt, verändert auch die Bewegungszone ent- sprechend ihre Lage, was deutlich bei vielen Laubblättern, weniger auffallend bei Blüthenblättern hervortritt. Die gelenkartigen Organe, in welchen sich die Variationsbewegungen abwickeln, funetioniren hin- gegen, nachdem sie, und das Blatt überhaupt, völligausgewachsen sind und verändern demgemäss ihre Lage nicht. Das vereinende Band zwi- schen Nutations- und Variationsbewegungen bilden zunächst die in Ausbildung begriffenen Gelenke, welche Bewegungen mit Zuwachs, also Nutationsbewegungen ausführen können, weiterhin werden wir aber auch erfahren, , dass dieselben Kräfte, welche in den ausgewach- senen Gelenken eine vorübergehende Dehnung hervorrufen. bei den nutirenden Objekten eine dauernde Verlängerung, also Wachsthum be- wirken. In dieser Uebereinstimmung liegt der Schlüssel zu gewich- tigen Schlussfolgerungen und schon desshalb müssen wir hier die bei- den Bewegungsarten gemeinschaftlich behandeln; in einem Lehrbuch Pfeffer, Blattorgane. 1 2 kann allerdings die Trennung der Variations- und Nutationsbewegungen und die Einreihung dieser unter die Wachsthumserscheinungen bei der jetzigen Sachlage geboten sein. Die periodischen Nutations- und Variationsbewegungen erscheinen uns nun entweder als von äusseren Anstössen unabhängig oder sind durch diese bedingt. Jene sind die autonomen oder spontanen Bewe- gungen, diese können wir paratonische Bewegungen oder Receptions- bewegungen nennen, weil sie durch paratonische Wirkung von Aussen influirender Agentien, z.B. von Licht und Wärme, auf die receptiv empfindlichen Objekte zu Stande kommen. :In Folge der paratonischen Wirkung macht das Blatt ausser einem einfachen Hin- und Hergang, gleichsam wie ein angestossenes Pendel, noch einige weitere Schwin- gungen mit abnehmender Amplitude, die wir »Nachwirkungsbewe- gungen« nennen wollen. Mit Hülfe dieser Nachwirkungsbewegungen entstehen, wie ich zeigen werde, die täglichen periodischen Bewegun- gen und deren bis dahin unverständlichen Eigenthümlichkeiten. In Hinsicht auf die ursächliche Entstehung der uns sowohl an nutirenden, als an variirenden Objekten entgegentretenden Bewegungen haben wir demgemäss zu unterscheiden !): 1) Autonome oder spontane Bewegungen. 2) Receptionsbewegungen oder paratonische Bewegungen. a) die einfache Receptionsbewegung und deren Nachwirkung. b) die täglichen periodischen Bewegungen. Es ist hier, wie schon bemerkt, nur die Entstehungsursache als Eintheilungsprineip gewählt, und in diesem Falle müssen Receptions- und Nachwirkungsbewegungen unter eine Categorie gestellt werden, während auf Grund der mechanischen Vorgänge, wenigstens mit Sicherheit für die Variationsbewegungen, eine gesonderte Aufführung beider geschehen könnte. Durch Combination von einfacher Receptions- bewegung und Nachwirkung entsteht, wie hier vorläufig bemerkt sein mag, die Tagesperiode. Damit autonome oder paratonische Bewegungen vor sich gehen, müssen gewisse äussere Bedingungen erfüllt sein, welehe die Bewe- gungen nicht verursachen, aber die Pflanze in den bewegungsfähigen Zustand setzen. Dieser letztere wird hier, wenn nicht ausdrücklich das Gegentheil bemerkt ist, stets vorausgesetzt, da wir Entstehung und Mechanik der Bewegungen, nicht aber die Ursachen der Starrezustände untersuchen wollen 2. 1) Vgl. Sachs, Lehrbuch IV. Aufl., p. 854. 2) Siehe hierüber Sachs, Lehrbuch IV. Aufl., p. 85%. II. Mechanik der durch Beleuchtungswechsel hervorgerufenen Receptionsbewegungen. Schon sehr lange ist bekannt ', dass Blätter durch Verdunklung, wenn alle andern Bedingungen constant bleiben, mehr oder weniger in Nachtstellung übergeführt werden, dass also Beleuchtungswechsel eine paratonische Bewegung hervorruft. Die hierbei in Betracht kommenden mechanischen Vorgänge sind wesentlich dieselben, wie bei den unter normalen Verhältnissen Abends vor sich gehenden Bewegungen. Dess- halb, und weil die Vorstellungen über die Mechanik der Receptions- bewegungen sich fast nur auf Beobachtungen der täglichen periodischen Bewegungen gründen, soll die Mechanik dieser und der einfachen Re- ceptionsbewegungen, sowohl bei variirenden als nutirenden Blatt- organen, bis zu einem gewissen Grade vereint behandelt werden. Ein volles Bild der bei den täglichen periodischen Bewegungen in Betracht kommenden mechanischen Vorgänge lässt sich erst später entrollen, nachdem wir die Entstehung der Tagesperiode kennen gelernt haben. Um aber dieses zu können, müssen wir mit der Mechanik der durch eine einmalige paratonische Lichtwirkung hervorgerufenen Bewegungen vertraut sein. In dieser Hinsicht wollen wir zunächst die Variations- bewegungen, dann die Nutationsbewegungen betrachten. 1. Variationsbeweeruneen. > be) Die Variationsbewegungen werden, wie schon bemerkt, durch ge- lenkartige Anschwellungen vermittelt, welche Blattstiel und Blatt. oder Blattstiel und Stengel ver- ! Kazbale, binden und kreisförmigen N) oder abgeflachten Quer- schnitt zeigen (Fig. 1). Die Gelenke sind von einem mehr oder weniger eylindrischen Fibrovasal- körper durchzogen, der allseitig von stark turges- Längsschnitt (a) und Querschnitt (6) des Blattgelenkes von Phaseolus vulgaris. eirendem Parenchymge- webe umgeben ist 2). Das Gefässbündel besteht aus mehr oder weniger 1) Vgl. z.B. Hill, Schlaf der Pflanzen 1776, p. 41. — Sachs, Bot. Zei- tung 1857, p. 809. 2) Vgl. Pfeffer, Physiolog. Untersuchungen 1873, p. S und 19. 1* 4 diekwandigen Elementarorganen, welche in sehr geringem Maasse dehnbar, aber vollkommen elastisch sind und durch die Expansions- kraft des Parenchyms nicht über die Elastizitätsgrenze und überhaupt in keinem nennenswerthen Maasse 'gedehnt werden. Das umgebende Parenchym ist gegen den Fibrovasalkörper in allen Fällen positiv ge- spannt und bewirkt die Bewegung, indem es sich auf zwei gegenüber- liegenden Seiten mit ungleicher Intensität zu verlängern sucht. Hier- bei ändert natürlich nur die neutrale Achse (resp. Ebene) ihre Länge nicht, alle anderen Theile aber verlängern oder verkürzen sich um so mehr, je weiter sie in senkrechter Richtung von der neutralen Ebene entfernt sind. Geht die Einkrümmung sehr weit, so kann die coneav werdende Gelenkseite quer verlaufende Faltungen erhalten, welche besonders auffallend bei Oxalis sind, wo ich dieselben, wie auch die damit in Verbindung stehende Compression der Zellen ausführlich be- schrieben habe !). Der allgemein geläufigen Annahme, dass die Variationsbewegungen ohne Wachsthum vor sich gehen, hat jüngst Batalin ?) widersprochen, welcher behauptet, dass eine periodische Bewegung von einem kleinen, aber für die Ineurvation nieht ausreichenden Zuwachs der Gelenke be- gleitet sei. Dieses ist, sofern es sich wenigstens um die Gelenke voll- kommen ausgebildeter Blätter handelt, unrichtig, wie ich mich durch direkte mikrometrische Messungen überzeugte, die an Marken ange- stellt wurden, welche an den Flanken (Schnittlinie zwischen neutraler Ebene und Aussenfläche) des Gelenkes angebracht waren. Bei allen Messungen muss sich natürlich das Gelenk genau in derselben Lage befinden und darf vor allen Dingen nicht die geringste concave oder convexe Krümmung auf der die Marken tragenden Seite ausgeführt haben, da ja eine solche mit Verkürzung resp. Verlängerung verbunden ist. Um vollkommen sicher zu gehen, beachtete ich nicht allein die Blattlage, sondern maass auch an den beiden opponirten Flanken, fand aber keinen Zuwachs nach Verlauf von 6 Tagen, während welcher das Blatt die gewöhnlichen periodischen Bewegungen ausgeführt hatte. Dass bei den periodischen Bewegungen kein irgend erheblicher Zu- wachs der Gelenke stattfindet, geht einfach daraus hervor, dass die Gelenke immer kurz bleiben, auch wenn sie Monate lang Incurvationen ausführen. Würde sich z. B. ein Gelenk, das 4 Millim. lang und 2 Millim. diek ist und dessen neutrale Achse in der Mitte liegt, zu 1) Physiol. Untersuchungen 1873, p. 73. Ferner Unger, Grundlinien der Anatomie u. Physiologie 1866, p. 161; Sachs, Bot. Ztg. 1857, p. 796. 2) Flora 1873, p. 455. 5 3 Millim. Radius aus gerader Lage krümmen !) und diese Incurvation ausschliesslich durch Wachsthum zu Stande kommen , so würde dieses 33,30/, betragen, die convexe Seite also um 1,3 Millim. gewachsen sein. Ein der Batalin’schen Auffassung entsprechendes Verhalten ist an den Gelenken unausgewachsener Blätter zu finden, indem dieselben, wenigstens bei Phaseolus vulgaris, Mimosa pudica und Portulaca sativa, periodische Bewewegungen beginnen während sie noch wachsen. Hierbei verkürzt sich in gewöhnlicher Weise die eine und verlängert sich die andere Seite des Gelenkes, die Verlängerung wird aber beim Rückgang des Blattes in die frühere Lage nur zum Theil wieder ausge- glichen, weil die fragliche Gelenkhälfte bei der Expansion einen ge- wissen faktischen Zuwachs erfuhr. So wurde an einem unausgewach- senen Gelenk des Hauptblattstieles von Mimosa pudica die Distanz zweier auf der Mittellinie der Oberseite des Gelenkes angebrachten Marken um 2 Uhr Nachmittags zu 101 Strich (a 0,00813 Millim.) be- stimmt. Um 9 Uhr Morgens des folgenden Tages betrug, während der Blattstiel steiler aufgerichtet war, die Entfernung derselben Marken 90 Strich, nachdem aber bis 2 Nachmittags der Blattstiel sich auf die- selbe Lage gesenkt hatte, welche er Tags zuvor einnahm, ergab die Messung 113 Strich, also einenZuwachs um 12 Theilstriche in 24 Stun- den. Die gleichzeitige Messung an der unteren Gelenkhälfte zeigte, dass auch diese während 24 Stunden (? Nachm. bis 2 Nachm.) einen entsprechenden Zuwachs, nämlich von 111 auf 125 Theilstriche erfah- ren hatte: Zu einem ähnlichen Resultate führte auch eine Messung an den jugendlichen Gelenken der Blätter von Portulaca sativa. Die Messungen wurden hier, wie auch in anderen noch mitzuthei- lenden Fällen, in gleicher Weise wie bei früheren Versuchen ?, mit einem aus aplanatischem Ocular und durch Mikrometerschraube beweg- licher Glastheilung zusammengesetzten Ocularmikrometer ausgeführt. welches vermöge seines grossen Gesichtsfeldes noch bei S0facher Ver- grösserung Strecken von etwas über 1,6 Millim. zu messen gestattete. Um Messungsmarken zu gewinnen, trage ich an dem Objekte in geeig- neter Weise zwei Punkte mit schwarzem Spirituslack, seltener mit Tusche auf, an denen je eine leicht kenntliche Ecke ausgesucht werden muss. Bei nur einiger Sorgfalt können die gewählten fixen Punkte stets mit vollkommener Sicherheit wiedererkannt werden, indem man eine kleine Skizze des Lackpunktes entwirft. Handelt es sich um Messungen 1) Die Blattspitze würde hierbei an einem Gradbogen eine Bewegung von 760 anzeigen. 2) Meine Physiol. Unters. p. 167 und 27. 6 j an den Blattorganen unverletzter Pflanzen, wie in dem angeführten Falle und in anderen noch mitzutheilenden Versuchen, so ist ein in ge- wöhnlicher Weise zusammengestelltes Mikroskop meist nicht brauchbar, weil die fraglichen Blatttheile nieht zwisehen Objeetiv und Tisch ge- bracht werden können. Ich benutzte ein gewöhnliches Mikroskop, nachdem ich den den Tubus tragenden Arm 180 Grad um die Säule des Statives gedreht hatte, so dass nun Tubus und Tisch auf entgegenge- setzten Seiten der Stativsäule standen. So konnte an beliebigen Blät- tern von Topfpflanzen gemessen werden, nachdem durch entsprechende Neigung der in aufrechter oder umgekehrter Lage festgehaltenen Ob- jekte die zu messenden Partien in horizontale, oder vielmehr in eine zur Tubusachse senkreehte Ebene gebracht worden waren. Bei 40 bis S0facher Vergrösserung kann man meist ohne irgend eine Beleuchtungs- vorrichtung messen, wo eine solche nöthig, wird sie sich jeder Experi- mentator leieht für das um seine Achse gedrehte Mikroskop zu ver- schaffen wissen. Rationelle Erklärungsversuche der Mechanik periodischer Varia- tionsbewegungen wurden erst gemacht, nachdem man begonnen den Erfolg einseitiger Entfernung des Gelenkparenchymes zu studiren. Der- artige Operationen wurden zuerst von Lindsay, dann von Burnett und Mayo, und gleichzeitig von Dutrochet an Mimosa pudiea ausge- führt). Während Dutroch et die periodischen Bewegungen an operirten Blättern erloschen fand, eonstatirte Meyen 2) deren Fortdauer und zwar in gleicher Weise wie an unverletzten Gelenken; am Abend senkten sich die Blattstiele, sowohl wenn die untere, als wenn die obere Gelenk- hälfte entfernt war. Die Richtigkeit dieses Verhaltens ist von Brücke), Bert®) und Millardet’) constatirt worden, doch zeigen, wie schon Dassen®) feststellte, die sich Abends senken den Blättehen von Robi- nia viscosa und Pseudacaeia nach Entfernung der oberen Gelenkhälfte nicht eine abendliche Senkung, wie die Hauptblattstiele von Mimosa nach gleicher Operation, sondern im Gegentheil eine Hebung. Eine solehe würden; wie ich erst später nachweisen kann, auch die Blattstiel- gelenke von Mimosa pudica ausführen, wenn nieht deren Expansions- 1} Die Literaturangaben in meinen Physiol. Unters. p. Sf. 2) Pflanzenphysiologie Bd. III, 1839, p. 187. 3) Müller’s Archiv f. Anatomie u. Physiologie, 1848, p. 452. 4) M&moir. d. 1. soc. d. seiene. phys. et naturell. d. Bordeaux 1866, p. 28 des Separatabzuges. 5) Nouvell. röcherches sur la p£@riodieite d. 1 tension 1869, p. 31. (Abdruck aus den M&m. d. ], soe. d. seiene. naturell. d. Strasbourg). 6) Wiegmann’s Archiv f. Naturgeschichte 1538, Bd. I, p. 220. 7 streben dureh gleichzeitig zunehmende Compression zunächst über- wunden würde. Es ist letztere eine Folge davon, dass die Tags etwa senkrecht gegen den primären Blattstiel gerichteten sekundären Blatt- stiele sich Abends nach vorn bewegen und so das dem Blatt bezüglich des Hauptgelenkes zukommende statische Moment vermehrt wird. Nach Dutrochet’s Auffassung nimmt bei einer periodischen Be- wegung die Expansion der einen Gelenkhälfte zu, die der anderen Hälfte gleichzeitig ab. Gleiehe Annahmen finden sich mehr oder weniger ent- schieden u.a. bei Dassen, Brücke und Sachs !) ausgesprochen, auch Hofmeister) theilt diese Meinung für manche Gelenke, während bei anderen Gelenken das Ausdehnungsstreben einer Hälfte stationär blei- ben soll. Millardet °, hingegen lässt bei Mimosa Zunahme resp. Ab- nahme der Expansion in den antagonistischen Gelenkpartien gleich- sinnig und gleichzeitig beginnen, jedoch ungleich schnell fortschreiten und auch Bert) vertritt wesentlich dieselbe Ansicht. Beide Autoren stützen sich nur auf Mimosa pudiea und da sie das Verhalten dieser Pflanze bei einseitiger Operation — die abendliche Senkung des pri- mären Blattstieles nach Entfernung der oberen Gelenkhälfte — nicht als Funktion der vermehrten Compression erkannten, sondern als direkte Aeusserung der periodischen Spannungsänderung ansahen, so ist, wie leicht einleuehtet, die Schlussfolgerung unrichtig. Diese hätte folgerichtig lauten müssen: die abendliche Senkung des Hauptblatt- stieles erfolgt dureh Zunahme der Expansion in der oberen und gleich- zeitige Abnahme des Ausdehnungsstrebens in der unteren Gelenkhälfte, erst weiterhin kommt durch Expansionszuwachs in der unteren Gelenk- hälfte Hebung zu Stande. Thatsächlich entspricht freilich die mitgetheilte Auffassung Mil- lardet's dem wahren Sachverhalt. Demgemäss erfolgt nach Entfernung einer Gelenkhälfte in der anderen auf jede Abnahme der Helligkeit, also auch am Abend, ein Expansionszuwachs, der sich durch entspre- ehende Inceurvation des Gelenkes, resp. durch die Bewegung des an- sitzenden Blattes zu erkennen gibt und umgekehrt bringt Zunahme der Helligkeit eine Abnahme der Expansion in beiden Gelenkhälften hervor. Die Richtigkeit des eben Gesagten habe ich an den Blattge- 1) Botan. Zeitung 1857, p. 802. 2) Pflanzenzelle 1867, p. 327. 3) L. c., p. 31 u. 48. 4) Dessen zweite Abhandlung, 1. e., 1870, p. 51 des Separatabdruckes. — In der ersten Abhandlung (1866, p. 28) spricht übrigens Bert die abendliche Senkung als Folge nachlassender Expansionskraft aus. 8 lenken von Phaseolus vulgaris, Hedysarum gyrans, Trifolium incarna- tum und Oxalis Acetosella für beide Polsterhälften, bei Erythrina spec. wenigstens für die Abends comprimirt werdende Gelenkhälfte ceon- statirt. Auch die Hauptgelenke von Mimosa pudica ergeben, wie aber erst später gezeigt werden kann, durchaus gleiches Resultat, wenn der durch Vermehrung des statischen Momentes zunehmenden Compression der unteren Gelenkhälfte Rechnung getragen wird. Uebrigens fällt und steigt die Expansionsintensität mit der Helligkeit nicht nur in den durch ihren Antagonismus die Bewegung hervorbringenden Polsterhälften, sondern auch in den Gelenkpartien, welche keine Einkrümmung er- fahren. Wird z.B. an dem Gelenk eines Bohnenblattes die rechte oder linke Hälfte entfernt, so zeigt die Bewegung des Blattes bei jedem Beleuchtungswechsel, und ebenso mit dem Tageswechsel, Zunahme resp. Abnahme der Expansionsintensität mit fallender resp. steigender Helligkeit an. Die nächste Ursache der an operirten und an unver- letzten Gelenken zu Stande kommenden Bewegungen sind Aenderungen der Expansionsintensität bestimmter Gewebecomplexe und so weit es sich nur um einfache Bewegungsmechanik handelt, thut man wohl, die antagonistischen Gelenkpartien als organisches Ganzes, etwa analog einem Kautschukstreifen, aufzufassen, in dem sich die Ausdehnungs- kraft unter bestimmten Verhältnissen ändert. Ohnehin leuchtet ja ein, dass ungleiche innere Vorgänge eine gleiche Aenderung in der Expan- sionsintensität eines Gewebecomplexes hervorbringen könnten. Bei Wegnahme einer Gelenkhälfte erfolgt bekanntlich in Folge der Gewebespannung eine nach der Schnittfläche coneave Krümmung, die z.B. bei einem Bohnengelenk nach Entfernung der unteren Hälfte so weit gehen kann, dass sich das am Tage ungefähr horizontal stehende Blatt senkrecht abwärts richtet oder gar dem Stengel anpresst. In einem solehen Falle kann es wohl gar unmöglich werden einen Grad- bogen anzubringen, um die unter bestimmten Verhältnissen vor sich gehenden Bewegungen abzulesen, was aber in jedem Falle nach Ent- fernung der oberen Gelenkhälfte möglich ist, indem man ja hier dem Ausdehnungsstreben des Parenchyms und der dadurch bewirkten He- bung des Blattes durch an dieses angehängte Gewichte eine Grenze setzen kann. Aber auch in diesem Falle geht manches Experiment resultatlos verloren, doch will ich die Uebelstände welche dieses mit sich bringen hier nieht anführen, da ich späterhin eine andere Methode zur Beobachtung der Expansionsänderungen in operirten Gelenken an- wandte, mit deren Hülfe ich fast jeden Versuch glücklich durehführen konnte, Hierbei benutzte ich einen Apparat (Fig. 2), welchen ich g Hebeldynamometer nenne, den ich aber hier nur so weit erörtere, als für unseren Zweck nöthig ist, da ich auf denselben später zurück- - kommen muss. An der Messingsäule s (Fig. 2) ist die durch die Schraube r fest- stellbare Hülse e verschiebbar. An dieser befindet sich ausser einem Gradbogen ein auf einer Schneide (hinter d) ruhendes dreiarmiges Hebelwerk. Von den beiden in gerader Linie liegenden Hebelarmen A und 4’ dient der längere, welcher 110 Millim. misst, als Index auf dem Gradbogen, der kür- Figur 2, zere von 20 Millim. Länge zum Auflegen der Blätter, wäh- rend der dritte, aus einem heraus- schraubbaren Stift bestehende Arm (p), einen rechten Win- kel mit den genann- ten Armen bildet und verticalabwärts gerichtet ist. Wird er aus dieser Lage, z. B. durch Druck auf den kurzen He- belarm 4’ gebracht, so wächst, wie beim Pendel, die Kraft mit welcher der Hebelarm p» seiner Gleichgewichtslage zustrebt mit dem Sinus des Ausbie- gungswinkels. Durch Einschrauben verschieden langer und schwerer Stifte, sowie durch Anbringen von Kugeln an diese, lässt sich natürlich die zu gleicher Ausbiegung nöthige Kraft modifieiren und so auch der an dem Gradbogen abzulesende Ausschlag reguliren, welehen die Auf- legung eines Blattes auf den kurzen Hebelarm (7) bewirkt. Um die Blätter auflegen zu können befestige ich längs der Mittel- rippe auf der Blattoberseite einen Draht, der einerseits bis an das Ge- lenk reicht, anderseits eine Strecke über die Blattspitze hinausragt. 8 #2 N I H NMTNNTSNTRTTNTNENTEETTRITENEAFEUTÄNTEEITTENREREEUTTETR 10 Der Draht muss natürlich so gewählt werden, dass er bei den in Be- tracht kommenden Kräften keine Biegung erfährt, wozu übrigens bei einem Bohnenblatt ein aus zwei feineren Eisendrähten zusammenge- wiekelter Stift ausreicht, welcher bei einer Länge von 60 bis 70 Millim. ein Gewicht von 0,2 Gramm hat. Die Befestigung des Drahtes erreichte ich durch Festbinden an mindestens drei Stellen ‘Basis, Mitte und Spitze des Blattes), wobei eine jede Fadenschlinge Mittelrippe und Draht umfasste. Das nöthige Durchstechen des Parenchyms , sowie auch eventuelles Wegschneiden der Blattspitze und ähnliche Verletzun- gen beeinträchtigen die Bewegungsfähigkeit des Gelenkes, auch wäh- rend längerer Zeit, in keiner merklichen Weise. Wird die untere Ge- lenkhälfte an einem horizontal stehenden Blatte entfernt, so muss man selbstverständlich die über das Blatt hervorragende Drahtspitze auf die obere Seite, im entgegengesetzten Falle auf die untere Seite des kurzen Hebelarms (}’) legen. Am Ende dieses befinden sich auf beiden Seiten kleine Stiftehen oder Häkchen gegen welche sich die Drahtspitze der entstehenden Schiefstellung des Hebelarmes halber, anpresst. Wie im unverletzten Gelenke die eine Gelenkhälfte dem Expan- sionsstreben der anderen Hälfte gewisse Grenzen setzt, so thut es bei unserem Apparate die durch Ausbiegung entstehende und den kurzen Hebelarm (A’) aufwärts oder abwärts treibende Kraft, welehe mit zu- nehmender Ausbiegung, so gut wie die Expansionskraft der ecomprimirt werdenden Gelenkhälfte, wächst. Es befindet sich also das operirte und an unseren Apparat in beschriebener Weise gekuppelte Gelenk unter Verhältnissen, welche den im unverletzten Polster obwaltenden weit mehr entsprechen, als wenn eine Gelenkhälfte nach Entfernung der antagonistischen Partie sich frei expandiren kann. In diesem Falle sind es, abgesehen von dem gebeugt werdenden Gefässbündel !), die in der Gelenkhälfte selbst der Expansion entgegentretenden, vorzüglich durch die Elastieität der Membranen bedingten Widerstände, welche der Ausdehnung, resp. Krümmung, eine Grenze setzen, Kräfte, welehe natürlich auch im unverletzten Gelenke neben dem Antagonismus der opponirten Hälfte eine Rolle spielen können. Je geringer die Kraft ist, mit der bei gegebenem Ausbiegungs- winkel, das Pendel (p) seiner Gleichgewichtslage zustrebt, um so grösser wird der Ausschlag sein, welchen der Expansionszuwachs eines Gelenkes hervorbringt, dessen Blatt dem kurzen Hebel (%') aufliegt. 1) Das gewaltsam gekrümmte Gefässbündel sucht natürlich mit gewisser Kraft in seine Gleichgewichtslage zurückzukehren. 11 In meinen mit Bohnenblättern angestellten Versuchen !) betrugen übri- gens die stärksten durch Verdunklung und Erhellung zu Stande kom- menden Ausbiegungen meist wenig über 10 Grad, selten bis 20 Grad, und zeigten in allen Fällen eine Zunahme der Expansion bei abneh- _mender Helligkeit, umgekehrt eine Abnahme bei zunehmender Hellig- keit an?. Beiläufig sei bemerkt, dass ihrer oberen Hälfte beraubte Bohnenblattgelenke, wenn die Bewegungen an einem gewöhnlichen Gradbogen abgelesen wurden, in Folge von Verdunklung günstigsten Falles Hebung des Blattes bis 20 Grad, ergaben. Genaue Bestimmung dieser Ausbiegungen hat übrigens keinen besonderen Werth, da, abge- sehen von anderen Verhältnissen, die Expansionskraft der restirenden Gelenkhälfte durch die Operation augenscheinlich Einbusse erleidet. - Bezüglich der Ausführung der Versuche ist noch mitzutheilen, dass in allen Fällen Topfpflanzen zur Anwendung kamen und über diese, sowie über das Hebeldynamometer, gleich nach vollendeter Zusammen- stellung eine grosse Glasglocke gestülpt wurde. Direetem Sonnenlicht dürfen die operirten Objekte nicht ausgesetzt und für möglichste Gleich- haltung der Temperatur unter der Glocke muss natürlich Sorge getra- gen werden. Letzteres ist auch desshalb nöthig, weil durch Nieder- schlagen von Feuchtigkeit auf die Wundfläche eine stärkere Expansion im Gelenke zu Stande kommen könnte. Die Erfahrungen an einseitig operirten Gelenken lehren, dass der gesammte, das Gefässbündel umgebende Gewebecomplex gleichsinnig auf Helligkeitsschwankungen reagirt und eine dureh diese hervorge- rufene Expansionsänderung sogleich in jeder antagonistischen Polster- hälfte sich geltend macht. Geschieht dieses so, dass die Relation der Expansionskräfte beiderseitig unverändert bleibt, wie z.B. in den rechts und links vom Medianschnitt gelegenen Partien eines Bohnen- gelenkes, so erfolgt keine Bewegung, die aber dann eintritt, wenn sich das Verhältniss der Expansionsintensität in den antagonistischen Ge- lenkhälften ändert. Da nun auf jede durch Verdunklung oder Erhel- lung hervorgerufene Bewegung eine entgegengesetzte Bewegung aus- geführt wird, welche das Blatt mehr oder weniger in die Ausgangslage 1) Es wurden in diesen Versuchen die Gelenke der ersten einfachen Bohnen- blätter benutzt, deren Blattstiel natürlich sorgfältig festgehalten war. 2) Weicht das Blatt zu sehr von der Horizontale ab, so wird durch dessen Druck auf den kurzen Hebelarm die gemeinschaftliche Ebene der Hebelarme seit- lich verschoben und der Gang des Hebelwerks eventuell stark alterirt. Es liessen sich übrigens Apparate construiren, die nicht an einem solchen Fehler leiden, und ebenso würde man auch Apparate bauen können, welche mit vertikal stehenden Blättern zu operiren gestatten. 12 zurückführt, so folgt, dass die Zunahme der Expansionsintensität in der einen Gelenkhälfte nur verhältnissmässig schneller fortschreitet, als in der anderen. Sobald diese letztere, vermöge ihrer Compression und ihres Expansionszuwachses im Stande ist, der antagonistischen Gelenk- hälfte das Gleichgewicht zu halten, hat die Bewegungsamplitude ihre‘ Grenze erreicht und sehr bald darauf wird thatsächlich der Rückgang angetreten. Hingängige und rückgängige Bewegung scheinen, soweit meine beiläufigen Beobachtungen ein Urtheil gestatten, und wie es auch zu erwarten ist, langsamer zu beginnen, um nach Erreichung eines Maximums wieder allmälig abzunehmen. Neben den soeben mitgetheilten Bewegungsursachen spielt noch ein anderer Faktor eine Rolle. Wie ich erst späterhin zeigen kann, er- reicht z.B. bei einer dureh Verdunklung hervorgerufenen Senkung des Blattes die obere Gelenkhälfte ein Maximum der Expansion, um dann wieder einen gewissen Theil ihrer Ausdehnungskraft zu verlieren, wo- durch natürlich der Rückgang des Blattes begünstigt wird. Im Dun- klen ist aber die Expansionsintensität jeder Gelenkhälfte immer grösser als bei Beleuchtung und wenn alle äusseren Verhältnisse lange Zeit constant blieben, so würde, abgesehen von gewissen autonomen, bei manchen Pflanzen kaum nennenswerthen Aenderungen, die Ausdeh- nungskraft invariabel sein, d. h. jedem Helligkeitsgrade würde eine bestimmte Expansionsintensität eines Gewebecomplexes entsprechen. Indem ich auch hierfür die Beweise vorläufig schuldig bleibe, mache ich noch darauf aufmerksam, dass der endliche Zuwachs der Ausdeh- nungskraft für eine Helligkeitsdifferenz in zwei antdgonistischen Ge- lenkhälften nicht gleich sein muss und dass demgemäss der Neigungs- winkel eines Blattes bei verschiedenen constanten Beleuchtungsgraden ein anderer wird sein können. Uebrigens sind die Receptionsbewe- gungen nicht indem anatomischen Bau des aktiven Parenchymgewebes, sondern in physiologischen Eigenthümlichkeiten dieses begründet, wie eine vergleichende anatomische Untersuchung zeigt, und wie auch aus dem Gang einer hervorgerufenen paratonischen Bewegung schon ge- folgert werden kann. Die Bewegung wird allein durch die ungleiche Relation der Ex- pansionsintensität bedingt und kann in keinem Falle einen Rückschluss auf den durch Verdunklung hervorgerufenen wirklichen Zuwachs der Ausdehnungskraft in den Gelenken erlauben. Ein Bohnenblattgelenk, das bekanntlich nur in vertikaler Ebene Bewegungen ausführt, zeigt gleichzeitig, mit Rücksicht auf die Erfahrungen an einseitig operirten Gelenken, dass bei relativ gleicher Zunahme der Expansionsintensität HE 13 keine Bewegung zu Stande kommt und dass specifische, historisch ge- gebene Eigenthümlichkeiten in den antagonistischen Gelenkpartien zur Ausführung von Receptionsbewegungen nothwendig sind. An dem- selben Objekte nimmt begreiflicherweise die Bewegungsamplitude mit der Grösse der Helligkeitsdifferenz zu. So veranlasste z.B. die Ver- dunklung einer Pflanze von Acaeia lophantha, die in stark diffusem Licht verweilt hatte, eine maximale Annäherung der zuvor horizontal ausgebreiteten Blättehen auf 150 bis 160 Grad, während an einer ähn- lichen, an hellerem diffusen Licht gehaltenen und zu gleicher Zeit (12 Mittags) verdunkelten Pflanze, vollkommene Schliessung der Blätt- chen beobachtet wurde. Ein der Helligkeitsdifferenz etwa gerade pro- portionales Wachsthum der Expansionskraft in den Gelenkhälften ist nicht nothwendig und auch keineswegs wahrscheinlich. 2. Nutationsbewegungen. Als Ursache der Bewegung sämmtlicher Blattorgane wurde von allen Autoren eine abwechselnde Verlängerung und Verkürzung von antagonistischen Geweben angesehen, bis ich nachwiess, dass bei den Blüthen das Oeffnen und Schliessen durch Wachsthumsvorgänge zu Stande kommt !). Hiernach war kaum daran zu zweifeln, dass die periodischen Bewegungen der Laubblätter ohne Gelenke gleichfalls auf ungleichseitigem Wachsthum beruhe, da es ja bekannt war, dass an diesen Blättern die Bewegungen mit dem Alter erlöschen ?). Die Rich- tigkeit meiner Voraussetzung bestätigten im Frühjahr 1873 vorgenom- mene mikrometrische Messungen und unabhängigist auch von Batalin ?) erkannt, dass die Bewegungen der Laubblätter ohne Gelenke durch Wachsthum vermittelt wird, unrichtig aber ist, wie schon bemerkt, die Ansicht dieses Forschers, dass auch die Gelenke bei jeder periodischen Bewegung einen gewissen Zuwachs erfahren. Batalin brachte auf dem Blatt einen Zeiger an, dessen mit dem Wachsthum der Bewegungszone fortrückende Spitze, auf berusstem Papier bei dem Hin- und Hergang der Blätter Bogen beschrieb, welche nicht aufeinander fielen und hier- durch eben einen Zuwachs anzeigten. Diese Methode gibt aber keinen Aufschluss über die Zuwachse, welche eine jede der beiden antagonisti- 1) Pfeffer, physiol. Untersuchungen 1873, p. 161 ff. 2) Dassen, Tijdschrift vor Naturligke Geschiedenis en Physiologie 1837 — 1838, IV, p. 130. 3) Tageblatt der Naturforscher-Versammlung in Wiesbaden 1873, p. 131; Flora 1873, p. 450. 14 schen Seiten bei einer Hebung oder Senkung des Blattes erfährt, und auch directe Messungen mit Maassstäben können meist nieht mit aus- reichender Genauigkeit angestellt werden !), wohl aber mikrometrische Messungen, über deren Ausführung ich schon vorhin sprach. Auf den Unterschied zwischen Bewegungen mit und ohne Gelenke machte Dassen ?) zuerst aufmerksam, doch finden sich schon bei Linn&°) zahlreiche nutirende Blätter unter den schlafenden Blättern aufgeführt, und Dassen, sowie Batalin und Andere haben die Zahl bekannter Fälle noch wesentlich vermehrt. Dem Oeffnen und Schliessen der Blüthen liegen gleiche Ursache und Mechanik wie den periodischen Bewegungen der Laubblätter zu Grunde, wesshalb wir auch die Blüthen in den Kreis unserer Untersuchungen ziehen müssen. Die Bewegungen der Laubblätter beginnen z. B. bei Impatiens noli tangere fast unmittelbar mit dem Hervortreten aus der Knospen- lage, nehmen dann in allen Fällen zunächst an Amplitude zu, um wei- terhin mit dem nachlassenden Wachsthum des Blattes wieder abzu- nehmen und endlich zu verschwinden. Bei Laubblättern und Blüthen vollziehen sich die Bewegungen wesentlich. nur in vertikaler Ebene und zwar gibt es sowohl Blattorgane, welche sich Abends senken (Im- patiens; Blüthen von Pyrethrum corymbosum), als auch solehe, welche sich Abends erheben (Chenopodium; Blüthen vieler Compositen). “Bei den Zungenblüthen der Compositen und den Laubblättern von Impatiens noli tangere kann die Bewegungsamplitude 90 Grad betragen, bei den meisten Laubblättern ist sie aber geringer. Die Zone, in der allein Be- wegung vermittelt wird, rückt, wie schon früher bemerkt, mit der Wachsthumszone der Blätter fort, und kann sowohl in die Lamina als in den Blattstiel zu liegen kommen. Die Länge der sich bei der Bewe- gung krümmenden Partie ist von der Ausdehnung der Wachsthumszone abhängig und augenscheinlich fällt die stärkste Krümmung in den am intensivsten in die Länge wachsenden Blatttheil. Das Oeffnen und Schliessen der Blüthen kommt, wie von mir nach- gewiesen wurde ®), durch beschleunigtes Wachsthum je eines Gewebe- eomplexes zu Stande, während gleichzeitig die antagonistische Partie ihre Länge nicht oder nicht wesentlich ändert und in gleicher Weise 1) Batalin maass auch mit Hülfe von Collodiumhäutchen. 2) L. e., p: 127. 3) Linn&'s folia econniventia, ineludentia, eircumsepientia und munienta ge- hören wesentlich hierher. — Amoenit. academicae 1759, Bd. IV, p. 333f., vgl. auch De Candolle, Physiologie übersetzt von Röper, Bd. 2, p. 630. 4) Physiol. Unters. p. 173. s 15 verhält es sich auch bei den täglichen periodischen Bewegungen nuti- render Laubblätter. Dessenungeachtet influirt das Licht, analog wie bei Gelenken, gleichsinnig auf die antagonistischen Gewebe, wie ich dieses nunmehr zeigen werde. Die meisten periodisch nutirenden Blattorgane antworten auf eine am Tage vorgenommene Verdunklung, wie dieses auch für Blüthen nachgewiesen ist ',, mit nur geringer Bewegung und unter allen von mir untersuchten Objekten sind es nur die Blätter von Impatiens noli tangere, welche zu jeder Tageszeit sehr ansehnlich auf Verdunklung reagiren, so dass sie innerhalb einer halben Stunde eine Senkung bis zu 70 Grad ausführen können. An dieser Pflanze wollen wir zunächst die Mechanik der durch paratonische Liehtwirkung hervorgerufenen einfachen Receptionsbewegungen studiren, um dann die Verhältnisse bei anderen Objekten kennen zu lernen. Aus der nachfolgenden Tabelle I ist ersichtlich, dass durch die Verdunklung ein sehr beschleunigtes Wachsthum der Oberseite hervor- gerufen wird. Denn während die Blätter bei einem zweistündigen Auf- enthalt im Tageslicht, wobei sie in gleicher Lage verharrten, keinen oder nur einen Zuwachs bis zu einem Theilstrich für die Oberseite der Bewegungszone ergaben, ist diese in Folge der Verdunklung in ?/, bis 1 Stunde um 5 bis 9 Theilstriche gewachsen. Nachdem die Pflanzen wieder ansLicht gebracht waren (um 103/, Morgens, resp. 11/, Nachm.) und sich die Blätter ungefähr in die Lage, welche sie vor Verdunklung einnahmen, zurückbegeben hatten, wurde wieder (um 12 Mittags, resp. 3!/a Nachm.) gemessen. Die Oberseite hat während der Hebung, wie die Tabelle zeigt, kein Wachsthum oder sogar eine geringe Verkürzung erfahren, die Hebung ist also durch Wachsthum der Unterseite zu Stande gekommen. Dieses ergibt sich auch aus Tabelle II, in der während der Hebung der Blätter im Lieht (11'/, resp. 113/, Morgens bis 1 resp. 11/, Nachm.) Zuwachse der Unterseite von 4, 5 bis 8 Strich verzeichnet sind. Ausserdem zeigen diese Versuche, welehe mit anderen Pflanzen, aber an demselben Tage wie die in Tab. I verzeichneten Messungen ausgeführt wurden, dass während der durch Verdunklung hervorgeru- fenen, auch hier ansehnlich ausgefallenen Senkung, auf der Unterseite kein Wachsthum , wohl aber eine geringe Verkürzung bis zu einem Theilstrich gefunden wurde. 1) Pfeffer, 1. c., p..200. Tabelle 1. Messungen auf der Oberseite der Blätter von Impatiens noli tangere (3/7. 1873) Vergrösserung 70. — 1 Theilstrich = 0,00813 Millim. Versuch 1. Versuch 2. Versuch 3. Am Tageslicht: 91/, Vorm. 180,5 | 8 Vorm. 160,5 | 8 Vorm. 182 121/, Nachm. 180,5 10 » 161 10 » 183 Nun dunkel bis: 1a » 1895 | 1094 » 166 | 105% » 189,5 Wieder ans Tageslicht bis: 3, » A 1655 01,..42 > 188,5 Tabelle I. Messungen auf der Unterseite der Blätter von Impatiens noli tangere (3/7. 1873) Vergrösserung 70. — 1 Theilstrich = 0,0813 Millim, I | Versuch 1. | Versuch 2. Versuch 3. Am Tageslicht: Ss Vorm. 179 8 U. 5’ Vorm. 180,5 Ss U. 10’ Vorm. 195,5 11 » 179 Er 19.0072, 181,5 11 9.1072 196 Nun dunkel bis: 111/, .» 178. .,|. 113% » 181 | 110.50». 19,5 Wieder ans Tageslicht bis: 1 Nachm. 184 | 11/4 Nachm. 189 | 1 U. 25’ Nachm. 200 Die Temperatur hielt sich während der Versuchsdauer zwischen 21,5 und 22/30: Die Tabellen sind ohne weitere Erklärung verständlich. Es wurde z.B. in Tabelle II, Versuch1. um 8 und 11 Uhr Vormittags gemessen, während die Pflanze am Tageslicht stand, dann von 11 bis 11'/, Vor- mittags verdunkelt und nach Messung um 11'!/, Uhr die Pflanze wieder ans Licht gebracht. Die hiernach ausgeführten Messungen sind in bei- den Tabellen vorgenommen, nachdem die Blätter ungefähr die Lage wieder eingenommen hatten, in der sie sich vor der Verdunklung be- fanden. Die durch Verdunklung hervorgerufene Senkung betrug in den verschiedenen Versuchen 50 bis 70 Grad. Bei Messungen auf der Unterseite darf die Senkung nicht zu weit gehen, weil man dann das Objektiv nicht auf die Messungsmarken einstellen kann. Diese befan- den sich hier, wie auch in den noch mitzutheilenden Versuchen, ent- weder auf dem Blattstiel oder auf der Mittelrippe im alleruntersten 20 Pa 17 Theil der Lamina, in jedem Falle in der sich am stärksten bei den Receptionsbewegungen des fraglichen Blattes krümmenden Zone. Alle Versuche (Tab. I bis V) wurden mit Topfpflanzen ausgeführt. Die Pflanze selbst befestigte ich bis an das zu messende Blatt an einen ein- gesteckten Stab und wenn nöthig, wurden auch die bei der Messung hinderlichen Blätter seitlich gebogen und in geeigneter Weise festge- halten. Handelte es sich um Messungen auf der Unterseite der Blätter, so wurde der Topf mit feinem Zeug (Gaze) überbunden und mit Hülfe von Klammern oder sonst in irgend einer Weise so gestellt, dass die zu messende Partie horizontal stand !). Im übrigen verweise ich auf das früher (p. 5) bezüglich meiner Messungsmethode Gesagte. Die eine antagonistische Seite erfährt bei einer Receptionsbewe- gung unter Umständen eine Verkürzung, welche den Messungsfehler (0,5 Strich) überschreitet, wie die Versuche mit Impatiens und ebenso die später mitzutheilenden Messungen an Blüthen zeigen. Diese Ver- kürzung ist ohne Frage Folge einer Compression,, die auch leicht ver- ständlich, wenn wir uns die Vorgänge an Gelenken ins Gedächtniss rufen, bei denen ja, sofern die neutrale Achse in der Mitte liegt, sich die eine Hälfte um ebensoviel verkürzen muss, als sich die andere ver- längert. Bei den nutirenden Objekten setzen gleichfalls die Gefäss- bündel der durch Wachsthum zu Stande kommenden Verlängerung einen gewissen Widerstand entgegen und sofern sich eine Hälfte stär- ker verlängert als die andere, erscheint eine Verkürzung dieser letz- teren Hälfte ganz begreiflich. Aber auch ohne einen solchen, faktisch existirenden Widerstand, kann doch bei ungleich schnellem Wachs- thum zweier, oder alleinigem Wachsthum einer Längshälfte eine Ver- kürzung der concav werdenden Seite in einer ähnlichen Weise zu Stande kommen, wie bei der Einkrümmung eines aus zwei ungleich langen elastischen Streifen zusammengesetzten Systemes 2). Ob bei einer periodischen Nutationsbewegung die concav werdende Seite gleich lang bleibt, sich verkürzt oder verlängert, das wird von verschiedenen Umständen abhängen. Wenn, wie es faktisch geschieht, Beleuchtungswechsel das Wachsthum der antagonistischen Gewebe gleichsinnig affieirt, so werden Relation der beiderseitigen Beschleuni- 1) Damit das Blatt beim Umkehren nicht vermöge seines Gewichtes Dehnun- gen der Wachsthumszone zu Stande bringt, ist es nöthig demselben eine Stütze zu geben, die in einfachster Weise durch Einstechen einer langen Nadel in einen an dem zum Festhalten dienenden Stabe befindlichen Kork herzustellen ist. Ueber- haupt ist es gut durch geeignetes Festhalten des Blattes Schwankungen dieses während der Messung zu hindern. 2) Vergl. Nägeli und Schwendener, Mikroskop 1867, p. 414. Pfeffer, Blattorgane. 2 18 sung, Widerstandsfähigkeit der Gefässbündel oder anderer Gewebe und die Wachsthumsschnelligkeit der Bewegungszone als wesentlich bestimmende Faktoren im Spiele sein. Da sich diese Faktoren mit dem Alter des Objektes ändern, so wird auch das Verhalten der bei den periodischen Bewegungen concav werdenden Seite Variationen erfahren können. Als eine Pflanze, welche jedesmal eine Verlängerung auch der Seite erkennen liess, nach welcher die periodische Bewegung gerichtet war, habe ich Nicotiana rustica kennen lernen, bei welcher die die Bewegung vermittelnde Zone der Blätter in sehr intensivem Längen- wachsthum begriffen ist. Aus den obigen Erörterungen ist ersichtlich, wie eine bei einer Receptionsbewegung beobachtete geringe Verkürzung, oder überhaupt verlangsamtes Wachsthum einer Seite zu Stande kommen kann, auch wenn beide antagonistische Seiten in gleichsinniger Weise auf Beleuch- tungswechsel reagiren. Wenn dieses aber der Fall, wird die rückgän- gige Bewegung der Blätter, welche bei den Gelenken wesentlich durch die zunehmende Expansionskraft der comprimirten Seite bewirkt wird, bei den nutirenden Objekten durch beschleunigtes Wachsthum der bei paratonisch hervorgerufenen Hebung oder Senkung der Blätter nicht verlängerten Seite zu Stande kommen. Dieses ist denn auch, wie die Tabellen IH und IV ergeben, thatsächlich der Fall. In den hier mit- getheilten Versuchen wurden die Pflanzen nach der dureh Verdunklung hervorgerufenen Senkung der Blätter bei Liehtabschluss gehalten und nach erfolgter Hebung auf der Oberseite (Tabelle III) oder an anderen Objekten auf der Unterseite (Tabelle IV) gemessen. Im ersteren Falle musste gleich nach vollendeter Senkung die Distanz der Marken ge- messen werden, während dieses für die Unterseite nicht nöthig war, welche ja bekanntermassen bei der Senkung der Blätter höchstens eine geringe Verkürzung, aber keinen Zuwachs erfährt. Da durch Be- leuchtung die Pflanze wieder in einen für Verdunklung reactionsfähigen Zustand gebracht wird, so ist durchaus nothwendig Messungen, welche an im Dunklen zu haltenden Pflanzen (wie in Tabelle III) gemacht werden, so schnell als möglich auszuführen. Es ist dieses sehr wohl in !/y bis %/, Minuten möglich und innerhalb dieser Zeit hat nachweis- lich diffuses Licht keine solehe Wirkung, dass bei nachfolgender Wiederverdunklung eine bemerkliche Senkung der Blätter zu Stande kommt. 49 Tabelle IE. Messungen auf der Oberseite der Blätter von Impatiens noli tangere (10/7. 1873). Vergrösserung 70. — 1 Theilstrich = 0,00813 Millim, Versuch 1. | Versuch 2. Versuch 3. Am Tageslicht: 8 U. Vorm. 145 8 U.5’ Vorm. 1795 | 8 U. 15’ Vorm. 199 91/g » 145 | UNI) Dee) 180 IOLUESISE 2 199 Nun dunkel: 101 » 153 | 10U.55' » 187 100. 7908 11/4 Nachm. 154 1U.40’ Nachm. 189 1 U. 30’ Nachm. 210,5 Tabelle" IV. Messungen auf der Unterseite der Blätter von Impatiens noli tangere (10/7. 1873). Vergrösserung 70. — 1 Theilstrich = 0,00813 Millim. Versuch 1. Versuch 2. Versuch 3. Am Tageslicht: SU. 2’ Vorm. 207 S U. 8’ Vorm. 156,5 8 U. 17’ Vorm. 192 9AU.:37" -:> 207 10,U.3S22 > 157 10.U% 1ale >» 192,5 Nun dunkel: 1 U. 17’Nachm. 214 1 U.48’ Nachm. 161 1 U.32’ Nachm. 199 Temperatur während der Versuchsdauer 22,8 bis 23,9 C. Die mitgetheilten Versuche zeigen, dass Verdunklung endlich ein beschleunigtes Wachsthum der Unterseite hervorruft. Denn während bei constanter Beleuchtung des Morgens die Marken in 1!/; bis 2 Stun- den in kaum merkbarer Weise auseinanderrückten,, ist die Unterseite in Folge der Verdunklung während 3!/, bis 33/, Stunden um 4 bis 7 Strich gewachsen (Tabelle IV). In gleicher Weise folgt aus Tabelle III, dass Verdunklung ein beschleunigtes Wachsthum der Unterseite nach sich zieht, denn Hebung des Blattes ist ja hier vor sich gegangen, ob- gleich die Oberseite sich nicht verkürzte, sondern im Gegentheil einen geringen Zuwachs zeigte. Es ist zu beachten, dass die durch Lichtentziehung gesenkten und im Dunklen gehaltenen Blätter nieht wieder auf die Ausgangslage zurückkehrten. So hatten sich in den oben mitgetheilten Versuchen (Tab. II und IV) die Blätter beim Verdunklen um 60bis70 Grad ge- senkt, bis zu Ende des Versuches aber nur um 30 bis 50 Grad gehoben und würden voraussichtlich auch weiterhin nicht höher gestiegen sein. A 20 Dieses erklärtsich daraus, dass der Gleichgewichtslage — d.h. der Stel- lung, in welcher das unter constanten äusseren Verhältnissen sich ab- wiekelnde Wachsthum beider antagonistischen Hälften sich im Gleich- gewicht befindet — im Dunklen eine gesenktere Lage der Blätter als am Licht entspricht. Die Hebung unserer Blätter schreitet aber auch im Dunklen weit langsamer fort, als wenn die Pflanzen nach paratonischer Senkung wieder beleuchtet werden, ein Verhalten, das in der ungleich schnellen Reactionsfähigkeit der antagonistischen Gewebe seine Er- klärung findet. Durch Licht wird das Wachsthum in der Oberseite der Bewegungszone schnell retardirt, während das durch Verdunklung der Unterseite induceirte Wachsthumsstreben sich zum guten Theil abwickeln kann. Weiter verlängert sich bei der Hebung der Blätter im Dunklen die Oberseite der Bewegungszone, wenn auch wenig, so doch nach- weislich (Tab. III), während dieselbe bei der am Licht erfolgten He- bung eine, wenn auch geringe Verkürzung erfahren kann (Tab. TI). Die Retardirung des Wachsthums der Oberseite hat also zur Folge, dass diese durch die fortschreitende Verlängerung der Unterseite eine gewisse Compression erfahren kann. Dieses ganze Verhalten wird so- fort klar, wenn man sich die Verhältnisse an Gelenken ins Gedächtniss ruft und beachtet, dass, was bei diesen vorübergehende Expansion, bei den nutirenden Objekten Wachsthum ist. Dieses berücksichtigt, sieht man auch ein, dass in der That Beleuchtung eine wirkliche Beschleu- nigung der Verlängerung der Unterseite als eine indireete Folge be- wirken kann, obgleich faktisch das Wachsthum durch Helligkeits- steigerung, wenn auch langsam, gehemmt wird. Durch Beleuchtung vermindert sich ja das Wachsthum, oder sagen wir hier gleich die die- ses bedingende Expansionskraft der Oberseite, und die antagonistische Seite kann sieh nun schneller als im Dunklen verlängern, wenn die Gefässbündel der Bewegungszone dem Längenwachsthum einen ge- wissen Widerstand entgegensetzen, woran bei Impatiens und auch bei anderen Objekten nicht zu zweifeln ist. Ebenso wird ja auch durch Beleuchtung eines durch Verdunklung gesenkten, mit Gelenk verse- henen Blattes, die Hebung, also auch die Verlängerung der Unterseite, beschleunigt, weil das Licht schneller die Expansionskraft der oberen Gelenkhälfte vermindert. Nach den Untersuchungen Prantl’s !) ist nicht daran zu zweifeln, dass alle Blätter im Finstern schneller als am Licht wachsen, aber es ist wohl zu unterscheiden zwischen diesem in eonstanter Finsterniss 1) Arbeiten d. bot. Instituts in Würzburg 1873, Heft III, p. 383. 21 schnellerem Wachsthum und dem stossweise so ansehnlich beschleu- nigten Wachsthum, wie es durch den Act der Verdunklung an sich periodisch bewegenden Blattorganen hervorgerufen wird. Hierbei nimmt das Blatt nicht einfach die Wachsthumsschnelligkeit an, welche ihm bei eonstanter Finsterniss zukommt, sondern führt einen plötz- lichen Zuwachs mit weit grösserer Schnelligkeit aus, ein Verhalten, das wir in analoger Weise späterbin auch bezüglich der Temperaturschwan- kungen für die Blüthen von Croeus kennen lernen werden. Ein Versuch mit Impatiens noli tangere mag hier einen Platz finden. Eine Pflanze wurde Abends dunkel gestellt und am anderen Morgen, während sie im Finstern blieb und die Blätter keine Bewegung aus- führten, der Zuwachs an auf der Oberseite der Bewegungszone ange- brachten Marken gemessen. Die Distanz dieser hatte sich von 8 bis 12 Uhr Morgens um 1,5 Strich (182 auf 183,5) vermehrt, dann kam die Pflanze bis 2Uhr Nachmittags an helles Tageslicht, um nun verdunkelt zu werden und zeigte in Folge dessen nach !/, Stunde eine Verlängerung um 8 Strich (184 auf 192), während auf dem gleichen Querschnitt, aber auf der Unterseite angebrachte Marken eine Verkürzung um 0,5 Strich (188 auf 157,5) ergaben. Es würde hiernach das Wachsthum in der { 8—0,5 Mitte der Bewegungszone Fa ses Wachsthum ist mit dem ohne Bewegung im Finstern ausgeführten — 3,75 Strich betragen haben. Die- vergleichbar und zeigt, wie sehr gross die Beschleunigung durch den Act der Verdunklung ist. Das hierbei beobachtete Wachsthum würde auf 1 Stunde berechnet 7,5 Strich ausmachen, während das stündliche _Wachsthum in constanter Dunkelheit nur 0,37 Strich gleichkommt. Zwei andere, gleiches Resultat gebende Versuche unterlasse ich hier mitzutheilen und bemerke nur noch, dass während der Zeit der Ver- dunklung die als Controle beobachteten Pflanzen keine Bewegung der Blätter unter constanten äusseren Verhältnissen ausführten und an seit Morgens dunkel gehaltenen Pflanzen vorgenommene Messungen für die Nachmittagsstunden kein schnelleres Wachsthum der Bewegungszone als für die Morgenstunden ergaben. Die ansehnliche plötzliche Be- schleunigung des Wachsthums durch Lichtentziehung ist übrigens auch aus den in Tab. I— IV mitgetheilten Versuchen zu ersehen. Die gleichsinnige Beschleunigung des Wachsthums beider antago- nistischen Hälften ist durch die mitgetheilten Versuche vollkommen festgestellt, es ist aber auch in anderer Weise sehr schlagend darzu- thun, dass Helligkeitszunahme das Wachsthum der Unterseite der Be- wegungszone bei den Blättern von Impatiens verlangsamt, indem man 22 nämlich beide Seiten ansehnlicher, die untere aber relativ stärker be- leuchtet. Ich brachte zu dem Zwecke Topfpflanzen unter verdunkelnde Reeipienten, die ich des Morgens so in die Höhe hob, dass der untere Rand des Pappeylinders ein wenig tiefer als das zu beobachtende Blatt stand. Dieses senkte sich in Folge dessen bei den verschiedenen Ver- suchen innerhalb 2 Stunden (3—10 Uhr Morgens) um 25 bis 45 Grad, wäh- rend zur Controle im Dunklen gelassene Pflanzen in dieser Zeit keine, oder höchstens eine bis zu 2 Grad gehende Bewegung der Blätter auf- zuweisen hatten. Als aber am anderen Tage die Controlpflanzen als Versuchsobjekte und diese als Controlpflanzen dienten, führten wieder nur die beleuchtet werdenden Objekte Senkungen der Blätter aus, welche hier, wie auch in anderen Fällen, an geeignet angebrachten (gewöhnlichen) Gradbogen abgelesen wurden. Würde Helligkeits- zunahme das Wachsthum der unteren Seite beschleunigen, so hätten sich die Blätter nothwendig heben müssen und dieses um so mehr, als ja nachweislich das Wachsthum der Oberseite durch Zunahme der Be- leuchtung verlangsamt wird, die zuvor dunkle Oberseite in unseren Versuchen aber, wenn auch relativ schwächer als die Unterseite be- leuchtet wurde. Versuche, die Methode der einseitigen Operation auch an den Blatt- stielen von Impatiens anzuwenden, führten zu keinem Resultate und wenn es nun wohl auch möglich sein mag, an kräftigeren Objekten zum Ziele zu kommen, so ist doch zu bedenken, dass diese Methode mit nutirenden Blattorganen nicht so elegante Resultate, wie mit Gelenken geben kann. Da ausserdem die mir bekannten Objekte mit kräftigerer Bewegungszone nur in geringem Grade paratonisch empfindlich sind. und die gleichsinnige Wirkung von Beleuchtungswechsel auf die anta- sonistischen Gewebe zur Genüge in anderer Weise festgestellt war, so hatte ich keine Veranlassung noch weitere Versuche mit Hülfe einsei- tiger Operation anzustellen. Bei den meisten periodische Nutationsbewegungen ausführenden Blattorganen sind die paratonischen Bewegungen, soweit diese aus- schliesslich auf die Wirkung des Beleuchtungswechsels fallen, zu ge- ring, um von Messungen auf den antagonistischen Seiten beweisende Resultate erwarten zu können. Die andere bei Impatiens angewandte Methode, relativ stärkere Beleuchtung der Unterseite der Bewegungs- zone, führte bei den Abends sieh senkenden Strahlenblüthen von Pyre- thrum corymbosum, bei gleicher Ausführung des Experimentes, zu demselben Resultat wie bei der erstgenannten Pflanze. Periodisch nutirende, sich Abends senkende Blätter sind bis jetzt in nur geringer. 23 , Zahl bekannt, bei den Pflanzen aber, welche Abends ihre Blätter heben, dürfte die fragliche Methode nicht mit Aussicht auf jedesmaligen sicheren Erfolg anzuwenden sein. Die Oberseite dieser Blätter wird immer relativ stärker beleuchtet und doch führen dieselben jeden Mor- gen die durch die allseitige Helligkeitszunahme bedingte, hier in einer Senkung bestehende paratonische Bewegung aus, weil diese, vermöge der specifischen Eigenthümlichkeit der Bewegungszone, den Effeet der einseitig stärkeren Beleuchtung der oberen Seite überwiegt. Mir fehlen übrigens Erfahrungen, ob es bei sorgfältiger Versuchsanstellung möglich ist, mit Hülfe relativ stärkerer Erhellung auch für die letztgenannten Blätter den Nachweis zu führen, dass die Oberseite, deren Wachsthum bei der abendlichen Hebung der Blätter gehemmt wird, durch Licht eine Verlangsamung ihres Wachsthunis erfährt. Ein Argument, dass Beleuchtungswechsel gleichsinnig auf die anta- gonistischen Hälften periodisch nutirender Blätter wirkt, liefert auch der Gang der durch Verdunklung hervorgerufenen Receptionsbewe- gungen. Diese bestehen, welche Pflanzen (Blätter und Blüthen) ich auch immer untersuchte, wie bei Impatiens aus einer hin- und rück- gängigen Bewegung, eine Folge der gleichsinnigen, aber ungleich schnellen Wachsthumsbeschleunigung in den antagonistischen Hälften der Bewegungszone. Eine solche Deutung fordern die Erfahrungen an Impatiens und wenn wohl auch nieht zu zweifeln, dass sie vollkommen richtig ist, so darf man doch nicht vergessen, dass allein aus dieser Art des Ganges einer Receptionsbewegung, der obige Schluss nicht mit absoluter Sicherheit gezogen werden kann. Denn es wäre z.B. auch möglich, dass nach einer, durch stossweise beschleunigtes Wachsthum einer antagonistischen Hälfte hervorgerufenen Hebung oder Senkung eines Blattes, diese Hälfte zunächst selbst langsamer als in constanter Finsterniss wüchse, während die antagonistische Partie der Bewegungs- zone einfach ihr früheres Wachsthum beibehielt und so die rückgängige Bewegung zu Stande brächte. Die täglichen periodischen Bewegungen verdanken, wie schon früher bemerkt wurde, ihre Entstehung den durch Beleuchtungswechsel hervorgerufenen einfachen Receptionsbewegungen. Diese haben Nach- wirkungsbewegungen zur Folge, gleichsam wie ein angestossenes Pen- del schwingt das Blatt noch einigemal hin und her und aus Combina- tion dieser Nachwirkungen und den mit dem Tageswechsel Hand in Hand gehenden neuen paratonischen Wirkungen geht die Tagesperiode hervor, deren, durch Summation von Einzelwirkungen entstandene Am- plitude auch dann sehr gross sein kann, wenn eine einmalige Verdunk- 27 . jr Bee % 15 Mn Re: » 24 lung einen nur geringen Ausschlag hervorbringt. Die täglichen perio- dischen Bewegungen werden im Dunklen, wie bei constanter Beleuch- tung, noch einige Zeit mit sich verringernder Amplitude fortgesetzt und zwar indem je eine antagonistische Seite gegen Morgen oder Abend ein beschleunigtes Wachsthum ausführt. Dass die mit dem Tageswechsel ausgeführt werdenden Bewe- gungen durch beschleunigtes Wachsthum je einer antagonistischen Seite zu Stande kommen, ist schon früher von mir !) für Blüthen nach- gewiesen worden. Ebenso ist es aber auch bei den Blättern von Im- patiens und anderen Pflanzen, was auch gar nicht anders zu erwarten war, da ja die täglichen periodischen Bewegungen Folge der einfachen Receptionsbewegungen sind und demgemäss mit der Bewegungs- mechanik dieser übereinstimmen werden. Für die Blätter von Impa- tiens noli tangere zeigen die in Tabelle V mitgetheilten Messungen, dass Senkung der Blätter am Abend und ebenso die bei Lichtabschluss stattfindenden Bewegungen, durch entsprechendes Wachsthum in der Bewegungszone hervorgebracht werden. Tabelle V. Messungen auf der Oberseite der Blätter von Impatiens noli tangere. Vergrösserung 80. — 1 Theilstrich = 0,00813 Millim. \ Versuch 1. | Versuch 2. Versuch 3. Am Tageslicht: 4/71.1873. 5 Nachm. 126 | 93 | 140 3.711 » 135,5 103 151 Von nun an dunkel gehalten: 5/7. 1873. 71/, Vorm. 136 104 152 » 5 Nachm. 139 106 153,5 u » 144 111 156,5 6/7. 1873. 71/,Vorm. 144 112 157 Die Messungen des Versuchs 2 sind thatsächlich um 2 Minuten, die des Versuchs 3 um 5 Minuten später angestellt als im Versuch 1. — Temp. 22—23 0. Aus der vorstehenden Tabelle ist ersichtlich, dass die im Dunklen ausgeführten Senkungen der Blätter in gleicher Weise durch beschleu- nigtes Wachsthum der Oberseite der Blätter zu Stande kommen, wie die gleichsinnigen Bewegungen am Tageswechsel verweilender Pflan- zen. Dieses beschleunigte Wachsthum vollzieht sich zwischen 5 und 11 Nachmittags, während von 11 Nachmittags bis 7'!/, Vormittags und 1) Physiol. Untersuchungen p. 173. 25 von hier ab bis 5 Nachmittags die Oberseite einen verhältnissmässig nur geringen Zuwachs erfährt. Dabei hatten die Blätter zwischen den beiden letzten Beobachtungen (5/7. 11 Nachm. bis 6/7. 7'!/, Vorm.) sich noch um 20 bis 40 Grad gehoben und aus den, etwa zu gleichen Stunden wie bei normalem Beleuchtungswechsel vollzogenen Hebungen folgt, dass diese rückgängige Bewegung durch beschleunigtes Wachs- thum der Unterseite bewirkt wird, da sich ja die Oberseite, wie die Messungen zeigen, nicht verkürzt. Auch die in Tabelle VI aufge- führten, mit Blüthen von Leontodon hastilis ausgeführten Versuche ergeben für die Innenseite (Oberseite) während des Aufenthalts im Dunklen ein beschleunigtes Wachsthum in den Morgenstunden, für die Aussenseite (Unterseite) hingegen eine Beschleunigung des Wachs- thums am Nachmittage , also gleiches Verhalten, wie es die am Tages- licht sich öffnenden und schliessenden Blüthen zeigen. In den Tabellen VI und VII sind unter 5 und ce die procentischen, auf je eine Stunde berechneten Zuwachse zusammengestellt. So ist z.B. in Versuch 1 (Tab. VI) zwischen 6'/, und 9 Morgens (in 23/, Stunden) ein Zuwachs von 144 auf 145,5 also um 1,5 Theilstrich gemessen und demnach der für eine Stunde und in Procenten ausgedrückte Zuwachs 1,5. 100 211, 2,75 auf Aussen- und Innenseite vorgenommen und die beiderseitigen Mar- ken so genau als möglich auf demselben Querschnitt der Blüthenröhre angebracht. Als Objekte dienten Blüthenköpfehen an denen der Hüll- kelch und alle Blüthen bis auf die zu messende entfernt waren. Führt man den Blüthenstiel durch einen Kork in mit Wasser gefüllte kurze Reagensröhren, so lässt sich bequem auf dem Objekttisch messen, in- dem man die Gläschen z.B. in die Rinne eines geeignet ausgefeilten und auf einen Objektträger befestigten Korkes klemmt. — 0,38 Procent. Die Messungen wurden immer zugleich Aus den Tabellen VId und e ist ersichtlich, dass, wie es ja auch die täglichen periodischen Bewegungen erfordern, die antagonistischen Hälften sich bezüglich ihres Wachsthums gerade entgegengesetzt ver- halten, die Verlängerung der einen Hälfte also abnimmt, wenn das Wachsthum der anderen zunimmt und umgekehrt. Eine Beschleuni- gung des Wachsthums der Innenseite durch Beleuchtung am Morgen ist aus dem Vergleich der in Tabelle VIc und VIle gelieferten Zusam- menstellung nicht zu entnehmen ; die procentischen, stündlichen Zu- wachse sind in beiden Fällen die gleichen, obgleich das einemal die Blüthen während des ganzen Tages (17/8) dunkel blieben, das andere- mal gegen 6 Morgens (siehe die dritte Verticalreihe), zu der Zeit in 26 | Tabelle Vla. Messungen an Blüthen von Leontodon hastilis. Vergrösserung 70. — 1 Theilstrich = 0,00813 Millim. Versuch 1. Versuch 2. Versuch 3. Aussen | Innen Aussen | Innen Aussen Innen 16/8 73. Am Tageslicht: 11 Vorm. 119 |120 me 107 | 118 Binnen 125 = 93/,Nachm. 139 |130,5| 10 Nachm. 128 |119 | 101/, Nachm. 142 178 73. Von nun an dunkel: 61/4 Vorm. 144 | 144 61/, Vorm. 128 |134 | 63/4 Vorm. 143 | 133,5 ie», 15551156 |9 » 128 |150 | 9% » 143 |145 41/, Nachm. 163 | 162 41/5 Nachm. 147 158 4!1/; Nachm. 160,5 | 148 Tabelle VI2. Wachsthum der Aussenseite auf 1 Stunde und in Procenten berechnet. 'Am Tageslicht Im Dunklen 11 Vorm. 93/4 Nachm. 6!/4 Vorm. 9 Vorm. | bis 101/35 Nachm. | bis 6°%/, Vorm. bis 91/5 Vorm. | bis 41/, Nachm. Versuch 1. | 1,560/, 0,4205 | 0,39% | ERB0R Versuch 2. 0,960), 0 | 0 2,530), Versuch 3. 1,240/ 0,080/, | 0 1,750/ Tabelle Vle. Wachsthum der Innenseite auf 1 Stunde und in Procenten berechnet, 'Am Tageslicht Im Dunklen 11 Vorm. 93/4 Nachm. 61/, Vorm. 9 Vorm. bis 10!/5 Nachm. | bis 63/, Vorm. bis 91/, Vorm. | bis 41/, Nachm. Versuch 1. | 0,810, 1,220, 3,030/, 0,530/, Versuch 2. 0,080, 1,480, 4,780/, 0,710), Versuch 3. | 0,070), 1,480), 3,130, 0,300/, Zu den Tabellen VI und e, sowie VII und c sind als Zeiten iiber den, Verticalreihem die Stunden gesetzt, welche die Beobachtungszeiten der einzelnen Versuche in sich einschliessen. Wo, wie z. Th. in den Versuchen 2 und 3 der NO) 1 Tabelle Vllae. Messungen an Blüthen von Leontodon hastilis. Vergrösserung 70. — 1 Thbeilstrich = 0,00813 Millim. Versuch 1. Versuch 2. Versuch 3. Aussen Innen Aussen Innen Aussen | Innen I 16/8 73. Am Tageslicht: 11 Vorm. 135 |104 |113/,Vorm. 113 |124 |12Vorm. ? 92,5 10!/, Nachm. 158 109 103/4Nachm. 119 | 126 11Nachm. 107,5 | 92,5 17/8 3. Nun verdunkelt: 6 Vorm. 160 |121 | 61aVorm. 119 |139 | 61/,Vorm. 107,5 | 104 Zurück ans Tageslicht: 83/, Vorm. 162 > 91/, Vorm. 119,5 | 155,5 | 91/, Vorm. 106 | 114 33/4 Nachm. 189 | 142 4 Nachm. 137 163,5 | 4 Nachm. 117 |115 Tabelle VI2. Wachsthum der Aussenseite auf 1 Stunde und in Procenten berechnet. Am Tageslicht| Verdunkelt Am Tageslicht 11!/, Vorm. 10!/; Nachm. 6 Vorm. 83/4 Vorm. | bis 11 Nachm. bis 61/a Vorm. bis 91/, Vorm. bis 4 Nachm. Versuch 1. 1,470 0 0, 170/, 0,460/9 2; 370%/9 Versuch 2. 0,470/, 0 0,150/, 2,170), Versuch 3. ? 0 0 1,540/, Tabelle Vlle. Wachsthum der Innenseite auf 1 Stunde und in Procenten berechnet. Am Tageslicht| Verdunkelt Am Tageslicht 111/, Vorm. 101/, Nachm. 6 Vorm. 83/, Vorm. bis I1 Nachm. bis 61/s Vorm. bis 91/4 Vorm. bis 4 Nachm. Versuch 1. 0,450/, 1,470/, 3,600/9 0,979%/, Versuch 2. 0,130), 1,330/, 4,320/, 0,770/, Versuch 3. 0 1,650), | 3,840/, | 0,13%/, Tabelle VIla gleiche Beobachtungszeiten für zwei Versuche angeführt sind, ist in einem Versuch die Messung thatsächlich um 5 Minuten später vorgenommen worden. Die Temperatur während der Versuchsdauer betrug 22,2 bis 23,00. 28 welcher die Oeffnungsbewegung der Blüthen am lebhaftesten ist, an sehr helles Tageslicht kamen. Thatsächlich wird die Beleuchtung doch eine kleine Förderung des Wachsthums auf der Innenseite bewirken, weil, wie leicht nachzuweisen, durch jene die Oeffnungsbewegung be- schleunigt und deren Amplitude vermehrt wird. Es ist dieses aber, wie ich früher (p. 17) auseinandersetzte, nur Folge der schnelleren Hem- mung des Wachsthums auf der Aussenseite und demgemäss ist die durch Beleuchtung veranlasste Wachsthumsbeschleunigung vom Licht nur in indirecter Weise abhängig. Dass die in den Tabellen verzeich- neten und auch andere hier nicht mitgetheilte Versuche, kein geför- dertes Wachsthum der Innenseite durch Erhellung ergeben, kann nicht überraschen, da ja die Beschleunigung jedenfalls nur gering ist und gegenüber den Verschiedenheiten, wie sie namentlich Alter und un- gleiche Lage der Wachsthumszone, resp. der Messungsmarken bedin- gen, zurücktritt. Das Wachsthum der Innenseite, welches bei unseren Blüthen, und auch bei anderen Objekten, während der Schliessung so sehr verlang- samt wird, beginnt jedenfalls sehr bald, oder sogleich nachdem diese ausgeführt ist, wieder langsam zuzunehmen. Die in nachfolgender Tabelle VIII verzeichneten Versuche zeigen, dass bei Blüthen von Leontodon hastilis, deren Köpfehen gegen 8 Abends vollkommen ge- schlossen waren, die Beschleunigung des Wachsthums der Unterseite in zwei Fällen zwischen 7 und 11 Uhr Abends, in zwei anderen Fällen freilich erst später begonnen hatte. Die Messungen, welche den in nachstehender Tabelle zusammen- gestellten, auf 1 Stunde berechneten procentischen Werthen zu Grunde liegen, unterlasse ich hier mitzutheilen. Die Blüthen befanden sich bei Ausführung der Versuche zunächst am Tageslicht und wurden dann um 11 Abends unter einen Reeipienten gebracht und bis 8 Morgens dunkel gehalten. Tarbelle: VIE Wachsthum der Innenseite auf 1 Stunde und in Procenten berechnet, 8 Vorm. 4 Nachm. 7 Nachm. 11 Nachm. bis 4 Nachm. bis 7 Nachm. bis 11 Nachm. bis 8 Vorm. Versuch 1. 1,620/9 0,049, 1,18%, 1,620/9 Versuch 2. 0,50%/, 0 0,479), 2,70%, Versuch 3. 0,320), 0 0 2,380/, Versuch 4. 0,930/9 0 0 2,05% 29 Für verschiedene andere Blüthen wurde bereits früher von mir festgestellt, dass die das tägliche Oeffnen und Schliessen vermittelnden Wachsthumsvorgänge analog denen bei Leontodon hastilis sind. Von Laubblättern habe ich noch die von Chenopodium album, Siegesbekia flexuosa, Amaranthus retroflexus. Nicotiana rustica, Malva spec. und Wigandia urens untersucht, und auch für diese gefunden, dass be- schleunigtes Wachsthum der antagonistischen Seiten die täglichen periodischen Bewegungen bedingt. Ich hatte schon Gelegenheit zu erwähnen, dass für Nicotiana rustica bei der abendlichen Hebung der Blätter immer auf beiden Seiten, auf der Unterseite jedoch in höherem Maasse Zuwachs gefunden wurde und habe auch schon (p. 18) auf die bedingenden Ursachen eines solchen Verhaltens aufmerksam gemacht. So wurde z.B. in einem Falle für ein junges Blatt zwischen 5 und 8 Uhr Abends auf der Oberseite eine Verlängerung von 2 Theilstrichen, auf der Unterseite von 5 Theilstrichen gefunden, wobei die Messungs- marken auf gleichem Blattquerschnitt standen und die Zahl der faktisch abgelesenen Striche in beiden Fällen ziemlich dieselbe war. Beiläufig sei hier noch bemerkt, dass bei Wigandia urens Blattstiel und unterer Theil der Mittelrippe diek genug sind, um an jugendlichen Blättern, trotz einer nicht sehr ansehnlichen täglichen periodischen Bewegung, den ungleichen beiderseitigen Zuwachs mit Hülfe von Cartonstreifen messen zu können. Die täglichen periodischen Bewegungen aller untersuchten nuti- renden Objekte werden durch analoge Wachsthumsvorgänge ermittelt und da nun die Tagesperiode nur Folge paratonischer Liehtwirkung ist, hierbei aber, wie namentlich für die Blätter von Impatiens noli tangere mit vollkommener Sicherheit nachgewiesen ist, das Wachsthum der antagonistischen Hälften der Bewegungszone gleichsinnig beeinflusst wird, so ist auch hiernach, wie auch auf Grund anderer schon ausein- andergesetzter Verhältnisse, nicht daran zu zweifeln, dass überhaupt bei den durch Beleuchtungswechsel hervorgerufenen Nutationsbewe- gungen in allen Fällen Abnahme der Helligkeit Beschleunigung, Zu- nahme der Helligkeit Verlangsamung des Wachsthums hervorruft. Wenn auch thatsächlich durch Helligkeitszunahme eine Förderung des Wachsthums in emer antagonistischen Hälfte zu Stande kommt, so ist dieses eben nur Folge besonderer Verhältnisse, durch welche die direete, im entgegengesetzten Sinne thätige Wirkung des Lichtes elimi- nirt wird; die fragliche Wachsthumsbeschleunigung ist nur Resultirende besonderer Combinationen. Mit diesem Nachweis ist meine früher aus- 30 - gesprochene Ansicht widerlegt 1), nach welcher das Wachsthum der Zellen antagonistischer Hälften, vermöge speeifischer Organisation in gerader entgegengesetzter Weise, analog wie das Wachsthum gewisser Zellen durch Schwerkraft, beeinflusst werden sollte. Ebenso werde ich weiterhin zeigen, dass auch bei den durch Temperaturschwankungen hervorgerufenen Bewegungen gewisser Blüthen, die Gewebe der Bewe- gungszone in gleichsinniger Weise Beschleunigung oder Verlangsamung des Wachsthums erfahren. III. Die täglichen periodischen Bewegungen. Die bei künstlicher continuirlicher Beleuchtung von einigen For- schern erhaltenen Resultate zeigen, dass die täglichen periodischen Bewegungen in jedem Falle in Beziehung zum Beleuchtungswechsel stehen und dieses geht auch ohne weiteres daraus hervor, dass jene Bewegungen bei uns, wie bei unseren Antipoden, mit dem Tageswechsel zusammenfallen. Unter Berücksichtigung des von verschiedenen For- schern festgestellten Faktums, dass die täglichen periodischen Bewe- gungen auch im Dunklen und bei constanter Beleuchtung fortgesetzt werden, bleibt für die Ausbildung der Tagesperiode nur eine zweifache Möglichkeit; entweder kommt der Pflanze als historisch gegebene Eigenschaft eine Bewegung der Blattorgane zu, welche durch den Be- leuchtungswechsel nur zeitlich regulirt wird, oder eine erbliche Bewe- gung ist nicht im Spiele und Beleuchtungswechsel ruft die täglichen periodischen Bewegungen erst hervor, die dann, einmal in Scene ge- setzt, auch unter econstanten Verhältnissen noch einige Zeit fortdauern. Auch in diesem Falle handelt es sich nur um die Hervorrufung der Bewegungen, der bewegungsfähige Mechanismus aber ist als historisch gegeben vorausgesetzt. j De Candolle 2), welcher bereits die obigen Fragen aufwarf, hielt es für wahrscheinlicher, dass Beleuchtungswechsel die alleinige Ur- sache der täglichen periodischen Bewegungen sei, spätere Autoren aber, wie Dutrochet?), Sachs, und Hofmeister?) haben, so 1) Physiol. Untersuchungen 1873, p. 212. 2) M&moires present‘ös par divers savans 1806, Bd. I, p. 349. Späterhin scheint De Candolle Lichtwechsel als Regulator angesehen zu haben, vgl. Pflanzenphysiologie übers. von Röper 1835, Bd. U, p. 640. 3) M&moires pour servir a Vhistoire des vegetaux et des animaux 1837, p. 257 der Brüsseler Ausgabe. 4) Flora 1863, p. 469. Experimentalphysiologie 1865, p. 44 und 490. 5) Pflanzenzelle 1867, p. 331. 31 weit mir bekannt, Erhellung und Verdunklung nur als Regulator erblicher periodischer Bewegungen angesehen. Diese Ansicht trifft aber nicht zu, vielmehr werden, wie ich schon im Verlauf dieser Abhandlung erwähnt habe, die täglichen periodischen Bewegungen ausschliesslich durch Beleuchtungswechsel hervorgerufen. Unabhängig von diesem und über- haupt von äusseren Verhältnissen, sind die autonomen Bewegungen, ‚welche zuerst von Sachs scharf von den täglichen periodischen Bewe- gungen unterschieden wurden. 1. Aufhebung der täglichen Bewegungen dureh eontinuirliche Beleuchtung. Um die Entstehung der täglichen periodischen Bewegungen ver- folgen zu können ist künstliche Beleuchtung unentbehrlich. Eine solche wurde zuerst mit Erfolg von De Candolle !) angewandt, welcher, wie auch Meyen2), für Mimosa pudieca Beschleunigung der periodischen Bewegungen bei eonstanter Beleuchtung angibt. Beiden Forschern ge- lang es durch Verdunklung am Tage und Beleuchtung während der Nacht, die täglichen periodischen Blattbewegungen der genannten Pflanze umzukehren, was von De Candolle auch mit einigen Blüthen ausgeführt wurde. Gleiche Versuche dieses Forschers mit anderen Blättern und Blüthen führten zu keinem bestimmten Resultat; bei eini- sen Pflanzen wurden die Bewegungen wohl unregelmässiger als sie zuvor unter dem Einfluss des Tageswechsels gewesen waren, andere Blätter, wie die von Oxalis strieta und incarnata, bewegten sich in ge- wöhnlieher Weise, als während 3 Tagen Nachts erleuchtet und Tags verdunkelt wurde. Vielleicht ist die zu kurze Dauer des Experimentes Ursache des negativen Resultates, vielleicht liegen auch andere Fehler zu Grunde, jedenfalls hat Meyen bereits gezeigt, dass sich die täglichen periodischen Bewegungen der Blättehen einer anderen Art von Oxalis (tetraphylla) durch künstliche Beleuchtung verlegen lassen und zu einem gleichen Resultat ist Meyen auch bezüglich des Hauptblattes von Hedysarum gyrans gekommen 3). Meyen bediente sich nur einer Argand schen Lampe, während De Candolle mit 6 Argand’schen Lampen operirte, deren Licht angeblich 5/, des hellen diffusen Tages- liehtes ausmachten ®). 1) L. e., p. 337 ff. 2) Pflanzenphysiologie 1839, Bd. III, p. 480. 3) L. e., p. 555. 4) Durch mit Linsen eoncentrirtes Lampenlicht konnte Bory d. St. Vincent (Annal. general. d. seiene. physiques 1819, Bd. I, p. 142) Blätter einiger Pflanzen - 32 In jüngster Zeit hat Bert!) die Wirkung eontinuirlicher Beleuch- tung auf Mimosa pudiea verfolgt. Die Beleuchtung geschah mit drei Lampen (einer Carcel’schen und 2 anderen deren Construction nicht erwähnt ist), die !/; Metervon der Pflanze entfernt so aufgestellt waren, dass ihr Licht schief von oben auf die Blätter fiel. Die Lampen wurden nur während der Nacht angezündet, am Tage standen die Pflanzen am Tageslicht und waren bei dieser Methode jedenfalls erheblichen Hel- liskeitsschwankungen ausgesetzt. Doch zeigen diese Versuche sehr evident, dass sich die Bewegungsamplitude der Hauptblattstiele von Mimosa pudica mit continuirlicher Beleuchtung allmählich verringert, unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswechsels aber wieder auf die ursprüngliche Grösse zurückkehrt. (Siehe die graphische Dar- stellung, 1. e., p. 18.) Soist z. B. (Blatt Nr. 1, 1. e., p. 14—17) die Bewegungsamplitude eines Blattstieles, welche am Tageswechsel wäh- rend 4 Tagen 40 bis 50 Grad betrug, in Folge der continuirlichen Be- leuchtung am fünften Tage auf 15 Grad gesunken, steigt dann aber unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswechsels am ersten Tage auf 25 Grad und hat am dritten Tage wieder die frühere Grösse (45°) erreicht. Bei meinen Beleuchtungsversuchen bediente ich mich des in Fig. 3 abgebildeten Apparates. Das von zwei Gaslampen mit mög- lichst grossen Argand’schen Brennern gelieferte Licht fällt direet, und ausserdem durch je einen Hohlspiegel reflectirt, auf die Versuchs- pflanze, welche zwischen zwei parallelwandigen, mit Wasser ange- füllten Glasgefässen aufgestellt ist. Die von mir angewandten, aus Weissblech gefertigten Hohlspiegel haben bei einem Krümmungsradius von 62 Centim. eine grösste Sehne von 39 Centim. 2). Diese Spiegel wurden etwa 90 Centim. von der Pflanze entfernt so aufgestellt, dass die Achse des reflectirten Lichtkegels einen Winkel von 30 bis 40 Grad mit dem Horizont bildete. Dabei wurde der Vereinigungspunkt der Nachts in Tagstellung bringen, doch ist der hier jedenfalls sehr starken Erwär- mung keine Rechnung getragen. Dieses gilt auch bezüglich eines von Hoffmann (Annal. d. sc. naturell. 1850, p. 314) mit künstlichem Licht an den Blüthen von Galanthus nivalis angestellten Versuches, da diese gegen Temperaturschwan- kungen ziemlich empfindlich sind. — Künstliche Beleuchtung, aber ohne Erfolg, ist auch versucht von Duhamel (Physique des arbres 1758, II, p. 189), Fe&e (eit. bei Royer) und Royer (Annal. d. se. naturell. 1868, p. 372). 1) M&moir. de !’Acad. d. seiene. phys. et natur. d. Bordeaux 1870, Bd. VIII, p: 11ff. des Separatabdruckes. 2) Diese Spiegel benutzte ich 1874, bei den 1873 in Marburg angestellten Versuchen bediente ich mich zweier Messingspiegel von etwas geringerem Krüm- mungsradius. N 2 33 Strahlen hinter die Versuchspflanze- gelegt, und zwar so, dass siimmt- liehe Blätter dieser erleuchtet wurden, wozu in allen Fällen eine er- leuchtete Fläche von 50 bis 90 Millim. Durchmesser ausreichte, da stets nur kleine Exemplare von Pflanzen zu den Versuchen genommen wurden. Die benutzten parallelwandigen Glasgefässe messen 20 Centim. in der Länge, 19 Centim. in der Breite und 5!/, Centim. im Lichten. Die Tem- peratur hielt sich bei dieser Dieke der Wasserschicht zwi- schen den Glasge- fässen 2 bis 5 Grad über der Lufttempe- ratur, ohne dass es nöthig gewesen wäre einen Wasserstrom durch die Cüvetten zu leiten. Eine der- artige Temperatur- erhöhung ist für un- seren Zweck ohne Bedeutung, da die zu den Versuchen verwandtenPflanzen nachweislich nicht merklich darauf rea- giren. Die Pflanzen wur- den nur Nachts er- leuchtet, Tags aber in einem mässig hel- len diffusen Tages- licht gehalten, das aus einer Pflanze von Elodea canadensis ungefähr ebensoviel Gasblasen wie das künstliche Lieht ausschied. Die Kohlensäurezersetzung ist nun freilich kein Maassstab für die Wirkungsfähigkeit des gemischten Lichtes auf die periodischen Bewegungen, welche von der stärker breehbaren Hälfte TıTTT7 11 11 12 | \ RT Pfeffer, Blattorgane. 3 34 des Sonnenspeetrums am stärksten beeinflusst werden, indess sind Er- örterungen hierüber unnöthig, da mit unserem Beleuchtungsapparat der beabsichtigte Zweck, die täglichen periodischen Bewegungen aufzu- heben, erreicht wurde. Da dieses auch ohne Vermeidung gewisser Helligkeitsschwankungen gelang, so hatte ich keine Veranlassung da- nach zu trachten, jene Schwankungen noch mehr zu vermeiden. Bei continuirlicher Beleuchtung vermindert sich die Amplitude der täglichen periodischen Bewegungen allmälig und wenn den Versuchs- objekten keine autonomen Bewegungen zukommen, werden die Blätter endlich bewegungslos, sind aber dabei vollkommen paratonisch empfindlich. In einem mit Acacia lophantha angestellten Versuch wurde eine kleine, 4 Blätter tragende Topfpflanze am 13/6. 1873 an diffusem Licht gehalten und Abends erleuchtet. An diesem Tage schlossen sich die Blättchen vollkommen, am folgenden fast ganz, am 15/6. war die Bewegungsamplitude jedes Blättchens etwa 70 Grad, am 16/6. 15 bis 35 Grad, am 17/6. 5 bis 20 Grad und als dann am 19/6. Helligkeitsschwankungen so viel als möglich vermieden wurden, war die Amplitude jedenfalls geringer als 5 Grad. Die periodischen Bewe- wegungen hatten also faktisch aufgehört, die Blättehen waren dabei an älteren Blättern beinahe plan ausgebreitet, an den jüngeren Blättern bis zu 130 Grad gegeneinander geneigt. Ein gleiches Resultat wie Acacia lieferte ein am 27/5. 1874 be- gonnener Versuch mit Impatiens noli tangere. Die Bewegungsamph- tude eines an einem Gradbogen spielenden Blattes war bei Beginn am 27/5. = 85Grad, dann am 28/5. — 60 Grad, am 29/5. — 38 Grad, am ‘30/5. = 14Grad, am 31/5. — 10 Grad, am 1/6. = 6 Grad, am 2/6, bei möglichst sorgfältiger Vermeidung von Beleuchtungsschwankungen, 3 Grad. Dabei befanden sich die Blätter in einer der Tagstellung ent- sprechenden Lage und wurden dureh Verdunklung in '/, Stunde in volle Nachtstellung übergeführt. Bei dieser Pflanze, wie auch bei Acacia, wurde eine irgend auffallende Beschleunigung der Tages- periode nicht gefunden. Die Beobachtungen wurden am Tage stünd- lich, in der Nacht (11 Abends bis 6 Morgens) alle 2 Stunden vorge- nommen. Ausser in den beiden angeführten Fällen verfuhr ich in einer etwas anderen, schneller zum Ziel führenden Weise, um die täglichen perio- dischen Bewegungen zu eliminiren. Die zu dem Versuche bestimmten, bis dahin am Tageswechsel gehaltenen Pflanzen, wurden zwischen 1 und 3'/, Uhr Nachmittags verdunkelt und dann Abends gegen 7 Uhr mit künstlichem Licht beleuchtet. Unter diesen Umständen sind die # 35 paratonische Wirkung der Erhellung und die rückgängige Bewegung der durch Verdunklung hervorgerufenen Receptionsbewegung im ent- gegengesetzten Sinne thätig, wie das durch die Nachwirkung der Tages- periode bedingte Bewegungsstreben und als Resultirende dieser Fak- toren beginnt meist bald nach der Beleuchtung eine auf Erreichung der Tagstellung zielende Hebung, resp. Senkung der Blätter. Wird dann die Pflanze weiterhin continuirlich beleuchtet, so sind tägliche perio- dische Bewegungen gewöhnlich in wenigen Tagen nicht mehr zu be- merken. Eine Pflanze von Acacia lophantha, welehe Nachmittags 2 Uhr verdunkelt worden war und Abends 7!/, Uhr künstlich erleuchtet wurde, liess schon nach 20 Minuten die beginnende Oeffnung der zuvor ganz aufeinanderliegenden Blättchen erkennen und nach 1 Stunde waren diese plan ausgebreitet. Als die Pflanze nun weiterhin continuirlich beleuchtet wurde, zeigte sie schon am dritten Tage keine periodischen Bewegungen mehr. Bei in gleicher Weise ausgeführten Versuchen waren die periodischen Bewegungen der Blätter bei Impatiens noli tan- gere am dritten, bei Siegesbekia flexuosa am fünften Tage ver- schwunden. An denBlättern der oben genannten Pflanzen kann man mit Sicher- heit keine autonomen Bewegungen nachweisen, wo aber solche vor- handen sind, da dauern sie auch bei eontinuirlicher Beleuchtung fort und verlieren augenscheinlich nieht an Amplitude. Sehr ansehnlich sind die autonomen Bewegungen der Blättehen von Trifolium pratense, wo das Endblatt eine Bewegung von 30 bis 120 Grad im Laufe von 1'/; bis 4 Stunden ausführen kann. Als eine solche, zuvor am Tageswechsel gehaltene Pflanze, Abends erleuchtet und fernerhin eontinuirlich am Licht gehalten wurde, war schon am folgenden Abend eine der Tages- periode entsprechende Schliessungsbewegung nicht mehr zu erkennen, offenbar weil diese durch die autonomen Bewegungen verdeckt wurde, welehe mit einer Amplitude bis zu 100 Grad und in einem Rhythmus von ungefähr 2 Stunden vor sich gingen. Diese autonomen Bewegungen dauerten auch unverändert fort, während die Pflanze noch weitere zwei Tage stetig erleuchtet wurde. Autonome Bewegungen von geringer Amplitude und kurzer Dauer kommen dem Hauptblatt von Hedysarum gyrans zu, an dem zuweilen eine Schwingungsweite von nur 8 Grad bei einer Zeitdauer von 10 bis 30 Secunden beobachtet wird. Unterwirft man diese Pflanze, in der eben für Trifolium angegebenen Weise, künstlicher Beleuchtung, so kann man am Abend des folgenden Tages die der Nachwirkung der Tagesperiode entsprechende Senkung noch deutlich erkennen, während dabei die autonomen Bewegungen stetig 3% 36 fortdauern. Die Unabhängigkeit dieser und der täglichen periodischen Bewegungen springt hier besonders klar in die Augen, ebenso auch wenn unsere Pflanze im Finstern gehalten wird, wo sich ein gleiches Verhalten wie bei econtinuirlicher Beleuchtung ergibt. Dieses gilt auch für Trifolium pratense, d.h. es ist schon am ersten Tage des Aufent- halts im Dunklen die Tagesperiode, der grossen Amplitude der auto- nomen Bewegungen halber, nicht mehr zu erkennen. Die mitgetheilten Versuche zeigen unwiderleglich, dass die täg- lichen periodischen Bewegungen den Blättern nicht als historisch ge- gebene Eigenthümlichkeit zukommen, da jene ja bei continuirlicher Beleuchtung allmälig aufhören. Ebenso ist es freilich auch bei Auf- enthalt im Finstern, aber aus diesen Versuchen kann unsere Schluss- folgerung nicht gezogen werden, weil die sich allmälig vermindernde Amplitude ebenso gut alleinige Folge der nachlassenden Bewegungs- fähigkeit sein könnte, welche ja endlich einem völligen Starrezustand Platz macht. Die am Licht bewegungslos gewordenen Pflanzen sind hingegen für Verdunklung ebenso empfindlich als Pflanzen , welche in gewöhnlicher Weise dem täglichen Beleuchtungswechsel unterworfen waren. Mit unseren Erfahrungen stimmen die vorhin erwähnten Unter- suchungen Bert’s überein. Dass dieser Forscher für die Blättchen nur geringe Verminderung der täglichen periodischen Bewegungen fand, dürfte wohl darin begründet sein, dass die Versuchspflanzen gegen Abend (4 bis 6 Nachm.) von direeter Sonne beschienen wurden und so jeden Abend eine gewisse paratonische Wirkung eingriff. Ohne diese würde bei Fortsetzung des Experimentes auch die Bewegungsamplitude des primären Blattstieles noch herunter gedrückt, jedoch, der auto- nomen Bewegungen !) halber, nicht ganz aufgehoben sein. | Die Eliminirung der Blättehenbewegungen von Mimosa pudiea und Acaeia lophantha durch anhaltende Beleuchtung geht auch aus Beob- achtungen hervor, welche in Alten in Norwegen (70° n. Br.) angestellt und von Schübler?) mitgetheilt wurden. Während die Sonne über dem Horizont stand waren die Blättchen beider Pflanzen plan ausge- breitet und paratonisch empfindlich, die täglichen periodischen Bewe- gungen kehrten aber mit dem Wiederbeginn der Nächte zurück. Gleich- zeitig bei Stamsund in Lofoten (68° 7’ n. Br.) angestellte Beobachtungen ergaben, dass sich die Blättchen von Acacia lophantha in den hellsten 1) Vgl. Millardet, Nouv. r&ch. sur la p6riodieit& d. 1. tension 1869, p. 29. Die Oscillationen dritter Ordnung sind unsere autonomen Bewegungen. 2) Die Pflanzenwelt Norwegens 1873, p. 88. a Pa 37 Nächten nieht, die Blättehen von Mimosa pudica aber immer schlossen. Durch die Angabe, dass die Pflanzen nieht von der Mitternachtsonne beschienen wurden, ist dieses Verhalten vollkommen verständlich, da, wie leicht nachzuweisen, die Blättchen von Mimosa für Helligkeits- schwankungen viel empfindlicher, als die von Acacia lophantha sind und schon durch eine leichtere Liehtentziehung zum Schliessen gebracht werden können, welche an den Blättchen von Acaecia nur geringere Bewegung hervorruft. Nach dem Mitgetheilten kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die täglichen Nutations- oder Variationsbewegungen aller Blätter nicht historisch gegeben sind, um so mehr als die Bewegungen der Blätter beider Categorien unter sich der Hauptsache nach vollkommen über- einstimmen. Dieses gilt auch insbesondere für die nutirenden Laub- blätter und die Blüthen, und schon deshalb wird man die täglichen periodischen Bewegungen auch dieser als durch den Tageswechsel be- dingt ansehen müssen, wenn auch die Elimination der Bewegungen durch eontinuirliche Beleuchtung nicht ausgeführt wurde. Die Erwä- sung vorliegender Thatsachen lässt endlich überhaupt keinen Zweifel über den gleichen Ursprung der täglichen Bewegungen von Laub- blättern und Blüthen. Es ist natürlich in keiner Weise etwas Wider- sprechendes darin zu finden, dass gewisse Blüthen, wie die von Crocus und Tulipa, in so hohem Maasse von einem anderen Faktor, von Tem- peraturschwankungen, influirt werden, dass die Wirkung des Beleuch- tungswechsels dadurch verdeckt werden kann. Die Beeinflussung der täglichen periodischen Bewegungen der Blüthen durch Beleuchtungswechsel ergibt sich daraus, dass De Can- dolle und Meyen!) das Oeffnen und Schliessen verlegen konnten, indem sie Tags verdunkelten und Nachts erleuchteten. Wenn dieses De Candolle in allen Fällen, bei Blüthen, wie ja auch bei Blättern, nicht erreichen konnte, so muss in zu kurzer Dauer des Versuches oder in anderen Verhältnissen die Ursache gesucht werden. Ein directer Beweis, dass dem täglichen Oeffnen und Schliessen der Blüthen keine historisch gegebene Bewegung zu Grunde liegt, er- gibt sich aus dem Verhalten der Blüthen im Dunklen. Hält man eine kräftige Pflanze von Oxalis rosea im Finstern, so führen die schon ge- öffneten und die sich erst Ööffnenden Blüthen zunächst noch der Tages- periode entsprechende Bewegungen aus, welche an den nach 3 bis 4 Tagen erscheinenden Blüthen nicht mehr zu bemerken sind. Diese I) Siehe meine Physiol. Untersuchungen, p. 208, 38 öffneten sich so, dass die Blumenblätter ungefähr gerade standen und schlossen sich nach 2 bis 4 Tagen mit dem Verblühen, ohne dass perio- dische Bewegungen ausgeführt worden waren. Dabei waren diese Blüthen aber paratonisch empfindlich und an Tageslicht gebracht, hatte nach ?/, Stunden schon eine merkliche Bewegung der Blumenblätter stattgefunden, welche nach 2 Stunden den Saum der Corolle in plan ausgebreitete Stellung gebracht hatte. Analoges Verhalten ist auch an anderen Blüthen zw finden, so an denen von Bellis perennis, welche schon am zweiten, oder wohl gar am ersten Tage ihres Aufenthaltes im Dunklen keine periodischen Bewegungen ausführen. Dass in obigem Falle die periodischen Bewegungen der Blüthen nicht in Folge von ein- getretener Dunkelstarre unterblieben, zeigt die sich sofort geltend machende receptive Empfindlichkeit und geht ferner daraus hervor, dass sich die Blüthen im Dunklen, wie Sachs nachwiess, nicht nur vollkommen entfalten, sondern auch gegen paratonische Wirkung von Temperaturschwankungen empfindlich sind, wie es das Verhalten der auf solche energisch reagirenden Crocusblüthen zeigt !). Der Mangel periodischer Bewegungen an den bei Liehtabschluss erzogenen Crocusblüthen ist bezüglich der Erblichkeitsfrage nicht zu sehr zu betonen, da Crocus und andere in so hohem Maasse von Tem- peraturschwankungen beeinflussten Blüthen, normalerweise Unregel- mässigkeiten in ihren täglichen Bewegungen aufzuweisen haben. An- dere geeignete Blüthen hingegen, welche sich ohne unmittelbarstes Zu- thun der Blätter aus aufgespeicherten Reservestoffen zu entwickeln ver- mögen, könnten wohl zur Beantwortung der Frage ob erbliche oder nicht- erbliche periodische Bewegungen vorhanden sind, benutzt werden ?). Indem man geeignete Blüthen verdunkelte, während die übrige Pflanze am Licht bliebe, wäre es auch möglich zu entscheiden, ob und in wie weit durch Helligkeitswechsel im Organismus angeregte, mit den periodischen Bewegungen zusammenhängende Vorgänge auf dem Beleuchtungswechsel nicht unterworfene Partien übertragen werden. In dieser Hinsicht können chlorophylihaltige Blätter nichts aussagen, da die dem Licht entzogenen Partien dunkelstarr werden ®). Ein früher von mir mit den Blüthen von Bellis perennis !) ausgeführter Versuch ist, der unvollkommenen Verdunklung halber, nicht maassgebend. 1) Siehe meine Physiol. Untersuchungen p. 200. 2) Ein mit Tussilago Farfara angestellter Versuch führte zu keinem bestimm- ten Resultat, indem die Blüthen sich im Dunklen nur unvollkommen entwickelten, während die vergeilten, die Blüthenköpfchen tragende Schäfte zu Grunde gingen. 3) Siehe meine Physiol. Untersuchungen p. 66. 4). L.-e,5.P, 199, 39 2. Nachwirkung der Receptionsbewegungen und Entstehung der Tagesperiode. Nach Elimination der täglichen periodischen Bewegungen sind die Blätter, wie schon bemerkt, receptiv empfindlich, jedoch in einem specifisch verschiedenem Maasse. Die Blättchen von Acacia lophantha und Trifolium pratense, sowie das Hauptblatt von Hedysarum gyrans gingen in Folge plötzlicher Verdunklung im Laufe von ®/, bis 2 Stunden aus der Tagstellung in vollkommene Nachtstellung über. Auch die Blätter von Impatiens noli tangere ergaben bei plötzlicher Lichtent- ziehung eine, an einem gewöhnlichen Gradbogen abgelesene Senkung der Blattspitze von ungefähr 50 Grad, während die vier beobachteten Blätter von Siegesbekia flexuosa sich nur um 10 bis 30 Grad senkten. In gleicher Weise ist aber auch die Reactionsfähigkeit der am Tages- wechsel gehaltenen Blätter specifisch verschieden und wie in diesem Falle die Blätter von Portulaca sativa in Folge von Verdunklung eine nur geringe Variationsbewegung ausführen, würden sie es auch zwei- fellos thun, nachdem die Tagesperiode durch andauernde Beleuchtung aufgehoben wurde. Durch Verdunklung in continuirlichem Licht gehaltener und ihrer täglichen periodischen Bewegungen beraubter Blätter, wird nicht nur ein einfacher Hin- und Hergang dieser hervorgerufen, sondern es wer- den auch noch einige weitere Schwingungen mit abnehmender Ampli- tude ausgeführt, ehe die Blätter, abgesehen von autonomen Bewegungen, in Ruhe kommen. Sehr deutlich zeigt dieses der auf Taf. I B graphisch dargestellte Versuch mit Acacia lophantha, wobei zu bemerken, dass die beiden Curven nach den Beobachtungen an zwei verschiedenen Blättern derselben Pflanze construirt sind!). Nachdem am 10. August 8 Uhr Vormittags verdunkelt und der erste Hin- und Hergang bis 10 resp. 11 Uhr Abends vollendet ist, sind weiterhin noch zwei doppelte Amplituden zu erkennen, von denen die erste zwischen 110 und 150 Grad beträgt?); am Abend des 12 August hören dann die Blättehen auf sich merklich zu bewegen. Eine nicht ganz so weitgehende, jedoch deutliche Nachwirkung von einer Doppelamplitude (einem Hin- und Hergang) wurde auch an dem Hauptblatt von Hedysarum gyrans be- obachtet, dessen, wenn auch nicht ansehnlichen autonomen Bewegun- gen, dem weiteren Verfolg der Nachwirkungsbewegungen störend ent- gegentreten. In weit höherem Maasse ist dieses bei Trifolium pratense 1) Vergl..die Erklärung der Tafeln. 2) Hier ist der Winkel gemeint, welchen die Blättchen miteinander bilden, 40 der Fall, an dessen Blättechen, der grossen Amplitude der autonomen Bewegungen halber, selbst die Tagesperiode, wie mitgetheilt wurde, schon am ersten Tage nach der Verdunklung verwischt ist. Hingegen konnte an den Blättern von Impatiens noli tangere, ähnlich wie bei Acacia, ein zweimaliger Hin- und Hergang, wenn auch von verhältniss- mässig geringerer Amplitude, als Nachwirkungsbewegung paratoni- scher Verdunklung verfolgt werden. An Siegesbekia flexuosa dürfte bei der geringen Amplitude des ersten Hin- und Herganges die sichere Feststellung der Nachwirkungs- bewegungen nicht ganz leicht sein, es konnte aber auf einen solchen Nachweis verzichtet werden, da nicht nur die Analogie, sondern auch die Entstehung der Tagesperiode, die Nachwirkungsbewegungen für diese, wie für andere Pflanzen gebieterisch fordert. Wenn in continuir- lichem Lichte bewegungslos gewordene Blätter dem Tageswechsel ent- sprechenden Erleuchtungsverhältnissen ausgesetzt werden, so steigert sich von Tag zu Tag die Amplitude der Bewegungen bis diese auf dem höchsten, von dem Blatte erreichbaren Maasse angekommen sind. Diese Accumulation findet durch Zusammengreifen von Nachwirkung und neuer paratonischer Wirkung, und nur hierdurch ihre Erklärung. Weiter er- geben sich aber auch für die Blätter von Siegesbekia, und überhaupt alle untersuchten Blattorgane, Nachwirkungsbewegungen der täglichen periodischen Bewegungen, wenn die Pflanzen in constanter Finsterniss gehalten werden, woraus, unter Beachtung dass die Tagesperiode ausschliesslich durch paratonische Wirkungen hervorgerufen ist, mit logischer Strenge folgt, dass auch eine durch einmalige Verdunklung hervorgerufene Receptionsbewegung Nachwirkungen im Gefolge hat. Die Entstehung der grossen Amplitude der täglichen periodischen Bewegungen durch Accumulation zeigt in sehr eclatanter Weise ein ınit Siegesbekia flexuosa durchgeführter Versuch. Die benutzte Pflanze war ungefähr 70 Millim. hoch und besass zwei Blattpaare, von denen das obere sich erst jüngst entfaltet und seine periodischen Tagesbewe- sungen begonnen hatte. Die Amplitude dieser betrug bei Beginn des Versuches für das jüngere Blattpaar ungefähr 70 Grad, für das ältere Blattpaar bis zu 100 Grad !). Zunächst wurden die täglichen periodischen Bewegungen durch eine fünftägige Beleuchtung eliminirt, dann wurde in den folgenden Tagen jedesmal von 8 Uhr Vorm. bis 4 Uhr Nachm. vollkommen verdunkelt und von hierab bis 8 Uhr Vorm. erleuchtet, 1) Hier, wie in allen folgenden Fällen ist die Bewegung der Blattspitze an einem gewöhnlichen Gradbogen abgelesen und sollen die angegebenen Werthe nur ein zur Vergleichung unter sich geeignetes Maass sein. Fe +/ 2 41 und zwar bis 6 Uhr Vorm. mit künstlichem, weiterhin bis 8 Uhr mit diffusem Tageslicht. 10/6. 11/6. 12/6. 13/6. 14/6. 1874. Diese erste Verdunklung um 8 Uhr Vorm. ruft Senkung von 10 bis 30 Grad hervor, die bis Mittags 12 Uhr so ziemlich rückgängig gemacht sind. Die Erhellung um 4 Uhr Nachm. bewirkt nur ganz unbedeutende Hebung der Blätter. Die Senkung in Folge der Verdunklung beträgt 15—45 Grad. Maximum der Senkung zwischen 9 und 10 Uhr, sonst wie am 10/6. Die Senkung durch Verdunklung beträgt 25 bis 65 Grad. Die Blätter senken sich durch Verdunklung um 40 bis 80 Grad. Die Senkung nach Verdunklung beträgt 70 bis 100 Grad. Die Jüngeren Blätter hatten sich bis 100 Grad, die älteren bis 90 Grad gesenkt, was mit deren fortgeschrittenen Entwicklung zusammenhängt. Vom Morgen des 15. Juni ab wird die Pflanze nicht mehr verdun- kelt, sondern weiterhin dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswech- sels überlassen. 15/6. 16/6. 17/6. 18/6. Die Blätter, obgleich an diffusem Licht gehalten, senken sich zwischen 8 und 12 Uhr Vorm. um 50 bis S0 Grad, gehen dann bis 3 Uhr Nachm. auf Tagstellung zurück und senken sich Abends wieder um 20 bis 30 Grad. Um 5 Uhr Morgens sind die Blätter in Tagstellung, bis 11 Uhr Morgens senken sie sich 15 bis 30 Grad, erheben sich dann bis zum Nachmittag nicht ganz auf die um 5 Uhr Morgens inne- gehabte Stellung und senken sich zwischen 6 und 10 Uhr Abends um 40 bis 60 Grad. Zwischen 8 und 11 Uhr Vorm. beträgt die Senkung unter 15 Grad. Von 12 Uhr Vorm. ab senken sich die Blätter allmälig etwas und zwischen 6 und 10 Uhr Abends ist die Senkung 60 bis 80 Grad. und 19/6. Eine Senkung am Morgen findet nicht mehr statt. Die Blätter führen in normaler Weise tägliche periodische Be- wegungen mit einer Amplitude von 60 bis 100 Grad aus. Die allmälige Vergrösserung der Bewegungsamplitude durch in gleichem Rhythmus wiederholten Beleuchtungswechsel, wird durch die von 10. gezeigt. bis 14. Juni erhaltenen Resultate in der schlagendsten Weise Nachdem die Bewegungsamplitude der Blätter am 14. Juni wieder die ursprüngliche Grösse erreicht hat und nun die Pflanze dem Wechsel der Tagesbeleuchtung exponirt wird, macht sich die Nach- , = P wirkung der indueirten Tagesperiode am 15. und 16. Juni durch eine Senkung der Blätter in den Morgenstunden bemerklich. Das verhält- nissmässig schnelle Verschwinden dieser Nachwirkung findet seine Erklärung darin, dass an jedem Morgen die durch Erhellung hervor- gerufene und die durch Nachwirkung angestrebte Bewegung im ent- gegengesetzten Sinne thätig sind. Gleichzeitig wird durch die abend- liche Verdunklung vom 15. bis 19. Juni die volle Amplitude der täg- lichen periodischen Bewegung hergestellt. Am Schluss des Versuches wurden die weitestgehenden Bewegungen nicht mehr, wie zu Anfang, von den älteren, sondern von den jüngeren Blättern ausgeführt, eine Folge der mit dem Alter nachlassenden Bewegungsfähigkeit der nuti- renden Blattorgane. Gleichzeitig ändert sich mit der Entwicklung des Blattes die Stellung dieses und die Lage der Bewegungszone, weshalb die Ablesungen zu Anfang und zu Ende der Versuchsreihe eine ganz genaue Vergleichung unter sich nicht gestatten, wodurch indess, wie leicht einzusehen, die Beweiskraft unseres Experimentes in keiner Weise beeinträchtigt wird. Die Accumulation in Folge von gleichsinnigen, in gewissen Inter- vallen sich wiederholenden paratonischen Wirkungen, wird nur dann schlagend hervortreten, wenn die Amplitude der einzelnen Receptions- bewegungen verhältnissmässig gering ist. Denn wenn diese gegenüber der Tagesperiode zu gross, so ist einmal die weitere Zunahme überhaupt mässig und eventuell, wenn faktisch angestrebt, doch nicht ohne wei- teres wahrzunehmen, weil die Bewegung der Blätter durch Anpressung gegeneinander oder gegen den Stengel eine Grenze findet. So ist es z. B. bei den Blättehen von Acaecia lophantha, welche aber auf Aceu- mulation daraus schliessen lassen, dass im Dunklen die Nachwirkung der Tagesperiode länger, als die einer einfachen Receptionsbewegung dauert. Die Wahl geeigneter Objekte, wie z. B. der Blätter von Portu- laca sativa, würde den Nachweis der Aceumulation durch paratonische Liebtwirkung für Variationsbewegungen ebenso schlagend führen lassen, wie es für Nutationsbewegungen geschah. Uebrigens werden wir für den primären Blattstiel von Mimosa pudica, resp. für dessen Gelenk, die allmälige Vermehrung der Bewegungsamplitude in Folge gleichsinnig wiederholter Wirkung, nämlich Vermehrung des Druckes, fernerhin kennen lernen !). 1) Es ist bemerkenswerth, dass die täglichen periodischen Bewegungen, ob- gleich sie in jeder Generation fortgesetzt wurden, nicht erblich wurden. Eine durch äussere Verhältnisse bedingte und durch Aceumulation zu Stande gebrachte Erscheinung dürfte es wohl auch sein, dass z.B. Zwiebelu und Baumknospen ent- 2 x . de Be en FORT: 43 Zur weiteren Klarlegung des Zusammengreifens von Nachwirkung _ und sieh wiederholender paratonischer Wirkung müssen wir zunächst einen Blick auf die Zeitdauer der einfachen Receptionsbewegungen und deren Nachwirkungen werfen. Für jene ergibt sich, dass die hin- und hergehenden Bewegungen keineswegs isochron sind, vielmehr die Schwingungszeit mit der Amplitude zunimmt, die selbst wieder von der Grösse des Helligkeitswechsels abhängig ist. So näherten sich Blättchen von Acacia lophantha, welche des Morgens an stark diffusem Licht gehalten und dann um 10 Uhr Vorm. verdunkelt wurden, bis auf 90 Grad und vollführten in 3 Stunden einen Hin- und Hergang, wäh- rend ein solcher 7 Stunden bei gleichartigen Blättehen einer anderen Pflanze in Anspruch nahm, welche sich in Folge der Uebertragung aus sehr hellem Tageslicht in Dunkelheit vollkommen schlossen. Da die am folgenden Tage nach Umtauschung der Pflanzen vorgenommene Wiederholung des Versuches zu gleichem Resultate führte, so können individuelle Eigenthümlichkeiten diesen Erfolg nicht veranlasst haben. Noch grösser wurde die Zeitdauer eines Hin- und Herganges der Blätt- chen bei Verdunklung der Pflanzen von Acacia lophantha gefunden, welche in continuirlichem Licht ihre periodischen Bewegungen einge- büsst hatten. In dem auf Tafel IB dargestellten Falle war die Schwin- gungszeit einer einfachen Receptionsbewegung 14!/, und 15 Stunden, in einem anderen Falle wurde sie zu 13 und 18 Stunden gefunden. Wenn nun hier, wie auch in dem oben mitgetheilten Falle mit sieben- stündiger Schwingungszeit, die Blättehen vollkommen aneinanderlagen, so widerspricht dieses noch nicht dem Satze, dass die Zeitdauer der heceptionsbewegungen von der Grösse der Amplitude abhängig ist, denn thatsächlich würden die Blättchen, wenn sie nicht an ihrer Bewegung gehindert worden wären, in dem zuletzt beschriebenen Versuche, wie schon die längere Aneinanderpressung zeigt, sich weiter als bei sieben- stündiger Zeitdauer eines Hin- und Herganges bewegt haben. In gleicher Weise zeigten auch Experimente mit Phaseolus vulgaris und Impatiens noli tangere, dass die Zeitdauer einer Receptionsbewegung mit der Grösse der Amplitude wächst. Bei langsamer Helligkeitsabnahme, wie sie Abends zu Stande weder überhaupt nur in bestimmter Jahreszeit oder in dieser wenigstens ungleich schneller zum Austreiben zu bringen sind, da sich ja solches Verhalten auch bei unseren Antipoden nach der Jahreszeit richtet. Hier scheint die Nachwirkung auf längere Zeit ausgedehnt zu werden, da die Blüthezeit importirter Pflanzen sich noch einige Jahre fortgesetzt und erst allmälig der neuen Heimath angepasst haben soll (Vergl. DeCandolle, M&m. present. etc. 1806, p. 349). et Schr, RA a an" 4 en. Bert 44 kommt, wird voraussichtlich. gegenüber plötzlicher Verdunklung, die Grösse der Amplitude für gleiche Helligkeitsdifferenzen sich vermindern, ob aber gleichzeitig die Zeitdauer der Bewegung zunimmt oder abnimmt, das wird von besonderen Verhältnissen abhängen, welche ich hier nicht erörtern will, da ich ohnehin über die oben aufgeworfene Frage keine speciellen Untersuchungen angestellt habe. In jedem Falle zeigen aber die oben mitgetheilten Versuche, dass sich die Schwingungszeiten der Receptionsbewegungen mit den Helligkeitsdifferenzen ändern, die Be- wegungsorgane also nicht die besondere Fähigkeit besitzen auf jeden paratonischen Anstoss mit Bewegungen eines stets gleichen Zeitmaasses zu antworten. Zwischen der Zeitdauer der einfachen Receptionsbewegung und der von dieser abhängigen Nachwirkungen besteht nach meinen Ver- suchen keine vollständige Uebereinstimmung. So ergibt der auf Taf. I B verzeichnete Versuch mit Acacia lophantha für die Schwingungszeit der einfachen Receptionsbewegung 14'/, resp. 15 Stunden, während für die nun folgende Nachwirkungsbewegung die Culminationspunkte der beiden Curven 23 Stunden auseinanderliegen und die beiden letzten Maxima der unteren Curve durch eine Zeit von 16 Stunden getrennt sind. Zwischen den Minima der Nachwirkungsbewegung, welche der Schliessung der Blättehen entsprechen, sind 18 Stunden verstrichen. Zu einem ähnlichen Resultat führte ein anderer Versuch mit Acacia lophantha und ein Experiment mit Impatiens noli tangere. In diesen beiden Fällen wurde für die Nachwirkungsbewegungen desselben Blattes zwar auch keine völlige, aber doch eine etwas grössere Uebereinstim- mung der Schwingungszeiten unter sich gefunden, als in dem zuerst behandelten Versuche. Welche Ursachen den Gang der Nachwirkungs- bewegungen im Dunklen gehaltener Pflanzen beeinflussen, kann ich dahingestellt lassen. Für die Entstehung der täglichen periodischen Bewegungen ist zu beachten, dass nicht nur jeden Abend, sondern auch jeden Morgen durch die paratonische Wirkung des Lichtes Receptionsbewegungen hervor- gerufen werden, von denen eine jede Nachwirkung im Gefolge hat, weil diese, wie noch gezeigt werden soll, nicht durch eine specifische Wirkung der Verdunklung, sondern durch die bei der Bewegung that- sächlich zu Stande gekommenen Krümmungen in den Bewegungsorga- 'nen bedingt ist. Wird nun eine in constanter Beleuchtung gehaltene und in Folge dessen keine täglichen periodischen Bewegungen ausfüh- rende Pflanze dem Tageswechsel ausgesetzt, so würde z. B. bei Acacia lophantha die durch Erhellung am anderen Morgen bedingte paratoni- 45 sche Wirkung eintreffen, ehe der Rückgang der ersten Receptionsbewe- gung vollendet ist, deren Schwingungszeit wir experimentell zwischen 13 bis 18 Stunden fanden. In diesem Falle würden Nachwirkung und die paratonisch hervorgerufene Bewegung in gleichem Sinne thätig sein, wenn dem aber nicht so wäre. die beiden angestrebten Bewegungen vielmehr entgegengesetzt ausfielen, so würde die Resultirende beider bestimmend sein und die Blattbewegung jedenfalls zunächst der para- tonischen Wirkung entsprechen, da diese nachweislich die Nachwir- kungsbewegungen aufzuheben vermag. Von dem thatsächlich zu Stande kommenden Gang des Blattes wird es abhängen, ob die rückgängige Bewegung mit der am Abend dieses Tages paratonisch hervorgerufenen Bewegung zusammentrifft oder früher vollendet ist. Im ersten Falle würden für sich betrachtet, am Abend die rückgängige Bewegung der am Morgen zu Stande gekommenen paratonischen Wirkung, die Nach- wirkung der Abends zuvor hervorgerufenen Receptionsbewegung und die neue paratonische Wirkung der Verdunklung gleichsinnig zusam- mengreifen können. Der genaue Verfolg der einzelnen Componenten würde in jedem Falle sehr mühsam, ja theilweise unmöglich sein und hat zudem hin- sichtlich der Entstehung der Tagesperiode ein nur untergeordnetes In- teresse. In jedem Falle wird durch die Resultirende der Componenten die thatsächlich ausgeführte Bewegung bestimmt, und allein diese ist jedesmal wieder maassgebend für die Nachwirkungsbewegungen. Da nun, wie demnächst gezeigt werden wird, die täglichen periodischen Bewegungen in ungefähr gleichem Rhythmus fortdauern, wenn die Pflanze dunkel gehalten wird, so ist klar, dass durch den fortgesetzten Tageswechsel die Bewegungen so regulirt werden, dass Nachwirkung und paratonische Liehtwirkung Morgens und Abends in gleichem Sinne thätig sind. Die täglichen periodischen Bewegungen und die Nach- wirkungsbewegungen zeigen also unter sich nieht in dem Maasse un- gleiche Dauer der Schwingungszeit, wie es für die Receptionsbewegun- gen ein Versuch mit Acacia lophantha (Taf. IB) ergab. Doch ist zu bemerken, dass in anderen Experimenten die Differenz für die Dauer einer Amplitude der Receptionsbewegung und ihrer Nachwirkungsbe- wegungen geringer ausfiel und aus verschiedenen Gründen scheint es auch begreiflich, weshalb die durch plötzliche Verdunklung einer zuvor bewegungslosen Pflanze hervorgerufenen Bewegungen eine grössere Unregelmässigkeit zeigen. Die täglichen periodischen Bewegungen sind in jedem Falle Re- sultirende aus Nachwirkung und paratonischer Wirkung und da diese 46 variabel ist, so können auch die Wendepunkte der täglichen periodischen Bewegung verfrüht oder verspätet werden. An heiteren Tagen wird im Allgemeinen die Tagstellung früher und die Nachtstellung später erreicht werden, als an trüben Tagen, ebenso wird auch durch Aenderung der Dauer von Tag und Nacht der Gang der periodischen Bewegungen be- einflusst werden, wobei zu beachten, dass bei einer Verschiebung der Tagesperiode auch die Nachwirkung eine entsprechende Regulirung erfährt. Ohne specielle Beobachtungen ist doch leicht zu sehen und auch längst bekannt, dass Blätter und Blüthen derselben Pflanze sich im Herbst früher als im Sommer schliessen, auch wenn in den Tempera- turverhältnissen keine Ursache hierfür gegeben ist. Aus dem Gesagten geht sehon hervor, dass die Wendepunkte der täglichen periodischen Bewegungen keineswegs 12 Stunden auseinander liegen müssen. 0 wurde z. B. Ende August für die Endblätter von Hedysarum gyrans die grösste Senkung zwischen 11 und 1 Uhr Nachts, die maximale Er- hebung zwischen 7 und 9 Uhr Morgens gefunden. Auf den Gang der Tagesperiode influirt natürlich auch die speei- fische Empfindlichkeit der Blattorgane verschiedener Pflanzen und es istzuerwarten, dass, wenn die Receptionsbewegung schneller ausgeführt wird, auch maximale Tag- und Nachtstellung früher erreicht werden. Freilich kann sich hiermit die Schwingungszeit der Nachwirkungsbe- wegungen ändern und hierdurch die Tagesperiode etwas beeinflusst werden, welche ja überhaupt die Resultirende zahlreicher Componenten ist, die aber sämmtlich in solcher Beziehung zu den paratonischen Wirkungen stehen, dass die Zeitpunkte wo diese eintreffen in erster Linie bestimmend für die täglichen periodischen Bewegungen sind. _ Es lag durchaus nicht in meiner Absicht für verschiedene Pflanzen den speeifischen Gang der täglichen periodischen Bewegungen festzustellen, sowie dessen Abhängigkeit von bestimmten Umständen zu ermitteln und selbst die beiläufig gewonnenen Beobachtungen , oder die auf solche sich stützenden Vermuthungen will ich hier nicht anführen. Aufmerksam will ich nur noch darauf machen, dass bei langsamerer paratonischer Reactionsfähigkeit die graphische Darstellung der täglichen periodischen Bewegungen eine mehr gleichmässig steigende und fallende Curve geben muss, als im entgegengesetzten Falle, wo eben durch parato- nische Wirkung zunächst grössere Steilheit der Curve hervorgerufen wird. Die Blättehen von Acacia lophantha öffnen sich z. B. Morgens so weit, dass sie einen Winkel von 200 Grad und wohl noch mehr unter- einander bilden, gehen dann langsam auf 180 Grad zurück und ver- harren längere Zeit beinahe bewegungslos in ausgebreiteter Stellung, LEN 47 um sich gegen Abend zuerst langsam, dann schneller zu schliessen. Dass bei Aufenthalt im Dunklen Steigen und Fallen dieser Blättchen gleichmässiger vor sich geht, dürfte in letzter Instanz seine Begründung darin finden, dass den Nachwirkungsbewegungen keine paratonischen Wirkungen entgegen treten. 3. Nachwirkungsbewegungen der Tagesperiode. . Gestützt auf die von De Candolle bei continuirlicher Beleuch- tung mit Mimosa pudica erhaltenen Resultate und auf eigene, im Dunklen angestellte Versuche, glaubte Sachs!) eine Verkürzung der Zeitdauer der täglichen periodischen Bewegungen annehmen zu können. Wenn nun auch thatsächlich die Wendepunkte der Nachwirkungs- bewegungen nicht vollkommen unter sich und mit den täglichen perio- dischen Bewegungen übereinstimmen, so kommt doch sowohl Verspä- tung als Verfrühung, und hiermit Verlängerung und Verkürzung der Schwingungszeit vor, im Grossen und Ganzen aber wird das Tempo der Tagesperiode auch ohne den Einfluss des täglichen Beleuchtungs- wechsels fortgesetzt. Dem widersprechen auch die meisten mitge- theilten Versuche anderer Forscher nicht, sofern man gewissen mecha- nischen Verhältnissen Rechnung trägt und weiter beachtet, dass, wo autonomeBewegungen vorhanden sind, diese die täglichen periodischen Nachwirkungsbewegungen verdecken können. Bei vielen Blattorganen ist der des Abends vor sich gehenden Be- wegung eine Grenze dadurch gesteckt, dass eine Anpressung gegen- einander oder gegen Stengeltheile stattfindet. Die Blätter verharren dann längere oder kürzere Zeit in gezwungener Ruhelage, obgleich sie weitergehende Bewegung anstreben und diese auch ausführen, sobald das mechanische Hinderniss beseitigt ist. In diesem Falle tritt hier gleiches Verhalten ein, wie an anderen sich immer frei bewegenden Blattorganen, sehr bald oder sogleich nach Erreichung des Wende- punktes der Amplitude beginnt zunächst langsam die rückgängige Be- wegung. Trotz der gezwungenen Ruhe wickeln sich doch die die Bewe- gung verursachenden inneren Vorgänge in ähnlicher Weise ab, wie bei freier Schwingung des Blattes, was daraus hervorgeht, dass ein in der Tagstellung festgehaltenes Blatt, wenn es spät Abends frei gemacht wird, mit grosser Schnelligkeit die nächtliche Bewegung ausführt und umgekehrt schnell in die Tagstellung übergeht, wenn es Nachts fixirt 1) Flora 1563, p. 469. — Experimentalphysiologie 1865, p. 44. 48 und Morgens in Freiheit gesetzt wird. In beiden Fällen bewegten sich Endblättehen von Trifolium pratense innerhalb 1 bis 2 Minuten 180 Grad im Sinne der Nacht- resp. Tagstellung, wobei zu bemerken, dass der Bewegung, in Folge der Entfernung der Seitenblättchen, ein durch Anpressung verursachtes Hinderniss nicht entgegenstand. Dieser auf- fallende Erfolg ist begreiflicherweise bei nutirenden Blattorganen nicht zu erwarten, da nach Hinderung der Senkung oder Hebung das Wachs- thum der bei der angestrebten Bewegung concav werdenden Seite der Bewegungszone, in Folge der passiven Dehnung, gefördert wird. Die Blättehen von Acacia lophantha und Mimosa pudica sind be- kanntlich Tags horizontal ausgebreitet, in der Nachtstellung aber mit ihrer Oberseite aneinander gepresst und so gestellt, dass sie mit der Blattspindel einen nach vorn geöffneten spitzen Winkel bilden (Fig. 4a und b). Da die Anpressung des Gelenkes und des Vorderrandes der Lamina gegen den Blattstiel der freien Fortbewegung des Blattes, auch nach Entfernung des opponirten Blättchens, noch hinderlich im Fig. 4. Wege steht, so muss, um freies Spiel für ein Blättchen zu gewinnen, der Blattstiel dicht vor dem Gelenke weggeschnitten werden. Dieses ausgeführt bewegen sich die verticale Längsebene des sekundären ER en Be en Blattstieles hinaus, dass sie mit jener im günstigen Falle einen nach vorn geöff- neten Winkel von 70 Grad bilden !). Dieser Winkel verringert sich mit nachlassender Amplitude und zwar um so mehr, wenn der andere Wendepunkt der Bewegung dauernd in der horizontalen Ausbreitung der Blättchen am Tage gegeben ist. Damit ändert sich aber auch die Dauer der Aneinanderpressung der Blättchen, welche ja der Zeitdauer des Hin- und Herganges über die verticale Längsebene des Blattstieles hinaus entspricht und so wird der Zeitpunkt der Aneinanderpressung der Blättchen verspätet, der der beginnenden Oeffnung verfrüht, wenn auch die Schwingungszeit durchaus dieselbe bleibt. Wenn, wie es im Dunklen und bei continuirlicher Beleuchtung der Fall ist, eine Ver- ringerung der Amplitude herbeigeführt wird, kann in jedem Falle nur der Wendepunkt der Bewegung, nicht die Zeit des Schliessens und Oeffnens der Blättehen beim Vergleich der an verschiedenen Tagen an- gestellten Beobachtungen benutzt werden. Dieser Wendepunkt wird 1) Aehnliches Verhalten ergibt sich bei den Reizbewegungen der Blättehen von Mimosa pudica. des Abends die Blättehen so weit über _ 49 _ annähernd in der Mitte zwischen der Zeit der eben vollendeten Schlies- sung und dem Wiederbeginn der Oeffnung liegen, da, wie auch eine Beobachtung an Chenopodium album ergab, ein Blatt zu der von einem bestimmten Punkt ab gerechneten Schliessungsbewegung ungefähr ebensoviel Zeit, als zu der gleich grossen rückgängigen Bewegung gebraucht. Für die Blättehen von Acaeia und Mimosa ist weiter noch zu be- achten, dass die Gleichgewichtslage, um welche die Schwingungen der Blättchen vor sich gehen, sich mit dem Alter dieser ändert, so zwar, dass sich die Ruhelage mit dem Alter der horizontalen Ausbreitung der Blättehen nähert, während dieselbe an jungen Blättchen vielleicht selbst der Nachtstellung gleichkommt, wenigstens habe ich junge dunkelstarr gewordene Blättchen zuweilen in dieser Lage gefunden. Hierbei ist freilich zu beachten, dass die Gleichgewichtslage der Blättchen im Fin- stern wohl bestimmt eine etwas andere, als in eontinuirlichem Lichte ist. Der Einfluss, welchen die variable Gleichgewichtslage auf die Zeit des Oeffnens und Schliessens der Blättehen haben kann, ist so leicht zu durchschauen, dass ich nicht weiter darauf hinzuweisen brauche. Nach den vorausgegangenen Erörterungen wenden wir uns zu- nächst den von mir angestellten Beobachtungen zu. Auf Taf. II ist ein Versuch mit Acacia lophantha dargestellt und zwar gilt die untere Curve einem jüngeren, die obere einem älteren Blatt derselben Pflanze. Am 7. Juni 1874 wurde die Pflanze Abends 9 Uhr in den Verdunklungs- apparat gebracht, so dass also nur der stärker ausgezogene Theil der beiden Curven Beobachtungen entspricht, welche an der unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswechsels stehenden Pflanze ge- wonnen wurden, der ganze übrige Theil der Curven aber den Fortgang der Bewegungen bei völligem Lichtabschluss darstellt. Die Beobachtung geschah an je 3 bestimmten Blattpaaren desselben Fiederstrahles, in- dem die Neigung der Blättehen gegeneinander in der Weise bestimmt wurde, dass zwischen sie Dreiecke von bekannter Winkelgrösse gehal- ten und wenn die drei Blattpaare ungleich geöffnet waren, das Mittel aus den Ablesungen genommen wurde. In der Reihe der hierzu be- nutzten, aus steifem Papier verfertigten Dreiecke differirte jedes fol- gende um 10 Grad von dem vorhergehenden. Die Ablesungsfehler werden 5 Grad kaum überschritten haben, was für unsere Zwecke nicht ins Gewicht fällt und auch in der graphischen Darstellung sich nicht auffallend geltend machen kann, da die Seite eines Quadrates einer Annäherung der Blättehen um 4 Grad entspricht. Unter Berücksichtigung der obigen Auseinandersetzung bezüglich Pfeffer, Blattorgane, 4 0 der Lage der Wendepunkte der Bewegung, ergibt die obere Curve für die im Finstern vor sich gegangenen Bewegungen (8. bis 11. Juni) Maxima um 9'/,, 9, 11'/, und 6 Uhr Morgens, Minima um 9, 11!/, und _ 7, Uhr Abends: für die untere Curve fallen die Maxima auf 8,9 und 8!/, Uhr Morgens und die Minima auf 11'/,, 91/; und 7!/, Uhr Abends. Mit Rücksicht auf die Maxima entspricht die erste im Dunklen ausge- führte Doppelamplitude der durch die obere Curve repräsentirten Blätt- chen einer Zeitdauer von 24 Stunden, während der zweite Hin- und Hergang etwas mehr, der letzte Hin- und Hergang aber weniger Zeit (18!/, Stunde) in Anspruch nimmt. Die Maxima der unteren Curve lie- gen ziemlich genau 24 Stunden auseinander. Hinsichtlich der Minima ergibt die obere Curve eine erste Doppelamplitude von etwas mehr und eine zweite von weniger als 24 Stunden, während ein jeder Hin- und Hergang des jüngeren Blattes (untere Curve) keinen vollen Tag beträgt. Diese Versuche zeigen uns, dass sowohl Verlängerung als Verkürzung der Schwingungszeit vorkommt, doch möchte ich aus denselben nicht den Schluss gezogen wissen, dass bei verlängerter Verdunklung die Zeitdauer der Nachwirkungsbewegungen abgekürzt wird, da ein an- derer Versuch mit Acacia lophantha eher auf das Gegentheil hinwies. Die im Finstern vor sich gehenden Bewegungen werden durch die Nach- wirkungsbewegungen, die sich allmälig vermindernde Bewegungs- fähigkeit und wohl noch andere Faktoren bestimmt und können dem- gemäss wohl auch mit Variation der Componenten, selbst für Blätter derselben Pflanze, verschieden sein, wie es ja der auf Taf. II verzeich- nete Versuch faktisch zeigt. Als Componente spielt möglicherweise auch das Alter der Blätter eine Rolle, jedenfalls aber fällt auf die hier- mit zusammenhängende, der Nachtstellung genäherte Gleichgewichts- lage, die längere Schliessungsdauer der jüngeren Blättehen (Curve 2). Bei den Versuchen in continuirlicher Beleuchtung hatte ich nicht die Absicht die Schwingungszeit der Nachwirkungsbewegungen genau festzustellen, doch kann ich mit Bestimmtheit aus meinen Notizen ent- nehmen, dass die Blätter von Acacia lophantha und Impatiens noli tan- gere, während ihre Amplitude abnimmt, eine merkliche Beschleunigung der täglichen Bewegungen nicht erfahren (Siehe p. 34). Wir haben soeben die Nachwirkungsbewegungen nur unter sich, nicht aber diese mit dem unter Einfluss des täglichen Beleuchtungs- wechsels vor sich gehenden Bewegungen verglichen. Stellt man beide gegenüber, so darf nicht vergessen werden, dass in dem einen Falle Morgens und Abends eine durch Helligkeitswechsel hervorgerufene paratonische Wirkung die angestrebten Bewegungen beschleunigt. ET DE 51 Deshalb lässt sich aber noch nicht mit Sicherheit behaupten, dass die unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswechsels ausgeführten periodischen Bewegungen, gegenüber den Nachwirkungsbewegungen des folgenden Tages, verfrühte Wendepunkte zeigen müssen, da hier verwickeltere Verhältnisse im Spiel sein können. Eine derartige Ver- frühung zeigt Acacia lophantha in dem auf Taf. II dargestellten Ver- suche bezüglich der Schliessung nicht und auch bei den Blättern von Nicotiana rustica, Chenopodium album und Impatiens noli tangere fielen die Wendepunkte der am Tageswechsel vollzogenen Amplitude und der Nachwirkungsbewegung des folgenden Tages auf ungefähr dieselben Stunden, sowohl am Morgen, als auch am Abend. Dagegen ergab ein Endblatt von Hedysarum gyrans eine Verspätung der Nach- wirkungsbewegungen; am Tageswechsel gehalten war das Blatt von 7!/, bis 10 Uhr Abends, im Dunklen am folgenden Tage von 11!/, bis 121/, Abends dem Stengel angepresst und ähnlich war auch die maxi- male Hebung am folgenden Tage verspätet. Die Tageperiode nutirender Laubblätter wird, wie schon oben be- merkt, im Dunklen gleichfalls in ungetähr demselben Tempo wie unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswechsels fortgesetzt. So voll- kommen wie in dem auf Taf. I A dargestellten Versuche mit Nicotiana rustica ist allerdings auch hier die Uebereinstimmung nicht immer, viel- mehr weisen Beobachtungen an Chenopodium album und Impatiens noli tangere auf ähnliche Unregelmässigkeiten hin, wie sie vorhin für Acacia lophantha verzeichnet wurden. Auch die Blüthen setzen ihre täglichen periodischen Bewegungen im Dunklen in gleicher Weise wie die Laubblätter fort und ergaben wie diese speeifische Verschieden- heiten bezüglich der Nachwirkungsamplitude. Ansehnlich ist diese an ' den Blüthen von Oxalis rosea und Tolpis barbata, minder ausgiebig bei Leontodon hastilis und Calendula offieinalis und auf ein sehr geringes Maass reducirt an den Strahlenblüthen von Bellis perennis. Gestützt auf die Blüthen dieser Pflanze hielt ich früher eine im Dunklen fort- dauernde Bewegung für unwahrscheinlich und glaubte die thatsächlich beobachteten Bewegungen auf unvollkommenen Lichtabschluss schieben zu können !), ein Irrthum, welchen Versuche bei möglichst vollkom- mener Verdunklung sofort ergaben. Für meine Zwecke reichte es vollkommen aus festzustellen, dass die täglichen periodischen Bewegungen und ihre Nachwirkungsbewe- gungen in wesentlich demselben Tempo vor sich gehen, ein genauer 1) Siehe meine Physiol. Untersuchungen p- 204. 4* 52 Verfolg des Ganges beider lag ganz ausser meiner Absicht. Deshalb konnte ich aber auch auf eine sehr genaue Feststellung der Wende- punkte der Bewegungen verzichten und Beobachtungen in zwei- oder dreistündigen, ja eventuell vierstündigen Intervallen waren in den meisten Fällen ausreichend !). Die unnütze Vermehrung nächtlicher Beobachtungen hatte ich um so mehr Grund zu vermeiden, als ich ohne- hin schon durch die dieser Arbeit zu Grunde liegenden Untersuchungen gezwungen war, wochenlang auf ungestörte Nachtruhe zu verzichten. Die bisher behandelten Blattorgane haben, wenn überhaupt, so. geringe autonome Bewegungen, dass deren sichere Erkennung nicht selingt, mit Ausnahme des Endblattes von Hedysarum gyrans. An diesem ist die Amplitude der spontanen Bewegungen in allen Fällen ziemlich mässig, ja an manchen Blättern beträgt sie nur 6 bis 8 Grad bei einer Schwingungszeit von 10 bis 30 Secunden (Temperatur 22 bis 25 C.). Besonders in diesem Falle ist die Fortdauer der Tagesperiode im Dunklen ebenso gut, als bei Acacia zu erkennen und sehr schlagend tritt uns hierbei die Unabhängigkeit der täglichen periodischen und der neben diesen fortdauernden spontanen Bewegungen entgegen. Wo aber die Amplitude dieser sehr ansehnlich ist, wie bei Trifolium pratense und Oxalis Acetosella, da vermögen die autonomen Bewegungen die Nach- wirkungsbewegungen vollkommen zu verdecken. So wurde für End- blättehen von Trifolium pratense in verschiedenen Versuchen die Am- plitude der autonomen Bewegungen bei einer Zeitdauer von 1!/, bis 4 Stunden zwischen 40 und 150 Grad gefunden, ist also. im günstigen Falle wohl ebenso gross als die Nachwirkungsbewegung am ersten Tage der Verdunklung, indem die tägliche Periode etwa 200 Grad be- trägt. So wie eine geringere paratonische Wirkung die mit gewisser Kraft angestrebten spontanen Bewegungen nicht aufzuhalten, wenn auch in geringerem oder höherem Maasse zu modificiren vermag, 80 werden auch die Nachwirkungsbewegungen auf die autonomen Bewe- gungen bis zu einem gewissen Grade influiren und deshalb würde man bei sehr sorgfältigen Beobachtungen doch wohl im Stande sein, die 1) Um den Gang dieser Bewegungen genau festzustellen würde man jedenfalls wohl thun zu selbstregistrirenden Apparaten zu greifen. Diese könnten nach dem Prineip des von Savart und Duhamel angewandten Phonautographen aus einem durch Uhrwerk in Bewegung gesetzten und durch Schraube sich fortbewegenden Cylinder bestehen (Vergl. Wüllner, Physik II. Aufl., Bd. I, p. 518) oder man könnte einen, etwa durch Aufwickeln auf einen Cylinder sich fortbewegenden Papierstreifen benutzen, um Hebungen und Senkungen der Blätter in geeigneter Weise auf berusstes Papier schreiben zu lassen. Sn 99 Nachwirkung der Tagesperiode, wenigstens am ersten Tage nach der Verdunklung, herauszulesen. Auch Trifolium incarnatum, welches ich übrigens nur beiläufig untersuchte, führt autonome Bewegungen von ansehnlicher Amplitude und mässiger Zeitdauer aus. Diese spontanen Bewegungen, welche ja ganz unabhängig von der Tagesperiode vor sich gehen, sind es offen- bar, welche das von Sachs') an im Dunklen befindlichen Pflanzen dieser Art in kürzeren Intervallen beobachtete Oeffnen und Schliessen der Blättchen bewirkten. Ebenso sind es autonome Bewegungen, welehe die von dem eben genannten Autor gemuthmasste doppelte Tagesperiode der Blättchen von Oxalis Acetosella herbeiführten, deren autonome Bewegungen ich zu 20 bis 70 Grad bei einer Schwingungs- zeit von 3/, bis 2 Stunden fand und die auch hier die Nachwirkung der täglichen periodischen Bewegungen verdeeken können. Wenn an die- sen Pflanzen Beobachtungen nur in grossen Intervallen gemacht wer- den, so würden die Blättchen zutällig jedesmal in solcher Stellung ge- troffen werden können, dass ein derTagesperiode entsprechender Gang herauskäme, obgleich thatsächlich dieser nicht zu erkennen ist und die Blättehen fortwährend in kürzerem Tempo hin- und hergehende Bewe- gungen ausführen. Die Verwechslung der autonomen Bewegungen und der Nachwir- kungsbewegungen der Tagesperiode ist, wie wir soeben kennen lern- ten, einer der Gründe, welcher einer Beschleunigung der täglichen periodischen Bewegungen das Wort redeten. Auf eine solche Beschleu- nigung weisen auch die von Sachs?) mit Acaecia lophantha angestellten Versuche nieht hin, wenn man die früheren Auseinandersetzungen im Auge behält und namentlich beachtet, dass der Zeitpunkt der Anein- anderpressung der Blättchen sich ändern kann, auch wenn die Zeitdauer der Amplitude durchaus dieselbe bleibt. Eben dieses ist für Mimosa pudiea im Auge zu behalten, mit der ich selbst keine Experi- mente anstellte. Die von Sachs ?) mitgetheilten Beobachtungen lassen eine Beschleunigung der Tagesperiode für ältere Blätter kaum erkennen, doch muss ich für diese, wie auch für jüngere Blätter, mit einem Ur- theil zurückhalten, da ich keine eigenen Erfahrungen habe, und es mir unbekannt ist, ob hier autonome Bewegungen oder auch andere Ver- hältnisse im Spiele sind. Die von Millardet®) und Bert’) aufge- 1) Flora 1863, p. 497. Experimentalphysiol. p. 494. 2) Flora 1863, p. 487. — Experimentalphysiol. p. 497. 3) Flora 1863, p. 483. — Experimentalphysiol. p. 45. 4) Nouvell. recherches ete. p. 64 ff. 5) M&m. d. l!’ Acad. d. Bordeaux 1870, Bd. VIII, p. 15 des Separatabzuges. führten Versuche geben keine Veranlassung, auf eine Beschleunigung der Tagesperiode der Blättehen im Dunklen zu schliessen. Millardet’s Beobachtung, dass die tiefste Senkung des primären Blattstieles im Finstern verfrüht oder verspätet eintritt, müssen wir hier übergehen, da in diesem Falle, wie wir noch hören werden, besondere Verwick- lungen im Spiele sind. Zum guten Theil fusst die Annahme einer Beschleunigung der täg- lichen periodischen Bewegungen bei Ausschluss des täglichen Beleuch- tungswechsels auf der von De Candolle gemachten Angabe, dass bei continuirlicher künstlicher Beleuchtung von Mimosa pudiea die Zeitdauer der Amplituden sehr ansehnlich verkürzt werde. Wenn ich nun auch selbst keine controlirenden Versuche ausführte, so zeigen doch die Ex- perimente Bert’s, dass eine solche Beschleunigung, wie sie De Can- dolle angibt, jedenfalls nicht zutrifft, wenn auch aus diesen Mitthei- lungen, welche ohnehin mehr beiläufig auf die Bewegung derBlättehen gerichtet sind, eine genauere Lage der Wendepunkte der Bewegung nicht zu ermitteln ist, schon weil die Beobachtungen öfters in zu grossen Intervallen geschahen. Beachtet man einfach die in folgender Tabelle zusammengestellten Schliessungs- und Oeffnungszeiten, welche Bert zunächst unter dem Einfluss des Tageswechsels und dann bei eontinuir- licher Beleuchtung beobachtete, so würde man höchstens auf eine ge-. wisse Verfrühung der Schliessung und Verspätung der vollendeten Öeffnung schliessen können. Hieraus geht aber, abgesehen davon, dass diese Zeiten selbst nur ungenau ermittelt sind, noch keineswegs her- vor, dass die Wendepunkte der Bewegungen thatsächlich verlegt wurden. Tabelle X. Bewegung der Blättchen von Mimosa pudica nach Bert. (L. e., 1870, p. 14#f.) Schliessungszeit am Abend | Oeffnungszeit am Morgen Im Tageswechsel : 2. Juli 7 U. 40’ Nachm. | 3. » 8 U. 40’ » | 8 U. 25’ Vorm. 0 1°U..55° » | 1 WERD, » 3, » Ss U. » | 6 U. 30’ » 6. » HU: » In continuirlichem Licht: or) 7 U. 45’ Nachm. 6 U. 45’ Vorm. 8. » | 9T. 45 » | 9417°30% » 91:9 9 U. 40 » TU, » 10. » (8 U. 10’ — 12 D:93) 6 U.45’ » I) 6 U. 45’ » 9U. 45 » 12 » 11:90:49? » 55 Die an manchenBlattorganen, wie an Blüthen von Bellis perennis, auffallend geringe Nachwirkung der täglichen periodischen Bewegun- gen, konnte, so lange nicht ganz besondere Sorgfalt auf vollkommene Verdunklung verwandt wurde, Zweifel aufkommen lassen, ob nicht die im Dunklen fortdauernde Tagesperiode wesentlich durch einen, wenn auch nur sehr geringen Helligkeitswechsel bedingt sei. Alle Zweifel beseitigten aber meine im Sommer 1873 bei einer möglichst vollkom- menen Verdunklung angestellten Versuche. Die Pflanzen wurden hier- bei unter 2 oder selbst 3 übereinandergreifende, in schwarzen Sand eingedrückte dunkle Pappreeipienten gestellt und diese Zusammen- stellung in einen dunklen Schrank gebracht, der sich selbst wieder in einem ziemlich verdunkelten Zimmer befand. War auch ein geringer Liehtzutritt während der kurzen Ablesungszeit nicht zu vermeiden, so konnte doch dieser unmöglich die Ursache der fortdauernden Tages- periode sein, welche thatsächlich auch durch sehr geringe Helligkeits- schwankungen in keiner merklichen Weise beeinflusst wird. Der Gedanke, dass die Nachwirkung der Tagesperiode durch nicht ganz vollkommenen Lichtabschluss bedingt sein könne, wird aber voll- kommen dadurch unhaltbar, dass diese Nachwirkungen auch dann in gleichem Rhythmus fortdauerten, wenn mit Hülfe künstlicher Beleuch- tung die Tagesperiode umgekehrt war, die Blätter sich also Nachts in Tagstellung und am Tage in Nachtstellung befanden. Einen derartigen Versuch stellte ich mit Acacia lophantha an, welche-während 5 Tagen (3. bis 8. August 1873) von 7 Uhr Abends bis 9 Uhr Morgens erleuchtet, die übrige Zeit, also 10 Stunden dunkel gehalten wurde. Unter diesen Verhältnissen kamen die Blättehen zwischen 10 und 11 Uhr Morgens zu vollkommener Schliessung, waren bis 3 oder 5 Uhr Nachmittags ge- schlossen, begannen nun eine langsame Oeffnungsbewegung, welche durch die um 7 Uhr Abends begonnene künstliche Beleuchtung be- schleunigt wurde und zwischen 8 und 9 Uhr Abends vollendet war. Als dann die Pflanze Abends nicht mehr erleuchtet wurde, sondern weiterhin im Dunklen blieb, wurden die Bewegungen in den folgenden Tagen in gleichem Rhythmus wie zuvor fortgesetzt, d. h. die Wende- punkte der Amplituden fielen nach, wie vor der dauernden Verdunklung auf ungefähr gleiche Zeiten, nämlich für die Schliessungsbewegung zwischen 1 und 3 Uhr Nachmittags, für die Oeffnungsbewegung zwi- schen 8 und 11 Uhr Abends. Nachdem vollkommen sicher gestellt ist, dass die täglichen perio- dischen Bewegungen der Blattorgane, welche selbst erst durch Beleuch- tungswechsel inducirt werden, nach Aufhebung dieses noch einige Zeit u 56 ; mit nachlassender Amplitude fortgesetzt werden, kann man nicht daran zweifeln, dass bei Wachsthum und Gewebespannung, die ja in so inni- ger Beziehung zu den Bewegungen der Blattorgane stehen, ähnliche Verhältnisse obwalten. Für das Längenwachsthum des Stengels, wel- ches im Dunklen schneller als am Licht fortschreitet, hat Sachs !) eine dem täglichen Beleuchtungswechsel entsprechende Periodieität sorg- fältigst festgestellt und auch eine Fortdauer dieser im Dunklen gefun- den, welche unser Autor freilich auf unvollkommenen Lichtabschluss zu schieben geneigt ist, die man aber nach unseren Erfahrungen nicht anstehen wird, als eine Nachwirkung der Tagesperiode anzu- sprechen. In wie weit diese Nachwirkungsbewegungen mit der Zeit- dauer der täglichen periodischen Bewegungen übereinstimmen, kann aus dem Verhalten etiolirter Pflanzen nicht wohl erschlossen werden und auf Grund der beiden von Sachs?) mitgetheilten Versuche mit zuvor am Tageswechsel gehaltenen und dann verdunkelten Pflanzen, wage ich nicht ein Urtheil zu fällen. Für die Gewebespannung ist von Kraus) und von Millardet!) ein täglicher periodischer Gang nach- gewiesen und unter Berücksichtigung der paratonischen Wirkung des Lichtes auf jene 5), sowie des genetischen Zusammenhanges zwischen Aenderung der Gewebespannung und den periodischen Bewegungen der Blattorgane, kann man mit Gewissheit auch die Tagesperiode der Gewebespannung in Achsenorganen als durch den Tageswechsel aus- schliesslich bedingt ansehen und ferner mit Sicherheit voraussagen, dass eine Nachwirkung der täglichen Periode stattfindet. Auch die tägliche Periodieität des Saftausflusses ist bereits von Baranetzky®) als ein durch Liehtwechsel hervorgerufener Vorgang und die Fortdauer der Periodieität im Dunklen als eine Nachwirkung angesprochen worden. Ueber die Berechtigung dieser Auffassung kann um so weniger Zweifel sein, als dieselben inneren Vorgänge, welche die periodische Aenderung von Expansion, resp. Wachsthum der Gewebe verursachen, offenbar in inniger, wenn auch vielleicht verwickelter Bezie- hung zu den bedingenden Ursachen des periodischen Saftausflussesstehen. Für die im Dunklen allmälig nachlassende Periodieität des Saftausflusses fand Baranetzky, abgesehen von gewissen Unregelmässigkeiten zu Beginn des Versuches, keine Verlegung der Maxima und Minima. 1) Arbeiten d. bot. Instituts in Würzburg, Heft II, p. 99 ff. 2) 1. C4, 9.160: 3) Botan. Zeitung 1867, p. 121ff. und in Millardet’s Abhandlung p. 58. 4) Nouvell. recherches ete. 1869, p. 17 ff. 5) Kraus, Botan. Zeitung 1867, p. 125. 5) Untersuchungen über die Periodieität des Blutens 1873, p. 37 ff. -s 57 4. Beziehung zwischen Beleuchtungszeit und paratonischer Reactionsfähigkeit. Ohne Kenntniss der Entstehung der Tagesperiode lag es nahe an- zunehmen, dass ein auf paratonische Wirkung mit beschleunigtem Wachsthum anwortender Zustand erst nach einiger Zeit wieder rege- nerirt werde und eben hierin die Ursache für die ausgiebige Wirkung der Verdunklung am Abend und der Erhellung am Morgen liege !), die, wie wir nunmehr kennen gelernt, in dem Zusammenwirken von Nach- wirkungsbewegung und paratonischem Einfluss ihre Erklärung findet. Dass in der That die Ausgiebigkeit paratonischer Wirkung nicht durch längere Ruhezeit bedingt ist, zeigt sehr schlagend Siegesbekia flexuosa, welche bei eontinuirlicher Beleuchtung ihrer periodischen Bewegung beraubt, auf Verdunklung nicht merklich stärker reagirte, als etwa eine am Tageswechsel gehaltene und in den Mittagsstunden verdunkelte Pilanze (siehe p. 41). Wenn nun auch oben gezeigt wurde, dass länger fortgesetzte Be- leuehtung die durch speecifische Empfindlichkeit und die Grösse des Helligkeitswechsels bedingte Wirkung der Verdunklung nicht vermehrt, so ist doch ohne weiteres klar, dass dieses nicht gilt, sofern es sich um kurze Beleuchtungszeit zuvor im Dunklen gehaltener, aber natürlich im Phototonus befindlicher Objekte handelt. Besonders für die Gelenke ist einleuchtend, dass für bestimmte Helligkeitsabnahmen die grösste Amplitude einer Receptionsbewegung erst erreicht wird, nachdem die Expansionsintensität der antagonistischen Gewebe auf das dem Hellig- keitsgrade entsprechende Maass zurückgegangen ist, da ja die parato- nische Bewegung durch ungleich schnelle Zunahme der Ausdehnungs- kraft in den Gelenkhälften bedingt ist und die bei Verdunklung sich stärkst expandirende Hälfte, bei Erhellung am schnellsten von ihrer Expansionskraft verliert. Es ist auch leicht festzustellen, dass z. B. die Blättehen von Acacia lophantha nach kurzer, etwa 10 Minuten fort- . gesetzter Beleuchtung nur sehr wenig, nach halbstündiger gleichartiger Beleuchtung aber schon recht ansehnlich auf Verdunklung reagiren. Auch die nutirenden Blätter ergeben ein gleiches Verhalten, das hier von besonderem Interesse ist. In einem Versuche mit Impatiens noli tangere wurden vier Pflan- zen Abends dunkel gestellt, um Morgens S!/, Uhr kurze Zeit beleuchtet und dann wieder verdunkelt zu werden, wobei an jeder Pflanze zwei 1) Siehe meine Physiolog. Untersuchungen 1873, p. 195 und 205. 98 Blätter beobachtet wurden. Nach einer 5 Minuten lang fortgesetzten Beleuchtung an sehr hellem Tageslicht hatten sich die fraglichen Blät- ter zweier Pflanzen nur um 1 bis 2 Grad erhoben, senkten sich nun aber in Folge von Verdunklung um 6 bis 9 Grad. Die Blätter der bei- den anderen Pflanzen wurden in gleicher Weise während. 15 Minuten beleuchtet, wobei Hebung um 4 bis $ Grad und nach Verdunklung Sen- kung um 25 bis 37 Grad stattfand. Dass hier keine individuellen Eigenthümlichkeiten im Spiele waren, ergab der am anderen Tage nach Vertauschung der Pflanzen in gleicher Weise wiederholte Versuch. Für Gelenke könnte die bei Beleuchtung nur allmälige Abnahme der Expansionskraft ausreichend erscheinen, um die ungleich starke Reaction nach verschieden langer Beleuchtung zu erklären, bei Impa- tiens aber ging während der kurzen Beleuchtungszeit, wie auch die geringe Hebung der Blätter ergibt, keine nennenswerthe Längenände- rung in der Bewegungszone vor sich und doch folgt auf Verdunklung ein stossweises Wachsthum der Oberseite, welches bei einer Senkung von 25 bis 37 Grad durch mikrometrische Messung wohl zu 3 bis 4 Pro- cent für die sich am stärksten krümmende Partie gefunden worden wäre. Hier ist es also klar, dass Beleuchtung schnell irgend welche Veränderungen hervorruft, welche die Bewegungszone befähigen, in Folge der Verdunklung das beschleunigte, stossweise Wachsthum aus- zuführen. Dass übrigens etwas Analoges in den Gelenken vorkommt, d.h. dass durch Verdunklung die Ansdehnungskraft der Schwellgewebe vorübergehend über das im Dunklen zuvor bestandene Maass getrieben wird, soll später gezeigt werden. Nach einer gewisse Zeit fortgesetzten Beleuchtung nimmt weiter- hin die durch Verdunklung hervorrufbare Bewegung nicht mehr zu, wie der schon mitgetheilte Versuch mit Siegesbekia und entsprechende Experimente mit Impatiens noli tangere ergeben, doch ist es unbe- kannt nach welcher Zeit ein soleher Gleichgewichtszustand erreicht ist. Dieses dürfte aber wohl ziemlich schnell der Fall sein, da die beiden eben genannten Pflanzen, wenn sie dem täglichen Beleuchtungswechsel . ausgesetzt sind, bereits Morgens 8 Uhr ihre Blätter anscheinend eben- soweit auf Verdunklung senken, als nach mehrtägiger continuirlicher Beleuchtung. Ob freilich im ersteren Falle weitere Beleuchtung durch- aus keinen Einfluss auf den Gang der hervorrufbaren Receptionsbewe- gungen ausübt, muss ich doch dahin gestellt sein lassen, da z.B. Versuche mit Acacia lophantha zeigten, dass: die dem täglichen Be- leuchtungswechsel ausgesetzten Pflanzen durch Verdunklung in den Morgenstunden Receptionsbewegungen von siebenstündiger Dauer aus- 59 führten, während die entsprechende Schwingungszeit bei in continuir- lichem Lieht gehaltenen Blättern 13 bis 18 Stunden betrug, obgleich in beiden Fällen die paratonisch wirkende Helligkeitsabnahme jedenfalls nicht sehr verschieden war. Bei Herstellung des paratonisch reactionsfähigen Zustandes kann aber doch, unabhängig von Beleuchtung, eine gewisse Ruhezeit mass- gebend sein. Dieses tritt deutlich an den Blüthen von Crocus hervor, welche auf Temperaturschwankungen sehr ansehnliche Bewegungen ausführen, die bei schnell aufeinanderfolgender Wiederholung schwä- cher, dann nach längerer Pause aber wieder ansehnlicher werden, auch wenn die Blüthen fortwährend verdunkelt sind !. Eine analoge Ur- sache dürfte dem Verhalten der Blätter von Impatiens noli tangere zu Grunde liegen, welche Nachts dunkel gehalten, nach kurzer Beleuch- tung am Morgen und darauf folgender Lichtentziehung eine ansehn- lichere Senkung ausführten, als später, wenn sie nach andauernder zweistündiger Verdunklung wieder eine gleiche Zeit wie zuvor. und mindestens ebenso stark erleuchtet wurden. Wie sich in dieser Bezie- hung Gelenke verhalten, habe ich versäumt festzustellen, doch kann eine entsprechende Kenntniss vielleicht von Interesse sein. Denn da die Bewegungen in den Gelenken ohne Wachsthum, in der Bewegungs- zone nutirender Blätter aber mit Wachsthum ausgeführt werden, so kann eventuell beurtheilt werden, ob die in der Ruhezeit sich ab- wickelnden Vorgänge specielle Beziehung zum Wachsthum, resp. zu den mit diesem in Verbindung stehenden Vorgängen haben. Wie dem nun auch sei, so ist doch jedenfalls zu beachten, dass (wenn ich so sagen darf) nach der durch Receptionsbewegungen herbeigeführten Er- schlaffung, zur Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht nur Beleuchtung, sondern auch unabhängig von dieser sich im Organismus abwickelnde Vorgänge eine Rolle spielen könnten. 5. Intensive und einseitige Beleuchtung. Bisher haben wir nur erfahren, dass bei zunehmender Helligkeit jede allseitige Steigerung der Beleuchtung in demselben Sinne auf die "Blattbewegungen influirt. Nicht so ist es bei Oxalis Acetosella deren gedreite, am Tage horizontal ausgebreiteten Blättehen im directen Sonnenlicht in eine der Nachtstellung habituell gleichende Lage über- gehen, d.h. sich dem Blattstiel anlegen, während in diffusem Licht 1) Siehe meine Physiol. Untersuchungen, p. 182. 60 Helligkeitszunahme Hebung der Blättehen bewirkt. Cohn, welcher die Senkung der Blättehen im Sonnenlicht auffand, stellte auch schon fest, dass die Sonnenstrahlen hier nicht durch Erwärmung wirksam sind, was von Batalin und mir bestätigt wurde !)\. Batalin iden- tifieirte die durch Sonnenlicht und durch Verdunklung hervorgerufene gesenkte Lage der Blättchen, während beide, wie von mir gezeigt wurde, wesentlich verschieden sind, da die Biegungsfestigkeit der Ge- lenke im intensiven Lichte abnimmt, im Dunklen aber zunimmt. Im Uebrigen musste ich (a. a. OÖ.) mich auf Vermuthungen beschränken, weil mir namentlich auch unbekannt war, ob die Erschlaffung in den Gelenken der thatsächlich im Sonnenlicht gesenkt bleibenden Blättehen constant oder nur vorübergehend vermindert ist. Eine nähere Untersuchung ergab, dass die Biegungsfestigkeit der Gelenke in constantem intensivem Licht sich auf gleichem verringertem Maasse hält. Die nach der Brücke’schen Methode, bei aufrechter und abwärts gerichteter Stellung gemessene Winkeldifferenz, wurde z.B. in einem Versuche in hellem diffusem Licht um 8!/, Uhr Morgens zu 5 Grad festgestellt, im Sonnenlicht sank dieselbe bis 8 Uhr 20 Minuten auf 10 Grad und wurde nun bei verschiedenen bis 11 Uhr Morgens vor- genommenen Bestimmungen zwischen 9 und 11 Grad gefunden, wäh- rend diese Winkeldifferenz wieder innerhalb >/, Stunden auf 5 bis 6 Grad zurückging, als die Pflanze in diffuses Licht zurückgebracht wor- den war. Während der intensiven Beleuchtung wurden die Blättehen nur von Sonnenstrahlen getroffen, welche eine in einem parallelwan- digen Gefässe befindliche Wassermasse passirt hatten; dabei schien die Sonne durchaus ungetrübt in der Beobachtungszeit. Zu ähnlichem Re- sultate führten auch drei weitere Experimente, welche im Allgemeinen die fragliche Winkeldifferenz in der Sonne 1/5 bis 3mal so gross als in diffusem Licht ergaben. Aus diesen Versuchen folgt aber, dass Sen- kung der Blättehen in der Sonne nicht allein Folge einer Reizung sein kann, da ja solche nur vorübergehende Senkung herbeiführen würde, und weiter, dass die Relation der Expansionskraft in den Gelenkhälften bei sehr intensivem Licht dauernd geändert, an gesammter Intensität aber weit geringer ist, als bei der Nachtstellung der Blättchen. Es ist schon erwähnt, dass unterhalb einer gewissen Lichtinten- sität jede Helligkeitssteigerung eine Hebung der Blättchen bewirkt, auf die dann, wie bei anderen Receptionsbewegungen, eine rückgängige 1) -Vergl. meine Physiol. Untersuchungen p. :6, woselbst auch die Literatur angegeben ist. 61 Bewegung folgt. So führten die in Tagstellung befindlichen Blättchen einer an stark diffusem Licht gehaltenen Pflanze paratonische Hebungen von 10 bis 50 Grad aus, als sie in ein durch zwei Lagen Schreibpapier gedämpftes Sonnenlicht kamen und auch dann erfolgte wieder eine Hebung, als nach einer Stunde eine Lage Schreibpapier entfernt wurde. Dagegen senkten sich die Blättchen um 30 bis 50 Grad als an die Stelle des Schreibpapiers zwei aufeinanderliegende Blätter Paus- papier gebracht wurden und die in grösseren Intervallen vorgenommene successive Entfernung dieser Papierlagen hat jedesmal eine weitere Senkung zur Folge. Da hierbei, wie die nach Brücke’scher Methode angestellten Versuche ergaben, die Biegungsfestigkeit der Gelenke bei jeder weiteren Erhellung abnimmt, so ist klar, dass die Senkung der Blättehen nicht dadurch bedingt sein kann, dass die Expansionsinten- sität nach Ueberschreitung eines gewissen Helligkeitsgrades in einer oder in beiden Gelenkhälften wieder zunimmt. Denn in diesem Falle hätte die Steifheit der Gelenke von der ersten Senkung der Blättchen ab wieder wachsen, oder wenigstens constant bleiben müssen, wenn die untere Hälfte gleichzeitig so viel an Expansionskraft verloren, als die obere daran gewonnen hätte. Auch beruht die durch intensives Licht hervorgerufene Senkung der Blättchen nicht auf der relativ stär- keren Insolation der Oberseite des Gelenkes, da gleiches Resultat er- zielt wird, wenn die Unterseite der Blättchen durch entsprechend reflec- tirtes Sonnenlicht beleuchtet wird. Beachtet man, dass die Blättchen bei anhaltender Insolation fort- während gesenkt bleiben, so steht soviel fest, dass bei Zunahme der Helligkeit, von einem gewissen Grade dieser ab, die Expansionskraft nicht nur in einem anderen Verhältniss als zuvor abnimmt, sondern auch deren endliche Relation eine andere wird. Um dieses zu erreichen bieten sich zwei Möglichkeiten dar, entweder muss, von dem speeifi- schen Helligkeitsgrade an, die obere Gelenkhälfte auf gleicher Expan- sionsgrösse verharren, während sich diese in der unteren Hälfte bei weiterer Helligkeitssteigerung vermindert, oder diese Abnahme muss beide antagonistische Partien, die untere Gelenkhälfte jedoch relativ ansehnlicher treffen. Die Richtigkeit der letzteren Alternative ergibt sich aus der auf eine hervorgerufene Senkung folgende Hebung der Blättehen, welche darin ihre Erklärung findet, dass die untere Gelenk- hälfte schneller als die obere, letztere aber doch auch an Expansions- kraft verliert. Die den Receptionsbewegungen im Allgemeinen ent- sprechende Bewegung der Blättchen in Folge der Beleuchtungssteige- rung oberhalb des speeifischen Helligkeitsgrades ist übrigens nur gut 62 zu beobachten. wenn man in etwas gedämpftem Sonnenlicht operirt, so dass die Blättchen sich nicht bis zur Anpressung an den Blattstiel senken. Ausserdem ist auch zu beachten, dass die Blättehen von Oxalis Acetosella autonome Bewegungen ausführen, welche bei inten- siver Beleuchtung allerdings augenscheinlich verringert werden. Geschieht die Helligkeitssteigerung nur allmälig, so ist nicht daran zu denken, dass eine hervorgerufene Reizbewegung bei der Senkung der Blättehen von Oxalis mit im Spiele ist, da selbst die ungleich empfindlichere Mimosa pudica nur bei stärkeren Beleuchtungsschwan- kungen gereizt wird. Bei plötzlichem und ansehnlichem Helligkeits- wechsel, etwa beim Uebertragen der Pflanzen aus sehr diffusem Licht in directe Sonne, könnte aber zugleich eine Reizbewegung hervorge- rufen werden, so dass dann die schnelle Senkung Resultirende aus der Reizbewegung und der durch die Liehtzunahme bedingten Expansions- änderung wäre, welcher letztere Faktor aber allein verursacht, dass die Blättehen bei intensiver Beleuchtung in gesenkter Stellung verharren. Ob nun ein derartiges Zusammenwirken wirklich stattfindet, oder nicht, muss ich dahin gestellt sein lassen. Ein Verhalten, wie wir es eben für die Blättehen von Oxalis ken- nen lernten, ist mir nur für diese bekannt, doch ist kaum zu zweifeln, dass auch in noch anderen Fällen Helligkeitssteigerung, von einem speeifischen Intensitätsgrade ab, anders auf dieBewegungen wirkt, wie Helligkeitsschwankungen unterhalb der fraglichen Lichtintensität; auch die Umkehrung der Bewegungen der Perigonblätter von Crocus und Tulipa nach Ueberschreitung eines gewissen Temperaturgrades !) bietet wohl einen analogen Fall. Wie das gleiche Verhalten der durch reflek- tirtes Sonnenlieht von unten beleuchteten Blättchen von Oxalis Aceto- sella ergibt, sind die durch intensives Licht bewirkten Stellungsände- rungen hier durch den Effect allseitiger Helligkeitszunahme, nicht aber durch einseitige stärkere Beleuchtung bedingt, welche freilich auch Stellungsänderungen dadurch hervorruft, dass die Expansionskraft, resp. das Wachsthum der stärkst beleuchteten Seite am meisten ver- langsamt wird und inFolge dessen das Blatt sich nach dem intensivsten Licht hin bewegt. An den Blättchen gefiederter Leguminosenblätter ist vielfach be- obachtet worden, dass sie sich, von direeter Sonne getroffen, nach.auf- wärts bewegen, mit ihren Oberseiten sich also näheren 2). Dieses thun 1) Siehe meine Physiol. Untersuchungen p. 190. 2) Dieses bemerkten schon Valerius Cordnus (1561), du Fay (1736) und Bonnet (1754). Von einigen Autoren ist diese Stellung wohl auch als Mittags- 63 nicht nur solche Blättehen, welche sich Abends aufwärts zusammen- legen (Acacia, Mimosa), sondern auch solche, welche in Nachtstellung abwärts geschlagen sind (Robinia). Da diese Bewegungen ausschliess- lich durch einseitig stärkere Beleuchtung bedingt sind. so senken sich umgekehrt alle Blättchen, wenn sie durch reflektirtes Sonnenlicht von unten beleuchtet wurden und hierbei kann. wie auch bei Beleuchtung von oben, beinahe ein Zusammenlegen der Blättchen zu Stande kommen. Entsprechende Bewegungen ergeben sich auch, wenn eine der Flanken des Gelenkes stärker beleuchtet wurde als die andern. Besonders empfindlich habe ich in dieser Beziehung Lourea (Hedysarum) vesper- tilionis gefunden, wo die Gelenke auf starke einseitige Beleuchtung einer Flanke so schnell reagiren, dass man im günstigen Falle die nach der Lichtquelle hin gerichtete Drehung der Blätter ohne weiteres wahrnehmen kann. Ein durchaus analoges Verhalten zeigen bei einseitig stärkerer Be- leuehtung auch die nutirenden Blattorgane, nur dass in der Bewegungs- zone dieser Wachsthum, was in den Gelenken Expansion ist und dem- gemäss muss Heliotropismus mit und ohne Wachsthum unterschieden werden. Diese Analogie ist aber auch für die Auffassung und die nähere Untersuchung des positiven Heliotropismus bedeutungsvoll, denn in unserem Falle ist die Einkrümmung durch den Antagonismus von Gewebecomplexen bedingt und es ist am wahrscheinlichsten,, dass die ungleiche Expansion, resp. das ungleiche Wachsthum dieser durch ent- sprechende Aenderung des in den Zellen herrschenden hydrostatischen Druckes zu Stande kommt. Der Heliotropismus einzelliger Organe kann aber nicht allein durch Variation des allseitig gleichmässig wirkenden hydrostatischen Druckes erklärt werden, hier muss irgend eine andere Wirkung des Lichtes, sei es nun auf Zellhaut oder auf Protoplasma, im Spiele sein !). Denselben Einfluss kann natürlich das Licht gleichzeitig auf die einzelnen Zellen von Gewebecomplexen haben, doch auch ohne eine derartige, die einzelne Zelle zu heliotropischer Krümmung veranlas- sende Einwirkung, wird durch den Antagonismus der sich ungleich aus- dehnenden, resp. wachsenden Gewebecomplexe heliotropische Krüm- mung zu Stande kommen. Demnach liegen, zunächst dem positiven Heliotropismus, zwei verschiedene Ursachen zu Grunde, welche aus- einandergehalten werden müssen, wenn sie sich vielleicht auch einmal. bei genauer Kenntniss der inneren Vorgänge, auf ein einheitliches schlaf bezeichnet worden. Literaturangaben bei Dassen (Wiegmann's Archiv IV, 1838, p. 216) und Planchon (Bull. d. 1. soc. bot. de France 1858, p. 469). 1) Vgl. Sachs, Lehrbuch IV. Aufl., p. S06. 64 Prineip zurückführen lassen. Es ist aber klar, wie die Beachtung des Heliotropismus mit;und ohne Wachsthum für das Studium der heliotro- pischen Krümmungen von Wichtigkeit ist und in noch höherem Maasse werden kann, wenn sich nicht wachsende einzellige, oder aus Zell- reihen bestehende Objekte für dieses Stüadium verwenden lassen sollten. 6. Dunkelstarre. In allen unseren Versuchen wurde ein reactionsfähiger Zustand der Objekte vorausgesetzt, der aber bekanntlich durch verschiedene Einflüsse aufgehoben werden kann. Alle diese dürften chlorophyli- führende und chlorophylifreie Blattorgane in gleicher Weise beein- flussen, bis auf das Licht, dessen Einwirkung, so weit mir bekannt, nur für die chlorophyllhaltigen Objekte nöthig scheint, um dieselben in den bewegungsfähigen Zustand, den sog. Phototonus zu setzen, wäh- rend chlorophylifreie Blattorgane auch im Dunklen reactionsfähig wer- den und bleiben, in einen Zustand der Dunkelstarre also nicht verfallen. Die bei völligem Lichtabschluss entwickelten Blüthen von Crocus führen auf Temperaturschwankungen ansehnliche Bewegungen aus!) und wahrscheinlich bleiben auch andere Blüthen bei Lichtabschluss reae- tionsfähig, nur wird dieses minder leicht nachzuweisen sein, wenn die Empfindlichkeit gegen Temperaturdifferenzen eine geringe ist. Der paratonische Erfolg der Erhellung ist minder beweisend, da ja hierbei der Faktor ins Spiel kommt, dessen Ausschluss den Starrezustand chlorophyllführender Organe herbeiführt; immerhin wird man Starre wohl nicht annehmen können, wenn Blüthen, die sich im Dunklen ent- falteten, bei Beleuchtung sogleich eine Oeffnungsbewegung begannen. Die von Sachs 2) nachgewiesene, wesentlich normale Entfaltung der Blüthen ist ohnedies ein direetes Argument gegen einen Starrezustand, denn, wenn Wachsthum thatsächlich vor sich geht, wird dieses auch durch äussere Agentien beeinflusst werden können. Solches zeigen auch die Staubfäden von Cynara Scolymus, welche im Dunklen ent- wickelt vollkommen reizbar sind. Meine Versuche sind freilich nur mit abgeschnittenen, unentwickelten Blüthenköpfen gemacht, welche in Wasser stehend, im Dunklen ihre Blüthen im Laufe von 10 bis 16 Tagen, wenn auch etwas kümmerlich, so doch ziemlich normal entfal- teten und, wie schon gesagt, Reizbarkeit der Staubfäden zeigten. 1) Siehe meine Physiol. Untersuchungen p. 200. 2) Experimentalphysiologie, p. 33. 2" 65 Dunkelstarr werden also die Blätter, welche sich bei Liehtabschluss abnorm oder fast gar nicht entwickeln. Bei diesen Blättern ist aber, wie Prant] !) nachwies, wie in anderen Fällen das Wachsthum in der Nacht beschleunigt, am Tage verlangsamt, wenn die Pflanze zuvor vom Lieht getroffen war und sich also im Phototonus befand, welcher durch irgend eine Einwirkung der Beleuchtung bedingt werden muss, die bei Mangel des Chlorophyll’s unnöthig ist: mit dem Chlorophyll, resp. dessen Funetionen, wird deshalb die Dunkelstarre in irgend einer Be- ziehung stehen. Wenn die Gelenke von Mimosa pudica dunkelstarr geworden sind, enthalten die Parenchymzellen anscheinend ebensoviel Glyeose als zuvor ? und auch das Gleichbleiben der Biegungsfestigkeit der Gelenke im Dunklen deutet darauf hin, dass wenigstens endos- motisch wirksame Stoffe sich nieht verminderten. Für die Gelenke kann also Mangel an Assimilationsprodukten nicht Ursache der Dunkel- starre sein ?) und nach Analogie werden wir dieselbe für die sich ja im Uebrigen so gleich verhaltenden Nutationsorgane annehmen dürfen, wobei ja sehr wohl möglich ist, dass die Blätter bei ihrem Wachsthum. vermöge historisch gegebener Eigenthümliehkeit, wesentlich auf Ver- wendung autochthoner Assimilationsprodukte angewiesen sind. Da ehlorophylitreie Objekte thatsächlich im Dunklen wachsen und hierbei Stärke und anderes Material eonsumiren, so ist es jedenfalls höchst unwahrscheinlich, dass bei grünen Blättern Liehteinfluss direet nothwendig ist, um vorhandene Stärke oder andere Assimilationspro- dukte in zum Wachsthum verwendbare Form zu bringen ®) und dass hiermit die Dunkelstarre zusammenhänge; zudem widerspricht einer solchen Ansicht direet, dass ja die chlorophyliführenden Gelenke, welche nicht wachsen. dunkelstarr werden. Beachtet man alles dieses, so kann man die Ursache der Dunkelstarre nicht auf die Assimilations- produkte selbst, auch nieht auf bestimmte Umwandlung dieser durch das Licht schieben. Das Verhalten der periodische Bewegungen ausführenden Blatt- organe ist bei chlorophyllifreien und chlorophylihaltigen Objekten (Blätter und Blüthen), wie schon oft erwähnt, so übereinstimmend, dass 1) Arbeiten d. bot. Instituts in Würzburg, 1873, Heft III, p. 384. 2) Meine Physiol. Untersuchungen p. 67. — Die Gelenke von Phaseolus ent- halten überhaupt nur Spuren eines Kupferoxyd redueirenden Körpers. 3) Einer solchen Annahme huldigt Bert. M&em. d. l!’Acad. d. Bordeaux 1871, p: 51. 4) Für im Dunklen mit Stärke erfüllt bleibende und dabei nicht wachsende Cotyledonen sprach Kraus eine solche Ansicht aus. Jahrb. f. wiss. Botanik Bd. VII, p. 214. Pfeffer, Blattorgane. o 66 die Vorgänge in den Zellen, welche speeiell Wachsthum resp. Expan- sion) vermitteln, in beiden Fällen als gleich angenommen werden müssen. Dann ist aber der Uhlorophyllapparat, weil nicht überall vor- handen, von jenen Wachsthums- und Expansionsvorgängen direct unabhängig, wird aber deshalb doch diese sistiren können, denn das specifische Zellenleben, durch das Zusammengreifen aller einzelnen. Funetionen bedingt, wird mit Störung oder Aufhebung einer dieser derartig affieirt werden können, dass auch andere, ihrer äusseren Wir- kung nach unabhängige Funetionen erlahmen oder erlöschen. Nach unserer Auffassung führt also der Einfluss der Dunkelheit auf den Chlorophyllapparat und dessen Functionen zu pathologischen Vorgän- gen in den Zellen '), welche in den des Chlorophylis entbehrenden Zelleomplexen unterbleiben. Wird in Folge jener Vorgänge die para- tonische Empfindlichkeit in den periodische Bewegungen ausführenden chlorophyllhaltigen Organen endlich ganz aufgehoben, so ist, wie das Wachsthum etiolirter Internodien zeigt, doch durchaus nicht nothwendig, dass die Liehtentziehung immer alle Zellfunetionen sistirt. Wie von mir früher gezeigt, werden Blätter auch dann dunkelstarr, wenn sie allein verdunkelt werden, während die übrige Pflanze am Lieht bleibt. Diese rein lokale Wirkung der Verdunklung steht übrigens mit unserer Anschauung in völligem Einklang. Dass die Dunkelstarre nieht Folge einer Anhäufung von Kohlensäure in den Geweben sein kan, ist aus den hier beigebrachten Thatsachen bestimmt zu folgern und auch schon bei anderer Gelegenheit von ınir dargethan worden. Auch ist leicht einzusehen, dass es sich zur Herstellung des Phototonus nur um Beleueh- tung, nicht um Variation dieser handelt, und dass demgemäss Millar- det’s2) Annahme, es dürfte Mimosa bei eontinuirlicher Beleuchtung gleichfalls starr werden, auf unrichtiger Induetion beruht. Uebrigens fand auch Bert), dass bei fortgesetzter Beleuchtung die Reizbarkeit der Blätter von Mimosa pudica eher zu- als abnimmt. 1 Die Betrachtung der Dunkelstarre führte unvermeidlich auf im In- neren derZelle sich abwickelndeVorgänge, welche für uns noch in tiefstes Dunkel gehüllt sind und in die Lichtblicke wohl kaum durch -unmittel- harste Beobachtung, sondern nur durch geeignete Combination von I) Diese müssen bei höherer Temperatur schneller eintreten, wenn Dutro- chet’s Angabe richtig, dass die Pflanzen früher in höherer als in niederer Tem- peratur «dunkelstarr werden. — Memoir. p. servir a l'histoire d. vegetaux et danimaux (Brüsseler Ausgabe) 1537; p. 279. 2) Nouvelles r&chereh. ete. 1869, p. 36. 3) L. e. 1871, p. 26 d. Separatabdrucks. 67 _ Erseheinungen, welche in Beziehung zu einzelnen Functionen stehen, zu erhoffen sind. Solche Versuche scheuen, hiesse «die Hoffnung auf- geben den Schleier jemals zu lüften, der über dem Zellenleben ruht, was im Sinne keines Forschers liegen kann, der im organischen Leben nicht den Ausfluss anderer Kräfte sieht, als solcher, die, wenn vielleicht auch noch unvollkommen oder selbst zugegeben noch gar nicht erkannt, die anorganischen Körper unseres Planeten und aller Weltkörper be- herrschen. Nur darf in keinem Augenblick das klare Bewusstsein schwinden, dass mit dem versuchten Eindringen in den inneren Zellen- mechanismus und die verwickelten Beziehungen seiner Functionen, vorläufig die Hypothese beginnt. Damit habe ich aber auch gekenn- zeichnet, wie ich den Versuch die Ursache der Dunkelstarre in den complieirten Vorgängen des Zellenlebens zu suchen aufgefasst wissen möchte. Von Interesse ist das Verhalten der periodische Bewegungen ausfüh- renden Pflanzen bei längerem Aufenthalt in den verschiedenen Spectral- farben, woraus wohl noch weitere Mittel zur Beurtheilung der Ursache der Dunkelstarre zu gewinnen sein dürften. Bis jetzt liegen in dieser Riebtung nur Versuche mit Mimosa pudica vor, welche Bert!) mit aus verschiedenfarbigem Glas aufgebauten Käfigen ausführte, von denen je- doch nur der aus rothem Glase eonstruirte monochromatisches Licht, die übrigen einen grösseren oder geringeren Theil des Sonnenspectrums durchliessen. Für uns ist es aber gerade von Bedeutung, dass in den Versuchen des genannten Forschers Mimosa unter dem alleinigen Einfluss rother und oranger Strahlen im Laufe von mehr als 3 Monaten (12. October bis Ende Januar) nicht dunkelstarr wurde. Diesen Strahlen kommt nach Bert’s Versuchen eine nur geringe paratonische Wirksamkeit zu?), welehe in der stärker brechbaren Hälfte des Sonnenspectrums eine sehr grosseist. Da nun die Strahlen geringerer Wellenlänge Wachsthum resp. Expansion wie Tageslicht beeinflussen, während sich die rothen Strahlen in dieser Beziehung fast wie Dunkelheit verhalten), so kann auch hieraus wieder gefolgert werden, dass die Dunkelstarre nicht direct durch die mit Wachsthum und Expansion zusammenhängenden Vorgänge bedingt 91,20. 1871, D:. 25-M. 2) Gleiches fand auch Sachs (Botan. Zeitung 1857, p. 812). — Auf eine nicht übereinstimmende ältere Angabe Ritter’s ist kein (sewicht zu legen, da Jie ange- führten Beobachtungen ohnedies eine andere Erklärung zulassen, als sie der Autor gibt. «ehlen’s Journal Bd. VI, p. 472, eitirtnachGlocker, Wirkung des Lichtes auf Pflanzen, 1820, p. 109. 3) Vgl. Sachs, Lehrbuch, IV. Aufl. p. 709. 68 £ wird, während sie in Beziehung zu den Fünctionen des Chlorophyli- apparates stehen kann, da in den rothen und orangen Strahlen. wenn auch in geringerem Maasse als am Tageslicht. Kohlensäure zersetzt wird. Die blaue Hälfte des Sonnenspeetrums ist vonBert nicht ohne Mit- wirkung anders brecehbarer Strahlen zur Anwendung gekommen und kann deshalb darauf, dass in den angestellten Versuchen Dunkelstarre nicht eintrat, kein Gewieht gelegt werden. Dieses geht um so weniger an, als unter grünem Glase, das ausser grünen nur wenig andere Strahlen durehliess, die Pflanzen fast so schnell als im Dunkeln starr wurden. Diese, wie auch die anderen Versuche im farbigen Licht, werden erst dann für Erklärung der Dunkelstarre mit Erfolg verwandt werden können, wenn allen bei den Experimenten in Betracht kommenden Ver- hältnissen Rechnung getragen wird und je nach der Wirkung des blauen Lichtes kann es eventuell auch nöthig werden, die Beziehung der ultra- violetten Strahlen zu paratonischer Wirkung und Dunkelstarre zu prüfen. Ob die rothen Strahlen die täglichen periodischen Bewegungen fortdauern machen, ist aus Bert’s Angaben nicht sicher zu entnehmen, doch scheint nach diesen die Amplitude der periodischen Bewegungen nur vermindert zu sein, wie es auch zu erwarten sein dürfte, wenn jenen Strahlen eine gewisse paratonische Wirksamkeit zukommt. Es lag nieht inmeinemPlane dieModalitäten derDunkelstarre allseitig zu verfolgen und so muss ich auch dahin gestellt sein lassen, wie lange Pflanzen im Starrezustand verharren können ohne zu Grunde zu gehen. Dass vollkommene Starre ohne Vernichtung des Lebens möglich ist, er- gibt sich daraus, dass bei Mimosa die Reizbarkeit, bei Trifolium pra- tense die autonome Bewegung vollkommen erloschen sein kann, wenn Zurückbringen ans Licht den empfindlichen Zustand zurückruft. Solange dies der Fall, hält sich die Biegungsfestigkeit der Gelenke auf gleichem Maasse wie am ersten Tage nach der Verdunklung, sobald die Biegungs- festigkeit im Dunklen gesunken war, gingen auch die Blätter beim Zurückbringen ans Lieht zu Grunde (nach Versuchen mit Phaseolus vul- garıs und Trifolium pratense). Nach Millardet!) soll freilich die Span- nung in den Gelenken von Mimosa pudica nach dem ersten Tage des Aufenthaltes im Dunklen allmählich erlöschen, allein diese Ansicht ist nur auf die Stellung der Blattstiele basirt, die, weil nur von relativer Expansion der antagonistischen Hälften abhängig, in keinem Falle einen Maasstab für die wirklich vorhandene Spannung, resp. Steifheit der Gelenke geben kann. Ex 69 Die Blattorgane scheinen im Allgemeinen nach Aufhören der täg- lichen periodischen Bewegungen eine der Tagstellung genäherte, oder zwischen dieser und der Nachtstellung die Mitte haltende Lage einzu- nehmen, doch influiren hierauf offenbar Alter und speeifische Eigen- thümlichkeiten. Welche Beziehungen hier obwalten habe ich nicht ver- folgt. 7. Gombinationsbewegungen. Wenn in gleichem oder in entgegengesetztem Sinne thätige Bewe- gungsbestrebungen zusammentreffen, so ist die thatsächlich zu Stande kommende Bewegung natürlich die Resultirende der Componenten, wie wir dieses bei Entstehung der täglichen periodischen Bewegungen der Blatt- organe bereits kennen gelernt haben, wobei mindestens immer Nach- wirkung und paratonische Wirkung zusammengreifen. Zu diesen, deren Ausgiebigkeit an sich schon von äusseren Verhältnissen beeinflusst wird, können sich aber gelegentlich als weitere Componenten Bewegungen gesellen, welche durch von Aussen einwirkende Kräfte hervorgerufen werden, oder einen von diesen unabhängigen Ursprung haben und je ansehnlicher die angestrebten Bewegungen sind, um so mehr werden sie sich im Gang der täglichen periodischen Bewegungen geltend machen. Die autonomen Bewegungen sind, wo. sie vorhanden, stets im Spiele, sofern die Pflanze sich überhaupt im bewegungsfähigen Zustand befindet, die Receptionsbewegungen aber sind durch Veränderung äusserer Ver- hältnisse bedingt und wenn diese gegeben, in ihrer Ausgiebigkeit durch specifische Empfindlichkeit und die Grösse der paratonischen Wirkung bestimmt. Bei den Laubblättern und vielen Blüthen werden die stärksten pa- ratonischen Bewegungen durch Helligkeitsschwankungen hervorgerufen und demgemäss haben diese hier auch einen grösseren Einfluss auf die periodischen Bewegungen, als irgend ein anderer von Aussen einwirkender Faktor. Die Tagesperiode selbst wird ja durch den täglichen Beleuch- tungswechsel zu Stande gebracht und die Erreichung der Nacht- und Tagstellung dureh die Zeit der Verdunklung und Erhellung und die Grösse der Beleuchtungsdifferenz beeinflusst, ausserdem aber wird der normale Gang der täglichen periodischen Bewegungen durch jede zufällige Helligkeitsschwankung etwas modifieirt. Auf Temperatur- schwankungen reagiren die Laubblätter und viele Blüthen in so ge- ringem Grade, dass die gewöhnlichen täglichen Oseillationen der Wärme auf die Tagesbewegungen der Blätter keinen nennenswerthen Einfluss haben können. Gewisse Blüthen freilich, wie die von Croeus 70 und Tulipa, führen auf Demperaturschwankungen so anselmliche Be- wegungen aus, dass eine durch den Lichtwechsel bedingte Tagesperiode, bei ohnehin geringer receptiver Empfindlichkeit gegen Helligkeits- schwankungen, ganz verdeckt werden kann '!). Ausschliesslich die Sch ankungen der Wärme rufen direet Bewegungen hervor, constante niedere oder höhere Temperaturgrade beeinflussen die periodischen Be- wegungen nur insofern, als durch sie der bewegungsfähige Zustand herabgedrückt oder gesteigert wird, was ja bekanntlich auch durch andere äussere Verhältnisse, wie z. B. durch den Turgescenzzustand der Gewebe geschieht. Da Expansion und Wachsthum durch die Schwerkraft beeinflusst werden und die Wirkung dieser mit der durch die Bewegung bedingten Lagenänderung der Bewegungszone sich än- dert, so kann auch hierdurch die Ausgiebigkeit der Bewegung gehemmt oder gefördert werden. Dieses ist auch möglich dureh die Aenderung der Stellung des Blattes, indem hierdurch dessen wirksames statisches Moment in Beziehung auf die Bewegungszone sich ändert, wovon wir noch weiterhin hören werden. Im Obigen ist ein kurzer Ueberhliek der Faktoren gegeben, welche auf den normalen Gang der Tagesperiode ihren Einfluss geltend machen können, wenn dieses auch meist nicht in so hohem Maasse geschieht, wie es durch künstlich herzustellende Verhältnisse zu erreichen ist. Sind nun auch hierüber schon mehrfach Mittheilungen gemacht, so will ich doch hier noch einige besondere Fälle des Zusammengreifens von dureh Lieht hervorgerufenen Receptionsbewegungen und täglıchen pe- riodischen Bewegungen kurz behandeln. Eine durch Verdunkelung hervorgerufene Receptionsbewegung kann entweder selbst oder durch ihre Nachwirkung die täglichen pe- riodischen Bewegungen, je nach dem Zusammentreffen mit diesen, hemmen oder fördern. In einem solchen Versuch mit Acacia lophanta, welcher auf Taf. I © dargestellt ist, wurde die Pflanze Morgens 8 Uhr (7. Juli) verdunkelt und fernerhin im Dunklen gehalten. Die para- tonisch hervorgerufene Amplitude ist Mittags 12 Uhr vollendet, der Effeet ihrer Nachwirkung macht sich aber darin geltend, dass sich die Blättehen des Abends nur bis auf 32 Grad nähern, während gleich- artige Blätter einer ähnlichen Pflanze, welche seit Abends zuvor im Dunklen gehalten wurde, sich auf einige Stunden vollkommen anein- anderpressten. Der Erfolg unseres Experimentes beruht ohne Frage darauf, dass die Nachwirkungen der paratonisch hervorgerufenen und 1) Verg!. meine physiol. Untersuehungen p. 207. _ 71 der täglichen Bewegung in den Abendstunden entgegengesetzte Rich- tungen anstrebten, wodurch die Nachwirkung der Tagesperiode ver- ringert wurde. Geschieht die Verdunkelung in den Nachmittagsstunden, so dass nieht eine Nachwirkungsbewegung, sondern schon der Rückgang einer paratonisch hervorgerufenen Amplitude der Abends angestrebten Be- wegung entgegenwirkt, so kann diese in noch höherem Maasse aufge- halten werden, weil eben die Receptionsbewegung mit grösserer Energie als ihre Nachwirkungsbewegungen ausgeführt wird. Indem sich so die Amplitude der Tagesperiode und damit ihrer Nachwirkungsbewegungen verringert, werden diese bei fortgesetzter Beleuchtung schneller auf- hören, wie die Erfahrung auch thatsächlich ergibt. Denn auf obigen Voraussetzungen beruhte das Verfahren welches ich einschlug, um die täglichen periodischen Bewegungen durch fortgesetzte Beleuchtung schneller zu eliminiren (p. 34). Natürlich hat diese Methode nur dann sehr erheblichen Erfolg, wenn dureh Verdunklung eine ansehnliche Re- ceptionsbewegung hervorgerufen wird. Eine Verdunklung in den späteren Nachmittagsstunden hat gleich- sinniges Zusammengreifen von Receptions- "und Nachwirkungsbewe- sung zur Folge und beschleunigt demgemäss den Eintritt der Nacht- stellung, was aber begreiflicherweise nur bei paratonisch weniger em- pfindlichen Blattorganen sehr deutlich hervortritt. Wie es schon früher für Blüthen mitgetheilt wurde !), so können in gleicher Weise auch Laub- blätter, selbst wenn sie auf Helligkeitsschwankungen in geringem Grade reagiren, durch Verdunklung ein bis einige Stunden früher in Nacht- stellung übergeführt werden. Bei paratonisch empfindlichen Blattorganen kann durch abendliche Beleuchtung Tags verdunkelt gehaltener Pflanzen, die die Nachtstellung herbeiführende Bewegung umgekehrt und Tagstellung schnell erzielt werden, dahingegen wird bei gleicher Behandlung von den auf Hellig- keitsschwankungen in geringem Grade reagirenden Blattorganen die nächtliche Bewegung fortgesetzt und entweder nur eine gewisse Retar- dirung dieser, oder wohl auch auf kurze Zeit eine geringe rückgängige Bewegung hervorgebracht. In diesem Falle überwiegt die Nachwirkung den paratonischen Einfluss, während es bei den empfindlichen Blättern gerade umgekehrt ist und ein entsprechendes Verhalten ergibt sich auch, wenn Blätter, welche der Tagstellung entgegen gehen, des -Mor- gens verdunkelt werden. 1) Meine pbysiol. Untersuchungen p. 201. 72 Beachtet man die eben angedeuteten Verhältnisse, so kann das bei Umkehrung der Beleuchtung zu erwartende und auch faktisch erhaltene Resultat vorausgesagt werden. Der paratonischen Wirkung steht die Nachwirkungsbewegung entgegen und je verhältnissmässig grösser jene ist, um so schneller werden sich die Bewegungen dem neuen Be- leuchtungswechsel fügen. Der diesem entsprechende Gang und die volle Amplitude der Bewegung wird aber erst nach völliger Aufhebung der von den früheren periodischen Bewegungen herrührenden Nach- wirkungen erreicht sein, bis dahin aber werden die Bewegungen ge- wisse Unregelmässigkeiten zeigen, wie dieses auch schon von De Can- dolle!) und Meyen?) bei Versuchen mit umgekehrter Beleuchtung beobachtet wurde. Dass die Umkehrung der täglichen periodischen Bewegungen bei entsprechender Regulirung des Helligkeitswechsels gelingen muss, ist bei Beachtung der Entstehung und Fortsetzung der Tagesperiode ohne weiteres klar und wenn De Candolle in einigen Fällen unbestimmte oder auch negative Resultate erhielt, so muss der Grund in zu geringer Dauer des Versuches oder irgend anderen Ur- sachen liegen. Ebenso ist es aber auch klar, dass anderen Erdtheilen entstammende Pflanzen die täglichen periodischen Bewegungen dem Beleuchtungswechsel ihrer neuen Heimath anpassen müssen, womit ja auch die Erfahrung vollkommen übereinstimmt. Wird eine Pflanze, nachdem durch Verdunklung eine Receptions- bewegung der Blätter hervorgerufen und während diese noch im Gang ist, wieder beleuchtet, so setzt sich jene Bewegung noch kurze Zeit fort, um dann erst der entgegengesetzten Bewegung zu weichen und analog verhält es sich auch mit den durch Erhellung hervorgerufenen paratonischen Bewegungen. Ein Bohnenblatt führte z. B. in Folge von Verdunklung eine Senkung von 25 Grad aus und bewegte sich, nach Zurückbringen der Pflanze ans Licht, noch um weitere 5 Grad abwärts ehe Hebung begann; ähnlich fiel auch ein mit Impatiens noli tangere angestellter Versuch aus. Ein solches Verhalten erklärt sich ein- fach daraus, dass das durch Verdunklung hervorgerufene Expansions- streben, resp. Wachsthum, durch Erhellung zwar sofort retardirt, jedoch erst nach einiger Zeit völlig gehemmt wird, wobei auch zu beachten, dass die antagonistischen Hälften in relativ ungleichem Maasse durch Lieht- wechsel affieirt werden. Die nur allmähliche Aufhebung des durch Ver- dunklung hervorgerufenen Ausdehnungsstrebens tritt ungetrübt nach 1) Memoir. presentes par divers savants 1806, Bd. I, p. 337 ff. 2), Meyen, Pflanzenphysiologie 1839, Bd. III, p. 481 u. 555. 73 _ Entfernung einer antagonistischen Hälfte der Bohmenblattgelenke her- ara na vor, indem auch in diesem Falle das durch Verdunklung bewirkte Aus- dehnungsstreben nach der Erhellung noch 1 bis 5 Minuten fortdauerte und eine Bewegung des Blattes um I bis 3 Grade zu bewirken ver- mochte. Nachdem wir nun einige durch Lichtwechsel bedingte besondere Bewegungsvorgänge behandelt haben, soll nun ein interessanter Fall von Beeinflussung der Bewegung durch Veränderung des gegen eine Gelenkhälfte wirkenden Druckes betrachtet werden, nämlich die täg- liche periodische Bewegung des Hauptblattstieles von Mimosa pudica. An den Blättern von Mimosa pudica sind primäre und seeundäre Blattstiele, sowie die Blättchen mit Gelenken versehen, vermöge deren sie Reizbewegungen und periodische Bewegungen ausführen, welche letztere allein uns hier interessiren. Der primäre Blattstiel senkt sich in den Abendstunden ziemlich schnell, erreicht im Allgemeinen zwischen 6 und 9 Uhr seine tiefste Stellung (im Juli und August) , um sich dann bis Morgens 3 oder 5 Uhr zu erheben. Dann, mit Beginn des Tages. senkt sich der Blattstiel wieder ansehnlich bis 5 oder 11 Uhr, hält sieh in den nächsten Stunden, unter Ausführung von Bewegungen geringerer Amplitude, in einer mittleren Stellung, um gewöhnlich zwischen 2 und 4 Uhr die schon erwähnte abendliche Senkung zu beginnen Taf. III die Curve vom 10/7. u. 11/7.)). Die seeundären, in I bis 3 Paaren vorhandenen Blattstiele stehen während des Tages mehr oder weniger senkrecht auf dem primären Blattstiel, oder bilden mit diesem (resp. dessen Verlängerung) einen spitzen Winkel, der sich bei der abendlichen Bewegung allmählich ver- kleinert, so dass die Blattstieie endlich unter sieh parallel werden und die gerade Fortsetzung des primären Blattstieles bilden. Diese Bewe- gung fällt der Zeit nach mit der Senkung des primären Blattstieles zu- sammen, welche letztere, wie wir noch hören werden, eine Folge der Stellungsänderung der seeundären Blattstiele ist. Diese sind an nieht zu alten Blättern etwa zwischen 7 und 9 Uhr Abends parallel gestellt und beginnen zwischen 12 und 3 Uhr Nachts sich wieder auseinander zu bewegen; ältere Blätter bringen es übrigens überhaupt nicht mehr zur parallelen Stellung der Blattstiele?). Von den Blättehen endlich ist I) Ausführlich verfolgt ist diese tägliche periodische Bewegung von Millar- det. Vergl. dessen Nouvell. recherches ete. Taf. I u. I. 2) Näheres bei Millardet,l.c. p. 25. 747 es allbekannt, dass sie Tags horizontal ausgebreitet und gegen den se- eundären Blattstiel mehr oder weniger senkrecht gestellt sind, des Abends aber sich aufwärts zusammenlegen und ntın mit dem seceun- dären Blattstiel einen nach vorn geöffneten spitzen Winkel bilden. Plötzliche Verdunklung ruft am Hauptblattstiel stets eine mit He- bung beginnende Receptionsbewegung hervor, auch wenn der Blatt- stiel in der abendlichen Senkung begriffen ist. Hierin zeigen also die täglichen periodischen Bewegungen keine Uebereinstimmung mit den durch Verdunklung hervorgerufenen paratonischen Bewegungen, wie es, da ja die Tagesperiode dureh paratonische Wirkung bedingt ist, doch der Fall sein müsste. In der That würden sich auch die primären Blattstiele von Mimosa gegen Abend nicht senken, sondern erheben. wenn nicht ein anderer Faktor diesem Bestreben entgegenwirkte und dasselbe überwände. Dieser Faktor ist der vermehrte in der Längs- richtung wirkende Druck gegen die untere Gelenkhälfte, eine Folge der Bewegung der seeundären Blattstiele, deren Gewicht, indem es an einem längeren Hebelarm zur Wirkung kommt, ebenso gut eine Senkung des Hauptblattstieles hervorrufen muss, als wenn an diesem eine be- züglich des Gelenkes gleich grosse vertical abwärts ziehende Kraft an- gebracht wird. Gleichzeitig mit der Bewegung der seeundären Blatt- stiele nimmt die Expansionskraft in beiden Gelenkhälften, in der unteren sogar relativ ansehnlicher zu, aber der in besagter Weise vermehrte Druck wird entweder nur einen Theil des in der unteren Hälfte zu Stande kommenden Kraftzuwachses äquilibriren, oder diesen derartig über- wiegen, dass sich die der oberen antagonistischen Gelenkhälfte ent- segenstehende Expansionskraft thatsächlich vermindert. In letzterem Falle erfolgt natürlich unbedingt eine Senkung des Hauptblattstieles, aber auch im ersten Falle, da ja die obere Gelenkhälfte an Expansions- kraft zunimmt, dann, wenn sich dasV erhältniss der antagonistisch thätigen Kräfte zu Gunsten der oberen Gelenkhälfte ändert. Nimmt aber, wie es bei plötzlicher Verdunklung der Fall ist, die Expansionskraft in den Gelenken des Hauptblattstieles schnell ansehnlich zu, während sich die seeundären Blattstiele in der gleichen Zeit nur wenig nach vorn be- wegen, so kommt Hebung der primären Blattstiele zu Stande, weil die Expansionskraft in der unteren Gelenkhälfte schneller anwächst als in. der oberen Hälfte. Die Richtigkeit des bezüglich der Entstehung der abendlichen Senkung des Hauptblattstieles Gesagten ist in einfacher und schlagender Weise zu erweisen, indem man die secundären Blattstiele an ihren abendlichen Bewegungen hindert. Geschieht dieses nachdem der Haupt- 75 blattstiel bereits die gewöhnlichen tägliehen periodischen Bewegungen ausführte, so ist die Nachwirkung dieser zu beachten, welche aber weg- fällt, wenn der primäre Blattstiel sich zuvor nicht bewegen konnte. Um die periodischen Bewegungen der seeundären Blattstiele zu ver- hindern, kann man jene in einer ihrer Nachtstellung entspreehenden Lage zusammenbinden, was ich jedoch selten anwandte, weil dadurch die Entfaltung der Blättchen theilweise gehemmt wird. Meist benutzte ich in Form eines T oder seltener eines Y gebogene Drahtstücke deren einer Arm an den primären Blattstiel befestigt wurde, während die beiden anderen Arme zum Festhalten der secundären Blattstiele dienten, indem diese an verschiedenen Stellen mit feinem Zwirn festgebunden wurden. Werden die Drahtarme auf der Unterseite der Blattstiele befestigt. so sind die Blättchen nicht an ihrer freien Bewegung gehemmt, die ge- ringe Gewichtsvermehrung — meine Drahtstücke wogen 0,06 bis 0,08 Grm. — ist aber, wie leicht einzusehen, ohne jede Bedeutung. Diese Bandagirung wurde aus naheliegenden Gründen stets nur an vollkommen entwickelten Blättern vorgenommen, sowohl solehen, welche die ge- wöhnlichen täglichen periodischen Bewegungen sehon ausgeführt hatten, ‚als auch anderen deren Hauptblattstiel während der Entfaltung des Blattes festgehalten worden war. Dieses Festhalten muss jedenfalls geschehen ehe die secundären Blattstiele periodische Bewegungen aus- führen und ist durch eine geeignete Stellage oder ein stumpfwinklig gebogenes Drahtstück, dessen einer Arm an den Stengel gebunden wird, leicht so auszuführen, dass der Blattstiel nicht in seinem Längenwachs- thum gehemmt wird. — Eine Entfernung der seeundären Blattstiele ist nicht zulässig, weil dadurch der primäre Blattstiel in einigen Tagen bewegungslos wird. Zu dem auf Taf. III dargestellten Versuche diente ein kräftiges, mit eingm Fiederpaar versehenes und frei entwickeltes Blatt, dessen primärer Blattstiel einige Tage lang auf seine periodischen Bewegungen angesehen wurde, die stets in wesentlich gleicher Weise wie am 10. Juli vor sich gingen. Nachdem dann am 11. Juli die seeundären Blattstiele um 6 Uhr Morgens mit Hülfe eines T förmigen Drahtstückes festgebunden waren, wurden dieBewegungen desHauptblattstieles unter diesen Verhält- - nissen bis zum 24. Juli inel.) verfolgt. Zwischen 11 Nachts und 6 Vor- mittags geschahen keine Beobachtungen, da die in dieser Zeit vor sieh gehenden Bewegungen für unseren speciellenZweck ohne Bedeutung sind. Die graphische Darstellung zeigt deutlich wie die abendliche Senkung im Allgemeinen allmählich verschwindet, jedoch nach der Bandagirung noch 8 Tage lang zu erkennen ist: ja in anderen Versuehen konnte man 76 ’ 3 diese Senkung noch nach 12 und 14 Tagen bemerken. Die am 13. Juli wieder stärkere Senkung thut unserem Versuchein keiner Weise Abbruch, da verschiedene äussere Verhältnisse, wie z. B. die langsamere oder schnellere Verdunklung auf die Grösse der Senkung influiren müssen. Am 23. und 24. Juni ist eine abendliche Senkung nicht mehr zu bemerken und der Gang der täglichen periodischen Bewegung ein gleicher geworden wie der mancher Blätter anderer Pflanzen, welche auf Verdunklung mit Hebung des Blattstieles antworten. Das schnelle Fallen der Blattstiele am Morgen bis etwa 8 oder 10 Uhr ist auch jetzt noch zu bemerken, dann halten sich die Blattstiele, ähnlich wie zuvor, in den Mittagsstunden mit mässigen Oseillationen auf einer mittleren Höhe (23/7.) und beginnen um 3 oder 4 Uhr Nachmittags zu steigen oder fangen wohl auch gleich nach maximaler Senkung am Morgen an sich anfangs langsamer, später schneller zu erheben (24/7.). Durch Hel- ligkeitsschwankungen hervorgerufene paratonische Bewegungen und die, wenn auch nicht gerade ansehnlichen autonomen Bewegungen'), sind die wesentlichsten Ursachen der in den Mittagsstunden vollzogenen Schwankungen, welche nach Ausgiebigkeit jener Bewegungen varüiren, bei unseren, in Intervallen von I oder 2 Stunden vorgenommenen Ab- lesungen aber auch nieht vollkommen hervortreten werden. Die abend- liche Senkung war in diesem, wie auch in anderen, in gleicher Weise angestellten 6 Versuchen in jedem Falle verschwunden und um 5 Uhr Nachmittags hatte stets die Steigung begonnen. Ebenso verhielten sich auch die Blattstiele, welche während der Entwicklung der secundären Blattstiele und Blättehen festgehalten und erst nach Bandagirung der secundären Blattstiele losgemacht waren. Diese führten also von An- fang an die allein vom Beleuchtungswechsel abhängige tägliche perio- dische Bewegung aus. Die abendliche Senkung der Hauptblattstiele wird mit sich ver- ringernder Amplitude, jedoch ohne wesentliche Verschiebung des Mini- mums, noch einige Zeit fortgesetzt, nachdem die hervorrufende Ursache zu wirken aufhörte. Diese Nachwirkung ist also, wie sich hier in über- zeugendster Weise ergibt, nicht etwa durch den Vorgang des Hellig- keitswechsels als solehen, sondern ausschliesslich durch die thatsächlich ausgeführten periodischen Bewegungen bedingt, welche in unserem Falle die Resultirende von Componenten ist. Die Fortdauer der täg- lichen periodischen Bewegungen nach Festbinden der secundären Blatt- I) Vgl. Millardet, l.c., p. 30. Die Oseillationen dritter Ordnung sind die je autonomen Bewegungen. re 77 stiele beweist aber auch ohne weiteres, dass eine jede, also auch eine nur einmal hervorgerufene abendliche Senkung, eine Nachwirkungs- bewegung zur Folge haben muss und 'durch Zusammengreifen dieser Nachwirkungen und neuer gleichsinniger Wirkungen konımt die Tages- periode der Hauptblattstiele zu Stande, wie dieses der auf Taf. III dar- gestellte, mit dem 25. Juli beginnende Versuch zeigt, der mit demselben Objekte fortgeführt ist, auf das sich die vorhergehenden Curven be- ziehen. Durch Losbinden der secundären Blattstiele um 6 Uhr Morgens am 25. Juli, wurde jenen die abendliche Bewegung wiedergegeben und als Folge dieser bemerken wir schon am Abend desselben Tages eine ansehnliche Senkung, welche zeitlich mit der normalen täglichen perio- dischen Bewegung des Hauptblattstieles unserer Pflanze übereinstimmt. An jedem folgenden Tage senkt sich dann der Blattstiel tiefer als an dem vorhergehenden, bis am 29. Juli die durch Aecumulation acquirirte Tagesperiode erreicht war und in den folgenden Tagen, natürlich ab- gesehen von kleinen, durch anderweitige Verhältnisse bedingten Os- eillationen, das gleiche Maass der Senkung eingehalten wurde ). Zu demselben Resultate führten auch weitere 9 Versuche, welehe theilweise mit Blättern angestellt wurden, deren Hauptblattstiel durch Festhalten der secundären Blattstiele die normale Tagesperiode verloren ‚hatte, theilweise mit solchen, deren primmärer Blattstiel während der Entwick - lung des Blattes an seinen Bewegungen gehindert war und vor Beginn des Versuches nur die ausschliesslich durch den täglichen Beleuchtungs- wechsel bedingten täglichen Bewegungen vollzogen hatte. In diesen, übrigens nicht an denselben Tagen angestellten Experimenten, war die volle Grösse der abendlichen Senkung des Hauptblattstieles nach 4 bis 5 Tagen erzielt. Nachdem nun der schlagende Beweis geliefert, dass der Bewegungs- sang der secundären Blattstiele die abendliche Senkung der primären Blattstiele bedingt, wollen wir einen Bliek auf die Grösse der Kraft werfen, welche hierbei comprimirend auf die untere Hälfte des Haupt- blattstielgelenkes wirkt. Hierzu muss man zunächst das statische Mo- ment der Fiederstrahlen bezüglich ihres im Gelenk des seeundären Blattstieles liegenden Drehpunktes kennen, was empirisch in einer im nächstfolgendenKapitel auseinanderzusetzenden Weise leicht zu erreichen ist. Hier sei nur bemerkt, dass der Schwerpunkt, dessen Abstand vom 1) Dass jetzt die mittlere Stellung der Blattstiele in den Mittagsstunden etwas tiefer liegt als zu Beginn des Versuches ist Folge davon, dass sich der Blattstiel mit dem Alter senkt. 78 Drehpunkt mit dem Gewicht des Fiederstrahles multiplieirt ja das frag- liche statische Moment dieses ergibt, nahe an der Mitte des seeundären Blattstieles, jedoch dem Gelenke dieses etwas genähert, zu liegen kommt. Die Entfernung des Schwerpunktes vom Gelenke — 100 gesetzt, wurde die Distanz jenes vom oberen Ende des secundären Blattstieles bei ver- schiedenen Bestimmungen zwischen 105 und 111 gefunden. Uebrigens wird die Lage des Schwerpunktes dureh die tägliche Bewegung der Blättchen etwas geändert, wovon wir jedoch zunächst absehen wollen. Das statische Moment der Fiederstrahlen, welches sich nach Länge und Gewicht dieser innerhalb ziemlich weiter Grenzen bewegt, wurde bei den von mir benutzten Blättern bezüglich des Gelenkes des secun- dären Blattstieles zwischen 2,2 und 9,5 Grm. für einen einzelnen Fieder- strahl gefunden. Das statische Moment eines Paares sehr kräftiger Fiederstrahlen würde demnach 19 Grm. ausmachen und höher stellte es sich auch an den Versuchsobjekten, welche zwei Paare seeundärer Blattstiele besassen, nicht für die 4 Fiederstrahlen heraus, welche in diesem Falle verhältnissmässig weniger kräftig entwickelt waren. Bei den meisten Versuchsobjekten dürfte die Summie der statischen Momente aller Fiederstrahlen eines Blattes zwischen 6 und 10 Grm. gelegen haben. Um die soeben bezeichnete Grösse vermehrt sich das statische Mo- ment für den Drehpunkt des primären Blattstieles, wenn die zuvor senkrecht gegen diesen gestellten seeundären Blattstiele sich in die Nachtstellung begeben. Denn sei 7 die Länge des Hauptblattstieles, 7’ die Entfernung des Schwerpunktes eines Fiederstrahles von dem Ge- lenk des secundären Blattstieles und @ das Gewicht des Fiederstrahles, so ist bei senkrechter Stellung desselben gegen den Hauptblattstiel das mechanische Moment für den Drehpunkt dieses 7G und nach Erreichung der Nachtstellung 7-7) @; also um ’G vermehrt worden. Diese Zu- nahme ist natürlich geringer, wenn jeder Blattstiel zur Erreichung der parallelen Stellung sich um weniger als 90 Grad, und grösser wenn er sich um mehr als 90 Grad bewegen muss. Ist der Hauptblattstiel nicht hori- zontal gerichtet, so ist das statische Moment für dessen Drehpunkt durch die auf der Richtung der angreifenden, in unserem Falle vertical abwärts gerichteten Kraft (X) Senkreehte bestimmt, also A 7 sin «e, wo « den Winkel bezeichnet, welchen der Blattstiel mit derVerticaien bildet. Dem- gemäss nimmt bei Senkung eines aufrecht abstehenden Hauptblattstieles bis zur horizontalen Stellung für dessen Drehpunkt das mechanische Moment zu und wenn gleichzeitig die secundären Blattstiele die abend- liche Bewegung ausführen, so ist derZuwachs des fraglichen statischen 19 Moiwentes grösser, als es die Lagenänderung der seeundären Blattstiele für sich allein bedingt: umgekehrt verhält es sich natürlich aber bei Senkungen des Blattstieles unterhalb der Horizontalen. Um sich die Compression der unteren Gelenkhälfte dureh die am primären Blattstiel wirkende Kraft klar zu machen, kann man diesen als den einen Arm eines Winkelhebels betrachten, dessen anderer Arın jeder Querschnitt der unteren Gelenkhälfte ist und dessen Drehpunkt in der neutralen Achse des Gelenkes liegt!). Dieses vorausgeschickt wollen wir nun, um eine Vorstellung von der Grösse des gegen die‘ untere Gelenkhälfte wirkenden Druckes zu bekommen, einen conereten Fall betrachten und hier ein sehr kräftiges Blatt mit einem Paar Fieder- strahlen zu Grunde legen. Einer dieser Fiederstrahlen besass bei einem Gewicht von 0,24 Grm. eine Länge von 53 Millim. und da der Schwer- punkt nach empirischer Bestimmung 40 Millim. vom Gelenk des secun- dären Blattstiels entfernt zu liegen kam, so ist bezüglich dieses Gelenkes das statische Moment des Fiederstrahles (0,24. 40). 9,6 Grin. Das me- chanische Moment des anderen, 2,2 Grm. wiegenden Fiederstrahies wurde zu 8,> Grm. gefunden, die Summe beider ergibt sich also zu 18,4 Grm. Der primäre Blattstiel war 60 Millim, lang und da das Ge- wieht der Fiederstrahlen , bei rechtwinkliger Stellung «dieser, im End- punkt des Hauptblattstieles vereint angenommen werden kann, so er- gibt sich in diesem Falle ein statisches Moment von 0,46. 60 — 27,6 Grin., bei der nächtlichen Stellung der seeundären Blattstiele wird aber das mechanische Moment um 15,4 Grm. vermehrt werden. Unsere Be- trachtungen nahmen eine horizontale Stellung des primären Blattstieles an, wenn solche aber nieht zutrifft, wird das mechanische Moment ver- ringert und z. B. statt 27,6 Grm. nur 17,7 Grm. betragen, wenn der Blattstiel einen Winkel von 40 Grad mit der Verticalen bildet. — Für ein wenig kräftiges Blatt wurde das statische Moment in gleicher Weise zu 10,3 Grm. gefunden während die secundären Blattstiele senkrecht auf dem Hauptblattstiel standen und vermehrte sich durch den Ueber- gang jener in die Nachtstellung um 4,3 Grm. Das statische Moment bezüglich des Gelenkes der Fiederstrahlen ändert sich etwas mit der Lage der Blättehen, welche. bekanntlich in ausgebreiteter Tagstellung ungefähr senkrecht gegen den Blattstiel ge- richtet sind, während sie in der Nachtstellung einen nach der Spitze des Blattstieles geöffneten Winkel von 20 bis 40 Grad bilden?), wodureh ihr Schwerpunkt nach vorn verlegt und das fragliche statische Moment I, Näheres hierüber im nächstfolgenden Kapitel. 2) Siehe Fig. 4 p. 48. 80 vermehrt wird. Wären die Blättchen in der Nachtstellung dem Blatt- stiel parallel gerichtet, würde das Gewieht jedes Blättehens 0,006 Grm., die Länge 14 Millim. und die Zahl der Blattpaare 35 sein, so wäre, den Schwerpunkt der Blättchen 6 Millim. von ihrer Basis angenommen, die Vermehrung des statischen Momentes für den Drehpunkt des secun- dären Blattstiels 2,52 Grm. (0,006. 6. 70), ein Zuwachs der selbst bei sehr kräftigen Blättern wohl nieht überschritten oder gar nicht erreicht wird, da sich thatsächlich einige Verhältnisse minder günstig gestalten, als sie unserer Rechnung zu Grunde gelegt sind. Befinden sich die se- cundären Blattstiele in einer der Nachtstellung entsprechenden Lage, - so hat das Zusammenlegen der Blättehen immerhin eine gewisse Ver- mehrung des statischen Momentes für den Drehpunkt des Hauptblatt- stieles zur Folge, wodurch die Bewegungen dieses etwas beeinflusst werden können. Da solehes, wie leicht einzusehen, wegfällt, wenn die seeundären Blattstiele senkrecht gegen den primären Blattstiel gerichtet sind, so hielt ich jene bei den vorhin mitgetheilten Versuchen gewöhn- lich in dieser, seltner in einer gegeneinander geneigten Lage fest. Beachtet man, dass die tägliche abendliche Senkung der primären Blattstiele durch Accumulation zu Stande kommt, so ist es selbstver- ständlich, dass durch Anhängen von Gewichten an den Blattstiel eine verhältnissmässig geringe Senkung hervorgebracht wird. In einem Versuche wurde am Ende des Hauptblattstieles eines kräftigen Blattes eine leichte, aus Papier gefertigte Wagschaale angehängt und diese mit 0,2 und dann mit 0,5 Grm. beschwert, die, unter Berücksichtigung des Neigungswinkels des Blattstieles, für den Drehpunkt dieses ein sta- tisches Moment von 11 resp. 27,5 Grm. repräsentirten und eine Senkung \ des Blattstieles um 7 resp. 17 Grad herbeiführten. Führte ein primärer Blattstiel, weil seine Fiederstrahlen festge- halten wurden, keine abendliche Senkung aus, so kann diese, wenn jene losgebunden werden, am ersten Abend nicht so weit gehen, als der Vermehrung des durch die Bewegung der secundären Blattstiele hervorgebrachten statischen Momentes entspricht. Denn während sich die Fiederstrahlen einander nähern , nimmt gleichzeitig die Expansion in den Gelenkhälften und zwar in der unteren relativ schneller zu. Weiterhin freilich gestalten sich die Verhältnisse in Folge der Nach- wirkung in anderer Weise, wie dieses auch noch im folgenden Kapitel gezeigt werden wird. Die Grösse der bei der täglichen periodischen Bewegung des Hauptblattstieles endlich erreicht werdenden Senkung ist natürlich doch von der Vermehrung der Druckkraft am Abend ab- hängig, denn jene Senkung ist Resultirende aus vermehrter Compression 4 2 E: R ” 81 der unteren Gelenkhälfte, paratonischer Wirkung des Lichtes und den Nacehwirkungsbewegungen; diese letzteren selbst sind aber wieder durch die vorausgegangenen Senkungen bestimmt. Jede vermehrte Compression der unteren Hälfte des Hauptgelenkes hat demnach schon am ersten Tage eine gewisse Zunahme der abendlichen Senkung zur Folge und wenn jene weiterhin constant wiederkehrt, stellt sich endlich ein Gleiehgewichtszustand her. Wenn also durch irgend eine Ursache die Bewegungsamplitude der Fiederstrahlen vermehrt wird, so werden auch die primären Blattstiele Abends weiter herabsteigen und umge- kehrt sich weniger tief senken, wenn sich die Bewegungsamplitude der Fiederstrahlen vermindert. Aus diesem Grunde vermehrt sich die abendliche Senkung des Hauptblattstieles wenn ein zuvor dem Fenster zugewandtes Blatt von diesem abgewandt gestellt wird, indem nun die hintere Seitenhälfte der Fiederstrahlgelenke relativ stärker erleuchtet wird und dadurch die Bewegungsamplitude der secundären Blattstiele eine Steigerung erfährt. Bei Experimenten muss deshalb die Stellung des Blattes gegen das Fenster nothwendigerweise unverändert bleiben. Schon vorhin ist erwähnt, dass plötzliche Verdunklung eine Hebung des Hauptblattstieles hervorruft, weil in diesem Falle die Bewegung der seeundären Blattstiele nur langsam fortschreitet, die Expansion in dem Hauptgelenke aber schnell anwächst. Selbst ein sehr mässiger Liehtabfall führt zu gleichem Resultate und erst bei sehr allmählicher Verdunklung wird die in Folge von Helligkeitsabnahme angestrebte Hebung durch den sich vermehrenden Druck überwogen, welcher durch die Bewegung der Fiederstrahlen hervorgebracht wird. Uebrigens darf nicht vergessen werden, dass auch die täglichen periodischen Bewe- gungen der secundären Blattstiele durch Acceumulation zu Stande kommen. Wie zu erwarten war, fällt der Wendepunkt der abendlichen Sen- kung der Hauptblattstiele nahezu mit Erreichung der maximalen Nacht- stellung der Fiederstrahlen zusammen, welche zwischen 12 und 3 Nachts wieder auseinanderzuweichen beginnen und hiermit die Hebung des Hauptblattstieles begünstigen müssen. In wie weit hierdurch die Tages- periode beeinflusst wird, hatte ich kein Interesse zu untersuchen, da die primären Blattstiele in jedem Falle bis gegen Sonnenaufgang steigen um dann ihre Senkung zu beginnen. Nachdem die ziemlich schnelle Senkung des Hauptblattstieles Morgens zwischen 8 und 11 Uhr vollendet ist und ehe das abendliche Herabsteigen Jenes zwischen 2und 4 Uhr Nachmittags entschieden beginnt, werden Be- wegungen kleinerer Amplitude ausgeführt, welche eine vollkommen be- Pfeffer, Blattorgane, 6 82 stimmte Regelmässigkeit nicht erkennen lassen. (Vgl. Taf. II, nament- lich aber Millardet. e. Taf. Tu. Il.) Offenbar spielen hier die that- sächlich in geringem Grade vorhandenen autonomen Bewegungen eine Rolle und ausserdem machen sich unbedingt paratonische Wirkungen geltend, welche mit jedem Tage anders ausfallen können. Abgesehen von diesen könnte ein untergeordnetes Maximum dadurch zu Stande -kommen, dass die Hebung der Hauptblattstiele früher am Tage ihren Anfang nimmt, ehe die secundären Blattstiele beginnen sich gegenseitig zu nähern und hierdurch Senkung hervorzurufen. Ob etwas derartiges zutrifft, kann ich nach den Versuchen, in denen die secundären Blatt- stiele festgehalten waren, nicht beurtheilen. Die secundären Maxima, welche nach Millardet') 10 Uhr Morgens und zwischen 3 und 5 Uhr Nachmittags zu liegen kommen, sind nach der von diesem Forscher ge- lieferten graphischen Darstellung (Taf. lu. II) an sich schon sehr un- bestimmt und jedenfalls trifft Millardet’s Versuch, jene in Zusam- menhang mit dem vemehrten Saftzufluss am Morgen und der Erreichung des Temperaturmaximums am Nachmittag in Zusammenhang zu bringen, nicht das Richtige?). Wenn thatsächlich für die untergeordneten Maxima und Minima eine gewisse Regelmässigkeit existirt, so wird die Ursache in autonomen Bewegungen, Nachwirkungsbewegungen und dem spe- eifischen Bewegungsmodus der primären und secundären Blattstiele, resp. in Combinationen dieser Bewegungsvorgänge zu suchen sein. Geringe, allmähliche Wärmeschwankungen, wie sie bei Versuchen leicht herzustellen sind, werden sich in den periodischen Bewegungen von Mimosa nieht in merklicher Weise geltend machen. Ein anderer Fall. wo inso auffallender Weise wie bei Mimosa pudiea, die periodischen Bewegungen durch Aenderung der Stellung des Blattes, oder von Theilen dieses, beeinflusst würden, ist mir nieht bekannt, doch habe ich auch nicht nach weiteren derartigen Beispielen gesucht. Jede Lagenänderung von Blättern oder Blatttheilen wird, sofern sich damit der Druck gegen Gelenkpartien oder überhaupt gegen die Bewegungs - zone ändert, auf die Blattbewegung in etwas influiren, wenn auch that- sächlich die angestrebten Bewegungen ausgeführt werden. So vermin- dert sich z. B. mit der Senkung eines einfachen Bohnenblattes, bezüg- lich des Drehpunktes dieses, das statische Moment, ebenso aber auch für das Gelenk des Blattstieles, dessen abendliche Hebung hierdurch in etwas unterstützt wird. I) Nouvelles recherches ete. 1869, p. 29. 2) L. e., p. 38. 53 IV. Mechanik der täglichen Bewegungen. Bei der speciellen Betrachtung der Mechanik der dureh Liehtwechsel hervorgerufenen Receptionsbewegungen musste bereits vielfach auf die täglichen periodischen Bewegungen Rücksicht genommen werden, welche wir nun, nachdem wir ihre Entstehung kennen lernten, näher ins Auge zu fassen haben. Bei den durch Gelenke vermittelten periodischen Be- wegungen verkürzt sich bekanntlich die eine antagonistische Hälfte, wäh- rend sich die andere verlängert, obgleich durch die paratonische Wir- ‚kung des Lichtes in beiden gleichsinnige Bestrebungen hervorgerufen werden. Diese Verlängerungen und Verkürzungen werden bei den Nachwirkungsbewegungen in ungefähr gleichem Tempo wie unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswechsels fortgesetzt, welchem die täglichen periodischen Bewegungen ja ihre Entstehung verdanken. Entweder müssen nun die Nachwirkungsbewegungen hervorgebracht werden, indem auf jede Steigerung der Expansionskraft in einer anta- gonistischen Gelenkhälfte keine Abnahme erfolgt, die Ausdehnungs- kraft während der Fortdauer der Bewegungen also wächst, oder indem immer die eine Hälfte an Expansionskraft verliert, während die andere daran gewinnt. Das letztere ist thatsächlich der Fall, wie das Verhalten von Gelenken ergibt, deren eine Hälfte entfernt wurde und wie ausser- dem aus der Constanz der Biegungsfestigkeit während der Nachwir- kungsbewegungen gefolgert werden kann. Jede Gelenkhälfte setzt also mit nachlassender Amplitude Verlän- gerung und Verkürzung fort, auch wenn sie in Freiheit gesetzt, d.h. nach Entfernung der antagonistischen Hälfte, nicht mehr gezwungen ist passive Bewegungen auszuführen, ein Vorgang den man bildlich der Fortdauer der an einer Sprungfeder oder einem Kautschukstreifen her- vorgerufenen longitudinalen Schwingungen vergleichen kann. Der Ver- längerung oder Verkürzung entspricht selbstverständlich Vermehrung oder Verminderung der in den Gelenkhälften entwickelten Expansions- kraft und eine Abnahme dieser in einer isolirten Gelenkhälfte ist Folge des gleichsinnigen Vorganges in dem unverletzten Gelenke. Nun ver- mindert sich bei den Nachwirkungsbewegungen z. B. Abends die Aus- dehnungskraft der normalerweise am Abend im unverletzten Gelenk comprimirt werdenden Wulsthälfte, auch dann, wenn diese frei ihrem Streben folgen kann und daraus geht hervor, dass als Differenz der Compression und der durch Liehtabnahme hervorgerufenen Expansion im intacten Gelenke eine verminderte Expansionskraft dieser Wulst- 6* 84 hälfte übrig bleibt, dass sich aber diese Resultirende in den Nachwir- kungsbewegungen fortsetzt, wie in noch schönerer Weise auch Mimosa pudica ergibt, welche wir bald betrachten werden. Für die Nachwir- kungen der periodischen Nutationsbewegungen gilt wesentlich dasselbe wie für die Variationsbewegungen, wenn man nur beachtet, dass wo bei diesen vorübergehende Expansion eintritt, bei jenen dauernde Ver- längerung erzielt wird. Auf Taf. IV B ist das Resultat zweier Versuche mit Phaseolus il garis graphisch dargestellt, in denen das einemal (Curve 1) die obere, das anderemal (Curve 2) die untere Gelenkhälfte entfernt worden war und zwar an Blattgelenken der zuerst erscheinenden einfachen Blätter, deren , Blattstiel natürlich vollkommen an Bewegungen gehindert war. In beiden Fällen wurden die seit Abend in einem dunklen Raume befind- liehen Pflanzen Morgens 6 Uhr bei möglichst geringer Beleuchtung schnell operirt und weiterhin durch einen Pappreeipienten verdunkelt gehalten, welcher über die die ganze Zusammenstellung bedeekende Glasglocke gestülpt wurde. Im Uebrigen geschah die Ausführung der Versuche mit Hülfe des Hebeldynamometer in der Seite 9 beschrie- benen Weise. Die Temperatur schwankte, wie die Erklärung der Tafeln zeigt, während der Dauer der Versuche in nur sehr geringem Grade. Die graphische Darstellung ist so ausgeführt, dass Zunahme der Ex- pansionskraft durch Steigen, Abnahme dieser durch Fallen der Curven angezeigt wird, und zwar entspricht jede Seite eines Coordinatenqua- drates einer Ablesung von 3/,, Grad am Hebeldynamometer. Die Expansionsänderungen sind bei unserer Versuchsanstellung nur solche, welche bei Ausschluss des Lichtes zu Stande kommen und wickeln sich, wie die Curven zeigen, in den beiden antagonistischen Gelenkhälften in gerade entgegengesetzter Weise ab; wenn die Expansion in der einen Gelenkhälfte wächst, nimmt sie in der anderen ab und umgekehrt, und dabei befolgen diese Expansionsänderungen wesentlich denselben Gang wie Verlängerung und Verkürzung in den entsprechenden Hälften un- verletzter Gelenke. In diesen ist die untere Hälfte bei maximaler Nacht- stellung der Blätter (im Juli zwischen 9 und 11 Uhr Nachts) am stärk- sten verkürzt und verlängert sich bis zur grössten Hebung der Blätter, welche im Juli zwischen 7 und 11 Morgens erreicht wird, um dann wieder allmählich abzunehmen. Zu ziemlich denselben Zeiten treffen aber auch in unserem Versuche geringste und grösste Expansion der Nachwirkungsbewegungen in der unteren Gelenkhälfte ein, nachdem die antagonistische Hälfte entfernt war (Curve 1). Für die obere Gelenkhälfte ist durch die auf die antagonistische s5 Partie bezüglichen Angaben die grösste Verlängerung und Verkürzung während der täglichen periodischen Bewegung des unverletzten Ge- lenkes gleichfalls bestimmt und diesen Extremen ungefähr entsprechend liegen in der graphischen Darstellung unseres Versuches (Curve 2) Maxi- mum und Minimum für die ohne antagonistischen Zwang sich im Dunklen fortbewegende obere Wulsthälfte. Bei diesen Versuchen darf übrigens nicht vergessen werden, dass bei Aufenthalt im Dunklen, auch an un- verletzten Gelenken, kleine Verschiebungen der Wendepunkte der pe- riodischen Bewegungen stattfinden können. Bei den auf Taf. IV B dargestellten Versuchen fallen übrigens Maxima und Minima am ersten und an den folgenden Tagen auf ziemlich gleiche Stunden. Die kleinen Zacken der Curven (Taf. IV B) sind durch autonome Bewegungen bedingt, welche, wie namentlich aus der Biegungsfestig- keit der Gelenke hervorgeht, wie die Nachwirkungsbewegungen durch gleichzeitige Zunahme der Expansion in der einen und Abnahme dieser in der anderen Gelenkhälfte zu Stande kommen. Uebrigens sind in den dargestellten Versuchen diese autonomen Bewegungen gering, indem dieselben in anderen Fällen mehr als doppelt so grosse Amplitude er- reichten. Dagegen haben nur sehr wenige von ziemlich zahlreichen Experimenten die Nachwirkungsbewegungen der Tagesperiode so voll- kommen und ungestört ergeben, wie die Versuche welche unserer gra- phischen Darstellung zu Grunde liegen, mit der übrigens die erhaltenen Resultate auch im ungünstigsten Falle noch gut in Einklang zu bringen sind. Man kann sich über ein solches Ergebniss aber durchaus nicht wundern, da mit der Verletzung der Gelenke mancherlei Ursachen zu Unregelmässigkeiten, welche ich hier nicht erörtern will, gegeben sind und da ferner in dem stehen gebliebenen Gelenkgewebe bei Lichtaus- schluss öfters baldiges Absterben eintrat. Von Bedeutung ist für uns dasVerhalten operirter Gelenke von Mimosa pudica. Auf Taf. IV 4') stellt die Curve 2 das Resultat eines Versuches dar, in welchem die obere Hälfte des Hauptgelenkes Abends entfernt und gleichzeitig die Bewegung der secundären Blattstiele, durch Fest- binden in einer zum Hauptblattstiel senkrechten Stellung, gehindert wurde. Die bis dahin dem Tageslicht ausgesetzte Pflanze wurde dann nach der Operation weiterhin verdunkelt gehalten und am folgenden Morgen (8 Uhr) der Anfang mit den Beobachtungen gemacht. Die gra- phische Darstellung zeigt sogleich, wie der Hauptblattstiel an dem i) Die in den 3 Curven dargestellten Versuche mit Mimosa pudiea sind mit Hülfe des Hebeldynamometers ausgeführt. Auch hier entspricht eine Seite eines Coordinatenquadrates einer Ablesung von 3/,, Grad am Hebeldynamometer. s6 ersten und an den folgenden Tagen seine tiefste Stellung zwischen 8 und 9 Uhr Abends erreicht und wie überhaupt die Nachwirkungsbe- wegungen der vonihrem Gegenpart befreiten unteren Gelenkhälfte mit den täglichen periodischen Bewegungen der unverletzten Gelenke wesent- lich übereinstimmen. Da nun, wie ich nachwiess, diese tägliche perio- dische Bewegung, speciell die abendliche Senkung, nicht allein von dem durch Beleuchtungswechsel hervorgerufenen Expansionsstreben abhängt, sondern Resultirende aus diesem und der durch die Bewegung der secnndären Blattstiele bedingten Compression der unteren Gelenk- hälfte ist, so tritt hier in klarster Weise hervor, dass nur die thatsächlich ausgeführten Bewegungen, resp. die hiermit zusammenhängenden Ex- - pansionsverhältnisse massgebend für die Nachwirkungsbewegungen sind. Uebrigens zeigen operirte Bohnengelenke gleichfalls, dass nicht der Beleuchtungswechsel als solcher, sondern die thatsächlich ausge- führten Bewegungen die Nachwirkungsbewegungen bestimmen, denn diese halten in beiden Gelenkhälften einen gerade entgegengesetzten Gang ein, während Helligkeitswechsel gleichsinnige Expansionsände- rung in den antagonistischen Gelenkhälften hervorruft. Werden die operirten Gelenke nicht im Dunklen gehalten, so be- stimmt nieht mehr allein die Nachwirkung der Tagesperiode, sondern die Resultirende aus dieser und der durch den täglichen Beleuchtungs- wechsel hervorgerufenen paratonischen Wirkung die Expansionsände- rung im Gelenke. Die Curve I (Taf. IV A) veranschaulicht einen Ver- such mit Mimosa pudica, in welchem, wie in dem vorhin beschriebenen Experimente, die obere Gelenkhälfte am Abend entfernt und gleichzeitig die secundären Blattstiele an ihrer Bewegung gehindert wurden. Am ersten Beobachtungstage blieb die Pflanze am Tageslicht (durch den stärker ausgezogenen Theil der Curve angegeben) und unter dem Einflusse der paratonischen Wirkung der Helligkeitsabnahme trat am Abend keine Senkung, sondern eine Hebung des Hauptblattstieles ein, als aber die Pflanze weiterhin dunkel gehalten wurde, ergab sich am Abend des fol- senden Tages eine deutliche Senkung des Blattstiels, welche zwischen S und 10 Uhr ihr Maximum erreichte. Dieser Versuch ergibt, dass eine durch Helligkeitsabnahme hervorgerufene kräftige paratonische Wir- kung die vermöge der Nachwirkung in der unteren Gelenkhälfte an- gestrebte Expansionsänderung überwiegt. Wenn aber die seeundären Blattstiele nicht festgehalten sind und also gegen Abend durch deren Bewegung eine mit dieser zunehmende Compression der unteren Gelenkhälfte als weiterer Faktor hinzutritt, so kommt als Resultirende dieses Faktors, der Nachwirkung und der 87 abendlichen paratonischen Wirkung in gewöhnlicher Weise Senkung des Hauptblattstieles zu Stande. Dieses zeigt Curve 3 (Taf. IV A), welche auf einem Versuch basirt, in dem Abends die obere Hälfte eines Hauptgelenkes weggesehnitten, die seeundären Blattstiele aber nicht festgehalten und anderen Tages die am Tageslicht stehende Pflanze beobachtet wurde. Natürlich kann auch bei anderen Pflanzen die in jeder einzelnen Gelenkhälfte fortdauernde Nachwirkung nur bei Gleiehhaltung äusserer . Verhältnisse verfolgt werden und es wird z. B. die untere Hälfte eines Bohnenblattgelenkes, je nach der Grösse einer am Abend eintretenden paratonischen Wirkung einerseits und der Nachwirkung anderseits, so- wohl eine Hebung als auch eine Senkung ausführen können. Letztere, als Resultirende zweier Componenten, widerspricht aber natürlich nicht dem Faktum, dass bei Helligkeitsabnahme die Expansionskraft der unteren Gelenkhälfte zunimmt. Es ist dies wohl zu beachten, wenn Bohnen — oder entsprechend auch andere Pflanzen — nach Entfernung der oberen Gelenkhälfte am Tageslicht gehalten werden. Denn es ist dann möglich, dass auf jede während des Tages hervorgerufene Verdunklung eine Hebung des Blattes erfolgt, dieses sich aber am Abend senkt, um erst in der Nacht wieder mit Steigen zu beginnen, wie ich solches fak- tisch bei Aufenthalt der Versuchspflanzen in ziemlich stark diffusem Tageslicht beobachtete. Es ist früher !) gezeigt worden, dass die im Dunklen fortgesetzten täglichen periodischen Nutationsbewegungen, in gleicher Weise wie unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswechsels, durch ab- wechselnd beschleunigtes Wachsthum je einer antagonistischen Hälfte zu Stande kommen. Beachtet man dieses, sowie die Analogie der Nu- tations- und Variationsbewegungen, so kann es nicht fraglich bleiben, dass bei nutirenden Blattorganen jede antagonistische Hälfte nach Iso- lirung Besehleunigung und Verlangsamung des Wachsthums in dem- selben Tempo wie zuvor fortsetzt. Auch aus dem Verhalten der Biegungsfestigkeit ist mit Sicherheit zu folgern, dass die Nachwirkungsbewegungen durch entgegengesetzte Expansionsänderung in den antagonistischen Gelenkhälften zu Stande kommen. Denn die Biegungsfestigkeit der Gelenke hält sich während der Nachwirkungsbewegungen auf gleicher Höhe, wenn auch die Kraft, mit der sich hierbei die Blätter auf- und abwärts bewegen, so ansehn- lich ist, dass die Steifheit der Gelenke jedenfalls zunehmen müsste, 1) Diese Abhandlung p. 24. 85 wenn die Bewegungen fortwährend durch nicht wieder rückgängig werdende Expansionszunahme je einer antagonistischen Hälfte zu Stande kämen. So wurde für das Gelenk eines einfachen Blattes von Phaseolus vulgaris die nach Brücke’scher Methode, bei aufrechter und umge- kehrter Stellung der Pflanze bestimmte Winkeldifferenz, in hellem dif- fusem Tageslicht 18 bis 20 Grad, 12 Uhr Nachts aber in verschiedenen Versuchen zu 9 bis 10 Grad gefunden und auf dieser Höhe erhielt sich die Biegungsfestigkeit zu allen Tageszeiten, als die Pflanze weiterhin völlig dunkel gehalten wurde und hierbei Nachwirkungsbewegungen von zunächst ansehnlicher Amplitude ausführte. Zu gleichem Resultat führten andere Versuche mit den Blättern von Phaseolus und ebenso mit dem Hauptblatt von Hedysarum gyrans, bei welchem letzteren sich die fragliche Winkeldifferenz am Tageslicht 1!/, bis 2'/; mal so gross als in der Nacht ergab. Bei Trifolium pratense bleibt die Biegungsfestigkeit während des Aufenthaltes im Dunklen gleichfalls constant. In einem Versuche ergab sich z. B. für ein Endblatt die Winkeldifferenz in hellem diffusem Tages- licht zu 22 bis 25 Grad, hielt sich aber im Dunklen während dreier Tage auf 10 bis 11 Grad. Auch die Blättehen von Oxalis Acetosella, für welche die Winkeldifferenz am Tage 1'/, bis 2!/, mal so gross als während der Nacht ausfällt, ergaben ein gleiches Resultat. Bei den eben genannten Pflanzen sind im Dunklen die Nachwirkungsbewegungen der Blätter durch die mit grosser Amplitude ausgeführten autonomen Bewegungen verdeckt, deren Bewegungsmechanik eben hiernach mit der der Nachwirkungsbewegungen übereinstimmt. Denn die Kraft, mit welcher die autonomen Bewegungen angestrebt werden, ist, wie noch gezeigt werden soll, so gross, dass die Biegungsfestigkeit der Gelenke in Folge der, mit einer Schwingungszeit von einigen Stunden sich wieder- holenden autonomen Bewegungen, nothwendig zunehmen müsste, wenn jede Bewegung nur durch Zunahme der Expansionskraft in einer Ge- lenkhälfte, ohne gleichzeitige Abnahme der Ausdehnungskraft in der anderen Hälfte hervorgebracht würde, wenn also mit jeder Bewegung die Expansionskraft einer Gelenkhälfte einen dauernden Zuwachs er- führe. Letzterem widerspricht ja auch, dass an einseitig operirten Bohnengelenken autonome Bewegungen direet nachzuweisen sind. Die Zunahme der Biegungsfestigkeit am Abend, von Brücke!) zuerst an den Hauptblattstielen von Mimosa pudica nachgewiesen, ist eine Folge der mit der Lichtentziehung vermehrten Expansionskraft 1) Müller’s Archiv für Anatomie u. Physiologie 1848, p. 452. 89 und findet sich deshalb bei allen Bewegungsgelenken, natürlich in einem speeifisch verschiedenem Grade, der aber für die Grösse der Be- wegungsamplitude kein Maass ist, da ja diese durch das Verhältniss des Expansionszuwachses in den antagonistischen Hälften bedingt wird. Wenn Sachs!) für die Gelenke der Blattstiele von Phaseolus zu keinem bestimmten Resultate kam, so dürfte der Grund wohl in der zu geringen Winkeldifferenz und der hiermit zusammenhängenden Un- genauigkeit liegen. Als ich durch ein an den Blattstiel befestigtes Ge- wicht die Winkeldifferenz vergrösserte, fand ich diese an sehr hellem diffusen Tageslicht zu 12 bis 14 Grad und in der Nacht zu 9 bis 10 Grad. Für die Blättchengelenke von Trifolium pratense und Oxalis Acetosella hat auch Hofmeister?) die Zunahme der Biegungsfestigkeit in der Nacht festgestellt, doch dürften bei diesen Versuchen die Pflanzen wohl direet insolirt worden sein, da ich nur in diesem Falle eine so grosse Winkeldifferenz für die fraglichen Blätter finde, wie sie von dem ge- nannten Forscher angegeben wird. Die zuerst von Brücke zur Bestimmung der Biegungsfestigkeit angewandte Methode besteht bekanntlich in einer Bestimmung der Stel- lungsänderung, welche sich ergibt, wenn die horizontal gestellten Blätter 180 ° um ihre eigene Achse gedreht werden. Um diese Ausbiegung zu vermehren, befestigte ich in allen Fällen an den Blättern zugleich als Index dienende Drahtstücke so, dass diese die gerade Fortsetzung der Mittelrippe bildeten. Bei Trifolium pratense wogen z. B. diese Draht- stücke 0,06 bis 0,12 Grm. und hatten eine solche Länge, dass ihre Spitze 40 bis 60 Millim. von dem Blattgelenk entfernt war. Eine entsprechende Grösse mussten natürlich auch die zur Ablesung angewandten Grad- bogen besitzen und ein nicht zu geringer Radius dieser ist auch für die Genauigkeit der Versuche wesentlich. Denn es gewinnen dadurch nicht nur die Ablesungen selbst an Genauigkeit, sondern auch der aus der Einkrümmung der Gelenke entspringende Fehler wird so weit ver- mindert, dass er füglich vernachlässigt werden kann. Bei der Ab- lesung muss immer der gleiche Modus eingehalten werden, da die Blätter nach vorgenommener Umkehrung stets einige Zeit zu sinken fortfahren, und weil dieses durch Belastung gesteigert wird, hat die durch Vergrösserung der Ausbiegung erreiehbare Genauigkeit ihre Grenze. Man muss eben versuchen durch welche Belastung der grösste Vortheil erreicht wird, wenn aber dieser gehörig gewahrt wird, kann man darauf rechnen, dass aufeinanderfolgende Versuche ein um nicht 1) Botan.Zeitung 1857, p. 802. 2) Pflanzenzelle 1867, p. 329. 90 mehr als 1 Grad verschiedenes Resultat ergeben. Dieses Gleichbleiben der Biegungsfestigkeit, während die autonomen und Nachwirkungs- Bewegungen im Dunklen fortgesetzt werden, in welcher Stellung des Blattes auch die Bestimmung vorgenommen wird, zeigt, dass die Incur- vation der Gelenke nicht wesentlich auf den Ausfall der Winkeldiffe- renz influirt. Um durch den Wasservorrath bedingte Turgescenzände- rung der Gewebe möglichst zu vermeiden, benutzte ich in nicht zu kleine Töpfe eingesetzte Pflanzen, welche, während sie hellem diffusem Tages- licht ausgesetzt waren, unter einer Glasglocke gehalten wurden. Bei der Umkehrung der Pflanzen müssen stärkere Erschütterungen ver- mieden werden, weil hierdurch eine gewisse Erschlaffung der Gelenke herbeigeführt wird; zum Zwecke bequemer Umkehrung überbinde ich die Töpfe mit sogenanntem Gaz. Die Nothwendigkeit die Seitenblätt- chen bei Trifolium zu entfernen und andere zu ergreifende Massregeln brauchen, weil zu selbstverständlich, hier nicht hervorgehoben zu werden. Es ist wichtig sich klar zn machen, dass die Biegungsfestigkeit der Gelenke schon mit jeder vermehrten Spannung der Gewebecomplexe gegeneinander und eben dieser Spannung halber zunimmt. Um dieses leicht einzusehen denke man sich an die Stelle des das Gefässbündel umgebenden Gewebecomplexes einen eomprimirten Kautschukeylinder gesetzt, so muss, um die Spannungsintensität zu vermehren, an Stelle dieses entweder ein längerer und demgemäss stärker zu comprimirender Hohleylinder aus demselben Material gebracht werden oder die Länge des einzufügenden Cylinders kann dieselbe wie zuvor sein, wenn dieser aus einem Material besteht, welchem ein höherer Elastieitätscoeffieient zu- kommt. Man sieht nun ohne weiteres ein, dass der Elastieitätscoeffieient für das Material eines solehen Cylinders proportional der angestrebten Verlängerung der an dessen Stelle successiv einzusetzenden Kautschuk- eylinder steigen muss, und dieses beachtet folgt, dass der Biegungspfeil dieser angestrebten Verlängerung umgekehrt proportional ist. Hierbei ist natürlich gleichbleibende Länge und unveränderter Querschnitt des Gelenkes vorausgesetzt. Es würde vollkommen verfehlt sein, wenn man die für vollkommen elastische, homogene Körper geltende Schlüsse ohne weiteres auf die Schwellgewebe übertragen wollte, aber soviel geht aus der obigen Be- trachtung mit Sicherheit hervor, dass die Biegungsfestigkeit der Ge- lenke mit zunehmender Expansion der Schwellgewebe wächst, gleich- viel welche innere Ursachen der Expansionskraft der Gewebecomplexe zu Grunde liegen. Diese inneren Ursachen können also jedenfalls aus der Biegungsfestigkeit und deren Veränderung nicht erschlossen werden. ” ts a Den ch ae Äh Te bc En nl lad ZA du n ın 1 al En Zn 9 Unter Beachtung des Obigen sieht man leicht ein, dass das Ver- halten der Biegungsfestigkeit bei nutirenden Objekten zu wesentlichen Schlüssen bezüglich der Wachsthumsvorgänge nicht verwendet werden kann und auch nur die Absicht auf gewisse Punkte aufmerksam zu machen, bestimmt mich bei diesem Gegenstand noch etwas zu ver- weilen. In so hohem Maasse wie in Gelenken kommen Spannungs- änderungen in der Bewegungszone nutirender Blattorgane nicht vor, weil eben durch die Expansionszunahme Wachsthum der activen und passiven Gewebe bedingt ist. Geringe Zunahme der Gewebespannung in Folge des am Abend beschleunigten Wachsthums ist freilich zu er- warten, da ja an wachsenden Stengeln die Gewebespannung mit Zu- nahme des Wachsthums während der Nacht steigt. Aus diesem Grunde könnte die Biegungsfestigkeit bei einer abendlichen Nutationsbewegung etwas zunehmen, da sich aber gleichzeitig die Bewegungszone ver- längert und der Biegungspfeil mit der Länge jedenfalls wächst (bei elastischen Körpern ist der Biegungspfeil der dritten Potenz der Länge proportional), so kann man nicht behaupten, dass nach Brück e’scher Methode die Biegungsfestigkeit in der Nachtstellung vergrössert gefun- den werden muss. Weiter ist zu beachten, dass wegen der grösseren Länge der Be- wegungszone, die gewöhnliche Bestimmung der Biegungsfestigkeit kein für verschiedene Blattlagen vergleichbares Resultat ergibt. Wenn sich die Bewegungs- rn zone (ab Fig. 5) zu einem Kreisbogen von | 90 Grad krümmt, so durchläuft die Spitze nn des Zeigers (br) weniger als 90 Grad an einem Kreisbogen, dessen Mittelpunkt auf ‚ die Insertionsstelle der Bewegungszone ein- gestellt ist. Da nun bei Krümmung der Bewegungszone zu 360 Grad der Zeiger in seineAusgangslage (be) zurückgeführt wird, * Yr so sieht man sogleich ein, dass mit zuneh- | = mender Krümmung jener der Zeiger für denselben Krümmungszuwachs der Be- wegungszone grössere Strecken auf dem Gradbogen durchläuft. Demgemäss wird eine Bestimmung der Biegungsfestigkeit bei einer der Linie «ce ent- sprechenden Lage des Blattes eine geringere Winkeldifferenz als in der Lage ac’ oder «c’’ geben. Dieser Unterschied wird natürlich mit Ver- grösserung des Krümmungsradius des zu den Ablesungen dienenden 92 Kreisbogens vermindert und z. B. bei Gelenken, der geringen Länge dieser halber, so herabgedrückt, dass der aus ungleicher Stellung der Blätter entspringende Fehler bei Bestimmung der Biegungsfestigkeit vernachlässigt werden’ kann !). — Beträgt z. B. die Länge der Bewe- gungszone (a5) 30 Millim. und krümmt sich diese zu einem Bogen von 10 Grad. so wird durch den Zeiger, auf einem mit seinem Mittelpunkt bei a eingestellten Kreisbogen von 60 Millim. Radius, eine Bewegung von 7 30’ 41” angezeigt?), dagegen beträgt diese 8° 39 5”, wenn sich die Bewegungszone von 80 Grad zu 90 Grad krümmt. Bei soleher Aus- biegung würden die in entsprechenden Lagen vorgenommenen Bestim- mungen der Biegungsfestigkeit also um etwas mehr als 1 Grad differiren. Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden, dass sich die Bewe- gungszone nicht zu einem wirklichen Kreisbogen krümmt, da ohnehin nur darauf aufmerksam gemacht werden sollte, was an nutirenden Ob- jekten bei Bestimmung der Biegungsfestigkeit zu beachten ist. Hier- nach genügt es die thatsächlich beobaehteten Verhältnisse kurz zu er- wähnen, da diese, wie schon bemerkt, nicht zu wesentlichen Schluss- folgerungen verwendbar sind. Nach Hofmeister?°) nimmt die Biegungsfestigkeit der Blattstiele von Malva silvestris in der Nachtstellung wesentlich zu, während in dieser die Blätter von Impatiens noli tangere 1) erschlafft sein sollen. Bei beiden Pflanzen und ebenso bei Chenopodium album, kann ich aber, bei mit gewöhnlichen Gradbogen vorgenommenen Bestimmungen, keinen merklichen Unterschied der Biegungsfestigkeit für Tag- und Nachtstellung der Blätter finden und auch dann ergab sich annähernd gleiche Winkeldifferenz, wenn die Blätter der Pflanzen im Dunklen wieder auf ihre frühere Lage zurückgekehrt waren. Nach den voraus- geschiekten Erörterungen ist eine grössere Aenderung der Biegungs- festigkeit an nutirenden Blattorganen auch nicht zu erwarten und ebenso ist es klar, dass aufeinanderfolgende Bestimmungen geringere Ueber- einstimmung unter sich, als bei Gelenken geben werden. 1) Ueber Construction von Gradbogen, welche den entstehenden Fehler ver- meiden. Vergl. Brückel. e., p. 453 Anmerkung. 2) Ich unterlasse diese Beziehungen mathematisch zu formuliren, da ohnehin die Stellung des Zeigers für jeden eonereten Fall leicht zu berechnen ist. Aus ab’ (= ab) und 187 188 4 » De 179 182 3. 4. Le nn u m nn m ns Aussen.| Innen. « |Aussen.| Innen. 1/2. 4U.15’ Nehm.| 162 156 7/2. 4U. 20’ Nchm.| 160 162 8/2. 9 » Vorm. 156 181,5 18/2. 9» 5’ Vorm. 177 179 12 » » 192 188 12 » 5’Nehm. 180 183 In Temperatur von 7° C.— T!je° C. 12U. 15’ Nehm. 195 188 12 U. 25’Nehm.| 7 187 183 sn 5.) 197 188,5 124» 508,8» 188 183 Ar Di » | 200,5 190 4,1072 ar |, 719053 184 Tabelle XId. Wachsthum der Mittelzone auf 1 Stunde und in Procenten berechnet. Die Nummern entsprechen den oben mitgetheilten Versuchen. Für Nr. 5 und 6 sind die Belege weggelassen. Temp. 17—18°C. Temp. 7—71/° C. ee u [Je ne ne Aresp.A!1|2Nchm. | 83|4 resp. 9Vorm. [113], resp. 12 Vorm.|113|; resp. 12 Vorm. |12!|2rsp.123]4Nchm. bis83 4 resp. bis 113] resp. bis 12resp. bis 12!]2 resp. bis3!|2resp. 9 Vorm. 12 Vorm. 1212 Vorm. 1234 Nchm. 411, Nehm. Nr. 1 0,64 0%, 0,70 0, 4,65 0), 1,87%, 0,41 0/, » 2 0,67 %, | 0,74 0/9 6,21 9% 3,27 0/9 0,34 0/, ».3 60, Ir 13%, 3,12%, | 1,790 0,23 %/, » 4] 0,63% 0,65 0% 5,83 0/5 2,96 9%, 0,24 0/, He 0,70 9%, 0,84 0/, 5,20 0/9 . 1,91 %, 0,19% »6 0,94 0%, 1,16 %, 6,42 0/, 2,97 0/5 0,31 0/, 126 Tabelle XlIa. Die Crocusblüthen wurden seit 7 Morgens (5/2. 74) in einer zwischen 22,5 und 22,5°C. schwankenden Temperatur gehalten, dann Nachmittags zwischen 4 Uhr a und 4 Uhr 40’ in Temp. von 14,5—15° C. gebracht. 1% 2 — [m 0000000000 m Aussen. | Innen. Aussen. | Innen. 2 U. 20’ Nehm. | 15 188 2 U. 30’ Nehm. | 176,5 181,5 4 » 20’ » 178 18: 4 ” 30’ » 179 155 In Temperatur von 14,5—15° C. A 50° ..90 4, Isa 1 Aa’ 55 » 1 485 " SeeEE 3 4. ee ee en nn nn |Aussen. | Innen. |Aussen.| Innen. 2 U. 35’ Nehm. 194 188 2 U. 40’ Nehm. 178 182 42,135’ >» 198 191 4» 40’ » 180,5 156 In Temperatur von 14,5—15 Br ae 55 HE BT Se Tabelle XIl 2. Wachsthum der Mittelzone auf 1 Stunde und in Procenten berechnet. Temp. 22,5—22,30C. Temp. 14,5—150C. 2 U. 20’ resp. 2 U. A0’N. 4 U.20' resp. 4U.40’N. bis 4 U. 20’ resp. AU. 40 N. [bis 4 U. 50’ resp. 5 U. 10’N Nr.1 0,56 9/9 3,07 9/9 ».,2 0,97 0/, 3,39 0/, 3 0,91 0/, 2,52 0), » 4 0,89 0/, 3,88 0/, Tabelle XIlIlIa. Die Croceusblüthen befanden sich seit 2/2. 74 Abends in einer Temperatur von S bis 9°C. und wurden theilweise Vormittags (Vers. I u. 2), theilweise Nachmittags (Vers. 3 u. 4) in eine Temperatur von 2! bis 22° ©. gebracht. 1. 3. — nennen] GEEHEDEn. nn u u ne mn Aussen.| Innen. Aussen. | Innen. | R 80%:35% Vor. 182 | 157 9 U. Vorm. 178 161,5 11-9735’ » 183 178 1245 » 179 162,5 In Temperatur von 19° ( 12 U. 20’ Nehm. 183 | 182,5 12 U. 30’ Nehm. | 178,5 | 166 DI A0’ - 7 = 183 I 191,5 2» 50° » | 150 | 171 Ba © ae,5- | 194 4» 50°» 183 7173 Ts 4, A — FE Aussen: | Innen. |Aussen. Innen. 9U. 15’ Vorm. 205,5 | 189 9 U. 20’ Vorm. | 184,5 176,5 2 » 45’ Nchm. | 209 - | 192,5 3 » 20’ Nehm. | 18S 180,5 In Temperatur von 21—22° C But 52Nchm.1| 207,5 196 4U. 5’Nehm. | 186 185 3» 4 » 207,5. °| 198,5 Bin ) Variations- oder Nutationsbewe- gungen sind, muss ich dahin gestellt sein lassen. Linne ®) hat die Bewegung mit und ohne Gelenke nicht getrennt, was zuerst von Dassen’) geschah. Uebrigens sind bei Linne als 1) Solche Uebersichten sind von Linne& (Vgl. De Candolle, Pflanzenphysio- logie übers. von Röper p- 630) und von Dassen (vergl. Meyen, Pflanzenphysio- logie Bd. III, p. 476) geliefert worden. 2) Botan. Zeitung 1874, p. 359. 3) Pflanzenphysiologie Bd. III, p. 545. 4) De Candolle, Pflanzenphysiologie übersetzt von Röper 1835, Bd. II p- 654. 5) Unger, Anatomie u. Physiologie 1855, p. 417. 6) Somnus plantarum, in Amoenitates academicae IV, p. 333. 7) Tijdschrift vor Naturlijke Geschiedenis en Physiologie 1837, IV, p. 127. Pfeffer, Blattorgane, 11 162 schlafende Pflanzen viele verzeichnet !), welche Nutationsbewegungen ausführen und da sowohl Dassen, als neuerdings noch Batalin?) zahlreiche Beispiele aufführen, so habe ich keinen Grund diese noch zu vermehren. Vielleicht kommen tägliche periodische Nutationsbewe- gungen, wenn auch oft in minimalem Maasse, der Mehrzahl junger Blätter zu. Ueber die Verbreitung der Nutationsbewegungen der Blüthen habe ich bei anderer Gelegenheit berichtet). Meine Untersuchungen haben sich nur auf Laub- und Blüthen- blätter erstreckt, jedoch kommen auch anderen Blattorganen der Blüthe periodische Bewegungen zu, wie denn Morren *) solche für die Staub- fäden von Sparmannia angibt. Die periodischen Bewegungen sind aber nicht. auf Blattorgane beschränkt, sondern kommen auch an Achsen- organen vor. Autonomen Bewegungen der Blattorgane entsprechen z.B. die spontanen Nutationen von Blüthenschäften und von Schlingpflanzen und nach Linn& und Treviranus) nehmen die Blüthenstiele mancher Pflanzen Abends eine andere Stellung ein, führen also tägliche perio- dische Bewegungen aus. Ich habe diese Angaben nicht geprüft, indess kann man von vornherein erwarten, dass auch manchen Achsenorganen tägliche periodische Bewegungen zukommen, die ja eintreten werden, wenn sich die nächtliche Wachsthumsbeschleunigung nicht gleich schnell auf allen Seiten des Stengels geltend macht. Die Variationsbewegungen ausführenden Organe sind, soweit bekannt, in morphologischem Sinne Blattgebilde, doch ist es ja sehr wohl möglich, dass auch Achsenor- gane gefunden werden, in welchen derartige Bewegungen zu Stande kommen. Ob alle auf Reiz reagirende Pflanzentheile sich auch periodisch bewegen, muss ich fraglich lassen. Nach Nitschke) sollen sich an den reizbaren Blättern von Drosera keine täglichen periodischen Bewe- gungen finden und solche sind an den Staubfäden von Cynara, wenn überhaupt vorhanden, jedenfalls nicht ansehnlich. 1) Die Blätter, welche auf Grund der habituellen’Erscheinung bei der Nacht- stellung von Linn& folia conniventia, nicludentia, eireumsepientia und mumientia genannt wurden, gehören meist hierher. 2) Flora 1873, p. 437. 3) Meine Physiol. Untersuchungen p. 211. 4) Rech. s. 1. mouvement du Sparmannia in M&m. d. l!’ Acad. d. Bruxelles 1811, p- 20. d. Separatabdruckes. 5) Physiologie 1838, Bd. II, p. 752. b, Botan. Zeitung 1860, p. 247. it 163 XIII. Historisches. Bei Darlegung meiner eigenen Untersuchungen sind die wesent- lichen der von anderen Forschern gewonnenen Resultate hervorgehoben ‚worden und wie dort, ist es auch hier nicht meine Absicht alle die zahl- reichen Angaben über periodische Bewegung der Blattorgane zu sam- meln. Viele dieser Angaben beziehen sich ohnehin nur auf Aeusser- lichkeiten und die älteren Versuche Mechanik und Ursachen der Blatt- bewegungen zu erklären, sind zum guten Theil so vage Vermuthun- gen, dass es sich nicht lohnt diese alle und deren Autoren namhaft zu machen. Schon Plinius!) erwähnt, dass die Blätter des Klees sich bei nahendem Unwetter schliessen und vielleicht war es ihm auch nicht unbekannt, dass sich Stellungsänderungen der Blätter täglich wieder- holen. Dann geschieht aber erst wieder im 13. Jahrhundert der Stel- lungsänderung der Blätter durch Albertus Magnus?) Erwähnung und unabhängig entdeckten im 16. Jahrhundert Valerius Cordus und Garcias de Horto°) die täglichen periodischen Bewegungen an den Fiederblättchen einiger Leguminosen. Erst durch Linne ?) aber wurden diese, als Pflanzenschlaf bezeichneten Bewegungen und ihre grössere Verbreitung an Blüthen und Blättern allgemeiner bekannt. | Der Ursprung der periodischen Bewegungen wurde, seitdem man überhaupt auf Erklärungen ausging, in äusseren Verhältnissen, wie in Lieht, Wärme und Feuchtigkeit gesucht, oder auf unbekannte innere Ursachen geschoben. Den täglichen Beleuchtungswechsel sprach Hill >) als Veranlassung der Schlafbewegungen der Pflanzenblätter an, weil . er fand, dass Blätter, nach einer am Tage vorgenommenen Verdunklung, gleiche Stellung wie am Abend einnahmen. Letzteres sah auch Zinn®), welcher aber mit Recht bemerkt, dass der tägliche Beleuchtungswechsel nicht ohne weiteres zur Erklärung des Blätterschlafes ausreiche, indem ja die Blätter im Dunklen gehaltener Pflanzen Abends dennoch Nacht- 1) Hist. natural. Lib. XVIIL, Cap. 35. 2) Nach E. Meyer, Linnaea Bd. X, p. 641. 3) Vergl. De Candolle, Pflanzenphysiologie übers. von Röper, Bd. II, p. 628. 4) Philosophia botanica 1751, p. 274 und Somnus plantarum 1755 in Amoenitat. academicae Bd. IV, p. 333 ft. 5) Der Schlaf der Pflanzen u. s. w., deutsche Uebersetzung 1776, p. 41. Das Original erschien 1757. 6) Hamburgisches Magazin 1759, Bd 22, Stück 1, p. 40—50. 11* 164 stellung einnehmen!) und dieses geschah, wie unser Autor fand, auch dann, wenn die Pflanzen gegen Abend an helleres Licht kamen. Da Zinn ferner fand, dass Temperaturwechsel nicht die Ursache der täg- lichen Bewegungen der Blättchen von Mimosa virgata war, so nahm er als Grund der Bewegungen unbekannte innere Ursachen an. Dass der Beleuchtungswechsel in irgend einer Beziehung zu den täglichen perio- dischen Bewegungen steht, wurde erst von De Candolle dureh die mit künstlicher Beleuchtung erhaltenen Erfolge bewiesen, doch musste dieser Forscher es fraglich lassen, ob das Licht nur Regulator erblieher Bewegungen oder allein bedingende Ursache sei, welche letztere An- sicht fernerhin die geläufige wurde?). BeiDe Candolle, und auch in der späteren Literatur sind die paratonischen, die täglichen und die autonomen Bewegungen nicht oder ungenügend auseinandergehalten worden, bis Sachs zeigte, dass diese Bewegungen scharf getrennt werden müssen. Die Ansichten über die Beziehung zwischen Beleuchtungswechsel und den täglichen Bewegungen der Blätter entwickelten sich nieht in so glatter Weise, wie sie die obige Skizze vorführt. Wie schon von Ray (1686), Camerarius (1688) 3) und Mustel (1781) 4) Wärmever- hältnisse als Ursache des Schlafes der Blätter angesprochen waren, so vertheidigte in späterer Zeit u. a. Hoffmann ungerechtfertigterweise die gleiche Ansicht für alle Blattorgane und als ich die »Untersuchungen über Oeffnen und Schliessen der Blüthen « aufnahm, war die Bedeutung der Temperaturschwankungen für die Bewegung verschiedener Blüthen noch nicht aufgehellt. Schwankung der atmosphärischen Feuchtigkeit ist nur in älterer Zeit mit Entschiedenheit als Ursache der Blattbewegungen angesprochen worden, so von Parent°) undBonnet‘), deren Ansichten darin über- einkommen, dass die eine Seite eines Pflanzentheiles, weil sie mehr Feuchtigkeit aufnehme, sich schneller ausdehne als die andere. Im- merhin liegen solcher Auffassung wenigstens noch gesundere Anschau- ungen zu Grunde, als etwa der Meinung, Spiralgefässe möchten Ursache der periodischen Bewegung sein, wie sie z. B. Schrank 7) aussprach, I) Dieses wurde zuerst von de Mairan (Histoire de l’Academie 1729, p. 35), dann von du Fay (ibid. 1736, p. 88), weiterhin auch von Duhamel beobachtet. 2) Diese Abhandlung p. 30. 3) Vergl. Treviranus Physiologie Bd. II, p. 754. 4) Vergl. DeCandolle, Pflanzenphysiologie übersetzt von Röper, Bd. II, p- 638. 5) Histoire de !’ Academie 1711. 6) Untersuchungen über den Nutzend. Blätter deutsch von Arnold 1762, p. 75. ') Pflanzenschlaf 1792. Citirt nach Treviranus Physiologie II, p. 756. 165 oder der Vergleichung des sog. Schlafes der Pflanzenblätter mit dem Sehlafe der Thiere, der wir in extremster Weise bei E. Meyer!) be- gegnen. Nachdem dureh die zuerst von Lindsay 2 unternommene einseitige Operation von Gelenken ein Antagonismus zwischen den Gelenkhälften festgestellt war, neigten verschiedene Forscher zunächst noch der An- sicht zu, es möchte in dem Gelenkparenchym schon eine Ursache der Krümmung liegen, Treviranus:) aber hielt dafür, dass nur die Span- nung zwischen sich verlängerndem Parenchym und dem inactiven Ge- fässbündel die Krümmung im Gelenke bedinge, eine Ansicht die von Brücke entschieden vertreten wurde. Dass aber nicht alle periodischen Bewegungen durch vorübergehende Verlängerung von Gewebecomplexen zu Stande kommen, wurde von mir an Blüthen gezeigt, welche sich in Folge ungleicher Beschleunigung des Wachsthums in den antagonisti- schen Geweben bewegen. Die der wechselnden Expansion in den den Bewegungsorganen zu Grunde liegenden inneren Vorgänge sind zur Zeit noch nicht aufgeklärt und so genügt auch hier die Bemerkung, dass die einen (Dutrochet's ältere Ansicht, Brücke) in hydrostatischem Druck, die anderen (Hof- meister u. a.) in Imbibitionsverhältnissen der Zellhaut die innere Ur- sache der Bewegungsvorgänge suchen. Nachdem im Vorigen die hauptsächlichsten Ansichten älterer Au- toren kurz erwähnt und die Hauptmomente in der Entwicklung unserer Kenntniss der periodischen Bewegungen gekennzeichnet sind, wende ich mich nun einer Uebersicht der wesentlichsten Arbeiten zu. Diese beginnen erst mit De Candolle’s *) Untersuchungen, deren Bedeu- tung, wie schon erwähnt wurde, darin besteht, dass sie eine bestimmte Beziehung des Beleuchtungswechsels zu den täglichen periodischen Be- wegungen der Blattorgane sicher stellten. Die an Mimosa pudiea gewonnenen Erfahrungen leiteten Dutro- chet) wesentlich bei seinem ersten Eingehen auf die Bewegung der Blätter (mit Gelenken) und Blüthen. Gestützt auf die bei Lichtentziehung endlich eintretende Dunkelstarre von Mimosa pudiea unterscheidet unser 1) Ueber den Pflanzenschlaf, Vorträge aus dem Gebiete d. Naturwissenschaften u. Oeconomie 1834, p. 127 ff. 2) Vgl. meine Physiol. Untersuchungen p. 3. 3) Zeitschrift für Physiologie 1824, Bd. I, p. 175. 4) M&moir. pr&sentes par diverses savans 1806, Bd. I, p. 337 ff. — Vergl. diese Abhandlung p. 30. 5) R&ch. anatom. et physiolog. sur la structure intime d. animaux et d. veg6- taux 1824, p. 134 ff. 166 Autor für die sich periodisch bewegenden Blattorgane eine doppelte Wirkung des Lichtes; dieses habe nämlich einmal die Empfindlichkeit wieder herzustellen und sei ausserdem auch Bewegungsursache. Soweit würde diese Anschauung der Bedeutung der Beleuchtung für Phototonus und für periodische Bewegungen entsprechen, die weiteren Ansichten Dutrochet’s über Beziehung zwischen Licht und Bewegung sind aber in bedenklicher Weise unklar. Die nächtliche Stellung soll durch Ver- minderung des empfindlichen Zustandes, ebenso wie die Reizbewegung von Mimosa, zu Stande kommen, welche beide Bewegungsarten sich nur durch die Schnelligkeit unterscheiden sollen, mit welcher der empfind- liche Zustand consumirt werde. Da nun das Licht auch den empfind- lichen Zustand zerstöre, so könne des Tags Schlafstellung herbeige- führt werden, wenn die Zerstörung jenes ansehnlicher, als seine Re- generation durch das Licht, fortschreite. Als ein schlecht gewähltes Beispiel werden die sich Abends öffnenden (bekanntlich aber ephemeren) Blüthen von Mirabilis Jalapa angeführt. — Waren auch die ersten An- sichten Dutrochet’s über die mechanischen Krümmungsursachen der - Gelenke nicht ganz klar, so kamen sie doch der Wahrheit nahe, von der sich die spätere überaus unklare Annahme so weit entfernt, welche durch Oxygenation der Gefässbündel Nachtstellung, durch endosmo- tische Wirkung des Parenchyms Tagstellung zu Stande kommen lässt !). Dassen?) unterschied zuerst die in Gelenken und ohne solche stattfindenden Bewegungen, war jedoch offenbar nur durch die habi- tuelle Eigenthümlichkeit der Bewegungszone hierzu veranlasst. Wie sich Dassen das Zustandekommen der periodischen Bewegungen denkt, ist mir nicht klar geworden. Unsere Nutationsbewegungen kämen, so bemerkt der genannte Autor, durch den gewöhnlichen Gang der Vegatation zu Stande, was eigentlich nichts sagen will, und be- züglich der Variationsbewegungen scheint es mir, als wenn Dassen eine erbliche Bewegungsursache annähme, welche von äusseren Verhält- nissen beeinflusst werde. Hier kommt unser Autor aber zu dem un- 1) M&moir. pour servir a l’'histoire d. vegetaux et d. animaux. Brüsseler Aus- gabe 1837, p. 238 ff. — Vergl. meine Physiol. Unters. p. 5. 2) Ueber die Bewegungen der Pflanzen in Wiegmann’s Archiv für Natur- geschichte 1838, IV Jhrg., Bd. Ip. 214 ff. Ich kenne nur dieses Referat, das Ori- ginal befindet sich in Naturk. Verhandeling. v. d. Hollandsche Maatschappij d. Wetenschapen te Harlem 1836. — 2. Onderzoek angaande de Bladbewegingen ete. in Tijdschrift v. Natuurlijke Geschiedenis en Physiologie 1837, IV p. 127 ff. (Kurzes Referat in Wiegmann’s Archiv IV, 2, p. 159). Diese zweite Abhandlung be- schäftigt sich nur mit den ohne Gelenke sich bewegenden Blättern, welche in der ersten Abhandlung nicht berücksichtigt sind, 167 riehtigen Schluss, dass Licht nur in geringem Grade, Wärme und na- mentlich Feuchtigkeit ansehnlicher auf die Bewegungen influiren. Die täglichen und die auf Reiz erfolgenden Bewegungen, wie auch die au- tonomen Bewegungen der Blättehen von Hedysarum werden ausdrück- lich für gleich und nur zeitlich verschieden erklärt. — Die Bewegung in den Gelenken kommt nach Dassen durch Uebertritt der Säfte aus einer in die andere Hälfte zu Stande. Meyen') stellte, sowohl mit Laubblättern als mit Blüthen, eine Anzahl von Versuchen in künstlicher Beleuchtung und zwar durchweg mit besserem Erfolg als De Candolle an, indem in allen Versuchen, wenn Nachts beleuchtet und Tags verdunkelt wurde, die Umkehrung der täglichen Bewegungen gelang. Auch einseitige Operationen wur- den von Meyen ausgeführt und die Fortdauer der periodischen Be- wegungen in jeder einzelnen Gelenkhälfte von Mimosa pudica consta- tirt. Doch fehlt unserem Autor über die Bedeutung des Antagonismus in den Gelenkhälften und überhaupt über den Bewegungsmechanismus eine klare Auffassung. Brücke?) war es vorbehalten an Mimosa pudica zu zeigen, dass die bis dahin miteinander verwechselten, auf Reiz und am Abend erfol- genden Bewegungen nur habituell übereinstimmen, übrigens durchaus verschieden sind. Ferner erkannte dieser Forscher mit vollkommener Klarheit, dass die Bewegungen durch ungleiche Aenderung der Aus- dehnungskraft in den Schwellgeweben , bei gleichzeitigem Widerstand des Gefässbündels, zu Stande kommen 3). Die wahrscheinliehste Ursache der Expansionsänderung scheint unserem Verfasser die ungleiche Tur- gescenz der Zellen am Tage und in der Nacht zu sein. Hoffmann !) beschäftigte sich mit dem Einfluss äusserer Verhält- nisse auf die Blattbewegungen und kommt zu dem unrichtigen Resul- tate, dass die täglichen Bewegungen von Laubblättern und Blüthen wesentlich nur durch Wärme zu Stande gebracht werden und die Sonnen- strahlen nur durch Erwärmung wirken. Die an Laubblättern, namentlich an Oxalis und Mimosa angestellten Versuche, berechtigen übrigens nicht zu einem solchen Schluss und sind auch mit dem wahren Sachverhalt nicht in Einklang zu bringen. Bei Interpretation der Experimente ist z. B. einigemal vernachlässigt, dass Mimosa bei niederer Temperatur 1) Pflanzenphysiologie 1839, Bd. III, p. 480 ff. 2) Müller’s Archiv für Anatomie u. Physiologie 1848, p. 447 ff. 3) Dieses ist auch klar ausgesprochen bei H. v. Mohl, Vegetabilische Zelle 1851, p. 146. 4) Annal. d. sciene. naturell. 1850, III ser., p- 310 ff. — Mir steht nur diese Uebersetzung zu Gebote, 168 starr wird, und in andern Fällen ist die Wirkung excessiver Temperatur und Beleuchtung auf die Blättchen von Oxalis zu unrichtigen Schluss- folgerungen verwandt worden. Sehon Dutrochet undv.Mohl erkannten, dass sich die Bewegungs- richtung nicht aus anatomischenVerhältnissen erklären lasse und wenn Ratchinsky !) solches später ungerechtfertigterweise darzuthun ver- suchte, so ist doch schon bemerkt, dass die bezüglichen anatomischen Angaben theilweise gar nicht richtig sind 2}. Die weitere Ansicht dieses Autors, das Licht mache das dünnwandige Parenehym, indem es che- mische Vorgänge bewirke, turgescenter und rufe so die Tagstellung der Blätter hervor, ist eine auf gut Glück und ohne gehörige Sachkenntniss hingeworfene Idee. Cohn 3) erkannte zuerst, dass intensive Beleuchtung die Blättehen von Oxalis in eine der Nachtstellung habituell gleichende Lage bringt. Die Beobachtung, dass sich die Blättchen der genannten Pflanze im Dunklen nach Erreichung der Nachtstellung nicht weiter bewegten, dürfte wohl in dem zuweilen sehr schnellen Eintritt der Dunkelstarre ihre Erklärung finden. Sachs!) hatte in einer früheren Arbeit wesentlich den Mecha- nismus der Gelenkbewegungen im Auge und neigte der Ansicht zu, dass, während die eine antagonistische Hälfte an Expansion zunehme, die andere an Ausdehnungskraft verliere. Weiterhin ?) wurde von diesem Forscher die Beziehung der von Aussen influirenden Agentien zu den Bewegungsvorgängen kritisch gesichtet und klar gelegt. Der beweg- liche und starre Zustand, sowie die autonomen, paratonischen und täg- lichen periodischen Bewegungen wurden hier zum erstenmale scharf auseinandergehalten. Die Tagesperiode der Blattbewegungen sieht Sachs als eine durch Beleuchtungswechsel regulirte historisch gege- bene periodische Bewegung an. Hofmeister‘), welcher sich bezüglich der Beet äusserer Verhältnisse zu den periodischen Bewegungen an Sachs anschliesst, zeigte, wie an Tulpenblüthen auch Temperaturschwankungen Bewe- gungen hervorrufen können. Als innere Ursache der Spannungsände- rung nimmt Hofmeister hier, wie überhaupt, Veränderungen in den 1) Annal. d. science. naturell. 1858, IV ser., Bd. IX, p. 164 ff. 2) Diese Abhandlung p. 158. 3) Verhandlungen d. schles. Gesellschaft f. vaterl. Cultur 1859, p. 57. 4) Botan. Zeitung 1857, Nr. 46 u. 47. 5) Flora 1863, Nr. 29—32. 6) Flora 1862, p. 515 ff. — Pflanzenzelle 1867, $ 38. 169 Imbibitionszuständen der Zellwand an und zwar sollen die Bewegungen zu Stande konımen, indem das Ausdehnungsstreben eines Gewebecom- plexes wächst, während die Expansion in dem antagonistischen Complexe abnimmt oder constant bleibt. Im wesentlichen betrachtet Hofmeister die Expansionsänderung in den Gelenken als einen speciellen Fall der von ihm entdeckten Gewebespannung, was weiterhin seine Bestätigung auch darin fand, dass, wie von Kraus!) und von Millardet?) dar- gethan wurde, periodische Aenderungen der Gewebespannung sich gleichzeitig in Achsenorganen und in Blattgelenken geltend machen. Die von Millardet (l. e.) zur Beurtheilung der in den Blattstiel- gelenken herrschenden Gewebespannung angewandte Methode , welche einfach in Feststellung der Lagenänderungen des Blattstieles besteht, kann übrigens nur eine Aenderung in der Relation der Expansionskraft der beiden antagonistischen Hälften angeben, vermag aber über die Aenderung der Gesammtspannung im Gelenke nichts auszusagen, welche letztere z. B. dieselbe bleibt, wenn die Blattbewegungen im Finstern fortgesetzt werden. Auch hätte der, freilich wesentlich zutreffende Schluss, die Expansion ändere sich gleichsinnig und gleichzeitig in den antagonistischen Gelenkhälften, wie ich schon früher zeigte°), aus den vorliegenden Thatsachen eigentlich nicht abgeleitet werden können. Sehr verdienstvoll ist in Millardet's Arbeit die genaue Feststellung der periodischen Bewegungen des Hauptblattstieles, dessen Tages- periode freilich, wie ich nachwiess, Resultirende einiger Componenten ist und deshalb thatsächlich auch nicht mit dem vom Lichtwechsel allein abhängigen periodischen Gang des Wachsthums, resp. der Ge- webespannung im Stengel in den Abendstunden übereinstimmt. Bert‘) hat namentlich in seiner zweiten Publication, neben den Reizbewegungen auch die periodischen Bewegungen von Mimosa pudica beachtet. Die täglichen Bewegungen, so meint unser Autor, kämen dadurch zu Stande, dass am Licht Stoffe produeirt, des Abends aber erst in endosmotisch wirksame Form übergeführt würden. Diese Hypo- these kann natürlich die Fortdauer der täglichen periodischen Bewe- gungen im Dunklen und am Licht nicht erklären und bei richtiger Be- achtung der ihm bekannten Thatsachen, würde Bert zu solcher Ansicht 1) Botan. Zeitung 1867, p. 140 und bei Millardetp. 58. 2) Nouvell. r&ch. sur 1. periodieit& de la tension ete. 1869. Abdruck aus den Me&m. d. 1. soec. d. seiene. naturell. de Strassbourg Bd. VI. 3) Diese Abhandlung p. 7. 4) Rech sur le mouv. d. 1. Sensitive I. m&m. 1866, II. m&moir. 1870. — Separat- abzüge aus M&m d. 1. soc. d. sc. physiqu. et natur. d. Bordeaux. Tom. IV u, VIII. o 170 nicht gekommen sein. Ausserdem ist aber Bert's Arbeit in mannig- facher Weise verdienstvoll, wie z. B. durch die bei eontinuirlicher Be- “ leuchtung und im farbigen Licht angestellten Versuche, sowie dureh Verfolgung der an einseitig operirten Gelenken ausgeführten Bewe- gungen. Royer’s!) Annahme, die Bewegung der Blüthen werde durch Wärme und Turgeseenz, die der Laubblätter, neben denselben Agentien wesentlich durch Licht bedingt, ist bezüglich der Blüthen überhaupt nicht allgemein richtig und zeigt, dass unser Autor über Entstehung und Ursache der Turgescenz unklare Vorstellungen hat. Untersuchungen über die Mechanik der Bewegungsvorgänge hat Royer überhaupt nicht gemacht und seine Ansichten harmoniren durchaus nicht mit den that- sächlichen Vorgängen. Einmal lässt Royer die Bewegung nur durch Ausdehnungsänderung in einer antagonistischen Hälfte zu Stande kommen und zudem soll die Expansion, gerade entgegengesetzt dem wahren Sachverhalt, durch Zunahme der Helligkeit gesteigert werden. Bei den Blüthen soll sinkende Temperatur eine Verkürzung, steigende Temperatur eine Verlängerung des die Bewegung bewirkenden antago- nistischen Gewebecomplexes zu Stande bringen ?). Batalin>) fand, wie es nach meinen Untersuchungen an Blüthen zu erwarten war, dass die Nutationsbewegungen durch Wachsthum zu Stande kommen, dehnte seine Ansicht aber unrichtigerweise auch auf Gelenke aus. Die Annahme, Turgescenzänderungen könnten keine Ursache der Bewegungen sein, weil diese sich durch Einpressen von Wasser nicht beliebig hervorrufen lassen, beruht, wie ich schon be- merkte !), auf unrichtigen Vorstellungen über die einer eventuellen Va- riation des Turgors zu Grunde liegenden Ursachen 5). 1) Annal. d. sciene. natur., 1868, Bd. IX, p. 345 — 379. 2) Vergl. meine physiol. Untersuchungen p. 163. 3) Flora 1873, Nr. 28 u. 29. 4) Siehe p. 120 Anmerkung, auch p. 137. 5) Nachträgliche Bemerkung. Da Batalin in Prioritätsansprüchen sehr em- pfindlich zu sein scheint (Siehe Flora 1874, p. 558), so ist es vielleicht nicht un- nöthig, bezüglich der durch Wachsthum zu Stande kommenden Bewegungen aus- drücklich auf p. 13 dieser Abhandlung zu verweisen. Andere Prioritätsansprüche wird Batalin nicht zu erheben haben, da alles Andere in seiner Arbeit entweder nicht neu oder unrichtig ist. 171 XIV. Die wesentlichsten Ergebnisse. Die periodischen Bewegungen werden entweder durch wieder rück- gängig zu machende Verlängerung (Variationsbewegungen) oder durch wirkliches Wachsthum (Nutationsbewegungen) zu Stande gebracht. Bei Helligkeitsschwankung erfolgt eine, aus einem Hin- und Her- gang bestehende Receptionsbewegung, weil Abnahme der Beleuchtung - Vermehrung, Zunahme der Beleuchtung Verminderung der Expansions- kraft, resp. des Wachsthums, und zwar gleichsinnig und gleichzeitig, jedoch ungleich schnell in beiden antagonistischen Hälften hervorruft. Die thatsächlich zu Stande kommende Verkürzung, resp. Hemmung des Wachsthums, in der antagonistischen Hälfte, nach welcher hin die paratonische Bewegung gerichtet ist, ist Folge der mit der Einkrüm- mung verbundenen Compression, also Resultirende aus dieser und der durch Liehtwechsel bedingten Aenderung des Expansionsstrebens, resp. des Wachsthums. Der Act der Verdunklung treibt Expansion, resp. Wachsthum vor- übergehend über das Maass, welches der Gleichgewichtslage in an- dauernder Dunkelheit entspricht. Bei constantem niederem Helligkeits- grade sind übrigens Expansionskraft, resp. Wachsthum, ansehnlicher, als bei constantem höherem Helligkeitsgrade. Auf eine durch Verdunklung hervorgerufene Receptionsbewegung folgen als Nachwirkungsbewegungen einige Hin- und Hergänge des Blattes, deren Amplitude sich allmählich verringert. Zeitdauer und Amplitude einer Receptionsbewegung, und damit auch der Nachwir- kungsbewegungen, sind speeifisch verschieden, nehmen an demselben Blattorgane aber mit Grösse des Helligkeitswechsels zu. Die täglichen periodischen Bewegungen kommen durch Aceumu- lation zu Stande, indem im wesentlichen Nachwirkungsbewegungen und neue paratonische Wirkungen Morgens und Abends gleichsinnig zusammengreifen. Kommen mehrere Faktoren ins Spiel, so sind die täglichen Bewe- gungen die Resultirende der Componenten. So würde der Hauptblatt- stiel von Mimosa pudica, in Folge der alleinigen Wirkung der Verdunk- Jung auf sein Gelenk, sich Abends erheben, senkt sich aber thatsäch- lich ansehnlich, weil mit der täglichen Bewegung der secundären Blatt- stiele die untere Hälfte des Hauptgelenkes eine vermehrte Compression erfährt. Im Dunklen und bei constanter Beleuchtung wird die tägliche Be- 172 wegungin ungefähr gleiehem Tempo, jedoch mit nachlassender Amplitude fortgesetzt, um endlich ganz zu erlöschen. Der tägliche Beleuchtungs- wechsel ist also nicht Regulator einer erblichen Bewegung, sondern bedingende Ursache der tägliehen Bewegung. h Die Nachwirkungsbewegungen werden durch die wirklich ausge- führten, nicht etwa allein durch die in Folge des Helligkeitswechsels in den Gelenken angestrebten Bewegungen bestimmt. Expansion, resp. Wachsthum ändern sich bei den Nachwirkungs- bewegungen in den antagonistischen Gewebecomplexen in gerade ent- gegengesetzter Weise. Die im Gelenkparenehym vorhandene Spannungsintensität, resp. die Aenderung dieser bei paratonischen und täglichen Bewegungen, ist eine sehr ansehnliche. Bei Phaseolus vulgaris kann die abendliche Zunahme der Expansionskraft in der oberen Gelenkhälfte einem Druck von 5 Atmosphären entsprechen und dann die gesammte Ausdehnungs- kraft einen Druck von 7 Atmosphären überschreiten. In den wachsenden Bewegungszonen bewirkt zunehmende Expan- sion Beschleunigung des Wachsthums; die rückgängig zu machende Verlängerung bei Variationsbewegungen ist eben Wachsthum bei Nu- tationsbewegungen. Das Wachsthum ist durch Ueberschreitung eines specifischen Maasses von Dehnung der Membranen bedingt und kann demgemäss in Gelenken auch dann hervorgerufen werden, wenn dieses specifische Maass durch excessive Verlängerung einer Gelenkhälfte über- schritten wird. Die inneren Vorgänge, welche die Expansionskraft und damit das Wachsthum antagonistischer Gewebecomplexe bedingen, sind noch nicht sieher gestellt. Jn jedem Falle muss aber der der Expansionskraft direet zu Grunde liegende Vorgang von den diesen veranlassenden, durch. das Licht hervorgerufenen Aenderungen unterschieden werden. Am wahrscheinlichsten dürfte der Expansionskraft ein vom Zellinhalt gegen die Wandung ausgeübter Druck zu Grunde liegen. Nach verhältnissmässig kurzer Beleuchtung hat die speeifisch ver- schiedene Empfindlichkeit gegen Verdunklung ihr Maximum erreicht. Nur bis zu diesem Puncte wächst die Ausgiebigkeit der paratonischen Bewegung mit der Zeit der Beleuchtung. Die Dunkelstarre tritt nur in chlorophylihaltigen Blattorganen ein und steht demgemäss in einer, aber nur indireeten Beziehung zu den Funetionen des Chlorophyllapparates. 173 Bei intensiver Beleuchtung senken sich die Blättchen von Oxalis Acetosella, weil, von einem specifischen Helligkeitsgrade ab. die Ex- pansionskraft mit steigender Erhellung in der unteren Gelenkhälfte in höherem Maasse, als in der oberen Gelenkhälfte abnimmt. Unter den mir bekannten Fällen führen nur gewisse Blüthen, wie die von Croeus und Tulipa, zu allen Zeiten ansehnliche Bewegungen in Folge von Temperaturschwankungen aus. Die antagonistischen Ge- webecomplexe werden durch die Wärmesehwankungen gleichsinnig, aber ungleich schnell beeinflusst und zwar erfolgt Schliessungsbewe- sung bei Abnahme der Wärme, weil der Act des Temperaturabfalles vorübergehend eine, in der äusseren Partie der Bewegungszone schneller eintretende Wachsthumsbeschleunigung hervorruft. Dahingegen ist die Oeffnungsbewegung der Blüthen durch Temperatursteigerung Folge davon, dass der innere antagonistische Gewebecomplex schneller als der äussere die ansehnlichere Wachsthumsschnelligkeit annimmt, welche ihm bei der hergestellten höheren Temperatur, wenn diese constant ist, zukommt. Ferner ist hinsichtlich der durch Temperaturschwankungen hervorgerufenen Bewegungen zu beachten, dass der niederer Tempe- ratur entsprechende Gleichgewichtszustand eine der Schliessung ge- näherte Lage der Blüthenblätter bedingt. In den oben namhaft gemachten Verhältnissen, wie ferner in dem Umstand, dass angestrebte Bewegungen sich bei höherer Temperatur schneller und ausgiebiger abwickeln, sind die Ursachen für die aller- dings schwächeren Wirkungen von Temperaturschwankungen auf an- dere Blüthen und auf Laubblätter zu suchen. Die autonomen Bewegungen sind bei den Blattorganen verschie- dener Pflanzen speeifisch ungleich und eventuell gar nicht nachzuweisen. Von den täglichen Bewegungen sind die autonomen ganz unabhängig, doch können jene durch die spontanen Bewegungen, wenn diesen eine grosse Amplitude zukommt, verdeckt werden. Die autonomen Bewegungen kommen zu Stande, indem sich die Expansionskraft in den antagonistischen Gelenkhälften in gerade ent- gegengesetzter Weise ändert. 2 174 Die negativ geotropischen und positiv heliotropischen Krümmungen der Gelenke können ohne Wachsthum stattfinden; es muss also Geo- tropismus und Heliotropismus mit und ohne Wachsthum unterschieden werden. In Folge der durch Umkehrung bewirkten negativ geotropischen Krümmung solcher Gelenke, welche eine abendliche Senkung der Blätter vermitteln, wird die Relation der paratonisch hervorrufbaren Expansionsänderung derartig geändert, dass bei Helligkeitsabnahme die morphologisch untere Gelenkhälfte am schnellsten an Ausdehnungs- kraft gewinnt, die Bewegungen also in gerade entgegengesetzter Weise wie bei aufrechter Stellung der Pflanzen stattfinden. Die Schwerkraft wirkt bei der negativ geotropischen Kriimmung der Gelenke wie eine auslösende Kraft, welche gegenüber der ausge- lösten Kraft eine sehr geringe Arbeit leistet. Erklärung der Tafeln. Da so geringe und allmähliche Temperaturschwankungen, wie sie bei den Ver- suchen vorkamen, die Bewegungen unserer Blätter in keiner merklichen Weise beeinflussen, so ist der Gang der Temperatur nicht speciell verzeichnet worden. — Die Ablesungszeiten sind in allen Curven durch Punkte markirt. Tafel I. A. Niecotiana rustica. Ein jiüngeres Blatt ist am 20/7. 1873 zunächst am Tageslicht (durch den stärker ausgezogenen Theil der Curven angegeben), dann am 21. und 22. Juli in vollkommener Dunkelheit beobachtet. Temperatur während der Versuchszeit 19,4—20,9°C. — Die Ablesungen geschahen an einem gewöhn- lichen Gradbogen, dessen Nullpunkt dicht unter die tiefste Stellung des Blattes verlegt ist. Zunahme der Grade bezeichnet Steigen des Blattes. B. Acacialophantha. Nachdem die täglichen Blattbewegungen in Folge 4 Tage lang fortgesetzter continuirlicher Beleuchtung eliminirt waren, wurde am 10. August 1873 um S Uhr Vormittags verdunkelt und weiterhin die Pflanze voll- kommen dunkel gehalten. Den beiden Curven liegen Beobachtungen an zwei ver- schiedenen Blättern derselben Pflanze zu Grunde und zwar entspricht die untere Curve (Nr. 2) einem jüngeren, die obere Curve (Nr. 1) dem nächst älteren Blatte. Die Ordinaten geben den Winkel an, welchen Fiederblättehen miteinander bilden, so dass also 0 der Aneinanderpressung, 180 der horizontalen Ausbreitung der Blättchen entspricht. Von den beiden Zahlencolonnen gehört die rechte (0—200) zu Curve 2, die linke (0—160) zu Curve 1. — An einem Blatte wurden je 3 bestimmte Paare Fiederblättchen an demselben Fiederstrahl zur Beobachtung ge- wählt und deren Neigungswinkel bestimmt, indem aus Carton geschnittene Dreiecke von bekannter Winkelgrösse zwischen die Fiederblättchen gehalten wurden. In der Reihe der benutzten Dreiecke differirte jedes folgende um 10 Grad von dem vorher- gehenden. Stimmten die 3 Ablesungen nicht unter sich, so ist das Mittel aus den- selben als Ordinate genommen worden. — Temperatur während der Versuchsdauer 22,0—22,8° C. C. Acacia lophantha. Eine bis dahin unter dem Einfluss des täglichen Beleuchtungswechsel gestandene Pflanze wurde am 7. Juli 1574 um $ Uhr Vormit- tags verdunkelt und weiterhin bei völligem Liehtabschluss gehalten. — Vgl. p. 70. er Temperatur im Laufe des Versuches 20,7—21,9° C. — Ablesung und Bedeutung der Ordinaten wie in B. Tafel II. Acacia lophantha. Beide Curven stellen Beobachtungen an zwei verschie- denen Blättern derselben Pflanze dar, welche, nachdem sie zuvor am täglichen Be- leuchtungswechsel gehalten und unter dem Einfluss dieses noch am 7. Juni 1874 beobachtet war (durch den stärker ausgezogenen Theil der Curven angegeben), weiterhin vollkommen dunkel gehalten wurde. Curve I entspricht einem älteren, Curve 2 einem jüngeren Blatt. Bezüglich der Beobachtung und graphischen Dar- 176 stellung gilt das für Taf. IB. Gesagte. — Die Temperatur en an jedem einzelnen Tage höchstens um 0,9° C. und bewegte sich vom 7. bis 11. Juni zwi- schen 20,7 und 22,2°C. Tafel II. Mimosa pudica. Die Curven dieser Tafel stellen einen Versuch dar, welcher mit einem kräftigen, 1 Paar Fiederstrahlen besitzenden Blatte durchgeführt wurde. Während der ganzen Versuchsdauer war die Pflanze dem täglichen Beleuchtungs- wechsel ausgesetzt und bis 6 Uhr Morgens am 11. Juli 1874 bewegten sich die se- eundären Blattstiele in gewöhnlicher Weise. Zu der eben angegebenen Zeit wurden dann die secundären Blattstiele in einer gegen den Hauptblattstiel senkrechten Lage festgehalten und nach völliger Elimination der abendlichen Senkung des primären Blattstieles um 6 Uhr Morgens am 25/7. 1874 wieder losgebunden (Siehe p. 73). Die Curven geben die Bewegung des Hauptblattstieles an und zwar entsprechen die Ordinaten den Graden, welche an einem Gradbogen abgelesen wurden, der so aufgestellt war, dass sein Mittelpunkt in das Hauptgelenk fiel, der 0 und 180 Grad verbindende Durchmesser vertical gerichtet war und Zunahme der Grade Steigen des Blattstieles angibt. — Die höchste im Laufe eines Tages beobachtete Bewe- gung der Temperatur betrug 1,5 °C. und während der ganzen Versuchszeit lag die Temperatur zwischen 20,8 und 23,7° C. Tafel IV. Bei den auf dieser Tafel dargestellten Versuchen war die eine Gelenkhälfte entfernt und das Blatt, resp. der Blattstiel, dem kurzen Arm des Hebeldynamo- meters aufgelegt. Die Ordinate eines Coordinatenquadrates entspricht einer am Zeiger des Dynamometers abgelesenen Bewegung von 3/0 Grad und in allen Fällen zeigt Steigen der Curve Zunahme der Expansion in der von ihrem Gegenpart be- freiten Gelenkhälfte an. A. Mimosapudica. Inallen dargestellten Versuchen wurde an dem Haupt- blattstiel und Stengel verbindenden Gelenke die obere Hälfte am Abend entfernt und des anderen Morgens die Beobachtung begonnen (Siehe p. 85). Curve 1. Die secundären Blattstiele wurden gleichzeitig mit der Operation in einer zum Hauptblattstiel senkrechten Lage fixirt. Am ersten Beobachtungstage (1/8. 1874) blieb die Pflanze am Tageslicht (durch den stärker ausgezogenen Theil der Curve angegeben), wurde aber vom Abend dieses Tages ab vollkommen dunkel gehalten. — Temperatur während des Versuches 22,7—23,4° C. Curve 2. Die secundären Blattstiele werden gleichzeitig mit der Operation (am 27/7. 1874) festgehalten und von dieser ab blieb die Pflanze im Dunkeln. — tat 21,9—22,6° C. Curve 3. Die seeundären Blattstiele konnten sich frei bewegen, die Pflanze blieb am Tageslicht (4. August 1874). — Temperatur 23,1—24,0° C. B. Phaseolus vulgaris. An den zuvor unter normalen Verhältnissen ge- haltenen Pflanzen wurde, nachdem sie seit Abend dunkel gehalten waren, am an- deren Morgen um 6 Uhr eine Hälfte des Gelenkes eines einfachen Blattes entfernt und die Pflanze weiterhin vollkommen dunkel gehalten (Siehe p. 84). Curve 1. Die obere Gelenkhälfte am 19. Juli 1874 entfernt und 12 Uhr Mittags die Beobachtung begonnen. — Temperatur während des Versuches 21,9—22,5° C. Curve 2. Die untere Gelenkhälfte am 23/7. 1874 entfernt. — Temperatur 22,2—22,8°C. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. x A. Nreotiana rustica. Bund €. Acacra lonhantha. Taf T. Nacım. Aüchre. men OSTEN N N Aduli. Vormu. Nachm. Z2dugust Hduqust Nachım 10 August ee mn‘ un unnanen . i _ TE ne gebe * * net EEE Gerne VITA u: A et re » Acacta- lonhantha., Taf 1. Re T = = = z T = J al _—. 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