f Ah 9 N N ng » agsbuchhandlun 59. am] > [eb] ie .. — c 2 — sche V * 1 Gift of Estate of Dr. Herman Knoche California Academy of Sciences Library By action of the Board of Trustees of the Leland Stanford Junior University on June 14, 1974, this book has been placed on deposit with the California Academy of Sciences Library. e W * 4 Erg BR 7 1 er". + 4 e ee eee be 88 1 27 arent Bi ER H Krämer . 11 Ang IP vemalt ı Die Pflanzendecke der Erde. Populäre Darſtellung der Pflanzengeographie für gebildete Naturfreunde. Nach den neueſten und beſten Quellen zuſammengeſtellt und bearbeitet von Ludwig Nudolph, Obdexlehrer an der ſtädtiſchen böteren Töchterſchule zu Berlin. 23 1 * 8 ) 3 ö 4 * Er A ) } ) N rc o oo» 5 55 a» > 0 ee s ? 2 25,0. 3 3 »n * » 7 55 ) 240 ) ) > 8 > 0 2.89 Zweite vermehrte Ausgabe. Mit einem Titelbilde in Farbendruck und zwölf Tafeln in Tondruck, gezeichnet von dem Landſchaftsmaler H. Krämer. an! Berlin, Nicolaiſche Verlagsbuchhandlung. (G. Parthey.) 1859. FR 4 RR ae ö 5 2° 7 A V e RN 7 ehr i IE RE N WA: Ei 1 3 ? R 1 N \ a — fi 1 2 * Vorrede. —— [00202 Wenn es die Aufgabe des Gelehrten von Fach iſt, ſeine Wiſſen⸗ ſchaft zu fördern, indem er durch ſorgfältige Beobachtungen und gründliche Forſchungen ihren Umfang erweitert, oder durch glückliche Ideen ein tieferes Eindringen in ihren Inhalt möglich macht: ſo mag es dem Schulmanne vergönnt ſein, der ja ohnedies die Auf- gabe hat, die Wiſſenſchaft in das Leben einzuführen, jene Schätze der Wiſſenſchaft zu ſammeln, zu ordnen, und dieſelben, befreit von dem gelehrten Apparat, dem größeren Publicum darzubieten. Zu den Wiſſenſchaften, welche einer allgemeinen Verbreitung fähig und in hohem Grade werth ſind, gehört beſonders die Pflan— zengeographie. Nicht nur dem eigentlichen Gelehrten, ſondern jedem Gebildeten überhaupt muß ſie von hohem Intereſſe ſein. Jeder Menſch lebt in der Natur, und aus dem Umgange mit ihr Nahrung für Geiſt und Gemüth zu ziehen, iſt ein allgemeines Be— dürfniß, das von Jedem empfunden wird, wenn es auch nur Wenigen zum klaren Bewußtſein kommt. Daß die Natur uns die edelſten Genüſſe darzubieten vermag, iſt allgemein anerkannt; daß ſie aber auch eben ſo ſehr im Stande iſt, die edelſten Kräfte unſeres Geiſtes in Bewegung zu ſetzen, und daß die Beſchäftigung mit ihr eine wahrhaft humane Bildung eben ſo gut zu fördern vermag wie alle übrigen Studien — das iſt eine Wahrheit, um deren Anerkennung die Naturwiſſenſchaft immer noch zu kämpfen hat. — Wenn der * IV Vorrede. Menſch ernſt und feierlich geſtimmt wird, ſobald er der Natur gegenübertritt: ſo iſt dies zunächſt ein bewußtloſes Empfinden ihres geſetzlichen und vernünftigen Waltens; es iſt das ſtillſchweigende Anerkennen einer höheren Ordnung, die eben einem Jeden, dem Gebildeten wie dem Ungebildeten, ſogleich Ehrfurcht abnöthigt. Brin⸗ gen wir uns aber die Geſetze zum Bewußtſein, nach welchen die Natur verfährt; tritt uns aus der ſinnlichen Form, die uns erfreut, der Gedanke entgegen: dann fühlen wir uns höher, edler geſtimmt. Und je mehr wir eindringen in den tieferen Zuſammenhang aller Erſcheinungen, je mehr der geſammte Schöpfungsplan ſich unſeren geiſtigen Blicken enthüllt: deſto näher fühlen wir uns dem Urheber aller Dinge, welchem ähnlich zu werden ja das Endziel aller unſerer Beſtrebungen ſein ſoll. | Von allen Erſcheinungen, welche uns in der Natur entgegen: treten, ſteht uns die Pflanzenwelt am nächſten. Sie bekleidet den Boden, der uns trägt; ſie liefert uns unſere hauptſächlichſte Nah⸗ rung; mit ihr ſchmücken wir die Umgebung unſerer Wohnſtätten. Mit ſorgſamer, liebender Hand werden die Gewächſe überall ge⸗ pflegt; denn ſie reden eine Sprache, die von Jedem verſtanden wird, ſie gewähren reichlichen Lohn dem, der ihrer wartet. Demnach iſt die Beſchäftigung mit der Pflanzenwelt ſo alt wie das Menſchen⸗ geſchlecht, und die Belehrung über dieſelbe ein Recht, auf welches Jeder Anſpruch hat. Wie ſieht es aber oft mit dieſer Belehrung aus? Wenn irgendwo, ſo paßt hier Schiller's Ausſpruch über die drei Alter der Natur: „Leben gab ihr die Fabel, die Schule hat ſie entſeelet, Schaffendes Leben auf's Neu' giebt die Vernunft ihr zurück.“ Wir beſchreiben Pflanzen. Unſere Schüler lernen die techni⸗ ſchen Ausdrücke kennen, deren die Botanik ſich bedient; ſie erfahren, welches die charakteriſtiſchen Merkmale einer Pflanze find; fie bekom⸗ men eine Vorſtellung von den wichtigſten Pflanzenfamilien, und wenn es hoch kommt, ſo ſchließt ſich hieran noch Einiges über den Bau und das Leben der Pflanzen. Zu dieſem Letzteren aber gelangt immer nur ein ſehr kleiner Theil unſerer Schüler. Und treten fie nun mit dem gewonnenen Wiſſen hinaus in die Natur, wie oft drängt ſich ihnen dann die Wahrheit des Ausſpruches auf: Vorrede. V „Weil du lieſeſt in ihr, was du ſelber in ſie geſchrieben, Weil du in Gruppen für's Aug' ihre Erſcheinungen reih'ſt, Deine Schnüre gezogen auf ihrem unendlichen Felde, Wähnſt du, es faſſe dein Geiſt ahnend die große Natur?“ Es weht uns noch etwas ganz Anderes aus der Natur ent⸗ gegen, als was wir gelernt; wir fühlen, daß die Summe von Ein⸗ zelheiten, die wir im Gedächtniß tragen, ſo groß ſie auch ſein mag, immer nicht das Ganze iſt. Und doch möchten wir ſo gern über dieſes Ganze uns Rechenſchaft geben. Dazu reicht aber die erhaltene Belehrung nicht aus, denn „Was man nicht weiß, das eben brauchte man, Und was man weiß, kann man nicht brauchen.“ Es fehlt unſerem Unterricht leider zu oft die Beziehung des Einzelnen auf das Ganze, die Erweiterung der Ausſicht, die hinter dem vorliegenden Gegenſtande der Betrachtung die ganze Fülle ähn⸗ licher Erſcheinungen ahnen läßt, die dem Gemüthe Befriedigung, der Phantaſie Nahrung giebt und den Eifer zum Weiterforſchen an⸗ regt. Dieſe Beziehung des Einzelnen auf das Ganze tritt uns aber in der Natur ſelbſt ſtets entgegen, und um ſo ſchmerzlicher empfinden wir die Lücke, welche ein mangelhafter Unterricht in dieſer Hinſicht gelaſſen. Was bleibt dem Einzelnen dann weiter übrig, als den ganzen Vorrath ſeines Wiſſens als unnützen Ballaſt über Bord zu werfen, ſich dem ungetrübten, wenn auch unverſtandenen Genuß der Natur vollſtändig hinzugeben und ſich mit dem Ausſpruch zu begnügen: | „Grau, theurer Freund, iſt alle Theorie, | Und grün des Lebens goldner Baum.“ Die oben angedeutete Lücke läßt ſich indeß allerdings aus⸗ füllen, und zwar iſt es die Pflanzengeographie, welche hier zwiſchen der erhaltenen Belehrung und dem ſpäter ſich fühlbar machenden Bedürfniß vermittelnd eintritt. Sie faßt die Pflanzen⸗ decke der Erde als ein Ganzes auf. Sie hebt diejenigen Gewächſe beſonders hervor, welche einer Gegend den Charakter geben und ſchildert ſie nach ihrer Phyſiognomie, wie nach ihren Beziehungen zu einander; ſie beachtet ferner die wichtigſten Culturpflanzen, welche der Menſch über die Erde verbreitet und durch welche er den Vege⸗ VI Vorrede. tationscharakter einer Gegend umgeſtaltet hat; und endlich ſchildert ſie die landſchaftliche Phyſiognomie der verſchiedenen Gegenden auf der ganzen Erde. Das iſt es, was ich dem 97 9 Leſer in populärer Bear⸗ beitung hier darbiete. Dem größeren Publicum ſind die bekannten pflanzengeographiſchen Darſtellungen meiſt ungenießbar, indem die Menge lateiniſcher Pflanzennamen, welche in denſelben vorkommen, den Geſammteindruck ſtören. Durch die äußere Einrichtung, welche ich der vorliegenden Schrift gegeben, glaube ich den genannten Uebelſtand beſeitigt zu haben, ohne den wiſſenſchaftlichen Boden zu verlaſſen. Der mit der Botanik minder Vertraute kann die am Fuß der einzelnen Seiten aufgeführten wiſſenſchaftlichen Namen ohne weſentlichen Verluſt für ſeine Belehrung übergehen, während dieſelben dem Botaniker als eine unentbehrliche Zugabe willkommen ſein werden. Auf dieſe Weiſe wird von dem Leſer nur ein gerin⸗ ges Maß von botaniſchen Vorkenntniſſen gefordert, das ſich mit leichter Mühe erwerben läßt; der Inhalt des Gegenſtandes ſelbſt aber wird, wie die Natur deſſelben es mit ſich bringt, ihm größere Befriedigung gewähren, als das Studium botaniſcher Vonder ſo trefflich dieſelben für ihren Zweck auch ſein mögen. Die hauptſächlichſten Schriften, welche ich meiner Arbeit a Grunde gelegt habe, find folgende: A. v. Humboldt's Essai sur la Geographie des plantes, accompagnè d'un Tableau physique des régions équinoxiales. Paris 1807. | Deſſelben Anfichten der Natur. Stuttgart und Tübingen 1849. | Profeſſor Meyen, Grundriß der Pflanzengeographie. Berlin 1836. Profeſſor Griſebach, Berichte über die Leiſtungen in * Pflanzengeographie. Berlin 1845 — 1855. Profeſſor H. Berghaus, Grundriß der Geographie in fünf Büchern. Breslau 1843. 6% Indem ich den Werken der genannten Berfaffer, ſo wie den Schriften von Oken, Schleiden, Schouw und mehreren Anderen in Betreff des Inhaltes meiner Arbeit zum Danke verpflichtet bin, darf Vorrede. VII ich nur die Anordnung des Stoffes und die Form der Darſtellung als mein Eigenthum in Anſpruch nehmen. Ob ich in Betreff der Auswahl des Materials die rechte Mitte zwiſchen dem Zuwenig und Zuviel gehalten, in Betreff der Bearbeitung aber den rechten Ton getroffen, welcher dem größeren Publicum zuſagt — das zu beurtheilen überlaſſe ich zunächſt Denjenigen, welchen die Bildung der heranwachſenden Jugend anvertraut iſt, deren Belehrung ich bei meiner Arbeit vorzugsweiſe im Auge gehabt habe. Unſeren heran: reifenden Jünglingen und Jungfrauen eine Lectüre darzubieten, welche ſich an die in der Schule erhaltene Belehrung über Gegenſtände der Botanik und Geographie anſchließt, iſt eben ſo ſehr mein Be— ſtreben geweſen, als einem auch von Erwachſenen gefühlten Bedürf— niß entgegen zu kommen. Dem eben genannten Zweck der Sortieren Arbeit muß ich noch einige Bemerkungen über ihre innere Einrichtung anreihen. In Betracht, daß die Schrift eine populäre ſein ſoll, habe ich die Tem- peraturangaben überall in Graden des Réaumur'ſchen Thermometers ausgedrückt; eben ſo beziehen ſich die Längenangaben jederzeit auf den Meridian von Ferro. Ferner bemerke ich noch, daß das Ver— hältniß, in welchem dieſe Arbeit zu meinem im Jahre 1852 erſchie— nenen Atlas der Pflanzengeographie ſteht, zwar ein ſolches iſt, daß fie als Erläuterungs- oder Begleitſchrift zu demſelben angeſehen fein will; doch iſt nicht zu erwarten, daß alle in dem vorliegenden Buche genannten Einzelheiten auch in dem Atlas zu finden wären. Hierzu iſt der Raum in den Karten oft ein viel zu beſchränkter. Während der Atlas nur das Weſentlichſte von dem Inhalte dieſer Schrift für das Auge zuſammengeſtellt darbieten will, beabſichtigt dieſe ſelbſt, jenen ſinnlichen Darſtellungen Geiſt und Leben zu verleihen. Hiermit übergebe ich dieſe Arbeit vertrauensvoll dem Urtheile der Sachverſtändigen. Weit entfernt, mit den Männern der Wif- ſenſchaft, welche in dieſem Fache Bedeutendes geleiſtet, noch mit den Meiſtern des Stils, welche die Zierde unſerer ſchönen Litteratur ſind, in die Schranken treten zu wollen: habe ich doch danach geſtrebt, mir von dem Lichte Jener Klarheit zu holen, an der Begeiſterung der Letzteren mich zu erwärmen. Und dieſe Wärme iſt es, die ich unſerer Jugend gern gönnen möchte, welche leider noch zu oft unter VIII Vorrede. der Laſt von Namen, Zahlen und todten Begriffen ſchmachtet, ſo ſehr auch von den achtbarſten Pädagogen gegen ſolches Unweſen angekämpft wird. Die ſyſtematiſche Botanik hat nun einmal für die meiſten Menſchen wenig Anziehendes, und doch kann man ihr leicht Reiz und Leben verleihen, wenn man es nicht verſchmäht, die äſthe⸗ tiſche Seite der Natur mit in den Bereich der Belehrung zu ziehen. Wie ſich dies erreichen läßt, habe ich in dem Anhange darzuſtellen verſucht, durch welchen dieſe zweite Ausgabe vermehrt iſt. Da die Pflanzengeographie im Lauf der letzten Jahre auch unter den Lehrern der Botanik zu größerer Anerkennung gelangt iſt, und ſowohl in Handbüchern als in Leitfäden für Schüler bereits auf dieſelbe die gebührende Rückſicht genommen wird, ſo dürfte manchem Lehrer eine Anleitung willkommen ſein, die ihm den Weg zeigt, auf welchem er vermittelſt dieſer Wiſſenſchaft ſeinem Unterricht eine wohlthuende und belebende Friſche zu ertheilen vermag. Eine zweite Vermehrung iſt dieſer neuen Ausgabe durch die von dem Landſchaftsmaler Herrn Krämer ausgeführten Illuſtrationen zu Theil geworden, welche dazu beſtimmt ſind, der Phantaſie des geneigten Leſers zu Hülfe zu kommen. b So möge denn dieſe zweite Ausgabe mit derſelben freundlichen Nachſicht aufgenommen werden, welche der erſten von ſo vielen Seiten her zu Theil geworden iſt. Möge das Buch auch in dieſer neuen Geſtalt dazu beitragen, die Neigung zur Beſchäftigung mit der Natur anzuregen, die Liebe zu ihr zu wecken; möge es Denjenigen, welche geneigt find, die Natur als einen Spiegel der Gottheit aufzufaſſen, als eine Form, in der die göttliche Weisheit ſich offenbart, oft Ver⸗ anlaſſung geben, in die Worte des heiligen Sängers einzuſtimmen: „Groß ſind die Werke des Herrn; wer ihrer achtet, der hat eitel Luſt daran.“ Berlin, im Januar 1859. Der Verfaſſer. Inhalts verzeichniß. . Seite Einleitung 1 Erſter Abſchnitt. Betrachtung derjenigen Gewächse, welche durch ihr häufiges Vorkommen oder ihr geſell⸗ ſchaftliches Auftreten uf den Ve R einer Gegend beſonderen SEHR 4 a, 19 1. Die Laubhölger . . . j ee 2. Die Myrtenartigen Gewächſe o Re 3. Die Nadelhölzer (Coniferen) . . 0 4. Die Heideſträucher (Ericeen, Proteen, Epacriden) ae 5. Die Mimoſenartigen 5 27° ala D 6. Die Farrnkräuter r FR 7. Die Palmen r 4. - OB 8. Die Agavenförmigen Gewäͤchſe e 9. Die Ananasgewächſe . e 10. Die Pandanenartigen Gewaͤchſe F 11% Die Bananen und Blumenrohree 48 Die aii ehre 80 13. Die Cactusartigen Gewaͤ che 52 ien eee 60 % ͤ / . ² 6 16. Die Lianen oder een VV 17. Die Pothosgewähfe . . Er N Ban A; JJ ange at RE Den 7... 80 % ! 720R 20. Die Flechten 73 Zweiter Abſchnitt. Betrachtung derjenigen Eulturge⸗ wächſe, welche im Großen angebaut werden und durch ihre weite Verbreitung weſentlich auf die Umgeſtal⸗ tung des urſprünglichen n einer Gegend einwirken 77 I. Die Getreidearten oder Ceteoliin Wen, 80 JJ T %%% ⁰ͤ( „ % a = FINE f AA e / / 85 D. Der e on 8 „% ⁰ w ĩðᷣͤ 87 ieſree 89 . Die Fütentt en 89 D „ 990 10. Der Buchweizen enen i 90 II. Die Pflanzen mit Ruolienwurgelm 95 1. Die Kartoffel . „)%˖ö RL. BR... 2. Die Arum oder Aronswurzeln 8 . III. IV. 9 Inhaltsverzeichniß. Die Maniof - Pflanze Die Batate oder Camote ; Die Igname oder e Die Oca L ; Die hauptfächlichſten Baumfrüchte, welche zur allge: meinen Nahrung der Völker dienen „ 1 Der Brotfruchtbaum Der Piſang oder die i ; Die Cocospalme 5 Die Dattelpalme . Die Sagopalmen . Die Weinpalmen . Die Delpalme . Die Mauritiuspalme . Die Chileniſche Palme Der Delbaum . „Die achte Kaſtanie .Der Juvia-Baum Die Knopper- oder Biegenbat- iche . Die Balloten-Eihe . . Die Pinie oder Pinien - Fichte r Die Zirbelkiefer oder Bee e eee . Die Haſelnuß g ee ee . Die Araucaria b Der Catappa - Baum Die Waſſernuß Pflanzen, deren Faſern und Wolle zur Bereitung von Zeugen und anderen ae e ge: braucht werden R g 2 5 Der Flachs 2. Der Hanf N Die Baumwollenſtaude x Der neufeeländifche Hanf oder nenfeelänifh lache Der Papiermaulbeerbaum a Die Bananen oder Pifangauben Die Agaven £ Die Cocospalme Culturpflanzen, welche mehr oder een ak Ber: gnügen oder zum Luxus dienen 1667 m Der Weinftod . Das Zuckerrohr Der Kaffeebaum . . Der chineſiſche Thee. Die Maguey = Pflanze Der Pfefferſtrauch Die Indigopflanze Die Tabakspflanze Die Opiumpflanze Die Areka⸗Palme Der Betelpfeffer Die Cofa . . Die Gambirpflanze Selte 100 102 103 104 105 106 108 111 114 117 120 121 121 122 123 125 126 128 128 128 128 129 129 129 130 130 131 132 132 134 135 135 136 137 138 138 141 144 147 152 154 156 158 161 164 165 167 169 Inhaltsverzeichniß. Beitter Abſchnitt. Darſtellung der Phyſiognomie der Vegetation in den verſchiedenen Zonen der . fläche von dem Aequator bis zu den Polen IJ. Die Nequatorialgone . n Allgemeine Charakteriſtik Beſondere Charakteriſtik A. Afrika. Senegambien und Oberguinea. . Sudan oder Nigritien 2 0 BER Oſtküſte von Afrika Aſien. Die Lakediven und Malediven; ae Sumatra . Borneo Java Die kleinen Sundainſeln und die Molucken * Die Philippinen Polyneſien. Neu⸗ Guinea » Die Oalapagos : ober Schildkröteninſeln : Amerika. Guatemala Die Cordillere von Peru 5 Die Steppen von Venezuela Das „ von n Baume o oder das s Soda von Guiana II. Die tropiſche Zone Allgemeine Charakteriſtik . Beſondere Charakteriſtik Nördliche Halbkugel. A. B. Afrika. Die Capverdiſchen Inſeln. Die afrikaniſchen Wüſten Aſien. Das ſüdliche Arabien Vorderindien 8 Hinterindien Der Suͤdrand von China Polyneſien. Die Sandwich-Inſeln Amerika. Das Plateau von Mexico. Die großen und kleinen Antillen Südliche Halbkugel. A. Afrika. Ascenſion. St. Helena Südafrika. Madagaskar. Auſtralien Polyneſien. Die Südſeeinſeln XII Inhaltsverzeichniß. D. Amerika— 10 Das Plateau von Bolivia Das Braſilianiſche Tafelland III. Die ſubtropiſche Zone Allgemeine Charakteriſtik Beſondere Charakteriſtik Nördliche Halbkugel A. Afrika. Madeira und die Conariſchen li 0 Das Gebiet des Atlas b Aegypten B. Aſien. Arabien Paläſtina Meſopotamien oder Al Dfchefira Das Plateau von Iran . Die oſtindiſche Tiefebene. Das Himalaya- Gebirge . Das Plateau von 1 25 China f C. Nordamerika. Die Halbinſel Californien Das Mexicaniſche Gebiet Die Tiefebene am Unter⸗ Diff Florida 5 i Der Bermuda - Archipel Südliche Halbkugel. A. Afrika. Das Capland und die ſüdafrikaniſchen Länder B. Auſtralien. Neu⸗Süd⸗ Wales C. Süd-Amerika. Chile Die Länder am La Plata IV. Die wärmere temperirte Zone Allgemeine Charakteriſtik . Beſondere Charakteriſtik Nördliche Halbkugel. A. Europa. Die Azoren Die Pyrenäiſche Halbinſel Die Pityuſen und Balearen Italien Die italieniſchen Inſeln (arts, Sardinien , Steilien) a Die europäiſche Türkei B. Aſien. Kleinaſien Die Hochebene von Armenien Der Kaukaſus . a Turan oder Turkeſtan Seite 230 233 236 237 237 237 239 240 243 244 246 248 251 254 260 261 266 266 267 268 269 270 276 279 282 283 283 284 284 285 292 292 298 301 308 309 311 313 * VI. Inhaltsverzeichniß. Das Dell von raue Die Mongolei ur Die Japaniſchen Inſeln 4 C. Nord-Amerika. Das Cordilleren-Gebiet . Die Ebene des Miſſiſippi . h Das Alleghany⸗ oder Apalachiſche Gebirge ; Süuͤdliche Halbkugel. A. Auſtralien. Das ſüdöſtliche Neu⸗ be Van Diemensland . Neu : Seeland B. Süd-Amerifa. Das ſüdliche Chile : Die Pampas von Buenos Ayres Die kältere temperirte Zone . Allgemeine Charakteriſtik . Beſondere Charakteriſtik Nördliche Halbkugel. A. Europa. ü . Die Alpen 1 Die Gebirgslönder Mitteleuropa's N Die Ebene von Mitteleuropa Die Britiſchen Inſeln 1 Das ſüdliche Schweden Das mittlere Rußland Das ſüdliche PER: Der Ural B. Aſien. Sibirien Der Altai Die Mandihurei . . Die Halbinfel Kamtſchatka C. Nord-Amerika. Das Cordilleren⸗Gebiet Das Flachland im Norden der Canadiſchen Seen ö Canada und die Halbinſel Labrador Südliche Halbkugel. Süd⸗ Amerika. Das Patagoniſche clachland a Feind Die Falklands inſeln Kerguelens-Land und der Lerd⸗ Aucklands⸗ Archipel Die ſubarktiſche Zone. Allgemeine Charakteriſtik Beſondere Charakteriſtik 2. Nördliche Halbkugel. A. Europa. Die Inſel Island Die Fär⸗Oer Die Shetlandsinſeln XIV Inhaltsverzeichniß. Die Skandinaviſche Halbinſel N Das nördliche Rußland ee e B. Aſien. Der mittlere Gürtel von Sibirien C. Nord-Amerika. Die Halbinſel Aljaska und die Aleuten Das DEREN BEN Grönland Südliche Halbkugel. Süd ⸗Georgien und der Sandwichland⸗ Rechipel VII. Die arktiſche Zone. VIII. Allgemeine Charakteriſtik Beſondere Charakteriſtik Nördliche Halbkugel. A. Europa. Lappland. ö Der Nordrand von Rußland B. Aſien. Sibirien g C. Nord-Amerika a Südliche Halbkugel Die Polarzone. Allgemeine Charakteriſtik . Beſondere Charakteriſtik A. Europa. Spitzbergen Nowaja Semlja B. Aſien. Die Taimyrhalbinſel . C. Nord-Amerika. Die Melleville-Inſel . Anhang: Ueber die Bedeutung der eee e Ir den bota⸗ nifchen und geographifchen Unterricht Erläuterung des Titelbildes und der Illuſtrattonen Seite 388 392 295 398 399 399 400 402 402 402 405 406 409 410 411 412 412 413 413 416 417 445 Die Pflanzendecke der Erde. Einleitung. . Sinn für Naturſchönheiten iſt ein ſo allgemein verbreiteter, daß man wohl ſagen kann: er iſt jedem Menſchen angeboren. Jeder gute und edle Menſch iſt ein Freund der Natur. So verſchieden auch die Bildungsſtufen ſein mögen, welche die Menſchen von einander fern halten: in der Freude an der Natur, in dem Genuſſe ihrer Schönhei— ten fühlen ſie ſich eins; und was ſonſt die Gemüther von einander trennte, vor der großen Künſtlerin, welcher Alle ihre Huldigung zollen, tritt es zurück. Was iſt es denn aber, was fo laut und vernehmlich zu uns ſpricht, worin beſteht die reiche Quelle angenehmer Genüſſe, welche die Natur uns darbietet, wodurch erfreut und erquickt ſie uns? — Es iſt vor Allem die lebende Decke der Erde, es iſt die Pflanzenwelt, die uns be— ſonders anſpricht. — Wenn die Gebirge in großartigen Umriſſen den Horizont begrenzen; wenn maleriſche Gruppen von Felſen ſich vor uns aufthürmen und brauſende Waſſerfälle in ihren düſteren Spalten her— abſtürzen: ſo mag der Eindruck ein erhabener und großartiger, ein ſchauerlicher und furchtbarer ſein; aber das, was wirklich unſer Ge— müth anſpricht, was uns ergötzt und aufheitert, das bieten die genann— ten Erſcheinungen noch nicht dar. Selbſt die liebliche Bläue des Him— mels und die maleriſche Geſtalt und Färbung der Wolken reichen nicht aus, um in Verbindung mit der mannigfaltig geſtalteten Oberfläche der Erde einen wohlthuenden Eindruck hervorzurufen. Faſt eben ſo wenig vermag dies die Thierwelt. Von dem Löwen, der mit grimmigem Zahn die todesbange Gazelle zerfleiſcht, bis herab zu dem Raubkäfer, zwiſchen deſſen Freßzangen eine zitternde Larve ſich krümmt; von dem Elephan— ten, der ſchonungslos mit ſeinem mächtigen Rüſſel das maleriſche Bild eines herrlichen Waldbaumes entſtellt, bis herab zu der Raupe, welche die zarten Blätter unſerer Obſtbäume zernagt, ſo daß ſie nach kurzem 1 2 Einleitung. Daſein nur noch als ein ärmliches Gerippe erſcheinen: überall erblicken wir dieſen Kampf um die Exiſtenz, in welchem ſchonungslos Eins das Andere vernichtet. Mag uns auch der liebliche Geſang der Waldvögel ergötzen, ein munteres Eichhörnchen durch ſeine poſſirlichen Bewegun— gen unſere Aufmerkſamkeit auf einige Minuten feſſeln, oder das ſchlanke Reh, wenn es durch die Waldpartieen dahineilt, uns erfreuen: es iſt eigentlich nur der Ton, welcher, indem er Abwechſelung in die lautloſe Stille bringt, unſer Ohr ergötzt; es iſt die Beweglichkeit, welche das Bild einer impoſanten Ruhe wohlthuend unterbricht, was aber, wenn wir es iſolirt auf uns einwirken ließen, durch ſeine Einförmigkeit bald läſtig erſcheinen würde. Dazu kommt noch, daß wir bei der Betrach— tung der Thierwelt ſo mancher ſtörenden Reflexion uns nicht enthalten können. Wie bald fällt uns bei dem flüchtigen Reh die Büchſe des Jägers, bei dem munteren Fiſch in klarer Welle die mordende Angel, bei der friedlich weidenden Heerde die Schlachtbank ein. So dürfen wir wohl ſagen: an und für ſich kann die Thierwelt nie den wohl— thuenden Eindruck auf uns machen, den die Pflanzenwelt in uns her— vorbringt. An dieſe denken wir auch immer zunächſt, wenn wir von Erholung in der freien Natur reden. Das Bild der Ruhe und des Friedens, welches ſie uns darſtellt, die tauſend mannigfaltigen Geſtalten, die nur von einem ſinnigen Gemüthe unterſchieden und begriffen wer— den, dieſe edle Harmonie, welche in den wechſelſeitigen Beziehungen der verſchiedenen Pflanzenformen herrſcht: das iſt es, was ſo laut und doch ſo innig zu unſerem Gemüthe redet und das mit Sorgen und Kummer belaſtete Herz Ruhe und Erholung finden läßt, dem mit ſich ſelbſt zerfallenen Gemüthe wieder Frieden und neue Lebensluſt ſchenkt. „Suchſt Du das Höchſte, das Größte? die Pflanze kann es Dich lehren: Was ſie willenlos iſt, ſei Du es wollend — das iſt's.“ Schiller. Die Betrachtung der geſammten Pflanzendecke der Erde iſt der Gegenſtand der Pflanzengeographie, der von Alexander von Hum— boldt begründeten Wiſſenſchaft, welche die Gewächſe in Beziehung auf ihr geſellſchaftliches Auftreten in den verſchiedenen Klimaten der Erde betrachtet. Weit wie das Feld, welches ſie durchforſcht, ſchildert ſie in großen Zügen den Eindruck, welchen die Pflanzendecke der Erde macht, von den Eisfeldern des Nordens bis zu den üppigen Tropengegenden, von der Grenze des ewigen Schnees auf den höchſten Gipfeln der Berge bis auf den Boden des Meeres, ja ſelbſt bis in das Innere der Erde, in deren dunkelen Höhlen eryptogamiſche Gewächſe ſich finden, die uns # Einleitung. 3 eben ſo wenig bekannt ſind wie die Inſecten, die dort ihre Nahrung ſuchen. Ehe wir jedoch zu dem eigentlichen Gegenſtande unſerer Darſtellung übergehen, iſt es nothwendig, einige Bemerkungen über gewiſſe Ver— hältniſſe unſeres Erdkörpers voranzuſchicken, von denen die Verbreitung der Gewächſe abhängig iſt. Von beſonderer Wichtigkeit für das Vorkommen und die Verbrei— tung der Pflanzen ſind zunächſt die Temperaturverhältniſſe der Erde. Zufolge der Stellung, welche die Erdkugel der Sonne gegenüber ein— nimmt, müßte eine regelmäßige Zunahme der Wärme von den beiden Polen nach dem Aequator hin ſtatt finden. Dem iſt indeſſen nicht ſo. Vor allem ſind es die Winde, die der geſetzmäßigen Wärmezu— nahme entgegentreten, beſonders die Mouſſons (engl. Monsoons), welche einen Theil des Jahres hindurch nach einer beſtimmten Richtung herr— ſchen und den übrigen Theil deſſelben ganz ausbleiben, oder in ent— gegengeſetzter Richtung wehen. In einem großen Theile des indiſchen Oceans, an den Küſtenländern Aſiens und Afrikas werden ſie durch die höchſt ungleiche Erwärmung dieſer Ländermaſſen hervorgerufen. So— bald im ſüdlichen China dieſe Winde aus Nordoſten wehen, ſo zeigt ſich Monate lang, vom November bis zum Februar, kein Gewölk am Himmel, die Felder erſcheinen kahl, die Abhänge der Berge ſind ver— ſengt; kein Regentropfen fällt in dieſer Zeit zur Erde, die Temperatur ſinkt bis auf 10° R. herab, und die tropiſchen Gewächſe gehen zu Grunde. Aehnliche Erſcheinungen, wenn auch nicht immer ſo auffallend, zeigen ſich in allen Theilen der Erde. Um daher über die Temperaturverhält— niſſe des ganzen Erdkörpers ins Klare zu kommen, ſind Beobachtungen an verſchiedenen Punkten der Erde angeſtellt worden, und A. v. Hum- boldt war der Erſte, der diejenigen Oerter, welche dieſelbe mittlere jähr— liche Temperatur haben, auf geographiſchen Karten durch Linien ver— band, die er Iſothermen *) nannte. Da die Oberfläche der Erde nicht überall dieſelbe Kraft beſitzt, Wärme aus dem Sonnenlichte zu entwickeln, und überdies die ſenkrechten Erhebungen derſelben, ſo wie der Wechſel von Land und Meer von weſentlichem Einfluß auf die Temperatur ſind, ſo laufen die genannten Iſothermen den Breitegraden nicht parallel, ſon— dern ſie durchkreuzen dieſelben. Da ferner in den Tropengegenden der Unterſchied zwiſchen dem Maximum und dem Minimum der jährlichen Temperatur am geringſten iſt und nach den Polen allmälig zunimmt, ſo iſt *) griechiſch isos, gleich; thermos, warm. 1 * 4 Einleitung. es erklärlich, daß in den heißen Gegenden die Iſothermen nur wenig, in den kalten Zonen dagegen ſehr bedeutend von den Parallelkreiſen ab— weichen. Beſonders ſind in der nördlichen Halbkugel die öſtlichen Küſten beider Feſtländer bedeutend kälter als die weſtlichen, eine Erſcheinung, die den in nördlichen Breiten vorherrſchenden Weſtwinden zuzuſchreiben iſt, welche, von der See kommend, die Strenge des Winters mildern. Auf dieſe Weiſe beſchreiben die Iſothermen der kälteren Zonen Wellen— linien, welche ſich von der Weſtküſte Amerikas nach deſſen Oſtküſte her— abſenken, dann durch das atlantifche Meer nach der Weſtküſte Europas bedeutend nach Norden gehen, jenſeit des baltiſchen Meeres ſich wieder ſenken und endlich im Innern von Aſien von der Richtung der Brei— tengrade nur wenig abweichen. Die ſüdliche Halbkugel zeigt dagegen die entgegengeſetzte Erſcheinung; dort ſind die öſtlichen Küſten milder als die weſtlichen. So liegen denn in Europa z. B. England und Ungarn unter einer Iſotherme, obgleich das letztere 6° ſüdlicher liegt; eben ſo Schottland und Polen. Ja die Iſotherme von England geht in Aſien durch Peking, welches unter 40° Br. liegt, hat ſich alſo bis dahin um mehr als 12 Breitengrade geſenkt. Noch wichtiger für die Verbreitung der Gewächſe ſind die ſoge— nannten Iſotheren ), welche diejenigen Oerter der Erde verbinden, die eine gleiche Sommertemperatur haben, und die Iſochimenen **), welche Oerter von gleicher Wintertemperatur verbinden; denn dieſe Linien ſtimmen weder mit den Iſothermen noch unter einander über— ein. In der Nähe der Küſte krümmen ſich die Iſotheren bedeutend nach Norden, im Innern des Feſtlandes dagegen die Iſochimenen bedeutend nach Süden. So haben z. B. Paris und Moskau einen faſt gleichen Sommer, während die Winter beider Oerter keinen Ver— gleich mit einander aushalten. Wenn auf dieſe Weiſe die Temperatur an den verſchiedenen Orten der Erde die auffallendſten Verſchiedenheiten zeigt, ſo darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß das Maximum der Wärme zu gewiſſen Stun— den eines Sommertages faſt in allen Gegenden der Erde gleich groß iſt. Vergleichungen der Temperaturen, die man in den entfernteſten Erdſtrichen, am Senegal wie an der Newa, am Ganges und am Ori— noco, eine Reihe von Jahren hintereinander angeſtellt hat, haben ein Maximum von 27 — 32 R. ergeben, fo daß ſelbſt die nordiſchen Ge— genden zu Zeiten ſich hoher Wärmegrade zu erfreuen haben. Es ver— *) theros, Sommer. ) cheima, Winter. Einleitung. 5 ſteht ſich dabei von ſelbſt, daß die Beobachtungen im Schatten und fern von wärmeſtrahlenden Körpern angeſtellt worden ſind. Das Geſetz der allmäligen Verminderung der mittleren Wärme— grade von dem Aequator nach den Polen zu zeigt ſich auch bei ſenk— rechter Erhebung in den verſchiedenen Regionen der Gebirge, in Folge deſſen auch ein gewiſſer Parallelismus in der Vertheilung der Gewächſe ſich zeigt. Dieſelben Veränderungen, welche die Pflanzendecke der Erde von den Tropen bis nach den nordiſchen Gegenden darbietet, zeigen ſich auch, wenn man die Gebirge heißer Erdſtriche von der Küſte des Meeres bis zur ewigen Schneegrenze emporſteigt. Die Abnahme der Wärme mit ſteigender Höhe erfolgt fo, daß eine Wärme von 1» R. einer Höhe von 750 Fuß entſpricht. Nimmt man alſo die mittlere jährliche Temperatur der Aequatorialzone auf 20° an, fo würde bei einer Höhe von 3000 Fuß nur eine mittlere Wärme von 16° und in einer Höhe von 10,000 Fuß eine mittlere Temperatur von kaum 5“ zu fin— den ſein. Unter dem Aequator beträgt die Höhe der Schneegrenze 14,760 Fuß, während ſie im ſüdlichen Peru und auf dem Himalaya erſt bei 16 - 17,000 Fuß Höhe angetroffen wird. Welch einen wichtigen Einfluß die allmälige Verminderung der Wärme nach den Polen zu auf diejenigen Pflanzen ausübt, die unter verſchiedenen Breitegraden angetroffen werden, iſt bekannt. Je mehr man den nordiſchen Gegenden ſich nähert, deſto ſpäter erfolgt die Ent— wickelung der Blätter und Blüthen. Die Roſen, die bei uns im Juni blühen, ſtehen in Swinemünde zu Ende Juli und Anfang Auguſt noch in ſchönſter Blüthe, ſo daß man bei einer Reiſe in die nördlichen Län— der die Annehmlichkeit einer Frühlingsvegetation ſich nach Belieben verlängern kann. Dieſelbe Beobachtung macht man bei dem Erſteigen hoher Gebirge. Pflanzen, die in der Ebene ſchon Früchte tragen, fin— det man auf den entſprechenden Höhen noch blühend an, ſo daß für die Gebirgsbewohner die Ernte gewiſſer Früchte viel länger dauert als für die der ebenen Gegenden. In vielen tropiſchen Gegenden, die am Fuße hoher Gebirge liegen, kann man auf dieſe Weiſe die meiſten nützlichen Früchte das ganze Jahr hindurch genießen; denn dieſelben reifen auf den größeren Höhen immer ſpäter, ſo daß, wenn die letzten zur Reife gelangt find, in der Ebene oft ſchon die zweite Ernte be— ginnen kann. Erwägt man, in wie hohem Grade die Pflanzen von der Tem— peratur abhängig ſind, und wie beſtimmt ihre Verbreitung nach dem Gange derſelben ſich richtet: ſo muß man die Annahme, daß alle Pflan— 6 Einleitung. zen von einem einzigen Punkte der Erde ſich über die ganze Ober— fläche derſelben verbreitet haben, als eine gänzlich unhaltbare anſehen, die wohl bald der Vergeſſenheit anheim fallen möchte. Eben ſo wenig aber läßt die entgegengeſetzte Hypotheſe ſich halten, daß die Kraft, Ge— wächſe zu erzeugen, über die ganze Erde verbreitet ſei. Im indiſchen Ocean giebt es Inſeln, die keine anderen als angeſpülte Pflanzen be— ſitzen, mit denen ſie dicht bedeckt ſind, während die benachbarten Inſeln ihre eigenthümliche Vegetation haben. Demnach verdient wohl die An- nahme den meiſten Beifall, daß die Wanderung der Gewächſe von mehreren Punkten der Erde ausgegangen ſei, und daß die in dem Erd— boden liegende Erzeugungskraft ſich auf beſondere ſchöpferiſche Epochen beſchränke. Eine Wanderung der Gewächſe überhaupt läßt ſich nicht leugnen, bei einzelnen geht fie noch in der Gegenwart!) vor, und daß die Baumarten einzelner Wälder jetzt nicht mehr durchweg dieſelben find wie in früheren Zeiten, läßt ſich hiſtoriſch nachweiſen. So ver— breiten ſich alſo die einer Gegend eigenthümlichen Pflanzen von einem Schöpfungscentrum ſtrahlenförmig nach allen Richtungen, bis fie an eine klimatiſche Grenze gelangen, die ihrem weiteren Vorſchreiten ein Ziel ſetzt. In dem Centrum ſelbſt zeigt ſich der größte Reichthum ein⸗ heimiſcher Formen, der nach der Peripherie zu allmälig abnimmt. Die ächt nordiſchen Pflanzenformen Europas z. B. wie die Fichten, Weiden und Birken, die Heidelbeeren, Flechten und Mooſe werden nach dem Süden zu nach und nach ſeltener; die weſtlichen Formen nehmen nach Oſten, die öſtlichen nach Weſten allmälig ab, ſo daß eine nach der anderen ſich verliert. Es werden alſo ſo viele Schöpfungsmittelpunkte anzunehmen ſein, als Bezirke einheimiſcher Pflanzen vorhanden ſind; und wo ſich ſcharfe Grenzen zwiſchen den einzelnen Bezirken nicht zie— hen laſſen, müſſen dieſelben an ihrer Peripherie ſich decken oder in ein ander übergehen. Die Feſtſtellung der verſchiedenen Schöpfungscentra iſt eine der wichtigſten Aufgaben, welche die Pflanzengeographie in der Gegenwart zu löſen bemüht iſt. In der europäiſchen Flora umfaßt das mittlere Areal einer Art ungefähr 10—15 Breitengrade, während *) „Mähriſche Weber, die ihre Wolle aus dem ſüdlichen Ungarn beziehen, haben durch dieſen Verkehr Xanthium spinosum (eine Spitzklette) in Mähren angeſiedelt und einheimiſch gemacht, indem die dornigen Früchte ſich im Fell der weidenden Schafe feſthängen und, mit der Wolle ausgeführt, erſt unter dem Abfall der We— bereien zur Keimung gelangen.“ Eben fo iſt Inula Helenium durch Schweine aus dem Bakonyer Walde nach Mähren gelangt, wo dieſe Pflanze früher unbekannt war Griſebach's Berichte 1847, S. 17. — Einleitung. 7 es am Cap nur 2—3 Grade beträgt. Nicht in allen Bezirken iſt der Reichthum an einheimiſchen Arten gleich groß; es giebt reiche und arme Gegenden, ohne daß der Boden oder das Klima dieſe Erſcheinung er— klärten. Von großer Wichtigkeit für die Unterſuchung, ob Pflanzen in einer Gegend einheimiſch oder eingewandert ſind, iſt das Geſetz, daß in ihrer Heimath „das Verhältniß der Arten zu den Gat⸗ tungen ein höheres iſt als dort, wohin ſie durch Wanderung ge— langen“. So kann man mit Hülfe der Pflanzeugeographie mit ziemlicher Gewißheit bis zu dem früheſten Zuſtande unſerer Erdoberfläche zurück— gehen. Die mit verſteinerten Schalthieren erfüllten Felsmaſſen beweiſen hinlänglich, wie groß die Waſſermaſſe unſeres Planeten anfänglich ge— weſen und in welcher Bewegung ſich dieſelbe befunden haben muß. Nachdem das Waſſer aber in die Tiefen zurückgetreten, haben ſich je— denfalls die frei gewordenen Stellen unter dem Einfluſſe der Luft, des Lichts und der Wärme nach und nach mit Pflanzen bedeckt, die von dort aus ihre Wanderungen allmälig fortgeſetzt haben, bis ſie die in ihrer Natur, wie in den klimatiſchen und phyſiſchen Verhältniſſen der Erde begründeten Grenzen erreichten. Außer den eben entwickelten allgemeinen Geſetzen über die Ver— breitung der Pflanzen verdienen noch die folgenden beſonderer Er— wähnung. Die Anzahl der Pflanzenarten wächſt, je näher man dem Aequa⸗ tor kommt und vermindert ſich nach den Polen zu. Die Geſammtzahl der Phanerogamen beläuft ſich in Europa auf etwa 7000 Arten, von denen in Lappland 500, in Dänemark 1000, in Deutſchland 2600, in Frank⸗ reich 3500 vorkommen; ebenſo wächſt die Zahl der Cryptogamen, die in Lappland 600, in Dänemark 2000, in Frankreich 2300 beträgt. Indeſſen kann mit Wahrſcheinlichkeit angenommen werden, daß die Geſammtzahl der Cryptogamen die der Phancrogamen noch lange nicht erreicht, wenngleich in nordiſchen Gegenden die erſteren oft bedeutend vorherrſchen. In der heißen Zone ſtellt ſich das Verhältniß der Farrn— kräuter, die unter den Cryptogamen die bekannteſten find, zu den Pha— nerogamen wie 1:20, in der gemäßigten Zone wie 1:70, in Deutſch— land wie 1:45. In ſolchen Gegenden, wo die klimatiſchen Verhältuiſſe im Gan— zen dieſelben ſind, da ſind auch oft dieſelben Pflanzenformen zu finden. Dieſe Uebereinſtimmung zeigt ſich nicht nur in hohem Grade in den nordiſchen Gegenden beider Continente, ſonderu ſelbſt bei der Verglei— 8 Einleitung. chung der nördlichen mit der ſüdlichen Halbkugel. Die Vegetation am Cap Horn iſt der unſerer nordiſchen Zonen auffallend ähnlich, und ſelbſt im ſüdlichen Theile Neu-Hollands ſind viele europäiſche Pflanzen ge— funden worden. Der Uebereinſtimmung des Vegetationscharakters in den verſchie— denen Breiten (von dem Aequator bis zu den Polen) mit der Vege— tation in den verſchiedenen Regionen der Berge (von dem Spiegel des Meeres bis zur Grenze des ewigen Schnees) iſt oben ſchon erwähnt worden. Erſteigt man einen hohen Berg in der Nähe des Aequators, ſo kann man in wenigen Tagen die ſämmtlichen Klimate der Erde kennen lernen. Aus dem Bereich der üppigſten Tropenvegetation ge— langt man allmälig in die Region der Myrten und Lorbeeren, die den lachenden Fluren Italiens entſpricht; dann ſieht man ſich in die Laubwälder unſeres mitteleuropäiſchen Klimas verſetzt; noch höher hin— auf gewähren die düſteren Nadelholzwaldungen das Bild der melan— choliſchen Gegenden Norwegens, bis endlich in der Nähe der Schnee— grenze nur noch eine Flora zu erblicken iſt, wie ſie die eiſigen Felder von Nowaja-Semlja und Spitzbergen hervorzubringen vermögen. In Betreff der monocotyledoniſchen Gewächſe iſt nach den mitt— leren Breiten hin, zwiſchen dem 35. und 45. Grade eine Abnahme zu bemerken. Für die Gebirge ſcheint dies Geſetz keine Gültigkeit zu ha— ben, indem in der Nähe der Schneegrenze die Dicotyledonen entſchie— den zunehmen. Man erklärt dieſe Erſcheinung aus den Feuchtigkeits— verhältniſſen der Atmoſphäre, indem die Region der Alpengewächſe die Wolkenſchichten überragt, ſo daß der Sommer dort ein ſo heiterer iſt wie in den Ländern am mittelländiſchen Meere, wo die Abnahme der Monocotyledonen am bedeutendſten iſt. Einer Abnahme der Cryptogamen nach den Tropengegenden hin wird von Denjenigen widerſprochen, welche nicht nur dürre Küſten oder bebaute Inſeln beſucht haben, ſondern auch weiter in das Innere des Feſtlandes eingedrungen ſind. Farrnkräuter finden ſich auf der ganzen Erde; Laub- und Lebermooſe kommen als Schmarotzergewächſe in den Tropen in reicher Fülle vor; und Flechten derſelben Art finden ſich unter allen Breiten. Sie ſcheinen von dem Einfluß des Klimas eben ſo unabhängig zu ſein, wie die Natur der Felſen es iſt, welche ſie bekleiden. Die obere Grenze der Vegetation richtet ſich nach der des ewigen Schnees. Die Entfernung von dem Pol und der Winkel, unter wel— chem die Sonnenſtrahlen auffallen, haben den wichtigſten Einfluß hierauf. Einleitung. 9 Wie weit die untere Grenze der Pflanzen ſich erſtreckt, läßt ſich ſchwer beſtimmen; doch ſteht die Thatſache feſt, daß auch das Innere der Erde mit Pflanzen bevölkert iſt, wo nur irgend die Bedingungen zu ihrer Ernährung und Entwickelung angetroffen werden. So wie die ſteinigen und beeiſten Gipfel der höchſten Berge mit Flechten und Mooſen be— kleidet ſind, ſo finden ſich ähnliche eryptogamiſche Gewächſe in dun— kelen Klüften und an den Wänden unterirdiſcher Höhlen. So bringen alſo auch die in ſenkrechter Dimenſion entgegengeſetzten Endpunkte der Vegetation Pflanzen von ganz ähnlicher Bildung hervor. Die Mittel, deren die Natur ſich bedient um die Pflanzen zu ver— breiten, ſind verſchieden. Theils ſind es die Strömungen der Luft und des Meeres, welche die Samen und Früchte anderen Gegenden zu— führen; theils wirken die Vögel darauf ein, welche die Samen im Ge— fieder forttragen, oder, nachdem ſie dieſelben verſchluckt haben, an an— deren Stellen durch den Darmkanal wieder abſetzen. Den weſentlichſten Einfluß indeſſen übt der Menſch auf die Pflanzenverbreitung aus. Die Samen vieler Gewächſe aus der Familie der Zuſammenge— ſetztblüthler n find mit Haarkrönchen verſehen, welche ihre Fortbewegung durch den Wind ſo leicht machen wie bei keiner anderen Familie; daher ſind denn auch die Syngeneſiſten ungemein verbreitet. Wir brauchen nur an unſere Butterblumen ? zu erinnern, deren ſternförmige Haar— krönchen den Fruchtboden kugelig umſchließen. — In Gebirgsgegenden werden die Samen mancher Pflanzen durch das Herabſtrömen der Bäche den Ebenen zugeführt. So iſt im Harz das Herenfraut 3 in die Thäler gelangt, und in den Alpen läßt ſich deutlich bemerken, wie das Leinkraut *, die Bufcherle ° und ſelbſt einige Alpenroſen s mit dem Lauf der Gebirgsbäche ſich weiter verbreiten. Eben ſo beſitzt die Ufervegetation der Elbe und Oder, zweier Ströme, die, in demſelben Gebirgszuge entſpringend, von hier aus gewiſſe Pflanzenarten in das Tiefland verbreiten, eine Anzahl übereinſtimmender Arten, welche in der Richtung der Waſſerſcheiden ihrer Nebenflüſſe mehr und mehr ver— ſchwinden. Was ſo auf dem feſten Lande im Kleinen geſchieht, das bewirken die Meeresſtrömungen im Großen. Die Veranlaſſung zu dieſen Strö— mungen geben die herrſchenden oder wechſelnden Winde, beſonders die Paſſatwinde, welche auf dem Meere faſt das ganze Jahr in derſelben ' Compositeen. ” Leontodon Taraxacum. Circaea alpina. * Li- narıa alpina. Alnus viridis. ° Rhododendron ferrugineum. 10 Einleitung. Richtung wehen. In der nördlichen Halbkugel kommen fie aus Nord— oſten, ſowohl im atlantiſchen als im ſtillen Meere; in der ſüdlichen Halbkugel dagegen aus Südoſten in allen drei Meeren. Nördlich vom Aequator herrſchen die Paſſate bis 27 und 30° n. Br., ſüdlich von demſelben noch viel tiefer, doch um den Aequator ſelbſt wechſeln in einer Breite von 2— 3 Graden Windſtille und heftige Gewitterregen fort— dauernd miteinander ab. Nördlich und ſüdlich von beiden Paſſatſtrö— mungen weht in beiden Halbkugeln, den Paſſaten gerade entgegenge— ſetzt, ein faſt regelmäßiger Weſtwind vom 28° bis zum 40° d. Br. Dieſen Windrichtungen folgen auch die Strömungen des Meeres, und die bekannte Rotationsſtrömung des atlantiſchen Oceans verdankt ihnen ihre Entſtehung. Es iſt natürlich, daß die Samen ſolcher Pflanzen, deren hartſchalige Früchte dieſelben hinlänglich gegen die zerſtörende Einwirkung des Meerwaſſers ſchützen, auch nach Ankunft in anderen Erdtheilen ihre Keimkraft noch beſitzen können, und ſo läßt es ſich leicht erklären, wie die Cocospalme, die in der alten Welt ihr Vaterland hat, nach den weſtindiſchen Inſeln hingekommen iſt. Daß die Verbreitung der Gewächſe ſich in gewiſſen Schranken hält, erhellt aus der eben gegebenen Darſtellung zur Genüge, und eben dadurch erhalten die verſchiedenen Gegenden der Erde ihren eigenthüm— lichen Charakter. Als die hauptſächlichſten Urſachen, von denen nicht nur der Standort ſondern auch die Verbreitung der Pflanzen abhängen, ſind die klimatiſchen Verhältniſſe der Erde zu betrachten, beſonders die Wärme und die Feuchtigkeit der Atmoſphäre. Wo dieſe beiden mäch— tigſten Hebel der Vegetation vereint vorkommen, da erſcheint dieſelbe in üppigſter Fülle; fehlt die Feuchtigkeit, ſo geht die Vegetation faſt vollſtändig zu Grunde wie in den Wüſten der heißen. Zone. Doch ſelbſt in dieſen dürren und öden Gegenden vermag die Feuchtigkeit zu Zeiten einigen Pflanzenwuchs hervorzurufen. So verwandelt die Re— genzeit die Grenzen der Sahara an manchen Orten in Savannen, und in den Küſtengegenden der Cordillere, vom ſüdlichen Peru durch Bo— livia bis zum nördlichen Chile, wo ſich unabſehbare Sandebenen faſt ohne alle Vegetation erſtrecken, ſind die plötzlich erſcheinenden Nebel, die Garua's, im Stande, eine Menge der ſchönſten und ſeltenſten Blu— men hervorzurufen, ſo daß die ſonſt verödeten Gegenden eine kurze Zeit in der anmuthigſten Vegetation prangen. Doch nicht die klimatiſchen Verhältniſſe allein ſind es, welche die Pflanzen auf gewiſſe Standorte beſchränken; viele Gewächſe können ihrer Natur nach nur unter beſtimmten äußeren Verhältniſſen gedeihen. Einleitung. 11 Die Sumpfpflanzen ſind durchaus an die Beſchaffenheit des Bodens gebunden. Gewiſſe Waldpflanzen beſchränken ſich nur auf ſchattige Stellen und finden ſich an lichteren Orten nicht. Eine Menge von Salzpflanzen folgen nur dem Lauf der Küſten und ſcheinen von dem Wechſel des Klimas gar nicht berührt zu werden, wie das gemeine Salzkraut !, welches ſich nicht nur an allen europäiſchen, ſondern auch an den aſiatiſchen und afrikaniſchen Küſten findet; eben ſo Samolus Valerandi, welches in Europa wie in Nordamerika, am Cap der guten Hoffnung wie in Neuholland vorkommt. Noch andere endlich ſind auf gewiſſe Gegenden der Erde beſchränkt, ohne daß ſich irgend welche Gründe für dies abgefonderte Vorkommen auffinden ließen, wie die Cactusgewächſe, die auf den Anden von der Meeresfläche bis in die Nähe des ewigen Schnees ſich ausbreiten und außer Amerika an kei— nem Orte der Erde ſich finden, obgleich dieſelben klimatiſchen Verhält— niſſe in vielen anderen Gegenden ſich wiederholen. Beſchränken wir dieſe Beobachtungen auf einen kleineren Bezirk, auf unſere einheimiſche Flora, ſo zeigt ſich ganz dieſelbe Erſcheinung. Die chemiſche Beſchaffenheit des Bodens iſt es vorzugsweiſe, welche die Verbreitung gewiſſer Landpflanzen bedingt, demnächſt die geogno— ſtiſche Natur des Bodens; daher hat man auch ſolche Gewächſe nach ihren Standorten beſonders benannt. Wir beſchränken uns bei dem vorliegenden Zweck auf die Anführung weniger Beiſpiele: 1. Waldpflanzen. In Laubwäldern wachſen: Tollkirſche (Atropa Belladonna), Sauerklee (Oxalis Acetosella), Wachtelweizen (Melampy- rum nemorosum), Benedictenkraut (Geum rivale); in Nadelholzwal— dungen: Heidelbeere (Vaccinium Myrtillus u. V. Vitis idaea), Linnea (Linnaea borealis), Wintergrün (Pyrola uniflora, P. secunda, P. um- bellata). 2. Geſträuchpflanzen, welche Schatten und Feuchtigkeit lieben: Doſten (Origanum vulgare), Schwalbenwurz (Cynanchum Vincetoxy- cum), Lerchenſporn (Corydalis bulbosa), Haſelwurz (Asarum eu— ropaeum). 3. Heidepflanzen, die oft den Boden ganz allein bedecken, wie das Heidekraut (Erica vulgaris); dazwiſchen wachfen bisweilen: Wach— holder (Juniperus communis), Sumpfporſt (Ledum palustre), Andro— mede (Andromeda polifolia). 4. Sande oder Kieſelpflanzen, zu denen beſonders viele Grä— Salsola Kali. 12 Einleitung. ſer gehören, wie das Sand-Haargras (Elymus arenarius), außerdem: Rietgras (Carex arenaria), Bruchkraut (Herniaria glabra), Mauer: pfeffer (Sedum acre). 5. Kalkpflanzen, zu welchen vorzugsweiſe manche Orchideen gehören: Frauenſchuh (Cypripedium calceolus); ferner Gamander (Teu— crium montanum), Gypskraut (Gypsophila muralis). 6. Salzpflanzen, die in Steppen und auf ſalzhaltigem Boden wachſen: Salzkraut (Salsola Kali), Glasſchmalz (Salicornia radicans), Milchkraut (Glaux maritima). 7. Felſenpflanzen, wie Sedum rupestre im mittleren Europa, Cactus- und andere fleiſchige Gewächſe in tropiſchen Gegenden, ſo wie auch viele Farrnkräuter, Mooſe und Flechten. 8. Feldpflanzen, die auf ebenem und freiem Felde ſich finden: Ehrenpreis (Veronica triphyllos, V. verna, V. arvensis), Natterkopf (Echium vulgare), Hungerblümchen (Draba verna). 9. Weidepflanzen, auf grasreichen Stellen mit geringer Be— wäſſerung: Gänſeblümchen (Bellis perennis), Hahnenfuß (Ranunculus repens, R. bulbosus, R. hirsutus), Enzian (Gentiana Pneumonanthe, G. campestris), Labkraut (Galium boreale, G. Mollugo). 10. Wieſenpflanzen, die den lieblichſten Schmuck unſerer nor— diſchen Gegenden bilden, den man in heißen Gegenden vergeblich ſucht, beſonders durch die blau, gelb oder roth und weiß gefärbten Blumen, die ſo angenehm mit dem friſchen Grün der jungen Gräſer contraſtiren: Glockenblumen (Campanula patula, C. glomerata), Vergißmeinnicht (Myosotis palustris), Enzian (Gentiana Amarella); Hahnenfuß (Ra- nunculus Flammula, R. auricomus, R. acris), Kuhblume (Caltha pa- lustris), Lyſimachie (Lysimachia vulgaris, L. Nummularia); Klee (Tri- folium pratense, Tr. repens, Tr. fragiferum). 11. Torfpflanzen, die ſich meiſt durch übermäßige Wurzelbil— dung auszeichnen und gleichfalls für die nordiſchen Gegenden charak— teriſtiſch ſind: Torfmoos (Sphagnum acutifolium, Sph. latifolium), Moosbeere (Ox ycoccos palustris), Sonnenthau Drosera rotundifolia), Simſen (Juncus conglomeratus, J. uliginosus, J. lampocarpus), Wei— den (Salix repens, S. fusca, S. rosmarinifolia). — In den Gräben der Torfſtiche wachſen: Schachtelhalme (Equisetum hyemale, E. limosum, E. palustre), Binſen (Seirpus Baeothryon, Sc. palustris, Se. Taber- naemontani), Waſſerſchlauch (Utricularia vulgaris, U. minor). 12. Pflanzen auf angebauten Feldern. Unter dem Getreide wachſen: Kornblumen (Centaurea Cyanus), Korurade (Agrostemma Einleitung. 13 Githago), wilder Mohn (Papaver Rhoeas), Taumel-Lolch (Lolium te- mulentum); auf Aeckern überhaupt: Ackerwinde (Convolvulus arven- sis) und viele andere, die den Beinamen arvensis führen; auf Brach— feldern: Diſtel (Carduus nutans), Ampfer (Rumex acetosella), Natter- kopf (Echium vulgare), Beifuß (Artemisia campestris); am Rande der Felder, ſogenannte Rainpflanzen: Cichorie (Cichorium Intybus), Sumpf- garbe (Achillea Ptarmica), Rainfarrn (Tanacetum vulgare), Labkraut (Galium verum). 13. Garten-Unkräuter: Vogelmiere (Alsine media), Brenn⸗ Neſſel (Urtica urens), Bienenſaug (Lamium amplexicaule); an Zäunen wachſen: Stechapfel (Datura Stramonium), Bienenſaug (Lamium al- bum), Borätſch (Borago officinalis), Neſſel (Urtica dioica). 14. Schmarotzergewächſe. Auf hohen Bäumen wächſt die Mi⸗ ſtel (Viscum album); auf den Wurzeln der Haſelſträucher, Buchen und Fichten: Schuppenwurz (Lathraea squamaria), Sommerwurz (Oro- banche major“), O. ramosa **), Ohnblatt (Monotropa Hypopithys). — Als uneigentliche Paraſiten ſind eine Menge Mooſe, Flechten und Jungermannien zu betrachten, die auf der Rinde der Bäume, aber auch an anderen Orten vorkommen. Wie wichtig dieſe Paraſiten für die Phyſiognomie der Vegetation ſind, wird ſich erſt ſpäter zeigen, wo von den Formen die Rede iſt, welche die eben genannten in den Tropen— gegenden erſetzen. 15. Pflanzen auf Kunſtprodueten. Auf Mauern wachſen: Gabelzahn (Dieranum murale), Streifenfarrn (Asplenium Ruta mu- raria), Mauerpfeffer (Sedum acre), Fette Henne (Sedum Telephium). Auch ſolche Pflanzen können wichtig werden. So will man die ziem— lich wohl erhaltenen Mauern der römiſchen Bäder zu Badenweiler im Großherzogthum Baden mit dergleichen Gewächſen bepflanzen, um ſie gegen die zerſtörenden Einflüſſe der Witterung zu ſichern, eins der beſten Mittel zur Erhaltung antiker Bauwerke. — An alten Brettern erſchei— nen häufig: Blattflechten (Parmelia parietina), Schildflechten (Leca— nora muralis), Bartflechten (Usnea hirta) und Aſtflechten (Ramalina pollinaria). — Auf Schutthaufen finden ſich meiſtens: Gänſefuß (Che. nopodium glaucum, Ch. urbicum, Ch. olidum), Kreuzkraut (Senecio vulgaris), Bilſenkraut (Hyoscyamus niger) und Borätſch (Borago officinalis). *) Auf den Wurzeln des Bohnenſtrauchs (Cytisus scoparius). *) Auf den Wurzeln des Hanfs (Cannabis sativa). f 14 Einleitung. Dieſe Ueberſicht möge genügen, um zu zeigen, wie mannigfaltig die Standorte der Pflanzen ſind, und wie gewiſſe Gewächſe im Stande ſind, dieſem oder jenem Theile der Landſchaft ein eigenthümliches Ge— präge zu geben. Wir haben hierbei nur die Landpflanzen im Auge gehabt und wollen nun die Waſſerpflanzen noch beſonders betrachten. Die Süßwaſſerpflanzen zunächſt ſchwimmen theils frei auf der Oberfläche des Waſſers, wie die Waſſerlinſen oder die ſogenannte En— tengrütze (Lemna trisulca, L. minor), die Waſſerfäden (Conferva ri— vularis) und die Schwingfäden (Oscillatoria limosa, ©: fontinalis); theils haben ſie ihre Wurzeln in dem Boden der Gewäſſer, wie unſere Seeroſe (Nymphaea alba), die Teichroſe (Nuphar lutea), das Laich⸗ kraut (Potamogeton natans, P. perfoliatus), die für uns faſt fremd⸗ artige Waſſeralos (Stratiotes aloides) und der Waſſerſchlauch (Utricu— laria vulgaris). Wie wichtig beſonders die letzteren für die Phyſiogno— mie unſerer nordiſchen Gegenden ſind, iſt bekannt; beſonders ziehen die großen Seeroſen mit ihren edelgeformten, ruhig aufliegenden Blät- tern und den ſchönen, im reinſten Milchweiß prangenden Blüthen Aller Augen auf ſich. Andere Formen dienen zur Einfaſſung unſerer ſtehenden Gewäſſer, wie die ſchlanken Binſen (Scirpus palustris, Sc. lacustris), das Rohr (Arundo Phragmites) mit ſeinen hohen Halmen und großen Blüthen— rispen, das ſchöne Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia) mit langgeſtielten, pfeilförmigen Blättern und röthlich weißen Blumen, der Waſſerlieſch (Butomus umbellatus) mit ſchilfartigen Blättern und großen roſen— rothen Blüthendolden und mehrere Ranunkeln (Ranunculus aquatilis, R. Lingua); noch andere ſchmücken die Gewäſſer, gehen aber auch wei— ter auf das Land und werden deshalb amphibiſche Pflanzen ge— nannt, wie die Kuhblume (Caltha palustris), das Schaumkraut (Car- damine pratensis), das Schlangenkraut (Calla palustris) und die Bit— terkreſſe (Nasturtium palustre, N. amphibium). — In ſüdlicheren Ge— genden iſt die Valisnerie (Valisneria spiralis) von Bedeutung. In Italien und im ſüdlichen Frankreich erſcheint ſie beſonders in den Ca— nälen, aus denen die Reisfelder bewäſſert werden. Die im Schlamm ſteckenden Wurzeln vermehren ſich jo ſtark, daß die dicht beifammen- ſtehenden Blätter oft der Schifffahrt hinderlich ſind. Beſonders zeich— net ſich der Canal von Languedoc in dieſer Beziehung aus. Alle Mit⸗ tel, die man angewendet hat, um die üppig wuchernde Pflanze aus— zurotten, ſind vergeblich geweſen; nur als einmal ein Boot mit Seeſalz verſank, wuchſen die Pflanzen an jener Stelle Jahre lang nicht mehr. — — Einleitung. 15 Wie die ſtehenden Binnengewäſſer mit mannigfaltigen Pflanzen geſchmückt ſind, ſo hat auch das offene Meer ſeine eigenthümlichen Pflan⸗ zenformen aufzuweiſen. Beſonders ſind es die Tangarten (der Gat— tung Fucus angehörend), die ſich in allen Meeren finden. Das Klima ſcheint auf ihr Vorkommen eben ſo wenig Einfluß zu haben als bei den bereits erwähnten Salzpflanzen; nur der größere oder geringere Salzgehalt des Meerwaſſers mag ihr Erſcheinen bedingen. Oft be— decken ſie den Meeresboden mit einer dichten Decke, wie das Gras unſere Wieſen; prachtvolle Korallenſtämme ragen zwiſchen ihnen empor, wie die gegliederte, weiß und ſchwarz gefärbte Königskoralle ', die merk— würdig gewundene Stachelkoralle 2, der ſtrauchartige Venusfliegenwe— del 3; ſcharlachrothe Seeanemonen und goldrothe Actinien ſtehen da— neben; und unzählige Schaaren größerer und kleinerer Thiere bevölkern dieſe merkwürdige Vegetation, ein herrlicher Anblick, der nur bei ganz ruhiger See dem ſpähenden Auge zu Theil wird. Sobald der Sturm aber den Boden des Meeres aufwühlt, dann werden die Tanggewächſe losgeriſſen; die unaufhörlich thätigen Wellen treiben ſie bald der Küſte zu, ſo daß das Erſcheinen ſchwimmender Tangmaſſen dem Seefahrer ein Zeichen von der Nähe des Landes iſt. Als eine Ausnahme von dieſer Erſcheinung und faſt einzig in ihrer Art iſt die ſogenannte Sargaſſo-See (Mar de Zargasso) zu er- wähnen, welche nach Alexander von Humboldt's ſorgfältigen Unterſu— chungen aus zwei Seetang-Bänken gebildet wird, von denen die größere und öſtlich gelegene zwiſchen dem 19. und 34° n. Br. und dem 8. und 28 w. L., die kleinere, rundliche und weſtlich gelegene aber zwi— ſchen den Bermuden- und den Bahama⸗Inſeln (zwiſchen 25 und 31° n. Br. und zwiſchen 48 und 56° w. L.) ſich findet. Ein ſchmalerer Streifen von 5 Breitengraden (25 — 30“ Br.), der von Oſten nach Weſten ſich erſtreckt, verbindet beide Bänke. Eine einzige Pflanzenart ſchwimmt hier frei auf der Oberfläche des Meeres und gewährt eine Einförmigkeit des Anblicks, wie ſie nicht zum zweiten Male auftritt, um ſo mehr als der geſammte Flächenraum der Sargaſſo-See eine Ausdehnung von 70 — 80,000 Ml. hat, alſo etwa 6-7 mal fo groß als ganz Deutſchland iſt. Bekanntlich hat ſchon Columbus die größere dieſer beiden Bänke im Jahre 1492 in 282° n. Br. und im Jahre 1493 in 37 Br. und zwar von dem 20 — 23° cw. Länge durch— 2 Isis Hippuris. Antipathes spiralis. ? Gorgonia Flabellum. 4 Fucus natans. 16 Einleitung. ſchnitten. Die Sargaſſo-See wird von dem bekannten Golfſtrom um- floſſen, und iſt die Erſcheinung des ſeit mehr als 300 Jahren unver— ändert dort aufgehäuften Seetangs vermuthlich eine Folge deſſelben, falls nicht eine eigenthümliche Beſchaffenheit des Meeresbodens jener Stelle des Atlantiſchen Oceans mit dazu beiträgt. — In ähnlicher Weiſe wächſt in ſternförmiger Gruppirung eine ſehr niedliche Oscilla— toria in demſelben Meere, gerade unter dem Aequator. Eben fo fin- den ſich geſellig wachſende Tangarten in verſchiedenen anderen Meeren, wie Fucus antareticus an der Südſpitze von Amerika, große Lamina- rien und Fucus pyriferus an der Küſte von Chile, Fucus cartilagi- neus in dem oſtindiſchen und chineſiſchen Archipelagus und andere Arten in beiden Polarmeeren. Wie die Ufer der ſtehenden Gewäſſer von eigenthümlichen Plans zen eingefaßt ſind, ſo auch das Meeresufer wenigſtens in den Tropen— gegenden. Wo die Ufer nicht ſandig oder felſig find, ſondern aus fruchtbarer Erde beſtehen, da finden ſich zwiſchen den Wendekreiſen faſt überall die ſogenannten Mangrove-Waldungen, vorzugsweiſe an den Mündungen großer Ströme. Beſonders iſt es der ſogenannte Wurzelbaum , welcher dieſe Wälder bildet. Indem die ſtets andrin⸗ genden Meereswellen dem Boden wie der Atmoſphäre einen bedeuten— den Grad von Feuchtigkeit verleihen, keimen die Samen dieſes merk— würdigen Baumes ſchon aus der Frucht und ſenken ihre Wurzeln bis auf den moorigen Boden herab, wo ſie von neuem ausſchlagen. So wuchert dieſes Gewächs in der ſeltſamſten Weiſe und bildet an den tropiſchen Küſten oft meilenlang die undurchdringlichſten Wälder, deren Boden kaum von dem Wanderer betreten werden kann. In ähnlicher Weiſe wuchern der Salzbaum? und einige andere Gattungen 3. Durch die Betrachtung der Gewächſe in Beziehung auf ihre ver— ſchiedenen Standorte ſind wir dem eigentlichen Gegenſtande der vor— liegenden Arbeit um ein Bedeutendes näher gerückt. Die Vertheilung der Gewächſe über die ganze Erde, inſofern der Vegetationscharakter einer Gegend durch dieſelben bedingt wird, iſt der Gegenſtand der Pflanzengeographie. Schon die große Anzahl der bereits bekannten Pflanzen läßt es erwarten, daß bei weitem nicht alle Gewächſe in pflan— zengeographiſcher Hinſicht von Wichtigkeit ſein können, und die Zahl derſelben ſteigert ſich mit überraſchender Geſchwindigkeit von Jahr zu Jahr. ' Rhizophora Mangle. ? Avicennia nitida, 3 Aegıceras, Bruguiera. Einleitung. 17 Theophraſtus (390 v. Chr.) zählt in ſeiner „Naturgeſchichte der Gewächſe“ 500 Arten; Plinius ( 79 n. Chr.) in ſeiner Historia na- turalis seu Historia mundi ſchon die doppelte Anzahl. Durch die For— ſchungen griechiſcher, römiſcher und arabiſcher Botaniker wuchs dieſe Anzahl nur bis 1400, und erſt zu Anfang des 17ten Jahrhunderts ſtei— gerte fie ſich durch die Verdienſte eines Lobelius u. Joh. Bauhin auf 6000 Arten. Auch Linné zählte in der ten Ausgabe feiner Species plantarum, im Jahre 1762, nicht mehr als 8800 Arten. Seit dem Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts jedoch iſt die Anzahl der bekannten Pflanzen mit Rieſenſchritten gewachſen. Perſoon (1819) zählte 27,000, Humboldt u. Brown 38,000, De Candolle (1833) 56,000 und in neueſter Zeit Lindley 86,000 und Hinds 89,000. Dieſe letzte Zahl möchte indeß kaum die Hälfte aller vorhandenen Pflanzen ſein, und nach einer ungefähren Abſchätzung kann ſich die Geſammtzahl der— ſelben auf 200,000 Arten belaufen. Unter den bereits beſchriebenen nehmen die eryptogamiſchen Gewächſe faſt den Aten Theil ein. Die An— zahl derſelben auf 19,000 Arten angeſchlagen, rechnet man etwa 8000 Pilze, 2580 Algen, 1400 Flechten, 3800 Leber- und Laubmooſe und 3250 Farrnkräuter. Wie viel den Botanikern demnach noch zu erforſchen bleibt, läßt ſich nach den mitgetheilten Reſultaten leicht ermeſſen. Beobachtet man die einzelnen Pflanzen in Beziehung auf ihr Vor— kommen näher, ſo bemerkt man bald, daß einige jederzeit einzeln und hier und da zerſtreut wachſen. So bei uns in Europa der kletternde Nachtſchatten (Solanum Dulcamara), die weiße Lychnis (Lychnis dioica), der Wieſen-Knöterig (Polygonum Bistorta), die lilienartige Zaunblume (Anthericum Liliago) und manche andere. Ganz verſchieden hiervon iſt der Eindruck, den diejenigen Pflanzen machen, die geſellig bei ein— ander ſtehen. Wie die Ameiſen und die Bienen unter den Inſecten, wie die Raben, die Staare und viele andere Vögel die Geſelligkeit lieben, ſo giebt es auch eine Menge Pflanzen, die ſtets in einer größe— ren Anzahl von Individuen auftreten, große Strecken des Bodens über— ziehen und andere Arten wenig oder gar nicht zwiſchen ſich aufkommen laſſen. Dahin gehören unſere Kiefernwälder; die Buchen, Eichen, Bir— ken und Elſen, welche unſere Laubwälder bilden; viele Weiden, zwiſchen denen prächtige Epilobien mit ihren prachtvollen Blüthentrauben hin— durchblicken; das Heidekraut, welches große Strecken dürren Bodens über— zieht; der Vogel-Knöterig (Polygonum avieulare), an faſt allen Wegen; die Heidelbeere, die den Boden der Nadelholzwaldungen bedeckt; manche Gräſer, wie Rispengras (Poa annua, P. pratensis, P. trivialis ete.), 2 18 Einleitung. Schmielen (Aira canescens) u. ſ. w.; mehrere Waſſerpflanzen, wie Rohr, Kalmus, Binſen und Armleuchter (Chara); in moorigen Gegenden: Torfmoos (Sphagnum palustre), Gabelzahn (Dieranum glaucum), Haar- moos (Polytrichum commune), Cyperngras (Cyperus fuscus) und in trockenen Gegenden die Rennthierflechte. Alle dieſe geſellig wachſenden Pflanzen ſind für die Pflanzengeographie von größter Wichtigkeit. In den heißen Gegenden zeigen ſich dafür die Mangrove-Waldungen am Meeres— ufer, das Bambusrohr im öſtlichen Aſien, die Mimoſen in Süd-Amerika, die Farrn auf den Südſeeinſeln, die Cinchonenwälder und die Alpenroſen auf den Bergen der Tropen; jedoch ſind die geſellig wachſenden Pflanzen in den milderen und kalten Gegenden der Erde weit häufiger als in den Tropen, deren Vegetation viel mannichfaltiger und dadurch zugleich male— riſcher erſcheint. Die Eigenthümlichkeit des geſelligen Wachsthums hat ihren Grund einerſeits in der gleichmäßigen Beſchaffenheit des Bodens und andererſeits in der Natur der betreffenden Pflanzen. Wo ein Fluß durch eine Nadelholzwaldung hindurchgeht, findet man in der Regel am Ufer einige Laubhölzer, wie Elſen und Weiden, weil dort der Bo— den fruchtbarer iſt. Doch ſcheint weniger die geognoſtiſche Formation, als die chemiſche Zuſammenſetzung des Bodens der Grund für das geſellige Vorkommen gewiſſer Pflanzen zu ſein; und andererſeits iſt zu berückſichtigen, daß die angeführten Pflanzen ſich alle durch eine be— deutende Reproductionskraft auszeichnen. 2 Dieſe vorläufigen Bemerkungen werden genügen, um den Leſer in den Stand zu ſetzen, dem eigentlichen Gegenſtande dieſer Darſtellung zu folgen, den wir in nachſtehenden drei Abſchnitten behandeln werden: 1. Betrachtung derjenigen Gewächſe, welche durch ihr häufiges Vorkommen oder ihr geſellſchaftliches Auftreten auf den Ve— getationscharakter einer Gegend beſonderen Einfluß haben. 2. Betrachtung derjenigen Culturgewächſe, welche im Großen an— gebaut werden und durch ihre weite Verbreitung weſentlich auf die Umgeſtaltung des urſprünglichen Vegetationscharakters einer Gegend einwirken. 3. Darſtellung der Phyſiognomie der Vegetation in den verſchie— denen Zonen der Erdoberfläche von dem Aequator bis zu den Polen. Erſter Abſchnitt. Betrachtung derjenigen Gewächſe, welche durch ihr häu⸗ figes Vorkommen oder ihr geſellſchaftliches Auftreten auf den Vegetationscharakter einer Gegend beſonderen Einfluß haben. CR Fon der mit der organiſchen Schöpfung unſeres Erdkörpers eini- germaßen bekannt iſt, drängt ſich die Beobachtung auf, daß alle For- men der Thier- wie der Pflanzenwelt von den Polen nach dem Aequa— tor hin ein ſtetiges Zunehmen in ihrer Entwickelung zeigen; eine Be— obachtung, die auch von allen Reiſenden, welche ferne Erdſtriche be— ſucht haben, beſtätigt wird. Je weiter man in den kalten Zonen der Erde vordringt, deſto einförmiger wird der Geſammtcharakter der Ve— getation, deſto mehr nimmt die Armuth an Pflanzenformen zu. Je mehr man ſich dagegen den Tropen nähert, deſto ausgebildeter und ſchöner erſcheinen die einzelnen Formen, deſto größer wird die Man— nigfaltigkeit und Fülle der Gewächſe, die ſich oft bis zur höchſten Uep⸗ pigkeit ſteigert. Wie die Oberfläche der Erde ſelbſt gerade in den heißen Erdſtrichen ihre rieſigſten Gipfel erhebt, ſo entwickelt ſie dort auch die höchſte Kraft in der Ausbildung ihres organiſchen Lebens, was jeden— falls dem belebenden Einfluſſe des Lichts und der Wärme zuzuſchreiben iſt. Nichts deſto weniger ſteht es feſt, daß auch die übrigen Gegenden der Erde ihre eigenthümlichen Schönheiten haben. Es bedarf nicht immer gigantiſcher Formen und übermäßiger Fülle, um einen ange— nehmen Eindruck hervorzurufen; ſondern eine gewiſſe Mannigfaltigkeit der Gewächſe reicht ſchon aus, uns zu erfreuen, wenn in ihrer gegen— ſeitigen Stellung, ſo wie in der Art und Weiſe, wie ſie die Oberfläche der Erde bekleiden, das Princip der Schönheit zu erkennen iſt. Während die Thätigkeit der meiſten Botaniker darauf gerichtet iſt, 2 ** 20 Erſter Abſchnitt. neue Pflanzen zu entdecken, die Kennzeichen ſeſtzuſtellen, durch welche ſie ſich von anderen unterſcheiden und die Merkmale ins Auge zu faſſen, welche denſelben ihre Stelle in beſtimmten Klaſſen und Familien an— weiſen: iſt es die Aufgabe der Pflanzengeographie, die oben angedeutete Erſcheinung einer näheren Betrachtung zu unterwerfen und die Ein— drücke, welche die Pflanzenwelt auf jeden für Naturſchönheiten emp— fänglichen Menſchen macht, in Worte zu kleiden. Wie wichtig dieſe intereſſante Seite der Pflanzenkunde für die Bildung des Geſchmacks ift, welchen veredelnden' Einfluß fie auf die Künſte ausübt, iſt längſt anerkannt; ja eine Betrachtung dieſer Art iſt nicht allein im Stande, den Genuß an Naturſchönheiten zu erhöhen, ſondern ſelbſt die Emp— fänglichkeit dafür zu wecken. Wie es für die vollſtändige Erkenntniß jeder zuſammengeſetzten Erſcheinung nothwendig iſt, dieſelbe in ihre einzelnen Theile zu zer— legen und jeden der letzteren einer beſonderen Betrachtung zu würdi— gen: ſo müſſen wir auch den Geſammteindruck, welchen die Vegetation auf uns macht, in ſeine Hauptmomente auflöſen und diejenigen Pflan— zenformen genauer ins Auge faſſen, welche durch ihren geſellſchaftlichen Wuchs, oder durch ihr vorherrſchendes Auftreten in Beziehung auf an— dere Gewächſe am meiſten die Aufmerkſamkeit des Naturfreundes in Anſpruch nehmen. So groß die Anzahl der einzelnen Pflanzenarten iſt, ſo iſt doch die Zahl derjenigen gering, welche durch ihr häufiges Vorkommen den Vegetationscharakter einer Gegend beſtimmen. Dieſe Hauptformen von Gewächſen werden nicht ſo zu größeren Gruppen vereinigt, wie dies bei der Aufſtellung natürlicher Pflanzenfamilien ge— ſchieht. Die ſyſtematiſche Botanik, welche die ganze Pflanzenwelt um- faßt, richtet mit Recht ihre Aufmerkſamkeit vorzugsweiſe auf kleinere Theile, auf die Blüthenhüllen, die Befruchtungsorgane und die Ge— ſtalten der Früchte, alſo auf diejenigen Theile der Pflanze, von welchen die Erhaltung der Art abhängt. Der Theil der Pflanzengeographie dagegen, welcher es mit der Phyſiognomik der Gewächſe zu thun hat, achtet auf alles das, was durch ſeine Maſſe Eindruck macht, auf den Stamm und die Art ſeiner Veräſtelung, auf die Stellung, wie auf die Form und Größe der Blätter, auf die Feſtigkeit und den Glanz der Blattmaſſe, ſo wie auf ihre Färbung, alſo auf diejenigen Pflanzen— theile, von denen die Erhaltung des Individuums abhängt. Auf dieſe Weiſe entſteht ein natürliches Syſtem ganz anderer Art, in dem alle diejenigen Gewächſe zu einer Gruppe vereinigt werden, welche in ihren Hauptformen übereinſtimmen, alſo denſelben Total-Eindruck ge— Charakterpflauzen. 21 währen. Wenn manche dieſer Gruppen mit ganzen Familien der na— türlichen Pflanzenſyſteme vollkommen übereinſtimmen: fo iſt dies nur ein Beweis, wie ſelbſt der Syſtematiker ſich jenem unmittelbaren Na- tureindrucke nicht entziehen kann, und andrerſeits ein Beweis von der inneren Einheit, welche das Weſen jeder Pflanze charakteriſirt. Sind auch die Abſichten verſchieden, mit denen der Syſtematiker und der Phyſiognomiker an die Betrachtung der einzelnen Pflanzenform heran— gehen, ſo bildet dieſe ſelbſt doch die höhere Einheit, welche ſie wieder zuſammenführt. So nähert ſich die Wiſſenſchaft, welche in ihren An— fängen mehr künſtlich verfuhr, wieder jener urſprünglichen, ich möchte ſagen rein menſchlichen und mehr poetiſchen Auffaſſung, die aber nun mit dem ganzen Reichthum wiſſenſchaftlicher Erkenntniß ausgeſtattet erſcheint. Während die meiſten natürlichen Pflanzenfamilien über die ganze Erde ausgebreitet ſind, beſchränken ſich viele der Pflanzen grup— pen, welche den landſchaftlichen Charakter einer Gegend beſtimmen, nur auf einzelne Strecken der Erdoberfläche. Einige ſolcher Formen jedoch ſind weit, bisweilen ſelbſt über die ganze Erde ausgebreitet; dann aber ändert ſich ihr Charakter nach den verſchiedenen Klimaten. Noch andere Gruppen treten zwar in einzelnen Gegenden als dieſen allein eigenthümlich auf; dafür zeigen ſich aber in anderen eutſprechen— den Erdräumen ſolche Formen, die als Repräſentanten dieſer Gruppen betrachtet werden müſſen. Die Hauptformen charakteriſtiſcher Gewächſe, welche in dieſem Abſchnitt der Reihe nach betrachtet werden ſollen, find folgende: 1. die Laubhölzer, 2. die Myrtenartigen Gewächſe, 3. die Nadelhölzer, 4. die Heideſträucher, 5. die Mimoſenartigen Gewächſe, 6. die Farrnkräuter, 7. die Palmen, 8. die Agavenförmigen Gewächſe, 9. die Ananas-Ge—⸗ wächſe, 10. die Pandanenartigen Gewächſe, 11. die Bananen und Blu— menrohre, 12. die Grasartigen Gewächſe, 13. die Cactusartigen Ge— wächſe, 14. die fleiſchigen Gewächſe, 15. die Lilienartigen Gewächſe, 16. die Lianen oder Schlingpflanzen, 17. die Pothos-Gewächſe, 18. die Orchideen, 19. die Mooſe, 20. die Flechten. Daß dieſe von Alexander von Humboldt zuerſt aufgeſtellten und von dem Profeſſor Meyen vermehrten Hauptformen noch nicht die ganze Anzahl von Pflanzengruppen umfaſſen, welche für die Vegetation einer Gegend charakteriſtiſch ſind, iſt wohl gewiß, und es ſteht eine Vermeh— rung dieſer Anzahl bei weiteren Fortſchritten in dieſer noch jungen Wiſſenſchaft zu erwarten. Indem wir nun an die Beſchreibung der 22 Charakterpflanzen. einzelnen Formen gehen, wollen wir dieſelben nicht mit dem wiſſen⸗ ſchaftlichen Auge des Botanikers betrachten, der die liebliche Blume zerpflückt, um nur ſchnell zu finden, ob er ſie zu Icosandria oder zu Polyandria zu rechnen habe, der die zarte Geſtalt zuſammenpreßt, um eine Mappe ſeines Herbariums damit zu bereichern: ſondern mit dem Auge des Naturfreundes, wenn möglich mit dem des Malers, dem die Eigenthümlichkeit der Geſtalt, die imponirende Größe, die prachtvolle Färbung, mit einem Worte die Schönheit der Pflanzenform die Haupt⸗ ſache iſt. Und wenn es auch nicht leicht iſt, mit Worten zu bezeichnen, was die Kunſt des Malers weit gelungener darzuſtellen vermag, ſo iſt doch unſere Sprache reich genug an bezeichnenden Ausdrücken und man⸗ nigfaltigen Wendungen, um dem mit Phantaſie begabten Leſer eine Anſchauung der genannten Formen zu geben, und ihn zu befähigen, ſich in eine Welt zu verſetzen, die ſeinem leiblichen Auge zu ſchauen verſagt iſt. 1. Die Laubhölzer. Wir beginnen mit den Laubhölzern, welche, inſofern ſie in faſt allen Erdſtrichen die Wälder bilden und durch ihre Größe faſt alle übrigen Gewächſe übertreffen, auf den Charakter der Vegetation von weſentlichem Einfluß ſind. Zwar ſind die einzelnen Formen, welche wir hier zu einer Gruppe vereinigen, theils nach der Geſtalt ihrer Stämme, theils nach den Umriſſen ihrer Blätter ungemein verſchieden; der Ge— ſammteindruck aber, den ſie, zu großen Wäldern vereinigt, auf den Beſchauenden machen, indem ihre ſchattige Krone in die Luft empor⸗ ſtrebt, iſt im Großen und Ganzen überall derſelbe. Abgeſehen von den Verſchiedenheiten, welche dem Botaniker als ſolchem von Wichtigkeit find, wird der Landſchaftsmaler wie der Gartenkünſtler folgende Haupt⸗ formen unterſcheiden können. 1. Laubhölzer mit großen, beſonders ſchön geformten Blättern. Sie bilden einen weſentlichen Beitrag zur Darſtellung des Vegetationscharakters der heißen Zone. Ihre dicken, tonnenartigen Stämme find mit rieſenmäßigen Kronen beſetzt, welche durch ihre großen, herzförmigen oder zierlich eingeſchnittenen Blätter, deren dichte Behaa— rung ſie oft in wahrem Silberglanz erſcheinen läßt, einen höchſt im— ponirenden Eindruck machen. Der Affenbrotbaum! im heißen Afrika, Adansonia digitata. * 1. Laubhölzer. 23 mit einem Stamme von 10—12 F. Höhe, der bisweilen 30 F. im Durchmeſſer erreicht, trägt 30—60 F. lange Aeſte, von denen die äußer— ſten, wagerecht geſtellten ſich bis zur Erde herabneigen. Dies 60—70 F. hohe Gewächs mit ſeiner 150 F. breiten Krone kann wohl als das. größte und älteſte organiſche Denkmal auf unſerer Erde betrachtet wer— den. Ein einziger Baum erſcheint in der Ferne wie ein ganzer Wald— buſch, in den Höhlungen ſeines Stammes finden oft mehrere Neger— familien Platz, und am Senegal finden ſich Exemplare, deren Alter man auf 6000 Jahr ſchätzt. — Die Kanonen- oder Trompetenbäume in Weſtindien und den Wäldern Braſiliens, mit ſchlankem Stamme, der am Ende wenige Aeſte trägt, haben ein ganz eigenthümliches An— ſehen. Auf langen Stielen ruhen ſchildförmige, 9—10-lappige Blät⸗ ter, die unten weiß und mit einer grauen Linie geſäumt ſind. — Der Brot— baum , auf den Molucken und den Südſeeinſeln, trägt buchtig-fieder⸗ ſpaltige Blätter von 14 F. Länge und 1 F. Breite, die faſt unſeren Eichenblättern gleichen, und der Papiermaulbeerbaum ?, in China und auf den Südſeeinſeln, zeichnet ſich durch ſeine herzförmigen oder ge— lappten, unten zottig behaarten Blätter aus, wodurch die ganze Be— laubung einen ſilbergrauen Anflug erhält. Formen, wie die genann— ten, überraſchen nicht nur, wenn fie in großen Maſſen geſellig neben einander wachſen, ſondern fie bilden auch mit den zartgefiederten Blät— tern anderer Bäume, in deren Geſellſchaft ſie auftreten, oft höchſt merk— würdige Contraſte. Hauptſächlich ſind es die natürlichen Familien der Urticeen (Neſſelpflanzen), Euphorbiaceen (Wolfsmilchpflanzen) und Malvaceen, welche dieſe Baumformen aufweiſen. Bei der letzteren be— ſonders kommen zu der ſchönen Blattform noch die großen, prachtvol— len, weiß oder purpurroth gefärbten Blüthen hinzu, welche den Reiz der Schönheit dieſer Baumformen erhöhen. Die chineſiſche Hofe ? in China und Indien iſt faſt das ganze Jahr hindurch mit weißen, gel— ben und purpurrothen Blüthen bedeckt, und der baumartige Hibiscus Uliaceus in Oſtindien und auf den Sübdſeeinſeln iſt reich geſchmückt mit großen gelblichen, inwendig rothen Blumen. Der mexricaniſche Händebaum ' mit einem Stamm von coloſſaler Dicke und zartwolli— gen Blättern zeigt prachtvolle, oft purpurrothe Blüthen, aus denen die verwachſenen Staubfäden wie eine Hand oder Klaue hervorragen. Auch Cecropia palmata, C. peltata. Ariocarpus incisa. 3 Broussonctia papyrifera. Hibiscus rosa sinensis. 5 Cheirostemon platanoides 24 Charaͤkterpflauzen. die Wollbäume ? in Südamerika, Weſt- und Oſtindien find lauter große, ſchöne Bäume mit gefingerten Blättern und zahlreichen, weißen oder purpurrothen Blüthen. Ebenſo iſt der großblättrige Cacaobaum ?, am Amazonenſtrom und dem Orinoco mit ſeinen aus der Rinde des Stammes wie der Wurzel hervorbrechenden Blüthen hierher zu rechnen, deren roſenrother Kelch und gelblichrothe Blumenblätter den Stamm ſo angenehm verzieren. Schließlich ſind noch die amerikaniſchen und oſtindiſchen Arten von Slerculia, die Gattungen Lavatera, Hermannia und einige den Linden ähnliche Bäume (Sparmannia africana) zu er⸗ wähnen, mit deren bloßer Nennung wir uns hier begnügen wollen. 2. Laubhölzer mit dicken, lederartigen und glänzen: den Blättern. Die ſogenannten immergrünen Laubhölzer beſtim— men den Vegetationscharakter des wärmeren Theils der gemäßigten Zone in der nördlichen Halbkugel und auch in einigen Theilen der ſüdlichen, wo ſie noch tiefer hinabgehen. Die Kaſtanien-, Lorbeer- und Olivenwälder des ſüdlichen Europa geben dieſen Gegenden durch die Kräftigkeit, ſo wie durch den lebhaften Glanz des Laubes eine eigen— thümliche Phyſiognomie, welche von dem Charakter der mitteleuropäi— ſchen Waldbäume weſentlich verſchieden iſt. Weiter nach Aſien hinein geſellen ſich ihnen in größerer Menge die Orangen bei, während im öſtlichen Aſien, in China und Japan, die Camellien und die dort all— gemein cultivirte Theeſtaude dieſelbe Phyſiognomie zeigen. In Nord— amerika finden ſich in der entſprechenden Zone außer vielen Lorbeer— arten und der ähnlichen Gattung Persea, die prachtvollen Magnolien, befonders die großblumige 3, ein Baum mit ſchönen, faſt 1 F. langen, glänzenden Blättern und großen ſchneeweißen Blumen, der eine Höhe von 60—80 Fuß erreicht und als der Fürſt der amerikaniſchen Wälder betrachtet zu werden verdient. — Nur wenige Formen erſcheinen bei uns als Repräſentanten dieſer Laubhölzer, wie die Stechpalme * im ſüdlichen Europa, ein ſchöner 20—40 F. hoher Baum, in nördlicheren Gegenden aber, wie in England und Dänemark, nur als 4— 12 F. hoher Strauch. Die tropiſchen Gegenden jedoch haben eine größere Anzahl von Repräſentanten aus dieſer Abtheilung. Dahin gehören die Ebenhölzer im ſüdlichen Aſien und Afrika; der Kaffeebaum in Ara- bien und Aethiopien; die zahlreichen Ocoteen Südamerikas mit ihren Bombax ceiba, B. occidentale, B. orientale. ? 'Theobroma Cacao. Magnolia grandillora. Ilex Aquifolium. ° Ocotea caryophyllacea. 1. Laubhölzer. 25 gewürzhaften Früchten; die an 100 F. hohen Gummi-Aepfelbäume mit balſamiſchem Harz, in Oſt- und Weſtindien, und die prachtvoll emporſtrebende Mammea ? mit 5—8“ langen Blättern und ſchmackhaf— ten Früchten, welche in großer Menge die Hügel Weſtindiens bedeckt. 3. Laubhölzer mit breiten und zarten Blättern. Sie finden ſich vorzugsweiſe in dem kälteren Theile der gemäßigten Zone, wo ſie an dem Geſammtcharakter der Vegetation weſentlichen An— theil haben. So ſehr auch die Laubhölzer mit großen, ſchön ge— formten Blättern durch ihre rieſigen Individuen imponiren, und die Laubhölzer mit lederartigen Blättern durch ihren lebhaften Glanz das Auge blenden mögen: ſo bieten doch unſere Laubhölzer, beſonders wenn ſie im Mai in lichtem Grün prangen, einen Anblick dar, der an An— muth und Freundlichkeit von keiner anderen Pflanzenform übertroffen und in allen übrigen Theilen der Erde vergeblich geſucht wird. Dazu kommt noch die Mannigfaltigkeit, welche die Kronen derſelben unter einander zeigen. Während die Buchen und Roßkaſtanien ihre Aeſte dicht zuſammendrängen und bei reicher Belaubung einen dichten Schat— ten gewähren, breiten die Eichen, Linden und Ulmen ihre Aeſte weit nach allen Richtungen hin aus und bringen durch ihre unregelmäßigen Kro— nen die ſchönſten maleriſchen Effecte hervor. Die Birken, Elfen und Pappeln dagegen contraſtiren mit ihnen durch ihre leicht emporſtrebende Veräſtelung und ihre lichte Belaubung. Das mittlere Europa, die nördlichen Abhänge des großen aſiatiſchen Hochlandes und das ge— mäßigte Nordamerika ſind die Gegenden der Erde, in denen wir dieſe Laubhölzer antreffen, während auf der ſüdlichen Halbkugel nur einige Diftriete nördlich von der magellaniſchen Meerenge an das vaterlän— diſche Bild erinnern. 4. Die Weidenform. Die Weiden bilden eine der auffallend- ſten Gruppen unter den Laubhölzern. Etwa 150 verſchiedene Arten find von der eigentlichen Weide ſchon bekannt, und alle charakteriſiren ſich durch die ſchlanken Aeſte mit ſchmalem und ſpitzem Laube. Ob— wohl ſie in allen Welttheilen einheimiſch ſind, ſo finden ſie ſich doch am häuſigſten zwiſchen dem 46. und 70° u. Br., beſonders in Europa, wo ſie in den mannigfachſten Formen erſcheinen. Vorzüglich lieben ſie die feuchten Gegenden und faſſen unſere Flüſſe und Teiche ein, oder ſie bedecken, geſellig als niedere Sträucher neben einander wachſend, den feuchten Boden ganze Strecken weit, während andere Arten mit * Calophyllum inophyllum et calaba. 2 Mamma americana. 26 Charakterpflanzen. dem ſchlechteſten Boden vorlieb nehmen. So üben ſie einen bedeuten— den Einfluß auf den Charakter unſerer Vegetation, nicht allein durch ihr maſſenhaftes Auftreten, ſondern mehr noch durch die Eigenthüm— lichkeit ihrer Erſcheinung. Beim erſten Erwachen des Frühlings, wenn die übrige Vegetation größtentheils noch ſchlummert, erſcheinen die Weidengeſträuche mit großen Blüthen bedeckt, wie unſere Waldbäume ſie uns nicht darbieten. Der Eindruck iſt um ſo auffallender, als die Blätter ſich erſt ſpäter entwickeln, und um ſo angenehmer, als unſere Felder um dieſe Zeit noch arm an Blüthen und die Wieſen ſämmt— lich mit Waſſer bedeckt ſind. Aber auch ſpäter, wenn die Blätter ſich vollſtändig entwickelt haben und die Blüthenpracht vorüber iſt, gewäh— ren ſie eine äußerſt anziehende Erſcheinung. Da die untere Seite ihrer Blätter mit feinen, ſeidenartigen Härchen dicht bedeckt iſt, ſo bildet dieſelbe mit der oberen Blattfläche einen anmuthigen Contraſt, zumal wenn der linde Frühlingswind mit den ſchlanken Wipfeln ſpielt, und die Zweige bald in lichtem Grün, bald in bläulich-grauem Silber- glanze ſtrahlen. Eben fo im Sommer, wenn die weiblichen Blüthen— kätzchen reif geworden und mit weißer Wolle bekleidet ſind, iſt die Phy— ſiognomie der Weidengebüſche oft eine höchſt ſeltſame. Aber nicht nur die geſellig wachſenden, ſondern auch einzeln ſtehende überraſchen uns. Beſonders die herrliche Trauerweide ! mit ihren ſchlanken, hängenden Zweigen ſpricht uns eigenthümlich an, wenn ſie, auf einem kleinen Abhange ſtehend, im klaren Waſſer ſich ſpiegelt. — Schon nach Süd— Europa zu nehmen die Weiden an Zahl beträchtlich ab, doch hat das nördliche Afrika noch ſeine beſonderen Arten. Die Tropengegenden haben etwa nur 10 — 12 Arten von Weiden, die ſowohl in der Ver— zweigung ihrer Stämme als in der Form des Laubes merkwürdig mit den unſrigen übereinſtimmen. Die Ufer und ſämmtliche Inſeln des Magdalenenſtromes ſind mit Weiden von 60 F. Höhe bedeckt, deren Stamm kaum 8 — 10 Zoll im Durchmeſſer hat. Auch die Ufer des Senegal, ſo wie die Flußufer auf Java haben ihre Weiden. Aber nicht nur die Ebenen, ſondern auch die Gebirge haben dieſe Form aufzuweiſen. Das Himalaya Gebirge hat allein 13 Arten, und auf den mexicaniſchen Hochebenen ſteigen ſie bis zu 8000 F. Höhe empor. In Auſtralien aber und auf den nahe gelegenen Inſeln vermißt man die Weidenform gänzlich. Salix babylonica. 2. Myrtenartige Gewächſe. 27 2. Die Myrtenartigen Gewächſe. Den Laubhölzern laſſen wir die Myrten folgen, und zwar ſchließen ſie ſich am nächſten denen mit lederartigen und glänzenden Blättern an. Die Gattung Myrtus zunächſt iſt eine zierliche Form mit ſehr zahl— reichen Arten. Es ſind ſtarkriechende und gewürzhafte Bäume und Sträucher mit runden Kronen und kleinblättrigem glänzenden Laube. Die faſt immer ganzrandigen Blätter ſind voll durchſichtiger Drüſen, mit ätheriſchem Oel gefüllt, und ſtehen dicht gedrängt beiſammen, wäh— rend die niedlichen weißen Blümchen den dunkelglänzenden Grund auf das angenehmſte verzieren. — Die gemeine Myrte! hat ihr Vaterland im ſüdlichen Europa, wo ſie hin und wieder Wäldchen bildet; nur künſtlich verpflanzt gedeiht ſie an einigen vom Klima beſonders be— günſtigten Orten der gemäßigten Zone und geht bis zum 46%u. Br. hinauf. Außer Süd-Europa, wo ſie beſonders den aus dem Keſſel des Mittelmeeres hervorragenden Inſeln einen eigenen Charakter ver- leiht, findet dieſe Gattung ſich vorherrſchend in Südamerika. Ein Strich der heißen Zone, der zum Theil eben und niedrig, zum Theil 9— 10,000 F. über dem Meeresſpiegel liegt, in der Nähe von Quito, iſt ganz und gar mit myrtenartigen Bäumen bedeckt. In Peru und Neu-Granada erſcheint die Escallonia myrtilloides, ein baumartiger Strauch von 24 F. Höhe. Von der Gattung Myrlus ſelbſt hat A. v. Humboldt in der Aequatorial⸗Zone 40 verſchiedene Arten geſammelt, unter wel— chen die kleinblättrige ? eine der zierlichſten iſt, und von denen manche bis zu einer Höhe von 10,000 F. auf den Andesrücken hinaufſteigen. Aber auch in ſüdlicheren Breiten tragen ſie zur Verſchönerung des Ve— getationscharakters bei. In Chile finden ſich 10 Myrtenarten und 22 Arten der verwandten Gattung Eugenia, wo ſie mit Proteaceen und Buchen? gemiſcht vorkommen. Vom 38° f. Br. werden fie häufiger; beſonders auf der Inſel Chiloe bildet Myrtus stipularis faſt undurch— dringliche Gebüſche, und ſelbſt in Patagonien, ja bis zur ſüdlichſten Spitze von Feuerland unter 56° Br. find fie zu finden. Nach dem hier befolgten Syſtem zwar nicht ſtreng zur Myrten form gehörig, aber wegen der Geſtaltung der Blüthen und Früchte doch mit der Familie der Myrten verwandt, ſind noch eine große Menge von anderen Gattungen zu nennen, die eine andere Bildung der Baum— Myrtus communis. ° Myrtus microphylla. ® Fagus obliqua. 28 Charakterpflanzen. krone und größere Blätter haben, ſo daß ſie einen ſehr paſſenden Ue— bergang von den Laubhölzern mit lederartigen und glänzenden Blät— tern zu der Myrtenform bilden. Zunächſt erinnern wir an die ſchon erwähnte Gattung Eugenia mit nahe an 200 Arten, die alle im tro— piſchen Amerika und Aſien vorkommen. Unter den Jam buſen in Aſien und Afrika zeichnet ſich beſonders Jambosa domestica aus, die ihrer dichtbelaubten runden Krone wegen der Myrtenform ſehr nahe ſteht, aber Blätter von 1 F. Länge und 2 F. Breite hat. Die großen hellrothen Blumen mit einem großen Büſchel rother Staubgefäße ſchmük— fen den Baum wie Apfelblüthen, und wenn fie des Abends abgefallen ſind, fo erſcheint der Boden umher wie mit Roſen beſtreut. Die Gua— ja ven“ ſchmücken in Südamerika, Weſtindien und Mexiko jedes niedere Gehölz; desgleichen bilden die Stern-Myrten? einen herrlichen Schmuck der oſtindiſchen Inſeln und Neu-Guineas. Große ſtarke Bäume wie die Eichen, mit 4— 6“ langen glänzenden Blättern find mit großen weißen oder karminrothen Blumen geſchmückt, und die Frucht gleicht bei der Reife einer ſternförmigen Scheibe. Die Barringtonien an den Ufern der indiſchen Seen und am Strande des Meeres ſind große ſchöne Bäume? oder Sträucher * mit prächtigem Laube und herab— hangenden traubenförmigen Blüthenbüſcheln, die beſonders den Saum des dichtbelaubten Gehölzes höchſt angenehm verzieren. — Noch manche andere Gattung, wie der Gewürznelkenbaum auf den Molucken, die Theemyrte auf den hohen Bergen Sumatras, wo kaum noch andere Pflanzen vorkommen, die amerikaniſche Gattung Myreia mit mehr als 100 Arten verdienten hier genannt und genauer beſchrieben zu werden. Noch ein dritter Erdſtrich erhält durch die Myrtenform einen ei— genthümlichen Charakter, es iſt Neu-Holland. Hier iſt es zunächſt die zahlreiche Gattung Eucalyptus mit nahe an 100 Arten, die eine be— ſonders ſchöne und auffallende Form zeigt. Es ſind mehr oder we— niger große Bäume, die bisweilen einen ungeheuren Umfang haben. E. robusta, der größte und häufigſte Baum in Neuholland, erreicht eine Höhe von 160 —180 F. und der Stamm hat 25—36 F. im Um⸗ fang. Von den Küſten bis auf die höchſten Berge hinauf verbreiten ſich die Eucalyptus-Wälder. Die Belaubung hat etwas ganz Eigen— thümliches. Die ſäbelförmig geſtalteten Blätter, deren Flächen beide ’ Psidium pyriferum , Ps. pomuilerum. 2 Sonncralia alba, S. rubra. Barringtonia racemosa, B. speciosa. B. rubra. »Caryophyllus aro- malıcus. 6 Glaphyria niulda. 2. Myrtenartige Gewächſe. 29 von gleicher Beſchaffenheit ſind, richten ſich mit ihren Rändern gegen den Stamm, und die blaugrüne Färbung des Laubes giebt der Phy— ſiognomie dieſes Baumes einen höchſt ernſthaften Charakter. Wenn auch die Eucalypten in Neu-Holland und Van-Diemensland ein ſol— ches Uebergewicht haben, daß ſie den Charakter der dortigen Vegeta— tion hauptſächlich beſtimmen, ſo ſind doch hierher noch einige andere Gattungen zu rechnen, die faſt eben ſo zahlreich auftreten. Es ſind die Gattungen Melaleuca, Metrosideros und beſonders auch Lepto- spermum mit kleinen Blättern und Baekea mit ſchmalen Gegenblättern, von denen die erſteren den Myrten näher ſtehen, die letzte Gattung dagegen den Uebergang zu den Eriken bildet. Durch die oben erwähnte eigenthümliche Stellung der Blätter entſteht bei dieſen Baumformen eine auffallende Vertheilung von Streiflicht und Schatten, die in un— ſeren Laubwäldern nicht möglich iſt, wo das Licht auf die horizontal gerichteten Blattflächen auffällt, während es hier zwiſchen vertical ge— richteten Blattflächen hindurchſtrahlt. Schon die erſten reiſenden Bo— taniker, welche Neu-Holland beſuchten, wurden durch dieſen optiſchen Effect überraſcht und machten auf den ſonderbaren Eindruck der ſchat— tenarmen Wälder Neu-Hollands aufmerkſam. Die Myrtenform dringt in Auſtralien, Van-Diemensland und Neuſeeland weit nach Süden hin vor, auf den Lord-Aucklands-Inſeln bis zu 504° ſ. Br. Die Melaleucen, Metrosideren und Banksien haben, ſeitdem ſie in unſeren Gewächshäuſern gezogen werden, unſerer Blu— menflor eine Pracht verliehen, von der man früher kaum eine Ahnung hatte, die aber jetzt bekannt genug iſt. Die Metrosideros- und Cal- listemon- Arten mit weißen oder ſcharlachrothen Blüthenkolben, die be— ſonders durch die zahlreichen Staubfädenbüſchel ſo angenehm verziert werden, erſcheinen eben jo ſonderbar durch ihre ährenförmig gruppir— ten Kapſeln, die Jahre lang ſtehen bleiben. Die Banksien mit ſchma— len glänzenden, oder faſt nadelartigen Blättern ähneln ihnen beſonders durch ihre langen gelblichen oder dunkelrothen Blüthenähren, bilden aber ſchon den Uebergang zu der Proteenform, welcher Familie fie auch angehören. Die Melaleucen, deren Krone Aehnlichkeit mit der der Na— delhölzer hat, haben faſt alle ein ganz myrtenartiges Anſehen und Blü— thenähren wie die eben genannten. Einen vollſtändigen Begriff von der überraſchenden Pracht der neuholländiſchen Vegetation erhält man aber erſt, wenn man ſich daran erinnert, daß alle dieſe herrlichen For— men dort nicht abgeſondert, ſondern gemiſcht mit Mimoſen und Ca— ſuarinen auftreten. Und wenn alle dieſe Gewächſe auch weniger lieb— 30 Charakterpflanzen. lich ſind als unſere Laubhölzer, ſo ſind dafür die Contraſte der cha— rakteriſtiſch fo verſchieden ausgeprägten Formen um ſo auffallender und die ganze Erſcheinung um ſo prachtvoller. 3. Die Nadelhölzer (Coniferen). Nächſt den Laubhölzern ſind die Nadelhölzer für einen großen Theil der Erde von mannigfacher Bedeutung. Sie zeichnen ſich alle durch ſchlanke Stämme aus, und ſelbſt unſere nordiſchen Formen wach— ſen unter günſtigen Verhältniſſen zu ſo bedeutender Höhe heran, daß man ſie dreiſt den höchſten Bäumen der Erde beigeſellen kann. Wie in den Piſanggewächſen die Blattgefäße ihre höchſte Ausdehnung er- reichen, ſo zeigt ſich in den Nadelhölzern die größte Zuſammenziehung derſelben, und das dunkele Grün des nadelförmigen Laubes giebt un— ſeren Fichten- und Tannenwäldern einen ernſten, melancholiſchen Cha- rakter, der mit dem lachenden Grün unſerer Laubwälder einen auf⸗ fallenden Contraſt bildet und ſelbſt auf die Poeſie der nordiſchen Völ— ker unverkennbaren Einfluß geübt hat. Um ſich den Eindruck ſolcher Contraſte lebendig vorzuſtellen, beachte man ein paar einzelne Birken am Saume eines düſteren Fichtenwaldes, oder eine Ebereſchen-Allee mit ihrem leichtbeweglichen Laube, die ſich am Rande eines dunkelen Tannenwaldes entlang zieht, wie wir dies auf hochliegenden Gebirgs— ſtraßen *) nicht ſelten finden. Dergleichen überraſchende Contraſte he— ben den wahren Charakter der verſchiedenen Vegetationsformen erſt recht deutlich hervor und laſſen ſich oft viel leichter empfinden als beſchrei— ben. Für die nordiſchen, fo wie für die hochliegenden Gebirgsgegenden ſind die Nadelhölzer um ſo wichtiger, als ihre ausdauernde, immer— grüne Belaubung weſentlich dazu beiträgt, den öden Charakter der Winterlandſchaften zu mildern, beſonders da, wo der Boden Monate lang unter einer dichten Schneedecke verhüllt liegt. Die Coniferen ſind zwar über die ganze Erde verbreitet, doch ſind zunächſt die Fichten n, Tannen >, Lärchen ? und Eibenbäume , fo wie die Lebensbäume ° und Cypreſſen ° als diejenigen Gattungen zu nen⸗ nen, welche der nördlichen Halbkugel ausſchließlich angehören und ſich in einem breiten Gürtel (50—70 » n. Br.) um die ganze Erde herum— Pinus. 2 Abies. 3 Larix. * Taxus. Thuja. 6 Cupressus. *) Ich erinnere an die herrliche Chauſſée am Rehberger Graben im Harz— gebirge. 1 ; 5.30 a | 2 a N W * 20% ez.v.H.Krämer. Lith. Anst.v.LKraatz in Berlin. GRUPPE VON AUSLANDISCHEN NADELHÖLZERN. 3. Nadelhölzer. 31 ziehen. Je weiter nach Norden, deſto größer iſt ihr Einfluß auf den Charakter der Vegetation, während ſie gegen Süden immer ſeltener werden und den Bewohnern der Tropenländer gänzlich unbekannt ſein würden, wenn ſich die Gebirge dort nicht zu ſo bedeutenden Höhen erhöben. Nächſt den Birken gehen die Nadelhölzer am weiteſten nach Norden hinauf, in Europa bis zu 70°, in Sibirien bis zu 68° n. Br., wenngleich nicht mehr ſo ſchlank emporwachſend als in ſüdlicheren Ge— genden; auch bilden ſie auf allen Gebirgen der nördlichen Halbkugel die obere Baumgrenze. Die Anzahl der Individuen jeder Art iſt ſo bedeutend, daß ſie weite Länderſtrecken erfüllen, und die geringe Anzahl der Arten in Erſtaunen ſetzt. In ſüdlicheren Breiten hingegen erſchei— nen ſie nicht mehr ſo maſſenhaft wie bei uns. Pinus halepensis am Mittelmeer, Pinus chinensis auf der Halbinſel Macao bilden verhält— nißmäßig viel kleinere Waldungen, wie es denn überhaupt in dem Cha— rakter der ſüdlicheren Wälder liegt, daß ſie an Mannigfaltigkeit der Arten zunehmen, je näher man dem Aequator kommt. Die geſammte Anzahl der bekannten Coniferenarten beläuft ſich bis jetzt etwa auf 250, von welchen die nördliche gemäßigte und kalte Zone 180, die tropiſche 20 und die ſüdliche Halbkugel 50 Arten haben. Auf Europa kommen davon 22, auf Aſien 87, auf Afrika 16, auf Ame⸗ rika 85 und auf Auſtralien 46 Arten; doch können dieſe Angaben nur als ungefähre gelten. Als Repräſentanten der Nadelhölzer erſcheinen auf der ſüdlichen Halbkugel die Gattungen: Araucaria, Podocarpus, Cupressus, Casua- rina, Ephedra und Dammara, welche unter einander weit größere Ver— ſchiedenheiten zeigen als die Coniferen der nördlichen Hemiſphäre. Die chileniſche Araucaria n hat einen Stamm, der an feiner Wurzel 8 F. im Umfange mißt und 70—100 F. Höhe erreicht. Er wirft, wie un— ſere Nadelhölzer, die älteren Zweige und Blätter ab, ſo daß ſeine Krone ſich etwa auf den vierten Theil der ganzen Höhe beſchränkt. Die Krone ſelbſt aber hat genau die Geſtalt einer viereckigen Pyramide, indem die Aeſte ſich horizontal nach allen Richtungen ausbreiten und höchſt regelmäßig um den Stamm gruppirt ſind; unten 12 oder 8, weiter hinauf 6 oder 4, die einzelnen Quirle immer 4—6 Fuß von einander entfernt. Von den Hauptzweigen gehen in regelmäßigen Abſtänden wieder Nebenzweige vollkommen rechtwinkelig ab, wodurch die pyrami— denförmige Baumkrone nur um ſo dichter wird. Alle Zweige ſind mit Kraucaria imbricata. 32 | Charakterpflanzen. ſpitz-lanzettförmigen Blättern, die dachziegelartig über einander liegen, dicht bedeckt, und die kugelrunden Früchte von 1 F. Durchmeſſer, die am Ende der Zweige ſitzen, enthalten 2— 300 Samen, die den Bewoh— nern von Chile eine beliebte Nahrung ſind. Nicht ſelten trägt ein Baum 2030 ſolcher Früchte, die gegen Ende des März abfallen und dann ihre Samen ausſtreuen. Die hohe Araucaria wird noch höher und findet ſich auf Van-Diemensland und der Norfolkinſel. — Die Caſuarinen erreichen ihr Maximum in Neuholland. So nahe ſie auch den Nadelhölzern in Betreff des Baues ihrer Früchte ſtehen mögen, ſo iſt doch ihre ganze Erſcheinung eine weſentlich andere. Ihre blattlo— ſen, dünnen, bisweilen fadenförmigen Zweige erſcheinen gegliedert und ſind an den Gelenken mit gezahnten Scheiden verſehen, ſo daß die ganzen Gewächſe wie ſchachtelhalmartige Baumformen erſcheinen. In Hinterindien, auf den nahe gelegenen Inſeln, befonders auf Neu-Gui⸗ en und auf den meiſten Südſeeinſeln kommen fie vor, wo fie beſon— ders die Grabſtätten bezeichnen. In Neuholland wachſen fie mit Arau— carien und Cypreſſen gemiſcht, beſonders mit Cupressus callitris, welche dort ausgedehnte Wälder bildet, während in der alten Welt die eigent— lichen Coniferen von den Caſuarinen ihren Verbreitungsbezirken nach ſtreng geſchieden ſind. 4. Die Heideſträucher. (Ericen, Proteen und Epacriden.) Es ſind hier drei große Familien zu einer Gruppe vereinigt, weil fie, wenngleich in dem natürlichen Syſtem nicht alle nahe beiſammen— ſtehend, doch in ihrer Geſammterſcheinung große Aehnlichkeit mitein— ander haben. Unter den Eriken iſt hier nicht die ganze Familie der Ericaceen gemeint, zu welcher auch die Alpenroſen und viele andere Gattungen? gerechnet werden, ſondern nur die äußerſt reiche Gattung Erica ſelbſt. Sie zeichnet ſich durch ihr kleines, nadelförmiges Laub aus, das ſich ſchuppenartig um die ſchlanken Stiele anſetzt. So ſchließen fie ſich am nächſten den Nadelhölzern an, als deren Repräſentanten auf der ſüdlichen Halbkugel ſie betrachtet werden können; dagegen wird ihr ' Araucarıa excelsa. Rhododendron, Azalea, Befarıa, Escallonia, Clethra eie. 4. Heideſträucher. 33 zierliches Laub durch eine Maſſe niedlicher Blumen höchſt angenehm geſchmückt, die nicht ſelten in den lebhafteſten Farben prangen. Die Proteen haben theils ein ſo feines Laub wie manche Nadel— hölzer, andere Gattungen aber erſcheinen auch mit breiteren Blättern, die dann ſtarr und glänzend ſind wie bei den Bankſien und Dryan— dren. Die Unterfläche der Blätter iſt mit einem weichen, wolligen Ueberzuge bekleidet, und ſo ſind die Proteen unter dem Namen der Silberbäume bekannt geworden, die den Uebergang von der eigent— lichen Erikenform zu den Laubhölzern mit lederartigen und glänzenden Blättern bilden. Die Epacriden hingegen erſcheinen in der Belaubung wieder ganz wie die Eriken und haben nur durch die ährenförmige Gruppirung der weißen und rothen Blumen Aehnlichkeit mit den Proteen. Die Gattungen Epacris, Leucopogon und Lissanthe sapida mit eßbaren Beeren wie unſere Heidelbeeren, gehören hierher. Außer den drei genannten Familien können hier noch einige an— dere Gattungen aufgeführt werden, die, ebenfalls verſchiedenen Fami— lien angehörig, doch alle als heidenartige Sträucher am Vorgebirge der guten Hoffnung vorkommen. Es find die Gattungen: Phylica ', Passerina, Gnidia 2, Diosma und Barosma s. Auf dieſe Weiſe wird die Form der Heideſträucher etwas erweitert. Selbſt die auſtraliſchen Acacien mit bloßen Blattſtielblättern haben mit Nadelhölzern einige Aehnlichkeit und verdienen hier mit aufgezählt zu werden. Alle hier genannten Formen erreichen ihr Maximum in der ſüd— lichen Halbkugel, die letzten gehören ihr ausſchließlich an. Die bis jetzt bekannten 440 Arten der Gattung Erica finden ſich faſt alle am Cap, wo ſie im bunteſten Gemiſch beiſammen ſtehen; nur wenige Arten, wie die Erica arborea, mit weißen Blumen wie Maiblümchen geziert, erreichen Nordafrika und Südeuropa, wo ſie beſonders Italien und das ſüdliche Spanien ſchmücken und in üppigem Wuchſe auf den Abhängen des Pie de Teyde der Inſel Teneriffa vorkommen. Wenige Repräſentanten dringen bis in die nordiſchen Gegenden vor, bis nach Lappland und Kamtſchatka. Auffallend iſt die Erſcheinung, daß nur die öſtliche Halbkugel die Erikenform aufzuweiſen hat; denn die Erica coerulea, die in Grönland und Labrador bis nach Alaſchka hin vor— kommt, iſt keine ächte Erica. — Die Heidekräuter unſerer nordiſchen Rhamneen. ® Daphnoideen. 3 Diosmeen. 34 Charakterpflanzen. Gegenden! ſind gefürchtete Pflanzenformen, die in England, Frank reich und Deutſchland bis zum äußerſten Norwegen hin weite Länder— ſtrecken überziehen. Nur die Bienen beſuchen ſie gern; die Ackerbau treibenden Völker aber kämpfen ſchon Jahrtauſende lang gegen das Heidekraut, jedoch mit geringem Erfolg. Unſer gemeines Heidekraut: findet ſich in großen Zügen bis zum Ural, aber gleich jenſeit deſſel— ben hört es auf, ſo wie die Eichen. Bis zum großen Weltmeer hin iſt es nirgend zu finden, obwohl es in Aſien an dürren, unfruchtba— ren Gegenden nicht fehlt. Die Proteen find ebenfalls Cap-Pflanzen, während die Epaeriden nur Neuholland angehören. Die Verbreitungsbezirke aller dieſer ge— nannten Formen find ſehr genau abgegrenzt, fo daß keine neuhollän— diſche Art am Cap vorkommt oder umgekehrt. 5. Die Mimoſenartigen Gewächſe. Den Heideſträuchern reihen ſich wegen der Zierlichkeit des äußerſt fein zertheilten Laubes die Mimoſenartigen Gewächſe an. Es ſind theils Sträucher, theils Bäume mit ſchirmartig ausgebreiteten Zwei— gen, wie bei den italieniſchen Pinien oder den chileniſchen Araucarien. Ihr gefiedertes Blatt beſteht aus Tauſenden kleiner Blättchen, die mit größter Regelmäßigkeit aneinandergereiht ſind. So macht die ganze Belaubung durch ihr luftiges Anſehen einen überaus maleri— ſchen Effect, beſonders wenn das tiefe Blau des Tropenhimmels durch die zartgefiederten Blätter ſchimmert. Außerdem find die Mimoſen intereſſant durch ihre eigenthümliche Reizbarkeit, eine Eigenſchaft, de— ren ſchon Plinius und Theophraſt bei den afrikaniſchen Sinnpflanzen erwähnen. Nicht nur legen ſich die Blättchen während der Nacht nach unten um, ſondern bei der geringſten Berührung legen ſich die gegenüberſtehenden Blättchen aneinander, nur langſam Mimosa sensi- tiva; höchſt reizbar dagegen ſind Mimosa pudica, Mimosa dormiens, Mimosa somnians und Mimosa somniculosa, die alle in dem nörd— lichen Theile Südamerikas vorkommen. Jede Bodenerſchütterung, ſelbſt der Hufſchlag des durcheilenden Pferdes iſt im Stande, dieſe Pflanzen in Bewegung zu ſetzen. — — ! Erica vulgaris, E. tetralix, E. carnea und E. cinerea. 2 Calluna (Erica) vulgaris. 5. Mimoſenartige Gewächſe. 35 Obſchon die Gattung Mimosa allein gegen 100 Arten zählt, fo ſind doch noch einige andere Gattungen hier zu erwähnen, die in Betreff der Zertheilung des Laubes ihnen ganz ähnlich ſind. In den ſtehenden Gewäſſern Oſtindiens ſchwimmt Desmanthus natans mit zartgefiederten und reizbaren Blättern; in Indien, Arabien und am Senegal wachſen die Tamarinden *; die Gattung Cassia mit mehr als 200 Arten kommt ebendaſelbſt und auch in Nordamerika vor; und die Seifenbäume ?, deren Blätter freilich größer, aber ebenfalls regel— mäßig gefiedert erſcheinen, finden ſich im heißen Indien und in den Niederungen Südamerika's. Die wahren Mimoſen und die ihnen ähnlichen Sophoren kom— men in der alten und neuen Welt vor, wo ſie über die Wendekreiſe nicht hinausgehen; wenigſtens erreichen ſie in der heißen Zone ſo überwiegend ihr Maximum, daß die feuchteren Gegenden daſelbſt oft ausſchließlich mit Mimoſen bedeckt ſind. — Die Acacien ſind vor— zugsweiſe in der ſüdlichen Halbkugel zu Hauſe; ſie tragen in hohem Grade zur Darſtellung des Neuholländiſchen Vegetationscharakters bei, gehen einerſeits bis zur Van-Diemens-Inſel herab, andererſeits über Neu⸗Guinea nach den Südſeeinſeln, und in Chile wächſt Acacia ca- venia zwiſchen 30 und 37° ſ. Br. In Afrika hingegen, deſſen ſüd— licher Theil keine Niederungen enthält, erſcheinen ſie erſt nördlich vom Aequator, und Acacia gummifera dringt bis Mogador (32° n. Br.) vor. In Amerika gehen die Acacien viel weiter nach Norden als in den übrigen Erdtheilen. Die große Gattung Inga zunächſt, ſo wie die Caeſalpinien beſchränken ſich noch auf die heiße Zone, die Acacien und Gleditſchien dagegen gehen weiter nach den Polen hinauf. Die Ufer des Miſſiſippi und Tenneſſee, jo wie die Savannen der Illi— nois find mit Acacien ? geſchmückt, und öſtlich von den Alleghany— Gebirgen finden ſich die Gleditſchien, welche ſich oft zu rieſiger Größe entwickeln. Gleditschia triacanthos geht bis 38%, weſtlich von dem Gebirge bis zum 41° n. Br., während Gleditschia monosperma 2 Grad ſüdlicher bleibt. Noch weiter nach Norden gehen die Robi— nien; Robinia Pseudacacia, Robinia viscosa und Robinia hispida bis zu 58° n. Br. — Auch in Alien find die Gattungen Inga und Cae- salpinia in der heißen Zone durch Repräſentanten vertreten; Acacia Stephaniana, ein niedriger Strauch, bedeckt geſellig wachſend die ! Tamarindus indica. ° Sapindus saponaria, Sapindus laurifolius ete. Acacia glandulosa und Acacia brachyloba. 3 * 36 Charakterpflanzen. dürren Flächen der Provinz Schirvan am Kur bis zu 42° n. Br. und die Robinien! des mittleren Aſiens dringen noch weit in Si— birien vor. Die Form der Mimoſen läßt ſich noch erweitern, wenn man die große Familie der Schmetterlingsblüthler ? mit hinzuzieht. Viele Gattungen derſelben haben freilich ſtatt der gefiederten nur dreizählige Blätter; aber die ganze Erſcheinung ſo vieler prachtvoll blühender Sträucher und Kräuter iſt bedeutſam genug, und wo ſie geſellig auf— treten, geben ſie den Mimoſen wenig nach, wenn der Geſammtein— druck auch ein weſentlich anderer iſt. Dieſe große Familie erſtreckt ſich über die ganze Erde, und ſelbſt unſere nordiſchen Wieſen, reich an Klee-, Medicago- und Melilotus- Arten, wetteifern, wenn die— ſelben ihren Blüthenſchmuck entwickelt haben, mit den Minsferwkale ae der tropischen Gegenden. 6. Die Farrnkräuter. In Rückſicht auf die feine Zertheilung des Laubes reihen ſich den Mimoſen am nächſten die Farrnkräuter an, beſonders die baumarti— gen mit hohen ſchlanken Stämmen, wie bei den Nadelhölzern oder den Palmen. Den letzteren ähneln ſie am meiſten, indem der Gipfel der Stämme mit leicht emporſtrebenden Kronen aus fein zertheilten Blattwedeln geziert iſt, ſo daß man ſelbſt die Abdrücke von Farrn— kräutern, welche in den Schiefermaſſen nordiſcher Gebirge ſich finden, lange Zeit für verſteinerte Palmen gehalten hat. So außerordentlich verſchieden die Farrnkräuter auch ſein mögen, ſo können wir für den vorliegenden Zweck uns doch mit einer Ein— theilung in drei Gruppen, baumartige, ſtrauch- und krautartige be— gnügen, inſofern die Verſchiedenheit des Einfluſſes, welchen ſie im Großen und Ganzen auf die Phyſiognomie der Vegetation ausüben, weſentlich nur durch ihre Größe bedingt iſt. Dieſer Einfluß iſt aller dings ein ſo bedeutender, daß ſich ſchwerlich etwas Aehnliches in der ganzen Pflanzenwelt auffinden läßt. Die Baumfarrn erheben ſich mit ihren ſchlaunken Stämmen, die oft nicht mehr als drei Zoll Dicke haben, gewöhnlich zu einer Höhe ' Robmia caragana, Robinia frutescens, * Papilionaceen oder Legumi- NOSen, Jer Kramer Fe 2 gi 75 ups, — N 7 7 ie; 7 urn 40 62 BRENNEN . e — * GRUPPE VON BAUMFARRN. % en * PEN 6. Farrnkräuter. 37 von 20 — 30 Fuß, oft ſogar bis zu 40 Fuß, fo daß fie unſere Linden und Erlen noch überragen. Häufig erſcheinen die Stämme ganz glatt, mit niedlicher Zeichnung, die von den Narben der periodiſch abfallenden Blätter herrührt; oft aber auch ſind ſie rauh und ſchup— pig und dann gewöhnlich dicker, bis zu einem Durchmeſſer von 8 Zoll. In dieſem Falle iſt der Stamm ringsherum mit einer dichten Schicht von Luftwurzeln umgeben, die theils in die feuchte Oberfläche hinein— dringen, theils den modernden Boden zu erreichen ſuchen. Auf dem Gipfel dieſer Stämme erheben ſich große, oft 8 — 9 Fuß lange We— del, bei ihrer Entſtehung ſpiralförmig aufgerollt, bald aber mit zar— tem, locker gewebtem Laube bekleidet, deſſen Unterfläche ſpäter mit höchſt verſchiedenartig geſtalteten Fruchthäufchen auf das zierlichſte beſäet iſt. Faſt immer dreifach gefiedert, mit höchſt ſauber ausgezackten Rändern, werden dieſe Laubwedel durch die leiſeſte Luftbewegung in beſtändiges Erzittern geſetzt und machen bei der Durchſichtigkeit ihres überall fein zertheilten Laubes einen eben ſo maleriſchen Eindruck wie die Mimoſen, während der ganze Wuchs der einzelnen Gewächſe leb— haft an die Palmen erinnert. Die eigentlichen Baumfarrn kommen faſt ausſchließlich in der heißen Zone vor, jedoch nur da, wo der Boden und die Atmoſphäre reich an Waſſer ſind. Am beſten gedei— hen fie in Geſellſchaft der Piſanggebüſchen! und Blumenrohre ?, mit deren großen, einfach und edel geformten Blättern ſie den auffallend— ſten und zugleich anmuthigſten Contraſt bilden. Die eigentlich heißen Gegenden lieben ſie weniger als das mildere Tropenklima; man fin— det ſie daher am häufigſten auf den Abhängen der Gebirge, die den Bedingungen milder Wärme und einer mit Waſſerdampf gleichmäßig erfüllten Atmoſphäre am meiſten entſprechen. Hier ſteigen ſie von den Ebenen bis zu 2— 3000 Fuß Höhe empor. Denſelben Bedingungen entſpricht auch die waſſerreiche ſüdliche Halbkugel in weit höherem Grade als die nördliche. Während daher auf dieſer die baumartigen Farrn nicht über den Wendekreis des Krebſes hinausgehen, erſtrecken ſie ſich ſüdlich vom Aequator bis zu 46° — 53° Br. und find in teufeeland und Van-Diemensland, ja ſelbſt noch an der Magellan— ſtraße zu finden. Die ſtrauchartigen Farrn ſind eigentlich nur kleinere Farrnbäume, deren Wedel zu Büſcheln vereinigt aus dem Gipfel eines niederen Stammes hervortreten, ſo daß ſie den ſtammloſen Palmen ent— ! Musaceen. 2 Scitamineen. 38 Charakterpflanzen. ſprechen. Am häuſigſten trifft man ſie auf den Südſeeinſeln, doch mehr in der Nähe der Wendekreiſe als in den Aequatorialgegenden, und auf dem Feſtlande mehr in einer Höhe von 3 — 4000 Fuß als in den Ebenen. 7 Bei den krautartigen Farrn jtehen die Wedel faft immer einzeln, wie bei dem Adlerfarrn “, der in unſeren Laub- und Nadelholzwal— dungen oft große Flächen bedeckt und dem Boden ein faſt fremdarti— ges Anſehen giebt. Aber nicht nur die gemäßigten und kalten Ge— genden ſind reich an krautartigen Farrn, ſondern auch in den heißen Gegenden kommen ſie nicht ſelten in üppiger Fülle vor. Doch üben ſie hier in ganz anderer Weiſe ihren Einfluß auf den Charakter der Vegetation. Sie erſcheinen nämlich als Schmarotzergewächſe auf den Stämmen und Aeſten der Bäume, wo die Art und Weiſe, wie ſie daſelbſt befeſtigt ſind, höchſt ſeltſam überraſcht, und ihr fein zertheiltes Blatt mit der übrigen Belaubung der Bäume den auffallendſten Con- traſt bildet, der oft durch die Verſchiedenheit der Färbung noch be— deutend erhöht wird. 7. Die Palmen. Die edelſte aller Pflanzenformen, die Palmen, die ſchon von Al— ters her als die Königinnen der Wälder betrachtet worden ſind, nicht nur der Schönheit ihrer Geſtalt, ſondern auch des außerordentlichen Nutzens wegen, welchen ſie dem Menſchen gewähren, bilden eine der ausgezeichnetſten Gruppen unter denjenigen Gewächſen, welche auf den Vegetationscharakter der vielgeprieſenen Tropenländer Einfluß haben. Bis zu Linné's Tode *) waren nur 15 Arten von Palmen bekannt, und jetzt find ſchon an 450 Arten genau beſchrieben und in coloſſalen Prachtwerken abgebildet. Der Hauptcharakter der Palmen beſteht zunächſt in einem hohen, ſchlanken, durch die zurückgebliebenen Blattnarben geringelten Stamm, der unzertheilt und nur bisweilen mit Stacheln bekleidet, bis zur Krone emporſtrebt. Nur die herrliche Doompalme? in der Umge— gend von Theben und Denderah macht eine Ausnahme, indem ſie ſich bald über der Erde in Aeſte zertheilt. Die Normalform jedoch Pteris aquilina. 2 Cuciſera thebaica. 10. Jan. 1778. 7. Palmen. 5 39 iſt die unveräſtelte, und Stämme von 70 — 80 ja 100 Fuß Höhe gehören nicht zu den Seltenheiten. Die Rieſen unter den Palmen aber find die Kohlpalme !, die eine Höhe von 150 — 160 Fuß er⸗ reicht und die Wachspalme 2 auf der Cordillere von Quindiu. Stämme der letzteren, von A. v. Humboldt ſorgfältig gemeſſen, zeig— ten eine Höhe von 160 — 180 Fuß. Auf dem Gipfel des Stammes erhebt ſich ein mächtiger Büſchel von rieſigen Blättern, die theils durch Geſtalt und Farbe, theils durch die Richtung gegen den Stamm für die verſchiedenen Palmenarten charakteriſtiſch ſind. Bald ſind die Blätter lang und einfach, bald gefiedert mit kammartig aneinandergereihten Blättchen, die in einer Fläche dicht beiſammenſtehen. Die ſteife Blattmaſſe iſt dunkelgrün, oder mit ſilberweißem Anfluge verſehen, daher der herrliche Abglanz des auf die obere Blattfläche einfallenden Sonnenlichts, wodurch die Cocospalmen in friſchem Grün ſtrahlen, die Dattelpalmen dagegen matt und aſchfarbig erſcheinen. Bei anderen Palmen; erſcheinen die Blätter ſchilfartig, von zarterem Gewebe und nach der Spitze hin oft grasartig gekräuſelt, oder ſelbſt mit herabhangenden Wedeln von blei— chem Anſehen, wie bei der chileniſchen Cocospalme *. Die üppigite und prachtvollſte Blattentwickelung aber findet ſich bei den Fächer— und Schirmpalmen, deren breit ausgedehnte Wedel, in faſt wagerech— ter Richtung vom Stamme ſich ausbreitend, die ganze Umgegend be— ſchatten. Bisweilen iſt ſogar die Mitte des gefächerten Blattes mit concentriſchen, gelben und bläulichen Streifen geſchmückt, ſo daß die einzelnen Wedel wie ein Pfauenſchweif prangen, wie bei der von Bonpland am Ufer des Rio Atabapo entdeckten ſtacheligen Mauri— tiuspalme. So erheben ſich die Palmen majeſtätiſch und ragen hoch über die Gipfel der höchſten tropiſchen Wälder hinaus; wie pracht— volle Säulengänge ziehen die ſchlanken Stämme über das Dickicht des Laubwaldes dahin, und die himmelanſtrebenden Blätter bilden die Kapitäler der herrlichen Säulen ). — Weniger ausgezeichnet find die Palmen durch ihre Blüthen; die meiſten blühen jährlich nur einmal, die der Aequatorialgegenden im Januar und Februar, und Areca oleracea. ? Ceroxylon andicola. Jagua, Cocos buty- racea, etc. * Molinaea micrococos. *) Ja man nimmt fogar an, daß die Werke mittelalterlicher Baukunſt ihre Spitzbögen, die von arabiſcher Herkunft ſein ſollen, zwei Palmenſtämmen entlehnt haben, die ſich mit ihren gefiederten Blättern berühren. 40 Charakterpflanzen. bei vielen beſchränkt ſich die Blüthendauer auf wenige Tage. Ihr Hauptcharakter iſt alſo in den Stämmen und in der Belaubung ausgeprägt. 5 Obgleich die hochſtämmigen Palmen ihren Hauptreiz am ſchön⸗ ſten entfalten, wenn ſie mehr iſolirt und im Contraſte mit den Laub— hölzern auftreten, ſo bilden ſie doch zugleich ausgedehnte Wälder, de— ren Schönheit ſchon im Alterthum von den Dichtern geprieſen wurde. Auf Strecken von 2000 Quadratmeilen finden ſich oft nur 3 — 4 Pal— menarten. Zu den geſellig wachſenden Palmen gehören beſonders die Cocospalme an den Küſten Oſtindiens und an dem Ufer der Südſeein— ſeln, die Dattelpalme im nördlichen Afrika und die Fächerpalme ! am Ausfluſſe des Orinoco. So ſehr indeß die Palmenhaine mit ihren ſtolzen, himmelanſtrebenden Stämmen auch imponiren mögen, ſo iſt doch der ganze Eindruck mehr ein majeſtätiſcher und Bewunderung erregender als ein lieblicher und freundlicher, und keinesweges mit der lachenden Schönheit unſerer hellbelaubten Buchenhaine zu vergleichen. Die maleriſch-anmuthigen Lichteffecte, den kühlen Schatten unſerer herrlichen Laubwälder vermißt man dort eben ſo ſehr wie den fröh— lichen Chor der munteren Singvögel. Weit häufiger als die hochſtämmigen Palmen wachſen die zwergartigen in großen Maſſen bei einander, beſonders an ſolchen Orten, wo eine größere Gleichmäßigkeit des Bodens dieſe Erſcheinung begünſtigt. Der Eindruck, welchen große, auf dieſe Weiſe mit ſtamm⸗ loſen Palmen bedeckte Landſtrecken machen, iſt von dem vorher auf— geſtellten Bilde weſentlich verſchieden, und ſelbſt die einzelnen Ge— wächſe erregen die Aufmerkſamkeit weniger durch ihre Schönheit als durch ihre auffallende Form. Hierher gehören die Zwergpalme und die Nipapalme. Die europäiſche Zwergpalme ?, die in der Berberey als dichtes Geſträuch erſcheint, und deren gefächerte Blätter noch ziem— lich bedeutend in die Höhe ſtreben, findet ſich am ganzen Mittelmeer und geht in Spanien und Italien bis zu 44° n. Br.; während die amerifanifche 3 am Strande von Florida und bei New-Orleans, ob— gleich noch mehr baumartig als die vorige (denn ſie erreicht bisweilen eine Höhe von 40 Fuß) nur bis zu 34° n. Br. hinaufgeht. Die tipapalme * mit kurzem, knorrigem Stamm und gefiederten, ſtechend gezähnten Blättern erreicht nur ſelten 5 — 6 Fuß Höhe. Sie bedeckt ! Mauritia flexuosa. * Ghamaerops humilis. Ch. palmetto. 3 Nipa frutescens. U 5.40 ac — Lith Anst vLKraatz in Berlin z.vH.Krämer. GRUPPE VON PALMEN. 7. Palmen. 41 die Strandgegenden Oſtindiens und der Philippinen, wo ihre Früchte oft im Meere umhertreiben und, an den moraſtigen Strand gewor— fen, keimen. Eine dritte Gruppe bilden die ſogenannten Rohrpalmen, ein Mittelding von Palmen und Binſen, zu denen die Gattung Calamus gehört. Ihr dünner, gewundener, mit Stacheln dicht beſetzter Stamm erreicht eine Länge von 400 — 500, ja oft bis 600 Fuß. Drei bis vier ſolcher Seile entſpringen aus der Mitte des dornigen Strauches und find an jedem Gelenk, in Abſtänden von 1 — 2 Fuß, mit einem 812 Fuß langen, ſchön gefiederten Blatte beſetzt. So klettern dieſe Stengel auf die Gipfel der höchſten Stämme, ziehen ſich von Baum zu Baum, hangen oft zwiſchen denſelben in großen Bogen herab, ver— flechten Sträucher und nahe ſtehende Bäume ſo dicht mit einander, daß es oft unmöglich iſt, durch dieſe Pflanzenmaſſen hindurchzukom— men. In den heißeſten Gegenden Oſtindiens und auf den nahe ge— legenen Inſeln finden ſie ſich in ungeheuren Maſſen; und während die Zwergpalmen der Landſchaft meiſt etwas Eintöniges geben, tragen die Rohrpalmen gerade zur Verzierung der oſtindiſchen Wälder bei und geben ihnen das Gepräge der kräftigſten Ueppigkeit. Wie aus der bisherigen Darſtellung ſchon erhellt, fo find es ge— rade die heißeren Gegenden der Erde, in denen die Palmen ihre Hei— math haben. Je weiter nach dem Aequator, deſto mehr nehmen ſie an Pracht und Größe zu, während in den gemäßigten Zonen nur noch die Zwergpalmen auftreten. Indeſſen fehlt es nicht an Ausnahmen von dieſer allgemeinen Regel. Die Cocospalme geht ſehr weit nach Süden hinab, und die chileniſche Cocospalme dringt auf der Weſtküſte Südamerika's bis über den 36° f. Br. vor. Südlich von Peru findet man außer ihr keine einzige Palmenart, während die Oſtküſte von Südamerika ungemein reich daran iſt. — Beſondere Terrainverhält— niſſe geſtatten bisweilen auch ein weiteres Vordringen nach Norden, ſo wie beſondere klimatiſche Verhältniſſe ein Erſcheinen der Palmen auf beträchtlichen Höhen. So findet ſich auf den Vorbergen des Hi— malaya unter 28° n. Br. eine Zwergpalme 2 in einer Höhe von 4700 Fuß, und die Wachspalme ? der Cordillere nebſt einigen an— deren Arten noch zwiſchen 6000 und 9000 Fuß Höhe bei einer mitt— leren Temperatur von 11° OR., wo das Thermometer in der Nacht oft bis auf 5° herabſinkt. Solche Erſcheinungen find um ſo auffallender, 1 .n„ * „ Cocos nucilera. a Chamaerops Martiana. 3 Ceroxylon andıcola. 42 Charakterpflanzen. wenn man bedenkt, daß die in der Ebene wachſenden Palmenarten eine mittlere Temperatur von 22 — 24“ verlangen; dieſe gehen dann aber auch nicht über 1800 Fuß Höhe hinaus. Die äußerſten geogra— phiſchen Grenzen der Palmen für die nördliche Halbkugel ſind oben ſchon angegeben. Für die ſüdliche Hemiſphäre bemerken wir noch, daß in Afrika, welches verhältnißmäßig arm an Palmen iſt, die Süd— grenze derſelben! bei Port Natal unter 30° ſ. Br. ſich findet; in Neuholland, das nur 6 oder 7 Palmenarten zählt, reichen dieſelben bis 34%, in Neuſeeland dagegen bis 38 Br. ? und im ſüdlichen Amerika, in den Pampas von Buenos Ayres, gehen fie bis zu 35° Br. hinab. Schließlich reiht ſich den Palmen noch eine merkwürdige Neben— form an, die Cycadeen, welche ihrem Baue nach als ein Gemiſch von Farrnkräutern, Palmen und Coniferen erſcheinen. Die unförmlich dicken Stämme, die ſich nur wenig erheben und oben mit weit aus— einander ſtehenden, ſtarren gefiederten Blattwedeln beſetzt ſind, ähneln am meiſten den Zwergpalmen, während die eingerollten Spitzen der jungen Blätter an die Farrnkräuter erinnern; die zapfenartigen Früchte dagegen zeigen eine auffallende Aehnlichkeit mit denen der Nadelhöl— zer. Die Gattungen Cycas und Zamia gehören hierher, von denen die erſte noch die meiſte Aehnlichkeit mit den Palmen hat. Die ein- zelnen Arten? derſelben bilden in Japan, China, Oſtindien und auf den Molucken in ſumpfigem Boden undurchdringliche Dickichte. Die Zamien * Dagegen, die viel ungeſchickter erſcheinen, finden ſich ſämmt— lich am Cap und tragen mit zur Einförmigkeit der ſüdafrikaniſchen Landſchaften bei; einige Arten ſollen auch in Neuholland vorkommen. 8. Die Agavenförmigen Gewächſe. Dieſe großen Gewächſe, welche man ſehr treffend mit dem Na— men: baumartige Lilien bezeichnet hat, ſind unter den monocotyledo— niſchen Pflanzen nächſt den Palmen die ſchönſten Formen. Einige von ihnen erſcheinen ſtammlos, viele aber mit mehr oder weniger hohen Stämmen verſehen, einzelne ſogar von rieſiger Größe. Nur bei wenigen veräſtelt ſich der Stamm, und dieſe bilden dann den Hyphaene coriacea. 2 Areca sapida. 3 Cycas circinalis, Cycas revoluta. * Zamia cycadiſolia, Z. horrida etc. 8. Agavenförmige Gewächſe. 43 Uebergang zu der Pandanenform. Die Belaubung dieſer Pflanzen beſteht in mächtigen Büſcheln von Blättern, die theils feſt und ſtarr, theils dick und fleiſchig erſcheinen. Größtentheils von linienlanzett— förmiger Geſtalt, find fie dicht über einander geſtellt und breiten ſich ringsumher nach allen Richtungen aus, ſo daß die Blätterkrone oft über 12 Fuß im Durchmeſſer erreicht. Die bekannteſte Pflanze dieſer Gruppe iſt die in unſeren Treibhäuſern gezogene Agave“, gewöhnlich hundertjährige Aloe genannt; am ſchönſten aber zeigt ſich dieſe Form bei den weniger gekannten Gattungen Yucca, Foureroya, Vellozia u. Barbacinia, wo die mächtigen Blattbüſchel von ſchlanken Stämmen getragen werden. Aus der Mitte der großen Blätterkrone entwickelt ſich oft erſt nach hundertjähriger Lebensdauer eine mächtige Blumenrispe, die in unglaublich kurzer Zeit zu einer Höhe von 20 — 30 Fuß emporſchießt und mit vielen Tauſend Blüthen geſchmückt iſt. Wenn dieſe Blu— menrispe bei vielen Arten auch nur durch ihre ungeheure Maſſe im— ponirt und auf dieſe Weiſe zur Belebung der öden Gegenden beiträgt, in denen die Agaven meiſtens wachſen; ſo giebt es doch auch manche Gattungen, die durch Schönheit der Blüthen überraſchen, wie die Vucca mit tulpenartigen Blumen, die ſchneeweiß ?, oder weiß mit ro— then Spitzen 3 erſcheinen und überdies durch ihren angenehmen Ge— ruch erfreuen. Wie ſchon bemerkt, iſt ein hohes Lebensalter erforder— lich, ehe dieſe mächtigen Gewächſe ihre Blüthenpracht entwickeln; da— mit aber erreichen ſie auch zugleich das Ende ihrer Lebensdauer, denn die ganze Kraft der Pflanze verzehrt ſich in dieſem Prozeß, ſo daß ſie bald nach dem Blühen abſterben. Die rieſenhafteſte unter dieſen Pflanzen iſt die Fourcroya longaeva in den Gebirgen des ſüdlichen Mexico, auf denen ſie bis zu 10,000 Fuß Höhe emporſteigt. Auf einem palmenähnlichen Stamme von 40 — 50 Fuß Höhe ruht die aus 6 Fuß langen Blättern beſtehende Krone und entwickelt aus ihrer Mitte eine 30 — 40 Fuß emporſtrebende Rispe mit unzähligen weißen Blumen, fo daß die Geſammthöhe des Gewächſes 80 — 90 Fuß be— trägt, während die Lebensdauer deſſelben ſich auf etwa 3 — 400 Jahre abſchätzen läßt. Die Heimath dieſer merkwürdigen Gewächſe ſind die heißen Ge— genden Amerika's. Auf den über 7000 Fuß hoch gelegenen Ebenen von Mexico und in den nördlichſten Gebirgen Südamerika's wachſen Agave americana. 2 Yucca gloriosa. 3? Yucca draconis. 44 Charakterpflanzen. ſie in den ödeſten Gegenden, wo der Boden faſt waſſerlos iſt und häufig aus Felſenmaſſen beſteht, die nur hin und wieder dürftig mit Erde bedeckt ſind. Einige Arten jedoch dringen auf der nördlichen Halbkugel bis in die gemäßigte Zone vor, Yucca aloifolia bis Florida und Süd-Carolina, und Yucca angustifolia ſelbſt bis zu den Ufern des Miſſouri unter 40° n. Br. In der alten Welt dagegen ſind als Repräſentanten dieſer Form die Aloé⸗Gewächſe zu betrachten. Sehr viele derſelben erſcheinen mit einem faſt ungetheilten, eng geringelten Stamme, welcher gewöhnlich ſchlangenartig gewunden und auf ſeinem Gipfel mit fleiſchigen, ſaft— reichen Blättern beſetzt iſt, die meiſt lang zugeſpitzt und ſtrahlenförmig um das Centrum gruppirt ſind. So ſtehen ſie meiſt einzeln in dür— ren Ebenen, und das bläuliche Colorit ihrer Blätter, getragen von dem bleichen Stamme, giebt der Landſchaft einen eigenthümlichen, me— lancholiſchen Charakter, wie er in Afrika ſo häufig vorkommt. — Ob: gleich die Aloöb-Gewächſe im Durchſchnitt viel kleiner find als die Agaven, ſo erreichen doch einige unter ihnen eine bedeutende Größe, die ſelbſt in unſeren Treibhäuſern bisweilen Aufſehen erregt. Die rieſigſte unter ihnen aber iſt der berühmte Kokerboom! der Kaffern und Hottentotten, deſſen 4 Fuß dicker Stamm eine Höhe von 20 Fuß erreicht, und deſſen Krone 100 — 150 Fuß im Durchmeſſer hat, alſo einen Umfang von etwa 400 Fuß bekommt. Faſt ſämmtliche Aloé-Gewächſe ſind Cap-Pflanzen, die nicht weit über den ſüdlichen Wendekreis hinausgehen; nur eine geringe Anzahl kommt in Abeſſinien und Arabien vor. In Amerika fehlen ſie ganz; nur einige Arten ſind eingeführt und werden dort gezogen, ſo wie umgekehrt die Agaven ſeit der Mitte des 16ten Jahrhunderts nach dem ſüdlichen Europa gekommen find und dort, fo wie auf St. Helena und an anderen Orten Afrika's vielfach zu Einzäunungen benutzt werden. r 9, Die Ananas-Gewächſe. Den Aloé-Arten reihen ſich die Ananas-Gewächſe an, indem die baumartigen Formen der letzteren viel Aehnlichkeit mit ihnen haben. Es ſind lilienartige Pflanzen, die größtentheils ſtengellos, alſo ſtrauch— artig erſcheinen; nur wenige haben einen Stamm, wie die eigentliche ' Alo& dichotoma. 9. Ananas Gewächfe. 45 Ananas , die in der heißen Zone A—5 Fuß hoch wird, und die Kork⸗Ananas ? in Chile, deren Stamm eine Höhe von 10 — 12 Fuß erreicht und mit 4 Fuß langen Blättern beſetzt iſt. Die einfachen ſtarken Blätter mit ſcharfen und gezähnten Nän- dern ſind ſchuppenartig um den Stengel geſtellt, mit einem graublauen Grün gefärbt und bilden in ihrer Mitte häufig kleine Behälter, in denen Thau und Regenwaſſer ſich lange Zeit friſch erhalten, ſelbſt dann noch, wenn bei dem Eintritt der trockenen Jahreszeit Alles ringsumher dürr und öde erſcheint. Nicht ſelten werden dieſe Waſſer— behälter von Laubfröſchen und mancherlei Inſecten bewohnt, und den— noch iſt der Reiſende oft froh, ſich einen Labetrunk aus denſelben ſchöpfen zu können. Einzelne Arten imponiren durch rieſige Maſſen und Schönheit der Form zugleich. Die ſchöne Bromelie 3 in Weſt— indien breitet ihre ſteifen, der Länge nach geftreiften Blätter, die oben grün und unten weißlich beſtäubt ſind, zu einem mächtigen Büſchel aus, der oft 12 Fuß im Durchmeſſer hat; und aus der Mitte deſſel— ben, wo die Blätter ſchön roth gefärbt erſcheinen, ragt eine pracht— volle pyramidenförmige Traube mit roſenrothen Blüthen empor. Und dieſe großartige Schmarotzerpflanze iſt nicht ſelten ſelbſt wieder mit Mooſen und anderen kleinen Gewächſen bedeckt. Ueberhaupt übertreffen die Ananasgewächſe an Pracht der Blü— then faſt alle übrigen Tropenpflanzen. Aus dem Mittelpunkte des Blätterbüſchels entwickeln ſich große Trauben oder Rispen, deren ein- zelne Blumen in den mannigfaltigſten Farben prangen. Grüne Kelche mit rothen Rändern, aus denen lange, gelblichweiße Blumenblätter hervorragen «, röthliche, violette 5, oder bläuliche s Blumen tragen nicht wenig zur Erhöhung des Schmuckes dieſer Pflanzen bei. Später bildet ſich die Blüthentraube zu einer großen, zuſammengeſetzten Beere aus, die aus fleiſchiger Maſſe beſteht, an ihrer Oberfläche warzig er— ſcheint und eine kugelige oder ovale Geſtalt hat. Die prächtige gold— gelbe Färbung der Frucht bildet dann mit der graublauen Belauhung einen angenehmen Contraſt. Beſonders tragen die Ananasgewächſe zu der gewaltigen Ueppig— keit der Tropenvegetation in hohem Grade bei. Außer den herrlichen Bromelien, deren wir oben ſchon gedacht haben, den Pictairnien und ! Bromelia Ananas. * Puya chilensis. 3 Bromelia Pin- guin. 1 Tillandsıa utriculata. ° Bromelia ananas. 6 Bromelia sagenarla. 46 Charakterpflanzen. Guzmannien find es beſonders die Haar-Ananas , welche die Rinde und die Aeſte der Bäume bedecken. Mit ihren fadenförmigen, ellen— langen, unter einander verſchlungenen Stengeln und Blättern hangen ſie wie Flechten von den Bäumen herab, und ihre röthlichen Blüthen, deren mehrere aus einer Scheide hervorragen, erhöhen dieſe anmuthige Verzierung der Tropenbäume. Muntere Vögel fliegen ab und zu und benutzen den ſeltenen Schmuck, um ihre hängenden Neſter daraus zu bereiten. — Andere Arten wachſen dagegen geſellig und bedecken den Boden. Eine geſchäckte Bromelie? bedeckt meilenweit die brafiliani- ſchen Wüſten, und nicht ſelten werden dieſe ſogenannten Caroafelder von übermüthigen Menſchen in Brand geſteckt. Mehrere Tillandſien dagegen ſteigen auf die höchſten Gipfel der tropiſchen Cordillere, wo ſie ſelbſt in der Nähe des ewigen Schnees ausgebreitete Raſenſtrecken bilden und mit ihrem bleigrauen Laube zur Einförmigkeit des Cha— rakters jener Gegenden beitragen. Die ſchönen und großen Formen hingegen lieben die Ufer der Flüſſe und die feuchteren Gegenden. Ueberall in dem tropiſchen Amerika haben die Ananasgewächſe ihre Heimath; am häufigſten in Surinam, Braſilien und Peru, ja bis nach Chile hinab. Jetzt ſind ſie auch nach Indien verpflanzt und werden dort beſonders zur Einfaſſung von Feldern benutzt, da ihre ſtacheligen Blätter, wenn ſie zu dichten Hecken mit einander verwachſen ſind, einen vortrefflichen Schutz gegen andringende Thiere bilden. 10. Die Pandanenartigen Gewächſe. Den Ananasgewächſen ſehr ähnlich, und von noch größerem Ein— fluß auf den Charakter der tropiſchen Vegetation ſind die Pandanen. Anfangs erſcheinen ſie alle ſtrauchartig, ſpäter aber bildet ſich ein mehr oder weniger hoher Stamm, der entweder gerade in die Höhe ſteigt und auf ſeinem Gipfel mit einer Blätterkrone von kugeliger Form geziert iſt, oder er windet ſich und theilt ſich mit fortſchreiten— dem Alter in Aeſte. Der Stamm der wohlriechenden Pandane? er— reicht eine Höhe von 10 Fuß. Andere Arten mit ſchlankeren Stäm— men, die nach mannigfachen Richtungen ſich krümmen, wachſen ge— ſellig bei einander, und die blattloſen Stämme ſind nur auf ihrem Tillandsia usneoides. 2 Bromelia variegata. 3 Pandanus odora- tissimus. 10. Pandanenartige Gewächſe. 47 Gipfel mit Blätterbüſcheln beſetzt. Den merkwürdigſten Eindruck machen die ächt tropiſchen Gattungen der Pandanen, deren Stämme häufig Luftwurzeln zur Erde ſenden, die wie dicke, ſtraff gezogene Taue aus einer Höhe von 12— 15 Fuß nach allen Seiten abwärts ſteigen und zur größeren Befeſtigung des ſchlanken Stammes dienen. Oft mehrere Fuß von dem Stamme entfernt, kann man um denſelben wie hinter einem Gitter herumgehen, wenn nicht an einzelnen Stellen die Anzahl der Luftwurzeln zu groß wird. — Eben ſo merkwürdig iſt die Bildung der dicht belaubten Krone. In ganz regelmäßigen Spiral- linien winden ſich die geraden, linienlanzett- oder ſchwertförmigen Blätter empor, und ragen 3 — 5 Fuß , bei einigen Arten ſogar 10 bis 15 Fuß 2 nach allen Seiten in die Höhe. Ihr glänzendes Grün macht einen prachtvollen Effect, und die ſcharfen, feingedornten Rän⸗ der verurſachen oſt ein großes Geräuſch, wenn der Wind die dichten Blättermaſſen erfaßt. Aus der Mitte der Blätterkrone hangen die großen, blättrigen Blüthentrauben herab. Reich mit Staubgefä— ßen beſetzt, ſind die ſchneeweißen Blüthenkolben zugleich von dem angenehmſten Wohlgeruch. Sie werden deshalb nicht nur allgemein in den Wohnungen aufgehängt, die ſie wochenlang mit ihrem Dufte erfüllen, ſondern die Indianerinnen der Südſeeinſeln beſtreuen ſich auch ihr Haar mit dem Blüthenſtaube. Die Frucht, die aus vielen Steinfrüchten zuſammengeſetzt iſt, wird ſo groß wie ein Kinderkopf und hat an Geſtalt und Farbe mit denen der Ananas ſehr große Aehnlichkeit. ö Die Pandanen wachſen vorzüglich an den Küſten in ſumpfigen Gegenden, wo ſie oft große Strecken erfüllen, in deren Nähe man des Nachts Feuer unterhalten muß, um die großen Schlangen abzuhalten. Die wohlriechende Pandane! findet ſich in Oſtindien, in China, auf den Inſeln des ſtillen Meeres und in Arabien, Pandanus utilis auf Madagaskar, und beſonders ſind die Philippinen, die Sundainſeln und die benachbarten Halbinſeln Oſtindiens reich an dieſen Gewächſen, wo dieſelben von der Meeresküſte bis in die Region der baumartigen Farrn die vorherrſchende Pflanzenform bilden. Wie die Pandanen— form in der alten Welt durch die zahlreichen Gattungen Pandanus und Freycinetia repräſentirt wird, fo in der neuen Welt durch die Gattung Phytelephas, die in Peru und Neu-Granada in Wäldern vorkommt, und ſich von den Pandanen der öſtlichen Hemiſphäre durch 1 * „ * Pandanus odoratissimus. 2 Pandanus caricosus. 48 Charakterpflanzen. ihre ſehr langen, gefiederten Blätter, ſo wie durch die Früchte unter— ſcheidet, in denen viele Steinfrüchte zu einem großen ſtacheligen Kopfe vereinigt ſind. Stengellos wie die eben genannte Gattung iſt auch der neuſeeländiſche Hanf, der der Pandanenform fo nahe ſteht und wie dieſe gern auf feuchtem Boden wächſt. Endlich ſind noch die Drachenbäume hierher zu rechnen, die aber ſchon den Uebergang zu der folgenden Form, den Scitamineen bilden, beſonders im erſten Lebensalter, wo ſie den Bananen nicht unähnlich ſind. Dracaena terminalis, ein Baum, der bald mit grünem, bald mit roth gefärbtem Laube erſcheint, hat ſchmale, lanzettförmige Blät— ter, die wie bei allen Pandanen in Spirallinien dichtgedrängt bei— ſammenſtehen; er kommt in Indien und China, fo wie auf den Süd— ſeeinſeln vor. Der ächte Drachenbaum? dagegen, der in einem Alter von 25 Jahren ſchon 50 — 60 Fuß hoch wird und dann ſich all— mälig veräſtelt, wobei nur die Gipfel der Aeſte (ganz wie bei den Pandanen) beblättert find, findet ſich in Oſtindien und auf den ca— nariſchen Inſeln. 11. Die Bananen und Blumenrohre. Die Familie der Seitamineen läßt ſich für den vorliegenden Zweck in zwei Unterabtheilungen bringen, die mehr baumartigen, die Bananen? und die ſtrauchartigen, die eigentlichen Blumenrohre *. Die Bananen, zu welchen außer der Gattung Musa auch Heli- conia, Urania und Strelitzia gehören, erſcheinen in allen Erdtheilen in Geſellſchaft der Palmen. Obwohl ſie, wie dieſe, ein baumartiges Anſehen haben, ſo iſt der Stamm doch eigentlich nur krautartig, aber ſaftreich und an der Spitze mit dünnen, locker gewebten, zartgeſtreiften Blättern beſetzt, die leicht emporſtreben und einen ſeidenartigen Glanz zeigen. So erreicht der Stamm mit den Blättern gewöhnlich eine Höhe von 20 Fuß, nur die herrliche Urania amazonica, das rieſigſte unter dieſen Gewächſen, bekommt einen Stamm von 30 Fuß Höhe. Die einfach und ſchön geformten Blätter der Bananen und Uranien ſind überhaupt die größten Blätter, welche eine Pflanze entwickeln kann. Bei einer Länge von 8 — 10 Fuß und 2 Fuß Breite iſt die Blattſubſtanz nicht im Stande, zuſammenzuhalten. In größeren oder ! Phormium tenax. 2 Dracaena Draco. 3 Musaceen. 4 Canneen. 11. Bananen und Blumenrohre. 49 geringeren Entfernungen ſpringt ſie auseinander, und ſo erſcheinen die Bananenblätter gewöhnlich mehrfach eingeriſſen, ſo daß bei jedem großen Piſangbaume einzelne Blätter geknickt erſcheinen und ſenkrecht herabhangen. Mit wenigen ſolcher Blätter läßt ſich eine ganze Hütte bedecken. Aus der Mitte dieſer gewaltigen Blätter entwickeln ſich die rie— ſigen Blüthenähren, oft aus kahnförmigen Scheiden beſtehend, deren einzelne Blumen eine Pracht und Mannigfaltigkeit der Farbe zeigen, die mit jedem anderen Gewächſe wetteifert. Die Strelitzia reginae, ein Prachtgewächs vom Vorgebirge der guten Hoffnung, die ihren Namen zu Ehren der Gemahlin Georg's III., einer geborenen Prin— zeſſin von Meklenburg-Strelitz erhalten, iſt zwar eine kleinere Form, deren langgeſtielte Blätter nur einen Fuß meſſen; aber aus der Mitte ihrer dunkelblaugrünen Blätter ragt ein ſeltſamer Blüthenſchaft her— vor, der am Ende mit einer etwa 8 Zoll langen, wagerecht geſtellten Scheide beſetzt iſt, aus welcher ſich nach und nach die großen Blumen mit goldrothen Kelchen und blauen Kronenblättern entwickeln. Höher ſind die prachtvollen Heliconien in Weſtindien. Auf einem 12 Fuß hohen Schafte erheben ſich 6 Fuß lange, bläulichgrüne Blätter und eine Aehre mit gelblich-rothen Blumen. Die Urania speciosa aber in den ſumpfigen Gegenden Madagaskars hat ein ganz baumartiges Anſehen, indem mehr als 30 Blätter auf dem Gipfel des Schaftes eine ungeheure, fächerförmige Krone bilden. Die Piſanggebüſche ſind ſtets der Schmuck feuchter Gegenden in dem Tropenklima, doch wird ihre Cultur auch noch über die Wende— kreiſe hinaus betrieben, wo ſie indeſſen ſelten über eine Höhe von 1400 Fuß auf die Gebirge ſteigen. Wie die Getreidearten des Nor— dens, ſo hat die Piſangſtaude den Menſchen ſeit der früheſten Zeit ſeiner Cultur begleitet, und gerade das Anpflanzen der Bananen trägt ſo ungemein viel zur Verſchönerung der Tropenlandſchaften bei. Eine leicht aus Bambusrohr aufgeführte Hütte, mit Palmblättern bedeckt, hat immer einige Bananen als Schmuck neben ſich ſtehen, denn die Frucht dieſer Pflanze iſt ein weſentliches Nahrungsmittel faſt aller Bewohner der heißen Gegenden. Die Blumenrohre! find zwar von geringerer Höhe, indem ihre blattreichen Stengel gewöhnlich nur 4 — 5 Fuß hoch werden, aber durch ihre herrliche Belaubung, die im hellſten Grün ſtrahlt, durch die Canna indica, Canna occidentalis. 50 Charakterpflanzen. wundervollen, lockeren Blüthenähren mit den zierlichſten rothen und gelben Blumen tragen ſie ungemein viel zum Schmuck der tropiſchen Fluren bei, um ſo mehr, da ſie oft geſellig bei einander ſtehen. 12. Die Grasartigen Gewächſe. Den Blumenrohren ſchließen ſich die Gräſer an, eine ſehr reiche Abtheilung, die mehrere Tauſend Arten umfaßt und vielleicht den zwanzigſten Theil aller Pflanzen ausmacht. Sie bilden zwei große Familien, die eigentlichen Gräſer und die Halbgräſer 2. Die eigentlichen Gräſer, welche vorzugsweiſe die feuchten Niede— rungen in der Nähe der Flüſſe bedecken, zeigen als Hauptcharakter einen ſchlanken Halm mit ſchmalen Scheidenblättern und kleinen Blü⸗ then, die in Aehren oder Rispen geſtellt ſind. In den nordiſchen Gegenden wachſen fie in großen Maſſen geſellig s; fie bilden unſere Wieſen und Triften, und es iſt bekannt, wie charakteriſtiſch ſie für die Vegetation aller Länder von dem nördlichen Eismeere bis zum 45° d. Br. ſind. Der liebliche Eindruck, welchen die dichte Grasdecke macht, wenn ſie in ſaftigem Grün erſcheint, iſt wohlthuender als ir— gend eine andere Erſcheinung der Pflanzenwelt, und welche wichtige Rolle die Gräſer ſelbſt in der Gartenkunſt einnehmen, das zeigen hin— länglich unſere reizenden Parkanlagen. Mit der angenehmen Erſchei— nung der Gräſer verbindet ſich aber zugleich ihr bedeutender Nutzen. Während die Halme und Blätter dem Vieh zur Nahrung dienen, hat der Menſch die Körner vieler Gräſer zu ſeiner hauptſächlichſten Nah— rung ſich auserleſen. In allen Ländern, welche ſeit Jahrtauſenden von eultivirten Völkern bewohnt find, wie in Griechenland und Ita— lien, im Morgenlande und in China, tragen die weit ſich ausbreiten— den Getreidefelder in hohem Grade zur eigenthümlichen Phyſiognomie der Natur bei; und wie das Auge mit Befriedigung auf der lieblichen Grasdecke der Wieſen verweilt, ſo blickt es mit Wohlgefallen und Nachdenken zugleich auf die reifenden Saaten, wenn ſie, vom leiſeſten Winde bewegt, ihre Wellen ſchlagen wie das wogende Meer und in jedem Moment in anderer Färbung erſcheinen. Noch auf zwei abweichende Erſcheinungen wollen wir hier auf— ! Gramineen. ” Cyperoideen. »Es ſind befonders die Bromeen, Hordeaceen und Agrostideen. 12. Grasartige Gewächſe. 51 merkſam machen. Es iſt zunächſt der ſogenannte Strandhafer !, der häufig auf den europäiſchen Sanddünen vorkommt, 2 — 3 Fuß hoch wird und Aehren hat wie der Roggen. Er ſteuert dem Flugſande, und feine 10 — 20 Fuß langen rothen Wurzeln find im Stande, die 30 — 50 Fuß hohen Dünen zuſammenzuhalten. Die ſtarren Blätter und die bleichen Aehren in Verbindung mit dem lockeren Flugſande bilden einen auffallenden Contraſt mit den oft ganz nahe liegenden Wieſen. — Einen ganz anderen Eindruck macht dagegen unſer Schilf— rohr 2 mit 5 — 10 Fuß hohen Halmen und einer ſtattlichen, über einen Fuß langen glänzenden Blüthenrispe. Es faßt die Ufer der nordi— ſchen Seen und Teiche ein und iſt der gewöhnliche Aufenthalts— ort der Waſſervögel, die zwiſchen den dichtgeſtellten Halmen ihre Neſter bauen. Mit den Alpen hören unſere, aus niedrigen Gräſern gebildeten Wieſen auf. Schon im ſüdlichen Europa zeigt ſich das über 12 Fuß hohe ſpaniſche Rohr ?, das eigentlich dem nördlichen Afrika angehört, jetzt aber auch in Amerika in den wärmeren Gegenden überall vor— trefflich gedeiht. Je weiter nach dem Aequator, deſto mächtiger wer— den die Gräſer, denn in den Tropen erſcheinen fie baumförmig 4. Die ſchlank emporſtrebenden, leicht beweglichen Stämme der Bambusge— büſche bilden ſchattige Bogengänge, die unfere Linden und Eichen an Höhe übertreffen, und die glatten, oft geneigt hinſchwebenden Stämme mit winkelförmig geſtellten Aeſten und den leichten Grasblättern ma- chen einen überaus heiteren Eindruck, fo daß man fie in den Tropen gegenden auch zur Verzierung der Landſchaften anwendet. Die baum— artigen Gräſer wachſen geſellig wie die unſerer Wieſen. In Oſtin— dien findet ſich das Bambusrohr ° in feuchtem Sande an Bächen und Teichen und wird oft 30 — 50 Fuß hoch; noch mächtiger aber er— ſcheint das Rieſenrohr s, welches, an feiner Wurzel faſt 1 Fuß dick, ſich 80 — 100 Fuß hoch erhebt und in Malabar und auf Ceylon häufig vorkommt. Oft bilden die herrlichen Bambuſen unabſehbare, undurchdringliche Wälder, ſowohl in der alten wie in der neuen Welt, in den Ebenen wie auf den Bergen, und mehrere Arten gehen ſogar auf der Weſtküſte von Südamerika bis nach dem ſüdlichen Chile hinab, wo eine 20 Fuß hohe Bambuſacee neben Buchen ? zwiſchen 37° und ! Elymus arenarius. ? Arundo Phragmites. Arundo donax. Es find beſonders die Bambusaceen, Saccharineen, Paniceen u. Oryzeen. ° Bam- busa arundinacea. ° Arundo maxima. ” Fagus obliqua. 4 * 52 Charakterpflanzen. 42° |. Br. vorkommt. Selbſt auf Neuſeeland und den Südſeeinſeln ſind die baumartigen Gräſer charakteriſtiſch. Die Gattung Bambusa kommt in Amerika gar nicht vor; dagegen erſcheinen im Thale des Miſſiſippi Ludolphia macrosperma, und im Paß von Quindiu präch- tige Guadua-Gebüſche bis zu einer Höhe von 5400 Fuß über dem Meere. Obwohl die baumartigen Gräſer auf der ſüdlichen Halbkugel dem Pole näher kommen als auf der nördlichen, ſo kommen doch die Gräſer überhaupt dem Nordpol um 174° näher als dem Südpol. Unter den cultivirten Gräſern der Tropen ſind das Zuckerrohr, der Mais und der Reis zu nennen, und ſind die Reisfelder in den Tropen wohl das Einzige, was an das herrliche Grün der nordiſchen Wieſen erinnern kann. Bei weitem nicht ſo lieblich, aber doch charakteriſtiſch genug für viele Gegenden ſind die Halbgräſer. Gewöhnlich an ſumpfigen Orten wachſend, füllen ſie die Sümpfe allmälig aus und bilden auch einen Beſtandtheil des Torfes. Die Gattungen Cyperus und Carex ſind die bedeutendſten, von denen die erſte in den heißen Gegenden ihr Maxi— mum erreicht, beſonders an den Ufern der Ströme in Oſtindien weite Raſenflächen bildet, die letzte aber überwiegend in der Nähe des nörd— lichen Polarkreiſes erſcheint. Weniger beſtimmt iſt dagegen das Auf— treten der Binſen !, denen ſich die ſogenannten Simſen? anſchließen. Den Binſen ſehr ähnlich ſind die Reſtiaceen in den Sandebenen am Vorgebirge der guten Hoffnung, denen ſie einen eben ſo eintönigen Charakter geben, wie ſo viele andere afrikaniſche Gewächſe. Eine höchſt liebliche Erſcheinung hingegen bietet unſer Wollgras? dar, welches im Mai und Juni unſere feuchten Wieſen und Torfmoore mit ſeinen weißen, ſeidenglänzenden Köpfchen ſo angenehm verziert. In den Tropengegenden erſcheinen dafür die Eriocaulon-Arten, welche in Oſt⸗ und Weſtindien, beſonders auch im ſüdlichen China am Ufer ſtehender Gewäſſer ſich finden. Dort erheben ſich die ſchlanken Stiele zu 3—4 Fuß Höhe aus dem dunkelen Grün, und bei dem geringſten Luftzuge ſtoßen die hellglänzenden wolligen Köpfchen zuſammen. 13. Die Cactusartigen Gewächſe. Während die bisher beſchriebenen Pflanzenformen ſich in ſolcher Weiſe aneinander reihten, daß von der einen zur anderen Abtheilung Scirpus und Schoenus. 2 Juncus und Luzula. Eriophorum. — 13. Cactusartige Gewächſe. - 53 jederzeit Uebergänge zu finden waren, kommen wir nun zu einer Ab— theilung, die mit Allem, was bis jetzt vorgeführt worden, im grellſten Contraſte ſteht. Die ſeltſamen und wunderlichen Formen der Cactus— gewächſe entfernen ſich fo weit von allen übrigen Geſetzen der Pflan- zenwelt, daß das Princip der Schönheit kaum noch in ihnen zu ent⸗ decken iſt. Man möchte ſagen, die Natur habe ſie in einem Augenblicke humoriſtiſcher Laune ins Daſein gerufen. Hat man doch eine Art, die wie eine Mißgeburt erſcheint, nicht anders als mit dem Namen des monſtröſen Cactus! zu bezeichnen vermocht. Alles erſcheint ſelt— ſam und wunderbar an dieſen Pflanzen. Mit Ausnahme der Gat— tung Pereskia zeigen ſie alle blattloſe Stengel, denn auch die india— niſche Feige 2 und der Blättercactus? haben nur platt gedrückte oder blattartig ausgebreitete Stengel. Dagegen ſind die Stämme unge— mein fleiſchig, mit einer lederartigen, meiſt graugrün gefärbten Haut überzogen, und ſtatt der Blätter in regelmäßigen Abſtänden mit Haar- büſcheln, Stacheln und Spitzen beſetzt. Es laſſen ſich drei Formen dieſer Organe unterſcheiden, die meiſt gemeinſchaftlich an derſelben Stelle ſich finden. Zunächſt wird aus biegſamen, einfachen Härchen ein flaches, weiches Kiſſen gebildet. Aus dieſem entſpringt ein Büſchel längerer dünner Stacheln, die mit rückwärts gerichteten Widerhaken beſetzt, äußerſt dünn und ſpröde ſind, und durch die Leichtigkeit, mit der ſie abbrechen, jede unvorſichtige Annäherung gefährlich machen. Erſt aus dieſem Haarbüſchel ragen die langen großen Stacheln her— vor, auf deren Anzahl und Form die Botaniker beſonders achten, um die einzelnen Arten zu beſtimmen. Wenngleich nun die Cactusgewächſe mehr durch die Seltſamkeit ihrer Geſtalt als durch ihre Schönheit imponiren, ſo iſt doch als be— ſonders charakteriſtiſch die ungemeine Pracht der Blüthen hervorzu— heben, mit denen die Natur die oft wirklich häßlichen Geſtalten be— kleidet. Durch Größe wie durch Farbenpracht ausgezeichnet, erſetzen ſie in reichem Maße das, was dieſen Gewächſen ſelbſt an Schönheit abgeht; und oft ſcheint das ganze Streben der Pflanze nur dahin ge— richtet zu ſein, ſich mit möglichſt vielen prächtig gefärbten Blumen zu bedecken. Bei einer Gruppe, die ſich ſo auffällig hervordrängt und in ein— zelnen Gegenden der Erde auf den Charakter der Landſchaft ſo we— Cereus monstrosus. 2 Opuntia Ficus indica. Phyllocactus Phyllanthus (Cactus alatus). 54 - Charakterpflanzen. ſentlich einwirkt, können wir uns mit der eben gegebenen allgemeinen Darſtellung noch nicht begnügen; ſondern wir ſind genöthigt, noch näher auf die verſchiedenen Formen einzugehen, in welchen dieſe Ge— wächſe auftreten. Linné kannte kaum ein Dutzend Arten dieſer gan— zen Familie, die er alle mit dem Gattungsnamen Cactus bezeichnete, und jetzt, wo ſeit ſeinem Tode noch kein Jahrhundert verfloſſen iſt, ſind ſchon über 400 Arten bekannt, die man in etwa zehn einzelne Gattungen vertheilt hat. Der botaniſche Garten bei Berlin, der wohl die reichſte Sammlung von Cactusgewächſen enthalten möchte, zieht allein ſchon über 360 Arten. Durch die verſchiedenartige Ausbildung des Stengels iſt der Charakter der einzelnen Formen bedingt, ſo daß man die Gattung beſtimmen kann, ohne die Blüthen geſehen zu ha— ben. Es laſſen ſich folgende drei Hauptformen unterſcheiden. 1. Die Cereen. Sie haben lange, ſäulenförmige Stämme, welche 3, 4, 5 bis vieleckig, bei einzelnen Arten ſogar faſt walzen— förmig erſcheinen. Zwanzig bis dreißig Fuß hoch, ohne Zweige und Blätter erheben ſich in den Ebenen Mexico's die kantigen Säulen der ſogenannten Fackeldiſteln, oft mit einer undurchdringlichen Hecke von indianiſchen Feigen umſchloſſen, deren empfindlich ſtechende Stacheln jede Annäherung verbieten. Gewöhnlich ſind ſie in mehr oder weni— ger großen Gruppen vereinigt, indem 10 — 20 Säulen aus derſelben Wurzel emporragen. Einige dieſer Säulen ſind abgeſtorben, und Ge— ſpenſtern gleich ſtehen die bleichen Holzeylinder, deren fleiſchige Um— kleidung vollſtändig verſchwunden iſt, mitten zwiſchen den lebendigen, graugrün gefärbten und ſcharfkantigen Säulen, die oft von oben bis unten mit einer ungeheuren Menge von 7 — 8 Zoll langen, prächtig gefärbten Blumen beſetzt find. Immer in Entfernungen von 5 — 6 Schritten ſtehen ſolche Haufen beiſammen, und wenig andere Pflan⸗ zen wagen es, den geſtachelten Fremdlingen ſich zu nähern. Nicht immer ſteigen die Säulen ganz einfach in die Höhe; oft ſind ſie auch getheilt und erſcheinen wie große Armleuchter, die, mit trockenen Flech— ten bekleidet, an afrikaniſche Euphorbien erinnern. Wer die genannten Cactusarten nur aus unſeren Treibhäuſern kennt, hat keine Vorſtel⸗ lung davon, zu welcher Dichtigkeit die Holzfaſern alter Cactusſtämme erhärten können. Den Indianern -ift dies hinlänglich bekannt, und ſie benutzen die abgeſtorbenen Holzeylinder nicht bloß zu Fackeln, um ſich die dunkele Tropennacht zu erhellen (daher der Name Fackeldiſteln), ſondern das unverwesliche Holz dient ihnen auch zu Rudern, ſo wie ſie es bei ihren Bauten als Balken, Pfoſten und Thürſchwellen be— 13. Cactusartige Gewächſe. 55 nutzen. Eben ſo wichtig ſind in jenen holzarmen Gegenden die trocke— nen Cactusſtämme für den von der Nacht überfallenen Reiſenden, der ſich mit ihnen ein Feuer anmacht, um ſich gegen die Mosquitos zu ſchützen und ſeinen Maiskuchen an demſelben zu röſten. Endlich ſind noch die Formen mit langen, dünnen, peitſchenartigen Stengeln zu erwähnen, wie der ſogenannte Schlangencactus ', der als Schmarotzer— gewächs auf den Aeſten der Bäume lebt und durch ſeine herabhän— genden, mit feinen Stacheln beſetzten Stengel, ſo wie durch ſeine 3 — 4 Zoll langen, ſchönen rothen Blüthen einen ſeltſamen Contraſt mit der übrigen Belaubung bildet. Die ſchönſten Arten dieſer Gruppe ſind wohl der prächtige Cactus 2, deſſen große hochrothe Blumen in Carmin, Scharlach und Violett ſchillern, und der großblumige oder die Königin der Nacht 3. Der weit fortkriechende Stengel der letzte— ren trägt herrliche, faſt 10 Zoll im Durchmeſſer haltende Blumen mit 70 — 80 goldgelben Kelchſchuppen und etwa 25 ſchneeweißen, 4 Zoll langen Kronenblättern, die in ihrem Schooße 5 — 600 zierliche Staub— gefäße bergen. Geheimnißvoll öffnet ſich die vanilleduftende Blüthe in verſchwiegener Nacht, und wie eine Sonne ſtrahlt fie in dem wun— derbaren Spiel ihrer zarten Staubfäden. Doch ſo wie der Morgen anbricht, ſchließt ſie ſich, und ſchnell welkt die Pracht dahin, der nur eine ſo kurze Dauer vergönnt war. 7 2. Die Tuna's. Dieſe unförmlichen, mannigfach veräſtelten Gewächſe ſind von den Cereen weſentlich verſchieden, aber eben ſo charakteriſtiſch. Die indianiſche Feige! hat einen Stamm mit ovalen, flachen Aeſten, die, nach den verſchiedenſten Richtungen aneinander gereiht, die ſeltſamſten Geſtalten hervorrufen. Neben ihr iſt die be— kannteſte Art der mannshohe Tunacactus s, der mit langen Stacheln bewaffnet und an den Rändern der Glieder mit gelblichrothen, roſen— artigen Blüthen beſetzt iſt. Auch bei den Opuntien finden ſich immer einige abgeſtorbene Stämme, die ein faſt raketenartiges Anſehen haben, wenn die Oberhaut verwittert und das netzartige Gewebe bloßgelegt iſt. Von Amerika ſind ſie nach Europa herübergekommen und in den Ländern, die das mittelländiſche Meer umſchließen, vollſtändig einge— bürgert. So wie bei uns der Landmann die den Cacteen verwand— ten Stachelbeerſträucher zur Einfaſſung ſeiner Gärten benutzt, eben ſo verwendet man jetzt in den wärmeren Gegenden beider Continente die Cactus flagelliformis. Cactus speciosus. Cactus grandiflorus. * Opuntia Ficus Indica. ° Opuntia Tuna. 56 Charakterpflanzen. Opuntien zur Umzäunung der Felder. Schnell verſchlingen ſich ihre unförmlichen Zweige zu einer dichten Hecke, deren furchtbare Stacheln jede Annäherung abwehren, ſo daß dieſe Gewächſe ſelbſt zu militä— riſchen Zwecken bei Feſtungswerken ſich mit großem Vortheil anwen— den laſſen. Beſonders für dürre Gegenden ſind ſie äußerſt wichtig, da ſie mit dem trockenſten Boden vorlieb nehmen, und die abgeſtorbenen Stämme als Brennholz gebraucht werden können. Gleichzeitig liefern ſie auch, wie faſt alle Cactusgewächſe, genießbare Früchte, deren er— quickender, ſüßſäuerlicher Saft den ſchmachtenden Wanderer erfriſcht. Selbſt als Heilmittel gebrauchen die Aerzte Amerika's dieſe Gewächſe, ſowohl äußerlich bei Entzündungen als auch innerlich. — Eine dritte Art von Tuna-Hecken bildet der bekannte Cochenillecactus n, von wel— chem ſich in Mexico, Braſilien und auf den weſtindiſchen Inſeln aus— gedehnte Anpflanzungen finden. Unter dem weißen, flockigen oder ſtaubartigen Ueberzuge lebt die Cochenille, ein wichtiges Inſect, deſſen Eier einen der koſtbarſten Farbeſtoffe, den Carmin liefern. Die 6—9 Fuß hohen Pflanzen ſind der vorigen ſehr ähnlich, aber faſt ſtachellos. Da das Inſect die Gewächſe mit großer Schnelligkeit ausſaugt, ſo daß fie bald vertrocknen und abſterben, fo müſſen die Pflanzungen oft erneuert werden. — Neben den eigentlichen Opuntien ſind hier noch die Rhipſalis-Arten zu erwähnen, die mit ihren ſchnurförmigen, blatt— loſen Zweigen als Schmarotzergewächſe? auf den Bäumen der feuch— ten braſilianiſchen Wälder leben, wie die Miſteln auf unſeren Laub⸗ und Nadelhölzern. Eben fo die Pereskien ?, oft über 12 Fuß hohe, holzige Sträucher mit runden Aeſten. Sie finden ſich auf den Antillen und ſind die einzigen Cactusgewächſe mit großen geſtielten Blättern. 3. Die kugelförmigen Cactus-Gewächſe. Sie zeigen wiederum einen ganz anderen Charakter. Ihre Stengel ſind mehr oder weniger kugelförmig, ſchwächer oder ſtärker gerippt, oder auf der Oberfläche mit rundlichen Warzen oder ovalen Höckern beſetzt, auf denen ſternförmig geſtellte Stacheln höchſt regelmäßig gruppirt ſind. Es find die Stachel: , Melonen- und Warzen- Cacten, die in den verſchiedenſten Größen erſcheinen. Nur mit kleinen Blumen ge- ſchmückt, imponiren ſie bloß durch ihre merkwürdigen Geſtalten. Einige unter ihnen find wahrhaft rieſige Formen “, die 2—4 Fuß im Durch— ! Opuntia coccinellifera. 2 Rhipsalis parasitica. 3 Pereskia aculeata. 4 Echinocactus. ° Melocactus. 6 Mamillaria. ” Echinocactus in- gens, Ech. platyceras, Ech. Wislizent. ö | 5:56 | 9 Da) | 9 ——— “—ů — 7 4 . nn c nn, mE 0. =, Lk Anstelle mie GRUPPE VON CACTUS-GEWACHSEN. 5 bi EN FEST 14 Page, ae * Bor,‘ LET 7 2 Br a 2 * 13. Cactusartige Gewächſe. 57 meſſer, bis zu 7 Fuß im Umfange und 3 — 4 Fuß Höhe erreichen, während der im leichten Sande wurzelnde Zwergeactus? ſo klein iſt, daß er ſich den Hunden zwiſchen die Zehen einklemmt. Unter den rieſigen Formen erlangen einige ! ein Gewicht von 2000 Pfund. Diefe ſonderbaren Gewächſe leben entweder auf der unfruchtbaren Erde, wie in den Pampas von Venezuela, wo aus den Ritzen des glühenden Felſenbodens nur hin und wieder die runden Ballen der Melonen— cactus mit ihren furchtbaren Stacheln hervorragen, oder ſie ſitzen ein— ſam und düſter in den Klüften nackter Felsmaſſen. Höher hinauf an der Cordillerenkette, wo faſt alle Vegetation ſchwindet, da bedeckt ſich der Boden mit den graugrünen, geſtachelten Kugeln der Mamillarien, zwiſchen denen ſich ernſt und traurig der mit langen grauen Haaren bedeckte Greiſencactus 3 erhebt. Statt der zarten Gräſer, ftatt des lachenden Grüns unſerer Alpenmatten erſcheinen auf den Ebenen Mexico's die häßlichen und ſeltſamen Formen der Echinocacten, zwi— ſchen denen die ſchlangenartig ſich windenden dürren Stengel groß— blumiger Cereen * wie rieſenhafte Würmer umherkriechen. Gerade wo alle übrige Vegetation fehlt, da gedeihen dieſe unförmlichen Gewächſe am beſten, und in anderen Gegenden grünen ſie während der heißen Jahreszeit, wo die ganze Pflanzenwelt erſtorben iſt, ſo friſch und kräf— tig, daß ſie Bernardin de St. Pierre mit Recht die vegetabiliſchen Quellen der Wüſte genannt hat. Die wilden Eſel der Llanos ſuchen ſich zu dieſer Zeit die Cactusgewächſe auf, entfernen behutſam die ſtachelige Decke mit ihren Hufen und löſchen ihren brennenden Durſt mit dem kühlenden Safte; bisweilen aber verletzen ſie ſich auch ſo gefährlich an den ſpitzigen Stacheln, daß ſie gelähmt, nur mühſam ſich fortſchleppen und auf elende Weiſe umkommen. Die Reiſenden hin— gegen öffnen ihren Maulthieren die fleiſchigen Gewächſe mit dem Meſſer, ſo daß dieſelben ohne Gefahr = an dem hervorquellenden Safte erfriſchen können. Die geographiſche Verbreitung der Cactusgewächſe beſchränkt ſich auf Amerika, wo fie vom 40° n. Br. bis zum 40° f. Br. vorkommen; in der alten Welt find bis jetzt nur zwei Cactusarten ° auf bedeu— tenden Höhen im Innern von China und Oſtindien entdeckt worden. Am häufigſten finden ſie ſich in der heißen Zone und ſteigen dort von den Ebenen faſt bis zur Region des ewigen Schnees empor— Echinocactus visnago. 2 Cactus nanus. Cactus senilis. * Cereus nyeticallus. 5 Cactus indicus, G. chinensis. 58. 5 Charakterpflanzen. 7 * Indeſſen haben gleich nach der Entdeckung von Amerika ſich mehrere Arten mit großer Schnelligkeit in der alten Welt verbreitet, ſo daß ſie in den wärmeren Gegenden derſelben kaum noch als Fremdlinge betrachtet werden. Nicht alle Cactusformen erſcheinen innerhalb der oben angegebenen Grenzen, indem die kugelig geſtalteten ſich mehr auf die heiße Zone beſchränken, wo fie zwiſchen dem 15° n. Br. und dem Wendekreiſe des Krebſes ihr Maximum erreichen. Doch auch in Chile finden ſich noch ſüdlich von der heißen Zone Melonencactus von be— deutender Größe. Eben ſo ſteigen ſie nicht ſo hoch auf die Gebirge, ſondern werden dort durch die übrigen Formen erſetzt, welche in den Ebenen der milderen Zonen auftreten. Beſonders ſind es die Opun— tien, die höher hinauf allmälig mehr ihre Stelle einnehmen; und den Pereskien begegnet man noch an der Grenze des ewigen Schnees. Wie ſchon bemerkt, lieben faſt alle Cactusgewächſe die dürrſten und ödeſten Gegenden und einen ſteinigen, oder ſandigen Boden, in welchem ſie den heißeſten Sonnenſtrahlen ausgeſetzt ſind. Um ſo ſelt— ſamer iſt der Contraſt, den ihr fleiſchiges, ſaftreiches Gewebe mit den trockenen Standorten bildet. Wie in der Thierwelt die Kameele län— gere Zeit von dem aufgenommenen Waſſer zehren können und ſo allein geeignet find, die Wüſten zu durchſtreifen: fo zehren die Cactus pflanzen von der während der Regenzeit aufgenommenen Feuchtigkeit und behalten dieſelbe um ſo leichter bei ſich, als ihnen die Blätter fehlen, durch welche alle Pflanzen das in ihnen enthaltene Waſſer ver- dunſten, während die lederartige Hülle, die den Stamm bekleidet, den Sonnenſtrahlen hinlänglichen Widerſtand leiſtet. Indeſſen zehren fie wirklich in der heißen Jahreszeit von dem vorhandenen Safte, und wenn ſie auch an Größe zunehmen, ſo nehmen ſie doch an Gewicht erheblich ab, was durch mehrfache Verſuche hinlänglich erwieſen iſt. Die Gewichtsabnahme iſt ſo bedeutend, daß ſie ſich vollſtändig er— ſchöpfen würden, wenn ihnen nicht beim Eintritt der Regenzeit wieder neuer Nahrungsſtoff zugeführt würde. Von wie großer Wichtigkeit die Cactusgewächſe für den Charakter der Landſchaft ſind, iſt aus der eben gegebenen Darſtellung leicht zu erſehen; wie ſeltſam ſie aber mit anderen zarten Pflanzenformen con— traſtiren, das bemerkt man am beſten in unſeren Gärten, die einer der merkwürdigſten Zierden entbehren würden, wenn die Entdeckung Amerika's ſie nicht durch dieſen Schmuck in ſo hohem Grade berei— chert hätte. Wenngleich die Natur der alten Welt die Cactusgewächſe ver— 13. Cactusartige Gewächſe. 59 ſagt hat, ſo hat ſie es doch nicht an Pflanzenformen fehlen laſſen, welche als Repräſentanten dieſer intereſſanten Gruppe angeſehen wer— den müſſen. Es find dies gewiſſe Formen der Wolfsmilchpflanzen “. Die Euphorbien unſerer Gegenden, obgleich ihr Stengel fleiſchig und ſaftig iſt, laſſen dieſen Erſatz freilich noch nicht ahnen, aber ſchon in Süd⸗Europa erſcheint die faſt ſtrauchartige Euphorbia characias auf Felſen und Mauern, und in Aethiopien die Euphorbia caput Medu- sae mit fleiſchigen und höckerigen Zweigen, die nur ſchmale Blättchen tragen. Doch bilden die eben genannten Arten nur den Uebergang zu den eigentlichen Cactusrepräſentanten, unter denen es Formen giebt, die man jedenfalls für Cactuspflanzen halten müßte, wenn uns ihre Blüthen und Früchte nicht eines Anderen belehrten. Die 6 — 12 Fuß hohe Euph. antiquorum mit dreieckigem, gegliederten und ſtacheligen Stengel, in Indien und Arabien; die mannshohe Euph. officinarum mit armsdickem Stengel, im mittleren und ſüdlichen Afrika; die Euph. neriifolia, ein 2 Fuß dicker mißgeſtalteter Strauch mit viereckigen ges drehten Aeſten und länglichen Blättern, in Siam und China; die Euph. canariensis, ein 5 — 8 Fuß hoher Strauch mit vielen daums— dicken Zweigen voll Warzen und brauner Stacheln — und viele an— dere Arten 2 haben eine höchſt auffallende Aehnlichkeit mit den Ce— reen und Opuntien, während Euph. meloformis u. Euph. mamillaris den kugelförmigen Cacten zu vergleichen ſind. Endlich zeigt ſich die Cactusform auch noch in einer anderen Fa— milie, nämlich bei manchen Asclepiadeen. Die reiche Gattung Sta— pelia ® mit fleiſchigen, eckigen, faſt blattloſen Stengeln hat mit vielen Cereen eine auffallende Aehnlichkeit, die durch die großen prachtvollen Blumen noch erhöht wird. Ihre Arten ſind von großem Einfluß auf den Vegetationscharakter des Caplandes. In Oſtindien finden ſich gleichfalls einige Arten dieſer Familie. Im Sandboden und auf alten Mauern wächſt die über 6 Fuß hohe Calotropis gigantea mit arms⸗ dicken, krummen Stengeln voll bitteren Milchſaftes, während Cerope- gia candelabrum, von Baum zu Baum kletternd, die Strahlen ihrer herabhangenden Dolden wieder aufwärts biegt, ſo daß die grünen Guirlanden wie mit zierlichen Armleuchtern behängt erſcheinen, be— ſonders wenn die langen röhrigen Blumen in rother und gelber Fär— bung prangen. | ' Euphorbiaceen. * Euph. balsanafera, Euph. trigona, Euph. Clava, Euph. lactea, Eupb. biglandulosa. ? St. hirsuta, St. variegata, etc. an 60 Arten. 60 Charakterpflanzen. Dem intereſſanten Geſetz der Repräſentation, deſſen wir fehon früher bei den Nadelhölzern, als zwiſchen der nördlichen und ſüdlichen Halbkugel beſtehend, erwähnt haben, begegnen wir alſo hier in ande— rer Weiſe, wo es zwifchen der öſtlichen und weſtlichen Hemiſphäre beſteht. 14. Die fleiſchigen Gewächſe. Den Cactusgewächſen ſchließen wir die fleiſchigen Gewächſe an, welche den zahlreichen Familien der Dickpflanzen und der Eispflanzen angehören. Es ſind zwar nur kraut- und ſtrauchartige Gewächſe, aber wo ſie in großen Maſſen vorkommen, wie in den trockenen Ebenen des ſüdlichen Afrika, da iſt ihr Einfluß auf die Phyſiognomie der Landſchaft nicht zu verkennen. Auch bei ihnen iſt es weniger die Schönheit als die Seltſamkeit der Erſcheinung, welche auf uns Ein— druck macht. Die Familie der Dickpflanzen! beſteht aus fetten, krautartigen Gewächſen mit runden Stengeln und dicken, ſaftigen Blättern. An 300 Arten derſelben ſind bekannt, von denen wenigſtens die Hälfte am Vorgebirge der guten Hoffnung und in den Ebenen Südafrika's vorkommt. Schon unſere Mauerpfeffergewächſe 2, die in den gemä— ßigten Gegenden Europa's und Aſiens auf Mauern und Felſen vor— kommen, zeigen oft ganz intereſſante Formen, noch mehr aber der bekannte Hauslauch , der, aus dem Süden ſtammend, früher bei uns angepflanzt, jetzt überall verwildert iſt. Vorzüglich nimmt er ſich ſonder— bar aus, wenn er auf Strohdächern erſcheint. Aus einer Raſenfläche von roſenartig geſtellten Blättern erheben ſich fußhohe, blattreiche Stengel, deren traubenartig geſtellte Blumen roſenroth und mit dunkelroth gefärbten Strichen gezeichnet ſind. Hieraus läßt ſich auf den Ein— druck ſchließen, welchen die afrikaniſchen Craſſulaceen ° machen müſſen. Oft mehrere Fuß hoch in den dürren Ebenen ſich erhebend, erſcheinen ſie beſonders auffallend durch die an den Spitzen der Stengel in re— gelmäßigen Roſetten gruppirten jungen Blätter, die erſt bei weiterer Entwickelung der Zweige auseinander treten; während das gelblich— bleigraue Colorit, das an den Spitzen und Rändern der Blätter oft in den lebhafteſten Farben ſchillert, weſentlich zu dem eigenthümlichen ! Grassulaceen. ® Sedum. 3 Sedum Telephium. ? Sempervi- vum tectorum. »Crassula, Bryophyllum, Cotyledon, etc. 14. Fleiſchige Gewächſe. 61 Eindruck beiträgt, der die einförmigen afrikaniſchen Landſchaften cha— rakteriſirt. Die Familie der Eispflanzen! Niſt noch reicher, indem die Gat— tung Mesembryanthemum allein über 320 Arten zählt. Meiſt Halb— ſträucher mit fleiſchigen Blättern von graugrüner Färbung, zeichnet ſich dieſe Gattung beſonders durch die ſchönen Blumen aus. Aus einer Menge ſtrahlenförmig geſtellter Blättchen beſtehend, ſind ſie ent— weder blaß- oder goldgelb, hoch- oder violettroth, bei manchen auch ſilberweiß gefärbt und öffnen ſich nur den heißeſten Sonnenſtrahlen. So bilden ſie, wo ſie in großen Maſſen auftreten, einen ganz inter— eſſanten Schmuck jener einförmigen Gegenden Südafrika's. Andere Arten 2 dieſer Familie find liegende, ſaftige, oft mit kryſtallhellen Warzen dicht beſetzte Kräuter, die am Strande heißer Länder umher— kriechen. Das Sesuvium repens in Oſtindien mit ſeinen vielen und langen Ranken bedeckt die Strandgegenden oft ſo dicht, daß man ganze Strecken weit nichts von dem Boden ſieht. Da dieſe fleiſchigen Gewächſe vorzugsweiſe der alten Welt an— gehören, ſo laſſen fie ſich nebſt den Alos-Gewächſen denjenigen For— men beigeſellen, die als Erſatz für die Cactusgewächſe Amerika's in der öſtlichen Halbkugel erſcheinen. Wenngleich ſie in den dürren Erdſtrichen aller heißen Länder vorkommen, im nördlichen Afrika von den canariſchen Inſeln bis nach Arabien ?, in Japan wie auf Neu— feeland * und an den heißen Küſten Oſtindiens, fo erreichen fie doch in Afrika, ſüdlich von dem Wendekreiſe des Steinbocks, überwiegend ihr Maximum. | 15. Die Lilienartigen Gewächſe. Der Hauptcharakter der lilienartigen Gewächſe zeigt ſich in den ſchlank emporſtrebenden, ſchilfartigen Blättern und in den großen prachtvollen Blumen. Da in dieſer Gruppe nur krautartige Gewächſe vorkommen (denn der baumartigen Lilien iſt ſchon bei den Agaven erwähnt worden), ſo macht ſich ihr Einfluß auf den Naturcharakter nur da geltend, wo ſie maſſenhaft auftreten und ganze Felder be— decken, oder wo ihre großen, oft höchſt merkwürdig und zierlich ge— Ficoideen. 2 Sesuvium repens, Aizoon canariense, Tetragonia ex- pansa, Mesembryanthemum crystallinum. ? Aizoon canariense. Tetra- gonia expansa. 62 Charakterpflanzen. ſtalteten Blüthen, die meiſt in der lebhafteſten und prachtvollſten Fär— bung ſtrahlen, der übrigen Vegetation den anmuthigſten Schmuck ver- leihen. Die Lilienform iſt über die ganze Erde ausgebreitet, von den heißeſten Gegenden bis nach dem hohen Norden, wie von der Mee— resküſte bis nahe an die Grenze des ewigen Schnees. Den Eindruck, welchen die lilienartigen Gewächſe machen, können wir ſchon an un— ſeren Schwertlilien bewundern, die mit ihren großen gelben! oder violetten: Blumen unſere Gräben und Wieſen, oder die grafigen Hügel ſchmücken. In größerer Anzahl erſcheinen ſie im ſüdlichen Deutſchland, die fibirifche * mit blauen Blumen, und die grasartige “ mit ganz ſchmalen Blättern und blau und gelb geſtreiften Blüthen. Auf den Bergwieſen der Alpen wachſen in Menge die violett und weiß blühenden Crocus 5; und der Germer 6 mit feinen großen oval— lanzettförmigen, längsgefurchten Blättern und der zuſammengeſetzten grünlich⸗weißen Blüthenrispe bedeckt ganze Felder der graſigen Hoch— thäler. Vor Allem aber ſind Süd-Europa und der Orient reich an lilienartigen Gewächſen. Crocus-“ und Siegwurz s, eine Menge von Schwertlilien, die verſchiedenen Lauch-Arten e und die wohlriechenden Hyacinthen, die Taglilien nv und die Kaiſerkrone n, die Tulpen, die in ihrem Vaterlande oft ganze Felder bedecken, haben wir von dort her erhalten. Eben ſo die ſchlanken Lilien mit großen, edel geformten Blüthen, die weiße, die Feuerlilie und der Türkenbund 12, ſo wie die zierlichen, gelb oder weiß blühenden Narziſſen, Tazetten und Jonquil— len 1, deren tellerförmige Blume mit einer hervorragenden Neben— krone geſchmückt iſt — dieſe alle verdanken unſere Gärten ſchon ſeit langer Zeit dem ſüdlichen Europa und dem Morgenlande. Je näher den Tropen, deſto mannigfaltiger und prächtiger wer— den die Formen. In Perſien wächſt eine Schwertlilie!“ mit einblu— migem Schaft, deſſen über 4 Zoll lange Blume eine herrliche Pracht entwickelt. Die zurückgeſchlagenen, ſchwarzen Kelchblätter find purpur— roth gerändert, während die weißlichgrauen, ſchwarz geaderten Blu— menblätter ſich ſenkrecht erheben und mit den purpurrothen Griffel⸗ Iris Pseud-Acorus. 2 I. germanica. 3 J. sibirica. 4 I. gra- minea. ° Crocus vernus. 6 Veratrum album. 7 Cr. sativus, Cr, au- tumnalis. Gladiolus communis. Allium. 10 Hemerocallis flava et fulva. 1 Fritillaria imperialis. 12 Lilium candidum, L. bulbiferum, L. chalcedonicum. Narcissus po@ticus, N. Tazetta, N. Jonquilla. 14 Iris susiana. 15. Lilienartige Gewächſe. 63 lappen den anmuthigſten Contraſt bilden. Beſonders aber iſt die Cap— flora reich an Lilien; nicht nur kommen ſie dort in größter Mannig— faltigkeit vor, ſondern durch ihr maſſenhaftes Auftreten tragen ſie auch in hohem Grade zur Beſtimmung des landſchaftlichen Charakters bei. Die Gattung Ixia mit ſchlanken, geraden Blüthenröhren, die ſich oben glockenförmig erweitern, zeigt oft die größte Mannigfaltigkeit der Färbung; ein Gladiolus ? mit ſcharlachrothen Blumen iſt eine der ſchönſten Cap-Pflanzen; und eben ſo tragen die Amaryllis- und Blutlilien! durch ihre brennend rothen Blumen, fo wie die Schmuck— lilien 5 mit ihren blauen Blüthendolden zur Verſchönerung der Ge— genden Südafrikas bei. Die glänzendſte Pracht entfalten indeſſen die oſtindiſchen Formen. Die Gattung Paneratium é hat große weiße, trichterförmige Blüthen mit glockiger Nebenkrone. Die Hafenlilien ” auf Ceylon entwickeln aus ihrer fauſtgroßen Zwiebel an 3 Fuß lange Blätter und tragen eine Dolde mit einer Unzahl von langröhrigen trichterförmigen, wei— ßen Blumen, deren 6 hakenförmig gekrümmte Lappen 2 F. Länge ha⸗ ben und aus deren Mitte 6 rothe Fäden mit ſchwebenden Staubbeu— teln hervorragen. Eine der ſchönſten Prachtblumen aber, die in Ma— labar faſt das ganze Jahr blüht, iſt die ſtolze Prachtlilie s, deren ſternförmige Blumen mit wellenförmigem Rande anfangs grünlich erſcheinen mit rothen Spitzen, dann unten hellgrün und oben dunkel- roth und endlich unten gelblich und oben ſcharlachroth, ſo daß die ganze Blüthe wie gemalt ausſieht. Obgleich die Pflanze dort wild wächſt, wird ſie doch in Indien ihrer Schönheit wegen in Gärten gezogen. Alle dieſe rieſigen Prachtblumen, die nicht nur durch ihre überaus reizenden Formen und den ſanften Schmelz ihrer lebhaften Farben erfreuen, verbreiten zugleich den ſüßeſten Duft, der oft die ganze Ge— gend erfüllt. Auch die neue Welt hat prächtige Liliengewächſe aufzuweiſen, die beſonders den Gattungen Amaryllis, Haemanthus und Alstroemeria angehören; doch finden ſie ſich dort mehr zerſtreut und ſelten ſo ge— ſellig wie unſere europäiſchen Schwertlilien. Nur die virginiſche Ama- ryllis? wächſt in ſchattigen Wäldern und Sümpfen Nordamerika's Ixia maculata. 2 Gladiolus cunonia. 3 Amaryllis orientalis. * Haemanthus coccineus, H. puniceus.. ° Agapanthus umbellatus. © Pan- cratium zeylanicum. Crinum asiaticum. 9 Gloriosa superba. 9 Ama- ryllis virginiensis. 64 Charakterpflanzen. geſellig und macht durch die liebliche Nüancirung der Färbung ihrer Blüthen, die anfangs hochroth, dann roſenroth und endlich ganz weiß erſcheinen, da wo viele beiſammen ſtehen, einen ganz hübſchen Effect. Merico und Braſilien haben wieder Prachtformen aufzuweiſen. Die Tigerſchwertlilie! Mexico's mit glockigen, rothen und gefleckten Blu— men; die braſilianiſche Amaryllis 2, deren Blüthen auswendig roth und inwendig weiß gefärbt erſcheinen, und die prächtige Amaryllis 5, deren zweilippige, ſammetartige, carminrothe Blüthen auf dem Gipfel eines purpurrothen Schaftes ſchweben, möchten wohl die ſchönſten Formen des tropiſchen Amerika ſein. | Leider iſt die eben geſchilderte Pracht faſt überall von ſehr be— ſchränkter Dauer, da beſonders niedrige Plateau's, deren Boden aus Thonerde gebildet iſt, die meiſten Liliengewächſe tragen. Nur wäh— rend der feuchten Jahreszeit prangen dieſe Ebenen im bunteſten Blu— menſchmuck, der wie ein reichgefärbter Teppich ſich ausbreitet; in we— nigen Wochen iſt die ganze Pracht dahin, ſelbſt die Blätter halten ſich nur noch kurze Zeit, und beim Eintritt der Sommerhitze iſt jede Spur von Vegetation verſchwunden. Der Boden trocknet in ſo ho— hem Grade zuſammen, daß er die Härte gebrannter Ziegel erhält, und es wäre kaum zu begreifen, wie die Zwiebeln in dem brennend— heißen Thonboden ſich halten könnten, wenn ſie nicht durch eine Menge von Häuten gegen die verzehrende Gluth geſchützt wären. So halten ſie ſicher ihren Sommerſchlaf, bis beim Eintritt der naſſen Jahreszeit der Boden wieder angefeuchtet und die ſchlummernden Keime zu neuem Leben erweckt werden. 16. Die Lianen oder Schlingpflanzen. Wenn ſchon die lilienartigen Gewächſe ſehr häufig mehr zum Schmuck der übrigen Vegetation beitragen, als daß ſie an und für ſich auf den Charakter der Landſchaft Einfluß haben: ſo gilt dies in noch höherem Grade von den nun folgenden Formen, vor Allem von den Schlinggewächſen oder Lianen. Abhängig von den Gewächſen, welche ihnen zur Stütze dienen, können ſie als ſelbſtſtändige Grund— form unter den hier geſchilderten Pflanzengruppen nur inſofern eine Stelle einnehmen, als ſie allerdings die übrige Vegetation in ſo hohem Tigridia pavonia. 2 Amaryllis brasiliensis. A. formosissima. 16. Lianen oder Schlingpflanzen. 65 Grade verzieren, daß der Charakter derſelben durch fie eine Fülle von Leben und Ueppigkeit erhält, die dem Nordländer faſt vollſtändig fremd erſcheint. | Freilich fehlen unſeren nordiſchen Gegenden die Schlingpflanzen nicht ganz. Der Epheu, der an unſeren Waldbäumen emporklimmt; der Hopfen, welcher ſie in ziemlich bedeutender Höhe dicht umſchlingt; - unfere üppig wuchernden Zaunrüben! und die ſtrauchartigen Loni— ceren 2 mit ihren großen röthlich gefärbten Blüthenköpfen zeigen uns im Kleinen, was die Natur in dieſer Beziehung zu leiſten vermag und kommen unſerer Phantaſie mindeſtens zu Hülfe. Beſonders aber zeich— net ſich unſere große Zaunminde aus, die, wenn fie die höchſten Ge— ſträuche mit Ueppigkeit überzieht, durch ihr ſchön geformtes Blatt, ſo wie durch ihre großen weißen Blumen uns wohl den Eindruck vergegen— wärtigen kann, den die amerikaniſchen Trichterwinden + machen, wenn ſie die Kronen der höchſten Bäume durchziehen; während unſere zwerg— artige Aderwinde ° ſich damit begnügt, an ſchlanken Grashalmen em— porzuſteigen. Im ſüdlichen Europa geſellt ſich den Schlingpflanzen die Wein— rebe hinzu, deren 3—6 Zoll ſtarke Stämme mächtige Reben entwickeln, die die Gipfel der höchſten Bäume, ſelbſt der Pappeln erklimmen und nicht ſelten in prächtigen Guirlanden ſogar über die Landſtraßen ſich hinziehen *). Den mannigfaltigſten Reichthum indeß entfalten die Lianen der Tropenländer; ſie ſind es vor Allem, welche der Vegetation in den Urwäldern der Aequatorialzone die üppige Fülle von Leben und das Uebermaß der verſchiedenſten Geſtalten und Farben verleihen, wegen deren ſie ſo oft geprieſen werden. — In Mexico, Weſtindien, Peru und Braſilien find es die wundervollen Paſſionsblumen ° mit zierlich geſtalteten Blättern und großen ſchönen Blumen, deren zierlicher Schmuck der Form wie der mannigfaltigſten Farben ſchon in unſeren Treibhäuſern Jeden zur Bewunderung hinreißt. Dort klettern ſie auf die höchſten Bäume, wo drei Stunden nach dem Aufgange der Sonne die herrlichen Blumen ſich entfalten und ſchon am Abend ſich ſchlie— — [0202 Bryonia alba. 2 Lonicera Periclymenum. 3 Convolvulus sepium. Ipomoèa. 5 Convolvulus arvensis. 6 Passiflora. ) »Tratto tratto le due file d'alberi opposti erano congiunte da varj rami di vite selvatica, i quali incurvandosi formavano altrettanti festoni mollemente agitati dal vento del mattino.« — Ugo Foscolo, Ultime lettere di Jacopo Orts. 5 66 Charakterpflanzen. ßen, um zu verwelken. Aber jeden Tag entwickeln ſich neue Blüthen, ein ewig junger Schmuck der Tropenvegetation, der ſchwerlich ſeines Gleichen finden möchte. Ihnen geſellen ſich in Nordamerika, Weſtin— dien und am Orinoco die Trompetenreben ! hinzu, deren 2 — 3 Zoll lange, glockig-zweilippige Blumen in gelber, rother und violetter Farbe prangen. In Guyana ſind es goldgelbe Baniſterien, im heißen Ame— rika und Afrika zierliche Paullinien mit gefiederten Blättern und lan— gen weißen oder grünlichgelben Blüthentrauben, welche Bäume und Sträucher umſchlingen. Eine andere Form zeigen die Ariſtolochien mit großen herzförmigen Blättern und ſonderbar gekrümmten, wie türkiſche Pfeifenköpfe geſtalteten Blüthen 2 in Nordamerika, während eine andere Arts am Magdalenenſtrome ungeheure, purpurroth ge— färbte Blumen entwickelt, die eine Mündung von 16 Zoll Durchmeſſer und 4 Fuß Umfang haben, ſo daß die indiſchen Knaben ſie oft wie Mützen auf den Kopf ſetzen. Eben fo iſt der wilde Wein! Nord— amerika's zu erwähnen, deſſen Blätter, wenn ſie zur Herbſtzeit in dun— kelem Roth prangen, auch unſeren Gärten einen ganz intereſſanten Schmuck verleihen. — In der alten Welt dagegen ſind es die den Weinreben fo ähnlichen Cissus-Arten, mehrere Asclepiadeen 5 und einige Arten der Gattungen Aralia und Vitex, welche die Lianen der neuen Welt vertreten. In den braſilianiſchen Urwäldern wachſen die Lianen anfänglich als ſchwache Geſträuche ſenkrecht in die Höhe; haben ſie aber einen Baum erreicht, der ihnen zur Stütze dienen kann, ſo überziehen ſie den Stamm deſſelben nach allen Richtungen hin; ja ſie hören ſogar auf, ihre Nahrung aus dem Boden zu ziehen und leben fortan wie Schma— rotzergewächſe von dem Safte des Baumes, der ſie trägt. Beſonders merkwürdig iſt der eigenthümliche Trieb dieſer Gewächſe, ſich da, wo ſie bei der Berührung geritzt werden, ihrer Rinde zu entledigen und wie eine geſchmolzene Maſſe über ihre Unterlage auszubreiten. So fließen die einzelnen Aeſte der Paraſiten oft zuſammen; und wenn die urſprüngliche Wurzel nicht mehr Kraft genug hat, die Pflanzen zu ernähren, dann treiben ſie Luftwurzeln, die ſich zur Erde herabſenken. So erlangen dieſe zähen, lebenskräftigen Gewächſe eine Ausdehnung und Stärke, die oft im Stande iſt, die kräftigen Baumſtämme zu töd⸗ ten, an denen ſie emporklimmen. Haben ſie die Spitzen der Aeſte und Bignonia. Aristolochia Sipho. 3 A. cordiſolia. Ampe- lopsis quinqueſolia. Asclepias asthmatica, Hoya carnosa. 16. Lianen oder Schlingpflanzen. 67 Zweige erreicht, ſo daß ſie keine Stütze mehr finden, dann ſenken ſie ſich wieder herab und hangen in Schnüren von 30—50 Fuß Länge! von den Gipfeln hoher Mahagonybäume herunter. Der leiſeſte Wind verſetzt ſie in beſtändiges Schwanken; doch ſo wie ſie den Boden er— reicht haben, treiben ſie wieder Wurzeln und ſind dann ſenkrecht oder ſchräg oft ſo ſtraff angezogen, daß die Affen, ja ſelbſt die Tigerkatzen mit der größten Gewandtheit an ihnen auf- und abflettern. Selbſt rankende und kletternde Gräſer finden ſich in den Tropengegenden. Auf der Cordillere bei Loxa und Quindiu ſchlingt ſich eine Grasart ? um mächtige mit Orchideen gezierte Stämme, auf Java eine Bam— busart , und auf Neuſeeland find 200 Fuß hohe Nadelholzſtämme * mit duftenden Pandanens geſchmückt. In der alten Welt geſellen ſich den Lianen vorzugsweiſe die frü— her ſchon erwähnten Rohrpalmen hinzu. Eine außerordentliche Menge von Calamus-Arten findet ſich in den dichten Wäldern von Hinterin— dien und der benachbarten Inſeln, wo ſie nach allen Richtungen die Bäume durchziehen und mit einander verflechten, ſo daß es meiſt un— möglich iſt, die Enden dieſer gewaltigen Schlinggewächſe herauszufin— den. Oft unter einander verflochten, theils dünn und glatt, theils ſtark und kräftig, mit glänzenden Stacheln bewaffnet, ziehen ſie ſich wie mächtige Taue von Baum zu Baum, ſo daß ſie ſelbſt dem wü— thenden Orkan Trotz bieten. Nicht ſelten wuchern dieſe Schlingge— wächſe ſo übermäßig, daß die Bäume, die ihnen zur Stütze dienen, darüber zu Grunde gehen. Dann halten die feſt verflochtenen Lianen den modernden Stamm noch eine Zeit lang aufrecht, bis er endlich zuſammenſtürzt und die mächtigen Pflanzennetze, von wenigen Stäm— men gehalten, frei in der Luft ſchweben. 17. Die Pothosgewächſe. Wie die Lianen, ſo kommen auch die Pothosgewächſe oder Aroi— deen, wenigſtens die ächt tropiſchen Formen dieſer Gruppe, faſt nur als Schmarotzergewächſe auf der Rinde großer Bäume vor. Auf den Charakter der Vegetation haben ſie daher mehr einen verſchönernden Einfluß, und nur wo ſie geſellig bei einander ſtehen, geben ſie an Bauhinia guianensis. 2 Chusquea scandens. 5 Bambusa scandens. * Podocarpus dacıyoides. ° Freycinetia Banksı. 5 * 68 Charakterpflanzen. und für ſich ſchon der Gegend eine eigenthümliche Phyſiognomie. So wächſt unſer ſogenanntes Schlangenkraut“ in ſumpfigen Waldgegen— den an freien Stellen geſellig und überraſcht durch die außerordent⸗ liche Aehnlichkeit mit der ſchönen Calla aethiopica, die das Fenſter mancher Blumenfreundin ſchmückt. Der Hauptcharakter der Pothosgewächſe liegt in den großen, hell— grünen, zierlich geformten Blättern, die anfangs in ſchmale Tuten zu⸗ ſammengerollt, erſt ſpäter ihre edele Form entfalten, ſo wie in den prachtvollen, großen, glänzend weißen Blumenſcheiden, die einen läng— lichen Kolben voll kleiner, dicht gedrängt beiſammenſtehender Blüthen geheimnißvoll umſchließen. So ſchmücken fie als Paraſiten die tro— piſchen Baumformen, mit deren zierlichem Laube die üppige Ent- wickelung ihrer einfachen Formen den ſeltſamſten Contraſt bildet. Während die hübſche Calla palustris unſerer Sumpfgegenden bis in die nördlicheren Gegenden der gemäßigten Zone vordringt, herr— ſchen in den wärmſten Theilen derſelben vorzugsweiſe die Arum - Ar- ten ?, die bis zur Halbinſel Iſtrien vordringen. Aecht tropiſche For— men dagegen find die Gattungen Pothos, Caladium und Dracontium. Saftige, krautartige Stengel ſtrecken große, ſtarkgeaderte Blätter em— por, die bald länglich oder pfeilförmig, bald fingerförmig gelappt oder ſelbſt fiederſpaltig erſcheinen. Gerade die Blattentwickelung iſt es, auf welche bei dieſen Gewächſen die Kraft der Pflanze ſich vorzugsweiſe richtet, und die aus dieſem Grunde auch beſonders das Intereſſe des Beſchauers in Anſpruch nimmt. Bei manchen Arten? iſt dieſe Ent— wickelung ſo mächtig, daß die Blattmaſſe nicht mehr zuſammenhält, ſondern an mehreren Stellen länglich- runde Oeffnungen zeigt, eine bei den großen zierlich geſtalteten Blättern höchſt intereſſante Erſchei— nung, die in unſeren Treibhäuſern ſogleich die Aufmerkſamkeit jedes Eintretenden erregt. Die auf der Erde wachſenden Pothosgewächſe mit Knollenwur— zeln, die in den Tropen zu den wichtigſten Nahrungsmitteln gehören, werden nicht beſonders groß. Charakteriſtiſcher ſchon ſind die klettern— den , welche als Paraſiten die alternden Stämme der Waldbäume bekleiden und nach allen Richtungen ihre Luftwurzeln ausſtrecken, mit denen ſie die Feuchtigkeit der an Dünſten ſo reichen Atmoſphäre auf— ſaugen. Aber auch rieſige Formen giebt es unter dieſen Gewächſen, Calla palustris. 2 Arum italicum, A. Dracunculus, A. tenuifolium. ® Dracontium pertusum. * Pothos scandens. 17. Pothosgewächſe. 69 wie das baumartige Caladium ', deſſen 15 — 20 Fuß hohe Stämme, mit großen pfeilförmigen Blättern gekrönt, in dichten Reihen die Ufer ſtehender Gewäſſer in Brafilien und Weſtindien einſchließen. 18. Die Orchideen. Von dieſer reichen und höchſt intereſſanten Familie ſind ſchon mehr als 3500 Arten bekannt. In der neueren Zeit werden ſie in unſeren Gewächshäuſern mit ſo großer Vorliebe gezogen, daß die Anzahl der gegenwärtig in Europa cultivirten Orchideen ſich auf 2360 Arten beläuft. Beſonders iſt es die große Mannigfaltigkeit in der Form ihrer Blüthen, ſo wie die üppige Pracht der Farben, wo— durch ſie ſich vor anderen Gewächſen auszeichnen und das lebhafteſte Intereſſe in Anſpruch nehmen. In unſeren kälteren Gegenden wachſen ſie ai auf der Erde, und wenn ſie auch keinesweges die Farbenpracht der tropiſchen Formen dieſer Familie erreichen, ſo ſind doch ihre Blüthen ſo mannigfach ge— ſtaltet, daß dieſe Verſchiedenheit allein ſchon die Aufmerkſamkeit in hohem Grade feſſelt. Die Orchisarten, welche unſere feuchten Wieſen ſchmücken, entwickeln aus ihren Wurzelknollen mehr oder weniger lan— zettförmige Blätter, die hellgrün und glänzend, oft auch ſchwarz ge— fleckt erſcheinen und tragen auf dem ſchlanken Schaft walzige, eirunde, oder pyramidenförmige Aehren, deren ſeltſam und zierlich geſtaltete Blüthen weiß, fleiſchfarbig oder purpurroth gefärbt, hin und wieder auch niedlich gefleckt ſind. Einige Arten, wie die helmblüthige ?, find von überraſchender Schönheit. Eben ſo zeichnen ſich die ſchlanke Her— minie 3 mit gelblichgrünen Blümchen und die lebhaft grün gefärbte Senabenmwurz * mit lockerer Blüthenähre und weißlich grünen Blumen, die unſere trockenen Waldwieſen ſchmückt, durch Zierlichkeit der Ge— ſtalt aus. In ſüdlicheren Gegenden zeigen ſich ſchon üppigere For— men, wie der ſogenannte Srauenjchuh ’, deſſen Blüthe eine hellgelbe, purpurroth punktirte Lippe hat, die vorn beutelförmig aufgeblaſen iſt. Am nächſten aber kommen den tropiſchen Orchideen die ſüdeuropäi— ſchen Ophrys-Arten, deren inſectenähnlich geſtaltete Blüthen ſchon lange ein Gegenſtand der Aufmerkſamkeit geweſen ſind. Schon die Caladium arborescens. 2 Orchis militaris. 3 Herminium Monor- chis. * Platanthera bifolia. ° Cypripedium Calceolus. 70 Charakterpflanzen. Namen“, welche man den einzelnen Arten gegeben hat, deuten dies an. Die mückenförmige? hat ſchwarzpurpurrothe Blüthen, die einer hangenden Fliege nicht unähnlich find, indem die ſammetartige Wöl—⸗ bung den Leib und die beiden borſtenförmigen Blumenblätter die Fühlhörner vorſtellen; die ſpinnenförmige ? mit 3 — 5 Blüthen, die, merkwürdig gefleckt und geringelt, wie eine Spinne ausſehen; ja ſogar eine menſchenförmige , deren 20 — 30 ſchlanke Blüthen in langer dünner Aehre, die auffallendſte Geſtalt haben, kommt auf den feuch— ten Bergwieſen Süd-Deutſchlands vor. Der geſchloſſene Kelch bildet mit 2 Blumenblättern einen grünlichen Kopf mit purpurrothem Saum, der mittlere Theil den ſchwefelgelb gefärbten Leib, die 2 Lappen der Lippe die Arme und der langgeſpaltene Mittellappen die Füße, welche wie die Arme roth gefärbt erſcheinen. Weit großartigere Formen entwickeln jedoch die Orchideen der Tropen, wo ſie nicht- nur auf dem Boden, ſondern weit mehr noch als Schmarotzergewächſe auf der Rinde der Bäume vorkommen, an der ſie ſich mit großen weißen Luftwurzeln feſthalten. Ueberall, wo die Atmoſphäre reich an Feuchtigkeit iſt, kommen ſie vor, ſo daß ſie in der heißen Zone ihr Maximum erreichen; ſelbſt als Alpengewächſe ſind ſie auf den Cordilleren in Neu-Granada und Quito in einer Höhe von faſt 10,000 Fuß gefunden worden. Die japanischen Dendrobien ° mit ſchuhlangen Grasblättern ha— ben 12 Zoll lange, ſechsblättrige röthlich-weiße Blüthen faſt wie die der Bohnen. — Auf den hohen Bäumen Oſtindiens ſitzen in den kleinſten Ritzen und Winkeln der Aeſte und wo ſich ſonſt nur etwas Erde angeſammelt hat, zierliche Epidendren °, deren dünne verzweigte Stengel herabhangen und weiße Blumen von der Größe der Nareiſſen tragen, während ihre zahlreichen ſchnurförmigen Luftwurzeln ſich lang an den Bäumen hinauf winden. — Die Brotbäume prangen mit den wundervollen Luftblumen. Eine oſtindiſche Art? hat einen wenige Zoll langen Stengel, der mit etwa 12 ſchmalen, ſchwertförmigen, ſchuhlangen Wurzelblättern umgeben iſt. Dutzendweiſe kommen ſchlanke Aehren wie beim Fuchsſchwanz aus den Blattwinkeln hervor, und die großen ſchönen Blumen, von weißer Farbe, mit rothen und blauen Flecken geſprenkelt, hangen auf zurückgebogenen Stielen. Ueberdies ' Ophrys aranifera, O. apiſera. 2 O. myodes. 3 O. arachnites. 1.05 anthropophora. 5 Dendrobium moniliforme. 6 Epidendrum ama- bile; andere Arten in Weſtindien.“ Körides retusa. 5.70 h. Ant. v. L.Kraatz in Berlin LI 57 VE Rr a mer GRUPPE VON ORCHIDEEN. 18. Orchideen. 71 wird der Reiz der Geſtalt und Farbe noch durch den lieblichſten Wohl— geruch erhöht. Noch merkwürdiger erſcheint die ſpinnenförmige Luft— blume " in Japan. Die eitronengelben Blüthen mit 2 Zoll langen Blumenblättern ſind dicht mit großen, prächtig purpurfarbigen Flecken geſcheckt und ſehen faſt wie Scorpione aus. — In der glänzendſten Pracht erſcheinen auf den Bäumen Oſtindiens die Vanda-Arten. Die ſpatelförmige? trägt zwiſchen ihren zahlreichen fleiſchigen Blättern große goldgelbe Blumen in langen Achſeltrauben, und die beſchrie— bene 3 mit Blüthenähren wie bei den Hyaeinthen hat Blumen von der ſonderbarſten Färbung. Fünf elliptiſche, gelblichgrüne Kronen- blätter ſind mit rothen oder braunen Flecken, gleich hebräiſchen Buch— ſtaben beſäet, während aus der bläſſeren krauſen Lippe mit braunen oder purpurrothen Strichen ein breiter Griffel hervorragt. Dieſe herr— lichen Blumen ſtehen in Oſtindien in ſo hohem Anſehen, daß Leute geringeren Standes fie nicht anzurühren wagen. Die moluckiſchen Fürſtinnen geſtatten nur den adeligen Frauen, ihr Haar mit dieſen Blumen zu ſchmücken, zu welchem Zweck dieſelben beſonders aus den Wäldern geholt werden. Sclavinnen, die es wagen, ſolchen Schmuck anzulegen, ſind Mißhandlungen ausgeſetzt, „denn die Natur deutet ſchon durch die erhabene Stellung, die fie dieſen Prachtblumen gege— ben, hinlänglich an, daß nur hochgeſtellte Perſonen mit ihnen ſich ſchmücken dürfen.“ — Nicht minder zierlich erſcheinen die Kahnblu— men * in Oſtindien mit 3—4 Fuß hohen, ſchwarz und gelb geringel— ten, rohrartig gegliederten Stengeln und vielen Aehren, deren jede etwa ein Dutzend weißer Blumen mit rother Lippe trägt. Fünf Mo⸗ nate lang dauert die Pracht, während welcher Zeit keine Blume welkt. Auch die rieſige Kahnblume ° mit mannshohem Schaft und großen hochgelben Blumen, die am Vorgebirge der guten Hoffnung auf dem Boden wächſt, iſt als eine der ausgezeichnetſten Formen zu erwähnen. — Eben ſo dürfen wir die Vanille nicht vergeſſen, die mit ihren hellgrünen ſaftvollen Blättern und vielfarbigen Blüthen von wunder— vollem Bau im heißen Amerika auf die Gipfel der höchſten Bäume klettert, und deren Schoten uns das bekannte, äußerſt aromatiſche Ge— würz liefern. Doch genug von der Pracht dieſer ausgezeichneten Pflanzenform, deren Schilderung auf die Dauer nur ermüden würde. Da, wo ſie 1 19 . 5 . / Aörıdes arachnites. 2 Vanda spatulata. V. scripta. * Cym- bidium ovatum. ° Cymb. giganteum. 6 Vanilla aromatica. 72 Charakterpflanzen. wachſen, fühlt man von dieſer Ermüdung nichts; denn ſie beleben dort die Baumſtämme, die durch den Einfluß der Feuchtigkeit und der brennenden Sonnenhitze auf ihrer Oberfläche wie verkohlt erſcheinen, eben jo wie die ödeſten Felsſpalten; fie wechſeln ab mit den großar⸗ tigen Pothosgewächſen und mit den ſchlanken Lianen, ſo wie mit den zartblättrigen Farrnkräutern, welche alle gemeinſchaftlich zur Ver— zierung der Tropenwälder beitragen; bald erſcheinen ſie wie geflügelte Inſecten, bald wie zierliche Vögel, die, angelockt vom Duft der Ho— niggefäße, auf ſchlanken Stengeln ſich ſchaukeln, und „das Leben eines Malers würde nicht ausreichen, um alle die prachtvollen Orchideen abzubilden, welche auch nur einen beſchränkten Raum der tief ausge— furchten Gebirgsthäler der peruaniſchen Andeskette verzieren.“ *) 19. Die Mooſe. So wie in den tropiſchen Gegenden die Rinde der Bäume und die Spalten der Felſen mit großblättrigen Pothosgewächſen und zier— lichen Orchideen beſetzt ſind, ſo erſcheinen in unſeren Gegenden dafür die Mooſe und Flechten und zeigen uns das Bild der üppigen Tro— penvegetation in verkleinertem Maßſtabe. Die Mooſe an und für ſich ſind freilich nur unanſehnliche Pflänzchen. Ein dünner Stengel, der meiſt nur 1— 2 Zoll Länge hat, iſt von oben bis unten mit ganz einfachen Blättern beſetzt, und auch die Früchte ſind von geringer Ausbildung. So können fie nur da einen Einfluß auf die Phyſio— gnomie der Vegetation ausüben, wo ſie geſellig neben einander wachſen. Sie lieben die Feuchtigkeit und kommen in den ſchattenreichen Wäl— dern der gemäßigten Zonen weit häufiger vor, als in den heißen Ge— genden der Erde. So bedecken ſie bei uns die Rinde der Bäume und bilden weite Raſenflächen auf der Erde, wie das bekannte Torfmoos !, welches ganze Sümpfe austrocknet, indem es ihr Waſſer einſaugt und wieder verdunſten läßt. An ſolchen Stellen aber, die feucht bleiben, bilden ſie dichte Raſenmaſſen, in denen ſelbſt andere Pflanzen wieder wurzeln können. Eben ſo häufig erſcheint der graugrüne Gabelzahn ?, und ſelbſt trockene Stellen, wie das Strohdach der ländlichen Woh— nung und große Steine an ſelten betretenen Orten ſind oft ganz mit Sphagnum obtusifolium, Sph. cuspidatum. Dicranum glaucum. *) A. v. Humboldt. 19. Mooſe. 73 einer dichten Moosdecke überzogen. Ueber 800 Arten von eigentlichen Mooſen ſind bis jetzt bekannt. Sie gehören zu den erſten Pflanzen, welche den Boden neu entſtehender Länder mit Grün überziehen und ſind die letzten, welche verſchwinden, wenn es der Atmoſphäre an Feuchtigkeit fehlt, um die Pflanzen zu ernähren. Den Uebergang von den Mooſen zu den Flechten bilden die ſo— genannten Lebermooſe, von denen etwa 250 Arten bekannt find. Un— ter ihnen zeichnen ſich beſonders die niedlichen Jungermannien! aus, deren niederliegende Stengel mit horizontal ausgebreiteten Blättern beſetzt ſind, die in mehreren Reihen ſtehen. Mit ihrem reichen, glän— zenden Grün, das die Flechten nie bekommen, ſchmücken ſie in den Tropen die Stämme und Blätter ſelbſt der Schmarotzergewächſe und verleihen denſelben durch ihre außerordentlich zierliche Geſtalt einen ganz befonderen Charakter von Schönheit. 20 Die Flechten. Die Flechten erſcheinen bald als loſer, bunter Staub, bald kru— ſtenartig, oder als hautartige, lappige Gebilde, welche auf ihrer Ober— fläche mit Fruchtträgern beſetzt ſind, die in der Form von kleinen Schüſſeln, Scheiben, Warzen oder Köpfchen auftreten. Meiſt von bunter Färbung, überziehen ſie die Rinde der Bäume, wie die ſo häufige dunkelgelbe Schüſſelflechte ?, oder auch die Abhänge der Felſen, denen ſie oft ein höchſt angenehmes Colorit verleihen. Einen über— raſchenden Eindruck machen die langgeſtreckten Bart ® und Aſt⸗ Flechten, die buſchig oder fadenähnlich, oft ſehr lang verzweigt von den Stämmen und Zweigen der Bäume herabhangen; aber einförmig im höchſten Grade wird der Eindruck, wenn ſie in großen Maſſen den Boden überziehen, wie die Nabelflechte °, die Rennthierflechte 6 und das isländiſche Moos, welche in nordiſchen Gegenden oft ganze Strecken Landes ſo dicht bedecken, daß keine andere Pflanze zwiſchen ihnen aufkommen kann. Die Flechten bilden eine reiche Familie von nahe an drittehalb Tauſend Arten. Die ſtaubartigen ſind die erſten Pflanzen, welche die kahlen Felſen neu entſtandener Inſeln mitten im Ocean bekleiden. Zur Zeit der Dürre iſt die Lebensthätigkeit dieſer Jungermannia tomentella. 2 Parmelia parietina. 3 Usnea bar- 8 P bata. * Ramalina pollinaria, K. calicaris. ° Gyrophora. ° Genomyce rangiſerina. Cetraria islandica. 74 Charakterpflanzen. Gewächſe ganz aufgehoben; ſo wie die feuchte Witterung aber eintritt, beginnt ſie von Neuem. Ihrer mehlreichen Beſchaffenheit wegen lie— fern ſie den Thieren und in Zeiten der Noth ſelbſt dem Menſchen je— ner unwirthlichen Gegenden eine kümmerliche Nahrung. Ueberblicken wir noch einmal die Reihe von Pflanzenformen, die wir ſo eben betrachtet haben, ſo drängt ſich gewiß Jedem der Wunſch auf, ein entſprechendes Werk von Abbildungen zu beſitzen, welches die geſchilderten Formen ſowohl einzeln, als in ihren gegenſeitigen Con— traften vorführte, um auch mit dem leiblichen Auge noch einmal die Reihe mannigfaltiger Bilder zu überſchauen, welche eine lebendige Phantaſie ſich geſchaffen. Bis ein Werk dieſer Art ins Leben tritt, zu welchem landſchaftliche Studien in allen Ländern der Erde noth— wendig ſind, müſſen wir uns mit dem begnügen, was unſere gegen— wärtige Gartenkunſt uns in Treibhäuſern und in Parkanlagen darzu— bieten vermag. Und allerdings iſt in dieſer Beziehung ſchon viel Schätzenswerthes geſchehen, beſonders ſeitdem die engliſche Garten— kunſt *) dem verdorbenen franzöſiſchen und holländiſchen Geſchmack ein Ende gemacht und ſich nach der Mitte des 18ten Jahrhunderts auch in Deutſchland und Frankreich ausgebreitet hat. Damals wurde die Symmetrie aufs Aeußerſte getrieben. Gerade beſchnittene Hecken, Baumpflanzungen nach der Schnur waren faſt das Einzige, was man erblickte. Nicht nur die Bäume wurden kubiſch, pyramidaliſch und kegelförmig beſchnitten, beſonders bei den Holländern; ſondern ſelbſt in der Anlegung von Blumenbeeten herrſchte die Neigung, der Natur Gewalt anzuthun. So wie der engliſche Geſchmack aber mit dem Beſtreben hervortrat, dem Garten etwas von der Einfachheit der um— liegenden Landſchaft und dieſer etwas von der Zierlichkeit des Gartens zu geben, als die alten Ziergärten verſchwanden und dafür die Luſt— anlagen **) Mode wurden — da reichten ſich Kunſt und Natur ver⸗ ſöhnt die Hand, die Kunſt war wieder zur Natur, die Natur zur Kunſt im edelſten Sinne des Worts geworden. Jetzt macht es ſich die Gar— tenkunſt zur Aufgabe, Harmonie und Disharmonie in der Natur zu unterſcheiden, den Charakter jeder Gegend kennen und brauchen zu lernen; ſie lernt von der Natur. Wenn die blendend weißen Stämme ) Landscape gardening. ur ) pleasure grounds. Charakterpflanzen. 75 der Hänge-Birken neben niederem Gehölze mit dunkelem Laube ſtehen, die zarte Zitterpappel neben der kräftigen, ehrwürdigen Eiche empor⸗ ſtrebt, ſo entſtehen die anmuthigſten Contraſte. Und wie überraſchend iſt der Anblick, wenn am Saume eines dichten Buchenwaldes, der ernſt und ſchweigend daſteht, ein paar einzelne Birken erſcheinen, deren ſchlanke, herabhangende Zweige der leiſeſte Wind in Bewegung ſetzt, oder am Rande des dunkelen Eichwaldes die merkwürdige Zitterpappel erſcheint, deren eigenthümlich geſtielte Blätter faſt nie zur Ruhe kom⸗ men. Das Studium ſolcher Eindrücke macht den Gartenkünſtler zum Landſchaftsmaler, und ſein Beſtreben iſt dahin gerichtet, nur ſolche Pflanzen zuſammenzuſtellen, die in ihrer Vereinigung durch Form, Gruppirung, Perſpective und Harmonie der Farben ein beſtimmtes äſthetiſches Gefühl zu erregen fähig ſind. Es iſt der Odem des menſchlichen Geiſtes, der in unſeren Parkanlagen die Natur durchweht und ſie verklärend durchdringt. Wenn auf dieſe Weiſe ſchon unſere einheimiſchen Gewächſe aus— reichen, um vor unſeren Augen die ſchönſten maleriſchen Bilder zu entfalten, ſo wird die Anmuth derſelben noch erhöht durch das Be— ſtreben, unſere vaterländiſche Vegetation mit den Erzeugniſſen fremder Erdtheile zu ſchmücken. Und in dieſer Sphäre beſonders kann das Studium der aufgeführten charakteriſtiſchen Pflanzenformen veredelnd auf die Gartencultur einwirken. Wenn wir aus der Mitte einer mit großblättrigen Aroideen umkränzten Gruppe von Blumenrohren die ſchlanke Maisſtaude ſich erheben ſehen, ſo mag ſich unſere Phantaſie das reizende Bild mächtiger Piſanggebüſche ausmalen, wie ſie von hohen Bambusgräſern beſchattet werden. Wenn unſere kräftigen Eichenſtämme mit zierlichen Gruppen einheimiſcher Farrnkräuter um- kränzt erſcheinen, ſo mögen wir uns das Bild der mexicaniſchen Lor— beereiche vergegenwärtigen, über welche die zartgewebten Blätter ſchlan— ker Baumfarrn ſich ausbreiten. Viele der tropiſchen Gewächſe jedoch bleiben dem Bewohner nordiſcher Gegenden gänzlich unbekannt; denn gerade die ausgezeichnetſten Formen, die hochſtämmigen Palmen, die herrlichen Piſanggewächſe, die baumartigen Gräſer und beſonders die feingefiederten Mimoſen und baumartigen Farrn erſcheinen in unſeren Treibhäuſern immer ſchwach und kränklich und ſind kaum im Stande, ein Bild von der majeſtätiſchen Vegetation zu gewähren, die unter dem glühenden Sonnenſtrahl des tropiſchen Himmels ſich entfaltet. Aus einer genaueren Kenntniß unſerer einheimiſchen Formen jedoch verbunden mit den mannigfaltigen Mitteln, welche die Gewächshäuſer, 76 Charakterpflanzen. die Kunſt des Malers und die lebendige Schilderung talentvoller Nei- ſebeſchreiber uns gewähren, ſind wir im Stande uns die Eindrücke zuſammenzuſetzen, die die Pflanzenwelt in den verſchiedenen Gegenden der Erde uns darbietet. „Im kalten Norden, in der öden Heide kann der einſame Menſch ſich aneignen, was in den fernſten Erdſtrichen erforſcht wird, und ſo in ſeinem Innern ſich eine Welt ſchaffen, welche das Werk feines Geiſtes iſt, frei und unvergänglich wie dieſer.“ ) *) A. v. Humboldt. Dweiter Abſchnitt. Betrachtung derjenigen Eulturgewächfe, welche im Gro⸗ Gen angebaut werden und durch ihre weite Verbreitung weſentlich auf die Umgeſtaltung des urſprünglichen Vegetationscharakters einer Gegend einwirken. Woebrend der vorige Abſchnitt uns eine Reihe von Bildern vor— führte, wie ſie die Natur auf die Oberfläche unſerer Erde hingezaubert hat, betrachten wir nun die Umgeſtaltung, welche die Vegetation er— fahren hat, inſofern der Menſch mit ihr in Berührung getreten iſt. Der Menſch bekundet ſeine Herrſchaft über die Pflanzenwelt nicht minder, als über die thieriſche Schöpfung und über die unorganiſche Natur. Die urſprüngliche Vegetation einer Gegend iſt jedenfalls rei— cher an Arten, denn da wo die Cultur Fortſchritte macht, verſchwinden die Fundörter ſeltener Pflanzen einer nach dem andern; die urſprüng— liche Vegetation muß allmälig denjenigen Gewächſen weichen, welche der Menſch zu ſeiner Nahrung und zu anderen Zwecken anbaut; und wo die Bevölkerung dicht zuſammengedrängt iſt, da verliert die Natur ihren urſprünglichen Charakter ganz und gar. Somit iſt die Betrachtung der Culturgewächſe als ein höchſt we— ſentlicher Theil der Pflanzengeographie anzuſehen, welche es ſich zur Aufgabe macht, das Vaterland dieſer Pflanzen zu erforſchen, zu un— terſuchen, wie ſie ſich allmälig weiter verbreitet haben und darzuſtellen, in welchem Umfange ſie in der Gegenwart angebaut werden. Dieſe Unterſuchungen ſind zum Theil mit großen Schwierigkeiten verbunden, da die meiſten Culturpflanzen gar nicht mehr wild wachſend ange— troffen werden. In ſolchen Fällen müſſen dann die hiſtoriſchen Nach— richten zu Hülfe genommen werden, um das urſprüngliche Vaterland einer Pflanze zu ermitteln; und wo auch die nicht ausreichen, kann — 78 Zweiter Abſchnitt. man oft nur durch Schlüſſe zu einem Reſultat gelangen. So iſt z. B. der Raps wild wachſend nicht mehr zu finden, doch wenn ſich von allen außereuropäiſchen Ländern nachweiſen läßt, daß er dort ſeine Heimath nicht haben kann, ſo muß Europa als das Vaterland dieſer Pflanze angeſehen werden. Eine höchſt wichtige Thatſache für dieſe Unterſuchungen iſt die, daß das Verwildern einer Culturpflanze eine äußerſt ſeltene Erſcheinung iſt, und wo ſie vorkommt, die veredelte Frucht verſchwindet. Das Vaterland der meiſten nützlichen Früchte iſt der Orient, die Gegenden von dem mittelländiſchen Meere bis an die Kette des Himalaya; dort iſt alſo, übereinſtimmend mit den hiſto— riſchen Nachrichten, die natürliche Wiege des Menſchengeſchlechts, ſo wie der meiſten nützlichen Thiere. Von dort aus ſind die wichtigſten Nahrungspflanzen, wie die Getreidearten und viele Futterkräuter faſt ohne Unterbrechung weitergewandert, während die minder unentbehr— lichen an verſchiedenen Orten der Erde ſich finden, die oft weit ge— trennt von einander liegen, ſo daß nur der Zufall ſie von einem Orte zum andern geführt haben kann. Mit dem Ackerbau und der Cultur der nutzbaren Gewächſe ſteht der Wohlſtand ganzer Völkerſchaften in dem innigſten Zuſammenhange; daher iſt es denn nicht zu verwun— dern, daß der Anbau der wichtigſten Nahrungspflanzen ſich in einem Umfange erweitert hat, der faſt die ganze bewohnte Erde umfaßt. Seit den älteſten Zeiten haben einzelne Gewächſe den Menſchen von einem Ende der Erde bis zum andern begleitet. So haben in der alten Welt die Römer den Weizen, die Griechen den Weinſtock, die Araber die Baumwolle weiter geführt, und in Amerika ſind der Mais, die Batate und die Quinoa augenſcheinlich den Wanderungen ein- zelner Völkerſtämme gefolgt. Die koſtbarſten Erzeugniſſe haben wir aus den Gegenden erhalten, welche zwiſchen dem Euphrat und dem Indus, zwiſchen dem Caspiſchen und ſchwarzen Meere und dem Per— ſiſchen Meerbuſen gelegen ſind. Perſien verdanken wir den Nußbaum und die Pfirſich, Armenien die Aprikoſe; aus Syrien ſind die Feigen, der Granatbaum, der Oelbaum, der Pflaumen- und der Maulbeer- baum nach Europa gekommen, und Kleinaſien hat uns den Kirſch— baum und die ächte Kaſtanie geliefert. Es bedurfte kaum eines Jahr: hunderts, da war der Kirſchbaum von Italien nach Frankreich, Eng— land und Deutſchland verbreitet und überall eultivirt. So wirkt der Menſch umgeſtaltend auf die Pflanzendecke der Erde ein. Gewächſe der entlegenſten Gegenden der Erde verſammelt er um ſich. Der Kirſchbaum Kleinaſiens wächſt am Rande der Felder, die Culturgewächſe. 79 mit der amerikaniſchen Kartoffel bedeckt ſind; die Maisſtaude Süd— amerika's gedeiht neben der Gerſte Aegyptens; Kürbiſſe und Gurken aus dem entlegenſten Aſien erblicken wir im Schatten des deutſchen Apfelbaumes. In den europäiſchen Niederlaſſungen Oſt- und Weit Indiens gedeiht das Zuckerrohr aus dem fernen China neben dem Kaffeebaume Arabiens, die Tabakspflanze Amerika's neben der Indi— goſtaude aus Afrika, und eine Menge anderer Gewächſe, die theils der öſtlichen, theils der weſtlichen Halbkugel angehören, ſtehen dicht bei einander. So ruft die Betrachtung dieſer Gewächſe eine Menge Erinnerungen hervor; ſie verſetzt uns in vergangene Jahrhunderte, und vor unſeren Augen ſehen wir die entlegenſten Räume wie die fernſten Zeiten einander nahe gerückt. Der Menſch, wie er ſich über die ganze Erde verbreitet hat, wird auch Herr der ganzen Erde und gebietet über alle ihre Erzeugniſſe. Doch während Alles in der Natur ſich verändert, bleibt ſie ſelbſt unveränderlich. Die Gewalt, die der Menſch über die Standörter der Pflanzen ausgeübt hat, hat ihr Weſen nicht umgewandelt. Die Kartoffel, welche in den Ebenen Sibiriens ge— baut wird, trägt dieſelben Blüthen wie die auf den Hochebenen Pe— ru's; und die Gerſte, mit welcher die Griechen ihre Pferde fütterten, iſt unzweifelhaft dieſelbe, welche gegenwärtig unſere Felder bedeckt. Weder die Länge der Jahrhunderte noch die Veränderung des Klima's und der urſprünglichen Heimath ſind im Stande, die Natur der Ge— wächſe zu ändern. So haben denn durch die raſtloſe Thätigkeit des Menſchen die Culturpflanzen das Uebergewicht über die wild wachſenden erhalten, jedoch nur in denjenigen Theilen der Erde, wo die Bevölkerung in bedeutendem Grade gewachſen iſt und die Civiliſation einen gewiſſen Grad von Vollkommenheit erreicht hat. Nichtsdeſtoweniger giebt es noch unter allen Himmelsſtrichen Gegenden, wo die vegetabiliſche Decke der Erde ihren jungfräulichen Charakter bewahrt hat und eine Vergleichung der urſprünglichen Vegetation mit der künſtlich hervor— gerufenen zuläßt. Am meiſten jedoch tritt der unveränderte Vegeta— tionscharakter in den Tropengegenden auf. Dort reicht die Menſchen— kraft nicht hin, um eine Vegetation zu bewältigen, die ſeinem Auge den Boden verbirgt und oft ihm kaum den Blick zum Himmel ge— ſtattet. Während unſere europäiſchen Länder ſo oft den Charakter der Eintönigkeit zeigen, beſonders wo die bebauten Felder mit mathema— tiſcher Regelmäßigkeit ſich aneinander reihen, zeigt die Natur in den Aequatorialgegenden jenen wilden und majeſtätiſchen Charakter, auf 80 Culturgewächſe. den die Anſtrengungen des menſchlichen Fleißes bis jetzt ohne Einfluß geblieben ſind. So viel nun der Menſch auch über die Ausbreitung der Gewächſe vermag, ſo iſt dieſe Herrſchaft doch keine unbeſchränkte. Gewiſſe Ge— ſetze, die in der Natur der Pflanzen begründet ſind, ſtecken ihm auch hier die Grenzen ſeines Wirkens. Als die weſentlichſten dieſer Ge— ſetze möchten folgende zu betrachten ſein: 1. Der Verbreitungsbezirk einer Pflanze iſt um ſo größer, je nie— driger der Grad ihrer Entwickelung iſt, ein Geſetz, welches ſich in auf— fallendſter Weiſe an den Cerealien beſtätigt. 2. Die Pflanzen nordiſcher Gegenden laſſen ſich viel weiter nach den wärmeren Zonen verbreiten als umgekehrt die tropiſchen Gewächſe nach den kälteren Gegenden, wobei natürlich die hohen Gebirge heißer Länder beſonders in Betracht zu ziehen ſind. 3. Solche Pflanzen, die von Natur ſchon einen ſehr ausgedehnten Verbreitungsbezirk haben, können auch durch die Cultur viel weiter geführt werden, während diejenigen, die von Natur auf einen kleinen Raum der Erde beſchränkt ſind, ſich gewöhnlich nur ſchwer verpflan— zen laſſen. Nach dieſen vorläufigen Bemerkungen gehen wir zur Betrachtung der einzelnen Culturgewächſe über, die wir nach Meyens Vorgange in folgende fünf Hauptgruppen unterſcheiden. J. Die Getreidearten oder Cerealien. II. Die Pflanzen mit Knollenwurzeln. III. Die hauptſächlichſten Baumfrüchte, welche zur allgemeinen Nahrung der Völker dienen. IV. Pflanzen, deren Faſern und Wolle zur Bereitung von Zeu— gen und anderen nützlichen Gegenſtänden gebraucht werden. V. Culturpflanzen, welche mehr oder weniger zum Vergnügen oder zum Luxus dienen. I. Die Getreidearten oder Cerealien. Ueberblickt man die ganze Reihe der Culturpflanzen, welche die pflegende Hand des Menſchen auf der Erde zieht, ſo muß es zunächſt auffallen, daß der Menſch ſich gerade die Gräſer ausgeſucht hat, um durch den Anbau derſelben ſein hauptſächlichſtes Nahrungsmittel zu \ Getreidearten. 81 gewinnen. Denn obgleich die mehlreiche Beſchaffenheit der Samen, die ſich zugleich mit Leichtigkeit längere Zeit hindurch aufbewahren laſſen, fie zu dem genannten Zwecke beſonders geeignet macht; ſo iſt doch auch bei der Kleinheit der Körner die Cultur größerer Maſſen mit vieler Mühe verbunden. Wären unſere Getreidearten im wilden Zuſtande einzeln und zerſtreut gewachſen, ſo ließe ſich dieſe Erſchei— nung ſchwer erklären, indeſſen mag es ſich damit vor dem Beginn aller Cultur wohl eben ſo verhalten haben wie noch heutiges Tages mit anderen ähnlichen Pflanzen. In Braſilien giebt es noch gegen— wärtig am Rio Madeira wilde Reisfelder, deren reife Samen von den dortigen Bewohnern regelmäßig eingeſammelt werden. Eben ſo wächſt in unſeren Gegenden das gemeine Mannagras! am Ufer fte- hender Gewäſſer und auf feuchten Wieſen. Wo die Pflanze mehr einzeln wächſt, bleibt ſie meiſt unbeachtet; in den öſtlicheren Gegen— den Norddeutſchlands aber, beſonders in den Niederungen der Weichſel, tritt ſie in größeren Maſſen auf, und dort werden ihre Samen gleich— falls eingeerntet, die unter dem Namen der Schwadengrütze allgemein bekannt ſind. — So möchte der Annahme wohl nichts entgegenſtehen, daß auch unſere Getreidearten in ihrem Vaterlande urſprünglich ge— ſellig gewachſen ſeien, und daß der künſtliche Anbau derſelben wohl nur eine Nachahmung der natürlichen Saatfelder geweſen iſt. Die wichtigſten Getreidearten, welche in Europa und dem an— grenzenden Aſien gebaut werden, ſind der Weizen, der Spelz, der Roggen, die Gerſte und der Hafer; in den ſüdlicheren Gegenden, ſo wie im öſtlichen Aſien werden dagegen der Reis und mehrere Hirſe— arten cultivirt; in Afrika iſt die ſogenannte Mohrenhirſe das wich— tigſte Getreide, und in Amerika wird allgemein der Mais gebaut. In Indien wird außerdem noch eine Eleuſine ? und in Abeſſinien eine Art Rispengras gezogen und die Samen derſelben gegeſſen. Der Mais liefert unter ihnen allen den größten Ertrag, und ſeine Cultur koſtet zugleich die wenigſte Mühe; demnächſt folgt der Reis und dann erſt die übrigen Getreidearten. Eine der intereſſanteſten Fragen iſt die, in welcher Gegend der Erde unſere Getreidearten gegenwärtig noch wild wachſen. Mit der Beantwortung derſelben wäre dann zugleich die Frage gelöſt, von welchem Punkte der Erde alle Cultur ausgegangen, oder von wo aus Glyceria fluitans. 2 Eleusine coracana. 3 Eragrostis (Poa) abessinica. 6 82 Culturgewächſe. das Menſchengeſchlecht ſich über die Erde verbreitet habe. Den Wei- zen, die Gerſte und den Spelz hat man ſowohl in Perſien, in der Umgegend von Hamadan, als am Euphrat in Meſepotamien wild gefunden; indeſſen find die Anſichten über die Heimath dieſer Getrei- dearten noch getheilt. Während einige Botaniker behaupten, dieſelben könnten in jenen Gegenden, wo die Cultur ſchon Jahrtauſende be— ſteht, verwildert ſein, leugnen andere ein ſolches Verwildern, von dem man bei uns eben ſo wenig etwas merkt, wie von dem des Reis und Mais in den Tropengegenden. Mit dem Anbau der Getreidearten, die eine ſorgfältige Beſtellung größerer Flächen verlangen, mußte das Nomadenleben aufhören. Der Menſch legte ſich feſte Wohnſitze an, ſobald er ſeine Exiſtenz durch die Cultur dieſer Pflanzen begründet ſah; und ſo wurden die Getrei— dearten die erſte Veranlaſſung zum geſelligen Leben und zur Cultur des Menſchengeſchlechts überhaupt. Aber ſie wurden es nicht nur; ſie ſind auch die Grundlage aller Civiliſation geblieben bis auf die Ge— genwart. Die erſte Arbeit des erſten Menſchen iſt auch noch gegen— wärtig die erſte und wichtigſte Arbeit, ohne deren Gedeihen auch jede andere menſchliche Thätigkeit unmöglich wäre. Wahrſcheinlich haben die Völker des öſtlichen Aſiens, welche den Reis bauten, zuerſt ſich feſte Wohnſitze gegründet. Aus Aegypten iſt der Ackerbau nach Grie— chenland gekommen und hat ſich von dort aus über ganz Europa ver— breitet. Beſonders war es der Weizen, der von allen civiliſirten Völ— kern des Abendlandes gebaut wurde, während der Roggen ſelbſt den Römern noch nicht bekannt geweſen zu ſein ſcheint. Wie die Getrei— dearten den Wohlſtand der Völker urſprünglich begründet haben, ſo werden ſie auch noch jetzt als die wichtigſte Quelle der Ernährung betrachtet. Ueberall, wo ſich civiliſirte Völker auf der Erde nieder— laſſen, bauen ſie die Getreidearten an, und ſo haben ſich dieſelben gegenwärtig faſt über die ganze Erde ausgebreitet. Man vermißt ſie nur da, wo der Boden noch gar nicht cultivirt iſt, oder wo die Rauh— heit des Klimas ſich ihrem Anbau widerſetzt. — Nach dieſen vorläu⸗ figen allgemeinen Bemerkungen gehen wir nunmehr zur Betrachtung der einzelnen Getreidearten über. 1. Der Weizen. Triticum vulgare (Tr. aestivum, Tr. hibernum.) Da der Weizen eine größere Wärme erfordert als unſere übrigen Getreidearten, ſo gedeiht er in den wärmeren Gegenden der gemäßig— Der Weizen. 83 ten Zone am beiten. Um die Weizencultur überhaupt zu betreiben, muß die mittlere jährliche Temperatur der betreffenden Gegend we— nigſtens 3% R. betragen und etwa vier Monate lang die mittlere Sommerwärme über 10% ſteigen. Das Tropenklima ſagt dem Wei: zen weniger zu; man baut ihn daher zwiſchen den Wendekreiſen und auch noch nördlich und ſüdlich von denſelben meiſt nur auf ſolchen Höhen, deren Temperaturverhältniſſe mit den eben angegebenen über— einſtimmen. In der Ebene dagegen kann man ihn mit unſeren übri⸗ gen Getreidearten zur Winterzeit ſäen, wie dies in Oſtindien und mehreren anderen Tropenländern geſchieht, ſo daß auf demſelben Bo— den, der in der Sommerzeit die tropiſchen Früchte hervorgebracht hat, im Winter die Cerealien der nördlichen Gegenden geerntet werden. So giebt es denn gegenwärtig keinen Erdtheil mehr, in dem der An— bau des Weizens nicht betrieben würde. In Europa cultivirt man ihn im Großen höchſtens bis zu 60° n. Br., alſo etwa bis Chriſtia— nia; im Kleinen ſelbſt noch über 62e Br. hinaus; doch gilt dies nur von der Weſtküſte Norwegens, denn ſchon in Schweden neigt ſich die nördliche Grenze des Weizenbaues weiter nach Süden und in Rußland noch vielmehr. Eben ſo ſind die Höhen verſchieden, in denen der Weizen gebaut wird. In Frankreich kann man ihn bis zu einer Höhe von 5400 F. ziehen, während in Mexico die Cultur deſſelben erſt in einer Höhe von etwa 3000 F. beginnt; in der Nähe des Aequators aber giebt es noch Weizenfelder in einer Höhe von 10,000 F. In unſeren kälteren Gegenden treibt jedes Weizenkorn gewöhn— lich nur einen Halm mit einer einzigen Aehre, ſo daß die Ernte in der Regel nur eine 5 — 6fältige iſt; aber ſchon in Ungarn und an den Grenzen der Türkei iſt ſie 8 — 10fältig, und in Südamerika am la Plata⸗Strome 12fältig. Hier und in Chile baut man den Wei— zen mit beſonderem Vortheil; in letzterem Lande, wo Waſſer in hin— reichender Menge vorhanden iſt, von der Meeresebene bis zu einer Höhe von 5200 Fuß. Aber noch bedeutender iſt der Gewinn in Mexico, in deſſen nördlichen Theilen ein 17fältiger und in deſſen ſüdlichen Gegenden ſogar ein 24 — 35fältiger Ertrag erzielt wird. Dort kommen aber auch Fälle vor, daß eine Weizenpflanze 40 — 60 Halme treibt, und eine Aehre oft mit mehr als 100 Körnern ge— füllt iſt. Die Benutzung und Anwendung des Weizens iſt allgemein be— kannt. Er liefert feineres und weißeres Mehl als die übrigen Ge⸗ treidearten, und das Weizenbrot iſt das nahrhafteſte und verdaulichſte. 6 * HM - Culturgewächſe. Weniger bekannt möchte es ſein, daß man aus dem Korn das Wei— zenbier, das ſogenannte engliſche Ale bereitet. Bei uns unterſcheidet man 2 Abarten, den Sommer- und den Winterweizen, erſterer mit, letzterer ohne Grannen; außerdem giebt es aber noch 4 — 5 andere Arten, welche in verſchiedenen Gegenden Europa's gezogen werden, und unter denen der engliſche und der polniſche die bedeutendſten fein möchten. In ſüdlicheren Gegenden baut man außer dem Weizen noch eine andere Art, den Spelz (Triticum Spelta) oder Dinkel, den auch die Griechen und Römer ſchon gekannt haben. 2. Der Roggen. Secale cereale. Obwohl der Roggen den Alten wahrſcheinlich bekannt gewefen, ſo iſt man über ſein Vaterland doch noch im Unklaren; jedenfalls ſtammt er aber aus dem Morgenlande. Er iſt unbedingt die nütz— lichſte Pflanze der Erde, wird über mannshoch und gedeiht in allen gemäßigten und kalten Klimaten. In Norwegen wird er bis zu 65 und 67° Br. angebaut; eben fo gedeiht er auch noch auf ziemlich hohen Bergen. In Frankreich ſteigt der Anbau des Roggens bis zu 6600 Fuß, und in ſüdlicheren Gegenden bis zu bedeutenden Höhen, in denen die höchſte Wärme des Tages ſelten über 11° R. ſteigt. Man hat lange geglaubt, daß es von dieſer wohlthätigen, jetzt faſt über die ganze Erde verbreiteten Pflanze nur eine einzige Art gebe, denn ſelbſt Sommer- und Winterkorn find nicht zu unterſcheiden, in- deſſen hat man in neuſter Zeit in den alpinen Regionen Armeniens und Kleinaſiens andere Arten dieſer Gattung aufgefunden. *) 3. Die Gerſte. Hordeum vulgare, H. hexastichon, H. distichon. Vermuthlich ſtammt die Gerſte aus dem nördlichen Afrika, denn ſchon Diodor, der berühmte Geſchichtsſchreiber zur Zeit des Cäſar und Auguſtus, bezeichnet Aegypten als das Vaterland derſelben, wo ſchon früh Gerſtenwein bereitet wurde. Eben ſo war die Gerſte bei den Griechen und Römern, wie auch bei den Juden im Gebrauch. Ge— *) Secale ſragile, S. anatolicum. Die Gerſte, der Hafer, der Reis. 85 genwärtig wird fie faſt nur zu Bier, zur Bereitung von Graupe und als Futter für unſer Geflügel benutzt. Es iſt diejenige Getreideart, welche am weiteſten nach Norden hinaufgeht; auf der ſkandinaviſchen Halbinſel wird fie bis zu 70° n. Br. gebaut, und im ſüdlichen Lapp⸗ land, unter 67° Br. ſteigt fie bis zu 800 F. über dem Meeresſpiegel. Auch von ihr werden 4 — 5 Arten an verſchiedenen Orten Europa's cultivirt, und mehrere haben ſich über einen großen Theil der Erde verbreitet. | 4. Der Hafer: Avena sativa. Selbſt in den älteſten Quellen iſt keine Spur von dieſer Getrei— deart zu finden. Zur Zeit des trojanifchen Krieges gab man den Pferden Gerſte ſtatt Hafer; wir ſind daher über das Vaterland deſſel— ben eben ſo ungewiß wie beim Roggen. Er wird überall angebaut, wo man die Gerſte findet, in Norwegen bis zum 65° n. Br., doch nimmt er mit dem ſchlechteren und kälteren Boden vorlieb, wächſt alſo auch auf Bergen. Jetzt dient er meiſt als Pferdefutter; die alten Deutſchen jedoch aßen Haferbrei, und in Irland, Schottland, Norwe— gen und Schweden wird noch gegenwärtig Haferbrot gegeſſen. 5. Der Reis. Oryza sativa. Was der Roggen für die kälteren Gegenden der Erde, das iſt der Reis für die Tropenländer. Es giebt von ihm nur eine Art, und nach einer ungefähren Berechnung lebt von dieſer Frucht ziem— lich die Hälfte aller Menſchen. Er gehört der alten Welt an und ſoll aus Oſtindien oder Aethiopien ſtammen. Der in Südamerika am Rio negro aufgefundene wild wachſende Reis iſt vermuthlich eine andere Pflanze; wenigſtens iſt der Reis vor der Entdeckung von Ame— rika nie in dieſem Erdtheile gebaut worden. Die eigentliche Heimath der Reiscultur iſt das öſtliche und ſüdliche Aſien. Er wird dort ſo allgemein gegeſſen, daß beim Mißrathen der Reisernte eine Hungers— noth unausbleiblich iſt. Doch auch im ganzen ſüdweſtlichen Aſien, im nordöſtlichen Afrika und im ſüdlichen Europa, ja ſelbſt in Frank— reich und Ungarn wird er gezogen, und im tropiſchen Amerika baut man ihn jetzt faſt überall mit großer Vorliebe. 86 2 Culturgewächſe. Man unterſcheidet zwei Abarten von Reis, den Bergreis und den Sumpfreis. Zum Anbau des Sumpfreis wählt man entweder Sümpfe, wie die Natur ſie darbietet und reinigt den Schlamm derſelben, oder man gräbt 2— 3 Fuß tiefe Baſſins in die Erde, die nach Belieben unter Waſſer geſetzt werden können. Im ſüdlichen China findet man ſolche künſtlich ange⸗ legte Reisfelder nicht bloß in den ebenen Gegenden, ſondern ſelbſt in be— deutenden Höhen auf den Bergen. Hier werden ſie entweder mit dem von oben herabſtrömenden Waſſer verſorgt, oder man pumpt daſſelbe aus den tiefer gelegenen Feldern in die höheren, ſo daß an manchen Orten das Waſſer der Ebene bis auf 1000 Fuß Höhe gebracht wird. — Da die Frühlingregen im nördlichen China erſt im Mai eintreten, ſo kann der Sumpfreis erſt zu Ende dieſes Monats geſäet werden und reift dann zu Anfang des Oktober. Aber ſchon unter 30° n. Br., wo der Sommer länger dauert, iſt eine zweimalige Reisernte möglich. Man erzielt dieſelbe dadurch, daß man 2— 3 Wochen nach der erſten Saat, die Mitte Mai ſtatt findet, eine zweite Saat in den Acker bringt. Dieſe, durch jene in der Entwickelung gehemmt, ſchießt erſt hoch auf, nachdem zu Anfang Auguſt die erſtere eingeerntet iſt, und liefert dann im November die zweite Ernte. Im ſüdlichen China kann hierauf ſogar noch eine Grünfrucht im Winter gewonnen werden. Den Bergreis oder Ladang ſäet man auf hoch liegenden Boden, am beſten an ſolchen Orten, wo man Wälder niedergebrannt und auf dieſe Weiſe den Boden fruchtbar gemacht hat. In neu beſtelltem Boden erzielt man gewöhnlich einen 60 — 80fachen Ertrag, und in den folgenden Jahren wenigſtens noch einen 40fachen. Der Sumpf: reis dagegen giebt einen 100 — 120fältigen Gewinn, und auf den Philippinen giebt es Gegenden, in denen ein 400fältiger Ertrag vor— kommt. Obgleich der Gewinn beim Sumpfreis viel bedeutender iſt, ſo ſchäzt man doch den Bergreis höher, um ſo mehr da der letztere ſich leichter aufbewahren läßt. In Europa wird indeß nur Sumpf— reis gebaut, beſonders in der Lombardei, wo man die Felder leicht bewäſſern kann. Was die Benutzung betrifft, ſo giebt der Reis, mit reinem Waſſer abgekocht, das gewöhnlichſte Nahrungsmittel für die Bewohner des öſtlichen Aſiens, und für jene Gegenden, in denen die Cholera und ihr verwandte Krankheiten ſo häufig auftreten, kann man ſich kaum eine zweckmäßigere Nahrung denken. Außerdem bereitet man aus Reismehl mancherlei Speiſen und geiſtige Getränke. Iſt der Reis gut gerathen, dann iſt er oft erſtaunlich billig, ſo daß man zu Manila Der Mais. 87 auf Luzon 3 Pfund gereinigten Reis etwa mit einem Silbergroſchen bezahlt. 6. Der Mais. Zea Mays. Der Mais oder türkiſche Weizen, auch Welſchkorn genannt, iſt gewiß eine der ſchönſten Getreidearten. Die 5—8 F. hohen markigen Halme ſind mit zwei Reihen Blätter verſehen, die an 3 F. lang und über 3 Zoll breit ſind und tragen auf ihrem Gipfel eine herrliche, wohl zwei Fuß lange Rispe mit zahlloſen Staubblüthen, unter, wel- cher etwa ein halbes Dutzend fleiſchiger Fruchtkolben, von vielen ſchei— denförmigen Blättern eingehüllt, mit goldgelben, weißen, oder pur— purrothen Körnern glänzen. So wundervoll die Landſchaft durch die Maisfelder verziert wird, ſo nützlich iſt dieſe Frucht. Der Mais ſtammt aus Amerika und war dort vor der Einwanderung der Euro— päer das hauptſächlichſte, wenn nicht einzige Getreide. Am meiſten ſagt ihm das heiße und feuchte Klima tropiſcher Gegenden zu, wo er wenigſtens einen 3 — 400fältigen, in ſehr fruchtbaren Strecken fogar bisweilen einen 800fältigen Ertrag liefert. Weiter nach Norden und in höher gelegenen Gegenden, wie in Mexico und Californien, erreicht man freilich nur einen 70fachen Gewinn, aber zwiſchen den Wende— kreiſen ſelbſt wird ein hundertfältiger Ertrag als eine ſchlechte Ernte angeſehen. Die Polargrenze des Maisbaues geht in Amerika, auf der nördlichen wie auf der ſüdlichen Halbkugel, nicht weit über den 40. Grad der Breite hinaus, um ſo mehr als die europäiſchen Ge— treidearten in den kälteren Gegenden mit weit größerem Vortheil ge— zogen werden und die etwa noch vorhandene Maiscultur allmälig verdrängen. In Europa dagegen zieht man den Mais bis zum 45° d. Br. und am Rhein ſogar bis zum 49, wo er beſonders in der Bergſtraße haufig gebaut wird. In noch nördlicheren Gegenden jen— ſeit des 50. Grades hat ſich der Maisbau bisher faſt nur auf die Gartencultur beſchränkt, doch fängt man in neuerer Zeit an, ihn hier und da auch ſchon in größeren Maſſen zu ziehen. Bei einer ſo dankbaren Pflanze wie der Mais iſt es kein Wun— der, daß derſelbe ſich auch ſchnell über die Tropenländer der alten Welt verbreitet hat. In dem heißen Indien, wie in China und Ja— pan und eben ſo in mehreren Gegenden Afrika's wird der Mais mit großem Vortheil gebaut; doch hat die Geſchichte keine Nachrichten über— 88 Culturgewächſe. liefert, wann und auf welche Weiſe er dort hingekommen iſt. Ver⸗ muthlich wohl durch die Seefahrten der Portugieſen; denn ein An— ſpülen an die Küſten des öſtlichen Aſiens iſt bei einer Frucht, die der Zerſtörung durch das Salzwaſſer des Meeres ſo leicht unterworfen iſt, durchaus nicht denkbar. Obwohl der Mais die Feuchtigkeit liebt, ſo iſt er doch auch auf bedeutenden Höhen der amerikaniſchen Cordillere zu finden. Auf der Hochebene von Merico finden ſich in einer Höhe von 8 — 9000 Fuß die ausgedehnteſten Maisfelder, und in Peru ſteigt er ſogar bis zu einer Höhe von 12,000 Fuß auf das Gebirge. Die Bewohner von Mexico wie die von Peru bereiteten Brot aus dem Mais; gegenwär— tig aber fängt man an, den Weizen zu dieſem Zwecke vorzuziehen, und in Chile hat derſelbe ihm längſt den Rang abgelaufen; denn das ſo zubereitete Brot iſt zwar ſehr weiß, aber viel zu trocken. Dagegen giebt das Mehl einen guten Brei, welcher in Italien täglich von dem Landvolk unter dem Namen Polenta gegeſſen wird. Indeſſen iſt die Polenta auch eine Lieblingsſpeiſe der Wohlhabenderen. Man verſetzt das Mehl mit Speck oder Oel und Parmeſankäſe, wodurch es einen äußerſt pikanten Geſchmack bekommt. «Una delicata polenta, col cacio e’l butirrob *) wird von Jedermann gern gegeſſen; auch Fried— rich der Große liebte dies Gericht ungemein. Die armen Kinder in Italien röſten die noch milchreichen Kolben und eſſen die Körner halb roh. Eben ſo wird der Mais in Amerika auf mannigfache Weiſe zu verſchiedenen Speiſen gebraucht. Am häufigſten kocht man ihn bloß mit Waſſer und Salz ab und bringt die ganzen Fruchtkolben auf den Tiſch, deren Körner dann ungefähr wie unſere Graupen ſchmecken. Außerdem benutzt man ihn auch zur Bereitung verſchiedener Getränke, beſonders zur ſogenannten Chicha, die in Amerika ſchon feit den älte— ſten Zeiten getrunken wird. Sie hat Aehnlichkeit mit unſerem Weiß⸗ bier oder dem im Harz und Thüringen bekannten Broihahn. Seinem Nutzen nach ſteht der türkiſche Weizen in den wärmeren Ländern dem Reis ziemlich gleich, indeſſen wird er doch nicht in ſo großer Menge gebaut. Man ſäet ihn nicht, ſondern man legt 3 bis 4 Körner in Vertiefungen, 2 Fuß von einander wie die Kartoffeln; dazwiſchen werden gewöhnlich Bohnen geſetzt. In Italien pflanzt man den Mais auch gern in die Weingärten. Nirgend iſt wohl der Verbrauch dieſer Getreideart bedeutender als *) mit Käſe und Butter. Die Mohrenhirſe; die Hirſearten. 89 im heißen Amerika. Zu Anfange dieſes Jahrhunderts wurden allein in Mexico 16 Millionen Ctr. bei einer Geſammtbevölkerung von nur 5 Millionen Menſchen verbraucht, was auf die Perſon jährlich mehr als 3 Ctr. betragen würde. Da aber dieſe Gegenden ſo arm an Weideplätzen ſind, ſo müſſen ſelbſt die Maulthiere mit Mais gefüttert werden; und auch an anderen Orten verwendet man ihn zu Maſt— futter für Rindvieh, Schweine und Gänſe. 7. Die Mohrenhirſe. Sorghum vulgare. Die Mohrenhirſe, auch Negerkorn oder Durrah genannt, ſtammt, ihrem Namen nach zu ſchließen, vermuthlich aus dem Innern von Afrika, wo ſie von derſelben Wichtigkeit iſt wie der Reis in Südaſien, der Mais in Amerika und der Weizen in Europa. Die 4 — 8 Fuß hohen, dicken, markigen Halme tragen 2— 3 Fuß lange Blätter, welche den Maisblättern ſehr ähnlich ſind und eine überhangende, gedrängte Blüthenrispe mit zahlreichen Samen. In allen heißen Gegenden von Afrika bildet ſie das hauptſächlichſte Getreide, wird aber auch im ſüd— lichen Europa, beſonders in Portugal, gebaut; in Italien nur ein— zeln und zerſtreut in Weingärten und Maisfeldern, indem man ſie dort nur als Futter für das Geflügel verwendet. Im ganzen Mor⸗ genlande aber und in Oſtindien findet man ſie viel häufiger. In letzterem Lande iſt ſie da, wo der Reisbau aufhört, oft das wichtigſte Nahrungsmittel und wird ſelbſt auf bedeutenden Höhen gezogen. 8. Die Hirſearten. Panicum miliaceum, P. germanicum, P. frumentaceum, P. miliare, P. italicum. Von dieſem Getreide mit ſehr kleinem Korne, welches wahrſchein— lich aus Oſtindien ſtammt, werden die genannten Arten, vielleicht nur Abarten der erſten, in ganz Europa, in Oſtindien und China, ſo wie in Japan und auf den Oſtindiſchen Inſeln gebaut. Obwohl die Sa— men ſehr wohlſchmeckend ſind, ſo iſt doch die Verbreitung keine ſehr bedeutende und nur in einigen Gegenden Oſtindiens dienen ſie als allgemeines Nahrungsmittel. So wären wir nun mit den eigentlichen Getreidearten zu Ende, welche der Familie der Gräſer angehören; indeſſen giebt es noch ein 90 Culturgewächſe. paar andere Pflanzen, die, wenn auch nicht zu den Grasarten gehörig, doch ihrer nutzbaren Samen wegen ganz wie die wirklichen Getreide— arten gezogen und faſt eben fo benutzt werden, es find die Quinoa und der Buchweizen. J. Die, Buinog. Chenopodium Quinoa. Die Quinoa, eine Art Melde, hat zwar keinen ausgedehnten Ver— breitungsbezirk, wo ſie aber gezogen wird, iſt ſie nächſt der Kartoffel das wichtigſte Nahrungsmittel. Sie iſt im ſüdlichen Peru zu Hauſe und wird auf den Hochebenen dieſes Landes, ſelbſt in ſolchen Höhen, wo weder Gerſte noch Roggen zur Reife gelangen, im Großen ange— baut. In einer Höhe von 13,000 Fuß ſindet man unabſehbare Felder mit dieſer Pflanze bedeckt. Iſt der Boden gut, ſo wird ſie wenigſtens 3—4 Fuß hoch und giebt einen reichen Ertrag an Samen, die übri— gens nur nach und nach reif werden, wodurch das Einernten derſelben er— ſchwert wird. Außerdem benutzt man auch die Blätter als Kohl oder Spinat. Im ſüdlichen Chile wird die Cultur der Ouinoa gleichfalls betrieben, tritt aber durch die Bekanntſchaft mit unſeren Getreidearten, deren Ertrag ſicherer iſt, je länger je mehr in den Hintergrund. Die Samen dieſer Pflanze ſind ſehr mehlig und ölreich und geben eine nahrhafte und wohlſchmeckende Speiſe. Man quetſcht fie entweder und kocht ſie zu Brei, oder das Mehl wird geröſtet und eine Art Chocolade daraus bereitet; eben ſo benutzt man ſie zur Bereitung des ſchon beim Mais erwähnten Getränkes, der ſogenannten Chicha. 10. Der Buchweizen. Polygonum fagopyrum, P. tartaricum. Beide Arten von Buchweizen, der gemeine wie der tartariſche, ſtammen aus dem Innern von Aſien, von wo ſie etwa zu Anfang des 16ten Jahrhunderts zu uns gekommen ſind. Da der Buchweizen ſelbſt in dem ſchlechteſten Boden gedeiht, ſo wird er faſt im ganzen nördlichen Europa neben den übrigen Getreidearten mit Vortheil ge— baut. Der tartariſche Buchweizen wächſt in Sibirien am Jeniſei und in der Nähe des Baikalſees wild und wird dort in gleicher Weiſe eingeerntet, wie wir dies ſchon oben von der Schwadengrütze im öſt— lichen Preußen und von dem wilden Reis in Amerika angegeben haben. Ju den Hochländern am Himalaya-Gebirge baut man noch andere Getreidearten. 91 Arten des Buchweizens, die den Bewohnern jener Gegenden oft die Hauptnahrung liefern. In Europa wird dieſes Getreide am meiſten im öſtlichen Deutſchland und in Polen gebaut. Es kann zu Brot benutzt werden, das aber ſehr ſchwarz iſt; am häufigſten bereitet man Grütze daraus. Indem wir hiermit die Betrachtung über die verſchiedenen Ge— treidearten ſchließen, können wir uns einige Bemerkungen über den Ackerbau im Allgemeinen nicht verſagen. Die Cultur der Getreide— arten bildet ſo ſehr die Grundlage für den Anbau aller übrigen Ge— wächſe und iſt von ſo hervorragender Wichtigkeit, daß der Ackerbau für alle civiliſirten Staaten als der hauptſächlichſte Quell ihres Be— ſtehens betrachtet werden muß. Es darf uns daher nicht Wunder nehmen, wenn ſchon das Alterthum den Begründern und Förderern deſſelben einen fo hohen Grad von Anerkennung zollte, daß ihre Per— ſonen ein Gegenſtand göttlicher Verehrung wurden, wie bei den Aegyptern Oſiris, bei den Griechen die Ceres, bei den Römern Sa— turn. — Intereſſant iſt der ägyptiſche Mythos von Iſis und Oſi— ris. Schon vor der Geburt liebten ſich die beiden Geſchwiſter und als Götterpaar betraten ſie die Welt, um ihr Segen zu bringen. Die Iſis findet zuerſt den Weizen und die Gerſte, und Oſiris die zum Ackerbau nöthigen Werkzeuge, Pflug und Hacke. Ein Weib, Pamyle mit Namen, vernimmt am Tage der Geburt des Götterpaares im Tempel des Jupiter eine Stimme, welche ihr gebietet, der Welt zu verkünden, daß ihr größter Wohlthäter geboren ſei. So wurde Oſiris Aegyptens wohlthuender König; er führte den Acker- und Wein⸗ bau ein und war der Erfinder nützlicher Gewerbe. — Die Griechen dachten ſich in der Ceres die allernährende Natur als Mutter. Sie wurde als die Erfinderin des Ackerbaues betrachtet, weshalb Halme und Aehren ihre Attribute ſind; und zugleich wurde ſie als Stifterin aller bürgerlichen Geſellſchaft vorgeſtellt, die den umherſchwei— fenden Wilden an den Boden feſſelte und ihm ſomit ein Vaterland gab. Dieſen Ideen gemäß wurde ſie auch in den Werken der Kunſt abgebildet. Nachdem das allſehende Auge des Helios der Ceres den Aufenthalt ihrer geliebten Tochter Proſerpina entdeckt hatte, die be— kanntlich von Pluto, dem Gott der Unterwelt, geraubt worden war, ſchenkte die Göttin dem Triptolemos in Eleuſis die edle Frucht des Weizens, damit er ſie auf der ganzen Erde ausſtreue und den Segen der Götter unter alle Menſchen verbreite. Der Ceres zu Ehren feier— ten die Römer die Cerealien kurz vor der Ernte, in der Mitte des 92 Culturgewächſe. Juli; jetzt bezeichnen wir die Getreidearten ſelbſt mit dieſem Namen. — Saturn, allgemein als der Gott der Zeit bekannt, war urſprüng— lich in Italien ohne Zweifel der Gott des Feldbaues, ein Bild des glücklichen Lebens, welches die Menſchen ſeit der Erfindung des Acker— baues führten; deshalb war auch die Sichel als Attribut ihm beige— geben. Erſt als griechiſche Mythen in Italien Eingang fanden, ward auch die vom Saturn verändert. Indeſſen wird doch von ihm er— zählt: er baute auf dem capitoliniſchen Berge die Stadt Saturnia, lehrte den Einwohnern den Ackerbau und führte überhaupt gute Sitten ein. Mußte eine göttliche Verehrung dieſer Art auch mit der Ausbrei— tung des Chriſtenthums und einer reineren Gottesverehrung unterge— hen; ſo iſt doch faſt überall in der älteren Zeit der Stand der Acker— bauenden in hohen Ehren gehalten worden, und das mit Recht. Der Menſch, welcher zuerſt den Schooß der Erde öffnete, um ihm ein Sa: menkorn anzuvertrauen, that auch den erſten Blick in die geheime Wierkſtatt der Natur; der, welcher zuerſt den Pflug in Anwendung brachte, um den Boden in größerem Umfange zu beſtellen, erwarb der ganzen Menſchheit das Anrecht auf die Herrſchaft über die Pflanzen— decke der Erde. Wer wochenlang die dürren Wüſten der alten Welt, die einförmigen Llanos am Orinoco, oder auch die majeſtätiſchen Ur— wälder des Amazonenſtroms durchſtreift, der fühlt ein unheimliches Grauen; ſelbſt die ſchweigende Pracht der Tropenwälder, die ihn an— fangs mit Staunen und Bewunderung erfüllte, wirkt zuletzt erdrückend und beängſtigend auf ihn ein. So wie der Wanderer aber den Fuß— tritt eines Menſchen im Sande gewahrt, ſo athmet er leichter auf; mit der dankbarſten Empfindung begrüßt er den erſten gezogenen Gra— ben, den geebneten Pfad, der zwiſchen beackerten Feldern hindurch führt und ihm in der Ferne das Dach einer menſchlichen Wohnung zeigt. Es iſt der Odem des menſchlichen Geiſtes, der, in die Natur eingedrungen, aus derſelben ihm wieder entgegen weht; der Menſch erblickt ſich ſelbſt in ſeinen Werken, und die Gewißheit der Menſchen— nähe wirkt beruhigend, erfüllt den Verirrten mit Freude und Dank. Wo irgend der Pflug in die Erde eindringt, da geſchieht der erſte Schritt zur Bezähmung der Natur, der Charakter urſprünglicher Wild— heit geht verloren, Geſetz und Ordnung dringen gebieteriſch auf ſie ein, bis zuletzt der Menſch es dahin bringt, die Natur ſelbſt zu ver— ſtehen, ihr geſetzliches Walten mit der ſchaffenden Kraft ſeines Geiſtes in Einklang zu bringen, mit einem Worte — fie zu verklären. So ſteht Getreidearten. 93 der Pflug, der unter allen Ackergeräthen den erſten Rang einnimmt, höher als jede andere Maſchine, die das Nachdenken des menſchlichen Geiſtes erfunden. Anfangs nichts weiter als ein zugeſpitzter Pfahl, der den Boden auflockern ſollte, um ihn der Luft, dem befruchtenden Regen und dem belebenden Sonnenſtrahl zu öffnen, hat er ſich in der Reihe der Jahrtauſende vervollkommnet, ſo daß jetzt die Prairien in Illinois am Miſchigan-See mit Dampfpflügen umgewendet werden. So ſteht zu erwarten, daß es dem Menſchen ſelbſt da gelingen werde, ſich die Natur zu unterwerfen, wo jede menſchliche Anſtrengung bisher vergeblich geweſen iſt. Gelingt es in unſeren nordiſchen Gegenden, Heide-, Moor- und Sandflächen in fruchtbares Ackerland umzuſchaffen, um ihnen eine, wenngleich anfangs nur dürftige Ernte abzugewinnen: ſo werden ſich die Bewohner der Tropenländer gewiß nicht immer auf die gartenmäßige Bebauung ihrer Felder beſchränken. Je mehr ſich die Bevölkerung an einem Orte zuſammendrängt, deſto mehr verſchwinden die Strecken unbebauten Landes, und der Menſch muß darauf bedacht ſein, den Culturboden zu erweitern. Wir brauchen nur einen Blick in die Vergangenheit zu thun. Vergleichen wir das alte Germanien, wie Tacitus es ſchildert, das mit dichtem Wald bedeckt und von Sümpfen durchzogen war, mit unſerem heuti— gen Deutſchland, in welchem muſterhaft bewirthſchaftete Aecker mit den herrlichſten Wieſen, trefflich beſtellte Weinberge mit wohlgepflegten Forſten abwechſeln: dann ſehen wir, was die Hand des Menſchen aus der Natur machen kann. Die moraſtigen Ufer der Weichſel hat man durch Abdämmen des Stromes in grüne Wieſen und üppige Felder umgeſchaffen. An den Küſten Kurlands ſind großartige Ar— beiten unternommen worden, um dem Flugſande erfolgreich entgegen zu treten. Birken, Kiefern und Sandweiden ſind in ungeheurer An— zahl angepflanzt worden, um den lockeren Boden umzuſchaffen, und ſo manche öde Stelle, über welche ſonſt der Flugſand dahin trieb, iſt jetzt in Ackerfelder verwandelt, die Gerſte, Kartoffeln und Hafer tra— gen. Und wo die Bevölkerung ſo übermäßig zuſammengedrängt iſt, daß gar keine Ländereien mehr zu haben ſind, die ſich noch urbar machen ließen, wie im öſtlichen China, da haben die dortigen Waſſer— nomaden ihre ſchwimmenden Gärten auf Flößen. In dieſem Lande treibt aber auch der bei weitem größte Theil der Einwohner Ackerbau und nährt ſich davon, und bei allen Volksklaſſen China's, vom Kaiſer herab bis zu dem niedrigſten Tagelöhner, ſteht der Ackerbau in großem Anſehen. Das Feld, welches der Kaiſer im Frühlinge ſelber pflügt, 94 Culturgewächſe. liegt in der Hauptſtadt Peking, nahe bei einem Tempel, welcher dem erſten Anbauer des Bodens geheiligt iſt. Zu Anfang des Mai wird das Feſt gefeiert, wobei das Feld zum Theil mit einem Dache über— baut iſt. Etwa eine halbe Stunde lang pflügt der Kaiſer ſelbſt und begiebt ſich dann in ein Luſthaus, von wo aus er zuſieht, wie die ſeinem Beiſpiele folgenden Fürſten und Miniſter die Arbeit fortſetzen. Dieſe pflügen jedoch unter freiem Himmel, ſo daß ſie gegen die Wit— terung auf keine Weiſe geſchützt ſind; auch tragen ſie an dieſem Tage, wie der Kaiſer ſelbſt, die einfache Kleidung des Landmannes. Wäh⸗ rend der ganzen Feierlichkeit werden von den Hofſängern Loblieder auf den Ackerbau angeſtimmt. Und wo wäre ein nur einigermaßen civiliſirtes Volk, das nicht ſein Erntefeſt hätte. Von jenen prachtvollen Eleuſiniſchen Feſten der Griechen bis zu unſeren einfachen Erntefeſten der Landbewohner, die auch in den nicht Ackerbau treibenden Städten in den kirchlichen Ernte- und Dankfeſten ihren Widerhall und ihre höhere Weihe finden, überall hat ſich derſelbe Grundgedanke erhalten und ausgeſprochen. Und wie ſollte das nicht, wo aus kleinen Urſachen jo mächtige Wirkungen ent- ſtehen. Nur von zehn Getreidearten haben wir vorher geſprochen. Man denke ſich von jeder derſelben nur ein Korn. Wie unſcheinbar! wie leicht würden wir daran vorübergehen! Und doch bedurfte es bei jenem erſten Akte der Schöpfung nur dieſes kleinen Anfanges, um die reiche Fülle von Erſcheinungen hervorzurufen, die ſo eben an unſeren Blicken vorübergezogen ſind. Und wollen wir ein lebensvolles Bild dieſer reichen Fülle in hoher poetiſcher Vollendung uns vorführen, ſo dürfen wir nur Schillers herrliches Gedicht leſen: „das Eleuſiſche Feſt“, deſſen Einleitungs- und Schlußworte auch dieſe Betrachtung ſchließen mögen: „Windet zum Kranze die goldenen Aehren, Flechtet auch blaue Cyanen hinein! Freude ſoll jedes Auge verklären, Denn die Königin ziehet ein; Die Bezähmerin wilder Sitten, Die den Menſchen zum Menſchen geſellt, Und in friedliche feſte Hütten Wandelte das bewegliche Zelt; Die uns die ſüße Heimath gegeben, Die den Menſchen zum Menſchen geſellt, Unſer Geſang ſoll ſie feſtlich erheben, Die beglückende Mutter der Welt.“ Knollengewächſe. 95 II. Die Pflanzen mit Knollenwurzeln. Nächſt den Getreidearten ſind die Gewächſe mit Knollenwurzeln als die wichtigſten Culturpflanzen zu betrachten. Während jene ihre mehlreichen Samen über der Erde zur Reife bringen, entwickeln dieſe ihre eßbaren Knollen im Schooße derſelben. So bilden dieſe beiden erſten Abtheilungen der Culturpflanzen auffallende Gegenſätze. Wäh— rend der fleißige Landmann bei dem Beſuch ſeiner Getreidefelder jeden Tag mit Freuden die Fortſchritte wahrnimmt, welche die reifenden Halme machen, muß er bei den Knollengewächſen ruhig abwarten, was der dunkele Schooß der Erde ihm liefern werde. Aber dieſe bei— den Fruchtarten ergänzen ſich auch. Denn es iſt eine bekannte That— ſache, daß beim Mißrathen der Getreideernten die Knollengewächſe ge— wöhnlich um ſo beſſer gedeihen, und umgekehrt. So iſt dem Men— ſchen bei mannigfacher Beſtellung des Bodens ſein Unterhalt mehr geſichert, als wenn er ſich auf die Erziehung einer einzelnen Fruchtart beſchränkt. Da die Knollen hauptſächlich aus Stärkemehl oder pflanz— lichem Eiweißſtoff beſtehen, ſo dienen ſie einem großen Theile der Menſchen zur Nahrung und werden deshalb an vielen Orten der Erde in ſehr bedeutendem Umfange angebaut. 1. Die Kartoffel. Solanum tuberosum. Mit dieſer Pflanze iſt die alte Welt von Amerika aus beſchenkt worden. Wenngleich ſich Wohlſtand und Cultur auch ohne die Be— kanntſchaft mit der Kartoffel bei uns ſchon lange entwickelt haben, ſo hat doch die allgemeine Verbreitung derſelben eine vollſtändige Um— wälzung in dem Betriebe des Ackerbaues hervorgerufen. Ja es iſt uns durch die Kartoffel das ſicherſte Mittel geboten, einer allgemeinen Hungersnoth zu begegnen, die früher ſo häufig in Europa eintrat. Da der Fall ſo häufig nicht vorkommt, daß die Getreide- und Kar— toffelernte gleichzeitig mißrathen, ſo iſt der Noth des armen Menſchen ſo ziemlich abgeholfen. Wie wichtig für uns die Kartoffel iſt, läßt ſich daraus abnehmen, daß beim Mißrathen derſelben die Noth des ärmeren Landmannes bei weitem größer iſt als bei einer ſchlechten Getreideernte. Nicht allein, daß wir die Kartoffel faſt täglich eſſen, und daß ſelbſt in vielen Gegenden das Roggenbrot mit Kartoffeln gemiſcht wird; ſondern die Bereitung des Stärkemehls, des Sago, 96 Culturgewächſe. des Branntweins, des Weines und ſogar des Zuckers wird eine Quelle des Unterhalts für Millionen von Menſchen. Eben ſo würden Fleiſch, Milch, Butter und Käſe bei weitem nicht ſo wohlfeil ſein, wenn der Anbau der Kartoffel das Halten eines größeren Viehſtandes nicht ſo weſentlich erleichterte. Das Vaterland der Kartoffel iſt, wie ſchon geſagt, Amerika. Sowohl in Chile als in Peru wächſt ſie wild; in letzterem Lande in Wäldern, jedoch ſelten, denn ſchon bei der Entdeckung dieſer Gegen— den fand man ſie dort angepflanzt. Eben ſo gewiß iſt es aber auch, daß ſie den Mexicanern unbekannt war. Noch heutzutage bildet die Kartoffel, in der alten peruaniſchen Sprache Papa genannt, die Haupt- nahrung auf der Hochebene von Peru; und an den Ufern des Titi— caca-Sees, 12,700 Fuß über dem Meeresſpiegel, werden dieſe Feld— früchte noch jetzt, wie zu den Zeiten der Inca's, mit einer Sorgfalt gezogen, welche die unſrige faſt übertrifft. Höchſt merkwürdig iſt es, wie dieſe Pflanze auf ſo unbegreiflich ſchnelle Weiſe für ganze Welt— theile die allgemeine Nahrung geworden iſt. In ganz Europa, von Hammerfeſt in Lappland an, unter 71° n. Br., auf Island und den Färöern bis an das mittelländiſche Meer wird die Kartoffel gebaut; in Sibirien und Kamtſchatka, wie auf den niederen Plateaus von Indien, China und Japan, auf den Südſeeinſeln wie in Neuholland und Neuſeeland, und, wie ſich wohl von ſelbſt verſteht, in ganz Nord— amerika iſt die Kartoffeleultur eingeführt; zwiſchen den Wendekreiſen jedoch iſt ihr Anbau unbedeutend. | Bei dieſer ungemeinen Verbreitung follte man glauben, dieſelbe habe ſehr bald nach der Entdeckung von Amerika ſtattgefunden. Dem iſt indeſſen nicht ſo. In Sachſen wird die Kartoffel erſt ſeit 1717 im Großen gebaut; in Schottland ſeit 1728 und in Preußen erſt ſeit 1738. Die Cultur dieſer Pflanze wurde damals von den Landleuten mit erſtaunlichem Widerwillen betrieben; die Kartoffeln waren lange eine verachtete, nur dem Aermſten und dem Vieh überlaſſene Speiſe, während es jetzt in Europa keine fürſtliche Tafel giebt, auf der ſie nicht zu finden wären. Ja es iſt bekannt, daß Friedrich der Große die Pommern mit Gewalt zur Annahme dieſer großen Wohlthat zwin— gen mußte. Ums Jahr 1750 bis 1760 zog man die Kartoffel in Deutſchland nur noch in Gärten, und erſt 1780 wurde fie, jedoch im— mer nur im Kleinen, auch auf freiem Felde angebaut. Obgleich die Kartoffel bei Ankunft der Europäer in Amerika in Mexico fehlte, ſo ſind doch verſchiedene Quellen vorhanden, welche der Die Kartoffel. 97 Vermuthung Raum geben, daß ihr Anbau in einigen Gegenden von Nordamerika betrieben wurde, und aller Wahrſcheinlichkeit nach haben wir Europäer die Kartoffel gerade aus Nordamerika bekommen. Wie dieſe Pflanze nun aus Peru nach dieſen nördlichen Gegenden hinge— langt iſt, ohne in Mittelamerika eultivirt zu werden, das bleibt frei— lich ein Gegenſtand der Vermuthung, da uns ſichere Nachrichten dar— über fehlen. Indeſſen iſt die Erklärung dieſer Erſcheinung doch nicht ſo ſchwer. Nehmen wir an, daß die Ureinwohner von Amerika bei ihren Wanderungen oder wenigſtens bei ihrem gegenſeitigen Verkehr auch die Kartoffel verbreitet haben, ſo konnte dieſelbe urſprünglich über Mexico nach Nordamerika gelangen. Da aber das Tropenklima dieſer Pflanze wenig zuſagt, ſo iſt es ſehr natürlich, daß die in Mexico vielleicht nur ſpärlich gebaute Kartoffel wieder verſchwand, um ergie— bigeren Culturgewächſen Platz zu machen. — Die Coloniſten, welche im Jahre 1584 nach Virginien gekommen ſind, haben die Kartoffel daſelbſt gefunden; und Schiffe, welche im Jahre 1586 aus der Bay von Albemarle zurückkehrten, haben die erſten Kartoffeln nach Irland gebracht. Demnach möchte es ſehr zweifelhaft ſein, daß Franz Drake die Kartoffel nach Europa gebracht habe. In der Beſchreibung jener merkwürdigen Reiſe des engliſchen Seefahrers ſteht kein Wort davon, und als er bei ſeiner Rückkehr nach England, wo er bekanntlich mit ſeidenen Segeln in die Themſe einfuhr, von der Königin Eliſabeth auf feinem Schiffe mit einem Beſuche “) beehrt wurde, da kamen alle Speiſen und Früchte auf die Tafel, welche der berühmte Weltumſegler mitgebracht hatte. In der Beſchreibung jenes Gaſtmahls werden dieſe Speiſen alle aufgezählt, der Kartoffel iſt darunter aber nicht erwähnt. Von Vielen wird das Verdienſt der Einführung der Kartoffel in Europa dem Seehelden Sir John Hawkins zugeſchrieben, der ſie im Jahre 1563 oder 65 von Santa Fé ſoll erhalten haben. Gewiſſer iſt es, daß Sir Walter Ralegh die erſten Kartoffeln auf ſeinem Landgute Moughal in Irland pflanzte, von wo fie nach Lancashire kamen. — Daß die Kartoffel nicht eben ſo ſchnell wie der Mais und die ſüße Kartoffel durch die Spanier nach Europa gebracht worden iſt, hat feinen Grund einfach darin, daß dieſe Pflanze nur auf der Weſtküſte von Ame— rika gebaut wurde; und die Reiſen um das Cap Horn dauerten damals noch zu lange und waren auch zu ſelten, als daß auf dieſem Wege die Kartoffel mit Leichtigkeit hätte nach Europa übergeführt werden können. *) Am 4. April 1581 zu Deptford, wo Drake's Schiff vor Anker lag. 7 98 Culturgewächſe. Die Anzahl der Abarten von Kartoffeln iſt ſehr bedeutend; an 30 ſind beſtimmt dem Namen und den Kennzeichen nach zu unter— ſcheiden, und wenn man einigen Angaben trauen darf, ſo ſoll ſich die Anzahl aller Varietäten auf 150 belaufen. Unter dieſen Abarten, die auch in Amerika gezogen werden, iſt eine kleine, ſehr ſüße Kartoffel hauptſächlich zum Röſten auf Kohlen im Gebrauch. In den Städten Puno und Chuquito am Titicaca-See erhält man zu jeder Tageszeit dieſe geröſteten Kartoffeln vom friſchen Kohlenfeuer, eben ſo wie im ſüdlichen Europa die geröſteten Kaſtanien. Um noch ein paar Worte über die oben erwähnte Abneigung des Landmannes gegen den Kartoffelbau zu ſagen, ſo iſt dieſelbe aller— dings nicht ohne Grund. Dieſe Pflanze gehört einer Familie an, deren Arten meiſt narkotiſches Gift enthalten; und die noch nicht voll— ſtändig ausgewachſenen Knollen, und ganz beſonders das Kraut und die Beeren haben betäubende Eigenſchaften. Deshalb wird auch von den betreffenden Behörden der Verkauf dieſer Knollen vor einer be— ſtimmten Zeit (etwa Ende Juli) nicht geſtattet. Allein die reifen Kartoffeln, welche Stärkemehl, Eiweißſtoff, Gummi und einige andere Stoffe enthalten, ſind durchaus unſchädlich; nur unmäßiger Genuß führt Nachtheile für die Geſundheit herbei. Dagegen entwickelt ſich jener narkotiſche Beſtandtheil, das Solanin, gleich wieder in den jun— gen Keimen, weshalb Kartoffeln dieſer Art ſchon durch ihren Geſchmack eine Abneigung gegen den Genuß hervorrufen und auch zum Futter für das Vieh nicht mehr geeignet ſind. Nur zur Benutzung auf Branntwein ſind ſie noch zu gebrauchen, doch muß man ſich hüten, den zurückgebliebenen Spülicht zum Futter für das Vieh zu benutzen, da dieſer gerade die giftigen Beſtandtheile enthält, während der Alko— hol ſelbſt frei davon iſt. Die Unbekanntſchaft mit allen dieſen That⸗ ſachen, welche langjährige Erfahrung und wiſſenſchaftliche Unterſu— chungen erſt feſtſtellen mußten, während unvorſichtige Anwendung ge— wiß manche Nachtheile herbeiführte, erklärte die oben angeführte Er— ſcheinung zur Genüge. 2, Die Arum- oder Arons wurzeln. Arum macrorrhizon, Ar. Colocasia, Ar. campanulatum; Caladium acre und Cal. esculentum. Die Aronswurzeln erſetzen die Kartoffel, welche nur außerhalb der Wendekreiſe gut gedeiht, in den tropiſchen Gegenden, wo fie mit Die Aronswurzeln. 99 außerordentlicher Sorgfalt cultivirt werden. In manchen Gegenden ſind ſie aber auch das hauptſächlichſte Nahrungsmittel, oft ſogar von noch größerer Bedeutung als für uns die Kartoffel und das Brot. Auf den Sandwich- und Freundſchaftsinſeln, in Oſtindien und China, in dem ganzen tropiſchen Afrika und den heißeren Gegenden von Neuholland, ſo wie in Weſtindien und an verſchiedenen Punkten des Feſtlandes von Amerika, faſt überall in den Tropen findet man eine oder mehrere der genannten Arten angebaut. Es möchte übrigens auch wenig andere Culturpflanzen geben, welche einen ſo hohen Grad von Wärme gebrauchen. In Europa gedeihen ſie nicht mehr. Die großen mehligen Wurzelknollen der Arum-Arten haben, wie unſere Kartoffeln, ſcharf narkotiſche Eigenſchaften, die ſich in der tro— piſchen Hitze gewiß noch ſtärker entwickeln. Das Gift ſteht aber in fo lockerer Verbindung mit der Maſſe, daß es ſchon beim Trocknen oder durch Kochen und Backen ſich verliert, und alsdann iſt die Wur⸗ zel durchaus unſchädlich. Die Knollen dieſer Pflanzen, von den Süd— ſeeinſulanern Tarro genannt, erreichen die Größe eines kleinen Kin— derkopfes. Gekocht, oder in heißer Erde gebacken, haben ſie große Aehnlichkeit mit der ſüßen Kartoffel; nur ſind ſie noch nahrhafter und zugleich von feinerem Geſchmack. Die Pflanzen, welche die Aronswurzeln liefern, ſind übrigens keinesweges unſerer Kartoffelpflanze ähnlich. Sie gehören vielmehr einer ganz anderen Familie an, zu der auch unſer Kalmus gehört. Die breiten, dunkelgrünen Blätter mit regelmäßigen, parallelen Rippen durchzogen, bei einer Art von 4 Fuß Länge, bei einer anderen ſchön oval geſtaltet und wie die Blätter unſerer ſpaniſchen Kreſſe, aber auf mannshohe Stiele aufgeſetzt, bei noch anderen herzförmig oder regel— mäßig gefiedert, geben den Tarrofeldern ein prächtiges Anſehen, das von dem unſerer Kartoffelfelder ganz verſchieden iſt. Wie unſer Kal— mus nur im Waſſer wächſt, ſo müſſen auch die Aronswurzeln ſehr viel Feuchtigkeit haben. Man gräbt deshalb Baſſins von 2 — 3 Fuß Tiefe, die 40 — 50 Fuß im Geviert haben, ſo daß man fließendes Waſſer in dieſelben hineinleiten kann. Auf den Sandwich-Inſeln ſind dieſelben ſogar terraſſenförmig angelegt, und wird das Waſſer aus einem Felde in das andere geleitet. Es giebt zwar eine Abart, die man auch auf trockenem Lande, und ſogar in einer Höhe von 800 — 1000“ baut; aber auch dieſe Pflanze, deren Knolle nie jo groß und wohlſchmeckend wird als die naſſe Tarro, muß außerordentlich feucht gehalten werden. Deshalb pflegt man dort jede Pflanze mit 7 * 100 Culturgewächſe. einer kleinen Vertiefung zu umgeben, um mehr Feuchtigkeit um ihre Wurzel anzuhäufen. Die Zubereitung der Tarro iſt ſehr mannichfach. Am häufigſten ißt man ſie, nachdem ſie abgekocht oder gebacken iſt, wie Brot, mit oder ohne Salz. Auch ſchneidet man die Knollen in Scheiben, wor— auf ſie in Fett gebraten werden. Von einigen Arten werden auch die Blätter als Gemüſe unter dem Namen: caraibiſcher Kohl gegeſſen. 3. Die Maniok-Pflanze. Jatropha Manihot. Die Wurzel dieſer Pflanze iſt eins der wichtigften Nahrungsmit— tel in den tropiſchen Gegenden von Amerika und aller Wahrſchein— lichkeit nach von dort her nach der alten Welt herübergekommen. Ueberall in den Tropen, auch in Aſien und Afrika wird ſie in großer Menge angebaut, und es leben ganze Völkerſchaften von derſelben wie bei uns von der Kartoffel. Ein Feld trägt dort 6 mal ſo viel als ein Roggenfeld, und der Ertrag iſt ſicherer als beim Getreide. Ob— gleich dieſe Pflanze mit den Bananen in derſelben Zone wächſt, fo ſteigt ſie doch nicht ſo hoch auf die Gebirge als dieſe. In Amerika werden zwei Arten dieſer Pflanze cultivirt, die bittere Manioka, Ma— nihot utilissima und die ſüße, M. Aipi. Die Wurzel der letzteren iſt durchaus unſchädlich, die der erſteren dagegen ein ſchnell wirkendes Gift. Daſſelbe tödtet in wenigen Minuten ohne Entzündung, wirkt alſo auf die Nerven. Da es indeſſen eben ſo locker mit der mehligen Maſſe zuſammenhängt wie bei der Aronswurzel, ſo läßt ſich durch Ausdrücken der zerriebenen Wurzel der giftige Saft ſorgfältig von dem Mehle abſondern, und der Genuß der bitteren Manioka iſt als— dann eben ſo unſchädlich wie der der ſüßen. Ueberraſchend erſcheint bei dieſer Zuſammenſtellung von eßbaren Knollengewächſen die Wahrnehmung, daß ſie alle narkotiſch giftige Ei genſchaften haben und doch ganz verſchiedenen Pflanzenfamilien ans gehören. Auch die Maniokpflanze hat weder mit unſerer Kartoffel noch mit den Aronswurzeln Aehnlichkeit. Sie gehört vielmehr zu der Familie der Wolfsmilchpflanzen, ſteht denſelben mindeſtens ſehr nahe. Die Pflanze wird ein mannshoher, krummer Strauch, mit 5 — 6“ langen, langgeſtielten Blättern, die in lanzettförmige Lappen getheilt ſind, wie bei dem ſogenannten Wunderbaum, deſſen Samen uns das bekannte Rieinusöl liefern, und der ebenfalls in dieſe Familie gehört. Die Maniok, Pflanze. 101 Die knollige Wurzel der Manioka iſt fleiſchig, wenigſtens fo dick wie ein Arm und wird oft 30 Pfd. ſchwer. Aus dem Mehle derſelben bereitet man Brot, Cazavi genannt. Der aursgepreßte Saft wird in den franzöſiſchen Colonien Cassave, das ausgedörrte Mehl: farine de Cassave genannt. *) Das Brot ſelbſt iſt äußerſt nahrhaft und wohl— ſchmeckend und dem Weizenbrote ſehr ähnlich. Ein Pfund davon reicht dem eingeborenen Amerikaner zur täglichen Nahrung aus. Am beiten gedeiht die Manioka auf höher gelegenem und krocke— nem Boden; in feuchten Niederungen wird die Wurzel zwar außecyr— dentlich groß, neigt aber dann zur Fäulniß. So ergänzen ſich dieſe beiden Knollengewächſe, die Aronswurzel und die Manioka auf vor— treffliche Weiſe in den tropifchen Gegenden für Hochflächen und Nie— derungen. Die Fortpflanzung der Maniokwurzel geſchieht durch Steck— linge. Die Zeit des Reifens richtet ſich einerfeits nach dem Wärme— grade, andererſeits iſt ſie auch bei den einzelnen Abarten ſehr ver— ſchieden. In Braſilien wird eine Varietät cultivirt, welche ſchon in 6 —8 Monaten große Wurzeln liefert, in Mexico find 9 Monate die gewöhnliche Zeit bis zur Ernte; dagegen giebt es auch Abarten, deren Wurzeln erſt nach 15 — 18 Monaten reif werden, eine Erſcheinung, die uns ganz fremdartig vorkommen muß. Die herrliche Maniokawurzel läßt ſich nicht hoch genug rühmen. Die Indianer, denen das Glück zu Theil geworden iſt, dieſe Pflanze anzubauen, haben in derſelben einen Erſatz für den Reis und die übrigen Getreidearten der alten Welt. Da indeſſen der Nutzen bei dieſer Pflanze nicht ſo ſchnell erfolgt als bei anderen Culturgewächſen, ſo muß ein Volk allerdings ſchon einige Fortſchritte in der Civiliſa— tion gemacht haben, wenn es ſich zum Anbau einer Pflanze entſchlie— ßen ſoll, die erſt in 8 — 18 Monaten eßbare Wurzeln trägt. Auch erfordert die Zubereitung des Brotes manche Vorrichtungen und manche Arbeit. Die Indianer Amerika's hacken die röthlichen, inwendig aber ſchneeweißen Wurzeln heraus, ſchaben die dünne Haut mit einem Meſſer ab, waſchen die Wurzel und halten ſie dann mit der Hand gegen die Falze eines Rades, das mit einer durchlöcherten und daher rauhen Kupferſchiene überzogen iſt. Das Rad hat 4— 8' im Durch— meſſer und wird von 2 Menfchen gedreht. So fällt die abgeſchabte *) Dieſes Mehl wird mehrere Male mit friſchem Waſſer ausgewaſchen; dann bereitet man dünne, ſcheibenförmige Kuchen daraus und läßt ſie auf heißen Ble— chen backen, damit alle Schärfe entweiche. Dieſe Kuchen ſind das Kaſſavebrot. 102 Culturgewächſe. Maſſe in einen Trog, aus welchem ſie in einen langen Sack gethan wird, der aus Baumrinde wie ein Korb geflochten und etwa 4“ weit iſt. Dieſer Sack kamme unter eine Preſſe, dann wird das Mehl durch ein Sieb geſchlagen und auf einem flachen Geſchirr über Feuer unter beſtändigem Umrühren gedörrt. Das ungedörrte Mehl wird gleich zu Brot gebraucht, das binnen zwei Tagen gegeſſen werden muß; das gedörrierhingegen läßt ſich ein Jahr lang aufbewahren. Das Vieh frißt roh alle Arten dieſer Wurzel und wird dabei fett; der ausgedrückte Saft ſchmeckt ſüß und wird gierig von den Thieren gefreſſen, die aber bald daran ſterben, wie die Menſchen. Auch die Blätter der Pflanze werden als Gemüſe gegeſſen und ſollen ſelbſt ein Heilmittel gegen den Saft ſein. 4. Die Batate oder Camote. Ipomoea tuberosa, Convolvulus Batatas. Von diefer Pflanze, welche wieder einer ganz anderen Familie, nämlich den Winden angehört, werden vorzugsweiſe zwei Arten ge— zogen, Ipomoea tuberosa auf den weſtindiſchen Inſeln, Convolvulus Batatas im ganzen wärmeren Amerika, in Oſtindien, ſo wie auch in Afrika und in Europa ſelbſt bis gegen den 40ſten Grad der Breite. Die Batate, in den ſpaniſchen Colonien faſt allgemein Camotes ge- nannt, gehört urſprünglich der neuen Welt an und vermuthlich auch den Südſeeinſeln. Sie verlangt eine ſehr große Wärme und wird in den Tropengegenden überall gezogen; da ſie aber eine einjährige Pflanze iſt, ſo kann ſie auch noch außerhalb der Wendekreiſe ange— baut werden, nämlich überall da, wo in den Sommermonaten eine tropiſche Wärme erreicht wird. Die Batate (C. Batatas) iſt ein krie⸗ chendes Kraut, deſſen Stengel 6— 9’ weit laufen, ohne jedoch zu klet— tern; fie hat 4“ große, herzförmige, oder faſt Slappige Blätter und Blumen wie die Winden. Ihre Wurzeln ſind denen der Kartoffel ſehr ähnlich, aber ſüßer, weshalb ſie auch oft kurzweg ſüße Kartoffel ge— nannt wird. Sie iſt ſehr nahrhaft, leicht verdaulich und geſund, ſo daß in manchen Ländern Amerika's die Selaven faſt das ganze Jahr hindurch nichts als Bataten und Mais eſſen. Am beſten gedeiht die Camote in einem heißen aber trockenen Klima. Ihre Knollen errei— chen hier eine Größe von 2, 3 und 4 Fäuſten, ſind mehlig und von einem ſo angenehmen Geſchmacke, daß ſie den Kartoffeln weit vorzu— ziehen ſind; beſonders in heißer Aſche gebacken, ſchmecken ſie ganz Die Batate oder Camote. 103 vortrefflich. In Südamerika, in dem Thale von Arequipa, in einer Höhe von beinahe 8000 Fuß findet man die Camoten von vorzüg— licher Güte; ganz anders dagegen werden ſie in einem heißen und feuchten Klima, wie z. B. in Oſtindien und im ſüdlichen China, wo gerade im Sommer die Regenzeit iſt. Hier zeigt ſich die Knolle im gekochten Zuſtande weichlich, kleiſterartig und von unangenehm ſüßem Geſchmacke; jedoch auf den Südſeeinſeln ſchon iſt ſie von größerer Güte. Es giebt eine Menge Abarten dieſer Wurzel, doch werden faſt überall nur zwei derſelben gebaut, eine mit gelber und eine mit wei— ßer Knolle; am Mittelmeer wird auch eine Varietät mit rother Knolle gezogen, das Innere iſt jedoch bei allen weiß und voll Milchſaft; die größten ſind etwa 1 Pfd. ſchwer. Der Anbau geſchieht faſt ganz wie der der Kartoffel. Dieſe Wurzel erfordert die geringſte Arbeit unter allen eßbaren Knollen und giebt den meiſten Ertrag; ſie wächſt auch in jedem Boden, bringt aber Blumen und Früchte nur auf magerem. Als allgemeines Nahrungsmittel iſt indeſſen die Batate nirgends von der großen Wichtigkeit wie bei uns die Kartoffel und die Getreide— arten, und wie im heißen Amerika die Maniokwurzel und der Mais. Außerdem, daß man die Bataten auf mancherlei Weiſe zubereitet ißt, eben ſo wie bei uns die Kartoffeln, wird aus dem Mehl auch Brot gebacken; ferner brennt man Branntwein daraus, füttert Schweine, Ziegen, Kühe und Pferde damit und benutzt die jungen Blätter auch als Gemüſe. 5. Die Igname oder Jamswurzel. Dioscorea alata. Dieſe Pflanze bildet für ſich eine beſondere Familie, welche von allen vorher erwähnten weſentlich abweicht. Die Blätter der Pflanze haben Aehnlichkeit mit denen unſerer Maiblumen, die Blüthen ſind klein, ungefähr wie Spargelblüthen. Das Weſentlichſte für unſeren Zweck iſt die mächtige Wurzelknolle, welche die enorme Größe von 3 Fuß erreicht, rundlich oder länglich geſtaltet, zuweilen ſelbſt ein oder zwei mal geſpalten iſt und in heißen und feuchten Gegenden ein Ge— wicht von 30 — 40 Pfd. erlangt. Ihre äußere Rinde iſt grau oder braun, inwendig dagegen ſieht ſie weiß, röthlich oder violett aus. Der Stengel der Pflanze ſteigt hoch empor; deswegen ſteckt man lange Rohrſtäbe neben die in die Erde gelegten Knollenſtücke, damit die kletternden Stengel ſich darum winden können. 104 Culturgewächſe. Das Vaterland dieſer Pflanze iſt Oſtindien, wenigſtens wird ſie daſelbſt noch wild gefunden; von dort aus hat ſie ſich aber nach den Inſeln des indiſchen Oceans und den Südſeeinſeln verbreitet, wo ſie allgemein angepflanzt wird, und zwar mit vieler Sorgfalt; denn nicht nur, daß die Erde umgegraben wird; das Land muß auch fleißig ges jätet, und die Pflanzen müſſen beputzt werden. Erſt nach 5 Monaten, im April, ſind die Wurzeln reif, halten ſich aber ein Jahr lang. Außerdem werden ſie auch in Afrika, Amerika, Neuholland häufig im Großen angebaut. Am allgemeinſten iſt die Pflanze unter dem Na— men Dams bekannt; die Benennung „Igname“ iſt amerikaniſch. Uebrigens eultivirt man fie nicht nur in der ganzen tropiſchen Zone, ſondern noch weit tiefer gegen Süden hinab, denn Cook fand ſie auch auf Neuſeeland. Gegen Norden findet ihr Anbau unter denſelben Breitegraden wohl nicht ſtatt. In Hinſicht ihres Wohlgeſchmacks ſteht dieſe Wurzel der Batate weit nach; doch verliert ſie ihre natürliche Schärfe und Bitterkeit durch Einweichen in Waſſer, fo wie durch Kochen und Braten und wird dann wohlſchmeckend. Sie iſt ſehr nahrhaft und liefert das ſogenannte Mandioccamehl, welches theils als Mehlſpeiſe, theils als Brot die gewöhnliche Nahrung der Einge— borenen wie der Reiſenden iſt. Wo Reis wächſt, kümmert man ſich übrigens wenig darum, weil ihr Anbau zu viel Arbeit macht. Die Felder müſſen trocken liegen, man wählt ſie daher am Fuße der Ge— birge. Die rohen Knollen erregen Brennen an den Händen, weshalb man ſich hüten muß, ſie ins Geſicht zu bringen; alſo auch dies Knol— lengewächs iſt nicht ohne giftige Eigenſchaften, doch ſoll der Saft der Blätter gut gegen den Biß der Scorpione ſein, und das Pulver der Wurzel, auf böſe Geſchwüre geſtreut, eine gute Heilkraft äußern. 6. Die Oca. Oxalis tuberosa. Dieſe Pflanze wird nur auf der Cordillere von Mexico, Peru und Chile gebaut und hat demnach ihr Vaterland wohl in Peru. Unter 11 — 12 ſ. Br. ſteigt ihre Cultur bis über 8000 Fuß hinaus, und auch in Mexico ſoll fie mit der Kartoffel und der Quinoa nur in den kälteſten Regionen gezogen werden. Werfen wir nun noch einen Rückblick auf die eben betrachteten Nahrungspflanzen, ſo erſcheint es zunächſt intereſſant, daß wir ſie mit Ausnahme der Arons- und der Yamswurzel, die dem Orient ent— Knollengewächſe. 105 ſtammen, ſämmtlich aus der neuen Welt erhalten haben. Während in der alten Welt die Getreidearten alſo urſprünglich das Ueberge— wicht über die Knollengewächſe hatten, fand in Amerika, das uns an Getreidearten nur den Mais geliefert hat, urſprünglich ein Ueberge— wicht der Knollengewächſe über die Cerealien ſtatt. Durch die Cultur iſt dieſe Verſchiedenheit zwiſchen den beiden Continenten allmälig aus- geglichen worden. Durch den Anbau der Kartoffel hat ſich die Cultur der Knollengewächſe über die ganze Erde ausgedehnt; dieſe wichtige Pflanze aber iſt es allein, die in den gemäßigten und kalten Erdſtri— chen gezogen werden kann, alle anderen Knollengewächſe ſind nur in den Tropen Gegenſtand der Cultur. Beſonders erſetzen die Aronswurzel im feuchten und die Maniokwurzel im trockenen Erdreich den tropi— ſchen Gegenden die Kartoffel, die dort weniger gerathen will; während die Batate und Yamswurzel wohl nicht über die Wendekreiſe hinaus— gehen, dafür aber auch nirgend von der Bedeutung ſind wie die drei zuerſt beſchriebenen Gewächſe. Obgleich nun jede dieſer Pflanzen einer anderen Familie des na— türlichen Syſtems angehört (die Kartoffel den Solanaceen, die Arons— wurzel den Aroideen, die Manioka den Euphorbiaceen, die Batate den Convolvulaceen, die Igname den Dioscoreen und die Oca den Oxa— lideen), fo haben ſie doch alle, mit Ausnahme der Batate vielleicht, narkotiſche Eigenſchaftenz einige können ſogar die nachtheiligſten Wir— kungen, ſelbſt den Tod herbeiführen, wenn ſie unvorſichtig angewen— det werden. Nichtsdeſtoweniger hat der Menſch es verſtanden, die genannten Uebelſtände zu beſeitigen; er hat der Natur dieſe Gewächſe, die ihm urſprünglich feindlich entgegen traten, gleichſam abgerungen, und unter ſeiner Hand haben ſich dieſelben durch alle Zonen der Erde verbreitet. Als Nahrung für Menſchen und Vieh ſind ſie jetzt unent— behrlich geworden und neben den Getreidearten unbedingt als die wichtigſten Culturpflanzen der Erde zu betrachten. III. Die hauptſaͤchlichſten Baumfruͤchte, welche zur allgemeinen Nahrung der Voͤlker dienen. Während die Getreidearten und die Pflanzen mit Knollenwurzeln ſich über die ganze Erdoberfläche erſtrecken und in den heißeſten Ge— genden wie in dem hohen Norden ihre Repräſentanten haben, gehören 106 Culturgewächſe. die Baumfrüchte vorzugsweiſe der heißen Zone an, und nur wenige kommen noch in den wärmeren Theilen der gemäßigten Zone vor. Die meiſten unter ihnen haben die alte Welt zum Vaterlande, Ame— rika hat nur eine geringe Zahl aufzuweiſen. Die Cultur dieſer Baumfrüchte geht bei den meiſten wohl bis in das graue Alterthum zurück. Diejenigen, die am weiteſten verbreitet ſind, werden in vielen Varietäten gezogen, und manche ſind längſt in den cultivirten Zuſtand übergegangen, ſo daß ſie wild gar nicht mehr gefunden werden. Eine Hauptrolle ſpielen unter ihnen die Palmen, welche für die Tropenge— genden um fo wichtiger find, als fie faſt alle mit dem dürrſten Sand⸗ boden vorlieb nehmen. Alle dieſe Bäume mit eßbaren Früchten zeich- nen ſich durch einen reichen Ertrag aus. Die Früchte können nicht nur friſch ſondern auch auf mancherlei Weiſe zubereitet genoſſen wer— den, und viele dieſer Bäume gewähren noch mannichfachen anderwei— tigen Nutzen, ſo daß ſie nicht nur in den wärmeren Gegenden von Bedeutung ſind, ſondern auch als ein Gegenſtand des Handels in allen Gegenden der Erde ſich einen Ruf erworben haben. 1. Der Brotfruchtbaum. Artocarpus incisa. Der Brotbaum iſt für die Völker der heißen Zone eine der vor— züglichſten Nahrungspflanzen. Er liefert eine ſo angenehme und nahrhafte Speiſe, daß der Menſch neben derſelben kaum noch etwas Anderes zu ſeiner Ernährung braucht. Obgleich nur der heißen Zone angehörig, iſt das Vaterland dieſes Baumes doch ein ſehr ausgebrei— tetes, denn er wird nirgend mehr wild angetroffen; vielmehr iſt die ganze Art in den eultivirten Zuſtand übergegangen. Wahrſcheinlich haben die wilden Völker ſich überall da angeſiedelt, wo ſie einen Brot— fruchtbaum fanden, unter deſſen ſchattenreicher Krone die Indianer noch gegenwärtig am liebſten ihre leichten Hütten erbauen. Auf Ma⸗ labar, den Inſeln des indiſchen Archipels, beſonders den Molucken, auf allen Inſelgruppen der Südſee, welche zwiſchen den Wendekreiſen liegen, iſt der Brotbaum zu finden, und in neuerer Zeit iſt er auch von den Engländern nach Weſtindien und dem heißen Amerika ver— pflanzt worden. Der Baum ſelbſt iſt eine prachtvolle Erſcheinung, ſo daß ſich keins unſerer Laubhölzer mit ihm meſſen kann. Seine volle Größe, die er in 60 — 70 Jahren erreicht, beträgt 40 — 50 Fuß, bei einer Dicke von nur 4 Fuß. Er treibt wenig Hauptäſte mit vielen aufrechten Der Brotfruchtbaum. 107 Zweigen, an deren Enden 6—7 Blätter roſettenartig beiſammen ſtehen. So bildet er eine große, dichte Krone, mit dem ſchönſten grünen Laube geſchmückt. Die Blätter von 12 Fuß Länge und beinahe 1 Fuß Breite haben 8—10 große Lappen, fo daß fie mit ihren tiefen, ausgerundeten Buchten faſt wie Eichblätter ausſehen. Oben ſind ſie ſchön hellgrün gefärbt, unten blaſſer und flaumig behaart. Am Ende der Zweige ragen aus den Blätterbüſcheln die gelbbraunen Kätzchen hervor. Er blüht faſt das ganze Jahr und trägt reichlich Früchte, welche 8 — 9 Monate lang ununterbrochen den Baum bedecken; nur + Jahr iſt der Baum ohne Früchte, während welcher Zeit die Indianer von der ein— gemachten Frucht leben. Drei Bäume ſind hinreichend, um einen Menſchen 8 Monate lang vollſtändig zu ernähren. Die Frucht des Brotbaumes iſt faſt ganz rund, von gelber Farbe, oft fo groß wie ein Kinderkopf und 3— 4 Pfd. ſchwer. Inwendig iſt fie markig, auswen— dig mit etwas härterer Rinde umgeben, und enthält meiſtens Samen, die etwas größer ſind als die der Roßkaſtanie. Auf der Oberfläche zeigen ſich ſechseckige oder auch viereckige Felder mit Fäden bedeckt, denn die Frucht iſt eine zuſammengeſetzte, ſo daß jedes der genannten Felder die Krone iner einzelnen Frucht bildet. Künſtlich wird der Baum übrigens nicht durch Kerne, ſondern durch Wurzelſchößlinge fortgepflanzt. Man entblößt nämlich die Wurzel an einzelnen Stellen von Erde und kerbt ſie an ihrer Oberfläche ein, worauf eine Menge von jungen Trieben aus dieſen Einſchnitten hervorwachſen. Auf na- türlichem Wege aber geſchieht die Vermehrung häufig durch die Fle— dermäuſe, welche der Frucht ſehr nachſtellen. Noch vor ihrer vollkom— menen Reife wird die Brotfrucht abgenommen. Die Rinde iſt dann noch grün, das Mark aber ſchneeweiß und von lockerem, mehligem Gewebe. Dann ſchält man ſie, wickelt ſie in Blätter und backt ſie zwiſchen heißen Steinen, denn roh iſt ſie ungenießbar. Die geröſtete Brotfrucht ſchmeckt dann wie Weizenbrot, nur bisweilen ein wenig ſüßlich; auch kocht man fie in Fleiſchbrühe, wo fie faſt wie Artiſchocken ſchmeckt. Schneidet man ſie in Scheiben und trocknet ſie, dann hält ſie ſich wohl 2 Jahre lang, läßt ſich auch auf Schiffen mitnehmen und wie Brot eſſen. Sobald die Brotfrucht ganz zur Reife gekommen iſt, wird ihr Mark breiartig und ſieht gelb aus. Dann kann ſie zwar roh gegeſſen werden, ſchmeckt aber widrig. Auf den Freundſchafts— und den Marqueſasinſeln hat man ſie bis jetzt am vorzüglichſten ge— funden, wie denn überhaupt das Inſelklima dem Baume mehr zuzu— ſagen ſcheint als das des Feſtlandes. | 108 Culturgewächſe. Um während der Zeit, wo der Baum keine Früchte trägt, mit Nahrung verſehen zu ſein, machen die Indianer gepflaſterte Gruben, legen die noch nicht ganz reifen Früchte hinein und bedecken ſie mit Haufen von Blättern und Steinen, bis ſie in eine ſauere Gährung übergegangen find. Von dieſer Maſſe nimmt man nun täglich fo viel als man braucht, wickelt Klumpen, ſo groß wie eine Fauſt in Blätter und backt ſie zwiſchen erhitzten Steinen. So kann man ſie Wochen lang erhalten, und ſelbſt auf Reiſen ſind ſie ein ganz gutes Nahrungs— mittel. Durch die Cultur ſind bei dieſem Baume eine Menge von Ab— arten entſtanden, welche der Form der Frucht nach verſchieden ſind, theils Samenkerne haben, theils nicht. Außer den Früchten kann man auch den Stamm des Baumes benutzen, der ein weiches und leichtes Holz hat. Es giebt noch zwei andere Arten dieſes Baumes, die in Oſtindien einheimiſch ſind, und von denen die eine auch cultivirt wird, doch iſt ihr Nutzen im Vergleich mit der eben beſchriebenen Art nur gering. 2. Der Piſang oder die Banane. Musa paradisiaca. Die Piſangſtaude iſt eigentlich kein Baum, denn die ganze Pflanze dauert nicht über zwei Jahre. Der Stengel wird etwa 10 — 15 Fuß, mit den ungeheuren Blättern, wenn ſie aufgerichtet ſind, 20 Fuß hoch und hat unten einen Fuß im Durchmeſſer. Ueberall an ſeiner Ober— fläche iſt er mit den Ueberreſten verdorrter Blätter und Scheiden be— ſetzt. Holzig iſt er demnach nicht, ſondern er beſteht aus lauter um einander gerollten Häuten, zwiſchen denen noch eine beſondere ſchwam— mige Subſtanz voll großer Löcher ſich befindet. Oben auf der Spitze dieſes Stengels erheben ſich die rieſigen Blätter, die größten, welche die Natur aufzuweiſen hat. Selbſt 8 — 10 Fuß lang und 2 Fuß breit, ſtehen ſie auf 2 Fuß langen, oft armsdicken Blattſtielen, ſcheidenartig einander umſchließend, etwa zu einem halben Dutzend beiſammen. Durch ihre edle, einfache, länglich runde Form, mit ganz regelmäßigen parallelen Rippen durchzogen, ſo wie durch ihr lichtes freundliches Grün, geben fie den tropiſchen Landſchaften etwas Imponirendes, zu— mal wenn ſie mit den leicht gefiederten oder fächerförmig ausgebreite— ten Palmenblättern contraſtiren. Aus der Mitte dieſes Blätterbüſchels ragt ein mannslanger, über einen halben Fuß dicker Kolben hervor, Der Piſang oder die Banane. 109 um welchen etwa ein Dutzend Blüthenhaufen von weißlichgelber Farbe in regelmäßigen Quirlen ſtehen. Roth, Gelb und Blau wechſeln an den einzelnen Blüthen miteinander ab. Später hangen dann die Früchte zu 2 — 14 in 9 — 10 Quirlen um den abwärts gebogenen Kolben. Sie ſind wie eine Gurke geſtaltet, aber dreikantig und gelb— lichgrün gefärbt, von 1 Fuß Länge und bis 3 Zoll dick.) So wie die Gräſer dem größten Theile der mehr cultivirten Men— ſchen die tägliche Nahrung darbieten, ſo ſind die Bananen für den weniger cultivirten Bewohner der tropiſchen Gegenden eine der ge— wöhnlichſten und zugleich nahrhafteſten Früchte. Der Geſchmack der meiſten Arten dieſer Frucht iſt übrigens bei den Fremden durchaus nicht ſo beliebt, wie man nach den Beſchreibungen der Reiſenden er— warten ſollte. In der Regel wird die Piſangfrucht von den Euro— päern unſeren Obſtarten bei weitem nachgeſetzt. Hat man ſich übri— gens erſt einige Zeit daran gewöhnt, dann findet man ſie außeror— dentlich ſüß und wohlſchmeckend. Auch die meiſten Spielarten ſind etwas mehlig und ſchmecken ſüß und feigenartig, weshalb ſie auch wohl indianiſche Feigen genannt werden; andere Arten dagegen ſchmek— ken ſäuerlich oder etwas herbe. Die Spielarten dieſer Frucht ſind in den verſchiedenen Ländern gewiß zahllos; auf den Philippinen allein werden ihrer wohl 70 gebaut, die auch alle mit eigenen Namen be— legt find. Indeſſen find bis jetzt wenigſtens ſchon 6—8 Muſa-Arten ſyſtematiſch beſtimmt, welche alle vortreffliche Früchte liefern und zu— gleich ein verſchiedenartiges Klima verlangen. Wo das Vaterland der Piſangſtaude zu ſuchen ſei, ob in der alten oder in der neuen Welt allein, oder ob ſie in beiden urſprüng— lich zu Hauſe war, das läßt ſich zwar nicht mit abſoluter Gewißheit, aber doch mit großer Wahrſcheinlichkeit nachweiſen. Musa paradisiaca ſtammt jedenfalls aus Oſtindien, vom Fuße des Himalaya-Gebirges; in den Wäldern von Ceylon wird ſie noch jetzt im wilden Zuſtande angetroffen. Ohne Zweifel wird ſie aber ſchon ſeit Jahrtauſenden in der alten Welt allgemein angepflanzt und ſeit einigen Jahrhunderten auch in Afrika und Amerika. Auf den Südſeeinſeln fand man die *) Die Piſangſtaude trägt natürlich uur einmal Früchte; im heißen Indien in Zeit von einem Jahre, auf den Inſeln aber erſt nach 15 — 18 Monaten. Hierauf muß man ſie noch einen oder einige Monate hängen laſſen, ſo daß bis zur vollſtändigen Reife wohl zwei Jahre vergehen. Die unteren Früchte reifen immer zuerſt, und vor ihrem Erſcheinen treiben die Wurzeln ſchon neue Sproſſen, ſo daß dieſe Bäume eigentlich gar keiner Pflege bedürfen. 110 Culturgewächſe. Piſangſtaude überall wo man hinkam, und noch gegenwärtig kommt ſie dort im wilden Zuſtande vor. Eben ſo gewiß ſcheint es, daß Amerika ſchon vor Einwanderung der Europäer den Piſang beſeſſen habe. Denn in verſchiedenen Ländern herrſcht dort die Sage, daß die Varietäten Arton (M. paradisiaca) und Dominico (M. regia) ſchon lange vor Ankunft der Spanier gebaut wurden, und A. v. Humboldt fand bei allen Indianern in den entfernteſten Gegenden des Orinoco den Anbau des Piſangs und der Maniokwurzel, ſelbſt in ſolchen Ge— genden, die noch in keiner Verbindung mit den Europäern ſtanden. Die Bearbeitung der Piſangplantagen iſt ohne alle Schwierig⸗ keiten. So wie die Früchte reif geworden, werden die alten Stämme abgehauen, damit ſich die neuen Schößlinge deſto freier entwickeln können. Die kräftigſte der jungen Sproſſen hat dann gewöhnlich ſchon 2 von der Höhe der Mutterpflanze und nach 3 Monaten trägt auch ſie ſchon wieder Früchte; werden die Schößlinge aber gepflanzt, dann darf man erſt im 10ten oder 11ten Monat Früchte erwarten. Durchſchnittlich giebt eine Piſangſtaude gegen 30 — 40 Pfd., nicht ſelten ſogar 60 — 80 Pfd. Früchte, und da der Indianer im Allge— meinen auf eine viermalige Jahresernte bei dieſer Pflanze rechnen kann, ſo giebt eine einzige Staude in Zeit von einem Jahre wenig— ſtens über 100 Pfd. Früchte, ein Ertrag, den keine einzige Nahrungs— pflanze auf einem ſo kleinen Raume liefert. Es fehlt nicht an Schriftſtellern, welche der Meinung find, daß die Piſangfrucht dieſelbe ſei, welche einſt im Garten Eden die Eva zur erſten Sünde verleitet habe, deshalb hat man ihr auch den Na- men Paradiesapfel gegeben. Auch hält man ſie für übereinſtimmend mit den Trauben, welche die Israeliten aus dem Thale Eskol holten, und die ſo groß waren, daß zwei Mann an einer zu tragen hatten, was bei einem Bananenkolben allerdings möglich iſt, bei einer Wein⸗ traube aber mehr als gerechten Zweifel erregt. — Die Frucht der Musa- Arten iſt weich, mehr oder weniger zuckerhaltig und von ange— nehmem Geruch und Geſchmack. Sowohl roh als gebraten iſt ſie für alle Diejenigen, welche nach langer Schifffahrt ankommen, ein wahrer Leckerbiſſen. Wer ſchon lange in Indien gewohnt hat, macht ſich ge— wöhnlich nicht viel daraus, indeſſen leben die Bramanen faſt aus— ſchließlich von dieſer Frucht, auch iſt ſie faſt die einzige Nahrung, mit welcher dort die Kinder groß gezogen werden. Sieben bis 8 Monate lang eſſen die Kinder auf den Inſeln faſt nichts Anderes, bis ſie Reis vertragen können. Gewöhnlich fehlen der Frucht alle Samen; in Der Piſang oder die Banane. 111 manchen wilden Arten hat man noch gar keine gefunden. In In— dien, Cochinchina, auf Java und Lugon giebt es dagegen eine ganz beſtimmte Abart (den Platano de Pepita) mit einer bedeutenden Menge von großen Samenkörnern, die aber auch zum Eſſen weniger geeig— net iſt. 0 Die Bananenfrucht wird äußerſt mannichfaltig zubereitet; am ge— wöhnlichſten ißt man ſie roh, nachdem man die dicke Fruchthülle ab— gezogen hat. Mit den Fruchthüllen kann man ſie röſten, und ſo wird ſie häufig genoſſen; beſonders angenehm aber ſchmeckt ſie mit Butter gebraten. Die Banane iſt eine ſehr nahrhafte Frucht; nichtsdeſtowe— niger kann man viel davon eſſen. Die mächtig großen Blätter dienen den Indianern zugleich als Tiſchtuch und als Teller, und vor der Mahlzeit ſind ſie immer mit dem Abbrechen der nöthigen Blätter be— ſchäftigt. Eben ſo wickeln ſie die Thiere, welche in erhitzten Gruben gebraten werden, in Piſangblätter ein und brauchen die Pflanze noch auf mannichfache andere Weiſe. Dem Piſang reihen wir die nutzbaren Palmen an. Es giebt vielleicht keine einzige Palme, die nicht auf irgend eine Weiſe von den Menſchen benutzt werden könnte. Hier beſchränken wir uns auf die Betrachtung derjenigen, welche als Nahrungsmittel für ganze Völ— ker von Wichtigkeit ſind, oder deren Früchte durch andere nützliche Eigenſchaften einen bedeutenden Einfluß auf den Wohlſtand der Völ— ker haben. 3. Die Cocospalme. Cocos nucifera. Die Cocospalme iſt eine der größten Palmenarten. Ihr ſchwärz— licher Stamm iſt einen Fuß, am Grunde höchſtens 2 Fuß dick, dabei erreicht er aber eine Höhe von 70—80 Fuß. Er iſt faſt immer ein wenig gebogen und an ſeiner Oberfläche überall mit den zurück— gebliebenen halbringförmigen Blattnarben bedeckt. Nur an dem Gipfel dieſes ſchlanken Stammes brechen die Blätter hervor, die gewöhnlich zu 10—12, bei großen Bäumen wohl bis zu 28 Stück beiſammen ſtehen. Sie ſind gefiedert, graugrün gefärbt und werden wohl mehr als 12 Fuß lang. Gewöhnlich bildet ſich jeden Monat ein neues Blatt, und das unterſte fällt ab; in 3 Monaten ſind ſie ausgewachſen. Aus der Mitte dieſer prachtvollen Blätterkrone entwickeln ſich 2 — 3 Fuß lange Scheiden. Dieſe platzen, und dann erhebt ſich aus ihnen die traubenartige Rispe, welche oben mit gelblichen, wohlriechenden Blü— 442 Culturgewächſe. then, unten mit Früchten beſetzt iſt, die eine röthliche, grünliche oder bleichgraue Farbe haben. : | Dieſe majeſtätiſchen Bäume find das Erſte, was den Seefahrern ins Auge fällt, wenn ſie ſich den indiſchen Inſeln nähern, da ſie mit ihrer Blätterkrone weit über die anderen Bäume hervorragen. Ihr eigentliches Vaterland hat die Cocospalme in der alten Welt, von wo ſie nach den Südſeeinſeln und nach Amerika übergewandert iſt. Da in der Torresſtraße die Cocospalme ſich nur auf bewohnten Inſeln findet, ſo geht hieraus hervor, daß dieſelbe von einer beſtimm— ten Menſchenrace verbreitet worden iſt, die ſie ihres Nutzens wegen angepflanzt hat. In Auſtralien dagegen, welches von einer anderen Menſchenrace bewohnt wird, fehlt die Cocospalme. Auf den weſtin— diſchen Inſeln und in Braſilien wird ſie in großer Menge gezogen, beſonders wegen der Frucht und zur Gewinnung des Weines. Die Cocospalme gehört allerdings zu den Küſtenbewohnern, beſonders liebt ſie die ſandigen Küſten und iſt in ſalzigem Boden am Meere am fruchtbarſten; indeſſen giebt es doch einige Gegenden, in denen ſie durch die pflegende Hand des Menſchen ziemlich weit ins Innere des Landes hinein verpflanzt worden iſt. Ihre nördliche Grenze hat ſie unter dem 28ſten Grade der Breite und ſteigt bis zu einer Höhe von 4200 Fuß auf die Gebirge. Die Cocospalme iſt eine der nützlichſten Pflanzen der Erde; ſie iſt wie alle anderen Obſtarten durch die ſorgfältige Cultur veredelt worden, wächſt ſehr ſchnell und giebt bisweilen ſchon im ſechſten Jahre einige 30 Früchte. Eine ausgewachſene Cocospalme hat nicht ſelten 2— 300 Nüſſe, welche die Größe eines Menſchenkopfes erreichen, und dabei wird fie bis 100 Jahr alt. In dem Alter von 25 — 30 Jah- ren iſt der Baum am kräftigſten; er giebt dann den meiſten Saft und die größten Früchte. So wie er anfängt Früchte zu tragen, folgen die neuen immer gleich auf die abgefallenen alten, ſo daß er unauf- hörlich mit Früchten bedeckt iſt. Die friſche, reife Frucht iſt inwendig mit einer waſſerhellen, etwas ſüßlichen Flüſſigkeit angefüllt, welche un- ter dem Namen Cocosmilch allgemein bekannt iſt. Sie wird häufig getrunken, iſt aber zu kühlend und ihr Genuß daher nicht ohne Ge— fahr; doch wird ſie von Reiſenden als ein äußerſt wohlſchmeckendes Getränk gelobt, nicht ſelten mit wahrer Begeiſterung, während andere ſie fade, von eigenthümlich weichlichem Geſchmack finden. Später bildet fich in der Nuß, welche holzig, beinhart, und braun oder ſchwärz— lich gefärbt iſt, ein Kern, indem die Milch verſchwindet. In dieſem Die Cocospalme. 113 Zuſtande kommen die Früchte in den Handel, und zu uns her. Der Kern beſteht aus einer weißen, härtlichen Maſſe, deren Geſchmack an unſere ſüße Mandeln erinnert; nur iſt er nicht ſo wohlſchmeckend und ſeiner großen Härte wegen als Nahrungsmittel wenig zu empfehlen; kocht man ihn dagegen anhaltend in Waſſer und preßt ihn nachher, ſo erhält man das treffliche Cocosnußöl, welches auf fo mannichfal- tige Weiſe angewendet wird. Das aus Amerika zu uns kommende Palmöl wird aus einer anderen Art (Cocos butyracea) bereitet. Ueberall in den cultivirten Ländern der heißen Zone, wo die Cocospalme wächſt, wird auch der Anbau des Zuckerrohrs betrieben, ſo daß die Bewohner jener Gegenden auf leichte Weiſe die Frucht dieſer Palme ſich noch ſchmackhafter machen können, was auch ganz allgemein geſchieht. Außerdem läßt man auch die Cocos-Milch in Gährung übergehen und erhält durch Deſtillation dieſes Saftes ein berauſchendes Getränk, eine Art Arrak, der dort zwar ſehr geſchätzt wird, aber nur ſelten in den Handel kommt. Die Benutzung der harten Cocosnußſchale iſt bei uns jetzt allge— mein bekannt. Da die Maſſe außerordentlich hart iſt und außerdem eine ſehr ſchöne Politur annimmt, fo kann fie zu mancherlei Schmuck- ſachen und Verzierungen verarbeitet werden. Stockknöpfe, Pfeifen— ſpitzen und andere Kleinigkeiten aus Cocosnußſchalen find jetzt bei uns keine Seltenheit mehr; aber in Indien und China findet man prachtvolle Gefäße daraus bereitet, die mit Silber und Gold verziert ſind, und auch der rohe Indianer benutzt die Schale als Trinkgeſchirr. Bekannt iſt es, daß die dicke Fruchthülle unter ihrer harten Schale eine ſtarke Faſerſchicht birgt. Dieſe Faſern werden auf die mannich— fachſte Weiſe zur Bereitung von Schiffstauen, Stricken, Decken, Bür— ſten, Lunten, Panzern u. ſ. w. benutzt. Durch Röſten der Schale ge— winnt man nämlich eine Art Hanf, die unter dem Namen Cairo auch bei uns durch den Handel bekannt geworden iſt, und woraus die ge— nannten Dinge verfertigt werden. Außerdem iſt die faſerige Hülle ein ſehr gutes Brennmaterial; ſie hitzt wie Kohlen und wird auf der Inſel Lugon zum Brennen des Töpfergeſchirrs gebraucht. Eben fo benutzt man die Blätter dieſer Pflanze zum Decken der Hütten, zu allerlei Geflechten, Sieben, Körben, Fächern, Fußdecken, ja ſelbſt zu Hüten und Sonnenſchirmen. Das Holz in dem Stamme der Cocospalme bildet eine zu dünne Schicht, als daß es zu Bauwerken gut verarbeitet werden könnte, da— gegen bilden die ganzen Palmſtämme recht dauerhafte Pfähle und 8 114 Culturgewächſe. werden bei den größeren Bauten der Indianer auch allgemein als Pfoſten angewendet; das Mark im Innern des Stammes iſt ein vor— treffliches Düngungsmittel, anderweitig wird es aber nicht gebraucht. Ferner liefert dieſe Pflanze auch Palmkohl, der mit Recht berühmt iſt. Er wird aus den jungen Trieben bereitet, die von ganz markiger Subſtanz ſind und die noch unentwickelten jungen Blätter enthalten. Man ſchneidet zu dem Ende das Herz der Palme ab, welches oft außerordentlich groß, ja wohl über 20 Pfd. ſchwer iſt. Auch bei den ganz jungen Pflanzen von einem Fuß Höhe iſt der Blattkopf ſüß und ſchmackhaft und wird deshalb oft von den Elephanten ausgeriſſen. Endlich iſt noch der Palmwein berühmt, der auch unter dem Namen Souva oder Suriſaft bekannt iſt. Man ſchneidet nämlich einen ziemlich entwickelten Kolben an und erweitert die Wunde täg— lich. Es fließt dann eine große Menge Saft aus derſelben, der in Gefäßen von Bambusröhren aufgefangen wird. Durch Gährung er— hält man den Palmwein, der ſich übrigens nur wenig Tage hält. Den rohen Palmſaft kann man auch mit Kalk vermiſchen, wodurch man Palmzucker, Jagra genannt, erhält, der häufig gebraucht wird und ſchon im hohen Alterthum bekannt war. Es iſt kaum zu verwundern, daß eine Pflanze, die ſo vielſeitigen Nutzen gewährt, und von der kein einziger Theil unbrauchbar iſt, bei den Bewohnern ihres Vaterlandes in hohem Anſehen ſteht. Bei Hoch— zeiten und anderen Feſtlichkeiten ſtellt man die Zweige zur Zierde vor die Thüren; und bringt man Vornehmen ein Geſchenk, es ſei an Thieren oder an Früchten, ſo legt man jederzeit einige Palmzweige dabei. Es ſind dieſelben ein Zeichen der Freude, ein Symbol der Freundſchaft und des Friedens. 4. Die Dattelpalme. Phoenix dactylifera. Die Dattelpalme iſt nächſt der Cocospalme wohl die wichtigſte Palme der Erde. Ihr Stamm erreicht eine Höhe von 30 — 60 Fuß bei einem Durchmeſſer von 2—3 Fuß, iſt walzenförmig und an ſeiner Oberfläche ſpiralförmig aber ſchwach geringelt. Auf ſeiner Spitze trägt er eine dichte Krone von 40 — 80 Blättern, die 8 — 10 Fuß lang und gefiedert find, und von denen immer 6 in einem Kreiſe ſtehen. Die einzelnen Blättchen ſind ſchmal lanzettförmig, ſteif und gefaltet. Der neu entſtehende Blätterbüſchel bildet anfangs auf dem Gipfel einen Die Dattelpalme. 115 Kegel von 2 Ellen Länge. Jedes Jahr fällt ein Halbdutzend Blätter ab, wodurch die ſpiralförmig um den Stengel laufenden Narben ent ſtehen; derſelbe wächſt alſo ſehr langſam. Dieſe Bäume werden 50 bis 100, ja nicht ſelten über 200 Jahr alt, und ſchon nach 4 — 6 Jahren tragen ſie die erſten Blüthen, und zwar im Februar. Die Blüthenkolben, die ſich in wenig Tagen entwickeln, entſpringen aus den Achſeln der Blätter. An dem männlichen Baume befinden ſich 6 — 8 Kolben, von denen jeder an 200 Ruthen trägt, die zuſammen mit etwa 12,000 gelblichen Blüthen, etwas kleiner als Maiblümchen, beſetzt ſind. Die ganze Rispe hat ein Gewicht von ungefähr 1 Pfd. An dem weiblichen Baume iſt die Anzahl der Kolben geringer. An 80 Ruthen ſtehen etwa 2400 weiße Körner, von denen aber viele ab— fallen. Im April werden die Früchte gelb, im Mai ſind ſie ſo groß wie Kirſchen und grünlich, im Juni wie Oliven und im Juli ſind ſie ausgewachſen; aber erſt im Auguſt werden ſie reif, beſonders wenn die brennenden Winde ſtark wehen, die daher, ſo unangenehm ſie dem Menſchen auch ſind, doch von den Einwohnern ſehr herbeigewünſcht werden. Die reifen Früchte ſind länglich oval, wie eine große Pflaume, blaßgelb bis ins hochrothe und bräunliche, gewöhnlich zu 180 — 200 an einem Kolben. Da ſie die völlige Reife nicht allmälig, ſondern plötzlich in wenig Tagen erlangen, ſo muß man ſie etwas früher ab— nehmen; auch ißt man die halbreifen lieber, obſchon die ganz reifen weich und ſehr ſüß ſind. Als das Vaterland dieſes vortrefflichen Baumes, deſſen ſüße und wohlſchmeckende Früchte für Millionen eine unerſetzbare Speiſe ſind, iſt das nördliche Afrika, Aegypten, Nubien, Syrien und das glückliche Arabien anzuſehen. Auch nach Perſien hat er ſich ausgebreitet, geht aber nicht weiter als bis zum Indus. Es iſt merkwürdig, daß dieſer Fluß, der für die Pflanzenwelt die Grenze zwiſchen der Dattelpalme und der Cocospalme macht, auch in Beziehung auf die Thierwelt als Grenzfluß zu betrachten iſt. Das Kameel und der Strauß gehen nur bis hierher; jenſeit deſſelben finden ſich dafür der indiſche Elephant und der Caſuar. Man kann überhaupt wohl ſagen, daß dieſer Fluß die Grenze zwiſchen der ſogenannten orientaliſchen und der indiſchen Welt macht. Man findet die Dattelpalme zwar gegenwärtig auch in Indien, jedoch nur künſtlich verpflanzt. Es wächſt dieſer Baum in brennend heißen Gegenden, auf ſandig-lehmigem, leichtem und ſalz— haltigem aber waſſerreichem Boden, wo andere Pflanzen meiſt zu Grunde gehen. Verpflanzt man ihn auf beſſeren Boden, dann verkrüppelt er. 8 * 116 Culturgewächſe. Wo die Dattelpalme häufig und beſonders fruchtbar iſt, da iſt ge— wöhnlich Mangel an allem Anderen, beſonders an ſüßem Waſſer. In der großen Wüſte Afrika's jedoch findet man ſie nur an ſolchen Stellen, wo Quellen vorhanden ſind. In dem wüſten Arabien iſt die Dattelpalme der einzige Baum, welcher Wälder bildet und länger als irgend ein anderer lebt. Er giebt in dieſen wüſten Gegenden nicht nur den Reiſenden Nahrung, ſondern ſeine Blätter ſind auch ein gutes Futter für die Laſtthiere. So zieht ſich die Dattelpalme durch das ganze nördliche Afrika bis an den atlantiſchen Ocean, und ſelbſt auf den canariſchen Inſeln iſt ſie noch zu Hauſe; ſüdlich vom Senegal aber findet ſie ſich nicht mehr, und eben ſo wenig auf der ſüdlichen Halbkugel. Die Zone, in welcher fie gut gedeiht, erſtreckt ſich etwa vom 19 — 35° n. Br. Freilich iſt ſie auch nach Europa herübergekommen und wird in Ita— lien noch unter 44° n. Br. an Mauern gezogen, bei einer mittleren Temperatur von 12° R.; auch im ſüdlichen Spanien, in Morea und Sicilien gelangt ſie noch zur Blüthe, doch werden die Früchte nicht mehr ſüß, man kann ſie alſo nur der Blätter wegen ziehen. In Amerika iſt die Dattelpalme gegenwärtig auch zu finden; auf den weſtindiſchen Inſeln ſoll ſie ſehr gut gedeihen und auch auf der Weſt— küſte von Südamerika bis zu 27° |. Br. gezogen werden. Durch die Cultur iſt die Frucht der Dattelpalme ſehr verändert worden, und es giebt jetzt mehrere ſehr ausgezeichnete Varietäten, im glücklichen Arabien ſogar eine weiße. In Perſien unterſcheidet man wilde und zahme Datteln; die erſtere in wüſten Thälern an Salz— ufern iſt krumm und niedrig, mit wenigen, harten, ungenießbaren Früchten, aber mit längeren Blättern; die zahme gedeiht am beſten am perſiſchen Meerbuſen und im glücklichen Arabien, welches daher ſeinen Namen hat. Denn dieſe Palme zeichnet ſich durch ganz außer— ordentliche Fruchtbarkeit aus und bietet den Völkern der unfruchtbarſten Gegenden die hauptſächlichſte Nahrung dar. Die Fortpflanzung geſchieht durch den Kern oder durch Schöß— linge. Man wählt zum Anbau ein ebenes Feld, das ſich bewäſſern läßt und zwar mit ſüßem Waſſer. Es wird tief umgegraben und dann die Datteln in Entfernungen von 10 Fuß Weite eingeſteckt. Lieber noch nimmt man die Wurzelſchoſſen, denn dieſe tragen früher Früchte, doch müſſen fie wenigſtens 2—3 Jahr alt fein. Die Pflan- zung geſchieht im Frühjahr. Die Früchte werden in 2—3 Malen abgenommen und in unreife, Die Dattelpalme. 117 halb- und ganz reife geſondert. Durch Preſſen nimmt man ihnen den Honigſaft, aus welchem ein vortrefflicher Syrup bereitet wird, den man dann wieder zum Befeuchten der ausgepreßten und getrock— neten Früchte benutzt. Durch Gährung kann man auch ein weinar— tiges Getränk, oder Eſſig erhalten. Eben fo giebt dieſe Pflanze Palm— wein und Palmkohl. Von einem jungen Stamme kann man den inneren Theil ganz eſſen, von einem älteren nur den oberen. Dieſe Maſſe iſt weiß, zart, fleiſchig, ſüß und ſchmackhaft und wird Kopfmark oder Hirn genannt. Iſt ſie einmal ausgeſchnitten, dann ſtirbt der Baum. Außerdem geben die holzigen Faſern des Stammes, welche durch ſchwammiges Fleiſch ſo locker verbunden ſind, daß man ſie faſt mit den Fingern loslöſen kann, Stoff zu Flechtwerk, Seilen u. dgl. m. Da die Dattelpalme zu den zweihäuſigen Gewächſen gehört, ſo müſſen die Beſitzer der Dattelpflanzungen beſondere Aufmerkſamkeit auf die Beſtäubung verwenden, umſomehr, da ſie des möglich größten Fruchtertrages wegen nur wenig männliche Bäume ziehen. Es kann daher dies Geſchäft nicht dem Zufall überlaſſen bleiben, ſondern es wird künſtlich verrichtet, was um ſo leichter geht, da man die Staub— blüthen getrocknet ein ganzes Jahr aufheben kann und ein einziger männlicher Baum hinreicht, um einen ganzen Wald fruchtbar zu machen. Da von dem Erfolge der Dattelernte das Leben ganzer Völkerſchaften abhängt, ſo pflegt in jenen Gegenden zur Zeit des Krieges der Feind vor allen Dingen die Bäume mit den Staubblü— then zu zerſtören, was um ſo leichter möglich iſt, da immer nur we— nige zerſtreut auf dem Felde ſtehen. Die Dattelernte iſt auch von Einfluß auf die ganze Lebensweiſe der dortigen Bewohner. Im Mai wandern die Reichen aus den Städten nach den Palmenwäldern, um der Hitze zu entgehen. Eine große Menge von Kameelen führt ſie dort hin, und der Aufenthalt iſt ein heiterer wie bei uns in den Bä— dern. Eſſen und Trinken, Spiel, Muſik und Tanz und manche an— dere Luſtbarkeiten verkürzen die Zeit in den lieblichen Palmenhainen, bis man zum Herbſt in die Städte zurückkehrt. 5. Die Sagopalmen. Der Sago, welcher aus verſchiedenen tropiſchen Ländern der alten Welt zu uns kommt, wird aus dem Marke ſehr verſchiedener Palmen bereitet, von denen uns mehrere gewiß noch unbekannt ſind. Wir führen hier 6 Arten auf, von denen es ſicher iſt, daß ſie Sago liefern: 118 a Culturgewächſe. a. Die ächte Sagopalme (Sagus Rumphü). Ihr Stamm wird 15 — 30 Fuß hoch und 2— 3 Fuß dick. So lange die Pflanze wächſt, iſt er unten von ſtacheligen Blättern umgeben, welche ihn ge— gen die wilden Schweine ſchützen, die ihn des Markes wegen gern zerſtören. Man kann daher kaum in die Sagowälder hineingehen, ohne ſich die Füße zu verletzen. Lange Zeit bleibt die Pflanze ein bloßer Strauch, der aber 20 Fuß hohe Wurzelblätter hat. Erſt ſpät, wenn das Mark ſich in dicke Faſern verwandelt hat, alſo zu Sago nicht mehr zu gebrauchen iſt, gelangt der Baum zur Blüthen- und Fruchtbildung. Aus einer 3 Fuß langen Scheide entwickelt ſich eine ungeheure Rispe, die aus 8—10 Aeſten beſteht, jeder von 6—12 Fuß Länge und mit einer Menge von fingersdicken, fiederartig geſtellten Kätzchen beſetzt. So breitet ſich die Rispe 10 Fuß weit aus wie ein ungeheurer Armleuchter. Dieſe mächtige Blüthen- und Fruchtent⸗ wickelung erfolgt erſt im Alter von 30 Jahren, worauf die Pflanze zu Grunde geht. Ein einziger Baum kann 6 Ctr. Mehl liefern, welches meiſt zu Brot verwendet wird. Dieſe Pflanze findet ſich auf den moluckiſchen Inſeln bis Neu-Guinea, auf Borneo und in Siam, wo ſie oft große Wälder bildet, aber nur in ſumpfigen Gegenden, nie auf Bergen. Ihr Nutzen iſt ſo bedeutend, daß die Feinde in Kriegs— zeiten die Sagowälder zerſtören, indem ſie einen tiefen Hieb in den Baum machen, wodurch in 3—4 Tagen aller Saft ausfließt und das Mark vertrocknet. b. Der Sagobaum (Cycas cireinalis), von den Portugieſen Kirchenpalme genannt, indem die malabariſchen Chriſten an Feſttagen ihre Kirchen mit den Blättern verzieren, die lange ſtehen können, ehe ſie vertrocknen. Es iſt ein 40 Fuß hoher Baum mit ſüßen, ſchmack⸗ haften Früchten; er ſchießt aber ſehr langſam auf, und die Japaneſen benutzen vorzugsweiſe das Mark des Stammes, um Mehl und Brot zu bereiten, das ſie Sagu nennen. Er wächſt vorzugsweiſe in Sand— gegenden und auf Gebirgen und hat einen bedeutenden Verbreitungs— bezirk, von Japan bis Siam, ſo wie auf allen indiſchen Inſeln und in Vorderindien. | Ä c. Der Sagoſtrauch (Cycas revoluta) iſt kaum mannshoch, aber dicker als ein Cocosſtamm und findet ſich in China und Japan. d. Die gemeine Schirmpalme (Corypha umbraculifera) iſt ein prächtiger Baum, der in 30 Jahren eine Höhe von 60 — 70 Fuß erreicht. An der Spitze des Stammes ſtehen 8 — 10 ſehr große Blätter, von denen jedes einzelne 18 Fuß lang und 14 Fuß breit iſt; Die Sagopalmen. 119 am ganzen Umkreiſe find fie in zahlreiche Lappen geſpalten, und zwi— ſchen je 2 Lappen hängt immer ein gleich langer Faden herab. Dieſe mächtigen Blätter bilden zuſammen eine Krone von 40 Fuß im Durch⸗ meſſer, wodurch der Baum ein impoſantes Anſehen erhält. Erſt im Alter von 35—40 Jahren gelangt er zur Blüthe. In Zeit von 3—4 Monaten ſchießt aus der Mitte der Krone ein etwa 30 Fuß hoher, neuer Stamm hervor, der anfangs wie ein ungeheurer, kahler Maſt ausſieht, ſpäter aber überall lange, glatte Aeſte treibt, von denen die unterſten 20 Fuß lang werden. Dieſe Aeſte ſind wieder mit Zweigen voll kleiner weißer Blüthen bedeckt, deren Anzahl man dreiſt auf 20,000 anſchlagen kann. Der Bauu wächſt in Gebirgsgegenden Oſt— indiens, beſonders auf Malabar und Ceylon, hat in ſeiner Erſchei— nung manches Aehnliche mit der Cocospalme, liefert aber keinen be— ſonders guten Sago. e. Die gemeine Brennpalme (Caryota urens). Sie wächſt in Oſtindien in Sandgegenden, wird 40 — 50 Fuß hoch und hat 10 bis 12 Fuß im Umfange. Der Stamm iſt mit grauer Rinde bedeckt, welche beim Hinaufklettern, ſobald ſie naß iſt, Brennen erregt. Aus den Winkeln der doppelt gefiederten Blätter kommt eine über 4 Fuß lange hängende Traube hervor, die aus 12 — 18 einfachen Zweigen mit röthlichen Blumen beſteht. Nach dem Fruchttragen ſtirbt der Baum ab. Außer dem Sago liefert er auch Palmkohl. f. Die Mehl-Dattelpalme (Phoenix farinifera) iſt ein 4 Fuß hoher Strauch mit Blättern von 6 Fuß Länge. Die Früchte ſind kleiner als die der Dattelpalme, und das Mark wird zu Sago benutzt. Es iſt intereſſant, daß faſt alle eben angeführten Sagopalmen ihre Blüthen und Früchte erſt im ſpäteren Lebensalter entwickeln und bald darauf zu Grunde gehen, während bei der Cocos- und der Dat— telpalme die Früchte ſich ſchon in den erſten Lebensjahren entwickeln. So weiſt die Natur den Menſchen deutlich darauf hin, den Nutzen dieſer Gewächſe nicht in den Früchten, ſondern in etwas Anderem zu ſuchen. Da ſie in den Wäldern der angeführten Tropengegenden wild wachſen, ſo gewähren ſie dem Indianer, welcher zu träge iſt, andere Cul— turgewächſe zu ziehen, eine hinreichende Nahrung, die er ſich mit Leich— tigkeit verſchaffen kann. Das Mark liefert ein zartes und ſehr nahr— haftes Brot. Sobald die geeignete Zeit eingetreten iſt, was nicht bei allen dieſen Pflanzen gleich iſt, werden die Stämme gefällt, geſpalten, und mit einem Holzſtück das Mark herausgeſchabt. Darauf ſchlemmt man es mit Waſſer auf Sieben, um es von den Faſern zu ſondern. 120 Culturgewächſe. Das ſo erhaltene Satzmehl kann dann getrocknet und als Mehl auf⸗ bewahrt werden, oder es kann feucht durch eigene Gefäße mit vielen kleinen, runden Löchern gedrückt und ſomit zu Körnern geformt wer— den, in welcher Geſtalt der Sago nach Europa kommt. Ein einziger Baum liefert oft 400 — 600 Pfd. Sagokörner. Uebrigens iſt der Sa- gohandel erſt ſeit 1770 von Bedeutung geworden. 6. Die Weinpalmen. So wie es mehrere Palmenarten giebt, welche Sago liefern, ſo werden auch mehrere Palmen gezogen, um Wein daraus zu gewinnen. Wir führen hier nur 4 der wichtigſten Arten an. a. Die gemeine Weinpalme (Borassus flabelliformis), von den Engländern in Oſtindien Palmyra oder Brab genannt, wird ſo hoch wie die Cocospalme, der Stamm iſt aber dicker und voll Nar— ben. Auf ſeinem Gipfel befindet ſich eine anſehnliche Krone von einem Dutzend Blättern an 4 Fuß langen Stielen. Die Blätter ſelbſt ſind 13 Fuß lang und 9 Fuß breit, mit gefalteter Fläche und 70—80 rund herum im Kreiſe ſich ausbreitenden Lappen. Die braungelben Früchte von der Größe eines Kinderkopfes ſtehen in Büſcheln beiſammen. Es iſt ein Baum, der nach der Cocospalme den meiſten Nutzen gewährt, und ſcheint dieſe zu erſetzen, indem er da vorkommt, wo dieſelbe fehlt. Er wird an 200 Jahr alt, findet ſich in Südaſien, beſonders in Oſt— indien an ſandigen Orten. Erſt nach 30 — 40 Jahren liefert dieſe Palme den beliebten Wein, der vorzugsweiſe von den Reichen getrun— ken wird. b. Die Dattelweinpalme (Elate [Phoenix] sylvestris), von den Holländern wilder Dattelbaum genannt, hat in ihrem Anſehen viel Aehnlichkeit mit der Cocospalme, wird aber nur 14 Fuß hoch und wird von den Elephanten des Palmkohls wegen gierig gefreſſen. Sie findet ſich vorzugsweiſe in Oſtindien und Ceylon, ihr Wein wird mehr von den armen Leuten genoſſen. c. Die Nipa-Palme (Nipa fruticans), ein kaum 5 Fuß hoher, knorriger Stamm mit 6 Fuß langen, gefiederten, ſtechend gezähnten Blättern, findet ſich in Oſtindien am Strande, auf den Philippinen und Java, wo die Früchte oft im Meere umhertreiben. Aus dem ab— geſchnittenen Stamme fließt ein klarer, ſüßer Saft. d. Die Butter-Cocospalme (Cocos butyracea), größer als die gemeine Cocospalme, ein Gewächs mit einfachen, dornloſen Blät— tern, findet ſich in den Thälern von Braſilien und Neu-Granada. Die Oelpalme. 121 Aus der Frucht ſchwitzt ein Oel aus, das butterartig erhärtet, und aus dem Safte des Stammes wird Wein bereitet. Alle eben genannten Gewächſe werden faſt nur des Palmweines wegen gezogen. Um denſelben zu gewinnen, ſchneidet man den Blü— thenkolben, ehe er ſich ganz ausgebildet hat, an der Spitze ein und erneuert dieſen Schnitt täglich, oder man ſchneidet den ganzen Schöß— ling ab und erweitert jeden Tag die Wunde; darunter hängt man einen Topf, oder ein Bambusrohr, in welches der Saft während der Nacht tröpfelt. Aus dem Safte mehrerer dieſer Palmen kann man auch guten Zucker erhalten, wenn man den Topf inwendig mit Kalk beſtreicht, wodurch der Saft dicker wird und ſüßer bleibt. 7. Die Oelpalme. Elaeis guineensis. Die Oelpalme iſt ein Baum mit 30 Fuß hohem Stamm von nur 1 Fuß Durchmeſſer; derſelbe ſteigt gerade in die Höhe und trägt an ſeiner Spitze wenige, aber 15 Fuß lange Blätter. Aus der Mitte der Krone entwickeln ſich mehrere aufrechte Rispen mit 6—800 pflau⸗ menartigen Früchten von gelblich rother Farbe. Sie werden in Afrika Maba genannt und erinnern an die Früchte der Dattelpalme. Dieſe Pflanze iſt in Guinea einheimiſch und von da auch nach Weſtindien und Südamerika verpflanzt worden. Die große Menge Palmöl, die gegenwärtig bei uns conſumirt wird, ſoll vorzugsweiſe von ihr her— kommen. Die fleiſchige Hülle, welche die Samen einſchließt, wird gekocht und durch ein Tuch gepreßt. So erhält man ein weißes, oder gelbliches Oel, das dick wie Butter iſt, einen lieblichen Veilchengeruch hat und von zartem und angenehmem Geſchmack iſt. In neueren Zeiten iſt dieſes Oel ein bedeutender Handelsgegenſtand geworden. Südamerika beſitzt eine ähnliche Palme, E. oleifera, deren Oel vor— zugsweiſe in Neugranada und Carthagena benutzt wird. Die eben genannten Palmen gehörten faſt alle der alten Welt an; wir nennen nun noch zwei nutzbare Palmen, welche der neuen Welt eigenthümlich ſind. 8. Die Mauritiuspalme. Mauritia flexuosa. Es iſt eine Fächerpalme mit geradem, ſtachelloſem Stamme von 40 Fuß Höhe und 24 Fuß Dicke, auf deſſen Spitze etwa 20 — 30 122 Culturgewächſe. 16 Fuß lange fächerartige Blätter ſtehen, zwiſchen welchen mehrere hängende, 6 — 10 Fuß lange Rispen hervorkommen. Die roth ge— färbten Früchte ſind geſchuppt wie Tannenzapfen, hängen in mächti— gen Trauben von dem Gipfel herab, und ſchmecken wie überreife Aepfel. Dieſe Paſme findet ſich vorzugsweiſe am Ausfluß des Ori— noco, iſt eine vorzügliche Nahrungspflanze, und die wilden Guarau— nen verdanken ihr faſt ganz allein ihre Exiſtenz. Dieſe Pflanze lebt geſellig, beſonders in ſumpfigen Gegenden, an den Ufern ſtehender Gewäſſer, ſo wie in der Nähe der Ströme. In dem ganzen nörd— lichen Theile von Südamerika öſtlich der Andenkette, von dem Ori— noco bis zum Amazonenſtrome bildet fie kleinere oder größere Wälder. Außer den genießbaren Früchten dieſer Palme gewinnen die Einge— borenen auch durch Gährung einen ſüßen und berauſchenden Wein, und aus dem Marke des Stammes kann vor der Blüthenentwickelung eine Art Sago bereitet werden, der in großen dünnen Scheiben zu Brot gedörrt, eine allgemeine Nahrung der dortigen Bewohner bildet. Aus den Faſern der Blätter werden mannichfaltige Geflechte bereitet, beſonders Taue und Hangematten. Letztere hängen die Guaraunen an den Gipfeln der Palmen oder an abgehauenen Baumſtämmen auf und leben in dieſen überirdiſchen Wohnungen. — Die Mauritia vi- nifera, die über 100 Fuß hoch wird, iſt noch ſtattlicher in ihrer Er— ſcheinung und wird faſt eben ſo angewendet; ſie kommt in derſelben Gegend, aber nicht ſo häufig vor. 9. Die Chileniſche Palme. Molinaea micrococos. Obſchon der Cocospalme in mancher Beziehung ähnlich, bildet dieſe Palme doch eine ſelbſtſtändige Gattung. Früher ſoll ſie in Chile ungeheure Wälder gebildet haben, jetzt aber nur noch ſelten ſein. Sie geht bis über 35° ſ. Br. hinab, wo die Temperatur im Winter oft ſo gering iſt, daß der Schnee mehrere Stunden lang liegen bleibt, eine Erſcheinung, die mit den Palmen einen höchſt auffallenden Con— traſt bildet. Dieſe Pflanze iſt ungemein fruchtbar; jeder Kolben trägt über 1000 Nüſſe, deren Kern mit Zuckerrohr zubereitet, eine ſüße, äußerſt wohlſchmeckende Speiſe giebt. Selbſt nach Peru werden dieſe Nüſſe ausgeführt. Aus den Kernen kann man auch ein ſehr wohl— ſchmeckendes Oel bereiten, und die jungen Triebe als Palmkohl be— nutzen wie bei anderen der oben angeführten Palmen. Der Delbaum. 123 Dies möge genügen, um zu zeigen, wie die Familie der Palmen reich an Arten iſt, welche dem Menſchen auf die mannichfachſte Weiſe nützlich werden. Doch muß man ſich hüten, zu glauben, daß dieſe Nahrungsmittel mit ſo großer Leichtigkeit zu haben ſeien; im Gegen— theil kann man annehmen, daß die Ernte von unſeren Getreidearten in der Regel weit ſicherer iſt als die der Palmenfrüchte, und es iſt nicht außer Acht zu laſſen, daß die Bewohner der Tropen neben den Palmen noch eine große Menge von anderen Nahrungspflanzen haben. 10. Der Oelbaum. Olea europaea. Der Oelbaum erſcheint im wilden Zuſtande als ein vieläſtiger Strauch mit viereckigen, dornigen Zweigen, wird aber durch die Cultur ein 20 — 40 Fuß hoher Baum, der ungefähr wie ein Weidenbaum ausſieht. In gutem Boden wird er größer, in magerem aber gera— then die Früchte beſſer. Der Stamm hat eine weißlich-graue Rinde, an den Aeſten dagegen erſcheint ſie grünlich ſilbergrau. Durch ſeine kleinen, länglich-lanzettförmigen Blätter, die von lederartiger Beſchaf— fenheit, oben matt dunkelgrün, unten aber ſilberfarbig, goldig oder roſtbraun erſcheinen, giebt er den Landſchaften ein eigenthümliches Anſehen. Die kleinen weißlichen Blüthen, die im April und Mai erſcheinen, ſtehen in traubenartigen Rispen, und die Steinfrucht, von pflaumenartigem Anſehen, wächſt bis zur Größe eines Taubeneies heran. Sie erſcheint dunkelgrün, ins bräunliche oder purpurſchwarze und hat ein grünlich-weißes Fleiſch. Der Oelbaum gehört zu den nützlichſten Baumfrüchten und iſt eine Quelle des Reichthums für den Orient und manche Länder am Mittelmeer, beſonders Griechenland, Italien, die Provence und Lan— guedoc. Er ſtammt aus dem Morgenlande, von wo aus er nach Griechenland kam. Im ſüdlichen Europa erſtreckt ſich die Cultur deſſelben vom 44— 36 n. Br., fie iſt alſo nicht ſehr ausgedehnt. In Italien z. B. pflanzt man den Baum allgemeiner nur bis Toskana und Genua, und nur hin und wieder geht er bis an die Alpen. Im Allgemeinen verlangt er eine mittlere Wärme von 12— 15% R., doch hängt dabei viel von der Strenge des Winters ab. Da wo die mittlere Wintertemperatur unter 4,5 R. herabſinkt, muß man ihn ſorgfältig ſchützen und er kann dann in großen Plantagen nicht mehr gezogen werden. Nördlich von 444° Br. findet man ihn daher nur 124 Culturgewächſe. ſelten und dann in ganz beſonders gut geſchützten Gegenden. Dage— gen gedeiht er ganz vortrefflich an den Küſten der Halbinſeln des ſüd— lichen Europa, wo der Winter bedeutend milder iſt als auf den Hoch— ebenen dieſer Länder, obgleich die Erhebung derſelben nicht von gro— ßer Bedeutung iſt. Daher findet man ihn auch noch auf der Krimm unter 45° und nördlicher, doch geben die Früchte hier auch ſchon viel ſchlechteres Oel. Daß die Cultur des Oelbaums ſich nach Oſten nicht weiter er— ſtreckt, hat ſeinen Grund wohl darin, daß ſich hier andere Pflanzen finden, deren Samen ein Oel geben, das dem der Oliven nicht nach— ſteht. Einige Gattungen von Camellia und Thea, ſo wie mehrere Ricinus-Arten und viele Palmen verſehen das ſüdöſtliche Aſien bis nach China und Japan ſo reichlich mit Oel, daß man den Oelbaum in dieſen Gegenden durchaus nicht vermißt. Weiter nach Süden hinab wird der Baum viel üppiger, auf den canariſchen Inſeln wu— chert er wie unſere Weiden, doch ſind die Früchte dann weniger gut. Bald nach der Entdeckung von Amerika wurde der Oelbaum auch dorthin verpflanzt; Cortez brachte ihn aus Andaluſien zunächſt nach Mexico, und jetzt findet er ſich nicht nur hier und in Neu-Californien, ſondern auch in den Küſtengegenden von Peru und ganz Chile, wo er in dem dürftigſten Boden ganz vortrefflich gedeiht und für jene oft ſo unfruchtbaren Gegenden eine ganz vorzügliche Erwerbung ge— worden iſt. Daß der Oelbaum ein hohes Alter erreicht, iſt bekannt, und auf dem Oelberge bei Jeruſalem ſtehen noch gegenwärtig 8 ſol— cher Bäume, deren Stämme bei einer Höhe von etwa 30 Fuß wohl 25 Fuß im Umfange haben, alſo vermuthlich ſchon zu Chriſti Zeiten dort geſtanden haben. Es iſt bekannt, daß dieſer Baum faſt nur des Olivenöls wegen gezogen wird. Roh ſind die Früchte nicht genießbar, ſie haben dann einen unangenehmen, bitteren Geſchmack; die kleineren Arten kommen eingemacht auf die Tafeln, die größeren werden als Salat gegeſſen. Im Winter, wenn ſie vollkommen reif ſind, erſcheinen ſie weich und ſchwarz, und dann ißt man ſie roh mit Pfeffer, Salz und Oel. Auch das Holz iſt nutzbar. Auf grünlich-gelbem Grunde zeigt es ſchwarze, wolkige Flecke und Adern, riecht angenehm und nimmt eine ſchöne Politur an; es wird daher häufig zu Tiſchler- und Drechsler-Arbeiten verwendet. Den hauptſächlichſten Nutzen aber gewährt das Oel. Es iſt in dem Fleiſche der Frucht enthalten und von ſüßlichem Geſchmack. Man Der Oelbaum. 125 zieht etwa 20 Varietäten des Baumes, die alle verſchiedenes Oel lie— fern, doch haben dieſe Verſchiedenheiten auch in dem Boden, in dem Grade der Fruchtreife und in der Behandlung beim Auspreſſen ihren Grund. Die ganz reifen Früchte, gleich nach dem Einſammeln mäßig gepreßt, geben das reinſte Oel, Jungfernöl genannt; es iſt ſehr milde und ſüß und von weißer Farbe. Bei einem zweiten ſchärferen Preſſen erhält man das weiße Baumöl und das gelblichweiße Provenceröl. Während die erſte Sorte nur aus dem Fleiſche träufelt, hat bei der zweiten auch der Kern ſammt ſeiner Schale Oel abgegeben. Hierauf übergießt man den Rückſtand noch mit kochendem Waſſer und preßt ihn zum dritten Male, wodurch man das gewöhnliche Baumöl erhält. Man vermehrt die Oelbäume durch Ableger, die aber erſt im Sten oder 10ten Jahre Früchte tragen. Sie werden in Reihen an Hügeln gepflanzt, etwa 10 Schritt von einander, und dazwiſchen pflanzt man Reben oder Getreide. In der Regel geben ſie nur alle zwei Jahre eine reichliche Ernte. Nicht nur als Nahrungsmittel, ſondern auch zu manchen techniſchen Zwecken, beſonders aber auch als Arze— neimittel iſt das Baumöl berühmt und wird bei Krankheiten äußerlich und innerlich mit Vortheil angewendet. Schon im Alterthum war der Oelbaum bedeutungsvoll. Er war bei den Griechen der Pallas geweiht und ein Sinnbild der Keuſchheit; nur keuſche Jünglinge und Jungfrauen durften ſeine Früchte brechen und ſammeln. Beſchädi— gungen der Oelbäume wurden deshalb als eine Entweihung des Hei— ligthums betrachtet und ſtreng beſtraft. Der Oelzweig war ein Zei— chen des Friedens, und ein Kranz, aus ſeinen Zweigen geflochten, war der Preis des Siegers bei den olympiſchen Spielen, ſo wie die Aus— zeichnung verdienter Staatsbürger. Anfangs zur Einfriedigung von Ländereien angepflanzt, wurde der Oelbaum ſpäter geradezu als Mit- tel gebraucht, die Grenzen zu beſtimmen, und noch jetzt iſt er als Symbol des Friedens in der Kunſt allgemein beliebt. 11. Die ächte Kaſtanie. Castanea vesca. Der Kaſtanien- oder Maronenbaum iſt ein mächtiger, oft unge— mein ſtarker Baum mit einer anſehnlichen Krone. In ſeiner geſamm— ten Erſcheinung hat er viel Aehnliches mit den Buchen; ſeine läng— lich⸗lanzettförmigen Blätter aber find ſtarr, faſt lederartig, am Rande mit ſtarken, faſt dornigen, meiſt gekrümmten Sägezähnen verſehen, 126 Culturgewächſe. oben glänzend dunkelgrün, unten heller. Am Ende der Zweige ent— wickeln ſich aus den Blattachſeln die walzenförmigen Blüthenkätzchen, die ſehr lang und weißlich gefärbt ſind. Beſonders im Mai und Juni, wenn der Baum in der Blüthe ſteht, hat er ein ſtattliches Anſehen. Die Kaſtanie wächſt im ganzen ſüdlichen Europa und bildet oft ganze Wälder, eben ſo findet ſie ſich in Aſien im weſtlichen Gruſien, wie auf den höheren Gebirgen des Kaukaſus. Auch im nördlichen China ſcheint ſie zu Hauſe zu ſein, obgleich die Früchte, die von dort— her nach Canton in den Handel kommen, von den europäiſchen in der Geſtalt ein wenig abweichen. Durch die Cultur aber iſt dieſer Baum viel weiter verbreitet worden; in Deutſchland wird er ſehr häufig ge— zogen, beſonders in den Thälern des Schwarzwaldes und der Höhe bei Frankfurt; am Rhein geht er weit hinauf, und noch im Harz, ja ſelbſt um Berlin und Potsdam gedeiht er recht gut, wenn auch nicht in ſo großen Maſſen. Größere Anpflanzungen dieſes ſchönen und nützlichen Baumes, beſonders an ſolchen Orten, die gegen Norden geſchützt ſind, würden einen ganz guten Ertrag liefern. Sicherlich kann er in ganz Mittel-Deutſchland gedeihen, nur taugt ihm die feuchte Nebelluft nicht; auch darf man ihn nicht an der Morgenſeite der Berge anpflanzen, weil er dann zu früh blüht, und ſeine Frucht zu häufig von Nachtfröſten zu leiden hat. Die Frucht dieſes Baumes, die ſchon von den älteſten griechiſchen Naturforſchern hochgeſchätzt und unter dem Namen der Eichel Jupiters beſchrieben worden iſt, wird häufig geſotten oder geröſtet gegeſſen, ge— wöhnlich mit anderem Gemüſe. Im Süden ißt man ſie in vielen Gegenden wie bei uns die Kartoffel, und ſie iſt eine ſehr geſunde Nahrung. Ihren Namen haben die Früchte von der Stadt Kaſtanum bei Magneſia in Kleinaſien erhalten, übrigens werden ſie häufig auch Maronen genannt. Das Holz des Baumes iſt ſo hart wie Eichen— holz, als Brenn-, Bau- und Nutzholz gut zu gebrauchen, und die Rinde iſt auch zum Gerben geeignet. Dieſer Baum verdiente alſo wohl in manchen Gegenden noch beſſer beachtet zu werden. Wo man übrigens die Wälder gehörig pflegt, da pfropft man die Bäume ſogar, weil die Früchte dann größere Kerne bekommen. 12, Der Juvia⸗Baum. Bertholletia excelsa. Dieſer Baum, der auch den Namen braſilianiſche Kaſtanie führt, Der Juvia-Baum. 127 iſt uns durch A. v. Humboldt bekannt geworden. Er iſt einer der prachtvollſten Waldbäume Südamerika's und ſteht den myrtenartigen Gewächſen ſehr nahe. Sein 100— 120 Fuß hoher Stamm, der 2—3 Fuß im Durchmeſſer hat, trägt eine pyramidale Krone, indem er von oben bis unten mit abwechſelnden, wagerechten Aeſten bedeckt iſt. Die Aeſte öffnen ſich weit, ſind unten faſt kahl, nach der Spitze aber mit dichten Blattbüſcheln beſetzt, ſo daß ſie durch deren Schwere ſich s zur Erde hinabneigen. Die halblederartigen Blätter find länglich geſtaltet, werden 1—2 Fuß lang, ſind oben gelblichgrün und glänzend, auf der Unterſeite dagegen matt und ſilberfarbig. Im 15ten Jahre etwa gelangt der Baum zur Blüthe. Große, ährenartige, aufrechte Trauben, mit gelben glockenartigen Blumen erſcheinen zu Ende des März und im Anfange des April am Ende der Zweige, und ſchon zu Ende des Mai ſind die Früchte reif. Dieſe letzteren ſind kugel— förmig geſtaltet, von 1 Fuß im Durchmeſſer, mit einer harten holzi— gen Fruchthülle umgeben, die 1“ dick, glatt und ſchwarz gefärbt iſt. An der Mittelſäule ſtehen 15 — 20 ſteinharte Nüſſe, länger und dicker als die Steine der Pfirſiche. Sie liegen frei in der großen holzigen Hülle, und ſo machen die aus bedeutender Höhe herabſtürzenden rei— fen Früchte ein fürchterliches Getöſe. — Die großen mandelartigen Samen, welche aus Braſilien unter dem Namen: braſilianiſche Ka— ſtanien oder Braſiliennüſſe, auch Souarinüſſe zu uns kommen, ſchmek— ken ſehr angenehm, ſelbſt nachdem ſie eine ſo weite Reiſe gemacht haben; oft aber verderben ſie auch, da ſie ſehr viel Oel enthalten. Das Vaterland dieſes prächtigen Baumes iſt das heiße Südamerika, beſonders die öſtlichen Gegenden zwiſchen dem Amazonenſtrom und dem Orinoco, doch ſcheint er ſich nicht ſehr weit nach beiden Seiten vom Aequator zu entfernen. Da der Kern der Frucht eine ſehr an— genehme und nahrhafte Speiſe liefert, die dem Kern der Cocosnuß weit vorzuziehen iſt, ſo verdiente dieſer Baum auch nach anderen tro— piſchen Gegenden verpflanzt zu werden. Die bis jetzt betrachteten Bäume ſind die wichtigſten, deren Früchte zur Nahrung oder wenigſtens zur Begründung des Wohlſtandes gan— zer Völkerſchaften dienen; indeſſen müſſen wir hier noch einiger an— derer Baumfrüchte erwähnen, die, wenn auch nicht in ſo großem Um⸗ fange, doch wenigſtens für einige Gegenden der Erde von Bedeu— tung ſind. 128 Culturgewächſe. 13. Die Knopper- oder Ziegenbart-Eiche. Quercus Aegilops. 298 ö Ein hoher ſchöner Baum von der Größe unſerer Steineiche, mit immergrünen Blättern, der in Griechenland, der Levante und in Spa⸗ nien vorkommt; auch in Albanien ſoll er große Wälder bilden. Die Früchte kommen unter dem Namen Knoppern in den Sun 4 ſtecken in einem Becher, der die Größe eines kleinen Apfels hat un ö ſind eßbar, doch ſoll ihr Geſchmack nicht beſonders angenehm ſein. Deshalb überlaſſen die Griechen ſie, wenn ſie andere Nahrung ha— ben, den Schweinen. 14. Die Balloten-Eiche. Quercus Ballote. Sie iſt vermuthlich aus dem nördlichen Afrika nach Europa herüber gekommen und bildet im ſüdlichen Portugal und dem angrenzenden Spanien anſehnliche Wälder. Die Früchte dieſes Baumes werden dort häufig gegeſſen und vor den Thoren von Madrid mit den Ka— ſtanien gemeinſchaftlich verkauft. 15. Die Pinie oder Pinien-Fichte. Pinus Pinea. Ein 50 Fuß hoher Baum mit ſchirmartiger Krone, der in Nord— afrika und Südeuropa, beſonders in Italien vorkommt. Schon in Oberitalien werden die Früchte deſſelben zu Markte gebracht. Sie ſchmecken faſt wie Mandeln, werden wie die Haſelnüſſe gegeſſen und geben gutes Oel; auch werden fie in der Medicin gebraucht. 16. Die Zirbelkiefer oder Zirbelfichte. Pinus Cembra. Ein Baum von mehr als 100 Fuß Höhe, der auf den höheren Gebirgen des wärmeren Europa, beſonders in der Schweiz und Tyrol, und außerdem auch in Sibirien zu Hauſe iſt. Die Nüſſe ſind groß und hart, ſchmecken gut und werden oft gegen den Huſten gegeſſen; auch preßt man Oel daraus. Wo nicht großer Reichthum an anderen Nahrungsmitteln herrſcht, werden ſie ſehr häufig gegeſſen. Außer den eben genannten beiden Arten finden ſich in den oſtin— diſchen Hochländern noch viele andere Pinienarten, deren Früchte ge— nießbar ſind. Baumfrüchte. 129 17. Die Haſelnuß. Corylus Avellana. Ein allgemein bekannter Strauch von 10—20 Fuß Höhe, der im kälteren Europa überall in Hecken und Laubwäldern zu finden iſt. Die Frucht iſt nahrhaft und wohlſchmeckend und giebt noch mehr Oel | bie Wallnüſſe und ſelbſt die Olivenkerne. In den nördlicheren genden, noch weit über den Polarkreis hinaus, iſt die Haſelnuß von großer Wichtigkeit für den ärmeren Landmann, und wenn die Früchte bei ihrem bedeutenden Oelgehalte ſich (hat aufbewahren ließen, ohne zu verderben, ſo würde es gewiß vortheilhaft fein, grö— ßere Anpflanzungen von dieſem Strauche zu machen. 18. Die Araucaria. Araucaria imbricata. Ein 150 Fuß hoher Baum mit kreuzförmig geſtellten Aeſten, die eine ſchöne pyramidenförmige Krone bilden. Er findet ſich auf der Cordillere des ſüdlichen Chile, iſt der prachtvollſte unter allen Nadel— holzbäumen und liefert eine ſehr bedeutende Menge wohlſchmeckender Samen, die noch einmal ſo groß ſind als Mandeln. Die rohen In— dianer von Chile eſſen ſie ſehr gern, und ſie ſind in ihrem Haushalte ein unentbehrliches Nahrungsmittel. 19. Der Catappa-Ba um. Terminalia Catappa. Er iſt urſprünglich in Oſtindien, beſonders auf vielen Inſeln des indi— ſchen Archipels, vorzüglich auf den Molucken einheimiſch, jetzt aber auch in Weſtindien angepflanzt. Der Baum hat Aehnlichkeit mit einer Linde, doch ſind die Aeſte quirlförmig geſtellt wie bei den Tannen, ſo daß ſie eine pyramidale Krone bilden. Die Frucht iſt länglichrund, zuſammenge— drückt und der Wallnuß ſehr ähnlich. Anfänglich iſt ſie roth gefärbt, reif dagegen ſchwarz und hat 1 oder 2 mandelartige Kerne, die eine beliebte Speiſe ſind. Man bereitet Mandelmilch daraus, auch preßt man das Oel aus denſelben. Dieſer Baum wächſt in Wäldern, be— ſonders auf Sandboden und würde als Nahrungsmittel für die In— dianer der oſtindiſchen Inſeln noch viel bedeutender ſein, wenn es dort nicht noch ſo viele andere Nahrungspflanzen im Ueberfluß gäbe. h 9 130 Culturgewächſe. 20. Die Waſſernuß. Trapa natans, Tr. bispinosa, Tr. bicornis. Die erſte dieſer Arten, die ſich in tiefen Teichen von ganz Europa und Aſien findet, trägt ſchwärzliche, vierſtachelige Früchte von der Größe einer Haſelnuß. Da dieſe Samen reich an Stärkemehl und fettem Oele ſind, ſo werden ſie roh, gekocht und gebraten von den Landleu⸗ ten gegeſſen. Sie ſchmecken faſt wie die Kaſtanien, werden jedoch in unſeren Gegenden mehr als Leckerbiſſen gegeſſen. In Indien und China dagegen, wo bei der außerordentlich dichten Bevölkerung keine genieß— bare Frucht unbeachtet bleibt, werden auch die beiden anderen Arten (Tr. bisp. in Indien, und Tr. bicornis in China) häufig zu Markte gebracht. Sie kommen in den Seen der genannten Länder in unge— heurer Menge vor, und die mehl- und ölreichen Samen werden dort ganz allgemein gegeſſen, obwohl ſie nicht beſonders wohlſchmeckend ſind. Außer den hier aufgeführten Baumfrüchten giebt es noch manche andere, die in verſchiedenen Gegenden der Erde nicht nur als Gegen— ſtand des Luxus ſondern auch als wirkliche Nahrungsmittel gebraucht werden. Wir erinnern nur an die Orangen, die köſtliche Mangofrucht, die Feigen, an die Ananas, die Früchte der Anonen u. ſ. w. Aber dieſe feineren Früchte werden ſelbſt in den Gegenden, wo ſie in gro— ßer Menge vorkommen, ſelten als eigentliche Nahrungsmittel benutzt; ſie bleiben auch in den Tropengegenden immer mehr oder weniger ein Gegenſtand des Luxus. Der rohe Indianer achtet ſie nicht, wenn ſie nicht ſeine gewöhnliche Nahrung ausmachen, und nur in den Gegen— den der heißen Zone, wo ſchon ein gewiſſer Grad von Cultur herrſcht, werden die ſchönen und wohlſchmeckenden Früchte, die wir eben ge— nannt haben, wirklich angebaut. Außerdem kommt es uns aber hier nur auf diejenigen Gewächſe an, welche in größerem Umfange ange— baut werden, ſo daß die Cultur derſelben wirklich Einfluß auf den Vegetationscharakter einer Gegend hat. IV. Pflanzen, deren Faſern und Wolle zur Be— reitung von Zeugen und anderen nuͤtzlichen Ge— genſtaͤnden gebraucht werden. Die Pflanzen liefern dem Menſchen nicht nur in mannichfaltig— ſter Weiſe die Mittel zu ſeiner Ernährung, wie dies die bisher be— Der Flachs. 131 handelten Culturgewächſe zeigen; ſondern es giebt auch eine beträcht— liche Anzahl, deren Faſern zu Bekleidungsſtoffen und in ähnlicher Weiſe gebraucht werden. So wie wir den Baſt unſerer Bäume in einfachſter Form zum Binden der Blumen, und kunſtlos geflochten, zu Matten benutzen: ſo werden in den wärmeren Ländern eine Menge von Pflanzen cultivirt, deren Faſern in ähnlicher Weiſe verarbeitet werden. Beſonders haben die Bewohner der Südſeeinſeln einen gro— ßen Reichthum an Gewächſen, welche ihnen die Mittel zur Anferti— gung ihrer höchſt mannichfaltigen Kleidungsſtücke geben. Bei den meiſten der hier zu betrachtenden Gewächſe ſind es die Faſern des Baſtes, bei einigen auch die faſerigen Theile der Fruchtkapſeln, welche dem genannten Zwecke dienen. Höchſt mannichfach iſt die Anwen— dung dieſer Gewächſe im Leben. Sie liefern uns Leinwand, man— cherlei Zeuge, Stricke, Taue, Segeltücher, Netze, Hangematten, Papier und dergleichen mehr, und bei vielen ſind die Samen zugleich reich an Oel, das auf mehrfache Weiſe benutzt wird. Wie bei den Ge— wächſen der vorigen Abtheilungen, ſo hat auch bei dieſen Pflanzen der Anbau derſelben ſich faſt über die ganze Erde verbreitet. 1. Der Flachs. Linum usitatissimum. Der Flachs ſtammt wahrſcheinlich aus dem Orient und wird im ganzen mittleren Europa cultivirt, in Rußland ſelbſt noch in Liefland. Bekanntlich wird der rigaer Leinſamen beſonders geſchätzt, weil man dort die Samen gut reif werden läßt. In Deutſchland thut man dies nicht, da der Baſt hierdurch an Güte verliert. Auch in Irland wird der Flachs in ungeheurer Menge gebaut und er iſt dort von ganz vorzüglicher Güte und Feinheit. Dieſe Pflanze braucht einen kräftigen, gut bearbeiteten, mehr lockeren als ſchweren Boden und ein mehr feuchtes und mäßiges Klima; gegen Oſten und Süden wird daher der Anbau des Flachſes überall durch die Baumwollencultur verdrängt, bei der man auf reichlicheren Ertrag rechnen kann. Auf den kalten Hochebenen Indiens dagegen, wo die Baumwolle nicht mehr gedeihen will, beſchäftigt man ſich wieder mit dem Flachsbau, doch meiſt nur um Oel zu gewinnen. Wegen ſeines ſehr zähen und dauerhaften Baſtes wird der Flachs zu verſchiedenen Geweben benutzt. Faſt eben ſo wichtig ſind die Samen wegen ihres Reichthums an fet— tem Oel. Nicht nur für Künſte und Gewerbe, ſondern auch in der Mediein iſt das Leinöl von großer Wichtigkeit. 9 * 132 Culturgewächſe. 2. Der Hanf. Cannabis sativa. Der Hanf, gleichfalls eine aſiatiſche Pflanze, iſt in Perſien und Oſtindien einheimiſch und wächſt auch noch in anderen Theilen Aſiens wild. Aber ſchon ſeit den älteſten Zeiten iſt der Hanf in Europa cultivirt worden, in deſſen ſüdlichen Theilen er auch jetzt noch hin und wieder verwildert vorkommt. Im ſüdlichen Deutſchland, beſonders am Rhein, baut man ihn im Großen an, und er iſt dort ein bedeutender Handelsartikel; eben ſo wird er in Polen, Rußland und Preußen ſehr ſtark gebaut, desgleichen in Nordamerika und Aſien. Da er einen lockeren, etwas feuchten Boden verlangt, ſo gedeiht er in Stromnie— derungen am beſten, und es iſt in der Handelswelt bekannt, daß die Häfen der Oſtſee und die Rheinlande, namentlich Baden, den beſten Hanf liefern. Die Faſern des Hanfes ſind viel feſter als die des Flachſes; ſie werden daher nicht nur zu Garn und Leinwand, ſondern vorzugsweiſe auch zu Tauen, Stricken, Seilen, Segeltuch u. dgl. be- nutzt, zum Schiffsbedürfniß überhaupt den Leinerzeugniſſen vorgezogen. Die kleinen Früchte, unter dem Namen Hanfſamen bekannt, werden zur Bereitung eines fetten Oeles gebraucht und haben auch medici— niſche Eigenſchaften; eben ſo werden im Oriente die betäubend rie— chenden Blätter mit Zuſatz von Opium zu berauſchenden Getränken verwendet. 3. Die Baum w ollenſtaude. Gossypium herbaceum, G. arboreum, G. religiosum ete. Obwohl es nicht ganz unwahrſcheinlich iſt, daß die verſchiedenen Arten von Baumwolle nur Abarten einer urſprünglichen Art find ), indem die Behandlung des Gewächſes die Urſache iſt, daß die Pflanze bald einjährig, bald als ein mehrjähriges Bäumchen mit holzigem Stengel erſcheint, ſo nimmt man doch allgemein mehrere Arten der Baumwollpflanze an; die wichtigſten derſelben ſind: 1. Gossypium herbaceum, in Arabien und Perſien einheimiſch, mit weißer Wolle. *) Oken, allgemeine Naturgeſchichte III, S. 1214. Auch Fortune (in ſei⸗ ner dreijährigen Reiſe in den nördlichen Provinzen von China, London 1847) fand dort nur G. herbaceum cultivirt und erklart die Pflanze, welche den gel— ben Nanking liefert, für eine bloße Spielart derſelben. Die Baumwollenſtaude. 133 — 2. Gossypium barbadense s. eu in Oſtindien und China, 8 röthlicher Wolle. 3. G. religiosum, in China und Siam, mit blaß -orangegelber Wolle. Außerdem nennt Meyen in feiner Pflanzengeographie noch: G. vitifolium, G. racemosum, G. hirsutum, G. Nanking. Das Gossypium herbaceum iſt ein einjähriges, krautartiges Ge— wächs von 2— 3 Fuß Höhe, das vermuthlich aus Aegypten ſtammt und in Arabien und Perſien, auch in Afrika und Oſtindien wild wächſt. In heißeren Gegenden wird es ſtrauchartig und 5 — 6 Fuß hoch. Die Blätter ſind, wie größtentheils bei den Malvaceen, ge— lappt, die Blüthen blaßgelb und am Grunde purpurroth. Die Frucht iſt ein 5fächrige, vielſamige Kapſel, reif, von der Größe eines mäßi— gen Apfels. So wie das Samenbehältniß ſich öffnet, quillt ein Knäuel verwickelter weißer Wolle hervor, mit der die braunen Samen ſehr reichlich umgeben ſind. Die Baumwollenſtaude iſt unſtreitig eine der nützlichſten Pflanzen, da ſie dem größten Theile der Bewohner der Erde zur Kleidung dient. Sie wird nicht nur in der heißen Zone angebaut, ſondern hat einen viel weiteren Verbreitungsbezirk erlangt, da ſie noch in den Gegenden angebaut werden kann, die eine mitt— lere jährliche Temperatur von 13 — 14° R. haben. Man findet fie daher im ſüdlichen Spanien, Italien und Sieilien, in Griechenland; überhaupt um das ganze mittelländiſche Meer, beſonders aber in Aegypten und Kleinaſien. In China und Japan, wo die Baumwol— lencultur ganz vorzüglich betrieben wird, geht fie bis zum 40° d. Br., in Nordamerika eben ſo weit, und in Südamerika auf der Weſtküſte bis 26°, auf der Oſtküſte aber bis 30° ſ. Br. In Afrika wird die Baumwolle auch am Vorgebirge der guten Hoffnung und in Neu— Holland in den dortigen engliſchen Beſitzungen gebaut, ſo daß ſich alſo die Cultur derſelben jetzt über alle Welttheile erſtreckt. Vor der Entdeckung von Amerika kam alle Baumwolle aus Indien, Perſien, Kleinaſien und Aegypten; gegenwärtig iſt ſie einer der erſten Han— delsartikel für die ganze Welt geworden. Gewöhnlich ſäet man die Samen Ende April oder Anfang Mai in einen gut aufgelockerten Boden, ganz wie Getreide. Am beſten iſt ein weicher Lehmboden, der jedoch nicht ſumpfig ſein darf. Im Sep— tember fangen die Kapſeln an zu reifen, doch nicht gleichzeitig, ſo daß die Ernte auf demſelben Felde während der Monate September und October ununterbrochen fortdauert. Zuletzt werden die Stauden ſelbſt I 134 Culturgewächſe. eingebracht, die zur Feuerung dienen. Die Aſche wird dann wieder mit dem Dünger gemiſcht. Das Trocknen der Kapſeln geſchieht auf Schilfmatten. In großen Plantagen iſt dies eine ſchwere Arbeit, zu der eine bedeutende Anzahl von Negern gebraucht wird, da ein Sclave täglich höchſtens 2 Arroba's ) voll einſammeln kann. Die Samen, an welchen die Baumwolle ſitzt, ſind ölig und werden an einigen Orten gegeſſen, indem man ſie zu Brei kocht; an anderen Orten be— nutzt man ſie zum Mäſten des Viehes, oder um Oel daraus zu preſ— ſen. Das Trennen der Wolle von den Samen iſt ſehr ſchwierig. Die einfachſte Maſchine, welche dazu benutzt wird, beſteht aus zwei ſich dicht umeinander drehenden Walzen, zwiſchen denen die Baum— wolle hindurchgeführt wird, wobei die Körner wenigſtens größtentheils zurückbleiben. Bei den Hindu's beſtehen zahlreiche Baumwollwebereien wahrſcheinlich ſchon ſeit mehreren Jahrtauſenden. Die Fäden, welche ſie auf der einfachen Spindel zu bereiten wiſſen, zeichnen ſich durch eine Feinheit und Gleichheit aus, wie ſie die verbeſſerten Maſchinen noch nicht haben erreichen können. Die hauptſächlichſte Vervollkomm⸗ nung der Maſchinen beſteht in der Vermehrung der Spindeln, woran viele Engländer gearbeitet haben, ſo daß gegenwärtig ein Kind zwei Kellyſche Maſchinen, zuſammen von 600—800 Spindeln in Bewegung ſetzen kann. Daher iſt denn der Preis der Baumwolle jetzt erſtaun— lich billig, 2 von dem vor 100 Jahren, und die Güte des Garns hat bedeutend zugenommen. Die amerikaniſche Baumwolle wird jetzt höher geſchätzt als die oſtindiſche; beſonders zeichnen ſich die Georgia— Baumwolle unter den nordamerikaniſchen und die Pernambukwolle unter den braſilianiſchen durch Feinheit aus. Die griechiſche Wolle iſt zwar ſehr weiß und läßt ſich gut färben, aber nicht ſehr fein ſpinnen; die beſte Baumwolle liefert unter den europäiſchen Ländern Spanien. 4. Der neuſeeländiſche Hanf oder neuſ. Flachs. Phormium tenax. Dieſes Gewächs iſt eine große, prachtvolle Schilfpflanze, die Neu— ſeeland zu ihrem Vaterlande hat. Aus einer knolligen und fleiſchigen Wurzel erheben ſich viele 6—7 F. lange Blätter von 4 Zoll Breite, welche oben dunkelgrün gefärbt und auf der Unterſeite roth geſtreift ſind; aus *) Ein Arroba iſt in Spanien und Portugal ein Gewicht von 25 Pfund oder + Ctr.; auch ein Wein- und Oelmaß in Cadir. Der neuſeeländiſche Hanf. 135 ihrer Mitte ſteigt ein mannshoher Schaft auf, der an der Spitze eine Rispe mit vielen rothen und gelben Blüthen trägt. Die Pflanze wächſt gern auf feuchtem Boden, wie unſer europäiſcher Hanf und wird auch eben ſo benutzt. Die trockenen Blätter ſind ſtrohgelb und der Quere nach nicht zu zerreißen, aber leicht der Länge nach. Die Faſern, länger und feſter als die unſerer Hanfpflanze, ſind ſeidenartig und ſilberweiß. Cook, welcher 1770 ſeine erſte Reiſe um die Welt machte, hat den neuſeeländiſchen Hanf mit nach Europa gebracht. Er war der An⸗ ſicht, man könne dies äußerſt nützliche Gewächs nach England ver— pflanzen, deſſen Klima ihm ganz geeignet für daſſelbe ſchien; auch wird dieſe Pflanze ſchon in Dalmatien und im füdlichen Frankreich gegenwärtig cultivirt; bei uns aber iſt der Winter für ſie zu ſtrenge. Bis jetzt iſt der neuſeeländiſche Hanf nur nach Neu-Holland verpflanzt worden, und in der Umgegend von Sydney finden ſich ſo bedeutende Anpflanzungen, daß man von dort aus den Hanf nach England ver— ſendet. Die Neuſeeländer bereiten aus den Faſern dieſer Pflanze alle ihre Kleidungsſtücke, ſo wie auch Schnüre, Stricke und mancherlei andere Gewebe und Geflechte. Wie bei dem neuſeeländiſchen Hanf werden auch die Blätter aller Pandanenarten benutzt, um Matten daraus zu bereiten, die man in den Wohnungen der Indianer ſo häufig findet. Auf den Südſeeinſeln benutzt man beſonders Pandanus odoratissimus zu dieſem Zwecke, deſſen Blüthen zugleich einen ſo aus— gezeichneten Geruch haben, daß man ihn in Arabien und Aegypten faſt nur der Blumen wegen cultivirt. 5. Der Papiermaulbeerbaum. Broussonetia papyrifera. Es iſt ein ſtrauchartiger Baum von 15—20 Fuß Höhe mit zottigen Blättern, der auf den Inſeln der Südſee, wie auch in China und Japan zu Hauſe iſt. Man pflanzt ihn in Bergwäldern und benutzt die Faſern ſeiner Rinde, um Zeuge daraus zu bereiten. In Japan wird die zähe Rinde der einjährigen Schößlinge gekocht, und durch weitere Zubereitung erhält man ein Papier, das dort allgemein ge— braucht wird. 6. Die Bananen oder Piſangſtauden. Dieſe Gewächſe ſind ſchon oben, wo von der Benutzung ihrer Frucht die Rede war, beſchrieben worden. Außerdem gewähren ſie 136 Gulturgewächfe. aber durch die Feſtigkeit ihrer Faſern einen ſehr bedeutenden Nutzen. Da der Stamm der Piſangſtaude viel weicher iſt als der Stengel unſeres Hanfs, ſo laſſen ſich die Fäden viel leichter abſondern. Die inneren Faſerſchichten liefern ſo feine Fäden, daß man Zeuge daraus weben kann, und auf den Philippinen werden kaum andere Klei— dungsſtücke getragen. Die äußeren Schichten dagegen ſind ſtärker, ſie werden wie Hanf und Flachs benutzt, und die Avaca, der Hanf von Manila, iſt ein fo wichtiger Gegenſtand der Induſtrie der Tagalen , daß ſchon ganze Schiffsladungen davon nach Europa geſandt wor— den ſind. Jedes Schiff, das dorthin kommt, pflegt ſich mit Tauwerk von dieſen ausgezeichneten Avacä-Fäden zu verſehen. | 7. Die Agaven. Agave americana, A. vivipara, A. foetida, A. odorata. Die Agaven find Pflanzen wie die Alvoes&ewächfe, die aber äußerſt langſam wachſen und ein verhältnißmäßig hohes Alter errei- chen. Alle haben dicke und fleiſchige Blätter mit zahnartigen Dornen und einer ſteifen, ſtechenden Spitze. Bei der amerikaniſchen Agave werden die Blätter 6—7 Fuß lang und 8—10 Zoll breit, und find von meergrüner Farbe. Kreisförmig in mehreren Reihen übereinander lie— gend, breiten ſie ſich mächtig nach allen Seiten hin aus, und aus ihrer Mitte erhebt ſich ein 24 — 36 Fuß hoher Schaft, der am Grunde oft über einen Fuß dick iſt und oben eine mächtige Blüthenpyramide trägt, an welcher die Zahl der einzelnen Blüthen ſich auf 4000 beläuft. Dieſe Agaven werden befonders von den Mexicanern in bedeutender Menge eultivirt und find dort unter dem Namen der Maguey-Pflanze bekannt. Man bereitet aus den Faſern ihrer Blätter eine Art Hanf, der an Feſtigkeit jeden anderen übertrifft und ſchon ſeit langer Zeit ein bedeutender Handelsartikel iſt. Nicht nur Stricke und dauerhafte Seile, ſondern auch grobe Tücher, Netze zum Fiſchen und Hangemat— ten werden aus dieſem Hanf bereitet. In Mexico wird ſogar ſchon ſeit den älteſten Zeiten ein ganz brauchbares Papier daraus verfertigt, indem man die Blätter faulen läßt, bis die fleiſchige Maſſe zu Grunde gegangen iſt, worauf die Faſerſchichten auf einander geklebt werden. Dieſes Papier wurde ſchon von den alten Mexicanern zur Aufzeich— nung der hieroglyphiſchen Figuren benutzt. Nicht nur in Mexico, Weſtindien und Braſilien, ſondern auch in vielen Gegenden der alten *) ein malaiiſcher Volksſtamm. Faſerpflanzen. 137 Welt, deren Klima die Cultur dieſer Pflanzen geſtattet, werden ſie gegenwärtig angetroffen. Die Agave americana iſt ſeit 1551 nach Südeuropa gekommen und findet ſich jetzt häufig um das mittellän— diſche Meer. In Oſtindien benutzt man Agave vivipara zur Ein- faſſung der Gärten und Felder. Auf den canariſchen Inſeln und auf St. Helena werden die Wege damit bepflanzt, und zur Blüthezeit machen fie, ſchon aus der Ferne geſehen, den herrlichſten Eindruck, 8. Die Cocospalme. Dieſe höchſt nützliche Pflanze haben wir oben ſchon ausführlich beſchrieben und dabei auf die Faſerſchicht aufmerkſam gemacht, die ſich auf der inneren Seite der Fruchthülle befindet. Aus dieſen Faſern werden große Schiffstaue gemacht und überall in Oſtindien, wo ſich größere Cocosplantagen finden, wird auch dieſer Fabrikzweig in aus— gedehntem Maßſtabe betrieben. Man läßt die Fruchthülle faulen, ſcheidet die Faſern durch ſtarkes Klopfen von einander und flicht ſie ſpäter zuſammen. Dies wären wohl die hervorſtechendſten Gewächſe, deren Faſern zur Bereitung von Kleidungsſtücken und zu vielfachen anderen Zwecken gebraucht werden; indeſſen giebt es noch manche andere Pflanze, die hier oder da in ähnlicher Weiſe benutzt wird. Der Baſt des Brot— baumes wird zu Kleidungsſtücken verarbeitet. Die Corchorus— Arten, ſtaudenartige Gewächſe aus der Familie der Linden, liefern weit feinere Geflechte als unſere Hanfpflanze. Beſonders zu erwäh— nen ſind: C. olitorius, das in Bengalen cultivirt wird und hier wie in Aegypten zugleich ein beliebtes Gemüſe iſt; ferner C. japonicus, das in Japan zu Kleidungsſtücken gebraucht wird; vorzüglich aber C. capsularis in Indien und im ſüdlichen China, wo es als Gemüſe gegeſſen wird wie unſere Melden. Die Stengel, deren glatte hell— grüne Rinde ſehr faſerig iſt, werden geröſtet wie der Hanf und be— ſonders in Arrakan (im Reiche der Birmanen) zu Schnüren und Netzen verarbeitet. Der arrakaniſche Hanf hat ſich Ruf erworben; in China dagegen bereitet man den gewöhnlichen Zwirn zum Nähen daraus, indem man die Faſern in Kalkwaſſer kocht und bleicht. Die— ſer Zwirn iſt ſtärker als Baumwollengarn, wird ſehr weiß, rollt ſich aber leicht auf. Ferner ſind in den heißen Gegenden des Orients viele Hibiscus-Arten zu nennen, deren Faſern theils zu Zeugen, theils zu Stricken, Packtüchern, Packpapier u. ſ. w. verarbeitet werden; am 138 Culturgewächſe. häufigſten werden H. cannabinus (in Oſtindien und am Senegal), H. syriacus (in Syrien), H. tiliaceus (in Oſtindien und auf den Süd⸗ ſeeinſeln zu dieſen Zwecken benutzt. Endlich wären noch Malva crispa (Syrien), Sida pyramidalis (Weſtindien), S. abutilon (China), Böh- meria albida und Neraudia melastomaefolia (in großen Plantagen auf den Sandwich-Inſeln) und Aletris nervosa und Celtis orientalis aus der Familie der Urticeen hierher zu rechnen. V. Culturpflanzen, welche mehr oder weniger zum Vergnuͤgen oder zum Luxus dienen. Haben die bisher behandelten Abtheilungen uns nur diejenigen Gewächſe vorgeführt, welche dem Menſchen die unentbehrlichſten Le— bensbedürfniſſe, Nahrung und Kleidung gewähren: ſo kommen wir nun zu einer Reihe von Pflanzen, bei denen die Natur ſogar das Vergnügen des Menſchen berückſichtigt hat, und er hat es bei dieſen Gewächſen nicht weniger verſtanden als bei den vorhergehenden, ſie ſeinen Zwecken dienſtbar zu machen. Faſt ſämmtlich den tropiſchen Gegenden angehörig, iſt es nur bei wenigen derſelben gelungen, ihre Verbreitungsſphäre nach den kälteren Gegenden hin bedeutend zu er— weitern; dagegen ſind aber mehrere von der öſtlichen nach der weſt— lichen Halbkugel übergeſiedelt, wie der Weinſtock, das Zuckerrohr und der Kaffeebaum, und durch den Anbau dieſer Gewächſe wie mehrerer der bereits erwähnten hat ſich die Phyſiognomie der neuen Welt an vielen Orten in hohem Grade verändert. Die alte Welt dagegen hat aus Amerika an Luxuspflanzen faſt nur den Tabak erhalten. Iſt der Anbau dieſer Gewächſe auch nicht ſehr weit über die Tropen hin⸗ aus vorgedrungen, ſo iſt zum Theil gerade dadurch das Verlangen nach ihrem Beſitze geſteigert worden; und ſo haben ſie, wie wenig an— dere Pflanzen, dazu beigetragen, den Handel zu beleben, die Völker mit einander in Verkehr zu bringen und ſomit ſelbſt die Bildung ganzer Nationen zu fördern. 1. Der Weinſtock. Vitis vinifera. Als Vaterland dieſer wichtigen Culturpflanze, welche jetzt auf der ganzen Erde gezogen wird, ſo weit das Klima es geſtattet, werden Der Weinſtock. 139 gewöhnlich die Länder zwiſchen dem ſchwarzen und dem caspijchen Meere angeſehen. Indeſſen ſcheint der Weinſtock urſprünglich doch wohl weiter verbreitet geweſen zu ſein, was bei einer Pflanze, die in den wärmeren Ländern ſich ſo üppig entwickelt, auch nicht zu ver— wundern iſt. Noch jetzt findet man ihn im ſüdlichen Italien wild, mit kleinen und ſüßen Beeren, die ganz guten Wein liefern; eben ſo im ſüdlichen Portugal, wo die Beeren aber ſauer ſind. Desgleichen giebt die Weinrebe in Nordafrika ſehr ſchöne Trauben, ohne daß man viel Cultur anwendet. In einigen Gegenden Deutſchlands und Frank— reichs findet man die Rebe gleichfalls wild in Wäldern, beſonders zwiſchen Straßburg und Speier und in einigen Gegenden an der Donau; doch ſind die Beeren derſelben unbrauchbar, und vielleicht iſt ſie hier auch nur verwildert. Im Orient aber, beſonders in Gruſien, in den Wäldern von Imerete und Mingrelien, erreicht die wildwach— ſende Weinrebe einen Umfang von 1 — 12 Fuß und klettert hoch in die Gipfel der Bäume, deren Aeſte ſie ganz umſchlingt, ſo daß oft die benachbarten Bäume zu natürlichen Lauben mit einander verbun— den werden. Auch weiter nach Oſten, in Dekan und Caſhmere und ſelbſt im nördlichen China wird der Weinſtock gezogen und zwar nur der Trauben wegen, denn den Genuß des Weines kennt man dort nicht. Es iſt alſo leicht möglich, daß ſich die Grenzen ſeines Vater— landes noch weit über das caspiſche Meer hinaus nach Oſten er— ſtrecken. Jedenfalls iſt aber das gemäßigte Aſien als der Mittelpunkt der Heimath des Weinſtocks zu betrachten. Ob die ſämmtlichen Arten der Weinrebe von einer urſprünglichen Species abſtammen, iſt ſchwer auszumachen; vielleicht ſind ſie durch Vermiſchung mehrerer wilden Arten entſtanden. Die Zahl der Va— rietäten beläuft ſich auf 200, und in dem öconomiſchen Garten zu Paris werden an 1400 verſchiedene Sorten gezogen, die noch dazu faſt in jeder Gegend, wo man ſie cultivirt, wieder andere Namen erhalten. 5 Bei der Verbreitung der Weineultur kommt es außer der Boden— beſchaffenheit weit weniger auf die mittlere jährliche Temperatur eines Ortes an, als auf die größere Sommerwärme, und darauf, ob der Sommer lang genug iſt, damit die Trauben zur Reife gelangen kön— nen. Ein lockerer, mehr ſandiger als lehmiger Boden ſagt dem Wein— ſtock am meiſten zu. Trockene Gegenden ſind ihm beſſer als feuchte; man wählt daher in Deutſchland die Sonnenſeite der Berge oder Hügel zum Anbau deſſelben aus, doch können auch paſſende Ebenen 140 Culturgewächſe. dazu benutzt werden. Eine mittlere Temperatur von 12 — 130 R. jagt dem Weinſtock am meiſten zu, daher gedeiht er im ſüdlichen Europa ganz vorzüglich; bei einer mittleren jährlichen Temperatur von 7—8° wird er ſchon viel weniger ſüß, und dann muß er wenig— ſtens eine Sommertemperatur von 16° haben, wenn er vollſtändig reif werden ſoll, was in London z. B. nicht mehr möglich iſt. Hö— here Temperaturgrade dagegen erträgt er ganz gut, und man findet ihn ſelbſt unter dem Aequator, wenn die Gegenden nicht einen zu ho— hen Grad von Feuchtigkeit haben. 8 In der alten Welt, wo der Weinſtock ſchon ſeit uralten Zeiten cultivirt wird, iſt ſein Verbreitungsbezirk ſehr ausgedehnt; nirgend aber geht er ſo weit nach Norden als in Europa. In Frankreich geht der Anbau der Weinrebe bis zu 47 u. 48° Br., bis nach Noyon und Laon, in Deutſchland noch nördlicher, bis Danzig und Königs— berg, ja ſelbſt bis Memel; dann aber ſenkt ſich die nördliche Polar⸗ grenze der Weincultur ſchnell nach der Nordküſte des caspiſchen Mee— res hinab. In Sibirien fehlt der Weinſtock, aber im nördlichen China findet man ihn; außerdem auf Sumatra und Java, den Hochebenen von Oſtindien, in Perſien, Abeſſinien, Unterägypten, in der Berberei wie in Weſtafrika und beſonders am Cap, wo er vorzüglich gedeiht. Desgleichen wird er in den europäiſchen Colonieen von Neuholland gezogen. In Nordamerika findet man ihn auf beiden Seiten der Cor— dilleren, aber nicht ſo weit nördlich als in Europa, etwa bis zum 38° oder 40° n. Br. In Mexico und Guatemala zieht man ihn auf bedeutenden Berghöhen, und in Südamerika findet er ſich in Braſilien, beſonders zu Buenos Ayres, ferner in Peru und in Chile, in deſſen nördlichem Theile er trefflich gedeiht und dabei bis zu 40° f. Br. hinabgeht. Demnach iſt der 55° n. Br. wohl als Polargrenze des Wein— ſtocks in Europa anzuſehen, obgleich der Anbau deſſelben im Großen etwa nur bis zum 50° geht. Sonſt aber findet man ihn in allen Zonen bis zum Aequator hin, auf der ſüdlichen Halbkugel aber höch— ſtens bis zu 40 Br., einmal wegen der weniger bedeutenden Länder— maſſe, und da, wo noch Land vorhanden iſt, wegen des zu milden Küſtenklima's. | Was die Benutzung des Weinſtocks betrifft, jo ift die Anwendung zur Weinbereitung und der Gebrauch der Roſinen bekannt genug. Die Türken, denen der Wein verboten iſt, bereiten aus den Trauben eine Art Muß, das ſehr zuckerhaltig iſt und eine angenehme und nahr— Das Zuckerrohr. 141 hafte Speiſe liefert. Sonſt genießt man im Orient nur die Trauben und verſteht es, ſie den größten Theil des Jahres hindurch auf den Bäumen friſch zu erhalten; beſonders in Perſien, Kleinaſien und auf Creta, wo die Luft zur Winterzeit ſehr trocken iſt. Die vorzüglichſten Weinländer Europa's ſind Griechenland, Un— garn, Italien, einige Theile der Schweiz, Frankreich, Spanien, Portu— gal, und in Deutſchland: Oberöſterreich, Franken, Schwaben und der Oberrhein. In allen dieſen Ländern beſchäftigt der Weinbau im Großen wenigſtens eben ſo viel Menſchen als der Ackerbau. 2. Das Zuckerrohr. Saccharum officinarum. Der Name Saccara ſoll aus dem Sanskrit ſtammen und den raffinirten Zucker bedeuten; bei Plinius kommt der Zucker unter dem Namen Saccaron vor und bedeutet einen aus Rohr geſammelten Honig; die Propheten nennen ihn Schukar. — Das Zuckerrohr iſt eins der größten, ſchönſten und nützlichſten Gräſer. Aus einer faſe— rigen, ſehr äſtigen Wurzel erheben ſich mehrere Halme, die 8—12 Fuß Höhe und beinah 2 Zoll im Durchmeſſer erreichen. Ihr Inneres iſt mit einem lockeren, ſaftigen Marke erfüllt, und auswendig ſind ſie mit einer ſehr feſten, glatten und glänzenden Rinde bekleidet, die in den verſchiedenſten Farben prangt, grün oder gelb, auch violett, oder gelb mit violetten Streifen. In zwei Reihen an dieſen Halmen ſtehen 4—5 Fuß lange Blätter von 2 Zoll Breite, und auf dem Gipfel eine pyramidenförmige Rispe von 1— 2 Fuß Länge, die ins Unendliche zertheilt und mit unzählbaren Aehrchen beſetzt iſt. Die Aehrchen ſelbſt erſcheinen purpurroth und ſind mit 3 mal ſo langen glänzenden Haa— ren umgeben. Im September kommt das Zuckerrohr zur Blüthe und braucht 14 Monate Zeit, ehe es geerntet werden kann. Das Zuckerrohr ſtammt aus Oſtindien, wo es in wäſſerigen Ge— genden wie unſer Schilfrohr wild wächſt. Auch am Euphrat kommt es auf dieſe Weiſe vor. In China und auf den Inſeln der Südſee iſt es ſchon vor aller hiſtoriſchen Zeit angebaut worden; jetzt findet es ſich überall zwiſchen den Wendekreiſen, beſonders in Weſtindien und Südamerika, wo es in vielen Spielarten cultivirt wird. In der al— ten Welt wird es am meiſten auf Java, in Bengalen und in Siam gezogen; weniger auf den kleineren Inſeln, wo das Klima durch die Nähe des Meeres zu ſehr gemildert wird. Den Europäern wurde es 142 Culturgewächſe. erſt durch die Kreuzzüge bekannt, und vom 12ten bis zum Löten Jahr: hundert gab es auch im ſüdlichſten Europa Anpflanzungen von Zuk— kerrohr. Nach Amerika brachten es die Spanier von den canariſchen Inſeln aus, und zwar war es Peter v. Arranga, der es im Jahre 1506 nach St. Domingo führte. Von hier gelangte es nach Cuba und im Adten Jahrhundert auch nach dem Feſtlande von Südamerika. Der mehr regelmäßige Anbau begann in Weſtindien erſt 1520 nach der Einführung des Sclavenhandels, wo es bald ſo viel Zucker lie— ferte, daß faſt die ganze übrige Welt damit verſehen werden konnte, und der Zuckerbau in Europa einging. Zum Anbau des Zuckerrohrs iſt eine mittlere Temperatur von 19 — 20° R. erforderlich, wobei es am beſten gedeiht; indeſſen finden ſich auch große Zuckerplantagen in Gegenden, deren mittlere Tempe— ratur nur 15 — 16° R. beträgt, fo daß der Culturbezirk dieſes Ge— wächſes weit über die Tropengegenden hinausgeht. Selbſt in einigen Gegenden Südeuropa's, wie z. B. in Sieilien, wird noch jetzt Zucker— rohr mit Vortheil gebaut. Eben ſo betreibt man den Anbau dieſer Pflanze auf ziemlich beträchtlichen Höhen. Während derſelbe ange— ſtellten Temperaturberechnungen zufolge in den Tropen ſchon bei 3000 Fuß Höhe aufhören müßte, findet man ihn auf den Gebirgen von Mexico und Columbien noch auf 4000 — 6000 Fuß Höhe, wobei in— deſſen zu berückſichtigen bleibt, daß auf manchen Hochflächen durch das Zurückprallen der Sonnenſtrahlen von den Bergabhängen die Hitze bedeutend vermehrt wird. Die Art der Anbauung des Zuckerrohrs iſt nicht überall dieſelbe; doch wird es an allen Orten aus Stecklingen gezogen, die ſenkrecht oder wagerecht in die Erde gelegt und nur leicht bedeckt werden. In 14 Tagen etwa ſchießt aus jedem Knoten ein Stengel auf, ſo daß man die Pflanzungen lichten muß, wenn dieſelben zu dicht ſtehen. Erſt in Zeit von einem Jahre iſt der Schaft ſo groß, daß man ihn ſchneiden kann; dafür hält die einmalige Pflanzung auch viele Jahre aus, da ſich jährlich aus dem Wurzelſtocke neue Triebe entwickeln. Iſt das Land friſch urbar gemacht, und ſind die Witterungsverhältniſſe günftig, fo kann man auf dieſe Weiſe 20 — 30 Ernten bekommen. In Weſtindien kann man das Zuckerrohr über 40 Jahre auf einem Felde pflanzen, während man in Oſtindien alle 3 Jahre damit wechſeln muß. Es werden verſchiedene Varietäten des Zuckerrohrs gebaut, und da manche derſelben größere Vortheile gewähren, ſo werden ſie oft von einer Gegend nach der anderen verpflanzt. Am ergiebigſten iſt Das Zuckerrohr. 143 das oſtindiſche, indem 200 Pfd. Zuckerrohr etwa 100 Pfd. Saft ge— ben, woraus man 254 Pfd. Rohzucker gewinnt. Das ſüße, ſaftige Mark iſt vorzugsweiſe in dem unteren blattlofen Theile der Halme enthalten, die man abſichtlich nicht zur Blüthe gelangen läßt. Zur Erntezeit ſchafft man die abgeſchnittenen Halme in großen Bündeln in die Zuckermühle, wo ſie zwiſchen dicht aneinanderliegenden Walzen, durch welche die Negerſclaven ſie hindurchlaufen laſſen, zerquetſcht werden. Den ausgepreßten Saft leitet man durch Rinnen in einen Keſſel, wo er eingekocht und abgeſchäumt wird. Darauf wird er mit einer aus Kalkwaſſer und Ochſenblut beſtehenden Lauge verſetzt, um ihm die Säure zu nehmen, und dann bringt man ihn zum Kryſtalli— ſiren, wobei der nicht gerinnbare Theil, der Syrup, nach unten ab— fließt. Der ſo herauskryſtalliſirte Rohzucker wird dann in Europa mit Ochſenblut raffinirt. — Es iſt ſo gut wie ausgemacht, daß wir das Verfahren, den Zucker zu gewinnen, aus Indien und China erhalten haben; denn in letzterem Lande iſt die Bereitungsart ſchon ſeit den älteſten Zeiten ganz dieſelbe. Der Zucker, welcher ſich bei uns aus einem Luxusartikel faſt ſchon in ein Lebensbedürfniß verwandelt hat, iſt in den tropiſchen Gegenden oft ein allgemeines Nahrungsmittel. Die Neger in den Zuckerplantagen eſſen den gewonnenen Rohzucker, noch häufiger aber werden die reifen Halme nur gekaut und ausgeſogen, nachdem ſie durch Kochen ein wenig erweicht worden. In Rio de Janeiro, auf den Sandwich-Inſeln u. ſ. w. ſieht man faſt jedes Kind mit einem Stück Zuckerrohr in der Hand umhergehen. Auf dieſe Weiſe werden bedeutende Maſſen von rohem Zucker verbraucht, und auf dem Markte von Manila erſcheinen täglich ganze Schiffsladungen voll. Zu viel, oder roh gegeſſen ſchwächt der Zucker übrigens die Verdauung; er iſt daher, wiewohl als Nahrungsmittel in Gebrauch, doch nicht als ſol— ches zu empfehlen. Thiere, welche mit nichts Anderem gefüttert wer— den, bekommen Geſchwüre im Magen und ſterben. Die Anwendung des Zuckers in der Haushaltung und in der Arzenei iſt bekannt; auch werden eine Menge geiſtiger Getränke theils aus dem zerquetſchten Rohre, theils aus den bei der Zubereitung übrig bleibenden Rückſtän— den gewonnen. Somit iſt dieſe Pflanze eine Quelle des bedeutendſten Erwerbes für ganze Völkerſchaften. ) Indeſſen werden die Zucker— *) Der Verbrauch in England allein wurde im Jahre 1850 auf nahe an 6,700,000 Ctr. angeſchlagen, wobei indeſſen die Melaſſe mit einbegriffen war. Hamburger Marktbericht. Aug. 1850. * 144 9 ernten oft durch Orkane, Würmer, Ratten, Ameiſen, ja ſelbſt durch Feuer vernichtet, und in Oſtindien thun die Heuſchrecken nicht ſelten ſehr bedeutenden Schaden. Es iſt bekannt, daß es mancherlei Erſatzmittel für den Zucker giebt. In Nordamerika, wo man das Zuckerrohr erſt im 18ten Jahr— hundert angebaut hat, wurde ſchon lange vorher Ahornzucker aus mehreren Ahornarten gewonnen, und zwar in ſo bedeutender Menge, daß davon noch jetzt über 135 Mill. Pfd. jährlich gewonnen werden, wovon wenigſtens ein Achtel ins Ausland geht. Eben ſo iſt die Be— reitung des Zuckers aus Runkelrüben (beſonders Beta eicla alba) be- kannt, aber auch die Früchte von Cactus Opuntia, die Kartoffeln, die Birke und viele dickhalmige Gräſer können zu dieſem Zwecke gebraucht werden. 3. Der Kaffeebaum. Coffea arabica. Der Name Kaffee ſtammt aus dem Arabiſchen, wo er Kahweh heißt, womit der Kaffeetrank, bei den Dichtern aber auch der Wein bezeichnet wird. Das Gewächs iſt ein 15—30 Fuß hoher Baum mit ſchlankem Stamme. In unſeren Gewächshäuſern wird er nicht über 15 F. hoch und höchſtens 15 Jahr alt; in Arabien aber und in Ba— tavia erreicht er bei 4 — 6 Zoll Dicke eine Höhe von 30 — 40 Fuß. Seine zahlreich ausgebreiteten oder überhangenden Aeſte bilden einen pyramidenförmigen Wipfel, und die länglich geſtalteten, lederartigen Blätter erſcheinen glänzend dunkelgrün mit blaſſer Rückſeite. Die kleinen weißen Blüthen, die wohlriechend ſind wie Jasmin, ſitzen bü— ſchelförmig in den Blattwinkeln, und er blüht faſt das ganze Jahr. Die Früchte, welche faſt wie die der Kornelkirſche “*) ausſehen, find ovale, ſaftige Steinfrüchte, die anfangs grünlich, ſpäter ſcharlachroth und zur Zeit der Reife dunkelviolett gefärbt ſind. Die darin befind— lichen, von der pergamentartigen Samendecke befreiten Kerne ſind die bekannten Kaffeebohnen, die übrigens mit unſeren Bohnenſamen keine Aehnlichkeit haben. Der Name Bohnen ſtammt vielmehr aus dem Arabiſchen, wo die Samen des Kaffeebaums bunn genannt werden. Die erſte Nachricht über dieſen Baum verdanken wir Prosper Alpinus, welcher ihn im Jahre 1591 als Arzenei aus Aegypten nach Venedig brachte und 1592 in ſeinen Werken die erſte genaue Beſchrei— ) Cornus mascula. * f . * 5 Der Kaffeebaum. bung davon gab. „Ich habe, ſagt er, in Aegypten in einem Gewächs— haus einen Baum geſehen, welcher die allgemein verbreiteten, bon oder ban genannten Samen hervorbringt, und woraus alle Aegypter und Araber das gemeinſte Getränk bereiten, welches ſtatt Wein getrunken und in Wirthshäuſern wie bei uns der Wein verkauft wird. Es heißt Coava. Dieſe Samen kommen aus dem glücklichen Arabien; der Baum ſieht aus wie Pfaffenhütlein , Doch find die Blätter dicker, härter und immergrün. Man braucht den Abſud zur Stärkung des Magens und Beförderung der Verdauung, zur Hebung der Ver— ſtopfung und der Leber- und Milzanſchwellung; beſonders ſchlürfen ihn die Weiber beſtändig zu gewiſſen Zeiten.“ Als Vaterland des Kaffeebaumes werden gewöhnlich Arabien und Aethiopien angeſehen, doch wächſt er in erſterem Lande nicht wild, ſondern nur angepflanzt. Vermuthlich iſt er erſt gegen Ende des 15ten Jahrhunderts von dem äthiopiſchen Hochlande aus dorthin ge— kommen. Von hier wurde er zuerſt nach Oſtindien, ſpäter nach Weſt— indien und Südamerika und eben ſo in die europäiſchen Colonien von Afrika verpflanzt. Gegenwärtig haben die Europäer Anpflan— zungen auf Java, Ceylon, Moritz und Bourbon, auf den Antillen, der Inſel Cayenne und in Surinam; doch haben ſie es noch nicht ſo weit gebracht, den Kaffee fo gut zu liefern wie Arabien, deſſen Mokha- Kaffee immer noch als der vorzüglichſte angeſehen wird. In den heißeſten Gegenden der Tropen, bei einer mittleren Tem— peratur von 20 — 22° R. gedeiht der Kaffeebaum am beſten, doch hat man ihn künſtlich weit über die heiße Zone hinaus verpflanzt, bis zu 36° Br., wo die mittlere Wärme höchſtens noch 16° R. beträgt, fo daß ſein Verbreitungsbezirk mit dem der Baumwollenſtaude ziemlich übereinſtimmt. Nicht nur auf der nördlichen Halbkugel, ſondern auch auf den Südſeeinſeln gedeiht der Kaffeebaum vortrefflich; nach Oſten hin iſt aber ſeine Cultur nicht weit vorgedrungen, indem die dort ganz allgemeine Theecultur ſeinem Vordringen entgegenſteht, auf Lu— zon jedoch wird ſein Anbau mit Vortheil betrieben. Dem Kaffeebaum ſcheint ein feuchter und beſchatteter Boden am meiſten zuzuſagen; er gedeiht daher in den heißen Gegenden am beſten auf den Höhen, bis etwa 3000 Fuß; nach A. v. Humboldt in Neu— granada ſogar in einer Höhe von 6000 Fuß. — Die friſchen Samen werden im Schatten anderer Kaffeebäume geſäet. Haben die jungen 145 3 ) Evonymus europaeus. 10 1 2 * * 146 Culturgewä Pflänzchen die Höhe von einem Fuß erreicht, ſo nimmt man ſie mit der Erde heraus und pflanzt fie in Entfernungen von 4 —6 Fuß in Kreuzform “). Höher als 12 Fuß läßt man fie in den Plantagen gewöhnlich nicht werden, um die Früchte mit Leichtigkeit pflücken zu können. Zwei bis drei Jahre nach der Verpflanzung geben ſie ſchon reife Früchte und nach 4 — 5 Jahren eine ganz gute Leſe. Für je 1000 Bäumchen wird ein Arbeiter angenommen, der faſt das ganze Jahr damit beſchäftigt iſt. Die Frühjahrsernte iſt die reichlichſte; außerdem kann man aber noch zwei Leſen im Jahre halten. Die eingeſammelten Früchte werden an der Sonne getrocknet, ſo daß die fleiſchige Hülle ſpröde wird; dann rollt man hölzerne oder ſteinerne Walzen darüber hin, wodurch die Samen von der Hülle befreit wer— den, trocknet die Samenkerne im Schatten, und nachdem ſie durch Schwingen von fremden Beimiſchungen befreit worden ſind, bewahrt man ſie in lockeren Säcken an luftigen Orten auf. Bekannt iſt es übrigens, daß die ungebrannten Bohnen noch nichts von dem ange— nehmen Aroma und dem ätheriſchen Dufte enthalten, welcher denſel— ben nach dem Brennen eigen iſt. Die Benutzung der Kaffeebohnen zum Getränk findet in Aethio— pien ſchon ſeit den älteſten Zeiten ſtatt, in Aegypten und der Türkei ſeit etwa 300, im übrigen Europa ſeit 200 Jahren **). Doch erſt zu Ende des vorigen Jahrhunderts nahm der Gebrauch des Kaffees fo bedeutend zu, daß er jetzt ein faſt unentbehrliches Lebens bedürfniß geworden iſt. Gegenwärtig wird der Kaffeeverbrauch in Europa jähr⸗ lich auf 258 Mill. Pfd. angeſchlagen, wovon Braſilien, Java und Weſtindien die größten Quantitäten liefern *). Bekanntlich find die Bohnen nach den einzelnen Ländern an Güte und Farbe verſchieden. Der Mokhakaffee, der vorzüglichſte von allen, hat kleine, dunkelgelbe Bohnen, kommt aber nicht nach Europa. Hier werden unter dieſem Namen meiſtentheils die kleinſten, bräunlichgelben Samen des Kaffees von Java verkauft. Demnächſt folgt in der Güte der von Bourbon mit größeren, länglichen, weißlichen Samen und dann der grünliche oder bläulich-graue aus Weſtindien, Guyana und Braſilien. *) en quinconce ( 5 g ! 1 **) Leonhard Rauwolf, ein deutſcher Arzt, iſt wahrſcheinlich der Erſte, der den Kaffee durch ſein 1573 gedrucktes Werk in Europa bekannt gemacht hat. *) Auf den ſechs Hauptmärkten Europa's lagerten am 1. Januar 1849 122 Mill. Pfd. Hamburger Marktbericht 31. Aug. 1850. Der chineſiſche Thee. 147 Bekannt iſt es, daß man mancherlei Surrogate für den Kaffee anwendet, wie Cichorienwurzel, Roggen, Gerſte, Reis und ſelbſt Mohr— rüben; jedoch iſt keins derſelben ein vollſtändiges Erſatzmittel. Theils iſt es beabſichtigte Gelderſparniß, theils geben Geſundheitsrückſichten die Veranlaſſung dazu; und allerdings wirkt der Kaffee ſtark reizend und erhitzend auf das Gefäß- und Nervenſyſtem. Starker Andrang des Blutes nach dem Kopfe, Stockungen im Unterleibe, Schwächung des Darmkanals und manche andere hiermit in Verbindung ſtehende Beſchwerden ſind als Folgen zu häufigen Genuſſes dieſes Getränks zu nennen. 4. Der chineſiſche Thee. Thea chinensis. Es giebt aller Wahrſcheinlichkeit nach nur eine Art, welche eine große Anzahl von Varietäten aufzuweiſen hat, ſo daß mehrere Bota— niker dieſelben auf 3 Species zurückgeführt haben: Th. viridis, Th. Bohea und Th. stricta. Da die getrockneten Theeblättchen ihrer Farbe, Form und Behaarung nach verſchieden ſind, ſo war dies die nächſte Veranlaſſung zu jener Annahme; indeſſen iſt durch ſorgfältige Unterſuchungen getrockneter und dann aufgeweichter Blätter der ver— ſchiedenen Theeſorten nachgewieſen worden, daß die Unterſchiede zwi— ſchen denſelben nicht größer find als bei den Abarten anderer Cultur— pflanzen. Demnach möchte die Annahme einer urſprünglichen Art wohl als die richtigere anzuſehen ſein. Die Theepflanze iſt ein Strauch, der, wenn man ihn ſich ſelbſt überläßt, eine Höhe von 20 Fuß erreicht. Gleich von der Wurzel an theilt er ſich in viele Aeſte und Zweige und iſt immerwährend von oben bis unten mit Blättern bedeckt, die nur in der Jugend etwas weichhaarig find. Später erſcheinen fie lederartig, länglich-lanzettför— mig oder mehr keilförmig, ſchön grün und ganz glatt. Die Blüthen, welche auf kurzen Stielen zu 2 — 3 in den Blattwinkeln ſtehen, er- ſcheinen im Herbſt, ſind weiß und ſechsblättrig, gleichen in Form und Größe denen unſerer wilden Roſen, riechen aber wenig, und haben im Innern über 200 Staubfäden mit großen gelben Staubbeuteln, ſo daß ſie ein wahrer Schmuck des Gewächſes ſind. Die Frucht iſt eine birnförmige, lederartige Kapſel mit nußartigen Samen in einer hol— zigen Schale. Als Vaterland des Theeſtrauches wird China angeſehen; ande— ren Angaben zufolge ſoll er eigentlich aus der Halbinſel Korea ſtam— 10 * 148 C ulturgewächſ. e. men, von wo er im Jahre 816 n. Chr. nach Japan und 827 nach China gebracht wurde. Man findet ihn dort bis zum 40% n. Br., fo wie auch in den ſüdlicheren, gebirgigen Theilen von 500 bis zu 800 Fuß Höhe, vorzüglich auf den Bergen an der Grenze des birmani— ſchen Reiches. In dem Staate Aſſam wächſt der Theeſtrauch in gro— ßer Menge wild, in einer Höhe von 6—8000 Fuß, doch find die Be— wohner dort zu träge, um ihn zu cultiviren. In China hat ſich der Theeſtrauch ungemein ausgebreitet. An manchen Orten bildet er faſt ohne Pflege Hecken und Zäune zwiſchen den Feldern und an Wegen; an anderen Orten ſind aber auch aus— gedehnte Strecken zu bloßen Theeplantagen benutzt, ſo daß gegenwär— tig in China ein Flächenraum von 1,372,450 U M. zur Cultur die⸗ ſer Pflanze in Anſpruch genommen wird. Von Korea aus iſt der Theeſtrauch nach Japan gekommen, und dort wächſt er an ſolchen Orten, wo es friert und ſchneit, ſo daß man ihn wohl auch nach Europa verpflanzen könnte. In Cochin-China und Tunkin baut man eine große Menge gewöhnlichen Thees, aber nicht mit der Sorgfalt wie im eigentlichen China; eben ſo hat man in Bengalen, dem bir— maniſchen Reiche an der Oſtgrenze von Tibet und in Aſſam Verſuche angeſtellt, die nicht ohne Erfolg ſein werden. Auch auf Java und Ceylon werden jährlich ſchon mehrere tauſend Kiſten gezogen. Die Anpflanzungen außerhalb Aſien's dagegen, am Cap, auf St. Helena und bei Rio de Janeiro ſind bis jetzt noch von geringer Bedeutung. Die älteſten Nachrichten über den Gebrauch des Thees gehen bis in das dritte Jahrhundert zurück, und einer alten chineſiſchen Schrift zufolge hat ein Miniſter der öffentlichen Bauten, Namens Wang— mung, die Theepflanze um die Mitte des Aten Jahrhunderts gebraucht. Im Jahre 600 wurde ſie einem chineſiſchen Kaiſer, der an heftigen Kopfſchmerzen litt, von einem Prieſter empfohlen, und der günſtige Erfolg war die Veranlaſſung, daß ſich die Theepflanze von da an ſehr ſchnell verbreitete. Die älteſte Schrift, in welcher ein Europäer über den Thee berichtet, iſt die 1589 in Leyden erſchienene Historia indica von Giovanni Pietro Maffei Cr 1603), und 1610 ſollen hol: ländiſche Kaufleute den erſten Thee nach Europa gebracht haben. Im Jahre 1638 erhielt der Czar Michael Feodorowitſch Romanow den Thee als Geſchenk durch Geſandte von Moskow. Aber erſt ſeit 200 Jahren iſt der Thee in England ein allgemein beliebtes Getränk ge— worden, ſo daß der Verkauf deſſelben ſchon i. J. 1660 durch eine Parlamentsacte mit einer Steuer belegt wurde. Seitdem hat er ſich Der chineſiſche Thee. 149 durch Europa mehr und mehr verbreitet, ſo daß bald nicht nur, wie ſchon jetzt für China, ſondern auch für andere tropiſche Länder die Theecultur eine Quelle des Wohlſtandes zu werden verſpricht. Linné war der Erſte, welcher die Pflanze lebend in Europa einführte. Im Jahre 1763 kamen die erſten Pflanzen, die auf der Reiſe aus dem in Töpfe geſäeten Samen aufgegangen waren, durch den Capitain Ecke— berg nach Gothenburg und von da nach Upſala. Das Anpflanzen des Theeſtrauchs geſchieht durch Ausſaat der Samen. Man ſteckt in eine Grube am Rande der Felder etwa 6—12 Kapſeln, von denen gewöhnlich nur das §te Korn keimt und düngt die Staude ſorgfältig. Gleich im erſten Jahre bricht man die mitt— leren Triebe ab, damit der Strauch nicht zu ſchnell in die Höhe ſchießt, ſondern ſich mehr veräſtelt und eine größere Menge von Blät— tern bringt, deren Leſe dann im Aten oder dten Jahre beginnt. Ei— gentliche Plantagen legt man nur in hügelreichen Gegenden an, wo dann die Sträucher über 3 Fuß weit auseinanderſtehen und nur 22 bis 3 Fuß hoch ſind. Nur einzelne Stämme ragen gewöhnlich bis zu 5 Fuß Höhe über die anderen hinaus. Im ſiebenten Jahre iſt der Strauch mannshoch; dann wird er nahe am Boden abgeſchnitten und treibt nun von Neuem. Zweimal im Jahre wird eine Theeleſe gehalten, im Frühjahr und im Herbſt, doch iſt die Zeit derſelben in den verſchiedenen Gegenden des chineſiſchen Reiches nicht überall die— ſelbe. Die erſte Ernte giebt den beſten Thee, und die Hauptleſen ſind ſchon im Mai und Juni beendet, ſo daß im September und October Ladungen friſchen Thees nach Canton kommen. Das Ab— pflücken der Blätter geſchieht mit den Händen, wozu die Eigenthümer Tagelöhner miethen. Ein ungeübter Arbeiter ſammelt den Tag über kaum 14 Pfd., wer aber von Jugend an darauf eingeübt iſt, kann wohl 9 —10 Pfd. pflücken. Zur Verſendung können nur die Blätter junger Sträucher vom sten bis Sten Jahre gebraucht werden. Wenn die Blätter friſch ge: pflückt ſind, ſo merkt man nichts von dem angenehmen Geruch und dem Wohlgeſchmack, den ſie ſpäter zeigen. Dieſe Eigenſchaften ſind erſt eine Folge der Zubereitung, wie bei dem Kaffee, deſſen Samen gleichfalls vor dem Brennen geruch- und geſchmacklos ſind. Uebri⸗ gens ſucht man den Wohlgeruch des Thees auch zu erhöhen, indem man Theile anderer Pflanzen mit ihm in Berührung bringt, wie die Blüthen der Theeroſe (Rosa indica odoratissima), in China die Blätter der Camellia sasanqua, wie auch Blüthen von Jasmin und 150 Culturgewächſe. dem Oelbaum (Olea fragrans). Die Zubereitung der friſch gepflück⸗ ten Theeblätter geſchieht auf zweifache Weiſe, auf trockenem und auf naſſem Wege. Bei der erſten Art röſtet man die Blätter auf großen eiſernen, ſtark erhitzten Platten oder in eiſernen Pfannen, die ſchräg eingemauert find. Durch gelinde Wärme, bei der fie fortdauernd um— gerührt werden, bringt man ſie zuerſt zum Welken; dann wird die Hitze geſteigert, wodurch ſie zuſammentrocknen. Die ſo erhitzten Blät— ter ſchüttet man nun auf trockne Matten, reibt ſie mit der flachen Hand und thut ſie nach dem Erkalten abermals in die Pfannen. Hat man dies 4—6 mal wiederholt, dann find fie vollſtändig getrock— net, wobei ſie über die Hälfte ihres Gewichts verloren haben, ſo daß durchſchnittlich 3 Pfd. friſche Theeblätter 1 Pfd. getrockneten Thee ges ben, der dann eine dunkelgrüne oder bräunliche Farbe annimmt. Dies iſt die Zubereitung des grünen Thees. — Die Bereitung des ſchwar— zen Thees geſchieht auf naſſem Wege. Man legt die Blätter in große Siebe, welche über kochendes Waſſer geſtellt werden, deſſen Dämpfe fie durchziehen, oder man taucht fie + Minute lang in kochendes Waſſer ein. Hierauf werden ſie auf einem heißen Eiſenblech etwas abgetrocknet und dann während des allmäligen Trockenwerdens mit den Händen auf mannichfache Weiſe gerollt, wodurch die verſchiedenen Theeſorten ihre Form erhalten. Wenn es nun auch ziemlich ausgemacht iſt, daß alle unſere Thee— ſorten von einer und derſelben Art abſtammen, ſo ſteht doch ſo viel feſt, daß man in einigen Gegenden China's vorzugsweiſe grünen, in anderen dagegen ſchwarzen Thee baut, und daß die Art der Zuberei— tung und beſonders des Rollens der Blätter in den einzelnen Gegen— den ſehr verſchieden iſt. Eine ganz ähnliche Erſcheinung haben wir bei uns mit dem Weinbau, wo auch in den einzelnen Gegenden dieſe oder jene Sorten mit beſonderer Vorliebe gezogen werden. So beruht denn die Güte des Thees weit weniger auf der Abart des Strauches, von dem die Blätter genommen werden, als vielmehr darauf, wie jung dieſelben ſind und wie ſie zubereitet werden. An manchen Orten in China iſt man ſo ſorgfältig, daß man die am Morgen geſammelten Blätter nicht mit denen miſcht, die des Abends geſammelt werden. Es iſt daher nicht zu verwundern, wenn ſo viele Sorten unterſchieden werden. Einem chineſiſchen Manuſcripte zufolge werden mit Be— ſtimmtheit dort 36, nach Anderen ſogar 57 Sorten unterſchieden, die indeß nicht alle in den europäiſchen Handel kommen. Die Anwendung der getrockneten Theeblätter zur Bereitung des Der chineſiſche Thee. 151 bekannten Getränkes reicht bis in die älteſten Zeiten der chineſiſchen Geſchichte hinauf. Von der Bereitung des Theeaufguſſes hängt die Güte deſſelben faſt eben ſo ſehr ab als von den Blättern ſelber. Die in Deutſchland allgemein gebräuchliche Zubereitungsart, wo man die Theeblätter mit kochendem Waſſer übergießt und ziehen läßt, iſt weit weniger zu empfehlen als die ruſſiſche. In Rußland nämlich übergießt man die Theeblätter mit etwas kaltem Waſſer, läßt dies einige Minuten darauf ſtehen, und nachdem man es abgegoſſen, gießt man ſchnell die nöthige Menge heißen Waſſers darüber. Soll die Bereitung ſchneller vor ſich gehen, ſo kann man ſtatt des kalten auch ein wenig heißes Waſſer nehmen, das aber ſchon nach einer Minute abgegoſſen werden muß. Der Verbrauch des Thees zum Getränk iſt jetzt in China ſo all⸗ gemein, daß er bei gleichbleibender Bevölkerung wohl ſchwerlich noch zunehmen kann. Schätzt man dieſelbe auf 200 Mill. Menſchen ab, fo würde, wenn man auf den Kopf jährlich nur 14 Pfd. rechnet, der Verbrauch im Jahre ſich auf mehr als 2 Mill. Ctr. belaufen; außer⸗ dem werden noch in den übrigen Theilen des öſtlichen Aſiens, in Japan, Cochinchina u. ſ. w. über 1 Mill. Ctr. conſumirt und jähr⸗ lich über 400,000 Ctr. in Europa eingeführt, wovon Großbritannien allein 28 Mill. Pfd. und Rußland über 25 Mill. Pfd. verbraucht. Welche ungeheure Menge von Händen demnach in China mit der Theecultur beſchäftigt ſein müſſen, läßt ſich leicht ermeſſen. Wie bei anderen Pflanzen, ſo hat man auch für den Thee man⸗ cherlei Surrogate vorgeſchlagen, wie friſche Blätter von Pomeranzen⸗ bäumen, die jungen Blätter der Walderdbeere ’, die der blauen Brom⸗ beere *, beſonders auch die vom Bergehrenpreis? und die Blüthen des Himmelsſchlüſſelchens “, indeſſen find fie wohl alle dem chineſi⸗ ſchen Thee wenig ähnlich. Auch die Blätter des Hagedorns, welche man in neuerer Zeit in England, künſtlich zubereitet, zu dieſem Zwecke anwendet, möchten den Thee ſchwerlich erſetzen. Bei einem ſo geſuchten Artikel wie der Thee iſt es nicht zu ver⸗ wundern, daß Verfälſchungen deſſelben häufig vorkommen. Schon in China ſelbſt ſoll es vorkommen, daß man die Blätter des bereits be— nutzten Thees wieder trocknet und untermiſcht; und in England ſollen jährlich an 5 Mill. Pfd. Schlehen⸗ und Eſchenblätter unter den Thee gemiſcht werden. * Fragaria vesca. ?2 Rubus caesius. Veronica montana. Pri- mula officinalis. 152 Culturgewächſe. Daß guter, nicht zu ſtarker Thee das Nervenſyſtem angenehm er— regt und zur Stärkung und Belebung der Kräfte nach Anſtrengungen ſehr dienlich iſt, iſt bekannt; übermäßig aber und zu ſtark zubereitet genoſſen, führt er mannichfache Nachtheile mit ſich; er wirkt dann narkotiſch und läßt ſpäter große Abſpannung zurück. Ferner verdient noch erwähnt zu werden, daß man in China auch ganze Aeſte und Sproſſen abnimmt und ſie mit den Blättern trocknet. Durch eine ſchleimige Subſtanz werden dieſe oft unſauberen Maſſen verbunden, zu Broden gepreßt und gebacken. Die Nomaden in der Wüſte Gobi, die ſich dieſes ſogenannten Ziegelthees bedienen, brechen dann einzelne Stücke ab, ſtoßen ſie zu Pulver und kochen daſſelbe mit Waſſer oder Milch unter Zuſatz von Mehl und Fett. Den chineſiſchen Soldaten wird dieſer Ziegelthee an den nordiſchen Grenzen des Reiches oft ſtatt des Soldes verabreicht, und was ſie nicht ſelbſt verbrauchen, wird von ihnen wieder verhandelt. Endlich iſt noch zu bemerken, daß auf der Nordſeite des Altaige— birges in dem ruſſiſchen Gouvernement Tomsk eine Pflanze wächſt, die unter dem Namen Gebirgsthee oder Tſchazir-Thee bekannt iſt. Es iſt Saxifraga crassifolia, der dickblättrige Steinbrech. Er blüht im Mai, etwa 14 Tage lang, und aus den Blüthen bereiten die dortigen Bewohner ein Getränk, welches dem Thee. ſehr ähnlich ſein ſoll. Eben ſo werden die trockenen, lederbraunen Blätter vom vorigen Jahre von den Koſacken in großer Menge geſammelt und als Thee verkauft. Ueberhaupt wird die ganze Pflanze als eine heilſame betrachtet und ſelbſt die Wurzel gegen Faulfieber angewendet. 5. Die Maguey - Pflanze. Agave americana. Dieſes ſchon früher bei den Faſerpflanzen beſchriebene Gewächs wird in Mittelamerika in verſchiedenen Varietäten cultivirt. Außer: dem, daß es durch ſeine Blattfaſern bedeutenden Nutzen gewährt, wird auch das ſüßlich-ſäuerlich ſchmeckende Mark der Blätter friſch oder zubereitet gegeſſen; den Saft derſelben, ſo wie den des Schaftes und des Wurzelſtockes kocht man zu einer ſyrupartigen Flüſſigkeit ein, auch wird eine Art Zucker daraus bereitet. Vorzugsweiſe benutzt man aber die Maguey-Pflanze zur Bereitung eines weinartigen Getränks, des ſogenannten Pulque der aſtekiſchen Völker. Auf dem 7000 Fuß hohen Plateau von Mexico, auf dem dürrſten Boden, der oft kaum mit Hu— Die Maguey - Pflanze. 153 mus bedeckt ift, find ganze Landftriche mit Maguey-Pflanzungen be- deckt, die dem faſt nur an Getreidefelder gewöhnten Europäer einen überraſchenden Anblick gewähren. Gewöhnlich werden ſie in geraden Reihen neben einander gepflanzt, wie man ſie ſeit dem Jahr 1551 in den Ländern am Mittelmeer auch häufig zu Zäunen benutzt vor— findet. In Zeit von 8 Jahren gelangt die Pflanze gewöhnlich zur Entwickelung des Blüthenſchaftes, was die Landleute jener Gegenden daran merken, daß die Wurzelblätter, welche anfangs wagerecht ſich auf dem Boden ausbreiten, ſich plötzlich aufrichten. Um dieſe Zeit werden die Plantagen häufig beſucht, um den rechten Zeitpunkt nicht zu verfehlen. Man ſchneidet dann die Knospenblätter aus der Mitte heraus, erweitert die Wunde ein wenig und bindet die aufgerichteten Blätter, welche ſie zunächſt umgeben, oben zuſammen, ſo daß eine Ver— tiefung entſteht, in welcher ſich der aufwärtsſteigende Saft, der zur Bildung des Blüthenſchaftes dienen ſollte, 12—18 Monate lang täg— lich ſammelt. Zwei bis drei Monate iſt die Saftabſonderung ſo be— deutend, daß man täglich dreimal ſchöpfen kann und von einer Pflanze an 3 Quart erhält. Des Morgens und Abends ſchöpft man eine größere Quantität als zur Mittagszeit. Nach der Saftabſonderung hat ſich die Pflanze vollſtändig erſchöpft, ganz eben ſo wie nach dem Blühen; ſie ſtirbt dann ab, treibt aber Hunderte von neuen Schöß— lingen aus ihrer Wurzel. Den geſammelten Saft, der viel Zucker und Schleim enthält, läßt man gähren und ſetzt noch andere Stoffe hinzu, um ihn berauſchend zu machen. Um die Gährung zu beſchleu— nigen, verſetzt man ihn mit etwas altem ſaurem Pulque, wodurch der Prozeß gewöhnlich in 3—4 Tagen beendet wird. Das fo gewonnene Getränk hat Aehnlichkeit mit dem Cider, riecht aber höchſt unange— nehm, faſt wie faules Fleiſch. Deſſen ungeachtet wird es in Mexico leidenſchaftlich getrunken, ſelbſt von den Fremden, ſobald ſie nur erſt den Widerwillen gegen den Geruch überwunden haben, da es ſehr ſtärkend und nahrhaft iſt. Die Maguey-Pflanze wird in Merieo durchſchnittlich in einer Höhe von 7— 8000 F. gezogen, geht aber noch höher hinauf, fo daß ſelbſt in ſolchen Gegenden, deren Temperatur in der Regel nur bis 7» R. ſteigt, die ſchönſten Plantagen vorkommen. Indeſſen läßt ſich erwarten, daß bei der in Mexico immer allgemeiner werdenden Ver— breitung der Weincultur der Anbau dieſer Pflanze allmälig abneh— men wird. 154 Culturgewächſe. 6. Der Pfefferſtrauch. Piper nigrum. Der Pfeffer iſt eins der am häufigſten gebrauchten Gewürze. Sein Vaterland iſt Oſtindien, wo er auf Malabar wild gefunden worden iſt, und zwar in Wäldern, an deren Baumſtämmen die Pflanze hinaufkletterte. Auch iſt zu bemerken, daß der Pfeffer von Malabar kräftiger iſt, als der von den oſtindiſchen Inſeln, ſo daß dieſe Küſte Vorderindiens wohl allein als das Vaterland des Pfefferſtrauchs be— trachtet werden kann. Der Pfeffer iſt ein mehrjähriges, ausdauerndes Gewächs mit ge— gliedertem, knotigem Stengel, der kletternd an anderen Pflanzen auf— ſteigt, ſo dick wie ein Finger wird und aus den Knoten Wurzeln ſchlägt und lange, gabelförmige Aeſte treibt. Die lederartigen, im- mergrünen Blätter ſtehen abwechſelnd, find eiförmig -zugeſpitzt geſtal⸗ tet, von 4— 5“ Länge und auf der Rückſeite blaugrün gefärbt. Den Blättern gegenüber erſcheinen 3 Zoll lange Blüthenkätzchen, die her— abhangen und dicht gedrängt mit Schuppen beſetzt find. Unter jeder Schuppe befindet ſich eine einſamige Beere, im Ganzen 20 — 30, die rothbraun gefärbt, fo groß wie eine Erbſe find und auf den Blüthen⸗ kolben locker aufſitzen. Die Pflanze erſcheint in mehreren Varietäten, von denen in verſchiedenen Gegenden dieſe oder jene höher geſchätzt wird. Im Juli gelangt die Pflanze zur Blüthe, bisweilen auch blüht ſie zweimal im Jahr, und in einigen Gegenden iſt ſie das ganze Jahr hindurch mit Blüthen und Früchten bedeckt. Da die Beeren 4 — 5 Monate zu ihrer Reife brauchen, ſo werden in der Regel jährlich zwei Ernten gehalten. Anfänglich ſind die Beeren grün, bei der Reife aber werden ſie ſchön roth und fallen dann ab, wenn ſie nicht vorher ab— genommen werden. Man pflegt daher, ſo wie einige Beeren reif ſind, die ganzen Blüthenkätzchen abzunehmen, breitet ſie auf Matten oder auf der bloßen Erde aus und läßt ſie 8 Tage lang an der Sonne trocknen, wodurch ſie eine runzelige Oberfläche bekommen und eine ſchwarze Farbe annehmen. Die unreifen bekommen dabei die meiſten Runzeln. | Der Pfeffer ift eine Pflanze, die nur in tropiſchen Ländern an— gebaut werden kann. Erſt durch Alexanders des Großen Zug nach Indien iſt er bekannt geworden und wird gegenwärtig vorzugsweiſe auf Sumatra, Java, Borneo und den übrigen Sundainſeln gezogen. Der Pfefferſtrauch. 155 Außerdem aber hat man faſt in allen tropiſchen Ländern, die ſich eini— ger Cultur erfreuen, Verſuche mit dem Anbau deſſelben gemacht. Zur Anlegung von Pfefferplantagen nimmt man einen etwas hoch gelegenen mit Bäumen bewachfenen Boden. Die letzteren wer⸗ den abgehauen, nach dem Trocknen verbrannt und der Boden ſo ge— reinigt wie zum Anbau des Bergreis (ſ. S. 86), auch läßt ſich ſol— cher Boden, auf dem Bergreis gezogen worden iſt, dazu anwenden. Das ganze Feld wird nun in regelmäßige Vierecke abgetheilt, die 5—6 Seitenlänge haben, und auf jedes derſelben kommt eine Pflanze. Zuerſt werden die Stangen geſteckt, an denen das Gewächs empor— klimmen ſoll, doch wählt man lieber ſchlanke Bäumchen oder Stau— dengewächſe, damit die Pfefferpflanze einigen Schatten erhält; auch würden gewöhnliche Stangen durch die Feuchtigkeit bald unbrauchbar werden und nicht mehrere Jahre aushalten. Die Pfefferpflanzungen müſſen ſorgfältig gepflegt, beſonders von Unkraut gereinigt werden, damit die Pflanzen nicht erſticken; in der heißen Jahreszeit hingegen läßt man langes Gras auf dem Boden wachſen, damit derſelbe nicht zu ſehr austrocknet. Die Vermehrung geſchieht durch Stecklinge, wozu die Ausläufer alter Pflanzen genommen werden. Gewöhnlich zieht man zwei Pflanzen an einer Stange, die nach drei Jahren 8—12 F. hoch werden und dann Früchte tragen. Sind die erſten reifen Früchte abgenommen, ſo ſchneidet man den oberen Theil ab, ſo daß eine Staude von 3“ Höhe übrig bleibt; dieſe legt man flach auf die Erde, biegt die Spitze nach der Wurzel hin und läßt die Pflanze von Neuem treiben. Hierdurch erzielt man bei geringerer Blattentwickelung einen größeren Fruchtertrag. Eine Plantage zählt gewöhnlich 1000 Pflan— zen, die von zwei Menſchen ganz gut beſorgt werden können; indeſſen ſind die Pfefferpflanzungen der vielen Arbeit wegen, die ſie verur— ſachen, bei den Eingeborenen der Tropenländer verhaßt. Der weiße Pfeffer gehört keiner anderen Art an, ſondern wird aus dem ſchwarzen bereitet. Man legt nämlich den letzteren 14 Tage lang in Gruben oder ſtehendes Waſſer. Durch die Einwirkung der Feuchtigkeit zerplatzt die äußere Hülle, welche, nachdem man die Kör— ner an der Sonne getrocknet hat, leicht durch Reiben mit den Händen entfernt werden kann. Iſt der ſo erhaltene weiße Pfeffer auch nicht ſo ſcharf, ſo iſt er dafür auch der Geſundheit weniger nachtheilig. Angeſtellten Berechnungen zufolge werden jährlich an 50 Mill. Pfd. Pfeffer gewonnen, wovon nur der dritte Theil nach Europa ge— bracht wird. Den meiſten verbraucht China, und in Oſtindien iſt er 156 Culturgewächſe. ein häufig angewendetes Heilmittel. Sicherlich wird der Anbau des Pfeffers noch weiter ausgedehnt werden, da der Verbrauch deſſelben mit jedem Jahre zunimmt. fk Jeb funzt Indigofera tinctoria. I. Anil. Es giebt mehrere Arten der Gattung Indigofera, welche Indigo liefern; hauptſächlich aber ſind es Ind. tinctoria und Ind. Anil, die zu dieſem Zwecke angebaut werden. Die erſte iſt ein halbſtraucharti— ges, 3 — 4 Fuß hohes Gewächs mit gefiederten Blättern; in jeder Blattachſel ſteht eine Traube mit violetten Blüthen wie bei den Wicken, aber kleiner. Des Abends verbreitet die Pflanze auf dem Felde einen ſtarken Geruch. Die Ind. Anil iſt ihr ganz ähnlich, aber in allen Theilen kleiner und wird häufiger angebaut. Das Vaterland der erſten iſt Vorderindien, das der anderen Amerika. In Oſtindien wird nur Indigofera tinctoria gezogen, die von den Spaniern nach Weſtindien übergeführt worden iſt, wo neben ihr auch Ind. Anil in mehreren Varietäten gebaut wird. Eine dritte Art, die Ind. argentea wird auf der Weſtküſte von Mexico, in Aegypten und Arabien culti— virt und liefert ſehr guten Indigo. Am bedeutendſten iſt dieſer Cul— turzweig in den indiſchen Beſitzungen der Holländer, Spanier und Portugieſen, auf Java, Amboina, in Hindoſtan und China und faſt auf allen von Chineſen bewohnten Inſeln, jo wie in den ſüdlichen Provinzen Nordamerika's. ; | Zum Anbau der Indigopflanze wählt man einen guten und leichten Boden, am beſten einen dunkelbraunen, mit Kies untermiſchten Thonboden, der ſo fleißig bearbeitet werden muß wie die Tabaksfelder. Schlechteren Boden ſucht man zu verbeſſern, weil der Ertrag des Farbeſtoffes dadurch größer wird. In Oſtindien ſäet man die Pflanze ohne beſondere Auswahl des Bodens vom März bis zum Mai, ſo daß man vom Juli bis zum September ernten kann; doch ſucht man überall die Ernte vor dem Eintritt der Regenzeit zu beenden. Die Chineſen gehen bei dem Anbau mit größerer Sorgfalt zu Werke; ſie wählen den paſſenden Boden aus, halten ihn ſehr rein, pflanzen die Stauden reihenweiſe und brechen die Sproſſen der Blüthentrauben ab, um größere Blätter zu erzielen. Zwei bis drei mal kann man Blätter einſammeln, nämlich bis ins dritte Jahr, wobei man die bläu— lichen den noch grünen vorzieht. Die Indigopflanze. 157 Den Gebrauch des Indigo's haben wir aus Indien erhalten. Schon Plinius und Strabo ſprechen von dem ſchönen blauen Farbe— ſtoffe, den das indicum liefert; doch fragt es ſich, ob damit nicht eine bloße Malerfarbe gemeint iſt, wenn auch das Wort Indigo aus in— dicum entſtanden iſt. Wir haben den Indigo erſt in der Mitte des 16ten Jahrhunderts durch die Holländer bekommen; aber erſt zu An— fange des 17ten Jahrhunderts iſt er allgemein bekannt geworden. Die Bereitung des Farbeſtoffes aus der Indigopflanze iſt ein mühſames und zugleich widriges Geſchäft, indem die in Waſſer ein— geweichten Blätter einen ekelhaften Geruch verbreiten. Zur Zeit der Blüthe wird die Pflanze gemäht und 3—4 Tage lang in große Fäſſer mit Waſſer gethan, wodurch die Blätter in eine gelinde Gährung übergehen. Setzt man etwas Kalk hinzu, ſo wird die Gährung be— fördert, der widerliche Geruch aber vermehrt. An manchen Orten in Oſtindien bringt man die Pflanzen in große Gruben und übergießt ſie mit Salzwaſſer, doch iſt dieſes Verfahren weniger zu empfehlen. Durch wiederholtes Umrühren befördert man das Ausziehen des Far— beſtoffes, worauf das Waſſer in ein anderes Gefäß gegoſſen wird, die ausgelaugten Blätter aber zurückbleiben. Während der Nacht fällt dann der eigentliche Farbeſtoff in dem Waſſer zu Boden; derſelbe wird an der Sonne getrocknet und ſieht anfangs gelb aus; erſt durch die Berührung der Luft wird er blau. Dann preßt man die noch feuchte Maſſe in hölzerne Formen und läßt die Stücke vollkommen austrocknen, worauf ſie in den Handel kommen. Verflüchtigt man dieſe Stücke und ſammelt das Sublimat, ſo erhält man den Indigo in feinem reinſten Zuſtande. Er beſteht dann aus purpurfarbigen, metalliſch glänzenden, vierſeitigen Kryſtallen, ſo wie auch die größeren, im Handel vorkommenden viereckigen Stücke auf ihren muſcheligen Bruchflächen einen purpurgoldigen Metallglanz zeigen; der Indigo iſt alſo ein wahres Pflanzenmetall. Am Senegal pflücken die Neger die einzelnen Blätter ab, zer— ſtampfen ſie und laſſen ſie, in Klumpen zuſammengedrückt, an der Sonne trocknen. Sobald ſie etwas färben wollen, löſen ſie abge— brochene Stückchen in einer Lauge auf, die dann ſogleich eine blaue Farbe annimmt. Daß ein ſo wichtiger Handelsartikel auch mannichfach verfälſcht wird, verſteht ſich faſt von ſelbſt, und allerdings giebt es eine ganze Anzahl von Pflanzen, welche einen dem Indigo ähnlichen Stoff ent— halten, der oft zu dem genannten Zwecke benutzt wird. Dahin ge— 158 Culturgewächſe. hören ein Oleander (Nerium tinctorium), der Waid (Isatis tinctoria), eine Geisraute (Galega tinctoria); in China werden Spilanthes tinc- toria und Polygonum tinctorium, in Nordamerika Amorpha fruti- cosa dazu gebraucht. Der Verbrauch des Indigo's iſt ein ſehr bedeutender. Im Jahre 1849 bezogen die Engländer aus Oſtindien, wo jährlich 9 Mill. Pfd. gewonnen werden, 36000 Kiſten mit nahe an 7 Mill. Pfd., von de— nen in England allein 2 Mill. verbraucht werden. *) Auch der Werth dieſer Waare iſt ein ſehr bedeutender, da das Pfd. je nach der Güte mit 1— 3 Rthl. bezahlt wird, fo daß jährlich etwa für 20 Mill. Rthl. Indigo in den Handel kommt. 8. Die Tabakspflanze. Nicotiana Tabacum, N. macrophylla, N. rustica, N. fruticosa. Die Sitte des Tabakrauchens und des Tabakgenuſſes iſt eine ſo allgemeine, daß man fie gegenwärtig bei den eultivirteſten Völkern wie bei den roheſten Horden antrifft; daher wird auch der Anbau des Ta— bafs in ſehr bedeutendem Umfange betrieben. Die Tabakspflanze, N. Tabacum, iſt wie die übrigen Arten, ein krautartiges Gewächs mit weichen, haarigen und klebrigen Blättern, von denen die größten bis 15 Zoll lang werden. Die ſchönen Blu— men bilden an der Spitze des 3—5 F. hohen Stengels eine große Rispe, find? 2 — 3 Zoll lang, trichterförmig geſtaltet und roſenroth gefärbt. Die Frucht ſpringt in 4 Klappen auf und enthält viele kleine Samen. Bei N. macrophylla ſind die Blätter größer, breiter und etwas run— zelig. Aus dieſen beiden Arten ſind durch den Anbau eine Menge Abarten entſtanden und vielleicht ift N. maer. ſelbſt eine Abart von N. T. — N. rustica iſt in allen Theilen kleiner, hat grünlich-gelbe Blüthen und ſoll zuerſt nach Europa gekommen ſein, ſie liefert aber nicht ſo guten Tabak wie die beiden erſten Arten. N. fruticosa wird ſtrauchartig, bis 6 Fuß hoch und iſt ſonſt der N. Tabacum ähnlich. Als die Spanier die Inſel Haiti entdeckten, war das Tabakrau— chen bei den Eingeborenen ſchon Sitte. Es iſt zu vermuthen, daß ihre Prieſter ſich zuerſt des Tabaksrauches bedient haben, um ſich in *) In London befanden ſich im Jahre 1850 für inländiſche Conſumtion: 6789 Kiſten, für die Ausfuhr 17,701 Kiſten, im Ganzen alſo an 24500 Kiſten; während die Totalvorräthe am 1. Oct. 1850 27,235 Kiſten betrugen. Hamb. Markt- Bericht. | Die Tabakspflanze. 159 einen Zuſtand der Begeiſterung zu verſetzen, in welchem ſie ihre Ora— kelſprüche ertheilten. Bei wichtigen Veranlaſſungen nämlich legten dieſelben trockene Tabaksblätter auf das Feuer und ſogen den aufſtei— genden Dampf mittelſt eines langen Rohres ein, worauf ſie in eine Art von Verzückung geriethen, dann das Bewußtſein verloren und ſpäter die Offenbarungen mittheilten, die ſie in dieſem Zuſtande von der Gottheit erhalten haben wollten. Auch wandten ſie den Tabak häufig gegen mancherlei Krankheiten an. Im Anfange des 16ten Jahrhunderts kam die Pflanze nach Spanien, ohne jedoch geraucht zu werden. Erſt 1560 wurde ſie von Johann Nicot, dem franzöſiſchen Geſandten am Hofe Portugals, nach Frankreich gebracht und nach ihm Nicotiana benannt. Später brachte Walther Raleigh *), als er aus Amerika zurückkehrte, die Sitte des Rauchens getrockneter Tabaksblätter nach England. Anfangs verlacht und verboten, fand dieſelbe jedoch bald Eingang. König Jacob J. verfaßte ſogar eine ſatyriſche Schrift „Miſocapnos“ gegen die Raucher, die aber bald eine von den Jeſui— ten in Polen verfaßte Gegenſchrift „Anti-Miſocapnos“ ſo wie ein Lobgedicht auf den Tabak von Thorius (1628) hervorrief. Auch nach der Türkei war der Tabak ſchon im Jahre 1605 gekommen, wo der Sultan Amurath IV. ein Verbot gegen ihn erließ. Papſt Urban VIII. ſchleuderte 1664 den Bannſtrahl gegen den Tabak, nachdem derſelbe ſchon 1634 in Rußland bei dem Verluſt der Naſe verboten war; wie wenig aber alle dieſe Verbote geholfen, beweiſt der Erfolg. Zu Anfange des 17ten Jahrhunderts ging die Sitte auf alle Völker Europa's über. In China dagegen ſcheint die Sitte des Rauchens uralt zu ſein. Dieſelben Tabakspfeifen, deren man ſich dort noch jetzt bedient, hat man auf ſehr alten Bildwerken gefunden, und die oben genannte N. fruticosa wird in Indien und China in bedeutender Menge ange— baut. In welchem von dieſen beiden Ländern aber ihr Vaterland zu ſuchen ſei, darüber iſt man noch nicht im Klaren. Das Vaterland der edlen Tabakspflanze (N. Tabacum) iſt Weſt— indien und Südamerika; ſie hat ſich aber ſeit ihrer Entdeckung ſo ungemein ſchnell verbreitet, daß ſie gegenwärtig in allen Erdtheilen cultivirt wird. Der Grund dieſer Erſcheinung iſt nicht allein in der allgemeinen Liebhaberei des Rauchens, ſondern auch darin zu ſuchen, daß dieſe Pflanze den ungünſtigen Einwirkungen des Klima's eine große Lebenszähigkeit entgegenſetzt. Sie gedeiht unter dem Aequator, *) oder Raphelengi. 160 Culturgewächſe. wie in den gemäßigteren Gegenden, auf der nördlichen Halbkugel bis über 55° Br. hinaus, auf der ſüdlichen wenigſtens bis zum 40° d. Br. Die Bewohner von Neu-Seeland bauen ſo viel als zu ihrem Bedarfe gehört, und in Südamerika wird noch bei Concepcion Tabak gebaut. Wenngleich in Europa die Tabakscultur ſehr bedeutend iſt, beſonders am Rhein, in Ungarn und in der Türkei, ſo iſt der Ertrag doch nur in der Quantität mit der Ernte in den Tropen zu vergleichen. In Betreff der Güte bleiben die amerikaniſchen Tabake immer die vor— züglichſten. Obenan ſteht die Havanna (Cuba); demnächſt liefern Carracas, Venezuela, Maryland, Braſilien, Louiſiana und die Antil- len die vorzüglichſten Sorten, und auch Virginien verſendet jährlich über 100,000 Fäſſer Tabaksblätter. Bekannt iſt es, daß man die ſchönſten Sorten mit dem Namen Knaſter belegt, von dem ſpaniſchen Worte canasta, womit die Rohrkörbe bezeichnet werden, in denen man ihn verſchickt. Varinas heißt er nach der amerikaniſchen Stadt glei— ches Namens in der Provinz Quito. In der alten Welt haben ſich nur die Philippinen wegen ihrer Manila-Cigarren einen bedeutenden Ruf erworben. Der Tabak von N. rustica iſt viel weniger beliebt; dieſe Pflanze wird daher bei uns ſeltener, im Morgenlande aber ſehr häufig angebaut. Zum Anbau des Tabaks wählt man bei uns einen mehr locke— ren als ſchweren Boden, der aber tief bearbeitet und ſtark und friſch gedüngt werden muß. Zu Ende des März erfolgt die Ausſaat, zu Anfang des Juni die Verpflanzung. Noch vor der Bildung der Blüthenknospen köpft man die Pflanzen ab und bricht die Seitenäſte aus, damit die Blätter ſich mächtiger entwickeln, welche zum Ein— ſammeln reif find, ſobald fie gelbe Flecke bekommen. — Auch in Co⸗ lumbien läßt man die Pflanzen ſelten an ihrer urſprünglichen Stelle ſtehen, ſondern man verpflanzt fie in einen feuchten und fetten Bo- den. Sobald die Blätter eine graugrüne Färbung bekommen, nimmt man ſie ab und zwar in der heißeſten Tageszeit, da die Feuchtigkeit ihnen nachtheilig iſt. Die geſammelten Blätter werden aufgehäuft, vor der Feuchtigkeit wie vor der Sonnenhitze geſchützt und 24 Stun— den lang durch eine Laſt beſchwert, wodurch ſie in Gährung über— gehen. In Deutſchland ſetzt man die Haufen oft um, ſo daß die außen liegenden Blattbündel nach innen, und die feuchteſten wieder nach außen kommen; indeſſen erleidet dies Verfahren in verſchiedenen Gegenden mancherlei Abänderungen. In den europäiſchen Tabaks fabriken werden dann die rohen Blätter theils zu Rauch-, theils zu Die Tabakspflanze. 161 Schnupftabak verarbeitet, indem man mancherlei Brühen und Beizen dabei in Anwendung bringt. Die Güte des Tabaks iſt weniger der Abart zu ſuchen, von welcher die Blätter herrühren als in der ſorgfältigen Cultur der Pflanze. Man prüft die Sorten, indem man ein Blatt anzündet und den Geruch beurtheilt. Der Gebrauch des Tabaks zum Rauchen, Schnupfen und Kauen iſt bekannt; das Schnupfen iſt erſt in Europa erfunden worden. Als Arzeneimittel wird er nur noch ſelten angewendet, obgleich die Urein— wohner von Amerika ihn als eine Univerſalmedicin betrachteten; bei uns, wo die Meiſten ſchon an feine Einwirkungen gewöhnt find, kann der Erfolg der Anwendung auch nur gering ſein. Daß die Einwir— kung eines narkotiſchen Gewächſes wie der Tabak nachtheilige Folgen mit ſich führen kann, iſt wohl außer Zweifel, indeſſen ſind die An— ſichten darüber oft ſehr übertrieben worden, und der Erfolg zeigt, daß kräftigen Perſonen der Genuß keinen erheblichen Nachtheil bringt. Auch iſt wohl zu berückſichtigen, daß der Tabak durch ſeine Zuberei— tung jedenfalls viel von ſeinen betäubenden Eigenſchaften verliert. Die für den Tabak vorgeſchlagenen Surrogate, als Archangelica officinalis (Engelwurz), Rumex crispus, Wallnußblätter, Kartoffeln u. ſ. w. haben ſich um ſo weniger Anerkennung erworben, als ſie durchaus nicht im Stande ſind, den ächten Tabak zu erſetzen und derſelbe in ſo weitem Umfange in faſt allen Klimaten der Erde an— gebaut werden kann. 9. Die Opiumpflanze. Papaver somniferum. Es giebt wohl kaum ein Volk, das nicht ein Mittel hätte, den Tabak irgend wie zu erſetzen. Zu ſolchen Erſatzmitteln gehört auch das Opium, welches im Orient eben ſo ſchnell ſich verbreitet hat, wie in anderen Gegenden die geiſtigen Getränke. Der Mohn, aus welchem das Opium bereitet wird, iſt ein all— gemein bekanntes Gewächs. Ein Stengel von 3 — 5 Fuß Höhe iſt abwechſelnd mit eingeſchnittenen, blaugrünen Blättern beſetzt, die faſt einen Fuß lang ſind und ihn mit ihrem Grunde faſt ganz umſchlie— ßen. Oben trägt er einzeln ſtehende, große Blumen, die meiſt weiß oder röthlich gefärbt ſind und am Grunde der Kronenblätter einen ſchwarzen Fleck haben. Die Früchte, der für die Opiumbereitung wichtigſte Theil, ſind große Kapſeln. 11 162 Culturgewächſe. Das reinſte Opium lieferte ſchon im Alterthum Aegypten, und das Opium thebaicum, noch jetzt unter dem Namen türkiſches oder levantiſches Opium in der Mediein von Bedeutung, war von jeher berühmt. Außer dieſem letzteren, das vorzugsweiſe aus Perſien und der Türkei zu uns kommt, werden in Oftindien noch weit bedeuten dere Maſſen gewonnen, deren Werth viele Millionen beträgt, doch iſt das indiſche Opium von viel geringerer Güte. Das Vaterland dieſer Pflanze iſt wohl Aegypten und der Orient, doch wächſt ſie auch in Südeuropa wild. Bei uns wird ſie im Gro— ßen nur ihrer Samen wegen cultivirt, aus denen man Oel bereitet; und der Ertrag iſt nicht unbedeutend, da die Anzahl der Samenkerne einer Kapſel ſich gewöhnlich über 3000, bisweilen ſogar bis auf 30,000 beläuft. In der Türkei, in Aegypten, Perſien und Oſtindien dagegen baut man die Pflanze nur zur Gewinnung des Opiums; und ſelbſt in China, deſſen Bewohner ſeit noch nicht langer Zeit ſich der Leidenſchaft des Opiumgenuſſes ergeben haben, greift dieſer Luxus— artikel mit reißender Schnelligkeit um ſich. Kein Geſetz, keine Strafe iſt im Stande, dem Uebel Einhalt zu thun. Der Anbau der Opiumpflanze erfordert ungemein viel Sorgfalt; deshalb unterziehen ſich die Bewohner von Oſtindien demſelben nur ungern, obgleich das Opium theuer bezahlt wird. Die Pflanze ver— langt einen ſehr guten Boden, der anfänglich eben ſo bearbeitet wird wie zum Reisbau; man theilt ihn in große Quadrate ab und be— wäſſert ihn durch Kanäle. Iſt dies in den erſten Herbſtmonaten ge— ſchehen, ſo erfolgt im November die Ausſaat, nach welcher der Boden alle 4 Tage bewäſſert wird. Sobald die jungen Pflänzchen einige Zoll Größe erreicht haben, zieht man von den zu dicht ſtehenden ſo viel heraus, daß die übrigbleibenden in einer Entfernung von 44 auseinanderſtehen, reinigt den Boden und düngt ihn ein wenig. Schon nach 3 Monaten iſt die Frucht vollkommen reif und einige Wochen früher ſchon zur Bereitung des Opiums brauchbar. Bei all dieſer Sorgfalt iſt der reine Ertrag doch nicht ſo bedeutend wie bei dem Zuckerrohr oder dem Tabak, weshalb man die Cultur dieſer bei— den Pflanzen der Opiumeultur bei weitem vorzieht. Die Bereitung des Opiums erfordert 2 — 3 Wochen lang eine große Anzahl von Arbeitern, die den Tag über durch die Felder ge— hen und mit Dornen, Nadeln oder beſonders dazu eingerichteten Werkzeugen Einſchnitte in die Oberhaut der Fruchtkapſeln machen. Der weiße Milchſaft, welcher aus dieſen künſtlichen Wunden hervor— Die Opiumpflanze. 163 dringt, gerinnt ſehr bald, färbt ſich gelblichbraun und wird am an— deren Tage mit einer Muſchel abgeſchabt. Dreimal kann man an jeder Kapſel ſolche Einſchnitte machen. Die eingeſammelte Maſſe wird dann in einem Gefäße geknetet, bis ſie ſteif genug geworden iſt, an der Sonne getrocknet, mit etwas Mohnöl verſetzt und hierauf zu kleinen platten Kuchen geformt, ſo groß wie die innere Handfläche. Dieſe bilden das Opium. Sobald ſie gehörig trocken ſind, hüllt man ſie in Mohnblätter ein und verpackt ſie in Kiſten, wobei man ſich der Spreu des Mohnſamens bedient, um die Lücken gehörig auszufüllen. Auf die Weiſe kommt das Opium in Kiſten von 130 preußiſchen Pfunden auf den Markt von China. Auch durch Auspreſſen und Einkochen der Stengel, der Blätter und der eingeritzten Samenkapſeln wird Opium gewonnen, doch iſt daſſelbe von geringerer Güte. Soll das Opium gut fein, fo muß es ſchwer, dicht, äußerlich von roth— brauner Farbe und auf dem Bruche glänzend ſein. Von dem feinſten Opium wird das Pfund mit 10 — 12 Thalern bezahlt, während der Landmann nach dem Contracte, welchen die Kaufleute mit ihm abſchließen, nur 54 — 6 Thlr. erhält. Da nun der Morgen Landes nur 40 bis höchſtens 70 Pfd. Opium liefert, ſo iſt der Ertrag für den Landmann allerdings ein ſpärlicher, beſonders wenn man die mühſame Arbeit in Anſchlag bringt und erwägt, daß Inſectenfraß und ungünſtige Witterung die Ernte oft höchſt unſicher machen. Der Gebrauch des Opiums iſt im Morgenlande ganz allgemein, die Art der Anwendung aber nicht bei allen Völkern dieſelbe. Die Türken eſſen das Opium; von den Chineſen und Malayen wird es geraucht und der Dampf eingeſchluckt. Anfangs nehmen die The— riaki's oder Opiumeſſer nur ganz kleine Quantitäten, etwa wie ein Nadelknopf, doch ſteigen ſie allmälig bis zur Größe einer Erbſe. Als Arzeneimittel iſt das Opium bereits über 2000 Jahre in Gebrauch, und wir beſitzen aus dem Alterthum noch mehrere Vorſchriften zu Opiatmiſchungen. Da das türkiſche Opium ſtärker iſt, ſo zieht man es zu medieiniſchen Zwecken dem indiſchen vor; das letztere dagegen wird von den Völkern des öſtlichen Aſiens zum Rauchen weit höher geſchätzt als das türkiſche und dort faſt doppelt ſo theuer bezahlt. Außer den genannten Zwecken cultivirt man die Opiumpflanze auch zur Gewinnung des Mohnöls, das aus den Samen bereitet wird und zum Malen jedem anderen Oele vorzuziehen iſt, da es gut trock— net und den Farben nicht ſchadet. Ueberhaupt iſt wohl anzunehmen, 11 * 164 Culturgewächſe. daß man die Pflanze ſchon in der älteſten Zeit hauptſächlich ihrer Samen wegen gezogen habe. n Die Wirkung des Opiumgenuſſes erſtreckt ſich vorzugsweiſe auf das Nervenſyſtem. Bald nach dem Genuſſe tritt eine angenehme Munterkeit ein, die Sinne empfinden ſchärfer, die Körperwärme ſtei— gert ſich, und Schmerzen und unangenehme Eindrücke werden vermin— dert. Nach einigen Stunden aber verfliegt der Rauſch, und Erſchlaf— fung, Unmuth und Schmerz treten an die Stelle des früheren Wohl— behagens. Dann nehmen die Opiumeſſer eine neue Quantität, die aber größer ſein muß als die vorige, um den angenehmen Zuſtand hervorzurufen; dafür wird aber auch der nachfolgende Zuſtand immer unerträglicher. Der Körper magert allmälig ab, alle Sinne ſtumpfen ab, eine Art Wahnſinn tritt ein, und ein entſetzlicher Tod iſt die Folge dieſer fürchterlichen Vergiftung. Leider ſind die von dieſer Leiden— ſchaft Ergriffenen noch viel ſchwerer davon zu entwöhnen als unſere Branntweintrinker von der ihrigen. Schließlich iſt noch zu bemerken, daß die Bewohner von Java aus den Blättern und Früchten eines indiſchen Baumes (Aegle mar- melos), der zu der Familie der Aurantiaceen (Pomeranzen) gehört, ein unächtes Opium bereiten, das nur halb ſo theuer iſt als das ächte. 10. Die Areka-Palme. Areca Catechu. Dieſe Pflanze iſt eine der ſchönſten Palmen der alten Welt. Auf der Spitze eines 30 — 50 Fuß hohen Stammes, der nur 6 — 8 Zoll im Durchmeſſer hat und mit einer aſchgrauen, geringelten Rinde überzogen iſt, erheben ſich 6— 8 an 15 Fuß hohe Blätter, die gefte- dert find und Blättchen von 3 — 4 Fuß Länge haben. Die letzteren ſind gefaltet, bräunlich gefärbt und glänzend. Unter den Blättern kommen die Blüthenkolben hervor, mit langen dichtgeſtellten Aeſten, die ſich nur allmälig entwickeln, ſo daß man blühende und verblühte Zweige, unreife und reife Früchte oft zu gleicher Zeit an dem Baume ſieht. Derſelbe wird 50 Jahr alt und trägt vom 7ten bis zum 30ſten Früchte von eiförmiger Geſtalt und gelber Farbe. Die jungen, grü— nen Früchte werden gegeſſen wie die älteren, doch müſſen die letzteren ihrer Härte wegen geſtoßen werden. Das Vaterland dieſer Palme ſind die Sundainſeln und die nahe liegenden Philippinen, wo fie zwar auf ſandigem Boden, aber doch Der Betelpfeffer. 165 in einem heißen und feuchten Klima wild wächſt. Außerdem findet man ſie jetzt an den Küſten Oſtindiens, auf den Carolinen, Maria— nen und ſelbſt auf den Geſellſchaftsinſeln gemeinſam mit der Banane cultivirt, mit deren rieſigem Blatte in Verbindung ſie in der Nähe der menſchlichen Wohnungen einen prächtigen Eindruck macht. In Indien, auf Ceylon und Sumatra ſind große Felder damit bebaut, die einen reichlichen Ertrag liefern, und der b der Arekanüſſe grenzt an das Unglaubliche. e 11. Der Betelpfeffer. Piper Betle. Die Arekanuß wird immer in Verbindung mit den Blättern des Betelpfeffers gegeſſen; daher iſt der Anbau deſſelben von eben ſo gro— ßer Bedeutung wie der der vorigen Pflanze. In den großen Städten werden die friſchen Blätter täglich zu Markte gebracht; in großen Körben ſieht man fie überall umhertragen, und in Haufen von 3— 4 Fuß Höhe liegen ſie aufgeſchichtet zum Verkauf. Der Betelpfeffer iſt ein hoher, kletternder, an den Knoten wur— zelnder Strauch mit großen herzförmigen, länglich zugeſpitzten Blät— tern, die 6 Zoll lang find und die Breite einer Hand haben. Die | Aehren ſind geſtielt und hängend, wie die Kätzchen der Haſelſtauden. Das Vaterland dieſer Pflanze iſt Oſtindien, wo ſie überall auf Feldern und in Gärten cultivirt wird. Sie verlangt einen fetten Thonboden in niederem Grunde und viel Waſſer; man pflegt daher die Felder mit einem Graben und einem Walle zu umziehen, auf welchem letzteren Hecken von Rohr, Euphorbien und anderen Ge— wächſen angelegt werden. Da, wo dem Boden die nöthige Feuchtig— keit fehlt, durchzieht man ihn mit Gräben und bewäſſert ihn ſechs Monate lang. Die Vermehrung der Pflanze geſchieht durch Steck— linge, die mit ihrer Mitte in die Erde gelegt werden, ſo daß beide Enden heraustreten, die bald darauf ausſchlagen. Dann zieht man ſie anfangs an Stangen, ſpäter an jungen Bäumchen in die Höhe, ähnlich wie bei dem ſchwarzen Pfeffer (S. 155), und ſo kann man 6 — 7 Jahre lang die Blätter einernten, worauf die abſterbenden Pflanzen durch neue Stecklinge erſetzt werden. Die Blätter dieſer Pflanze, auch Siri-Blätter genannt, ſchmecken aromatiſch-brennend und bitter und werden in Verbindung mit den Früchten der Arekapalme von den Bewohnern Oſtindiens und der 166 Culturgewächſe. nahe liegenden Südſeeinſeln allgemein gekaut. Sie find dort ein fo unentbehrliches Lebensbedürfniß geworden, daß faſt Jeder eine Büchſe mit ſolchen Blättern bei ſich trägt; auch ißt man ſie auf Reis. Jeder, der ein Stückchen Ackerland beſitzt, zieht ſich ſeine Betelblätter ſelbſt. An Stangen von 10 Fuß Höhe und der Dicke eines Armes klettern die Pflanzen in die Höhe, ſo daß die Pflanzungen wie unſere Boh— nenfelder ausſehen; nur ſtehen die einzelnen Stangen weiter ausein— ander, und durch das ſchön geformte Blatt mit ſeinem lichten Grün ge— währt die ganze Anpflanzung eine viel lieblichere Erſcheinung. — Bei der Zubereitung der Betelſtückchen ſchlägt man die Arekanuß in ſchmale, längliche Stückchen. Da die bloße Frucht berauſchend oder betäubend wirkt, ſo beſtreicht man die Blätter des Betelpfeffers, in welche die Stückchen gewickelt werden, auf der inneren Seite mit Kalk, wodurch die Säure entfernt wird. Von dem herrlichen Geſchmack der Betelnuß kann ſich der Euro— päer, der dieſen Genuß nicht kennt, keine Vorſtellung machen. Den Indianern geht er aber über alles; die Arbeitsleute werden ſogar mit Betelnüſſen theilweiſe beſoldet. Obgleich ſich ein nachtheiliger Einfluß auf die Geſundheit von dem Betelkauen nicht nachweiſen läßt, ſo iſt daſſelbe doch jedenfalls eine ſehr ekelhafte Gewohnheit. Schon nach einigen Jahren färben ſich die Zähne roth, und das Zahnfleiſch wird ganz dunkelbraun, wobei ſich fortwährend ein braunroth gefärbter Speichel abſondert. Nach dem Kauen des Betelhäppchens oder Pi— nangs bleibt eine faſerige Maſſe übrig, die dann weggeworfen wird. Nicht bloß Männer und Frauen, ſondern auch Knaben und die Euro— päer ſelbſt der gebildeten Stände ſind den ganzen Tag über damit beſchäftigt; und ſo heftig kann die Neigung zu dieſem Genuſſe wer— den daß, man Becken mit dem Siri-Pinang an das Bett ſtellt, um ſich, wenn man in der Nacht aufwacht, die Zeit damit verkürzen zu können. Jedem Beſuchenden wird Pinang angeboten, das Unterlaſſen wäre eine große Unhöflichkeit. Die Vornehmen laſſen ſich bei ihren Spaziergängen eine Pinangdoſe nachtragen; ja wer ſich an den Ge— brauch des Betelpfeffers nicht gewöhnt hat, wird in Indien nicht für eingebürgert gehalten. Mäßiger Gebrauch ſoll einen wohlthätigen Einfluß auf die Verdauungsorgane haben; ſo viel ſteht wenigſtens feſt, daß das Blut dadurch erwärmt wird und das Geſicht eine leb— hafte Farbe bekommt. Auch ſchreibt man ihm die Beförderung eines wohlriechenden Athens zu, fo wie die Beſeitigung des Ekels bei dem häufigen Fiſcheſſen, desgleichen ſoll er ein Mittel gegen den Scorbut Die Coca. | 167 fein; übermäßiger Genuß dagegen bleibt nicht ohne mancherlei nach— theilige Folgen. Für den Handel in Indien iſt die Betelnuß von großer Bedeutung; vorzugsweiſe iſt die Ausfuhr nach Ehina von un— geheurem Umfange. Seit mehreren Jahrhunderten ſchon kommt auch ein herbes Extract aus der Arekanuß nach Europa, welches in unſe— ren Apotheken unter dem Namen Terra japonica oder Succus Ca— techu bekannt iſt, in Oſtindien kurz Caſchu genannt. Man kocht die Nüſſe zu wiederholten Malen und dickt den Saft ein. An dem nörd— lichen Abhange des Himalaya-Gebirges benutzt man auch das Kern— holz der Mimosa Catechu zu dieſem Zweck. Die Auskochungen aus beiden Pflanzen werden zuſammengegoſſen, die dick gewordene Maſſe eine Woche lang an der Sonne getrocknet und das fo erhaltene Ca— ſchu gekaut wie die Betelnüſſe. 12. Die Coca. Erythroxylon Coca. Die Coca iſt für die Bewohner von Peru daſſelbe, was den Türken und Chineſen das Opium, den Bewohnern Oſtindiens die Betelnuß und ſo vielen anderen Völkern der Tabak iſt. Die Pflanze hat Aehnlichkeit mit dem Schwarzdorn (Prunus spinosa); ſie erſcheint als ein 3 — 4 Fuß hoher Strauch mit vielen höckerigen Aeſten und ſchuppigen Zweigen, die meiſt aufwärts gebogen ſind. Die weichen und hellgrünen Blätter ſind oval wie junge Kirſchblätter und durch Nerven in regelmäßige Felder getheilt. Auf den Höckern der Zweige ſitzen zahlreiche Blüthen mit verwachſenen Staubfäden, und die Frucht iſt eine ovale Beere mit 3 Griffeln, die anfänglich roth, reif aber ſchwärzlich gefärbt iſt. Das Vaterland dieſer Pflanze iſt Peru und wahrſcheinlich die öſtliche Abdachung der Cordillere, denn auf der weſtlichen Seite hat man fie nur im eultivirten Zuſtande angetroffen. Der Aubau dieſer Pflanze geht nicht ſehr weit, obwohl ſie in ihrem Vaterlande ſehr hoch geſchätzt wird. Man cultivirt fie faſt nur im ſüdlichen Peru und in Bolivien, woſelbſt in La Paz der Haupthandel mit der Coca getrieben wird. Außerdem find Cocaplantagen am Amazonenſtrome bei Ego gefunden worden, doch ſind dieſelben dort von geringer Be— deutung, weil man den Tabak der Coca vorzieht. Zum Anbau der Cocapflanze wird der Boden, ſobald die Regen— zeit zu Ende geht, durch Abbrennen urbar gemacht, dann gräbt man 168 Culturgewächſe. in regelmäßigen Entfernungen anderthalb Fuß tiefe Löcher in die Erde, und ſtreut eine Hand voll Beeren hinein, die weiter nicht bedeckt wer— den. Erſt nach ein bis anderthalb Jahren werden die dichtgedrängt beiſammenſtehenden Sträucher verpflanzt und zwar in regelmäßigen Reihen; im erſten Jahre ſetzt man ſelbſt noch Mais dazwiſchen. Soll die Pflanze gut gedeihen, ſo muß der Boden aufgelockert, das Unkraut beſeitigt und das Waſſer abgeleitet werden. Dann kann man in Zeit von 3—5 Jahren die erſte Ernte halten und dieſelbe jedes Jahr wiederholen. Wo der Boden ſehr gut iſt, kann ſelbſt das ganze Jahr hindurch geerntet werden. Am Amazonenſtrom fand man die Sträu⸗ cher 3 Fuß hoch und in Entfernungen von 3 Fuß reihenweiſe ge— pflanzt. Nachtfröſte kann die Pflanze nicht vertragen, ſie wird daher an den öſtlichen Abhängen der Cordillere, da wo der Rio Huallaga dem Amazonenſtrome zufließt, in einer Höhe von höchſtens 5000 Fuß gezogen; ganz heiße Gegenden ſagen ihr aber auch nicht zu, wenig— ſtens ſollen die Blätter dort nicht ſo kräftig ſein. Der Geſchmack der Blätter iſt angenehm bitterlich und zuſam— menziehend, der Geruch fein ätheriſch. Sobald ſie ſteif geworden ſind wie Myrtenblätter, wobei man weder auf Größe noch auf Farbe ach— tet, beginnt die Ernte. Man ſchneidet den ganzen Strauch ab, oder ſtreift die Blätter ab und trocknet ſie an der Sonne in Körben, die etwa 25 Pfd. enthalten. In Peru beſorgt man, daß ſie durch die Einwirkung künſtlicher Wärme an Kraft verlieren; am Amazonenſtrom dagegen werden die Blätter in Oefen getrocknet, dann pulveriſirt und nachdem ſie mit der Aſche von den Blättern des gemeinen Trompe— tenbaums (Cecropia palmata) vermiſcht worden ſind, bewahrt man ſie in Grasſchichten zum allmäligen Verbrauche auf. In Peru miſcht man gebrannte Muſchelſchalen hinzu, läßt darauf die Maſſe in leichte Gährung übergehen und formt ſie zu kleinen Kugeln, die man mit ſich herumträgt und eine nach der andern kaut, wie bei uns von Vielen der Tabak gekaut wird. Selbſt die Arbeiter werden dort mit ſolchen Kügelchen beſoldet. Der Genuß dieſer Blätter regt anfangs auf, wirkt aber ſpäter betäubend, faſt wie Opium. Die arbeitenden Indianer, die faſt durchweg eine ſchwermüthige Stimmung haben, werden dadurch aufgeheitert; eben ſo ſoll die Coca vor Ermüdung auf der Reiſe ſchützen, das Hungern mehrere Tage möglich machen und bei der Kälte innerlich erwärmen. In warmen und feuchten Ge— genden ſollen aus dem Genuſſe der Coca ſehr übele Folgen entſtehen, beſonders Schwächung der Verdauungsorgane und Ueberreizung des Die Gambirpflanze. 169 Nervenſyſtems; in den höher gelegenen und kälteren Gegenden aber, wo Jedermann, die Eingeborenen, wie die Neger und Europäer Coca kauen, iſt nichts von ſolchen Krankheiten zu merken, und die Leute be— dienen ſich derſelben bis in das höchſte Alter. 13. Die Gambirpflanze. Nauclea s. Uncaria Gambir und N. aculeata. Es ſind ſtrauchartige Gewächſe, welche auf die Bäume klettern, mit runden oder viereckigen Zweigen und oval-lanzettlichen Blättern. Die kleinen wohlriechenden Blumen ſind fleiſchfarbig, weiß oder gelb gefärbt. N. Gambir hat ihr Vaterland in Oſtindien, N. aculeata wächſt in den Wäldern Guiana's an Flüſſen. Die erſte wird in Oſtindien, vorzugsweiſe in den holländiſchen Colonieen, auf Malacka und Sin— gapoore, auf Sumatra und Java und gewiß noch auf vielen kleinen Inſeln in der Nähe ſelbſt von den Malayen gebaut. In den Gam— birplantagen läßt man die Sträucher gewöhnlich 5—7 Fuß hoch wach— ſen, und über 10 Monate lang ſind ſie mit Blättern bedeckt, die 2—4 mal im Jahre abgepflückt werden, doch erſt, wenn der Strauch ein Alter von 3 Jahren erreicht hat. Vorzugsweiſe hält man darauf, daß die Blätter vollſtändig ausgewachſen ſind, damit die Plantagen nicht frühzeitig zu Grunde gehen; auch kann man auf ein weit beſſeres Extract rechnen und die Sträucher wohl 30 Jahre lang benutzen. Bei dem Einſammeln der Blätter verfährt man nicht überall auf dieſelbe Weiſe; theils werden ſie einzeln von dem Strauche abgepflückt, theils ſchneidet man die ganzen Schößlinge herunter und ſtreift die Blätter ab. In großen eiſernen Keſſeln werden fie dann 5—6 Stun- den durchgekocht, die Flüſſigkeit abgegoſſen, und wenn ſie noch einmal ausgekocht worden ſind, fortgeworfen. Die Flüſſigkeit ſelbſt wird hier— auf durch Abdampfen eingedickt, in längliche Gefäße gegoſſen, und wenn die Maſſe feſt genug geworden iſt, ſchneidet man ſie in Zoll große Stücke, die an der Sonne getrocknet werden. Aeußerlich ſehen dieſe Stücke ſchwärzlich braun aus, im Innern haben ſie eine gelblich— braune Farbe. Durch öfteres Auflöſen und Reinigen ſoll die Maſſe ſogar eine weißliche Farbe annehmen, doch kommt es in dieſer Weiſe nicht in den Handel. Das beſte Gambir-Extract liefert die bengali— ſche Küſte. Die Stücke ſind leicht und zerbrechlich, geruchlos und von herbem Geſchmack. Durch ſchlechtes Abdampfen wird die Maſſe kör— nig, und dann wird ſie weniger geſchätzt. 170 Culturgewächſe. Was die Benutzung betrifft, ſo kaut man die Stückchen wie die Betelnüſſe und wie die Peruaner ihre Coca, auch wohl mit Betel ge— meinſchaftlich. Es ſoll die Verdauung befördern und ſchmeckt anfangs ſüßlich und angenehm aromatiſch, nachher aber bitter und zuſam— menziehend. In den holländiſchen Colonieen, wo ſich ſehr viele Gambirplan— tagen befinden, von denen die kleineren an 4000, die großen oft über 80,000 Bäumchen enthalten, darf kein Gambirextract eingeführt wer— den, wodurch dieſer Zweig der Betriebſamkeit bedeutend gehoben wor— den iſt. N | Es ift keine Frage, daß die Anzahl der Pflanzen, die als ein Ge— genſtand des Luxus zu betrachten ſind, weit größer iſt als die der hier aufgeführten; doch möchten die genannten wohl die vorzüglichſten ſein, deren Anbau in ſolchem Umfange betrieben wird, daß dadurch eine Umgeſtaltung des urſprünglichen Vegetationscharakters einer Gegend herbeigeführt worden iſt. Deshalb müſſen wir, um den Zweck der vorliegenden Schrift im Auge zu behalten, uns auf die hier beſpro— chenen Culturpflanzen beſchränken. 5 Dritter Abſchnitt. Darſtellung der Phyſiognomie der Vegetation in den verſchiedenen Zonen der Erdoberfläche von dem Aequa⸗ tor bis zu den Polen. ” 9 5 erſte Abſchnitt führte uns diejenigen Pflanzengruppen vor, die in Folge ihres geſelligen Auftretens auf den Vegetationscharakter einer Gegend befonderen Einfluß haben und verſuchte es, dieſelben von Sei— ten des äſthetiſchen Eindrucks zu ſchildern, den ſie auf das Gemüth des Menſchen zu machen vermögen. Der zweite Abſchnitt hingegen machte uns mit denjenigen Culturpflanzen bekannt, deren Anbau im Großen umgeſtaltend auf die Phyſiognomie einer Gegend eingewirkt hat. Hierdurch ſind wir ſo weit vorbereitet, um uns den Eindruck zu vergegenwärtigen, den die Pflanzendecke in den verſchiedenen Zonen der Erdoberfläche macht, d. h. eine geographiſche Eintheilung der ge— ſammten Pflanzendecke der Erde vorzunehmen. Von welcher Wichtigkeit der Einfluß der Wärme auf die Ent— wickelung der Pflanzenformen iſt, und wie in Folge deſſen die ge— ſammte Pflanzenwelt von den Polen nach dem Aequator zu eine ſte— tige Zunahme in ihrer Entfaltung zeigt, ſowohl, wenn man einzelne verwandte Formen mit einander vergleicht, als wenn man die Ge— ſammterſcheinung der Vegetation ins Auge faßt — das iſt in dem erſten Abſchnitt mehrfach angedeutet worden. Auch haben verſchiedene Botaniker wie Willdenow (1797), Treviranus (T 1837), De Candolle und Schouw (1823) ſchon früher Verſuche angeſtellt, die Oberfläche der Erde in Beziehung auf ihre Pflanzendecke einzutheilen und ſoge— nannte pflanzengeographiſche Reiche aufzuſtellen; die meiſte Anerken— 172 Dritter Abſchnitt. nung jedoch hat ſich die zuerſt von Meyen aufgeſtellte Eintheilung er— worben, der wir hier um ſo ſicherer folgen dürfen, als derſelbe in ſeinem Grundriß der Pflanzengeographie den von A. v. Humboldt vorgezeich— neten Weg unbeirrt verfolgt und die neueſten Berichte über die Lei— ſtungen in der Pflanzengeographie von Dr. Griſebach uns zu wieder— holten Malen Veranlaſſung gegeben haben, die von Meyen zwiſchen den Pflanzenzonen gezogenen Grenzlinien als ſolche an den verſchie— denſten Orten der Erde wieder zu erkennen. Von den drei bekannten, durch die aſtronomiſche Eintheilung entſtandenen Zonen theilt Meyen die heiße und die kalte jede in zwei, die gemäßigte dagegen allein in vier Gürtel, wodurch folgende 8 Zonen entſtehen: 1. Die Aequatorial-Zone, von 15° n. bis 15° f. Br. Die tropiſche Zone, von 15° bis 234° n. u. f. Br. Die ſubtropiſche Zone, von 234° bis 34° n. u. ſ. Br. . Die wärmere temperirte Zone, von 34° bis 45° Br. Die kältere temperirte Zone, von 45° bis 58° Br. Die ſubarktiſche Zone, von 58° bis 664° Br. Die arktiſche Zone, von 664° bis 72° Br. . Die Polar-Zone, von 72° Br. bis zu den Polen. Es verſteht ſich indeſſen von ſelbſt, daß die auf dieſe Weiſe ent⸗ ſtandenen Grenzlinien weder für alle Punkte der Erde noch für alle Pflanzenformen als wirkliche Vegetationsſcheiden zu betrachten find, indem alle natürlichen Verbreitungsbezirke der einzelnen Pflanzen all— mälig in ihre Nachbarbezirke verlaufen. Nichtsdeſtoweniger wird eine Eintheilung wie die vorliegende immer ihren Werth behalten. In— deſſen genügt dieſe Eintheilung nur für die horizontale Verbreitung der Gewächſe. Steigt man aus der Ebene auf die Gebirge, ſo be— merkt man bald, wie die am Fuße derſelben wachſenden Pflanzen nach und nach verſchwinden und durch andere Formen erſetzt werden. Am auffallendſten erſcheint dieſer Wechſel auf den Gebirgen der Aequato— rialzone. Hier treten von der Meeresküſte bis zur Grenze des ewigen Schnees der Reihe nach alle die charakteriſtiſchen Pflanzenformen auf, welche ſich in den ebenen Gegenden von dem Aequator bis zu den Polen hin ausbreiten. Deshalb theilte ſchon A. v. Humboldt die Oberfläche der tropiſchen Gebirge in drei Regionen ein, in die heiße, die gemäßigte und die kalte und deutete dabei auf die Unterabthei— lungen hin, welche in den einzelnen Regionen ſich noch unterſcheiden laſſen. Hierauf nun gründet ſich Meyens Eintheilung in 8 Regio— nen, welche den oben aufgeführten Zonen der Reihe nach entſprechen. O r Zu Dritter Abſchnitt. 173 Vergleicht man nämlich die Höhen der Schneegrenze in den einzelnen Zonen, ſo ſtellt ſich heraus, daß dieſelbe in der Aequatorialzone 15 bis 16,000 Fuß über der Meeresfläche liegt, in jeder folgenden Zone aber um 1800 — 1900 F. ſich ſenkt. Dieſe letztere Entfernung nimmt Meyen für ſeine Eintheilung der Gebirgsvegetation als mittleres Maß an und unterſcheidet demnach folgende 8 Regionen: 1. Die Region der Palmen und Bananen, von 0 - 1900 F. . Die Region der Farrnbäume und Feigen, von 1900-3800 F. Die Region der Myrten und Lorbeeren, von 3800-5700 F. . Die Region der immergrünen Laubhölzer, von 57007600 F. . Die Region der europäiſchen Laubhölzer, von 7600 —9500 F. Die Region der Nadelhölzer, von 9500 — 11,400 F. Die Region der Alpenroſen, von 11,400 — 13,300 F. Die Region der Alpenkräuter, von 13,300 — 15,200 F. R Aus der vorangegangenen Auseinanderſetzung geht ſelbſtredend hervor, daß nur in der Aequatorialzone ſämmtliche 8 Regionen ſich finden und jede der folgenden Zonen eine Gebirgsregion weniger zählt. Die tropiſche Zone beginnt daher mit der Region der Farrnbäume und Feigen, die ſubtropiſche mit der der Myrten und Lorbeeren u. ſ. w. Freilich gilt von dieſer Eintheilung der Gebirgsflora ganz daſſelbe, was wir oben von der Eintheilung in Zonen geſagt haben. Gebirge, die unter einer und derſelben geographiſchen Breite liegen, zeigen in Betreff ihrer Pflanzenregionen oft Differenzen von mehreren 100 Fuß; an den Südabhängen rücken alle Vegetationsgrenzen höher hinauf als an den Nordabhängen; und die Schneegrenzen ſind bei verſchiedenen Gebirgen derſelben Zone oft um einige 1000 F. verſchieden: aber alle dieſe Ausnahmen laſſen ſich aus den mit der natürlichen Lage eines Gebirges zuſammenhangenden Witterungsverhältniſſen genügend er— klären, und ſomit wird ſich auch dieſe Eintheilung in Regionen im Großen und Ganzen wohl durchführen laſſen. Wir gehen demnach zur Darſtellung des Vegetationscharakters der einzelnen Zonen über, wobei wir der allgemeinen Charakteriſtik jeder Zone ſogleich die beſon— dere Charakteriſtik der einzelnen Ländergebiete derſelben folgen laſſen. O A = 174 I. Die Nequatorialgone. I. Die Aequatorialzone. Die Aequatorialzone erſtreckt ſich zu beiden Seiten des Aequators von 15° n. bis zu 15° |. Br., umfaßt mithin einen Gürtel von 30 Breitegraden. Die bedeutendſte Ländermaſſe dieſer Zone findet ſich in Afrika, welches von dem Südrande der Sahara und den Quellge— bieten des Nil bis zur Südgrenze von Niederguinea und Mozambique ihr angehört. Von Aſien erſtrecken ſich nur die ſüdlichen Hälften der beiden oſtindiſchen Halbinſeln in dieſe Zone hinein, denen ſich die geſammte Ländermaſſe des oſtindiſchen Archipels nebſt Neu-Guinea und dem nördlichſten Theile von Neuholland anreihen. Auf der weſt— lichen Halbkugel dagegen iſt es ein großer Theil der Südſeeinſeln, wenngleich der minder bedeutenden, und von Amerika — Guatemala, der nördliche Theil von Südamerika (Neu-Granada, Venezuela, Guiana), nebſt Peru und dem größten Theile von Braſilien, welche zwiſchen den Grenzen dieſer Zone liegen. | Die mittlere jährliche Temperatur dieſer Länder beträgt 20°,5 bis 23% R., wenigſtens ſtimmen die in 3 verſchiedenen Erdihelfel, am 3 in Pondichery und in Surinam angeſtellten Beobachtungen ſo ziemlich überein. Die Inſeln weichen in dieſer Beziehung natür⸗ lich von dem Feſtlande ab und haben ein milderes und gleichmäßi— geres Klima, wogegen in Oberägypten und in Südamerika zur Mit— tagszeit im Granitſande oft eine Bodentemperatur von 48 — 54° herrſcht. In den Gegenden dieſer Zone, wo ſich zu dem hohen Wär— megrade ein entſprechender Grad von Feuchtigkeit der Atmoſphäre ge— ſellt, entfaltet ſich die Pflanzenwelt in einer Ueppigkeit und entwickelt eine Mannichfaltigkeit der Formen und der Farben, die Jeden zur Bewunderung hinreißt, der die Tropenländer beſucht. Es würde ein verwegenes Unternehmen ſein, eine ſelbſtſtändige Schilderung von Ge— genden entwerfen zu wollen, deren Anblick uns nicht vergönnt gewe— ſen; es ſei uns daher erlaubt, zuſammenzuſtellen und nachzuempfinden, was talentvolle Reiſende, die eben fo tüchtig und geiſtreich als Na— turforſcher, wie zugleich für die Darſtellung künſtleriſch befähigt, uns von jenen Gegenden berichten. » Allgemeine Charakteriſtik. Alle Gewächſe der Aequatorialzone erſcheinen ſaftreicher, von fri— ſcherem, lebhafteren Grün als die unſerer nordiſchen Gegenden. Nicht Allgemeine Charakteriſtik. 175 nur die Blätter erſcheinen größer und glänzender, ſondern vor Allem auch die Blüthen. Bäume, welche die Höhe unſerer Eichen um das Doppelte überragen, prangen dort mit Blumen, die an Pracht und Größe mit denen unſerer Lilien wetteifern. Zugleich herrſcht hier der größte Reichthum an Geſtalten. Geſellig lebende Pflanzen, welche die europäiſche Vegetation oft ſo einförmig machen, ſind am Aequator faſt gar nicht zu finden. Die majeſtätiſchen Palmen wechſeln mit der großblättrigen Piſangſtaude, mächtige Pandanengebüſche mit ſchlanken Blumenrohren; das luftige Laub der Mimoſen contraſtirt mit den großen Blättern der Brot- und Wollbäume, und herrliche Orchideen und Lianen verzieren die mannichfachen Formen. Nur die ſchlanken Bambuſen finden ſich jederzeit geſellig und bilden hier eben ſo aus— gedehnte Wälder wie die Nadelhölzer unſerer nordiſchen Gegenden. Am mächtigſten aber entfaltet ſich die Tropenvegetation in den ſogenannten Urwäldern der Aequatorialzone. Mächtige Stämme von rieſiger Dicke erheben ſich 80 —100 Fuß hoch, und ihre Kronen find ſo dicht mit einander verſchlungen, daß kein Sonnenſtrahl den mo— dernden Boden dieſer Wälder erreicht. Vorzugsweiſe ſind es die ſo— genannten Wollbäume !, deren Stämme bei der vorwiegenden Mark entwickelung ſich übermäßig in die Dicke ausdehnen, ſtatt der gewohn— ten Walzenform zu ungeheuren Tonnen von 30 — 50 F. Höhe an— ſchwellen und eine Dicke von 20 und mehr Fuß erreichen, ſo daß oft kaum 15 Mann einen ſolchen Baum umſpannen können. Die Rinde dieſer Bäume iſt faſt immer mit Warzen und Stacheln von eigen— thümlicher Art bedeckt, und nicht ohne Vorſicht darf man ſich ihnen nahen. Der ungeheuren Ausdehnung, welche der bekannte Baobab oder Affenbrotbaum in Afrika erreicht, haben wir ſchon früher bei den tropiſchen Laubhölzern gedacht, aber auch Oſtindien und das heiße Amerika ſind reich an ähnlichen Arten 2. In der alten Welt ſind außerdem die Brotbäume? nebſt anderen Arten derſelben Familie zu nennen, wie der Rieſenquellbaum im birmaniſchen Reiche, der gif— tige Antſchar oder Upasbaum 5 auf Java, der über 100 F. hoch wird, eine Menge von Feigenbäumen s, deren Stämme bei 60—70 F. Höhe oft einen Umfang von 50 Fuß erreichen, die Ebenhölzer ' in Oftin- = = & / 7 . . ! Bombaceae. Bombax malabaricum, B. orientale, B. Ceiba, B occidentale. Artocarpus pubescens. * Phytocrene gigantea. 5 An- tiaris toxicaria. Ficus Sycomorus, F. elastica, F. excelsa, F. bengalensis, F. religiosa, F. domestica, F. racemosa.. Maba ebenus, Diospyros ebenum. 176 J. Die Aequatorialzone. dien und Afrika, viele Lorbeerarten und die merkwürdigen Brennpal— men !, deren 40—50 F. hoher Stamm oft von 2 Menſchen kaum zu umſpannen iſt, während die übrigen Palmen einen äußerſt ſchlanken Wuchs zeigen. — In der neuen Welt dagegen ſind die mächtigen Mahagonybäume ? anzuführen, ferner die Firnißbäume , die Topf— bäume , deren Früchte die Größe eines Kinderkopfes erreichen, der Juviabaum , den wir ſchon bei den Culturpflanzen beſchrieben haben, der 200 F. hohe und 7 F. dicke Kuhbaums in Caracas; außerdem die Flaſchenbäume 7, die Cäſalpinien “, die das bekannte Fernambuk— holz liefern, die Copalbäume ?, die Ocoteen 7° und eine Menge an— derer Bäume, die den Familien der Mimoſen, Meliaceen, Sapinden, Sterculien und Malpighien angehören und welche durch ihre unge— heure Höhe, ſo wie durch die gewaltigen Holzmaſſen ihrer Stämme in Erſtaunen ſetzen. — Doch nicht bloß durch ihre gigantiſchen Maſ— ſen imponiren dieſe Stämme, die ſo verſchiedenen Baumformen ange— hören; ſondern ſie bilden zugleich die Grundlage für eine ganz neue Welt, von der die Stämme unſerer Waldbäume kaum einen dürfti⸗ gen Schimmer zeigen. Während bei uns die Rinde der Bäume mit ſchlichten Laubmooſen und dürren Flechten bekleidet ift, entwickeln ſich dort unter dem glühenden Strahl der Sonne und begünſtigt durch eine drückende Feuchtigkeit der Atmoſphäre eine Menge der üppigſten und ſchönſten Pflanzenformen, welche die äußerſte Pracht in den Far: ben ihrer Blumen entfalten und die größte Annehmlichkeit des Wohl— geruches verbreiten. Reizende Orchideen und duftende Vanille beleben die Stämme der rieſigen Firniß- und Feigenbäume, Pothosgewächſe und Dracontien klimmen an der halbverkohlten Rinde empor, in de— ren Ritzen und Spalten ſie ihre Wurzeln befeſtigen, und das friſche Grün ihrer großen Blätter contraſtirt eben ſo angenehm mit ihren eigenen glänzend weißen Blumen wie mit den vielfarbigen Blüthen der Orchideen. Die mannichfaltigſten Formen zierlicher Farrnkräuter ! ziehen ſich wie unſer Epheu an den Stämmen empor und ſitzen oft in ganzen Haufen in den Aſtwinkeln der Bäume, mit deren großblät⸗ trigem Laube ihre äußerſt fein zertheilten und oft ganz anders gefärb- ten Wedel den ſeltſamſten Contraſt bilden. Caryota urens. 2 Swietenia Mahagoni. 3 Anacardium occiden- tale. * Lecythis Ollaria. 5 Bertholletia excelsa. 6 Brosimum Ga- lactodendron. ” Anona squamosa. ® Caesalpinia brasiliana. Hy- menaea Courbaril. % Ocotea caryophyllacea. 1 Hymenophyllum, Tri- chomanes, Polypodium etc. Allgemeine Charakteriſtik. 177 Doch nicht nur die Stämme zeigen diefe Fülle von Pracht und ſind außer den genannten Formen mit rankenden Bauhinien, gelbblü— henden Baniſterien und wundervollen Paſſionsblumen umſchlungen; ſondern hoch in den Kronen der Bäume prangen ſcharlachrothe Lo— ranthusblüthen, glänzende Tillandſien, Bignonien, Paullinien, Pitcair— nien und ein ganzes Heer von Schlinggewächſen, deren Holzmaſſe oft mit der Baumrinde, die ihnen zur Unterlage dient, auf das in— nigſte verwachſen iſt, ſo daß ſie ihre Nahrung gar nicht mehr aus dem Boden beziehen, ſondern wie Schmarotzergewächſe auf den Bäu— men fortleben. Bei dieſem üppigen Wachsthum, bei dieſer übermä— ßigen Fülle von Blättern und Blüthen entſteht eine Verwirrung ſich gegenſeitig umſchlingender Gewächſe, daß es oft ſchwer iſt, herauszu— finden, zu welchem jeder Stämme die einzelnen Blätter und Blumen gehören. Wollte man auch nur einen einzigen Waldbaum ſeiner ſämmtlichen Schlingpflanzen, ſo wie des Schmuckes entkleiden, den ſein Stamm an Schmarotzergewächſen darbietet: es würde ein bedeu— tendes Stück Land dazu gehören, um dieſelben von einander geſondert ausbreiten zu können. Durch dieſen fremdartigen Schmuck der man— nigfaltigſten Blumen erſetzt die Natur den tropiſchen Bäumen in reichem Maße, was ihnen ſelber an Blüthenpracht etwa abgeht. Denn bekanntlich blühen die meiſten Bäume der Tropenwälder nur ſelten, da das unausgeſetzte Wachſen des Stammes, ſo wie die fortwährende Entwickelung von Zweigen und Blättern die Blüthenentwickelung hemmt. Oft dauert es 4—5 Jahre, ehe ein Baum wieder einmal blüht; dafür pflanzen ſie ſich aber durch junge Schößlinge aus den Wurzeln fort. Welch einen überraſchenden Schmuck die Lianenflor den Tropenwäldern verleiht, hat uns eine frühere Darſtellung im er— ſten Abſchnitt ſchon gezeigt, doch nur von fern darf der Wanderer ſie ſchauen; denn hoch in den Gipfeln der Bäume ſchweben die bieg— ſamen Zweige, und erſt die herabgefallenen Blumen zeigen, welche Pracht dort oben zu ſchauen iſt. Bäume muß man fällen, um die Blüthen ihrer Schlinggewächſe zu bekommen; denn die mächtigen Stämme ſind zu dick, um daran emporzuklimmen, und die Warzen und Stacheln, mit denen ſie ſelbſt wie auch viele der Schlingpflanzen geſchützt ſind, verbieten auch das Erſteigen ſchwächerer Stämme. Die ausgeſpannten Lianenſeile aber, die oft auf 20 — 30 Fuß Länge we— der Blätter noch Blüthen treiben, ſind eben ſo wenig zum Klettern geeignet, da ihre beißenden Säfte ſo wie ihre Ausdünſtungen ſelbſt von den Bewohnern jener Wälder gefürchtet werden. 12 178 J. Die Aequatorialzone. Von eigenthümlicher Wirkung iſt die Beleuchtung in einem ſol— chen Urwalde *), wo zwiſchen den dicht verflochtenen Zweigen faſt nirgends ein Streifen des Himmelsgewölbes ſichtbar wird. Auch um die Mittagszeit herrſcht nur ein gemildertes Licht wie den ganzen Tag über. Bei den haufenförmig geordneten Laubmaſſen fällt das Son— nenlicht in den verſchiedenſten Richtungen ein, „ſo werden die zahllo— ſen Lichtwellen von Stamm zu Stamm, von Zweig zu Zweig ge— brochen, bis ſie zuletzt die unteren Räume des Dickichts erreichen und hier einen der tropiſchen Natur eigenthümlichen Ton matten Glanzes hervorbringen.“ Weſentlich trägt hierzu der eigenthümliche tropiſche Wuchs der Bäume bei. Während in unſerem Klima in jedem Win— ter viele neu entſtandene Zweige zu Grunde gehen oder unentwickelt bleiben, und im Frühjahr wieder neue Zweige treiben, damit nur die nöthige Zahl von Blättern entſtehen kann, wachſen dort alle entſtan— denen Zweige beſtändig fort, ſo daß zwiſchen den büſchelförmigen Laubkronen, die faſt immer nur die Enden der Zweige ſchmücken, ſich ſtets größere Entfernungen zeigen. So können die einzelnen Blatt— maſſen nie auf einander laſten, und ſelbſt die kleinſten Farrnkräuter, die den Boden bedecken, zeigen ein ſolches Streben nach excentri— ſcher Ausbreitung. So bietet das ganze Laubdach eines Urwaldes einen Anblick eigenthümlicher Durchbrochenheit dar, überall Fülle, ja Ueppigkeit, und doch nichts Erdrückendes, Beängſtigendes; ja große Maſſen des feinen Mimoſenlaubes bekommen dadurch ein ſo luftiges Anſehen, daß ſie in dem dunkelblauen Aether zu ſchwimmen ſcheinen. Alle Pflanzenorgane gehen unter den Tropen in beſtändig ſich kreu— zenden Linien aneinander vorüber und laſſen der Luft wie dem Lichte den nöthigen Raum. Welche merkwürdigen Gegenſätze hierzu bilden die Lichteffeete der ſchattenarmen Eucalyptus-Wälder Neu-Hollands, deren wir ſchon bei den Myrtenartigen Gewächſen gedacht haben; die lachenden Buchenwaldungen unſerer Zonen, zwiſchen deren ſchlanken Zweigen das Sonnenlicht frei und klar hindurchblickt; und die düſte— ren Coniferenwälder des Nordens, deren dicht gedrängte Nadeln dem Lichte faſt gar keinen Durchgang geſtatten und die gewöhnlich äußerſt arm an Schattenpflanzen ſind. Deſto reicher iſt der Boden eines Tropenwaldes mit Gewächſen aller Art bedeckt, oft ſo dicht, daß man keinen Schritt thun kann, ohne ſich mit der Axt den Weg gebahnt zu haben. An feuchten Stel— *) Vergl. Griſebach's Bericht v. Jahre 1844, S. 76. Allgemeine Charakteriſtik. 179 len in der Nähe kleiner Gewäſſer prangen die herrlichen Strelitzien, deren goldrothe Blumen aus der Mitte ihrer dunkel blaugrünen Blät— ter hervorragen; ſchlanke Farrn mit-großen, fein zertheilten Blättern ſtehen daneben, und die großen glänzenden Blumen der Pothosge— wächſe blicken hindurch; zarte Blumen entfalten ſich aus den Wur— zeln des Cacaobaums am Amazonenſtrom, während auf den Inſeln des indiſchen Archipels Gewächſe von ſonderbarer Geſtalt und rieſiger Größe den Wurzeln der Waldbäume entſprießen und in merkwürdiger Uebereinſtimmung mit den dunkelen Orten ſtehen, denen ſie ihren Ur— ſprung verdanken. Die Rieſenblume !, gleichſam ein blühender Pilz, hat faſt 3 Fuß im Durchmeſſer und wiegt über 14 Pfund; die Brug— manſia 2 auf Java iſt ihr ähnlich; und in den amerikaniſchen Wäl— dern, auf den Südſeeinſeln und in einigen Gegenden Afrika's wachſen die unſeren Rohrkolben s verwandten Balanophoren, blattlos, aber ſchwammig und ſchuppig, in den mannigfachſten Formen und von ſeltener Farbenpracht. So herrlich aber auch die ganze Erſcheinung der Tropenwälder dem Auge ſein mag; einen wohlthuenden Eindruck wie unſere Wal— dungen gewähren ſie nicht. Die Luft iſt drückend heiß und feucht, fortwährend ſteigen dumpfe Dünſte in die Höhe, ſo daß die Atmo— ſphäre oft wie mit ſichtbaren Waſſerdämpfen erfüllt iſt. Eben ſo vermißt man dort den Chor der munteren Singvögel; dafür hört man das ſchneidende Pfeifen der großen Cicaden aus den Wipfeln der Bäume, das betäubende Geſchrei der Papageien, das Krächzen der ſcheußlichen Vampyre und der fliegenden Hunde, das Geheul der Brüllaffen und einer Menge von anderen Thieren, das den Wanderer bei Tage beläſtigt und Nachts ihm keine Ruhe gönnt. Wir können uns nicht verſagen, hier einige Strophen eines uns unbekannten Dichters einzuſchalten, die den eben geſchilderten Ein— druck einer Tropengegend eben ſo naturwahr als poetiſch vollendet darſtellen *). . „Schön iſt dies Land! — der Felſen hohe Bogen Und der Vulkane ſchneebekröntes Haupt — Der Palme ſchlanker Schaft — die Blüthenwogen — Des Thales Wand, mit dichtem Grün belaubt — ! Rafflesia Arnoldi; 1818 in Oſtindien von J. Arnold entdeckt und von Raffles, dem Gouverneur von Java, nach England gebracht. 2 Brugmansia Cippelii. 3 Typha latifolia. ) Voſſiſche Zeitung 1851. No. 3. In 180 J. Die Aequatorialzone. Der dunkle Stamm, vom Blätternetz umgittert — Von Zweig zu Zweig klimmt der Liane Pracht! Des Rieſenfalters bunte Schwinge zittert Am Wunderkelch, der ihm entgegen lacht.“ — „Und feuriger ſeh' ich die Sonne ſtrahlen; In reichern Wellen ſtrömt des Lichtes Fluth; Es flammt, es purpurt! alle Farben malen Und ſchmücken ſich mit einer höhern Gluth. Und heller blickt der Mond vom klaren Himmel, Und in den Lüften kreiſt's im Funkentanz, Und demantrein erſcheint das Sterngewimmel, Und überall nur Leuchten und nur Glanz!“ — „Es iſt das Land der Gluthen und der Farben, Es iſt das Land der Sonne und des Lichts! Das Auge ſchwelgt; — doch andre Sinne darben; Dem ſanggewohnten Ohr gewährt es nichts. Ich ſeh' der Vögel brennendes Gefieder, Wie Feuer blitzt's aus dunklem Laub hervor! — Doch ſie ſind ſtumm, — ich höre keine Lieder, Den ſtillen Wald belebt kein Sängerchor., „Darum, was auch die trunknen Blicke ſchauen, Oft ward das volle Herz mir heimathbang; Ich ſehnte mich nach unſern deutſchen Auen, Nach unſrer Wälder ewig heitrem Klang; Wo früh und ſpät viel tauſend Kehlen ſchlagen, Wo's flötend durch die hohen Wipfel zieht; Ich ſehnte mich nach Nachtigallenklagen Und nach der Lerche frohem Morgenlied.“ So erſcheint der Tropenwald wundervoll und erhaben, wenn er in ſchweigender Pracht daſteht, furchtbar und ſchauerlich aber, wenn der Sturmwind heulend daherbrauſt und die gewaltigen Kronen der rieſigen Stämme erfaßt. Ein mächtiges Rauſchen erfüllt die Luft; mit ſchaurigem Toben, Knarren und Krachen ſchlagen die mächtigen Aeſte aneinander, ſelbſt die feſten Lianen werden zerſprengt, und die modernden Aeſte und Stämme ſtürzen zu Boden. Hartſchalige Früchte von der Größe eines Menſchenkopfes werden herabgeworfen und zer— ſpringen mit lautem Gekrach; die locker befeſtigten Blumen der Schling- gewächſe ſtürzen in ganzen Maſſen hernieder und werden von dem wüthenden Sturm nach allen Richtungen hingetrieben. Der Regen, Jez V. H. Krämer URWALD IN SUDAMERIKA. Allgemeine Charakteriſtik. 181 anfänglich durch das dichte Laubdach zurückgehalten, ſtürzt bald in mächtigen Strömen hernieder, und ſchauerliches Dunkel erfüllt den weiten Wald. Alle ſeine Bewohner geben ihre Angſt durch klägliches Geſchrei zu erkennen; die Affen, die großen Vampyre und das ganze Heer der Vögel, Alles ächzt, ruft, brüllt laut durcheinander. Das Geſchrei der großen Fröſche dringt paukenartig aus der Tiefe herauf; die ganze Thierwelt verkündet mächtig die große Noth des Augenblicks. Nur die Juſecten ſchweigen. Sie haben lange vorher jenen Aufruhr verkündet; ruhig verſteckt ſitzen ſie auf der Unterfläche der Blätter, bis der Sturm vorüber iſt und die Sonne wieder freundlich die Wipfel beſcheint *). Das ſind die Tropenwälder mit ihren Wundern, mit ihren Schrecken. Am Rande derſelben, ſo wie an den Ufern der Seen und Ströme erſcheint die Vegetation in geringerer Fülle, dafür aber auch lieblicher. Da, wo die ſchlanken Palmen ihre Gipfel über die lichte Waldung erheben, erbaut der Indianer feine leichte Hütte aus Ban busſtäben, mit Palmen- und Bananenblättern bedeckt; einige hell— grüne Piſangſtauden und ein Paar Palmen daneben gepflanzt, geben ihm ſeine einfache Nahrung und verkünden dem Reiſenden die Nähe einer menſchlichen Wohnung aus der Ferne. Liebliche Felder mit Aronswurzeln bepflanzt, umkränzt von Piſangſtauden und ſchlankem Zuckerrohr, ſchmücken die Landſchaft aufs angenehmſte, indem ihr ver- ſchiedenartiges Grün den wohlthuendſten Contraſt bildet. Beſonders aber iſt es die Cocospalme, die, obwohl eine Küſtenbewohnerin, überall mit beſonderer Vorliebe gepflegt wird, wenn ihre Cultur auch nicht überall gelingen will. Sowohl in Indien wie in den Steppen von Venezuela und auf der Inſel Cuba, weit vom Meeresufer entfernt, hat man die Cocospalme gefunden. Mag die Natur an ſolchen Stel- len auch weniger üppig ſein, ſo verleiht ihr dafür die Gewißheit der Menſchennähe einen Reiz, der jederzeit empfunden wird, wenn man längere Zeit außerhalb der menſchlichen Geſellſchaft zugebracht und mit der ſchweigenden Natur allein verkehrt hat. So laut ſie auch redet: der Menſch, ſelbſt der Wilde, bleibt immer ihre bedeutendſte und intereſſanteſte Erſcheinung. Ehe wir indeſſen dieſe allgemeine Charakteriſtik der Aequatorial— zone ſchließen, müſſen wir noch eine Erſcheinung näher ins Auge faſſen, auf die wir ſchon in der Einleitung hingewieſen haben — es *) Nach Meyen. 182 I. Die Aequatorialzone. find die ſogenannten Mangrovewaldungen. Faſt überall in der hei— ßen Zone bedecken fie die flachen Küſten, fo wie die Ufer an der Mün⸗ dung großer Ströme und ſetzen den landenden Europäer nicht wenig in Erſtaunen. Im heißen Amerika iſt es der Wurzelbaum , deſſen 20—30' hoher Stamm feine knotigen, krummen Aeſte nach allen Sei— ten hin ausbreitet. Indem die Samen ſchon in der Frucht keimen, laſſen die Aeſte und Zweige Wurzeln herabfallen, ſo daß am über— ſchwemmten Strande undurchdringliche Wälder entſtehen. Keine menſch— liche Wohnung findet ſich in der Nähe der Rhizophorenwälder, denn die Unzahl von Inſecten geſtattet es kaum, dort zu übernachten, ge— ſchweige denn zu wohnen. Nur Reiher und Waſſerhühner, ſo wie ganze Schaaren von Krebſen bevölkern dieſe unwirthlichen Wälder. Der indianiſche Jäger indeß ſchreitet ohne Gefahr über den ſumpfigen, ſchlammigen Boden, in welchem kein Grund zu finden iſt. Geſchickt ſpringt er von einem Zweige des feſten Wurzelgeflechtes zum andern und ſammelt die ſchmackhaften Baumauſtern, die an den untergetauch— ten Wurzelbogen hängen, oder erlegt die ſcheuen Sumpfvögel. — In Oſtindien bildet der Mangi-Baum 2 mit krummem unregelmäßigen Stamme ganz eben ſolche Wälder. Unten theilen ſich die kurzen Stämme in viele ſchwarze Wurzeln, die in Bogen die Bodenfläche überragen, und von oben her laſſen die krummen Aeſte ſo viele Wur— zeln herabfallen, daß ein einziger Baum am Geſtade einen verwirrten Wald bildet, der aus nichts Anderem als aus Aeſten und Wurzeln zu beſtehen ſcheint, ein Sinnbild von der Wildheit der Bewohner je— ner unwirthlichen Ufer. — Ueberall in den heißen Ländern wächſt zwiſchen den Rhizophoren der Salzbaum ?, deſſen Wurzeln in ähn— licher Weiſe über dem Boden fortkriechen. Siebzig Fuß ſtrebt ſein Stamm in die Höhe, und er wächſt, ſo weit die Fluth reicht. Be— ſonders am rothen Meere, in Afrika, Oſtindien und Neu-Holland fin— det er ſich in großer Menge. Noch manche andere Arten von Bäu— men “, die eine ganz ähnliche Entwickelung zeigen, tragen zur Bil— dung der merkwürdigen Mangrovewaldungen bei, die übrigens, wie alle tropiſchen Bäume, das ganze Jahr hindurch grüne Blätter tragen. Somit hätten wir den allgemeinen Eindruck geſchildert, welchen die Aequatorialzone in ihren ebenen Gegenden darbietet. Aber gerade Rhizophora Mangle. 2 Rh. candelaria. Avicennia tomentosa. * Rhizophora cylindrica, Aegiceras corniculata, A. ferreum; Bruguiera gym- norrhiza. F Beſondere Charakteriſtik. 183 zwiſchen den Wendekreiſen erheben ſich nicht nur einzelne Berge, ſon⸗ dern ganze Ländermaſſen zu bedeutender Höhe. Hierdurch wird dem Tropenbewohner der Kreis ſeiner Anſchauung bedeutend erweitert; denn mit der abnehmenden Wärme wird auch der Vegetationscharak— ter auf den Höhen ein anderer. Gewächſe, welche ausſchließliches Eigenthum der nordiſchen Gegenden zu fein ſcheinen, Eichen, Cypreſ— ſen, Tannen, Erlen, Berberitzenſträucher und viele andere den unſri— gen nahe verwandte Gattungen erſcheinen auf den Bergen; die Vege— tationsfülle nimmt nach und nach ab, bis endlich in der Nähe der Schneegrenze nur noch Alpenkräuter den Boden bedecken. So bietet die Natur dem Bewohner der heißen Zone die ganze Mannigfaltigkeit ihrer Vegetationsfülle dar; und wie das Himmelsgewölbe im Laufe des Jahres alle ſeine leuchtenden Welten von einem Pol bis zum ande— ren hier vorüberführt, ſo iſt es dem Aequatorialbewohner auch ver— gönnt, Repräſentanten aller Pflanzenformen zu ſchauen, die den ganz zen weiten Erdkreis bedecken. Beſondere Charakteriſtik. Nach dieſer allgemeinen Charakteriſtik der Aequatorialzone wen— den wir uns zu den einzelnen Ländern und faſſen die beſonderen Eigenthümlichkeiten derſelben ins Auge. A. Afrika. Im weſtlichen Afrika bilden zunächſt Senegambien und Ober⸗ guinea ein niederes Plateau von etwa 3000’ Höhe, welches einzelne Berggruppen, kaſtellartige Felſenerhebungen und pyramidenförmige Granitmaſſen zwiſchen tiefen Schluchten zeigt, die den Plateauboden durchfurchen, welcher nach Norden gegen die Sahara oft in jähen Wänden ſteil abſtürzt. Hier wechſeln undurchdringliche Wälder theils mit Savannen, theils mit äußerſt fruchtbaren Culturſtrecken von rei⸗ cher Bevölkerung. Da Senegambien in botaniſcher Beziehung noch wenig durchforſcht iſt, ſo läßt ſich ein genaueres Bild ſeiner Vegeta— tion nicht entwerfen; wir begnügen uns daher, auf die hervorragend— ſten Erſcheinungen aufmerkſam zu machen. In erſter Linie iſt hier der ſchon mehrfach erwähnte Affenbrotbaum ! zu nennen. Ungeglie— dert und coloſſal wie der ganze Erdtheil erſcheint, tragen auch die be— deutendſten ſeiner Erzeugniſſe dieſes Gepräge. Am Senegal hat man ' Adansonia digitata. 184 I. Die Aequatorialzone. Stämme dieſes Baumes, deren Umfang auf mehr als 100’ geſchätzt wird; andere haben bei nur 70 — 80“ Höhe an 30’ Durchmeſſer. Die größten Stämme, welche Adanſon im Jahre 1749 ſah, hatten bei 70“ Höhe 25— 27 Durchmeſſer und eine 170’ breite Krone. Hol- ländiſche und franzöſiſche Seefahrer hatten ihre Namen in die Rinde mit Buchſtaben von 4’ Länge eingeſchnitten. Das Alter eines Bau— mes von 30“ Durchmeſſer hat Adanſon auf 5150 Jahre berechnet. Auch auf den capverdiſchen Inſeln iſt er zu Hauſe, und ſein Verbrei— tungsbezirk erſtreckt ſich nördlich bis zu 13° oder 14° n. Br., öſtlich bis an den abyſſiniſchen Gebirgsſtock und ſüdlich faſt bis an die Grenze der Aequatorialzone. Demnächſt ſind die bedeutendſten be— kannten Bäume ein 100“ hoher Mahagonybaum , der 60’ hohe But— terbaum 2, deſſen Beeren den Bewohnern einen butterartigen Saft für ihre Speiſen liefern, und eine bedeutende Anzahl von Acacien, von denen mehrere? durch das ganze Innere von Afrika bis nach Aegyp— ten hin herrſchen. Die letzteren liefern einen wichtigen Handelsarti— kel, das Gummi, und die bedeutendſten Gummiwälder ſind nördlich vom Senegal zu finden. — Die wichtigſten Getreidearten ſind hier neben der Mohrenhirſe der Reis und der Mais; an Knollengewächſen werden Bataten, PDams- und Maniokwurzel gebaut und außerdem der Kaffee-, der Cacaobaum, die Cocospalme und der Indigo gezogen. In Guinea treten in größerer Menge die Palmen auf, beſon— ders die Oelpalme *, die ſich nördlich und ſüdlich bis an die Grenzen dieſer Zone erſtreckt. An der Pfefferküſte giebt ſie der Gegend den Charakter und bildet dort mit verſchiedenen Feigenbäumen die Haupt⸗ maſſe des Waldes; eben ſo bildet ſie zuſammenhängende Wälder im Delta des Niger, wo auch Mangrovewälder und Pandanens auftre- ten, während die ſandigen Ufer mit niedrigem Leguminoſengeſtrüpp bedeckt ſind. Außer der Oelpalme finden ſich noch 6 andere Palmen—⸗ arten ° in Guinea, und auch Palmlianen “ oder Rohrpalmen fehlen nicht, eben ſo wenig wie andere Schlinggewächſe und Schmarotzer— pflanzen, die auf den Ueberreſten des Blattſtiels der Oelpalme ſich anſiedeln und im Schatten ihres Laubdaches fröhlich gedeihen. Die hügelige Goldküſte iſt theils mit Mimoſengeſträuch bedeckt, durchwoben von Winden und Lianen, theils mit Grasſavannen, aus denen ein— Ehaya senegalensis. 2 Pentadesma butyracea. Acacia vera, A. se- negal, A. nilotica. * Elaeis guineensis. ° Pandanus candelabrum. ° Phoe- nix spinosa nördl. v. Aequator; Borassus aethiopum a. d. Gold- und Sclaven— küſte, Raphia vinifera in Congo. 7 Calamus secundiflorus. af. VII. 8.184 = "N jez.v.H.Krämer IE Nee FN 1 AN ide, Lith.Anst.v.LAraatz in Berlin AFRIKA. 5 A tn RE 12 Sudan oder Nigritien. 185 zelne Wollbäume und Fächerpalmen hervorragen. Einen ähnlichen Charakter hat das Nigerdelta, doch einige Meilen von der Küſte, wo mit der Fluth die Mangrovewälder ihr Ende erreichen, erſcheint, oft durch Rohrdickichte vom Strom getrennt, ein niedriger Miſchwald, aus welchem die 60 — 80“ hohen Oelpalmen ſtolz emporragen. So geht der Charakter der Tropenvegetation fort. Ueber den Aequator hinaus wechſeln gleichfalls bedeutende Wälder mit Savannen und Culturfel- dern ab, und beſonders die zwiſchen dem 14° u. 15° f. Br. gelegenen Landſchaften der portugieſiſchen Niederlaſſung Caconda, wo das ſchwüle tropiſche Küſtenklima einer reinen und friſchen Luft gewichen iſt, wer— den als reizende Gegenden geſchildert, vielleicht die köſtlichſten auf der ganzen Weſtküſte von Afrika. — Die wichtigſten Culturpflanzen Ober— und Nieder⸗Guinea's find: Mohrenhirſe, Reis, Mais, Bataten, Arons— und Pamswurzel, Anonen, Tabak, Zuckerrohr, Piſang, Waſſermelo— nen, Baumwollenſtaude und an einigen Orten ſelbſt die Weinrebe. Sudan oder Nigritien iſt im Ganzen ein ebenes, aber etwa 1000 — 1200“ hoch gelegenes Land, die erſte Terraſſe zu dem großen Plateau von Südafrika. Die tropiſchen Regen ſind hier periodiſch herrſchend, und die bac dear Niederſchläge, die hier einen der Vegetation günſtigen Boden treffen, bringen eine nicht un— bedeutende Fruchtbarkeit hervor. Ueberall trifft man auf gutes Wei- deland, aber ſonſt weiß man wenig von der botaniſchen Beſchaffen⸗ heit dieſer Gegenden. Vom Tſchadſee *), der übrigens ſüßes Waſſer hat, weiß man, daß er bisweilen ganz austrocknet, was noch vor 6 Jahren geſchehen ſein ſoll, und daß ſeine Inſeln reich an Wal— dungen wie auch an Menſchen und Thieren ſind. — Weiter nach Oſten hin erſcheinen die ſüdlichen Theile von Dar Fur und Kor— dofan als weite Ebenen, mit zahlloſen Berggruppen und Maſſenge— ſteinen beſäet, die wie Inſeln aus dem Ocean der Savannenebene emporſteigen. Das ganze Kordofan auf der Weſtſeite des weißen Fluſſes iſt eine von Weſten nach Oſten ausgedehnte Grasebene von 60 Meilen Länge und 40 Meilen Breite, hin und wieder unterbrochen von Mimoſenwaldungen. Kein Fluß, kein Bach durchſtrömt dieſe Savannen, deren Bewohner ſich mit Ciſternen behelfen müſſen, die mitunter eine ſehr bedeutende Tiefe erreichen. Der ſüdlichere Theil, der mehr Thonboden enthält, zeigt jedoch einen förmlichen Wald aus 1 * *) Die letzten Nachrichten (21. Juni 1851) ſind in 56 Tagen aus dem Innern von Afrika bis London gelangt. Voſſ. Zeit. 1851. No. 295. 186 I. Die Aequatorialzone. Affenbrotbäumen, Caſſien und Tamarinden; auch die Palme von Theben tritt hier auf. Noch pittoresker erſcheint der ſüdlichſte Theil, der Gebirgsſtock Tegele. Ausdrucksvolle Formen von Bergen treten auf, deren Gehänge mit Felsblöcken überſchüttet ſind, zwiſchen denen die üppigſte Vegetation hervorwuchert. Die thebaiſche Palme tritt in großer Menge auf, baumartige Euphorbien erheben fich zwiſchen Af— fenbrotbäumen, Caſſien und Tamarinden, die zu Anfang der Regen— zeit im herrlichſten Blumenſchmuck prangen; Mimoſen und Weih— rauchbäume! wechſeln mit rieſenmäßigen Feigenbäumen, deren Kro— nen oft mehrere 100“ im Umfange haben und die ihre Aeſte hoch aus der Luft zur Erde ſenden, wo ſie wieder zu neuen Stämmen wurzeln. Dazu kommt eine Vogelwelt, prangend in tropiſcher Farbenpracht, ſo daß man hier eine Landſchaft findet, wie ſie ſonſt im Innern von Afrika wohl ſelten fein möchte. — Mit dem 11° d. Br. werden die iſolirten Berggruppen der Savanne häufiger, ſtehen einander näher und verbinden ſich endlich gegen den 10° d. Br. zu Gebirgszügen von bedeutender Höhe und Ausdehnung. Weiter nach Oſten iſt der Lauf des Bahr el Abiad zwiſchen dem 10° und 11° d. Br. ganz genau bekannt. Verfolgt man denſelben ſtr fwärts, ſo findet man das Land mit undurchdringlichen Wäldern erfüllt, deren Rieſenbäume, von Schmarotzer- und Schlingpflanzen durchzogen, ihre Kronen weit über die Waſſerfläche ausbreiten. Dazu hat der Strom eine imponirende Breite, die während der Regenzeit ſtellenweiſe oft über eine deutſche Meile beträgt, ein Anblick, der um ſo mehr überraſcht, wenn man bedenkt, daß man an 300 Meilen von dem mittelländiſchen Meere entfernt iſt. Krokodile und Flußpferde bewohnen den Strom hier in großer Anzahl. — Hiergegen iſt der Geſammteindruck des zu beiden Seiten des blauen Fluſſes' gelegenen Sennaar ein trauriger zu nen— nen. Eine weite Savannenebene *), theils unfruchtbar, theils mit Gras und Mimoſen bewachſen, breitet ſich längs der Stromufer aus; erſt bei Roſerres (120 n. Br.) beginnen ausgedehnte Waldungen der thebaiſchen Palme auf dem rechten Ufer, während das linke mit einem dichten Miſchwald aus Mimoſen und Affenbrotbäumen bedeckt iſt, die reichlich mit Lianen durchflochten erſcheinen. N | E Amyris papyrifera. ) Chardum, am Zufammenfluffe des blauen und weißen Stroms, iſt nur 1431 F. über dem Mittelmeer gelegen und Obeid (13° n. Br.), die Hauptſtadt v. Kordofan, 2018 F. N Abyſſinien. 187 Steigt man von dem nördlichen Sennaar in ſüdöſtlicher Richtung zum Zana-See hinauf, ſo gelangt man zuerſt in die Niederung der Kulla, eine weite Thalfläche, aus ſchwarzer lockerer Erde beſtehend, die mit Rohrdickicht und einzelnen Baumgruppen (Tamarinden und Sy- komoren) bedeckt iſt. Sie iſt der Tummelplatz zahlreicher Büffelheerden und Elephanten, verwandelt ſich aber zur Regenzeit in eine ſchlam— mige, ſumpfige Ebene, aus deren Schooß unaufhörlich ſchädliche Dünſte emporſteigen, ſo daß ſie für Menſchen nicht bewohnbar iſt. An 4000’ erheben ſich nun raſch hintereinander mächtige Terraſſen, aus deren Abhängen einzelne ſchroff zulaufende Kegel von beträcht— licher Höhe emporragen. Die nördlichen Ufer des Zana-Sees bieten theils Weideplätze dar, theils zeigt ſich ein üppiger Wucher von Gras und Schilfrohr; an der Südoſtſeite dagegen, wo der blaue Fluß ab— fließt, beginnt eine neue, ganz eigenthümliche Vegetation. Hochſtäm— mige Bäume gruppiren ſich mit mannigfaltigem Buſchwerk, Kaffee— ſträucher und Drachenbäume wechſeln mit Bananen und contraſtiren durch verſchiedenes Grün der Blätter und liebliche Färbung der Blu— men auf die anmuthigſte Weiſe; nach Süden zu endlich breitet ſich ein ſchöner luftiger Forſt zu einer ausgedehnten Waldregion aus. Von hier aus gehen nun die ſüdlichen Abfälle bis zu 9550 n. Br. Jenſeit dieſer Linie iſt Alles Ebene, was man in ſüdlicher Richtung vor ſich ſieht, wahrſcheinlich eine ſanft anſteigende Hochebene, das Innere von Afrika, welches bis zum 20. Grade ſ. Br. völlig unbe— kannt iſt. - Oeſtlich vom Zana-See aber erhebt fich nun der große Gebirgs— ſtock von Abyſſinien, welches durch das Stromgebiet des Takazze in die Weſthälfte (Amhara) und die Oſthälfte (Tigre) geſchieden wird. Der Charakter der abyſſiniſchen Flora iſt als ein ſehr ſelbſtſtändiger zu betrachten, eine natürliche Folge der ſenkrechten Erhebung des Landes; etwa drei Viertel der dort aufgefundenen Gewächſe ſind ihm eigenthümlich. — Auf dem weſtlichen Ufer des Takazze, in der Land— ſchaft Simen, erhebt ſich unter 13° Br. ein impoſantes Gebirge, deſſen höchſter Gipfel faſt die Grenze des ewigen Schnees (13,600 erreicht. Bis zu einer Höhe von 6000“ find die Felſen nur mit magerem Strauchwerk bedeckt, Non da an aber iſt der Boden mit einem üppi— gen Grasteppich bekleidet, und die Landſchaft wird belebt durch viele Gewäſſer, die in ſchäumenden Gießbächen aus der nahen Schneere— gion herabſtürzen. Bei 11,900“ zeigt ſich eine üppige Alpenweide, reich an Kleearten, und bis 10,000“ Höhe gedeiht die Gerſte überall 188 I. Die Aequatorialzone. vollkommen. — Der öſtliche Theil von Abyſſinien (Tigre) ift wenig fruchtbar und ſparſam bevölkert; er beſteht aus iſolirten Sandſtein⸗ maſſen, die meiſt wagerechte Terraſſen von verſchiedener Ausdehnung bilden und das unverkennbare Gepräge einer weitverzweigten vulka— niſchen Thätigkeit an ſich tragen. Die Oſtabhänge am rothen Meere ſind in den niederen Regionen mit lichtem Geſträuch bewachſen; in den Thalſchluchten bis zur Mitte der Berghöhe erſcheinen hochſtäm— mige Sykomoren, darüber coloſſale, candelaberförmig verzweigte Euphorbien nebſt Alvegewächfen, während die Gebirgshöhe ſelbſt mit einem lichten Walde von mächtigen Wachholderbäumen gekrönt iſt, deren Stämme am Boden bis zu 10“ Durchmeſſer anwachſen, und deren Zweige über und über mit langen, fadenförmig herabhangenden Bartflechten! bedeckt find. Von dem einzigen vom rothen Meere her zugänglichen Punkte dieſer mächtigen Felſenfeſtung, nämlich von dem Tarantapaß (15° n. Br.) überblickt man das eben entworfene Vege— tationsbild, auftauchend aus dem von Inſelgruppen getigerten Spie- gel des rothen Meeres, über welchem ein fortwährend wolkenloſer Himmel ausgeſpannt iſt. Der abyfjinifche Küſtenſaum, Samhara, der nirgend breiter als eine halbe Stunde iſt, erſcheint mit Mimoſen— geſträuch und Gras bewachſen, nur an den Strombetten, die ihn durchſchneiden, von kräftigem Baumſchlage überwuchert und am Ufer mit Gebüſchgruppen des grünglänzenden Salzbaum's 2 und des blät— terloſen Tarfa-Strauches 3 bedeckt. In den Monaten Mai bis Sep⸗ tember wird hier durch die drückende Sonnengluth alle Vegetation faſt vernichtet, ſo daß die Hirtenvölker ihre Heerden auf die Berghöhen treiben müſſen, wo um dieſelbe Zeit die Tropenregen das Land be— wäſſern; denn die abyſſiniſchen Grenzgebirge ſetzen der Herrſchaft der indiſchen Monſune ihre Schranke. — Auch Schoa, auf der Süd— ſeite Abyſſiniens, theilt mit Tigre denſelben Charakter; auf den Sand— ſteinplateaus mit aufgeſetzten Felſenhöhen findet ſich der Det“, ein Wachholderbaum von 160’ Höhe von dem Wuchſe einer Cppreſſe nebſt Sykomoren, Eibenbäumen ' und Heideſträuchern. Das Klima iſt hier ein ungemein günſtiges, denn die mittlere Wärme von Anko— ber (95° n. Br. 8,200“ h.) beträgt 10,5, das Maximum 16° und das Minimum 4°. Allgemein wird hier ein Strauch“ cultivirt, deſſen Geſchmack und Wirkung mit dem Thee verglichen werden; außerdem . . . 2 sr ! Usnea. 2 Avicennia tomentosa.. ° Tamarix. Juniperus. Taxus. 6 Celastrus edulis. Oſtküſte von Afrika. 189 ſind die Haupterzeugniſſe Abyſſiniens: Mohrenhirſe, Weizen, Wein, Tabak, Zucker, Baumwolle, Orangen, Citronen, Granaten und an— dere Südfrüchte. Ackerbau und Viehzucht werden indeſſen in Schoa umfangreicher betrieben als in Amhara und zumal in Tigre. — Am Fuße der ſüdabyſſiniſchen Alpen finden ſich noch Tamarinden und zuletzt noch eine Aloe ?, worauf nach Tadſchura hin eine öde Steppe beginnt. Es iſt die Küſte Adel, die vor Beginn der Regenzeit wüſt und faſt waſſerlos, ohne alle Bodencultur erſcheint, mit den anbre— chenden Niederſchlägen aber ſtürmiſch und ungeſund iſt, ſo daß man ihr nicht zu nahen wagt. Mimoſen, auffallender Weiſe einige Pal— men 3, einige fleiſchige Euphorbien, der bekannte Myrrhenbaum! find faſt die einzigen Gewächſe. Die Myrrhe iſt der milchige Saft, wel— cher aus jeder Wunde herausfließt und an der Luft trocknet. Man ſammelt ſie im Januar, wenn die Knospen ſich entfalten und im März, zur Zeit der Fruchtreife. Die nun folgende Küſte bis zum Cap Gardafui, dem öſtlichſten Punkte Afrika's, enthält Gebirge und Hochebenen, die den zahlloſen Hirtenſtämmen der räuberiſchen Somalis als Weideplätze dienen. Von Ackerbau findet ſich keine Spur mehr. Von der Beſchaffenheit wie von dem Vegetationscharakter Afrika's bis zum Kaffernlande haben wir nur höchſt dürftige Nachrichten. Kaum die Küſten ſind uns bekannt, und von dem Innern wiſſen wir ſo gut wie gar nichts. Da die Länder, von denen hier die Rede iſt, unter dem Einfluß der Monſune ſtehen, ſo führt der periodiſch wiederkehrende Oſtwind natürlich die Regenzeit herbei. Nördlich vom Aequator iſt der Saum der Küſte Ajan meiſt ſandig und wüſt; in kurzer Entfernung vom Meere er— hebt ſich das Gebirge, deſſen Charakter vermuthlich mit dem von Abyſſinien übereinſtimmt, doch ſo, daß ſich mächtige Savannenpla— teaus an daſſelbe anlehnen. Bis zum 100 ſ. Br. erſtreckt ſich die Küſte Zangebar, eine flache, meiſt ſumpfige Ebene, welche von vie— len Flüſſen durchſtrömt wird. Sie iſt mit undurchdringlichen Tropen— wäldern bedeckt, deren feuchtem Boden beſtändig ungeſunde Dünſte entſteigen, welche jeden Aufenthalt gefährlich machen. Vor der Küſte liegt eine Reihe flacher, koralliniſcher Inſeln, die eine ergiebige Zucker ernte liefern. Unter 11° |. Br. beim Cap Delgado nähert ſich das Gebirge wieder dem Meere, die Küſte Moſambique wird hoch und Tamarindus indica. ? Alo socotorina. 3 Cucifera thebaica, Phoenix. * Balsamodendron Myrrha. 190 J. Die Aequatorialzone. erſtreckt ſich bis zum Zambeſeſtrom. Von der Beſchaffenheit des im Innern liegenden Lupata-Gebirges, ſo wie von dem ſehr großen Mo— ravi⸗See unter 10e ſ. Br. weiß man in rein geographiſcher Bezie— hung ſo wenig, daß die Pflanzengeographie noch lange wird warten müſſen, ehe ſie dieſen Diſtricten einige Aufmerkſamkeit zuwenden kann. B. Aſien. Von dem Feſtlande Aſiens erſtrecken ſich nur die ſüdlichſten Theile der beiden oſtindiſchen Halbinſeln in die Aequatorialzone hinein. Der Charakter dieſer Theile hängt indeſſen ſo innig mit ihrem Ganzen zuſammen, daß wir die Betrachtung derſelben uns zweckmäßiger für die tropiſche Zone aufbewahren. Wir richten daher unſere Aufmerk⸗ ſamkeit zunächſt nur auf die Inſeln des Indiſchen Oceans. Die Lakediven und Malediven, weſtlich und ſüdweſtlich von Vorderindien gelegen, find niedrige Koralleninſeln, von denen die er— ſteren äußerſt unfruchtbar ſind und nichts als Cocospalmen hervor— bringen. Die Malediven, ebenfalls mit Cocospalmen bewachſen, ſind ein wenig fruchtbarer und geſtatten auch den Anbau von etwas Reis. Hier werden auch die Früchte der ſogenannten Meercocospalme! viel- fach angetrieben, die auf den Sechellen wächſt und von der man die abenteuerlichſten Dinge gefabelt hat.) — Südöſtlich von Vorderin— dien aber liegt Ceylon, eine der ſchönſten Inſeln auf der ganzen Erde, die ſchon vom Meere aus einen reizenden Anblick gewährt. Die prachtvollen Ufer ſind ringsherum mit einem großen zuſammenhan— genden Walde aus Cocospalmen und Brotbäumen? bedeckt, zwiſchen denen beſonders an der Weſtküſte der Zimmetbaum ® und andere lor— beerartige Gewächſe auftreten. Das Innere der Inſel iſt ein Pla⸗ teau von 2000 — 4700’ Höhe, mit kegelförmigen Gipfeln beſetzt und von den lieblichſten Thälern durchſchnitten. Die Bergabhänge ſind bis zum äußerſten Gipfel mit dem herrlichſten Walde bedeckt, und in ihren Engſchluchten ſtürzen prachtvolle Cascaden und ſchäumende Ka— tarakten herab. Nur der nördliche Theil der Inſel iſt flach. Der Anbau iſt zwar nicht bedeutend; indeſſen gedeihen Reis, Pfeffer, Thee und ganz beſonders die Kaffeepflanzungen vortrefflich. Die wichtig— ſten Handelsartikel ſind jedoch der Zimmet und beſonders die Cocos— Lodoicea maldivica s. Sechellarum. 2 Artocarpus. Laurus Cinna- momum. *) Vergl. Okens allg. Naturgeſchichte, Bd. 3. S. 691. Sumatra. 191 palmen, aus deren Faſern jährlich über 3 Mill. Pfd. Tauwerk berei- tet werden, und die außerdem eine ungeheure Menge Oel und Arrak liefern. ? | Im Süden von Hinterindien beginnt mit dem aſiatiſchen Archi— pel ein ganz neuer Vegetationscharakter. Die Inſel Sumatra iſt auf der weſtlichen Seite von einer Bergkette durchzogen, deren höchſte Gipfel ſich bis zu 9000“ erheben; die größere Oſthälfte dagegen bil— det eine weite Fläche angeſchwemmten Bodens, der von zahlreichen Flüſſen durchſchnitten und mit Moräſten erfüllt iſt. Die ganze Inſel trägt den Charakter tropiſcher Wildniß. Beſonders treten hier, wie auf den Inſeln des indiſchen Archipels überhaupt, die zahlreichen Ar— ten von Feigenbäumen auf, welche vorzüglich die niedriger gelegenen Wälder bilden. Das Geſchloſſene und Dunkele, die Dichtigkeit und Höhe der Waldung, die feuchte dumpfige Luft bildet ihren weſentli— chen Charakter. Ungemein ſchnell entwickeln ſich dieſe Stämme und zeichnen ſich durch ungeheure Dicke, durch ihren unregelmäßigen Wuchs, ſo wie durch die weite Verzweigung aus. Dabei bleibt die Holzmaſſe weich, oft ſchwammig, und eine Menge von Schmarotzergewächſen und Schlingpflanzen belebt die Rinde der aus dem feuchten Moderboden emporſtrebenden Bäume. Eine zahlreiche Menge von Affen ſpringen ſchreiend auf den hohen Zweigen umher, und das Dickicht wird überall von dem bunten Chor der Vögel belebt. Im Uebrigen iſt die Vege— tation der Inſel noch wenig durchforſcht; nur einzelne Erſcheinungen haben die Aufmerkſamkeit der Reiſenden beſonders gefeſſelt, wie der Campherbaum , welcher in der 500 — 6000 hoch liegenden Eichen- region wächſt und die ſeltene Höhe von 200’ erreicht. Eben ſo iſt die bereits erwähnte Rieſenblume? eine auffallende Erſcheinung, de— ren ſtengelloſe, von großen blattartigen Schuppen umgebene Blüthe durch ihren pilzartigen, dem Rindfleiſch ähnlichen Geruch eben ſo merkwürdig iſt als dadurch, daß ſie die größte Blume der Welt iſt. Den merkwürdigſten Eindruck machen indeſſen die überall verbreiteten Pfefferplantagen. Man zieht hier nämlich den Pfeffer an den Zwei— gen einer prachtvoll blühenden Leguminoſe, einer Corallenbohne ?, welche ſich beſſer dazu eignet als hölzerne Stangen, die in dem ſum— pfigen Boden bald faulen würden; auch dauert die Pfefferpflanze meh— rere Jahre und würde durch Einſetzen neuer Stangen beſchädigt wer— 1 . . . Camphora officinarum, s. Laurus Camphora. 2 Rafflesiıa Arnoldi. 5 P 3 Erythrina corallodendron. 192 J. Die Aequatorialzone. den. Außerdem aber dienen nicht nur die kleinen Dornen, mit denen der Stamm dieſer ſchnell wachſenden Staude beſetzt iſt, der Pfeffer— pflanze als treffliche Anhaltepunkte, ſondern die an der Spitze in Form eines Fächers beſchnittenen Blätter geben ihr auch den gehörigen Schatten, ohne welchen der Pfeffer bekanntlich nicht gedeihen kann. Sobald dieſe Erythrinen in Blüthe ſtehen, erſcheint die ganze Plan— tage wie mit einem Scharlachtuch bedeckt, denn man läßt die Stau— den nur 15 in die Höhe treiben, worauf man die Spitzen derſelben abſchneidet. Der Ertrag des Pfeffers pflegt von 1000 tragbaren Stöcken 400 — 450 Pfund zu fein. Nächſt dem Pfeffer iſt der Kaffee das bedeutendſte Ausfuhrprodukt Sumatra's. Die wichtigſten Getrei— dearten dieſer Inſel ſind der Reis und der Mais, mit deren Anbau man auf den meiſten Feldern zu wechſeln pflegt, ſo daß man von einem Felde nach einer 30 — 50 fältigen, bisweilen ſogar 70 —80fäl— tigen Reisernte in demſelben Jahre noch eine 300 fältige Maisernte erhält. Außerdem werden Bataten, Arons- und Yamswurzeln, und ſeit einiger Zeit ſelbſt die Kartoffel gezogen; eben ſo Tabak, Gurken, Waſſermelonen, Baumwolle, Indigo, aber ſeltener die Cocospalme. Als beſonders merkwürdig iſt noch zu erwähnen, daß der Wein hier ganz vortrefflich gedeihen ſoll, obgleich Sumatra gerade unter dem Aequator liegt; die Eingeborenen eultiviren ihn indeſſen nicht. Eben ſo haben die Franzoſen zu Pondichery Fe n. Br.) den Wein mit dem beiten Erfolge angebaut. Die öſtlich von Sumatra gelegene Inſel Borneo, über welche die mit der Nordküſte parallel laufenden Gebirgszüge nach allen Sei— ten große Ströme ausſenden, iſt überall mit Wäldern bedeckt, die den Charakter äquatorialer Fülle in reichſtem Maße zeigen. Beſonders fallen in den Wäldern von Sarawak (2° n. Br.) die als Schmarotzer— gewächſe erſcheinenden Alpenroſen! auf. Das ganze Jahr hindurch finden atmoſphäriſche Niederſchläge ſtatt, ſo daß die Entwickelung der Vegetation nicht die geringſte Unterbrechung erleidet. Im Ganzen ſteht Borneo der Inſel Java wohl näher als Sumatra. An der Küſte, die nicht überall ſchlammig iſt, wechſeln Mangrovewälder mit Caſuarinen, während der ſalzhaltige Marſchboden mit der Nipapalme bedeckt iſt; die höher liegenden Theile der Gebirgskette ſind mit einem einförmigeren Coniferenwalde bekleidet. Als einheimiſche Nutzgewächſe find beſonders mehrere Palmen wichtig: Nibong-, Cocos-, Sago Rhododendron. 2 Metroxylon. Java. 193 und Zuckerpalmen n, und für den auswärtigen Handel: Campher ?, vegetabiliſches Talg 2, Guttapercha * und Kautfchuf °5 auch der be— rühmte giftige Antſchar findet ſich auf dieſer Inſel. — Celebes, das merkwürdig zerriſſene Eiland, auf deſſen nordöſtlichem Theile ſich mehrere Vulkane erheben, iſt in Beziehung auf Klima und Produkte den benachbarten Inſeln ähnlich, doch fehlt es an näheren Nachrich— ten über ſeine Vegetation. Die ſchönſte unter den Sundainſeln aber iſt Java. Sie zeigt eine Ueppigkeit der Vegetation, wie ſie auf der öſtlichen Halbkugel wohl nirgend wieder gefunden wird; aber ganz Java ruht auch auf einem Heerde unterirdiſchen Feuers, das noch jetzt unaufhörlich thätig iſt und ſeine Wirkungen faſt überall offenbart. Das Gebirge durch— zieht die Inſel in zwei Ketten, die abwechſelnd an der Süd- und Nordſeite fortlaufen, und über deren Kamm ſich Höhen von 10—14,000' erheben. Die kegelförmigen Gipfel ſind mit Kratern bedeckt, die theils erloſchen find, theils in fortwährender Thätigkeit ſich befinden, fo daß fie bei Nacht den Seefahrern als Leuchtfeuer dienen. In dem weſtlichen Theile der Inſel ſind die Gebirgsabhänge weit und breit mit den ſo— genannten Roſamala-Wäldern bedeckt, gebildet aus den Amberbäu— men , die ſchon aus weiter Ferne an dem ſchlanken Wuchſe und der weißen Farbe ihrer 150— 200“ hohen Stämme zu erkennen ſind. Dieſe ſchönen hellbelaubten Bäume, deren Krone eine große Aehnlichkeit mit den Pappeln hat, beſchatten ein Dickicht von Bananen, Blumenroh— ren ', myrtenähnlichen Gewächſen ?, Rohrpalmen und Brombeerge— ſträuch » und bilden in der Bergregion von 2000 — 4000“ den Vege— tationscharakter. Ein Reichthum von aromatiſchen Pflanzen m erfüllt dieſen Theil des Gebirges mit dem kräftigſten Wohlgeruch. Darüber erſcheint eine Region, gemiſcht aus Lorbeer-, Eichen- und Kaſtanien— bäumen, reich an Schlinggewächſen nn und Paraſiten 12, beſonders Orchideen und Farnen, und von 5000 — 9000 treten ſchlanke Farıız bäume ns von 15 — 20“ Höhe auf, die, wie fo häufig auf den oſtin— diſchen Inſeln, in ſolchen Maſſen erſcheinen, daß ihre Stämme wie die unſerer ſchlanken Fichten und Tannen in den Schonungen dicht beiſammen ſtehen. Doch nur ein einziges Beiſpiel eines ſolchen Arenga saccharifer.. 2 Dryobalanops camphora. Dipterocarpus. * Isonandra. 5 Urceola. „ Liquidambar Altingiana. 7 Scitamineen. ® Me- lastomen. 9 Rubus. 1 Rubiaceen. '! Freycinetia. "2 Nepentlies. "3 Cyathea oligocarpa. 13 194 I. Die Aequatorialzone. Gipfelwaldes exiſtirt auf der ganzen Inſel; alle übrigen Berge find weit unter dieſer Höhe kahl, mit Lavageröllen überſchüttet, oder mit Grasmatten bedeckt. Die obere Waldregion, faſt überall von Caſua— rinen gebildet, geht auf der ganzen Inſel bis 7000“ — Auf den Hü— gelketten an der Südküſte wechſeln feuchte Urwälder mit lichten Hai— nen des ſchlanken Tekbaums !, deſſen 2—3“ lange, dunkelgrüne Blät⸗ ter mit feinen weißen Punkten beſtreut ſind, und der auf dem Gipfel ſeiner Aeſte mächtig große Blüthenrispen von röthlich-gelber Fär— bung trägt. An anderen Stellen finden ſich niedrige Leguminoſen— bäume, deren Zwiſchenräume von einem Dickicht hohen Graſes, dem Allang-allang des Javaneſers ausgefüllt werden. Am mächtigſten aber erſcheint die Vegetation bei Dſchadſchakerta, am Fuße des 8000’ hohen Vulkans Merapi. Hunderte von Baumarten, unter denen ſich kaum einer findet, der ſich nicht bis zu 100“ erhebt, bilden den hochgewölb— ten Urwald, deſſen fetter, ſchwammiger Humusboden mit einem unge— heuren Reichthum von Pilzen ausgeftattet iſt. Feigenbäume, Urticeen und Magnolien ſind die Hauptformen, in deren Schatten Melaſtomen, Bananen und Blumenrohre ſich finden. Ueber dieſem Urwalde er— ſcheint eine Region von mächtigen Eichen 2, deren hohe Stämme bis zum Gipfel mit Orchideen und anderen Schmarotzergewächſen, mit fußlangen Bartflechten und Mooſen bekleidet find; Palmen s und Farnbäume * wachſen dazwiſchen. Statt der Nadelhölzer tritt über der Eichenregion ein Laubwald auf, der an einigen Stellen aus einem Ulmenähnlichen Baume s, an anderen aus einer Acacie“ gebildet wird; hier iſt der Boden ſchon hin und wieder mit großen vulkani— ſchen Geröllen bedeckt, zwiſchen denen Brombeergeſträuch und niedere Farne hervorſprießen. Endlich erſcheinen Eriken, die nebſt anderem niederen Geſträuch, Farnen ' und Mooſen die alpine Region bis zum Kraterrande bilden. — Weſtlich vom Merapi ſind die Wälder faſt ausgerottet; im öſtlichen Theile der Inſel dagegen erſcheinen vorzugs— weiſe Caſuarinen . — Um Batavia, dem Hauptorte der Inſel, giebt es zwar keine urſprünglichen Wälder mehr, dafür aber waldähnliche Anpflanzungen, welche Alles vereinigen, was die tropiſche Vegetation an Prachtgewächſen hervorbringt. Laubhölzer mit großen, ſchönge— formten Blättern ſtehen neben den ſtolzen Palmen, mächtige Brot— 3 Areca humilis. * Chnoo- ' Tectonia grandis. Quercus pruinosa. phora glauca. ° Celtis. , ® Acacia montana. Polypodium vulcanicum. 8 Gasuarina equisetifolia. Java, Timor, Amboina. 195 bäume neben dem ſchlanken Bambusrohr, glänzende Myrten und Euge— nien wechſeln mit zartblättrigen Tamarinden, und das rieſenhafte Blatt der Piſangſtaude blickt überall dazwiſchen hindurch. Hier verbindet ſich die Kunſt mit der üppigſten Natur: „die Gegend wird zum Pa— radieſe; es blüht die ganze weite Welt.“ — Die Kaffeeplantagen ge— hen bis 3000 und 4000“ auf die Berge, faſt eben ſo hoch die An— pflanzungen des Brotbaums und der Zuckerpalme *; der Weinſtock bringt hier außerordentlich große Trauben zur Reife, die der beſten Sorte aus Portugal gleichen; die Dattelpalme iſt aus Perſien hier— hergekommen und gedeiht vorzüglich; die Pfefferpflanze trägt oft ſo ſtark, daß man der vielen Früchte wegen die Blätter kaum ſieht; das Zuckerrohr wird in großem Umfange gebaut und giebt einen bedeu— tenden Ertrag; und vom Thee hat man ſchon vor 20 Jahren jähr- lich 14 Mill. Pfund gewonnen, fo daß die Holländer jetzt wohl ihren ganzen Bedarf an dieſer Pflanze aus Java beziehen können. — So— mit möchte es unter den oſtindiſchen Inſeln wohl keine zweite geben, die ſich Java an die Seite ſtellen kann. Von Java aus geht die eben geſchilderte Vegetation in allmäli— ger Abnahme auf der Kette der kleinen Sundainſeln bis nach Timor, welches eine Vegetationsgrenze zu bilden ſcheint. Am Meeresufer hat die Pflanzenwelt noch ganz den indiſchen Charakter; auf den Höhen aber, im Innern der Inſel, hat ſie ein afrikaniſches Gepräge, wie Madagaskar, Mauritius und Bourbon es zeigen. Die Abhänge der Berge ſind nur dünn mit Bäumen beſetzt, und die Caſuarinen in den offenen, weiten Thälern haben ein verwelktes Anſehen; nur die waſſer— reichen Bergabhänge längs des Seeſtrandes ſind mit anmuthigen Palmenwaldungen? bedeckt. Die Vulkankette der kleinen Sundain— ſeln ſchließt mit den kleinen Inſeln Nila und Siroa. Von hier aber beginnt eine neue Vulkanreihe, die ſich nach Norden zieht; es ſind die Molucken und Philippinen. Amboina, die Hauptinſel der Molucken, ragt nur in mäßiger Höhe aus dem Meere empor, und die Spitzen ihrer Hügel und nie— drigen Berge ſind theils nackt, theils mit dichtem Wald bedeckt. In den düſteren Thälern aber und längs des Seeufers findet ſich meiſt hoher Wald mit einer reichen und kräftigen Vegetation, während an anderen Stellen die Cocos- und Sagopalmen wunderbar gegen die dürre, ſandige Küſte abſtechen. Südöſtlich davon liegt Banda, be— Arenga saccharifera. 2 Corypha gebanga. 13 * 196 J. Die Aequatorialzone. rühmt wegen ſeiner Muskatbäume, und alle übrigen nach Norden ſich hinziehenden Inſeln dieſer Gruppe ſind mit der ganzen Pracht und Fülle einer Tropenvegetation ausgeſtattet, bei deren Bewunderung das Auge nie ermüdet. Faſt um alle Häuſer und auf den Feldern iſt der Brotbaum angepflanzt, von dem das gemeine Volk faſt allein lebt; aber auch die Sagopalme! ſpielt eine wichtige Rolle in dem Haus— halt der Bewohner dieſer Inſeln. Sie bereiten aus dem Marke der— ſelben ein wohlſchmeckendes Brot, welches in viereckig ausgehöhlten, hinlänglich erhitzten Steinen gebacken wird. Ein einziger Stamm dieſer Palme liefert im funfzehnten Jahre an 600 Pfd. Sago, und auf einem Morgen *) Landes können an 500 Sagopalmen gezogen wer— den. Gleichzeitig wird hier auch ein Knollengewächs, die Tacca ? ge— zogen, deren Wurzeln zwar ſcharf und bitter ſind, aber durch die Zu— bereitung ihre ſchädlichen Eigenſchaften eben ſo verlieren wie die übri— gen Knollengewächſe, deren wir im zweiten Abſchnitt erwähnt haben. Unter den Philippinen iſt Luzon, die mit ihrem nördlichen Theile ſchon in die tropiſche Zone hineinragt, an der Südſeite beſon— ders mit einer Reihe dicht gedrängter Vulkane beſetzt. Sie entwickelt noch ganz die Pracht der Aequatorialzone. Ringsumher liegen frucht— bare Felder, auf denen man jährlich vier mal erntet, 2 mal Reis, 1 mal Melonen und 1 mal Mais; die herrlichſten Wieſen find an ihren Grenzen von hohem Bambusrohr beſchattet; überall finden ſich herrliche Piſangpflanzungen, aus denen die ſchlanke Arekapalme maje— ſtätiſch emporragt; Tamarinden und Mangobäume zieren die Gärten, die in dem reizendſten Blumenflor prangen, und deren lebendige Zäune aus Kaffeeſträuchern, Baumwollenſtauden oder Orangen beſtehen. Das Zuckerrohr wird ebenfalls gebaut, doch benutzt man es nicht zur Zuckerbereitung, ſondern bloß zum Eſſen. Der wichtigſte Gegenſtand der Cultur aber iſt hier der Tabak, deſſen Anbau noch dazu monopo— liſirt iſt. Die Cigarren von Manila ſind weltberühmt; Tauſende von Männern und Frauen ſind mit ihrer Anfertigung in großen Fabriken beſchäftigt, und überall im Lande ſieht man die Beamten umherwan— dern, um auf die unerlaubte Cultur des Tabaks zu achten. — Steigt man auf die Berge, ſo erblickt man in den Wäldern die mächtigen Feigenbäume, von wuchernden Schmarotzerpflanzen mit einem dichten Gitterwerk umzogen; reizend ſchöne Farrnkräuter hängen in 40 — 50 ' Sagus Rumphii. 2 Tacca pinnatifida. *) von 180 Je. Philippinen. Neu-Guinea. 197 langen Ranken! von den Gipfeln der Bäume herab, oder überziehen große Flächen der Aeſte mit ihren hellbraunbeſchuppten Wurzeln, aus denen die hellgelbgefärbten Wedel ? in eigenthümlichem Contraſt mit der dunkelgrünen Belaubung hervorragen; von den Blüthenſtengeln der kletternden Trompetenrebes hängen 2— 3“ lange Schoten herab, und die mächtigen Eichſtämme ſind mit den zierlichſten Orchideen ge— ſchmückt, die, obwohl ſelbſt Schmarotzergewächſe, auf ihren Blättern wieder mit den niedlichſten Jungermannien überzogen ſind. Die ſum— pfigen Ufer der Inſel aber ſind in ausgedehnten Flächen mit der ge— ſelligen Nipapalme bedeckt, welche häufig an die Mangrovewaldun— gen grenzt. C. Polyneſien. Den Molucken zunächſt liegt das zur auſtraliſchen Inſelwelt ge— hörige Neu-Guinea, eine große Inſel, die ſteil aus dem Meere emporſteigt und ringsherum äußerſt maleriſche und romantiſche An— ſichten darbietet. Die Berge, welche ſich im Hintergrunde zeigen, er— ſcheinen bald als Kegel, bald als Sättel und in mannigfaltigen ans deren Geſtalten, doch ſcheint keiner über die Grenze des Baumwuchſes hinauszuragen. Der Vegetationscharakter ſtimmt noch ganz mit dem der bisher betrachteten Inſeln überein und ſchließt ſich in keiner Be— ziehung dem des nördlichen Neu-Holland an, deſſen Darſtellung wir uns gleichfalls für die nächſte Zone vorbehalten. Schon in einer Entfernung von 24 Meilen vom Cap Pork zeigen die kleinen Inſeln der Torresſtraße dichte, ſchattenreiche Wälder mit kräftigem Unterholz und einer Fülle von Lianen; kein auſtraliſches Gewächs, beſonders keine Acacie hat dieſen Boden erreicht, mit welchem hier ſchon der Vegetationscharakter von Neu-Guinea beginnt. Cocospalmen, Bana— nen und Bambuſen ſind allgemein, die weitverzweigten, mit Lianen durchwobenen Laubkronen der Waldbäume gewähren den erfriſchendſten Schatten, und Sagopalmen nebſt unzähligen anderen Pflanzen eines feuchtwarmen Klima's begrüßen den Seefahrer an der Südoſtküſte, de— ren Geſtade übrigens ſumpfig und reich an ungewöhnlich hohen Wald— bäumen ſind. Vom März bis zum October herrſcht hier eine naſſe Jahreszeit, während der Nordrand Neu-Hollands gerade um dieſe Zeit am trockenſten iſt. Die übrigen größeren Inſeln dieſer Zone ſind gering an Zahl, ' Lygodium. 2 Polypodium. Biguonia grandiflora. 198 | J. Die Aequatorialzone. die anderen von wenig Bedeutung; außerdem aber ſtimmt ihr Vege— tationscharakter jo ſehr mit dem der übrigen Sübdſeeinſeln überein, daß wir das geſammte Polyneſien beſſer bei der tropiſchen Zone be— trachten. Nur der Galapagos- oder Schildkröten-Inſeln wol- len wir hier aus beſonderen Gründen erwähnen. Gerade unter dem Aequator gelegen, 120 Meilen von der Weſtküſte Südamerika's und mehr als 600 Meilen von der nächſten Inſelgruppe des ſtillen Oceans entfernt, find fie für die Löſung einiger allgemeinen Fragen der Pflan⸗ zengeographie wohl der wichtigſte Punkt der Erde. Zehn Inſeln bil— den dieſe Gruppe, bei deren Umſchiffung ſich eine wilde und großar— tige Scene entfaltet. Ungeheure Krater erheben ſich 3 — 4000“ hoch ſteil aus dem Meere; erſtaunliche Maſſen ſchwarzer Lava liegen rings umher zerſtreut und laſſen auf einen ungeheuren Schmelzofen ſchlie— ßen, der in beträchtlicher Tiefe ruht, denn das Meer dicht bei den Inſeln iſt unergründlich. Obwohl unter dem Aequator gelegen, iſt ihr Klima in Folge der niedrigen Temperatur des ſie umgebenden Meeres ein verhältnißmäßig mildes. Die Wolken hangen niedrig an den Bergen, und während die mit neueren Lavamaſſen bedeckte Küſten— region, wo es ſelten regnet, völlig wüſt erſcheint, zeigt ſich in einer Höhe von 1000“ eine ziemlich üppige Vegetation. Da die Inſeln noch größtentheils unbewohnt ſind, ſo erſcheinen ſie in ihrem völligen Naturcharakter, ſo daß es leicht iſt, die urſprünglich hier erzeugten von den auf natürlichem Wege eingewanderten Pflanzen zu unterſcheiden. Von 265 geſammelten Pflanzen ſind 121 den Inſeln urſprünglich eigenthümlich, die anderen müſſen alſo eingewandert ſein. Dabei ſind gerade die öſtlichſte und die weſtlichſte Inſel die unfruchtbarſten, ſo daß die Einwanderung von Amerika, wie von den Südſeeinſeln her bedeutend erſchwert iſt. Die untere Region bis zu 1000’ Höhe ent— hält nur einige Euphorbien, einige von Weſtindien eingewanderte Acacien und eine Cactusart! mit großen, ovalen, zuſammengedrückten Gliedern, die dem walzenförmigen Stamme entſpringen. In der ne— belreichen Region findet ſich ein Wald, zumeiſt aus baumartigen Syn— geneſiſten beſtehend, dem es auch nicht an Lianen (Paſſionsblumen und Trichterwinden) ſo wie an Schmarotzern (Orchideen und Miſteln) fehlt. Gräſer und Farne wachſen dazwiſchen, aber keine baumarti— gen; eben fo fehlt es an Palmen, wie denn überhaupt die Monoco— tyledonen in geringer Anzahl vorhanden ſind. Opuntia galopagea. Guatemala. 199 D. Amerika. Auf dem Feſtlande von Amerika betreten wir in der Aequato— rialzone zuerſt das Gebirgsland Guatemala, in welchem Bergketten mit mäßigen Plateauerhebungen mannigfaltig abwechſeln. Auf der langen Küſtenlinie iſt die Vegetation überall dem feuchten Tropen— klima angemeſſen, und das Geſtade meiſt mit dichtem Urwald be— deckt, der vorzugsweiſe Mahagonybäume und zahlreiche Sonnenblu— menſtauden ! enthält, überhaupt mehrfach an mexicaniſche Formen ers innert. Das Gebirgsland ſelbſt zerfällt in drei deutlich geſchiedene Gruppen: 1) die von Guatemala; 2) die von Nicaragua und Hon— duras; 3) die von Coſtarica. — Die Gruppe von Guatemala bildet ein zuſammenhangendes Hochland, beſtehend aus Bergketten und Pla— teaus, doch häufig durchfurcht von tiefen Thälern, die von dem ca— raibiſchen Meerbuſen her weit landeinwärts reichen; beſonders iſt auch die ganze Küſte der Hondurasbai von hohen Gebirgen umgeben. Während die Gebirge dieſer Gruppe mit Mahagonywäldern bedeckt ſind, unterſcheidet man auf dem Plateau ſelbſt zwei Terraſſen, deren eine mit Fichten 2 bewachſen, wie ein ungeheurer Park erſcheint, am Boden mit dem herrlichſten Raſen geſchmückt, während die andere mit einem Walde voll gigantiſcher Wollbäume bedeckt iſt, nach allen Rich— tungen mit herrlichen Schlingpflanzen durchzogen. Der Weizen und alle übrigen Getreidearten geben hier die ergiebigſten Ernten, und auch der Weinſtock wird mit Vortheil cultivirt. — Durchſchreitet man das weite und breite Querthal, welches unter dem Namen Llanura be— kannt iſt, ſo erreicht man nach Oſten die zweite Gruppe, die von Ni— caragua und Honduras, ein weitgeſtrecktes Tafelland, in deſſen ge— mäßigten und kühlen Luftſchichten ein ewiger Frühling herrſcht, in dem man nichts von der glühenden Tropenhitze weiß. Nach Süden ſtürzt dies Plateau 7700“ tief nach dem Nicaraguaſee ab, der den Mittelpunkt eines weitgedehnten Thales bildet, an welches ſich nach Süden hin die Gruppe von Coſtarica anſchließt, ein kleines Plateau von 34000“ Höhe, von Vulkanen rings umgürtet. Auf Panama finden ſich längs des caraibiſchen Meeres überall nur iſolirte Bergkuppen. Der öſtliche Abhang dieſer beiden letzten Gruppen iſt faſt unbewohnt, von unzugänglichen Urwäldern bedeckt und wegen ſeines ungeſunden Klima's verrufen. Das Ufer ſelbſt, die flache und niedrige Mosqui— ! Heliantheen. 2 Pinus occidentalis. 200 I. Die Aequatorialzone. toküſte, bildet eine platte Waldebene, die reich an hohen und ſchönen Palmen iſt. | In Südamerika, an deſſen Weſtküſte ſich die mächtigen Cor⸗ dilleren entlang ziehen, tritt in dieſer Zone nordweſtlich vom Titicaca— See zunächſt der Gebirgsknoten von Cuzco auf, der größte der ganzen Andeskette. Bald darauf ſpaltet ſich das Gebirge in zwei Ketten, die ſich unter 10 ſ. Br. in dem Knoten von Huanuco und Pasco wie— der vereinigen, deſſen 11,000“ h. Plateau noch Gipfel von 14— 15,000“ trägt. Hierauf theilt ſich das Gebirge in drei Ketten, die nach nord— weſtlicher Richtung verlaufen und die Thäler des Rio Huallaya und des oberen Marannon bilden. Die öſtlichſte dieſer Ketten verläuft ſchon unter 4° ſ. Br. in eine Hügelreihe; die mittlere, die in dieſer Gegend eine anſehnliche Breite erhält, wird weiter nördlich von dem nach Oſten fließenden Marannon durchbrochen; die weſtlichſte endlich läuft 3 — 10 Meilen von der Küſte entfernt, immer parallel mit der— ſelben, doch ſo niedrig, daß keiner ihrer Gipfel die Schneeregion er— reicht, bis in die Nähe des Chimboraſſo. Die ganze Breite dieſes Gebirgsterrains beträgt etwa 60—80 Meilen. Nachdem der weſtliche Gebirgsarm unter 6° Br. wieder mächtig angewachſen iſt, erſcheint nördlich von dem 20,100“ h. Chimboraſſo die Hochebene von Quito, gerade vom Aequator durchſchnitten. Unter 2° n. Br. theilt ſich das Gebirge abermals in drei Ketten und bildet ſo die beiden Thäler des Cauca- und Magdalenenfluſſes. Die öſtlichſte, die von Cundinamarca, verläuft in ihren äußerſten Verzweigungen bis an das caraibiſche Meer, öſtlich vom Maracayboſee; die Centralkette, die von Quindiu, erreicht ihr Ende durch die Vereinigung der beiden genannten Flüſſe, und die weſtliche Cordillere verläuft bis zum Golf von Darien, wäh— rend die Hügelreihen an der Weſtküſte auf der Landenge von Panama ſich an die Hügel der Gruppe von Coſtarica anſchließen. Die peru aniſche Küſtenregion bildet einen Sandſtreifen von 540 Stunden Länge und 6 — 20 Stunden Breite, der vielfach von Flüſſen durchſchnitten wird. Dieſe verwandeln die vegetationsloſe, oft ſelbſt mit feinem Triebſande bedeckte Steppe an ihren Ufern in Oaſen der Cultur. In der heißen Jahreszeit, die vom November bis Ende April dauert, herrſcht hier eine mittlere Temperatur von 21,5, wenn aber vom Mai bis October die Garua's ihren Nebelſchleier über die Ebene ausbreiten, der im Auguſt und September am dichteſten iſt, ! Iriartea exorrhiza. Cordillere von Peru. 201 dann ſinkt die Temperatur auf 15, 8 herab, die Steppe bedeckt ſich mit Grün und treibt viele Lilienformen zur Blüthe. Bei Guayaquil (2° ſ. Br.) beginnen die tropiſchen Regen um Neujahr, und weiter nordwärts treten ſie allmälig ſpäter ein. Sie ſcheiden überall das Jahr in zwei Vegetationsperioden, mit Ausnahme der Bai von Choco, wo es 10—11 Monate regnet. In der Nähe von Guayaquil erſchei— nen wegen der Nähe der Garua's die Wälder noch arm an Baum— formen, beſonders fehlt es an Farnen; ja nördlich davon kehren ſogar noch wüſte Strecken wieder, aber nördlich vom Aequator gewinnt die Vegetation an Mannigfaltigkeit und Kraft und nimmt bis zur Bai von Choco zu, wo die andauernden Niederſchläge eine ewig grünende und ſtets blüthenreiche Vegetation hervorbringen. Farnbäume und Orchideen erſcheinen häufig, Cactusgewächſe dagegen fehlen. Indeſſen iſt hier zugleich ein Wendepunkt für die Vegetation, die nach Norden eben jo ſchnell wieder abnimmt, fo daß bei Panama (9° n. Br.), wo die beiden Jahreszeiten wieder regelmäßig wechſeln, die für die Cor— dillere ſo charakteriſtiſchen baumförmigen Cacten nebſt anderen flei— ſchigen Gewächſen auftreten. — Ueber dem eben beſchriebenen Küſten— ſtrich erhebt ſich von 1500 bis zu 4000 Höhe die fächerförmige Aus— breitung der weſtlichen Cordillerenthäler, die zur Zeit der Garua's eine wirkliche Regenzeit haben. In dieſer Region, die waldlos er— ſcheint wie die ganze Weſtabdachung, iſt die mittlere Temperatur noch höher als an der Küſte: in der heißen Jahreszeit 23, %, in der Re— genzeit 18,%. Die Vegetation erſcheint hier nicht ſehr üppig. Eine Wieſendecke fehlt dem Boden, auf welchem die größte Schwüle laſtet, aber immergrüne Sträucher und Bäume kommen vor, und die Pal— men und Bananen erreichen hier ihr Maximum. Die eultivirten Strecken aber zeigen eine außerordentliche Fruchtbarkeit. Noch bei 3600“ Höhe gedeiht das Zuckerrohr vortrefflich, und Anonen “ und Paſſifloren 2 liefern genießbare Früchte; außerdem werden Bananen, Cocospalmen, Baumwolle, der Kaffee- und der Cacaobaum und als Hauptgetreide der Mais cultivirt. — Die dritte Region von 4000 bis 11,500“ Höhe iſt in ihrem unteren Theile ſanft geneigt, nach oben aber ſteil abfallend. Die Luft in dieſen engen, holzarmen, an Cactus— gewächſen aber reichen Querthälern iſt trocken, und die Sommer— nächte find kühl (8°), während im Winter die mittlere Tagestempe— ratur noch 15° beträgt. Bis zu 6600“ Höhe find die ſchattigen Berg— ' Anona uipetala. 2 Passiflora quadrangularis. 202 I. Die Aequatorialzone. gehänge zum Theil voll murmelnder Quellen, mit reiner und geſun— der Luft; beſonders treten Baumfarrn und Chinabäume *) auf, die letzteren bis zu 8000 und 10,000“ Höhe anſteigend. In dieſer Re— gion herrſcht in den fruchtbaren Strecken ein ewiger Frühling mit ſtets blühenden Feldern. Die europäiſchen Getreidearten beginnen hier in einer Höhe, wo ſie in den Alpen bereits aufhören und ſteigen bis zu 9600“ an; die Kartoffel gedeiht hier ſehr leicht und im Ueberfluß, und eben ſo beginnt hier die Cultur der Oca. — Die oberſte Region der weſtlichſten peruaniſchen Andeskette, an den Weſtabhängen von 11,000“ aufwärts und an der Oſtabdachung bis 14,000“ abwärts, zeigt im unterſten Theile noch langgeſtreckte, mit Eichen, Wintereen und Escallonien bewaldete Bergketten; der oberſte Theil aber iſt eine wilde Gebirgsgegend mit ſteilen Felsgehängen, zwiſchen denen kleine Thal— ebenen mit zahlreichen Alpenſeen ſich ausbreiten, von Gletſchern und ewigem Schnee umgrenzt. Scharfe, eiskalte Oſtwinde ſtreifen darüber hin, das Thermometer ſinkt in der heißen Jahreszeit bei Nacht unter den Gefrierpunkt, in der Regenzeit auf + 2°, während es ſich bei Tage in denſelben Jahreszeiten auf 9° und 6° hält, und die Vege— tation beſteht aus niedrigen Cacten und Alpenpflanzen. Auf der öſtlichen Abdachung der Cordillere Peru's laſſen ſich ebenfalls vier Regionen unterſcheiden, von denen die beiden oberſten waldlos, die beiden unteren bewaldet ſind. Die oberſte Region, von 14,000“ bis herab zu 11,000“ Höhe bildet ein großes, wellenförmig geſtaltetes Plateau, welches von dem oberen Lauf des Marannon durchſtrömt wird. Spärlich bewachſene Flächen wechſeln mit ausge— dehnten Sümpfen, Seen und Alpenbächen; nur Gräſer! und Alpen- kräuter 2 bilden die Vegetation, und in einer Höhe von 13,050“ wird die Gerſte nicht mehr reif. Die Temperatur dieſer Region iſt unge— mein ſchwankend und wechſelt in 24 Stunden oft um 22 bis 25 Grad; fürchterliche Gewitter entladen ſich in den Sommermonaten vom Sep: tember bis zum Mai, während zur Winterszeit der Himmel ſehr hei— ter iſt. — Die darauf folgende Region, welche bis zu 8000 herab— ' Stipa Ichu. 2 Compositeen, Leguminosen, Solaneen, Verbenaceen, Mal- pighiaceen. *) Der Verbreitungsbezirk von Cinchona condaminea iſt in Peru ein fehr enger und beſchränkt ſich auf die Gegend um den Aten Grad ſ. Br., in einer Höhe von 5 — 7000 F. Beſonders um Lora wächſt dieſer Baum Häufig und ge- ſellig. Erſt um die Mitte des 17ten Jahrhunderts kam die Fieberrinde nach Europa. Cordillere von Peru. 203 reicht, wird von der mittleren Cordillerenkette gebildet und beſteht aus offenen, weiten Flußthälern mit ſtarker Bevölkerung. Große Ebenen ſind hier auf unabſehbare Strecken mit gruppenförmig wachſenden Cereen bedeckt und geben der Landſchaft ein überraſchend fremdartiges, aber wenig erfreuliches Anſehen; nur an den Flußufern treten Gehölze von 20’ hohen Weiden; auf. Das Hauptgetreide iſt hier ſchon der Mais, und die europäiſchen Obſtbäume, ſelbſt Pfirſiche treten auf. — Die dritte Region, die öſtliche Abdachung des mittleren Laufs der Cordillere nebſt dem Längsthal des Huallaya, geht bis 5500“ herab und zeigt ſchroffe Thäler mit ſchmalen, bewaldeten Bergrücken. Ein rauhes, naßkaltes Klima charakteriſirt dieſe Waldgegenden, auf denen während der Nacht dichte Nebel ruhen, die ſich aber in den tieferen Thalgegenden in gewaltige Regengüſſe verwandeln, wo die niedrigen, moosbedeckten Geſträuche an Größe und Stärke zunehmen. Die Kar— toffel gedeiht hier reichlich, aber keine Getreidearten, da die Sommer— monate einen zu geringen Wärmegrad entwickeln. — Die unterſte Region, die bis zu 2000“ hinabgeht, beſteht aus unermeßlichen Wäl— dern, die mit Savannen und Sümpfen abwechſeln. Einzeln ſtehende Bäume und Sträucher ſind hier oft faſt ganz mit Tillandſien bedeckt, aus deren bleigrauem Laube ſich die prachtvollſten Blüthenähren er— heben, während die Blätter dieſer Schmarotzergewächſe wiederum mit goldgelben Flechten überzogen ſind. Die Feuchtigkeit in dieſer Region iſt bedeutend, und die Wälder derſelben bilden den Uebergang zu den Urwäldern des Amazonenſtroms. Der von Quito aus nach Norden hinziehende Theil der Anden iſt dem eben geſchilderten in ſeinem Vegetationscharakter mehr oder weniger ähnlich, meiſt waldreich, jedoch im Ganzen lieblicher, da das Gebirge allmälig ſich abdacht. Auf der Cordillere von Quindiu tritt die Wachspalme auf, die auf Berghöhen von 9000’ noch 160 — 1807 Höhe erreicht, während ſonſt die Palmen ſelbſt zwiſchen den Wende— kreiſen nur ſelten über 3000“ hinausgehen. Eben ſo merkwürdig ſind andererſeits die am Magdalenenſtrome auftretenden Mooſe, die dort am Fuße tropiſcher Bäume einen eben ſo ſchönen und grünenden Ra— ſen bilden, wie Norwegen ihn darbietet, obgleich in dieſen ſüdameri— kaniſchen Ebenen das Thermometer faſt beſtändig 22—24 zeigt. Bam— buſen und Helieonien wachſen hier geſellig, ohne von anderen Ge— Salix Humboldtiana. 204 I. Die Aequatorialzone. wächſen unterbrochen zu werden, doch immer nur truppweiſe, ohne be— deutende Flächen zu überziehen. Aus der Mitte der am Ausfluß des Magdalenenſtromes gelege— nen Ebenen, die ſich zwifchen dem Golf von Darien und dem Ma— racayboſee ausbreiten, erhebt ſich plötzlich wie eine Felſenburg das Schneegebirge gon Santa Marta. In der gemäßigten Region dieſes iſolirten Gebirges, deſſen höchſte Gipfel mit ewigem Schnee be— deckt ſind, kommen die Chinabäume vor, die hier ihre Polargrenze er— reichen. Die Ebenen, aus denen ſich das Gebirge wie eine Inſel er— hebt, bilden größtentheils Savannen mit ſparſamer Vegetation, die aus wenigen Gräſern und einigen fleiſchigen Gewächſen beſteht, wäh— rend die Meeresküſte mit einem Rhizophorengürtel eingefaßt iſt. Den benachbarten Küſten fehlt der Regen größtentheils, bis zu 600“ Höhe, und ein ewig heiterer Himmel blickt auf den trockenen ſandigen Bo— den herab. Als eine Verlängerung der Andeskette von Cundinamarca zieht ſich längs der Küſte des caraibiſchen Meeres, vom Maracayboſee bis zur Inſel Trinidad, das Küſtengebirge von Venezuela hin. Hier prangt die Vegetation in der ganzen Kraft und Friſche des Tropen— klima's. Ein dichter grüner Teppich umhüllt hier überall die Baum— ſtämme, die in rieſenhafter Größe dem quellenreichen Boden entſtei— gen; das lichte Grün des Zuckerrohrs contraſtirt bei Caracas mit dem dunkelen Schatten der Cacaopflanzungen, deren dicklaubige Stämme die heißen und feuchten Thäler dieſes Gebirges bedecken; mit Melo— nenbäumen, Piſang und Mais ſind die Hütten der Indianer um— pflanzt; der Weinſtock bringt bei Cumana, unter 10° n. Br. die herr- lichſten Trauben zur Reife, und den Weizen findet man in der Nähe von Caracas ſchon bei 1600“ Höhe angebaut. „Aber aus der üppigen Fülle des organiſchen Lebens ) tritt der Wanderer betroffen an den öden Rand einer baumloſen, pflanzenar— men Wüſte; der Blick ruht im Süden auf Steppen, die ſcheinbar an— ſteigend, in ſchwindender Ferne den Horizont begrenzen. Kein Hügel, keine Klippe erhebt ſich inſelförmig in dem unermeßlichen Raume. Nur hier und dort liegen gebrochene Flözſchichten von 200 Quadrat⸗ meilen Oberfläche bemerkbar höher als die angrenzenden Theile. Bänke nennen die Eingeborenen dieſe Erſcheinung, gleichſam ahnungsvoll *) So ſchildert A. v. Humboldt die Llanos in ſeinen Anſichten der Natur, denen wir die nachfolgende Darſtellung im Auszuge entlehnen. Die Steppen von Venezuela. 205 durch die Sprache den alten Zuſtand der Dinge bezeichnend, da jene Erhöhungen Untiefen, die Steppen ſelbſt aber der Boden eines gro— ßen Mittelmeeres waren. Die wagerechte Ausbreitung der Llanos iſt ſo vollkommen, daß in vielen Theilen derſelben in mehr als 30 Quadratmeilen kein Theil einen Fuß höher als der andere zu liegen ſcheint. Denkt man ſich dazu die Abweſenheit alles Geſträuchs, ja ſelbſt aller iſolirten Palmenſtämme; ſo kann man ſich ein Bild ent— werfen von dem ſonderbaren Anblick, welchen dieſe meergleiche, öde Fläche gewährt. — Wenn im raſchen Aufſteigen und Niederſinken die leitenden Geſtirne den Saum der Ebene erleuchten; oder wenn ſie zitternd ihr Bild verdoppeln in der unteren Schicht der wogenden Dünſte, ſo glaubt man den küſtenloſen Ocean vor ſich zu ſehen; wie dieſer erfüllt die Steppe das Gemüth mit dem Gefühl der Unendlich— keit. Aber freundlich zugleich iſt der Anblick des klaren Meeresſpie— gels, in welchem die leichtbewegliche, ſanft aufſchäumende Welle ſich kräuſelt; todt und ſtarr dagegen liegt die Steppe hingeſtreckt, wie die nackte Felsrinde eines verödeten Planeten. Keine Oaſe erinnert hier an frühere Bewohner, kein behauener Stein, kein verwilderter Frucht— baum an den Fleiß untergegangener Geſchlechter; den Schickſalen der Menſchheit fremd liegt dieſer Erdenwinkel da, ein wilder Schauplatz des freien Thier- und Pflanzenlebens. Gleich dem größten Theile der Sahara liegen die Llanos in dem heißen Erdgürtel; dennoch erſchei— nen ſie in jeder Hälfte des Jahres unter einer verſchiedenen Geſtalt: bald verödet, wie das libyſche Sandmeer; bald als eine Grasflur, wie fo viele Steppen von Mittelaſien.“ | „Die viehreichen Ebenen von Caracas, vom Rio Apure und Meta ſind im eigentlichſten Sinne des Worts Grasebenen, in denen außer den eigentlichen Gräſern und den Halbgräſern noch mannig— fache andere Formen herrſchen !; nur hier und da miſcht ſich unter die Gräſer eine krautartige Dicotyledone, eine niedrige Mimoſe 2, die von dem Rindvieh und den verwilderten Pferden ſo gern gefreſſen wird; und noch ſeltener tritt an feuchten Stellen eine einzelne Mau— ritiuspalme auf. — Iſt aber auch die ſüdamerikaniſche Steppe mit einer dünnen Rinde fruchtbarer Erde bedeckt, wird ſie auch periodiſch durch Regengüſſe getränkt und dann mit üppig aufſchießendem Graſe geſchmückt; ſo hat ſie doch die angrenzenden Völkerſtämme nicht reizen Paspalum, Kyllingia, Panicum, Antephora, Aristida, Vilfa und Anthisti- ria. Mimosa intermedia, M. dormiens. 206 1. Die Aequatorialzone. können, die ſchönen Bergthäler von Caracas, das Meeresufer und die Flußwelt des Orinoco zu verlaſſen, um ſich in dieſer baum- und quel- lenleeren Einöde zu verlieren. Allerdings ſind die Llanos zur Vieh— zucht geeignet; aber die Pflege milchgebender Thiere war den urſprüng— lichen Einwohnern des neuen Continents faſt unbekannt. Kaum wußte einer der amerikaniſchen Völkerſtämme die Vortheile zu benutzen, welche die Natur auch in dieſer Hinſicht ihnen geboten hatte. Die amerika— niſche Menſchenrace ging vom Jagdleben nicht durch die Stufe des Hirtenlebens zum Ackerbau über; Genuß von Milch und Käſe iſt, wie der Beſitz und die Cultur mehlreicher Grasarten, ein charakteri— ſtiſches Unterſcheidungszeichen der Nationen des alten Welttheils. Seit der Entdeckung Amerika's ſind die Llanos dem Menſchen bewohnbar geworden. Um den Verkehr zwiſchen der Küſte und dem Orinoco— Lande zu erleichtern, ſind hier und da Städte an den Steppenflüſſen erbaut, Städte, die in dem cultivirten Europa kaum als Dörfer be— trachtet werden würden, wie Calabozo, Villa del Pao und St. Se— baſtian. Ueberall hat Viehzucht in dem unermeßlichen Raume be— gonnen; Tagereiſen von einander entfernt liegen einzelne, mit Rinds— fellen gedeckte, aus Schilf und Riemen geflochtene Hütten, und Schaa— ren verwilderter Stiere, Pferde und Mauleſel, deren Anzahl auf ans derthalb Millionen Köpfe angeſchlagen werden kann, ſchwärmen in der Steppe umher.“ „Wenn unter dem ſenkrechten Strahl der nie bewölkten Sonne die verkohlte Grasdecke in Staub zerfallen iſt, klafft der erhärtete Bo- den auf, als wäre er von mächtigen Erdſtößen erſchüttert. Berühren ihn dann entgegengeſetzte Luftſtröme, deren Streit ſich in kreiſender Bewegung ausgleicht, ſo gewährt die Ebene einen ſeltſamen Anblick. Als trichterförmige Wolken, die mit ihren Spitzen an der Erde hin— gleiten, ſteigt der Sand dampfartig durch die luftdünne, electriſch ge— ladene Mitte des Wirbels empor, gleich den rauſchenden Waſſerhoſen, die der erfahrene Schiffer fürchtet. Ein trübes, faſt ſtrohfarbiges Halblicht wirft die nun ſcheinbar niedrigere Himmelsdecke auf die verödete Flur. Der Horizont tritt plötzlich näher. Er verengt die Steppe, wie das Gemüth des Wanderers. Die heiße, ſtaubige Erde, welche im nebelartig verſchleierten Dunſtkreiſe ſchwebt, vermehrt die erſtickende Luftwärme. Statt Kühlung führt der Oſtwind neue Gluth herbei, wenn er über den lang erhitzten Boden hinweht.“ „Tritt endlich nach langer Dürre die wohlthätige Regenzeit ein, ſo verändert ſich plötzlich die Scene in der Steppe. Das tiefe Blau Die Steppen von Venezuela. 207 des bis dahin nie bewölkten Himmels wird lichter; wie ein entlege— nes Gebirge erſcheint einzelnes Gewölk im Süden, ſenkrecht aufſtei— gend am Horizonte. Nebelartig breiten allmälig die vermehrten Dünſte ſich über den Zenith aus; den belebenden Regen verkündigt der ferne Donner. Kaum iſt die Oberfläche der Erde benetzt, ſo über— zieht ſich die duftende Steppe mit mannigfaltigen Gräſern und an— deren Gewächſen. Vom Lichte gereizt, entfalten krautartige Mimoſen ihre geſenkt ſchlummernden Blätter und begrüßen die aufgehende Sonne, ſo wie der Frühlinggeſang der Vögel und die ſich öffnenden Blüthen der Waſſerpflanzen. Pferde und Rinder weiden nun in fro— hem Genuſſe des Lebens. Das hochaufſchießende Gras birgt den ſchöngefleckten Jaguar. Bisweilen ſieht man an den Ufern der Süm⸗ pfe den befeuchteten Letten ſich langſam und ſchollenweiſe erheben. Mit heftigem Getöſe, wie beim Ausbruch kleiner Schlammvulkane, wird die aufgewühlte Erde hoch in die Luft geſchleudert. Wer des Anblicks kundig iſt, flieht die Erſcheinung; denn eine rieſenhafte Waſſerſchlange oder ein gepanzertes Crocodil ſteigen aus der Gruft hervor, durch den erſten Regenguß aus dem Scheintode erweckt. Schwellen nun allmälig die Flüſſe, ſo erſcheint ein Theil der Steppe wie ein unermeßliches Binnenwaſſer. Große Fahrzeuge ſegeln 10 bis 12 Meilen weit über die Steppe quer durch das Land.“ „Die Mutterpferde ziehen ſich mit den Füllen auf die höheren Bänke zurück, welche inſelförmig über dem Seeſpiegel hervorragen. Mit jedem Tage verengt ſich der trockene Raum. Aus Mangel an Weide ſchwimmen die zuſammengedrängten Thiere ſtundenlang umher und nähren ſich kärglich von der blühenden Grasrispe, die ſich über dem braungefärbten, gährenden Waſſer erhebt. Viele Füllen ertrinken; viele werden von den Crocodilen erhaſcht, mit dem zackigen Schwanze zerſchmettert und verſchlungen. Nicht ſelten bemerkt man Pferde und Rinder, welche, dem Rachen dieſer blutgierigen, rieſenhaften Eidechſen entſchlüpft, die Spur des ſpitzigen Zahnes am Schenkel tragen. — Auch unter den Fiſchen haben dieſe Thiere einen gefährlichen Feind. Die Sumpfwaſſer find bisweilen mit eleetriſchen Aalen gefüllt, von 5—6 Länge. Sie find mächtig genug, die größten Thiere zu tödten, wenn ſie ihre nervenreichen Organe auf einmal in günſtiger Richtung entladen.“ | So erſcheinen die Llanos des unteren Orinoco, des Rio Apure und des Meta. Die weiter ſüdlich gelegenen Ebenen aber am Caſſi⸗ quiare und Rio Negro zeigen nicht jenen gleichförmigen Zuſammen— 208 J. Die Aequatorialzone. hang. Es ſind ausgedehnte, nur an den Stromufern mit Wald be— deckte Savannen, unterbrochen durch Hügelgruppen und einzeln ſte— hende Felſen von fonderbarer Geſtalt, die ſchon von fern die Auf— merkſamkeit des Reiſenden feſſeln. Ueberſchreitet man in nordöſtlicher Richtung den Orinoco, ſo betritt man das Gebirgsſyſtem von Parime oder das Hochland von Guiana, welches, zwiſchen 3° u. 8° n. Br. gelegen, die Ebenen des Rio Negro und des Amazonen— ſtroms von denen des unteren Orinoco ſcheidet. Es erſcheint als eine unregelmäßige Zuſammenhäufung von Gebirgen, die, durch Ebenen und Savannen von einander getrennt, an ihrer Nordweſtſeite im Halb- kreiſe vom Orinoco umfloſſen ſind und in ihrer ſüdlichſten Kette die höchſten Erhebungen, von 7 — 10,000“ zeigen. Betritt man Guiana von der nördlichen Seeküſte her, da wo der Eſſequibo ſich ins Meer ergießt, fo hat man zuerſt 2—5 Meilen landeinwärts eine flache Land— ſchaft zu durchſchreiten, deren Boden aus einem äußerſt fruchtbaren Schwemmlande beſteht. Mangrovewälder ziehen ſich längs der Küſte und an den Stromufern hin, und wo der Einfluß der Fluth aufhört, erſcheinen Leguminoſen, Laurineen, Melaſtomen und Palmen. — Hier— auf folgt eine Waldregion, die längs der Flüſſe bis zu 4000“ empor— ſteigt. Unmittelbar an den Stromufern herrſcht das Unterholz vor, ein Gürtel von Trompetenbäumen ? und Bambuſen bildet den Vor— dergrund, der, überſponnen von krautartigen Lianen, am Uferrande ſchön blühende Kräuter in reichſter Mannigfaltigkeit zeigt. Der Ur— wald ſelbſt aber, aus rieſigen Stämmen gebildet, über welche ſchlanke Palmen 2 160 hoch emporragen, zeigt nicht die Blüthenpracht anderer Gegenden; nur Farne und Pilze bedecken den modernden Boden. — Von 3000 — 8000 erhebt ſich die Region des Sandſteingebirges, mit unterbrochener Vegetation, aber die pflanzenreichſte Gegend, wie denn überhaupt das Innere des Hochlandes von Guiana mit Urwäldern bedeckt iſt. — Die Region der Savannen bildet im Innern 3 — 400’ hoch gelegene, wellenförmig geſtaltete Ebenen, die von den Strömen durch ſchmale Waldſäume abgeſondert, ſelbſt aber mit rauhhaarigen, ſparrigen, 3 — 4“ hohen Gräſern und Halbgräſern?, fo wie mit ſta— cheligem oder holzigem Gejtrüpp * bedeckt find. An den ſumpfigen Stellen erſcheint die Mauritiuspalme 5, die am Ausfluſſe des Orinoco Cecropia. 2 Mora excelsa. 3 Pariana campestris, Elionurus ciliaris, Setaria composita etc. 4 Leguminosen, Myrtaceen, Syngenesisten, Malvaceen. ° Mauritia flexuosa. Guiana. 209 ganz allein die wilden Guaraunen ernährt. An manchen Orten ſte— hen dieſe Palmen ſo zahlreich beiſammen, daß in früheren Zeiten, wo die wilden Völker dieſer Gegenden noch dichtgedrängt beiſammen— wohnten, ſie die Palmenſtämme abhieben und auf den ſtehen geblie— benen Pfoſten ihre Hütten errichteten. Oder ſie flochten Hangematten aus den Blattſtielen dieſer Palme, hängten ſie zur Regenzeit, wo das Delta des Orinoco überſchwemmt iſt, an den Bäumen auf und lebten auf denſelben wie die Affen, während ſie die Verbindung unter ſich mittelſt kleiner Kähne unterhielten. Die Frauen der Guaraunen machten ſogar auf dieſen Hangematten, nachdem ſie dieſelben mit feuchter Erde bedeckt, zur Bereitung ihrer Speiſen Feuer an; und wenn man bei Nacht auf dem Fluſſe fuhr, ſo ſah man in ganzen Reihen dieſe Feuer in der Luft auflodern. — Ein anderer wichtiger Baum für die Bewohner dieſer Gegenden iſt der Juviabaum !, von welchem ſich zwiſchen dem Caſſiquiare und dem Rio Negro große Wälder finden. Sobald die Früchte reifen, ziehen die Indianer des Ober⸗-Orinoco ſchaarenweiſe nach jenen Wäldern, um die köſtliche Frucht einzuſammeln, die eins ihrer gewöhnlichſten Nahrungsmittel iſt. Die Beendigung der Ernte wird dann auf die roheſte und wil— deſte Weiſe gefeiert. Eben ſo wächſt an der Mündung des Guaviare die Piriguao-Palme 2 mit zartem ſchilfartigen, an den Rändern ge— kräuſelten Laube. Ueber 60“ hoch erhebt ſie ihren Stamm und trägt pfirſichartige Früchte, die in ungeheuren Trauben von 70 — 80 Stück herabhangen und dem Menſchen eine nahrhafte Speiſe darbieten. Außerdem aber werden in Surinam über 40 Arten von Culturge— wächſen gebaut, unter denen Anonen, Eugenien, Jambuſen, Paſſiflo— ren, Maniokwurzel, Brotbaum, Bananen, Agaven die bedeutendſten ſind; ſelbſt unſere gewöhnlichen Gartenpflanzen: Salbey, Rosmarin und Meliſſe gedeihen hier ganz vortrefflich. Die unermeßlichen Ebenen endlich, welche ſich von den Ufern des Orinoco nach Süden bis an die Ufer des Ucayale und bis an die braſilianiſchen Gebirge erſtrecken, bilden einen einzigen ungeheuren Wald, auf deſſen Gebiet die Aequatorialregen das ganze Jahr hin— durch herniederſtrömen. Nur die Ströme, der Amazonenſtrom, der Rio Negro, der Rio Madeira mit ihrer Unzahl von Nebenflüſſen bil— den die Wege in dieſen dichten Urwäldern, welche aus Mimoſen, Melaſtomen, Laurineen, Cäſalpinien, Feigenbäumen und einer Menge ! Bertholletia excelsa. 2 Guilielma speciosa. 14 210 II. Die tropiſche Zone. von anderen Formen gebildet werden und die ganze Pracht und Uep— pigkeit entfalten, die wir in der allgemeinen Charakteriſtik dieſer Zone bereits geſchildert haben. II. Die tropiſche Zone. Die tropiſche Zone liegt zu beiden Seiten der Aequatorialzone, wo ſie ſich vom 15. Grade der Breite bis zu den Wendekreiſen er— ſtreckt. In der nördlichen Halbkugel liegen innerhalb dieſes Gürtels: die Sahara, die libyſche und nubiſche Wüſte; das ſüdliche Arabien, die beiden oſtindiſchen Halbinſeln nebſt dem Südrande von China; die Sandwich-Inſeln, das ſüdliche Mexico und die weſtindiſchen In— ſeln — in der ſüdlichen Halbkugel dagegen: das unbekannte Hoch— land von Afrika, Madagaskar nebſt den Mascarenen; die nördliche Hälfte von Neu⸗Holland, der größte Theil der Südſeeinſeln; Bolivia und der gebirgige Theil von Braſilien. Die Temperatur iſt bei der ſo höchſt mannigfaltigen Lage dieſer Ländermaſſen eine ungemein verſchiedene, und läßt ſich der mittlere jährliche Wärmegrad dieſer Zone nur annäherungsweiſe auf 18 bis 21° R. angeben. Allgemeine Charakteriſtik. Im Allgemeinen ſteht der Vegetationscharakter dieſer Zone dem der vorigen ſehr nahe, und in einzelnen Gegenden, wie um Calcutta und Rio de Janeiro, die noch dazu hart an der Grenze der Tropen liegen, iſt wenig von einem Unterſchiede zwiſchen beiden Zonen zu merken. Die Palmen, Bananen und Blumenrohre, die Meliaceen, Anonen und Sapinden find auch hier die herrſchenden Hauptformen, und Pothosgewächſe, Orchideen und Lianen erhöhen den Schmuck die— ſer Vegetation; indeſſen treten hier die baumartigen Farrn in größe— rer Menge auf als in der Aequatorialzone, und Melaſtomen, Winden und Pfeffergewächſe herrſchen ebenfalls vor. Als beſonders charakte— riſtiſch aber iſt hervorzuheben, daß die Wälder der tropiſchen Zone einen größeren Reichthum an Unterholz aufzuweiſen haben, während in der Aequatorialzone die paraſitiſche Flora das Uebergewicht hat. Capverdiſche Inſeln. Afrikaniſche Wüſten. 211 Beſondere Charakteriſtik. Nördliche Halbkugel. A. Afrika. In dieſer Zone betreten wir zuerſt die waldloſen Capverdiſchen Inſeln, deren trauriger Anblick auf die Beſchaffenheit des nahen Feſtlandes vorbereitet. Senkrecht ſteigen nackte, oben abgeplattete Fels— mauern aus dem Meere empor, oder kegelförmige Hügel wechſeln mit großen, unregelmäßigen Maſſen baſaltiſcher Geſteine. Nur das Innere von St. Jago, deſſen Küſten ebenfalls völlig wüſt ſind, beſitzt eine üppige Vegetation, in welcher Formen des Atlas und Südeuro— pa's gemiſcht erſcheinen. In den Thälern dagegen treten auch tropi— ſche Gattungen auf, und Cocospalmen, Bananen, Reis, Mais, Oran— gen, Wein, Indigo und die Baumwollenſtaude werden cultivirt. St. Antonio iſt mit Wald bedeckt, und Sal bildet eine ſalzhaltige Ebene. Das ganze Feſtland von Afrika bildet in dieſer Zone und in dem größten Theil der folgenden faſt bis zu 30° n. Br. ein unge: heures Wüſtenbecken, welches einen Raum von 40—50 Längengraden und etwa 15 Breitengraden einnimmt und ungefähr drei mal ſo groß iſt als das nahe liegende Mittelmeer. Die von Norden nach Süden ſanft anſteigende Ebene, welche ſich erſt gegen den 16. Grad der Breite merklich erhebt, umfaßt die Sahara, die Libyſche, die nubiſche und die ägyptiſchen Wüſten. Der Boden dieſer weitgedehnten Ebene beſteht aus Ablagerungen von Kreide und buntem Sandſtein, durch— brochen von abnormen Felsgebilden, die theils als Zweige der Ge— birgsſyſteme an der Weſt- und Oſtküſte anzuſehen ſind, theils auch ganz iſolirte Berggruppen bilden. Jene Ablagerungen von Kreide und Sandſtein, ſo wie dieſe Berggruppen dehnen ſich bei geringer Erhebung oft ſehr weit in die Länge, wodurch ſehr ausgedehnte He— bungen und Senkungen des Bodens entſtehen. Wo dieſe Abdachun— gen mit tiefer liegenden Thonſchichten zuſammentreffen, die mitunter ſehr mächtig ſind, ſo daß die atmoſphäriſchen Niederſchläge nicht all— zuſchnell verſiegen können, da bilden ſich Oaſen oder große Baſſins, und auf den Höhen nehmen viele Flüſſe ihren Urſprung, die nach kurzem Lauf im Sande der Wüſte ſich wieder verlieren. So bieten dieſe Ebenen einen ernſten und ſchaurigen Anblick dar, beſonders der weſtliche Theil, die Sahel. Kein Thau, kein Regen fällt herab, um in dem glühenden Sandboden Keime einer kümmerlichen Vegetation 14 * 2i2 II. Die tropiſche Zone. zu erwecken; überall ſteigen heiße Luftſäulen empor, welche die Dünſte zerſtreuen und das vorübereilende Gewölk verſcheuchen. Die feinen Sandkörner, mit denen der ganze Luftraum erfüllt iſt, ſind lauter Mittelpunkte ſtrahlender Wärme, denen die übermäßige Hitze von 40—45% R. zuzuſchreiben iſt, die man in der Oaſe von Murzuk, und noch dazu im Schatten, mehrere Wochen hintereinander beobachtet hat. In der Nähe des atlantiſchen Oceans ſtrömen feuchte Seewinde über die Ebene und erfüllen den leeren Raum, der durch die ſenkrecht auf— ſteigenden Luftſäulen entſteht. Aber nur auf eine kurze Strecke wird den Caravanen dieſe Labung zu Theil. Die ganze Wüſte iſt ſo gut wie unbewohnt; nur Heerden von Gazellen und ſchnellfüßige Strauße durchirren das unermeßliche Gebiet, und die räuberiſchen Schaaren der Tibbos und Tuaryks ſchwärmen in der Nähe der Oaſen umher. Hier, wo in Folge des angeſammelten Grundwaſſers und der von den Hö— hen herabſtrömenden Bäche vegetabiliſches Leben möglich wird, da werden die Wüſten von weiten Savannen unterbrochen, beſonders zwiſchen der Sahara und den Wüſten Nubiens. Vor Allem aber liegen in der libyſchen Wüſte die Oaſen zerſtreut, wie die Inſeln in dem Ocean. Die dattelreiche Dafe von Siwah und eine Menge an— derer verdanken ihre Fruchtbarkeit dem Andringen des Grundwaſſers vom Nil her, ſo wie den Höhen, welche dieſe Becken einſchließen, und zeigen eine Vegetation, welche mit der furchtbaren Oede der Wüſte einen auffallenden Contraſt bildet. Die Dattelpalme, die thebaiſche Palme ?, der arabiſche Gummibaum ? und der Mannaſtrauchs bil— den hier die charakteriſtiſche Vegetation. Ganz Nubien iſt dagegen wieder bis zum 18° n. Br. mit Ausnahme des Nilthals und der Küſte eine Fels- und Sandwüſte, in welcher iſolirte Granit-, Por- phyr- und Trachytgruppen oft in bedeutendem Umfange auftreten. Das ganze Geſtade am rothen Meer, welches nicht regenlos iſt, beſitzt etwas Weide und Baumwuchs, während das Innere Nubiens von Oaſen leer iſt. Nur der ſüdlichſte Theil zeigt einen anderen Charak— ter. Bei der Mündung des Atbara in den Nil beginnen Savannen mit tropiſchen Wäldern abzuwechſeln. Jene find während der Regen— zeit mit dichtem Graſe bewachſen und gleichen in den übrigen Mona— ten einem dürren Stoppelfelde; dieſe beſtehen meiſt aus Mimoſen und ziehen ſich längs der Stromufer hin, aber fern von denſelben greifen oft Wüſtenbuchten in die Savannen ein. Cucifera thebaica. 2 Acacia vera. 3 Tamarix aſricana. Das ſüdliche Arabien. 213 B. Aſien. Nicht beſſer ſieht es im ſüdlichen Arabien aus. Zwiſchen zwei großen Meerbuſen, dem arabiſchen und dem perſiſchen gelegen, könnte Arabien eins der geſegnetſten Länder ſein, aber es beſitzt nicht einen einzigen dauernd ſtrömenden Fluß. Nur Regenbäche erſcheinen in dieſem ſüdlichen Theil, die während der Regenzeit ſich ſchnell mit Waſſer füllen, das aber eben ſo ſchnell im trockenen Sande verſiegt. Längs der Küſte zieht ſich von der Straße Bab-el-Mandeb bis nach Syrien eine Bergkette hinauf, die unter 34° n. Br. im Antilibanon ihr Ende erreicht. In dem ſüdlichen Theile, der Landſchaft Jemen (im Alterthum das glückliche Arabien genannt), wo atmoſphäriſche Niederſchläge in reicher Menge herabfallen, ſind die Abhänge der Berge mit ſchönen Waldungen, beſonders Feigenbäumen bedeckt, wäh— rend die Gipfel meiſt nackt hervortreten, und die Hochflächen mit flei⸗ ſchigen Euphorbien bedeckt find. In den Thälern aber und auf den terraſſenförmigen Abſätzen derſelben wird in der Höhe von 1500 bis 2000“ die Cultur des Kaffeebaumes betrieben, doch entfernt von dem Meere, auf gutem Boden, und zwar nach der Morgenſeite, bei mittle— rer Hitze und mäßiger Feuchtigkeit. Auch Bananen, Anonen, Wein— trauben, ſelbſt Kirſchen und Birnen findet man in einigen Gegenden angepflanzt, vorzüglich auf dem Berge Saber. Hier blüht zugleich der Ackerbau, beſonders von Weizen und Hafer und der Anbau des Gät ', deſſen Knospen und junge Zweige ohne alle Zubereitung ge— geſſen werden und eine leichte, angenehme Erregung der Nerven her— vorbringen. Der Handel mit dieſem Produkte iſt in Jemen ein be— deutender; der Aufguß der Kaffeebohnen wird dagegen gering geſchätzt. Der ſüdlichſte Küſtenſtreifen Weſt-Arabiens, in welchem das Gebirge mehr zurücktritt, erweitert ſich bald zur Breite einiger Meilen, bald iſt er mehr eingeengt; die Einwohner nennen ihn Tehama. Es iſt eine ſandige, einförmige Fläche, in deren Boden die vom Gebirge herab— ſtrömenden Gewäſſer ſchnell verſiegen, und wo die ſchlanke Palme ihren dürftigen Schatten auf Hirſefelder wirft, die einen reichlichen Ertrag gewähren. Durch künſtliche Bewäſſerung können indeß viele Stellen fruchtbar gemacht werden, und dann findet man Mais, Dur— rah, Indigo und beſonders große Dattelbaumpflanzungen. Die Wäl— der des Gebirges beſtehen aus verſchiedenen Acacien und anderen Ge— Celastris edulis. Vergl. S. 188. 214 II. Die tropiſche Zone. wächſen “. Vom Juni bis zum October herrſcht hier die Regenzeit, während es im Tehama ſelbſt heiter iſt. — Mit der britiſchen Nie- derlaſſung Aden an der Südſeite, wo blattloſe Euphorbien, dornige Acaciengebüſche und einige andere Formen? die charakteriſtiſche Ve— getation bilden, gehen die Culturſtrecken zu Ende. Die ganze Süd— küſte, die Landſchaften Hadramaut und Mahra, bilden eine öde, un— fruchtbare Wüſte, in der nur hin und wieder vaſenähnliche Bergzüge liegen, die einiger Cultur fähig ſind. Jenſeit des arabiſch-perſiſchen Meeres erſtrecken ſich in dieſe Zone die beiden oſtindiſchen Halbinſeln hinein, Vorder- und Hinter- indien; jenes im Norden durch die große indiſche Tiefebene, dieſes durch einen mächtigen Gebirgswall begrenzt. Sowohl in Beziehung auf ſeine Bodenbeſchaffenheit als auf ſein Klima, in Hinſicht auf die Pflanzen- und Thierwelt wie auf den Menſchen ſelbſt bildet Indien eine eigene Welt, deren bezaubernder Anblick von den älteſten Zeiten her die Menſchen theils mit Begeiſterung, theils mit Sehnſucht erfüllt hat. Unter den ſenkrecht fallenden Strahlen der Sonne entwickelt die Natur hier ihre ganze Kraft in Beziehung auf die Pflanzenwelt; zu Zeiten aber muß die drückende Schwüle auch einer milderen Luft Platz machen. | Die Halbinfel Vorderindien bildet ein großes Plateau, Dekan genannt, welches von drei Bergketten, den öſtlichen und weſtlichen Gahts und dem Vindhya-Gebirge eingeſchloſſen, ſich nach Süden bis zum Cap Comorin erſtreckt. Schroff ſteigen die Berge empor, bald ſenkrecht mit tafelförmiger Oberfläche, bald in Terraſſen, die wie künſt— liche Mauern eine über der andern hervorragen, häufig durch unge— heure Schluchten geſpalten. Ueppige Wälder von rieſigen Tek-' und anderen Bäumen bedecken die Höhen und tragen zur Bildung der ſchönſten romantiſchen Landſchaften bei, die in Indien zu finden ſind. Das Plateau ſelbſt empfängt nur wenig Regen, iſt ſtreckenweiſe ſehr trocken und leidet oft an allgemeiner Dürre; auf das weſtliche Küſten— gebirge dagegen entladen beim Südweſt-Monſune die Wolken ihre Waſſer in mächtigen Strömen, ſo daß die ganze Landſchaft über— ſchwemmt wird. Beſonders iſt das ſüdliche Malabar als die regen— reichſte Provinz der ganzen Erde zu betrachten. — Mit Ausnahme Malabars iſt der Vegetationscharakter Vorderindiens faſt überall der— Capparis, Amyris, Cissus, Cadaba, Asclepiadeen und dornige Solancen. 2 Capparideen und Zygophylleen. “ Tectonia grandis. Vorderindien. 215 ſelbe. Das Land erſcheint im Allgemeinen unfruchtbar, an vielen Stellen ſteht das nackte Geſtein zu Tage, und das Gras iſt während des größten Theils des Jahres verdorrt, da es an Feuchtigkeit fehlt. Eben ſo erſcheinen die Bäume in den Wäldern verkrüppelt und meiſt ſtachelig, beſonders die Leguminoſen, die hier den größten Antheil an der Phyſiognomie der Landſchaft nehmen und den zehnten Theil aller hier auftretenden Phanerogamen ausmachen. Stachelige Datteln , Silberbäume , dornige Kapperngeſträuche? und Bambuſen wechſeln mit ihnen ab, oder bilden Dickichte, Jungles genannt, während der flache Boden mit Rafen * und fremdartigen Kräutern bedeckt iſt. In der baumloſen Gegend von Puna (19° Br.) in den weſtlichen Gahts erſcheint bis über die Mitte des Juni hinaus alles dürr und verbrannt wie Steppenboden; die Erdkrume zeigt unter den glühenden Sonnenſtrahlen keine Spur von Feuchtigkeit. Aber ſo wie die Nie— derſchläge mit dem Ende dieſes Monats beginnen, bedecken ſich die nackteſten Felsblöcke in wunderbarer Schnelligkeit mit Raſen, ſo daß zu Anfang Juli das ganze Land grünt. — Im Ganzen übrigens iſt Malabar gut angebaut; prächtige Bäume ſind theils von den Sun— dainſeln, theils aus Weſtindien eingeführt worden und haben die Phyſiognomie des Landes verändert. Wenig Länder beſitzen eine ſo ſchöne Vegetation, größere und ſchönere Ausſichten und ein angeneh— meres Klima. Beſonders aber begrüßen die Cocospalmen ſchon aus weiter Ferne den heranſteuernden Seefahrer. Zu vielen Millionen ſind ſie hier angepflanzt, ganze Dörfer und große Städte liegen in ihrem Schatten, und die Produkte *) dieſes Baumes bilden einen Ge— genſtand des einträglichſten Handels. Auf Coromandel dagegen iſt die Cultur der Fächerpalme °, die in einem Alter von 30 —40 Jahren den beliebten Palmwein der Engländer liefert, von großer Bedeutung, während die Armen ſich mit dem Wein der wilden Dattelpalme ! be— gnügen. Das Hauptnahrungsmittel der Bewohner Vorderindiens iſt der Reis, der beſonders an den Gebirgsabhängen cultivirt wird, wäh— rend auf dem Plateau die Regenzeit auch mehrere Hirſearten s zur Reife bringt. In der Nähe der Dörfer prangen mannigfache Frucht— 9 ' Elate sylvestris. Elaeagnus. Capparideen. Cyperus, Scirpus, Andropogon. ° Gonvolvulaceen, Acanthaceen und Leguminosen. 5 Borassus flabelliſormis. Elate (Phoenix) sylvestris. ° Panicum italicum, P. milia- ceum, Eleusine coracana. *) Man vergleiche die Beſchreibung der Cocospalme im zweiten Abſchnitt. 216 II. Die tropiſche Zone. bäume: Brotbäume, Orangen, Eugenien, die Weinpalme und die wilde Dattelpalme, Mango- und Butterbäume 2, und die Zäune der Gärten ſind aus nackten Euphorbien gebildet. Hinterindien, auch die indiſch-chineſiſche Halbinſel genannt, zeigt einen ganz anderen Charakter. Hier findet ſich keine Plateau— bildung, ſondern der nördliche Gebirgswall ſendet mehrere Bergketten aus, die parallel mit einander, gegen das dreifach gegliederte Südende der Halbinſel verlaufen und große Längenthäler bilden, bewäſſert von Strömen, die zu den bedeutendſten des ganzen Erdtheils gehören. Bei der Unbekanntſchaft über den genaueren Lauf der Bergketten und der Ströme iſt es nicht zu verwundern, daß auch die Vegetation nur oberflächlich bekannt iſt, doch weiß man ſo viel, daß überall dichte Wälder auftreten. Harzreiche Terebinthen, Magnolien und Gummi— bäume? mit glänzenden Blättern, reichbehaarte Silberbäume nebſt Palmen, Bambuſen und anderen Formen! bilden ein Vegetations— gemälde, das dem Europäer völlig fremdartig erſcheint; nur die Eichen und Nadelhölzer, welche die obere Region der Berge krönen, erinnern an das heimathliche Bild. Dagegen iſt es für die Wälder der Ebene charakteriſtiſch, daß mächtige Schlingpflanzen, deren Stämme oft die Dicke des menſchlichen Körpers haben, die Rieſenbäume um— winden. Eben fo treten hier die Palmlianen ° maſſenhaft auf, die wir ſchon im erſten Abſchnitt geſchildert haben, und ſo bilden dieſe Kletterpflanzen undurchdringliche Wälder, in deren feuchtem kühlen Schatten eine Menge von Farrnkräutern, Pothosgewächſen, Orchideen und anderen Paraſiten in üppigſter Fülle gedeihen. — In den Eul- turſtrecken liefert der gut bewäſſerte Boden ungemein ergiebige Reis— ernten; eben fo werden Mais, Bataten, Arons- und Yamswurzeln in den fruchtbaren Thälern gezogen, wo ſie vortrefflich gedeihen. Man hat hier Yamswurzeln beobachtet, welche über 9’ im Umfange hatten und mehr als 470 Pfd. wogen. Cocos- und Areca-Palmen ſchmücken die Ufer; das Zuckerrohr und der Theeſtrauch werden mit großem Erfolge angebaut, und der rieſige Tekbaum macht den Wald— reichthum von Pegu und Siam aus. An die hinterindiſche Halbinſel ſchließt ſich in dieſer Zone noch der Südrand von China an. Hier liegt Kanton, die einzige den Europäern geöffnete Eingangspforte zu dem großen chineſiſchen Reiche, Mangifera indica. 2 Bassia butyracea. Guttiferae. “ Urticeen, Meliaceen, Sapoteen, Casuarinen. Calamus. Der Südrand von China. 217 deſſen Vegetation uns eben ſo wenig näher bekannt iſt wie ſeine übri— gen Verhältniſſe. Das Klima dieſer Gegenden iſt ein höchſt glück— liches zu nennen. Die mittlere jährliche Wärme von Kanton beträgt 17, 5, die mittlere Sommerwärme 22,2, die mittlere Winterwärme 21,1, und in den Sommermonaten fällt ſelbſt bei Nacht die Tempe— ratur ſelten unter 22°. In Betreff der Vegetation fällt hier zunächſt die chineſiſche Fichte! auf, welche, unſerer gemeinen Kiefer ſo auffal— lend ähnlich, auf Macao und den im Tigerfluſſe gelegenen Inſeln“ große Wälder bildet. Nur ſtehen die Stämme weitläuftiger als die unſerer Fichten; Farne und Alpenroſen wachſen dazwiſchen, eine Eri— kenähnliche Baekea ? tritt in großer Menge auf, und lichte Waldun— gen von baumartigen Gräfern ?, die hier ausgedehnte Flächen bedek— ken, bilden mit dieſen Formen den ſeltſamſten und anmuthigſten Con— traſt. Auf Macao erſcheinen ferner die üppigſten Pandanen im flie— genden Sande, doch nicht ſehr entfernt vom Meere, wo alſo die At— moſphäre noch reich an Feuchtigkeit iſt. Bei der Einfahrt in den Tigerfluß erblickt man zu beiden Seiten niedrige Hügelreihen, bedeckt mit einer gleichmäßigen, ſtrauchartigen, dunkelgrünen Vegetation. Es find die mit Camellien! bepflanzten Oelberge der Chineſen. Die Früchte dieſes Strauches erſetzen ihnen unſere Oliven. Höher hinauf ſind die flachen Ufer überall mit Reisfeldern bedeckt. Hier wachſen Palmen, Zuckerrohr, Orangen und alle ſchönen Südfrüchte. Die Gärten und Felder in der Nähe des Flußufers ſind mit Hecken von Piſang, Granaten, Orangen, Myrten und der prächtigen chineſiſchen Roſe eingefaßt; und im Winter werden auf den Feldern von Kan— ton für den Bedarf der Europäer faſt alle unſere Gemüſe gezogen. In den Sommermonaten aber ſind die Gebüſche und niederen Ge— ſträuche mit einer Menge der herrlichſten Blumen geſchmückt; koſtbare Gräſer von den ſchönſten und ſeltſamſten Formen ſchmücken die Flu— ren, und dieſer Teppich iſt dann von Millionen Heuſchrecken und Käfern belebt. — Von der Vegetation der nahe liegenden Inſeln Formoſa und Hainan wiſſen wir ſo gut wie nichts. Die Gipfel der vulkaniſchen Inſel Formoſa oder Taiwan ſind faſt den ganzen Sommer hindurch mit Schnee bedeckt; und Hainan, deſſen Küſten von den Chineſen beſetzt ſind, während im Innern Urvölker hauſen, ſoll äußerſt fruchtbar ſein. Bis jetzt ſind beide den Europäern wenig zugänglich geweſen. Pinus chinensis. 2 Baekea frutescens. 3 Bambusa arundinacea. Camellia Sasanqua. Hibiscus Rosa chinensis. 218 II. Die tropiſche Zone. C. Polyneſien. Von den Inſeln des großen Oceans ſind uns in dieſer Zone nur die Sandwich-Inſeln oder der Archipel von Hawaii von be— ſonderem Intereſſe. Alle gebirgig und meiſt vulkaniſch, ziehen ſie in weſtnordweſtlicher Richtung in einer Reihe entlang und erheben auf Hawaii ſelbſt ihre höchſten Gipfel bis zu mehr als 13,000’ über den Meeresſpiegel. Von ſchönen Bächen bewäſſert, erfreuen ſie ſich eines höchſt angenehmen Klima's, ohne von der großen Hitze anderer tro— piſcher Gegenden zu leiden. Die mittlere jährliche Temperatur von Hawaii beträgt 19,12, und mehr als 5 Monate lang ſteht die mitt— lere Temperatur über 20°. Bis zu 1500’ Höhe geht hier ein eulti— virter Landſtrich. Hierauf folgt eine dichtbewaldete Strecke, in der es nicht an mächtigen Stämmen fehlt; beſonders Acacien “ und Mehl— bäume? erreichen einen bedeutenden Umfang. Doch nur in feuchten und geſchützten Thälern erſcheint die Vegetation zuſammengedrängt: Cinchonen, Gummi- und Seifenbäume! wechſeln mit Farrnbäumen, Euphorbien und wildem Piſang; Pandanen und Ananasartige Ge— wächſe ſteigen in großen Maſſen an den Stämmen der Bäume em— por und umſchlingen dieſelben mit Hunderten von Aeſten, während zahlreiche Trichterwinden die baumartigen Farrn und Pandanen nebſt einer ungeheuren Maſſe wilder Bananen ſo dicht umſchlingen, daß der Reiſende oft 8—10’ über dem Boden auf einer dichten Pflanzen— decke wandert und nur mit Mühe ſich einen Weg durch dieſe vegeta— biliſche Decke bahnt. An den freieren Abhängen jedoch iſt die Wald— maſſe im Vergleich zu anderen Tropenländern gering. Bei 8700’ Höhe bricht die Waldregion plötzlich ab; dann folgen Klüfte, kleine Krater und Lavaſtröme, zwiſchen denen Gräſer und Heidelbeeren? auftreten, und bei 12,700“ Höhe beginnt ein Tafelland voll Steine, Sand, Schlacken und vulkaniſcher Aſche. — An dem unteren Gürtel, welcher das Culturland umfaßt, erblickt man den Brotbaum und die Banane, Camoten und Yamswurzeln. Der Weinſtock, welcher von Amerika her eingewandert iſt, gedeiht vortrefflich, und das Zuckerrohr bringt Stauden hervor, die unten oft einen Fuß im Umfang haben. Ueberall ſieht man den Drachenbaum“ um die Hütten gepflanzt, eine Pandanenform von beſonderer Schönheit, deren Laub bald grün, bald Acacia heterophylla. ? Aleurties triloba. 5 Guttiferen. * Sapinda- ceen. Vaccinium. „ Dracaena terminalis. Sandwich-Inſeln. Mexico. 219 roth gefärbt erſcheint und die man auch zu lebenden Zäunen benutzt, welche die Höhe von 5’ nicht zu überſteigen pflegen. Den wichtigſten Gegenſtand der Cultur machen indeß die Aronswurzeln aus, welche hier Tarro genannt werden. Die Tarrofelder ſind viereckige Stücke Land, welche künſtlich gegrabene Baſſins von 2— 3’ Tiefe bilden, fo daß die Blätter der Pflanzen nur wenig über den Rand der Felder hervorragen. Dieſelben liegen terraſſenförmig übereinander und wer— den von den Bergen mit fließendem Waſſer verſorgt, das man aus einem Baſſin in das andere leitet. Die Ränder dieſer Felder, in de— nen man übrigens ſelten eine blühende Tarropflanze erblickt, bilden die Fußſteige für die Arbeiter. Die Piſangpflanze begleitet die Tar— rofelder überall bis zu 800’ Höhe. Wenn die Blätter der Tarro— pflanze als Gemüſe benutzt und die Knollen eingeerntet ſind, dann bedecken ſich die ſtehenden Gewäſſer wie bei uns mit allerlei Waſſer— pflanzen “. D. Amerika. Der innerhalb dieſer Zone gelegene Theil von Nord-Amerika iſt das Plateau von Mexico. Von der Gebirgsgruppe von Guate— mala, mit der wir früher die Schilderung der Aequatorialzone dieſes Erdtheils begonnen, ſenkt ſich die Kette der Anden zum Iſthmus von Tehuantepec, auf deſſen weſtlicher Seite ſich das Hochland von Mexico erhebt, ein Tafelland, wie es in dieſer Form und in dieſer Ausdeh— nung auf der ganzen Erde wohl nicht wieder erſcheint. Von Oaxaca, dem ſüdlichen Endpunkte des ganzen nordamerikaniſchen Gebirgsſy— ſtems, nimmt es ſogleich feine Rieſenhöhe von 5— 8000“ über dem Spiegel des benachbarten Oceans an und behält dieſelbe innerhalb dieſer ganzen Zone. Mächtige Gipfel von 15 — 16,600“ Höhe liegen auf ſeiner von wenig Thälern durchfurchten Fläche zerſtreut, oder nach Linien geordnet, die zur Hauptrichtung der Cordillere in gar keinem Parallelismus ſtehen. An dem weſtlichen Abhange dieſer Hochfläche finden ſich vier Längenthäler, ſo daß der Weg zur Südſee beſtändig bergauf und bergab geht; zum Golf von Vera-Cruz aber ſtürzt das Plateau jäh ab. Jenſeit dieſes Meerbuſens liegt die Halbinſel Yuca— tan, ebenfalls ein Plateau, welches als Fortſetzung der Gebirgsgruppe von Guatemala zu betrachten iſt. Es iſt natürlich, daß das Klima dieſes Theils von Amerika von Chara, Conſerva, Potamogeton. 220 II. Die tropifche Zone. dem anderer Tropenländer weſentlich verſchieden iſt; nur die Küſten— terraſſen beider Weltmeere zeigen noch ein eigentliches Tropenklima. Zu Acapulco an der Weſtküſte herrſcht beſtändig eine drückende Hitze, bei Tage 23—25°, bei Nacht 18— 20, und Jahr aus, Jahr ein ſinkt die Temperatur bei Sonnenaufgang, wo es hier am kühlſten iſt, nicht tiefer als 14,6. Auf der Oſtküſte dagegen wird beſonders der Win— ter durch die von Nordamerika herüber wehenden eiſigen Luftſtrömun— gen bedeutend gemildert. Die Abhänge der Cordillere in einer Höhe von 3700—4600’ erfreuen ſich beſtändig einer milden Frühlingswärme, indem die mittlere jährliche Temperatur 14 — 16“O beträgt. Ueber 6700“ hinaus beträgt die mittlere Temperatur aller Plateau's weniger als 13,65; fie bilden die kalte Region, in welcher der Winter dem von Neapel und Sicilien gleich iſt, während die Sommerwärme die der Berglandſchaften Deutſchlands nicht überſteigt. Von wildwachſenden Pflanzen erſcheinen in dieſer Zone zunächſt einige Palmen Haber wenig Farrnbäume, die am Weſtabhange über— haupt ganz fehlen. Demnächſt finden ſich auf den Gebirgen die ſchattenloſen Wälder von baumartigen Lilien 2, welche über 30“ Höhe erreichen und in den wärmeren Regionen durch ihre ſchönen Blüthen eine Lebendigkeit und eine Pracht entwickeln, wie wenig Landſchaften ſie aufzuweiſen vermögen. In den kälteren Regionen dagegen han— gen von ihnen ſonderbar geſtaltete, flechtenartige Tillandſien *) von ſilbergrauer Farbe in großen Maſſen herab und geben ihnen ein un— heimliches, winterliches Anſehen. Die Hauptmaſſe der Vegetation aber bilden zwiſchen 17 und 20° Br. in der Region von 2800 bis 3700“ die mannigfachen Eichen 3, auf deren Rinde viele Orchideen *) paraſitiſch leben, während eine prachtvolle Georginenflor den Boden ſchmückt. Mit 3000’ Höhe beginnen die Fichten , die bei 12,000) die obere Baumgrenze bilden, während Myrten und Melaſtomen bis zu 7000“ hinaufſteigen. Die inneren Abdachungen dieſes Plateau's weichen in Beziehung auf ihre Vegetation von den, beiden Meeren zugewendeten Abhängen vollſtändig ab. Farne und Orchideen können in dieſem trockenen Klima nicht gedeihen; dagegen geben die große Corypha und Oreodoxa sancona. 2 Vucca. 3 Quercus Xalapensis, O. obtusata, C. laurina etc.; mehr als 20 Arten. * Pinus occidentalis. *) Vergl. S. 46; die Ananasartigen Gewächſe. *) Merico iſt an Orchideen wohl das reichſte Land der Erde; es beſitzt an 500 Arten, 4 aller bekannten. Der Vulkan von Orizaba. 221 Anzahl von Cactusgewächſen, dornige Mimoſen, Agaven und Ana— nasartige Gewächſe“, die den Boden überziehen, dieſen Hochflächen den Charakter. Am prachtvollſten aber entfaltet ſich die mexicaniſche Flora bei einer Beſteigung des Vulkans von Orizaba. Von Vera-Cruz aus ſteigt man etwa 200“ hoch durch allmälig ſich erhebende Savannen, denen ein Wald folgt, welcher aus Wollbäumen, Mimoſen, Orangen und Myrobalanen? gebildet iſt. Noch höher erheben ſich zwiſchen den Waldbäumen prächtige Gruppen von Balmen?, worauf abermals eine ſchräge Grasſavanne folgt, deren Mimoſengeſträuch mit Winden und Trompetenreben durchflochten iſt. — Bei 3000 Höhe verläßt man die heiße Region und betritt die feuchten Gebirgswälder, in denen zahl— reiche Formen von Eichen mit Palmen gemiſcht auftreten. Allein 200 Arten von Orchideen ſind in dieſer warmen, feuchten Region, der pflanzenreichſten von ganz Mexiko, einheimiſch, wo Lorbeeren, Myrten, Terebinthen, Anonen und Malpighien die Waldbäume, und Melaſto— men, Farrnbäume ), Mimoſen, Bambuſen, Magnolien, Roßkaſtanien, baumartige Lilien, baumartige Syngeneſiſten und eine Menge anderer Gewächſe das Unterholz bilden, durchflochten von zahlreichen Lianen (Paſſionsblumen, Trompetenreben, Kürbisgewächſen, Stechwinden * u. ſ. w.) — Bei 6000’ Höhe iſt die Region der Eichenwälder noch nicht zu Ende, aber man gelangt an den Fuß der Cordillere. In den frucht— baren Ebenen des Plateau's wird hier der Mais gebaut, europäiſche Obſtbäume und Südfrüchte werden gezogen, und die Begleiter des Eich— waldes ſind Ulmen, Erlen, Heideſträuchers, nebſt Lianen, Orchideen, paraſitiſchen Farnen und Cactusgewächſens. — Mit 7800“ Höhe er— reicht man die Region der Nadelhölzer. Kräftige Fichtenſtämme? find mit Tillandſien und Bartflechten bedeckt und wechſeln mit Tannenwäl— dern ®, zwiſchen denen immer noch Eichen, Erlen und in den Thal— ſchluchten ſelbſt Linden, Lorbeer, Eriken, Schneeball, Weiden u. ſ. w. auftreten, obgleich hier ſchon der Schnee vom November bis zum März liegen bleibt. — Mit 11,000“ aber iſt die Baumvegetation zu Ende; niedrige Syngeneſiſten und andere alpine Gewächſes erſcheinen zwi— ſchen dem Gerölle vulkaniſcher Felsblöcke. — Bei 13,600“ erſcheint eine Bromeliaceen. ? Combretaceen. Palma real (Oreodoxa regia). * Smilax. ° Clethra. 6 Cereus flagelliformis. “ Pinus leiophylla, P. Monte- * zumae. ° Abies religiosa. ° Spiraca argentea, Stevia purpurea, St. arbutifolia. *) Merico's Reichthum an Turnen beläuft ſich auf 170 Arten. 222 II. Die tropiſche Zone. alpine Gebirgsebene, deren Boden aus vulkaniſchem Sande mit Aſche gemiſcht, nur noch niedrige Gräſer! bekannter europäiſcher Gattungen, dickblätterige, ſilberhaarige Geſträuche von Kreuzkraut?, ſo wie eine große Anzahl von Flechten und Mooſen hervorbringt. Mit 14,3007 Höhe hat man den Fuß des Kraters erreicht, der mit ſchwer zu er— ſteigendem Gerölle bedeckt iſt. Noch bei 14,800“ ſind die größeren Felsblöcke mit Cryptogamen bedeckt und zwar zum Theil mit denſel— bens, die man auf der Jungfrau in der Schweiz gefunden hat. Bei 15,000“ endlich beginnt die Grenze des ewigen Schnees. Dieſelbe Mannigfaltigkeit der Regionen zeigt ſich auch in den Culturgewächſen dieſer Zone. Schon ganz in der Nähe der Stadt Mexico liegen vier Plateau's von verſchiedener Höhe, von denen jedes ſich für die Cultur einer beſonderen Pflanze eignet: das Thal von Iſtla (3000“ hoch) für das Zuckerrohr, das von Actopan (6000) für die Baumwolle, das von Tenochtitlan (7000“) für die europäiſchen Getreidearten und das von Toluca (8000“) für Agavepflanzungen. Zuckerplantagen wurden hier ſchon von Cortez angelegt; vor der Be— kanntſchaft mit dem Zuckerrohr bedienten ſich die Mexicaner des Ho— nigs aus den Stengeln der Maisſtaude. Außerdem werden auf dem Plateau von Mexico die Piſangſtaude bis zu 5500’, der Kaffeebaum bis 4500’, der Cacaobaum bis 2000“ und der Weizen von 4300 —9200 Höhe gebaut. In einem Lande, deſſen Klima ſo große Mannigfaltig— keit zeigt, können mit Leichtigkeit die tropiſchen Früchte neben denen des ſüdlichen Europa gezogen werden und eben ſo vortrefflich gedei— hen, wie die Getreidearten und Gemüſe unſerer kälteren Zonen. Das Antilliſche Meer, auf der Oſtſeite des eben betrachteten mexi— caniſchen Plateau's, war vielleicht ehemals wie das mittelländiſche ein Binnenwaſſer, das plötzlich mit dem Ocean in Verbindung trat. An ſeinem Oſtrande zieht eine Reihe von Inſeln entlang, welche an— fangs mit dem Küſtengebirge von Venezuela einen rechten Winkel bil— det und ſpäter ſich weſtwärts zur Mündung des mexicaniſchen Meer— buſens hinzieht. Alle dieſe Inſeln, die großen und kleinen An— tillen, ragen hoch über den Waſſerſpiegel empor, ſo daß man ſie als Bruchſtücke eines nicht vollſtändig über die Meeresfluthen gehobenen Gebirgszuges betrachten kann. Die kleinen Antillen ſind hohe Inſeln, deren Gipfel die Krater theils erloſchener, theils noch brennender Vul— Festuca, Bromus, Avena, Agrostis. ? Senecio. 3 Parmelia elegans. Die weftindifchen Inſeln. 223 kane bilden. An ihrem nördlichen Ende beginnt die Reihe der großen Antillen: Porto Rico, Haiti oder St. Domingo, Jamaica und Cuba. Es ſind ſämmtlich hohe Gebirgsinſeln, deren höchſte Gipfel gerade da emporſteigen, wo die drei zuletzt genannten Inſeln ſich am meiſten nähern; der Culminationspunkt von 7680“ Höhe liegt auf Jamaica. Die Bahama-⸗Inſeln endlich bilden eine Gruppe von vielen Hundert niedrigen und flachen Korallen-Inſeln, welche die Reihe der großen Antillen mit der Halbinſel Florida verbinden. Intereſſant iſt die Klarheit und Durchſichtigkeit des Meeres in der Nähe aller dieſer In— ſeln, fo daß man bei 10— 12“ Waſſertiefe deutlich jede Pflanze und jedes Thier auf dem Grunde unterſcheidet, und das Schiff, welches die Reiſenden trägt, in der Luft zu ſchweben ſcheint. Das Klima iſt faſt auf allen Inſeln gleich und wechſelt ſelbſt im Laufe des Jahres nur wenig. Die tropiſche Hitze wird durch den faſt nean Monate herr— ſchenden Oſtwind gemildert, der von Morgens 8 Uhr bis gegen Abend anhält. Beſonders die Morgen und Abende ſind entzückend ſchön, und die Nächte wegen des außerordentlichen Glanzes der Geſtirne be— zaubernd. Zur Zeit ihrer Entdeckung waren alle dieſe Inſeln mit den ſchön— ſten Wäldern bewachſen, welche jetzt nur noch auf den größeren zu finden ſind. Dieſe ſind daher auch bei weitem die fruchtbarſten und waſſerreichſten; die kleineren hingegen, auf denen man die Wälder un— beſonnener Weiſe ausgerottet hat, leiden an Dürre und beſitzen zum Theil weder Quellen noch Bäche. Ueberhaupt haben die weſtindiſchen Inſeln jetzt ſchon großen Mangel an Brennmaterial, ſo daß auf Cuba die Zuckerpfannen mit Orangenholz geheizt werden. Die wichtigſten Waldbäume dieſer Inſeln find der Brafilien=?, der Campeche-?, der Mahagony-“, und der Eifenholzbaum ®, viele Palmen und Agaven, Myrten, Melaſtomen und auch Cactusgewächſe, die an der Südküſte von Jamaica allgemein ſind, während ſie an der Nordſeite fehlen. Die Waldbäume erreichen bisweilen über 100“ Höhe; auch find die Inſeln reich an Farnen, Orchideen und mancherlei Schlingpflanzen, unter denen ſich beſonders die Paſſionsblumen auszeichnen. — Be— kanntlich iſt es Weſtindien beſonders, welches Europa mit den ſo— genannten Colonialprodukten verſorgt, unter denen Zucker, Kaffee und Tabak den erſten Rang einnehmen. Das Zuckerrohr iſt von Otaheiti Caesalpinia brasiliana. 2 Haematoxylon campechianum. 3 Swietenia Mahagony. * Sideroxylon mastichodendron. 224 II. Die tropiſche Zone. hierher verpflanzt worden und gedeiht vortrefflich, ſo daß die feſte Holz— maſſe der Stengel ſogar zum Brennen benutzt wird. Die Kaffeeplan— tagen liegen gewöhnlich zwiſchen 3000“ und 6000“ au den Südabhän— gen. Man zieht die jungen Pflanzen im Schatten von Bananen, bis fie verpflanzt werden können und läßt die Stämme etwa 4“ in die Höhe ſchießen, worauf man ſie beſchneidet, ſo daß ſich ihre Kronen wie die eines Apfelbaumes ausdehnen. In der Regel werden die Bäume nur 20 — 30 Jahr alt. Endlich iſt die Havanna auf Cuba berühmt wegen ihrer Tabaksproduction, die für Weſtindien einen Ge— genſtand des ausgedehnteſten Handels bildet. Außer dieſen drei Haupt— produkten werden auch Reis, Mais, Weizen (auf Cuba ſchon in einer Höhe von 1500’), Bataten, Arons- und Maniokwurzeln, die Cocos- Dattel⸗ und Oelpalme, Agaven, Feigen, Ananasgewächſe, die Baum— wollenſtaude unde ſelbſt der Wein auf dieſen fruchtbaren Inſeln gebaut. Südliche Halbkugel. A. Afrika. Auf der ſüdlichen Halbkugel betreten wir zuerſt die Inſel Aſcen— ſion, die, noch in der Aequatorialzone gelegen, und ehemals ein nack— ter Fels, den Seefahrern eine traurige Erſcheinung darbot. Außer Cryptogamen fand man kaum 15 Phanerogamen, die dort dürftig ve— getirten; durch eine engliſche Niederlaſſung jedoch ſind mancherlei Ge— wächſe eingeführt worden. Eine Art Judenkirſche! bedeckt jetzt alle Anhöhen der Inſel und trägt angenehm ſchmeckende Früchte, während ein kleiner Halbſtrauch? das einzige Gewächs iſt, welches zur Feuerung verwandt werden kann. — Auch die Geſtade von St. Helena ge— währen keinesweges einen reizenden Anblick. Einſam erhebt ſich die Inſel bis zu 2700’ über dem Meere und beſteht aus Baſaltfelſen, durchſchnit— ten von kleinen Thälern, ſo daß ſie aus der Ferne wie eine ſchwarze, verbrannte, tauſendzackige und zerſpaltene Felſenmaſſe erſcheint; im Innern dagegen iſt ſie freundlicher, denn die Cultur hat hier außer— ordentlich viel gethan. Die urſprüngliche Flora der Inſel iſt größten— theils verloren gegangen; der große Wald, welcher die Hochfläche vor einem Jahrhundert noch bedeckte, iſt ausgerottet, und durch die Einführung der Ziegen, welche die krautartigen Pflanzen des Waldes nicht auf— kommen ließen, iſt eine große Anzahl der letzteren von der Erde ver— ſchwunden. Dafür finden ſich jetzt Erzeugniſſe aller Erdtheile auf der 1 Physalis barbadensis. 2 Hedyotis Ascensionis. Südafrika. Madagaskar. 225 Inſel. Aus England ſind Eichen und Kiefern eingeführt, neben wel— chen Araucarien, Caſuarinen und Eucalypten aus Auſtralien und Fich— ten! aus Neuſeeland wachſen; ſüdamerikaniſche Mimoſen und Yours eroyen ſtehen in Geſellſchaft der oſtindiſchen Feigen und der Piſang— ſtaude, und neben den meiſten europäiſchen Früchten werden zugleich der Kaffeebaum und der Theeſtrauch cultivirt. Der Weſtrand des Feſtlandes von Afrika iſt in dieſer Zone wenig bekannt. Südlich von Benguela tritt das Tafelland, wie ſchon in der Aequatorialzone, ſehr nahe an die Küſte und fällt in mehreren Stufen zum Meere ab, welches hier überall eine unbekannte und dürre Wüſte begrenzt. Nicht eine einzige der auf St. Helena einheimiſchen Pflanzen hat man an dieſer afrikaniſchen Küſte wiedergefunden. — Die Oſtküſte, Sofala, erſtreckt ſich von dem Delta des Zambeſeſtroms bis zum Cap Corrientes, dem Vorgebirge der Strömungen, weil der Meeresſtrom, der durch den Canal von Mozambique nach Süden hin— zieht, hier ſich bricht und ein gewaltiges Rauſchen verurſacht. Die ganze Küſte iſt flach und niedrig, moraſtig und bewaldet; von der Vegetation des Innern aber wiſſen wir fo gut wie nichts. Nur ah— nen läßt ſich, daß ſie der Lage und dem Klima nach von der der nahe liegenden Hochflächen in der ſubtropiſchen Zone nicht weſentlich ver— ſchieden ſein werde. Jenſeit des 75 Meilen breiten Canals von Mozambique aber be— treten wir Madagaskar, eine der größten Inſeln der Erde. Zwei— hundert Meilen lang, erſtreckt ſie ſich durch die ganze tropiſche Zone und ragt mit ihren Enden noch in beide benachbarte Zonen hinein. Die ganze Küſte iſt rings umher flach und niedrig, auf der weſtlichen Seite viel breiter als auf der öſtlichen; über dem Küſtenſtrich aber er— hebt ſich ein Bergland, deſſen Plateau's bis zu 4000“ anſteigen, wäh— rend die höchſten Gipfel nicht über 6000“ hinauszugehen ſcheinen. In dieſen höchſten Regionen erblickt man die Krater erloſchener Vulkane neben noch brennenden Feuerbergen; an den Plateauabhängen dage— gen wechſeln lachende Thäler mit finſteren Schluchten, zahlreiche Flüſſe und rauſchende Bäche ſtrömen von den dichtbewaldeten Anhöhen herab, und weitgedehnte Savannen umſchließen die Landſeen der Ebene, be— ſonders an der Weſtküſte, die zugleich geräumige Baien und Hafen— ſtellen beſitzt. Die Vegetation dieſer Inſel entfaltet eine Pracht und Ueppigkeit, die mit der des benachbarten Feſtlandes in dem grellſten ! Dammara australis. 226 II. Die tropiche Zone. Contraſte ſteht. Rieſenbäume, unter denen man den Affenbrotbaum, Ebenhölzer, Lorbeerbäume und Seifenbäume! erblickt, bilden hier un— durchdringliche Waldungen, in denen zugleich mannigfache Palmen, Waſſerbananen? und Pandanen auftreten. Auch an Lianen und Schmarotzergewächſen fehlt es nicht; Farrnkräuter und Orchideen er— ſcheinen in Menge neben der intereſſanten Kannenſtaudes. So ſtei- gen die Wälder bis auf die höchſten Berge, auf deren oberſtem Rücken das Vieh eine treffliche Alpenweide findet. In niedrigen Gegenden findet ſich da, wo die tropiſche Flora mehr zurücktritt, der ſüdafrikani— ſche Charakter ausgeprägt, während man auf den Höhen einer Menge von europäiſchen Gattungen, wenngleich nicht denſelben Arten be— gegnet. Auf dieſe Weiſe vereinigt Madagaskar die tropiſche Vegeta— tion mit der des Vorgebirges der guten Hoffnung wie mit der euro— päiſchen. Auch an der Bodencultur laſſen es die fleißigen Bewohner nicht fehlen. Der Brotbaum und die Reisfelder geben ihnen die haupt— ſächlichſten Nahrungsmittel, doch werden auch Kaffee, Zucker, Tabak, Baumwolle, Pfeffer und Indigo gewonnen. Auch die benachbarten Maskarenen, Bourbon und Mauritius ſind gebirgig, ſchön bewaldet und fruchtbar. Kaffee, Tabak, Zucker— rohr, Baumwolle, Indigo, auch der Weizen und ſelbſt die Theeſtaude gedeihen ganz gut; doch reichen die Lebensmittel für die Bewohner nicht aus, da der Boden nicht genug Culturflächen darbietet. Selbſt das Landen iſt äußerſt beſchwerlich, da ſich beide Inſeln ſteil aus dem Meere erheben. B. Auſtralien. Das Klima des nördlichen Theils von Auſtralien, welcher ſich in dieſe und ſelbſt noch in die Aequatorial-Zone hinein erſtreckt, und von dem uns kaum die Küſten genügend bekannt ſind, zeigt noch ganz die Schwüle der Tropen, fo daß die mittlere Temperatur etwa 22° und die des kühlſten Monats immer noch 18,5 beträgt. Dieſe Gegenden ſtehen unter dem Einfluß der indiſchen Monſune, von denen der Nord— weſt-Monſun die Regenzeit, der Südoſt-Monſun die trockene Jahres— zeit (April bis October) herbeiführt. Obgleich in der tropiſchen Zone gelegen, zeigen dieſe Gegenden Auſtraliens doch keine Spur von der ! Sapinden. 2 Urania speciosa. 5 Nepenthes madagascariensis. “ Poa, Festuca, Saxifraga, Cerastium, Ranunculus, Alchemilla, Galium, Veronica, La- mium, Draba, Trifolium, Campanula ete. Das nördliche Auſtralien. Polyneſien. 2 Ueppigkeit und Fülle des benachbarten aſiatiſchen Archipels. Zwar erinnern Palmen und Farne, ſo wie einige Schlingpflanzen daran, daß man ſich innerhalb der Wendekreiſe befindet; im Allgemeinen aber reicht der matte und fahle Vegetationscharakter, der Auſtralien über— haupt eigen iſt, bis zum Cap Pork und breitet ſich auch über die zu— nächſt gelegenen Inſeln aus. Weitläuftige Wälder, aus hohen, ein— zeln ſtehenden Gummibäumen gebildet, die ihre ſchwachbelaubten Zweige in die Luft ſtrecken, ohne Schatten zu gewähren, finden ſich überall. In kleinen Schluchten mit dichterem Laubwerk finden ſich zwar einige Palmen eingeſtreut, im Ganzen aber erſcheint die Küſtenlandſchaft trocken und ſtaubig. Die offenen Wälder werden nach Norden allmä— lig grasreicher, Acacien und Eucalypten bilden die Hauptformen, und an den Ufern treten Caſuarinen auf, die weiter nordwärts durch For— men! erſetzt werden, die zwiſchen Myrten, Heideſträuchern und Nadel— hölzern ſtehen. So iſt der Vegetationscharakter des ganzen nördlichen Theils; nur in der Nähe des Meerbuſens von Carpentaria zeigen ſich noch einige Bandanen, eine Schirm=? und eine Sagopalme?, ein paar Myrobalanen!, und die Melaleuken vertreten die Stelle der Enkalyp— ten. An den Meeresküſten zeigt ſich übrigens auch Mangrovebildung wie in Indien. C. Polyneſien. Die ſämmtlichen Inſeln, welche in dem großen Deean bele— gen ſind, laſſen ſich in zwei Hauptmaſſen unterſcheiden: in eine Reihe von Inſeln, welche das Feſtland von Auſtralien begleiten, und in eine Menge gruppenweiſe beiſammen liegender Inſeln, welche über den gan— zen Ocean zerſtreut ſind. Die erſte Reihe beginnt mit dem weit jen— ſeit des Wendekreiſes gelegenen Neuſeeland und zieht ſich parallel mit der Oſtküſte von Auſtralien bis nach Neu-Guinea. Neu-Caledonien, die erſte in der tropiſchen Zone, iſt von einer einzigen Bergkette durch— zogen, deren Gipfel wie mächtige Zuckerhüte ſich erheben, und die aus kahlen, öden Bergen und Felſen beſteht, die meiſt nur bis zu 3000“ Höhe anſteigen. Alle Inſeln dieſer Reihe ſind länglich geſtaltet und mit ho— hen Gebirgen bedeckt, deren Gipfel die Krater theils erloſchener, theils noch brennender Vulkane tragen. — Die zweite Hauptmaſſe liegt mit wenigen Ausnahmen zwiſchen den Wendekreiſen und läßt ſich ihrer phyſiſchen Beſchaffenheit nach in hohe und niedrige Inſeln unterſchei— ' Melaleuca leucadendron; Callitris. 2 Corypha. ® Cycas. * Terminalia. 15 * 228 II. Die tropifche Zone. den. Zu den hohen gehören beſonders die Fidſchi-, Schiffer-, Geſell— ſchafts-Inſeln und der Mendana-Archipel; zu den niedrigen oder Ko— ralleninſeln: der noch nördlich vom Aequator gelegene Lord Mulgra— ves-Archipel, die Freundſchafts-, die Cook's- und die Niedrigen In— ſeln. Nächſt dem ſchon beſprochenen Hawaii iſt Otaheiti die höchſte, indem ſie ihren höchſten Gipfel bis 11,500“ über die Meeresfläche erhebt. Was das Klima aller dieſer Inſeln betrifft, ſo wird die tropiſche Hitze durch die ungeheure Fläche des Oceans bedeutend gemildert und eine große Gleichmäßigkeit der Wärme herbeigeführt. Die mittlere jährliche Temperatur auf den Geſellſchaftsinſeln beträgt 20° und der Unterſchied zwifchen dem heißeſten und dem kühlſten Monat kaum 2,5. Schon die vorher gegebene Darſtellung von der Lage aller Südſee— inſeln ſpricht dagegen, daß ſie alle demſelben Schöpfungsheerde ange— hören. Die Aehnlichkeit in der Vegetation zeigt ſich mehr in den Ge— wächſen, welche den Menſchen begleitet haben, als in der urſprünglichen Flora. Am auffallendſten iſt die Verſchiedenheit der Sandwich-Inſeln von den übrigen, weshalb wir jene Gruppe auch ſchon früher abge— ſondert betrachtet haben. Alle hohen Inſeln zunächſt ſind ihrem land— ſchaftlichen Charakter nach von den Tropengegenden der Feſtländer weſentlich verſchieden. So zeigt gleich Neu-Caledonien ſich kahl, ja entwaldet, und nur, wo größerer Waſſerreichthum ſich findet, treten Caſuarinen mit hängenden Aeſten neben Cypreſſen und anderen ſchö— nen tropiſchen Pflanzenformen auf. An den Ufern finden ſich Mans grovewaldungen, und merkwürdige, dicht und ſchön belaubte Feigen— bäume ſchließen ſich ihnen an, die oft 15—20“ über der Erde auf einer Menge von langen Wurzeln ruhen. Die Anzahl der Baumarten, welche auf allen hohen Inſeln die Wälder bilden, iſt nicht groß. Bar— ringtonien! mit großen prächtigen Blüthen, Sternmyrten?, Myroba⸗ Innen, Malvaceen, Leguminoſen und beſonders viele orangen- und myrtenartige Gewächſes nebſt einigen anderen Familien! machen den ganzen Reichthum aus; aber die Bäume ſind maleriſch gruppirt und zeichnen ſich aus durch Schönheit der Krone wie durch Eleganz der Belaubung. Neben ihnen erſcheinen die zierlichen Baumfarrn, die ſonſt nirgend auf der ganzen Erde einen ſo lachenden Anblick gewäh— ren. In Stämmen von 20— 25“ Höhe treten fie auf und bilden be— Barringtonia speciosa. ? Sonneratia rubra. Calophyllum; Melasto- maccen. Urtieeen, Apoeyneen. Die Südſeeinſeln. 229 trächtliche Waldſtrecken. Prachtvolle Winden und andere Schling- pflanzen, deren Farben bis ins Unendliche wechſeln, zieren die Stämme und Kronen der Bäume. Eine herrliche Friſche herrſcht in dieſen Wäl— dern, wo man kein reißendes Thier, keine giftige Schlange zu fürchten hat. Die Cocospalme, die wohl auf keiner der Sübdſeeinſeln fehlt, ſchmückt die Geſtade, während die Kohlpalme! majeſtätiſch ihr Haupt über die lachenden Wälder erhebt. Die Nipapalme mit ihren rieſen— haften Blättern bedeckt moraſtige Stellen der Flußufer und der Mee— resküſte, und Pandanen verleihen den hohen Geſtaden einen eigenen Charakter von Eleganz. — Aber auch durch die Fruchtbarkeit des Bo— dens zeichnen ſich dieſe Inſeln aus. Eine Menge von Ländereien ſind mit Bananen und Aronswurzeln bedeckt; die Tarrofelder ſpielen hier eine eben ſo wichtige Rolle wie auf den Sandwichinſeln, und die Frucht derſelben wird faſt überall der Pamswurzel und der ſüßen Kartoffel vorgezogen. Das Zuckerrohr, deſſen Grün hier in den verſchiedenſten Schattirungen erſcheint, iſt von vorzüglicher Güte und Stärke. Der Brotbaum iſt hier ſo kräftig wie unſere Eiche, und auf Otaheiti leben die Bewohner neun Monate lang faſt ganz allein von der ſamenloſen Art deſſelben. Drei Bäume ſind hinreichend, um einen Menſchen zu ernähren. Die Frucht wird vor der Reife abgenommen, wo ſie noch feſt und mehlig iſt. Man bereitet einen Teig daraus, läßt ihn gäh— ren und bäckt daraus ein Brot, welches vom September bis zum Ja— nuar, wo der Baum blüht, ein beliebtes Nahrungsmittel iſt. Auf den Geſellſchaftsinſeln genießt man eee dieſer Zeit auch die Knollen einer Aroidee ?. Die niedrigen Inſeln ns in ihrer ganzen Erſcheinung von den hohen weſentlich verſchieden, und ſehen wegen des vollſtändigen Man— gels an fruchtbarer Erde wie von der Natur vernachläſſigt aus. Da— bei ſind ſie klein, ſo daß der Wind die ſalzigen Theile des Meerwaſſers, die dem Pflanzenwuchs ſo verderblich ſind, über die ganzen Inſeln fort— führt; nichtsdeſtoweniger ſind ſie mit Cocospalmen und ſelbſt kräftigen Brotbäumen bedeckt. Auch manche der anderen Gewächſe, die die ho— hen Inſeln zieren, haben ſich angeſiedelt. Die Wurzeln der Bäume dringen mit Gewalt in den Corallenboden ein, heben ganze Schichten deſſelben in die Höhe, ſo daß Höhlungen entſtehen, unter denen durch das Verweſen der abfallenden Blätter und anderer organiſcher Stoffe etwas Dammerde ſich bildet, in welcher der durch den Wind oder durch Areca oleracea. 2 Dracontium polyphyllum. 230 II. Die tropiſche Zone. Vögel herbeigeführte Same keimen kann. Nur die baumartigen Farrn wollen hier nicht gedeihen, an niedrigen iſt dagegen kein Mangel. D. Amerika. In Südamerika betreten wir in dieſer Zone, ſüdöſtlich von dem Gebirgsknoten von Cuzco, das mächtige Plateau von Bolivia mit dem merkwürdigen Titicacaſee. Zwiſchen dem 19° und 20° f. Br. nämlich theilt ſich die von Süden herkommende Andeskette zum erſten Mal in zwei Zweige und ſendet die Bolivianiſche Kette, die im Gan— zen parallel mit der weſtlichen Cordillere läuft, nach Norden, wo ſie nördlich von dem genannten See in dem Gebirgsknoten von Cuzeo ihr Ende erreicht. Dieſe beiden Ketten umgürten das ungeheure Al— penthal des großen Sees von Titicaca oder Chuquito und bilden den erhabenſten Theil der ſüdamerikaniſchen Cordilleren. Ein ebener Land— ſtrich von 70 Meilen Länge und 10 Meilen Breite, deſſen Flächenraum an 1000 Quadratmeilen beträgt, liegt hier 12,000“ über dem Mee— resſpiegel und enthält einen See, der 20 mal ſo groß iſt als der Genferſee, und über deſſen Waſſerfläche eine Menge kleiner Inſeln hervorragen. So bildet dieſes Plateau eine der merkwürdigſten Erſchei— nungen, die um ſo intereſſanter wird, wenn man bedenkt, daß es der Sitz einer betriebſamen Bevölkerung iſt, die hier bedeutende Städte und Dörfer angelegt und auf den Trümmern eines der größten ame— rikaniſchen Reiche einen chriſtlichen Staat gegründet hat. — Oeſtlich von der Bolivianiſchen Kette ſchließt ſich ein die Cordilleren verſtär— kendes Querjoch an, die Sierra Nevada von Cochabamba und v. Sta. Cruz, die zwiſchen 174° und 22° Br. gelegen, die Bolivianiſchen Pro— vinzen Cochabamba und Chuquiſa erfüllt und die Waſſerſcheide zwi— ſchen dem Gebiete des Amazonenſtroms und dem des Rio de la Plata bildet. Da wo das Gebirge aufhört, bei 464° w. L., läuft die Waſſerſcheide zwiſchen den Gebieten des Madeira und des Paraguey in nordöſtlicher Richtung bis zu 16» Br. Zwei ſchwach geneigte Sa— vannenebenen bilden dieſe ſanfte Erhöhung, die einen der unbekannte— ſten Landſtriche von Südamerika durchzieht. Was die Witterungsverhältniſſe des weſtlichen Küſtenſtrichs in dieſer Zone betrifft, ſo iſt zu bemerken, daß die Höhe von Amotape, ſüdlich vom Cap Blanco zwiſchen 4 und 5° f. Br. einen wichtigen Scheidepunkt bildet. Nördlich von dieſem Hügel herrſchen, wie wir bei der Betrachtung der Aequatorialzone geſehen haben, Regengüſſe, Gewitter und in Folge deſſen eine üppige Vegetation; ſüdlich davon Das Plateau von Bolivia. 231 aber zeigt ſich in einer Strecke von 25 Breitengraden, bis nach Co— quimbo (30° |. Br.) der entſchiedenſte Mangel an Regen und Ge— wittern, und während der kühlen Monate erſcheinen die ſchon früher erwähnten Garua's, dieſe nebelige Verſchleierung des ganzen Firma— ments. Aus der in jenen Gegenden befindlichen Meeresſtrömung, der ſogenannten Humboldt-Strömung, welche das kalte Waſſer von Süd— weſt nach Nordoſt treibt und eine plötzliche Abkühlung der niederen Luftſchichten verurſacht, erklärt man ſich die Entſtehung dieſer Nebel. In Folge dieſer eigenthümlichen klimatiſchen Bedingungen iſt die Ve— getation der Küſte innerhalb dieſer Zone ſo ärmlich, daß die Strecke von Arica ſüdwärts bis Copiapo ein Bild der Sahara im Kleinen zeigt. Der dürre, ſandige, ſalzhaltige Boden bringt hier meilenweit keine Pflanze hervor; kein Inſect iſt zu ſehen, kein Vogel ſchwebt über dieſer öden Fläche. Endlich erſcheinen einige Sträucher“, und wenige Palmen nebſt einigen Acacien verrathen, daß man ſich noch innerhalb der Tropen befindet. Durch Thäler, von nackten Bergwänden einge— ſchloſſen, gelangt man an den Fuß der Cordillere, wo die Vegetation einen belebten Charakter annimmt. Granaten und Feigen nebſt meh— reren krautartigen Gewächſen? treten auf; der Oelbaum, höchſtens ſeit einigen Jahrhunderten hier eingeführt, erſcheint in der Stärke und Größe unſerer Apfelbäume in waldähnlichen Anpflanzungen und lie— fert ausgezeichnete Früchte, welche gebraten in den Straßen von Arica jeden Tag umhergetragen und in Käſtchen, aus Palmblättern gefloch— ten, nach der Hochebene übergeführt werden, wo man ſie auf dem Markte von Arequipa täglich in großen Quantitäten verkauft. Hier wird in einer Höhe von mehr als 7000“ auch der Weinftocf eultivirt und liefert vortreffliche Trauben; eben fo zieht man die Aracachas, ein Knollengewächs. In dieſer Gegend beginnt auch die Region der ſäulenförmigen Cactusgewächſe. Da wo ſonſt keine Spur von Vege— tation zu finden iſt, bedecken ſie die Rücken der Berge und verleihen den Steinmaſſen eine eigenthümliche Phyſiognomie. Beſonders zeich— net ſich eine candelaberförmige Art? aus, deren Stamm, nachdem er eine Höhe von 8 und mehr Fuß erreicht, ſich in eine Menge von run⸗ den Aeſten zertheilt, die nach den verſchiedenſten Richtungen ſich aus— breiten, oft ſogar ſchlangenartig ſich winden. Ueber 7000“ verſchwindet dieſes übrigens nicht ſehr weit verbreitete Gewächs und macht dem 1 * * * * . * .. Eupatorium, Ricinus, Argemone. ? Datura arborea, Gynerium Nesü, 3 Nolana, Spartium. Aracacha esculenta. * Cexeus candelarıs. 232 II. Die tropiſche Zone. Greiſencactus! Platz, der mit ſeinem lang herabhangenden ſilberweißen Haar ganz paſſend zu dem Eindruck jener weiten Einöden ſtimmt, um fo mehr, als er immer einſam, in einzeln ſtehenden Stämmen auftritt. Noch höher hinauf zeigt ſich die Vegetation wieder überaus reich und ſchön, mit prachtvollen Blumen geſchmückt?. Bei 8000“ Höhe erſcheinen Weizenfelder, die einen außerordentlichen Ertrag liefern und ſelbſt bei 10,000“ Höhe gedeiht dies Getreide, ſo wie unſere Luzerne noch ganz gut. Wo es aber in dieſen Gegenden völlig an Waſſer fehlt, da ver— ſchwinden auch die hohen Cactusgewächſe, und niedrige Formen treten hervor, mit langen Stacheln bewaffnet. In großen Haufen von 27 Höhe liegen ſie zerſtreut umher, ſo daß ſie bei ihrer gelblichrothen Färbung oft wie ruhendes Wild ausſehen. Die Geſträuche erſcheinen verkrüppelt, und niedere Alpengewächſe? laſſen ſich blicken. Dieſe ein— förmigen, von aller Baumvegetation entblößten Bergebenen heißen hier Paramo's und die noch höher gelegenen, wo die Vicunna ihre Weide— plätze findet, werden Puna's genannt. Hat man den Kamm des Gebirges erreicht, ſo breitet ſich eine unabſehbare Hochebene von mehr als 150 Quadratmeilen aus, eine vollſtändig wüſte Strecke, die nach und nach in eine Salzſteppe übergeht. Von hier aus ſteigt man ein paar Tauſend Fuß zu den Ufern des Titicaca-Sees hinab. Allmälig be— ginnt die Vegetation. Zuerſt zeigen ſich harte, ziemlich hohe Gräſer mit ſpitzen Blättern; fie bedecken die Weideplätze der Llama's. Hier— auf erſcheinen Steinklüfte, in deren Spalten kleine Piperaceen wach— fen, während das todte Geſtein ſelbſt mit niedlichen Flechten! geziert iſt. Bald darauf trifft man Ackerfelder, zuerſt Roggen und ſpäter in bedeutendem Umfange die Quinoa neben wohlbeſtellten Kartoffelfeldern. Wegen der niedrigen Wintertemperatur kann hier natürlich nur einmal geerntet werden; aber auch bei Arequipa (7800) findet wegen der großen Trockenheit der Luft nur eine einmalige Ernte ſtatt. Eben ſo iſt die Wärme der Sommermonate auf dem Plateau nicht ausreichend, um Roggen und Weizen zur Reife zu bringen; dieſer wird daher am Titicacaſee nicht mehr gebaut und jener nur als Grünfutter verwen— det. Daſſelbe gilt auch von der Gerſte; der Hafer dagegen reift noch bei 12,700“ Höhe. Der Weg von Chuquito nach Puno, am weſtlichen Ufer des großen Sees, gleicht ungeachtet der bedeutenden Höhe einem Cactus senilis. “ Lycium, Cactus peruvianus, Echeveria, Loranthus, Mu- lisia ete. 5 Selinum acaule, Verbena, Lycopodium. * Gyrophora, Le- eamora. Bolivia. Braſilien. 233 wahren Blumengarten“. Bäume fehlen zwar, aber alle nicht ange— bauten Flächen ſind mit dem ſchönſten Raſen geſchmückt. Die Ufer des Sees ſelbſt ſind mit einem dichten Binſenwalde? eingefaßt, und die Bewohner jener holzarmen Gegenden verfertigen nicht nur Böte aus dem Geflecht dieſer Binſen, ſondern auch Stangen, die ſie ent— weder als Ruder oder als Maſten gebrauchen. In letzterem Falle wird ein aus denſelben Binſen geflochtenes Segel an der aufgerichteten Stange befeſtigt. Uebrigens würden bei der im Ganzen milden Tem— peratur (denn der See gefriert zur Winterzeit nicht) Elſen, Birken und Tannen ganz gut ſich anpflanzen laſſen, denn auf der Inſel Titicaca, nach welcher der See ſeinen Namen erhalten hat, baut man ſelbſt noch den Mais. Auf der öſtlichen Abdachung der Bolivianiſchen Kette iſt beſonders die Cultur der Coca *) von Bedeutung. Alle Peruaner tragen kleine Taſchen bei ſich, die mit Cocablättern oder mit kleinen Kügelchen gefüllt ſind, die man aus einer Miſchung dieſer Blätter mit Thon oder Kalk bereitet. Die Kügelchen werden ſo lange gekaut, als ſie herbe ſchmecken, und dann weggeworfen. Man rechnet, daß in ganz Peru und Cuzco jährlich für mehr als 5 Millionen preußiſche Thaler für den Genuß der Coca verwendet werden. An der Oſtküſte Südamerika's zieht ſich innerhalb dieſer Zone ein Gebirgszug entlang, an verſchiedenen Stellen Serra do Mar genannt, deſſen mittlere Erhebung etwa 3000“ beträgt. Erſt bei 13° ſ. Br. tritt das Gebirge merklicher auf, von wo es ſchwache Ausläu— fer in die Aequatorialzone hinein bis zum Cap St. Roque ſendet. Noch mehr erhebt es ſich unter 194° ſ. Br., ſteigt in der Nähe von Rio de Janeiro bis zu Gipfeln von 4000 an und endet erſt in der ſubtropiſchen Zone bei 29 Br. Hat man dieſes Küſtengebirge, das ſich dem Meere bald mehr bald weniger nähert, überſtiegen, ſo befindet man ſich auf dem großen Braſilianiſchen Tafellande, welches ſich von O. nach W. durch ganz Braſilien erſtreckt, eine mittlere Höhe von 2500’ hat und ſich nach dem Rio Paraguey und dem Madeira allmälig herabſenkt. Hier verliert es ſich in weite, meiſt ſumpfige Savannenebe— nen, die ſich bis an den Fuß der Gebirge Bolivia's erſtrecken. Die nördliche Grenze der allmäligen Abfälle dieſes Tafellandes bildet eine Linie, welche man vom Cap St. Roque (5° f. Br.) bis zur Mün⸗ dung des Madeira in den Amazonenſtrom ſich gezogen denkt, und bei ' Celsia, Gnaphalium, Loasa hispida. “ Malacochaete Tatora. ) Vergl. ©. 167. 234 II. Die tropiſche Zone. welcher die Hauptniederungen dieſes Stromes beginnen. Auf dem eben beſchriebenen Plateau erheben ſich nun die höheren Gebirge, meiſt von Süden nach Norden hinziehend; doch ſind ſie den Cordilleren in keiner Beziehung zu vergleichen, indem ihre höchſten Punkte die Höhe von 6000“ nirgend erreichen. So erſtreckt ſich dies große Braſilianiſche Tafelland weit über die Grenzen dieſer Zone hinaus, nach Norden in die Aequato— rial⸗Zone hinein bis zu 5° ſ. Br. und nach Süden in die ſubtropiſche Zone bis zu 29° |. Br. Das Klima dieſes ausgedehnten Landes iſt natürlich verſchieden. Die Küſte iſt im Allgemeinen heiß und feucht, ſo weit die Tropenregen fallen, doch iſt ſie nicht ungeſund; erſt ſüdlich vom Cap Frio (23° ſ. Br.) wird fie gemäßigter und angenehmer. Auf dem Plateau dagegen, wo die Wälder ſeltener und lichter, und auch die atmoſphäriſchen Niederſchläge weniger häufig ſind, herrſcht oft mehrere Jahre hinter einander eine verderbliche Dürre. Eben ſo verſchieden iſt die Vegetation von Braſilien. Das ganze Meeresufer mit Einſchluß des öſtlichen Abhanges der Küſtenkette iſt mit dem üppig— ſten Urwalde bedeckt, deſſen Breite an vielen Stellen 30 — 40 Meilen beträgt. Hier herrſcht noch die ganze Mannigfaltigkeit der Baumfor— men wie in der Aequatorialzone; vor Allem aber iſt die Oſtküſte reich an Palmen. In den Ebenen unmittelbar am Meere erſcheinen die verſchiedenen Weinpalmen! und die Netzpalme?, die einzige braſilia— niſche Palme mit ungetheilten Blättern, die zuweilen eine Länge von 20“ bei 6’ Breite erreichen und ihrer Feſtigkeit wegen beſonders zum Dachdecken gebraucht werden. In offenem Sandboden wächſt die Ma— caubapalmes und eine andere ſehr häufige Art. Die Niederungen nach dem Aequator zu haben eine 80—120“ hohe Kohlpalmes aufzu— weiſen, und in den dichten Wäldern finden ſich eine Menge anderer Arten s, die meiſt eine Höhe von 50 bis zu 100“ erreichen. Selbſt im Innern von Braſilien findet ſich die Wachspalme? auf den Sa— vannen und andere Artens in den Thälern. So bietet die ganze Oſtküſte durch den mit den mannigfachſten Laubhölzern contraſtirenden Palmenſchmuck den anmuthkgſten Anblick dar. Der Boden iſt überall äußerſt ergiebig, entweder eine ſchwarze Dammerde, oder ein fetter * ' Mauritia flexuosa et vinifera; Oenocarpus disticha. 2 Manicaria saccı- lera. Acxocomia sclerocarpa. * Bactris major. ° Euterpe brasiliana. 6 Euterpe edulis, Guilielma speciosa, Oenocarpus bataua et bacaba, Iriarten ven— tricosa, Attalea funifera etc. “ Corypha cerifera. Cocos butyracea, Astro- caryum vulgare. Braſilien. 235 Lehmboden; und wo die Wälder ein wenig gelichtet find, um Cultur— land zu gewinnen, da ſetzt die ungemeine Fruchtbarkeit des Bodens in Erſtaunen. Doch iſt hier wie überall in Betreff der Lichtung der Wäl— der Vorſicht nöthig. In der Gegend von Rio de Janeiro hat ſich in Folge deſſen das Klima in neuerer Zeit bedeutend verändert. Früher regnete es faſt das ganze Jahr hindurch, während gegenwärtig ein ſolcher Mangel an Feuchtigkeit eingetreten iſt, daß die Regierung ſich veranlaßt geſehen hat, die weitere Ausrottung der Bäume auf dem Cor— covado-Gebirge zu unterſagen. — Ganz anders erſcheint der Vegeta— tionscharakter auf dem Tafellande Braſiliens. Hier erblickt man die Campos, große wellenförmige Flächen, von Gräben zerriſſen und ohne alle Cultur. Zur Regenzeit bedecken ſie ſich mit grünem üppigen Graſe!, beſonders an den Ufern der Gewäſſer; ſonſt find fie baum— leer, nur mit kurzem Geſträuch überzogen. In der trockenen Jahreszeit erſcheinen ſie wie verbrannt, und dann iſt der Mangel an Waſſer oft ſo groß, daß ganze Dorfſchaften auswandern müſſen, um eine Quelle zu ſuchen. Da, wo die wellenförmigen Biegungen der Campos ſich dichter zuſammendrängen, zeigt ſich auch Baumwuchs, doch bildet der— ſelbe nie zuſammenhangende Wälder, ſondern nur zerſtreute Gruppen ohne Unterholz. Wo aber das freie Land von tiefen Thälern durch— ſchnitten, oder von ſanften Einſenkungen durchzogen iſt, werden die Bäume höher und kräftiger. Hier vereinigen ſie ſich zu Wäldern, de— ren Unterholz aus grobblätterigen, blühenden Sträuchern und dorni— gen Pflanzen gebildet iſt, und wo Cactus-? und Ananasgewächſe? als Schmarotzerpflanzen erſcheinen. Es ſind die lichteren Wälder Braſi— liens, Catinga's genannt. Doch in dieſen trockenen Gegenden er— ſtirbt gerade zur Sommerzeit die Vegetation. Das Laub der Bäume verdorrt, und die Blätter fallen herab. Die Kräuter, die den Boden bedecken, verſchwinden ſpurlos. Nur einige dornige Schlinggewächfe * ſind noch mit Blättern beſetzt, und hier und da ragen einige ſtattliche Blumenrispen von Ananasgewächſen zwiſchen den Zweigen hervor. Die mächtigen Baumſtämme erſcheinen dann in ihrem ganzen Um— fange; wie Rieſenarme erſtrecken ſie ihre mächtigen Aeſte in den dun— kelblauen Aether hinein. Der ganze Wald erſcheint dann wie ein weites Grab; Alles umher trägt ein eigenthümliches, fremdes Gepräge und erfüllt das Gemüth mit Bangen). In dieſen Wäldern zeigen Saccharinen. 2 Rhipsalis, Epiphyllum. Bromelien. “ Smilax, Cissus. *) Nach Martius, Reiſe in Braſilien. 236 III. Die ſubtropiſche Zone. ſich nur einige Cactusgewächſe als Schmarotzerpflanzen; aber in der Provinz Pernambuco treten mächtige Formen auf, die das kahle Ge— ſtein bedecken. „In dieſen trockenen Gegenden, über welche ein reiner, tiefblauer Aether ausgeſpannt iſt, erheben ſich die unförmlichen Stämme, vielmal die Höhe des Menſchen überragend; regellos ſtarren die blatt— loſen Maſſen empor, und ihr bläuliches Grün contraſtirt eben ſo mit dem warmen Colorit der Landſchaft, als die ſteifen Umriſſe ſelbſt ge— gen die ſchmiegſamen, milden Formen der übrigen Tropenvegetation abſtechen“ “*). Stattliche Cereenſtämme von 30 — 40“ Höhe find gar nicht ſelten, und fie erſcheinen bald veräſtelt, in der Geſtalt vielarmi— ger Candelaber, bald ſpalierähnlich in dichte Reihen zuſammenge— drängt. Die Anzahl der Culturpflanzen Braſiliens iſt nicht groß, und der Anbau beſchränkt ſich auf die Oſtküſte und im Innern auf einzelne Stellen am Rande der Ströme, wo die Wälder ein wenig gelichtet ſind. An einigen Stromufern wächſt dort wilder Reis, der von den Bewohnern eingeerntet aber nicht angebaut wird; nur einige Maniok— wurzeln ziehen ſie in der Aſche der umgehauenen und verbrannten Baumſtämme. An der Küſte aber cultivirt man Zucker, Baumwolle, Tabak, Kaffee und ſelbſt den Thee; die beiden letzteren beſonders bei Rio de Janeiro, deſſen Umgegend, obwohl an der äußerſten Grenze der heißen Zone gelegen, noch den ganzen Zauber einer tropiſchen Na— tur entfaltet, der jeden dort landenden Europäer mit Entzücken erfüllt. III. Die ſubtropiſche Zone. Die ſubtropiſche Zone ſchließt ſich auf beiden Halbkugeln unmit— telbar an die tropiſche Zone und erſtreckt ſich von den Wendekreiſen bis zum 34. Grade der Breite. Die Ländergebiete, welche auf der nördlichen Halbkugel in dieſer Zone liegen, ſind im nördlichen Afrika die Berberei, das Plateau von Barka und Aegypten; in Aſien das nördliche Arabien nebſt Syrien und Paläſtina, das Hochland von Per— ſien, die oſtindiſche Tiefebene, die Kette des Himalaya, das Plateau von Tübet und der größte Theil von China; in Amerika der nörd— liche Theil des Plateau's von Mexico und der ſüdliche Theil der Tief— „) Martius, Reiſe in Braſilien. Madeira und die Canariſchen Inſeln. 237 ebene am Miſſiſippi. — Auf der ſüdlichen Halbkugel ſind es das Cap— land, der ſüdliche Theil von Neuholland und in Amerika Chile und die Länder am La Plata. Allgemeine Charakteriſtik. Die mittlere Temperatur dieſer Gegenden ſchwankt zwiſchen 14 und 17° R., wobei ihnen aber eine Sommertemperatur von 18—22 zukommt; die Bewohner dieſer Länder erfreuen ſich mithin des glück— lichſten Klima's auf der ganzen Erde. Die Hitze wird nie ſo drückend wie in den Tropen, und dennoch reicht die Sommerwärme aus, um den größten Theil der tropiſchen Früchte zur Reife zu bringen. Da— bei ſind die Winter fo milde, daß die Vegetation nie erſtirbt. In den — ebenen Gegenden gedeihen hier faſt überall noch Palmen und Bananen, und die baumartigen Gräſer tragen in China wie am Miſſiſippi zur Cha— rakteriſtik der Vegetation bei. In Betreff der Baumformen aber zeigt dieſe Zone eine durchaus andere Phyſiognomie als die Tropengegen— den, indem die Laubhölzer mit dicken, lederartigen und glänzenden Blättern ſo wie die Myrtenform vorherrſchend werden. | Beſondere Charakteriſtik. Nördliche Halbkugel. A. Afrika. An der Weſtküſte von Afrika betreten wir in dieſer Zone zuerſt die Inſelgruppe von Madeira und die Canariſchen Inſeln. Madeira beſteht aus einem ausgebrannten 5000’ hohen Vulkan, deſſen _ ſchroffe Abhänge von Gießbächen zerfurcht find. Der Cedernwald, wel— cher einſt die Inſel bedeckte, iſt niedergebrannt worden; ſtatt deſſen be— decken jetzt herrliche Südfrüchte und edle Obſtſorten die Anhöhen, die Weinrebe gedeiht vorzüglich, und ſelbſt das Zuckerrohr wird angebaut. — Die Canariſchen Inſeln, ſchon von den Alten die glückſeligen In— ſeln genannt, ſind gleichfalls vulkaniſcher Natur und tragen einige noch jetzt rauchende Krater. Die Oſtſeite der Berge, die den von Afrika herüberwehenden glühenden Winden ausgeſetzt iſt, erſcheint meiſt dürr und verbrannt; die Nord- und Weſtſeite dagegen haben ein angeneh— mes und geſundes Klima. Obwohl die Canariſchen Inſeln äußerſt wenig tropiſche Pflanzenformen aufzuweiſen haben, ſo ſind ſie doch wegen ihrer Naturſchönheiten und der herrlichen Vegetation, die ſo viel Anziehendes und Harmoniſches darbietet, von den älteſten Zeiten her hochgeprieſen worden. Eine Verwandtſchaft der canariſchen Flora mit 238 III. Die ſubtropiſche Zone. der des ſüdlichen Atlas findet nicht ſtatt, eben ſo fehlen die europäi— ſchen Bäume; nur die Dattelpalme hat ſich hier angeſiedelt. Dagegen treten die baumartigen Heideſträucher“ in großer Maſſe auf; Lorbeer— gewächſe?, holzige Syngeneſyſten, viele fleiſchige Gewächſe, Drachen- bäume und eine Menge von Halbſträuchern nebſt holzigen Lianen bil— den die charakteriſtiſche Vegetation. Die fleiſchigen Gewächfe 3 vor allen bilden mit den übrigen Gewächſen den ſeltſamſten Contraſt, um ſo mehr, als es ſelbſt baumartige Formen! darunter giebt, die eine Höhe von 30 und mehr Fuß erreichen. Eine Euphorbies erhebt ihre dun— kelgrünen, blattloſen Zweige aus einer gemeinſchaftlichen Wurzel; im Halbkreiſe biegen ſich dieſelben über den Boden hin und ſteigen dann ſenkrecht in die Höhe, ſo daß ſie gleichſam ungeheure Kronenleuchter bilden, die entweder dem Boden entſteigen, oder die abenteuerlichſten Krümmungen bildend, an ſchroffen Felswänden aufgehängt ſind. — Unter den Drachenbäumens müſſen wir hier eines rieſigen Exemplars erwähnen, welches in einem Garten zu Orotava auf der Inſel Tene— riffa ſteht. Sein Stamm hat an der Wurzel 45’ im Umfange und theilt ſich 18“ darüber in Aeſte. Im Innern iſt er hohl, und eine Treppe führt durch denſelben bis zwiſchen die Aeſte, wo man einen Tiſch angebracht hat, um den bequem 12 Menſchen ſitzen können. Die Höhe des ganzen Baumes beträgt 70. Noch jetzt trägt er Blüthen und Früchte und muß mehrere Tauſend Jahr alt ſein. — Beſteigt man auf Teneriffa den Pie de Teyde, ſo erblickt man bis zu 2500“ Höhe die herrlichſte Cultur. Während die Küſte mit Cocos- und Dattelpalmen beſetzt iſt, prangen höher am Berge die Drachenbäume. Die Abhänge tra— gen Reben. Hin und wieder zerſtreute Capellen ſind von Orangen— bäumen, Myrten und Cypreſſen umſchattet, Getreidefelder liegen dane— ben, und alles Gemäuer iſt mit Farrnkräutern und Mooſen überwach— ſen. Ein ewiger Frühling herrſcht in dieſen Thälern. Von Orotava (1620˙ h.) aus ſchreitet man zunächſt durch einen ſchönen Kaſta— nienwald; bei 2500“ Höhe folgen Lorbeeren, dann nach einander die Regionen der baumartigen Heideſträucher, der Farne, der Fichtenwäl— der“, bis endlich bei 9000“ ſtrauchartige Leguminoſen und bald dar— auf Alpenpflanzen erſcheinen. Am Kraterrande ſelbſt wächſt nur noch dürftiges Moos. g Erica arborea. 2 Laurus canariensis, nobilis, foetens etc. “ Semper- vivum, Aizoon, Cotyledon, Crassula, Mesembryanthemum, Portulaca. 4 phorbia mellifera. Euphorbia canariensis. Dracaena Draco. “ Pinus ca- nariensis. | Das Gebiet des Atlas. | 239 Betritt man von den Canariſchen Inſeln aus das gegenüberlie— gende Feſtland von Afrika, ſo erhebt ſich ſogleich ſteil vom Meere aufſteigend der Atlas, ein Hochgebirge, welches das nordweſtliche Afrika von Südweſt nach Nordoſt durchſchneidet. Das ganze Land bietet die mannigfaltigſten Contraſte zwiſchen hoch und tief liegenden Gegenden, zwiſchen Berg und Thal dar, und liegt wie eine große Inſel da, ein— geſchloſſen von dem atlantiſchen und mittelländiſchen Meere einerſeits und dem Sand-Ocean der Sahara andererſeits. Die Hauptkette oder der lange Atlas geht parallel mit der ſpaniſchen Sierra Nevada bis zum mittelländiſchen Meere, aber ſchon ſüdöſtlich von Fez zweigt ſich ein Seitenzug von ihm ab, der kleine Atlas, welcher nördlich zur Meer— enge von Gibraltar geht. Die Wälder des kleinen Atlas ſind größ— tentheils verwüſtet; Kaſtanien, immergrüne Eichen und der Lorbeer ſind ſelten geworden. Dagegen finden ſich bei Blidah ausgedehnte Cedernwälder, beſonders am Südabhange des Gebirges. Steigt man von der flachen Weſtküſte zum Fuße des Atlas empor, ſo durchſchreitet man nach einander mehrere Terraſſen, die zum Theil reichlich angebaut ſind. Maisfelder wechſeln mit Gärten; aber es fehlt an Gehölz, nur die Dattelpalme ſteht überall zerſtreut. Höher hinauf wechſeln Zwerg— palmen mit Hirſefeldern; Ginſter, Wegedorn! und Mimoſen wuchern in den Schluchten, und die Ufer der Bäche ſind mit den ſchönſten Oleandern beſetzt. Bei Marocko tritt ein Palmen- und ein Oliven— wald auf. Dahinter erſcheinen die ſcharfen Rücken und Spitzen des Atlas, deſſen ſchneebedeckte Gipfel ſich bis zu 10,700“ Höhe erheben. Dieſe drei großen Plateau's könnten die herrlichſten Kornfelder tragen, wenn die Quellen und Bäche, an denen gar kein Mangel iſt, gehörig benutzt würden. Bis zu 2500“ etwa ſind die Gebirgsabhänge bewohnt und der Boden eultivirt. Von da an miſchen ſich auf dem kleinen Atlas Eichen unter die Obſtbäume, und bald treten einzelne majeſtä— tiſche Cedern von mehr als 120’ Höhe auf; auf dem langen Atlas dagegen ſind die Bergabhänge mit dichten Waldungen bekleidet, die nach der Seite des Mittelmeeres aus Eichen ?, Fichten s, Tannen und Wachholder? beſtehen, während weiter ſüdwärts ägyptiſche Mimoſens, Lebensbaum“ und phöniciſcher Wachholder? vorherrſchen. — Auf der ſüdöſtlichen Seite der Atlaskette üben die glühendheißen Winde der Rhamnus infectorius. 2 Quercus Ilex, O. Suber. 3 Pinus halepensis. Juniperus thuriſera. ° Mimosa nilotica. 6 Thuja articulata. “ Juniperus phoenicea. 240 III. Die ſubtropiſche Zone. Sahara ihre Herrſchaft bis in die tiefſten Thäler des Gebirges aus. Wenig Quellen und Bäche entſtrömen den Abhängen und verſiegen nach kurzem Laufe im Sande. Das ganze Thal, welches ſich am Südrande hinzieht, iſt noch mit Wäldern der Dattelpalme bedeckt, die ſich weiter oſtwärts durch ganz Biledulgerid erſtrecken; damit iſt aber auch die Vegetation nach dem regenloſen Sandmeere hin zu Ende. — Oeſtlich von dem kleinen Atlas des maroccaniſchen Gebiets ziehen ſich längs der Küſte des mittelländiſchen Meeres bis zur kleinen Syrte Bergreihen entlang, die bei weitem niedriger ſind als der Atlas und ſämmtlich aus Kalkſtein beſtehen, welcher meiſt nackte, ſteil abſtürzende Felswände und Abgründe aufweiſt. Vom Fuße dieſer Bergkette bis an die Meeresküſte liegen lauter fruchtbare Ebenen, deren Vegetation eine faſt ganz ſüdeuropäiſche Phyſiognomie hat. Die Banane trägt hier noch reife Früchte. Jenſeit der bezeichneten Bergkette liegt das Plateau der Berberei, von vielen Längenthälern durchfurcht, welches nach Biledulgerid hin allmälig abfällt. Die ſparſamen Gewäſſer die— ſer Thäler verlieren ſich in Salzſeen. Auf der Landſtrecke von der kleinen zur großen Syrte iſt die Küſte von einem Bergzuge begleitet, deſſen höchſte Gipfel nicht mehr als 1500“ Höhe erreichen. Zwiſchen einer Reihe hoher und ſchwarzer Hügel führen enge Päſſe und Schluchten zu den höher liegenden, an— gebauten Ebenen hinauf. Weiter nach Oſten iſt Alles Wüſte wie die Sahara, hin und wieder von Savannen unterbrochen. Oeſtlich von der großen Syrte ſteigt das zum Theil bewaldete Plateau von Barka 1800“ hoch inſelartig aus der Ebene empor und fällt gegen das Meer ſteil, gegen die Oaſe von Siwah und zur Sahara allmälig ab, wo es dann auch bald den wüſten Charakter annimmt. Den öſtlichen Rand von Afrika bildet innerhalb dieſer Zone Aegypten, welches ſeiner natürlichen Beſchaffenheit nach in Unter— und Ober-Aegypten zerfällt. Unterägypten iſt ein Flachland, welches ſich nur wenige Fuß über die Meeresfläche erhebt und zum Theil vom Nil ſelbſt gebildet worden iſt. Beſonders gilt dies von dem ſoge— nannten Delta, einer weiten, ſanft anſteigenden Ebene. Zwiſchen den beiden Nil-Armen gelegen, die an ihrer Mündung etwa 16 Meilen von einander entfernt ſind, beſteht dies Delta eigentlich nur aus dem angehäuften Flußſchlamm und wächſt noch beſtändig fort, was ſich an den Mündungen des Nil deutlich wahrnehmen läßt. Das ganze Delta iſt von vielen Kanälen durchſchnitten und eins der fruchtbarſten Ge— treideländer der Erde. An der Weſtſeite iſt es von dem nordöſtlichen Aegypten. 241 Theil der libyſchen Wüſte begrenzt. Die Küſte iſt hier theils anz, theils aufgeſchwemmtes Land, das Innere dagegen flach und hügelig, mit großen baſſinartigen Vertiefungen, die oft noch niedriger liegen als der Meeresſpiegel. Sie bilden entweder kleine Oaſen oder wirk— liche Seen, die zum Theil reich an Natron ſind. Von ganz ähnli— chem Charakter iſt der Theil Unterägyptens, welcher das Delta im Oſten begrenzt und der Wüſte des peträiſchen Arabiens angehört. Das ganze Land bildet hier weite Sandebenen, von welligen Hügel— reihen durchzogen. 5 Mit dem 30. Grade der Breite beginnt Oberägypten, welches eher den Charakter eines Gebirgslandes zeigt und ſich bis zu 24° Br. er— ſtreckt, wo es an Nubien grenzt. Die Ufer des Nil ſind hier höher, und häufig ſind Kanäle angelegt, um auch den nicht unmittelbar am Strome gelegenen Strecken Waſſer zuzuführen. Indeſſen beſchränkt ſich das Culturland auf einen ſchmalen Streifen, der ſich am Strome entlang zieht und ſelten mehr als 2 Stunden breit iſt. Die üppigſte Fruchtbarkeit bietet hier für die geringe Ausdehnung des culturfähigen Bodens einen hinlänglichen Erſatz. Zwei Gebirgsreihen, der Maſſe nach aus Kreide und Kalkſtein beſtehend, bilden das Stromthal, im Weſten die libyſche, im Oſten die arabiſche Kette. Bisweilen treten ſie nahe an die Ufer des Stromes heran, ſo daß die ganze Thalbreite nur einige hundert Schritt beträgt; oft treten ſie auch in weiten Bo— gen auseinander und ſchließen eine Thalfläche von 4—5 Meilen Breite ein. So bilden ſie 2 ununterbrochene Wälle, die ſich höchſtens bis zu 1000“ erheben, einen höchſt geringen Ausdruck der Formen zei— gen und vollſtändig wüſt und öde ſind; nur in den Thälern finden ſich hin und wieder dürre Geſträuche. Ueberhaupt beträgt der cultur— fähige Boden Aegyptens, wenn man das fruchtbare Delta abrechnet, kaum den Löten Theil des ganzen Landes. Ein glühender Himmel iſt über Oberägypten ausgebreitet, ſo daß feine mittlere Temperatur im Juli und Auguſt 24°, im kälteſten Monat 10 — 11° beträgt. Obwohl in Folge der dauernden Polar— ſtrömungen regenlos, iſt bei den großen täglichen Temperaturdifferen— zen die Thaubildung doch nicht ganz ausgeſchloſſen. Im unteren Nilthale findet ſie ſehr reichlich ſtatt, und auch in Oberägypten und der libyſchen Wüſte trägt ſie zur Befruchtung der Oaſen bei, während in den nubiſchen Wüſten kein Thau fällt. Die weſtlich von Aegypten gelegenen Oaſen, welche ein mit dem Nil parallel laufendes Thal bil— den, das tiefer liegt als der genannte Strom, erhalten ihr Grund— 16 242 III. Die ſubtropiſche Zone. waſſer von dorther, indem es ſeitwärts über Thonſchichten zu ihnen hinabgleitet. Unterägypten bis Kairo hat einen heiteren Sommer, aber einen regnigen Winter. Bei Kairo erſt beginnt die regenloſe Zone für ganz Nordafrika; die Stadt ſelbſt hat im Durchſchnitt jähr— lich nicht mehr als 12 Regentage. Somit verdankt Aegypten die Fruchtbarkeit ſeines Culturbodens faſt einzig dem Nil, deſſen hoher Waſſerſtand in Folge der tropiſchen Regenzeit vom Juni bis Ende September dauert. Demzufolge fällt die Saatzeit für die Getreidear— ten in die Monate October und November, die Erntezeit in die Monate Februar und März, worauf meiſt noch eine zweite Ausſaat im April er— folgt, deren Ertrag unmittelbar vor der Ueberſchwemmung eingeſam— melt werden kann. Von eigenthümlichen Producten hat Aegypten ſehr wenig aufzu— weiſen, faſt Alles iſt von den Menſchen hierher verpflanzt worden. Von größeren Bäumen iſt zunächſt die Sykomore! zu nennen, ein 50 — 60“ hoher Feigenbaum, deſſen Stamm eine Dicke von 9— 127 erreicht, und der bei ſtarker Veräſtelung mit ſchönem, ſtets ausdauern— dem Laube einen angenehmen Schatten giebt. Außerdem finden ſich hier die Dattelpalme, einige Acacien? und die Tamarinde 3. Faſt alle Getreidearten werden in Aegypten mit großem Erfolg eultivirt: Weizen, Gerſte, Reis, Mais, Hirſe, und Durrah beſonders in Ober— Aegypten. Eben ſo baut man unſere Hülſenfrüchte: Linſen, Bohnen, Erbſen und allerlei Gemüſe; ſtatt unſerer Kartoffel hat aber hier je— der Bauer ein Feld mit Aronswurzeln *, beſonders da, wo Waſſer hingeleitet werden kann. Die Pflanzen wachſen ſehr üppig und tra— gen auf 3—4“ hohen Blattſtielen faſt mannshohe Blätter. In 4 Mo⸗ naten find die Knollen reif, Außerdem find die wichtigſten Cultur— pflanzen: Mohn, Senf, Tabak, Saflor, Indigo, Flachs, Baumwolle, Zuckerrohr, Melonen, Orangen, Oliven, Feigen, Datteln und Wein— trauben. Die Banane wird bis zu 34° Br. in Gärten gezogen, wäh— rend die Doompalme > bei Kairo ihre Polargrenze erreicht. Die Wü— ſten in der Nähe dieſer Stadt ſind aber ſo ärmlich, daß man auf einem Morgen Landes kaum 5 Pflanzenindividuen findet; am häufig- ſten ein ſaftiges Bilſenkraut“, einige Gräſer, nebſt anderen Formen “, und an vafenähnlichen Stellen von geringer Ausdehnung wachſen zer— ſtreute Acacien, zwiſchen denen das Bilſenkraut ſich geſellig ausbreitet. Ficus Sycomorus. ? Acacia nilotica, A. arabica, A. tortilis. Tama- rindus indica. 4 Arum colocasia. 5 Cuciſera thebaica. 6 Hyoscyamus. ° Zygophylleen, Rutaceen, Capparideen. Arabien. 243 B. Aſien. Jenſeit des rothen Meeres zieht ſich auf der Weſtküſte Ara- biens eine Bergkette entlang, deren wir ſchon bei der Betrachtung der tropiſchen Zone gedacht haben. In den nördlichen Gegenden, wo ſie unmittelbar zum rothen Meere abfällt, erhebt ſie ſich zu zackigen Spitzgipfeln, die bis zu 6000“ emporſteigen. Sie ſind ſämmtlich kahl und öde wie die Abhänge des Gebirges; nur in den Thälern, den Wadi's der Araber, findet ſich eine kärgliche Vegetation. So iſt der Anblick des Hedſchas, der weſtlichen Küſtenlandſchaft, die ſchon im Alterthum das wüſte Arabien hieß. Selbſt die alten Städte Medina und Mekka, die auf terraſſenförmigen Abſätzen in vaſenartigen Thal— ſchluchten liegen, ſind von einer traurigen Bergwüſtenei umgeben, in der kein Baum ſich erhebt. Nur Mekka, welches durch ſeine Lage in der heißen Zone hin und wieder den Einfluß der Tropenregen er— fährt, erfreut ſich einer minder ärmlichen Vegetation. — Auf der ent⸗ gegengeſetzten Küſte liegt zwiſchen dem ſüdöſtlichſten Vorgebirge der arabiſchen Halbinſel und der Eingangspforte zum perſiſchen Meer— buſen die Landſchaft Oman, ein weites Gebirgsland, deſſen Erhe— bungen aus Urkalk beſtehen, während an der Straße von Ormus die prächtige Säulenentwickelung der Baſaltformation auftritt. Auch fin— det bei dem Mangel an Flüſſen nur in den Oaſen Cultur des Bo— dens ſtatt, die ſich faſt nur auf Durrah und Dattelpalmen beſchränkt. Letztere bedecken hier in waldähnlichen Anpflanzungen die Küſte, be— ſonders bei Sohar, doch erblickt man meiſt nur die weiblichen Bäume, und die Bewohner jener Gegenden holen den Blüthenſtaub zur Be— fruchtung derſelben oft weit herbei. Ja ſie bewahren ihn ſogar von einem Jahre zum andern auf, im Fall die männlichen Blüthen miß— rathen ſollten. Dieſer künſtlichen Befruchtungsart der Dattelpalme geſchieht ſchon von Theophraſt Erwähnung. — Die Landſchaft Lahſa, welche ſich an der Küſte des perſiſchen Meerbuſens entlang erſtreckt, iſt beſſer bewäſſert als alle übrigen Küſten Arabiens. Eine Bergkette trennt ſie von dem Innern, einem großen Plateau, welches in der gerade unter dem Wendekreiſe gelegenen Landſchaft Nedſched eine große Anzahl Culturſtrecken enthält, die leider zu wenig bekannt ſind, um ſie näher ſchildern zu können. Nordwärts von da erſtrecken ſich weite Wüſten bis in die Nähe des Euphrat und verlängern ſich durch Syrien bis an den nordöſtlichen Winkel des mittelländiſchen Meeres, wo eine ſchmale Gebirgsbrücke fie mit dem Gebirgsſyſtem des Taurus 16 * . 244 III. Die ſubtropiſche Zone. verbindet. — Zwiſchen den beiden nördlichen Meerbuſen des rothen Meeres liegt die Sinai-Halbinſel oder das peträiſche Arabien, ein meiſt aus Kreide beſtehendes Plateau, durchzogen von einer Bergkette, die im Süden zu den Porphyren und Granitſpitzen des Sinai und Horeb bis 8200“ anſteigt. Ueberall erblickt das Auge nichts als Fels- und Sandwüſte, Berge ohne Ausdruck, von höchſt unmaleriſcher Formation. Nur hin und wieder zeigt ſich ein künſtlich angelegter | Kloftergarten mit Cypreſſen und Fruchtbäumen, oder kümmerliches Mimoſen- und Mannageſträuch“ nebſt ärmlicher Grasbildung be— decken einzelne Thalgründe. So zieht das Gebirge nordwärts bis an die Südoſtküſte des Mittelmeeres, wo man endlich die großen Sand— flächen verläßt und beim Eintritt in das gelobte Land von ſchönen Weideplätzen und friſchen Saaten begrüßt wird. In Paläſtina durch— zieht die Bergkette die Landſchaften Judäa, Samaria und Galiläa, erhebt ſich dann nördlich zum Libanon, der an Höhe mit dem Sinai wetteifert und ſtürzt an der Nordgrenze dieſer Zone eben ſo plötzlich zur Ebene ab, wie fie in der Sinai-Halbinſel aus dem Meere em— porgeſtiegen iſt. Paläſtina ſelbſt läßt ſich nach ſeiner Bodenbeſchaffenheit, wie nach ſeinen klimatiſchen Verhältniſſen in drei von Süden nach Nor— den gehende Streifen zerlegen. Die fruchtbare Küſtenregion ſtimmt im Klima wie in der Vegetation mit der ganzen Umgrenzung des Mittelmeeres überein. Den zweiten Streifen bildet ein Bergland, welches der Jurakalk-Formation angehört und in den mannigfachſten Gebilden auftritt. Bald erſcheinen, wie in der Nähe von Jeruſalem, plateauartige Bergrücken, auf welche ſcharfe Kämme oder rundgeformte Kuppen aufgeſetzt ſind; bald zeigen ſich freundliche, wellige Formen mit kleinen niedlichen Thälern, wie in dem Gebirge von Hebron. Den dritten Streifen bildet das Jordanthal und die Umgegend des Todten Meeres. — Der fruchtbare Küſtenſtrich zunächſt, welcher ſich des Einfluſſes der Seewinde zu erfreuen hat, reicht nördlich bis zum Vorgebirge Karmel. In den ſüblichſten Gegenden trägt hier die Dattelpalme noch reife Früchte. Weiter nordwärts, wo die Küſte ſchmaler wird, und die Felſen oft unmittelbar in das Meer ſteil ab— ſtürzen, ſteigt der Ackerbau die Abhänge des Gebirges hinan. Hier iſt es, wo die Druſen und Maroniten auf den Bergterraſſen den Weinſtock in Verbindung mit allerlei Südfrüchten ſorgſam pflegen; 2 h 0 Tamarix afrıcana. Paläſtina. 245 hier gewährt das ganze Bergrevier, von Weitem geſehen, den Anblick eines großen, zuſammenhangenden Waldes, indem die an ſich kahlen Küſtenabhänge des Libanon reichlich mit Maulbeerbäumen bepflanzt ſind, ſo daß die Seidenzucht den Hauptreichthum des Gebirges aus— macht. Hier liegt auch an der Straße, welche von Damaskus nach Tripoli führt, am Fuße des Dſchebel Makmel, etwa 6000’ über dem Meere, der berühmte Cedernhain !, ein Wäldchen von 3—400 Stäm— men in einer ſonſt vegetationsloſen Gegend. Die meiſten ſind jün— gere Stämme, einige alte mögen 300 bis 800 Jahre alt ſein, und zehn ſehr alte Stämme haben ein Alter von 3—6000 Jahren. Einer derſelben zeigte beim Meſſen einen Umfang von 45’ und eine Höhe von etwa 50“. Südlich vom Vorgebirge Karmel aber zeigt ſich die größte Mannigfaltigkeit von Culturpflanzen, die theils den wärmeren, theils den milderen Himmelsſtrichen angehören. Die Dattelpalme, das Zuckerrohr und die Banane reifen neben Orangen, Citronen und Piſtacien; der Oelbaum, die Feige und der Johannisbrotbaum wer— den gepflegt, und ägyptiſche und arabiſche Baumformen? ſind hier mit faſt allen Waldbäumen Italiens und Griechenlands, ſo wie mit den Obſtbäumen Europa's vereinigt. — Das Mittelgebirge von Ju— däa und Samaria erſtreckt ſich in einer Breite von 8 — 10 Meilen zwiſchen dem Küſtenſtrich und dem Thale des Jordan. Das Klima und der Vegetationscharakter dieſes Theils von Paläſtina werden einerſeits durch die Einwirkung der regenloſen arabiſchen Wüſte be— ſtimmt, andererſeits durch die Nähe des Meeres und des Libanon, ſo daß der nördliche Theil mehr atmoſphäriſche Niederſchläge erhält als der ſüdliche. Judäa muß ſich daher auf die Cultur des Bodens in ſeinen bewäſſerten Thälern beſchräunken. Der Weinſtock und der Oel— baum ſind die Hauptproducte; aber auch Aepfel, Birnen und Wall— nüſſe gedeihen in den Gärten, wo die Luft durch die Nähe der Ge— birge abgekühlt wird. In Samaria wird die Vegetation ſchon reich— licher, ſo daß mehrere Bergzüge hier bis zum Gipfel mit Wald be— deckt ſind. Kräftige Wälder, aus Eichen und Buchen gemiſcht, wech— ſeln mit ſchönen Wieſen, und freundliche Thäler durchziehen die wal— digen Anhöhen. Noch üppiger tritt dieſer Charakter in Galiläa auf. Bedeutende Bergſtröme bewäſſern das Land, treffliche Viehweiden lie— gen an den Abhängen der Berge, und das Culturland ſchwelgt in Cedrus libanotica (Pinus Cedrus). ? Acacia nilotica, A. Farnesiana, Melia Azedarach, Cordia Myxa, Tamarindus indica. 246 III. Die ſubtropiſche Zone. ſüdlicher Vegetationsfülle. — Das gegen 40 Meilen lange Jordan— thal, welches im Süden mit dem Becken des Todten Meeres endet, trägt in ſeinen Umgebungen die unverkennbaren Spuren gewaltiger vulkaniſcher Erſchütterungen. Der See von Tiberias liegt über 600, das Todte Meer über 1300“ unter dem Spiegel des Mittelländiſchen Meeres. Alles erſcheint hier kahl und öde und geht allmälig in die ſyriſche Wüſte über; nur die Stromufer ſind noch von Weideland— ſchaften eingefaßt und im nördlichen Theil von Waldungen umgeben. Beſonders die öſtlichen Ufer des Jordan und die ſeiner Nebenflüſſe ſind mit Eichen, Tannen, Oliven, Mandeln und Oleander bedeckt, während die Dattelpalme in den ſandigen Ebenen des Plateau's von Syrien bis nach Palmyra, dem alten Tadmor, hinaufgeht, welches gerade an der nördlichen Grenze dieſer Zone liegt. Im Oſten der ſyriſchen Wüſte liegt zwiſchen dem Euphrat und Tigris das alte Meſopotamien, von den Arabern Al Dſcheſira oder Inſel genannt. Dieſes ganze Gebiet, welchem ſeiner Bodenbe— ſchaffenheit wie ſeinem Vegetationscharakter nach die Ebenen des nördlichen Syriens beigerechnet werden müſſen, erſtreckt ſich über die Grenzen dieſer Zone hinaus bis gegen den 37. Grad n. Br., wo die ſüdlichen Abfälle des Taurus und der dazu gehörigen Randgebirge Armeniens in zahlreichen Terraſſen zu dieſen Ebenen abfallen. Die nördlichen Theile derſelben beſtehen aus abgeſetzten Geſteinsſchichten der Kreidebildung, zwiſchen denen Sandſteingebilde und Salzablage— rungen auftreten; am Euphrat beſtehen die Hauptablagerungen aus Gyps und Mergel, und der ſübdliche Theil bildet ein niedriges Schwemmland voll Gerölle und Thon, in welchem beide Ströme ſich bald vereinigen und zum perſiſchen Meerbuſen abfließen. Die nörd— lich vom 34. Grade gelegenen Ebenen, die wir des Zuſammenhanges wegen hier mitbetrachten, haben eine mittlere Höhe von 1220’. Ihr gleichförmiger Boden iſt zur Cultur wohl geeignet, erſcheint aber ver— ödet, da es an Bewäſſerung mangelt; nur in wenigen, künſtlich be— wäſſerten Theilen zeigen ſich einige Culturſtrecken. Was die flimati- ſche Beſchaffenheit betrifft, ſo vereinigt ſich hier große Trockenheit mit bedeutenden Temperaturdifferenzen, denn während im Auguſt die Hitze oft bis zu 36° ſteigt, iſt eine Wintertemperatur von — 9° gar nichts Ungewöhnliches. Nur die Ebenen auf der Oſtſeite des Tigris haben einen milderen Winter, weil ſie durch den weſtlichen Gebirgswall des Plateau's von Iran geſchützt ſind. Dieſem Klima zufolge giebt es in dieſen Ebenen wenig einjährige und zarte Pflanzen, während die Meſopotamien. 247 holzigen Stengel der ausdauernden Gewächſe dieſen entgegengeſetzten Einflüſſen beſſer widerſtehen. Zwei Monate lang, im October und November ſteht die Vegetation ganz ſtill; dann aber treten mäßige Regenſchauer ein und erquicken den ausgedörrten Boden. Gräſer ſchießen empor, und eine Menge von Zwiebelgewächſen! werden nach gehaltenem Sommerſchlaf zu neuem Leben erweckt. Doch gelangen ſie noch nicht zur Blüthe; denn bald werden die kaum entwickelten Blätter durch rauhe Winterſtürme gebleicht, und eine Schneedecke hüllt die Gewächſe ein, bis ſie zum Frühjahr in der ganzen Mannigfaltig— keit ihrer Formen, wie in der Farbenpracht ihrer Blüthen auftreten, welche die Dichter des Morgenlandes ſo oft mit Begeiſterung erfüllt haben. Sobald die herrliche Frühlingsflora mit ihrem Lilienteppich ? verſchwunden iſt, nehmen die weiten Ebenen einen ganz entgegenge— ſetzten Charakter an. Eine Menge trockener Syngeneſiſten? erſchei— nen mit ſtacheligen, dornigen Stengeln und ſparrigen Blättern, und ihre wolligen Blüthenköpfe ſind oft durch die große Hitze verſengt. Neben ihnen erſcheinen viele aromatiſche Pflanzen mit Lippenblumen, wie Thymian, Pfefferkraut und andere *. Auffallend aber iſt der große Mangel an Bäumen in dieſen Ebenen, da doch einzelne Exem— plare von Platanen 5, die man in der Nähe von. Quellen oder auf Grabſtätten gefunden hat, eine ungeheure Größe erreichen. Das Al— ter einzelner Stämme, die 30—40 im Umfange maßen, hat man auf mehr als 1000 Jahre geſchätzt. Verläßt man die höheren Ebenen, ſo zeigt ſich weiter abwärts am Euphrat ein entſchiedener Mangel an ausdauernden Geſträuchen auf den Höhen; nur krautartige Gewächſes und Gräſer ? bedecken die Kreidehügel. Bei Anah (3415) iſt die ſüdliche Grenze des Oelbaums und die nördliche der Dattelpalme. In dem ſüdlicher gelegenen Schwemmlande erſcheinen ſaftreiche Pflan— zen und Aſtern; von Bagdad aber bis zur Vereinigung der bei— den Ströme findet ſich das durch unglaubliche Fruchtbarkeit ausge— zeichnete alte Babylonien, von tauſend Bewäſſerungskanälen durch— ſchnitten, wo noch jetzt zahlreiche Dörfer, liebliche Palmenhaine und trefflicher Anbau ſich finden. Von der Vereinigung beider Ströme Colchicum, Tulipa, Ixia, Arum. 2 Liliaceen, Melanthaceen, Amarylli . deen, Asphodeleen, ?° Cnicus, Carduus, Centaurea, Calcitrapa. “ Stachys, Sideritis, Origanum. °, Platanus orientalis. ° Sinapis, Brassica, Cochlearia etc. ‘ Anthoxanthum odoratum. Crassula, Salicornia, Mesembryan- chemum. 248 III. Die ſubtropiſche Zone. an bietet das Land nur den Anblick ſchilfreicher a dar, welche zahlloſe Inſeln und Moräſte umſchließen. Oeſtlich vom Tigris erhebt ſich das Plateau von Iran, wel— ches das perſiſche Reich, Afghaniſtan und Biludſchiſtan umfaßt. Von allen Seiten ſteigt man durch ſchwierige Gebirgspäſſe auf Terraſſen empor, deren ſich bei Schiras allein ſieben befinden. Die mittlere Höhe dieſes Tafellandes beträgt 3500 — A000’, ohne daß nach irgend einer Seite hin eine merkliche Abdachung ſich zeigt. Somit erklärt ſich der Mangel an größeren Flüſſen, welcher dieſe ausgedehnte Hochfläche charakteriſirt. Die weſtliche Grenze von dem Perſiſchen Meerbuſen bis zum Plateau von Armenien bildet eine Reihe von Gebirgsketten und Terraſſenabfällen, die bei den Alten unter dem Namen Zagros be— kannt waren, und deren hohe, zumeiſt aus Serpentin beſtehende Ke— gelberge in Kurdiſtan einen großen Theil des Jahres hindurch mit Schnee bedeckt ſind. An der Nordſeite ziehen ſich das Elbursgebirge, die Bergzüge des nördlichen Khoraſſan und das Hindukuſchgebirge entlang, welche die auf ihren nördlichen Abhängen liegenden Land— ſchaften von Turkeſtan befruchten. An der Oſtſeite ſtürzt das Plateau ſteil gegen das rechte Ufer des Indus ab. Die verſchiedenen Berg— ketten, welche hier parallel mit dem genannten Strome nach Süden ziehen, werden gewöhnlich mit dem gemeinſamen Namen des Soli— mangebirges belegt. Zur Meeresküſte fällt das Hochland ebenfalls ſchnell in Terraſſen ab, jo daß nur ein 2—3 Meilen breiter, ſandiger Küſtenſtrich übrig bleibt, hier ebenfalls Tehama genannt, wie in Ara— bien. — Der Boden des ganzen Tafellandes beſteht aus einem Ge— miſch von Thon und Kies mit ſtarkem Salzgehalt, daher die zahlrei— chen Salzſeen, welche über die ganze Hochfläche zerſtreut ſind. In Verſenkungen von geringerer Tiefe verdunſtet das Waſſer, ſo daß das Salz des ausgelaugten Bodens an der Sonne kryſtalliſirt und das Erdreich ſich mit einer weißen Kruſte überzieht. Auf dieſe Weiſe iſt die große Salzwüſte entſtanden, welche den ganzen mittleren Theil des Plateau's erfüllt; nur wenige Oaſen liegen an iſolirten Berggruppen, deren herabrinnende Gewäſſer einige Fruchtbarkeit bedingen. Ueber— haupt gedeiht in ganz Iran Nichts ohne Bewäſſerung; kaum ſchießt ein ſchwacher Halm empor, fo welkt er auch ſchon. Nur der Früh— ling und der Winter bringen atmoſphäriſche Niederſchläge, und Thau iſt eine faſt unbekannte Erſcheinung. Dagegen iſt die Trockenheit der Typha, Cyperus. Das Plateau von Iran. 249 Luft ſo groß, daß ſie ſelbſt dem Verweſungsprozeß abgeſtorbener Thier— und Pflanzenſtoffe entgegentritt. Die Gebirge rings umher ſtrecken nur ihre öden und nackten Steingipfel zu dem wolkenloſen Himmel empor, denn die unverantwortlich ſorgloſe Verwüſtung der Waldun— gen, welche ehemals dieſe Höhen bedeckten, hat das Verſiegen der Quellen herbeigeführt, und die Vernachläſſigung der Bewäſſerungs— kanäle iſt Schuld daran, daß große Landſtrecken verödet liegen, die einſt die ergiebigſten Ernten gewährten. — Das Klima des Küſten— landes, obwohl daſſelbe ſchon dieſſeit der heißen Zone liegt, iſt in Betreff der Wärme noch als ein vollſtändig tropiſches zu bezeichnen, denn Buſchir und Lar, am perſiſchen Golf in einer Ebene gelegen, die reich an Mimoſen und Palmen iſt, haben eine mittlere Jahres- temperatur von 20°, die im Sommer auf 26 — 27“ ſteigt und im Winter immer noch 13° beträgt. Ispahan und Schiras dagegen, etwa 4100“ über dem Meere gelegen, haben ſchon einen, wenngleich äußerſt milden Winter. Der Schnee bleibt nur wenige Tage liegen, und ſchon in der Mitte des Januar beginnt die Frühlingsvegetation mit zarten Zwiebelgewächſen . Die einzige Regenzeit dauert vom 15. Januar bis zur Mitte des März, und im Februar iſt die ganze Gegend mit Blüthen bedeckt. Die mittlere Sommertemperatur dage— gen beträgt 17° und ſtimmt mit den ſchönſten Klimaten des ſüdlichen Europa überein, wie ſie das nördliche Italien und das ſüdliche Frank— reich darbieten. Die Schönheiten der Umgegend dieſer beiden Städte ſind weltberühmt. In reizenden Thälern gelegen, bieten die Klarheit ihrer Bergſtröme, der Schatten ihrer prachtvollen Zugänge, der Reich— thum ihrer üppig blühenden Gärten ein bezauberndes Bild dar, wel— ches auf die lieblichſte Weiſe mit den weitgedehnten Feldern contra— ſtirt, deren Grün in den verſchiedenſten Abſtufungen prangt. Mit Entzücken ſchweift das Auge des Wanderers über die wundervolle Scene und fühlt die Wahrheit des Ausſpruches orientaliſcher Dichter: „Ispahan's Frühling berauſcht die Sinne.“ So wechſelt auf der Hochfläche ſelbſt paradieſiſche Fülle mit trauriger Wüſtenei. Das weſtliche Randgebirge dagegen erſcheint bewaldet. Birken und Cy— preſſen wechſeln mit Piſtacien und Maſtirbäumen, und die nur 6’ hohe, meiſt krumm gewachſene Galläpfeleiche ? erſcheint neben der Al— fanna , deren Wurzel die Orientalen gebrauchen, um ſich die Nägel roth zu färben. Citronen und Orangen bedecken die Bergabhänge 1 * — * * * . “ Colchicum crocifolium. 2 Quercus infectoria. ? Lawsonia alba. 250 III. Die ſubtropiſche Zone. weſtlich von Schiras, und im Norden des Sees Bachtegan (30° n. Br.) erſcheint auf dieſer Seite die Dattelpalme zum letzten Mal. Auch die Kette des Elbursgebirges iſt bewaldet. Eichen, Buchen, Ulmen, Gle— ditſchien , Acacien 2, Platanen und andere Gewächſe bilden die charakteriſtiſchen Baumformen; ſtatt der Nadelholzregion treten aber ſogleich Wachholder und andere Geſträuche s auf. Der ſübdliche Abhang des Elburs iſt ſehr fruchtbar; eben ſo die Provinz Khoraſſan und die Landſchaften im Süden des mächtigen Hindukuſchgebirges, welches in feinen Alpengipfeln bis zur abſoluten Höhe von 16,900’ emporſteigt. Das Thal von Peſchauer, am Oſtrande des Plateau's und an der nördlichen Grenze dieſer Zone gelegen, iſt eine der frucht— barſten Landſchaften. Der europäiſche Charakter miſcht ſich hier mit dem indiſchen, und obgleich die Stadt 3000’ über dem Meeresſpiegel gelegen iſt, ſo wird in ihrer Umgegend doch das Zuckerrohr cultivirt. Auch die Hochterraſſe des weſtlich davon liegenden Cabul, die 6000“ über dem Meere gelegen iſt, erſcheint wie ein ausgedehnter Weingar— ten, und ſeine Obſtbäume ſind berühmt. Die orientaliſchen Früchte: Mandeln, Quitten, Oliven und Granaten gedeihen in herrlicher Fülle neben den mitteleuropäiſchen: Aepfeln, Birnen, Kirſchen, Aprikoſen und Pfirſichen. Im Herbſte werden Weizen, Gerſte, Linſen und Erb— ſen geſäet und ruhen den Winter hindurch unter der ſchützenden Schneedecke, bis ſie im Juni geerntet werden. Die wichtigſten Som— merfrüchte dagegen, die in der Regel künſtlicher Bewäſſerung bedür— fen, find: Hirſe s‚„ Mais, Reis, Bohnen“ und Kichererbſen s. Ihre Saatzeit fällt in den Mai, und die Ernte findet im Auguſt und Sep⸗ tember ſtatt. Neben europäiſchen Gemüſen werden zahlreiche Kürbis— arten gezogen. Die Wieſen geben einen reichen Heuertrag und be— ſitzen treffliche Kleearten ?. Dabei find die ſchattigen Haine dieſer Gegenden mit den anmuthigſten Sängern erfüllt. Die Droſſel und die Amſel wetteifern mit der klagenden Nachtigall, girrende Tauben koſen auf den blühenden Feldern, und geſchwätzige Elſtern ſchaukeln ſich faſt auf jedem Baume der reich bewäſſerten Gärten. Kein Wun⸗ der daher, wenn dieſe köſtlichen Gegenden des öſtlichen Iran von je— dem Europäer den bezaubernden Landſchaften von Schiras und Is— pahan an die Seite geſtellt werden. — Die Waldungen Afghaniſtans ' Gleditschia caspica. ? Acacia Julibrissin. ® Celtis, Diospyros. “ Ju- niperus hispanica. ° Berberis, Rosa. ° Panicum miliaceum, P. italicum. ” Phaseolus radiatus. ° Cicer Arietinum. ° Trifolium giganteum, Medicago 3 D sativa. Die oſtindiſche Tiefebene. 251 beſtehen aus Eichen, Cedern und Cypreſſen. Wallnußbäume, Piſta⸗ cien und Terebinthen bedecken die Berge, Platanen, Pappeln, Weiden, Tamarinden und Maulbeerbäume die Ebenen; und eine Menge kraut— artiger Pflanzen! erinnern den Europäer an ſeine Heimath. Außer den oben genannten Culturpflanzen werden in dieſen Gegenden Baumwolle, Indigo, Melonen, Mohrenhirſe, Seſam, Runkelrüben, Flachs, Ingwer u. ſ. w. gezogen. An den ſandigen Küſten Bilud— ſchiſtans endlich erſcheinen hohe Mimoſen und Bruſtbeerbäume ?, Feigenbäume ? und Sykomoren, Dattelpalmen, Tamarinden, Mango— bäume, Melien * und Dalbergien “. Steigt man von dem Plateau von Iran an ſeinem öſtlichen Abhange herab und überſchreitet den Indus, ſo betritt man die große oſtindiſche Tiefebene. Nördlich iſt ſie von dem Himalaya, einem rieſenmäßigen Gebirgswall begrenzt, welchem ſowohl nach ſeiner wa— gerechten wie nach ſeiner ſenkrechten Erſtreckung kein zweites Gebirge der Erde ſich an die Seite ſtellen kann. Mit unmerklicher Neigung zum bengaliſchen Meerbuſen dehnt ſich die vollkommen flache Ebene nach Süden bis an das Vindhya-Gebirge aus und wird von den mächtigen Stromgebieten des Indus und des Ganges bewäſſert. Sie iſt der eigentliche Sitz der Hindu-Race, die Wiege einer uralten Eivi- liſation. Der weſtliche Theil zwiſchen dem unteren Lauf des Indus und den nordweſtlichen Abfällen von Dekan iſt eine völlig unwirth— bare Sandwüſte; der öſtliche dagegen, beſonders die Ufer des Ganges, bildet ein Culturland, wie es kaum ſeines Gleichen hat. Das So— limangebirge bildet die Weſtgrenze der indiſchen Flora, denn auf der Linie von Kelat nach Peſchauer verlieren ſich die Einflüſſe der Mon— ſune und der Sommerregen vollſtändig, von denen das Gedeihen tro— piſcher Gewächſe abhängig iſt. Daher können auch weſtlich von Dſchellalabad, welches zwiſchen Cabul und Peſchauer liegt, die durch die Regenzeit bedingten zweimaligen Ernten nicht mehr erzielt werden. Das Pendſchab ſelbſt dagegen iſt bis an den Fuß des Gebirges mit allen indiſchen Gewächsformen bedeckt, die auch noch die tiefer gele— genen Flußthäler all der unzähligen Ausläufer des Himalaya und der Solimankette erfüllen. — Die weiten Ebenen, welche der Ganges von feinem Austritt aus der Himalayakette an bis zu feiner Mün⸗ Aconitum, Papaver, Silene, Euphorbia, Rosa, Crataegus, Centaurea, Ci- chorium, Campanula, Veronica, Verbascum, Hyoscyamus, Plantago, Polygo- num etc. ete. 2 Cordia Myxa. 3 Ficus religiosa. °* Melia Azedarach. ® Dal- bergia Sisso. 262 III. Die ſubtropiſche Zone. dung bewäſſert, ſind durchweg angeſchwemmtes Land. Die geringe Neigung derſelben läßt ſich ermeſſen, wenn man erwägt, daß ihre ab— ſolute Höhe bei Hurdwar, am Fuße des Gebirges und 240 Meilen von der Mündung, nicht mehr als 950’ über dem Meeresſpiegel, und bei Allahabad, wo er ſich mit dem Dſchumna vereinigt, in einer Ent— fernung von 140 Meilen vom Meere, nur 326’ beträgt. Dabei iſt der Strom ſo mächtig, daß hier beim niedrigſten Waſſerſtande ſeine Tiefe noch 34“ und bei dem höchſten ſogar 45’ beträgt. Den größten Theil ihrer Vegetation hat die Gangesebene von den benachbarten Gebirgen erhalten; beſonders aber iſt ſie ausgezeichnet durch eine Menge hoher Gräſer ! und Halbgräſer ?, welche die Stromufer ein— faſſen oder weitgedehnte Raſenflächen bilden. Südlich von dem hei— ligen Strome der Hindus findet ſich häufig die wilde und dornige Vegetation des Vindhya-Gebirges, während in der Nähe des Hima— laya und der Gebirge Hinterindiens die Pflanzen dieſer Gebiete be— deutende Eingriffe gemacht und zur Umgeſtaltung der Phyſiognomie der Ebene beigetragen haben, beſonders nach Oſten hin, wo die Luft allmälig kühler und feuchter wird. In den ſüdlicheren und weſtliche— ren Gegenden herrſcht noch vollſtändige Tropenhitze, denn in Calcutta beträgt die mittlere Sommertemperatur 22%8 und in Benares fogar 24% 2. Nichtsdeſtoweniger bleibt in Bengalen der Erdboden das ganze Jahr hindurch grün, weil die Feuchtigkeit von dieſen horizon— talen Ebenen ſo langſam abfließt, daß ſie ſich tief in die trockene Jahreszeit hinein in dem Boden erhält. Dazu kommen im Winter dichte Nebel und in den heißtrockenen Frühlingsmonaten vorüberge— hende Gewitterſchauer, ſo daß bei Calcutta der Raſen im Mai eben jo ſchön grünt wie zur Zeit der ſtärkſten Niederſchläge im Auguft. In dem größeren Theile Indiens dagegen wird der Wachsthum der meiſten Pflanzen durch die trockene Jahreszeit länger unterbrochen als bei uns durch den Winter. Schon im November welken dort die großen Stauden und die Zuckerrohr-Pflanzungen, die Nafenflächen : verdorren, und erſt im Juni oder Juli des nächſten Jahres erwacht die Vegetation zu neuem Leben. Trotz der großen Hitze zeigt die Pflanzenwelt nach den nördlicheren Gegenden hin einen faſt europäi— ſchen Charakter. Weizen, Gerſte, Erbſen, ſelbſt Kartoffeln, Mohrrü— ben und Rübſamen bilden die Hauptbeſtandtheile der Ernte, während Bambusa, Saccharum, Andropogon, Panicum. ? Cyperoideen, Erio- caulon. 3 Paniceen. » Die oſtindiſche Tiefebene. 253 Palmen und Bambusrohr aus den Aupflanzungen verſchwinden. In den Gärten erblickt man den Weinſtock und die Feigen neben unſeren Aepfeln und Pflaumen, eben ſo manche europäiſche Gartenpflanzen, und in den Dickichten ſelbſt viele wilde Roſen. Aber ſchon zwiſchen Saharanpur und Delhi treten Palmen! auf, welche die Stelle der Dattelpalme erſetzen; indeſſen iſt zur Winterzeit die Temperatur um Delhi ſo niedrig, daß bisweilen alte tropiſche Bäume getödtet wer— den. Während der Regenzeit werden hier Reis, Mais, Hirſearten, Baumwolle, Indigo, Ingwer, Seſam und viele andere tropiſche Ge— wächſe ? gezogen; im Winter dagegen unſere Getreidearten und Ge— müſe, in deren Geſellſchaft eine ganze Zahl bei uns wild wachſender Bilanzen 3 auftreten. Beſonderes Intereſſe gewährt in dieſen Gegen— den die Vegetation der Seen. Die Waſſerpflanzen, theils tropiſche, theils europäiſche Formen , bilden hier eine fo dicke und feſte Lage, daß ganze Schaaren kleiner Sumpfovögel auf dieſen Pflanzenmaſſen umherlaufen. An einzelnen Stellen hat man fogar ſchwimmende In— ſeln beobachtet, die auf dieſe Weiſe ſich gebildet hatten. Eine zahl— loſe Menge von Stengeln, Blättern und Blüthentheilen verwächſt dicht miteinander; die jüngeren Gebilde drängen ſich zur Luft und zum Lichte empor, während die älteren abwärts gedrängt werden und in Verweſung übergehen. Selbſt Bäume wachſen bisweilen aus ſol— chen Inſeln hervor, und Vieh kann auf denſelben weiden, eine An— gabe, die man nicht in Zweifel zu ziehen braucht, wenn man bedenkt, daß die 6“ im Durchmeſſer haltenden Blätter der Victoria regia des Amazonenſtroms ſelbſt in unſeren Treibhäuſern die Kraft erlangen, einen fiebenjährigen Knaben zu tragen. — Nähert man ſich weiter ſüdlich der Gegend von Agra, dann erſcheinen Acacien, Eugenien, Maulbeer-, Feigen- und Mangobäume, Nadelhölzer und Kätzchen— bäume verſchwinden in den Anpflanzungen, die oben genannten Pal men dagegen werden häufiger, und die reichen Ernten tropiſcher Früchte beweiſen, daß man ſich in unmittelbarer Nähe der heißen Zone befindet. Von hier an ſteigert ſich nun die Ueppigkeit der Ve— getation das ganze Gangesufer entlang. Zucker- und Baumwollen— Phoenix sylvestris, Ph. humilis. 2 Panicum, Paspalum, Eleusine, Do- lichos, Crotalaria, Hibiscus cannabinus. Malva rotundifolia, Antirrhinum Orontium, Lolium temulentum, Verbena officinalis, Ranunculus sceleratus, * Acschinomene aspera, Trapa bispi- Butomus, Sagittaria, Rumex etc. etc. nosa, Tr. bicornis, Utricularia stellaris, Herpestes Monniera, Convolvulus edu- lis, Polygonum, Marsilea quadrifolia. 254 III. Die ſubtropiſche Zone. plantagen wechſeln mit dem Anbau des Betelpfeffers und der Indigo— pflanze; ein Reisfeld folgt auf das andere; der Mohn, welcher hier zur Opiumbereitung gebaut wird, treibt Stauden von 40“ Höhe; der Banianenbaum ! wuchert fo, daß ein einziger Stamm ſich bald zu einem kleinen Waldbuſch ausdehnt; mächtig ſchießen die Gräſer em- por, und die Gebäude ſind unter Hainen von Brotbäumen, Bambuſen und Mangobäumen verſteckt. An der Mündung aber entwickelt ſich das mächtige Delta des Stromes, wie kein zweites auf der Erde zu finden iſt. Ein Flächenraum wie die vereinigten Niederlande und Belgien iſt hier zwiſchen ſeinen äußerſten Mündungen ausgebreitet. Tauſende von Armen wälzen ſich wie Rieſenadern durch den ange— ſchwemmten Boden, oder durchrieſeln ihn in den ſchlangenförmigen Windungen unaufhörlich ſich bildender Kanäle. Die Uferbildung ſteht hier in ewigem Kampf mit den Stromes- und Meeresfluthen. Die ſogenannten Sunderbunds bilden ein mächtiges Labyrinth von Salzwaſſerſeen, Buchten und Flüſſen, von ſtets ſich neu bildenden Schlamm- und Sandinſeln, die eben ſo raſch wieder vernichtet wer— den, wie ſie entſtanden ſind. Und dieſes ganze 45 Meilen weit ſich erſtreckende Gebiet entwickelt und nährt eine Mangrovebildung, wie ſie nur irgend in den Tropen gefunden werden kann. Schrecklich ſind dieſe Wälder, die aus den verſchiedenſten Baumformen? dieſer Bil- dung beſtehen, durchſchlungen mit Lianen? und geſchmückt mit man⸗ nigfachen Farnen und großen Paraſiten, die ſich zum Theil durch ihre Schönheit auszeichnen, während der Boden beſtändig überfluthet und mit großen Haufen übelriechenden Schlammes bedeckt iſt. An der Nordſeite iſt die große oſtindiſche Tiefebene durch die ge— waltige Mauer des Himalaya begrenzt, welche in ununterbrochener Mächtigkeit ſich von dem Hindu-Kuſch des Plateau's von Iran, zu— nächſt in ſüdöſtlicher, dann in öſtlicher Richtung bis an die Grenze von China und Hinterindien erſtreckt. Seine ungeheure Länge von 370 Meilen würde in Europa die Entfernung von Paris bis Mos— kau noch übertreffen, und ſeine Breite, die im Durchſchnitt 45 Meilen beträgt, würde das ganze Gebiet zwiſchen dem ſächſiſchen Erzgebirge und den Ufern der Oſtſee erfüllen. Doch nur die Phantaſie mag ſich dieſe gewaltige Längen- und Breitenerſtreckung ausmalen; dem Auge iſt es nur vergönnt, die Größe und Erhabenheit des Eindrucks zu Ficus bengalensis. ” Rhizophora, Avicennia, Aegiceras, Sonneratia, Heritiera. 3 Convolvulaceen, Apocyneen. 16 Deilim Taf VIH NN N d 8 1 IN aatz Nr L ı Änstxv ! Lit Gez.v.H.Krämer MANGROVE-WALDUNG ım südlichen Asien. + a . * . 2 N een * — Anil \ * 8 2 es | RT 1. 225135 1 aan Das Himalaya-Gebirge. 255 bewundern, welchen die mächtige Höhe macht. Schon die Höhe des Kammes, welche mit der abſoluten Höhe des Mont-blane-Gipfels übereinſtimmt, beträgt in feiner ganzen Länge 14,700“, und darüber ſtreben nun die mit Schnee und Eis gekrönten Häupter empor, welche die Grenze des ewigen Schnees weit überragen. Selbſt die Sprache bezeichnet dieſe mächtige Naturerſcheinung treffend für ewige Zeiten, denn Himalaya heißt in der Sanskritſprache ſo viel als Schneeſitz. Kein einziger von dieſen Gipfeln mißt unter 20,000’, und von den Ebenen Hinduſtans blickt man mit Staunen und Ehrfurcht zu dieſer Allee von Schneegipfeln empor, die oft in 2 Reihen neben einander herlaufen. Die größte bis jetzt bekannte Höhe aber hat der im weſt— lichen Theile des Gebirges befindliche Dhawala Giri (der weiße Berg). Ueber eine deutſche Meile erhebt er ſeinen Gipfel in den Himmelsraum und übertrifft alle Berge unſerer Erde. Man ſchätzt feine abſolute Höhe auf 26,340“. Schwerlich möchte je ein menſch⸗ licher Fuß dieſen Gipfel betreten; nur dem forſchenden Auge iſt es geſtattet, ſeine Höhe zu meſſen. Eine unendliche Zahl von Thälern durchfurcht die Kette des Himalaya. Faſt ſämmtliche Ströme ent— ſpringen im Norden der Centralkette, wo ſie zunächſt in Längenthä— lern fließen und dann in Querthälern die Kette durchbrechen, um ihre Fluthen durch die weite Gangesebene hinzuwälzen. Drei Hauptketten laſſen ſich in dem Himalaya unterſcheiden, die terraſſenförmig hinter— einander aufſteigen. Die erſte, deren mittlere Höhe 3200“ beträgt, beſteht aus Sandſtein mit thoniger Unterlage und enthält viele Koh— lenlager; die zweite, welche ſich von 3200“ bis zu 8400’ erhebt, iſt ein Schiefergebirge, deſſen Hauptbeſtandtheile Thonſchiefer und Glimmer— ſchiefer ſind; und die dritte, der hohe Himalaya, beſteht aus Gneis, von Granit durchbrochen. Hier entwickelt die Natur den Charakter eines Alpengebirges in einer Großartigkeit, die jede ähnliche Erſchei— nung weit hinter ſich zurück läßt. Bei Tage wird der blendende Glanz des Schnees durch den Contraſt mit der dunkelen Bläue des Himmels noch gehoben. Schaurig ſchön aber iſt das Schauſpiel bei Nacht. Im Zenith prangen die Sterne mit einem Glanze, wie er in einer dichteren Atmoſphäre unbekannt iſt; wie ein heller Blitz erſcheint ihr Licht, wenn ſie hinter den Schneegipfeln emporſteigen, und eben ſo plötzlich verſchwinden ſie bei ihrem Untergange. Rieſengroße, um und um in Schnee gehüllte Gipfel erheben ſich rings umher; jede Spur des Thier- und Pflanzenlebens iſt verſchwunden. Ein grauen— volles Schweigen herrſcht in dieſen abgeſchiedenen Regionen, nur bis— 256 III. Die ſubtropiſche Zone. weilen unterbrochen von dem donnerähnlichen Krachen der Lawinen. Kalt, wild und grauſend iſt die Scene, welche der Mond hier be— leuchtet; nur mit Dämonen vermag eine ſchaurig angeregte Phantaſie ſie zu bevölkern. So erſcheint der Himalaya in der Nähe der Gan— gesquellen, wo kaum noch einige verkümmerte Cedern gedeihen. Begeben wir uns an den Fuß des Gebirges zurück und betrach— ten die ſüdlichen Ketten, welche der nordindiſchen Ebene unmittelbar vorliegen. Ungeachtet hier tropiſche Gewächsformen mit europäiſchen ſich miſchen, ſo beſitzen dieſe Abhänge doch keine ſolche Abwechſelung des Bodens, daß ihre Vegetation mit der Mannigfaltigkeit der Flora am Fuße der Alpen ſich meſſen könnte. Faſt nirgend finden ſich ebene Flächen, und eben ſo fehlt es an ſenkrechten Abſtürzen. Ueberall erſcheinen ungeheure, geneigte Ebenen, deren Thalſchlünde gewöhnlich ganz von dem Bergſtrom ausgefüllt werden. Der Fuß des Gebirges iſt überall mit einem Gürtel von wildem, oft undurchdringlichen Ge— ſtrüpp (Jungle) eingefaßt, der nach Weſten hin allmälig ſchmaler wird und jenſeit des Dſchumna faſt verſchwindet. Meiſt niedrig und die Thalrinne erfüllend, iſt er in der Regenzeit überſchwemmt. In dem öſtlicheren Theile finden ſich viele tropiſche Gewächſe: Baum— farrn, Scitamineen, ſchmarotzende Orchideen, Pfeffergewächſe, Eben— hölzer und Trompetenreben *; weiter weſtlich aber, wo der Fuß des Himalaya höher über dem Meere und zugleich nördlicher liegt, treten die europäiſchen Formen immer mehr hervor; und ganz im Nordwe— ſten beſteht die Jungle-Bildung nur aus hohen Bäumen und langem Graſe. Ueberblickt man die unermeßlichen, faſt waldloſen Abhänge der ſüdlichſten Kette, ſo zeigen ſich Linien tieferen Grüns längs der ſparſam herabrinnenden Bäche, welche dieſe Abhänge in weiten Ab— ſtänden bewäſſern. In den Zwiſchenräumen erſcheint das Grün ein— förmig und fahl; ein ſpärlicher Pflanzenwuchs iſt zwiſchen Felsblöcken und Geröllen ausgebreitet. Bisweilen zeigen hohe Berge dieſen Cha— rakter bis zu ihrem Kamme, häufiger aber erſcheint über ſolchem Ge— miſch aus Felſen und Kräutern ein lichter Wald, der ſich beſonders tiefer in die Thäler herabzieht. 5 * Das Klima in den Thälern der unteren Kette iſt ſehr verſchieden und wechſelt zwiſchen dem tropiſchen und dem gemäßigten. In dem weſtlichen Theile ſteigt in einer Höhe von 2000“ die Hitze noch auf - 3219, während im Winter die Temperatur auf 2“ herabſinken kann. Bignoniaceen. Das Himalaya Gebirge. 257 Hier gedeihen noch viele tropiſche Gewächſe beſſer als in der nahe gelegenen Ebene. Brotbäume ?, Guajaven? und Piſang find die wichtigſten Baumfrüchte, Reis das gewöhnliche Getreide; doch werden auch Weizen und Gerſte gebaut. In den Thälern zwiſchen der Sand— ſtein- und der Schiefergebirgskette findet ſich noch Ueberfluß an tro— piſchen Bäumen ?, unter denen beſonders große Waldungen des Saul» oder Salabaums! ſich auszeichnen, der mit feinen glänzenden Blättern und den großblumigen gelben Blüthenrispen einen pracht— vollen Anblick gewährt. An feuchteren Stellen erſcheinen Dalbergien, und weite Landſtriche find mit hohem Rohrwuchs bedeckt. Mit den Wäldern des Sal erreichen zugleich die des Tekbaumes, ſo wie auch eine Zwergpalme ° hier ihre Grenze. Letztere wächſt hier ſogar neben einer 50 — 80“ hohen Fichte ©, deren grasgrüne Nadeln über einen Fuß lang ſind. Es iſt die einzige, die bis zu 2000“ herabſteigt. Tro— piſche und europäiſche Farrn ſtehen hier bei Ulmen und Weiden, und eine Menge bekannter Sträucher und Kräuter? bedecken den Boden. So geht der Vegetationscharakter fort bis 4000 ſelbſt bis 4700’ nur waltet beim weiteren Anſteigen der europäiſche Typus entſchieden vor. — Genaue Grenzen zwiſchen den einzelnen Regionen laſſen ſich auf dem Himalaya ſchwer ziehen, da an der Nordſeite die Schnee— grenze viel weiter hinaufrückt als an der Südſeite, eine Erſcheinung, die den wärmeſtrahlenden Hochebenen und Hochthälern im Norden der Gebirgskette zuzuſchreiben iſt. So reicht auf den äußeren Vor— bergen der Schiefergebirgskette der Anbau meiſt nur bis zu 5600’ während er auf den inneren Bergen bis zu 7500’, ja bis zu 9000’ emporſteigt. Und in den nördlich von der Centralkette gelegenen Hochthälern Tübets wird in einer Höhe von 15,000“ noch Gerſte gebaut. In der zweiten Region des Himalaya, die von 5000’ bis 8500’ angenommen werden kann, beträgt die mittlere Temperatur bei 7000’ Höhe 10, während ihre äußerſten Grenzen 21 und — 2° find. Von tropiſchen Pflanzen finden ſich hier nur noch krautartige For— men ?. Die Waldungen beſtehen hier vorzugsweiſe aus einem mit 3 ——— » Artocarpus integrifolia. 2 Psidium pyriferum: Semecarpus Anacar- dium, Cassia, Dalbergia, Acacia Catechu, Erythrina, Hibiscus, Sterculia, Bom- bax heptaphyllum, Ficus, Diospyros, Moringa. * Shorea robusta. Phoenix humilis. ® Pinus longifolia. Berberis, Viburnum, Rosa. ® Gentiana, Cam- panula, Geranium, Clematis, Viola, Galium. ° Canna, Commelina, Trades- cantia, Eragrostis, Begonia etc. 17 258 III. Die ſubtropiſche Zone. baumartigem Rhododendron gemiſchten Eichenwalde, nebſt Ahorn, Ulmen, Hainbuchen und Nadelhölzern; doch ſind ſo erhabene Wälder, wie die Coniferenregion der Alpen ſie aufweiſt, hier nicht anzutreffen. Das Unterholz wird aus verſchiedenen Geſträuchen! gebildet, unter denen ſelbſt Roſen und Caprifolium auftreten, und Balſaminen, Indigo— ſtauden, Acacien und Caſſien bedecken den Boden. Außerdem wachſen hier eine Menge von Fruchtbäumen wild, die größtentheils von Weſten her eingewandert ſind, als Aprikoſen, Pfirſiche, Granaten, Birnen, Kirſchen, ſo wie Maulbeer- und Wallnußbäume und eine Menge von Kräutern europäiſcher Gattungen, jedoch anderer Art, überziehen den Boden mit einem dichten Teppich. Auch werden Reis, Mais, Hirſe und die bekannte Eleuſine 2 hier noch als Hauptgetrei— dearten gezogen. a An der unteren Grenze dieſer Region liegt auch das vielgeprie— ſene Thal von Kaſchmir, welches durch ſeine Breitenausdehnung eben ſo wie das von Nepal eine Ausnahme von dem Charakter des gan— zen Gebirges macht. Als ein wahres Keſſelthal, am ſüdlichen Ab— hange gelegen, zeichnet es ſich durch fein mildes Klima aus. Wäh— rend der Regenzeit fallen nur Schauer; im Winter aber bleibt der Schnee in den Straßen von Sirinagur oft vier Monate lang liegen. Der Charakter des Gewächsreiches hat hier mit dem von Europa eine auffallende Aehnlichkeit. Wenngleich das milde Klima den An— bau des Reis und die Cultur zahlreicher Kürbisarten geſtattet, ſo verſchwinden doch ſchon, wenn man vom Pendſchab her hinaufſteigt, Granat- und Oelbäume, dagegen erſcheinen Wälder von Roßkaſtanien, und in dem Thale ſelbſt ſind Espen, Pappeln, Weiden und Platanen die häufigſten Bäume. Alle europäiſchen Obſtbäume bilden hier waldähnliche Anpflanzungen; von Wallnußbäumen, deren Cultur hier großartig betrieben wird, findet man vier verſchiedene Arten; alle un— ſere Gemüſe werden gezogen, der Klee giebt hier vortreffliches Vieh— futter, und die Weinrebe klettert ſelbſt auf die Gipfel der Pappel- bäume. | Anders dagegen ift der Charakter in den ſüdöſtlichen Gegenden, wie in Nepal oder dem Thale von Khatmandu unter 27° n. Br. Noch unter dem Einfluß der Tropenregen gelegen, zeigt ſich hier auch mehr der indiſche Charakter. Die Dörfer liegen im Schatten von ' Berberis, Buxus, Daphne, Smilaceen, Rosaceen (74 spec. im Himalaya.) 2 Eleusine coracana. Das Himalaya - Gebirge. 259 Tamarinden und Mangobäumen, und die oben genannten tropiſchen Baumformen, ſelbſt noch eine Palme erfüllen die Umgegend. Nicht nur Reis und Mais, ſondern ſelbſt noch Baumwolle und Zuckerrohr werden nebſt Ingwer und Cardamomen gezogen; und der Winter geſtattet eine zweite Ernte von Weizen und Gerſte. Die dritte Region endlich reicht von 8500“ bis zur Grenze des ewigen Schnees. Der Schnee ſchmilzt hier erſt im Mai oder Juni und ſchützt nur die Wurzeln ausdauernder Gewächſe. Nach dem Schmelzen ſteigt die Wärme raſch, und eben ſo ſchnell entwickelt ſich die Vegetation, deren Dauer eine ſehr beſchränkte iſt. Zu Anfang findet ſich noch der mit baumartigem Rhododendron gemiſchte Eich— wald 2; Schneeball, Ahorn und Stachelbeeren bilden die wichtigſten Geſträuche, und Primeln, Steinbrech, Enzian, Fingerkraut, Anemonen, Ranunkeln und Veilchen bedecken den Boden, während die Felsblöcke mit Wachholder beſetzt ſind. Höher hinauf erſcheinen Nadelhölzer mit Eichen gemengt; aber bei 10,500“ hört der Tannenwald auf. Al— penroſen bilden von nun an das Geſträuch, und wenn auch dieſe verſchwunden ſind, bedecken den alpinen Boden Raſen von braunen und dürren Farnen nebſt Gräſern und Halbgräſern “, zwiſchen wel— chen Ranunkeln nebſt Iris und Lerchenſporn hervorſprießen. Die öſtlicheren Gegenden zeigen auch in dieſer Region einen etwas ande— ren Charakter. Die Eichen ſind anfangs noch von Wallnußbäumen, Birken und Ulmen begleitet, ſelbſt Bambuſen finden ſich, oft vom Schnee umgeſtürzt, und bei 12,200“ Höhe fand ſich an einzelnen Stellen der Boden noch reich begrünt und mit Tauſenden von man— nigfarbigen Blüthen geſchmückt. Steigt man von der Kammhöhe des Schneegebirges an der Nordſeite abwärts, ſo rücken ſämmtliche Vegetationsgrenzen weiter hinauf als an der Südſeite. Schon bei 13,130“ Höhe erſcheinen Alpenroſens und in Höhen von 10,790 und 9850 findet man Dörfer und Ackerbau. Aus einer Region von Roſen-, Stachelbeer- und Tra— ganthſträuchern » mit Rhabarber gemiſcht gelangt man in die Wald: region, in welcher Eichen, Fichten, Taxus, Birken und Pappeln die wichtigſten Baumformen bilden. Von beſonderem Intereſſe iſt Kuna— war, das Thal des mittleren Sutledſch, wo ſein Durchbruch als Querthal beginnt. Es bildet das Uebergangsgebiet zwiſchen dem bri— Chamaerops Martiana. 2 Quercus lanata. 5 C. semecarpifolia. “ Ca- rex. Rhododendron lepidotum. ° Astragalus. 1 260 III. Die ſubtropiſche Zone. tiſchen Himalaya und Tübet. In ſeinem unteren Theile, in einer Höhe von 6 — 7000) wo die tropiſchen Regen noch einwirken, find die Sommer in den Engſchluchten heiß, die Winter dagegen kalt. In einer Höhe von 9— 10,000“ finden ſich prachtvolle Weinberge, doch nur in der Tiefe der Thalſchlucht und nicht an den Gebirgsab— hängen. Außerdem iſt künſtliche Bewäſſerung für den Weinbau hier nothwendig, der ſüdwärts über die Grenze der tropiſchen Regen nicht hinausgeht. Die Trauben werden zwar gut reif; aber man trocknet ſie an der Sonne und beſchränkt ſich auf Roſinenbereitung, da der Wein ſich nicht lange hält. Neben dem Wein gedeihen auch Apriko— ſen und Aepfel. Die Waldbäume ſind hier Eichen, Wallnußbäume und Roßkaſtanien, beſonders aber herrliche Fichten, von denen mehrere Arten Heine Höhe von 150 — 200 bei mehr als 30“ Stammperiphe- rie erreichen und ſich durch ihren herrlichen pyramidalen Wuchs aus— zeichnen, desgleichen eine Menge anderer Coniferen 2. Wo aber der Einfluß der Monſune auf die Jahreszeiten aufhört und die tübeta— niſche Trockenheit beginnt, da ſind die Wälder ganz unbedeutend, der Graswuchs iſt ärmlich und wird durch die weit verbreiteten Tra— ganthſträucher zurückgedrängt. Bei 12,760“ werden noch Roggen, Buchweizen und Rüben gebaut. Die Vegetation in dieſem Thale reicht überhaupt bis 15,660“ doch iſt die alpine Flora äußerſt dürftig. Das Plateau von Tübet zwiſchen der Kette des Himalaya und dem Küen lün, die höchſte Terraſſe der drei Plateau's des inneren Aſiens, erreicht eine mittlere Höhe von etwa 10,000“ und enthält eine Menge von Nebenketten und iſolirten Bergmaſſen, zwiſchen denen tief eingefurchte Thäler und keſſelförmige Senkungen liegen. Erſteigt man das Plateau von Tübet von dem Thale des Sutledſch aus, ſo er— ſtrecken ſich von dem Fuße des 21,300“ hohen Purkyul die Ebenen nach Oſten in weiter Ausdehnung. An ihrem Anfange ſchon 16,800’ hoch gelegen, ſteigen ſie gegen das Becken der heiligen Seen, wo der Sutledſch ſeinen Urſprung nimmt, immer höher an, und hier hat die tübetaniſche Hochebene ihre größte Höhe. Dieſes Plateau, wohl das höchſte auf der ganzen Erde, iſt eine einförmige Wüſte, in welcher nichts als Stachelginſtern 2, Traganth *, ein ſeidenartiges Gras und eine Moosart angetroffen werden. Pinus Pindron, P. Deodora, P. longifolia. 2 Pinus Webbiana, Cu- pressus torulosa, Juniperus communis, Taxus, Ephedra. “ Genista versicolor. 4 Astragalus. Tübet. China. 261 In den höchſten Regionen von Ladak oder Klein-Tübet erinnert der Vegetationscharakter ſehr an die europäiſche Flora; viele bekannte Gattungen ! treten auf, wenn auch die Arten andere find. In dem Spiti⸗Thale erſcheinen ſelbſt niedrige Bäume, ein einheimiſcher Wach— holder und cultivirte Pappeln und Weiden; der Hauptcharakter aber beſteht in dornigem Geſtrüpp aus Ginſter und Traganth, in welchem auch Roſen und andere Formen? erſcheinen. Der Getreidebau, in Gerſtes und Hirſe beſtehend, ſteigt bis zu 11,900’, während er auf dem ſüdlichen Himalaya nur bis zu 9200“ reicht. Die ganze tübetanifche Flora gehört dem Vegetationsgebiete der Hochſteppen Weſtaſiens an, wie denn auch die klimatiſchen Verhält— niſſe hier dieſelben ſind. Auf der Südſeite des Himalayakammes fallen noch ſo viel atmoſphäriſche Niederſchläge, daß, wie wir oben geſehen haben, eine vollſtändige Entwickelung von Wäldern möglich iſt, deren Formen aus den Gebirgsregionen des tropiſchen Himalaya ſtammen, doch ſind ſie hier von zahlreichen Vertretern der Steppenve— getation begleitet, denen ſich viele arktiſche Formen beigeſellen. Ueber die Vegetation in den tieferen Thälern weiß man noch wenig, doch iſt es bekannt, daß die Stadt Hlaſſa unter 304° n. Br. milde Win⸗ ter hat und von Weingärten umgeben iſt, ſo wie, daß unſere Getrei— dearten, Hülſenfrüchte, ſelbſt Flachs und Tabak an mehreren Orten gedeihen; die Hauptnahrungsquelle aber finden die Bewohner in der Viehzucht. Den öſtlichſten Theil des Feſtlandes von Aſien nimmt innerhalb der ſubtropiſchen Zone China ein, von deſſen Eingangspforte wir ſchon bei der Betrachtung der vorigen Zone geſprochen haben. Un— ſere Kenntniß von dieſem Wunderlande, welches ſich auf einer Stufe hoher Entwickelung in Betreff ſeiner Bodencultur wie ſeiner Indu— ſtrie befindet, iſt zur Zeit eine noch ſehr beſchränkte, da es bisher nur wenig Europäern geſtattet worden iſt, Reiſen in das Innere des Lan— des zu machen. Nach Norden erſtreckt ſich China über dieſe Zone hinaus bis zum 40. Grade u. Br., und wollen wir des Zuſammen— hanges wegen hier dies ganze Gebiet betrachten. Der Süd- und Oſtrand von China grenzen an das Meer; im Norden und Weſten aber iſt es von Bergketten eingefaßt, deren Gipfel an vielen Stellen ’ Gentiana, Aquilegia, Iris, Salsola, Potentilla, Campanula, Corydalis, Sal- via eto. 2 Ephedra, Juniperus, Fraxinus, Elacagnus, Rheum. “ Hordeum hexastichon, H. coeleste. 262 III. Die ſubtropiſche Zone. in die Region des ewigen Schnees hineinragen. Sie trennen China von dem inneren Aſien und bilden in ſeinen weſtlichen Theilen noch ein zuſammenhangendes Alpenland, welches als eine Fortſetzung der Himalayakette zu betrachten iſt, und dem es ſelbſt an rieſigen Gipfeln nicht fehlt. Von dieſen chineſiſchen Alpen ziehen ſich zwei Ketten von anſehnlicher Erhebung oſtwärts gegen das Meer und bilden die Waſ— ſerſcheiden für die mächtigen Stromgebiete des Landes, den Jang tſe Kiang und den Hoang ho, von denen erſterer der größte Strom von ganz Aſien iſt. Die Nordkette (Pe ling) trennt die beiden genannten Ströme, und die Südkette (Nan ling) zieht ſich zwiſchen dem Jang tſe Kiang und dem Meere entlang. Beſonders charakteriſtiſch für die Phyſiognomie von ganz China iſt die reiche Bewäſſerung. Nicht nur die mächtigen Ströme, ſondern auch ihre Nebenflüſſe ſind ſchiffbar, und eine Menge von Waſſerleitungen und Kanälen kommen der Na⸗ tur überall zu Hülfe. Unter den letzteren zeichnet ſich beſonders der Kaiſerkanal aus, welcher parallel mit der Oſtküſte laufend, ſämmtliche Ströme des Landes mit einander verbindet und eine faſt ununterbro— chene Waſſerſtraße von Peking bis Kanton bildet. Bei einem ſo ausgedehnten Lande, welches ſich von Süden nach Norden durch 20 Breitengrade erſtreckt, kann das Klima natürlich nicht überall daſſelbe ſein. Die tropiſchen Temperaturverhältniſſe von Kanton haben wir ſchon bei der vorigen Zone angegeben; hier wollen wir nur noch bemerken, daß wenn mit dem Beginn der Nordoſt— Monſune die trockene Jahreszeit eintritt, das Thermometer bei Nacht auf 4° bis 2%, bisweilen ſogar auf den Gefrierpunkt herabſinkt. Während dieſer Zeit iſt der Himmel beſtändig klar, kein Wölkchen zeigt ſich am Firmament, weder bei Tage noch bei Nacht. Die Fel— der find dann ihres tropiſchen Schmuckes gänzlich beraubt, und erſt im März, wenn mit dem eintretenden Südweſt-Monſun die Regenzeit beginnt, erwacht zugleich die Pflanzenwelt von neuem. Noch auffal- lender erſcheinen die Temperaturverhältniſſe im Norden bei Peking. Die mittlere Temperatur ſteigt hier nie über 10%, und im Januar, dem kälteſten Monat, beträgt die mittlere Temperatur — 3°,5. Die durchſchnittliche Winterkälte iſt überhaupt — 20,5, ſteht alſo tiefer als die von Deutſchland und ſtimmt mit der von Königsberg in Preu— ßen überein, welches 14 Grade nördlicher liegt als Peking. Dagegen haben die Ebenen des nördlichen China eine Sommerwärme, welche die von Deutſchland um 9° übertrifft und eine vollſtändig tropiſche genannt werden kann. China. 263 Die Vegetation von China iſt durch die uralte Cultur der Men— ſchen und durch die übermäßig dichte Bevölkerung ſo entſchieden um— geſtaltet worden, daß man nur noch wenig Charakteriſtiſches daran aufzufinden vermag. Die Bewaldung der Küſte iſt höchſt ſparſam; am weiteſten iſt die ſchon bei Kanton erwähnte chineſiſche Fichte! ver— breitet, welche bis zu 30° n. Br. hinaufgeht. Gegen den Jang te Kiang treten andere Nadelhölzer auf. Mit ihnen contraſtiren ſeltſam die überall häufigen Bambuſen, die auch im mittleren China an die tropiſche Flora erinnern. Beſonders in der Nähe des Meeres gehen ſie weit nach Norden hinauf, was zugleich von anderen tropiſchen Ge— wächſen: Palmen, Bananen, Blumenrohren und Cyeadeen gilt. Au— ßerdem ſind die Theeſtaude, die Camellien und die Gattung Aucuba mit großen, dunkelgrünen und glänzenden Blättern durch ihr häufiges Vorkommen als charakteriſtiſche Formen für China zu betrachten. Der Hauptcharakter des ganzen Landes iſt aber in den cultivirten Strecken zu ſuchen. Die Bevölkerung von China iſt ſo unglaublich dicht, daß England und Holland in ihren bevölkertſten Theilen öde dagegen er— ſcheinen. Der Miſſionar Gützlaff vergleicht das Land einem wimmeln— den Ameiſenhaufen. Laſtthiere und andere Thiere giebt es faſt gar nicht; alle Arbeiten werden von Menſchen verrichtet. Das kleinſte Fleckchen Landes iſt angebaut und jede Einrichtung ſo getroffen, daß auch nicht ein Fuß breit vom Boden verloren geht. In der Ackerbe— ſtellung iſt man ſo emſig, daß in den ſüdlicheren Theilen zuweilen 4— 5 Ernten jährlich auf einem Felde gehalten werden; und während man an dem einen Ende deſſelben noch mäht, wird auf dem andern ſchon wieder gepflügt. Im Innern China's indeſſen find auch die fruchtbarſten Bergbezirke keinesweges überall angebaut; im Gegentheil, der bei weitem größere Theil befindet ſich noch im natürlichen Zuſtande und iſt durch die Hand der Menſchen nie geſtört worden n). — Wenn man von Peking ſüdwärts nach Nanking reiſt, fo zeigen ſich von 39° bis 30 Br. ausgedehnte und reich bebaute Ebenen angeſchwemmten Bodens, durchſchnitten von einer Unzahl von Flüſſen und Kanälen und nur hin und wieder unterbrochen von Mooren und Seen. In den nördlichen Strecken trifft man neben dem cultivirten Boden zwi— ſchen europäiſchen und anderen Pflanzen gemäßigter Klimate auch ſchon Pinus chinensis. * 0 * * * 5a 5 R a . x 112 ) Fortune, Three years’ wanderings in the northern provinces of Chine, London 1847. p. 297. 264 III. Die ſubtropiſche Zone. manche ſüdlichere Formen, unter denen viele bei uns als Zierpflanzen bekannt find, wie Hahnenkamm !, Kugelamaranth?, Trichterwindes, Lagerſtrömie“, wohlriechender Loosbaum? u. ſ. w. In Seen und Teichen zieht man nützliche Waſſerpflanzen. Eine prächtige Seerofe ® mit kreisrunden Blättern und großen roſenrothen oder blauen Blumen wird vorzugsweiſe ihrer Wurzel wegen cultivirt, die man überall auf den Märkten zum Verkauf ausgelegt findet; aber auch die Samen dieſer Pflanze liefern eine wohlſchmeckende Speiſe. Die Waſſernuß? iſt eins der wichtigſten Nahrungsmittel für die Armen und wird auf allen Märkten gefunden, ſelbſt auf den Höhen des Himalaya bis nach Kaſchmir, wo eine große Anzahl von Menſchen faſt das ganze Jahr damit beſchäftigt ſind, dieſe Früchte aus der Tiefe der Gewäſſer herauf zu holen. Außerdem wird auch eine Art Pfeilkrauts benutzt, deſſen Wurzel die Größe einer Fauſt erreicht und viel gegeſſen wird; und in den Teichen zwiſchen den Reisfeldern wächſt die überall gern geſehene Pontederie“, deren Blätter für die Chineſen ein beliebtes Gemüſe find, Die Felder find mit Baumwolle, Hirſe, Seſam, Camellien n, vor allen Dingen aber mit Reis bebaut, der hier die allgemeinſte Nahrung iſt, und in den Gärten werden Pamswurzeln und Bataten, Kürbiſſe, Mies lonen und Waſſermelonen, viele Hülſenfrüchte nn, Beißpfeffer 12 u. ſ. w. gezogen. Im Ganzen entſpricht hier die Cultur der in den Ebenen Hinduſtan's. Südlich vom Jang tſe Kiang wird das Land hügelig, und Theepflanzungen beginnen; auf der nördlichen Vorterraſſe der Südkette wachſen großblättrige Kaſtanien, Lärchen, Kampher- us und Talgbäume ne und in den Thälern Lebensbaum >; wo aber zwiſchen den Hügelketten und dem Flußufer flache Ebenen ſich ausbreiten, da erblickt man Zuckerpflanzungen neben Orangenhainen; unſere Aepfel- und Birnbäume wechſeln mit Kaſtanien-, Granat- und Wallnußbäu⸗ men, und die geſchätzteſten Früchte find Melonen, Dattelpflaumen!« (Si tſchi) und die pflaumenartige Li tfehi n“. Um die letztere beſonders köſt— liche Frucht in Menge zu erhalten, zwingt der chineſiſche Kaiſer ſeine Unterthanen, die Bäume, ſo wie ſie blühen, auf Flößen nach Peking zu ſchaffen, was mit vieler Mühe und großen Koſten verknüpft iſt. . Celosia cristata. 2 Gomplhrena globosa. 3 Ipomoea Quamoclit. “ La- gerstroemia indica. s Clerodendron fragrans. ° Nelumbium speciosum. Trapa bicornis. ® Sagittaria sagittata. “ Pontederia vaginalis. "° Camellia oleifera. !! Dolichos, Lablab, Soja. 12 Capsicum sinense. !“ Cinnamomum camphora. !4 Tomex sebifera. “ Thuja orientalis. 16 Diospyros Kaki. !“ Nephelium (Euphoria) litchi. China. 265 Blühend reiſen die Bäume in den ſüdlichen Provinzen ab, und mit reifen Früchten bedeckt kommen fie in Peking an. — In der Umge— gend von Nanking, wo das Land gleichfalls hügelig iſt, finden ſich ne— ben der chineſiſchen Fichte zahlreiche Maulbeerplantagen nebſt Anbau von Talgbäumen, und auf den Feldern werden vorzugsweiſe Reis, Aronswurzel! Indigo, Waid?, eine Art Raps? und Baumwolle cultivirt. Von dem letzteren Gewächs indeſſen kann China nicht fo viel produciren, als zu ſeinem eigenen Bedarf erforderlich iſt, ſo daß jährlich für mehr als 1 Mill. Thaler roher Baumwolle aus Oſtin— dien nach dem chineſiſchen Reiche eingeführt werden. Die Hügelreihen, von denen die Stromufer bei Nanking eingefaßt ſind, tragen fünf ver— ſchiedene Arten von Eichen? nebſt Zwergkaſtanien, in deren Schatten eine Menge Farrnkräuter bekannter Gattungen? wachſen, während an den Stromufern ſelbſt das Bambusrohr hin und wieder dichte Wal— dungen bildet. An der ſüdlichen Grenze dieſer Zone ſind die Ge— wächſe im Ganzen dieſelben, nur kommen noch Feigen dazu, große Myrtenbäume s, wild wachſende Camellien von 20—30“ Höhe, fo wie eine 20“ hohe Begonia; mehrere Arten von Stechwinden? bilden eine Lianenflor. Neben tropiſchen Früchten, unter welchen Bananen, Ana— nas und Brotfrucht die bedeutendſten ſind, erſcheinen auch Weizen, Kaſtanien, Birnen, Pflaumen, Pfirſich und der Weinſtock, doch kommen die mehr nordiſchen Früchte hier nicht recht zur Reife. Auch der Wein— ſtock ſoll nach Gützlaffs Angaben nur in den nordiſchen Provinzen vorzüglich gedeihen. — Von der größten Bedeutung für China iſt be— kanntlich die Theecultur. Die eigentlichen Theediſtriete liegen zwiſchen 25° und 31 Br., wo nur eine einzige Art? gebaut wird, dieſelbe, die nach Europa kommt. Im ſübdlichen China gedeiht dieſe Art nicht mehr, und man baut dort eine andere? von ſchlechterer Qualität. Die Theegärten liegen ſtets an hügeligen Abhängen und nie hoch. Die Pflanze verlangt einen ſehr fruchtbaren Boden, am beſten einen rei— chen, ſandigen Lehmboden und erträgt Temperaturdifferenzen zwiſchen — 1 und 21%5. Der Geſchmack für den Thee wird in China und Indien ſo geübt, daß eine gute Theeprobe dort dieſelbe Wichtigkeit hat wie bei uns eine gute Weinprobe. Seit uralten Zeiten iſt der Thee als ein erquickendes und nervenſtärkendes Getränk in China be— ' Arum esculentum. 2 Isatis indigotica. “ Brassica chinensis. * Quer- cus densifolia, Q. chinensis. ° Adiantum, Asplenium, Aspidium, Blechnum, Polypodium, Pteris, Davallia, Woodwardia. 6 Myrtus tomentosa. “ Smilax china, Sm. lanceolata. Thea viridis. Th. Bohea. 268 III. Die ſubtropiſche Zone. durchſtrömt wird und ſich bis zur Südſpitze von Florida ausdehnt— Hier erſtrecken ſich weitgedehnte, herrliche Waldungen von immergrü— nen Bäumen und Sträuchern, die ſich meiſt durch große, glänzende und tief dunkelgrün gefärbte Blätter auszeichnen. Einige von ihnen prangen außerdem noch in großen und wohlriechenden Blüthen. In erſter Reihe ſind hier die prachtvollen Magnolien! zu nennen, mit Stämmen von 60—80 Höhe und einer Menge 8” breiter ſchneeweißer Blumen; daneben die unſerm Ahorn ſo ähnlichen Tulpenbäume ?, die 100“ hoch und 8’ dick werden und zur Blüthezeit über und über mit gelben, tulpenartigen Blüthen geſchmückt ſind. Außerdem bilden Lor— beerarten , Dattelpflaumen ®, ein Delbaum °, eine Stechpalme s und mehrere Sträucher? die charakteriſtiſche Vegetation dieſer feuchten und ſumpfigen Wälder. Am Unter⸗Miſſiſippi erſcheinen unabſehbare Wäl⸗ der von Cypreſſens, deren ſchlank emporſtrebende Stämme bis zu Hö— hen von 60 und 80“ dieſelbe Dicke behalten, und deren Aeſte mit Tillandſien geſchmückt ſind wie die Fichten und Agaven Mexico's. Seltener find die Laubhölzer; nur Wallnuß- und Ahornbäume "° begleiten den Cypreſſenwald, dagegen bedeckt eine ſtrauchartige Fächer— palme n in unabſehbaren Strecken die weiten Sümpfe bei New⸗ Orleans, fo wie die feuchten Ufergegenden von Carolina und Florida. Weiter nordwärts find die Ufer des Miſſiſippi mit Weiden 12, Pap⸗ peln 1 und Dattelpflaumen eingefaßt, immergrüne Lorbeergeſträuche!“ bilden das Unterholz, wilder Wein !° die Schlinggewächſe, und eine Menge von Brombeergeſträuchen bedecken den Boden. Dazu geſellen ſich undurchdringliche Wälder von baumartigen Gräſern 7°, die hier noch 36 — 42“ hoch find, aber ſchon an der nördlichen Grenze dieſer Zone niedriger werden. In Florida herrſcht noch eine faſt tropiſche Gleichmäßigkeit der Temperatur, fo daß der Unterſchied der Sommer- und der Winter⸗ wärme kaum 5° beträgt. In einem Zeitraum von 6 Jahren ſtieg zu Key-Weſt das Thermometer nicht über 25°,5 und ſank nicht unter 5%. Die atmoſphäriſchen Niederſchläge ſind ungleichmäßig vertheilt; Magnolia grandiflora. 2 Liriodendron tulipiſera. 3 Laurus Gates- beyana, L. carolinensis, L. borbonica. Diospyros virginiana. Olea ame- ricana, „ llex vomitoria. “ Calycanthus floridus; Kalmia hirsuta, K. cuneata; Halesia tetraptera, H. diptera. 5 Cupressus disticha. “ Juglans Pacan, J. ru- bra. 1% Acer Negundo. 1 Chamaerops Palmetto. Salix nigra. Po- pulus deltojdes. “ Laurus Sassafras, L. Myrica, '° Vitis riparia, Ampelop- sis bipinnata. "° Miegia macrosperma, Ludolphia missisippensis. 268 Taf. IL N ION a ae NORD-AMERIKA. ten N — a f 2 Florida. Die Bermuden. 269 im Innern ſind die Tage meiſt heiter, aber überall iſt die Luft reich an Waſſerdampf und die Thaubildung häufig. Die Vegetation des Miſſiſippibeckens zeigt ſich immer entſchiedener und reicht bis an den antilliſchen Ocean. Beſonders iſt eine Eichenart! für Florida wich— tig, die ſchon bei 31° n. Br. beginnt, ſich durch die ganze Halbinſel erſtreckt, und deren Holz zum Schiffbau allgemein geſchätzt iſt. Hier ſproſſen Blumen das ganze Jahr ohne einen allgemeinen Winter— ſchlaf. — Die Cultur in dieſen Tiefebenen, welche ſich der Natur des Bodens zufolge auf wenige demſelben mühſam abgerungene Strecken beſchränkt, beſteht meiſt aus Zuckerrohr, Baumwolle, Bataten, Indigo; auch aus Pomeranzen und Feigen, und an der Oſtküſte von Karolina ſind Reisfelder häufig. In dem Atlantiſchen Ocean verdient an der Nordgrenze dieſer Zone noch der aus niedrigen Korallenfelſen beſtehende Bermuda— Archipel einige Aufmerkſamkeit. Alle nicht bebauten Gegenden ſind hier mit einer Ceder? bedeckt, die auch auf den Gebirgen Jamaica's häufig wächſt, und deren Holz gleichfalls zum Schiffbau vortrefflich iſt. Im Schutze dieſer Wälder gedeihen hier die herrlichſten Orangen. Werfen wir einen kurzen Rückblick auf die Phyſiognomie der Ve— getation dieſer Zone, ſo iſt zwiſchen dem weitgedehnten Ländergebiete der alten Welt und der verhältnißmäßig kurzen Erſtreckung des Feſt— landes in der neuen Welt ein gewiſſer Parallelismus nicht zu ver— kennen. Die vom Feſtlande getrennte californiſche Halbinſel mit ihren Saftgewächſen und Cuphorbienſträuchern erinnert an die vor Afrika liegenden canariſchen Inſeln, die Anpflanzungen von allerlei Südfrüchten und die Weinberge des weſtlichen Feſtlandes an die Nordküſte von Afrika. Die Fichten und Eichen Meriey’3 rufen die Erinnerung an den Nordrand von Iran und die Vegetation des Hi— malaya zurück, während die Bäume und Sträucher mit glänzendem Laube den Camellien, die Cypreſſen des Miſſiſippi den Fichten zu Kanton und die hohen Gräſer der amerikaniſchen Savannen den weitverbreiteten Bambuſen China's gegenüberzuſtellen ſind. Hiergegen zeigen die entſprechenden Ländergebiete der ſüdlichen Halbkugel eine auffallende Verſchiedenheit, nicht nur von den eben beſchriebenen Ländern der nördlichen Erdhälfte, ſondern vor Allem auch unter einander, eine Erſcheinung, die ſich freilich leicht erklärt, wenn man bedenkt, daß Südafrika einerſeits von Neuholland, ande— Quercus Phellos. ? Juniperus Bermudiana. 270 III. Die ſubtropiſche Zone. rerſeits von Südamerika durch ſo große Meeresflächen getrennt iſt, daß an eine Pftacen ene zwiſchen dieſen Erdtheilen nicht ge— dacht werden kann. Südliche Halbkugel. A. Afrika. Nähert man ſich dem Südrande von Afrika von der Weſt— ſeite her, fo erblickt man ſchon aus weiter Ferne ein Vorgebirge, deſſen höchſter Punkt, der Tafelberg, eine Höhe von 3445“ hat, und neben welchem der Teufelsberg und der Löwenkopf ſich erheben. Von dem Fuße dieſer Berge nach Norden bis zur St. Helenabai liegt der eigentliche Capdiſtrict. Kommt man zu Ende des Sommers, d. h. im März an, ſo bietet die Capſtadt mit ihren Umgebungen einen trau— rigen Anblick dar, beſonders die von aller Baumvegetation entblößten Höhen. Sobald aber im April die erſten Regen fallen, ändert ſich die Phyſiognomie der Gegend. Die Regenzeit dauert hier den gan— zen Herbſt und den Winter hindurch, und gerade in den näheren Umgebungen des Caps fallen die ſtärkſten und häufigſten Nieder- ſchläge, oft von heftigen Nordweſtſtürmen begleitet. Je weiter man aber den Capdiſtriet nach Norden verfolgt, deſto mehr nehmen die winterlichen Regen ab, was in gleicher Weiſe für die Südküſte gilt. — Als eine charakteriſtiſche Eigenthümlichkeit der Capflora ſind die engen Verbreitungsbezirke der einzelnen Arten zu betrachten. Unter den 9000 bis jetzt in der Capeolonie aufgefundenen Phanerogamen giebt es nur wenig geſellige Pflanzen, und ſelbſt dieſe haben durchaus nicht den Einfluß auf die Phyſiognomie der Vegetation wie unſere Wald— bäume oder unſere Wieſengräſer. Zu den geſelligen Formen gehören hier einige Proteaceen, von denen ſich keine über 30 Meilen von der Küſte entfernt; ferner kleinblumige Heideſträucher !*, weißblumige Dios— men? und Strickbinſens mit einfachen oder äſtigen Stämmen. Außer⸗ dem treten beſonders viele Syngeneſiſten in großer Artenzahl! auf, wie auch Pelargonien, Eispflanzen, Dickpflanzen, Euphorbien und prachtvolle Liliengewächſes. Große Aloé-Arten erheben ihre hohen Stengel über das Dickicht und verzieren, wenn ſie in voller Blüthe Erica (140 Arten). 2 Diosma alba, D. lanceolata, D. serratifolia, D. uniflora etc. ° Restio cernuus, R. paniculatus. * Senecio (151 sp.), Heli- chrysum (108 sp.), Gnaphalium, Calendula etc. ° Gladiolus, Moraca, Ixia. Das ſüdliche Afrika. 271 ſtehen, die Landſchaft höchſt angenehm. Ueberhaupt ift der Capdiſtrict das Land der Blumen, die hier eben ſo zahlreich als mannigfaltig und in vorzüglicher Schönheit auftreten; aber es giebt kaum ein ein— heimiſches Gewächs, welches genießbare Früchte lieferte. Dagegen gedeihen hierher verſetzte Pflanzen vorzüglich. Der Capwein iſt welt— berühmt, und Europa, Oſtindien und China haben Baum-, Feld- und Gartenfrüchte geliefert, die hier in traulichem Verein neben einander wachſen und den eultivirten Strecken ein ſeltſames Gepräge geben. Von dem Vorgebirge der guten Hoffnung und der 120 Meilen langen, noch in die wärmere temperirte Zone hineinragenden Süd— küſte ſteigt das Land nach Norden in 2 bis 3 großen Stufen an, deren Nordrand die großen ſchwarzen Berge bilden. Der Küſtenſtrich ſelbſt, ein ſchmaler Streifen Land, welcher ſich bis zu den grasreichen Hügeln Albany's erſtreckt, bietet wenig Flächen dar; meiſtens wechſeln Berge aus röthlichem Sandſtein mit trockenen oder fruchtbaren Thal— ſchluchten. Der weſtliche Theil der Südküſte bis zum Gauritzfluſſe iſt wenig bewäſſert; das herabrinnende Quellwaſſer wird von dem Sand— ſteinboden verſchluckt, und nur wenig Flüſſe erreichen in der trockenen Jahreszeit das Meer. Ganz Zwellendam erſcheint daher waldleer; nur einzelne über 20“ hohe Gewächſe: Nadelhölzer, eine Feigenart, ein Lorbeerbaum, einige Oelbäume treten auf, während Zamien, fleiſchige Euphorbien und andere Saftgewächſe als die eigentlich charakteriſti— ſchen Formen zu betrachten ſind. Oeſtlich vom Gauritzfluſſe dagegen ſprudeln Quellen neben Quellen; die Gebirgsſtröme, oft mit geſellig wachſendem Kalmus! dicht erfüllt, haben hier tiefe Schluchten aus— gehöhlt, in denen oft eine außerordentliche Fruchtbarkeit herrſcht. Am Fuße der Outeniqua-Berge wechſeln reich bewäſſerte Wieſen mit gro— ßen Hochwäldern, die aber überall auf ein enges Gebiet beſchränkt ſind. Rieſige Stämme 2, die vier Männer nicht umſpannen können, liefern hier eine Menge Bauholz, und Farrnfräuter este Schatten einer Menge von anderen Baumformen 3. Weiter nach Oſten iſt der Camtos-River als eine deutliche Vegetationsſcheide zu betrachten; er bildet die Grenze zwiſchen der Capflora und der des Kaffernlandes. Proteen und Eriken werden ſeltener; dagegen werden die Geſträuchformationen an der Algoa-Bai höher und dichter und dienen Elephauten, großen Büffeln und Antilopen zum Verſteck. Die Acorus Palmita. Podocarpus. Crocoxylon excelsum, Ocotea bul- lata, Curtisia faginea, Elaeodendron capense. 272 III. Die ſubtropiſche Zone. charakteriſtiſchen Gewächſe find hier Euphorbien, 20 — 30 hohe Stre— litzien “, Zamien, Pelargonien und Spindelſträucher 2. Nach dem großen Fiſchfluſſe zu werden die Formen immer mächtiger, und wilde Geſträuchdickichte aus baumartigen Euphorbien, Baumfarrn, Zamien⸗ und andern dornigen Hölzern bilden am Ufer dieſes Fluſſes einen Urwald, der undurchdringlicher und unzugänglicher iſt als die braſi— lianiſchen Wälder. In Albany werden die tropiſchen Gewächſe im— mer mannigfaltiger, und die Phyſiognomie der Vegetation nähert ſich der Flora von Natal. Ganz anders iſt der Vegetationscharakter in den großen Längen— thälern nördlich von der Südküſte. Schon in den Umgebungen von Uitenhage find die Bäume felten höher als 20’, die Wälder werden jedoch durch dornige Lianen unzugänglich gemacht; auch das Rand— gebirge der unteren Karroo-Terraſſe iſt noch größtentheils mit Ge— ſträuchdickichten bedeckt. Ueberall aber zeigt ſich Trockenheit und Waſ— ſermangel; Sandflächen wechſeln mit onfenartigen Stellen, und nur die Thalſchluchten zwiſchen ſteilen und hohen Gebirgen, in denen ein Bach das Jahr hindurch aushält, ſind des Anbaues fähig. Auf dem weſtlichen Küſtenlande vom Cap der guten Hoffnung bis zur Mündung des Gariep wechſeln Ebenen mit Bergen, welche außer der bereits erwähnten Flora des Capdiſtricts ſich weiter nord— wärts durch grasreiche Fluren? auszeichnen, die mit anderen Strauch: formationen wechſeln. Nördlich vom Gariep, deſſen Mündung nur 510˙ breit iſt, und deſſen Ufer mit Weiden, Ebenholzbäumen und Mimoſen beſetzt find, ſetzt ſich die Terraſſenform des Bodens nach dem Wendekreiſe hin fort. Sandebenen und waldlofe Berge bilden hier gleichfalls die charakteriſtiſche Phyſiognomie des Plateau's, doch zeigen ſich weiter nach Norden hin gegen die Grenze dieſer Zone auch ausge ynte Culturſtrecken. Ueberſteigt man die unter 320 ſ. Br. jenſeit des Elephanten— fluſſes gelegenen Cederberge, die eine Höhe von 5000“ erreichen, ſo dehnt ſich nach Oſten hin die 90 Meilen lange Karroo-Ebene aus, deren mittlere Höhe zwiſchen 2000 und 3500“ wechſelt. Im Süden iſt ſie von den bereits erwähnten großen ſchwarzen Bergen begrenzt, deren höchſte Gipfel ſich gleichfalls bis zu 5000“ erheben. Der Bo— den dieſes Tafellandes, ein Gemenge aus Thon mit eiſenhaltigem ! Strelitzia alta. ? Celastrineen. 3 Zamia horrida. * Andropogon, Restio. ° Santalaceen, Thymeleen, Proteaceen, Toxicodendron capense. Das ſüdliche Afrika. 3 Sande, wird im Sommer bis zur Härte des gebrannten Ziegels aus— gedörrt, ſo daß alle Vegetation erſtirbt. Holz fehlt dieſen Ebenen faſt ganz; nur krüppelhafte Mimoſen und Acacien ! zeigen ſich. Dage⸗ gen ſind ſie reich an Saftpflanzen und Zwiebelgewächſen. Dickpflan⸗ zen 2, Eispflanzen , fleiſchige Euphorbien, Aloe, zahlreiche Syngene— ſiſten und eine Menge anderer Gewächſe! bilden hier während der trockenen Jahreszeit die charakteriſtiſche obgleich kümmerliche Vegeta— tion; ſobald aber die wohlthuenden Regen herniederſtrömen, bedeckt ſich die ganze unabſehbare Fläche mit einem dichten Teppich üppigen Grüns, der nach wenigen Tagen von dem bunten Glanz der Blumen zahlreicher Zwiebelgewächſe und freudig ſtrahlender Eispflanzen belebt wird, um eben ſo ſchnell wieder zu verſchwinden. Den Nordrand der Karroo bildet eine Reihe von Gebirgsketten, die unter den Namen der Roggefeld-, Neuefeld-, Winterfeld- und Schneeberge bekannt find und ſich allmälig von 5000 bis zu 8000“ Höhe erheben. Die letztere Gebirgslandſchaft iſt ſchon reichlicher be— wäſſert; Savannen“ bekleiden die Abhänge der Berge, und Weiden erſcheinen an den Flußufern. Weiter nach Oſten erweitert ſich die Gebirgskette zu einem aus vielen Gliedern beſtehenden Gebirgsſyſtem, welches unmittelbar zur Südoſtküſte abfällt; nach Nordoſten dagegen dehnt ſich das Tambukie- oder Amatembu-Plateau aus, welches mit iſolirten Bergen beſetzt iſt und gegen die Oſtküſte in eine 10 Meilen breite Küſtenterraſſe abfällt. An dem nördlichen Fuße der Gebirgsketten, welche den Nordrand der Karroo-Terraſſe bilden, beginnt das große Tafelland von Inner— Afrika, das ſich von hier bis zu den Quellen des Nil und bis zur großen Tiefebene am Tſchadſee erſtreckt. Daß dieſes Tafelland eine Senkung von Oſten nach Weſten hat, zeigt ſich deutlich an dem Lauf des Gariep, indem ſeine abſolute Höhe an der nordöſtlichen Waſſer— ſcheide dieſes Fluſſes 7000“ und im Weiten, am Fuße der Noggefeld- berge 3 — 4000“ beträgt. Bis zu den Ufern des Gariep hin find dieſe weitgedehnten Hochebenen nur von Hügelreihen durchzogen, un— ter denen die Karre-Berge (31° Br.) beſonderes Intereſſe erregen. Wunderlich erſcheinen hier die thurm-, kegel- und tafelartigen For- men, welche ſich, von aller Vegetation entblößt, in die Luft erheben Acacia horrida. 2 Crassulaceen. ® Mesembryanthemum spinosum. 4 * * * . „ * Stapelia, Hermannia, Prosopis elephantina, Elytropappus rhinocerotis. An- dropogon. 18 274 III. Die ſubtropiſche Zone. und eine Wüſtenei bilden, die wegen gänzlichen Waſſermangels für immer der Cultur unzugänglich bleiben muß, nichtsdeſtoweniger aber für den Reiſenden einen eigenthümlichen Reiz behält wegen der ver— ſchiedenartigen Geſtalten, die wie überall in Afrika die felſigen Wüſten charakteriſiren. Zwei Grad nördlicher tritt man an die Ufer des ma— jeſtätiſchen Orangefluſſes, von den Bewohnern dieſer Hochebenen Ga— riep genannt. Aber ſeine Ufer ſind dem Anbau nicht günſtig, denn während er in der naſſen Jahreszeit, vom November bis zum Februar, ſtark anſchwillt, trocknet er in der heißen Jahreszeit ſo weit aus, daß man an vielen Stellen mit Wagen hindurchfahren kann. Die uner⸗ meßlichen Grasſavannen, die ſchon unter 32° Br. beginnen, dehnen ſich hier überall aus und ſetzen ſich nach Norden fort, ſo weit man in dieſem Theile Afrika's vorgedrungen iſt. Nur Weidengehölze faſſen die Stromufer ein, und das offene Weideland wird hin und wieder von Acaciengruppen beſchattet . Die Gräſer 2, die während der Re— genzeit am oberen Gariep oft 3 —4“ hoch ſtehen, bilden den Haupt- beſtandtheil der Savannenflora, in welcher die häufigſten Kräuter der Malvenform 3 und den Leguminoſen * angehören. In der trockenen Jahreszeit aber iſt die Vegetation der Savanne vollſtändig unterbro- chen. Hat man den Gariep überſchritten und wendet ſich nordöſtlich nach Neu⸗Litaku (27° Br.), ſo werden mit den zunehmenden Quellen die fruchtbaren Strecken häufiger, worauf abermals endloſe Grasebe— nen erſcheinen, die nur hie und da von Zwergbüſchen und Mimoſen— hainen unterbrochen werden. Bei 264° aber gelangt man am Fluſſe Siklagole in ein blühendes Land, welches reich an Wäldern und Culturſtrecken iſt, die ſich bis über den Wendekreis hinaus erſtrecken ſollen, während nach Weſten hin endloſe Sandwüſten, Kalahiri ges nannt, ſich ausdehnen. Nordöſtlich von dem genannten Fluſſe erhebt ſich zwiſchen 46° und 48° öſtlicher Länge das Kaſchangebirge, wel— ches die Waſſerſcheide zwiſchen dem Indiſchen und dem Atlantiſchen Ocean bildet. Wild und romantiſch iſt die Seenerie, welche ſich hier darbietet, ſo daß man ſich in die Alpen verſetzt glaubt. Rings um⸗ her ſteigen die Berge in kühnen und majeſtätiſchen Formen empor, und die zerriſſenen, mannigfach gefärbten Klippen ſind von üppigem Grün und lichtem Buſchwerk belebt. Mächtige Waldungen ziehen ſich in einem Gürtel um die untere Region; an den Gipfeln dagegen Acacia capensis. Andropogon, Anthistiria. 3 Hibiscus, Hermannia. 4 Phaseolus, Dolichos. Das ſüdliche Afrika. 275 ſteht das nackte Geſtein zu Tage, aus dem nur hin und wieder eine Mimoſe emporſprießt. Nördlich von dem oben genannten Tambukie-Plateau zieht ſich das Quathlamba⸗Gebirge in nordöſtlicher Richtung fort und ſteht aller Wahrſcheinlichkeit nach mit dem Lupatagebirge in der tropiſchen Zone in Verbindung. Auch dieſe Kette zeichnet ſich durch plattförmige, ſonderbar geſtaltete Umriſſe aus und fällt in mehreren Terraſſen, die mit der Meeresküſte parallel laufen, nach Oſten ab. Dies ganze Ge— biet, das Kaffernland, iſt von zahlreichen Flüſſen bewäſſert, die an der 10,000“ hohen Quathlambakette entſpringen und das Geſtadeland der Colonie Port Natal (30° Br.) in den verſchiedenſten Richtungen durchſchneiden. Im September erwacht hier die Vegetation und ent: wickelt vom October bis zum December die vollſte Pracht. Inner— halb dieſer naſſen Jahreszeit ſchwankt die Temperatur zwiſchen 15° und 25»; aber ſchon im Januar zeigt ſich ein Stillſtand in der Ve⸗ getation, die Grasfluren nehmen eine düſter-gelbe Färbung an, und die Wälder erſcheinen zwar grün, aber blüthenleer. Die Luft iſt heiß und drückend, und erſt im Juli und Auguſt treten ſchöne Tage ein, deren Morgen und Abende Kühlung bringen, doch fällt das Thermo— meter ſelten bis 12°. Die Küſten- oder Waldregion iſt hier, obwohl außerhalb der Tropen gelegen, durch einen Mangrovegürtel bezeichnet, deſſen verſchiedenartige Formen ' den Schlammboden bedecken, fo weit die Fluth reicht. Hierauf folgt ein tropiſcher Miſchwald, der reich an Feigen, Myrten, Palmen, Leguminoſen, Lianen und anderen Formen der heißen Zone erſcheint, und nur auf Elephanten- und Büffelpfa⸗ den zu betreten iſt. Grasfluren mit mannigfachen Geſträuchen, unter denen auch Bananen ſich finden, erfüllen demnächſt die Ebenen bis zum Fuße der Hügelregion. Von hier an wechſelt ſchönes Weide— land mit Acaciengehölzen, und an anderen Stellen erinnern Alye und hochſtämmige Euphorbien an die Karroo-Terraſſe, während noch an— dere Strecken mit hohem, nährenden Gras und verſchiedenen Kräu— tern ? an die Savannen mahnen. Die Gebirgsregion über dieſen reichen Grasfluren iſt mit einem Waldgürtel umgeben, der zahl: reiche Farrnkräuter enthält, und darüber erſcheinen Bergwieſen, welche Bruguiera gymnorrhiza, Rhizophora mucronata, Avicennia tomentosa Leguminosen, Scrophularineen, Labiaten, Acanthaceen. ? Podocarpus. 18 * 276 III. Die ſubtropiſche Zone. einen Reichthum von Halbgräſern !“, Orchideen *) und lilienartigen Gewächſen? aufzuweiſen haben. B. Auſtralien. Von dem Feſtlande Auſtraliens innerhalb dieſer Zone iſt uns faſt bloß die Oſtküſte oder Neu⸗Süd-Wales näher bekannt, ob: wohl gerade dieſer Theil am ſpäteſten entdeckt worden iſt. In das Innere dieſes Continents iſt man aber noch nicht weiter als etwa 100 Meilen von der Küſte her eingedrungen. Parallel mit der Oſt⸗ und Südoſtküſte zieht ſich ein Bergland, welches an mehreren Stellen Ausläufer zur Küſte ſendet. Auf dieſe Weiſe entſtehen zwiſchen 27° und 36° f. Br. 7—8 von einander getrennte Ebenen, unter denen die von Cumberland mit der Hauptſtadt Sidney die geräumigſte iſt. Dieſe Ebenen ſind zum Theil ſehr fruchtbar; ſtellenweiſe ſind ſie aber auch vollkommene Wüſteneien, deren Uferſtrecken nur Lagunen und Salzſümpfe darbieten. Seinen Anfang nimmt das genannte Berg— land vermuthlich an der Hervey-Bai (25° Br.); vom 27 aber zieht es ohne Unterbrechung ſüdwärts bis zur Baſſ-Straße; es iſt indeſſen kein zuſammenhangender Bergzug, ſondern ein Gemenge von Bergketten, Plateau's und Hochthälern, die raſch und mannigfaltig mit einander abwechſeln. Der Bergzug, welcher am Hintergrunde der Cumberland— Ebene erſcheint, führt den Namen der Blauen Berge. Sie ſteigen un⸗ gemein ſteil zur Scheitelfläche auf und ſind häufig von rechtwinkelig gegen ihre Streichungslinie gerichteten Querthälern durchſchnitten, deren tiefe und enge Spalten von ſenkrechten Felswänden einge— ſchloſſen ſind und Flüſſe von geringer Bedeutung zur Küſte entſenden. Seiner Hauptmaſſe nach beſteht das ganze Bergland aus Kohlenſand— ſtein, der hin und wieder von Porphyr durchbrochen iſt. Die Schei— telfläche der Blauen Berge bildet ein 2— 3000“ hohes Plateau, auf welchem ſich nur wenige Gipfel bis zu 4000“ erheben, beſonders an feinem Weſtrande, von wo es ſich theils ſteil, theils allmälig zur gro= ßen Ebene des Binnenlandes herabſenkt. — Außer dem Diſtriet von Neu⸗Süd- Wales iſt noch eine Niederlaſſung am Schwanenfluſſe und dem Königs-Georgsſund zu bemerken; doch wiſſen wir von dieſer Südweſtecke Auſtraliens nur ſo viel, daß die Berge ſich etwa bis zu 3600“ erheben, und der Fluß in der Nähe der Küſte entſpringt. Cyperaceen. 2 Ixæia. *) Die ganze Capflora beſitzt überhaupt 163 spec. v. Orchideen. Auſtralien. 277 Was das Klima Auſtraliens in dieſer Zone wie in der wärme⸗ ren temperirten betrifft, ſo hat es große Aehnlichkeit mit dem von Südafrika. In den Zeiten, wo es gar nicht regnet, treiben mächtige Staubwolken umher; eine glühend heiße Luft verſengt alle Gewächſe und dörrt den Boden aus, wie auf der Karroo-Terraſſe. Die mittlere jährliche Temperatur beträgt in Weſtauſtralien 16,25, in Sidney 14,5 und zur Zeit der größten Hitze ſteigt das Thermometer nicht ſelten über 32°. In der Regenzeit fehlt es zwar nicht an bedeuten⸗ den Niederſchlägen; die Natur des Bodens aber iſt meiſt von der Art, daß ſie auf die Fruchtbarkeit deſſelben nur einen geringen Ein⸗ fluß üben. Die Vegetation zeigt eine geringe Abwechſelung, und faſt überall erblickt man entweder baumloſe Ebenen, die mit einem braunen le⸗ derartigen Graſe bedeckt ſind, oder lichte Waldſtrecken, in denen die Bäume ſo weitläuftig ſtehen, daß man bequem im Galopp hindurch⸗ reiten kann. An der ganzen Oſtküſte, vom Wendekreiſe bis zum 27 der Br. finden ſich fo dichte Geſträuchformationen *, hier Serub ges nannt, daß es oft unmöglich iſt hindurchzudringen, und der Wanderer genöthigt iſt, Umwege durch die Flußthäler zu machen. Jenſeit der Bergkette, welche die Waſſerſcheide zwiſchen dem Darling und den Küſtenflüſſen bildet, zeigt ſich überall offenes Prairieenland, nur hin und wieder mit Gebüſch bedeckt, welches aus jener Acacie und eini— gen anderen Formen? zuſammengeſetzt iſt. In den einzelnen Ebenen von Neu-Sid- Wales find es vor Allem die Eucalypten, von denen bereits über 100 Arten unterſchieden werden. In der Umgegend von Port Jackſon kennt man allein mehr als 50 Arten, welche von den Eingeborenen nach der Verſchiedenheit der Farbe und Beſchaffenheit der Rinde, ſo wie nach dem ganzen Habitus der Bäume mit großer Sicherheit unterſchieden und auch alle beſonders benannt werden. Die Eucalypten zeichnen ſich theils durch ungeheure Höhe, theils durch außerordentliche Stärke des Stammes aus und kommen ſo zahlreich vor, daß fie faſt + der Wälder Neu-Hollands ausmachen. Doch tre— ten dieſe Bäume faſt nie allein auf, ſondern ſind meiſt von Acacien begleitet, die hier ihr Maximum erreichen, und von denen in Neu⸗ Holland wenigſtens 130 Arten einheimiſch ſind. An den Flußufern find die mit geſellig wachſenden Kräutern? überzogenen Ebenen be— Acacia pendula.. Bauhinia, Sterculia, Fusanus. Polygonum jun- ceum. 278 III. Die ſubtropiſche Zone. ſonders mit ſolchen Wäldern bedeckt, in denen Eucalypten und Aca⸗ cien mit Caſuarinen und Cypreſſen“ wechſeln. Die Ufer der Mee⸗ resbuchten ſind mit Metroſideros und anderen myrtenähnlichen For⸗ men eingefaßt, und die aus Bankſien und Dryandren gebildeten Wäl⸗ der ſind mit ihrem dichtgedrängten Laube nicht mehr ſo ſchattenarm wie die der Eriken am Vorgebirge der guten Hoffnung und überdies noch mit prachtvollen Blüthenkolben geziert. Außerdem ſind noch mehrere geſellig wachſende Kräuter von Bedeutung, wie das Kängu⸗ ruhgras ?, die auſtraliſchen Heidelbeeren? und eine Eispflanze ®. Im Innern finden ſich oft dichte Gebüſche von Proteaceen, deren graugrünes Colorit nur in der Blüthezeit etwas von ſeinem fahlen und matten Charakter verliert; die Küſte iſt dagegen auf 250 Meilen Länge mit der himmelanſtrebenden Norfolkfichte beſetzt. Das größte Individuum dieſer Baumart hat man auf der Norfolk-Inſel (29° ſ. Br.) nordweſtlich von Neu-Seeland gefunden. Ein Stamm von 187“ Höhe hatte 4“ über dem Boden 54“ im Umfang und in einer Höhe von 20“ noch über 16’ im Durchmeſſer. — Die Küſtenvegeta⸗ tion von Sidney ſüdwärts bis zum Illawarra hat an Bäumen nur Eucalypten und undurchdringliche Geſträuche von Proteen, Epacriden und anderen Formen 6. In den bewäſſerten Felſenthälern erſcheinen auch zwei Palmen, die ſonſt nirgend weiter zu finden find; auch ein Farrnbaum “ kommt hier vor. Der weiter einwärts liegende Thon⸗ boden trägt einen lichten Eucalyptuswald mit wenig Unterholz aber trefflichem Weidegrund, der von den mannigfaltigſten Kräutern ge⸗ bildet wird. Am Fuß der Blauen Berge ziehen ſich große Weide⸗ ſtrecken » entlang, die kaum ein Holzgewächs aufzuweiſen haben. Im November prangen ſie im Blüthenſchmuck der Frühlingsvegetation, die in der heißen Jahreszeit verdorrt, ſo daß ſie vom April ab als gelb gefärbte Steppe erſcheinen. Dieſe Weideſtrecken ſind von beſonderer Wichtigkeit für die Viehzucht, und auf ihnen beruht der Hauptreich⸗ thum der Colonie. Die Natur des Bodens, die hier von ſo weſent⸗ lichem Einfluß auf die Vegetation überhaupt iſt, ſteht auch dem An⸗ bau in vielen Beziehungen entgegen. Granit und Sandſtein ſind in Neu⸗Süd-⸗Wales vorherrſchend, und der Kieſelgehalt des Bodens hat \ ! Cupressus callitris. 2 Anthistiria australis. 3 Epacriden. * Mesem- bryanthemum aequilaterale. ° Araucaria excelsa. „ Podaliria, Boronia, Co- mesperma. Corypha australis, Seaforthia elegans. Alsophila. Gra- mineen und Cyperaceen. Lal. X 8. 1 ez V HRra mer. NEU -HOLLAN D. = yon 4 a AT ee: Dr kN DE N RE ET - Chile. 279 ſchnelle nächtliche Abkühlung zur Folge. Außerdem iſt die Menge der auflöslichen Beſtandtheile in der Erdkrume ſo gering, daß man den Boden nur als Weideland benutzen kann. Wo ſich aber mit dem Kalkſtein ein beſſerer Boden findet, da liefern unſere Getreidearten: Gerſte, Weizen, Hafer ergiebige Ernten; Kartoffeln und Rüben ge— deihen vortrefflich; Kohlköpfe werden oft ſo groß und ſchwer, daß man ſie kaum von der Erde aufheben kann; nicht nur unſere Obſt⸗ forten: Aepfel, Birnen, Aprikoſen, Waſſermelonen, ſondern auch aller- lei Südfrüchte werden gezogen, und der Weinſtock wird in ſo großer Menge gebaut, daß der Ertrag deſſelben ſchon als Ausfuhrproduct dient. C. Sid: Amerika. Die Cordillere von Chile, welche wie die von Bolivia und Peru von der Meeresküſte zurücktritt, beginnt bereits mit dem 41° ſ. Br. und zeigt unter ihren Erhebungen noch Berggipfel erſten Ran⸗ ges, wie den Aconcagua unter 33° ſ. Br., welcher noch eine Höhe von 22,968’ erreicht. Wie in der tropiſchen Zone die Sierra Nevada von Cochabamba ſich nach Oſten an die Andeskette anſchließt, ſo iſt auch die chileniſche Cordillere innerhalb der ſubtropiſchen Zone von zwei Querjochen begleitet. Zwiſchen 21° und 31° f. Br. liegt die Sierra de Salta und de Jugui, die unter 25° ihre größte Breite hat, und zwiſchen 31° und 33° liegt die Sierra de Cordova, welche in der Richtung der Pampas bis zu 45° w. L. vordringt und als das ſüdlichſte Vorgebirge dieſer Querjochbildungen betrachtet werden kann. Beide ſchließen ſich unmittelbar an den Fuß der Cordillere an und bilden Bergländer von geringer Erhebung. — Die klimatiſche Be— ſchaffenheit Chile's erklärt ſich aus den in der ganzen gemäßigten Zone der ſüdlichen Halbkugel herrſchenden Nordweſtwinden, die hier, nachdem ſie über die ungeheure Fläche des großen Oceans geſtrichen ſind, die weſtlichen Abhänge des Gebirges mit reichlichen Nieder— ſchlägen bewäſſern, beſonders während der Wintermonate. Hierzu kommt die von Süden nach Norden gehende Meeresſtrömung, ſo daß die ganze Weſtſeite der chileniſchen Cordillere eine weit mildere Tem— peratur beſitzt, als man ihrer ſubtropiſchen Lage nach erwarten ſollte. Chile iſt berühmt wegen ſeines trefflichen Klima's. Die Sommer ſind herrlich, die Winter ungemein milde; überall begegnet man höchſt maleriſchen Anſichten, ſo daß Reiſen in dieſen Gegenden den größten Genuß gewähren. Der Himmel glänzt hier noch in tropiſcher Pracht, 280 III. Die ſubtropiſche Zone. aber alle Unannehmlichkeiten der heißen Zone, die drückende Hitze, die läſtigen Schwärme von Inſecten, die bösartigen Ausdünſtungen, welche tödtliche Krankheiten erzeugen, dies Alles iſt hier verſchwunden. In den Sommermonaten d. h. während der trockenen Jahreszeit bietet Chile, zumal in der Küſtengegend, wenig Reize dar, ſo wie aber die erſten Regen herniederſtrömen, überzieht ſich der Boden der nie— deren Längenplateau's mit vielen Tauſenden prachtvoller Lilienge— wächſe, deren Zwiebeln den Sommer über unter der Oberfläche des ausgedörrten Thonbodens geſchlummert haben. Die charakteriſtiſche Baumvegetation bilden in Chile die Myrten, welche hier in üppigſter Pracht gedeihen. Selbſt in Höhen von 1800 und 2000’ find Stämme von 5—9“ Umfang beobachtet worden, die eine weit ausgebreitete Krone bildeten und mit Hunderttauſenden von weißen Blümchen ge— ſchmückt waren. Doch nicht die Myrten allein, ſondern eine Menge anderer baum⸗ und ſtrauchartiger Gewächſe treten hier auf, welche ſich durch dicke, feſte, lederartige und glänzende Blätter auszeichnen, darunter beſonders viele Syngeneſiſten n, die überdies noch einen Reichthum an harzigen, wohlriechenden Säften enthalten und in gro— ßen und herrlichen Blüthen prangen. Herrliche Fuchſien wachſen da— zwiſchen, und von dem Boden erheben ſich ſchöne Pantoffelblumen 2, Sauerkleekräuters und Lobelien“. In den Höhen zwiſchen 2000 und 4000“ wachſen die blattloſen, ſchachtelhalmähnlichen Ephedren ° als hohe und ſchlanke Bäume, die mit den Caſuarinen viel Aehnlichkeit haben, und die ſcharlachrothen Blüthen der Mutiſien bedecken biswei— len die Kronen derſelben wie mit einem Teppich. Einen ſeltſamen Contraſt hiermit bilden die daneben ſtehenden Stämme 15 — 20“ hoher Säulencacten, über und über mit den ſcharlachrothen Blüthen wu— chernder Schmarotzergewächſe s bedeckt, zwiſchen welchen die langen weißen Cactusblüthen hervorhängen. Nur wenige Acacienſträucher 7, die an anderen Stellen aber ganze Wälder bilden, wachſen in ihrer Geſellſchaft. Auf den kahlen Felſen der hohen Anden finden ſich nur noch Opuntien in raſenartigen Ausbreitungen, und andere Stellen find mit einer verkrüppelten Ephedras bedeckt. Außer den genannten Formen giebt es übrigens noch eine Menge anderer baum- und ſtrauchartiger Gewächſe“, die von mannigfachen Schling- und Schma— Baccharis, Eupatorium, Mutisia ilicifolia. 2 Calceolaria. 3 Oxalideen. 4 Lobelia Tupa. ° Ephedra chilensis. ° Loranthus aphyllus. Acacia Ca- ven,” ® Ephedra americana. ° Psoralea, Cestrum. Chile. 281 rotzerpflanzen ? belebt werden, während oft ein reicher Blumenflor ? den Boden ſchmückt. Doch nicht nur durch die bereits geſchilderte Flora entſpricht die Vegetation Chile's in vieler Beziehung der der nördlichen Hemiſphäre; ſelbſt die baumartigen Gräſer , die für den Miſſiſippi und für China ſo charakteriſtiſch ſind, treten an einzelnen Stellen auf, begleitet von Schilfrohr und 10 — 18“ hohen Schach— telhalmen . Eben fo erinnern die ſchwimmenden Inſeln des Tagua— tagua⸗Sees in der Provinz Colchagua an die ähnliche Erſcheinung in den Seen der großen oſtindiſchen Tiefebene. Hier werden Stengel von Rohr und Schilf durch die Stengel der Winden verflochten, und die angeſpülten Reſte anderer Pflanzen bilden mit ihnen den Grund dieſer beweglichen Inſeln. Wenn ſchon der ſüdliche Theil Chile's in den Sommermonaten wenig Einladendes hat, ſo gilt dies noch weit mehr von dem nörd— lichen Theil des Landes. Die baumloſen Gegenden von Coquimbo und Copiapo (30% — 27 |. Br.), in welchen die früher erwähnten Garua's noch herrſchen, erſcheinen während der heißen Jahreszeit, wo es durchaus an Regen fehlt, abſchreckend dürr. Vom Juni bis zum October dagegen bedeckt ſich die Ebene mit einer Menge ſchöner Pflanzen. Der Wein gedeiht hier in vorzüglicher Güte, beſonders im Thale von S. Jago und wird zur Bereitung von Roſinen gebraucht, ſo wie auch gekeltert. Granatäpfel, Feigen und Pfirſiche liefern vor— zügliche Früchte, und die Olive gedeiht noch 2000“ über dem Meere. Nirgend findet man größere und wohlſchmeckendere Melonen, und Mais und Kartoffeln ſind die Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung. Die Wohnhäuſer ſind mit Myrten und Orangen umpflanzt, die ihre hochgehobenen Kronen weit umher ausbreiten, und in den Gärten findet man neben vielen einheimiſchen Blumen unſere Nelken, die hier faſt noch aromatiſcher duften als in ihrem Vaterlande. Das ganze öſtlich von der Cordillere gelegene Land iſt niedrig; ſelbſt bei Mendoza (33° Br.), welches unmittelbar am Fuße des Ge— birges liegt, beträgt feine Höhe noch nicht 2500“. So wie die Sa: vannen von Hochafrika als eine Wirkung des herrſchenden Paſſat— windes zu betrachten ſind, indem die nach der Oſtküſte zu gelegenen Randgebirge die herbeigeführte Feuchtigkeit auffangen: eben ſo erhält Cuscuta, Loasa, Eccremocarpus scaber, 2 Salpiglossis, Malesherbia, Alstroemeria. Gynerium Nesii, G. speciosum. * Phragmites. ° Equise- tum bogotense. ° Arundo, Typha. 282 III. Die ſubtropiſche Zone. bei dem in dieſer Zone des ſtillen Meeres herrſchenden Nordweſtwinde nur die Weſtſeite der Cordillere reichliche Niederſchläge, während die öſtlich derſelben gelegenen Ebenen an einer außerordentlichen Dürre leiden, unter welcher Thiere und Menſchen verſchmachten. Südlich von Rio de Janeiro prangt die Küſte, deren Klima ſich dem tropi- ſchen weit mehr nähert als das der Weſtküſte, noch in überreichem tropiſchen Pflanzenſchmuck; aber ſchon am Uruguay erblickt man kei⸗ nen Baum mehr, eine Erſcheinung, auf welche die in der vorigen Zone erwähnten braſilianiſchen Campos ſchon vorbereitet haben. Wenn man von den dunkelen Urwäldern der Serra do Mar durch die braſilianiſche Provinz San Paulo nach Süden vorſchreitet, ſo werden die Hügel allmälig flacher und flacher; nur niedriges Gebüſch bedeckt ihren Rücken, und einzeln ſtehende Bäume erheben ſich da— zwiſchen. Bald aber verſchwinden die Bäume ganz, das Gebüſch wird kümmerlicher, bis zuletzt der wellenförmige Boden nur noch mit Gräſern und Kräutern bedeckt iſt, zwiſchen denen ſich abwechſelnd meilenlange Züge von Bromelien! erſtrecken, die hier den Namen Caroa-Felder führen. Noch ſchärfer tritt dieſer Charakter in der Provinz Rio Grande do Sul hervor, und der größte Theil von Uruguay bildet einen weiten Grasteppich, durchwirkt von den ſchar— lachrothen oder blauen Blumen der Verbenen 2. Ueber den Rio de la Plata hinaus ſind weite Strecken mit rieſigen Diſteln bewachſen und oft fo dicht, daß man kaum hindurchdringen kann. Dieſe ur⸗ ſprüngliche Vegetation jener dürren Ebenen iſt in Folge der Anſie⸗ delung der Spanier durch eine zufällig hierher verſetzte Pflanze, die Karden⸗Artiſchocke ? an vielen Stellen verdrängt worden. Statt der Hirſche und Strauße, welche jene öden Gegenden früher durchirrten, werden dieſelben jetzt von zahlreichen Schaf- und Rindviehheerden, ſo wie von Pferden beweidet, denen die Artiſchocke ein treffliches Futter iſt. Der Landſtrich, welchen dieſe Pflanze bedeckt, erſtreckt ſich bis an den Fuß der chileniſchen Cordillere und dehnt ſich nach Süden bis zum Rio Salado jenſeit der Mündung des la Plata aus. In jedem Jahre tritt in dieſen Gegenden eine ungemeine Trockenheit ein, die ſich bisweilen ſo ſteigert, daß faſt Alles verſchmachtet. Die kleineren Gewäſſer verſiegen, die ganze Vegetation verdorrt, und die ungeheure Ebene von Buenos Ayres bis Santa Fe erſcheint als eine endloſe ! Bromelia variegata. 2 Verbena Aubletia, V. bonariensis. Cynara Cardunculus. Die Länder am la Plata. 283 Staubmaſſe. Das Vieh ſtürzt zu Tauſenden in den Parana, um ſeinen Durſt zu löſchen und wird dort, völlig entkräftet, ein Opfer der Wellen; ja in manchen kleineren Gewäſſern iſt das Bett derſelben im eigentlichen Sinne des Worts mit Thierknochen gepflaſtert. IV. Die waͤrmere temperirte Zone. Die wärmere temperirte Zone umfaßt diejenigen Ländergebiete, welche zu beiden Seiten des Aequators zwiſchen dem 34° und 45° d. Br. gelegen ſind. In der nördlichen Halbkugel iſt es zunächſt das ſüdliche Europa, nämlich die Pyrenäiſche Halbinſel nebſt dem ſüd— lichen Frankreich bis zur Mündung der Garonne, die Apenninen- und die Hämushalbinſel. Hieran ſchließen ſich in Aſien: Kleinaſien, die Länder zwiſchen dem ſchwarzen und caspiſchen Meere, Turan, das Hochland von Inneraſien, das nördliche China mit Korea und die Japaniſchen Inſeln. In Nordamerika liegen innerhalb diefes Gür— tels der nördlichſte Theil von Mexico und der größte Theil der ver— einigten Freiſtaaten bis zu den Quellen des Miſſiſippi. Auf der ſüd— lichen Halbkugel wird die Ländermaſſe nun immer geringer. In der öſtlichen Halbkugel ſind es der ſüdlichſte Theil von Neuholland nebſt Van Diemensland, in der weſtlichen Halbkugel Neuſeeland, das ſüd— liche Chile, das nördliche Patagonien und die Pampas von Buenos Ayres, welche dieſe Zone erfüllen. Allgemeine Charakteriſtik. Die mittlere jährliche Temperatur dieſer Zone iſt ſehr verſchieden und ſchwankt zwiſchen 10° und 15° K. Der Lauf der Iſothermen wird hier ſchon ziemlich unregelmäßig, und einige Punkte der ſüdli— cheren Gegenden haben noch ganz das Klima der ſubtropiſchen Zone, wie Palermo, deſſen mittlere jährliche Temperatur 14°, und Catania, wo fie 16° beträgt. Der tropiſche Charakter, der ſich in der vorigen Zone immer noch bemerklich machte, hört hier auf, und nur ſchwache An— deutungen, wie die in Spanien und Neapel verbreitete Zwergpalme, mahnen daran, daß man ſich noch unter jenem glücklichen Himmels⸗ ſtriche befindet, in welchem die Vegetation ein immergrünes Kleid zeigt. Die Laubhölzer mit dicken, lederartigen und glänzenden Blät⸗ 284 IV. Die wärmere temperirte Zone. tern find für dieſe Zone eben fo charakteriſtiſch wie für die ſubtro⸗ piſche, doch geſellen ſich ihnen ſchon Laubhölzer mit zarten Blättern hinzu, wie Eichen, Buchen und Ulmen, deren kleine unanſehnliche Blüthen nicht mehr im Stande find, zum Schmuck der Vegetations- decke beizutragen. Dafür treten aber viele Sträucher, wie der Olean— der, die Ciſtroſen n, mannigfache Heideſträucher und viele Legumino— ſen mit großen, prachtvollen Blumen auf, und eine Menge von lilien— artigen Gewächſen mit reich gefärbter Blüthenhülle ſchmücken den Boden. Ausgedehnte Wieſen, wie unſere nordiſchen Gegenden ſie zeigen, finden ſich hier noch nicht; nur einzelne hochliegende Gebirgs— thäler bereiten auf dieſen Anblick vor. Weiter läßt ſich aber im All- gemeinen nichts von dieſer Zone ſagen; die einzelnen Ländergebiete ſind hier ſo verſchieden, daß die eben gegebene Charakteriſtik, die ſich vorzugsweiſe auf das ſüdliche Europa bezieht, weder auf das Innere von Aſien noch auf die Länder der ſüdlichen Halbkugel paßt. Beſondere Charakteriſtik. z Nördliche Halbkugel. A. Europa. Wie in der vorigen Zone beginnen wir auch hier mit einer Ins ſelgruppe, den Azoren. Zwiſchen 37° und 40° Br. mitten in dem atlantiſchen Ocean gelegen, zeichnen fie ſich durch ein äußerſt mildes und geſundes Klima aus; uur die höchſten Berggipfel find im Win- ter mit Schnee gekrönt. Die Hügel am Strande ſind mit immer⸗ grünen Sträuchern 2 bewachſen; von 1500 — 2500“ reicht die Region des Lorbeerwaldes, die ſich urſprünglich wohl bis an das Geſtade des Meeres erſtreckte, und bei 3170’ erreicht man auf Fayal den Rand des Kraters, welcher ſich nach innen zu einem eingeſchloſſenen See ſenkt, deſſen Spiegel 1670“ hoch gelegen iſt. Die feuchte Schlucht, deren Durchmeſſer über 5000“ beträgt, iſt dicht mit Farnen und im: mergrünen Sträuchern bedeckt, meiſt denſelben wie an der Außenſeite des Kraters; nur erſcheinen die auf den Azoren einheimiſchen Arten in dieſem Keſſel weit mehr zuſammengedrängt. Die Waſſerpflanzen an dem See aber ſind europäiſch. Die Vegetation am Fuße der Azoren kann eine ſubtropiſche genannt werden; denn im December und Januar, wo die Temperatur des umgebenden Meeres 12“ be— Cistus. Myrica Faya, Myrsine retusa, Erica azorica. Die Pyrenäiſche Halbinſel. 285 trägt, erfüllen Geranien, Myrten und Roſen die Luft mit balfami- ſchem Dufte. Zuckerrohr und Yamswurzeln werden gebaut; Bananen und Dattelpalmen ſchmücken die Gärten; trefflicher Weizen und guter Wein werden gewonnen, und Melonen, Feigen, Orangen und Gra— naten ſind von ſeltener Güte. — Unter den 500 bis jetzt bekannten Pflanzenarten der Azoren befinden ſich außerordentlich viel ſüdeuro— päiſche, dagegen 50 dort einheimiſche und nur 6 amerikaniſche. Die äußerſte Vormauer Europa's gegen die Fluthen des atlan— tiſchen Oceans bildet nach der Anſicht der ſtolzen Caſtilianer die Py— renäiſche Halbinſel. Verſetzt man ſich in die Mitte derſelben, ſo befindet man ſich auf dem ſpaniſchen Hochlande, welches wie eine mächtige Berginſel aus dem Ocean emporſteigt. Faſt ununterbrochen 2200“ über dem Meeresſpiegel erhaben, neigt ſich dieſes Tafelland in langen Senkungen nach Welten, oder fällt in grauſigen Abſtürzen un— mittelbar zum Ocean ab. Zwei Plateau's, welche parallel neben ein ander von Oſten nach Weſten hinziehen, laſſen ſich deutlich unterſcheiden, es find die von Alt- und Neu⸗Caſtilien. Das erſtere, erhabener und gegen Norden gelegen, fällt mit der Kette des cantabriſchen Gebirges gegen die ſteilen Küſten des Biscayſchen Meeres ab; das letztere, nie— driger und gegen Süden von der Sierra Morena begrenzt, fällt mit dieſem Gebirgszuge zum Thal des Guadalquivir ab. Im Nordoſten iſt das Caſtiliſche Hochland von den Pyrenäen durch eine große Ein— ſenkung getrennt, nämlich die breite Thalebene des Ebro, zu welcher man von beiden Seiten auf treppenartigen Abſätzen hinabſteigt. Der Vegetationscharakter der Cantabriſchen Bergkette iſt durch Eichen⸗ , Kaſtanien- und Buchenwaldungen bezeichnet, die mit ver- ſchiedenen Fichten e abwechſeln, doch find die Waldungen ſehr gelich— tet. Ein üppiger Graswuchs ſchmückt die Wieſen; vor Allem aber zeichnet ſich die ftrauchartige 3 Vegetation aus, beſonders die Heide— ſträucher 2, unter denen die 15“ hohe baumartige Erika, mit einer Menge glockenförmiger, blendend weißer Blumen geſchmückt, maſſen⸗ weiſe die Berge bedeckt. Bei 4000“ Höhe wird dieſe Erika noch 4’ hoch, und die letzte Region iſt meiſt mit Wachholdergeſträuch 5 be— deckt. In den tief eingeſchnittenen Engthälern und auf den Bergge— Quercus Encina, mit ſüßen Eicheln, bis nach Gibraltar verbreitet; O. Cerris, Q. Robur. ? Pinus Pinaster und P. Picea durch ganz Spanien; P. halepensis, P. Pinea. 5 Ilex aquifolium, Sorbus Aucuparia, Ulex, Genista tri- dentata. Menziesia, Erica australis, E. arborea. Juniperus nana. 286 IV. Die wärmere temperirte Zone. hängen gedeihen neben Mais und Weizen auch Roggen, Gerfte, Kar⸗ toffeln und Hirſe; und die mit Orangen und Lorbeer geſchmückten Gärten haben auch Apfel- und Nußbäume aufzuweiſen, neben denen man Pappeln, Eſchen und Weiden angepflanzt findet. — Das Pla⸗ teau von Alt⸗Caſtilien erſcheint hiergegen als eine förmliche Schutt⸗ ebene. Wohin das Auge blickt, gewahrt es neben ſchlecht beackerten, meiſt mit Weizen und Gerſte beſtellten Feldern nichts als öde Hei— den !, die zum Theil über die Grenzen dieſer Hochebenen nicht hin- ausgehen. Kein dichter Raſen bedeckt den Boden zwiſchen dem nie— drigen, dunkelgrünen Geſträuch; nur trockene Kräuter friſten ein küm⸗ merliches Daſein und dienen den genügſamen, braunwolligen Schafen als Futter. Heiß und verbrannt erſcheinen dieſe waſſerloſen Heide: flächen im Sommer; im Winter aber ſind ſie kalt und unfreundlich, wie man es unter 42° Br. nicht erwarten ſollte. Nur hin und wie⸗ der wird das Auge durch ein kleines aus Eichen und Kaſtanien be— ſtehendes Gehölz überraſcht, und an wenigen begünſtigten Stellen er⸗ heben ſich ſchlanke Ulmen von Epheu umrankt. Steigt man auf dem Wege nach Madrid allmälig empor, ſo erblickt man im Süden die Zackengipfel eines wild zerriſſenen, nackten Hochgebirges, welches ein Glied des Caſtilianiſchen Scheidegebirges ausmacht, das, vom Mit: telmeer bis zum Atlantiſchen Ocean ſich erſtreckend, die beiden Pla- teau's von einander trennt und hier zu der waldloſen Hochebene von Neu⸗Caſtilien ſteil abfällt. Es iſt die Sierra Guadarama, deren Gipfel 8 Monate lang mit Schnee bedeckt bleiben. Die mittlere Wärme von Madrid, deſſen abſolute Höhe 2050“ iſt, beträgt etwa 12°, die mittlere Sommerwärme 20° und die Wintertemperatur 5°, doch ſinkt das Thermometer jeden Winter unter 0°, jo daß man faſt jedes Jahr auf dem Teiche von Retiro Schlittſchuhe läuft. Im Som: mer dagegen ſteigt die Hitze bei ſtiller Luft zuweilen auf 30 — 33. Atmoſphäriſche Niederſchläge fallen nur im Winter und Frühling, ſelbſt der Herbſt iſt bis zum December ganz heiter; der Sommer aber iſt durch außerordentliche Trockenheit charakteriſirt, fo daß die Vegetation der Kräuter, welche im Anfange des März beginnt, zu Ende Juni als faſt erloſchen betrachtet werden kann. Das ganze Plateau von Neu⸗Caſtilien bietet den einförmigſten Anblick dar. Die Wälder, welche alten Chroniken zufolge einſt auf der Hochfläche von Madrid geſtanden haben, ſind bis auf einige kümmerliche Ueberreſte verſchwun⸗ 1 Cistus laurifolius. Die Pyrenäiſche Halbinſel. 287 den. Einzelne verkrüppelte Eichen! ſtehen weitläuftig geſondert auf Sandhügeln; Weiden, Pappeln, Ulmen und Eſchen? bilden eine ſpärliche Einfaſſung der Flußufer; und einige Roſen, Brombeeren und andere Geſträuche ? find die einzigen Holzgewächſe der Hoch— fläche, die ſelbſt von Sträuchern faſt vollſtändig entblößt erſcheint. Eben ſo fehlen die Wieſen gänzlich. Weizen und Gerſte nebſt eini— gen Futterkräutern“ find die einzigen Culturpflanzen; denn der Wein⸗ ſtock und der Oelbaum kommen nur an beſonders geſchützten Stellen fort, und die Oelbäume, die an ſich ſchon wenig geeignet ſind, eine Landſchaft zu erheitern, bleiben immer klein und niedrig. Der häu— figſte Strauch iſt hier der Ladanftrauch ° mit dunkelgrünen Blättern und großen, weißen Blumen, während die Abhänge mit einem dün— nen Raſen von Zwiebelgewächſen s und die Kronen der Hügel mit dem geſellig wachſenden und vielfältig benutzten Pfriemengraſe? be— kleidet ſind. Der Sandboden bei Madrid iſt durch zahlreiche Cruci— feren charakteriſirt, die vielleicht nirgend ſo geſellig und zahlreich an Arten vorkommen und hier im Frühling die Ackerfluren gelb färben. So geht der einförmige Charakter des nördlichen und mittleren Spa- niens zwiſchen weit auseinanderliegenden aber großen und gut ge— bauten Dorfſchaften fort bis zur Sierra Morena, einem Gliede des Andaluſiſchen Scheidegebirges, das ſich gleichfalls von dem Mit- telmeer bis an den weſtlichen Ocean erſtreckt. Dieſe ganze Kette, de— ren höchſte Erhebungen kaum 5000“ hoch ſind, beſitzt ungeachtet ihrer gewaltigen Länge und Breite eine ungemein gleichmäßige Vegetation. Dichte Eichenwälder und hohe ſchattige Ladanſträucher bilden hier eine friſche grüne Bedeckung, durch welche ſich dies Gebirge vor allen übri— gen Gebirgen Andaluſiens auszeichnet; ſchöne Labiaten ® erfreuen durch ihren zierlichen Bau, und die hochblaue Blüthenpracht des Nat— terkopfs » trägt nicht wenig zum Schmuck der ſüdlichen Abhänge bei. Der Ladanſtrauch iſt indeſſen hier ſo häufig, daß er das Andaluſiſche Scheidegebirge in einer Länge von mehr als 50 Meilen, bis nach Portugal hinein, überzieht und oft ganze Quadratmeilen ausſchließ— lich bedeckt. Blickt man aber von dieſen einförmigen Gebirgsabhän— gen hinab nach Süden, ſo eröffnet ſich die Ausſicht auf die reizende | Quercus Illex. 2 Fraxinus angustifolia. 3 Tamarix gallica, Crataegus, Rhamnus, Osyris alba, Genista, Daphne Gnidium. “ Cicer Arietinum, Ervum monanthos. Cistus ladaniferus. ° Asphodelus ramosus. 7 Stipa tenacis- sıma. 5 Teucrium. ° Echium violaceum, 288 IV. Die wärmere temperirte Zone. Ebene des Guadalquivir. Aus einer öden traurigen Wüſte, die meh: rere Tagereiſen weit ſich erſtreckt, gelangt man in ein Thal, welches die ganze Fülle der ſüdeuropäiſchen Flora birgt und ſelbſt an die Tropengegenden erinnert. Orangengärten grenzen an prachtvolle Ka— ſtanienhaine, deren Boden mit duftenden Veilchen bedeckt iſt; eine herrliche Alpenroſen mit glänzenden Blättern und großen rothen Blü— then, einer der ſchönſten ſüdeuropäiſchen Sträucher, beſchattet überall die herabrinnenden Bäche; amerikaniſche Agaven und kräftige Gactus- gewächſe ? faſſen in dichter Umzäunung die Felder ein; die 3 — 4“ hohe Zwergpalme? mit ihren fächerförmigen Blättern überzieht ſtrek— kenweiſe den Boden und giebt der Landſchaft ein fremdartiges Anz ſehen; ſtolz und ſchlank ragt hin und wieder die Dattelpalme empor und erhebt ihre leicht gefiederte Krone über die mannigfaltige Scene. Auf den künſtlich bewäſſerten Feldern gedeiht das Zuckerrohr neben der Baumwollenſtaude; duftende Narziſſen * mit großen gelben Blu— men ſchmücken die Wieſen, und verſchiedene Arten zierlich geſtalteter Meerzwiebeln erfüllen Anhöhen und Gebüſche. Hier herrſcht aber auch eine Temperatur, die ſich im Durchſchnitt das Jahr hindurch auf 16° erhält, während die mittlere Winterwärme noch 12°, die mittlere Sommerwärme ſogar 20% — 22° beträgt, jo daß man dieſe Gegenden mit Recht das tropiſche Europa nennen kann. Die Ge— birge des ſüdlichen Spaniens bilden mit dieſer Pracht einen auffal⸗ lenden Contraſt. Größtentheils treten dem Blicke Felſen entgegen, an denen Binſen, Lavendel, Rosmarin, Thymian und andere Kräuter ger deihen, die mit einem trockenen, ſteinigen Boden vorlieb nehmen. Nur hin und wieder zeigt ſich eine lichte Eichen- und Fichtenwaldung, und an geeigneten Stellen ſind die Abhänge mit Reben beſetzt, die unter dem heiteren Himmel einer ſüdlichen Atmoſphäre eine feurige Frucht liefern. Der auffallende Mangel an eryptogamiſchen Gewäch— ſen, welche vorzugsweiſe das Verwittern des Geſteins begünſtigen, trägt beſonders zu der großen Trockenheit dieſer Gebirge bei, ſo daß das nackte Geſtein gleich über den Culturſtrecken zu Tage ſteht. Be⸗ ſonders in den höheren Regionen erhebt die Sierra Nevada über ſanft anſteigenden, gewölbten Rücken ihre kahlen, zackigen Gipfel zum rei⸗ nen blauen Aether empor. Am Südabhange des Gebirges folgen Rhododendron ponticum. 2 Cactus Opuntia, C. Ficus indica. * Cha- maerops humilis. Narcissus Jonquilla. Scilla maritima, Sc. peruviana, Sc. hyacinthoides. Die Pyrenäiſche Halbinſel. 289 beim Herabſteigen auf den Getreidebau die Rebenpflanzungen, dann die Obſtbäume und endlich Oel- und Pomeranzenbäume. Zwiſchen 7500 und 6000’ wird man durch eine vollſtändig deutſche Vegetation überraſcht, denn zwiſchen Pappeln, Eſchen und Fliederbüſchen erblickt man Weißdorn, Brombeeren, wilde Roſen ! und Berberitzenſträucher; die feuchteren Thalgründe dagegen bieten oft einen wahrhaft ent— zückenden Anblick dar. Reich geſchmückt mit Granat- und Oleander— blumen und von dem Duft der Orangeblüthen erfüllt, bilden ſie prachtvolle Oaſen in einer traurigen Felſenwüſte. An der ganzen Küſtenterraſſe zwiſchen Gibraltar und Almeria blühen die jährigen Gewächſe den ganzen Winter hindurch. Die größte Blüthenpracht fällt in die Monate April und Mai, und im Auguſt und September herrſcht die tiefſte Ruhe des Pflanzenlebens, bis im October bei den erſten Regen die Vegetation mit der Entwickelung eines prächtigen Lilienflors wieder erwacht. Große Strecken ſind hier von der Zwerg— palme bedeckt; ſonſt ſtimmt die ſchroff zu den Fluthen des Meeres ab— fallende Küſtenkette der Alpujarras im Ganzen mit dem Charakter der Sierra Nevada überein, während die engen und tiefen, den heißen Südwinden ausgeſetzten Thäler die herrliche Ebene des Guadalquivir an Pracht noch übertreffen. Beſonders merkwürdig erſcheint der 13507 hohe Kalkſteinfelſen von Gibraltar, der ſich faſt ſenkrecht über der kaum vor dem Meere geſicherten Landzunge erhebt, die ihn mit dem Feſtlande verbindet. Die Vegetation dieſer Landzunge iſt ſo mannig— faltig, daß man die Anzahl der hier einheimiſchen Phanerogamen auf mehr als 450 Arten anſchlägt. Die Zwergpalme klimmt hier mit Ausſchluß der ganz ſteilen Abſtürze bis zum Kamm des Felſen em— por. Agaven, Aloé- und Cactusgewächſe umgürten den unteren Rand in bunteſter Mannigfaltigkeit mit den vielen Culturpflanzen; üppig wuchernde Pelargonien mit brennend rothen Blüthen ſchmücken die Ufer der Bäche, welche ſich durch die Parkanlagen ſchlängeln, und Roſen, Jasmin und Orangeblüthen erfüllen die Luft mit dem herr— lichſten Dufte. — Ganz Portugal nimmt ſeinen Terrainverhältniſſen ge— mäß Theil an der Phyſiognomie Spaniens. Auch hier zeichnen ſich die weſtlichen Küſtenterraſſen vortheilhaft vor den allmälig abfallenden Hochflächen aus. Porto, zwiſchen hohen Granit- und Glimmerſchie— ferbergen gelegen, überraſcht durch ſeine erhabene Lage und vereinigt in ſeiner Vegetation die Milde des Nordens mit der Pracht des Rosa rubiginosa. 19 290 IV. Die wärmere temperirte Zone. Südens. Coimbra, der regenreichſte Ort von ganz Europa, prangt in faſt tropiſcher Ueppigkeit. Prachtvolle Cypreſſen ! ſchmücken die Höhen; zierliche Schlingpflanzen 2 überziehen Felſen und Mauern; Fichten- und Eichenhaine wechſeln mit Reis-, Mais- und Weizen— feldern, und alle Südfrüchte gedeihen in vorzüglicher Güte. Aber am Ausgange der ſandigen Heideflächen von Alemtejo, die trotz der Man— nigfaltigkeit ihrer Blumen aufs höchſte ermüden, zeigt ſich die Haupt— ſtadt des portugieſiſchen Reichs in einer Pracht, die in ganz Europa nicht ihres Gleichen findet. Was wir in Blumentöpfen mühſam er— ziehen, ſchießt in den Gärten um Liſſabon wie wild in die Höhe; glänzende Magnolien, ſchlanke Dattelpalmen, die Piſangſt aude mit ihren rieſigen Blättern wachſen ſtolz und freudig empor und entfalten ihren Blüthenſchmuck. Die tropiſchen Gewächſe Amerika's und des Caplandes geſellen ſich zu einander und wecken in dem Beſchauer be— ſonders hier bedeutſame hiſtoriſche Erinnerungen; ſaftige Eispflanzen hangen lang von den Mauern hernieder und bedecken das Geſtein mit einem dichten Gewebe; mancherlei Kleearten und viele Lilienge— wächſe bedecken ſtatt eines Grasteppichs den Boden; und im April überzieht die dreifarbige Winde? die Fluren, und ihre weitgeöffneten himmelblauen Blumen ſchauen freudig zu der heiteren Himmelsdecke empor. | An der Oſtſeite der ſpaniſchen Halbinſel find hauptſächlich zwei Punkte ins Auge zu faſſen. In der üppig⸗-fruchtbaren, an grünenden und blühenden Gärten ſo reichen Küſtenebene von Valencia iſt die urſprüngliche Vegetation durch die Cultur größtentheils verdrängt worden. Beſonders werden Reis, Weizen und Hanf gebaut, und außer Oliven und Südfrüchten find Maulbeerbäume und 40 — 60’ hohe Dattelpalmen häufig. Nur in dem Fichtenwalde * der Lagune von Albufera, in welchem Eichen, Myrten, Zwergpalmen, Piſtacien, Eriken und Rosmarin das Unterholz bilden, hat ſich die urſprüng— liche Vegetation dieſer Gegend noch erhalten. Aber ſchon 4 Stunden nördlich von Valencia zeigen die quellenloſen Abhänge der einſt von Nadelholzwäldern bedeckten Sierra de Chiva nur noch einzelne Stämme der in Spanien allgemein verbreiteten Fichte 2. Eben fo bietet die weite Thalfläche des Ebro einen traurigen Anblick dar. Ueberall er— blickt man unangebaute Ebenen, pflanzenleere Felder und weite Strek— ! Cupressus lusitanica. Antirrhinum, Cynoglossum. Convolvulus tricolor. * Pinus halepensis. \ Die Pyrenäen. Südfrankreich. 291 ken, in denen ſich kein Baum, kein Strauch erhebt; nur hin und wie— der zeigt ſich niedriges Eichengebüſch 1. Acker- und Weinbau iſt höchſt ſpärlich, die Cultur des Oelbaums dagegen ſehr ausgebreitet. Im Nordoſten der ſpaniſchen Halbinſel bildet die 55 Meilen lange Pyrenäenkette eine Vormauer, an deren nördlichem Fuße ſich die weitgedehnten Ebenen des ſüdlichen Frankreich erſtrecken, ſo daß ein Zuſammenhang mit den Sevennen und durch dieſe mit den Alpen durchaus nicht ſtattfindet. Die Hauptgebirgsart der Pyrenäen iſt Granit, an welchen ſich ſchieferige Kalk- und Sandſteinmaſſen an— lehnen. An Kammhöhe übertrifft dieſer Gebirgszug noch die Alpen; in ſeinen Culminationspunkten bleibt er indeß gegen dieſelben zu— rück, obwohl die höchſten, in der Mitte der Kette gelegenen Gipfel ſämmtlich die Höhe von 10,000“ übertreffen. Auf der Südſeite des Gebirges beginnt die Schneegrenze bei 8600’, auf der Nordſeite da— gegen ſchon bei 7800“. In Betreff der Vegetation iſt die verhältniß— mäßig geringe Bewaldung ſowohl am Fuße des Gebirges als im Innern deſſelben als charakteriſtiſch hervorzuheben. Die unterſte Re— gion wird von Kaſtanienhainen gebildet, welche mit Maisfeldern und Rebenpflanzungen abwechſeln. Hier bildet zugleich die Cultur des Oelbaums einen der wichtigſten Nahrungszweige. Ueber dieſer Re— gion wird der Laubwald aus Eichen und Buchen gebildet, und ſtatt des Mais werden die nordeuropäiſchen Getreidearten cultivirt. Bei 4500’ Höhe hören die Eichenwälder? auf, und Nadelhölzer? bilden die herrſchenden Baumformen, auf der Nordſeite bis 6480’, auf der Süd— ſeite bis 6900“, Schon bei 5400’ Höhe beginnen die Alpenroſen, die bis 7800“ hinaufgehen, und über der Schneegrenze erſcheinen noch mehrere Alpenkräuter *. Die Ebenen des ſüdlichen Frankreich, die ſich an dem nördlichen Fuße der Pyrenäen ausbreiten, nehmen noch Theil an dem ſüdlichen Klima, fo daß die mittelmeeriſche Flora ſich bis an den Fuß der Sevennen erſtreckt. Perpignan hat eine mittlere Temperatur von 124°, und die mittlere Sommerwärme dieſes Flachlandes beträgt an der Weſtküſte 16, an der Oſtküſte 19%. Bis zu den Sevennen geht die Olivencultur, und die Kaſtanie dient in Limouſin vorzüglich zur Nahrung. Eben ſo weit reicht die Verbreitung der immergrünen Quercus coccifera. ? C. pedunculata. 3 Pinus uncinata, P. rubra, P. Picea, Taxus baccata. Saxifraga oppositifolia, S. groenlandica, Gentiana acaulis, Ranunculus glacialis. 19 * 292 IV. Die wärmere temperirte Zone. Eichengehölze“, in deren Geſellſchaft der Erdbeerbaum 2, ein Wach— holder ', die baumartige Erika, Ciſtusgebüſche und andere Formen auftreten. An der Oſtſeite von Spanien liegen dem Cap S. Martin ge— genüber die Pityuſen und Balearen, gleichſam die äußerſten Ei pfeiler des andaluſiſchen Scheidegebirges bildend. Unter dieſen In— ſeln zeichnet ſich beſonders das im Norden durch eine Gebirgskette geſchützte Majorka aus, welches eines immerwährenden Frühlings ge— nießt. Die Küſten und die niederen Berge ſind mit der Zwergpalme bedeckt, unter deren breiten Blättern zierliche Pflanzen 5 dem Boden entſprießen. In den reichen Ebenen der Inſel gedeihen der Johan— nisbrot- und der Oelbaum in üppigſter Pracht; Orangen und Baumwolle werden cultivirt, und Mandel- und Feigenbäume erblickt man neben dem Getreide und unſeren Hülſenfrüchten. Die Wohnun— gen liegen im Schatten der Dattelpalme, und gelbblühende Opun— tien ” mit ihren plattgedrückten Stengeln bilden lebendige Hecken um die immergrünenden Gärten. Die Abhänge des Gebirges ſind mit Weinreben bedeckt, und peruaniſche Anonen? liefern genießbare Früchte. Der Oelbaum ſteigt bis 1500“ empor, worauf ein Fichten— gürtel » bis zu 2100“ Höhe das Gebirge umkränzt. Die Eiche ſteigt ſogar bis zu 2400“ hinauf, und über 3000“ ſind die Bergrücken mit Geſträuch 7° befebt. — Weit weniger ausgezeichnet find die übrigen Inſeln, beſonders Minorca, welches im Norden einer ſchützenden Ge— birgskette entbehrt, während man auf den Pityuſen die große Sorg— falt des Anbaues vermißt, die auf Majorca ſo ſehr erfreut. Die zweite der ſüdeuropäiſchen Halbinſeln, Italien, zerfällt ihrer Natur nach in zwei Theile, in die nördliche, vom Po durch— ſtrömte Ebene und in das ſüdliche, von der Apenninenkette durchzo— gene Gebiet. Die Tiefebene des Po gehört mit ihrem nördlichen Theile ſchon der folgenden Zone an, ihrem Charakter nach muß fie aber ganz hierher gerechnet werden, indem die Alpen, welche ſie im Norden begrenzen, die natürliche Grenzſcheide zwiſchen beiden Zonen bilden. Vom Po und deſſen zahlreichen Zuflüſſen durchſtrömt und gegen das adriatiſche Meer hin geneigt, beſteht die Lombardiſche Tief— Quercus Ilex. 2 Arbutus Unedo. ° Juniperus Oxycedrus. Rham- nus Alaternus, Smilax, Thymus, Lavandula. Cyclamen, Polygala, Ononis, Anthyllis. „ Ceratonia Siliqua. “ Opuntia vulgaris. Anona cherimolia. Pinus halepensis. '° Clematis cirrhosa, Hypericum balearicum. Die Tiefebene des Po. 293 ebene aus lauter Gerölle, welches von den Alpen und Apenninen her— abgeführt wird. Theils liegt dieſes Geſchiebe unmittelbar unter der oberen Erdſchicht, theils iſt es mit Sand und Thon bedeckt, und je näher dem Meere, deſto tiefer liegt es. Die natürliche Fruchtbarkeit des Bodens wird durch eine Menge von Kanälen und Gräben noch erhöht, nichts deſto weniger leidet die Landſchaft an Einförmigkeit. Eine Fahrt auf dem Po iſt durchaus nicht belohnend, es fehlt voll— ſtändig an maleriſchen Gegenden; alte Weidenſtämme, ſo grau wie die trübe Fluth, bieten faſt die einzige Abwechſelung dar. Die mitt— lere jährliche Temperatur dieſer Ebene beträgt 10°,5, die mittlere Wintertemperatur + 2°,5. Die mittlere Sommerwärme iſt hier wie in ganz Italien, natürlich mit Ausſchluß der Gebirgshöhen, auf 19° anzunehmen, während die mittlere Jahreswärme bis nach Sieilien ſich allmälig um 5° ſteigert. Dieſe Vertheilung der Wärme iſt ſeit Cato's Zeit unverändert dieſelbe geblieben, eine Thatſache, die aus den unveränderten Entwickelungsperioden von 140 ſyſtematiſch feſtge— ſtellten Gewächſen nachgewieſen worden tft. ) Was zunächſt den ſteilen, gegen die Po-Ebene gerichteten Südabhang der Alpen betrifft, fo wachſen an feinem Fuße Leguminoſenſträucher! wild, und größere Malvenformen 2 und andere Geſträuche geben der Vegetation einen ſüdlichen Charakter. Hier gedeiht der Oelbaum mit ſeinem matt— graugrünen Laube und die finſtere Cypreſſe, der glänzende Lorbeer und die ſtolze Pinie, der Feigenbaum wie die Granaten und Oran— gen; doch müſſen die letzteren im Winter geſchützt werden. Das trockene Geſtein iſt überall mit dem Cappernſtrauche bedeckt, und ſelbſt Agaven und Cactusgewächſe haben ſich hier eingebürgert. Indeſſen finden ſich alle dieſe Gewächſe nur an ſolchen Abhängen, deren na— türliche Lage das Vorkommen ſüdlicher Pflanzen begünſtigt. — Die urſprüngliche Flora der Po-Ebene ſelbſt iſt durch die Cultur faſt voll— ſtändig verdrängt worden; nur an der Mündung der Gebirgsthäler, an unbebauten Landſtraßen, in ſtehenden Gewäſſern und in der Rich— tung nach Venedig hin hat ſie ſich noch erhalten, beſonders in den Küſten⸗Lagunen, deren Sumpfboden die Cultur erſchwert. Schon im Alterthum iſt die lombardiſche Ebene als ein höchſt fruchtbarer Land— ſtrich berühmt geweſen und fie hat ſich ihren Ruhm bewahrt Wein und Getreide gedeihen hier auf demſelben Boden. Die Reben klettern Cereis, Lotus. ? Lavatera arborea, L. Olbia. ? Celtis. *) Von Dureau de la Malle. S. Griſebachs Berichte. 1851. 294 IV. Die wärmere temperirte Zone. an Ulmen hinauf, ziehen in prächtigen Guirlanden von Baum zu Baum, und indem ſie die Wipfel der Bäume ſchmücken, beſchirmen ſie zugleich die zarteren Gewächſe des Bodens vor den Strahlen der brennenden Sonne. Die Wege ſind mit Maulbeerbäumen bepflanzt, und die Seidenzucht bildet hier einen wichtigen Nahrungszweig. Der Mais und der Reis ſind faſt die einzigen Getreidearten dieſer Ebene, und in den Thälern der Waldenſer, wie auf den Bergen von Pie- mont bildet der Kaſtanienbaum Wälder und liefert dem gemeinen Volk das Hauptnahrungsmittel. | Die Kette der Apenninen, welche das ſüdliche Italien oder die eigentliche italiſche Halbinſel durchzieht, erſcheint als ein mehr oder weniger kahler Felſengrat, der, ſeiner ehemaligen Waldungen entkleidet, jetzt faſt nur noch ſchwaches Geſträuch auf ſeinem Rücken hervorbringt. Es iſt eine ſchluchtenreiche Maſſe dichten Geſteins, wel— ches theils ſchroff zu bedeutender Höhe anſteigt, theils viele langge— ſtreckte Rücken zeigt, die oftmals niedrig und ohne ausdrucksvolle For— men erſcheinen. Sowohl ihrer Lage wie ihrer Beſchaffenheit nach zerfallen die Apenninen in drei Abtheilungen. Die nördlichen Apenninen, in einem Halbzirkel um den Meerbuſen von Genua her— umziehend, ſind von geringer Höhe, indem ihre Gipfel ſich kaum bis 3500“ über den Meeresſpiegel erheben. Nach Norden fallen fie all— mälig zur Po-Ebene ab, nach Süden aber ſteil zur Meeresküſte. Die mittleren Apenninen, welche die Halbinſel in ſüdöſtlicher Richtung durchziehen, ſind anfangs ſchmal. Ihr Rücken bildet einen ſcharfen Kamm, deſſen Scheitelpunkte eine Höhe von 3 — 5000“ erreichen; nach Süden aber werden ſie allmälig breiter, und die Gipfel ſteigen bis zu 6000 Höhe empor. Zugleich zeigt ſich eine größere Abwechſelung der Berg- und Felſenformen, ſo wie eine mannigfachere Geſtaltung der Thäler. Im Süden enden fie mit einem 1500“ hohen Plateau, wel— ches zwiſchen den Küſtenebenen Campanien und Apulien aufſteigt. Auch die ſüdlichen Apenninen ſind anfangs noch plateauartig, neh— men aber bald im Weſten die Geſtalt eines hohen Rückens an, der bis zur Südſpitze der Halbinſel fortſtreicht, während auf der Oſtſeite des Golfs von Taranto eine Hügelkette bis zum Cap Leuca hinzieht. Ueber die Temperaturverhältniſſe der Halbinſel haben wir ſchon oben geſprochen; hier in dem Apenninengebiet iſt es hauptſächlich der Sei— rocco, ein von den Wüſten Afrika's herüberſtrömender Wind, welcher das Maximum der Wärme herbeiführt, eine drückende Hitze, die mit einer trockenen Trübung des Himmels verbunden iſt. Der Vegeta— Italien. 295 tionscharakter der Apenninenhalbinſel iſt von dem der Po-Ebene we— ſentlich verſchieden. Steigt man von den Kaſtanienwäldern Piemonts durch die wilden Schluchten der formloſen kahlen Apenninen nach dem eigentlichen Italien hinab, ſo werden die Kaſtanien bald durch immergrüne Eichen! erſetzt. Bei Nizza beginnt die eigentliche Cul— tur des Oelbaums, der nun in einem langen Gürtel an der Weſt— küſte bis nach Calabrien hinabgeht und zugleich den Reichthum der Küſtenbewohner ausmacht. Bei Genua, der ſtolzen Stadt mit ihren Marmorpaläſten, gedeihen Orangen, Myrten und Granaten ohne be— ſondere Pflege. Zwiſchen Monaco und San Stefano fteht ein Pal— mengebüſch 2 von mehr als 4000 Stämmen, und bei Genua ſind die trockenen Felſen oft mit dieſer Zwergpalme bekleidet, die hier, von Stürmen gebeugt, mit holzigen Euphorbien 3 in Gemeinſchaft wächſt, ein Contraſt, der nicht ſeltſamer ſein kann. Der Erdbeerbaum * mit purpurbraunen Zweigen und lederartigen Blättern, verſchiedene Eri— ken in ihrer mannigfachen Blüthenpracht und das Weinſtockſchilf © mit ſteifen eingerollten Blättern bilden die wichtigſten Strauchforma- tionen, und Fichten “, Piſtacien und Terebinthen bedecken die Anhö— hen. Hier blühen ſchöne Irisarten und andere lilienartige Gewächſe, und daneben prangt das zierlich gezackte Acanthusblatt 8, welches der Baukunſt bei den herrlichen corinthiſchen Säulen zum Muſter ge— dient hat. Dazu kommt das Heer der meiſt ſtacheligen Legumino⸗ ſenſträucher ', welche weiter nach dem Kalkgebirge der mittleren Apen— ninen, wo ſie den für ſie geeigneten trockenen Boden finden, große Strecken Landes bedecken. Bei Nizza ſchon beginnt die Dattelpalme, und an dem ſteilen Gebirgsabhange nördlich von Piſa erblickt der Italien bereiſende Nordländer den erſten Palmenhain, den nördlich— ſten unſerer Halbkugel. Doch kommen die Datteln hier ſo wenig zur Reife wie irgend ſonſt wo in Italien. Neben dem Oelbaum findet man an der ganzen Weſtküſte den Weinſtock und den Feigenbaum cultivirt. Das Thal des Arno iſt wie ein Garten angebaut; aber das Plateau von Toscana zeigt faſt lauter kahle Hügel, die nur im Frühjahr und Herbſt im friſchen Grün der Saaten prangen, im Sommer dagegen vollſtändig verſengt ſind. Auch die Campagna di 2. lex, Q. Suber. 2 Chamaerops humilis. Euphorbia dendroides. Arbutus Unedo. E. mediterranea, scoparia et arborea. ° Ampelodes- mos tenax. Pinus Pinea, maritima, Pinaster. ° Acanthus mollis. ° Me- dicago, Trifolium, Vicia, Scorpiurus. 296 IV. Die wärmere temperirte Zone. Roma erſcheint faſt ganz unangebaut; nur die Hügel ſind hin und wieder mit Hainen bedeckt. Weiter ſüdlich beginnen, ſobald man Velletri im Rücken hat, die Pontiniſchen Sümpfe, die einen zwar üppigen, aber nur ſelten erfreuenden Pflanzenwuchs nähren. Das hohe Gras gewährt hier zahlreichen Heerden ihre Nahrung. Sobald man aber das Cap Circello erblickt, nähert man ſich der Grenze von Unteritalien, wo die hesperiſche Flora ihre herrlichſte Pracht entfaltet. Der Feigenbaum mit ſchöngeformten Blättern, dun— kelglänzende Orangen, Granatbäume mit ſcharlachrothen Blüthen, ſaftige Ranken der indianiſchen Feige! mit ſtacheligen Gliedern und amerikaniſche Aloé-Gewächſe bilden hier einen ſchattigen Hain, aus welchem die ſchlanke Dattelpalme mit leicht gefiederter Krone empor— ragt. Und darüber erblickt man zwiſchen Myrten- und Olivenpflan⸗ zungen Terraeina mit platten Dächern am Fuße der Apenninen. Das Ganze bildet eine Landſchaft, deren Zauber durch den blauen Spiegel des klaren Meeres und den tiefblauen Aether, der darüber ausgebrei— tet iſt, noch bedeutend erhöht wird. Weiter ſüdlich liegt an dem lieb— lichen Golf von Gazta die Campagna felice, ihrer außerordentlichen Fruchtbarkeit wegen ſo genannt. Der geringe Fleiß wird hier jähr— lich mit einer dreimaligen Ernte belohnt. Hier wachſen die Reben wie kräftige Baumſtämme empor und laſſen ihre rankenden Zweige hoch aus den Gipfeln der Ulmen herabfallen, an denen ſie hinauf— klimmen; der Oelbaum gedeiht hier in üppigſter Fülle, doch maleriſche Schönheiten gewährt die Campagna nicht. Neapel dagegen zeigt viel— leicht die ſchönſte Landſchaft der ganzen Erde. Der 20 Stunden lange keſſelartige Meerbuſen iſt an ſeinen reizenden Geſtaden von Hunderttauſenden von Menſchen bewohnt; fanfte Hügel wechſeln mit ſteilen Felsbergen, die bis zu 4000“ Höhe anſteigen, und die ganze Küſte bildet faſt eine einzige Stadt. Alle Oerter, welche hier am Ufer, vom Vorgebirge Miſenum bis zum Cap der Minerva liegen: Bayä, Pozzuoli, Neapel, Portici, Reſina, Torre del Greco, Caſtel a mare, Vico, Sorrento und Maſſa hangen entweder unmittelbar zuſammen, oder die Landſtraße, welche ſie verbindet, iſt mit reizenden Landhäu— ſern und Paläſten beſetzt, die in dem lieblichen Schmuck der Citro— nen= und Weingärten prangen, oder durch Kaſtanien- und Oliven— gehölze von einander getrennt ſind. Der ſchönſte Punkt iſt das Ka— ſtell S. Elmo, von wo man Neapel, den Veſuv, den ganzen Meer— ı Opuntia Ficus indica. Stalien. 297 bufen und draußen in der blauen Fluth die Inſeln Capri und Ischia erblickt, deren letztere mit der üppigſten Vegetation bekleidet iſt. Auf der Oſtſeite der Apenninen, wo die Küſte ſich längs des Adriatiſchen Meeres erſtreckt, reicht das Kalkgebirge an vielen Stellen bis dicht an die Ufer, die dann hoch und ſteil erſcheinen. In den dazwiſchen liegenden Ebenen und Thälern hat die urſprüngliche Ve— getation der Cultur Platz machen müſſen, welche theils mit der der Po⸗Ebene, theils mit der der Weſtküſte Italiens übereinſtimmt. Die Vegetation des Kalkgebirges aber iſt weſentlich von dem Charakter beider Küſten verſchieden und entſpricht den Bedingungen eines mil— deren Klima's. Von den Seealpen bis zu den hohen und wilden Abruzzen Mittelitaliens und zu Calabriens unwirthlichen Gebirgen im Süden erſtreckt ſie ſich in mannigfaltigen Abſtufungen. Die Birke !, welche in den italieniſchen Alpen zwiſchen 3000 und 6000 Höhe wächſt, fehlt in dem ganzen übrigen Italien und findet ſich erſt in Calabrien und am Aetna zwiſchen 5000 und 6500“ wieder. Da— gegen kommen auf den Apenninen vorzugsweiſe Erlen? vor, die von der Küſte bis zu 5000“ anſteigen und im ſüdlichen Italien neben den Tannen 3 oft ganze Wälder! bis zu 3700“ Höhe bilden. Daneben finden ſich eine Menge Gewächſe 5 der flachen Schweiz, was um fo weniger überrafchend iſt, wenn man erwägt, daß die Gipfel der ſüd— lichen Apenninen den größten Theil des Jahres hindurch mit Schnee bedeckt ſind. An Cryptogamen iſt Italien arm, beſonders vermißt man Mooſe und Flechten; dagegen ſind die Lombardei und Piemont auffallend reich an eßbaren Pilzen. In den feuchten Bergwäldern finden ſich auch viele Farrnkräuter 'FqF die im Norden der Alpen ihre Heimath haben, hier aber eine bedeutende Größe erlangen, ſo daß man ſie kaum wieder erkennt. Werfen wir noch einen Rückblick auf Italiens Vegetations-Phy— ſiognomie im Großen und Ganzen, ſo iſt die fortdauernde Thätigkeit der Natur dem Nordländer zunächſt überraſchend. Durch die im Spätjahr eintretenden Regengüſſe hängt die Blüthezeit der Herbſtge— wächſe mit der der Frühlingsflora innig zuſammen. Ueppig entfalten ſich die Kronen der Bäume, ſo daß die unſrigen wie Büſche dagegen Betula alba. 2 Alnus glutinosa, A. incana. Abies pectinata, Ab. excelsa. * Alnus cordifolia. ° Gentiana, Saxifraga, Pedicularis, Silene, Draba, Veratrum album. 6 Polypodium vulgare, Scolopendrium offieinale, Pteris aquilina, Asplenium, Aspidium, Adiantum etc. 298 g IV. Die wärmere temperirte Zone. erſcheinen, und in ſchwelgeriſcher Fülle gedeihen alle Früchte. Dage— gen vermißt man das anmuthige Grün unſerer Wieſen; nur die Po— Ebene gewährt auf kurze Zeit einen Grasteppich. Im Süden der Apenninen iſt der Frühling zu kurz, und die ſchnell ſteigende Hitze verdorrt alle zarteren Pflanzen. In graulich-matter Bekleidung er- ſcheint die geſengte Flur, nur mit dornigen Holzgewächſen bedeckt. Auch die Wälder ſind den unſrigen ſehr unähnlich. Die zwar im— mergrünen aber undurchſichtigen Blätter machen Wälder und Luſtan⸗ lagen finſter, und der Glanz des Laubes giebt ihnen im Großen ein graufarbiges Colorit, ſo daß ſie mit dem freundlich-lachenden Anblick unſerer Eichen- und Buchenwaldungen ſich nicht meſſen können. Zwar ſtreben Pinien und Cypreſſen am Fuß der Berge majeſtätiſch empor; aber ungern vermißt man die ſtolz bekränzten Höhen der Alpen. Nur kahle Felſen und nackte Bergrücken erheben ſich über üppigen Thalgründen und klagen die Unwiſſenheit und Trägheit der Bewoh— ner an, welche durch leichtſinnige Ausrottung der Wälder die lachen— den Gefilde in traurige Einöden verwandelt haben. *) So erſcheint die ganze Campagna di Roma als eine braune Einöde. Derſelbe Boden, der urſprünglich von der Natur reich geſegnet, eine zahlreiche und begüterte Bevölkerung ernährte, iſt jetzt von den Menſchen ver— wahrloſet, und nur die mächtigen Ruinen und Baudenkmäler des Alterthums verkünden den Glanz vergangener Jahrtauſende. Nur wenig Gegenden wie in den Gebieten von Toscana, beſonders um Lucca, bieten einen erfreulichen Anblick dar. Fleiß und Kunſtſinn kommen hier einer ergiebigen Natur zu Hülfe und zeigen, was aus Italiens Gefilden ſich ſchaffen ließe, während an vielen anderen Or— ten die ſchönſten öffentlichen Gärten der Verwilderung Preis gege— ben ſind. Die italieniſchen Inſeln ſind ihrem Vegetationscharakter nach dem Feſtlande mehr oder weniger ähnlich. Korſika iſt von einer hohen Gebirgskette durchzogen, deren Gipfelpunkte ſich zu mehr als 8000“ Höhe erheben und mit ewigem Schnee bedeckt find. Der Erd— *) »Se tanto in onore vi fosse l’agricoltura quanto l’architetiura, se di- viso non fosse il paese in tanti governi diversi, tutti di varia forma e quasi tutti deboli e poco estesi: non si vedrebbe la miseria al fianco della magnıfı- cenza, e l’industria senz’ attivitä; ma per somma disgrazia piü si & atteso all’ abbellimento delle cittä che alla cultura delle campagne, e da per tutto gl’ in- colti terreni rimpröverano agli abitanti la loro infingardaggine.« Lettera del Ganganelli (poi Papa Clemente XIV, + 1774) al Sign. Abate Ferghen. Korſika. Sardinien. Sicilien. 299 beerbaum ' und die baumartige Erika ?, denen ſich an den unteren Abhängen auch der Maftirbaum 3 zugefellt, bekleiden die Berge bis zu einer bedeutenden Höhe; doch treten hin und wieder auch ſchöne Kaſtanienwälder auf, über denen oft die ſtattliche Lariciofichte! den oberen Waldgürtel bildet. Die niedrigen Gegenden ſind meiſt ſum— pfig und ungeſund, der Anbau vernachläſſigt, und Wein, Oliven und Kaſtanien faſt die einzigen Producte. — Sardinien iſt auf der Oſtſeite von einem flachen Gebirgszuge durchſchnitten, während an der weſtlichen Küſte ſich Ebenen ausbreiten. Die Berge, höchſtens 4000“ hoch, ſind zum Theil noch bewaldet. An dem Seeufer, das viele Lagunen und Moräſte enthält, erblickt man die Zwergpalme, die merkwürdiger Weiſe auf Korſika fehlt, während ſie bei Nizza wie— der ſo häufig iſt. Sardinien iſt zwar außerordentlich fruchtbar, der elende Anbau aber beſchränkt ſich auf etwas Getreide und die dürf— tige Cultur der bekannten Südfrüchte. — Sieilien erhebt ſich als ein großes, unregelmäßiges und wellenförmiges Plateau, deſſen mitt- lere Höhe über dem Meere etwa 1500’ beträgt. Abgeſondert davon liegt auf der Oſtſeite der Vulkankegel des Aetna, deſſen 10,360“ hoher Gipfel alle anderen Berge überragt, die ſich auf dem Plateau der Inſel erheben. Mit Ausnahme dieſes Vulkans herrſcht auf der gan— zen Inſel der Kalkſtein vor. Der Aetna ſelbſt bildet einen ſehr ſtum— pfen Kegel, deſſen Durchmeſſer am Fuße 5 —6 Meilen beträgt. Die— ſer ganze Raum iſt mit Lava und Aſche bedeckt, und nur an weni— gen Stellen ragen Sandſtein- und Thonhügel wie Inſeln aus dem ſchwarzen Lavameere hervor. Faßt man die Vegetation der Inſel mit der des Aetna zuſammen, ſo laſſen ſich vier Regionen unterſcheiden. Die erſte oder die Region der Strandpflanzen iſt in der Umgebung des Aetna der rauhen Lavafelſen wegen nur ſchwach entwickelt. — Die zweite oder die bebaute Region reicht bis zu 3300“ Höhe. Sie zeigt eine bewunderungswürdige Fruchtbarkeit und iſt beſonders dem Anbau des Weinſtocks gewidmet. Der ſchöne Wein, welcher die be— rühmten Lacrymae Chriſti giebt, wächſt zu Catania am Fuße des Aetna. Hier findet man an einem und demſelben Stocke ſtets Blü— then und reife Trauben zu gleicher Zeit, eine Erſcheinung, deren Pli— nius ſchon erwähnt. Die Lage der Inſel in der Nähe der ſubtropi— ſchen Zone geſtattet die Cultur einer Menge tropiſcher Gewächſe, die 1 . ” * * „ Arbutus Unedo. 2 Erica arborea. 3 Pistacia Lentiscus. Pinus Laricio. 300 IV. Die wärmere temperirte Zone. den Gärten um Catania zum glänzendſten Schmuck gereichen. Die Bananen bringen hier noch Früchte zur Reife; Korallenbohnen , Hi— biscus? und baumartiger Stechapfel ? erfreuen durch große oder prachtvoll gefärbte Blumen, Caſſien“ und Cäſalpinien durch ihre zartgefiederten Blätter. Dattelpalmen ſteigen faſt bis zu 1700’ em⸗ por, der Oelbaum bis 2200’, das ſpaniſche Rohr bis 2500’, und 12’ hohe Cactusgewächſe und rieſige Agaven gedeihen hier wie in ihrem Vaterlande. Der Getreidebau iſt des felſigen Bodens wegen von ge— ringer Bedeutung und beſchränkt ſich auf etwas Weizen, Spelz und Gerſte; dagegen gedeihen alle Gemüſe und beſonders Obſt vortreff— lich. Feigen, Mandeln, Pfirſiche, Aprikoſen, Granaten, Piſtacien und beſonders auch Haſelnüſſe werden hier vielfältig gezogen. Auf dem Plateau kommen zu den genannten Culturpflanzen noch Baumwolle und Zuckerrohr hinzu, und viele Saftgewächſe s und Euphorbien ? mahnen an die nahe afrikaniſche Flora. Beſonders zeichnet ſich die baumartige Euphorbia aus, die ſtets in Sträuchern mit halbkugelig gruppirten Aeſten erſcheint, die im Herbſt Blätter treiben und im Fe— bruar mit einer Menge gelber Blüthen bedeckt find. — Mit 3300’ beginnt am Aetna die Waldregion und geht bis zu 6200“. Hier ge— deihen im unteren Theile unſere Kirſchen und Birnen am beſten. Der Wald, meiſt aus Kaſtanien und Eichen beſtehend, wird nur durch nackte Lavaſtröme und einzelne Roggenfelder unterbrochen; da— neben erſcheinen auch Buchen ?, die bereits erwähnte Birke 7°, die Zitterpappel n und die ftattliche Lariciofichte. Ginſter »2, immergrü— ner Seidelbaſt 1s, die baumartige Erika und Wachholder n bilden die Geſträuchformation; dagegen werden die krautartigen Gewächſe faſt gänzlich durch den Adlerfarrn ?° verdrängt. — In der alpinen Region, welche von 6200 — 8950“ reicht, findet ſich anfangs noch der— ſelbe Wachholder nebſt dem Berberitzen- us und einem Traganth— ſtrauche ?, welcher hier die Alpenroſen vertritt. Bei 8850“ Höhe er— ſcheint endlich eine Art Kreuzkraut '°®, die letzte Pflanze. Die oberen ‘ Erythrina corallodendron. 2 Hibiscus mutabilis. Datura arborea. Cassia biflora. 5 Caesalpinia Sappan. „ Sedum, Mesembryanthemum. Euphorbia characias, E. dendroides. Quercus pubescens, O. Cerris. ©. lle. Fagus sylvatica. “ Betula alba. Populus tremula. “ Genista 14 Juniperus hemisphaerica. I5 Pteris aetnensis. 1 Daphne Laureola. aquilina. *° Berberis vulgaris. Astragalus siculus. “ Senecio chrysan- themifolius. Die europäiſche Türkei. 301 1400“ bilden eine ſchaurige Einöde von ſchwarzen Lavamaſſen und Aſchenfeldern, in denen keine Spur von Vegetation mehr zu fin— den iſt. N Die öſtlichſte der drei Halbinſeln des ſüdlichen Europa, die europäiſche Türkei, iſt im Nordoſten durch das Donauthal be— grenzt, eben ſo wie die Pyrenäiſche Halbinſel durch das Ebrothal und die Apenninenhalbinſel durch die Po-Ebene. Die ganze türkiſche Halbinſel erſcheint als ein mäßiges Plateau, in welchem Gebirgszüge mit kleinen Hochebenen und terraſſenförmigen Abſtufungen mannig— faltig wechſeln; ein Hauptzug jedoch ſtreicht durch die Mitte der Halbinſel von Weſten nach Oſten. Im Anſchluß an dieſe Central— kette zieht ſich an der Weſtküſte das 3 — 5000“ hohe dalmatiſche Ge— birge, gewöhnlich dinariſche Alpen genannt, nach Norden. Der Kalk— ſtein, aus welchem es zuſammengeſetzt iſt, bildet hier große Einſen— kungen, Höhlen und Keſſel, und aus derſelben Gebirgsart beſtehen die ſämmtlichen Ketten, welche parallel mit der Küſtenkette den nord— weſtlichen Theil der Halbinſel durchſtreifen. — Auf den der dalmati— ſchen Küſte vorliegenden Inſeln finden ſich noch Myrten, Granaten und lorbeerartiger Schneeball ı die man auf dem nahen Feſtlande vermißt. Die Grenze zwiſchen der mehr nördlichen und der eigent— lich ſüdeuropäiſchen Flora findet ſich an der Küſte zwiſchen 44° O und 43° Br. Während in dem nördlichiten Theile die Flora mehr mit der von Iſtrien übereinſtimmt, findet ſich an der ganzen Weſtküſte bis Morea der für Süd-Europa ſo charakteriſtiſche Oleander. Darüber find die Gebirgsabhänge mit zerſtreut ſtehenden Platanen? beſetzt, die durch ihren ſchlanken Stamm, ſo wie durch ihre ausgebreiteten, dichtbelaubten Kronen ſich auszeichnen. Die Küſte aber iſt mit einer großen Menge dorniger Sträucher? bedeckt. Judendorn, Brombeer— ſträucher, ſtachelige Roſen, Bocksdorn, Stechwinde bilden dichte Hecken um alle Felder, und eine Menge dorniger und diſtelartiger Gewächſe ® machen jedes Fortſchreiten zu einer wahren Qual, denn ſie ſtehen ſo dicht, daß man keinen Schritt thun kann, ohne ſich den Fuß zu ver— wunden. Von mitteleuropäiſchen Bäumen finden ſich hier unſere Rothbuche und die gemeine Eſche, und ganze Strecken ſind mit Legu— minoſenſträuchern ° bedeckt, welche zur Blüthezeit die Atmoſphäre mit Viburnum Tinus. 2 Platanus orientalis. 3 Paliurus aculeatus, Rubus caesius, Rosa spinosissima, Lycium europaeum, Smilax aspera ete. * Echium, Spartium spinosum, Acanthus spinosus, Echinops Ritro, Carthamus, Eryngium, Scolymus. ° Cytisus fragrans. 302 IV. Die wärmere temperirte Zone. ihrem betäubenden Duft erfüllen. Eben ſo finden ſich hier manche ſtrauch- und viele krautartige Gewächſe“ des mittleren Europa. Obſt— bäume und Kaſtanien vermißt man in Dalmatien; der Oelbaum da— gegen und der Maulbeerbaum gedeihen ganz gut, und der Weinſtock liefert faſt ohne alle Pflege die herrlichſten Trauben. Der weſtliche Theil der Centralkette, welche die Hämushalbinſel durchzieht, führt den Namen Tſchar Dagh, ein hohes, ausgedehntes Gebirge, deſſen erhabenſte Gipfel mit ewigem Schnee bedeckt ſind. Faſt einen rechten Winkel mit der dalmatiſchen Kette bildend, reicht es bis nahe an das adriatifche Meer, wo es unter 42° Br. endet. Große Nadelholz-, Eichen- und Kaſtanienwälder bedecken die Bergab— hänge unterhalb der kahlen, ſpitzen Gipfel, die lebhaft an die Alpen erinnern, wie denn auch die krautartigen Gewächſe ? zum Theil der alpinen Flora angehören. Nach Weſten hin finden ſich ausgedehnte Weideplätze und einzelne Dörfer. — Oeſtlich vom Tſchar Dagh lie— gen mehrere einzelne Gebirgsgruppen, die ſich höchſtens bis zu 2000 und 3000’ erheben, darunter der Orbelus der Alten. Sie bilden die mittlere Abtheilung der Centralkette und ſind größtentheils vom Fuße bis zum Gipfel bewaldet, während die höchſten Punkte Alpenweiden darbieten. — Nördlich von dieſer Mittelabtheilung der Centralkette find die 4— 5000“ hohen Gebirge des ſüdlichen Serbiens mit aus— gedehnten Wäldern bedeckt, die größtentheils aus Eichen beftehen >, und das nördliche Serbien bietet viele ſchöne Weideplätze dar, zwi— ſchen denen abgerundete, bis zu den Gipfeln bewaldete Berge ſich erheben. Tannen und Buchen find hier die hauptſächlichſten Baum- formen, denen ſich in den Ebenen neben der Eiche auch der Apfel— und Birnbaum, der Nußbaum, wilde Kirſchbäume und herrliche Pap— peln zugeſellen. — Durch den öſtlichen Theil von Serbien zieht ſich zwiſchen der Morava und der Donau eine Bergkette, welche als Fort— ſetzung des Bannater Gebirges zu betrachten iſt, in welchem der letzte Durchbruch der Donau erfolgt. Der nördliche Theil dieſer oſtſerbi— ſchen Kette iſt mit Eichwald bedeckt; weiter ſüdlich aber erſcheint das Kalkſteingebirge meiſt kahl. Die Eichenwälder des öſtlichen Serbiens find mit mannigfachen anderen Bäumen gemiſcht. Eſchen!, Lindens, ' Berberis vulg. Daphne Mezereum, Spiraea Filipendula, Dictamnus al- bus, Anthericum Liliago, Arctium Lappa, Valeriana off. Trifolium arvense. * Dryas octopetala, Silene acaulis, Saxifraga, Cerastium, Myosotis, Narcissus poeticus, Crocus etc. 3 O. robur, C. sessiliflora. * Fraxinus rotundifolia. 5 Tilia alba. Die europäifche Türkei. 303 Ahorn n, Wallnußbäume, ächte Kaſtanien, Buchen bilden die Haupt⸗ beſtandtheile und Schneeball 2, Haſelſträucher ?, Wegedorn , Weiß— dorn > und wilde Pflaumenbäume ? das Unterholz. Die Kalkſtein⸗ höhen an den Donauufern find mit Schwarzkiefern? beſetzt, und wilde Birnbäume bilden ganze Waldungen in den niedrigen Gegen— den. Dieſe mitteleuropäiſche Vegetation ſetzt ſich nach Oſten durch ganz Bulgarien fort; erſt im Süden der Centralkette ändert ſich der Charakter. — Der öſtliche Theil dieſer Centralkette iſt der Balkan, der Hämus der Alten, in ſeinem weſtlichen Theile, dem großen Bal— kan, über 3000“, in dem zum ſchwarzen Meere ſich hinziehenden klei— nen Balkan kaum 2000“ hoch. Im Norden des Hauptzuges laufen mehrere Gebirgszüge dem Balkan parallel, und die tiefen Schluchten, welche bei Schumla das Gebirge durchziehen, ſind mit Kirſch- und Nußbäumen beſetzt, über denen man an den höheren Abhängen zu— nächſt Buchen und dann Eichen erblickt; nach Süden aber fällt der Hämus plötzlich ab. In geringer Entfernung vom Meere und pa— rallel mit der Küſte deſſelben entſendet der Balkan eine niedrige Kette, welche ſich bis zur Hauptſtadt des osmanniſchen Reiches erſtreckt und die Waſſerſcheide zwiſchen dem ſchwarzen und dem ägäiſchen Meere bildet. Erſt an den ſüdlichen Abhängen der Centralkette macht ſich das ſüdliche Klima geltend. Die mittlere jährliche Temperatur von Konſtantinopel beträgt 11%, die mittlere Sommerwärme 15°, die mittlere Winterwärme 5°, und bis tief in den November hinein er— hält ſich die Temperatur auf 10°. Die Monate Mai, Juni, Juli und Auguſt ſind faſt regenfrei, doch zählt man jährlich 100 — 120 Regentage. — Von der zuletzt genannten Waſſerſcheide nach Weſten liegt der Despoto Dagh oder Rhodope der Alten. Dieſes Gebirge, welches ſich in ſeinem weſtlichen Theile bis zu Gipfeln von 8000’ Höhe erhebt, bildet den Centralknoten von Rumelien. Ein Gürtel von Eichen und Lärchen umzieht ſeine unteren Abhänge, darüber er— ſcheinen Tannen, auf welche Alpenweiden folgen, und endlich erhebt ſich die Region der nackten Felſen, die beſonders von der Nordſeite aus geſehen, in kühnen Umriſſen erſcheinen. Die ganze Gegend zwi— ſchen den beiden öſtlichen Bergketten, oder das alte Thracien, zeigt überall Hochebenen, Mulden und Becken, die oft mit ſchattigen Wall- Acer obtusatum. 2 Viburnum Lantana. 3 Corylus Colurna et Avel- lana. Rhamnus infectorius. Crataegus monogyna. Prunus Mahaleb. Pinus austriaca. 304 IV. Die wärmere temperirte Zone. nußbäumen, theils mit trefflichen Weinbergen bedeckt ſind. Der weſt— liche Theil der Halbinſeln wird von einer 5000“ hohen Bergkette durchzogen, die den Alten unter dem Namen Pindus bekannt war. Von dem Tſchar Dagh in der großen Centralkette zieht dies Gebirge ſüdlich bis zu dem mit Buchen und Tannen bedeckten 6500“ hohen Olymp. Zwiſchen dem Pindus und dem Despoto Dagh, nordweſt— lich von dem Meerbuſen von Salonichi liegt die ſchönſte Landſchaft Ma- cedoniens, die vodena. Im Süden von Oſtrovo beginnt die üppige Vegetation. Schöne immergrüne Eichen ſchmücken den Engpaß, durch welchen die Landſtraße führt, wie einen engliſchen Park; Legumino— ſenſträucher !, Nuß- und Feigenbäume fallen die fließenden Gewäſſer ein, welche an mehreren Stellen prachtvolle Katarakten bilden; Mais— felder und Südfruchtbäume erfüllen das Thal, und ein ſchattiger Hain orientalifcher Platanen bildet den Eingang zur Stadt. Den großartigſten Anblick aber gewährt das Thal der Wiſtritza unterhalb der Stadt. Von Obſtgärten umgeben, liegt Vodena am Rande eines hohen Abhanges, 70 — 80“ hohe Waſſerfälle ſtürzen zwiſchen den wei— ßen Felſen herab, und zu beiden Seiten iſt dieſe herrliche Scene von ſchön bewaldeten Bergen begrenzt, die ihre Gipfel 2 — 3000“ hoch erheben. So reizend das Thal der Wiſtritza ſelbſt iſt, ſo herrlich iſt die Seelandſchaft an ihrer Mündung in den Meerbuſen von Salo— nichi. Amphitheatraliſch ſteigt die Stadt gleiches Namens mit ihren weißen Häuſern an der nordöſtlichen Bucht des Meerbuſens aus den Fluthen empor, und im Weſten erheben ſich die Tafelberge des Olymp, deren Gipfel im Frühlinge noch mit Schnee bedeckt ſind. Ueberhaupt iſt der Vegetationscharakter der im Süden der Centralkette gelegenen Landſchaften von dem der nördlichen weſentlich verſchieden. In Thra⸗ cien und Macedonien find orientaliſche Platanen, Wallnuß- und Fei— genbäume vorherrſchend, und die immergrünen Eichen von Weiden, Copreſſen, Granatbäumen und Leguminoſenſträuchern begleitet. Süd— lich von Salonichi wird der Oelbaum häufig cultivirt; in den Wäl— dern Theſſaliens ſind die Eichen mit Lorbeer, Myrten und Oleander gemiſcht, und in dem rauhen Albanien am Joniſchen Meere geſellen ſich ihnen außerdem noch Kaſtanien und Ahorn? hinzu. Die ſüdliche Grenze des türkiſchen Gebiets bildet die Othrys— Kette oder das Hellovo-Gebirge, welches ſich vom Buſen von Volo bis zu dem von Arta erſtreckt und zur Küſte des letzteren ſich ter— Colutea arborescens, Cercis Siliquastrum. 2 Acer tataricum. Griechenland. 305 raſſenförmig abſtuft. Im Süden dieſer Kette liegt das griechiſche Feſtland, deſſen Bergmaſſen faſt ſämmtlich aus höhlenreichem Kalk— ſtein beſtehen. Die Kette des Oeta, ein nacktes, klippiges, weißgraues Kalkgebirge, aus welchem hin und wieder Serpentin hervorbricht, iſt nur hie und da mit jungen verkrüppelten Eichen bedeckt, von deren Aeſten unanſehnliche Flechten“ in langen Fetzen herabhangen. Der weiter ſüdlich gelegene Parnaß dagegen erhebt ſich grau und düſter, in ſteilen Felsmaſſen bis zu 7400“ über dem Meeresſpiegel⸗und iſt vorzugsweiſe mit Wachholdergeſträuch? bewachſen. Unter den zwi— ſchen dieſen Bergzügen liegenden Thälern iſt das des Kephiſſos das bedeutendſte; aber die ehemals ſo blühende Ebene von Orchomenos iſt gegenwärtig ein Sumpf voll Rohr und Schilf, der Kopais-See, durch einen felſigen Kalkſteinrücken vom Meere getrennt. Eine Fichtes iſt in dieſen Thälern der am meiſten verbreitete Baum; ſie bedeckt die düſteren Berge bis zu 3000’ Höhe. Auf der Südoſtſpitze des griechiſchen Feſtlandes liegt Attika, deſſen Berge jetzt größtentheils kahl ſind. Die Thäler und die Ebenen ſind meiſt mit Olivenwäldern be— deckt, und das Flußbett des Iliſſos iſt mit Oleander geſchmückt. An der Weſtküſte dieſer Spitze liegt Athen, einſt die glänzendſte und ge— bildetſte Stadt der Welt, jetzt ein Haufen von Ruinen, zwiſchen denen ſich einige Cypreſſen erheben, während in den Gärten einige Orangen gezogen werden. Die untere Stadt hat zwei Dattelpalmen aufzu— weiſen. Durch den ſchmalen Iſthmus von Korinth iſt Attica mit dem Peloponnes oder der Halbinſel Morea verbunden. Am Nordrande derſelben zieht ſich längs des Meerbuſens von Lepanto der Achajiſche Gebirgszug entlang, eine öde, wild zerriſſene, aus Kalkſtein beſtehende Kette, mit ſchwarzen Tannen oder Eichwald bedeckt, aus welchem ſteile Felſenkuppen hervorragen, während die tieferen Abhänge mit der Meerſtrands-Fichte? bekleidet ſind. Hier nimmt auch, etwa in der Mitte des Gebirgszuges, öſtlich von der Stadt Kalawrita der Styx feinen Urſprung, zu deſſen Fall ein ſteiler, ſchrecklich wüſter Pfad hin— führt. Die ſchaurig⸗wilde Umgebung hat nicht nur im Alterthum zu manchen Sagen Veranlaſſung gegeben, ſondern auch jetzt noch werden von der Phantaſie der dortigen Dorfbewohner die Umgebungen dieſes Baches mit Geſpenſtern bevölkert, und Unſterblichkeit als Folge des Genuſſes ſeines Waſſers bezeichnet. Gegen die Küſte zu wird das ! Usnea hirta. 2 Juniperus Sabina. “ Pinus maritima. 20 306 IV. Die wärmere temperirte Zone. Achajiſche Gebirge von breiten Thälern durchfurcht, deren Gelände mit Kaſtanienbäumen geſchmückt find. — So wie das griechiſche Feſt— land, jo iſt auch Morea ein Bergland, deſſen Hauptketten eine ſüd— liche Richtung nehmen und größere oder kleinere Bergebenen zwiſchen ſich einſchließen. Die im weſtlichen Theile befindliche Taygetoskette iſt die bedeutendſte, und beſonders gegen Süden hin erſcheint ſie reich an maleriſchen Partieen, die hin und wieder an die Schweiz er— innern. Hohe, ſchroffe Kalkſteinfelſen erheben ihre kahlen weißen Gipfel zum reinen blauen Himmel empor und ſind nur hin und wie— der mit dunkelem Nadelholz bedeckt. Seinen Culminationspunkt er⸗ reicht das Gebirge in dem 7416“ hohen Eliasberge, worauf es ſich allmälig zum Cap Matapan hin abdacht. Den öſtlichen Theil der Halbinſel durchzieht ein von ſchroffen Schluchten durchbrochener Berg— rücken, das Malevosgebirge. Seinen nördlichen, aus öden kahlen Kalkklippen beſtehenden Theil bekleiden nur hin und wieder einzelne dunkele Gruppen eines ſtattlichen Wachholderbaumes !; die ſüdlichere Hälfte iſt meiſt mit etwas Laubholz bedeckt. Das zwiſchen den drei geſchilderten Bergketten gelegene Plateau bietet einen wenig erfreuenden Anblick dar. Die auf den Berggehän— gen liegenden Dörfchen find mit Kaſtanienbäumen umgeben, und fin— ſtere Cypreſſen beſchatten die Ruheſtätten der Abgeſchiedenen. Sonſt aber zeigt ſich überall ein dürftiges Grün, und die beklagenswerthe Gewohnheit der Landleute und Schäfer, die Geſträuche niederzubren— nen, um mit der zurückbleibenden Aſche den Boden zu düngen, ver— wandelt je länger je mehr den an ſich ergiebigen Boden in eine trau— rige Wüſtenei. Die Hügel und Berge in Attica, Morea und auf den Inſeln haben ein ödes, graues Anſehen, das mit dem tiefblauen Himmel höchſt ſeltſam contraſtirt. Einen überraſchenden Anblick da— gegen gewährt das freudig grünende Thal des Vaſiliko, des Eurotas der Alten. Zwiſchen ſtattlichen Platanen, Hainbuchen 2 und blü— hendem Oleander rinnt das klare Waſſer des kleinen Fluſſes dem Meere zu; Gruppen von Ulmen, Pappeln und Cppreſſen finden ſich hie und da zerſtreut; die Gärten der Dörfer prangen im Schmuck der Citronen-, Feigen- und Maulbeerbäume; der Oelbaum gewährt wie an vielen anderen Orten eine forſtliche Benutzung, und ſelbſt die Früchte der ſüßen Orangen werden groß und ſchön und würden zur Reife gelangen, wenn nicht die rieſigen Schatten des nahen Taygetos Juniperus phoenicea. 2 Carpinus Ostrya. Morea. Die Donau-Ebene. 307 ihnen jeden Nachmittag das Sonnenlicht raubten. Die ſüdweſtlichen Landſchaften des Peloponnes, beſonders das ohne allen Grund als idylliſch geprieſene Arkadien, ſind gebirgig, gut bewäſſert und im Ver⸗ gleich mit den übrigen Theilen der Halbinſel gut bewaldet; aber die düſteren Fichten n, welche die Berge bedecken, können die Phantaſie eben ſo wenig mit zarten Bildern erfüllen, wie die hier lebenden ſchmutzigen Hirten, denen das Haar wild um den Kopf hängt und die gewöhnlich mit einer Schaar biſſiger, halbwilder Hunde umgeben ſind. Uebrigens waren auch die alten Arkadier ein rauhes, wildes und kriegeriſches Volk, das in rohe Felle ſich kleidete und dem die feine griechiſche Bildung nie nahe getreten iſt. — Die wichtigſten Nahrungspflanzen Griechenlands ſind: Gerſte, etwas Weizen, Spelz, und noch weniger Roggen, Reis, Mais und Hirſe. Dagegen bilden Wein, Oel, Feigen, Südfrüchte und Baumwolle die Hauptgegenſtände der Cultur, fo wie auch etwas Tabak und Färberröthe. In Betreff der Donau-Ebene, mit deren Betrachtung wir von der wärmeren temperirten Zone Europa's Abſchied nehmen, tft zu— nächſt der faſt gänzliche Waldmangel als charakteriſtiſches Merkmal zu nennen. Schon in Bulgarien nimmt der Waldwuchs allmälig ab, je mehr man dem Strome ſich nähert; nur hin und wieder erſcheinen noch Buſchwäldchen, mit denen einige Hügel gekrönt ſind. Ueber— haupt hat die Entwaldung auch in der Türkei weit um ſich gegriffen, und iſt ſomit ganz Südeuropa dieſem beklagenswerthen Zuſtande Preis gegeben, dem nur eine auf Kenntniß der Naturgeſetze gegrün— dete Forſtverwaltung im Lauf der Jahrhunderte wieder abhelfen kann. Daran iſt aber bei der Unwiſſenheit und Trägheit der Bewohner je— ner einſt ſo geſegneten Länder vor der Hand noch gar nicht zu den— ken. Die Ufer der Donau, die hier in der Nähe ihrer Mündung eine Breite von einer bis anderthalb Meilen erreicht, ſind zum Theil ſumpfig, aber durch mehrere Nebenflüſſe, die Aluta, den Sereth, den Pruth u. ſ. w. werden die Ebenen der Walachei und Moldau herr— lich bewäſſert. Das Klima iſt geſund, aber unerträglich heiße Som— mer wechſeln hier ſchon mit ſtrengen Wintern. Der vorzügliche Bo— den iſt nur dürftig angebaut, denn die Bewohner ziehen die Vieh— zucht dem Ackerbau vor. Weizen, Mais und Gerſte ſind die einzigen Getreidearten, die hier cultivirt werden; herrliches Obſt gedeiht in Menge ohne alle Pflege; der Wein geräth vorzüglich, und Melonen, Pinus Pinea, P. Picea. * 308 IV. Die wärmere temperirte Zone. Gurken und Kürbiſſe bilden die Hauptnahrung des niederen Volks. Die ausgedehnten Weideſtrecken aber ernähren eine außerordentliche Menge von Heerden, vor Allem Pferde, die hier in halbwildem Zu— ſtande aufwachſen und herrenlos die weiten Ebenen durchſchwärmen. B. Aſien. Der europäiſchen Türkei zunächſt liegt Kleinaſien, ein Hoch— land, welches von einem flachen oder hügeligen Geſtade umgürtet iſt, dem an der Nordſeite eine zweite Terraſſe von niedrigen Ebenen folgt. Die Bergketten, welche das Plateau durchſchneiden, nehmen auf dem Hochlande von Armenien ihren Urſprung. Unter dieſen bildet der Antitaurus die Waſſerſcheide zwiſchen den Nebenflüſſen des Euphrat und den in das ſchwarze Meer ſich ergießenden Bergſtrömen der Halb— inſel, während der Taurus ſelbſt, der in ſeiner öſtlichen Erſtreckung den Südrand Armeniens bildet, an der ſüdlichen Küſte von Klein— aſien entlang ſtreift und daſelbſt ſchroff zum Mittelmeere abfällt. Die Kammhöhe des Taurus wechſelt zwiſchen 2700 und 5400“; ſeine höchſten Gipfel dagegen ragen hoch über die Grenze des ewigen Schnees hinaus. Der Culminationspunkt des Plateau's aber iſt der Arghi Dagh in der Ebene von Kaiſarieh, der ſich bis zu 12,800“ er⸗ hebt und in Gemeinſchaft mit anderen unregelmäßig zerſtreuten Berg— kegeln zwiſchen zahlreichen Becken emporſtrebt. Die Fruchtbarkeit des Plateau's von Kleinaſien ift eine ſehr un- gleiche. Viele Stellen erſcheinen wüſt und öde, wo es aber bewäſſert iſt, wie in den Gebieten des Kiſil Irmak und des Mäander, da ent— faltet ſich die ſüdliche Vegetationsfülle in ihrer ganzen Pracht. Der allgemeine Holzmangel, welcher die Halbinſel charakteriſirt, ruft auch die bedeutenden klimatiſchen Gegenſätze eines kalten Winters und eines heißen Sommers hervor. Nur an dem Rande des Plateau's finden ſich Waldungen. Gleich am Marmorameere erſcheint das Waldgebirge von Bruſſa, und in allen nördlichen Bezirken herrſcht ein Reichthum an Bäumen, Sträuchern und Pflanzen, der nach Süden allmälig abnimmt. Die Sükdküſte ſelbſt aber bietet einen erfreuenden Anblick dar. Gleich im Weſten ſpringt die waldreiche Lyeiſche Halb— inſel aus der Küſte hervor. Immergrüne Eichen, Meerſtrandsfichten !, Oelbäume, Feigen und Platanen ſchmücken die Geſtade, während Pinus maritima et halepensis. Kleinaſien. Armenien. 309 hoher Wachholder! und die anatoliſche Ceder die obere Waldregion bilden. Eben ſo beſtehen die Wälder des Taurus aus den mannig— fachſten Baumformen. Pinien 2, eine Menge Eichenarten 3, Kaſta— nien, Erlen *, Haſelnußſträucher °, Ahorn und Eſchens bilden die Hauptmaſſe des Gebirgswaldes, während an den Rändern iſolirt der Johannisbrotbaum, die Mispel 7, die Lorbeerkirſche und Legumino— ſenſträucher ® auftreten, die Ufer der Bergſtröme dagegen mit Plata— nen, Tamarisken“ und Oleandern geſchmückt find. In der Mitte der Halbinſel zeichnet ſich beſonders das weidereiche Plateau von Angora aus, welches mit den im Nordweſten der Halbinfel gelegenen Landſchaften ein mildes Klima, Reichthum an Waſſer, eine üppige Vegetation beſitzt und zu den ſchönſten Ländern dieſer Zone gerechnet zu werden verdient. Kleinaſien iſt das Vaterland des Kirſchbaums und der ächten Kaſtanie; alle Obſtbäume gedeihen hier aufs beſte; der Wein iſt vortrefflich, wird aber nur von den Griechen benutzt, während die Osmanen ſich auf den Genuß der Trauben beſchränken. Außerdem ſind Getreide, Tabak, Oliven, Baumwolle, Mohn, Saf— ran !, Krapp die wichtigſten Culturgewächſe. Weiter öſtlich ſteigt das Plateau von Kleinaſien zur Hochebene von Armenien an, deren Culminationspunkt der weltberühmte Ara— rat iſt. Aus einer großen, ſelbſt 2740“ hoch gelegenen Ebene, welche von dem zum Kur fließenden Aras in einem großen Bogen durch— ſtrömt wird, erheben ſich die beiden Gipfelpunkte, der kleine und der große Ararat, jener 12,232, dieſer 16,069“ hoch. Die gewaltigen Trümmerhaufen, welche die Abhänge bedecken, ſind ſämmtlich vulka— niſcher Natur, und über 13,300’ hinaus erhebt ſich das Silberhaupt des großen Ararat. An feinem Fuße liegt das armeniſche Dorf Ar— guri, deſſen Kirche der Sage nach noch gegenwärtig die Stelle be— zeichnet, wo Noah nach der Sündfluth dem Herrn einen Altar baute; und die Weinberge in ſeiner Umgebung verdanken ihm ihre Entſte— hung. Selbſt der Name *) des Dorfes erinnert an die bibliſche Stelle: „Noah aber fing an und ward ein Ackersmann und pflanzte Weinberge.“ Das armeniſche Hochland, von nördlichen und ſüdlichen Juniperus excelsa. Pinus Pinea. 2. Cerris, pedunculata, Ilex, Suber, Aegilops, infectoria etc. “ Alnus cordifolia. > Corylus Colurna. ° Fraxinus parvifolia. Mespilus pyracantha. “ Cercis siliquastrum. ° Ta- marix gallica. 1 Crocus sativus. ) argh heißt im Armeniſchen: er hat gepflanzt und urn heißt die Rebe. 310 IV. Die wärmere temperirte Zone. Randgebirgen begrenzt, die ſchroffer zum ſchwarzen Meere und den georgiſchen Thälern, ſanfter gegen das meſopotamiſche Tiefland ab— fallen, zeichnet ſich vor Klein-Aſien vortheilhaft durch feinen Waſſer⸗ reichthum wie durch ſein fruchtbares Erdreich aus. Das Klima der Hochebenen von Kars, Erzerum und Bajaſet, welche den Ararat nach Norden, Weſten und Süden umgeben, iſt kalt. Der Winter dauert gewöhnlich volle acht Monate, vom October bis zum Mai, und die Nordoſtſtürme vom caspiſchen Meer zum Goktſchai-See, welche den Waſſerdampf den genannten Hochflächen zuführen, veranlaſſen auf den— ſelben unermeßliche Schneeanhäufungen. Dagegen braucht das Ge— treide ſtellenweiſe nur zwei Monate von der Saat bis zur Ernte, um zur Reife zu gelangen, und die Hochebene von Erzerum liefert ergie— bige Weizenernten. Die kurze Dauer der Wärme läßt hier keinen Wald aufkommen, und die natürliche Flora beſchränkt ſich auf alpine Gewächſe. Der Uebergang vom Winter zum Sommer erfolgt raſch. Im Mai beträgt die mittlere Temperatur von Erzerum 5° —6°,5, im Juni 130 — 14 und im Juli und Auguſt 17 — 199. Sobald in Folge der großen Sommerhitze die Hochflächen verdorrt ſind, ſtrömen die Heerden von allen Seiten zuſammen und weiden im Spätſommer auf den reichen Alpentriften in der Umgebung des Goktſchai-Sees. Die Gebirgsabhänge Armeniens erſcheinen faſt eben ſo baumlos wie die Hochflächen, doch ſollen nach den Verſicherungen der Eingeborenen in jetzt völlig kahlen Gegenden einſt Wälder geſtanden haben. In geſchützten Thälern dagegen findet man in einer Höhe von 6000’ hochſtämmige Wallnußbäume, Aprikoſen, Weiden! und ſelbſt italie— niſche Pappeln, die letzteren freilich nur niedrig; und am Fuße des kleinen Ararat findet ſich ein Birkenwäldchen in einer Höhe von 7800“ Die wichtigſten Culturpflanzen Armeniens ſind Reis, Flachs, Tabak und andere Gewächſe nördlicher Klimate. Am Urmia-See, an der Grenze dieſes Plateau's beginnt ſchon die Steppenvegetation?, die mit der von Meſopotamien und Babylon eine auffallende Ueberein— ſtimmung zeigt, ungeachtet der Unterſchied des Niveau's faſt 4000’ beträgt. In der Umgegend von Moſſul, am Südrande des Plateau's, keimen ſchon im Februar die Frühlingspflanzen. Anemonen, Nar⸗ ciſſen und Ranunkeln bilden den einzigen Schmuck der Steppe, die oft meilenweit aus einer einzigen Orasart 3 beſteht. Vom März zum April kommen Aprikoſen und Mandelbäume zur Blüthe, die Feigen Salix alba. 2 Salsola, Salicornia. Avena. Der Kaufafus. 311 Schlagen aus, und die Waſſermelonen keimen. Aber ſchon im Mai beginnt die trockene Jahreszeit, Euphorbien und Compoſiteen n wer- den herrſchend, und bis zu Ende des Monats muß die Getreideernte beendet fein. Inzwiſchen iſt die mittlere Temperatur bis auf 24° ge— ſtiegen, und alle Gewächſe bis auf einige Mimoſen und wenige an— dere 2 verdorren. Im Juli ſteigt die Hitze auf 32, und von da an erſtirbt alle Vegetation, bis der nächſte Februar ſie zu neuem Leben erweckt. Im Norden des armeniſchen Hochlandes erhebt ſich jenſeit des zum Kaspi⸗See ſtark geneigten Kurthales der Kaukaſus, der ſich in einer Ausdehnung von 150 Meilen von der Oſtküſte des ſchwarzen Meeres bis an die Geſtade des Kaspi-Sees erſtreckt und die natür— liche Scheidewand zwiſchen Aſien und dem ſüdöſtlichen Europa bildet. Seine zahlreichen Gebirgsketten, Gipfel, Thäler und Schluchten zei— gen eine Mannigfaltigkeit der Formen, deren Eindruck als großartig und erhaben geſchildert wird. Jäh und ſchroff ſteigen die Felswände empor, von deren Höhe die Raubſchlöſſer kühn herabblicken; ſchaurig iſt die Kühle der Felſenpäſſe, die von dem donnerähnlichen Getöſe ſchäumender Cascaden wiederhallen, während an anderen Stellen ſanft anſteigende Thalgänge mit zahlreich zerſtreuten Dörfern bedeckt ſind, hinter denen ſich die mit ewigem Schnee gekrönten Gipfel majeſtä— tiſch erheben. Auf dem Hochgebirge finden ſich bei 2700“ Höhe Ei— chen 3 mit Sanddorn! gemiſcht, über welchen bei 5400’ unſere Kie— fer erſcheint. Bei 6000“ werden noch Gerſte und Hafer gebaut, und Wachholder und Alpenroſen S bilden Geſträuche. Einige Hundert Fuß höher bildet die Birke“ die Baumgrenze, worauf ſtrauchartige Ebereſchen und Weiden , und über 8000“ Alpenroſen, Heidel- und Preußelbeeren erſcheinen. Die Schneegrenze ſchwankt zwiſchen 9960 und 10,380“. — Ueberall in den Thälern des Kaukaſus herrſcht eine üppige Cultur. Die Seidenzucht wird in großartigem Maßſtabe be— trieben, und an den ſüdlichen Abhängen gedeihen neben dem Maul— beerbaum Reis, Baumwolle und Zuckerrohr. Der Oelbaum wird in ganz Tſcherkeſſien cultivirt, obgleich im Norden des Kaukaſus die Temperatur im Winter auf — 22 herabſinkt. Die Landſchaften Mingrelien und Imeretien ſind das eigentliche Vaterland des Wein— Chrysanthemum, Gnaphalium, Crepis, Centaurea. 2 Artemisia, Nigella damascena. . robur. * Hippopha@ rhamnoides. Juniperus oblonga. 6 2 N Azalea pontica. “ Betula alba. ° S. caprea. 312 IV. Die wärmere temperirte Zone. ſtocks. Die Rebenſtämme erreichen hier eine Dicke von 3—6” und entſenden ihre Zweige bis in die Gipfel der höchſten Bäume, deren Kronen oft ganz mit Weinlaub durchſchlungen und im Herbſt mit wohlſchmeckenden Trauben behängt ſind. Von einer eigentlichen Cul⸗ tur des Weinſtocks iſt hier gar nicht die Rede, denn der Ueberfluß an wild wachſenden Trauben iſt ſo groß, daß ſelbſt der arme Landmann nicht alle Früchte einſammelt, die ſich in ſeiner Nähe befinden. Eine große Anzahl Trauben bleiben den ganzen Winter hindurch hängen und werden oft erſt kurz vor Oſtern von den Bäumen abgeſchlagen. Ueber den Weinbergen Imeretiens erheben ſich Wälder, aus Eichen, Buchen, Ahorn, Linden, Erlen, Kaſtanien, Pappeln und verſchiedenen Obſtbäumen gemiſcht. Weiter nach Oſten zeigen die Wälder in Geor— gien einen regelmäßigeren Baumwuchs. Eichen, Hainbuchen! und Ahorn bilden die Hauptformen; Ulmen, Rothbuchen und tatariſcher Ahorn wachſen einzeln dazwiſchen. Immergrüne Geſträuche und Lia— nen vermißt man in Georgien, dagegen wechſeln ſchöne Bergwieſen mit den Waldungen ab. Ueberall findet man Obſtbäume gepflanzt, beſonders Pfirſiche und Aprikoſen, und in der Umgegend von Eriwan finden ſich die herrlichſten Gärten, deren Beſitzer dem Obſt und dem Wein die ſorgfältigſte Pflege widmen. — Oeſtlich von Tiflis ſind die Berge Kachetiens mit herrlichen Wäldern bedeckt. Nußbäume, Eichen, Eſchen, Ahorn, Buchen und viele andere hochſtämmige Bäume wachſen hier in reicher Mannigfaltigkeit durcheinander, und auf dem Boden wuchert eine Vegetation krautartiger Gewächſe mit mannsho— hen Farrnkräutern, rieſigen Doldengewächſen und Alles durchſchlin— genden Brombeerſträuchern, ſo daß ein Reiter kaum über dieſen Wald von Kräutern hinwegblicken kann. Und das Alles in einer Höhe von 4350“ über dem Meere. In Oſſetien vermißt man die ſchönen Wäl— der, die aber in den nördlichen Vorbergen des Kaukaſus wieder auf— treten. Auch die Wieſen der Kabarda, die an der Militairſtraße des Kaukaſus liegen, zeigen einen üppigen Pflanzenwuchs. Die Gräſer, welche mit unſeren mitteleuropäiſchen Formen übereinſtimmen, ſchie— ßen mannshoch empor, und kräftige Stauden bekannter Steppenge— wächſe > ſtehen dazwiſchen, die aber hier nicht im Sommer zu Grunde gehen, indem die Kabarda vom Kaukaſus her wohl bewäſſert wird. Von Armeniens Hochflächen führt ein äußerſt fruchtbarer, kaum 8 Meilen breiter Landſtrich zwiſchen dem ſüdlichen Geſtade des Kaspi— Carpinus Betulus. e Artemisia, Cynara, Astragalus. Turan oder Turfeftan. 313 Sees und dem Elburs nach Turan. Undurchdringliche Wälder der mannigfaltigſten europäiſchen Bäume erfüllen dieſen Landſtrich, zahl— reiche Farrn bedecken den Boden, und üppig wuchernde Schlingpflan— zen klimmen an den Bäumen empor. Kiefern und Tannen vermißt man hier; aber Orangen, Citronen, Oliven, das Zuckerrohr und die Baumwollenſtaude, Oel- und Feigenbäume, der Weinſtock und alle Obſtbäume des mittleren und ſüdlichen Europa gedeihen hier in üp— pigſter Fülle. Hiermit iſt aber auch die Pracht des weſtlichen Aſiens zu Ende, denn jenſeit des Kaspi-Sees hören die Bedingungen auf, welchen dieſer Vegetationsſchmuck feinen Urſprung verdankt. Die Wolken, die ſich über dem großen See bilden, werden von dem mäch— tigen Elburs aufgehalten und entladen ſich an ſeinen nördlichen Ab— hängen in reichlichem Maße, wodurch der Contraſt dieſes Landſtrichs mit dem nahen Plateau von Iran, ſo wie mit der Tiefebene von Turan ſich leicht erklärt. f Turan oder Turkeſtan, die große Ebene, in deren Mitte der Aralſee liegt, wird im Süden von dem perſiſchen Gebirgswall be— grenzt, welcher gleichſam die Brücke zwiſchen dem Plateau von Weſt— aſien und dem von Inneraſien bildet und zugleich die Tiefebene Hin— duſtans von Turan trennt. Im Oſten grenzt dieſe Ebene an das wilde Hochgebirge des Bolor-Tag, ſo wie an die weſtlichen Abfälle des Thian Schan und des Altai, im Weſten reicht ſie bis an den Kaspi-See, und im Nordweſten und Norden geht fie unmittelbar in die Steppen Südrußland's ſo wie in die Flächen Sibiriens über. Das ganze Gebiet erſcheint als ein weitgedehntes Becken, deſſen Bo— den einſt vom Meere bedeckt geweſen ſein muß. Derſelbe erhebt ſich nur wenig über den Spiegel des Oceans; ja der Kaspi-See liegt 95“ tiefer und der Aral-See nur 15’ höher als das Niveau des ſchwarzen Meeres. Das Erdreich Turkeſtans, aus verhärtetem Thon beſtehend, der mit Sand gemiſcht und ſtark von Salz durchdrungen iſt, zeigt an vielen Stellen Ueberreſte von Schalthieren, wie ſie nur das Meer erzeugt. Eine große Menge von Salzſeen ſind über die Fläche verbreitet, und der Boden iſt überall derſelbe; nur der größere Thongehalt bedingt an einzelnen Stellen größere Fruchtbarkeit. Den traurigſten Anblick bietet der weſtliche Theil von Turkeſtan dar. Der Boden, aus hartem Erdreich beſtehend, iſt mit beweglichen Sand— Dünen bedeckt; der größte Theil leidet völligen Waſſermangel, an an— deren Stellen iſt das Waſſer von ſtarkem Salzgehalt. Von beſſerer Beſchaffenheit iſt die Bucharei zwiſchen den beiden Hauptflüſſen Tu— 314 IV. Die wärmere temperirte Zone. rans, dem Sir Deria und dem Amu Deria, dem Jaxartes und Oxus der Alten, und noch fruchtbarer im Süden des letzteren. Einzelne Hügelgruppen, die in der weiten Ebene zerſtreut liegen, bieten den nomadiſirenden Völkerſchaften Waſſer und Weideplätze dar. Hin und wieder durch Fichtenwälder unterbrochen, zeigen die Kirghiſen-Steppen faſt nirgend den einförmigen Charakter, welchen die Llanos und Pam⸗ pas Amerika's darbieten. Die Vegetation iſt hier nicht auf die Halb— gräſer beſchränkt, ſondern es herrſcht gruppenweiſe eine große Man— nigfaltigkeit kraut- und ſtrauchartiger Gewächſe. In den ſchöneren Theilen der Ebene zeigen ſich niedrige Sträucher aus der Familie der Roſaceen “, reich mit weißen Blüthen geſchmückt, und Tulpen, Kai— ſerkronen und Cypripedien wachſen dazwiſchen. In einzelnen Gegen— den erheben ſich die blühenden Kräuter zu mächtiger Höhe, beſonders Compoſiteen ? und ein Heer von Traganthſträuchern 23. Oft ſtehen dieſe Gewächſe ſo dicht gedrängt beiſammen, daß ſie förmliche Kraut— wälder bilden, und wenn die niedrigen tatariſchen Fuhrwerke auf un— gebahnten Pfaden ihren Weg durch die Steppe nehmen, ſo kann man nur aufrechtſtehend um ſich blicken und ſieht die Pflanzen ſich vor den Rädern niederbeugen. Wo die Steppe von Flüſſen durchſtrömt wird, da breiten ſich oft lachende Oaſen aus. Die bedeutendſte derſelben iſt das Chanat Chiwa, ſüdlich vom Aralſee, an dem linken Ufer des Amu. Zu Ende des März, wenn man von der Winterkälte nichts mehr zu fürchten hat, werden hier die Weinſtöcke, Feigen und Granatbäume von ihrer winterlichen Umhüllung befreit, und Bäume und Sträucher fangen an ſich zu belauben. Schon im April fängt es an heiß zu werden, und ohne Unterbrechung ſteigert ſich die Temperatur bis zu Ende des Juli, ſo daß die Hitze faſt unerträglich iſt. Mit ungemeiner Schnelligkeit gelangen alle Früchte zur Reife, ſo daß man in der Mitte des Juni, ſpäteſtens Anfangs Juli nicht nur Weizen, ſondern auch Pflaumen, Aprikoſen, eßbare Kürbisgewächſe! und ſelbſt Weintrauben einernten kann. Aber ſchon im Auguſt läßt die Hitze nach, und der September iſt oft nicht frei von Nachtfröſten, fo daß die Ernte der Hirſe ’, des Reis und der ſpäten Weintrauben vereitelt wird. Außer den bereits genannten Culturpflanzen werden um Chiwa beſonders noch Gerſte, ' Spiraca, Crataegus, Prunus spinosa, Amygdalus nana. ? Saussurea und andere. Astragalus. * Cucumis Melo, Cucurbita Citrullus. „ Sorghum cernuum. Turan oder Turkeſtan. 315 Bohnen, Baumwollenſtaude, Seſam und Färberröthe gebaut, und die Luzerne! bildet als wichtigſtes Futterkraut die Grundlage für die Viehzucht. Dieſe Cultur wird nur möglich durch die zahlreichen Ka— näle, welche das ganze Gebiet von Chiwa durchſchneiden und das Flußwaſſer über die Ebene verbreiten. Nach Weſten, Süden und Oſten aber iſt die Culturoaſe bis an den Fuß des perſiſchen Tafel- landes von einer vegetationsloſen Sandwüſte umgeben, in der alle atmoſphäriſchen Niederſchläge fehlen. Die Sommerhitze iſt hier ſo übermäßig, daß man während des Juni im Sande Temperaturen von mehr als 50° R. beobachtet hat. Im ſüdweſtlichen Theile Turans wird der Wüſtencharakter durch die Nähe der Nordabfälle des Plateau's von Iran gemildert, und die Flüſſe Gurgan und Attrek, welche hier dem Kaspi-See zuſtrömen, ge— ſtatten einige Cultur des zwiſchen ihnen liegenden Gebiets. Daſſelbe gilt auch von dem nordweſtlichen Theile, wo ſich einige Zweige des Ural in die Ebene hinein erſtrecken; doch iſt der Boden hier überall trocken, es fehlt an Thau und Regen, und die Nähe der Wüſte ver— anlaßt das baldige Abſterben der etwa hervorſprießenden kümmerlichen Vegetation. Der zwiſchen dem Kaspi- und dem Aralſee gelegene Theil der Kirghiſenſteppe führt den Namen Uſt-Jurt, d. h. Hochebene. Etwa 500“ über der Fläche von Orenburg gelegen, gewährt dieſes Plateau an ſeinem Südrande den Anblick einer Terraſſe, die wie eine klippige Küſte, an welcher einſt die Meereswogen ſich brachen, faſt ſenkrecht aus der Tiefebene emporſteigt und an ihrem Fuße reich an Quellen fügen Waſſers iſt. Ungeheuer find die Temperaturextreme, welche man hier beobachtet hat, eine Winterkälte von 35° und eine Sommerhitze von 37° R., welche die Steppe vollſtändig verbrennt. Meilenweit iſt hier der Boden mit Salzpflanzen ? bedeckt, und zwiſchen den muſchel— reichen Felſen am Aralſee vegetiren Tamarisken 3 und Saxaul- Ge: büſche, von denen die letzteren wie ein grün angeſtrichenes Bündel Reiſer ausſehen. Die Stämme erheben ſich bis zur Höhe von 15’ und bilden, obwohl grün und blühend, einen Wald, der weder Laub noch Nadeln hat und einige Aehnlichkeit mit den Caſuarinen zeigt. Am ſüdlichen Geſtade des Aralſees zieht ſich ein breiter Schilfwald > entlang, welcher die ſumpfigen Niederungen bedeckt und an den Fluß— Medicago sativa. 2 Salsola Arbuscula, Atraphaxis spinosa. 3 Tama- rix ramosissima. * Anabasis Ammodendron. “ Phragmites. 316 IV. Die wärmere temperirte Zone. ufern hinſtreift. Das Rohr erreicht hier wie am kaspiſchen und ſchwarzen Meere eine Höhe von 15 — 20“. Nicht weit von der Mün⸗ dung des Amu Deria befindet ſich ein mit Weiden gemiſchter Pap- pelwald !, deſſen Stämme über 20’ Höhe haben; weiter ſüdlich aber trifft man kein wildgewachſenes Holzgewächs mehr an. Die wenigen Berggruppen der Kirghiſenſteppe bieten den Bewoh— nern derſelben im Winter Schutz gegen die Schneeſtürme. Beſtändig herrſchen hier Nordwinde, ſo daß man in Zeit von 8 Monaten nur 10 mal eine entgegengeſetzte Windrichtung beobachtet hat. Wo die Hügel fehlen, da flüchten die Kirghiſen im Winter in die Rohr— dickichte, welche die Seen und zahlreichen Moräſte umſchließen. Der Sir Deria belegt ſich jedes Jahr mit einer Eisdecke, die ſo ſtark iſt, daß ganze Kameel-Karavanen darüber hinſchreiten können; aber die Winterkälte ſinkt hier auch gewöhnlich bis auf — 20°, während eine Sommerhitze von 24° Monate lang anhält. Kein Wölkchen trübt im Sommer und Herbſte den heiteren Himmel; nur zu Anfang des Frühlings fällt etwas erquickender Regen, aber auch nur in geringer Menge. Ohne künſtliche Bewäſſerung iſt daher eine Cultur der Steppe unmöglich. Erſt gegen Oſten, wo ſich Turkeſtan zur Grenze von Inner-Aſien erhebt, treten mit dem trefflichen Waſſer auch reich— liche Viehweiden auf. Zwiſchen den beiden mächtigſten Gebirgsſyſtemen Aſiens, dem des Himalaya und dem des Altai, erſtreckt ſich das Tafelland von Hochaſien. Unter den Gebirgszügen, welche das Plateau mehrfach durchſchneiden, treten beſonders zwei hervor, der Küen lün und der Thian Schan. Das zwiſchen dem erſteren und dem Himalaya gele— gene Tübet haben wir bereits in der vorigen Zone betrachtet. Nörd— lich davon liegt zunächſt zwiſchen dem Küen lün und dem Thian Schan die hohe Tatarei und zwiſchen dem letzteren und dem Altai die Dſchungarei. Der Thian Schan oder das Himmelsgebirge, von den Tataren Mus Tagh oder Eisgebirge genannt, indem ſein höchſter Gipfel, der Bokhda Oola mit ewigem Schnee bedeckt iſt, zieht ſich auf dem 42d. Br. von Weſten nach Oſten. Unter 112° öſtl. L. fällt das Gebirge im Norden von Khamil plötzlich ab und verflacht ſich in die große mongoliſche Wüſte; im Weſten dagegen erſtreckt es ſich bis zur Bucharei, wo es bei 85° öſtl. L. zur Tiefebene abfällt. Die weitgedehnte Hochfläche, welche ſich zwiſchen dem Himmelsgebirge Populus nigra, P. alba. Das Tafelland von Hochaſien. 317 und dem Altai erſtreckt, iſt gegen Oſten erſt zwiſchen 135° und 140° öſtl. L. von dem Khinghan vola geſchloſſen, im Weſten dagegen öff— net ſie ſich unmittelbar gegen Turkeſtan, und zwar gegen den Unter— lauf des Sir Deria, ohne durch ein Querjoch abgeſchloſſen zu ſein. Der ſüdlichere Theil dagegen, welcher unter dem Namen der hohen Tatarei bekannt iſt, wird im Weſten durch den von Norden nach Süden ſtreichenden Bolor Tagh begrenzt, einem wilden, unzugäng— lichen Gebirge, welches mit ewigem Schnee und Gletſchermaſſen be— deckt iſt. Die beiden in dieſer Zone noch zu betrachtenden Hochflä— chen Inner-Aſiens ſind weniger durch Nebenketten und abgeſonderte Bergmaſſen verengt als Tübet, welches zugleich die höchſte Terraſſe bildet. Niedriger liegt die hohe Tatarei; und die Dſchungarei, das unterſte Stufenland, hat eine mittlere Höhe von nicht mehr als 1500’. Uebrigens iſt noch zu bemerken, daß die Erhebung jedes ein— zelnen Plateau's nicht überall dieſelbe iſt. Das Plateau zwiſchen dem Küen lün und dem Thian Schan iſt in ſeiner Mitte eine Wüſte, welche dem mehrere Tauſend Meilen langen pflanzenleeren Gürtel angehört, der mit geringfügigen Unter— brechungen ſich von den Geſtaden des rothen Meeres bis nach Peking hinzieht, ohne Unterſchied der Hoch- und Tiefländer, des felſigen und des angeſchwemmten, des ſalzhaltigen und des ſalzloſen Bodens. Am Fuß der Gebirgsränder dieſes Plateau's aber breiten ſich Cultur— länder aus, deren Fruchtbarkeit ſchon im grauen Alterthum berühmt war. Khotan, nördlich vom Küen Lin, Darfand an dem Ufer eines dem Lop Noor zuſtrömenden Fluſſes, und Kaſchgar am öſtlichen Fuße des Bolor Tagh zeichnen ſich durch ein äußerſt mildes Klima aus, ſo daß die Baumwollencultur neben vortrefflicher Seidenzucht blüht, und Weintrauben und Granatäpfel vorzüglich gedeihen. Die Tatarei iſt das Vaterland zweier wichtiger Arzeneipflanzen, des Rhabarbers ! und des Ginſengs?, welcher letztere zwar für uns feine Berühmtheit verloren hat, in China aber gegen eine Menge von Krankheiten an— gewendet wird. Der öſtliche Theil von Inner-Aſien oder die Mongolei reicht im Norden bis an die Tola, welche ſich in den zum Baikalſee flie— ßenden Orchon ergießt. Von hier führt die Handelsſtraße nach Pe— king. Das ganze Gebiet der Mongolei, von den Mongolen Gobi, Rheum palmatum, Rh. undulatum, Rh. hybridum; Rh. australe (ächte Rhabarberwurzel) in Tübet. 2 Panax vera. 318 IV. Die wärmere temperirte Zone. von den Chineſen Schamo genannt, entbehrt jedes fließenden Ge— wäſſers und iſt durch gänzlichen Waldmangel charakteriſirt. Der flache Boden, durchſchnittlich 4000’ über dem Meeresſpiegel gelegen, iſt mit Steintrümmern bedeckt, die oft plattenförmig zu Tage ſtehen. Häufig treten beſonders Porphyr und Jaspis auf; und andere Strek— ken ſind ausſchließlich mit Chalcedonen, Carneolen und Achaten be— deckt, zwiſchen welchen niedrige Stauden oder harte Halbſträucher ein- zeln hervorſprießen, die aber nirgend einen Raſen bilden. An noch anderen Stellen zeigt ſich ein feſter, kahler, vielfältig zerriſſener Lehm— boden, aus welchem das Salz flechtenartig aufſprießt und wie friſch gefallener Schnee die öde Fläche verhüllt, ſo daß ſie ſchon von fern dem Wanderer entgegen leuchtet. Niedrige Salzpflanzen! find die einzigen Gewächſe, welche fleckweiſe dem dürren Boden entſprießen. Die tiefſte Senkung des mongoliſchen Plateau's liegt höchſtens 2400“ über dem Meeresſpiegel. Die Salzſeen, welche es noch gegenwärtig einſchließt, deuten auf ein großes Binnenmeer hin, welches einſt die— ſen Boden bedeckte, der nach Norden bis zu 34807, nach Süden bis zu 4200“ anſteigt. Ja, bei den Mongolen geht ſogar die Sage, der urſprüngliche Zuſtand werde einſt wieder hergeſtellt werden. Auffal- lend iſt die Aehnlichkeit des Terrains wie der Gewächſe, welche ſich dem Reiſenden aufdrängt, wenn er von dem tiefſten Punkte des Pla⸗ teau's einerſeits nach Norden, andererſeits nach Süden emporſteigt. Auf dem Wege nach Peking gelangt man an die Trümmer des älte— ſten Theils der großen chineſiſchen Mauer, welche hier in einer Höhe von 5100“ nicht nur eine politiſche, ſondern zugleich eine wichtige pflanzeugeographiſche Grenze bildet. Hier findet kein allmäliger Ueber— gang zur chineſiſchen Flora ſtatt, ſondern aus der öden Steppe, wel— cher ſich am Randgebirge einige Alpenpflanzen? zugeſellen, tritt man mit einem Schritt an den Südabhang Hochaſiens, wo dem Auge die ganze Mannigfaltigkeit einer ſüdlichen Vegetation plötzlich entgegen— tritt. Schon an dem Nordabhange des Gourgou-Gebirges, welches nach Süden hin dem eigentlichen Randgebirge des Plateau's vorliegt, zeigen ſich neben Ulmen, Pappeln und Trauerweiden die acacienarti— gen Sophoren ?, welche die ſchöne gelbe Farbe zu den kaiſerlichen Gewändern liefern. Am Südabhange dieſer inneren Vormauer aber, welche ſteil zur Ebene von Peking abfällt, tritt dem Wanderer eine Chenopodium, Salsola, Atriplex, Salicornia, Corispermum pungens und Arundo- Arten. 2 Papaver nudicaule. 5 Sophora japonica. Die Japaniſchen Inſeln. 319 herrliche Fülle mannigfacher Baumformen entgegen. Neben den mäch— tigen Stämmen des düſteren chineſiſchen Wachholders! erſcheint der hellgrün belaubte Gingkobaum? mit keilförmigen, zweilappigen Blät— tern, der hohe und ſchattenreiche Ailantobaum ?, die ſchönbelaubte Kölreutera * mit gefiederten Blättern und gelben Blumen, der herr— liche Catalpaſtrauch mit einer Menge weißer Blumenrispen, ſtache— lige Gleditſchien e, zart gefiederte Acacien 7, glänzende Magnolien, und außer der chineſiſchen Dattelpflaume werden Wallnüſſe, Kaſta— nien und der Weinſtock cultivirt. Den Oſtrand von Aſien bilden innerhalb dieſer Zone einerſeits die lachenden Ebenen des nordöſtlichen China, die wir bereits bei der ſubtropiſchen Zone mitbetrachtet haben, andererſeits gegen Norden das ſüdliche Gebiet der Mandſchurei, welches den Uebergang von China's reich bevölkerten Culturländern zu den kalten Jägerſteppen Nordaſiens bildet. Die Betrachtung dieſes Theils verſchieben wir ſeines entſchie— den nordiſchen Charakters wegen bis zur folgenden Zone. Der oſtaſiatiſchen Küſte gegenüber liegen endlich bis über die Südgrenze der wärmeren temperirten Zone hinaus die Japaniſchen Inſeln, ſämmtlich von Gebirgen durchzogen, deren vulkaniſche Thä— tigkeit noch nicht erloſchen iſt. Auf der ſüdlichſten derſelben, Kin für, erblickt man an dem Gipfel eines hohen Berges mehrere Krater, welche ſchwarzen Schlamm und Rauch ausſtoßen. Nipon iſt ihrer ganzen Länge nach von einer Gebirgskette durchzogen, deren Kamm— höhe durchweg dieſelbe iſt. Die Gipfel, welche ſich darüber erheben, ſind mit ewigem Schnee bedeckt. Der höchſte Gipfelpunkt, der Fuſi no yama, gehört nicht dieſer Kette an; er erſcheint wie eine unge— heure, mit ewigen Schneefeldern bedeckte Pyramide und iſt einer der bedeutendſten und thätigſten Vulkane dieſer Inſeln. Jeſſo endlich er— ſcheint in ihrem Innern als ein großes, von hohen Gebirgen umge— benes Plateau. Das Klima dieſer Inſeln iſt bei weitem milder als das des be— nachbarten Feſtlandes. Rings vom Meere umſpült, ſind ſowohl die Sommer als auch die Winter milder; nichtsdeſtoweniger übt das Kälte erregende aſiatiſche Feſtland auch auf dies Inſelklima feinen Einfluß aus, ſo daß die Winter von Nangaſaki, welches noch in der Juniperus chinensis. 2 Salisburya adianthifolia. Ailantus glandulosa. * Koelreutera paniculata. ° Catalpa syringaeſolia. „Gl. sinensis. Ac. Nemu. Magnolia Yulan. “ Diospyros Kaki. 320 IV. Die wärmere temperirte Zone. ſubtropiſchen Zone und zwar an der Weſtküſte von Kiu ſiu liegt, nicht frei von Schnee und Eis ſind. Die mittlere Wintertemperatur beträgt hier 3% wie in Irland und Schottland, welche um 20 — 24 Breitengrade weiter nördlich liegen; die Sommerwärme ſtimmt dage— gen mit der von Peking überein, ſo daß die mittlere Temperatur des heißeſten Monats auf 244°, das Maximum ſogar bis auf 344° ſteigt. Die Flora der japaniſchen Inſeln iſt reich zu nennen. In nie— derländiſchen Herbarien finden ſich bereits 2400 japaniſche Pflanzen, die größtentheils den Inſeln eigenthümlich ſind. Ein Zuſammenhang mit der Flora Sibiriens findet alſo nicht ſtatt, und nur ſehr wenige Arten ſind europäiſch. Die vorherrſchenden Familien ſind Compoſi— teen, Gräſer, Roſaceen, Leguminoſen, Liliaceen, Halbgräſer, Labiaten u. ſ. w. In den füdlicheren Bezirken zeigt ſich noch der ſubtropiſche Charakter. Hier finden ſich Bananen, die freilich keine Früchte mehr tragen, Palmen, Pandanen, Drachenbäume , Lorbeergewächſe? und 15 verſchiedene Arten von Bambuſen, die hier viel weiter nach Nor- den gehen als auf dem Feſtlande, aber ſelten zur Blüthe gelangen. Die Theeſtaude, welche in Gemeinſchaft mit Camellien und unſerem Bocksdorn? auf Kin fin alle Gartenhecken bildet, gedeiht auf ganz Nipon bis zu 40 Br. Beſonders charakteriſtiſch aber iſt die große Anzahl von Holzgewächſen, unter denen die japaniſche Flora allein 30 Arten von Nadelhölzern! aufzuweiſen hat. Sie bedecken die Hö— hen der Gebirge, vorzugsweiſe in den nördlicheren Diſtrieten. Auf Jeſſo, obgleich mit Rom unter gleicher Breite gelegen, herrſcht ein langer und ſtrenger Winter, die Kälte ſteigt bis auf — 15, und vom November bis zum April iſt der Boden unter einer tiefen Schneedecke begraben. Mannigfach ſind die Nahrungspflanzen Japans. Reis, Weizens, Hafer, Hirſe “, Buchweizen, Eleufine ” und Sorgho-Hirſe ® find die wichtigſten Getreidearten, Bataten, Pams- und Aronswur— zeln ° die hauptſächlichſten Knollengewächſe. In Gemeinſchaft der Sagopalmen !° gedeihen nicht nur Kaſtanien, Granaten, Orangen und Melonen, ſondern auch alle europäiſche Obſtarten, und die präch— tige Seeroſe !! oder ägyptiſche Bohne bildet mit der Waſſernuß 12 Dracaena revoluta. 2 Laurus Camphora. °? Lycıum barbarum. Pi- nus Cembra, P. Strobus, P. Larix etc. 5 Triticum sativum et hibernum. 7 7 6 Panicum verticillatum. 7 Eleusine coracana. ° Sorehum vulgare. ° Arum o 10 esculentum. Cycas revoluta. Nelumbium speciosum. ? Trapa natans. Das Cordilleren-Gebiet. 321 ſo wie mit unſeren Mohrrüben und Runkelrüben die wichtigſten Ge— müſekräuter. Endlich wird hier der Seſam als Hauptarzeneipflanze allgemein gezogen. N C. Nord: Amerika. Im Ganzen parallel mit den Californiſchen Seealpen, deren wir bereits in der vorigen Zone erwähnt haben, zieht ſich die das öſtliche Geſtade des Californiſchen Golfs begleitende Küſtencordillere, nachdem der Gila und Colorado ſie durchbrochen, unter dem Namen Sierra Nevada nach Norden, wo fie bei 454° ͤn. Br. einen zweiten Durch— bruch und zwar von dem Columbia erleidet. Dieſe mächtige Kette, deren höchſte Gipfel ſich bis zu 14,540“ über die Meeresfläche erheben, erſtreckt ſich ſpäter unter dem Namen der Seealpen der Nordweſtküſte Amerika's bis zur Halbinſel Aljaska und den öſtlichen Geſtaden des Behringsmeeres unter 60° n. Br. — Die in der vorigen Zone unter dem Namen Sierra Madre aufgeführte Centralkette endet ſchon bei 33 n. Br., wo das amerikaniſche Andenſyſtem ganz unterbrochen und nur ein 6000“ hohes Plateau übrig geblieben iſt. Dieſem nach bei— den Seiten allmälig abgeflachten Prairieen-Plateau find weiter nord— wärts auf ſeinem höchſten Rücken die Rocky Mountains oder das Felſengebirge aufgeſetzt. Parallel mit dieſem Zuge und weſtlich von demſelben ſtreicht die Sierra de las Grullas oder das Kranichgebirge, welches mit den Rocky Mountains ein Längenthal bildet, das von dem Oberlauf des Rio del Norte durchſtrömt wird. Die nördliche Fortſetzung des Kranichgebirges, die Windflußberge, bilden die eigent— liche Waſſerſcheide zwiſchen dem Atlantiſchen Ocean und dem Mexi— caniſchen Meerbuſen, indem alle dieſem Zuge entquellenden Flüſſe bei ihrem Weiterſtrömen nach Oſten die Rocky Mountains durchbrechen. Der höchſte Gipfel dieſes weſtlichen Zuges, der zugleich das Kranich— gebirge von den Windflußbergen trennt, iſt der Fremont's Peak, der unter 43 Br. belegen, eine Höhe von 12,730“ erreicht. Im Ganzen ſind aber die Rocky Mountains bei weitem niedriger als die oben genannte Sierra Nevada, deren Päſſe alle um volle 2000“ höher lie— gen und deren Gipfel mit ewigem Eiſe bedeckt ſind. Die 5 — 7000’ über dem Meeresſpiegel liegenden Hochebenen, welche ſich hier inner— halb der ganzen Zone ausbreiten und den Raum zwiſchen den Rocky Mountains und der Californiſchen Schneekette oder Sierra Nevada erfüllen, bilden eine Art von breitem Längenthal, welches dürr und mit Salzſeen erfüllt iſt, deren größter 3940’ über dem Meere liegt. 21 % 322 IV. Die wärmere temperirte Zone. Dieſes ganze an 8000 I Meilen große Gebiet, welches in feiner Er— ſtreckung von Weſten nach Oſten die mericanifche Hochebene faſt um das Doppelte übertrifft, iſt vollſtändig öde und faſt menſchenleer. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieſe mächtige Bodenerhebung einen bedeutenden Einfluß auf das Klima von ganz Nordamerika ausüben muß, denn auf dem Plateau ſelbſt ſah Frémont, dem wir die nähe— ren Aufſchlüſſe ) über das eben beſprochene Gebiet verdanken, im Monat Auguſt in jeder Nacht das Waſſer ſich mit Eis belegen. Un— ter 41 n. Br. trennt ſich von den Rocky Mountains ein Zweig, der den Namen black hills oder Schwarze Berge führt. Er zieht ſich gegen N. O. bis zu 46° n. Br. und ſcheint die Höhe von 1600’ nicht zu überſchreiten. | | Die Vegetation des eben dargeſtellten Gebiets, d. h. des nörd— lichen Theils von Mexico, iſt den Terrainverhältniſſen gemäß nicht überall dieſelbe. Die Gegenden am Gila, welche gleichſam die Ein— gangspforte zu dem rieſigen Plateau bilden, haben einen Ueberfluß an Cactusgewächſen, unter welchen beſonders ein hoher Säulencactus“ auffällt, der zwiſchen 92° und 94° w. L. allgemein angetroffen wird. Pitahaya nennen die Eingeborenen dieſes Rieſengewächs, deſſen Stämme ſich von 25 bis zu 60“ Höhe erheben und einen Umfang von 6’ haben. Nach oben läuft der Stamm in einige faſt ſenkrecht geſtellte Aeſte aus und liefert wohlſchmeckende Früchte. — An der Weſtküſte von Neu⸗-Californien iſt der Waldreichthum gering, wenig— ſtens bis zum S. Francisko unter 38° n. Br. Der Fluß durchſtrömt an ſeiner Mündung eine weite Alluvial-Ebene, die offen und wie ein natürlicher Park erſcheint. Das Ufer des Stromes, der die Fläche in naſſen Jahreszeiten überſchwemmt, iſt von Weiden und Platanen? begleitet, während Eichengehölze ? mit Efchen * und Roßkaſtanien? gemiſcht die Fläche hier und da ſpärlich bewalden. Weiter nach Nor— den nimmt der Waldreichthum zu. Eichen , Eſchen, Buchen 7, Pla⸗ tanen s, Roßkaſtanien », Ahorn n“, Pappeln, Weiden und Birken * Cereus giganteus. 2 Platanus caliſornica. 5 Quercus agrifolia. * Fra- xinus latiſolia. 5 Aesculus californica. 6 Quercus montana, Q. Phellos, O. coccinea, Q. Ballota, O. palustris, O. Ilex. 7 Fagus virens, F. ferruginea. ® Platanus occidentalis. Aesculus chinensis. % Acer rubrum et nigrum. Betula nigra. *) Vergl. A. v. Humboldt, Anſichten der Natur Bd. J. S. 54 u. ſ. w. Bd. II. S. 344. Die Ebene des Miſſiſippi. 323 find die charakteriſtiſchen Laubhölzer; Fichten „, Tannen, Lärchen, Cy— preſſen ? und Wachholder? geſellen ſich allmälig hinzu, und Hage— dorn, Schlehen, Haſelnußſträucher, Erdbeerbäume, Schneeball und verſchiedene Stachelbeerſträucher bilden das Unterholz. — Jenſeit der Californiſchen Schneekette beginnt nun die große Salz führende Ter— raſſe, deren Gebiet ſich zu beiden Seiten der mit Nadelholz bekleide— ten Rocky Mountains vom unteren Oregon bis zum Miſſouri gleich— mäßig ausdehnt. In der Nähe des Coloradothales gehen die nord— amerikaniſchen Prairieen in die californiſche Salzwüſte über, weiter ſüdlich aber reichen ſie bis an die Küſtencordillere, und nach Süden gehen ſie allmälig in die mexicaniſche Flora über, was ſich durch die oben erwähnte Unterbrechung des Andenſyſtems bei 33“ Br. leicht erklärt. Ueberall aber bietet die Steppe Weidegrund dar. Zwiſchen dem eben geſchilderten Plateau und der Kette der Alleg— hanies breitet ſich die große Ebene des Miſſiſippi aus, deren Abdachung nördlich vom 42° d. Br. gegen Oſten, ſüdlich von demſelben gegen den mexicaniſchen Golf gerichtet iſt. Das Ganze iſt ein Flach— land, deſſen waſſerreiche Flüſſe ein ſo geringes Gefälle haben, daß Seeſchiffe nicht nur den Miſſiſippi, ſondern auch den Ohio aufwärts bis Pittsburg fahren können, eine Strecke, welche über 300 Meilen beträgt. Die abſolute Höhe der Ebenen um Cincinnati erreicht noch nicht 480“. Weiter nach Weſten jedoch, zwiſchen den Ozarkbergen und dem Fuß der Rocky Mountains ſteigt das Miſſiſippibecken in kleinen Plateau's empor, deren weſtlichſtes etwa 2700“ hoch gelegen ift. — Das ganze Miſſiſippigebiet iſt größtentheils mit Prairieen oder Savannen bedeckt, beſonders der nördlichere Theil, der in einer den Alleghanies ziemlich parallel laufenden Linie, die ſich von Pittsburg über S. Louis nach Teras hin erſtreckt, an die ſüdlich gelegenen Wälder grenzt. Beſonders öſtlich vom Miſſiſippi herrſchen zum Theil noch dichte Waldungen, weſtlich dagegen nur Grasfluren, in denen große Heerden von Büffeln » und Biſamſtieren“ ihre Nahrung ſu— chen. Dieſe Thiere, die größten der neuen Welt, bilden den ganzen Reichthum der nomadiſirenden Indianer. So wie die Gräſer an der nördlichen Grenze der ſubtropiſchen Pinus rubra, australis, rigida. 2 Cupressus thyoides. Juniperus virginiana. 4 Bos americanus. Bos moschatus. 324 IV. Die wärmere temperirte Zone. Zone an Höhe abnehmen, ſo nimmt die Zahl der dornigen Gewächſe zu, und die rohrartigen Gräſer erſcheinen von verſchiedenen Arten von Stechwinden ' umrankt. Aber ſchon an der Mündung des Ohio in den Miſſiſippi treten prachtvolle Pyramidenpappeln? und Weiden ? auf. Am Ohio ſelbſt wird die Vegetation mannigfaltiger und üppi- ger. Die Wälder ſind reich an Baumformen: verſchiedene Arten von Eichen und Wallnußbäumen, Buchen, Kaſtanien, Ulmen, Eſchen, Gle— ditſchien mit rankenden Trompetenreben« überzogen, deren große gelb— rothe Blumen einen üppigen Schmuck des zartgefiederten Laubes bil— den; und die Platane, einer der größten Bäume Nordamerika's, erreicht hier eine Dicke von 20“ Stammdurchmeſſer. In den Wäldern von St. Louis ſteigen dornige Roſen hoch in die Baumkronen empor und ſchmücken dieſelben zur Blüthezeit mit reicher Pracht. Der Gift— ſumach“ dagegen, welcher den angeſchwemmten Boden der Flußthäler bedeckt, macht einen traurigen Eindruck. Nördlich von 424° ſteigt das Flachland zwiſchen dem Miſſiſippi und dem Miſſouri zu vulfa- niſchen Gebilden empor, die ſtatt des lebhaften Grüns der Wieſen mit Formen von Cactus und baumartigen Lilien bedeckt ſind und leb— haft an die Hochebenen der ſubtropiſchen Zone erinnern. Auch in Nordamerika greift die beklagenswerthe Gewohnheit des Niederbren— nens der Steppen und Waldungen immer mehr um ſich, ſowohl bei den Eingeborenen wie bei den Coloniſten, und ſo gehen die Länder dieſer Zone demſelben traurigen Schickſal entgegen, welches die ent— ſprechenden Länder der alten Welt betroffen hat. Die hohen üppigen Gräſer gehen nach Weiten bis zu 80 .; von da an aber beginnt das kurze, krauſe Buffalo-Gras “, und ſtatt der mannigfachen Baum⸗ formen, welche bisher die Uferwaldungen bildeten, erſcheinen nur noch Pappeln s. Gleichzeitig beginnen auch die Cactusgewächſe, welche nun bis zum ſtillen Meere nicht wieder aufhören. Die Prairieen oder Grasfluren zwiſchen dem Ohio, dem Miſſi— ſippi und den Canadiſchen Seen ſind theils niedrige, theils hohe. Die erſteren und weniger umfangreichen ſind größtentheils naß und ohne Baumwuchs; die letzteren, bis zu 100“ höher gelegenen ſind aber meiſt von Waldungen umſchloſſen, und hin und wieder tauchen ein— zelne Baumgruppen wie Inſeln aus dem Grasmeere auf. Weſtlich ! Smilax China, Walteri, hastata. 2 Populus deltoides. Salix nigra. 4 Tecoma radicans,. 5 Platanus occidentalis. 6 Rhus Toxicodendron. 7 Ses- lerıa dactyloides. 8 Populus canadensis. Die Ebene des Miſſiſippi. 325 vom Miſſouri werden die Prairieen blumenreicher, und ihre Sommer— dürre hält weniger lange an. Die Laubhölzer werden allmälig nie— driger und finden an den ſandigen Ufern des Platte ihre Grenze. Die Stauden der fruchtbaren Prairie werden dagegen mannigfacher und der ununterbrochene Blüthenwechſel dauert den Frühling und den ganzen Sommer hindurch. Leguminoſen “, Malven-? und Cactus— gewächſe ?, Compoſiteen , Lilienarten ° und Gräſer“ bilden die Hauptformen der Prairieen, deren Boden und Klima den ruſſiſchen Steppen auffallend ähnlich find; Pappeln ', Ulmen, Ahorn“ und Zeltenbäume ! find die hauptſächlichſten Baumarten; und Weiden , Roſen 12, Brombeeren '3 und andere Geſträuche!“ begleiten die Fluß— ufer. Faſt das ganze Becken des Miſſiſippi hat einen außerordentlich fruchtbaren Boden, deſſen Dammerde an vielen Stellen bis auf 20’ Tiefe reicht, ſo daß der Boden ſchon ſeit 200 Jahren ohne Dung— mittel bebaut wird, und dennoch kein Zeichen der Erſchöpfung zu be— merken iſt. Indeſſen iſt der Ackerbau faſt durchgehends auf die Strom— ufer beſchränkt, da die atmoſphäriſchen Niederſchläge nirgend ausrei— chen. Etwa bis zum 40 reicht die Cultur der Baumwollenſtaude, und bis 37° Br. werden die Feigen * im Freien reif. Der Weizen hat zwiſchen 37“ und 43° fein zweites Vaterland gefunden, und Apfel-, Birn- und Pfirſichbäume gedeihen vortrefflich. Die Dattel— oder Perſimonpflaume 16 wächſt überall an feuchten Orten und wird auch häufig angepflanzt, und der Zuckerahorn !? iſt hier fo häufig, daß faſt jeder Coloniſt ſeinen Zuckerwald in der Nähe ſeiner Woh— nung hat. Der Weinſtock ſteigt mit 1“ dicken Stämmen oft bis zu 100“ in die Kronen der Ulmen hinauf und liefert eine reiche Menge Trauben, die ſüß und wohlſchmeckend ſind, aber wenig Saft geben. So findet man ihn jedoch nur in den dichteren Waldungen, wo der Sonnenſtrahl nie die ſchwarze Dammerde erreicht; in den fruchtbaren Flußthälern bleiben die Beeren meiſt ſauer. Eine der wichtigſten Ge— treidearten iſt hier der Waſſerhafer !“, welcher in 6— 7! tiefem Waſſer Astragalus, Oxytropis, Phaca, Psoralea, Glycyrrhiza. Sida coccinea. ® Mamillaria simplex, Opuntia missurica. * Helianthus, Rudbeckia, Heliopsis, Artemisia. Yucca. „ Sesleria, Stipa, Agrostis etc. “ Populus canadensis. »Ulmus americana et fulva. ° Negundo fraxinifolia. e Celtis occidentalis. 1 Salix longifolia. "? Rosa parvifolia. "3 Rubus occidentalis. 4 Amor- pha frutescens, Rlius glabra. Ficus Carica. s Diospyros virginiana. Acer saccharinum. 1 Zizania aquatica. 326 IV. Die wärmere temperirte Zone. auf ſchlammigem Boden wächſt und das gewöhnliche Nahrungsmittel der Indianer und der canadiſchen Jäger iſt. Zwiſchen dem Miſſiſippibecken und der Küſte des Atlantiſchen Oceans zieht ſich parallel mit der letzteren das Alleghany- oder Apalachiſche Gebirge, welches den ganzen öſtlichen Theil der wärmeren temperirten Zone mit ſeinen Ketten, Stufen und Thälern erfüllt. Die zahlreichen, parallel laufenden Ketten erheben ſich im Durchſchnitt zu 2— 3000’, ſelten über 4000“ und erreichen unter 444° Br. ihren Culminationspunkt in dem 6240“ hohen Washing— ton=Berg. Große und breite Längenthäler ziehen zwiſchen den Berg— ketten entlang, und ihre Gewäſſer durchbrechen dieſelben in Querthä— lern nach Weſten und nach Oſten. Obwohl in der Nähe des Mee— res gelegen, hat doch das ganze Gebiet der Alleghanies ſeiner öſtlichen Stellung zufolge ein continentales Klima. Die Sommer ſind heiß und die Winter kalt, und erſt in der ſubtropiſchen Zone gleicht ſich dieſer Unterſchied allmälig aus. Während unter 34° Br. die mitt⸗ lere Wintertemperatur + 9° beträgt, iſt dieſelbe bei Philadelphia unter 40° Br. ſchon auf 0° herabgeſunken. Uebrigens hat die ganze Oſtküſte ſtets regnige Winter. Die Waldungen der Alleghanies ſtimmen mit denen des Miſſi— ſippibeckens überein, doch miſchen ſich auf den Höhen ſchon mannig— fache Gewächſe der canadiſchen Flora und ſelbſt Alpenpflanzen ein. In Tenneſſee unter 36° Br. zeigt der 6000’ hohe Gipfel des Roan eine pflanzenreiche Geſträuchformation, aus Alpenroſen! gebildet. Grä— fer 2 und Halbgräſer ? bilden den Raſen; Lilien , Roſaceen ’, Nas nunkeln, Doldengewächſe, Compoſiteen ° und andere Formen? die vorherrſchenden Stauden; und außer Erlens und Zwergfichten? fonts men noch viele andere Holzgewächſe “ vor. — Die Strecken, welche europäiſche Betriebſamkeit für den Anbau gewonnen hat, liegen ſämmtlich in der Nähe großer Städte und an den Flußufern. Ob— wohl dieſelben von Jahr zu Jahr zunehmen, machen ſie bis jetzt doch höchſtens den 24ſten Theil des Gebirges aus. Die Reisfelder Caro— lina's, deren wir ſchon in der vorigen Zone gedacht haben, gehen bis 36° n. Br. Ueberall in den Thälern gedeihen die europäiſchen Ge— Rhododendron catawbiense. 2 Kira flexuosa. Carex pensylva- nica, Juncus tenuis. * Veratrum. Potentilla, Geum. „ Solidago, Rud- 8 beckia. 7 Saxifraga. Alnus crispa. “ Pinus Fraseri. e Rosaceen, Pyrus arbutifolia, Crataegus punctata, Ribes rotundifolium, Vaccinium. Auſtralien. 327 treidearten neben dem Mais in reichlicher Fülle; an den öſtlichen Ab— hängen kommen die Baumwollenſtaude, der Indigo und der Tabak hinzu, und unſere ſämmtlichen Obſtarten werden hier cultivirt. Aber ſchon mit dem 41° d. Br. wird der Vegetationscharakter ein mehr nordiſcher, und ſtatt der Culturſtrecken wird das Weideland vor— herrſchend. Südliche Halbkugel. A. Auſtralien. An der Südoſtſeite von Neu-Holland erheben ſich bedeutende Gebirgsmaſſen, die in zwei oder drei einander parallelen Zügen die Küſte begleiten. Der dem Meere zunächſt liegende Zug ſcheint der bedeutendſte zu ſein, denn ſeine Gipfel, die ſtets mit Schnee bedeckt erſcheinen, müſſen ſich wenigſtens bis zu 10,000“ Höhe erheben. Im Weſten dieſer auſtraliſchen Alpen, deren Längenerſtreckung etwa 30 Meilen beträgt, breiten ſich Plateau's und niedere Bergketten aus, die ſich allmälig zu dem Flachlande Neuhollands herabſenken. Der Bo— den dieſer Ebene, nur hin und wieder von nackten Klippenzügen, oder kleinen Hügelgruppen bedeckt, beſteht aus einem loſen, rothen und ſandigen Lehm, der mit vielen Salztheilen gemengt iſt. Obwohl die größten Ströme Neu-Hollands, nämlich der Murray mit feinen Ne— benflüſſen, die Ebene bewäſſern, ſo muß doch Waſſermangel als ein charakteriſtiſches Merkmal dieſer Zone angeſehen werden. Denn wäh— rend der trockenen Jahreszeit wird das Bett dieſer Flüſſe ſtellenweiſe bloß gelegt, ſo daß ſie nur als eine Reihe unzuſammenhängender Teiche erſcheinen; während der naſſen Jahreszeit hingegen werden die Uferlandſchaften überſchwemmt und ringsumher in Sumpfſtrecken ver- wandelt. Für die Cultur des Bodens haben daher die auſtraliſchen Flüſſe eine ſehr geringe Bedeutung, und obwohl die genannten Ge— genden nicht pflanzenleer ſind, ſo erſcheinen ſie doch wie eine Einöde, denn die Temperatur ſtimmt hier noch ganz mit der der vorigen Zone überein. Durch die Dürre des Sommers erſtirbt das vegetative Le— ben an der ganzen Südküſte Auſtraliens; erſt mit dem Eintritt der Winterregen, im April, bedeckt ſich der Boden mit friſchem, ſaftigen Raſen und bildet an vielen Stellen einen zuſammenhangenden Wie— ſenteppich. Nach und nach entwickeln ſich die Staudengewächſe, und gegen Ende des Auguſt, wo die Regentage ſchon oft mit heiterem Himmel wechſeln, überdeckt der Blüthenreichthum des befruchteten Bo— 328 IV. Die wärmere temperirte Zone. dens das Grün der Wieſen faſt vollſtändig. Mit dem September, wo die Regenzeit zu Ende iſt, erſcheinen zahlreiche Compoſiteen, und gegen den December hin, auf günſtiger bewäſſertem Boden auch erſt im Januar, ſterben die Grasflächen ab, ſo daß der Boden wie ein reifendes, aber ſehr dünn beſäetes Getreidefeld erſcheint und nur an den Flußufern noch vegetatives Leben ſich zeigt Anfangs halten ſich die dürren Pflanzenreſte noch aufrecht, wenn ſie nicht durch Steppen— brand zerſtört werden; ſobald aber die anhaltenden Winterregen auf die ſchmutzig graue Ebene herniederſtrömen, werden ſie zu Boden ge— ſchlagen und fortgeſchwemmt. Die weitläuftig ſtehenden Bäume, welche die Savannen um Adelaide bedecken, halten ſich länger und entwickeln ihre Blüthen oft erſt zu Ende des trockenen Sommers; be— ſonders iſt dies bei einigen Eucalypten der Fall. Gerade in der Mitte des Sommers, wenn der Raſen abgeſtorben iſt, ſtehen die ho— hen Bäume mit ihren Schmarotzergewächſen ! im bunteſten Blüthen— ſchmuck; aber in weiten und regelmäßigen Abſtänden ſtehen die rieſi— gen Eucalypten, ohne daß ihre Kroneu einander berühren. Dazwi— ſchen erſcheinen die höchſtens 20 — 30 hohen Caſuarinen, deren bräun— liche, ſchachtelhalmähnliche Zweige im Frühjahr einen merkwürdigen Contraſt mit dem friſchen Grasteppich bilden, und niedere Acacien 2 breiten ſchirmartig ihre Kronen aus. Von ganz anderem Charakter iſt der ſogenannte Scrub, deſſen wir bereits bei der vorigen Zone erwähnt haben. Während die Sa— vannen in ihrer Entwickelung einerſeits durch die naſſe Jahreszeit zu— rückgehalten, andererſeits, durch die Dürre des Sommers beſchränkt, ihren ganzen Blüthenſchmuck im Frühjahr auf einmal entfalten, ſteht der Serub faſt immer in Blüthe, wiewohl die meiſten Gewächſe, welche ihn bilden, vom September bis zum November ihre Blüthezeit haben. Höchſt mannigfaltig find die Gattungen? und faſt uner— ſchöpflich die einzelnen Arten derſelben, welche dieſe Geſträuchforma— tion zuſammenſetzen; nichtsdeſtoweniger iſt der Eindruck im Großen und Ganzen ein höchſt einförmiger. Der Boden, von Gräſern und Kräutern entblößt, iſt mit dicht verſchlungenen Sträuchern bedeckt, de— ren ſtarres, bläuliches Laub einen unerquicklichen Eindruck macht. Oft erreicht dies heideartige Geſtrüpp noch nicht Mannshöhe; nur Wenig kann in dieſen unheimlichen Dickichten welken, wo Wenig 2 ! Lorantheen, Acacia retinoides, A. pycenantha, ? Leptospermum, Eucalyptus, Melaleuca, Pimelia, Acacia, Myopyrum. Auſtralien. Van Diemensland. 329 ſprießt, und das ganze Jahr hindurch erblickt man daſſelbe wüſte Gedränge trockener Zweige mit dürrem, ſtarrem Laube, welches bei aller Mannigfaltigkeit der Gattungen und Arten doch ohne alles charakteriſtiſche Gepräge bleibt. Die Waldſavanne und der Scrub beſtimmen die Phyſiognomie des ganzen ſüdauſtraliſchen Gebiets, nur die Flußthäler machen hier— von eine Ausnahme. Die Eucalypten erreichen hier eine gewaltige Stärke, fo daß Stämme von 8! Durchmeſſer ſehr gewöhnlich find. Außerdem erzeugen ſich hier zur Zeit der Sommerdürre, ſobald die Flüſſe zu ſtrömen aufgehört haben, in dem hier und da zurückblei— benden Waſſer eine Menge von Sumpfpflanzen europäiſcher Gattun— gen n, wie es denn auch nicht an europäiſchen Unkräutern fehlt >. Das Meeresufer iſt hier wie in der heißen Zone von einem r phorenwalde eingefaßt. Der Boden in der Umgegend von Adelaide iſt fruchtbar, ſo daß alle Arten europäiſcher Gemüſe vortrefflich gedeihen. Weizen, Kar— toffeln, Erbſen, Bohnen werden hier gezogen; Weintrauben, Pfirſiche, Aepfel und Feigen gedeihen vorzüglich, und Kohlköpfe und Mohrrüben erreichen eine bedeutende Größe; doch tritt die Sommerdürre, die den Boden oft ſteinhart werden läßt, nicht ſelten einer günſtigen Ernte entgegen. Einheimiſche Nahrungspflanzen beſitzt Auſtralien faſt gar nicht. Den Eingeborenen dienen das von den Eucalypten ausge— ſchwitzte Gummi jo wie ein Zwiebelgewächs 3 zur Nahrung. Im Süden des auſtraliſchen Continents liegt die Inſel Van Diemensland, deren Küſten beſonders im Oſten und Süden jäh aus dem Meere emporſteigen. Drei Bergketten durchziehen die Juſel von Südoſt nach Nordweſt und ſchließen zwei Hochebenen zwiſchen ſich ein. Außer dem Baſalt, welcher rings um die Küſte die pracht— vollſten Säulenufer bildet, ſind Porphyre, Trachyte und Grünſteine die herrſchenden Felsarten, und auch der Kalkſtein iſt häufiger als auf dem nahen Continent. Auf den bewäſſerten Plateau's wie an den minder hohen Küſten im Norden und Weſten merkt man nichts von der Dürre Neuhollands, und die mittlere Jahrestemperatur von Ho— barttown beträgt 9°. Die Flora der Inſel ſtimmt im Ganzen mit ’ Alısma, Triglochin, Actinocarpus, Najas, Lemna, a. Scirpus, Schoenus, Carex, Myriophyllum, Vallisneria spiralis etc. 2 Convolvulus se- pium, Festuca fluitans, Arundo Phragmites, Panicum crus galli, Juncus elfusus, Solanum nigrum etc. Haemodorum spicatum. 330 IV. Die wärmere temperirte Zone. der des benachbarten Feſtlandes überein, nur erlangen die Eucalypten ein entſchiedenes Uebergewicht über die Acacien. Die erſteren! treten hier in rieſiger Größe auf. Stämme von 150“ Höhe, die am Fuß 66, in 5’ Höhe über dem Boden noch 47“ Umfang haben, ſind ge— meſſen worden. Außerdem beſitzt die Inſel 10 verſchiedene, ihr eigen- thümliche Nadelhölzer 2, die zum Theil nur an beſchränkten Stand— orten vorkommen, aber ſich durch ihren herrlichen Wuchs auszeichnen. Am Fuße des über 5000“ hohen Olymps, eines Baſaltberges, erſchei— nen Buchenwälder 3 mit Nadelhölzern, Eucalypten und anderen For— men * gemiſcht, und auf dem Gipfel des Berges bildet eine andere Buchenart ° 4—6“ hohe undurchdringliche Geſträuchdickichte. Wäh— rend ſo die Inſel in den höheren Berggegenden durch ihre Flora leb— haft an Europa erinnert, gedeihen bei Hobarttown die baumartigen Farrn ganz vortrefflich und mahnen an die Südſeeinſeln. Die Cul— turpflanzen ſind dieſelben wie im ſüdlichen Neu-Holland; nur gedei— hen die Südfrüchte nicht mehr recht, deſto beſſer aber unſere Obſt— bäume, beſonders der Apfelbaum. Weiter gegen Oſten erſtreckt ſich innerhalb der ganzen Breite die— ſer Zone die Inſelgruppe Neuſeeland, aus zwei großen Inſeln be— ſtehend, einer ſüdlichen, Te Wai Poenamu und einer nördlichen, Eainomavi. Von dem ſüdweſtlichſten Punkte der erſteren zieht ſich an der Weſtküſte bis 44 Br. eine ſchmale Bergkette entlang, die faſt ſenkrecht aus dem Meere emporſteigt. Weiter nordwärts iſt die Küſte überall mit Bergen eingefaßt, zwiſchen denen ſich reichbewaldete Thä— ler herabziehen, die mit Moräſten und Sumpfniederungen wechſeln. Der nördliche Theil bis zum Cap Farewell iſt wieder eine Steilküſte, deren mannigfache Einſchnitte vortreffliche Hafenſtellen darbieten. Im Innern iſt die Inſel von Süden nach Norden von einem hohen Ge— birge durchzogen, deſſen nackte Gipfel mit ewigem Schnee gekrönt und häufig in Wolken gehüllt ſind. So bietet die Inſel, vom Meere ge— ſehen, eine wilde, abſchreckende Scene dar. Nicht beſſer erſcheint ſie von der Oſtſeite. Die rauhe und wilde Gebirgsnatur iſt hier in hohen, mit Schnee bedeckten Abſtürzen ausgeprägt, die ſtatt der Thä— ler nur durch finſtere Engſpalten getrennt ſind, zwiſchen deren düſteren Felswänden ſich undurchdringliches Dickicht hinaufzieht. Zwiſchen der Eucalyptus globulus. E. Gunnii. 2 Callitris australis, C. Gunnii; Phyl- locladus asplenifolia, Dacrydium Franklinii. “ Fagus Cunninghamii. “ Car- podontos lucida, Weinmannia australis. ° Fagus Gunnii. Neuſeeland. * 331 Central- und den Küſtenketten erſtrecken ſich große Bergplateau's, die, wie die langgeſtreckten Thäler, mit denen fie abwechſeln, einen äußerſt fruchtbaren Boden haben. Auch die Ufer der Cook-Straße, welche beide Inſeln von einander trennt, ſind durch hoch aufſteigende Berg— ketten charakteriſirt, deren fruchtbare Thäler, von klaren Bächen durch— rauſcht, ſich bis zu dem ſandigen Strande herabziehen. Auf der nördlichen Inſel bildet der 13,000“ hohe Ruapaka den Gipfelpunkt der Bergkette, welche majeſtätiſch über die mit den dichteſten Hoch— waldungen bedeckten niedrigeren Berge emporragt. Noch gigantiſcher erſcheint der von dem Gebirge iſolirte, jetzt erloſchene Vulkan Hau— papa, welcher am nordweſtlichen Eingange der Cookſtraße liegt, und deſſen Höhe auf 14,000“ geſchätzt wird. Andere Krater dagegen ſto— ßen noch gegenwärtig fortwährend Rauch und Flammen aus, und heiße Quellen, Schwefel und vulkaniſches Geſtein bekunden überall die lebendige Thätigkeit des unterirdiſchen Feuers. Neuſeeland iſt trefflich bewäſſert. Eine Menge von Landſeen, von denen einige 20 Meilen im Umfange haben, finden ſich auf den Plateau's wie in den hohen Thälern der Gebirgsſchluchten, und überall ſtürzen ſchäu— mende Kaskaden von den Bergen herab, ſo daß die Natur hier wahr— haft großartig erſcheint. Dazu kommt ein äußerſt günſtiges Klima. Das Thermometer ſinkt ſelten auf 6° und ſteigt nicht leicht über 24° hinaus. Mit dieſer gleichmäßigen Temperatur verbindet ſich die Re— gelmäßigkeit der atmoſphäriſchen Niederſchläge, wodurch eine außer— ordentlich kräftige, immergrüne Vegetation hervorgerufen wird. Schon bei der Entdeckung von Neu-Seeland ſetzte die Ueppigkeit der Vegetation in Erſtaunen, um ſo mehr als die unter gleicher Breite gelegenen Länder der nördlichen Halbkugel, deren Phyſiogno— mie durch tauſendjährige Cultur völlig umgeſtaltet worden, nichts Aehn- liches aufzuweiſen haben. Die hohen und ſtarken Bäume zeigten ſich vom Fuß bis zum Gipfel reich mit Schlingpflanzen überzogen, ſo daß die gefällten Baumſtämme zwiſchen den Kronen der benachbarten Bäume hängen blieben. Doch nicht nur die Ueppigkeit der übrigens nicht artenreichen Flora #) zeichnet Neuſeeland aus, ſondern man wird hier ſogar durch eine Menge ächt tropiſcher Formen überraſcht. Strauchartige Farne erſcheinen in den mannigfaltigſten Formen! und 94 Arten. *) Es ſind nicht viel über 600 Arten bekannt, deren Zahl ſich bei der ge— nauen Durchforſchung Neuſeelands nicht bedeutend vermehren dürfte. 332 IV. Die wärmere temperirte Zone. bedecken als Stellvertreter der Gräſer unermeßliche Strecken offenen Landes, ſo daß ſie durch ihren geſelligen Wuchs einen weſentlichen Einfluß auf den Charakter der Flora haben. Auch baumartige Farrn! von 30 — 40“ Höhe wachſen tief im Walde in großer Anzahl bei— ſammen und ſind um ſo wichtiger, als das Mark ihrer Stämme den Einwohnern zur Nahrung dient wie das der Sagopalmen auf den oſtindiſchen Inſeln. Auch eine Kohlpalme? kommt in dichteren Wal— dungen faſt überall vor und geht bis über 41 f. Br. hinaus. Der Drachenbaum mit breiten, glänzenden Blättern bildet dichte Wal— dungen an den Flußufern, und der neuſeeländiſche Hanf, der hier ſein Vaterland hat, iſt in offenen Gegenden faſt überall zu finden. Auch die Mimofenform * iſt in Neuſeeland in ganzen Wäldern vertreten, fo wie auch die Miyrtenform ° ſehr weit verbreitete Waldbäume auf— zuweiſen hat. Ueberhaupt bilden Laubhölzer mit zarten Blättern und andere mit dunkelem, immergrünem Laube hier den angenehmſten Con— traſt. Lorbeergehölze faſſen die Flußufer ein, und eine Art bedeckt ſogar die obere Region der Berge an der Cookſtraße. Ein Panda— nenartiges Gewächs? bildet die häufigſte Liane des Waldes, und tropiſche Orchideen, wiewohl ſparſam, hangen noch bei 45° f. Br. von den Bäumen herab. Eben fo fehlt es nicht an Nadelhölgern ®, unter denen die Kaurifichte ° auf der Nordſpitze der nördlichen Inſel die bedeutendſte iſt. Ein Exemplar zeigte einen Umfang von 44’, der Stamm ohne Zweige maß 60’, und erſt hierauf folgte eine Krone von 41 Hauptäſten, von denen manche noch 4 dick waren. Indeſſen bilden die Nadelhölzer hier keine geſchloſſenen Wälder, ſondern wach— fen zerſtreut zwiſchen den übrigen Waldbäumen. Gräſer ne und Halbgräſer n, obwohl nicht reich an Arten, kommen gleichfalls vor, Rohrkolben 12 bedecken die Sümpfe wie in Europa, und Mangrove— wälder 13 faſſen die Küſten ein, wie zwiſchen den Wendekkeiſen. Außerdem aber hat Neuſeeland noch eine Menge von anderen Pflan— zen aufzuweiſen, unter denen mehrere n“ mit charakteriſtiſchen Ge— wächſen von allen drei Continenten der ſüdlichen Halbkugel überein— 2 Areca sapida. Cyathea medullaris, C. dealbata, Dicsonia squarrosa. Dracaena australis. * Sophora microphylla, Leiospermum racemosum (eine Counoniacee). ° Leptospermum, Metrosideros, Eugenia, Myrtus bullata. ° Laurus tawa. ' Freycinetia Banksii. ® 11 Arten. Dammara australis. 1 24 Arten. 20 Arten. 2 Typha angustifolia. '? Avicennia tomen- tosa. „ Protea, Restio, Epacris, Melaleuca, Oxalis, Passerina, Gnaphalium, Mesembryanthemum, Tetragonia, Wintera, Weinmannia, Veronica. Das ſüdliche Chile. 333 ſtimmen. — Die Cultur des Bodens hat der eben gegebenen Dar— ſtellung zufolge in Neuſeeland noch nicht weit um ſich gegriffen, doch werden außer unſeren europäiſchen Getreidearten, beſonders dem Wei— zen auch Bataten, Pamswurzel, Kartoffeln und Tabak gebaut, und auch Kürbiſſe gedeihen ganz vortrefflich. B. Sid: Amerika. Unter 414° ſ. Br., wo die Inſelbildung im Weſten der patago— niſchen Cordillere aufhört, treten die Anden von der Küſte zurück, die, durch die unterirdiſchen Kräfte gehoben, erſt im ſüdlichen Chile zur vollſtändigen Entwickelung gelangt. Schon mit dem 45° d. Br. be— ginnt die chileniſche Vulkanreihe, welche bis zu 30° |. Br. nach Nor— den geht. Den ſüdlichen Eckpfeiler der Cordillere von Chile bildet der 7084“ hohe Oſorno, welcher die Schneelinie, die hier mit 7800’ beginnt, noch nicht erreicht. Das ſüdliche Chile, wie die öſtlich davon gelegenen Ebenen von Buenos Ayres haben ein wahres Inſelklima, indem das ſüdamerikaniſche Feſtland ſich nach Süden immer mehr verengt. Die Sommer ſind kühl und die Winter milde, ein Vorzug, der ſich bis gegen 50° |. Br. äußert, von wo ab Südamerika eine unwirthbare Einöde wird. Das ſüdliche Chile bildet in Betreff ſeiner Vegetation das Uebergangsgebiet von der ſubtropiſchen Flora zu der der patagoni— ſchen Cordillere. Die chileniſche Palme !, welche auch auf der Inſel Juan Fernandez zu Hauſe iſt, erreicht ſchon vor 36° ſ. Br. ihre Po— largrenze, wird aber bis über 37“ hinaus noch angepflanzt. Baum— artige Gräſer wachſen hier noch geſellig, und in der Umgegend von Concepeion finden ſich immergrüne Wälder, von denen ſich nur we— nige Baumarten während des Winters entlauben. Eine Art Schling— ſpargel ? mit großen glänzend- dunkelgrünen Blättern und lilienähn— lichen, roſenfarbigen Blumen von 2— 3“ Länge bildet hier einen prachtvollen Schmuck der Baumkronen, während das Unterholz und das niedere Geſträuch aus Myrten, Fuchſien und anderen zierlichen Formen mit lederartigem oder zartgefiedertem Laube beſteht. Hoch— ſtämmige Buchen und lorbeerartige Gewächſe !, die aber nicht ſelten ſchon mit Mooſen bedeckt find, reihen ſich ihnen an und verforgen die ganze. Weſtküſte Südamerika's mit Nutzholz und Kohlen. Ueber— 1 . . . — — Molinaea micrococos. 2 Lapageria rosea. 3 Arbutus, Coriaria, Wein- mannia. “ Laurelia aromatica, Persea. 334 IV. Die wärmere temperirte Zone. haupt entwickelt ſich in dieſem waſſerreicheren Theile Chile's eine außerordentlich üppige Vegetation. Südlich von Concepeion, wo die Niederlaſſungen der Europäer ſeltener werden, beginnen dann die prächtigen Araucarienwälder !, die aber bis Valdivia nur auf bedeu— tenden Höhen ſich finden, ſo daß ſie ſich nicht über 2000“ von der Schneegrenze entfernen, bis zu der ſie bisweilen hinaufreichen. Die Früchte dieſes majeſtätiſchen Baumes, der eine Höhe von 150’ er— reicht, ſind faſt das einzige Nahrungsmittel der wilden Araucaner, für welche die Zeit der Reife feiner Nüſſe eine Veranlaſſung zur aus⸗ gelaſſenſten Fröhlichkeit iſt. Der Ackerbau iſt daher nur in den nörd— licheren Theilen dieſer Zone zu finden und beſchränkt ſich auf die Cultur der Gerſte, der Quinva, der Oca, der Kartoffel und des Tas baks. Außer den europäiſchen Obſtarten, die hier eingewandert ſind, iſt aber beſonders die Weincultur von Bedeutung, die bis Valdivia unter 40° |. Br. hinabgeht. Bei Concepcion gedeiht der beſte Wein von ganz Chile und bildet für die dortige Gegend einen wichtigen Handelsartikel. — Auch die Inſel Chiloe wetteifert in Betreff der Ueppigkeit ihrer Vegetation mit den tropiſchen Wäldern. Verſchiedene Arten immergrüner Laubhölzer, beſonders Lorbeergewächſe und Mag— noliaceen 2 ſind hier gemengt und mit ſchmarotzenden Monocotyledo— nen überwuchert; mannigfache Farne und baumartige Gräſer gedei— hen in ihrem Schatten, und erſt bei 45° |. Br. beginnen die einför— migen Wälder der patagoniſchen Cordillere. Aber auf Chiloe regnet es auch im Winter wie im Sommer, die Luftſtrömungen ſind ge— wöhnlich ſtürmiſch, und der Himmel iſt faſt immer in Wolken gehüllt. Es giebt kaum ein anderes Land in beiden gemäßigten Zonen, in welchem ſo viel atmoſphäriſche Niederſchläge fallen. Das ganze öſtlich von der chileniſchen Cordillere gelegene Land iſt eine grasreiche, baumleere Ebene, wie in der vorigen Zone. Es ſind die Pampas von Buenos Ayres, theils erfüllt mit verwil— derten Ochſen und Pferden, theils mit verwilderten Hunden, die hier geſellſchaftlich in Gruben leben, in denen ſie ihre Jungen verbergen. Sobald die Zahl in einer Grube zu ſehr anwächſt, wandern einzelne Familien dieſer vierfüßigen Bewohner aus und bilden eine neue Co— lonie. Nur in der Umgegend von Maldonado und Monte Video, am nördlichen Ufer der Mündung des la Plata, erblickt man hin und wieder Mais- und Weizenfelder, umzäunt von Agaven und Cactus— Araucaria imbricata. ? Drimys Winteri. Die Pampas von Buenos Ayres. a 335 gewächſen. Die hügelige und felſige Oberfläche dieſes Gebiets beſitzt die verſchiedenſten Bodenarten; theils erſcheint das Erdreich roth, mit vielen Quarztheilchen gemengt, theils mit thonhaltiger Erdkrume, die bei guter Bewäſſerung einige Cultur möglich macht. Daher ſind die Ufer der Ströme von Weiden begleitet, und ſelbſt Palmenwälder trifft man noch bis 35 ſ. Br. an. Aber dieſe Holzgewächſe treten nur ſpärlich auf, ſo daß ſie nicht einmal zur Feuerung ausreichen; denn die Anpflanzungen europäiſcher Obſtbäume, welche hier ſehr gut gedeihen, müſſen nicht nur Früchte, ſondern auch Brennholz liefern. Hier herrſcht im Winter noch eine regelmäßige Regenzeit, und auch die Sommer leiden nicht an übergroßer Dürre; aber weiter nach Bue— nos Ayres hin erſcheinen die Ebenen vollkommen baumlos. Hier treten ſchon die Diſtelgewächſe auf, deren wir bereits in der vorigen Zone gedacht haben, und welche hier viele Quadratmeilen ſo dicht bedecken, daß weder Menſchen noch Thiere hindurchdringen können. Von Buenos Ayres bis zum Rio Salado herrſcht in Folge der Wei— debenutzung eine üppige Steppenvegetation, weiter nach Süden aber wird der kalkhaltige Thoͤnboden immer trockener, eine Menge Salz— ſeen und ſalzführender Flüſſe erſcheinen, und große Strecken weit ſprießt das Salz aus dem Boden hervor. In der Umgegend von Bahia blanca haben ganze Quadratmeilen, ſobald die Feuchtigkeit verdunſtet, das Anſehen eines beſchneiten Feldes. Zu Anfang Sep— tember herrſcht hier bei + 8% R. noch Winterſchlaf; aber ſchon in der Mitte des Monats, wo die Wärme bis auf 11,5 ſteigt, bedeckt ſich die Ebene mit Blumen, wie denn in allen Steppen das blüthen— reiche Frühjahr ſich ungemein raſch entwickelt. An den Ufern des Rio Colorado, der unter 40% |. Br. mündet, erreicht die Pampasve— getation ihre Südgrenze. Mit dem Boden ändert ſich auch der Cha— rakter der Steppe. Das Gebiet zwiſchen dem Colorado und dem Rio Negro hat einen trockenen Kiesboden, der mit Gras und niedrigen Dornbüſchen bedeckt iſt, und fo bleibt der Vegetationscharakter an der ganzen patagoniſchen Küſte. Salix americana. 336 V. Die kältere temperirte Zone. V. Die kaͤltere temperirte Zone. Die Ländergebiete dieſer Zone liegen zwiſchen dem 45° und 58° der Breite. In Europa ſind es die britiſchen Inſeln, das nördliche Frankreich, ganz Deutſchland, der ſüdliche Theil von Schweden, ferner Polen, Ungarn und die ſüdliche Hälfte von Rußland, welche dieſen Gürtel erfüllen. Jenſeit des Uralgebirges zieht ſich derſelbe durch das nördliche Turan, das Altai-Syſtem und die Mandſchurei; auch Kant: ſchatka reicht ſchon in dieſe Zone hinein. Auf der weſtlichen Halb— kugel find es die Länder im Norden Mexico's und der vereinigten Freiſtaaten bis zum Südrande der Hudſonsbai, nebſt Canada und Labrador. Auf der ſüdlichen Halbkugel dagegen liegt in dieſer Zone nichts weiter als Patagonien nebſt Feuerland, ſo wie die Falklands— und wenige andere Inſeln. Allgemeine Charakteriſtik. Die mittlere jährliche Temperatur dieſer Länder beträgt etwa 5— 9% R., indeſſen find gerade in dieſer Zone die Iſothermen an der Oſtküſte der alten wie der neuen Welt ſo weit nach Süden her— abgedrückt, daß die entſprechenden Ländergebiete ſchon ganz den Cha— rakter der folgenden Zone zeigen. Phyſiognomiſch wird dieſe Zone zunächſt charakteriſirt durch die Laubhölzer mit breiten, zarten und hellgrünen Blättern, die in Verbindung mit der geſellig wachſenden Kiefer die Wälder bilden. Der 58° . Br. kann im weſtlichen Europa als die Polargrenze der Buche angeſehen werden, während der Ural zugleich die öſtliche Grenze der Eiche bildet; auch geht der Anbau des Weizens im Großen nicht über die Nordgrenze dieſer Zone hinaus. Die Stämme unſerer Waldbäume find mit Mooſen ! Rund Flechten 2 bekleidet, die Lonicere ? ſchlingt ſich in die Kronen niederer Bäume hinauf, der Epheu klimmt an Baumſtämmen, Felſen und Mauern empor, oder kriecht weit und breit über den Boden der Wälder hin, und der Hopfen“, die bedeutendſte Schlingpflanze dieſer Zone, klettert 12— 15“ hoch auf die Bäume. Der Reichthum an Geſträuchen iſt hier noch bedeutend, und viele derſelben, wie die zahlreichen Roſen, I ee 5 Orthotrichum, Hypnum. 2 Usnea, Parmelia, Ramalina. Lonicera Periclymenum. 4 Humulus Lupulus. Allgemeine Charakteriſtik. 337 der Schneeball! und die Brombeeren find mit großen und ſchönen Blüthen geſchmückt. Beſonders charakteriſtiſch ſind ferner die niedri— gen, geſellig wachſenden Gräſer, die hier zum erſten Male in größeren Maſſen auftreten. Unſere Wieſen ſind eben ſo lieblich in ihrer Er— ſcheinung, wenn tauſend farbige Blumen ſie in einen bunten Teppich verwandeln, als ſeltſam, wenn ſie an feuchteren Stellen von dem merkwürdigen Wollgrafe ? mit feinen weißen, ſeidenglänzenden Köpf— chen bedeckt ſind. An anderen Stellen ſind Moorgegenden oft in be— deutender Ausdehnung mit Mooſen bekleidet, zwiſchen denen nur ſel— ten ein anderes Pflänzchen emporkeimt. Sie bieten einen eben ſo melancholiſchen Anblick dar, wie die trockenen Ebenen, die von der Rennthierflechtes überzogen oder mit Heidekraut?! bedeckt find, und in denen ſich hier und da dunkele Wachholdergeſträuche erheben. Un— ſere Landſeen ſind von Kalmus, Rohr, Schilf und blattloſen Binſen eingefaßt, neben denen hier und da eine Schwertlilie mit ihren gro— ßen gelben Blumen prangt, oder an anderen Stellen mit geſellig wachſenden Weiden beſetzt, zwiſchen denen prächtige Epilobien mit ihren großen, bläulichrothen Blüthentrauben emporragen. Doch nur während der Hälfte des Jahres erfreut ſich die Erde dieſer Vegeta— tionsdecke. Im Herbſte entkleiden ſich die Bäume ihres Laubſchmuckes, nur die Miſtel s grünt noch hin und wieder in den ſchattenloſen Kronen der Bäume. Der Winter bedeckt den Boden mit Schnee, die Seen und fließenden Gewäſſer mit Eis, und nur das dunkele Grün der Fichten und Tannen erinnert daran, daß die Vegetation nur ſchlummert. Dafür entwickelt aber auch die Natur in dieſer Zone bei ihrem erſten Erwachen im Frühlinge einen Reiz, der auf der ganzen Erde vergeblich geſucht wird. Das friſche, hellgrüne Laub der Wald— bäume, das ſaftige Grün des Wieſenteppichs, die Menge zierlicher und anmuthiger Frühlingsblumen, ſie werden freudig begrüßt von dem munteren Chor der fröhlichen Sänger, von den milden und wohlthätigen Strahlen der Frühlingsſonne. Nur in unſeren nordi— ſchen Gegenden iſt der Mai der Wonnemonat. Viburnum Opulus. 2 Eriophorum. 3 Cladonia rangiferina. Erica vulgaris. Juniperus communis. ° Viscum album. 22 338 V. Die kältere temperirte Zone. Beſondere Charakteriſtik. Nördliche Halbkugel. A. Europa. Die ſüdliche Vormauer des mittleren Europa gegen die wärmere temperirte Zone bilden die Alpen, welche ſich vom Rhone-Thal bis zu den Ebenen Ungarns erſtrecken, im Süden gegen die Po-Ebene ſteil abfallen, im Norden dagegen in das Plateau von Deutſchland und der Schweiz allmälig übergehen. „Der Anblick des Alpengebir— ges gehört zu den prächtigſten Schauſpielen der ganzen Natur. Der Eindruck auf Sinne und Einbildungskraft iſt gleich unbeſchreiblich, ſei es, daß bei Morgen- und Abendbeleuchtung die Alpen in einem feu— rigen Purpur ſtrahlen und durch die zarteſten Farbenhauche bezaubern; ſei es, daß ſie nach Untergang der Sonne wie eine Welt von hehren, blaſſen Geiſtern ſtumm und ſtill vom Himmel herabſchauen. Von der Südſeite betrachtet, iſt der Anblick des Alpengebirges mehr furcht— bar, von der Nordſeite mehr prachtvoll erhaben; hier bezaubert und entzückt es, dort ſchreckt es zurück. Ueberhaupt zeigt ſich die Natur nirgends in Europa unter ſo mannigfaltigen Geſtalten des Erhabe— nen, Großen und Feierlichen, oft innigſt verſchlungen mit reizenden, romantiſch-idyllenartigen Landſchaften, wie im Schooß der Alpen“ *). Das Gebirge beſteht aus einer Menge parallel laufender und mannigfach verzweigter Ketten, von denen die höchſten das Junere des ganzen Syſtems durchziehen; doch ſind dieſe höchſten Ketten mehr dem Südrande genähert, während die übrigen ſich nach Norden all— mäliger abſtufen. Hieraus erklärt ſich die bekannte Eintheilung in Hoch-, Mittel- und Voralpen. Wie durch ihre Ausdehnung und ihren Umfang, ſo zeichnen ſich die Alpen auch durch ihre Höhe aus. Die mittlere Kammhöhe kann auf 7600“ angenommen werden, und zwiſchen dem Mont blanc und M. Roſa ſteigt ſie ſogar bis auf 11,000’, d. h. bis über die Grenze des ewigen Schnees hinaus. Ueber die Päſſe ragen die zunächſt liegenden Felshörner 2— 3000) bisweilen ſelbſt über 4000“ empor, und der höchſte Gipfel des ganzen Gebirges, der Mont blane, liegt 14,800“ über dem Meeresſpiegel. „In dem ganzen Gebiet der inneren oder Uralpen ſind nackte, ſenk— rechte, oft überhangende Wände, enge Klüfte und Schlünde, oft mit *) Ebel, „Bau der Erde.“ Die Alpen. 339 Trümmern überſchüttet, durch welche wüthende Alpenſtröme Sturz auf Sturz herabdonnern, furchtbar emporſtrebende Gebirgsgeſtalten und ungeheure Felshörner die allgemeinen Züge, welche der Wanderer überall erblickt. Nichts iſt ſeltener zu ſehen, als gleiche, fortlaufende lange Gräte ohne Hörner. Die Felspyramiden ſteigen durchgängig kühn empor, ſind oft an den oberſten Seiten äußerſt ſcharf gezahnt und zackig, endigen ſich häufig ganz ſpitzig und werden auch wegen dieſer auffallenden Geſtalt Hörner, Zähne oder Nadeln *) ge— nannt. Nichts ſieht man häufiger an den Alpenhörnern als 26000“ ſenkrecht abfallende Abſtürze und ſchiefliegende, mit ewigem Schnee überdeckte Seitenflächen, an denen die Anfänge der Gletſcher liegen, welche dann 6—8 Stunden weit durch die Hochthäler ſich ausdeh— nen.“ Die Thäler, von denen die Uralpen nach den verſchiedenſten Richtungen durchſchnitten werden, ſind durchgängig ſchmal, an der Südſeite ſogar bisweilen ohne die mindeſte Thalebene. Die letztere beſteht aus übereinander geſchütteten Steintrümmern, mit Sand und Thon gemengt, und bildet eine Schuttmaſſe, welche die Bergſtröme von allen Seiten zuſammenſchwemmen. Ueberall ſteigen die Ur-Al⸗ penthäler ſtufenartig über einander empor, indem die Thalebene plötz— lich aufhört, die Wege jäh emporſteigen, und der Bergſtrom das ver— engte tiefe Bett ſtürzend durchbrauſt. Auf der Südweſt- und Nordſeite zieht ſich um die Uralpen ein Gürtel von Kalkſteingebirgen, deren Höhe und Breite ſo bedeutend iſt, daß bei dem Anblick des Gebirges von Weſten und Norden überall nur die erhabenen Kalkalpen ſich zeigen, hinter denen die Hochalpen ſich ſo verſtecken, daß nur ſelten einzelne Hörner derſelben herüberſchauen. Auch die Kalkalpen ſind vielfältig von Thälern durchſchnitten und zeigen eine Menge von Gebirgsrücken und Hör— nern, die theils mit ewigem Schnee umhüllt, theils mit ausgedehnten Gletſchern bedeckt ſind, die ſich bis in die fruchtbaren Thäler herab— ziehen. Von den Uralpen ſind die Kalk- oder Mittelalpen durch Längenthäler geſchieden, und an ihrer Nordgrenze zeigen ſich eine Menge größerer und kleinerer Seen, am Ausgange von Querthälern gelegen, die als der Fuß des eigentlichen Alpengebirges zu betrachten find. Dieſe Seen liegen meiſtens 1000 — 1800“ über dem Meere. Ihre Ufer beſtehen aus ſchaurig zerriſſenen, 5—6000’ über den Waſ— ſerſpiegel emporragenden Kalkfelſen, deren nackte, ſteile, 2— 3000“ *) In der franz. Schweiz: dents, aiguilles. 22% 340 V. Die kältere temperirte Zone. hohe Wände in den dunkelgrünen Fluthen ſich ſpiegeln. Noch ſchauer— licher erſcheinen dieſe Seekeſſel, wenn man erwägt, daß ihre Tiefe in der Regel 3 — 600’, im Genferſee ſogar 950’ beträgt. Von der äußerſten Kette der Kalkalpen überblickt man eine zahl- loſe Menge grüner Berge und Bergſtrecken, welche in unmittelbarer Nähe der eben beſprochenen Alpenſeen noch mehr als 4000“ über den Spiegel derſelben emporragen, nach Norden aber ſich allmälig abſtu— fen, doch ſo, daß die niedrigſten derſelben die Seeflächen noch immer um 600 — 1000 überragen. Es find die Sandſteinberge der ſoge— nannten Voralpen, deren lange Züge ſich meiſt nach Norden und Nordweſten erſtrecken, durch mehr oder weniger runde Umriſſe ſich auszeichnen und durchgängig Wald- und Graswuchs darbieten. Faſt alle großen, am äußeren Rande der Kalkalpen gelegenen Seen er— ſtrecken ſich bis in die Voralpen hinein, und hier gerade entfaltet das Alpengebirge ſeinen ganzen Reichthum an maleriſchen Partieen. In herrlich geſchwungenen Linien ziehen die Hügel an den Ufern der Seen entlang und bilden die mannigfaltigſten Buchten und Vor— ſprünge, die in den kryſtallhellen grünen Fluthen ſich ſpiegeln. Die landſchaftlichen Reize einer üppigen Natur werden erhöht durch den reichen Anbau einer dichten Bevölkerung. Inſeln, berühmt wegen ihres romantiſchen Zaubers tauchen aus der glatten Spiegelfläche em— por, ſo daß „Fahrten auf dieſen Seen den überſchwenglichen Genuß eines verſchlungenen Kranzes von Naturbildern gewähren, deren Aus— druck unaufhörlich alle Stufen von dem blendendſten Glanze und der prächtigſten Hoheit bis zur ſtillſten und beſcheidenſten Idyllenlieblich— keit durchſpielt.“ “) Ihrer bedeutenden Erhebung zufolge bieten die Alpen nicht nur ſämmtliche Temperaturabſtufungen von ganz Europa dar, ſondern ſie repräſentiren auch auf einem verhältnißmäßig beſchränkten Raume die ganze Flora dieſes Erdtheiles. Am Meeresufer der Weſtalpen be— trägt die mittlere Jahrestemperatur 12%5; in der Po-Ebene an dem ſüdlichen Fuße der Centralalpen 10%; an der Nordſeite auf den Plateau's von Deutſchland und der Schweiz 6°—7°%. In einer Höhe von 3500“ ſtimmt die Temperatur ſchon mit der von Stockholm überein und iſt auf 4% herabgeſunken, und bei den Hoſpizen des St. Gotthard und St. Bernhard, die 6— 7000“ hoch gelegen find, ſteht die mittlere Temperatur ſchon 1° unter dem Gefrierpunkt. Die *) Nach Ebel. Die Alpen. 341 Schneegrenze beginnt auf der Nordſeite der Alpen bei 8100“ Höhe, auf der Südſeite des M. Roſa dagegen erſt bei 9500“ weiter gegen Oſten jedoch ſinkt fie auf 8000’ herab. Im Allgemeinen liegen alle Vegetationsgrenzen der einzelnen Bergregionen auf der Südſeite 500’ höher als auf der Nordſeite. Steigt man von dem Kamm der Alpen herab, ſo laſſen ſich nach und nach fünf deutliche Regionen unter— ſcheiden, welche den fünf Zonen Europa's vom Nördlichen Eismeer bis zum Mittelländiſchen Meere genau entſprechen. Die alpine Region liegt unterhalb der Schneegrenze zwiſchen 8600 und 8100“ mittlerer Höhe. Sie iſt nur mit Alpenkräutern er⸗ füllt, deren Blumen jedoch durch Größe und Schönheit ſich auszeich— nen. Enziane ? mit goldgelben und purpurrothen Blüthen, ſchöne Ranunculaceen 2, prachtvolle Primulaceen 3, Anemonen und andere Gattungen! mit großen glänzend weißen Blumen bilden den Schmuck in der Nähe des ewigen Schnees, Steinbrecharten den ſchönen und weichen Raſen, welcher überall in den hohen Alpengegenden angetrof— fen wird. Hierzu geſellen ſich eine große Anzahl von Syngeneſiſten mit großen gelben Blumen, unter denen Pfaffenröhrlein s und Berg- wohlverlei 7 ſich auszeichnen. Alle dieſe Alpengewächſe find reich an aromatiſchen Stoffen, dagegen gehören ſtarkbehaarte s und dornige, oder gar giftige? Gewächſe zu den Seltenheiten, gleichſam als ob in dieſen erhabenen Regionen, inmitten einer dünnen und reinen Atmo⸗ ſphäre nur wohlthätige Gewächſe ſprießen könnten. Drei Monate lang werden dieſe blumigen Raſenflächen zur Weide für Schafe und Ziegen benutzt, ohne daß die Errichtung von Sennhütten oder auch nur von Einfriedigungen möglich iſt. — Von 8100 —6000“ reicht die Region der Alpenroſen '°, denen ſich ſtrauchartige Weiden **, Er⸗ len- 12 und Birkengeſträuche "3 anreihen. In der Nadelholzregion, welche bis zu 4000“ herabreicht, trifft man zunächſt die Legföhren * und Zwergkiefern ?5 als niedrige, am Boden hinkriechende Geſträuche mit verwirrten, ohne Zweifel vom Schnee niedergedrückten Aeſten. Demnächſt folgt unſere gemeine Kie- Gentiana lutea, G. purpurea. 2 Thalictrum aquilegifolium. 3 Aretia Auricula, A. crenata, villosa ete.Dryas octopetala. 5 Saxifraga Aizoon, Hirculus, oppositifolia ete. 6 Apargia alpina. Arnica montana. 5 Filago, JLeontopodium, Hieracium alpinum, Draba contorta. Digitalis purpurea. „ Rhododendron ferrugineum et hirsutum. ! Salix herbacea, glauca, li- mosa-. 2 Alnus viridis. 1 Betula nana. 1 Pinus mughus. Pinus Pumilio. 342 V. Die kältere temperirte Zone. fer!, der ſich bald die Lärche? und die Zirbelfichte ? zugeſellen. Noch tiefer erſcheint die Nothtanne * mit ihren ſchlanken pyramiden— förmigen Gipfeln, welche 120 — 180’ Höhe erreichen. Sie iſt hier der am meiſten verbreitete Baum und bildet beträchtliche Wälder, denen die noch ſchönere Edel- oder Weißtanne 5 mit graulich-weißen Stäm⸗ men und ausgebreiteten, ſtark herabgebogenen Aeſten beigemiſcht iſt. Einzelne Alpenpflanzen“ reichen noch bis in dieſe Region herab, die ſich zugleich durch kräftige Arzeneigewächſe auszeichnet. Sie wird auch die Region der Kuhalpen genannt, wo der Hirt ſeine Rindvieh— heerden auf lieblichen Triften? weidet und die Alpenwirthſchaft treibt. Hier finden ſich die Sennhütten, in denen der Käſe bereitet wird, und die während der 2—6 wöchentlichen Alpfahrt den Hirten zum gemein— ſamen Nachtlager dienen, während die Heerden ſich bei Nacht nur ſelten eines ſchirmenden Daches erfreuen. Erſt gegen die untere Grenze dieſer Region finden ſich einige feſte Wohnplätze, in deren Nähe hie und da ein wenig Ackerbau betrieben wird, jedoch gedeiht nur die Sommerfrucht. Von 4000 bis 2000’ reicht die Region der Laubhölzer, welche beſonders durch Buchen und Eichen charakteriſirt iſt. Sie iſt zugleich die eigentliche Region des Ackerbaues. Die NRothbuche iſt der ent— ſchieden vorherrſchende Baum; fie bildet zuſammenhängende Waldun— gen, doch hin und wieder mit Nadelhölzern gemiſcht, beſonders mit dem Eibenbaum ?, der nur bis zu 3300’ emporſteigt. Etwa in der Mitte der Laubholzregion treten die erſten Obſtbäume auf, beſonders Apfel-, Birn⸗ und Kirſchbäume; gleichzeitig erſcheinen Haſelnuß⸗ ſträucher, Eichen, Ulmen 1 und Linden, und in ſchattigen Wäldern auch bisweilen Ahorn **, Birken 12 und Eſchen ns, die übrigens zum Theil bis an die obere Grenze dieſer Region gehen. Hier bildet zu— gleich die Weißerle n nicht unbedeutende Waldbeſtände. Der Getrei— debau reicht im Ganzen nicht weiter als bis 3500’, bis wohin Win— terweizen und Wintergerſte auf kleinen Strecken gedeihen. Höher bins auf tritt dem Getreidebau weniger die Temperatur, als die zuneh— mende Feuchtigkeit entgegen, welche dafür den Wieſenbau deſto mehr Pinus sylvestris. 2 P. Lari. P. Cembra. Abies excelsa (P. Abies). ° Ab. pectinata (P. Picea). ° Gentiana acaulis, Saxifr. oppositifolia. ” Leontodon aureum, Phellandrium Mutellina, Plantago alpina, Trifolium alp., Alchemilla vulg., Pimpinella magna, Polygonum bistorta. ® Fagus sylvatica. ° Taxus baccata. % Ulmus campestris. ! Acer pseudoplatanus und Acer 14 platanoides. ? Betula alba. s Fraxinus excelsior. Alnus incana. Die Gebirgsländer Mitteleuropa's. 343 begünſtigt. Während daher die Region der Kuhalpen dem Vieh die Sommerweide gewährt, bietet dieſe Region ihm die Frühjahrs- und Herbſtweide dar. Mit 2000’ beginnt die Region des Wallnußbaums und der Ka- ſtanie, doch kommt die letztere am Nordabhange nur vereinzelt vor, während ſie auf der Südſeite mehr geſchloſſene Beſtände bildet. Die Lorbeerfirfche * iſt hier vollſtändig verwildert, und der Feigenbaum läßt ſich ohne Bedeckung durchwintern. Ueberhaupt kann dieſe Re⸗ gion, beſonders auf der Südſeite, als die der immergrünen Laubhölzer bezeichnet werden. Hier bilden Steineichen, Piſtacien, Lorbeer, Myr⸗ ten und Orangen die charakteriſtiſchen Baumformen, und außer den Getreidearten Nordeuropa's wird beſonders Mais gebaut. Der Wein⸗ ſtock wird hier überall cultivirt, und zwar auf der nördlichen Seite bis 1700’, an dem Südabhange bis 2400’, an günſtigen Stellen ſelbſt bis zu 3000’ Höhe. Nach Norden lagert ſich um die Alpen ein Halbkreis von mittel⸗ hohen Gebirgen, deſſen ganze Längenerſtreckung von dem Meerbuſen von Lion bis an das Schwarze Meer etwa 310 Meilen beträgt. Er umſchließt mit den Alpen ſämmtliche Gebirgsländer Mittelen- ropa's, die durch das Thal der Weſer in einen weſtlichen und einen öſtlichen Gebirgsflügel geſchieden werden. Der Weſtflügel beginnt mit Hochfrankreich, einem Plateau mit vielen aufgeſetzten Bergkuppen und Kegeln, in welchem die Sevennen den Hauptzug bilden. Die meiſten Ketten dieſes Tafellandes haben eine Höhe von 3 — 4000’, während ihre Gipfel nicht über 5400’ hinaus gehen. Höher erheben ſich die Culminationspunkte der weſtlich davon gelegenen Auvergne. Hier er⸗ ſcheinen 5— 6000“ hohe, kegelförmige Kraterberge, deren auffallende Formen dieſer Provinz einen eigenthümlichen Reiz verleihen, wie man ihn im übrigen Europa nicht leicht wieder findet. Nach Norden ſenkt ſich dies Bergland ſchnell gegen die nordfranzöſiſche Ebene. Oeſtlich von den Quellen der Seine beginnt mit dem Plateau von Langres das Vogeſiſch-Niederrheiniſche Bergſyſtem, welches einen Wechſel von Bergreihen und Plateau's darbietet, die ſich nur 1000 — 1500’ hoch erheben, während die mit kegelförmigen Bergen, ſogenannten Ballons, beſetzten Vogeſen bis zu 3200’ anſteigen und über 4000’ hohe Gipfel tragen. Nördlich von den Vogeſen wird das etwa 20 Meilen breite, ſanft aus der nordfranzöſiſchen Ebene aufſteigende Niederrheiniſche Prunus Laurocerasus. 344 V. Die kältere temperirte Zone. Schiefergebirge, deſſen mittlere Höhe kaum 2000’ beträgt, von dem Rheinſtrom in einem engen, zackigen Querthale durchbrochen und fällt gegen Oſten ſteil zu der Thalebene ab, in welcher ſich die Fulda und Werra vereinigen. Hiermit hat der weſtliche Gebirgsflügel im Nor— den ſein Ende erreicht. Südlich von den Vogeſen tritt ferner der aus höhlenreichem Kalkſtein beſtehende Jura auf, der im Süden un⸗ mittelbar an die Weſtalpen ſich anlehnend in nordöſtlicher Richtung bis zum Obermain ſich fortſetzt. Die parallelen Bergzüge des Schwei— zer⸗-Jura haben eine mittlere Erhebung von 3400“, der deutſche Jura dagegen, in welchem die Plateauform vorherrſchend iſt, erreicht noch nicht 2000’, während die Gipfel des erſteren ſich zu 6000, die des letzteren bis zu 3000“ erheben. Zwiſchen dem Deutſchen Jura und den Vogeſen zieht ſich an dem öſtlichen Rheinufer der Schwarzwald entlang, dem ſich weiter nördlich der Odenwald und der Speſſart an— ſchließen. In ihrer Höhe, wie in ihrer ſonſtigen Beſchaffenheit ſtim— men ſie mit den Vogeſen überein. Nördlich vom Mainthal treten weſtlich und öſtlich vom Speſſart die iſolirten Berggruppen des Vo— gelsgebirges und des Rhön auf. Wie infelartige Erhebungen tau— chen ſie aus der wellenförmigen Ebene des inneren Deutſchland em- por und geben dem Heſſenlande feine eigenthümliche Phyſiognomie. An dem ſüdöſtlichen Abfalle der ganzen Jurakette liegen das Plateau der Schweiz und die baierſche Hochterraſſe, welche letztere ſich bis an das Böhmerwaldgebirge erſtreckt. Im Allgemeinen hügelig und wel— lenförmig, zeigt ſie doch hin und wieder ganz flache Ebenen, wie das Plateau von München, und im Oſten des Böhmerwaldes ſenkt ſie ſich in Terraſſen zu dem böhmiſchen Keſſel herab. Der öſtliche Gebirgsflügel Mitteleuropa's beginnt mit dem Harz, einem iſolirten Plateau von 1800“ Höhe, welches ſich im Brocken bis zu 3500“ erhebt. Südlich davon breitet ſich die thüringiſche Hoch— ebene aus bis zu dem ſcharfrückigen 2400“ hohen Thüringerwalde, der gegen das Fichtelgebirge hin ſich plateauartig erweitert und dieſe Geſtalt in dem ganzen Erzgebirge bis zur Elbe beibehält. Jenſeits des Elbthales aber tritt der Gebirgscharakter wieder entſchiedener her— vor, zunächſt in dem 4000’ hohen Rieſengebirge, deſſen höchſter Gipfel, die Schneekoppe, faſt bis zu 5000“ emporſteigt. Alle dieſe Gebirge fallen nach Süden ſteiler ab als nach Norden, wo ſie ſich zur großen mitteleuropäiſchen Ebene abdachen. Jenſeit der Oderquellen treten endlich die Karpathen auf, die in ihrem nordweſtlichen Theile kleinere Plateau's von 2000 Höhe bilden. Unter den von W. nach O. ſtrei— Die Gebirgsländer Mitteleuropa's. 345 chenden parallelen Bergketten iſt das Tatragebirge die bedeutendſte und zugleich von rauhem und wildem Charakter. Zackenförmig, wie Alpenſpitzen ſtreben die Gipfel in die Höhe, unter denen die 8062“ hohe Gerlsdorfer-Spitze zugleich die höchſte des ganzen mitteleuropäi— ſchen Bergſyſtems iſt. Weiter öſtlich ziehen die Karpathen als Grenz— gebirge zwiſchen Galizien und Ungarn bis zur Bukowina und Sie— benbürgen. Hier bilden ſie abermals ein Plateau von 1200“ Höhe, welches ringsherum von einem Gebirgswalle eingeſchloſſen iſt. Zwi— ſchen den beiden zuletzt genannten Plateau's dehnt ſich die große un— gariſche Ebene aus, ein flacher und öder Landſtrich, der, von dem Theiß durchſtrömt, nur ſchwach gegen die Donau geneigt und von einzelnen ſalzhaltigen Waſſerlachen unterbrochen iſt. Ungeheure Stref- ken ſumpfigen Bodens ſind hier mit Rohr und Schilf bewachſen, oder mit torfartig verfilzten Pflanzenwurzeln bedeckt. Die Temperaturverhältniſſe der mitteleuropäiſchen Bergländer ſtimmen mit denen der nördlich davon gelegenen Ebene faſt vollſtän— dig überein, was als eine Folge der höheren Lage anzuſehen iſt. So haben z. B. München und Berlin, obgleich über 4 Breitengrade von einander entfernt, dieſelbe mittlere Jahreswärme, nämlich 7%12. Je weiter nach Oſten, deſto mehr macht das Continentalklima ſich gel— tend, d. h. die Winter werden kälter und die Sommer heißer. An den franzöſiſchen Küſten des Mittelmeeres beträgt der Unterſchied zwiſchen der Sommer- und Wintertemperatur 10 — 11°, zu Ofen in der ungariſchen Ebene ſchon 17°. Das mildeſte Klima haben die Rheinthalebene zwiſchen Baſel und Mainz und der böhmiſche Keſſel; in beiden beträgt die mittlere jährliche Temperatur 8°. Kein einziger Gipfel der beſprochenen Gebirgsländer erreicht die Grenze des ewigen Schnees, doch bleibt in den Klüften einiger Partieen des öſtlichen Gebirgsflügels der Schnee bisweilen den Sommer über liegen. Eben ſo wie die Temperatur, ſo zeigt auch die Flora dieſer Berg— länder keine weſentliche Verſchiedenheit von derjenigen der mitteleuro— päiſchen Ebene. In den weſtlichen Gegenden ſind Buchen und Eichen die hauptſächlichſten Waldbäume, welche die untere Bergregion erfüllen. Darüber zeigt ſich in der Auvergne ein Gürtel von Edel— tannen n, der von 2700 — 4500“ reicht. Eiſenhut 2, Ranunkeln, Gemswurz“ und Hainſimſen! ſind die charakteriſtiſchen Pflanzen die— Abies pectinata. 2 Aconitum Napellus, A. lycoctonum. 3 Dorcnicum. * Luzula. 346 V. Die kältere temperirte Zone. fer Tannenwälder, an deren oberen Grenze der Zwergwachholder er— ſcheint. Mit 4000“ beginnt die Region der Bergwieſen, welche den ganzen Raum bis zu den höchſten Gipfeln erfüllt. Unzählige Hoch— ebenen find mit dieſen ausgedehnten Wieſen! bedeckt, welche die Nacktheit der großen Baſalt- und Trachytflächen verbergen und die Abhänge der ſteilen Gipfel bekleiden, die inſelartig aus der Fläche aufſteigen. In den Vogeſen wie in dem Niederrheiniſchen Gebirge geſellen ſich den Eichen und Buchen außer den Tannen noch die Bir- ken hinzu; im Allgemeinen aber iſt Armuth an Pflanzengattungen und Einförmigkeit der Vegetation als weſentlicher Charakter aller die— ſer Bergländer zu bezeichnen. Der Harz, mit welchem der öſtliche Gebirgsflügel beginnt, zeigt ſchon ein alpineres Gepräge, als man feiner geographiſchen Lage nach erwarten ſollte, ſo daß die Buche ſchon bei 2000“ Höhe nicht mehr recht gedeihen will. Für ſämmt⸗ liche Gewächſe ſind hier die Vegetationsgrenzen um mindeſtens 1200’ herabgedrückt, was wohl dem Einfluß der Nordſee zuzuſchreiben iſt, mit welcher der Harz durch die herrſchenden Nordweſtwinde in eine nähere klimatiſche Verbindung geſetzt wird. Weiter gegen Oſten bil- den überall die Nadelhölzer die Hauptbeſtandtheile der Gebirgsforſten, vorzugsweiſe Fichten und Tannen, während die gemeine Kiefer haupt⸗ ſächlich auf den Plateau's vorkommt. In den Sudeten ſteigt das Laubholz nur bis 1100’, und bei 3100“ tritt die Grenze des Nadel- holzes ein. Die Karpathen ſind an ihrem Fuße mit Buchenwäldern eingefaßt, denen ſich höher hinauf Tannen- und Krummholzwälder ? anſchließen. Geht man weiter nach Süden, ſo finden ſich in der oberungariſchen Ebene zwiſchen Preßburg und Ofen Waldungen, die aus Eichen 3, Linden 2, Pappeln und wilden Birnbäumen!? beſte⸗ hen, während längs der Donau ſelbſt die Waldungen der gemeinen Kiefer von Eichen? und Miſtelſträuchern? begleitet ſind. Der größte Theil des Gebietes aber iſt mit Viehweiden bedeckt. In der nieder⸗ ungariſchen Ebene dagegen ſieht man weder Baum noch Strauch; ſie bildet eine förmliche Savanne mit einer zwar mannigfaltigen aber niederen Vegetation. Nur die Gebirgswände dieſer Ebene ſind mit Wald bedeckt; die öſterreichiſche Eiche ſteigt bis 1000“ hinauf, und wo ' Nardus stricta, Phleum alpinum, Agrostis rupestris. 2 Pinus mug- hus. 3 Q. sassiflora. 4 Tilia europaca et alba. 5 Populus alba et 6 nigra. Pyrus communis et torminalis. . austriaca. ° Loranıhus europacus. m — af XI. 5.346 2 a A 0 2 Nas. ie > IH Nr 5 jez.v.H.Krämer Lith Anst.v. LKraatz in LAUBWALD IN MITTEL- EUROPA. u We 2 2 a Die Ebene von Mitteleuropa. 347 die Buche aufhört, findet ſich die Stieleiche! und ein baumartiger Schneeball ? nebſt wilden Birn- und Apfelbäumen. Ueberall in dieſen Bergländern wird der Wein cultivirt. In der Auvergne ſind die Gebirgsabhänge faſt überall mit Reben bepflanzt, die hier bis zu 2000“ emporſteigen. Das ganze Rheinthal bis Bonn, wo der Strom aus der Schlucht des Niederrheiniſchen Gebirges in die Ebene tritt, iſt berühmt durch ſeinen Weinbau, doch reicht der— ſelbe hier nur bis zu 800“ abſoluter Höhe. Noch weiter nach Norden reicht die Weincultur im Erzgebirge bei Meißen, und bei Grüneberg unter 52° Br. iſt die Polargrenze für den Weinbau im Großen zu finden. In Ungarn dagegen ſinkt fie ſchon auf 49° und 48° Br. herab; doch wird der Wein in ganz Ungarn und Defterreich cultivirt, bis zu 1200 Höhe, und öſtlich von Wien iſt die Weinrebe auf trocke— nen, buſchigen Hügeln förmlich verwildert. — Neben dem Wein ge— deiht in den mitteleuropäiſchen Bergländern überall der Mais, und außer unſeren nordiſchen Getreidearten werden Spelz, Hirſe s, Ca— narienfamen * und Krapp > gebaut. In den Vogeſen und dem Schwarzwalde ſteigt die Weizencultur bis 2000“ Höhe, und Roggen— und Kartoffelfelder werden noch in einer Höhe von 2800“ angetroffen. Von Südfrüchten halten nur der Mandel- und der Feigenbaum den Winter in der geſchützten Rheinthal-Ebene aus. Im Weſten und Norden der mitteleuropäiſchen Bergländer brei— tet ſich ein Flachland aus, welches ſich zu den Ufern des Atlantiſchen Oceans, der Nord- und Oſtſee allmälig herabſenkt. Es iſt die Ebene von Mitteleuropa, deren Längenerſtreckung vom Fuße der Pyrenäen bis an den Niemen, wo ſie in die ruſſiſche Ebene übergeht, mehr als 300 Meilen beträgt. Da, wo im Teutoburger Wald und dem Harz das Gebirgsland der Küſte näher tritt, beträgt ihre Breite kaum 25 Meilen, während ſie ſich nach Weſten und Oſten an einzelnen Stellen bis zu 90 Meilen erweitert. Die Hauptſtröme, welche dieſe Ebene in weſtlicher und nördlicher Richtung durchfließen, die Garonne, die Loire, die Seine, der Rhein, die Weſer, die Elbe, die Oder und die Weichſel ſind durch Hügelreihen oder kleine Bergketten von ein— ander getrennt. Außer dieſen Waſſerſcheiden treten hin und wieder iſolirte Plateau's auf, wie in der Vendée, der Bretagne und der Nor— mandie, ſonſt aber wechſeln durchgängig wellige Hügellandſchaften mit 2. pedunculata. ? Viburnum lantana. 3 Panicum italicum, P. milia- ceum. * Phalaris canariensis. ° Rubia tinctorum, 348 V. Die kältere temperirte Zone. den Niederungen der Stromthäler. Am meiſten erheben ſich die Hit- gelreihen in der Nähe der Meeresküſten, wo ſie von den ausmünden⸗ den Strömen in Querthälern durchbrochen werden. Je näher gegen Norden, deſto flacher werden die Wellen der Ebene, ſo daß die Strecke zwiſchen den Mündungen der Schelde und Elbe eine vollkommen ho— rizontale Fläche bildet, deren Niveau in den Niederlanden ſtellenweiſe ſogar noch nicht die Meereshöhe erreicht. Natürliche Dünen und künſtliche Deiche ſchützen hier die Ebene gegen die andringenden Mee— reswogen. Oeſtlich von der Elbe aber zeigt das Land durchweg einen hügeligen Charakter, und beſonders iſt die Oſtſee im Weſten und Süden von einem breiten Plateauzug umkränzt, der, parallel mit ihrer Küſte verlaufend, in den Plateauzug der ruſſiſchen Ebene über— geht. Eine außerordentliche Menge kleiner Landſeen verleihen dieſem Landrücken ein charakteriftifches Gepräge. In Beziehung auf die Bodenbeſchaffenheit iſt der franzöſiſche Theil der mitteleuropäiſchen Ebene von dem deutſchen weſentlich ver— ſchieden. Während in Frankreich der Jurakalk, bunter Sandſtein und beſonders Kreidebildung weit verbreitet ſind, iſt die ganze norddeutſche Ebene ein Schwemmland, aus dem nur hin und wieder abgeſonderte Gruppen von Kreide oder Muſchelkalk zu Tage ſtehen, wie zu Rü— dersdorf bei Berlin, auf Rügen, Seeland, im nördlichen Jütland ꝛc. An vielen Stellen iſt das Flachland, deſſen Boden meiſt aus Sand und Lehm beſteht, mit großen Steintrümmern überſchüttet, unter de— nen ſich bisweilen Blöcke von 30“ Durchmeſſer finden. Im nordweſt— lichen Theile breiten ſich ungeheure Torfmoore aus, unter denen viele auf einer Unterlage von Baumſtämmen ruhen, welche denſelben Baum— formen angehören, die noch gegenwärtig bei uns wachſen. Selbſt Spuren früherer Bewohnung, beſonders ehemalige Landſtraßen, ſind unter der Grundlage dieſer Torfmoore entdeckt worden. Was die Temperaturverhältniſſe betrifft, ſo zeigt ſich in dem größten Theile der Ebene, da dieſelbe ſich längs des Meeres hinzieht, ein Küſtenklima. Erſt, wo ſie ſich der ruſſiſchen Ebene nähert, machen die Einflüſſe des Continentalklima's ſich geltend. Die mittlere Jah⸗ reswärme vermindert ſich von Süden nach Norden um 4,5; im ſüd— lichen Frankreich beträgt fie faſt 11“, an der Nordſpitze Dänemarks 6%5. Noch bedeutender iſt der Unterſchied zwiſchen dem weſtlichen und öſtlichen Ende; an der Küſte der Bretagne beträgt die mittlere Temperatur 10%, in Oſtpreußen dagegen 5°,2, alſo eine Abnahme von 5% 3. Oſtpreußen liegt aber auch um 6 Breitengrade nördlicher Die Ebene von Mitteleuropa. 349 als die Bretagne. In Frankreich beträgt der Unterſchied zwiſchen der Winters und Sommertemperatur 12 — 13 O und ſteigert ſich nach Oſtpreußen hin allmälig auf 15°. In Betreff des Vegetationscharakters bietet die mitteleuropäiſche Ebene keinesweges ſo große Verſchiedenheiten dar, als man ihrer geographiſchen Lage, wie den durch dieſelbe bedingten klimatiſchen Verhältniſſen zufolge erwarten ſollte. Nur im ſüdweſtlichen Theile von Frankreich, wo bei dem herrſchenden Südweſtwinde das Seeklima weniger entwickelt iſt, als im nordweſtlichen Frankreich, da iſt die Phyſiognomie des Gewächsreiches eine andere. Die ganze Küſten— ſtrecke zwiſchen den Mündungen des Adour und der Gironde iſt ein Heideland, in welchem neben unſerem Heidekraut! auch größere ſtrauchartige Formen? derſelben Gattung auftreten. Die ſandigen Dünenhügel, welche die kleinen Strandſeen umſchließen, ſind mit gelb— blühendem Stechginſter ? und Tamarisken? überzogen, und neben der Korkeiche 5, welche hier ganze Wälder bildet, tritt die Strandfichte © auf. Ciſtroſen“ wachſen hier wie auf den ſpaniſchen Hochflächen; unſere Gartennelke $ nebſt mehreren anderen ſüdeuropäiſchen Pflanzen wächſt hier wild; Lorbeergeſträuche bilden natürliche Hecken, zwiſchen denen ſich verwilderte Paſſionsblumen hindurchſchlingen, kurz Alles trägt ein fremdes Gepräge und erinnert daran, daß dieſer ganze Strich bis an die Gebirge der Auvergne noch der wärmeren temperirten Zone angehört. Weiter nördlich finden ſich in Folge des milden Seeklima's eine Menge ſüdlicher Pflanzenformen ?, die den Winter von Paris nicht mehr aushalten. Indeſſen iſt es nur die Milde der Wintermo— nate, die ihr Daſein friſtet, denn ſie entwickeln hier keinesweges die Kraft und Fülle, die ſie in ihrer Heimath zeigen. Der meiſt bewölkte Himmel der Bretagne läßt ſie zu keiner freudigen Entwickelung ge— langen. Nur die Myrte, welche hier als großer und ſchöner Strauch alle Gärten ziert, ſcheint ſich vollſtändig zu acelimatiſiren. Weiter im Innern zeigen ſich zahlreiche Wieſen, die der Viehzucht vortrefflich zu ſtatten kommen; die quarzreichen Gegenden aber, die mit Heiden und Wäldern bedeckt ſind, verdanken ihren Erwerb faſt nur den Eiſenmi— nen. Aus der Ferne erſcheint die wellige Oberfläche der Bretagne wie ein einziger Wald, in welchem Eichen und Kaſtanien die Hauptfor— Erica vulgaris. 2 E. cinerea, arborea, vagans. Ulex europaeus. * Tamarix gallica. ° O. Suber. „Pinus maritima. Cistus salvifolius. ® Dianthus caryophyllus. “ Anthyllis, Euphorbia, Cistus, Erica, Daphne, ſüd⸗ liche Labiaten etc. 350 V. Die kältere temperirte Zone. men ſind. Ganz anders dagegen zeigt ſich der landſchaftliche Charak— ter der Normandie, auf deren Kalkboden nur wenig Bäume fortkom— men. Ulmen, Feld-Ahorn“ und Wallnußbäume ſind hier die einzi— gen Laubhölzer. Im ganzen nördlichen Frankreich, in Belgien und den Niederlanden und an der deutſchen Nord- und Oſtſeeküſte herrſcht das Laubholz in den Wäldern vor. Die Eiche und die Buche ſind die Hauptformen, doch geſellen ſich ihnen Roßkaſtanien, Ahorn, Lin⸗ den, Wallnußbäume, Ebereſchen, Ulmen, Weiden, Pappeln, Birken, Erlen, Eſchen hinzu, und Stachelbeerſträucher, Hollunder und Haſel— nuß bilden die häufigſten Geſträuchformationen. Auf den däniſchen Inſeln wechſeln die herrlichſten Buchenwaldungen mit grünenden Wieſen und fruchtbaren Getreidefeldern, und die kleinen Seen ſo wie die hin und wieder eröffneten Durchblicke auf das Meer verleihen der Landſchaft Mannigfaltigkeit und Leben. In den ſüdlicheren Wäldern der deutſchen Ebene, beſonders öſtlich der Elbe iſt die gemeine Kiefer? der herrſchende Baum, der die Laubhölzer hier nach und nach zu ver— drängen ſcheint. Vermuthlich ſind wiſſenſchaftliche Anſichten der Forſt— verwaltung Schuld daran. In Geſellſchaft der Kiefer findet man häufig die Birke ?, wohl meiſtens angepflanzt. Im Weſten der Elbe iſt die Kiefer ſelten; ſie erſcheint hier meiſt verkrüppelt, in ſchwachen Beſtänden, und in Frankreich findet ſie ſich nur angepflanzt. Außer den Laubhölzern ſind für die ganze Ebene von Belgien bis zur Oſt— fee hin die eigentlichen Gräſer *, fo wie die Riedgräſer und Binſen charakteriſtiſch, welche die feuchten Niederungen bekleiden und die ſte— henden Gewäſſer einfaſſen. Die hochgelegenen Hügelreihen dagegen, welche ſich von der Nordſpitze Jütlands bis an den Ausfluß der Schelde erſtrecken, ſind mit Heidekraut überzogen, zwiſchen welchem hin und wieder Wachholdergeſträuche wuchern. Der Fleiß der Bewohner hat dem unfruchtbaren Boden nur wenige Stellen abgerungen, die wie kleine Inſeln in dieſen nordiſchen Steppen erſcheinen und an die Oaſen der Wüſten erinnern. Auch die großen Torfmovore, welche ſich von der Elbe bis zur Maas ausdehnen, geben dieſem Landſtrich das Anſehen einer unwirthbaren Einöde. Verſchiedene Arten von Moo— ſen s bedecken den Boden, ſo daß ſelten eine andere Pflanze dazwi— ſchen aufkommt, und neben ihnen erſcheinen eine Menge von Torf— pflanzen s, die dem feuchten Boden ein eigenthümliches Gepräge ver— Acer campestre. ? Pinus sylvestris. 3 Betula alba. Poa. Sphag- num. Vaccinium oxycoccos, Andromeda polifolia, Drosera, Juncus, Salix; x Die Ebene von Mitteleuropa. 351 leihen. Neben den Torfmooren erſcheinen die Heideflächen Weſtpha— lens von unzähligen Wallerhöhungen durchſchnitten, die mit Eichen— gebüſch und der Haſelſtaude“ bedeckt find. Größere Forſten fehlen hier ganz; eben ſo in dem nördlichen Frankreich, welches wie ein gro— ßes Kornfeld erſcheint, in dem nur die Wege hin und wieder mit Bäumen beſetzt ſind. Beſonders aber zeichnen ſich die Niederlande und Belgien ſammt den franzöſiſchen Nachbarbezirken durch die Ent— wickelung ihrer landwirthſchaftlichen Cultur aus. Eine Menge ein— zelner Häuſer und Höfe find von Hainen hochſtämmiger Bäume ein— geſchloſſen und mit Getreidefeldern und Wieſen umgeben. Die hauptſächlichſten Nahrungspflanzen, welche in der Ebene von Mitteleuropa cultivirt werden, ſind die Getreidearten. Im ſüdweſt— lichen Frankreich bis zur Loire iſt der Maisbau vorherrſchend; im nördlichen Frankreich, in Belgien und den Niederlanden wird vor— zugsweiſe Weizen gebaut, in den beiden letzteren Ländern beſonders auch Gerſte zur Bereitung des Bieres. An der nordweſtlichen Grenze von Weſtphalen iſt der Buchweizen faſt das einzige Nahrungsmittel, und öſtlich vom Rhein ſind der Roggen und die Kartoffel die Haupt— producte der Landwirthſchaft. Nur in einzelnen Strichen von Nord— deutſchland und Dänemark gewinnt man zugleich Weizen. Der Wein— bau wird beſonders in dem franzöſiſchen Antheil der Ebene betrieben und reicht nördlich bis an die Mündung der Loire, weiter öſtlich bis Paris und an die Moſel. In der deutſchen Ebene iſt der Weinbau von geringer Bedeutung, doch reicht er am Rhein bis über Cöln hin— aus, und weiter nach Oſten findet man ihn noch nördlicher, bei Ber— lin und ſelbſt bei Danzig. Nach Preußen iſt der Weinſtock durch die deutſchen Ritter gebracht worden, doch hat man ſpäter des geringen Ertrags wegen die Rebencultur in dieſen Provinzen aufgegeben, ſo daß man hier den Weinſtock faſt nur noch in Gärten findet. Die Obſtſorten Mitteleuropa's gedeihen in der mitteleuropäiſchen Ebene ganz vorzüglich, beſonders im nördlichen Frankreich jenſeit der Polar— grenze des Weinſtocks. Hier iſt der Apfelbaum, deſſen Früchte zur Bereitung des Cyders benutzt werden, Hauptgegenſtand der Cultur; und im ſüdweſtlichen Frankreich gedeihen vorzugsweiſe die zarteren Obſtſorten, die Pfirſiche und die Aprikoſen. Utricularia, Scirpus palustris, Myriophyllum, Equisetum, Nymphaea; Comarum palustre, Alisma Plantago, Eriophorum ete. ' Corylus Avellana, tubulosa. 352 V. Die kältere temperirte Zone. Im Norden von Frankreich liegen die Britiſchen Inſeln oder Großbritannien und Irland, welche ihrer Oberflächengeſtalt wie der Phyſiognomie ihrer Vegetation nach an dem Charakter der mitteleu— ropäiſchen Landſchaften Theil nehmen. In Großbritannien wechſeln wellenförmige Ebenen mit Gebirgen ab, die aber nur ſelten über 4000“ ſich erheben. Nur der nördliche Theil iſt durchweg gebirgig, ſo wie die weſtlich von Schottland gelegenen Hebriden. Die drei Gebirgsſyſteme, welche Schottland in nordöſtlicher Richtung durch— ſtreichen, ſind durch tiefe Längenthäler von einander getrennt, die von einem Meer zum anderen reichen. Zwiſchen dem ſchottiſchen Hochge— birge im Norden und dem Grampiangebirge liegt das 10 Meilen lange, enge Thal des Caledoniſchen Kanals, welches von einer Reihe von Seen erfüllt iſt. Eine breitere Thalebene, in welcher die Haupt— ſtädte Schottlands, Edinburgh und Glasgow liegen, trennt die beiden nördlichen Gebirgsſyſteme von dem Cheviotgebirge, deſſen Gipfel größ— tentheils rund geformt erſcheinen, während die tief eingeſchnittenen Thäler der Nordweſtſeite waſſerreiche Bergſtröme zum Clyde-Buſen entſenden. — England erſcheint mit Schottland verglichen als ein Flachland, beſonders der öſtliche Theil, deſſen wellenförmige Fläche bisweilen zu 1000“ anſteigt. An den Grenzen dieſes Flachlandes er— heben ſich im Nordoſten und Südweſten einzelne kleinere Gebirgs— gruppen, deren Gipfel nicht über 1600“ emporſteigen; die weſtliche Halbinſel dagegen, das Fürſtenthum Wales, iſt von einer nördlich ziehenden Gebirgskette durchſchnitten, deren höchſte Gipfel ſich bis zu 3350“ erheben. Eine zweite Bergkette im nördlichen England, das Peak-Gebirge, iſt zwar weniger hoch, aber die nordweſtlichen Theile deſſelben in den Grafſchaften Weſtmoreland und Cumberland bieten ausgezeichnete, maleriſche Partieen dar; beſonders ſind die Seen von zerriſſenen Gebirgsufern umſchloſſen, deren phantaſtiſche Felswände oft ſenkrecht aus den Fluthen emporſteigen. — Irland erſcheint in ſeinem Innern als ein niedriges Flachland, deſſen Waſſerſcheide zwi— ſchen der Iriſchen See und dem Atlantiſchen Ocean nur 250“ hoch gelegen iſt. An ſeinen Rändern aber erheben ſich mehrere Berggrup— pen, drei im nördlichen und zwei im ſüdlichen Theile der Inſel. Die an der Südweſtküſte iſt die höchſte; ihr Culminationspunkt hat nahe an 3200“ Höhe. Die Gebirge Schottlands ſind aus mancherlei Geſteinen und Felsarten zuſammengeſetzt, hin und wieder von Baſalt durchbrochen, der auch im mittleren England ſo wie im nördlichen Irland auftritt. Die Britiſchen Infeln. 353 Dieſe Gebirgsformation beſtimmt auch vorzugsweiſe den Charakter der inneren Hebriden. Prachtvolle Säulenreihen, wie der berühmte Rie— ſendamm in Ulſter und maleriſche Grotten, wie die Fingalshöhle auf Staffa haben ſich einen weit verbreiteten Ruf erworben. — Eng— lands Gebirge beſtehen größtentheils aus Urfelsarten, in der wellen— förmigen Fläche aber bildet das Steinkohlengebirge einen der weſent— lichſten Beſtandtheile, beſonders in dem nördlichen Theile, während im Süden mehr die Kreidebildung vorherrſcht. England iſt berühmt we— gen ſeines Mineralreichthums, auf welchen ſeine Induſtrie wie ſein ausgedehnter Handel gegründet ſind. Derſelbe Charakter — ſich auch in den Gebirgen Irlands. Rings vom Meere umſpült, haben Großbritannien und Irland natürlich ein Inſelklima. Gleichmäßige Vertheilung der Temperatur, trüber Himmel, große Feuchtigkeit ſind die hauptſächlichſten Merkmale der Witterungsverhältniſſe. Nirgend in Europa fällt eine ſo große Regenmenge; nur die öſtlichen Küſten nehmen mehr an dem Conti⸗ nentalklima Theil. An der Südküſte beträgt die mittlere Jahres- wärme 9° und ſinkt bis zur Nordſpitze auf 6% herab; ſonſt aber iſt die Wärme in den verſchiedenen Jahreszeiten äußerſt gleichmäßig, ſo daß der Unterſchied zwiſchen Sommer und Winter in ganz Großbri— tannien und Irland nur 7 — 9 beträgt. Im flachen Lande ſinkt die mittlere Wintertemperatur an keinem Orte unter 0°. In der Ebene Großbritanniens ſind die Eiche und die Eſche die vorherrſchenden einheimiſchen Waldbäume, denen ſich noch einige grö— ßere Weidenarten beigeſellen; Buchen, Linden und Ulmen dagegen, obgleich ſie hin und wieder ſparſame Waldungen bilden, ſind ver— muthlich eingewandert. Außerdem findet man die ächte Kaſtanie und den Ahorn häufig angepflanzt, eben fo treten die Feldrüſter! und die Birke, ferner Weißdorn 2, Stecheiche 3, Haſelſtrauch, Erle, Hollunder und verſchiedene Weidenarten häufig auf. Im ſüdlichen England find Feldahorn , Kreuzdorn ° und Spindelbaum ſtellenweiſe in Menge zu finden, und als die wichtigſten Geſträuche ſind verſchiedene Roſen 7, Brombeeren , Schlehen s, Weiden, Schneeball und Loni— cere ne zu nennen. Die Aecker und Felder find mit verſchiedenen klei— ** ' Ulmus campestris. 2 Crataegus Oxyacantha. Illex Aquifolium. Acer campestre. Rhamnus catharticus. ° Evonymus europaeus. Rosa arvensis, canina. Rubus fruticosus.. Prunus spinosa. 10 Lonicera Periclymenum. 23 354 V. Die kältere temperirte Zone. neren Geſträuchen ! bedeckt wie auf dem Feſtlande; im weſtlichen und nördlichen England ſo wie in Schottland treten dagegen die Heidelbeere? und das Heidekraut häufiger auf. Ueberhaupt ver- ſchwinden gegen Norden allmälig auch manche krautartige Gewächſe und werden in der Nähe der Berggegenden durch andere Formen er— ſetzt. Beſonders ausgezeichnet iſt in England der herrliche Gras— wuchs; hier vereinigen ſich aber auch alle Bedingungen, die ſeinem Gedeihen förderlich ſind: milde Winter, mäßige Sommer und große Feuchtigkeit. Die Raſenflächen der engliſchen Parks und die prächti- gen Wieſen übertreffen alles Aehnliche in ganz Europa. Dieſelben klimatiſchen Bedingungen begünſtigen auch das Gedeihen der erypto— gamiſchen Gewächſe, und außer mannigfachen Farnen finden ſich an feuchten und ſchattigen Orten eine Menge von Laubmooſen, welche nicht nur den Boden und die Baumſtämme, ſondern auch Mauern und alte Gebäude überwuchern. Ganz denſelben Charakter zeigt die Irländiſche Ebene, nur zeigen ſich hier an der Weſtküſte viele Pflan— zen, die in Portugal und Spanien einheimiſch ſind, wie wir dies auch ſchon bei Frankreich bemerkt haben; es muß demnach eine Wan⸗ derung ſüdeuropäiſcher Gewächſe längs der ganzen Weſtküſte von Europa ſtattgefunden haben, ſo weit die klimatiſchen Verhältniſſe eine ſolche zuließen. Eine weſentliche Urſache der milden Witterung der britiſchen Inſeln iſt der ſogenannte Golfſtrom, welcher das in der heißen Zone erhitzte Waſſer fortwährend von Amerika in nordöſtlicher Richtung fortbewegt, ſo daß die warmen Waſſerdämpfe durch die gleichzeitig wehenden Weſt- und Südweſtwinde über die Inſeln weg bis an die Norwegiſche Küſte geführt werden. Hieraus erklärt es ſich, daß eine Menge ſüdlicher Gewächſe, wie die Myrte und der Lorbeer, Magno— lien, Fuchſien, Pelargonien und ſelbſt Camellien im ſüdlichen und mittleren England im Freien ausdauern. Eben ſo gedeihen mehrere ſüdliche Früchte ganz gut. Die Pomeranze wird an der Südküſte an Wänden gezogen und gelangt zur Reife; die Feigen, Aprikoſen, Maul- beeren, die Wallnuß und die Lambertsnuß zieht man in den ſüdlichen Theilen der Ebene, und die Kaſtanie wird ſelbſt noch bei Edinburgh reif. Der Wein jedoch gelangt nur in beſonders günſtigen Jahren ' Viex europ. und nanus, Cytisus scoparius, Ononis arvensis und spinosa, Genista anglica, Erica vulgaris, cinerea, Tetralix etc., Ruscus aculeatus, Rosa- ceen, Papilionaceen. : Vaccinium Myrtillus. Die Britiſchen Inſeln. 355 zur Reife, da heitere Sommer- und Herbſtmonate in England zu den ſeltenen Erſcheinungen gehören. Im Großen wird der Weinſtock da— her nirgend angebaut, und auch alles übrige Obſt iſt ſehr mittel— mäßig. Aepfel und Birnen benutzt man meiſt zur Bereitung des Cyders, und auch aus den Stachelbeeren, die hier in ausgedehntem Maßſtabe cultivirt werden, bereitet man ein weinartiges Getränk *). Das in England gewonnene Getreide reicht für den Bedarf nicht aus, doch gedeihen Weizen und Roggen in vielen Gegenden ganz gut, während in Irland die Kartoffel und der Hafer die gewöhnlichſten Nahrungsmittel liefern. Alles bisher Geſagte bezog ſich nur auf die unterſte Region, auf die der Ebene; in der Region des Hügellandes, welche im Durch— ſchnitt bis 1300“ reicht, ändert ſich der Vegetationscharakter. Die eigentlichen Gräſer und die niederen Leguminoſenſträucher treten zu⸗ rück; dafür werden Halbgräſer und Heidekraut vorherrſchend. Die Wälder werden vorzugsweiſe aus Birken und Kiefern zuſammengeſetzt, denen ſich als niederes Geſträuch die Ebereſche und die Zitterpappel beigeſellen. Der Weizen, der beſonders im ſüdöſtlichen Theile von England gut gedeiht, geht im nördlichen Theile bis 900' und im mittleren Schottland bis 600’, doch find die Ernten hier nicht mehr lohnend; Roggen, Hafer und Flachs dagegen gedeihen beſſer, und noch höher machen Gerſte und Kartoffeln den Schluß des Culturge— biets. In dieſer Region gedeihen Aepfel, Kirſchen, Erdbeeren, Jo— hannis⸗- und Stachelbeeren ganz gut, die Haſelnuß trägt reichlich, und an der fchottifchen Oſtküſte wird ſelbſt die Pfirſich noch reif. An der oberen Grenze der Cultur wechſeln grüne, dicht abgefreſſene Schaf— weiden mit Sumpfmooren und trockenen Heideplätzen; Bäume, die ehemals in Menge vorhanden waren, ſind jetzt ſelten, und ſo bietet die obere Region einen wenig erfreuenden Anblick dar. In Schott— land dagegen, deſſen Gebirge ſich bedeutender erheben, treten hier Ebereſchen, Birkengeſträuche n, Kiefern 2, Wachholder, Heideſträucher >, Bärentraube * und einige Weiden auf, und die obere Grenze der Strauchvegetation wird durch das gemeine Heidekraut gebildet. Mit 2000“ Höhe beginnt dann die alpine Region, deren Gewächſe auffal— lend zwergartig erſcheinen, ſo daß kein einziges über 3“ Höhe erreicht. Betula alba, nana. 2 Pinus sylvestris. Erica Tetralix, cinerea. * Arbutus Uva ursi. ) gooseberry-wine. . 356 V. Die kältere temperirte Zone. Zugleich iſt die Vegetation hier überaus ſparſam. Die Granit- und Porphyrklippen ſtehen meiſt nackt zu Tage, und der Boden iſt kaum zur Hälfte mit Pflanzen, weit mehr mit Schutt und Gerölle bedeckt. Von dem nördlichen Europa erſtreckt ſich in dieſe Zone auch der ſüdliche Theil von Schweden hinein. Vom baltiſchen Meere um— ſpült und im Norden durch die in der Einſenkung der Skandinavi— ſchen Halbinſel gelegene Seenkette begrenzt, erhebt ſich dieſer Theil des Schwediſchen Gebiets zu einem inſelartigen Plateau, welches im Taberge an der Südſeite des Wetterſees die mäßige Höhe von 10407 erreicht. Von dem Mineralreichthum des übrigen Schwedens iſt hier nichts zu merken, nur die ſüdlichſte Provinz, Schonen, hat einige Steinkohlenlager, deren Ausbeute aber gering iſt. Die mittlere Jah— restemperatur des ſüdlichen Schwedens beträgt noch 6» - 6% und demgemäß nimmt auch die Vegetation an dem Charakter dieſer Zone Theil. Die Buchenwaldungen , welche die däniſchen Inſelnu in fo hohem Grade auszeichnen, reichen hier im Weſten bis an die nörd— liche Grenze dieſer Zone, im Oſten nur bis Kalmar unter 563 O Br., doch ſtehen einzelne Buchen bis an die obengenannte Seenreihe, und außerdem findet man Eſchen, Linden, Ahorn und Rüſtern. Der ſüd— lichſte Theil aber, die Provinz Schonen, nebſt ihren Nachbardiſtricten, iſt ganz von Holz entblößt; faſt aller Boden iſt Ackerland. Das Ge— treide gedeiht im ſüdlichen Schweden vorzüglich, ſo daß es ſelbſt den nördlichen Provinzen von ſeinem Ueberfluſſe mittheilen kann. Auch Tabak wird gebaut, jedoch nicht ausreichend für den ungemein ſtarken Bedarf. In den Gärten blühen hier noch Roſen; Aepfel, Kirſchen und einige Arten von Birnen gedeihen, und an der Südküſte kommen ſelbſt der Wallnußbaum, die ächte Kaſtanie und der Maulbeerbaum im Freien fort. i Den öſtlichen Theil der kälteren temperirten Zone von Europa nimmt das mittlere und ſüdliche Rußland ein. Das Innere von Rußland bildet eine weitgedehnte, wellenförmige Ebene, deren höher gelegene Stellen ſich zum Theil der reichſten Cultur erfreuen, während die tiefer liegenden Flächen größtentheils mit Sumpfmooren bedeckt find. Die ausgedehnteſten Moräſte finden ſich in dem weit lichen Theil der Ebene zwiſchen der Bereſina, dem Pripet und dem Dujepr; hier dehnt ſich eine Sumpf-Ebene aus, die einen Flächen— raum von mindeſtens 1000 I Meilen einnimmt. Als Mittelpunkt " Fagus sylvatica. Das mittlere Rußland. 357 der großen ruſſiſchen Ebene kann Moskau betrachtet werden, welches nur 360“ über dem Meeresſpiegel liegt, und die ganze Strecke von hier bis an den Ural hat nur eine mittlere Höhe von 300’. Noch tiefer ſenkt ſich die Ebene im Thale der Wolga, deren Waſſerſpiegel bei Kaſan, wo ſie mindeſtens noch 250 Meilen von ihrer Mündung entfernt iſt, nur 27“ über der Meeresfläche und 122“ über dem Spies gel des Kaspi⸗Sees liegt. Nach Norden und Süden ſteigt die ruſſi— ſche Ebene allmälig an, ſo daß ſie einerſeits gegen das Baltiſche, andererſeits gegen das ſchwarze Meer durch eine Wallerhöhung ge— ſchirmt erſcheint. Im Norden ſind es die Uwalli, eine durchſchnittlich 800’ hohe Hügelreihe, welche die Waſſerſcheide zwiſchen den nördlichen und ſüdlichen Strömen bilden und ſich in dem Culminationspunkte des Waldaiplateau's faſt bis zu 1000“ erheben. Im Süden iſt es die Granitplatte von Podolien, die von Galizien in ſüdöſtlicher Rich— tung bis in die Nähe des Aſowſchen Meeres ſich hinzieht, die ausge— dehnteſte Granithöhe in Europa. Hier betritt man ein reiches und fruchtbares Gebiet, welches ſchöne Landſchaften darbietet; es iſt die bekannte Ukraine. Weiter nach Oſten bricht ſich der Dnujepr ſchäu— mend und brauſend zwiſchen zerriſſenen Granitgipfeln und bildet die 12 berühmten Katarakten von Jekaterinoslaw, worauf er ſeinen ſüd— öſtlichen Lauf plötzlich ändert und in ſüdweſtlicher Richtung dem ſchwarzen Meere zuſtrömt. Die ganze ruſſiſche Ebene iſt reich be— wäſſert, kein Land der Welt enthält eine ſo große Anzahl bedeuten— der Ströme, die hier dem Verkehr um ſo größere Dienſte leiſten, als durch mehrere Kanäle die entgegengeſetzten Stromgebiete und Meere mit einander verbunden ſind. Für die klimatiſchen Verhältniſſe Mittelrußlands können die Temperaturen von Moskau den Maßſtab abgeben. Hier beträgt die mittlere Jahreswärme etwa + 3°, die Winterkälte — 8% und die Sommerwärme + 13%; das Klima iſt alſo noch milde zu nennen und dem Getreidebau in hohem Grade günſtig. Weiter nach Oſten ſinkt die Temperatur, denn in Kaſan, welches mit Moskau unter gleicher Breite liegt, beträgt die mittlere Temperatur nur 13°, die Winterkälte — 11° ü und die Sommerwärme 13%ů8. Milder dage— gen wird es gegen Welten, jo daß Warſchaus Klima ſchon mit dem von Mitteleuropa übereinſtimmt. Hier beträgt die mittlere Jahrestemperatur 7% 4, die Winterkälte nur — 1% und die Som— merwärme 16,5. In den Oſtſeeprovinzen kommt außer der weſtlichen Lage noch 358 V. Die kältere temperirte Zone. die Nähe des Meeres hinzu, deſſen mildernder Einfluß auf das Klima ſich Schon in Litthauen bemerklich macht. Die Vegetation des mittleren Rußland hat noch viel Aehnlich— keit mit der von Mitteleuropa überhaupt. In der Gegend, wo der Niemen und mehrere Zuflüſſe des Dujepr entſpringen, finden ſich noch häufig große Heideflächen, in denen Wachholder und gelbblühender Ginfter * dem Heidekraut beigemiſcht find; niedriges Eichengeſtrüpp ? bedeckt große Räume und zeichnet die Phyſiognomie Litthauens vor den weſtlicheren Gebieten an der Oſtſee aus. In den feuchten Nie- derungen treten Weiden? häufig auf, und die großen Wälder ſind aus Kiefern und Rothtannen gebildet. Laubgehölze ſind ſeltener und beſtehen meiſt aus Birken, zwiſchen denen auch Eichen, Pappeln und Ebereſchen auftreten. — Im mittleren Rußland ſtehen Ackerbau, Feld und Wald im Gleichgewicht mit einander. Der oben genannte Land— rücken mit dem Waldaiplateau bildet die Polargrenze für die Obſt— cultur und zugleich für eine Menge von Laubhölzern. Zunächſt ſind es Birkenwälder , die den nördlichen Theil dieſer Zone erfüllen. Die Nadelwälder nehmen ab; dafür treten Espen auf, die zum Theil geſchloſſene Wälder bilden, zum Theil mit Birken und Kiefern gemiſcht wachſen, bis die Eiche“ erſcheint und von nun an gemiſchte Laubwälder vorherrſchen. Es treten Eſchen ? und Linden hinzu, des nen fi) Haſelnuß, Spindelbaum s, Kreuzdorn ?, Erlen ?° und ver— ſchiedene Weiden n als Geſträuche beigeſellen. Indeſſen vermindern ſich die Wälder Mittelrußlands nach und nach, was um ſo bekla— genswerther iſt, als die ſüdlichen Provinzen, denen das Holz gänzlich mangelt, nur von hier aus mit dieſem Product verſorgt werden kön— nen. Auf allen ſüdlich ſtrömenden Flüſſen wird es dieſen Gegenden zugeflößt. Wie verderblich die Waldverwüſtungen dem mittleren Ruß— land allmälig werden müſſen, zeigt ſich daran, daß auf trockenen An⸗ höhen, wo man die Wälder gelichtet hat, eine dichte Steppenvegeta— tion 12 ſich vorbereitet, die bis an die Weidengebüſche !“? der Fluß- ufer reicht. Weiter gegen Oſten an der Wjätka, auf den hügeligen Abflachungen der Vorberge des Ural zeigen ſich undurchdringliche Genista tinctoria. 2 L. pedunculata. Salix angustifolia, S. livida. Betula corticifraga, B. pubescens. Populus tremula. ° Q. pedunculata. Fraxinus excelsior. ° Evonymus europaeus. ° Rhamnus Frangula, Rh. catharticus. % Alnus glutinosa. 1 Salix fusca, cinerea, caprea. ? Arte- misia scoparia, vulgaris, campestris, Absinthium. 1 Salix acutifolia, alba, fra- gilis, viminalis etc. Das mittlere und ſüdliche Rußland. 359 Nadelholzwälder und große Sümpfe. Fichten“, Tannen? und Bir⸗ ken bilden die Hauptbeſtandtheile, und Traubenkirſchen , Ebereſchen, Espen, Ulmen und Erlen wachſen zerſtreut dazwiſchen. Eben ſo wie dem mittleren Rußland eine geordnetere Forſtver— waltung Noth thut, ſo bedarf es auch einer Verbeſſerung der Land— wirthſchaft, denn der Ackerbau ſteht hier überall auf einer niedrigen Stufe der Ausbildung. Nur die Oſtſeeprovinzen, in welche deutſche Bildung eingedrungen iſt, machen hiervon eine rühmliche Ausnahme. Das Hauptgetreide iſt der Roggen; nördlich vom 51° der Br. be— kommt die Gerſte das Uebergewicht. Außerdem werden Hanf, Flachs und Hopfen in großer Menge gebaut; auch Tabak, jedoch nicht ſo viel, daß er für den Bedarf ausreicht. Kohl, Gurken, Zwiebeln und Rüben machen die hauptſächlichſte Nahrung des gemeinen Ruſſen aus, doch findet ein eigentlicher Gartenbau faſt noch nirgend ſtatt. Obſt⸗, beſonders Aepfelbäume, kommen zwar in ziemlich nördlichen Bezirken fort, doch bedürfen ſie einer ganz beſonderen Pflege, und ſelbſt dann werden die Stämme oft durch die ſtrenge Kälte zerſtört. In Lit— thauen halten Birn- und Pflaumenbäume noch in freier Luft aus, weiter nach Oſten aber unter gleicher Breite nicht mehr. Der Wein wird zu Moskau nur noch in Gewächshäuſern reif, denn ſchon im September ſinkt die mittlere Temperatur hier auf 8°, und heftige Nachtfröſte zerſtören die Ernte. Der ganze ſüdliche Theil von Rußland iſt als eine große Steppe zu betrachten, deren Unterlage von der oben bereits erwähnten Gra— nitplatte gebildet wird. Von Kiew am Dnjepr zieht ſich dieſes Pla— teau bis nahe an die Küſte des ſchwarzen Meeres. Der Granit iſt nur mit einer ſchwachen Schicht jüngerer Bildungen bedeckt und ſteht in den Flußthälern, wie an einigen anderen Stellen zu Tage. Die Nordküſte des ſchwarzen Meeres dagegen beſteht aus jüngerem Kalk— ſtein. Die Halbinſel Krim erſcheint gleichfalls als ein flaches Step— penland; erſt gegen den Südrand erhebt ſich der Boden zu einer Bergkette, deren Gipfelpunkt 4740“ über dem Meere liegt, zu welchem das Gebirge im Süden ſteil abfällt. In Betreff des Klima's zeigen ſich im ſüdlichen Rußland die auffallendſten Differenzen. In Odeſſa, an der Meeresküſte beträgt die mittlere Jahrestemperatur 8s, im Winter — 0% 9, im Sommer 16%; in Sewaſtopol auf der Südſeite der Krim ſteigt die Jahres— 7 2 Pinus sylvestris. Abies sibirica. Prunus Padus. 360 V. Die kältere temperirte Zone. wärme auf 9%,4, die Wintertemperatur beträgt + 1%, die Sommer— wärme 18%. Noch ſchärfer treten die Unterſchiede hervor, wenn man die höchſten und niedrigſten Thermometerſtände beachtet. In Odeſſa beträgt das Maximum der Wärme + 26°, das Minimum — 22°, alſo eine Differenz von 48“ und in Aſtrachan, das in gleicher Breite liegt, iſt das Maximum + 36°, das Minimum — 32°, alſo gar ein Unterſchied von 68°. Mit dieſem ungeheuren Temperaturwechſel ver— bindet ſich natürlich ein eben ſo großer Wechſel von Trockenheit und Feuchtigkeit, denen ſich gewaltige Stürme und Wirbelwinde hinzuge— ſellen. Dieſe Witterungsverhältniſſe ſind die Urſache, daß Waldungen hier nicht aufkommen können. So erſtreckt ſich die Steppe des ſüd— lichen Rußland von dem Fuß der Karpathen 270 Meilen lang bis an die ſüdlichen Abfälle des Ural bei Orenburg, und zwar in einer Breitenausdehnung von durchſchnittlich 80 Meilen, ſo daß ſie einen Flächenraum von 21,500 I Meilen bedeckt. Die Grenze des ſüdlichen Vegetationsgebiets läßt ſich durch eine Linie bezeichnen, welche die Städte Tſchernigow, Kursk, Tambow und Simbirsk mit einander verbindet. Das Erſte, was an der Desna auffällt, die bei Kiew in den Dirjepr mündet, find die wilden Obſt— bäume !. Durch ihre krauſen, gedrängten Zweige, jo wie durch die dunkele Färbung der niedrigen Stämme zeichnen ſie ſich ſchon aus der Ferne vor den Laubhölzern Mittelrußlands aus. Sonſt aber iſt die ganze Fläche des Landes baumlos zu nennen. An Wäldern fehlt es durchaus, wenn auch in den Sumpfniederungen und in den tief— liegenden Flußthälern einige Baumvegetation zur Entwickelung ge— langt. Am häufigſten tritt die Eiche auf, doch immer in Begleitung der bereits erwähnten Obſtbäume. Die ſchmalen Waldſtreifen, welche auf dieſe Weiſe entſtehen, können gegen die Größe der Steppe in keinen Betracht kommen. Eben ſo iſt der Ackerbau an einen ſchmalen Landſtreifen gebunden, der den nördlichen Gürtel der Steppe bildet und in dem der Diluvialſand mit fruchtbarer ſchwarzer Erde bedeckt iſt. Nur die Ukraine macht in dieſem Gebiet eine Ausnahme von dem allgemeinen Charakter und iſt als ein Uebergangsglied von der Vegetation Mittelrußlands zu der ſüdlichen Steppe zu betrachten. Ein großer Theil des fruchtbaren Hügellandes iſt hier mit Wald be— deckt. Eichen, Linden, Ulmen, Espen, Pappeln, Eſchen und Ahorn? find die Hauptformen, aber ſtets mit wilden Birnbäumen gemiſcht, ' Pyrus communis, P. Malus, Prunus Cerasus. 2 Acer tataricum. Das ſüdliche Rußland. 361 die in Gemeinſchaft der Haſelſtaude das Unterholz bilden. Die hohe Sommerwärme geſtattet hier noch die Cultur des Mais und mehrerer Kürbisgewächſe, doch ſind Wald und Acker vor der anhaltenden Dürre des Sommers durch den 10— 15 tiefen Humusboden geſchützt. Der Roggen gedeiht daher, ohne daß der Boden jemals gedüngt wird, und die Ukraine iſt berühmt wegen ihrer Getreideproduction. Der fette Boden entwickelt hier bisweilen rieſige Formen. Diſteln und Doldengewächſe erſcheinen doppelt ſo groß als an anderen Orten, und das Dunkel des Waldes birgt Pilze von ungeheurer Größe, Morcheln n von 1’ Höhe, andere Formen mit 3’ breiten Hüten und einen Boviſt 2, deſſen Schwammkugel 3“ im Durchmeſſer hat. Wo aber der Wald fehlt, da zeigen ſich ſchon 2— 3“ hohe Steppenge— ſträuche? und Zwergkirſchen *. Im Oſten des Dujepr, in der Um- gegend von Pultawa, beginnt die eigentliche Steppe mit hohen Stau— den von Syngeneſiſten 5 und anderen Formen, die in Begleitung des dürren, hohen Graſes erſcheinen und, weil ſie zur Feuerung die— nen, hier mit dem Namen Brennſtauden bezeichnet werden. Der kurze Frühling bringt hier freilich einen leichten Blüthenteppich zur Ent⸗ wickelung, aber bald ſteigt die Hitze auf eine unerträgliche Höhe. Im Sommer erſcheint die Steppe vollſtändig verſengt, alles vegetative Leben getödtet. In dem kurzen Herbſt wiederholen ſich noch einmal die dichten Nebel, denen die Frühlingsvegetation ihr Entſtehen zu ver- danken hatte, bald aber treten die ſchaurigen Schneeſtürme ein, und unter der tiefen Schneedecke muß die öde Fläche den langen Winter ausharren. — Dieſer Steppencharakter ſetzt ſich auch bis zur Mitte der Krimm fort, von wo ſich ein weißes, ſehr lockeres Kalkgeſtein er— hebt, deſſen Unfruchtbarkeit durch die Dürre noch vermehrt wird. Der ſteile Südabhang iſt zunächſt mit Eichengebüſch? bedeckt, neben welchem einzelne Fichten s erſcheinen; in den tiefen keſſelförmigen Thälern aber finden ſich ſchöne Eichenwälder. Das letzte Drittel der Bergwand ſenkt ſich allmäliger dem Meere zu. Hier finden ſich Fel— der und Anlagen, in denen unter dem Schutze der nordwärts ſich er— hebenden Kalkwände die Feige und der Oelbaum gedeihen. Weiter öſtlich erſcheinen die unabſehbaren Wieſenflächen des Don. Von Tambow bis zu den Geſtaden des aſowſchen Meeres breitet ſich Morchella alba. 2 Lycoperdon horrendum. 3 Cytisus supinus, Cara- gana. Prunus Chamaecerasus. „Artemisia, Achillaea, Cynara. Ver- bascum, Euphorbia. O. pubescens. Pinus taurica. 362 V. Die kältere temperirte Zone. die platte Thalebene aus, nach beiden Seiten, ſo weit die Ueber— ſchwemmung reicht, mit üppig aufſchießendem Graſe und vielfarbig blühenden, duftenden Pflanzen bedeckt. Bis zur Donau hin gleicht die ganze Steppe einem wogenden Kornfelde; nur wo der Granit mehr hervortritt, erſcheint die Grasdecke dürftig. Ueberall an den Ufern der weſtlichen Zuflüſſe des Don finden ſich Anſiedelungen, und bis zum 48° d. Br. reicht hier die Cultur des Weizens und der Baumfrüchte. Außerdem werden auch Buchweizen, Hirſe und andere Culturgewächſe, beſonders aber Hanf und Tabak gebaut. Die Vieh— zucht, beſonders die der Pferde, des Rindviehs und der Schafe kommt dem Ackerbau zu Hülfe, doch bilden die ausgedehnten Steppen ein ſchwer zu bewältigendes Hinderniß. — Jenſeit der Wolga erſcheinen die Steppen in Folge des gänzlichen Waſſermangels noch viel trau— riger. Nur die Ufer dieſes Fluſſes ſind noch mit Wald und Gebüſch eingefaßt, weiter öſtlich aber breitet ſich eine öde, mit halbverſengten Kräutern dünn bewachſene Fläche aus, die in die Steppen von Turan übergeht. Nach Süden dagegen erſtrecken ſich die üppigen Fluren Kaukaſiens. Das ganze Gebiet im Nordweſten des Kaspi-Sees bis an den Kaukaſus iſt theils mit üppigem Graswuchs und ſtrauchar— tigen Kräutern bedeckt, theils der Cultur des Mais und der Weinrebe zugänglich gemacht. Die Hauptnahrungsquelle der Bewohner bildet indeſſen auch hier die Viehzucht. 1 Die natürliche Grenze zwifchen Europa und Aſien wird durch den Ural gebildet, dem einzigen bedeutenden Gebirge, welches die ungeheure, aus Rußland, Turan und Sibirien beſtehende Ebene durchzieht. Er ſtreicht in der Richtung der Meridiane und wird als nördlicher, mittlerer und ſüdlicher Ural unterſchieden. Die Höhe die— ſes Gebirges iſt ſehr verſchieden. In dem mittleren Theile, über welchen die Hauptſtraße von Europa nach Aſien, nämlich von Kaſan nach Tobolsk führt, hat der Kamm noch nicht 1600“ Höhe, und Je— katerinburg am öſtlichen Abhange auf dieſer Straße, liegt nur 900’ über dem Meeresſpiegel. Die bedeutendſten Gipfel erheben ſich in dem nördlichen Theile des mittleren Ural. Unter 60° n. Br. find fie etwa 8— 9000“ hoch, und dennoch erſcheinen fie frei von ewigem Schnee. Derſelbe lagert aber in ſattelförmigen Vertiefungen zwiſchen den Gipfeln und bildet große Felder an den öſtlichen und nördlichen Abhängen. Der mittlere Ural, welcher ſeines ungemeinen Metall— reichthums wegen am bekannteſten iſt, ſpaltet ſich eben ſo wie der ſüdliche in drei parallele Ketten. Die weſtlichſte derſelben iſt die Der Ural. 363 höchſte und erhebt fich in ihren Gipfelpunkten, dem Jurma, Taganai, Urenga und Iremel zu 3 — 4000“ Höhe. Die öſtlichſte iſt zwar die niedrigſte und ſchmalſte, erhebt ſich indeſſen häufig ſehr ſchroff und ſteil und fällt nach Oſten unmittelbar zur ſibiriſchen Steppe ab. An den ganzen Weſtabhang des mittleren und beſonders des ſüdlichen Ural lehnt ſich ein großes, wellenförmiges Plateau an, das ſich nach und nach zum Thal der Wolga ſenkt, der tiefſten Einſenkung des mittleren Rußland. In Betreff ſeiner Vegetation iſt der Ural ein Waldgebirge zu nennen, welches aber nicht mehr als zwei Regionen darbietet. Die eigentliche Waldregion ſteigt durchſchnittlich bis 3000’, nur auf dem Iremel, dem ſüdlichſten der oben genannten Gipfel bis 4000’. Der ſüdliche Ural bildet die nördliche und zugleich die öſtliche Grenze der Eiche, welche nur bis zu 625“ Höhe emporſteigt; am Weſtabhange des mittleren Ural ſind keine mehr zu finden. Linden, Ulmen und Ahorn! reichen kaum bis 1000’; außerdem bilden Ebereſchen, Espen, Lärchen, Birken, Kiefern und Tannen, welche in der genannten Rei⸗ henfolge nach und nach verſchwinden, die Hauptformen des Waldbe— ſtandes. — Ueber der Waldregion bieten die Spitzen aller höheren Berge nichts Anderes dar als loſe über einander gehäufte Felstrüm— mer, zwiſchen denen einzelne Birken und Tannen als fußhohes Ge— ſtrüpp wachſen. Dieſe Trümmerregion hat nach der Verſchiedenheit der einzelnen Berghöhen 150 — 500“ Höhe. Auf der zwiſchen den Felsſpalten geſammelten Dammerde wächſt zwar manche ſeltene Pflanze, im Allgemeinen aber iſt die Vegetation? ärmlich zu nennen; am häufigſten erſcheint eine Art Gypskraut ?, welches große Raſen— flächen bildet. Auf dem Iremel breitet ſich oberhalb der Waldregion ein Sumpfplateau aus, auf welchem ſich nur einige Weiden * erheben, eine traurige, melancholiſche Gegend mit wenigen Pflanzenformen “. Ueber dieſem plateauartigen Rücken ſteigt dachartig der langgeſtreckte Gipfel empor, der, aus jenen Steintrümmern gebildet, noch 600“ ſich erhebt. — Im Ganzen zeigt die Vegetation des Ural eine auffallende Aehnlichkeit mit der von Europa, was wohl der geringen Erhebung des Gebirges zuzuſchreiben iſt. Unter 300 geſammelten Pflanzen fans Acer platanoides. 2 Solidago Virgaurea, Polygonum Bistorta und al- pinum, Festuca ovina.. ? Gypsophila uralensis. Salix glauca und caesia. ° Gymnandra altaica, Cerastium alpinum, Dianthus plumarius, Cineraria cam- pestris. 364 V. Die kältere temperirte Zone. den ſich nur 60, die nicht zugleich im nördlichen und weſtlichen Eu— ropa vorkommen. Dagegen zeigt ſich eine auffallende Verſchiedenheit zwiſchen dem weſtlichen und dem öſtlichen Abhange; für mehrere euro— päiſche Gewächſe * bildet der Ural entſchieden die öſtliche Grenze. Steinbrecharten, dieſe ſo charakteriſtiſchen alpinen Formen, finden ſich merkwürdiger Weiſe gar nicht, dagegen zeigt ſich ein Reichthum an Orchideen; und Anemonen?, Epilobiens und andere Gewächſe! find als charakteriſtiſch für die Phyſiognomie der Flora zu nennen. B. Aſien. Jenſeit des Urals breitet ſich Sibirien aus, zunächſt in ſeinen weſtlichen und nördlichen Theilen, bis zu dem Meridian des Baikal— Sees, als eine ungeheure Fläche, in welcher ſich kaum ein Hügel er— hebt; weiter öſtlich dagegen erſtreckt ſich durch den ſüdlicheren Theil dieſer Zone das Gebirgsſyſtem des Altai. Gleich nördlich vom Bai— kalſee aber, wo der Oberlauf der Lena der aus dieſem See abfließen— den Unteren Angara benachbart iſt, erhebt ſich das Flachland bedeu— tend, denn bei Kirensk liegt das Lenathal 730“ über dem Meere, und die abſolute Höhe von Irkutsk an der Angara in unmittelbarer . des Baikalſees beträgt 1160“. So wie man den Ural überſchritten hat, bietet ſich dem Blicke des Beſchauers eine große Steppe dar, welche theils noch dem ſüdlich gelegenen Gebiete von Turan, zum größeren Theil aber dem ſüdweſt— lichen Sibirien angehört. Der Hauptcharakter dieſes Steppenlandes prägt ſich hier in Gräſern mit ſteifen, zuſammengerollten Blättern aus, in deren Begleitung dürre Gewächfe erſcheinen, wie fie bei uns häufig auf Schutt und Müll wachſen. Eben ſo erſcheinen eine Menge von Pflanzen s, welche dem ſalzhaltigen Boden eigenthümlich ſind und unter denen viele an Europa erinnern. Aber mitten in die— ſer Steppe finden ſich auch fruchtbare Strecken in reichlicher Menge. Man trifft wohlbeſtellte Felder, und große, gut gebaute Dörfer wer— 1 Genista tinctoria, Trifolium montanum, Epilobium montanum, Circaca alpina, Centaurea Cyanus, Senecio nemorensis. 2 A. narcissiflora. 3 E. an- gustiſolium. “ Polygonum alpinum, Pleurospermum uralense, Bupleurum. 5 Atriplex, Chenopodium, Anabasis aphylla, Artemisia Absinthium, Tamaris gallica, Cynanchum acutum, Senecio linifolius. 6 Anabasis spinosissima, Ha- locnemum, Salsola prostrata, Statice tatarien, Glycyrrhiza hirsuta, laevis, echi- nata; Lathyrus tuberosus, Medicago sativa, Vicia sylvatica, Lotus corniculatus, Serratula arvensis, Inula britannica. Der Altai. N 365 den durch vortreffliche Landſtraßen verbunden. Der ganze füdliche Theil von Sibirien kann mithin als ein fruchtbares Land bezeich— net werden. 8 Weiter öſtlich erhebt ſich der Altai, mit welchem Namen beſon— ders derjenige Theil des ganzen Gebirgsſyſtems bezeichnet wird, auf dem der Irtiſch, der Ob und der Jeniſei entſpringen. Seinen Na— men, der im Mongoliſchen „Gold“ bedeutet, verdankt er dem Reich— thum an edlen Metallen, die in einzelnen Diſtricten gefunden werden, doch iſt auch das öſtlich vom Baikalſee gelegene Dauriſche Gebirge, beſonders in dem Gebiete von Nertſchinsk reich an ähnlichen Metal— len. Weiter nordöſtlich ſetzt ſich das Dauriſche Gebirge auf der Grenze von Sibirien und der Mandſchurei als Jablonoi- oder Apfel- gebirge fort, ſo genannt wegen der runden, apfelförmigen Geſtalten ſeiner Gipfel. In der Mitte werden die beiden Gebirgsflügel des ganzen Altaiſyſtems durch ein großes Längenthal geſchieden, in wel— chem 1200“ über dem Meeresſpiegel der Baikalſee liegt, nach dem Kaspi⸗See der größte von ganz Aſien. Oft von wilden Stürmen gepeitſcht, ſchlägt er in dieſen erhabenen Regionen ſeine gewaltigen Wogen, die während der Hälfte des Jahres zu Eis erſtarrt ſind und in übereinander gethürmten Maſſen ſeinen Spiegel bedecken. Von Süden her führt ihm die Selenga die ſämmtlichen Gewäſſer des mittleren Altai zu. Wenn man in dem Thal dieſes Fluſſes hinauf— ſteigt, ſo erreicht man bei 2100“ Höhe Kiachta, den ruſſiſchen Grenz— poſten; aber ganz allmälig erhebt ſich das Thal, bis man endlich bei Urga, 4060’ über der Meeresfläche am ſüdlichen Abhange des Ge— birges ſteht und das Plateau der Mongolei erreicht hat. Bis dahin iſt die Phyſiognomie der Gegend, ſo wie der Vegetationscharakter durchaus derſelbe. Man erblickt abgerundete, ſtark bewaldete Gebirge, die Flußthäler ſind mit hohem Geſträuch und Pappeln bekleidet, dich— ter Raſen bedeckt den Boden, dem eine kräftige Vegetation entſprießt und deſſen Dammerde zum Ackerbau wohl geeignet iſt. Auch weiter ſüdlich an der Tola bietet die Gegend noch einige Mannigfaltigkeit dar. Gegen Weſten erheben ſich die mehr abgerundeten Maſſen des Chan volaz öſtlich dagegen erſcheint der felſige, wild zerriſſene Khinggan vola, deſſen ſchroffen Höhen die Tola entſpringt. Zwiſchen dieſem letzten und dem Jablonoi-Gebirge wird das Thal von Nertſchinsk durch den Oberlauf des Amur bewäſſert, ſo daß die Ausfuhr der reichen Producte dieſes ruſſiſchen Bergwerks nach Oſten leichter mög— lich wäre, wenn das Stromgebiet des genannten Fluſſes nicht unter 366 V. Die kältere temperirte Zone. chineſiſcher Herrſchaft ſtände, während die gegenwärtige Verſendung nach Weiten hin mit vielen Mühſeligkeiten und großen Koſten ver- bunden iſt. Die äußerſten Vorberge des Khinggan oola treten als koniſche, ſpitz zulaufende Erhöhungen noch hin und wieder in die mongoliſche Hochebene hinein. Das ganze Altaiſyſtem trägt den Charakter eines Alpengebirges, und ſein höchſter Gipfelpunkt in der Kette des Jyictu hat etwa 12,000“ Höhe. Das Klima iſt der höheren Lage und noch mehr der öſtlichen Stellung zufolge bei weitem rauher als das unter den ent— ſprechenden Breiten Europa's. Irkutsk, unter gleicher Breite mit Berlin gelegen, hat eine mittlere Jahreswärme von + 0% und zu Tobolsk, an der nördlichen Grenze dieſer Zone, obwohl in der Ebene und weit nach Weſten gelegen, iſt die mittlere Temperatur ſchon auf — 2 herabgeſunken. Dagegen beträgt das Maximum der Wärme zu Irkutsk 28° — 30, und faſt eben fo tief fällt das Thermometer in den kälteſten Tagen unter den Gefrierpunkt. In Beziehung auf die Phyſiognomie ſeiner Vegetation verbindet der Altai den Charakter der ruſſiſch-aſiatiſchen Steppen mit dem der Gebirge Mitteleuropa's. Von ſeinem Fuße, der 360“ über dem Meere liegt, zieht ſich bis zu 1150“ Höhe eine waldloſe Steppe em— por, die reich iſt an Syngeneſiſten, Doldengewächſen und einer Menge theils europäiſcher, theils eigenthümlicher Arten“. Ueber dieſer Steppe beginnt die Waldregion, die aber eine auffallende Armuth an Laub- hölzern zeigt; Birken und Espen ſind faſt die einzigen. Die erſtere kommt noch häufig vor, die letztere dagegen bildet nur hin und wie der kleine Haine. Am unteren Saume der Waldregion erſcheinen ſogleich neben der Birke auch Tannen 2 und Fichten s. Von 2000 bis 4000“ nimmt die ſibiriſche Fichte in demſelben Grade zu, wie die Tanne abnimmt. Mit 2580’ erſcheint die Lärche! und bildet von 4000“ an große Wälder, beſonders auf der Nordſeite. In derſelben Höhe beginnt auch die Zirbelfichte 5, doch nirgend ſo häufig, daß fie größere Beſtände bildet. Bis 4500“ zeigt die Flora große Aehnlichkeit mit der europäiſchen, doch entwickelt der Frühling viele dem Gebirge eigenthümliche Ranunculaceen und Liliaceen. Von nun an nehmen die europäiſchen Pflanzen allmälig ab, um einer eigenthümlichen Ge— birgsflora Platz zu machen. Bis zu 5000“ Höhe, wo Birken und Adonis vernalis, Anemone patens, Artemisia, Gypsophila. ? Pinus Abies. 3 Pinus sibirica. * Pinus Larix. Pinus Cembra. Die Mandſchurei. 367 Tannen aufhören, bildet die ſibiriſche Fichte noch große und dichte Waldungen, reicht aber nur bis 5270. Wo die Bäume dicht ge— drängt ſtehen, laſſen ſie faſt gar keine Kräuter aufkommen; iſt der Wald aber lichter und der Boden feucht, ſo iſt die Vegetation des letzteren oft ungemein üppig. Die obere Baumgrenze wechſelt ſowohl in Beziehung auf die Höhe als auf die Baumart. An einigen Stel- len wird ſie bei 5200“ durch die Lärche, an anderen bei 6500“ durch die Zirbelfichte gebildet. N Den öſtlichen Theil des aſiatiſchen Feſtlandes bildet innerhalb dieſer Zone das Land der Tunguſen oder die ſogenannte Mandſchu— rei, bewäſſert von dem Stromgebiete des Amur. Obwohl ſie mit ihrem ſüdlichen Theile ſich noch weit in die wärmere temperirte Zone hinein erſtreckt, hat ſie doch in Folge ihrer öſtlichen Lage ein äußerſt rauhes Klima. Denn ſelbſt in dem Stromthale des Amur erhebt ſich die mittlere Jahrestemperatur nur wenige Grade über den Gefrier— punkt, und der nördliche Theil unter 55° Br. trägt ſchon ganz den ſibiriſchen Charakter. Ja bis an die nordweſtlichen Küſten Korea's, welche mit Liſſabon und Sieilien unter gleicher Breite liegen, erſtreckt ſich die Wirkung des kälteerregenden Feſtlandes, ſo daß die Verbin— dung der Halbinſel mit Peking vorzugsweiſe im Winter auf dem alsdann zugefrorenen Meerbuſen ſtatt findet. Freilich iſt die Som— merwärme hoch genug, um die Cultur der Getreidearten zu geſtatten. Gerſte, Roggen und Sommerweizen werden gebaut. Aber der Acker— bau ſpielt hier eine höchſt untergeordnete Rolle; die Bewohner ziehen das Hirten- und Jägerleben vor. Die Viehzucht auf den trefflichen Weideſtrecken und der Fang der Pelzthiere in den prachtvollen Hoch— waldungen des Landes, die faſt nur aus Fichten beſtehen, beſchäftigen den größten Theil der Bevölkerung. — Der öſtlichen Küſte der Mandſchurei gegenüber liegt die Inſel Tarakai, auch Sachalin oder Karafta genannt. Der ſüdliche, gebirgige Theil zeigt denſelben Waldcharakter wie das nahe Feſtland; der nördliche iſt flach und ſandig und nur mit Geſträuch bewachſen. Von Ackerbau iſt hier keine Rede. Die Bewohner tauſchen gegen die Felle der erlegten Thiere Reis und Hirſe ein, die ihnen von den Mandſchuren zugeführt werden. — Von der langgeſtreckten Kette der Kuriliſchen Inſeln, die mit einer Reihe von Vulkanen bedeckt ſind, erſcheinen nur die größeren, ſüdlichen noch bewaldet; die nördlichen ſind ganz un— fruchtbar. Im äußerſten Oſten von Aſien liegt innerhalb dieſer Zone die 368 V. Die kältere temperirte Zone. Halbinſel Kamtſchatka. Nähert man ſich ihr von der Weſtſeite, ſo betritt man ein flaches, wellenförmiges Land, welches ſpäter all— mälig zu einem Gebirge anſteigt, das die Halbinſel von Süden nach Norden durchzieht und ſteil zum öſtlichen Küſtenplateau abfällt. Auf dieſer Hochfläche zieht ſich vom Cap Lopatka bis 564° n. Br. eine Reihe dampfender Vulkane entlang, 21 an der Zahl, die als eine Fortſetzung zunächſt der japaniſchen und kuriliſchen, überhaupt aber der ganzen oſtaſiatiſchen Vulkankette zu betrachten ſind, welche erſt hier ihr nördliches Ende erreicht. Betritt man die Halbinſel von der öſtlichen Seite, ſo hat man zunächſt ein faſt 2000“ hohes, mit Lava— ſtrömen übergoſſenes Plateau zu erſteigen, auf welchem ſich die kegel— förmigen Berge meiſt bis 7000“ erheben. Nur der ewig rauchende Gipfel des Kljutſchewsker hat eine abſolute Höhe von 14,800“ und iſt der höchſte unter Kamtſchatka's Vulkanen. Das Klima der Halbinſel iſt der Vegetation bei weitem günſti⸗ ger, als man es der nördlichen Lage nach erwarten ſollte. Vom April bis zum September herrſchen hier Südwinde, in den übrigen Monaten nordöſtliche Luftſtrömungen. Die mittlere jährliche Tempe⸗ ratur von Peterpaulshafen, obwohl an der öſtlichen Küſte gelegen, beträgt + 1% 75; im Frühlinge: — 023, im Sommer: + 10°,43, im Herbſt: + 2% 49, im Winter: — 5%96. Dieſer gleichmäßigen Temperatur iſt es zuzuſchreiben, daß Kamtſchatka eine weit üppigere Vegetation hat als das benachbarte Feſtland; noch auffallender aber iſt die beträchtliche Menge europäiſcher Pflanzen, die bei dem großen Längenunterſchiede hier ganz unvermuthet auftreten. Die ſumpfige Niederung der Weſtküſte geht nach dem Innern des Landes in weite, fruchtbare Ebenen über, deren Boden, von mehreren Strömen be— wäſſert, theils mit üppigen Grasfluren, theils mit Wald bedeckt iſt; doch finden ſich auch ausgedehnte Moräſte und Torfmoore, neben de— nen Weidengebüſche erſcheinen. Häufig wächſt hier eine 10“ hohe Neſſelpflanze n, aus der die Einwohner ein geſchätztes Garn bereiten. Auf der Oſthälfte der Halbinſel wechſeln die vulkaniſchen Kegelberge mit langen, ſchroffgezackten, ſchneereichen Bergketten, während die übrige Landſchaft mit herrlichem Wald- und Graswuchs geziert iſt. In der Nähe von Peterpaulshafen am Awatſcha iſt die üppige, kräu— terreiche Waldwieſe mit einzelnen Geſträuchgruppen bewachſen und von einem Birkengehölz eingefaßt. Dieſe Birke? iſt der ausgebreitetſte I Urtica dioica (?) 2 Betula Ermani. Die Halbinſel Kamtfchatfa. 369 Waldbaum des Landes und erinnert durch den knorrigen Wuchs ſei⸗ nes Stammes an die Eiche. Die Ufer des Fluſſes ſind mit einem Dickicht von Erlen und Weiden beſetzt, die theils ſtrauchartig, theils hoch emporgewachſen ſind wie Pappeln. Ihnen geſellt ſich eine Spierſtaude! bei, welche für Kamtſchatka ein äußerſt charakteriſtiſches Gewächs iſt. Mit wunderbarer Schnelligkeit ſchießt das Kraut in wenigen Wochen bis über 10’ Höhe empor, noch ſchneller aber ver— ſchwindet es im Herbſt, wo ein einziger Nachtfroſt hinreicht, es zu Boden zu knicken. Sein Stengel, mit großem ausgezackten Laube bekleidet, prangt im Juli mit weißen Blüthenbüſcheln, die ſich ſpäter grau färben. Eben ſo ſchnell entwickelt ſich der Grasteppich der Wieſen. Anfänglich noch hier und da von ſtarkholzigem Weiden— und Weißdorn- Geſträuch beſchattet, ſchießen die Halme bald zu er— ſtaunlicher Höhe empor, ſo daß ſie die Sträucher faſt vollſtändig ver- hüllen. Zwiſchen den Grashalmen erſcheinen zahlreiche Staudenge— wächſe, darunter zwei Lilien mit mannshohem Stengel und orange gefärbten Blumen. Reich mit Blüthen beladene Syngeneſiſten ! fär⸗ ben die Wieſenfläche nicht ſelten rein gelb, ſchlanke Weidenzöschen > oft eben ſo prächtig roth. — Steigt man zu dem Quellgebiet des Kamtſchatkafluſſes empor, fo zeigt ſich anfangs die Birkel» als herr⸗ ſchender Waldbaum in dem nordwärts ziehenden Längenthal. Dane— ben erſcheinen hohe, kerzengerade Balſampappeln, die an der mittleren Kamtſchatka große Wälder bilden, deren Unterholz aus Weißdorn, Schlehen, Weiden, Loniceren und beſonders aus Spierſtauden zuſam⸗ mengeſetzt iſt. Wo der Wald ſich lichtet, wuchert im ſpärlichen Graſe eine dunkelblaue Schwertlilie, eine unvergleichliche Zierde der Gegend, worauf ſpäter mehrere ſchön blühende Syngeneſiſten ? folgen. Wei⸗ ter nordwärts zieht ſich durch die Mitte der Halbinſel von Weſten bis zum Cap Kronotzkoi ein aus Nadelhölzern gebildeter Waldſtreifen, von denen ſich ſonſt keine Spur weiter findet. Es find zwei Tannen⸗ arten, in deren Begleitung Birken und Espen erſcheinen, während das Unterholz aus Roſen, Loniceren und einer außerordentlichen Menge von Heidelbeeren ?, Brombeeren u. ſ. w. zuſammengeſetzt iſt. An den ſteilen Gehängen der Oſtküſte wird der Gebirgswald faſt nur Spiraea Kamtschatica. 2 Crataegus. Lilium Kamtschatkense, Fritil- laria Kamtschatkensis. Senecio cannabiſolius. Epilobium angustifolium. Betula alba. Aster, Achillaea, Sonchus sibiricus. Vaccinium, Em- petrum. 24 370 V. Die kältere temperirte Zone. aus Birken! gebildet; er erſcheint hier lichter als in den Flußthälern, zeigt aber ein dichteres Unterholz, das aus krummgewachſenen Erlen , Fichten 3 und wilden Birnbäumen! beſteht. Die Erlen ſteigen bis 2900’ empor, und bei 5000“ fand man noch Weiden in Menge, die den Pferden als Futter dienen konnten. — Zu den wichtigſten ein— heimiſchen Nahrungspflanzen Kamtſchatka's gehören die Beeren meh— rerer Sträucher “, die Knollen einiger krautartigen Gewächſe? und die Blüthentriebe der oben erwähnten Spierſtaude und des Wei— denröschens, die als Gemüſe benutzt werden; außerdem aber baut man auch Gerſte, Kartoffeln, Rüben und mehrere Gartenfrüchte mit Vortheil. C. Nord ⸗ Amerika. Die Weſtküſte Nordamerika's iſt innerhalb dieſer Zone von einer Reihe von Inſeln begleitet, deren Bergzüge noch als Fortſetzung der Californiſchen Küſtencordillere zu betrachten find, während die an dem Geſtade des Feſtlandes entlang ziehenden Seealpen als die eigentliche Fortſetzung der bereits früher erwähnten Sierra Nevada angeſehen werden müſſen. Zwiſchen dem 45° und 53° der Breite ſind die Seealpen der Nordweſtküſte durch Querjoche an die mäßig hohen Rocky Mountains geknüpft, ſo daß das ganze Gebiet des Co— lumbiaſtroms aus einer Reihe mit Savannen bedeckter Terraſſen be— ſteht, die gegen dies letzte Gebirge allmälig anſteigen und die zahl— reichen Katarakten und Stromſchnellen in dem Columbia wie in ſeinen Zuflüſſen verurſachen. Unter 48 und 49° Br. erheben ſich die Rocky Mountains wieder bedeutender, fo daß ihre Päſſe etwa 5700’, ihre Gipfel 7200 bis 7800“ über dem Meere liegen. Gleichzeitig entſen— den ſie nach Oſten einen Höhenzug, der bis zu dem Oberen See hin— zieht und die Waſſerſcheide zwiſchen dem Gebiete des Miſſouri und dem des Winnipeg- und Sclavenſees, oder zwiſchen dem Mericanifchen Meerbuſen und dem nördlichen Eismeere bildet. Hierauf ſetzt ſich die Centralkette der Rocky Mountains in nordweſtlicher Richtung durch die ganze Breite dieſer Zone fort, auf ihrer weſtlichen Seite wie in der vorigen Zone von einer Alpenkette begleitet (der nördlichen Fort— Betula Ermani. 2 Alnus incana. 5 Pinus Cembra (?) * Pyrus sam- bucifolia. Salix arctica. Lonicera coerulea, Rubus Chamaemorus, R. arcticus, Vacc. Myrtillus, Empetrum. “ Fritillaria Sarana, Polygonum Bis- torta. Das Gordilleren Gebiet. 371 ſetzung der Sierra de las Grullas und der Windflußberge), die hier zwiſchen 46° und 52° Br. zu verſchiedenen Malen von den Quell- ſtrömen des Columbia durchbrochen wird. In Betreff der klimatiſchen Verhältniſſe unterſcheidet ſich die Küſte des eben dargeſtellten Gebietes weſentlich von dem Innern des Landes. An der Mündung des Columbia-Stromes unter 46% Br, beträgt die mittlere jährliche Temperatur 7%, im Sommer 12,5, im Winter + 30. Die Inſel Sitka unter 57 Br. hat noch eine mittlere Jahreswärme von 6°, im Sommer 10%8, im Winter + 1%. Uẽeberhaupt biegen ſich in dieſer Gegend die Iſothermen bedeutend nach Norden, denn die Inſel Unalaſchka, eine der öſtlichſten der Ale— uten unter 55 Br. hat nur + 3, mittlere Jahreswärme. Als Urſache dieſer auffallenden klimatiſchen Erſcheinung iſt die geographi⸗ ſche Lage und die gebirgige Beſchaffenheit der Halbinſel Aljaska zu betrachten, die in einer Längenerſtreckung von 80 Meilen eine unun⸗ terbrochene Mauer gegen die von dem nördlichen Eis- und dem Beh- ringsmeer wehenden Winde bildet. Eben ſo verhindert ſie eine Ver— miſchung der kalten Wellen des Behringsmeeres mit denen des weiten Meerbuſens, den der große Ocean in dieſer Gegend bildet, und die lange Reihe der Aleuten ſetzt dieſe Scheidewand nur mit wenigen Unterbrechungen fort. Auf dieſe Weiſe erhalten die ſämmtlichen Kits ſtenländer des genannten Meerbuſens nur die warmen Südwinde, und auch die Meereswogen, welche an ihrem Geſtade ſich brechen, ſtehen mit den warmen Gewäſſern ſüdlicher Breiten in unmittelbarer Verbindung. Jenſeit der Seealpen aber hört der Einfluß des Meeres auf, und in dem ganzen Terraſſengebiet bis zu den Rocky Mountains macht ſich der continentale Charakter des Klima's durch größere Tem— peraturdifferenzen geltend; die Winter ſind kälter und die Sommer bei weitem wärmer. N Das milde Klima der Küſte iſt der Vegetation ungemein gün— ſtig. Zunächſt zeichnet ſich die Inſel Sitka durch üppigen Waldwuchs aus. Koloſſale Stämme von Lärchen! und Tannen? nebſt Fichten? und Lebensbäumen * bilden die Hauptmaſſe des Waldes; Erlen >, Weiden, Ebereſchen und wilde Birnbäume? geſellen ſich hinzu; Brombeeren“ mit großen weißen Blumen, Hornſträucher e, hohe Pinus canadensis. 2 P. Mertensiana. P. sitchensis. Thuja ex- celsa. Alnus rubra, viridis. Salix sitchensis. Pyrus diversiſolia, P. sambucifolia. Rubus odoratus, R. spectabilis.“ Cornus suecica. 24 * 372 V. Die kältere temperirte Zone. Azaleen und Stachelbeerſträucher bilden das Unterholz, und der nord— amerikaniſche Ginſeng! mit feinem handförmig gelappten Laube überzieht den niedrigen Geſtrüppraſen der Heidelbeeren, oder durch— ſchlingt die Geſträuchdickichte, ſo daß die Wälder undurchdringlich werden. Eine Menge krautartiger Pflanzen 2 zeigen ganz ähnliche Arten wie in Europa, oder ſtimmen mit den Gewächſen s unſeres Vaterlandes vollſtändig überein. Die Cultur der Getreidearten da— gegen hat bisher nicht recht gelingen wollen; die geringe Sommer— wärme und die große Feuchtigkeit treten ihrem Anbau entgegen, ſo daß die hier angeſiedelten Ruſſen von ihrem Vaterlande aus mit Brot verſorgt werden müſſen. Bis jetzt hat man ſich hier auf den Anbau verſchiedener Gemüſearten beſchränkt. Kartoffeln und Blu⸗ menkohl gedeihen ſehr gut; außerdem werden auch Erbſen, Muß ben, Kohl und Rettige gezogen. Auf dem Feſtlande erſtreckt ſich die Vegetation des nördlichen Theils von Neu⸗Californien, wie wir fie in der vorigen Zone geſchil— dert haben, weiter nordwärts. Das Stromgebiet des Columbia und die Abhänge der Rocky Mountains ſind mit den üppigſten Savannen bedeckt, und weitgedehnte Wälder mit den rieſigſten Baumformen durchziehen dieſelben, beſonders an dem öſtlichſten Gebirgsabhange, wo ſie bis an den Rand der großen Prairieen des Miſſouri ſich er ſtrecken. Die offene Prairieenſteppe im Weſten des Gebirges iſt all— gemein mit Syngeneſiſtenſträuchern * bewachſen, zwiſchen denen jedoch der reichliche Graswuchs dem Vieh überall ein nahrhaftes Futter dar— bietet. Selbſt die jagenden Indianer finden hier mehrere Gewächſe, die ſie als Nahrungspflanzen benutzen. Erſt in den tieferen Ge⸗ genden ſind die Flußufer von Pappelwaldungen begleitet, die auf der oberen Terraſſe ganz zu fehlen ſcheinen. Mit 101 weſtlicher Länge, wo die beiden Quellſtröme des Columbia ſich vereinigen, iſt die Prai— rie zu Ende, und es beginnen die waldigen Vorberge der weſtlich der Rocky Mountains gelegenen Alpenkette. Die Wälder dieſes Hochge— birges, von den ſchönſten Wieſenabhängen unterbrochen, beſtehen aus ' Panax horridum. : Plantago, Triglochin, Pedicularis, Elymus, Bartsia, Campanula, Heracleum, Fritillaria, Calla, Lathraca. ° Pisum maritimum, Cochlearia danica, Ranunculus acris, Galium boreale und intermedium, Turritis hirsuta und glabra, Linnaea borealis, Potentilla anserina, Veronica serpillifolia und Anagallis, Glaux maritima, Carex, Juncus etc. * Artemisia. “ Valeriana edulis, Cirsium virginianum, Anethum und Kamassa. Das Nordamerikaniſche Flachland. 373 Birken, hauptſächlich aber aus verſchiedenen Nadelhölzern von den gigantiſchſten Formen. Lärchen von 200“ Höhe, deren ungetheilter Stamm bis zur Krone 100“ lang war, eben fo hohe Fichten von 7/ Stammdurchmeſſer und 180“ hohe Tannen, bis zur Wurzel mit Zwei: gen bedeckt, find beobachtet und gemeſſen worden. Am oberen Co— lumbia beſtehen die Wälder faſt nur aus Fichten !, deren mittlere Höhe bei 4— 8“ Stammdurchmeſſer 150“ beträgt. Dieſer Baum, von den canadiſchen Reiſenden ſeines Harzreichthums wegen Gummibaum genannt, ſondert das Harz in ſolcher Menge ab, daß der lebende Stamm, an einem trockenen Tage angezündet, ſogleich von der Wur⸗ zel bis zum Gipfel in Flammen ſteht. Auch dieſe Wälder wechſeln häufig mit den herrlichſten Wieſen. In den tiefen Thalſchluchten, welche unter 47° Br. von den Quellflüſſen des Spokan bewäſſert werden, erſcheint der dichte und finſtere Wald noch großartiger. Les bensbäume e von 200 Höhe mit 10 — 12“ dicken Stämmen ſtreben pfeilgerade aufwärts und ſind mit einer herrlichen pyramidalen Krone geziert. Sie wechſeln mit anderen Nadelhölzern s, befonders mit Tan⸗ nen und Lärchen . Auch zwei Arten von Pappeln ' kommen hier vor, und das Geſträuch des Waldes wird zum größten Theil, wie auch am Columbia von der Bärentraubes gebildet. Das ganze Gebiet, welches ſich von dem öſtlichen Fuße der Rocky Mountains bis an die Geſtade der Hudſonsbai und im Norden des Canadiſchen Seenſyſtems bis zur Kette der Alleghanies erſtreckt, iſt ein niedriges Flachland. Der Spiegel des Oberen Sees liegt nur 600“ über der Meeresfläche, und von hier ſenkt ſich das Land oſtwärts immer tiefer, jo daß der Erie-See nur 528“ und nachdem derſelbe durch den 164“ hohen Sturz des Niagara-Falls ſeine Gewäſſer dem Ontario-See zugeführt hat, der Spiegel des letzteren nur 216“ über dem Niveau des Oceans liegt. Die ungeheuren Flächen im Norden des oben erwähnten Höhenzuges, welcher die Waſſerſcheide zwiſchen dem Mexicaniſchen Meerbuſen und dem Nördlichen Eismeer bildet, breiten ſich bis an die flachen Geſtade des letzteren aus. In dieſen Ebenen ſteht oft das ganz nackte Geſtein zu Tage, durchſchnitten von unzähligen Flüſſen, deren Gefälle ſo gering iſt, daß ſie mit kleinen Fahrzeugen bis zu ihrer Quelle beſchifft werden können. Die Quellen . | . . . Pinus ponderosa. : Thuja gigantea. Pinus rubra, balsamea, alba, nigra, cauadensis. * Pinus Douglası. „Populus candicans und betulifolia. 6 Arbutus Uva ursı. 374 V. Die kältere temperirte Zone. der entgegengeſetzten Flußgebiete liegen hier oft einander ſo nahe, daß die Einwohner ihre Fahrzeuge über die Waſſerſcheiden hinwegtragen und ihre Reiſe in einem anderen Gebiet der waſſerreichen Flüſſe fort— ſetzen können. Zahlreiche Waſſerfälle und Stromſchnellen charakteri— ſiren dieſes Gebiet, eben ſo wie die unzählige Menge kleiner und großer Seen, unter denen innerhalb dieſer Zone der Wälder-See, der Winnipeg⸗, der Hirſch- und der Wollaſton-See die bedeutendſten find und als Mittelglied der langgeſtreckten Seenkette erſcheinen, die ſich von dem Lorenzſtrome in nordweſtlicher Richtung bis an die Geſtade des Eismeers hinzieht, wo ſie mit der Mündung des Mackenzie ihr Ende erreicht. Von dem Fuße der Rocky Mountains bis an das Kalkſteinbecken des Winnipegſees breiten ſich weitgedehnte, hin und wieder mit Baumgruppen beſetzte Prairieen aus. Der trockene und ſandige, aber nicht gerade unfruchtbare Boden iſt mit einer dichten Grasdecke bekleidet; aber nirgend zeigt ſich ein Höhenzug, der dem Reiſenden zur Richtſchnur dienen könnte. Wie auf dem unermeßlichen Ocean muß er bei Tage mit Hülfe des Compaß, bei Nacht nach der Stellung der Geſtirne ſeinen Weg reguliren. Die Thalſenkung der großen Seenkette erſcheint dagegen bis weit nach Norden gut bewal— det, desgleichen die niedrigen Klippenzüge, welche ſich im Oſten der— ſelben in einer Breite von etwa 50 Meilen von den Geſtaden des Oberen Sees an nordwärts erſtrecken. Nach Oſten grenzen dieſe Klippenzüge an einen ſchmalen Streifen Kalkſteinhügel, jenſeit deren ein flacher, ſumpfiger Strich die weſtlichen Geſtade der Hudſonsbai bildet. — In Folge der ungemein großen Anhäufung ſüßen Waſſers in den Canadiſchen Seen, welche bei einer mittleren Tiefe von 10007 einen Flächenraum von mehr als 5400 II Meilen bedecken, haben die nächſten Umgebungen dieſes Seenſyſtems ein wahres Inſelklima. Im Weſten werden die Temperaturextreme zwiſchen Winter und Sommer erſt jenſeit des Miſſiſippi, im Oſten erſt in Nieder-Canada bedeutend. Cumberland-Houſe im Nordweſten des Winnipegſees hat zwar eine mittlere Jahrestemperatur von 0°, wie fie in Europa erft am Nord— cap ſich zeigt, ſeine Sommerwärme aber iſt in Folge der continenta— len Lage höher als die von Paris. Hierdurch wird es erklärlich, daß in ſeiner Umgebung nicht nur die Gerſte, ſondern ſelbſt Weizen und Mais zur Reife kommen. Für die Eingeborenen liefert der ſoge— nannte Waſſerhafer ! oder wilde Reis, welcher am Wälder- und Ne; ' Zizania aquatica. Canada und Labrador. 375 genſee in großer Menge den Sumpfboden bedeckt, die hauptſächlichſte Nahrung. Am nördlichen Ufer des Huronenſees iſt das Land zwar 6 Monate lang mit Schnee bedeckt, aber die drei Sommermonate ha— ben eine mittlere Wärme von 17“, und in Zeit von 70 Tagen ges langt die Saat zur Reife. An der weſtlichen Küſte der Hudſonsbai indeſſen und in Labrador ſind die Iſothermen tief nach Süden ge— krümmt, denn hier liegt einerſeits im Weſten die große Ländermaſſe des Continents, andererſeits häuft ſich das Polareis in den zahlrei— chen Buchten und Buſen der Hudſonsbai in großer Menge an. Der Ausweg zum Ocean aber iſt dieſen Eismaſſen faſt überall verſchloſſen, ſo daß ſie lange ſich halten, und wenn die Sommerwärme ſie auch zum Schmelzen bringt, ſo wird die Temperatur durch dieſen Prozeß doch bedeutend erniedrigt. Unter 56° Br. hat die Kälte ſchon fo zu— genommen, daß der Boden nur 3’ tief aufthaut. Den öſtlichen Theil von Nord-Amerika nehmen innerhalb dieſer Zone Canada und die Halbinſel Labrador ein. Die Ketten der Alleghanies, welche hier parallel mit dem Lorenzſtrom in nordöſtlicher Richtung fortlaufen, erreichen an dem ſüdlichen Ufer ſeiner Mün⸗ dungsbucht ihr Ende. In ſeinem Unterlaufe jedoch fließt der Strom durch ein Längenthal, indem ſich das Gebirgsſyſtem nordwärts weiter fortſetzt und ganz Unter-Canada und Labrador durchzieht, wo es an der Sandwich-Bai in 1400“ hohen Bergen endigt. Ganz Labrador iſt übrigens von Bergreihen und Thälern erfüllt, in denen Quellen und Flüſſe ſelten, Seen und Moore aber deſto häufiger ſind. Die Abhänge der Berge ſind mit ungeheuren Geſchieben bedeckt, und weite Landſtriche von meilenlangen, oft 50“ tiefen Spalten durchfurcht. Einen ganz ähnlichen Charakter zeigen die Inſeln New-Foundland und Anticoſti, welche letztere die Mündungsbucht des Lorenzſtromes in zwei Arme theilt. — Das Klima dieſes ganzen Gebiets muß als rauh und unwirthbar bezeichnet werden. Schon an der Sandwich— Bai unter 53° Br. ſteht die mittlere Jahrestemperatur auf dem Ge— frierpunkt, und auf der Miſſionsſtation Nain, die nur 3“ nördlicher liegt, iſt ſie ſchon auf — 3 herabgeſunken. Die Winter find hier außerordentlich ſtreng; in Quebek beträgt die mittlere Temperatur der drei Wintermonate — 10°, in Nain — 15°. Das Innere von Ca— nada hat im Ganzen einen ſehr heiteren Himmel, aber die Gegenden an der Mündung des Lorenz ſo wie die Inſel New-Foundland ſind faſt beſtändig in Nebel gehüllt; denn hier miſchen ſich die eiſigen Luftſtrömungen, welche von Labrador und der Davisſtraße herüber— 376 V. Die kältere temperirte Zone. wehen, mit der wärmeren Luft, welche der an New-Foundlands Süd⸗ ſeite vorüberfließende Golfſtrom herbeiführt. Was die Vegetation dieſes Gebiets betrifft, ſo iſt zunächſt Ca⸗ nada berühmt wegen ſeiner ausgedehnten und herrlichen Waldungen, welche für Englands Handels- und Kriegsmarine von unſchätzbarem. Werthe ſind. An den fruchtbareren Stellen fehlt es zwar nicht an Laubhölzern, indeſſen bilden doch die Nadelhölzer auf dem weiter ver— breiteten unfruchtbaren Boden die überwiegenden Hauptbeſtandtheile des Waldes. Tannen !, Lärchen 2, Lebensbäume 3 und Fichten! er⸗ reichen hier eine außerordentliche Größe, unter den letzteren beſonders die herrliche Weymouthskiefer ', die bei 50“ Umfang bis zu 230“ Höhe emporwächſt. Gleichzeitig bilden eine Menge nadelartiger Strauchgewächſe s das Unterholz, denen ſich eine Art rothblühender Heideſträucher“ und unſere Bärentraube beigeſellen. Die Zapfen⸗ früchte und die Rinde dieſer Nadelhölzer, ſo wie die harzigen und wachsartigen Beſtandtheile der genannten Sträucher haben einen überaus wichtigen Einfluß auf die Torfbildung in dieſen Gegenden, indem der nackte Felsboden durch fie reichlicher mit verweſenden Be⸗ ſtandtheilen bedeckt wird. Sobald die Tannen- und Fichtenbeſtände durch Waldbrand gelitten haben, entwickelt die den Sonnenſtrahlen geöff— nete Torfſchicht eine üppige Vegetation von Sträuchern und Kräu⸗ tern », doch in Zeit von drei Jahren hat ſich ihre Kraft erſchöpft, der Boden wird hart und kalt, und nur wenige Geſträuche von Brom: beeren, Weiden und Trieben des Ahorns n, deſſen Wurzeln bei dem Brande immer unverſehrt bleiben, überziehen die kahle Fläche. Sind die letzteren Gewächſe aber ſo weit entwickelt, daß fie Schutz gewäh⸗ ren, dann treiben Balſamtannen, gemiſcht mit Birken und Pappeln. In Zeit von 30 — 40 Jahren haben ſich die Wälder gewöhnlich fo weit erneuert, daß ſie den früheren ähnlich ſind, nur erſcheinen die Bäume kleiner, und die Balſamtanne herrſcht in höherem Grade vor. Doch nur zu Anfang iſt dies der Fall, wo auch Buchen !!“, Birken 2? Abies balsamea, canadensis, nigra, alba. 2 Larix americana. Thuja occidentalis. Pinus rubra, P. Banksiana, rigida. Pinus Strobus. Ju- niperus virginiana, communis; Taxus canadensis; Myrica Gale, cerifſera. “ Kal- mia latifolia, angustifolia, glauca. Gaultheria procumbens, Sambucus cana- densis, Prunus pumila, pygmaea, serotina; Rhus typhina, glabra, Vernix; Ru- bus, Vaccinium. “ Epilobium angustifolium, Cacalia suaveolens. e Acer dasycarpum. . Fagus sylvatica und ferruginea. 2 Betula populifolia und excelsa. f Canada und Labrador. 377 und ſelbſt Eichen auftreten, ſpäter werden alle dieſe Fremdlinge durch die mächtig emporſchießenden canadiſchen Tannen! eingeholt und er⸗ drückt. An den Küſten iſt die Waldvegetation weniger mächtig, in— dem hier das Seeklima verderblich auf die Bäume einwirkt; eben fo vermindert ſich der Waldbeſtand weiter nach Norden. Bei Annähe— rung gegen den 53“ d. Br. ändert ſich die ganze Phyſiognomie, in— dem zahlreiche Alpenpflanzen auftreten, die den dürren Boden ſpärlich bekleiden. Gegen die Nordgrenze dieſer Zone ſind nur noch die Thä⸗ ler mit niedrigem Krummholz von Kiefern, Tannen und Birken er⸗ füllt; darüber hinaus aber erſcheinen die Berge öde und kahl, nur hier und da zeigt ſich noch ein ſchwacher Strauch oder eine dürftige Moosdecke. Eben ſo ſind die öſtlichen Küſten der Hudſonsbai faſt von allem Pflanzenwuchs entblößt, während an den ſumpfigen Ge— ſtaden der Weſtküſte eine ziemlich reiche Vegetation ſprießt. — Die Cultur innerhalb dieſes Gebiets beſchränkt ſich auf Canada und auch hier auf die Flußufer und einige Seitenthäler. Ueber den 50 hin⸗ aus hört aller Anbau auf. In den öſtlichen Gegenden kann nur Sommergetreide gewonnen werden, beſonders gedeiht der Weizen gut, in den weſtlicheren Theilen baut man auch Winterfrüchte, Kartoffeln und ſelbſt Mais. Alle unſere Obſtarten kommen zwar fort, liefern aber keinen beſonderen Ertrag. Eins der Hauptproducte iſt der Zuckerahorn 2, der hier überall in Wäldern wächſt und für den dor— tigen Bedarf hinlängliche Ausbeute giebt. Südliche Halbkugel. Süd ⸗ Amerika. Die Weſtküſte Südamerika's, welche innerhalb dieſer Zone und weiter nördlich bis zu 442 ſ. Br. von einer Inſelreihe begleitet iſt, erhebt ſich ſteil aus dem Meere. Es iſt die ſüdliche Kette der Anden oder die Patagoniſche Cordillere, welche ſich zu 3700 — 7500“ über die Meeresfläche erhebt. Von ihrem Fuße bis zur Höhe von 3700“ er⸗ ſcheint fie dicht bewaldet, darüber aber mit ewigem Schnee bedeckt, und oft ſenken ſich die Gletſchermaſſen tief zu dem Geſtade des Mee— res herab. Die tief eingeſchnittenen Thäler des Weſtabhanges wer— den durch ſchmale Meeresarme gebildet, ſo daß die Küſte vielfach zer— riſſen erſcheint, und die nach Weſten ſich erſtreckenden Halbinſeln 1 * . . * Abies canadensis und nigra. ? Acer saccharinum. 378 V. Die kältere temperirte Zone. ſammt der nordwärts ziehenden Inſelreihe ſind als Trümmer einer Bergkette anzuſehen, die nur theilweiſe über die Fluthen emporgeſtie— gen iſt, und deren höchſte Gipfel etwa 3000“ abſolute Höhe haben. Die ſämmtlichen Meeresſtraßen, welche dieſe Inſeln von dem Feſt⸗ lande trennen, find durch ſteile Felſenufer charakteriſirt. — Die in der ſüdlichen Halbkugel herrſchenden Nordweſtwinde führen der gan— zen Patagoniſchen Küſte vom Cap Horn an eine fo reiche Menge von heftigen atmoſphäriſchen Niederſchlägen zu, daß es im ganzen Jahre kaum einen Tag ohne Regen und Sturm giebt. Demzufolge iſt die Temperatur hier bei weitem niedriger als es der geographi— ſchen Breite nach zu erwarten wäre, und ſämmtliche Iſothermen ſind an der Küſte ſtark gegen den Aequator gekrümmt. Die mittlere Temz peratur an der Weſtküſte von Feuerland beträgt etwas über 4° und an der Südküſte von Chiloe unter 44° f. Br. nicht mehr als 8°. An der Magellanſtraße ſinkt das Thermometer ſelbſt im December und Januar, wo die Sonne 18 Stunden lang am Himmel ſteht, auf 4° herab; faſt täglich ſchneit es in der Ebene, und die höchſte Luft- wärme, welche im December beobachtet wurde, betrug nicht mehr als 90. Die mittlere Wintertemperatur dagegen zeigt die ungeheure Kälte von — 35. N Der ganze Abhang der patagoniſchen Küſte iſt, wie ſchon geſagt, dicht bewaldet. Die Bäume ſtehen ſo gedrängt beiſammen, daß kein Sonnenſtrahl hindurchdringt. Zwei Buchen, ein Magnolienartiger? und ein Cypreſſenähnlicher Baum ſind die Hauptformen dieſer Wäl— der, deren Boden dicht mit feuchten Mooſen bedeckt iſt. Selbſt in den höheren Regionen bilden die kaum mannshohen Zwergbuchen dicht verwachſene, undurchdringliche Hecken. An der Magellanſtraße, die an ihrem weſtlichen Ausgange wie in der Mitte rauh und gebir— gig, an der Oſtſeite aber niedrig erſcheint, iſt die Vegetation im Weſten ganz verkrüppelt, in der Mitte herrſcht die größte Ueppigkeit, und auf der Oſtſeite fehlt die Baumvegetation ganz. In dem mitt⸗ leren Theile find Buchen von 3 — 4 Durchmeſſer und 30 — 40“ Höhe gar keine Seltenheit, und mit der bereits genannten Winterana be— decken fie die Abhänge der Berge bis zu 2000“ Höhe. Selbſt Fuch— ſien und Ehrenpreis wachſen in dieſen Wäldern, obgleich der Boden vom April bis zum Auguſt mit einer mächtigen Schneelage bedeckt iſt. Aber das Laub der Bäume hat ein bräunlichgrünes, ins Gelbe ! Fagus antarctica, F. betuloides. 2 Winterana aromatica. Patagonien. Feuerland. 379 ſpielende Colorit, fo daß die Landſchaft, die faſt nie von einem Son— nenſtrahl beſchienen wird, ein finſteres, gemüthloſes Anſehen erhält. Außer den genannten Baumformen wachſen auf der ganzen patago— niſchen Cordillere noch eine Anzahl von Sträuchern, ein Berberitzen— ſtrauch! mit angenehm ſchmeckenden Beeren, eine myrtenähnliche Bä— rentraube ? und einige andere 2. Eben ſo iſt eine großblumige Binz ſenart , die hier zu Korbgeflechten verwendet wird, für dieſe Gegen— den als charakteriſtiſch zu bezeichnen. Im Oſten der Anden ſenkt ſich das Patagoniſche Flachland, welches am Fuße des Gebirges noch 1200“ abſolute Höhe hat, in allmälig abfallenden Terraſſen gegen das Meer. Von dem Rio Co— lorado bis zur Magellanſtraße beſteht die ganze Oberfläche des Lan— des aus Kiesboden. Die abgerundeten Kieſe, welche den weißlichen, thonhaltigen Boden bedecken, find größtentheils Porphyrtrümmer, die von den Cordilleren herſtammen. Flache, aber waſſerleere Thalwege durchſchneiden die Terraſſen von Weſten nach Oſten, und das Klima iſt ſo trocken, daß man Tage lang reiſen kann, ohne einen Tropfen Waſſer anzutreffen. Die Vegetation dieſer Ebenen erſcheint noch trau— riger als in den Pampas von Buenos Ayres. Einzelne Büſche ſpar— riger und brauner Gräſer ſind über die Fläche zerſtreut und wechſeln mit dornigem Geſträuch, das in jenen Thalwegen am meiſten ſich anhäuft, und von einzelnen Cactusgewächſen? begleitet wird. Bei der öſtlichen Einfahrt der Magellanſtraße ſetzt ſich der Cha— rakter der patagoniſchen Steppe auch noch an der Küſte von Feuer— land fort; weiter im Innern jedoch werden die Floren beider Ge— biete durch die Meerenge ziemlich ſcharf von einander getrennt. Die Thonſchieferberge der Inſel, welche hier bis dicht an die Küſte treten, ſind mit einem düſteren Buchenwaldes bedeckt, und die tief eingefurch— ten Thäler liegen wie die norwegiſchen Fjorde unter dem Spiegel des Meeres. Bis zu 1000 und 1500 Höhe ſind die ſteilen Abhänge mit Wald bedeckt; darüber erhebt ſich die Region des mit Alpenkräutern bewachſenen Torfbodens, und mit 3500“ hat man die Grenze des ewigen Schnees erreicht. Aber auch in der Waldregion tritt die Torf— bildung unter einer Wildniß von gefallenen und noch lebenden Baum— ſtämmen häufig auf und ſetzt ſich auf dem Feſtlande bis zum 45° d. 2 Arbutus aculeata. * Chelone ruellioides, An- ! Berberis microphylla. drosace spathulata. * Juncus grandiflorus. Opuntia Darwinü. 6 Fagus betuloides. 380 V. Die kältere temperirte Zone. Br. fort. Beſonders iſt es eine geſellig wachſende Binfenart !, welche die Torfbildung begünſtigt, an deren Erzeugung noch eine kleinblätt⸗ rige Myrte ? und einige andere Gewächſe s Theil nehmen. So zeigt die Nordküſte Feuerlands denſelben düſteren Charakter wie die Küſte des gegenüberliegenden Feſtlandes, obwohl die Bäume hier wie dort den ganzen Winter ihr Laub behalten. Weiter im Innern des Lan⸗ des, wo das Klima weniger rauh iſt, erſcheinen Sumpfmoore von Birkengeſträuchen begleitet, während die fruchtbareren Strecken mit herrlichem Raſen geſchmückt find. Eine Menge von Pflanzen! erin- nern an die entſprechenden Gegenden der nördlichen Halbkugel, und die Baumvegetations erſcheint nur an ſolchen Stellen, die dem Winde ſtark ausgeſetzt ſind, dürftig und gedrückt. Unter den Seegewächſen, welche in der Gegend des Cap Horn häufig erſcheinen, iſt eine Tang- art 6 zu nennen, die bisweilen über 300“ lang wird und 7—8“ lange Blätter trägt. Eben ſo häufig wächſt ſie in der Magellanſtraße in Geſellſchaft einer anderen Art 7. Ja ſie erſtreckt ſich durch alle Brei⸗ ten der neuen Welt bis nach dem höchſten Norden hinauf, nur er⸗ reicht ſie in den tropiſchen Gewäſſern nicht dieſe gewaltige Aus⸗ dehnung. Von beſonderem Intereſſe erſcheint dem continentalen Gebiete von Süd-Amerika gegenüber die Vegetation der Falklandsinſeln unter 52° ſ. Br. öſtlich von der Magellanſtraße. Obwohl vollſtän⸗ dig baumlos und im offenen Meere gelegen, haben ſie doch ein weit milderes Klima als Feuerland. Im Winter, wo die Südweſtwinde vorherrſchen, bewegt ſich die Temperatur zwiſchen — 1» und: + 8e und ſinkt nicht leicht bis auf — 3; im Sommer dagegen, wo die herrſchende Windrichtung die nordweſtliche iſt, ſteigt die Temperatur von 80 bis auf 190. Regen-, Schnee- und Hagelfall find ſtets von kurzer Dauer, und der Schnee bleibt nie länger als einige Stunden liegen. Die Vegetation beſteht zunächſt aus 4— 5“ hohen Geſträu⸗ chen s, welche waldartig ausgebreitet ſind und an unſere Brombeeren, Bärentrauben und Heidelbeeren erinnern. Mehrere von ihnen haben ſchmackhafte Früchte, ihre Stämme dagegen reichen zur Feuerung nicht Astelia pumila (Fam. Junceae.) 2 Myrtus nummularia. Empetrum rubrum, Juncus grandiflorus. * Pinguicula alpica, Ranunculus lapponicus, Ga- lium Aparine, Statice Armeria, Dactylis caespitosa und glomerata, Sanguisorba. Fagus antarctica, Winterana aromatica. © Fucus pyriſerus. F. antarcti- cus. ® Chiliotrichum amelloides, Empetrum rubrum, Perneitia empetrifolia, Rubus, Arbutus, Andromeda, Bolax glebaria. Die Falklandsinſeln. Kerguelensland. 381 aus, ſo daß die Bewohner ihren Bedarf an Holz von der Magellan— ſtraße beziehen müſſen. Die Abhänge der feuchten Berge ſind dicht mit Farrnkräutern! bedeckt, und die Felſen auf den Höhen derſelben mit einer großen Menge von Flechten bekleidet, die mit den unſrigen vollſtändig übereinſtimmen. In den ebenen Gegenden breiten ſich überall Wieſen und Torfmoore aus. Das berühmte Tuſſak-Gras ? erhebt ſich in 6“ hohem Raſen über den Torfboden, beſchränkt ſich aber auf gewiſſe Standorte, während eine Art Schwingel viel all— gemeiner verbreitet und für die Viehzucht von beſonderer Wichtigkeit iſt. Die Flora der Inſel iſt verhältnißmäßig reich zu nennen; ſie zählt 214 Arten, von denen 120 den Phanerogamen, 94 den Crypto⸗ gamen angehören. Viele?! derſelben find unſeren europäiſchen Gat⸗ tungen und Arten ganz ähnlich. Der Boden der Falklandsinſeln, der überall mit einer 6—8“ mächtigen Schicht ſchwarzer Dammerde be— deckt iſt, eignet ſich vorzüglich zum Ackerbau; es werden Weizen und Flachs gebaut, und Kartoffeln, Kohl und Rüben geben reichliche Ernten. | Dieſelben klimatiſchen Verhältniſſe wiederholen ſich auf Kergue— lens-Land unter 50° |. Br. im indiſchen Ocean. Auch hier zeigt ſich eine Gleichförmigkeit in der jährlichen Wärmevertheilung, die im— mer mehr zu wachſen ſcheint, je weiter man dem Südpol ſich nähert, und die dem großen Uebergewicht des Waſſers in dieſen hochſüdlichen Breiten zuzuſchreiben iſt. Die Jahreszeiten unterſcheiden ſich faſt nur durch den Wechſel des Lichtes, während ihre Temperaturdifferenzen auffallend gering ſind. Hieraus erklärt es ſich, daß man in verſchie— denen Jahreszeiten dieſelben Pflanzen blühend angetroffen hat. Die Flora dieſer Juſel iſt arm und beſchränkt ſich auf krautartige Ge— wächſe s, unter denen beſonders Flechten die 2000“ hohen Berge bedecken und Laub- und Lebermooſe die meiſten Arten aufzuweiſen haben. | Faſt unter gleicher Breite liegt der Lord-Aucklands-Archipel im Süden von Neuſeeland. Auf dem vulkaniſchen Boden dieſer Inſeln, der ſich in ſanften Hügelformen bis zu 1500’ Höhe erhebt, find Wäl— der, Geſträuche und offener Weidegrund ziemlich gleichmäßig vertheilt. Lomaria setigera. Dactylis caespitosa s. Festuca flabellata 3 Fe- stuca Alopecurus. Agrostis, Aira flexuosa, Avena, Arundo, Carex, Scirpus, Juncus, Marchantia polymorpha, Sphagnum, Lysimachia, Caltha, Sagina pro- cumbens, Callitriche verna, Limosella tenuifolia. ° Agrostis, Juncus, Ranun- culus, Callitriche, Lycopodium etc. 382 VI. Die ſubarktiſche Zone. Die Flora ſtammt jedenfalls von Neuſeeland. Vom Meeresſtrande bis zum Walde finden ſich mehrere europäiſche Gattungen, vorherr— ſchend aber Farrnkräuter , die auch in dem Walde zahlreich auftre⸗ ten. Letzterer wird aus myrtenartigen Gewächſen?, Heideſträuchern? und anderen Formen! gebildet, und das genannte Farrnkraut breitet ſein üppiges Laubdach von dem Gipfel eines 2— 4“ hohen und 6“ ſtarken Stammes aus, erinnert mithin an die baumartigen Farne Neu⸗Seelands. Ueber dem auf die Küſte beſchränkten, aber von ſtar— kem Unterholz begleiteten Waldgebiet erhebt ſich zunächſt eine Ge— ſträuchregion bis 800“ Höhe, worauf holzloſe Triften von Stauden und Gräſern ° in die alpine Region überleiten, deren Gattungen meiſt europäiſch ſind. VI. Die ſubarktiſche Zone. Der nördlichſte Gürtel der gemäßigten Zone erſtreckt ſich von dem 58° d. Br. bis an den Polarkreis und wird wegen des immer entſchiedener hervortretenden nordiſchen Charakters die ſubarktiſche Zone genannt. In der alten Welt gehören derſelben die Inſel Island, der größte Theil der Skandinaviſchen Halbinſel, das nördliche Rußland und das mittlere Sibirien an; in der neuen Welt das ruſſiſche Nord— amerika, die britiſchen Antheile im Nordweſten der Hudſonsbai und der ſüdlichſte Theil von Grönland. Die ſüdliche Halbkugel hat in⸗ nerhalb dieſer Zone nur wenige, unfruchtbare Inſeln aufzuweiſen. Allgemeine Charakteriſtik. Die mittlere jährliche Temperatur der eben genannten Länder beträgt etwa 3 — 5% R., doch iſt der Verlauf der Iſothermen in dies ſer Zone ein äußerſt unregelmäßiger, und die Wärmegrade wechſeln in den einzelnen Gegenden ſo bedeutend, daß ſich in Sibirien und an der Hudſonsbai die einzelnen nordiſchen Zonen nicht mehr ſo deutlich ! Aspidium venustum. 2 Metrosideros lucida. “ Epacrideen. Dra- cophyllum, Veronica, Coprosma, Panax. ° Bromus, Hierochloa. Die Inſel Island. 383 von einander abſondern wie in Europa. Der Vegetationscharakter wird nun immer einförmiger. Die Laubhölzer, welche hier noch auf— treten, ſind größtentheils als Ueberläufer aus der vorigen Zone zu betrachten. Die Nadelhölzer erlangen ein entſchiedenes Uebergewicht, und in den nördlicheren Gebieten erſcheinen nur noch Weiden, Espen, Ebereſchen und Birken als die Begleiter derſelben. Die niedrigen Gräſer, welche in der vorigen Zone den Wieſenteppich bildeten, ſind auch für dieſe Gegenden noch charakteriſtiſch, doch nehmen die Halb— gräſer eutſchieden zu, eben ſo wie die Flechten, welche den dürren Boden überziehen und die Mooſe, welche die Torfmoore bekleiden. Beſondere Charakteriſtik. Nördliche Halbkugel. A. Europa. An der nördlichen Grenze dieſer Zone, zwiſchen 634° n. Br. und dem Polarkreiſe liegt die Inſel IJsland. Steil aus den Fluthen des arktiſchen Meeres emporſteigend, iſt ſie beſonders auf der Nord- und Weſtſeite von vielen Buſen und Buchten eingeſchnitten, welche tief in das Land hineindringen, ſo daß ihre Ufer hier eine auffallende Aehn— lichkeit mit der norwegiſchen Küſte zeigen. Daß die ganze Inſel von vulkaniſcher Beſchaffenheit iſt, zeigt ſich ſchon an ihren Höhenzügen. Eine Bergkette von Trachyt, deren Gipfel 5— 6000“ Höhe erreichen und die von einem großen Längenthal durchfurcht erſcheint, zieht ſich in nordöſtlicher Richtung mitten durch die ganze Inſel, während zu beiden Seiten ausgedehnte Baſaltfelder an dieſe Trachytkette ſich ans ſchließen. Beſonders aber im ſüdlichen Island ſtarren vulkaniſche Gebirge von mehr als 3000 Höhe nach allen Seiten empor. Iſolirt davon erhebt ſich der über 5000“ hohe Hekla, der, wie der Krabla in der Nähe der Nordküſte, noch fortwährend thätig iſt. Doch ſind dieſe beiden nicht die einzigen Vulkane Islands; noch viele andere Krater werfen unaufhörlich Lava, Aſche und Steine aus, womit ſie bisweilen die ganze Inſel überſchütten. In der Höhe von 2500 — 3000“ bes ginnt auf Island die Schneegrenze. Von da an ſind alle Berggipfel in ewigen Schnee gehüllt, und zahlreiche Gletſcher, die den großen Flüſſen ihren Urſprung geben, ſenken ſich tief in die Thäler, ja oft bis an das Geſtade des Meeres herab. Unzählige Rinnen fließenden Waſſers durchſchneiden die Inſel in allen Richtungen; bald durch— 384 VI. Die ſubarktiſche Zone. rauſchen ſie enge Thalſchluchten, bald bewäſſern ſie weitgeöffnete Thä⸗ ler, bis ſie im äußerſten Vorlande die ausgebreiteten Torfmoore er⸗ reicht haben. Im grellſten Contraſt mit ihren eiſigen Fluthen ſtehen die zahlreichen, heißen Quellen, deren Temperatur bei einigen faſt den Siedepunkt des Waſſers erreicht. Der Geiſer, 6 —8 Meilen nördlich vom Hekla, iſt von mehreren kleineren Quellen umgeben, unter denen einige unaufhörlich kochen und toben. Bei dem großen Geiſer ſelbſt erfolgen gewöhnlich in Zwiſchenräumen von einer halben Stunde ſtarke unterirdiſche Donnerſchläge, die den Boden erſchüttern; aber nur hin und wieder, oft an einem Tage nur einmal, ſchleudert er feinen mächtigen Strahl von 19’ Durchmeſſer zu einer ns; von 100 und mehr Fuß empor. Bei der nordiſchen Lage der Inſel ſollte man ein verhältnißmä⸗ ßig kaltes Klima erwarten, dem iſt indeſſen nicht ſo. Nur an der Nordſeite hält ſich die mittlere jährliche Temperatur auf dem Gefrier— punkt, an der Südküſte dagegen beträgt fie + 4°. Die Winter find hier auffallend milde, denn an der Südſeite beträgt die mittlere Tem⸗ peratur derſelben nicht mehr als — 2% und an der Nordſeite nur — 5. Die Sommerwärme beträgt im Durchſchnitt an der Nord— küſte + 6, an der Südküſte + 18°, aber der Sommer iſt hier kurz, der Winter dagegen hält länger an, zumal an der Nordküſte, die zu⸗ weilen noch im Juli mit Treibeis bedeckt iſt. Dazu kommen feuchte Nebel, welche die Inſel faſt das ganze Jahr hindurch in einen dich⸗ ten Schleier hüllen, und fürchterliche Stürme wechſeln mit häufigen Erdbeben. ’ Unter ſolchen Umſtänden kann 10 98 0 des milden Klima's der Vegetationscharakter keinen erfreuenden Anblick gewähren. Ganz Island iſt baumlos zu nennen, denn die Birke! und die ECbereſche erreichen nur eine geringe Höhe, und außer dem Wachholder, der ſich hier und da in den öden, mit Heidekraut bedeckten Flächen erhebt, findet ſich kein einziges Nadelholz. Die Lavaſtröme auf den Abhän⸗ gen der Berge ſind mit zwergartigen Formen von Birken? und Wei⸗ den 3 bedeckt, und einige Ebereſchen von 4 Höhe find die ſchönſten Bäume, welche in der Gegend von Reikiawik, dem Hauptorte der In⸗ ſel, ſich finden. Nicht immer hat dieſer Zuſtand der Vegetation auf Island geherrſcht. Noch in der Mitte des vorigen Jahrhunderts Betula alba. B. nana, glutinosa, intermedia. Salix lanata, phyli- cilolia. Die Inſel Island. 385 fanden ſich hier Birkenwälder, deren Bäume gewöhnlich 6— 8’ hoch und 3 —4“ dick waren; einzelne erreichten ſogar 12 — 20“ Höhe. Aber die Ausrottung der Wälder hat auch hier ihren verderblichen Einfluß ausgeübt. Sumpf- und Moorboden findet ſich jetzt an den— ſelben Stellen, die einſt mit Wald bedeckt waren. Gegenwärtig muß man ſich mit dem Gebüſch der Zwergbirken begnügen, um Kohlen zum Schmieden zu erhalten. Der Mangel an Brennmaterial dage— gen wird den Bewohnern reichlich durch das Treibholz erſetzt, welches die arktiſche Polarſtrömung den öſtlichen Küſten der Inſel zuführt. Große Stämme von Kiefern, Fichten und Birken werden durch die großen Ströme Sibiriens in das Eismeer getrieben und ſpäter hier abgeſetzt. Auch die ſüdlichen Küſten erhalten mit den warmen Waſ— ſern des Golfſtroms, der zuweilen weit gegen Norden vordringt, eine große Anzahl amerikaniſcher Baumſtämme, die als Bauholz benutzt werden können, und ſelbſt Früchte tropiſcher Gewächſe werden hier am Strande geſammelt. Zwiſchen den Sumpfmooren, welche das ebene Uferland bedecken und die größtentheils mit Halbgräſern !! be: wachſen ſind, finden ſich auch ſparſam eingeſtreute Wieſengründe, de— ren Gräſer 2 mit den unſrigen faſt vollſtändig übereinſtimmen, und weiter im Inuern des Landes wird die Mannigfaltigkeit des Raſens? fo wie des Blüthenteppichs * noch größer. Auch die ſtehenden Ge— wäſſer und die Felder erinnern durch ihre Pflanzenformen 5 mehrfach an die Flora unſerer Gegenden. Von Getreidebau iſt auf Island kaum mehr die Rede, denn bei der Feuchtigkeit und Kälte des Vor- und Nachſommers verfault die Frucht auf dem Halme, ehe ſie zur Reife gelangen kann. Nur hier und da zieht man etwas Gerſte, oft aber mehrere Jahre hintereinan— der vergeblich, während in früheren Zeiten ſelbſt Roggen an mehreren Orten gebaut wurde. Somit iſt Island faſt ganz auf die Zufuhr von Dänemark her angewieſen, denn auch der Gartenbau iſt äußerſt mühſam, und die wenigen Küchengewächſe: Kartoffeln, Kohl, Run— kelrüben und Peterſilie geben nur einen dürftigen Ertrag; am beſten Carex, Seirpus. 2 Festuca ovina, Poa pratensis. ? Agrostis arun- dinacea, Aira caespitosa, flexuosa, Poa trivialis, compressa, annua. Trifolium arvense, pratense, repens, Geranium sylvaticum, Orchis elodes, Habenaria hy- perborea. Chara vulgaris, Callitriche, Hippuris vulgaris, Veronica Anagallis, Arundo Phragmites, Comarum palustre, Limosella aquatica; Capsella bursa pastoris, Draba verna, Prunella officinalis, Thymus Serpyllum, Lychnis flos cu- culi, Spergula arvensis. 25 386 VI. Die ſubarktiſche Zone. gedeihen noch Blumenkohl, Rettige, Radieschen, Senf und Kreſſe. Für die Zeiten der Noth bietet Island indeſſen auch manche einhei— miſche Nahrungspflanzen dar. Zunächſt benutzt man die Aehren des bekannten Strandhafers , welcher die Dünen überzieht, um Mehl daraus zu bereiten; desgleichen die Früchte einer wilden Erbſe 2. Mehrere Arten von Heidelbeeren s gewähren ein angenehmes Nah— rungsmittel. An den Küſten ſammelt man verſchiedene Tangarten , die theils friſch, theils gekocht genoſſen werden; ſie liefern eine wohl— ſchmeckende und nahrhafte Speiſe und ſind ſelbſt ein Gegenſtand des Binnenhandels. Eben ſo iſt das isländiſche Moos s berühmt, wel— ches in vielen Küſtengegenden in großer Menge wächſt und auf dem— ſelben Felde gewöhnlich alle drei Jahre eingeſammelt wird. Es wird nicht nur mit Milch zubereitet gegeſſen, ſondern ſelbſt Brot läßt ſich davon backen. Zwiſchen Island und der Skandinaviſchen Halbinſel liegen in— nerhalb der Grenzen dieſer Zone noch zwei abgeſonderte Inſelgrup— pen, die Fär-Oer und die Shetlandsinſeln. Die Fär-Oer zwi— ſchen dem 62° und 63° der Breite bilden eine Gruppe von 21 Eilan— den, die als nackte Felſenmaſſen ſchroff aus dem Meere emporſtarren. Zu 1200 — 1500“ erheben ſich die jähen Felswände über den Meeres- ſpiegel, während das Innere in Terraſſen faſt zu 3000’ Höhe emporſteigt. Die Berge, mit einer ſchwachen und vergänglichen Erdſchicht bedeckt, werden von engen, gegen das Meer geöffneten Thalſchluchten durch— ſchnitten, die zwiſchen dem nackten Geſtein in unvergleichlich friſchem Grün prangen. Beſonders an den ſüdlichen Abhängen bietet die Lage verſchiedener Dörfer viel Aehnliches mit den bebauten Fjord-Ufern von Norwegen. — Das Klima dieſer Inſeln iſt ein durchaus mildes, und die Gegenſätze zwiſchen den einzelnen Jahreszeiten gering. Der Unterſchied zwiſchen Sommer- und Wintertemperatur beträgt nur 7°, die mittlere Jahreswärme 6°. Die niedrigſte Temperatur im Februar hält ſich noch 2° über dem Gefrierpunkt, und die höchſte Sommer— wärme vom Juni bis Auguſt ſteigt nicht über 10% 5. Die feuchte, nebelreiche Seeluft und der faſt beſtändig bewölkte Himmel verhindern die Strahlung der Wärme im Winter, ſo wie die Erhitzung des Bo— dens im Sommer. In Folge dieſer klimatiſchen Verhältniſſe wird die " Elymus arenarius. ? Pisum maritimum. Vaccinium Myrtillus, uli- ginosum, Oxycoccos palustris, Arbutus Uva ursi. * Fucus saccharinus, escu- lentus, palmatus. ° Cetraria islandica. Die Fär-Oer. Die Shetlandsinfeln. 387 Baumvegetation unterdrückt; nur die Eberefche kann noch an ſolchen Stellen in die Höhe gebracht werden, wo ſie vor dem Seewinde ge— ſchützt iſt. In früheren Zeiten jedoch muß es hier Birken gegeben haben, wie auf Island, denn die Ueberreſte derſelben finden ſich noch in dem Torf. Der Grasteppich, mit dem die Berge bedeckt ſind, ge— deiht gleichfalls nur an den geſchützteren Stellen; gegen die Gipfel hin find die meiſten mit Flechten und Mooſen! bekleidet, von denen die letzteren eine Größe von 1“ erreichen. Unter den 300 Phanero— gamen der Inſeln befindet ſich keine denſelben eigenthümliche Art; eine große Anzahl ſtimmt mit denen der norddeutſchen Ebene überein. In den oberen Regionen zwiſchen 1000 und 2000’ finden ſich Strauch- weiden und Alpenſträucher 3, denen ſich Heidelbeeren“ und ver— ſchiedene Alpenkräuter s beigeſellen. — Auch der Ackerbau ſpielt in Folge des feuchten Klima's eine untergeordnete Rolle und beſchränkt ſich etwa auf den 60ſten Theil der Oberfläche. Fiſchfang und Schaf— zucht bilden den Haupterwerb der Bewohner. Von Getreidearten ge— deiht nur etwas Gerſte , die aber nicht immer reif wird. Selbſt Stachel- und Johannisbeeren gelangen nicht zur Reife, Kartoffeln und Rüben dagegen gerathen gut. | Die Shetlandsinſeln unter 60° Br. beſtehen aus 10 grö— ßeren und einer Menge kleinerer Eilande, die in ihrer ganzen Er— ſcheinung große Aehnlichkeit mit den Fär-BGern haben. Nicht ſo hoch als dieſe, ſind ſie auch weit mehr von eindringenden Meeresbuchten zerſchnitten, in Betreff des Klima's aber und der Vegetation ſtimmen ſie mit ihnen vollſtändig überein und können nebſt den Orkney-Inſeln als ein Uebergangsglied zwiſchen den britiſchen Inſeln und Skandi— navien betrachtet werden. Alle Gewächſe, welche ſich auf den eben beſprochenen Archipelen finden, ſind eben ſo wie die von Großbritan— nien und die von Island auf den benachbarten Feſtländern verbrei— tet. Der größere Theil iſt europäiſchen Urſprungs, und die amerika— niſchen kommen auch in Europa vor, ſo daß alſo die Pflanzenwan— derung von Europa aus bedeutender geweſen ſein muß als die von Amerika. Dies erſcheint um ſo natürlicher, als die Oſtküſte von Grönland ganz in Eis gehüllt und wahrſcheinlich ganz ohne Vege— Rhacomitrium lanuginosum und canescens. 2 Salix herbacea und arc- tica. 3 Azalea procumbens. Vaccinium Myrtillus, Empetrum. Dryas octopetala, Papaver nudicaule, Sibbaldia procumbens, Rhodiola rosea, Silene acaulis, Polygonum viviparum, Saxifraga oppositifolia, Armeria vulgaris. ° Hor- deum hexastichon. a 388 VI. Die ſubarktiſche Zone. tation iſt. Grönlands eigenthümliche Formen aber, die auf der Weſt— küſte an der Davisſtraße beobachtet worden ſind, finden ſich auf Is— land nicht. | Die Skandinaviſche Halbinſel, deren ſüdlichen Theil wir bereits in der vorigen Zone betrachtet haben, iſt in ihrem weſtlichen Theile von 58° bis 71° n. Br. von einem Gebirge durchzogen, deſſen Scheitelfläche größtentheils durch eine wellenförmige Bergebene gebil— det wird. Beſonders in dem ſüdlichen Theile ſpricht ſich der Gebirgs- charakter der Kiölen in 10 — 12 Meilen breiten Plateau's aus, denen ein⸗ zelne Berge inſelartig aufgeſetzt ſind. Die höchſten derſelben haben oft die doppelte abſolute Höhe der Hochflächen. Von Süden nach Norden nimmt die Höhe des Gebirges allmälig ab. Das 4500’ hohe Hardangerfield trägt den höchſten Gipfel der Halbinſel, den Skageſtöltind von 7650“ Höhe. Im Dovrefield iſt die Plateauhöhe ſchon auf 3000“ herabgeſunken, aber fein Culminationspunkt, der Sneehätten hat noch 7100“ Höhe. Die Bergebenen des ſüdlichen Lappland endlich liegen 2500“ hoch, und ihre höchſte Erhebung im Sulitelma beträgt noch 5800“. Nach Oſten dacht ſich das Gebirge ganz allmälig ab, und nach dieſer Seite entſendet es auch zahlreiche, obwohl nicht bedeutende Flüſſe theils zum Bottniſchen Meerbuſen, theils zu dem Wenerſee. Das Anſteigen zu den einzelnen Bergpla— teau's iſt hier ſo ſanft, daß nur der Wechſel des Klima's und die Veränderung der Vegetation auf die zunehmende Höhe ſchließen laſſen. Hat man aber die Hochflächen in weſtlicher Richtung durchſtreift, fo ſteht man plötzlich an dem Abhange des Gebirges, welches oft in ſenkrechten Felſenwänden von 2000“ Höhe und darüber zu dem Waſ— ſerſpiegel des atlantiſchen Oceans abſtürzt. Hier fehlt es faſt ganz an Flüſſen; dafür dringen aber ſchmale Meerbuſen, hier Fjorden ge— naunt, tief in die Küſte ein und ſchlängeln ſich oft in vielfachen Windungen zwiſchen den ſchroffen Felſenwänden dahin. Die Schnee— grenze des Gebirges ſenkt ſich nach Norden natürlicher Weiſe wie die Gipfelpunkte ſelbſt. Auf dem Hardangerfield tritt ſie bei 5300’, auf dem Dovrefield bei 4900“ und am Sulitelma ſchon bei 3600“ Höhe ein. Etwa 160 U◻U Meilen der ganzen Halbinſel find mit ewigem Schnee bedeckt. Beſonders charakteriſtiſch für Skandinavien iſt der große Reich— thum an Landſeen, die in hohem Grade zur Belebung des landſchaft— lichen Gemäldes beitragen. Nicht nur in den flacheren Gegenden am öſtlichen Fuße des Gebirges breiten ſie ſich aus, ſondern auch hoch Die Sfandinavifche Halbinfel. 389 auf feiner Scheitelfläche, 2700“ über der Meeresebene ſpiegeln ſich die dunkelen Tannenwälder in ihren klaren Fluthen. Die größten ſchwe— diſchen Seen, der Wener-, Wetter-, Hielmar- und Mälar-See bilden eine durch Kanäle künſtlich verbundene Waſſerkette, die in einer Ein— ſenkung des Bodens ruht, welche als natürliche Fortſetzung des Fin— niſchen Meerbuſens zum Skager Rak zu betrachten iſt. In Beziehung auf die Witterungsverhältniſſe herrſcht auf der gegen den atlantiſchen Ocean geöffneten Weſtſeite natürlich ein ent— ſchiedenes Küſtenklima, auf der Oſtſeite dagegen, wo der ſchmale Bott— niſche Meerbuſen nur eine geringe Wirkung ausüben kann, zeigt das Klima ſchon einen faſt continentalen Charakter. Dort iſt die Küſte meiſt mit dichten Nebeln und Wolken bedeckt, welche den wohlthuen— den Sonnenſtrahlen hemmend in den Weg treten und die Dauer der Sommerwärme beſchränken; hier folgt dem ſtrengen Winter nach we— nig Wochen ein Sommer mit anhaltend hellen und heiteren Tagen. In Stockholm und Chriſtiania, zwiſchen dem 59° und 60° d. Br., ſchwankt die mittlere Jahrestemperatur zwiſchen 4% und 5%. In dieſer Breite beträgt die mittlere Winterkälte an der Weſtſeite des Gebirges nur — 1°, an der Oſtſeite aber ſchon über — 3°. Unter 634° Br. iſt die Wintertemperatur im Weſten auf — 3,8 herabge— ſunken, während fie auf der Oſtſeite — 84° beträgt, und fo nehmen die Temperaturwerthe nach Norden allmälig ab. Das Maximum der Wärme beträgt in Stockholm noch 290, das Minimum dagegen — 25%᷑5B. An der Weſtküſte der Skandinaviſchen Halbinſel wirken Atmoſphäre, Meer und Land zuſammen, um die Wintertemperatur zu mildern. Im Allgemeinen herrſchen hier Südweſtwinde, welche die Luft um ſo mehr erwärmen, weil ſie über den Golfſtrom wehen, der bis über den 62° d. Br. hinaus Früchte der Cocospalme und ande— rer Gewächſe! des amerikaniſchen Tropenlandes anſchwemmt. An der Gebirgskette der Fjelde ſchlagen dieſe Luftſtrömungen ihren Waſ— ſerdampf nieder, und die umwölkte Küſte kann in den langen Nächten die erhaltene Wärme nicht durch Strahlung verlieren; außerdem aber ſchützt die Fjeldlinie das Vorland gegen die eiſigen Luftſtrömungen des Nordens. Im Sommer dagegen löſt die Sonne bisweilen den gebildeten Nebel auf und erreicht mit ihren Strahlen den Boden. In Rückſicht auf die atmoſphäriſchen Niederſchläge kann die Weſt— küſte Skandinaviens als die regenreichſte von ganz Europa angeſehen Mimosa scandens, Anacardium occidentale. 390 VI. Die ſubarktiſche Zone. werden, ja ſie wetteifert in dieſer Beziehung mit den Tropen. Die auf dem Atlantiſchen Ocean entſtehenden Wolken entladen hier ihre Waſſermaſſen das ganze Jahr hindurch ziemlich gleichmäßig, am mei— ſten aber in den Herbſtmonaten, vom September bis zum November. Ungeachtet des verhältnißmäßig milden Klima's zeigt ſich der nordi— ſche Charakter doch ſchon an der ſpäten Entwickelung der Frühlings— vegetation. In der Umgegend von Stockholm ſchlagen die Bäume nicht vor dem 20ſten Mai aus, und bis zum 18ten October fällt das Laub ab. Eben ſo entwickeln in der Nähe von Chriſtiania dieſelben Pflanzen ihre Blüthen faſt einen vollen Monat ſpäter als im nörd— lichen Deutſchland. Die Skandinaviſche Halbinſel erſcheint ihrer ganzen Phyſiogno— mie nach als ein Waldland, denn in Schweden allein find - des ganzen Gebiets mit Wald bedeckt, ſo daß die Holzproduction bei beſſerer Forſtwirthſchaft weit bedeutender ſein könnte, als ſie es in der That iſt. Von Laubhölzern gehen die Eiche! und die Buche? kaum über den 60° hinaus, aber auch an der ſüdlichen Grenze dieſer Zone zeigen ſie wenig mehr von dem herrlichen Wuchſe, durch welchen ſie in Englands und Deutſchlands dichten Waldungen ſich auszeichnen. Bei Chriſtiania gedeihen noch Eſchen ?, Linden, Rüſtern und Wei— den, aber alle dieſe Laubhölzer gehen nicht weit nach Norden; am weiteſten noch die Linde ’, die an der Weſtſeite bei 64° ihre Polar- grenze erreicht, während fie in Schweden ſchon bei 61° verſchwindet. Die Hauptmaſſe des Waldes beſteht aus Rothtannen“ und Kiefern r; erſtere bilden im Innern des Landes die größten Beſtände, letztere dagegen erſcheinen mehr auf der Weſtſeite des Gebirges, wo die Tan— nen höchſt ſelten find. Dieſen hochſtämmigen Nadelhölzern geſellen ſich noch Espen, Birken, Ebereſchen und Wachholdergeſträuche hinzu, doch erſcheint ſelbſt die Birke, die den ſtrengen ſibiriſchen Winter aus— hält, mehr in der Ebene und nach Süden, weil ſie zu ihrer Entwicke— lung eines warmen Sommers bedarf. Der Unterſchied des Klima's an der Weſt- und Oſtſeite der Skandinabviſchen Halbinſel wirkt nicht nur auf die geographiſche Verbreitung aller hier genannten Baumar— ten, ſondern auch auf die aller wildwachſenden Pflanzen und aller Culturgewächſe ein, welche ſämmtlich an den norwegiſchen Küſten viel weiter nach Norden gehen als auf der ſchwediſchen Seite. Nur die Quercus robur. 2 Fagus sylvatica. 3 Fraxinus excelsior. * Ulmus campestris. ° Tilia europaea. Abies excelsa.. ' Pinus sylvestris. af. III ' 8 0 sen a 17 Tun ey, 5 SRH) 7 18 . % . ee I E Ancz un Fa nder ıtn.Anst.\ 4„.Araatz m berlin 1 jez.v. H Kramer. NADELHOLZER DES NÖRDLICHEN EUROPA. a AR „ 4 1 * . Die . S Die Skandinaviſche Halbinfel. 391 Rothtanne, die ſich freilich von der Küſte ſelbſt fern hält, macht hier— von eine Ausnahme, indem ſie im Weſten bis 67° und im Oſten noch um einige Grade weiter nach Norden geht. Ueberhaupt iſt die Flora an der Weſtſeite des Skandinaviſchen Gebirges ſchöner als in Schweden. Fingerhut, wilde Roſen?, rothblühende Heidefträucher 3 und eine Menge anderer hübſcher Gewächfe * treten hier auf, die man in Schweden vergeblich ſucht. In Betreff der verticalen Ver— breitung der Pflanzen laſſen ſich hier nur drei Regionen unterſchei— den. Die Tanne wächſt bis 3000“ und die Kiefer bis 2600’ unter der Schneegrenze; die Birke aber hört erſt bei 1850“ unterhalb der— ſelben auf. Die alpine Region endlich zeigt viele mehrjährige Ge— wächſe mit großen ſchönen Blumen und eine große Menge von Flech— ten, unter denen die Rennthierflechtes und das isländiſche Moos; die Hauptrolle ſpielen. Die natürliche Beſchaffenheit des Bodens der Skandinaviſchen Halbinſel iſt der Cultur wenig günſtig. Der ſcharfeckige Sand, wel— cher ihn überall bedeckt, iſt nur hier und da mit einer ſchwachen Schicht fruchtbarer Dammerde belegt, ſo daß die Schwierigkeiten, welche ſeiner Bebauung entgegentreten, größer ſind als irgendwo in Europa. Dagegen ſind die Gebirge der Halbinſel reich an Metallen, beſonders an Eiſen und Kupfer, ja ſelbſt an Silber. Dieſe Producte machen daher vorzugsweiſe den ſchwediſchen Nationalreichthum aus. Was die Culturgewächſe dieſer Zone betrifft, ſo gedeihen in den Gärten von Chriſtiana, welches bei ſeiner geſchützten Lage eine mitt— lere Jahrestemperatur von 5° hat, noch Aepfel, Kirſchen, ſelbſt Bir— nen und Aprikoſen, der Wein aber in der Regel nur in Miſtbeeten. Bei 604° iſt die Polargrenze des Tabaks, bei 62° die des Birnbaums und des Hopfens, bei 63° die des Kirſchbaums. Der Apfel- und der Pflaumenbaum gehen nur auf der Weſtſeite noch weiter nach Norden; jenſeit 64° aber ſind alle Obſtgärten verſchwunden, ſelbſt die Erbſe will hier nicht mehr recht gedeihen, und der Kohl bekommt nicht jedes Jahr. Köpfe. Von den Getreidearten findet ſich die Po— largrenze des Weizens auf der Weſtſeite bei 64°, auf der Oſtſeite bei 62°, die des Hafers bei 65° und 64° und die des Roggens und des Hanfbaues bei 67° und 66° n. Br. Digitalis purpurea. 2 Rosa spinosissima. Erica cinerea. “ liex Aquifolium, Sorbus hybrida, Hypericum pulchrum, Teucrium, Scorodonia syl- vestris, Hieracium aurantiacum, Bunium bulbosum, Sedum anglicum, Chryso- splenium oppositifolium etc. ° Cladonia rangiferina. ° Cetraria islandica. 392 VI. Die ſubarktiſche Zone. Im Oſten des Bottniſchen und Finniſchen Meerbuſens breitet ſich bis an den Ural das nördliche Rußland aus, im Süden von dem Waldaiplateau und der Hügelreihe der Uwalli, im Norden von den Geſtaden des Weißen Meeres begrenzt. Finnland, der weſtliche Theil dieſes Gebietes, enthält eine unzählige Menge von Landſeen, von denen die weſtlich gelegenen dicht zuſammengedrängt und durch eine außerordentliche Menge von Buchten charakteriſirt find, die öſtli— cheren dagegen in größeren Entfernungen von einander liegen und, wie der Ladoga- und der Onegaſee, durch ihre bedeutende Größe ſich auszeichnen. Die Finniſchen Seen bilden gleichſam drei Ketten, von denen die eine weſtlich zum Bottniſchen, die zweite ſüdlich zum Fin— niſchen Meerbuſen und die dritte öſtlich zum Ladogaſee abfällt. Aus den weitgedehnten Moraſtflächen erheben ſich nur niedrige, mit Sand, Grus und Gerölle bedeckte, von einzelnen abgerundeten Felskuppen überragte Landrücken, die in geringer, aber immer gleichbleibender Er— hebung auf weite Strecken in nordnordweſtlicher Richtung fortziehen, d. h. parallel mit der Hauptrichtung der Seen, ſo daß das ganze Finniſche Gebiet als eine große Diluvialfläche zu betrachten iſt. Auch weiter nach Oſten erſcheint das nördliche Rußland als eine zuſam— menhangende Ebene, auf weite Strecken mit Hügeln bedeckt, deren thonig-ſandiger Boden eine Schuttmaſſe bildet, auf welcher Felsge— ſchiebe in den mannigfachſten Größen lagern. Beſonders an den nördlichen Ufern des Ladoga- und den weſtlichen Ufern des Onega— ſees erheben ſich die felſigen Küſten mit Kuppen von 300 — 400“ Höhe. | Die mittlere jährliche Temperatur von Nordrußland beträgt an der Südgrenze + 2°, im Norden — 4°, doch biegen ſich die Iſo— thermen, je weiter man nach Oſten fortſchreitet, immer bedeutender gegen Süden. In Petersburg beträgt die durchſchnittliche Temperatur der drei Wintermonate — 6°, im Frühlinge + 2°, im Sommer faſt 130 und im Herbſt noch beinahe 4°, die mittlere Jahrestemperatur alſo noch 3% 12. Das nördliche Rußland unterſcheidet ſich von dem mittleren vor- zugsweiſe durch feinen geſchloſſenen Wald. Kiefern“ und Tannen? bilden ungeheure Beſtände, die nur durch Sumpfmoore unterbrochen werden, oder in der Nähe der Flußthäler die zerſtörenden Wirkungen des Menſchen wahrnehmen laſſen. In Geſellſchaft dieſer Nadelhölzer Pinus sylvestris. 2 Abies excelsa. Das nördliche Rußland. 393 erſcheinen hin und wieder Erlen! und Birken?, die ſtreckenweiſe auch große, ſelbſtſtändige Waldungen bilden; namentlich treten Erlen— geſtrüppe dort auf, wo Culturſtrecken in die Waldwildniß vordringen. Sonſt kommen von Laubhölzern nur noch Espen?, Cbereſchen und Vogelpflaumen * vor. Die Kiefern und Tannen treten übrigens nicht gemiſcht auf, ſondern ſie bilden zwei geſonderte Waldformatio— nen. Die thonreichen, oft moraſtigen Niederungen find mit dichten Tannenwäldern bedeckt, und hier treten auch vorzugsweiſe die Espen und Erlen hinzu; die ſandigen Hügel dagegen erinnern durch ihre ausgedehnten Kieferwaldungen mit beigemengten Birken an den Wald— charakter der norddeutſchen Ebenen, während die waldloſen Strecken dicht mit Heidekraut bewachfen find. Somit bietet das Land inner— halb dieſer Zone keinesweges einen unfreundlichen Anblick dar, mit Ausnahme des mittleren Finnland, deſſen Vegetation allerdings höchſt armſelig iſt. Die mächtigen Wälder ſind von großen Flüſſen durch— ſtrömt, und die prächtigen Wieſen, die an ihren Ufern wie an ande— ren geſchützten Orten ſich ausbreiten, verkünden durch ihren üppigen Graswuchs die Güte des Bodens. Zahlreiche Ranunkelns ſchmücken die Waldwieſen, und am Onega-See wächſt eine Art Eiſenhut ss mit großen dunkelblauen Blumen in üppigſter Fülle. Die thonigen Niederungen der Sumpfmoore zeigen wie die ge— ſchloſſenen Wälder gleichfalls einen doppelten Charakter. Entweder ruht auf der unſicheren Tiefe ein dichter, ſchwankender, mit Torfbee— ren? gemiſchter Moosteppich ?, aus welchem ſich überall 3 — 5“ hohe Zwergbirken “ nebſt Heideſträuchern, Brombeer- und Weidengeſträuch erheben, oder der feſte Thonboden iſt mit Waſſer bedeckt, aus welchem Oaſen dichtgedrängter Riedgräſer 79 emporragen, zwiſchen denen das Wollgras mit ſeinen weißen ſeidenglänzenden Köpfchen überall leuch— tend hervorblickt. Die offenen Waſſerflächen und Seen, welche dieſes Sumpfgebiet oft meilenweit erfüllen, entwickeln zum Theil ganz die— ſelben Pflanzenformen n wie in unſerem Vaterlande. Dies iſt der urſprüngliche Vegetationscharakter des ganzen ruſſi— ſchen Gebiets innerhalb dieſer Zone. Ackerflächen treten nur wie Oaſen in dieſen unermeßlichen Flächen auf, die indeſſen durch die Alnus incana. Betula pubescens. Populus tremula. 4 Prunus Padus. ° Ranunculus reptans. Aconitum Napellus. Oxycoccos palu- stris. ® Sphagnum ° Betula nana, B. fruticosa. 1% Carex, über 30 spec. Calla, Pedicularis palustris, Nymphaca alba, Nuphar lutea und pumila, Stra- tiotes aloides, Hydrocliaris, Ranunculus, Caltha etc. 394 | VI. Die fubarftifche Zone. Flußthäler auf eigenthümliche Weiſe gegliedert werden. „Dieſe ſchnei— den tief und mit breiten, ungeregelten Waſſerwegen in die große Ebene ein, die übrigens nur ſchwache Wellenbiegungen beſitzt. Gegen die Flüſſe fällt die Fläche gewöhnlich ſchroff ein und bildet unterhalb des Waldes zwei Terraſſen, welche den weitläuftigen Thalweg ausfüllen. Die untere breitet ſich vollkommen wagerecht aus und wird von den Ueberſchwemmungen des Stromes erreicht. Sie iſt unbewohnt und entwickelt fruchtbare Wieſen, oder öde, vegetationsloſe Uferſtrecken und Inſeln. Auf den wüſten Sandufern wächſt durch ganz Rußland bis zu den ſüdlichen Steppen eine ſtrauchartige Weide! und bildet mit 40 — 60 langen Wurzelſtöcken in dem loſen Boden ein dichtes Ge— flecht. Der darüber vom Fluſſe abgeſetzte Thon und Mergel giebt zur Entſtehung der Wieſen Anlaß, die alljährlich von ſelbſt überrie— ſelt und gemergelt, die üppigſte Grasnarbe beſitzen. — Die obere Terraſſe liegt gegen 40 — 60“ über dem Thalwege. Sie iſt wellen— förmig gebaut und reicht bis an den Fuß der bewaldeten Diluvial— flächen. Bewohnt und größtentheils beackert, enthält ſie trockene, ab— hängige Wieſen, die durch einen reichen Blüthenflor? ſich auszeichnen und abwärts in Sümpfe übergehen.“ “) Seiner Bodenbeſchaffenheit nach wäre das ganze nördliche Ruß— land zum Anbau der mitteleuropäiſchen Getreidearten geeignet, aber nur die Gerſte erſcheint in den ſüdlicheren Gegenden als Culturge— wächs. Die kurzen Sommer, denen häufige Nachtfröſte im Frühjahr vorangehen und frühzeitige im Herbſte folgen, treten dem Anbau der übrigen Getreidearten entgegen. Bei größerer Sorgfalt dürften Kar— toffeln und verſchiedene Gemüſearten einen lohnenden Ertrag geben; aber die Bewohner ziehen die Viehzucht vor, beſonders in Finnland, wo die Rindviehzucht einen Haupterwerbszweig bildet. Hier allein finden ſich noch feſte Wohnſitze; die öſtlichen und nördlichen Gegen— den ſind faſt nur von Nomadenſtämmen bewohnt. Außer der Vieh— zucht bilden die Jagd, der Fiſchfang und der Holzhandel die haupt— ſächlichſten Nahrungsquellen der Bewohner Nordrußlands. Beſonders iſt die Jagd der Eichhörnchen in den nordöſtlichen Gegenden dieſer Zone von großer Bedeutung, ſo daß dieſe Thiere als die alleinige Veranlaſſung des Aufenthalts von Menſchen in dieſem Gebiete an— zuſehen ſind. Hier finden ſich aber auch die herrlichſten Wälder. An Salix acutiſolia. 2 Orchideen, Labiaten und Compositeen. *) Im Auszuge nach Griſebach. Sibirien. 395 der Suchona im Gouvernement Wologda fteigen die Stämme der Tannen und Espen zu 100 — 150“ empor, und auch die Birken errei— chen nicht ſelten mehr als 100’ Höhe. Obgleich die Waldverwüſtun— gen ſich bis jetzt nur auf die den Flußthälern nahe gelegenen Strecken beſchränkt haben, ſo ſind doch zwei der edelſten und brauchbarſten Holzarten ſeit längerer Zeit aus dieſen Gebieten verſchwunden. In Gegenden, wo ſich vor 80 Jahren noch große Waldſtrecken von Lär— chen! fanden, erblickt man jetzt nur noch einzelne Stämme in mei— lenweiten Entfernungen, und die Zirbelfichte oder ruſſiſche Ceder ?, welche damals viel weiter nach Weſten verbreitet war, findet ſich jetzt erſt im Oſten der Dwina. B. Aſien. Der mittlere Gürtel von Sibirien, welchen die ſubarktiſche Zone in Aſien umfaßt, erſcheint in ſeinem ganzen weſtlichen Theile, von dem Ural bis zum Meridian des Baikalſees, als ein Flachland, jenſeit des letzteren aber ſteigt es, je weiter gegen Oſten zu deſto hö— heren Bergzügen an. In dieſem ganzen Gebiet gelangt das mäch— tige Flußnetz, mit welchem Sibirien von den Höhen des Altaiſyſtems bis an die Geſtade des Eismeers durchzogen iſt, erſt zur vollen Ent— wickelung. Majeſtätiſche Rieſenſtröme durchſchneiden das Land und führen den Ueberfluß der ſüdlichen Gegenden den Bewohnern des hohen Nordens zu, denen die Natur faſt jedes ihrer Erzeugniſſe ver— ſagt hat. Die Hauptſtröme, der Ob, der Jeneſei und die Lena ſind durch unzählige größere und kleinere Flüſſe mit einander verbunden, die mit wenigen Ausnahmen ſchiffbar ſind, ſo daß man zu Waſſer mit Leichtigkeit nach allen wichtigen Punkten gelangen kann. Leider ſind die Fahrzeuge hier noch ſo unvollkommen, und der Mangel an Menſchen ſo groß, daß die nach den nordiſchen Bezirken beſtimmten Transportſchiffe nicht ſelten von dem Winter überraſcht werden, ehe ſie das Ziel ihrer Reiſe erreichen, wodurch alsdann die Bewohner jener unwirthbaren Gegenden oft dem empfindlichſten Mangel ausge— ſetzt werden. In ihrem Unterlauf iſt das Gefälle der großen Ströme äußerſt gering. Der Irtiſch liegt bei Tobolsk nur 110“ über dem Niveau des nördlichen Eismeeres, und Jakutsk an der Lena, in dem öſtlichen, gebirgigen Theil hat eine abſolute Höhe von kaum 300“, Pinus Larix. 2 Pinus Cembra. 396 VI. Die ſubarktiſche Zone. Ja ſelbſt am Fuße des Altai iſt der Ob bei Barnaul nur 360“ über dem Meeresſpiegel gelegen. Der ganze nordöſtliche Theil von Sibirien erſcheint als ein Bergland, ſo daß das Stromſyſtem der Lena von der Quelle bis zu ihrer Mündung überall tiefgefurchte Thäler bewäſſert. Das Wercho— janskiſche Gebirge, welches die Waſſerſcheide zwiſchen der Lena und Jana bildet, hat eine Kammhöhe von wenigſtens 2500’, und feine Gipfel ſteigen noch um 1000“ höher; nach Norden aber ſenkt es ſich allmälig zum Eismeere. Längs der Küſte des Ochotskiſchen Meeres ſetzt ſich das Altaiſyſtem als Aldaniſches und weiter nördlich als Sta— novoi-Chrebet oder ſteiniges Gebirge bis zur Behringsſtraße fort. In dieſer öſtlichen Abtheilung ſcheint der 3780“ hohe Gipfel des Ka— pitan-Berges zwiſchen Jakutsk und Ochotsk der Culminationspunkt zu ſein. Die mittlere Jahreswärme dieſer Zone Sibiriens ſteigt nirgend über den Gefrierpunkt; in Tobolsk, am Südweſtrande derſelben, be— trägt fie — 2°, und in Jakutsk, das viel weiter nach Oſten liegt, nur noch — 6°,5, ungeachtet feiner geſchützten Lage. Der Waldcha— rakter des nördlichen Rußland ſetzt ſich durch dieſen ganzen Theil von Sibirien fort. Das Laubholz ſpielt eine ganz untergeordnete Rolle. Unter 80° ö. L. am öſtlichen Abhange des Ural findet man die Eiche in Geſellſchaft der Haſelſtaude noch in Gärten gezogen, und an den Ufern des Jeneſei erreicht die Vogelpflaume ! ihre Polargrenze bei 61°, die Ebereſche? bei 64° und die Erle s unter 66° n. Br. Hauptſächlich aber iſt dies ganze Gebiet durch die ungeheuren Wäl— der von Nadelhölzern charakteriſirt, für welche das Werchojanskiſche Gebirge bei 644° eine Vegetationsſcheide bildet, denn hier hören Fichten und Tannen plötzlich auf, wie auch die hin und wieder wach— ſende Ebereſche. Die Lärche dagegen, ſo wie Pappeln, Birken und Weiden finden ſich noch bis 68° n. Br. Zwiſchen Jakutsk und Ochotsk beſtehen die Wälder vorzugsweiſe aus Zirbelfichten, Lärchen und Tannen, denen ſich eine Platane «, Pappeln und Birkenge— ſträuche s zugeſellen. Heidelbeeren“ und Alpengefträuche ° überziehen den Boden, und eine Menge von Kräutern“? erinnern an die Flora Prunus Padus. ? Sorbus Aucuparia. Alnus incana. * Platanus orientalis. Populus alba und balsamica. „Betula Alnus, fruticosa und nana. Vaccinium Vitis Idaca, uliginosum, Andromeda polifolia, Arbutus Uva ursi. ° Rhododendron tauricum und Chrysanthum. 9 Pyrola, Stachys y PETERS Y palustris und sylvatica, Scutellaria galericulata, Sanguisorba officinalis, Tanace- Sibirien. 397 des nördlichen Europa. Um Jakutsk find die Sommer noch fo warm, daß Buchenwälder gedeihen, und Hafer und Gerſte zur Reife gelangen, außerdem ſind aber Kartoffeln und Hanf die einzigen Cul— turpflanzen dieſer Zone. In allen übrigen Theilen kann der Acer: bau nur bis zum 60 d. Br. betrieben werden, jedoch mit höchſt un— ſicherem Erfolge. Im Aldaniſchen Gebirge findet ſich unter derſelben Breite noch dichter Wald in einer Höhe von 2000’, und erſt bei 2400“ bezeichnet die Lärche die obere Grenze des Baumwuchſes. An der Seeküſte von Ochotsk dagegen ſchrumpfen alle Bäume zu Krumm— holz zuſammen. Im Zirbelgeſträuch wird der Raſen aus niedrigem Strauchwerk! gebildet, und neben ſchwächlichen Birken? treten dürf— tige Brombeer= 3 und Eberefchengefträuche * auf. Die ſchönſte Zierde der Gegend aber bildet eine ſtrauchartige Alpenroſes mit großen gelben Blüthendolden. Im Innern des Feſtlandes nur in der Nähe der alpinen Region zu finden, ſteigt ſie hier unter dem Einfluſſe der Küſtennebel und beſpült von dem eiskalten Waſſer des ſchmelzenden Schnees bis zur Meeresküſte herab. Betritt man hingegen den mit Geröllen bedeckten Strand dicht bei Ochotsk, ſo iſt alle Vegetation ſpurlos verſchwunden. Den ganzen Sommer kann man hier verleben, ohne daß man eine einzige Pflanze zu ſehen bekommt. ©; Nord: Amerika, Die Küſtencordillere, welche fich unter 582° n. Br. gegen Weſten wendet, iſt an dieſer Stelle durch ein paar ungeheure Vulkankegel charakteriſirt. Der Fairweather oder der Berg des ſchönen Wetters erhebt ſich zu 13,824“ Höhe, und der weiter nördlich gelegene Elias— berg erreicht eine abſolute Höhe von 16,758“. Nordweſtlich von die— ſen Kegelbergen erweitert ſich die Küſtencordillere bedeutend. Zugleich nehmen die Vulkane an Zahl zu und bilden durch die ganze Halb— inſel Aljaska und die Inſelreihe der Aleuten eine gewaltige Reihe fortwährend brennender Feuerberge, die erſt an der Oſtküſte von Kamt— ſchatka ihr Ende erreicht, wo der 14,800“ hohe Kljutſchewsker den tum vulgare, Trientalis europaea, Valeriana oſſicinalis, Anemone sylvestris und narcissiflora, Antirrhinum Linaria, Euphrasia officinalis, Potentilla anserina, Ga- lium boreale, Lysimachia thyrsiflora. Andromeda lycopodioides, Azalea Proc Diapensia. 2 Betula alba und nana. 3 Rubus arcticus. * Sorbus sambucifolia. ? Rhododendron chrysanthum. 398 VI. Die ſubarktiſche Zone. oben genannten Vulkanen als weſtlicher Eckpfeiler dieſer Kette würdig gegenüber ſteht. Weiter im Innern des amerikaniſchen Feſtlandes zieht ſich die Centralkette des Andenſyſtems oder das Felſengebirge in nordweſtlicher Richtung durch die ganze Breite dieſer Zone, worauf daſſelbe in der Nähe der Mündung des Mackenziefluſſes an der Küſte des nördlichen Eismeeres ſein Ende erreicht. Die Halbinſel Aljaska und die Inſelreihe der Aleuten bil— den, wie wir ſchon bei Betrachtung der vorigen Zone geſehen haben, eine entſchiedene Klimaſcheide. So wie man von der Südſee her durch einen der Aleuten-Kanäle in das Behringsmeer einfährt, be— merkt man eine faſt plötzliche Abnahme der Temperatur, und das Zu— ſammenſtrömen der wärmeren Meereswellen von Süden und der käl— teren von Norden her, veranlaßt eine Bildung von Nebeln, die den Himmel über dem Behringsmeere faſt beſtändig in einen dichten Schleier hüllen. An der ganzen Südküſte von Aljaska ſinkt die Tem— peratur im Winter wahrſcheinlich nicht unter den Gefrierpunkt, daher iſt das Geſtade des großen Oceans noch von hochſtämmigem Baum: wuchs bedeckt, der ſich längs der ganzen Halbinſel und zum Theil noch auf der nahe liegenden Inſel Unimak entlang zieht; die Küſten des Behringsmeeres dagegen erſcheinen vollſtändig waldlos. Von Unalaſchka an iſt die ganze Inſelreihe nur mit niedrigem Geſträuch bedeckt, denn das feuchte nebelreiche Klima läßt keinen Baum auf— kommen. Dagegen entwickelt es einen mächtigen Raſen von Halb— gräſern, der mit hochwüchſigen Krautdickichten ſubalpiner Staudenge— wächſe! wechſelt, die bis an das Meeresufer von Strauchweiden und Alpenroſen? begleitet ſind. Beim Erſteigen der Berge gelangt man ſehr bald in die Region der Alpenkräuter, und mit 3300“ Höhe hat man die Grenze des ewigen Schnees erreicht. Obgleich die Aleuten noch der kälteren temperirten Zone angehören, ſo iſt unter den ob— waltenden klimatiſchen Verhältniſſen doch an keinen Getreidebau zu denken. Kartoffeln, Rüben und einige Gemüſe ſind die einzigen Cul— turgewächſe auf Unalaſchka; auch eine wohlſchmeckende Erdbeere ge— langt zur Reife. Ferner verdient eine als Nahrungsmittel dienende Tangart? erwähnt zu werden. Sie bildet auf Unimak ein 2“ dickes, mit einer Grasvegetation bedecktes Lager, und fo oft den Bewohnern die Fiſchnahrung ausgeht, wird dieſe Tangart geſammelt und gegeſſen. Aconitum, Heracleum, Epilobium, Lupinus. 2 Rhododendron Kamt- schaticum. 3 Bromicolla aleutica. Das nordamerikaniſche Flachland. 399 In dem ganzen Gebiet zwiſchen dem Felſengebirge und dem weſtlichen Geſtade der Hudſonsbai ſtimmt der Charakter des Terrains mit dem der vorigen Zone vollſtändig überein. Zahlreiche Flüſſe durchſchneiden die Ebene, und eine Menge von Seen ſind über die— ſelbe zerftreut. Die bedeutendſten unter den letzteren find der Atha— basca-See, der große Sclaven- und der große Bären-See. Das Klima dieſes Gebiets iſt dem von Sibirien innerhalb dieſer Zone zu vergleichen, denn am großen Bären-See, unter 64° Br. thaut der Boden im Sommer nur 14’ tief auf. Daſſelbe gilt auch von der Vegetation. Der ſüdliche Theil bis zum Sclaven-See erſcheint noch gut bewaldet; eben ſo finden ſich in einiger Entfernung von der weſt— lichen Küſte der Hudſonsbai ausgedehnte Waldſtriche, die in der Sommerzeit eine ſchöne Vegetation entwickeln. Im Norden des Churchill-Fluſſes aber beginnen die öden, waldloſen oder ſpärlich be— waldeten Landſtrecken, die unter dem Namen der Barren-Grounds ſich bis an die Geſtade des Eismeers erſtrecken. Hier erhebt ſich das kahle Geſtein zu niedrigen Hügelreihen, und nur die Thalflächen ſind mit verkrüppeltem Strauchwerk bedeckt. An der Küſte der Hudſonsbai bezeichnet der 60° d. Br. die Waldgrenze, die ſich weiter weſtlich aber immer mehr nach Norden zieht, ſo daß am großen Bären-See der 65. Grad als die nördliche Waldgrenze zu betrachten iſt. In der Nähe des Sclaven-Sees wächſt noch ein ſtacheliger Zwergeactus !, fo daß der 63. Grad d. Br. als die eigentliche Polargrenze dieſer für Amerika ſo cha— rakteriſtiſchen Gewächſe zu betrachten iſt. Roſen und Stachelbeer— ſträucher? bilden hier das Buſchwerk, aber die Fichten ſchrumpfen ſchon zu Krummholz ein, ihre Kronen find abgeſtorben und von Alter grau. Am weiteſten reichen die weiße Fichte? und die Birke“ nach Norden; fie finden ſich noch unter 68° Br., wo die mittlere Tempe— ratur 8° unter dem Gefrierpunkt ſteht. — Mit der Cultur ſieht es in dieſem Gebiet noch dürftiger aus als in Sibirien. Am nördlichen Ufer des Athabasca-Sees unter 582° n. Br. baut man noch etwas Gerſte und Kartoffeln, hiermit möchte aber auch wohl die Polargrenze der Cultur für den mittleren Theil des amerikaniſchen Feſtlandes er— reicht ſein. An der Oſtſeite von Nordamerika erſtreckt ſich die Südſpitze von Grönland in dieſe Zone hinein, einer Inſel, deren Flächeninhalt auf 20,000 I Meilen abgeſchätzt wird. Ihr Name bedeutet eigent— ' Opuntia. 2 Ribes. Pinus alba. Betula glandulosa. 400 VI. Die ſubarktiſche Zone. lich: Grünes Land. So wurde ſie von den erſten Entdeckern ge— nannt, wegen der Wälder und der ſchönen Wieſen, die man hier fand. Jetzt iſt kaum noch eine Spur davon übrig. Die Mitte der Inſel erfüllt ein Eisgebirge voller Abgründe und Gletſcher, welche jede Communication zwiſchen der Weſt- und Oſtküſte unmöglich ma— chen. Außer der Baſaltbildung zeigen ſich auch noch andere Spuren vulkaniſcher Natur. Die Winter ſind hier lang und furchtbar; die Sommer kurz, aber von häufigen Nebeln und Stürmen begleitet. Bei dem ſeltenen Regenfall ſteigt dann die Hitze bisweilen auf 24°, und zahlreiche Mückenſchwärme machen den Aufenthalt faſt unerträg— lich. Sonſt aber iſt die Luft geſund, und Krankheiten der Bewohner ſind äußerſt ſelten. Die Vegetation hat ſich in Grönland eben ſo geändert wie auf Island. Nur an geſchützten Stellen finden ſich verkrüppelte Birken, Erlen, Weiden und verſchiedene Arten von Hei— delbeeren, denen ſich mehrere Alpenkräuter hinzugeſellen. Das Treib— holz liefert den Bewohnern Brennmaterial wie auf Island; aber nur die Weſtküſte iſt bewohnt. Hier baut man Kartoffeln, Grünkohl, Kerbel, Kreſſe und Rüben; und auch Gerſte und Hafer gedeihen bis— weilen. Die ganze Oſtküſte aber, ſo wie die nördlicheren Gegenden ſind ſtets in Eis und Schnee gehüllt, und das Polarende der Inſel möchte wohl ſo bald noch nicht aufgefunden werden. Südliche Halbkugel. Schon in der kälteren temperirten Zone treten einzelne Inſeln auf, die, abweichend von den bereits geſchilderten, einen vollſtändig arktiſchen Charakter zeigen. Süd-Georgien unter 55° |. Br. er- ſcheint aus der Ferne als eine bloße Eismaſſe, deren Zacken und Spitzen ſchroff emporſtarren. Mitten im Sommer iſt die Inſel in Schnee gehüllt, der ſich bis zum Meeresufer herabzieht. Schmilzt endlich an einigen den Sonnenſtrahlen mehr ausgeſetzten Landſpitzen die winterliche Decke, ſo tritt der ſchwarze Felſen nackt und kahl her— vor. Nur zwei kümmerlich wachſende Pflänzchen! wurden an dem Ankerplatze entdeckt. — Der Sandwichland-Archipel, ſüdöſtlich von der vorigen Inſel, erſcheint noch höher als dieſe und iſt mit Aus— nahme weniger Klippen überall mit Eis und Schnee bedeckt. Von Vegetation findet ſich keine Spur. Beſtändige Nebel verhüllen die unwirthlichen Geſtade, die nur hin und wieder aus dem dichten Dactylis caespitosa, Arcistrum decumbens. Südliche Halbkugel. 401 Schleier hervorblicken. In dieſem Gebiet der treibenden Eisberge, zwiſchen 55° und 65° f. Br. hält ſich die Temperatur im Sommer gewöhnlich zwiſchen Oo und — 5%. „Schneereiche Südwinde wech⸗ ſeln mit nördlichen Luftſtrömungen, die, mit Waſſerdampf beladen, unaufhörlich weiße Nebel von unbeſchreiblicher Dichtigkeit über die Meeresfläche ausbreiten. Solche Niederſchläge bilden ſich auch auf den Inſeln, die dieſer Zone benachbart liegen, das ganze Jahr hin⸗ durch aus der Vermiſchung des Land- und Seewindes, entziehen ihnen die Vortheile der langen Tage und verbannen großentheils den vom Stande der Sonne abhängigen Temperaturwechſel. Ein ſo un⸗ gaſtliches aber gleichmäßiges Klima ſchließt zwar jede Mannigfaltig⸗ keit der Gewächsformen aus, verleiht aber den einheimiſchen Pflanzen eine Ueppigkeit des Wachsthums, deren die entſprechenden Länder der nördlichen Halbkugel nothwendig entbehren müſſen, weil ihre Vege⸗ tation einen langen Winterſchlaf erleidet. Um ſo auffallender iſt es, daß ungeachtet ſo abweichender klimatiſcher Bedingungen doch die meiſten Gattungen und Formen der antarktiſchen Flora in den Haupt⸗ zügen mit den arktiſchen übereinſtimmen. Aber bei ſolcher Aehnlich⸗ keit der charakteriſtiſchen Formen ſind doch die einzelnen Arten des ſüdlichſten Gebiets demſelben eigenthümlich, wie ſich von Inſeln nicht anders erwarten läßt, welche nicht bloß klimatiſch in ſolchem Grade abgeſchloſſen ſind, ſondern auch außer dem Bereich aller Feſtländer liegen, woher die Meeresſtrömungen öde Geſtade zu beſamen pflegen. Viele antarktiſche Arten beweiſen ihren endemiſchen Urſprung durch den engen Verbreitungsbezirk in dem Gebiete ſelbſt. Mehrere der im hohen Südmeer fluthenden Algen ? finden ſich bis zur Nordgrenze des Packeiſes allgemein. An der Küſte von Palmersland auf der Cockburn⸗Inſel unter 64 Br. fand man keine phanerogamiſchen Ge⸗ wächſe mehr, ſondern nur noch 20 Cryptogamen. Dies ſcheinen die letzten Pflanzen in der Richtung des antarktiſchen Pols; denn ſelbſt die Algen fehlen jener continentalen Küſte, an welcher der flammende Krater Erebus und der erloſchene Vulkan Terror ſich erheben, und wo ſich der Erdboden im Niveau des Meeres zum erſten Male von aller Vegetation entblößt zeigte, ein nie geſehenes Schauſpiel, vor dem die Natur ſelbſt den höchſten Norden bewahrt zu haben ſcheint ).“ Macrocystis und Urvillea. *) Nach Griſebach. 402 VII. Die arktiſche Zone. VII. Die arktiſche Zone. Dieſe Zone umfaßt die Länder zwiſchen dem nördlichen Polar⸗ kreiſe und dem 72° n. Br. Hierher gehören der nördliche Theil der Skandinaviſchen Halbinſel nebſt Lappland, der Nordrand von Ruß⸗ land und Sibirien und der des Feſtlandes von Nordamerika nebſt mehreren Inſeln. In der ſüdlichen Halbkugel kennt man hier ſeit etwa 20 Jahren die Küſtenſtriche des muthmaßlichen 8 5 Continents. Allgemeine Charakteriftif. In dem europäiſchen Antheil dieſer Zone beträgt die mittlere Jahrestemperatur noch 1% R., in den kälteren Theilen aber, nämlich in Sibirien und Nordamerika ſteht ſie gewiß weit unter dem Gefrier⸗ punkt. In dieſer Zone erſcheint die Grenze der Baumvegetation, welche durch die Birke, dem hier vorherrſchenden Baume, gebildet wird. Auch einige Nadelhölzer, die Fichte und die Tanne, treten noch auf, aber nur in Europa. Die Wieſen werden hier ſelten; dafür er⸗ ſcheinen ungeheure Strecken mit dürren Flechten und Mooſen beklei⸗ det, oder eine niedere Strauchvegetation überzieht den Boden. Ebenſo erſcheint hier die Grenze aller Cultur des Bodens, die wir in Aſien und Amerika ſtellenweiſe ſchon in der vorigen Zone gefunden haben. Beſondere Charakteriſtik. Nördliche Halbkugel. A. Europa. Den Charakter des Terrains im nördlichen Theil von Standina⸗ vien haben wir bereits in der vorigen Zone kennen gelernt; nur von der Lappländiſchen Halbinſel iſt hier noch zu bemerken, daß ſich ihr Boden zu einem Gebirge von 2000“ Höhe erhebt, welches die Küſte des Eismeers begleitet. — In Beziehung auf die klimatiſchen Ver⸗ hältniſſe iſt dieſer nördlichſte Theil von Europa im Vergleich mit den beiden andern Continenten außerordentlich bevorzugt, denn die war⸗ men ſüdweſtlicheu Luftſtröme, welche über den Atlantiſchen Ocean bis in die kalte Zone vordringen, erreichen ſelbſt noch das Nordeap, deſſen mittlere Jahreswärme 0% beträgt, alſo noch über dem Gefrierpunkte Lappland. 403 ſteht. Zu Alten unter 70° Br. laſſen ſich noch 4 Jahreszeiten unter: ſcheiden. Der Winter dauert 7 Monate, vom Oetober bis zum April, mit einer mittleren Temperatur von — 4°. Während dieſer ganzen Zeit ſchlummert die Vegetation vollſtändig. Der Frühling beſchränkt ſich auf den Monat Mai, deſſen mittlere Wärme 4 beträgt. In dieſer Zeit erwacht die Vegetation, wird aber häufig zum Stillſtand genöthigt. In den drei Sommermonaten beträgt die mittlere Wärme 8°. Erſt in dieſer Jahreszeit wachſen die Pflanzen ununterbrochen fort, weil vom Juni an das Thermometer nicht mehr unter den Ge— frierpunkt ſinkt; aber ſchon zu Ende des Auguſt bleicht das Birken— laub. Der September iſt der Herbſtmonat mit einer mittleren Tem— peratur von 4%5. Um dieſe Zeit gelangen noch manche Gewächſe zur Reife, und mehrere Blüthen, deren Entwickelung ſich verſpätet hat, kommen noch zum Aufbruch. Im Ganzen aber iſt der Himmel trübe, ſo daß man vom Mai bis September durchſchnittlich höchſtens 40 heitere Tage zählt. Somit läßt ſich dieſe Gegend mit der Wolkenre— gion in den Alpen vergleichen. In dem kälteſten Monate, im Januar, beträgt das Maximum der Wärme + 2°, das Minimum — 22°; in dem wärmſten Monate dagegen, im Juli, beträgt das Minimum + 2°, das Maximum + 19%. Dieſe günſtigen Bedingungen gel— ten indeſſen nur an der Weſtküſte, weiter im Innern ſchmilzt der Schnee oft erſt in der Mitte des Juni, und am 18ten Auguſt tritt ſchon wieder Schneefall ein. Aber noch mehr als die Winterkälte fürchtet man hier die ſchrecklichen Luftwirbel, welche dieſe Gegenden oft heimſuchen. „Von Norden und Nordweſten ſtürzen ſie mit Wuth von den Gebirgen herab und überſteigen in ihrer Gewaltſamkeit jede Beſchreibung. Alles kommt in Bewegung und Erſchütterung, keinen Laut kann man bei dieſem Getöſe und Sauſen hören, keine menſch— liche Stimme kann ſich gegen den Sturm erheben. In ſtummer Er— wartung ſucht man ſich mit doppelten Kleidern und Pelzwerk gegen die Kälte zu verwahren, kein Feuer brennt, und mit genauer Noth ſtehen die zitternden Häuſer feſt auf ihrem Fundamente. Und dieſe Stürme dauern oft mehrere Tage hinter einander.“ *) Die Flora von Alten enthält noch 384 Arten, von denen aber wenigſtens 100 nicht bis Hammerfeſt gehen. Sehr viele von die— ſen Gewächſen haben die nordiſchen Gegenden mit Mitteleuropa ge— *) 2.9 Buch. 404 VII. Die arktiſche Zone. mein.“) Die Birken- und Nadelholzwälder von Enontekis erſtrecken ſich bis nach Alten hinauf, wo die Kiefern noch 60“ und die Birken noch 45’ Höhe erreichen. Die obere Terraſſe des Kiölen-Plateau's aber iſt nur mit dürftigem Geſtrüpp von Zwergbirken!, Wachholder, Zwergweiden 3 und anderem Geſträuch ! bekleidet. An der Südſeite deſſelben treten zunächſt wieder Birkenwälder auf, die aber nicht wei- ter als bis Enontekis gehen, denn von da an bedeckt ein einziger zu— ſammenhangender Kiefernwald das ganze Land bis an den Bottni— ſchen Meerbuſen. Die Kiefern und Tannen erreichen ihre Polargrenze zwiſchen 69° und 70° Breite, die Birke aber bezeichnet erſt am Nord- cap die Polargrenze der Baumvegetation. Außer den drei genannten Bäumen find die Espe und die Eberefche die einzigen, welche den Polarkreis überſchreiten. Weiter nach Norden bildet die Geſträuchve— getation den vorherrſchenden Charakter von Lappland; beſonders ſind es Wachholder, ein zwergartiger Brombeerſtrauch 5, ein Hornſtrauch s, verſchiedene Weidenarten und mehrere andere Formen, welche ſtrecken— weis den Boden überziehen. — Der grüne Raſen, welcher unſere Zone ſo angenehm charakteriſirt, tritt auch in dem nördlichſten Europa auf und wird durch dieſelben Orasarten ® gebildet; ja unſer Hirſegras ° mit langen breiten Blättern und ſchöner weitſchweifiger Rispe bedeckt in größter Ueppigkeit die Abhänge der Küſtenberge auf den Loffoden. Noch mächtiger ſchießt das Gras in der lappländiſchen Birkenregion empor. In dem Thal der Tana, die im Oſten des Nordcaps in den Fjord mündet, und deren Ufer von waldigen Gebirgsabhängen einge— ſchloſſen find, finden ſich herrliche Wieſen. Beſonders auf den Inſeln des Stromes ſchießt das Gras!“ im Schutz der dichten Birkenhaine zuweilen bis zu Mannshöhe empor. Erſt da, wo die Stämme ſelte— ner werden und allmälig zu Krummholz zuſammenſchrumpfen, wird die Grasvegetation durch niederes, zumeiſt aus Heidelbeeren gebildetes Betula nana. : Juniperus communis. Salix lapponum. * Empe- trum, Andromeda tetragona. ° Rubus Chamaemorus. Cornus suecica. Azalea, Andromeda, Diapensia. Alira caespitosa, A. flexuosa.. ° Milium effusum. % Calamagrostis. *) Die Flora von ganz Lappland zählt bis jetzt 685 Phanerogamen, von denen 108 Alpenpflanzen zugleich auf den Alpen wachſen. Mit Mitteleuropa hat ſie 453 Arten gemein, ſo daß nur 124 arktiſche Gewächſe übrig bleiben. Die Familien, welche die meiſten Arten aufzuweiſen haben, ſind: Cyperaceen, Com- positeen, Gramineen, Caryophylleen, Cruciferen, Saliceen, Rosaceen, Ranuncu- laceen, Junceen. Lappland. 405 Geſträuch! zurückgedrängt. Den ſchönen Moosraſen unferer Laub⸗ wälder vermißt man in dieſen nordiſchen Gegenden, obwohl es an Mooſen ? und Lebermooſen? nicht gerade fehlt. Dagegen ſind die trockenen und unfruchtbaren Landſtrecken meilenweit mit der Renn— thierflechte und anderen ähnlichen Gattungen überzogen, welche im Sommer, wenn durch die anhaltende Einwirkung der Sonnenſtrahlen der Boden vollſtändig ausgedörrt iſt, das Reiſen in dieſen Gegenden äußerſt beſchwerlich machen. Unmittelbar an den Küſten iſt die Er- ſcheinung intereſſant, daß an vielen Stellen Alpenkräuter! mit Meer⸗ ſtrandspflanzen ° gemiſcht wachſen, weil die Gebirge mit tief herab— gedrückter Schneeregion hier dicht an das Meer herantreten. Die Cultur der Nahrungspflanzen kann in dem europäiſchen An— theil noch innerhalb dieſer ganzen Zone betrieben werden. Zu Enon— tekis, welches im Innern von Lappland 1350’ über dem Meeresſpie— gel gelegen iſt, baut man noch Gerſte und Rüben, kann jedoch durch— ſchnittlich nur alle 3 Jahr auf lohnende Ernten rechnen. Am Ma⸗ langerfjord dagegen, welcher zwar nördlicher, aber an der Weſtküſte liegt, wird die Gerſte noch jedes Jahr reif. Die Polargrenze derſel— ben und des Getreidebaues überhaupt findet ſich bei Alten unter 70° Breite. Der Gemüſebau reicht noch weiter nach Norden, denn zu Hammerfeſt unter 71° Br. gedeihen Kartoffeln, Kohl, Rüben, Spinat und Salat noch ganz gut, und ſelbſt am Nordcap werden in Gärten noch Kartoffeln, Grünkohl und Stachelbeeren gezogen. Alle dieſe Cul— turgewächſe bieten hier im hohen Norden die auffallende Erſcheinung dar, daß ihre blattartigen Organe eine bedeutendere Ausdehnung er— langen als in ſüdlicheren Breiten, was vermuthlich mit der größeren Länge der Tage in Beziehung ſteht. In dem nördlichſten Theile von Rußland iſt in der arktiſchen Zone von Wäldern nicht mehr die Rede. Ueberall breiten ſich längs des Eismeeres große baumloſe Tiefebenen aus, welche ſüdwärts bis an die gegen den Polarkreis zurücktretende Waldgrenze reichen. Nur auf der Halbinſel Kanin zeigt ſich unter 671° Br. ein Tannengehölz, das aber bereits im Abſterben begriffen iſt. Im Norden lehnt ſich an die Waldgrenze der vorigen Zone zunächſt ein Gürtel von niedrigen Vaccinium Vitis Idaea, V. Myrtillus, Empetrum, Cornus suecica. 2 Po- Iytrichum. Jungermannia. Silene acaulis, Saxifraga oppositifolia, Poten- tilla aurea, Thalictrum alpinum, Erigeron alpinus, Gentiana nivalis, Alchemilla alpina, Arbutus alpina, Astragalus alpinus. Arenaria peploides, Lotus sili- quosus, Silene maritima, Cochlearia danica etc. 406 VII. Die arktiſche Zone. Birken und Weidengeſträuch an, hierauf folgt die Zwergbirke, von nordiſchen Heidekräutern begleitet, und die Rennthierflechte bedeckt den gefrorenen Boden wie in Lappland. Eine Cultur des Bodens iſt hier nicht mehr möglich; ſchon bei der Stadt Mezen unter 66° Br. ſieht man zum letzten Mal Gerſte und Kartoffeln. Nur das Rennthier und der Hund machen es möglich, daß dieſe Gegenden noch von Men— ſchen bewohnt werden können; aber die Zahl der nomadiſirenden Sa— mojeden nimmt von Jahr zu Jahr ab. Die Beſchäftigung der Be— wohner dieſer Zone beſteht faſt nur in der Jagd auf Pelzthiere, be— ſonders auch der Robben. Die Hauptnahrung gewähren ihnen die Fiſche und eine Menge von Waſſervögeln, welche zur Mauſerzeit als Zugvögel hier ankommen und in ungeheurer Menge die Ufer der un— zähligen Seen bedecken, mit denen die ruſſiſchen Moosſteppen überſäet ſind. In der Nähe der Küſte des Eismeeres können Menſchen und Hausthiere nicht mehr beſtändig wohnen. Selbſt der zuſammenhan— gende Raſen alpiner Gewächſe hört hier auf; nur einzelne dieſer Pflanzen *) ſprießen neben einigen Gräſern hervor, ohne jedoch den Boden vollſtändig zu bedecken. Hier herrſcht ſchon eine dreimonat— liche Nacht, und Robben, Wallroſſe und Fiſche ſind die einzigen Reiz— mittel, welche die Bewohner veranlaſſen, dieſe eiſigen Geſtade zu beſuchen. B. Aſien. In dem nördlichſten Theil von Sibirien, von dem Polarkreiſe bis an das Eismeer erſcheinen die Einöden und Wüſten des aſiati— ſchen Feſtlandes in einer ſchauerlichen Phyſiognomie. Zu Uſtjansk an der Mündung der Jana beträgt die mittlere Jahrestemperatur — 124°, die Sommerwärme + 8° und die Winterkälte — 30% 2. Deſſen un⸗ geachtet ſind dieſe unwirthbaren Gegenden wie im nördlichen Rußland von Menſchen bewohnt, die ſich theils mit der Viehzucht, theils mit der Jagd beſchäftigen. Feſte Niederlaſſungen finden ſich aber nur noch an den Ufern der größeren Ströme, wo ſie oft 40 bis 50 Meilen von einander entfernt liegen. — An den Ufern des Jeneſei finden ſich zwi— ſchen 66° und 67° Br. noch bedeutende Nadelholzwälder *, nachdem unſere Kiefer 2 ihre Polargrenze ſchon bei 66° erreicht hat. Eben jo weit reicht hier die Lärche ?, während die ſibiriſche und die Zirbel— Pinus obovata. 2 Pinus sylvestris. 3 Larix sibirica. ! 9 ) Ranunculaceen, Saxifrageen, ete. Eine Anzahl von 340 Phanerogamen, darunter ein beträchtlicher Antheil nicht ſkandinaviſcher Arten. Sibirien. 407 fichte noch bis 67 und 684° n. Br. hinauf reichen. An den Ufern der Lena findet ſich die äußerſte Baumgrenze unter 71° Br. Eine Lärche ? iſt hier der nördlichſte Baum, der dann bei 714° plötzlich verſchwindet. Gegen die Behringsſtraße hin iſt die Polargrenze der Bäume wieder bedeutend herabgedrückt und wird durch den 67° d. Br. bezeichnet. Ueberall ſchließt ſich nach Norden an die äußerſte Wald— linie ein Gürtel niederer Geſträuchformationen an, die aus Ellern s, Weiden *, Brombeeren und anderen Gattungen! beſtehen, denen ſich Heidel- und Preißelbeeren ' nebſt anderen Arten dieſer Familie anreihen. An den Ufern des Omolon finden ſich noch Pappeln, Bir— ken und Weiden, beſonders in Niederungen, wo ſie gegen die kalten Winde geſchützt ſind; aber auch hier erſcheinen ſie größtentheils nur als ſtrauchartige Gewächſe. Eine Pelzdecke von grünem groben Mooſe überzieht den verkrüppelten Stamm und ſchützt ihn gegen den eiſigen Hauch des Nordens. An der äußerſten Grenze dieſes Geſträuchgür— tels verſuchen noch eine jämmerliche Zwergbirke und ein dünnes Wei— denbüſchchen gegen den furchtbaren Feind anzukämpfen, aber kaum der Erde entſproſſen, unterliegen fie dem ſchaurigen Klima. Nur das Moos, welches ſelbſt den Winter hindurch wächſt und blüht, überzieht von hier an den ſeit Jahrtauſenden erſtarrten Boden. Die ganze weite Fläche bis an das Eismeer erſcheint als eine unabſehbare, mit kleinen Landſeen und Waſſerlachen überſäete moraftige Fläche, hier Tundra genannt, deren bleiche Moosdecke hin und wieder mit Maſſen nicht geſchmolzenen Schnees abwechſelt. Auf der rechten Seite des Kolyma-Stromes erheben ſich aus dieſen Mososſteppen die Pantele— jewſchen Berge bis zu einer Höhe von 2500’, und von da an beſteht der ganze nordöſtliche Theil von Sibirien oder die Tſchuktſchen-Halb— inſel aus nackten Bergen, zwiſchen denen ſich unfruchtbare, vegetations— loſe Thäler entlang ziehen. Kümmerlich ſprießt das graue Moos zwi— ſchen den kahlen Steinen hervor und gewährt den Rennthieren eine kärgliche Nahrung, und nur in einigen wenigen Thälern erblickt man halb zu Grunde gegangene, verkrüppelte Weiden. Die nordwärts lie— genden Niederungen ſind von größeren und kleineren Flüſſen durchzo— gen, deren Waſſer nur wenige Wochen des Jahres das ſteinige Bett durchfließt, denn vor dem 20. Juli iſt noch kein Anzeichen des Som— Pinus sibirica und P. Cembra. ° Larix daurica. Alnus fruticosa. Salix retusa und andere Arten. » Rubus arcticus und chamaemorus. 6 Ri- bes propinquum, Rosa acicularis. 7 Vaccinium Vitis Idaea und uliginosum. Empetrum nigrum, Arctostaphylos alpina, Andromeda polifolia. 408 VII. Die arftifche Zone. mers zu merken, und mit dem 20. Auguſt tritt der Winter ſchon wie— der ein. Die wenigen Sommerwochen aber bringen hier keine andere Veränderung hervor, als daß ſie die ſtets beeiſten Thäler in traurige Sümpfe und Moraſtflächen verwandeln, über welche ſelbſt in dieſer Jahreszeit oft die heftigſten Schneegeſtöber dahinbrauſen. Die Sonne geht zwar 52 Tage lang nicht unter, aber ſie ſteht ſo niedrig, daß ſie nur leuchtet, ohne die Luft zu erwärmen. Sie erſcheint in elliptiſcher Geſtalt, und ohne alle Unbequemlichkeit kann man ſie in ihrem matten Glanze mit bloßem Auge betrachten. Dieſes Verweilen des Geſtirns über dem Horizont hebt jedoch die gewöhnliche Ordnung der Tages— zeiten nicht auf. Wenn die kalte Sonne ſich zu dem Horizont herab— ſenkt, ſo tritt der Abend ein, und mit ihm beginnt die nächtliche Ruhe der Natur. So wie ſie ſich aber nach einigen Stunden wieder etwas erhebt, ſo erwacht ſelbſt noch in dieſer traurigen Einöde die organiſche Welt. Einige wenige kleine Vögel begrüßen mit heiſerem Gezwitſcher den neuen Tag, die zuſammengeſchrumpften Blümchen wagen es, ihren Kelch zu öffnen, Alles beeilt ſich, um doch Etwas von dem wohlthä— tigen Einfluß der matten Sonnenſtrahlen zu genießen. Zwar ſind hier eigentlich nur zwei Jahreszeiten zu unterſcheiden, ein neunmo— natlicher Winter und ein dreimonatlicher Sommer, aber die Bewoh— ner dieſer Gegenden ſprechen in allem Ernſte von einem Frühling und einem Herbſt. Erſterer beginnt nach ihrer Meinung nach der Mitte des März, wo die Sonnenſtrahlen anfangen ſich um die Mittagszeit bemerklich zu machen, aber in dieſem Frühling ſinkt die Temperatur bei Nacht noch auf — 30. Den Herbſt rechnen ſie von der Zeit an, wo die Flüſſe zufrieren; dies geſchieht in den erſten Tagen des September, wo gewöhnlich ſchon eine Kälte von 16° eintritt. Der Sommer iſt in dieſen nordiſchen Regionen nur ein Kampf zwiſchen Entſtehung und Vernichtung. Erſt in den letzten Tagen des Mai treibt das verkrüppelte Weidengebüſch einige winzige Blüthen, und die nach Süden gelegenen Uferabhänge bekleiden ſich mit einem falben Grün. Im Juni ſteigt das Thermometer zur Mittagszeit bis auf 18°, aber ein rauher Seewind, der bisweilen eintritt, bleicht das ärmliche Grün und zerſtört die wenigen Blüthen. Im Juli iſt die Luft am heiterſten und ziemlich milde, aber gleich mit den erſten Tagen dieſes Monats ſtellen ſich Millionen von Mücken ein, die in dichten Wolken die Luft verfinſtern und den Bewohnern ſelbſt dies Schattenbild des Sommers verleiden. So ſehnen fie ſich denn bald nach dem Wieder- eintritt des Winters, der hier volle drei Viertel Jahr dauert. Im Sibirien. 409 October wird die Kälte noch etwas gemildert, indem die aus dem gefrierenden Meere aufſteigenden Dünſte die Luft mit dichten Nebel- wolken erfüllen; aber ſchon im November treten die heftigen Fröſte ein, die im Januar ſich bis auf 43° Kälte ſteigern. Dann wird das Athmen ſchwer. Das Rennthier zieht ſich in das tiefſte Dickicht des Waldes zurück und ſteht unbeweglich, wie leblos da. Die 38tägige Nacht, die mit dem 22. November beginnt, wird durch das Leuchten des Schnees ſo wie durch die häufigen Nordlichter erhellt. Erſt am 28. December erſcheint tief unten am Horizonte eine blaſſe Morgen— röthe, die aber ſelbſt um Mittag die Sterne noch ſichtbar werden läßt. Mit der Wiederkehr der Sonne wird die Kälte empfindlicher, und die Fröſte des Februar und März zeichnen ſich gerade beim Aufgange der Sonne durch ihre ganz beſonders durchdringende Schärfe aus. Völlig heitere Tage ſind hier im Winter eine äußerſt ſeltene Erſcheinung, denn die vorherrſchenden Seewinde führen beſtändig Dünſte und Ne— bel mit ſich, die den reinen, tiefblauen Polarhimmel mit ſeinen hell— funkelnden Sternen gänzlich verdecken. Bisweilen aber tritt bei hei— terem Himmel mitten im ſtrengſten Winter ein warmer Südoſtwind ein, welcher in kurzer Zeit einen Temperaturwechſel von — 35° bis —+ 2° zur Folge hat, fo daß die Eisſcheiben, welche hier die Stelle des Fenſterglaſes vertreten, aufthauen. Gewöhnlich hält dieſer Wind aber nicht länger als 24 Stunden an. *) C. Nord-Amerika. Der Nordrand des amerikaniſchen Feſtlandes bietet innerhalb die— ſer Zone in Betreff ſeiner Bodenbeſchaffenheit denſelben Charakter dar, den wir bereits bei der Darſtellung der vorigen Zone kennen gelernt haben. Eben ſo müſſen die klimatiſchen Verhältniſſe mit den ſo eben geſchilderten Erſcheinungen im nördlichen Sibirien vollſtändig überein— ſtimmen, da die geographiſche Lage dieſes Ländergebietes ganz dieſelbe iſt. Nur in den weſtlicheren Theilen iſt das Klima nicht ganz ſo ſtreng als weiter nach Oſten, daher tritt eine in den Rocky Mountains entdeckte Weide! noch unter 71° n. Br. weſtlich von der Mündung des Mackenzie auf. Birken- und Erlengeſträuche? erſcheinen, wie unter denſelben Breiten in Europa, und nur wenig Pflanzen finden Salix nivalis. 2 Betula glandulosa, Alnus glutinosa. *) Nach Wrangell, der 3 Jahre in den Gegenden an der Mündung des Ko— lyma zugebracht hat. 5 410 VII. Die arktiſche Zone. ſich hier, welche nicht beiden Erdtheilen gemeinſam wären. Eine Al— penroſe! tritt hier in die Ebene, in Begleitung derſelben kleinen Strauchgewächſe ?, welche den Nordrand der alten Welt charakteriſi— ren, und eine bedeutende Anzahl alpiner Gewächfe reicht hier wie dort bis an die Küſte des Eismeeres, wo ſie mit Meerſtrands- und anderen krautartigen Gewächſen! europäiſchen Urſprungs ſich miſchen. Beſonders bemerkenswerth aber iſt die große Menge von Flechten, welche den aus trockenem, grobem Sand beſtehenden Boden oft mei— lenweit überziehen. Vorzüglich iſt es die Gattung der Gyrophoren >, von zottigem Anſehen und ſchmutzig-grauer Färbung, die an allen fel— ſigen Stellen in reicher Menge erſcheinen. Sie breiten ſich bis an die Ufer des Meeres aus und werden in Fällen der Noth von den Rei— ſenden ſelbſt als Nahrungsmittel gebraucht. Südliche Halbkugel. In der Nähe des ſüdlichen Polarkreiſes ſind ſeit etwa 20 Jahren viele Küſtenſtriche von bedeutender Länge entdeckt worden, die aller Wahrſcheinlichkeit nach mit einander zuſammenhangen und ſomit rings um den Südpol ein kleines Feſtland, den antarktiſchen Continent bilden. Die Phyſiognomie dieſer Küſtenſtriche iſt eine ſchauervolle. Schnee und Eis bedeckt die von aller Vegetation entblößten Geſtade das ganze Jahr, und mächtige, in einen nie ſchmelzenden Eismantel gehüllte Vulkane erheben ihre Gipfel hoch in die Luft und erhellen die langen Polarnächte mit ihren flammenſpeienden Kratern. Doch ſelbſt in dieſen hochſüdlichen Breiten iſt die vegetative Kraft der Na— tur noch nicht vollſtändig erſchöpft. Während die Küſten des antark— tiſchen Continents faſt durchgängig in der Nähe des ſüdlichen Polar- kreiſes entlangziehen, bildet der atlantiſche Ocean hier eine tief ein— dringende Bucht, die ſich bis gegen den 80° |. Br. erſtreckt. Hier finden ſich gewiſſe Tangarten 6 in fo ungeheuren Maſſen, daß die See davon weit und breit hell-ockerbraun gefärbt erſcheint. Die Dia- Rhododendron lapponicum. ? Andromeda tetragona, A. polifolia, A. caliculata, Vaceinium Vitis Idaea, Oxycoccos palustris, Azalea procumbens. Saxifraga aizoides, oppositifolia, cernua, groenlandica, Polygonum viviparum, Arnica montana, Dryas integrifolia, Holcus alpinus, Pedicularis lapponica, su- detica, hirsuta. ? Triglochin maritimum, Plantago lanceolata, Cerastium visco— sum, Oxyria reniformis, Tofieldia borealis, Epilobium palustre, latifolium, an- gusüfolium ete. ° Gyrophora proboscidea, hyperborea, pensylvanica und Müh- lenbergu. ° Diatomeen. Südliche Halbkugel. 411 tomeen bilden ſomit die letzte Pflanzenzone gegen den Südpol und ſind die einzigen vegetabiliſchen Erzeugniſſe, an deren Exiſtenz die Er— nährung der dortigen Thierwelt und das Gleichgewicht der organi— ſchen Natur gebunden iſt. Die Mannigfaltigkeit der Arten ſcheint gegen den Pol hin zuzunehmen, und zwiſchen 76“ und 78° ſ. Br. haben die Ueberreſte dieſer Gewächſe eine ungeheure ſubmarine Bank erzeugt, welche gegenwärtig 200 — 400 Faden tief liegt und längs der antarktiſchen Küſte die ganze Breite der Victoria-Eisbank an 100 Mei— len weit umſäumt. *) VIII. Die Polar⸗Zone. In dieſe Zone gehören die Länder und Inſeln, welche im Norden des 72° d. Br. gegen den Pol hin gelegen find, nämlich Spitzbergen, Nowaja Semlja, die Taimyrhalbinſel, Neu-Sibirien, die Nordgeor— giſchen Inſeln und der äußerſte Norden von Grönland. Allgemeine Charakteriſtik. Alle dieſe Länder, welche von ihren Küſten aus meiſtentheils zu bedeutenden Gebirgen emporſteigen, zeigen durchweg einen öden, traurigen Charakter, denn die mittlere Jahrestemperatur ſteht hier tief unter dem Gefrierpunkt. Bäume und Sträucher fehlen dieſer Zone gänzlich, ja ſelbſt von den Halbſträuchern treten nur wenige Formen als krautartige Gewächſe auf. Der Sommer, der hier 4—6, höchſtens 9 Wochen dauert, vermag nur die ſchnell ſich entwickelnden Alpenkräuter zur Blüthe zu bringen, von einer Cultur von Nahrungs— pflanzen aber iſt hier nirgend mehr die Rede. Wenngleich die Thä— tigkeit der Natur in dieſen traurigen Gegenden noch nicht vollſtändig erſtorben iſt, ſo erſcheinen doch große Strecken theils wegen gänz— lichen Mangels an Dammerde, theils wegen Waſſermangels völlig vegetationsleer. Nur wo der Felſen mit ſchwacher Erdkrume über— zogen iſt, entwickeln ſich zur Sommerzeit die alpinen Pflanzenformen und erfreuen das von den ungeheuren Schneemaſſen geblendete Auge. Intereſſant iſt die genaue Uebereinſtimmung der Gewächſe dieſer *) Nach Griſebach. 412 VIII. Die Polar» Zone. ſämmtlichen Ländergebiete, welche in Betreff der Anzahl von Gattun— gen und Arten, die ſie hervorbringen, mit der Flora der höchſten Re— gion der Berge in jeder Beziehung wetteifern. Die kleinen, meiſten— theils ſehr niedlichen Pflänzchen treten gewöhnlich in raſenartigen Ausbreitungen auf, oder ſie wachſen doch in geſellſchaftlichem Zu— ſtande. Steinbrech, Mohn, Löffelkraut, Hahnenfuß, Schaumkraut, Fingerkraut, Simſen, Wollgras, Birnkraut, Weiden und mehrere an— dere Gattungen! gehören zu den charakteriſtiſchen Pflanzen der Po— larzone. Die eben angeführten Gattungen kommen gleichfalls in der oberſten Region der Gebirge unmittelbar unter der Grenze des ewigen Schnees vor und zwar zum Theil ganz dieſelben Arten, ſo groß auch die Entfernung der Berggipfel von dem Eismeer ſein mag. Außer⸗ dem aber hat die Polarzone auch ihre eigenthümlichen Gattungen, die zwar in die arktiſche Zone hineinreichen, aber auf den Gebirgen ſüdlicherer Gegenden nicht angetroffen werden. Beſondere Charakteriſtik. A. Europa. Zwiſchen dem 76° und 80° n. Br. und zwar unter gleichen Me⸗ ridianen mit Deutſchland liegt Spitzbergen, die nördlichſte unter allen bekannten Inſelgruppen. Aus drei größeren und vielen kleine— ren Inſeln und einzelnen Felſen beſtehend, bietet das Ganze einen überaus abſchreckenden Anblick dar. Nirgend entdeckt das Auge etwas Anderes als 3—4000“ hohe, mit ewigem Schnee bedeckte Berge, deren Gletſchermaſſen ſich tief in die Thäler herabziehen, wo nur im hohen Sommer eine dürftige Vegetation ſprießt, die einigen Rennthieren Nahrung gewährt. Jahr aus Jahr ein ſind dieſe Inſeln von einem dichten Nebelſchleier eingehüllt, und nur im Sommer, wenn ein Theil der Küſten vom Eiſe frei wird, werden ſie von Wallfiſchfängern be— ſucht. Verſchiedene phanerogamiſche Pflanzen 3 ſtimmen mit den be— Saxifraga, Papaver, Cochlearia, Ranunculus, Cardamine, Potentilla, Jun- cus, Eriophorum, Pyrola, Salix — Dryas, Andromeda, Pedicularis, Silene etc. 2 Parrya, Eutrema, Platypetalum (Cruciferen), Phipsia, Colpodium, Dupontia, Pleuropogon (Gramineen). * Phipsia algida, Juncus campestris, Tillaea aqua- tica, Cochlearia danica und groenlandica, Cardamine bellidifolia, Draba alpina, Dryas octopetala, Salix polaris und herbacea, Pedicularis hirsuta, Papaver nu- dicaule, Cerastium alpinum, Andromeda tetragona, Saxifraga oppositifolia, cer- nua, nivalis, rivularis und caespitosa. Nowaja Semlja. Die Taimyrhalbinſel. 413 reits oben genannten Alpenkräutern überein, und unter den Crypto—⸗ gamen herrſchen die Flechten n durch die Zahl ihrer Arten ſo wie durch ihre Maſſe entſchieden vor. Südöſtlich von Spitzbergen liegt die Doppelinſel Nowaja Semlja, durch das Kariſche Meer von dem aſiatiſchen Feſtlande getrennt. Hier beträgt die mittlere Jahrestemperatur — 7% und ſelbſt an der Nordſeite nur — 8“, denn die von dem Atlantiſchen Ocean herkommenden ſüdweſtlichen Luftſtrömungen reichen noch bis an die Geſtade dieſer Inſeln. Die mittlere Sommerwärme beträgt zwar nur + 1ù6, aber auch die mittlere Wintertemperatur nicht mehr als — 12,8, fo daß ſelbſt in dieſer hochnordiſchen Breite der Cha— rakter des Küſtenklima's ſich geltend macht. Die Gewächſe dieſer In— ſeln ſtimmen theils mit denen von Spitzbergen, theils mit denen der ruſſiſchen Nordküſte überein. Außer den Eisbären und Robben finden ſich hier eine große Menge von Ratten, welche für den Winter bedeu— tende Vorräthe von Wurzeln aller Art einſammeln, wobei ſie häufig eine Beute der Polarfüchſe werden. B. Aſien. Von dem aſiatiſchen Feſtlande, deſſen Nordſaum wir bereits bei der vorigen Zone betrachtet haben, erſtreckt ſich in die Polarzone noch die Taimyrhalbinſel hinein, welche in der neueſten Zeit durch v. Middendorfs merkwürdige Reiſe im nördlichſten Sibirien näher be— kannt geworden iſt. Der Reiſende, welcher den Taimyrfluß hinabge— ſchifft war, kehrte erſt bei dem 76° d. Br. um, indem er das offene arktiſche Meer unter unſäglichen Schwierigkeiten beinahe erreicht hatte. Dann lag er, von ſeinen Begleitern verlaſſen, während des Septem— bers im Schnee vergraben, am Taimyrſee 18 Tage lang krank und wurde nur mit Mühe gerettet. Der letzte Reiſende in dieſer Gegend war 100 Jahre früher *) Laptiew geweſen, der bis über den 77° vordrang und von deſſen Zuge Middendorf die Spuren auffand. Die ganze Halbinſel am Taimyrſee wird nur von zwei Samojedenfamilien bewohnt, die dort im Sommer ihre Rennthierheerden weiden und im Winter ſüdwärts ziehen. — Die weiten Ebenen des Taimyrlandes, hier Tundra genannt, enthalten in ihrem Diluvial-Lehm neben den Säugethieren des Diluviums auch große Holzmaſſen im Zuſtande bi— tuminöſen Holzes, wie in den Torfmooren, oder verändert bis zur 19 Arten. *) 1739 — 43; v. Middendorf: 1843 und 44. 414 VIII. Die Polar: Zone. Braunkohle. In dieſen jenfeit der Baumgrenze liegenden Gegenden wurden die Stämme jedoch nur liegend angetroffen, ſo daß Midden— dorf ſie dem Treibholz der arktiſchen Küſte gleich achtet, von welcher ſie durch Erhebung des Landes allmälig in das Innere gelangt ſein mögen. Die Baumarten ſollen dieſelben ſein wie in den Wäldern Neu⸗Sibiriens und der fibiriſchen Stromthäler, namentlich Birken und Lärchen. Das Klima des Taimyrlandes, d. h. der ganzen zwiſchen dem unteren Jeneſei und dem Khatangha gelegenen Halbinſel, iſt weniger kalt als man es für die Polarzone erwarten ſollte. Die Zeit von der Mitte des Juni bis in die erſte Woche des Auguſt iſt gewöhnlich frei von Froſt, aber beſtändige Nebel und Stürme erſcheinen in Folge der großen Ungleichheiten in der atmoſphäriſchen Wärmevertheilung. Die hohe Fläche des Landes, welche ſich bis zu 1000“ erhebt, erſcheint im Sommer ganz ſchneefrei, aber der kurze Sommer bleibt hier immer unwirthlich. Die Sonne braucht nur hinter Wolken zu treten, um Stoßwinde hervorzurufen. Zügellos ſtreichen die Stürme über die unbewachſenen Oeden und peitſchen den Schnee in dichte Maſſen zu— ſammen. Auch im Winter fegt der Sturm den Schnee in die Nie— derungen, ſo daß die Höhen oft nackt bleiben. Gegen die Mitte des Juni, als M. den Taimyr erreichte, ſchmolz der Schnee daſelbſt; nach dem 18. Juni ſank das Thermometer nicht mehr unter den Gefrier— punkt. Eine Woche ſpäter waren bereits die Sonnenſeiten ſchneefrei, ringsum rauſchten Gießbäche, und der Boden war zum Einſinken er⸗ weicht. Das Maximum der Sommerwärme betrug im Schatten et— was über 9° R. und herrſchte von Ende Juli bis Mitte Auguſt, aber ſchon mit dem 20. Auguſt traten Nachtfröſte ein, die nun nicht wie der aufhörten. Am 15. September ſtand das Eis auf dem großen Taimyrſee, der Winter war angebrochen, und am Ende deſſelben Mo— nats ſtieg die Kälte bereits wieder auf — 15°. Die Vegetationszeit dauert daher faſt 24 Monate, von Mitte Juni bis Ausgang Auguſt. An einem der wärmſten Tage, am 2. Auguſt zeigte ſich der Boden im freien Sonnenlichte in einer Tiefe von 14“ gefroren, und im Schatten unter einer Decke von 2“ mooſigen Raſens auch von der höchſten Wir- kung der nie verſinkenden Sonne unberührt. Die Seen gefrieren im Winter nur bis zu einer Tiefe von 87; dann ſchützt fie die Schneedecke vor dem tieferen Eindringen des Froſtes. Die von dem Eismeer begrenzten Ebenen ſind das wahre Gebiet cryptogamiſcher Gewächſe. Unabſehbare ſumpfige Länderſtrecken erſchei— Die Taimyrhalbinſel. 415 nen theils mit einem dichten Filze von Laubmooſen “, theils mit einer dürren, ſchneeweißen Decke von Flechten überzogen. Ihr Boden iſt ein ſeit Jahrtauſenden gefrorenes Erdreich, und gerade das unterir— diſche Eis muß als die Bedingung dieſer Moosvegetation angefehen werden. Denn während des Sommers liefert daſſelbe ſo viel Feuch— tigkeit und zwar von der Temperatur des Froſtpunktes, daß nur Mooſe und wenig höhere Pflanzen dabei gedeihen können. In der trauri⸗ gen Einförmigkeit der Landſchaft, überall von Rennthiermoos umge— ben, ruht das Auge mit Wohlgefallen auf der kleinſten Fläche von grünem Raſen, der an einem feuchten Orte ſich zeigt. Aber die ab- geſtorbenen gelben Grasſpitzen ſtechen von dem ſchmutzig-gelbbraunen Mooſe wenig ab, und nur unrein, wie durch einen Flor, ſchimmert der grüne, ſproſſende Theil des Raſens hervor. Höchſtens an den tieferen Stellen, wo das fließende Frühjahrswaſſer ſeinen Weg nimmt, gewinnt das Gras und ein friſcheres Grün die Oberhand. Hier bildet ſich eine wirkliche Grasnarbe ?, zwiſchen deren ärmlichen Halmen niedri- ges Weidengeſtrüpp und verſchiedene Kräuter * wurzeln. Dies find die Flächen, welche das Rennthier im Sommer aufſucht: aber keines⸗ weges laſſen fie ſich mit Wieſen vergleichen, denn auch nach dem Zu⸗ rücktreten des Waſſers bleiben fie immer ſumpfig. Nur wo der ge— neigte Boden im Frühjahr raſcher ſein Schneewaſſer verliert und im Sommer eine höhere Wärme entwickelt, da erheben ſich fußhoch blaue Polemonien , rother Wieſenknöterig e, gelber arktiſcher Mohn? und viele andere Pflanzen, die theils durch die Zierlichkeit des Laubes, theils durch die mannigfaltige Färbung der Blüthen in dieſen trauti- gen Einöden Aufſehen erregen. Unter den 124 am Taimyr aufgefun⸗ denen Pflanzen befinden ſich nur 3 eigenthümliche Arten, und die ganze Flora ſtimmt ſowohl in ihrem allgemeinen Charakter, wie ſelbſt in den einzelnen Formen mit allen übrigen arktiſchen Ländern überein, welche von den drei Continenten aus ihre vegetabiliſchen Erzeugniſſe gegen einander wechſelweiſe ausgetauſcht haben. Unter dieſen Gewächſen be— finden ſich noch an 40 Arten“, welche ſich von Mitteleuropa bis zum Taimyrlande verbreitet haben, und 80 Arten, welche ſich gleichzeitig Sphagnum palustre, Polytrichum ete. 2 Cenomyce rangiferina, Stereo- caulon paschale etc. Cyperaceen Junceen, Gramineen. “ Eriophorum, Lu- zula, Dryas, Draba, Ranunculus. Polemonium humile. 6 Polygonum bis- torta. Papavar nudicaule. Sisymbrium sophioides, Sieversia glacialis, Saxifraga, Pedicularis, Delphinium und einige Compositeen. “ Caltha palustris, Ranunculus acris, Cardamine pratensis, Chrysosplenium alternifolium, Saxifraga 416 VIII. Die Bolar- Zone. auf dem Gebirgszuge vom Altai bis zum Baikalſee finden. Somit zeigt ſich alſo hier dieſelbe Uebereinſtimmung, welche in Europa zwi⸗ ſchen Lappland und der oberen Region der Alpen beſteht *). O. Nord: Amerika. Im Norden der Küſten des nordamerikaniſchen Feſtlandes und weſtlich von Grönland liegen die Nordgeorgiſchen Inſeln, unter denen die Melleville-Inſel die weſtlichſte iſt. Nach den 10 Monate lang hier angeſtellten Temperaturbeobachtungen ſteht die mittlere Jahreswärme 13— 14 Grad unter dem Gefrierpunkt; die mittlere Sommertempera⸗ tur beträgt + 2% und die mittlere Wintertemperatur — 275. Nur im Juli ſteigt die Wärme bis auf 4% und ſchon im Auguſt fällt fie wieder auf 1“. Unter dieſen Umſtänden beſchränkt ſich die Vege⸗ tation wie auf Spitzbergen auf bloße Alpenkräuter, unter denen ſich aber hier beſonders die Ranunculaceen, Compoſiteen und Gramineen durch die Zahl ihrer Arten auszeichnen. Eine Menge der hier noch auftretenden Pflanzen! breiten ſich übrigens nach der arktiſchen und ſelbſt bis nach der ſubarktiſchen Zone hin aus. So zeigt die Polarzone überall den Charakter der größten Armuthz deſſen ungeachtet beſchränkt ſich die Vegetation nicht etwa auf die un⸗ vollkommenſten Gewächſe, ſondern viele der genannten Alpenkräuter gehören ſelbſt den vollkommenſten Familien an. Und wenn dieſe ſchau⸗ rigen Gegenden, die kaum einige Rennthiere zu ernähren vermögen, auch nur noch von Robben und Eisbären bewohnt ſind, ſo kann die Natur doch nicht umhin, den kühnen Seefahrer, der bis an die Küſten dieſer Länder vordringt, durch eine Mannigfaltigkeit der zierlichſten Pflanzenformen zu erfreuen, die ihn ſelbſt hier noch ihre unbezwing⸗ liche Macht erkennen läßt. Hirculus, Cineraria palustris, Ledum, Pyrola rotundifolia, Luzula campestris, Eriophorum angustifolium, Poa pratensis etc. 5 ! Eriophorum capitatum, E. angustifolium, Alopecurus alpinus, Phipsia algida etc. *) Nach Griſebach. — — — Anhang. Ueber die Bedeutung Pflanzen geographie für den botaniſchen und geographiſchen Unterricht. Es iſt ein Zeichen von der inneren Wahrheit einer Idee, wenn ſie ſich nach allen Richtungen hin bewährt und einer allgemeinen Aner— kennung ſich zu erfreuen hat. Die Richtigkeit dieſes Satzes wird Nie— mand in Abrede ſtellen; nichtsdeſtoweniger bieten ſich oft große Schwie— rigkeiten dar, wenn es darauf ankommt, einer neuen Idee in einer beſtimmten Sphäre Eingang zu verſchaffen. Einen wohlgeebneten und vielbetretenen Pfad zu verlaſſen, wird rein praktiſchen Naturen immer ſchwer, während das Genie, das einen neuen Weg entdeckt, denſelben wohl andeuten und zeigen kann, dem Einzelnen aber es überlaſſen muß, wie er denſelben wandeln will. d Als eine Idee der eben bezeichneten Art iſt die von A. v. Hum⸗ boldt begründete Pflanzengeographie zu betrachten, welche vor dem Erſcheinen feines „Essai sur la géographie des plantes“ nur dem Namen nach eriftirte, ſeitdem aber ſich in kurzer Zeit zu einer ſelbſt— ſtändigen Wiſſenſchaft ausgebildet hat. Das rege und allgemeine Intereſſe, mit welchem Humboldt's und Bonpland's Ideen zu einer Geographie der Pflanzen aufgenommen wurden, die bald darauf ent— ſtandenen und bis in die neueſte Zeit ununterbrochen fortgeſetzten wiſ— 27 418 . Anhang: ſenſchaftlichen Bearbeitungen *) dieſes Gegenſtandes, fo wie die ver⸗ ſchiedenen Verſuche “), denſelben dem größeren Publicum zugänglich zu machen, ſollten vermuthen laſſen, daß auch die Schule Notiz von dieſem Zweige der Naturwiſſenſchaft genommen, und daß der anregende und belebende Einfluß, den die Pflanzengeographie bereits auf Wiſſen⸗ ſchaften und Künſte nach den verſchiedenſten Richtungen hin ausübt, auch an dem Unterrichte in der Botanik ſich fühlbar machte. Dem iſt indeſſen nicht ſo; und wenn wir auch zuverſichtlich annehmen dürfen, daß der Unterricht derjenigen Lehrer, die ſich zu ihrem Vergnügen mit der Pflanzengeographie näher bekannt gemacht haben, in Folge dieſer Erweiterung ihrer botaniſchen Kenntniſſe ein anderes Gepräge, einen lebensvolleren Charakter angenommen hat, ſo haben wir es doch noch nirgend mit Entſchiedenheit ausgeſprochen gefunden, in wie weit und in welcher Weiſe der genannten Wiſſenſchaft ein Einfluß auf den Unterricht in der Botanik zu geſtatten ſei. Durchdrungen von der Ueberzeugung, daß die Pflanzengeographie einen inneren Beruf hat auf den Unterricht in der Pflanzenkunde einzuwirken, und durch mehrjährige praktiſche Erfahrung hierin beſtärkt, wollen wir in Nachſtehendem aus⸗ zuführen verſuchen: 1. Welches find die bildenden Elemente, welche die Pflanzengeo- graphie darbietet? 2. Wie iſt der botaniſche Unterricht einzurichten, um der Pflanzen⸗ geographie ihren bildenden Einfluß möglich zu machen? 3. Welche Rückſichten hat der geographiſche Unterricht auf die Pflan⸗ zengeographie zu nehmen? * | Die Pflanzengeographie ift ihrer inneren Natur, wie ihrem äuße⸗ rem Gepräge nach eine Wiſſenſchaft, welche auf die Ehre ausſchließ⸗ liches Eigenthum der Gelehrten von Fach zu ſein keinen Anſpruch macht. Im Gegentheil, wie ſie aus einer friſchen, lebensvollen An⸗ ſchauung des vegetativen Elementes der Natur ſich gebildet, ſo iſt ſie *) Schouw, Grundzüge einer allgemeinen Pflanzengeographie. Berl. 1823. — Beilſchmied, Pflanzengeographie. Breslau 1831. — Meyen, Grundriß der Pflanzengeographie. Berl. 1836. — Griſebach, Berichte über die Leiſtungen in der Pflanzengeographie. Berl. Nicolaiſche Buchhandl. 1845 — 56. **) Schleiden, in einzelnen feiner populären Vorträge. — Vogel, Natur⸗ bilder, Leipzig 1846. — Schouw, die Erde, die Pflanzen und der Menſch. Leipzig 1851. Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ꝛc. 419 auch ganz dazu geeignet, einen erfriſchenden und anregenden Einfluß auf das Leben ſelbſt auszuüben. Indem ſie die Pflanzenwelt nicht mit dem Auge des wiſſenſchaftlichen Syſtematikers, ſondern mit dem des gebildeten Naturfreundes betrachtet, berührt ſie eine Seite unſeres Weſens, die man bei keinem natürlich gebliebenen Menſchen vermißt. Die botaniſchen Kenntniſſe, welche fie vorausſetzt, find weniger ſtreng wiſſenſchaftliche, bis in die unbedeutendſten Einzelnheiten ſich erſtreckende Fachkenntniſſe; ſondern ſie verlangt mehr einen unbefangenen Sinn, einen freien offenen Blick für das, was die Natur Jedem ſein will. Somit hat ſie etwas allgemein Anſprechendes; die Belehrung, welche ſie darbietet, gewährt eine größere Befriedigung als die ſyſtematiſche Botanik, für welche die meiſten Menſchen nun einmal wenig Sinn haben; und das Anziehende, was uns bei der Beſchäftigung mit der Pflanzengeographie ſogleich für ſie einnimmt, wird durch das äſthetiſche Gewand, in welches ſie ihre Darſtellungen zu kleiden verſteht, zu einem Zauber, der uns alle Mühe vergeſſen läßt, die wir auf die Erwerbung botaniſcher Kenntniſſe verwendet haben. Der Grund des Vergnügens, welches das Studium der Pflanzen— geographie gewährt, iſt vor allen Dingen darin zu ſuchen, daß ſie die Pflanzenwelt als ein Ganzes auffaßt; deshalb fühlt ſich Jeder zu ihr hingezogen, der das Verlangen nach Totalität in ſich trägt und daſ— ſelbe durch die anderen Zweige der Botanik nicht zu befriedigen ver— mag, ſo wie auch Jeder, deſſen Streben nach Bildung überhaupt ein univerſelles iſt und der deshalb, von dem Gefühle der Totalität aus⸗ gehend, auch in der Natur die Totalität ſieht und ſucht *). Es giebt wohl wenig Menſchen, denen die Natur nicht eine Freundin wäre, die in ihr nicht allein Ruhe und Erholung, ſondern auch Nahrung für Geiſt und Gemüth ſuchen und finden; aber gering iſt die Anzahl der⸗ jenigen, bei welchen die dunkele Empfindung ſich ſo ſteigert, daß die Freude an der Natur eine bewußte wird. Die Natur redet allerdings zu uns, aber ihre Stimme wird nur verſtändlich, ſobald dieſelbe in dem Munde des Menſchen Worte gewinnt, und der wahrhaft Gebildete wird nicht eher vollſtändig durch ſie befriedigt, als bis er merkt, daß das, was er im ſinnigen Schauen geahnt, zu einer Wahrheit fich ge- ſtaltet, und daß die Natur in der That im Stande iſt, die edelſten Kräfte ſeines Geiſtes in Bewegung zu ſetzen. *) Vergl. Bratranek, Aeſthetik der Pflanzenwelt S. 333. — Leipzig bei Brockhaus. 1853. 27 * 420 Anhang: Darin beſteht nun eben das Hauptverdienſt der Pflanzengeogra⸗ phie, daß ſie mit voller Klarheit des Geiſtes den Gegenſtand erfaßt, der auf den erſten Blick nur das Gemüth zu feſſeln ſcheint, und daß ſie zeigt, wie die Pflanzenwelt, die dem Menſchen überall als ein Ganzes entgegentritt, auch im Stande iſt, den ganzen Menſchen zu ergreifen und zu befriedigen. Zunächſt erreicht ſie ihre Abſicht dadurch, daß ſie die Pflanzenwelt in Beziehung zu den allgemeinen Verhältniſſen der Erde ſetzt. Durch die Unterſuchungen über das Klima der ver- ſchiedenen Erdräume, von dem die Vertheilung der Gewächſe abhängig erſcheint, bringt ſie uns das Verhältuiß von Urſach und Wirkung zum Bewußtſein; ſie erhebt es zur klaren Anſchauung durch die ſeltſam geſchweiften Linien *), welche ſie kühn über die Oberfläche des Erd— balls hinzieht, und an denen wir den Gang der Wärme auf derſelben verfolgen können. Bei jeder Biegung derſelben tritt uns ein phyſi⸗ kaliſches Geſetz entgegen, und das, was wir früher als eine Wirkung des bloßen Zufalls anſahen, erſcheint uns nun als das Product einer inneren Nothwendigkeit. Somit tritt die Pflanzengeographie nicht iſolirt auf, ſondern fie ſteht im Zuſammenhange mit den übrigen Naturwiſſenſchaften; ſie wendet ſich nicht an eine einzelne Kraft unſerer Seele, ſondern ſie macht ernſte Anforderungen an unſere geſammten Geiſteskräfte. Anſchauen, Beobachten, Analyſiren, Combiniren, Reflee⸗ tiren, Alles iſt nothwendig, um zum klaren Verſtändniß der Elimati- ſchen Verhältniſſe unſerer Erde zu gelangen. — Aber nicht nur das, was als ein in der Gegenwart Gegebenes uns entgegentritt, zieht ſie in den Kreis ihrer Beobachtung, ſondern auch in die Vergangenheit richtet ſie ihren Blick. Ihre Unterſuchungen über die Verbreitung und die Wanderung der Gewächſe führen uns bis auf die früheſten Zu— ſtände unſerer Erde zurück, und ſo iſt ſie im Stande auch Diejenigen zu befriedigen, welche gewohnt ſind, die Gegenwart vor Allem an die Vergangenheit zu knüpfen und alles Beſtehende als das Reſultat einer hiſtoriſchen Entwickelung zu betrachten. Welche ernſten Anforderungen die Pflanzengeographie in den beiden genannten Beziehungen an Die⸗ jenigen ſtellt, welche ſich gründlich mit ihr beſchäftigen wollen, das wiſſen Alle, welche einerſeits einen tieferen Blick in die Meteorologie gethan und andererſeits die Geſchichte der Pflanzenwelt zum Gegenſtande ihres Studiums gemacht haben. Wenn es in jener darauf ankommt, das Geſetzmäßige in dem ſcheinbar Regelloſen und *) Iſothermen; Iſotheren; Iſochimenen; vergl. S. 3 u. 4. Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie dc. 421 N Schwankenden aufzufinden, und wenn das Combiniren der Beobach— tungen des Barometer- und Thermometerſtandes, der Luftfeuchtigkeit, des Windes, der Elektricität, der Wolkenerzeugung, der atmoſphäriſchen Niederſchläge “*) Anforderungen an uns ſtellt, als ſolle unſer Geiſt die letzten Enden aller Dinge zuſammenfaſſen: — ſo bietet die Geſchichte der Pflanzenwelt ſo viel Schwierigkeiten dar, daß alles bis jetzt dar— über Erſchienene **) nur als ein Verſuch zu betrachten iſt, der Hum— boldt's Worte an die Spitze ſeiner Betrachtungen ſtellen muß: „Unſere Kenntniß von der Urzeit der phyſikaliſchen Weltgeſchichte reicht nicht hoch genug hinauf, um das jetzt Daſein als etwas Werdendes zu ſchildern.“ Wenn nun auch die eben genannten Momente dem Scharfſinn des Gelehrten immer noch ein reiches Feld der Beobachtung und der Unterſuchung darbieten, und die Namen von Männern wie A. v. Hum⸗ boldt, L. v. Buch, Dove, Erman, Brandes, Schouw hinreichende Bürgſchaft dafür geben, daß es ſich hier um nichts Geringeres als um die gründlichſten wiſſenſchaftlichen Forſchungen handelt, wie ſie nur der umfaſſendſten Bildung möglich ſind: ſo ſind doch andererſeits die Geſetze, welche die Pflanzengeographie mit entſchiedener Gewißheit hinzuſtellen vermag, jo einfach, fo leicht faßlich, daß wir ſie als bil— dende Elemente für den Unterricht unſerer Jugend nicht unbeachtet laſſen dürfen. Als die wichtigſten derſelben ſind die folgenden zu betrachten: 1 4 Die Anzahl der Pflanzenarten wächſt, je mehr man ſich dem Aequator nähert, und vermindert ſich bei der Annäherung gegen die Pole, wodurch die größere Mannigfaltigkeit in dem Charakter der Tropengegenden ſich erklärt. Während die ſämmtlichen Polarländer das Gepräge der höchſten Einförmigkeit an ſich tragen, wird die land— ſchaftliche Phyſiognomie der einzelnen Gegenden gegen 110 Aequator hin immer maleriſcher. *) Eine eben ſo gründliche als allgemein faßliche Darftellnng der meteorolo— giſchen Verhältniſſe der Erde gewährt: Pouillet's Lehrbuch der Phyſik und Meteorologie, deutſch von Dr. Joh. Müller. Braunſchweig bei Vieweg X Sohn. 1857. Bd. 2. S. 705 — 780. Ausführlicher noch: J. Müller's Lehrbuch der kosmiſchen Phyſik, nebſt einem Atlas. 1856. *) Unger, Verſuch einer Geſchichte der Pflanzenwelt. Wien, W. Brau⸗ müller, 1852. — Zimmermann, die Wunder der Urwelt, eine populäre Dar— ſtellung der Geſchichte der Schöpfung. Berlin, G. Hempel, 1855. — Seubert, Lehrbuch der allgemeinen Pflanzenkunde. Stuttgart, J. B. Müller, 1853. 422 Anhang: 2. Wie ſehr die Pflanzen von dem Klima abhängig ſind, zeigt ſich nicht nur darin, daß ſie mit ihrer Entwickelung den Lauf des Jahres begleiten, ſondern auch darin, daß dieſelben Gewächſe bei größerer Annäherung gegen die Pole hin ſich um mehrere Wochen, ſelbſt Monate ſpäter entwickeln als es in ſudlicheren Gegenden der Fall iſt. * * 3. In ſolchen Gegenden, wo die klimatiſchen Verhältniſſe im Ganzen dieſelben ſind, da ſind auch oft dieſelben Pflanzenformen zu finden. Dieſe Uebereinſtimmung zeigt ſich nicht nur zwiſchen den nor⸗ diſchen Gegenden der alten und der neuen Welt, ſondern ſie tritt uns auch auf überraſchende Weiſe bei der Vergleichung der ſüdlichen mit der nördlichen Halbkugel entgegen. So außerordentlich verſchieden die Vegetation dieſer beiden Hemiſphären ſonſt auch iſt, ſo iſt doch z. B. der Geſammthabitus der Vegetation am Cap Horn mit dem unſrigen auffallend ähnlich, und auch die ſüdlichen Theile von Neu-Holland haben Pflanzen aufzuweiſen, welche mit den europäiſchen vollkommen identiſch ſind. 4. Der Vegetationscharakter in den verſchtedenen Breiten der Erde, von dem Aequator bis zu den Polen gerechnet, zeigt eine höchſt intereſſante Uebereinſtimmung mit der Vegetation in den verſchiedenen Regionen der Berge, wenn man von dem Meeresſpiegel bis zur Grenze des ewigen Schnees emporſteigt. In den Gebirgsländern der Aequa⸗ torialgegenden kann man daher in kurzer Zeit einen Eindruck von der Art und Weiſe bekommen, wie die hauptſächlichſten Ait en über die Erde vertheilt ind 5. Ebenſo wie auf den ſteinigen und beeiſten Gipfeln der höch⸗ ſten Berge Flechten und Mooſe als die letzten vegetabiliſchen Erzeug⸗ niſſe auftreten, welche ein unentwickelter Boden unter den ungünſtigen klimatiſchen Verhältniſſen hervorzubringen vermag, ſo finden ſich auch ähnliche cryptogamiſche Gewächſe in dunkelen Klüften und an den Wänden unterirdiſcher Höhlen, ſo daß bei dem Mangel des belebenden Einfluſſes des Lichts und der Wärme die Natur ſich auch hier mit der Production der niedrigſten Formen des Pflanzenreichs begnügen muß. So bringen alſo auch die in ſenkrechter Dimenſion entgegen⸗ geſetzten Endpunkte der Vegetation Pflanzen von hun Bildung hervor. 6. Die Pflanzenwanderungen hängen im Allgemeinen von Luft⸗ und Meeresſtrömungen ab, durch welche die Samen und Früchte anderen Gegenden zugeführt werden. Die Wanderung der Gewächſe Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ꝛc. 423 muß von mehreren Punkten“) der Erde ausgegangen fein, und die in dem Erdboden liegende Erzeugungskraft ſich auf beſondere ſchöpfe⸗ riſche Epochen beſchränken. So verbreiten ſich alſo die einer Gegend eigenthümlichen Pflanzen von einem Schöpfungscentrum ſtrahlenförmig nach allen Richtungen, bis ſie an eine klimatiſche Grenze gelangen, die ihrem weiteren Vorſchreiten ein Ziel ſetzt. 7. Die Verbreitung der Gewächſe hält ſich innerhalb gewiſſer Schranken, wodurch die verſchiedenen Gegenden der Erde ihren eigen— thümlichen Charakter erhalten. Der Grund hiervon iſt theils in klima— tiſchen Verhältniſſen, theils in der Natur der Gewächſe ſelbſt zu ſuchen, die von gewiſſen äußeren Bedingungen, wie die geognoſtiſche Natur, oder die chemiſche Miſchung des Bodens, Beleuchtung, Art der Bewäf- ſerung u. ſ. w. abhängig ſind. Die Eintheilung der Gewächſe in Heide-, Felſen⸗, Sand- und Feldpflanzen, Kalk- und Salzpflanzen, Waldpflanzen, Wieſen⸗, Torf⸗, Quellpflanzen u. ſ. w. hat hierin ihren Grund. Auf dieſe Hauptgeſetze der Pflanzengeographie, deren Anzahl ſich leicht vermehren ließe, wollen wir uns hier beſchränken. Sie werden ausreichen um zu zeigen, in welcher Weiſe der menſchliche Geiſt im Stande iſt, mit ſeinem Blick die ganze Erde zu überſchauen, und welche Mittel ihm zu Gebote ſtehen, um ſich über die Vertheilung der Ge⸗ wächſe Rechenſchaft zu geben. Die Ideen, welche in der Natur nieder⸗ gelegt erſcheinen, ſie finden ein Echo in unſerm Innern und bringen uns zum Bewußtſein, daß es überall derſelbe Geiſt iſt, der ſich den Körper baut. Es ſei die einzelne Pflanze, es ſei die Vegetation der ganzen Erde, es ſei endlich die Krone der Schöpfung, der Menſch ſelbſt: wir finden, daß ein einziger Plan der ganzen Schöpfung zu Grunde liegt, daß ein harmoniſches Geſetz das All durchdringt. Nur bei einer ſolchen Auffaſſung iſt eine vollſtändige Hingabe des Sub⸗ jectes an den Gegenſtand möglich, der ihm zu feiner Belehrung dar⸗ geboten wird; und wem es nie darum zu thun iſt, den Gegenſtand, welchen er treibt, vollſtändig zu beherrſchen, der wird auch nie in den⸗ ſelben aufgehen, ſich nie mit demſelben identificiren können. Ein ſol⸗ ches Beherrſchen des Gegenſtandes kann aber nicht darin beſtehen, daß man die ganze Summe aller Einzelheiten inne hat; es wird nur *) Vergl. das dritte Geſetz; ferner Georg Forſter, der Naturforſcher des Volks, von J. Moleſchott. Meidinger. Frankfurt a. M. 1854. S. 142 — 145; endlich die Moſaiſche Schöpfungsgeſchichte, I. Moſe, I, 11 — 12. 424 Anhang: erreicht, wenn man ſich gewöhnt, jedes Einzelne als ein Glied des Ganzen zu betrachten und in jedem Einzelnen das Ganze wieder zu finden. Darin beſteht alle wahre Bildung, darin liegen auch die bil- denden Elemente der Pflanzengeographie, und das iſt der Grund, warum wir dieſelbe fo hoch ſchätzen und ihr den Einfluß ſichern wol— len, welchen ſie auf den Unterricht der Jugend auszuüben berufen iſt. Werfen wir nun einen Blick auf die Art und Weiſe, wie die Pflanzengeographie die ihr zu Grunde liegende Idee zur Ausführung bringt. Da es für die vollſtändige Erkenntniß jeder zuſammengeſetzten Erſcheinung nothwendig iſt, dieſelbe in ihre einzelnen Theile zu zer legen und jeden der letzteren einer beſonderen Betrachtung zu unter⸗ werfen: ſo muß auch der Geſammteindruck, welchen die Pflanzendecke der Erde auf uns macht, in ſeine Hauptmomente aufgelöſt und den einzelnen Elementen deſſelben eine beſondere Beachtung gewidmet wer— den. Die Pflanzengeographie hebt deshalb diejenigen Gewächſe beſon⸗ ders hervor, welche durch ihren geſellſchaftlichen Wuchs, oder durch ihr vorherrſchendes Auftreten die Aufmerkſamkeit des Naturfreundes beſon⸗ ders in Anſpruch nehmen. Da dieſe es ſind, welche einer Gegend den Charakter geben, ſo ſchildert ſie dieſelben nach ihrer Phyſiognomie, wie nach ihren Beziehungen zu einander. — Demnächſt richtet fie ihre Aufmerkſamkeit auf die Beziehung, in welche der Menſch zur Pflan⸗ zenwelt getreten iſt, indem er als Herr der Erde eine geringe Anzahl von Gewächſen beſonders bevorzugt und dieſelben über einen großen Theil der Erdoberfläche verbreitet hat. Die Umgeſtaltung, welche der urſprüngliche Vegetationscharakter einer Gegend hierdurch erfahren hat, iſt es, was ſie veranlaßt, auch den ſogenannten Culturpflanzen eine beſondere Aufmerkſamkeit zuzuwenden. — Durch die Löſung der beiden eben genannten Aufgaben hinlänglich vorbereitet, geht ſie endlich dazu über, in großen Zügen den Geſammteindruck zu ſchildern, welchen die Pflanzendecke der Erde macht, und überall die charakteriſtiſchen Merk⸗ male hervorzuheben, durch welche die landſchaftliche Bong, der einzelnen Gegenden bedingt wird. Es ift keine Frage, daß die Pflanzengeographie vor allen Dingen der naturgemäßen Auffaſſung ihres Gegenſtandes den Beifall zu danken hat, der ihr in den verſchiedenſten Kreiſen zu Theil geworden, und dieſe Eigenſchaft iſt es auch, auf welche ihr Werth für den Unterricht ſich gründet. Die bildenden Elemente, auf welche wir fo eben auf— merkſam gemacht haben, ſind nicht allein für die Botanik als Wiſſen⸗ ſchaft von Bedeutung, ſondern ſie haben auch einen pädagogiſchen Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ır. 425 Werth. Wir dürfen daher mit Recht fragen: Hat unſer botaniſcher Unterricht ihnen bisher die Beachtung geſchenkt, welche ſie verdienen, und wenn nicht, was iſt zu thun, um der Pflanzengeographie ihren bildenden Einfluß auf denſelben möglich zu machen? 31. Der botaniſche Unterricht iſt in unſern höheren Lehranſtalten ge— wöhnlich auf drei Stufen vertheilt. Bedenkt man die Kürze des Sommercurſus und die mancherlei Unterbrechungen, die durch Ver⸗ ſäumniſſe der Schüler und durch Ausfall der Stunden an heißen Nach— mittagen herbeigeführt werden, ſo wird man ſich ſchwerlich auf eine geringere Anzahl beſchränken können, wenn man den Anforderungen des Gegenſtandes einigermaßen gerecht werden will. Ebenſo wird man die Anzahl der Stufen nicht vermehren können, da man kein Recht hat, einen Unterrichtsgegenſtand auf Koſten des andern zu bevorzugen. Die unterſte der genannten drei Lehrſtufen hat es mit der Ter- minologie zu thun, ohne welche ein botaniſcher Unterricht nicht mög— lich iſt. Die Belehrung über dieſen Zweig der Botanik knüpft ſich naturgemäß an Beſchreibungen lebender Pflanzen an, denen eine Reihe von Abbildungen *) zur Seite ſtehen muß, welche das überſichtlich zuſammenſtellen, was bei den Demonſtrationen gewonnen worden iſt, und das ergänzen, was ſich an den betrachteten lebenden Exemplaren etwa nicht vorgefunden, für die Belehrung aber doch von Wichtigkeit iſt. Durch ſorgfältiges Anſchauen wird auf dieſer Stufe das Beob— achtungsvermögen, durch ſcharfe Definitionen der Verſtand geübt; zu— gleich lernen die Schüler die Sprache als ein Mittel benutzen, das Sinnliche zu vergeiſtigen. Soll der Unterricht in der Terminologie aber nicht zu einem todten Formalismus herabſinken, ſo wird man ſich auf die eben angedeutete Thätigkeit, bei der die Schüler leicht er⸗ müden, nicht beſchränken dürfen, ſondern überall dafür zu ſorgen haben, daß ihnen jede vorgeführte Form als das Produkt einer organiſchen Entwickelung erſcheine “*). Aus dieſem Grunde möchten wir den Aus— drücken „Morphologie oder Organographie“ für das, was auf *) Dr. A. Dietrich, Terminologie der phanerogamiſchen Pflanzen Berlin, bei Enslin, 1838. — Für den Schulgebrauch: die nach dieſem Werke bearbeiteten Wandtafeln von Fiſcher. Breslau bei Hentze. *) Wir vermeifen hierbei auf die bereits S. 421 genannte treffliche Arbeit von M. Seubert, 426 Anhang: dieſer Stufe zu lehren ift, vor dem oben gebrauchten, häufig noch üblichen den Vorzug geben. Verbindet ſich mit dieſer Belehrung noch ein Ueberblick über die Linné'ſchen Klaſſen, um auf die ſpäter zu er⸗ wartende Eintheilung aufmerkſam zu machen, ſo möchte Alles geſchehen ſein, was man auf dieſer unterſten Stufe erwarten kann. Die folgende Lehrſtufe hat es mit der Syſtemkunde zu thun. Der Schüler ſoll ſich daran gewöhnen, die Einzelheiten, welche er bereits kennen gelernt hat und die auch noch fernerhin ihm vorzu⸗ führen ſind, als Glieder eines größeren Ganzen anzuſchauen. Den bereits bekannten Linné'ſchen Klaſſen find zunächſt die Ordnungen hinzuzufügen, weil das Linné'ſche Syſtem für das ſchnelle Auffinden des Namens einer Pflanze immer ſeinen Werth behält, und deshalb in analytiſchen Bearbeitungen, wie die botaniſchen Handbücher und Floren *) fie liefern, mit Recht zum Grunde gelegt wird. Andererſeits hat das Linnéſche Syſtem einen hiſtoriſchen Werth, inſofern es in der Geſchichte der Botanik Epoche gemacht und dem natürlichen Syſtem vorgearbeitet hat, unter deſſen Familien viele mit einzelnen Abthei⸗ lungen des Linné'ſchen Syſtems congruiren. Den Hauptgegenſtand für dieſe Stufe bildet indeſſen das natürliche Pflanzenſyſtem. Der Blick des Schülers ſoll ſich zum Ganzen erweitern; er ſoll bei den einzelnen Formen, die ihm entgegentreten, erkennen, welches die unvollkommneren und welches die vollkommneren Gewächſe ſind. Nicht nur die charakteriſtiſchen Merkmale der Cryptogamen, der monocotyle⸗ doniſchen und der dicotyledoniſchen Gewächſe, ſondern auch die der hauptſächlichſten Familien ſollen ihm zum Bewußtſein kommen. Auf dieſe Weiſe tritt ihm die Pflanzenwelt in ihrer Geſammtheit entgegen, und jedes einzelne Gewächs, ſelbſt wenn er es nicht kennt, wird ihn inſofern intereſſiren, als er daſſelbe als Repräſentanten eines ihm wohl⸗ bekannten Typus betrachten kann. Damit er dies könne, iſt bei der fortgeſetzten Beſchreibung lebender Pflanzen vorzugsweiſe auf die Fami⸗ liencharaktere Rückſicht zu nehmen. Auf der oberſten Stufe bilden die Anatomie und Phyſiologie der Botanik den Stoff für den Unterricht. Die äußere Form ſoll hier als das Product des inneren Baues erſcheinen; die Ideen, welche in den Pflanzenformen ſich verkörpert haben, ſollen zum Bewußtſein *) Ruthe's Flora der Mark Brandenburg; Dietrich's Flora der Um⸗ gegend um Berlin, Berl. bei Nauk; E. Berger, die Beſtimmung der Garten⸗ pflanzen auf ſyſtematiſchem Wege. Erlangen bei Palm und Enke. 1855. ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ꝛc. 427 gebracht werden. Die Pflanzenzelle, welche einem mathematiſchen Geſetz zufolge von zwölf anderen von gleicher Größe umſchloſſen, zum dode— kasdriſchen Kryſtall ſich geſtaltet, veranlaßt den Schüler, ſich der ent- ſprechenden Formen in der anorganiſchen Natur zu erinnern. Die Art und Weiſe, wie fie ſich zur Röhre und endlich zum Spiralgefäß aus- bildet, lehrt ihn die erſten Anfänge jeder organiſchen Bildung erkennen. Daß in den Acotyledonen die Zellen, in den Monocotyledonen die Röhren, in den Dicotyledonen die Spiralgefäße beſonders ausgebildet erſcheinen, macht ihn darauf aufmerkſam, daß auch feine bereits erwor— benen ſyſtematiſchen Kenntniſſe auf anatomiſche und phyſiologiſche Ge— ſetze ſich gründen, und fordert ihn auf über den Zuſammenhang nach— zudenken, in welchem der Bau eines einzelnen Gewächſes mit der ge— ſammten Pflanzenwelt ſteht. Die Beobachtung der hauptſächlichſten Functionen des vegetabiliſchen Organismus, der Aſſimilation, der Cir⸗ culation und der Reſpiration, erinnert ihn an dieſelben Verrichtungen in dem thieriſchen Körper. Die Belehrung, welche ihm über die an- deren Thätigkeiten des Pflanzenlebens, über ſein Verhalten zum Lichte, zur Feuchtigkeit der Atmoſphäre, über das Wachſen, den Lebenslauf und die Lebenskraft, über das Blühen, die Fruchtbildung, die Samen- ausſtreuung, über Färbung und Geruch, wie über Bewegungen und Krankheiten der Pflanzen ertheilt wird, weiſt ihn auf den Zuſammen⸗ hang hin, in welchem die Pflanzen mit den phyſikaliſchen Erſcheinungen der Erde überhaupt ſtehen. So muß es ihm möglich werden, die Pflanze als ein Glied des Weltganzen aufzufaſſen; und wie in der Syſtemkunde ſein Blick für die Pflanzenwelt ſich erweitert, ſo hat er hier Gelegenheit ſich in das Weſen derſelben zu vertiefen. Nach dem ſo eben entworfenen Bilde von dem, was der botaniſche Unterricht in unſern höheren Schulen leiſtet, oder wenigſtens doch er— ſtrebt, ſollte man glauben, daß demſelben kein Vorwurf zu machen ſei, und daß man noch höhere Anforderungen unmöglich an ihn ſtellen könne. Wir würden dem beiſtimmen, wenn es möglich wäre, durch die genannte Behandlung die Schüler überall vollſtändig zu feſſeln, und wenn die der Schule Entwachſenen ſich durch die erhaltene Beleh- rung vollſtändig befriedigt fühlten. Gegen das, was die erſte und die letzte Stufe dem Schüler darbieten, wird ſich wenig erinnern laſſen; das Erſte erſcheint als Grundlage dringend nothwendig, das Letzte iſt ſo intereſſant, daß man bei einigermaßen geſchickter Behandlung des Gegenſtandes eine Theilnahmloſigkeit nicht zu fürchten hat. Aber die Syſtemkunde iſt es vor allen Dingen, welche die meiſten Schwierig— 428 Anhang: keiten macht; fie ift der Hauptgrund, warum fo Viele vor dem Stu: dium der Botanik zurückſchrecken; fie beſonders iſt es, welche die Pflan- zenkunde in Mißcredit gebracht hat. Wer die Langweiligkeit der in eine Form gegoſſenen Diagnoſen der einzelnen Familien kennt, der weiß, welche Mühe es macht, ſich durch mehrere Hundert Familien durchzuarbeiten; und jede Repetition belehrt den Lehrer von Neuem über die Fruchtloſigkeit feiner angeſtrengten Bemühungen. Die Syſtem— kunde hat nur Reiz für Sammler und für ſolche Leute, „die jede Wiſ— ſenſchaft zuſammengeizen.“ Freilich muß es auch ſolche Leute geben, aber wenn ihre Thätigkeit ſich auf dieſe mühevolle, langweilige Arbeit beſchränkt, ſo iſt an eine Förderung der allgemeinen Bildung für ſie ſelbſt wie für Andere nicht zu denken. Dieſer Uebelſtand muß nun auch bei dem Unterricht in der ſyſtematiſchen Botanik nothwendig her— vortreten, ſobald eben nur eine Familie an die andere ſich reiht, und fortdauernd die Sehnſucht rege erhalten wird, das letzte der ſtreng uni— formirten Glieder des ganzen Heeres erſcheinen zu ſehen. Das Miß— behagen des Schülers kann nur darin ſeinen Grund haben, daß dem Unterricht die Beziehung des Einzelnen auf das Ganze fehlt, die ſtete Erweiterung der Ausſicht, die dem Gemüthe Befriedigung und der Phantaſie Nahrung giebt; daß man es vergißt, wie die Natur ſelbſt etwas gewährt, was die Belehrung vermiſſen läßt, und daß eine wahre innere Befriedigung doch nur dann entſtehen kann, wenn es dem Sub⸗ jecte möglich gemacht wird, ſich mit dem Objecte zu identificiren. Die Schule muß es vor allen Dingen feſthalten, daß ſie keine Syſte⸗ matiker zu bilden hat, ſondern daß fie dazu berufen iſt die allge: meine Bildung zu fördern. Intereſſe an einem Gegenſtande wie die Botanik kann ſie nur dann erwecken, wenn ſie ſich bewußt bleibt, daß „die Geſchichte der Erzeugniſſe des Erdbodens tief und innig in die Schickſale der Menſchen und in den ganzen Umfang ihrer Empfin⸗ dungen, Gedanken und Handlungen verwebt iſt“ *). In dieſer Sphäre nun erfüllt die Pflanzengeographie ihren ſchö— nen Beruf, der Noth des Lehrers, wie der des Schülers abzuhelfen. Zunächſt thut ſie es durch angemeſſene Beſchränkung des Lehrſtoffes. Dreihundert Pflanzenfamilien ſind eine bedeutende Zahl, und ein Sommerhalbjahr von höchſtens zwanzig Wochen iſt eine kurze Zeit. Soll man ſich auf die einheimiſchen Familien beſchränken? Deren ſind immer noch hundert. Uebrigens können wir Denen nicht beiſtimmen, *) Vergl. Georg Forſter. S. 137 — 140 u. ſ. f. Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ꝛc. 429 welche verlangen, die Jugend ſolle nur das kennen lernen, „was ſie mit Füßen tritt.“ Wer ſeinen Unterricht auf richtige pſpchologiſche Principien gründet, weiß, daß der Geiſt des Menſchen ſich nicht in eng gezogene Schranken bannen läßt, ſondern daß Jeder die Neigung in ſich fühlt, „in ſeinem Innern ſich eine Welt zu ſchaffen, welche das Werk feines Geiſtes iſt, frei und unendlich wie dieſer ).“ Das, was der Lehrer zu geben hat, wird alſo immer ein relativ Ganzes fein müſſen. Aber nach welchem Princip iſt die Beſchränkung einzu⸗ richten? Wir antworten: Nach demſelben, welches Humboldt für die Phyſiognomik der Gewächſe feſtgeſtellt hat: „Während die ſy— ſtematiſche Botanik mit Recht ihre Aufmerkſamkeit auf die- jenigen Organe richtet, von denen die Erhaltung der Art abhängt, achtet die Phyſiognomik der Gewächſe auf die— jenigen Pflanzentheile, von denen die Erhaltung des Individuums abhängt.“ Auf dieſe Weiſe entſteht ein natür⸗ liches Syſtem ganz anderer Art, in dem alle diejenigen Gewächſe zu einer Gruppe vereinigt werden, welche in ihren Hauptformen überein- ſtimmen, alſo denſelben Totaleindruck gewähren. Freilich iſt es nun nicht unſere Meinung, das ganze und ſo vortreffliche Juſſieu' ſche Sy— ſtem bei Seite zu werfen und ſtatt deſſen nur Phyſiognomik der ſo— genannten Charakterpflanzen zu treiben; wohl aber wünſchen wir, daß man der Humboldt' ſchen Idee einen Einfluß auf die Behandlung des natürlichen Syſtems verſtatte. Die Wiſſenſchaft wird beide Anſichten ſtreng auseinanderhalten müſſen; die Schule darf ſie für ihre Zwecke miteinander verſchmelzen. Es iſt dies um ſo leichter möglich, als von den zwanzig Hauptformen, welche wir in dem erſten Abſchnitt dieſes Buches geſchildert haben, mehrere mit natürlichen Pflanzenfamilien zuſammenfallen und bei dieſen leicht auf die Phyſiognomik Rückſicht genommen werden kann, indem man auf die eigenthümliche Geſtalt, die imponirende Größe, die Feſtigkeit und den Glanz der Blattmaſſe, die prachtvolle Färbung und dergleichen Dinge aufmerkſam macht, mit einem Worte das äſthetiſche Element mit in den Bereich der Beleh⸗ rung zieht. Was die übrigen bedeutungsvollen Pflanzenfamilien **) betrifft, die in den Humboldt' ſchen Hauptformen nicht mit vertreten *) A. v. Humboldt, Anſichten der Natur. ) Rosaceae, Amygdaleae, Caryophylleae, Geraniaceae, Papaveraceae, Cru- ciferae, Ranunculaceae, Umbelliferae, Compositae, Labiatae, Personatae, Solaneae, Asperifoliaceae, Algae, Fungi und einige andere. 430 Anhang: find, fo werden dieſelben in gewohnter Weiſe behandelt werden müſſen, wobei man, um der Pflanzengeographie gerecht zu werden, auf die von Schouw aufgeſtellten Reiche“) der hauptſächlichſten eee 1 nehmen kann. Es würde die Grenzen des uns zugemeſſenen None weit über⸗ ſchreiten, wollten wir den eben beſprochenen Gegenſtand bis ins Ein— zelne hinein ausführen. Wer mit dem Verhältniß der Humboldt’- ſchen zwanzig Hauptformen zu dem Juſſieu' ſchen Syſtem bekannt iſt, weiß, wie leicht eine Vereinigung beider für praktiſche Zwecke mög⸗ lich iſt. Schon vor acht und zwanzig Jahren hat Beilſchmied **) darauf aufmerkſam gemacht, daß man die reißenden Fortſchritte in der Pflanzengeographie größtentheils den Vorzügen der Juſſieu' ſchen natürlichen Methode zu danken hat, daß man jedoch, wenn man den oft auf vagen und irrigen Principien beruhenden Familien folgt, nicht dazu gelangt, die großen phyſiſchen Geſetze in der Vertheilung der Pflanzen auf der Erde zu erkennen. Etwa dreißig Familien ***) des natürlichen Syſtems geben hinreichende Veranlaſſung, eine Schilderung der entſprechenden Charakterpflanzen zu entwerfen, den Eindruck, wel⸗ chen ſie auf jeden für Naturſchönheiten empfänglichen Menſchen machen, in Worte zu kleiden. Unſere Jugend bekommt Gärten, Treibhäuſer und Parkanlagen zu ſehen; die Pflicht des Lehrers der Botanik iſt es, ihr das Verſtändniß für dieſe Dinge zu eröffnen. Sie bekommt Reiſe⸗ beſchreibungen mit landſchaftlichen Schilderungen zu leſen; wir müſſen durch Erregung des äſthetiſchen Gefühls den Sinn für Naturſchön⸗ heiten wecken, es ihr zum Bewußtſein bringen, wie die Pflanzengeo— graphie auf die Bildung des Geſchmacks einwirkt, welchen veredelnden Einfluß ſie bereits auf die Künſte geübt, und wie durch ein innigeres Vertrautſein mit derſelben der Genuß an Naturſchönheiten erhöht wird. Wem es bedenklich erſcheinen ſollte, ſo manche ausländiſche For⸗ *) S. deſſen oben erwähnte „Grundzüge der Pflanzengeographie“ S. 505. — Daß ich übrigens der Anſicht bin, für die Pflanzengeographie ſelbſt hierauf keine Rückſicht zu nehmen, habe ich ſchon dadurch dargethan, daß ich im vorliegenden Werke entſchieden nur der Humboldt' ſchen Theorie gefolgt bin. *) S. deſſen Pflanzengeographie S. 11; auch Schouw's Grundzüge S. 17. an) Malvaceae, Urticeae, Euphorbiaceae, Cupuliferae, Laurineae, Oleineae, Aurantiaceae, Magnoliaceae, Hippocastaneae, Tiliaceae, Amentaceae, Myrtaceae, Coniferae, Ericeae, Papilionaceae, Filices, Palmae, Amaryllideae, Bromeliaceae, Pandaneae, Musaceae, Gramineae, Cacteae, Crassulaceae, Liliaceae, Passifloreae, Aroideae, Orchideae, Musci, Lichenes. Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ıc. 431 men, die der Anſchauung nicht immer unmittelbar vorgeführt werden können, zum Gegenſtande der Beſprechung zu machen, den machen wir zunächſt auf das intereſſante Geſetz der Repräſentation *) auf⸗ merkſam, welches planmäßig durchgeführt, in unſerer einheimiſchen Flora eine ausreichende Anzahl von Formen findet, an welche die Be— lehrung über die verwandten Erſcheinungen anderer Erdräume ſich an⸗ knüpfen läßt. Andererſeits aber erinnern wir ihn an die Kraft der jugendlichen Phantaſie, die ſich, um nur einige Beiſpiele anzuführen, bei dem Anblick unſerer Stechpalme **) leicht den Eindruck der Laub⸗ hölzer mit dicken, lederartigen und glänzenden Blättern der ſüdeuropäi⸗ ſchen Flora vergegenwärtigt, der unſer Waldſchachtelhalm **), wenn er geſellig feuchte Stellen des Waldbodens überzieht, bald zum neu⸗ holländiſchen Caſuarinenwalde emporwächſt, die ſich beim Anblick un⸗ ſerer wogenden Getreidefelder ohne Schwierigkeit in die Bambuſen⸗ waldungen Oſtindiens und Amerikas verſetzt. Endlich erinnern wir an die Macht des Wortes, an die Gewalt, welche eine lebendige Dar⸗ ſtellung, die dem Weſen ihres Gegenſtandes entſpricht, auf die Ge⸗ müther auszuüben vermag. Der Jugend unſerer größeren Cultur⸗ ſtädte, welche dem unmittelbaren Eindrucke der reinen Natur ſo fern gerückt ſind, wiſſen wir für das, was ſie entbehrt, keinen beſſeren Erſatz zu geben. Indeſſen iſt es das äſthetiſche Moment nicht allein, durch deſſen Berückſichtigung es der Pflanzengeographie möglich wird, einen anregenden Einfluß auf die Syſtemkunde auszuüben. Neben der Phy⸗ ſiognomik der Gewächſe, durch welche ſie uns eine Reihe von Bildern vorführt, wie ſie die Natur urſprünglich auf der Oberfläche der Erde hervorgebracht hat, richtet ſie ihre Aufmerkſamkeit auch auf diejenigen Culturgewächſe, welche im Großen angebaut werden, und durch deren Verbreitung der Menſch umgeſtaltend auf den Charakter der Landſchaft einwirkt. So iſt ſie im Stande, dem eben genannten ein zweites, das praktiſche Moment hinzuzufügen, welches gerade des Contraſtes wegen beſonders anregend und belebend wirkt. Es liegt zu nahe, daß man bei der Beſprechung der einzelnen Familien nicht nur denjenigen Pflanzengattungen, welche ſich durch beſondere Schönheit auszeichnen, *) Meyen, Grundriß der Pflanzengeographie S. 174 u. 175 und an mehre⸗ ren anderen Stellen; desgl. Schouw, die Erde, die Pflanzen ꝛc. S. 76. **) Ilex Aquifolium. ) Equisetum sylvaticum. 432 Anhang: feine beſondere Aufmerkſamkeit zuwenden wird, ſondern daß auch die⸗ jenigen, welche von dem Menſchen um des Nutzens willen gepflegt werden, zu einer Menge der intereſſanteſten Betrachtungen Veranlaſſung geben müſſen. Unſere aus Vorderaſien ſtammenden Getreidearten, welche dem Tropenbewohner der alten Welt durch den Reis und die Durrah *), dem der neuen Welt durch den Mais erſetzt werden; un— ſere aus dem Andengebiete Südamerika's ſtammende Kartoffel, welche ſich über alle gemäßigten und kalten Erdſtriche ausgebreitet, und ſtatt deren die Tropenbewohner Bataten, Dams-, Maniok- und Arons⸗ wurzeln bauen; die verſchiedenen Baumfrüchte, welche in den wärme⸗ ren Gegenden ganze Völkerſchaften ernähren; die mannigfaltigen Ge⸗ wächſe, deren Faſern zur Bereitung von Zeugen und anderen nützlichen Gegenſtänden gebraucht werden; endlich die bedeutende Anzahl von Pflanzen, die für uns ein Gegenſtand des Vergnügens oder des Luxus find — fie alle geben Stoff zu den intereſſanteſten eulturhiftorifchen Bemerkungen. Durch die Beachtung der beiden genannten Momente läßt ſich dem Unterricht eine höchſt angenehme Abwechſelung verleihen, denn wie bei der äſthetiſchen Betrachtung die Pflanze mehr in ihrem Verhältniß zu dem Individuum erſcheint, ſo wird ſie bei Erfaſſung des praktiſchen Moments mehr in Beziehung zur ganzen Gattung geſetzt. Wenn die Syſtemkunde in ſolcher Weiſe behandelt wird, ſo wird man ihr ſchwerlich den Vorwurf der Trockenheit und Langweiligkeit machen können; im Gegentheil, auch ſie wird ſich rühmen dürfen zur Förderung der allgemeinen Bildung beizutragen. Die auf unmittelbare Anſchauung geſtützten Beſchreibungen der einzelnen Pflanzenfamilien veranlaſſen zum ſorgfältigen und gründlichen Beobachten; die Rückſicht auf die Phyſiognomik der Gewächſe giebt der Phantaſie eine angenehme Nahrung und trägt zur Ausbildung des Schönheitsſinnes bei; das Erfaſſen des praktiſchen Nutzens für das ganze Menſchengeſchlecht regt das Nachdenken an und ſetzt die Pflanzenwelt in Beziehung zu allen übrigen Verhältniſſen der Erde. So erſcheint dem Schüler der Menſch auch mit Rückſicht auf die Pflanzenwelt als Herr der Erde, und die ſtete Beziehung, in welcher das betrachtete Objeet theils zu ihm ſelber, theils zu dem Ganzen geſetzt wird, muß ihm die Befriedigung gewäh— ren, nach welcher er ſich ſehnt. Es wird alſo der vorangegangenen Betrachtung zufolge weniger eine vollſtändige Umwälzung in dem bota— *) Auch Mohrenhirſe, Sorghum vulgare. Ueber die Bedeutung der Pflanzengeo graphie ac. 433 niſchen Unterrichte nothwendig ſein, ſondern es wird nur auf eine etwas veränderte Behandlung deſſelben ankommen. Die Pflanzengeo- graphie wird nicht als ſolche gelehrt werden dürfen, aber die Schüler werden für das Verſtändniß derſelben in entſprechender Weiſe vorbe— reitet werden können. Uebrigens dürfte es ſich wohl möglich machen laſſen, auf der oberſten Lehrſtufe, wo der Stoff nicht ein allzu umfang— reicher iſt, einige Wochen zu erübrigen, um einen Ueberblick über die ganze Art und Weiſe zu geben, wie die Pflanzengeographie ihren Gegenſtand erfaßt, und wenigſtens den Hauptzügen nach eine Schilde— rung des een e in den nen. Zonen der Erde zu entwerfen. III. Die Bedeutung der Pflanzengeographie für den botaniſchen Unter— richt wird nach der vorangegangenen Auseinanderſetzung leicht zu er— kennen ſein; aber ſchon der Name dieſer Wiſſenſchaft weiſet darauf hin, daß ſie auch für die Geographie nicht ohne Bedeutung ſein kann. Die Geographie iſt ihrer Natur nach eine aſſociirende Wiſſenſchaft, und auf die verſchiedenen Verhältniſſe, in welche ſie zu andern Wiſſenſchaften tritt, gründet ſich ihre Eintheilung. Die mathematiſche Geographie betrachtet die Erde in ihrem Verhältniß zu den übrigen Himmelskör— pern, ſtützt ſich alſo auf die Aſtronomie. Die phyſiſche Geographie hat es mit den natürlichen Verhältniſſen der Erde zu thun; ſie muß ſich daher, wenn ſie gründlich verfahren will, an die verſchiedenen Zweige der Naturkunde wenden. Die politiſche Geographie endlich, welche die Erde mit Rückſicht auf die ſocialen Verhältniſſe des Men⸗ ſchengeſchlechts betrachtet, hat ſich an die Geſchichte anzulehnen, weil ſie die Staatenbildung als ein Product hiſtoriſcher Entwickelung an— ſehen muß. Daß dieſe wiſſenſchaftliche Eintheilung der Geographie für die Methode des Unterrichts nicht maßgebend ſein kann, bedarf keines Beweiſes mehr. Die mathematifche Geographie kann im Zu— ſammenhange nur auf einer höheren Stufe gelehrt werden, während für die leicht faßlichen Elemente derſelben allerdings auf jeder Unter⸗ richtsſtufe etwas gethan werden muß. Die politiſche Geographie kann erſt da von Bedeutung werden, wo der Schüler durch den Geſchichts— unterricht für das Verſtändniß politiſcher Verhältniſſe hinlänglich vor— bereitet iſt. Was demnach in der Geographie, die längſt ein unent— behrlicher Zweig auch des Elementarunterrichts geworden iſt, auf allen 28 434 Anhang: Stufen in den Vordergrund treten muß, kann nur phyſiſche Geo- graphie fein. Daß dieſe ſich nicht mehr auf die Kenntniß der allge⸗ meinen Vertheilung von Land und Waſſer, von Höhen und Tiefen und auf die Mittheilung von Namen und Zahlen beſchränkt, weiß Jeder, der mit dem gegenwärtigen Standpunkte der geographiſchen Wiſſenſchaft bekannt iſt. Bei den immenſen Fortſchritten, welche die Naturwiſſenſchaften in den letzten Jahrzehenden gemacht, hat die Geo— graphie nicht nur die geſammten phyſikaliſchen Verhältniſſe der Erde in ihrem organiſchen Zuſammenhange zu erfaſſen, ſondern auch die Vertheilung der Producte des Erdballs mit Rückſicht auf ihre Abhän⸗ gigkeit von den genannten Verhältniſſen zum Gegenſtande ihrer Be- trachtung und ihrer Darſtellung zu machen. Nimmt man es ſchon einem Elementarlehrer übel, wenn ſein geographiſcher Unterricht nichts weiter als ein gelegentlich angebrachter Notizenkram iſt, ſo wird man von einem wiſſenſchaftlichen Lehrer mit Recht verlangen, daß ſein Unterricht dem gegenwärtigen Standpunkte der Wiſſenſchaft ent⸗ ſpreche. Bei dem Gegenſtande, deſſen Beſprechung wir uns hier zur Auf— gabe gemacht haben, dürfen wir unſern Ueberblick nicht über das ganze Gebiet der phyſiſchen Geographie ausdehnen, ſondern müſſen uns auf ihr Verhältniß zur Botanik beſchränken. Was der geographiſche Un⸗ terricht in dieſer Beziehung bisher geboten, war weſentlich nichts An— deres als eine Aufzählung der wichtigſten Cultur- und Nutzpflanzen, welche als Ausfuhrproducte für die mercantiliſchen Verhältniſſe eines Staates von Bedeutung ſind. Es fragt ſich, ob ein ſolches Verfahren dem gegenwärtigen Standpunkte der Wiſſenſchaft entſpricht. Wir ſagen: nein! Der Schüler ſoll durch den geographiſchen Unterricht zunächſt ein Bild des Landes erhalten, von welchem die Rede iſt. Durch eine Darſtellung der horizontalen und verticalen Begrenzung eines Land- ſtriches, verbunden mit einem Ueberblick über ſeine Waſſerſyſteme, wird ein ſolches Bild noch nicht fertig; denn wie ſehr die genannten Ele⸗ mente auch zur beſtimmten Geſtalt einer Landſchaft beitragen: Ton und Haltung, beſonders Eigenthümlichkeit erhält ſie erſt durch die Pflanzen, beſonders durch die Art ihrer Gruppirung und die größere oder geringere Lebendigkeit ihres Geſammtauftretens. „Die Pflanzen ſind das Kleid der Erde, durch die Unveränderlichkeit ihres Wohnortes, durch die Leichtigkeit ihrer Vermehrung, durch die Fülle, mit der ſie ſich ausbreiten, durch den magiſchen Einfluß, welchen ſie überhaupt Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ꝛc. 435 auf das Gemüth des Menſchen ausüben, werden ſie gleichſam der Abdruck des ganzen Lebens in einem Welttheile *).“ Daß die Geographie die Verpflichtung hat, auf die vegetabiliſche Decke der Erde Rückſicht zu nehmen, iſt von den beſſeren wiſſenſchaft— lichen Lehrbüchern **) der Gegenwart längſt anerkannt, und bleibt nur zu wünſchen, daß in denſelben ſtatt der einfach eingeſtreuten pflanzen⸗ geographiſchen Berichte, die durch die große Menge lateiniſcher Pflan— zennamen dem Laien oft vollſtändig ungenießbar werden, lebensvolle, dem geographiſchen Zweck wirklich entſprechende Darſtellungen gegeben würden. Indeſſen fehlt es auf der andern Seite auch nicht an wiſſen— ſchaftlichen Werken *), die, obwohl fleißig und ſorgſam gearbeitet, doch den Werth der phyſiſchen Geographie gering anſchlagen, und mit der Behauptung, „der Menſch gehöre nicht in die phyſiſche, ſondern in die politiſche Geographie“, alles Naturhiſtoriſche verbannt wiſſen wol⸗ len, ſelbſt das, was die Naturwiſſenſchaften an geographiſchen Ele- menten in ſich tragen, mährend ſie doch der Geſchichte einen weit be— deutenderen Einfluß einräumen. Daß Liebhaberei oder Unkenntniß des einen oder des andern Faches hier nicht entſcheiden kann, liegt auf der Hand. Der Menſch gehört ebenſowohl in die phyſiſche, wie in die politiſche Geographie, und wer die Völker eines Erdtheils und ſelbſt die verſchiedenen Stämme eines Volkes nicht aus hiſtoriſchen Berichten, ſondern aus wirklicher Anſchauung kennen gelernt hat, der weiß, daß der Zuſammenhang, in welchem der Menſch mit der Natur ſteht, ihm ſein eigentliches, wahres Gepräge giebt, während die politiſchen Ver— hältniſſe mit ihrem mannigfachen Wechſel an ihm vorübergehen können, ohne den geringſten Einfluß auf feinen Naturcharakter auszuüben +). So wie von der Geſchichte alles das, aber auch nur das an die Geographie heranzubringen iſt, was dazu dient, die politiſchen Verhält— niſſe eines Landes in klares Licht zu ſtellen, ſo muß auch von den Naturwiſſenſchaften alles dasjenige herangezogen werden, was geeignet *) Martius, Phyſiognomie des Pflanzenreiches in Braſilien. München 1824. *) Berghaus, Grundriß der Geographie in fünf Büchern. Breslau 1843. du) Ungewitter, Neueſte Erdbeſchreibung u. Staatenkunde. Dresden 1848. 7) Man vergleiche die Schilderung des Charakters der Alpenbewohner in: J. Kutzen, das deutſche Land. Breslau. Ferd. Hirt. 1855. S. 120 — 126; eine treffliche, auf ſorgfältige Studien gegründete Arbeit, welche ſich vorzugsweiſe durch ihre ſchöne und edle Darſtellungsweiſe einen ehrenvollen Platz in der geographi— ſchen Litteratur erworben hat. 28 * 436 Anhang: ift, über die Naturverhältniſſe eines Landes den nöthigen Aufſchluß zu verſchaffen. Dieſer Meinung wird Jeder, dem es nicht um ſich ſelbſt, ſondern um die Sache zu thun iſt, beiſtimmen. Aus dem eben Geſagten erhellt zur Genüge, daß wir der Pflan- zengeographie das Recht vindieiren, auf den geographiſchen Unterricht einzuwirken, und zwar nicht um der Pflanzen willen, ſondern um des Menſchen willen. Der Menſch, als das oberſte Product der Natur, iſt fo innig mit ihr verwachſen, fo ganz und gar auf fie an⸗ gewieſen, daß es unverantwortlich wäre, ihn irgendwie davon trennen zu wollen. Im Gegentheil wird ſich der Unterricht in der Geographie die doppelte Aufgabe zu ſtellen haben, den Menſchen einerſeits in ſei— ner Abhängigkeit von der Natur und andererſeits in ſeinem Siege über dieſelbe zu ſchildern. Da der Menſch ein Theil der Natur iſt, ſo wirkt ſie auf ihn ein, und er iſt ihrem Geſetz unterworfen. Der Wilde auf feinem niedrig- ſten Standpunkte begnügt ſich mit einer Wohnung aus zuſammen⸗ geflochtenen Baumzweigen und nährt ſich von den rohen Früchten des Feldes und des Waldes; er erſcheint uns in unbedingter Abhängigkeit von der Natur, wie die Auſtralneger und die Buſchmänner in Afrika. Auf einer höheren Entwickelungsſtufe tritt er als Fiſcher oder als Jäger auf und ſchließt ſich als ſolcher innig an die Wälder an. In den wärmeren Gegenden mag er ſich neben ſeiner Beſchäftigung der Früchte erfreuen, welche das Gewächsreich ihm bietet; in den kälteren dagegen, wo die Bäume gewöhnlich gar keine eßbaren oder doch wenig wohlſchmeckende und nährende Früchte tragen, iſt er allein auf das Wild angewieſen, welches ihm Nahrung und Kleidung liefern muß. In ſolchem Zuſtande leben die Bewohner des nordöſtlichen Aſiens und die Urſtämme der kupferfarbigen Race in dem nordweſtlichen Theile Amerika's. Wo die Pflanzenwelt es jedoch geſtattet, wendet er ſich mit entſchiedener Vorliebe dieſer zu. So nähren ſich die Bewohner Braſiliens und die Negerſtämme des indiſchen Archipelagus hauptſäch⸗ lich von Baumfrüchten und dem Mark der Sagopalmen; und die Guaraunen an der Mündung des Orinoco ſind ſogar auf eine einzige Pflanzenart, die Mauritiuspalme angewieſen, welche ihnen Mehl, Wein, Früchte, Hangematten und zur Zeit der Ueberſchwemmung ſelbſt Woh— nung gewährt. Auch der Nomade mit feinen Heerden iſt von der Na— tur entſchieden abhängig. Sobald er die Weiden an einer Stelle ab- genutzt hat, nimmt er ſeine Zuflucht zu anderen Strecken, und obwohl er auf einer höheren Stufe ſteht als der Jäger und der Fiſcher, ſo iſt Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ar. 437 ſeine Einwirkung auf die Pflanzenwelt doch nur als eine zerſtörende zu betrachten; denn außerdem daß er die benutzten Triften wüſt liegen läßt, brennt er nicht ſelten Wald- und Heideſtrecken nieder, um einen üppigeren Graswuchs zu veranlaſſen. Da ſein ganzer Sinn auf die Entwickelung und das Gedeihen ſeines Viehſtandes gerichtet iſt, ſo er— ſcheint ihm die Pflanzenwelt nur von Bedeutung, in ſofern ſie ſich ihm dienſtbar erweiſt. Aber ſelbſt da, wo der Menſch den Werth der Pflanze erkennt und anfängt auf ihre Vermehrung bedacht zu ſein, erſcheint er in ſeinem Verhältniß zur Natur doch immer noch mehr abhängig als einwirkend auf dieſelbe. So nähren ſich die Bewohner der Südſeeinſeln faſt einzig von Cocospalmen und Brotbäumen, und pflanzen dieſelben an; aber „wenn ein Bewohner der Südſee während ſeines ganzen Lebens zehn Brotfruchtbäume gepflanzt hat, ſo hat er die Pflicht gegen ſeine Familie ebenſo gut erfüllt, wie ein Bauer bei uns, wenn derſelbe jedes Jahr gepflügt und geſäet, geerntet und ger droſchen hat; ja er hat nicht allein für ſeine Lebenszeit Brot ins Haus geſchafft, ſondern in den Bäumen ſeinen Kindern auch ein Kapital hinterlaſſen *).“ So läßt ſich alſo behaupten, daß der Ueberfluß der Natur dazu beiträgt, die Energie des Menſchen zu vermindern, wäh— rend der Kampf gegen dieſelbe im Stande iſt, die Civiliſation zu för— dern. Eine Vergleichung der Tropenländer mit den nordiſchen Gegen— den wird dieſe Behauptung überall beſtätigen. Aber ſelbſt an ſolchen Orten, wo uns der Fleiß des Menſchen aus den vegetabiliſchen Erzeugniſſen des Bodens entgegentritt, iſt doch feine Abhängigkeit von der Natur nicht zu verkennen, ſobald wir mit unſerm Blick die ganze Erde überſchauen **). Faſt einer jeden der verſchiede⸗ nen Menſchenracen und Völkerſchaften find urſprünglich einige Cultur⸗ pflanzen zu Theil geworden, die eine wichtige Rolle in ihrem Haus⸗ halte ſpielen und deren Mißrathen eine Exiſtenzfrage für ſie werden kann. Die Bewohner Europa’3 und des weſtlichen Aſiens haben die verſchiedenen Getreidearten: Gerſte, Roggen, Hafer, Weizen und außerdem den Hanf und den Flachs erhalten. In den ſüblicheren Gegenden kommen der Oelbaum, die Kaſtanie und der Weinſtock hinzu. Im nördlichen Afrika und Arabien iſt das Leben und die Befchäfti- gung der Bewohner an die Dattelpalme geknüpft, welcher ſich in dem *) Cook's Reiſen von Forſter. **) Einen ſolchen Ueberblick gewährt die zweite Ueberſichtskarte meines „Atlas der Pflanzengeographie“, Berlin, Nicolai'ſche Verlagsbuchhandl. 1852. 4 438 Anhang: letzteren Lande und in Abiſſinien der Kaffeebaum beigeſellt. Reicher hat die Natur den Bewohner Hindoſtans beſchenkt. Reis, Zuckerrohr, Sagopalmen, die Piſang- und die Baumwollenſtaude ſind die charak— teriſtiſchen Culturpflanzen dieſer Gegend. Von dem Namen China erſcheint die Theeſtaude unzertrennlich; ebenſo haben die Molucken durch die verſchiedenen Gewürzpflanzen ihr natürliches Gepräge er— halten. Für die oſtindiſchen und die ſämmtlichen Südſeeinſeln find der Brotbaum und die Cocospalme die wichtigſten Nahrungspflanzen. Auf den Hochebenen Mexico's ſpielt eine Agavenart, die Maguey— pflanze, eine weſentliche Rolle. Die Peruaner haben als Getreideart den Mais und daneben die ſo bedeutungsvoll gewordene Kartoffel, welche in den Tropengegenden durch andere Knollengewächſe erſetzt wird. Im nördlichen Braſilien vertritt der Juviabaum die Stelle der ächten Kaſtanie, und die Bewohner von Chile finden in den Früchten der Araucaria ein allgemeines Nahrungsmittel. Selbſt minder bedeu⸗ tende Erſcheinungen, wie der neuſeeländiſche Flachs, die Zirbelfichte des Altai, das Rennthiermoos der Lappländer, außerdem auch die Gewächſe, deren Cultur keinen anderen Zweck hat, als eine leidenſchaft⸗ liche Gewohnheit zu befriedigen, wie der Tabak aus Amerika, das Opium des Morgenlandes, die Arekapalme und der Betelpfeffer der oſtindiſchen Inſeln, ſowie die Coca der Peruaner — ſie alle erinnern uns an gewiſſe Eigenthümlichkeiten, die von dem Ideenkreiſe der be> treffenden Völkerſchaften unzertrennlich ſind. 5 | Darf fich der geographiſche Unterricht den eben gegebenen Andeu⸗ tungen zufolge der Anforderung nicht entziehen, den Menſchen in ſei⸗ ner Abhängigkeit von der Natur zu ſchildern, ſo muß er andererſeits auch zeigen, wie es dem Menſchen gelungen iſt, den Sieg über die— ſelbe zu erringen. Der Menſch gehört zwar der Natur an, aber er iſt auch im Stande ſich ihr gegenüber zu ſtellen. Deshalb kann er auf fie einwirken, fie umgeſtalten, ihr Geſetze vorſchreiben. Die fort ſchreitende Cultur, die wir als ein Product feiner geiſtigen Entwicke⸗ lung zu betrachten haben, iſt das Mittel, durch welches er aus dem Verhältniß der Abhängigkeit heraustritt und nach und nach in das eines Herrn und Gebieters übergeht. So wie der Menſch als Acker⸗ bauer auftritt, fängt ſeine große Einwirkung auf bie Natur an. Die Bearbeitung des Bodens, das Ableiten des Waſſers, das Reinigen der Felder von zerſtreut umherliegenden Steintrümmern ſind die erſten Thätigkeiten, durch welche er Ordnung in die natürliche Wildniß bringt. Der äußeren Ordnung folgt dann die ſorgſame Pflege der Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie de. 439 Gewächſe, von deren Gedeihen nicht ſelten der Wohlſtand ganzer Völ— kerſchaften abhängig ift. Je mehr der Erfolg die Thätigkeit des Mens ſchen belohnt, deſto mehr wird er angeregt auf Mittel zu ſinnen, die ihm die Arbeit erleichtern und ihm einen reicheren Ertrag ſichern. Er— findungen und Entdeckungen erſcheinen als die Frucht ſeines Nachden— kens. So nimmt die Welt, die ihn umgiebt, allmälig das Gepräge ſeines Geiſtes an, und mit dem Ackerbau ſchreitet er zugleich fort in der geiſtigen Entwickelung, in der allgemeinen Bildung. Zunächſt ſind es nur einige heimathliche Gewächſe, welche überall cultivirt werden und andere verdrängen; ſpäter aber finden auch viele fremde Gewächſe Eingang, doch nur, in ſoweit nicht die klimatiſchen Verhältniſſe ihrer Verbreitung hindernd entgegentreten. Hierdurch lernt der Menſch, daß er der Natur keine anderen Geſetze vorſchreiben kann, als diejenigen, welche in ihr liegen; er erfährt, daß diejenigen Gewächſe, welche auf einer niedrigen Stufe der Entwickelung ſtehen, wie die Cerealien, ſich am leichteſten verbreiten laſſen; daß ſolche Pflanzen, die von Natur einen ausgedehnten Verbreitungsbezirk haben, durch die Cultur viel weiter geführt werden können als diejenigen, welche urſprünglich ſchon auf einen kleinen Raum der Erde beſchränkt find; endlich, daß die Pflanzen nordiſcher Gegenden mit Leichtigkeit dem Süden zugeführt werden können, während die tropiſchen Gewächſe nur eine geringe Ver— breitung in die nördlichen Länder zulaſſen. i Betrachtungen dieſer Art, welche den Menſchen in feiner Herr⸗ ſchaft über die Natur darſtellen, führen unwillkürlich in die Vergan⸗ genheit zurück. Dieſe zeigt uns den Orient, die Länder zwiſchen dem Mittelmeer und dem Himalaya, als die Stätte, wo die meiſten Cultur⸗ gewächſe ihr Vaterland haben. Dieſe Gegend, welche den hiſtoriſchen Nachrichten zufolge als die Wiege der Menſchheit angeſehen wird, iſt auch der Centralpunkt, von welchem die Wanderung der hauptſächlich⸗ ſten Culturpflanzen ausgegangen iſt. In Vorderaſien find unſere Ge— treidearten wahrſcheinlich urſprünglich geſellig gewachſen, ſo daß der Anbau derſelben als eine Nachahmung der natürlichen Saatfelder zu betrachten iſt. So wurden ſie die erſte Veranlaſſung zum geſelligen Leben und zur Cultur des Menſchen überhaupt. Vermuthlich find die Völker des öſtlichen Aſiens, welche den Reis bauten, diejenigen, welche ſich zuerſt feſte Wohnſitze gegründet haben; ihnen folgten die Aegypter, von denen der Ackerbau nach Griechenland kam, und jetzt iſt derſelbe über die ganze Erde verbreitet. Mit dem Ackerbau wird überall der erſte Schritt zur Bezähmung der Natur gethan, mit ſeinem Gedeihen 440 | ! Anhang: ſteht die Ausbreitung des Menſchengeſchlechts in der innigſten Wechſel— wirkung; und wo die Bevölkerung dicht zuſammengedrängt iſt, wie in China, da verliert die Natur ihren urſprünglichen Charakter ganz und gar. Den glänzendſten Sieg über die Natur jedoch haben die Euro— päer davon getragen. Mit der Gründung der Colonien in allen übri⸗ gen Erdtheilen haben ſich nicht nur unſere Getreidearten mit den gleichfalls aus Vorderaſien ſtammenden Gemüſen und Baumfrüchten über die ganze Erde verbreitet, ſondern eine Menge Producte ferner Erdſtriche ſind auch nach Europa gebracht worden. So gedeihen der Reis und die Baumwolle Hindoſtans an den Ufern des Mittelmeeres, und der Mais und die Kartoffel Amerika's im mittleren, letztere ſelbſt im nördlichen Europa. Ja, was noch mehr iſt, diejenigen Gewächſe, welche in dem europäiſchen Klima nicht gedeihen wollen, werden von einer Colonie nach der andern gebracht. Die oſtindiſche Baumwolle, der Reis und das Zuckerrohr werden in großartigem Maßſtabe in Amerika gebaut; der Kaffee iſt von Arabien nach Weſtindien, Braſilien und nach Java geführt worden; eben daſelbſt hat man ſchon ſeit län— gerer Zeit mit Theepflanzungen begonnen; die Neger an der Weſtküſte Afrika's haben durch die Europäer den Mais und den Tabak erhalten; die Gewürze der Molucken werden bereits auf Isle de France und den weſtindiſchen Inſeln gebaut — kurz, überall wo Europäer ihren Wohnſitz aufgeſchlagen haben, da verkündet die Pflanzenwelt den Ruhm ihrer Thaten; und wo es ihnen gelingt, die Charakterpflanzen aller Völker⸗ ſchaften um ſich zu verſammeln, da zeigt ſich in glänzendſter Weiſe, wie die größte Geiſtesbildung auch die umfaſſendſte Herrſchaft über die Natur ausübt. — Aber nicht nur die entlegenſten Räume werden auf dieſe Weiſe einander nahe gerückt; auch die fernſten Zeiten treten bei der Betrachtung mancher Gewächſe vor unſere Seele. Die amerifa- niſchen Cacteen und Agaven, welche in der römiſchen Campagna zwi— ſchen den Trümmern alter Prachtbauten wuchern, erinnern den Ita— liener fortdauernd, wie er einſt den Sohn ſeines eigenen Landes ver— ſchmäht, der bereit war ihm eine neue Welt zu erobern; ſeine Reis— felder mahnen ihn an Marco Polo, und die Orangenwälder mit den herrlichen Aepfeln der Heſperiden an jene alten Väter, die nach Oſt und Weſt hinzogen, die Welt mit ihrem Schwerte zu bezwingen. Und ſelbſt in unſerer Heimath verſetzt uns faſt Alles, was wir genießen, was uns das Leben ſchön und anmuthig macht, in die entlegenſten Räume wie in die entfernteſten Zeiten zurück und mahnt uns der küh⸗ Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ꝛc. 441 nen Männer zu gedenken, die oft ihr Leben daran geſetzt haben, um uns das zu bringen, was uns gegenwärtig erfreut. Die Entwickelung ſolcher Ideen, welche ſich an die Vertheilung und Verbreitung der Gewächſe ſo leicht anknüpfen laſſen, wird nicht wenig zur Belebung des geographiſchen Unterrichts beitragen. Die culturgeſchichtliche Entwickelung des Menſchengeſchlechts ſteht mit der Pflanzenwelt in ſo innigem Zuſammenhange, daß nichts natürlicher erſcheint, als die Belehrungen über dieſelbe an die äußeren Verhält— niſſe anzuknüpfen, von denen ſie ihren Ausgang genommen hat. Der Charakter der Natur giebt dem Menſchen überall den erſten Impuls für ſeine geiſtige Thätigkeit, und jedes Gebiet der Erde zeigt, wie wenig er ſich von derſelben losmachen kann. Somit iſt denn durch die Ver— breitung aller Culturgewächſe nach den verſchiedenſten Richtungen hin eine allmälige Uniformirung in Betreff der Vegetation nicht zu be— fürchten. Wie die Cultur nicht überall auf dieſelbe Weiſe beginnt, ſo entwickelt ſie ſich auch nicht überall auf gleiche Weiſe, und wie ſehr ſich auch der Menſch bemühen mag, die Natur den Geſetzen ſei— nes Geiſtes zu unterwerfen, ſo wird der Erfolg doch überall zeigen, daß er ſeine Herrſchaft eben nur mit der Natur theilt. Aus dieſem Grunde wird das, was die Pflanzengeographie eigentlich will, das Erfaſſen des landſchaftlichen Typus einer Gegend, für alle Zeiten ein Gegenſtand der intereſſanteſten Unterſuchungen bleiben, und bei der Belehrung über den Naturcharakter eines Landes ſtets in den Vorder— grund geſtellt werden müſſen. Und wenn wir berechtigt ſind, die Land— ſchaft, wie ſie uns von der Natur als ein Ganzes gegeben iſt, als die Scenerie des Drama's zu betrachten, in welchem der Menſch die Hauptrolle ſpielt, ſo wird nicht bloß der geographiſche, ſondern auch der Geſchichtsunterricht an Wahrheit und Lebendigkeit ge— winnen, wenn es gelingt, den Schüler mit ſeiner Phantaſie auf den Schauplatz zu verſetzen, auf welchem die Thaten unſerer Vorfahren ſich zugetragen haben. In wie innigem Zuſammenhange der Anfang aller geiſtigen Entwickelung des Menſchengeſchlechts mit der Natur ſteht, das zeigt uns die Mythologie aller Völker. Mit Recht nehmen daher nicht bloß ältere Geſchichtsſchreiber, wie Tacitus in ſeiner Schil— derung des alten Germaniens, ſondern auch neuere Werke *) auf den *) Max Duncker, Geſchichte des Alterthums. Berlin, Duncker und Hum— blot, 1852; ſ. beſonders im 2. Bande die intereſſanten Schilderungen Indiens und Perſiens. 442 Anhang: landſchaftlichen Charakter derjenigen Länder Rückſicht, deren Geſchichte ſie ſchreiben wollen. Von beſonderem Intereſſe erſcheint dies für die Völker des Alterthums, bei denen das innige Anſchließen an die Natur überall entſchiedener hervortritt als bei den Völkern ſpäterer Jahr⸗ hunderte. Indeſſen dürfte ſelbſt für die Gegenwart das Verhältniß des Menſchen zur Pflanzenwelt nicht außer Acht zu laſſen ſein. Min⸗ deſtens muß die Culturgeſchichte darauf Rückſicht nehmen, „daß für den Menſchen eine Zeit eintritt, in welcher er die Landſchaft nicht bloß als Hintergrund menſchlicher Erlebniſſe, ſondern als ein ſo innig Verwandtes betrachtet, daß er ſich ausſchließlich auf ſie zurückzieht *). Und wenn bei ſeiner erſten Einwirkung auf die Natur zunächſt das materielle Intereſſe überall in den Vordergrund tritt, ſo kann bei ſtei⸗ gender geiſtiger Entwickelung der Moment nicht ausbleiben, wo er die Natur nicht mehr als eine bloße Dienerin ſeiner Bedürfniſſe, ſondern als eine Freundin betrachtet, der er feine Liebe zuwendet. Dann lernt er die Natur verſtehen, ſucht das Eigenthümliche ihres Weſens mit ſeinem Geiſte in Einklang zu bringen und wirkt nur ſo auf ſie ein, wie es ihr angemeſſen iſt. Wo ſie ſelber keinen anderen als einen proſaiſchen Charakter hat, da läßt er ſie in den Dienſt des materiellen Lebens treten; wo ſie aber an ſich ſchon einen lebensvolleren, einen äſthetiſchen Charakter annimmt, da verſteht er es auch ihre ideale Seite zu erfaſſen, da geſtaltet ſich unter ſeiner Hand die Landſchaft zum Park, wie er überall nur da erſcheinen kann, wo der Lärm der Schlach— ten verklungen iſt und dauernde friedliche Verhältniſſe die Menſchen beglücken. Und wenn der Menſch ſich auch nie der Nothwendigkeit entziehen kann, die Natur für ſeine Zwecke zu benutzen, ſo wird er es doch als ſeine ſchönere Aufgabe betrachten, ihr mit ſeiner ordnenden Hand zu Hülfe zu kommen, ſie zu veredeln und zu verklären. Fragen wir nun am Schluß, in wie weit die Lehrer der Botanik und Geographie geneigt ſein werden, den eben entwickelten Anſichten bei ihrem Unterrichte zu folgen, jo werden wir auf eine größere Zu: ſtimmung von Seiten der Botaniker rechnen dürfen, die nicht Geogra⸗ phen ſind, als von Seiten der Geographen, die nicht zugleich Bota⸗ niker find, da ſich die nothwendigen geographiſchen Kenntniſſe leichter erwerben laſſen als die botaniſchen. Indeſſen wir wiederholen es: Die Pflanzengeographie verlangt keinen großen Umfang botaniſcher Kennt⸗ *) Bratranek, Aeſthetik der Pflanzenwelt. Ueber die Bedeutung der Pflanzengeographie ıc. 443 niſſe; ſie fordert weder ein vollſtändiges Innehaben der Terminologie, noch eine genaue Bekanntſchaft mit der geſammten Syſtemkunde. Im Gegentheil, ſie bemüht ſich den wiſſenſchaftlichen Apparat der Botanik zu vereinfachen, indem ſie die Pflanzenwelt nicht als eine Summe von Einzelheiten, ſondern als die lebende Decke der Erde betrachtet. Außer⸗ dem aber gewährt das Studium der Pflanzengeographie einen ſolchen Reiz, daß man ſie mit Recht als die Blüthe der Botanik betrachten kann. Daß ſie als ſolche nicht ohne günſtigen Einfluß auf den Unter⸗ richt ſein kann, liegt nahe. Wenn es erlaubt iſt, das Studium der Botanik mit dem Sprachſtudium zu vergleichen, ſo wird man zugeben müſſen, daß die Floren mit ihren Diagnoſen und Demonſtrationen keinen anderen Werth haben als ein Lexikon, und daß die Handbücher der Terminologie und Syſtemkunde nur auf den Rang einer Gram⸗ matik Anſpruch machen können. Nun lernt aber Niemand eine fremde Sprache durch Wörterbücher und Grammatiken allein, ſondern es be- darf vor allen Dingen einer wohlgewählten Lectüre, um ihn in den Geiſt der fremden Sprache einzuführen. Das, was die Leetüre für das Sprachſtudium, das iſt die Pflanzengeographie für die Botanik. Sie ſchlägt uns in dem großen Buch der Natur eine Seite nach der andern auf und lehrt uns in demſelben leſen; aus ihr tritt uns die Logik und die Poeſie der Natur entgegen, und wer möchte dieſe beiden Elemente entbehren! Je höher wir aber den Werth der Pfichzengeb graphie als Wiſſen⸗ ſchaft anſchlagen, um deſto mehr ſehen wir uns veranlaßt auf zwei Klippen aufmerkſam zu machen, an denen excentriſche Naturen bei An⸗ wendung derſelben auf den Unterricht leicht ſcheitern können. Wer ſich mit einer Wiſſenſchaft ihrem ganzen Umfange nach bekannt gemacht, durch ſeine Stellung aber auf eine beſchränkte Sphäre angewieſen iſt, geräth leicht in Gefahr, die Ideen, welche ihn eben erſt ergriffen, gleich an den Mann bringen zu wollen. Es iſt aber wohl zu erwägen, daß das Erheben zu allgemeinen Ideen ohne gründliche Kenntniß des Ein— zelnen keinen Werth hat, und es wird ein ſchweres Unrecht an dem Gegenſtande wie an den Lernenden begangen, wenn man es verſucht ſtatt der Naturkunde Naturphiloſophie zu treiben. Ein ſolches Verfahren beſtraft ſich durch den Erfolg; es bildet eitele Schwätzer, aber keine Charaktere. Die Schule darf es nie außer Acht laſſen, daß die Elemente einer Wiſſenſchaft auch elementariſch erlernt werden müſ— ſen, und der gewandte Lehrer wird bei dem ſtrengen Feſthalten und Einüben des unentbehrlichen Lehrſtoffes ſeinem Unterricht dennoch die 444 Anhang: nothwendige ideale Ausbeute abzugewinnen verftehen. — Eine andere Gefahr liegt in dem Reiz, welchen die äſthetiſche Form unſerer Wiffen- ſchaft darbietet. Auch wir wollen einer äſthetiſchen Behandlung der Naturgegenſtände das Wort reden, aber nur inſofern ſie das Gepräge der Einfachheit und der Wahrheit an ſich trägt. Die Litteratur der Gegenwart aber, die ſo überreich an äſthetiſirenden Darſtellungen aus dem Gebiete der Natur iſt, giebt zu ſehr eruften Reflexionen Anlaß. Nichts iſt der Naturwiſſenſchaften unwürdiger, ja nichts iſt ihnen nach— theiliger, als den wiſſenſchaftlichen Boden zu verlaſſen und die Natur mit fremdem Flitterſtaat auszuputzen, während ſie doch gerade in ihrer Einfachheit alle Elemente des Geiſtreichen, des Schönen, des Erhabe— nen in ſich vereinigt, die nur irgend zur Erhebung des Gemüthes dienen können. Das Ueberſättigen mit äſthetiſirenden Darſtellungen muß noth- wendiger Weiſe den Geſchmack an ernſter Beſchäftigung verleiden; und eine Menge von Compilationen, welche mehr darauf ausgehen, die Genußſucht der Leſer zu befriedigen, als dem Gegenſtande einen Dienſt zu leiſten, ſind Schuld daran, daß „die hohe Kraft der Wiſſenſchaft der ganzen Welt verborgen“ bleibt. „Und wer nicht denkt, dem wird ſie geſchenkt; er hat fie ohne Sorgen“ — das iſt das trügeriſche Motto, welches zwar Viele anlockt, aber Niemanden dauernd zu feſſeln vermag. Der wahre Naturfreund muß gegen die Art und Weiſe, wie fo manche „Naturbilder, Charakterbilder, Bilder aus dem Weltall“ zc. zuſammengeſtellt ſind, feierlich proteſtiren. Nichts iſt bequemer als überall die ſchönſten Blüthen herauszuſchneiden, die doch nur als das Product einer naturgemäßen Entwickelung Werth haben. Die köſtlich— ſten Dinge, unaufhörlich genoſſen, verlieren bald ihren Reiz und er— zeugen Ekel und Ueberdruß. Vor allem aber darf die Schule ſich nicht zu ſo unwürdigem Dienſt erniedrigen. Wir haben unſere Jugend weder zur Eitelkeit, noch zur Genußſucht zu erziehen. Eine günſtige Einwirkung auf Geſittung und Charakter iſt nur möglich, wenn man die nächſten Anforderungen, die der Gegenſtand macht, mit Ernſt feſt— hält, ohne jedoch die höheren Geſichtspunkte aus dem Auge zu ver⸗ lieren. . Dieſen höheren Geſichtspunkt aber wollen wir uns eben ſo wenig verrücken laſſen. Die Schule darf zwar über ihre Sphäre nicht hin⸗ ausgehen, aber ſie hat auch eben ſo ſehr die Verpflichtung, der Wiſſen⸗ ſchaft auf dem Fuße zu folgen. Denn wie die wahre Wiſſenſchaft unmittelbar in dem Leben wurzelt, jo hat fie auch nur Bedeutung, in⸗ ſofern ſie ſich in dem Leben wirkſam erweiſt. Die Schule iſt die Erläuterung des Titelbildes und der Illuſtrationen. 445 natürliche Vermittlerin zwiſchen beiden. Wie die Wiſſenſchaft ſich verächtlich machen würde, wenn ſie den bewährten Weg der freien Forſchung verließe, ſo würde die Schule in der bereits erworbenen Achtung ſinken, wenn ſie zögern wollte, in eine Bahn einzulenken, welche die öffentliche Stimme längſt mit Beifall begrüßt hat. — Wir verhehlen es uns nicht, daß der botaniſche und geographiſche Unterricht, wie er uns vorſchwebt, zunächſt ein Ideal iſt, das wir auch in unſerer eigenen Praxis noch nicht erreicht haben, aber das darf uns nicht hindern nach demſelben zu ſtreben. Nur wer das Höchſte erſtrebt, wird das Mögliche erreichen; und wer die Pflanzengeographie kennt, wird zugeben, daß fie im Stande iſt, die Methodik des botani- ſchen und geographiſchen Unterrichts um einen Schritt vorwärts zu bringen. Erläuterung des Titelbildes und der Illuſtrationen. Auf dem Titelbilde hat der zeichnende Künſtler ohne Rückſicht auf das Vaterland eine Anzahl von Gewächſen zuſammengeſtellt, wie ſie die Hand des Kunſtgärtners in einem ſüdlichen Klima auch im Freien gruppiren könnte. Es ſind Pflanzen tropiſcher Gegenden, die durch ihre äſthetiſche Form einen anmuthigen Eindruck machen. — Links im Vordergrunde ſteigt aus einem kleinen Waſſerbecken die Lotus- pflanze! Oſtindiens hervor, mit ſchildförmigen Blättern und roſen— rothen Blüthen. Dicht dahinter ſteht das indiſche Blumenrohr :? mit langen, tutenförmig ſich emporſchiebenden Blättern und ſcharlach— rothen Blüthen. Etwas höher ragen die kugelförmig niederfallenden Blüthenſtände der ägyptiſchen Bapyrusftaude 3 hervor, und dicht über dieſen letzteren ein Paar fächerförmige Kronen der Meerkokos⸗ palme! von den Sechelleninſeln, während die beiden höchſten Stämme die ächte Kokospalme “' von den Inſeln des ſtillen Oceans vor— ſtellen. — Auf der rechten Seite ſtehen im Vordergrunde ein Paar 1 * * ” * * * Nelumbium speciosum. ? Canna indica. ? Papyrus antiquorum. * Lo- doicea Sechellarum. Cocos nucifera. 446 Anhang: Pifangftauden ?, von denen der höhere, dunkler gehaltene Stamm mit aufſteigenden Blüthenrispen verſehen iſt. Dahinter erheben ſich ein Paar Stämme der afrikaniſchen Dattelpalme ?, welche mit der gegenüberſtehenden Kokospalme durch eine Guirlande von Paſſions— blumen 3 verbunden find. In dem Hauptbaſſin ſchwimmt die könig— liche Victoria Guinea's mit großen kreisförmigen Blättern, und ihr zur Seite erhebt ſich auf ſchlanken Stielen die blaue Seeroſe Unter⸗Aegyptens. Im Hintergrunde ſteigen kahle Berghöhen Wa deren Fuß mit einzeln ſtehenden Palmen umgürtet iſt. Taf. I. (S. 30.) Gruppe von ausländiſchen Nadelhöl— zern. Der große Baum in der Mitte des Blattes iſt der berühmte Mammuth-Baum , welchen man vor wenigen Jahren in Ober— Californien an den Quellen des Stanislaus- und Antonio-Fluſſes unter 38 n. Br., 100° w. L., 4— 5000“ über dem Meeresſpiegel ent⸗ deckt hat. Er gehört zu den Rieſen des Pflanzenreiches, indem alte Stämme mehr als 300 Höhe, über 20’ im Durchmeſſer und einen Umfang von 90“ erreichen. Eine angelehnte Leiter erſchien im Ver⸗ hältniß zu dem Baume wie ein Spazierſtöckchen, und ein Menſch auf derſelben wie ein Käfer. Das Alter der größten Exemplare wird auf 1500 Jahre geſchätzt. Genauere Nachrichten über dieſen Baum finden ſich in Report of explorations in California for railroad routes by Lieutenant R. S. Williamson, Washington 1856, einem Prachtwerk, in dem ſich S. 258 eine Abbildung einer ganzen Partie des ſchaurigen Haines findet, der aus dieſer Baumform gebildet iſt. — Eben ſo giebt Dr. Berthold Seemann in No. 19 der Bonplandia (15. October 1858) einen ausführlichen Bericht vom 18. Auguſt 1858, der von einer ſorgfältigen Abbildung begleitet iſt. — Links am Rande ſteht einzeln die chileniſche Araucaria '; rechts am Rande die Ceder vom Libanon. s Zwiſchen der letzteren und der Wellingtonia erheben ſich im Hintergrunde einige düſtere Cypreſſen“, denen ſich nach links, zum Theil von dem Stamme der Wellingtonia Haben, einige Pinien 10 anſchließen. Taf. II. (S. 36.) Gruppe von Baumfarrn. Der höchſte Stamm im Vordergrunde ſtellt den braſilianiſchen Hainfarrn n dar; N 1 Musa paradisiaca. 2 Phoenix dactylifera. 3 Passiflora coerulea. “ Vic- ? Araucaria ex- toria regia. Nymphaea coerulea. ° Wellingtonia gigantea. celsa. Cedrus libanotica ° Cupressus sempervirens. 10 Pinus Picea. !! Alsophila ferox. Presl = Al. armata Mart. Erläuterung des Titelbildes und der Illuſtrationen. | 447 rechts daneben ſteht der Halbdeckelfarrn! aus Südamerika, zur Linken der rauhe Berherfaren ? aus Guiana. Am Fuße breiten ſich große Wedel von Alsophila Deckeniana mit locker gewebtem Laube aus; darüber verſchiedene Zweige von Marattia cicutaefolia. Taf. III. (S. 40.) Gruppe von Palmen. Der am höch— ſten emporragende Stamm auf der rechten Seite iſt die Cocospalme? mit einer aus gefiederten Blättern beſtehenden Krone und kugeligen Früchten. Rechts daneben, mit etwas niedrigerer Krone, die aus fächerförmigen Blättern gebildet iſt, ſteht die Meercocospalme ® von den Sechellen. Zwiſchen beiden, unmittelbar unter der Krone der letzteren, ſteigt die Dattelpalme ' empor. Links von dem Stamme der Cocospalme, mit einer Krone, die etwas niedriger iſt als die der Dattelpalme, zeigt ſich die oſtindiſche Weinpalme s; und ganz am Rande zur Rechten ein noch ſtrauchartiges Gebilde einer Sago— palme.“ — Die linke Hälfte des Bildes giebt den Eindruck eines Palmenwäldchens wieder. Taf. IV. (S. 56.) Gruppe von Cactusgewächſen. Unten links im Vordergrunde ſteht neben dem Laubeactus ® der Coche— nillecactus! mit eiformig-länglichen, netzartig gezeichneten Glie— dern; darüber links am Rande ein Säulencactus '° mit querdurch- ſchnittenem Stamme; rechts von dieſem ein Igelcactus m mit etwa 3“ breiten (citronengelben) Blüthen. Unmittelbar darüber erhebt ſich der indiſche Feigencactus !? mit 1— 2“ langen, elliptiſchen Glie⸗ dern. In der Mitte des Vordergrundes erblicken wir ganz unten einen Zitzencactus 1s; gleich darüber noch einige andere Formen derſelben Gattung n, denen ſich unmittelbar rechts die bekannte unförmlich ge- ſtaltete Varietät'' des peruaniſchen Säulencactus anſchließt. Unmit⸗ telbar über dieſem erſcheint der ſonſt kriechende Stengel der pracht— vollen Königin der Nacht!“ an andere Säulencacten !“ an⸗ gelehnt. Den oberſten Theil der Gruppe bildet der vielarmig ver— zweigte Rohreactus.““ — Unten rechts im Vordergrunde ſteht ein Melonencactus!“ mit abgeſchnittenem Blüthenzweige; darüber hän⸗ „ * Hemitelia integrifolia ? Cyathea aspera. Cocos nucifera. * Lodoicea Sechellarum. Phoenix dactylifera. 6 Borassus flabelliformis. Metroxylon Rumphii. ® Phyllocactus phyllantoides. Opuntia coccinellifera. !° Cereus Columna Trajani. ! Echinocactus Ottonis. 2 Opuntia Ficus indica. Ma- millaria vivipara. 14 M. Clava. M. recurva. 15 C. monstruosus. 16 Cereus grandiflorus. Cereus peruvianus. Rhipsalis brachiata. “ Melocactus communis. 448 Anhang: gen eine Anzahl weitſchweifig vertheilter Aeſte des Peitſcheneactus umher, und weiter oben erheben ſich hinter Stämmen des peruaniſchen Säulencactus noch einige Zweige eines Feigencaetus? mit großen elliptiſchen Gliedern. Taf. V. (S. 70.) Gruppe von Orchideen. Der Haupt⸗ ſtamm in der Mitte des Bildes ſtellt die prachtvolle Schwanenhals— blume vor; links daneben entſpringt aus einem am Boden liegen— den Baumſtamm die mexicaniſche Zahnzungenblume “ fo genannt, weil die Lippe genagelt, die Spreite am Grunde mit einem Kamme verſehen iſt. Dicht dahinter ſteigt ein Zweig der amerikaniſchen Va— nilles mit langen herabhängenden Schoten empor, und links am äußerſten Rande ſteht eine Species des Frauenſchuhss mit großer, bauchig aufgeblaſener Lippe. — Rechts am äußerſten Rande ſteht Uropedium Lindenii, ein Beiſpiel ſeltſamen Blüthenbaues, indem die drei inneren Blumenblätter in lange linienförmige Zipfel ſich verlän— gern, die bis zum Boden herabreichen. Dicht dahinter ſteigt die ge franzte Höckerblume ! hervor, deren ſchlanker Blüthenſtiel mit dem von Cyenoches ſich kreuzt. Taf. VI. (S. 180.) Partie am Eingange eines Urwaldes bei aufgehendem Vollmonde. Mächtige Stämme mit weit umhergrei— fenden Kronen, deren großblättriges, ſchöngeformtes Laubwerk von mannigfachen Schlinggewächſen durchflochten erſcheint, bilden die Hauptmaſſe des Waldes. Schlanke Stämme der verſchiedenartigſten Palmen wachſen dazwiſchen und bilden mit den großen, vielfach ein geſchlitzten Blättern der Banane einen anmuthigen Contraſt. In lan— gen Schnüren hängen die Lianen von den Aeſten herab und bilden mit dem dichten Pflanzenwuchs, der den Boden bedeckt, ein undurch— dringliches Dickicht, ſo daß es dem Auge ſchwer wird, das ſeltſame Gewirr von Pflanzen zu entziffern. Taf. VII. (S. 184.) Afrika. Der gewaltige Koloß zur Rech— ten iſt der Affenbrotbaum °, links davon der Drachenbaum.“ Im Vordergrunde befinden ſich verſchiedene Formen aus der Familie der Craſſulaceen; im Hintergrunde ſtehen zerſtreute Palmen. Taf. VIII. (S. 254.) Mangrove-Waldung im ſüblichen Aſien. Die beiden ſtarken Stämme im Vordergrunde ſtellen den für ' Cereus flagelliformis. 2 Opuntia Tuna. “ Cyenoches ventricosum. * Odontoglossum grande. ° Vanilla aromatica. 6 Cypripedium Lo wil. On- cidium eiliatum. ° Adansonia digitata. ° Dracaena Draco. Erläuterung des Titelbildes und der Illuſtrationen. 449 heilig gehaltenen Banianenbaum ! vor, der in Oſtindien in Sand⸗ boden wächſt; im Hintergrunde erſcheint der Mangrove-Wald, aus dem Wurzelbaum ? gebildet, der, wie der Banianenbaum Luftwur⸗ zeln aus den Aeſten zur Erde ſendet. Eine ausführlichere Schilderung des ſeltſamen Charakters der Mangrove-Wälder findet ſich S. 182. Taf. IX. (S. 268.) Nord-Amerika. Links im Vordergrunde ſteht ein ſtrauchartiges Exemplar der großblumigen Magnolie s; dicht dahinter erheben ſich ſchlank emporſtrebende Stämme von Cy- preſſen , deren Kronen mit Trompetenreben ? und andern Schlinggewächſen durchzogen ſind. Rechts im Vordergrunde ſteht eine niedrige Magnolie °; und darüber ſteigen ein Paar ſchlanke Stämme einer anderen Species ? derſelben Gattung empor. Taf. X. (S. 278.) Neu⸗Holland. Links am Rande ſteht ein mächtiger Eucalyptusſtamm“ von Schlinggewächſen umzogen, dem ſich im Hintergrunde niedriges Acaciengeſträuch, der ſogenannte Scrub anſchließt. Rechts am Fuße dieſes großen Stammes entſpringt ein ſchlank aufſteigender Stamm, deſſen leicht zertheilte Krone alle an⸗ deren überragt; es iſt eine Olinia ° aus der Familie der Rhamneen. Dahinter ſtehen zwei Stämme, welche ihn kreuzen; der kleinere ſtellt eine Hakea ne (aus der Familie der Proteaceen) mit fiederſpaltigen Blättern vor; der höhere iſt eine Südſeemyrte. !“ Der nun fol- gende, gerade aufſteigende Stamm iſt eine andere Art 12 derſelben Gattung, unter der ein Caſuarbaum '> feine dünnen, ſchachtelhalm⸗ ähnlichen Zweige herabhängen läßt. Am Rande rechts ſteht oben eine zu den Proteaceen gehörige Bankſia '* mit linealen Blättern, und dicht darunter ein niedriger Eucalyptus ſtrauch "5, der durch feine bläulich⸗weiß beſtäubten Blätter in unſern botaniſchen Gärten bekannt iſt. Links von dieſem erſcheint im Hintergrunde auf einem Hügel ein baumartiges Liliengewächs !° aus der Familie der Commelyneen, Xanthorrhoea genannt, weil aus feinem Stamme ein gelbes Harz aus— fließt; es hat einen mäßig hohen Stamm, von deſſen Spitze ein Büſchel grasartiger Blätter bogenförmig herabhängt, aus deren Mitte ein lan- Ficus indica. 2 Rhizophora s. Bruguiera gymnorrhiza. Magnolia grandiflora. * Cupressus disticha. Tecoma radicans. ° Magnolia tripetala. P 8 P Magnolia acuminata. Eucalyptus robusta. ° Olinia cymosa. 1% Hakea 8 yP J suaveolens. !' Leptospermum lanigerum. !? Leptospermum stellatum. 1? Ca- suarina macilenta. ’* Banksia Cunninghami. '° Eucalyptus cordata. '° Xan- thorrhoea hastilis. 29 450 Anhang. ger, ſchmaler Blüthenkolben emporſteigt. Im Hintergund ſtehen ent⸗ fernt einige vereinzelte Palmen. 6 Taf. XI. (S. 346.) Laubwald in Mittel⸗Europa. Rechts im Vordergrunde erhebt ſich ein kräftiger Stamm der Sommer⸗ Eichen; am Fuße des Gebirges breitet ſich Buchengehölz ? aus, aus welchem rechts von der Burg eine Gruppe von Linden 5, links einige italieniſche Pappeln! hervorragen. Taf. XII. (S. 390.) Nadelhölzer des nördlichen Europa. Rechts im Vordergrunde breitet ſich am Boden die Zwergkiefer ® aus; dicht darüber ſteigt unſere gemeine Kiefer ° empor; links von derſelben die Edel- oder Weißtanne '; rechts am Rande des Bildes der Lärchen baum. — Die beiden Bäume, welche auf der linken Hälfte des Blattes zwiſchen den Steinblöcken ſich erheben, ſtellen die Roth-Tanne! dar. Quercus pedunculata. ? Fagus sylvatica. “ Tilia europaea. Popu- lus dilatata. Pinus Pumilio. Pinus sylvestris.“ Abies pectinata. ® Larix europaea. Abies excelsa. Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin, Grünſtr. 18. In der Nicolaiſchen Verlagsbuchhandlung in Berlin iſt erſchienen: Atlas der Pflanzengeographie über alle Theile der Erde, für Freunde und Lehrer der Botanik und Geographie. Nach den neueſten und beſten Quellen entworfen und gezeichnet \ von L. Rudolph. 10 Platt in Farbendruck, nebſt erläuternden Tabellen, in gr. Folio. Geheftet 5 Thlr. Se. Majeſtät der König von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., haben dem er als Anerkenntniß für dieſe verdienſtvolle Arbeit, die goldene Medaille für ine zu e geruht. Die Hand. Eine populäre Vorleſung von L. Rudolph. 1859. Geh. 15 Sgr. Ohne Zweifel bietet die menſchliche Hand eine reiche Fülle der mannig— fachſten Beziehungen dar, deren Erwägung Stoff zu höchſt anziehenden Betrach— tungen liefert. Der Herr Verfaſſer hat das Ergebniß ſeiner Betrachtungen auf eine ſo anſprechende Weiſe vorgetragen, daß das freundlich ausgeſtattete Büch⸗ lein mit Ueberzeugung als ein eben ſo belehrendes als unterhaltendes empfohlen werden darf. 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