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Viele Geister erfassen von vorn herein weder die Trag- weite noch die mögliche Ausdehnung eines Gegenstandes. Sie sehen erst dann die allgemeinen Linien eines Ge- bäudes, nachdem sie dessen Zugänge durchschritten und seine Perspectiven abgemessen "haben. So ist es dem Verfasser mit dem vorliegenden Buche ergangen. Gar manche Seiten erschienen erst in einer periodischen Zeitschrift, ehe man nur daran dachte, sie in einem Werke zu vereinigen. Der grössere Theil dieser einzelnen Abhandlungen erschien in der „Revue des deux Mondes“; andere, mehr beschreibenden Inhalts, in „La Nature“, herausgegeben von G. Tissan- dier; letztere waren mit künstlerisch und treu aus- geführten erläuternden Illustrationen ausgestattet. Später verfiel der Verfasser auf den Gedanken, diese zerstreuten, zu sehr verschiedenen Zeiten ver- fassten Studien zusammenzustellen, was um so thun- licher erschien, als ein sichtliches Band sie mit einander ohne Beschwerde verknüpft. Man konnte leicht er- yın VORWORT DES VERFASSERS. kennen, dass sie einer und derselben Reihe von Unter- suchungen und Gedanken angehören und sich leicht in solcher Weise in einen Rahmen zusammenfassen liessen, dass sie ein Ganzes darstellten. h Der Verfasser hielt es für nützlich, manche noch sehr neue Kenntnisse zu verbreiten, die bis dahin nur wenig Anklang gefunden hatten und deshalb, trotz ihrer Wichtigkeit, dem Nachdenken der meisten fran- zösischen Leser entzogen waren. — Nichtsdestoweniger enthalten diese Kenntnisse die bemerkenswerthesten Entdeckungen der „Paläontologie“ und ganz besonders der „Paläontologie des Pflanzenreiches“. Es handelt sich hier übrigens nicht um rein tech- nische Beschreibungen, die in der an und für sich ge- wiss sehr interessanten Arbeit der Wiederherstellung eines ausgestorbenen Wesens durch Zusammenstellung seiner Reste zusammenlaufen. Dieses Buch setzt sich ein höheres und weiter entlegenes Ziel; es beschäftigt sich mit der Erscheinung des Lebens selbst in seiner dunkelsten und verschleiertesten Seite, mit seinem Ur- sprunge, seinem Fortgange, mit der Geschichte seiner allmäligen Entwickelung und Vervollkommnung; es sucht Vorgänge zu enträthseln, deren Triebfedern und Bedeutung man kaum zu erfassen beginnt. Mein Buch wendet sich demnach an verschiedene Classen von Lesern: an die Denker wie an die Gebilde- ten, welche sich ohne allzu grosse Mühe zu unterrichten wünschen; an die Philosophen, welche dem Studium der Naturwissenschaften mehr fern geblieben sind, wie an die eigentlichen Naturforscher; endlich an Alle, welche sich für den Fortschritt der beobachtenden Wissenschaften interessiren und die nicht obne Grund glauben, dass die unablässige Erforschung der Natur VORWORT DES VERFASSERS. VII einige ihrer Gesetze, wenn nicht alle, würde entdecken lassen. Es wäre thörıcht, die Existenz des Problems der „Schöpfung“, das früher so einfach, dem Fassungs- vermögen des Menschen so zugänglich und innerhalb der Grenzen der geschichtlichen Chronologie eingeschlos- sen erschien, nur aus dem Grunde leugnen zu wollen, weil es in unberechenbare Ferne entrückt scheint. Die Factoren des Problems stehen zwar weiter entfernt, aber sie sind in keiner Weise, wie man zugestehen muss, umgekehrt worden. Die Ebenen des Horizontes mögen sich noch so sehr vervielfältigen, aufrollen und vor uns entweichen, die gegenseitige Ordnung der Dinge, welche wir betrachten, bleibt deshalb doch immer genau dieselbe. Um in ihrer Vergangenheit zugänglich zu werden, musste „die Pflanzenwelt“ unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten in zwei Abschnitten behandelt werden; in dem ersten Theile wollte ich die allgemeinen Fragen behandeln, welche durch die Untersuchung der fossilen organischen Reste aufgeworfen werden und somit die theoretischen Grundlagen besprechen, auf welche diese Untersuchung sich stützt; im zweiten Theile suchte ich in Kurzem die Geschichte der verschiedenen Vegetations- perioden darzustellen und die Physiognomie der unter- segangenen Landschaften, sowie der vornehmlichsten Pflanzen zu zeichnen, welche sie schmückten. Die Umwälzungen, welche mehrmals in der Flora der Erde auftraten, werden in diesem zweiten Theile auf ihre Ursachen hin untersucht und ihre Charaktere bestimmt. — In einem Schlusscapitel versuche ich den jedenfalls sehr verwickelten Fortgang darzustellen, in welchem sich das ganze Pflanzenreich durch die VIII VORWORT DES VERFASSERS. geologischen Perioden hindurch entwickelt hat; ich suche darin theils die dem Organismus selbst inne- wohnenden, theils die vom aussen her einwirkenden Ursachen, welche unaufhörlich bei den Pflanzen aller Epochen Veränderungen von sehr verschiedenem Werthe erzeugten, so weit möglich zu beleuchten. Ich statte hier einen gemeinsamen Dank "allen denen ab, welche mich unterstützt und berathen haben; ihre Namen finden sich auf mancher Seite dieses Buches, dessen bessere Hälfte sie beanspruchen können; ihre vollständige Aufführung würde zu weit führen. Der wiederholte Austausch von Ansichten und Docu- menten verpflichtet mich aber zu besonderem Dank gegen die Herren Schimper, Heer, Lesquereux, Decaisne, Gaudry, Tournouer, Grand’Eury und Falsan, die ich häufig in Anspruch nahm. Endlich wäre ich undankbar, wenn ich nicht meinem Freunde Marion, Professor an der Facultät der Wissenschaften in Marseille, einen besonderen Platz einräumte Ich verdanke ihm mehrere, ebenso wissenschaftlich als künstlerisch ausgeführte Zeichnungen, und überdem hat er noch die Bogen dieses Werkes in Beziehung auf den geologischen Theil, mit dem er besonders vertraut ist, durchgesehen. — Ich bin glücklich, ihm meinen Dank aussprechen zu können. G. von Saporta. VORREDE DES ÜBERSETZERS. Mit besonderer Genugthuung, muss ich gestehen, bin ich der Aufforderung des Verlegers gefolgt, eine deutsche Uebersetzung des vorliegenden Buches zu besorgen. „Es macht immer Freude,“ hatte ich in einem Feuilleton der „Neuen Freien Presse“ bei Besprechung des Saporta’schen Buches gesagt, „ein nicht nur durch seinen inneren Gehalt, sondern auch durch seine äussere Ausstattung ansprechendes Buch zu durchblättern, und wenn zu diesen Vorzügen sich noch ein leichter, ge- fälliger Styl gesellt, der selbst dem Laien das Gefühl erweckt, als habe er Alles ebenso leicht verstanden als gelesen, so lässt man das Buch nicht eher aus der Hand, als bis man an der letzten Seite angelangt ist.“ „Das Bestreben, die Errungenschaften der Wissen- schaft grösseren Kreisen zugänglich zu machen oder, wie man zu sagen pflegt, populäre Bücher zu schreiben, hat freilich diesseits wie jenseits der Vogesen eine An- zahl von Schriften hervorgerufen, die grösstentheils besser ungedruckt geblieben wären. Viele Unberufene glaubten populär sein zu können, indem sie die Blössen ihrer Unkenntniss in einen Phrasenschwall verhüllten, x VORREDE DES ÜBERSETZERS. der um so hohler klang, je gewaltiger er sich auf- bauschte; Andere meinten in der plattesten Trivialität den Schlüssel zu Kopf und Tasche ihrer Leser entdeckt zu haben. Aber- und abermals wurden dieselben schon längst abgegessenen Schüsseln wieder aufgetragen. Es gruselte Einem schon im Voraus, wenn man irgend eine „Schöpfungsgeschichte“ oder „Bilder“ aus einem der drei Naturreiche aufschlug — man wusste, dass das alte Tretrad mit denselben Staffeln aufs Neue in Bewegung gesetzt war.“ „Neben diesen Erzeugnissen, deren Entstehung im Grunde nur durch das Bedürfniss der Verfasser erklärt werden kann, einige berufsfreie Stunden auszunutzen, erscheinen aber von Zeit zu Zeit Producte einer, wenn ich so sagen darf, nobelen oder aristokratischen Popu- larıtät, deren Verfasser über einen reichen Schatz selbst- gefundener Thatsachen und Wahrheiten frei und selbstän- dig disponiren und sich durch angestrengte, in die Ein- zelnheiten sich vertiefende Arbeit die Fähigkeit erworben haben, das von Anderen herbeigeschaffte Material kritisch beleuchten und die Spreu von dem Weizen trennen zu können. Es ist freilich nur Wenigen gegönnt, sich aus der drückenden Wucht der Detailforschungen einen freien Ueberblick über das Ganze zu retten, und häufig genug wird diese geringe Zahl noch durch den Um- stand decimirt, dass diese Männer nicht in dem erfor- derlichen Maasse über die Leichtigkeit, Durchsichtigkeit und Knappheit des Styls gebieten, der zur Lösung einer wahrhaft populären Aufgabe unseres Erachtens wesentliche Bedingung ist; wo aber diese Figen- schaften zusammentreffen, da kommt auch ein Werk zu Stande, welches dauernden Werth hat und den Männern der Wissenschaft selbst den grossen Dienst VORREDE DES ÜBERSETZERS. XI leistet, einen festen Grund zu schaffen, auf dem sie weiter bauen können. Ein solches Buch ist dann nicht ein aus zwölf vorausgegangenen Büchern gemachtes Extract, sondern eine Darstellung des gegenwärtigen Standes der Wissenschaft mit ihrer thatsächlichen Grundlage und ihren Aspirationen für die nächste Zukunft.“ | Das vorliegende Buch entspricht, meiner Ueber- zeugung nach, diesen Anforderungen. „Der Verfasser, Gaston de Saporta, ist ein wirklicher Graf aus altem, zu Aix in der Provence an- sässigem Hause, den Forschern längst bekannt durch seine ausgedehnten Untersuchungen über fossile Pflan- zen, durch die „Revue des deux Mondes“ auch bei dem literarischen Publicum Frankreichs eingeführt. Ein Graf, der sein Leben der Wissenschaft gewidmet hat, der arbeitet wie ein Professor, als ob er dafür bezahlt wäre, ist immerhin eine Seltenheit.“ „Graf Saporta ist nicht seiner Geburt, sondern seiner Leistungen wegen Correspondent der Pariser Akademie der Wissenschaften und — was das Merk- würdigste vor Allem ist — ausgesprochener Darwi- nist. Sicherlich ist das keine ererbte, sondern erworbene Eigenschaft, erworben durch seine Forschungen über die Entwickelung der Pflanzenwelt während der Erd- geschichte, aber gerade deshalb um so kräftiger ein- gewurzelt in seiner ganzen Behandlungsweise des Ge- genstandes. Wenn man weiss, wie ablehnend sich bisher die Akademie gegen die durch Darwin hervorgerufene Richtung der exacten Wissenschaften verhalten hat, mit welcher Hartnäckigkeit bisher jedem Franzosen, der sich zu der Descendenztheorie bekannte, die Thür zu dem höchsten wissenschaftlichen Institut Frankreichs XII VORREDE DES ÜBERSETZERS. verschlossen wurde, mit welchem Widerstreben man Darwin selbst die Anerkennung versagte, die ihm schliesslich doch nicht vorenthalten werden konnte, und mit welch saurem Gesichte man Darwinisten aus anderen Ländern zu Correspondenten ernannte, weil man keine Männer anderer Richtung mehr finden konnte — wenn man dies Alles weiss und noch hinzufügt, dass eine Menge jüngerer Kräfte in Frankreich ihre An- schauungen verdecken und bemänteln müssen, weil ihre Laufbahn und ihr Fortkommen sonst in Frage gestellt wären, so gewinnt die Thatsache, dass Graf Saporta, frank und frei mit seinen Ansichten hervortretend, ein ganzes Capitel des ersten allgemeinen Theiles seines Buches der Evolutionstheorie widmet, eine höhere Bedeutung. Es gräbt und wühlt unter dem Drucke, welchen die grossentheils aus älteren Herren zusammen- gesetzte Akademie in Paris ausübt, und man wird sich nicht wundern dürfen, wenn eines schönen Tages der Boden unter ihren Füssen sich spaltet und aus dem Risse der Darwinismus unter allgemeiner Zustimmung sein Haupt erhebt.“ Mit diesen Worten glaube ich denn auch die wesentlichsten Vorzüge des Buches bezeichnet zu haben, das eine wesentliche Lücke in unserer Literatur ausfüllt. Wir besitzen in der That zwar viele und werthvolle Arbeiten über die fossilen Pflanzen, aber keine, welche in übersichtlicher Darstellung die Resultate der Untersuchungen zusammenfasst und die Schlüsse daraus zieht, welche in Beziehung auf die Umwandlung und Abstammung der einzelnen Pflanzen, auf das in der Vorwelt herrschende Klima, die Gestaltung des Bodens und die vielfachen Wechselbeziehungen zwischen Pflanzenreich und Thierreich gezogen werden können. VORREDE DES ÜBERSETZERS. XIII Während die Mannichfaltiekeit der inneren Organisation in gar mancher Hinsicht die Betrachtung des Thier- reiches zu solchen Untersuchungen vorziehen lässt, bietet wieder nach anderen Richtungen hin die Pflan- zenwelt durch ihre Fesselung an den Boden, durch die Einfachheit ihrer inneren Structur und die Verlegung ihrer wesentlichen Modificationen in ihre äusseren Or- sane Vorzüge .dar, welche nicht unterschätzt werden dürfen. Ich verweise in dieser Hinsicht besonders auf das Capitel über die alten Klimate, in Beziehung auf deren Bestimmung ‚und Begrenzung unzweifelhaft ‘den Pflanzen das entscheidende Wort gebührt. Was ich noch besonders als Vorzug des Buches betonen möchte, das ist die stete Beschränkung auf die wirklich beobachteten Thatsachen und die gänz- liche Ausschliessung jener krankhaften Fehlgeburten einer überhitzten Phantasie, womit, leider! die Stammes- geschichte des Thierreiches in der jüngsten Zeit über- bürdet worden ist. Saporta construirt weder Ur- pflanzen, noch Ur-Monocotyledonen und Dicotyledonen; er erfindet nicht, sondern bemüht sich vielmehr, die beobachteten Dinge zu verknüpfen, soweit Zeit und Ort es gestatten. Er lässt sich freilich auch auf Hypo- thesen ein, sogar auf manche, wo wir ihm nicht zu folgen vermögen — aber wo er dies thut, gesteht er es offen ein und handelt nicht wie manche unserer Zeitgenossen, welche ihre Hypothesen für Thatsachen und ihnen unangenehme Thatsachen für Hypothesen oder Irrthümer ausgeben. Unser Verfasser sagt un- umwunden, dass er solches nur als Hypothese behandle, bereit, sie augenblicklich aufzugeben, sobald Thatsachen ihr entgegenstehen. Damit müssen wir uns durchaus einverstanden erklären; ohne Ausblicke in die Ferne, xIV VORREDE DES ÜBERSETZERS. über die Thatsachen hinaus, fehlt der Wissenschaft der treibende Sporn, der zu weiteren Untersuchungen und Entdeckungen veranlasst; sobald aber diese Ausblicke, die oft sogar nur Ahnungen sind, sich den Anschein geben, als seien sie wirkliche, thatsächliche Gestal- tungen, so verliert die Wissenschaft den festen Grund, auf dem sie bauen muss, und jagt mit vollen Segeln in die Trugbilder der Naturphilosophie hinein. Ueber meine Rolle als Uebersetzer habe ich nur wenig zu sagen. Ich halte es für Pflicht des Ueber- setzers, den Verfasser möglichst in demjenigen Kleide vorzuführen, in welchem er sich selbst dem Publicum vorgestellt hat. Ich bin hinsichtlich mancher geolo- gischer und allgemeiner Ansichten, welche der Ver- fasser entwickelt hat, nicht einig mit demselben; aber da diese Verschiedenheiten der Meinung nur mehr nebensächliche Dinge, nicht den Kern der Sache selbst betreffen, so halte ich weder den Text des Buches noch die Vorrede für den geeigneten Ort, Discussionen darüber zu eröffnen. So möge denn das Buch demjenigen Publicum, welches seine Kenntnisse bei angenehmer Lectüre be- reichern und sich über die Herkunft und Entwickelung des heutigen Pflanzenschmuckes unserer Erde unter- richten will, auf das Wärmste empfohlen sein. Genf, im November 1880. DI Vo2R INHALTSVERZEICHNISS. Seite BarmorIdes Verfassen a ea a DATEN V Worrede desüljebersetzerse . 2 een MAR Par a a ER IX Erster Theil. Die Erscheinungen und die Theorien ......... ER 1 Erstes Capitel. Der Ursprung des Lebens und die ersten Landorganismen ..... 3 en a TEE a Re 4 En EEE EIER HEN. 22 IE a a UN ANEIEN dan RER 38 Zweites Capitel. Die Evolutionstheorie und der Transformismus . . . .. 2. 2 2 2... 50 IE EEE En N Vie et Rn 52 TE A sata re Tr RAT IC 74 PETRUS a RE 2 TEN A EN FR 37 Drittes Capitel. DiegAtenekimate ee ee et 108 Ve EN ee Ne 109 A Re I RER, 05 Berline An 7 IR. er ee Va Er BEER RR. >, 139 Zweiter Theil. Beaererabionsperioden ..4.“.n ee 151 Vorläufige Bemerkungen über die Vegetationsperioden N 153 xVI INHALTSVERZEICHNISS. Erstes Capitel. Die Vegetationsperioden der primären und secundären Epochen . . . 1: Prasordmal-Bpochev.. 00 0 en Re N Re 1. SEgoBbe,der 'Steimköhlen... "2..14..Weren seen Perg: ee HI. Secundäre oder mesophytische Epoche... .. 2... 2... IV. Epoche der Kreide vom Beginn des Cenoman . .»...... Zweites Capitel. Die Vegetationsperioden der Tertürzeit ......-. I. III. IV. v. YI. N orlaufge Bemerkungen. me ee 0 Baer Palaepeene Perioder. 3 UN STE RD SIE ge Eineene "Periode .... “sen... el ee m Na a Oligocene oder tongrische Periode. ...... 2.2...» Miocenperiode 5.2. sgaikemeia nn an. ee Be Cor Aguitanische Unterperioder.:... « #202 4 sr zr Unterperiode ‘der ’Mollasse 7; 5: =% =, 1:11.21... 200 u Pliocenppriode, "ur 2.2 2 wen, Draht De Drittes Capitel. Allgemeine Ueberblicke über die Gesammtheit der Perioden. ... . . Verzeichniss der Tafeln und der Figuren im Texte ......... Alphabetisches Register der Gattungen und Figuren ........ ERSTER THEIL. DIE ERSCHEINUNGEN UND DIE THEORIEN. Saporta, die Pflanzenwelt. 1 ER * 5 f < % CORTERIS MORIERI, SAR ! Die älteste bekannte Landpflanze.) Graf von Saporta. Die Pflanzenwelt. Lich. Ant. Inst.v. C.Bollmann, Gera. Erstes Capitel. Der Ursprung des Lebens und der ersten Land- organismen. Das Leben ist ebensowohl die wunderbarste als unbegreiflichste Erscheinung. Es zeigt sich nicht nur in der verschiedensten Weise, sondern wohnt auch zu gleicher Zeit in uns und ausser uns. Das Leben erzeugt den Gedanken und nichtsdestoweniger unternimmt dieser auf sich selbst zurückkehrende Gedanke die Erforschung des Lebens, dessen einzelne Triebfedern er wissbegierig untersucht. Das Leben wird auf diese Weise ebenso wie die ganze Aussenwelt ein objectives Phänomen. Wie der Raum, die Zeit und die Schwerkraft scheint das Leben in den Wirkungen, die man ihm zuschreiben kann, durchaus unbegrenzt. Doch besitzt es die Eigenthümlichkeit, dass es sich nicht selbst genügen kann, sondern nothwendig fremde Elemente in seinen Nutzen verwenden und aus ihnen die Bedingungen seiner eigenen Existenz ableiten muss. Ueberall hängt es von Zufälligkeiten ab und kann nur unter der Herrschaft bestimmter äusserer Ursachen bestehen. Man kann indessen nicht behaupten, dass es eine nothwendige Folge dieser äusseren Bedingungen sei. Es ist im Gegentheile gewiss, dass es nicht immer auf unserem Erdballe existirte, wie es andererseits sicher ist, dass es eines Tages aufhören kann. Man muss fernerhin bemerken, dass das Leben, weit entfernt sich immer selbst gleich zu sein, im Gegentheil ausserordentlich verwickelt, progressiv und bildsam ist. Es hat sich nach gewissen Richtungen und bestimmten Regeln entwickelt. Es schreitet einem Ziele entgegen, dessen Ende uns noch unbekannt ist, und entfernt sich mehr und mehr von seinem ursprünglichen Zustande, Das Leben kann in dieser 1* Ok 4 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Beziehung mit den Nebelflecken des Sternenhimmels verglichen werden, die sich nach und nach bilden und verdichten; wie diese hat es seine Geschichte und geht einem-Endziele entgegen. Wenn dieses Endziel wie dasjenige der Nebelflecken uns noch im Dunkel der Zukunft verborgen bleibt, so können wir uns doch eine ungefähre Vorstellung machen von dem was das Leben war in einer Zeit, welche dem ersten Beginne desselben nahe kam. 1. Das Leben ist bewusst oder unbewusst, empfindlich oder un- empfindlich; es zeigt alle Uebergänge von dem ausgesprochensten Ich, welches der menschlichen Persönlichkeit entspricht, bis zur vollständigsten Unempfindlichkeit der Flechte, welche an dem Stein haftet. Auf allen Staffeln dieser ungeheuren Stufenleiter besitzt das Leben immer Elementartheile, die entweder allein oder durch Verbindung mit einander die doppelte Fähigkeit besitzen, sich zu ernähren und zu vervielfältigen. Das Leben entnimmt der un- organischen Natur Stoffe, deren es bedarf um sich zu unterhalten und auszubilden, und es hält diese Stoffe kürzere oder längere Zeit zurück, um sie besonderen Behandlungen und Einflüssen zu unterwerfen. Jedenfalls scheinen die Triebfedern, welche das Leben in Bewegung setzt, sich nur in der Weise bei den höheren Wesen zu vervollkommnen, dass sie zugleich verwickelter und dadurch leichter angreifbar werden... Wir lassen das weite Feld, welches die Physiologie erkoren hat, bei Seite, wollen aber doch auf die Vorgänge des organischen Lebens etwas näher eingehen. Jeder Theil, der einer Function entspricht, bildet ein Organ, jede Vereinigung von Organen zu einem gemeinsamen Zwecke bildet einen Körper; jeder Körper ist eine specielle Werkstatt, ein begrenzter Mittelpunkt oder, mit anderen Worten, ein Individuum. Das Leben tritt durch die -Individuen in die Erscheinung; es existirt nur durch sie, wird geboren und stirbt mit ihnen; aber jedes lebende Individuum ist immer die unmittelbare Fortsetzung eines früheren Individuums und häufig auch der Ausgangspunkt neuer Individuen. So entsteht eine Kette, deren Ringe durch unzählige Verbindungen mit ein- ander verknüpft sind, aber zugleich eine Menge von Zwischenräumen und Unregelmässigkeiten zeigen. Das Leben ist zu gleicher Zeit URSPRUNG DES LEBENS. 5) ein Eines und ein Vielfältiges: Vielfältig durch die Indi- viduen, die es repräsentiren und die eine ausserordentliche Menge von gleichzeitigen oder auf einander folgenden Formen zeigen; Einheitlich wegen der Bande, welche die individuellen Reihen mit einander verknüpfen und sie schliesslich in einem Stamme oder einem gemeinsamen Typus vereinigen, von welchem sie ur- sprünglich alle abgeleitet scheinen. Einheit und Vielfältigkeit sind die beiden grossen Kennzeichen der Lebenserscheinungen. Die Vielfältigkeit lässt sich durch die Unähnlichkeiten jeder Art erkennen, welche die lebenden Wesen von einander trennen. Man weiss, dass die Erde niemals längere Zeit von denselben Thieren und Pflanzen bevölkert war: der äussere Anblick, die Gestalten, die relativen Proportionen waren beständigen Aende- rungen unterworfen. Der wichtigste Unterschied, welcher die Producte des Lebens scheidet, rührt von der gleichzeitigen Existenz zweier Entwickelungsweisen her, der thierischen und der pflanz- lichen. Die eine empfindet, die andere nicht; die eine besitzt wenigstens Rudimente eines Nervensystems, die andere ist allein auf die Functionen der Ernährung und der Fortpflanzung beschränkt. Unter dem nothwendigen Einflusse des Lichtes übt das Pflanzen- reich seine wesentlichste Function aus, die darin besteht, dass es durch Aufnahme und Zersetzung der Kohlensäure die grüne Sub- stanz der Blätter fixirt. Das andere Reich kann in vielen Fällen des Lichtes entbehren, obgleich es allein die Organe besitzt, welche zu dessen Auffassung und Empfindung bestimmt sind. Es bedarf aber des Sauerstoffes und verbrennt dieses Gas, welches dadurch eine Wärmequelle wird. Es hat Empfindung und bringt willkürliche Bewegungen hervor. Das ist nicht Alles: Die Ver- schiedenheiten des Lebens werden noch auffallender, wenn man nur die Individuen ins Auge fasst. In der That bleibt das Indi- viduum innerhalb der Grenzen seiner besonderen Existenz sich selbst ebensowenig ähnlich, als es die Reihen der Lebewesen sind, wenn man sie auf verschiedenen Stufen ihrer Geschichte beobachtet. Bald sind es stufenweise Veränderungen, welche die verschie- denen Lebensalter bilden, bald stärker ausgeprägte Umwand- lungen, die wir als Zustände bezeichnen, oder endlich wahrhafte Umgestaltungen, welche das Wesen ganz neuen Lebensbedingungen unterwerfen; diese letzteren nennen wir Metamorphosen. Die 6 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Trennung der Geschlechter bei den Pflanzen und bei den Thieren, der Dimorphismus oder die beständige Zwiefältigkeit gewisser Unterschiede in der Structur, selbst die Kreuzung und jene Tausende von kleinen Aenderungen, welche der Organismus in jedem Augenblicke zeigt, bilden unter den Händen der lebenden Natur ebensoviele Mittel, deren sie sich bedient, um eine sehr grosse Verschiedenheit, ja sogar eine beständige Beweglichkeit in ihren Producten herbeizuführen. Die Einheit besteht nichtsdestoweniger am Grunde dieser Verschiedenheiten aller Grade. Sie bildet die Grundlage und wahrscheinlich auch den Ausgangspunkt derselben. Buffon hat gesagt, dass die Fähigkeit der Vervielfältigung, wie sie alle leben- den Wesen besitzen, mehr Gemeinsamkeiten unter ihnen wahr- scheinlich mache, als man von vornherein vermuthen könne. Um die Tiefe dieser mehr als ein Jahrhundert alten Bemerkung zu be- greifen, muss man die wahre Bedeutung der Zustände aufsuchen, die von allen Wesen durchlaufen werden, aber bei den niederen immer deutlicher ausgesprochen sind. Die Individuen, die zu den höheren Typen gehören, bleiben in der That während der Zeit ihres Lebens immer sich selbst ähnlich. Ihre verwickeltere und specialisirtere Organisation gestattet weit weniger jene schnellen Umwandlungen, jene zweifelhaften Mischungen, welche den Or- ganen der niederen Wesen erlauben, sich mehr als einer Function anzupassen und dieselben nach einander oder sogar gleichzeitig auszuüben. Das Leben der höheren Organismen beschäftigt sich damit, diejenigen Theile des Körpers, deren Lagerung und Function sich etwa in derselben Weise von der Geburt bis zum Tode erhalten, während des Embryonalzustandes anzulegen und auszuarbeiten, während der Kindheit zu entwickeln und dann während einer gewissen Zeitdauer zu erhalten. Man muss bei den Wirbelthieren bis zu den Amphibien hinabgehen, um mehr als einen Zustand nach der Geburt zu finden. Je weiter man zurück- seht, desto mehr vervielfältigen sich diese vorübergehenden Zu- stände. Die Insecten machen gewöhnlich vier Zustände durch: Beim Verlassen des Eies sind sie eine Larve, dann eineNymphe und zuletzt ein vollkommenes Insect. Nur in diesem letzteren Zustande sind sie reproductionsfähig; aber andere Wesen, seien es Thiere oder Pflanzen, besitzen die seltsame Fähigkeit, einen URSPRUNG DES LEBENS. 2 dieser Zustände durch Fortpflanzung zu erhalten, so dass er während einiger oder mehrerer Generationsfolgen permanent wird. Diese Erscheinung nennen wir den Generationswechsel. Die Anpassung an eine bestimmte Lebensart ist bei den niedersten Wesen in keiner Weise exclusiv und geordnet, sondern unbestimmt und vielfältig. Das Leben spaltet sich in eine Folge von einzelnen Zuständen und die Persönlichkeit des Individuums nimmt mehr und mehr ab. Wenn wir uns zu weniger unvoll- kommenen Typen erheben, so sucht eine umgekehrte Bewegung einen der Zustände über die anderen hervorzuheben, so dass diese letzteren sich mehr oder minder jenem Einen unterordnen, der dann einzig den Vorzug der Fortpflanzungsfähigkeit besitzt. Alle übrigen Zustände erscheinen dann nur als Vorläufer dieses einen Zustandes der Reife, in dem sie wie in einem unvermeidlichen Ziele enden. Die successiven Zustände, welche von den niederen Typen durchlaufen werden und für diese ein Mittel relativer Ver- vollkommnung darstellen, werden von den höheren Typen einer jeden Reihe bald während des embryonalen Lebens, bald während der ersten Kindheit schnell zurückgelegt. Die Metamorphose kürzt bei den dazwischen liegenden Typen die Dauer der stufenweisen Veränderungen ab, indem sie eine plötzliche und allgemeine physiologische Krisis verursacht. Die Vorgänge der embryonalen Entwickelung werden hier, um es genauer auszudrücken, in eine andere Existenzperiode verlegt. Auf diese Weise verlieren viele Thiere frühzeitig die Fähigkeit der Bewegung, indem sie sich auf dem Boden der Gewässer ansiedeln. Dieser unbewegliche Zustand, der sich bei ihnen so sehr verlängert, dass er der wesentlichste wird, findet sich aber niemals allein; es geht ihm immer ein anderer, frei beweglicher voraus, der freilich oft nur kurze Dauer zeigt. So schwimmen die jungen Austern sehr lebhaft umher, bevor sie sich an dem Orte befestigen, wo das Ankleben ihrer Schalen sie während der übrigen Lebenszeit zurückhält. Ebenso verhalten sich die Larven der Schwämme und der Korallenpolypen. Diese Thiere, welche anfänglich Wimpern besitzen, mittelst deren sie schwimmen können, werden frei geboren; sie werden erst später unbeweglich und verlieren ihre frühere Gestalt, die einen, um eine beinahe unempfindliche, unförmige Masse zu werden, die anderen, um sich durch Knospung zu vervielfältigen und gewissermaassen 8 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. ein Strauch mit lebender Rinde und blühenden Aesten zu werden. Hält man sich an die niedrigsten Pflanzen, so sehen wir diese mehrere Zustände durchlaufen, von welchen einige sich so sehr von dem wesentlichsten Charakter des Pflanzenreiches, näm- lich der Abwesenheit willkürlicher Bewegung entfernen, dass man sich fragen darf, ob nicht das ganze Pflanzenreich aus einer sehr alten Anpassung hervorgegangen sei, die nachher für alle Pflanzen absolut und allgemein geworden wäre. In diesem Falle, der nur als reine Hypothese aufgestellt werden kann, hätte das ursprüng- liche Ereigniss durch seine weitere Entwickelung sich allen übrigen Einflüssen substituirt und schliesslich jene Menge un- beweglicher und an den Boden befestigter Organismen erzeugt, die wir Pflanzen nennen. Die niedrigsten Typen der Pflanzenwelt aber, die zugleich die ältesten sind, entbehren in der That weder der Bewegung noch der Bewegungsorgane, obgleich diese Eigen- schaften sich bei ihnen nur während einer sehr kurzen Periode zeigen, die auf die ersten Augenblicke ihrer individuellen Existenz beschränkt ist, Die Oscillarien, Algen des süssen Wassers, die Diatomeen, deren Stellung noch zweifelhaft ist, zeigen Bewegungen, deren Natur noch zu dunkel ist, als dass man daraus Schlüsse ziehen könnte; aber die Zoosporen oder belebten Keimkörperchen der Conferven (fadenförmige Pflanzen aus der Classe der Algen) be- wegen sich nicht anders als die Larven der Schwämme und die Samenthierchen der höheren Thiere. Die Zoosporen schwim- men mittelst ihrer am Vorderende ihres Körpers angebrachten Wimpern unmittelbar nach ihrem Austritt aus der Mutterzelle frei umher, bis zu dem Augenblicke, wo sie sich auf dem Grunde des Wassers festsetzen und eine Alge entstehen lassen, die derjenigen ähnlich ist, von der sie entstammen. Diese Erscheinung, die von ausserordentlicher Wichtigkeit für die Betrachtung der möglichen Entstehung des Lebens ist, findet sich nicht allein bei den Algen; alle Cryptogamen und namentlich die Farne zeigen Beispiele davon. Die Sporen, oder eigentlich die Keimkörnchen (Semi- nula) dieser Pflanzen erzeugen nicht unmittelbar einen Stock, ähnlich dem, von welchem sie entstammen, sondern vielmehr ein Zwischenorgan, Prothallium genannt, eine Art häutige Aus- URSPRUNG DES LEBENS. 9 breitung, welche die eigentlichen Fortpflanzungsorgane trägt. Die weibliche Zelle, das Archegon, sitzt fest, aber das männliche Organ oder Antherozoid besitzt Beweglichkeit. Es besteht in einem langen, spiralförmig aufgewundenen Faden, der mit Wimpern bedeckt ist und durch deren Bewegung ein kleines Bläschen fort- schiebt, das von den Windungen des Fadens umhüllt wird und den befruchtenden Körper bildet. Auf diese Weise entsteht eine Fortbewegung, deren Grund noch nicht vollständig erkannt ist und vielleicht sogar nur auf rein physikalischen Ursachen beruht, die aber immerhin an die Bewegung der Samenthierchen erinnert. Das junge Farnkraut durchläuft also nothwendig drei sehr verschiedene Zustände, bevor es der Mutterpflanze ähnlich wird. Es ist zuerst Keimkörnchen, dann Prothallium, hierauf Antherozoid. Nur durch die Vereinigung dieses letzteren mit dem Archegon schliesst diese Reihe von Umbildungen ab, deren Ana- logie mit der Erscheinung des Generationswechsels bei den Thieren jedenfalls sehr auffallend ist. Die mehr oder weniger willkürliche Bewegung zeichnet einen dieser Zustände aus, welcher vielleicht (es ist kühn, aber nicht absurd, dies zu vermuthen) einem primi- tiven Zustande entspricht, durch welchen die ganze Pflanzenwelt hindurchging, bevor sie das wurde, was sie ist. Jedenfalls kann man mit Wahrheit behaupten, dass die Pflanzen, bei welchen man diese Ortsbewegungen bemerkt, vorübergehend die Charaktere der thierischen Natur besitzen, bevor sie diejenigen sich aneignen, die ihrem eigenen Reiche angehören. Man kann behaupten, dass Alles nach der niederen Thierheit, oder, um es genauer auszudrücken, nach dem „einzelligen Zu- stande“ hin convergirt, und wenn man von den höheren Organismen absehen will, welche thatsächlich später aufgetreten sind als die anderen, so findet man sich einer Anzahl von Wesen gegenüber, die wenigstens einmal während des Laufes ihrer, in mehrere Perioden getheilten Existenz einander ähnlich sehen. Diese Aehnlichkeit ist nun am auffallendsten während des Zustandes als Keim, als Embryo oder als Fortpflanzungsorgan, d. h. am Aus- gangspunkte eines jeden Individuums. Die Verschiedenheit nimmt im Gegentheil mehr und mehr während der folgenden Zustände zu und wird im erwachsenen Zustande am grössten. Man darf aus diesen Prämissen den Schluss ziehen, dass alle diese Wesen 10 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. vielmehr durch die Umwandlungen aller Art, die sie durchlaufen, verschiedener werden, als sie es im Grunde wirklich sind. Fasst man einzig den ursprünglichen Zustand in das Auge, indem man alle anderen bei Seite lässt, betrachtet man ferner das Individuum als ein zusammengedrängtes Bild aller Umwandlungen, welche die Rasse, der es entstammt, von Anbeginn an durchlaufen hat, so erscheinen uns alle diese Wesen so, als wären sie ursprünglich nach einem einzigen Typus gebildet worden, der zwar nicht ganz iden- tisch, aber ziemlich gleichförmig war. Wir finden also am Grunde aller Erscheinungen des Lebens die Elemente einer mächtigen Einheit, die ihm als Basis oder Substratum dienen. Diese Einheit ist gewissermaassen ein fester Grund, der heute verdeckt ist, aber auf welchem unaufhörlich neue Bauwerke aufgeführt wurden, deren Flügel und Stockwerke sich vermehrten. Die Verschiedenheit ist so sehr auf diese ursprüngliche Einheit aufgepfropft, dass die verschlungenen Aeste und Zweige uns den Stamm verdecken und uns verhindern, zu beobachten, ob der Grundstock aus einem einzigen Stamme oder aus mehreren mit einander verschmolzenen Wurzelstöcken besteht. Die Grenzlinie zwischen beiden Reichen lässt sich sogar nicht mit vollkommener Sicherheit feststellen. Wenn diese Linie überhaupt besteht, so fragt es sich, worauf sie sich beschränkt? Man muss wohl zugestehen: auf eine einfache Verschiedenheit in der Auf- saugung und Aussonderung gewisser Gase und auf das Vorherrschen gewisser Substanzverbindungen vor anderen! Somit würde diese Verschiedenheit, die von keinem deutlichen Unterschiede in der Form und Structur begleitet wäre, nur einen sehr geringen Zwischenraum zwischen Wesen herstellen, die anderseits beinahe ähnliche Eigenschaften besitzen. Diese Schwierigkeit, eine Tren- nungslinie herzustellen, würde noch vermehrt, wenn diese Wesen, die einander schon unter so vielen Gesichtspunkten ähnlich sind, gleiche Wohnsitze inne hätten. Man würde dann, wie Buffon sagt, geneigt sein anzunehmen, dass sie alle derselben Rangstufe angehören. In der That ist diese Auffassung um so mehr gerecht- fertigt, als. alle lebenden Wesen ursprünglich Wasserbewohner waren. Das Meer ist wirklich der Ausgangspunkt alles Organischen; man kann mit dem ersten Buch Mosis sagen, dass der Geist Gottes eines Tages über dem Abgrunde der Gewässer schwebte und sie URSPRUNG DES LEBENS. 11 fruchtbar machte. Erst später trennten sich die Wege, die Rich- tungen, die Anpassungen; alles veränderte sich nach und nach, alles complicirte sich schrittweise. Die im Schoosse der Gewässer entstandenen Wesen konnten nur mit Hülfe neuer Umstände, welche eine ursprünglich unvollkommene und vereinzelte Bewegung allgemeiner machten, aus dem Wasser hervorgehen. Man kann leicht nachweisen, nicht nur, dass das Leben anfänglich nur im Wasser existirte, bevor es amphibisch wurde, um später erst gänz- lich ein Luftleben zu werden, sondern auch, dass das heutige Erd- leben, als allgemeine Erscheinung aufgefasst, nur aus einer verhältnissmässig neuzeitigen Periode stammt und seit seinem Auftreten der unleugbare Vorzug der edelsten und zusammen- gesetztesten Wesen und unter den Thieren der intelligentesten geblieben ist. Verweilen wir einen Augenblick bei dem Nachweise dieser ausserordentlich wichtigen Bewegung, die gewissermaassen ein Problem bildete, an dessen Verwirklichung das Leben lange Zeit arbeitete. Das Leben hat verschiedene Mittel versucht, um dieses Ziel der Existenz an freier Luft zu erreichen, und man kann be- haupten, dass es dasselbe nur durch grosse Kühnheit und Beständig- keit erreicht hat. Bronn, ein anerkannter Naturforscher unserer Zeit, betrachtete dieses Ziel sogar als das wesentlichste, nach welchem hin die organische Natur beständig gestrebt hat und bezeichnete mit dem Ausdrucke „terripetale Bewegung“ den Drang, der die grosse Mehrzahl der lebenden Wesen beständig antrieb, in dem Maasse, als sie gegen das Ziel ihrer Vervollkommnung vorschritten, das Wasser zu verlassen und sich auf dem festen Lande in freier Luft anzusiedeln, wie in einer edleren Gegend, die von ihrer ersten Wiege entfernt war. Diese flüssige Wiege aller Wesen müssen wir vor Allem in das Auge fassen. Sie bildet ein gleichmässiges und beständiges Element, das noch heute den darin wohnenden Organismen Existenzbedingungen bietet, welche denjenigen der ältesten Zeiten ziemlich gleich sind. Seit der ältesten Epoche, zu einer Zeit, wo die azoischen Gesteine!) aufhörten, wo aber Landthiere und Land- pflanzen noch vollkommen unbekannt sind, oder nur ausserordent- 1) Das heisst „unbelebte Gesteine“ oder vielmehr Gesteine, in welchen sich keine Reste organischer Wesen auffinden lassen, 12 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. lich seltene und meistens sehr zweifelhafte Reste hinterlassen haben, tritt uns schon die verschiedenartige, verwickelte und unabhängige Vervollkommnung der verschiedenen Gruppen der Seethiere als eine mit ihrer Natur innig verknüpfte Erscheinung entgegen, die ihre weitere fortschrittliche Entwickelung charakterisirt. — Aber, wird man fragen, worin besteht denn, um es genauer auszudrücken, der Fortschritt der organischen Wesen? Wir halten es für nütz- lich, die wahre Bedeutung eines Ausdruckes hier zu erläutern, den man nur zu häufig missbraucht hat, um einen leeren Phrasen- schwall daran zu knüpfen. Der Fortschritt in der lebenden Natur ist einfach eine Bewegung nach einem bestimmten Ziele hin, wie dies schon aus der Bedeutung des Wortes selbst hervorgeht. Der Organismus schreitet vorwärts; bei diesem Fortschritte verändert und complicirt er sich mehr oder weniger; daher die Vervollkomm- nung, die nur ein relativer Fortschritt ist. Die absolute Vervoll- kommnung ist das mögliche aber nicht nothwendige Resultat dieser Art des Fortschreitens. Für jedes Wesen und jede Reihe von Wesen im Besondern ist der Fortschritt demnach eine rein relative Erscheinung, und da die Art und Weise des Fortschreitens nicht für alle gleich ist, so kann sie auch nicht bei allen dieselbe Wirkung hervorbringen. Betrachtet man aber die Gesammtheit aller Lebe- wesen, so erscheint der Fortschritt als die Basis und der innerste Kern des allgemeinen Planes aller erschaffenen Dinge. Er ist der Mörtel, welcher alle Theile des Gebäudes zusammenhält, die ohne ihn unmittelbar in Staub zerfallen würden. — Heisst es nicht die prachtvollste und unwiderlegbarste Verkettung des Fortschrittes verfolgen, wenn man sich von der niederen Alge, dem einfachen Weichthiere oder von einer noch niederen Stufe bis zu dem Menschen, dem intelligenten, moralischen und religiösen Wesen erhebt? Das einzellige Wesen, fast unthätig in seiner organischen Einfachheit, zeigt sich an der Schwelle der ganzen Schöpfung; in dem Maasse, als die Jahrhunderte sich tausend- und abertausend- fach abrollen, vermehren, vervollkommnen, specialisiren und ver- zweigen sich die Wesen durch unzählige Zwischenfälle Sie gewinnen nach und nach Stärke, Geschmeidigkeit, Vielfältigkeit. Sie entfernen sich immer mehr von einander; ihre Functionen compliciren sich ebenso wie ihre Organe; ihre Fähigkeiten locali- siren sich, ihre Instincete treten hervor. Die Intelligenz erscheint URSPRUNG DES LEBENS. 13 zuletzt wie eine anfangs schwache Sonne, die sich am Horizont erhebt und endlich die Wolken zerstreut. Welch prachtvolles Schauspiel bietet die Ausführung dieses Planes, die unerbittlich weiter geht wie ein ewiges Drama, das von Act zu Act, von Scene zu Scene sich fortsetzt, um an einer unabweisbaren Lösung anzu- kommen, wo wir selbst thätig in die Handlung eingreifen, im vollen Besitze unserer Fähigkeiten und im Bewusstsein der Rolle, die uns zugewiesen ist! Alles dieses erscheint grossartig, einfach, leicht zu übersehen, und doch giebt es nichts Verwickelteres, in Folge unzähliger Unregelmässigkeiten und Abwege. Man muss dieses "höchste und letzte Resultat sorgfältig unterscheiden von den ein- zelnen Zufällen, das von dem Ganzen verfolgte Ziel trennen von den Nebenwegen, welche ebenfalls zu der Erreichung desselben beigetragen haben; so gewiss und sichtbar der Zielpunkt ist, so schwierig ist es andererseits, die Pfade zu erkennen, die dahin führen und die häufig zu gewundenen Abwegen führen, welche in wahren Labyrinthen endigen. . 8 Die Urmeere, deren Ablagerungen bei Weitem noch nicht vollständig erforscht sind, aber durch ihre Mächtigkeit sich aus- zeichnen und somit auf eine ungeheure Zeitdauer hinweisen, scheinen anfangs grossentheils unbelebt gewesen zu sein. Das Lorenz- und Huronsystem, deren Entwickelung in Canada eine verticale Mächtigkeit von 50000 engl. Fuss erreicht, enthalten keine anderen organischen Spuren, als das durchaus problematische Eozoon, das für einen Wurzelfüsser gehalten wurde!); das Cam- brische System, welches darauf folgt, enthält nach allen bis jetzt hauptsächlich in England und Schweden gesammelten Thatsachen höchstens etwa funfzig Arten, unter welchen hauptsächlich Abdrücke von Meerespflanzen und problematische Körper, die bald für Wurm- fährten, bald für versteinerte Ringelwürmer gehalten wurden, von welchen die meisten aber wohl zweifellos zu den Algen gerechnet werden müssen, während einige, wie Tigillites, wohl Wurmröhren sein mögen. Die Brachiopoden ersetzen fast gänzlich die Mollusken; einige Schwämme, Korallen und sehr seltene Seeigel vervoll- ständigen das Ganze, das, was man auch sagen mag, dennoch im 1) Möbius hat unseres Erachtens unwiderleglich nachgewiesen, dass Eozoon keine organische Bildung ist. C. V. 14 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Allgemeinen Typen enthält, welche unter denjenigen stehen, die im organischen Reiche auf sie gefolgt sind. Ist aber diese Schöpfung wirklich die erste? Drückt diese cambrische Fauna, so wie sie als erste Lebensäusserung in Europa und Amerika auf- tritt, auch wirklich den Anfang des organischen Lebens auf der Erde aus? Man darf dies bezweifeln. Man darf annehmen, dass das organische Leben ursprünglich auf eine Muttergegend be- schränkt war (vielleicht in der Nähe des Poles nach dem schönen Gedanken von Buffon), von wo aus es nach und nach sich strahlenförmig ausgebreitet habe, um schrittweise andere Regionen einzunehmen und sich von dem Becken, in welchem es entstand, mehr und mehr nach anderen Becken hin auszubreiten, in dem Maasse als dieselben günstige Bedingungen für die Verbreitung neuer Wesen boten. Wir dürfen daher nicht so ohne Weiteres annehmen, dass die genannten Schichtensysteme durch die Gegen- wart gewisser Versteinerungen uns wirklich die objective Realität der auf den Ursprung des Lebens bezüglichen Erscheinungen bieten, sie geben uns im Gegentheile nur eine Art abgeschwächten Echos dieser Erscheinung. So sehen wir nach und nach die wesentlichsten Thiergruppen sich vervollständigen: Protozoen, Zoophyten, Strahlthiere, Anne- liden, Crustaceen, Mollusken, dann Cephalopoden, endlich Fische und damit Wirbelthiere. Das Leben wimmelt frühzeitig im Grunde dieser Gewässer, ohne Zwang und ohne Hinderniss. Es entwickelt sich frei nach allen Richtungen. Das von einer unendlichen Menge kleiner, weicher, schwimmender Organismen von allen Grössen und Gestalten bevölkerte Meer hat immer seinen Be- wohnern, selbst den grössten wie den Walfischen, leichte Ernäh- rung geboten. Früher beschränkte nichts die Ausbreitung der Wesen im Meere. Mit den verschiedensten Athmungsorganen ausgerüstet, bald frei schwimmend, bald am Boden befestigt, zeigen die Meer- bewohner alle Arten der Entwickelung und verzweigen sich nach allen Richtungen, ohne dass die zunehmende Complication, welche die Vorgeschrittensten unter ihnen erlangten, zu einem anderen Resultate geführt hätte, als zu einer mehr und mehr ausschliess- lichen Anpassung an das Element, welches sie bewohnen, oder zu einem Luxus von Gestaltungen, in welchen die Natur sich zuweilen URSPRUNG DES LEBENS. 15 zu gefallen scheint, wie wenn sie uns die Beweise ihrer unerschöpf- lichen Fruchtbarkeit geben wollte. In Wahrheit unterscheidet sich die Bevölkerung der Urmeere von derjenigen unserer heutigen Oceane weit mehr durch das relative Hervortreten einzelner Gruppen als durch die Natur ihrer Gesammtheit. Anfangs untergeordnete Gruppen traten nach und nach aus der Dunkelheit hervor, während andere im Gegentheile sich erschöpften, nachdem sie lange eine hervorstechende Rolle gespielt hatten. So überträgt sich die Geschichte der Dynastien und der Menschenvölker auf das Gebiet der Paläontologie. Diese organischen Umwälzungen waren theils relativ plötzlich, theils langsam. Die Trilobiten, jene Urgliederthiere, die hinsichtlich ihrer Organisation weit tiefer stehen als unsere heutigen Krabben und Krebse, behaupten während der Silurzeit den obersten Rang unter den Seethieren. Sie vervielfältigen ausserordentlich ihre Familien, Gattungen und Arten und hören plötzlich in der Stein- kohlenzeit auf, um in unserer Schöpfung kaum durch die Molukken- krebse repräsentirt zu sein. Die Familie der Ammoniten, welche, ähnlich wie ihre entfernten Verwandten, die Argonauta, ihre zerbrechliche, oft so zierlich gezeichnete Perlmutterschale auf der Oberfläche der ruhigen und durchsichtigen Gewässer dahin trieben, verschwinden in einer bestimmten Zeit in ähnlicher Weise, wie die Trilobiten. Ihre Schalen waren so zerbrechlich und so dünn wie die feinsten Porcellanschalen, wunderbar ciselirt, ausserordentlich wechselnd an Gestalt und höchster Eleganz; verfolgt man aber die Verschlin- gungen ihrer Entwickelung durch die verschiedenen Zeiten hin- durch, sieht man, dass ihre anfänglich einfach in einer Ebene auf- gerollte Schale, die durch wellig gebogene Zwischenwände in Kammern getrennt war, später die verschiedenartigsten Combina- tionen eingeht, indem sie bald ihre Windungen auseinander rollt, bald ihre Kammerwände in mannigfaltiger Weise zusammenfaltet, so muss man zugestehen, dass dieser Typus nur durch allzugrosse Zartheit und Vervollkommnung zu Grunde ging. Wie jene bezaubernden aber zarten Blüthen, die der leichteste Windhauch von ihrem Stiele abreisst, .der kleinste Regentropfen zerstört oder ein Sonnenstrahl verwelken macht, so hatten die Ammoniten in Folge ihrer unmässigen Complication nur noch eine 16 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. schwierige und precäre Existenz. Ausgeschlossen von gewissen, ungastlich gewordenen Meeren konnte der Ammonit sich zwar noch in innere, besser geschützte Becken zurückziehen und sich dort während einer mehr oder minder langen Zeit behaupten. Aber nun wurde sein Untergang unausweichlich, da er den Kampf um das Leben nicht mehr bestehen konnte. Und doch ist das Meer trotz der Wuth seiner Wellen und dem Schrecken, den seine ' Tiefe und Unendlichkeit einflössen, für die vom Untergange be- drohten Wesen ein weit sichereres Asyl als die Oberfläche der Erde. Das Meer besitzt ungeheure Einöden, unzugängliche Schlupf- winkel, in welchen diese Wesen sich vor ihren Feinden verbergen können und in welche der Mensch bis jetzt nicht eindringen konnte, wenn er auch ihr Vorhandensein nachweisen kann. Die unter- meerischen Gründe werden bei genauerer Untersuchung uns gewiss noch manche Ueberraschung bereiten. Die Meerlilien oder Cri- noiden, die wie ein lebender Wald die meisten Urmeere bevölkerten, sind an vielen Tiefseestellen, bei Lissabon, den Antillen und neuer- lich sogar an den Küsten Norwegens nachgewiesen worden. Muscheln, welche man ausgestorben glaubte, finden sich jetzt in einigen lebenden Exemplaren in dieser oder jenen reichen Samm- lung als grösste Seltenheit. Die Ganoidfische, deren Typus der Zeit nach jenem unserer Knochenfische vorangeht, finden sich in grosser Zahl in den Seen und Flüssen des tropischen Afrika und Amerika. Eine Gattung, Ceratodus, die man seit der Triasepoche ausgestorben glaubte und deren Zähne durch ihre sonderbare Structur aufgefallen waren, ist in den Binnenflüssen Neuhollands gefischt worden. Die Gattung Ceratodus zeigt ausser der Form eines beschuppten Fisches jene seltsame Structur, die zwischen den Fischen, den Amphibien und Reptilien mitten innen steht, die in den ältesten Meeren sehr häufig war, von welcher aber die Gattung Lepidosiren bis dahin das einzig bekannte Beispiel in der lebenden Natur bildete. Das Wasser bildet ein Element, welchem die meisten niedrigen Organismen nothwendig angepasst sind. Ganze Olassen von Thieren und Pflanzen, wie die Algen, Zoophyten, Echinodermea, die grosse Mehrzahl der Mollusken und alle Fische sind an dieses Element gebannt, das sie nicht verlassen können ohne zu Grunde zu gehen. Das Wasser dient nicht nur als Lösungsmittel für die Gase, welche von diesen Wesen geathmet werden, es durchspült dieselben auch URSPRUNG DES LEBENS. 1% und durchdringt sie vollständig. Das Wassergefässsystem der Mollusken zeigt ein ganzes Netz von Canälen und Oeffnungen. Dies ist ganz gewiss einer der ausgesprochensten Charaktere einer verhältnissmässig niederen Stellung. Wenn wir eine Alge oder ein Weichthier aus dem Wasser ziehen, so vertrocknen sie und ver- lieren durch die Ausdünstung die Flüssigkeit, welche bei ihnen den Kreislauf und das Leben unterhält. Ohne Zweifel ist es nicht das Wasser als solches, welches sie belebt. Ihre Organe bereiten die Nährflüssigkeit, indem sie die nützlichen Stoffe zurückhalten und die anderen ausscheiden. Aber ihre Zellen und Fasern befinden sich in unmittelbarer Berührung mit der umgebenden Flüssigkeit, die sie bis ins Innerste durchdrinst. Hat Felix Plateau nicht nachgewiesen, dass der Tod der wirbellosen Seethiere, die man in süsses Wasser taucht, der Abwesenheit des Salzes zugeschrieben werden muss, dessen Wirkung auf die organischen Gewebe durch nichts ersetzt werden kann? Diese Gewebe sind zu porös, zu wenig geschlossen im Leben, um die Flüssigkeiten zurückhalten zu können, während dies bei den in freier Luft lebenden Wesen nothwendig geschehen muss. Diese letzteren athmen die Luft selbst, ernähren sich aber nicht damit; das Wasser ist nicht mehr der Träger der Athemgase, aber immerhin derjenige der Er- nährungsflüssigkeit. Das Wasser ist unnöthig zur Athmung, aber nöthig zur Ernährung. Es unterhält die Saftströmung und die Circulation, es badet die lebenden Körper, aber nur innerlich und muss wie in einem geschlossenen Gefässe zurückgehalten werden, um im Innern zu bleiben. Der Landorganismus, mag er nun frei oder am Boden befestigt sein, behält immer innerlich sein Wasser. Die Quantität desselben wird durch Schutzwände, Rinden, Häute, Oberhäute gegen den Verlust geschützt. Um zu diesem Resultate zu gelangen, bedurfte es so grosser Aenderungen in der Structur, dass viele Gruppen von Wesen niemals bis zum Leben auf der Erde gelangen konnten, während andere nur in unvollkommener Weise und auf Umwegen sich die Fähigkeit dazu aneignen konnten. Jedenfalls existirt zwischen den beiden Endpunkten des durch- laufenen Weges eine Menge von Zwischenstufen und unbestimmten Zuständen, die uns deutlich sehen lassen, wie viele Widerstände das Leben überwinden und wie oft es gewissermaassen umhertasten musste, bevor es die Aufgabe vollständig löste. Saporta, die Pflanzenwelt. 9) 18 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Die reinen Wasserthiere sterben sehr bald, sobald sie aus dem Wasser gezogen werden. Aber man begreift, dass eine feuchte Atmosphäre beinahe ein Aequivalent für eine umgebende Flüssig- keit sein kann. So leben die Kellerasseln unter feuchten Steinen und Moosen, obgleich sie wie andere Crustaceen durch Kiemen athmen. Die Moose und Flechten sind zwar Landpflanzen, vege- tiren aber nur unter dem Einflusse des Wassers. Diese Pflanzen bleiben unthätig bei trockner Luft und unterbrechen während dieser Zeit gewissermaassen den Fortgang ihrer Existenz. Ihr Leben hält ein, geht aber wieder weiter, sobald die Feuchtigkeit ihnen wieder neue Lebenskraft verleiht. Die Langsamkeit der Vegetation der Flechten, deren Scheibe nur an der Peripherie wächst, ist wirklich unglaublich. Ein ganzes Jahrhundert bringt bei ihnen nur geringe Aenderungen hervor, und eine solche miss- achtete Flechte reicht durch ihr Alter vielleicht weit über die historischen Zeiten hinauf. Bei diesen Pflanzen erwacht das Leben nur mit Unterbrechungen. Ebenso verhält es sich mit den Infu- sorien, welche unsere stehenden Gewässer und sogar unsere Dach- rinnen bevölkern; die Ausdünstung trocknet sie aus und verwischt jeden Schein des Lebens, dessen Functionen sie mit der rück- kehrenden Feuchtigkeit wieder aufnehmen. Diese augenblickliche Aufhebung des Lebens findet sich, freilich in weniger aus- gesprochenem Grade, sogar bei höheren Organismen. Die Versuche, welche Professor Bureau in dieser Richtung angestellt hat, be- weisen diese Lebenszähigkeit mancher Organismen und die Möglich- keit, sie nach scheinbarer Vernichtung wieder zum Leben zu erwecken. Es ist ein reiner Mechanismus, welcher seine Bewegung wieder aufnimmt, wie ein Wasserrad, welches still steht, wenn das Wasser fehlt, und aufs Neue beim Zuströmen desselben sich dreht. Farnkräuter, die man auf einem heissen Ofen so weit getrocknet hatte, dass sie bei der geringsten Berührung in Staub zerfielen, fingen wieder an zu vegetiren und ihre Blätter wie vorher zu entrollen. Das Wunder wurde durch einfaches Eintauchen in Wasser bewirkt. Die feuchte Luft war ohne Zweifel das Mittel, durch welches “das Leben früher seine Producte aus dem Wasser hervorzog, um sie auf der Erdoberfläche anzusiedeln, Die Farne, welche die ältesten uns bekannten Landpflanzen sind, wachsen am besten in URSPRUNG DES LEBENS. 19 einer nebeligen Atmosphäre. Andererseits war der Unterschied zwischen dem Wasser und der Luft ursprünglich gewiss fast auf nichts reducirt. Die mit Dämpfen überladene Luft, die beständige Regengüsse niederströmen liess, bot den Pflanzen und Thieren Lebensbedingungen, die wesentlich denjenigen analog waren, welche sie im Wasser selbst fanden. Die luftathmende Schnecke, bei welcher die Kiemen durch Luftsäcke ersetzt sind und die ausser dem Wasser athmen kann, ist nur durch eine Menge von Vorsichtsmaassregeln befähigt, sich auf dem Boden zu bewegen. Mit seiner weichen und nackten Haut kann das Thier nicht auf der Erde kriechen, ohne eine Menge von Schleim aus seinem Körper abzusondern, der seine Bewegung ermöglicht. Um sich nicht bald zu erschöpfen, bewohnt das Thier dunkle und feuchte Schlupfwinkel, die es nur bei Nacht oder an Regentagen verlässt, und diejenigen Schnecken, welche eine Schale besitzen, fürchten so sehr den Einfluss der Luft, dass sie dieselbe sofort hermetisch schliessen, sei es mittelst eines Deckels, sei es durch Absonderung eines schleimigen Saftes. In ihren engen aber sicheren Schlupfwinkeln warten diese Schalenträger oft während Monaten auf die günstige Gelegenheit. Sie sitzen still, bis die Feuchtigkeit sie aus ihrer Erstarrung weckt. Man hat sogar manchmal mit Erstaunen gesehen, dass aus Schalen, die seit Jahren in Sammlungen eingereiht waren, unter der Einwirkung eines warmen Bades die Thiere sich hervorstreckten und mit dem Leben ihre Bewegungen aufnahmen. Die Thiere und Pflanzen, von denen hier die Rede ist, konnten sich nur durch Umwege, man möchte sagen durch List, in der freien Luft ansiedeln, indem sie das Wasser an Orten aufsuchten, wo es keine grösseren Ansamm- lungen bildet. Um aber wirkliche Luft- und Landthiere zu bilden, hat das Leben die verwickeltetsten Pläne verfolgt, deren Aus- führung eine lange Zeit in Anspruch nahm. Bei den Wirbel- thieren gelangte es zu seinem Zwecke hauptsächlich durch die Lungenathmung und bei den Pflanzen durch die combinirte Wirkung einer Anzahl von Organen, die bei den niederen Gewächsen gänzlich unbekannt oder nur in rudimentären Zuständen vor- handen sind, wie z. B. die Würzelchen, welche die Stoffe des Saftes aufpumpen, das Gefässsystem, die Blätter, welche die Rolle von Luftkiemen übernehmen, endlich die Reduction der pro-embryo- 2*+ a a u: > 20 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. nalen Zustände, die bei den höheren Pflanzen schliesslich auf die Entwickelung eines in einem geschlossenen Organe enthaltenen Eies reducirt sind. Der Fortschritt eines Organismus, der sich dem Leben auf dem Lande anpasst, beruht wesentlich auf dem Vorhandensein eines inneren Reservoirs, das ihm erlaubt, die verschiedensten Functionen mit Hülfe der Flüssigkeiten, die er sich aneignet, auszuüben. Jedes Individuum besitzt solchergestalt eine Flüssigkeit, die es im Innern durchfeuchtet und in welcher die Gewebselemente die zum Wachsthum und zur Er- neuerung nöthigen Stoffe finden. Diese innere Quelle ist mit wunderbarer Kunst und Oekonomie bemessen und vertheilt, muss aber durch tägliche Zufuhr unterhalten werden. Der Durst ist nichts anderes als ein Instinct, der uns von der Verminderung des Wassers in der Flüssigkeitsmenge unseres Blutes benach- richtigt und uns auffordert, diesen Verlust zu ersetzen. Wie bei den Thieren, so hat sich auch bei den Pflanzen das Leben durch eine bessere Theilung der Arbeit emporgeschwungen. Die Apparate, welche den hauptsächlichsten Functionen ent- sprechen, haben sich durch zunehmende Localisirung vervoll- kommnet und specialisirt. Die niederen Wasserthiere, selbst die Fische, finden in der umgebenden Flüssigkeit sowohl die Gase, welche sie athmen, als auch die Stoffe, welche sie nähren. Meistens führt dieselbe Thätigkeit zu dem einen wie dem anderen Resultate. Der Fisch, der wenigstens die Structur der Wirbelthiere in rudi- mentärem Zustande besitzt, bleibt den übrigen Classen doch durch seine Kiemenathmung untergeordnet. Er zeigt keine Spur von Lungen, die sich bei den Amphibien erst nach dem Larvenzustande entwickeln und bei den Reptilien, Vögeln und Säugethieren aus- schliesslich in Function treten. Der Apparat der Athmung und derjenige des Kreislaufs, der mit dem ersteren in engem Zu- sammenhange steht, vervollkommnet sich von Classe zu Ülasse, von den Amphibien zu den Sauriern, Krokodilen, bis zu den Wirbelthieren mit warmem Blute. Bei diesen ist endlich ein kräftiger Herd zur Hervorbringung der inneren Wärme und damit der Energie und der Kraft hergestellt. Man sieht, dass das Leben, wenn es einmal an diesem Punkte angelangt ist, sich schnell voll- endet. Es konnte offenbar nur dadurch zum Maximum seiner Energie gelangen, dass es einestheils die Pflanzen dem aus dem URSPRUNG DES LEBENS. 21 Wasser aufgestiegenen Boden, andererseits die Wirbelthiere dem Leben an freier Luft anpasste. Durch diese Anpassungen, welche die ausschliesslichsten sind, die jemals auf der Erde stattgehabt haben, sind die beiden organischen Reiche in zwei durchaus ein- ander entgegengesetzte Richtungen gedrängt worden. — Es giebt weder Zoosporen noch Antherozoidien mehr bei den Phanero- gamen, d. h. den mit sichtbaren Fortpflanzungsorganen aus- gerüsteten Pflanzen. Wir finden bei ihnen weder aufeinander- folgende Entwickelungsphasen noch verschiedenartige Zustände, sondern nur Keime, die sich von der Mutterpflanze ablösen, die ihr gleichen und unmittelbar Wurzeln fassen können. Jeder Pflanzentheil hat jetzt seine bestimmte Function. Die Combina- tionen der Gestalten, der Farben, der Organe wechseln ins Unend- liche, aber sie tragen zur Harmonie des Ganzen bei und zeigen in dem Pflanzenreiche die Verwirklichung der Effecte einer leben- den Kraft, welche, wenn auch unempfindlich und unbewusst, den- noch stets wie unter einem unwiderstehlichen Drucke sich mit unerschöpflicher Fruchtbarkeit weiter bewegt hat. Wenn die vollkommen gewordene Pflanze jeder willkürlichen Bewegung beraubt ist, so entwickeln sich die entgegengesetzten Eigenschaften mehr und mehr bei den höheren Thieren besonders von dem Augenblicke an, wo sie zum Leben auf der Erde über- gehen. Sie brauchen dann nicht mehr zu befürchten an den Boden gefesselt zu werden. Die aufeinander folgenden Zustände verschwinden oder verlieren ihre Wichtigkeit. Die vollkommenste Freiheit der Bewegung und Handlung, das Aufsuchen der Nahrung, die Wahl einer Wohnung, die stets mehr sich aussprechende Fähigkeit zu wollen, zu lieben, zu hassen und zu fürchten, sind diejenigen Charaktere, welche den die Erde bewohnenden Wirbel- thieren zukommen. Eine unendliche Bahn, deren einzelne Züge der Mensch später zusammenfassen wird um den Gebrauch der Vernunft, die Aufsuchung des Ideals und den Hemmschuh der Moralität hinzuzufügen. Die Unendlichkeit einer solchen Perspective kann uns nicht verhindern, diejenige organische Function aufzusuchen, die ihr zu Grunde liest, nämlich die Lungenathmung, ohne welche die Existenz eines erdbewohnenden Wirbelthieres unbegreiflich wäre. Im Allgemeinen ist die Erscheinung eines neuen Organes gewöhn- 22 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. lich nicht eine einzeln stehende Thatsache. Das neue Organ geht meistens, wenn man sich bei seiner Betrachtung innerhalb der Grenzen desselben Kreises hält, aus der Modification eines anderen, schon vorhandenen Organes hervor, welches das neue Organ in unentwickeltem oder rudimentärem Zustande enthält, oder auch einer anderen Function angepasst ist. Man hat sich deshalb auch gefragt, ob die Fische nicht ein den Lungen der höheren Wirbel- thiere analoges Organ besitzen, welches der Vorläufer oder die erste Anlage der Lunge wäre. Dieses Organ ist die Schwimm- blase!), die man vielleicht richtiger Luftsack nennen könnte, und die vielfachen Gestaltsänderungen unterworfen ist; bei vielen Arten verschwindet sie sogar gänzlich und ist demnach zum Leben der Fische nicht unbedingt nöthig; wenn sie aber vorhanden ist, so spielt sie die Rolle einer reducirten Lunge, enthält Gase und namentlich Sauerstoff, welche das Thier nach Belieben aufsaust oder zurückhält. Bei einigen Fischen endlich, deren Structur die Typen der früheren Epochen wiederholt, nähert sich die Schwimm- blase, die man früher nur zur Erleichterung des Schwimmens durch Vermehrung oder Verminderung des specifischen Gewichts bestimmt glaubte, einer wirklichen Lunge. Sie zeigt Anfänge der Bildung von Zellen und bildet so höchst interessante Uebergänge zum Athemorgan der höheren Wirbelthiere. I. Wir haben soeben in der heutigen Schöpfung eine jener organischen Bildungen betrachtet, durch welche das Leben uns von den früher befolgten Entwickelungsprocessen Kenntniss zu geben scheint. Wie nun bei einigen Fischen mit den Kiemen zugleich noch unentwickelte Lungen vorkommen, so finden wir, dass bei gewiss®h Amphibien (Proteus, Axolotl) der Kiemenapparat neben wirklichen Lungen fortexistirt. Der Uebergang von den Lungenlosen zu den Lungenthieren bewerkstelligt sich demnach ebensowohl durch die Kiemenmolche wie durch die Fische selbst, und die Classen nähern sich auf diese Weise; wir wollen damit !) Man sehe Darwin, Ursprung der Arten; — E. Blanchard, Les Poissons des eaux douces de France, p. 94; — Claus, Lehrbuch der Zoologie. URSPRUNG DES LEBENS. 23 freilich nicht sagen, dass man mittelst der Kiemenmolche zu den wirklichen Fischen gelangen könne. In vieler Beziehung liegt noch ein bedeutender Zwischenraum zwischen beiden; aber bei Verfolgung dieser Richtung gelangt man zu Thieren, die wie die Fische nur im Wasser leben und beinahe dieselbe Rangstufe behaupten. Man darf sich nach dem Gesagten nicht verwundern, dass man bei den ältesten Landthieren Züge offenbarer Annäherung findet, welche die Amphibien einerseits und die Fische andererseits mit einander verbinden, während diese Urwesen zugleich eine gewisse Anzahl von Charakteren besitzen, welche sie als Reptilien betrachten lassen, aber als zweifelhafte und unvollkommene Rep- tilien, die, um es kurz zu sagen, noch nicht ganz zu dieser Qlasse gehören, aber doch auf dem Wege sind, sich ihr anzuschliessen. Diese Entwickelung, sagt man, lässt sich zwar nicht leugnen, beweist aber schliesslich nicht die gegenseitige Abstammung der Arten. Es ist vollkommen richtig, dass die Thatsache einer directen und unmittelbaren Abstammung sich der Beobachtung entzieht. Die Unmöglichkeit dieser Beobachtung kann uns übri- gsens an und für sich nicht überraschen, da der Process, um den es sich handelt, einen Zeitraum von unberechenbarer Dauer um- fasst und Thiere betrifft, die häufig räthselhaft oder unbekannt geblieben sind, und dies gerade in dem Augenblicke, wo man das : grösste Interesse an ihrer Beobachtung genommen hätte. Wenn indessen die Dinge so sich ereignet haben, wie sie sich bei der Annahme der Wirklichkeit der Evolution hätten ereignen müssen, wenn alle Vorgänge in der Jetztwelt wie in der Vergangenheit übereinstimmen, wenn beständig Uebergänge zwischen einander entgegengesetzten Typen nachgewiesen werden können, so darf man wohl behaupten, was freilich manchen abenteuerlich er- scheint, dass die Umwandlungstheorie sich ohne Gewalt und Zwang den bekannten Thatsachen anschmiegt. Der directe ent- scheidende Beweis ist noch zu liefern, aber man weiss sehr wohl, dass er in der Form, wie er mit Hartnäckigkeit verlangt wird, unmöglich geliefert werden kann. Stellen wir uns einmal vor, dass wir gewisse Metamorphosen der Insecten oder auch das Aus- schlüpfen eines Vogels aus dem Ei vorausgesetzt hätten, ohne den Vorgang jemals direct beobachtet zu haben. Wie wäre es möglich, 24 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. die Ungläubigen von der Wirklichkeit dieser Umwandlung zu überzeugen? Bei der uns beschäftigenden Frage fehlt uns aber nicht das verknüpfende Band selbst, sondern nur ein Theil der nöthigen Zwischenstadien. Die Lücken, welche aus der Unvoll- ständigkeit der Documente hervorgehen, lassen sich durch nichts ausfüllen. Es bleibt indessen genug übrig, um die Wissbegierde anzuspornen und sogar die Ueberzeugung hervorzurufen. Die wirkliche Convergenz der verschiedenen Wirbelthierclassen, die sich um so mehr zeigt, als man in die Vorzeit zurückgeht, ergiebt sich aus der Gesammtheit der Untersuchungen, die man über die fossilen Thiere dieses Kreises angestellt hat. Je mehr man in die Urzeiten zurückgeht, desto mehr verwischen sich die- jenigen organischen Bildungen, welche mit dem besonderen Charakter einer jeden Classe in engster Beziehung stehen. So findet man vor den Tertiärzeiten, wenn man bis zu der Jurazeit zurückgeht, keine andere Säugethiere als Beutelthiere, vielleicht sogar nur Wesen, die noch unter den Beutelthieren stehen, näm- lich Cloakenthiere oder Monotremen, Thiere, welche durch die merkwürdige Verbindung ihrer Charaktere die Säugethiere den Vögeln und den Reptilien nähern und wie mehrere der letzteren ovovivipar sind, Die Vögel schlagen nach den bis jetzt bekannten Beispielen dieselbe Richtung ein und folgen derselben sogar in noch weit höherem Maasse, denn der jurassische Vogel, welcher in Solen- hofen gefunden wurde, verkürzt gewiss bedeutend die Entfernung zwischen den Vögeln und Reptilien. Der Archaeopteryx, wie dieser Urvogel genannt wurde, hat einen langen Schwanz, aus 20 Wirbeln bestehend, die mit ebenso viel Paaren langer Federn besetzt waren; das Knochengerüst seiner vorderen Extremität war dem Fluge noch nicht angepasst, denn statt der verkümmerten Bildung der Vögel hatte Archaeopteryx an der Hand drei freie, mit Krallen bewaffnete Finger. Die Anpassung des Vogels an diejenige Lebensart, die jetzt typisch geworden ist, war demnach bei weitem noch nicht vollendet und manche Spuren des Ur- zustandes blieben bei ihm bis in das erwachsene Alter bestehen; heute beobachtet man dieselben Spuren, zudem noch wesentlich vermindert, nur noch als vorübergehende Zustände während der Entwickelung der Vögel im Ei. Ausserdem näherte sich der URSPRUNG DES LEBENS. 25 Archeopteryx der Gruppe der Dinosaurier, meist grosse, in ihrer Organisation sehr hochstehende Landreptilien der Secundärperiode, durch den Zwischentypus des Compsognathus longipes A. Wagn., der ebenfalls in Solenhofen gefunden wurde und eine Art zwei- beinigen Dinosauriers darstellt, der den Vögeln näher kommt als seine Verwandten. Auf der anderen Seite zeigen die merkwürdigen Reste vogelförmiger Thiere, die man neuerdings in der Kreide von Amerika entdeckt hat, mit zahlreichen Zähnen bewaffnete Kiefer und stellen so einen Typus von Urvögeln her, welche schon bedeutend weiter von dem Ausgangspunkte entfernt, weit weniger veptilienähnlich als der Archaeopteryx, aber dennoch durch das Vorhandensein seitdem längst verschwundener Organe, d.h. von Zähnen, sehr von den heutigen Vögeln verschieden sind. Nichts- destoweniger zeigt sich die angenommene Abstammung der Vögel noch heute durch Charakterzüge ihres Skeletes, dessen Analogie mit demjenigen der Saurier von keinem ernsthaften Forscher seleugnet wird !). Bei den Reptilien lassen sich die Wirkungen derselben Bewe- gungen um so leichter auffinden, als diese Classe während langer Zeit unbestritten den Vorrang über alle anderen Landthiere besass und häufige Spuren hinterlassen hat. Die Dolichosaurier, halb Eidechsen, halb Schlangen, bezeichnen den Punkt, wo diese letzteren sich von dem gemeinsamen Stamme der eidechsenartigen Thiere ablösten. Noch weiter zurück verlieren die Eidechsen ihre Charaktere als Ordnung und man findet Typen, welche die Familie der Lacertiden mit derjenigen der Leguane und die Warneidechsen (Monitor) mit den Krokodilen verbinden. Die Krokodile selbst verändern die Charaktere ihres Skeletes um solche aufzuweisen, die man heute nur noch während ihres Embryonallebens findet. Die Labyrinthodonten nähern sich den Amphibien und selbst den Fischen. Diese Ordnung ist zu gleicher Zeit eine der ältesten, der seltsamsten und der zweifelhaftesten der Urwelt. Ihre Grösse, 1) Etienne Geoffroy St. Hilaire hat in der That bei Embryonen von Papageien Zahnkeime in den Kiefern entdeckt, deren Existenz später von Cuvier, Blanchard und neuerdings von Braun in Würzburg bestätigt wurde. Letzterer Forscher hat durch mikroskopische Unter- suchung nachgewiesen, dass diese Keime keine eigentliche Zahnsubstanz besitzen, sondern verkalkte Hornsubstanz zeigen. C. V. 26 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. der aus Knochentafeln gebildete Panzer, der ihren Körper bedeckte, ihr gepanzerter Kopf lassen diese Thiere nicht als echte Amphibien erkennen. Die Labyrinthodonten athmeten durch Lungen, wenig- stens im erwachsenen Alter, krochen auf dem Boden und waren, wie wir sehen werden, die Nachfolger anderer Reptilien, welche mehr Wasserbewohner waren. Sie repräsentiren wahrscheinlich einen anderen Zustand, durch welche die ganze Classe der Reptilien durchgehen musste, bevor sie vollständige Landthiere wurden. Das beweist zwar nicht, dass die Reptilien ursprünglich von wirk- lichen Amphibien abstammen, aber man kann behaupten, dass sie aus einem Stamme sich entwickelt haben, der wie die Amphibien aus einem ursprünglichen reinen Wasserthiere sich zu einer amphibischen Organisation und schliesslich zum Landthiere erhob. Unglücklicherweise muss man bei diesen Ausblicken in die Vergangenheit von den Weichtheilen und namentlich von den Kreislauforganen absehen, deren Untersuchung so wichtige An- haltspunkte gewähren würde. Indessen zeigt die Erfahrung, dass die Osteologie trotz ihrer beschränkten Mittel dennoch eine solide Basis liefert, auf welche die Wissenschaft sich mit Sicherheit stützen kann. Die Paläontologie verschmäht übrigens kein Mittel um zum Ziele zu gelangen, mag es scheinbar auch noch so indirect sein. So hat man sich hinsichtlich der Lurche an die Untersuchung der Fussspuren gewendet, welche diese Thiere hinterliessen, als sie früher auf dem weichen Schlamme der Küsten, an denen sie lebten, umhergingen. Es ist auffallend, dass diese Fussspuren grossentheils nur in einer einzigen geologischen Periode, derjenigen der Trias, vorgefunden wurden; bei Hildburg- hausen in Thüringen, bei Lodeve im Departement des Herault, in Schottland, in Connecticut und New-Jersey in Amerika wurden mannigfaltige Schrittspuren von Thieren durch verschiedene For- scher beobachtet, in Gesteinen, welche alle einer Unterabtheilung der Trias, dem bunten Sandsteine, zugezählt werden. Die Gegen- wart dieser Spuren auf vielen gleichzeitigen Punkten lässt ver- muthen, dass die Oberfläche der Continente in jener Zeit fast überall in gleicher Weise gebildet war, so dass sie die Hervor- bringung derselben Erscheinung und die Wiederholung derselben Scenen begünstigte. Man braucht in der That nur die Existenz einer Reihenfolge von Binnenmeeren anzunehmen, welche ähnlich URSPRUNG DES LEBENS. za wie der Aralsee oder das Kaspische Meer zwar sehr indgedahii . “wi aber wenig tief, wiederholten plötzliche Uehorschwemmungeh und theilweisen Austrocknungen ausgesetzt ware, weite Uferstrecken freigelegt wurden, bedeckt von einem feinen Schlamme, der fest genug war, um einer Menge von Thieren Zutritt zu gewähren, und weich genug, dass die Füsse dieser Thiere einen dauernden Eindruck und selbst eine Hohlform ihrer Unterfläche binterliessen. In der Jägersprache nennt man diese Spuren Fährten, und sie sind im Allgemeinen charakteristisch genug, um den Jägern das Alter, das Geschlecht und die Grösse der Thiere zu verrathen, welche sie verfolgen. Auf einer solchen ebenen Schlammfläche lassen nicht nur die Thiere ihre Fussspuren, sondern auch die Platzregen ihre Spuren zurück, die aus einer Menge kleiner, runder Höhlungen bestehen. Alle diese Spuren erhärten durch das Fortschreiten der Aus- trocknung, durch welche schliesslich der Lehm der Oberfläche nach allen Richtungen hin sich spaltet. Nehmen wir nun ein ähnliches Anwachsen des Sees an, wie solches periodisch die Grenzen der Seen in Innerafrika verändert. Wird dann der schon fest gewordene Theil des Strandes, auf welchem sich früher eine Menge von Thieren herumtrieben, mit feinem Sande bedeckt, so wird der Sand die kleinsten Höhlungen ausfüllen. Verschwindet später der Schlamm, so werden die als Relief ausgebildeten Spuren des Sandsteins als ewige Zeugen des Umherschreitens von Thieren, des Fallens von Regen und der Zerspaltung des Schlammes erhalten bleiben. Alle diese Thatsachen sind an mehreren Punkten der Triasformation von den Geologen beobachtet worden, und das Interesse, welches solche Beobachtungen beanspruchen, beruht wesentlich auf den Aufklärungen, welche sie uns hinsichtlich der ältesten Landthiere gewähren. Die Triasthiere waren freilich nicht die allerersten Landthiere, aber es scheint, dass sie die ersten waren, welche in zahlreichen Herden die Strecken betraten, die durch die Auftrocknung der Gewässer ihnen in grossem Maass- stabe zugänglich wurden. Ein mit Recht betrauerter Geologe, D’Archiac, hat auf den besonderen Charakter der Triasbildung aufmerksam gemacht. Die Unbeständigkeit der Ablagerungen, die Anzeichen einer geringen Tiefe der Gewässer, die Ansammlungen von Steinsalz und Gyps, die Seltenheit der Spuren wirklicher See- 28 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. thiere, während die Ueberreste von Pflanzen’und ganze Trümmer- schichten von Fischen, Reptilien und Insecten sich häufig zeigen, diese ganze Vereinigung von Umständen berechtigt zu der Frage, wohin sich wohl damals die Masse der Meere zurückgezogen haben mag und welcher Art die Gewässer gewesen sein mögen, welche uns diese Ablagerungen hinterliessen. Zuweilen fehlen die organi- schen Spuren vollständig, wie wenn es sich um gänzlich todte Meere handelte. Die Gegenwart des Steinsalzes scheint darauf hinzudeuten, dass Binnenmeere, in welchen der Salzgehalt nach und nach zunahm, langsam ausgetrocknet wurden. Die Ränder der Salzseen in Amerika, Asien und Afrika bedecken sich noch heutzutage mit einer festen Salzkruste, deren blendende Weisse wunderbar gegen das blaue, flüssig gebliebene Wasser in der Mitte absticht. Aber das so mit Salz gesättigte Wasser enthält keine lebenden Thiere mehr. Es wird jedem Organismus verderb- lich. Man weiss dies von dem Todten Meere her, und der Salzsee von Valduc in der Provence enthält nur ein einziges kleines Krustenthierchen, die Artemia salina, eine Art von Kiefenfuss, welche sich den abnormen Lebensbedingungen angepasst hat. Die überraschende Umwandlung dieses Thierchens, welche dem Ein- fluss der verschiedenen von ihm bewohnten Gewässer zugeschrieben werden müssen, sind neuerdings von Schmankewitch beschrieben worden !}). !) Mein Freund, Prof. Marion, theilt mir hinsichtlich der Gestalt- veränderungen der Artemia salina folgende Note mit: „Das kleine Krusten- thierchen entwickelt sich gewöhnlich in concentrirtem Seewasser, sobald dieses der Dichtigkeit von SB. entspricht. Wenn die Concentration sich vermehrt und auf 14, 15 und 18° B. steigt, modifieiren sich die morpho- logischen Charaktere des Thierchens; die Schwanzlappen verschwinden und die Oberfläche der Kiemenlappen wird grösser. Das Thier nimmt nun die Form an, welche man Artemia Mühlhauseni genannt hat. Schmankewitch hat alle diese Zustände, welche die Thiere des Valduc ebenfalls durchlaufen, genauer beschrieben. Nimmt man Thierchen in dem Zustande, welcher der Artemia Mühlhauseni entspricht, und vermindert man durch Zugiessen süssen Wassers die Concentration der Flüssigkeit, in der sie leben, so stellt sich der normale Zustand der Artemia salina nach und nach wieder her. Die Schwanzlappen mit ihren charakteristischen Borsten erscheinen aufs Neue. Begreiflicherweise bedarf es mehrerer Generationsfolgen, um diese Umänderungen zu bewirken. Schmanke- witch hat den Versuch noch weiter getrieben und die Artemia in fast gänzlich süssem Wasser lebend erhalten. Es bildete sich dann ein neuer URSPRUNG DES LEBENS. 29 Es gab während der Triasperiode Binnenmeere von allen Formen und Grössen in Menge, mehr oder minder ausgedehnte Brackwasserlagunen, die bald von Sumpfpflanzen, bald von Rep- tilien, Amphibien und Fischen bewohnt waren. Diese Lagunen, welche zuweilen theilweise austrockneten, theilweise übermässig anwuchsen, mussten sich über einen grossen Theil unserer Erd- oberfläche verbreiten und fast überall den eigentlichen Ocean ersetzen, von dem man nur wenig ausgedehnte Spuren findet. Man begreift leicht, dass diese Verbreitung einzelner, nicht scharf be- srenzter Becken der Entwickelung von Thieren mit amphibischen Gewohnheiten, wie sie damals existirten, ungemein günstig sein musste. Wir sehen trotz der Verschiedenheit der Zeiten noch heutzutage ähnliche Verhältnisse am Ufer des grössten afrikani- schen Binnenmeeres. Als Dr. Barth den Tsadsee besuchte, wurde er fast bei jedem Schritte durch Sümpfe aufgehalten, wahre Laby- rinthe inmitten unendlicher Ebenen, wo der Blick sich verliert, ohne in dem centralen Wasserspiegel oder einem vorragenden Gegenstand einen Anhaltspunkt finden zu können. Die Boden- bildung ändert sich von Jahr zu Jahr. Nichts ist beständig, nicht einmal der Ort der Städte, die bei den Ueberschwemmungen durch Spaltung des Bodens verschlungen werden. Man kann also weder die Grenzen des Sees noch sein Niveau bestimmen. Grosse Stauden von Papyrus, Lotus und mächtigen Gräsern tauchen aus den überschwemmten Flächen hervor und ihre zersetzten, fauligen Ueberreste färben und verderben das Wasser. Ungeheure Herden von Antilopen schweifen durch diese Gründe, die für den Menschen unzugänglich sind. Die Buchten sind von Flusspferden bevölkert, am Rande verbergen sich Krokodile und grosse Eidechsen, die Elephanten brechen sich hier und da einen Pfad durch solche Gegenden, deren Boden wellig und von grossen Bäumen beschattet ist, während unzählige Flüge von Enten zwischen den Wiesen der Wasserlilien umherschwimmen. Die Schlammfläche des Strandes zeigt die Fussspuren der Giraffen, der Wildschweine und der srossen Stelzvögel, von welchen sie besucht wird. Anderwärts sehr merkwürdiger Typus, welcher der im süssen Wasser lebenden Gattung Branchipus angehört, aber eine neue Art bildet, welche man als den Ahnentypus der Artemia betrachten kann. 30 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. verschwindet der Sumpf unter dunkeln Wäldern, in welchen der riesige Baobab, mehrere Arten von Feigen und Akazien vor- herrschen. Hier und da erhebt eine Palmengruppe ihre von einem Busche fächerförmiger Blätter gekrönten Stämme. Die Thiere der Trias, welche von unserer heutigen Welt so gänzlich verschiedene Formen zeigen, lebten unter ähnlichen Ver- hältnissen, aber inmitten einer sehr verschiedenen Vegetation. Die höheren Triasthiere sind theils amphibienartig, theils Reptilien. Unter den eigentlichen Reptilien, deren Skelet uns theilweise bekannt geworden ist, sind die merkwürdigsten in Südafrika, im Caplande, aufgefunden worden. Einige derselben erinnern durch den Mangel aller Zähne und die Gestalt des Kopfes an die Schild- kröten, andere an die Eidechsen oder Krokodile, andere endlich, _ wie die Gattung Dieynodon, zeigen eine Mischung der Charaktere dieser verschiedenen Gruppen, waren aber mit krummen Eck- zähnen bewaffnet, welche denjenigen der Walrosse ähnlich sahen. Besonders auffallend aber sind solche Formen, bei welchen die übrigens stets einwurzeligen Zähne schon in der Art, wie bei tleischfressenden Säugethieren, in Schneide-, Eck- und Backen- zähne geschieden waren. — Eine zweite Gruppe von Reptilien der Trias ist uns durch wenige Knochen, dagegen durch eine Menge von Fussspuren im Connecticutthale bekannt, die früher als Vogel- spuren, Ornithichnites, bezeichnet wurden. Sie gehören, wie die seitdem anderwärts gefundenen Skelete und Fussspuren beweisen, der Gruppe der Dinosaurier an, meist grossen, plumpen, zum Theil pflanzenfressenden Landeidechsen, welche etwa die Gestalt eines Känguruh hatten, meist aber auf zwei Füssen gingen. Diese Fussspuren zeigen drei nach vorn gerichtete Zehen, wie bei den Vögeln, zuweilen auch die Spur einer Hinterzehe und zuweilen eine Schrittweite, welche diejenige des Strausses um das Vierfache übertrifft. Die Labyrinthodonten documentiren sich durch den doppelten Gelenkkopf an dem Hinterhaupte als Amphibien, zeigen aber mannigfache enge Beziehungen zu den Ganoiden unter den Fischen und entfernte zu den Reptilien. Ihre fünfzehigen Fussspuren, die man unter dem Namen Chirotherium zusammengefasst hat, und die namentlich bei Lodeve und Hildburghausen beobachtet worden sind, sehen ziemlich denjenigen einer Menschenhand ähnlich, URSPRUNG DES LEBENS. 31 deren kurze Finger und abstehender Daumen mit Krallen bewaffnet wären. Bei den Fussspuren von Lodeve sieht man, dass Hinter- und Vorderfüsse auf den Boden gestellt wurden und bemerkt ausserdem. noch den Eindruck eines nachgeschleppten Schwanzes, der eine Art Rinne auf dem Boden auskehrte. Das Thier, halb Molch, halb Krokodil, hatte einen Panzer von feinen Hornschuppen, der den Körper bedeckte. Die grössten Labyrinthodonten erreich- ten eine Länge von mehreren Metern, ihr Kopf war breit, ab- geplattet, ihre Kinnladen mit grossen, gewickelten Fangzähnen bewaffnet, ihre Glieder waren kurz, aber massiv. Man kann sich eine Vorstellung von diesen Thieren machen, welche die ältesten sind, deren Organisation dem Leben auf der Erde gänzlich angepasst war; wenig lebhaft, gefrässig, lebten sie wahrscheinlich von Fischen und schweiften, wenn sie nicht wie Molche im Wasser schwammen, auf dem feuchten Sande umher, geschützt durch einen undurchdringlichen Panzer als Könige der Schöpfung zu einer Zeit, wo es genügte, fest gebaut zu sein um das Scepter zu führen. Sie hatten keinen Feind zu fürchten, da es sich noch nicht um Intelligenz, um Schnelligkeit oder Energie handelte und sogar der Instinect auf die Vollbringung der zur Unterhaltung und Fortpflanzung der Art nöthigen Handlungen beschränkt war. Das monotone Leben solcher Wesen verlief in der Verfolgung des Gewässers bei seinem Wachsen und bei seinem Rückzuge. Sie athmeten und bewegten sich in freier Luft, ent- fernten sich aber niemals aus der Nähe des Elementes, das ihre Wiege gewesen war. Der Typus der Labyrinthodonten ist älter als die Trias, ın welcher derselbe seinen Höhepunkt erreichte. Man findet schon echte Labyrinthodonten in der Kohlenzeit. Doch zeigt sich ın derselben Epoche neben ihnen noch ein anderer Typus, der weit un- vollkommener und dem Ausgangspunkte näher gerückt ist, nämlich derjenige der Ganocephalen. Dieser Typus bringt uns dem Punkte nahe, wo die Reptilien zwar schon Luftathmung besassen, aber noch schwammen, statt zu kriechen. Die Ganocephalen sind in der That weniger vorgeschrittene Labyrinthodonten; ihre Wirbel sind unvollständig verknöchert, die Structur und Bildung ihrer Zähne nähert sie den Fischen; ihre Grösse ist weit geringer als diejenige der Labyrinthodonten der Trias, wie dies fast immer bei 32 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. den Urtypen einer Reihe der Fall ist. Der grösste der Gano- cephalen, Archegosaurus, hatte höchstens Im Länge, die Beine waren schwach und eher zum Schwimmen oder Kriechen als zum Gehen eingerichtet. Sie endigten sich aber doch durch getrennte Zehen. Der Archegosaurus war Fleischfresser wie die Labyrintho- donten überhaupt und verhielt sich zu diesen etwa in derselben Weise, wie die Salamander, die Tritonen und Kiemenmolche, die - sich auf einer gewissen Stufe der Metamorphose halten und mehr oder minder während ihres ganzen Lebens Kaulquappen bleiben, sich zu den Fröschen verhalten. Der Proteus, jener kleine blinde Kiemenmolch der unterirdischen Seen von Krain, bildet in unserer Schöpfung einen jener seltsamen Typen, der vortreffliche Ver- gleichungspunkte mit den älteren Wesen bietet und Gruppen mit einander verbindet, deren Entfernung er vermindert. Er leitet durch den Axolotl und den Lepidosiren zu den Fischen. Die letztgenannte Gattung besitzt die Schuppen, die Kiemendeckel, die inneren Kiemen und sogar die Schwimmblase der echten Fische. Auch findet sich in dem Darme des Lepidosiren eine innere Spiralklappe, ähnlich einer Wendeltreppe, die an den Wänden eines runden, im Innern hohlen Thurmes angebracht wäre. Diese charakteristische Structur findet sich auch noch bei den Selachiern, d. h. bei den Knorpelfischen, zu welchen die Haie und Rochen gehören, deren Existenz in den Urmeeren nicht bezweifelt werden kann. Die Knorpelbildung ging offenbar der Knochenbildung voraus und musste allen Wirbelthieren zu der Zeit, wo sie noch Wasser- thiere waren, gemeinsam sein. Es ist daher nicht auffallend, dass sich damals Wesen vorfinden konnten, welche mit der Knorpel- structur eine relative Vollkommenheit der inneren Organe ver- banden, die in mehrfacher Beziehung derjenigen der späteren Knochenthiere überlegen war. Man findet dies bei den Selachiern, die man heute von den eigentlichen Fischen trennt und einer besonderen Gruppe anreiht. Sie begatten sich nicht nur, sondern ihre Weibchen besitzen auch eine Art von Gebärmutter, in welcher die Eier verweilen und die Jungen oft vor der Ausstossung aus- schlüpfen. Stärker, lebenskräftiger, in mancher Beziehung höher gebildet, jedenfalls aber dem Ausgangspunkte näher gerückt, haben sich diese Thiere im Laufe der Zeiten wenig verändert, URSPRUNG DES LEBENS. 33 während unsere gewöhnlichen Fische gewissermaassen nur die letzte Stufe einer langen Reihe von Umbildungen darstellen. Man kann sich daher nicht darüber verwundern, dass die Selachier vielfache Beziehungen zu anderen Wirbelthierclassen haben, und namentlich zu den Enaliosauriern, grossen, schwimmenden See- reptilien, welche Luft athmeten, aber im Schoosse der Meere etwa die Rolle spielten, welche heute den Walthieren zugefallen ist. Man hat in der That bei den gewöhnlichsten dieser Thiere, bei den Ichthyosauriern, die Existenz einer eben solchen Spiralklappe des Darmes nachweisen können, welche wir soeben als charakte- ristisch für die Selachier und den Lepidosiren bezeichneten. Zu dem Nachweise dieser Spiralklappe ist man durch die Beobach- tung der fossilen Excremente oder Coprolithen gelangt, die zu- weilen noch an ihrer natürlichen Stelle im Innern des Thieres sich befinden und den Eindruck der Structur des Darmes deutlich zeigen. Wenn wir dazu noch die Entdeckung eines vollständig ausgebildeten, kleinen Ichthyosaurus fügen, der in der Leibeshöhle eines erwachsenen Thieres eingeschlossen ist, so können wir be- haupten, dass bei diesen ältern Seeungeheuern das Ausschlüpfen der Jungen aus dem Ei der Niederkunft voranging, ganz wie dies heute noch bei den meisten Selachiern und mehreren Reptilien der Fall ist. Die Kohlenlager von Canada, Carolina, Ohio, Irland und Grossbritannien haben eine reiche Ernte von Entdeckungen ge- liefert, welche die Zahl der ursprünglichen Amphibien bedeutend vermehrt hat. Nichtsdestoweniger sind diese letzteren noch ziem- lich unvollständig bekannt, da man die meisten nicht von dem Gesteine hat loslösen können, in welches das Skelet eingebettet war. Sie zeigen eine zu grosse Verschiedenheit von Charakteren, als dass man sie ungezwungen in den Rahmen der zwei oder drei Familien einräumen könnte, die man aufgestellt hat, und doch lassen sie auf der anderen Seite Anzeichen einer wechsel- seitigen, allgemeinen Verwandtschaft gewahren, welche ver- hindert, in ihnen eine Vereinigung vereinzelter, getrennter Typen zu sehen. Nach Herrn Gaudry, der in dieser Beziehung eine Autorität ist, bilden die Ganocephalen und Labyrinthodonten nicht zwei getrennte Familien, sondern zwei auf einander folgende Zustände, durch welche die Uramphibien hindurch gegangen wären, Saporta, die Pflanzenwelt. 3 34 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. und die Ganocephalen verhielten sich zu den Labyrinthodonten etwa ähnlich wie die Kaulquappen zu den Fröschen. Man muss sogar annehmen, dass noch vor den Ganocephalen ein oder mehrere Typen von Amphibien bestanden, die einen mehr oder minder vollständigen Uebergang zu einer Organisation bildeten, welche durch Kiemen und Knorpelskelet dem Leben im Wasser angepasst war. Man kann in der That nicht aus der Thatsache, dass man noch keine Lurche in älteren Schichten als das Kohlen- gebirge aufgefunden hat, den Schluss ziehen, dass dieselben gar nicht existirt hätten. Wahrscheinlich zeigten zur Zeit des Ab- satzes der Schichten, in welchen keine Fossilien sich mehr vor- finden, die Wesen jene Zustände der Schwäche und Undeutlichkeit, welche sowohl der Kindheit des Individuums als auch derjenigen der Typen angehören. Ganz gewiss würden jene Lurche, die zuerst auf dem feuchten Boden umherkrochen, diese fisch- oder salamanderartigen Wirbel- thiere, welche zuerst durch unvollständige Lungen Luft athmeten, diese Wesen mit kaum festgestellten Formen und zweifelhafter Structur, welche den unbestimmt schwankenden Ausgangspunkt der aus ihnen hervorgegangenen Gruppen bilden, ein ungemeines Interesse beanspruchen, wenn man jemals ausser den Resten ihres Skeletes auch den Abdruck ihrer Weichtheile finden würde. Aber so wunderbar auch die Entdeckungen sein mögen, welche uns die Zukunft noch vorenthält, so müssen wir doch im Voraus darauf verzichten, dasjenige kennen zu lernen, was auf den Ursprung des Lebens selbst Bezug hat. Die süssen Gewässer jener ältesten Zeiten haben nicht nur keine bemerkenswerthen Ablagerungen geliefert, das Verhalten der Strömungen war nicht nur der Bildung von versteinerungsführenden Schichten hinderlich, sondern die Urcontinente mussten auch lange im Innern Wüsten bleiben. Das kaum aus dem Schoosse der Gewässer emporgetauchte Landleben musste sich nothwendig zuerst nicht weit von den Ufern ent- wickeln, es musste anfänglich fast ausschliesslich nur auf gewissen feuchten und häufig überschwemmten Uferstrecken zu finden sein. Wie im Grunde der Meere, so war auch das Leben auf der Erd- oberfläche anfangs localisirt; von einem oder mehreren Mittel- punkten ausstrahlend nahm es erst nach und nach Besitz von der Gesammtheit des ihm zugewiesenen Gebietes. Die durch häufige u. URSPRUNG DES LEBENS. 35 Trockenlegung vergrösserte Uferzone ist es gerade, wo die Pflanzen der Kohlenzeit die Steinkohlenschichten erzeugten, indem sie sich auf dem Boden der Lagunen anhäuften, die sie erobert hatten. Die Vertheilung dieser Ablagerungen in einer Reihe einzelner Becken, die an dem Rande der alten Inselgebiete an einander gereiht sind, ist allen Beobachtern aufgefallen. Es scheint demnach gewiss, dass die Vegetation, bevor sie den ganzen Erdball überzog, von einzelnen Gegenden wie von Mittelpunkten her ausstrahlte. Eine merkwürdige Uebereinstimmung herrscht zwischen dem Entwickelungsgange der beiden Reiche. Sowie die Seethiere allen übrigen vorangingen, so sind auch die ältesten bekannten Pflanzen der Silurzeit Algen, und erst später, fast zu derselben Zeit, in der Devonperiode, zeigen sich die ersten Landpflanzen und Landthiere. Aber so wie Lurche früher als in der Steinkohlenperiode und Insecten früher als in der Devonzeit leben mussten, so ist man auch zu dem Schlusse gekommen, dass die Pflanzen der Devonzeit, welche der Steinkohlenperiode nur kurz voranging, nicht in Wirklichkeit die ersten gewesen sein können. Neuere Entdeckungen haben diese Annahme bestätigt und manche Abdrücke, die man nicht wohl in Zweifel ziehen kann, beweisen die Existenz von Landpflanzen schon in der Mitte der Silurzeit. Leo Lesquereux hat eine gewisse Anzahl von Pflanzen aus den Schichten von Cineinnati beschrieben, welche dem oberen Theile der unter- silurischen Formation angehören, einen Siegelbaum (Protostigma sigillarioides, Lesq.), Bärlappe? (Psilophytum) und Schafthalme (Annularia Romingeri, Lesq., Sphenophyllum primaevum, Lesq.), d. h. Gefässkryptogamen und Gymnospermen, also verhältniss- mässig hochorganisirte Typen, die auf dem trockenen Lande leben konnten und in dieselben Gruppen eingereiht werden müssen, die sich in der Steinkohlenzeit finden. Ein ähnliches Resultat wurde gleichzeitig in Europa erzielt, wo Prof. Moriere von Caen in den Schichten von Angers den schönen Abdruck eines Farn- krautes fand!) (Eopteris Morieri, Sap.), welche die älteste bekannte Art dieser Familie bildet, die noch heute zur Verschönerung der Flora beiträgt. Die übrigen silurischen Typen sind heute unter- gegangen, und was die Gattung Psilophyton betrifft, deren wirk- 1) Siehe das Titelkupfer Taf. 1. 5*+ 36 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. liche Verwandtschaft nicht mit Sicherheit festgestellt werden konnte, so verschwand sie noch vor der eigentlichen Kohlen- zeit. Man sieht, dass diese schon höhere Organisation des Pflanzen- reiches bei seinem scheinbaren ersten Auftreten auf der Erd- oberfläche zur Annahme einer uns noch unbekannten Periode führt, wo es noch einfachere Landpflanzen gab, als die Farne, die Schafthalme und die Siegelbäume. Pflanzen von elementarer Structur mussten den Boden bedecken, als noch fast beständige Regen die Oberfläche benetzten und die noch fühlbare Wärme der Gewässer eine beständige Ausdünstung hervorrief. Diese Urpflanzen lebten gewiss in ähnlicher Weise wie die Algen, welche die Ebbe nur abdeckt, um sie von Neuem zu überfluthen. Wie diese befanden sie sich in einem fast unablässigen Bade. Erst nach einer langen Reihe von Jahrhunderten konnten sie jene Formen annehmen, welche die ältesten Abdrücke uns darbieten. Während der ungemein langen Zeit, in welcher sich die Schiefer, die Quarzite und die Kalke des laurentischen, cambrischen und silurischen Systemes absetzten und die eine ungeheure Dauer voraussetzen lässt, da die Schichten in Grossbritannien und Canada 12 bis 15 Kilometer mächtig sind, während dieser Zeit musste die Luft sich reinigen, der unaufhörliche Regen intermittirend werden und die immerhin warm und neblig bleibende Atmosphäre endlich aufhören, gewissermaassen einen über der Erde schweben- den Ocean zu bilden. Jetzt musste auch die Landvegetation sich mit neuen, den veränderten Umständen angepassten Formen und Organen versehen. Die Pflanzen bekamen nun zum ersten Male Blätter und Wurzeln, sie vervielfältigten die Structur ihrer Gewebe und erlangten ebensowohl die Schönheit, die aus einer stets strafferen Symmetrie der Theile hervorgeht, als auch die Kraft, welche durch die wachsende Energie der Lebensfunctionen bedingt wird. Dieser Entwickelungsgang, den wir von dem devonischen Systeme an verfolgen können, dauerte ungemein lange und war stets mit demjenigen des Thierreiches auf das Innigste verknüpft. Die Pflanzen boten den Thieren stets reichere Nahrung, je voll- kommener sie wurden und je weiter sie sich von ihrem Ausgangs- punkte entfernten. Die nothwendige Folge dieser Verknüpfung war eine unberechenbare Langsamkeit. Man kann sogar im All- URSPRUNG DES LEBENS. 37 gemeinen behaupten, dass das Pflanzenreich lange hinter dem Thierreich zurückblieb und dieses zum Warten zwang. Das Thier- leben der Gewässer, das weit mehr auf sich selbst angewiesen und von dem Pflanzenreiche unabhängig war, überholte sehr bald dieses letztere, das auf seinem niedersten Niveau stehen blieb, während das Thierleben in freier Luft von Anfang an in engster Abhängigkeit von der Vegetation stand und dieser Schritt für Schritt folgen musste. Offenbar hat das Festland allein der Vegetation die Elemente eines wirklichen Fortschrittes geboten, dessen Ziel erst spät erreicht wurde und von welchem der Acker- bau noch heute Vortheil zieht. Auf der anderen Seite fanden sich die Landthiere, welche schnell einen bemerkenswerthen Grad der Vollkommenheit erreicht hatten, bald ausser Stande für sich allein aus eigener Kraft sich weiter zu entwickeln. Sie mussten noth- wendig auf den Fortschritt des anderen Reiches warten. Hieraus erklärt sich die Thatsache, dass man schon vor dem Ende der Trias, sowie in der Mitte und am Ende der Juraperiode Säuge- thiere entdeckt hat, die aber stets selten, kümmerlich, unvoll- kommen und in Wahrheit stationär geblieben sind. Die Vegetation dieser Perioden ist arm und zeigt nur wenige, grossentheils leder- harte Formen. Erst lange Zeit nachher, gegen das Ende der Kreideperiode, vervollständigt sich die Vegetation und dann zeigt sich auch eine fortschrittliche Bewegung bei den Säugethieren. Diese Bewegung tritt aber erst nach derjenigen hervor, welche sich der Pflanzen bemächtigt, und wird erst beim Beginn der Tertiärzeit mächtig. Der Entwickelungsgang des Erdlebens ist also folgender: Die Abwesenheit von Kräutern, von zarten und saftigen Pflanzentheilen widersetzte sich lange Zeit der Verviel- fältigung der Pflanzenfresser und als nothwendige Folge derjenigen der Fleischfresser, die auf Kosten der ersteren leben. So lange dieser Zustand anhielt, konnte die ganze Classe der Säugethiere weder an Zahl noch an Vollkommenheit zunehmen. Es gab zwar in der Secundärzeit einige pflanzenfressende Vierfüssler, aber dies waren gewaltige Reptilien mit mächtigen Kinnbacken, gewisser- maassen kaltblütige Dickhäuter. Die furchtbaren Zähne des Ignanodon, die zuweilen bis auf die Wurzel abgenutzt sind, konnten gewiss die härtesten Pflanzentheile zermalmen, aber die schwachen, unschädlichen, jurassischen Säugethiere mussten sich, 38 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. wie ihr Zahnsystem beweist, mit Insecten begnügen, da sie unfähig waren, grössere Thiere anzugreifen. Die Insecten, zu welchen wir auf diese Weise kommen, traten schon in den ältesten Zeiten auf. Sie sind Landthiere, wie die höheren Wirbelthiere, athmen aber nicht durch Lungen, sondern durch Tracheen, d. h. durch verzweigte Luftröhren, welche die Luft bis ins Innere der Organe führen und sie durch. Oeffnungen aufnehmen, die längs des Körpers vertheilt sind. II. Die Insecten sind nicht nur durch ihre Athmung mittelst Tracheen, sondern auch durch ihren unvollkommenen Kreislauf ausgezeichnet. Das Nervensystem beschränkt sich auf eine gewisse Anzahl von Ganglien, welche durch Zwischenstränge verbunden und reihenweise gelagert sind. Der Körper theilt sich in Ringe oder Segmente, er hat eine mehr oder minder harte Hülle und keine innere feste Axe. Es sind Thiere mit Hautskelet. Auch ist die Lagerung ihrer Organe umgekehrt gegenüber derjenigen der Wirbelthiere oder Weichthiere, da das Nervensystem unter dem Darme liegt. Die Insecten sind mit einem Worte nach einem anderen Plane als die Wirbelthiere gebaut und zeigen nur das- jenige Verhältniss der Structur, welches aus der Existenz homo- loger Organe und Functionen hervorgeht. Die Insecten athmen, verdauen und bewegen sich, sie haben Säfte, Absonderungen und Muskeln, sie besitzen Sinnes- und Geschlechtsorgane und ver- mehren sich durch Eier wie die höheren Thiere!), aber die Aus- übung aller ihrer Functionen und die Vertheilung der Organe sind das Resultat einer von der unserigen ganz verschiedenen Combination. Wir begreifen kaum diese Vertheilung des Lebens in Ringen, deren jeder sein eigenes Ganglion und sein specielles Leben hat, das zwar mit dem allgemeinen Leben verknüpft, aber nicht ganz !) Wir können hinzufügen, dass die Eier weder durch ihre Structur noch durch ihre Entwickelung sich von denjenigen der höheren Thiere unterscheiden. Bei allen entstehen zuerst zwei Keimblätter. Das eine innere oder Darmblatt lässt die Ernährungsorgane entstehen; aus dem anderen oder Sinnesblatt bilden sich die animalen Organe und das Nervensystem. URSPRUNG DES LEBENS. 39 mit ihm verschmolzen ist. Die Personalität ist bei den Insecten mehr oder minder getheilt und wenn die Identität des Ich über- haupt existirt, so ist sie doch nur in verschwommener Weise aus- gesprochen, weil die Empfindungen sich zuerst in jenem Ringe manifestiren, dem das Ganglion angehört, das sie aufnimmt und sich erst später allgemein verbreiten. Die Reizung der secundären Nervencentren mag sich beim Fortschreiten von einem Ganglion zum anderen etwa wie der Wiederhall eines Echos abschwächen. Man hat gesehen, dass Insecten nach Abschneidung ihres Hinter- leibes fortfuhren zu fressen. Die Concentration des Nervensystems nimmt indessen zu, je mehr man sich zu den höheren Typen der Gliederthiere erhebt und das Kopfganglion nimmt dann eine stets hervorragendere Stellung ein. Bei den Spinnen, Bienen und den Ameisen, wo der Instinct sich bis zur Intelligenz erhebt, tritt dieses besonders hervor. Der Organisationsplan der Insecten ist durchaus nicht einfach; er erreicht aber erst durch Anhäufung von Verwickelungen eine relative Vollkommenheit. Man erstaunt oft über die Vielfältigkeit und Vervollkommnung der Theile, welche die Sinnes-, Greif- und Bewegungsorgane, die Werkzeuge des Fluges, der Vertheidigung und der Fortpflanzung bilden, wie die Stachel, Sägen, Bohrer u. s. w. Man kennt ja die mit unzähligen Facetten ausgerüsteten Augen der Libellen, Fliegen und Schmetterlinge. Die kauenden Insecten benutzen zum Fressen eine ganze Menge von Werkzeugen, deren Mechanismus übrigens bei weitem nicht so sicher arbeitet, wie unsere weit einfacheren Kinnladen. Die Biene bedient sich zum Stechen eines sehr zusammengesetzten und zerbrechlichen Werk- zeuges, einer Art Luxuswaffe, die fast unmittelbar beim Gebrauche den Dienst versagt. Man kann sagen, dass die Insecten Thiere mit ausgearbeitetem Detail sind, deren Structur aber eben dieser Kleinlichkeit wegen die Grossartigkeit ausschliesst. Ihre Entwickelung beruht auf der feinen Durchführung der Einzelheiten ihrer Theile, aber das Ganze besitzt keine Ausdehn- barkeit; ihre Haut ist eine unelastische Hülle, deren Gewebe nur selten die Ueberschreitung geringer Proportionen erlaubte. Ein Insect, das die Grösse des kleinsten Säugethieres erreichte, würde der Riese seiner Classe sein. Die Crustaceen erreichen freilich eine bedeutendere Grösse als die eigentlichen Insecten. Aber die 40 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Meerthiere erlangen überhaupt eine bedeutendere Grösse und das relative Verhältniss ändert sich nicht, wenn man den Hummer mit dem Walfische vergleicht. Zudem athmen die Crustaceen durch Kiemen und die höheren besitzen einen wahren, beinahe voll- ständigen, wenn auch durch Lücken unterbrochenen Blutkreislauf. Die Athmung durch Tracheen und der unvollkommene Kreislauf müssen für die Insecten ein unübersteigliches Hinderniss gewesen sein, das ihrer weiteren Vervollkommnung eine Grenze setzte. Die Classe erschöpfte sich in einer Menge von secundären Combina- tionen, ohne jemals einen Uebergang zu einer wahrhaft höheren Organisation finden zu können. Die auffallendste Eigenthümlichkeit der Insecten und Krusten- thiere besteht in den Zuständen, die sie vor ihrer Reife durch- laufen. Es sind dies bald plötzliche, scharf ausgesprochene Um- wandlungen, bald eine Reihe von langsamen, theilweisen Aenderungen, welche denjenigen ähnlich sind, die das Wachsthum der höheren Thiere bezeichnen. Man unterscheidet Insecten mit vollständiger und unvollständiger Metamorphose und dieser Unterschied steht mit der Erscheinung der hauptsächlichsten Familien in Verbindung. Doch darf man nicht glauben, dass zwischen beiden Kategorien eine scharfe Trennungslinie zu ziehen wäre. Einige Insecten- ordnungen zeigen beide Arten der Entwickelung und zwischen ihnen finden sich so leise Uebergänge, dass eine genaue Scheidungs- linie nicht gezogen werden kann. Das Leben hat hier wie bei vielen anderen Dingen seinen freien Entwickelungsgang fortgesetzt und dabei eine solche Verschiedenheit der Charaktere, einen solchen Ueberfluss von Erscheinungen zu Stande gebracht, dass es alle möglichen Combinationen erschöpfte, obgleich es die Hauptlinien des vorgesetzten Planes inne hielt. Der Larvenzustand ist ein Zustand der Kindheit, aber einer Kindheit, die häufig eine der erwachsenen Form gänzlich fremde (restalt annimmt. Der erwachsene Zustand ist das Ziel, denn nur in diesem pflanzt sich das Thier fort, aber die Dauer dieses Zu- standes ist stets weit kürzer als die des Larvenlebens. Viele Insecten leben im vollkommenen Zustande nur einige Tage oder selbst Stunden, sie ziehen ihr Hochzeitsgewand nur an um die entsprechenden Functionen auszuüben und sterben unmittelbar nachher. Alle vollkommenen Insecten athmen durch Tracheen URSPRUNG DES LEBENS. 41 und zeigen in diesem Zustande diejenigen Charaktere, welche bestimmte Beziehungen zwischen ihnen kennzeichnen. Dagegen zeigt der Larvenzustand häufig Aehnlichkeiten zwischen Thieren, die in Wahrheit sehr verschieden sind, während in anderen Fällen das entgegengesetzte Verhältniss Platz greift. Die Lebensweise der Larven kann gänzlich von derjenigen der vollkommenen In- secten, die aus ihnen entstehen, verschieden sein. Die Larven fliegen niemals, viele leben im Wasser, sind in gleiche oder fast gleiche Segmente getheilt und besitzen rudimentäre oder gar keine Beine. Man muss besonders auf die Wurmgestalt der Larve achten, und bei denen, die im Wasser leben, verdient der Kiemenapparat Berücksichtigung, der bei der letzten Häutung verschwindet, um den Tracheen Platz zu machen. Fassen wir alle diese einzelnen Züge des Larvenzustandes zusammen, so erkennen wir leicht, dass in der organischen Phase, der sie angehören, die Kennzeichen eines früheren Urzustandes sich aussprechen, welcher der ganzen Classe der Insecten in einer gewissen Periode ihrer Urgeschichte gemeinsam war. Wenn wir uns vorstellen, dass dieser Urzustand durch die Unterdrückung des vollkommenen Zustandes permanent bliebe, so würden wir damit die Entfernung, welche heute die Insecten von den Ringel- würmern trennt, bedeutend verkürzen. Der Larvenzustand würde sonach gegenüber den vollkommenen Insecten sich ähnlich ver- halten wie der Knorpelzustand gegenüber der Gesammtheit der Knochenthiere, wie der Zustand der Ganoiden und Ganocephalen gegenüber den Knochenfischen und den Lurchen, der Beutelthier- zustand gegenüber den anderen Säugethieren, der Kaulquappen- zustand gegenüber den Fröschen. Es wäre ein niederer Zustand, eine vorübergehende Entwickelungsphase, welche durch die Rassen oder die Individuen durchschritten werden musste, um zu einer höheren oder zusammengesetzteren Organisation zu gelangen. Man könnte demnach die Insecten als ursprünglich niedere Glieder- thiere betrachten, welche bei dem Verlassen des Wassers sich allmälig umgebildet und neue Organe durch die Reduction, die Differenzirung und die Vervollkommnung derjenigen Theile gebildet hätten, welche sie früher besassen. Die Metamorphosen wären demnach nur eine mehr oder minder treue Wiederholung der verschiedenen Phasen, welche die Insecten durchlaufen mussten, 42 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. bevor sie die einem jeden eigenthümliche, definitive Gestalt ge- wannen, mit einem Worte, die Geschichte des Individuums wäre die Zusammenfassung der Geschichte des Stammes. Die wahrscheinliche Entwickelungsart der Insecten stimmt sehr gut mit dem überein, was wir über das Verweilen der Gewässer auf der Oberfläche der ebenen oder schwach gewölbten alten Continente angenommen haben. Die Gliederthiere mit bleibenden Kiemen, die Crustaceen, welche immer in einer stets gleichförmigen Umgebung blieben, haben einen Entwickelungsgang durchgemacht, welcher demjenigen der ihnen vergesellschafteten Fische entspricht. Dieser Entwickelungsgang bestand in einer stets engeren Anpassung an die Bedingungen der Existenz im Meere, In Folge dieser Richtung haben sich ihre Theile stufen- weise differenzirt, die Organe, wie die Functionen centralisirt und localisirt und so ist das Ganze mehr und mehr von der Monotonie des ursprünglichen Typus abgewichen, der sich durch die Aehn- lichkeit der Körperringe, die gleichmässige Ganglien und Anhänge besassen, an die niederen Gliederthiere anschloss. Die Insecten, anfänglich einfache Gliederwürmer, die seichte Gewässer und feuchten Schlamm bewohnten, wurden Land- und Luftthiere, in dem Maasse als der Boden und die Atmosphäre ihre übermässige Feuchtigkeit verloren. Sie befolgten zwar einen den Krusten- thieren ähnlichen Entwickelungsgang, passten denselben aber den neuen Existenzbedingungen an, welche durch die allmälige Um- wandlung der Umgebung erzeugt wurden. Die Insecten mit unvollständiger Metamorphose, bei denen der vollkommene Zu- stand nur eine letzte Wachsthumsstufe darstellt, erscheinen, wie man dies voraussehen konnte, vor den anderen, oder sind wenigstens anfänglich weit zahlreicher. Eine schnelle und vollständige Ver- änderung des Organismus ist das Kennzeichen einer exclusiven Anpassung und die Gruppen, bei welchen diese Veränderungen eintreten, sind meistens einer sehr eng begrenzten Lebensweise unterworfen. Die ersten Insecten sind entweder umherschweifende Allesfresser oder einfache Raubthiere. Sie besitzen zwar schon Flügel, sind aber nicht allein mit Hinsicht auf den Flug gebaut, da diese zuerst fehlenden Flügel fast die einzige Veränderung bilden, welche das vollkommene Insect von der Nymphe oder Larve unterscheidet. URSPRUNG DES LEBENS. 43 Die Insecten folgen Schritt für Schritt der Entwickelung der Pflanzenwelt, an die sie aufs Innigste gebunden sind. Die Blumen, die saftigen Früchte, die Ausscheidungen von Gummi, Oel und Stärkemehl, die Honig- und Zuckersäfte, die zarten Knospen, die weichen Blätter, die schwammigen Gewebe erscheinen alle erst in relativ neuer Zeit; man darf sich daher nicht verwundern, dass man im Anfange weder Ameisen noch Bienen, Schmetterlinge oder Fliegen finde. Aus denselben Gründen waren die Insecten im Anfang weit weniger mannigfaltigs und überraschen durch keine besonders hervorstechenden Eigenthümlichkeiten. Die Gattungen, zu denen diese Urinsecten gehören, bestehen entweder noch heute oder weichen wenig von den Gattungen der Jetztwelt ab. Keine Classe zeigte mehr Biegsamkeit in der Tendenz ins Unendliche zu varliren, keine aber zeigte auch mehr Zähigkeit, wenn es galt, die einmal erworbenen Züge zu erhalten. Geht man in die älteste Vergangenheit zurück, so beobachtet man bei den Ordnungen und (lassen der Gliederthiere!) ganz dieselbe Convergenz wie bei den Wirbelthieren. Die Gattung Bellinurus, die den Urgesteinen angehört, zeigt Charaktere, welche sie einerseits den niederen Krustenthieren, den Trilobiten, einreiht, andererseits den Arachniden nähert. In der Jetztwelt zeigen übrigens die Pycnogoniden einen ähnlichen Uebergang von den Crustaceen zu den Spinnenthieren. Die neuerlich im Devon gefundenen Insecten, welche die ältesten: bis jetzt bekannten sind, zeigen eine merkwürdige Verbindung von heute getrennten Charak- teren. Es sind Neuropteren oder Libellen, deren Beine so gebaut sind, dass sie wie die zu den Orthopteren gehörenden Grillen und Heuschrecken durch die Reibung eine Art Gesang hervorbringen konnten. In der Steinkohlenzeit, welche auf das Devonische System folgt, vermehren sich die Insecten, doch ist ihre Zahl noch sehr beschränkt. Heer zählte vor einigen Jahren nur 21 Arten, heute kennt man höchstens 27 bis 30. Die Schaben machen allein mehr als die Hälfte dieser Arten aus, dann folgen Heuschrecken, Termiten, 1) Man begreift unter dem Namen der Gliederthiere die Crustaceen, Arachniden, Myriapoden und Insecten; sie bilden eben so viele Classen, gehören aber demselben organischen Typus an. 44 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Eintagsfliegen und Wasserjungfern. Die Tausendfüsser sind sicher nachgewiesen. Man fand ein solches Thier in Amerika in dem Stamme eines Siegelbaumes, worin es zur Zeit seine Wohnung eingerichtet hatte. Ein anderer neuerdings in Illinois entdeckter Tausendfuss, Anthraceps, lässt Luftröhrenöffnungen erkennen, welche beweisen, dass die der Classe angehörenden Charaktere seit jener Zeit sich nicht geändert haben. Die Existenz der Classe der Spinnenthiere im Kohlengesteine ist durch einen in Böhmen gefundenen prächtigen Skorpion nachgewiesen, der von den grossen giftigen Arten der heutigen Tropenzonen wenig ver- schieden ist. Einige dieser Gliederthiere sind Fleischfresser, wie die Tau- sendfüsse, die Skorpione und die Libellen. Andere, wie die den Wasserjungfern nahe stehenden Eintagsfliegen, die durch ihre kurze Lebensdauer an freier Luft im vollkommenen Zustande be- kannt sind, besitzen zwar einen Mund, aber keine eigentlichen Kauorgane. Ihre im Wasser lebenden, gefrässigen Larven nähren sich allein von thierischen Stoffen. Dawson hat in der Stein- kohle von Canada Eintagsfliegen von sieben Zoll Flügelspannung gefunden, was die Grösse aller heutigen Eintagsfliegen, die eher durch die Kleinheit ihrer Formen bekannt sind, weit übertrifft. Die Vermehrung der Eintagsfliegen ist manchmal so ungeheuer, dass sie Wolken bilden, die das Tageslicht verfinstern können und dass ihre an den Ufern. der Bäche aufgehäuften Leichen einer dicken Schneeschicht gleichen. Die übrigen Gliederthiere der Urzeit nährten sich von allen möglichen Pflanzenstoffen. Man kennt die Verwüstungen der Heuschrecken, die Termiten zerstören die Bauhölzer, die Möbel und die Gebäude. Es giebt übrigens manche gemeinsame Züge zwischen der Ordnung der Neuropteren (Libellen, Eintagsfliegen, Termiten) und derjenigen der Orthopteren (Heuschrecken und Schaben). Wie Heer nachgewiesen hat, war die Annäherung in den Urzeiten noch bedeutender. Die Convergenz beider Ordnungen, die uns in dem Devonsystem durch eine Ver- schmelzung der Charaktere in einem einzigen Typus entgegentrat, erhält sich also noch längere Zeit und prägt sich durch das Ueberwiegen von Gruppen aus, in welchen diese gegenseitige Verwandtschaft am meisten hervortritt. Die Schaben wimmeln in südlichen Gegenden, sie fallen gern über die Hausvorräthe her, DIE PFLANZENWELT. Tafel II. Saporta. ( I ii | SUSHI Im Ideale Ansicht einer Landschaft aus der Steinkohlenzeit, ve URSPRUNG DES LEBENS. 45 namentlich über das Mehl. Tagsüber verkriechen sie sich in Spalten, ihre Metamorphosen sind langsam und unvollständig, ihr Leben lang und zähe, ihre Gewohnheiten merkwürdig durch die Sorge, die sie ihren Jungen widmen. Man sieht also, dass der entwickeltste Instinct den Urinsecten nicht fehlte. Der Scorpion steht in dieser Beziehung den begabtesten Spinnenthieren nicht nach. Er lebt im Mulm und kommt wie die Schaben und Termiten meist nur Nachts hervor. Diese Thiere wohnten ohne Zweifel im tiefsten Schatten der Wälder der Kohlenzeit; die einen nagten das Mark im Innern der alten Stämme, die anderen krochen in die Ritzen, um die weichen und Stärkemehl haltenden Theilchen aufzusuchen, andere bargen sich in den auf dem Boden massenhaft angehäuften Abfällen. Durch den langen Aufenthalt in dunkeln Wäldern unter einem nebeligen Himmel mögen vor Millionen von Jahren diese Thiere die nächtlichen Gewohnheiten angenommen haben, die sie noch heute besitzen. Aber neben ihnen flogen die Heuschrecken und Libellen in freier Luft, die einen um die Blätter der Farne zu verzehren, die anderen um eine lebende Beute zu verfolgen. So zeigten sich vielleicht die ersten belebteren Scenen, die ersten Töne und das erste Summen, welches das Schweigen der Urzeit unterbrach. Die Vegetation entfaltete damals im Schoosse ungeheurer Torfmoore den Glanz ihrer jungen und schon wunderbaren Schön- heit!). Ihr Charakter bestand vielmehr in der Vielheit als im Reichthum, in der Kraft als in der Verschiedenheit, in der Eigen- thümlichkeit als in der Anmuth. Die Formen überwucherten, mischten und kreuzten sich mit ungeregelter Energie, welche noch mehr die Regelmässigkeit hervortreten liess, die in der Anordnung der Stämme, der Zweige und der Blätter herrschte. Ein Einblick in diese Wälder hätte keine Laubgewölbe, keine Blattmassen, keine leere mit dichten Gebüschen abwechselnde Plätze, sogar keine solche undurchdringliche Dickichte gewahren lassen, wie sie die indischen Jungles zeigen, die den Tigern unzugängliche Verstecke bieten. Ueber einer Gesellschaft von grossen und eleganten Farn- kräutern erhoben sich wie Säulen nackte Stämme, deren Rinde 1) Man sehe Taf. II: Ideale Ansicht einer Landschaft aus der Stein- kohlenzeit. 46 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. eine Menge vorspringender Schilder zeigte; nur die Gipfel dieser Gewächse waren von steifen, dünnen, stechenden Blättern gekrönt; welche auf dem letzten Ende der Zweige aufsassen. Die damaligen Bäume, weit weniger mächtig als die unserer Hochwälder, liessen nur zwei Hauptformen gewahren. Die einen zeigten aufeinander- folgende Gabeltheilung, ähnlich einigen heutigen Palmen und Drachenbäumen. Dies waren die Lepidodendren. Die anderen; unter welchen die Calamarieen genannt werden müssen, zeigten in regelmässigen Abständen um die Hauptäste sperrige Nebenäste mit Zweigen und Blättern. Das Variiren dieser Gewächse be- schränkt sich auf eine monotone Wiederholung derselben Anord- nung. Solche Ansichten wiederholten sich ohne Wechsel auf allen Punkten und man hätte nur einen Winkel dieser Torfmoore, denen wir die Steinkohle verdanken, zu besuchen brauchen, um sie in ihrer ganzen Ausdehnung gründlich zu kennen. Einige in gewissen Tümpeln verlorene seltene Reptilien und eine kleine Zahl von Landmuscheln wohnten in dieser tiefen Einsamkeit. Nur die Insecten krochen ohne grosse Hindernisse zwischen den abgefallenen Blättern, Zweigen und Aesten unter den Farnkräutern und in den feuchten Mulm, sowie auf dem Gipfel der Stämme und bis ins Innere derselben. Die Insecten hatten schon ihren angewiesenen Platz in dieser Welt, wo der Mensch und die meisten Wirbelthiere weder leben noch sich an der Oberfläche hätten erhalten können. Wie wäre dies möglich gewesen auf diesem zitternden, schlammigen und durchfeuchteten Boden, zwischen dichtgedrängten Pflanzen ohne Blumen und Früchte, denen sogar die meisten Nährstoffe abgingen, wegen deren sie von den höheren Thieren aufgesucht werden? — Etwas später, unmittelbar nach der Triaszeit, aus welcher uns nur wenige Insecten unvollständig bekannt sind, finden wir sie an der Basis des Lias und können nun leicht die Fortschritte beurtheilen, die sie seit der Steinkohlenzeit gemacht haben. Heer hat aus dem Infralias einer einzigen Localität im Aargau 143 Insectenarten beschrieben. Die Käfer oder Coleop- teren gewinnen in dieser Gesellschaft das Uebergewicht, in welcher die Schaben und Termiten nicht fehlen. Einige saugende Insecten (Cicaden oder Rhynchoten), die von Pflanzensäften leben, beginnen sich zu zeigen, aber die Schmetterlinge, die Bienen, die Ameisen und die Fliegen sind noch fast unbekannt. Die Insecten mit IN URSPRUNG DES LEBENS. 47 kauenden Mundtheilen, Fleischfresser, Holzbohrer und Blattfresser überwiegen weit über die anderen, aber die Bewegung, deren Anfang wir bezeichneten, tritt stärker und entschiedener hervor. Ungeachtet der Lücken, welche theils von der Zukunft aus- gefüllt, theils fortbestehen werden, zeigen doch die Thatsachen, die wir angedeutet haben, eine grossartige Vereinigung zusammen- hängender Theile. Im Wirken des entstehenden Lebens wie in der Reihe der Entwickelungen, die es durchläuft, hängt Alles zu- sammen. Das Leben musste den Schooss der Gewässer verlassen, ehe es sich in freier Luft entfaltete. Bei Thieren wie bei Pflanzen herrscht dasselbe Gesetz. Beiden Reichen ist der Eindruck dieses Gesetzes geblieben, bei beiden zeigen sich die Spuren jener Ver- kettung, welche ihre Wiege an das Wasser knüpft und der Grund- satz des Philosophen Thales bleibt wahr. Die Fortpflanzungs- organe der niederen Pflanzen, die Larven vieler Insecten, selbst diejenigen der unvollkommneren Wirbelthiere bedürfen der Gegen- „wart des Wassers. Um ausserhalb dieses Elementes leben zu können, mussten sich alle Landwesen ein inneres Reservoir von Flüssigkeit erhalten, in welche ihre Gewebstheile getaucht sind. Wenn man gewissen Anzeichen Glauben schenken darf, so scheint es sogar, als ob beide Reiche anfänglich sich sehr nahe gestanden hätten. Die auseinander weichenden Richtungen, welche die Reiche und nach diesen die Classen und Familien als Wirkung einer Bewegung aufweisen, die sie nach stets verzweigteren Wegen hin- trieb, gehen aus Anpassungen hervor, die stets bestimmter, mannig- faltiger und exclusiver werden. Hierin beruht hauptsächlich die Vervollkommnung der Wesen, eine relative Vervollkommnung, die mit theilweisen Rückschritten, mit Abschweifungen aller Art und mit dem Verschwinden früherer, nach und nach durch neue ersetzte Charaktere nicht unverträglich ist. Die absolute Vervollkommnung war ohne Zweifel die nothwendige Consequenz dieser Entwickelung, aber sie war keine nothwendige und allgemeine Folge derselben, sondern beschränkte sich in einem ungleichen Maasse auf einzelne Reihen, deren Vorzug sie wurde. Daher kommt das wirkliche Uebergewicht, welches einige Typen inmitten der ungeheuren Mannigfaltigkeit der Wesen behaupten und der zwischen ihnen lodernde Kampf, der schliesslich dem Stärksten und Intelligentesten zum Nutzen gereicht. 48 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Die Paläontologie führt uns eine Menge ausgestorbener Orga- nismen vor, die sie in derselben Weise, wie wir die Monumente des Alterthums nach Jahren und Jahrhunderten ordnen, in chrono- logische Abtheilungen bringt. Selbst wenn uns alle historischen Nachrichten gänzlich abgingen, so würden wir doch beim Anblick der Kunstformen, die nach und nach von einem Style zum anderen übergehen, keinen Augenblick zaudern, aus diesem Fortgange den Schluss zu ziehen, dass eine Reihe von Völkern, die eines aus dem anderen hervorgingen und im Besitz einer beständigen Tradition von Ideen, Sitten und Gebräuchen blieben, allein ein Werk dieser Art vollbringen konnten. Wenn man behaupten wollte, dass dieser sichtlich so regelmässige Gang doch das Werk mehrerer Rassen sei, die einander fremd blieben und auf demselben Boden auf- einander folgten, ohne sich zu kennen und gegenseitig zu ver- ständigen, so würden wir einer so unwahrscheinlichen Behauptung wenig Glauben beimessen. Die Unmöglichkeit, einer jeden dieser angenommenen Rassen eine bestimmte Grenze anzuweisen, die, Existenz einer Menge von Kunstwerken, welche die Tendenzen zweier einander berührender Epochen verbinden, würden uns mit vollem Rechte die Richtigkeit der ersteren Annahme beweisen. Nichtsdestoweniger behaupten diejenigen, die in der lebenden Natur nur Arten sehen wollen, welche ohne Verwandtschafts- beziehungen zu ihren Vorgängern oder Nachfolgern von Zeit zu Zeit geschaffen wurden, die entgegengesetzte Ansicht. Man müsste aber dann auch annehmen, dass nach jeder Erschaffung neuer Arten der so innig zusammenhängende Plan, der die gesammte organische Natur umfasst, bei Seite gelassen worden wäre, um an demselben Punkte, wo er plötzlich unterbrochen wurde, wieder aufgenommen und ohne sichtliche Naht noch Lücke bis zur voll- ständigen Vollendung aller Theile fortgeführt zu werden. So sagt man, habe der Urheber der Schöpfung selbst es gewollt: sit pro ratione voluntas! — Diese Weise, die wesentlichsten Knoten des Problemes zu zerhauen, lässt der Kritik zu viel Spielraum, als dass es nicht erlaubt sein sollte, sie genauer zu betrachten und jeden Punkt zu analysiren. Die Paläontologie, nicht jene rein beschreibende Wissenschaft, welche jeden fossilen Körper untersucht, um ihm eine Etiquette anzukleben und dann zu einem anderen überzugehen, sondern die allgemeine vergleichende Paläontologie, URSPRUNG DES LEBENS. 49 welche die Beziehung der Wesen unter sich studiren, die Charaktere kennen lernen will, welche die verschiedenen Schöpfungen kenn- zeichneten, die früher auf dem Erdball erschienen, diese Wissen- schaft, welche wissen will, warum diese Schöpfungen bestehen, wie sie sich erhalten und verändern, muss sich nothwendig mit einer Frage beschäftigen, die sich übrigens von selbst unserem Geiste aufdrängt. Die Frage nach dem Ursprunge des Lebens ist in der That zu dringlich, um sie auf die Seite zu schieben, zu wichtig, um sie zu vernachlässigen, zu erhaben, um sie zu unterschätzen. Die Paläontologie, die beinahe ebenso jung ist wie die historische Kritik, die monumentale Archäologie und die Sprachwissenschaft, verfährt in derselben Weise wie diese Wissenschaften. Sie vermehrt geduldig von Jahr zu Jahr den ungeheuren Schatz von Documenten, auf welche sie sich stützt. Man mag sagen, was man wolle, ihre grossen Linien sind festgestellt, ihr Rahmen geschaffen. Es handelt sich nur darum, diesen Rahmen auszufüllen und man darf aus der Häufigkeit der Entdeckungen und der stets erweiterten Ausdeh- nung ihrer Aussichten den Schluss ziehen, dass man von allen Seiten mit Eifer nach diesem Ziele hin arbeitet. Saporta, die Pflanzenwelt. ; 4 ni Zweites Oapitel. Die Evolutionstheorie und der Transformismus. Alle neuen Ideen, selbst die wahrsten und fruchtbringendsten, erleiden Widerspruch. Aber statt unterzugehen, schöpfen sie, wie man wohl behaupten kann, in diesem Kampfe die Kraft, die ihnen zuerst zu fehlen scheint; sie gewinnen nach und nach Körper und erobern sich ihren definitiven Platz. Die Evolutionslehre geht in diesem Augenblicke durch eine Phase dieser Art. Immer auf dem Punkte, niedergeschlagen zu werden, wenn man ihren Gegnern glauben wollte, besteht sie wacker die Kämpfe, welche, statt sie zu schwächen, ihr Gelegenheit geben, ihre leitenden Grundsätze am hellen Tage auseinander zu setzen. Die Zahl ihrer Anhänger wächst von Jahr zu Jahr. Ein gewaltiger, geschickter und tiefer Denker hat in einer Reihe von Büchern, die schnell berühmt wurden, die bis dahin unbestimmten Ahnungen zu verdichten und die Grundsteine einer mächtigen Arbeit der Synthese zu legen gewusst. Die Schule, deren berühmtestes Organ er war, scheint sich sogar in ihm verkörpert zu haben, wie dies der Aus- druck Darwinismus anzeigt, den man häufig auf die Gesammtheit der transformistischen Ideen angewendet hat, den man aber rich- tiger auf die Reihe zugleich kühner und scharfsinniger Hypothesen beschränken sollte, mit welchen der englische Naturforscher so verschwenderisch umgegangen ist. Die im allgemeinen Sinne aufgefasste transformistische Idee datirt durchaus nicht von heute. Ein bekannter Forscher!) hat !) Man sehe in der „Revue des deux Mondes“ vom 15. December 1868, 1. Januar, 1. März, 1. April und 15. Mai 1869 eine Reihe von Aufsätzen von A. de Quatrefages, betitelt: Les Origines des especes animales et vegetales. DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 51 mit Talent die Geschichte ihres Ursprunges erörtert und nicht mit Unrecht einige ihrer extremen Tendenzen bekämpft. Aber wo gäbe es eine wissenschaftliche Theorie, die man nicht durch die Fort- führung bis zu ihren letzten Consequenzen erschüttern könnte? Sollte man nicht, wenn man mit einer sich noch entwickelnden Lehre zu thun hat, eher die wahren und soliden Seiten derselben aufsuchen, als ihre unausweichlichen Abwege und Dunkelheiten ? Die Paläontologie bietet in dieser Hinsicht eine werthvolle Hülfe. Der Glaube an die Evolution findet in der That in ihr seine wesentlichste Begründung. Er wäre nur ein Witzspiel, wenn wir nicht die Gewissheit besässen, dass das organische Leben auf der Erde ein hohes Alter hat. Aber mit dieser Gewissheit wird der Glaube an die Evolution eine Hypothese, die sich besser als jede andere den beobachteten Thatsachen anpasst. Ohne die Evolution sind die Erscheinungen der Vorwelt in der That nur ein un- lösbares Räthsel. Mit dem Ausdrucke „Art“ bezeichnen wir in dem Sinne, den wir ihm geben, die morphologische Gestaltung, unter welcher alle lebende oder fossile organische Wesen sich in dem Augenblicke zeigen, wo wir sie betrachten. Wenn diese Gestaltung bei zwei verglichenen Individuen dieselbe, beinahe identisch oder ziemlich gleich ist, so sagen wir, dass sie derselben Art angehören. Sind sie durch einen bemerkbaren Unterschied einander unähnlich, ohne dass ihre übrige wechselseitige Aehnlichkeit dadurch beein- trächtigt würde, so werden die meisten Naturforscher hinsichtlich ihres Ausspruches zweifelhaft sein, oder sich nach der Neigung, die sie haben, für die Vereinigung oder Trennung der Formen entscheiden. Die transformistische Lehre bezieht sich wesentlich auf die Lösung der Fragen hinsichtlich des wahren Ursprungs und der genaueren Bedeutung der Analogien und Verschiedenheiten, die in der Natur jedes Individuum im Vergleiche mit einem anderen kennzeichnen. Wenn die Arten nicht durch Generationsfolgen eine aus der anderen entstanden sind, so mussten sie plötzlich als Resultat einer Reihe mysteriöser Vorgänge auftreten, die Niemand zu beweisen im Stande ist. Es heisst nur für nichts und wieder nichts das Unbekannte und Willkürliche in das Gebiet der Wissen- schaft einführen, wenn man die unmittelbare Einwirkung eines 4* 52 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. höheren Willens behaupten will. Es ist freilich wahr, dass man ebenfalls auf noch unvollständig bekannte Umstände sich berufen muss, wenn man die andere Lösung vertheidigen will; aber man hat hier wenigstens eine solide Grundlage in dem Beispiele der Metamorphosen, die unter unseren Augen die Individuen um- gestalten und manchmal durch mehrere Generationen nachwirken. Die Evolution ist eine Erscheinung ähnlicher Art wie die Meta- morphose, nur hat sie eine fast unendliche Zeitdauer zu ihrer Ver- fügung. Unbekanntes gegen Unbekanntes scheint doch die Idee der Evolution wahrscheinlicher als die andere, wenn man sich von jeder vorgefassten Meinung zu Gunsten des alten Systems frei machen will, obgleich dieses letztere in den Augen vieler Natur- forscher seine Geltung in einem langen Besitztitel hat. In diesem Geiste beginnen wir das Studium der wesentlichsten Fragen, welche die transformistische Schule in letzterer Zeit zu untersuchen und zu erklären, wenn nicht vollständig zu lösen unternommen hat. L Der Glaube an die Evolution setzt durchaus nicht, wie man öfters behauptet hat, die Existenz einer unaufhörlichen und all- gemeinen Variabilität bei allen organischen Wesen voraus. Man kann demjenigen, der überall die Unbeständigkeit sehen will, mit vollem Rechte die regelmässige Ordnung und anscheinende Be- ständigkeit der heutigen Natur entgegen halten. Um den Ursprung der wesentlichsten Verschiedenheiten, die wir in den Naturkörpern sehen, zu erklären, braucht man glücklicherweise nicht beständige Umänderungen anzunehmen, sondern kann sich darauf beschränken, zu behaupten, dass die organischen Wesen nur zuweilen unter dem Einflusse bestimmter Ursachen variirt haben. Man kann zwar gewiss Beispiele von Wesen anführen, die seit ausserordentlich langer Zeit fast unveränderlich geblieben sind; andererseits giebt es aber auch Organismen, die unter dem Einflusse günstiger Um- stände im Gegentheile Veränderungen erlitten und zahlreiche Varietäten erzeugt haben. Man kann sehr wohl annehmen, dass einige dieser letzteren, die mehr als die anderen hervortraten, endlich durch den allmäligen Ausschluss der Zwischenbildungen Alleinherrscher wurden. Man begreift so alle Uebergänge, die DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 53 auf diese Weise von der einfachen individuellen Abweichung bis zu den auffallendsten Verschiedenheiten führen. Man begreift auch den Einfluss der Zeit und der umgebenden Aussenwelt. Diese Wechselwirkungen bilden die Geschichte des Lebens selbst, die zwar noch viele Lücken und dunkle Stellen zeigt, aber doch mit grosser Bestimmtheit dafür eintritt, dass seit der Bewohnung des Erdballs eine ausserordentlich lange Zeit verstrichen sein muss, in welcher die auf der Erdoberfläche lebenden Wesen einer gewissen Ordnung nach auf einander gefolst sind. Der Mensch ist zur Kenntniss der geologischen Thatsachen durch die Untersuchung der Schichten gelangt, die in jedem Zeitraume auf dem Grunde der Gewässer sich ablagerten. In Folge dieser Untersuchung hat er die Schichten eine nach der anderen numerirt, wie die Blätter eines Buches, und so konnten die Forscher die Vergangenheit unseres Planeten in eine gewisse Anzahl von Perioden eintheilen, deren Gesammtheit eine fast unberechenbare Zeitdauer voraus- setzt. Um dies zu begreifen, muss man an die enorme Mächtig- keit gewisser Stockwerke denken, deren Bildung doch mit grosser Langsamkeit vor sich gegangen sein muss. Ausserdem können wir nicht umhin zu bemerken, dass man bei dem Uebergange von einer Schicht zu der folgenden meistens diejenigen Arten, deren Reste eine jede dieser Schichten charakterisiren, zuerst nur zum Theile ausscheiden sieht, um endlich gänzlich ersetzt zu werden. Wenn man an die grosse Zahl dieser aufeinanderfolgenden Erneuerungen und an die Zeit denkt, die sie nothwendig in An- spruch nahmen, so fühlt man sich von dem Gewicht dieser Dauer fast zu Boden gedrückt. In der That sehen wir keinen Wechsel um uns her und wenn wirklich ein solcher Platz greift, so geschieht dies in so allmäliger Weise, dass er für den Menschen unmerklich wird. Die Insecten des Flusses Hypanis, die nur einen Tag lebten, konnten bei zunehmendem Alter die Abnahme des Lichtes be- merken. Nehmen wir aber einmal an, dass diese Thiere nur die Lebensdauer einer halben Secunde gehabt hätten, wie viel aufein- ander folgender Generationen solcher Wesen hätte es bedurft, um die scheinbare Bewegung der Sonne zu sehen? So verhält sich der Mensch zu den Wesen, die ihn umgeben; es scheint ihm, dass nichts sich ändert; stolz stützt er sich, um seine Ansicht aufrecht zu halten, auf Beobachtungen, die auf einige Tausende von Jahren 54 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. zurückgehen und er hätte keinen Widerspruch erfahren, wenn er nicht selbst auf den Gedanken verfallen wäre, die Vergangenheit des Erdballs zu untersuchen und deren Archive zu durchforschen, Nun erschien ihm eine neue Welt. Agassiz sagt in seinem Buche über die Art, dass Elie de Beaumont, als er die in den Berggegenden vorgegangenen Aenderungen classificiren wollte, wenigstens sechzig oder sogar hundert solcher Hebungen unterschied, die ebenso viel mehr oder minder allgemeinen Revolutionen entsprechen. Die Paläontologie unterscheidet nicht weniger Erneuerungen der Fauna und Flora des Erdballs; durch die Combination dieser beiden Reihen von Thatsachen ist man dazu gelangt, eine bestimmte Anzahl von Perioden zu unterscheiden, die sowohl die physischen Ereignisse als die auf die organischen Wesen bezüglichen Erneuerungen zusammenfassen. Die Geschichte des Lebens verschmilzt auf diese Weise mit derjenigen des Erdballes selbst und doch darf man sich fragen, ob in der That zwischen den Veränderungen der unbelebten Materie und denjenigen der Thiere und Pflanzen eine nothwendige Verbindung besteht? Agassiz, der in der Entwickelung des Lebens die Ausführung eines vorgezeichneten Planes sah, welcher aus dem Willen einer höchsten Intelligenz hervorgegangen sein sollte, glaubte an eine wahrscheinliche Coincidenz der organischen Erneuerungen und der physischen Revolutionen. Er nimmt den Synchronismus und die Correlation beider Erscheinungsreihen an. Er erkennt darin eine wenigstens gelegentliche und seiner Ansicht nach vorausgesehene Ursache, welche dem Plane entspricht, dessen allgemeinen Gedanken wie die Ausführung der Details er dem Schöpfer aller Dinge zuschreibt. Trotz dieser Autorität und derjenigen so mancher ausgezeich- neten Forscher, die gleicher Meinung sind, lässt sich die Annahme, dass eine directe Beziehung, wie zwischen Ursache und Wirkung, zwischen den in der Öberflächenbildung des Erdballes stattgehabten Veränderungen und den Erneuerungen der die Erde bewohnenden Pflanzen und Thiere sich nachweisen lasse, nur schwer aufrecht erhalten. Die Zahl dieser allgemeinen Erdrevolutionen konnte niemals, auch nur annähernd, festgestellt werden. Man nimmt zwar in der Geologie grosse Abtheilungen, bestimmte Epochen, aufeinanderfolgende Perioden an; sobald man aber die genaueren DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 55 Grenzen einer jeden Periode ziehen und sich über die Zahl, den Werth, die genaue Ausdehnung der Stockwerke oder Unterabthei- lungen verständigen will, lassen sich die Schwierigkeiten nicht mehr entwirren und schliesslich sieht man zwischen zwei scheinbar sehr verschiedenen Schichtengruppen eine gemischte Gruppe sich einschieben, die jede Idee einer ausgesprochenen Trennung aus- schliesst. Wir können heute unmöglich mehr annehmen, dass es jemals Störungen gegeben habe, die allgemein und mächtig genug gewesen wären, um die Gesammtheit oder nur einen wesentlichen Theil der lebenden Organismen zu vernichten. Die Zeiten sind vorbei, wo man einzig aus der Gegenwart von Versteinerungen schon auf ein gewaltsames Begräbniss derselben schloss. Im Gegentheile scheinen diese Phänomene bei grösster Ruhe sich abgespielt zu haben. Die ungeheure Mehrheit der Meeresmuscheln hat am Platze selbst gelebt, und an vielen Orten kann man die aufeinander folgenden Spuren der Hebung des Meeresbodens auf verschiedene Höhen nachweisen, ohne dass man Anzeichen plötz- licher Convulsionen bemerken könnte. Uebrigens können auch solche Beobachtungen, die auf einige begrenzte Punkte der alten Meere beschränkt sind, in keiner Weise für den Ausdruck all- gemeiner biologischer Erneuerungen gelten oder uns den Schlüssel dazu geben. Ja noch mehr, man kann behaupten, dass die Thiere und Pflanzen des Festlandes durchaus nicht denselben Wechsel- fällen unterworfen waren, wie die Seethiere. Die Austrocknung eines Binnenmeeres, wie das Mittelmeer oder die Kaspische See, kann die Vernichtung einer Menge von Arten herbeiführen, wäh- rend die Luft weder verschwinden noch wie das Wasser verderben kann. Ausserdem besteht noch zwischen den an der Erdoberfläche lebenden Pflanzen und Thieren eine gründliche Verschiedenheit. Die meisten Thiere sind Herren ihrer Bewegung, während die Pflanzen an dem Boden befestigt sind, aus dem sie ihre Nahrung ziehen. Die Pflanzen können nicht wie die Thiere vor der Gefahr fliehen, willkürlich sich nach einer Richtung hin bewegen und jährliche Wanderungen unternehmen. Diese Unbeweglichkeit der Pflanzen ist für sie indessen nicht, wie man glauben könnte, eine Ursache leichter und noch weniger allgemeiner Vernichtung. Sie haben weit grössere Lebenszähigkeit, können sich in vielen Fällen tief in den Boden einnisten, den sie nach und nach durch allmälige 56 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Ausdehnung überziehen, indem sie nach allen Seiten hin ihre Samenkörner streuen, deren Keimfähigkeit oft ausserordentlich lange erhalten bleibt. Die Pflanzen widerstehen als Typen und selbst als Individuen, wenn nicht eine vollständige Untertauchung des Bodens, oder eine plötzliche Veränderung des Klimas ein- tritt. Ihr Todeskampf kann Jahrhunderte hindurch sich fort- setzen; es hält demnach schwer, an das plötzliche Verschwinden der verschiedenen Floren, die früher an der Oberfläche der Erde auf einander folgten, zu glauben. Die Paläontologie weist in der That nach, dass die von der Vegetation durchgemachten Verän- derungen erst nach’ sehr langer Zeit definitiv wurden. Die Landthiere können laufen, fliehen, auswandern, was die Pflanzen nicht können. Sie ziehen ihre Nahrung nicht aus dem Boden, hängen aber in dieser Beziehung von den Pflanzen und Thieren selbst ab. Wenn diese Abhängigkeit weniger materiell ist, so besteht sie nichtsdestoweniger, und zwar in sehr verschie- denem Grade, je nach den Thiergruppen, die man ins Auge fasst. Die kleinsten und niedrigsten Landthiere können sich zwar fort- bewegen, aber in den meisten Fällen ist diese Ortsbewegung äusserst beschränkt. Mit Ausnahme einiger wenigen Kategorien, wie z. B. der Heuschrecken , ist die Existenz der meisten Insecten an diejenige einer bestimmten Classe von Pflanzen oder selbst einer einzigen Art geknüpft, mit der sie leben und sterben. Die grösseren Thiere ziehen grösseren Vortheil von ihrer freien Orts- bewegung, aber eben wegen ihrer weniger exclusiven Nahrung, ihrer Grösse und der Leichtigkeit, mit der sie ein Land verlassen und sich mehreren Klimaten anpassen können, sind sie auch einer lebhafteren, wechselseitigen Concurrenz unterworfen, durch welche sie in verhältnissmässigen Grenzen gehalten werden, die nur wenig ändern, so lange die Existenzbedingungen dieselben bleiben. Die grabenden und nagenden Säugethiere, die Gras-, Wur- zel- und Früchtefresser würden sich übermässig bis zur gänzlichen Erschöpfung ihrer Nährpflanzen vermehren, wenn die Fleisch- fresser ihre Zahl nicht in gewissen Schranken hielten. Die orga- nische Gesammtheit gründet und erhält sich demnach durch eine innige Verkettung sehr verschlungener Combinationen; das leicht gestörte Gleichgewicht stellt sich eben so leicht wieder her. Man muss freilich zugestehen, dass die gegenseitigen Beziehungen und DIE EVOLUTIONSTHEORITE. 57 damit die Gelegenheiten zum Variiren um so mehr zunehmen, je weiter man in der Reihe der Wesen zu den höheren Thieren hinansteigt. Das niedrige Gewächs, das Kryptogam, das in seinen Anforderungen sehr mässig ist, variirt wenig und findet sich fast überall; Zeit und Raum üben nur wenig Einfluss darauf aus. Die höheren Gewächse, bei welchen die organische Arbeitstheilung schon mehr Platz gegriffen hat, verhalten sich schon ganz anders; sie sind zarter, empfindlicher, geneigter zu bestimmten Anpassun- gen, specialisiren sich gern mehr und mehr und bilden zahlreiche Varietäten an Formen und Einzelheiten. Man beobachtet die- selben Verhältnisse, wenn man die wesentlichsten Pflanzen- gattungen von Stufe zu Stufe nach oben verfolgt. Die ältesten Gruppen sind zugleich die beständigsten, die bestumschriebensten und am wenigsten zahlreichen. Die Gruppen neueren Ursprungs zeigen dagegen eine grosse Verschiedenheit der Formen, aber die wesentlichsten Züge ihrer Structur sind weit einförmiger. Je mehr sich die Typen zersplitterten, desto mehr verloren sie an Originalität, was sie an Verschiedenheit gewannen. Die niederen Thiere bieten dieselben Grenzen der Variabilität wie die Pflanzen; die Wasserthiere, die ein fast unwandelbares Element bewohnen, und die von sehr allgemeinen Bedingungen abhängenden Landthiere hatten immer eine lange Existenzdauer. Die Insecten und Süsswasserschnecken der Secundärzeit weichen sehr wenig von den heutigen ab, und die Natur hat in dieser Beziehung seit den ältesten Zeiten weit weniger Beweg- lichkeit gezeigt, als man gewöhnlich glaubt. Kommt man zu den höheren Thieren mit ihrer verwickelten Organisation, die frei leben, ihre Ernährungsweise ändern und dem Klima durch den Herd innerer Wärme widerstehen können, den sie in sich tragen, so ändert sich die Scene. Welche Verschiedenheit der Sitten und der Lebensgewohnheiten! Die Intelligenz und die freie Wahl mischen sich mit dem Instinet. Der Bär lebt bald von Eiern, von Honig und Früchten, bald von lebender Beute; die Katze lauert auf ihr Opfer, der Hund verfolgt seine Beute in freier Hetze; andere Thiere können, wie das Rennthier, die Flechten unter dem Schnee finden und aus Laune oder Nothwendigkeit den Wohnort ändern. Müssen diese und eine Menge anderer Um- stände im Schoosse der Organismen nicht Veränderungen er- 58 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. zeugen? Nach einem von Gaudry aufgestellten Gesetze haben sich die Thiere um so schneller verändert, je vollkommener ihre Structur und je höher ihr Rang in jeder Serie ist. Dieses Gesetz, das man nicht umstossen kann, widerlegt die Ansicht derjenigen, die den Ursprung der Wesen an successive Schöpfungen knüpfen, denn diese Schöpfungen hätten doch irgend einen Grund haben müssen! Man kann nicht begreifen, warum in so nahe gelegenen Zeiten, wie in den letzten Tertiärepochen, die Arten der Tapire, der Mastodonten, der Nashörner, einander in so kurzen Zwischen- zeiten ersetzt hätten, während doch das ganze Pflanzenreich und die ungeheure Mehrzahl der niederen Thiere schon ihr heutiges Kleid trugen. Wenn die biologischen Erneuerungen, wie wir eben gezeigt haben, nicht den Charakter der Allgemeinheit besitzen, wenn diese Veränderungen, sobald man sie in den verschiedenen Serien der organischen Wesen verfolgt, weder mit einander zusammen- fallen, noch durch irgend ein directes Band mit den physischen Umwälzungen verknüpft sind, die auf der Oberfläche der Erde Platz griffen, so ist es klar, dass zur Erklärung dieser Erschei- nungen ausser der Evolution nur ein einziges System aufgestellt werden konnte, nämlich das der successiven Einführung neuer, in unregelmässigen Zeitabschnitten unabhängig von einander geschaf- fener Arten. Diese Ansicht, welche durch ihre Einfachheit sehr ver- führerisch ist, wurde von vielen Forschern angenommen, in deren Augen sich die Thatsachen in derselben Ordnung zu erklären schienen, in der sie der Geologe beobachtet. Wenn der Geologe in der That bei der Untersuchung der verschiedenen Schichten einer Formation seine Aufmerksamkeit auf eine Art wendet, die er zum ersten Male antrifft, so sagt er sich instinetmässig, dass diese Art in derselben Weise, wie er sie jetzt sieht, d.h. ohne sichtbare Vorgänger im Schoosse der Gewässer aufgetreten sein müsse, Diese Art zu schliessen ist nur scheinbar richtig, in Wahr- heit aber setzt sie das Phänomen, dessen Ursprung zu ergründen ist, in die Lösung selbst um. Das Vorkommen fossiler Muscheln, die mehr oder weniger von den früher erschienenen verschieden sind, bedingt nicht nothwendig den Schluss, dass diese Arten in dem Augenblicke erschaffen wurden, wo man anfängt, sie zu beob- achten. Man darf höchstens den Schluss daraus ziehen, dass sie DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 59 bisher zu selten waren, oder an anderen Orten vorkamen, fern von demjenigen, wo man sie fand, und deshalb ihre Spuren nicht hin- terlassen konnten. Zwischen diesen beiden Arten zu schliessen, ist in der That ein Abgrund. Wir können dies beweisen. Neh- men wir den Fall, es handle sich, statt um eine Meermuschel oder um ein Strahlthier, um ein höheres Thier oder eine Landpflanze, deren Reste nur ein Zufall auf den Grund der Gewässer schwem- men kann, so würde man sich wohl hüten, die bis dahin unbe- kannte Art, deren Abdruck man findet, für eine neugeschaffene zu halten, und doch ist die Erscheinung identisch dieselbe, da selbst die an Versteinerungen reichsten, im Meere abgelagerten Schich- ten uns stets nur einen kleinen Theil der untermeerischen Bil- dungen einer jeden Periode erkennen lassen. Wie viel Schichten und Stockwerke giebt es nicht, in denen die Versteinerungen ganz fehlen, oder zu unkenntlichen Stücken zertrümmert sind! Sind die Ufergürtel, die Sand- und Felsgründe nicht fast allgemein ver- schwunden, ohne Spuren hinterlassen zu haben? Wie viele Schicht- gruppen sind nicht auf weite Erstreckungen hin durch die Ueber- deckung mittelst neuerer Ablagerungen unseren Untersuchungen entzogen! Man darf gewiss Thatsachen dieser Art nicht zur Unterstützung einer Theorie anführen, nach der jede specifische Form plötzlich in dem Augenblicke, wo wir ihre Reste zum ersten Male finden, erschaffen worden sein soll. Alle Naturforscher gestehen ein, dass Spuren eines Zusam- menhanges, einer theilweise directen, theilweise entfernteren Ver- kettung zwischen den verschiedenen Theilen der organischen Welt existiren. Obgleich Gegner der Theorie der Transformation, gesteht F. J. Pictet!) doch ein, dass man bei der Vergleichung der Fauna eines jeden Stockwerks mit derjenigen der unmittel- bar darübergelagerten Schichtengruppe von den engen Verwandt- schaften überrascht wird, die sich zeigen, indem die meisten Gattungen dieselben und die Arten meistens einander so ähnlich sind, dass man sie leicht mit einander verwechseln kann. Alle Forscher von Cuvier und Flourens an geben zu, dass die Art *) Trait&E de Paleontologie ou Histoire naturelle des animaux fossiles consider6s dans leurs rapports zoologiques et geologiques par F.J. Pictet, KL, 92188. 60 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. > und Weise, wie die Arten auf einander folgten und die Beziehun- gen, die sie bei Vergleichung ihrer inneren Structur zeigen, auf die Existenz eines Planes hindeuten, dessen scheinbar grösste Abweichungen doch niemals die wesentlichsten Züge verändern. Die auffallendsten Umänderungen und die offenbarsten An- passungen, wie z. B. diejenigen der Walthiere an den Aufenthalt im Meere, vollziehen sich durch die Verkürzung oder Verlänge- rung, das Verschwinden oder Vermehren einzelner Theile, ohne dass diese Umänderungen die relative Lage der Organe zu ein- ander beeinträchtigten. Die bildenden Elemente des Säugethier- skeletes, und demnach desjenigen der Wirbelthiere im Allgemeinen, finden sich im Knochengerüste des Walfisches wieder. Vergleicht man dieses mit dem Skelete eines Vogels oder eines Reptils, so wird die Uebereinstimmung des Plans dem aufmerksamen Beobachter auffällig, Man wird diese Uebereinstimmung, wenn auch in geringerem Grade, noch wahrnehmen, wenn man die Fische in Betracht zieht. Geht man von den Wirbelthieren zu den Weichthieren und Insecten über, so wird man die Analogie nicht mehr in der Structur, sondern nur in der Existenz der Hauptorgane finden, die freilich in anderer Weise geordnet sind, bis man end- lich, bei den niedersten Wesen angekommen, als gemeinschaft- liches Band zwischen diesen und den höheren nur noch die Zelle findet, die eine wahrhafte, lebende Einheit darstellt, aus der alle gebildet sind. So umfasst die Einheit des Planes, wenn auch in sehr ver- schiedenem Grade, alle Thiere und selbst alle Pflanzen. Beob- achtet man aber statt der Allgemeinheit der Organismen die grossen Abtheilungen, die Kreise, Classen und Ordnungen, so er- kennt man, dass sie nicht nur die Tendenz haben, sich mittelst ihrer äussersten Serien zu nähern, sondern dass diese letzten Reihen auch gerade diejenigen sind, die der Zeit nach zuerst auf- treten. So sind die Panzer- und Knorpelfische am wenigsten Wir- belthiere unter den Wirbelthieren, und sie sind gerade die ältesten von allen. Die Beutel- und Cloakenthiere sind die un- vollkommensten Säugethiere, und die zuerst auftretenden Säuge- thiere zeigen unzweifelhafte Verwandtschaft mit ihnen. Die Einheit des Planes zeigt sich auch noch in den Phasen des embryonalen Lebens und dessen Metamorphosen, die bei den DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 61 höheren Thieren in vorübergehender Weise Charaktere vorführen, welche bei den niederen Thieren permanent sind. Sie zeigt sich ferner in den vielfachen Anpassungen, welche die Organe der ver- schiedenen Glieder einer jeden Reihe modificiren, um sie zu ge- wissen Functionen tauglich zu machen, oder sie verkümmern zu lassen, ohne sie vollständig zu vernichten, sobald sie unnütz ge- worden sind. Auf diese Weise kann selbst das Rudiment eines nicht gebrauchten Organes die innige Verbindung des Thieres, bei welchem es vorkommt, mit denjenigen bezeugen, bei denen es ent- wickelt bleibt. Jedermann weiss, dass die Knochen des Schwanzes sich in rudimentärem Zustande noch bei dem Menschen vorfinden, nachdem sie beim Fötus eine Hemmung in ihrer Entwickelung er- litten haben. Das Pferd zeigt noch Spuren der seitlichen Zehen, und der blinde Proteus der Höhlen von Krain besitzt noch Spuren eines Sehnerven. Dieselben Knochen, in derselben Anlagerung, aber verlängert oder verkürzt, bilden die Hand des Menschen, die Pfote der Thiere, die Flosse der Walthiere, den Huf der Wieder- käuer, den Flügel des Vogels und der Fledermaus. Die Paläon- tologie zeigt uns noch obenein, dass diese verschiedenen Anpas- sungen die Resultate einer Art von stufenweiser Ausarbeitung sind, deren einzelne Glieder nicht alle aus der lebenden Natur verschwunden sind. | Trotz so vieler auffälliger Anzeichen bleibt doch die Einheit des Planes in den Augen derjenigen, die sich mit der grössten Ueberzeugung dazu bekennen, nur eine abstracte Formel. Sie sehen darin nur eine Bestätigung der Absicht, welche sie der schöpferischen Intelligenz zuschreiben, trotz der vereinzelten und wiederholten Erschaffung der Wesen, dieselben dennoch durch allgemeine Züge und die Details ihrer Organisation mit einander zu verbinden. Alle diese Aehnlichkeiten und Verbindungen wären demzufolge nur ein Irrthum, weil diese scheinbar so analogen Wesen in der That nichts mit einander gemein hätten; es be- stände zwischen ihnen kein weiteres Verwandtschaftsband, als dasjenige der Varietäten und Rassen. Sei es drum; aber warum dann eine wahre Ausnahme statuiren, indem man sich auf die Wirkungen einer willkürlich begrenzten Variabilität beruft? Warum wählt man vorzugsweise die Art, die so schwer von der Rasse zu unterscheiden ist, statt der Gattung oder der Ordnung, 62 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. um „eine wirkliche und objective Wesens-Einheit“ zu repräsen- tiren? Welchen Beweis bringt man für die Rechtmässigkeit dieser Wahl? Ist es die vorgeschützte Beständigkeit der Art? Man müsste diese Beständigkeit doch erst beweisen, nicht nur für die Jetztwelt, sondern auch für die ganze Dauer der früheren Perioden! Dann wird aber diese Einheit des Plans, die ausserhalb jeder thatsächlichen Grundlage aufgestellt wird, nur eine einfache Idealisirung, eine abstracte, ausserhalb der Thatsachen selbst verlegte Zusammenfassung der Beobachtungen. — Betrachtet man dagegen die Einheit des Planes als den treuen Ausdruck der Ver- wandtschaftsgrade zwischen den organisirten Wesen, so bildet sie ein sicheres Mittel, die Verwandtschaften selbst zu beurtheilen, durch welche diese Wesen mit einander verknüpft sind. Man sieht, wie diese Bande sich allmälig abschwächen, wenn man über die Gattungen hinaus von Gruppe zu Gruppe bis zu den Kreisen vordringt. Die Spur der Evolution wird um so dunkler, je weiter man sich vom Ausgangspunkte entfernt. Sie verschwindet zuletzt; aber da, wo der leitende Faden aufhört, soll der Forscher auch still stehen und freimüthig seine Unwissenheit bekennen. Die transformistische Lehre ist übrigens weit davon entfernt, die ab- solute Allmacht der physischen Agenzien zu behaupten. Kraft und Stoff zusammen erklären nicht allein den letzten Grund der Organisation und die fortschreitende Entwickelung des denkenden Ich und der Intelligenz. Das Räthsel bleibt dasselbe, wenn auch seine einzelnen Glieder anders gestellt sind. Die Idee der Causa- lität schwindet nicht aus der Welt, sie wird nur auf einem an- deren Wege eingeführt und anders aufgefasst als früher. Der Forscher giebt einer Hypothese den Vorzug, die sich besser als die frühere den paläontologischen Thatsachen anpasst und durch eine Menge von Beobachtungen unterstützt wird. Er hütet sich wohl, Alles erklären zu wollen und wird nicht glauben, dass der Schleier, der die Vergangenheit unseres Planeten deckt, sich in einem Tage lüften lässt. Die Dunkelheit ist nur um ein Weniges vermindert. Für uns ist demnach die Einheit des Planes nur der Maass- stab der Verwandtschaften, die alle Wesen mit einander verbin- den. Zweifellos bei einigen, noch sichtbar aber mehr verschleiert bei anderen, verwischen sich diese Verwandtschaften oder redu- DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 63 eiren sich auch bei vielen auf kaum merkbare Anzeichen. Aber diese Stufenfolge kann uns nicht überraschen. Je weiter sich die Arten von dem gemeinsamen Zweige entfernen, von dem sie aus- gingen, desto mehr weichen sie aus einander. Jeder dieser Zweige ging wieder aus einem Aste hervor, der selbst einem älteren Stamme entsprosste. Die Gesammtheit dieser Verzweigungen setzt einen gewaltigen Stammbaum zusammen, von dem wir nur noch zerstreute Reste finden. Die Hauptäste, welche den Kreisen und den Reihen entsprechen, entgehen unseren Nachforschungen. Bei dieser Abwesenheit genügender paläontologischer Thatsachen darf man demnach den Glauben an einen oder mehrere Urtypen, von dem alle Wesen entstammt wären, nur als eine reine Hypo- these ansehen. Die transformistische Schule braucht sich also nicht einlässlicher mit dieser Frage zu beschäftigen, als die An- hänger aufeinander folgender Schöpfungen nöthig hatten, die ge- wiss sehr seltsamen Umstände aufzusuchen, welche das plötzliche Erscheinen der Arten nothwendig begleitet haben müssten. Alles, was die Wissenschaft thun kann, beschränkt sich auf das Auf- suchen der ältesten biologischen Periode. Hinter dieser findet unser Geist eine vor der Hand noch geschlossene Schranke, die eines Tages zu umgehen oder selbst zu überschreiten er vielleicht die Hoffnung hegen darf. „ Die Aufsuchung der Verwandtschaften und der Uebergänge musste also die wesentlichste Aufgabe der transformistischen Schule sein. Dieser Gedanke ist es auch, der in den im Pariser Pflanzengarten gehaltenen Vorlesungen von Albert Gaudry vorwaltet und neuerdings in dem Buche dieses Forschers über die Verkettungen der Thierwelt (Les enchainements du monde animal) hervorgetreten ist. Dieses Buch zeigt uns Schritt für Schritt die stufenweisen Umwandlungen der verschiedenen Organe der Säugethiere. So sehen wir die Pferde, die Nashörner, die Wiederkäuer von dem gemeinsamen Stamme der Dickhäuter im oberen Eocen nach drei stets mehr aus einander weichenden Rich- tungen hin divergirend ausstrahlen und so Zweige bilden, deren anfänglich unbestimmte Charaktere sich nach und nach durch eine lange Reihe von Stadien genauer umgrenzen und fixiren. Noch weiter zurück in der Vergangenheit sind es die Beutel- thiere, die vorherrschen und einen früheren Zustand zu bezeich- 64 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. nen scheinen, den alle placentalen Säugethiere nach kürzerem oder längerem Aufenthalt zu durchschreiten hatten. In dieser Weise aufgefasst, rollt sich die Geschichte des Lebens stückweise ab und lässt sich nur aus unvollständigen Hieroglyphen entziffern, aber sie ist dafür auch voll fruchtbarer Anschauungen und fort- schreitender Bewegung. Es handelt sich namentlich darum, die stets wachsende Schwierigkeit zu bewältigen, die man bei Beob- achtung der Uebergänge vorfindet, sobald man einmal die Arten verlassen hat, und höhere Gruppen in das Auge fassen muss. Die Verwandtschaftsgrade werden stufenweise schwächer, schrumpfen zu fast unsichtbaren Fäden zusammen, ja zerreissen in den meisten Fällen. Man muss sich an die geringsten Anzeichen halten. Die heutige Natur, die zwar weniger reich an originellen Charakter- zügen, als die der älteren Perioden, aber zugänglicher und leichter erforschbar ist, zeigt uns freilich manche Beispiele von Ueber- gängen zwischen den Kreisen und Classen. Bilden die Amphibien nicht ein verbindendes Mittelglied zwischen den Reptilien, mit denen sie früher vereinigt wurden, und durch den Axolotl und Lepidosiren mit den Fischen? Sind es nicht gerade den Sala- mandern verwandte Amphibien, die zugleich Charaktere besitzen, wodurch sie sich den Fröschen nähern, aber ausserdem noch einen freilich sehr kurzen Schwanz haben, welche Gaudry in den Jüngsten Schichten des Kohlengebirges gegen das Ende der paläo- zoischen Periode gefunden und unter den Namen Protriton petrolei beschrieben hat? Betrachtet man die Fische, so sieht man, dass der Wirbelthiertypus sich nach und nach verwischt oder wenigstens seine scharfe Ausprägung verliert, wenn man zu den Knorpelfischen kommt. Durch den Amphioxus grenzen die letzten Wirbelthiere an die Ascidien oder Mantelthiere, eine Gruppe von Wesen, die jedenfalls noch tiefer steht als die Weich- thiere, aber trotz dieser relativen Unterordnung einen Uebergang zu den höchsten Thieren bildet, der freilich erst in Folge einer langen Reihe von Kettengliedern geschah, von welchen nur wenige jetzt noch existiren. In dieser Hinsicht versetzen uns die paläontologischen Unter- suchungen sogleich in das Herz der Frage, indem sie uns zeigen wie die Wesen sich nach und nach umgeändert haben. Alle primi- tiven Thiere sind Meerthiere, denn das Leben muss, wie wir DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 65 früher gezeigt haben, im Schoosse der Gewässer entsprungen sein. Obgleich damals schon alle organischen Typen vorhanden waren, so kann man doch leicht in diesen ältesten Lebewesen die Kenn- zeichen einer Evolution erblicken, die sich fortschreitend ent- wickelt. Die grosse Zahl der Brachiopoden steht mit diesem Ge- danken in Einklang, denn die Armfüssler gehören einer Gruppe an, welche nur das äussere Ansehen von Mollusken hat, aber ursprünglich aus einer übereilten und speciellen Anpassung von Ringelwürmern hervorgegangen ist, deren Structur die Thiere im Larvenzustande wiederholten, um dann später im ausgewachsenen Zustande sich mit den ihnen eigenthümlichen Schalen zu bekleiden. Man begreift auf diese Weise sowohl das augenblickliche Ueber- gewicht der Brachiopoden, das dem späteren Auftreten und Ent- wicklung derMollusken entspricht, als auch ihr stufenweisesZurück- gehen gegenüber den Fortschritten dieser Letzteren. Die geringe Menge der Gasteropoden oder Schnecken in den ältesten Schichten hat keine andere Bedeutung, und sogar das Fehlen der Acephalen oder Muscheln in der Primordial-Fauna bestätigt unsere Ansicht, denn die Muscheln müssen das Resultat einer rückschreitenden Metamorphose gewesen sein. Die schnelle Ausdehnung und das wirkliche Ueberhandnehmen der Trilobiten in den silurischen Meeren kann uns ebensowenig überraschen, denn vor dem Auf- treten der Fische, ja selbst der Kopffüssler, repräsentirten die Trilobiten verhältnissmässig hoch organisirte Thiere, welche lange Zeit keine Concurrenz zu fürchten hatten, obgleich sie gewiss vielen Typen der heutigen Crustaceen und namentlich der zehn- füssigen Krebse bedeutend untergeordnet waren. Sie konnten deshalb die Herrschaft erlangen und so lange behaupten, als kein anderes thätigeres, stärkeres und intelligenteres Wesen sie ihnen bestritt. Barrande macht darauf aufmerksam, dass die Arten mit zahlreichen Brustringen, welche durch eine lange Reihe von Metamorphosen erworben sind, ursprünglich vorherrschten, und dass diejenigen Arten, welche im erwachsenen Zustande nur eine mässige oder sehr kleine Zahl von Segmenten besitzen, sich im Gegentheile in der zweiten und dritten Fauna der Silurzeit bedeutend vermehrten. Die durch Hinzufügung von gleich ge- bauten, einander mehr oder minder ähnlichen Theilen bewirkten Aenderungen zeigen einen relativ niederen Zustand an und mussten Saporta, die Pflanzenwelt. 5 Be in. 66 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. in der That bei den im Fortschritte befindlichen Arten verschwin- den. Ebenso verhält es sich mit der Körpergrösse, die bei den Trilobiten so lange zwischen Extremen schwankt, als die Gruppe ihren aufsteigenden Gang befolgt, oder wenigstens sich auf der- selben Stufe erhält, die aber von dem Augenblicke an, wo der Niedergang beginnt, sich vermindert, um endlich bei den letzten überlebenden Formen in der Periode, welche der Vernichtung vorangeht, bedeutend herabzusinken. Das Auftreten der Nautilen, dieser merkwürdig organisirten Kopffüssler, deren wahrhaft über- raschende Ausdehnung mit der dritten silurischen Fauna Bar- rande’s zusammenfällt, war eine erste Ursache des Rückgehens der Trilobiten. Aber dieser Niedergang wurde noch schneller und absoluter durch die Erscheinung der Knorpelfische, die in der Mitte, vielleicht selbst im Beginn der dritten silurischen Fauna auftraten. Die Trilobiten fanden sich nun im Kampfe mit Wesen, die ihnen gewiss durch ihre Beweglichkeit, ihre Kraft und Intelli- genz überlegen waren, obgleich dieselben weder so gänzlich Wir- belthiere, noch so vortrefflich an das Leben im Wasser angepasst waren, als die aus ihnen entsprungenen Knochenfische. Ein oft weiches, oder wenig festes inneres Skelet entsprach bei den Fischen dieser frühesten Epoche einem Hautskelete oder einem Panzer, der aus nebeneinander liegenden Stücken gebildet war und nach der richtigen Bemerkung von Gaudry in dem Maasse schwindet, als das innere Skelet durch seine Verknöche- rung ein festes Gerüste bildet. Die seltsamsten unter diesen Fischen, die sogenannten Placoganoiden, die durch ihren vorn gepanzerten Körper eine merkwürdige Analogie mit den Krusten- thieren zeigen, scheinen sich diesen in der That äusserlich zu nähern, ohne dass auf diese Weise der ungemein grosse Zwischen- raum vermindert würde, welcher die beiden Kreise trennt. Unter- sucht man die Charaktere dieser Urfische, die bis in die Secun- därzeiten vorherrschen, dann aber allmählig seltener werden und den heutigen Fischen Platz machen, so findet man, dass ihre unvollständig verknöcherten Wirbel und die Verlängerung ihres Schwanzes einem embryonalen Typus der Wirbelthiere und einem niederen Grade der Fischbildung angehören. Die mit beweglichen Schuppen bedeckten heutigen Fische, die in ihren Bewegungen freier und in Allem weit vollkommener sind, würden demnach eine DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 67 höhere Stufe in der Entwicklung des Typus bilden. Die nämliche Tendenz zeigt sich bei den ältesten Lurchen, die mehrfache Be- rührungspunkte mit den Fischen zeigen. Die Ordnung der Laby- rinthodonten, welcher diese Lurche angehören, besitzt nach der Meinung von Pictet Uebergangscharaktere, die sie zwischen die Amphibien einerseits und die Saurier andererseits stellen. Der Urvogel von Solenhofen, der Archaeopteryx, ist ebenso ein embryo- naler Typus, dessen Schwanzwirbel das Beispiel einer den vorher- gehenden analogen Bildung zeigen. Die Säugethiere der Secun- därepoche, zahlreicher und besser bekannt als die Vögel, können dieselben Ideen bestätigen. In Amerika wie in Europa sind sie selten und kümmerlich und nähern sich denjenigen unvollkom- mensten Säugethieren, die am meisten an die Eier legenden Thiere erinnern. Unsere Kenntnisse von den Anfängen einer jeden UOlasse zeigen uns demnach trotz ungemeiner Lücken stets unvollendete Combi- nationen, die als Uebergangsbildungen zu einer vollkommeneren Structur hinleiten. Jede Gruppe gewinnt in dem Maasse, als sie an Wichtigkeit wächst, unterscheidende und verwickeltere Charak- tere. Sogar die Entartungen sind die natürliche Wirkung gewisser Combinationen. Es giebt ganz gewiss unter den heutigen Fischen Typen, welche den Knorpelfischen der ersten Zeiten nachstehen und die gliederlosen Schlangen unter den Reptilien, sowie die Edentaten unter den Säugethieren stehen gewiss nicht höher als die Typen, die beim Beginne jeder dieser Classen vorhanden waren. Nichtsdestoweniger sind sie die Producte einer Reihe höchst verwickelter Ausarbeitungen und Anpassungen. Wenn die Kreise und Classen im Anfange zusammenlaufen, so müssen die Ordnungen und Gattungen dieselbe Tendenz zeigen. Man sieht in der That am Anfange aller Serien, namentlich wenn sie genau bekannt sind, dieselbe Unbestimmtheit der Charaktere. Die ersten Fleischfresser stehen relativ sehr niedrig. Je weiter man in der Reihenfolge der geologischen Stockwerke bis zu dem Punkte zurückgeht, wo die ersten Typen sich loslösen und fixiren, desto häufiger werden die Formen, welche sich zwischen die scharf- geschiedenen Gruppen der heutigen Ordnungen stellen. Amphicyon war nach Gaudry halb Hund, halb Bär; Hyaenarctos, welcher der Quaternärzeit näher lebte, war zu drei Viertel Bär, hatte aber 5* 68 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. noch einige Charaktere der Hunde, während Pseudocyon im Gegen- theile dem Hunde sehr nahe stand und nur wenig Bär war; an- dere Typen stellen sich zwischen die Hunde und die Civetten oder die Hyaenen und Civetten. Der Affe von Pikermi ist Semno- pithecus durch den Schädel und Makake durch das Skelet. Wie die Letzteren, war er eher Fussgänger als Kletterer, lebte eben so gut von Zweigen als von Früchten und vereinigte sich in klei- nen, für jede andere Art intoleranten Gesellschaften. Gaudry konnte demnach durch die aus allen Theilen seines Skeletes ge- zogenen Folgerungen sogar die Instincte dieses Affen darlegen. Die stufenweise Verbindung der Typen einer und derselben Serie lässt sich in bemerkenswerther Weise in der Familie der Elephanten nachweisen, welche früher drei Gattungen begriff, von denen zwei gänzlich ausgestorben sind, während die dritte auf die beiden Arten des asiatischen und afrikanischen Elephanten redueirt ist. Die Gattung Dinotherium, die von den dreien die älteste ist, zeigt auch die meisten Beziehungen zu anderen Grup- pen, namentlich zu denen der Walrosse und der Seekühe, wäh- rend sie durch ihre Bezahnung sich sehr von den Elephanten und selbst den Mastodonten unterscheidet. Doch hatte diese Gat- tung das Ansehen, die Masse, den Rüssel und die Stosszähne, ohne Zweifel auch die Instincete und Sitten der anderen Rüssel- thiere. Die Mastodonten kommen den eigentlichen Elephanten, besonders dem afrikanischen weit näher; die Hügel ihrer Back- zähne nähern, verschmälern und falten sich bei einigen Arten, so dass sie den unterscheidenden Charakter der Elephantenzähne an- nehmen. Doch gelangen sie erst durch eine lange Reihe von Zwischenbildungen zu diesem Ziele. Man kann dieselben Bemer- kungen auf eine Menge anderer Gruppen anwenden, wie auf die Nashörner, Tapire, Pferde, Hirsche und Rinder. Es hält sehr schwer, die gegenseitigen Grenzen der Arten zu bestimmen. In dem einen wie in dem anderen Reiche sieht man, je näher man den heutigen Zeiten kommt, dass jeder lebenden oder neuerdings erloschenen Art fossile Arten vorausgingen, die sich nur durch geringfügige Einzelheiten der Structur unterscheiden. Giebt es nun eine natürlichere Annahme, als die einer Generationsfolge, deren sämmtliche Stufen man so zu sagen entdeckt? Die Ent- fernungen von Elephas antiquus zum asiatischen und von Elephas a DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 69 meridionalis zum afrikanischen Elephanten sind schon höchst gering, aber zwischen dem grossen fossilen Flusspferde, welches früher das Pariser Becken bewohnte und dem heutigen, zwischen dem Höhlenbären und dem braunen Bären, dem Urochsen und dem tertiären Pferde, und den heutigen Ochsen und Pferden ver- schwindet der Zwischenraum fast gänzlich, namentlich wenn man eine Menge von Uebergangstypen ins Auge fasst. Schimper hat bei Untersuchung des Pflanzenreiches die- selben Ansichten gewonnen und dessen fortschreitende Entwick- lung durch die Evolution erklärt. Doch müssen wir auf einige Hauptpunkte aufmerksam machen; die Arten und Familien der Pflanzen haben meist ein weit längeres Leben als diejenigen der Thiere. Diese Lebenszähigkeit setzt die Wiege der meisten Pflan- zen in eine weit grössere Vergangenheit zurück, die leider an Versteinerungen sehr arm ist. Andererseits fehlen uns die Kräuter in fossilem Zustande fast gänzlich. Betrachtet man aber die Holz- pflanzen, deren Geschichte ziemlich gut bekannt ist, so sieht man, dass jede Gattung während mehrerer Perioden durch eine Reihen- folge von Arten repräsentirt ist, die nur wenig von den heutigen ver- schieden sind. Die gegenseitigen Verwandtschaftsbande lassen sich um so leichter erfassen, als wir bei vielen dieser Serien in der leben- den Pflanze den Zielpunkt besitzen, bei welchem die stufenweise Ent- wicklung endigte. Man entdeckt dann merkwürdige Verhältnisse. Wenn in der That die Besonderheiten der Structur und der geo- graphischen Vertheilung, welche eine heutige Pflanze auszeichnen, in genauem Verhältniss zu den Kenntnissen stehen, die man von mehreren fossilen Arten derselben Gattung besitzt, so ist man be- rechtigt, sich nicht bei verschiedenen Variationen der Einzelheiten aufzuhalten und die jüngste von zwei Arten als die directe Fort- setzung der älteren anzusehen. Wollte man anders handeln, so müsste man auf alle Hülfsmittel der Analogie und der Induction, d. h. auf die Methode selbst, verzichten. Nun wohl! Nimmt man diese Prämissen an, so kann man sagen, dass es keinen Baum noch Strauch in Europa, in Nordamerika, auf den Canarien und in der Mittelmeergegend giebt, den man nicht in fossilem Zustande unter einer specifischen Form fände, welche der heutigen mehr oder min- der nahe steht. Fast immer geht ein sehr früh entwickelter Typus jetzt seinem Untergange entgegen, während andererseits ein spätes 10 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Auftreten oft mit einer weiten Ausdehnung in der Jetztwelt ver- knüpft ist. Die Beziehungen der europäischen und nordameri- kanischen Flora, die man schon öfters nachgewiesen hat, werden noch weit inniger, wenn man die früheren Perioden befragt. Wenn die ausgestorbenen Thiere von Pikermi Herrn Gaudry eine sicht- liche Verbindung mit denjenigen erkennen liessen, die heute das innere Afrika bewohnen, so zeigt die fossile Flora des südlichen Europas zu derselben Zeit ähnliche Tendenzen und die canarischen Inseln scheinen der Punkt zu sein, wo die doppelte Strömung, die amerikanische und afrıkanische, mit einander verschmolzen. Die Polargegenden, deren tertiäre Vegetation durch die Unter- suchungen des unermüdlichen Heer so wohl bekannt ist, bildeten in derselben Zeit eine Mischregion, wo die verwandten Arten der beiden Continente sich begegneten. Die Riesenbäume Californiens, der Drachenbaum Teneriffas, der Lebensbaum Algeriens sind nur die letzten Ueberbleibsel von Bäumen, die früher im alten Europa wuchsen. Die Sumpfeypresse Luisianas bietet ein Beispiel einer früher über ganz Europa verbreiteten Pflanze, die in Amerika ohne weitere Aenderungen fortlebte, nachdem sie uns verlassen hatte. Selbst in den Fällen, wo man Verschiedenheiten zwischen den ähnlichen fossilen und lebenden Arten wahrnimmt, sind die- selben nicht bedeutend genug, um den Glauben an eine Abstam- mung der einen von den anderen zurückzuweisen. (eben wir noch einige Beispiele: Der Judenbaum oder Schoten- baum wächst jetzt nur noch freiwillig auf einem einzigen Punkt des Rhonethales, nicht weit von Moutelimar. Diese Gegend besass in vier verschiedenen Epochen Schotenbäume, die der jetzigen Art ähnlich, doch in einzelnen Beziehungen verschieden waren. Soll man nun annehmen, dass diese Arten jedesmal zu Grunde gegangen seien, um unter einer Form wieder aufzustehen, die nur wenig, aber immerhin sichtlich modificirt war? Der tertiäre Oleander, der in der Sarthe, dann in Griechenland und Böhmen gefunden wurde, ist neuerlich auch bei Lyon getroffen worden. Er zeigt sich in diesen verschiedenen Localitäten unter successiven Formen, die schliesslich mit der heutigen verschmelzen. Der Oleander ist heutigen Tages in Griechenland und im südlichen Frankreich einheimisch. Man begreift sehr leicht, dass dieser Baum, nachdem er in gewissen Grenzen varlirt hatte, schliesslich DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 7 durch die Kälte aus Centraleuropa vertrieben wurde. Der ge- wöhnliche und canarische Lorbeer, sowie der Granatbaum, lebten mit dem ÖOleander zusammen in der Umgegend von Lyon. Alle wurden nach und nach gegen den Süden hin zurückgedrängt. Hat man nöthig, eine Reihe von plötzlichen Schöpfungen anzu- rufen, um so einfache, aus der Evolution und der Variabilität hervorgehende Thatsachen zu erklären? Und wie ist es möglich, diese Erklärung nicht auf andere Arten aus Analogie anzuwenden, wenn sie einmal für die bestbekanntesten Arten angenommen ist? Als Beweis gegen die Evolutionstheorie hat man sich häufig auf die grosse Vollkommenheit der Typen berufen, die in der Flora der Steinkohlenzeit herrschten und später verschwanden, indem sie nur sehr verkümmerte Nachkommen hinterliessen. Da diese Pflanzen nicht zu den bedecktsamigen Phanerogamen ge- hören, so beweisen sie schon durch diesen Umstand die relativ niedere Ausbildung des gesammten Pflanzenreiches in dieser ersten Periode. Die Steinkohlenflora besteht fast zu gleichen Hälften aus Gefässkryptogamen, die unseren heutigen Schafthalmen, Far- nen und Bärlappen ähnlich, aber offenbar mehr als diese diffe- renzirt waren und aus Gymnospermen, die ebenfalls, wenn man will, höher organisirt waren als die Coniferen und selbst durch gewisse Charaktere sich den Gnetaceen näherten und so gewisser- maassen den Weg zu den bedecktsamigen Pflanzen anbahnten, die erst viel später auftraten. Alle diese Typen, sagt man, ver- kümmerten zu gleicher Zeit und verschwanden, indem sie in den Secundärzeiten nur unbedeutende Reste hinterliessen. Diese letztere Behauptung ist nicht ganz richtig; wenn wir auch von den Arten von Equisetum und Schizoneura der Trias und des Jura, von den Farnkräutern, welche noch in späteren Zeiten den Typus derjenigen aus der Kohlenzeit bewahren, nicht reden wol- len, wenn wir die Schafthalme, die Marattien, die Selaginellen, die Rhicocarpeen der Jetztwelt übersehen wollen, die offenbar nur Ueberbleibsel der Urpflanzen sind, so ist doch heute durch die Untersuchungen von Grand’Eury festgestellt, dass es schon zur Steinkohlenzeit Coniferen und Cycadeen gab, welche denselben Gattungen angehören, wie diejenigen der Secundärzeit. Dies sind die Gattungen Walchia und Pterophyllum, die neulich in Saint- Etienne entdeckt wurden, und die Ginkgophyllum, die offenbar 12 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. der Stamm der „Salisburieen“ sind. Die Floren der Primär- und Secundärzeit zeigen uns deshalb solche. Contraste an ihren Be- rührungspunkten, weil man ebensowohl in dem permischen System als in der Trias, diesen beiden sich berührenden Gebilden, die sehr arm an Pflanzen sind, grosse Lücken anerkennen muss. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Vegetation nach der Stein- kohlenzeit verarmte, dass sie aufhörte, zu überwuchern und dass die Bedingungen ihrer Entwicklung nicht mehr die nämlichen waren. Aber zwischen dieser Erkenntniss und einer plötzlichen, allgemeinen Revolution, einer Erneuerung, welche die früheren Formen durch andere unähnliche Formen ersetzte, die keine Ursprungsbeziehung zu den vorigen gehabt hätte, liegt ein Ab- grund, gegen dessen Eröffnung wir uns anstemmen müssen. Es ist wahr, dass sowohl die Gymnospermen, als die Crypto- gamen der Kohlenzeit höher organisirt scheinen, als die späteren Pflanzen derselben Classe. Ihre Grösse, Mächtigkeit und die Vollendung ihrer Organe übersteigt in der That alle unsere Be- griffe; aber man darf nicht vergessen, dass diese relative Voll- kommenheit das Resultat einer Anpassung an ganz specielle Zu- stände war. Diese Anpassung zeigt sich bei Pflanzen, die keine Concurrenz mit wirklich höheren Classen zu bestehen hatten, deren Auftreten in eine spätere Zeit fällt. Die zuletzt gekomme- nen Familien waren vielleicht weniger original, weniger schön als ihre Vorgängerinnen, sie besassen aber dafür eine organische Lebenskraft, eine Leichtigkeit der Anpassung an die biologischen Bedingungen, eine Sicherheit der Fortpflanzung, welche den an und für sich noch so merkwürdigen Pflanzen der Kohlenzeit ganz gewiss abgingen. Wie kann man sich nun verwundern, dass die Cryptogamen und Gymnospermen der ersten Zeiten, die gegen nur noch im Kindesalter befindliche Typen zu kämpfen hatten, deren Ausarbeitung sich nur langsam und im Dunkeln vollzog, Formen hervorgebracht haben, deren organische Vervollkommnung unsere Bewunderung erregt? Sie hatten keine Rivalen und be- fanden sich unter ausnahmsweise günstigen Bedingungen. Es wäre gerade, wie wenn man in Anbetracht der wunderbaren Werk- zeuge, die uns so viele Insecten in ihren Augen mit tausend Facetten, ihren Kauwerkzeugen, ihren Vertheidigungsmitteln und ihren so zarten und mannigfach gebildeten Fortpflanzungsorganen DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 73 zeigen, die Behauptung aufstellen wollten, dass sie höher organi- sirt seien als die Wirbelthiere, deren Vervollkommnung meistens auf einfacheren, aber eben so sicheren Combinationen beruht. Die Kohlenpflanzen konnten unter der Herrschaft von Bedingungen, die nicht immer dauern sollten, leben und sich entwickeln und einen hohen Grad organischer Vollendung erreichen. Wären an- dere, stärkere und leichter sich anpassende Pflanzen, die sich besser den Bedingungen des Erdlebens anschmiegen konnten, nicht an ihre Stelle getreten, so wäre die Oberfläche der Erde von Pflanzen entblösst geblieben oder hätte nur sehr kümmerliche Nachkommen in geringer Zahl gezeigt. Alles dieses geht mit voll- ständiger Gewissheit aus der Restauration der Steinkohlenflora hervor, die in so trefflicher Weise von Grand’Eury untersucht wurde, wenn es auch den Ansichten dieses Forschers, welcher der Evolutionstheorie ziemlich abhold ist, schnurstracks wider- spricht. Es wäre übrigens unwahrscheinlich, anzunehmen, dass die Pflanzen der Kohlen- oder selbst der Devonzeit wirklich die ersten gewesen seien. Die grossentheils an fossilen Pflanzen leeren Schichten beweisen wohl, dass vor der Steinkohlenzeit, einer wah- ren Zeit des Luxus für das noch unvollkommene Pflanzenreich, die Existenzbedingungen ohne Zweifel verschieden waren. Aus dieser Seltenheit der Abdrücke darf man indessen durchaus nicht, wie man oft gethan hat, auf eine unbedingte Armuth oder eine zu grosse Neuheit des Pflanzenreiches für die Zeit, wo es auftritt, schliessen. Die organische Natur musste gewiss eine Menge von Stadien durchlaufen, deren Kenntniss uns durch die Armuth der Schichten entzogen wird, ohne dass man deshalb das Recht hätte, auf eine gänzliche Abwesenheit aller Vegetation zu schliessen. Die Beispiele von Landpflanzen aus der Silurzeit, die sich stets mehren, beweisen die Richtigkeit unserer Ansicht. Man darf die Abwesenheit oder Seltenheit von Abdrücken in keinem Falle mit der Abwesenheit oder. Armuth des Pflanzenreiches selbst ver- wechseln. Es giebt keine directe und nothwendige Verbindung zwischen diesen beiden Dingen, sondern nur entferntere Beziehun- gen, die manchen Unregelmässigkeiten unterworfen sind, und deren wahrhafte Bedeutung man in solcher Entfernung nur schwer schätzen und erfassen kann. 74 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Dieser Ideengang ist in Kurzem derjenige, durch welchen die verschiedensten Forscher bei der Untersuchung der alten Wesen zur Theorie der Evolution geführt wurden. Darwin in England, Gaudry und Schimper in Frankreich, und so viele Andere, die durchaus verschiedene Wissenschaftszweige bearbeiteten und zu- weilen von ganz entgegengesetzten Gesichtspunkten ausgingen, sind dennoch dazu gelangt, identische Thatsachen und Resultate zu constatiren. Der Erstgenannte, mehr mit der Theorie beschäf- tigt, die ihm ihren Namen verdankt, hat hauptsächlich die un- mittelbaren Anwendungen auf die jetzt lebenden Wesen aufge- sucht. Er hat vielleicht die Versuche und Anstrengungen, jeden einzelnen Fall zu erklären, allzusehr vervielfältigt, aber er hat eine unendliche Laufbahn eröffnet. Als echter Forscher hat er sich auf die Erfahrung gestützt und die Wahrheit mit einer Art von Ingrimm verfolgt, welchen selbst seine Gegner anerkennen mussten. Er dachte, dass die merkwürdigen Umwandlungen, welche die Wesen früher erlitten, und die ohne Zweifel sehr lang- sam vor sich gingen und dadurch unseren Beobachtungen ent- zogen sind, wieder sichtbar werden könnten, wenn man diejenigen heutigen Phänomene untersuchte, die am besten die früheren wiederspiegeln.. Darwin hat geglaubt, dass die Einwirkung des Menschen auf die Pflanzen und Thiere uns über die früheren Wandlungen der Arten Aufschluss geben könne, obgleich diese Einwirkung in manchen Beziehungen weit kräftiger, in anderen dagegen weniger und in anderer Weise eindringlich war, als die sich selbst überlassene Wirkung der Natur. Um eine vollständige Idee der neueren Fortschritte der Evolutionstheorie zu geben, müssen wir also Darwin’s Ansichten über die Cultur und Zäh- mung auseinandersetzen und diese Analyse durch eine Darstellung der Kenntnisse vervollständigen, welche wir über die Vererbung gewonnen haben. II. Statt wie die Versteinerungen, nur durch unförmliche Reste dargestellt zu sein, die ungemeine Lücken lassen, bilden die leben- den Wesen ein organisches Ganzes, an dem nichts dem aufmerk- samen Beobachter entzogen bleiben kann, weder die Gewohnheiten DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 75 und Instinete, noch die Besonderheiten der Structur und Organi- sation. Darwin folgte diesem Gedanken, als er sich bemühte, aus einer planmässigen Erforschung der gegenwärtigen Natur die Gesetze abzuleiten, welche die Welt seit der Erscheinung des Lebens beherrschen. Aus diesem Gedanken entsprang sein Buch „Ueber den Ursprung der Arten“, in dem der Verfasser eine er- staunliche Menge von Beweisen aufhäuft zu Gunsten des Grund- satzes, dass die umbildende Einwirkung des Menschen auf die Pflanzen und Thiere nur eine bewusste Nachahmung des unbe- wussten Verfahrens der Natur sei. Diesen Gedanken hat er später noch in ganz specieller Weise zu entwickeln gesucht, indem er die Wirkung der Domesticität analysirte. Er wollte zeigen, wie die wilden Thiere sich verhalten, sobald sie einmal der Einwirkung des Menschen unterworfen sind. Die von Darwin untersuchte Frage gehört zu den merkwürdigsten. Sie ist und wird noch lange ein den Naturforschern und Philosophen geöffnetes Feld der Con- troverse bleiben. Sie knüpft an die Untersuchung der ersten Gänge des noch im Kindesalter befindlichen Menschen auf dem Wege des Fortschrittes an. Der Mensch musste ohne Zweifel, bevor er Thiere zähmte und Pflanzen cultivirte, durch einen unvollkommenen Uebergangszustand hindurch gehen, während dessen er seine Macht versuchte, ohne ihre ganze Ausdehnung zu ahnen. Die Lappen stehen noch auf diesem Punkte, ihre Renthierheerden sind immer halb wild, sie überwachen und hüten sie mit Anwendung von Geschicklichkeit oder Gewalt, ohne jemals ihre ruhigen Herren zu werden. Weder die Renthierkühe, wenn man sie melken will, noch die Jungen, wenn man sich ihrer bemächtigen will, um sie zu schlachten, gestatten eine Annäherung ohne Widerstand und die wilden Ren- hirsche mischen sich frei mit den gezähmten Heerden, deren Rasse sie erhalten und verbessern. Die ersten Menschen, die ausschliess- lich Jäger waren, sahen gewiss unzählige Grasfresser durch die Thalgründe schweifen. Der Schreck, welchen die Anwesenheit des Menschen den wilden Thieren einjagt, bestand nicht immer; in den Gegenden, in welche der Mensch zum ersten Male gelangt, oder selbst da, wo er sich nur selten zeigt, umgeben ihn freund- liche Heerden, drängen sich an ihn und lassen sich ohne Miss- trauen berühren; der Instinet, welcher die Thiere zur Flucht vor 76 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. dem Menschen treibt, entwickelt sich erst nach und nach bei ihnen. Der Ausgangspunkt der Domestication liegt ohne Zweifel in dem Bestreben, in der Nähe der nützlichsten und geselligsten Thiere zu leben und von ihnen gewisse Vortheile zu ziehen. Von da bis zu dem Gedanken, sie einzuschliessen und sich der Jungen zur Aufzucht zu bemächtigen, ist nur ein Schritt. Dieser Schritt wurde zurückgelegt, als die lebhaft verfolgten Thiere sich von dem Menschen entfernten und ihn zwangen, neue Hülfsmittel aufzu- suchen. Mit Ausnahme des Hundes, den der Mensch sehr bald an seine Existenz fesselte, hatte er vielleicht kein Hausthier neben sich, so lange er leichte Beute in den Ebenen fand. Uebrigens griff er die Säugethiere auch erst an, nachdem er durch die Kenntniss des Feuers gelernt hatte, ihr Fleisch durch Kochen zuzubereiten. Seine Bezahnung weist ihn naturgemäss auf eine Nahrung hin, die aus Wurzeln, Früchten, vielleicht aus Eiern und kleinen Thieren besteht; er suchte gewiss stets Pflanzenstoffe auf, und nach dem, was wir von den Pfahlbauten wissen, benutzte er früher sogar die elendesten Früchte. Der Wilde unserer Tage, dem der primitive Europäer gewiss ähnelte, hat eine sehr unsichere Existenz und ist häufig der Hungersnoth ausgesetzt. Man darf sich deshalb nicht verwundern, Brombeeren, Schlehen, Wassernüsse und sogar Eicheln unter den in den frühesten Zeiten benutzten Nährstoffen zu finden. Der Mensch hat gewiss alles gekostet, bevor er eine vernünftige Wahl unter den Pflanzen traf, die ihn nähren, und Darwin glaubt, dass unser Getreide seinen sehr bald durch die Cultur vergrösserten Körnern den Vorzug verdankt, womit man es unter einer Menge von kaum essbaren Gräsern auswählte, die man aus Noth zusammengesucht hatte. Die Idee der Domesticität, die mit den ältesten Fortschritten des Menschen verknüpft ist, verliert sich also mit ihm in der Nacht der Zeiten und doch möchte unser Geist gerne die Mysterien des ersten Ursprunges durchdringen. Die neueren Untersuchungen über die Zeitalter der gehauenen und geschliffenen Steine, sowie der Bronze geben uns einigen Aufschluss. Die Ueberreste von Haus- thieren sind weit seltener in den ersteren als diejenigen von wilden Thieren. Was die Pflanzen betrifft, so haben uns die in den alten Pfahlbauten gemachten Entdeckungen die Art der Ernährung und des Ackerbaues dieser älteren Rassen kennen gelehrt. In den DIE EVOLUTIONSTHEORTE. 77 Küchenabfällen der neolithischen Periode in Dänemark hat man einen Hund gefunden, der wahrscheinlich gezähmt war. In den Pfahlbauten, welche der Periode der geschliffenen Steine, also etwa derselben Epoche angehören, gab es in der Schweiz einen Hund mittlerer Grösse, der zwischen dem Wolf und dem Schakal mitten inne steht. Zur Bronzezeit gab es in Skandinavien wie in der Schweiz einen grösseren Hund, der in der Eisenzeit durch einen noch grösseren ersetzt wurde. — Das Pferd war gegen das Ende der geschliffenen Steinzeit gezähmt, seine Ueberreste sind aber zu dieser Zeit weit seltener als in der vorhergehenden Periode, wo es noch als wildes Thier gejagt wurde. — Zwei Arten von Schweinen, zwei oder drei Arten von Rindern, eine kleine Rässe von Schafen mit hohen und dünnen Beinen, die gänzlich von den heutigen Rassen verschieden ist, bildeten die Hausthiere; die Ziege scheint in der Schweiz noch häufiger gewesen zu sein als das Schaf. — Die Bewohner des südlichen Europas scheinen ihrerseits das Kaninchen sehr früh benutzt und wahrscheinlich auch gezähmt zu haben. Der Ackerbau war sehr wenig vorgeschritten, doch hatte man schon zehn Arten von Getreide, fünf Weizensorten, drei Arten von Gerste und zwei andere Gräser. Die Erbse, der Mohn, der Flachs, der Apfel, die Birne und die Haselnuss waren schon früh gesucht und folglich auch cultivirt. Uebrigens waren die Körner des Getreides und der Gerste klein und wenig nahrhaft, die Früchte kümmerlich und die grosse Zahl von wilden Pflanzen und Thieren, die man als Nahrung benutzte, beweist, wie wenig zuverlässig die Hülfsquellen waren, die man sich durch Ackerbau und Viehzucht erwarb. Von dieser Einfachheit der ersten Zustände haben sich Ackerbau und Viehzucht bis zu dem heutigen Zustande erhoben, wo ihre reichen Producte die Welt bedecken und unzählige Völker ernähren. Welche lange Liste müsste man aufstellen, wenn man alle jene Pflanzen aufzählen wollte, welche die Europäer eingeführt oder verbessert haben zur Bereitung der Nahrung, der Fette und Zuckerstoffe, des Viehfutters, der Gewebe, der Farb- und Arznei- stoffe! Was die Thiere betrifft, so braucht man nur an die Wunder zu erinnern, welche durch die Züchtung der Last- und Zugthiere, sowie derjenigen erreicht worden sind, welche uns Haar oder Fleisch liefern sollen. Wie wäre es endlich möglich, selbst vor- 78 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. übergehend zu vergessen, was der Mensch aus dem Pferde gemacht hat, indem er einerseits die stolzesten und schnellsten Rassen, andererseits die nützlichsten und kräftigsten schuf. Der Natur nacheifernd, hat er überall neue Wesen entstehen lassen, welche denen analog sind, die wir als Arten bezeichnen. Es ist in der That unmöglich die Verschiedenheiten zu läugnen, welche die Rassen der Hausthiere von einander trennen. Aber wenn diese Verschiedenheiten in die Augen springen, so darf man sich fragen, welches ihr wirklicher Werth und ihr ursprünglicher Grund sei? Hier hört die Uebereinstimmung zwischen den Natur- forschern auf und man sieht drei verschiedene Ansichten sich geltend machen. Die einen fassen namentlich in das Auge, dass der Mensch, indem er sich zum Herrn der Thiere und Pflanzen machte, die er seinem Nutzen anpasste, gewisse günstige Umstände und gewisse, diesen Wesen selbst angehörende Eigenthümlichkeiten benutzte, die sich nur selten und auf beschränkten Punkten fanden. Indem sie weiter annehmen, dass der Mensch erst in einer ver- hältnissmässig sehr neuen Zeit auf der Erde erschien und dass alle Menschenrassen von einem einzigen Paare abstammen, glauben sie, dass der Mensch ursprünglich nur eine kleine Anzahl von Arten gezähmt habe, die ihn auf seinen Wanderungen begleitet und dadurch innerhalb bedeutender Grenzen varürt hätten. Aber ihrer Ansicht nach überschreiten diese Variationen niemals ein gewisses Maass und die domesticirten Rassen fallen sehr bald in den ursprünglichen Typus zurück, sobald man sie sich selber überlässt. Nach der Meinung dieser Schule leiten sich also alle Hausrassen von einer, höchstens zwei oder drei Arten ab, die man nur dann mit den ähnlichen, freien Formen identificiren könnte, wenn man eine gegenseitige, grenzenlose Fruchtbarkeit zwischen ihnen beobachtete. Einzelne dieser Hausrassen hätten in wildem Zustande fortgelebt, während andere gänzlich vom Menschen unterjocht worden wären. — Andere Forscher sind mehr aus- schliesslich; in ihren Augen werden die geringsten wahrnehmbaren Verschiedenheiten zwischen den lebenden Wesen radicale Ver- schiedenheiten. Es scheint ihnen unmöglich, dass die Verschieden- heit der Formen nicht ein Beweis für einen besonderen Ursprung einer jeden derselben sei. Sie nehmen also ohne weiteres eine Vielheit der wilden Arten an, von welchen die gezähmten ent- ae, DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 79 stammten. Jede Rasse von Schweinen, Rindern und Schafen, jede Varietät von Birnen, Pfirsichen und Kirschen wäre von einer besonderen, ursprünglich wilden Art entsprossen. — Die letzte Anschauungsweise endlich, an deren Spitze sich Darwin gestellt hat, giebt den Hausrassen eine andere Bedeutung. Nach ihnen sind sie das Product einer Reihe von Modificationen, die um so mehr variiren, als die Wege, die man zu ihrer Erhaltung ein- geschlagen hat, verschiedenartig waren. Der Mensch, angespornt durch das Bedürfniss, den Instinet oder die Laune, hätte nur das gethan, was die Natur vor ihm mit langsameren Mitteln vollbrachte. Er hätte von Natur plastischen Typen die Gelegenheit geboten, sich umzubilden und sein Interesse hätte ihn dazu verleitet, die Resultate dieser Umwandlungen so viel als möglich zu fixiren. Das Problem wäre übrigens noch verwickelter, wenn die Domesti- eität, wie Darwin versichert, die wesentlichste Wirkung gehabt hätte, die Fruchtbarkeit der ihr unterworfenen Wesen zu vermehren, so dass die Nachkommen verschiedener Arten die Fähigkeit erlangen konnten, sich einander zu nähern und eine Mischrasse in solchen Fällen zu erzeugen, wo ohne die Dazwischenkunft des Menschen die beiden Typen isolirt oder selbst einander feindlich- geblieben wären. Diese Betrachtung, welche durch die fast gewisse Abstammung einiger Hunderassen von dem Wolf ziemlich wahrscheinlich ge- macht wird, trägt in die Abstammung der Hausrassen eine noch grössere Verwirrung. Deshalb hat auch der englische Forscher bei seiner Untersuchung der Ursprünge alle möglichen Andeutun- gen gesammelt. So hat er jene wichtige und vor ihm wenig be- kannte Thatsache in helles Licht gesetzt, wonach viele dem freien Leben zurückgegebene Hausthiere, statt einförmige Charaktere an- zunehmen, einen Theil derjenigen behalten, die sie dem Menschen verdanken und dann unter dem Einflusse der neuen, ihnen auf- erlegten Existenzbedingungen besondere, definitiv festgestellte Rassen bilden. — So verhält es sich namentlich mit dem Hunde, dessen Geschichte um so dunkler ist, je allgemeiner und älter seine Zähmung war. Einige Forscher leiten ihn vom Wolf, vom Schakal oder von einer einzigen, primitiven Art ab; doch scheint jetzt die Meinung vorwaltend, die ihn von mehreren, ursprünglich verschiedenen Arten abstammen lässt, welche sich in mannigfaltig- 80 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. ster Weise vermischten. Durch die Betrachtung gewisser histori- scher Monumente kann man sich überzeugen, dass schon vor 4000 oder 5000 Jahren verschiedene getrennte Hunderassen existirten, welche die Charaktere unserer Rassen besassen: Haus-, Wind- und Jagdhunde, Doggen, Schoosshunde und Dächsel. Doch kann man nicht daran denken, diese Rassen mit den heutigen, correspondiren- den Varietäten zu identificiren, da diese eher parallele Wieder- holungen als directe Fortsetzungen der alten Rassen sind. Die merkwürdige Aehnlichkeit vieler Hunderassen verschiedener Län- der mit den wilden Arten, welche dasselbe Land bewohnen, ist noch ein weiterer Punkt, der berücksichtigt werden muss. Mag diese Aehnlichkeit nun wirklich, zufällig oder übertrieben sein, so hat sie doch zu allen Zeiten den Reisenden zu denken gegeben und in manchen Fällen auffallende Hinweisungen verschafft. Die Indianer Amerikas scheinen ihre Haushunde absichtlich mit den verwandten wilden Arten gekreuzt zu haben. Weiter im Norden, bei den Eskimos, werden diese Beziehungen förmlich auffallend. Freilich haben die Hunde der Polargegenden ganz bestimmte Rol- len und Aufgaben. Sie bilden die Bespannung der Schlitten und erhalten zar Belohnung ihre Nahrung, die sie sich im Winter un- möglich verschaffen könnten, wenn sie ihrem Instinct überlassen blieben. Aber ausser den Diensten, die man von ihnen verlangt, zeigen sie durchaus keine Anhänglichkeit an den Menschen; sich selbst überlassen, wälzen sie sich im Schnee, allen Liebkosungen unzugänglich und behalten den Gang, den wilden Blick und die hängende Ruthe des Wolfes, mit dem sie sich häufig kreuzen und ausserordentlich wilde Junge erzeugen. Hier verschwindet also die angenommene Schranke zwischen dem Wolf und dem Hunde gänzlich, und mag nun der Hund der Eskimos ein gezähmter Wolf, oder der nordische Wolf ein wilder Hund mit den Sitten des Wolfes sein, so bleibt doch immerhin die Confusion beider Rassen nicht minder deutlich. Die Hunde des südlichen Amerikas gleichen dem Krabben- hunde (Canis cancrivorus) und kreuzen sich häufig mit ihm. Die Hunde von Abkhasien ähneln dem Schakal, und diejenigen von Guinea dem Fuchse, ja selbst der ungarische Hund zeigt eine grosse Aehnlichkeit mit dem europäischen Wolf und die umher- schweifenden Hunde Indiens mit dem Wolfe dieses Landes. An- ’@ DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 8l dererseits nehmen unsere Haushunde, wenn sie in den wilden Zustand zurückfallen, durchaus nicht eine gleichförmige Färbung an und zeigen weder dieselben Gewohnheiten noch dieselben Charaktere. Die einen verlieren die Fähigkeit zu bellen, wäh- rend andere, wie die vom La Plata, sie behalten. Die wild gewor- denen Hunde von Cuba unterscheiden sich von denjenigen von San Domingo durch die Farbe des Felles und der Augen. Die gezähmten Hunde verlieren ihre scheinbar am besten fixirten Charaktere in sehr kurzer Zeit, wenn sie unter andere Verhält- nisse kommen. Die europäischen Rassen dauern in Indien nicht aus, anderwärts verlieren sie ihre Stimme, ihren Pelz, ihre Gestalt oder ihren Instinet. Das Werk des Menschen wird so mehr oder minder schnell vernichtet; es hatte besondere Verhältnisse zu Hülfe genommen und fällt durch entgegengesetzte Verhältnisse zusammen. Doch verdankt man diesen äusseren Bedingungen nicht allein gewisse Abweichungen des Skelets oder das Zusammen- leben so verschiedener Rassen, wie der Windhund und die Dosge, in derselben Gegend. Um sich von so ausgesprochenen Modifi- cationen Rechenschaft zu geben, muss man auf die dem Organis- mus innewohnenden Kräfte zurückgreifen, die der Mensch in Anspruch nimmt, um plötzlich Varietäten zu erzeugen, welche nachher durch die vereinigte Wirkung der Auswahl und der Erblichkeit fixirt werden. Dies ist bei den Schweinen geschehen. Alle Schweinerassen, selbst diejenigen, die man auf den entfernten Inseln des Stillen Oceans gefunden hat, scheinen von zwei getrennten Typen abzu- stammen, von dem Wildschweine einerseits, und andererseits von dem Siam- oder chinesischen Schwein, dessen Urform verloren sein sol. Nach Nathusius existiren die vom Wildschwein ab- stammenden Rassen noch auf einigen Punkten des mittleren und nördlichen Europas. Sie verschwinden nach und nach vor den verbesserten Rassen, die ein directes Erzeugniss der menschlichen Industrie sind. Jedermann kennt die englischen Rassen, deren Anpassungen alle zum Zwecke haben, die Mästung und die Ent- wickelung der nützlichen Theile auf Kosten der übrigen zu beför- dern. Der Rüssel, die Hauzähne, die Kinnbacken, die Borsten treten durch eine entgegengesetzte Bewegung wieder auf, sobald das Thier einem thätigeren Leben zurückgegeben wird. Es ist Saporta, die Pflanzenwelt. 6 82 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. schon weit von dem verbesserten Schweine von Yorkshire zu dem halbwilden Schweine von Irland oder demjenigen unserer west- lichen und südlichen Departemente. Auch sieht man bei diesen letzteren Rassen Eigenthümlichkeiten auftreten, von denen man bei den anderen keine Spur findet. Die Grösse des Körpers und die Borsten varııren nach dem Klima; die türkischen und west- phälischen Schweine nehmen gern die Färbung der Frischlinge an; die Schweine der heissen Thäler von Neu-Granada sind bei- nahe nackt, während andere in Höhen von 7000 bis 8000: Fuss einen dichten Wollpelz tragen. — Das Rindvieh varirt so auf- fallend, dass man geneigt sein könnte, zwei Hauptgruppen zu unterscheiden, eine für die Buckelochsen oder Zebus, die andere für unser gewöhnliches Rindvieh ohne Höcker. Und doch kreuzen sich beide Arten fruchtbar, überall wo sie sich in Contact mit einander befinden. In Europa kennt man wenigstens drei Arten von fossilen Rindern, die schon im grauesten Alterthum gezähmt worden zu sein scheinen, und deren Typus sich bis in unsere ein- heimischen Rassen fortgepflanzt hat. Eine halbwilde Rasse, die noch in England im Parke von Chillingham gezüchtet wird, scheint etwa die Charaktere des Ur (bos primigenius) behalten zu haben, während das schwarze Rindvieh von Wales sich dem Typus des bos longifrons anschliesst. Andere Thiere und vor allen das Pferd scheinen einem ein- ziıgen oder wenigstens sehr einförmigen Typus zu entstammen. Aber wo findet sich der Ausgangspunkt jener Rasse, die dem Men- schen auf allen seinen Wanderungen gefolgt ist und sich mit ihm über die ganze Erde ausgebreitet hat? Um diesen Urtypus zu bestimmen, hat Darwin die Wiederkehr gewisser Charaktere an- gerufen, die nach langer Ruhe aufwachen und wie eine ferne Er- innerung an ursprüngliche Gewohnheiten mahnen. Das Pferd kann nicht nur eine sehr bedeutende Winterkälte ertragen, da man wilde Herden in den sibirischen Ebenen bis zu 56° nörd- licher Breite trifft, es behält auch lange Zeit den Instinct, mit “lem Hufe den Schnee aufzukratzen, um das Gras darunter zu finden. Die wilden Tarpane des Orients, die halbwilden Pferde von den Falklandsinseln, von Mexiko und Nordamerika besitzen alle diesen Instinct, der sich ohne Zweifel an eine Besonderheit ihres früheren Lebens in der Gegend knüpft, von der sie ursprünglich DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 83 ausgingen. Wenn dies richtig ist, so wäre das Pferd erst durch den Menschen dem trocknen und heissen Klima Arabiens und Afrikas angepasst worden. Doch hat es erst dort seine edelsten Eigenschaften und seine vollkommensten Formen gefunden und erst dort wurde die reinste Rasse gebildet. Die Selection hat bei dem Pferde ganz besondere Fähigkeiten hervorgerufen. Die Rasse der englischen Rennpferde, die doch schon weit von ihren arabi- schen und berberischen Stammeltern entfernt ist, besitzt künst- lich hervorgerufene Besonderheiten, die sie treulich weiter vererbt. Welche Verschiedenheiten zwischen Pferd und Pferd! Die Berg- und Inselpferde sind meistens klein, die der Ebenen und fetten Weiden massiv und gross. Gewisse Färbungen, wie die Isabellen- farbe, die im östlichen Europa und im inneren Asien häufig ist, kommen weder bei dem englischen Rennpferde, noch bei dem arabischen Pferde vor, von dem jene doch abstammen. Doch findet sich bei allen Pferderassen zuweilen eine eigenthümliche Färbung, die man als eine Rückkehr zur Färbung eines entfernten Ahnen betrachten könnte, da sie mit derjenigen übereinstimmt, welche verschiedene lebende Pferdearten auszeichnet; wir meinen die häufig mit dem Alter sich verwischenden dunkeln Linien oder Binden auf dem Rücken oder an den Füssen, die bei allen Rassen vorkommen, am liebsten freilich bei den Isabellen, den Grau- schimmeln und den Lichtfüchsen. In anderen Fällen treten diese Zeichnungen erst später auf und erhalten sich dann während des ganzen Lebens. Derartige Rückfälle der Farben lassen sich leicht bei den Haustauben beobachten, die heute in eine Unzahl von Rassen und Varietäten zerfallen und doch alle von einer einzigen wilden Art, der Felsentaube, abzustammen scheinen. Die Laune des Liebhabers, die Leidenschaft der Neuheit und die Liebe zum Bizarren erzeugen allmälig verschiedene Rassen, die bald durch eine systematische Selection fixirt werden, aber die Neigung zu einer theilweisen Rückkehr zum gemeinschaftlichen Urtypus be- halten. Die blauschiefrige Farbe und die queren Bänder auf den Flügeln, welche die Felsentaube auszeichnen, erscheinen leicht bei den umgewandelten Abkömmlingen dieser Art wieder, welche der Trefflichkeit ihres Fleisches wegen in allen Ländern geschätzt ist. Dieselben Wirkungen der Variation, der Kreuzung und des Rückfalles finden sich bei den Rassen der Haushühner, die alle 6* 84 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. von einem einzigen Typus abzustammen scheinen, dem Bankiva- huhn, das in wildem Zustande das nördliche Indien, Indo-China und die Inseln bis zu den Philippinen und Timor bewohnt. Die Erscheinung eines Charakters oder einer Fähigkeit bleibt bei den Thieren niemals vollständig unabhängig. Die einzelnen Organe suchen sich ins Gleichgewicht zu setzen und reagiren so eines auf das andere. Diese mehr oder minder enge, aber immer thatsächliche Abhängigkeit der verschiedenen Theile vom Ganzen ist von Darwin die „Correlation des Wachsthums“ genannt wor- den. So können die vorderen Extremitäten sich nicht verändern, ohne Veränderungen in den Hintergliedern herbeizuführen. Die Verlängerung der Beine zieht diejenige des Halses und des Kopfes mit sich; die harten Theile, Hörner, Nägel, Hautanhänge, werden bei denjenigen Thieren stärker, bei welchen Weichtheile vorherr- schen. Gehen wir von den Thieren zu den Pflanzen über, so kön- nen wir dieselben allgemeinen Gesetze erkennen, aber innerhalb anderer Grenzen und mit Hülfe von Combinationen, welche zu der Verschiedenheit, die beide Reiche trennt, in Beziehung stehen. Die Pflanze und namentlich der Baum sind nicht, wie das Thier, aus einer genau bestimmten Zahl von Theilen zusammen- gesetzt. Das vegetabilische Individuum ist eigentlich nur die Stütze einer Vereinigung von Organen, die bald gemeinschaftlich, bald in Reihenfolgen gruppirt, aber überall solidarisch so ver- knüpft sind, dass die Selection des Menschen keines derselben umändern könnte, ohne die anderen zu beeinflussen. Die Birne verbessert sich nicht, ohne dass der Birnbaum ein anderes An- sehen als der wilde Baum gewänne. Eine wirkliche Correlation des Wachsthums existirt also bei den Pflanzen; aber was die (rewächse von den Thieren trennt, ist, dass die Fortpflanzungs- werkzeuge weder einzig noch permanent sind. Es sind fast immer vielfältige Organe, die zur Ausübung ihrer Function erscheinen, und dann wieder verschwinden. Nichtsdestoweniger vererben sich die Eigenschaften, die Formen, die Farben, die Charaktere aller Art bis zu den flüchtigsten Nüancen. Obgleich die Pflanzen sich ganz passiv verhalten, so hat doch die Natur die Mittel der Kreuzung ins Unendliche varürt, indem sie bald die Geschlechter trennte, bald die Inseeten zum Transport des befruchtenden DIE EVOLUTIONSTHEORTE. 85 Blüthenstaubes benutzte, oder endlich zu Wege brachte, dass die Blumen sich gegenseitig befruchten können. Zu der Abwesenheit willkürlicher, von eigener Initiative ab- hängiger Bewegungen kommt noch bei den Pflanzen die durch das Fehlen eines inneren Verbrennungsherdes bedingte Schwierig- keit, gegen die Aussenwelt zu reagiren. Die höher organisirten Thiere namentlich werden nicht nur durch die innere Wärme gegen die Kälte geschützt, sie können auch durch die Wahl ihrer Nahrungsmittel die Intensität ihrer Widerstandskraft erhöhen. Die Pflanzen sind in dieser Beziehung weit mehr von Vertheidigungs- mitteln entblösst. Sie reagiren nichtsdestoweniger, freilich nur sehr langsam, durch eine Art von Selection. Die auf sehr zarte und verwickelte Combinationen gegründete Organisation der meisten Pflanzen des Südens unterliest jedenfalls einem oft nur sehr schwachen Angriffe. Einige derselben zeigen sich dagegen widerstandsfähiger und verbreiten sich über die Erde, welches auch ihre Herkunft sei. Das Getreide, der Reis, das Welschkorn, die Kartoffel, der Tabak, ja selbst die Weinrebe haben Räume inne, welche sich weit über die Grenzen der natürlichen Ver- breitung dieser Pflanzen erstrecken. Der Mensch hat den Kreis, in welchem man diese Pflanzen bauen kann, bedeutend erweitert, indem er vorzugsweise nur diejenigen Theile berücksichtigte, die er zu seinem Nutzen verwendet. Man könnte bei Untersuchung der Verbreitung der Cultur- pflanzen in Beziehung auf die Gegenden, von denen sie wahr- scheinlich ausgegangen sind, manche Seltsamkeiten verzeichnen. Der Pisang oder Bananenbaum, der heute über die heisse Zone beider Welten verbreitet ist, muss doch von Südasien nach Amerika in einer Zeit gebracht worden sein, deren Datum man nicht genauer feststellen kann, das aber nach einigen Anzeichen vor die Entdeckung Amerikas fällt. Das Welschkorn ist im Gegentheile amerikanischen Ursprungs und wurde von den Rothhäuten schon vor der Entdeckung angebaut. Doch hat man es niemals im wil- den Zustande gefunden. Aehnlich verhält es sich mit dem Weizen. Es ist fast gewiss, dass man ihn nirgends in wildem Zustande ge- funden hat, und die von einigen Reisenden citirten Beispiele be- ziehen sich wahrscheinlich vielmehr auf zufällige Aussaat, als auf wirklich einheimische und wilde Pflanzen. Der primitive Weizen 86 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. existirt vielleicht in einer der zahlreichen Arten von Triticum, welche die Botaniker kennen, ohne dass man jemals ihre Verwandtschaft mit der Culturpflanze hätte nachweisen können. Die ältesten Weizenkörner, die wir kennen, stammen aus den Ruinen der Pfahl- bauten. Sie sind nur unvollständig von der Spelze getrennt und weit kleiner als die unseren, denn die grössten messen nur 6, höchstens 7mm in der Länge, und die kleinsten nur Amm, wäh- rend die modernen Weizenkörner fast immer 7 bis Smm lang sind. Die Cultur hat also die ursprüngliche Getreidepflanze modificirt, deren Korn kaum essbar war, und hat bei ihr eine Tendenz zu varjiren und grösser zu werden entwickelt, welche sie in latentem Zustande besass. Keine Pflanze scheint künstlicher zu sein als der Weizen; keine verlangt so beständige Sorgfalt und so aufmerk- same Auswahl. Die nothwendigen Aenderungen in der Aussaat und die Auswahl der schönsten Körner, die nöthig sind, um die Entartung der Pflanze zu verhüten, beweisen es hinlänglich. Decaisne ist durch seine Aussaaten von Birnen dazu gelangt, durch eine jede Pflanze, deren Körner er gesät hatte, die meisten Typen unserer cultivirten Rassen hervorzubringen. Unsere Früchte sind demnach durch wiederholte, freiwillige oder zufällige Aus- saaten gebildet worden. Man hat, um sie zu verbessern, eine An- lage benutzt, die sich bei allen natürlichen Rassen vorfindet. Dies ist der Ausgangspunkt. Der Mensch bemächtigst sich dieser schlummernden Kraft, benutzt sie zu seinem Vortheile und gelangt durch Häufung der Effecte zu ihrer Befestigung. Aber die Natur besitzt diese Kraft selbst und bethätigt sie unter unseren Augen, wenn auch in geringerem Grade. Die Schwierigkeiten, welche der Botaniker empfindet, wenn er die gegenseitigen Grenzen benachbarter Arten einer Gattung abstecken will, die über einen weiten Raum verbreitet und compact ist, sind dieselben, welche dem Pomologen bei der Classificirung gewisser Varietäten von Früchten entgegentreten. Unsere Verfahrungsweisen unterscheiden sich also nicht von denjenigen der Natur. Der Mensch eignet sich dieselben nur an, um zu seinem Zwecke zu gelangen. Nur sind die bedingenden Umstände mehr oder weniger künstlich oder vorübergehend, da sie von ihm hervorgerufen sind. Die Cultur- rasse ist also eine für den Menschen schneller als die wilde geschaffene Art und beruht deshalb auch auf weniger festen Grund- DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 87 lagen. Die wilde Art hat sich langsam unter der Herrschaft fort- dauernder Nothwendigkeiten herausgearbeitet, durch Anwendung derselben, dem Organismus innewohnenden Kraft, die aber weit sicherer wirkt, als wenn sich der Mensch ihrer bemächtigt, um davon Nutzen zu ziehen. Aber gerade deshalb, weil die Art aus ' einer langen Reihe combinirter und mit einander verknüpfter Ursachen hervorgeht, deren Eindruck sie bewahrt, und die selbst nach einem langen Schlafe wieder erwachen können, gerade des- halb hat sie nichts Absolutes, und aus diesem Grunde finden die- jenigen, welche aus der Art den Eckstein des ganzen Natur- gebäudes machen wollen, so viele Schwierigkeiten, wenn es sich um die Definition ihres Begriffes handelt. II. Wenn man sich über die Besonderheiten erhebt und die Er- scheinungen des Lebens an und für sich betrachtet, statt die Wesen nur beschreiben zu wollen, die es repräsentiren, so ent- deckt man bald ein allgemeines Princip, das gewissermaassen alle anderen in sich begreift. Es ist dasjenige der Vererbung, die wir als eine thätig wirkende Kraft bezeichnen können, die allem Leben- den zu Grunde liegt. Die Vererbung ist recht eigentlich die. Fort- setzung des organischen Wesens. Ohne sie gäbe es nur Personen aller gegenseitigen Bande beraubt und nach einer gewissen Zeit zur Vernichtung bestimmt. Nur durch sie begreifen wir neue Wesen, die eigene Charaktere und überlieferte Charaktere zugleich besitzen. So betrachtet, ist die Vererbung zugleich die Quelle der Variationen und der Aehnlichkeiten und das einzige unserem Geiste gewährte Mittel, durch welches wir die Existenz lebender Wesen sowie die Zwischenräume begreifen können, durch welche sie getrennt oder genähert sind. Andererseits lehrt uns die Erfah- rung, dass die Vererbung nothwendig aus einer mehr oder minder langen Reihe von Generationen hervorging, dass durch sie die Verschiedenheiten genauer begrenzt, die Aehnlichkeiten befestigt werden und dass die Zwischenstufen verschwinden können und müssen. Wir sehen demnach keine directe Unmöglichkeit der Auffassung entgegenstehen, wonach alle lebenden Wesen, die ähn- liche Züge besitzen, aus einander hervorgegangen sind und sich thatsächlich einer kleinen Zahl gemeinschaftlicher Voreltern an- 88 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. schliessen. Da die Summe der organischen Aehnlichkeiten gewöhn- lich weit grösser als diejenige der Verschiedenheiten ist, so hat in den meisten Fällen die Annahme fast Alles für sich. Buffon, der nur eine sehr verschwommene Idee von der fast unbegrenzten Dauer des Erdballs hatte, verwunderte sich in hochklingenden Worten über „diese Welt von Wesen mit oder ohne gegenseitige Beziehungen, diese Unendlichkeit harmonischer und entgegen- gesetzter Combinationen, diese Ewigkeit von Zerstörungen und Erneuerungen“. Er sah darin mit vollem Rechte eine Art bestän- diger und ewiger Einheit. Er lieh dem schönen Gedanken Worte, dass die allen Wesen gemeinsame Fähigkeit, sich fortzupflanzen, „mehr Analogien und Aehnlichkeiten zwischen ihnen vermuthen lasse, als wir uns einbilden können“ und dass sie genüge, um uns glauben zu lassen, dass „Thiere und Pflanzen etwa Wesen der- selben Ordnung seien“. Das Band der Vererbung umschlinst also die Gesammtheit alles dessen, was Leben hat. Alles, was lebt und wächst, ist ihr unterworfen, und Darwin wie Buffon halten vor der Vielheit der von ihr hervorgebrachten Wirkungen inne. Die Wunder der Vererbung liegen vor den Augen eines jeden von uns offen, sie finden sich in uns selbst, und es hängt nur von uns selbst ab, sie zu bestätigen und bei ihrer Analyse mehrere Ordnungen von bestimmten Erscheinungen zu erkennen, die von derselben Ursache ausgehen. Treten wir unter der Führung des trefflichen englischen Forschers in das Innere dieser weiten Werk- statt ein, in welcher das Leben unaufhörlich kämpft, um seine Verluste zu ersetzen und sein Gebiet zu erhalten und auszudehnen. Man muss zuerst in der Vererbung einerseits die Mittheilung früher erworbener Charaktere, andererseits die Erscheinung neuer Charaktere und die Möglichkeit der letzteren, sich zu fixiren, unterscheiden. Durch das erstere Phänomen begreift man die mögliche Fortdauer gewisser Besonderheiten, durch das andere die progressive Divergenz der Rassen. Trotz der entgegengesetzten tesultate, zu denen sie führen, stehen doch diese beiden Erschei- nungsreihen im Zusammenhange. In der Uebermittelung der von den Eltern besessenen Charaktere auf die Kinder wirkt die Ver- erbung allein, und diese Aehnlichkeit ist es, die uns am meisten auffällt. Kann es etwas weniger Verschiedenes geben, als die Individuen einer und derselben Herde, als die Hasen, Wölfe, DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 39 Füchse und Hirsche derselben Gegend? Doch existirt die Ver- schiedenheit nichtsdestoweniger selbst bei den scheinbar ähnlich- sten Thieren, denn die wilden Thiere erkennen sich unter ein- ander, und der Hirt unterscheidet ohne Zaudern jedes Individuum seiner Herde. Die ähnlichsten Individuen besitzen demnach eine Physiognomie, die ihnen eigenthümlich ist, aber bei einigen kön- nen diese Verschiedenheiten zufällig bedeutender werden, und wenn sich ganz neue Besonderheiten ausbilden, so können die- selben nicht minder vererbt werden. In diesem letzteren Falle wirkt also die Vererbung nicht allein. Wenn die Variation ohne Vorgänger ist und weder der unmittelbaren noch der mittel- baren Vererbung oder dem Atavismus zugeschrieben werden kann, so müssen wir nothwendig zu ihrer Erklärung entweder eine spontane Thätigkeit des Organismus oder den Einfluss äusserer Umstände zu Hülfe nehmen. Diese beiden Ursachen combiniren sich in der That zur Hervorbringung neuer Charaktere, und in vielen Fällen hält es schwer zu entscheiden, welcher von beiden der grössere Einfluss zugeschrieben werden muss. Doch haben sich manchmal so unvorhergesehene organische Eigenthümlich- keiten gezeigt, dass es schwer hält, anzunehmen, die äusseren Um- stände hätten zu ihrer Erscheinung beigetragen; der Stachel- schweinmensch, dessen Oberhaut hornige Anhänge in Gestalt steifer Platten trug, die eine Art von Panzer bildeten, welcher periodisch gewechselt wurde, verdankte diesen seltsamen Schutz- apparat, den er auf mehrere seiner Nachkommen vererbte, ganz gewiss nicht dem Einflusse einer äusseren Ursache, In demselben Falle befinden sich die meisten thierischen Monstrositäten, z. B. die von Hallam beschriebenen zweibeinigen Schweine, die Kaninchen mit hängenden Ohren u. s. w., die der Organismus allein unter der Einwirkung seiner inneren Kräfte hervorgebracht hat. Aber selbst da, wo man die Einwirkung der äusseren Umstände aner- kennen muss, bleibt doch der Organismus die erste Quelle aller Umänderungen. Die äusseren Umstände sind nur eine Gelegen- heitsursache, der Organismus ist das Centrum und der Ausgangs- punkt der Verschiedenheiten, die auftreten und sich später durch die Vererbung fixiren. Wäre der Organismus ganz sich selbst überlassen, und die äusseren Umstände keiner Veränderung unterworfen, so würde 90 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. sich hierdurch eine sehr grosse Einförmigkeit bei allen lebenden Wesen herausbilden. Diese Einförmigkeit wäre so gross, dass be- sondere Formen nur selten auftreten und noch seltener sich er- halten würden. Man kann sogar hinzufügen, dass unter der be- ständigen Herrschaft eines solchen Zustandes die Summe der Aehnlichkeiten unter den belebten Wesen weit diejenige der Ver- schiedenheiten übertreffen würde; dies ist aber nicht der Fall, denn die äusseren Umstände können und müssen ändern. Nichts auf Erden ist beständig oder definitiv; der Boden, das Klima, die Ernährungsbedingungen, ja selbst die Zusammensetzung der Flüs- sigkeiten und Gase haben sich mehrfach im Laufe der Zeiten geän- dert, bald in unmerklicher Weise, bald in Folge von Revolutionen. Sie verändern sich noch unter unseren Augen, wenn man sich aus einer Gegend in die andere begiebt. Man braucht zuweilen nur einige Stunden weit zu gehen, um hinsichtlich gewisser Kategorien von Thieren und Pflanzen das Ansehen der Dinge und der leben- den Wesen vollständig ändern zu sehen. Die Acclimatisirung, d.h. die Anpassung der Organismen an die Bedingungen eines neuen Vaterlandes, bleibt immer eine schwierige Operation, die vielen Misserfolgen ausgesetzt ist, und deren Schwierigkeit schon beweist, wie sehr die Thiere und die Pflanzen von dem Einflusse äusserer Bedingungen abhängen. Der kriechende Wuchs, den manche Alpengewächse, wie z. B. die Wachholder des Himalaya und der Alpen, angenommen haben, ist ganz gewiss ein Effect der strengen Kälte der Hochregion. Wenige Jahre genügen, um den gewöhnlichen Weizen in Sommerweizen umzuwandeln. Der direct aus Brasilien eingeführte Mais ist anfänglich weit empfindlicher gegen den Frost, als die europäische Varietät. Aber nach zwei oder drei Generationen wird er ebenso ausdauernd als diese. Eine Menge von Pflanzen der europäischen Ebene zeigen alpine Varie- täten, die von den besten Botanikern nicht getrennt werden und welchen das Leben in besonderen Verhältnissen genügte, um ab- weichende Charaktere anzunehmen. Geht man von den Pflanzen zu den Thieren über, so lässt sich der Einfluss der äusseren Um- gebung noch besser und in kürzerer Zeit beobachten. Die euro- päischen Hunde degeneriren in Indien, ihre Instincte verlieren sich, ihre Formen modificiren sich; der Truthahn verändert sich in demselben Lande; die Hausente verlernt das Fliegen. Es wäre i 3 s DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 9] leicht, diese Beispiele zu vervielfältigen. Ohne Zweifel hat sich der Mensch dieses mächtigen Mittels bedient, um Rassen zu er- zeugen, die sich später unter seinen Augen durch Selection und Vererbung befestigten. Leichte Veränderungen sind in den meisten Fällen der Ausgangspunkt für die am Besten befestigten und charak- terisirten Rassen gewesen. Waren diese Rassen einmal beständig geworden, so verdrängten sie die Individuen, welche die vortheil- haften Eigenschaften nicht besassen, die bei jenen in jeder Gene- ration zugenommen hatten. Darwin macht auf die Schnelligkeit aufmerksam, mit welcher die kurzhörnigen Ochsen ihre Concur- renten mit langen Hörnern, und die verbesserten Schweinerassen die alten Rassen verdrängten, sobald deren Unzulänglichkeit einmal anerkannt war. Welches aber auch der entscheidende Einfluss der äusseren Umstände auf den Organismus war, immerhin unter- wirft sich derselbe nicht passiver Weise den bei ihm auftretenden Veränderungen, sondern er coordinirt sie und benutzt sie zur Ausführung eines allgemeinen Planes, durch welchen die Harmonie des Ganzen sich ohne Veränderungen erhält, trotz der scheinbar einschneidendsten Abweichungen. "Wenn auch der Organismus leicht äussere Eindrücke auf- nimmt, so sind doch selbst die theilweisen Veränderungen, die er eingeht, niemals gänzlich isolirt; alle Theile nehmen daran An- theil. In Folge der Correlation des Wachsthums bildet sich ein nothwendiges Verhältniss zwischen den Organen aus. Es ist nicht immer leicht, sich von der Natur dieser Wirkungen der Corre- lation Rechenschaft zu geben. Nach Darwin besteht eine con- stante Beziehung zwischen der Färbung des Kopfes und derjenigen der Glieder; die Pferde und Hunde, welche auf der Stirn Flecken von abweichender Farbe tragen, zeigen Flecken derselben Farbe am Ende der Beine. Eine ausserordentliche Wucherung der Haare beim Menschen ist häufig von unvollkommener oder übermässiger Entwickelung des Zahnsystems begleitet. Ein sicheres Verhältniss existirt zwischen der Farbe des Felles und derjenigen der Iris, aber auffallend ist es, dass sogar zwischen der Färbung der Augen und der Taubheit ein enges Verhältniss herrscht. Es scheint in der That, dass die weissen Katzen mit blauen Augen fast immer taub sind. Neben der Variabilität aus Correlation muss man auch die Variabilität aus Analogie anführen, durch welche bei entfernt 92 - ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. stehenden Wesen Abweichungen derselben Natur hervorgebracht werden. So giebt es Bäume mit Trauerzweigen in sehr verschiede- nen Gruppen. Alle diese und viele andere Veränderungen hängen vom Organismus ab. Er giebt den ersten Anstoss, welchen die Vererbung fortpflanzt und beschleunigt. Die Macht der einmal in Thätigkeit getretenen Vererbung kennt keine Grenzen. Sie kann alles übermitteln, die auffallendsten, unbedeutendsten und zufälligsten physischen Charaktere ebenso gut wie die Instincte, die Besonderheiten des Gredächtnisses, der Intelligenz und selbst die unbedeutendsten Gewohnheiten. Man könnte Bücher über diese Dinge schreiben. Die durch den Menschen so vollständig umgebildeten Rassen der Hunde, der Pferde, des Viehes und so mancher Vögel bieten unabweisbare Belege. Die Verwunderung nimmt zu, wenn man sich an den Menschen wendet. Gewisse Gewohnheitsbewegungen und seltsame Gesten werden übermittelt, selbst ohne dass die Kinder die Eltern gekannt haben, welche sie besassen. Gewisse Arten des Gedächt- nisses, wie z. B. der Namen und der Daten, erhalten sich gemein- sam bei allen Gliedern einer Familie. Es verhält sich ebenso mit den geistigen Anlagen, selbst denjenigen zum Selbstmorde, von denen man leicht überraschende Beispiele citiren könnte. Gicht, Schlagfluss, Schwindsucht sind ohne Zweifel erblich und zeigen sich häufig in demselben Alter bei den Söhnen wie bei dem Vater. Man hat sogar zuweilen gewisse Anomalien in der Bildung der Hände und der Füsse, ja selbst oberflächliche Kennzeichen, wie Narben bei den Kindern wieder erscheinen und so eine Art von Beständigkeit erlangen sehen. Man könnte in diesen Thatsachen vielleicht eine Erklärung der charakteristischen Missbildungen sehen, welche bei vielen wilden Thieren vorkommen, wie der Höcker der Kameele und der Zebus, die Oberlippe der Kaffer- schweine (Phacochoerus), welche durch die gekrümmten Hauer dieser Thiere durchbohrt ist. Alle diese Missbildungen haben vielleicht eine zufällige Entstehung gehabt, bevor sie ein gemein- samer Charakter aller Individuen der Art wurden. Auf der an- deren Seite scheinen manche lang wiederholte Eingriffe doch auf die Producte der Vererbung keinen Einfluss zu üben. Viele Men-. schenrassen verstümmeln sich willkürlich seit undenklicher Zeit durch Ausreissen der Schneidezähne, Abschneiden eines Finger- DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 93 gliedes oder selbst durch halbe Castration, wie die Kaffern, ohne dass die Bildung der Kinder im Geringsten dadurch beeinflusst würde. Man sieht auch nicht, dass die Nachkommen der Hunde, welchen man den Schwanz abschneidet, dieses Organ bleibend ein- sebüsst hätten. Der Organismus widersteht also in vielen dieser Fälle; aber es genügt, dass er sich in anderen verändert, um ge- wisse Zufälliskeiten durch den Weg der Vererbung den Nach- kommen zu übermitteln. Wenn die Vererbung die Quelle einer so grossen Zahl von Erscheinungen ist, so kann sie doch nur unter bestimmten Be- dingungen und durch bestimmte Mittel, welche wir unter dem Namen der Fruchtbarkeit zusammenfassen, in das Leben treten. Die Fruchtbarkeit, die bald durch die Entgegensetzung zweier Geschlechter, bald durch ungeschlechtliche Fortpflanzung in die Erscheinung tritt, ist nur in sehr ungleichem Maasse bei den ver- schiedenen Wesen entwickelt. Fast unbegrenzt bei den niederen Organismen, sieht man sie in dem Maasse, als man sich in der Reihe der Thiere erhebt, abnehmen und schliesslich auf eine ein- zige jährige oder zweijährige Brut reduciren, die häufig nur wenige oder nur ein einziges Junges bringt. Zufälligkeiten aller Art ver- mindern noch diese schwache Fruchtbarkeit und bringen sie zu solchen Proportionen herunter, dass die wilden Säugethiere, die eine Gegend bewohnen, niemals gewisse relative Zahlen über- schreiten, vorausgesetzt, dass keine Aenderungen in der Gegend stattfinden. Die Seltenheit der Nahrung, die durch die allgemeine Concurrenz auf das nothwendigste Maass zurückgeführt wird, muss zu diesem Resultate beitragen, denn die Ernährung übt einen directen Einfluss auf die Fruchtbarkeit aus. Die Vermehrung der Fruchtbarkeit durch die Zähmung und die Cultur gehört zu den- jenigen von Darwin in das Licht gesetzten Thatsachen, welchen wohl nicht widersprochen werden kann. Dieselbe Ursache ver- mindert auch oder hebt völlig die Sterilität der Producte einer Bastardkreuzung auf. Man muss dies wohl annehmen, wenn man sich an den vielfältigen Ursprung mehrerer unserer Hausthierrassen erinnert, deren heutige Nachkommen unbegrenzt fruchtbar sind. Das Maulthier allein macht eine Ausnahme, und selbst hier scheint die Schwierigkeit, fruchtbare Nachkommen zu erhalten, jetzt gerin- ger zu sein als in den alten Zeiten. Wenn die Zähmung die 94 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Fruchtbarkeit vermehrt, so scheint dagegen die Gefangenschaft bei denjenigen wilden Arten, die ihr Joch nicht zu ertragen ver- mögen, häufig das entgegengesetzte Resultat hervorzubringen. Die Zähmung wird erst dann definitiv für eine Art, wenn sich dieselbe im gezähmten Zustande auch fortpflanzt. Einzelne scheinbar gezähmte Arten thun dies nicht. So verhält es sich mit den Elephanten, die man ihren Wäldern entreisst; die Tiger und meh- rere andere Fleischfresser pflanzen sich nur selten in der Gefan- genschaft fort, und zuweilen verlieren männliche Vögel im Käfige ihr Gefieder, um dasjenige der Weibchen anzunehmen. Es scheint, als ob eine zu schnelle Veränderung in der Lebensweise den In- stinet dieser Thiere verändert und den Keim aller Lust in ihnen zerstört habe. Ihren Einöden, dem herumschweifenden Leben, dem Anblicke gles Vaterlandes und ihren Genossen entrissen, ver- fallen sie einer eigenthümlichen Art von Heimweh. Dies ist das Schicksal der Thiere von stolzem und unabhängigem Naturell. Andere zeigen mehr Geschmeidigkeit und Geselligkeit; der Mensch hat sie mehr oder minder schnell seinen Zwecken angepasst und ihnen ein neues, leichteres Leben verschafft, das dadurch der Fruchtbarkeit nützlicher ist. Wir müssen nun drei Erscheinungen untersuchen, die mit besonderer Sorgfalt von Darwin verfolgt worden sind. Die In- zucht oder die Wirkungen von Verbindungen zwischen bluts- verwandten Individuen, die Kreuzung oder die Annäherung zwischen verschiedenen Rassen, endlich die Bastardzeugung oder Kreuzung zwischen verwandten, aber im Naturzustande mit einander un- fruchtbaren Rassen, geben uns für eine Menge auf die Art bezüg- liche Probleme den Schlüssel in die Hand. — Die Vortheile der Blutsverwandtschaft lassen sich leicht erfassen. Dieses überall bei den Hausthieren angewandte Mittel ist das einzige, wodurch man die Charaktere, deren Nützlichkeit erkannt ist, erblich fixiren und vervollkommnen kann. Verbindungen dieser Art zeigen sich bei den Hausthieren fast überall. Auch bei dem Menschen ist die unausbleibliche Wirkung der häufig wiederholten Blutsverwandt- schaften die Erhaltung gewisser physischer und moralischer Charaktere im Schoosse der Familien. Da aber die Fehler, die constitutionellen Gebrechen, dieKeime derKrankheiten sich ebenso übertragen, wie die Eigenschaften, so hat die Blutsverwandtschaft DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 95 zuletzt Unzukömmlicheiten, die nach und nach die Oberhand neh- men. Eine gewisse Nervenschwäche, eine ausserordentliche Zart- heit, Neigung zu Krankheiten und überdem noch eine, wenn nicht vollständige, so doch partielle und anwachsende Unfruchtbarkeit scheinen die Folge von zu häufig wiederholten Heirathen zwischen Blutsverwandten zu sein. Namentlich in Bezug auf diesen letz- teren Punkt giebt es vielfache Zeugnisse; die Fruchtbarkeit ver- schwindet nicht vollständig, wird aber immer geringer und schliess- lich giebt sich immer die Nothwendigkeit einer Kreuzung kund. Die Thierzüchter wissen dies sehr wohl. Eine Zufuhr frischen Blutes scheint ihnen von Zeit zu Zeit nöthig, um die mit Hülfe der Blutsverwandtschaft gebildeten Rassen aufs Neue zu kitten und sie wieder vollkommen fruchtbar zu machen. In den engli- schen Parken, wo man Herden von Damhirschen in freiem Zu- stande hält, werden methodisch von Zeit zu Zeit fremde Zucht- hirsche eingeführt. Das Rindvieh von Chillingham, das sich selbst überlassen ist, bildet nur eine wenig zahlreiche Herde. Seine Fortpflanzung ist schwierig und seine Grösse scheint nach und nach abgenommen zu haben. Die Wirkungen der Blutsverwandt- schaft treten bei den Pflanzen noch rascher ein. Derselbe Samen kann nicht lange zur Fortpflanzung unserer Gemüse und unseres Getreides dienen. Wenn die Zuchtpflanzen nicht erneuert werden, so vermindern sich die Samenkörner, und wenn sie sich stets nur unter sich selbst befruchten, so verlieren sie sogar die Keimkraft. Die Blutsverwandtschaft existirt nicht in derselben Weise bei den Menschen, wie sie bei den Hausthieren bewerkstelligt wird. Sei es nun in Folge eines höheren Gefühles für die Uebelstände, welche sie mit sich führt, sei es durch durch die Wirkung eines Moraltriebes, der die Gesetze der Familie erhält, immerhin hat man mit unwiderstehlichem Widerwillen überall diese Arten von Verbindungen zurückgewiesen, die als Blutschande gebrandmarkt und selbst in den verkommensten menschlichen Gesellschaften ver- boten sind. Doch waren zuweilen die Heirathen zwischen Bruder und Schwester gebräuchlich, und unsere religiösen Traditionen erlaubten sogar dieselben, wenigstens im Anfange. Die Fabel von Oedipus beweist, mit welchem Abscheu man bei den Griechen die Verbindung zwischen Eltern und Kindern ansah; einige Er- zählungen der Bibel scheinen freilich in dieser Beziehung weniger 96 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Abneigung zu bezeugen. Sie sind indessen mit Ausnahmezuständen verknüpft und so eigenthümlich, dass man daraus den Schluss ziehen kann, die erzählten Fälle hätten im Gegensatz zu den Ge- wohnheiten des Volkes gestanden. Die heute noch von der Kirche wie von dem Gesetze aufrecht erhaltenen Verbote bezeugen das Fortbestehen der gegentheiligen Meinung. Die Kreuzung befördert im Gegentheile die Fruchtbarkeit und giebt den lebenden Wesen eine besondere Energie. Selbst die Pflanzen empfinden ihre wohlthuenden Wirkungen. In einem seiner bemerkenswerthesten Bücher über die Wirkung der ge- kreuzten Befruchtung hat Darwin die Resultate seiner Versuche dargelegt. Die Kreuzung ist nach ihm bei den auf die Befruch- tung der Pflanzen sich beziehenden Erscheinungen nicht unum- gänglich nöthig, sie findet auch nicht immer statt, aber nichts- destoweniger üben ihre Wirkungen in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle einen grossen Einfluss auf das Wachsthum und die Kräftigkeit der Producte, welche durch sie ausserordentlich ver- mehrt werden. Im Verein mit anderen Botanikern hat Darwin nachgewiesen, dass die Natur zur Verwirklichung der Kreuz- befruchtung bei den Gewächsen sehr verschiedene und häufig sehr merkwürdige Mittel angewendet hat. DerZweck wurde in mannig- faltiger Weise erreicht: durch die Modification der Structur der Geschlechtsorgane und der Blüthenhüllen bei den höheren Pflan- zen, oder durch Benutzung der Insecten, die von den Blüthen- säften oder dem Blüthenstaube leben, und bei ihrem Umherirren einen Act vollbringen, den viele Pflanzen, wenn sie sich selbst überlassen bleiben, nicht vollziehen könnten. Es ist in der That, zumal bei den Blumen mit entwickelten und schmuckvollen Blumen- kronen selten, dass die, wenn auch in den Blumen vereinigten und einander berührenden männlichen und weiblichen Organe gleichzeitig zu dem Zustande der Reife kommen, der ihnen erlaubt, ihre Rolle zu erfüllen. Mit anderen Worten, die Entwickelung des Blüthenstaubes fällt selten im Schoosse derselben Blume mit der Entfaltung des Stigmas oder desjenigen Theiles der weiblichen Organe zusammen, welches den geschlechtlichen Eindruck zu empfangen bestimmt ist. Man muss durch den Pollen, der einer anderen Blume oder selbst einer anderen Pflanze entnommen ist, denjenigen ersetzen, dessen Ausströmen zu sehr beschleunigt oder DIE EVOLUTIONSTHEORTE. 97 zurückgehalten ist. Diesen Transport des Befruchtungsstaubes vermitteln die Insecten, die auf diese Weise die thätigsten, unbe- wussten Vermittler der Kreuzbefruchtung werden. Ihrer unend- lich wiederholten Thätigkeit muss man die grössten Wunder des Pflanzenreiches, vielleicht sogar die ursprüngliche Entwicklung und Ausdehnung der decksamigen Pflanzentypen zuschreiben, jener Gewächse, die unter dem ganzen heutigen Pflanzenreiche die glänzendsten, edelsten und mannigfaltigsten Gruppen in sich schliessen. — In der That, wenn die wachsende Zunahme und Verschiedenheit der Honig-, Nectar- und Zuckersäfte, die unge- heure Vermehrung derjenigen Insecten, die ausschliesslich von diesen Nahrungssäften leben, zur Folge gehabt hat, so mussten dieselben Insecten von einer bestimmten Zeit an und in dem Maasse als sie sich vermehrten, die Kreuzbefruchtung bei den von ihnen besuchten Pflanzen begünstigen, die früher zu diesem Zwecke einzig auf die Bewegung des Windes angewiesen waren. Welchen Anstoss musste dies in den Organismen geben, welche einem Reize dieser Art unterworfen waren, der sich bei jeder folgenden Gene- ration erneuerte! Man begreift leicht, wie bei den Producten einer beständig in dieser Weise ausgeübten Kreuzbefruchtung die Kräftigkeit, die wachsende Mannigfaltigkeit der Form und die Entwickelung einer Menge von Charakteren sich im Schoosse einer Menge von Gruppen von Gewächsen zeigen musste, die früher nur sehr ärmlich repräsentirt waren! Dieses ist nur eine gedrängte Darstellung der möglichen Wirkungen der Kreuzung. Es bedürfte ganzer Seiten und Bände, um ihre Wichtigkeit darzulegen. Die Vortheile der Kreuzung können also nicht bestritten werden. Es besteht indessen eine Grenze für diese Zunahme der Fruchtbarkeit durch die Kreuzung, und diese Grenze findet sich da, wo die Bastardzeugung beginnt. Wenn der dieRassen trennende Zwischen- raum sich über eine gewisse Grenze hinaus erweitert, so kommt ein Moment, wo die gegenseitige Befruchtung schwierig oder ganz unmöglich wird, wenn man sie nicht auf künstliche Weise bewerk- stellist. An diesem Punkte beginnt die Bastardzeugung. Wir müssen in einige Erläuterungen über die Frage der Bastardzeugung eintreten, die der Knoten der transformistischen Lehre ist. Man kann vor allen Dingen behaupten, dass die Rassen deshalb unter einander fruchtbar sind, weil sie derselben Species Saporta, die Pflanzenwelt. 7 98 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. angehören, während die verschiedenen Arten eben ihrer Ver- schiedenheit wegen steril sind. Aber diese specifische Verschieden- heit, auf die man sich beruft, gründet sich gerade auf die Beob- achtung der Thatsache, die zu ihrer Feststellung dient. Es ist also eine wahre petitio prineipi. Uebrigens ist die Unfruchtbar- keit der Hybriden weder absolut noch beständig. Sie bietet viele, sehr verschiedene Grade zwischen der theilweisen Fruchtbarkeit und der constanten, unbegrenzten Fruchtbarkeit, die durch neue Kreuzungen mit einer der Elternformen erhalten wird. Zwei scheinbar sehr nahe Arten erzeugen nur fehlerhafte Producte, während man andere Bastarde, die von weit entfernteren Arten erzeugt sind, wenigstens theilweise fruchtbare Jungen erzeugen sieht. Häufig kehren die Bastarde nach einigen Generationen zu einem der Mutterstämme zurück, was nicht auffallen kann. Es ist dies eine Erscheinung des Atavismus, die denjenigen ähnlich ist, von welchen die Kreuzungen so viele Beispiele geben. Wenn die Arten fast immer unter sich steril sind, wenn die Bastarde, die sie zufällig erzeugen, es wenigstens zum Theile sind, so folgt daraus nicht, dass sich eine ursprüngliche Verschiedenheit wie eine unübersteigliche Scheidungsmauer zwischen ihnen erhebt. Die wechselseitige Fruchtbarkeit ist ohne Zweifel das Resultat einer organischen Uebereinstimmung, und die langsam ausgebil- deten Formen können nur allmälig die unterscheidenden Charak- tere und demnach auch die Contraste sich angeeignet haben, welche sich schliesslich fruchtbaren Verbindungen zwischen ihnen widersetzen. Die Ursache der Erscheinung scheint uns eine rein physio- logische zu sein. Sich selbst überlassen, kreuzen die Thiere sich so lange, als die Verschiedenheit, welche sie anzieht, für sie ein Reiz ist. Sie entfernen sich von einander, sobald diese Verschie- denheit ein Hinderniss oder eine Quelle des Widerwillens wird. Der Punkt, wo die Anziehung aufhört und der Widerwille beginnt, ist ohne Zweifel sehr dunkel und unbestimmt. Die Schwierigkeit wird ohne Zweifel häufig und zufällig überwältigt, bevor sie un- übersteiglich wird.‘ Uebrigens vereinigen sich niemals zwei ein- ander vollkommen gleiche Wesen; selbst bei den Blutsverwandt- schaften zeigen die beiden Individuen wirkliche, häufig sehr auf- fallende, wenn auch nebensächliche Verschiedenheiten. Das Pro- 22 ji [4 ‘ DIE EVOLUTIONSTHEORTE. 99 duct vereinigt in sich die Aehnlichkeiten beider Eltern, aber noth- wendigerweise in einem verschiedenen Grade, da es stets nur die Charaktere des Geschlechtes haben kann, welchem es zugetheilt ist. Es müsste also von dieser Seite her wenigstens ausschliess- lich dem Vater oder der Mutter nachschlagen, und demnach müss- ten die männlichen Jungen eines Hahns, eines Rennpferdes, eines Stieres einzig die Energie, die Schnelligkeit und den Muth be- sitzen, welche die Männchen dieser Rasse auszeichnen. Doch nimmt man, wie die Erfahrung lehrt, gleichermaassen beide Geschlechter in Anspruch, um diese Eigenschaften zu erzielen. Diese Thatsache, die so natürlich ist, dass sie keiner Beweise bedarf, bildet doch eine Erscheinung von höchster Wichtigkeit, welche Darwin in das gehörige Licht gesetzt hat. Er sieht darin den Beweis für die Existenz latenter Charaktere, d. h. solcher Charaktere, die bei ihrem Besitzer zwar verborgen bleiben, aber dennoch in diesem Zustande auf die Nachkommenschaft, selbst ent- fernter Grade vererbt werden können. Die Charaktere, welche das Männchen vom Weibchen unterscheiden, die in vielen Fällen einander sehr unähnlich sind, erscheinen immer erst im Alter der Pubertät, bleiben also in einem latenten Zustande während einem Theile des Lebens, und es ist auffallend, dass sie zuweilen bei Individuen des anderen Geschlechtes auftreten, wenn das denselben zukommende Geschlecht durch das Alter oder einen anderen Um- stand verwischt wird. Gewisse Instinete des Weibchens, wie die Neigung zum Brüten, erwachen bei dem Capaun, während durch eine entgegengesetzte Wirkung die Weibchen, welche zu legen auf- hören, zuweilen das Federkleid des Hahnes annehmen. Darwin eitirt weibliche Hirsche, welche im Alter Geweihe aufsetzten, und man weiss, dass bei bejahrten Frauen häufig der Bart wächst. Alle diese Wirkungen entspringen Charakteren, die so zu sagen in den Tiefen des Organismus vergraben liegen. Die Eigenschaften, die Fehler, die Neigung zu gewissen Krankheiten können sich so vererben, indem sie eine oder mehrere Generationen überspringen. Nur wird die Erscheinung dadurch noch verwickelter und wird dann als Atavismus oder Recurrenz bezeichnet. In diesem Falle kann ein zurückkehrender Charakter oft lange bei den Nachkom- men desjenigen unbekannt bleiben, der ihnen den Keim dazu ver- erbt hat. 7* 109 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Vererbung, Kreuzung, Recurrenz, Alles, was von dem Lebens- process abhängt, scheint aus einer ursprünglich einheitlichen Kraft hervorzugehen, die in ihren Anwendungen höchst vielfältig, in steter Thätigkeit befindlich und der Grund alles Organischen ist, von der Zelle und dem Embryo an bis zu den höchsten und vollkommensten Einheiten. Darwin hat versucht, die geheimen Triebfedern dieser Kraft mit Hülfe einer sehr scharfsinnigen Hypo- these zu erläutern, die indessen, offen gestanden, sobald wir sie durchdacht haben, unseren Geist in derselben Verlegenheit lässt, in welcher er sich vorher befand. Darwin nennt diese Hypo- these, die er indessen selbst für provisorisch erklärt, Pangenesis, d. h. allgemeine Zeugung. Sie bietet eine evidente Mischung der Ideen, welche Buffon einerseits, und mehrere neuere Physiologen, namentlich Claude Bernard, andererseits über die Zeugung auf- gestellt haben. Nach Buffon besteht die organische Materie aus einer Menge von mit Leben und Bewegung begabten Elemen- ten oder Molecülen, die in allen Körpern circuliren, durch die Er- nährung eingeführt werden und sich zu dem Zwecke des Ersatzes der Verluste und der Bildung von Stoff für neue Wesen anhäufen. Das organische Leben bestände also in einem ewigen Wirbel, des- sen Elemente, von einem Strome ohne Ende fortgerissen, nur frei würden, um sich aufs Neue zu verbinden. Den Ansichten der be- deutendsten Physiologen unserer Zeit zufolge hat jedes Organ nicht nur sein eigenes Leben und seine Selbstständigkeit, sondern ist auch selbst nur eine Vereinigung kleinerer Theile, die sich wieder so lange theilen, bis man zu der Zelle gelangt, die das primitive Element, die wahrhafte organische Einheit ist, aus der schliesslich jedes lebende Körperwesen nothwendig zusammen- gesetzt ist. Den besten Beobachtern zufolge ist jede Zelle ein wahres elementares Individuum; sie besitzt Functionen, spielt eine Rolle und zeigt zugleich eine bestimmte Form. Die höheren Thiere sind nur eine verwickelte Anhäufung einer Menge dieser Elemente, die im Schoosse der sie durchdringenden Feuchtigkeit eng ver- bunden sind. Das Gerüst des Organismus ist so gebaut, dass es innere Höhlen einschliesst, in welche, wie in eine kleine, allseitig geschlossene Welt, die gasförmigen und flüssigen Substanzen und die Nahrungssäfte gelangen, welche der Strom des Kreislaufes jeder Zelle zuführt. Die constituirenden Elemente der organischen | DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 101 Gewebe können auf diese Weise an dem allgemeinen Leben An- theil nehmen, welches dem ganzen Organismus zukommt, und ausserdem eine Individualität besitzen, die aus ihrer Form und ihren Functionen hervorgeht. Jede Zelle ist in ihrem Lebens- laufe beschränkt und wird am Ende desselben ausgeschieden und ersetzt, aber die neuen Zellen bilden sich meistens, wenn nicht immer, im Schoosse ihrer Vorgängerinnen. An diese, von der heutigen Wissenschaft allgemein angenom- mene Anschauung, knüpft Darwin seine Theorie an, die kaum von derjenigen der organischen Molecüle, wie Buffon sie an- nahm, sich unterscheidet. _ Er geht von der Individualität einer jeden Zelle aus und fragt sich, ob ausser der Vermehrung durch Theilung die Zellen nicht noch eine andere Fortpflanzungsart besitzen, die in der Fähigkeit bestände, in einem gegebenen Augen- blick Körperchen oder „Zellenkeimchen“ ausgehen zu lassen, die in den Flüssigkeiten des ganzen Systemes circuliren, sich theilen und „schliesslich zu Zellen entwickeln können, die denjenigen ähneln, von denen sie selbst abstammen“. Man müsste fernerhin annehmen, dass diese Entwickelung von der vorgängigen Vereini- gung der Keimchen mit anderen Keimchen abhinge, die ihnen in dem regelmässigen Verlaufe ihres Wachsthums vorausgingen, mit anderen Worten, dass die relative Ordnung der Entwickelung so zu sagen im Voraus bestimmt wäre, und bei dem Fehlen jeder wechselseitigen Beziehung der Theilchen zu einander nicht statt- haben könne. Die Keimchen müssten sich demnach in’ Reihen aufeinander pfropfen, deren Zeitläufe genau coordinirt wären. Man begreift, dass eine solche Annahme nöthig ist, um sich von der vollkommenen Regelmässigkeit eines Planes Rechenschaft zu geben, dessen einzelne Theile unveränderlich ihre gegenseitige Lagerung bewahren. Man müsste ferner annehmen, dass im latenten Zustande, d. h. vor jeder Entwickelung, die einzelnen Keimchen eine gegenseitige Verwandtschaft besitzen, welche sie einlädt, sich zur Bildung von Knospen oder von geschlechtlichen Elementen zu gruppiren. Dieser Hypothese zufolge müssten alle verschiedenen Theile der organischen Gewebe eben ihrer Verschiedenheit wegen Keim- chen ausgehen lassen, deren spätere Vereinigung die Gesammtheit reproduciren würde. Nur die ganz homogenen Theile, wie sie 102 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. den auf der niedersten Stufe stehenden Wesen eigen sind, würden auch nur eine einzige Zelle aussenden, die sich später vermehren würde. Schreibt man freilich einer jeden Zelle die Fähigkeit zu, Keimchen zu bilden, welche sie reproduciren, so ist diese Annahme in der That vollkommen unnöthig. Sie entbehrt aber dennoch nicht gänzlich der Wahrscheinlichkeit, wenn man berücksichtigt, wie sehr die Natur zur Theilung und Vervielfältigung der Elemen- tartheilchen neigt, sobald man in die Tiefen des Organismus ein- dringt. Die Erzeugung der Eier, von welchen die Zellenvermehrung nur ein Abbild ist, erreicht bei den niederen Wesen sehr bedeu- tende Zahlen, und wenn man sich über die ungeheure Quantität von Keimchen verwundert, deren die Darwin’sche Hypothese bedarf, um in Thätigkeit gesetzt zu werden, so vermindert sich das Erstaunen, wenn man an die 6800 Eier eines Stockfisches, an die 63000 eines Spulwurmes, oder an die Millionen von Samen denkt, die in einer einzigen Kapsel einer Orchidee enthalten sind. Da die Zahl der Eier in dem Maasse zuzunehmen scheint, als man in der Stufenfolge der Wesen hinabsteigt, so kann es auch nicht unwahrscheinlich sein, dass die Keimchen der Zelleneinheit, wenn sie wirklich existiren, so zu sagen in unberechenbarer Menge hervorgebracht werden. Die fast unbegrenzte Kleinheit dieser Theilchen würde ihre Zerstreuung innerhalb des Organismus und ihre Circulation in den Flüssigkeiten erklären. Gesteht man einmal diese Prämissen zu, so entwickelt sich die Hypothese von selbst. Die im Inneren der lebenden Körper angehäuften Keimchen erklären dann alle Erscheinungen der Ver- erbung, der Uebermittelung und Aenderung der Charaktere und der Erscheinung dieser letzteren in einem bestimmten Augenblicke. Die Ausbildungen der Keimchen geben nicht minder Rechen- schaft einerseits von dem normalen und beständigen Wachs- thum und Entwickelung, wie anderseits von den Metagenesen und Metamorphosen, d. h. den plötzlichen Aenderungen, die sich im ganzen Organismus vollziehen. Bei der Metamorphose formen sich die neuen Organe über die alten ab, von denen sie sich wie von einer Hülle lösen. Bei der Metagenese scheint es, als ob ein neues Leben auf bestimmten Punkten ganz unabhängige Organe keimen lasse, die mit denjenigen, welche in der vorhergehenden Periode bestanden, nichts gemein haben. In der Zeit ihrer letzten DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 103 Veränderungen erhalten die Cirrhipedien neue Augen, die auf einem anderen Theile des Körpers entstehen, als die früheren. In der zweiten Phase ihrer Entwickelung entstehen mehrere Echino- dermen aus einer Knospe, die im Inneren des ersten Thieres auf- keimt, welches gänzlich abgeworfen wird. Die geschlechtliche Zeugung wäre nur eine besondere Art von Knospung und unter- schiede sich davon nur durch die Nothwendigkeit der Vereinigung zweier gesonderter Elemente; aber jedes dieser Elemente würde der Gesammtheit des Wesens entsprechen, das gebildet wird. Es wären immer Anhäufungen von Keimchen, beiderseitig fähig, das Individuum zu reproduciren, von welchem sie herstammen, aber zu schwach, um dieses Ziel ohne vorgängige Vereinigung erreichen zu können. Diese Unzulänglichkeit eines jeden Geschlechtes für sich allein genommen, wäre in der That die einzige Ursache der Nothwendigkeit der Hülfe, welche sie sich leisten, wenn die Fälle von Parthenogenesis, welche mehrere Forscher anführen, durchaus bestätigt wären. Der von Jourdan angeführte Fall, der sich auf die Seidenraupen bezieht, ist höchst merkwürdig. Von 58000, ohne vorgängige Befruchtung durch das Männchen gelegten Eiern, hätte eine grosse Anzahl den Embryonalzustand durchlaufen, seien also entwickelungsfähig gewesen, während doch nur 29 Raupen ausgeschlüpft wären. Wenn die Thatsache nicht bestritten wer- den könnte, so müsste man annehmen, dass in diesem Falle nur die vitale Energie gefehlt hätte und der Unterschied zwischen den beiden Generationen bestände namentlich darin, dass die geschlecht- liche Zeugung progressiv wirkte, dass sie das von ihr gezeugte Product durch eine Reihe aufeinander folgender Zustände hin- durch führte, welche ihm den Vortheil einer langsameren und besser geordneten Ausarbeitung verschaffte und ausserdem noch den grösseren Vortheil der Kreuzung lieferte. Was die Variabilität betrifft, die eine so grosse Rolle bei den lebenden Wesen spielt, sei es, um sie nach und nach zu verändern, sei es, um Verschie- denheiten bei ihnen zu erzeugen, welche die Vererbung später befestigt, so wäre sie in der Hypothese der Pangenesis eine directe Folge der von jeder Zelle eingegangenen Modificationen, welche durch eine Menge von Eindrücken, von Gewohnheiten und Ein- flüssen aller Art hervorgerufen werden. Die nach und nach ausgeschiedenen Keimchen trügen die 104 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Spur dieser Veränderungen, die sich dann wie alles Uebrige ver- erbten. Man begreift in der That, dass diese modificirten Keim- chen denselben Fortgang hätten, wie alle Uebrigen, und wie diese in dem neuen Organismus Platz nehmen oder latent bleiben könn- ten, um erst nach mehr oder minder langem Schlafe in die Er- scheinung zu treten. Mit Hülfe dieser verschiedenartig combinirten und übermittel- ten Keimchen könnte man ohne Mühe Alles erklären; die Vor- gänge im Inneren des Organismus würden einfach und klar, aber gerade diese Einfachheit erregt unser Erstaunen, wenn man die mannigfachen Combinationen der Lebenserscheinungen ins Auge fasst. Kommt die Natur nicht mittelst wachsender und ins Un- endliche variirender Combinationen zu ihrem Ziele, die in dem Maasse hervortreten, als sie das organische Gewebe der höheren Thiere bilden? Wenn Alles von einem lebenden Molecüle ab- stammt, wenn der Ausgangspunkt eines jeden neuen Wesens eine Zelle ist, wie soll man dann die Anhäufung jener zahllosen, zum Theil schon mit einander verbundenen Keimchen begreifen, deren verwickelte Existenz mit der Einfachheit des Apparates der ersten Zellen im Embryo so wenig im Verhältniss steht? In welcher Art auch die Fortpflanzung vor sich gehen mag, so verlängert sie stets das zeugende Individuum durch dasjenige, das gezeugt wird. Aber gerade die Natur dieser Verlängerung kennen wir nicht. Nimmt das neue Wesen von demjenigen, von dem es ausgeht, alle Elementartheile mit, oder empfängt es von ihm nur einen entscheidenden Anstoss, der nicht nur seinen allge- meinen Bildungsplan, sondern selbst die Gestalt der Theile be- stimmt, die sich später entwickeln werden? Das ist ein Geheim- niss, in welches der Mensch vielleicht niemals eindringen wird. Gewiss ist es aber, dass in dem Maasse, in welchem man sich zu den höheren Wesen erhebt, der befruchtete Keim auch um so voll- kommener ausgearbeitet wird, je länger er mit seiner Mutter ver- bunden bleibt. Nichtsdestoweniger lässt sich der Einfluss dieser Letzteren in dem Endresultate nicht mehr bemerken als derjenige des Vaters. Wenn die angehäuften Keimchen hier eine entschei- dende Rolle spielten, so müsste die Mutter doch wohl durch die Mittheilung der Nahrungssäfte, die ja gerade als Vehikel zum Transport dieser Keimchen dienen sollen, eine weit grössere Menge DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 105 davon liefern. Nun wird es aber durch die Aehnlichkeiten klar, dass sie nichts zu dem zuführt, was sie im Anfange gegeben hat. Man könnte noch viele andere Einwürfe erheben, und doch wäre es verwegen, die Hypothese Darwin’s ganz zu verdammen. -Die Analogie der geschlechtlichen Zeugung mit der Knospung, den Metamorphosen und dem Wachsthum, das unabhängige Leben der körperlichen Einheiten oder Zellen, die Vermehrung dieser Letzte- ren durch freiwillige Theilung, lassen die ihnen zugeschriebene Fähigkeit, Keimchen ausgehen zu lassen, wohl glaublich erscheinen. Die treue Uebermittelung, der latente Zustand der väterlichen Charaktere, die Variationen des Organismus nach gewissen Rich- tungen hin, seine Beständigkeit nach anderen Beziehungen hin sind eben so viele Anzeichen, welche die Wagschale zu Gunsten einer Lehre sinken lassen. können, die übrigens mit ausserordent- licher Kunst und vollkommener Wissenschaft der Beobachtungen dargestellt ist. Unserer Meinung nach ist indessen das wahre Ziel, welches sich Darwin vorgesetzt hat, nicht dasjenige, wel- ches er durch die Lehre von der Pangenesis zu erreichen strebt. Wenn wir auch mit den Triebfedern des Organismus gänzlich un- bekannt wären, so könnten wir uns dennoch fragen, wie die Wesen, die wir als Arten zusammenfassen, sich gebildet haben und woher sie gekommen sind. Die Untersuchung der Frage nach dem Ursprung, der Kampf gegen frühere Vorurtheile, die geduldige und stufenweise Aufklärung der Art und Weise, wie man die Er- scheinungen der Evolution begreifen kann; das ist die wahre Auf- gabe, welche der englische Naturforscher sich gesetzt hat und der er alle Tage nachstrebt. Er hat den Geistern, die keine vor- sefasste Meinung haben, gezeigt, dass in der That ein allgemeines Band alle organischen Wesen umschlingt, dass dieses Band um so enger wird, je mehr man dieselben in secundäre Gruppen theilt, bis man zu Individuen kommt, die einander so genähert sind, dass man sie als aus einem Stamme entsprossen betrachten kann. Er hat ausserdem gezeigt, dass wenn man die wilden Arten verlässt, deren Charaktere um so mehr befestigt sind, je langsamer sie sich ausgebildet haben, und die Hausthiere und Culturpflanzen betrach- tet, man dieselben Erscheinungen mit einem besonderen Aussehen wiederfindet, welches zwar der Dazwischenkunft des Menschen verdankt wird, aber nichtsdestoweniger geeignet ist, uns den Gang 106 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. kennen zu lassen, welchen die Natur befolgte. Die von dem Men- schen geschaffenen Arten oder Rassen sind den von der Natur gebildeten nicht gleich, das Resultat ist verschieden, aber nur in dem Maasse der Verschiedenheit der angewandten Mittel. Kommen wir zu einem Schlusse: Der Begriff der Art, wie ihn die Cuvier’sche Schule definirt hatte, muss nothwendig seinen Sinn ändern. Die Art kann nur in der Gegenwart oder in der Vergangenheit betrachtet werden. Betrachtet man den heutigen Zustand der Dinge, so wird es unmöglich, diesen Begriff, den man doch zur unbeweglichen Grundlage des ganzen Systemes machen möchte, genau zu definiren. Bald ist der Begriff so erweitert, dass er durchaus unähnliche Wesen umschliesst, bald ist er in die engsten Grenzen eingeschlossen. Er wird auf diese Weise so unfassbar, dass er die ausgezeichnetsten Naturforscher zur Verzweiflung bringt und sich jeder Analyse entzieht. Befragt man die Ver- gangenheit, so drängt sich die Entstehung der Arten auf dem Wege successiver Aenderungen von selbst dem Geiste auf, nicht als eine Theorie, sondern als eine Thatsache, die aus den Unter- suchungen im Ganzen hervorgeht. Hier muss man, um die Auf- gabe zu lösen, vor allen Dingen die Unmöglichkeit anrufen, den Entwickelungsgang der paläontologischen Erscheinungen in ande- rer Weise zu erklären. Alles führt zu folgendem Resultate: Es giebt keine genauen Grenzen zwischen den verschiedenen Perioden; dieselben ändern an Zahl, Intensität und Dauer; sie sind in ver- schiedener Weise charakterisirt, je nachdem man diese oder jene Reihe von Thieren und Pflanzen als Gesichtspunkt wählt. Die Verbindungen mehren sich, die Zwischenschichten schmelzen die Hauptabtheilungen zu einer zusammenhängenden Folge verketteter Erscheinungen zusammen. Die heutigen Arten sind fast immer mit denjenigen verknüpft, die ihnen vorher gingen, und diese schliessen sich wieder ihrerseits an andere an, die sich von den ersten einer Stufenleiter nach entfernen, welche mit der verflosse- nen Zeit im Verhältniss steht. So findet man zwischen den Arten, den Gattungen und Ordnungen gewissermaassen Zwischenstationen und erblickt einige der Stufen, welche das organische Leben nach und nach erklomm, um bis zu uns zu gelangen. Ohne Zweifel haben die specifischen Formen nicht immer varürt. Sie thaten dies vielmehr in ungleichem Maasse und kamen deshalb auch zu x‘ DIE EVOLUTIONSTHEORIE. 107 ungleichen Resultaten. So entstand der relative Werth der heutigen Glieder der organischen Welt, so entsprang die Nothwendigkeit, in den Wesen, welche wir vor uns sehen, nur die letzten Theil- nehmer an einem Kampfe zu erblicken, der mit dem Leben selbst begann und sich durch die Unendlichkeit der Zeiten fortspann. Wir können dieses Capitel nicht besser enden, als indem wir mit Darwin sagen, dass der unerbittliche Kampf um das Leben der mächtigste Beweis für die Abwesenheit von Endursachen solcher Art ist, wie sie der Mensch zusammenstellen könnte. Aber wenn auch diese Abwesenheit einmal nachgewiesen ist, so bleibt doch das Problem des Urgrundes aller Dinge noch im Dunkeln, und man findet sich vor einer eben so unbesiegbaren Schwierigkeit, wie diejenige des freien Willens und der Prädestination. Drittes Capitel. Die alten Kli:mare: Der Mensch hat noch nicht auf alle Theile des Erdbodens seinen Fuss gesetzt. Mag er nun gegen die Pole vordringen, oder den Himalaja erklimmen, so wird er vor dem bis jetzt unüberwind- lichen Hinderniss still halten, welches ihm das durch die Kälte unerträglich gewordene Klima entgegensetzt. Das in starre Blöcke oder in einen todten Staub verwandelte Wasser macht die Punkte unzugänglich, die es in diesem Zustande bedeckt. Das Leben ist unmöglich ohne Wasser, doch wie dieses verschwindet es nicht plötzlich. Auf den seinem Gebiete gesetzten verschwommenen Grenzen kämpft es mit Energie, freilich mit Mühe, klammert sich an die geschützten Wände gewisser Felsen, schlüpft sogar mit dem Protococcus bis in den schmelzenden Schnee. Mit einem Worte, das Leben zeigt sich überall, wo das- flüssige Element auch nur zeitweise erscheint, aber es verschwindet unfehlbar, wo das Was- ser gänzlich fehlt. Trotz der Lebenskräftigkeit, die sich auf seiner Oberfläche kundgiebt, gleicht der von ewigem Eise an den Polen und auf den Gipfeln der höchsten Berge bedeckte Erdball einem Körper, dessen Endglieder durch das Alter gebleicht und gelähmt wurden. Um ihm die Attribute einer ewigen Jugend zuschreiben zu können, müsste man die Augen weder zu hoch erheben, noch zu weit schweifen lassen. Namentlich dürfte man aber nicht die Vergangenheit befragen. Hiesse das nicht zu viel verlangen, jenem Wissensdurste gegenüber, welcher so sehr das menschliche Herz erfüllt? ee DIE ALTEN KLIMATR. 109 Wenn man sich aber von den Bedingungen Rechenschaft geben will, die das Leben erzeugen, anregen, erhalten oder schwächen, so muss man das Klima studiren, oder mit anderen Worten die Art und Weise untersuchen, wie Wärme und Wasser auf der Ober- fläche des Erdballes vertheilt sind. Diese scheinbar ungleiche oder wenigstens willkürliche Vertheilung ist dennoch gewissen Regeln unterworfen. Sie hängt von gewissen bestimmenden Ursachen ab, sie hat endlich mit den Zeiten geändert, und diese letztere Erscheinung ist es namentlich, die wir untersuchen wollen. Die Geschichte der klimatischen Umwälzungen, die mit derjenigen der organischen Wesen eng verknüpft ist, wird durch ein Ent- wickelungsgesetz regiert, dessen Einheit sichtlich ist, und das ohne Zweifel seinen tieferen Grund hat, obgleich es kaum möglich ist, denselben nachzuweisen. Man erkennt bei dieser Gelegenheit, wie bei so vielen anderen, dass die Erde das Kindes- und Jünglings- alter, vielleicht sogar das Alter der Reife durchlaufen hat. Der Mensch kam erst spät, als schon der Anfang der physischen Ver- kümmerung auf dem ihm zum Wohnorte angewiesenen Erdball sich gezeigt hatte. Obgleich ausgeschlossen von verschiedenen Erdtheilen und ohne directe Kenntniss der Ereignisse, die seiner Ankunft vorhergingen, bemüht sich doch das Menschengeschlecht, auf alle Weise den Raum und die Zeit zu erobern, den ersteren, indem es bis zu den Enden der Erde vordringst, die letztere, indem es die Geheimnisse seines Ursprunges erforscht. Wir werden einen solchen Versuch machen, indem wir die klimatischen Ver- hältnisse zu bestimmen suchen, die früher herrschten und seither unter dem Einflusse von Umständen verschwunden sind, deren Dunkelheit sich nur schwierig aufhellen lässt. Vor allen Dingen wollen wir suchen, die heutigen Klimate nach ihrer Vertheilung und nach ihren Ursachen zu erforschen, die in der That sehr ein- fach sind. E Fast die ganze Wärmemenge, welche die Erde jetzt auf ihrer Oberfläche erhält, stammt von der Sonne, obgleich sie noch in ihrer Tiefe eine besondere Wärmequelle besitzt, und sogar die Himmelsräume nicht ganz derselben beraubt sind. Aber die 110 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. negative Wärme des Raumes genügt kaum, um die Polargegenden zu verhindern, sich im Winter über eine gewisse Grenze hinaus zu erkälten, die weit unter dem Gefrierpunkte liest, und die innere Erdwärme wird nur unterhalb einer Tiefe von 30 Meter bemerk- lich }). Die Sonnenwärme ist demnach auf der Oberfläche: allein Her- rin, aber sie würde sich während der Nacht eben so schnell zer- streuen, als sie sich während des Tages ansammelte, wenn die Atmosphäre nicht einen Theil davon zurückhielte, oder, um es besser auszudrücken, wenn die Gas- und Dampfhülle, die uns um- giebt, sich nicht der zu schnellen Ausstrahlung der empfangenen Wärme widersetzte. Je dichter die Hülle ist, desto langsamer und allmäliger ist die Ausstrahlung; je feiner und dünner sie ist, desto weniger hindert sie dieselbe, und diese letztere Wirkung zeigt sich bald, wenn man sich über das Niveau des Meeres erhebt. In einer relativ geringen Höhe absorbirt die Luft nur noch eine geringe Quantität von Sonnenwärme und verliert sie sehr schnell. Daher die Kälte der Gebirgsgegenden. Die Höhe über dem Meere genügt, um alle Wirkungen des Klimas zu vernichten; doch er- halten sich dieselben in höherem oder geringerem Grade, je nach- dem die Temperatur der Oberfläche mehr oder minder erwärmt ist. In den Tropengegenden zeigt sich die Grenze des ewigen Schnees zwischen 4800 und 5500 Metern; in Centraleuropa beginnt sie bei 3000 Metern; in Lappland steigt sie auf 1200 Meter herab, und in Spitzbergen erreicht sie beinahe das Niveau des Meeres. So gehen die Kälte der Pole und diejenige der Höhen in eins zusammen; in der Polarzone erwärmt sich die Luft kaum durch die Sonnenstrahlen, sie erhält dort nur ein schiefes, intermittiren- des Licht, das einen Theil des Jahres hindurch gänzlich fehlt und während des anderen Theiles keine Intensität besitzt. Die stete 1) Die Wärmezunahme im Inneren der Erde wird zwar im Mittel auf einen Grad für je 32 Meter geschätzt, aber die durch die artesischen Brunnenbohrungen gelieferten Resultate zeigen sehr bedeutende Verschie- denheiten auf. Die Zunahme beträgt zuweilen 1 Grad auf je 10 oder 13 Meter, und da die ganze Erscheinung ohne Zweifel durch locale Ursachen beeinflusst ist, so zeigt sie nicht die zu einer allgemeinen Berechnung nöthige Regelmässigkeit. An und für sich ist indessen die innere Erd- wärme nicht zweifelhaft, und die Lavaausbrüche beweisen, dass in unseren Beobachtungen unzugänglichen Tiefen die Wärme stets zunimmt. DIE ALTEN KLIMATE. 111 Wiederholung von Licht und Dunkel, die uns so natürlich scheint, verwischt sich nach und nach gegen den Pol hin, wo die Tage und die Nächte sich unmässig vergrössern und in zwei extreme Jahreszeiten umwandeln, die durch eine Reihe von Dämmerungen getrennt sind. Wir würden ob dieses Phänomens höchlichst er- staunen, wenn die Geographie nicht seit unserer Kindheit uns mit demselben vertraut gemacht hätte. Die Kenntniss davon kam zu den Völkern am Mittelmeere und zu den Griechen zur Zeit Hero- dot’s als eine mit den seltsamsten Fabeln vermischte Legende. Man weiss, dass die Neigung der Erdachse gegen die Ebene der Erdbahn die Ursache des Polarklimas ist. In Folge dieser Neigung der Achse, die mit sich selbst parallel bleibt, d. h. die- selbe unbewegliche Richtung im Himmelsraume beibehält, folgen sich die Tage und Nächte in vollkommen gleicher Länge nur am Aequator, wenig ungleich bis zu den Wendekreisen, mehr und mehr ungleich werdend in dem Maasse, als man sich dem Pole nähert. Die langen Tage des Polarsommers entsprechen genau den langen Nächten des Winters, und der Winter der einen Erd- hälfte dem Sommer der entgegengesetzten Erdhälfte, während in den Zwischenraum, der die beiden extremen Jahreszeiten trennt, sich die Tag- und Nachtgleichen stellen, die einzigen Augenblicke, wo auf der ganzen Erde Tag und Nacht gleich sind, bevor sie abwechselnd wachsen oder abnehmen. Die schiefe Richtung der Sonnenstrahlen, oder, was das Gleiche ist, die Stellung des Central- gestirnes zum Horizonte, steht in nothwendigem Verhältniss mit diesen Ungleichheiten der Tage und der Jahreszeiten. Die Sonne, welche nur in der heissen Zone den Zenith erreicht, entfernt sich in den gemässigten Zonen mehr und mehr von der Verticalen, und beschreibt stets weniger hoch werdende Kreisbogen, bis sie oberhalb der Polarkreise während des Winters verschwindet und während des Sommers nicht mehr untergeht. Sie streift dann am Horizonte hin und strahlt ein Licht aus, dessen Schwäche nicht durch seine stete Fortdauer ausgeglichen werden kann, während unaufhörliche Nebel und Schneestürme seinen späten und kurzen Glanz verschleiern. Die Polartage und -Nächte nehmen übrigens sehr schnell zu, in dem Maasse, als man sich von einem gegebenen Punkte nach Norden hin weiter bewegt. Der 24stündige Tag be- ginnt etwas oberhalb Tornea, wo man einmal im Jahre die Mitter- 119 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. nachtssonne erblicken kann. Am Nord-Cap bei 71° 12’ nördlicher Breite dauert der Sommertag schon zwei Monate, auf Spitzbergen, beim 78. Breitengrade, dauert er vier Monate. Freilich erhebt sich die Sonne im letzteren Lande auch nur um 37 Winkelgrade über den Horizont; sie sendet nur Strahlen ohne Wärme, telum imbelle sine ictu; sie erleuchtet mit bleichem Scheine einen ver- eisten Boden, wo einige unter dem Schnee begrabene Pflanzen nur während kurzer Zeit aus dem Schlafe erwachen, der sie 10 Monate lang in Unthätigkeit hält, und eilig ihre Lebensfunctionen ver- richten, um von Neuem einzuschlafen. Welches Bild, wenn man an die Urwälder von Brasilien und Java, an die Tiefthäler von Nepaul, an die überschwemmten Savanen des Orinoko denkt, wo das Leben überwuchert, wo ein glühendes, lebhaftes und goldenes Licht überall zittert, warme Dämpfe aufjagt, mit dem Schatten spielt und die Formen der wunderbarsten Gewächse erglänzen lässt! Unter den Wendekreisen fühlt sich der Mensch erdrückt unter einem überwuchernden Leben. Er muss unablässig kämpfen, um seinen Platz in der Natur zu behaupten, die ihn beherrscht. Seine stärksten Werke werden in kurzer Zeit erobert; ungeheure Bäume nehmen Besitz von dem Boden, sobald er sich selbst über- lassen bleibt. — Im äussersten Norden tritt die Schwäche des Menschen noch mehr hervor, aber hier erdrückt ihn das Gewicht der unbelebten Natur. Die Elemente herrschen allein in diesen wüsten Gegenden, wo die Atmosphäre schrecklichen Wirbelstürmen ausgesetzt ist. Der Schnee bedeckt die Unebenheiten des Bodens, das Eis überzieht das Meer mit einem künstlichen, häufig beweg- lichen und immer gefährlichen Boden; überall herrscht Verwir- rung, nirgends findet sich Ruhe, jeder Schritt ist beschwerlich, das Leben selbst wird eine Anstrengung, welche die kräftigste Energie nicht lange aushalten kann, ohne zu unterliegen. Das sind unerhörte Contraste, aber sie sind nicht die einzigen. Hätte die Oberfläche der Erde überall dieselbe Oberfläche und dieselbe Beschaffenheit, so wären die Tage und Klimate vom Aequator zum Pole in regelmässiger Ordnung vertheilt. Durch unmerkliche Uebergänge würde man von der äussersten Hitze zur äussersten Kälte, von dem beständig zwölfstündigen Tage zu dem halbjährigen Tage des 90. Grades gelangen. Man brauchte dann nur den Breitegrad eines Ortes zu wissen, um sein Klima zu kennen. So DIE ALTEN KLIMATE. 113 verhält es sich nicht in der Wirklichkeit; die Länder und Meere, die kalten oder brennenden Wüsten, die Hochebenen, die inneren Wasserbecken, die Bergketten und die Flüsse sind in der unregel- mässigsten Weise vertheilt, und aus dieser Unregelmässigkeit ent- stehen Einflüsse aller Art, welche mächtig die Wirkungen der Breite erschweren oder verbessern, verwischen oder verändern und die astronomischen und normalen Klimate in Unordnung bringen, so dass mehr oder minder verschiedene, gewissermaassen künstliche Klimate entstehen. Die Strömungen in der Atmosphäre und in dem Meere sind die mächtigsten dieser combinirten Einflüsse. Sie verhindern die Isothermen, d. h. die Linien, welche die Orte von gleicher Temperatur mit einander verbinden, mit den Parallel- kreisen zusammenzufallen und bedingen so die auffallendsten Curven. Der Golfstrom, jener Strom heissen Wassers im Atlanti- schen Ocean, genügt, um die Isothermen längs der seinem Einflusse ausgesetzten Küsten um 10° nach Norden vorzuschieben, während sie im Gegentheile im Inneren der beiden Continente um eben so viel zurückweichen. Es herrscht ein grosser Unterschied zwischen den Seeklimaten, d. h. den Klimaten derjenigen Länder, deren Küsten vom Meer bespült werden, und den continentalen Klimaten. Die ersteren zeigen keine Extreme, die Bedingungen der Jahreszeiten gleichen sich aus, die Feuchtigkeit ist beständiger und die Hitze gemässigt. Die continentalen Klimate sind im Gegentheil extrem; die Winter kalt, die Sommer brennend heiss, die Regen selten oder intermittirend. Einige Gegenden, wie die Sahara, die Wüste Arabiens und die Wüste Gobi, sind sogar regen- los und beinahe von lebenden Wesen entblösst, nicht durch die Wirkungen der Kälte, sondern wegen der Abwesenheit des Wassers. Wasser und Wärme sind in der That die beiden Elemente, deren fruchtbare Verbindung nothwendig das Leben erzeugt, oder wenig- stens möglich macht. Diese kurze Auseinandersetzung macht die Natur und die Rolle der Elemente begreiflich, welche zur Bildung des Klimas beitragen, oder, um es besser zu sagen, sie lässt die Factoren er- kennen, welche die Verschiedenheit der Klimate bedingen. Die Sonne liefert die Wärme, die Richtung der Axe bestimmt den Winkel, unter welchem der Erdball sie empfängt, und die Atmo- sphäre je nach ihrer relativen Dichtigkeit absorbirt sie mehr oder Saporta, die Pflanzenwelt. 8 | > 1% Be ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. weniger und verhindert sie, sich zu zerstreuen. Wenn die Rolle dieser drei Factoren einmal festgestellt ist, so begreift man sehr gut, dass es genügt, einen von ihnen zu ändern, um die Proportionen umzukehren und ganz verschiedene Combinationen hervorzubringen. Dies findet in der That unter unseren Augen statt, wenn wir hohe Berge besteigen, wo die Verdünnung der Luft dieser einen Theil ihres Vermögens, die Wärme zurück- zubehalten, entzieht. Die Vegetation behält ihren tropischen Charakter in den ostindischen Ebenen am Fusse des Himalaya bis zur Höhe von 1000 Metern; bei 2000 Metern ist der Schnee noch unbekannt, aber die Palmen und Bananen verschwinden, während Eichen und Fichten sich zu zeigen beginnen. Die mittlere Jahres- temperatur beträgt dort etwa 14°C., etwa so viel wie im südlichen Frankreich. Bei 3000 Meter Höhe fällt im Winter zwar Schnee, aber er schmilzt sofort. Die Tannen mischen sich unter Bäume mit hinfälligen Blättern, und die Landschaften erinnern etwa an diejenigen der centraleuropäischen Ebenen. Bei 3500 Meter Höhe erstreckt sich die Region der CGedern und darüber diejenige der Birken, die erst bei 5000 Meter Höhe aufhört. In dieser Höhe, die schon diejenige des Montblanc übertrifft, wird noch Roggen gebaut. Einige Pflanzen überschreiten sogar diese Region und gelangen bis zur Grenze des ewigen Schnees. — Bei 5500 bis 5800 Meter sind in Amerika wie in Asien die letzten Spuren des Lebens verschwunden und das Eis ersetzt Alles. Einzig die Ver- dünnung der Luft bringt diese Veränderungen auf einer Höhen- stufe hervor, die relativ sehr schwach erscheint, wenn man sie mit der totalen Höhe der Atmosphäre vergleicht, die auf wenigstens 30 Kilometer geschätzt wird. Eine Vermehrung der Dichtigkeit der Luftschichten würde also hinreichen, um unmittelbar die verti- cale Ausdehnung des Gebietes des Lebens zu erhöhen. Aehnliche Veränderungen würden sich zeigen, wenn wir ver- muthen könnten, dass die Natur der beiden anderen Factoren seändert werden könnte, dass die Sonnenwärme an Intensität gewönne oder verlöre, oder dass sie in Folge einer Neigungs- änderung der Axe uns unter einem anderen Winkel ihre Strahlen zusenden würde. Diese Hypothesen scheinen nicht hinlänglich be- gründet, da nichts ihre Annahme rechtfertigt, und doch führen sie uns unmittelbar in das Herz der Frage, d. h. zu den frühe- DIE ALTEN KLIMATE. 115 ren Variationen des Klimas. Indem wir die Thatsache dieser Variationen feststellen, wissen wir dadurch schon unmittelbar, dass einer der drei Factoren sich nothwendig ändern musste, und dass die Quelle der Wärme, die Richtung der Axe und die Zusam- mensetzung der Atmosphäre offenbar nicht in denselben relativen Beziehungen bleiben konnten. Ohne diese Bedingungen wären die klimatischen Variationen gar nicht vorgekommen oder wenig- stens in sehr enge Grenzen eingeschlossen gewesen. Die Astronomen beweisen, dass die Richtung der Erdaxe mit Ausnahme einer geringen Schwankung, welche die Nutation genannt wird, seit dem Beginn der Drehung unseres Erdballes unverändert geblieben sein muss. Wenn aber diese Richtung der Axe für jeden Planeten im Besonderen unveränderlich war, so ist sie doch nicht einförmig in Hinsicht auf das Ganze des Sonnen- systemes, und die Verschiedenheiten, welche die einzelnen Planeten in dieser Beziehung zeigen, wenn man sie mit dem unseren ver- gleicht, liefern uns ein wahres Abbild der Zustände, die eintreten würden, wenn die Drehungsaxe, was freilich unmöglich ist, im Ver- gleich zu der jetzigen, mehr erhoben oder geneigt wäre. Wenn die Erdaxe, statt den Plan der Erdbahn in schiefer Richtung zu schneiden, parallel zu dieser Ebene gerichtet wäre und einer der Pole zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche die Sonne im Zenith hätte, so würde aus diesem Verhältnisse, welches beinahe dem Planeten Merkur zukommt, die tiefste Verwirrung entstehen. Der Polarkreis fiele dann mit dem Aequator zusammen, die Wende- kreise mit den Polen; einmal im Jahre würde die Sonne vertical jeden Pol bescheinen; die beiden Erdhälften, die durch Klimate von Tagen und Monaten von dem Aequator ab vertheilt wären, wie heute die Polarzonen hätten abwechselnd brennende Som- mer und eisige Winter, während gegen den Aequator hin die in den Tag- und Nachtgleichen vertical stehende Sonne den Horizont zur Zeit der Sonnenwende nur streifen würde, wie dies heute bei den Polen geschieht. Die dem Aequator benachbarten Länder wären, wie es scheint, allein bewohnbar auf einer so gebildeten Erde, denn die Wechselzustände von tropischer Hitze und eisiger Nacht, die den Polargegenden und dem grössten Theile der ge- mässigten Zone unter diesen Verhältnissen eigenthümlich wären, würden den dort sich aufhaltenden lebenden Wesen unmögliche 8*+ ut En Pr A 116 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Existenzbedingungen bieten. — Die Verhältnisse wären ganz anders, wenn die Axe wie diejenige des Jupiter, vertical auf der Ebene der Bahn stände Tag und Nacht wären dann nirgends ungleich, aber die Pole wären das ganze Jahr in eine Art von Dämmerung gehüllt. Die Breitengrade würden bei einer solchen verticalen Stellung der Erdaxe existiren, ja sogar regelmässiger sein als jetzt, und die Verschiedenheiten der Klimate würden durch die gegen die Pole hin zunehmende Schiefheit der Strahlen bedingt werden, während der Aequator allein senkrechte Strahlen empfinge. Unter diesen Bedingungen würde die Tropenzone etwa dieselbe Quantität von Wärme wie jetzt erhalten, die Nächte wären nirgends länger als die Tage, die Erde würde sich also nicht hin- länglich erkälten, um Anhäufungen von Polareis zu bilden, und die Strömungen der Meere und der Atmosphäre würden überall die Klimate noch mehr ausgleichen. Die mittlere Zone eines so gestellten Erdballes würde eine milde Temperatur ohne grosse Wärme besitzen, und die Polarzonen, die zwar beständig, aber nur wenig Licht erhielten, würden in einen Schleier von nebligen Dünsten eingehüllt sein. Diese kosmischen Hypothesen beruhen immerhin auf ernst- haften Grundlagen, da die Astronomie die Existenz solcher Verhält- nisse auf anderen Planeten nachweist. Wir haben freilich nicht das Recht zu behaupten, dass die Erde durch solche Zustände hin- durchgegangen sei, und dass die Richtung ihrer Axe sich jemals verändert habe. Die positive Wissenschaft würde diese Conjectur bekämpfen, die übrigens durch keine Thatsache gestützt wird. Das ganze Phänomen ist an und für sich ausserordentlich ver- wickelt, und die Richtung der Axe ist, wie wir gesehen haben, nur einer der Factoren; wenn sie auch unverändert geblieben ist, wie Alles glauben lässt, so konnten doch die Atmosphäre und die Son- nenwärme in sehr weiten Grenzen varliren. Bevor man aber Er- klärungen aufsucht, muss man doch wissen, worin die Erscheinung selbst besteht und welcher Art die Veränderungen sind, die in den Klimaten der Erde sich ereignet haben, in welcher Zeit sie her- vorgebracht wurden und welchen Gang sie eingeschlagen haben, DIE ALTEN KLIMATE. 617 I: Schon von Alters her hegte man einen dunklen, nach und nach zur Legende gewordenen Glauben, dass die Erde mehrmals Ansehen, Klima und Bewohner geändert habe. Man findet An- klänge dieser Legende in dem goldenen Zeitalter der Dichter, in den Bildern des Paradieses auf Erden, in den kosmischen Er- neuerungen Plato’s und in jener allgemein verbreiteten und geglaubten Volksmeinung, dass gewisse Culturen in Folge einer gradweisen Erniedrigung der Temperatur von Jahrhundert zu Jahrhundert zurückgewichen seien. Arago, der diese These im Annuaire du Bureau des Longitudes von 1834 bekämpfte, suchte im Gegentheile zu beweisen, dass Syrien und Aegypten seit den ältesten historischen Zeiten durchaus dasselbe Klima bewahrt haben, und zwar aus dem Grunde, weil jetzt wie früher die Wein- rebe und die Dattelpalme dort gleichmässig ihre Früchte zur Reife bringen, während die geringste Veränderung der Temperatur nach oben oder unten eine dieser beiden Culturpflanzen ausschliessen würde. Die Beobachtungen von Arago, die seither auch von Forbes bestätigt wurden, sind vollkommen richtig, wenn man sie nur auf die 4000 oder 5000 Jahre beschränkt, auf welche sie sich beziehen; aber die Entdeckungen der letzten Jahre beweisen nichts- destoweniger, dass man die Spuren bedeutender klimatischer Veränderungen bemerkt, wenn man nur ein wenig über diese historischen Grenzen hinaus in die frühere Vergangenheit zurück- geht. Man braucht sich zu diesem Zwecke nicht einmal an die ältesten geologischen Epochen zu wenden; die Thatsachen, welche diese Veränderungen anzeigen, sind weit Jünger, und um sie fest- zustellen, genügt es, sich in eine Zeit zu versetzen, die freilich sehr entfernt scheint, wenn man nach Jahrhunderten zählt, die aber in Wirklichkeit nur eine sehr unbedeutende Vergangenheit beanspruchen kann, da die Gegenwart des Menschen in dieser Epoche mit vollkommener Sicherheit nachgewiesen wurde. Fasst man diejenige Epoche ins Auge, welche die Geologen als die quaternäre bezeichnen, so wird man überrascht durch die sehr merkliche Zunahme der Feuchtigkeit auf der Oberfläche unserer Hemisphäre und wahrscheimlich des ganzen Erdballs im 118 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Vergleich zu dem jetzigen Zustande. Die heutigen Flüsse Europas sind nur Bäche im Vergleich zu dem, was sie damals waren. Auf eine weit geringere Mächtigkeit beschränkt, haben sie sich ihr Bett meist im Schoose ihrer alten Ablagerungen eingegraben. Die heutigen Uferböschungen zeigen auf ihren Anschnitten hori- zontale Lager von Sand, Kiesel und Gerölle. Da sich diese Lager auf beiden Seiten des Stromes genau entsprechen, so kann man ihre Continuität und damit auch das alte Flussbett leicht her- stellen. Man erkennt dann häufig, dass derselbe Fluss, der heute das verminderte Volumen seiner Gewässer in einem tiefer gelege- nen Laufe birgt, früher das ganze Thal erfüllte. So verhält es sich nicht allein mit der Rhone und dem Rhein, die von den Alpen herabströmen, sondern auch mit der Seine, der Somme und deren geringeren Zuflüssen. Die Yonne, die heute ein schwaches Flüss- chen ist, wälzte früher bis nach Auxerre die von den Höhen des Morvan abgelösten Blöcke. Die Crau in der Provence ist nur die Mündung der alten Rhone. Sie erstreckte sich ohne Unterbrechung von der Umgebung von Istres und von Foy bis ins Departement des Herault. Ungeheure Rollsteine von Alpenquarzit beweisen auf dieser ganzen Erstreckung die Mächtigkeit der Alpengewässer. Welche Stosskraft mussten diese besitzen, um solche Massen zu bewegen, abzuschleifen und auf einer sehr wenig geneigten Ebene bis auf eine Entfernung von 60 Stunden von ihrem Ursprungsorte fortzuschaffen! Nicht nur die Ströme, sondern auch die Quellen entsprechen dieser Ueberfülle der Gewässer. Ein verdienstvoller Ingenieur, Belgrand, hat darauf aufmerksam gemacht, dass selbst in der Umgegend von Paris, wo das Klima verhältnissmässig feucht geblieben ist, die heutigen Quellen stets auf einem Niveau hervorbrechen, das sehr tief unter demjenigen ihrer alten Mün- dungen liegt. Ihr Volumen hat ebenfalls sehr abgenommen und die erstere Erscheinung ist die Folge dieser Abnahme. Man be- greift in der That sehr gut, dass die Quellen, wenn sie schwächer | werden, unterhalb des Ortes hervorkommen, an welchem sie ent- springen, so lange sie noch ihre volle Kraft haben. Auf dem gan- | zen Boden Frankreichs, in Südeuropa und selbst in Algerien, haben | die seitdem bedeutend verminderten alten Quellen grossartige Spuren ihres früheren Zustandes hinterlassen und Ablagerungen von Tuften angehäuft. Diese bilden manchmal wahre Berge oder DIE ALTEN KLIMATE. 119 weite Plateaus. Die Fülle der Gewässer zeigte sich damals überall. Dieselben Erscheinungen, noch auffallender durch den Contrast der früheren mit den jetzigen Zuständen, sind in Aegypten, Syrien und Arabien beobachtet worden, also in Gegenden, wo es heutigen Tages nur selten oder nie regnet. Wer hat nicht von den wasser- losen Flüssen der ägyptischen Wüsten gehört? Louis Lartet hat zahlreiche Spuren alter Quellen und Ströme am westlichen Ufer des Todten Meeres nachgewiesen !). Die allmälige Abnahme des Niveaus dieses Meeres kann man nur der Abnahme der früher weit mächtigeren Gewässer zuschreiben, wie diese auch durch das Missverhältniss der heutigen Ströme bewiesen wird, die mit ihren ausgedehnten Betten und den Anschwemmungen, welche sie früher gebildet haben, heute fast beständig trocken liegen 2). Der Missionär Huc wurde bei seiner Reise durch Oentralasien durch dieselben Erscheinungen betroffen. Man muss aus allen diesen Thatsachen nothwendig den Schluss ziehen, dass die allgemeine Feuchtigkeit weit bedeutender war in einer Periode, die der unserigen unmittel- bar vorherging, und dass diese Feuchtigkeit offenbar einer anderen Art von Klima entsprach. Wir haben zu untersuchen, welcher Art dieses Klima war. War es wärmer oder kälter als das unserige? Die Fülle der Gewässer würde von vornherein und unbeschadet aller übrigen Betrachtungen die Existenz eines gemässigten und gleichartigen Klimas beweisen, da grosse Feuchtigkeit meist unter unseren Augen dasselbe Resultat herbeiführt. Nichtsdestoweniger haben sich zwei Schulen gebildet, die zu zwei scheinbar ganz entgegen- gesetzten Folgerungen kamen. Das Studium der alten Gletscher gehört ohne Zweifel zu den- jenigen Errungenschaften, welche dem wissenschaftlichen Geist unserer Zeit am meisten Ehre gemacht haben. Die Namen von Agassiz, Escher von der Linth, Sartorius, Martins, Desor und vielen anderen sind damit verknüpft. Sie haben uns gelehrt, wie die erratischen Blöcke im Norden Europas und in der Alpengegend transportirt wurden. Man hat bewiesen, dass die 1) Geologie de la Palestine.e — Annales des sciences geologiques I, p. 323. 2) Annal. des sciences geolog. I, p. 282. 120: ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Gletscher des Montblanc zu einer gewissen Zeit sich bis zum Jura erstreckten, und A. Falsan hat dieselben neuerdings bis nach Lyon hin verfolgt. Die Vogesen hatten ihre Gletscher; der von Argeles in den Pyrenäen, welcher von Martins und Collomb beschrieben wurde, zeigte kolossale Verhältnisse. Man hat authen- tische Gletscherspuren in der Lozere und im Cantal nachgewiesen. Skandinavien erhob sich damals im Schoose des Baltischen Meeres, wie heute Spitzbergen im Eismeere, und schickte seine Gletscher bis in das Meer hinab. Man hat also mit Recht die diesen Erscheinungen ent- sprechende Periode die Eiszeit genannt. Es ist wirklich eine Periode der Gletscher, an der Niemand zweifeln kann, und die heutigen Gletscher sind nur verkümmerte Reste der früheren. Aber man ist weiter gegangen und man hat aus allen diesen That- sachen auf die Existenz einer Erkältungsperiode schliessen wollen, die ihre Wirkungen über die ganze Erde erstreckt haben soll. Der berühmte Lyellin England, Escher und Heer in der Schweiz, wollten, gestützt auf die Spuren der Kälte und der Erscheinungen, welche dieselben anzeigen, und die sie an vielen Stellen beobachtet hatten, die Existenz dieser Kälteperiode verallgemeinern. Sie gaben dafür folgende Gründe an: Die Renthiere, die Moschus- ochsen, die Murmelthiere, die heute auf die höchsten Berge oder auf den äussersten Norden beschränkt sind, bewohnten damals die Ebenen Centraleuropas; nordische Muscheln bevölkerten die engli- schen Meere; die Fichten der Torfmoore, die Birken, die Tannen, die Moose der kälteren Gegenden bildeten die Grundlage der Vegetation; die Pflanzen Lapplands und Norwegens waren ohne Zweifel überall verbreitet, denn man findet sie jetzt auf den Gipfeln der Alpen, wohin sie sich zurückzogen, als das Klima überall wärmer wurde. Die grossen Thiere jener Zeit, das Mam- muth und das Nashorn mit knöcherner Nasenscheidewand, konnten strenge Kälte aushalten, wie der dicke Wollpelz beweist, mit wel- chem sie bedeckt waren. Mit was kann man das damalige Europa vergleichen, wenn nicht mit den Polarländern? Die Analogie ist nicht nur auffallend in physischer Beziehung, auch die Thiere und Pflanzen sind theilweise dieselben. Heer stellt sich auf diesen Standpunkt in seiner „Urwelt der Schweiz“ und Martins hat ihn, freilich mit mehr Zurückhaltung, DIE ALTEN KLIMATE. or in einer Reihe von Artikeln in der „Revue des deux Mondes“ ent- wickelt. Denkt man indessen darüber nach, so lässt sich eine solche Epoche strenger Kälte nur schwer mit der ersten Erschei- nung des Menschengeschlechtes vereinigen. Man kann auch sagen, dass die der unmittelbaren Wirkung der damaligen Gletscher unterworfenen Gegenden, wie die Gebirgsketten der Alpen und Pyrenäen, gerade nicht geeignet sind, uns über den wirklichen Stand der Dinge im übrigen Europa aufzuklären, ebensowenig, als die unmittelbare Umgebung der heutigen Gletscher uns das Maass der klimatischen Verhältnisse geben kann, die unserem Continent eigenthümlich sind. Zudem ist es wahrscheinlich, dass es nur der Mensch war, welcher die Renthierherden über den Polar- kreis hinaus und die Gemsen auf den Gipfel der Alpen zurück- drängte. Wäre der Mensch nicht, so kämen diese Thiere in die Ebenen, wenigstens im Winter, und wenn man einmal eine ungeheure Ausdehnung der Gletscher annimmt, so darf man sich gewiss nicht verwundern, dass die in ihre Nähe gebann- ten Thiere und Pflanzen mit ihnen bis in die unteren Thäler hinabstiegen. Endlich haben die vervielfältigten Entdeckungen ganz entgegengesetzte Thatsachen an das Licht gebracht. Die Reste grosser Thiere, welche in den alten Anschwemmungen der Seine und der Somme gefunden und sorgfältig von E. Lar- tet und A. Gaudry bestimmt wurden, haben bewiesen, dass diejenigen Arten, welche man als Hinweisungen auf ein sehr kaltes Klima betrachtete, mit anderen gesellt waren, die einen entgegengesetzten Charakter zeigen. Neben dem Mammuth hat man den Elephas antiquus gefunden, der dem indischen Elephanten sich nähert. Das afrikanische Flusspferd bevöl- kerte in dieser, der Annahme nach so kalten Zeit, den Strom der Seine, und eine bemerkenswerthe Muschel des Nils (Cyrene fluminalis) lebte an den Ufern der Somme, während die Hyäne des Caps in Südfrankreich hauste. Die Untersuchung der Wald- vegetation, die gleichzeitig mit diesen. Thieren existirte, und von welcher zahlreiche Reste in den Tuffen dieser Periode enthalten sind, führt zu denselben Resultaten. Der Weinstock, der Lorbeer und die Feige finden sich häufig, nicht nur im südlichen Frank- reich, sondern auch bei Moret in der Nähe von Paris. Man trifft dort sogar den canarischen Lorbeer, der weit zarter ist als der 122 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. unserige. Fichten, Linden, Ahorne und Eichen waren zu derselben Zeit die nordischen Waldbäume. Man kann sich in der That der Ueberzeugung nicht ver- schliessen, dass das nordische Klima mit seinen Thieren und Pflan- zen damals nur in der Nähe der Gletscher selbst existirte. Weiter von diesen entfernt würde man in den unteren Thälern ein weit milderes, aber zugleich auch weit feuchteres Klima gefunden haben, als das unserige. Aber beide scheinbar so verschiedene Ansichten lassen sich .mit einander versöhnen, seitdem Hochstetter die Beobachtungen von Haast über die Gletscher Neu-Seelands mit- getheilt hat. Diese Gletscher, die in weit geringerer Breite liegen als diejenigen unserer Alpen, und von Gebirgen entspringen, die eine weit geringere Höhe besitzen, steigen dennoch tiefer in Thäler hinab, deren Klima sehr mild, aber auch zugleich sehr feucht ist. In geringer Entfernung von den Gletschern wachsen in diesen Thälern Neu-Seelands sehr zarte Gewächse, ja selbst baumartige Farnkräuter und beide Extreme berühren sich. Alle diese ver- einigten Betrachtungen führen uns demnach zu folgendem Resul- tate: Sobald wir weiter in die Vergangenheit unseres Erdballes zurückgehen, finden wir in dem Klima mehr Feuchtigkeit, mehr Gleichmässigkeit und sogar grössere Wärme. Dies ist ein erster Punkt, der sichergestellt ist; aber andere werden folgen, und wir werden sehen, dass sie sich in constanter und regelmässiger Pro- gression verketten. . Die Bewegung zeigt keinen Stillstand mehr, ja selbst keine Schwankungen; sie scheint von Epoche zu Epoche sich fortzusetzen, in einem Gange, den nichts mehr aufhält. Wir brauchen uns in der That nur etwas weiter zurück- zubegeben, in jene Epoche, welche der Verbreitung des Menschen- geschlechts unmittelbar vorausging !), um die deutliche Vermeh- rung der Wärme zu constatiren. Man kann die mittlere Jahres- temperatur, die zum Gedeihen von Lorbeerbäumen, Weinstöcken und Feigen nöthig ist, welche wir in Frankreich während der !) Diese Periode wird von den Geologen das Pliocen genannt, und ist der jüngste Abschnitt der Tertiärzeit, deren mittleren Abschnitt das Miocen bildet, während das Eocen die älteste Periode dieser Zeit darstellt. (Man sehe die Tabelle im Anfange des „Vorläufige Bemerkun- gen“ überschriebenen Capitels.) \ ’ DIE ALTEN KLIMATE. 193 Quaternärzeit finden, auf nicht weniger als 14 bis 15°C. anschlagen. Versetzen wir uns in die Mitte der Pliocenperiode, so finden wir bei Lyon die genannten Gewächse, zu welchen aber andere mit mehr südlichem Charakter sich gesellen. Der Oleander blühte damals an dem Ufer der Saone in Gemeinschaft mit dem Lorbeer und dem Avogado-Baume (Persea gratissima) der Canarischen Inseln, mit dem Bambusrohr, der Magnolia und der immergrünen Eiche, Diese Gesellschaft, die aus Gewächsen zusammengesetzt ist, deren klimatische Bedingungen sich leicht feststellen lassen, weist auf eine mittlere Jahrestemperatur von 17 bis 18°C. hin. Da die heutige mittlere Temperatur von Lyon nur 11°C. beträgt, so kann man leicht den Unterschied zwischen beiden Epochen berechnen. Dieser Unterschied lässt sich mit grosser Sieherheit bestimmen, denn man kennt sehr wohl den Grad von Wärme, der zur Entfaltung der Blüthen des Oleanders nöthig ist, sowie den Kältegrad, welcher den Avogadobaum der Canarischen Inseln tödtet. Das Klima, welches diesen beiden Bäumen gestattete, zu- sammen in einer und derselben Gegend zu wachsen, kann dem- nach mit eben so viel Sicherheit bestimmt werden, als dasjenige eines von uns bewohnten Landes. Es ist freilich wahr, dass es in dem Maasse schwieriger wird, sich über die Natur eines Klimas auszusprechen, als man zu Zeiten gelangt, wo die heutigen Arten verschwinden und anderen Platz machen, die entweder weiter von ihnen entfernt sind, oder sogar besonderen Gattungen angehört haben. Die gezogenen Schluss- folgerungen dürften, wie es scheint, an Schärfe verlieren, sobald die Thatsachen, auf die sich die Berechnung stützt, weniger genau werden. In Wirklichkeit ist aber der Faden der Analogie ein so sicherer Leiter, ein so mächtiges Mittel der Untersuchung, dass er zwar schwächer werden kann, aber doch nicht abreisst. Der Beob- achter, der ihm folgt, wird noch immer zu überraschenden Resul- taten gelangen, selbst wenn er der Ungewissheit einen weiten Spiel- raum gestattet. In der That sind es nicht nur die Arten, sondern auch die Gattungen und Familien, deren Fähigkeiten, wenn sie einmal gut festgestellt sind, gestatten, die Natur des Klimas zu definiren, das zu der Zeit herrschte, wo sie sich finden. Die Pal- men, die Campher- und Zimmtbäume, die Pisange, die Drachen- bäume, die Pandaneen, die Cycadeen und viele andere Kategorien 124 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. von Gewächsen gehören den heissen Gegenden zu ausschliesslich an, um nicht in der Vergangenheit ähnliche Forderungen gestellt zu haben. Der Naturforscher, der die Existenz einer dieser Grup- pen nachweist, kann also nur innerhalb sehr enger Grenzen irren, und es ist schon viel gethan, wenn man bei solchen Untersuchun- gen zu einer annähernden Wahrheit gelangt. Der Wärmegrad, welcher dem mittleren Klima von Lyon in der Pliocenzeit entspricht, ist nicht nur höher, als derjenige, wel- chen die Umgegenden von Marseille in der quaternären Epoche zeigten, er fällt auch statt mit dem 43. Grad nördlicher Breite mit dem 46. zusammen, er zeigt demnach eine Fortbewegung der Wärme in der Richtung der Breitengrade, welche die hohen Tem- peraturen um so mehr nach Norden vorschiebt, als man in die Vergangenheit zurückgeht. Diese Progression ist natürlich weit fühlbarer, wenn man zu dem Miocen gelangt, das dem Pliocen vor- ausging und selbst einer noch wärmeren Periode folgte, welche als Eocen bezeichnet worden ist, Hier häufen sich die Documente für die ganze nördliche Erd- hälfte. Es ist nicht nur ein einzelner Punkt, wie Lyon oder Paris, dessen Klima man bestimmen kann, sondern Dank den ausser- ordentlichen Untersuchungen, die Heer seit zehn Jahren verfolgt, ist es gelungen, fast die ganze Reihe der Klimate vom 40. bis 80. Grad nördlicher Breite wieder herzustellen. Ein glücklicher Umstand hat noch die Zahl und den Werth der auf das Miocen- klima bezüglichen Documente vermehrt. Das sind die Ent- deckungen fossiler Pflanzen auf mehreren Punkten der Polar- gegenden. Ihrer Wichtigkeit wegen müssen wir bei diesen etwas verweilen. Die Polarländer sind in der Weise im Norden beider Con- tinente gelagert, dass sie ein grosses inneres Meer umgürten, dessen bis jetzt unerreichter Mittelpunkt der Pol selbst ist. Dieses Meer communieirt mit dem Stillen Ocean durch die Behrings- strasse, mit dem Atlantischen Meere durch eine grössere Anzahl von Durchlässen, von welchen der breiteste zwischen Island und Norwegen sich gegen den Archipel von Spitzbergen hinzieht, des- sen nördlichstes Cap über dem 80. Breitengrade liegt und bis jetzt der äusserste nördliche Punkt ist, den der Mensch auf dieser # 4 x DIE ALTEN KLIMATE. 125 Seite erreichen konnte !), Die grösste Breite dieses Meeres, wenn man es sich frei vorstellt, würde zwischen dem Nordcap und der Behringsstrasse etwa 40 Grade, oder mehr als 1000 Stunden be- tragen. Diese Breite würde zwischen dem Cap Taymir an der sibirischen Küste und der Mündung des Mackenzie-Flusses auf der entgegengesetzten amerikanischen Küste nur etwa 30 Grade be- tragen. In klimatologischer Hinsicht ist die Polargegend allseitig im Süden von einer buchtigen Linie eingegrenzt, die nur sehr unvollständig mit dem Polarkreis zusammenfällt. Diese Linie zieht durch alle Orte, wo die mittlere Jahrestemperatur 0° beträgt, mit anderen Worten, wo die Winterkälte bedeutend genug ist, um die Sommerwärme aufzuwiegen. Die Grenze des Baumwuchses bildet eine Linie, die wie die vorige buchtig und unregelmässig ist, aber meistens noch innerhalb derselben sich hinzieht. Ueber diese Linie des Baumwuchses hinaus findet man nur noch kraut- artige Pflanzen, und diese bilden in Wahrheit die Grenzlinien der arktischen Region 2). Die nördlichen Theile von Sibirien, von Canada und dem englischen Amerika sind auf diese Weise in den Gegenden einbegriffen, welche dieses nördliche Binnenmeer ein- schliessen, und bilden ihm einen Gürtel nicht nur ohne Grünes, sondern auch, so zu sagen ohne Ufer, weil die sich anhäufenden Eismassen dieGrenzen zwischen Erde und Meer überall verwischen. Lange Zeit konnte man nicht genau die Natur und Ausdehnung der verwickelten Archipele bestimmen, die in diesem Meere zer- streut sind. Wir kennen Spitzbergen, das die Verlängerung von !) Durch den Smithsund und an dem Grinnellande ist man indessen doch bis zum 82. Grade vorgedrungen. 2) Beide Linien sind durchaus nicht concentrisch; ihre Ausbuchtungen entsprechen sich nicht, sondern stehen vielfach von einander ab, wäh- rend sie sich an anderen Orten kreuzen. Diese Unregelmässigkeiten rüh- ren davon her, dass die baumartigen Gewächse trotz sehr strenger Kälte sich erhalten können, wenn die Sommerwärme intensiv genug ist und lange genug anhält, um die Bildung und Consolidirung eines jährlichen Holzringes zu gestatten. Dieses findet im nördlichen Sibirien statt, wäh- rend die Bäreninsel und selbst Island aus dem Grunde von Bäumen ent- blösst sind, weil die Sommer nicht Wärme genug haben, obgleich die Winter verhältnissmässig weit milder sind. Die Bäume hören in Labrador beim 57. Breitengrade auf, während im schwedischen Lappland noch welche unter dem 70. Breitengrade wachsen. 126 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Skandinavien bildet, und das weit südlicher, fast ausserhalb des Polarkreises gelegene Island. Westlich von diesen Inseln erstreckt sich Grönland, ein kleiner Polarcontinent, aber doch grösser als Italien, Frankreich und Deutschland zusammengenommen, dessen nördliche Grenze noch nicht bestimmt ist. Westlich von Grönland bildet die Baffins-Bay, in welche man von Süden her durch die breite Davisstrasse gelangt und die nördlich im Smithsund endigt, ein eigenthümliches Meer, dessen westliche Küsten von grossen Inseln gebildet werden, zwischen welchen häufig von den Eismassen verstopfte Einlässe und buchtige Fahrstrassen hindurchführen. Eine dieser letzteren, die breiter und leichter fahrbar ist, bildet den Lancastersund, durch welchen man zu der Barrowstrasse gelangt, die zu einem anderen Binnenmeere führt, das kleiner ist als die Baffinsbay und von mehreren Archipelen umgeben ist. Im Norden befindet sich der Archipel der Parry-Inseln mit den drei srossen Inseln Bathurst, Melville und Prince-Patrick, im Westen das Banksland und Prinz-Alberts-Land, und im Südosten, fast am Eingang der Barrowstrasse, die Inseln von Sommerset und Prince- of-Wales. Verfolgt man die Banksstrasse, die zwischen der Insel gleichen Namens und der Melville-Insel gelegen ist, so findet man über die Insel von Prince-Patrick hinaus, wie es scheint, das freie Meer. Kann man aber von einem solchen sprechen? Die See- fahrer, die mit Gefahr ihres Lebens, wie Ross, Parry, Mac- Clure und Ingefield, oder mit Aufopferung desselben, wie Franklin und Bellot, diese Gegenden untersuchten, fanden schliesslich immer, dass das Meer sich vor ihnen schloss. Nur mit unerhörter Mühe und jährlichen Ueberwinterungen, mit Schlitten- fahrten im Winter über ungeheure Eisfelder konnten sie die geo- graphischen Grenzen dieser Gegenden bestimmen und naturwissen- schaftliche Sammlungen machen, die sich grösstentheils in den Museen von London, Dublin, Copenhagen und Stockholm befinden. Man begreift, wie ausserordentlich die Seefahrer von den offen- baren Resten einer mächtigen Vegetation überrascht sein mussten, welche sie in diesen trostlosen Gegenden fanden, wo das Treibholz des Meeres allein Feuerungsmaterial liefern kann. Die bald halb- verkohlten, bald von kalkigen oder eisenhaltigen Stoffen durch- drungenen fossilen Baumstämme haben fast überall ihr Ansehen behalten. Sie sehen manchmal aus, als hätte sie der Holzhauer, | | DIE ALTEN KLIMATE. 127 der sie zerschnitt, regelmässig aufgeschichtet; die Abdrücke der Blätter und der Früchte haben ihre Gestalt und ihre Gefässe be- halten. Man möchte glauben, den Boden eines neuerdings um- sehauenen Waldes zu betreten, so zahlreich sind sie oft angehäuft. Mac-Clure und Dr. Armstrong sprechen in ihren. Berichten mit Erstaunen von den Haufen halb versteinerten Holzes, die sie an der Nordwestküste des Bankslandes antrafen. Diese Gehölze bedeckten die Abhänge einer Reihe einsamer Hügel, im Hinter- grunde einer Landschaft, die durch eine verwirrte Anhäufung bizarrer Gipfel, deren Spitzen von frischem Schnee bedeckt waren, traurig eingerahmt wurde. Die Stämme waren in grösster Unord- nung hingestreckt, und zwischen ihnen sah man hier und da noch in der Erde steckende Wurzelstöcke. Diese Entdeckungen blieben nicht isolirt. Es sieht aus, als wäre diese früher lebendige Polar- natur in einem gegebenen Momente in Schlaf versunken. Seit dieser Zeit blieb sie unter dem Eise begraben wie Herculanum unter der Asche. Nichts hat mehr gelebt im äussersten Norden, es hat sich aber auch nichts verändert. Das alte Ansehen ist ver- steinert, aber unversehrt da erhalten, wo die Reibung des Eises es nicht zerstört hat. Man betritt wirklich einen Boden der Ver- gangenheit, wenn man in diese entlegenen Thäler eindringt und diese öden Gehänge besteigt, auf welchen die Ruinen der Natur zerstreut sind. Diese Stämme, diese Blätter, alle diese Trümmer der früheren Wälder, haben keine anderen Veränderungen erlitten als diejenigen, welche sie den kalk- und eisenhaltigen Wassern verdanken, die sie erhärtet und umhüllt haben. Einer der Hauptfundorte ist Atanekerdluk, an der Westküste von Grönland bei 70° nördlicher Breite und auf der Halbinsel Nursoak gelesen, die auf der Landseite von einem enormen Gletscher eingefasst ist. Nahe am Ufer finden sich fossile Holz- stämme, die mit Kohlenlagern abwechseln, welche mehrfach aus- gebeutet worden sind. Steigt man aber in einer steilen Runse bis zu etwa 1000 engl. Fuss Höhe hinan, so findet man Schichten eines grossentheils eisenhaltigen Gesteins, die ganz mit Abdrücken von Blättern und anderen Trümmern erfüllt sind. Die Masse der ein- gebetteten Blätter ist wahrhaft überraschend. Noch feststehende Baumstämme, Früchte, Blumen und Insecten finden sich dazwischen und zeigen, dass es sich hier um eine am Orte selbst entwickelte =128 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Vegetation handelt. Hier erhob sich nach Heer ein grosser Wald, in welehem die Sequoien, die Pappeln, die Eichen, die Magnolien, die Stechpalmen, die Nussbäume, die Ebenholzbäume (Diospyros) und noch manche andere Gehölze vorherrschten. Island und Spitzbergen haben ebenfalls eine Menge von Pflanzen geliefert, die heute von diesen Gegenden durchaus ausgeschlossen sind. In Island wachsen jetzt nur in dem südlichen Theile der Insel einige magere Zwerg- birken. Die damaligen Wälder aber haben durch ihre Zersetzung eine torfige Kohle gebildet, welche die Einwohner Surturbrand nen- nen und als Brennstoff gebrauchen, und zwischen deren Schichten sich Tufflager finden, in denen die Blätter ihre Abdrücke hinter- lassen haben. Wir verdanken die Ausbeutung der weiten fossilen Pflanzenlager von Spitzbergen, namentlich von dessen westlicher Küste, den Untersuchungen des berühmten schwedischen Reisen- den Nordenskjöld, der nach zeitraubenden Mühen Pflanzen von allen Epochen aus den Zeiten der Steinkohle, des Jura, der Kreide und der Tertiärepoche gesammelt hat. Die jurassischen Pflanzen kommen vom Cap Boheman (78° 24’); die Kreidepflanzen vom Cap Staratschin, in der Nähe der Grünbucht (78°); die Tertiärpflanzen von einer grossen Anzahl von Punkten, theils am Eingange der Glockenbucht (77° 30’) in der Nähe des Cap Lyell, theils vom Hintergrunde dieser Bucht, längs der Seitenbucht von Van-Mijen, sei es endlich von der Südküste des Eisfjordes bei dem Heer-berge (78° 10’), endlich noch weiter gegen Norden, aus der Königsbucht auf 79% Breite. Wir haben aus diesen verschiedenen Punkten nicht nur Abdrücke von Wasserpflanzen, wie Seelilien, Binsen, Pota- mogeton u. s. w., sondern auch Reste von Sumpfeypressen, Lebens- bäumen, Fichten und Tannen, zahlreiche Blätter von Platanen, Lin- den, Ahornen, Vogelkirschen, ja selbst von wohl erkennbaren Magnolien, die grosse Wälder bildeten und bis gegen den 80. Grad hin vorgingen, ohne ihre Ueppigkeit einzubüssen. Man sieht, dass zahlreiche Gewässer früher auf diesem arktischen Boden rieselten und die Thäler mit Lagunen füllten, die einen reichen Kranz von Holzvegetation besassen. Der Nachweis dieser früheren Zustände war indessen nur der erste Schritt. Es bedurfte einer in sich selbst sicheren Wissen- schaft, um in letzter Linie die Bedeutung aller dieser Trümmer nachzuweisen. Das Portefeuille der Polargegenden musste genauer m S hy 4 je Az NY Sanorta. pP DIE PFLANZENWELT. en eBuches | Legende. \ Steinkohlengebilde. Culm.| Bergkalk. Kohlenschich- | ten. — Quad-Spitze, Safe- Hafen, Cap Wyk, Klaas Billen’s Bucht, Cap Sta-!_ ratschin, Axels-Inseln, Cap Ahlstrand. Trias. — Cap Thordsen. Jurassische Süsswassergze- bilde mit Pflanzen. — Cap Boheman. Mariner Jura. — ©. Agardh, Südl. Küste des Eisfjordes. Süsswassergblde d. Kreide- zeit. — Cap Staratschin. Tertiäre Süsswassergebilde mit Pflanzen. — Königs- bucht, Höhen im Süden des Eisfjordes, Bell Sund. 10 12 18 n Westliche Küste von Spitzbergen nach A. E. Nordenskjöld mit Angabe der wesentlichsten Ablagerungen tossiler Pflanzen Tafel IM. Ip < Br, & Sundevall so EN Maassstab von Y/ 750000 im Mittel. DIE ALTEN KLIMATE. ai 129 untersucht werden, um seine Bedeutung zu erfassen und das Zeit- alter zu bestimmen, welchem die Documente angehörten und ob dieselben aus früherer oder späterer, älterer oder neuerer Zeit stammen. Die ungeheure Aufgabe, die nordischen Sammlungen zu ordnen, verlangte von Prof. Heer in Zürich, dem sie zufiel, Jahre mühevoller Arbeit. Aber diese Arbeit führte zu entschei- denden Resultaten und der genannte Forscher hat nachgewiesen, dass viele unter den Pflanzen, die er beschrieb, der Miocenperiode angehörten, deren Flora schon in Europa untersucht und zugleich die bestgekannte und am weitesten verbreitete frühere Vegetations- epoche ist. Aus den Untersuchungen von Heer geht mit Sicherheit her- vor, dass die Richtung der Erdachse seit jener Zeit sich nicht ver- ändert hat, oder, um es mit anderen Worten zu sagen, dass der Pol in der Tertiärzeit denselben geographischen Punkt wie in der Jetztzeit behauptete. Die Breitengrade folgten sich in der näm- lichen Ordnung, nur empfingen 'alle zusammen mehr Wärme und aus diesem Grunde erstreckte sich die Tropenzone weit höher in nördlicher Richtung. Was die Polargegenden betrifft, so kann der Unterschied während der Miocenperiode auf 25 bis 30 Breiten- grade angeschlagen werden, d. h. man muss heute bis zum 40. oder 45. Grad herabgehen, um diejenige Temperatur und Vege- tation zu finden, die damals unter dem 70. Grad in Grönland exi- stirte.- Die Unveränderlichkeit des Poles geht aus der Vergleichung der an den Ufern des Mackenzieflusses und in Alaschka im russi- schen Amerika gesammelten miocenen Pflanzen mit denen von Spitzbergen, Island und Grönland hervor. Die Pflanzen der erste- ren Localitäten sind von denen Islands und Spitzbergens fast durch den halben Umfang eines Kreises geschieden und sie liegen um wenigstens 80 Längengrade von der Westküste Grönlands entfernt. Nichtsdestoweniger findet man überall dieselben Pflanzengesell- schaften und theilweise auch dieselben Arten. Diese Arten, wie die heute an ihrer Stelle lebenden, charakterisirten die tertiären Polarländer durch ihre Gegenwart, und einige scheinen denselben ausschliesslich anzugehören. Man fand damals freilich nicht die seltenen Grasflecke, die zwergartigen, kriechenden Gewächse, die blassen Blumen, die unter dem Einflusse der kurzen Sommer unse- ‘ res Poles sich erschliessen. Man fand nicht einmal jenes dunkle Saporta, die Pflanzenwelt. 9 130 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Grün der Tannen, das in etwas weniger rauhen Gegenden durch seine strenge Schönheit den traurigen Charakter nicht zu ver- wischen vermag. Da wuchsen mächtige Linden, Ulmen und Ahorne, Stechpalmen, Birken und Hainbuchen, Erlen und Pappeln mit leicht beweglichen Blättern. Inzwischen .diesen Bäumen hätte man dieselben Sumpfeypressen bewundern können, welche heute in Californien und Louisiana wachsen, vermischt mit Platanen, Eichen, Magnolien und Tulpenbäumen ähnlich denjenigen des südlichen Theiles der Vereinigten Staaten. Diese Gesellschaft erstreckte sich ohne Unterbrechung wie ein Gürtel um den miocenen Pol und zeigte dieselbe Einheit des Charakters, ja selbst dieselbe Ein- förmigkeit, welche heute noch die Polarvegetation auf allen Punk- ten, wo man sie beobachtet hat, auszeichnet. Die Gleichheit der äusseren Bedingungen verräth sich in der That überall durch die Einförmigkeit der lebenden Wesen‘, welche ihnen unterwor- fen sind. Wir können hinsichtlich dieser Einförmigkeit eine Bemerkung Heer’s nicht unterdrücken, welche den Scharfsinn dieses For- schers im hellsten Lichte zeigt. Die Pflanzen von Alaschka sind denjenigen des Mackenzieflusses und diese wieder den Gewächsen von Atanekerdluk zu ähnlich, um nicht an allen diesen als gleich- zeitig angesehenen Punkten auf ein gleichförmiges Klima hinzu- weisen. Nun ist aber die geographische Lage dieser Orte sehr verschieden. Die Sikta-Inseln in Alaschka liegen unter dem 57. Grad nördl. Breite, die Fundstätte des Mackenzieflusses unter dem 65., die grönländische unter dem 70. Grade. Heer schreibt diese vollständige Uebereinstimmung trotz des grossen Unter- schiedes in der geographischen Lage der Biegung der miocenen Isothermen zu, die ohne Zweifel mit der alten Vertheilung des Festlandes und des Meeres übereinstimmte und nicht ohne Analogie mit der heutigen Vertheilung ist, wo die Isotherme von 0° sich in der Mitte der beiden Continente wenig von dem 55. Grade ent- fernt, während sie in der Nähe des Nordcaps den 70. Grad über- schreitet. Wir brauchen jetzt nur noch der Ordnung der miocenen Breite zu folgen, indem wir von der nördlichsten her den Wärme- grad einer jeden Localität zu bestimmen suchen. Die dem Pole am meisten genäherten miocenen Pflanzen, die man bis jetzt kennt, . DIE ALTEN KLIMATE. 131 sind von dem Capitän Feilden auf Grinnel-Land im Norden des Smithsundes am 82. Breitengrade gesammelt worden. In dieser, von den Polen nur etwa 200 Stunden entfernten Gegend gab es noch grosse Bäume, besonders Coniferen, unter welchen man unsere Silbertanne und die amerikanische Sumpfeypresse bemerkt. Ein Pappelbaum, ein Haselstrauch, eine Birke und Schneeballen- bäume waren mit diesen Harzbäumen vergesellschaftet, und auf den Gewässern, die sich an ihrem Fusse ausbreiteten, schwammen die Blumen einer Wasserlilie (Nymphaea arctica, Hr.), während an dem Rande Schilfrohr in Menge wuchs. Das ist etwa das heutige Klima der Vogesen, der Waldgebirge von Württemberg und Sachsen, wo in der That die Silbertanne mit der Birke, der Zitter- pappel und dem Haselstrauch zusammen wächst. Die mittlere Temperatur dieser Gegenden schwankt zwischen 7 und 8°C. und Grinnel-Land mag im Anfange der Miocenperiode wohl diese mitt- lere Jahrestemperatur gehabt haben. Heer schätzt die mittlere Jahrestemperatur von Spitzbergen in jener Zeit auf ein Minimum von 51/,°0C., aber man wird der Wahrheit näher kommen, wenn man sie auf 8 oder selbst auf 9°C. schätzt, da die damals in jener Gegend üppig wachsenden Bäume, wie Platanen, Sumpfeypressen und Magnolien mit hinfälligen Blättern dieser Wärme bedürfen. Da nach Martins die mittlere Jahrestemperatur jetzt — 8,6°C. beträgt, so betrüge die Differenz zwischen dem miocenen und dem heutigen Klima wenigstens 15 Grade, wahrscheinlicher sogar 17 bis 18 Grade, wenn man bis zu dem 80. Grad Breite hinaufgeht. Gewisse südliche Bäume, namentlich die Magnolien mit be- ständigen Blättern, waren damals von Spitzbergen ausgeschlossen. Diese Bäume wuchsen aber in Grönland um den 70. Grad, d.h. etwa 10° südlicher. Die in jener Gegend wachsenden Arten nähern sich sehr denjenigen, welche heute unter dem 40. Breiten- grade in den Vereinigten Staaten gedeihen. Nach aufmerksamer Untersuchung schätzt Heer die mittlere Temperatur des miocenen Grönlands auf 9,7°C., während man sie unserer Ansicht nach, um der Wahrheit näher zu kommen, auf wenigstens 12°C. schätzen muss. Die Gegenden in Ohio und in Californien, wo die Sequoien, die Magnolien und die Weinreben sich mit Ahornen und Eichen mischen, besitzen diese Temperatur. Das wahrscheinliche Klima Islands in derselben Epoche würde diese Zahlen nicht viel ändern, 9* 132 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. dagegen bemerkt man eine bedeutende Zunahme, wenn man in der Umgegend von Danzig beim 55. Grade die miocenen Pflanzen untersucht, welche in den Lagern vorkommen, die den Bernstein einschliessen, jenes fossile Harz, das am Stamme der tertiären Lebensbäume niederträufelte. Hier findet man zwar noch keine Palmen, dagegen Lorbeer-, Kampher-, Zimmtbäume und Oleander, die bis an das Ufer der Ostsee.vorrückten. Diese Vegetation unter- scheidet sich wenig von derjenigen, die wir früher in den pliocenen Ablagerungen der Umgegend von Lyon nachgewiesen haben. Sie zeigt auf eine mittlere Jahrestemperatur von 17 bis 18 Graden hin. Die Zunahme der Wärme ist demnach vollkommen fühlbar. Sie kommt, im Verhältniss zum Pliocen, einem Unterschiede von 10 Breitengraden oder 250 Stunden gleich; einem Unterschiede von 400 Stunden, wenn man sie mit der quaternären Periode ver- gleicht, und einem Zwischenraume von wenigstens 500 Stunden in Beziehung zur Jetztwelt. Gehen wir etwas weiter herab, so finden wir Palmen, deren Nordgrenze in der Miocenperiode etwa mit dem Norden von Böhmen, der Rheinprovinz und Belgien, d. h. mit dem 50. Breitengrad zusammenfällt. Wir erhalten damit für diese Breite eine wahrscheinliche mittlere Temperatur von 20°C. Zahl- reiche Beispiele beweisen, dass die Temperatur des mittleren und südlichen Europas in derselben Periode einen tropischen Charakter besass. Heer schätzt sie auf 22° für die Schweiz; in der Provence kann man sie ebenso schätzen, und sie scheint nicht bedeutend gegen den Süden hin zuzunehmen, wenn man nach Griechenland oder Kleinasien zu dem 38. Grad Breite gelangt. Doch sieht man hier eine Cycadee erscheinen, die einer ausgesprochenen afrikani- schen Gattung angehört, nämlich der Gattung Encephalartos, deren nördlichste Art heute auf der Küste von Zanzibar wächst. Alle diese Länder gehörten damals in gleichem Maasse der Tropen- gegend an, die vielleicht weniger heiss war als jetzt, jeden- falls aber sich weiter nach Norden hin erstreckte, da die Nord- srenze der Palmen, die heute am 30. oder 35. Grad Breite sich befindet, den 50. Grad etwas überschritt }). !) Ich vernachlässige einige seltene Ausnahmen, von welchen die wesentlichste durch die Zwergpalme (Chamaerops humilis) gebildet wird, welche bis nach Spanien und Sieilien vordringt und noch vor weni- DIE ALTEN KLIMATE. 153 Das klimatische Bild, welches wir entrollten, ist das vollstän- digste, das die Paläontologie bis jetzt zusammenstellen konnte, Wir besitzen nur zerstreute Beobachtungen über die Perioden, die älter als das Miocen sind. Sie genügen übrigens, um uns zu be- weisen, dass die Zunahme der Wärme in der Richtung der Breiten- grade sich stets ausspricht, wenn man von einer jüngeren Periode zu einer älteren übergeht und dass sie stets im Verhältniss zu dem relativen Alter der Schichten steht. Da wir gezwungen waren, auf einigen wenigen Seiten die an und für sich sehr verwickelten Kenntnisse darzustellen, so haben wir den Nachweis vernachlässigt, den die reichsten Documente, wie die in der Schweiz und Süd- frankreich gesammelten liefern können, und ‚wonach die Miocen- periode um so wärmer erscheint, je mehr man sich ihrem Anfange nähert. Kommt man in die Eocenperiode, so nöthigt uns die Vervielfältigung und die Ausdehnung der Palmen nach Norden, _ die Anwesenheit von Pandaneen, Pisangen und anderen ausschliess- lich tropischen Gewächsen in England und Norddeutschland zu der Annahme einer weit ausgedehnteren Verbreitung der Tropen- zone mit einer mittleren Jahrestemperatur von 25°C., die auf allen Punkten des europäischen Continents herrschte, welche bis jetzt untersucht werden konnten. Hat man einmal bis zu diesem Punkte Schritt für Schritt die Bewegung verfolgt, welche die Tropenzone nach Norden vorschiebt, so bleibt nur noch übrig, sie bis zu dem Polarkreise gelangen und somit alle Klimate gleich machen zu sehen. Dieses ist in der That eingetreten, und obgleich die relative Magerkeit der Documente die genaue Bestimmung des Zeitpunktes nicht erlaubt, wo die Erscheinung eintrat, so lässt gen Jahren bei Nizza wild wuchs. Die Zwergpalme ist vielmehr die letzte Nachzüglerin der Palmen, welche durch die zunehmende Strenge des Klimas aus Europa vertrieben wurden. Man weiss, dass die Dattelpalme, deren Stamm mehrere Grade Kälte ohne zu erfrieren aushalten kann, den- noch ihre Früchte in Algerien und Marocco nur unvollständig zur Reife bringt. (Doch können die geschmacklosen und nicht völlig reifen Datteln der Palmen von Cannes und Nizza keimfähige Kerne liefern.) Die Gegend, wo die Dattelpalme ihrer Früchte wegen cultivirt werden kann, beginnt erst im Süden des Atlas mit den ersten Oasen, und viele dieser Oasen, die in tiefen Niederungen gelegen sind, bilden so zu sagen einen künstlichen Boden, wo sich eine Wärme concentrirt, die weit bedeutender ist, als.die- Jenige der umliegenden Gegenden, 134 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. sich ihre Existenz um so weniger bezweifeln, als die Thatsachen, woraus sie erschlossen werden kann, sehr sicher und häufig sind. Wohin man auch den genaueren Wendepunkt setzen mag, so viel ist gewiss, dass zur Zeit der mittleren Kreide der Einfluss der Breite in Europa sehr schwach, aber immerhin noch nicht voll- ständig verschwunden ist. Man kann diesen Schluss aus der Ver- gleichung der böhmischen Pflanzen aus dem Genoman (50° nördl. Br.) mit denjenigen ziehen, die etwa in demselben geologischen Hori- zont in Beausset bei Toulon (43° nördl. Br.) gefunden wurden. Die böhmische Flora enthält die ersten Dicotyledonen; man beobachtet dort eine charakteristische ausgestorbene Gattung, Credneria, und einige mehr oder minder tropische Typen, wie Hymenea, die zur Gruppe der Schotengewächse (Caesalpinien) gehört; sodann Aralien, Magnolien, Laurineen und Menispermeen. Aber neben diesen Typen findet man auch einen Epheu, (Hedera primordialis, Sap.), der sich wenig von dem heutigen inländischen Epheu unter- scheidet. Das Ganze hat einen evidenten Anstrich von Ueppig- keit und Frische, die eine wuchernde Vegetation anzeigen. Bei Toulon, 7 Breitengrade südlicher, findet man nur seltene Dico- tyledonen. Die herrschenden Formen sind Coniferen, unter welchen eine schöne Araucaria, eine ausgestorbene Gattung, Cyparissidium, und ferner Farnkräuter mit lederartigen Blättern, die ein ganz jurassisches Aussehen haben. Es scheint also, als könne man hier die Wirkung eines wärmeren Klimas und die Gegenwart einer weniger umgebildeten Flora nachweisen, welche sich der Vegetation der früheren Zeiten mehr näherte als diejenige Norddeutschlands. Die Breitengrade fingen kaum an, sich zu unterscheiden, man war noch der ursprünglichen Gleichheit mehr genähert und die Flora musste im Süden viele Züge dieser früheren Einförmigkeit behal- ten, die auf dem Punkte war zu verschwinden. Es kann demnach auch scheinen, als ob die Einführung der Dicotyledonen, welche das wesentlichste Ereigniss dieser Periode bildete, von Norden nach Süden vorgegangen sei. Die neueren Entdeckungen über die Kreideflora der Polargegenden berechtigen zu diesem Schlusse, In der That herrscht zwischen den böhmischen Fundstätten und der Ablagerung von Atane im nördlichen Grönland (70° nördl. Br.), die etwa in dem gleichen Niveau sich befindet, eine geringere Ver- schiedenheit, als zwischen Böhmen und der Umgegend von Toulon. DIE ALTEN KLIMATE. 135 Die Polargegend hatte damals Crednerien, einen Feigenbaum, eine Seitaminee und vielleicht sogar ein Bambusrohr aufzuweisen. Man hat aber bis jetzt dort weder Palmen, noch immergrüne Lorbeere gefunden, die doch in dieser Epoche im Centrum und selbst im Norden von Europa vorkamen. Die grönländische Kreideflora, obgleich mit derjenigen Deutschlands durch enge Bande ver- knüpft, unterschied sich doch von ihr sehr durch einen weniger ausgesprochenen tropischen Charakter und dadurch, dass gewisse, der gemässigten nördlichen Zone eigenthümliche Gruppen, wie die Tannen und Pappeln, solche Pflanzenformen ersetzen, die heute ausschliessliches Eigenthum der heissen Zonen geblieben sind. Aber in dem Maasse, als man in die Vergangenheit eindringt, und in eine klimatische Gleichheit kommt, welche bedeutend genug ist, um dieselben Pflanzen ohne Unterschied in Mähren und Sachsen, im inneren Schweden und oberhalb des Polarkreises wachsen zu lassen, kann man auch eine andere Erscheinung nachweisen, die man um so mehr betonen muss, als sie den Schlüssel zu allem Uebrigen giebt. Die Wärme scheint nicht mehr zuzunehmen. Sie wird stationär oder schwankt nur in sehr engen Grenzen. Eine gleichmässige tropische Wärme überschwemmt alle Breiten und. erstreckt sich bis zum äussersten Norden. Aber sie überschreitet nicht an Intensität den zur Vegetation der Palmen und der Pan- daneen nöthigen Grad, selbst nicht den, welchen die Cycadeen, die Farnkräuter und die Araucarien verlangen, alles Pflanzen, die in keiner Weise einer Wärme bedürfen, welche höher wäre, als die mittlere Temperatur der heutigen heissen Zone. Grönland hat dem genannten Botaniker Heer einen Beweis der relativen Gleichmässigkeit der Klimate zur Zeit der unteren Kreide geliefert. Eine Flora aus dieser Epoche wurde in dem Golf von Omenak bei Kome (70° 40’ nördl. Br.) beobachtet. Die gesammelten Arten sind grossentheils identisch mit denjenigen, welche das Stockwerk von Orgon, das zur unteren Kreide gehört, im mittleren Europa liefert. Doch haben sich ein vereinzeltes Pappelblatt und Reste einiger Tannen von der Gruppe der Tsuga an einigen Orten in Gesellschaft mit den Cycadeen und den Farn- kräutern aus der Zunft der Gleichenieen vorgefunden, die in dem Ganzen vorherrschen. Kann man diese in der That sehr merk- würdige Mischung als das erste Anzeichen der Erkältung des Poles 136 . ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. betrachten, welche in die Erscheinung zu treten beginnt? Das ist sehr möglich und sogar wahrscheinlich, doch muss man, um keines der Elemente zu vernachlässigen, welche zu einer so dunkeln Frage in Beziehung stehen, hinzufügen, dass in Belgien im Henne- gau und etwas weiter im nordwestlichen Frankreich, in der Normandie und selbst in England man ebenfalls Fichten von mehreren Arten, Cedern und selbst Tannzapfen beobachtet. Der eigenthümliche Contrast, der aus der Association dieser Bäume mit den Araucarien, den Cycadeen und den tropischen Farnen hervorgeht, ist also durchaus nicht den Polargegenden in der von uns betrachteten Epoche eigenthümlich. Er trat auch anderwärts hervor und beruhte vielleicht auf der Existenz von waldreichen Berggegenden, deren Spur jetzt verschwunden ist. Oder waren vielleicht diese Cedern und diese Fichten trotz ihrer auffallenden Aehnlichkeit mit denen, die wir heute besitzen, von ihnen sehr verschieden durch ihre Fähigkeiten und ihren Habitus? Man könnte sehr in Verlegenheit kommen, wenn man eine Frage dieser Art unumwunden beantworten sollte. | Es ist wahr, dass in dem Maasse, als man in die Vergangenheit zurückgeht, die stets mehr und mehr modifieirten Landschaften eine seltsame Physiognomie, ein bizarres und unvollendetes Wesen annehmen, dessen Züge uns gewissermaassen in ein un- bekanntes Land versetzen. Der Grund dieser Erscheinung liegt darin, dass bei zunehmender Entfernung von der Jetztzeit wir in eine Periode gelangen, die man das Mittelalter des Erdballes nen- nen könnte. Die jurassische Epoche zeigt diesen Charakter in hohem Maasse. Die Gleichmässigkeit des Klimas tritt deutlich hervor, sie wird durch die Beobachtung der Pflanzen wie der Thiere bewiesen. Die Reptilien, die damals herrschten, verlangen eine bedeutende äussere Wärme. Nur diese, ihrem Blute an und für sich fehlende Wärme verleiht ihnen die Energie ihrer Bewegungen und begünstigt das Ausschlüpfen ihrer Eier. Die jurassischen Pflanzen, die man bis dahin in Ostindien, in Europa, in Sibirien und in Spitzbergen gesammelt hat, beweisen ihrerseits, dass damals keine Unterschiede zwischen den Floren in der Nähe des Aequators, in unseren Gegenden oder im äussersten Norden existirten, und dass die Unterschiede, wenn sie überhaupt bestehen, sich nur auf untergeordnete Einzelheiten, aber nicht auf das Ganze beziehen. DIE ALTEN KLIMATE. 437 Geht man noch weiter zurück, so findet man zwar andere Documente und andere Erscheinungen, aber nichts, welches dem Glauben an die Gleichmässigkeit der Klimate auf der ganzen Erde und an den Einfluss einer, nirgends eine gewisse Grenze über- schreitenden Wärme widersprechen könnte. Gelangt man endlich zur Zeit der Steinkohle und zur ältesten Vergangenheit der orga- nisirten Wesen, so kommt man freilich auf den Gedanken, dass, wenn sich auch in Beziehung auf die Wärmequelle, welche ihre Strahlen über die Erde ausgiesst, nichts geändert hat, dennoch andere Veränderungen hervortreten mussten, die ohne Zweifel be- deutend genug waren, um unserem Erdballe ein von dem späteren verschiedenes Ansehen aufzudrücken und sogar Existenzbedingun- sen zu schaffen, von denen wir uns keine klare Vorstellung mehr machen können. Zu den Ursachen, die man anrufen und deren Einfluss auf die Bildung der ursprünglichen Klimate und die Ent- wickelung der ältesten Wesen man untersuchen könnte, gehören: die grössere Dichtigkeit der Atmosphäre, welche nur ein diffuses Licht durchliess und mit warmfeuchten, schweren Nebeln gesättigt war; die geringe Ausdehnung der zerstückelten Continente; die grössere Aufblähung des weniger verdichteten Erdballs, der eine breitere Oberfläche besass, und endlich die innere Erdwärme, die sich durch gewisse Wirkungen auf gewissen Punkten äusserte; aber wenn man auch alle diese Ursachen in unbestimmter Weise ahnen kann, so ist es doch nicht möglich, sie genauer zu analy- siren, und man kann höchstens einige Thatsachen hervorheben, die mehr oder minder dazu in Beziehung stehen. Die den ältesten Pflanzen analogen Gewächse suchen nicht nur wie die Farne vor- zugsweise den Schatten auf, sondern auch diejenigen Insecten, welche den ältesten Geschöpfen dieser Art nahe kommen, leben heute noch vorzugsweise im Dunkeln, wie die Schaben, Termiten und Scorpione. Heer, dem wir diese Bemerkung verdanken, glaubt in den heutigen Gewohnheiten dieser kleinen Geschöpfe eine verschwommene Tradition der nebelhaften Dunkelheit der ersten Zeiten des Erdballes finden zu können. Wenn auch der Glanz des Lichtes gemildert war, so musste dasselbe doch existi- ren, wie die Netzaugen der Trilobiten beweisen. Andererseits lässt sich nicht leugnen, dass die Gesichtseindrücke bei vielen niedern Thieren sehr stumpf sind, wenn sie nicht ganz fehlen, und 138 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. die Neigung von vielen, ein lebhaftes Licht zu fliehen, sowie die Gewissheit, dass ihre Existenz in eine sehr weite Vergangenheit t zurückweicht, können zu Gunsten der Meinung angeführt wer- den, welche der berühmte Professor von Zürich freilich unter | allem Vorbehalt aufgestellt hat. Die Neigung zur Localisation, welche das Leben zur Zeit seines ersten Auftretens zeigt, ist eine andere Erscheinung, die mit den Eigenthümlichkeiten des Klimas verknüpft ist. Die Urformationen zeigen ohne Zweifel in der Umgebung des Aequators eine grosse Ausdehnung, und doch hat man in diesen von Anfang an trocken gelegten Ländern bis dahin fast gar keine Spuren von Landthieren und Landpflanzen gefunden , namentlich auch nicht von Pflanzen aus der Steinkohlenzeit. Es ist möglich, dass das Leben sich zuerst, nach Buffon’s schönem Gedanken, in der Nähe der Pole zeigte und dort längere Zeit eingegrenzt blieb. Doch erstreckte sich die Gegend, in welcher die Steinkohle sich bildete, und eine üppige Vegetation zum ersten Mal auf der Erde sich entwickelte, nicht bis zu dem Pol selbst. Ein weites Meer breitete sich im Norden des 76. Grades aus und man findet erst südlich von dieser Grenze, auf den Inseln Melville, Bathurst und Prince-Patrick, die nördlichsten Steinkohlenlager. Eine die ganze Erde von Ost nach West umschlingende Zone zwischen dem 40. Grade im Süden und dem 76. im Norden stimmt fast genau mit den Grenzen der Steinkohlengegend überein. Man weiss, dass man vor der Steinkohlenzeit kaum Landorganismen findet, sei es, weil sie noch zu selten waren, sei es, weil die Umstände ihre Er- haltung nicht begünstigten. Die ersten Wesen gehören dem Meere an, sie bilden in dem Silursystem jene Gesellschaft, welche Barrande die Primordialfauna genannt hat. Die ältesten Spuren des organischen Lebens finden sich noch vor dieser Fauna, wel- cher verschiedene andere folgten. Auch hier treten offenbare Anzeichen der Localisation hervor; die Urorganismen zeigen sich vorzugsweise in Canada und in den Vereinigten Staaten, in Eng- land, Böhmen und namentlich in Skandinavien, innerhalb eines . Streifens, der niemals weit von dem 50. Grade abweicht. Diese Zone kann gewissermaassen als der Aequator des Urlebens betrachtet werden, als die Grenze, welche dieses Urleben über- schritten haben mag, bevor es sich über unsere Halbkugel ergoss, DIE ALTEN KLIMATE. 139 um sich nach und nach auszubreiten und endlich die ganze Erde zu erfüllen. III. Werden wir nun den Versuch machen, die wahre Ursache der Temperaturerhöhung der alten Klimate zu ergründen? Die Wissenschaft schwankt bis jetzt zwischen mancherlei verschiede- nen Lösungen; sie wagt keine Wahl zu treffen; man muss so be- scheiden sein wie sie und sich mit einigen allgemeinen Betrach- tungen begnügen, auf welche man die kritische Untersuchung der am wenigsten unwahrscheinlichen Systeme folgen lassen kann, mittelst deren man Dinge hat erklären wollen, die sich vielleicht schliesslich durch sich selber erklären. Fassen wir das Vorher- gehende zusammen. | Die Allgemeinheit einer gleichen, aber nicht übermässigen Wärme, die über den ganzen Erdboden während der älteren Perioden verbreitet war, und die Fortdauer dieser Wärmeerhöhung durch viele organische Umwandlungen und unzählige Variationen im Einzelnen hindurch gehen für uns aus der Gesammtheit der Thatsachen und namentlich aus der Untersuchung der am besten bekannten fossilen Pflanzen hervor. In der That bedurften die Baumfarne der ältesten Zeiten keine grössere Summe von Wärme, als die Oycadeen und Pandaneen des Mittelalters und die Palmen und Pisange der dritten Epoche. Während sehr langer Zeit, nämlich bis zum Anfange des dritten Zeitalters, sind die oberhalb des Polarkreises gefundenen Gewächse denjenigen unseres Conti- nentes gleich oder fast gleich, und diese letzteren wieder unter- scheiden sich in keiner Weise von den fossilen Pflanzen Indiens. Die Gleichheit ist vollkommen und die Wärme überschreitet wahrscheinlich nicht 25, höchstens 30°C. im Mittel. Diesen beiden Beziehungen nach ändert sich nichts, aber das Licht muss von Zeitalter zu Zeitalter lebhafter und kräftiger geworden sein. Einer gleichmässigen Vertheilung der Wärme und des diffusen Lichtes muss nach und nach eine mehr und mehr ungleiche Vertheilung der Wärme und des Lichtes gefolgt sein. Die Contraste zwischen Nacht und Tag, zwischen Winter und Sommer, sprechen sich mehr und mehr aus. Die Breiten und die Klimate mussten sich immer 140 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. mehr differenziren und schärfer begrenzen. Diese Epoche ist merkwürdiger Weise auch diejenige, wo die warmblütigen Thiere anfingen sich zu verbreiten und zu vervielfältigen. Die Bebrütung und die Schwangerschaft haben bei ihnen, wie man bemerken muss, den unmittelbaren Zweck, ihren Producten eine Periode gleicher künstlicher Wärme zu verschaffen, die von der Ver- änderlichkeit der äusseren Umstände durchaus unabhängig ist. Die Ablegung der Eier ist im Gegentheile bei den Reptilien, deren Reich demjenigen der Säugethiere vorangeht, fast immer äusser- lich und das Ausschlüpfen der Eier hängt vom Klima ab. Die Ablegung der Eier ist bei ihnen zugleich das Ende der Beziehun- gen zwischen dem Weibchen und seinen Jungen. Der Fortgang dieser Erscheinungen hätte an und für sich nichts Dunkles, wenn man nicht instinctmässig nach der Ursache fragte, welche sie hervorbringt. Muss man diese Ursache in der Erde selbst, in der Sonne oder in dem Raume suchen? Wir haben gesehen, dass das Klima sich aus mehreren Factoren zusammen- setzt und dass nur ein einziger dieser Factoren sich zu modificiren braucht, um alle Beziehungen zu verändern. Man begreift übri- gens auch, dass früher andere Coefficienten existiren konnten, deren mit den anderen Factoren vereinigte Wirkungen seit langer Zeit aufgehört haben und uns deshalb unbekannt geblieben sein können. Die Forscher brauchen sich übrigens nicht zu entmuthi- gen, denn diese Ursachen können nicht sehr zahlreich gewesen sein, sobald man die fabelhaften oder doch gänzlich unwahrschein- lichen ausschliesst. In diese letztere Kategorie stellen wir eine oft angerufene Hypothese, die auf dem steten Einflusse eines feuerflüssigen Erdkernes beruht. Diese Einwirkung soll stark genug gewesen sein, um die Wirkungen der Breite zuerst gänzlich zu unterdrücken und späterhin abzuschwächen. Die Unmöglichkeiten aller Art, welche an diese Hypothese geknüpft sind, hätten schon längst veranlassen sollen, sie aufzugeben. Die besten Geologen bringen keine Beweise zu ihrer Unterstützung, oder sie erwähnen sie nur oberflächlich, weil sie ihren geringen Grund einsehen. D’Archiac begnügt sich damit, in der allgemeinen Uebersicht, womit er seine „Geologie und Paläontologie“ !) beendigt, die Be- !) Paris 1866, p. 760, DIE ALTEN KLIMATE. 141 hauptung aufzustellen, dass von dem Augenblicke an, wo die Tem- peratur der Atmosphäre aufhörte, an derjenigen der Erde Theil zu nehmen und damit nach und nach ihre frühere Einförmigkeit einbüsste, das organische Leben einzig nur von der Einwirkung der Sonne abhängig war. Er stellt damit ein ausserordentlich verschwommenes Princip auf, dessen Folgerungen er vorsichtiger Weise umgeht. Omalius d’Halloy!) behauptet zwar, dass die innere Erdwärme noch in der Tertiärepoche einen grossen Einfluss auf das Klima ausgeübt haben müsse, aber er giebt keine Gründe für diese Behauptung. Schimper?) hat neulich eingestanden, dass die Wissenschaft auf diese Frage keine senügende Antwort geben könne. Burmeister weist in seiner „Schöpfungsgeschichte“ nach, dass während sehr langer Zeit, vielleicht selbst von dem Ursprunge lebender Wesen an, die Bildung einer festen Erdrinde der Einwirkung der inneren Erd- wärme auf die Temperatur der Oberfläche ein unübersteigliches Hinderniss entgegensetzen musste. Dafür glaubt er aber an eine erwärmende Wirkung der durch die Vulcane ausgespieenen, ge- schmolzenen Massen. Die nach und nach auf der Oberfläche er- gossenen Porphyre, Basalte und Laven sollen seiner Ansicht nach durch die Ausstrahlung ihrer Wärme beim Erkalten die Tempe- ratur in einer gewissen Höhe erhalten oder wenigstens ihre Ab- nahme verzögert haben. Es ist leicht einzusehen, dass dieses System auf keinem haltbaren Grunde beruht. Haben die heutigen Vulcane nicht eben so gut wie andere Gebirge ihren ewigen Schnee? Hat man jemals den Gedanken hegen können, dass die Ausbrüche des Hekla das Klima von Island gemildert hätten? Wenn sich solche Wirkungen in den früheren Zeiten gezeigt hät- ten, in wie enge Grenzen müsste man sie dann einschliessen, um bei der Wahrheit zu bleiben! Jedenfalls wären sie absolut un- fähig, von den grossartigen Erscheinungen Rechenschaft zu geben, deren Phasen wir oben auseinander gesetzt haben. Die Schwierig- keit besteht nicht in der Annahme, dass unser Erdball lange Zeit eine eigene Wärme besessen habe, welche dem Einflusse der Breite ı) Pr&cis elömentaire de geologie. 2me edit. Paris und Brüssel 1868, p- 279. 2) Traite de paleontologie vegetale I, p. 9. 142 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. die Wage halten konnte. Im Anfange war es ganz gewiss so, aber es ist leicht einzusehen, dass diese ursprüngliche Erscheinung nichts mit der sonderbaren Fortdauer einer tropischen Temperatur auf der ganzen Erdoberfläche zu thun hat und dass die späte und allmälige Erniedrigung dieser Temperatur von einer ganz anderen Ursache abhängen musste. Die ungeheure Mächtigkeit der zuerst fest gewordenen Gebilde, die schwache Wärmeleitung der Gesteine, aus welchen dieselben zusammengesetzt sind, und die ungemein lange Dauer der ver- flossenen Zeit sind eben so viel entscheidende Beweise gegen diese Ansicht. Wenn übrigens die Erkaltung des Erdballes die wahre Ursache der Abnahme der Temperatur gewesen wäre, so hätte diese Abnahme nothwendig einen stufenweisen Gang befolgen müssen und die Folge davon wäre für die sehr alten Zeiten, wie z. B. die Steinkohlenzeit, nothwendig eine Temperatur gewesen, welche durch ihre Höhe nicht nur ausserhalb allen Verhältnisses zu demjenigen gestanden hätte, was wir von den Lebewesen dieser Epoche wissen, sondern sogar mit jeder organischen Exi- stenz unverträglich gewesen wäre. Wie man sich die Sache auch ansehen mag, so kann weder die innere Erdwärme, noch die gerin- gere Höhe der Berge, noch die geographische Vertheilung des Landes die verlangte Erklärung geben. Diese Erklärung hängt ohne Zweifel von einer allgemeineren Ursache ab, welche über allen anderen schwebt, aber deshalb secundäre und getheilte Ursachen nicht ausschliesst. Heer hat die Ansicht aufgestellt, dass das ganze Sonnen- system bei seiner Umdrehung um den unsichtbaren Stern, der ihm als Mittelpunkt dient, im Laufe der unmessbaren Zeit, deren Ende der Mensch niemals schauen wird, Theile des Sternenraumes durchmessen habe, die eine ungleiche Wärme besassen. Die Folge dieser Bewegung seien abwechselnde Perioden von Kälte und Wärme gewesen, die einander wie Jahreszeiten, aber in unbestimm- ten Epochen folgten. So verführerisch diese Theorie beim ersten Anblicke auch sein mag, so muss man doch bedenken, dass wir bei der Beobachtung der Erscheinungen bis jetzt nichts gesehen haben, welches auf solche abwechselnde Kälte- und Wärmeperioden bezogen werden könnte. Die ursprüngliche Wärme dauert mehr oder minder lange fort und nimmt dann ab, ohne dass man das WEN DIE ALTEN KLIMATE. 143 Recht hätte, die Existenz früherer Abnahmen zu vermuthen. Man findet im Gegentheile leicht eine ununterbrochene Folge von ver- wandten Arten, die eine höhere Wärme verlangen als diejenige, welche unsere heutigen gemässigten oder kalten Zonen ihnen ge- währen können. Das vollkommene Zusammenfallen der Breiten, die um die Pole der Tertiär- und Kreidezeit ganz in derselben Weise wie heute geordnet sind, weist auch die Annahme zurück, die Evans aufstellte, dass der Pol nach und nach seinen Ort geändert habe. Wir haben diesen Punkt schon hervorgehoben; aber es existirt eine andere Hypothese, die wir nicht mit Stillschweigen übergehen können, da sie von mehreren talentvollen Forschern angenommen worden ist, obgleich sie uns nicht wahrscheinlicher erscheint als die frühere. Wir meinen die Periodieität der Sünd- fluthen, die man auf die langsame und periodische Veränderung der Neigung der grossen Axe der Erdbahn gründet, welche die Präcession der Tag- und Nachtgleichen hervorruft, die einen Unterschied in der respectiven Länge der Jahreszeiten bedingt. Der ganze Cyclus einer solchen Schwankung vollendet sich in einer Periode von etwa 21000 Jahren. Gegenwärtig dauern das Frühjahr und der Sommer zusammen auf unserer Hemisphäre 7 Tage länger als Herbst und Winter. Im Jahre 1248 hatten die warmen Jahreszeiten in unserer Erdhälfte ihre grösste Dauer erreicht. Seit dieser Zeit nehmen sie langsam ab und diese Ab- nahme wird bis zum Jahre 6498 dauern, wo die Gleichheit zwischen den Jahreszeiten hergestellt sein wird. Aber da die Bewegung nach diesem Zeitpunkte fortdauert, so werden der Winter und der Herbst stets mehr und mehr über den Sommer und den Frühling hinüber greifen, bis zu dem Jahre 11034 unserer Zeitrechnung, nach welchem eine Schwankung im entgegengesetzten Sinne die Jahreszeiten allmälig zu den jetzigen Verhältnissen zurückführen wird. Wir müssen noch hinzufügen, dass die warmen Zeiten unserer Hemisphäre kalten Zeiten der südlichen Erdhälfte ent- sprechen und dass diese letztere jetzt längere Winter hat, als wir. Adhemar, Verfasser der Revolutionen der Meere, und nach ihm H. Lehon gingen von diesen astronomischen Daten aus, um die Ansicht aufzustellen, dass die an dem Pole sich aufhäufenden Eismassen das Gleichgewicht und den Schwerpunkt des Erdballs verändern könnten. 144 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Dieser Theorie zufolge wären die Länder der südlichen Erd- hälfte heute überschwemmt und ihre Gipfel von Eis bedeckt, wäh- rend die der nördlichen Erdhälfte trocken gelegt wären und die Gletscher bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts hin um den Pol herum stets abgenommen hätten. Diese Bewegung finge schon an langsamer zu werden, und es würde eine Zeit kommen, wo unsere, von Neuem überschwemmte Hemisphäre theilweise unter dem Wasser verschwinden würde. Man begreift die Folgerung, die aus der Annahme einer solchen Theorie hervorgehen müsste. Die Gletscherperiode hätte der Zeit entsprochen, wo die Winter unserer Atmosphäre am längsten waren, sie hätte also ihren Höhe- punkt gegen das Jahr 9250 vor unserer Zeitrechnung erreicht gehabt; aber die Ortsänderung des Schwerpunktes wäre nur zeit- weise und periodisch wie die Erscheinung, wovon sie abhinge. Die Wiederkehr längerer Sommer, in Folge deren das Eis des einen Poles schmelzen würde, brächte unabweichlich eine Fluth hervor, in Folge deren die plötzlich nach der entgegengesetzten Hemisphäre strömenden Gewässer dort eine neue Eisperiode be- ginnen und die organischen Wesen auf ihrem Durchzuge weg- schwemmen würden. Dies wäre vor Zeiten in Sibirien beim Begräbniss der Mammuthe geschehen, und würde aufs Neue statt- finden, wenn die Eismassen der südlichen Hemisphäre ihrerseits schmelzen würden, was etwa in 5000 bis 6000 Jahren von jetzt an geschehen müsste. | So verführerisch auch diese Theorie erscheinen mag, so duldet sie doch keine nähere Untersuchung. Wo könnte man in der Vergangenheit Spuren jener Eiswirkungen finden, die sich in kurzen und regelmässigen Intervallen folgen mussten? Die geologischen Thatsachen lassen nichts Periodisches erkennen; man beobachtet im Gegentheil eine Temperaturerhöhung, die weit bedeutender ist als diejenige, welche die besprochenen Erschei- nungen hätten hervorbringen können. Um diese Wärme, deren höchste Höhe nothwendig im 13. Jahrhundert erreicht sein musste, nachzuweisen, hat man sich an die übertriebenen Erzählungen und Ueberlieferungen des Mittelalters anklammern müssen. Die Berechnungen, die man angestellt und auf solche geringfügige Legenden basirt hat, können um so weniger beweiskräftig sein, als der Naturforscher recht wohl weiss, dass abgesehen von der E E DIE ALTEN KLIMATE. 145 Einwirkung des Menschen, die europäische Vegetation seit den ältesten historischen Zeiten sehr wenig geändert hat. Die Aus- dehnung der Gletscher ist keine auf unsere Hemisphäre begrenzte Thatsache. Aehnliche Spuren, welche man ebenfalls der quater- nären Periode zuschreibt, sind in der südlichen Erdhälfte beob- achtet worden und beweisen eher die Allgemeinheit als die periodische Abwechslung dieser Erscheinung. Wenn übrigens in Folge der Präcession die Gewässer und die Fismassen sich an einem der Pole in grösserer Quantität angehäuft haben sollen als an dem anderen, so konnte dies nur in sehr langsamer Weise geschehen, und ebenso musste das Schmelzen der Eismassen sich nur sehr allmälig vollziehen. Man kann keine Fluth begreifen, die plötzlich genug wäre, um eine allgemeine Bewegung der Wasser- massen hervorzubringen. Die Kälte und die Eisbedeckung der Polargegenden fallen sogar nicht einmal mit dem wirklichen Pol zusammen. Endlich ist das Gesammtgewicht dieser Massen zu gering, um den Schwerpunkt der Erde ändern zu können. Wir müssen demnach nothwendig eine andere Ursache aufsuchen, oder unsere Ohnmacht eingestehen. Die wahrscheinlich grössere Dichtigkeit der Atmosphäre in früheren Zeiten muss in Betrachtung gezogen werden. Man weiss, dass die Verdünnung der Luft unmittelbar Kälte erzeugt, wenn man sich auf die Berge erhebt. Es würde daher ohne Zweifel genügen, die Dichtigkeit der atmosphärischen Luftschicht zu ver- mehren, um sie fähig zu machen, mehr Wärme anzuhäufen; die Thiere und Pflanzen der ersten Lebensalter scheinen nicht nur unter einem dichteren und schwereren Himmel gelebt zu haben, sondern die Wirkung einer grösseren Wärme bestände auch in der Verdampfung einer grösseren Wassermenge und damit in der Vermehrung der Spannung in der Atmosphäre. Das Studium der Geologie scheint uns zu beweisen, dass die Regen und die von den strömenden Gewässern abhängenden Erscheinungen in der Vergangenheit eine weit grössere Intensität besassen als heute. Die Atmosphäre ihrerseits hat wohl einen grossen Theil der Gase verloren, die sie ursprünglich besass und die sich seither fixirt haben, indem sie an der Zusammensetzung verschiedener fester Körper sich betheiligten. Da die Atmosphäre an Ausdehnung ab- genommen hatte, so konnte sie nicht mehr dieselbe Menge von Saporta, die Pflanzenwelt. 10 146 i ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. Wasserdampf enthalten und der Ueberschuss derselben schlug sich nieder und vergrösserte die flüssige Masse. Die Wärme selbst trug demnach dazu bei, einen atmosphärischen Zustand zu erhalten, welcher der langsamen und allmäligen Verminderung der Wärme günstig war. Aber selbst bei der Annahme, dass diese Eigenschaf- ten der Atmosphäre der ältesten Zeiten in der That vorhanden gewesen seien, muss man immerhin auf die Wirkung eines Wärme- herdes zurückgreifen, der, wenn auch nicht kräftiger als der unsere, doch so beschaffen war, dass er die Temperatur der Polargegenden auf die Höhe der heutigen Tropen erheben konnte. In Folge der langen Polarnächte, die man nicht compensiren kann, würde die Dichtigkeit der Atmosphäre allein nicht im Stande gewesen sein, diese gleichmässige und so lange fortdauernde Intensität der Wärme zu erzeugen. Nähert man sich übrigens den jüngeren Zeiten, so sieht man Gewächse sich entwickeln, welche wie die Palmen einer srossen Hitze und lebhaftem Lichte angepasst sind. Selbst in den Zeiten, wo die Atmosphäre endlich offenbar die Durchsichtigkeit erlangt hatte, welche sie heute besitzt, erhält sich die beinahe gleiche Wärme der höheren Breitengrade. Die Tertiärpflanzen unterscheiden sich so wenig von den tropischen Pflanzen unserer Tage, dass sie unter keinem anderen Himmel leben konnten. Sie bezeugen aber zugleich die Macht jenes Wärmeherdes, der noch in der ersten Hälfte der Tertiärzeit seinen Einfluss über ganz Europa ausdehnte, Wenn sich nichts in der relativen Stellung der Erde zu der Sonne geändert hätte, so müssten solche Bedingungen trotz allem, und wo auch die Wärmeerhöhung hergekommen wäre, ganz extreme Klimate und Jahreszeiten erzeugt haben, nämlich eine übermässige Hitze am Aequator und einen glühenden Som- mer und eisigen Winter in den Polargegenden. Diese Wirkungen sind, wie wir schon wissen, nicht diejenigen, welche man beim Studium der alten Polarvegetation findet, wo selbst in dem äusser- sten Norden die Beweise eines sehr gemässigten oder selbst gänz- lich fehlenden Winters nicht abgehen. Aus diesen Gründen müsste man vielmehr eine Ursache einer klimatischen Gleich- machung suchen und damit vereinfacht sich, wenigstens scheinbar, die Frage. Die Neigung unserer Erdachse zu der Ebene der Erdbahn ist gegenwärtig, wie man wohl weiss, der einzige Grund der Ver- DIE ALTEN KLIMATE. 147 schiedenheit derKlimate und der Jahreszeiten innerhalb eines jeden Klima’s. Man brauchte demnach nur eine, wenn auch nur theilweise, Aufrichtung der Achse anzunehmen, um sofort die angenommene Gleichheit zu erhalten, und wenn man noch die Dichtigkeit der Atmosphäre hinzunähme, so wäre die Vergangenheit unseres Erd- balls leicht erklärt. Man darf indessen nicht vergessen, dass man sich mit dieser Hypothese an unübersteigliche Schwierigkeiten stösst. Wenngleich die Beständigkeit unserer astronomischen Gesetze vor allen Dingen auf der Erkenntniss der jetzigen Struc- tur des Weltalls beruht, und man demnach nichts von Ereignissen wissen kann, deren Spur sich in der Nacht der Zeiten verliert, so können wir doch auch nicht ohne directe Beweise annehmen, dass das Sonnensystem jemals durch andere Gesetze als die heutigen beherrscht worden sei. Die Richtung der Drehungsachse eines Him- melskörpers bleibt in der That dieselbe, wenn nicht andere mäch- tigere Körper denselben in einer anderen Richtung als diejenige seiner normalen Drehung anziehen oder seinen Gang durch einen Anstoss stören. Mit einem Worte, ohne eine übrigens mögliche Störung, deren Wirklichkeit man aber nicht ohne zwingende Gründe annehmen darf, ändert sich diese Richtung niemals. Mit Ausnahme der kleinen Schwankung, welche man die Nutation nennt, darf keine Aenderung dieser Art angenommen werden, um eine annehmbare Erklärung von Erscheinungen zu liefern, die einer ganz anderen Ordnung angehören. Da es sich um eine Aufeinanderfolge sichtlich verbundener Thatsachen handelt, deren langsamer und regelmässiger Fortschritt Millionen von Jahren in Anspruch nahm, so kann es sich auch nicht um eine einmalige gewaltsame Störung handeln. Sollte die anfangs wie bei dem Planeten Jupiter senkrecht auf die Umlaufsbahn gerichtete Erd- achse sich nach und nach geneigt haben? Die Astronomen haben diese Frage niemals untersucht, aber, wie es scheint, berechtigt die Mechanik des Himmels nicht zu einer solchen Voraussetzung. Doctor Blandet hat mit Zustimmung von d’Archiac vor einigen Jahren eine noch kühnere Hypothese aufgestellt, die wenig- stens den Vortheil hat, dass sie mit den von Laplace angenom- menen Grundsätzen der Mechanik des Himmels vollkommen über- einstimmt. Das gesammte Sonnensystem war bekanntlich nach der Theorie von Laplace ein ungeheurer Nebelfleck, der sich 10* 148 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. nach und nach verdichtete und dabei Ringe von kosmischer Materie ausstiess, aus welchen die secundären Gestirne, die Planeten und Satelliten entstanden, während das Centralgestirn zwar bedeutend in seinen Dimensionen vermindert, dagegen aber dichter, leuchtender und wärmer wurde, bis es endlich jene Kugel bildete, die es heute ist. Unsere Sonne wäre demnach das letzte Ziel der Verdichtung einer Reihe früherer Sonnen. Daraus geht hervor, dass unsere Sonne durch viele verschiedene Zustände von wirklicher und scheinbarer Grösse hindurchgehen musste, bevor sie den noch immer ungeheuren Durchmesser von 357 290 Stun- den, und den scheinbaren Durchmesser von etwas mehr als 1), Grad unseres Himmelsbogens erreichte. Die sehr ungleiche Masse der Planeten, von welchen diejenigen, die am weitesten von der Sonne entfernt sind, auch das geringste Gewicht haben, während Merkur, der Sonne am nächsten, zugleich der dichteste ist, scheint ein indirecter Beweis für die Verdichtung der Sonnenmaterie im Laufe der Zeiten zu sein; aber als der letzte Planet sich von dem Cen- tralgestirn loslöste, das heute aus einer Mischung von brennenden Gasen und Dämpfen besteht, deren Dichtigkeit nicht einmal Y/, der Dichtigkeit unserer Erde gleichkommt, war die Sonne noch lange nicht auf die uns bekannten Dimensionen reducirt, die sie wahr- scheinlich nur in sehr langsamer Weise erreichte. Wir können begreiflicher Weise unmöglich wissen, welche Art von Sonne die Scenen des Urlebens beschien. Man kann indessen annehmen, dass diese Sonne sehr von der unserigen verschieden war, und die ungeheure Zeit, welche seitdem verflossen ist, kann uns glauben lassen, dass sie eine verhältnissmässig bedeutendere Grösse besass, welche dem noch sehr entfernten Zeitpunkte jener Verdichtungs- bewegung entsprach, die heute vielleicht noch nicht aufge hört hat. Eine Sonne, deren Durchmesser demjenigen der Bahn des Merkur gleichkäme, würde von der Erde aus gesehen ungeheuer gross erscheinen. Man sähe sie unter einem Winkel von 40 Grad, sie würde für sich allein !/, des Horizontes bedecken und so leuch- tende und andauernde Dämmerungen erzeugen, dass es gar keine eigentlichen Nächte mehr gäbe. Ebenso würde es sich mit der Wir- kung der Breiten verhalten; die in unser Klima versetzte Tropenzone würde über den Polarkreis hinaus sich erstrecken. Mit einer Sonne, DIE ALTEN KLIMATE. 149 welche nur den Durchmesser der halben Merkurbahn hätte, wür- den noch dieselben Wirkungen erzielt werden und die Erleuch- tung der Dämmerungen würde, obenein unterstützt von einer ausgedehnteren Atmosphäre, die Verminderung des scheinbaren Durchmessers compensiren, der immerhin noch 40 mal grösser sein würde als der heutige Durchmesser. Eine solche Sonne würde in einem ruhigeren Lichte glänzen und eine weniger lebhafte, aber gleichmässigere Wärme verbreiten, weil eben der Herd derselben weniger verdichtet wäre. Eine solche Sonne würde noch einige Charaktere des früheren Nebelfleckes bewahren, den Tag durch die Weite der Lichtbrechung vermehren und durch‘ die Aussen- dung von verticalen Strahlen die Grenzen der Tropenzonen bis in unsere Gegenden hin erweitern. Diese Hypothese löst ohne Zweifel nicht alle Schwierigkeiten, aber sie schmiegt sich so natür- lich den Erscheinungen der Urwelt an, sie erklärt so gut die klimatischen Gesetze, die halbverschleierten Tage, die durchsich- tigen Nächte, die warmfeuchte Temperatur der alten Polargegen- den, sowie die ursprüngliche Ausdehnung und den allmäligen Rückzug der heissen Zone bis zu ihren heutigen Grenzen, dass man geneigt wird, ihr Glauben zu schenken, obgleich man sich halblaut fragen muss: Ist dies wirklich die einzige Ursache einer so verwickelten Vereinigung von Erscheinungen ? In Wirklichkeit stehen diese Untersuchungen noch an ihrem Anfange, und doch möchte der Geist des Menschen schon alles er- fassen, erklären, errathen; — nil mortalibus arduum. Wir gestehen uns nicht genugsam ein, dass unsere Natur beschränkt ist, dass die plötzlichen Sprünge, die manchmal gewissen hervorragenden Geistern gelingen, für die grosse Mehrzahl der Menschen viel mehr als Zeichen einer nervösen und krankhaften Ungeduld gelten, welche die Sicherheit des Urtheils trübt, die Analyse stört und uns verhin- dert, den Weg der geduldigen und gradweisen Deduction zu nehmen. Doch ist dieser Weg der einzige, der niemals irre führt. Er wird einst nach manchen unvorhergesehenen Umwegen zu der unmittel- baren Lösung gar vieler Fragen führen, die heute noch wissenschaft- liche Probleme sind. Die Frage der alten Klimate ist eine der merkwürdigsten, aber zugleich eine solche, die am meisten Auf- merksamkeit und Ausdauer verlangt, um begriffen und gelöst werden zu können. Vor allen Dingen verlangt sie die Beihülfe 150 ERSCHEINUNGEN UND THEORIEN. mehrerer verbündeter Wissenschaften, die ihre Anstrengungen ver- einigen und auf denselben Gegenstand richten müssen. Das hat ihr bis jetzt gefehlt. Anmerkung des Uebersetzers. Wenn die Frage der allmäligen Abnahme einer über die ganze Erde verbreiteten tropischen Temperatur schon eine höchst verwickelte und wie aus der lichtvollen Darstellung des Verfassers hervorgeht, noch nicht in befriedigender Weise gelöste ist, so erscheint die Eiszeit in noch höherem Grade als ein Räthsel. Man könnte sich dieselbe in der That völlig wegdenken und würde dann finden, dass der Process der allmäligen Abnahme der Temperatur und der schärferen Specialisation der Klimate in durchaus regelmässiger Weise von den jüng- sten Tertiärzeiten bis zu der heutigen Epoche fortgeschritten wäre. Woher also diese seltsame und abnorme Unterbrechung? Selbst wenn man die Gletscherbedeckung auf die Gebirge und die nördlichen Gegenden be- schränkt, und wie Saporta wohl mit Recht annimmt, den tiefer liegenden Gegenden in einiger Entfernung von den Gletschern der Eiszeit ein mil- deres Klima zuspricht — selbst in diesem Falle bleibt die grössere Aus- dehnung der Gletscher, die ja thatsächlich bewiesen ist, noch immerhin eine Ausnahme-Erscheinung, die einer ganz befriedigenden Erklärung harrt. GV: ZWEITER THEIL. DIE VEGETATIONSFERIODEN. Vorläufige Bemerkungen über die Vegetationsperioden. Der eindringliche Zauber, mit welchem die Natur ihre Werke ausgestattet hat, beruht grossentheils auf der Art und Weise, wie die Massen der Vegetation vertheilt sind. Der Eindruck, welchen der Anblick eines ländlichen Thales hervorruft, dessen Gehänge von reichen Gehölzen bedeckt sind, oder den man beim Betreten eines grossen und tiefen Waldes empfängt, hat etwas Verschwom- menes und Unbestimmtes. Versucht man aber, diesen Eindruck zu analysiren, so erkennt man, dass eine wirkliche Ordnung und bestimmte Gesetze sich unter der anscheinenden Verwirrung des Schauspieles verbergen, dessen Anblick man geniesst. Um dies Schauspiel zu verstehen, muss man die Schmuckgegenstände der Scene einen nach dem anderen zerlegen, ihre Form, Charakter und Zweck näher bestimmen. Humboldt, der diesen Weg zuerst betrat, hatte von seinen Reisen durch beide Welten wichtige An- schauungen über die Rolle mitgebracht, die jeder Pflanzenkategorie, namentlich in den Tropengegenden, zugewiesen ist. Er wies nach, dass die verschiedenen Gegenden der Aequatorialzone ihre be- stimmte Physiognomie dem Vorherrschen oder der Association einer gewissen Anzahl charakteristischer Gewächse verdanken, die sich bald zur Bildung harmonischer Gruppen vereinigen, bald in der Mitte der anderen wie auf einem Hintergrunde sich abheben, bald auch den Boden fast ausschliesslich bedecken. Selbst im Schoosse unserer Gegenden, die doch so arm an Bildern dieser Art sind, kann man sich überzeugen, dass der Ausdruck der Land- schaft mit den Bäumen wechselt, welche sie zusammensetzen. Der Anblick der dunklen Tannenwälder erhöht noch den Ernst der Alpengegenden, während das frische und mannigfaltige Grün, das 154 VORLÄUFIGE BEMERKUNGEN sich am Rande eines ruhigen Gewässers so vielfältig mischt, ein Gefühl der Ruhe erzeugt und den Geist ebensowohl wie die Augen erquickt. Die Natur besitzt in der That eine Menge von For- men, die gewissermaassen die Farben ihrer Palette sind und durch deren tausendfältige Mischung sie tausendfältige Wirkung erzielt. Aber woher kommen diese Formen, die sie mit ihren unsichtbaren Händen so verschwenderisch über die Oberfläche der Erde aus- streut? Was weiss man von ihrem Ursprung? Sind sie gleich- zeitig entstanden, oder sind sie in gewisser Ordnung nach einander erschienen und in welcher? Welche Angaben kann man machen. über den Weg, welchen sie eingeschlagen und über die Ent- wickelung, der sie gehorcht haben? — Das sind etwa die Fragen, mit welchen sich die Paläontologie des Pflanzenreiches beschäftigt, wenn nicht, um sie gänzlich zu lösen, so doch, um in Beziehung darauf diejenigen Antworten geben zu können, welche das letzte Wort der menschlichen Wissenschaft bilden. Diese Wissenschaft werden wir befragen; sie wird uns lehren, durch welche Unter- suchungsmethode man glücklich in eine Vergangenheit eindringen konnte, die so entlegen ist, dass der Mensch ihre Grenzen nicht berechnen kann. Wir haben die allgemeinen Gesetze betrachtet und uns specieller mit denen beschäftigt, welche die biologischen Ideen in ihrer Gesammtheit beherrschen. Wir wollen jetzt die Anwendung dieser Gesetze und der daraus hervorgehenden Methoden verfolgen, indem wir eine specielle Chronik des Gewächs- reiches zu verzeichnen suchen. Wir werden so erfahren, wie man dazu gekommen ist, die Pflanzen der ältesten Zeitalter wieder zu finden, ihr Ansehen zu beschreiben, ihre Organe kennen zu ler- nen und sogar die Physiognomie der primitiven Landschaften wieder herzustellen. Die Paläontologie hat diese Wunder mit Hülfe von unschem- baren Resten vollbracht. Die früheren Pflanzen sind in der That nicht verschwunden, ohne Spuren zu hinterlassen, als Gedenk- zeichen ihres Lebens auf der Erde. Aber selbst hochgebildete Leute haben Mühe, den Sinn dieser Spuren zu verstehen. Wenn der Zufall oder die Neugierde ihnen eine Sammlung dieser Art vorführt, so ziehen einige sehr auffallende Stücke, wie die Stämme des versteinerten Waldes von Cairo, vielleicht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ueberall sonst sehen sie nur verworrene Linien. Selt- ÜBER DIE VEGETATIONSPERIODEN. 155 sam gefärbte Steinplatten, bald mit braunen Flecken auf grauem Grunde, bald vollkommen schwarz, gehen vor ihren Augen vor- über und sind für sie eben so viele Räthsel, deren Auflösung zu suchen sie bald ermüdet. Nichtsdestoweniger sind dies die zer- streuten Worte des alten Buches der Natur. Bemüht man sich, sie zu enträthseln, so vergisst man sehr bald die Seltsamkeit der Buchstaben und den schlechten Zustand der Blätter. Der Gedanke erhebt sich, die Ideen entwickeln sich, der Text vervollständigt sich, das Grab spricht und theilt seine Geheimnisse mit. Der bescheidenste Naturforscher vollbringt zuweilen diese Wunder. Er findet ein isolirtes Organ, ein Blatt zum Beispiel, und die Kenntniss dieses Blattes erlaubt ihm, das ganze Gewächs wieder herzustellen. Das so sichere und mächtige Gesetz der Analogie giebt uns in der That die Vollmacht, von dem, was wir unter den Augen haben, auf die Vergangenheit zu schliessen, und da dieses Gesetz stets anwendbar ist, so macht es die Theile eines Ganzen so von einander abhängig, dass unzukömmliche Associationen niemals begriffen werden können, welches auch das Alter sei, in das man sich zurück versetzt. Wenn aber auch die ausdauerndste Harmonie stets die Aeusserungen des organischen Lebens be- herrscht hat, so zeigen sich dennoch die fossilen Pflanzenreste nur in sehr verschiedenen Zuständen, deren Verschiedenheit durch die Mannigfaltigkeit der Umstände bedingt wird, unter welchen sie er- halten wurden. Dicke Körper, wie das Holz, können in gewissen, sehr selte- nen Fällen nur oberflächlich verändert worden sein; meistens aber sind die alten Pflanzen durch die Wirkung einer langsamen Ver- brennung in eine zwar kohlige, aber feste Masse umgewandelt. Dies ist der Ursprung unserer fossilen Brennstoffe: Steinkohle, Anthracit, Braunkohle, Torf. Goeppert hat vor einigen Jahren nachgewiesen, dass man aus den ältesten Steinkohlen sehr kleine Fragmente gewinnen kann, welche die Spuren ihrer ursprüng- lichen Structur erhalten haben und so die Natur und die Pro- portion der Gewächse anzeigen können, welchen man die Bildung der Kohlen zuschreiben muss. Diese Reste versetzen uns in die ersten Weltalter zurück. Der Geist schreckt vor dem Versuche zurück, die Zeit zu bestimmeu, welche seit der Epoche ihrer An- sammlung verflossen ist, und doch kann man in gewissen Fällen 156 VORLÄUFIGE BEMERKUNGEN die ausgetrockneten vegetabilischen Gewebe aus der Form, welche sie umhüllt, in einem Zustande ausziehen, wo sie eine gewisse Art von Biegsamkeit behalten haben, welche sie den Pflanzen unserer Herbarien ähnlich macht. Andere Reste, namentlich die tämmel die Früchte und die Samen, haben sich nicht in Kohle umgewandelt, sondern eine andere merkwürdige Veränderung erlitten. Ein neuer, häufig sehr harter und mehr oder weniger durchsichtiger Mineralstoff hat die Substanz durchsetzt, aus der das Organ ursprünglich gebildet war, und die kleinsten Einzelheiten der inneren Gewebe beibehal- ten; was aber mehr als alles Andere uns die Formen der alten Vegetation übermittelt hat, das sind die Abdrücke, die sie in ver- schiedenen Ablagerungen zurückliessen. Ein Pflanzenabdruck ist nichts weiter als ein Abguss der äusseren Theile einer Pflanze, der durch eine plastische Materie gebildet wurde, welche die Un- ebenheiten oder Vorsprünge des Originals ausfüllte und nachher erhärtete. Der Mensch handelt nicht anders, wenn er irgend einen Gegenstand abgiesst, nur kommt die Natur durch weit lang- samere und sicherere Mittel zu ihrem Zwecke und bringt Resultate hervor, deren Zartheit die menschlichen Werke weit übertrifft. Jedermann kennt das launenhafte Spiel der Tuffgebilde. Alte Quellen haben auf diese Weise Blätter, Stengel und Früchte eingeschlossen. Die Gesteine aber, welche diese Art von Ab- drücken aufbewahrt haben, sind durch chemische Wirkung fliessen- der Gewässer entstanden und zeigen deshalb eine etwas verworrene Lagerung. Die häufigsten Abdrücke werden im Gegentheile in vollkommen regelmässigen Schichten gefunden, welche durch schlammige Ablagerungen gebildet wurden. Man braucht nur im Herbst die Augen auf einen Tümpel oder ein Wasserbecken zu richten, um sich Rechenschaft über die Art und Weise zu geben, wie die Dinge vor sich gingen. Die natürlich abgefallenen und von den Windstössen herbeigetriebenen Blätter sammeln sich in dieser Jahreszeit an der Oberfläche des Wassers. Sie schwimmen zuerst, werden aber bald durch Aufsaugung schwerer und sinken auf den Grund, wo sie sich mit grosser Regelmässigkeit ausbreiten. Die fossilen Blätter sind in den sie enthaltenden erhärteten Schichten ganz in derselben Weise geordnet, d. h. auf einer hori- zontalen Ebene ausgebreitet und nicht in Unordnung zusammen- ÜBER DIE VEGETATIONSPERIODEN. 157 gerollt, wie es der Fall wäre, wenn ein schneller Strom sie an- geschwemmt hätte. Die Organe der Gewächse zersetzen sich schnell auf dem Grunde unserer Tümpel und Becken, und die zersetzten Massen mischen sich dann mit dem Schlamme; wenn aber eine noch so dünne Schicht von lehmigem Schlamm die Blätter bedeckt und sie den Ursachen der Zersetzung entzieht, welchen sie gewöhnlich ausgesetzt sind, so gestalten sich die Vor- gänge in anderer Weise. Unter dem Schutze eines undurch- dringlichen Absatzes werden die Organe langsam die Farbe wechseln und endlich in den Zustand eines kohligen Restes über- gehen, der einen Abdruck hinterlässt, welcher die Spuren der feinsten Zeichnungen beibehält. Die Natur hat keinen anderen Weg befolgt, um die meisten fossilen Abdrücke hervorzubringen, und dies beweist, dass bei den Erscheinungen, an welche sich die Existenz dieser Abdrücke knüpft, nicht nur die grösste Ruhe walten musste, sondern dass diese Erscheinungen auch räumlich sehr beschränkt waren. Es ist in der That klar, dass weder die Mitte der Seen, noch nackte, zu weit von den Wäldern entfernte Ufer, noch reissende Ströme solche Pflanzenabdrücke hervorbringen konnten. Zur Erhaltung der Pflanzen im fossilen Zustande bedurfte es der Existenz von Torfmooren, von eigens angeordneten Uferstrecken, endlich von Gewässern, welche incrustirende Eigenschaften besassen und Mineralstoffe in Lösung oder in Schwebung enthielten. Dieser Standpunkt schliesst fast vollkommen die Effecte aus, welche man so häufig und ohne Grund physischen Umwälzungen zuschrieb. Heftige Bewegungen hätten unabweislich die vegetabilischen Reste zerstört, statt sie zu erhalten. Uebrigens haben wir schon in dem ersten Theile dieses Werkes gezeigt, wie die geologische Wissen- schaft mit vollem Recht mehr und mehr zu der Ueberzeugung selangt, dass die stärksten Umwälzungen in der relativen Ver- theilung der Länder und der Meere die Wirkung sehr langsamer Ursachen waren, die in langen Zeiträumen und unmerklicherBe- wegung sich bethätigten, Die Erdrinde ist in der That heute mit Runzeln, Faltungen und Brüchen vielfach überdeckt, aber alles weist darauf hin, dass diese grossen oberflächlichen Unebenheiten das Resultat einer -allmäligen Zusammenziehung sind, eines Ein- sinkens, das regelmässig erscheint, wenn man es im Ganzen be- 158 VORLÄUFIGE BEMERKUNGEN trachtet, unregelmässig, wenn man nur die Einzelheiten sieht. Diese Bewegung, die von Periode zu Periode sich fortpflanzte, zielt offenbar darauf hin, die Unebenheiten der Erdoberfläche fühlbar zu machen, indem sie zugleich den Durchmesser der Erde ver- ringert. In der Urzeit besass die Erde demnach weder sehr hohe Gebirge, noch sehr tiefe Meere. Die in wenig ausgehöhlten Becken angesammelten Gewässer besassen dagegen eine weit grössere Ausdehnung, und die kleineren Continente zeigten um so weniger ausgesprochene Wellenerhebungen, je tiefer man in die Vergan- genheit zurückgeht. Dies ist der kurze Inhalt derjenigen geologi- schen Theorie, welche am besten begründet erscheint und mit welcher auch die von den Pflanzen hergeleiteten Folgerungen sehr gut übereinstimmen. Die früheren Geologen, von vorgefassten Meinungen ausgehend, glaubten die Spuren einer gewissen Anzahl allgemeiner Umwälzungen zu sehen, welche die Geschichte des Erdballs in eben so viele scharf abgeschnittene Perioden getheilt hätten, deren jede durch eine besondere Schöpfung eingeleitet und durch eine plötzliche, allgemeine Zerstörung beendet sein sollte. Diese durch ihre Einfachheit verführerische Theorie hatte vielen Geistern gefallen, welche in der Natur dieselbe Regelmässigkeit der Classification finden möchten, wie in den Glasschränken eines Museums. Man musste sie aufgeben, denn die Wucht und Menge der gegentheiligen Beweise waren zu bedeutend. Die immer thätige Natur kennt in der That weder Intermittenzen noch Schlummer- zeiten. Seit seiner ersten Erscheinung ist das Leben nie von der Erde gewichen. Zuweilen geschwächt, aber niemals unterbrochen, hat es ohne Unterlass stets fruchtbare Säfte in Umlauf gesetzt. Die Epochen und Revolutionen, welchen die Geologen Namen segeben haben, besitzen nur insofern Werth, als man sich ihrer bedient, um grosse Scheidelinien in einer so zu sagen unberechen- baren Zeitdauer zu ziehen. Betrachtet man aber die Dinge genauer, so sind die organischen Wesen einander immer gefolgt, ohne dass die Vertilgung der einen die anderen verhindert hätte, sie zu über- leben und ihren Platz einzunehmen. Die physischen Revolutionen waren niemals radical zerstörend, sondern wesentlich zufällig und ungleich. Wenn es Perioden gegeben hat, die der Entwickelung des Lebens weniger günstig waren als andere, so besassen diese relativ verarmten Zwischenzeiten dennoch organische Wesen, ÜBER DIE VEGETATIONSPERIODEN. 159 welche später durch ihre Vermehrung und Mannigfaltigkeit leicht wieder den Erdball bevölkerten. Es giebt demnach biologische Perioden, und in Folge dessen Perioden der Vegetation, die sich ebenso verhalten, wie die Capitel und Abschnitte in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft, die in ähnlicher Weise begrenzt sind, wie die Regionen des Raumes für die Astronomen, welche man zwar umschrieben hat, die aber nichtsdestoweniger zusammenhängen und nur ideale Grenzen be- sitzen. Will man sich eine richtige Vorstellung von der Zahl, der Aufeinanderfolge und der relativen Dauer der Vegetationsperioden machen, so ist es nöthig, aber immer unter dem erwähnten Vor- behalte, die Stufenleiter der grossen Formationen im Geiste gegen- wärtig zu haben, welche das materielle Resultat (Ablagerungen oder Schichtungen) dieser Perioden ausdrücken und die uns oben- ein die Documente liefern, mit deren Hülfe wir sie analysiren und bestimmen konnten. Wir geben hier in so abgekürzter Weise als möglich eine Tabelle dieser Schichtengruppen und der entsprechenden Perioden der Vegetation. Betrachtet man diese Tabelle, so überzeugt man sich leicht, dass in ähnlicher Weise wie die vier Hauptformationen sich in secundäre Systeme oder Stockwerke theilen, so auch die grossen Vegetationsperioden in eine gewisse Zahl untergeordneter Perioden zerfallen, die zuweilen schwer zu begrenzen oder zu be- stimmen sind, aber nichtsdestoweniger ziemlich gut die aufein- ander folgenden Phasen ausdrücken, welche die frühere Vegetation des Erdballs in ihren Veränderungen durchlaufen hat. Die Ver- bindungen, die Brücken, die Uebergänge und Unregelmässigkeiten, welche in Wirklichkeit aus allen diesen Phasen eine Reihe eng- verketteter Phänomene machen, können offenbar in einer so kurzen Tabelle, wie die hier gegebene ist, nicht Platz greifen: 160 VORLÄUFIGE BEMERKUNGEN Tabelle zur Versinnlichung der Concordanz zwischen den geologischen Formationen und den entsprechenden Perioden der Vegetation. Phytologische Unterabtheilun- Grosse geologische Stockwerke oder Systeme. Epochen oder sen der phytolo- Formationen oder Unterabtheilungen der For- grosse Perio- gischen Epochen: Terrains. mationen. den der Vege- Vegetations- tation. perioden. Lorenz- 1. Protozoische system Primmediale oder Primor- | Cambrisches Primordial- ; Tu oder eophyti- dial - Forma- System h RB sche Periode tion Silurisches RS EDER System Devonische Devonisches Palaeanthra- System Palaeophyti- ceitische 2. Palaeozoische J Steinkohlen- sche oder ) Steinkohlen- Formation System en upraz a Permisches epoche System Por Periode ä Bdr Buntsandstein ae | Muschelkalk ren Keuper Trias Jurassisches Lias Secundäre Infralias System Oolith oder Meso- Lias 3. Mesozoische Untere Kreide Phykisehe Oolith oder Secun- oder Neocom Epoche Wealdien däre Forma- Mittlere oder Urgonien na Sl ee oe Fl chloritische svstem Kreide a Kreis von Cenomanien Rouen Ober-Kreide Obere oder |Tertiäreoder| Palaeocen weisse Kreide Neophyti- Eocen | 4. Tertiäre oder (Eocen sche Epoche a Neozoische Miocen . Phocen Formation len . oe Die grossen phytologischen Perioden oder Epochen sind dem- nach vier an der Zahl, von welchen die älteste, die primordiale oder eophytische, kaum bekannt ist, während die letzte oder neophytische ausser sämmtlichen Tertiärgebilden auch noch einen Theil der Secundärformation enthält, der von der mittleren Kreide oder dem Cenoman beginnt. Die Dauer dieser Hauptepochen kann nicht genau ‚ bereche werden, man kann sie höchstens annähernd schätzen, einerseits UEBER DIE VEGETATIONSPERIODEN. 161 durch Berücksichtigung der Mächtigkeit, welche die ihnen ange- hörenden Ablagerungen zeigen, andererseits indem man die Natur der Veränderungen abwägt, welche die in den Ablagerungen ein- geschlossenen Reste erkennen lassen. Aber diese Schätzungs- methoden können nicht absolut sein; ein relativ sehr wenig mäch- tiges Terrain kann eine sehr lange Zeit nöthig gehabt haben, um sich zu bilden, während eine andere, weit dickere Schichtenfolge eines weit geringeren Zeitraumes bedurfte, um sich definitiv zu gestalten. Andererseits begreift man auch, dass die von den leben- den Wesen einer jeden Epoche eingegangenen Veränderungen nicht in genauem Verhältniss zu der chronologischen Dauer stehen. Gewisse Perioden und gewisse äussere Erscheinungen können Aenderungen hervorgerufen und beschleunigt haben, wäh- rend andere Perioden und andere Einflüsse im Gegentheile die Erhaltung und Befestigung der erworbenen Charaktere begünsti- gen. Im Allgemeinen ist es sicher, dass die primitiven Perioden wirklich diejenigen sind, welche die grösste relative Dauer besassen. Die Schichtensysteme, welche diesen Perioden angehören, in wel- chen man zugleich die ersten Spuren des organischen Lebens fin- det, sind nicht nur von ungeheurer Mächtigkeit im Verhältniss zu denen, welche folsten; die wiederholten Erneuerungen der Wesen, Thiere und Pflanzen, kehren ausserdem so häufig wieder und drücken sich durch Ersetzungen und Vergesellschaftungen so viel- fältiger und so ausschliesslicher Arten und Typen aus, dass daraus ohne Weiteres der Gedanke einer langen Anhäufung von Jahrhunderten während dieser Zeiten Platz greift. Saporta, die Pflanzenwelt. 11 162 DIE VEGETATIONSPERIODEN Erstes Capitel. Die Vegetationsperioden der primären und secundären Epochen. L Primordial-Epoche. Wenn das menschliche Auge mit Hülfe der Intelligenz, welche die geringsten Spuren erfasst und ihre wahre Bedeutung zu ent- räthseln weiss, im Schoosse der eophytischen Epoche den Sinn der ersten Anlagen des noch in der Nähe seiner Wiege stehenden Pflanzenreiches sich klar machen könnte; wenn es durch mühe- volle Untersuchung in die Geheimnisse dieser Periode eindringen und durch allmälige Erkenntniss der Charaktere die Kette der Wesen wieder zusammenknüpfen könnte, welche während dieser Zeit lebten — welche Wunder hätten wir nicht sofort zu berich- ten! Unser Geist würde das Wie der Schöpfung erfassen und sich an einem Schauspiele berauschen, das in der Ferne sich ver- liert und verschwindet; er würde nach dem Worte der Genesis sehen, wie das wüste umd leere Element der ersten Anlage unserer Continente aus dem Urmeere auftaucht und nach und nach Inseln und wenig unebene Niederlande bildet. In Folge dieser allmäligen Ausdehnung würde er auch die anfänglich nur im Wasser leben- den Pflanzen das Meer verlassen und unter den warmen Regen- güssen einer mit Dämpfen geschwängerten Atmosphäre sich auf dem Lande ansiedeln sehen. Aber statt eines Traumes muss man sich mit einer bis jetzt mehr als bescheidenen Wirklichkeit begnügen. Wir finden in der That nur eine kleine Zahl von Pflanzenresten in den Ablagerun- DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 163 gen der primären Periode, die so vielen mechanischen Einwirkun- gen ausgesetzt waren und so viele chemische Umsetzungen erlitten haben. Man trifft nur zerstreute, fast immer unvollständige, häufig problematische Reste an. Die Gegenwart von Graphit und von Nestern fast reiner Kohlensubstanz im Lorenzsysteme beweist immerhin die Anhäufung von Pflanzenstoffen in ziemlicher Menge. Im cambrischen und untersilurischen Systeme findet man dann Algen, vorausgesetzt dass es wahre Algen sind. Man hat dies geglaubt, dann wollte man daran zweifeln, und jetzt kommt man wieder auf die früheren Ansichten zurück, wenn auch nicht ohne Verwunderung, und sucht nach Erklärungen. Diese schlangen- förmigen Spuren, die wie gestreifte Fäden gebildet sind, diese bald bandartigen, bald cylindrischen oder nur gewellten Körper, die selbst röhrenartig scheinen, mit Rinnen, Linien und Furchen be- deckt sind, hier isolirt, dort gegabelt oder in grosser Zahl zusam- mengebündelt oder gar in Spiralen gewunden auftreten — sind es Löcher von Würmern, die sich Wege im Sande bahnen? Sind es vielleicht Wurmröhren? Oder muss man darin mit einem schwedischen Forscher, Nathorst, einfach nur Spuren sehen, welche leblose Körper hinterliessen, die, durch das Spiel der Wogen fortbewegt, ihren Weg dem schlammigen Boden einritzten ? Man zweifelt, weil es’sich um eine Epoche handelt, in welcher Alles, ihrer Entfernung wegen, geheimnissvoll scheint, und doch sagt man sich unwillkürlich, dass diese Menge von Spuren organischer Wesen, die auf so vielen Punkten der Urmeere von den ersten silurischen Ablagerungen an wiederkehren, nicht ganz dem Zufall zugeschrieben werden können, und dass aller Wahr- scheinlichkeit nach auch Pflanzen ihren Antheil daran haben. Die in den tieferen silurischen Schichten so verbreiteten, Bilo- bites genannten Reste scheinen wahre Algen von sehr bedeuten- der Grösse gewesen zu sein, deren starke Blätter sich auf einem dicken und knorpligen Stiele erhoben, der vielleicht röhrenförmig war und meistens aus zwei zusammengelegten Cylindern gebildet scheint, eine Bildung, aus der man den sehr unzukömmlichen Namen geschöpft hat. Meistens findet man von den Bilobiten nur zerstreute Stücke des Sockels, die in dem alten Sediment abgeformt sind und die Verkittung der beiden Hälften zeigen, welche den Stiel des Phyl- - 11* 164 DIE VEGETATIONSPERIODEN loms bildeten; aber durch die Untersuchung anderer Abdrücke erkennt man, dass dieses Phyllom nach oben hin durch eine Reihe verwirrter Verzweigungen, welche stets zusammenhalten Fig. T. “ ” / / y\ \ N Zen #0 DR ll, N N N) Y /} d IM N} YA f 19 - spa F Marine Urpflanzen. 1. Bilöbites rugosa (Cruzıana rugosa d’Orb.). Unterer Theil oder Sockel eines Blatt- standes (Silurschichten der Sierra von Algarre), — 2. Harlania Halli, Goepp. (Obersilur), Theil eines Blattstandes mit Verästelungen. und in derselben Ebene liegen, in eine wellige Ausbreitung über- geht, die am Rande nur undeutlich begrenzt, aber von bedeuten- der Grösse ist. Auf dem Blatte der Bilobiten, dessen Durch- messer in der Gegend seiner grössten Breite gewiss mehrere Fuss betrug, zeigen sich viele wellige, schief gerichtete Rinnen, welche die ganze Oberfläche des Phylloms bedecken; diese Furchen waren übrigens von den Faltungen und Einbuchtungen in Gestalt von Verbindungsnähten unabhängig, welche die verkitteten cylinder- artigen Bänder begleiteten, deren Verbindung das Organ im Gan- zen bildet. Andere Abdrücke zeigen Ausbreitungen oder Reihen spiralig geordneter Linien; diese Spirophyton genannten Algen gehören einem so auffallenden Typus an, dass man sie nicht verkennen kann; einem Typus, der unter dem Namen Taonurus und Cancello- phycus sich auf allen Stufen der secundären Formationen wieder- findet. Andere, wie die von Hall Palaeophycus virgatus genannte | DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 165 Alge, welche einer Art aus dem unteren Lias, Siphonites Heberti, gleicht, nähern sich unzweifelhaft durch ihre charakteristische Form Gattungen, die im noch jüngeren Zeiten vorkommen. Es bedarf Fig. 2. N =? INN 2 111772 u 1. SW IVAk N Marine Urpflanzen. 1. Spirophyton von Hall (amerikanisches Silur). — 2. Murchisonites Forbesii, Goepp. (Irland). — 3. Chondrites fruticulosus, Goepp. nur dieser Verwandtschaft, deren Beispiele man mehren könnte, um zu beweisen, dass diese schon mannigfaltige erste Meeres- flora, die durch die Grösse und die Sonderbarkeit einzelner ihrer Typen auffällt, sich in Wirklichkeit nicht von den später folgenden Floren trennt, so dass man heute schon behaupten kann, gewisse silurische Algen hätten eine so ungeheure Dauer und eine so aus- gesprochene Zähigkeit der Charaktere besessen, dass ihre letzten directen Nachkommen die europäischen Meere noch in der mitt- leren Tertiärzeit bevölkerten. Die Untersuchung der ersten Landpflanzen würde ein unge- meines Interesse wegen der Umwandlungen in Anspruch nehmen, die wir den ältesten Typen dieser Kategorie deshalb zuzuschreiben geneigt sind, weil wir annehmen müssen, dass sie sich allmälig 166 DIE VEGETATIONSPERIODEN beim Verlassen ihres ursprünglichen Elementes dem Leben in freier Luft anpassen mussten. Leider sind diese Pflanzen zwar nicht vollständig unbekannt, aber doch äusserst selten; ausserdem Fig. 3. Marine Urpflanzen. 1. Chondrites antiquus, Sternb. — 2. Sphaerococeites Scharyanus (beide aus dem Untersilur). scheinen sowohl die in Frankreich wie in Amerika gesammelten Stücke zu beweisen, dass seit der Mitte der silurischen Epoche die Pflanzenformen sich nicht wesentlich von denen unterscheiden, die man im Devon und dem älteren Steinkohlenterrain oder der palaeanthracitischen Formation antrifft. Ein von Prof. Morier in den Dachschiefern von Angers (Zone von Calymene Tristani — untere Gruppe des mittleren Silur) aufgefundenes Farnkraut, Eopteris Morieri, Sap., gilt uns für die älteste bis jetzt beob- achtete Landpflanze; sie gleicht offenbar der Gattung Cyelopteris aus der Steinkohle, nur trägt der Blattstiel ungeordnete Fieder- blättchen von ungleicher Grösse, da die grossen Blättchen mit kleinen untermischt sind. Eine so seltsame Anordnung genügt allein, um diese merkwürdige Pflanze zu unterscheiden, die wir hier zum ersten Male abbilden (Taf. I). Die wenigen Landpflanzen, welche Leon Lesquereux aus dem Obersilur der Vereinigten Staaten und Dawson aus dem- jenigen Canada’s beschrieben haben, gehören Typen an, die wie Sphenophyllum ebenfalls für die Steinkohlenperiode charak- teristisch sind. Ein einziger Typus, in welchem Dawson eine Lycopodiacee erkennen wollte, verdient eine besondere Erwäh- DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 167 nung; es ist die Gattung Psilophyton, die kurz nach ihrem Er- scheinen im Silur schon im Devon ausstirbt. Sie scheint schwankende, ® Fig. 4. Primordiale Landpflanzen, von Lesquereux im Öbersilur Amerikas beobachtet. 1. Psilophyton cornutum, Lqx. — 2. bis 4. Sphenophyllum primaevum, Lgx. — 5. An- nularia Romingeri, Lqx. — 6. Protostigma sigillaroides, Lgx. unbestimmte Charaktere zu besitzen und sich durch die Hymeno- phylleen den Farnen, durch Psilotum den Bärlappen und durch Pilularia den Rhizocarpeen zu nähern. Die beinahe nackten und durch successive Gabeltheilung verästelten Stämme von Psilo- phyton, die bei ihrer Entwickelung wie ein Bischofstab eingerollt waren, liessen dünne, mit kleinen einfachen, mehr oder minder lederartigen Blättchen besetzte Zweige entstehen; die letzten Zweiglein trugen an der Spitze eiförmige Körper, muthmaasslich Fortpflanzungsorgane. Die Psilophyton lebten wahrscheinlich ge- sellschaftlich in feuchten, halb überschwemmten Gegenden der Primordial-Epoche. Die Gattungen Arthrostigma, Cyclostigma, Bornia, die man vorzugsweise im Devon findet, die aber durch ihren Ursprung an die ältere Periode anknüpfen, deren überlebende Nachkommen sie sind, bieten dieselben schwankenden Charaktere, welche viel- leicht ein unterscheidendes Merkmal der Primordialflora bilden; vielleicht geht aber auch diese Unbestimmtheit nur aus der Un- wissenheit hervor, in der wir uns hinsichtlich dieser Gewächse befinden. Ihnen gegenüber verliert die Analogie, dieses mächtige Hülfsmittel, ihre Kraft; sie wird stumpf und fast unanwendbar, wenn es sich um Typen handelt, die in keine der jetzt lebenden Ulassen eingereiht werden können. Die Gattung Dornia (Fig. 6 a f. S.) 168 DIE VEGETATIONSPERIODEN (Archaeocalamites von Stur.), deren Existenz sich bis in die Stein- kohle fortgesetzt hat, besass gerade, gestreifte, eylindrische und Fig. 5. Charakteristische Pflanzen des unteren Devon. 1. Didymophyllum reniforme, Dn. (Canada). — 2. bis 4. Psilophyton princeps, Dn. (Canada). — 5. bis 7. Cordaites Robbü, Dn., Bruchstücke eines Blattes (Canada und Obersilur des Dep. des Herault). wahrscheinlich hohle Stämme mit Internodien. Jeder Knoten war mit einer Umgebung von langen, zahlreichen, in Wirteln gestellten Fig. 6. : Charakteristische devonische Pflanzen aus Canada. 1. Calamodendron tenuistriatum, Dn., Stück eines Stammes. — 2. Bornia transitionis, Goepp., Stamm mit Blättern. — 3. Asterophyllites latifolia, Dn. — 4. bis 5. Annu- laria laxa, Dn. Blättern besetzt, die wie Tannennadeln schmal, aber durch Dicho- tomie in mehrere Segmente getheilt waren. Dem Ansehen nach waren es riesige Schafthalme; aber ihre höhere innere Organisation DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 169 und die Bildung ihrer Anhangsorgane entfernen sie von den Equisetaceen und nähern sie vielmehr den Gymnospermen, ohne dass man indess darüber Genaueres behaupten könnte. Fig. 7. Charakteristische devonische Pflanzen aus Canada. 1. bis 2. Zepidodendron gaspianum, Dn. : 1, Stammstück; 2, Zweig, in einem Fruchtknoten endend. — 3. bis 4. Zycopodites Mathewi, Zweige. — 5. bis 6. Archae- opteris Jacksoni, Dn., Blattstücke. — 7. Cyclopteris (Nephropteris) varia, Dn., Fieder- blatt. — 8. Cyelopteris Brownü, Dn., Blatt oder Fiederblatt. Unzweifelhaft ist das Pflanzenreich im Devon schon mächtig und mannigfaltig. Wir kennen es schlecht, weil die Verhältnisse wenig zur Erhaltung von Pflanzenresten geeignet waren. Diese ausserordentlich günstigen Bedingungen, sei es für die Entwicke- Fig. 8. = AN y M lj ta? \ n i% \ ß Charakteristische devonische Pflanzen aus Canada. 1. Antholites devonicus, Dn., Fruchtähre von Cordaites. — 2. Cardiocarpum (Sama- ropsis) cornutum, Dn., Samen von Cordaites.. — 3. Cardiocarpum (Trigonocarpum) racemosum, Dn., ebenfalls Samen von Cordaites. — 4. bis 5. Neuropteris retorquata, Dn., Blättehen. — 6. Megalopteris Dawsoni, Hart., Stück eines Wedels. — 7. Sphe- nopteris marginata, Dn. — 8. Cuulopteris antiqua, Nwb. (Ohio). Sehr verkleinertes Stammstück eines baumartigen Farnes, 170 DIE VEGETATIONSPERIODEN lung der Landpflanzen, sei es für ihre Erhaltung im fossilen Zu- stande, treten erst mit der Steinkohlenzeit ein, so dass dieselben | Bedingungen, welche dem Pflanzenreich eine bis dahin unbekannte | | Fig. 9. Charakteristische Pflanzen des unteren Devon in Europa. } 1. Sigillaria Hausmanniana, Goepp. (Basis des skandinavischen Devon). — 2. Hali- serites Dechenianus, Goepp. (Grauwacke von Coblenz). Charakteristische Pflanzen des oberen Devon in Europa. 1. bis 2, Sagenaria Weltheimiana, Pr., Fragmente eines erwachsenen Stammes. — 3. Sphenopteris pachyrhachis, Goepp., Stück eines gabelförmig getheilten Blatt- wedels. — 4. Cyclopteris (Palaeopteris) hibernica, Goepp., Stück eines Wedels. DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 174 und seither nicht wieder erreichte Ueppigkeit gewährten, auch dazu beitrugen, uns die Reste der aus diesen Umständen hervor- gegangenen Flora zu übermitteln. I. Epoche der Steinkohlen. Mit der Kohlenepoche finden wir fast ohne Uebergang nicht nur den Reichthum, sondern die Verschwendung im Schoosse der Vegetation. Physische und klimatische Verhältnisse mussten zu- gleich, wenn nicht zur Entstehung, so doch zur Ausbildung der Zustände dienen, deren Erzeugniss die Steinkohle war, und von welchen uns die heutigen Torfmoore eine Art sehr abgeschwächten Bildes geben. Deshalb müssen wir auch, bevor wir uns mit den Steinkohlen beschäftigen, einige Worte über die Torfmoore sagen; die Art und Weise, wie diese entstehen, wird uns die früheren Erscheinungen ihrem Wesen nach verstehen lehren, und nachdem wir die analogen Beziehungen zwischen beiden festgestellt haben, wird es uns leicht sein, den wahren Charakter der Steinkohlen- bildung zu erkennen und die Verschiedenheiten hervortreten zu lassen. Die Existenz der Torfmoore hängt von dem Zusammenwirken mehrerer Ursachen ab; es bedarf einer gleichmässigen, wenig hohen Temperatur, da es südlich vom 40. Breitengrade keine Torf- moore mehr giebt, ferner einer beständigen Feuchtigkeit, eines ebenen Bodens, wo die Gewässer von allen Seiten zusammenfliessen können, eines undurchdringlichen Untergrundes, der die Wasser zurückhält und sie zwingt, beständige Ansammlungen von geringer Tiefe zu bilden, die einen regelmässigen Abfluss haben und endlich Wasser, die keine schlammigen oder torrentielle Ablagerungen mit sich führen. Sind diese Bedingungen vorhanden, so bemäch- tigen sich gewisse Gesellschaften von Sumpfpflanzen des ganzen von dem Gewässer behaupteten Raumes und bilden einen dichten Teppich, der den Wasserspiegel gänzlich bedeckt. Wenn die Be- dingungen dieselben bleiben, so häufen sich die auf einander fol- 172 DIE VEGETATIONSPERIODEN genden Producte der Vegetation in sehr gleichförmiger Weise an; die Ueberbleibsel der Stengel, der Blätter und Wurzeln bilden auf dem Grunde des Moores ein Lager, das sich durch chemische Wirkung nach und nach in eine homogene Masse umwandelt, die um so dichter wird, je älter sie ist. Durchschneidet man ein thätiges Torfmoor bis auf den Grund, so findet man drei wohl unterschiedene Schichten; die untere kohlige Schicht, die auf dem undurchdringlichen Boden ruht; die mittlere vom Wasser einge- nommene Schicht, in welche die Wurzeln der dicht gedrängten Pflanzen eindringen, welche den Teppich der oberen Schicht bil- den. Die Moose‘, Binsen, Gräser und die schwachen, kriechenden Sträucher, welche auf den Torfmooren wachsen, bilden einen künstlichen Boden, der nur mit Gefahr begangen werden kann, aber wegen der Menge zersetzter Pflanzenstoffe und des Wassers, das er enthält, dennoch fruchtbar ist. Grosse Bäume, ja selbst ganze Wälder können, durch diese Umstände begünstigt, sich auf einem solchen Boden erheben. Die Weiden, Zitterpappeln, Birken und Kiefern lieben solche Standorte und wachsen dort rasch empor; aber sie halten sich nur schwer auf dem beweglichen Boden; ihr Gewicht zieht sie nieder, die Stämme neigen sich, fallen um und werden unter der Krautvegetation begraben, die sie überzieht. So gelangen sie bis in die untere Schicht, in welche auch die lederartigen Früchte, die Reste von Thieren und alle möglichen auf der Oberfläche verlassenen Gegenstände einsinken. So hat man in den alten Torfmooren ganze Skelette eingesunkener Thiere, Waffen und Instrumente zuweilen in wunderbarer Erhaltung gefunden. Die Steinkohlenmoore bestanden unter Verhältnissen, welche nicht ohne Beziehung zu den eben auseinandergesetzten waren. Die Untersuchungen verschiedener Forscher über die Zusam- mensetzung und Bildung der Steinkohle, das mikroskopische Studium der unansehnlichen Theilchen, die inmitten der amorphen und zusammengedrückten Masse der Steinkohle noch ihre Structur bewahrt haben, und in letzter Zeit die scharfsinnigen und gewissen- haften Forschungen von Grand’Eury haben einen Theil des Schleiers gehoben, welcher bis dahin das Geheimniss dieser mysteriö- sen Zeit deckte. Die Erscheinungen, welche den. Glanz bedingten, der vor Allem jene Vegetation auszeichnet, waren sehr verwickelt, aber alle liefen, in verschiedenem Grade, in demselben Resultate DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 173 zusammen, in der Ueppigkeit des Gewächsreiches, das trotzdem nur aus zweiClassen besteht, die damals ausschliesslich herrschten, jetzt aber eine durchaus untergeordnete Rolle spielten; die Classe der Gefässkryptogamen und diejenige der nacktsamigen Phanero- gamen. Im Beginne der Kohlenzeit tauchten zuerst Inseln und Con- tinente, welche bis dahin vom Wasser bedeckt waren, aus dem- selben in weiten Erstreckungen hervor, wurden öfter wieder unter- getaucht, aber aufs Neue emporgehoben. Diese Hebungen bildeten um die schon früher trocken gelegten Länder, deren Gestaltung sich vervollständigte, Gürtel von niedrigen Uferstrecken, welche die vom inneren Lande her strömenden Wasser auffingen und sie in weiten Becken sammelten. So bildeten sich Lagunen mit un- bestimmten Grenzen, eben so ausgedehnt als seicht, in welchen die Wasserpflanzen leicht Wurzel fassen konnten. Zu diesem ersten, rein physikalischen Verhältnisse, welchem häufige auf- und absteigende Bodenschwankungen erst den wahren Charakter gaben, gesellte sich eine feuchte Wärme, eine dichte, mit Dämpfen gesättigte Atmosphäre und ein ausserordentlich regnerisches Klima, das Güsse von einer Gewalt und Häufigkeit lieferte, von denen wir uns heute keine Vorstellung machen können. Nimmt man diese Prämissen an, so verliert die Kohlenflora viel von ihrer Seltsamkeit, und die Art der Bildung der Stein- kohlen erklärt sich dann sogar in sehr natürlicher Weise. Wir beeilen uns zu bemerken, dass das Pflanzenreich noch sehr un- vollkommen war, als diese Zustände sich entwickelten und ihre Wirkung auf dasselbe ausübten. Diese Wirkung konnte aber die Entwickelung der grünen und fleischigen Theile der Anfangs- organe, sowie diejenige weicher und saftiger Stämme nur im höchsten Grade begünstigen, wie sie auch das rasche Wachsthum und die schnelle Ausbildung der Pflanzen durch die Anhäufung der alten, stets erneuerten Organe begünstigen musste. Die Kryptogamen und Gymnospermen leisteten mithin Alles, was diese Pflanzen in Hinsicht organischer Combinationen hervor- zubringen vermögen. Es war eine Sammlung üppig wuchernder Blätter, säulenartiger, einfacher oder gablig getheilter Stämme, die häufig hohl oder lückenhaft und aussen mit einer schwam- 174 DIE VEGETATIONSPERIODEN migen Rinde bedeckt waren, welche ein bedeutendes Missverhält- niss zeigte, wenn man die parenchymatöse Zone dieser alten Gewächse mit dem holzigen Kerne vergleicht, welchen sie besassen. Die in Gemeinschaft mit Renault unternommenen Unter- suchungen von Grand’ Eury gestatten die Restauration mehrerer Gewächse der Steinkohlenzeit. Diese Forscher, welche auf Adolph Brongniart folgten und sein Werk fortführten, schie- den die Kryptogamen und die Gymnospermen, die man lange in dieser ursprünglichen Flora mit einander verwechselt hatte. Auf die Analyse gestützt konnten sie wenigstens in annähernder Weise alles bestimmen, was die Regeln der Analogie ihnen zu erfassen und sicher zu beschreiben gestatteten. Betreten wir im Gefolge dieser Forscher das Gebiet, das sie so trefflich ausgebeutet haben und fassen wir ihre Entdeckungen Ere: 19% o- Typen von Steinkohlenpflanzen; — Calamarieen. 1. bis 2. Annularia longifolia, Brngt.: 1, Zweig, 2, Fruchtähre; 22, vergrössertes Fruchtorgan, um die Anordnung der Sporangien zu zeisen, die an einem Träger (Sporangiophor) befestist sind, welcher in dem Zwischenraume der Deckblättchen sitzt (nach Renault). — 3. bis 4. Asterophyllites equisetiformis, Brngt.; 3, beblät- terter Zweig; 4, Fruchtzweig; 4%, vergrössertes Fruchtorgan. Die Bestimmung der Lagerung des Sporangiophors verdankt man Renault. Der Fruchtapparat ist nach einem von Binney abgebildeten Stücke gezeichnet. zusammen, ohne diejenigen einer Menge anderer Gelehrten zu vernachlässigen: Corda, Goeppert, Geinitz, Goldenberg, Stur m Deutschland und Oesterreich; Schimper in Strassburg; Williamson, Binney in England; Lesquereux, Dawson, DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 175 Dana in Amerika; wenn man die Liste vervollständigen wollte, so würden die Namen ganze Seiten füllen. An der Spitze der Kryptogamen stehen die „Calamarieen“, d. h. Gewächse, welche unter riesigen Formen an die Schafthalme unserer Zeit erinnern. Neben die Calamarieen, deren am besten gekannte Repräsentanten die Calamiten sind, stellen sich die Pflanzen, welche die drei Gruppen der Asterophylliten, Annularien und Sphenophylleen bilden. Der gemeinsame Charakter dieser Gewächse besteht darin, dass sie stets in Wirtel gestellte Blatt- segmente zeigen, d. h. Blättchen, welche an meist dünnen und schwanken Aestchen in auf einander folgenden Sternen gereiht sind. Nach Grand’ Eury waren die echten Asterophylliten Pflanzen mit hohem, unter dem Gewichte der Blätter zusammen- gebogenem Stengel, welche Unterstützung bedurften und den Rotangen oder kletternden Palmen der tropischen Urwälder analog waren. Annularia und Sphenophyllum mit weniger aufgerichteten Stengeln wären schwimmende, halb untergetauchte Gewächse gewesen, welche an der Oberfläche der ruhigen Gewässer die Rosetten ihrer ausgeschnittenen, stets in derselben Ebene aus- gebreiteten Blätter hätten schwimmen lassen. Die neueren Unter- suchungen Renault’s nähern die Gattung Sphenophyllum, deren ganze innere Structur dieser Forscher beschrieben hat, den heuti- gen „Salvinieen“. Diese letzteren wären in unseren stillen Ge- wässern die ärmlichen und missbildeten Repräsentanten eines der niedlichsten Typen der Vergangenheit. Die Kryptogamen der Steinkohlenzeit begreifen noch Farne und Lycopodiaceen vom Typus der „Lepidodendroiden“. Die .Farne lassen alle ihre Nachkommen weit hinter sich. Die meisten schliessen sich mehr oder minder eng an die Gleichenieen, Mariatteen und Lygodieen an, die in der Jetzt- welt den Polypodiaceen untergeordnete Gruppen bilden, damals aber vorherrschten und Combinationen von Formen und Structuren hervorgehen liessen, welche weit mannigfaltiger und bemerkens- werther waren, als diejenigen, von welchen es noch jetzt Beispiele giebt. Grand’ Eury macht besonders auf den Contrast zwischen Protopteris, mit cylindrischen, hohen Stämmen, die einen Busch grosser Blätter trugen, und Aulacopteris oder Myelopteris auf- merksam, deren zwiebelförmiger Stamm Wedel ähnlich denen von 176 DIE VEGETATIONSPERIODEN Arten aus der Gruppe der Neuropterideen trug. Aus dem dicken Grundstocke von Aulacopteris erhoben sich Wedel mit vielfachen Unterabtheilungen, welche sehr lange Zeit brauchten, um ihre Segmente zu entwickeln, und deren ältere Theile oder Stiele wie bei den heutigen Angiopteris fortwuchsen, während die oberen jüngeren Theile ihre Entwickelung beendigten. Die Lycopodiaceen enthielten die hoch organisirten Lepido- dendreen, deren Ansehen kein heutiges Gewächs wiedergiebt. Fig. 12. Typen von Steinkohlenpflanzen; — Lycopodineen. 1. Sphenophyllum Schlotheimi, Brngt., in ein Fruchtorgan endender Zweig nach einem Exemplar von Radnitz in Böhmen, von Schimper abgebildet; 1% vergrössertes Stückchen um die Form und die Anhaftung der Sporangien auf den Deckschuppen zu zeigen. — 2. Lycopodium primaevum, Gold., von Saarbrücken, Stengel, dessen Seiten- zweige durch Fruchtapparate ähnlich denen der Selaginellen beendigt sind. — 3. bis 5. Verschiedene Organe von Lepidodendron: 3. vollkommener Stamm, nach Goldenberg, soo der natürlichen Grösse; einer der Zweige endet mit einem Fruchtzapfen; 4. Aststücke mit theilweise an den Polstern noch festsitzenden Blät- tern; 5. junger Zweig mit Blättern. — 6. Junger Fruchtzapfen, zum Theil mit eng auf einander liegenden Schuppen bedeckt. Unsere Einbildungskraft muss sich baumförmige Bärlappe mit hohen Stämmen vorstellen, welche sich dichotomisch in dünne Aeste theilen, die durch Pinsel langer, nadelförmiger, auf herab- laufenden Polstern aufsitzender Blätter geendet werden. Die ex DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 179 Oberfläche der Rinde dieser Bäume war mit yegelmässigen, rhomboidalen Cassetten bedeckt, welche von den beständigen Narben der abgefallenen Blattstiele gebildet werden, die sich fortdauernd durch Wachsthum vergrössern. Die Zapfen der Lepi- dodendren übertreffen an Eleganz und Vollendung der Structur die Zapfen unserer heutigen Coniferen, deren äussere Gestalt sie haben. Andererseits zeigt die kryptogamische Organisation dieser Apparate und die Structur ihrer Sporangien mit getrennt gruppir- ten weiblichen und männlichen Körperchen auf die „Isoöteen“ hin, zwerghafte, am Grunde unserer heutigen Seen vegetirende Gewächse. Zwischen die Kryptogamen und Gymnospermen der Kohlen- flora scheinen sich einige unvollkommen definirte Gruppen wie vermittelnde Glieder zu stellen, welche den Zwischenraum, der diese Gruppen trennt, verringern; zu der schon eitirten Gattung Bornia muss man hier noch die Calamodendreen hinzufügen, die oft mit den Asterophylliten verwechselt wurden, in welchen aber Grand’Eury Subconiferen sehen möchte. Typen von Pflanzen der Steinkohlenzeit. — Sigillarien. 1. Sigillaria, aufrecht stehender Stamm, auf Yıoo der natürlichen Grösse redueirt, nach einem in den Gruben von Saarbrücken beobachteten Exemplar. — 2. Sigillaria pachyderma, Brngt., Rindenstück, das die äussere Oberfläche mit den Blattschilden und die innere Zone der Rindendecke mit den Narben zeigt. — 3. Fruchtapparat einer Sigillarie nach Goldenberg. — 4. Bractee oder spatelförmiges Schildchen, in einen spitzen Dorn auslaufend, das die innere mit rundlichen zusammengehäuften Keimkörperchen bedeckte Oberfläche zeigt, nach Goldenberg. — 5. Nadelförmiges Blatt einer Sigillarie. (Die Spitze ist abgebrochen.) — 6. Stigmaria, Wurzel einer Sigillaria; sehr verkleinerte Copie nach Goldenberg. — 7. Stigmaria ‚icoides, Brngst., Wurzelstück mit Radicellen auf der Seite und auf der Oberfläche die Narben der Wurzelfäserchen zeigend, die im Quincunx gestellt sind. Saporta, die Pflanzenwelt. 12 178 DIE VEGETATIONSPERIODEN Die Sigillarieen bilden die merkwürdigste und bedeutendste Gruppe dieser schwankenden Zwischentypen. Ihr Wuchs, der 40 und mehr Meter Höhe erreichen konnte, ihre Wurzeln, die schon lange unter dem Namen Stigmaria bekannt sind, die Nar- ben in Gestalt regelmässiger Schilder, welche den Stamm bedeck- ten, ihr Stamm, der eine massige, bis zum Gipfel nackte Säule bildete, — alles dieses zeigt uns in den Sigillarien einen Typus, der durchaus keine, weder directe noch selbst entfernte Analogie mit den uns bekannten Gewächsen hat. Eng den Bedingun- sen einer besonderen Natur angepasst, die zur Steinkohlenzeit herrschte, verschwanden die Sigillarien, die Lepidondreen, die Calamiten und Asterophylliten, von denen wir gesprochen haben, sowie die „Cordaiteen“, von denen wir sogleich reden werden, von dem Schauplatze, sobald die Bedingungen aufhörten, welchen sie ihr Dasein verdankten. Aber bei ihrer Vereinzelung oder radicalen Vernichtung liessen sie nicht einmal entartete Nach- kommen zurück, und die Analogie zaudert, ihr Urtheil abzugeben, da sie bei der Untersuchung dieser Gewächse nur durch unbe- stimmte Anzeichen geleitet wird, welche keine Elemente für directe Antworten liefern. Doch konnten Brongniart und Renault nach Entdeckung ihres Holzkörpers ihre innere Anatomie be- schreiben. Es scheint, als hätten die Cycadeen einige charakteristische Züge dieser Structur beibehalten, die einen sehr dünnen Holzring, ein voluminöses, inneres Mark und eine breite Parenchymschicht zeigt, welche nach aussen von einer merkwürdig dichten Rindenscheide bedeckt wird, deren Wachsthum eine sehr lange Dauer haben musste: dies sind im Allgemeinen die Charaktere der Sigillarieen; aber diese im Verhältniss zur schwachen Entwickelung des inneren Holzcylinders äusserst mächtige Rindenschicht unterscheidet nicht allein die Sigillarien; sie kommt noch vielen Stämmen einer Epoche zu, die noch keine regelmässige Ordnung der Jahreszeiten besass, Unter dem Einflusse einer constanten feuchten Wärme strebten die Gewächse nach beständiger Vermehrung ihrer weichen, zelligen Gewebe. Die Erschöpfung konnte allein ihrer ohne Unter- lass fortgesetzten Entwickelung ein Ziel setzen; keine periodische Wiederkehr führte für sie jene abwechselnden Zustände von Ruhe und Thätigkeit herbei, welche jetzt die Vorgänge des Pflanzen- DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 179 lebens beherrschen und von welchen fast alle heutigen Phanero- samen uns das Schauspiel geben. Die Phanerogamen der Steinkohlenzeit waren Gymnospermen, das heisst Gewächse, die der Classe nach zu den heutigen Cyca- deen, Coniferen und Gnetaceen gehören und als Fortpflanzungs- organe nur verschieden geordnete, nackte Ei’chen besitzen, welchen eine schützende, als Ovarium bezeichnete Decke fehlt. Die Gym- nospermen sind demnach unvollkommene oder besser noch ein- fachere Phanerogamen, die von den Kryptogamen weniger weit entfernt sind als die „Angiospermen“ oder decksamigen, eigent- lichen Phanerogamen. Diese letzteren erscheinen erst viel später und gelangen erst lange nachher zur Herrschaft. Es gab schon in der Steinkohlenflora einige wenige Cycadeen; Noeggerathia foliosa, von Sternberg beschrieben und ein neuer- Typen von Steinkohlenpflanzen; — Gymnospermen. 1. Noeggerathia foliosa, Sternb., Stück eines mit Blättchen besetzten Wedels (mitt- lere Steinkohle von Radnitz). — 2. bis 3. Cordaites, Spitze und Basis eines Blat- tes. — 4. Antholithus, Blüthenstand von Cordaites, von zweizeilig längs einer Axe gestellten Aehrchen gebildet, welche mit Samen in verschiedenen Entwickelungsstadien endigende Stielchen tragen. Die Samen wurden von Goeppert Samaropsis ge- nannt. — 5. Cardiocarpus, Samen einer Gymnosperme, in den Achseln schuppiger Bracteen auf einer Axe sitzend. 12* 180 DIE VEGETATIONSPERIODEN lich von Grand’Eury entdecktes Pterophyllum zeugen dafür. Es gab sogar Coniferen, theils wahre Coniferen, wie Walchia, theils Taxineen, mehr oder minder unserem Ginsko genähert; aber die palaeozoischen Gymnospermen waren hauptsächlich durch die Gruppe der Cordaiteen vertreten, die Grand’Eury trefflich be- schrieben hat und deren Menge beständig durch neue Entdeckun- gen wächst, die wir hauptsächlich Lesquereux verdanken. Die Cordaiteen waren meistentheils grosse Bäume mit mäch- tigen, verzweigten Stämmen; den heutigen Podocarpus ähnlich durch ihren Wuchs, den Dammara-Fichten durch ihre Blätter, waren sie indessen kräftiger, stärker gewachsen und verzweister als ihre heutigen Verwandten und besassen im Inneren ihres Stam- mes nur einen schwachen Holzeylinder, während sie aussen von einer dicken und starken Rindenschicht umgeben waren. - Ihre sitzenden Blätter in Form eines langen Bandes oder einer Spatel waren stets an der Spitze etwas verbreitert und erinnern an die Blätter des Drachenbaumes; sie wurden zuweilen mehrere Fuss lang. Diese lederartigen Blätter ohne Mittelrippe, welche eine Menge von der Basis zur Spitze laufender Längsnerven zeigten, geben den Cordaiten ein besonderes Aussehen, das die Zeichnung zwar wiedergeben, dem man aber nichts in der heutigen Flora Vorhandenes an die Seite setzen kann. Die männlichen und weiblichen Blüthen der Cordaiteen sind von Renault beobachtet und beschrieben worden; sie bildeten lange, mit Deckschuppen besetzte Aehren und erinnern durch ihre Gruppirung an die Gneta- ceen, während die in ihrer Gestalt sehr veränderlichen Früchte eine grosse Aehnlichkeit mit denen unserer Taxineen zeigen. Der Typus der Cordaiteen erscheint durch die Beschaffenheit des männ- lichen Apparates und manche Besonderheiten der Structur höher gebildet als der unserer Coniferen; er nähert sich nach den neuesten Beobachtungen von Renault durch die anatomische Anordnung der Gefässbündel seiner Blätter den Cycadeen, übertrifft aber diese Form an Kraft, Mächtigkeit und Schönheit. Diese relative Vollkommenheit der Cordaiteen sichert diesem Typus nicht nur den ersten Rang unter den Gymnospermen, sondern lässt auch schon in der Steinkohlenzeit bei diesen Gewächsen Neigungen zu einem Uebergange zu der höheren Classe der Angiospermen erkennen. Dieser Uebergang wurde ohne Zweifel DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 181 durch Typen bewerkstelligt, die bis heute unbekannt geblieben sind, deren Existenz man aber behaupten darf und deren Spuren man vielleicht eines Tages finden wird. Man kann nun, ohne dass man weiter auf die wesentlichsten Elemente der Steinkohlenflora einzugehen braucht, begreifen , wie diese Pflanzenmassen sich vervielfältisten und überall die Ufer der Becken überzogen, auf deren Grunde sich so viele vom Wasser angeschwemmte Reste absetzten. Versetzen wir uns im Geiste in diese entfernte Vergangenheit zurück, so sehen wir von beweglichem, wasserdurchtränktem Boden gebildete Uferniederungen, die kaum erhaben genug sind, um den Meereswellen den Zugang zu den inneren Lagunen zu verwehren, über welche sanfte, von dicken Nebeln häufig verschleierte Hügel hervorragen, die sich in weiter Ferne verlieren und einen ruhigen Wasserspiegel von unbestimmter Begrenzung mit einem dichten Grün umgürten. Das war die Wiege der Steinkohlen; Tausende von klaren, durch die unaufhörlichen Regen gespeisten Bäche flossen von allen benachbarten Gehängen und Thälern diesen Becken zu. Hätte man lange genug an ihren Ufern gewohnt, so würde man in Folge eines langsamen und ziemlich monotonen Wechsels Farne, Calamarieen, Lepidodendreen, Sigillarieen und Cordaiteen sich in mannigfaltigen Proportionen vermischen oder einander ersetzen gesehen haben. Man würde nicht ohne Ueber- raschung den steifen und nackten Wuchs der Calamiten, das säulenartige Aufstreben der Sigillarien, das verwickelte Flechtwerk der ineinander gewirrten Farne gesehen haben; aber die unend- liche Grazie der Baumfarne mit ihren gigantischen Blättern, die regelmässige Schönheit der Lepidodendren, die Leichtigkeit und Biegsamkeit der Asterophylliten und das Spiel eines sanften Lich- tes, was durch so verschiedene Blattmassen sich hindurchstiehlt, würde eine Verwunderung erzeugt haben, von welcher kein irdi- sches Schauspiel unserer Tage eine Idee geben könnte. Doch hätte es einen Contrast gegeben, der wohl fähig gewesen wäre, den Geist von seinem Entzücken zu ernüchtern und der durch so viele Wunder angeresten Begeisterung ein trauriges Gefühl bei- zumischen. Adolph Brongniart, welcher mit am meisten dazu beitrug, uns diese überraschende Epoche der Steinkohlenzeit zu enthüllen, hat nicht ermangelt, hervorzuheben, welchen düsteren 182 DIE VEGETATIONSPERIODEN und harten Charakter die damalige Landschaft hatte. Keine Blume zeigte sich zwischen diesen steifen, mit fast mathematischer Genauigkeit getheilten Stämmen der Calamiten, Lepidodendren und Sigillarien, deren lederartige, zugespitzte Blätter nach allen Seiten starren. Die Fortpflanzungsorgane waren auf die unent- behrlichsten Theile beschränkt; sie hatten keinen Glanz, verbargen sich unter keiner Hülle oder umgaben sich nur mit unbedeuten- den Schuppen. Die nach und nach reich gewordene Natur er- röthete später ob ihrer Nacktheit; sie wob sich Hochzeitskleider; zu diesem Zwecke schmeidigte sie die den Fortpflanzungsorganen benachbarten Blätter, verwandelte sie in Blumenblätter und gab ihnen die mannigfaltigsten Formen, Gestalten und Farben. Indem die Natur so die auf die wesentlichsten Theile beschränkten Appa- . rate complicirte, schuf sie die Blume, wie die Civilisation den Luxus schuf, den sie nach und nach aus den Nothwendigkeiten einer verbesserten und verschönerten Existenz herausbildete. Aber wie bildeten sich die Steinkohlen oder die Ablagerungen der fossilen Brennstoffe überhaupt? Eine von Grand’Eury in helles Licht gesetzte, sehr einfache Thatsache kann uns dies er- klären: Die Steinkohle besteht aus Fragmenten der Stämme, Trümmern der Stengel und Aeste, Fetzen der Blätter, bald sehr mannigfaltig, bald sehr einförmig ihrer Herkunft und Natur nach; diese Trümmer sind aufgehäuft, und wenn man will zusammenge- kittet, aber stets aus Ueberresten gebildet, die flach auf einander liegen und sich gegenseitig bedecken, wie wenn sich diese Reste auf den Grund des Wassers gesenkt hätten, um sich dort in horizon- taler Lage und in so einförmiger Weise abzusetzen, dass man darin nothwendig die Wirkung eines flüssigen Vehikels erkennen muss. Die angehäuften Pflanzenreste, welche die Steinkohle erzeugten, wur- den demnach auf den Boden der Gewässer geschwemmt, und diese Gewässer enthielten während der zur Bildung einer jeden Kohlen- schicht nöthigen Zeit keine anderen Sedimente, welche ihre Rein- heit hätten beeinträchtigen können. Die Vegetation hatte damals auf weitem Umkreise Alles überdeckt; wie ein undurchdringlicher Vorhang drang sie weit in das Innere des Landes vor und behaup- tete auch den überschwemmten Boden in der Nähe der Lagunen. Gewiss finden sich noch häufig Stämme, Stengel und Wurzel- stücke an Ort und Stelle in den Steinkohlen an dem Platze und nn DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 183 in der Lage, welche sie im Leben einnahmen. “Nicht alle Kohlen- pflanzen wuchsen im Wasser; aber ausserdem, dass viele in Be- rührung mit dem Wasser, in dem weichen Schlamme oder auf einem häufig überschwemmtem Boden vegetirten, standen doch wenigstens alle in der unmittelbaren Nähe der damaligen grossen Lagunen und schöpften aus dieser Nachbarschaft die Ueppigkeit, welche sie kennzeichnet, sowie das zur Ausübung ihrer Functionen nöthige Element. Die stets horizontale Lagerung der Pflanzen- ‚reste beweist ihre Anschwemmung durch das Wasser; aber die merkwürdige, bis in die kleinsten Details der Structur gehende Er- haltung einer Menge zarter und leicht verderbender Organe spricht auf der anderen Seite dafür, dass dieser Transport nur auf sehr geringe Entfernung von dem Ursprungsorte hin geschehen konnte. Man erkennt zugleich, dass andere Theile und namentlich die Stämme einige Zeit auf dem feuchten Boden gelegen sein müssen, ehe sie in das Wasser geschwemmt wurden; gewisse Gewebe sind fast regelmässig verschwunden, wie wenn das Gewächs einen An- fang von Zersetzung an freier Luft erlitten hätte; am häufigsten finden sich innen ausgewitterte Stämme; in anderen Fällen hat sich nur der Holzcylinder erhalten, während die zarteren Gewebe und das Mark verschwunden sind. Fasst man diese verschiedenen Umstände zusammen, so ist es leicht, die Bildung der Kohlenlager von einer einzigen Hauptursache abzuleiten, die unablässig thätig und in der Kohlenzeit ohne Zweifel thätiger war als in irgend einer anderen; ich meine die wässerigen Niederschläge, von deren Mächtigkeit selbst die Vorgänge in der heutigen Tropenzone uns keine Vorstellung geben können und die, trotz einer grossen Gleichmässigkeit in der Temperatur, sich doch in gewissen perio- dischen Zeiten, die unseren Jahreszeiten entsprechen, mit relativ grösserer Ueberfülle wiederholen mussten. Die Lagunen der Kohlenzeit, welche meist zwischen kaum trocken gelegten Ufern sich hinzogen und Einsenkungen eines wenig gewellten Bodens erfüllten, mussten wohl häufige, aber schwache Schwankungen erfahren, welche die Masse des Wassers bald vermehrten, bald verminderten, und die Strömungen, welche Schlamm und Detritus von den Höhen und den Binnenthälern des Landes brachten, bald zuliessen, bald ausschlossen. So entstanden zwei Arten verschiedener Zustände, die sich in ziemlich langen 184 DIE VEGETATIONSPERIODEN Zwischenräumen folgten; der eine brachte Anhäufungen von Sedi- mentschichten; der andere überliess die Lagune mit ihren ruhigen Gewässern ausschliesslich der Vegetation und gestattete den Schlammströmen keinen Zutritt. In diesem zweiten Zustande konnte sich die Lagune frei und ohne Ende durch die Pflanzen, deren Wachsthum das Wasser begünstigte, mit wahren Wäldern und ungeheuren Massen von Gewächsen bedecken; die aus gewissen Kategorien von Pflanzen zusammengesetzt waren, welche sich er- setzten und abwechselnd die zufälligen Umstände benutzten, um in den Schooss des flüssigen Elementes vorzudringen. Die Um- gebungen dieser Lagunen, deren Gränzen um so unbestimmter waren, je weniger der Boden sich erhob und je mehr das Zu- strömen der wässerigen Niederschläge ihren Umfang vergrössern konnte, mussten unter solchen Umständen ungeheure Ablagerun- gen von Pflanzenstoffen aufnehmen, welche zu Kohle umgewan- delt wurden, nachdem sie von den klaren, keine Schlammtheile führenden Gewässern herbeigeschwemmt worden waren. Alle Ueberbleibsel, welche das jährliche Abfallen der Organe, die Zer- störung der alten Bäume, die Hinfälligkeit der eben so schnell abgenutzten als erzeugten Theile hervorbringen konnten, wurden durch eine unablässige Bewegung im Grunde der Wasser be- graben. Diese Vorgänge werden uns durch die Kohlenlager und freilich in weit geringeren Verhältnissen durch die Braunkohlen- lager vor Augen geführt. Die Permische Flora ist nur eine verarmte Fortsetzung der eigentlichen Steinkohlenzeit; die charakteristischen Elemente dieser letzteren beginnen zurückzutreten, während die Cycadeen, die Coniferen, die Taxineen und einige Farne ihre Züge verschärfen und bald die Oberhand gewinnen werden. Wie alle Uebergangs- perioden, so zeigt auch die Permische Flora in gewisser Beziehung ein Schwanken in den Charakteren und eine Armuth an wirk- lich unterscheidenden Besonderheiten, welche ihr Studium sehr schwierig machen; aber die Unbestimmtheit ist nicht ohne An- ziehungskraft; es scheint, als folge man den allmäligen Oscil- lationen einer Vegetation, die sich umwandelt und unmerklich ihre Richtung ändert. Die wenigen Beispiele der Permischen Flora, welche wir abbilden, lassen uns diesen Zug erkennen, indem DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 185 sie uns Formen vorführen, welche weniger als die der vorher- gehenden Periode von den heutigen Typen entfernt stehen. Fig. 15. Charakteristische Pflanzen des Permischen Systems: — Coniferen. 1. bis 2. Walchia piniformis, Sternb.: 1, Zweig, 2, abgelöster Zapfen. — 3. bis 4. Ulmannia frumentaria, Goepp.: 3, Zweig; 4, Zapfen. — 5. Ginkgophyllum Grasseli, Sap., Zweig mit Blättern. (Permische Schiefer von Lodeve, H£rault.) IL. Secundäre oder mesophytische Epoche. Die dritte unserer grossen Vegetationsperioden beginnt zwar mit der Trias, vervollständigt aber ihre Charakterzüge erst im Anfang der jurassischen Zeit, von dem Stockwerke an, welches man Infralias genannt hat, weil es unmittelbar dem Lias oder unteren Jura vorangeht, auf welchen wieder eine Reihe von Stock- werken folgt, die man unter dem allgemeinen Namen der oolithi- schen Formation zusammenfassen kann. Diese Periode verlängert sich dann mit verschiedenen Abwechslungen, welche indessen nie- mals den Grund ihrer Physignomie verändern konnten, bis zur Mitte der Kreide. Wir nennen sie immerhin secundäre oder viel- 186 DIE VEGETATIONSPERIODEN mehr jurassische Epoche, weil die Flora der jurassischen Zeiten die Mitte und den Höhepunkt eines Zustandes bezeichnet, dessen Fig. 16. Charakteristische Pflanzen der Trias: — Farne. 1. Danaeopsis marantacea, Hr., Stück eines Wedels. — 2. bis 3. Taeniopteris superba, Sap., Basis und oberes Ende eines Wedels. Niedergang mit dem Anfange der Kreide beginnt und mit einer wenigstens scheinbar plötzlichen und beinahe allgemeinen Er- neuerung endet, welche in dem Horizont des Cenomanstockwerkes stattfindet, das seinen Namen von der Stadt Mans bekommen hat, wo es, wie auch an anderen Punkten der Normandie, zuerst nach- gewiesen wurde und eine eigenthümliche Entwickelung besitzt. Die noch wenig bekannte und durch schwankende Charaktere bezeichnete Flora der Trias scheint einer jener Erneuerungsperioden zu entsprechen, wo die im Verfall befindlichen Typen schliesslich verschwinden, während diejenigen, die sie ersetzen sollen, nach und nach eingeführt werden. Die ersteren lassen Lücken zurück, weil die abnehmende Zahl der Individuen stets geringer wird, die letzteren sind noch dunkel und wenig verbreitet. Das Greisen- alter wie die Kindheit sind gleich schwach, und in den Zeiten, DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 187 wo diese beiden Extreme sich allein gegenüberstehen, nimmt die Natur nothwendig den Charakter der Monotonie und der Armuth Fig. 17. Charakteristische Pflanzen der Trias: — Coniferen. 1. bis 4. Voltzia heterophylla, Schimp.: 1, Zweig mit Nadeln; 2, Zweig mit sichel- förmigen Blättern; 3, Zapfen; 4, Samen. — 5. Albertia Braunü, Schimp., Zweig. an. Erst gegen das Ende dieser Periode werden die Arten, welche diese verarmte und doch merkwürdige Vegetation bilden, etwas mannigfaltiger. Seit dem Beginn der jurassischen Epoche zeigt sich eine Bewegung der Umbildung zu einem neuen Gleichgewicht der Elemente, die in die Zusammensetzung des Ganzen eingehen; diese Verhältnisse befestigen sich, aber was nichtsdestoweniger in der jurassischen Flora auffällt, das ist ihre Unbeweglichkeit, und neben dieser Unbeweglichkeit ihre relative Armuth. Die Typen der Steinkohlenzeit sind verschwunden, aber die Angiospermen oder decksamigen Gewächse, welche heute allein neun Zehntheile des Gewächsreiches bilden, sind mit Ausnahme einiger seltener Monocotyledonen noch nicht erschienen. Die Flora setzt sich immer noch nur aus Kryptogamen und Gymnospermen zusammen, Die ersteren sind durch Farnkräuter und Schafthalme repräsen- tirt, unter den letzteren herrschen fast ausschliesslich zwei Classen vor, die wir in dem vorhergehenden Zeitalter auftreten sahen, nämlich die Cycadeen und die Coniferen. Von Spitzbergen "bis nach Ostindien und von den Inselgruppen, welche damals Europa bildeten, bis nach Irkutsk in Sibirien breiten sich dieselben Ge- wächsformen aus, die durch ihre Haltung, ihr Ansehen, ihre Bil- 188 DIE VEGETATIONSPERIODEN dung der gesammten Vegetation einen ausserordentlich mono- tonen Charakter aufdrückten. Nichtsdestoweniger kann man schon von dieser Zeit an zwei Arten von Pflanzengesellschaften bezeichnen, von denen die eine den sumpfigen Niederungen angehört, während die andere vor- Fig. 18. Charakteristische jurassische Pflanzen: — Farne der feuchten Orte (Rhätische Gruppe oder Intralias). 1. Clathropteris platyphylla, Goepp., Stück eines Blattes. — 2. Thinnfeldia rotundata, Nath., Stück eines Blattes. — 3. Sagenopteris rhoifolia, Presl., Blatt. zugsweise auf hügeligem und bergigem Boden im Innern des Lan- des wächst. Die kühlen Stationen, die Ränder der Buchten, die Ufer der Lagunen waren damals durch Farnkräuter mit breit entwickelten oder fein ausgeschnittenen Blättern besetzt (Clathropteris, Thaume- topteris, Dictyophyllum, Sagenopteris). Gewisse Typen von Oyca- deen, wie Podozamites, Nilssonia und Pterophyllum, wuchsen mit diesen Farnen zusammen und hatten neben sich Taxineen, ver- wandt mit unseren Gingko (Palissya und Schizolepis), Coniferen, die mehr oder minder mit Cryptomeria und Seguoia aus den späteren Zeitaltern vergleichbar sind. Diese und ähnliche For- men erscheinen in verschiedenen, auf einander folgenden Niveaus, DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 189 in welchen man schieferige und mergelig-kohlige Ablagerungen findet, die als gewisse Anzeichen einer Station betrachtet werden können, wo stille Wasser existirten. Charakteristische jurassische Pflanzen: — Cycadeen der feuchten Orte. (Rhätische Gruppe oder Infralias.) 1. Podozamites distans, Presl., junge Pflanze. 2. Pterophyllum Jaegeri, Brongn., Spitze eines Blattes. — 3. Pterozamites comptus, Schimp., unterer Theil eines Blattes (Oolith). An höheren und trockneren Orten dagegen, welche durch sandige oder kalkige Ablagerungen angezeigt werden, die durch die damaligen fliessenden Gewässer bis in die Buchten und Mün- dungen geschwemmt wurden, findet man im Gegentheile Farn- kräuter mit mageren, kleinen oder lederartigen Blättern (Ctenopteris, Oycadopteris, Lomatopteris, Scleropteris ete.), andere Gattungen von Cycadeen (Zamites, Otozamites, Sphenozamites) und Coniferen von hohem Wuchse, die offenbar die grosse Masse der damaligen Wälder bildeten. Wir haben die Cycadeen durch die mehr bizarren, als wirk- lich zierlichen Gewächse kennen gelernt, welche durch Cultur und Mode in unsere Gewächshäuser eingeführt wurden. Sie sehen wie kleine Palmen aus; ihr kurzer und dicker Stamm, der häufig angeschwollen und selbst eiförmig wird, bekleidet sich auf die 190 DIE VEGETATIONSPERIODEN Länge mit einem schuppigen Panzer, der von den Blattstielen her- rührt, deren Ansatzstelle an dem Stamme bleibt. Am oberen Ende Fig. 20. Charakteristische jurassische Pflanzen: — Farne von trockenen Gegenden. 1. Seleropteris Pomeli, Sap., Spitze eines Wedels (Korallenkalk). — 2. Stachypteris lithophylla (Pom.), Sap., Spitze eines Wedels (Korallenkalk),. — 3. Lomatopteris Balduini, Sap., zerbrochener Wedel, vollständig (Bathstufe),. — 4. Cycadopteris Brauniana, Zign., fast vollständiger Wedel (Kimmeridgestufe). trägt dieser Stamm einen Busch von gefiederten Wedeln, die meistens lange, schmale, lederartige Blättchen tragen. Die Cycadeen leben heut zu Tage in der Nähe der Wendekreise, häufig sogar unter dem Aequator, in Afrika, Ostindien, Australien, den Antillen und weiter nach Norden zu in Japan und Florida, welche die äussersten nördlichen Punkte ihrer heutigen Verbreitungszone bilden. Die alten europäischen Cycadeen, von welchen man die Stämme, die Blätter, von vielen sogar die männlichen oder weib- lichen Fortpflanzungsorgane kennt, unterscheiden sich von den heutigen Cycadeen nicht in höherem Grade als die verschiedenen Gattungen dieser selbst, die in besonderen Verbreitungsbezirken eingegrenzt sind, unter sich verschieden sind. Nur waren mit einigen Ausnahmen die fossilen Pflanzen dieser Gruppe von mitt- lerer Grösse, oder selbst auffallend klein. Sie mussten für sich allein das Unterholz der Wälder jener Zeit bilden, oder auch die Waldränder und die Zwischenräume überziehen. Saporta. Europa im Anfange der Oolith- Periode. Tafel V. . Aachen oParis‘ 2 Europa zur Zeit der Cenoman-Kreide. t 3 DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 191 Die jurassischen Coniferen waren meistens hohe Bäume, meh- rere sogar von erster Grösse. Die einen gleichen den Araucarien, Fig. 21. Charakteristische jurassische Pflanzen: — Cycadeen der trockenen Orte. 1. Zamites Moreauanus, Brongt., vollständiger Wedel (Korallenkalk). — 2. Otozamites decorus, Sap., oben abgebrochener Wedel (Bathstufe). — 3. Sphenozamites latifolius, Brongn., Stück eines Wedels (Kimmeridgestufe). Charakteristische Jurapflanzen: — Fruchtorgane der Cycadeen. 1. Cycadospadiz Hennoquei (Pom.); Schimp., Fruchtblatt (Infralias). — 2. Steno- rhachis Ponceleti (Nath.), Sap., Fruchtorgan von Podozamites (Infralias). — 3. Beania gracilis, Carr. (Oolith). — 4. Zamiostrobus incrassatus, L. et H. (Oolith). 192 DIE VEGETATIONSPERIODEN Fig. 23. Charakteristische Jurapflanzen: — Taxineen. 1. bis 3. Baiera Münsteriana, Hr. (Infralias): 1, Blatt; 2, männliche Kätzchen; 3, dieselben nach dem Aufspringen der Antheren. — 4. Baiera gracilis, Bumb., Blatt (Oolith). — 5. Baiera Münsteriana, Hr., zu dreien auf einem gemeinsamen Stiele sitzende Samen. Charakteristische Jurapflanzen: — Coniferen (Oolith). 1. bis 2. Brachyphyllum nepos, Sap.: 1, Zweig; 2, vergrösserte Blattschildee — 3. bis 4. Pachyphyllum majus, Brongn.: 3, Zweig; 4, von einem Zapfen abgelöste Deckschuppe. — 5. Pachyphyllum araucarinum, Pom., Zweig. Tatel VI. Säpottä. in ine RE ! Aa ") N ® rn ° ‚A Cl ® u [=| ® E=| © an 4 A 2 = ° =) = ® rS an Fr n4 =) =} © sea, ® I ee & = D R=\ an E "Do » dei Bj A n A >) © & F ® ro | DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 193 oder müssen sogar in diese Gattung selbst eingereiht werden. Die anderen hatten das Ansehen unserer Cypressen, aber mit stär- keren und kräftigeren Aesten. Andere endlich, die ganz beson- ders die secundäre Epoche charakterisiren (Brachyphyllum), hatten nur starre Zweige und nackte oder wenig getheilte Stämme. Die Blätter dieser letzteren waren auf einfache, höckerartige Schuppen reducirt, die eng zusammen standen, und auf der Oberfläche der alten Theile eine Mosaik mit regelmässigen Abtheilungen bilde- ten, deren Umfang das Alter einfach vergrösserte. Das jurassische Europa bildete Anfangs nur eine Gruppe srosser Inseln; das Centralplateau war gegen das Ende des Lias noch ım Westen von dem Massiv der Vendee, im Osten und Nord- osten von der Gegend der Vogesen und der Alpen getrennt. Aber diese Inseln suchten sich nach und nach zu vereinigen und zu einer einzigen, grossen Continentalmasse zu verschmelzen. Diese Verbindung geschah durch Landengen oder Bodenschwellen, in einer Richtung über Poitiers hinaus, in der anderen durch die Bourgogne, und zwar während der oolithischen Zeit. Zur Zeit des Wäldergebirges, welches die unterste Kreide- stufe, oder wenn man will, die oberste oolithische Schichtengruppe bildet, wird die continentale Verschmelzung offenbar, und die in grossem Maasse platzgreifende Austrocknung zeigt sich auf einer Menge von Punkten, in England, Norddeutschland, dem Jura und anderwärts durch die Ausdehnung von Seen und Flüssen, deren Rolle sehr bedeutend wird. Dies sind die anzeigenden Vorläufer Charakteristische Pflanzen der unteren Kreide (Wäldergebirge und Urgon). 1. Sphenopteris Hartlebeni, Dunk., Wedel (Wäldergeb.). — 2. Aneimidium Mantelli, Schk., Fiederblatt (Wäldergeb.). — 3. Glossozamites obovatus, Schk., Stück eines Wedels (Urgon). — 4. Salisburia pluripartita, Hr., Blatt (Wäldergeb.). Saporta, die Pflanzenwelt. 13 te 194 DIE VEGETATIONSPERIODEN des vegetabilischen Umschwunges, der sich vorbereitet und dessen Einleitung, Anfang und Entwickelungsgang uns leider unbekannt sind. Es ist indessen gewiss, dass die urgonische Flora von Wernsdorf in den Karpathen und selbst die der alten Kreide von Grönland in ihren charakteristischen Elementen eine sehr aus- gesprochene jurassische Physiognomie bekunden. In diesen Floren Charakteristische Pflanzen aus der Urgonkreide der Polargegenden. 1. Gleichenia Zippei, Hr., Blattwedel. — 2. Seguoia ambigua, Hr., Zweig mit zwei Fruchtzapfen. 3 bis 4. Cyparissidium gracile, Hr.: 3, Zweig; 4, Zapfen. — 5. Torreya Dicksoniana, H., Zweig. — 6. Pterophyllum coneinnum, Hr., Blattwedel einer Cycadee. kündigt scheinbar in der That nichts den drohenden Niedergang der Cycadeen, das nahe Ende der ausschliesslichen Herrschaft der Gymnospermen und die ihrer Verwirklichung entgegeneilende Ver- breitung der Dicotyledonen oder Blattpflanzen an. 1, Epoche der Kreide vom Beginn des Cenoman. Die organische Entwickelung, welcher die Dieotyledonen ihre Existenz und ihre spätere Ausbildung verdanken, ging ohne Zweifel unter dem Einflusse sehr verschiedener Bedingungen vor sich. Es ist in der That möglich, dass diese Entwickelung anfangs lang- DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 195 sam und verborgen war; es ist ferner möglich, dass sie abseits stattfand, in einer abgetrennten Muttergegend und unter dem Ein- flusse gewisser localer und ausserordentlicher Umstände; es ist endlich möglich, und man hat sogar das Recht, dies anzunehmen, dass sie das Resultat der Dazwischenkunft der Insecten sei, welche in einem gegebenen Augenblicke die Wirkungen der Kreuzung vermehrten und auf diese Weise Bedingungen herbeiführten, welche dieser Art von Pflanzen günstig waren. Endlich könnte man auch, wenn freilich mit Widerstreben, annehmen, dass eine relativ kurze Zeit und der Einfluss heute unbekannter Ursachen genügt haben, um die@Gewächse der Kategorie entstehen zu lassen, die wir betrach- ten. Welches auch die Hypothese sein mag, der man den Vorzug siebt, so lässt sich die Thatsache der reissend schnellen Vermeh- rung und der gleichzeitigen Gegenwart der Dicotyledonen an zahl- reichen Punkten unserer Erdhälfte vom Cenoman an aufwärts in keiner Weise in Abrede stellen. Diesem Niveau gehört in Amerika die „Dakota-Gruppe“ an, eine der merkwürdigsten Bildungen, die neuerdings in Kansas, Arkansas, Nebraska und Minesota untersucht wurde, und die an ihrer Basis eine Süsswasserbildung von eisenhaltigen Sandsteinen enthält, welche sehr reich an Pflanzenabdrücken ist. Die Schichten der Dakota-Gruppe ruhen unmittelbar auf der Trias, mithin war die weite Gegend, die heutigen Tages vom Missouri bis zu den Felsengebirgen sich ausdehnt, trockengelegt und mit Pflanzen bedeckt, also Festland seit sehr alter Zeit, bis etwa in der Mitte der Kreideperiode sie von Brackwassern überflutet wurde. Die Pflanzenabdrücke, die man an der Basis dieser Gruppe findet, übermitteln uns demnach einen schon älteren Zustand. Ebenso verhält es sich mit Böhmen, einem Urlande, welches von süssen Gewässern in Abwechselung mit dem Meere zur Zeit des Cenoman überschwemmt wurde. Daher kamen jene Ablagerungen, welche man den unteren Quadersandstein nennt, und der an einigen Orten sehr reich an Pflanzenversteinerungen ist. Mähren, der Harz, einige Orte in Sachsen, Westphalen und Schonen, die Umgebungen von Aachen und Toulon haben verschiedenen Forschern eine sehr bedeutende Reihe von Pflanzen geliefert, welche der zweiten Hälfte der Kreidezeit angehören, und endlich haben die Entdeckungen des berühmten Nordenskjöld in Atane auf der Halbinsel Nur- 13 * 196 DIE VEGETATIONSPERIODEN soak in Grönland uns mit den Pflanzen bekannt gemacht, welche ‘damals in der Polarzone wuchsen. Ueberall sind die Dicotyle- donen oder Blattmassenpflanzen, die früher unbekannt waren, vorherrschend geworden. Ueberall hat eine eben so schnell fort- schreitende als allgemein sich ausbreitende Revolution die Ein- führung dieser Kategorie von Pflanzen begünstigt, während zugleich dieCycadeen und Coniferen, die bis dahin unbestritten im Gewächs- reiche herrschten, abnehmen und zurückweichen. Geht man in die Einzelheiten ein, so bemerkt man nichts- destoweniger Besonderheiten und sogar Verschiedenheiten zwischen einigen der verglichenen Regionen. Die südlichste Fundstätte ist die von Beausset bei Toulon, die im Hintergrunde eines kleinen Golfes des Turonmeeres gelagert Charakteristische Pflanzen der mittleren Kreide (Turon-Stockwerk der Umgegend von Toulon). 1. Lomatopteris superstes, Sap., Spitze eines Blattwedels (Farn). — 2. Araucaria Toucasi, Sap., Zweig (Conifere). — 3. Magniolia telonensis, Sap., Blatt (Angiosperme). war, desjenigen Stockwerkes, welches unmittelbar auf das Ceno- man folgt. Doch ist es gerade diese Fundstätte, deren Flora die geringste Verhältnisszahl von Dicotyledonen zeigt und wo die Farne und die Coniferen die meisten Berührungspunkte mit der DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. -197 Vergangenheit durch die Natur der Typen zeigen, die sich dort finden (Zomatopteris, Oyparissidium, Araucaria). a Im deutschen Cenoman, in Mähren, Sachsen, Böhmen und Schlesien, zwischen dem 49. und 5l. Grad nördl. Breite, finden sich weit mehr Dicotyledonen. In dieser damals in der Nähe der Ufer eines Nordmeeres gelegenen Gegend !)bilden die Blattmassen- pflanzen eine merkwürdige Mischung von ausgestorbenen Gattun- gen, von solchen, die exotisch oder tropisch geworden sind, und endlich von Gattungen, die entweder in Europa oder wenigstens in der aussereuropäischen nördlichen Zone einheimisch geblieben sind. Die Gattung Oredneria ist ein Beispiel der ersteren; die Fig. 28. Charakteristische Pflanzen der böhmischen Cenoman-Kreide: — Primitive Dieotyledonen. 1. Aralia Kowalewskina, Sap. und Mar., Blatt. — 2. Hymenea primigenia, Sap., Blatt. Gattung Hymenea, welche zur Gruppe der Caesalpinien ?) gehört, ist tropisch geworden; der Epheu, Magniolia und Comptonia müssen 1) Man sehe Taf. V die Karte der zuulhimnaaselichren Bildung unseres Continentes zur Zeit des Cenoman-Meeres. 2) Die Gruppe der Caesalpinien ist heute noch in Europa durch einen einzigen Baum der Mittelmeerflora vertreten, den Johannisbrotbaum oder Caroubier (Ceratonia siligua), der längs des Ufers von Nizza bis Mentone an geschützten Orten ein sehr dünn gesätes Gehölz bildet. Dieser Baum ist ein merkwürdiges Beispiel der Langlebigkeit einzelner Gewächse, welche, durch besondere Umstände ausnahmsweise begünstigt, alle übrigen Formen der Ordnung überleben, welcher sie angehören. 198: DIE VEGETATIONSPERIODEN zu der letzteren Gruppe gezählt werden. Diese Typen waren *schon damals in ihren wesentlichsten Zügen fixirt und haben seit- dem nur unbedeutende Aenderungen erlitten. Hi. 29. Charakteristische Pflanzen der böhmischen Cenoman-Kreide: — Primitive Dicoty- ledonen, 1 bis 2. Hedera primordialis, Sap.: 1, Blatt der kletternden Aeste; 2, Blatt der freien Aeste. Die Gattung Oredneria, deren wahre Beziehungen noch nicht vollständig aufgeklärt sind und die man bald den Pappeln, bald den Platanen, den Linden und den Polygoneen genähert hat, ent- DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 199 fernt sich in der That von allen durch einige charakteristische Einzelheiten ihrer grossen, festen, breiten, mit vorspringenden Rippen versehenen Blätter, welche am oberen Rande gelappt oder buchtig sind, nach unten keilförmig enden und eine Mittelrippe besitzen, die von zwei Seitenrippen begleitet wird, welche von einem Punkte oberhalb der basalen Endigung des Blattes ab- Fie. 30. Charakteristische Pflanzen der Senon-Kreide des Harzes: — Primitive Dicotyledonen. 1. Credneria triacuminata, Hampe, Blatt. — 2. Abietites curvifolius, Dkr., Zweig. — 3. Dryophyllum Hausmanni, Dkr., feuille. gehen. Die Blätter dieser seltsamen Gattung sind häufig zusam- mengerollt, wie wenn sie sich von selbst von dem Stengel losgelöst hätten, der sie trug, und dann in den Sand oder Schlamm fort- geschwemmt worden wären; man hat sie nicht nur in Böhmen und Sachsen, sondern auch bei Blankenburg im Harz, in Westphalen, Aachen und bis nach Nordgrönland gefunden. Die Gattung, der diese Blätter angehörten, besass gewiss eine sehr grosse Ver- breitung. Sie gehört zu den sogenannten charakteristischen Gattungen. In Amerika zeigt die Flora der Daköta-Gruppe, wenn nicht identische Arten mit denen von Böhmen und Mähren, so doch gleichwerthige Formen. Die Araliaceen sind beidseitig verbreitet. 200 DIE VEGETATIONSPERIODEN Es zeigen sich ferner Laurineen, Magnolien, Menispermaceen und viele andere Typen, die wir hier nicht aufzählen können. Man ietaßenjl Charakteristische Pflanzen der Cenoman-Kreide Amerikas (Dakotagruppe): — Primi- tive Dicotyledonen. 1. Fagus polyclada, Lgx., Blatt. — 2. Platanus primaeva, Lqx., Blatt. — 3. Quer- cus (Castanea?) primordialis, Lqx., Blatt. bemerkt in dieser Flora, deren Kenntniss wir‘;den gelehrten Forschungen von Lesquereux verdanken, die Gegenwart der Platane, der Buche, einer Eiche oder eines Kastanienbaums, eines Epheu’s u. s. w., und wenn man keine Crednerien findet, wie in Europa, so trifft man an deren Platz zwei Typen an, Protophyllum und Aspidiophyllum, welche ihre charakteristischen Züge zeigen und sie offenbar ersetzen. Lässt man die falschen Bestimmungen unberücksichtigt, die man häufig auf Pflanzen der Kohlenwelt anwendete, welche den Palmen ganz fremd sind, so zeigen sich die ersten Palmen in Europa in der zweiten Hälfte der Kreideperiode. Von den beiden Hauptarten hatte die eine, Flabellaria chamaeropifolia , Goepp., aus dem Quadersandstein von Tiefenfurth in Schlesien, fächer- förmige Blattwedel, ähnlich denen unserer Zwergpalmen, und war demnach von kleinem Wuchse. Die andere wurde zuerst bei Muth- mannsdorf in Oesterreich und neuerdings in der Süsswasserkreide der Provence beobachtet; es ist ein Palmbaum von hohem Wuchse, der heutigen Geonoma vergleichbar, aber ganz besonders dem DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 201 Phoenicophorium Sechellarum, Wendl., ähnlich, einer prachtvollen Art von den Sechellen, welche einen Hauptschmuck unserer Warm- Fig. 32. ar B£ AR Sy D ) FE = EN DE Charakteristische Pflanzen der Cenoman - Kreide Amerikas (Dakotagruppe): — Primi- tive Dicotyledonen. 1. Zralia quinquepartita, Lgx., Blatt. — 2. Protophyllum multinerve, Lgx., Blatt. (Ausgestorbener Typus). häuser bildet. Diese Palme hatte breite Blattwedel mit einer starken Mittelrippe, die sich bis ans obere Ende der Blattscheibe fortzog, deren Segmente mit einander vereinigt blieben, oder sich nur am "Rande durch unregelmässige und wenig ausgesprochene Risse theilten. Der Typus hielt auf diese Weise die Mitte zwischen den Palmen mit gefiederten Wedeln, wie die Dattelpalmen, und denjenigen mit breiten Wedeln, wie die Sabal. Die meisten Pal- men haben in ihrer Kindheit so gestaltete Blattwedel, die erst später ihre ganze Entwickelung und ihre definitive Form erhalten. Es ist sehr merkwürdig, dass sich ein solcher Typus beim Beginn der Gruppe findet, und ebenso zeigt die Ausschliessung der Pal- men aus den Polargegenden, wie wir schon bemerkt haben, auf eine Erniedrigung der Temperatur hin, die sich im äussersten Norden schon fühlbar macht. Heer beschreibt nichtsdestoweniger aus der Kreideflora von Nursoak in Grönland eine Zingiberacee, eine Art von indischem 2023 DIE VEGETATIONSPERIODEN Rohr, wahrscheinlich auch ein Bambusrohr (Arundo groen- landica, Hr.). Er beschreibt ferner eine authentische Cycadee (Oycadites Dicksoni, Hr.), wahrscheinlich die letzte, die innerhalb des Polarkreises lebte, und endlich mehrere Farne aus der sub- tropischen Gruppe der Gleichenieen. Der Typus Pappel ist hier durch die ältesten Arten der Gattung vertreten und herrscht augenscheinlich unter den Dicotyledonen der nordischen Kreide. Die Arten sind der Section der Pappeln mit lederartigen Blättern zuständig, zu welcher Populus euphratica, Oll. gehört. Die Dico- tyledonen von Nursoak zeigen ferner einen Feigenbaum, mehrere Myriceen, Araliaceen, Magnolien und Spuren von Schotengewächsen aus der Gruppe der Loteen. Fichten, Sequoien, Cypressen, ein Ginkgo (Salisburia primordialis, Hr.) vervollständigen diese Gesell- schaft, die uns eine der Stufen zeigt, durch welche die Polar- vegetation durchgehen musste, bevor sie sich der Reichthümer entkleidete, dte sie im Anfange besass. Die Flora der mittleren Kreide bezeichnet den Anfangspunkt der letzten der vier grossen Perioden der Vegetation, die wir im Anfange unserer Untersuchung aufgestellt haben; diese Periode seht vom Cenoman aus und erstreckt sich bis zu uns durch die sanze Dauer der darin enthaltenen Tertiärzeit hindurch. Die Er- sänzung des Gewächsreiches durch die Erscheinung der höchsten Classen, der Pflanzen mit Blumen und Laubmassen, welche bis dahin fehlten, ist das wesentlichste Ereigniss, welches diese Periode einführt und das durch die folgenden Thatsachen nur weiter ent- wickelt wurde. Von dieser Epoche an, die der Wiege der Angiospermen und im Besonderen derjenigen der Dicotyledonen so nahe steht, be- ‘ merken wir als eine constante und bewiesene Thatsache die Neben- einanderlagerung von zwei Reihen von Typen in Europa, von wel- chen die einen bestimmt sind, zu verschwinden, oder nach dem Süden zurückgedrängt zu werden, während die anderen in ‚unserer Zone einheimisch bleiben. Wir haben gefunden, dass die Pappeln, die Buchen, die Kastanien, die Platanen, die Epheue dieser ersten Zeit nicht nur mit Magnolien vergesellschaftet sind, sondern auch mit Palmen, Hymeneen, Aralien, Perseen und Pandaneen, welche heutigen Tages den Schmuck der Wendekreise bilden. Die gemein- schaftliche Existenz dieser beiden Reihen, welche sich heute gegen- PFLANZENWELT. 1 4 DIE Tafel VII, Saporta, || IN) | | |) II| | | | INIIIN INNINIIN| Ufer einer Lagune in Böhmen zur Zeit der Cenomanstufe, DER PRIMÄREN UND SECUNDÄREN EPOCHEN. 203 seitig auszuschliessen scheinen, hatte damals ihren vollen Grund. Trotz der wahrscheinlich sehr gleichmässigen, aber doch durch die Feuchtigkeit gemilderten Hitze konnten diese Arten in har- monischer Gesellschaft zusammen leben. Die beinahe allgemeine Ueppigkeit der Pflanzenformen dieser Epoche weist auf ein Klima und auf Jahreszeiten hin, die der Entwickelung der Gewächse günstig waren, und diese Bedingungen erklären sehr leicht die schnelle Ausdehnung der verschiedenen Typen, welche der Classe der Dicotyledonen angehören. Hält man sich an die Familien, die man am gewöhnlichsten in fossilen Zustande findet, so gehen die meisten unter ihnen in der That bis zu dieser Epoche zurück und hatten damals schon die Charaktere erworben, welche sie jetzt noch auszeichnen. Erst später und nach mannigfaltigen Schicksalen, deren Geschichte zu schreiben wir versuchen werden, wurde die eine dieser Serien und zwar diejenige, welche unsere Zone anfangs in Gemeinschaft mit den Tropen besass, von einem lange dauernden Niedergange betroffen, während die entgegengesetzte Reihe, freilich durch sehr verschiedene Mittel, endlich ausschliesslich die Ober- hand gewann. In dieser letzteren Hinsicht kann die zweite Hälfte der Kreide- periode als der Ausgangspunkt der unserer Zone eigenthümlichen Vegetation betrachtet werden, in ähnlicher Weise wie die Stein- kohlenzeit für das gesammte Gewächsreich der Ausgangspunkt war, Mit dem Cenoman beginnt in der That eine Entwickelung, durch welche die neuen Gruppen sich in stets wachsender Pro- portion vermehren und differenziren. Ohne Zweifel tragen die Verschiedenheiten des Bodens, des Klimas, der Standorte, die stets ausgesprochener werden, zu diesem Resultate bei, aber die Bieg- samkeit der Organismen, welche ihr Maximum von Vollkommen- heit und verwickelter Structur erreichen, leistet ebenfalls das Ihrige in reichem Maasse. Das europäische Klima hat, wie wir werden bestätigen müs- sen, häufig umgeändert, und daher erklärt sich das abwechselnde Vorwalten der Gesellschaften von Arten mit magerem und leder- artigem Laub, und derjenigen, welche sich durch die Grösse ihrer Anhangsorgane auszeichnen, während der Dauer der Tertiärzeit. Noch heute nehmen unter unseren Augen die Dinge denselben RR Em 204 DIE VEGETATIONSPERIODEN Verlauf; die Verschiedenheiten von einer Region zur anderen, von einer Station zur anderen, geben uns ein Abbild jener Verschieden- heiten, welche die Zeit auf unserem Boden hervorrief und sich fol- gen liess. Die Erscheinungen, welche wir heute beobachten, in- dem wir verschiedene Punkte der Erdoberfläche mit einander ver- gleichen, zeigten sich demnach auch früher in der Reihenfolge der Perioden. Im Grunde ist das Verfahren der Natur dasselbe ge- blieben. Sie hat es zu allen Zeiten dazu gebracht, die Organis- men unter den Einfluss der Umgebung zu beugen und hat aus diesem Einfluss eine Kraft gezogen, welche fähig war, die allen lebenden Wesen einwohnende Neigung zur Variabilität zu er- wecken. Es ist das eine um so energischere Thätigkeit, als sie andauernd wirkt und auf Organismen sich bezieht, die wie die Gewächse an dem Boden befestigt sind und sie erleiden müssen, ohne sich ihr durch die Flucht entziehen zu können. DER TERTIÄRZEIT. 205 Zweites Capitel. Die Vegetationsperioden der Tertiärzeit. 1. Vorläufige Bemerkungen. Das lange Zeit arme und monotone Pflanzenreich, das freilich in Zwischenräumen mächtig wurde, hatte sich vor der Tertiärzeit durch die Hinzufügung der Classe der decksamigen Dicotyledonen vervollständigt und ausserdem noch durch die lange Zeit hindurch schwache und untergeordnete Classe der Monocotyledonen, obgleich in geringerem Verhältniss, an Mächtigkeit zugenommen. Im Augen- blicke, wo diese grosse Epoche der Tertiärzeit sich eröffnet, ist das Klima unseres Continentes eher gemässigt warm als sehr heiss. Es giebt gar keinen oder fast keinen Winter. Das Meer bedeckt viele Punkte Europas, von denen es sich seither zurückgezogen hat. Obgleich Europa mehr als in unseren Tagen durch Buchten eingeschnitten ist, so bietet es doch einen continentalen Körper von bedeutender Ausdehnung. Die Centralkette, welche jetzt sein wesentlichstes Skelet bildet, war entweder gar nicht, oder nur in Gestalt unbedeutender Höhen vorhanden. Vielleicht erhoben an der Stelle der Alpen andere, jetzt zerstörte Gebirge, ihre Gipfel. Aber dies sind nur noch Muthmaassungen, welche durch spätere Beobachtungen bestätigt werden müssen. Soviel ist gewiss, dass man kurze Zeit nach dem Anfange der Tertiärzeit längs der Alpen und der Pyrenäen ein Meer findet, das in den Continent eindringt und Inseln umgürtet, welche gewissermaassen die Richtungen be- zeichnen, in welcher sich später diese Bergketten bilden werden, deren Bedeutung und Ansehen seither sich so bedeutend ver- ändert haben. 206 DIE VEGETATIONSPERIODEN Während der Dauer der Tertiärzeiten schneiden nicht nur ver- schiedene Meere zu wiederholten Malen und in verschiedenen Richtungen in den europäischen Continent ein, sondern es bilden sich auch Süsswasserseen, deren Lage wie diejenige der Meere selbst wechselt, und von denen aus diesem Grunde man nur schwierig eine Karte entwerfen kann, zumal da viele von ihnen nicht zu gleicher Zeit existirten und häufig durch die hervor- gebrachten Bodenschwankungen der Grund eines Sees erhoben wurde, um einem anderen Meere oder einem anderen See als Ufer oder Festland zu dienen und so einen Platz einnehmen zu lassen, der bis dahin trocken gelegt war. Diese auf- und niederschwanken- den Bodenbewegungen sind den Geologen sehr wohl bekannt, und was die tertiären Seen betrifft, so verdankt die fossile Botanik ihnen wie den Tuffen und Sinterkalken, den zusammengebackenen vulcanischen Aschen oder Cineriten, sowie den verschiedenen Schlammschichten, welche von den Wasserläufen abgelagert wur- den, die Erhaltung der fossilen Pflanzen einer jeden+Schicht oder der auf einander folgenden Stockwerke, welche in der Reihe der tertiären Bildungen zusammengefasst sind. Mittelst dieser Ele- mente hat man die Chronologie der Phasen, durch welche die Vegetation hindurchgegangen ist, um so eher herstellen können, als man in jeder Staffel der Reihe wenigstens einige Spuren der Pflanzen beobachten konnte, welche das damalige Europa besass. Man erhielt auf diese Weise ein fast lückenloses Ganzes, da es so zu sagen kein Stockwerk oder Unterstockwerk giebt, welches nicht einige Abdrücke geliefert hätte. Aber dieses Ganze ist dennoch ungleich und unvollkommen in dem Sinne, als unsere Kenntnisse sich nur auf partielle Documente stützen, welche der Zufall allein in unsere Hände gegeben hat, und die ohne sichtbaren Grund auf eine zuweilen erstaunliche Ueberfülle oft eine fast vollständige Armuth folgen lassen, die einen zur Verzweiflung bringen könnte, ohne dass man das Recht hätte, davon überrascht zu sein. Man hat sich lange Zeit weder um die wirklichen Ursachen, noch um die wahre Bedeutung dieser intermittirenden Armuths- perioden bekümmert. Man sammelte die Arten, um sie zu be- schreiben und in das System einzureihen, ohne ihnen einen ande- ren Sinn zuzuschreiben, als denjenigen, der aus der Thatsache ihrer Existenz selbst hervorgeht. Manchmal ist man sogar so weit DER TERTIÄRZEIT. 207 gegangen, zu glauben, dass die fossilen Abdrücke genau die tertiäre Vergangenheit wiedergäben und dass eine verarmte Flora oder zerstreute Exemplare die Beweise der Armuth der gleich- zeitigen Vegetation wären. Endlich hat man, ohne Beweise und mit vollem Vertrauen, angenommen, dass eine fossile Localflora uns in Wirklichkeit die ganze Pflanzengesellschaft vorführe, welche damals ein ganzes Land bedeckte, und dass dieses Land ausser den Arten, von denen man Ueberreste sammelte, nicht noch eine Menge anderer Arten besessen habe. Aus diesen Gedankenfolgen sind dann nothwendig eine Menge irrthümlicher Ansichten her- vorgegangen, welche zukünftige Untersuchungen und Entdeckungen nach und nach berichtigen werden. Wir werden in den von uns zu gebenden Nachweisen einen anderen Gang und eine durchaus verschiedene Methode befolgen. Wir werden uns vor allen Dingen bemühen, die Entdeckungen zu localisiren und den verschiedenen Ablagerungen, aus welchen die fossilen Pflanzen stammen, ihre wahre Bedeutung zu sichern, nämlich die der Vertretung von ebenso viel localisirten und begrenzten Pflanzengesellschaften, deren Physiognomie vor allem zu fixiren und deren Bedeutung mit Weglassung aller Uebertreibung zu enträthseln ist. Die Tertiärepoche in ihrem Ganzen zeigt von dem exclusiven Standpunkte der Veränderungen aus, welche das Gewächsreich erlitten hat, fünf secundäre Perioden oder Abtheilungen, die in dem Buche eines ausgezeichneten Forschers !) von der ältesten an als Palaeocen, Eocen, Oligocen, Miocen und Pliocen be- zeichnet sind. Alle diese Phasen sind durch Uebergänge mit ein- ander verbunden und besitzen durchaus keine absolut fest- gestellte Physiognomie während des ganzen Verlaufes ihrer Dauer. Mögen aber diese beweglichen Phasen auch noch so wenig genau begrenzt sein, so bilden sie doch Haltpunkte auf dem Wege, wel- chen die Natur auf ihrem Gange durch die Tertiärzeiten in Europa verfolgt hat. Sie hat einen so langen Weg nicht zurückgelegt, ohne Wechselfälle aller Arten zu erleiden und sich nach und nach zu verändern. Sie hat stufenweis jede Form, welche sie im An- fange besass, durch benachbarte Formen ersetzt, die mit ihren Vorgängerinnen zwar nahe verwandt, aber doch nach gewissen !) Schimper, Traite de Paleontologie vegetale, t. III, p. 680 seq. 2308 DIE VEGETATIONSPERIODEN Seiten von ihnen verschieden waren. Später, von einem gewissen Zeitpunkte an, wurde die europäische Vegetation unter dem Ein- fluss einer unmerklich kälter und ungleicher werdenden Tempera- tur ihrer werthvollsten Elemente nach und nach beraubt. Eine Menge von Typen, deren Gegenwart uns in keiner Weise die be- günstigtesten Länder des Südens beneiden liess, sind nach und nach verschwunden, und erst dann trat jene Epoche ein, wo unter dem langsam fortgesetzten Fortschritte dieser Ausscheidung die Flora unseres Continentes diejenige wurde, welche wir jetzt ken- nen, eine Flora, zusammengesetzt aus Arten, die im Norden und im Centrum des Continentes den klimatischen Forderungen einer kalten, gemässigten Zone angepasst sind, die dagegen im Süden weniger verwüstet ist, indem man noch hier und da eine gewisse Anzahl von Typen findet, welche der Zerstörung dadurch entgangen sind, dass sie sich auf gewisse Punkte flüchteten und so durch ihr Fortbestehen die Erinnerung an einen längst zerstörten Zustand der Dinge, dessen Zeugen sie waren, fortsetzen. Jede der fünf Perioden, die wir bezeichnet haben, besitzt trotz der geringen Genauigkeit ihrer gegenseitigen Grenzen eine beson- dere Physiognomie, und ist mit einer eigenthümlichen Bildung des Continentes verbunden, welche von der Geographie der vorher- gehenden oder folgenden Periode oft sehr verschieden und häufig von dem Zustande, den wir heute sehen, nicht minder entfernt ist. Die Gesammtheit der Tertiärbildungen entspricht indessen, wie man hinzufügen muss, einem so langen Zeitraume, dass es unrich- tig wäre zu glauben, die Vertheilung der Meere und des Festlandes sei während der Dauer einer jeden Periode unverändert dieselbe - geblieben. Das Gegentheil ist wahr, wenigstens was mehrere unter ihnen betrifft. Sowohl während des Eocen, als während des Miocen und des Pliocen wechselten die Meere mehrmals ihrer Begrenzung nach oder es wurden auch Seebecken durch Meeresbuchten oder umgekehrt ersetzt, ohne dass diese Aenderun- gen, die an und für sich ja sehr bedeutend waren, eine so bemerk- liche Aenderung in der gleichzeitigen Vegetation mit sich geführt hätten, um die Abgrenzung einer besonderen Periode zu recht- fertigen, während welcher eine jede dieser partiellen Bodenschwan- ; kungen stattgefunden hätte. So war während der Dauer des Miocen die Schweiz zuerst von Seen bedeckt (aquitanische Stufe), eh; DER TERTIÄRZEIT. PALAEOCEN. 209 dann durch das Molassemeer überschwemmt (molassische oder helvetische Stufe), nach dessen theilweisem Rückzug hier und da einige neue Seen sich bildeten (Stufe von Oeningen). Trotz dieser Wechselschicksale, deren Bilder auch das süd- liche Frankreich wiedergiebt, behielt doch die miocene Vegetation in ihrer Gesammtheit eine genügende Einheit, und die charak- teristischen Züge ihrer Physiognomie sind von einem Ende der Periode zum anderen beständig und einförmig genug, um weder einen ernsthaften Grund noch einen besonderen Vortheil für eine weitere Zerstückelung der Periode zu bieten. Es ist in der That wahrscheinlich, dass trotz dieses wechselnden Eindringens und Zurückziehens der Gewässer die regulirenden Bedingungen des europäischen Klimas mit Ausnahme einer geringen Verminderung der Temperatur dieselben blieben. Die Wärme nahm in der That während dieser Zeit und in Folge eines, wie es scheint, rein kosmischen Einflusses ab, dessen wahre Ursache bis jetzt nicht enträthselt werden konnte. Aber wir würden uns in unendliche Betrachtungen und Gedanken bei der Verfolgung einer Menge von Einzelheiten verlieren, wenn wir uns nicht beeilten, zu den Hauptlinien unseres Gegenstandes zurückzukehren und mit einer der fünf Perioden nach der anderen uns eingehender zu beschäfti- gen. Wir versuchen also, diese Perioden einzeln betrachten und von jeder wenigstens eine leichte Skizze zu geben. II. Palaeocene Periode. Diese erste Periode entspricht der von D’Orbigny aufge- stellten Stufe von Soissons (Suessonien). Sie folgt auf die Kreide, wenn auch nicht unmittelbar, denn sie ist von der jüngsten oder Mastrichter Kreide durch eine Lücke!) getrennt, deren Ausdeh- 1) Es handelt. sich hier selbstverständlich nur von einer zufälligen Lücke, welche durch glückliche Entdeckungen ausgefüllt werden kann. In der Provence hat Matheron in dem Thale des Arc ein mächtiges Gebilde von Süsswasserseen nachgewiesen, welches eine ununterbrochene Schichtenreihe darstellt, die von der oberen Kreide zu zweifellos tertiären Ablagerungen führt. Leider sind aber diese Schichten sehr arm an Fos- Saporta, die Pflanzenwelt. 2 14 Bänt, . NR Brbe = ” 210 DIE VEGETATIONSPERIODEN nung und Dauer sich nur sehr schwer abschätzen lässt. Die palaeocene Periode ist ziemlich wenig bekannt, nicht nur weil die Ablagerungen, welche uns ihre Spuren hinterlassen haben, wenig mächtig und bis jetzt nur auf wenigen Punkten beobachtet wor- den sind, sondern auch, weil das damalige Meer statt bis in die Mitte von Europa einzuschneiden, wie das mehrere folgende Meere thaten, sich so bedeutend zurückgezogen hatte, dass der Raum des Continentes, beinahe eben so gross war wie in unseren Tagen. Weder das Klima noch die Physiognomie der Pflanzenformen haben sich seit dem Ende der Kreide bedeutend verändert. Die palaeocenen Tertiärbildungen sind hauptsächlich im Nordosten von Paris beobachtet worden, an der Aisne und Marne, bei Soissons, in der Champagne, bei Sezanne, Reims, Vervins und in Verfolgung derselben Linie in Belgien im Hennegau und der Provinz von Lüttich. Sie bestehen aus Mergeln, Sanden, Kalksteinen, meist von geringer Mächtigkeit, häufig von späteren Ablagerungen be- deckt und deshalb schwer erreichbar und sind bald Meeres- ablagerungen, bald Brackwasser- oder Süsswasserbildungen. Man findet sie auch als Thone, die von dünnen Braunkohlenschichten begleitet und von Sandsteinen überlagert sind, wie bei Soissons, silen, und führen gar keine Pflanzenreste. Das „Garumnien*“ vonLeymerie, das aus abwechselnden Süsswasser- und Meeresbildungen besteht, weit nach Spanien hinein vordringt und innig mit dem System der Provence verbunden ist, zeigt ebenfalls die Charaktere einer verwickelten Bildung, die den Uebergang zwischen beiden Epochen herstellt. Die Dacota-Gruppe in Nordamerika, die an ihrer Basis jene sehr reiche Kreideflora enthält, von der wir oben sprachen, verschmilzt nach oben mit einer mächtigen, tertiiren Braunkohlenformation; wenn man aber einerseits die materielle Verbindung zwischen den beiden Schichtengruppen und also auch den beiden Systemen nachweisen kann, so ist man andererseits noch nicht so glücklich gewesen, in denjenigen Schickien, welche den Uebergang direct vermitteln, Pflanzenreste zu finden, wenigstens nicht in hinreichender Menge, um daraus eine irgend re Flora herstellen zn können. Es wäre kindisch, wenn man aus dieser negativen Thatsache einen Schluss zu Gunsten” einer vermeintlichen Revolution ziehen wollte, welche das Pflanzenreich erneuert und dem Zwischenraume zwischen beiden Perioden entsprochen hätte. Es wäre eine durch keine weitere Thatsachen unter- stützte willkürliche Annahme. _In Wirklichkeit ist der Unterschied zwischen der letzten Kreideflora und der ersten Flora des Palaeocen nicht erösser als derjenige, welchen man bei Vergleichung der Floren zweier Stockwerke der Tertiärgebilde findet. DER TERTIÄRZEIT. PALAEOCEN. 211 oder auch als unzusammenhängende Sande, wie bei Bracheux, oder als Kalktuffe, wie bei Sözanne. Der Beobachter findet sich durch Zusammenfassung dieser Thatsachen an die Ufer eines wenig tiefen und wenig ausgedehn- ten Meeres versetzt, das bald vorgeht, bald sich zurückzieht und Wasserläufe aufnimmt, deren Mündungsablagerungen man vorfindet oder sich weit genug zurückzieht, um den Bächen und Quellen zu erlauben, den Boden zu beleben und die Entwickelung grosser Gewächse zu begünstigen. Wenn auch der Schauplatz, auf wel- chen uns unser Gedanke versetzt, nur klein ist, so kann man doch Palaeocene Eichen aus dem Walde von Gelinden. 1. Quercus parceserrata, Sap. und Mar. — 2. Q. diplodon, Sap. und Mar. — 3. @. Loozi, Sap. und Mar. — 4. Aus der Schale gelöste Eichel. — 5. Q. arciloba, Sap. und Mar. bei Untersuchung gewisser Localitäten mancherlei Nachweise er- halten. Die Beobachter haben diese Gelegenheit nicht versäumt, und während uns die Mergel von Gelinden bei Lüttich die Zusam- mensetzung eines palaeocenen Waldes zeigen, während uns die Tuffe von Sezanne die Gewächse kennen lehren, die in derselben Zeit die klaren Gewässer eines Wasserfalles umsäumten, zeigen uns die Sandsteine von Soissons ihrerseits einige der Pflanzen, welche gegen das Ende der Periode in den Thälern und auf dem Strande wuchsen. Einige genauere Einzelheiten über die ebenso reiche als in vielen Beziehungen merkwürdige Flora der drei erwähnten Locali- täten mögen hier folgen. 14* 212 DIE VEGETATIONSPERIODEN Der Wald von Gelinden erhob sich auf Kreidegehängen, deren durch die Regenwasser angefressene Böschungen den Wasser- strömen die Abfälle der Bäume und Pflanzen überliessen, welche Bir a8 sie bedeckten. Diese von schlammigen Wassern fortgerissenen Abfälle wurden in dem Grund- schlamme begraben, womit die Einmündung eines kleinen Flusses angefüllt war, und vermischten sich hier mit den Meerpflanzen, welche die Wellen an das Ufer warfen. Der Wald konnte nicht weit von dem Punkte entfernt sein, wo der Fluss in das Meer einmündete, aber er wuchs sanz gewiss in’einer mehr oder weniger erhöhten und bergigen Gegend. Dies wird nicht nur Fig. 35. 1 1 1 IM == 1 N nt UN BR A Fig. 34. Blatt eines palaeocenen Kastanienbaumes aus dem Walde von Gelinden. Dryophyllum Dewalquei, Sap. und Mar. Fig. 35. Palaeocene Laurineen aus dem Walde von Gelinden. " B = = 5 “ 1. Litsaea elutinervis, Sap. und Mar. — 2. Cinnamomum sezannense, Watt. — 3. Persaea palaeomorpha, Sap. und Mar. — 4. Laurus Omalü, Sap. und Mar. durch die Natur der Bäume bewiesen, aus welchen er zusammen- gesetzt war, sondern auch durch das Verhalten der Mergelkreide, welche die Pflanzen enthält und die von schlammigen Massen ab- DER TERTIÄRZEIT. PALAEOCEN. 213 stammt, welche dureh das Flusswasser von ziemlich steilen Ab- hängen abgeschwemmt wurden, die leicht angegriffen werden konnten, Die verbreitetsten Bäume dieses Waldes waren (Quercineen, die etwa ein Dutzend Arten geliefert haben und ferner Laurineen. Unter den ersteren waren einige, wie es scheint, wahre Eichen, ähnlich denen der Berggegenden der heissen gemässigten Zone; die anderen nähern sich unseren Kastanienbäumen, haben aber ausdauernde Blätter, wie die indische Gattung Castanopsis. Unter den Laurineen finden sich ein wahrer Lorbeer (Laurus Omalii Sap. et Mar.), Litsaea, Persea oder Avogado - Bäume, Zimmt- und Kampherbäume. Sie unterscheiden sich übrigens sehr wenig von den Formen derselben Gruppe, welche in Europa in einer viel späteren Zeit auftreten, nämlich bis zum Ende des Miocen und selbst in der ersten Hälfte des Plioceen. Mehlbeerbäume, ein Fig. 36. Fig. 37. Palaeocener Mehlbeerbaum des Waldes Palaeocene Araliacee des Waldes von . N . ‚von Gelinden. Gelinden. Viburnum vitifolium, Sap. und Mar. Aralia Looziana, Sap. und Mar. Epheu, eine Art von Niesswurz (Fig. 38), mehrere Araliaceen, Menispermeen, Coelastrineen und Myrtaceen vollendeten das Ganze, zı welchem man noch einen ziemlich seltenen Lebensbaum und 214 DIE VEGETATIONSPERIODEN einige Farne rechnen muss, unter welchen eine Osmunda (Fig. 39), deren verwandte Art unter wenig verschiedener Form noch heute im Grunde der Wälder und am Fusse feuchter und schattiger Ab- hänge unsere Bäche schmückt. Diese älteste Gesellschaft, welche uns die beginnende Tertiär- zeit hier vorführt, zeigt demnach an sich nichts Ungewohntes, noch selbst viel Ausländisches, nichts, mit einem Worte, was vom Hintergrunde unserer Landschaften abstechen würde, voraus- gesetzt, dass man sich um einige Grade nach dem Süden hin be- wegte. Das südliche Japan würde uns etwa ähnliche Gehölze zeigen. Es besitzt noch heute Mehlbeeren, Lebensbäume und Eichen, die denen von Gelinden sehr ähnlich sind und selbst ohne so weit zu gehen, könnte man im Süden Europas eine Eiche fin- den, welche getreu die hauptsächlichsten Züge einer der palaeo- cenen Arten wiedergiebt. Wir meinen die in Algerien und Spanien wachsende falsche Korkeiche, Quercus pseudosuber. Bis jetzt hat man noch keine Palmen in Gelinden gefunden, aber vielleicht könnte man einige Trümmer für die Fiederblättchen einer Cycadee halten, und diese Spuren müssen uns warnen, nicht allzu schnell von dem Besonderen auf das Allgemeine zu schliessen. Wenige Schritte von diesem Walde immergrüner Eichen und Lorbeeren konnten viele andere Gewächse sich erheben, ohne dass wir von deren Existenz Kunde hätten. Durch die Untersuchung dieser Ablagerung haben wir nur erfahren, dass auf einigen Punkten des palaeocenen Europas, in der heutigen Provinz von Lüttich und im nördlichen Frankreich Wälder existirten, die eine Pflanzengesell- schaft zeigten, wenig verschieden von denjenigen, welche in ähn- lichen Stationen des südlichen Theiles unserer Zone wachsen. Dieses nachweisen zu können, ist schon viel werth. Die Umgebungen des Wasserfalles von Sezanne, die, von gross- artigen Bäumen umgeben, in tiefem Schatten lagen und mit Pflan- zen bedeckt waren, welche, frische Kühle lieben, zeigen uns unter anderen Bedingungen einen Luxus der Vegetation, der uns nicht überraschen kann. Hier findet sich eine Ueberfülle von Farnen, die einen zart und fein, die anderen ebenso kräftig als elegant und einige wenigstens baumförmig. Sie wuchsen zum Theil über das Wasser geneigt, auf von Lebermoosen bedeckten Felsen mit in DER TERTIÄRZEIT. PALAEOCEN. 215 Palaeocene Helleboree (?) des Waldes von Gelinden. Dewalguea Gelindenensis, Sap. und Mar. Fig. 39. Palaeocenes Farnkraut des Waldes von Baumfarn von Sezanne (Stück eines Gelinden (Spitze eines Blattwedels). Blattwedels). Osmunda eocenica, Sap. und Mar. Alsophila thelypteroides, Sap-. a 216 DIE VEGETATIONSPERIODEN das Wasser getauchten Wurzeln, oder auch im Schatten des be- nachbarten Waldes. Grosse Lorbeeren, unter welchen man einen Sassafras mit dreilappigen Blättern bemerkt, wuchtige Nussbäume, mächtige Fig. 41. Fig. 42. Palaeocene Laurinee von Sezanne. Palaeocener Epheu von Sezanne. Sassafras primigenium, Sap. Hedera prisca, Sap. Linden, Magnolien, Erlen und Weiden, vermischt mit Mehlbeeren und Korneelkirschen von ausländischem Ansehen und wuchernden Formen drängten sich überall. Aber zwischen diesen grossen Ge- wächsen, zu denen man noch Feigenbäume, Artocarpeen, Melia- ceen, Pterospermeen und Symplocos, alle von tropischer Verwandt- schaft, rechnen muss und von denen man zuweilen sogar Blumen in dem einhüllenden Tuff gefunden hat, hätte man noch einen Epheu finden können, der kaum von der heutigen irländischen Varietät verschieden ist, und sogar einen Weinstock (Fig. 43), den- jJenigen Formen der Gattung analog, die heute in den ländlichen Thälern von Nepaul und Inner-Asien wachsen. ‘Trotz des Reichthums und der Mannigfaltigkeit der Formen, welche der Frische des Standortes zuzuschreiben sind, können wir also hier wie in Gelinden nachweisen, dass diejenigen For- DER TERTIÄRZEIT. PALAEOCEN. 217 men, welche dem mittleren Theile unserer Zone, namentlich in Asien, eigenthümlich sind, zwar nicht ausschliesslich existiren, aber doch vorherrschen. Dieselben sind freilich mit Typen ge- mischt, welche man gewöhnlich nur in den ganz heissen Ländern findet, sowie mit anderen, welche ganz ausgestorben scheinen, Fig. 43, Palaeocener Weinstock von Sezanne. (Neuerdings nach den Angaben von Munier- Chalmas entdeckt.) ‚Vitis sezannensis, Sap. wie z. B. eine merkwürdige Tiliacee von Sezanne, deren Blüthen und Blätter ohne Zweifel eines Tages werden abgebildet werden und von welchen Munier-Chalmas und Renault prachtvolle Präparate hergestellt haben. Die Sande von Bracheux und die Sandsteine von Soissons, die von niedrigen, heissen und entblössten Strandstrecken her- rühren, haben Pflanzen von mannigfaltigerem Ansehen geliefert, worunter namentlich Myriceen, Araucarien, einen Bambus und mehrere Palmen mit fächerförmigen Blättern, welche Watelet entdeckt, beschrieben und abgebildet hat. Eine Besonderheit der europäischen palaeocenen Flora, die ich hier erwähnen will, weil sie aus ganz neuerlichen Beobach- tungen hervorgeht, besteht darin, dass sie durch eine ziemlich nahe Verwandtschaft des Aussehens und selbst durch den gemein- 218 DIE VEGETATIONSPERIODEN schaftlichen Besitz gewisser Typen einerseits mit der Flora der Braunkohlenformation zwischen dem Missouri und den Felsen- gebirgen in Amerika und andererseits mit der Tertiärflora von Grönland und anderen Polargegenden verbunden ist. Die weite, an Brennstoff reiche Tertiärformation, welche sich über einen ungeheuren Raum in den neuen Territorien des Westens Nordamerikas, in Colorado, Utah und Wyoming erstreckt, ent- hält Braunkohlen mit einer Flora, die kaum bekannt ist. Sie wurde neuerdings unter der Oberleitung des Geologen Hayden von Leo Lesqu&reux untersucht, der sie in drei übereinander gelagerte Horizonte theilte, von denen der unterste offenbar unserm Eocen entspricht. Trotz der geographischen Entfernungen der Localitäten ist doch die Verbindung dieser Flora mit der palaeocenen Flora Europas sehr fühlbar. Diese Verbindung erhellt aus der nahen Verwandtschaft einiger Farne der Braunkohle mit denen von Gelinden und Sözanne, aus der Gegenwart sehr ähn- licher Palmen, Artocarpeen oder Moreen, welche den Gattungen Protoficus und Artocarpoides von Sezanne sehr ähnlich sehen. Die Zimmtbäume dieser Braunkohle sehen aus wie die von Gelinden. Viburnum marginatum von Lesquereux unterscheidet sich kaum von Viburnum vitifolium, das wir abgebildet haben (Fig.36). Eben so verhält es sich mit manchen anderen Arten, und die Verbindung dieser Verwandtschaftsanzeigen hat etwas zu Bestimmtes und Auf- fallendes, als dass man nicht an ein gemeinsames Band zwischen beiden Floren und beiden Gegenden denken müsste, welches sie zu der Zeit vereinigte, als sie gemeinschaftlich jene Pflanzen besassen, deren Spuren wir beobachten. Die Analogie der palaeocenen Flora Europas mit der Tertiär- flora der Polargegenden, namentlich derjenigen von Atanekerdluk im westlichen Grönland, ist nicht minder auffallend. Sie lässt glauben, dass diese letztere in der That dem unteren Miocen vor- hergeht, in welches Stockwerk Prof. Heer, der sie beschrieben hat, sie vorläufig einreihte. Es existirt in der That zwischen dieser Flora und derjenigen des europäischen Palaeocen eine Art Paral- lelismus der Arten, welche man nicht allein dem Zufall zuschreiben kann. Dieser Parallelismus, der in mehreren Fällen fast bis zur absoluten Identität der correspondirenden Formen geht, muss um so mehr die Aufmerksamkeit fesseln, als er der hier betrachteten y ö “ DER TERTIÄRZEIT. PALAEOCEN. 219 Periode eigenthümlich scheint, während er in der folgenden, der eigentlich eocenen Periode, sich verwischt oder sogar ganz ver- schwindet. Die Erscheinungen, deren Schauplatz Europa in dieser letzten Periode gewesen zu sein scheint und auf welche wir zurück- zukommen denken, erklären vielleicht in sehr natürlicher Weise die Discordanz, deren Höhepunkt in den Anfang des Oligocen fällt. Man muss indessen auch gestehen, dass die Ursachen, welche diese Schwankungen der alten europäischen Vegetation erzeugten, noch zu dunkel, und ihre Wirkungen noch zu unvoll- kommen bekannt sind, als dass man sich jetzt schon schmeicheli dürfte, ihren Schlüssel zu besitzen. Die Annäherungen selbst, deren Liste wir leicht geben könn- ten, sind zu zahlreich, und manche unter ihnen zu auffallend, als dass sie zufällig sein könnten. Vielleicht rührt diese Gemein- schaftlichkeit der Formen zwischen Europa und dem äussersten Norden nur daher, dass in der Periode, die wir betrachten, und in einer Zeit, welche der secundären Epoche so nahe war, die Differenzirung der Breiten nur noch sehr schwach ausgesprochen war. Geographische Verbindungen genügten dann, um die Ent- fernung aufzuheben, welche die beiden Regionen trennt, und den Arten der Gewächse zu erlauben, sich frei nach allen Seiten aus- zudehnen. Wenn auch in der darauf folgenden Epoche die Ver- schiedenheiten noch nicht so ausgesprochen waren, um eine un- übersteigliche Schranke zu bilden, so vermehrten sie sich doch immer mehr und mehr. Wir werden nachweisen, dass in dieser Zeit Europa durch einen südlichen Einfluss getroffen wurde, der von einer Einwanderung südlicher Formen begleitet war, wodurch neue Arten eingeführt wurden, die auf ihrer Wanderung gegen Norden hin niemals gewisse Grenzen überschritten haben. Die Schicksale der nordischen Arten waren sehr davon verschieden. Sie wurden zuerst zurückgedrängt, kehrten aber dann aufs Neue durch Einwanderung in die südlichen Gegenden zurück in Folge der allmäligen Abnahme der Temperatur des Erdballs. Aus der Combination und den Conflicten dieser Doppelbewegung, die nach entgegengesetzten Richtungen hin sich erstreckte, indem die eine ihren Ausgangspunkt im Süden, die andere dagegen im höchsten Norden hatte, gingen die folgenden Perioden mit allen Erscheinun- gen hervor, welche sie auszeichnen. 220 DIE VEGETATIONSPERIODEN II. Eocene Periode. Diese Periode ist einerseits durch das Auftreten und die Fort- dauer des Nummulitenmeeres bezeichnet, welches auf zahl- reichen Punkten in Europa einbricht und weiter nach Asien und Afrıka in solcher Weise sich erstreckt, dass es eine Art Mittelmeer bildet, von welchem das heutige nur ein sehr verringertes Abbild giebt; andererseits scheint die Wärme in Europa zuzunehmen und unser Continent wird in Folge dessen mit Pflanzenformen über- schwemmt, deren Verwandtschaft mit denjenigen von Afrika, Süd- asien und den ostindischen Inseln klar hervortritt. Durch die Verbindung dieser beiden Punkte giebt man sich von dem doppel- ten Einflusse Rechenschaft, welcher in dieser Epoche wirkte und dem wir sowohl das allgemeine Ansehen der Flora als auch die Ausdehnung von Typen verdanken, welche nach ihrer Einführung oder Verbreitung erst später unseren Boden in Folge von neuen Aenderungen in der Geographie und im Klima wieder verliessen. Während der Dauer der eocenen Periode, oder genauer wäh- rend des ersten Theiles dieser Periode, erfüllte das Grobkalk- meer das Becken von Paris und erstreckte sich bis nach London und in Belgien hinein; dann treten Bodenschwankungen ein und alle inneren Meere ziehen sich allmälig in dem Maasse zurück, als man gegen das Ende dieser Periode vorgeht. Sie vermindern sich, trocknen aus und machen zuweilen süssen, fliessenden oder stehenden Gewässern Platz. Im südlichen Frankreich, namentlich in der. Provence, bilden sich Seebecken, die meistens mit verschiedenen Schwankungen noch während der Dauer der folgenden Periode und sogar darüber hinaus sich erhalten. Von dem Eocen an bis zum Einbruch des Molassenmeeres verdient die Provence den Namen einer Seegegend. Sie hat Süsswasserseen in Menge und ohne Zweifel fiel damals eine von der heutigen sehr verschiedene physische Bodenbildung mit der Menge dieser Seebecken zusammen, von welchen einige, wenn nicht sehr ausgebreitet, doch tief gewesen sein müssen und andere zuweilen sich in Brackwasserlagunen umwandelten. ne DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 221 Das Nummulitenmeer !) schnitt schief durch Europa, indem es von Nizza bis nach der Krimm hin etwa die Richtung der Alpen- kette befolgte, auf deren später erhobenen Gipfeln seine Ablagerun- gen an sehr vielen Orten sich finden. Es erstreckte sich ausser- dem noch in die Kette der Pyrenäen, nach Spanien, Italien, Grie- chenland, Kleinasien, Afrika, Syrien, Arabien und noch weiter gegen Osten bis nach Persien, Ostindien und China. Es war eines der grössten Binnenmeere, von welchen die Geologie uns Kenntniss giebt. Das gleichmässige Verhalten der von ihm gebildeten Ab- lagerungen bezeugt gleichzeitig die grosse Ausdehnung und Einheit dieses Beckens, sowie die Gleichheit der biologischen Bedingungen, die in seinem Schoosse und an seinen Ufern herrschten. Das Meer des Pariser Grobkalkes bildete einen kleinen Golf oder eine winklige Bucht, deren Grenzen zeitweise sehr gewechselt haben und die mit dem grossen Nummulitenmeer keine directe Verbindung gehabt zu haben scheint. Die Pflanzen, welche man im Umkreis dieses Golfes bei London (auf der Insel Sheppy), in Belgien und bei Paris gesammelt hat, weisen auf eine ziemlich hohe Wärme hin, die an den Ufern dieses Golfes geherrscht haben muss, und die so bedeutend erscheint, dass man die Gegenwart dieser Pflanzen durch die Annahme erklären wollte, dass Meeres- strömungen sie direct aus entfernten Gegenden bis an ihre jetzige Lagerstätte gebracht hätten. Später ist man von dieser sonder- baren Idee zurückgekommen, und man hat im Gegentheil durch eine Menge von Thatsachen nachweisen können, dass überall in der Umgebung des alten Golfes dieselben Formen herrschten und dass diese Gewächse an diejenigen des südöstlichen Afrikas und der Inseln und Ufer des Indischen Meeres erinnern. Früchte, zuweilen von bedeutender Grösse und von eckig zusammengedrückter Gestalt, die eine faserige Hülle besassen, und im Ganzen den Cocosnüssen nicht unähnlich sind, schwammen ohne Zweifel auf der Oberfläche der Gewässer, bevor sie in den sandigen oder schlammigen Ablagerungen der Ufer begraben wurden. Diese Früchte, die an einigen Orten des alten Pariser Meeres sehr häufig sind, gehören der Gattung Nipa an, einem 1) Man sehe auf Taf. X die Karte Europas zur Zeit des Nummuliten- meeres. 292 DIE VEGETATIONSPERIODEN indischen Gewächse, das den Uebergang zwischen der Gruppe der Pandaneen und derjenigen der Palmen bildet und heute in der Nähe der Mündung des Ganges an den Ufern dieses Flusses wächst. Diese Pflanzen haben etwa das Ansehen von Palmen; sie wurzeln in dem Schlamme der halbsalzigen Lagunen und lassen ihre in Büschel vereinigten Früchte in das Wasser fallen, welches zur Zeit der Ueberschwemmungen dieselben im Schlamme ablagert. Die Mündungen der Flüsse, welche sich in den eocenen Pariser Golf ergossen, waren von Nipaarten umsäumt (Nipadites Burtini, Brogn. (Fig. 44), N. Parkinsoni, Row., N. Bowerbanki, Ett.), deren im Boden des Wassers begrabene Früchte häufig wunder- bar erhalten sind. So verhält es sich nament- lich mit den von Bowerbank beschrie- benen Früchten von der Insel Sheppy. Flüssigkeiten, welche Kalk, Kieselerde oder metallische Stoffe in Auflösung enthielten, haben sie durchdrun- sen und alle Einzel- heiten ihrer Structur bewahrt. In den san- digen Mergelschichten des Trocadero in Paris finden sich dieselben Früchte im Zustande von Abdrücken. In Folge der Erdarbeiten, die man an diesem Punkte bei Gelegenheit der Ausstellung von 1867 unternahm, wurden fluviomarine Ablagerungen aufgedeckt, die von der Mün- dung eines Wasserlaufes herrühren, und in einer der Schichten fand man eine ziemliche Anzahl fossiler Pflanzen. Dieselben gaben ein ganz richtiges Bild von der unmittelbaren Uferflora und von den Pflanzen, welche in den Lagunen der Mündung oder auf dem Strande in geringer Entfernung von dem Meere wuchsen. In denselben Gewässern lebte in ähnlicher Weise wie unser Laichkraut (Potamogeton) eine Hydrocharidee mit breiten, viel- nervigen Blättern, die in und auf dem Wasser schwammen, eine Nipadites Burtini (Brongn.) Schimp. DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 223 Pflanze, welche eine nahe Verwandte oder vielleicht eine Art der heutigen Gattung Ottelia ist, die in den Uferlagunen und in der Ottelia parisiensis, Sap- Nähe der Flussmündungen von Afrika, Indien, Ceylon und selbst Australien heute dieselbe Rolle spielt. Die Art vom Trocadero (Ottelia parisiensis, Sap. (Fig. 45), Phyllites multinervis, Brogn.) gleicht sehr der heutigen Ottelia ulvae- folia Pl., einer auf der Ostküste von Madagascar heimischen Pflanze, deren Dimensionen sie nicht nur erreicht, sondern sogar in einzelnen Fällen über- schreitet. Die Früchte von Nipa sind nicht selten in dem überschwemmten Schlamme, in welchem die Ottelia wur- zelte, aber die Blätter der Nipa-Arten, welche auf dem benachbarten Strande wuchsen, sind bis jetzt weder in Paris noch in London in den Ablagerungen sefunden worden, in welchen man die Reste ihrer Früchte findet. Unter den übrigen Gewächsen des Trocadero, welche längs dem Wasser auf dem alten Strande wuchsen, müssen wir in erster Linie eine Wolfsmilch ( Euphorbia) erwähnen, die den grossen, strauch- ähnlichen Formen der Gattung ähn- lich ist, welche im südlichen Europa, in Afrika und den Canarischen Inseln längs der Meeresküste und auf den steilen Gehängen der Uferriffe wach- sen. Ferner einen Oleander, Nerium parisiense, Sap. (Fig. 46 a. f. S.), der wie der unserige die feuchten Orte liebte, aber weit kleiner war, eine wahre Zwergform, deren schmale und lange Blätter indessen doch hinsichtlich ihrer Gestalt wenig von denen unseres heutigen Oleanders abwichen und dessen Blüthen wir sogar herstellen können, da uns ein Bruch- stück der Blumenkrone übermittelt wurde. 994 DIE VEGETATIONSPERIODEN Die in einer gewissen Entfernung von dem eocenen Wasser- laufe des Trocadero gelegenen Ebenen und Hügel besassen nur Fig. 46. Nerium parisiense, Sap. Eocener ÖOleander aus den Mergeln des Trocadero. 1 bis 3. Blätter. — 4. Blumenkrone. eine magere Vegetation, zusammengesetzt aus kleineren Fächer- palmen, einigen Coniferen, wie Fichten und Lebensbäume, küm- merlichen Eichen mit schmalen und lederartigen Blättern, und mageren Myriceen; dabei fand sich ein Gewächs, welches man der australischen Gattung Dryandra (Fig. 47, 4 bis 7) anreihen muss, und endlich ein Judendorn (Zizyphus), der den afrikanischen Arten der Gattung ähnlich ist. Das sind im Ganzen die Pflanzen, welche in dieser seltsamen, übrigens ziemlich armen Vegetation vor- herrschten. Wenn auch diese Pflanzen wenig zahlreich sind, so liefern sie doch ein Beispiel einer merkwürdigen Erscheinung, von welcher wir hier einige Worte sagen müssen. Wir meinen die Erschei- nung der Recurrenz, welche durch eine Art periodischer Wiederkehr, die in aufeinander folgenden Intervallen stattfindet, das Wieder- auftreten von Pflanzenformen mit sich bringt, die man schon ein- mal, und zwar immer in derselben Vergesellschaftung, beobachtet hat. So erscheinen mehrere der in den Mergeln des Trocadero gesammelten Arten aufs Neue in der oligocenen Ablagerung von Häring in Tirol, und zwar ohne Aenderung oder mit so geringen Abweichungen, dass es leicht hält, in den neueren Arten den Typus ihrer Vorgängerinnen zu erkennen. Doch scheint es, als wären in dem Zwischenraume diese Arten verschwunden, da man sie bisher noch nicht aufgefunden hat. Dies ist indessen ohne Br: DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 2935 Zweifel nur eine Täuschung, und es sind in Wahrheit dieselben Pflanzen, die man wieder findet, und die nur durch den Einfluss Fig. 47. I SE I S0 ASS u z ı We Bi Eocene Myriceen und Proteaceen aus dem Pariser Becken und den Arkosen von Puy-en-Velay (Haute-Loire). 1 bis 3. Comptonia Vinoyi, Sap. (Haute Loire). — 4 bis 7. Dryandra Micheloti, Wat. (Fig. 4, 6 und 7 aus dem Pariser Becken, Fig. 5 von der Haute-Loire). — 8. Myriea erenulata, Sap. (Haute-Loire). — 9. Myrica subhaeringiana, Sap. (Pariser 3 Becken). der Zeit und die Umstände einigermaassen verändert worden sind. Ihr Nichtvorkommen in der Zwischenzeit beweist nur, dass sich damals keine Ablagerung bildete, deren Lage und Bedingungen günstig genug gewesen wären, um unsReste von diesen Arten und den sie begleitenden Gewächsen zu überliefern. Wenn auch die Erscheinung so ihre natürliche Erklärung findet, ohne dass man nöthig hätte, zur Hypothese einer zweiten, oder in manchen Fällen sogar einer dritten Schöpfung zu greifen, so ist sie dennoch nicht minder interessant, weil wir durch sie das genaue Maass der Ver- änderungen erhalten, die in der Zwischenzeit vor sich gingen und ausserdem durch die Ausdehnung der mehr oder minder fühlbaren Saporta, die Pflanzenwelt. 15 226 DIE VEGETATIONSPERIODEN Modificationen ohne besondere Mühe die Fähigkeit ermessen kön- nen, mit welcher diese alten Arten sich fixirten oder umwandelten. Fig. 48. —— Charakteristische Pflanzen vom Trocadero (Paris). Euphorbiophyllum vetus, Sap. Eocene Wolfsmilchart. — 3 bis 5. Zizyphus pseudo-Ungeri, Sap., Eocener Judendorn. 1 bis 2. Fig. 49. Öligocene Arten aus den Braunkohlen von Häring in Tyrol. Ibis '3, Comptonia dryandraefolia, Brongn. — 4 bis 6. Myrica haeringiana, Fit, a 7 bis 8. Zi yphus Ungeri, Btt. DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 2337 Phoeniz Aymardi, Sap.; eocene Dattelpalme aus den Arkosen von Puy-en-Velay. Blatt- wedel mit einem männlichen Blüthenbüschel. hy. 228 DIE VEGETATIONSPERIODEN Die beigegebenen Figuren (Fig. 47 und Fig. 49) geben die Ble- mente dieser Frage in Beziehung auf die Vergleichung der Floren von Häring und vom Trocadero. Die erstere ist oligocen und dem- nach weit jünger als die zweite, welche, wie wir gesehen haben, dem mittleren Eocen angehört. Neben die Flora des Pariser Grobkalkes gehört. diejenige, welche von Aymard und Vinoy in den eocenen Arkosen von Puy-en-Velay gefunden wurde. Sie enthält dieselben charakte- ristischen Formen wie die erstere, unter anderen Dryandra Micheloti (Fig. 47). Aber der Fundort von Puy bedarf einer ganz besonderen Erwähnung wegen einer merkwürdigen, von Aymard entdeckten Palme, deren fast vollständiges Blatt noch von dem männlichen Blüthenbüschel begleitet ist, dessen Charaktere zur Be- stimmung der Gattung, zu welcher die Art gehörte, vollkommen genügen. Die fossile Art gleicht durch die Charaktere ihres Blatt- wedels mit gefiederten Blättchen, durch ihren spatelförmig ver- breiterten Blüthenstand, der auf seinem Gipfel in eine Menge von feinen, büschelförmigen Zweiglein oder secundären Axen getheilt ist, auf welchen noch Reste von Blüthenschüppchen sitzen, in deren Achseln die männlichen Blüthen befestigt sind, ganz gewiss unse- rer heutigen Dattelpalme (Phoenix dactylifera), von der sie aber nicht nur durch gewisse, leicht erkenntliche Einzelheiten, sondern auch durch die weit geringere Grösse sich unterscheidet. Da die Gattung Phoenix heut zu Tage hauptsächlich afrikanisch ist, so bestätigt diese Palme, wie so manche andere Anzeichen, die Exi- stenz einer engen Verbindung zwischen der eocenen Flora Europas und derjenigen des heutigen Nachbarcontinentes im Süden. Gehen wir in der Reihe der eocenen Ablagerungen höher hinauf, so finden wir noch in zwei anderen Niveaus Floren, die der Mitte und dem Ende der Periode entsprechen, welche uns eben beschäftigt. Betrachten wir zuerst den älteren dieser beiden Horizonte. Nach dem Rücktritte des Meeres, in welchem sich der Pariser Grobkalk ablagerte, wurden die Niederungen in den Thälern der Seine und in dem Raume, welcher dem Plateau ent- spricht, das heute die Seine von der Loire trennt, von süssen Wassern ausgefüllt. So bildeten sich-die Sandsteine von Beau- champ, die Kalke von Saint Ouen und endlich die Gypse vom Montmartre und mit ihnen zugleich entstanden die pflanzen- DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 2239 führenden Ablagerungen der Sarthe und der Umgebungen von Angers. In den Schichten der Insel Wight und in den Braun- kohlensandsteinen von Skopau in Sachsen fand Prof. Heer die Ueberreste einer Flora, welche mit derjenigen von der Sarthe gleichzeitig ist, die im Laufe der letzten Jahre von Cri@ mit be- sonderer Sorgfalt untersucht wurde. Folgen wir den Fussstapfen des genannten französischen Forschers, so finden wir uns nicht mehr auf häufig überschwemm- ten Niederungen in der inneren Umgebung eines Golfes, noch auf heissen und zum Theil sterilen Uferstrecken; wir sehen vielmehr die Reste üppiger Wälder von Podocarpeen, immergrünen Eichen, Lorbeeren, Ebenholzbäumen und Myrsineen, die in der Nähe der Gewässer von einem Oleander geschmückt werden, der von dem- jenigen des Trocadero verschieden ist, und ausserdem einige Farne von exotischem Aussehen enthalten, die im Schatten der grossen Bäume wuchsen. Zu diesen Bäumen gesellte sich noch eine mäch- tige Conifere, deren Zweige denjenigen der Araucarien ähnlich sehen. In den Sandsteinen von Mans findet man ferner die Spuren von mehreren Arten sehr seltsam gebildeter Früchte, die schwer zu bestimmen sind. Einige gleichen den Früchten der zu den Rubiaceen der heissen Länder gehörenden Gattung Morinda, deren zu einem dichten Köpfchen vereinigte Blüthen ein Syncarpum entstehen lassen, d. h. eine durch die wechselseitige Verwachsung aller Ovarien gebildete Himbeerfrucht; andere zeigen auf eine grosse Tiliacee hin, noch andere endlich gleichen den zerstreuten Kelchen mehrerer Arten von Dattelpflaumen (Diospyros). Man sieht, dass die heutigen exotischen Gewächse in dieser Gesellschaft vorwiegen, ohne dass die anderen ganz ausgeschlossen wären. Aber diese letzteren gleichen nur entfernt unseren heutigen europäischen Arten, und ihre Schwestern müssen eher in südlichen Gegenden gesucht werden. Die Verwandtschaft der eocenen Vegetation der Sarthe mit derjenigen der heissen Länder wird noch durch die Gegenwart, ich möchte sagen durch die Fülle von Palmen bezeugt, die durch mehrere Arten vertreten sind, von welchen einige durch die Mächtigkeit und Schönheit ihrer Blattwedel sich auszeichnen und an die Sabalpalmen von Cuba und von Florida erinnern. Die Flora der Gypse von Aix, die einem weit höheren Hori- zont angehört als die vorhergehenden und sich an die äusserste 230 DIE VEGETATIONSPERIODEN Grenze der Periode stellt, ist bei Weitem die reichste und am besten bekannte und verdient in mehr als einer Beziehung unsere Aufmerksamkeit. Sie bietet eine seltsame Mischung von noch in Europa oder an den Ufern des Mittelmeeres heimischen Pflanzen und von gänz- lich exotisch gewordenen Formen, deren Verwandte man im süd- westlichen Afrika oder im südöstlichen Asien suchen muss. Diese Mischung ist beim ersten Anblicke äusserst überraschend und die daraus hervorgehende Verwirrung scheint unlöslich. Ueberlegt man aber die Sache genauer, so kommt man zu genügender Erklärung. Um dies aber zu können, müssen wir vorher die Örographie der alten tertiären Localität wieder herzustellen suchen. Die Stadt Aix liegt auf dem nördlichen Ufer des kleinen Flusses Arc (um es genauer auszudrücken, müsste man statt Arc Larus sagen, denn dieses ist der berühmte Fluss, an dessen Ufer um das zweite Jahrhundert v. Chr. Marius die Teutonen besiegte). Der Arc fliesst von Ost nach West in einem engen - Thale, dessen Oeffnung einer Bodenschwankung entspricht, in Folge deren in der Mitte der Eocenzeit das Gewässer des Sees aus dem Becken, welches es vorher einnahm, gedrängt und weiter nach Norden verpflanzt wurde. So entstand ein neuer See in dem Raume, der heute die Stadt Aix von der Durance trennt. Es war ein tiefes Becken von geringer Grösse (man kann die Länge auf 18 bis 20 km, die Breite auf 15km schätzen). Im Osten erhob sich der Berg von Sainte Victoire, der heute ohne Zweifel weit niedriger ist, als er damals war. Die Trümmer der Gesteine seiner Gehänge wurden durch die Rieselwässer in den eocenen See ge- schwemmt, dessen Tiefen sie theilweise anfüllten. Die Lage dieses Sees gegenüber den Abstürzen von Sainte Vietoire kann etwa mit derjenigen des Sees von Neuchätel gegenüber dem Jura verglichen werden, oder auch mit derjenigen des Vierwaldstättersees am Fusse der Alpen der Centralschweiz. Die Dauer dieses Sees ver- längerte sich weit über die Grenzen des Eocen, durch das Oligo- cen und das untere Miocen hindurch. Während der ersten Zeit seiner Dauer war der See der Schauplatz mannigfaltiger Erschei- nungen; heisse Quellen stiegen auf, bald Schwefel, bald Kieselerde, bald kohlensauren Kalk in Lösung enthaltend. Es gab Ausströ- DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 231 mungen mephitischer Gase und später vulcanische Ausbrüche mit Ergüssen basaltischer Lava. Alle diese Erscheinungen beweisen eine unterirdische Thätigkeit, die unaufhörlich im Schoosse des Sees auftauchte und zu wiederholten Malen den lebenden Wesen, die ihn bevölkerten, Tod und Verderben brachte, Ganze Bänke von Fischen wurden überrascht und in dem Mergelschlamme des Grundes begraben, der uns ihre Abdrücke getreu überliefert hat. Diese Fische gehörten mehreren Gattungen an, von welchen die eine (Lebias) noch heute die süssen Gewässer Sardiniens und Nordafrikas bewohnt. Die in grosser Zahl erstickten Insecten, worunter sehr kleine Florfliegen, Schmetterlinge, Libellen, geflügelte Ameisen und Bienen, wurden von dem Winde in den See geschleu- dert und hinterliessen in den sich bildenden Schieferplatten ihre zarten Abdrücke, welche zuweilen noch Spuren ihrer Farben er- halten haben. Während dieser Zeit schwemmten die angeschwol- lenen süssen Wasser, die Bäche und Quellen, in gleichzeitiger Thätigkeit mit den Winden und den Regen, Pflanzenreste aller Art auf den Grund des Sees, namentlich Blätter, Zweige, Blumen und Früchte, mit einem Worte, alle Theile, welche von den Pflan- zen losgerissen, oder in natürlicher Weise von den Bäumen und Sträuchern abgefallen waren, die längs des Ufers oder in der be- nachbarten Gegend wuchsen. Unter gewöhnlichen Umständen lieferten nur diejenigen Arten, welche am häufigsten in der unmittel- baren Nähe des Wassers wuchsen, die in den Ablagerungen er- haltenen Ueberreste. Aber hier waren die Bedingungen ausnahms- weise günstig. Das Ufer war nicht nur reich gegliedert und reich bewachsen, sondern der Berg, der später von dem Sieg des Marius seinen Namen erhalten sollte, erhob auf dem östlichen Ufer des Sees seine Abstürze und sprang sogar, wie es scheint, in Form einer Landzunge an demjenigen Orte in den See vor, der heute der Windmühlenhügel genannt wird. So konnten mit Hülfe eines Flusses und seiner Nebenzuflüsse gewisse in Berggegenden oder im Hintergrunde der Wälder und der tief eingeschnittenen Thäler wachsende Pflanzen bis zu uns kommen. Die Gegenwart dieser Arten wird häufig nur durch ein einzelnes, isolirtes Blatt bezeugt, zuweilen sogar nur durch ein winziges, leichtes Organ, das aber durch den Wind leicht bis zu einem von seinem Ursprungsort weit entfernten Punkt getragen werden konnte. 232 DIE VEGETATIONSPERIODEN In der Nähe des Sees wuchsen eine Menge von Coniferen, von welchen wir die charakteristischen Arten auswählen und ab- bilden. Man fand hier Fichten von wahrscheinlich niedrigem Wuchse aber mannigfaltigen Formen, deren Zweige, Knospen, männliche Blüthenkätzchen und Zapfen bis auf uns gekommen sind (man sehe die Abbildung des Zapfens von Pinus Philiberti, Fig.51, 9, der durch seine lange und schmale Form sehr merkwürdig ist). Neben den Fichten zeigen sich zahlreiche Lebensbäume, mit afrikanischen Typen verwandt (Callitris und Widdringtonia), und selbst ein Wachholder (Juniperus ambigua), unserm Sadebaume ähnlich, Fig. 51. Eocene Coniferen aus den Gypsen von Aix. 1 bis 4. Callitris Brongniartü, Endl. (1, Zweig; 2 und 3, Früchte; 4, Samen). — 5 bis 6. Widdringtonia brachyphylla, Sap. (5, Zweig; 6, Frucht). — 7 bis 8. Juni- perus ambigua, Sap. (7, Zweig; 8, Frucht). — 9. Pinus Philiberti, Sap.; Zapfen. aber noch näher verwandt mit einer in Kleinasien und Griechen- land einheimischen Art, Juniperus foetidissima, Wild. Die Früchte der fossilen Art, welche diese Annäherung rechtfertigen, sind neuerdings von Prof. Philibert entdeckt worden. Sie sind ver- hältnissmässig sehr gross, und die Abbildungen, die wir davon zum ersten Male geben, lassen ihr Aussehen erkennen. Unter den ausländisch gewordenen Arten, die früher in der unmittelbaren Umgegend des Gyps-Sees mit den Coniferen ver- FLABELLARIA LAMANONIS, ID. BRONGN. Tat. VII. Abdruck eines Palmblattes aus den Gypsen von Aix. Halbe natürl, Grösse, G val von Saporta, Die Pflanzenwelt. un raten reiche Wee.5: DER TERTIÄRZEIT. - EOCEN. 233 gesellschaftet waren, verdienen namentlich drei Typen genauere Aufmerksamkeit. Der erste ist derjenige der Fächerpalmen (Flabellaria), deren Hauptart von Brogniart dem Naturforscher Lamanon gewidmet wurde (Fl. Lamanonis, Fl. br.)!). Die Blatt- wedel dieser Art, deren Stiele stachellos waren, maassen bis 1,50 m in der Länge; die Blattscheibe theilte sich in zahlreiche Segmente oder divergirende Strahlen. Wahrscheinlich waren indessen diese und die ihr verwandten Arten der Flora von Aix nur kleine Bäume, ähnlich der sogenannten Hanfpalme, oder Palme von Chusan, die aus China eingeführt und jetzt als Zierpflanze in den Gärten des südlichen Frankreichs eultivirt wird. Der zweite Typus findet sich jetzt nur auf den Canarischen Inseln, wenn man nach Süden geht. Es sind die Drachenbäume (Dracaena), berühmt durch die ungeheure Dicke, welche ihr kur- zer und massiver Stamm erreichen kann, der sich durch Zwei- theilung in immer zahlreichere Aeste theilt. Die Blätter der Drachenbäume sind schwertförmig und denen der Yucca ähnlich, die jetzt als Zierpflanze überall gepflegt wird. Es gab mehrere Arten von Drachenbäumen in Aix, von welchen eine so gross war als die canarische Art (Dracaena Brogniartii, Sap.), die in der Sammlung des Pflanzengartens durch einen peripherischen Ring vertreten wird, welcher der Rindenschicht eines hohlen Baumes entspricht und noch ringsherum mit Blättern besetzt ist, die ihre natürliche Lage erhalten haben, aber auf ihre Basis reducirt sind. Den dritten Typus bilden die Pisang- oder Bananenbäume, von welchen kenntliche Spuren in der Flora von Aix erhalten -sind, welche aus Bruchstücken von Blättern bestehen, die noch ihre Mittelrippe und Reste des Blattstieles besitzen. Diese Reste gehörten einer mittelgrossen Art an, welche dem heutigen Pisang Abessiniens und Innerafrikas (Musa ensete) sich nähert. Noch gar viele, heute ausgestorbene oder den Gewächsen fer- ner Länder verwandte Arten verdienten eine besondere Erwähnung. Wir können hier nur die ausgezeichnetsten vorführen. !) Man vergleiche Taf. VIII, welche einen schönen Abdruck eines Blatt- wedels von Flabellaria Lamanonis wiedergiebt, der zwar an der Spitze und den Seiten abgebrochen ist, aber die Basis und die Spitze des Blatt- stieles zeigt. 234 DIE VEGETATIONSPERIODEN Die Myriceen, Proteaceen, Laurineen, Rhamneen, Coelastrineen, Pittosporeen, Terebinthaceen und Araliaceen behaupteten den ersten Rang und zählten, wenigstens in der unmittelbaren Um- gebung des alten Sees, gewiss unter die häufigsten Pflanzen. Die Laurineen haben nichts Besonderes; es sind immer, wie früher in Gelinden und später in der Molassezeit, Kampher- und Zimmtbäume und ohne Zweifel auch wahre Lorbeern. Ausserdem finden sich noch die Gattungen Persea, Phoebe und Oreodaphne, die noch heute auf den Canarischen Inseln heimisch sind und die in Europa fast bis zum Ende der Tertiärzeit ausdauerten. Die Proteaceen Australiens sind hauptsächlich durch Loma- tites aquensis, Sap. (Fig. 52), vertreten; die Myriceen durch eine Charakteristische Arten aus den Gypsen von Aix. 1 bis 2. Lomatites aquensis, Sap. — 3. Aralia multifida, Sap. sehr schöne Form, Myrica Matheroni, deren heutige Verwandte im südöstlichen Afrika und in Madagascar zu suchen sind. Die Rhamneen haben einen sehr schönen Judendorn (Zizy- phus) geliefert, der in Java Verwandte hat. Die Coelastrineen E% DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 235 zeigen genau diejenigen Formen der Gruppe, welche in den heissen Gegenden des inneren Afrikas vorherrschen. Im Allgemeinen dominiren in der Flora der Gypse von Aix die stacheligen Gewächse mit steifen sparrigen Aesten, schmalen, trockenen und lederartigen Blättern, ganz in derselben Weise wie heutzutage in Innerafrika, im Caplande und in Madagascar. Strauchartige Aralien mit tief eingeschnittenen, palmenartig gerippten Schmuckblättern wuchsen hier und da in den Gehölzen und vermehrten so das ausländische Aussehen der Landschaft. Sie müssen mit den heutigen Cussonia verglichen werden. Endlich dürfen wir einen Judasbaum (Cereis) nicht vergessen, dessen Blumen im Frühjahr diese an Contrasten reiche Natur schmück- ten, die zugleich streng und lieblich war. Charakteristische Arten aus den Gypsen von Aix. 1 bis 2. Cercis antigua, Sap.; Eocener Judasbaum (1, Blatt; 2, Schote). — 3 bis 7. Schoten verschiedener Arten von Gummibäumen (Acacia). Bei weiterem Vordringen in das Innere des Landes würde man sich in Waldgegenden gefunden haben, welche durch ihr An- sehen und die Vergesellschaftung der Pflanzenformen den Gehöl- zen ähnlich gesehen hätten, die heute in Innerafrika existiren. Die Gummibäume (Acacia) herrschen augenscheinlich vor. Man hat etwa ein Dutzend Arten entdeckt, die an ihren Früchten und Blättchen leicht erkennlich sind. Unsere Abbildungen geben ihre wesentlichsten Formen. Man weiss, dass die Giraffen sich heutzutage vorzugsweise von den Zweigen dieser Bäume nähren. In den weiten Ebenen, die mit diesen Bäumen besetzt sind, weiden sie das leichte Blattwerk, das in kleine Blättchen vertheilt ist, ab 236 DIE VEGETATIONSPERIODEN und erreichen ohne Mühe mit Hülfe ihrer langen Hälse die Gipfel der höchsten Aeste. Die Giraffen treten in Europa erst gegen das Miocen auf. Man bemerkt aber unter den Thieren, welche die Fauna der Zeit der Gypse von Aix bildeten, die Gattung Xiphodon, eine Art prototypischer Wiederkäuer mit schlanken Formen und langem Halse, deren Gewohnheiten und Nahrungs- bedürfniss wahrscheinlich denjenigen der Giraffe ähnlich waren und die wie diese ohne Zweifel die Aeste der eocenen Gummi- bäume abweideten. Neben diesen Gewächsen zeigten sich zahlreiche Ebenholz- bäume (Diospyros), die an ihren Fruchtkelchen erkennbar sind, welche mit feinen äusseren Rauhigkeiten besetzt erscheinen. Fig. 54. Blüthen und leichte Organe von verschiedenen Gewächsen aus der Flora der Gypse von Aix. j 1 bis 3. Catalpa microsperma, Sap. (1, Blumenkrone; 2, Frucht; 3, Samen). — 4. Fraxinus exilis, Sap., Flügelfrucht. — 5. Ailantus prisca, Sap., Flügelfrucht. — 6. Palaeocarya atavia, Sap., Frucht mit ihrem Hüllkelche. — 7. Heterocalyx Ungeri, Sap., auf einem aus dürren und vergrösserten Kelchblättern gebildeten Kelche auf- sitzende Frucht. — 8. Bombax sepultiflorum, Sap., abgelöste, noch mit ihren Staub- fäden versehene Blumenkronen. Andere Waldbäume sind uns nur durch seltene Trümmer ihrer leichteren Organe bekannt. Sie wuchsen wahrscheinlich etwas weiter entfernt im Hintergrunde der Thäler, an steilen Ge- hängen und am Ufer der Bäche. Wir erwähnen hier eine Magnolia, von der nur ein einziges Blatt bekannt ist; die Frucht, den Samen und sogar die Blumen- { PFLANZENWELT. DIE Tafel IX. Saporta. Ideale Ansicht der Ufer des Sees von Aix zur Zeit der Gypsbildung. Pre 5 ur Ba DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 237 krone einer kleinen Catalpa, die einer chinesischen Art ähnlich ist (Fig. 54); einen Ailantus, dessen Flügelfrüchte nicht selten Charakteristische Arten aus den Gypsen von Aix. 1 bis 3. Betula gypsicola, Sap., eocene Birke (1, Blatt; 2, fruchttragendes Deckblatt in natürlicher Grösse; 2%, vergrössert; 3, Flügelfrucht; 3%, vergrössert. — 4 bis 6. Eocene Eichen von Aix. — 4. Quercus salieina , Sap. — 5 bis 6. Quereus ante- cedens, Sap. — 7. Myrica Matheroni, Sap. — 8. Salix aquensis, Sap., eocene Weide. — 9 bis 10. Microptelea Marioni, Sap., eocene Ulme (9, Blatt; 10, Flügel- frucht, natürliche Grösse; 10%, vergrössert).. — 11. Ficus venusta, Sap., eocener Feigenbaum. sind, und endlich eine Esche, deren geflügelte Samen nur ein- oder zweimal gefunden wurden. Wir dürfen die prachtvollen Blumenkronen, deren Staubfäden noch sichtbar sind, eines Bom- bax oder Käsebaumes nicht vergessen, denn diese Baumgattung schmückt so prächtig die grossen tropischen Wälder, und endlich 238 DIE VEGETATIONSPERIODEN müssen wir zwei Gattungen erwähnen, die ausgestorben zu sein scheinen. Die eine, Palaeocarya, gehört zu den Wallnussbäumen und bietet einen den Engelhardtien Südasiens nahe verwandten Typus. Die andere, Heterocalyxz, nähert sich den Anacardiaceen und namentlich den Gattungen Astronium und Loxostylis, mit denen sie indessen nicht verwechselt werden kann. Die kühlen Gegenden der alten Regionen besassen einen Feigenbaum, dessen Blätter merkwürdig denen von Fücus pseudo- carica, Miq., ähneln, einem Baume, dessen süssliche Früchte zwar essbar, aber ohne Geschmack sind. Wir geben diesem eocenen Feigenbaume den Namen F. venusta. Aber das bemerkenswertheste Element der Vegetation des Eocen besteht in einer Vereinigung solcher Formen, welche bis heute Gemeingut unserer gemässigten Zone geblieben sind. Zur Zeit der Gypse fanden sich bei Aix nicht nur Palmen, Drachen-, Gummi- und Käsebäume, sowie alle die erwähnten Typen von Bäumen und Sträuchern, die eine heisse Station bekunden; man fand dort auch Erlen, Birken, Hainbuchen, Eichen, Weiden, Pappeln, Ulmen, Ahorne, wenig von denjenigen verschieden, die wir vor Augen haben und welche die Existenz von Lacalbedingungen nachweisen, die das Wachsthum dieser Pflanzen begünstigten. Diese letzteren Typen sind uns nur durch seltene Handstücke bekannt, deren Bestimmung übrigens nicht bestritten werden kann, denn in den meisten Fällen findet man die Blätter mit den Früchten und Samen, besonders dann, wenn dieselben geflügelt . waren, oder wegen ihrer Leichtigkeit unschwer fortgeweht werden konnten. Die Flügelfrüchte der Ulmen, der Birken, der Ahorne und Eschen, gewisse dünne und hornige Organe, wie z.B. ein drei- lappiges Deckblatt der Birke, beweisen die Gegenwart dieser Gattungen und lassen uns annehmen, dass dieselben eine, wenn auch untergeordnete Rolle spielten. Die Seltenheit dieser Reste, die in Masse auf den Mergelplatten sich vorfinden müssten, wenn die Gewächse sehr zahlreich gewesen wären, spricht zu Gunsten der Annahme, dass wir es mit Arten zu thun haben, die ziemlich weit entfernt und hoch über dem alten Seespiegel an Orten wuchsen, wo sie dem Einflusse eines Klimas unterworfen waren, das von dem wärmeren und trockneren Klima der unteren Thäler verschieden war. DER TERTIÄRZEIT. EOCEN. 239 Wir müssen ausserdem anführen, dass zwar wenig bemerk- liche, aber in den Augen des Botanikers wichtige Unterschiede diese den heutigen Formen verwandte Arten von denjenigen unter- scheiden, die wir jetzt noch in Europa oder der übrigen, gemässigt kalten Zone besitzen. Die Birke der Gypse, Betula yypsicola, Sap. (Fig. 55, 1 bis 3), von deren Blatt, fruchttragendem Deckblatt und Flügelfrucht wir bis jetzt nur je ein Exemplar besitzen, darf nicht den nordischen Birken, sondern den centralasiatischen Betulaster-Arten angereiht werden. Eben so verhält es sich mit der Ulme der Gypse, Mi- croptelew Marioni, Sap. (Fig. 55, 9 und 10), die sich dieser süd- asiatischen Gattung anreiht, welche die Kälte fürchtet und halb- ausdauernde, etwas lederartige Blätter besitzt. Die Eichen der Flora von Aix gleichen denjenigen von Loui- siana oder-stellen sich in die Nähe der immergrünen Eichen des südlichen Europa. Die Weide (Salöx aquensis, Sap.) muss mit den afrikanischen Weiden, und die Pappel (Populus Heerii, Sap.) mit der Pappel der Ufer des Jordan und des Euphrat verglichen wer- den. So finden wir immerhin, dass selbst diejenigen Gewächse der Flora von Aix, die auf den ersten Blick im Gegensatze zu den hauptsächlich südlichen Formen dieser Flora zu stehen scheinen, dennoch auf ein verhältnissmässig warmes Klima hinweisen. Die Mannigfaltigkeit, der Reichthum, die Originalität, die Ueberfülle und die Formenmischung dieser Flora lässt sich nicht in Abrede stellen, und dieser Reichthum, der freilich gewöhnlich bei den meisten Arten mit niedrigem Wuchse und Kleinheit der Organe Hand in Hand geht, bleibt derselbe, mag man nun die entfernter liegenden Gegenden befragen, oder in Gedanken sich an die Ufer und in den Schooss des Sees selbst versetzen, wo eine Menge schwimmender Wasserpflanzen existirten, wie Laichkräuter, Schilfgräser, Vallisnerien und Seelilien, die wenigstens drei Arten zeigten, deren Blüthen sich auf der Oberfläche der ruhigen und klaren Gewässer ausbreiteten. Die Rohre, die Rohrkolben, die Ried- und Cypergräser, sowie mehrere Moose und endlich eine sonderbare Pflanzenfamilie, die Rhizocauleen, deren Stengel sich über dem Grunde des Sees durch eine Menge von Luftwurzeln aufrecht erhielt, vervollständigen dieses grosse Gänze, dessen Bild 240 DIE VEGETATIONSPERIODEN uns zu weit führen würde, selbst wenn wir es nur in abgekürzter Weise skizziren wollten. Der Einfluss einer heissen Natur, eines Klimas, das sehr aus- gesprochene Gegensätze von trockenen und brennenden Jahres- zeiten mit gemässigten Regenzeiten bot und das dennoch der Entwickelung einer Vegetation günstig war, die zugleich reich und mannigfaltig, zart und elegant war; eine Vegetation mit origi- nalen, aber meist kleinen Formen, die eine gewisse Magerkeit, etwas Hartes und Lederartiges zeigten; eine Vegetation ohne Ueber- fülle, aber ausdauernd, und ganz besonders differenzirt, je nach den Gegenden und den Stationen, die im Ganzen derjenigen Inner- afrikas glich, nebenbei aber Züge besass, welche dem südlichen Asien und China entlehnt waren: dies waren, wie mir scheint, die inwohnenden Charaktere der eocenen Flora des südlichen Europas. Wir werden sehen, dass diese Charaktere, trotz man- cher partieller Veränderung, bis zum Ende der folgenden oder oligocenen Periode ausdauerten. IV. Oligocene oder tongrische Periode. Die neue Vegetationsperiode, deren Beschreibung wir zu geben beabsichtigen, liefert ein Argument mehr zu Gunsten unserer An- sichten hinsichtlich der innigen Verbindung der auf einander fol- senden Zeitalter und der Unmöglichkeit, für ein jedes derselben genaue Grenzen abzustecken. Wir haben die Pflanzen betrach- tet, die gegen Ende des Eocen den Gypssee von Aix umgaben. Sobald die schmale Grenze, die uns von dem Oligocen trennt, ein- mal überschritten ist, so sehen wir, dass dieselben Pflanzen, oder andere Arten, welche ihnen sehr gleichen, fortfahren unter Bedin- gungen aufzutreten, die scheinbar dieselben bleiben. Nichtsdesto- weniger fängt man an partielle Veränderungen zu finden, die sich in dem Maasse mehren, als die geognostischen Schichten sich über einander lagern und ein Zeitraum durchlaufen wird, welchen die Entfernung allein uns kurz erscheinen lässt. Neue Arten treten auf, die für die folgende Periode des Miocen charakteristisch wer- den, aber sich anfangs nur vereinzelt und in untergeordneter Bi 2 DER TERTIÄRZEIF. OLIGOCEN. 241 Weise einführen. Sie werden allmälig häufiger und zahlreicher, erringen endlich die Oberhand, indem sie die stets günstiger werdenden Umstände benutzen, und schliessen zuletzt ihre Vor- gänger ganz aus, oder werfen sie wenigstens in. das Dunkel zurück. Wir müssen deshalb vor allen Dingen die Umstände feststellen, welche einigen Kategorien von Pflanzen verderblich oder zur Aus- schliessung anderer behülflich sind. Dann müssen wir suchen, den Weg aufzuspüren, der von den neu eingeführten Pflanzen ein- geschlagen wurde, da wir aus verschiedenen Gründen nicht an- nehmen können, dass dieselben das Werk einer unmittelbaren und plötzlichen Schöpfung seien. Wir werden diese beiden Fragen zuerst zu beantworten suchen, und werden dann, bevor wir zur Beschreibung der hauptsächlichsten Pflanzengesellschaften über- gehen, deren Reste man aufgefunden hat, zuerst auf das oligocene Europa zurückkommen, um dessen geographische Bildung genauer zu erörtern. Das Oligocen ist demnach ım Ganzen der Uebergang von einer alten Herrschaft zu einer neuen. Man begreift, dass die Vegetation wechseln muss, wenn die Bedingungen, die für ihre Entwickelung massgebend sind, ihrerseits wechseln. Aber die Veränderung könnte nur in dem Falle eine plötzliche und allge- meine sein, wenn die Erscheinungen, die sie hervorbringen, selbst einen Charakter von Plötzlichkeit und Intensität besässen, .der sich in der Periode, mit welcher wir uns beschäftigen, in keiner Art nachweisen lässt. Wir haben gesehen, welcher Art das Klima Europas, oder wenigstens des südlichen Europas am Ende des Eocen war, und dass die Flora damals eine reichhaltige, ori- ginelle, aber keineswegs üppige Physiognomie hatte. Aehnlich demjenigen Innerafrikas, zeigte das Klima Wechsel von trockener und starker Hitze, mit Regenzeiten, die lange Zwischenräume zwischen sich liessen. Ein solches Klima erzeugte nothwendig magere, schmale, dornige und lederartige Formen, gemischt mit - Extremen und Verschiedenheiten aller Art, die von der Lage der Gegenden, der Beschaffenheit der Stationen und von der Nähe oder Entfernung der fliessenden und stehenden Gewässer abhingen. Die Bedeutung der Veränderung, welche vorging, wird uns einer- seits durch den Ausgangspunkt nachgewiesen, welchen wir soeben feststellten, und andererseits durch den Punkt, zu welchem wir Saporta, die Pflanzenwelt. 16 Br; 242 DIE VEGETATIONSPERIODEN gelangen, d. h. durch den permanent werdenden Zustand, der fast ohne Modification während der ganzen Dauer der Miocenperiode anhielt. Dieser permanente Zustand wird durch den Einfluss eines gleichmässigeren und allgemein feuchteren Klimas gekennzeichnet. Die Gewächse, welche sich während des Oligocen in Europa ein- bürgern, und während der langen Dauer von vielen Jahrhunderten auf unserem Boden heimisch bleiben, verlangen fast alle die Nähe des Wassers, oder den Einfluss eines regnerischen Himmels. Keines könnte in ähnlicher Weise, wie die während des Eocen vorherr- schenden Typen, länger fortdauernden trockenen Jahreszeiten widerstehen, Diese neuen Typen verdanken wahrscheinlich ihre Ausdeh- nung einer langsamen und allmäligen Umänderung des Klimas, welches in dem Maasse, als man sich der nächsten Periode, d. h. dem Aquitan, nähert, seine Extreme mehr und mehr vollständig ausgleicht. Um Beweise für diese Behauptung braucht man nicht verlegen zu sein. Die vorzüglichsten Typen der Gewächse, welche in Europa während der Dauer des Eocen auftreten, sind die folgenden: Fig. 56. Charakteristische oligocene Lebensbäume. 1 bis 2. Zibocedrus salicornioides, Endl. — 3 bis 5. Chamaecyparis europaea, Sap. (3, Zweig; '4, Fruchtzapfen; 5, Samen). unter den Coniferen: Libocedrus salicornioides, Endl.; mehrere Chamaecyparis (Ch. europaea, Sap. (Fig. 56), Ch. massiliensis, Sap.); mehrere Sequoien (Sequoia Sternbergü, Hr., S. Tournalii, Sap., DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. - 243 5. Couttsiae, Hr.); Taxodium distichum miocenicum, Hr., GIypto- strobus europaeus, Hr. Vorherrschend werden unter den Palmen: Sabal haeringiana, Hr., Sabal major, Ung., Flabellaria latiloba, Hr.; unter den Myri- Fie. 57. Verschiedene Formen olisocener Comptonien. 1 bis 5. Comptonia dryandraefolia, Brongn. — 6. (. obtusiloba, Hr. (Saint-Jean de Garguier). — 7. C. dryandroides, Ung. (Sotzka). — 8. C. Matheroniana, Sap. (Armissan). ceen die Gattung Comptonia (Fig. 57) und einige Myrica, mit breitlinienförmigen, an den Rändern gezahnten Blättern. Einige wenig zahlreiche Eichen mit eckig gelappten, oben in eine Spitze auslaufenden Blättern, beginnen sich zu verbreiten. Die Ahorne werden weniger selten, manche Wasserpflanzen und namentlich die Wasserlilien und Nelumbos gewinnen an Mächtigkeit und Mannigfaltigkeit. Diese Thatsachen, ausgewählt unter den her- vortretendsten, bedürfen keiner weiteren Erklärung. Libocedrus, Chamaecyparis, Taxodium, Sequoia, Sabal und Comptonia sind amerikanische Typen, welchen die Nähe des Wassers oder die Einwirkung eines feuchten Bodens und Klimas noch heute nöthig sind. Die Fülle von Laurineen und Wasserlilien, die Vermehrung der Ahorne, der Hainbuchen, der Ulmen und gewisser Eichen 16* ey 244 DIE VEGETATIONSPERIODEN sind nicht minder bedeutungsvoll. Diese Typen vergesellschaften sich zuerst und ersetzen dann vollständig Calltris, Widdringtonia und andere Pflanzen von afrikanischem Typus, welche zu ihrem Fortkommen nicht so häufiger Regengüsse bedürfen. Es ist dem- nach ersichtlich, dass das europäische Klima sich nach einer be- stimmten Richtung hin ändert, und zwar in dem Maasse, als die rein amerikanischen oder die dem Norden Amerikas und den am Stillen Ocean gelegenen Theilen. Asiens gemeinsamen Typen in Europa eindringen und sich verbreiten. Aber woher kamen alle diese Gewächse, sowohl diejenigen, welche ich eben erwähnte, als diejenigen, welche später folgten und die während einer langen Epoche denselben Weg einschlugen wie ihre Vorgänger? Noch vor wenigen Jahren hätte man eine solche Frage nicht beantworten können. Heute aber wissen wir, Dank den bewunderungswürdigen Arbeiten von Prof. Heer, Dank den Forschungen einer Menge von englischen, dänischen, ameri- kanischen und ganz besonders schwedischen Reisenden, an deren Spitze der berühmte Nordenskjöld genannt werden muss, heute, sage ich, wissen wir mit vollkommener Sicherheit, dass die gegen- wärtig verödeten und vereisten Polargegenden während langer re 1 | 1 \ N \ ÖOligocene Eichen mit lederartigen, wenig gelappten Blättern. 1 bis 2. Quercus cuneifolia, Sap. (Gargas). — 3. Q. armata, Sap. (Armissan). — 4 bis 5. Q. oligodonta, Sap. (Armissan). — 6. Q. velauna, Mar. (Bonzon). Zeit von einer reichen Waldvegetation bedeckt waren. Wir wollen hier nicht von den Kohlenpflanzen reden, die in gleichförmiger u ui DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. 245 Weise über die ganze Ausdehnung der nordischen Zone ver- breitet waren; aber wie wäre es möglich, nicht der jurassischen und Kreidepflanzen aus Grönland und Spitzbergen zu gedenken» bei welchen man schon die anfangs kaum merklichen Fortschritte der allmäligen Abnahme der Temperatur in den Polargegenden im Vergleich zu den unserigen beobachten kann? Die ersten Ver- schiedenheiten zwischen den beiden Zonen rühren von dem frühe- ren Auftreten gewisser Typen und Gattungen in den Polar- gegenden her, welche erst dann in Europa sich einführen und verbreiten, wenn dieser Gontinent selbst begonnen hat sich zu er- kälten. Diese Verschiedenheiten zeigen sich ausserdem noch durch die Ausschliessung anderer, mit südlichen Typen verwandter Gattungen, welche lange Zeit bei uns heimisch sind, die aber Sequoien aus dem europäischen Oligocen und der Kreide der Polargesenden mit ein- ander verglichen (Grönland und Spitzbergen). 1 bis 3. Seguoia Sternbergü, Hr. (1 und 2, Zweige; 3, Zapfen). — 4. S. ambigua, Hr. (Grönland). — 5. bis 7. 8. Tournalü, Sap. (5 bis 6, Zweige; 7, Zapfen). — 8 bis 10. $. Smittiana, Hr. (Grönland). 8 bis 9, Zweige; 10, Zapfen. 246 DIE VEGETATIONSPERIODEN Zur Zeit des Jura und der Kreide hatten die Polargegenden, wie Europa selbst, Farnkräuter wie die Gleichenien, zahlreiche Cyca- deen und eine Menge von Formen, die heute ganz ausgestorben oder in die Nähe der Tropenländer verwiesen sind. Von nun an niemals im den Polargegenden existirt zu haben scheinen. zeichnen sich die arktischen Gegenden durch einige ihnen eigen- thümliche Züge aus. Die Ueberreste von Tannen werden weniger selten, die Sequoien sind mannigfaltiger, voller und verbreiteter als irgendwo anders. Es finden sich schon Glyptostrobus, Lebens- bäume und Taxineen, und alle diese Gewächse haben dasselbe Gepräge, welches sie in Europa in den mittleren Tertiärgebilden haben werden (Fig. 59). Die decksamigen Dicotyledonen erschei- nen in der Kreideflora Grönlands mit dem Cenoman etwa in derselben Zeit wie in Böhmen und in Nebrasca. Man erkennt Pappeln und Magnolien unter ihnen, aber man kann auch in der- selben arktischen Flora die Abwesenheit der Palmen, der Drachen- bäume und der Pandaneen constatiren. Von diesem Augenblicke an zeigen die innerhalb des Polarkreises gelegenen Länder eine Flora, welche durch ihren weniger südlichen Charakter und namentlich durch die Seltenheit der Gewächse mit immergrünen Blättern und der Familien tropischer Verwandtschaft mit derjeni- gen des eocenen Europas im Gegensatze steht. Diese mehr tropische Flora dauert noch während der Periode des Oligocen fort und erhält sich wenigstens theilweise in Europa bis zur Beendigung der folgenden miocenen Periode. Die Polargegenden waren in jenen Zeiten, die man mit dem oberen Eocen oder dem Oligocen Europas gleichstellen kann, von weiten Waldungen bedeckt, deren Gesammtcharakter man fest- stellen konnte. Auf dem Festlande fanden sich grosse Seen, die von warmen Quellen genährt wurden, welche kalkige, kieselige und eisenhaltige Stoffe enthielten. Es gab vielfache basaltische Ausbrüche und überhaupt zeigten sich alle jene Erscheinungen, von welchen auch unser Continent damals ein Schauspiel gab. In den Wäldern dieser Gegend scheinen eine Menge von Üoniferen, welche später in Europa eindrangen, ihre Wiege gehabt zu haben, wie die Gattungen Sequoia, Taxodium, Glyptostrobus, Libocedrus, Chamaecyparis, Torreya, Salisburia, etc. Man findet alle diese Gattungen, wie wenn sie, anfänglich in einer Muttergegend ver- 2, zei a DEE DER TER'TIÄRZEIT. OLIGOCEN. 247 einigt, von derselben aus sich strahlenförmig nach allen Seiten gegen Süden verbreitet hätten, in Begleitung von Tannen, Buchen, Kastanien, Steineichen, Haselnüssen, Platanen, Amberbäumen, Linden, Ulmen, Birken, Sassafras und vielen anderen Pflanzen, die bei ihrer Einwanderung in Europa anfangs selten und zerstreut waren, sich aber nach und nach vervielfältigten und, immer weiter nach Süden vordringend, endlich unsere ganze gemässigte Zone einnahmen. Es sind alles mächtige, kräftige, ausdauernde und gesellschaftliche Gewächse, welche schon einem rauhen Klima an- gepasst sind und die überall Wälder bildeten oder den Wasser- läufen und Flüssen folgten, deren Ufer sie einnahmen. Die Betten der Flüsse fangen in der That zu jener Zeit an, schärfer hervor- zutreten, denn in derselben Periode vereinigen sich auch die ver- schiedenen Theile unseres Continentes nach und nach durch häufige locale Hebungen; die lange Zeit unbestimmten Bergketten nehmen einen bestimmteren Charakter an und die früher durch eine Menge von Querriegeln geschlossenen Thäler öffnen sich nach und nach um den Wasserläufen den Zufluss zu den verschiedenen Meeren zu gestatten. Aber diese Bildungsarbeit eines Continentes vollendet sich nicht in einem Tage. Bevor sie zu der heutigen Gestaltung gelangte, wurde sie zu wiederholten Malen unter- brochen und war sogar rückläufigen Bewegungen ausgesetzt, welche Resultate hervorbringen mussten, die sehr verschieden von den- jenigen sind, welche wir heute vor Augen haben. Wir müssen um so mehr einige Worte von diesen geologischen Ereignissen sagen, als ihr Einfluss sich auf die Vegetation selbst erstreckt hat, deren Ansehen sie in mannigfacher Weise änderten. Das Meer, das so lange die Gegend bedeckte, die heute von den Alpen eingenommen ist und beiderseits dieser Bergkette folgte, die nur eine sehr geringe Höhe zeigte, war nach und nach ausgetrocknet; statt eines weiten und tiefen Beckens zeigt es jetzt dem Auge des Forschers nur eine Reihe von seichten und unregelmässigen Salzseen, die nicht mehr mit den damaligen ÖOceanen in Verbindung stehen, welche sich übrigens im Süden und im Norden weit von der Alpenregion zurückgezogen hatten. Die am Grunde dieser Salzseen abgelagerten Schichten sind Flysch- oder Fucoidenschiefer genannt worden. Sie enthalten keine Spur von Muscheln, dagegen eine Unzahl Abdrücke von Algen, aus 248 DIE VEGETATIONSPERIODEN denen sie zuweilen ganz zusammengesetzt scheinen und deren Ver- mehrung durch die seichten und stark salzigen Gewässer der Flysch- seen ohne Zweifel begünstigt wurde. Noch ein besonderer Umstand scheint zu beweisen, dass diese Gewässer, ähnlich wie das Kaspische Meer oder der Aralsee, in der That geschlossene, von einem inneren Meer zurückgelassene Becken bildeten, die nach und nach immer mehr austrockneten und endlich gänzlich verschwanden. Die Al- gen des Flysch haben nämlich in der That nur sehr entfernte Beziehungen zu denen unserer heutigen Meere, schliessen sich aber durch ihre Typen nahe an die Algen der Meere der Secun- därzeit an. Die ausgestorbenen Gattungen Chondrites, Phymato- derma, Münsteria, Zoophyeos, Zonarites, u. s. w. (man sehe Fig. 60) wachsen darin in derselben Weise fort, wie ın den ältesten Zeiten und ausserdem zeigen die wesentlichsten Arten des Flysch bei der Vergleichung mit denjenigen der Kreide von Bidard bei Biarritz durchaus keine merklichen Verschiedenheiten, wodurch man sie unterscheiden könnte. Fig. 60. Algen aus dem Flysch. . a ” n . . . . # 1. Münsteria annulata, Schafh. — 2. Zonarites alcicornis, F. O©. — 3. Chondrites arbuscula, F. OÖ. — 4. Chondrites intricatus, F. O. Man muss daraus den Schluss ziehen, dass diese Formen, von welchen einige mit sehr geringen Veränderungen bis in die paläo- DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. 249 zoische Zeit zurückreichen, die Verlängerung ihres Daseins inmitten einer fast gänzlich erneuerten Natur der Fortdauer eines geschlos- senen Meeres verdanken. Nachdem sie einen sicheren Zufluchtsort in diesen Gewässern gefunden hatten, verschwanden sie für immer, sobald die letzten Flyschlagunen austrockneten. Die heutige Al- pengegend bildete demnach in jener Zeit ein wahrscheinlich plateauförmiges Gebiet für sich, das mit Salzseen bedeckt war, und etwa ein ähnliches Verhalten zeigte, wie manche Wüsten- segenden des inneren Asiens und Afrikas. Das Meer hatte sich in Europa gegen das Ende der Eocen- periode nach und nach von allen Punkten zurückgezogen, die es früher behauptete. Marine Ablagerungen, welche dem obersten Eocen, dem ligurischen Stockwerk Mayer’s, den Gypsen von Aix und Montmartre, oder der eigentlichen Paläotherienzeit ent- sprechen, sind überall sehr selten und zweifelhaft, während die Süsswasserablagerungen in dieser Periode häufiger werden und ohne viel Veränderung in denselben Becken sich absetzten. Man kann hier nur wiederholen, was einer unserer geschicktesten Beob- achter sagte !), welchen wir um seine Meinung befragten, nämlich dass man nur auf sehr wenigen Punkten der heutigen europäi- schen Küstengegenden Spuren finden kann, die einem Meer zugeschrieben werden könnten, welches zwischen das Eocen und das eigentliche tongrische Stockwerk zu setzen wäre. Das Oligocen in dem Sinne, welchen wir ihm einzig vom Stand- punkt der Flora ausgehend geben, besteht also in dem Zeitraume, welcher auf den erwähnten Rückzug folgte, und einerseits die Lagunen des Flysch völlig austrocknen sah, während andererseits ein neues, das Tongrische Meer, einige bestimmte Punkte unseres Continentes einnahm und überfluthete. Es handelt sich also um die momentane Rückkehr eines Meeres, welches ebensowohl von dem erwähnten als von dem folgenden Mollassemeer der Faluns verschieden war. Das Tongrische Meer kommt weder dem Num- mulitenmeer, noch dem Mollassemeer an Grösse bei; es treibt Buchten in den europäischen Continent, aber nach anderer Rich- tung hin; von Norden und Westen her kommend, bedeckt es aufs Neue das Pariser Becken, wo seine Ablagerungen den Sandstein !) R. Tournouör, Präsident der Geologischen Gesellschaft Frankreichs. 250 DIE VEGETATIONSPERIODEN von Fontainebleau gebildet haben. Es schlingt sich um die Nor- mandie herum, berührt Cherbourg und tritt kaum durch die Insel Wight nach England hinüber. Im Norden bedeckt es Belgien von Ypern und Gent bis nach Lüttich und Mastricht. Es erstreckt . sich nach Westfalen, und nachdem es den Harz umgeben hat, dringt es durch den Golf von Kassel in das obere Rheinthal vor, durch das ganze Elsass bis zu dem schweizerischen Jura. Es bildet so eine Art schmalen und buchtigen Adriatischen Meeres, dem einerseits die Vogesen, anderseits der Schwarzwald als Ufer dienten. Man findet die Spuren dieses oligocenen Meeres in der Bretagne bei Rennes, in Aquitanien an der Gironde und dem Adour, längs des Mittelmeeres an den Seealpen und in Ligurien, und noch weiter am Fusse der Alpen bei Verona und in Tirol. Es ist nirgends mächtig, und seine unzusammenhängenden Spuren zeigen fast überall seine geringe Ausdehnung und seine kurze Dauer an. \ Seen fanden sich im Gegentheil an einer Menge von Orten. In der Auvergne, in der Provence, im Departement des Gard bei Alais, bei Häring in Tirol, Sotzka in Steiermark, Sagor in Kärn- then, in Norditalien und in Dalmatien bei Monte Promina findet man Seeablagerungen, die sehr reich an Pflanzenabdrücken sind und die Elemente einer bemerkenswerthen Flora geliefert haben, welche sich eben so sehr durch die Menge der Arten als durch die Einheit der sie bildenden Elemente auszeichnet. Die meisten dieser Seen gehörten nicht allem der Periode an, der wir sie zu- rechnen; sie bestanden schon vorher und dauerten noch längere Zeit nachher fort. Aber derjenige Theil der Ablagerungen, der dem Oligocen entspricht, zeigt Charaktere, welche auch ausserhalb der darin eingeschlossenen Pflanzen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Thiere, die in diesen Gewässern lebten, sowie die geologischen Vorgänge, die sich darin abspielten, legen Zeugniss von einer grossen Lebenskräftigkeit und von einer merkwürdigen Einförmigkeit der Bedingungen ab, unter denen sie sich ent- wickelten, während sie zu gleicher Zeit vorübergehende Störungen gewahren lassen, welche vulcanische Ausbrüche und Lavaergiessun- gen an gewissen Punkten und namentlich in der Nähe der haupt- sächlichsten Seen hervorbringen mussten. Die heutigen Vulcane mit ihren permanenten Kratern und ihren Auswurfskegeln waren * DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. 251 noch nicht in den Gegenden aufgetreten, wo sie später erschienen, und selbst die Auvergne zeigte noch keine Berge von einigem Belang. Aber die Vorspiele dieser grossen plutonischen Erschei- nungen erschütterten überall den Boden; heisse Quellen, die Schwefel, Kalk, Kieselerde und Eisen enthielten, sprudelten überall in ausserordentlicher Fülle. Sie brachten in die Gewässer der Seen aufgelöste Mineralstoffe aller Art, welche Kiesel- und Kalk- knollen, Anhäufungen von Gyps und Bohnerz oder von Phos- phaten erzeugten, die in verschiedenen Verhältnissen mit den ge- wöhnlichen Ablagerungen gemengt, oder in den Braunkohlen ein- gelagert sind. Bei Ronzon in der Nähe von Puy in der Haute-Loire hat man Pflanzen gefunden, die mit den Resten einer eben so mannig- faltigen als mächtigen Fauna vergesellschaftet sind, welche von Aymard entdeckt und beschrieben wurde und die ältesten be- kannten Wiederkäuer enthält. Die oligocenen Pflanzen der Provence stammen aus den Gypsen von Gargas, den Mergelkalken von Saint-Zacharie und Saint Jean de Garguier und aus den Mergelschiefern von Cereste. Man findet deren in Languedoc bei Alais, Barjac, aux Fuma- des u. s. w. Schimper hat Pflanzenabdrücke aus dem nämlichen Hori- zonte bei Speebach im Elsass gefunden. Ich habe schon die öster- reichischen Fundorte von Sotzka, Häring, Sagor, Promina u. s. w. erwähnt. Der Fundort von Armissan bei Narbonne bedarf einer beson- deren Erwähnung, nicht nur wegen seines ausserordentlichen Be Reichthums, sondern auch, weil er offenbar den Uebergang vom Oligocen zum unteren Miocen oder Aquitan herstellt. Fasst man die Pflanzen aller dieser Ablagerungen zusammen, so erhält man etwa 800 bis 900 Arten, die in dem grossen Werke von Prof. Schimper aufgezählt sind. Aber da wir nicht einen Augenblick daran denken können, sie im Einzelnen zu unter- suchen, so müssen wir uns damit begnügen, auf einige Haupt- typen aufmerksam zu machen und einige allgemeine Betrachtun- gen über die Gesammtcharaktere dieser Flora beizufügen. Der Anblick der Landschaft hat sich seit dem Eocen nicht merklich geändert. Die Massen der Gewächse sind stets mager, 252 DIE VEGETATIONSPERIODEN dünn gesäet und selbst kümmerlich, aber sie sind zu gleicher Zeit mannigfaltig und entbehren weder der Mächtigkeit noch der Nied- lichkeit und selbst einer gewissen Anmuth, welche sie ihrem lan- gen und dünnen Wuchse und den vielfältigen Verzweigungen ihrer Stämme verdanken; die heutige Flora Australiens giebt ein ziem- lich treues Bild dieses Ansehens. Die Palmen sind immer zahlreich, viele von ihnen sind nur von niedrigem Wuchse und tragen fächerförmige Wedel von Fig. 61. num Oligocene Fächerpalme; mittlerer Theil eines Blattwedels. (Sehr verkleinert.) Sabal major, Ung. mässiger Grösse, aber zwischen ihnen erhebt sein majestätisches Haupt Sabal major, dessen Blätter an Grösse und Schönheit den- jenigen der Schirmpalmen der Antillen (Sabal umbraculifera) 2 DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. 253 nichts nachgeben. Diese Palme, die sich fast immer am Ufer der Seen in unmittelbarer Nähe des Wassers findet und eine der best- gsekannten Arten ist, hat zahlreiche Spuren hinterlassen, die von ihrer Fülle Zeugniss ablegen. Die lebende analoge Art, welche unter verschiedenen Namen an der Mittelmeerküste zwischen Toulon und Nizza eingeführt wurde, schmückt jetzt die reichsten Villen. Die oligocene Art breitete sich über ganz Europa aus und überragte mit ihrer ganzen Höhe ein Gefolge kleinerer Palmen }). Hier und da mischten sich Drachenbäume unter die Palmen. Die Gattungen Sequoia und Taxodium theilten sich noch den Boden mit Callitris und Widdringtonia. Die ersteren waren nur ganz kürzlich in die Provence eingerückt, und man findet erst in der Umgegend von Alais Seguoia Sternbergüi (Fig. 59), die lange Zeit für eine Araucaria genommen wurde und übrigens in Häring und Sotzka sehr häufig ist. Sequoia Tournalit, Sap., und Couttsiae, Hr., die den californischen Arten verwandt sind, zeigen sich erst später im südlichen Frankreich. Man findet sie bei Armissan. Die Sequoien fehlen in Gargas, Saint-Zacharie, Saint-Jean de Garguier, welche Fundorte eher zu dem unteren oder älteren Theil des Ol- gocen gehören, dagegen findet man dort die ersten Spuren zweier bisher unbekannter Typen von Coniferen, Libocedrus salicornioides (Fig. 56), dessen heutiger Vertreter nur noch in Chili wächst, und COhamaecyparis massiliensis, Sap. Diese beiden Arten sind uns nur durch sehr kleine Bruckstücke bekannt, ihre Seltenheit spricht gewiss für die Annahme ihrer neuen Einwanderung. In der Nähe der Seen wuchs eine grosse Menge von Myriceen, schlecht charak- terisirten Proteaceen, Ericaceen vom Typus Leucothog, Araliaceen mit finger- oder handförmigen Blättern (Fig. 62 und Fig. 63), Sapindaceen von kümmerlichem Aussehen, zu welchen noch Coelastrineen, Anacardiaceen, Stechpalmen, Rhamneen, Juden- dorne (Zizyphus), eine gewisse Anzahl von wohlriechenden Myrthen und Schotengewächsen mit feinen Blättchen kommen. Man findet da sehr deutliche differentielle Unterschiede, wichtig für diejeni- gen Naturforscher, welche die Arten eine nach der anderen 1) Man sehe Taf. XIII, welche eine am Ufer einer Lagune wachsende Gruppe von Palmen der mittleren Tertiärzeit darstellt, die nach ihren Blattwedeln wieder hergestellt wurden. 254 DIE VEGETATIONSPERIODEN studiren und über ihre Gruppirung und relative Wichtigkeit nach- denken. Aber diese Nüancen verschwinden in den Augen des Fig. 62. oberflächlichen Beob- achters, der etwa die- selben Elemente wie- derfindet, die er im Eocen gesehen hatte. Doch finden sich manche charakteristi- sche Arten, wie Comp- tonia dryandraefolia (Fig. 57); ferner Zizy- phus Ungeri, Ett. (Fi- gur 64); mehrere Myr- sineen afrikanischer Verwandtschaft, Myr- Araliacee aus dem jüngeren Oligocen von Armissan (Aude); /, der natür- lichen Grösse. Aralia Hercules (Ung.), Sap. Restaurirtes Blatt einer Araliacee mit fingerförmigen Blättern von Saint- Zacharie. Aralia zuchariensis, Sap. sine celastroides, Eitt., M. subineisa, Sap., M. cuneata, Sap. (Fig. 64); Diospyros haeringiana, Ett., D. varians, Sap. (Fig. 64); ein wahrer DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. 255 Ueberfluss von Palaeocarya (Fig. 65); ausgestorbene Juglandeen vom Typus der Eingelhardtia Indiens, gewisse Mimosen (M. Aymardi, Charakteristische Typen verschiedener oligocener Gewächse. 1 bis 2. Myrsine celastroides, Ett. — 3. M. cuneata, Sap. — 4. Celastrus splendidus, Sap. — 5. C. Zachariensis, Sap. — 6. Ilex celastrina, Sap. — 7. Andromeda neglecta, Sap. — 8. Diospyros varians, Sap. — 9.. Zizyphus Ungeri, Ett. — 10. Myr- tus rectinervis, Sap. — 11. M. caryophylloides, Sap. Mar. (Fig.65) und Acacien (A. Bousqueti, Sap., A. sotzkiana, Ung.). Alle diese Arten leiten die Analogie in diesem Labyrinth von Formen, die zugleich sehr mannigfaltig und doch nach einem gemeinschaftlichen Modelle hergestellt erscheinen, so dass die sogar sehr entfernten Gattungen angehörigen Arten doch auf den ersten Blick eine fast ähnliche Physiognomie zeigen. Gerade dieser Umstand erlaubt aber unserem Geiste ohne allzu viel Mühe die unterscheidenden Charaktere der Gewächse unserer Epoche zu definiren. Die oligocene Flora zeigt in der That ihre auffallendste Originalität in dem unmerklichen Uebergange von einem Zeit- alter zum anderen, welcher mit Hülfe unaufhörlich erneuerter Veränderungen bewerkstelligt wird. Die Fortschritte dieser Er- neuerungen sind anfangs so langsam, dass man sie nur schwierig auffassen kann, werden aber fasslicher, wenn man sich an gewisse Pflanzenkategorien im Besonderen wendet, 256 DIE VEGETATIONSPERIODEN Wir haben früher gesehen, dass die seltenen Vertreter der Gattungen, die bis heute in Europa und für unsere Zone charak- Fig. 65. Charakteristische Typen verschiedener oligocener Gewächse. 1 bis 2. Palaeocarya von Armissan: 1, Blatt; 2, Frucht. — 3. Mimosa Aymardı, Mar. (Ronzon), Bruchstück eines Blattes. — 4. Acacia Bousqueti, Sap. (Armissan); Schotenfrucht — 5 bis 6. A. Sotzkiana, Ung. (Sotzka); 5, Schotenfrucht; 6, abge- löstes Fiederblättchen. teristisch geblieben sind, wie Erle, Birke, Hainbuche, Ulme, Pap- pel, Ahorn, gegen Ende des Eocen noch in entlegene Stand- orte, und zwar wahrscheinlich auf Berge verwiesen waren, deren Höhe ihre Gegenwart rechtfertigte. Diese Gattungen bleiben im Öligocen immer noch wenig häufig, nehmen aber doch einiger- maassen zu, und es ist selten, dass man nicht in jeder Localität einige ihrer Arten findet, und zuweilen sogar alle in dem Falle, dass sie reich und hinlänglich ausgebeutet ist. Betrachtet man die Fundstätten der Provence nach der Reihenfolge ihres relativen Alters, so beobachten wir in der That folgende Thatsachen (Fig. 66). Gargas, dessen Horizont etwas jünger ist, als derjenige der Gypse von Aix, hat mit Ausnahme einer Eiche bis jetzt noch keine Spur dieser Gattungen geliefert. @Qmwercus cuneifolia, Sap. (Fig. 58), ist eine Art mit lederartigen und wenig gelappten Blät- tern, welche der amerikanischen Gruppe Erythrobalanus verwandt zu sein scheint. Am Ufer des kleinen Sees von Saint-Zacharie, N Sn 0 me ze DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. 257 der etwas jünger ist als Gargas, hat man im Gegentheile Blätter- abdrücke gefunden: von einer Erle (Alnus prisca, Sap.), einer Birke (Betula ulmacea, Sap.), einer Ostrya (O. tenerrima, Sap.), Fig. 66. te Y, KA: PEBS Hr SH = Europäisch gebliebene Typen olisocener Gewächse. 1. Betula pulchella, Sap. — 2 bis 5. Carpinus cuspidata, Sap.: 2 bis 3, Blätter; 4 bis 5, Früchte. Europäische Typen aus dem Oligocen. 1. Alnus prisca, Sap. (Saint-Zacharie). — 2 und 22%, Betula Dryadum, Brgn. (Ar- missan; 2, Blatt; 22, Flügelfrucht; 22’, dieselbe vergrössert. — 3 bis 4. Ostrya Atlantidis, Ung. (Armissan): 3, Blatt; 4, Frucht. — 5 bis 6. Ulmus primaeva , Sap. (Saint-Zacharie): 5, Blatt; 6, Flügelfrucht. Saporta, die Pflanzenwelt. 17 Erf Ve r KL - 258 DIE VEGETATIONSPERIODEN einer Hainbuche (Carpinus cuspidata, Sap.), einer Ulme (Ulmus primaeva, Sap.), eines Ahorns (Acer primaevum, Sap.), fast alle von ihren Früchten begleitet; doch sind ihre Abdrücke, mit Aus- nahme derjenigen des Ahorns, sehr selten. In Saint-Jean de Garguier, das vielleicht etwas jünger ist, erscheinen die Birken, Hainbuchen und Ahorne mit einer gewissen relativen Häufigkeit, welche einen constanten Fortschritt anzeigt, wenn man die geringe Zahl der gesammelten Arten damit vergleicht. Dieser Fortschritt‘ zeigt sich nun mit Gewissheit in Armissan, dessen Flora offenbar einem grossen Walde angehört, welcher in der Nähe eines klaren und tiefen Sees auf den Secundärschichten von La Clape sich ausdehnte, die ein östlich von Narbonne, zwischen Armissan und dem Meere gelegenes Massiv bildete. Der Wald von Armissan verhält sich zu dem Oligocen, wie die Gypse von Aix zum oberen Eocen. Er bildet ein äusserstes Stockwerk, eine Verbindungsbrücke zwischen zwei Perioden. Die Fie. 68. Verschiedene Arten oligocener Ahorne. 1 bis 2. Acer primaevum, Sap. (Saint-Zacharie): 1, Blatt; 2, Vollständige Flügel- frucht, restaurirt. — 3. 4. massiliense, Sap. (Saint-Jean de Garguier). — 4. A. pseudo- campestre, Ung. (Armissan). meisten charakteristischen Arten des Aquitan zeigen sich in Ar- missan, aber noch vergesellschaftet mit den charakteristischen Formen des Oligocen und namentlich mit Comptonia dryandrae- folia. Man fand in diesem Walde, in welchem mächtige Lauri- ' neen, Juglandeen vom Typus der Engelhardtia , Anacardiaceen, En a ‚DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN: 239 Stechpalmen, Aralien, Dalbergien, Sophoreen und Mimosen vor- herrschten, ausserdem mehrere Arten von Birken, von Pappeln und Ahornen, die durch die Grösse ihrer Blätter merkwürdig sind. Ferner auch Ulmen und wahrscheinlich Kastanien. Man findet ferner einerseits in Ronzon und andererseits in Armissan zum ersten Male im Oligocen wirkliche Arten, die seither in dem süd- lichen Europa heimisch geblieben sind und die demnach von die- sem Augenblicke an ihre unterscheidenden Charaktere unverän- dert beibehalten haben. So hat Prof. Marion in Ronzon Blätter der Pistacie (Pistacia lentiscus, L.) gefunden und Abdrücke einer Terebinthe, die jetzt noch wild bei Constantinopel wächst und welche die Blätter und den Stamm zeigen, der noch eine Frucht- traube trägt, wurden in Armissan entdeckt. So treten nach und nach die Linien hervor, welche den Zu- stand bezeichnen, der sich seit jener Zeit hergestellt hat. Die Gewässer der Epoche, die wir als Oligocen bezeichnen, waren eben so begünstigt, als die Ufer und die bergigen Gegenden. Eine Menge von Pflanzen drängten sich in ihnen zusammen, schwammen darin oder breiteten sich an ihrer Oberfläche aus. Das genauere Studium dieser Pflanzen hätte viel Anziehendes, aber es würde uns zu weit führen. Wir müssen uns daher begnügen, eine Skizze der Physiognomie zu geben, welche die auffallendsten unter ihnen zeigen. Wir lassen also die Rohre, die Riedgräser (Carex und Cyperus), die Rohrkolben und die schwimmenden Laichkräuter (Potamogeton) bei Seite, welche damals wie heute die ruhigen oder nur langsam strömenden Wasser bevölkerten. Aber wir können einen höchst seltenen Typus nicht übergehen, der aus früheren Perioden stammt und von dem man .schon Reste in den Süsswasserschichten der oberen Kreide des Beckens von Fuveau, sowie in den Gypsen von Aix selbst findet. Es ist dies eine Sumpfpflanze, welche der Familie der Rhizocauleen angehört (Fig. 69 a. f. S), die in den meisten oligocenen Seen und Lagunen der Provence wuchs und die hier einen Platz verdient. Diese Pflanzen haben überall im südlichen Frankreich zerstreute Spuren ihrer Stämme, ihrer Blätter und ihrer Luftwurzeln hinterlassen. Was aber hauptsächlich er- laubt hat, sie zu restauriren und ihnen ihren Platz in der Nähe der Restiaceen und der Rhizocauleen anzuweisen, die heute mit 14% 260 "DIE VEGETATIONSPERIODEN Ausnahme einer einzigen in den irländischen Sümpfen- verlorenen Art alle exotisch sind, das sind einerseits die Beobachtungen ihrer Blüthenstände, die rispige Aehren bilden, welche aus trocknen enggeschindelten Schup- pen gebildet sind, und andererseits die selt- same Eigenthümlichkeit, dass ganze Haufen dieser noch aufrecht stehenden oder umge- worfenen Pflanzen am Grunde der Gewässer in eine kieselige Masse verwandelt worden sind, welche die Organisation der inneren nr / U Fig. 70. Oligocene, heute ausgestorbene Sumpfpflanze. (Auf Y,, der natürlichen Grösse reducirt.) Rhizocaulon polystachium, Sap. (Saint-Zacharie). Fig. 69. Populus palaeomelas, Sap. (Armissan). Theile so wunderbar vollständig erhalten hat, dass man sie unter dem Mikroskope studiren kann. Die Gattung Rhizocaulon, die zuerst vonBrongniart entdeckt wurde, wuchs in wenig tiefen Gewässern, in deren Grundschlamm DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. 261 die ungemein vervielfältigten Stämme eingewurzelt waren. Diese Pflanzen bildeten den alten Ufern nach grosse Colonien zusammen- sedrängter Individuen, die sich mehrere Meter über das Niveau des Wassers erhoben. Ihre äusserlich festen, innerlich mit einem srosszelligen Marke gefüllten Stämme waren viel zu hoch für ihre relative, immerhin schwache Festigkeit und mit breiten, band- artigen, aufrecht stehenden Blättern oder zerrissenen Lappen dieser Blätter besetzt. Diese Stämme hatten das Vermögen, längs der Zwischenknoten eine Menge von Luftwurzeln zu erzeugen, die allseitig nach unten wuchsen und durch die getrockneten Lappen der Blätter hindurch sich einen Weg bahnten, um den Grund des Gewässers zu erreichen. Diese Luftwurzeln bildeten also durch ihre Anordnung eben so viele Stützen für den Stamm, von welchem sie herunter gingen, ähnlich wie das bei den Pan- danusarten der Fall ist. Sie hatten indessen nur eine beschränkte Dauer, fielen nach einiger Zeit ab und hinterliessen eine Narbe an dem Orte, wo sie hervorgewachsen waren. Aber sie verliessen die Pflanzen nur, um durch neue Würzelchen ersetzt zu werden, die sich so folgten, bis der Stamm seine definitive Höhe erreicht Wesentliche Einzelheiten von Rhizocaulon polystachium, Sap. 1. Bruchstück eines entblätterten Stammes, mit den Narben der abgefallenen Luft- wurzeln. — 2. Bruchstück einer mit Aehrchen besetzten Rispe. — 2%, Vergrösser- tes Aehrchen, um die Form der Schuppen zu zeigen, aus denen es gebildet war. — 3. Bruchstück eines Blattes, das an drei Punkten von durchwachsenden Luftwurzeln durchbohrt ist. — 4. Bruchstück einer Luftwurzel. und den Cyclus seines Wachsthums vollendet hatte. Dann erst blühte die Pflanze, indem sie an ihrem oberen Ende eine ästige Rispe bildete (Fig. 71, 2), deren letzte Stielchen ein oder zwei 262 DIE VEGETATIONSPERIODEN Aehrchen trugen. Unsere Fig. 70 giebt die Ansicht einer ganzen Pflanze, welche nach dem Studium der einzelnen Theile wieder hergestellt wurde. Aber um den Anblick dieser, seit so langer Zeit verschwundenen Bewohner unserer südlichen Seen sich vor- zustellen, müsste man in Gedanken die Stämme und Individuen vervielfältigen. Man müsste sich diese ungeheure Menge grüner Gewächse, die zugleich elegant und einförmig waren, vorstellen, wie sie dicht gedrängt die überschwemmten Ufer bedecken, welche die Seen der damaligen Epoche einschlossen. Vielleicht erwarte- ten-diese Pflanzen während langer Monate, während welcher ihre Luftwurzeln halb zerstört, ihre Wurzelstöcke in dem ausgetrock- neten und zerspaltenen Schlamm eingebettet waren, unter einer glühenden Sonne den Augenblick, wo die Regenzeit das Wasser brachte, dieses für ihr Wachsthum so nothwendige Element, das ihre augenblicklich unterbrochenen Functionen aufs Neue belebte. Noch heute führen andere Pflanzen am Saume der afrikanischen Seen ein ähnliches Leben. Es ist gewiss, dass die Rhizocauleen nicht lange nach dem Oligocen fortlebten. In der folgenden Epoche findet man nur schwache und seltene Spuren von ihnen, und in der Mollassezeit verschwanden sie für immer, zugleich mit den Umständen, welche bis dahin ihre Existenz begründet und be- günstigt hatten. Vielleicht waren diese Pflanzen aber auch auf einzelne bestimmte Punkte beschränkt. Es ist in der That auf- fallend, dass ausserhalb des südlichen Frankreichs, wo sie von der Kreide bis zum Aquitan in Menge wuchsen, die Rhizocauleen noch nirgend anders beobachtet worden sind. Die Seelilien und Lotosblumen waren damals wie heute die hauptsächlichsten Pflanzen der ruhigen Gewässer, aber freilich in Proportionen, welche heute in unserer Zone unbekannt sind. Man muss nach Aegypten, Nubien, an die Gewässer von Senegambien und die überschwemmten Savanen von Guyana oder an die Lagu- nen von Indien und China gehen, um auch dann noch abge- schwächte Beispiele von dem zu finden, was in Europa in der oligocenen Zeit die Seelilien waren. Nicht allein Nelumbium Buchii, Ett., vom Monte Promina und die Fragmente von Wurzelstöcken, welche Heer auf der Insel Wight beobachtete, bezeugen die Gegenwart von europäischen oligocenen Lotosblumen. Die eigentlichen Nymphäen (Nymphaea DER TERTIÄRZEIT. OLIGOCEN. 263 parvula, Sap., N. Charpentieri, Hr.) beweisen nicht allein die Exi- stenz von Pflanzen, doppelt so gross als unsere weisse Seelilie (N. alba); es gab auch in dem damaligen Europa Gattungen, oder Sectionen von Gattungen, die heute ausgestorben sind, deren Charaktere wir nur in sehr unvollkommener Weise analysiren können, die sich aber hinlänglich von unseren heutigen Arten unterscheiden, um uns glauben zu lassen, dass ihre Blumen uns überraschen und unsere Bewunderung erregen würden, wenn es uns möglich wäre, sie zu betrachten. Der erste dieser tertiären Typen ist in den Gypsen von Aix vertreten (Nymphaea gypsorum, Sap.), ein anderer in Saint-Zacharie (N. polyrhiza, Sap.), ein dritter, wie es scheint, in dem Aquitan von Manosque (N. calophylla, Sap.); ein Bruchstück seiner Früchte, mit Lappen von Blumenblättern umgeben, beweist, dass er gefüllte Blumen hatte, die wenigstens doppelt so gross als diejenigen unse- rer heutigen Seelilien und nach einem ganz anderen Plan con- Fig. 72. Nymphaea Dumasii, Sap., Umgegend von Alais (Gard). Y, der natürlichen Grösse, struirt waren. Aber die schönsten Handstücke dieses Typus sind von Lombard-Dumas in Sommieres (Gard) bei Alais gefunden 264 DIE VEGETATIONSPERIODEN worden. Es sind wunderbar erhaltene Blätter, die einer den vorigen verwandten, aber doch davon verschiedenen Art anzugehören schei- nen. Diese breiten, kreisförmigen Blätter mit ganzem, leicht gewelltem Rande breiteten auf der Oberfläche der Gewässer ihre von der Basis her bis zum Mittelpunkte gespaltenen Scheiben aus, die von sehr zahlreichen, strahlenförmig geordneten Rippen durch- zogen waren, welche sich an dem oberen Theile in dünne, zwei- theilige Aeste auflösten, die durch einige Anastomosen verbunden waren. Das Aussehen der Blätter, der Blüthen, Früchte und Samen dieser Seelilien, soweit sie bekannt sind, scheint darauf hinzudeuten, dass sie eine Gruppe bildeten, welche wenig von den heutigen Nymphaea verschieden war, von welchen sie sich eher durch Besonderheiten der organischen Structur als durch ihr äusseres Ansehen unterschieden. Der zweite Typus, von dem wir eine Gattung unter dem Namen Anaectomeria (Fig. 73) gebildet haben, entfernt sich weit Fio. 73 mehr von den heutigen Seelilien, weniger durch seine Blätter, als durch seine Wurzelstöcke und namentlich durch die sonderbare Struetur seiner Frucht, deren Luftöffnungen nicht an der Ober- fläche der Scheibe festhingen und deren Wände, statt wie bei unse- ren Seelilien sich durch unregel- mässige Spalten zu öffnen, bei der Reife in quer verlängerte Kammern aufsprangen, welche der Einlenkung der Blumenblätter entsprachen, deren Anordnung Y Anaectomeria Brongniartiü, Sap. (Armis- . ? san). Reife Frucht im Augenblicke des S1® besassen. Diese Gattung, Aufplatzens, deren Blumen, wie man aus meh- reren DBruchstücken schliessen kann, sehr gross und schön gewesen sein müssen, bildete ohne Zweifel den wunderbarsten Schmuck der klaren und ruhigen See- becken von Armissan und Saint-Jean de Garguier. Die erste dieser beiden Fundstätten bringt uns durch mehrere Stufen hindurch an die Schwelle einer neuen Periode, welche die { 4 a ; A DIE PFLANZENWELT. Saporta. Europa zur Zeit des Nummuliten - Meeres. Tafel XI. Europa zur Zeit des Mollassen - Meeres (Miocen). ER DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 265 glänzendste und am besten gekannte Epoche der Tertiärzeit bildet. V. Miocenperiode. Mit der Miocenperiode kommen wir zu derjenigen Epoche der Tertiärzeit, welche am besten bekannt ist, deren Thiere, Pflan- zen, Landschaften und geographische Begrenzung am genauesten beschrieben werden können. Doch schwebt noch Zweifel über ihre Ausdehnung; der Anfang der Periode ist nicht ganz bestimmt, ihr Ende nicht sicher fixirt. Im grossen Ganzen kennen wir die Reihenfolge der Erscheinungen und ihre unmittelbaren Folgen; dagegen sind wir grossentheils im Ungewissen über die Ursachen, welche die Erscheinungen hervorbrachten, über die Langsamkeit oder Plötzlichkeit, mit welcher sie unter der Herrschaft entschei- dender Phänomene und der Begleitung wiederholter Schwankungen verliefen. Statt Hypothesen nachzugehen, ist es immerhin besser, sich an die Thatsachen zu halten und die wesentlichsten Punkte genau zu definiren. Wenn man, wie wir gethan haben, die oligocene Periode mit dem Rückzuge des Tongrischen Meeres beendet, das einestheils längs des Rheinthales bis in das Elsass sich erstreckte und anderen- theils bei Paris einen Golf bildete, an dessen Ende sich die Sand- steine von Fontainebleau absetzten, so muss man zugeben, dass der hervorstechendste Charakterzug der jetzt zu betrachtenden Periode durch die Wiederkehr des Oceans gebildet wird, der Europa theilweise aufs Neue überfluthete. Die Meereswellen rollen nun durch unseren Continent in etwas schiefer Richtung von Südwesten gegen Nordosten und Osten; ein Meeresarm schneidet durch das Festland in der bezeichneten Richtung, während auf der anderen Seite das gleichaltrige Meer der Faluns grosse Strecken des west- lichen Frankreichs bedeckt und den Thälern der Garonne, der Charente und der Loire entlang tief in das innere Land vordringt. Man kann aber leicht nachweisen, dass dieser Einbruch nicht un- mittelbar auf den Rückzug des Tongrischen Meeres folgte. Ein merklicher Zeitraum, der durch Zwischenbildungen bezeichnet ist, 266 DIE VEGETATIONSPERIODEN trennt überall die beiden Horizonte und zwingt uns, eine mehr oder minder lange Verbindungsperiode anzunehmen, während wel- cher das Tongrische Meer sich zwar schon zurückgezogen hatte, das Mollassemeer aber noch nicht vorgerückt war. Auf dem Sandsteine von Fontainebleau liegt im Pariser Becken unmittelbar der Kalk von Beauce, der durch seine Lagerung und seine charakteristischen Versteinerungen einen bestimmten geologischen Horizont bildet, den man auf einer Menge von Punkten wiederfindet; in Central- und West-Frankreich, in der Auvergne, dem Cantal, dem Allier, in der Waadt, in dem Rhone- thale, in Ligurien ete.; an anderen Orten, wie bei Bordeaux (Faluns von Bazas), in dem Departement der Basses- Alpes (Bar- reme) und an den Küsten der Provence (Carry) sind es verwickelte Ablagerungen, bald aus Meerwasser, bald aus Brackwasser, deren Einreihung den Beobachtern schwer wird, die aber doch die Fort- schritte und die Haltpunkte des einbrechenden Meeres bezeichnen; . der zweifelhafte Charakter dieser Ablagerungen reiht sie wahr- scheinlich dem Anfange der eigentlichen miocenen Bildungen an. Im südlichen Frankreich lagern über den Schichten, welche von den Geologen allgemein als den marinen Oligocenschichten entsprechende Süsswasserbildungen angesehen werden, andere, ebenfalls dem süssen Wasser entstammende Ablagerungen, die also jedenfalls jünger als die ersteren sein müssen, und erst auf diesen Schichten, die sich vor der Ankunft des Mollassemeeres ab- gesetzt haben, also diesem vorangegangen sein müssen, thürmt sich die grosse Mollassenformation auf. Diese Reihenfolge der Ablagerungen wird von keinem Geo- logen bestritten, aber sie hat in den Augen der Stratigraphen nur die Bedeutung einer Thatsache, während diese Thatsache für den- jenigen, welcher die Geschichte der Vegetation zu enträthseln sucht, mit einer Menge von Phänomenen verknüpft ist, welche sichtlichen Einfluss auf die europäische Flora übten, indem sie die Bewegung, deren Anfang wir hervorhoben und die stets voll- ständiger zu werden sucht, wesentlich beschleunigten. Dem Vordringen des Mollassemeeres bis in das Herz Europas und in Gegenden, welche, wie die Nordseite der Alpen, seit der Abtrocknung des Flysches von dem Meere entblösst gewesen waren, müssen nothwendig Bewegungen des Bodens, Brüche, Bie- Fi % a % + K > DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 267 sungen und Versenkungen vorausgegangen sein, welche das Ein- dringen des Meeres begünstigten und das Relief des Bodens, die Richtung der Thäler und der Bergketten in ganz Europa beein- flussten. Die Alpen fingen vielleicht damals an, ihre Erhebung zu vervollständigen, und die Thäler, welche von der Mehrzahl unserer grossen Flüsse Loire, Garonne, Rhone, Po und Donau durchströmt werden, waren damals Golfe und Buchten, deren Einsenkungen die Salzgewässer aufnahmen. Aber wenn es ge- wiss ist, dass solche auffallende Aenderungen nicht ohne physische Umwälzungen sich vollziehen konnten, so muss man andererseits zugestehen, dass die damalige Vegetation kaum eine indirecte Nachwirkung derselben verspüren lässt. Man kann in der That nicht nachweisen, dass sie unmittelbar in ihren Elementen dadurch beeinflusst oder gestört worden wäre. Die Periode, welche sich von dem Rückzuge des Tongrischen Meeres bis zum Ende des eigentlichen Mollassemeeres erstreckt, war in der That so ruhig und einheitlich als nur möglich und lässt durchaus keine scharfe Trennung in Unterabtheilungen zu. Da aber der Rücktritt des Mollassemeeres ebenfalls nicht plötzlich eintrat, sondern nur durch eine Reihe localer Rückzüge und Schwankungen bewerk- stelligt wurde, so sehen wir auch die Vegetation, welche seine Ufer schmückte, nicht plötzlich verschwinden, sondern stufenweise an Kraft, Mannigfaltigkeit und Schönheit abnehmen, die den Tropen entlehnten Formen, die sich lange erhalten, nach und nach abtreten und so allmälig ein anderes Ansehen sich herstellen bis zu dem Augenblicke, wo durch fortgesetzte Aenderungen im Ein- zelnen und durch wachsende Verarmung unsere heutige europäische Flora festgestellt ist. Trotz der mehr oder minder heftigen und ausgedehnten Boden- bewegungen, welche während des Vordringens des Mollassemeeres stattfanden, muss man also dennoch die Zwischenzeit, welche das ÖOligocen von dem Augenblicke der Ueberschwemmung trennte, als eine Periode tiefer Ruhe betrachten, welche durch das Vorherr- schen eines warmen und feuchten Klimas die Entwickelung der Pflanzen wesentlich begünstigte, und während welcher auf einer Menge von Punkten grosse Süsswasserseen auf dem wenig geneigten Boden in den Thälern sich ansammeln konnten, die durch die Bodenbildung selbst das Wasser in ihren Becken zurückhielten. ei. 5 7 vY ; h ® Die unmittelbaren Ufer und die weitere Umgebung dieser Seen wurden dann durch eine mächtige Vegetation bedeckt, welche sich unter günstigen Bedingungen zur Bildung von Braunkohlen befand. Wir theilen diesen Verhältnissen zufolge die grosse Miocen- periode in zwei Abtheilungen: die aquitanische Unterperiode, welche ihren Namen von den Faluns bei Bazas in der Nähe von Bordeaux erhalten hat, deren Schichten am besten diesen Horizont charakterisiren; sie beginnt mit dem Rückzuge des Tongrischen Meeres und erstreckt sich bis zum Einbruche des Mollassemeeres. Die eigentliche Mollasseperiode entspricht den auf diesen Einbruch folgenden Zeiten und fällt mit der Dauer desselben zu- sammen. Statt sich später in ähnlicher Weise wie das Tongrische Meer plötzlich zurückzuziehen, befolgte das Mollassemeer, ohne Zweifel unter dem Einflusse der langsamen Erhebung der Alpen, einen entgegengesetzten Gang; es entfernte sich nach und nach aus dem centralen Europa, hielt aber noch an den Grenzen dieses Continentes Stand, wo es, von einer anderen Fauna bevölkert, be- stimmte Grenzen zeigte und von den vorigen verschiedene Ab- “ 268 DIE VEGETATIONSPERIODEN lagerungen bildete. Mit diesen neueren Bildungen, welche man auch Congerienschichten oder mio-pliocene Gruppe genannt hat, hört die mollassische Unterperiode auf, um der jüngsten Tertiärbildung, der unmittelbar folgenden pliocenen Periode Platz zu machen. Man kann diese Unterabtheilungen zwar nicht auf scharf ausgesprochene Unterschiede in der Vege- tation stützen, aber da eine Begrenzung nöthig ist, so hat man ganz gute Gründe, sie so zu machen, wie wir sie vorschlagen, um so mehr, als in Beziehung auf die Flora, die uns hier maassgebend ist, jede andere Classification mehr Nachtheile als Vortheile mit sich führen müsste. Aquitanische Unterperiode. Das oligocene oder Tongrische Meer, mit dessen Rückzug diese Periode beginnt, war weit weniger ausgedehnt als das Mollasse- meer, dessen Widerpart es so zu sagen fast in jeder Beziehung war. Von Norden und Westen hereinbrechend, statt von Süden - | und Osten, hatte es seinen grössten Fjord in der Richtung des Rheinthales bis zum Fusse des Jura vorgeschoben. Es zog sich“ 1 DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 269 auch nach dem Norden zurück, und da es, in seinen Grenzen be- schränkt, nur wenig nach Süden vorgedrungen war und, wie es scheint, von dem eigentlichen Rhonethal stets getrennt blieb, so liessen sich in diesem Thale die Bodenschwankungen, welchen es seine Entstehung und Ausdehnung verdankte, und die offenbar auch seinen Rückzug bedingten, nur in geringem Grade ver- spüren. Aus diesem Grunde konnten auch die Süsswasserseen der Rhonegegend ruhig etwa in denselben Grenzen fortbestehen, die sie früher hatten, und ihre Ablagerungen fortsetzen. Nur lässt sich leicht nachweisen, dass diese Seen allmälig an Tiefe abnahmen und dass sie von Wasserpflanzen überzogen wurden, deren Trüm- mer sich auf ihrem Grunde ansammelten; auf diese Weise ent- standen ohne Zweifel die oft mächtigen Braunkohlenlager, die man so häufig in der aquitanischen Gruppe findet. Die wesent- lichsten Localitäten, wo man die aquitanischen Pflanzen und die ausgebeuteten Braunkohlenlager findet, sind: Manosque in der Provence, Cadibona in Piemont, Thorens in Savoyen, Paudeze und Monod im Canton Waadt, Bovey-Thracey in Devonshire und Cumi auf der Insel Euhoea (Griechenland); man muss noch hinzufügen die Braunkohlen der baltischen Bernsteinregion, diejenigen der Umgegend von Bonn und die Ablagerung von Radoboj in Croatien; diese schon lange Liste könnte leicht durch die Aufzeichnung einer Menge secundärer Punkte vergrössert werden. Das Niveau, in welchem diese Ablagerungen in Europa auf einem Gebiete von etwa 15 Breitegraden zerstreut sind, ist wesentlich dasselbe, und in dieser ganzen Ausdehnung zeigt die gleichzeitige Flora eine so bemerkenswerthe Proportion gemeinsamer Elemente, dass daraus nothwendig eine, wenn nicht absolute, doch sehr merkliche Ueber- einstimmung der Verhältnisse des Klimas und der Temperatur hervorgeht, unter welchen die Flora sich entwickelte. Ich werde zuerst eine Uebersicht der wichtigsten Typen und wesentlichsten Formen der aquitanischen Periode geben, dann auf ihre geographische Verbreitung eintreten und endlich zu einer Beschreibung der interessantesten Localitäten übergehen, um so .ein annäherndes Bild der Landschaften jener Zeit bieten zu können. Die Farnkräuter beweisen durch ihre Häufigkeit und die Grösse ihrer Wedel den Einfluss eines feuchten Bodens und Klimas, der während der letzten Periode nicht mehr zugenommen hatte. 270 DIE VEGETATIONSPERIODEN a Eine sehr schöne Osmunda (0. lignitum, Gieb., Ung.) wucherte damals auf den überschwemmten Gründen und am Ufer der La- gunen. Fig. 74, 1, giebt eine Abbildung, die indessen nur einen kleinen Theil eines Wedels darstellt. Man hat diesen Farn lange Zeit Fig. 74. / IN. ST A REE ZELL « 7 S EEE «x “ ma Charakteristische aquitanische Farne. 1. Osmunda lignitum (Gieb.), Ung. — 2. Lastraea (Goniopteris) styriaca, Ung. — 3. Lygodium Gaudini, Hr. £ € unter verschiedenen Namen bezeichnet und erst neuerdings der Gruppe der Osmunda zugesellt.e. Er entfernt sich wesentlich von unserer Osmunda regalis, welche die Ufer unserer beschatteten Bäche und die von klaren, stillen Wässern gebadeten sandigen Gründe schmückt. Osmunda lignitum hat die Form einer Art, welche in den Gehölzen des südöstlichen Asiens, auf Ceylon, den Philippinen, in Java und dem südlichen China heimisch ist und 0. Presliana, J. Sm. heisst. (Milde, Monogr. gener. Osmundae, DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 271 p. 118; Plenasium aureum, Presl.). Die heutige und die fossile Art gleichen sich so sehr, dass man sie mit einander verwechseln könnte. Jedenfalls handelt es sich hier wirklich um eine Osmunda, die damals dieselbe Rolle spielte und genau das Ansehen eines Farnkrautes wiederholte, das heute in den heissesten Gegenden des südöstlichen Asiens eingegrenzt ist. Zu ähnlichen Folgerun- gen führt das Vorkommen der Gattung Lygodium, kletternder Farne der sub-aequatorialen Zone, die auch in dem Aquitan ge- funden werden (Fig. 74, 3); ihre zarten, biegsamen Stämme klet- tern im tiefen Schatten der grossen Bäume an Sträuchern und moosigen Stämmen empor. Die beiden am weitesten nach Norden gehenden Arten der Gattung finden sich einerseits in Florida, andererseits in Japan. Um in dem Zwischenraume Lygodien zu finden, muss man bis zu den Breiten der Inseln des grünen Vor- gebirges, Abyssiniens und Ostindiens hinabgehen. Das verbreitetste aquitanische. Lygodium (L. Gaudini) hat eher das Ansehen der heutigen amerikanischen Art. Man hat denselben Eindruck bei Vergleichung der Gattung Lastraea oder Goniopteris, deren am weitesten verbreitete Art, L. styriaca, Ung. (Fig. 74, 2), wir hier im Bilde geben. Die Wedel zeigen auf ein hochgewachsenes, viel- leicht baumartiges Farnkraut hin, das wahrscheinlich zur Gruppe der Cyatheen gehört hat. Die zahlreichen Arten von Aspidium, die mit Goniopteris zugleich vorkommen, haben dieselbe Bedeutung. Endlich müssen wir noch ein sehr schönes Ohrysodium erwäh- nen, eine noch unbeschriebene Art aus der Gruppe der Acrostichen, welche bei Manosque gefunden wurde und sich den rein tropi- schen Formen genau anschliesst. Die Chrysodien sind Wasser- farne, die nach F&e drei Meter Höhe erreichen können und wie die Rohrkolben (Typha) halb im Wasser untergetaucht leben. Die Palmen gehören grossentheils schon der vorigen Periode an; ihre Ausdehnung in Europa hat sich nicht vermindert, viel- leicht aber sind sie weniger häufig geworden; sie fangen an, sich von den Ufern der Gewässer, von der unmittelbaren Umgebung der Seen und von dem Boden der inneren Thäler zurückzuziehen, wo andere Bäume, von weniger südlichem Ansehen, mit dichten Laubkronen und sogar Arten mit hinfälligen Blättern sich an- siedeln und vermehren. Die europäischen Palmen dieser Epoche suchen vorzugsweise heisse und gedeckte Stationen auf; sie sind L 272 DIE VEGETATIONSPERIODEN zwar nirgends ausgeschlossen, werden aber in vielen Gegenden seltener und verrathen ihre Anwesenheit nur durch geringe, zer- ö m p j “ h = = GG h CH ZEHN Sn N N; RN III Charakteristische aquitanische Palmen, nach ihren Blattwedeln restaurirt. 1. Flabellaria Ruminiana, Hr. — 2. Sabal major, Ung. — 3. Phoenicites spec- tabilis, Ung. streute Reste. Die lange Auswanderung der europäischen Palmen vollzieht sich erst sehr spät; sie beginnt jetzt durch ihre Begren- zung auf gewisse Punkte, welcher ihr Verschwinden auf anderen entspricht; das Klima behält seine Wärme, wird aber feuchter und dadurch gemässigter. a Sabal major bleibt immer der Typus dieser schon erwähnten Gattung; es gesellen sich dazu Flabellarien (Fl. Ruminiana, Hr., Fl. latiloba, H.); Phoenicites spectabilis, Ung., und Palavicinii, E. Sism., letztere von Cadibona, repräsentiren unsere Dattel- palmen. Andere hier und da in demselben Horizont scheinen den Zwergpalmen (Chamaerops helvetica, Hr.), den Geonomeen (Geonoma Steigeri, Hr., Manicaria formosa, Hr.) oder den Rotang- palmen angehört zu haben (Calamopsis, Sp., Palaeospathe daemo- norops, Hr.). > DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 313 Die gegebenen Skizzen (Fig. 75 und Fig. 76) zeigen das An- sehen und die wahrscheinliche Haltung der hauptsächlichsten aquitanischen Palmen, sie sind entweder dem schönen Werke Heer’s: „Die Urwelt derSchweiz“ oder der „Tertiärflora Piemonts“ von Eug. de Sismonda entlehnt. Die Coniferen, welche eine so mächtige Wirkung in der Land- schaft üben, bleiben dieselben, wie sie im Oligocen eingeführt Fig. 76. BIRE 7 “Er Ne euren N NV RR AN N Fe N i Fig. 76. Aquitanische Dattelpalme aus Ober-Italien, nach Sismonda’s Restau- ration. — Phoenicites Palavicini, Sism. — Fig. 77. Glyptostrobus europaeus, Hr. (Manosque). wurden. Die Sequoien (S. Couttsiae, Hr., Towrnalii, Sap., Langs- dorfüi, Hr.), beginnen vorzuherrschen. Zu ihnen gesellen sich Glypto- strobus europaeus, Hr. (Fig. 77), heute in kaum etwas veränderter Form in China heimisch, und Taxodium distichum miocenicum, die Sumpfeypresse der südlichen Vereinigten Staaten und Mexicos. Saporta, die Pflanzenwelt. 18 274 DIE VEGETATIONSPERIODEN Was die Sequoien betrifft, so weiss man, dass die beiden einzigen überlebenden Arten dieser Riesenbäume in den Gebirgen Cali- forniens auf den kühlen Gehängen wachsen, welche den Platzregen des Stillen Oceans ausgesetzt sind. Die Sequoia Sternbergii da- gegen, welche das Oligocen charakterisirt, wird stets seltener und verschwindet zuletzt völlig, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Die Fichten sind im Aquitan weit weniger gemein als in der vor- hergehenden Periode; Callitris und Widdringtonia verhalten sich ebenso; sie zeigen sich weniger häufig und fehlen entweder gänz- lich oder kommen nur ausnahmsweise in gewissen Gegenden vor, wie in der Schweiz. Diese nach und nach depossedirten Gattun- gen verlassen endlich Europa und siedeln sich in Afrika an, wo sie heute vorkommen. Dagegen treten manche andere, bis dahin arme und zerstreute Gruppen aus der Dunkelheit hervor. Ohne Zweifel durch die Milde und Feuchtigkeit des Klimas, durch die Vermehrung kühler Standorte und die Ausbreitung der Seespiegel begünstigt, be- haupten sie im Schoosse der Vegetation, mögen sie nun aus den Polargegenden kommen oder von den Bergen herabsteigen, einen stets grösser werdenden Platz, weil die Umstände, denen sie ihr Auftreten verdanken, in stetem Fortschritte begriffen sind. Ich nenne hier besonders die Erlen und Birken, die Buchen und Hain- buchen, die Pappeln und Weiden, die Eschen und Ahorne, alles Bäume mit hinfälligen Blättern, die auf einen kälteren oder wenig- stens kühleren Winter hinweisen und von nun an einen bestimm- ten Platz in der Flora einnehmen, ohne indess noch vorzuherrschen. Viele dieser Arten gleichen so sehr einheimischen oder exotischen jetzt lebenden Typen, dass man schwerlich ein Band der Abstam- mung zurückweisen könnte, das sie mit einander verknüpft. Bei- spiele dieser Art werden noch. häufiger vorkommen; es genügt hier, auf die ersten Vorkommenheiten aufmerksam zu machen. Fagus pristina, Sap., von Manosque (Fig. 78, 5 bis 7), unter- scheidet sich wenig oder gar nicht von der heutigen amerikani- schen Buche, F. ferruginea, Michx. — Carpinus Ungeri, Ett., 4 ebendaher, dessen samentragende Schuppen (Fig. 78, 4) wir erst neuerdings beobachtet haben, erinnert ganz an die virginische Hainbuche, ©. Virginiana, Michx. DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 275 Alnus sporadum, Ung., von Cumi auf Euboea (Fig. 79 a. f. S.), fällt fast mit der kleinasiatischen oder kaukasischen Erle, A. sub- cordata, C. A. Mey., zusammen, zeigt aber Verwandtschaft mit der syrischen A. orientalis, Dne. Die Flora von Manosque zeigt da- Aquitanische Hainbuchen und Buchen. 1. bis 4. Curpinus Ungeri, Ett. (Manosque). — 5. bis 7. Fagus pristina , Sap. (Manosque). gegen eine andere Erlenform, A. phocaeensis, Sap. (Fig. 79, 5), der vorigen zwar sehr nahe verwandt, die sich aber mehr der syrischen als der kaukasischen Erle nähert. Es sind das kleine Schwankungen, die nur den Einfluss der zahllosen Wechselfälle bezeugen, welchen die Arten bei ihrer Fortpflanzung bis in unsere Zeiten unterworfen waren. Der charakteristische Ahorn des Miocen, Acer trilobatum (Fig. 80, 2 bis 3), welcher jetzt auftritt, hat nach Heer unver- 15* REN FAT N FIRE, Se VOL, „NED 0 er RER Mur DIE SH, ; a e £ Ur u 5 y ze { » v DIE VEGETATIONSPERIODEN Aquitanische Erlen. 4 1. bis 4. Alnus sporadum, Ung. (Cumi). — 5. Alnus phocaeensis, Sap. (Manosque). F Fig. 80. | k v Aquitanische Pappel und Ahorne. 1. Populus Euboica, Sap. (Cumi). — 2. bis 3. Acer trilobatum, Al. Br. (Cumi). — 4. Acer recognitum, Sap. (Manosque). T DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. AT kennbare Beziehungen zu einem amerikanischen Ahorn, A. ru- brum, L., lässt sich aber doch leicht durch kleine Unterschiede erkennen. Dagegen beginnen zwei andere Ahorne von Manosque, A. recognitum, Sap. (Fig. 80, 4), und A. decipiens, Hr., zwei Reihen, deren Kettenglieder in zwei noch heute in Europa heimischen Arten enden, A. opulifolium und A. monspessulanum. Man darf deshalb nicht glauben, dass die damalige euro- päische Flora etwa derjenigen geglichen hätte, die jetzt noch selbst in den südlichsten Theilen des Continents existirt. Wenn man auch die Einzelheiten und Ausnahmen übersehen wollte, so würde doch die Fülle von Laurineen, die Menge und Mannig- faltıgkeit der Myriceen, Diospyreen, Andromeden aus der Gruppe der Leucothoe und die Pracht schmetterlingsblüthiger Waldbäume uns bald belehren, dass diese Vegetation nicht mit derjenigen zusammengestellt werden kann, die wir vor Augen haben. Selbst die Eichen, die doch so wesentlich zur Zusammensetzung und Schönheit der Wälder unserer heutigen gemässigten Zone bei- tragen, behaupten in jener Zeit nur eine untergeordnete Stellung, und sind überdem durch Formen repräsentirt, welche nur das geübte Auge des Botanikers als zu der Gattung gehörig erkennen kann. Nichtsdestoweniger bezeichnet die aquitanische Periode den Punkt, wo die Eichen sich zu entwickeln und zu differenziren beginnen, und die ersten Linien die morphologischen Charakter- züge zeigen, welche sie in unseren Tagen besonders kennzeich- nen. Haben wir einmal diesen Ausgangspunkt untersucht, so sehen wir später die Phasen ihrer Entwickelung sich stärker aus- sprechen, die, einmal begonnen, stets verwickelter und bezeich- nender werden. Die ungeheure Gruppe der Eichen zerfällt heut zu Tage in eine gewisse Anzahl von Sectionen, die sich um so schwieriger definiren lassen, als ihre unterscheidenden Kennzeichen auf Charaktere von sehr geringem innerem Werth oder selbst auf schwache Nüancen gegründet sind, die aber nichtsdestoweniger zum Theil eine grosse Beständigkeit besitzen, in vielen Orten wiederkehren, und so zur Gruppirung derselben dienen können. Die Bildung der Griffel, die jährige oder zweijährige Reifung der Frucht, das Ansehen, die Consistenz und die Anordnung der 278 DIE VEGETATIONSPERIODEN Schuppen des Eichelbechers, die Abrundung oder Zuspitzung der Läppchen des Blattes verdienen hier besondere Berücksichtigung, und man begreift, dass diejenigen Arten, welche durch eine absolute Aehnlichkeit dieser Charaktere eine enge Verwandtschaft bekun- den, angesehen werden können, als seien sie einem gemeinsamen Stamme entsprossen, dessen sämmtliche Abzweigungen die Einzel- heiten der Structur sich erhalten haben, welche der Stamm besass, von dem sie entsprungen sind. Die am besten definirten heutigen Sectionen entsprächen demnach eben so vielen ursprünglichen Typen oder Ur-Rassen, und die häufig heute als Arten unter- schiedenen Rassen wären nichts anderes, als von der Ur-Rasse ab- geleitete Varietäten und Formen. Wenn dem so ist, so wird aber auch klar, dass die Sectionscharaktere ihre heutige Wichtigkeit nur dadurch erlangen konnten, dass sie die Resultate einer ge- meinsamen Abstammung sind, in Folge deren die Charaktere sich schliesslich bei allen Abkömmlingen desselben Stammes erhalten konnten, der sie ursprünglich besass. Jede dieser typischen Stamm- formen musste anfänglich als Rasse existirt haben und man be- greift, dass sie in diesem Zustande mit ähnlichen Formen zusam- men existirt haben, bei welchen aber die durch Vererbung fixirten Charaktere, die später Sectionscharaktere wurden, weder dieselbe Bedeutung noch dieselbe Beständigkeit erlangt hatten. Man er- sieht hieraus, dass wenn einige dieser primitiven Arten durch Ab- spaltung die hauptsächlichsten heutigen Sectionen hervorgehen lassen konnten, andere Arten ohne Nachkommen untergehen und noch andere im Gegentheile bis zu uns gelangen konnten, aber in schwachem, ıisolirtem Zustande, mit schwankenden und unbe- stimmten Charakteren, welche ihre Einreihung in die bestehenden Sectionen nicht gestatten, eine natürliche Folge des Umstandes, dass diese schwankenden Arten aus einer Zeit stammen, wo die uns bekannten Sectionen noch nicht definitiv festgestellt waren. Es folgt ferner daraus, dass das Ansehen der in den Sectionen zusammengefassten Formen bedeutend variiren musste; sie com- plicirten und veränderten sich mehr und mehr in Folge der fort- schreitenden Bewegung der Verzweigung, die ihnen erlaubte, sich auszubreiten und zu entwickeln. Die vereinzelten und wenig fruchtbaren Typen dagegen, die weit weniger Plasticität besassen, behielten die Charakterzüge ihrer früheren Physiognomie fast un- Bein DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 279 verändert bei, da sie einer weit geringeren Variabilität unter- worfen waren. Den Gesetzen der Evolution zufolge musste der soeben dar- gelegte Entwickelungsgang fast derjenige des gesammten Pflanzen- Fig. 81. Hauptsächliche aquitanische Eichen. 1. Quercus provectifolia, Sap. (Brognon). — 2. Q. Buchü, O. Web. (Bonn). — 3. Q. larguensis, Sap. (Manosque). — 4. Q. Cyri, Ung. (Cumi). — 5. bis 9. Q. me- diterranea, Ung. (Cumi). reiches sein; aber er tritt namentlich bei der Gruppe der Eichen hervor, und deshalb gleichen die Arten der aquitanischen Flora, welche der Zeit entspricht, wo die Gattung selbst sich auszudehnen begann, einerseits unseren, theilweise mit Cerris, theilweise mit Lepidobalanus verwandten immergrünen Eichen, andererseits dem amerikanischen @uercus virens, einem sehr isolirten Typus der heutigen Flora, der sich aber durch das Zwischenglied einer sehr seltsamen hybriden Art, @. heterophylla, Michx., den zur Gruppe 280 DIE VEGETATIONSPERIODEN der Wasser-Eichen gehörenden Lepidobalanus und Erythrobulanus anschliesst. Die Abbildungen Fig. 81 dürften besser als eine Be- schreibung dazu dienen, unseren Standpunkt zu erläutern. Wir erwähnten schon, dass @. elaena, Ung., die im Aquitan von Manosque, Bonnieux und anderen Orten wieder auftritt, den Q. phellos und @. virens, Ait. sehr ähnlich ist. @. divionensis, Sap. und Q@. provectifolia, Sap. (Fig. 81, 1), sowie ©. Zyelli, Hr., aus den Braunkohlen von Bovey-Tracey tragen den Typus der amerikanischen Q@. imbricaria und laurifolia. @. larguensis, Sap. (Fig. 81, 3), hat ebenso unregelmässig gelappte Blätter, wie Ei Q. polymorpha, Cham. und Schl., aus Mexico. @. Buchü, Web. (Fig. 81, 2), gleicht sehr den amerikanischen @. heterophylla, Michx., und @. aqwatica, Michx., die bald hinfällige, bald halb perennirende Blätter haben. 0. mediterranea, Ung. (Fig. 81, 5 bis 9), von Cumi, trägt getreulich die Züge von @. pseudococei- era, Desf., einer sehr schwankenden und noch unvollständig be- kannten Rasse, welche als vermittelndes Glied sich zwischen (). lex und coceifera stellt. Es giebt in dieser Zeit noch zahlreiche Rhamneen, Juglandeen, theils vom Typus des gewöhnlichen Nussbaumes, theils von dem der asiatischen Engelhardtia, einige Pomaceen, die dem brennen- Fig. 82. den Busche (Mespilus pyracantha, L.) ähneln, und unter den Schoten- gewächsen Arten von Cercis, Caesalpinia, Cassis , Calpurnia, Acacia. Zum Schlusse dieser nothwendig un- vollständigen Aufzäh- lung müssen wir noch eine merkwürdige Art von Gymnocladus er- wähnen, deren in zwei platte Klappen geöff- Gymnocladus maerocarpa, Sap. (Manosque). nete und vortrefflich x 1. Die geöffnete Frucht. — 2. Blättchen. — 3. Re- staurirter Theil eines Blattes. erhaltene Frucht die j Art ın die Nähe des DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 281 neulich bei Shanghai entdeckten @. chinensis, Baill., stellt. Man kennt übrigens in der heutigen Schöpfung nur zwei Arten von Gymnocladus, @. chinensis und @G. canadensis, die räumlich ausserordentlich weit getrennt sind. Typen, welche sich heute in solchen getrennten Standorten zeigen, werden gewöhnlich im fossilen Zustande gefunden; ihre gegenwärtige Zerstreuung zeigt auf ein relatives Alter und eine weite Verbreitung in früheren Epochen hin. Vergleicht man die aquitanische Flora von Cumi auf Euboea unter dem 38. Breitengrade mit den ebenfalls aquitanischen Floren der Bernsteingegend (54 Grad nördl. Breite) und von Bovey-Tracey in Devonshire (51 Grad nördl. Breite), so erstaunt man unmittelbar über die Aehnlichkeiten, welche die drei Locali- täten verbinden, und die nothwendig eine sehr grosse Gleich- förmigkeit der klimatischen Verhältnisse in ganz Europa während des Zeitraumes bezeugen, in welchem diese Floren existirten. Ueberall treten dieselben vorherrschenden und charakteristischen Formen auf; überall sind die Pflanzenmassen in derselben Weise ausgebildet und das Resultat wird kein anderes, wenn man zu diesen an den Enden Europas zerstreuten Ablagerungen diejeni- gen von Manosque in der Provence hinzufüst. Coniferen der Gattungen Sequoia, Taxodium, Glyptostrobus ; Erlen vom Typus der A. orientatis und subcordata; gewisse Myri- ceen (Myrica banksiaefolia, Ung., M. hakeaefolia, Ung., M. laevi- gata, Hr.); Laurineen, besonders Kampherbäume, Andromeda von der Gruppe Leucotho@ zeigen sich immer noch in erster Linie und herrschen in den verschiedenen Localitäten vor. Man darf in- dessen doch nicht glauben, dass der Einfluss der geographischen Breite ganz aufgehoben gewesen sei. Die baltische Bernstein- region bildet die nördlichste aquitanische Oertlichkeit; die Kam- pherbäume (Fig. 83 a. f. S.), die jetzt nur an den geschütztesten Stellen der Mittelmeerküsten wachsen können, finden sich dort in Menge; aber andererseits bemerkt man, dass die Palmen dort voll- ständig fehlen. Man findet nur eine einzige Pflanze mit breiten Blättern aus der Gruppe der Scitamineen, vielleicht eine Zingi- beracee; dagegen beobachtet man zahlreiche Smilax, verschiedene Fichten vom Typus der Lärche, eine Art Oleander (Apocymophyl- lum elongatum, Hr.), verschiedene Myrsine, Leucothoö und endlich 2823 DIE VEGETATIONSPERIODEN eine sehr merkwürdige Rubiacee (Gardenia Wetzleri, Hr.), die an ihren Früchten kenntlich ist, welche sich sowohl bei Bovey-Tracey, als an den Ufern des Rheins bei Bonn wiederfinden. Fig. 83. Miocener europäischer Kampherbaum. — (Cinnamomum polymorphum, Ung. 1. Zweig (Manosque). — 2. Blüthenstand (Oeningen); 22, Vergrösserte Blüthe. —. 3. Fruchtzweige; 3%, Zwei etwas vergrösserte Früchte. Die Braunkohlen von Bovey-Tracey in Devonshire bezeich- nen etwa die nördliche Grenze der Palmen im Aquitan, die also mit dem 52. Grade nördl. Br. zusammenfällt. Heer hat aus die- ser Gegend Reste beschrieben, die er, wenn nicht mit Gewissheit, so doch mit grosser Wahrscheinlichkeit der mit Dornen an der Oberfläche besetzten Blüthen- oder Fruchtscheide einer Palme aus der Section der Calameen zuschreibt (Palmacites doemono- rops, Hr... Man muss heute nach Indien oder Central-Afrika gehen, um frei wachsende Rotangpalmen zu finden. Die grosse Fächerpalme (Sabal major, Ung.) tritt etwas weiter südlich in den Braunkohlen von Bonn bei einer Breite von 50°40’ auf. Diese Braunkohlen zeigen noch andere Beispiele von wahrhaft tropischen Pflanzen, so Blättchen von einer Sinn- pflanze (Mimosa), mehrere Acacia, eine Araliacee mit fingerförmi- gen Blättern, eine Dombeyee u. s. w. Dagegen mischen sich da- DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 283 mit die in der aquitanischen Epoche unvermeidlichen Ulmen, Ahorne und Eschen. Geht man weiter nach Süden, so findet man nicht weit von Dijon die concretionirten Kalke von Brognon, deren Blöcke mit Pflanzenresten vollgepfropft sind; ihre Untersuchung bietet um so grösseres Interesse, als es sich nicht, wie bei den Braunkohlen, um eine Sumpfbildung, sondern um eine Gesellschaft von Pflan- zen handelt, die in der Nähe klarer Quellen wuchsen. Ein Palm- baum mit sehr breiten Blättern, der auch in der unteren rothen Mollasse bei Lausanne gefunden wird, Flabellaria latiloba, bildet hier die herrschende Art; ein schöner, vielleicht baumartiger Farn, +Lastraea (Cyathea?) Lucani, Sap., begleitet die Palme; beide wuchsen am Rande der Gewässer nicht weit von einer Gruppe von Eichen mit Blättern, ähnlich denen der Weiden (Quercus provectifolia, Sap., Q. divionensis, Sap.), von Judendornen, Feigen und Lorbeerbäumen, und zu diesen Bäumen gesellte sich ein Judenbaum (Cercis Tournoueri, Sap., Fig. 84), dessen Blätter- abdrücke sich zahlreich in dem. incrustirenden Kalke finden, wel- chen die wahrscheinlich warmen Quellen absetzten. Fig. 84. Aquitanischer Judenbaum. 1. bis 2. Cercis Tournoueri, Sap., Blätter. Wir haben so ein kleines, niedliches Landschaftsbild einer Waldecke, dem kein wesentlicher Charakterzug abgeht und das durch das Geräusch der Gewässer belebt wird, welche ihre schäumenden Wellen fortrollen. 284 DIE VEGETATIONSPERIODEN Die Scene gewinnt ein ganz anderes Ansehen, wenn wir Herrn Prof. Heer in die Umgegend von Lausanne folgen und seine Skizze der aquitanischen Landschaft betrachten, welche am Ufer des Genfersees sich entfaltete. Man kann sich nichts Frische- res, nichts Ruhigeres,: nichts Reicheres und zugleich Manmnigfalti- geres denken. Wir können nichts Besseres thun, als die Einzel- . heiten zu wiederholen, und sogar uns derselben Ausdrücke bedienen, wie sie der Feder des gelehrten Züricher Professors entflossen !). — Ein See erstreckte sich damals von Vevey bis Lausanne. An seinen Ufern erheben sich in die Lüfte die präch- tigen Fächer der Sabal- und Flabellariapalmen und die langen Fiedern von Phoenieites. Weiterhin mischen Lorbeer- und Feigen- bäume, Stechpalmen und immergrüne Eichen ihr festes, dunkel- grünes, glänzendes Laub mit den tiefen Massen der üppigen Aeste von Kampher- und Zimmtbäumen. Die Acacien mit ihren gewun- denen Aesten und feinen Fiederblättchen spiegeln sich im glatten See; kletternde Farne mit biegsamen, dünnen Stämmen und mit den Aesten der Bäume, deren Stämme sie erdrücken, verschlun- gene Sassaparıllen vervollständigen mit üppigen Ahornen den dichten Schleier, der den See mit einer zusammenhängenden Mauer von Gewächsen umgiebt. Auf der Wasserfläche schwim- men die Blätter von Wasserlilien, Nymphaea Charpentieri, Hr., und Nelumbium Buchit, Hr. Grossblättrige Seggen und mit lan- gen Blattbüscheln gekrönte Cypergräser erheben sich aus dem Boden der seichten Strecken, und im Hintergrunde zeigen sich hohe Palmen verschiedener Art, und sogar eine schmarotzende Bromeliacee von ganz exotischem Aussehen, deren Gegenwart nicht die Existenz einer grossen Nussbaumart, einer Erle und einer Mispel ausschliesst, die wenig von den unserigen verschieden sind. — Heer nimmt an, dass man heute um 15 Breitengrade südlicher gehen müsste, um eine Vegetation zu finden, welche der- jenigen ähnlich wäre, deren Reste man bei . Lausanne gesam- melt hat. Manosque hat kein südlicheres Ansehen. Die Pflanzenreste, welche uns diese Localität überliefert hat, bestehen hauptsächlich in Blättern, leichten Früchten und geflügelten Samen, welche !) Die Urwelt der Schweiz von Heer. nA PFLANZENWELT. DIE Tafel XI. Saporta« Er ER Ban AN ar, AN nosque, a tanischen Sees von M s aqui Ideale Ansicht de DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 285 durch den Wind zusammengetrieben und auf dem Grunde eines Gewässers abgesetzt wurden, welches an seiner Mündung nur eine geringe Stromgeschwindigkeit zeigte. Der See war sehr gross; er maass wenigstens 60 Kilometer in der Länge von Peyruis bis in die Umgegend von Grambois, nicht weit von Pertuis; wahr- scheinlich lag das Gehölz von Bois d’Asson zwischen Dauphin und Volx, welches bis jetzt die besten Abdrücke geliefert hat, damals am Fusse eines mächtigen Absturzes des Gebirges, von welchem der Felsen von Volx ein letzter Ueberrest ist!). Die Flora von Manosque zeigt, wie diejenige der Gypse von Aix, zwei gesellte Kategorien von Pflanzen, die aber einander besser die Wage halten, wenn auch ihre Mischung stets ungleich ist. Eines- theils seltene Trümmer von Palmen, von Sequoien, Glyptostrobus, Myriceen mit langen, lederartigen und gezähnten Blättern, Dios- pyros, Leucotho&, eine Menge von Laurineen, Ailanthen und ver- schiedenen Schalengewächsen, alle von subtropischem Habitus; da- neben Erlen, Birken, Buchen und Hainbuchen, Pappeln, Winden, Eschen, Ahorne und einige Fichten. Diese letzteren sind an Zahl und Häufigkeit weniger bedeutend, als die Bäume der ersteren Kategorien; sie wuchsen in einiger Entfernung, und ihre von den steilen, waldigen Gehängen des Gebirges kommenden Abfälle ver- mischten sich am Grunde der Gewässer, wenn auch mit weniger Leichtigkeit, mit den Abfällen der Pflanzen, die unmittelbar am Ufer des alten Sees wuchsen. Dies ist nur eine Conjectur, die aber ihre innere Wahrscheinlichkeit hat und von einigen That- sachen unterstützt wird. In den ruhigen Gewässern des Sees von Manosque wuchsen eine Menge von Cypergräsern, von Rohrkolben und eine schöne Seelilie, Nymphaea calophylla, Sap., während im Schatten der hohen Waldbäume zahlreiche Farne das Unterholz bildeten, von denen die meisten schon erwähnt wurden: Osmunda lignitum, Ung., Lastraea styriaca, Ung., Pteris pennaeformis, Hr., Pteris uro- phylla, Ung., Lygodium Gaudini, Hr., Ohrysodium aqwitanicum, Sap. (nov. sp.). Gehen wir weiter nach Osten über die Alpen hinüber, so fin- 1) Man betrachte Taf. XII die ideale Ansicht der Seelandschaft von Manosque. 286 DIE VEGETATIONSPERIODEN den wir, bevor wir nach Griechenland und dem schon erwähnten Fundorte von Cumi gelangen, die aquitanischen Braunkohlen-Ab- lagerungen von Cadibona, die besonders durch eine Dattelpalme, Phoenicites Palavicini, Sism., charakterisirt sind. Zwei andere Fundorte in Piemont, Stella und Bagnasco, haben ebenfalls Pflan- zen geliefert; aber alle diese in demselben Horizont wie Manosque gelegenen Orte sind zu wenig in ihrem Habitus von der Provence verschieden, um uns dabeı aufzuhalten. Gehen wir aber durch Italien zum gegenüberliegenden Ufer des Adriatischen Meeres, so finden wir in Croatien die berühmte Fundstätte von Radoboj, woher Professor Unger mehr als 280 Arten von fossilen Pflan- zen beschrieben hat. Radoboj ist weder wie die vorherigen eine reine Seeablagerung noch ein oberflächliches Landgebilde wie die concretionirten Kalke von Brognon, sondern eine Bildung, die sich in der Mündung eines Flusses in Berührung mit dem Meere abgesetzt hat. Diese Verhältnisse werden durch die Gegenwart einer gewissen Anzahl von Meeresalgen bewiesen, die mit den Abdrücken von Landpflanzen gemischt sind. Die Arten sind grossentheils dieselben, die schon als charakteristisch für die reinen, aquitanischen Bildungen aufgeführt wurden; andere sind diesem Stockwerke und dem specifischen Miocen gemeinschaft- lich; noch andere, wie die schöne Aralia Hercules, Ostrya atlan- tidis und die Palaeocaryen, finden sich auch in Armissan und be- zeugen eine Verbindung mit dem oberen Tongrien oder wenig- stens mit dem unteren Theile der aquitanischen Schichten. Der Fluss, welcher eine so grosse Zahl von Fossilen und Gewächs- resten aller Arten absetzte, strömte ohne Zweifel durch eine reiche Waldgegend. Die heute exotischen Gruppen der strauch- artigen Rubiaceen, der Myrsineen, Sapotaceen, Diasporeen, Mal- pighiaceen, Sapindaceen, Celastrineen und der Leguminosen aller Sectionen sind reich vertreten. Acacia insignis, Ung. (Fig. 85), gleicht sehr der A. Bousqueti, Sap., von Armissan, und die Copas- fera radobojane, Ung., steht nicht weit von Copaifera armissanensis, Sap. Diese beiden tertiären Localitäten in Croatien einerseits und dem Departement de l’Aude anderseits zeigen überhaupt sehr enge Beziehungen durch die grosse Menge identischer oder nur analoger Arten, welche sie besitzen. Eine Gattung von Kletter- pflanzen, deren Stämme die Aeste der grössten Bäume umwinden EL ee Sa DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 287 und sich zu den Sassaparillen gesellen mussten, hat ebenfalls un- bestreitbare Reste in Radoboj hinterlassen, ich meine die Tabaks- Fig. 85. Fig. 85. Schotengewächse von Radoboj. — 1. Acacia insignis, Ung., Schoten. — 2 bis 3. Copaifera Radobojana, Ung.; 2, Frag- ment eines Blattes mit Fiederblättchen; 3, Frucht. Fig. 86. Aristolochia venusta, Sap.; Blatt (Radoboj). pfeifen (Aristolochia), von welchen Fig. 86 eine sehr schöne Art abbildet, die aus dieser Gegend stammt und dem Scharfsinn Unger’s, der sie nicht kannte, entgangen ist. Die Localität von Cumi auf der Insel Euboea unterscheidet sich von den gleichzeitigen Ablagerungen bei Manosque durch eine grössere Ueberzahl südlicher Formen, wobei indess diejenigen der gemässigten Zone nicht ausgeschlossen sind. Es gab Erlen, Birken, Hainbuchen, Pappeln, Ahorne aber nur in geringer Zahl. Die immergrünen Eichen, die Myriceen mit ausdauernden Blättern, die Myrsineen, Diospyros und die Schotengewächse wimmeln und bilden die grösste Masse des Ganzen. Man unterscheidet eine Araliacee von afrikanischem Typus, deren gefingerte Blätter denen 288 DIE VEGETATIONSPERIODEN von Cussonia ähnlich sind; die Acacien sind häufig; Seguoia und Glyptostrobus herrschen unter den Coniferen vor, ohne dass Cal- Fig. 87. Aquitanische Araliacee von Cumi. — (ussonia polydrys, Ung. Fast vollständiges gefingertes Blatt mit dem Blattstiele, nach einem von Unger abgebildeten Exemplare. litris und Widdringtonia ausgeschlossen wären, ganz wie es in derselben Zeit in der Provence sich fand. Palmen sind bis jetzt in Cumi noch nicht gefunden worden, wohl aber wurde vor etwa drei Jahren von Gorceix dort eine Cycadee, Encephalartos Gor- ceizianus, Sap., entdeckt, die gewissermaassen für den Einfluss der Breite und die Nachbarschaft Afrikas Zeugniss ablegt, und von der wir Fig. 88 fast ein ganzes Blatt abgebildet haben. Diese Uycadee ist unzweifelhaft eine der letzten, die im tertiären Europa beobachtet wurden, wo man lange die Anwesenheit der Gruppe bezweifelte. Wir müssen übrigens auch zugestehen, dass wir die DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 289 miocene Vegetation nur sehr oberflächlich und von ihrer gewöhn- lichen Seite her kennen. Die Standorte in der Nähe der Wässer SZ NN N \ Die letzte europäische Cycadee (Stück eines Blattwedels). Encephalartos Gorceixianus, Sap. (Cumi). oder der Wälder sind die einzigen, welche uns Pflanzenreste über- liefert haben. Die abseits gelegenen Punkte, die durch Boden- falten geschützt waren oder unter ganz speciellen Bedingungen standen, entgehen uns nothwendig. Gewiss lebten hier und da im Inneren Europas den früheren Zerstörungen entgangene Ueber- reste fort, wie jene gothischen Gebäude, die inmitten moderner Städte uns auffallen. Aber die Einförmigkeit, die uns in der aqui- tanischen Periode so sehr überrascht, musste sich namentlich am Ufer der damals so zahlreichen Seen ansiedeln. Einzelne seltene und meist weit ärmere Stationen als die bekannten Fundstätten scheinen in der That sich dieser Einförmigskeit zu entziehen, deren Saporta, die Pflanzenwelt, 19 290 DIE VEGETATIONSPERIODEN Anblick damals so allgemein schien; diese Stationen geben uns ein Bild von Vegetationsgesellschaften, deren Physiognomie be- deutend von der gewöhnlich zu findenden absticht. So verhält es sich mit Bonnieux !) in der Provence, das nicht weit von Apt (Vaucluse) gelegen und mit Manosque fast gleichzeitig ist. Pro- teaceen, Rhizocauleen, einige magere Eichen, eine Weide von ganz exotischem Typus, kleine Sträucher mit kümmerlichen Blättern wuchsen in dieser Gegend ım Anfang des Aquitan; eine Cycadee (Zamites epibius, Sap.) hat einen Abdruck von geringer Grösse hinterlassen, und dieser Abdruck findet sich neben einem ande- ren, welcher sehr an die Zapfen gewisser heutiger Zamieen er- innert. Man muss aus diesen Thatsachen den Schluss ziehen, dass das Gewächsreich nur nach und nach das Ansehen verlor, welches es anfangs hatte, und: dass es mehr oder minder lange gewisse vereinzelte Elemente zurückhielt, die inmitten eines fast gänz- 1) Eine neuere Entdeckung, die man voraugsweise Herrn Goret, Unterinspector der Wälder von Digne, verdankt, hat uns mit einer Flora bekannt gemacht; welche derjenigen von Bonnieux zur Ergänzung dient; diese Flora findet sich in mergeligen Kalkschiefern, die sich als eine Ver- längerung der Lager von Bonnieux darstellen und bei Cereste, am Nord- abhange des Mont Leberon, zwischen Apt und Manosque zu Tage kom- men. Die Gesammtheit der Charaktere sowie die Lagerung der Schichten scheint auf ein etwas höheres Alter hinzuweisen, als das eigentliche Aqui- tan. Sabal major und Haeringiana haben kenntliche Reste hinterlassen ; Callitris und Libocedrus finden sich, wie bei Armissan, in Gesellschaft von Sequoia. Blätter von Mimosa, zerstreute Blättchen und Früchte von Acacia bedecken die Oberfläche der Schieferplatten. Die Laurineen herr- schen durch die Menge der Abdrücke und die Mannigfaltigkeit der For- men vor; es sind dieselben Arten wie bei Manosque. Unter den Selten- heiten findet sich die Frucht einer Clematis, Blätter einer .der japanesi- schen ähnlichen Schneeballenart"( Yiburnum Goreti, Sap.), endlich der fast vollständige Befruchtungsapparat eines Lygodium, eines kletternden Farn- krautes, von dem wir Fig. 74 einen Blattwedel unter dem Namen L. Gau- dini abgebildet haben. Diese Art findet sich in Manosque und charakte- risirt das Aquitan. Inseeten, Fische und sogar Vögel, welche in Cereste mit den Pflanzen gefunden und von der Forstverwaltung gesammelt wur- den, werden wichtige Aufklärungen über die Epoche geben, welcher alle diese Wesen angehören und die wahrscheinlich einen Uebergang zwischen dem Oligocen und dem Aquitan bildet. Die bezeichnenden Charaktere der Station zeigen den Pflanzen zufolge auf eine verhältnissmässig warme und trockene Localität hin, die wenig von der von Bonnieux verschieden war- Ber DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 291 lich erneuten Ganzen fremdartig erscheinen. So erhalten sich auch heutigen Tages gewisse europäische Pflanzen fast künstlich auf beschränktem, ja sogar einem einzigen Standorte; andere, wie der Johannisbrotbaum (Ceratonia siligqua) und die Zwergpalme (Chamaerops humilis), verschwinden nach und nach von dem französischen Boden, ganz in der nämlichen Weise, wie die Stech- palme seit weniger als einem Jahrhundert den norwegischen Boden verlassen hat, wo man einst noch einige Stämme kannte, die man heute vergebens suchen würde. ** Unterperiode der Mollasse. Diese Unterperiode entspricht dem Einbruche und längeren Verweilen des Miocenmeeres, des letzten, welches unseren Conti- nent theilweise überschwemmt und in Inselgruppen und Halb- inseln zerlegt hat, ähnlich wie es das Nummulitenmeer, und noch früher die Meere des Oolith und des Lias gethan hatten. Das Meer der Faluns, welches nicht direct mit demjenigen der Mollasse zusammenhing, erfüllte im Westen einen Theil des Beckens der Garonne; es bildete dort einen Golf, der sich am Fusse der Pyre- näen, in der Umgebung von Toulouse und bis nach Albi hin aus- dehnte. Zwischen Poitiers und Blois folgte das Meer dem jetzigen Lauf der Loire und sendete einen buchtigen Fjord gegen die Limagne d’Auvergne. Das Mollassemeer bedeckte nicht die Alpen- linie, wie das Nummulitenmeer gethan hatte; es drang durch das Thal der Rhone und unteren Saone, die Gegend von Lyon und den Jura bis in die Schweiz, erfüllte die ebene Schweiz im Norden der Alpenkette, deren Relief sich auszubilden begann, und folgte dann, durch Baiern hindurch, dem Donauthale in seiner ganzen Länge !). In Italien bespülte das Miocenmeer den Fuss der Alpen und die westliche Küste des Adriatischen Meeres, in welche es be- deutend einschnitt; es umschrieb so ein grosses Land in Gestalt einer Halbinsel, welches die Alpengegend mit Illyrien, Thracien und einem Theile von Griechenland verband, und welchem Heer 1) Man sehe auf Tafel XI die annähernden Grenzen des Miocen- oder Mollasse-Meeres in Europa. 19* 2923 DIE VEGETATIONSPERIODEN den Namen des Penninisch-karnischen Landes gegeben hat. Dieses Land spielte ohne Zweifel eine bedeutende Rolle in der Oekonomie des damaligen Europa, dessen geographische Physiognomie es ver- vollständigte; die Provence bildete einen Theil davon an seinem westlichen Ende. Von vielfachen engen Fjords eingeschnitten, zeigte dieses Land, dessen Orographie sich noch heute feststellen lässt, einen Anblick, welcher demjenigen der norwegischen oder dalmatischen- Küste ähnelte. Die Art und Weise, wie der Ein- bruch des Meeres sich vollzog, lässt sich um so leichter feststellen, als die ersten Meeresschichten sich ohne Lücke noch stürmisches Verhalten über die letzten von den aquitanischen Süsswasserseen gebildeten Schichten herüberlagern. Dieselben wurden vom Salz- wasser überschwemmt. Bei Aıx und Manosque, in den Umgegen- den von Apt und Forcalquier, lässt sich der Uebergang zwischen beiden Systemen beobachten; man sieht leicht, dass derselbe ohne Gewaltsamkeit statthatte, und dass die anfangs unzusammen- hängenden, eisenhaltigen oder mergeligen Meeresablagerungen sich innig mit den Süsswasserablagerungen mischen, mit welchen sie eine vollständige Uebereinstimmung in der Lagerung der Schichten zeigen. Dieser Ersatz eines älteren Terrains durch ein neueres, welches sich darüber lagert, findet indess nicht allge- mein statt. Das Mollassemeer erreichte und überschwemmte bei Weitem nicht alle von aquitanischen Seen eingenommenen Niveaus; mit anderen Worten, der Umfang dieses Meeres ent- sprach durchaus nicht überall demjenigen der aquitanischen Süss- wasserseen. Man muss annehmen, dass es damals Bodenschwan- kungen gab, welche genügend waren, um einzelne Punkte der Gegend trocken zu legen, während im Gegentheile andere so gesenkt wurden, dass die eindringenden Meeresgewässer sie über- schwemmen konnten. Ein sehr schöner Durchschnitt bei Carry am Ufer des jetzigen Golfes von Marseille, auf welchem man Meeresschichten sieht, die etwas älter sind als die Mollasse im Inneren des Landes, zeigt uns deutlich, dass das Miocenmeer vom Süden her gegen Norden vordrang und stets weiter dieser Rich- tung nach fortschritt, wie es denn auch während seines Rückzuges nach und nach vom Norden her gegen Süden abnahm, so dass das untere Rhonethal mit den angrenzenden Gegenden der Departe- mente des Gard und des Herault noch von einem mio-pliocenen DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 293 Meer überschwemmt waren, während die Umgegend von Lyon, die ganze Schweiz und das obere Donauthal schon trocken gelest waren. Man kann nicht umhin, anzunehmen, dass dieses Meer, wel- ches das damalige Europa etwa dem Indischen Archipel ähnlich machte, mächtig zur Milderung des Klimas beigetragen habe. Ein sehr gleichmässiges, im Winter mildes, im Sommer regnerisches Klima herrschte während der ganzen Zeit auf unserem Continent und begünstiste die Entwickelung einer eben so üppigen als man- nigfaltigen Vegetation. Die Abkühlung der heutigen gemässigten Zone dauerte zwar fort, machte aber nur sehr langsame Fort- schritte, die nur durch die Zunahme der Gewächse mit hinfälligen Blättern bemerklich wird, namentlich derjenigen, welche noch heute gewöhnlich in unseren Gegenden vorkommen; diese Gattun- gen vervielfältigen sich überall und erringen endlich die Ober- hand. Unter diesen Gewächsen stehen die Pappeln obenan, die nie- mals so mächtig und mannigfaltig entwickelt waren, wie in dem Miocen. Europa war zur Zeit der Mollasse gewiss weit reicher an Pappeln als jetzt die ganze Welt. Alle Sectionen der Gattung waren auf unserem Boden vorhanden, und mehrere der lebenden Formen scheinen die kaum veränderten Nachkommen der damals vegetirenden Arten zu sein. So verhält es sich mit der Lederpappel, Populus euphratica, Oll., die auf feuchten Niederungen an den Ufern der Bäche und Flüsse in Algerien, am Jordan und Euphrat wächst. Auf diesen Baum bezieht sich ohne Zweifel der bekannte Psalm 137, der Jeremias zugeschrieben wird: An den Wassern zu Babel sassen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hingen wir an die Weiden, die darinnen sind.... Die Blätter der Pappel vom Euphrat varıiren sehr in ihrer Gestalt, sie sind eirund oder herzförmig, gezahnt oder ganzrandig; in anderen Fäl- len verlängern und verschmälern sie sich wie Weidenblätter; die zahlreichen, biegsamen Aeste erinnern an die Trauerweide, die aus China stammt, .ın verhältnissmässig neuer Zeit eingeführt wurde und den Hebräern gewiss nicht bekannt war. Die Pappel mit veränderlichen Blättern, Populus mutabilis, die in Oeningen so verbreitet ist und von welcher man alle Organe 294 DIE VEGETATIONSPERIODEN gefunden hat, ist der Lederpappel vom Euphrat zum Verwechseln ähnlich. Sie hat seither den europäischen Boden verlassen und Fig. 89. F i 4 — f F j N y H, 7 4 NS Dun Charakteristische Pappeln aus dem Miocen. z 1. Populus mutabilis, Al. Br.; Zweig mit Früchten. -— 2. bis 4. Populus latior, Hr.; fs 2, Zweig‘; 3, Blatt; 4, Früchte. wie so viele andere tertiäre Arten, welche die Zunahme der Er- kältung gegen Süden hin vertrieben hat, lebt sie fast ohne Ver- änderung in der heutigen homologen Art des nördlichen Afrikas und westlichen Asiens fort. Sehr viele europäische Formen des Miocen sind in der That durch alle ersichtliche Charaktere mit noch lebenden, in der heutigen warm-gemässigten Zone zerstreuten Arten zu sehr verwandt, als dass man nicht ein Band der Ab- stammung zwischen beiden annehmen müsste. Einige dieser ERDE DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 295 Arten, die man als homolog mit den tertiären Arten bezeichnet hat, wachsen noch an unseren Grenzen, wie wenn das Ereigniss, Fig. 90. Er: nat, Charakteristische miocene Pflanzen. 1. Planera Ungeri, Ett.; Zweis mit Früchten. — 2. bis 3. Platanus «aceroides, Goepp.; 2, Blatt; 3, Frucht, nat. Gr. — 4. bis 5. Ziguidambar europaeum, Al. Br.; 4, Blatt; 5, Blüthenknäuelchen oder in einem Köpfchen versammelte Früchte. welches sie zum Exil verbannte, ganz neuen Datums wäre und sie nur ausserhalb der Grenzen unseres Continentes getrieben hätte. Die Platane, der Amberbaum (Ligwidambar), die Planere oder sibirische Ulme, der kaukasische Nussbaum (Podocarya) sind in diesem Falle. In anderen Fällen muss man in Amerika die Ge- wächse suchen, welche denen des miocenen Europa ähnlich sind, und daher kommt die durchaus nicht unwahrscheinliche Annahme früherer geographischer Verbindungen zwischen beiden Continen- 296 DIE VEGETATIONSPERIODEN 4 ten. Freilich erklären sich diese Arten von Verknüpfung der Typen noch leichter durch Einwanderungen von den Polen her, wodurch die den Polargegenden eigenthümlichen Gewächse nach südlicheren Gegenden gelangt wären, indem sie von dem Pole, wie von einem Mittelpunkte aus, sich strahlenförmig nach allen Seiten erstreckt hätten. In dieser Weise erklärt sich die den Botani- kern so wohl bekannte Erscheinung der getrennten Arten, die durch grosse Zwischenräume von einander geschieden und zu- gleich in beiden Continenten einheimisch sind, in der natürlichsten Weise, sogar ohne dass man die Dazwischenkunft allzu häufiger Bodenbewegungen anzurufen nöthig hätte, in Folge deren die geographische Beschaffenheit des Erdballs umgeändert wor- den wäre. So lange das Mollassemeer der Miocenzeit existirte, bildete die europäische Vegetation eine Gesellschaft von Arten ähnlich 1. bis 3. Podogonium Knorrü, Al. Br.; 1, Zweig mit Blüthen; 2, Zweig mit einer jungen Frucht; 3, Zweig mit reiten Früchten (Oeningen. Nach Heer). denen, welche wir heute unter den Augen haben, aber doch wieder in gewissen Beziehungen von ihnen verschieden und ferner von Typen, welche Europa entschieden fremd sind. Beide Gruppen einigen sich harmonisch, um ein Ganzes zu bilden, dessen Reich- thum uns erstaunt. Einige dieser Typen existiren nirgends mehr; nichtsdestoweniger hat man sie durch ihre in grosser Fülle hin- terlassenen Reste genau bestimmen können. Dahin gehört die Gattung Podogonium, eine Schotenpflanze, zu den Caesalpinieen gehörig und mit Gleditschia, Tamarindus, Copaifera zwar ver- DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 297 wandt, aber in Wirklichkeit von allen diesen heutigen Gattungen verschieden. Ihre abgerissen gefiederten Blätter waren in zahl- reiche Blättchen getheilt; ihre Früchte bestanden in einer auf- springenden, einsamigen und gestielten Schote, deren eifiziges Samenkorn, das bei der Reife aus den Schalen getrieben wurde, mit einem kurzen Nabelstrang an dem Samenträger ‚hängen blieb. Die Farne nähern sich, wenigstens in den südeuropäischen Ländern, allmälig den noch lebenden Formen. Adiantum rena- tum, Ung., ist der Ahne des Canarischen A. reniforme, L.; Pteris pennaeformis, Hr., gleicht Pt. longifolia, L.; Pt. oeningensis, Hr., und Woodwardia Raessneriana sind unzweifelhaft verwandt mit Pt. aquwilina und W. radicans. Osmunda Heerii, Gaud., unter- scheidet sich wirklich sehr wenig von O. regalis, L. Die vorherrschenden Coniferen gehören noch immer den drei Gattungen Sequoia, Taxodium und Glyptostrobus an; es kommen noch Thuya, Torreya und eine Sulisburia hinzu, welche als Art mit unserem japanesischen Gingko (Salisburia adiantifolia) zusam- menfällt. Unter den Monocotyledonen vermehren sich die Gräser, die überall Wiesen bilden, welche den damals sich nach allen Seiten hin verbreitenden Grasfressern zur Weide dienen. Auch zeigen sich noch einige Palmen, aber sie werden stets seltener und sind die letzten, welche in Central-Europa aushalten. Die Birken, Erlen, Hainbuchen, Weiden und Palmen sind im ‘dieser Zeit überall verbreitet. Die Ahorne waren nie üppiger, zahlreicher und mannigfaltiger. Die Breite ihrer Blattmassen nimmt zu; man findet ihre verschiedenen Organe; mehrere Arten sind in einer Weise hergestellt, als handele es sich um Pflanzen eines Herbariums. Die Myriceen zeigen sich noch immer in den mannigfaltigsten Formen, und die Comptonien namentlich ziehen durch den Reichthum und die Eleganz ihrer Formen die Aufmerk- samkeit auf sich, besonders wenn man sie mit der einzigen, noch lebenden Comptonia vergleicht, welche sich in den sumpfigen Sand- gegenden Pennsylvaniens verliert. Die meisten Feigenbäume sind hinsichtlich ihrer genauen Bestimmung ziemlich zweifelhaft; der häufigste, Ficus tiliaefolia, Al. Br., entgeht diesen Zweifeln nicht, denn er könnte eben so gut ein Pterospermum als ein Fieus sein; 298 DIE VEGETATIONSPERIODEN wenn er dieser letzteren Gattung wirklich angehört, so stellt er | sich in die Nähe der Bananenfeige, Ficeus bengalensis, L. Fig. 9. Charakteristische miocene Pflanzen. l. Myrica oeningensis, Al. Br. (Oeningen). — 2. Comptonia acutiloba, Brongn. (Bilin). — 3. Fieus tiliaefolia, Al. Br. (Oeningen). Wenden wir uns zu den Eichen, so finden wir in Oeningen immergrüne Eichen, welche denen Mexicos und Louisianas ähn- lich sind, oder auch das Ansehen der asiatischen Cerris mit halb beständigen Blättern haben; doch beginnen schon in den bergigen Gegenden Formen zu erscheinen, die unseren Eichen sich mehr nähern; sie verbreiten sich nach und nach und das Ansehen eini- ger scheint darauf hinzudeuten, dass ihre Blätter unter dem Ein- flusse der kalten Jahreszeit welk wurden. Die Flora des Berges Charray in der Ardeche ist in dieser Beziehung sehr lehrreich; sie gehört zum oberen Miocen und enthält, neben Ahornen, Hain- buchen (Ostrya) !) und Kastanien, eine gewisse Anzahl von Eichen. Diese bis jetzt noch nicht beschriebenen Eichen zeigen noch ihre Früchte oder wenigstens die Becher derselben, und ihre genauere Untersuchung beweist, dass die Sectionen {lex und cerris damals ° im südlichen Europa durch Formen vertreten waren, die ®. .lex, L., !) Diese Ostrya fällt vielleicht mit Ostrya italica zusammen, welche noch in unseren Tagen die kühlen Abhänge und die schattigen Ufer der Bäche der Seealpen zwischen Vence und Nizza bewohnt. " — DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 299 Q. cerris, L., und ©. pseudosuber, Sant., nahe standen. Die Eichen von der Gruppe unserer robur zeigen sich noch nirgends; man findet Fig. 9. Eichen des miocenen Waldes vom Berge Charray (Ardeche). 1. bis 2. Quercus palaeocerris, Sap.: 1, Blatt; 2, zwei zusammengewachsene Eichel- becher. — 3.bis 4. Q. suberenata, Sap.: 3, Blatt; 4, Becher. — 5. bis 6. Q. praeilex, Sap.: 5, Blatt; 6, zwei Früchte, eine mit der Eichel, die andere unentwickelt, beide stehen auf einem gemeinsamen kurzen und dicken Stiele. sie etwas stärker ausgebildet im unteren Pliocen der Auvergne. Die Laurineen sind noch immer mächtig; sie nähern sich aber doch dem Beginne ihres Niederganges, der, einmal begonnen, sich nicht mehr aufhalten lässt. Die Gattungen Laurus, Persea, Benzoin, Oreodaphne, Cinnamomum und Camphora dringen bis in das Herz Europas und reifen ihre Früchte unter dem Einflusse milder Win- ter und langdauernder, gleichmässig warmer Sommer. Zu den genannten Gewächsen kommen noch folgende Fami- lien: Myrsineen, Sapindaceen, Araliaceen, Magnoliaceen, Anona- ceen, Sterculiaceen, zahlreiche Celastrineen, mächtige Juglandeen, Terebinthaceen und endlich mannigfaltige Leguminosen. Diese kurze Aufzählung giebt indessen immerhin noch nur ein unvoll- ständiges Bild der Vegetation zur Zeit der Meere der Faluns und der Mollasse. Einzelne, früher in Europa unbekannte Typen, wie z. B. die Linden, beginnen sich zu zeigen; sie kommen vom Norden her zu uns; die häufigen Exemplare desZürgelbaums (Celtis) sind authen- tisch und die Ulmen zeigen Formen, welche zu Ulmus campestris,L., des heutigen Europa herangezogen werden können. 300 DIE VEGETATIONSPERIODEN Fig. 9. Charakteristische miocene Arten. s 1. bis 2. Ulmus Bronnü, Hr.: 1, Blatt; 2, Flügelfrucht (Oeningen). — 3.bis 4. Cel- tis trachytica, Ung. (Erdobenye in Ungam). — 5. Tilia vindobonensis, Ung., Frucht mit ihrem Deckblatte (bei Wien). Charakteristische miocene Pflanzen. 1. Aralia (Panax) eircularis, Hr., Traube mit Früchten (Oeningen). — 2. bis 3. Ma nolia Ludwigü, Ett.: 2, Blatt; 3, zerdrückte Frucht (Salzhausen). — 4. Liriodendron Procacceiniü, Ung., Blatt (Eriz). ee DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 301 Europa besass in dieser Zeit einen Tulpenbaum (Fig. 95, 4), einen Amberbaum (Fig. 90, 4 bis 5), eine Platane (Fig. 90, 2 bis 3), einen von dem unserigen wenig verschiedenen Weinstock (Fig. 96, 1). Die in Oeningen gesammelten Federspelzchen be- weisen die Gegenwart zahlreicher Synanthereen; ausserdem besass Europa noch Eschen, Oleander, Korneelkirschen, Schneeballen- bäume, Waldreben und noch eine Menge anderer Typen, die wir übergehen müssen. Doch müssen wir noch eine merkwürdige Charakteristische miocene Pflanzen. 1. Vitis praevinifera, Sap. (Mont Charray). — 2. Parrotia fagifolia, Goepp. (Schlesien). — 3. bis 4. Robinia Regeli, Hr.: 3, Blatt; 4, Schote (Oeningen). Hamamalidee, Parrotia fagifolia, Goep. (Fig. 96, 2), deshalb er- wähnen, weil sie in den arktischen Gegenden beobachtet wurde und sich später, lange Zeit nach dem Miocen, in den Mergeln mit Elephas meridionalis des mittäglichen Frankreichs wiederfindet, in Gemeinschaft mit Planera Ungeri (Fig. 90, 1), deren homologe Art heute in Kreta wächst, während die der Parrotia fagifolia am meisten sich nähernde jetzige Art, P. persica, wie ihr Name an- deutet, in Persien vorkömmt. 302 DIE VEGETATIONSPERIODEN Im Ganzen war es also eine reiche und edle Vegetation, welche Europa zur Zeit der Mollasse bedeckte; sie bot eine harmonische Mischung von Formen, die heute in sehr verschiedenen Gegenden zerstreut sind; ihre Ueppigkeit und Mannigfaltigkeit, die Schön- heit der Wälder, die Eleganz der Gruppen, welche an den ruhigen Wassern oder am Ufer der Flüsse sich hinzogen, Alles kam zusam- men, um ein wunderbares Schauspiel zu geben, das der Mensch weder sehen noch schätzen konnte. Man hat freilich die ersten Spuren unserer Rasse bis zum Miocen hinaufführen wollen, aber andere Beobachtungen führen uns dazu, diese Anzeichen als jedes reellen Grundes baar zu ver- werfen und die noch sehr unvollkommene Entwickelung einiger teihen der Säugethiere, unter anderen der Wiederkäuer, die ein- zig nur noch durch die Hirsche und Antilopen vertreten waren, dürfte uns in unseren Zweifeln bestärken. Die Dickhäuter herr- schen noch immer in der miocenen Fauna vor; die Tapire und Nashörner haben die Anthracotherien ersetzt; die Dinotherien und dann die Mastodonten gehen den Elephanten voran und die Hip- parien des oberen Miocen verkünden die Ankunft der noch fehlen- den Pferde. Zahlreiche an Pflanzenabdrücken reiche Localitäten aus der Mollassezeit haben vielen Forschern unzählige Documente über die Flora dieser Zeit geliefert, die von ihnen in solcher Weise ent- ziffert wurden, dass wir ein treues Bild der damaligen Vegetation besitzen. Die Braunkohlen der Wetterau (Salzhausen, Rockenberg), von Günzburg in Baiern, Bilin in Böhmen, Menat in der Auvergne, dem Berg Charray in der Ardeche, ferner Oeningen in der Schweiz, Parschlug und Gleichenberg in Steyermark, Tokay in Ungarn, die Umgebungen von Wien in Oesterreich sind die hauptsächlichsten Fundorte, von welchen einige mit Recht berühmt geworden sind. Wir wollen nur von der bedeutendsten und am besten aus- gebeuteten dieser Fundstätten sprechen, die alle übrigen so zu sagen zusammenfasst. Es ist dies die Fundstätte von Oeningen am Rhein, nicht weit von Schaffhausen, aus welcher Heer nicht nur nahe an 500 Pflanzenarten beschrieben hat (475), sondern wo auch zahlreiche Thierreste vorkommen: Säugethiere, Vögel, Rep- tilien, Amphibien, Fische, Schnecken und Krebse, Arachniden und DER TERTIÄRZEIT. MIOCEN. 303 Insecten; von den letzteren kennt man über 800 Arten. In Oenin- gen wurde der grosse Salamander Andrias Scheuchzeri, Holl., ge- funden, dessen nächster Verwandter noch in Japan lebt (Andrias japonicus, Tem.). Die ausgedehnten Arbeiten Heer’s, die sich sowohl auf die Pflanzen als die Insecten dieser Ablagerungen be- ziehen, haben diesem Forscher so scharfsinnige, kühne und genaue Folgerungen eingeflösst über die frühere Beschaffenheit der Locali- tät, die physischen und biologischen Erscheinungen, deren Schau- platz sie war, die Charaktere der Flora, die Natur des Klimas und die Aufeinanderfolge der Jahreszeiten in der Periode, wo die ver- steinerungsführenden Schichten sich absetzten, dass wir nicht bes- ser thun können, als folgende Einzelheiten seinem Buche „Die Urwelt der Schweiz“ zu entnehmen. Nach Heer erlitten die Gewässer des Oeninger Sees im Laufe der Zeiten bedeutende Veränderungen, welche man den Launen des Flusses zuschreiben kann, der dort seine Mündung hatte; es ist aber auch möglich, dass Bodenschwankungen, durch vulcanische Ausbrüche veranlasst, dazu beitrugen. In einer unteren Schichtengruppe, der Insectenschicht, die aus etwa 250 Schichten besteht, kann man sogar die Jahres- zeiten unterscheiden, die während ihrer Ablagerung abliefen. Die Blüthen des Kampherbaumes mit Pappelblättern vermischt zeigen den Frühling an; Früchte der Ulme, der Pappel und Weide, auf derselben Platte vereinigt, verkünden den Anfang des Sommers; Früchte des Kampherbaumes, der Dattelpflaume (Diospyros), der Waldrebe und mehrerer Synanthereen bezeichnen das Kommen des Herbstes. Der gemeinste Baum ist ein Ahorn (Acer trilobatum, Al. Br.), der in der Nähe des Wassers wachsen musste, mit Pappeln (Popu- lus latior und mutabilis (Fig. 89), Sapindus faleifolius, Hr.), Nuss- bäumen (Juglans acuminata, Al. Br.) und Podogonium. Diese letz- teren bildeten ohne Zweifel mit zahlreichen Laurineen und einigen Eichen grosse Wälder. Die eigentlichen Wasserpflanzen sind sel- ten, aber die, welche unmittelbar am Ufer wachsen, wie Rohre, Rohrkolben, Schwertlilien (Iris Escheri, Hr.), Cypergräser und Schilfgräser im Gegentheile sehr häufig. Der Winter war sehr mild; er unterbrach die Vegetation nicht ganz, sondern verlangsamte sie nur. Die Weiden, Platanen, 304 DIE VEGETATIONSPERIODEN Amberbäume und Kampherbäume blühten nach Heer’s Ansicht, wie auf Madera jetzt, im März. Das Zusammentrefien geflügelter Ameisen (die Ameisen ver- lieren ihre Flügel inmitten des Sommers) mit reifen Früchten von Podogonium auf der Oberfläche derselben Platte zeigt den Augenblick an, wo dieser heute ausgestorbene Typus seine Früchte reifte und seine Samen ausstreute, nachdem er im Frühjahre ge- blüht hatte. In dieser Jahreszeit gab es wahrscheinlich häufige Gewitter und heftige Platzregen; Blätter, Blumen ‘und Zweige wurden häufig von den Aesten der Bäume und Sträucher abgeschlagen und auf den Grund des Wassers geschwemmt. Die grosse Anzahl von Pflan- zen mit immergrünen Blättern, die man findet, beweist, dass die Natur im Winter nicht vollständig ruhte. Früchte zeigten sich hier und da das ganze Jahr hindurch, und nach Heer’s Ausdruck „verschwand das Leben nie ganz aus diesen Urwäldern; es er- neuerte sich, mit Verschwendung seine Reichthümer verbreitend, und realisirte in Europa jene gesegneten Zonen, wo heutigen Tages die Vegetation nie ihre Lebenskraft einbüsst.“ Der gelehrte Pro- fessor von Zürich setzt das Klima von Oeningen gleich mit dem von Madera, Malaga, dem südlichen Sieilien, Japan und Georgien und giebt ihm eine mittlere Jahrestemperatur von 18 bis 19 Cen- tigraden. So war Europa bis zur Zeit, wo sich das Mollassemeer zurück- zog. In diesem Augenblicke beginnt die letzte der tertiären Epochen, die Pliocenperiode; sie wird uns durch eine lange Reihe von Schwankungen hindurch bis zur Schwelle der Jetztzeit füh- ren. Sie ist noch nicht beendet, sobald der Mensch in Europa eintritt und dort die ersten sicheren Spuren seiner Erscheinung hinterlässt. VL Pliocenperiode. Von Periode zu Periode sind wir bis zu der letzten gelangt, welche in der Tertiärzeit unterschieden wird; wir sahen, wie sich die Meere der Nummuliten-, Tongrischen und Mollassen-Epoche [£ j DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 305 ausbreiteten und zurückzogen und wie in Europa zu wiederholten Malen Süsswasserseen die austrocknenden Meere ersetzten. Diesem Wechselspiel entsprach die Vegetation, deren Aussehen und bil- dende Elemente in entsprechender Weise abänderten: auf die so kräftige und vollständige Flora der ersten Tertiärzeiten folgte ein mehr mageres Ganzes, das aber durch die unerschöpfliche Mannigfaltigkeit seiner Formen sich auszeichnete. Diese zweite, für das Eocen charakteristische Flora war zugleich kümmerlich, aber zäh, reich an Contrasten und entnahm ihre unterscheiden- den Züge dem afrikanischen Continent und dem süd-orientalischen Asien; sie erhielt sich noch grossentheils während der folgenden Periode, wich aber nach und nach dem Eindringen von Typen und Formen, die einem weniger trocknen und heissen Klima an- gepasst waren, das zwar weniger scharf abgetrennte Jahreszeiten, aber doch schon Winter zeigte, deren Strenge freilich nicht ent- fernt mit unseren Wintern selbst in den südlichen Thälern unse- rer gemässigten Zone sich vergleichen lässt. Wir sahen, dass diese neue Vegetation, die nichts mehr mit der afrikanischen oder südasiatischen gemein hat, und deren Typen von da an unaus- gesetzt die gemässigten Theile der nördlichen Erdhälfte bewohnen, nach und nach an Ausdehnung gewann und in der Zeit, wo das Mollassemeer in Europa bestand, ein fast absolutes Uebergewicht erreichte. Diese Periode war für unseren Continent eine Glanz- epoche der Vegetation, eine Zeit der Ruhe, der wohlthuenden und gleichmässigen Feuchtigkeit, ohne irgend welche Extreme, die nicht wieder auftreten. Sie bezeichnet den Höhenpunkt der Entwickelung des Pflanzenreiches auf unserem Boden, der die Prüfungen noch nicht kannte, die er später zu bestehen hatte. In der Pliocenperiode vollzieht sich der Niedergang, ehe die klimatischen Bedingungen sich definitiv verändern und die Vege- tation nach und nach zurückgeht und verarmt, ohne fernerhin etwas Neues zu gewinnen. Dieser Niedergang vollzieht sich lang- sam und stufenweise, aber er gleitet auf einer schiefen Ebene, wo Nichts ihn aufhält. Jene Prachtpflanzen, um welche wir die von der Sonne begünstigten Länder beneiden, jene werthvollen Bäume, jene edlen und eleganten Gewächse, denen wir in unseren Treib- häusern ein künstliches Asyl eröffnen und welche in Europa bis dahin heimisch waren — wir verlieren sie für immer. Die vom Saporta, die Pflanzenwelt, 20 306 DIE VEGETATIONSPERIODEN Ostracismus betroffenen Pflanzen wandern eine nach der anderen aus; sie entfernen sich Schritt für Schritt; wir haben diese Aus- wanderung zu beschreiben, in so weit es uns gestattet ist, den Verbannten auf ihrem Rückzuge zu folgen oder wenigstens ihr Verschwinden von unserem Boden zu bestätigen. Wie in den früheren vergangenen Zeiten, so müssen wir auch in der Pliocenperiode mehrere Kategorien von Erscheinungen in das Auge fassen, die innig mit einander verknüpft sind, die theils von physikalischen Ursachen, theils vom Klima und endlich von regnerischen Einflüssen abhängen, welche nothwendig aus ent- sprechenden Vorbedingungen hervorgehen. Die wesentlichste Thatsache, die uns beim Betreten der Pliocen- periode entgegentritt, ist der Rückzug des Mollassemeeres, das lange Gentraleuropa quer durchschnitt und nach seinem Rückzuge unseren Continent in derjenigen Gestalt hinterliess, die er noch heute besitzt. Dieser Rückzug erfolgte nicht plötzlich, die ihn be- dingenden Ursachen traten nur langsam und allmälig in Wirkung. Mag man auch den geologischen Ereignissen, die ihn bedingten, eine noch so grosse Gewaltsamkeit zuschreiben, so gab es doch immer- hin eine Menge von vorlaufenden Begebenheiten, welche alle dieselbe Bedeutung hatten und darauf hinzielten, entweder die Ausdehnung der Meere zu beschränken, oder Süsswasserseen an den Stellen zu bilden, wo früher das Meer ausschliesslich seine Wogen rollte. Die Meeresmollasse mit Ostrea cerassissima geht an vielen Orten der Provence, im unteren Thale der Durance und selbst ın der Umgegend von Aix unmittelbar nach oben ın Süsswasser- oder Sumpfbildungen über, wie wenn von fliessenden Wässern gespeiste Becken sofort den von den letzten Meeresablagerungen eingenom- menen Raum besetzt hätten. So verhält es sich in Cucuron, am Fusse des Mont-Leberon, wo Albert Gaudry unzählige Säuge- thierknochen ausgegraben hat; so etwas weiter entfernt bei Pey- rolles und Mirabeau, wo Professor Collot einen mollassischen Travertinkalk gefunden hat, der auf weiteStrecken hin die Meeres- bildungen bedeckt. Dieser Kalk enthält Abdrücke von Land- pflanzen, und unter diesen Abdrücken, die sich nur sehr schwer aus dem Kalke loslösen lassen, haben wir Stücke von Bambus- rohr und Blätter eines Feigenbaumes von durchaus exotischem Charakter unterschieden. DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 307 Alles, was man von der dem ersten Rückzuge des Mollasse- meeres entsprechenden Periode weiss, zeigt auf eine Zeit der Ruhe Fig. 97. “ Pflanzen aus dem oberen, miocenen Süsswasserkalk der Provence. 1. u. 2. Ficus Colloti, Sap., Anfang und oberes Ende eines Blattes. hin, während welcher ein der Entwickelung beider Reiche sehr günstiges Klima herrschte. Diese waren mehr als je in innigster Weise solidarisch verbunden. Wir müssen in der That aus der Vermehrung der Pflanzenfresser auf eine entsprechende Zunahme und Vielfältigkeit der Gewächse schliessen, von denen sie sich ausschliesslich nährten. Das ist die Zeit der reichen Faunen von Mont-Leberon in der Provence, von Pikermi in Griechenland, von Eppelsheim am Ufer des Rheins. Gaudry hat bei seiner Be- schreibung der Arten, von welchen er ganze Herden fand, mit vollem Rechte auf der aus seinen Untersuchungen unwiderleglich hervorgehenden Thatsache bestanden, dass das Ende der Mio- cenperiode durch die bedeutende Entwickelung der Grasfresser sich auszeichnet. Die Entwickelung dieser 20* OT PIE 308 DIE VEGETATIONSPERIODEN höheren Thiere kommt in jener Zeit ihrem Ziele nahe; die Typen, welche sich specialisirt haben, werden jetzt nach langer und ziem- lich dunkler Entwickelung endlich fixirt. Der Anstoss, welcher den Organismus neuen Combinationen entgegen treibt, ihn in allmälıg auseinander weichende Wege drängt und ihn zu stets deutlicher ausgesprochenen Anpassungen der Gestalt, der Func- tionen und der Lebensweise nöthigt, dieser Anstoss kann nur aus der Einwirkung äusserer Einflüsse hervorgehen und sich bis zur Ausbildung seiner letzten Consequenzen erhalten. Ohne Zweifel ist es der Organismus selbst, der durch seine Umbildung die Dick- häuter nach und nach einestheils in Wiederkäuer, anderentheils in Nashörner und Einhufer umgewandelt hat; aber wenn das Pflan- zenreich sich nicht ebenfalls von Periode zu Periode vermehrt und nach und nach bereichert hätte, wenn es nicht den Säugethieren eine stets reichere und verschiedenartigere Nahrung geboten hätte, so hätte die organische Ausbildung, aus welcher schliesslich so viele zweckmässig angepasste Typen hervorgegangen sind, ent- weder nicht Platz greifen oder wenigstens nicht zu so bedeuten- dien Resultaten gelangen können. Um die Wunder des Thierreiches zu begreifen und zu erklären, muss man deshalb nothwendiger Weise auf das Pflanzenreich zurückgreifen; alles verkettet sich so sehr bei diesen zwei Reihen organischer Wesen, die zu einer noth- wendigen, ewigen Verbindung bestimmt sind, dass das Pflanzen- reich nicht verkümmern und arm werden könnte, ohne dass das Thierreich ebenfalls betroffen würde. Die Pferde und Wiederkäuer, und unter diesen letzteren namentlich die Antilopen, streiten sich in Cucuron, Pikermi und Eppelsheim um den Vorrang mit den fortlebenden Dickhäutern und mit den sich entwickelnden Rüsselthieren. Die Elephanten zeigen sich noch nicht, aber das Dinotherium und die Mastodonten sind vorhanden. Neben den eigentlichen Giraffen (Camelopardalis) tritt das ausgestorbene Helladotherium auf; das Hipparion ist der Vorläufer der Pferde, von denen es sich in einigen Punkten unter- scheidet. Die eigentlichen Hirsche treten auf den Schauplatz; sie sind aber noch selten und ihre Geweihe noch einfach; die Rin- der fehlen. — Wir stehen an der Schwelle der Jetztwelt, die wir so- fort betreten und bald überschreiten; aber auf dem Wege, den wir zu diesem Zwecke einschlagen müssen, werden wir, wenn nicht Ya» DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 309 unmerklich, so doch durch eine Menge von Einzelbewegungen und Schwankungen fortgezogen. Zwei Erscheinungen überragen alle anderen: der Rückzug des Mollassemeeres und die definitive Abnahme der Temperatur. Diese Erscheinungen bedürfen einiger Erklärungen, um sie in ihrer ganzen Wichtigkeit erkennen zu lassen. Manche vorgängige Erscheinungen, auf die wir schon auf- merksam machten, weisen darauf hin, dass der Boden Europas die Tendenz hatte, sich zu erheben, und diese Hebung geschah offenbar ın der Mitte desRaumes, welchen das Mollassemeer früher einnahm. Dieses Meer zog sich nicht nur von der schweizerischen Ebene, d. h. von dem Raume zurück, der heute das Thal der Rhone von demjenigen der Donau trennt; es bildete sich auch keine regelmässige Ablagerung, kein nach-miocenes Becken in der Schweiz nach dem Rückzuge des Meeres. Grössere Süsswasser- becken konnten damals in dieser Gegend sich kaum behaupten, da ihr Relief sich vielleicht mit grosser Schnelligkeit bildete, in- dem die grossen europäischen Bergketten sich aufrichteten und die Wasserscheide in solcher Weise bildeten, dass die Vertheilung der Gewässer auf dem Continente für alle Zeiten davon abhängig werden musste. Der Rückzug des Mollassemeeres steht, wie leicht zu ersehen, in genauester Verbindung mit der Erhebung der Alpen, mag diese nun langsam oder plötzlich, mit einem Rucke geschehen oder durch eine Reihe von vorgängigen Bewegungen vorbereitet worden sein oder selbst zuerst eine noch höhere Kette erzeugt haben, als diejenige ist, welche jetzt den hauptsächlichsten Grat unseres Continentes bildet: die Nagelfluh, diese enorme Anhäufung zermalmter Gesteine, zerriebener, eckiger, polirter oder aus Zerstörung hervorgegangener Gerölle, welche in der Schweiz in mächtigen Massen aufgethürmt sind, kann als Beweis für die Gewaltsamkeit der Erhebung und die Grösse der erreichten Resul- tate dienen. Diese Anhäufung von Puddingen, Geröllschichten und unzusammenhängenden oder verkitteten Mergeln bleibt ein unwiderlegliches Zeugniss für die Kraft, welche die Alpenketten erhob und ihnen das Relief und die Richtung gab, welche sie be- sitzen. Das Meer wurde durch dieses, ohne Zweifel von mehreren anderen secundären und localen begleitete Hauptereigniss eines- 310 DIE VEGETATIONSPERIODEN theils in das Rhonethal, anderseits in das untere Donauthal zurückgedrängt, während das Pothal noch bis nach Piemont in den Gegenden von Asti und Tortona unter Wasser blieb. Statt eines einzigen Meerarmes, der von dem Golfe de Lion bis zu dem Schwarzen Meere sich erstreckte und das Massiv der heutigen Alpen so umschlang, dass er Italien in mehrere Inseln zerschnitt, haben wir nun drei tiefe, getrennte Golfe, ähnlich dem Adriati- schen Meere, die ihre bestimmte Grenze haben und längs den Thälern der Rhone, der Donau und des Po in das innere Land sich erstrecken. Diese Golfe werden nach innen hin stets enger und seichter; ähnliche Buchten gleicher Entstehung zeigen sich im Roussillon an der Mündung des T6t; in den Seealpen an der- jenigen des Var; in den Landes zwischen dem Adour und der Garonne; in Belgien zwischen Brügge, Antwerpen und Brüssel; an der Ostküste Englands nördlich von der Themse; in Central- Italien, Sieilien und Algerien wie anderwärts, und alle haben das- selbe Schicksal. Ueberall zieht sich das Meer nach und nach zurück, zeigt aber durch sein Beharren auf einzelnen Punkten und durch die Mächtigkeit seiner Ablagerungen auf die lange Dauer dieser Epoche hin, deren Bildungen sich meist unseren Nachforschungen entziehen, wie dies überall in der Umgebung unserer heutigen Meere an denjenigen Orten der Fall ist, wo die Ufer seit der Pliocenperiode keine Aenderung erlitten haben. Kehren wir zurück, um den Faden der Ereignisse da wieder aufzunehmen, wo wir ihn gelassen haben; wir stehen in der letzten Epoche des Miocen an dem Punkte, wo diese Periode endet und mit der darauf folgenden sich verschmilzt. Das Meer zieht sich im Rhonethal zurück, es erstreckt sich kaum noch bis Valence; bald darauf erreicht es sogar Montelimart nicht mehr. In diese Zeit müssen wir eine bemerkenswerthe Schichtenreihe setzen, welche durch die Einwanderung einer nach und nach von Osten her kommenden Thierwelt charakterisirt ist, die in einer bestimm- ten Zeit alle Flussmündungen ganz Europas bewohnte. Man hat die in dem unteren und mittleren Donauthale, in Centralitalien und dem südlichen Frankreich entwickelten Bildungen, welche diese Thierwelt enthalten, die Congerienschichten genannt; sie schieben sich so zwischen die Stockwerke von Tortona und Asti ein, dass sie fast genau das Ende der Miocenperiode und DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. all den Anfang der folgenden Periode bezeichnen. Man hat diese Zwischenbildung, die in der That einen unmerklichen Uebergang zwischen den beiden Perioden herstellt, besonders wenn man die Pflanzen in das Auge fasst, öfter auch die mio-pliocenen Schichten genannt. Sind wir einmal bei diesen Bildungen an- gelangt, so finden wir, sowohl in Italien wie in Frankreich und Oesterreich, Reste der in dieser Zeit existirenden europäischen Flora; wir können nicht alles darauf Bezügliche anführen, aber doch einige charakteristische Züge hervorheben, welche uns als Wegweiser auf der zu unternehmenden Reise dienen können. Haben wir einmal festgestellt, wie das Klima und die Vegetation damals beschaffen waren, so können wir auch die graduelle Ab- nahme der Wärme und die stufenweise vor sich gehende Aus- scheidung von Arten begreifen, welche Europa noch im Anfange der Pliocenzeit besass. Hält man sich nur an einen oberflächlichen Gesichtspunkt, so könnte man glauben, dass die durch den Rückzug der Meere und die Erhebung der hohen Bergketten bewerkstelligte Umwand- lung Europas zu einem Continent die bestimmende Ursache der neu eintretenden Erkältung des Klimas gewesen sei. Doch hält es schwer, diese Annahme als den Thatsachen entsprechend an- zuerkennen. Das Resultat hätte sich in seiner ganzen Intensität zeigen müssen, sobald einmal die angeführten Erscheinungen vollendet waren. Wenn das frühere wärmere Klima einzig und allein dem Einflusse des Miocenmeeres zuzuschreiben wäre, das sich bis in das Herz Europas erstreckte, so musste auch der Rück- zug dieses Meeres und das Erscheinen sehr hoher, bald mit Schnee bedeckter Berge unmittelbar die Veränderung des Klimas und der Temperatur herbeiführen. Wenn wir auch nicht leugnen wollen, dass Erscheinungen der angeführten Art zur Erzielung solcher Resultate beigetragen haben oder dieselben wenigstens beschleu- nigten uud verstärkten, so wäre es doch unseres Erachtens ein grober Fehler, wenn wir die Veränderung der geographischen Bodenbildung allein für Alles verantwortlich machen wollten. Eine Localwirkung, mag man sie sich auch noch so energisch vorstel- len, genügt nicht, um die klimatologischen Erscheinungen zu er- klären, die während der Pliocenperiode sich abspielten. Die Ge- stalt und das Relief einer Gegend, die Richtung der Bergketten, die sie durchziehen und der Meere, die sie bespülen, können ohne Zweifel dazu beitragen, ein Klima rauher oder milder, feuchter oder trockner zu machen, und wenn es sich nur um Veränderun- gen dieser Art handelte, so hätte Europa sie nach und nach durch- laufen und von den Extremen Centralasiens zu den immer gleichen Jahreszeiten übergehen können, die in Japan herrschen, ohne dass man nöthig hätte, auf allgemeinere Ursachen zurückzugreifen, um die entsprechenden Umwandlungen der Flora zu begreifen. Aber die Erniedrigung der Temperatur ist nicht auf Europa allein be- schränkt; sie war weder plötzlich noch zufällig oder vorüber- sehender Art. Wir haben schon gegen das Ende der Eocenzeit den Beginn dieser Bewegung nachgewiesen; sie trat zuerst in den 312 DIE VEGETATIONSPERIODEN Polargegenden mit stets zunehmender Intensität auf und ver- breitete sich allmälig gegen Süden. Mit dem Beginn des Oligocen fängt schon die Vegetation der nördlichen gemässigten Zone an, ihren Charakter zu ändern; neue, vom Norden kommende Ele- mente, welche die ersten Fortschritte der Erkältung bezeichnen, treten auf und verbreiten sich. Wir haben die Kennzeichen dieser Umwälzung studirt, durch welche die Unterschiede der Breiten sich nach und nach geltend machen; wir haben nicht nöthig, dar- auf zurückzukommen; aber es ist unmöglich, bei Betrachtung die- ses Fortganges, den nichts aufhält und der mit Maass und Regel weiter schreitet, den Einfluss einer kosmischen Erscheinung zu verkennen, welche den ganzen Erdball umfasst. Angesichts dieser sich ausbreitenden Bewegung, welche am Pole ihren Ausgangs- punkt und ihren permanenten Sitz hat, müssen wir wohl einen Zeitpunkt annehmen, wo die. anfangs sporadischen, dann aber regelmässig jährlichen und periodischen polaren Eismassen, end- lich auf einer Menge von Punkten sich definitiv festsetzten und einmal permanent geworden sich immer mehr ausdehnten und die circumpolaren Regionen bis zu dem Zeitpunkte bedeckten, wo sie schwimmende Eisberge bildeten. Diese bildeten ohne Zweifel eine Ursache der Erkältung für die gesammten nördlichen Gegen- den, die aber offenbar eine secundäre, von einer allgemeineren Ursache abgeleitete Ursache war. Combinirt man diese Wirkung des Polareises mit derjenigen der Gletscher, deren Auftreten offen- bar von ähnlichen Umständen abhängt und in dieselbe Epoche fällt, so wird man wohl die beiden Haupterscheinungen erfasst DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 313 haben, welche der Temperaturverminderung ihre Entstehung ver- danken und deren Einwirkung auf die gesammte Vegetation sich in der Pliocenperiode verspüren lässt. Ohne Zweifel war zur Vollbringung dieser Veränderungen eine lange Zeit nöthig. Wahrscheinlich hatten sich die Meere schon zurückgezogen und die Alpen schon erhoben zur Zeit, als die Con- gerienschichten abgesetzt wurden ; jedoch behielt die Vegetation damals noch die meisten charakteristischen Züge, welche sie zur eigentlichen Miocenzeit zeigte. Wir beobachten den Uebergang einer Periode in die andere; aber dieser Uebergang macht sich nur gradweise, wie unter dem Einflusse einer aus der Ferne wir- kenden Kraft geltend, deren Wirkungen kaum fühlbar sind, ob- gleich sie ohne Aufhören sich fortsetzen. Das Wiener Becken giebt uns in dieser Hinsicht sehr werthvolle Aufschlüsse, da es mehrere über einander gelagerte Stockwerke von Schichten- gruppen zur Untersuchung bietet. Ueber der eigentlichen mio- cenen Mollasse befindet sich in diesem Becken die sogenannte sarmatische Stufe oder Gerithienschichtgruppe, deren oberer Theil eine sehr reiche Flora aufweist, deren charakteristische Arten mit derjenigen von ÖOeningen identisch sind. _ Callitris Brongniartii, die wir schon im Eocen nachwiesen und die eine so bedeutende Rolle in den Gypsen von Aix spielt, zeigt sich noch hier umgeben von denselben Kampher- und Zimmtbäumen (Oinna- momum). Dequota Langsdorfii, Carpinus grandis, Dryandroides ligni- tum, Acer trilobatum, Sapindus faleifolius, Podogonium, Acacia parschlugiana und eine Menge anderer Arten, die wir aufzählen könnten, beweisen die Fortdauer derselben Typen in einer schon etwas jüngeren Epoche als Oeningen. Man kann freilich in der sarmatischen Flora keine Palmen mehr nachweisen, aber diese Gewächse waren auch schon, wie wir zeigten, in Oeningen sehr selten. Nichts würde demnach auf bevorstehende Aenderungen hinweisen, wenn man nicht in der Nähe von Wien gewisse For- men häufig auftreten sähe, welche offenbar eine grössere Lebens- . zähigkeit besassen, als andere, und die, obgleich schon im Miocen sogar häufig vorkommend, doch ihre Existenz bis zur Mitte und selbst bis an das Ende der folgenden Periode verlängern. Dahin gehören besonders: Glyptostrobus europaeus, Br., Detula prisca, Ett., Liquwidambar europaeum, Al. Br., Platanus aceroides, Goepp., 314 DIE VEGETATIONSPERIODEN Parrotia pristina, Ett., Grewia erenata, Ung., Acer Ponzianum, 4 Gaud., integrilobum, ©. Weh., ete. Die meisten wurden schon a en ee an. Charakteristische mio-pliocene Arten. 1. Grewia erenata, Ung. — 2. Acer Ponzianum, Gaud. — 3. Acer integrilobum, OÖ. Web. früher abgebildet; wir geben hier noch die Figuren der anderen, so dass der Leser beim Zurückblättern in der Reihe sie alle fin- den kann. Die Flora der Congerienschichten, welche in dem Wiener Becken unmittelbar auf diejenige der sarmatischen Stufe folgt, zeigt verschiedene Veränderungen; die Callitris und die Kampher- bäume fehlen, die Acacien sind verschwunden; diese Arten haben für immer unseren Boden verlassen; aber man findet noch die Sequoien und wahre Bambusrohre unter dem Namen Phragmites beschrieben; ohne Zweifel durch die zunehmende Feuchtigkeit des Klimas begünstigt, harren diese letzteren aus und bilden in Gesellschaft unserer Schilfrohre den wesentlichsten Schmuck der etwas späteren, rein pliocenen Floren von Meximieux und vom Cantal. Im Niveau der Congerienschichten sieht man auch, häufi- ser als im eigentlichen Miocen, die Buche auftreten, zwar nicht unsere gewöhnliche Buche, Fagus sylvatica, aber doch eine ihr sehr nahe Art, die sich allerwärts verbreitet und durch diese Ver- breitung für die Zunahme der Feuchtigkeit zeugt, welche diesem Waldbaume so nöthig ist. Die Floren von Senigaglia in den Marken und von Stradella £ bei Pavia in Italien gehören etwa dem Niveau der Congerien- DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 315 schichten an; sie zeigen dieselben Vergesellschaftungen bei einer etwas höheren Temperatur, welche der südlicheren Lage der beiden Fundorte entspricht. Die Gypse von Stradella zeigen den Fig. 9. Buchenblätter verschiedener Form aus dem Mio-pliocen Italiens. 1. Von Senigaglia. — 2. Von Stradella. — 3. Von Guarene. miocenen Kampherbaum, Cinnamomum polymorphum, Hr., in Ge- sellschaft der Buche, Fagus Deucalionis, Goepp., der Hainbuche und mehrerer Ahorne aus dem Pliocen. Die Flora von Senigaglia ist weit reicher; nicht nur haben Palmen sichere Spuren hinter- lassen, sondern man findet auch, neben gewissen miocenen Arten, deren Anwesenheit nicht bezweifelt werden kann, wie Sequoia Sternbergii und Langsdorfiü, Libocedrus salicornioides, Taxodium dubium, Goepp., Sapindus faleifolius etc., Arten von Eichen, Ahornen, Ulmen, Buchen, Nussbäumen und Hainbuchen, die innig denjenigen verwandt sind, welche im Pliocen vegetiren und durch diese unseren lebenden Arten nahe kommen. Die Flora von Seni- gaglıa ist ausserdem reich an Pflanzenformen, welche beiden Perioden gemeinsam sind und ebensowohl das Miocen wie das Pliocen charakterisiren; dahin gehören namentlich: Glyptostrobus europaeus, Hr., Salisburia adiantoides, Ung. (Fig. 100), Planera Ungeri, Ett., Platanus aceroides, Goepp., Liquidambar europaeum, Al. Br., Sassafras Ferretianum, Massal., Oreodaphne Heerii, Gaud., Liriodendron Procaceinii, Ung., Tilia Mastaiana, Massal., Juglans 316 DIE VEGETATIONSPERIODEN bilinica, Ung., Cercis Virgiliana, Massal., (Fig. 101, 6bis7)). Alle Fig. 100. Charakteristische mio-pliocene Arten von Senigaglia. Salisburia el Ung. — 3.bis 4. Sassafras Ferretianum, MBERE = Nun Cornaliae, Massal. 1..ibi51 2. diese Arten und viele andere, die man aufzählen könnte, lebten nicht nur in Europa über die Miocenperiode hinaus fort, in welcher } r = !) Man beachte unter den Fig. 101 abgebildeten Arten von Senigaglia die beiden Eichen, Quercus Fallopiana und Cornaliae. Die erstere Art gehört zum Typus unserer Steineiche, Qu. robur; Qu. Cornaliae dagegen schliesst sich sehr nahe der Qu. infectoria an. Acer Cornaliae (Fig. 100, 5) gehört ohne Zweifel zur Gruppe des Acer opulifolium, Vill. DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 317 sie zuerst auftreten, sondern zeigen auch directe Abkömmlinge im Schoosse unserer heutigen Natur. Diese correspondirenden Fig. 101. 7 R ) S \ R > Kg Ss \ \ Charakteristische mio-pliocene Arten von Senigaglia. 1. Quercus Fallopiana, Massal. — 2. Quercus Cornaliae, Massal.e. — 3. Liriodendron Procaceinü, Ung.. — 4. bis 5. Tilia Mastaiana, Massal. (Blatt und Frucht). — 6. bis 7. Cereis Virgiliana, Massal. (Blatt und Schote). Arten finden sich freilich fast alle ausserhalb Europas, eimge sogar sehr weit von unserem Continent entfernt: der Tulpenbaum und der Sassafras in Amerika; der Gingko und Glyptostrobus in China und Japan; andere, wie Oreodaphne, auf den Canarien oder, wie Platanus, Planera und Liqwidambar, im östlichen Asien. ‚Die geringere Anzahl (Cereis, Acer) ist europäisch geblieben; aber trotz dieser Zerstreuung ist die Verwandtschaft so enge zwischen diesen auf unserem Boden so lange heimischen und erst spät aus- gewanderten Arten und ihren Verwandten in der Jetztwelt, dass 318 DIE VEGETATIONSPERIODEN man nothwendig annehmen muss, die einen und die anderen seien demselben Stamme entsprossen. Das öftere Vorkommen und in der ersten Zeit, beim Beginn der Pliocenzeit, die fast unausbleibliche Vergesellschaftung der Buche und der Platane bilden unzweifelhafte Anzeichen der Milde und Feuchtigkeit des Klimas. Die Buche verträgt kein extremes Klima, sie hat in allen Jahreszeiten wässerige Niederschläge nöthig, und Sommer ohne Wärme konnten nicht die Ausbreitung der Platane begünstigen, die zur vollständigen Entwickelung sowohl Wärme als Wasser nöthig hat. Wir müssen ferner auf die Linde aufmerksam machen, die früher in Europa unbekannt oder sehr selten und eher auf die arktischen Gegenden beschränkt war, während sie jetzt überall zu finden ist. Der Tulpenbaum, der Sassafras, die Platane, der Styraxbaum, der Ginkgo haben alle eine gewisse Frische nöthig und waren in einer früheren Periode in den Umgebungen des Nordpols heimisch, bevor ihnen das weni- ger heiss, aber feuchter gewordene Europa, das aber noch immer ein gemässigt warmes Klima hatte, Landstrecken bot, wo sich diese Arten in aller Freiheit ausdehnen konnten. Zu derselben Zeit findet man in der Meeresmollasse von Saint-Fons (Isere) im Rhonethale die Platane; in den Braunkohlen von Tour-du-Pin dieselbe Platane in Begleitung der pliocenen Waldbuche (Fagus sylvatica pliocenica), die schon ganze, an den Rändern gewellte Blätter zeigt und eine unserem 'Nussbaume verwandte Juglans-Art. Mit diesen Braunkohlen und denjenigen von Hauterives, sowie mit den Sanden von Trevoux treten wir in das Pliocen ein und finden nun überall die Buche, welche in den Aschen des Cantal in grosser Menge vorkommt. Die Buche wird so für uns der werthvollste Maassstab des Klimas, welches Europa damals besass und das unserem Continent gestattete, in harmo- nischer Vereinigung diejenigen Elemente, welche die reichen Wäl- der des Nordens bilden, mit denjenigen zu verschmelzen, welche die Gehölze der Canarischen Inseln und der Umgebung des Kaukasus zusammensetzen. Bevor wir in das Innere dieser, den Angriffen des „vielleicht“ schon vorhandenen Menschen noch entzogenen Wälder vordrin- gen (der Mensch war jedenfalls noch zu schwach und zu isolirt, um den Gedanken ihrer Zerstörung haben zu können), wollen wir DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 319 das Verfahren der Reisenden nachahmen, welche zur See einer noch unerforschten Gegend nahen, die sie besuchen möchten. Untersuchungen, welche ich mit Professor Marion bei Vaquiere, im Departement des Gard, angestellt habe, erlauben uns fast vollständig das Bild einer Vegetation herzustellen, die damals am Ufer eines kleinen Flusses in der Nähe seiner Mündung grünte. Das Meer, in welches dieser unzweifelhaft mit dem heutigen Gar- don verschmolzene Wasserlauf ausmündete, gehörte ohne Zweifel der ersten Pliocenperiode an, wie seine unmittelbar die Congerien- schichten überlagernden Absätze beweisen. Die wahrscheinlich hellen Wasser des pliocenen Gardon waren von einem reichen Fie. 102. Pliocene Pflanzen von Vaquieres (Gard.). 1. bis 2. Arundo aegyptia antigua, Sap. und Mar.: 1, ausgewachsenes Rohr ; 2, Blatt. — 3. bis 5. Alnus stenophylla, Sap. und Mar.; 3 bis 4, Blätter; 5, Frucht. — 6. Viburnum palaeomorphum, Sap. und Mar. — 7. Viburnum assimile, Sap. und Mar. Vorhang von Erlen beschattet, einer zierlichen Art, welche zwischen einer syrischen Erle (Almus orientalis, Dne.) und einer japanesischen Art (A. maritima, Reg.) die Mitte hält. Zu dieser l i 320 DIE VEGETA'TIONSPERIODEN Erle mit langen, am Rande fein gezähnelten Blättern (Almus stenophylla, Sap. und Mar.) gesellten sich Mehlbäume ( Viburnum), von denen eine Art unserem Bastardlorbeer, eine andere einer chinesischen Art sich nähert. Weiterhin bildeten Sassafras, Ahorne mit Blättern, denjenigen des Wasserhollunders ‘ähnlich, dornige Celastreen afrikanischer Stammesähnlichkeit Dickichte, welche ein rankender Smilax undurchdringlich machte. Zur Seite, nicht weit vom Wasser, wuchs im feuchten Sande der Glypto- strobus europaeus, dessen chinesischer Verwandter zur Einfassung der Reisfelder bei Canton dient; ausserdem aber bildete eine grosse Rohrart, welche der Arundo mauritanica, Desf., aus Algier oder einer Art ähnlich ist, die heute an den Nilufern wächst, dichtes Geröhricht am Rande des Wassers, welches zugleich die Wedel eines zierlichen Farnkrautes (Osmunda bilinica, Ett., Sap.) badete. Diese Art ist deshalb eigenthümlich, weil sie eine heute in Europa fremde Gruppe repräsentirt, da die O. regalis, L., die einzige bei uns heimische Art ist. Die Abdrücke von einigen die- ser Arten, wie die des Rohres (Arundo aegyptia antiqua, Sap. und Mar.), finden sich in Masse; sie wurden in dem feinen Schlamme aufbewahrt, den der Fluss bei Hochwasser in das Meer führte; sie lehren uns die Physiognomie eines kleinen Winkels des plio- cenen Meeresufers kennen. Um über die grossen Landschaften urtheilen zu können, welche sich im Inneren des Landes ausbreiteten, muss man sich an das Ende des alten Golfes begeben und oberhalb Lyon die ersten Hügel des pliocenen Ufers besteigen. Ueberall sprudeln Quellen, welche oben auf den Abhängen entspringen und Wasser- fälle unmittelbar am Rande oder im Schatten der Hochwälder bilden, welche von Hirschen, Mastodonten und Tapiren, den un- bestrittenen Herren dieser Einöden, bewohnt werden. Der Mensch lebt vielleicht schon, hat aber den Weg nach Europa noch nicht gefunden, und zudem ist er so ängstlich und sucht mit so viel Sorge nach entlegenen, schwer zugänglichen Wohnungen, dass uns seine Spuren verloren gehen. Die Dinotherien sind längst verschwunden; aber die ersten Elephanten und Pferde, das Nas- horn mit breiten Naslöchern, irren hier und da, während ein Bär i (Ursus arvernensis), die pliocene Hyäne und eine schreckliche Katze, Machairodus, nach Beute schweifen. Suchen wir mit dieser DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. >21 Landschaft die Gewächse zu restauriren, welche diesen Thieren als Schlupfwinkel und den meisten auch als Nahrung dienten. Die Knollenkalke von Meximieux gestatten dieses Bild zu skizziren. Die incrustirenden Gewässer dieser pliocenen Oertlichkeit, die zwar von Chr. Falsan nicht entdeckt, aber zuerst sachverständig ausgebeutet wurde, waren von überhängenden Pflanzen gekrönt und in ihrem Laufe von grossen Bäumen beschattet; sie flossen ‘durch mächtige Wälder, deren Abfälle, von dem raschen Strome fortgeführt, in dem sich bildenden Gesteine den treuen Abdruck aller ihrer Theile hinterliessen: Blätter, Früchte, Blüthen, Zweige, Blattstiele, zerstreute Blättehen und zuweilen ganze Stämme und Zweige. Der Wald von Meximieux glich den canarischen Wäldern, welche noch heute die Bewunderung der Reisenden wachrufen. Es sind zum Theile dieselben Gewächse, die hier auftreten, nur sind diese Wälder, wie alle der Pliocenzeit, noch reicher an Arten. Um ein richtiges Bild zusammenzusetzen, müsste man zu den Canarien das nördliche Amerika, zu dem heutigen Europa den Kaukasus und Centralasien hinzufügen, und aus den diesen ver- schiedenen Ländern entlehnten Gewächsen ein Ganzes bilden, welches dann der Vegetation entsprechen würde, die damals den Boden in der Umgegend von Lyon bedeckte. Viele dieser Pflanzen waren gesellige Waldbäume; man kann unter diesen nennen: einen jetzt in Japan heimischen Taxusbaum, Torreya nucifera; eine immergrüne Eiche, Quercus praecursor, Sap., (Fig. 106, 5 bis 6), sehr ähnlich der Varietät unseres Quercus ilex mit breiten Blättern; mehrere canarısche oder amerikanische Lor- beerarten (Laurus canariensis, Webb; Oreodaphne Heerii, Gaud., Fig. 103, 1 bis 3), Apollonias canariensis, Webb; Persea caroli- nensis etc.); eine Linde (Tika expansa, Sap. und Mar., Fig. 103); Ahorne (Acer opulifolium pliocenicum, Acer laetum, C. A. Mey.), von welchen sich der eine in Asien wiederfindet, während der erste in Europa ausgehalten hat; einen Nussbaum, Juglans minor, Sap. und Mar. etc. Unter den weniger hohen Bäumen sind zu er- wähnen: einige Stechpalmen (Ilex canariensis, Webb, Ilex Fal- sani, Sap.); unter den Gesträuchen ein heute nur in Asien und Thracien heimischer Seidelbast, Daphne pontica, D. C., ein kaum von dem unseren zu unterscheidender Buchsbaum (Buxus plio- Saporta, die Pflanzenwelt. 21 >22 DIE VEGETATIONSPERIODEN cenica, Sap. und Mar.) und mehrere Mehlbäume (Viburnum pseudo- tinus, Sap., V. rugosum, Pers.), von welchen einer noch auf den Canarien wächst (Fig. 105). Unter den Bäumen, welche dem Ufer der fliessenden Wässer folgten oder in ihrer Nähe sich ansiedelten, befanden sich unsere Fig. 103. FRRe VEN ENDE Charakteristische Arten der pliocenen Tuffe von Meximieux. 1. Oreodaphne Heeri, Gaud. — 2. bis 3. Laurus cunariensis, Webb; Basis und Spitze eines Blattes. — 4. bis 5. Tilia expansa, Sap. und Mar.; 4, Frucht in natür- licher Grösse; 5, Stück eines Blattes. DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 323 Fig. 104. Charakteristische Arten der pliocenen Tuffe von Meximieux. 1. bis 2. Glyptostrobus europaeus, Hr.: 1, Zweig; 1%, Vergrössertes Stück desselben; 2, Fruchtzapfen. — 3. Torreya nucifera var. brevifolia, Sap. und Mar.; 32, Ver- grössertes Blatt. — 4. Heutige Torreya nucifera, ein Zweig zur Vergleichung. — 5. bis 6. Woodwardia radicans, L., zwei Wedelstücke. — 7. bis 11. Punica Plan- choni, Sap.: 7, und 8, 2 Blätter; 9, und 10, noch nicht geöffnete Blüthenknospen ; 11, a bis f, verschiedene Blüthenknospen derselben Art in verschiedenen Stellungen. Ze 324 DIE VEGETATIONSPERIODEN 33: ee DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 325 Fig. 105. Charakteristische Arten der pliocenen Tuffe von Meximieux. 1. Liriodendron Procaceinii, Ung. — 2. Acer opulifolium pliocenicum. — 3. Acer laetum (C.:A. Mey.) pliocenicum. — 4, 5 Nerium oleander (L.) pliocenicum , zwei Blätter; 4, von oben, 5, von unten. — 6. Viburnum rugosum (Pers.) pliocenicum, Blatt von oben. — 7, 8. Buxus pliocenica, Sap. und Mar.; 7, Blatt; 8, Frucht von der Seite und von unten. — 9. Ilex Falsani, Sap.; Blatt von oben. — 10 bis 12. Juglans minor, Sap. und Mar.; 10, Spitze eines gefiederten Blattes; 11, Nuss von der Seite; 12, Nuss von oben. Weisspappel, Populus alba pliocenica, die Platane, die Magnolie und der Tulpenbaum, etwa wie sie in Amerika vorkommen, aber Fig. 106. Charakteristische Arten der pliocenen Tuffe von Meximieux. 1. Adiantum reniforme, L.. — 2 bis 4. Bambusa lugdunensis, Sap.: 2, ausgewachse- nes Rohrstück; 3, 4 Blätter. — 5, 6. Quercus praecursor, Sap.: 5, Blatt; 6, Eichel ohne Hülle. doch mit unterscheidenden Nuancen, die um so merkwürdiger er- scheinen, da sie ebenso erkenntlich, als wenig auffallend sind. Die Schlingpflanzen zeigten eine Waldrebe (Clematis) und eine Menispermee (Cocculus) mit nordamerikanischer Verwandtschaft. Ein dem heutigen fast gleicher Oleander und ein dem plio- cenen Europa eigenthümlicher Granatbaum (Punica Planchoni, Sap.), wenig verschieden von demjenigen, welchen die Cultur uns überliefert hat, wuchsen unmittelbar am Ufer derGewässer. Neben ihnen vegetirte als ein Ueberbleibsel aus der vorhergegangenen Zeit der tertiäre Glyptostrobus (G. europaeus), von dem man sogar 326 DIE VEGETATIONSPERIODEN die Zapfen gefunden hat, und ausserdem muss ein Bambus er- wähnt werden (D. Lugdunensis, Sap.), dessen Geröhricht von. mittlerer Höhe überall an den feuchten Ufergehängen sich an- gesiedelt hatte. An den Felswänden der Cascatellen hingen zwei merkwürdige Farnkräuter, von welchen das eine, Adiantum reni- forme, L., heute überall in den Tropengegenden verbreitet ist, aber nach Norden hin nicht über die canarischen Inseln hinausgeht, während das andere, Woodwardia radicans, Cas., das ebenfalls auf den Canarien zu Hause ist, sporadisch bis zu den Azoren und selbst bis Bologna sich ausbreitet. Im Miocen waren diese Farne durch zwei Formen repräsentirt, welche Unger Adiantum renatum und Woodwardia Roesneriana genannt hat. Man sieht, dass die Elemente der Abstammung unserer heutigen Pflanzen von geolo- gisch älteren nicht immer sich der Analyse entziehen und dass es schwer hält, die Annahme zurückzuweisen, wonach die meisten unserer Pflanzenarten ihren Entstehungsgrund und die Wurzel ihres Ahnenstammes in den älteren geologischen Epochen finden. Man begreift aber auch, dass die genealogischen Documente stets seltener und dunkler werden, je mehr man in die Vergangen- heit zurückzugehen sucht. Zur Zeit, wo in Frankreich Mastodon dissimilis, Jourd., und Tapirus arvernensis lebten, erstreckte sich eine doppelte oder dreifache Doppelreihe von in voller Thätigkeit befindlichen Vul- kanen längs den Ufern der Lyoner Adria, die schon zu zwei Drit- teln bis nach Beaucaire und Avignon hin zurückgegangen war, längs der Ardeche und dem Vivarais und weiterhin in der Haute- Loire, im Cantal und dem Massiv der Auvergne. Die Ausbruchs- öffnungen dieser so oft erschütterten Gegend, deren letzte Con- vulsionen die Menschen von Denyse unter der Asche begruben, . entwickelten sich, bevor sie die Gestalt der heutigen Vulkane an- nahmen, in einem stufenweisen Ausbildungsgange, dessen Fort- schritte uns durch die Untersuchungen von M. B. Rames in Aurillac besser bekannt wurden. Als Vorboten erschienen heisse Quellen, schwankende Bewe- gungen, welche Risse und locale Hebungen im Gefolge hatten und eine Gegend beunruhigten, deren Urboden in tiefster Ruhe seit der Bildung der ersten Ablagerungen trocken gelegt war. Nach diesen ersten Manifestationen der Mächte der Tiefe bildeten sich DIE PFLANZENWELT. Tafel XIH. Saporta. Palmen und Cycadeen. 1er 7 1 ärer europäise Hauptsächliche Arten mittel-terti DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 397 die ersten Süsswasserseen, und bald darauf fanden die ersten Basaltausbrüche statt. In den Süsswasserablagerungen des Cantal, die nach dem älteren Basalte gebildet wurden, fand B. Rames die Knochen von Amphicyon, Machairodus, Mastodon angustidens, Dinotherium und Hipparion, Thiere, die in dem oberen Miocen von Mont-Leberon und Pikermi vorkommen. Dann erschienen die neueren porphyri- schen Basalte und die ersten trachytischen Conglomerate. Das Bodenrelief bildete sich nach und nach, aber der eigentliche Vul- kan existirte entweder noch nicht, oder befand sich im Zustande der ersten Anlage. Die schon bergige und hügelige Gegend war überall von dichten Wäldern bedeckt, deren Zusammensetzung je nach der Höhe und Richtung der Gehänge wechselte. Die Nord- seite der Thäler unterschied sich in dieser Richtung von den gegen Süden gewandten Abhängen. Das Pflanzenleben hatte ebenso wie das Thierleben einen Grad von Reichthum und Glanz erreicht, zu dem es nur selten gelangt ist. Nun fanden aber neue Ausbrüche von Trachyt, Basalt, Phonolith und zuletzt von Lava an verschiedenen Orten statt, durch welche schliesslich die vul- kanischen Kräfte sich auf einen gegebenen Punkt concentrirten. So entstanden endlich permanente Krater, die theils nur vorüber- gehend, theils lange Zeit in Thätigkeit waren, in ähnlicher Weise wie diejenigen der heutigen Vulkane. Besonders in der Auvergne sieht man wahre Modelle solcher Ausbruchskrater, die gewiss der jüngsten tertiären Zeit angehören; einige sind kaum verändert. . Der Vulkan des Cantal gehört einer älteren Zeit an; obgleich der Auswurfskegel, der den heutigen Vulkan krönte, zur Zeit der grössten plutonischen Thätigkeit verschwunden ist, bleibt doch der ursprüngliche Centraltrichter oder Circus sichtbar, der die Phono- lithe, Trachyte und jüngsten Basalte ausspie, obgleich seine Wände theilweise eingestürzt und seine Abhänge von den späteren Strö- men der Eiszeit ausgewaschen wurden. In der Auvergne und dem Velay sind es die Bimssteintuffe und die trachytischen Conglomerate (Trassoites), welche auf Kosten der umgeschichteten Ausbruchsgesteine gebildet wurden, die eine Menge von Pflanzenabdrücken aus den verschiedenen Niveaus der Pliocenperiode enthalten. In der Nähe von Ceyssac bei le Puy haben Aymard und 328 DIE VEGETATIONSPERIODEN Haydes in einem grauen Tripelmergel zahlreiche Pflanzenreste gesammelt. Im Cantal hat B. Rames die reichste Flora aus den sogenannten (ineriten ausgegraben, vulkanischen Aschen, die durch das Wasser umgewühlt, geschichtet und verkittet wurden, welches wahrschemlich durch die wässerigen Niederschläge gelie- fert wurde, die bei dem Ausbruche der festeren, geschmolzenen Massen sich bildeten. Diese äusserst heftigen Wassergüsse rissen eine Menge von Bäumen um, deren Stämme in wildem Durcheinander liegen und als hohle Abgüsse erhalten sind. Die Aeste, dieZweige und Stämme wurden bedeckt; der von Blättern und einer Menge kleiner Dinge überschüttete Boden verschwand unter einer Aschendecke, welche den Abdruck selbst der zartesten Theile vollkommen erhalten hat. Das so geschichtete und dann erhärtete Gestein hat sie uns treu überliefert, und zwar ganz in dem Zustande, worin sie sich zur Zeit der Katastrophe befanden, und so zum Nutzen der Wissen- schaft ein vegetabilisches „Herculanum“ hergestellt, das noch nicht sein letztes Wort gesagt hat. Das Vorhandensein des Bam- bus von Meximieux und die aus den stratigraphischen Unter- suchungen von B. Rames gewonnenen Ergebnisse lassen anneh- men, dass die Pliocenwälder des Cantal etwa mit denen der Umgebungen von Lyon gleichzeitig waren. Man darf sich also nicht verwundern, dass man hier dieselben Ahorne, dieselbe Linde und andere vollkommen miocene Arten antrifft, wie Grewia ere- nata, Hr., Zygophyllum (Ulmus, Ung.) Bronnii, Sap., und Sassafras Ferretianum, Massal. von Senigaglia. Aber eine Menge von ebenso merkwürdigen als unerwarteten Erscheinungen belehren uns, dass wir uns hier auf einem gebirgigen Boden befinden und dass wir durch bewaldete Gehänge bis zu einer Höhe ansteigen, welche genügend ist, um eine Vegetation zu beherbergen, die von der- jenigen der unteren Thäler verschieden ist. Diese letztere haben wir an dem Strande von Vaguieres und in der Umgebung der Cascatellen von Meximieux kennen gelernt. Die Aschenschichten des Cantal führen uns ihrerseits in eine Flora ein, welche einen. anderen Charakter besass und den subalpinen Berggehängen an- gepasst war, auf welchen sie sich entwickelte. Am Pas de la Mougudo, auf einer der südlichen Berglehnen des pliocenen Vulkans, ist unsere Erle, Alnus glutinosa, L., der DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 329 vorherrschendeBaum; sie hat aber fast kreisrunde Blätter (Fig. 107 a. f. S.). Wesentliche Bäume sind dann noch die Linde von Meximieux (Tilia expansa, Sap. und Mar.), ein Nussbaum (Ptero- carya fraxinifolia, Spach.), der heute nur im Kaukasus vorkommt, eine eben dort einheimische Planere (Pl. erenata), eine dem Car- pinus orientalis, die bis nach Krain heutigen Tages vordringt, ähnliche Hainbuche und eine Ulme, die einer unserer einheimi- schen Ulmen ähnlich ist (Ulmus ciliata). Die Buche zeigt sich ebenfalls, war aber damals selten; viel- leicht wuchs sie in einer etwas höheren Gegend, aus welcher jeden- falls eine einzelne Schuppe eines Tannenzapfens stammt, die von einem höheren Gipfel herabgeschwemmt wurde und einem Baume zugehört, der mit Abves pinsapo, Boiss. aus der Sierra Nevada sehr nahe verwandt war. Die Flora von Saint- Vincent, einer auf dem Nordabhange des Cantal gelegenen Localität, zeigt deutlich die Verschiedenheit, welche durch die Höhe und die Lage gegen Norden hin in der Pflanzendecke hervorgebracht wurde. Wir finden hier einen an- deren, heute ausgestorbenen Nussbaum, Carya maxima, Sap., neben der Pterocarya fraxinifolia und zwei Ahorne, die von denen von Meximieux nicht verschieden sind. DieHainbuchen und Ulmen er- scheinen mit der Buche; aber diese letztere ist in Saint-Vincent weit häufiger, als an irgend einem anderen Orte, und wird ausser- dem begleitet von einer Eiche, die unserer Steineiche sehr ähn- lich ist (Quercus robur pliocenica, Sap.) und von der so häufig in den heutigen Buchenwäldern vorkommenden Zitterpappel (Popu- lus tremula). Zwei Laurineen mit hinfälligen Blättern (Sassafras Ferretianum und benzoin latifolium) und eine Weinrebe (Vitis subintegra, Sap.) bezeichnen noch diesen Fundort, dessen Höhen von einem Tannenwalde gekrönt wurden. An beiden Orten, am Pas de la Mougudo, wie bei Saint Vincent, findet man auch, nicht ohne Ueberraschung, eine heute in Japan wachsende, durch den zierlichen Ausschnitt ihrer Blätter bekannte Ahornart, Acer poly- morphum, Sieb. (Fig. 108, 6 a. S. 331), die neuerdings als eine der Aufmerksamkeit der Liebhaber würdige Seltenheit von den Gärt- nern eingeführt wurde. Als dieser Ahorn zu uns zurückkam, nahm er mithin aufs Neue Besitz von seinem ursprünglichen Vaterlande. 330 DIE VEGETATIONSPERIODEN Buben an. Fig. 107. Charakteristische Arten aus den Aschenschichten des Cantal. — Pas de la Mougudo. 1. Alnus glutinosa orbiculata, Sap., etwas restaurirtes Blatt. — 2. Tilia expansa, Sap. und Mar. (mit Hülfe mehrerer Fragmente restaurirtes Blatt). — 3 bis 4. Abies pinsapo, Boiss., pliocenica: 3, Nadel; 3% dieselbe vergrössert; 4, Schuppe von einem Zapfen. — Bemerkung: Die Nadel gleicht derjenigen von Abies numidica, welche nach Cosson nicht von A. pinsapo verschieden ist; die Schuppe ist grösser als die entsprechenden von einem Zapfen der heutigen Art. DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 331 Bevor wir den Cantal verlassen, um die Auvergne und das Velay zu besuchen, wollen wir nicht vergessen, darauf aufmerk- R Fig. 108. Charakteristische Arten aus den Aschenschichten vom Cantal. — Saint-Vincent. 1. Fagus sylvatica pliocenica, Sap. — 2. Quercus robur pliocenica, Sap. — 3. Popu- lus tremula, L. — 4. Sassafras Ferretianum, Mass. — 5. Vitis subintegra, Sap. — 6. Acer polymorphum, Sieb. et Zuce., pliocenicum. sam zu machen, dass die noch heute lebenden europäischen Arten ihr jetziges Vaterland schon seit Beginn der pliocenen Periode 332 DIE VEGETATIONSPERIODEN bewohnen. Abgesehen von einigen unbedeutenden Variationen und mehr oder minder ausgesprochenen Nuancen zeigen sie schon dieselben Charaktere wie heute; man unterscheidet sie ohne viele Mühe unter der Menge von ausgestorbenen oder ausgewanderten Arten, von welchen sie umgeben sind; man kann sagen, dass sie sich den heutigen Formen gegenüber etwa so verhalten, wie sich die localen heutigen Rassen und Varietäten zu einander verhalten; aber diese ursprünglichen europäischen Arten, die unseren Boden nicht mehr verlassen werden, halten sich gern bei Seite; sie wachsen besonders auf den Bergen und sind fast immer in irgend einer Weise, oft sogar sehr innig, mit vorhergehenden, oft miocenen Arten verknüpft, die sie fortsetzen, so zu sagen, indem sie sie zu ersetzen suchen. Das Band, welches Planera Ungeri, Ett. mit der pliocenen Planera, und diese wieder mit der heutigen Planera erenata aus dem Kaukasus verknüpft, zeigt nirgends weder Lücke noch Nath, und doch unterscheidet sich die Pl. Ungeri aus dem unteren Mio- cen deutlich von der heute lebenden sibirischen Ulme. Die beiden Extreme sind verschieden, aber durch Zwischenstufen verbunden. So verhält es sich mit vielen und namentlich denjenigen Arten, deren auf einander folgende Formen man findet; dieselben führen unmerklich von einem früheren, ausgestorbenen Typus zu dem- jenigen, der durch verschiedene Wandlungen hindurch bis zu uns gekommen ist. Das wäre die Geschichte aller Pflanzenarten, wenn wir sie bis in die letzten Einzelheiten verfolgen könnten. Die Lücken allein halten uns auf und zwingen uns nothwendig zu Induetionen, die sich indessen auf zu viele Beweise stützen, als dass man nicht die Wahrheit hindurchleuchten sähe. Die Tripel-Mergel von Ceyssac in der Haute-Loire sind viel- leicht etwas weniger alt als die Aschenschichten des Cantal, geben uns aber hinsichtlich der Flora ganz dieselben Anhaltspunkte. Die theilweise verschiedenen Arten wuchsen wahrscheinlich am Grunde eines tiefen, ländlichen Thales, das von hohen, mit Fich- ten und Tannen bewachsenen Gipfeln eingerahmt war. Die klebrige Erle von Ceyssac war nicht dieselbe wie im Cantal; ihre Blätter sind kleiner; ihre Früchte und übrigen Verhältnisse zeigen einen etwas kümmerlichen Baum. Neben der Hainbuche und dem asiati- schen Ahorn (Acer laetum, C. Mey.), den wir schon im Cantal fan- DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 333 den, sehen wir die Graupappel (Populus camescens, Sm.), eine Ülme, die mit der europäischen Bergulme (Ulmus montana) identisch ist, einen von dem unsrigen wenig verschiedenen Weissdorn (Crataegus oxyacanthoides, Goepp.) und endlich einen deshalb merkwürdigen Ahorn, weil er fast vollständig die Charaktere einer Art mit halb- beständigen Blättern wiederholt, die heute auf die Berge von Kreta beschränkt ist und den Botanikern unter den Namen Acer cereti- cum, L., oder A. sempervirens bekannt ist (Fig. 109). Die trotz ihres Reichthums noch unvollständig. bekannten pliocenen Floren Fig. 109. Charakteristische Arten der Tripelmergel von Ceyssac (Haute-Loire). 1 bis 3. Picea excelsa pliocenica, Samen. — 4. Abies cilieica? Kotsch., Samen. — 5 bis 7. Alnus glutinosa Aymardi, Sap.: 5, Blatt; 6 bis 7, Früchte. — 8 bis 9. Ulmus palaeomontana, Sap.: 8, Blatt; 9, Flügelfrucht. — 10. Populus canescens, Sm. pliocenica. — 11 bis 12. Crataegus oxyacanthoides, Goepp. — 13 bis 14. Fraxi- nus gracilis, Sap.: 13, Flügelfrucht; 14, Blattfragment. — 15 bis 16. Acer creti- cum, L., (pliocenicum): 15, Blatt; 16, Flügelfrucht. — 17, Zizyphus ovatus, O. Web. der Auvergne geben zu ähnlichen Bemerkungen Veranlassung. Die Eichen, Hainbuchen, Ulmen, Pappeln, Ahorne, Eschen und Nussbäume liefern dort zahlreiche Reste und Beweise ihres Ueber- gewichtes. Unsere Zitterpappel kam überall vor; ebenso der Typus der Nussbäume. Die Eichen boten die mannigfachsten Formen, und trotz der Schwierigkeiten, welche sich der genauen Bestimmung 334 DIE VEGETATIONSPERIODEN der Arten entgesenstellen, sieht man sofort, dass neben den unse- rer Steineiche sich nähernden Formen andere existiren, die bald der Quercus Mirbeckit, Du Rieu, aus Algier, bald der spanischen Quercus lusitanica, bald der Quercus infectoria aus Kleinasien nahe kommen, während noch andere entweder ausgestorben oder nach heisseren, südlicher gelegenen Gegenden ausgewandert sind. Die in der Haute-Loire gefundenen Reste zeigen, dass die Kiefer und die Lärche in der damaligen Zeit schon in Europa ver- breitet waren; in Deutschland zeigen sich dieselben Bäume schon durch unzweideutige Reste mit der Eibe und der Buche vergesell- schaftet. Die neuesten Tertiärformationen des toscanischen Meeres- ufers, des Val d’Arno, die Travertine der Insel Lipari, zeigen in merklich gleichem Niveau die Erscheinung und successive Aus- breitung in Mittelitalien der Buche und mehrerer Eichen, wor- unter die heute in Calabrien heimische Quercus Farnetto, Ten., sowie des Judenbaumes, Cereis siliquastrum; man findet dort ausserdem noch den edlen und den canarıschen Lorbeer, den Bastardlorbeer, den brennenden Busch (Mespilus pyracantha, L.), den Epheu, die immergrüne Eiche u. s. w. unter den uns bekann- ten Formen, und endlich die Zwergpalme, Chamaerops humilıs, die letzte europäische Palme, die am längsten auf unserem Boden aushielt, bevor sie ihn verliess und von welcher die an die letzten Tertiärablagerungen anstossenden Travertine von Lipari uns Reste aufbewahrt haben. Wir kommen mittelst dieser flüchtigen Durchsicht verschiede- ner Documente nach und nach an das Ende unserer Laufbahn; wir stehen am Schlusse der Pliocenzeit; die Temperatur nimmt nach und nach ab; die Gletscher steigen von den Gehängen der höchsten Berge, welche sie bisher bekleideten, allmälig in die niederen Thäler hinab und überziehen sie. Die Feuchtigkeit des Klimas begünstigt ohne Zweifel diese Fortschritte; die übermässig gewordenen wässerigen Niederschläge erklären durch ihre Fülle das Verhalten der Flüsse und Quellen, die sich mehr und mehr im Anfange der Quaternärzeit zu wahrhaft überraschenden Pro- portionen steigern. Die Fülle der Gewässer, die sich auf der Oberfläche des Bodens ergiessen und die Niederungen durchströmen, so wie die Ausdeh- nung der Gletscher und die erratischen Erscheinungen des Nor- DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 335 dens, welche die mehr oder minder directe Folge davon waren, bilden den wesentlichsten Zug der zweiten Hälfte der letzten Fig. 110. Ss WE > 5 RN a DEIEL % DIDI ER: & Os a & SS N Charakteristische Arten des jüngeren Pliocen der Auvergne und Italiens. 1. Quereus Mirbeckii antiqua, Sap. (Auvergne). — 2. Quercus Lamottü, Sap., (Auv.). — 3. Quercus roburoides, Gaud. (Massa-Maritima). — 4. Quereus ilex, L. (Lipari). — 5. Fagus sylvatica, L. (Oberes Arnothal)., — 6. Viburnum tinus, L. (Toscanische Travertine). — 7. Vitis vinifera L. (Travertine von Era). — 8. Mesplus pyracantha L. (Travertine von Toscana). 336 DIE VEGETATIONSPERIODEN Tertiärzeit. Die lange Ueberschwemmung der nordischen Ebenen, die der unvermeidliche Rückprall der Erhebung der Alpen war, bezeichnet das Ende dieser Periode, deren ins Einzelne gehende Untersuchung uns so weit führen müsste, dass es besser ist, sich nicht dabei aufzuhalten. Während der zweiten Hälfte des Pliocen begünstigten die Umstände immer noch in Europa die Entwickelung des Pflanzen- reiches im Ganzen, obgleich die fortgesetzte Verminderung der Temperatur täglich die Zahl und die Mannigfaltigkeit der Ele- mente beschränkte, aus welchen sich die Vegetation zusammen- setzte. Die Säugethiere hatten sich ihrerseits vermehrt und an Stärke, Vollkommenheit und Schönheit zugenommen, obgleich sie einen Theil der Gattungen einbüssten, welche sie noch im unteren Pliocen besassen. Professor Gaudry bezeichnet in seinen „Materiaux pour Y’histoire des temps quaternaires*“ dieses Stock- werk als „Epoche des Forest-bed“ oder „Pleistocen“; wir sind geneigt, das Niveau von Saint-Martial im Herault und die jüngsten Ablagerungen des Val d’Arno hierher zu ziehen. Die Mastodonten und Tapire haben dann schon Europa verlassen; die Affen sind nach Afrika ausgewandert; aber die Elephanten, Nashörner, Fluss- pferde waren nie mächtiger, und ihre Entwickelung, wie diejenige der Hirsche und Rinder, ist ein sicherer Beweis der unerschöpf- lichen Menge von Nahrungsmitteln, welche das Pflanzenreich ihnen bot. Elephas meridionalis, das riesigste Landthier, das jemals ge- lebt hat, charakterisirt diese Epoche; mit ihm leben Elephas anti- quus, Rhinoceros leptorhinus und Merckii, Hippopotamus major, Cervus Sedgwickiti, martialis u. Ss. w. Sehr lehrreich sind trotz ihrer geringen Zahl die Pflanzen, welche auf einigen Punkten des Herault und des Gard, bei Saint-Martial unweit Pezenas einerseits in denselben Schichten mit Elephas meridionalis und bei Durfort (Gard) anderseits gefunden wurden. — Von Saint-Martial ist ein Zapfen zu erwähnen, welcher der Gruppe der Alep-Fichte (Pinus halepensis, M. M.) anzugehören scheint, aber eine entschiedene Verwandtschaft mit Pinus caro- liniana, Corr., zeigt, die eine besondere Varietät bildet, welche mehr als der gewöhnliche Typus die Feuchtigkeit aufsucht und heute in einige Binnenthäler der Pyrenäen gebannt ist. — Die DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 337 Sandmergel von Durfort, eine Art grauen Schlammes, in welchen unter der Leitung von Cazalıs de Fondouce auf Anregung von Professor Gervais ganze Skelette von Elephas meridionalis und Nashörnern ausgegraben wurden, enthalten auch die Abdrücke mehrerer Arten von Eichen und anderen Pflanzen, von welchen zwei, Planera Ungeri, Ett., und Parrotia pristina, Ftt., ganz sicher miocen sind. Einige dieser miocenen Pflanzen bestanden also noch auf französischem Boden fort; als letzte Trümmer einer grossentheils ausgerotteten Flora waren sie ebenfalls bestimmt, bald zu verschwinden. Wir haben die hauptsächlichsten Eichen von Durfort, deren Zweige dem Elephas meridionalis gewiss zur Nahrung dienten, mit Quercus Farnetto, Ten. (Fig. 111, 2 bis 3), aus Süd-Italien, und ©. lusitanica, Webb., aus dem mittleren Fig. 111. Charakteristische Arten des südlichen Frankreichs aus der Zeit des Zlephas meridio- nalis. 1. Pinus caroliniana, Carr., Zapfen (Saint-Martial). — 2 bis 3. Quercus Farnetto, Ten. — 4 bis 5. Quercus lusitanica, Webb. — 6. Parrotia pristina, Ett. Spanien und Portugal identisch gefunden. Die in Südfrankreich damals herrschenden Formen sind also seitdem ausgewandert; sie Saporta, die Pflanzenwelt. ? 22 338 - DIE VEGETATIONSPERIODEN waren mit miocenen Formen vergesellschaftet, die dem Verschwin- den nahe waren, und unsere Steineichen, die jetzt in Frankreich durch Quereus sesstliflora, pedunculata und pubescens repräsentirt sind, waren noch nicht vorhanden; ihre verhältnissmässig neue Einführung datirt erst aus der Quaternärzeit, obgleich die Gruppe, der diese Varietäten angehören, bei weitem älter ist; das nörd- liche und mittlere Frankreich musste sie am Ende der Pliocen- zeit schon besitzen; jedenfalls findet sich ®. sessiliflora in Cann- stadt, und @. pubescens in Menge in den Tuffen der Provence mit Elephas antiquus. Die klimatischen Unterschiede waren in Nord- und Süd- aan gegen das Ende der Pliocenperiode in gewisser Hinsicht weit aus- gesprochener, als zu irgend einer anderen Zeit. Während die Zwergpalme noch in Lipari wächst, Pinus caroliniana, Qwuercus lusitanica und Farnetto, Laurus canariensis etc. noch im Rhone- thal und dem unteren Languedoc aushalten, zeigt das Forest-bed von Norfolk, das von Gaudry dem jüngsten Pliocen zugetheilt wird, eine von der vorigen sehr verschiedene Flora, und dieser Contrast genügt, um den Abstand zwischen beiden Regionen sehen zu lassen. ReverendGunn hat uns aus dem Forest-bed Zapfen der Silbertanne (Abies pectinata, D. C.), der Kiefer (Picea excelsa) und der Waldfichte (Pinus sylvestris) zugesendet; dieseZapfen beweisen, dass Harzbäume, identisch mit denjenigen unseres Continentes, damals grosse Wälder an der englischen Küste bildeten, die wahr- scheinlich mit der gegenüberliegenden französischen Küste noch ver- Fig. 112. ‚Arten aus dem Forest-bed. (Oberes Pliocen.) 1 bis 2. Pinus montana, Mitt., Zapfen. — 3 bis 4. Abies pectinata, D. C., abge- löste Zapfen-Schuppen. einigt war. Professor Heer, der in London dieselben Pflanzen- reste untersucht hat, erwähnt noch die Bergfichte (Pinus mon- tana, Mill., Fig. 112, 1 bis2), den gemeinen Eibenbaum, den Hasel- ‚nussstrauch, die Eiche und mehrere Wasserpflanzen, darunter die DER TERTIÄRZEIT. PLIOCEN. 339 selbe und weisse Wasserlilie. Die Bergfichte und die Tannen haben seitdem den englischen Boden verlassen, ebenso wie die Feige, der Lorbeer und der Judenbaum, welche alle man bei Paris in den quaternären Tuffen von Moret findet, die aber seit der Zeit des Mammuth nach Süden ausgewandert sind. Wir stehen also hier vollständig in der Periode der ausgewanderten Pflan- zen, und wenn wir die Thatsachen auseinander setzen wollten, welche die Fauna betreffen, so würden diese ebenfalls die Bezeich- nung einer Periode rechtfertigen, welche auf diejenige der aus- gewanderten oder ausgestorbenen Pflanzen folgt, während die noch frühere Epoche die Periode der ausgestorbenen Typen genannt werden könnte. So könnten wir bei noch weite- rem Zurückgehen in die Vergangenheit zu Perioden kommen, wo nicht nur die Typen, sondern auch die Gruppen, die Gattungen und endlich die Familien von den heute lebenden verschieden sind. Geht man in entgegengesetzter Richtung voran, so vermin- dern sich in dem Maasse, als man der Jetztwelt sich nähert, die Unterschiede; die Formen nähern, berühren und verschmelzen sich; der beste Beweis, dass in der Vergangenheit nichts sprung- weise geschah; die Verkettungen, welche alle Wesen verbinden, bilden eine Gesammtheit paralleler und zusammenhängender Serien, deren Verbindungsnäthe uns nur deshalb in die Augen fallen, weil trotz unserer Thätigkeit die Lücken unserer Forschun- gen noch nicht ausgefüllt werden konnten. Drittes Capitel. Allgemeine Ueberblicke über die Gesammtheit der Perioden. Die in den vorstehenden Blättern entwickelten Darstellungen beziehen sich auf drei Reihen von Erscheinungen, die sehr ver- schieden von einander sind, obgleich sie mehrfache Verbindungen besitzen und häufig bestimmend auf einander eingewirkt haben, nämlich die geographische Bodenbildung Europas, die Wandlun- sen und schliessliche Erniedrigung der Temperatur und endlich die Veränderungen, welche das Pflanzenreich an und für sich er- litt, d. h. in Beziehung auf die rein organischen Umgestaltungen, die es uns vorführte. Die Existenz dieser drei Erscheinungsreihen kann im Ernste nicht bezweifelt werden. — Es ist sicher, dass die relative Ausdehnung des Festlandes und der Meere sowie die Örographie unseres Continentes im Laufe der Tertiärzeiten be- deutende Veränderungen erlitten haben. Es ist nicht minder ge- wiss, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an und unabhängig von der Gestaltung der Meere und der Continente das europäische Klima sich nach und nach verschlechterte, bis endlich die Bedin- gungen hergestellt waren, welche es heute beherrschen. Will man sich nicht in vorgefasste Meinungen verrennen, so muss man auch zugestehen, dass die Pflanzenformen sich nach und nach verän- dert haben, und wenn wir von diesen Veränderungen reden, so haben wir weder die von localen Ursachen abhängigen Annexionen oder Lücken im Auge, noch die Wirkungen der Wanderungen, welche Europa allmälig einen Theil seiner Reichthümer brachten ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ETC. 341 oder nahmen, sondern die dem Organismus allein zuzuschreiben- den Veränderungen, welche die Zeit bei den Typen und Arten deren Geschichte durch die verschiedenen Zeitalter hindurch man verfolgen konnte, nothwendig mit sich führt als directe Folge der Lebensthätigkeit, die zwar zuweilen latent bleibt, aber niemals vollständig ruht. Man muss auch anerkennen, dass zwei von diesen drei Er- scheinungsreihen fast niemals isolirt thätig waren; das Klima einer jeden Periode wurde nothwendig durch die Bodenbildung und die relative Vertheilung von Land und Meer beeinflusst, während andererseits diese Hebung und Vertheilung eine merk- liche Wirkung auf die Zusammensetzung der Flora übten, indem sie entweder die Einführung dieser oder jener Kategorie von Pflan- zen in Europa beförderten oder unmöglich machten. Die Wichtig- keit der Einwirkung des Klimas auf die Pflanzenwelt spricht für sich selbst, wir haben nicht nöthig, dieselbe besonders zu betonen. Diese Wirkung, verbunden mit der OÖberflächenbildung des trocken gelegten Bodens, stellt die Umgebung her, mit welcher der Organis- mus in Berührung steht, die ihn nach verschiedenen Richtungen hintreibt und die Anregungen erzeugt, aus denen die morpho- logischen Verschiedenheiten hervorgehen, welche uns bei den Wesen, die wir untersuchen, auffallen, mögen diese nun noch leben oder uns nur ihre Reste zeigen. Betrachten wir nun die drei oben bezeichneten Erscheinungs- reihen im Einzelnen, um den Antheil festzustellen, den jede der- selben an und für sich an den Thatsachen nimmt, welche die Ge- schichte der Vegetation zusammensetzen, ohne uns indess allzu- tief in die ferne Vergangenheit einzulassen. Will man sich nur darauf beschränken, zu erfahren, wie der europäische Continent am Anfang der Tertiärzeiten beschaffen war, so muss man vor allen Dingen wissen, welche Begrenzung er in der unmittelbar vorhergehenden Zeit hatte. Gegen die Mitte der jurassischen Epoche bestand Europa noch aus einem Archipel grosser Inseln, welche jedoch die Neigung hatten, nach und nach mit einander zu verschmelzen. In Frankreich namentlich begannen die Schwel- len des Burgund und des Poitou zur Zeit des Hauptoolithes sich zu erheben und einerseits mit der Üentralinsel der Vogesen, andererseits mit der Vendee und der Bretagne sich zu verbin- 342 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE den!). Lässt man Skandinavien bei Seite, welches zur Zeit der weissen Kreide in nördlicher Richtung ein weit grösseres Festland bildete als jetzt, so findet man zu Ende der Kreideperiode einen centralen Continent, welcher wie eine Reduction des heutigen Europas erscheint (Taf. IV). Mit Ausnahme einiger Punkte waren damals das mittlere und südliche Deutschland, das mittlere, östliche und fast das ganze südöstliche Frankreich trocken gelegt, während im Gegentheile fast ganz Italien unter Wasser war. Je mehr man aber sich dem oberen Ende der Kreideperiode nähert, desto mehr nimmt das Festland zu. Die Ausdehnung des Meeres nimmt so sehr ab, dass ganz Norddeutschland mit Ausnahme eines schmalen Streifens in Westphalen, den Rhein- und Niederlanden frei liest. Ebenso vermindert sich zu derselben Zeit das Pariser Becken, denn das: Meer, in dem sich die Pisolithe absetzten, hatte eine weit gerin- gere Ausdehnung als das der weissen Kreide. Im südlichen Frank- reich zwischen Nizza und den Pyrenäen finden sich ähnliche Ver- hältnisse. Die letzten Ablagerungen in dieser Gegend gehören dem oberen Senon an; die unbedeutenden Ausbuchtungen des südlichen Kreidemeeres, seine Brackwasserbildungen, die Wechsel- lagerungen von Süsswasserschichten mit Meeresgebilden auf vielen Punkten, beweisen diesen Rückzug, der vor dem Ende der Kreide- periode beendet war. Der Geologe findet sich dann mächtigen Süsswasserschichten gegenüber, die er von dem Var bis über die Pyrenäen hinaus nach Aragonien und dem mittleren Spanien ver- folgen kann und die in einer Reihe von tiefen Seen gebildet zu sein scheinen, welche durch Abflüsse mit einander verbunden waren und eine weite Gegend zusammensetzten, welche an Aus- dehnung die heutige Uferzone des Mittelmeeres bedeutend übertraf. Jetzt beginnt die palaeocene Periode, die erste der tertiären Epochen nach unserer Eintheilung. In der ganzen Umgebung Europas sind die Meere in enge Grenzen eingeschränkt; mit Aus- nahme einiger Punkte, in Belgien bei Mons, in der Champagne und der Picardie greifen sie kaum über das jetzige Festland hin- über. Trotz dieser Ausdehnung des trocken gelegten Bodens scheint das palaeocene Klima keinen extremen oder continentalen 1) Man sehe Taf. II. er u GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 343 Charakter besessen zu haben. Fine hohe, der Ausdehnung der Palmen günstige Temperatur lässt sich erkennen, denn diese und viele andere Gewächse tropischer Natur gehen bis in den Norden Frankreichs und über den fünfzigsten Breitegrad hinauf. Die Wärme dieses Klimas musste ziemlich gleichförmig und durch Feuchtigkeit gemildert sein, denn einestheils finden sich mehr üppige Pflanzenformen in dieser Periode als in der folgenden, und anderentheils zeigen sich viele, von vorherrschend mittlerem Klima zeugende Gewächse der gemässigten Zone, die in dem Eocen und unteren Miocen verschwinden, um in dem Pliocen später wieder auf- zutauchen. Wir erwähnen, um diese Behauptung zu erhärten, den Sassafras (eine Laurinee mit hinfälligen Blättern), den Epheu, den bei Sezanne vorkommenden Weinstock und einige Eichen des Waldes von Gelinden, deren Physiognomie an die Eichen Klein- asiens und der Gebirge von Syrien und Japan erinnert. Die Temperatur musste zwischen dem 40. und 60. Grade, also auf einer Ausdehnung von 20 Breitegraden, in Europa etwa gleich- mässig vertheilt sein. Wir besitzen in der That in der kleinen palaeocenen Flora von Saint-Gely bei Montpellier ein werthvolles Material zur Vergleichung der gleichzeitigen Ablagerungen im nördlichen Frankreich und im Belgien. Das Gestein von Saint- Gely ist ein krystallinischer, concretionirter Kalkstein, der weit härter ist als der von Sezanne, aber offenbar fast unter gleichen Verhältnissen abgelagert wurde; die Pflanzen, deren Abdrücke er enthält, sind trotz ihrer geringen Zahl denen von Sezanne so gleich, dass man anerkennen muss, sie seien denselben Existenz- bedingungen unterworfen gewesen. Man findet bei Saint-Gely eine Marchantia (M. Sezannensis, Sap.), ein Farnkraut V Alsophila? Rowvillei, Sap.), eine Palme (Flabellaria gelyensis, Sap.), und unter den Dicotyledonen einen Diospyros (D. raminervis, Sap.), eine Celastrinee (Celastrinites gelyensis, Sap.), eine Magnolia (M. meri- dionalis, Sap.) und endlich eine Myrtacee (Myrtophyllum pulchrum, Sap.), welche einer Art ähnlich ist, die in der Kreide von Mole- tein in Mähren vorkommt (M. Geinitzii, Hr.). Trotz der geringen Zahl dieser Arten erkennt man leicht, dass die palaeocene Flora hinsichtlich ihrer Elemente im Norden und Süden Frankreichs keine merkliche Verschiedenheiten bietet. Die Revolution, welche die Gewässer des Oceans bis in das 344 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE Centrum des Continents brachte und beim Beginn des Eocen das von Nummuliten bewohnte Meer in die Alpen und Pyrenäen und weiter gen Osten nach Kleinasien, Persien, Esypten und die Ber- berei vorschob, liess nicht nur ein Mittelmeer entstehen, das vier- Fig: 113. Charakteristische palaeocene Arten von Saint-Gely (H£rault). l. Magnolia meridionalis, Sap. — 2. Diospyros raminervis, Sap. — 3. Celastrinites gelyens's, Sap. — 4. Myrtophyllum pulchrum, Sap. bis fünfmal grösser war als das heutige, sondern kehrte auch die geographischen Verhältnisse Europas dergestalt um, dass das Klima und die Flora unabweislich den Rückschlag dieser Ereig- nisse empfinden mussten. Fast nichts blieb übrig, was an den vorigen Zustand erinnern konnte. Das Pariser Becken allein machte eine Ausnahme, denn der abgerundete Golf, in welchem sich der Grobkalk ablagerte, war in seinen, wenn auch bedeutend kleineren, Umrissen doch demjenigen ähnlich, in welchem sich die weisse Kreide abgesetzt hatte. Das Nummuliten-Meer drang a, zn GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 345 bekanntlich weder in das Rhonethal noch in die Gegend vor, welche sich zwischen den See-Alpen und der Montagne Noire ober- halb Narbonne erstreckt. Während der Eocenzeit gab es Seen in der Provence, und einige dieser Seen, wie die von Aix, Saint- Zacharie und Manosque, bestanden auch nach dem Rückzuge des Nummulitenmeeres noch fort. Dieses Meer trocknete nach und nach aus, aber sein letztes Ende lässt sich nur schwer bestimmen, wenn man nicht annimmt, dass der Flysch seine letzten Ab- lagerungen bildet. Aller Wahrscheinlichkeit nach bildete die Provence damals eine lange, schmale, dem heutigen Italien ähn- liche Halbinsel, die sich von der oberen Provence bis in die Gegend von Bugia in Afrika erstreckte und den grössten Theil von Sar- dinien und Corsika in sich einschloss. Zwischen dieser Halbinsel _ und dem dalmatischen Küstenlande breitete sich ein weites Meer aus, das Italien bedeckte und einen weiten Golf mit einigen Inseln bildete. Weiter hin erstreckte sich eine grosse buchtige Halb- insel, welche einen grossen Theil Ilyriens und Ungarns, fast die ganze europäische Türkei, Griechenland mit dem Archipel ein- schloss und in Kleinasien endete, das in mehrere Inseln zerfallen war. (Man sehe Taf. X.) Der Einfluss eines so tief in den Schooss des Festlandes ein- schneidenden Meeres hätte ein gleichmässiges, mildes, zu allen _ Jahreszeiten feuchtes und warmes Klima erzeugen müssen. Die Untersuchung der eocenen Flora scheint das Gegentheil zu be- _ weisen. Diese Flora zeigt vor Allem afrikanische Physiognomie _ und Verwandtschaften; sie weist auf grosse Hitze hin. Die Ver- _ kümmerung der Formen, ihre lederartige Beschaffenheit, ihre oft -stachlige Natur und die geringe Grösse der Arten zeigen auf eine Atmosphäre mit intermittirenden Regengüssen und auf die perio- - dische Abwechslung zweier Jahreszeiten hin, die sich in Inter- -vallen von mehreren Monaten folgten und von welchen die eine trocken, die andere feucht war. Da das südliche Ufer des Num- mulitenmeeres sich längs Afrikas an den Grenzen der Sahara hin- zog, so scheint die Einführung und Fortdauer afrikanischer Pflanzen das Resultat einer von dem Süden her einwandernden Coloni- sation zu sein. Die Einwanderung wäre Schritt vor Schritt vor- gedrungen, um den ganzen Umfang der Ufer des Nummuliten- meeres mit den ihr angehörigen Arten zu überziehen, wie wir dies 346 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE heute noch im Umkreise des Mittelmeeres, .des Mexikanischen Meerbusens, der Archipele der Antillen und Japans von Statten gehen sehen. Es kann daher nicht auffallen, dass in ähnlicher Weise, wie in den genannten Gegenden, die Vegetation sich auf den entgegengesetzten Ufern von einem Ende zum anderen dieses grossen, inneren Nummulitenbeckens ausglich, das zwischen den Alpen und dem Sudan einen Durchmesser von etwa 30 Breite- graden oder mehr als 700 Wegstunden hatte, doppelt so gross als der Durchmesser des Mittelmeeres vom Ufer der grossen Syrte bis zu demjenigen des Golfes von Genua. 5 Man darf annehmen, dass die Existenz eines heissen, süd- lichen Meeres, das bis zu dem Wendekreise reichte, nicht ohne Einfluss auf das Klima war, welches in der Eocenzeit geherrscht zu haben scheint. Das periodisch durch die Sonne, wenn dieselbe dem Zeichen des Krebses sich nähert, erhitzte Nummulitenmeer musste Passatwinde erzeugen, welche mit dem Ende des Sommers zusammenfielen und denen eine heisse, trockene Zeit voranging, welche von der Tag- und Nachtgleiche des Frühjahres bis nach der Sonnenwende dauerte. Dies ist wahrscheinlich der Schlüssel eines Problems, dessen Lösung ebensowohl aus der Bildung des eocenen Europas wie aus der Untersuchung der Pflanzen hervor- 7 geht, welche unser Continent damals besass, und von denen wir die charakteristischen abgebildet haben. Der Punkt, wo das tertiäre Klima in Europa den Höhepunkt seiner Wärme erreichte, muss etwa in das Eocen und in die Zei EEE FR » absetzte. Die Nipa- und vielleicht auch die Kokosnuss- Palmen” erstreckten sich damals nicht nur bis nach Belgien und England, | sondern auch die Gewächse mit hinfälligen Blättern waren niemals seltener; man findet sie nur sehr ausnahmsweise. Das war die der Myriceen mit lederartigen Blättern, der Aralia, Podocarpus, der Oleander, der baumartigen Euphorbien, der Myrsineen u. S. w. Die Palmen kamen in ganz Frankreich häufig vor; Crie hat neu- GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 347 die verbreitetsten Farne. Dieser Zustand scheint sich ohne grosse Aenderung im südlichen Europa bis zum Ende des Eocen erhalten zu haben. Die Floren vom Monte Bolca in Italien und von Aix in der Provence zeugen dafür. Gegen das Ende des Eocen begann das Nummulitenmeer abzunehmen, ja sich gänzlich zurückzuziehen. An sehr vielen Punkten hatten sich Seen gebildet, deren sumpfige Ufer die Ausbreitung der Fauna der Palaeotherien begünstigten, indem sie diesen Thieren namentlich in den Wurzelstöcken der Wasserlilien und ähnlicher Wasserpflanzen eine reichliche Nah- rung boten, welche diese Dickhäuter aufsuchten, die herdenweise im Schlamme der Lagunen sich suhlten. Diese Lagunen, deren Ufer häufig von Vegetation bekleidet waren, wurden den klimati- schen Verhältnissen entsprechend, abwechselnd trocken gelest oder gefüllt. Man muss fernerhin nicht vergessen, dass diese eocenen Seen, die in der Provence ohne Veränderung während der tongrischen und selbst der aquitanischen Periode sich fort- erhielten, so vertheilt waren, dass sie je einem Abhange der Berg- ketten entsprachen, welche in diesem Theile von Frankreich die ersten Vorhügel der Alpen bilden. DieGrösse und Tiefe dieser Seen deuten auf weit bedeutendere orographische Verhältnisse hin, als sie in den jetzigen Zeiten an den betreffenden Orten sich zeigen. Weder der Mont Leberon oder der Felsstock von Volx, welche im Süden, und die Bergkette von Lure, die im Norden des alten See- beckens von Manosque sich erheben, noch der Ventoux, welcher die Thäler von Apt beherrscht und noch weniger Sainte - Victoire, das zu dem Gypssee von Aix in demselben Verhältnisse steht oder die Hügel von Sainte-Baume und Etoile, an deren Fusse die See- ablagerungen von Saint-Zacharie und Aubagne sich befinden — alle diese Erhebungen genügen nicht, um so bedeutende Einsen- kungen zu erklären. Man kann also annehmen, dass die Berg- ketten der Provence seit der Eocenperiode einen Theil ihrer früheren Höhe eingebüsst haben und findet diese heute weit ge- ringere Höhe begreiflich, wenn man die Massen zerriebener und zerstückelter Gesteine in Anschlag bringt, welche in den vormals am Fusse der Gebirge sich hinziehenden Seebecken angehäuft sind. Diese unmittelbare Nähe der Gebirge bei den eocenen Seen der Provence hat einige Charakterzüge erkennen lassen, welche die Bergwälder und die sub-alpine Flora der damaligen Zeit aus- 348 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE zeichnen. Es ist jetzt gewiss, dass die Flora der Gypse von Aix eine Birke, eine Ulme, eine Esche, einen Ahorn und mehrere Arten von Pappeln und Weiden enthält, welche in höheren Regionen wuchsen und dort eine von der unmittelbaren Umgegend des Sees verschiedene Flora bildeten. Diese Flora des alten Sees hatte Palmen, Drachenbäume und sogar Pisange aufzuweisen; sie ent- hielt Callitris, Widdringtonia, Podocarpus, Fichten und von Dicotyledonen Laurineen, Bombaceen, Araliaceen, Anacardiaceen und Mimosen. Den neuesten Entdeckungen zufolge gab es in der Flora der Gypse von Aix wenigstens fünf Palmenarten, von welchen nur eine, Sabal major, Ung., bis in das Miocen fortdauerte. Das Beispiel der Flora von Aix beweist, dass gegen Ende der Eocenperiode die Gewächse mit hinfälligen Blättern kaum unterhalb einer gewissen Höhe vorkommen, und ihre Gegenwart in diesen bestimmten Höhen zeigt auf die Existenz einer kälteren Jahreszeit hin, die auf den Bergen herrschte. Man begreift nun sehr wohl, dass diese Gewächse gegen die Niederungen hinab- stiegen, wo sie sich ausbreiteten und vermehrten, sobald eine an- fangs sehr mässige und in Wirklichkeit wenig fühlbare Erniedri- gung der Temperatur, verbunden mit Feuchtigkeit, diese Bewegung begünstigte. Dies fand in der That während der Oligocenperiode statt, einer Uebergangsperiode, die dem Eocen unmittelbar folgt und dem eigentlichen Miocen vorangeht. Diese an allen Orten, wo höhere Berge mit Tiefebenen in Verbindung stehen, so leicht zu bewerkstelligende Bewegung muss man von einer anderen, gleichzeitigen Bewegung unterscheiden, deren Wirkungen weit allgemeiner waren, aber auch zu ihrer Verwirklichung einer weit längeren Zeit bedurften. Ich meine die Auswanderung einer Menge von nordischen Typen und Arten, die unter dem Einflusse der abnehmenden Temperatur und des stets feuchter werdenden Klimas die Polargegenden verliessen und gegen den Süden hin vordrangen. Der Anfang dieser Bewe- gung muss ebenfalls in das Oligocen verlegt werden, obgleich ihre . Wirkungen sich erst in der folgenden Periode nachweisen lassen. Die Ausbildung des Oligocen-Meeres, durch welches die Ge- staltung Europas aufs Neue verändert wurde, musste dazu bei- tragen, das europäische Klima gleichmässiger und weniger extrem zu machen. Wir haben nachgewiesen, dass dies Meer ein nörd- RE GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 349 liches war; sein Einfluss musste somit demjenigen des Nummuliten- meeres entgegengesetzt wirken. Die afrikanischen und ostindischen Typen beginnen also zurückzuweichen, während die Seen des süd- lichen Europas dieselbe Grösse behielten, ja an Zahl und Ausdeh- nung noch zunahmen. Durch die Ablagerungen dieser Seen ist uns dieOligocenflora sehr gut bekannt geworden. Die Localitäten von Sagor, Haering, Sotzka, Monte-Promina, Salcedo gehören diesem Horizonte an, dem man auch die provencalischen Floren von Gargas, Saint-Zacharie, Saint-Jean de Garguier, Cereste und Ceylas im Departement des Gard zuzählen muss. Die Bewegung, welche die Vermehrung der Gewächse mit hinfälligen Blättern in dieser Flora bewirkte, ging offenbar nur sehr langsam vor sich; wahr- scheinlich änderte sich auch das Klima nur sehr allmälıg, in so zu sagen unmerklicher Weise. Die in der Ausführung begriffene Umwälzung in der Vegetation lässt sich nur durch das häufigere Vorkommen der Hainbuchen, Ulmen und gewisser Ahorne erken- nen, so wie durch das Hervortreten einer Palme, Sabal major, Ung.., die früher sehr selten war und ferner durch die Einführung gewisser Typen, die einem feuchteren Boden und Klima besser angepasst waren, als ihre Vorgänger, und zu denen Ohamaecyparis, Libo- cedrus salicornioides, Sequoia Sternbergii, Comptonia dryandraefolia gehören. Im Uebrigen bleibt der Stock der Vegetation etwa der- selbe, nicht nur in der Provence, sondern überall, wo die Oligocen- flora Reste hinterlassen hat, wie in Steiermark (Sotzka), in Dal- matien (Monte Promina), in Tyrol (Haering) oder in Centralfrank- reich (Ronzon, Haute-Loire). Die Beispiele verschiedener, diesen Localitäten entnommener Arten, die wir abgebildet haben, machen es unnöthig, auf die Folgerungen zurückzukommen, die wir daran knüpften. Die Umwälzung in der Vegetation, deren Vorläufer sich wäh- rend der Oligocenperiode zeigen, vollzieht sich erst in der folgen- den aquitanischen Periode, die dem Rückzuge des tongrischen Meeres und der Austrocknung der Salzgewässer des Flysch auf dem Fusse folgte und dem Einbruch des Mollassemeeres voran- ging. Es war eine Epoche steter Feuchtigkeit, gleichmässiger und gemässigter Wärme, in welcher grosse Seen und torfige Lagunen die Bildung von Braunkohlen begünstigten. Das Klima hat sich sichtlich geändert; die Ausdehnung der Seen und die Fülle von 350 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE Süsswasserablagerungen erklärt sich durch die wachsende Feuch- tigkeit der Atmosphäre. Es giebt überall grosse Seen in dieser Periode: bei Manosque in der Provence; bei Narbonne in Lan- guedoc; in Savoyen, der Schweiz, auf mehreren Punkten Deutsch- lands, in Oesterreich, Italien und Griechenland. An anderen Orten, wie in Radoboj (Croatien), haben die Ablagerungen sich in Flussmündungen gebildet, aber überall bezeugen sie dieselben Verhältnisse. Jetzt muss man auf die ersten Ankömmlinge aus den Polar- gegenden aufmerksam machen, die sich während der Miocenperiode in Europa ausbreiten. In diese Kategorie gehören die Platane, der Ambrabaum (Liquidambar), Glyptostrobus, mehrere Sequoien und wahrscheinlich auch die Buche und die Linde. Die Pappeln, Weiden, Erlen, Birken, Ulmen, Hainbuchen, Ahorne, Eschen, Nuss- bäume etc. entfalten sich sichtlich im Aquitan, ohne indess die Formen der heissen Länder und namentlich die Palmen ganz aus- zuschliessen, die mit den anderen Typen an vielen Orten gemein- schaftlich vorkommen }). Es ist also eine Periode von grossem Luxus der Vegetation, nicht nur weil die Temperatur sich nicht genug erniedrigt hat, um die früheren Formen auszuschliessen, sondern auch, weil die gleichmässige Feuchtigkeit des Klimas offenbar die Entwickelung des Pflanzenreiches begünstigt. Die an mehreren Orten vorkommende Nebeneinanderlae Frl zweier Vergesellschaftungen, von denen die eine einem kühleren, waldreichen Bergklima, die andere tiefer gelegenen Standorten mit südlicherem Charakter entspricht, lässt sich leicht erkennen. Man findet sie namentlich bei Armissan und bei Manosque. Doch contrastiren die beiden Gesellschaften schon weniger als zur Zeit der Gypse von Aix; sie halten sich besser das Gleichgewicht; sie haben sich einander genähert und mehr durchdrungen. Die nörd- lichere Gesellschaft, die einem früheren Klima entspricht, ist viel- leicht ärmer an Arten, aber reicher an Individuen; sie gewinnt nach und nach das Uebergewicht über die andere. Die Fichten sind in Armissan bei Narbonne so häufig, dass man sich hier eine !) Man sehe die Tafel XIII, welche eine Gruppe der wesentlichsten Palmen des Miocen darstellt, die nach ihren Organen restaurirt wurden. GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 351 mit harzreichen Bäumen bewaldete Berggegend vorstellen muss, ähnlich wie man sie heute am Pic von Teneriffa und auf den Hochplateaus Mexicos antrifft. Diese Gegend hätte dem aus secundären Schichten gebildeten Massiv der Clape entsprochen, das heute ein zerklüftetes Plateau zwischen Armissan und dem Meere bildet. Die Fichten dieses Waldes gehören wenigstens zehn, theilweise gewaltig hohen Arten an, welche durch ihre Zapfen, ihre Nadeln und ihr Aussehen den Fichten der Canarien, des Hima- laya und Mexicos gleichen. Neben diesen Fichten wuchs ohne Zweifel eine Tanne, deren Zapfen uns bekannt und unter dem Namen Entomolepis eynarocephala, Sap., beschrieben worden sind. Die dieser tertiären Tanne allein vergleichbare Art findet sich heute, aber nur sehr selten, in China; sie heisst Abves jezoensis, Lindl. (Keteleeria Fortunei, Carr.); es ist dies die einzige lebende Art, welche wie die fossile von Armissan zerrissene Fransen an den Schuppen ihrer Zapfen zeigt. Um diesen mit Harzbäumen besetz- ten Wald wuchsen in Armissan namentlich Birken, Hainbuchen, Kastanien, immergrüne Eichen, und ausserdem noch eine Pappel, eine Weide, mehrere Ahorne, sehr schöne Stechpalmen und meh- rere Nussbaumarten. Um den See selbst aber drängten sich Sequoien, Palmen, Drachenbäume, Aralien mit fingerförmig ge- schlitzten Blättern und eine Menge von Myriceen, Laurineen, Acacien und Engelhardtien, eine tropische Familie von Juglandeen. Man sieht, dass die beiden Gesellschaften sich noch recht wohl trennen lassen, wenn man sie genauer auf ihre constituirenden Elemente untersucht, obgleich sie so nahe bei einander wuchsen, dass ihre Trümmer in buntem Gewirr gemeinschaftlich auf dem Boden der Gewässer abgelagert wurden. In Manosque zeigt sich ein ähnlicher Contrast. Einerseits Erlen, Birken, Buchen, einige Eichen, Hainbuchen, Weiden, Pap- peln, Ahorne, Eschen und Nussbäume, die ohne Zweifel ein in der Nähe auf Bergeshalden gelegenes Gehölz bildeten und anderseits Massen von Myriceen mit gezahnt-stacheligen Blättern, Lorbeern, Kampherbäumen, Myrsineen, Diasporeen, Sophoreen, Caesalpineen und Mimosen, denen sich einige wenige Palmen zugesellten. Längs des Wassers erstreckte sich ein Saum von Glyptostrobus und Sequoia mit subtropicalen Farnkräutern vermischt, die über- schwemmte Gründe lieben. Die Unterscheidung ist, wie man sieht, 352 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE noch immer möglich; später aber sieht man eine stets engere Mischung der beiden Gesellschaften, die mit einander verschmel- zen und dieselben Standorte inne haben. Diejenige Gesellschaft, deren Abhängigkeit von der Hitze am deutlichsten ist, verliert immer mehr an Wichtigkeit und geht unter, während die andere Gesellschaft die Oberhand gewinnt, bis sie endlich, den Umstän- den gemäss, ihre Rivalin fast gänzlich verdrängt. Zur Zeit, wo dieser Kampf noch unentschieden war, und die Wage sich scheinbar zu Gunsten einer Pflanzen - Association neigte, welche derjenigen der Tropen mehr oder minder nahe kam, brachen die Meere der Mollassen und der Faluns in das mittlere, südliche und westliche Europa ein und zerstückelten den Continent etwa in derselben Weise, wie es zur Nummulitenzeit geschehen war. Es besteht aber diesmal ein Unterschied dadurch, dass die Hebung der Alpengegend anfıng hervorzutreten, so dass das neue Meer nach Norden zurückgedrängt wurde, wo es etwa Al die Einsenkungen erfüllte, welche heute durch die Thäler der Rhone, der Aar, des Oberrheins und der Donau bezeichnet sind. (Man sehe Taf. XI.) Das centrale Europa behielt während der ganzen Dauer des Miocen-Meeres eine warme Temperatur und ein sehr mildes Klima; die Gegenwart des Meeres in Central- Europa und Asien erhielt dieses Verhältniss; wir werden auf diesen leicht begreiflichen Ein- fluss ebenso wenig zurückkommen, als auf die entgegengesetzten Resultate, welche der spätere Rückzug dieses Meeres bedingte. Dieser Rückzug brachte in dem Norden Europas bald eine Ver- minderung der Wärme hervor, während diese Abkühlung im Süden des Continentes und auf den südlichen Gehängen der Alpen weit langsamer fortschritt. Man braucht nur auf den für die bota- nische Geographie des miocenen Zeitalters in Europa wichtigen Umstand aufmerksam zu machen, dass die Pflanzen der baltischen Bernsteingegeud, welche dem Aquitan angehören, die Gränze des Vorkommens des Kampherbaumes in dieser Zeit bis zum 55. Grade nördlicher Breite verlegen. Zu derselben Zeit wuchsen in Deutsch- land Palmen bis zum 50. Grad. Dieser Zustand dauerte so lange fort, als sich das Mollassemeer erhielt, und man begreift leicht, wie die buchtigen Ufer dieses Meeres auf beiden Seiten des engen Canals, den es von dem Unter-Jura bis in die Gegend von b i GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 353 Wien vorschob, nach und nach ein gleichförmiges Ansehen erhal- ten mussten. Jederseits wuchsen dieselben Pflanzen einem Gesetze zufolge, das durch eine Menge von der heutigen Schöpfung ent- nommenen Beispielen erhärtet werden kann. Diese für die Erhaltung eines miocenen europäischen Klimas von äusserster Milde günstigen Verhältnisse hindern nicht die Abkühlung des Erdballs als die Wirkung einer ganz allgemeinen Ursache aufzufassen, auf welche wir den Leser schon öfter hin- gewiesen haben. Einmal begonnen, konnte diese Erscheinung niemals vollständig ihr Fortschreiten unterbrechen; ihr anfänglich fast unmerkliches Vordringen hatte die Gegenden in der Nähe des Poles, wie wir zeigten, schon längst erreicht, bevor sie sich in Europa zeigte, und der Rückschlag ihrer Wirkung war ohne Zweifel nicht ohne Einfluss auf die relative Schnelligkeit der Erkältung, von welcher Europa schliesslich selbst betroffen wurde. Wir haben schon auf die Vorläufer dieses letzten Ereignisses aufmerksam gemacht; es ist aber sicher, um dies in wenigen Wor- ten zu wiederholen, dass wenn die Polargegenden schon am Ende der Eocenperiode erkältet, das heisst, schon damals mit einer Vegetation versehen waren, welche derjenigen des späteren plio- cenen Europas wenig unähnlich war, Europa seinerseits sich in Berührung mit Polargegenden befand, welche theilweise von Eis überdeckt in einem Zustande waren, wie ihn später das quater- näre Europa zeigte. So lange als die nur wenig kühler gewordenen Polarregionen keine angehäufte ewige Eismassen besassen und deshalb kein Treib- eis erzeugten, empfing Europa, obgleich einer Erkältung unter- worfen, die von einer ihm fremden Ursache herrührte, von dieser Nachbarschaft doch nur wenig bedeutende Einwirkungen. Später änderte sich die Scene, und nun mussten die theils festen, theils schwimmenden Massen von Polareis durch ihre Berührung oder ihre Nähe die Schnelligkeit der Bewegung vermehren, welche auf die allseitige Erniedrigung der Temperatur hinzielte. Dies ist ein wesentlicher Gesichtspunkt und eine Ursache, deren mit dem Rückzuge des Miocenmeeres verbundene Wirkung mehr als jede andere darauf hinarbeiten musste, in unserer Zone dasjenige Klima herzustellen, welches heute daselbst herrscht. Saporta, die Pflanzenwelt. 23 u 354 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE Es bleibt uns nur noch die letzte der drei Erscheinungs- reihen zu untersuchen, die wir im Anfange dieser Schlussbetrach- tung bezeichneten, nämlich die Modificationen, welche das Pflan- zenreich, entweder in der Vertheilung und Combination seiner Elemente, oder in sich selbst in Folge der morphologischen Ver- änderungen des Organismus erlitt. Wir müssen uns also mit zwei in Wirklichkeit sehr verschiedenen Betrachtungen beschäfti- gen, von welchen die einen sich auf den Charakter der ver- schiedenen Floren beziehen, welche nach einander das tertiäre Europa bewohnten, die anderen dagegen die Typen selbst, unab- hängig von ihrer Rolle in jeder dieser Floren, in Beziehung auf ihre vermuthliche Abstammung und auf die von den Arten, die sie repräsentiren, erduldeten Variationen betrachten. Wir wissen in der That, dass in der europäischen Tertiär- flora sehr verschiedene Elemente existirten, aus deren Anordnung und gleichzeitigen oder abwechselnden Ueberhandnahme eine ge- wisse Zahl von Gesammtbildern entstand, die jeder einzelnen Periode ihren Stempel aufdrückten. Die tertiäre Vegetation hat, in ihren allgemeinsten Zügen betrachtet, sich viermal in Europa geändert, und diese Aenderun- gen haben, wenn man von den allmäligen Uebergängen absieht, unter welchen sie sich vollzogen, vier auf einander folgende Floren in das Leben gerufen, die man die palaeocene, eocene, miocene und pliocene Flora nennen kann. Doch ist die zuletzt genannte (Gesammtheit nur eine Folge der vorhergehenden; genauer be- trachtet, ist die pliocene Flora nur eine miocene Flora, die ihrer meisten Typen südlicher oder tropischer Verwandtschaft beraubt und durch die Ueberhandnahme eines theilweisen Elementes der miocenen Flora gebildet ist. Vor Allem müssen wir die constituirenden Elemente genauer betrachten. Wir müssen uns wohl hüten, die einheimischen oder autoch- thonen Elemente mit denjenigen zu verwechseln, welche durch Einwanderung oder Mittheilung nach Europa eingeführt oder übergepflanzt wurden, mögen sie sich nun auf unserem Boden er- halten haben oder später ganz oder theilweise wieder ausgemerzt worden sein. Um die Elemente der Tertiärvegetation richtig würdigen zu können, muss man ferner den Typus oder die Gat- GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 355 tung genau von den in diesem Typus begriffenen Arten unter- scheiden, denn die Entwickelung und die Verkettung des einen haben schliesslich mit der Abstammung und der Specialgeschichte der anderen nichts zu thun. Europa kann zu jeder Zeit gewisse Typen besessen haben, und doch in einem bestimmten Zeitpunkt von aussen her mit anderen Arten desselben Typus beschenkt worden sein, welche durch Einwanderung eingeführt und dann heimisch wurden, während die älteren Arten schliesslich beseitigt wurden. In diesem letzteren Falle hat demnach der autochthone Typus zwar fortgelebt, aber nur mit Hülfe einer von aussen importirten und ursprünglich fremden Form. So schemt z. B. Europa in allen Epochen der Tertiärzeit Eichen besessen zu haben; aber diese waren ursprünglich immergrüne Eichen, und der Typus unse- rer Steineichen, der jetzt allein in Gentral-Europa die Gattung Quercus vertritt, könnte sehr wohl von aussen importirt sein. Die Typen Birke und Ulme gehen sehr weit in die Vergangenheit zurück; man darf aber wohl annehmen, dass unsere gewöhnliche Birke und die allgemeine Ulme uns aus dem Norden zugewandert sind und sich erst dann als specifische Formen in Europa gezeigt haben, als das Klima schon entschieden seine Wärme verloren hatte. Es gab wohl schon Tiliaceen im Anfange der Tertiärzeit in Europa; aber die eigentliche Gattung Linde (Tika), die polaren Ursprungs ist, kam erst gegen Ende des Miocen nach Europa und wurde wahrscheinlich zu derselben Zeit importirt wie die Platane und der Gingko, die unser Continent nicht behalten hat, die aber unter ähnlichen Breiten in Asien, Japan und Amerika wachsen. Dies sind für uns Typen, welche entweder auf Zeit oder definitiv für immer erworben wurden. Aber da die Typen, Gattungen oder Sectionen der Gattungen nothwendig durch Arten oder sich fort- erbende Rassen, ja zuweilen nur durch eine einzige Art repräsen- tirt sind, so findet man zum Beispiel, was die Gattung Salisburia oder Gingko betrifft, dass Europa diese Gattung zuerst in den Secundärzeiten besass, sie dann verlor und erst viel später die Salisburia adiantoides erhielt, welche kaum von der heute in China wachsenden Art verschieden ist. So wäre also in diesem Falle nur der Typus in Europa autochthon gewesen und nach langer Unterbrechung aufs Neue durch eine Art eingebürgert wor- den, die von der Umgebung des Pols ausgegangen und allmälig 23* 356 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE gegen Süden gewandert wäre. Man sieht, wie verwickelt diese Erscheinungen der Abstammung und Wanderung werden, wenn man sie genauer wit Hülfe der Besonderheiten verfolgt, welche der fossilen Flora entlehnt sind. Um uns zusammenzufassen, so unterscheiden wir hinsichtlich der Vegetations-Elemente oder der Kategorieen vergesellschafteter Typen: 1. Eine erste, eingeborene oder autochthone Kategorie, welche Typen umfasst, die in der Gegend geboren wurden und seit ihrer ersten Entstehung sie nicht mehr verlassen haben. Der Lorbeer, der Weinstock, der Epheu, der Oleander, verschiedene Ahorne, die Terebinthe, der Judasbaum etc. scheinen hierher zu gehören. 2. Eine zweite, ebenfalls autochthone Kategorie, aus Typen mit tropischer Verwandtschaft zusammengesetzt und dem tertiä- ren Europa eigenthümlich, dessen Floren sie früher charakteri- sirten. Hierher gehören Gattungen, die von einer gewissen Zeit an ausstarben, wie die Gattungen Rhizocaulon, Dewalguea, Flabel- laria (Palme), Palaeocarya (Juglandee), gewisse Proteaceen, Araliaceen, Anacardiaceen etc,, die man auf mehreren Punkten des eocenen oder oligocenen Europas gefunden hat. 3. Eine dritte, eher kosmopolitische als wirklich eingeborene Kategorie, die aber seit alter Zeit auf dem europäischen Boden angesiedelt war und Pflanzen mit tropischer Verwandtschaft be- greift, welche Europa lange beherbergt, dann freilich verloren hat, die man aber ausserhalb unseres Continentes besonders im süd- lichen und südöstlichen Asien wiederfindet. In diese Kategorie sehören viele Pflanzen, deren Gegenwart beweist, dass Europa „ohne die Erkältung des Klimas“ heute theilweise dieselben Ge- wächse besitzen würde, wie die Inselgruppen Asiens, Ostindien, das südliche China und Japan. Hierher gehören Lygodium, Ardlan- thus, viele Laurineen, namentlich die Kampher- und Zimmtbäume, die Drachenbäume, Mimosa, Acacia, Bombax, Pittosporum und viele andere. 4. Eine ebenfalls eingeborene, aber für Europa wie die vorige verloren gegangene Kategorie, die vorzüglich von Typen gebildet wird, welche heute in der gemässigt warmen Zone verbreitet sind, wo sie in den Berggegenden Wälder bilden. Diese Kategorie um- fasst die Gattungen Betulaster, Alnaster, Microptelea, gewisse Pap- GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 3587 peln, Weiden und Ahorne und enthält Typen, welche in Europa gewöhnlich den Arten derselben Gruppen vorangegangen sind, die wir noch heute besitzen, von welchen sich aber diese Typen durch Angewöhnung an den Süden, durch halbständige Blätter und durch grössere Empfindlichkeit gegen die Kälte unserer Winter unterscheiden. 5. Eine Kategorie, welche specieller dem afrikanischen Con- tinent und den dazugehörigen Inseln entlehnt scheint, weil die Typen und Formen, welche früher in Europa lebten, denen ähn- lich sind, welche man auf dem weiten Flächenraum zerstreut fin- det, der sich zwischen den Azoren und den Canarien im Westen, der Berberei im Norden, Abyssinien und Sudan im Osten und dem Caplande mit den Inseln Madagascar, Maurice und Bourbon im Süden erstreckt. Diese Kategorie wird repräsentirt durch die Gattungen Phoenix, Dracaena, Musa, Arundo, Callitris, Widdring- tonia, Encephalartos, mehrere Typen von Acacia, Aralia, Myrica, Ziziphus, Rhus, durch die Myrsineen, Celastrineen, Anacardiaceen und viele andere, deren einzelne Aufführung zu weit führen würde. Es ist gewiss, dass das tertiäre Europa diese Typen in Gemein- schaft mit dem afrikanischen Boden besass, der sie behielt, wäh- rend Europa sie verlor. 6. Eine Kategorie, weniger zahlreich als die vorhergehenden, aber hervorgehoben durch die Typen, welche sie begreift und deren Verwandtschaft mit den Gewächsen der südlichen und süd- westlichen Theile der Vereinigten Staaten augenscheinlich ist. Ich erwähne als hierher gehörig die Sabalpalmen, die Fichten von der Section Pseudostrobus, die mit Quercus virens und phellos ver- wandten Eichen. Diese und andere, in demselben Falle befind- liche Typen haben lange Europa bewohnt und sind heute durch- aus auf Amerika eingeschränkt. - 7. Eine letzte Kategorie, die offenbar aus den Polarländern stammt, wie die in Spitzbergen und Grönland gemachten Ent- deckungen der fossilen Floren der Kreide- und Tertiärzeit be- weisen. In diese Kategorie gehören in erster Linie die Gattun- sen Sequoia, Taxodium, Glyptostrobus, Salisburia, Platanmus, Li- qwidambar, die Eichen von der Section Robur; die Birken, Tannen, Ulmen, Buchen, Kastanien, Linden ete., endlich viele Typen mit hinfälligen oder welkenden Blättern, welche Eigenthum des Nor- 358 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE dens geblieben sind. Alle diese Typen haben das mit einander gemein, dass die Umgebungen des Pols für sie der Ausgangs- punkt waren, woher sie wie von einer Muttergegend ausstrahlten, um sich zugleich in dem alten und neuen Continent zu verbreiten und so Beispiele von räumlich getrennten Arten zu geben. Die sieben Kategorieen, die wir bezeichneten und denen man leicht noch andere Gruppen von geringerem Werthe beifügen könnte, haben nicht alle gleichzeitig in Europa existirt; sie haben eine über die andere hinüber gegriffen und sich je nach der Zeit und dem Einflusse der eingetretenen Ereignisse gegenseitig er- setzt, die bald ihre Ausbreitung begünstigten, bald auch sie angriffen und ausmerzten. Man kann den von ihnen eingeschlage- nen Weg im Grossen etwa folgendermaassen auffassen und be- zeichnen. Im Palaeocen: Coexistenz der drei ersten Kategorieen und theilweise auch der vierten. Das will sagen, dass man in dieser Zeit zugleich vorfindet: Eingeborene Typen, die "einheimisch ge- blieben sind, wie der Epheu, die Weinrebe, der Lorbeer; dem da- maligen Europa eigenthümliche Typen, die seither ausgestorben sind: Dewalquea, Grewiopsis ete.; in Europa ausgestorbene Typen, welche aber heute die tropische Flora charakterisiren, wie die Kampher-, Zimmt- und Avogadobäume; endlich mit der nordischen Flora verwandte Typen, die aber Sections-Charaktere besitzen, welche sie heute aussereuropäischen Untergattungen zuweisen; so verhält es sich mit den meisten Eichen und Kastanien von Gelinden, mit den Ulmen, Weiden und Pappeln von Sezanne. Im Eocen finden wir diese vier Kategorieen wieder: die erste vertreten durch den Lorbeer, die Terebinthe, den Judasbaum, die ältesten Ahorne u. s. w.; die zweite durch verschiedene Proteaceen und Myriceen, die Gattungen Rhizocaulon, Anuectomeria, Apei- bopsis, Palaeocarya, Heterocalyx ete.; die dritte durch Cinnamo- mum, Ailantus, Phoenix, Dracaena, Acacia, Bombax, Aralia in grosser Zahl; die vierte endlich durch seltene Betulaster, Populus (mit Lederblättern), Microptelea ete. Aber jetzt kommt die fünfte oder afrikanische Kategorie hinzu, welche sich nun in ganz Europa ausbreitet und für eine lange Zeit erhält. Es kommt noch eine gewisse Zahl von Typen der sechsten oder amerikanischen Kate- gorie hinzu, wovon namentlich die Eichen Beispiele bieten. GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 359 Im Oligocen zeigen sich fortwährend dieselben Kategorieen; aber die vierte und sechste gewinnen an Wichtigkeit, und einige Typen der siebenten Kategorie beginnen zu erscheinen. Die Zahl und die Wichtigkeit der Typen dieser letzteren Kategorieen vermehrt sich bedeutend in der folgenden, der aqui- taniıschen Periode, wo namentlich die vierte Kategorie die Ober- hand gewinnt, während die fünfte nach und nach sich zurückzieht. Diese Bewegung dauert noch ausgesprochener im Miocen fort; die sechste Kategorie bemächtigt sich des Platzes, den ihr die bedeutend verminderte fünfte überlässt; die zweite verschwin- det nach und nach fast ganz, obgleich sie noch im oberen Miocen durch die Gattung Podogontum vertreten wird. Im Pliocen endlich existiren fast nur noch Typen der ersten, vierten und siebenten Kategorie in Verbindung mit stets seltener werdenden Trümmern der fünften und sechsten. In der heutigen europäischen Flora kann man noch die letzten Reste dieser beiden Kategorieen unter den Gewächsen der Ufer des Mittelländischen Meeres nachweisen; der Johannisbrodbaum, die Myrthe, Lentiscus, Anagyris foetida, die baumförmige Wolfsmilch u. s. w. sid Bei- spiele davon, auf welche Prof. Martins neuerdings aufmerksam gemacht hat. | Nachdem wir die unmittelbaren oder entfernteren Wirkun- gen nachgewiesen haben, welche die geographische Bildung und Beschaffenheit des Bodens auf die Gesammtheit der Vegetation einer jeden Periode ausgeübt haben, müssen wir noch die Ver- änderungen untersuchen, welche die Pflanzen an und für sich, als rein organische Erscheinungen erlitten haben. Die geneigte Ebene des Gegenstandes selbst führt uns zu diesem letzteren Standpunkte, der in Beziehung zu den anderen rein subjectiv ist. Nachdem wir also die Ausdehnung der äusseren Umstände bestimmt haben, welche auf die Pflanzen einwirken und ihre Neigung zur Variabilität herausfordern, wollen wir untersuchen, was daraus für die Pflanze hervorgeht — mit anderen Worten, wir wollen die Charaktere und die Tragweite der morphologi- schen Veränderungen bestimmen, welche das vegetabilische Indi- viduum und seine Nachkommen entstehen lassen können. Es ist dies nicht nur eine neue und noch fast bei ihren ersten Anfängen stehende Untersuchung; man besitzt auch nur sehr 360 - ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE weniges Material dazu; wir können sie also nicht sehr weit füh- ren und müssen uns begnügen, so viel als möglich die ziemlich zahlreichen Documente zu benutzen, die in den vorhergehenden Blättern enthalten sind. Diese Documente, auf die wir verweisen, nebst einigen anderen mit Sorgfalt ausgewählten werden genügen, um eine richtige Ansicht von den Erscheinungen zu geben, die wir hervorzuheben haben. — Dieselben lassen sich in drei Haupt- gruppen theilen. In die erste Gruppe ordnen wir die allgemeinen Modificatio- nen, welche sich auf die Dimension, die Consistenz der Organe und Gewebe, auf ihre mehr oder minder lange Dauer und ihre perio- dische Erneuerung in gewissen Augenblicken und Jahreszeiten beziehen. Man begreift, dass diese Art von Modificationen in be- stimmter Richtung und unter der Herrschaft von gewissen Um- ständen Platz gegriffen und sich über ganze Kategorieen von Ge- wächsen, unbeschadet ihrer Gattung und Herkunft erstreckt haben. In die zweite Gruppe gehören die Modificationen, welche be- deutend genug sind, um einen organischen Typus zu ergreifen und in ihm Abweichungen hervorzurufen, welche durch Einschaltung von einer oder mehreren Zwischenbildungen als Uebergänge zu einem anderen Typus benutzt werden können. Das sind im eigent- lichsten Sinne des Wortes die Verkettungen der Organismen in beiden Reichen, von welchen Albert Gaudry neulich so schöne Beispiele veröffentlicht hat, welche er den tertiären Säugethieren entlehnte. Die dritte Gruppe endlich begreift alle rein specifischen Ver- kettungen oder Verschiedenheiten, welche die auf einander fol- genden Veränderungen der Art oder die unabweisliche Abstam- mung jeder neueren Form von einer früheren oder von einer Reihenfolge früherer Formen nachweisen. Die Grösse oder relative Dimension verschiedener Organe, namentlich der Blattscheibe oder, wenn man will, die Ausbildung oder Verkümmerung des Blattes stehen in engster Verbindung mit der Wärme und Feuchtigkeit, mögen diese nun getrennt oder zusammen in Wirkung treten. Man weiss, dass im Allgemeinen die lebenden Wesen und demnach auch die Theile dieser Wesen in den heissen Ländern verhältnissmässig grösser sind, als in den gemässigten und kalten Gegenden; man weiss ferner, dass diese GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 361 Wirkung mit ganz besonderer Energie hervortritt, wenn, wie dies so oft geschieht, die Feuchtigkeit sich mit der Wärme verbindet. Die grössten Insecten und Reptilien, die mächtigsten Pflanzen, welche die breitesten Blätter tragen, kommen gewiss aus Ländern, die zugleich heiss und feucht sind. Ist aber das Klima zugleich heiss und trocken, so nehmen die Maasse eher ab, weil in diesem Falle (ich spreche hier besonders vom Gewächsreiche) die Pflanzen die zum Vehikel ihres Nahrungsstoffes dienende Feuchtigkeit nur in geringem Maasse erhalten und deshalb genöthigt sind, wider- standsfähige, wenig ausdehnbare Gewebe zu erwerben, welche jeden Substanzverlust verhindern, also lederartig sind. Wenn die Wärme abnimmt, die Feuchtigkeit aber sich erhält oder vermehrt, so wird bei solcher Wirkung ausgesetzten Gewächsen die Dimen- sion der Organe sich vergrössern, da das feuchte Element noth- wendig die Vergrösserung der Organismen begünstigt, welche mit ihm in Berührung sind. Von den zwei die Ausdehnung be- günstigenden Ursachen ist zwar eine herabgemindert, die andere aber hat ihre Thätigkeit behalten, übt dieselbe aus und wird ähn- liche Resultate zu erreichen streben. Daher kommt es, dass ge- wisse südliche Gewächse, nach ihrer Verpflanzung in nördlichere Gegenden, wo sie einer grösseren Feuchtigkeit ausgesetzt sind, als in ihrem Stammlande, weit grössere, aber auch weniger feste Blätter bekommen. Ihre Haltung verliert durch den Mangel an Wärme ihre Mächtigkeit, ihre Höhe verringert sich, aber ihre Blät- ter gewinnen unter dem Einflusse der Feuchtigkeit an Ausdeh- nung und werden breiter, als sie in Berührung mit einem wär- meren, aber trockneren Klima geworden wären. So geht es in der That mit der immergrünen Eiche, dem Feigenbaum und der Myrthe, wenn sie fern von dem Glanze der südlichen Sonne in der Bretagne oder der Normandie inmitten der Nebel und der Regen cultivirt werden. Aehnliche Wirkungen sind unausweichlich früher auf natür- lichem Wege hervorgebracht worden, und man beobachtet in der That sehr bedeutende Contraste in den relativen Dimensionen der: Arten, wenn man die homologen Formen verschiedener Perioden oder Localitäten vergleicht, welche offenbar unter entgegengesetzte äussere Bedingungen gestellt waren. 362 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE Gewisse Arten der Flora von Sözanne erreichen die äusser- sten Grenzen hinsichtlich der Grösse der Blätter. Die Gewächse gehören aber auch einer Epoche und einer Localität an, wo die vereinigte Wärme und Feuchtigkeit ihren Höhepunkt erreicht haben mussten. ; Ein Blatt von Grewiopsis (G. sidaefolia, Sap.) von diesem Fundorte misst beinahe 30cm Breite auf 20cm Höhe ohne den Blattstiel. Diese Grösse übertrifft weit diejenige der meisten Blätter der heutigen Gattung Luhea, eines Typus südamerikani- scher Tiliaceen, welchen die Grewiopsis von Sezanne beigesellt werden muss. Andererseits zeigt @rewia crenata, Ung., eine mio- cene Art, welche noch zur Zeit der Cinerite des Cantal lebte, und die Zug um Zug der (Grewiopsis von Sezanne zu entsprechen scheint, Blätter, deren grösster Durchmesser 7 cm nicht übersteigt, während die Höhe von der Basis bis zur Spitze der Blattwedel nur 5!/, bis 6cm beträgt. Man sieht daraus, wie sehr die Ver- minderung der Wärme, welche diesem Typus zu seinem Gedeihen ebenso nöthig ist als die Feuchtigkeit, und die in dem Zeitraume vor sich ging, welcher das Palaeocen vom Miocen trennt, zur Ver- ringerung dieses Typus beigetragen hatte. Andererseits hatte die Trockenheit während der Eocenzeit wahrscheinlich dazu bei- getragen, den Typus fern zu halten, denn man beobachtet ihn in dieser Zeit nicht. Man könnte die gleichen Bemerkungen hin- sichtlich der Korneelkirschen, der Mehlbeerbäume und der Nuss- bäume von Sezanne machen, deren Blätter während dieser Zeit ein Maximum von Grösse erreichen, das seither nicht überschrit- ten wurde. Der Einfluss der Wärme und Feuchtigkeit, die bald vereinigt, bald allein wirken, lässt sich vorzugsweise in der Gruppe der Eichen beobachten, von denen man in allen Stockwerken charak- teristische Formen findet, von Gelinden an der Basis des Palaeo- cen an bis zum oberen Ende der Reihe. Die ersten Eichen gehö- ren alle zu den immergrünen, d. h. ihre Blätter waren mehr oder minder fest, glatt und beständig. Sucht man die Formen der Eichenblätter dieser Zeit zu bestimmen, so unterscheidet man leicht die Formen mit ganzrandigen, lorbeerähnlichen Blättern und diejenigen, deren Blattränder gezahnt, gekerbt oder gelappt sind. GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 363 Betrachten wir zuvörderst die ersteren. Je weiter man sich vom Palaeocen entfernt, desto mehr Verschiedenheiten sieht man ° bei ihnen entstehen; die einen behalten mehr oder minder eiför- mige Blätter, während bei anderen die Blattscheibe sich zu ver- längern strebt; dann werden unter dem beständigen Einflusse des trockenen und heissen eocenen Klimas die Dimensionen der Arten gewisser Standorte kleiner und man beobachtet zuerst im Pariser Fig. 114. IE Bin nn — \ j Homologe Formen der palaeocenen und eocenen Eichen mit einander verglichen (Typen- mit ganzen Blättern). 1. Quercus Lamberti, Wat. (Palaeocen). — 2. Q. taeniata, Sap. (Mittleres Eocen; Sandstein der Sarthe). — 3. Q. macilenta, Sap. (Mittleres Eocen; Pariser Grobkalk). — 4. Q. palaeophellos, Sap. (Oberes Eocen; Gyps von Aix). — 5. Q. elliptica, Sap. (Gyps von Aix). — 6. Q. salicina, Sap. (Gyps von Aix). Grobkalk, inmitten einer nahe am Ufer des alten Meeres gelege- nen Gegend (Trocadero-Schichten) und dann in den Gypsen von Aıx, merklich verschmälerte Formen, wie sie unsere Figuren zeigen, und die wirklich die Resultate der klimatischen Wirkung des Eocen ausdrücken. Wir haben übrigens gesehen, dass diese Einwirkung sich auch in der folgenden Periode fort erhält, wäh- rend welcher die Eichen ihre mageren Proportionen beibehielten. Wenden wir unsere Blicke zu der Kategorie der Eichen mit gezahnten oder gelappten Blättern, so erblicken wir leicht einen analogen Entwickelungsgang. Wollen wir uns davon überzeugen, 364 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE so brauchen wir nur mit Hülfe früherer Figuren (Fig. 33) die Eichenblätter des Waldes von Gelinden, besonders Quercus par- ceserrata, Sap., mit @. antecedens, Sap., aus den Gypsen von Aix Q. cumeifolia, Sap., von Gargas (Fig. 115) und @. velauna, Mar., von Ronzon zu vergleichen. Unter dem Einflusse des eocenen Fig. 115. Homologe Formen miocener und olisocener Eichen. (Typen mit sezahnten Blättern). Oo be} o° 1. Quercus cuneifolia, Sap. (Unteres Oligocen, Gargas). — 2. Q. armata, Sap. (Un- teres Aquitan, Armissan). — 3. Q@. antecedens, Sap. (Oberes Eocen, Gypse von Aix). — 4. Q. mediterranea, Ung. (Unteres Miocen, Cumi). — 5. @. praecursor, Sap. (Unte- res Pliocen, Meximieux). Klimas entstand in Europa durch die Verminderung der Dimen- sionen der Blattfläche die Section der Ilex oder Chlorobalamus, die sich bis heute fortgepflanzt hat, freilich mit Veränderung ihrer Charaktere, indem sie je nach den Abwechslungen mehr feuchter oder trockener Klimate bald breitere, bald schmälere Blätter bil- dete. Die immergrüne Eiche von Cumi und Radoboj (Q. medi- terranea, Ung.) hat schon grössere Blätter als ©. antecedens; aber die Formen desselben Typus, die man in Mont Charray und in Meximieux in dem oberen Miocen und unteren Pliocen an küh- leren Standorten und unter dem fortgesetzten Einflusse eines feuchteren Klimas findet, wie @. praeilex und Q. praecursor, Sap., tragen noch breitere Blätter, deren dornige Zähne verschwinden oder sich allmälig verwischen (Fig. 115). Unsere heutige Sommer- eiche (@. ilex) ist eine durch ihre Polymorphie sehr bemerkens- werthe Art, welche eine Menge von Variationen, individuellen Ab- änderungen und localen Unterarten zeigt, die einen mit breiten GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 365 Blättern an feuchten Standorten, die anderen mit schmalen, leder- artigen Blättern auf trockenen und heissen Stationen. Nachdem wir so einen sehr kurzen Bericht über die Modificatio- nen gegeben haben, welchen der Organismus der Pflanzen in allge- meiner Weise und in bestimmter Richtung unterworfen ist, dürfte es von Interesse sein, die Art und Weise zu untersuchen, wie die Typen sich allmälig umgewandelt haben, bevor sie die ihnen jetzt zukommenden Charaktere sich erwarben, und welche Reihe auf- einander folgender Zustände jeder Typus durchlaufen hat, bevor er sich fixirte oder einen verwandten Typus entstehen liess. Diese Umwandlungen sind bei den höheren Thieren, namentlich den Säugethieren, ersichtlich; sie haben sich bei diesen letzteren in kurzen Intervallen während der Dauer der Tertiärzeiten vollzogen und zahlreiche Verzweigungen gebildet, welche A. Gaudry in seinem Buche „Enchainements du regne animal“ neuerdings be- handelt hat. Gerade hier zeigt sich aber die strenge Anwendung zweier Gesetze, deren eines von dem genannten Forscher auf- gestellt worden ist, und wonach die Wesen, welche aus dieser dunklen, langen und schwer verfolgbaren Ausarbeitung hervor- gingen, die von den höheren Typen durchgemacht werden musste, sich um so schneller umwandelten, je höher sie organisirt waren. Dieses Gesetz wäre zur Erklärung der uns beschäftigenden Er- scheinungen ungenügend, wenn man nicht ein zweites hinzufügte, welches eine nothwendige Solidarität zwischen beiden Reichen feststellt; nach diesem zweiten Gesetz ist die Entwickelung der Landthiere nothwendig derjenigen der Vegetation untergeordnet, welche ihnen der Nahrungsstoff liefert; die Entwickelung der Thiere konnte demnach durchaus nicht derjenigen der Pflanzen vorausgehen, ja nicht einmal der Zeit nach mit der Ausbildung des Pflanzenreiches zusammen fallen; sie konnte ihr nur folgen und obenein nur in ziemlicher Entfernung. In Gemässheit dieser beiden combinirten Gesetze und der Folgen, welche sich daraus ergaben, musste das Pflanzenreich seine charakteristischen Züge schon lange erworben haben, bevor das an- dere die seinen vervollständigen konnte; ın der That waren wenig- stens seit dem Beginne der Tertiärzeit, wenn nicht schon vorher, die hauptsächlichsten Gruppen und selbst die Gattungen der Pflanzen, welche die ungeheure Mehrheit unserer heutigen Floren 366 _ ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE % bilden, festgestellt und innerhalb der Grenzen fixirt, welche sie noch heute zeigen. Es ist leicht, in dieser Beziehung einen bedeu- tenden Contrast zwischen beiden Reichen nachzuweisen. Die Wiederkäuer, diese eigentlichsten Grasfresser, ‚beginnen erst mit dem Oligocen aufzutreten und ihre bestbestimmten Gattungen zeigen sich erst viel später. Ebenso verhält es sich mit den Fleischfressern und einer Menge anderer Gruppen, wie denjenigen der Pferde und Rüsselthiere, deren Entwickelung am Schlusse der Miocenperiode noch nicht beendet war. Das Gewächsreich, das den nothwendigen Ausgangspunkt für die Entwickelung der höhe- ren Wirbelthiere bildete, musste diesen nothwendig voraus gehen. Die palaeocenen Floren von Sezanne und Gelinden erlauben, trotz der geringen Anzahl von Arten, welche sie besitzen, die An- nahme, dass ein grosser Theil der heutigen Pflanzenfamilien da- mals schon in ihren jetzigen Grenzen fixirt waren und dass die wesentlichsten Gattungen und Sectionen seit jener Zeit nicht mehr viel geändert haben. Was man von den bekannten Typen be- hauptet, kann man auch von einer Menge anderer aus Analogie versichern, mit Ausnahme der sehr zahlreichen krautartigen Fa- milien, deren Gattungen aus nur unbedeutenden organischen Modificationen hervorgehen, wie dies bei den Doldengewächsen, den Compositen und den meisten Glockenblüthlern leicht ersicht- lich ist, Die Flora von Gelinden beweist, dass es damals echte Eichen und neben ihnen echte Kastanien gab; da die Kreide deutlich erkennbare Spuren von Buchen hinterlassen hat, so kann man behaupten, dass die Cupuliferen schon damals, wie jetzt, in drei Hauptsectionen zerfielen, deren Unterabtheilungen oder Untergattungen allein vielleicht noch nicht festgestellt und definirt waren, wie sie es seitdem geworden sind. Eine Menge von Gat- tungen oder selbst Gattungsabtheilungen haben ebenso wenig als die erwähnten seit jener Zeit sich verändert. Vom Beginn des Palaeocen an waren zum Beispiel die Typen der Mehlbeeren, des Epheus, der Weiden, der Korneelkirschen, des Weinstockes etc. (letzterer Typus schon geschieden von dem so nahe verwandten Cissus) durch Formen vertreten, welche zu nahe mit den jetzigen Formen verwandt sind, als dass man in denjenigen Organen, welche uns nicht überliefert wurden, nur einigermaassen bedeutende Bi u GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 367 Verschiedenheiten vermuthen könnte, Die Laurineen hatten in den Gattungen Cinnamomum, Laurus, Persea, Sassafras genau dieselben Gruppen, wie noch heutzutage. Man müsste also diesen Anzeichen zufolge hinter die Tertiärgebilde zurückgehen, um eine Periode von Dicotyledonen oder nur von typischen Angiospermen zu finden, die jene schwankenden Gattungen aufzeigten, deren unterscheidende Charaktere nur theilweise entwickelt wären und die Uebergänge unter einander darböten. Man müsste sogar, wie wir glauben, über das Cenoman hinausgehen, um etwas von den Anfängen oder den ersten Anlagen dieser Classe zu finden. Der Horizont des Cenoman ist derjenige der ältesten bekannten Dico- tyledonen, und doch besitzt er schon eine Anzahl von Typen, deren spätere Variationen sich einzig auf Art-Charaktere beziehen; der Epheu, die Magnolie, die Gattung Hymenea aus der Gruppe der Cesalpinien und der Familie der Leguminosen müssen hier in erster Linie erwähnt werden. Man kann übrigens nach Unter- suchung dieser ersten Gesellschaft von Dicotyledonen behaupten, dass sie vorzugsweise weniger zusammengesetzte Blüthentypen enthält, die aus besser getrennten und weniger mit einander ver- schmolzenen Theilen als die der nachfolgenden gebildet sind. Spätere Entdeckungen können allein, wenn sie überhaupt gelingen sollten, den Schlüssel dieses Problems liefern. Man darf auch glauben, dass die aus der oberen Kreide stammenden ältesten Palmen nicht in Wirklichkeit die ersten gewesen sind; sie bezeich- nen ohne Zweifel nur eine Staffel in der aufsteigenden, schon von ihrem Ursprunge entfernten Entwickelung. Indessen zeigt die verbreitetste Art, Flabellaria longirhachis, Ung., noch das Ansehen eines Zwischentypus zwischen den Palmen mit fächerförmigen und denen mit gefiederten Blattwedeln. Das Ansehen ist etwa das- jenige zweier, den Sechellen eigenthümlichen Arten, Phoenico- phorium Sechelliarum, Wendl., und Verschaffeltia splendida. Demnach könnte man nur den Gang und die Entwickelung der Untergattungen und der Gruppen oder Sectionen der Arten, nicht diejenige der eigentlichen Gattungen innerhalb der Tertiärzeit verfolgen, wenn alle Organe der Vegetation jener Periode zu uns sekommen wären, so dass man die Blüthentheile und die innere Structur der Fruchtorgane in gleicher Weise untersuchen könnte, wie man die Bezahnung und das Skelet der Wirbelthiere analysirt, 368 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE Die vegetabilischen Typen sind ohne Zweifel viel zäher, ihr Leben viel länger und ihre wesentlichen Charaktere weit weniger beweglich, als dies bei den correspondirenden Typen des Thier- reiches der Fall ist. Man muss sich demnach bei der Unter- suchung der Pflanzen damit begnügen, die unzähligen specifischen Verschiedenheiten zu verfolgen und zu definiren, welche sich in den einmal fixirten Gattungen zeigen. Diese dem Organismus der (sewächse einwohnende Anlage hat unter dem Einflusse der Zeit und der Umstände unaufhörliche Variationen entstehen lassen, welche durch die Vergleichung der fossilen mit den jetzt leben- den homologen Arten sehr genau bestimmt werden können. Die Verkettung, welche eine ganze Reihe mit einander ver- wandter Arten verbindet und uns von der ältesten bis zu derjeni- gen leitet, die wir heute vor Augen haben, setzt sich häufig aus einer verhältnissmässig grossen Zahl von Gliedern zusammen, die hinlänglich genähert sind, um keine Lücken gewähren zu lassen. Bei dieser Untersuchung, die sich freilich nur auf das Studium der Blätter beschränkt, entdeckt man in der That die Wechselfälle einer Verkettung, die mehr oder minder weit in die Vergangen- heit hinausgeht und oft sogar hinter die Tertiärzeiten zurück- greift. Wenn die Dicotyledonen, wie leicht nachzuweisen, in einem ihrer Wiege genäherten, gegebenen Zeitpunkte und auf Wegen, die wir aus Mangel an Documenten nicht verfolgen können, das 3eispiel einer rapiden Entwickelung und einer noch rapideren Ausdehnung geben, so muss dieser ersten Ausdehnung eine lange, dunkele Periode vorausgegangen sein, in deren Nacht wir ihnen nicht zu folgen vermögen; aber sobald ihre Haupttypen einmal charakterisirt waren, haben sie auch eine merkwürdige Stetigkeit gezeigt oder, wenn sie plastisch geblieben sind, so zeigten sie sich nicht veränderlich in den constituirenden Zügen ihrer Structur, sondern nur in Nebendingen. Diese Variationen in den Einzel- heiten haben alle jene Formen erzeugt, welche die Botaniker übereinstimmend als Arten bezeichnen. Um bemerkenswerthe Beispiele dieser Arten von Verkettungen zu zeigen, die von einer Art zu einer anderen und von dieser wieder durch frühere Formen bis zu der ältesten führen, die ent- deckt wurde, muss man sich vorzugsweise an gewisse zugleich zähe und wenig fruchtbare Typen halten, die heutigen Tages auf GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 369 eine einzige Art reducirt sind und niemals den Boden Europas verlassen haben. So verhält es sich unter anderen mit dem Lor- beer, dem Epheu, dem Weinstock, dem Oleander, dem Judasbaum, einigen Ahornen u. s. w. Unsere Figuren können den Entwicke- lungsgang einiger dieser Typen durch die verschiedenen Zeitalter hindurch deutlich machen. Der edle Lorbeer (Laurus nobilis, L.), von welchem der cana- rische Lorbeer (L. canariensis, Webb.), nur eine Varietät bildet, war im Palaeocen durch Laurus Omali, Mar. und Sap., vertreten, im Eocen durch L. Decaisneana, Heer. Im oberen Eocen der Gypse von Aix begreift derselbe Typus eine gewisse Anzahl von Formen, unter welchen man den L. primigenia, Ung., hervorheben Fig. 116. IN N — OR a yet Ei Hann SE Bacher 1 va BO= BED 92 H BIAFIH FSK FNTEBRE N N R Ten ee RE RIES Q i N IT IR: IM Bi [| IN Zur I I = N Zap] Mr X RS © 5 LEN u \ U N ai alt at IS A D) x T N) R Yr _ DEZE m \} % FD RT Dr vg Dr N Reihenfolge der Formen des Typus Lorbeer, vom Eocen an, um den Uebergang von Laurus primigenia zu Laurus canariensis zu zeigen. 1. Laurus primigenia, Ung. (Oligocen). — 2. Dieselbe Art aus dem oberen Oligocen. — 3. Dieselbe aus dem Aquitan. — 4. L. princeps, Hr. (Oberes Miocen). — 5. Laurus canariensis pliocenica (Meximieux). muss, dessen breitere Varietäten unmerklich zu dem canarischen Lorbeer hinführen (Fig. 116). Es scheint, als ob die schmalen Blattformen desselben, L. primigenia, die zugleich die ältesten sind, einer Rasse angehören, die dem Einflusse des eocenen Saporta, die Pflanzenwelt. 24 370 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE Klimas ihr Dasein verdankt; die Wirkungen dieses Einflusses ver- wischen sich allmälig in dem Maasse, als man sich dem Aquitan nähert, und die Verbindung zwischen den breiter gewordenen Blät- tern von L. primigenia und denen von L. nobilis und L. canariensis spricht sich mehr und mehr zuerst in Armissan, dann in Manosque aus. L. princeps, Hr., aus dem oberen Miocen, nähert sich noch mehr unserem Lorbeer, dessen canarische Varietät endlich mit allen ihren uns bekannten Charakteren in dem unteren Pliocen von Meximieux auftritt. Der europäische Epheu, den wir jetzt betrachten wollen, geht mit seinem Alter weit hinter die Tertiärzeiten zurück; sein älte- ster Vorfahr ist eine Art aus der böhmischen Cenomankreide, Hedera primordialis, Sap., deren Abbildung wir früher gaben (Fig. 29), und deren Stammblätter breit rundlich und herzförmig waren, während die freien Zweige dreieckige, an den Seiten ab- gerundete Blätter trugen. Diese Blätter waren ganzrandig oder leicht ausgebuchtet an den Rändern; sie erinnern von fern an gewisse Üreopanax aus Amerika, gleichen aber ganz besonders dien Blättern der unter dem Namen „Epheu von Algier“ bekann- ten Varietät, deren eben so breite Blätter aber meistens in eine längere Endspitze ausgezogen sind. Die fossilen dreieckigen Blät- ter können sogar mit Vortheil den breitesten, auf den freien Zweigen getragenen Blättern unserer einheimischen Art verglichen werden; die Anordnung der Basalnerven und sogar ihre Zahl (zwei oder drei Paare auf jeder Seite der Mittelnerven) ist bei beiden dieselbe. Man kann ohne Uebertreibung sagen, dass das Ansehen von Hedera primordialis allein wegen der Breite der Blattscheibe genügt, um die Feuchtigkeit der alten cenomanen Localität zu beweisen, welche uns diese Reste überliefert hat. Der palaeocene Epheu von Sezanne, Hedera prisca, Sap., (Fig. 117), von dem wir mehrere Blätter besitzen, entfernt sich ziemlich von FM. primordialis. Seine Blätter sind weit kleiner; ihre Grösse kommt etwa derjenigen der kräftigen Blätter unseres heutigen Epheu gleich. Die Buchtungen des Randes sind hier zwar wenig ausgesprochen, aber doch merkliche eckige Vorsprünge ge- worden; ihre Basis ist abgerundet oder stumpf eckig; ausser der Mittelrippe zählt man nie mehr als zwei Seitennerven. Diese Art erinnert unbestreitbar an unseren irländischen Epheu, von wel- GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 371 Fig. 117. Fig. 117. Suecessive Aenderungen des Typhus Epheu (Hedera) im Laufe der Ter- tiärzeiten: 1. Hedera prisca, Sap. (Palaeocen von Sözanne). — 2. H. Philiberti, Sap. (Oberes Eocen, Gypse von Aix). — 3. H. Kargiü, Br. (Oberes Miocen, Oeningen). — 4. HM. acutelobata, ‘Sap. (Unteres Pliocen, Dernbach),. — 5. H. Mac-Cluri, Hr. (Unteres Miocen, Grönland). — 6. H. Strozzi, Gaud. (Unteres Pliocen, Toscana). 24* 372 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE chem sie sich nur durch die grössere verhältnissmässige Entfer- nung der Basalnerven von den secundären Nerven der Mittelrippe unterscheiden, die weit weniger entwickelt ist als in unserem Epheu. Der Epheu verhält sich wie der Weinstock, der Sassafras und einige andere Typen; man findet ihn gar nicht mehr oder nur sehr ausnahmsweise im eigentlichen Eocen. Wahrscheinlich be- schränkte die trockene Wärme des dämaligen Klimas die Ver- breitungszone dieser Typen und zwang mehrere unter ihnen, ent- weder nach Norden hin auszuwandern, oder sich auf die höheren Gebirge zu flüchten. Weder in dem Pariser Grobkalke noch in den Sandsteinen der Sarthe oder bei Skopau und Monte Bolca hat man bis jetzt eine Spur von Epheu entdeckt; die Gypslager von Aix hatten bis jetzt keinen Abdruck davon finden lassen; aber eine wichtige Ent- deckung, die wir Professor Philibert verdanken, hat neulich zu gleicher Zeit die Existenz des eocenen Epheus und seine ausser- ordentliche Seltenheit zu dieser Zeit bewiesen, denn es handelt sich um ein einziges Blatt, welches einem angewachsenen Aste an- gehörte; vielleicht wurde dasselbe von weit her zugeführt und kam von einem weniger heissen Standorte als demjenigen des Pflan- zengürtels, welcher den alten See unmittelbar umgab. Das eocene Klima hat auf Hedera Philiberti, Sap., seinen gewöhnlichen Ein- fluss geübt; das Blatt dieser Art ist verhältnissmässig schmal und lang; sein Gipfel zieht sich in eine Endspitze aus, die weit ent- wickelter ist, als die zu eckigen Ausbuchtungen redueirten Seiten- läppchen. Dieser merkwürdige Abdruck hat durchaus das An- sehen der magersten Blattformen unseres algerischen Epheus, und auch unser einheimischer Epheu zeigt manchmal an seinen auf dem Boden kriechenden Zweigen ähnliche Abänderungen, so dass Hedera Philiberti den gemeinschaftlichen Ausgangspunkt unseres heutigen europäischen und des algerischen Epheus darstellt. Hedera Mac- Churi, Hr., entspricht im unteren Miocen der Polarregion unserem irländischen Epheu; die Formen sind kaum verschieden. Hedera Kargii, Br., aus dem oberen Miocen von Oeningen, lehrt uns eine Rasse mit sehr kleinen Blättern kennen, die durch mehrere noch unbekannte Zwischenstufen von einer verkümmerten Hedera prisca abstammen könnte. Eine mit unse- rem gewöhnlichen Epheu sehr nahe verwandte Art, die sich zu- GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 373 gleich eng an den Typus der Gypse von Aıx anschliesst, der durch den Einfluss des miocenen Klimas vergrössert worden wäre, zeigt sich im unteren Pliocen in den Eisensteinen von Dernbach bei Coblenz; es ist Hedera acutelobata (Ludw.), Sap.; die mit fünf eckigen Lappen versehenen Blätter gehen in eine breitere und weniger vorspringende Spitze aus, als die von H. Philiberti und entfernen sich deshalb mehr von dem algerischen Epheu. Dieser Epheu ist von der heutigen Art nur durch eine kaum merkliche Nüance verschieden. Fast in derselben Zeit, d. h. in der ersten Hälfte des Pliocen, hatte sich unser normaler Epheu, Hedera helix, mit denselben morphologischen Verschiedenheiten, die er noch heute zeigt, über ganz Europa verbreitet; er ist besonders häufig in Italien und später auch in den quaternären Tuffen von ganz Frankreich. Fassen wir das Gesagte zusammen, so hat der sehr früh fixirte Typus des Epheus in der Folgezeit nur Varietäten oder schwebende Rassen erzeugt, die zu wenig ausgesprochen sind, um den Namen von Arten zu verdienen, mit Ausnahme vielleicht der Hedera Kargii, deren winzige Grösse immerhin den bedeu- tendsten Unterschied ausmacht. Untersucht man den heutigen Typus sorgfältig, so lässt er ähnliche Verschiedenheiten gewahren, die doch in den Grenzen einer einzigen Art einbegriffen sind. Der Oleander, mit dem wir uns jetzt beschäftigen wollen, zeigt einen ähnlichen Entwickelungsgang, wie der Epheu. Die Gattung Nerium ist in der oberen Kreide durch eine Form ver- treten, von welcher alle späteren abzustammen scheinen, ohne dass dieselben bedeutendere Variationen aufzuweisen hätten. Dieser Typus hat offenbar nur sehr wenig Neigung zur Poly- morphie, eine Eigenschaft, die einerseits seine auffallende Bestän- digkeit im Laufe der Zeiten, und andererseits die Existenz von zwei isolirten Arten, einer indischen und einer mittelländischen, erklärt, die nahe genug mit einander verwandt sind, um bei gehö- riger Annäherung die Erzeugung von Bastarden zu gestatten. Der Oleander der Kreide, Nerium Rohlii, Mark, gleicht auf- fallend den breitesten Blättern des wohlriechenden indischen und javanischen Oleanders, N. odoratum; die fossilen Blätter haben dieselbe Form, Grösse und einen eben so langen Blattstiel; doch waren die Blätter aus der Kreide weniger linienförmig und eher verlängert lanzettförmig; sie endeten auch stumpfer gegen den 374 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE Blattstiel hin und scheinen feinere und zahlreichere Nerven be- sessen zu haben. Im Ganzen sind das nur schwache Unterschiede, Fig. 118. HIT, VWKIEH, NIINNDIRDANU NZ DI NUT A, ZH, 7 N IN Successive Umänderungen des ÖOleanders (Nerium) von der oberen Kreide bis auf heute. 1. Nerium Rohlü, Mark (Obere Kreide von Westphalen). — 2. N. parisiense, Sap. (Eocen des Pariser Beckens), — 3 bis 4. N. sarthacense, Sap. (Mittleres Eocen; Sandstein der Sarthe). — 5. N. repertum, Sap. (Oberes Eocen; Gypse von Aix). — 6. N. Gaudryanum, Bingt. (Unteres Miocen ; Oropo). — 7. N. bilinicum, Ett. (Obe- res Miocen; Böhmen. — 8 bis 9. N. oleander phocenicum, Sap. (Unteres Pliocen; Meximieux). — 10. N. oleander, L. (Jetztzeit, Mittelmeerländer). und wenn die anderen Theile der Pflanze, was wir freilich nicht wissen, nicht grössere Verschiedenheiten darboten, so können wir sagen, dass N. Rohlii nicht mehr von dem indischen N. odoratum. GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 313 verschieden war, als dieses von dem N. oleander der Mittelmeer- gegenden. Bis jetzt wurde der Oleander noch nicht im Palaeocen gefun- den; dagegen kennen wir zwei scharf charakterisirte Arten aus dem Eocen: Nerium parisiense, aus dem Pariser Grobkalke, und N. sarthacense, Sap., aus den Sandsteinen der Sarthe (Fig. 118). Beide können von der vorhergehenden Art abgeleitet werden, ob- gleich sie unter sich nicht unbedeutend verschieden sind. Nerium parisiense zeigt durch seine Zwerggestalt auf den gewöhnlichen Einfluss des eocenen Klimas hin; ausserdem war ‚sein Standort am unmittelbaren Ufer des Pariser Meeres, wahrscheinlich an der Mündung eines Baches; es war also in einer Niederung zu Hause, die heisser war als das Innere des Landes. Nerium sarthacense ım Gegentheil bewohnte wahrscheinlich eine waldige Berggegend des eocenen Continentes; es bildet eine kräftigere Rasse, und seine Blätter wurden drei Mal so breit als diejenigen der Pariser Ab- drücke. Trotz seines kleinen Wuchses, welchem die uns bekannten Blumenkronen durch ihre bescheidenen Proportionen entsprachen (Fig. 46), schliesst sich N. parisiense doch eng an den Typus des indischen Oleanders, und demnach auch an denjenigen von N. Rohlii an, von dem er sich ausser seiner Kleinheit noch durch die stumpfere Endigung der Blattspitze unterscheidet. Nerium sartha- cense, von welchem schon ein Blatt auf Taf. XIII unserer Abhand- lung über die fossilen Pflanzen von Meximieux abgebildet wurde, scheint in der That der directe Prototyp von N. oleander zu sein, dem er durch den eiförmigen Umriss des Blattrandes, die Endi- gung der Blattspitze und die zufälligen Entartungen entspricht, welchen er unterworfen war, während er sich durch die verhält- nissmässige Ausdehnung des Blattstiels unterscheidet. Ausserdem findet sich bei der Art von der Sarthe die grösste Breite der Blattscheibe etwa im unteren Drittel des Blattes, während bei den meisten Blättern unseres mittelländischen Oleanders diese grösste Breite sich weiter oben findet. Man sollte demnach glauben, dass man an der Schwelle unserer heutigen Epoche an- gelangt sei, und doch kommt man schliesslich nur mittelst mehre- rer eingeschalteter Zwischenformen dazu. Nerium repertum, Sap., aus den Gypsen von Aix, ist nur unvollkommen bekannt; doch 376 ALLGEMEINE ÜBERBLICKE ÜBER DIE sieht man, dass seine Blätter (Fig. 118, 5) kleiner sind als im Mittel die Blätter aus den Sandsteinen der Sarthe, deren Gestalt sie mit Ausnahme des Blattstieles haben, der sich zu verkürzen beginnt. Diese Verkürzung des Blattstieles bleibt von nun an der gemeinsame Charakter aller europäischen Oleander, und man kann hierher den Zeitpunkt setzen, wo die definitive Trennung der beiden Arten vor sich gehen musste, der indischen und der europäischen, die sich auch in das westliche Asien hinein erstreckt. Nerium Gaudryanım, Brngt., vom unteren Miocen von Oropo in Attica, nähert sich dem N. oleander etwas mehr als die vorher- gehenden Arten durch seinen sehr kurzen Blattstiel und den lanzettförmigen Umriss des Blattes; aber die Dimensionen bleiben noch geringer und die Gestalt des allgemeinen Umrisses ist etwas schmäler als bei den meisten Blättern des heutigen Oleanders. Nerium biliniceum, Ett., aus den Schichten von Kutschlin in Böh- men, zeigt dieselben Beziehungen mit merklicher Vergrösserung der Dimensionen der Blattscheibe und vielleicht auch mit etwas mehr Verwandtschaft zu N. odoratum. Von Ettinghausen er- wähnt noch eines Nerium styriacum von Leoben, einer noch nicht veröffentlichten Art, welche breitere Blätter und weniger steife secundäre Nerven haben soll. Diese neue Form würde sich dem lebenden Oleander noch mehr nähern. Der Oleander von Mexi- mieux endlich (Nerium oleander pliocenicum) kann von der heuti- gen Art rechtmässig nicht getrennt werden: Grösse und Gestalt des Blattstieles, Umriss und Grösse der Blattscheibe, alles ist mit Ausnahme einer schwachen Nüance bei beiden Formen vollkom- men gleich. Wären wir nicht gezwungen, den Rahmen dieser Untersuchung zu beschränken, so könnten wir leicht noch manche andere Typen in Beziehung auf ihren Entwickelungsgang befragen und die Be- deutung der morphologischen Elemente analysiren, welche jeder dieser Typen nach und nach in sich aufgenommen hat; aber ein ganzes Buch würde kaum hinreichen, um einen so reichen Stoff auch nur oberflächlich zu streifen, und zudem könnten wir durch die Vermehrung der Details und die Häufung der Beweise doch nichts anderes thun, als dasjenige zu bestätigen, was schon aus der Gesammtheit unserer Betrachtungen hervorgeht: nämlich die _ Einheit oder noch besser die Continuität der alten Vegetation, die . GESAMMTHEIT DER PERIODEN. 377 vollkommene Zusammengehörigkeit aller Theile, woraus sie sich zusammensetzt und die sich durch alle unzählige Erscheinungs- weisen, Entwickelungsstadien und Varietäten hindurch erkennen lässt, welche die Zeit erzeugte und die Umstände entwickelten, indem sie die dem Organismus einwohnenden Kräfte weckten. Es ist in der That vor Allem die Verkettung der organischen wie der physischen Erscheinungen, welche aus den Untersuchungen über die Geschichte des Lebens und die Geschichte der Vergan- genheit in erster Linie hervorgeht. Wir finden da eine wunder- bare Gesammtheit von eng verbundenen Ursachen und Wirkungen, deren gegenseitige Thätigkeit sich ohne Unterlass fühlen liess und gelegentliche Folgen herbeiführte, welche beständig neue Lebens- formen erzeugten. Diese beständige Erneuerung der sichtbaren Dinge, welche sich durch eine Menge besonderer Vorfälle und durch sehr verschiedenes Gebahren kund giebt, hat man leugnen und an ihre Stelle eine gewisse Zahl von Anfangsterminen setzen wollen, welche für die einzelnen Wesen oder für die verschiedenen Kategorien von Wesen und Thatsachen von allen Vorgängern un- abhängige Ursprungspunkte bilden sollten. Unsere Untersuchungen haben uns auf einen gerade entgegengesetzten Standpunkt geführt; statt periodischer Unterbrechungen in den Aeusserungen des Lebens, statt radicaler Zerstörungen und Intervalle, welche Perioden entsprechen, die aller organischen Geschöpfe bar waren, haben wir im Gegentheile überall die Spuren von Verbindungen gesehen, welche das Vorgehende mit dem Nachfolgenden ver- ketten; ihre Menge schien uns so gross, ihre Verwickelung so be- deutend, dass unser Geist bei dem Versuche ihre Kreuzungen zu entwirren erlahmen würde. Wenn man aber von Erscheinung zu Erscheinung sich über die veränderlichen und zunächst liegenden Dinge der Aussenwelt erhebt, so scheint es, als müsse man noth- wendig zu einer unveränderlichen höheren Einheit gelangen, welche der höchste Ausdruck und der letzte absolute Grund alles Lebens wäre und wo die Verschiedenheit sich in der Einheit auflöste. Ein ewiges Problem, das die Wissenschaft nicht lösen kann, das sich aber von selbst dem menschlichen Bewusstsein gegenüberstellt. Hier fände sich die wahre Quelle des religiösen Ideals; aus diesem Gedanken entspränge in lichtvoller Weise jene Vorstellung unse- rer Seele, der wir instinktmässig den Namen „Gott“ geben. 1 A ERLÄUTERUNGSTABELLE DER TAFELN UND FIGUREN Tafeln. Taf. I. Eopteris Morieri, Sap.; — die älteste bekannte Landpflanze; auf die halbe Grösse reducirte Abbildung eines! Abdruckes auf einer Dachschieferplatte von Angers (mittleres Silur) Taf. II. Ideale Ansicht einer Landschaft aus der Steinkohlenzeit, nach. einer Skizze von Prof. Marion „nu 2 zu rg Taf. III. Geologische Karte von Spitzbergen, die Bannfesnhilicheten Fundorte fossiler Pflanzen zeigend, on den Untersuchun- SeH von Nordenskjold ven lee Taf. IV und V. I. Europa im Anfange der oolithischen Periode. II. Eu- zopa zur. Zeit der Cenomankreide -» 2... 2 . u mu aleikars pe Taf. VI. Ideale Ansicht eines bewaldeten Ufers der oolithischen Epoche; nach einer genauen Wiederherstellung der damali- gen Gewächse mit Hülfe ihrer Reste .»..... . Taf. VII. Ufer einer Lagune in Böhmen zur Cenomanzeit, nach einer von Kowalewski in dem unteren Quadersandstein der Umgebungen von Prag gemachten Sammlung . B Taf. VIII. Flabellaria Lamanonis, Brongt.; Abbildung in Ber ar des Abdruckes eines Blattwedels von dem hauptsächlichsten eocenen Palmbaume der Gypse von Aix . ......- Taf. IX. Ideale Ansicht der Ufer des Sees von Aix zur Zeit, I Bildung der Gypse. Nach den persönlichen Untersuchungen Bad Angaben des. Verfassers: -. ara run all yenasil age Taf. X und XI. I. Europa zur Zeit des Nummulitenmeeres; II. Europa zur Zeit des miocenen Mollassemeeres . .. 2...» Seite DD © os 380 ERLÄUTERUNGSTABELLE Seite Taf. XII. Ideale Ansicht des Aquitanischen Sees von Manosque, nach einer Skizze von Prof. Marıon ..... En... VE 285 Taf. XIlI. Hauptsächlichste Palmen und Cycadeen der mittleren Ter- tiärzeit in Europa, nach den fossilen Resten der Blattwedel und der- Stämme restauriert . . - ..0 Ares. 10 Ve 326 Fieuren im Texve Bemerkung: Die Figuren sind meist auf die Hälfte der natürlichen Grösse redueirt; wenn sie ihre Dimension behalten oder vergrössert sind, so ist dies in der Legende unter den Figuren bemerkt; jedenfalls muss der Leser die Erklärungen dieser Legende berücksichtigen. Fig.» 1.- Marine Urpllanzen >. „0.15... sn.) an A 164 Fig. 2. Marine Pflanzen (nach Hall und Goeppert) ... »... 165 Fig; .8.. Marine Urpßanzen . 2... cm ug 2000 year a ee 166 Fig. 4. Primordiale Landpflanzen, von Lesquereux im amerikani- schen Obersilur beobachtet. : . ». 2... . u... . RS 167 Fig. 5. Charakteristische Pflanzen des unteren Devon (nach Dawson) 168 Fig. 6. Charakteristische devonische Pflanzen (Canada). ...... 168 Fig. 7. Charakteristische devonische Pflanzen (Canada). ...... 169 Fig. 8. Charakteristische devonische Pflanzen (Canada). - ..... 169 Fig. 9. Charakteristische Pflanzen des europäischen Unter-Devon (Ba0h’GRPPRATEN.. Nee en a, So 10 Fig. 10. Charakteristische Pflanzen des europäischen Ober-Devon ae opy Erd) ee N ER ee 170 Fig. 11. Blöinkohlenpdenzen: OalasMarieon 2... UN ®r. Se 174 Fig. 12. t Dyeopodineen: 2... A RoRe en 176 Fig. 13. - Sigillarieen (nach Goldenberg) .... 177 Fig. 14. Gymnospermen ee ee 179 Fig. 15. Charakteristische Permische Pflanzen — Coniferen .... . 185 Fig. 16. Charakteristische Triaspflanzen — Farne. ......... 186 Fig. 17. Charakteristische Triaspflanzen: Coniferen . ........ 187 Fig. 18. 5 Jurapflanzen: Farne der feuchten Stand- orte (Infralias) . .... a1...) 000 2 RUE ee Se 188 Fig. 19. Charakteristische Jurapflanzen; Cycadeen der feuchten Stand- orte (Infralias) 2 2 TR NE N 189 Fig. 20. Charakteristische Jurapflanzen: Farne der trockenen Standorte 190 Fig. 21. Charakteristische Jurapflanzen: Cycadeen der trockenen Stand- orte... RE BI EI Sg: FREE 191 Fig. 22. Charakteristische Jurapflanzen: Fruchtorgane der Cycadeen . 191 Fig. 23. Charakteristische Jurapflanzen: Taxineen ..- ....-.. 192 Fig. 24. R Coniferen (Oolith) .. . . . 192 Fig. 25. „ Plätzen der unteren Kreide (Wälder- und Urpenstockwark) . 1. 2 Be . 193 Fig. 26. Charakteristische Pflanzen der arktischen Udenaete (Bien ren-nach Heer). „n1..uyu 50 Sim Er 2 Le DE 194 Fig. 27. Charakteristische Pflanzen der mittleren Kreide: primitive Farne, Coniferen und Dicotyledonen der Turonkreide von Toulon DER FIGUREN IM TEXTE. 381 Seite (Abbildungen noch nicht veröffentlichter, von Toucas entdeckter ANERD)) S 00 ORREE er A E Te ee 196 Fig. 28. Charakteristische Pflanzen der böhmischen Cenomankreide — primitive Dicotyledonen (Abbildungen unveröffentlichter Arten) 197 Fig. 29. Charakteristische Pflanzen der böhmischen Cenomankreide. Ur-Dicotyledonen (Abbildung einer neuen Art, Hedera primordialis, ST. Der nae e LLEETEE E RE ELSEIEEN TE SERERE ER AAO 198 Fig. 30. Charakteristische Pflanzen der Senonkreide vom Harz. — Ur- Dieotyledonen (nach Hampe und Duncker). ...:...... 199 Fig. 51. Charakteristische Pflanzen der amerikanischen Cenoman- kreide (Dakota-group). Ur-Dicotyledonen nach Lesquereux . . 200 Fig. 52. Charakteristische Planzen der amerikanischen Cenoman- kreide (Dakota-group). Ur-Dicotyledonen nach Lesquereux . . 201 Fig. 33. Palaeocene Eichen des Waldes von Gelinden (nach vom Verfasser bestimmten. Arten). 2 a 2311 Fig. 34. Palaeocener Kastanienbaum aus dem Walde von Gelinden WAeichnune des) Verfassers) un oa len lern 212 Fig. 35. Palaeocene Laurineen des Waldes von Gelinden (Figuren, wie die folgenden, aus einer neueren Schrift des Verfassers ent- HOMTDER)S, 0, Sp. onen ka oynehre er bayern er BE ARE he 212 Fig. 36. Palaeocener Mehlbeerbaum des Waldes von Gelinden ... 213 Fig. 37. Palaeocene Araliacee des Waldes von Gelinden. ......- 213 Fig. 35. Palaeocene Helleboree (?) des Waldes von Gelinden. .. . . 215 Fig. 39. Palaeocenes Farnkraut des Waldes von Gelinden (Spitze emnesgRlattsyedels)urz ua abe et nel ekelrae en ehlenatle ala 215 Fig. 40. Baumartiger (?) Farn im Palaeocen von Sezanne (Stück eines Wedel 9 een a een sale ee 215 Bie. Al. Palaeocene Lanrinee von Sezanne . u a. e one we ale 216 Fig. 42. Palaeocener Epheu von Sezanne. . - » . 2 2220.00. 216 Fig. 43. Palaeocene Weinrebe von Sezanne (neuerdings nach den Angaben von Munier-Chalmas entdeckt)...» .» - - 2... 217 Fig. 44. Nipadites Burtini (Brent.), Schimp (nach Abdrücken, von Arnould Locard in den Schichten des Trocadero in Paris ge- Sammel) ann ernannte Te take 222 Fig. 45. Ottelia parisiensis, Sap. (neue, an demselben Orte gefun- BEHESATT) 1.0, INS EERO eae re een ae Fig. 46. Nerium parisiense, Sap., eocener Oleander der Mergel vom iroeadero (neue Art en ee el a era Spa mike Rohr: 224 Fig. 47. Eocene Myriceen und Proteaceen des Pariser Beckens und der Arkosen von Puy en Velay (Haute-Loire); Figuren einer neue- ren Schrift des Verfassers entnommen . 2. 2.0... n./e 0. 225 Fig. 48. Charakteristische Pflanzen vom Trocadero in Paris (neue, von A. Locard gesammelte Arten). ..». 2... 0. 226 Fig. 49. Eocene Arten, aus den Braunkohlen von Häring in Tyrol (nach v. ne einen) a ART RR Sr oh ehe re) anal able“ eite 226 Fig. 50. Phoenix Aymardi, Sap., eocene Dattelpalme aus den Arkosen von Puy en Velay; Blattwedel mit einer männlichen Blumenrispe (nach einem in der Sammlung von Aymard befindlichen Exem- plar, auf ein Sechstel der natürlichen Grösse reducirtt) .. .. - 227 ig. 5l. Eocene Coniferen aus den Gypsen von AiX . 2.2... ..282. ig. 52. Charakteristische Arten aus den Gypsen von Aix ....... 234 382 ERLÄUTERUNGSTABELLE Fig. 53. Cercis antiqua, Sap., eocener Judasbaum aus den MD VON AIR nme en Se ee ER ee Fig. 54. Blumen und leichte Or > verschiedener Pilanzeigpen aus den’Gypsen von Alxz 1 2.Sy 1 EI En Fig. 55. Charakteristische Arten aus den Gypsen von Aix . .... Fig. 56. Charakteristische oligocene Lebensbäume (Thwa) . ... Fig. 57. Verschiedene oligocene Formen von Comptonien . ..... Fig. 58. Oligocene Eichen mit lederartigen, wenig gelappten Blättern 3 Fig. 59. Typen europäischer, oligocener Sequoien mit denen der arkti- schen Kreide (Grönland und Spitzbergen) verglichen ...... 245 Fig. 60.: Algen aus dem Flyseh'(nach Heer). . ..Un . ara ee 248 Fig. 61. Oligocene Fächerpalme; mittlerer Theil eines Blattwedels (nach einem Abdruck aus den Schichten des Kielbeckens von Marseille). 2, 0 a. RER TI N Se 252 Fig. 62. Araliacee aus dem jüngeren Oligocen von Armissan (Aude) 254 Fig. 63. Araliacee mit gefingerten Blättern (Sainte-Zacharie). Restau- rirtes. Blatt in 200-0000 ara ae EDEN TR Rs BEN En 254 Fig. 64. Verschiedene Dopen charakteristischer oligocener Pflanzen (diese, wie die meisten folgenden Figuren, sind neueren Schriften des- Verfassers entlehnt) „=. -...- egarskern nie anna . 255 Fig. 65. Verschiedene Typen charakteristischer oligocener PHanasn . 256 Fig. 66. Oligocene, in Europa verbliebene Pak Sr 257 Fig. 67. Europäische oligocene Typen ....... „2. wenn 257 Fig. 68. Verschiedene Typen oligocener Ahorne .. 2... 2.2... 258 Fig. 69. Populus palaeomelas, Sap. (Armissan, nach einem pracht- vollen, noch unveröffentlichten Abdruck) . . » .. 222.2... 260 Fig. 70. Oligocene, jetzt ausgestorbene Spumpfpflanze (Y/,, nat. Gr.) 260 Fig. 71. Hauptsächlichste Details von Rhizocaulon polystachium, Sap. 261 Fig. 72. Nymphaea Dumasii, Sap., Umgegend von Alais (Gard), nach einem von Lombard-Dumas in Sommiere mitgetheilten Ab- DrCkB . al TE AS LRIE LT ELLE .. 263 Fig. 73. Anaectomeria Brongniartii, Sap. (Armissan). Reits, eben a springende Frucht. 1. 1. VE RL ER EIER N 264 Fig. 74. Charakteristische aquitanische Fane . ..... 2...» 270 Fig. 75. Hauptsächlichste aquitanische Palmen, nach ihren Blatt- wedeln restaurirt (nach einer Figur von Heer). ........ 272 Fig. 76. Aquitanische Dattelpalme aus Ober-Italien (Restauration nach REMANAR). „ni a Te Fig. 77. Glyptostrobus europaeus, Heer (Manosque) .... 2... 273 Fig. 78. Aquitanische Buchen und Hainbuchen (Manosque) ..... 275 Fig. 79. Aquitanische Erlen (Cumi und Manosque) »..: 22... 276 | Fig. 80. Aquitanische Pappel und Ahorne (Cumi und Manosque) .. 76 , Fig. 81. Hauptsächlichste aquitanische Eichen ........... 279 | Fig. 82. Gymmocladus macrocarpa, Sap. (Manosque) . ». 2.2... 280 Fig. 83. Miocener europäischer Kampherbaum, Cinnamomum poly- | morphum, Ung. (die wesentlichsten Organe nach Heer restaurirt) 282 | Fig. 84. Aquitanischer Judasbaum; Cereis Tournoueri, Sap. . - » » - 283 Fig. 85. Schotengewächse von Radoboj in Croation (nach Unger). . 287 Fig. 86. Aristolochia venusta, Sap., Blatt (Radoboj). ......». 287 Fig. 87. Aquitanische Araliacee von Cumi (Euböa). (Abbildung von Unger entlehut).. . 7... WC IH a a 288 DER FIGUREN IM TEXTE. Fig. 88. Die letzte europäische Cycadee; Stück eines Wedels (nach einem in Cumi von Gorceix gefundenen, in der Sammlung des Verfasserschenndlichen Äbdrucke) » „un ner Fig. 89. Charakteristische miocene Pappeln aan Figuren von ERAEF) 0 12 oe eher A NL Fig. 90. Charakteristische miocene Pflanzen (nach Figuren von ET... 2 EN A Fig. 91. Wesentliche Organe von Podogonium Knorrü, Al.Br. (nach EST) RE EER N Ne ee BR er Fig. 92. Charakteristische miocene Pflanzen . ......:.. Fig. 95. Eichen des Miocen-Waldes von Mont-Charray (Ardeche), Bach den im Museum von Lyon befindlichen Originalabdrücken.. . . . Fig. 94. Charakteristische Miocenpflanzen (nach Unger) ..... Fig. 95. Charakteristische Miocenpflanzen (nach verschiedenen Ver- PESBEIRNN LIE Wa SO RE SE Ru ae RR NL Be re ERSTE TE Fig. 96. Charakteristische Miocenpflanzen verschiedener Herkunft Fig. 97. Pflanzen aus den Süsswassergebilden des oberen Miocen in der Provence (erste Abbildung einer von Prof. Collot ent- BESETEMEÄNTU ERS ren 0 ee DR ER NE A N Fig. 98. Charakteristische Pflanzen aus dem Mio-pliocen. ..... Fig. 99. Mio-pliocene Buche aus Italien; verschiedene Formen. . . Fig. 100. Charakteristische mio-pliocene Pflanzen von Senigaglia (nach ln ae Kon nfenfen)) er) Dee NE re EREIR BEBL EL HER IC RR Fig. 101. Charakteristische mio-pliocene Pflanzen von een: (nach NER AO) ee ee ee Be hen Fig. 102. Pliocene Pflanzen von ee (Card), EEE Fig. 103. Charakteristische Arten aus den pliocenen Tuffen von Mes mieux (diese, wie die folgenden Figuren, sind einer Ber ‘des Verfassers entnommen)... .. 2.2... : Fig. 104. Charakteristische Arten aus den pliocenen un von Me 1) A Er ER one Bee Idee 1 Le een ar le SE han Ihe RE, ET. DOT es ee N NE ENDE ARE Fig. 107. Charakteristische Arten aus den Cineriten des Cantal; — Pas de la Mougudo (nach unveröffentlichten Handstücken aus Ber&SammlunedeslVeriagsersje 2 m m... rate an weekeens Fig. 108, Charakteristische Arten aus den Cineriten des Cantal; — Saint Vincent (zum ersten Male abgebildet). . ... 2.2... Fig. 109. Charakteristische Arten aus den Tripelmergeln von Ceyssac Bu: Holmes heuer ne Fig. 110. Charakteristische en aus dem jüngeren Pliocen der uvereue, und Malenszer au, Sl sn en innanene ss Fig. 111. Charakteristische Arten aus der Zeit des Mammuth in Süd- Frankreich (zum ersten Male abgebildet) ...-... BD AFETE Fig. 112. Arten aus dem Forest-bed (Oberes Pliocen) . . ...... Fig. 113. Charakteristische eocene Pflanzen von DL a zisteesten Male absebildet) 2... ..n. «si... B Fig. 114. Homologe Formen palaeocener ale eocener Eichen mi ein- ander verglichen . EN ER POREE e n ee Fig. 115. Homologe Formen disalener und miocener Eichen in ein- ander verglichen . ae END. ee fi Lei 380 ERLÄUTRRUNGSTADRLLR DER Fig. 116. Successive Formen des Typus Lorbeer, um die Ue von Laurus primigenia zu Laurus canariensis zu zeigen . Fig. 117. Successive Veränderungen des Typus Epheu im L Terbiarzeit Sf a 0 ui ee er cn ae TE Fig. 118. Successive Veränderungen des Typus Ülsaser von oberen Kreide bie zur JEhztzeit 4. EEE ALPHABETISCHES REGISTER der Gattungen und Arten fossiler Pflanzen, welche in diesem Werke abgebildet, beschrieben oder erwähnt sind. Anmerkung: Die auf die Figuren bezüglichen Angaben stehen zwischen zwei Klammern unmittelbar hinter dem Namen der abgebildeten Gattung oder Art; die erste Zahl giebt die Ordnungsnummer der Figuren; die zweite, durch ein Komma getrennte, die Nummer der Legende, welche die Figuren erläutert und ihre einzelnen Theile bezeichnet. N Seite Abies cilieica (Kotsch.), pkocenica (Fig. 109,4) .. ... 2200. 333 peetinata, D2C. (Big. 112, SBas Alone. a . 338 — pinsapo (Boiss.) pliocensca (Fig. 107, 3 bis 4) ... ....... 330 Burke eumafolnıs,; Dir. (FiE. 30,2). 10.5 wreraneree en net snenee 199 ET SER EB ee RN 235, 290 Br Bousnueti, Sap. (Fig: 36, AN aus ea se wine 242, 255 runs, Une, (Bie,88, DEN ee ange neeee 287 nor Ssehlngaang., Ung.e Vasen ee Mn les sehe 313 Er snrzlaama,, Ung. (Eie>369,3Ihiss6)e a ann eine erinnern 256 Birc#Vornaliae, Massal (Kir 100,2) 2a us ee en ante here 316 — creticum, L. (A. sempervirens, Ait.) (Fig. 109, 15 bis 16). ... . 333 I OEIBTENSS EN ER ee ee ns rl a Tor ae ee 277 rantesilobum, ©, Web: (1,93, 8) zen an ss ee nie 314 — Igerum; CHA Mey; (Bio 105,73)aaye2 er au ee a . .. 824, 332 — opulifolium (Will.), pliocenicum (Fig. 103,2) » ... "2... 322 — polymorphum (Sieb. und Zuc.) pliocenicum (Fig. 108, 6) . . . . 331 ne Renztanum; Gaudi (BIRLI32a), area ete ke a nanten une re 1 314 ermaerum, Sapı (ag 6371). 7 0 ar 0 nat a ee a ats 258 BE reesamtum, Sap. (Big. O7 AN u alunae ee aneeies RER —.. trilobatum. Al. Br. (Fig. 80, 2 bis 3) . „on ss 0... 276, 303, 313 BADER UumS Une. ae nennen. a an mens 295, 326 —— Fenickormer Li (Fig. 106,1)... 2 il tesa ine a ee . 325 Saporta, die Pflanzenwelt. 35 386 _ ALPHABETISCHES REGISTER. 7 Seite 4 FANTIONERS nee ee ee ee N 16 2 356, 358 ; Y. 2 Prasen,-Sap- (Fig. 54; 5), Gum r0. „or. 2 236 F Alberba Braumn,. Schimp. (Fig. 17,5) . .. Su... .. 187 Almastern = = 5 nn. ee anne wie. = REN >. >>. 356 Y Almus glutinosa orbieularıs, Sap.-(Fig. 107,1)... !.... . „euer 330 3 RE — .Aymardi,.Sap: (Pie. 109, 5. bie. 7)... 2... wen 202 See 333 | EB ——_ phoeaeensis; Sap- (P1@..79, 5): ....... 0.7 ee 2.2 Er 2 resea,'Sap: (Big: b7, Din. en. ee a 257 Fo — ‚syoradım, Ung.(Fig..79, 1L’big 4) ... 2.0 20er . 276 Y — stenophylla, Sap. und Mar. (Fig. 105,2 bis5).. : 2. .... 324 7 Alsopinla Boweilles, Sap. u 2 en une 2. re 343 v —. thelypteroides; Sap- (Fig: 40)... 1% si -M. 1 Mer 215 AngectoMeria 2.2.0 2. ee ee ee 264, 358 + _-— Brongnartiü, Sap. (Fig. 75). :... a ee 264 Arapıyne JOenan: "N 359 AN OMEÄR N 5 de DEE BUN ERBEN REN a Ko megleche, Bap: AI HE Te .... 208 NTEOTEENEB: un 0 en ee et ae ee en ee ee 176 Annılaria laxa, Da: (Fig. 6,49)... 2.2 u. 00 m 168 — - Iongifolla, Bragt. (Fig. 11, T.bis 2) : ..... . 03. 00. 0 174 — Bomimngeri, Lax. (Fig. 11,4 bis 5) 52.7.0. von Fee 174 Hushalktchaa (Kır. 1A, A VB Ba EEE el) = (deomeus, Da Pr Dr I A re 169 ArebopEs RT ARE IK 358 Apocynophyllum elongatum, Hr... 00 281 Anollomas cananiensis, Webb: » . . 2.4.2.2... 0. u ee 321 ER ae A ER RE NN 5. 0 c 356, 358 Araha (Panaz) eiraslarıs, Hr. (Kie.'35;, 1) ..- , .= ;, „eve 300 — Hoereules, Ung. (Pie: 69). >. 2.2.2085 re 2 ee 254, 286 “ — Kowalewskiana, Sap. und Mar. (Fig. 28, 1)... . -. 2...» 197 Y— Doosiana, Sap. und Mar. (Fig, 37)... 20.0 2 sea 213 N 2: uiid, Bap. (Fig. 52, 5) 4°... N ER En 234 —' guinquepartita, Lgx. (Fig. 32, 1) ».... ..... 2, WE 201 "— "Bachäriensis, Bap. (Fig. 58): : .:.. 2. 2.2.0 res pe 254 ANGMCONEG... 0 ne me a ee ne Dee a 197 Y Araucarsa Toucasi, Sap. (Fig. 7,2) .-» so eo ee 196 Archasocalamites, Stur:' 3.2 2.2 no Se 168 Archaeopteris Jacksoni, Dn. (Fig. 7, 5 bis 6) .».. . » „wm 2.1.35 169 VArsstolochia. venusta, Sap. (Fig. 86)... .. 2: Ua. „u 2 ur 287 Archrostiomn „u. a a 167 Arlocampöldes = 2 an a ee a ee 218 BIN en 2 N VE BR A 202, 356 V — aegyptia antiqua, Sap. und Mar. (Fig. 102, 1 bis 2) ...... 319 — . groenlandica, Hr. » 2.0.0000 lo. 0 202 | — 'mäurstanica, Desf. - -. ..2 20000 ne . 320 | Ampidiophulum 2: - 2 2022 2 200 | Aspidinn > = 2 2.0 2 See bi ln ee EEE 7 271 Asterophyllites equisetiformis, Brngt. (Fig. 11,3 bis 4)... ..... 174 —., Iatıfolia, Da. (Fig. 3,9. En Er Be Be - 166 Asilaeöpteris'. 5.52 5 Zu ne Se Be ... 175 ALPHABETISCHES REGISTER. 387 Seite B. era gntenli3.Bamb.. (Biel 23.4)... u. uns Sn 192 Be Nmssersona, Hr. (Kie223, und 3) rum 192 Y Bambusa lugdunensis, Sap. (Fig. 106, 2 bis 4)... . 2. 2 22... 325 EEERRIOmSRKEHLS, Carr. (Bier al 0 NE 191 2, 0005 ee ee ee ee ae 299 you, Sap-: "or sen ee ee Sa a 329 Bra Dryadum, Bren. (E319.,07,0). 20... EN. 257 V.— gypsicola, Sap. (Fig. 55, 1 bis 3)... .. hei KB er 237, 239 ES N N LE Bee ne Rey WERE he Br Ka RER NT 313 Be nulchella, Sap. (Bag: 00. Dj none zen a 257 Tmaceas Sapı U a N 257 ERS Re Ei A re der EMI EEE 356, 358 EDDIE Va a EN 1 ae NO RO Re BE a ae 163 er ugosa (il; 1), 2 ee ae ehe 164 EN ee, an ee ee se 237, 356, 358 Be senultiflorum, Sap. (Eieaa Bl... nn ner I 236 SET EEE RL N 167 ertransinongs, Goepp. (Hie,6,/2\e » Yuan nen 168 BERECHNETEN, re en Sat nee mer lan Ve lo 193 ME 7 ep080 sap. (Kia, 24 Iebis De. a a 192 \ Buxus pliocenica, Sap. und Marion, (Fig. 105,7) »..... Ole a! C. ROSGEHAN TER :. WW, ale fat A a > EP HR 35 0 OR 280 Calamodendron tenuistriatum, Dn. (Fig. 6,1)...» .. 2.2... = ee Walamopsass 2 wie Br ee een ea. ee & 272 SO EEE DE 244, 274, 288, 290, 356 — Brongniartiü, Endl. (Fig. 51, 1 bis 4)... . 2.222 02.. 232.313 BEIDUrnda; 2... Sr sen he helle 8 ART 2 ME EEE REN SENDE 280 DIOR ae EN. leide ee te ehe vos, > 299 BomcellophyCHs.. > = 2 u.n elle u. BE RaBeE En RS RER 164 Area usa EIS A De en ae fe 179 Cardiocarpum (Samaropsis) cornutum, Dn. (Fig. 8,2)... ..... 169 — (Trigonocarpum) racemosum, Dn. (Fig. 8,3)... .-..... 169 EI a or. 0 or EN ERHEE 259 Carpinus cusptdata, Sapı (Big. 66, 2 Dis! 3) 1... letiehane ee sone 257 — u HE N Ba es ce A a ME Er RENNER HERNE 313 I ER EC ee a ne ERS RER URERT 329 — Unger, BopalBias 2190 bis A). ma sus ntelle arena 275 a masıma Se re. yler shiaäslerits aniele 329 BEE N Pr. Do. 20 a EEE RE: 280 VCatalpa mierosperma,:Sap. (Fig. 54, 1 bis 3) .. .. 222m. 236 -Caulopteris antiqua;. Newb. (FiL. 8,8) .:... 2.00 een. 169 V Celastrinites gelyensis, Sap. (Fig. 113,3). ». ser se nen 344 FOrlasmassplendidus, Sap. ie BA)... Verein allal ocean »2 255 — Zachariensis, Sap. (Fig. 64,5) .... . re RAT 255 FE el SS RR, rc we Shrshehehe: su 2.299 388 ALPHABETISCHES REGISTER. : Seite Gelns trochytıca, Ung. (Fig. 94, 2 beA).. . Wa .2.... are...) Peratomastigaua, Al. en ee 0 291 Dr EEE ee A ER 1. a ER 280 MOereis anlıqua, Sap. (Fig. 53, 1 bis 2) ..... 2.0.0.0. ...0 ee 253 EU SRNBSLT Um. AL ne a ee ee - 334 u Tournouer:, Sap. (Big. 84) ee. le re. 283 — Pargskona,' Massal. (Fig. 101, 6. bis 7) . „mi 202 oe ‚317 Pramageypamıs . 2er. 22 a Re '242, 253 — turopaea, Sap. (Pie. 56, 3 biß'5) ... -.. “ur... nn Kaserne 242 Bi vNasseliensis, Sap. uw. Srss ce Zehen. - mar ame ar E . 242, 253 Chamueropshelwelien, Er: 2.1 era. 20 0.02 0 ee 272 ET umals5 1x. u ee ae ae Pe ER 291, 334 GRoHAriER a u ET ee ara a er ee 166 — antigwus, Sternb, (ie Di... 2.2.5000 0 166 —, arbusceula, 8. 0. (Eie.60,3)7 .. ... uno ur eg 248 — entricktus, PB; 0. Wie: A) ee eo ee Be 248 — 5 fruticulosus, Goepp. (Fig. 2,3). : 2... ... 2 Sg 165 - EL, A Eee EBENE RER BET Be EN EEE RE. > < 271 + — aquiüanicum, Sap.: - »»:.... a A as > ©: 285 DaB he N ee RE ea 299, 313, 358, 367 — "pelymorghum, Ung. (Fig 3):- .:.2. 2! ch ae. 282, 315 — sSezannense, Wat. (Fig. 35, 2). .... De er 212 hrRBenge es 2 N le ale Beet an, Be A 188 A I EEE WARE u TEL SER ee Rn 3 5 290, 325 RE ee ee ae SE 325 ee TE NO PERS En. o 197, 243 ——- nenn, Brnet. (Rie.92, 2)... u, Hann 2 lee ee 298 _ — dryandraefolia, Brngt. (Fig. 49, 1 bis 5 und 57, 1bis5 . 226, 243, 258 — + yanıdreides, Une. (Fig. 57, 7)... 01. Manch re Wa 243 — , Matheroniana, Bap. (Fig. 57,9): "u Kae a 2 ee 243 — oblhustlobe, Hr, (Eier 37:6) 5. 00. ia 08 0 nn ae 243 u Fans; Bap: (Pig: 47, Dies Sn la ar, ee 225 Copaifera radobojana, Ung. (Fig. 55, 2 bis 3). . ... . 22 .. 237, 286 W’—ı ammissanensis, Bap. 2:10.42 uno 0 286 Cordaites angustifolia, Dn. (Fig. 5,5 bis 6)... - ... 2 u. 168 —:Bobbus; Dn: (Bie.- 5; 7): usa0c sn as ee (a RE 168 Crataegus oxyacanthoides, Goepp. (Fig. 109, 11 bis 12) . »...... 333 rONENSO 25028: 280 eh EUER Aa E00) RE 198 — triacuminata, Hampe (Fig. 30, 1). . .. »n. cms 199 Orusiana rugösa, d’Orb. (Fig. 1,1) +’... 2. „au in ml Sn 164 Uryptomersa.: : ı su mn ee en nn ee 188 Wlenopleris 24 44.0 0 on ee ee a BE 189 Cussonsa polyärys, Ung. (Fig..87). . 2. . zo ann ut Ve 288 Oyendites Dieksoni, Hr... - : © 2 0.02 2.0 00000 = ll» WE 202 Bysadopleriö, : - aaa a a0 oıde a ale nen ne 189 — Brauniana, Zigen. (Fig. 20,4) 2 0.0. 20 so es a ar Oycadospadix Hennoquei, Schimp. (Fig. 22,1) ... 2.2.2220. 191 yelapiena 1.4 na ne el RE ee 166 — ‚Brownii,. Dn. (Fig. 7,8)... „ib IE ad ee Re 169 > ‚(Nenhropteris) väria (Fig.:7, 7)... AU.) ARE. Kasse « 169 — (Palaeopteris) hibernica, Goepp. (Fig. 10,4). «........ 170 ALPHABETISCHES REGISTER. 389 Seite mr ee ld he 6 mhk Pe a ee 167 NDR 1208 Vo WOBEEE RR: UL OR RE re a Er 197 Grace, Hr: (Fig. 26, 3 bis 4). ...00, 00200, 00% hs Wer re IR ea lee en EEE A ehr 259 Di: Baoncopsıs. marantacea, Hr. (Hie. 16,1) . „ uno a ale an an 186 SEE Ve Re EG u 3 ee De ee RER 321 — »pontica, D.C. .... en en ei 2 BLINK er Ce en a ie, 5 erinke, Ber ea He 356, 358 r — gelindenensis, Sap. u. Mar. (Fig. 38) ». .... 2.2.2.0. zu ERSTEN TED SE RE EEE ARE He, RER SE 188 Didymophylium reniforme, Dn. (Fig. 5,1)... ..-.. 2... RU le: „ER TESTER A NEE EL REN tca9o REN ER 229, 236 SE hnenzagtanı, Pitt)... ». 10 Bes Slen nei TE ee See 254 Be raminenses. Sap. (Bio: 113,91 00: ist lin dean nee 344 arans Sap. (WM2.64, 9)... ae ea ne Ehe 255 CE ER ee ER EL ia 2333, 356, 358 BE EFETONGNZartUN,, SAP“, >. u eu e. en 00 ai eh aan aa, 97 or ehlenaunge 233 TREE A OO EHE RATE ERNETEREO ER RRER nun 224 Een chelore Wat. (Mio, 47, A nn ee see Sen ee 225 Dryandroides lignitum, Un... ...... ae ee 313 Dryophylium Haussmanni, Dkr. (Fig. 60, 3). - »- 22222000. 199 ei Dewalgüei, Sap., u. Mar., (Big. 34), Zn. u se a E. FERRARI Se N RR EN Re ARE er 10. 288, 356 N Goreeiwianus, Damp. (Mig.S8)N en m Un. RNIT Re 289 Bingelkardman 202, 2780302 te ee. HA SED 4-2): Eintomolepis eynarocephala, Sap. » ©: >. vn. nern. 351 Bopteris Morierei,, Sap. (Taf..D., 2... ae 40% RUN KR EN EN 1, 166 BErıhroBlanus 3° 2:2 Sa a re A ER 256, 280 yEuphorbiophyllum vetus, nn (Fig. 48, bie) OD) Fr STR Az 226 F. Erz Deuealionis, Ung. (WiE39)n. Dune. 1a Se ee 315 Helyclada, zo 31) We a ae 200 Bi mrastime, Sap. (ig. 78,3: Bis ’T)is. 0. Kenn ee I ee — Blanca MEINTE Dr RN N er 335 Bi _ BNOGeNICH, SEP. (Eres 108, Dies, 20.n 2. Mor ee 33l Co, SEE EI erh in een 307 nlanefolia, AlFBrA(BiO. 395 3) enrae len le a. Bee 297, 298 a erensia, San. liess ih a. eher ee Re Faue 337 INNE. RE 25 LE, Fo FR RE RES ABER 200, 356 a eRamaeropifolia, GOePp:. u. mare. a ee ee ae ae er 200 Bi a IURRRENSIEN SAD: . = co: Se er a ER 343 390 ALPHABETISCHES REGISTER. Seite Flabellaria Lamanonis, Braet: (Dar VUN Das an un rn A 233 BOB: Hr. 2° 2 28 ur ae EN hd 243, 272, 283 + longirhachis, Ung...r. rm. 9.0. N REBEL. 2.2 ee 367 = u Rumimiana,‘ Hr. (Fig. 75). ° Her. en een. oe 272 N yasımus erilis, Sap. (Fig. 54, A). u 2.0. 2 se. 236 27 gsacolis, Sap. (Pie. 109, 13 bie 14)... 00e an 2 323 G. Gardena Wietzlers, Hr. wea.e sta ar ae ee 282 GEONDM ee N 200 = 4 Dteagert, Hr... 00 aan nenn onen Ian Sr en EEE 272 GERLIOBpUm ann at EN en a BEER. RRRENRE 180, 185 nr Grasseti, Sap.: (Fig, 1b, Diana lesen ne 185 Gleichenia. Zippei, Hr. (Big. 26, Di +... Nein en IR RN 194 Glossozamites obovatus. Schk. (Fig: 25,-4) .. . „u. nn 193 Giyptostrobus: © =» a u um a de 243, 273, 281, 288, 297, 320, 325 — seuronneus, Hr» (NiE.77). u u us on 243, 273, 313, 315 GONLOPIE a a hart at Harn at het innere he 1er a7l Grewia crenata, Ung. (Fi; 98, 1) %.. #420. erar ae ana arte Anke 314, 328 ÜNBILOBBE eat ee ee RE A NE 358 NZ „sidaefolka, B3P. =. nr nenne re N A ERRRE 362 Garmnoeladusıı =: ar u NR RER RER 280 Yo Imeerocarpa,. Sap. (Fig 82). Cu Au MR RE EARER 280 H: Halyserites Dechenianus, Goepp. (Fig: 9; 2) .- 4. ==" sen lunenene 170 Harlımıa Hal, Goepp. (Ei. 1,2): °. » 0). 200. „Ze. 164 “.Hedera acutelobate, Sap. (Fig, 117, 4)...» ....uu1 (ev keiie sn de, ua 371 = Rarauı, Al. Br, [Eie. 117, 9)... .0.051.Tn- ar ee 371 — WMneChir, Br. (Pie: 117, 5), ..%,. 2,2%: 2. Dies 371 In Phikberii,. Bap, (Fig. 147,2) 2.44 075 28er See . 371 y =, Snimordnalis, Sap: (Fig. 8)... 0. ul 2 wi 193 — Brssen, 'Bap. (Fig. 22und Fie. 117,0). 20.0. n 2 Nee 371 m 'Btrossı, Gaud. (Bie: 117,6) „2. 305 a a a 371 VE ES NEE Mr sn 238, 358 = — Unger, Bap. (Fig. 54,7). 2.2.1 EEE e 256 BE ee ET NET 197 N 9 Iprimigenia,-Sap: (Fig. 28, 2), 3 222 2 na Re Fer 197 I. “ Iler canarsensis, Webb. » ! !.2. 0 2 206m A une se 321 “..— gcelasirina, Sap. (Fig. 64,6)... . 2.4... em... 208 255 %.,-- Foalsani, Sap. (Fig. 105,9) .7..00 2 u 2 SEE . . SEE 322 5 Kschers, Hr. . =» .. N ee en - 303 ALPHABETISCHES REGISTER. Juglans acuminata, Al. Br. . — bilinica, Ung. ... . eretilten tee, 0 ae er lee a Teen re er ah m Fe N Timo aSarp: u. Mar.‘ (B19,2105, 10°bis, 12). u 2,%.00% Pelumniperus ambigua, Sap. (Fig: 51, 7 bis 8) . . ones nn ne - Lastraea Lucani Sap. . . . uJle at er 0 auge, el Blut ou alı te einer Bella), m a Kaya sr macaa Une (Bier 7A a) er ee 270, IR EL — camariensis, Webb. (Fig. 103, 2 bis 3 und 116,5) ..... 322, — Decaisneana, Hr. — mobihs, L...::..: OFT RENT ET EL OT) Le u 0) mate Sap. u. Mar: (Fig..35, Aa ve nn un, 212, enamigenia, Une. (Bie. 116.1 bis a 2 vera, en ntincepsy Hr: (Kia 116, Ay na By a Re LE IBEntISeus : un eu nn Depidodendron. - » ... .. — (verschiedene Organe) — gaspianum, Dn. (Fig. MERCOINOBL See WIBDCEOTUS: ren ee ei .ellr eh (an sDlre el heise? keukkuiiten oben, "ei ‚Lei le neigen (ige: Dia a OR Tele bir 2) MI 0 OT EAN ZEN Weste er Par lies ersten nun) allke)i ee leitel Beırdtee Ya —salicornaoides, Einndl. (Fig..56, Ibis 2) 2.2... . 242, Brgmidambar . sa eu. er euopaeum, Al:«Br; (Ei&. 90, 2-bis ds) 3.2... 295, 313, Liriodendron Procacecinii, Ung. (Fig. 95, 4; 101, 3; 103, 1) .300, 317, VLitsaea elatinervis, Sap. u. Mar. (Fig. 35,1) . 2 22.2222. PEoniatıtes aguensis, Sap. (Bir. 52, 1 bis. a) an vv a a Kamatopterasa rn... me Baldaunassapı (io. 20 WO) re Re a eis Bene fe ES UDerSstes’3Sap- HUSR DTa Din en ne are Inreomodites Maihew Da. (Iierd.3 bis A). „en rn Senne Dycopodium"primaevum, Gold. Fie, 12,2)... „un 2... 2 Bngodıum Gaudını, Er. (Bias7a, 3a) na mn. 270, 290, HERGETITOLDER 1: ofen 2er une hehe Nestlieintainie forte, Te Kehle, Ve Aa ee a Klraiwaag,, Bi. Bier 9n bis). RENT N — :meridionalis, Sapı (Eis ES) Aue th zent Be telonensissSape (Kin Asa) A Manicaria formosa, Hr. . - “ Marchantia sezannensis, Sap Megalopteris Dawsoni, Hart. el ter er igeiihe We, Me, .E0l a 100: er wi) .nr erhalk ie '0, Je ein Bo 9 een Mess pyrtacamtha,: L: (Bis 110,8) 2... 0. a 2 mg rer WEicnoplelen 4... . . eh vr r Morionıssap. (Fig. 532 Iebisu10). \. o 2 year av 392 ALPHABETISCHES REGISTER. Seite DEHNDSCRR Sat 32° anne dee we ee ee Sr 2 282, 290 — , Aymardı, Mar. (Fig..65, 3)... “wm . We 2. 256 IHOTINODN an ee ee 229 NUHNSDENTO. 2 2er: ae nes ee er er EEE): . 2 248 — anmulata, Schafh. (Fig. 60,1) .:.2:.:.2% No > 257 Murchisonites' Forbesi, Goepp. (Fig. 2,2)... 0... va 165 N ER et Er N 233, 356 IIWYELOWEEHUS. nr = ar Sn ne twacne a enter a een er N a Bein: Muyrca banksiaefola, Une... = s.t: „um u. 2 281 N — erenulata, Sap. (ie. 4,8). 2 2-2 225 —_ hoeringiana, Bitt. (Fig. 49,4 bie6),. . » .n . were 226 = shakeniefolta, Une.! 1: Re ee ee 281 = wigeragata,; Hi. 2. we ta a Er 281 “. — ...Matheroni, Sap. (Fig: 55, 7) : « =. ee. 237 = Oeningensis, Al: Br. (Fig. 2, 1) 1. 2 Ar 298 PER ee ts > 281 — x telaströides, Bit. (ie. 64, 1’ ba 9). cr zo na ee 255 Y.-—#r.cuneata, Sap. (F1@,64, 3) Kur af 1 Ar: ie ee 255 nt Buhameisa, BAD: nen. ee TE ae Re 254 Bnıriogahyllum. Geindtzui, Hr: u ven. te ee 343 N—Epulchrum, Bap. (Fig; 113,4)... una a Re 344 YMyrtus caryophylloides, Sap. (Fig; 64, 11). »,... » nie u. cnlenee 255 v rectinervis, Sap. (Fig. 64, 10) 2... een 2 de nenne es 255 N. INehımbrum..Buchit, Bitte srl arena za une er ne ger 262, 284 N LEE LEE REN RS CRENIEL LOHN REED co 224, 373 — Delmecum, Eitt. (Pie. 118, 7) wir, auuaa oa ee de le ee 374 — Gaudyanum, Broet. (Fig. 118,6). u. he 20000 00, 0 ae ee 374 v. — oleander pliocenicum, Sap. (Fig. 105, 4 bis 5; Fig. 118, 8 bis 9) 324, 374 V — vparisiense, Sap. (Fig. 46; 118,2) . 2... 2.» ee DA 0 ‚resperhim, Bap. (Pie, 118,8) ir =: ce .ume our 0a A 374 _— „kohle, Mark. (Fie.-118, Di. aı- „op. “An un a 374 “ —sarthacense, Sap. (Fig. 118, 3 bis 4) ..... 0.00 202000 00 dee 374 — Slrdaoum, Bibk. su sone a ee an ae 1a 376 Neuropteris retorquata, Dn. (Fig. 8, A bis5) ..:.. „22.2220. 169 INEISORIG N Sarnen ee ee a ee Bere 188 Nivadıtes Burtini, Brogt. (Fig. 4)... =... oa m un Ber 222 —, Bowerhanie, Bil... 22H meet a ee he ae a 222 —. Parkansoni, BoW.: . 2... . li Rh ale 1 Besser 222 Noeggerathia foliosa, Sternb. (Fig. 14,1) .!... . „1... » a megake 179 Numphnea arclica, Hr.» . - » = 2.0 @l0 wie le srgle Ae 131 us ealophylia, Bap.. » - re a #20 263, 285 —, Oharpentseri,.Hr.. : :. 2.2 2.2.2 2... RE: 263, 284 —, Dumasii,. Sap. (Fig. 72). 1“. . 1233 ame. Nase ee 263 —. gypsorum, Sapı ..2 2 a0 0.0 de allahuue Gel Such N un. I Me 263 HT Danola, Sap.. » > an en wen ee 7 263 Mu. nolyrhyza, Bap: - -"2 0.200 Ind ME nr SEE 263 ALPHABETISCHES REGISTER. 393 Seite 0. E02 1.02, 0.8. a KA >) 1 RAR RAR SER 234, 299 —eheemsGaud: (Fig. 108, Don nn. nn . 322 WOsmunda bilnmica- (Bitt.) Sp: u vn. ı un en Wen ae 320 y — eoeenica, Sap. u. Mar. (Fig. 39) : :.::3.:.: a EIER TS 215 HN Seadı N. era a N I, 295 — lkamarum, Ung. Fig. 7A IT. in u.a ne 270, 285 NN N ee ER er aa . . 257, 298 —.) Atlantndis, -Ung. (Big. 67,-3-bis A). ..2u . 2 EN 257, 286 HAIR DCHD. en nee I DEAN, 298 ern, Sana in u, wer a N 257 RE Az N re ae ILE ERBE “l Br decorus, Sap.x(Big.»21, 2) RN al ET N 191 MOleha:parisiensis, Bap- (Big: 45) al ann 223 1% Pachyphyllum araucarinum, Pom. (Fig. 24,5)... . 2.2 2.2.2220 192 maus, Benot. (Hig, 24, 3 his Au ven ns ee 192 EEE N er RE A re 238, 255, 286, 356, 358 ana, Sapı (Big: DA) 5 1 een een 236 Eulseopiineos: vorgatusn Hall. „nn alle ren. enhoneele hend 164 Balseospathe daemonorops, Hr. 2» u... su zen RD NETTE AR A SE re Zar IP UR. GEEFEN SE FREETR 188 nes AGEMONOrOpS, Hr:z- .. . 0 ale ee Pal nae 282 er7oua jagifolia, Goepp: (Big: 96, Men un u en een 301 mastana, Fabt. (BE: 11T, 6). se. ee 514, 337 ESCHE Es RE REN, 213, 234, 299 ET OINENSUS Tas ae ER ee wa 321 Y palgemorpha, Sap. u. Mar. (Eigw35, 3) 2:2... names es 212 ER A RE rg HE a RR Keen Nas Zi 234 BR OERLIEILESI ER. 2 a LE SA ee a a re 272, 284 ——: Palaryecum;,, Sim, ABA vno)ı WE Kns 273, 286 — #spectabilis, Ung: (Bag. 7D) em a . en: NE ln a se. ee RE 227, 356, 358 we Anmardı Sape (ie eu. 227 Bunmannderma.: ee en 248 Berenertgelsal, ame Vo ee 338 —E plideenica, SAP NEL, 1 bis) 2 ee ee 333 IBRHNSLCHNOLNIONES an Eee ee et). waren ke 338 — 1 Gapr2 (Bios TI ed, alle u ee Re; alepensisg Mills Er N ee ee 336 Emontana,’ NEL, bis) ee 338 Br Einliberit, Saps (Ele. 3, I). 10 Is ananls Ana hle enslren 232 = Ne acc 0 A A ER BRUT c 338 IE IERIEIOMIERLISCUS;, Li. one ee el EN nt DB 1... MEER TE er a N eure eu haare . ..856 ENARERGECHERATR DD. ee ee ee 329, 332 394 ALPHABETISCHES REGISTER. Seite Plonera Unger:, Ett. (Fig. 90, 1). ... .... BE te) 2 De 295, 315, 332 Tlalomusn 22. 2 en ee ie U EEE Des N): r. © 357 —ı: @ceroides, Goepp: (Fig. 90, 2xbisy3) rem. 295, 313, 315 — ımimaeva, Lax. (Fig. 31,2)... »). me ee. + 2 A 200 ERÄOEMDUS: - ur. 2 ee ee ee A nr wm ode OO: sn tea ne ee nr Wer EEE 1: 295 EOROHORIUM 2 ne = I: ame re heee Met le E ee eh hs 303, 313, 358 —, Knöorrü, Al. Br. (Fig. 9) 2 0.00 02 02000 vlt Be ee 295 Podozamites.. ..- sa m cn nee eK RS 188 Ponozamites distans, Presl. (Fig. 19,1) .. 2... 0 20 Sean Sa 189 Popuhis alba phocenica. . ».. In al. Senn wie 325 — eamescens, Sm. (Fig. 109,10) 2% "2... % De ee er 55) “=, euboica,. Sap. (Fig. 80,1)... 2. 25 2rv. n mu 276 Be, Heer, Bap, vs woutemape are er Se en. 227 — latior, Hr. (Fig. 89, 2 ir AN ee Re Ve 294, 303 ° — mutabilis, Al. Br. (Fig. 89. 1). 1; A AT 294, 303 N: paldepmelas, Sap. (Fig. 69)... 7. une 0 N See 260 —.. tremala, L. (Fig: 108,3). 2. a 1.200 2 33l FOHEROGEION En et ee ne Le a 259 PIIDTSCHE: 2.72 0.10» ae m ann. wre 5 a tan len Din. ie Fe te D 218 EROBERN. 3 = ne N N N ee 200 — ' miltmerve, Lgs. (Fig. 32,2) 7. rn Se = 2200 EEE ae Te ee: DUKa DEREN EUR, 16 a AREL EN en Pa rk) Protostigma sigtillarioides, Lqz. (Fig. 4.6)... . 2... ara enz 167 STSRNLEOBIPDDNB 2.2: 7 a ee A N ee Tre 357 Palopinion ==: 1.2 5: el N ALT NE Ca . lan — cormutum, Lqx. (Fig. 4, N ee Er EC En 2. Sr 167 — ., princepe, Dn. (Fig. 5, 2 bis 4) : 2:2. N ee 168 Pferis.oenängensis, Er: : wann. a. 0 N ee 295 = Mennaefarmia Er! 5 0: 2:0. 0 ee ee 285, 295 — yropkalla, Ung. : za. 300 sn ana ee 3 2 285 a a Fa A a 0 a a re ein. oo: 329 3 fraoimsfolia; Bapıy: © 2: N ET 329 a ee a : - r. 180, 188 —eSeoncmnaum, Hr. (Bie.=26; 6); - 28 002 a See 194 —Hfasgeri,; Brogt. (Fig. 19; 2)... : 7.7. 2 WER Bee Re 139 Pterozamites comptus, Schimp. (Fig. 19,3) . »... vv... 0000. -189 «Punica Planchoni, Sap. (Fig. 104, 7 bis 11)... . 2.20.2000. 323 Q. Y Quercus antecedens, Sap. (Fig. 55, 5 bis 6; 115, 3)... 22... 237, 364 Y —. aretiloba, Sap. u. Mar. (Fig.:33, 5) . » ...w „21. mern 211 V — armata, Sap. (Fig. 58, 35; 115,2) „2 0.020 vera 244, 364 —: Buchi, 0. Web. (Fig. 81,2). = „u 1 DL SEE 279 — Cornaliae, Massal. (Fig. 101,2)... . 20.000. 317 — cuneifolia, Sap. (Fig. 58, 1 bis 2; 115, 1)... .. . 944, 266, 364 — - Cyri, Ung. (Fig. 81,4) » . 0.000 0.000 20 In bare. a 279 Y _— diplodon, Sap. u. Mar. (Fig. 33,2) ..-. 2.2.2... 211 — divioniensis, Sp. - „ra wann ie nr 280, 283 ALPHABETISCHES REGISTER. 395 I SETEENAAUER DET ne ER en are Be Selkpten, Sep Big.ı 114,5) =, HallopsenosMass.: (Kig. 101,0. N 2. an. u Ronnenommlen.. (Kig:, LI, 2ubisea) . 050% 00 rare nr ee ie eBaEu2 110,4). re ee N ee ebene Nat. (Big. 1IASDEI a ENT. near BSap. (Die. LIONS a Be rotensis; Sap: (Big-.ol, ale Man a 2 el RT: 8002, Sap.. u. Mar. (E19%33,,3) 0. u. 0 wa — lusitanica, Webb. (Fig. 111,4 bis5) ..... 2. 2... elle SEIEN een E ee moenlenta, Sapa(frlld, SE nl ende. — Omediterranea, Ung. (Fig. 81, 5 bis 95, 115,4) . „2 2... 279, BR Morbeekii amtiqua, Sap. (Fig. 110, I)... . 2.22.20 Bi oldadonte, Sap.. (Big. 58, 4 bis), Kusnl.neınn! was an. Be nolmeocernisSapı (Bio. 93, Libism2)e. Ar an en Br wpalaeophellos, sap, (Big. 114, A). 2 2. un zu male wula Be choreeserrata, Sap. u. Mar..(bie. 35, In 2 rum. Br ipraecursor, Sap., (Big. 106,°5bis 6, Ns, 5) ea ns 325, v manordialas. 1lgx., (Bro.al, 3) u re en. ne royeelifolia, Sap. (Wie. Bl, L) IE Sr na a 279, >=, 2 NEED Da Re a NE A Er SANT ee robnmordes, Gaud: (Eis. 110,9)... 0 2. 2 LE RR. Me robur pliocenica, Sap. (Big. 1082)... 2 mn. Damen. BR 7 Salzeona, Saps (Big: 55, 4; HB). a. na... nr 230, EHI Pe ee ER ee er ae Er IBAN. PER PERL SE LEEREN Bi suherenata, Sap. (Bi2.,93, Sibisäd), 2 4. wahl sh ee Rn igeniarg. Sapıa (Big. 114,2) 8 MEae Ma er — Ewelaung, Mar. (Big:-58,0)0 1. a. me a u er EIEIERDANIONE.S ;2 .. 2 en a ae ee ae ee ee 260, 356, — vpolystachium, Sap. (Fig. 70 und Fig. 71) .... 2.2... 260, Eee. 0 cr Sic er ee Sa r Er EREr Babalı hoeringiana, Unger e 243, — major, Ües. (FierslundeRae: 75) % 2. 243, 252, 272, 282, Sagenaria Weltheimiana, Pr. (Fig. 10, 1 bis 2) ..... 2.2.22 .. Bagenppteris. . » u. Nie ee 35 re EEE N EN: fol, Present et ET IRRESBIREII 2. © Se La 0, 246, — adiamtoides, Ung. Fig. 100,1 bis 2) . :.... x» .... 295, Paanlata, Er. (iemsasa) wenn Bee ns, ii. ea TTRRNZE Wonieagnensis Sap. (Figas mr N. EUTIN 237, 261 357 Ye 396 ALPHABETISCHES REGISTER. Seite Bapımdus faleifolus, Hr. .. .. =... u 0. 0000. 0% 2. ee 303, 313, 315 Sassafras Ferretianum, Mass. (Fig. 100, 3 und Fig. 108, 4). . . . 316, 331 a primigenium, Sap.. (Fig. 41) :. ..». u. ea). en 216 DENZEOIEPIS : .. u se mut eher WiLatlen Er oh Be Mare See N BEIErODIErIS. ana on a een ee EEE eher N. , Pomelii, Sap. (Fig. 29,1)... .. - ».... 202 une, ar oe 190 BCHHOUN. © = a mens e:. 0. 188, 242, 253, 974, 281, 288, 290, 297, 357 — cambigua, Hr. (Fig. 26, 2, Fig. 59, 4) la ale RL ee 193, 245 —.. Goultsiae, Or: \... 4 0. 0 0b ‚On RER ME N . . 243, 273 —. “‚Langsdorfa, Br. u. le a TE 273, 313, 315 — "Sternbergü, Hr..(Fig. 59, 1 bis:3)..7 .. .. ...0% 22. Sri ee 245, 315 I — . Smittiana, Hr. (Fig. 59, 8 bis 10)... 2.7.2. 12 an Sore 245 vr Tournalü, Sap. (Fig: 59, 5:b1s07)2. 2. er 245, 253 Binllariac(Big, 135, 1), : u. AA HE RER REISEN vr Le — pachyderma, Bragt. (Fig. 13,2) . .. 2... a — . Hausmanniana, Goepp. (Fig. 9.) |... u sa tl) N Siphonttes Heberti, Sap.. 2 0 Bar. ah) er ae Br Blue N ee ae er Sphaerococeites Scharyanus, Goepp. (Fig. 3,2) »..».... 0 ee Sphenophyllum Hartlebeni, Dkr. (Fig. 25, 1)... 2.2.0.0. . 193 — primaevum, Lgx. (Fig. 4, 2 bis 4)... . 2.2... 2107 — \ Schlotheimi, Brogt. (Fig. 12,1). \. = a. 1.@UE Suisse 176 Sphenopteris. - 2.» » nn sum wu nenn ne 169 — marginata, Dn. (Fig. 8, 7)... 20 200% Died Fe . 169 — pachyrachis, Goepp. (Fig. 10,3) . 2... “re wein eelal: 170 Sphenobamiles » =» =» ==» 2. nn tel ahalerie ade nd. u a 189 — ‚latsfolius, Brngt. (Fig. 21, 3)... -. .. 2000 0 a0, Salbe 191 Spirophyton (Fig. 2, 1). . +... an. 02 u A 165 Stachypteris lithophylla, Pom. (Fig. 20,2) - »: 2.2.0.0 nu 190 vStenorhachis Ponceleti (Nath.), Sap. (Fig. 22,2)... 2... ee: il Btigmaria (Fig. 13,6) . ne a2 a ana ee Tee 177 — ‚fieoides, Brugt. (Fig: 13, 7) ... »% 70 200 Me re 177 T: “Toeniopteris superba, Sap. (Fig.16, 2 bis 3)...» ...7. sr 186 TaDnaEUS =. 20 ala ae a en Be oe 164 TERROR ei. eat, Zehen ae ee 273, 281, 297, 357 — . dästichum miocenieum, Hr... - » » » » 2. 2 al oe ae 273 —ı dubium, GoepPp. - 22.22. 8 0 2.0. Se 315 Thouwmatopteris: . 2%: 2:2 2 2 0 “ll a 0je baikte a 1» Nee, 188 Thinnfeldia rotundata, Nath. (Fig. 18,2) ».. 2.2.2.0 .0n. ee. 188 U: ee ee 297 v Tilia expansa, Sap. u. Mar. (Fig. 103, 4, 5 und Fig. 107, 2) . . . 322, 330 — Mastaiana, Mass. (Fig. 101, 4bis5) ... 2:2 2200.00. 317 — vindobonensis, Ung. (Fig. 94, 5)... = % „wie rei, oe see 300 Toreya 2.2 A Pe 246, 297 Torreya Dicksoniana, Hr. (Fig. 26, 5). - - . . = 2 elle „12 sus 194 y — nueifera, var. brevifolia, Sap. u. Mar. (Fig, 104, 3) . . . . 321, 323 ALPHABETISCHES REGISTER. 397 Seite U. Ulmannia frumentaria, Goepp. (Fig. 15, 3 bis 4) .... 2 22.0. 185 Eimus Beoanı» Hr. (Fig. 94, Ibis 2). Wan... ende 300, 328 ee ler. 2.07, 0 RR 9. Fan een Marke 329 = ENT ea: 5.2 20ER EA 333 — »palaeomontana, Sap. (Fig. 109, 8 bis 9). ».... 2.2.0. 333 rimoeva, Sap. (Eigsi6nrb Biss6) nn... 2 2.000. en 257 v. L Viburnum GESEIIEIEENAp: us Mara (Hip: 109,7) 3 aan e tert a 319 ERST ner Na A RL ER ee 290 Emeraen aa ange ee free lee iS; v — »alaeomorphum, Sap. u. Mar. (Fig. 102,6) ......2..... 319 SE HDENUSH SAP. = a nee N 322 bF — rugosum (Pers.), pliocenieum (Fig. 105,6)... : » 222020. 324 EB HHEEEILON Ola se. an, ee ee a ee an 335 ee oleım; Sap: us Mar. (Bip.’36).2.002 0. 20. en. 213 BerurBeomnerera; Bapallie, 96, 1) 2 20.2.0. ne 301 BP annensis- Bap: (ie. AB)? 2 Sı. nn nn ale te 217 near, Sp tio. 108 51.8... rennen 331 — VETEETER NS ee Bea ER 335 Voltzia heterophyjlla, Schimp. (Fie. 17, 1hbis 4) . -........». 187 W. ER a a RE a a 184 nafor mas, Sternb. (kig: 15, 1 ba 2)... „N 2m... 185 ae a 5. 243, 273, 288, 356 Fe Zhraehyjphylia,.Sap. (Big. 51,5 bisi6) .... ve: ........ 232 Bimebrarden Roesneriana, Hr. 2.0... we na ae 295, 326 aan (ie 104.5 66) re. 295, 323 2. Zamiostrobus incrassatus, L. u. H. (Fig. 22,4) .....: rn. El TIER a ee oe N ee A ET 189 en RTL NE ee N 189 —rIISHeRmaRUSsSEBEnEeA. (BOB, 1) 0 ne se en 191 ET Ay 3 a ee A u ER 224, 234 —raramuis, OOWEBAEIEI00r 17) 5... ee 316 V — pseudo-Ungeri, Sap. (Fig. 48, 3 bis 5)... . 2... 000. 226 I Ungeri, Ett. Wie. 49, 7 bis 8; 64,9)... .- 2... 226, 255 LEE ne. 0 ee A Er ar. 248 —ealereoenes, E. OLE. ee lee le 248 INEENSEE A n4E > © ce Fuer EEE Eco 1 n 248 yZygophyllum Bromnit, Sap.. »» . rec ee nn ne 328 7 MAER. Fi ii nr Rn 3 1 ar Pr N.d a ram PPEB WERBEN di er NP Bar im Ai. ae P aans arinmprrı a p ü PLrE i NT rt Kar yaın ie i et a et en at 17 Jana ITER RAin «' w h r anaaıll .abanahhas * 9au4”“ man ur Aa “ing, ._ NL , | aayl = TITLE ILL PRELEITLI 8 An, [| oanlın I Fan Ak a a Syn PELTE iKIRAAX, LrrirLiitihit MITA IRjatk Ba aan. eat, A N aan gg 7 . HIT IIKGTEN > Mn» 714 Bi * A 34. 2 Pa a, rt _}) AT FH (A AN NANIARARn. 2» Biis, . Il “. hartee " Au " n Pe AN - AL ö I a pl r . Ada Han £ | WARE. la u ARSAZL Reel In ana 2.09) Armen ar z elek N m (usb au Tun Ar BLUT? „Irma LKaN, 40.202 Ah a a y Nds POLLEN N | I nrriiih Rnaa MAR, ni Nut, RU TUUN Mn Tr Hi ananan Fan neh, IT her N Seashahhn ma { malt a Ir ar MI Tr Sun a „anal AM. aaf day 2 , Fr S AV AyAR- Pa ats Da has RT URTELEIL N LEEREN AUann nn RENNER. neh. RERTEREEE Y % Ra 5 \ Au"N. a y ; KERLE . 12 er L Kahgnı“ „Arr an 7 PUFEUPFE ee HIT. irrt - us ARLRÄI HU. EAU CE BETTEN ‚oannahluh Mm BON LEL upbis VAN IE: llilii) IE | up | TWIlliih. h ‘ 11 aARAL Ps Are Io ses Ih n ı NR ARApı: a.A ”, IE War, BA,JUN Aur Rn an u Lal ® Ia Nm unter? RAR aaa) aan, MANAGER ale An TYı M ‚aA, nn A 3 ya ZW CI a) 1A IL = rn nn D F # 1. Po) / Ss ' aaall] an Midi EA 8 } AT) 1111| U } Dh N mmm v aan" BIT WRRNIG Li a. Zr AAN mn ber =. 4 ea ORG « ‚8a Y ı“ m | N . BERBBEEEEE AAN oPÄan un Nu mac : ara nhane anf z s Na e an, m n Mn Ina: ma “mw +I-JI-L) m Tor Sr a a | F - na n TER 44 IR y n 2 8; ER a SH ann, | Bu [N 2. Bas x ; Nr, aA 2 | I } AN Par shi Manny AR; Mac m iin? ER a: | T N N ' aan m, +. 63 - N q ar Pr} a oma a 1097110212577 Sala un Senn ttn.dn. | PhaaaRn Mn ton NFR NR RE U LNTeTn am BLL. PN \ „IR Tr UL LEE ARER NY? RR, N nA pe So wi RC ul . bi; HRÄTr Er HL jan r anNS> DRS Yan Me il Bj h Ang Apn-e Alr r ne , b N NL TI RR LESER ALL SZRIBÄ AL ELLE ARE Ele. TI TWOHPTREREBA ji hualhan ton... 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