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Phil

des Nikolaus

Inaug^ural-Dissertation

zur

Erlangung der Doktorwürde der hohen philosophischen Fakultät

der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn

vorgelegt am 8. März 1905

von

Joseph Lappe

aus Geseke.

1905.

Buchdruckerei von Se.litsJtoppen, Bonn a. Rhein

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Gedruckt mit Genehmigung- der hohen philosophischen Fakultät zu Bonn. Berichterstatter: Herr Professor Dr. Bäumker.

Dem Andenken meines Vaters.

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Leben und Schriften des Nikolaus von Autrecourt.

Erstes Kapitel.

Thomas von Aquin und seine grossen Zeitgenossen hat- ten kaum das Auge geschlossen, da erhob der Nomina- Hsmus, der, so lange sie noch wirkten, verstummt war und vernichtet zu sein schien, wieder sein Haupt und ge- wann in kurzer Zeit eine grössere Verbreitung als selbst zu Roscellins Zeiten. Angebcihnt durch die einseitige Her- vorhebung des Individuellen als des wahrhaft Wirklichen und der starken Betonung des Willens in Gott, als des Primären vonseiten des Minoriten Duns Skotus, fand der Nominalismus in Wilhelm Occam einen scharfsinnigen Verteidiger, durch dessen unermüdliche Tätigkeit in Wort und Schrift er vor allem an der Pariser Universität über den Realismus triumphierte. Obwohl die Artistenfakultät zu Paris in einem Statute vom 25. September des Jahres 1339I) das Studium der Schriften Occams verbot und am 29. Dezember 1340^) mehrere Irrtümer der Occamisten verwarf und selbst der Papst Clemens VI. in einem Schrei- ben vom 20. Mai des Jahres 13462) an die Pariser Uni- versität vor den Lehren der Neuerer Warnte, so vermochte doch dies alles der weitern Ausbreitung des Nomina - lismus nicht Einhalt zu tun, vielmehr waren alle War- nungen und Verbote wirkungslos, und der Nominalismus zog immer grössere Kreise. In diese Zeit des hochge- henden Kampfes zwischen Nominalismus und Realismus fäUt das Leben des Nicolaus von Autrecourt. Geboren

^) Chartularium Universitatis Parisiensis von Denifle-Chitelain. T. II, 1. Paris. 1891. p. 458. *) Chart. IL 1. p. 505. 3) Chart. II. 1. p. 587-

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in dem kleinen Dorfe Autrecourt^) in der Diözese Verdun an der Meuse um 1300 Jahr und Tag seiner Geburt sind unbekannt , machte er seine philosophischen Und theologischen Studien zu Pars. Denn nach dem ,,Cata- l<>gus Provisorum, Sociorum et Hosp tum^j Sorbonae" leb- te er in der Sorbonne zwischen 1320 und 1327, während welcher Zeit ein gewisser Hanibaldus Xorstohcr der Sor- bonne ,war. Da er hier in dem Mittelpunkte der tiot- minalistischen Strömung lebte und Gelegenheit hatte, den „Venerabilis inceptor'" selbst zu hören, so konnte er von dem Kampfe zwischen Tomisten und Occamisten nicht unberührt bleiben und musste selbst irgendwie dazu Stel- lung nehmen. Nach einander wurde er ., Magister in ar- tibus, baccalarius et licentiatus in theologia et in legi- bus"6) und hielt, wie es üblich war, zunächst Vorlesungen über die Sentenzen, später auch über andere Gebiete, wie z. B. über die Politik des Aristoteles.'^) Nach der im Mittelalter therrschenden Sitte. Klerikern während ihrer Studienzeit eine . Präbende zu verleihen oder, wenn sie schon angestellt waren, ihnen den Genuss ihrer Präben- de zu belassen unter Entbindung von der Pflicht, an dem Orte ihrer Kathedrale zu leben, um ihnen dadurch das Studium an den Hochschulen zu ermöglichen, wurde auch ihm ani 4. März 1338 eine Präbende verliehen an dem Dome zu Metz. 8) Durch die Vertretung des nomina - listischen Standpunktes lenkte er bald die Aufmerksam- keit und den Verdacht der kirchlichen Behörde auf sich. In seiner Antrittsvorlesung^) über die Sentenzen und der

*) DaliT Nicolaus" de Autricuria, Aurituria, Altricaria, Ultricuna, Utricuria uno Autricort.

5) Franklin : La Sorboune. Paris. 1875. p. 224.

6) Chart. II. 1. p. 505. not. 1. '^) Chart. II. 1. p. 583.

8) Chart. II. 1 p. 505. No. 1041. not. 1.

^) Chart. II. 1. 576. In primo principio, quando legi Sententias.

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hierbei üblichen Collatioi^} hatte er seinen die ganze bis- herige Denkweise geradezu xunstürzenden Anschauungen Ausdruck gegeben. In Disputationen mit dem Minoriten Bemard von Arezzo'^) und seiinen Vorlestmgen gegen^^) ihn setzte er die Bekämpfung des AristoteHsmus fort, bis durch mehrere Briefe, die Nicolaus gegen den ge- nannten Franziskaner und dessen Anhänger ^^^ richtete, und noch andere Schriften^^) der Schulstreit in eine Sa- che der Oeffentlichkeit verwandelt wurde und dadurch der Kirche die Notwendigkeit auferlegt wurde, zu dieser Angelegenheit Stellung zu nehmen. Am 21. November des Jahres 1340 sendet der zu Avigiion residierende Papst Benedikt XII. an den Erzbischof Wilhelm von Paris ein Schreiben, in dem er ihm mitteilt, dass ihm mehrere ge- gen die katholische Glaubenslehre gerichtete Sätze des Nicolaus von Autrecourt und anderer hinterbracht seien. Zugleich wird der Erzbischof aufgefordert, die Genannten innerhalb eines Monats in AvigTion erscheinen zu lassen.'-^) Ob die Veranlassung zu dieser Anzeige bei der römischen Kurie allein der Eifer für die Glaubensreinheit gewesen sei oder ob nicht, hierin wie in der Verurteilung der Neid eine Rolle gespielt habe, darüber lässt sich nichts aus-

^'^) Chart. II. 1. p. 578 . . . causa collationis . . - Ueber die Bedeutung des Wortes ,,collatio" vergl. Chart. IT. 1. p. 694. not. 6., woduich die von d'Argentr^: Coli. jad. I. p. 354. links unten ge- gebene Erklärung fällt.

^^) Chart. II. 1. p. 579. quando magister Bernardus et ego debuissemus disputare.

^^) Chart. II. 1. p. 579. quando legeram in scholis contra ma" gistrum Bernardum de Aretia, ordinis Fratrum Minoram.

^') Chart. II. 1. p. 576. epistole . . ., quas scripsi contra Bernardum.

^*) Chart. IL 1. p. 583. Multa etiam alia dicitur scripslsse.

^^) Chart. IL 1. p. 505. No. 1041 contra quos (sc.

Nicholaum et alios) apostolatui nostro aliqua catholicam fideni tan-

gentia sunt relata, fraternitati tue .... mandamus, quatenus

eosdem magistros .... citare procures, ut infra unius mensis spatium post citationem huiusmodi personaliter compareant corana nobis.

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machen. Jedoch berichtet uns Peier von Ailly, dass man- che Sätze des Nicolaus verurteilt seien „causa invidiae", die man später öffentlich in den Schulen gelehrt habe.'*) Bald darauf starb Benedikt XII., so dass sich das Ver- fahren gegen Nicolaus hinzog und erst wieder aufgenom- men wurde, als Clemens \'I. am 19. Mai 1342 zum Pap ste gekrönt war. Dieser übertrug die Leitung der An- gelegenheit dem Cardinal Curti, der zu seiru:r Unterstüt- zung mehrere Prälaten und Professoren der Theologie berief.^^j Der Papst Clemens^^) und Nicolaus^^) waren anwesend. Zunächst wurde über die Artikel verhandelt, die in den Antworten und Erklärungen des Nicolaus auf die ihm zur Last gelegten Sätze enthalten waren,20j fer- ner über die aus seiner Schrift : Exigit ordo executionis etc. gezogenen Sätze,2i] sodann über die von Paris ge-, sandten^-) und schliesslich über die aus seinen übrigen Schriften gezogenen Artikel. ^^j Da nun das Processver- fahren gegen Nicolaus noch vor der Legationsreise des Cardinais WÜhelm Curti nach der Lombardei stattfand,-*) dieser aber von dem Papste Clemens I\'. am 19. Juli des Jahres 1342 als Legat nach t.^er Lombardei geschickt wur-

16) Prantl: Gesch. d. Logik. 4. Bd. Leipzig. 1870 p. 112. An- merkung 4?!*. quod multa fuerunt condemnat.i contr.i eu'u (sc. Ni- colaum) causa invidiae, qaae tarnen postea in scholis publice sunt confessa.

*'^) Chart. II. 1. g. 580. vocatis .... multis prelatis et doctoribiis ac sacre theologie professoribus et inagistris.

^^) Chart. II. 1. p. 580. coiam ipso Domino nostro demente {lapa \'I.

^®y Cliart. IL 1. p. 580 .... articulis . . . per ipsuaj magistrum Nicholaum traditis .... cora-u . . . Domino nostro Clemente papa VI., cum eum sub oculis suis haberet.

20) Chart. II. l. p. 580.

21) Ciia t. II. 1. p.' 580— 583.

22) Chart. II. 1. p. 583-584.

23) Chart. II. 1. p. 576-579.

2^) Chart. II. 1. p. 580. . . . antequam de mandato ipsius Domini nostri ad partes Lombardie cum plene legationi^ offi'^io ivissemus.

25) Chart. II. 1. p. 587. not. 15 nach den Reg. Comm. Xo. 152. fol. 27.

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de,*^) so müssen die Verhandlungen noch vor dem 19. Juli 1342 geführt sem. Einer Bestrafung ent/og sich Ni- colaus durch die Flucht an den Hof Ludwigs von Bayern. Denn der Papst Clemens \'I. beschwert sich in einer CoUation vom 11. Juli des Jahres 1343 darüber, dass der Hof Ludwigs der Sammelpunkt aller Hacret:ker sei. So habe auch Nicolaus von Autrecourt zu ihm seine Zuflucht g enommen, der wegen häretischer Lehren ge- gen den heiligen Stuhl citieri, von der römischen Kurie geflohen und von Ludwig freundlich aufgenommen gei, unter dessen Schutze er ungestört seine Irrlehren ver- kündige.2^) Diesem Berichte bringt Denifle grosses Miss- trauen entgegen, weil sich unter den verurteilten Sätzen keiner finde, der gegen den heiligen Stuhl gerichtet ist, und das tiefe Stillschweigen über die Flucht in dem Be- richte über das Prozessverfahren allzu befremdend sei.^') Was den ersten Einwand betrifft, so ist es leicht möglich, dass der Berichterstatter über jene Collation die Irrleh- ren, die Nicolaus vom Papste ganz allgemein zur Last gelegt werden, zu Irrlehren gegen den hl. Stuhl gemacht hat, wie ja üccam und manche andere, die .zu Ludwig geflohen waren, sich deren schuldig gemacht hatten. Ein Schluss von diesen auf Nicolaus wäre wohl denkbar. Das Argumentum ex silentio könnte allerdings Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses Berichtes aufkommen lassen. Aber dami wäre es unerklärlich, wie sich der Process von 1342 -1346 hinziehen konnte, noch weniger wüsste man mit dem Berichte selbst etwas anzufangen. Etwa mit Denifle anzunehmen (a. a. O.), statt des Nicolaus sei Wil- helm Occam gemeint ,geht nicht an, so dass wir ge-

*^) Höfler: Aus Avignon, in den Abhandlungen der königl. böhna. Ge^ellsch. d. Wissensch. vom Jalire 1868, 6. Folge, 2. Band, p. 20. nach dem Cod. Eichst. No 269, p. 494, Erat quidam licentiatus in theologia et vocatur Nicolaus de Utricuria vel Aurituria, qui posuit mukös errores et multas heres es contra istam sanctam sedem, fugit de Ron ana curia et statim ab ipso receptus fuit et predicat ibi multos et magnos errores cum quibasdam religiosis.

2') Chart. II. 1. p. 720.

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zwimgen sind, die Flucht /u. Ludwig \on Bayern als his- storisch verbiirgt anzunehmen. Wann ujid aus welchen Gründen er sich wieder in Avignon gestellt hat, ist uns unbekannt. Das Urteil wurde in der ersten Hälfte des Jahres 1346 gefällt. Derui die Urteilsverkünd gung giebt das Jahr 1346 von der Geburt Christi an und das 4. Jahre des Pontificates des Papstes Clemens VI. an.^^) Da nun aber Clemens am 19. Mai 1342 zum Papste, gekrönt war, so muss das Urteil vor dem 19. Mai 1346 gefällt sein, wahrscheinlich kurz vorher, jedenfalls im Mai. Nach dem einstinunigen Beschlüsse des Collegiums (omnium una- nimi consilio) wurde Nicolaus verurteilt, alle seine Schrif- ten zu Paris öffentlich zu verbrennen und dabei die ver- urteilten Sätze zu wiederrufen. Zugleich musste er er- klären, die Bücher seien wegen der darin enthaltenen censurierten Stellen verbrannt worden,^Oj yj^(\ feierlich schwören, seine verworfenen Ansichten nicht mehr aufrecht zu halten.3^)Ueber jeden, sowohl über Nicohius als auch über anjdere,die sich diesem Urte le widcrsetzen,vvird die Exkom- munication verhängt. Mit diesem Urteile wurde Nicolaus nach Paris geschickt, und hier verbrannte er den Befehlen gemäss am 25. Nov. des Jahres 1347 vor versammete-m Vol- ke seine Schriften, indem er zugleich die verworfenen

*^) Chart. II. 1 p. 586. -. pronuru-iata fuit . . . nostra senteniia . . . Aviuione .... subaimo a Nativitata Doimne iDille>imo trecentesimo quadragesimn serto . . . pontificatus dicti Domiui Clementis papc VI.

29) Chart. II. 1. p. 584 585.

30) Ciiart. II. 1. p. 585. 8l) Chart. II. 1. p. 086.

32) Im Jahre 13 47, nicht aber 1348 verbrannte Nic.olaus in Paris seine Schriften. cfr: Archiv ftir Liiteratur* und Kirchengeschichte des M. A. V. Bd., p, 324. nach den Reg. procurat. nat. Anglic: ad aunum 1347.

,,In die S. Edmund! .... lüit facta congregatio Universitatis, seil, regentium et non regentinnri, »pud Sanctnm Matürintm ad audi- endum literas papales et processus super quibusdam articuHs, quos mag. Nicholaus de Utricuria, bachalarius iu tlieulogia, die S. Katha- rine proximo sequente in sermone apud Predicatores publice revo- cavit, ahquos tamquam falsos, et aliquos tamquam falsos, erroneos et

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Sätze feierlich widerrief ,^2 > nachdem einige Tage vorher, am 20. November, die Universität von dem Processe gegen Nicolaus Kenntnis genommen hatte. Aus dem Lehrkör- per der Cniversität schied Nicolaus dem Urteile gemäss ebenfalls aus, wie daraus hervorgeht, dass er am 6. Au- gust 1350 Domdekan von Metz wurde.^^) Ueber sein wei- teres Leben ist uns nichts bekannt.

Zweites Kapitel.

Die Schriften des Nikolaus.

Genannt werden : i . ) 9 Briefe an den Minoriten Bernard von Arezzo, von denen der erste, zweite, \"ierte, fünfte, sechste, fsiebente und neunte ausdrücküch erwähnt wer- den, i)

2.) Ein Brief an einen gewissen Egidius, der auf die beiden ersten Briefe an Bemard geantwortet hatte,^)

3.) Eine Schrift, deren Anfang lautet : E.xigit ordo ex- ecutionis,^)

4.) Eine Quaestiode qua respx)ndit magister X. de L'l-

hereticos. Et ibidem in sermone ipsos articulos una cum uno tractatu suo secundum m&ndatum apostoiicum idem magister Xicho- laus comburcbat.'"

Damit fällt die Angabe, die sich anf mehreren Handschrift des 14. uiid 15. sacc. findet, dass die genannten Artikel im Jahre 13-48 rerurteilt und von Nicolaus nridei rufen seien. Dieser Angabe foli^end haben alle die Verurteilung und den Widerruf ins Jahr 1348 verlegt, so z. B. Jourdain Index chronol. p. 144, obwohl er die Stelle aus den Reg. proc. nat. Angl. kurz vorher anfährt!,

Dn Boxüay: Hist Univ. Par. Tom. IV., p. 308, d'Argentre: ColL lud. Tom. I. p. 355,

Fabricius: Bibl. med. et inf. lat. Tom. V. Lib. XIII. p. l36, und nach ihnen manche neuern, wie Pramtl. Gesch. d. Logik. 4. Bd. p. 2 und 3 und Kurd LalTwitz u. a. m. 33) Chart, n. 1. p. 505. Xo. 1041. not. 1. 1) Chart. IL 1. p. 579. scripsi in novem epistolis. t) Chart. II. 1. p. 587. not. 4.

g) Chart. II. 1. p. 5S3. Omnes predicii articuli extracti fuerunt de libello qui incipit: Exigit etc.

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tricuria: Utrum visio ercature rationalis beatificabilis j>er Verbum possit intendi naiuraliter.*)

5.) Noch manche andere Schriften, die sich im Besiize eines Benediktiners Wicierus befinden sollen.^)

Infolge der Verurteilung sind die meisten Werke ver- loren gegangen. Erhalten sind nur :

I.) der erste Brief des Nicolaus an Bernard von Arez- zo in: Bibl. nat. Par. ms. lat. 16 408. fol. 22^ und K . 409 fol. 42^' veröffentlic ht von dArgentre: Coli. jud. I. p. 358. dessen Text einige Ungenauigkeiten aufweist,

2.) der zweite Brief an Bernard in ms. lat. 16408. fol. 21r und 16409. fol. 39r.

3.) der Brief an Egidius auf dessen Brief an Nicolaus in ms. lat. 16408 fol. 113r und 16409 fol. 49r

4.) die Quaestio, de qua respondit etc. in Bibl. nat. Par. ms. lat. 6559. fol. 191.

Für die Beurteilung der Lehre des Nicolaus von Au- trecourt sind von der grössten Bedeutung die aus sei- nen Werken gezogenen Artikel, die nach der Neuaus- gabe von Daufle 65, nicht 61 machen,^) imd der Brief des Egidius an Nicolaus auf dessen beide ersten Briefe an Bernard von Arezzo in Bibl. nat. Par. ms. lat. 16408 fol. lllr und 16409 fol. 44r Benutzt wurden zur vor-

4) Chart. II. 1. p. Ö87. not. 4.

5) Chart. II. 1. p. 583. mnlta alia opera sua (sc. Nicolai) di- cunter habere quidam Monachus M. [....] Ordinis sancti Benedict!, qui vocatur Wicierus.

e) V^eröffenthcht waren diese Artikel bisher in Bibl. raax. pat., XXVI, p. 483, Bulaeus: IV, p. 308, d'Argentre: I p. 358. Denifle benutzte zum er'^ten Male das Orifjinal in der V^atikanischen Bib- liothek, wodar h er in den Stand gesetzt war, alle auf das Process- verfahren beztig.ichen Xachrii^hten und die Artikel vollständig heraus- zugrben. Daher beträgt die Zahl der verurteilten Sätze bei ihm 65, nicht 61, wie hui den frtihert-n Herausgebern. Hurter: Nomtncl. litt. Tom. IV. p. 447. Anm. 4 giebt ebenfalls nur 61 Artikel an.

7) Dieser Brief ist veröffentlicht von Haureaii in den Noiices et extraits des Manuscri'.s de la Hihiioihcnue nationale XXXIV. 2 p. 332. Bei der Verglt-ictiung dieser Ausgabe mit dem Manuskripet fanden sich mehr als (> 0 zum 1 ed -innverwirrende Fehler. Zugleich

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liegenden Arbeit :die von Denifle vollständig veröffentlich- ten Sätze, wie sie von dem R chterco'.l. g um verurteilt wor- den sind, und die beiden Handschriften 16408 und 16409, die von der Pariser Nationalbibliothek zur Verfügung ge- stellt waren, so dass dadurch der zweite Brief an Ber- nard und die Antwort auf den Brief des Egidius sowie die Mitteilung des Johannes von M recuria über die An- sicht des Nicolaus über das Causalitätsprincip (16409. fol. 132.) zum ersten Male zur Darstellung benutzt wer- den konnten. Die Quaestio de qua etc. zur Darstellung zu benutzen, schien wegen ihres theologischen Charakters unnötig zu sein.

Die Lehre des Nikolaus von Autrecourt.

Erstes Kapitel.

Die Principien seiner Lehre. In dem Streite zwischen Realismus und Nominalismus stellt dich Nicolaus auf die Seite des letztern und ist

dürfte es an dieser Stelle angebracht sein, noch einige andere Un- genauigkeiten, die sich bei Haureau (a. a. O.) finden, zu berichtigen. Zunächst giebt er die Reihenfolge der beiden ersten Briefe an Ber- nard umgekehrt an, verleitet durch die Reihenfolge in den Manus- kripten, während doch schon d'Argentre, auf den Haureau selbst hin- weist, auf diesen Fehler aufmerksam gemacht und die Reihenfolge richtig angegeben hatte. Unbegreiflich aber ist folgende Flüchtigkeit : In seinem kurzen Referate über den zweiten Brief an Beruard (a. a. O. p. 332.) lässt er Nicolaus behaupten, dass alle gewisse Erkenntnis aus dem einen Satze fliesse : Gott ist (que toute notion certaine derive de cette unique proposition: Dieu est.) Man traut seinen Augen kaum, da sich in dem ganzen Briefe der Name Gottes nur einmal und zwar ganz am Schlüsse findet. Diese falsche Angabe lässt sich nur daraus erklnren. dass er das pnmum principium logi- cum mit dem pr. princ. ontologicum verwechselt hat. Bei einiger Aufmerksamkeit hätten ihn die weiteren Ausführungen in seiner An- sicht wankend machen müssen. Und wenn Haureau (a. a. O. p. 340.) Nicolaus behaupten lässt, .Aristoteles habe- den zweiten Sub- stanzen eine geringere Gewissheit zugesprochen als den ersten, so ist das Gegenteil der Fall.

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daher darauf bedacht, den Realismus in seinen Grundlag jn zu erschüttern, d.h. die Lehre von den abstrakten Sub- stanzen als irrig und grundlos zu erweisen. ^j Zu diesem Zwecke unterwirft er die herkömmlichen Anschauungen einer strengen Prüfung u.id kommt bei der Analyse und Zuibckführung des Wisscjis auf zweifellos gewisse Särze zu einem letzten, an sich evidenten Denkgesetzes, nämlich dem Princip des Widerspruchs, dass, wie er es in den Disputationen mit Bernard von Arezzo formuliert, etwas unmöglich in demselben Dinge sein und nicht sein kön- nen,^j oder, nach der Formulierung im zweiten Briefe an den genannten Miiioriton, zwei contradiktorische Ge- gensätze nicht zu gleicher Zeit wahr sein können.^) Dies ißt das oberste Denkgesetz sowohl in negativer Hinsicht, dass keins früher ist als dieses, als auch nach der po- sitiven Seite hin insofern, als es früher ist als jedes an- dere.*) Denn all unsere Gewissheit lässt sich auf jenes Denkgesetz zurückführen, es selbst aber lässt sich auf kein anderes zurückführen. Es ist also das erste Denkge- setz in jener doppelten Beziehung.^) Gäbe es nämhch irgend einen Satz, der diesem Princip nicht unterworfen wäre, der sich also nicht darauf ziu-ückführen liesse, 's© wäre es möglich, dass ich etwas für wahr hielte, während

1) Ms. 16409. fol. 39r .... subtilitatis vestre profunditas ad- miranda menti mee redderetur, si scirem, vos habere e^^dentem notitiam de substantiis abstractis.

2) Chart. II. 1. p. 579. Aha cedula in der Mitte : quando m»- gister Bernardus ... et e^o debuissemus dispatare, concordavimus ad invicem disputando conferre de primo .... principio. . . . .quod est: ,,Impossibile est aliquid eidem rei inesse et non inesse."

3) Ms. 16409. fol. 39v. Et primum, quod occurrit in origine dicen- dorum, est istud primum ,,Contradictoria non possunt simul esse vera."

4) Ms. 16409. fol. 39v. Istud est primum principium negative exponendo, quo nichil est prius, .... istud est primum affirmativ« vel positive, quod est quocumque alio prius.

5) Ms. 16409. fol. 39v. Omnis certitodo a nobis habita resolvitur in istud principium, et ipsum non resolvitur in aliquod aliud , . .; igiiur sequitur, quod ipsum est primum duplici primitate.

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das Gegenteil der Fall ist. Denn es wäre ja dann gar nicht einzusehen, warum nicht zu gleicher Zeit das Ge- genteil einer Behauptung wahr sein sollte. Dann aber gäbe es überhaupt keine Gewissheit, und das Ende wä- re der absolute Skepticismus.^) Es muss also jeder Satz diesem Denkgesetze unterworfen sein, es selbst aber lässt sich auf kein anderes zurückführen, weil es eben keinen Satz giebt, der nicht auf jenes Princip zurückgeführt wer- den müsste."^) Das Resultat dieser Erörterungen ist so- mit, dass das Princip des Widerspruchs das erste Denk- gesetz ist in der angegebenen doppelten Beziehung. Da nun all unsere Gewissheit auf dieses Denkgesetz zurück- geführt wird, also in ihm gründet, so giebt es auch nur eine Gewissheit kraft dieses Princips, d.h. eine Ge- wissheit schlechthin, dass nämlich das Gegenteil denk- unmöglich ist. Wenn daher etwas bewiesen ist, so ist es schlechthin bewiesen, und es ist durchaus unmöglich, dass etwa das Gegenteil des Bewiesenen mit dem, woraus es abgeleitet ist, bestehen könnte.^) Mithin giebt es keine Grade der Gewissheit, weil ja all unsere Gewissheit eine Gewissheit schlechthin ist. Wenn z. B. eine evidente Ge- wissheit über zwei Sätze vorhanden ist, so ist der eine Satz nicht gewisser als der andere. Denn die beiden Sätze werden entweder gleich uiunittelbar auf das Princip des Widerspruchs zurückgeführt, so dass nicht einzusehen ist, weshalb der eine vor dem andern eiaen Vorzug verdienen

e) Ms. 16409. fol. 39v. Possibile est sine aliqua contradictione, que exinde seqaatur, quod apparebit tibi sie esse et tarnen nun sie erit ; igitur non est certus evidenter, quod sie sit.

7) Ms. 16409 fol. 39v. Omnia resolvuntur in ipsum, ut dictum est, et sequitur: Istud est prius omni alio, quod non est ipsum; ergo nichil est eo prius.

s) Ms. 16409. fol. 39\'. quod certitudo evidentie .... est cer- tltudo simpliciter, quia est certitudo habita virtute primi prineipii .... quod demonstratum est . . ., est demonstratum simpliciter nee per aliquam potentiam posset fieri, quod opposi.um eonsequentis staret simul cum autecedente.

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soll, oder der eine mittelbar und der andere unmittelbar. Aber auch dann ist die Evidenz der Sätze dieselbe, weil sie eben auf dasselbe erste Denkgesetz zurückgefühn wer- den. So sind auch die Lehrsätze der Geometrie gleich e%'ident. wenn auch vielleicht infolge der grossem An- zahl der Ableitungen auf den ersten Blick die Evidenz des einen nicht so unmittelbar einleuchtet wie die des andern.^ ; Somit liaben wir eine Gewissheit, nur von dem ersten Denkgesetze und allen den Sätzen, die sich darauf zurückführen lassen. Denn die Gewissheit besteht eben darin, dass nichts Falsches in ihr enthalten ist. Wäre letzteres aber der Fall, so würde daraus folgen, da^s je- mand etwas für gewiss hielte,^ dessen Gegenteil ohne Wi- derspruch wahr wäre, und damit wäre dann alle Ge- wissheit aufgehoben. 1^; Es muss sich daher alle Gewiss- heit auf das erste Denkgesetz zurückführen lassen, und damit dies möglich ist, muss irgend eine syllogistische Form unmittelbar in jenes Gesetz aufgelöst werden. Denn entweder geschieht die Zurückführung unmittelbar, und dann besteht unsere Behauptung zu recht, oder mittelbar, und dann kommen wir zu einem processus in infinitum oder aber zu einem Syllogismus, der sich vmmittelbaj-

9) Ms. 16409. fol. 40v. quod certitudo evident;'» non habet gradus, ut si sint due cooclusiones, de quarum qualibet suraus certi evidenter, non luinus magis certi de una quam de alia, nam etc. Vel igitur ille prime conrlusiones eque immediate reducuntur in idem primum principium et ita non est, ande magis simus certi de una qnam de alia, vel una mediale ft alia immediate, et hoc non obstat, quia reductione facta in primum principium eque certi sumus de una sicnt de alia.

10) Ms. 16409. fol. -40r. Xulla^ est alia certitudo nisi certitudo prini principii vel que in primum principium potest resolvi. Nam nulla est certitudo nisi illa, cui non subest falsum, quia, si esset aliqua, cuiposset subesse falsum, .... sequitur, quod aliquis erit certus de eo, cuiiis oppositum suie contradictione est verum.

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darin auflöst.^!) Nur der letzte Fall ist möglich, da ein Processus in infinitum die vollständige Vemichtvmg je- der gewissen Erkenntnis wäre. In diesem auf das Gesetz des Widerspruchs unmittelbar zurückgeführten Syllogis- mus muss das Consequcns (d.h. das, was geschlossen wird) mit dem Antecedens (d.h. das, was geschlossen schlössen wird,) ganz oder t'nlweise identisch sein. Denn ohne diesen innigen Zusammenhang zwischen Consequens und Antecedens, der in der ganzen oder teilweisen Iden- tität besteht, wäre nicht einzusehen, warum gerade die- ses Consequens aus dem Antecedens folgt, warum nicht auch das Gegenteil dieses Consequens aus dem Antece- dens folgen sollte. Dann aber gäbe es überhaupt keine Gewissheit mehr, weil in jedem Schlüsse zu befürchten wäre, dass auch das Gegenteil des Consequens wahr sein könnte, und all pnser Wissen, das auf demonstrativem, Wege gewonnen wird, wäre damit aufgehoben. ^2) Es ist also notwendig, dass das Consequens und das Antecedens ganz oder teilweise identisch seien. Hieraus folgt nun, dass überhaupt in jedem Schlüsse das (Consequens mit dem Antecedens ganz oder teilweise identisch sein muss und das Consequens jedes Schlusses, der sich, wenn auch durch noch so viele Mittelglieder, auf das erste Denk- gesetz zurückführen lässt,mit dem erstenAntecedens iden tisch sei. Nehmen wir z. B. an, dass ein Satz sich durch Schlüssse als Mittelglieder auf die Gewissheit des ersten Denkgesetzes zurückführen lässt, so ist in dem ersten

11) Ms. 16409. fol. 40r. Aliqua forma syllogistica est immediate reducta in primum principium, c^uia hac demonstrata conclusio vel est immediate reducta, et sie propositum, |vel "mediate, et sie erit Pro- cessus in inlinitum, vel oporteret devenireTad aliquam, que immediate sit in primum principium reducta.

12) Ms. 16409, fol. 4Ür. In oumi consequentia immediate leducta in primum principium consequens et ipsum totum autecedeus vel pars ipsius atitecedentis sunt idem realiter, quia si sie non esset, tunc non esset immediate evidens quin sine coiitradictione antecedens et oppo- situm coiisequentis possunt siiuul stare in veritate.

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Schlüsse das Consequens mit seinem .Ajitecedens, ebenso im z^veiten und nicht weniger im dritten Schlüsse ganz oder teilweise identisch, und so muss das Consequens des letzten Schlusses mit dem ersten Antecedens iden- tisch sein. Somit ergiebt sich denn als Resultat dieser Erörterungen, dass in aJlen auf die Gewissheit des er- sten Denkgesetzes zurückführbaren Schlüssen das letzte- re oder sonst ein mittleres Consequens mit dem ersten Antecedens identisch sein muss.^.)

Zweites Kapitel.

Das Causalitätsprincip.

Aus diesen grundlegenden Principien seiner Lehre zieht Xicolaus hinsichtlich der Hauptprobleme der Philosophie Folgerungen, die den herkömmlichen Anschauungen der Schule direkt entgegengesetzt sind. Es ist selbstverständ- lich, dass er seine Aufmerksamkeit zunächst dem Grund- dogma der aristotelisch- schalastischen Philosophie, näm- lich dem Causalitätsprincip zuwendet, und nach jenen oben aufgeführten Erörterungen kann es nicht mehr zwei- felhaft sein, dass er es verwirft. Daraus, dass das Da- sein einer Sache erkannt ist, kann nicht das Dasein ei- ner andern geschlossen werden,^) sagt Nicolaus. Denn in

13) Ms. 16409. fol. 40r. In omni consequentia evidenti reducibiH in primam principium per quotvis media consequens est idem realiter cjm autecedente vel cum parte significati per autecedens. Osten- ditur siCj quia si ita sit, quod aliqua corclusia reducatur per tria media in certiludinem primi principii, consequens erit idem realiter cum autecedente vel cum parte significati per auteceden^ .... et similiter in secanda*. ... et in tertia similiter, .... sie a primo ad ultimum sequitur, quod in istis consequentiis ordinatis ultimum consequens erit realiter idem cum primo autecedente vel cum parte significati per autecedens.

1) Ms. 104:09. fol. 40v. Ex eo, quod aliqua res est cognita esse, non potest evidenter evidentia reducta in primum principium vel in certitudinem primi principii inferri, quod alia res sit.

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diesem Schlüsse ist das Consequens mit dem Antccedeens weder ganz noch teilweise identisch- . Nun können aber, wie vorher auseinander gesetzt ist, nur die Sätze Ge- wissheit beanspruchen, die sich auf das Gesetz des Wider- spruchs zurückführen lassen, dass nämlich die Bejahtmg und Verneinung desselben Prädikates bezüghch dessel- ben Subjektes unmöglich ist. Wenn aber daraus, dass ein Ding ist, geschlossen wird, dass ein anderes sei, also deshalb, weil einem Dinge ein bestimmtes Prädikat,näm- lich das des Daseins, zukommt, dieses selbige Prädikat auch einem andern Dinge beigelegt wird, so ist es ohne Widerspruch denkbar, dass dieses Prädikat dem andern Dinge nicht zukommt. Denn das Consequens ist \xm dem Antecedens durchaus verschieden, und was daher dem Consequens beigel^t und abgesprochen wird, davon wird das Antecedens gar nicht berührt. Dies la-äre nur dann der Fall, wenn das Consequens mit dem -Antecedens ganz oder teilweise identisch wäre. Es ist also wohl mögüch. dass, wenn aus dem Dasein einer Sache das Da- sein einer andern geschlossen wird, das Gegenteil des Consequens der Fall ist, und damit kann dieser Schluss nicht die Gewissheit des ersten Denkgesetzes beanspru- chen, weil ja eben darin, dass der einen Sache das Dasein beigel^t, der andern abgesprochen wird, gar keine Be- jahung und Verneinuaag desselben Prädikates bezüghch desselben Subjektes enthalten ist. G^en diese Beweis- führung hatte der Minorit Bemard \x>n Arezzo den Ein- wand erhoben, dass zwischen dem Antecedens und dem Gegenteil des Consequens zwar keine formelle, ^x>hl aber eine virtuelle Contradiktion bestände, aus der die for-

s) Ms. 16409. fol. -kh*. In tali consequentia, in qua ex nna re inl fertur alia. consequens non esset idem realiter com antecedente ve ciun parte significati per antecedens.

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melle abgeleitet werden könnte.^) Doch dem erwidert Ni- colaus, dass, wenn aus dem Antecedes und dem Gegen- teil des Consequens eine formelle Kontradiktion gefol- gert werden soll, diese nur zwischen den Folgerungen aus jenen bestehen könnte.^) Diese Folgerungen sind nun mit jenen Sätzen identisch oder nicht. ^) Sind sie mit ihnen identisch, so ist nicht einzusehen, wie zwischen den Folgerungert eine formelle Condradiktion 'bestehen soll, während sie doch zwischen jenen beiden Sätzen, aus denen sie abgeleitet und mit denen sie identisch sind, nicht be- steht.^jSind sie aber davon \ erschieden,so wird von einem Dinge auf ein anderes,davon verschiedenes geschlossen. Es wäre dann möglich,dass das Gegenteil des Consequens und das Antecedens zugleich wahr wären, es btstä. de dann zwi- schen diesen beiden Sätzen keine formelle, sondern blos virtuelle Condradiktion, aus der erst die formelle wie- der abgeleitet werden müsste, und so käme man schlies- lich zu einem processus in infinitum."^) Es muss daher in einem evidenten Schlüsse das Consequens und das

3) Ms. 16409. fo!. -tOv. Sed respondet Bernardu«; dicens, quod, licet ibi m)n sit contradictio formalis propter causam dictam. tamei; est contratlictio virtualis; virt ialem aatem contradictionem appellat, ex qua potest evidenter inferri formalis.

4) Ms. 16409. fol. 40v. Si igitur ex istis propositionibus : ,,A est, B non est" pt)sset contraiictio formalis evidenter inferri, vel igitur hoc esset recipienlo const-quens vel consequentia unius istarum pro- positionum vel utriusque istarum propositionum.

5) Ms. 16409. fol. 71r, Xam ipsa consequentia vel essent idem realiter cum ipsis autecedentibus vel non.

e) Ms. 16409. fol. 41r. Si eadem, .... non erit contradictio for- malis inter ipsa consequentia ... sicut nee inter autecedentia.

7) Ms. 16409. fol. 41r. Si autem dicatur, quod ista consequentia

differrent a suis autecedentibus . ., sicut prius oppositum

consequentis posset stare cum quolibet significato per autecedens sine contradictione. Et si dicatur, quod est contradictio virtualis, ex qua potest inferri formalis, procedetnr ut prius et ita procederetur in iuQnitxim.

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Antecedens ganz oder teilweise identisch sein.^) Damit ist selbstv'erständlich gar nicht gesagt, dass das Gegen- teil des Consequens das contrad.ktorische Gegenteil des Antecedens ist. Denn in manchen Schlüssen ist das An- tecedens umfangreicher als das Consequens, ind^^m letz- teres nur ein Teil des Antecedens ist, und das Antecedens und das Gegenteil des Consequens können beide zugleich sein. Es wird vielmehr nur behauptet, dass in einem evidenten Schlüsse das Gegenteil des Consequens und das Antecedens oder ein Teil desselben in contradiktorischem Gegensatze stehen müssen, weil in dem Schlusssatze kein Terminus steht, der nicht auch in den Prämissen ent- halten wäre, so dass das Gegenteil des Schlusssatzes und etwas, was durch die Prämissen bezeichnet ist, in con- tradictorischem Gegensatze stehen.^*)

Die Unmöglichkeit, von dem Dasein eines Dinges auf das Dasein eines andern, davon verschiedenen Dinges zu schliessen, leuchtet auch durch folgende Beweisführung sein: In jedem Schlüsse kann die Identität der beiden äussern Begriffe mit einander nicht grösser sein als ihre Identität mit dem Mittelbegriffe, weil die Identität mit einander nur durch die Identität mit dem

g) Ms. 16409. fol. 4:lr. Oportebit dicere, quod in consequentia evidenti simpliciter consequens sit idem .... cum autecedente.

g:^) Ms. 16409. fol. 4lr non volo dicere, qaod oppositum

consequentis debeat esse contradictorium antecedenti; nam in multis consequentiis antecedens potest plas significare quam consequens . ... et ... . oppositum c«nsequenti5 et antecedens possunt simul esse falbSi, sed volo, quod in consequentia evidenti oppositum conse- quentis et autecedens vel significati eius opponuntur contradictorie, .... cum nuUus terminns recipiatur in conclusione, quin fuerit re- ceptus in premissis, et ita oppositum conclusionis et aliquod signi- ficatum per premissas opponuntur coniradictorie.

9) Ms. 16409. fol. 41r. Nunquam virtute alicuius consequeiitie potest inferri maior ydemptitas extremorum ad invicem quam sit extremorum ad medium, quia hoc non infertur nisi virtute illius. Sed oppositum huius continget, si ex eo, quod una res est ens, posset evidenter inferri, quod alia res esset ens, quia conclusionis predicatum et subiectum significant idem realiter, ista vero non sunt idem re- aliter cum medio, quod ponitur alia res.

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Mittelbegriffc erschlossen wird. Gegen diese Regel aber wird Verstössen, wenn von dem Dasein eines Dinges auf das Dasein eines andern geschlossen wird. Denn in die- senn Falle wird in dem Schlusssatze das Prädikat einem Subjekte deshalb beigelegt, weil dasselbe Präd.kat, näm- lich das des Daseins, in den Prämissen einem andern Subjekt zukommt. Das Subjekt des Schlusssatzes ist aber von dem der Prämissen verschieden, und so besteht zwar in dem Schlusssatze eine Identität von Subjekt und Piä- dikat mit einander, aber nicht mit dem Mittelbegriffe, weil dieser ja von dem Subjekte des Schlusssatzes ver- schieden ist. Der Schluss von dem Dasein eines Dmges auf das andere ist mithin nicht evident. ^j

Wenn aber jemand gegen diese Beweisführung m.t Grün- den kämpft, die der Erfahrung entnommen sind, wie : Es gicbt eine bestimmte Qualität, also giebt es auch einen Gegenstand, der diese Qualität trägt, wed sie sonst nicht sein könnte, oder: Ein Gegenstand ist jetzt zum ersten- mal, also giebt es einen andern Gegenstand, von dem er ins Dasein gesetzt ist, oder : Das Feuer ist an Werg herangebracht, also wird der Werg brennen, so ist darauf zu erwidern, dass diese Einwände entweder gar nicht zur Sache gehören oder, wenn doch, gar nichts beweisen. Denn entweder ist in diesen Schlüssen das Consequens mit dem Anteredens identisch, und daim wird nichts gegen die Ausführungen des Nicolaus damit bewiesen, oder aber das Consequens und das Antecedens siBd nicht identisch. In diesem Falle aber könnic das Gegen- teil des Consequens und des Antecedens zugleich wahr

lo) Ms. 16409. fol. 4:lr. Sed contra propositam regulam instat Ber- nardu?, quia sequitur evidenter . . . .: Albedo est, ergo alia res est etc. . . Ad istas iastantias dico, quod . . . vel oportet, quod dicat, quod noa sit ad propositum, vel quod si sunt ad propositum, nichil tarnen concludnnt . . . ., quia vel in talibus consequentiis .... consequens est idem realiter .... cnm toto autecedente . , . ., et sie niohil ad propositum, . . . si vero dicatur, quod conseqens non est idem cum autecedente . . . ., talis consequeniia non est evidens.

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sein, und es gäbe dann keine evidente Gewissheit, wie oben gezeigt wurde. ^o)

Gegen diese Anschauungen, die Nicolaus in seinem zweiten Briefe an Bernard von -\rezzo dargelegt hatte, trat ein gewisser Egidius in einem offenen Schreiben an Nicolaus auf. Indem er unsere intellektuelle Erkennt- nistätigkeit einteilt in die Apprehension, Division und Kom- position imd die Apprehension wieder in die präcisivj, durch die ein Ding mit .A.usschluss jedes andern, \on ihm verschiedenen erfasst wird, und m die coaccepta- tive, durch die ein Ding zugleich mit einem andern er- fasst wird, sucht er durch die Tätigkeit der letztern zu beweisen, dass es wohl möglich ist, aus dem Dasein ei- nes Dinges auf das Dasein eines andern zu schlicssen.^^j Denn in der coacceptativen Apprehension werden in ei- nem einzigen Erkennnmissakte zwei von cinandar ver- schiedene Dinge erfasst, deren jedes für sich allein be- trachtet werden kann, die aber beide in einem derartigen Zusammenhange stehen, dass aus dem einen das andere geschlossen werden kann. So ist z.B. die Beziehung et- was von ihrem tTerminus \'erschiedenes, aber gleichwohl kann die Beziehung nicht ohne den Terminus erfasst werden, weil eben das Wesen der Beziehung in ihrem „Bezogensein auf etwas anderes" besteht, so dassj, wer die Beziehung erfasst, notwendig auch den Terminus mit- erfassen muss. Es wird hier also aus einem Dinge ein anderes erschlossen, und dieser Schluss ist ganz evident, weil ja das Consequens mit dem Antecedens teilweise identisch ist, wenn es auch nicht gerade ein quantita-

il) Ms. 16409. foU. 46r. und 46v.

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tiver Bestandteil ist.**)

Gegen einen solchen Gegner hatte Nicolaus ein leich- tes Spiel, denn die Polemik des Egidius trifft gar nicht die Sache, wäe auch Nicolaus bemerkt. ^^)

Es war nun behauptet worden, dass, weno es irgend ein Wort oder irgend einen Satz gäbe, der nur ein einziges Ding bezeichnet, daraus nicht ein anderes geschlossen werden könnte, i-^) und dass daher in jedem' Schlüsse das Consequens und das Antecedens ganz oder teilweise iden- tisch sein müssten. Ganz dasselbe behauptet Nicolaus. Denn in dem Begriffe der Beziehung liegt der Terminus schon eingeschlossen, und wenn daher von der Bezie- hung auf den Terminus geschlossen wird, so ist das Con- sequens mit dem Antecedens teilweise identisch. ^^) Man kann daher in diesem Falle auch gar nicht sagen, dass aus einem Dinge ein anderes geschlossen wird, weil ja das Consequens schon in dem Antecedens enthalten ist.^^) Wenn z.B. die Vaterscliaft und deren Terminus in einem einzigen Erkenntnisakte erfasst werden und daraus der Terminus geschlossen wird, so kann man gar nicht sagen,

12) Ms. 16409. fol. -iBv. . . . positis duabus rebus, que due sun t qualibet precisiva sumpra, tunc uua earum perfecte significata evi- denter poterit inferre aliam. V^erbi gratia': relatio est res alia~a ter- mino ; tarnen non perfecte potest apprehendi [Ms. 16409 fol. 47r.] nisi termino cointellecto eo, quod esse relationis est ad aliud se habere, et ideo, qui ponit relationem esse, ponit necessario terminum, et sie relatio evidenter infert terminum. Et prpbatur evidenter hoc corrolarium, quia in tali consequentia consequens est idem realiter parti significati per antecedens, . . . licet non sit pars quantitativa.

13) Ms. 16409. fol. 49r. Instantie vestre non sunt ad f)ropositionem.

14) Ms. 16409. fol. 49r. . . . quod, si sit aliquis terminus vel aliqua propositio significans precise unara rem esse, nnnquam ex taliTantece- dente polcrit inferri 'alia res ess«.

15) Ms. 1G409. fol. 49v. . . . quod relatio infert suum terminum esse. ... in tali consequentia consequens est idem cum autecedente vel etc.

le) Ms. 16409. fol. 49 v. . . . non debet dici, (juod ex una re in- fertur alia, quia illud, ratione cuius tenet consequentia, est idem re- alteir consequenti.

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dass aus einem Dinge ein anderes geschlossen wrerde,^^) es wird vielmehr in diesem Schlüsse schon im Ante- cedens ausgedrückt, dass der Terminus sei,i^) es ist al- so das Cons^quens schon im Antecedens enthalten. Was daher auf diskursivem Wege gefunden wird, war schon vorher bekannt,i^) es wird eben durch' dieses Ver- fahren gleichsam in ein helleres Licht gerückt, so dass also nur die analytischen Urteile Gewissheit beanspruchen können.

Gegen die Anschauungen des Nicolaus hatte Egidius, wie schon vor ihm Bemard, auch mit Gründen gekämpft, die der Erfahrung entnommen waren, dass nämlich von den Veränderungen in der Natur, kurz von einem Ac- cidens auf lein Subjekt geschlossen werden könnte.^o) Ni- colaus lässt ein solches Schlussverfahren als berechtigt gelten, wenn man die Veränderungen in der Natur defi- niert als „die Erwerbung eines Zustandes in irgend ei- nem Subjekte mit Vernichtung des früheren Zustandes in demselben Subjekte," und das Accidens als „irgend eine Eigenschaft in einem Subjekte," so dass von ei- ner Veränderung in der Natur, überhaupt von einem Ac-

n) Ms. 16409. fol. 49v. Licet una sit intellectio paternitatis et eius termini et ideo, qui istam habet intellectionem, posset ex sibi apparentibus inferre terminum esse, tarnen non propter hoc debet dici, quod ex una re evidenter inferatur alia esse.

is) Ms. 16409. fol. 49v, In ista consequentia, si sit bona: ,,Paternitas est, igitur eius terminus est", in autecedente significatur per vos terminus esse. In hac consequentia ex una re non infertur evidenter alia.

19) Ms. 16409. fol. 49v. . . . stat, quod non est vobis notum consequenter discursui esse de aliquo, quod non erat notum »nte omnem discursum.

20) Ms. 16409. fol. 50r. . . . transmutatio iiaturalis infert sub- iectum esse eo, quod in significato eiusdem includitur subiectum esse.

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cidens auf ein Subjekt geschlossen werden kann.^i) Aber dies ist gar keine Instanz gegen Nicolaus, vielmehr be- stätigt es nur seine Behauptungen, weil in diesen Schlüs- sen das Conslequens in dem Antecedens schon enthal- ten ist, also das Consequens mit einem Teile des Antec- cedens identisch ist. Für die Wirklichkeit haben diese Schlüsse gar keinen Wert, denn es ist eben fraglich, ob es eine solche "Veränderung in der Natur, ob es ein solches Accidens überhaupt giebt. Ihnen kommt diesel- be Bedeutung zu, wie wenn ich daraus, dass das Wort: „Mensch" einen Menschen und Esel zusammen bezeichnet, schliessen wollte : „Homo est, ergp asinusest"-^) es sind eben leere Spielereien. Ebenso wenig beweist der Ein- wand, dass die Naturkräfte unter den erforderlichen Um- ständen, wenn kein Hindernis vorhanden ist, tätig sind,23) weil es gar nicht gewiss ist, ob es solche Naturkräfte giebt, ja nicht einmal, ob sie überhaupt möglich sind.-^j Denn wenn auch alle Bedingimgen, die zürn Eintritt ei- ner Wirkung erforderlich sind, erfüllt sind, so lässt sich gleich wohl behaupten, dass die Wirkung nicht eintre-

21) Ms. 16409. fol. 5ür. . . . concedo, quod in eius (sc. tränt - mutationis naturalis) dcscnptione ponerelur subjectuni, ut dicatur : ,,Transmutatio naturalis est acquisilio aliruius rei in aliquo subiecto cum destructione prioris rei in eodem su^liecto'', et turic concedo, quod est valde bona consequeiitia: ,,Transmuta.*io naturalis est; igitur subjectum est.' .... Et secumdum isium modum concessi in piin- cipio Sententi;<rum : ,, Accidens est; ii^itur subiectum «-st," describendo accidens, ut intelLgamu^, quod accidens signifuat aliquid esse in subiecto.

22) Ms. 16409. fol. 50r non *-$♦: eyidens, utrum aliqua talis

transmutatio sit, .... Nam ponatur, quod ista vox : homo signiü- caret hominem esse j:um asino, manifestum est, quod tunc sequirur „Homo est; ergo asinus est."

23) Ms. 16409. fol. öOv. Et consimili modo respondeo ad id, quod uherius di«itur, quod agentia iiaturaiia et paSsiva cum debitis ci^cum- staiciis iiiferret actiones suas esse.

24) Ms. 164ü9. fol. 50v. . . . non est evidens, quod in rerum uni- versitate bint talia agentia, ymo nee, quod sint ponibilia.

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ten wird,25) und alle diese Bedingungen sind nicht so notwendig, dass, wenn eine fehlte, die Wirkung nicht eintreten würde,26) und mit dem Dasein dieser Bedin- gungen ist der Eintritt der Wirkung nicht derart ver- knüpft, dass es ein Widerspruch wäre, wenn die Wirkung ausbliebe. 2') Fassen wir die bisherigen Erörterungen zu- sammen, so e rgiebt sich folgendes :

In jedem Schlüsse muss das Consequens mit dem An- tecendens ganz oder teilweise identiscch sein. Es kann also aus einem Dinge nur gefolgert werden, was schon vorher darin enthalten ist. Nun ist in dem Begriffe eines Dinges an imd für sich weder der Begriff der Ursache noch der der Wirkung enthalten, es kann daher aus der Existenz eines Dinges nicht geschlossen werden, dass es Ursache oder Wirkung sei, weil beide nicht in dem Be- griffe des Dinges als Bestandteile enthalten sind. Wir wis- sen ja von dem Dinge nur, dass es existiert, daraus aber lässt sich durch Analyse nicht schliessen, dass es Ursache oder W^irkung sei. 28) Es gieljt daher keine philosophische Erkennmis von irgendwelchen Wirkungen, durch welche Ursachen sie her\orgebracht sind, oder von irgendwel- chen Wirkungen, durch welche Ursachen sie hervorge- bracht sind, oder von Ursachen, welche Wirkungen sie- hervorbringen.29) Daraus, dass ein Ding jetzt ist und vor-

26) Ms. 164:09. fol. 50v. Nam demonstratis omnibus, que snnt re- quisita ad cffectus, potero sustinere sine aliqua contradictione, que posset inferri contra me, quod effectus huiusmodi non erit.

26; Ms. 16409. fol. 50v. Item in concursu causarum potero ratio- nabiliter credere vel dubitare saltem, utrum ibi sit aliqnod agens, cuius actio sit necessatio requisita ad positioneai talis effectus.

27) Ms. 164-09. fol. 50v non debeo credere, quod omnibus

istis rebus positis necessario effectus debeat esse necessitate tali, quod sit contradictio alio modo se habere.

23) Chart. II. 1. p. 577. quod nulla potest esse simpliciter demon- stratio, qua existentia tantum demonstretur existentia effectus.

29) Ms. 16409. fol. 132v. quod nulla demonstratio seu philoso" phica inquisitio de effectibus quibuscunque, unde proveniunt, vel causis naturalibus, quos vel quales effectus producunt vel producent, est aliquo modo evidens sive certa.

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her nicht war, weil es also entstanden ist, zu schliessen, es müsse Min von diesem Dinge verschiednes geben, das es hervorgebracht, ist un\vissenschaftlich,^Oj ^i^ j^ön- nen eben nicht wissen, ob bei irgend einer Ilervorbringung ein Subjek.t beteiligt sei,^^) wir wissen nur, dass dieses Ding jetzt ist, während es vorher nicht v/a.T,^^) von einer Causalität ist dabei keine Rede. Ebensowenig wie von der Wirkung auf die Ursache, können wir, von der Ur- sache auf die Wirkung schliessen. Wenn auch alle Bedin- gungen, die die Ursache einer Wirkung sind, erfüllt sind, so ist es doch nicht gewiss, das nun die Wirkung auch notwendig eintreten werde. ^3)

Das Ergebnis der bisherigen Untersuchungen lässt seh daher in folgende vier Sätze zusammenfassen:

I.) Aus dem Dasein eines Dinges kann nicht auf das dasein eines andern, also : Aus dem Dasein eines Hin- Wirkung nicht auf die Ursache und aus der Ursache nicht auf die Wirkung.-^*^)

2.) Aus dem Dasein eines Dinges nicht auf das Nicht- dasein eines andern. aUo : Aus dem Dasein eines Hin- dernisses nicht auf das Nichteintreten der Wirkung und aus dem Eintritt der Wirkung nicht auf das Nichtdasein des Hindernisses. 35)

30) Chart. II. 1. p. 577. quod hec consequentia „a est et prius n«n fuit ; igitur alia res ab a est", non est evidens.

Ibid. p. 578. quod hec oonseqnentia non est evidens : ,,a est pro- ductum ; igitur aliquis producens a est vel fait."

31) Chart. II. 1. quod nescimus evidenter, quod in aliqua produc* tione concurrat subiectum.

82) Chart. II. 1. p. 583 quod si poneret generationem, non po- neret subiectum, sed solum ordinem ipsius cause post non esse, puta hoc ens est et prius non fuit.

33) Chart. II. 1. p. 577. quod quibuscumque acceptis, que possunt esse causa alicuius effectus, nescimus evidenter, qnod ad positionem eorum sequatur efifectus positio

34) Chart. II. 1. p. 576. quod ex eo, quod una res est, non potest evidenter evidentia deducta ex primo principio inferri, quod alia res sit.

85' Chart. II. 1. p. 576. quod ex eo, quod una res est, non potest evidenler inferri, quod alia res non sit.

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3.) Aus dem Nichtdascin eines Dinges nicht auf das Nichtdasein eines andern, also: Aus dem Nichtdasein der Ursache nicht auf das Nichtdasein der Wirkung und aus dem Nichtdasein der Wirkung nicht auf das Nichtdasein der Ursache.3^)

4.) Aus dem Nichtdasein eines Dinges nicht auf das Dasein eines andern, also: Aus dem Nichtdasein eines Hindernisses nicht auf das Dasein der Wirkung und aus dem Nichtdasein der Wirkimg nicht auf das Dasein eines Hindernisses. 3^*)

Von dem Causalverhältnisse der Dinge giebt es somit keine wissenschafthche Erkenntnis. Wenn aber gleichwohl von einem Dinge auf ein anderes geschlossen wird, so kann dafür nur eine Wahrscheinlichkeit in An- spruch genommen werden, die darin begründet liegt, dass das Antecedens und das Consequens einmal zu gleicher Zeit vorhanden waren. Indem nämlich beide einmal oder öfter zugleich oder unmittelbar nach einander von uns wahrgenommen wurden, so schliessen wir, dass, wenn eins von beiden in die Wahrnehmung tritt, auch das andere eintreten werde. Wenn ich z.B. schliesse, dass ich, wenn ich die Hand ans Feuer lege, warm werde, so liegt das darin begründet, dass meine Hand einmal warm wurde, als ich sie ans Feuer hielt, und so wird auch in allen ähnlichen Fällen geschlossen, indem sich auf Grund der Erfahrung die Ueberzeugimg gebildet hat, dass mit dem Eintritt des einen Dinges .auch der Eintritt des andern verknüpft

se) Chart. II. 1. p. 576. ^uod ex eo, quod una res non est, non potest evidenter inferri, quod alia res non sit.

36* Chart. II. 1. p. 576. Qluod ex eo, ^uod una res non est, noa polest evidenter inferri, quod alia res non sit.

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sei,^^) eine Evidenz kann ein solcher Schluss aber nicht beanspruchen, sondern nur eine durch die Gewohnheit begründete Wahrscheinlichkeit.

Drittes Kapitel.

Der Substanzbegriff.

Nächst dem Causalprobleme ist es vor allem der Sub- stanzbegriff, den Nicolaus tiner Prüfung unterzieht und nach seinen bisher erörterten Anschauungen verwerfen muss. Während die Scholastik, auf Aristotelns fussend, aus den Erscheinungen auf einen ihnen zu Grunde lie- genden Träger, ein Subjekt, eme Substanz schüesst, be- hauptet Nicolaus, dass Aristoteles wo Aristoteles selbst- verständlich nicht als nomen proprium, sondern als no- men appellativum zu nehmen ist von einer Substanz als etwas von den Objekten unserer fünf Sinne und un- seren Erfahrungen Verschiedenem keine evidente Kennt- nis gehabt habe.^j Denn eine dem diskursiven Denken vorausgehende Erkennmis konnte er davon nicht haben, weil es eine intuitive Erkenntnis der Substanzen nicht giebt, da dann auch die Bauern davon wissen müssten, was wohl niemand behaupten wird.^) Ein Wissen durch Demon-

37) Ms. 16-409 fol. 42r, aimuis non habet notitiani probabilem de aliquo conse^uenie virtute alicuius autecedentis, de Ruo non evi- denter est certus, utrum conseRuens fuerit ali^luando simul cum ante- cedente. Sic enim si <^uis bene consideret realiier notitia probabili ut, Muia michi fuit evidens ili9uando, ^uod, <^uando ponebam manum ad ignem, eram calidus, ideo probabile est mtcbi, qu«:'d, si nunc po^ nerem, quod essem calidus.

1^ Ms. 16409 foj. 4:2r. Ruod r.unRuam Aristoteles habuit notitiam evidentem de ali^lua substantia alia ab anima sua, intelligendo sub- stantiam ^uandam rem aliam ab obiectis <^uin9ue sensu .m et a forma- libus experientiis nostris.

2) Ms. 164:09. fol. 4:2r. de tali re (sc. substantia) habaisset notitiam ante omnem discursum, ^uod non est veram, cum non appareant intTiitive,et item rusticis scirent tales res esse.

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Station, indem aus den Erscheiniingen daraof geschlos- sen wird, gicbt es ebenfalls nicht, weil in diesem Fal- le von einem Dinge auf ein anderes, davon verschiedenes Ding geschlossen wird, was gegen die schon häufig an- geführte Regel verstösst.3) Dass übrigens der Schluss von den Erscheinungen auf eine ihnen zu Grunde liegende Substanz keine Gewisshe.t beanspiiichen kann, g ht schon daraus hen^or, dass es der göttlichen Allmacht möglich ist, in uns die Vorstellung einer Substanz hervorzurufen, während diesen Wahrnehmungen in der Wirklichkeit kei- ne Substanz ^entspricht. Nun ist aber nur der Schluss evident, in dem das Gegenteil des Consequens, dessen, was geschlossen wird, denkunmöglich ist. In dem Schlüs- se von den Erscheinungen auf die Substanz wäre aber das Gegenteil des Consequens möglich, und daher be- sitzt dieser Schluss nicht die Gewissheit des ersten Denk- princips.*) Auch in dem Falle, dass zu dem Antecedens hinzugefügt wird, dass Gott kein Wunder thue, sondern dass die Erscheinungen durch natürliche Ursachen ins Dasein gesetzt seien, kann dieser Schluss keine Evidenz beanspruchen.^) Denn es bleibt immer das Axiom be- stehen, dass aus einem Dinge nicht auf ein anderes ge- schlossen werden kann. Werm also aus den Erscheinun- gen nicht geschlossen werden kann, dass sie von einem andern ins Dasein gesetzt sind, so kann sicher nicht ge-

3) Ms. 16409. fol. 42r. nee sciuntnr (sc. substantie) ex discursu, scilicet inferendo ex perceptis esse ante omnem discursnm, Ruia ex una re non pntest infern, puod alia res sit.

4) Ms. 16409. fol. 42r. Cum apparentibus ante huiusmodi dis- cursum potest e>^se per aliquam potentiam utpote divinam, ^iiod ibi iubstantia non sit; igitur in lumine naturali non infertur evidenter ex istis apparentibus, ^luod substantia sit ibi. . . . Nam dictum est, Ruod conseRueniia evidens sit, ^uod contradictio est, per aliRuam poten- tiam posset fieri, ^uod oppositum conseQuentis stat cum antecedente.

5) Ms, 16409. foi. 42v. Et si dicit, quod conseRueutia est evidens addito ad antecedens, ^luod Deus non faciat iniraculum, istud re" probatur secundum hec.

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schlössen werden, von welchem andern sie ins Dasein gesetzt sind, welches also die Ursache ihres Daseins ist.^) Weil nämlich das Antecedens, in diesem Falle die Er- scheinungen, aus denen auf die Substanz ge ch'osscn wird, durchaus nicht dadurch verändert wird, von wem immer es ins Dasein gesetzt ist, so kann auch daraus nicht geschlossen werden, welches die Ursache seiner Existenz sei, ob es durch natürliche Ursachen oder durch die Allmacht Gottes her\'orgebracht sei."^) Und wenn fern-.^r jemand von etwas nur weiss mittels eines Antecedens, von dem er keine gewisse Erkenntnis besitzt, so kann jene Folgerung auch nicht gewiss sein. Wenn daher aus den Erscheinungen unter der Voraussetzung, diss sie durch die Allmacht Gottes hervorgebracht sind, auf e'ne Sub- stanz geschlossen wird, so ist dieser Schluss nicht evi- dent, weil eben jenes Antecedens nicht gewiss, sondern nur geglaubt ist,^) so dass auch der Schlusssatz nur ge- glaubt werden kann.

Hiergegen war Egidius in dem schon genannten Brie- fe an Nioolaus aufgetreten und hatte behauptet, dass die Schlüsse von den Veränderungen in der Natur auf ein ihnen zu GiTinde liegendes Subjekt und von den Accidenzen auf eine Substanz evident gewiss seien. Ni- colaus giebt die Evidenz dieser Schlüsse zu, wenn man wie schon oben ausgeführt ist, die Veränderung definiert als „die Erwerbung eines Dinges in irgend einem Sub-

e) M«. 16409. fol. 43r. Quando tx aliHuo autecedente, si esset positum in esse ab al^uo agente, non potest inforri ülud conse9uens, a ciuocumRue fuerit positum in esse.

7) Ms. 16409. fol. 43r. . . . autecedens in se non est propter hoc v»ri»tum, a 4uocum^ue sit positum in esse, nee res significata per autecedens.

g) Ms. 16409. fol. 43r. Qnando ali^uis non est certus de aliquo conse^uente nisi mediante aliquo antecedente, de ^no, an itasit, sicut significat, non est certus evidenter, ^uia nee illud est notum ex ter" minis nee experientia nee ex talibus deductum, sed tantum est credi- tum, talis non est evidenter cerlus de oonseHuente.

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jekte mit Vernichtung eines früheren in demselben Sub- jekte" und das Accidens als „etwas, was in einem Sub- jekte ist." Wollte man aber daraus schliessen, dass es es in Wirklichkeit Substanzen giebt, so wäre das ein ganz gewöhnlicher Zirkelschluss. Denn es wird liier vor- ausgesetzt, dass die Definition der natürlichen Verände- rungen und der Accidenzen der Wirklichkeit entspricht, während das erst noch bewiesen werden muss, da es durchaus nicht evident ist, dnss es solche \'eränderung'-n und Accidenzen giebt, wenn auch zugegeben wird, dass es ein Entstehen und N'ergeh.n dir Dinge giebl.^) Es lässt sich also nicht behaupten, dass es Substanzen giebt, und wenn ein Gegenstand gezeigt wird, =o ist nicht gewiss, ob ausser den Accidenzen etwas davon verschie- denes, also eine Substanz vorhanden ist.-^) Ebensowen- nig lässt sich a uch aus den Seelentätigkeiten auf eine Seelensubstanz schliessen. Die Behauptung, es müsse ei- nen Intellekt geben, weil es Erkenntnisvorgänge, und ei- nen Willen, weil es Willens Vorgänge giebt, ist unbegrün- det, weil dann aus dem einzelnen psychischen Akten auf etwas davon verschiedenes geschloss.n würdj, \\a^ gegen das Axiom verstösst.^^)

Nachdem Nicolaus so die Lehre von den ersten Sub- stanzen verworfen hat. ist cs selbstverständlich, dass da- mit auch die zweiten oder abstrakten Substanzen fallen.

Und gerade darüi besteht seine eigentliche Aufgabe, den Realismus als unbegründet darzutun. Wenn es näm- lich keine ersten Substanzen giebt, so noch viel weni-

9) Ms. 16409. fol. 50r. dico, 4uod non est evidens, utrum alif^ua talis transmataiio sit, licet concedatur, ^uod ali^a;t re> acRuiratur de novo vel corrtunpatur de novo.

10) Chart. II. i. p. 278. ^^uod paiie demonstrato non potest evi- denter ostendi, Ruod ibi iit ali^ua res, Rue non sit ccidens.

11) Chart. II. 1. p. 578. 9uod iste conse^luentie noa sunt evidentes- Actus intelligendi est; ergo intellectus est. Actus volendi est; igiiur voluntas est.

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ger abstrakte, 12) und dainit triumphiert der Xominalis- mus über über den Realismus. Und rieht nur keine evi- dente, sondern nicht einmal eine wahrscheinliche Kennt- nis besitzen wir von den Substanzen. Denn neben den Erscheinungen giebt es nicht noch andere Dinge, die Substanzen heissen, so dass mit Wahrscheinlichkeit von den Erscheinungen auf Jie. Substanzen geschlossen wer- den könnte,^^) es sind nur die Erscheinungen gegeben, von den Substanzen aber besitzen wir weder eine evi- dente noch eine wahrscheinliche Kenntnis.

Viertes Kapitel.

Der erkenntnistheoretische Idealismus.

Unsere Ueberzeugung von der Realität der Aussenwelt hat ihren Grund in der Gültigkeit des Causalitätsprincips. Denn unser Selbstbewusstsein bezeugt uns, dass nicht wir die Ursache unserer Wahrnehmungen sind. Wir schlies- sen daher, dass sie von etwas ausser uns hervorgebracht sind, dass ausser uns eine Wirklichkeit von Dingen exi- stiert, die das Urbild unserer W^ahrnehmungen ist, wäh- rend diese selbst die Abbilder der Dinge ausser uns sind. Da aber in diesem Schlüsse von unseren Vorstel- lungen auf die davon verschiedenen Dinge geschlossen wird, so wird gegen das Axiom gefehlt. Daraus, dass ein Ding ist, kann nicht geschlossen werden, dass ein anderes ist. Wir haben daher von Dingen ausser ims

12) Ms. 16409. fol 42r. Et si de contnnctis non habuit (sc. Aristo- teles), mnlto minus de abstractis habuit notitiam evidentem.

13) Ms. 16409. fol. 42r. NunRuam fuit alicui evidens, quod positis rebus apparentibus ante oranem discursum essent Ruedam alie res, «lue dicuntur substantie. Igitur se^luitur, 9uod de existentia earum non habeamus probabilem notitiam.

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keine evidente Gewissheit des ersten Denkgesetzes. ^) Ge- geben sind uns nur die einzelnen Wahrnchmun gen, die einen Teil unserer psycliischcn Inhalte bilden. Wir wissen dalier auch nur \on unsern see- lischen Vorgängen, dagegen von einer MatiTte kön- nen wir nichts wissen, der Schluss von den Wahr- nehmungen auf eine von unserer Seele verschiedene, ma- teriellen Substanz besitzt n'cht die Gewissheit des Sat- zes vom Widerspruch. 2] Zudem wäre es möglich, dass durch die Allmacht Gottes in uns \^orstellungen von Din- gen hervorgerufen würden, und wollte man daraus auf Dinge ausser uns schliessen, so wäre es ein Fehlschluss. Nun ist aber nur das evident, dessen Gegenteil denk- unmöglich ist. Daher kann der Schluss von den Wahr- nehmungen auf Dinge ausser uns nicht gewiss sein, und wir haben somit durch die Erscheinungen von den Din- gen keine gewisse Erkenntnis. 3) Sind uns so nur unsere psychischen Inhalte gegebeni, so ist klar, dass dem ei- nen dieselbe Wahrheit zukommt w.e dem andern, weil die Wahrheit oder Falschheit unserer Wahrnehmungen nur davon abhängt, ob sie mit den \>rhältnissen der Aus- senwelt übereinstimmen oder nicht. Da wir aber von ei- ner Aussenwelt nichts wissen, so kommt allen unseren Wahrnehmungen die gleiche Wahrheit zu.*)

1) Ch.irt. IT. 1. p. 583. Ruod in luinine naturalt intellectu«; viatoris non potest habere noticiam evidentie de existentia rerum evidentia reducta seu reducibiJi ad evidentiam sea certitudinem primi principii.

2) Chart. II. 1. p. 577. quod de sabstantia m.iteriali alia ab aninaa nostra non habemus certitudinem evidentie.

3* Chart. II. 1. p, 580. ciuod de rebus per apparentia naturalia qua$i nulla certitudo potest haberi.

i) Chart. II. 1. p. 578. qtiod non potest evidenter ostendi, Ruin omnia, ^ne apparent, sint vera. 1. c. p. 584. In artibus tennisse dicitur, quod oinne, 4uod apparet, est verum.

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Fünftes Kapitel.

Zweck lind Wertunterschied der Ding-e.

Der Zweck ist das, um dessent willlen etwas geschieht. Es wird also, wenn vom Zweck die Rede ist, behauptet, dass eine Sache einer andern wegen ist, da'ss die andere ihre Ursache ist. Nun ist nur der Schluss evident, in dem das Consequens mit dem Anteccedens ganz oder teil- weise identisch ist, es kann daher aus einer Sache nur das geschlossen werden, was in ihr absolut und an sich enthalten ist. Wird aber von einer Sache behauptet, dass sie die Ursache einer andern ist insofern, als diese ihret- wegen ist oder geschieht, so wird aus ihr etwas geschlos- sen, was nicht in ihr enthalten ist, es ist also das Com- sequens mit dem Antecedens weder ganz noch teilweise identisch. Daher kann nicht behauptet werden, dass eine Sache der Zweck einer andern sei,i) und damit ist der Zweckbegriff gefallen.

Auf Grund desselben Axioms, dass aus einem Dinge nicht auf ein anderes, davon verschiedenes geschlossen werden kann, wird der Wertunterschied der Dinge ge- leugnet. Werden nämlich zwei Dinge mit einander ver- glichen und wird auf Grund dieser \"ergleich.ung von dem einen behauptet, das es voUkommner sei als das andere, so wird gegen das obige Axiom Verstössen. Denn die grössere Vollkommenheit des einen Dinges gegenüber dem andern, ist nicht schon in dem Dinge an und für sich enthalten, weil sie sonst auch ohne die Vergleichimg au=^ dem reinen Begriffe eines Dinges müsste gefolgert wer- den können, sie ist also etwas von dem Dinge verschie-

l) Chatt. II. 1. p. 577. ^uod ali^luis nescit evidenter, Ruod una res sit fiuis alterius.

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denes. Daher kann aus der Vergleichimg zweier Dinge nicht mit Evidenz geschlossen werden, dass das eine voll- kommener sei als das andere^^j weil in diesem Schlüsse das Consequens mit dem Antecedens weder ganz noch teilweise identisch ist. Da somit alle Dinge gleichwertig sind, unterscheiden sie sich auch alle in gleicher Weise von einander, und der Unterschied eines Dinges von dem einen ist nicht grösser als der von dem andern, so dass, wenn die Dinge von einander unter- schieden werden, die Unteirscheidung bei allen die glei- che und höchste ist.^) Mit der Gleichwertigkeit aller Din- ge aber ist es gegeben, dass kein Ding imvollko(mmener als ein anderes sein kann, und wenn so alle Dinge gleich gut und vollkommen sind, muss diese Welt sowohl in sich als auch hinsichtlich aller üirer Teile die beste sein, und eine UnvoUkommenheit ist in ihr nicht möglich, so dass nur die optimistische Weltauffassung berechtigt ist.') Daher ist es töricht zu glauben, die Vollkommenheit der Welt könne durch irgend etwas beeinträchtigt werden imd es sei daher besser, wenn das eine oder andere nicht exis- stiere, vielmehr trägt jedes Ding an seiner Stelle zur VoUkoonmenheit bei, und seine Existenz ist zur Welthar- monie notwendig.^) Die Unmöglichkeit aber, die ]3inge hinsichtlich ihres Wertes und ihrer \'ollkommenheit von einander zu unterscheiden, liegt darin begründet, dass der objektiv gültige Massstab für diese Unterscheidung fehlt. Es bliebe daher der reinen Willkür des Beurteilers über- lassen, dieses Ding für vollkommen, jenes für unvoll-

2) Chart. II. 1. p. 577. Rnod non potest evidenter ostendi nobilitas uniusrei super aliam.

3) Chart. II. 1. p. 584. 9uod cjuecnniRue distinguuntur, summe distinguuntur et eRualiter distinguunter.

4) Chart. II. 1. p. 581. Muod Universum est perfectissimnm se- CTindum se et secundum omnes partes suas et quod nulla imperfectio potest esse in toto nee in partibus.

5) Chart. II. 1. p. 581. cjuod HuicCluid est in. universo, est melius ipsam Ruam non ipsum.

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kommen zu halten, so dass er von jedem Dinge behaupten könnte, es übertreffe alle andere durch seine \'ollk«m- menheit.^) Und da Gott das vollkommenste Wesen ist. das alle andern durch seine X'oUkommenheit überragt, so könnte man jedes Ding für Gott halten, "^j und ebenso müsste man ihm die höchste Ehre erwei- sen.^) Diese Absurditäten zeigen, wohin die Lehre von dem Unterschiede der Dinge hinsichtlicl) ihres Wer- tes führt, und das Resultat ist daher, dass alle Dinge gleichwertig sind.

Sechstes Kapitel

Der Occasionalisnms des Nikolaus.

Als um die Wende des 12. Jahrhunderts die arabische Philosophie das Abendland überflutete, drang mit ihr auch die Prädestinationslehre und der Fatalismus der moha- medanischen Religion m die Schulen ein und fand selbst unter den christlichen Philosophen Anhänger und Ver- teidiger, so dass sich die Kirche genötigt sah, dagegen einzuschreiten. So verwarf Robert Kilwardby, Erzbischof von Chanterbury, im Jahre 1276 mehrere Sätze, in de- nen behauptet wurde, dass nicht nur die physischen Vor- gänge,^) sondern auch die Seelentätigkeiten unmittelbar von Gott verursacht seien, und zwar nicht nur die Willens-, sondern auch die Erkenntnisakte. ^j Doch diesse Verbote vermochten solche Anschauungen nicht zu unterdrücken,

e) Chart. 11. 1. p. 577. 4uo(J MuacumCiue re demonstrata nullus seit evidenter, 9uiii excedat nobilitate omnes alias.

7) Chart. II. 1. p. 577. ^uod f|uacumque re demonstrata nullus seit evidenter, <luin ipsa sit Dens, si per Deum infelliganxus ens nobi- lissiu:u:n.

g) Chart. II. 1. p. 578. quod nnllus seit evidenter ^lualibet re ostensa, 9uin sihi deheat impendere niaximum honorem.

1) Coli. jud. 1. p. 198. ca-. X.IV.

2) Coli. jud. I. p. 195. (6.) 9uod vuluntas et intellectus non mo" ventur in acta per se, sed per eausain sempiternam.

(21.) Tuod omnes motus voluntarh reducunter ad mctorem primum.

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und zur Zeit ides Nicolaus stand der Occasioualismus wie- der in voller Blüte. Thoma.s Bradwardin, Erzbischof von Chanterbury, (f 1340J leugnete die Mittelursachen, denen er ohne .\nregung und Mitw'rkuiig Gottes j^dc Tä- tigkeit absprach,^) und im Jahre 1347 wurden von dem Kanzler der Pariser Universität, Johannes von Bardis, und 43 Professoren der Theologie mehrere Sätze des Jo- hannes von Mirecuria und anderer verworfen, in denen* gelehrt würde, dass der götdiche Wille die erste wirkende Ursache jedes physischen Dinges und Geschehens sei*) und der geschöpfliche Wille nur vermittels der ersten Ursache tätig sein könne. ^) Von diesen Strömungen konn- te Nicolaus nicht unberührt bleiben, und in der Tat fin- den wir ihn in den Reihen der Occasionalisten. Nur Gott kann die Ursache einer Wirkung se'n,6)und Ursachen ausser Gott, die Wirkungen hervorzubringen vennöchtcn, kennen w^ir nicht.'^)Natürliche Wrkur Sachen kann es über- haupt nicht geben,8) und von Wirkungen, die durch Na- turkräfte hervorgebracht wären, wissen wir nichts. 9) Die- se Einzigkeit der Causalität Gottes gilt nicht nur in der physischen, sondern auch in der geistigen Welt. Unser Erkennen kommt nicht etwa durch die Tätigkeit unseres

3) Coli. jnd. I. p. 323. Secundas cansas !-ine praeefficientia de nichil agere posse.

4) Chart. II. 1. p. 610 (9.) quod voluntas divina cuiuslibet rei ad extra, 9tialitorcunC[ue ipsa sit vel fiat ab aÜMuo, est efüciens prima caasa.

5) Chart. II. 1. p. 610. (35.) 4uod voluntas creata, qualitei^um^ue causat aliquid seu aliQualiter agit, illud agit seu taliter agit virtute prime cause moventis et sie moventis.

e) Chart II. 1. p. 577. cjuod ne.scimus evidenter, ciuod aliRua a Deo possit esse causa alicuius effectus.

7) Chart. II. 1. p. 577. quod nes imtis evidenter, quod aliqua causa causet efficienter 9ue non sit Dens.

s) Chart. II. 1. p. 577. quod nescimus evidenter, c[uod aliqua causa efficiens natnralis sit vel esse possit.

9) Chart. II. 1. p. 577. quod nescimus evideiiter, utrum aliquis effectus sit vel esse possit naturaliter productus.

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Geistes zustande, sondiTii dadurch, adss vermittels der Gnade durch eine gewisse gei'.tige Bewegung eine Realität der Seele gegenwärtig wird dadurch die Erkenntnis hervorgerufen wird.^^j Und wie für die Tätigkeit unseres \'erstandes, so muss Gott auch für die einzehien Willensakte die einzige Ursache sein.

Wie sich aber NicoUus diese Causalität Gottes be- züglich der psychischen Tätigkeit gedacht iiabe, werden wir Lni folgenden Kapitel ^ehen. wo die Psychologie zur Darstelliuig gebracht wird.

Siebtes Kapitel.

Die PsychoIog"ie des Nikolaus.

Schon bei der Erörterung des Substanzbegriffes wur- de bemerkt, das Nicolaus die Substanzialität der Seele leugnet ^) und ein Anhänger der Aktualitätstheorie ist, und in dem vorhergehenden Kapitel sahen wir. dass er den Occasionalismus auch auf die geistigen \''orgänge ausdehnt. Der Wechsel in unserm seelischen Leben, be- sonders in der Erkenntnis, rülirt nicht von einer Selbst- tätigkeit unseres Geistes, sondern allein von der Ein- wirkung Gottes her, während wir selbst uns rein pas- siv verhalten. Wie nämlich in den materiellen Dingen nichts absolut von neuem entsteht, sondern nur durch eine Ortsbewegung zu einem Dinge etwas hinzutritt, was vorher in diesem Dinge noch nicht vorhanden war, so schafft auch unser Geist die PIrkenntnisse nicht aus nichts, sondein etwas Intelligibles tritt sozusagen durch eine geis-

lo) Chart. 11. 1. p. 582. aliqua realitas effioitar presens anime per quendam motum spiritualem iuxta gratiam

l) Chart. II. 1. p. 578. quod iste consequentie non sunt evidentes : Actos intelligendi est; ergo inteliectus est. Actus volendi est; ergo voluntas est.

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tige Bewegung zu ihm hinzu und bewirkt dadurch die Erkenntnis. 2) Dies ist aber nicht etwa so zu denken, als wenn die Objekte auf unsere Seele wirkten, indem sich körperliche Atome davon absondern, sondern wenn ein Objekt gegenwärtig ist und alle übrigen Bedingungen zur Tätigkeit des Erkenntnisvermögens erfüllt sind, wird dem Geiste eine gewisse Realität zugeführt (aliqua realitas efficitur presens anime), die vorher nicht g^ger wärt ig war, gleichwohl aber in sich bestand, und zwar geschieht dies durch eine geistige Bewegung, die durch die Gnade be- wirkt ist.3) Auf diese Weise wird denn auch die Erkennt- nis, die jetzt jemand besitzt, bald darauf einem andern zu teil, weil in dem Wechsel des geistigen Geschehensi nicht etwa eine Erkennmis kürz darauf ins Nichts versinkt, sondern wie in der Körperwelt die Materie, so bleibt auch in der intelligibeln Welt jegliche Realietät erhalten, und die Wahrnehmung oder Erkenntnis, die jetzt dem einen zu teil wurde, wird bald darauf durch die Einwir- kung Gottes einem andern zu teil.*) Aber Gott ist nicht nur der Urheber unseres Erkennens, sondern audi un- seres Wollens und Handelns. Wie nämlich die schweren Körper zur Erde fallen, weil sie die gleiche Beschaffenheit mit ihr besitzen, das Feuer aber als edler Körper zimi Feuer und andern ihm verwandten, edlen Stoffen in

2) Chart. II. 1. p. 582. quod aliquando intelligamus, aliquando non, hoc pro tanto est, quia per motum spiritualem redditur res aliqua intelligibilis, cum coniungnntur aliqua circa sensus, sicut etiam, ut dicit, in rebus permanentibus matetialibus nichil est novum de novo in esse positum ; tarnen aliqua res est aliquando presens alicui per motum localem. cui primo non erat presens. Et sie est in anima nostra per motum spiritualem.

3) Chart. II. 1. p. 582. quod potentie nichil recipiunt ab obiectis, sed presente obiecto et aliis coucurrentibus ad operacionem potentie aliqua realitas efficitur presens anime, que prius non erat presens, et tarnen erat in se nee fit presens per resolutionem corporum atho- malium, sed soluna per quandam motum spiritualem inxta gratiam.

4) Chart. II. 1. p. 582- quod intellectio eadem, que nunc est presens michi, erit postea presens alten supposito.

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die Höhe steigt, so kommen auch zu den edlen Seelen edle Gedanken und Bild r, zu den schlechten aber nur schlechte, und deshalb sprechen auch, weil die Sprache ihren Gedanken Ausdruck giebt, die Irdischgesinnten vom Irdischen, die Edelgesinnten \om Edlen. Und aus die- sem Herantreten edler und gemeiner Bild r und Gedan- ken an einen Menschen lässt sich auch ein Urteil über ihn selbst bilden, weil das Gleiche zum Gleichen strebt und mit einem unedlen Geiste sich keine edLn Gedanken vereinigen können.^; Da nun aber durch de \^orstellun- gen die Willensentschlüsse und durch diese wieder die moralischen Handlungen der Menschen bedingt sind, so ist Gott nicht nur der Urheber unseres Erkenncns, sondern auch unseres Wollens ur.d Handelns. Gleichwohl hält Ni- colaus die Lehre von der Vergebung nach dem Tode aufrecht. Wenn sich nämlich die Atome eines Körpers trennen, Nicolaus ist Anhänger der Atomenlehre bleiben Sinn und Intellekt zurück, die nunmehr mit ei- nem andern Körper eine neue Verbindung eingehen. In demselben Verhältnisse nun, in dem Sinnlichkeit und In- tellekt vorher standen, werden sie auch in dem neuen Köri>er stehen, und indem die Trennung von einem Körper und die V^eremigung mit einem neuen sich un- zähligemal wiederholt ,findet die Belohnung oder Bestra- fung statt. Standen nämlich das niedere und höhere See- lenvermögen in einem wohlgeordneten Verhältnisse, herrschte der Geist über die Sinnlichkeit, so wird auch in allen folgenden Fällen dasselbe Verhältnis obwalten

5) Chart. II. 1. p. 582. quod sicut vilia vadunt ad centrum et ad terram propter unigeneitateni, quia sunt terrea, ignis autem ad ignem et alia nobilia coipora sibi similia, ita videtiir, qnod ad animas no- biles venjant nobilia exemplaria, ad viles vilia, et qui snnt de terra, de terra Io''urita.r. Unde talis aduentus exenlplari^ nobilium et vilium videtur attestari perfectioni vel imperfectioni animarum, quia talia exemplaria non veniunt ni>i propter unigeneitatem.

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und dadurch der Gute belohnt werden, während b^i dem entgegengesetzen Vcrhähnissc der Böse bestraft wird.Doch kann jene Belohnung auch dadurch stattfinden, dass jene beiden Vermögen der Guten sich wider mit einem Sub- jekte verbinden, das aus vollkommeneren Atomen zusam- mengesetzt ist, wodurch ein Subjekt von grösserer Voll- kommenheit und Beweglichkeit entsteht, so dass das In- telligible jetzt mehr als vorher zu ihrem Geiste dringen kann, während bei den Schlechten das Gegenteil ein- tritt.ß) Diese Unvergänglichkeit der Seele gilt nicht nur a parte post, sondern auch a parte ante, die Tätigkeiten unserer Seele sind ewig,"^) so dass unser Los die ewige Seelenwanderung ist.

Achtes Kapitel.

Die Atomistik des Nikolaus.

Waren schon die bisherige;: Ausführungen dazu ange- tan, Nicolaus eine für seine Zeit ganz ungewöhnliche Stellung einnehmen zu lassen ,so dürfte unser Staunen noch grösser werden, wenn wir sehen, dass in ihm auch der alte Atomismus wieder auflebt. Ob er etwa durch eignes Nachdenken darauf geführt oder durch die Schrif-

e) Chart. II. 1. p. 581. quod premiatio bonoinm et punitio maloram per hoc fit, quia quando corp^ra athomalia segregantur, remanet quidam Spiritus, qui dicitur sensus, et isti Spiritus, sicut m vita se habebant in optima dispositione, sie se habebunt infinities, secundum quod iila individaa infinities congregabuntur, et sie in hoc bonus premi.ibitur, malus autem punietur, quia infinities, qi ando iterabitur congregatio suorum athomalinm, habebit semper suam malam dispo- sitionem. Vel potest, dicit, aliter, poni, quia illi duo spiritus bonoruta quando dicitur corrumpi suppositum eorum, fiunt presentes alteri supposito constituto ex atliomis perfectiorihus. Et tunc, cum tale suppositum sit maioris flexionis et perfectionis, idcirco intelligibilia magis quam priüs veniunt ad eos.

7) Chart. II. 1. p. 582. quod actus anime nostre sunt eternL

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ten der Atomisten dafür geHX>rmen oder \x)ii Zeitgenos- sen darin eingeweiht sei, das zu entscheiden ist nicht mögUch. Werke, in «denen der Atomismus vertreten wurde, standen ihm in den beiden Bibliotheken der Sorbonne, in der er vx>n 1320- 1327 wohnte, zur Verfügung, wie sich aus dem im Jahre 1338 angefertigten Kataloge er- giebt,ij und dass auch zu seiner Zeit der Atomismus nicht ganz ausgestorben war, beweist die Tatsache, dass, abgesehen von anderen, Eyniericus in seinem „Directo- rium inquisitionis" um 1300 unter anderen Irrtümern auch die .Ansicht verwirft, dass jedes Ding aus den kleinsten Teilen besteht, und wenn die Atome sich trennen, ein Ding vernichtet wird, und wenn sie sich vereinigen, ein Ding entsteht. 2) Wie dem auch sei, jedenfalls hat Ni- colaus die erste Anregung von fremder Seite empfangen. . In den natürlichen Dingen giebt es nur eine Ortsveräii- derung. nämlich «eiine Vereinigung und Trennung von Atomen. Wenn sich die Atome zusammenscharen und dadurch die Natur eines Suppositums bilden, nennt man es Entstehung, wenn sie sich trennen, Ver- nichtung, und wenn sich durch Ortsbewegung Atome mit einem Subjekte derart ven?inigen, dass dadurch nicht ei- ne Tätigkeit oder Bewegung hervorgerufen wird, ^o nennt man es Veränderung.^) Die Atome selbst sind ewig, und damit ist ein Entstehen aus dem Nichts und ein Werden

i) Franklin :. La Sobon.e. p. 233.

2) Coli. ju(J. p. 245. 1 12.) qund res quaelibet ex atomis minu" ti^sini s ronst tuitu', et quaid«» atomi dividuntur, res corrumpitur, et quando atomi divituntU', res corrumpitur, et quando uniunter, ^eneraiur.

3) Chart. II. I- p. 581. quod in rebus n;«turalibu-i non est räsi motus localis, scilioft con;;regationis et disgregattonis, ita quod, «luando ad ta!em mo<um sequitur congregatio corporum atbomalium naturalium, c«>l!ig>»ntur ad invicem et sortiuntiir natuiam unius suf |>ositi, dicitar 'H'^ratio; quando segregantur, dicitur corrtiptio; et quando per moium localem itbomalia sunt cum aliquo supposito, que fiunt talis, quod nec advenius illovuin faceve videtur ad motum suppONiii vel »d id, quod dicitur operatio naturalis eius, tunc dicit:r «Jieratio.

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zu dem Nichts ausgeschlossen. Das Werden besteht eben darin, dass sich schon vorhandene Atome vereinigen, die Veränderung darin, dass zu diesem Atomen comprf exe an- dere Atome hinzutreten, und das Vorgehen darin, dass sich die Atome wieder aus ihrer Vereinigung auflösen. Somit ist der gesamte Naturprocess in letzter Linie wei- ter nichts als eine Vereinigung und Trennung von Ato- men, herbeigeführt durch Ortsveränderung.*) Weil mm die Atome ewig s.nd, so sind auch die einzelnen Dinge, von denen man gewöhnlich sagt, dass sie werden jund vergehen, ewig. Denn das woraus sie bestehen, was ihr eigentHches Wesen ausmacht, die Atome, s nd ewig, und werm sie sich auch aus ihrer Vereinigung auflösen, |so gehen sie doch bald darauf wieder andere Verbindungen ein imd lasssen so das frühere Ding wieder jaufleben, so dass man sagen kann, die Dinge sind ewig, mögen es neue Substanzen, mögen es Accidenzen sein. 5) In die- sem «ewigen Kreislaufe der Dinge giebt es daher nur ein relatives Entstehen und Vergehen, ein absolutes Wer- den, ,also ein Uebergang \'om Nichsein zum Sein, jund ein absolutes Vorgehen, ein Uebergang vom Sein ziun Nichtsein, schliesst geradezu einen Widerspruch ein und ist daher denkunmöglich,<») weshalb nur die Lehre der Ewigkeit der Welt Beistimmung \'erdient, nicht aber die entgegengesetzte von der Erschaffimg und \>rgänglidh- keit der Welt.'^) Weü nun alle Dinge aus Atomen zusam- mengesetzt sind, die ihrer Qualität nach alle einander

4) Chart. II. 1. p. 582. in rebus permanentibus materialibus nichil est novum de novo in esse positum ; tarnen aliqua res est aliquando presens alicui per motuni localem, cui primo non erat presens.

5) Chart. II. 1. p. 5^1. quod res absolute permanentes, de quibus dicitur. communiter, quod generantur et corrumpuntur, sunt eterne, sive sint sub.stentie sive siiit accidentia. Ibid. p. 578. quod non potcst evidenter o^teudi, quin quelibet res sit eterna.

e) Ciiart. II. 1. p. 582. quod esse corruptibile includit repugnan- tiam et contradictionem.

7) Chart. II. 1. p. 582. quod isti conclusioni, quod res permanentes sunt eterne, magis est assentiendum quam opposite.

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gleich sind, so sind auch die Dinge alle einander gleich hinsichtlich ihrer Qualität, urd es wäre töricht, zu ghu- ben, ein Ding sei edler und besser als ein anderes.®; Daher ist die Welt die beste,, weil die ewigen Atome, aus denen si-e zusammengesetzt ist, nicht aid ts sein kön nen, und di^eses Universum ist das vollkommenste sowx)hl in sich als auch hinsichtlich seiner Teile, und eine ün- vollkommenheit kann weder in dem Ganzen noch in den einzelnen Teilen vorhanden sein. In diesem Weltall nimmt jedes Ding die notwendige Stelle ein und ist infoljge seiner Konstitution aus den gleichen Atomen cb?nso will- kommen wie jedes andere, etwas Unvollkommenes gicht es nicht, so dass das Dasein jedes Dinges besser ist, als wenn es nicht wäre.^'^) Aus solchen Atomen besteht auch der Körper der Mons-chen, dessen Loben damit' beginnt, dass mit einem Atomencomplexe sich die mensch- liche Seele vereinigt, zu diesem treten dann neue Atome hinzu, während andere ausscheiden, wodurch das Wach- sen ibedingt ist. bis sich schliesslich die Atome auflösen, wodurch dann der Tod eintritt. Nach diesem Leben be- ginnt darm ein neues in einem andern Körper, wie schon in der Psychologie des Nicolaus näher ausgeführt ist. Dabei scheint er hart an den Materialismus heranzustrei- fen, indem er behaupvtet, dass infolge der Konstitution eines Körpers aus feineren Atomen die rein geistige Tätig- keit der Seele vollkommener ist als in einem Kör|>er, der ^aus gröberen Atomen zusammengesetzt ist, so dass also die Verstandestätigkeir abhängig wäre von der Be-

g) Chart. II. 1. p. r)77. rjuod non potest evidenter ostendi nobilita« nnius rei super aliam.

9) Chart. II. 1. p. 587. quod Universum est perfectissiraum se- cundum se et secundum omnes partes suas, et quod nulla imperfectio potest esse in tote nee in partibus.

10) Chart. II. 1. p. 581. quod quioquid est in universo, est mslius ipsum quam non ipsum.

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schaff enhcit der Atome eines Körpers. ^i) Dieser Atomis- mus macht Nicolaus auch /m einem Anhänger der Emis- sionstheorie ,des Lichtes. Dieses besteht nämUch darin, dass, wenn ein leuchtender Körper vx)rhanden ist, die- se Atome in Bewegung gesetzt werden und durch diese Ortsbewegung das Licht verbreiten. Wenn dagegen ein- gewendet wird, dass dies nicht durch Ortsbewegung ge- schehen kann, weil das Licht sich plötzlich verbreitet, so ist dem entgegenzuhalten, dass es in der Zeit ge schiebt wie der Schall, wenn wir es auch nicht wahr- zunehmen vermögen. 12) So stellt sich uns denn die pe- schiichte des Weltalls dar als ein ewiges Wechselspiel von Entstehen und Vergehen, im Werden eines Dinges ist schon sein Untergang besiegelt, woher es gekommen, dahin strebt es zurück. Und was von den einzelnen Din- gen gilt, gilt auch von dem Universum, es strebt zu seinem Ausgangspunkte zurück. Einmal wird der Augen- blick kommen, wo alles seinen Platz einnimmt wie im Anfange, um dann das Spiel von neuem zu beginnen.!"^)

11) Chart. II. 1. p. 582. Uli duo spiritus bonorum, quando dicitur corrumpi suppo ituni eorum, fiunt presentes alteri supposilo constituto ex atliomis perfectiorihus. Et tunc, cum tale suppositum sit maioris flexionis et perfectionis, idcirco in telligibilia magi^ quam prius ve- niunt ad eos.

Einen sinnverwiri enden Fehler findet man an dieser Stelle bei Bu- läus, der schieibt- minoris perfectionis, was Kurd Lasswitz: Gesch. d. Atomist. I. p. 2o8, Anmerk. unten, nachdruckt, ohne den Wider- spru h darin zu sehen.

12) Chart. II. 1. p. 581. qu:)d lumen nichil alind est quam quedam Corpora, que nata sunt sequi .notum solis seu etiam alterius corporis luminosi, ita quod fit per motum localem talium corporum advenien. tium ad presentiam co'poris luminosi. Et si dicatur, quod non potes^ fieri per moium localem, quia in instantifit, rcsbondet, quod ymo fi^ liitempore sicut sonus, licet non percipiamus^ quod fit subito.

13) Chart, II. 1. p. 585. quod supposita redeunt eodem numero per reditum corporum supracoelestium ad eumdeia situm.

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Neuntes Kapitel.

Nikolaus und die^Schola ,tik.

Diese Anschauungen sind das gerade W'idersp el gegen jene Philosi^phie. die von Aristoteles begründet, durch die Araber dem christlichen Abendlande üb-rmitielt und von den grossen Scholastikern ausgebaut. In den Schu- len (herrschend geworden und von der Kirche als die officielle Leh*-e prokhimiert worden wpar. Es findet sich bei Nicolaus nahezu kein einziger Satz, gegen den ßich nicht ein direkt widersprechender aus der Scholastik an- führen liesse. Kein Wunder daher, dass ihm die tra- ditionelle Lehre als der Inbegriff aller Irrtümer und Tor- heiten erscheint ! Zwar gesteht er zu, dass sich in den Werken des Aristoteles Aristoteles ist natürlich als nomen appellativum, nicht als nomen proprium zu neh- men, einen Scholastiker nennt er nirgends manche Sätze finden, gegen die sich niclits einwenden lässt, aber gerade seine HauptschrÜten enthalten durchweg Lehren, deren direktes Gegenteil wahr ist.^j In seiner Metaphy- sik ,und Naturphilosophie finden sich keine zwei, viel- leicht nicht einmal ein einziger evidenter Satz, noch viel weniger aber bei seinen Epigonen wie einem Bernard von Arezzo, der sich doch wohl nicht für grösser als Aristo-

1) Chart. II. 1. p. 5(S(). (juod vidit (,sc. Xicolaus) in dictis Aristo- lilis et comnientatoris mille conclusiones dcteraiinatas, contra quas non invenit rationes demonstrata^ ; sed bene occurrerunt sibi ali(|ue, per quas videtur sibi, quod ita possunt teneri rationes opposite sicut proposite ab eis.

2) Ms. 16409. foF. 42r. quod Aristoteles in tota philosophia sua naturali et metaphyi^a vix habuit lalem certitudinem de duabus con- clusionibus et fortasse nee de una, et equaliter vel inulto minus Fr. Beinardus, qui non preferret se Aristotili. Et non solum non habuit evidentem nuticiam, ymo, licet non teneam, sed habeo nnam rationem, quam nescio solvere, d probandum, quod nee habuit noticiam probabilem.

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teles halten wird, ja nicht einmal auf Wahrscheinlich- keit könne seine Behauptungen Anspruch machen.^) Will man die Dinge erkennen, so wende man sich nicht an Aristoteles und frage bei ihm an, was er denkt, sondern man richte seinen Geist auf die Dinge und überlasse sich ihm.^j Und wie in der Metaphysik und Naturphi- k)Sophie. so ist Aristoteles auch in der Phychologie fn die Irre gegangen, nach den Lehren, die Nicolaus über dieses Gebiet aufgestellt hat, fällt das ganze dritte Buch des Aristoteles .,über die Seele."*) Da somit die Werke des Aristoteles nichts als Irrtum undd Torheit enthalten, ist es unverständhch, wie man sich noch ihrem Studi- um widmen kann. Aber gleichwohl giebt es nicht weni- ge, jdie bis in ihr hohes Alter über diesen Schriften sitzen und darob die Sorge für das gemeinsame Wohl und die öffentliche Sittlichk^ it vernachlässigen, und wenn sich ein Freimd der Wahrheit erhebt ,,Damit meint er sich*' wird boshaft hinzug^efügt scilicet ipsemet; . um sie aus dem Schlafe aufzurütteln, so geraten sie fn grosse Trauer und stürzen sich auf ihn als gälte es ei nen Kampf auf Leben und Tod.^)

'3} Chart. II. 1. p. 580. illa"(sc. certitudo de rebus) modica polest in t)revi haben tempore, si homines conrertant intellectam suuin ad res et non fad ^intellectam Aribtotilis et commentatori'.

*) Chart H. 1- p. 582. per i>tam positiocem cessat totus tercius liber Aristotilis : „De anima."

5) Chart. II, 1. p. 581. (Xicolaus) multum admiratur, (^uod aliqui Student in Aristotile et comme itatore usqae ad etatem decrepitam et propter eorum sermones iogicos deserant res morales et curamboni communis in tantiim, quod, cum insurrexerit amicus veritutis, scilicet ipsemet, et fecit socare tjbam ut dormientis ex sompno excitaret contristati sunt valde et quasi armati ad capitale bellum contra ©um irruefont.

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Zehntes Kapitel.

NikoUus and die Kirche.

In tiiu-m solchen .^yst» mc ist für eine positive Re- ligion kein Platz mehr, weil die Grundlage jeder Re- ligion, das Dasein Gottes, in Frage gestellt ist. Denn aus den verschiedenen Stuten der Vollkommenheit in den Dingen kann nicht auf ein liöchst vollkommenes Wesen, das den einzelnen Dingen ihre bestimmte Vollkommen- heit verliehen hat, geschlossen werden, weil es in der Welt keinen Unterschied hinsichtlich der Vollkommen- heit giebt. Der Beweis aus dem Zv/ecke in der Natur, dass nämlich die Dinge zweckmässig handela und daher einen intelligenten Urheber voraussetzen, ist nicht übc-rzeugend, weil wir von einem Zwecke in der Natur keine Gewiss- heit haben. Aus dem Dasein der Welt aber auf Gott als die Ursache der Welt zu schliessen, ist noch weniger möglich, weil in diesem Falle von einem Dinge, auf ein anderes, davon verschiedenes geschlossen wird, was gegen jdas oft genannte Axiom verstösst. Wollte man hiergegen einwenden, dass die Welt einen zeitHchen An- fang genommen hat und daher eine Ursache voraussetzt, so erwidert Nicolaus darauf, dass die Welt anfangslos und daher ewig ist, so dass die Frage nach dem Urheber der Welt grundlos ist.^) Und was die einzelnen Dinge angeht, deren zeitliches Entstehen und Vergehen nicht in Abrede gesteUt werden kann, so ist Welt durch ihre

i) Chart. II. 1. p.- 568. ([uod non potest evidenter ostendi, quin (juelibet res sit etcrna.

Ibid. p. 5S1. oportet tarn totum quam partes esse eierna nee trans ire de non ».sse in esse.

Ibid. p. 581. quod res . . . sunt eterne.

g) Cbatt. II. 1. p. 578. quod potest dici sine contradictione, ad qaam quis possit duci, quod omnis res de mundo est producta.

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eigenen Kräfte imstande, sie hervorzubringen.*) Das Da- sein Gottes kann daher auf keinem Wege tx^wicsen wer- den. Trotzdem ist für Nicolaus das Dasein Gottes zwei- fellos Igewiss. das beweist schon sein Occasionalismus. Gott ist ihm der Ucberseiende, sein Sein ist über jalle Bestimmtheiten erhaben, so dass ihm ebenso gut das Prädikat des Seins wie das des Nichtseins beigelegt wer- den kann, 3) wodurch die Unmöglichkeit möglich wird, dass contradiktorische Gegenteile dasselbe bezeichiien>j Seine Erkenntnis aller Dinge ist eine einzige, und von Ewigkeit her schaut er alles. ^) Gegen Gottes Sein ist das ^Sein der Welt, weil rein potentiell, eigentlich tin Nichtsein, und so kann hinsichtlich ihres vSeins von Gott sowohl |wie von der Welt behauptet werden, dass sie nicht sind. 6) Trotz seiner die Religion untergrabenden An- schauungen ist er ein treuer Sohn der Kirche, ist in der Seelsorge durch Predigt tätig,') lehrt die Belohnung und Bestrafung im Jenseits,^) glaubt an die Gnadenwirkung Gottes^) und ermahnt, dem Gesetze Christi zu folgen und an seine Worte zu glauben, i^) ja die Glaubenssätze ha- ben nach ihm dieselbe Gewissheit wie das Princip Ües Widerspruchs.^^) Deshalb nun und weil er erklärt, nichts von der katholischen Lehre Abweichendes sagen zu wol- len, und gern bereit ist, auf Befehl des Papstes alles zu widerrufen, was Anstoss erregen könnte, darum et- wa „behaupten, »e's könne ihm damit nicht Ernst sein, heisst, Iwie Erdmann in derselben Beziehung von Oc-

4) Chart. II. 1. p. 580. quod propositiones Deus est, Dens nou est, penitus idem significant, licet alio modo.

5) Ch*rt. II. 1. p. 578. quod contradictoria ad invicem idem sig= nificant.

e) Ms. 16409. fol 49v. Fide tenemus, quod una est intellectio oumium rerum, pnta divina, et Deus ex sibi apparenti potest etc.

7) Chart. 11. 1. p. 588. qnod Deus et creatura non sunt aliquid.

g) Chart. II. 1. p. 584. In ecclesia St. Sepulchri predicasse dicitnr, quod quilibet plus tenetur diligere proximum meliorem se quam seipsum.

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cam sagt, die redlichsten Männer der allerverschicden- sten Zeiten, wiel sie ähnliche Erklärungen abgaben, zu Schelmen machen. "^-)-

Er ist ein wahrer Philosoph und dabei ein überzeu- gungstreuer "Katholik und Priester.

Schlusswort

So nennt denn Nicolaus eine für seine Zeit ganz jun- gewöhnliche Stellung ein. Durch die Leugnung des ana- lytischen Charakters des Causalitätsprincips, durch die Be- kämpfung des Substanzbegriffcs für die Körper und Geis- ster, durch seinen Idealismus, durch die \'erwerfung der teleologischen Naturerklärung, durch den Occasionaüsmus und Atomismus ist er der \'orläufer mancher bedeutender Philosophen der Neuzeit. Ein Einfluss auf die neuem Philosophie ist damit keineswegs gegeben. Das verhin- derte schon die \>rnichtung seiner Schriften, und die Philosophie der folgenden Jahrhunderte ging ganz an- dere Bahnen, als Nicolaus betreten hatte. Selbst auf seme Zeitgenossen scheint er keinen Einfluss ausgeübt zu ha- ben. Kam er doch zu Resultaten, die den traditioneUeri Anschauungen derart entgegengesetzt waren, dass man- cher von vornherein darauf verzxhten mochte, näher hier- auf einzugehen. Wie man auch über sein System den- ken mag, Konsequenz in dei Durchführung wird ihm

9) Chart. 11. 1. p. 483. qni cum (jue appetit ire, aliquando ibit.

10) Chart. II. 1. p. 582. Aliqua realitas fit presens anime per quendnni motum spiritualem inxta gratiam.

11) Chait. 11. 1. p. 583. quod adbereamus legi Christi et ut credamus, quod non aliter fiet premiatio et puntito nisi per illum nu>>lum, qui est expressus in lege s*cra.

12) Chart. II. 1. p. 577. quod excei)ta certitudine üdei non erit alia certitudo nisi certitudo primi principii.

13) Grundriss d. G. d. Ph. 4. Aufl. 1. p. 470.

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niemand bestreiten können. Kommt nämlich nur dem Prin- cip des Widerspruchs und den Sätzen, die sich darauf direkt oder indirekt zurückführen lassen, Evidenz zu, so sind damit alle Folgerungen gegeben, die Nicolaus ge- zogen "hat.

Ob in den vorhergehenden Ausführungen alles so dar- gestellt ä-ei, wie es von Nicolaus gelehrt ist, kann 5n Zweifel gezogen werden. Musste doch seine Lehre gerade in den wichtigsten Punkten aus einzelnen, aus dem Zu- sammenhang seiner Werke gerissenen Sätzen wiederher- gestellt werden. Wie dem auch sei, in den Grundzügen ist uns das System des Nicolaus erhalten und zeigt Uns, welch ein reiches, wissenschaftliches Leben in jener Pe- riode der mittelalterlichen Philosophie herrschte.

Vita.

Ich, Joseph Conrad Lappe, katholischer Confession, wur- de am 2. März 1879 ^Is Sohn des Landwirts Franz Laj>- pet und seiner Ehefrau Theresia geb. Schupmann zu Geseke in Westfalen geboren. Nach der Vorbil- dung auf der höheren Bürgerschule meiner Vater- stadt ging ich 1895 ^^ ^^^ König). Gymnasium zu Pa- derborn, wo ich im Jahre 1899 das Zeugnis der Reife erhielt. Ich wandte mich zunächst philosophisch - theolo- gischen Studien an der biscliöflichen Lehranstalt zu Pa- derborn zu, Sommer 1900 ging ich nach München, wo ich besonders Philosophie und Staatswissenschaften stu- dierte. Im Herbste desselben Jahres wurde ich an der Universität zu Bonn immatrikuliert und blieb hier bis zur Vollendung meiner Studien, Ich beschäftigte mich vor allem mit Philosophie und Nationalöconomie, aus- serdem mit Germanistik und klassischer Philologie.

Am 25. März 1903 bestand ich das Doctorexamen und am 27. März 1904 das Staatsexamen.

Vorlesimgen hörte ich "bei folgenden Herren Professoren, in München: v. Hertling, Brentano, Lotz, Ranke imd

Walther, in Bonn : Bäumker und Erdmann in der Philosophie,

V. d. Goltz, Gothein, Dietzel, Zorn und Bergbohm in den Staatswissenschaften, Usener, Bücheier, Elter, Brinkmann, Frank, Litzmann in der Philologie.

Meinen Lehrern Prof. Bäumker und Erdmann, die mir

in ernsten und schweren Tagen als väterliche Berater

und Helfer zur Seite standen, spreche ich auch an die- ser Stelle den herzlichsten Dank aus.

ÜE MEDI^\

-, N^ 5 9 QUEüN S PARK

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Lappe, Josef ^^^^^

Die Philosophie... .A97

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