MIKROPHOTOGRAPHIE
des aufrechten Net hautbildes im Augenhintergrunde des Leuchtkäferehens
(Lami>yiis spldl . Vergrösserung uu. Aufgenommen mit Objectiv C von Zeiss.
Als Objeet diente ein Bogenfenster, durch welches eine Kirche gesehen
wird. Aul eine Fensterscheibe war ein aus schwarzem Papier geschnittenes
»K )t. (ICs erscheint wegen der Vervielfältigung dun li Lichtdruck in
;elschrill.) Die Knlferuung des l'ensters vom Auge betrug 225 Ctm.; die
dei Kirche vom l'cnslei 135 Schritte.
(iJie Aufnahm« gi ■iclmh durch die k. k. I.ehr- und Versuchsstation für
lolographie und Uepioduelionsverlahren in Wien.)
DIE PHYSIOLOGIE
!>KK
FACETTIRTEN AUGEN
VON
KREBSEN UND INSECTEN.
§ EINE STUDIE
o
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VÜN
SIGM. EXNER
PROFESSOR DBR PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT IN WIEN.
Mit 7 lithographirten Tafeln, einem Lichtdruck und 23 Holzschnitten im Text.
LEIPZIG UND WIEN.
FRANZ D E U T I C K E.
1891.
Alle Rechte vorbehalten.
K. ii. k. Üofbuchdruckerei Carl Fromme in Wien
HERRN
GEHEIMEN RATH
HERMANN VON HELMHOLTZ
ZU SEINEM 70. GEBURTSTAG
DEM 31. AUGUST 1891
IN ALTER VEREHRUNG
GEWIDMET
VOM
VERFASSER.
■<;;:
Vorwort.
Die vorliegende Studie ist das Eesultat mehrjähriger Arbeiten, welche
mich stärker, als man es von einem Physiologen erwarten mag, fesselten.
Das Facettenauge liegt abseits von den viel begangenen Wegen unserer
Wissenschaft. Einerseits aber hat es einen unzweifelhaften wissenschaftlichen
Reiz, nachzuforschen, wie und warum die Natur zwei so grundverschiedene
Mittel benützt, um anscheinend zu demselben Ziele zu gelangen, ein Lebe-
wesen mit Augen auszustatten; andererseits zeigte sich mir, einmal dem
Gegenstande näher- getreten,' eine solche Fülle von Formen und Erschei-
nungen, dass dieselben von Frage zu Frage drängend, Antwort auf Antwort
verlangten, und in ihrer Mannigfaltigkeit, indem sie anatomisches, bio-
logisches, physikalisches und physiologisches Denken erforderten, das Inter-
esse immer wieder wachriefen. Das Auge der Wirbellosen ist ein Proteus
im Vergleiche zum Auge der Wirbelt liiere, ja letzteres könnte Jeden lang-
weilen, der den Reichthum des ersteren kennen gelernt hat.
So kam es, dass ich mich mit einer gewissen Gewaltsamkeit von
meinem Studienobjecte losreissen musste, vor einer Menge Fragen gleich-
sam die Augen verschliessend; wie lockend wäre es gewesen, die Augen der
Myriapoden und die der Arachnoideen in den Kreis der Untersuchung zu
ziehen, oder die sonderbaren Augenformen der Krebse aus der Tiefsee-
fauna zu studiren. Aus diesem Grunde ist in den nachstehenden Zeilen
auch Manches nur angedeutet oder musste in der Schwebe gelassen werden;
so sind die Experimente über den Mechanismus der Pigmentverschiebung
nicht über das Stadium von Vorversuchen gediehen.
Oftmals war ich genöthigt, collegiale Hilfe in Anspruch zu nehmen,
um mich in den mir fremden Gebieten zu orientiren; es haben mich die
Herren vom k. und k. Naturhistorisclien Hofmuseum zu Wien auf das
VI Vorwort.
freundlichste unterstützt, besonders die Herren Custoden Prof. F. Brauer,
Ganglbauer, Kölbl und Rogenhofer, sowie Director A. Brezina; der
liebenswürdigen Vermittelung der Herren Hofratli Prof. Claus und Prof.
Grobben verdanke ich die Zusendung lebender Seethiere aus Triest, und
Prof. Ed. Suess die Ueberlassung von petrificirten Krebsen. Ganz besonders
aber fühle ich mich der Leitung der zoologischen Station zu Neapel ver-
fluchtet, welche mich während meines Aufenthaltes daselbst, abgesehen
von der wissenschaftlichen Unterstützung, nicht nur auf das reichlichste
mit Material, sondern auch mit den zu physiologischen Versuchen nöthigen
Apparaten und Einrichtungen versorgte. Der Reichthum von Formen, den
ich da zu sehen bekam, gäbe wohl Arbeitsstoff für manches Jahrzehnt,
Herrn Prof. Dohrn, sowie den übrigen Herren des Institutes meinen
wärmsten Dank!
Nicht unterlassen kann ich es, der Verlagsbuchhandlung des Herrn
Franz Deut icke öffentlich meinen Dank dafür auszusprechen, dass sie es
nicht gescheut hat, dem Werkchen, das auf einen grossen Leserkreis kaum
rechnen darf, eine in jeder Beziehung tadellose Ausstattung zu geben und
mir jeden meiner Wünsche, den ich betreffs Holzschnitten, Lithographien
oder Lichtdrucken geäussert habe, in der "zuvorkommendsten Weise sofort
zu erfüllen.
Wien, den 22. März 1891.
Der Verfasser.
Inhalt.
Seite
I. Capitel. Physikalische Vorbemerkungen 1
II. Capitel. Dioptrik des zusammengesetzten Auges 11
Historische Vorbemerkungen 11
.-L Das Appositionsbild von Lim ulus 18
Wirkung der Schiefstellung der Kegel 24
Wirkung des Kegelmantels 27
Das Zusammenwirken der Kegel und die Netzhaut 29
D;ts Auge von Limulus iin Vergleich mit jenen der Trilobitenkrebse 33
/•'. Das Superpositionsbild von Lampyris 35
1. Beobachtungen am frischen Lampyrisauge 35
2. Veranschaulichung der Dioptrik des Lampyrisauges 39
3. Experimentelle Prüfung des Strahlenganges im Lampyrisauge 47
4. Dioptrische Berechnung des Lampyrisauges 52
C. Katoptrische Wirkung der Kegel 59
III. Capitel. Das Irispigment und seine Wirkung 63
A. Insecten (17
B. Krebse 71
IV. Capitel. Das Netzhautbild verschiedener Insecten und Krebse . 75
A. Superpositionsbilder 76
1. Käfer 76
2. Schmetterlinge 81
3. Krebse 81
B. Appositionsbilder 86
1. Insecten 87
2. Krebse 90
C. Augen mit doppelter Punotionsweise 91
V. Capitel. Die Netzhaut; ihr Pigment und ihr Tapetum 95
1. Das Tapetum 97
2. Das Retinapigment 102
3. Die photo-mechanische Wirkung am Retinapigment UM
VI. Capitel. Augen mit ungleichmässigem Bau 11-
VII. Capitel. Kurze Beschreibung einzelner Augen von Insecten und
Krebsen 1";
A. Insecten I"1
1. Tagschmetterlinge J16
2. Nacht- und Dämmeruncsfalter .• • • • 117
60Ü30
VIII Inhalt.
Suite
3. Käfer 118
4. Diverse Insecten 120
B. Kreise 122
1 Langschwänze 122
2. Halbschwänze 125
3. Kurzschwänze 125
1. Diverse Crustaceen 127
VIII. Capitel. Die Augen von Squilla, Phronima und Copilia 128
a) Squilla iiiaiilis 128
h) Phronima 130
c) Copilia 135
IX. Capitel. Aceessorische optische Erscheinungen am zusammen-
gesetzten Auge 141
1. Das Augenleuchten 141
Die gegenseitige Lage des Corneareflexes und der Pseudopupille 156
Einige weitere Beobachtungen über die Pigmentverschicbungen 160
2. Das' Phänomen der Pseudopupillen 162
Erklärung des Phänomens der Pseudopupillen 166
X. Capitel. Das Sehen mit den Facettenaugen 179
a) Schärfe des Netzhautbildes 179
l) Verzerrungen am Netzhautbild 180
c) Das Sehen von Bewegungen 182
d) Accommodation 188
e) Das Sehen in der Tiefendimension 189
XI. Capitel. Einige Bemerkungen über die Phylogenese des facettirten
Auges vom functionellen Standpunkt betrachtet 192
Alphabetisches Register 195
Erklärung der Tafeln 199
I. CAPITEL.
Physikalische Vorbemerkungen.
Gelegentlich meiner ersten Untersuchungen über Insectenaugen ! im
Jahre 1875 versuchte ich, den Brechungsexponenten der Hornhaut des
Hydrophilus zu bestimmen. Diese besteht, den einzelnen Facetten ent-
sprechend, aus zahlreichen drei- bis viermal so laugen als breiten Cylindern,
deren vordere im Leben an Luft oder Wasser grenzende Fläche eine
schwache kugelige Krümmung, deren hintere, dem Inneren des Auges zu-
gewendete Fläche aber einen sehr kleinen Krümmungshalbmesser hat
(ähnlich wie Fig. 23, Taf. III). Man bestimmt nach allgemeinen Kegeln in
einem solchen Falle das Brechungsvermögen, indem man die Krümmungs-
halbmesser der beiden kugeligen Flächen, ihre Entfernung voneinander
und die Entfernung des Bildes von einer der beiden Flächen misst. Den
hieraus berechneten Brechungsindex fand ich ganz ausserordentlich gross,
nämlich 1/8.
Später erkannte ich mit Hilfe des Mikrorefractometers, 2 dass jene
Corneacylinder nicht, wie bei jener Rechnung selbstverständlich voraus-
gesetzt war, aus einer homogenen Masse bestehen, dass sie vielmehr aus
cylindrischen Schichten aufgebaut sind, deren Brechungsindex von der
Axe nach der Mantelfläche allmählich abnimmt, ferner dass ein Stück
eines solchen Cylinders nur den Brechungsindex 1'55 (ähnlich dem des
gewöhnlichen Glases) hat, und dass der Corneacylinder, auch nachdem ich
die beiden gekrümmten Endflächen weggeschnitten hatte, noch verkehrte
Bildchen äusserer Objecte entwirft.
Der früher gefundene falsche Werth für den Brechungsindex ent-
stammt also dem Umstände, dass ich die gemessene Bildweite der die
Strahlen sammelnden Kraft der gekrümmten Endflächen allein zugeschrieben
und die bis dahin unbekannte sammelnde Kraft eines geschichteten Cylin-
ders nicht mit in Rechnung gebracht hatte.
1 Das Sehen von Bewegungen und die Theorie des zusammengesetzten Auges. Sitzber.
d. Wiener Akad. d. Wiss. Bd. LXXII, Abth. 3.
2 Sigm. Kxner. Ein Mikrorefraetometer. Areh. f. mikr. Anat. Bd. XXV.
E xne r, Faeettenaugen. -I-
_ 2 —
In dieser Weise geschichtete Cylinder, deren Brechungsindex also
von der Axe gegen die Mantelfläche continuirlich abnimmt, fnngiren min in
gewisser Beziehung ähnlich wie Linsen, ich nenne sie deshalb Linsen-
cylinder; in mancher Beziehung weicht ihre Function aber von der der
Linsen beträchtlich ab. Sie spielen im Facettenauge, wie sich später zeigen
wird, eine grosse Rolle, und es wären gewisse seiner optischen Effecte
durch Linsen nicht zu erzielen. Es scheint mir deshalb nicht überflüssig,
hier eine kurze Darstellung der optischen Wirkung von Linsencylindern
zu geben, obwohl der grösste Theil derselben in einer schon mehrere Jahre
alten Abhandlung enthalten ist, * auf welche ich betreffs der genaueren
Berechnungen und Ableitungen verweise. Es soll hier nur so viel von der
Dioptrik geschichteter Körper besprochen werden, als zum Verständniss
der Vorgänge im Facettenauge nöthig ist, und auch dieses soll nicht be-
wiesen, sondern nur anschaulich gemacht werden. Betreffs der Berechnungen
dieser dioptrischen Vorgänge verweise ich ferner auf den von meinem
Bruder Prof. Karl Exner herrührenden Abschnitt C meiner eben genannten
fi
a!
x^
9
Fig. 1.
Abhandlung, sowie auf dessen Aufsatz in den Ann. f. Physik und Chemie
XXVII, 188G, und auf eine einschlägige Untersuchung von Matthiessen im
Repert. d. Tliysik XXII.
Es sei (Holzschnitt Fig. 1) ab cd ein Cylinder, dessen Brechungsindex
in der Axe xy ein Maximum hat und nach dem Mantel stetig abnimmt.
Die beiden Grundflächen ac und bd seien ebene, auf der Axe senkrecht
stehende Flächen, xm ein Lichtstrahl; sobald dieser in den Cylinder ein-
gedrungen ist, passirt er Trennungsflächen zwischen Schichten von abnehmen-
dem Brechungsindex n. An jeder solchen Trenuungsfläche, z. B. a'b' wird
er also zum Einfallsloth (pq) gebrochen, so dass seine Richtung einen stetig
abnehmenden Winkel mit der Axe einschliesst, endlich wird der Winkel Null,
dann negativ. Da der Strahl jetzt aus optisch dünneren in dichtere Schichten
dringt, wird er vom Einfallsloth (jp'q4) gebrochen und schneidet so wieder
die Axe in y. Der Symmetrie wegen werden alle von x unter demselben
Winkel ausgehenden Strahlen sich in y treffen.
1 Sigui. Exner. Ueber Cylinder, welche optische Bilder entwarfen. Ffliiger's Aroh.
XXXVIII, S. 274. und Nachtrag zu derselben. Ebenda XXXIX. S. 244.
— 3 —
Auf den eisten Blick mag es scheinen, dass der Strahl, nachdem er
r Axe parallel geworden ist, nun in dieser Richtung weiter verlauten
iisse, dass also alle Strahlen parallel der Axe austreten würden. Eine
enauere Ueberlegung ergibt, dass dies unrichtig ist. Man braucht sich
ur das einfallende Strahlenbündel in seine Elementarwellen zerlegt zu
enken, so leuchtet ein, dass die der Axe näher gelegenen geringere Fort-
flanzungsgeschwindigkeit haben müssen. Wir befinden uns hier eben an
er Grenze der geometrischen Optik.
Ob auch Strahlen, welche unter einem anderen Winkel, von x aus-
ehend, den Cylinder treffen, in y vereinigt werden, muss die Rechnung
ihren. Eine solche wurde zuerst von meinem Bruder Prof. Karl Exner
,uf meine Veranlassung durchgeführt und ist am angebenen Orte mitge-
heilt. Sie sagt aus, dass, wenn man, wie das bei den gewöhnlichen Linsen-
»erechnungen auch der Fall ist, nur die Centralstrahlen berücksichtigt, sich in
Ler That alle diese Strahlen in y treffen; sollen aber auch die Randstrahlen
n y vereinigt werden, dann muss n jeder Schichte eine ganz bestimmte
M2
iih
Hin
Jh
II:!
Fis. 2.
th
Function der Entfernung derselben von der Axe sein. Diese Function hat
die Form einer Parabel.
Man kann sich den Vorgang auch so vorstellen: Es sei wieder (Fig. 2)
ab cd der Cylinder, in x ein leuchtender Punkt, m n die Oberfläche einer
von ihm ausgehenden Kugelwelle. Ist dieselbe nach mln[ gelangt, so beginnt
sie eine Deformation zu erleiden, indem sie der Axe entlang die geringste
Fortpflanzungsgeschwindigkeit hat. Sie geht näherungsweise über in m2 w2,
jw3w3 . . . und tritt als concave Fläche w5w5 wieder in die Luft ein, d. h. die
Strahlen treten convergent aus dem Cylinder. Man ersieht aus der Zeichnung
auch ohneweiters, dass, wenn man den Cylinder in w»3w3 durchschnitten
und den zweiten Theil desselben entfernt hätte, die austretende Wellen-
oberfläche eben sein und senkrecht auf der Axe stehen, d. h. dass dann x
den ersten Brennpunkt des Cylinders bilden würde. In analoger Weise
ergibt sich die Construction des zweiten Brennpunktes. Fällt nämlich eine
ebene, d. h. eine von einem unendlich entfernten Punkt ausgehende Wellen-
oberfläche auf den Cylinder msnzbd, so kann die Welle, zur Kugelwelle
deformirt, als mbnb austreten, d. h. es ist y der zweite Brennpunkt dieses
Cylinders.
Die vorgeführte Betrachtungsweise liefert auch den einfachsten Beweis
dafür, dass durch den Cylinder ab cd ein Bild von x entworfen werden
1*
4 —
liiuss, falls nur die Centralstrahlen in Betracht gezogen werden (wie bei
sphärischen Liusen), es möge übrigens das Gesetz, nach welchem n von
der Axe nach aussen abnimmt, welches immer sein. Von der Form dieser
Abnahme hängt nämlich die Gestalt der Curve r».n5 ab. Jedenfalls aber
wird das an der Axe liegende kleinste Flächentheilchen wegen der all-
seitigen Symmetrie des Oylinders um die Axe die Gestalt einer Rotations-
fläche haben, also mit Rücksicht auf seine Kleinheit nach bekannten geo-
metrischen Gesetzen einen Antheil einer Kugelfläche darstellen. Das
Centrum y dieser Kugelfläche ist dann das Bild von x.
Die Rechnung zeigt, dass die Brennweite p eines Cylinders
c
ist, worin c eine Oonstante und l die Länge des Cylinders innerhalb
gewisser
Fig. 3.
Grenzen bedeutet. Da die Brennweite also umgekehrt pro-
portional der Länge ist, so könnte man von einem vorliegenden Cylinder
die Dioptrien nach dem Massstabe herun^erschneiden.
Ich sagte, die genannte Formel für die Brennweite gelte nur inner-
halb gewisser Grenzen. In der That sind auch hier die Berechnungen
nur für den Fall leicht durchzuführen, dass die Länge des Cylinders
bei gegebenen Dichtigkeitsunterschieden
hinreichend klein ist.
Abgesehen
Fig. 4.
von diesem berechneten Fall ergibt die Anschauung, dass die Brennweite
eine periodische Function der Länge des Cylinders ist. Der Verlauf eines
z. B. parallel auffallenden Strahlenbündels muss nämlich näherungsweise
der in Fig. 3 wiedergegebene sein, wo ran die einfallende ebene Wellen-
oberfläche und ab zwei Strahlen derselben darstellen. Die Deformation
von mn ist angedeutet. In einem derartigen Cylinder liegt also eine Suc-
cession von Brennpunkten, und er wirkt bei Wachsthum seiner Länge
abwechselnd als Sammel- und als Zerstreuungslinse.
Hat man es mit einem verhältnissmässig kurzen oder schwachen
Linsencylinder zu thun, und ist der abzubildende Gegenstand nicht punkt-
förmig, so geschieht die Construction der Bilder wie bei den Linsen. Da
die von einem Punkte der Axe kommenden Strahlen sich wieder in einem
Punkte vereinigen, werden auch die von einem der Axe benachbarten
5 —
Punkte kommenden Strahlen sich nahezu vereinigen. Um diesen Ver-
einigungspunkt zu linden, bedarf es nur zweier Strahlen, des Focalstrahles
und des Parallelstrahles. Sind M und N (Fig. 4) die beiden Brennpunkte,
/, ein Punkt nahe der Axe, so wird der Strahl LP nach N gebrochen und
der Strahl L M nach Q, folglich liegt das Bild von L in Q.
Mit Bezug auf das Insectenauge interessiren uns hauptsächlich zwei
Längen eines Linsencylinders, erstens jene, bei welcher sein Brennpunkt
näherungsweise in der hinteren Fläche liegt, zweitens jene Länge, bei
welcher der Brennpunkt in der Mitte des Cylinders gelegen ist.
A. Der Brennpunkt liegt in der hinteren Basis des Cylin-
ders. Strahlen also, welche vor der Brechung parallel der Cylinderaxe
verlaufen sind, schneiden sich in demDurchschnittspunkte der Axe mit der
hinteren Begrenzungsliäche. Es sei Fig. 5 ab cd wieder ein
Liusencylinder, scy seine Axe; ein Strahlenbündel mn, das
in Richtung der Axe einfällt, wird im Brennpunkte y ver-
einigt. Das Bild eines anderen Punktes, dessen Strahlen-
bündel durch p und q angedeutet wird, liegt in z. Es
entsteht also in der hinteren Basis des Cylinders ein
verkehrtes Bild der äusseren Objecte. Dieses Bild unter-
scheidet sich aber in einigen Punkten nicht unwesent-
lich von dem Bilde, das eine Linse entwerfen würde. Es
sei z. B. in Fig. 6i/z ein ebenso grosses verkehrtes
Bildchen, welches eine kugelförmige Sammellinse von
demselben Objecte entwerfen mag. Man sieht, dass die
durch o gehenden Hauptstrahlen nach der Brechung noch
denselben Winkel miteinander einschliessen, wie vor
der Brechung; mit anderen Worten, der Lichtkegel,
welcher von den Strahlen eines Punktes gebildet wird,
hat eine andere Axenrichtung als der Lichtkegel der
von den Strahlen eines anderen Punktes gebildet wird.
Anders ist es beim Liusencylinder Fig. 5; da sind die .
kegel parallel gerichtet. Es leuchtet ein, dass, wenn
Licht-
darum
handelt, Licht, welches aus einer bestimmten Richtung, z. B. xy (Fig. 5\
und deren nächsten Umgebung, z. B. bis zum Winkel a kommt, nutzbringend
zu verwerthen (einem Nervenende zuzuführen), der Linsencylinder also
den Vorzug vor der Linse verdiente.
Nennen wir beim Linsencylinder jenen Strahl, welcher, von einem
Punkte des Gegenstandes ausgehend, den Mittelpunkt der vorderen
Begrenzung desselben trifft, einen Hauptstrahl (während bekanntlich bei
der Linse die durch den Mittelpunkt derselben gehenden Strahlen diesen
Namen führen), so lässt sich der uns hier interessirende Unterschied
zwischen den beiden optischen Vorrichtungen so ausdrücken: bei der
Linse divergiren die Hauptstrahlen verschiedener Objectpunkte
nach der Brechung; bei dem Linsencylinder von der Länge seiner
- 6
///
u
eigenen Brennweite verlaufen nach der Brechung alle Haupt-
strahlen parallel der Axe.
Man ersieht aus der Fig. 5 unmittelbar, dass die Grösse der in cd
abzubildenden Fläche des Objectes eine durch die Dicke des Cylinders (cd)
und seine Höhe (a c) eng begrenzte ist (während bei der Kugellinse [Fig. 6]
die Grösse des abzubildenden Objectes unbegrenzt ist) und dass für die
optische Wirkung der untere äussere Antheil des ganzen Cylinders nicht
in Betracht kommt. Es könnte dieser also fehlen, d. h. ein abgestutzter
Kegel (die Grundform der dioptrischen Bestandteile der Facettenaugen)
würde dieselbe Wirkung haben.
Ein nach dem Principe des Linsencylinders gebauter ab-
gestutzter Kegel von der Länge seiner Brennweite vereinigt
alles von einer engbegrenzten, um seine
Axe gelagerten Fläche der Aussenwelt
kommendeLichtauf seiner hintereuFläche
(/ derart, dass die sämmtlichen Hauptstrahlen
/' nach dem Austritt aus dem Kegel parallel
der Axe verlaufen.
B. Der Linsencylinder ist doppelt so
laug als seine Brennweite. In diesem Falle
liegt das verkehrte Bild eines in grosser Ent-
fernung befindlichen Gegenstandes natürlich in
der Mitte des Linsencylinders. Es ist yz in
Fig. 7. Würde der Linsencylinder ab cd in der
Ebene yz quer durchschnitten, so würde der
eben besprochene Fall vorliegen und alle Haupt-
strahlen parallel zur Axe austreten. Nun beginnt
ff' !/f \m' a^er gleichsam in der Ebene yz ein neuer
Linsencylinder von derselben optischen Eigen-
schaft und reicht bis cd. In der oberen Fläche
desselben liegt yz, welches Bild jetzt als Gegenstand für die untere
Hälfte des Cylinders aufzufassen ist. Nach dem allgemeinen dioptri-
schen Gesetze, nach welchem der Verlauf der Strahlen zwischen zwei
conjugirten Punkten derselbe ist, es mögen dieselben von dem ersten
zum zweiten Puukte, oder vom zweiten zum ersten fortschreiten,
muss der Strahlengang in der unteren Hälfte des Linsencylinders
symmetrisch zu dem Strahlengang in der oberen Hälfte sein. Es
werden also Strahlen (mw). welche in den Cylinder parallel der Axe
eingetreten sind, sich in einem Punkte (y) treffen, welcher sich für
die untere Hälfte des Cylinders ganz ebenso verhält, wie für die obere
Hälfte. Der Weg dieser Strahlen wird in letzterer derselbe sein, wie in
ersterer, nur die Richtung ihres Fortschreitens ist nun vom Punkte y
weggewendet. Sie müssen aber wieder parallel der Axe austreten, so wie
sie parallel eingetreten sind (m, ??,). Ein von einem anderen, dem ersten
7
benachbarten Punkte ausgehendes Strahlenbündel (p q), das, einen Winkel («)
mit der Axe bildend, den Cylinder trifft, muss auch unter demselben Winkel
(j3— «) den Cylinder wieder verlassen (/>, Vi)- Daraus folgt der oben schon
angenommene Satz, dass der Hauptstrahl die Ebene yz senkrecht trifft.
Ein Linsencylinder von den in Rede stehenden optischen Eigen-
schaften bildet also ein astronomisches, nicht vergrößerndes Fernrohr, das
auf Unendlich eingestellt ist. Man kann den Effect desselben in der Haupt-
sache durch die Combination zweier gleicher Convexlinsen nachahmen,
welche um ihre doppelte Brennweite von einander entfernt sind. Auch in
diesem Falle bildet der austretende Strahl mit der Axe denselben Winkel,
den er vor seinem Eintritt in die Linsencombination mit derselben gebildet
hatte; Axe, eintretender und austretender Strahl liegen in derselben Ebene
und die genannten beiden Strahlen auf derselben Seite
der Axe.
Die hier besprochenen Fälle der optischen Wirkung
der Linsencylinder gehören zu den einfachsten, welche
denkbar sind und linden sich so wohl nirgends in den
Facettenaugen verwirklicht. Hier trifft man vielmehr in
der Regel Effecte der Lichtbrechung, die durch die Com-
bination von kugelig gekrümmten Flächen mit Linsen-
cylindern erzielt sind. Jede sphärische Trennungsiiäche
zwischen zwei Medien von verschiedenem Brechungs-
vermögen entwirft von einem äusseren Object ein Bild;
der Linsencylinder thut das auch; falls beide im Sinne
einer Sammellinse wirken und die sphärische Fläche an
Stelle der Basis am Linsencylinder selbst angebracht ist,
so unterstützen sich die beiden Arten der Strahlen-
brechung, ähnlich wie die Strahlen sammelnde Kraft einer
Convexlinse durch die einer zweiten unterstützt wird. Dies
ist natürlich auch der Fall, wenn der Linsencylinder beider-
seits durch sphärische Flächen begrenzt ist, und ist
ähnlich der Fall, wenn der dioptrische Apparat, wie das bei den meisten
Arthropoden zutrifft, aus zwei Stücken, der Cornea und dem Krystallkegel,
besteht, von denen wahrscheinlich jedes einen Linsencylinder bildet, dessen
beide Basen durch kugelig gekrümmte Flächen ersetzt sind.
Noch in anderer Weise weichen die Verhältnisse im Facettenauge
von den hier geschilderten einfachen physikalischen Vorgängen ab. In
Fig. 7 ist vorausgesetzt, dass die über yz gelegene und die darunter
gelegene Hälfte des Cylinders vollkommen gleichen optischen Bau haben.
Dadurch entsteht die Wirkung eines nicht vergrössernden astronomischen
Fernrohres. In der Natur aber scheint es Regel zu sein, dass die beiden
Antheile von ungleichem optischen Bau sind, wie dieses bei einem ver-
grössernden Fernrohre der Fall ist. Es liegt dann das Bild yz nicht mehr
in der geometrischen Mitte des Cylinders, sondern der einen Basis näher;
- 8 -
doch aber können die Strahlen eines Punktes parallel aus dem optischen
Systeme austreten.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass noch eine weitere Art optischer
Bilderzeugung im Insectenauge eine Rolle spielt. Matthiessen1 hat in
jüngster Zeit die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass ein Satz von an
einer Axe angereihten Kugelschalen, von denen jede parallele Begren-
zungsflächen hat, auch die Wirkung einer Sammellinse zeigt, wenn der
Brechungsindex der Kugelschalen in der Richtung des Ganges der Licht-
strahlen abnimmt und die Concavität derselben dem einfallenden Lichte
zugewendet ist. Diese Linsenwirkung ist auch dann noch vorhanden,
wenn das ganze System an beiden Enden mit planen Flächen schliesst.
Es bildet dann auch einen Cylinder.
Matthiessen führt einige Insectenaugen an, von deren Cornea er, da
sie nach den Untersuchungen Grenacher's eine Schichtung mit nach hinten
gerichteter Convexität zeigen, auch vorauszusetzen ist, dass
die hinteren Corneaschichten, als die jüngeren, von geringerer
optischer Dichtigkeit sind, vermuthet, dass sie nach diesem
Principe, das er das der Etagenlupe nennt, wirken.
Bei der Häufigkeit des Vorkommens einer solchen Schich-
tung ist es, wie gesagt, nicht unwahrscheinlich, dass das
Priucip auch im Insectenauge zur Geltung kommt; doch
können nur verhältnissmässig kleine Wirkungen durch das-
selbe erzielt werden. Die starken Brechungen, die wir im
Insectenauge beobachten, würden nach dem Principe der
Etagenlupe so grosse Differenzen im Brechungsvermögen
der aufeinanderfolgenden Schichten erfordern, dass diese so-
fort unter dem Mikroskope erkennbar sein müssten. Das ist
aber nicht der Fall. Anders ist es mit einer Mischform
von Etagenlupe und Linsencylinder, welche auch Matthiessen2
bespricht und deren Princip Fig. 8 veranschaulichen soll. Es
handelt sich um hyperbolische Schichten, welche schalenartig ineinander
stecken, und deren Brechungsindex in der Richtung des eindringenden Lichtes
(ab) abnimmt. Mau sieht sofort, dass dadurch zugleich die Structur eiues
Liusencylinders erzeugt wird, indem an jedem Querschnitt das Brechungs-
vcimögen vom Centrum gegen die Peripherie abnimmt. Es ist gerade
diese Art der Schichtung, die z. B. beim Auge des Limulus auffällt; ich
halte es deshalb für sehr wahrscheinlich, dass sie auch anderen Ortes eine
Rolle spielt. Wie wir beim Studium des eben genannten Auges bemerken
werden, ist die Wirkung dieser Schichtung, wie zu erwarten war,
wesentlich die eines Linsencylinders.
Fig. 8.
i Centralbl. I. Opt. u. Modi. VII, Nr. 10 und Report. .1. Physik XXII, S. 333.
■ Repert. d, Physik 188(1, S. 350.
— 0
Ich habe oben auf die Verschiedenheit in der optischen Wirkung
kugelig-gekrümmter Trennungsflächen und der Lins ency linder hingewiesen.
Es scheint den Lebensbedürfnissen verschiedener Arthropodenfamilien
zu entsprechen, dass einmal die Linsenwirkung, das anderemal der Effect
des Linsencylinders überwiegt, und dadurch erklärt sich die grosse
Mannigfaltigkeit in der Construction der zusammengesetzten Augen, eine
Mannigfaltigkeit, gegenüber welcher das Auge, das ein verkehrtes Netz-
hautbild erzeugt, eine armselige Einförmigkeit aufweist.
Es ist mir nicht bekannt, dass in einem zusammengesetzten Auge
das Princip des Linsencylinders allein zur Geltung kommt, obwohl das
Auge von Limulus hart an dieser Grenze stehen dürfte, und es ist mir
auch kein zusammengesetztes Auge bekannt geworden, in welchem nur
das Princip der Linse die optischen Vorgänge beherrscht. Ist ja selbst
im Auge der Wirbelthiere und des Menschen das Princip des Linsen-
cylinders verwerthet, ' indem die Linse geschichteten Bau und in ihrem
Kern ein cylinderähnliches Gebilde trägt, dessen Axe mit der Augenaxe
(ganz oder näherungsweise) zusammenfällt.
Die optische Wirkung des Linsencylinders ist nahezu unabhängig
von der denselben umgebenden Flüssigkeit, die optische Wirkung der
kugeligen Flächen ist im höchsten Grade von der Umgebung abhängig.
Damit hängt es zusammen, dass jene Thiere, welche theils im Wasser,
theils ausserhalb desselben leben, wie z. B. die Schwimm- und Wasser-
käfer, eine vordere Begrenzungsfläche der Corneafacetten haben,
deren Krümmung kaum in Betracht kommt, während z. B. bei vielen
Schmetterlingen diese Flächen einen sehr kleinen Krümmungshalbmesser
haben. In der That, die Wirkung des dioptrischen Apparates würde
bei starker Krümmung der Corneafacetten sich gänzlich ändern, wenn
das Thier aus dem Wasser steigt, während sie sich nahezu gar nicht
ändert, Avenn die Corneafacette aus einem Linsencylinder besteht. Bei
Krebsen, die das Wasser' zeitweilig verlassen, waltet ein analoges Ver-
hältniss ob.
Ein anderer Umstand, durch welchen die Mannigfaltigkeit der Augen-
formen bedingt ist, liegt darin, dass für verschiedene Lebensweisen jene
oben besprochene Art des Linsencylinders nicht immer am zweckmas-
sigsten sein muss. Ich habe nämlich der Einfachheit wegen angenommen,
dass der Linsencylinder in seiner ganzen Länge genau denselben optischen
Bau hat. Er könnte aber, und das kommt thatsächlich vor, in seinem
hinteren (dem Augeninnern zugewendeten) Antheile eine raschere Abnahme
des Brechungsindex von der Axe gegen die Peripherie haben, als im vor-
deren Theile, wobei aber zwischen den beiden Antheilen ein allmählicher
Uebergang stattfindet. Kr entspricht dann, wenn er wieder ein auf Un-
1 Vergl. E. Brück, Vorlesungen über Physiol. Wien 1887. Bd. II, S. 151.
10 -
endlich eingestelltes astronomisches Fernrohr bildet, einem solchen, das
vergrössert, d. h. das verkehrte Bildchen liegt jetzt nicht mehr in der
Mitte seiner Länge, sondern ist mehr nach hinten gerückt, liegt aber
immer noch in der zweiten Brennebene des ersten Linsencylinders, und
in der ersten Brennebene des zweiten, wenn wir uns wieder den ganzen
Cylinder durch einen Schnitt in der Ebene des verkehrten Bildchens in
zwei Theile getheilt denken.
IL CAPITEL.
Die Dioptrik des zusammengesetzten Auges.
Historische Vorbemerkungen.
J. Müller hatte im Jahre 1826 eine Theorie über die Eunctions-
weise des Auges der Insecten aufgestellt, 1 uach welcher diese Thiere
ein aulrechtes Netzhautbild haben sollen, das, im Gegensatze zu dem Netz-
hautbilde des Wirbelthierauges, nicht so sehr durch Sammlung der von je
einem Punkte des Objectes ausgehenden Strahlen, als vielmehr durch Trennung
der von verschiedenen Punkten des Objectes ausgehenden zu Stande kommt.
In der That hatte J. Müller erkannt, dass die sogenannten zu-
sammengesetzten Augen aus einer grossen Anzahl von Elementen be-
stehen, deren jedes, wir wollen es ein Facettenglied nennen, eine schwarz
pigmentirte Röhre darstellt. Diese Röhren sind in radiärer Stellung auf
einer mehr oder weniger vollkommenen Halbkugel aufgesetzt. Was immer
die Röhre sonst noch enthalten mag, wenn ihr Inhalt nur durchsichtig
ist, so muss an der Oberfläche der Halbkugel ein, wenn auch unvollkom-
menes aufrechtes Bild eines äusseren Gegenstandes entworfen werden,
denn es leuchtet ein, dass auf den Grund jeder Röhre nur Lichtstrahlen
gelangen können, welche näheruugsweise in der Richtung jenes Kugel-
radius einfallen, um welchen diese Röhre eben aufsitzt. Strahlen, welche
mit grösserer Neigung gegen den Radius, d. i. gegen die Axe der Röhre
in dieselbe eindringen, treffen, ehe sie ihren Boden erreicht haben, die
\Yand derselben, und werden von dem Pigmente, das hier liegt, absorbirt.
Beiludet sich aber auf dem Boden jeder Röhre ein nervöses Endorgan,
d. h. ist die Kugeloberfläche von einer lichtempfindlichen Nervenausbreitung
gebildet, so fungirt diese gegen das eindringende Licht convexe Netzhaut,
wie die concave des Wirbelthierauges.
Dies in ihren wesentlichsten Zügen die Müll er 'sehe Theorie vom
musivischen Sehen und dem aufrechten Netzhautbilde.
Grüel und Gottsche2 haben den Anstoss dazu gegeben, dass diese
Theorie wieder fallen gelassen wurde, ja fast in Vergessenheit gerieth.
1 Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. Leipzig 1826.
2 Müller 's Arch. 1852.
— 12 —
Letzterer hatte die leicht zu bestätigende Beobachtung gemacht, dass man
bei einem Fliegenauge unter passenden Umständen, entsprechend jeder
Facette der Hornhaut, mit dem Mikroskope ein verkehrtes Bildchen eines
äusseren Gegenstandes zu sehen bekommt, welches Bildchen übrigens
schon Leeuvenhök und Anderen bekannt war. Eine Bemerkung, welche
J. Müller zu der Mittheilung Gottsche's hinzufügte, mochte in den
Lesern den Eindruck erweckt haben, dass der Schöpfer der Theorie des
aufrechten Bildes angesichts der sichtbaren verkehrten Bildchen seine
Theorie fallen lasse; es folgte eine Anzahl vergleichend anatomischer und
physiologischer Untersuchungen über das zusammengesetzte Auge, welche,
jenem verkehrten Bildchen Eechnung tragend, die Müller'sche Theorie
bei Seite liegen Hessen. Es muss das um so auffallender erscheinen, als
die Forscher, welche sich mit dem Gegenstande beschäftigten, fast aus-
schliesslich Mikroskopiker waren, denen die Thatsache, dass jeder Fett-
tropfen, jede Luftblase u. s. w. ein mikroskopisches Bildchen entwirft,
geläuüg sein musste; es wäre also zu erwarten gewesen, dass dem Nach-
weise eines solchen in jeder Facette kein so grosses Gewicht, der ein-
leuchtenden Müll er 'sehen Theorie gegenüber, zugewiesen werde, umsomehr,
wenn man erwägt, unter welch bedenklichen Umständen Gottsche sein
Bildchen demonstrirte. '
So kam es, dass im Jahre 1868 Max Schultze in seinen „Unter-
suchungen über das zusammengesetzte Aiige der Krebse und Insecten"
mit Bezug auf die Versuche von Gottsche und Zenker sagen konnte,
..die physikalisch nicht haltbare Theorie von dem musivischen aufrechten
Bilde im Auge der Insecten ist denn auch durch das Experiment widerlegt",
und dass er sich nun der undankbaren Aufgabe unterzog, zu dem voraus-
gesetzten verkehrten Netzhautbilde jedes Facettengliedes die zugehörige
Ketina aufzufinden.
Erst 19 Jahre nach der Publication Gottsche's trat eine Wendung
in der Angelegenheit ein, indem Fr. Boll, der Schüler Max Schultze's,
angeregt durch die Beobachtung, dass auch die Stäbchen der Tritonenretina
verkehrte Bildchen entwerfen, die functionelle Bedeutung der Facettenbildchen
in Frage stellte, und zur Müller'schen Theorie zurückzukehren mahnte.3
Später haben, in verschiedener Richtung arbeitend und unabhängig
voneinander, zuerst Grenadier, ' dann ich eine Lanze für die Müller'sche
1 Ich bin auf diese Verhältnisse in meiner ersten Abhandlung über das Faeettenauge
näher eingegangen und verweise hier auf jene. (Ueber das Sehen von Bewegungen und die
Theorie des zusammengesetzten Auges. Wiener akad. Sitzber. LXXII, Abth. III, Juli 1875.)
2 Bonn 1868.
Du Bois-Reymond's u. Reichert's Areh. f. Anat. u. Physiol. 1871.
1 Seine erste, mir leider unbekannt gebliebene „Kurze Notiz", wie Grenadier sie
nennt, in den Göttinger Nachrichten erschien 1874. Dann kam im Jahre 1875 meine oben
citirte Abhandlung, auf welche eine ausführlichere Mittheilung Grenaeher's in den Klin.
Monatsbl. f. Augenheilkunde 1S77 folgte, und sein Werk: Untersuchungen über das Sehorgan
der Arthropoden. Göttingen 1879. erschien.
- 13 —
Theorie vom aufrechten Hilde gebrochen. Grenadier war auf Grund
seiner ausgedehnten und erfolgreichen Untersuchungen über die einfachen
uud zusammengesetzten Augen einer grossen Anzahl niederer Thiere, und
insbesondere durch seine grundlegenden Erfahrungen über den nervösen,
der Netzhaut entsprechenden Antheil derselben zu der Ueberzeugung ge-
langt, dass die Theorie von den Einzelbildchen unhaltbar sei, dass selbst,
wenn solche Bildchen da wären, die Netzhaut fehlen würde, welche zur
physiologischen Verwerthung derselben nöthig wäre, und dass die anato-
mischen Verhältnisse durchaus für die Müller'sche Theorie sprächen. Ich
habe in gewissem Sinne den entgegengesetzten Weg eingeschlagen. Indem
ich von dem Gedanken ausging, dass die wesentlichen optischen Vorgänge
in ähnlich gebauten Augen auch wesentlich ähnlich sein würden, unter-
suchte ich eingehend das Auge nur eines Thieres (des Hydrophilus piceus),
und konnte zeigen, dass bei diesem das Gottsche'sche Bildchen zwar
sehr schön zu sehen ist, wenn man so verfährt, wie Gottsche es gethan,
dass dieses Bildchen im Leben aber nicht zu Stande kommen kann, dass
überhaupt unmöglich ein Bildchen da liegen kann, wo es nach jener
Theorie liegen müsste, um percipirt zu werden. Hingegen glaubte ich
gezeigt zu haben, dass der doch ziemlich complicirte dioptrische Apparat
des Facettengliedes seine Bedeutung darin hat, dass er die näherungsweise
in der Sichtung der Axe derselben einfallenden Lichtstrahlen, theils durch
Brechung, theils durch Seliexion bis an die Spitze des Krystallkegels
leitet, wo sie dann in viel intensiverer Weise das Nervenelement zu reizen
vermögen, als wenn dieser dioptrisch-katoptrische Apparat fehlte. Es wird
durch denselben die Helligkeit des aufrechten Netzhautbildes erhöht,
was schon J. Müller, freilich in anderer Weise, vermuthet hatte, wie aus
folgendem physikalisch etwas unklarem Passus hervorgeht: „Die Convexität
der einzelnen Facette der Cornea wird das in der Sichtung der Axe ein-
fallende Licht als brechendes Medium der Axe zulenken und in der Tiefe
des Auges zu grösserer Einigung bringen. So mag es kommen, dass das
den ganzen Kegel durchleuchtende Licht an der Spitze desselben, wo es
die Sehfaser afficirt, punktförmig vereinigt wird, wodurch die Bestimmtheit
des Bildes sehr gehoben werden muss. Die von der äusseren convexen
Fläche der Cornea bedingte Brechung ist aber nicht so gross, dass es zur
Entstehung besonderer kleiner Bilder von jeder Facette aus kommen
könnte." '
Die Concentration der Strahlen an der Spitze des Krystallkegels
konnte ich durch Versuche am Auge von Lampyris splendidula mit voller
Bestimmtheit nachweisen, nur kommt sie nicht, wie J. Müller meint,
allein durch Brechung an der Corneafläche — in diesem Falle müsste
wenigstens ein undeutliches verkehrtes Bildchen entstehen — , sondern,
wie ich damals meinte, durch totale Eeflexion an der Mantelfläche des
Krystallkegels zu Stande. Auf diese Weise würde das Licht, wie man das
1 Zur vergl. Thysiol. d. Gesichtssinnes, S. 3fi7.
— 14 —
mit jedem ausgezogenen Glasstabe nachmachen kann, ist es einmal im
Kegel gefangen, bis an seine Spitze fortgeleitet. Ich habe später, für das
Auge des Leuchtkäferchens in den geschichteten Linsencylindern einen opti-
schen Vorgang gefunden, der im Effect bezüglich der Concentration der Strahlen
an der Spitze des Krystallkegels dasselbe leistet, wie die totale Reflexion,
aber doch auf einer Brechung beruht. Dass ich das Auge des Leucht-
käferchens zu diesen Versuchen benutzte, hatte darin seinen Grund, dass
bei diesem Thiere die Krystallkegel mit der Cornea verwachsen sind, man
also in die glückliche Lage versetzt ist, Pigment und die übrigen Weich-
theile des Auges abpinseln und den ganzen dioptrischen Apparat bei
normaler Lagerung der Krystallkegel zu den Corneafacetten untersuchen
zu können.
Auch hatte ich darauf hingewiesen, dass die Resultate meiner dioptri-
schen Untersuchung des Insectenauges geeignet sind, den Schlüssel zu
der Erklärung der Erfahrungstatsache zu geben, dass diese Thiere ihre
Feinde und Freunde vielmehr durch deren Bewegungen, als durch deren
Gestalt erkennen.
Ferner ist zu erwähnen, dass Oskar Schmidt1 bei gewissen Thieren
Krystallkegel gefunden, welche nicht symmetrisch um eine Axe geformt
waren, sondern die mannigfache Unregelmässigkeiten, vor Allem Biegungen
nach Art eines Hornes, zeigten. Er kommt dadurch merkwürdigerweise zu
dem Ausspruch, dass nicht nur die Theorie von den verkehrten Bildchen
unhaltbar ist — worin ihm, falls seine Beobachtungen richtig sind, jeder-
mann beistimmen wird — , sondern dass damit auch die Theorie vom
musivischen Sehen unvereinbar ist. Es hat schon Grenacher gezeigt,
dass er in letzterer Beziehung im Irrthum ist, so dass ich mich auf die
folgende Bemerkung beschränken kann. 0. Schmidt hat selbst in der
Art der von ihm gefundenen Krystallkegel gebogene Glasstäbe und Glas-
kegel angefertigt und sich davon überzeugt, wie in solchen das Licht
fortgeleitet wird. 2 Er glaubt auch, dass eine derartige Fortleitung bei
den von ihm besprochenen Augen stattfindet. Er scheint aber nicht daraui
aufmerksam geworden zu sein, dass auch unter diesen Umständen ein
musivisches Sehen möglich ist. Wenn die Licht aufnehmenden Antheih
der Krystallkegel in radiärer Anordnung ein Mosaik bilden, und du
Spitzen der Kegel ein Mosaik, in welchem dieselbe Anordnung herrscht
1 Die Form der Krystallkegel im Arthropodenauge. Zeitschr. f. wiss. Zool. XXX, Siipp'
2 Ich zeige seit meinen ersten Untersuchungen über das zusammengesetzte Auge ein
Anzahl solcher theilweise complieirt verbogener Glasstäbe und Glaskegeln in meiner Vor
lesung, um die Art, wie das Licht darinnen fortgeleitet wird, zu demonstriren. In neueste
Zeit ist dieser übrigens sehr alte Versuch praktisch verwerthet worden. Da, wo es sich darui
handelt, das Licht „um eine Ecke" zu leiten, und wo man mit Spiegel und Linse nie
zukann, mag dieses mit Erfolg geschehen. Zur Beleuchtung mikroskopischer Objer-te (
wurde eine derartige Lampe in Handel gebracht) wird wohl immer Linse und Spiegel vn
zuziehen sein.
— 15 —
so muss unter den entsprechenden Bedingungen nach dem Müller'schen
Principe ein Bild entstehen, es mögen die Kegel zwischen ihrer Basis und
ihrer Spitze gebogen sein oder nicht, sie mögen alle in der gleichen Weise,
oder es mag jeder in besonderer Weise verbogen sein.
Auch Notthaft1 tritt betreffs des aufrechten Netzhautbildes auf die
Seite der Müller'schen Theorie und stellt eine Ansicht über die Func-
tionsweise des Facettenauges auf, die wesentlich in Folgendem besteht:
„Es fällt auf jede Retinula ein cylindrisches Lichtbüschel oder eine Licht-
linie genau in der Richtung der optischen Axe des Augenelementes. Die
einzelnen, dieses Büschel zusammensetzenden Lichtstrahlen halten im
strengen Sinne die gleiche Richtung ein. Das Stück des Gegen-
standes, von welchem dieselben ausgehen und welches ein einzelnes
Elementarsehfeld erfüllt, ist somit für alle noch so verschiedenen
Entfernungen durchaus gleich gross; es ist nämlich genau gleich
lern Querschnitte des hinteren zugespitzten, nicht pigmeutirten Endes des
Krystallkegels, oder gleich demjenigen der Retinula." 2 Da die Strahlen
dieses Lichtbüschels streng parallel sind, so wird weiter ausgeführt, kommen
sie immer von der gleichen Anzahl von nebeneinander stehenden leuch-
tenden Punkten der Aussenwelt, welche in ihrer Gemeinschaft ein Elementar-
sehfeld bilden, es mag das gesehene Object nahe oder ferne sein. Nun
nimmt die Helligkeit eines Lichtpunktes mit dem Quadrate der Entfernung
ab, es muss also auch die Helligkeit des ganzen Elementarsehfeldes mit
dem Quadrate der Entfernung abnehmen. Das Insect orientire sich also
dadurch in der Aussenwelt, dass es alle nahen Objecte hell, alle fernen
dunkel sieht, ja es werde dadurch in die Lage gesetzt, ohne Augenlider
seine Augen dem directen Sonnenschein auszusetzen, da die Sonne so weit
ist, etc.
Abgesehen davon, dass das Insect nach dieser Theorie jeden dunklen
Gegenstand für einen entfernten halten muss, ist dieselbe aus physika-
lischen Gründen nicht annehmbar. Denn entweder ist unter jenem Licht-
büschel, das auch Lichtlinie genannt wird, wirklich ein unendlich dünner
Strahl gemeint, dann geht er auch von einer unendlich kleinen Fläche
des Objectes aus, einem Punkte. Ist aber die Helligkeit des Objectes keine
unendliche, sondern nur eine endliche, wie bei allen beleuchteten Objecten,
so geht von einem Punkte desselben nur unendlich wenig, d. i. kein Licht
aus, das Insect könnte also nicht sehen. Oder es ist unter dem Licht-
büschel eine Anzahl parallel nebeneinander verlaufender Strahlen, deren
Querschnitt eine endliche Grösse hat, gemeint (wie die obigen Angaben
wahrscheinlich machen), dann können dieselben niemals parallel bleiben,
wenn sie durch gekrümmte Trennungsflächen verschiedener Medien hindurch-
dringen, wie solche im Facettengliede des Insectenauges vorkommen, und
natürlich auch von Notthaft anerkannt werden. Werden die Lichtstrahlen
1 Ueber die Gesichtswabrnelimungen vermittelst des Faceftonaiiges. Frankfurt a. M. 1880.
2 1. c. S. Gl.
16 —
aber gebrochen, dann treten auch die Gesetze in Geltung, welche derartige
Strahlenbrechungen beherrschen, die Helligkeit nimmt nicht mehr ab mit
dem Quadrate der Entfernung. N otthaft hat ausführliche Messungen über
die Grösse der Hornhautfacetten bei zahlreichen Insecten ausgeführt, die
an und für sich werthvoll sind. Ob er mit Recht die Grösse einer Facette
als Massstab für die Sehschärfe des Thieres betrachtet, muss wohl dahin-
gestellt bleiben, ich vermag die Berechtigung dazu nicht einzusehen.
Eine eigenthümliche Modification der Müller 'sehen Theorie rührt
von Thompson Lowne her. l Nach ihm ist jenes Gebilde, das man den
Sehstab nannte und allgemein zu dem nervösen Antheile des Sehorganes
rechnet, ein Theil des dioptrischen Apparates, und erst hinter den Seh-
stäben liege eine bisher übersehene Retina. Der Sehstab sei nun that-
sächlich von anderer Gestalt und von anderem Habitus als er gewöhnlich
abgebildet wird, er stelle nämlich einen nach vorne convexen, ziemlich
voluminösen Körper dar, der vermöge dieser convexen Fläche ein Bild
eines vor ihm gelegenen Gegenstandes auf der Netzhaut entwerfen kann.
Als der Gegenstand zu diesem Netzhautbildchen fungire aber das
Gottsche'sche, im Krystallkegel liegende verkehrte Bildchen, das jedes
Facettenglied unter dem Mikroskope zeigt. Es entstünde demnach auf der
präsumptiven Retina ein zweimal umgekehrtes, d. h. ein aufrechtes
Bildchen eines äusseren Objectes. Jedes dieser Bildchen enthält nur einen
kleinen Theil des Sehfeldes, so dass sich ein aufrechtes Netzhautbild
zusammensetzt, dessen einzelne Theile, die so zahlreich wie die Facetten
des Auges sind, selbst aufrecht stehende Bildchen der betreffenden ein-
zelnen Antheile des Sehfeldes sind.
Auch dieser Hypothese vermag ich nicht zuzustimmen. Denn erstens
kann ich in dem Sehstab kein optisches Medium erkennen, das im Stande
wäre, ein Bildchen zu entwerfen; schon die Anwesenheit des Rhabdomes
in demselben mit seinem starken Brechungsindex und dem complicirt
gestalteten Querschnitt scheint mir das unmöglich zu machen. Zweitens
kann ich nicht zugeben, dass die Retina hinter den Sehstäben da liegt,
wo Thompson Lowne sie annimmt. Es ist natürlich sehr misslich, von
der Lage der Retina im zusammengesetzten Auge Bestimmtes aussagen
zu wollen. Es fällt diese Frage dem Sinne nach zusammen mit der auch für
das Wirbelthierauge noch nicht sicher beantworteten Frage nach der
empfindlichen Schichte der Nervenausbreitung. Doch glaube ich, dass aus
dem später zu schildernden Verhalten des Retiuapigmentes und haupt-
sächlich des Tapetums im Insecten- und Krebsauge mit an Gewissheit
grenzender Wahrscheinlichkeit hervorgeht, das Licht bewirke seine Nerven-
erregung in einer vor den centralen Enden der Sehstäbe gelegenen
Schichte. Denn Niemand wird annehmen wollen, dass sich bei Nacht-
thiereu, sobald die Dunkelheit eintritt, eine dicke Schichte stark reflec-
1 Transact. nf the Linnean Poe. Zool. 1884.
— 17 —
render Tapetumsubstanz zwischen dem dioptrischen Apparat und der
ichtempfindlichen Schichte enthüllt. Man wird es vielmehr selbstverständlich
Lüden, dass, wie beim Säugethier, das Tapet um im Sinne des Ganges der
Lichtstrahlen hinter der empfindlichen Schichte liegt. Auf die Bilder,
welche Thompson Lowne zur Annahme seiner Retina bestimmten, komme
;ch später zurück.
Im Grossen und Ganzen scheint es, dass Max Schultze der Letzte
war, der mit überlegenem Lächeln auf die Müller 'sehe Theorie vom auf-
rechten Netzhautbild herabsehen konnte, die Forscher der letzten Jahre
neigen unzweifelhaft dieser Theorie zu; ich erwähne z. B. der schönen
biologischen Beobachtungen Forel's,1 der entschieden auf dem Boden
dieser Theorie steht, sowie jener Plateau's2 und der Darlegungen von
Sharp.3 Auch C. Claus ist auf Grund seiner Untersuchungen des Phro-
nimaauges gegen die Leyd ig -Gott sehe 'sehe Theorie und für die Mül-
ler'sche eingetreten.1 Bios Patten5 hat in neuester Zeit anatomische
Befunde veröffentlicht, die der Müll er 'sehen Theorie nicht günstig sind
die aber wohl noch sehr der Bestätigung bedürfen.
Endlich habe ich der Vollständigkeit wegen noch zu bemerken, dass
ich auf der 61. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in
Köln am Auge des Leuchtkäferchens das aufrechte Netzhautbild unter
dem Mikroskope demonstrirt habe/'
Nach meinen Erfahrungen lassen sich die zusammengesetzten Augen
ihrer optischen Wirkung nach in drei Typen theilen; alle entwerfen ein
aufrechtes Netzhautbild, aber in verschiedener Weise. Zwei dieser Typen
wirken dioptrisch, eine hauptsächlich katoptrisch. Die Netzhautbilder der
beiden ersten Typen, von denen zunächst die Rede sein soll, will ich
ihrer Entstehungs weise nach als das Appositionsbild und als das
Superpositionsbild unterscheiden. (Letzteres ist identisch mit dem
früher von mir Summationsbild genannten Bilde des Lampyrisauges ;
seit mir das Appositionsbild bekannt geworden ist, halte ich es, um Miss-
Verständnisse zu vermeiden, für zweckmässiger, den Namen Summations-
)ild fallen zu lassen.)
Um den dioptrischen Apparat eines Auges zu studiren, ist es höchst
vünschenswerth, dass derselbe ein Ganzes darstellt, mit dem man hantiren
..ann. Die meisten Augen entsprechen dieser Anforderung nicht, die zahl-
1 Sensations des Inseetes. Reeueil zoolog. Suisse, ßd. IV, 1886 u. 1887.
2 Rech, experim. sur la vision chez les arthropodes. Aead. d. seiences zu Brüssel
887 u. 1888.
3 Adresn read before the Entomological Society of London, 16. Jiinn. 1889.
4 Der Organismus der Pkroniraiden. Arbeiten au3 dem zoolog. Institute d. Universität
"ien. ßd. II, S. 71.
5 Journ. of Morphoiogy I, Nr. 1, 1887.
6 Tagblatt der 61. Vers, deutsch. Naturf. u. Aerzte in Köln. Köln 18S9, S. 71.
o
Exner, i'acoltenaugen.
- 18 —
reichen Krystallkegel, die durch Weichtheile an die Cornea geheftet sind
kommen leicht aus ihrer Lage, sobald man das Auge exstirpirt hat, das
Pigment thut das Uebrige, um ein genaueres Studium des optischen Ver-
haltens unmöglich zu machen.
Es gibt aber Thiere, bei welchen die Krystallkegel oder solche
Cuticulargebilde, welche ihnen, wenn auch vielleicht nicht morphologisch,
doch functionell entsprechen, mit der Hornhaut verwachsen sind; hier hat
man dann den ganzen dioptrischen Apparat in einem Stück vereinigt,
kann denselben vom Pigment befreien und in seinem Verhalten gegen
Licht studiren. Ich wählte zum Studium des einen dioptrischen Typus das
Auge eines Krebses, des Schwertschwanzes (Limulus), das ausserdem den
Vortheil hat, sehr grosse Elemente zu besitzen; und zum Studium des
anderen Typus das unseres Leuchtkäferchens. Letzteres ist zwar recht
klein, doch in hinlänglicher Anzahl leicht zu beschaffen.
A. Das Appositionsbild von Limulus.
Das grosse, ganz unbewegliche Auge des Schwertschwanzes, das in
seinen Dimensionen und Umrissen unserer Lidspalte nicht unähnlich, mit
der Längsausdehnung von vorne nach rückwärts gerichtet ist, hat einen
sehr grossen Krümmungshalbmesser. Seine Oberfläche ist derb, chitinös; es
lässt schon mit freiem Auge Facetten erkennen. Selbst an getrockneten
Exemplaren, schöner an Spirituspräparaten und am besten am lebenden
Thiere gewahrt man im Auge einen schwarzen Fleck, der vollkommen
den Eindruck einer grossen Pupille macht, auch in der Tiefe zu liegen
scheint. Diese „Pseudopupille" ist aber nur ein optisches Phänomen, wie
man sich sofort überzeugt, wenn man das ganze Thier hin und her wendet.
Die Pupille behält dann nämlich ihren Platz, indem sie stets dem Be-
schauer zugewendet ist. Diese Pseudopupille ist bei zahlreichen Thieren
zu beobachten und ihre Erklärung wird uns später noch beschäftigen. Sie
wurde schon von Leydig bemerkt und als optisches Phänomen erkannt.1
Führt man senkrecht zur Oberfläche einen Schnitt durch das Auge
von Limulus, so sieht man an die Cornea angewachsene zahlreiche Zapfen
aus Chitinsubstanz in die Tiefe ragen. Einer derselben ist Taf. III,
Fig. 20, dargestellt. Die Cornea selbst lässt kaum gewölbte Facetten
erkennen, die Spitze des Kegels ist abgestuzt, und diese Endfläche
erscheint sogar, wenigstens an manchen Stellen des Auges, geradezu
schwach coneav. Das Ganze besteht, wie Grenacher 2 dieses schon abbildet,
aus Lamellen, welche sich aussen der äusseren Oberfläche, in der Tiefe
aber mehr und mehr der inneren, Zapfen bildenden Oberfläche anschliessen
und diese Oberfläche auch bilden. Dabei heben sich gewisse Schichten
« Müll er 's Areh. f. Physiol. 1855, S. 431.
• Sehorgan der Arthropoden Göttiugen 1879, Tai'. XI, Fig. 123.
- 19 —
durch ihr optisches Verhalten von ihrer Nachbarschaft ab, eine ober-
flächliche, welche aber schon deutliche Zapfen zeigt, und eine wahrscheinlich
in jedem Kegel enthaltene, aber nicht überall gleich deutliche, mit denChitin-
lamellen nicht parallele Schichte, welche einen Kegelmantel von dem Kegel-
innern trennt. (S. Holzschnitt Fig. 10, S. 27.) Es macht den Eindruck, als stäken
in den Kegeln noch Kegeln anderen optischen Verhaltens, und es ist auch
so. Der Kegelmantel ist aber nicht anatomisch vom Kern getrennt, sondern
nur durch sein Lichtbrechungsvermögen von diesem verschieden. An den
Stellen, welche den Zwischenräumen der Kegel entsprechen, ist die ganze
Chitinmasse durch feinste Porencanäle senkrecht zur Oberfläche durch-
setzt (bei a der Tafel), die man am besten an Horizontalschnitten sieht,
und die meines Wissens nirgends beschrieben sind. (In der Abbildung
sind nur wenige als mit Luft gefüllt dargestellt; die meisten sind mit
Flüssigkeit erfüllt und dadurch undeutlich geworden.)
Ich muss bemerken, dass ich sowohl die Trennungsfläche als die
Scheidung der Kegel in zwei Bestandteile an vielen Schnitten vermisst
habe, so dass ich vermuthe, es möchten die optischen Differenzen, um die
es sich da handelt, in verschiedenen Antheilen des Auges ungleich stark
ausgeprägt sein.
Eine auffallende Eigenthünilichkeit des Limulusauges, die das Studium
des optischen Verhaltens recht erschwert, besteht darin, dass die Kegel
mit ihren Axen nur in der Gegend der Mitte des Auges senkrecht zur
Hornhautoberfläche stehen. Denkt man sich durch die Mitte des Auges
eine auf der Oberfläche senkrecht stehende Linie gelegt, so convergiren
die Kegelaxen nicht nach dem auf dieser Linie gelegenen Krümmungs-
mittelpunkt der Cornea, sondern nach Punkten, die zwischen diesem und
der Hornhaut liegen. Je näher also an der Peripherie des Auges, desto
schiefer sitzt der Kegel der Hornhaut auf; der Winkel, den seine Axe mit
der Hornhautoberfläche bildet, kann von einem Rechten bis um 40 Grad
abweichen und wohl noch mehr. (Vgl. Holzschnitt Fig. 9, S. 25.)
Der ganze Kegel ist, abgesehen von seiner abgestutzten Spitze, in
schwarzes Pigment gehüllt, und der Spitze gegenüber befindet sich nach
meinen Schnitten in einer Entfernung von circa Ö-04 Millimeter die Retinula
(R) mit dem am Querschnitte sternförmigen Rhabdom. (S. Fig. 21.) Die Elemente
der Retinula sind verglichen mit der Grösse der Facettenglieder und mii
jenen anderer Augen ganz besonders kurz. Auch die Retinula ist noch
eingehüllt in Pigment, das fast in Continuität mit jenem des Kegels steht,
so dass nur die kurze Strecke zwischen der Kegelspitze und den nervösen
Elementen pigmentfrei ist.'
Die Spitzenfläche des Kegels — so will ich die Abstutzungsfläche
an der Spitze nennen — pflegt nicht kreisrund, sondern elliptisch zu sein
[ch fand den längeren Durchmesser in einem speciellen Fall 0"09, den
kürzeren 0-07 Millimeter. Doch mögen auch da Variationen, vorkommen.
So gibt Grenadier den Durchmesser mit 0065 Millimeter an.
— 20 —
Um nun die dioptrischen Eigenschaften des Auges zu studiren, war
es natürlich wünschenswert^ irische Thiere zur Verfügung zu haben.
Ich bekam zwei Exemplare von Limulus polyphemus aus dem Berliner
Aquarium lebend nach Wien. Exstirpirt man das Auge, so gelingt es
leicht, den ganzen dioptrischen Apparat von seinen Weichtheilen abzu-
schälen, ein zartes Abpinseln bringt die Reste des Pigmentes, wenn solche
an einzelnen Stellen fester haften, hinweg.
Will man sich von der Wirkung eines solchen dioptrischen Apparates
eine richtige Vorstellung bilden, so ist die Regel geboten, seine Flächen mit
Medien in Berührung zu bringen, welche denselben Brechungsindex haben,
wie jene Medien, welche diese Flächen im Leben berühren. Hat ja doch
eine Linse eine andere Brennweite unter Wasser, eine andere in der
Luft. Die vordere Fläche des Auges ist normalerweise bei Limulus mit
Wasser oder mit Luft in Berührung, da er sein Leben theils im Meere,
theils am Strande verbringt. Ich wählte bei meinen Untersuchungen Luft
als erstes Medium. Die hintere Begrenzungsfläche des dioptrischen Apparates,
d. i. die Manteloberfläche der Kegel und deren Spitzenfläche, stossen
an Zellen, welche mit Blutflüssigkeit getränkt sind. Obwohl der grösste
Theil dieser Zellen pigmentirt ist, ist ihr Brechungsindex, oder jener der
Flüssigkeitsschichte, welche zwischen diesen Zellen und dem Kegel anzu-
nehmen ist, nicht gleichgiltig, wegen einer etwa vorkommenden totalen
Reflexion.
Ich hatte schon früher für derartige Untersuchungen am Insecten-
auge den Brechungsindex des Käferblutes (von Hydrophilus) bestimmt
und n = 1346 gefunden; eine sehr verdünnte Glycerinlösung von dem-
selben Brechungsvermögen diente mir da als Benetzungsflüssigkeit für
die hintere Fläche. Es war vorauszusetzen, dass das Krebsblut keinen
nennenswerth verschiedenen Brechungsindex hat, weshalb ich bei der Unter-
suchung von Limulus dieselbe Glycerinlösung anwendete. Ich durfte das
umsomehr, da ich mich überzeugt hatte, dass die Leistungen des diop-
trischen Apparates bei diesem Thiere merklich gleich waren, ob ich den-
selben in der geschilderten Weise richtig montirte, oder ob ich ihn ganz
in Wasser eintrug, oder in sehr stark lichtbrechende Flüssigkeiten, selbst
in Anilin, legte. Letzteres hat den Brechungsindex n = 1-5803, bricht also
stärker wie die gebräuchlichen Glassorten. Dieses beweist, dass bei Limulus
merklich alle Brechung im Inneren des dioptrischen Apparates stattfindet
und die Trennungsflächen nahezu keine Rolle spielen.
Nichtsdestoweniger habe ich die Bestimmungen und Messungen, die
alsbald mitgetheilt werden sollen, alle bei correcter Montirung des
dioptrischen Apparates gemacht. Es wurde also das von allen anhaftenden
Weichtheilen befreite Auge an seiner vorderen Fläche mit verdünntem
Glycerin befeuchtet, damit diese nicht durch Austrocknen rauh wird und
die Schönheit des Bildes stört. Dieses konnte ohne Gefahr geschehen, da
bekanntlich eine hinlänglich dünne Schichte eines wie immer brechenden
- 21 —
Mediums keinen Einfluss auf den Gang der gebrochenen oder zu brechen-
den Strahlen hat. Dann wurde das Auge auf einen durchbohrten Object-
träger gelegt, seine nach oben gerichtete Concavität mit einem Tropfen
Glycerin des genannten Brechungsvermögens erfüllt und auf diesen ein
Stückchen eines Deckgläschens gelegt. Letzteres, damit der Gang der
Strahlen bei ihrem Austritt aus der Flüssigkeit nicht durch eine Wölbimg
derselben beeinflusst wird.
So kann man das Präparat unter das Mikroskop bringen, wobei man
natürlich ohne Beleuchtungsapparat und mit dem Planspiegel arbeiten
muss, oder noch besser, man legt das Mikroskop, nachdem das Auge vor-
sichtig befestigt wurde, horizontal und richtet es direct nach den Objecten,
deren Bilder beobachtet werden sollen. So verfuhr ich gewöhnlich.
Das erste, was bei Einstellung auf die Kegel auffällt, ist die schon
genannte starke Convergenz ihrer Axen. Hat man in der Mitte des Seh-
feldes einen Kegel eingestellt, dessen Axe mit der des Mikroskopes zu-
sammenfällt, so weichen die sechs Nachbarkegel schon merklich von dieser
Richtung ab, und am Rande des Sehfeldes — man arbeitet natürlich mit
schwacher Vergrösserung — sind die Kegel schon im Halbprofil zu
sehen.
An den Spitzenflächen liegeu nun die Bilder äusserer Objecte. Die-
selben sind viel grösser als man sie etwa an den Hornhäuten der Insecten
zu sehen pflegt und sind nicht sehr scharf. Stellt man den Balken eines
Fensterkreuzes ein, so erkennt man leicht, dass dieser Mangel an Schärfe
daher rührt, dass das Bild schon in der Ausdehnung der Spitzenfläche
recht starke Krümmung hat. Hat man den Balken in der Mitte dieser
Fläche scharf eingestellt, so muss man die Stellschraube recht nennenswerth
gebrauchen, um an der Peripherie das Maximum der Schärfe zu erzielen.
Was die Lage des Bildes betrifft, so ist dieselbe schon aus diesem
Grunde natürlich nicht genau anzugeben. Ausserdem aber kommen kleine
Verschiedenheiten in derselben bei verschiedenen Kegeln vor. Ich über-
zeugte mich in manchen Fällen, dass das Bild in der Mitte der Spitzen-
fläche gerade mit dieser Fläche zusammenfällt, bei anderen Kegeln sah
ich dasselbe etwas hinter der Spitzenfläche. Dass es vor derselben liegt,
dürfte kaum vorkommen.
Eichtet man das Auge nach einen als Gegenstand wirkenden Licht-
punkt (ein Gasrundbrenner ist mit einem weissen Thoncylinder und einem
schwarzen Blechcylinder umgeben, welche beide an einer correspondirenden
Stelle ein Loch von circa 1 Centimeter Durchmesser haben), so sieht man
natürlich in den Spitzenflächen jener Kegel, deren Axe nahezu parallel
zur Mikroskopaxe stehen, die hellen Bildpunkte. An den Mantelflächen
dieser Kegel, sowie in der Tiefe zwischen ihnen sieht man nirgends Licht
austreten, ein Beweis, dass alles Licht, welches näherungsweise in der
Sehrichtung überhaupt das Auge trifft, an die Spitzenflächen gelangt, und
keines zwischen denselben austritt. Anders ist es mit den Kegeln, welche
— 22 —
mit ihrer Axe von der Sehrichtung nennenswert!] abweichen. An diesen
sieht man eine in der Mantelfläche oder in deren Nähe gelegene Brenn-
linie. Die Entstehnngsweise derselben ist leicht einzusehen. Ein Linsen-
cylinder wirkt für Strahlen, welche auf denselben senkrecht zu dessen
Längsaxe fallen, wie eine Cylinderlinse, er sammelt die Strahlen in
einer Brennlinie. Die schief gegen die Einfallsrichtung des Lichtes ste-
henden Kegel nehmen eine Mittelstellung ein zwischen jener, bei welcher
ein Bildpunkt in der Spitzenfläche und jener, bei welcher eine Brennlinie
entsteht, die parallel der Axe liegt. In der That kann man häufig sehr
schön verfolgen, wie die Lichtpunkte des centrirten Kegels in dem Nach-
barkegel schon in radiärer Richtung ausgezerrt sind und so in den peri-
pherer gelegenen Kegeln allmählich in die Brennliuien übergehen, die erst
nahe der Spitze, dann länger werdend, immer innerhalb oder doch in nächster
Nähe der Mantelfläche liegen.
Macht man dicke Querschnitte durch die Kegel, so dass eiue Schnitt-
fläche das vordere, die andere das hintere Ende eines solchen abtrennt,
so wirkt der zurückbleibende mittlere Theil immer noch wie eine Convex-
linse, nur liegt das verkehrte Bildchen, das er entwirft, in grösserer Ent-
fernung, als beim unversehrten Kegel.
Es geht aus dem Mitgetheilten hervor, dass ein Kegel des Limulus-
auges, natürlich von der Hornhautoberlläche bis an die Spitzeniläche
gerechnet, ein dioptrischer Apparat ist, der ausschliesslich oder doch
hauptsächlich als Linsencylinder wirkt, und zwar als einer näherungsweise
von der Länge seiner Brennweite. Da er im Vergleiche zu den Linsen-
cylindern anderer zusammengesetzter Augen sehr lang ist, so muss auch
sein Bild entsprechend gross sein.
Ich bestimmte die Grösse desselben, indem ich zwei Lichtpunkte als
Objecte verwendete und die Entfernung ihrer Bildchen mass. Es ergab
sich: Das Bild eines 150 Zentimeter vom Auge entfernten, 22 Centimeter
messenden Objectes ist 0-043 Millimeter gross.
Von functioneller Bedeutung ist nun die folgende Beobachtung. Hat
man auf die beiden in der Ebene der Spitzenfläche liegenden Bilder der
Lichtpunkte eingestellt und verschiebt dann durch Schraubeneinstellung
die Focalebene des Mikroskopes nach rückwärts (gegen den Augenhinter-
grund), so geht jeder der beiden Bildpunkte in einen Zerstreuungskreis
auseinander, die Centren der beiden Zerstreuungskreise rücken dabei gegen-
und ineinander, so dass bald nur mehr ein näherungsweise kreisförmig
begrenzter Zerstreuungskreis zu sehen ist. Der Zerstreuungskreis hatte
dann in einem speciellen Falle einen Durchmesser von 0*13 Millimeter.
Auch bei anderen, geringeren Entfernungen des Objectes konnte ich
mich von der Convergenz der austretenden Strahlenkegel überzeugen.
Doch kann ich nicht unerwähnt lassen, dass ich bisweilen Kegel traf,
an welchen diese Convergenz weniger ausgesprochen war, ja bei denen
man zweifeln konnte, ob die beiden austretenden Lichtkegel mit ihren
— 23 -
Axen nicht parallel stehen. Divergenz derselben kommt nach meinen Er-
fahrungen nicht vor. Bei den vollkommen frischen Augen sah ich das
parallele Austreten freilich nie, so dass es dahingestellt bleiben muss, ob
man es hier mit Verschiedenheiten der Kegel intra vitam oder nur post
mortem zu thun hat. Für die physiologische Deutung sind diese kleinen
Variationen übrigens von untergeordneter Wichtigkeit.
Die optische Wirkung eines Kegels von Limulus entspricht also auch
in Bezug auf die Richtung der gebrochenen Hauptstrahlen, somit in allen
wesentlichen Punkten der eines Linsencyliuders von der ungefähren Länge
seiner Brennweite. (Vgl. d. physik. Einleitung.) Da, wo die Hauptstrahlen
die geschilderte Convergenz zeigen, ist eine etwas grössere Länge voraus-
zusetzen.
Um uns die Entstehuug des Netzhautbildes im Gesammtauge klar zu
machen, haben wir jetzt zu fragen, wie gross jener Theil des Sehfeldes ist.
von dem aus das Licht an und durch die Spitzenfläche eines Krystallkegels
dringt, somit genau oder nur annähernd — das möge vorläufig noch
unerörtert bleiben die Richtung zur Retinula eines .Facettengliedes
eingeschlagen hat.
Meine Messungen ergaben, dass das Bildchen eines Lichtpunktes die
Spitzenfläche durchwandert, wenn der Lichtpunkt in einer Entfernung von
63 Centimeter vom Auge eine Verschiebung um 8'5 Centimeter erfährt.
Rechnet man das der Anschaulichkeit wegen für ein Object um, welches
sich in 1 Meter Entfernung vom Auge befindet, so geht daraus hervor,
dass ein Kegel des Limulusauges durchsetzt wird von Licht, welches
von einer Kreisfläche des Objectes, deren Durchmesser 13-5 Centimeter
beträgt, ausgestrahlt worden ist.
Oder in Winkelgraden ausgedrückt: Fallen auf die Corneafläche eines
Kegels Lichtstrahlen aus den verschiedensten Richtungen, so passirt von
allen diesen nur jener Theil die Spitzenfläche, welcher vor dem Eintritt
in das Auge einen Lichtkegel gebildet hat, dessen in der Eintrittsstelle
gelegener Spitzenwinkel näherungs weise acht Winkelgrade hat.
Ich bestimmte weiter an demselben Auge, an welchem diese Mes-
sungen gemacht waren, den Krümmungsradius der vorderen Fläche. Es
geschah das mit Hilfe des Ophthalmometers. Ich fand denselben r = 7-4 Milli-
meter. Endlich mass ich an dem Auge die Entfernung der Mittelpunkte
je zweier benachbarter Basen der Chitinkegel. Dabei wurde das Auge
mit der Vorderfläche nach oben unter das Mikroskop gelegt und theils
aus den allerdings kaum erkennbaren Wölbungen, theils und hauptsächlich
aus dem optischen Effect der ganz oder näherungsweise senkrecht ste-
henden Kegel deren Entfernung beurtheilt. Dieselbe war nicht gleich,
schwankte bis zu % oder '/,„ ihrer Grösse und gab als Mittelwert!]
0-28 Millimeter.
— 24
Alle diese gemessenen Werthe können theils wegen der Schwan-
kungen, welche die Objecte selbst zeigen, theils wegen der Schwierigkeit
der Messungen nur den Anspruch machen, als Näherungswerthe betrachtet
zu werden. Sie genügen aber auch als solche zur Orientirung über die
Leistungen des Auges.
Bei dem genannten Krümmungsradius des Auges von 7-4 Millimeter
und bei dem Oeffnungswinkel des Lichtkegels von 8 Grad, welcher für
jeden Chitinkegel als verwerthbar in Betracht kommt, würde es, damit
jeder Punkt des Objectes Licht in den Augenhintergrund entsenden kann,
nahezu ausreichen, wenn die Kegel in einer Entfernung von 1 Millimeter
der Cornea aufsässen. Wir sahen aber aus der Entfernung der Kegel-
basen von 028 Millimeter, dass drei bis vier Kegel auf einen Millimeter
kommen, woraus hervorgeht, dass ein Punkt des Gegenstandes sein Licht
zugleich in mehrere Kegel so entsendet, dass es optisch verwerthet werden
kann.
Damit stimmt auch die directe Beobachtung überein. Gab ich dem
Lichtpunkt eine solche Stellung, dass sein Bild in die Mitte der Spitzen-
flache eines senkrecht gestellten Kegels fiel, so war es auch in den sechs
rund um den ersten gestellten Nachbarkegeln noch im Bereiche der Spitzen-
flache, freilich stark excentrisch gelegen, zusehen; in einem Durchschnitte
des Auges würden also, wie die Berechnung erwarten Hess, je drei Kegel
die Strahlen eines äusseren Punktes durch die Spitzenfläche leiten und
ihnen jene Richtung geben, in welcher sie empfindende Elemente finden
dürften.
Wirkung der Schiefstellung des Kegels. Ich habe bisher die
Verhältnisse so besprochen, als wenn die Axen der Chitinkegel alle radiär
auf der Hornhautoberfläche stünden. Wie oben hervorgehoben, ist das
nicht der Fall, sie sitzen um so schiefer der Oberfläche auf, je peripherer
sie im Auge stehen. Das hat in Bezug auf die bisher dargelegten Ver-
hältnisse keinen wesentlichen Einfluss; sicherlich nicht für die mittleren
Antheile des Auges, wo die Schiefstellung eine geringe ist. Als Ganzes
bildet diese Lagerung der Kegel eine Einrichtung, durch welche das Sehfeld
jedes Auges erweitert wird. Bei der geringen Wölbung, welche das Auge
von Limulus zeigt, dürfte diese Einrichtung in der That recht nützlich
sein, und dürfte seinen Grund darin haben, dass die Thiere bei ihrer
Lebensweise ein stark gewölbtes Auge nicht brauchen könnten. Sie graben
sich nämlich in Sand ein,1 wobei das gewölbte Körperschild, in dem
sich die gänzlich unbeweglichen Augen eingesetzt finden, die steinigen
Massen bei Seite schieben miiss. Es war in der That bei den Exemplaren,
die ich sah, die Mehrzahl der Augen zerkratzt, und wäre das gewiss
1 Vgl. Brehm's Thierleben, 1. Aufl. VI. S. 656.
25 —
in höherem Grade, wenn die Augen sich in ihrer Wölbung von der Krüm-
mung des Körperschildes stärker abheben würden.
Wieso das Sehfeld auf diese Weise erweitert wird, leuchtet ein,
wenn man erwägt, was für eine Brechung jene Lichtstrahlen beim Eintritt
in den dioptrischen Apparat erleiden müssen, welche zur Retinula gelangen.
[ch habe in Holzschnitt Fig. 9 die Stellung eines centralen und eines
peripheren Kegels schematisch angedeutet, wobei natürlich die wahren
Dimensionen des Auges nicht beibehalten werden konnten.
Der Kegel A, der der Gegend des Augencentrums entspricht, ver-
einigt als Linsencylinder die Lichtstrahlen (s, t), welche senkrecht auf die
Cornea fallen, in einem Punkte (a) nahe der Spitzenfläche auf der Axe
des Kegels, und Strahlen, die unter geringer Neigung zur Axe. z. B.
unter dem Winkel ß einfallen, in derselben Ebene neben der Axe ^in h).
So entsteht, wie wir sahen, das verkehrte Bildchen. Strahlen, die unter
stärkerer Neigung gegen die Oberfläche, beziehungsweise die Kegelaxe
auffallen, z. B. unter dem Winkel cc, werden schon nicht mehr zur Bild-
erzeugung verwendet, sondern vom Pigmente absorbirt (in /).
Anders beim Kegel B, der der Peripherie des Auges angehört. Hier
fällt die Axe des Kegels \>q nicht mehr zusammen mit dem auf der
< orneaoberfläche errichteten Lothe nm. Es dringt deshalb auch ein
Lichtstrahl, der die Oberfläche senkrecht trifft, nicht mehr durch die
Spitzenfläche, sondern wird ungefähr den durch o mi angegebenen Weg
machen, und bei mi vom Pigment absorbirt werden. Aber auch Licht-
strahlen, die parallel der Kegelaxe pq einfallen, werden kaum mehr die
Spitzenfläche erreichen, sondern an der Mantelfläche durch Pigment absor-
birt werden, indem sie den durch poql angedeuteten Weg zurücklegen.
Erst Strahlen, welche, wie oc mit der Kegelaxe einen Winkel von mäs-
— 26 —
siger, mit dem Oberflächenloth einen Winkel von bedeutender Grösse
Winkel y) bilden, sind nach dem Eintritte in die Cornea der Kegelaxe
parallel, verhalten sich also wie Strahlen, welche für den centralen Kegel
(.4) von einem Objectpunkte kommen, der in seiner Axe liegt. Und die
Strahlen, welche mit oc einen kleinen Winkel (/3,) bilden, gelangen nach bt
und entwerfen mit den ersteren zusammen das verkehrte Bildchen a{ b{ .
Ich will den Strahl co die optische Axe des Kegels nennen, zum Unter-
schied von der anatomischen Axe poav
Bringt also im Sinne der Müller 'sehen Theorie jedes Facettenglied
eines zusammengesetzten Auges fast nur das Licht zur Empfindung,
welches näherungsweise in seiner Axe einfällt, was, wie wir noch sehen
werden, für viele Augen nur in sehr wenig strengem Sinne richtig ist,
und stehen die Axen der Facettenglieder senkrecht zur Corneaoberlläche,
dann gibt die Stärke der Hornhautwölbung bei gleicher Basis des Auges
(genauer gesprochen die Grösse des Bruchtheiles der Kugeloberfläche, den
die Hornhaut darstellt) ein Mass für die Grösse des Sehfeldes. Durch
die geschilderte Eigentümlichkeit des Limulusauges ist das Sehfeld nicht
nur bis zu jener Grösse erweitert, die es hätte, wenn die Kegel alle
ihre Richtung beibehielten und die Corneaoberlläche in Folge stärkerer
Krümmung überall auf den Kegelaxen senkrecht stünde, sondern die Er-
weiterung des Sehfeldes geht nicht unbedeutend über dieses Mass hin-
aus: in der That eine schöne physikalische Lösung des Problemes, ein
durch seine Form vor Insulten geschütztes Auge mit grossem Sehfeld her-
zustellen.
Wir können uns über den Grad dieser Erweiterung des Sehfeldes
auch ein Maass bilden. Der Kreisbogen, den die Cornea auf ihrem längsten
(horizontalen) Meridian zeigt, beträgt circa 90 Grad. Ich bestimmte an
einem Schnitte den Winkel, den die Axe des Kegels mit dem auf dessen
Cornealiäche errichteten Einfallsloth bildet. Er betrug, obwohl der Kegel
noch keiner von den äussersten war, 40 Grad. Ferner ermittelte ich den
Brechungsindex eines Stückchens aus den vordersten Schichten des Auges
mit Hilfe des Mikrorefractometers und fand ihn
n < 1-5381
n > 1-5327
Wir können den Brechungsindex also = 1-535 annehmen. Daraus
der Einfallswinkel eines Strahles berechnet, der nach dem Eintritt in die
Cornea in der Axe des Kegels verlaufen soll, ergibt 79 bis 80 Grad. Das
heisst also, das Sehfeld ist nach beiden Seiten und ähnlich nach unten
denn oben steht eine Lamelle des Körperschildes vor) um circa 80 Grad
erweitert, .umfasst also in der Horizontalebene 2.80 -\- 90 = 250 Winkel-
grade. Diese Erweiterung scheint fast überflüssig gross, wird aber sogleich
verständlich, wenn man bedenkt, dass sie bedeutend reducirt wird, sobald
das Thier ins Wasser geht.
27
Ich habe diese Eigenthümlichkeit im Bau des Auges, wie ich später
zu besprechen haben werde, noch bei anderen Thieren gefunden. Es wurde
sich lohnen, derselben bei den verschiedenen Thierclassen nachzugehen
und das biologische Verhalten der betreffenden Species zu beachten.
Wirkung des Kegelmantels. Auch eine andere optische Ein-
richtung des Limulusauges und ihre Bedeutung kann ich nicht unerörtert
lassen. Oben habe ich erwähnt, dass man, wie schon Grenadier be-
schrieb, in den Kegeln durch eigentümliche Lichtbrechung zwei Theile
unterscheiden kann, den kegelförmigen Kern und den umgebenden Mantel
(Taf. III, Fig. 20 zeigt diese Zweitheilung
nur unvollkommen, doch ist sie in Holzschnitt
Fig. 10 angedeutet). Untersucht man die Licht-
brechung dieser Theile mit dem Mikrorefracto-
meter genauer, so überzeugt man sich, dass der
Kern, den Bau eines Linsencylinders aufweisend,
in seinen äusseren Schichten den geringsten
Brechungsindex hat, und dass der Mantel von
höherem Brechungsindex ist. die nicht scharfe
Trennungsfläche zwischen beiden also einen
raschen Uebergang von schwach zu stark brechen-
den Schichten darstellt. Ja ich habe Kegel vor mir
gehabt, bei welchem ich nicht im Zweifel bleiben
konnte, dass der Mantel selbst wieder aus Schichten
verschiedenen Brechungsvermögens bestehe, dass
aber hier der Brechungsindex von innen nach aussen
zunehme. Doch ist das optische Verhalten ver-
schiedener Kegel nicht ganz gleich, auch sind die
Deutungen der Schattirungen, welche man mit dem
Mikrorefractometer sieht, für den Fall, dass zwei
Linsencylinder verschiedener Art ineinander
stecken, so schwierig, dass ich es aufgeben musste, über den optischen Bau auch
in dieser Beziehung ins Klare zu kommen. Darüber aber kann kein Zweifel
sein, dass der Kern des Kegels ein Linsencylinder der oben geschilderten Art ist,
und dass seine schwach brechende äussere Lage an stärker brechende Schichten
stösst, welche die inneren Schichten des Mantels bilden. (Ich will hier er-
wähnen, dass ich auch bei Schmetterlingen ähnliche Complicationen im Bau des
Krystallkegels und seiner Hüllen gefunden habe. Taf. V, Fig. 57, 2 und 3, zeigen
den optischen Effect eines solchen, wenn man ihn unter dem Mikrorefracto-
meter betrachtet.)
Das Mikrorefractometer lehrt auch, dass die warzenartige Vorwölbung,
Avelche die äussere Lage der ganzen Hornmasse, jedem Kegel entsprechend,
zeigt (Fig. 10 bei a), als Sammellinse wirkt, d. h. dass die nach hinten
anstossende Schichte von geringerem Brechungsindex ist, als die Warze selbst
- 28 —
Was bedeutet mm die optische — nicht anatomische - - Trennung von
Kegelkern und Kegelmantel? Ich glaube, die Deutung ist eine einfache und
lässt sich durch Fig. 10 versinnlichen, mn ist ein Axenstrahl, pq zeigt
den schon oft besprochenen Verlauf eines Hauptstrahles, der von einem
in der Nähe des Axenstrahles liegenden Punkte ausgegangen ist; cd ist
das Bild des Objectes. Ein Strahl vs, der, von einem seitlicher gelegenen
Punkt ausgehend, das Facettenglied trifft, wird durch die Wirkung der
gekrümmten Fläche bei a und des Linsencylinders nicht mehr so stark
aus seiner Richtung abgelenkt, dass er die Spitzenfläche erreicht. Er
gelangt vielmehr durch die Randschichte des Kegelkernes in die daran-
stossende, stark brechende Schichte des Mantels, verändert so, da er bei
diesem Uebertritt zum Einfallsloth gebrochen wird, seine Richtung im
Sinne einer Divergenz von der Axe und gelangt in das anliegende Pigment,
wo er absorbirt wird.
Durch diese Einrichtung ist zweierlei erreicht.
1. Der Einfallswinkel, unter welchem ein so abgelenkter Strahl die Grenze
zwischen der Hornmasse und den Weichtheilen (bei e) trifft, ist nennens-
werth verkleinert, und dadurch die Gefahr, dass dieser an derselben eine
totale Reflexion erfährt, herabgesetzt, thatsächlich offenbar ganz vermieden.
Als Gefahr muss dies in Bezug auf die Schärfe und die Begrenzung des
Bildes cd bezeichnet werden, denn die total reflectirten Strahlen würden
wenigstens zu einem beträchtlichen Theil die Spitzenfläche pässiren und
als fremdes, von entlegenen Stellen kommendes Licht das Bild stören.
Man wird nun freilich fragen, warum gerade der Limulus eine solche
Einrichtung zur Vermeidung der totalen Reflexion hat, warum man die
Einschachtelung eines Kegels in einen anderen, stärker brechenden nicht
auch anderweitig flndet. Es scheint mir nicht sicher, dass diese selbe
Bildung nicht ziemlich allgemein in den zusammengesetzten Augen vor-
handen ist; bei manchen ist sie, wie erwähnt, sicher vorhanden. Thatsache
aber ist, dass ich bei keinem Auge optische Erscheinungen gefunden habe,
die mit Bestimmtheit auf das Stattfinden einer totalen Reflexion hätten
schliessen lassen, ja gewöhnlich war das optische Verhalten so, dass totale
Reflexionen an der Mantelfläche des Kegels geradezu ausgeschlossen er-
schienen, wenigstens solche Reflexionen, die das Bild in der angedeuteten
Weise stören würden. Und gerade solche müsste man erwarten, gerade
diese sind es, welche man im reichsten Masse beobachtet, wenn man die
Form eines Krystallkegels aus Glas nachahmt und seine Axe nach einer
Lichtquelle richtet. Nun ist das Glas freilich nicht vom optischen Bau
eines Linsencylinders, aber trotzdem müsste man auch beim Krystallkegel
im Allgemeinen totale Reflexionen erwarten. Deshalb zeigte ich, wie sie bei
Limulus vermieden sind, und werde in Folgendem Augen zu besprechen
haben, bei denen ich eine weitere Ursache des Ausfalles totaler Reflexionen
angeben zu können glaube. Bei allen Augen kann ich das freilich nicht.
Es ist auch bei der Mannigfaltigkeit der Formen nicht zu erwarten, dass
— 29 —
man bald über derartige Details in der Wirkungsweise jedes Auges unter-
richtet sein wird.
2. Eine andere Wirkung dieser optischen Einrichtung besteht darin,
dass zwischen Strahlen, welche vermöge ihrer Einfallsrichtung die stark
brechende Mantelschichte nicht erreichen, sondern durch die Spitzenfläche
austreten, und jenen, welche die Mantelschichte durchsetzt haben, keine
Mittelstufen vorhanden sind. Die ersteren werden in ihrem ganzen Ver-
laufe der Kegelaxe zugelenkt, die letzteren schlagen früher oder später,
wegen der Formation des ganzen Facettengliedes, aber niemals erst in
der nächsten Nähe der Spitzenfläche, eine ganz andere Richtung ein. Es
treten also unter den entsprechenden Beleuchtungsverhältnissen überall
an der Mantelfläche des Kegels die schädlichen Strahlen aus, nur nicht
in nächster Nähe der Spitzenfläche. Bedenkt man, dass die Retinula gleich
hinter den Spitzenflächen liegt, so erscheint es, obwohl schützendes Pigment
vorhanden ist, zweckmässig, diese Strahlen, die ihrer Richtung nach etwa
die Retinula des Nachbarkegels treffen könnten, zu beseitigen.
Das geschilderte Verhalten führt zu sehr schönen und auffallenden
Bildern. Wenn man das abgepinselte Linmlusauge als Ganzes unter dem
Mikroskope betrachtet, die Spitzenflächen nach oben gewendet, so sieht
man bei entsprechender Beleuchtung (durch das Fenster) die Spitzen-
flächen, welche horizontal liegen, hell, ihre Umgebung dunkel, wie ich das
schon geschildert habe. Bei anderen Kegeln aber, welche einen gewissen
Grad der Neigung haben, sieht man auch noch die Spitzenfläche hell,
ebenso den grössten Theil der Mantelfläche, nur der hinterste, an die
Spitzenfläche grenzende Gürtel derselben ist vollkommen dunkel, so dunkel,
dass man glauben kann, es hänge ihm noch Pigment an, und sich durch
eine weitere Neigung des Kegels überzeugen muss, dass dem nicht so ist,
umsomehr, als gerade hier das Pigment sehr fest zu haften pflegt. Dieser
dunkle Gürtel also ist der Ausdruck der besprochenen optischen Ein-
richtung.
Das Zusammenwirken der Kegel und die Netzhaut. Nach
diesen Auseinandersetzungen über die optische Wirkung der einzelnen
Krystallkegel ist es nun möglich, von ihrem Zusammenwirken zu handeln,
von der Art des durch sie entworfenen Netzhautbildes. Dazu ist vor
Allem nöthig, die Lage und Ausdehnung der Retinula ins Auge zu fassen.
An die Spitzenfläche setzen sich, den Kegel gleichsam fortsetzend,
unpigmentirte Zellen an (Taf. III, Fig. 20). Grenadier lässt die Frage
offen, ob diese Zellen schon der Retinula angehören und Fortsetzungen
der darunter liegenden unzweifelhaften Retinulazellen sind. Dieses pig-
mentlose Zellenbündel wird nach hinten schmäler und räumt den Stäbchen-
bildungen den Platz; diese, identisch mit Grenacher's Rhabdom, bildet)
am Querschnitt einen vielstrahligen, zierlichen Stern von sehr geringer
Grösse (Taf. III, Fig. 21). Die ganze pigmentlose Masse ist kegelförmig,
- 30 —
die Spitze des Kegels, das Rhabdom enthaltend, ist eingehüllt in dichtes Pig-
ment, das von der Mantelfläche des Chitinkegels sich fast continnirlich bis
herab fortsetzt. Ein Theil dieses Pigmentes ist nach der Auffassimg von
Grenadier in den Retinulazellen selbst enthalten, deren axiale Flächen
eben das Rhabdom bilden. In diese Zellen sah Grenadier die Nerven-
fasern direct übergehen.
Unsere Vorstellung von dem zur Perception kommenden Netzhautbild
wird nun in erster Linie davon abhängen, wo wir in der unpigmentirten
Strecke hinter dem Kegel die empfindende Schichte annehmen wollen,
gleich hinter der Spitzenfläche, oder erst da, wo die Stäbchenbildung liegt,
ferner davon, ob wir die Retinula als ein einheitliches Ganzes, das nur
ein Localzeichen liefert, ansehen wollen, oder als Netzhaut im Sinne der
Wirbelthierretina. Letzteres halte ich für falsch, werde aber diese Frage
später noch besprechen. Zunächst wollen wir die Retinula als Seheinheit
auffassen.
Sind schon die pigmentlosen Zellen lichtempfindlich, welche sich an
die Spitzenfläche ansetzen, so werden dieselben getroffen von allen Strahlen,
die von einem auf der optischen Axe des Kegels gelegenen Punkt aus-
gehen und die Corneafläche in jener Ausdehnung treffen, welche einem
Facettenglied entspricht. Sie bilden zusammen einen Lichtkegel von der
Basis einer Corneafacette, deren Spitze in dem Objectpunkt liegt. Wäre
keine das Licht sammelnde Einrichtung vorhanden, so würde nur eine
viel kleinere Zahl der von jenem Punkte ausgehenden Strahlen die Retinula
erreichen, nämlich ein Lichtkegel, dessen Basis von der Retinula ge-
bildet wird. Ferner erreichen sie gleich grosse Lichtkegel, welche von
allen Punkten ausgehen, die mit dem ersten einen Sehwinkel von nicht
mehr als 4 Graden bilden, also bei gegebener Entfernung in einem Um-
kreis von bestimmtem Radius um jenen Axenpunkt angeordnet sind. Die
Hauptstrahlen dieser Lichtkegel sind nach dem Austritt aus der Spitzen-
tläche parallel der Kegelaxe gerichtet oder convergiren nach derselben.
Würde keine lichtsammelnde Einrichtung getroffen sein, so wäre natür-
lich wieder die Basis der Lichtkegel kleiner, und wären als sammelnde
Vorrichtung eine oder mehrere kugelige centrirte brechende Flächen ver-
wendet, so würden die Hauptstrahlen divergiren und somit unter den
sämmtlichen in Betracht kommenden Strahlen ceteris paribus viel grössere
Verschiedenheiten in der Richtung vorhanden sein. Sollte die Grösse der
Nervenerregung mit davon abhängen, wie gross die Strecke der empfinden-
den Zellen ist, welche vom Lichte durchlaufeu wird, oder wäre die empfind-
liche Schichte nicht hart an der Spitzeniläche, sondern weiter hinten gelegen,
so leuchtet ein, um wie viel der Linsencylinder den kugeligen Flächen über-
legen ist.
Es ist nun viel wahrscheinlicher, dass die Lichtempfindung erst
da stattfindet, wo die Stäbchenbildungen sind. Hat doch Grenadier
gezeigt, dass diese das constaiiteste Element im Auge sänimtlicher Thiere
- 31 -
sind, und wissen wir, dass die Schichte der Stäbchen und Zapfen des
Menschenauges am nächsten mit der empfindenden Schichte zusammen-
fällt. Ist also das Rhabdom Vermittler der Lichtempfindttng, dann ist eine
parallele Richtung der Hauptstrahlen von auffallendem Nutzen. Man
sieht dann aber weiter, dass nicht alle Punkte, welche dem Elementaf-
sehfeld (um mit Notthaft zu sprechen) eines Facettengliedes angehören,
gleich viel Licht dem Rhabdom zuwenden. Je weiter peripher, desto
weniger Licht gelangt von jedem der Punkte zur Perception, da ein Theil
des ihm zugehörigen Zerstreuungskreises für die Perception verloren geht.
Anders ist es, wenn, wie ich ausgeführt habe, die Hauptstrahlen hinter
der Spitzenfläche convergiren. Hier liegt der Nutzen der Verwendung
des Linsencylinders bei den obwaltenden Dimensionen der brechenden
Medien noch mehr zu Tage. Es werden dann eben alle Haupstrahlen und
damit auch zum grossen Theile die Strahlen der zugehörigen Zerstreuungs-
kreise dem Rhabdom zugeleitet. Immer noch wird aber der Axenpunkt
das Maximum der Erregung erzeugen, es müsste denn die empfindliche
Schichte unendlich dünn sein und gerade da liegen, wo sich die Zer-
streuungskreise aller Punkte des Elementarsehfeldes decken, oder es müsste
bei dickerer empfindlicher Schichte die Ebene dieses Zusammenfallen gerade
in der Mitte der Dicke gelegen sein. Selbst dann würde eine Gleich-
wertigkeit aller Punkte des Elementarsehfeldes bei den obwaltenden
anatomischen Verhältnissen noch nicht im strengsten Sinne vorhanden-
sein, weil ja das Rhabdom in einem engen Canal von Pigmentmasse ein-
gebettet liegt.
Ich muss hier in Bezug auf die Functionsweise des Rhabdoms an
das erinnern, was zuerst E. Brücke für deren Analoga in der Wirbel-
thiernetzhaut, den Stäbchen, hervorgehoben hat. Wegen des starken Licht-
brechungsvermögens, im Vergleiche zur Umgebung nämlich, ist ein Licht-
strahl, der einmal unter spitzem Winkel ins Rhabdom eingedrungen ist,
darin gleichsam gefangen, er wird durch totale Reflexion bis ans Ende
geleitet, am Ende kann er wenigstens zum Theil reflectirt und wieder in
derselben Weise zurückgeleitet werden. Wie immer die Nervenerregung
durch die Lichtwirkung zu Stande kommt, dieses Eintreten der Strahlen
in die Stäbchenbildungen, die sich ja auch an den Zapfen der Säugethier-
netzhaut finden, scheint von wesentlicher Bedeutung. Und eine Construc-
tion des Auges, bei welcher der Eintritt des Lichtes in das Rhabdom,
wenn auch nur an einem Ende, ermöglicht ist, genügt, es kann dann, wie
das beim Limulusauge der Fall ist, der grösste Theil der Stäbchen in Pig-
ment eingegraben sein oder nicht.
Aus alldem geht hervor, dass wir uns das pereepirte Netzhautbild
des Limulus aufrecht vorzustellen haben und von einer Schärfe, deren
untere Grenze dadurch gegeben ist, dass ein Gitter, dessen Stäbe circa
13 Centimeter voneinander abstehen und ebenso dick sind, in einer Ent-
fernung von 1 Meter noch als Gitter erkannt wird, wobei aber die Grenzen
— 32 —
der Stäbe nicht mehr scharf erscheinen. Die Helligkeit des N etzhautbildes,
verglichen mit der des Objectes — wir wollen dieses Verhältniss die
„relative Helligkeit des Netzhautbildes" nennen — ist insofern recht
gross, als jedes Retinaelement mehr Licht bekommt, als bei den meisten
anderen Arthropoden. Dafür ist allerdings die Anzahl der Netzhautelemente,
auf die Flächeneinheit bezogen, sehr gering. Auch die „relative Grösse"
des Netzhautbildes ist entsprechend den Dimensionen des Auges sehr
bedeutend. Mit Rücksicht auf den Krümmungshalbmesser der Cornea von
7-4 Millimeter und der Entfernung der empfindlichen Schichte der Retinula
von der vorderen Corneafläche = 0*92 Millimeter (nach Angaben und
Zeichnungen von Grenadier als Näherungswerth angenommen) lässt sich
die Länge des Netzhautbildes eines in 1 Meter Entfernung befindlichen,
1 Meter langen Objectes mit 6-5 Millimeter angeben. Das Netzhautbild
desselben Gegenstandes und bei gleicher Entfernung würde im mensch-
lichen Auge 15 Millimeter gross sein. Die Ausdehnung des Netzhautbildes,
beziehungsweise des Sehfeldes, ist nennenswerth grösser als der Wölbung
des Auges entspricht, und wird, wie wir sahen, in der Horizontalen circa
250 Winkelgrade umfassen, wenn das Thier in der Luft ist.
Kann man das Netzhautbild sehen? Nach der dargelegten Theorie
desselben muss das, wenigstens in unvollkommener Weise, der Fall sein.
Und so zeigt es auch der Versuch. Wenn man ein abgepinseltes Auge
oberflächlich mit wenig Glycerin befeuchtet, um die, wenigstens an meinen
Augen immer vorhandenen, durch Lädirungen entstandenen Rauhigkeiten
der Corneaoberfläche auszugleichen (ich tauchte die Augen zu diesem
Zwecke in Alkohol, dem etwas Glycerin zugesetzt war), und richtet das-
selbe gegen das Fenster, so sieht man zunächst kein deutliches Bild
desselben, wenn man es von hinten betrachtet. Nimmt man nun die Lupe
zu Hilfe, so erkennt man, dass eine grössere Gruppe von Spitzenflächen
hell leuchtet, während die nächste Umgebung einer jeden dunkel ist. Es
sind das die Spitzenflächen jener Kegel, deren Axen nach dem Fenster
gerichtet sind. Der helle Fleck, welchen diese leuchtenden Spitzenflächen
in ihrer Gesammtheit bilden, ist das aufrechte Netzhautbild, es wandert
bei Drehung des Auges im Sinne eines solchen; ein Gegenstand, der
zwischen Auge und Fenster bewegt wird, lässt die Spitzenflächen der
Reihe nach dunkel werden, wie es dem aufrechten Bilde entspricht.
Unvollkommen ist dieses Bild, weil einerseits die ganze Spitzenfläche
hell gesehen wird, nicht, wie es der Function des Auges entspräche, nur
jene viel kleinere Fläche, die dem Querschnitt des Rhabdoms angehört;
andererseits, weil die Umgebung des geschilderten Fensterbildes nicht
dunkel erscheint. Es treten nämlich, wie oben besprochen, die Lichtstrahlen,
welche unter einem ziemlich grossen Winkel mit der optischen Axe in
den Kegel gelangen, aus dessen Mantelfläche wieder aus. Unter normalen
Verhältnissen werden sie bei ihrem Austritte vom Pigment absorbirt, am
abgepinselten Auge aber und bei der eben geschilderten Betrachtungsweise
— 33 -
desselben erhellen sie die ganze Umgebung des eigentlichen Netzhaut-
bildes, mit Ausnahme einer engen Zone um dasselbe, die sich auch aus
dem oben Mitgetheilten erklärt. Ignorirt man, indem man den Augen-
hintergrund mit der Lupe betrachtet, alles Licht, das in Form von Licht-
streifen aus den Mantelflächen der Kegel tritt, als physiologisch bedeu-
tungslos, so wird man das Netzliautbild und seine Bewegungen mit
Bequemlichkeit beobachten und studiren können. Ich habe mit ziemlich
gutem Erfolg versucht, das abgepinselte Pigment durch einen schwarzen
Alkohollack zu ersetzen, der sich durch Capillarität in die Vertiefungen
zwischen die Kegel hineinsaugte, die Spitzenflächen aber frei Hess. Die
Augenfälligkeit des Netzhautbildes nahm dadurch bedeutend zu.
Ich werde im Folgenden davon zu sprechen haben, dass bei Insecten
Verschiebungen des Pigmentes in Folge von Lichteinwirkungen auftreten, so
dass dessen Anordnung eine verschiedene ist, wenn sich das Thier einerseits
im Hellen, andererseits, wenn es sich im Dunkeln befindet. Es ist nicht
unmöglich, dass dieses auch bei Limulus der Fall ist, doch habe ich keine
Versuche oder Beobachtungen hierüber angestellt, kann also nur Ver-
muthungen aussprechen. Es könnte nämlich geschehen, dass die Pigment-
hülle, welche die Retinula umgibt, mit der Beleuchtung ihre Weite ändert,
oder auch, dass ihre Entfernung von der Spitzenfläche variirt, indem der
unpigmentirte Kegel, der sich an die Spitzenfläche anschliesst, an Basis'
und Höhe oder an einem von beiden abnimmt. Die Verengerung der
Pigmenthülle entspräche der Lichtstellung, Erweiterung der Pigmenthülle
würde die relative Helligkeit des Netzhautbildes erhöhen, allerdings wahr-
scheinlich auf Kosten seiner Schärfe.
Das Auge von Limulus im Vergleiche mit jenem der Triboliten-
krebse.
Unter allen Augen lebender Insecten und Krebse, die ich untersuchte,
oder die ich auf anderem Wege kennen lernte, ist keines der Grrüel-
Gotts che 'sehen Hypothese günstiger, als das von Limulus. Freilich wäre
auch dieses nur eine sehr schwache Stütze für dieselbe. Aber wenn man
annehmen wollte, dass die an die Spitzenfläche angesetzten durchsichtigen
Zellen Eetinaelemente sind, wenn man die geringe Anzahl der Nerven-
fasern, die G-renacher mit den Retinulazellen in Verbindung treten sah,
für ausreichend zur Aufnahme eines verkehrten Netzhautbildes der Aussen-
welt in jedem Facettengliede halten will, wenn man von der Nutzlosigkeit,
ja dem Schaden absehen wollte, den die Verwendung des Linsencylinders
statt der kugeligen brechenden Medien mit sich brächte, ebenso von den
gerechten anderweitigen Bedenken, die so vielfach gegen jene Theorie
erhoben worden sind, dann könnte man das verkehrte Bildchen, das in
Exner, Facettenaugen. "
— 34 —
oder hinter der Spitzenfläche entsteht, so unvollkommen es ist, als Netz-
hautbild, jene Zellen als Retina auffassen und sagen, der Limulus sehe
mit zahlreichen Augen, deren jedes nach dem Typus des Wirbelthierauges
füngirt. Ich glaube selbst, dass Max Schultz e gefrolilockt hätte, wenn
er das verkehrte Netzhautbild und die verhältnissmässig zahlreichen
Retinaelemente (Grenadier schätzt sie auf 14 bis 16) gesehen haben
würde.
Ich bin über die Functionsweise anderer Meinung, obwohl ich die
Annäherung an den Typus des Wirbelthierauges eben hervorgehoben habe
und in der Lage bin, noch ein Bindeglied zwischen diesem und dem
Limulusauge einzuschalten.
Bekanntlich ist die Stellung des Limulus im zoologischen System
unsicher; früher rückte man ihn nahe an die fossilen Trilobiten, in
neuerer Zeit sind Stimmen laut geworden, welche sich gegen diese Ver-
wandtschaft wehren. Herr Professor Eduard Suess hatte die Güte, mir
ein Paar Trilobiten zu überlassen, deren mit freiem Auge bequem sicht-
bare grosse facettirte Augen mein lebhaftes Interesse erweckten. Ich
glaubte in diesen längst ausgestorbenen Verwandten des Limulus dessen
Auge nur in noch viel grösserem Massstabe wiederzufinden.
Ich fertigte nach der Methode der Mineralogen, deren Erlernung ich
der freundlichen Unterweisung des Gustos und Leiters der mineralogisch-
pefrographischen Abtheilung des k. k. naturhistorischen Hofmuseums in
Wien, des Herrn Dr. A. Bfezina, verdanke,. Dünnschliffe aus den Augen
an, theils senkrecht, theils tangential zur Oberfläche. Das mikroskopische
Bild der Tangentialschliffe (Taf. II, Fig. 18) zeigte schon ein von Limulus
sehr abweichendes Verhalten, indem hier in regelmässigen Abständen und
durch Scheidewände voneinander getrennt, kreisrunde Felder zu sehen
waren. Diese hätten noch den Querschnitten von eigenthümlichen Kegeln
entsprechen können, umsomehr, als sie in ihrer Stellung dieselbe Regel-
mässigkeit zeigten, wie sonst die Facettenglieder. Die Scheidewände waren
freilich kaum als in einer zusammenhängenden Chitinmasse eingelagert zu
betrachten. Die senkrecht auf die Oberfläche geführten Schliffe aber Hessen
nichts von Kegeln erkennen, sondern wiesen sehr schöne und regelrechte
Linsen auf, wie wir sie als Chitinbildungen bei den einfachen Augen der
Insecten zu sehen gewohnt sind. Ein Paar solcher ist in Fig. 19 der
Taf. II von Phakops fecundus abgebildet. Leider konnte ich von den tiefer-
liegenden Theilen des Auges an den Versteinerungen nichts mehr erkennen.
Doch was ich sah, zeigte, dass hier, ob ausschliesslich oder nur theilweise
muss dahingestellt bleiben, das optische Princip der Linse verwendet war,
und das Aufhören des zwischen je zwei Linsen eingeschobenen Septums
in einer geringen Tiefe Hess vermuthen, dass hier auch bald die Grenze des
ganzen Auges, die Netzhaut also nahe der Linse, lag. Mit einem Worte, wir
haben das Bild eines einfachen Auges vor uns, und ein solches sieht un-
zweifelhaft mit. verkehrtem Netzhautbild.
— 35 —
Bekanntlich kommen bei Spinnen paarweise gestellte einlache Augen
vor; bei den Trilobiten sind es nicht zwei, sondern viele, die in einer Gruppe
beisammen stehen, miteinander ein Gesammtauge bilden, das als solches
eine recht geringe Krümmung hat, geringer als die des Limulusauges.
Diese Thiere haben also, wenn man nach diesen dürftigen Befunden urtheilen
will, wirklich so gesehen, wie die Theorie von Gottsche, Grüel und
deren Nachfolgern verlangte: viele aggregirte Augen, deren jedes ein kleines
verkehrtes Bildchen entwarf, wirkten zusammen als Sehorgan, und wenn
man nur die Strahlen in Betracht zöge, welche jedes Netzhautcentrum
treffen, so entstünde ein grosses aufrechtes Bild in jedem Gesammtauge.
Schon der grobe Unterschied im Bau dieser Augen und jener von Limulus
weist auf die Veränderung in der Functionsweise, das Verkümmern der
kleinen verkehrten, die Vervollkommnung des grossen aufrechten Bildes hin.
B. Das Superpositionsbild von Lampyris.
Nachdem ich im Vorstehenden an einem Beispiele den optischen Bau
einer Augenform besprochen habe, gehe ich zu einem zweiten Beispiele
über, das uns einen zweiten Typus des zusammengesetzten Auges ver-
stehen lehren soll. Das aufrechte Netzhautbild des Limulusauges entstand
dadurch, dass die je einem Pacettengliede angehörigen Lichtmassen neben-
einander die Ebene der Netzhaut treffen. Ich suchte dies durch den Namen
Appositionsbild anzudeuten. Bei dem jetzt zu besprechenden Auge
fallen die den einzelnen Facettengliedern zugehörigen Lichtmassen in der
Ebene der Netzhaut zu einem grossen Theile übereinander. Ich nenne
diese Art des Netzhautbildes deshalb das Superpositionsbild. Bei der
Klarlegung desselben halte ich mich aus naheliegenden Gründen wieder
zunächst an das Auge eines Thieres als Beispiel für diesen Typus. Es ist
das Auge unseres Leuchtkäferchens (Lampyris splendidula), das sich, wie
jenes von Limulus, zum Studium dadurch eignet, dass der ganze dioptrische
Apparat ein Stück bildet. Ich benützte nur die Augen der fliegenden
Männchen, da jene der flügellosen Weibchen gar zu rudimentär sind.
1. Beobachtungen am frischen Lampyrisauge.
Ich kappe mit einer gut schneidenden Staarnadel den grössten Theil
des Auges, welches nahezu eine Halbkugel darstellt, ab, bringe ihn in ein
Schälchen und pinsele die concave Seite so gut als möglich ab, indem ich
das Auge mit einer Nadel oder einer feinen Pincette festhalte. Im frischen
Zustande geht das Pigment leicht weg; an Spirituspräparaten hat man
dabei schon mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Nun bringe ich auf
ein Deckgläschen oder auf eine dünne Glimmerlamelle einen Tropfen des
verdünnten Glycerins, dessen Brechungsindex
n = 1-346
3*
— 36 —
ist. Das ist, wie erwähnt, der Brechungsindex des Käferblutes, den ich bei
Hydropliilus piceus bestimmt hatte. Bei diesem Thiere ist es, wenn man
ihm den Kopf abschneidet, leicht, genug Blut zu gewinnen, um den
Brechungsindex desselben mit Hilfe des Abbe'schen Refractometers zu
ermitteln. Ich wähle diese Flüssigkeit, um Verhältnisse herzustellen, welche
dem normalen Zustande, in dem die Krystallkegel mit Gewebsflüssigkeit
benetzt sind, so nahe als möglich kommen. Aus demselben Grunde bringe
ich nun in diesem Tropfen das abgekappte Auge in eine Lage, dass es
mit der Concavität dem Tropfen aufliegt, die Convexität aber unbenetzt
an Luft stösst. Es geht dies leicht, weil die frische Corneafläche eine
Schwerbenetzbarkeit aufweist, fast als wäre sie eingefettet, sich also das
Auge fast von selbst in die gewünschte Lage begibt. Ich ziehe Glimmer
den gewöhnlichen Deckgläschen vor, weil sich der Tropfen auf diesem
besser ausbreitet.
Nun lege ich den Glimmer oder das Deckgläschen in der gewöhn-
lichen Weise mit dem Präparate nach unten auf einen Objectträger, der
eine Oeffnung von circa 1 Centimeter Durchmesser hat, natürlich so, dass
das Auge in die Oeifnung fällt, und bringe das Ganze unter das Mikroskop.
Es sind also jetzt, wie beim normalen Sehen der Thiere, die vordere Horn-
hautfläche mit Luft, die Krystallkegel mit einer Flüssigkeit von n = 1-346
in Berührung. Am bequemsten bei schwacher Vergrösserung von 60 bis 100
sieht man nun bei hoher Einstellung ein aufrechtes Luftbild (abgesehen
von der Umkehrung durch das Mikroskop und 'der Wirkung des Mikroskop-
spiegels) der äusseren Gegenstände. Ein solches ist mikrophotographisch
aufgenommen und durch Lichtdruck (selbstverständlich ohne jede Eetouche)
vervielfältigt, diesen Zeilen als Titelbild beigegeben. Das Auge befand
sich einem Bogenfenster gegenüber, durch welches eine Kirche sichtbar
war; auf eine der Fensterscheiben hatte ich ein aus schwarzem Papier
geschnittenes R geklebt. Es erscheint im Bilde in Spiegelschrift, wegen
der Vervielfältigung durch Druck.
Um sich vor Täuschungen durch die Wirkung des Hohlspiegels
oder anderer Reflexionen und Brechungen zu schützen, kann man den
Planspiegel anwenden, das abzubildende Object, z. B. eine Staarnadel,
zwischen Spiegel und Präparat bringen; kann den Spiegel durch Papier
ersetzen; das Mikroskop umlegen, unter Beseitigung des Spiegels
gegen das Fenster richten und ein Object vor dem Präparat auf und
ab bewegen; man kann unter diesen Umständen das Bild auch mit dem
einfachen Mikroskop oder der Brücke'schen Lupe als aufrechtes er-
kennen, ja ich zweifle nicht, dass es ein sehr kurzsichtiges Auge auch
ohne optische Hilfsmittel sehen wird. Ich führe das an, weil wohl Jeder-
mann, wenn er das Bild das erstemal sieht, so wie es auch mir geschehen
ist, denkt, es möge doch noch irgendwie durch doppelte Reflexion von den
Mikroskoplinsen her u. dgl. ein dem Präparate selbst fremdes Bild dahin
gelangen. Das Weitere wird übrigens diese Bedenken vollständig beseitigen.
- 37 —
Ich benutzte zum Theil auch hohl geschliffene Objectträger, gab
dieses aber später auf, erstens weil deren Schiit)', als Concavlinse wirkend,
eine Brechung einführte, die ich bei der genaueren Untersuchung der
optischen Eigenschaften zu vermeiden hatte, aus welchem Grunde ich auch
mit dem Planspiegel oder ohne Spiegel untersuchte, zweitens weil durch
das verdampfende Wasser eine Bethauung der concaven Fläche des Object-
trägers eintrat, welche das Bild bald trübte, oder ganz zum Verschwinden
brachte.
Andererseits hat auch die Beobachtung in der freien Luft, wie ich
sie eben beschrieb, den Nachtheil, dass sich der Brechungsindex der Flüs-
sigkeit ändert, was bei den genaueren Prüfungen des optischen Verhaltens
nicht zulässig ist. Man muss sich dann eben dadurch vor Irrthümern
schützen, dass man häutig den Tropfen erneut. Uebrigens ist die Schönheit
des Bildes nur in geringem Grade von dem genauen Einhalten jenes
Brechungsmdex abhängig. Es ist bei Benützung von Wasser merklich
ebensogut; concentrirtes Glycerin allerdings darf man nicht nehmen.
Was die Schärfe des Bildchens betrifft, so übertraf dieselbe meine
Erwartungen. Forel hat (1. c.) vermuthungs weise die Schärfe eines Netz-
hautbildes abgebildet, das eine Biene von einem kleinen Insecte bekommen
mag, das an ihr vorbeifliegt. Ungefähr von dieser Schärfe hatte auch ich
mir die Bildchen nach meinen früheren Untersuchungen gedacht. Sie sind
aber beim Lampyrisauge schärfe]-, und es ist alle Ursache, anzunehmen,
dass die Augen anderer Insecten noch vollkommener gebaut sind. Ich
sah eine Staarnadel, zwischen Spiegel des Mikroskopes und das Präparat
gehalten, in ihrer Gestalt sehr gut, erkannte den weissen Griff, den Reflex
bei Drehung der Nadel. Ich sah — da ich diese Studien theilweise während
der Sommerferien auf dem Lande machte — das verkleinerte Bild des
Mikroskopspiegels, das als Rahmen für eine kleine Landschaft diente, in
der ich die weissen gemauerten Pfeiler einer meinem Fenster gegenüber-
liegenden Scheune, deren rothes Ziegeldach und die braunen Bretterwände
unterschied, und in der sich die einzelnen schwächlichen Zweige kleiner
Zwetschkenbäume vom blauen Himmel abhoben. Ich komme auf die Schärfe
des Bildes später nochmals zu sprechen.
Die Grösse des Bildes ist seiner etwas verwaschenen Grenzen wegen
nicht mit Sicherheit zu messen. Die Länge desselben betrug in einem
Falle circa 0'24 Millimeter, in welchem der Gegenstand 32 Centimeter lang
und in einer Entfernung von 52 Centimetern war.
Ehe ich über die Lage des Bildchens in der Tiefe des Auges, also
seine Entfernung von der vorderen Corneafläche spreche, wird es angezeigt
sein, das Notwendigste über die Anatomie dieses Auges mitzutheilen.
Ich habe in Taf. I, Fig. 1, einen meridionalen Schnitt durch ein
Lampyrisauge mit Hilfe der Zeichenkammer abgebildet. Das Auge war
in Celloidin eingebettet und mit Safranin gefärbt. Die Zeichnung zeigt
denselben in 120facher Vergrösserung.
— 38 —
Die convexe vordere Corneafläche (c) trägt entsprechend je einem
Krystallkegel eine gekrümmte Facette, deren Krümmungshalbmesser ich im
Centrum grösser, an der Peripherie kleiner, O09 bis 0*02 Millimeter fand.
Rechnet man die Cornea bis dahin, wo die chitinartige Substanz zu
den einzelnen Kegeln auseinanderweicht, so ist sie bei diesem Thiere von
sehr geringer Dicke und macht sich am Schnitte des nicht abgepinselten
Auges durch ihre Pigmentlosigkeit kenntlich. Die mit der Cornea ver-
wachsenen Krystallkegel (k) sind dicht von Pigment (J. P.) umhüllt, mit Aus-
nahme ihres inneren Endes, das frei in die dahinter gelegene Zellenmasse
hineinragt. Die Form der Kegel ist nur an abgepinselten Augen genauer
zu erkennen. Ich habe einen solchen in Holzschnitt. Fig. 12, S. 44, seiner
Gestalt nach, so getreu es mir möglich war, sammt der Corneafacette
wiedergegeben. Nun folgt eine ziemlich breite Zone langgestreckter, kern-
haltiger Zellen (G) iu radiärer Anordnung, die wahrscheinlich mit ähnlichen
Gebilden von Schmetterlingen identisch sind und deren Bedeutung später
besprochen werden soll. Bei R beginnt die Retina, von der man freilich
an Meridionalschnitten sehr wenig sieht. An Flächenschnitten erkennt man
hier eine kernreiche Zelllage, deren Mosaik gegen die retinale Pigment-
schichte (R. P.) hin alsbald in jenes überaus zierliche Bild übergeht, das
aus vergissmeinnichtartigen Figuren zusammengesetzt und noch in- und
jenseits der retinalen Pigmentschichte, wenn auch in modiiicirter Form, zu
erkennen ist. Inmitten jedes der blüthenförmigen Querschnitte sieht man
eine ungefärbte Stelle, das Rhabdom Grenacher's. Noch weiter gegen
den Krümmungsmittelpunkt des Auges gewahrt man die dünne Schichte,
in welcher sich die Nervenzüge verlieren (wn.f.), die vom Ganglion opticum
(G. o.) kommend, in dieselbe einstrahlen.
Was nun die Lage des Bildes anbelangt, so ist es sehr schwer, die-
selbe genau zu messen. Es muss natürlich mit der Stellschraube geschehen
und die Lage aus der Höhe eines Schraubeuganges und den Winkelgraden
der Schraubendrehung berechnet werden. Die Stellung, bei welcher das
aufrechte Netzhautbild das Maximum der Deutlichkeit hat, ist ziemlich
genau zu bestimmen, anders aber steht es mit dem zweiten, tiefer gelegenen
Punkt. Man kann auch hier recht genau eine Stellung linden, bei welcher
jedes Facettenglied als heller Kreis und die Räume zwischen den Facetten
dunkel erscheinen, und zwar auch, wenn das Pigment abgepinselt worden
ist. Es dringt eben zwischen den Facettengliedern in Folge von Brechungen
kein Licht durch die durchsichtige Substanz, wie ich dies schon beim
Limulusauge genauer erläutert habe. Auf welche Ebene aber hat man
eingestellt, wenn das Facetten glied als scharf begrenzter heller Kreis
erscheint? Bestimmt weiss ich es nicht, vielleicht auf die Basis der Krystall-
kegel, vielleicht auf die Basis der Facettenwölbung, vielleicht aber auch
auf einen weiter hinten gelegenen Querschnitt durch den Krystallkegel.
Bei einer etwas höheren Einstellung konnte ich mich wiederholt mit
Hilfe der noch anhaltenden Pigmentkörner so weit orientiren, dass ich
— 39 —
glaube, richtig auf die Spitze der Krystallkegel eingestellt zu haben. Die
Entfernung zwischen der erstgenannten Einstellung und dem Netzhautbilde
fand ich 023 Millimeter. Es würde demnach das Bild um die genannte
Länge hinter dem dioptrischen Apparat liegen.
Würden wir dieses Bild in die Zeichnung Fig. 1, Taf. I, eintragen,
so würde es demnach nicht unbeträchtlich hinter die Retina lallen. Es
mag das darin seinen Grund haben, dass meine Zeichnung einem Meri-
dionalschnitt vom seitlichen Theile des Auges angehört. Ich Avählte diesen
Theil, weil ich hier, ohne die Zeichnung zu gross machen zu müssen, den
ganzen Schnitt abbilden konnte. Nun sieht man aber an durch das Centrum
der Cornea gelegten Meridionalschnitten, dass gegen den Rand hin nicht
nur, wie schon erwähnt, die Krümmung der Corneafacetten zunimmt,
sondern auch, dass die Krystallkegel kürzer werden (ich mass z. B. 0-055
gegenüber 0*082 Millimeter im Centrum), der ganze dioptrische Apparat
also stärker wird, das Bild näher liegt.
Es ist übrigens nicht ausgeschlossen, dass noch ein anderer Umstand
im Spiele ist. Jedermann weiss, um wie viel z. B. ein weisses Blutkörper-
chen, das wir im Blutgefässe eines durch Alkohol gehärteten Präparates
finden, kleiner erscheint als ein frisches. Die Schrumpfung ist eine sehr
bedeutende; eine Volumabnahme kann also wohl trotz der stützenden
Chitingerüste auch durch die Präparirung des Auges bis zur Schnitt-
fähigkeit stattgefunden haben, Avenn sie auch nicht so hochgradig ist, wie
bei einem weissen Blutkörperchen.
Ich führe diese Dinge hier an, weil es nahe gelegen wäre, aus der
Lage des Bildchens einen Schluss auf die Lage der empfindlichen Schichte
innerhalb der dicken Retina zu ziehen und diese auf solche Weise genauer
zu bestimmen. Mag sein, dass es einmal gelingen wird.
Obwohl physiologisch ohne Bedeutung, will ich doch das in theo-
retischer Beziehung nicht belanglose optische Curiosum hier noch hervor-
heben, dass das in der geschilderten Weise zugerichtete Auge, von der ver-
kehrten Seite betrachtet (d. h. die mit der Glycerinlösung bedeckte concave
Seite ist dem Objecte, die an Luft grenzende convexe dem Mikroskope
zugewendet), auch ein Bildchen zeigt. Es liegt merklich an derselben
Stelle, wie das normale Netzhautbild, also vor dem optischen
Apparate, hat dieselbe Grösse, ist aber verkehrt.
2. Veranschaulichung der Dioptrik des Lampyrisauges.
Zunächst will ich die Dioptrik des Lampyrisauges, wie ich sie in
meinen Studien gefunden habe, darlegen, der Nachweis für die Richtigkeit
dieser meiner Anschauung und der Weg, wie ich zu derselben gelangt
bin, soll im nächsten Abschnitte mitgetheilt werden.
Würde die Müller 'sehe Theorie in ihrer ursprünglichen Form für
das Lampyrisauge richtig sein, so müsste man bei Einstellung des Mikro-
skopes auf die Spitze der Krystallkegel das aufrechte Bild des Objectes
— 40 —
zu sehen bekommen. Nun ist das andeutungsweise allerdings der Fall,
das Bild in seiner weit vollkommeneren Form liegt aber, wie wir sahen,
beträchtlich hinter den Spitzen der Krystallkegel. Dieses Hesse sich unter
einigen Voraussetzungen noch mit der Theorie vereinigen.
Gänzlich unvereinbar mit dieser aber ist das Resultat folgenden Ver-
suches. Ich wähle als abzubildenden Gegenstand zwei Lichtpunkte (z. B. zwei
Kerzenflammen), und richte das horizontal gestellte Mikroskop, auf dessen
Objecttisch sich das Lampyrisauge, in der oben angegebenen Weise zu-
gerichtet, befindet, gegen den Mittelpunkt der Verbindungslinie der beiden
Fig. 11.
Kerzen. Es befindet sich kein brechendes oder reflectirendes Medium
zwischen dem Objecte und der convexen Corneafläche. Stelle ich auf die
Ebene des Netzhautbildes ein, so sehe ich natürlich zwei Lichtpunkte, die
Bilder der Kerzenflammen. Nähere ich die Focalebene des Mikroskopes der
Cornea, so gewahre ich die optischen Querschnitte der Strahlenbündel,
welche bei ihrer Vereinigung die beiden Bildpunkte gaben. Und zwar gehört
jedem Punkte eine Schaar von Strahlen an; jeder dieser Strahlen kommt
aus einem Krystallkegel. Sind die beiden Kerzenflammen in der passenden
Entfernung, so gewahrt man, dass aus der Mehrzahl der beleuchteten
Krystallkegel je zwei Strahlen hervordringen, von denen der eine dem einen
Bildpunkte, der andere dem anderen Bildpunkte zustrebt. Ein vom
— 41 —
rechten Objectpunkte in den Krystallkegel eindringender Strahl
wird also nach dem rechten Bildpunkte abgelenkt, ein vom linken
Objectpunkte eindringender Strahl wird in demselben Krystall-
kegel dem linken Bildpunkte zugelenkt. Mit anderen Worten: Ein
unter einem Winkel gegen die Axe des Krystallkegels in denselben ein-
dringender Strahl schliesst bei seinem Austritt wieder einen Winkel ein;
eintretender, austretender Strahl und Axe liegen in einer Ebene; der aus-
tretende aber auf derselben Seite der Axe, wie der eintretende.
Hiernach sollte man glauben, es handle sich um eine Reflexion im
Krystallkegel. Dieses trifft aber nicht zu, vielmehr beruht der geschilderte
Effect auf Brechung. Ehe ich auf die Art dieser näher eingehe, will ich
au der Hand der Abbildungen das Gesagte anschaulicher zu machen suchen.
Benützt man als Object einen Lichtpunkt, der in grosser Entfernung
ist, so dass die von ihm ausgehenden Strahlen, wenn sie ans Auge ge-
langen, als parallel betrachtet werden können (was wegen der Kleinheit
des Krümmungshalbmessers der Cornea schon für kurze Distanzen der
Fall ist), so lässt sich der geschilderte optische Vorgang durch Holzschnitt
Fig. 11 versinnlichen. Derselbe zeigt Auge und Strahlen in der Stellung,
wie sie sich bei Untersuchung unter dem Mikroskope und horizontaler
Stellung des Objecttisches befinden, kk stellen schematisch die einzelnen
Facettenglieder dar, wie ich das „Einzelauge" der Autoren lieber nennen
will, oa bis oh ihre Axen, die ausgezogenen senkrechten Linien die ein-
fallenden Strahlen, welche in jedem Facettenglied in der geschilderten
Weise altgelenkt werden und sich in B zu dem Bildpunkte vereinigen.
0 ist der Krümmungsmittelpunkt des Auges. Man sieht, dass ein ganz
analoges Bild (B'J von einem zweiten Objectpunkte entstehen muss, der
z. B. in der Verlängerung von Ob liegt und an dem sich theilweise die-
selben Krystallkegel betheiligen werden, die das Bild B entworfen haben.
Man sieht zugleich auch, dass das Bild aufrecht ist, wovon seine Grösse
abhängt u. s. f.
Stellt man das Mikroskop auf eine Ebene (AA1) ein, die (im Sinne
des Ganges der Lichtstrahlen) vor der Cornea liegt, dieselbe tangirt, oder
vielleicht schon in die vorderen Antheile der Krystallkegel -fällt (es ist
das, wie oben hervorgehoben, nicht mit Sicherheit zu bestimmen), so
bekommt man das in Fig. 2, Taf. I, wiedergegebene Bild zu sehen. Es ist
dasselbe Bild, das ich schon in meiner ersten Abhandlung beschrieben habe, '
und stellt die optischen Querschnitte der von dem leuchtenden Punkte
ausgehenden Strahlen in der Focalebene des Mikroskopes dar. Selbstver-
ständlich sind es nicht die einfallenden Strahlen selbst, sondern die Ver-
längerungen jener Strahlen pg, mn (Fig. 11), welche, nachdem sie
den Krystallkegel passirt haben, das Bild zusammensetzen.
warts,
1 Doch verlegte ich damals die Ebene, in der man es sieht, etwas weiter nach rück-
- 42 —
Bewegt man die Stellschraube auf und ab, so bleibt das Bild eine
verhältnissmässig grosse Strecke wesentlich von der gleichen Art, nur
erkennt mau an der gegenseitigen Annäherung oder Entfernung der
Lichtpunkte, dass mau es iu der That mit convergirenden Strahlen zu
thun hat. Hat man zwei Lichtpunkte als Object verwendet, so ist jeder
der Punkte doppelt. Die Fig. 2, Tat. I, zeigt weiterhin an deu meisten der
Punkte Andeutungen von Beugungserscheinungen, wie solche unter den
obwaltenden Umständen zu erwarten sind.
Verschiebt man die Focalebene des Mikroskopes nach rückwärts (CO
Holzschnitt Fig. 11) bis in die Nähe der Spitzen der Krystallkegel, so geht das
Bild der Fig. 2 allmählich in das der Fig. 3, Tat. I, über. Aus den helleu
Punkten sind Kreise geworden, die meistens ein besonders helles Innere und
einen oder zwei mehr oder weniger deutliche Höfe haben. Auch hier
zeigen sich Interferenzerscheinungen, die in der Zeichnung nur ange-
deutet sind. Verwendet man bei dieser Einstellung zwei Lichtpunkte als
Gegenstand, so tritt keine Verdoppelung der hellen Kreise ein.
Ich glaube, dass der helle Kern jedes dieser rundlichen Flecken deu
physiologisch wichtigen Strahlenantheil enthält, und dass die hellen Höfe
durch das Licht gebildet sind, welches normalerweise im Pigmeut ab-
sorbirt wird, wenn es überhaupt in solcher Menge aus dem Krystallkegel
herausdringt. Bei verschiedener Einstellung kanu man nämlich bemerken,
dass sich das Licht der Höfe nach allen Richtungen diftüs zerstreut. Auch
habe ich mich überzeugt, dass dieses falsche Licht an ganz frisch prä-
parirten Augen in weit geringerem Masse vorhanden ist, so dass Fig. 3
der Fig. 2 sehr ähnlich wird, und nur die Lichtpunkte näher stehen.
Bei weiterer Verschiebung der Focalebene nach rückwärts trifft
dieselbe die Strahlen zwischen dem dioptrischen Apparate und dem Bild-
punkte. Dabei rücken die Kreise der Fig. 3 immer enger zusammen und
bilden zierliche Interferenzfiguren. Wenn man jetzt wieder zwei Licht-
punkte als Gegenstand verwendet, so gewahrt mau wieder die Verdoppe-
lung an ihnen. Schliesslich nähert sich das Bild bis zur Einstellung D D1
(Fig. 11) mehr und mehr dem Bildpunkte, der in Fig. 4, Taf. I, dargestellt
ist. Auch an ihm sieht man, entsprechend der regelmässigen Sechseck-
stellung der Krystallkegel, noch Beugungserscheiuungen, welche an die
Streifung von Pleurosygma angulatum erinnern. Stellt man endlich auf eine
hinter dem Bilde gelegene Ebene EE' (Fig. 11) ein, so geht der Bildpunkt
in einen Zerstreuungskreis auseinander, Fig. 5, Taf. I, der die Interferenzfigur
eines dreistrahligen Sternes, sowie andere Andeutungen von Diö'ractions-
spectren erkennen lässt.
Ich muss bemerken, dass die Abbildungen Fig. 2 bis 5 alle von
einem Auge stammen, dessen Meridian in Bezug auf die Sechseckstellung
der Krystallkegel bei jeder Zeichnung dieselbe Lage hatte, und dass das
Auge sich unter den genannten, der Norm entsprechenden Verhältnissen
befand. Als Lichtquelle diente ein 1 (Jentimeter grosser, runder Aus-
— 43 —
schnitt in dem weissen Thoncylinder eines Gasrundbrenners. Der Thon-
cylinder war mit einem schwarzen Blechcylinder, der einen entsprechenden
Ausschnitt hatte, überkleidet.
Es entwirft also das Lampyrisauge ein aufrechtes Bild auch durch
Sammlung der Strahlen, wie das Wirbelthierauge ; nehmen wir die Gerade,
welche einen beliebigen Punkt des Gegenstandes mit seinem Bilde ver-
bindet, als Axe des Auges an, so wird auch hier der parallel der A.xe
einfallende Lichtstrahl umsomehr von seiner Richtung abgelenkt, je
weiter er von der Axe entfernt ist (jenseits einer gewissen Grenze nimmt
er überhaupt an der Bilderzeugung nicht mehr theil), auch hier bleibt
der gebrochene Strahl in der durch den einfallenden Strahl und das Ein-
fallsloth (Krystallkegelaxe) gegebenen Ebene u. s. . f. Der dioptrische
Apparat, der das bewirkt, ist die Summe der mit der Cornea verwachsenen
Krystallkegel in ihrer radiären Anordnung auf einer Kugeloberfläche.
Es fragt sich nun, welchen dioptrischen Bau ein Krystallkegel
(mit Einschluss seiner Corneafacette) haben niuss, um jene Wirkung zu
erzielen.
Ich erinnere daran, dass eine in wesentlichen Punkten gleiche
Wirkung wie der Krystallkegel jedes Paar Convexlinsen ausübt, das, um
die Summe ihrer Brennweiten voneinander entfernt, an derselben Axe
angeordnet ist. Strahlen, welche, aus grosser Entfernung kommend, geneigt
gegen die Axe auf die erste Linse auffallen, treten aus der zweiten
Linse unter einem Winkel mit der Axe aus, der um so grösser ist, je
grösser der Winkel war, unter dem sie eingetreten siud. Sie liegen dabei
in der durch die Linsenaxe und den einfallenden Strahl bestimmten
Ebene und sind untereinander parallel. Als solche bilden sie nach der
gewöhnlichen Auffassung natürlich in endlicher Entfernung kein Bild;
denkt man sich das parallelstrahlige Bündel aber von mikroskopisch
kleinem Querschnitt, so begreift man, dass durch Zusammentritt von vielen
solchen ein Bildpunkt entstehen kann, da dann die anderen Dimensionen
des Bildes gross gegenüber jenem Querschnitt sind.
So einfach wie bei dieser Linsencombination sind nun die Verhält-
nisse bei den Krystallkegeln wohl nicht; ich hatte anfangs geglaubt, dass
die convexe Corneafacette die Rolle der ersten Linse jener Linsencom-
bination, und die Wölbung der Krystallkegelspitze die Rolle der zweiten
Linse spielt. Es ist das aber nicht der Fall, wie mich ein eingehendes
Studium gelehrt hat, Vielmehr beruht die Wirkung des Krystallkegels,
wenigstens grossentheils, auf seiner Schichtung, die ihn zum Linsen-
cylinder stempelt. Selbstverständlich werden die gekrümmten Flächen
diese Wirkung unterstützen. Und zwar handelt es sich hier um einen
Linsencylinder, dessen Länge gleich ist der Summe seiner Brennweiten.
Ich habe in Holzschnitt Fig. 12 den jedenfalls sehr nahe richtigen
Verlauf zweier Strahlenbündel in einem Facettengliede gezeichnet. Der-
selbe gestaltet sich etwas anders, als ich dies in meiner Abhandlung
44
fl
n
(Das Netzhautbild des Insectenauges) dargestellt hatte. Schon damals
musste ich die Vermuthung aussprechen, dass die Divergenz der homo-
centrischen Strahlen nach ihrem Austritte aus dem Facettengliede im
Leben nicht vorhanden sei; ich hatte sie damals bei einem Auge, das
lange in Alkohol gelegen war, gefunden, und konnte nur aus der Erin-
nerung mittheilen, dass ich sie an frischen Augen nicht bemerkt hatte.
Seitdem hatte ich Gelegenheit, wieder frische Augen zu untersuchen, und
hiernach ist die Zeichnung Fig. 12 angefertigt. Jene
Divergenz hatte bewirkt, dass man im vorderen Theile
des Kry stallkegels ein, natürlich virtuelles, verkehrtes
Bildchen der äusseren Objecte zu sehen bekam; es be-
ruhte offenbar darauf, dass durch das Liegen im Alkohol
die Differenzen der Brechungsindices im Linsencylinder
vermindert, die ganze Brechkraft also eine geringere
geworden war. Ich erwähne dieses Auftreten von ver-
kehrten Bildern im Innern der Kegel bei abgelegenen
Augen, mit Rücksicht auf etwa vorkommende Nachunter-
suchungen.
Sei ab ein Gegenstand in grosser Entfernung, so
dass die von einem Punkte desselben ausgehenden Strahlen
gegenüber den im Ivrystallkegel vorkommenden Winkel-
massen als parallel betrachtet werden können. Die
Strahlen m und n mögen die Grenzstrahlen des vom Fuss-
punkt (a) des Pfeiles ausgehenden und in das Facetten-
glied eindringenden Bündels sein. Sie würden nach der
Messung, die ich in einem speciellen Fall über die
Krümmung derHornhautfacette gemacht habe, und unter
Zugrundelegung des an der Hornhaut des Hydrophilus l
gefundenen Werthes für den Brechungsexponenten sich
in Folge der Brechung an der gekrümmten Fläche
erst beträchtlich weit hinter dem Krystallkegel zu einem
Bilde vereinigen (siehe die punktirten Linien m2 und w2).
Wenn ich in anderen Fällen auch kleinere Krümmungs-
halbmesser der Corneafacette gefunden habe, so kommt
das hier nicht in Betracht. Die durch diese erste Bre-
chung schwach convergent gemachten Strahlen werden
dann in Folge der Linsencylinderwirkung bei a' zu einem Bilde vereinigt.
Die vom Punkte 6 des Pfeiles ausgehenden Strahlen p und q werden
in analoger Weise im Punkte V vereinigt. Das Bild a' b' kann aber als
solches nicht gesehen werden, da zwischen ihm und dem Mikroskope noch
der hintere Theil des Krystallkegels liegt. Wäre a' nicht genau der erste
Brennpunkt dieses letzten Antheiles des Krystallkegels, sondern läge dieser
i Den Brochungsindex der Lampyriscornea konnte ich wegen ihrer Dünnheit nicht mit
genügender Genauigkeit messen.
1II.S
"/
y v
m. '
Fig. 12.
- 45 —
etwas weiter vorn, so verlassen die von a' weiter verlaufenden Strahlen
m^n, den Kegel schwach divergent, so dass das oben erwähnte virtuelle,
der Beobachtung zugängliche Bild entstünde. Die Lage des Bildes a'b'
kann ich natürlich nicht genau angeben, die Zeichnung soll vielmehr nur
zeigen, dass es in der hinteren Hälfte des Kegels liegen müsse. Uebrigens
habe ich dieses Bild auch, wie ich später des Näheren mittheilen will der
directen Beobachtung zugänglich gemacht, indem ich die Spitze des Krystall-
kegels abschnitt. Es ist ja klar, dass man das Bild sofort sehen muss, wenn
man den Kegel in der Ebene a' b' abkappt und nun von hinten darauf sieht.
Man sieht demnach an der Zeichnung die Ablenkung des unter
einem Winkel einfallenden Strahlenbündels (pq) nach derselben Seite der
Axe, von der es gekommen ist, man sieht, dass der Winkel, den es nach der
Brechung mit der Axe einschliesst, um so grösser ist, je grösser der
Winkel war, den es vor der Brechung mit dieser gebildet hat. Dass sich
unter diesen Umständen die StrahlenbündeL welche von einem Punkte
ausgehen und verschiedene Krystallkegel passirt haben, wieder in einem
Punkte vereinigen müssen, geht hieraus freilich noch nicht hervor, wird
aber in einem der folgenden Abschnitte gezeigt werden. Man sieht weiter
unmittelbar, welche Bedeutung es hat, dass die Natur die Wirkung des
kleinen, auf Unendlich eingestellten astronomischen Fernrohres, als welches
sich ein solches Facettenglied demnach herausgestellt hat, nicht nur auf
den zwei brechenden gekrümmten Flächen beruhen liess, sondern das
Princip der Linsencylinder zu Hilfe nahm. Würde die Corneafacette und
die Spitze des Krystallkegels von hinlänglich kleinem Krümmungshalb-
messer sein, so könnte der in Fig. 12 abgebildete Krystallkegel im Wesent-
lichen dasselbe wirken, aber man erkennt sofort, dass Strahlen, die unter
so grossem Winkel gegen die Axe wie der Strahl p einfallen, für die Er-
zeugung des Bildes schon nicht mehr in Betracht kämen, es müsste denn
der Brechungsindex eine ganz enorme Grösse haben. Kurz, es verhalten
sich in diesem Facettenglied die Dinge so, wie ich es in der physikalischen
Einleitung von einem Linsencylinder geschildert habe, der die oben ge-
nannte Länge hat.
Ich will hier noch hervorheben, dass ich nach den angegebenen
Principien ein Schema eines Insectenauges angefertigt habe, das die
dioptrischen Vorgänge veranschaulicht, und das ich zur experimentellen
Prüfung der später zu entwickelnden Formeln über Grösse, Lage etc. der
Bilder verwendet habe. ' Es besteht aus zehn Paaren von Convexlinsen
(Brillengläsern). Jede Linse hat eine Brennweite von 2 Zoll und ist mit ihrem
Partner in einer gegenseitigen Entfernung von 4 Zoll auf einem Brettchen
befestigt. Dieses Paar repräsentirt den dioptrischen Apparat eines Facetten-
gliedes. Die zehn Paare sind in einem Kreisbogen von 75 Centimeter
Radius (bis zum gemeinschaftlichen Brennpunkt je zweier Linsen gemessen)
1 Dasselbe ist in etwas modificirter Form käuflich zu haben l"'i Lenoir u. Forster,
Wien, IV. Waaggasse 5.
— 46
angeordnet. Das Schema entwirft aufrechte Bilder, deren Schärfe freilich
nicht gross ist, da das aus jeder Linse austretende Lichtbündel den Quer-
schnitt der Linsenfläche hat, und an denen sich für jeden Punkt des Gegen-
standes etwa fünf Linsenpaare betheiligen. Man kann an dem Schema die
Aenderung in der Lage und Grösse des Bildes für verschiedene Entfernungen
des Gegenstandes demonstriren u. s. w., kann die Schärfe des Bildes erhöhen,
wenn man vor die Linsen Diaphragmen setzt. Nur nimmt dann die Anzahl
der Linsenpaare ab, die sich an der Erzeugung eines Bildpunktes betheiligen.
Was endlich das erwähnte virtuelle, verkehrte Bildchen betrifft, das
man sieht, wenn man das normal zugerichtete ausgepinselte Auge mit
seiner concaven Seite dem Gegenstande zuwendet und von der Cornea-
seite betrachtet, und welches an der Stelle des normalen Netzhautbildes
liegt, so erklärt sich dessen Zustandekommen aus der Fig. 13 unmittelbar.
Alle homocentrischen, auf die Krystallkegel einfallenden Strahlen (a, b . . .)
werden eben im Krystallkegel in der geschilderten Weise von ihrem Wege
abgelenkt, so dass dieselben divergirend austreten und ihre Verlängerungen
sich in einem Punkte (p) schneiden. Strahlen, die, von einem anderen
Punkte des Gegenstandes ausgehend, in einer anderen Richtung (z. B.
od) auf das Auge fallen, vereinigen sich in einem anderen Punkte (q).
Die beiden Punktpaare bilden mit dem gemeinschaftlichen Krümmungs-
mittelpunkte des Auges zwei ähnliche Dreiecke mit Scheitelwinkeln.
Benützt man auch in diesem Falle als Gegenstand einen leuchtenden
Punkt, der also, in grosser Entfernung vor den Spitzen der Krystallkegel
liegend, sein Bild in der Gegend der Netzhaut entwirft, und stellt das an der
— 47 -
Corneaseite befindliche Mikroskop zu tief ein, su dass die Ebene des
deutlichen Sehens (im Sinne des Ganges der Lichtstrahlen) vor die Netz-
hautebene fällt, so sieht man wieder den dreistrahligen Sinn der Fig. 5,
Taf. I. Bei allmählicher Hebuno- des Tubus taucht das virtuelle Bild des
Lichtpunktes auf (Fig. 4, Taf. I), dann das Bild der Fig. 3 und endlich
die optischen Querschnitte durch die Strahlenbündel der einzelnen Krystall-
kegel, wie sie in Fig. 2, Taf. I, dargestellt sind. Man sieht also dieselben
Bilder wie bei der normalen Functionsweise des Auges, jedes auch an
demselben Orte, soweit dies beurtheilt werden kann.
3. Experimentelle Prüfung des Strahlenganges im
Lampyrisauge.
Im Nachstehenden sollen jene Thatsachen angeführt werden, durch
welche ich mich überzeugt habe, dass die mitgetheilte Auffassung der
Dioptrik des Lampyrisauges zutreffend ist oder, richtiger gesagt, durch
welche ich auf die mitgetheilte Deutung der optischen Vorgänge geleitet
worden bin.
Bei den folgenden Versuchen ist, wenn nicht ausdrücklich etwas
Anderes gesagt wird, vorausgesetzt, dass das abgepinselte Lampyrisauge,
mit der vorderen Fläche an Luft grenzend, mit der hinteren Fläche in
eine Glycerinlösung vom Brechungsindex 1-346 tauchend, direct nach dem
abzubildenden Gegenstand gerichtet war, so dass das Licht nur durch Luft
und, ohne eine Reflexion zu erleiden, vom Objecte bis zur ( lornea gelangte.
Das Bild wurde durch ein Deckgläschen oder eine Glimmerplatte hindurch
bei Horizontalstellung des Mikroskopes beobachtet. Es wurden also die
Verhältnisse hergestellt, welche den normalen so nahe als möglich kamen.
Benützt man als Gegenstand einen hellen Punkt, stellt auf dessen
Bild (Fig. 4, Taf. I) ein und schiebt einen undurchsichtigen Schirm von
einer Seite her über das Auge, so verschwindet das Bild, indem es in
allen seinen Theilen gleichzeitig dunkler wird; thut man dasselbe, während
man auf eine vor dem Bildpunkte gelegene Ebene einstellt (entsprechend
Fig. 2 und 3, Taf. I), so verschwinden die hellen Flecken oder Punkte,
welche den einzelnen Facettengliedern entsprechen, zuerst auf der Seite,
von welcher der Schirm kommt; stellt man aber auf eine hinter dem Bilde
gelegene Ebene ein, so verschwindet der Zerstreuungskreis (Fig. 5, Taf. I)
zuerst auf der dem anrückenden Schirm entgegengesetzten Seite. (Ich
beschreibe hier das thatsächliche Verhalten, indem ich von der Umkehrung
des Bildes durch das Mikroskop absehe.) In diesen Beziehungen also ver-
hält sich Bildpunkt und Zerstreuungskreis ganz so wie bei einer Convex-
linse, nur dass man beim Insectenauge die einzelnen Strahlen unter dem
Mikroskope sehen kann, wie sie convergirend den Bildpunkt bilden. Wir
pflegen dieses sonst durch eine Zeichnung oder in einem Schema durch
Fäden anschaulich zu machen, hier sieht man es unmittelbar.
— 48 —
Hieraus, sowie aus der oben beschriebenen directen Beobachtung durch
Einstellung geht hervor, dass der Bildpunkt in der That dadurch entsteht,
dass die durch eine Gruppe von Krystallkegeln hindurchgeleiteten Strahlen
sich in einem Punkte schneiden.
Verschiebt man den Objectpunkt, so wandert der Bildpunkt im gleichen
Sinne, woraus folgt, dass der Ort, an welchem sich die Strahlen, die durch
verschiedene Krystallkegel gegangen sind, schneiden, nicht etwa der
Krümmungsmittelpunkt des Gesammtauges ist, wie dies nach der ursprüng-
lichen Müller'schen Theorie der Fall sein müsste. Dabei ist noch
Folgendes zu bemerken. Stellt man auf die den Spitzen der Krystall-
kegel naheliegende Ebene der Fig. 3, Taf. I, ein, so gewahrt man bei
der Verschiebung des Objectpunktes ein successives Erlöschen der ein-
zelnen hellen Flecke, wobei diese selbst aber keine Verschiebung in der
eingestellten Ebene erleiden. Verschiebt man die Focalebene des Mikro-
skopes von da aus nach vorne (Fig. 2, Taf. I), so bewegen sich die ein-
zelnen Lichtpunkte entgegengesetzt der Bewegungsrichtung des Objectes;
nähert man hingegen von der erstgenannten Stellung aus die Focalebene
dem Bildpunkte (so dass ein zwischen Fig. 3 und 4, Taf. I, liegendes Bild
sichtbar wird), so verschieben sich die den Facettengliedern entsprechenden
hellen Flecken im gleichen Sinne mit dem Objecte.
Ich hatte zuerst hieraus gefolgert, dass in der Ebene von Fig. 3
oder in ihrer nächsten Nähe eine Spiegelung stattfinde, etwa durch totale
Reflexion in dem Sinne, wie ich das in "meiner ersten Abhandlung mit-
getheilt habe. Dem ist aber nicht so. Vielmehr begegnet man hier dem
Unterschiede wieder, der von den optischen Phänomenen der Atmosphäre
her bekannt ist. Ein von einem Punkte der Erdoberfläche ausgehender
Lichtstrahl kann an oberen Schichten der Atmosphäre reflectirt werden
und so in das Auge des Beobachters gelangen. Dann sieht dieser das
Object höher, als es wirklich liegt und verkehrt („Luftspiegelung").
Der Strahl kann aber auch dadurch, dass mit der Höhe der Luftschichte
ihr Brechungsindex abnimmt, im Bogen gebrochen und schliesslich auch
dem Auge des Beobachters zugeführt werden. Dieses sieht dann das
Object auch höher gelegen, aber aufrecht („Kimmung").1 Benützt man
nämlich als Object zwei Lichtpunkte, so sieht man in der Ebene der
Fig. 3 dasselbe Bild wie bei Benützung eines Lichtpunktes. Dreht man
die Mikrometerschraube im Sinne der Einstellung nach vorne, so geht
jeder lichte Kreis der Fig. 3 in zwei helle Flecken auseinander, welche
die Querschnitte zweier Strahlen darstellen, die nach vorne untereinander
divergiren. Verdeckt man nun den linken Objectpunkt, so verschwindet
' Vgl. Job Müller, Kosmische Physik. 4. Aufl. 1875, S. 372 u. ff. Zur Erklärung
dafür, dass ein Beobachter die Kimmung eines Objectes sehen könne, das mit ihm in der-
selben Horizontalebene liegt, glaubte Müller (S. 375) Luftschichten annehmen zu müssen,
die nach unten convex sind. Diese Annahme wird nach dem, was wir nun vom Strahlen-
gang in Linseneylindern und ähnlich geschichteten Körpern wissen, überflüssig.
- 49 —
der rechte helle Fleck und umgekehrt. Bewegt man die Mikrometerschraube
im Sinne einer Annäherung der Focalebene von der Ebene der Fig. 3 nach
dem Bildpunkte der Fig. 4, so gewahrt man dasselbe Phänomen des Auseinander-
weichens je zweier Strahlen, von denen jeder seinem Bildpunkte zustrebt.
Verdeckt man jetzt den linken Objectpunkt, so verschwindet der linke Strahl.
Daraus geht hervor, dass man es hier mit einem Phänomen der
Brechung, nicht mit einer Reflexion zu thun hat. Man kann dasselbe an
meinem Schema des Lampyrisauges sehr gut demonstriren, indem man
zwischen die beiden Linsen eines Facettengliedes seitlich von der Axe
und parallel zu derselben einen Spiegel aufstellt, und nun die aus dem
Linsenpaare austretenden Lichtbündel beobachtet, einmal unter Mitwirkung
des Spiegels, das anderemal ohne diesen.
Soviel über die Zusammensetzung des aufrechten Netzhautbildes
durch die aus den Krystallkegeln austretenden Strahlen. Ich habe nun
noch meine Erfahrungen über den optischen Bau des einzelnen Krystall-
kegels mit Einschluss seiner Cornea zu besprechen.
Legt man das abgepinselte Auge in einen Flüssigkeitstropfen hinein,
so dass es allseitig von Flüssigkeit umgeben ist, und beobachtet unter
gewöhnlicher Verwendungsweise des Mikroskopes, so bekommt man das
aufrechte Netzhautbild nicht zu sehen. Es ist das selbstverständlich, da
ja jetzt die Brechung an den beiden Endflächen geändert ist, das ein-
getretene Strahlenbündel also auch nicht mehr annähernd parallelstrahlig
den einzelnen Krystallkegel verlässt. Wohl aber sieht man jetzt in ganz
ausgezeichneter Weise die verkehrten Bildchen der Facettenglieder, die
man unter normalen Verhältnissen nicht sieht. Hat man eine schwach
lichtbrechende Flüssigkeit gewählt, so können diese Bildchen immer noch
von der Brechung an den Endflächen herrühren.
Lege ich aber das Auge in Anilin, dessen Brechungsindex = 1*588 ist,
so ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass eine sammelnde Wirkung der
Endflächen ausgeschlossen ist. Ich bestimmte seinerzeit, ehe ich das Princip
der Linsencylinder gefunden hatte, den Brechungsindex der Krystallkegel
von Hydrophilus zu
n = 1-559.
Falls auch bei diesem Thiere der Krystallkegel einen geschichteten
Bau hat, ist diese Angabe noch zu gross, so dass wohl auch beim Lampyris-
auge durch Anilin die Brechung an den Endflächen sicher beseitigt ist.
Trotzdem entwirft aber noch immer jedes Facettenglied sein verkehrtes
Bildchen. Liegt das Auge mit den Spitzen der Krystallkegel nach oben
gerichtet (es ist mit einem gestützten Deckgläschen bedeckt und ruht auf
einem gewöhnlichen Objectträger), so sieht man das Bildchen oberhalb
jener Ebene, die man dem Aussehen nach als die Spitzen der Krystall-
kegel tangirend betrachten muss. Es wohnt also dem Facettenglied, abge-
sehen von seinen Endflächen, noch eine bilderzeugende Wirkung inne, die
wohl nur auf einen geschichteten Bau desselben bezogen werden kann.
Einer, Faeettenaugen. *
— 50 —
Stellt man unter den genannten Verhältnissen auf eine Ebene ein,
welche vor (bei der gewöhnlichen Betrachtungsweise mit dem Mikroskope
unterhalb) der Cornea liegt, so gewahrt man zu seiner Ueberraschung
abermals, anscheinend jeder Facette entsprechend, ein Bildchen. Dasselbe
ist freilich viel weniger deutlich als das erste, doch ist an seiner Existenz,
insbesondere wenn man einen bewegten Gegenstand zwischen Auge und
Mikroskopspiegel bringt, nicht zu zweifeln. Dieses Bildchen ist nun aber
ein aufrechtes. Die Art, wie es zu Stande kommt, zu kennen, scheint mir
nicht von grosser Wichtigkeit, da es physiologisch bedeutungslos ist.
Wahrscheinlich ist sie die folgende. Bei der Aufsicht auf ein Facetten-
glied sieht man den optischen Querschnitt des Krystallkegels als kleinen
Kreis, und bei etwas tieferer Einstellung den der Corneafacette als
grösseren concentrischen Kreis. Zwischen den Peripherien der beiden
Kreise liegt eine Zone, die ihrem Aussehen nach keine starken Brechungen
hervorruft. Sie entspricht der Mantelfläche des breiteren Kegelantheiles.
Als solche kann sie ihrer Gestalt nach, und da sie von einem stärker
brechenden Medium umgeben ist, als Zerstreuungslinse wirken und so
das aufrechte, vorne liegende Bild erzeugen, während der eigentliche
Krystallkegel das verkehrte hinten liegende Bild als Sammellinse entwirft.
Es schien mir wenigstens, dass beim Einstellen des Mikroskopes die
ersten Spuren des aufrechten Bildes in jener Zone, die des verkehrten
im inneren Kreise zu sehen waren. Nicht unmöglich wäre es auch, dass
die in der Nähe der Corneaebene gelegenen Stellen, an welchen je drei
Facettenglieder zusammenstossen, dadurch als Concavlinsen wirken, dass
schon hier an der Axe jedes Facettengliedes das höchste Brechungs-
vermögen herrscht, so dass von der Mitte eines solchen Zwischenraumes
aus der Brechungsindex allmählich (freilich nicht in Kreiscylinderschichten
ansteigt. Bei der Undeutlichkeit des Bildes und seiner Lage unter der
Cornea ist seine Stellung zu den einzelnen Facettengliedern nicht sicher
zu bestimmen. Ich halte die erste Auffassung für die wahrscheinlich
richtige.
Die Ueberzeugung davon, dass im Innern des Krystallkegels das in Holz-
schnitt Fig. 12, S. 44, abgebildete verkehrte Bildchen der äusseren Objecte
liegt, gewann ich ausser durch das Mitgetheilte auf folgende Art. Ein Auge
wird in der aus der histologischen Technik bekannten Weise in Celloidin
eingebettet und von demselben parallele Schnitte angefertigt, deren erster die
Cornea tangential trifft. In einigen der folgenden Schnitte hat man näherungs-
weise kreisrunde Abschnitte des Auges vor sich, in deren Centrum oder
in dessen Umgebung nur die hinteren abgestutzten Enden der Krystall-
kegel liegen (durch das Celloidin in situ erhalten), weiter nach aussen
kommt dann immer mehr und mehr vom vorderen Theile des Krystall-
kegels dazu; bei passender Dicke des Schnittes ist das hintere Ende des-
selben aber schon abgestutzt, wenn die Corneafacette des Kegels an dem-
selben erhalten ist. An der Peripherie des Schnittes sind also nur die
— 51 —
vordersten Theile der Facettenglieder als runde, durch ihren optischen
Effect erkennbare Scheiben zu sehen.
An dem mikroskopischen Schnitte, von dem ich hier als von einem
ausgewählten Beispiele sprechen will, war kein vollständiger Kegel vor-
handen, da die Dicke desselben geringer war als die Länge eines Krystall-
kegels. Da das Auge überdies in Celloidin lag, dessen Brechungsindex
ich zwischen den Werthen von 1-561 und 1565 fand, ' konnte die Brechung
an den Grenzflächen vernachlässigt werden, wenigstens sofern es sich
um eine Sammelwirkung handelte (sie ist wohl schon durch eine Zer-
streuungswirkung ersetzt).
Richtete ich diesen Augenabschnitt gegen zwei Lichtflammen, die in
einer gegenseitigen Entfernung von 85 Millimeter und in einer Entfernung
vom Auge = 585 Millimeter aufgestellt waren, so entwarf jedes der Facetten-
glieder ein verkehrtes Bild. Es war nicht möglich, die Entfernung des-
selben von den einzelnen Facetten zu messen, doch habe ich die Grösse
der Bilder mit dem Mikrometer annähernd bestimmen können. Die am
äusseren Rande des Augenabschnittes gelegenen Facettenquerschnitte
entwerfen Bilder, deren Grösse (d. i. die Entfernung der beiden Licht-
punkte im Bilde)
0-031 Millimeter
beträgt. Sie liegen eine bedeutende Strecke hinter den Facettendurch-
schnitten (im Sinne des Ganges der Lichtstrahlen) und kommen nur durch
den vordersten Antheil (Cornea) des Facettengliedes zu Stande. Die dem
Centrum des Augenabschnittes näher gelegenen Bilder, welche von längeren
Abschnitten der Facettenglieder entworfen werden, nehmen rasch an Grösse
ab; ich mass die Grössen
0-011 Millimeter
0-004
0-002
Dabei rücken die Bilder, wie selbstverständlich, dem Facettenabschnitte
immer näher, und das letztgenannte, das fünfzehnmal so klein wie das erstr
genannte ist, liegt, so weit man das beurtheilen kann, in der hinteren
Begrenzungsebene des Schnittes, also in der Schnittfläche des augen-
scheinlich abgestutzten Krystallkegels. (Von dieser Lage überzeugt man
sich besser, wenn man die gewöhnliche Beleuchtung mit Tageslicht benützt
und das Bild des Fensterkreuzes beobachtet.)
Es folgen dann noch weiter nach dem Centrum des Augenabschnittes
Kegeln, denen man ansieht, dass der vordere Theil, wohl auch schon der
mittlere Theil, fehlt, denn sie erscheinen nur mehr als kleine Kreise. Die
Bilder derselben werden wieder grösser, z. B.
0-005 Millimeter
und entfernen sich von dem brechenden Medium. Es ist also möglich, auch
1 Natürlich in dein Quellun^szustand, in dem es im Schnitte enthalten war.
4*
52
mit Ausschluss der Brechung, an den kugeligen Begrenzungsflachen ein
Bild im Durchschnitt eines Krystallkegels zu sehen, die Wirkung der
normalen vorderen Corneafläche muss dasselbe noch etwas weiter nach
vorne schieben. In welchem Antheile des Kegels es im Leben liegt, wage
ich nicht mit grösserer Bestimmtheit, als das oben gethan wurde, anzu-
geben, aber darüber, dass es in seinem Innern liegt, kann nach dem
Vorgetragenen kein Zweifel sein und ebensowenig, dass es wesentlich
durch die Schichtung der Medien zu Stande kommt.
Ich brauche kaum zu erwähnen, dass die oben mitgetheilten Mes-
sungen bei der Kleinheit der Bilder keinen Anspruch auf grosse Genauigkeit
machen können, vielmehr sollten sie nur zeigen, dass die Bilder in der
Richtung eines Radius des Tangentialschnittes erst an Grösse ab-, dann
wieder zunehmen, wodurch auch schon die Variation der Bild weite illu-
strirt ist. Die Bilder also, deren Grösse mit 0-002 Millimeter angegeben
wurde, lagen in der Abstutzungsfläche des Kegels, im Leben demnach
im Innern desselben.
Fig. 14.
4. Dioptrische Berechnung des Lampyrisauges.
Wir haben gesehen, dass ein Krystallkegel mit Einschluss der Cornea
wie ein astronomisches Fernrohr wirkt, das auf unendliche Entfernung
eingestellt ist. Die Ablenkung, die ein Strahl durch ein solches erleidet,
ergibt sich aus Holzschnitt Fig. 14:
ah = a\ tang a = ah.2 tang ß.
Nennen wir die beiden Brennweiten ahl und ah.,,
2 sin a c q.
In dem Dreieck pca ist
i 2. Aufl. S. 60 u. ff.
— 54 —
sm p c a
ap
Slll cpa a c
und im Dreiecke acq
sin qca
a q
a c
Sin cqa
Durch Division der ersten dieser beiden Gleichungen durch die
zweite und unter Berücksichtigung von
sin pca = sin pcd
erhält man
sin pcd # sin cqa ap
sin qca sin cpa a q
Fig. 16.
Nun ist nach Gleichung 1)
sin pcd 2 |
09 = _1&-I
2 i
und entsprechend, wenn /g und 2
F< tpl G2
i
(V
^2 i 1 9>,
/1 ^Z.
_ 9>i + 9>,>
r
^i 1 fl
__9>i + ^
Kommen, entsprechend dem oben S. 39 angeführten Versuche, die
Lichtstrahlen von der Seite der Retina, so wird in der Formel 5)
12 und 1*2 Millimeter. (Die geringen Entfernungen erhielt ich, indem ich
ein vom Abbe 'sehen Beleuchtungsapparat entworfenes Bild als Object
benützte.) Hieraus liess sich nach Gleichung 3) das Verhältniss ^ be-
rechnen. Ich fand in jedem Falle einen Werth zwischen 11 und 1*9 gelegen,
so dass dies mit den Beobachtungen und der obigen Darstellung insofern
ganz wohl übereinstimmt, als es auch zeigt, dass das verkehrte Bildchen,
das in jedem Krystallkegel liegen muss, in der That in dessen rück-
wärtiger Hälfte gelegen ist. Doch eine gute Uebereinstimmung der Wertke
erhielt ich nicht. Aehnlich ging es mir bei der Prüfung jener Formeln, in
welche die gemessene Brennweite eingeführt wurde. Die Ursache der
mangelhaften Uebereinstimmung liegt, wie mir scheint, auf der Hand. Alle
experimentelle Prüfung beruht auf der Messung der Entfernung zwischen
dem verhältnissmässig dicken dioptrischen Apparat und dem Bilde. Wie
— 58 -
oben schon erläutert, lässt sich die Einstellung auf eine bestimmte Stelle
des dioptrischen Apparates nicht genau ausführen, man denke nur, dass
man Bilder vor sich hat, welche jenen der Fig. 3, Taf. I, ähnlich sind.
Wenn man aber hierin nur einen kleinen Fehler macht, so kommt er
natürlich im Resultat schon sehr in Betracht. Auch ist die Dicke des
dioptrischen Apparates ja in der Rechnung vernachlässigt worden, und
konnte ich meine Messungen nur an Alkoholpräparaten ausführen. Das
erwähnte Schema des Insectenauges, das ich mir herstellte, ergab mit der
Rechnung recht gut stimmende Resultate.
Ich habe bisher vorausgesetzt, dass der Bau eines Facettengliedes
beim Leuchtkäferchen der eines Linsencylinders ist; in der physikalischen
Einleitung habe ich aber erwähnt, dass Matthiessen's Etagenlupe ähn-
liche optische Wirkungen erzeugen kann.
Es fragt sich also, ob die Wirkung des Facettengliedes nicht etwa
auf dem Principe der Etagenlupe beruht? Ich glaube, man muss das
verneinen, denn um die Wirkung zweier Convexlinsen von so kurzer
Brennweite nach diesem Principe zu erzielen, wären Differenzen im
Brechungsindex der verschiedenen Schichten von einer so enormen Grösse
vorauszusetzen, wie dies für die Chitinmassen verschiedener Dichtigkeit
unmöglich angenommen werden kann, und wie sie weiter auch auf den
ersten Blick unter dem Mikroskope gesehen werden müssten.
Es ist hier der Ort, darauf aufmerksam zu machen, dass man die
ganze Bilderzeugung im Lampyrisauge auch anders, und zwar in folgender
Weise auffassen kann. Jedes Facettenglied hat sich als ein astronomisches
Fernrohr herausgestellt. Es entwirft also jedes derselben ein aufrechtes
Bild auf der Netzhaut. Wenn, wie wir sahen, das Fernrohr auf Unendlich
eingestellt ist, d. h. die austretenden homocentrischen Strahlen parallel
verlaufen, wird das Bild, wo immer man es auf einen Schirm auffinge, bei
der Kleinheit des Querschnittes eines solchen Strahlencylinders gegenüber
den Dimensionen des Bildes, immerhin ziemlich scharf sein. Diese auf-
rechten Netzhautbilder der einzelnen Facettenglieder decken sich aber in
der Art, dass laut Abbildungen 2 und 3, Taf. I, ungefähr dreissig Netz-
hautbilder für jeden Punkt des abzubildenden Gegenstandes übereinander
liegen. Für einen zweiten Punkt desselben sind es wieder dreissig andere,
oder je nach der Entfernung vom ersten Punkte nur theilweise andere
Facettenglieder, deren aufrechte Bilder das definitive Netzhautbild zu-
sammensetzen. Diese dreissig Bilder sind — abgesehen von den Aende-
rungen der optischen Constanten an der Peripherie des Auges und von
anderweitigen kleinen Abweichungen congruent und unterscheiden sich
nur durch die Lage ihrer Begrenzung, indem die mehr rechts gelegenen
Facettenglieder noch Theile des Objectes enthalten, welche in diesem mehr
rechts liegen, die nach links gelegenen mehr von den linksseitigen An-
— 59 —
tlieilen des Objectes. Ich habe deshalb zur Charakterisirung dieser Art
der Bilder, und zum Unterschied des definitiven Netzhautbildes von den
einzelnen dasselbe zusammensetzenden Bildern der Facetten, ein in der
geschilderten Art entstandenes Bild ein Superpositionsbild genannt.
C. Katoptrische Wirkung der Kegel.
Ueberblickt man die beigegebenen Tafeln, welche den Bau einzelner
Facettenglieder bei verschiedenen Gliederthieren wiedergeben, so gewahrt
man, dass nicht nur häufig, sondern bei Insecten fast in der Regel die
vordere basale Fläche des Krystallkegels recht nennenswerth kleiner ist,
als die hintere Begrenzungsfläche der Corneafacette. Es ist hier also die
Möglichkeit gegeben, dass Strahlen, welche die Cornea durchsetzt haben,
aus dieser so austreten, dass sie nicht in den Kegel gelangen, sondern
seitlich von diesem verlaufen. Ja es ist kein Zweifel, dass solche Strahlen
existiren müssen, es sind die, welche vor dem Eintritt in das Auge einen
Winkel mit der Axe des betreffenden Facettengliedes einschliessen, der
eine gewisse bedeutende Grösse überschreitet.
Ebenso unzweifelhaft ist es, dass diese Strahlen in der Regel von
dem zwischen den Kegeln liegenden „Irispigment", von dem später noch
die Rede sein wird, absorbirt und dadurch unschädlich gemacht werden.
Ob das aber immer der Fall ist, mag wohl fraglich erscheinen, ja es
wäre bei gewissen, unten zu besprechenden Stellungen dieses Pigmentes
(den Lichtstellungen) nicht recht einzusehen, warum diese Strahlen
nicht zunächst in die benachbarten Krystallkegel eindringen sollten.
Vgl. die Abbildungen Taf. II, Fig. 16 B, oder von einem Krebse Taf. V,
Fig. 52.
Es kommt hier ein Umstand in Betracht, der wahrscheinKcher-
weise eine wichtige Rolle bei der Abbiendung schädlicher Strahlen im
Insectenauge spielt und auf den ich nun aufmerksam machen will. Er ist
zugleich geeignet, Aufklärung über das fast constante Vorkommen eines
der wichtigsten Bestandtheile des Facettengliedes, nämlich des Krystall-
kegels, zu geben. Ich meine die möglichen Reflexionen der in den Kegel
eingedrungenen Strahlen.
Ich erinnere daran, dass jeder Lichtstrahl an der Grenzfläche zwischen
zwei optischen Medien eine Reflexion erleidet, welche in der Regel nur
einen Theil des Strahles betrifft, in dem Falle aber, dass der Strahl, in
einem optisch dichteren Medium verlaufend, an die Grenze nach einem
optisch dünneren gelangt, auch eine totale sein kann. Die Reflexion ist
total, wenn der Einfallswinkel eine gewisse, durch die Brechungsindices
der beiden Medien bestimmte Grösse überschreitet. Immer wird der Strahl,
sei er nun total reflectirt oder nur theilweise, unter demselben Winkel
zurückgeworfen, unter dem er auf die Grenzfläche aufgefallen ist.
— 60 —
Die Krystallkegel haben ihren Namen von ihrer kegelförmigen Gestalt
Ein Kegel aber verhält sich in Bezug auf die Reflexion eines in ihn ein-
gedrungenen Lichtstrahles ganz eigenthümlich. Es sei Fig. 18 ein Kegel
im geometrischen Sinne des Wortes und a ein in ihn unter einer massigen
Neigung zur Axe einfallender Lichtstrahl. Er trifft bei b das erstemal die
Trennungsfläche nach einem optisch dünneren Medium. Hier ist der Ein-
fallswinkel so gross, dass er wohl total reflectirt werden dürfte. Dasselbe
gilt wohl auch noch für den Punkt c. Vielleicht wird hier aber nur mehr
ein Theil von ihm nach d reflectirt; indem man ihn immer unter seinen
Einfallswinkel reflectirt werden lässt, kommt man zu der Construction des
Weges d, e, f, g, h, i der reflectirten Antheile des Strahles. Der Strahl
wird also, so weit er der Reflexion unterliegt, aus dem Kegel wieder heraus-
befördert. Ein grosser Theil des Strahles aber wird bei d, e, f, Das Sehen von Bewegungen und die Theorie des zusammengesetzten Auges. Wiener
akad. Sitzber. Bd. LXXII, Abth. III, 1875.
8*
VII. CAPITEL.
Kurze Beschreibung einzelner Augen von Insecten
und Krebsen.
A. Insecten.
1. Tagschmetterlinge.
Pieris rapae (Rübenweissling) (Taf. VI, Fig. 61, und Taf. IV, Fig. 34
und 35). Ein typisches Tagauge mit Appositionsbild. Die Basen der Krystall-
kegel sind nennenswerth kleiner als die Flächen der Corneafacetten. Die
vorderen Antheile der auch sehr kurzen Kegel sind in Iristapetum (T)
eingebettet, der hintere Antheil in Irispigment, das sich in Streifen, welche
die Tracheen umgeben, bis an das Retinapigment fortsetzt. Ein bei a
angelegter Querschnitt (Fig. 35) zeigt die Sehstäbe mit je vier nicht zu
einem Rhabdom verschmolzenen Stäbchen in ihrer Mitte, und umgeben von
den Leydig'schen dicken Tracheen.
Melanargia hat ein Auge, das dem des Kohlweisslings durchaus
ähnlich ist. Auch ein Iristapetum, auch vier stark lichtbrechende Stäbchen
im Sehstab, die auf Querschnitten eine zierliche Quadratstellung zeigen,
u. s. w.
Der Fuchs (Vanessa) (Taf. IV, Fig. 36) hat ein typisches Tagauge,
ähnlich jenem des Kohlweisslings und anderer Tagschmetterlinge. Sonder-
barerweise ist die Cornea, wie man schon mit freiem Auge sieht, reichlich
mit langen Haaren besetzt (a der Fig. 36 zeigt ein solches am freien Ende
abgeschnitten), die bei ihrer radiären Anordnung das Netzhautbild kaum
stark stören werden, so wie sie auch die Pseudopupille und die Nebenpupillen
ganz gut sehen lassen.
Epinephele (Taf. IV, Fig. 32, und Taf. VI, Fig. 64). Das Auge ist
sehr ähnlich dem des Kohlweisslings. Man sieht das Rhabdom durch den
ganzen Sehstab ziehen. An den hinteren Enden der Sehstäbe sind einzelne
Kerne. Die Membrana fenestrata ist an manchen Schnitten isolirt und
zeigt sich da mit Pigmentkürnchen besetzt. Hinter derselben liegen eigen-
thümliche kolbige Gebilde, die nach vorne in den Sehstab übergehen und
hinten mit den pigmentirten Nerven in Verbindung zu stehen scheinen.
Sie entsprechen der Netzhaut von Thompson-Lowne.
Lycaena (der Wiesenbläuling). Das typische Tagauge mit starken
Wölbungen der vorderen Hornhautfäcetten und eigenthümlichen Lücken
zwischen den Pigmentscheiden der Krystallkegel. Hinter der Membrana
— 117 —
fenestrata wieder eine Reihe kernartiger Gebilde, wie bei gewissen Nacht-
schmetterlingen und Epinephele.
Auch hier wie bei anderen Tagschmetterlingen verlaufen die Sehstäbe
nicht durchaus radiär, sondern an den Rändern des Auges in zierlichen
Bogen, welche dadurch zu Stande kommen, dass die seitliche Begrenzung
des Auges keine radiäre, sondern eine nach dem Innern des Auges hin
convexe ist. Dieser Begrenzung schmiegen sich die Sehstäbe an, so dass
sie etwa wie Blumenstengel in einer geschweiften Vase nach vorne aus-
einanderweichen.
2. Nacht- und Dämmerungsfalter.
Catocala nupta (Rotlies Ordensband) (Taf. II, Fig. 15). Die Kegel
dieses Auges zeigen Andeutungen einer Schichtung, wie ich sie bei Limulus
beschrieben habe. An ihrer Spitze befindet sich ein eigenthümlicher durch-
sichtiger, auch wieder kegelförmiger Ansatz, den man für eine Erweiterung
des vielleicht durch den ganzen Sehstab hindurchgehenden Rhabdomes
ansehen könnte, wenn er nicht ein deutliches centrales Ende zeigte. Im
dünnen Antheile des Sehstabes sitzen die ihm zugehörigen Kerne, ich zähle
sechs bis sieben; es mögen aber immer sieben vorhanden sein, wie dies
nach Grenadier zu erwarten ist. Ich habe auf die Feststellung dieser
Zahl besondere Aufmerksamkeit zu lenken keine Ursache gehabt.. Der
dicke Antheil des Sehstabes zeigt im Innern am Querschnitt (Fig. 15 a)
das Rhabdom. Nahe der Membrana fenestrata liegen unregelmässig, zwischen
den Sehstäben angeordnet, Kerne und etwas Pigment. Die hier unzweifel-
haft vorhandenen Tracheen sind durch die Behandlung mit Damar etc.
unsichtbar geworden. Hinter der Membrana fenestrata liegen langgestreckte,
sich mit Pikrokarmin gut färbende kernartige Gebilde (b), die Retina-
elemente von Thompson- Low De.
Ich hatte nicht darauf geachtet, in welchem Zustande das Thier, dem
Fig. 15 entnommen ist, getödtet worden war. Doch befindet sich der grösste
Theil des Auges in ausgesprochenster Dunkelstellung, am Rande desselben
aber findet sich eine Gruppe von Facettengliedern in ebenso ausgesprochener
Lichtstellung; ein solches Facettenglied mit seinem Irispigment ist in die
Zeichnung aufgenommen. (Es ist das letzte rechts.)
Dieses Pigment zerfällt hier wie auch in manchem anderen Auge mit
doppelter Functionsweise in zwei sich gegen Licht ungleich verhaltende
Abtheilungen. Ein feinkörniger dünner Pigmentbelag (c) bleibt nämlich, wie
die Abbildung ersichtlich macht, an den Kegeln fixirt, es möge das eigent-
liche Irispigment was immer für eine Stellung einnehmen. Man könnte
diese Pigmentlage dem vergleichen, was ich bei anderen Augen Iristape-
tuni genannt habe, doch wirkt es hier nur insoferne als reflectirendes
Tapetum, als es Veranlassung zu der dunkelbraunen Farbe des Auges gibt,
die um die schwarze Pseudopupille sichtbar ist.
— 118 —
Leucoma (?) zeigt wieder das typische Auge des Nachtschmetterlings
sehr ähnlich dem des rothen Ordensbandes (Fig. 15). Auch hier liegen die
Kerne der Sehstäbe in nächster Nähe der Spitze der Krystallkegel, und ent-
hält die vorderste Schichte des Ganglion opticum jene radiär gestellten kern-
artigen Gebilde. Das optische Verhalten des dioptrischen Apparates dieses
Schmetterlings ist in Taf. V, Fig. 57, ersichtlich gemacht. Es ist die Cornea-
facette, (1) ein Querschnitt durch einen Kegel (2) und ein flach liegender
Kegel (3) gezeichnet, wie sie unter dem Mikrorefractometer erscheinen,
Porthesia (Ocneria oder Cnophria?1) Nachtschmetterling (Taf. IV,
Fig. 30, 31). Er hat ein typisches Auge mit doppelter Functionsweise, Seh-
stäbe, deren dünne Antheile verhältnissmässig lang sind. Die Krystallkegel
haben eine Andeutung von Doppelschichtung, und zwar liegt an der Grenze
der beiden Schichten bei a etwas Pigment. Dass am Dunkelauge das Iris-
pigment doch noch über die Spitze der Kegel vorragt, rührt, wie ich ver-
muthe, daher, dass ich den Schmetterling kurz, ehe ich ihn tödtete, mit
dem Augenspiegel untersuchte, um mich von seinem Augenleuchten zu
überzeugen. Ich wusste damals noch nicht, dass die Pigmentverschiebung
auf Lichtreiz so rasch eintritt, dass diese kurze Beleuchtung einen schon
merklichen Effect hervorruft. Fig. 31 zeigt das Dunkelauge.
Lasiocampa quercifolia (Ta£ IV, Fig. 28, 29). Der Bau des Auges
entspricht vollkommen dem der schon beschriebenen Nachtfalter. Auch
hier demonstriren die Zeichnungen die Verschiebung des Irispigmentes durch
Licht wirkuug.
Makroglossa (Der Taubenschwanz) (Taf. II, Fig. 17, und Taf. VI,
Fig. 63) hat das Auge eines Nachtschmetterlings, wie er ja auch zu diesen
gehört. Er fliegt aber im hellen Sonnenschein. Zwischen seinen Sehstäben
linden sich lange Pigmentfäden, wie ich solche bei einem anderen Nacht-
schmetterling nie gesehen habe. Leider habe ich keinen Versuch über die
photomechanische Wirkung am Irispigmente dieses Thieres machen können,
zweifle aber nicht daran, dass er sich in dieser Beziehung wie die übrigen
Nachtschmetterlinge verhält, denn ich schnitt die Augen zweier Exemplare
und es zeigte sich das Irispigment des einen in ausgesprochener Dunkel-
stellung, während es bei dem anderen in massiger Lichtstellung war. Ich
habe in Abbildung (Fig. 17) die Facettenglieder beider vereinigt gezeichnet
und durch a und b unterschieden. Leider waren die dünnen Antheile der
Sehstäbe, sowie die Muskelfasern des Irispigmentes nur im vorderen Theile
erhalten.
3. Käfer.
Cantharis fusca (Taf. I, Fig. 9) hat ein Auge, das jenem von Lam-
pyris splendidula in hohem Grade ähnlich ist, wie aus dem in vorstehenden
Capiteln Mitgetheilten schon hervorgeht:
1 Es ist in der Signirung meiner mikroskopischen Präparate ein Versehen geschehen,
so dass ich nicht sieher weiss, welchem von den genannten drei Schmetterlingen die hier
beschriebenen Augen angehören.
— 119 —
Die Krystallkegel sind mit der Cornea verwachsen, nur sieht man
bei diesem Käfer eine Trennungsfläche dieser beiden. Sie hebt sich bei
Färbung mit Säurefuchsin und Pikrinsäure in gesättigtem Tone ab. Im
hinteren Ende der Kegel sieht man kleine, auch kegelförmige Gebilde
eingelassen. Grenacher [ hält diese für die eigentlichen Krystallkegel,
welche hier von einer cuticularen Masse eingeschlossen sind. Es wird dies
wohl richtig sein. Functionen wirkt das ganze Gebilde ebenso wie der
Kegel in seiner Vereinigung mit der Cornea bei Lampyris wirkt. Man
kann sich davon leicht am abgepinselten Auge überzeugen. Wer sich für
die Frage nach der morphologischen Bedeutung dieser mit der Cornea
vereinigten Kegel interessirt, dürfte bei einem anderen Käfer, nämlich
Trichodes apiarius, Aufschluss erhalten. Ich sah nämlich bei diesem die
hintere Wölbung der Cornea anscheinend in eine blätterig-gallertige Masse
übergehen, die mir eine Vorstufe des Zustandes zu sein schien, der bei
Cantharis fusca existirt. Das Leuchtkäferchen, bei dem der eingeschlossene
Kegel nicht mehr gesehen wird, dürfte eine weitere Entwicklungsstufe
darstellen.
Ich will übrigens hervorheben, dass nicht etwa nur die kleinen
unscheinbaren, eingeschlossenen Kegel ein nennenswerthes Lichtbrechungs-
vermögen besitzen, wie man nach der Abbildung Grenacher's (1. c. Taf. XI,
Fig. 127) hätte erwarten können, sondern dioptrisch wirksam ist gewiss
der ganze grosse Kegel wie bei Lampyris.
Fig. 9 zeigt Kegel sammt anhaftender Corneafacette von einem
Dunkelauge (Ä) und von einem Lichtauge (B).
Colymbetes fuscus (Schwimmkäfer) (Taf. II, Fig. 16). Sein Auge
ist dem des Dyticus sehr ähnlich. Es sind dies die einzigen zwei Augen
von Insecten, die ich kenne, bei denen eine deutliche Lichtwirkung auf
das Pigment besteht und die Sehstäbe doch wie bei Tagaugen in. gleich-
massiger Dicke von hinten bis vorne verlaufen. Ihre Kerne sitzen am vor-
deren Ende, also gleich hinter den Krystallkegeln. Die Corneafacetten
wirken als Linsencylinder. Diese Augen bilden ein Gegenstück zu jenen
der Rosenkäfer und deren Verwandten, insoferne als diese Sehstäbe haben,
wie sie bei Nachtaugen vorzukommen pflegen, aber keine Irispigmentver-
schiebung, die genannten Schwimmkäfer aber umgekehrt Pigmentverschie-
bung, aber Sehstäbe ohne Trennung in die zwei Abtheilungen. Vielleicht
hat dieses Vorkommen bei letzteren einen analogen Grund, wie ich ihn
für erstere (siehe S. 67) vermuthimgsweise ausgesprochen habe.
Dytiscus (Schwimmkäfer) (Taf. I, Fig. 6, 7). Abgesehen von der
Grösse ist das Auge dem von Colymbetes so ähnlich, dass die Fig. 16 fast
auch als Abbildung des Licht- und Dunkelauges dieses Käfers dienen könnte.
Tropinota hirtella (Taf. III, Fig. 23, 24). Sehr kleine und wegen
der Pigmenteinbettung schwer sichtbare Krystallkegel, die einer dicken
Sehorgan der Arthropoden, S. 130.
- 120 -
Hornhaut ansitzen. Die Sehstäbe haben einen dicken hinteren Antheil und
einen dünnen vorderen, der am Krystallkegel in eine kolbenartige Erweite-
rung übergeht, in welche die Kerne eingelagert sind. Zwischen den dünnen
Theilen der Sehstäbe gewahrt man an Querschnitten eine netzartige Zeich-
nung, die an jene bei Tagschmetterlingen erinnert und wahrscheinlich auch
Querschnitten von Tracheen entspricht. Ein Iristapetum dürfte nur in
geringen Andeutungen vorhanden sein; ich sah, dass dünne Lagen (bei T),
die zwischen den vorderen Enden der Kegel sichtbar werden, das Licht
stärker reflectiren, als das beim schwarzen Pigmente der Fall sein kann.
Das Irispigment hört mit scharfem Rande nach hinten auf, ebenso das
Retinapigment nach vorne. An keinem der beiden konnte ich in Folge der
Einwirkung von Sonne oder Dunkelheit eine Aenderung wahrnehmen.
Ueber die Eigenthümlichkeiten dieses Auges, durch welche es den
Augen mit doppelter Functionsweise ähnlich wird, aber doch kein solches
ist, sowie über die Augen der verwandten Käfer vergleiche das auf S. 67
Gesagte.
Oryctes rhinoceros (Lin.). (Ich verdanke dieses Thier meinem
Bruder Prof. Franz Exner, der es in Indien fing und für mich conser-
virte.) Das Auge ist durchaus dem von Tropinota hirtella ähnlich, nur
sind die Cornea dicker, die Krystallkegel besser ausgebildet, überhaupt
die einzelnen Elemente des Auges grösser. Die Lage des Irispigmentes,
auch die zierlichen Querschnitte durch die Sehstäbe und die Tracheen
sind wie bei jenem.
4. Diverse Insecten.
Libellula vulgata (Diplex) (Taf. VI, Fig. 58, 59. Vgl. auch Taf. VII,
Fig. 66, 67). Das Auge zerfällt in eine obere, gelb pigmentirte Abtheilung
(Fig. 58) und eine untere, hauptsächlich schwarz pigmentirte (Fig. 59).
Schon mit freiem Auge erkennt man an Durchschnitten des ganzen Auges,
dass die obere Abtheilung dicker ist, d. h. längere Facettenglieder hat;
sie sind auch breiter. Die Messung der sechseckigen Hornhautfacetten
ergab als Durchmesser von einem Winkel zum gegenüberliegenden gemessen
für den oberen Antheil 0059 Millimeter, für den unteren 0033 Millimeter.
Der Uebergang der beiden Augenabtheilungen ist, was die Grösse der
Facettenglieder betrifft, ein ziemlich unvermittelter. Insbesondere aber
geschieht das Auftreten des schwarzen Pigmentes so plötzlich, dass man
in den Schnitten neben einem solchen, das nur gelbes Pigment enthält,
eines findet, das schon reichlich schwarzes führt, und am zweiten Nachbar
ist der Pigmenttypus schon vollkommen der der unteren Augenabtheilung.
Hier kann man ein Iris- und ein Retinapigment unterscheiden, die aber
nicht scharf voneinander getrennt sind. Vor dem Irispigment liegen gelbe,
dem Iristapetum entsprechende Zellen. Diese sowie das gelbe Pigment im
oberen Theile des Auges werfen Licht zurück, wenn auch nicht so reichlich,
wie von einem eigentlichen Tapetum erwartet werden müsste.
- 121 —
Beide Augenabtheilungen entsprechen typischem Tagauge. Gewisse
optische Erscheinungen, zu denen sie in ungleicher Weise Veranlassung
geben, sind unten noch Gegenstand der Besprechung; sie machen, dass man die
beiden Augenabtheilungen am lebenden Thiere sofort unterscheidet, nur
erscheint da der Uebergang doch nicht so unvermittelt, wie ihn die Durch-
schnitte zeigen.
Die Larve einer kleinen Libelle (Agrion) zeigt ein Auge, das durchaus
ähnlich gebaut ist und ähnliche Pigmentvertheilung hat, wie der untere
Theil des (Taf. VI, Fig. 59) abgebildeten Auges einer ausgebildeten Libelle.
Dementsprechend hat es auch ein ähnliches optisches Verhalten, z. B. in
Bezug auf 'die Pupillen und Pseudopupillen (siehe unten).
Die Stubenfliege (Musca domestica) zeigte mir ausserordentlich
zierliche und klare Bilder in Schnittserien. Insbesondere sieht man die
Lage der verschiedenen Arten Kerne, ferner die Querschnitte durch die
Sehstäbe und Rhabdome sehr gut, wegen Mangels jedes undurchsichtigen
Pigmentes am in Alkohol gehärteten Auge. Dieselben waren mit Pikro-
karmin gefärbt. Die Configuration ist die des (Taf. VI, Fig. 60) abgebildeten
Fliegenauges von Eristalis, weshalb ich keine besondere Abbildung zu
geben nöthig habe.
Eristalis. Stark gekrümmte vordere Corneaflächen und bis an die
Krystallkegel reichende Sehstäbe von gleichbleibender Dicke charakteri-
siren das Auge als solches von einem am Tage munteren Landthiere. Das
gelbe Pigment (nicht Tapetum) nimmt am hinteren Theile der Sehstäbe
eine mehr kirschrothe Farbe an, was in der Zeichnung nicht wiedergegeben
werden konnte. Schwarzes Pigment findet sich nur an den Grenzflächen
zwischen je zwei Corneafacetten und in kleinen Härchen (a Fig. 60), welche
dem Auge aufsitzen. Am Längsschnitt sieht man nichts von den „wurstförmigen"
Tracheen, welche die Sehstäbe voneinander trennen. Wohl erkennt man
sie am Querschnitt (Fig. 60 c), am besten allerdings am Zupfpräparat. Da
sieht man, dass sie einen blind endenden langen Sack bilden, welcher einer
recht dünnen Trachea entstammt. Diese dünnen Tracheenstämmchen durch-
bohren die Membrana fenestrata und stehen mit den hinter derselben
liegenden Tracheen (b der Fig. 60) in Verbindung.
Die Hornisse (Vespa crabo) (Taf. III, Fig. 27) hat eine sehr dicke
Cornea, kleine Krystallkegel, hat als echtes Tagthier gleichmässig dicke
Sehstäbe, in deren Innerem man Stäbchenbildungen sieht und die in ihrem
ganzen Verlaufe von Pigment umgeben sind. Dasselbe ist am vorderen und
hinteren Ende besonders dicht gehäuft. Fig. 27 zeigt drei Facettenglieder
aus dem Seitentheile des Auges, wo die optischen Axen derselben nicht
senkrecht auf der Oberfläche der Cornea stehen. Die physiologische Be-
deutung hiervon wurde S. 24 besprochen. Die Sehstäbe zeigt die Abbildung
in einer Curve verlaufend. Es ist das nicht Resultat von Verschiebungen
beim Härten und Schneiden, sondern, wie aus der Configuration des ganzen
Auges hervorgeht, die natürliche Lage.
— 122 —
Locusta viridissima (Grüne Heuschrecke). Das Thier hat ein aus-
gesprochenes Tagauge, recht ähnlich jenem der Hornisse. Nur sind die
Kegel bis gegen die Spitze hin in ein grüngelbes Pigment, also wieder
eine Art Iristapetum gehüllt, welches das Licht stark reflectirt. Die Spitze
der Kegel, sowie der ganze Sehstab und die Schichte der Opticusfasern
des Ganglions sind reichlich mit Pigment versehen.
Sirex gigas. Auch das Auge dieses Thieres ähnelt sehr dem der
Hornisse. Die einzelnen Cylinder der recht dicken Cornea stehen schief
und nicht senkrecht auf der Oberfläche der Cornea, ebenso ist die Axe der
Krystallkegel geneigt. Bei Tenthredo instabilis ist das durchaus nicht der Fall.
Tenthredo instabilis hat ein Auge, welches, was die einzelnen
Facettenglieder anbelangt, sehr ähnlich ist dem der Hornisse. Nur sind
die Cornea dünner und die Krystallkegel grösser.
B. Krebse.
1. Langschwänze.
Palämon(Taf. V, Fig. 51, 52, und Taf. VII, Fig. 69, 70) (ich unter-
suchte P. rectirostris und eine zweite nicht näher bestimmte Species) hat,
wie schon Max Schultz e abbildet, einen eigenthümlichen haubenförmigen
Aufsatz am Krystallkegel, der in eine weiche Schichte hineinragt, die der
hinteren Corneafläche anliegt. Die eigentlichen Krystallkegel sind, wie bei
anderen Langschwänzen, aus vier Stücken longitudinal zusammengesetzt.
An dieselben schliesst sich nach vorne noch ein kurzes Zwischenstück
zwischen Kegel und Haube, und nach hinten schliesst sich jene Krystall-
kegelhülle an, die, enger werdend, bis an die Netzhaut reicht und, wie es
scheint, mit einer gallertigen, in Tropfen coagulirenden Flüssigkeit gefüllt
ist; der sich direct an den Kegel anschliessende Theil dieser Gallerte hat
aber noch etwas festere Consistenz, gerinnt deshalb in etwas anderer und
wechselnder Form. Zwischen den Hüllen befindet sich auch coagulirende, wie
es scheint ziemlich flüssige Masse. Während z. B. bei Sicyonia die Krystall-
kegel kugelig begrenzte Endflächen haben, sind diese bei Palämon eben,
so dass der grösste Theil der optischen Wirkung auf Linsencylinderbau
bezogen werden muss. Die vorderen Enden der Sehstäbe sind in meinen
Präparaten nicht deutlich, wohl aber die daselbst liegenden Kerne. Quer-
schnitte durch die hinteren Theile der Sehstäbe zeigen diese sternförmig,
in Tapetummasse eingebettet. Eventuell noch innerhalb der Tapetumlage
eine Pigmentschichte. Typische Lichtverschiebung des Iris- und Retina-
pigmentes.
Merkwürdig sind bei diesem Thiere fadenförmige Verbindungen des
Iristapetums mit dem Netzhauttapetum (Fig. 52). Letzteres besteht aus
den üblichen zwei Schichten. Die Facetten der Cornea sind quadratisch.
Crangon hat ein Auge, das dem von Palämon recht ähnlich ist.
Auch hier zwei Tapetumschichten der Retina und ein Iristapetum. Die
— 123 —
Sehstäbe haben eine zierliche Zeichnung, die durch regelmässig an ihrer
Oberfläche vertheilte körnige Gebilde entsteht.
Nica edulis hat ein Auge, das durchaus ähnlich ist dem von Sicyonia
sculpta und wie dieses Pigmentverschiebungen zeigt. Ich müsste die
Fig. 53, 54 fast genau wiederholen, sollte ich das Auge zeichnen, was
wohl überflüssig wäre. Der einzige Unterschied, der etwa auffällt, besteht
darin, dass bei Nica mehr Tapetumsubstanz im Ganglion opticum ein-
gebettet liegt, und zwar in Fäden vertheilt.
Der Bärenkrebs (Scyllarus) hat wohl ausgebildete, hinten schön
linsenartig abgerundete, im Uebrigen fast cylinderförmige Krystallkegel
hinter einer in quadratische Facetten getheilten Cornea. Das Irispigment,
das den Kegeln in dünner, aber ziemlich compacter Schichte dicht anliegt,
sendet einzelne fadenförmige — nicht scheidenförmige — Fortsätze ziemlich
weit nach hinten.
Die Krystallkegelscheide ist mit einer sich an die convexe Fläche
der Kegel anschliessenden Masse gefüllt, die sich gegen Färbungsflüssig-
keit anders verhält als die ausserhalb der Scheiden gelegene Substanz,
welche im Präparate den Eindruck coagulirter Flüssigkeit macht. Die Seh-
stäbe fand ich im Lichtauge mehr in die Länge gestreckt mit spindel-
förmiger Anschwellung, im Dunkelauge nähern sie sich der Walzenform.
Ich halte nach Analogie mit anderen Krebsen die erst genannte Form für
die natürliche und die andere, die ich übrigens auch bei einem Lichtauge
fand, für den Ausdruck nicht gelungener Härtung. Sie sitzen auf einer
Membrana fenestratä auf, hinter welcher die Schichte der Nervenverzwei-
gungen folgt. Querschnitte durch die Anschwellung des Auges zeigen am
Lichtauge das Ehabdom, dessen eigenthümliche Gestalt noch den sieben-
strahligen Stern wohl erkennen lässt, umgeben von den pigmentirten Reti-
nulazellen.
Am Irispigment konnte ich eine Verschiebung als Lichtwirkung nicht
sicher erkennen, wohl aber an der Retina. Das Pigment liegt hier auch
im Dunkelauge in der Netzhaut, aber nur an den hinteren Antheilen der
Sehstäbe, die vorderen bleiben frei. Beim Lichtauge dagegen reicht das
Pigment auch über die vorderen Theile und zeigt eine eigenthümlich
streifige Anordnung, deren Erklärung ein Blick auf den sternförmigen
Querschnitt des Sehstabes gibt. Die Schichten des Ganglion opticum fand
ich bei diesem Krebse ganz pigmentfrei.
Sicyonia sculpta (Taf. V, Fig. 53, 54, und Taf. IV, Fig. 39) hat
ein sehr schönes, leicht zu schneidendes Auge mit drei Lagen Tapetum
und deutlicher Verschiebung von Iris- und Retinapigment. Die quer-
gestreiften Sehstäbe beginnen erst eine geraume Strecke hinter den hinteren
Enden der Krystallkegel. Diese Strecke ist durchzogen von den Scheiden
der Krystallkegel, zwischen denen sich im Präparate coagulirte Flüssigkeit
findet. Die Krystallkegel selbst haben schöne vordere und hintere kugelige
Begrenzungsflächen. Die Corneafacetten sind quadratisch.
— 124 —
Das Irispigment wandert bei Lichtwirkung mit dem Iristapetum eine
grosse Strecke nach rückwärts, das Retinapigment kommt aus dem Gang-
lion opticum und wandert durch die Membrana fenestrata und die Tapetum-
schichte bis an die vorderen Enden der Sehstäbe, die es einhüllt.
Die grossen kugeligen Augen von Palinurus (Langusta) (Taf. V,
Fig. 50) haben einen mit freiem Auge präparirbaren Glaskörperraum, hinter
dem, gerade wie beim Wirbelthierauge, die Retina liegt. Die Sehstäbe sind
hier ziemlich klein. Der Bau des Auges ist ganz ähnlich dem von Palämon
oder Sicyonia. Nur scheint es, dass das Retinapigment auch im Dunkel-
auge in der Netzhaut selbst liegt, aber hinter dem Tapetum. Im Dämme-
rungsauge schon liegt alles Pigment vor dem Tapetum. Der linke Theil
des Netzhautstückes der Fig. 50 stellt das Stadium dar, in welchem eben
das Pigment durch das Tapetum zu treten im Begriffe ist. Es hat die vor-
deren Enden der Sehstäbe noch nicht erreicht, liegt aber schon zum Theile
zwischen ihnen und vor der Tapetummasse. Die seitlichen Theile dieses
selben Auges zeigen das Netzhautpigment noch in Dimkelstellung. Ich
habe eine solche Stelle rechts in Fig. 50 abgebildet. Dahingestellt muss
ich es lassen, ob das Irispigment bei Palinurus auch im Lichtauge die
Stellung hat, welche diese Figur zeigt, denn in einem Auge aus diffusem
Tageslicht sieht es auch so aus, wie in dein abgebildeten unvollkommenen
Dunkelauge.
Die Scheiden der Krystallkegel, im Querschnitt b gut zu sehen, sind
wieder mit einer Substanz gefüllt, die, soweit sie sich an den Kegel
anschliesst, stark lichtbrechend und homogen erscheint, weiter nach hinten
aber sich in tropfenartige Coagula auflöst. Die Cornea lässt an ihrer vor-
deren Fläche keine Facetten erkennen; an der hinteren scheint eine weiche
Hypodermisschichte zu liegen, die deutliche quadratische Facetten zeigt.
Astacus fluviatilis lieferte mir keine hinlänglich guten Präparate,
dass ich eine Zeichnung nach ihnen anfertigen möchte. Doch sind sie
genügend, mit voller Deutlichkeit erkennen zu lassen, dass das Irispigment
in der oft geschilderten Weise in Folge von Lichtwirkung nach rückwärts
rückt und dass das Retinapigment im gleichen Falle die vorderen Enden
der Sehstäbe einhüllt, während es im Dunkelauge aus der Netzhaut ganz
verschwunden und in reichlichen Massen hinter der Membrana fenestrata
angehäuft ist. Ein Theil desselben bleibt übrigens auch im Lichtauge hier
zurück. Ein typisches schönes Tapetum umhüllt die hinteren Hälften der
Sehstäbe sowohl im Dunkel- als im Lichtauge.
Peneus membranaceus (Taf. V, Fig. 47, und Taf. VII, Fig. 75).
Die schönen Augen dieses Thieres zeichnen sich dadurch aus, dass sie
kein oder nahezu kein Pigment enthalten, hingegen schönes Tapetum. Ich
fand nämlich bei einem Dunkelauge und einem Auge aus diffusem Tages-
licht keine Spur von Irispigment, wohl aber sehr schönes Iristapetum. Die
Augen waren in Alkohol gehärtet. Dann fand ich bei einem Lichtauge, das
in Müller'scher Flüssigkeit gehärtet war, doch Spuren eines braunen
— 125 —
Pigmentes, welches sich vom Iristapetum aus auf eine kurze Strecke, etwa
bis in die halbe Höhe des Kegels erstreckte und im Uebrigen den gewöhn-
lichen Platz des Irispigmentes einnahm. Nur mit einiger Mühe war es
möglich, sich von der Pigmentnatur des unscheinbaren Belages zu über-
zeugen. Ich konnte demnach nicht entscheiden, ob dieses Individuum Iris-
pigment hatte, die beiden anderen Individuen keines oder, was mir nicht
unwahrscheinlich schieu, dass alle in das Iristapetum eingesprengt und
von diesem verdeckt etwas Pigment besitzen, sich dasselbe aber nur bei
Sonnenbeleuchtung so weit vom Tapetum trennt, dass es mit Sicherheit
erkannt werden kann; oder endlich könnte man denken, dass diese Diffe-
renz der Augen auf der Härtungsflüssigkeit beruhe. Es wäre aber viel
wahrscheinlicher, dass die Müller'sche Flüssigkeit das Pigment aufgelöst
hätte, als dass es der Alkohol thue.
Ueber diese Fragen klärte mich der Anblick einiger Exemplare des-
selben Thieres auf, welche Herr Gustos Kölbel mir aus der Sammlung
des kaiserl. naturhistorischen Hofmuseums zu zeigen die Freundlichkeit
hatte. Diese Thiere, an der spanischen Küste gefangen, zeigten, obwohl
seit vielen Jahren in Alkohol, deutlich und schon mit freiem Auge erkenn-
bar, pigmentirte Augen. Es scheint also kein Zweifel, dass hier individuelle
Schwankungen vorkommen, die vielleicht mit der grösseren oder geringeren
Tiefe, in welcher die Thiere leben, zusammenhängen.
Die kurzen quergestreiften Sehstäbe tauchen nach hinten in das
Retinatapetum. Wie bei vielen Krebsen, liegt auch bei Peneus im Ganglion
opticum und vollkommen von der ersten getrennt eine zweite Tapetum-
schichte, die aber nicht reichhaltig mit Tapetummasse versorgt ist. Auf-
fallenderweise finde ich diese zweite Schichte nicht bei dem in Müller-
scher Flüssigkeit conservirten Lichtauge.
Schöne, hinten abgerundete Krystallkegel, deren Fortsätze in je zwei
Stränge ausgehen, die mit coagulirter Flüssigkeit erfüllt sind. Corneafäcetten
quadratisch.
2. Halbschwänze.
Der Einsiedlerkrebs (Pagurus) (Taf. VII, Fig. 71 und 72) hat
sechseckige Corneafäcetten. Auch bei diesem Thiere lässt sich die Ver-
schiebung des Irispigmentes auf Lichtwirkung an den mikroskopischen
Präparaten nachweisen, wie durch das Verhalten des Augenleuchten s
erwartet werden musste.
3. Kurzschwänze.
Dromia vulgaris (Taf. V, Fig. 55, 56). Hinter der dicken quadra-
tischen Corneafacette liegt ein Krystallkegel, in dessen Innerem man, wie
das nicht selten ist, noch einen anders brechenden linsenartigen Körper
liegen sieht. Ob dieser auch schon im Leben dasselbe optische Verhalten
zeigte, muss ich dahingestellt sein lassen. Die Sehstäbe reichen mit ihren
Verlängerungen bis an den Krystallkegel. Typische Verschiebung von Iris-
und Retinapigment.
— 126 —
Portun us (Taf. IV, Fig. 37, 38). Die Krystallkegel zeigen starke
Coagulationen, so dass ich ihre Form zwar gezeichnet habe, wie die Mehr-
zahl sie zeigen, aber für deren Correctheit nicht einstehen hann. Die
Corneafacetten sind sechseckig. Merkwürdig ist hier das Spiel des Iris-
pigmentes, das am Dunkelauge die hintere Wölbung des Kegels durch eine
weite Oeffnung frei lässt und im Lichtauge sich am Sehstab dicht anliegend
wie ein Ueberguss nach hinten zieht. Das gewöhnliche ist, dass das Pigment
eine Röhre von der Weite des Kegels bildet, in welcher, sie aber bei-
weitem nicht ausfüllend, der Sehstab oder die Hülle des Kegels liegt.
Sehr schön ist auch das Spiel des Retinapigmentes, das sich von
der hinteren Hälfte der Spindeln und dem Ganglion opticum auf die vordere
Hälfte zieht, an dem ursprünglichen Standort nur spärliche Reste zurück-
lassend. Man sieht hier direct die Stränge, welche das Pigment führen,
die Sehstäbe umgeben und die Membrana fenestrata durchbohrend sich in
das Ganglion einsenken. Querschnitte (a,b) zeigen, dass diese Stränge Sterne
bilden, d. h. bandförmig sind und mit ihrer Breitseite radiär stehen.
Galathea (Taf. V, Fig. 45, 46, und Taf. VI, Fig. 65). Die Kegel-
scheiden bilden zwischen Cornea und eigentlichem Kegel lange mit coagu-
lirter Flüssigkeit gefüllte Röhren; Lichtverschiebung am Iris- und Retina-
pigment. Im Dunkelauge sind die Spindeln der Sehstäbe wahrscheinlich
in Folge der Härtung in die Länge gezogen, so dass das Tapetum nicht auf
der Membrana fenestrata aufsitzt. Corneafacetten quadratisch.
Maja (Taf. IV, Fig. 41, 42) hat Sehstäbe, die bis in die nächste Nähe
der Krystallkegel reichen, kein Tapetum und eine nicht bedeutende Licht-
verschiebung sowohl im Iris- als im Retinapigment. An dem ersteren
erkennt man dieselbe fast nur daran, dass die runden Kerne, welche dem
vorderen Theile der Sehstäbe ansitzen, am Lichtauge von Pigment einge-
hüllt sind, an letzterem ist eine Wanderung aus dem Ganglion nach vorne
wenn auch nicht sicher, so doch recht wahrscheinlich.
Die Corneafacetten sind sechseckig und die Cornea zeigt eine deut-
liche Schichtung in Lamellen. Ueber die Krystallkegel kann ich Näheres
nicht aussagen, da sie an meinen Augen nicht gut erhalten waren.
Pisa (Taf. V, Fig. 48, 49). Die lamellirte Cornea hat sechseckige
Facetten, die Krystallkegel an ihrer Spitze von dicht anliegenden Kernen
umgeben. Der Sehstab zerfällt in zwei Abteilungen und trägt am vorderen
Ende die übliche kernhaltige Anschwellung. Zwischen den hinteren Enden
der Sehstäbe, sowie im Ganglion opticum findet sich Tapetum. Querschnitte
(d der Fig. 48) lassen es kaum zweifelhaft erscheinen, dass dasselbe hier
in Zellen eingelagert ist, die schöne runde Kerne haben. Deutliche Ver-
schiebung des Irispigmentes, ebenso des Netzhautpigmentes, welches im
Dunkelauge fast ausschliesslich hinter der Membrana fenestrata liegt und
im Lichtauge an die vordere Hälfte der spindelförmigen Anschwellung
gerückt ist, wo es in zierlich unterbrochenen Strängen angeordnet ist. Au
einem Lichtauge fand ich übrigens das Pigment auch an der hinteren
— 127 —
Hälfte der spindelförmigen Anschwellung, wo Querschnitte schöne Pigment-
sterne mit dem centralen durchsichtigen Rhabdom zeigten. Die Strahlen
der Sterne waren durch die Querschnitte der Pigmentstränge gebildet.
Das Rhabdom zeigt sich im dünnen und dicken Theile des Sehstabes als
aus vier Scheiben zusammengesetzt. Auffallend ist, dass das obere Ende
des Sehstabes im Lichtauge vom Kegel abgezogen, aber noch mit einem
Strange an ihn befestigt erscheint. Ich würde glauben, dass dies durch
Härtung und Schrumpfung bedingt ist, aber beide von mir geschnittenen
Lichtaugen zeigen dieses Verhalten, obwohl das eine in Müller'scher
Flüssigkeit, das andere in Alkohol gehärtet worden war.
Nicht unerwähnt kann ich lassen, dass das Tapetuni bei diesem Thiere,
wenigstens an den Präparaten, schlecht das Licht reflectirt, so dass es
im auffallenden Lichte weniger hell, im durchfallenden weniger dunkel
erscheint als bei anderen Thieren.
4. Diverse Crustaceen.
Squilla mantis (Taf. III, Fig. 22). Eine Pigmentwanderung durch
Licht einwirkung konnte ich an keiner der beiden Schichten beobachten.
Tapetum fand ich keines. Die Corneafacetten sind sechseckig.
Phronima, Copilia, sowie die ebengenannte Squilla haben Augen
von so eigenthümlichem Bau und so besonderer Functionsweise, dass ich
sie zum Gegenstand der Besprechung in einem eigenen, dem nächsten
Capitel machen will, woselbst sich auch Holzschnitte finden.
VIII. CAPITEL.
Die Augen von Squilla, Phronima und Copilia.
Es war bisher fast ausschliesslich von den Augen der Insecten und
der Dekapoden die Rede. Ueber die übrigen Crustaceen, abgesehen vom
Limulus, habe ich sehr wenig Erfahrungen, doch schienen mir die Augen
einiger derselben nach den Beschreibungen, die ich von ihnen las, so inter-
essant, dass ich sie ihres absonderlichen Baues wegen doch in den Kreis
meiner Beobachtungen zog und Einiges darüber mittheilen zu können
glaube.
a) Squilla mantis steht, was den Bau der einzelnen Facettenglieder
betrifft, den halb- und kurzschwänzigeu Krebsen sehr nahe. Es gelang
mir, am frischen Auge ziemlich gute Bilder über den Strahlenverlauf zu
erhalten. Derselbe ähnelt durchaus dem von Limulus, d. h. man sieht in der
Nähe der Kegeispitzen ein nicht sehr deutliches verkehrtes Bildchen äusserer
Objecte. Benützt man als solche zwei Lichtpunkte, so erkennt man, dass
die Strahlen, welche von jedem derselben ausgegangen waren, sich im
Bilde unter einem recht spitzen Winkel kreuzen und dass die Axen der
beiden weiter verlaufenden Lichtkegel sich wenigstens nicht in einer hier
in Betracht kommenden Entfernung kreuzen, sondern näherungsweise parallel
verlaufen. Und zwar war das Verhalten der Lichtstrahlen dasselbe, ob die
Facettenglieder dem stärkst- oder dem schwächstgekrümmten Theile des
Auges angehören. Das Thier sieht also mit einem Appositionsbild.
Das Absonderliche an diesem Auge liegt aber in seiner Gestalt. Ich
habe schon erwähnt, dass dieselbe einer an beiden Enden abgerundeten
Walze zu vergleichen ist, die aber in ihrer Mitte eine ringförmige Ein-
schnürung hat. Einen Schnitt, der auch den Stiel des Auges trifft, zeigt
Fig. 22, Taf. III.
Herr Prof. Brauer macht mich nach Abschluss meiner Unter-
suchungen darauf aufmerksam, dass es auch eine Insectenart gibt, deren
Augen durch eine tiefe Kerbe in zwei Theile getheilt ist, nämlich Asca-
laphus.
Ein Längsschnitt durch das Auge von Squilla würde im Allgemeinen
Biscuitform haben, ein Querschnitt Kreisform, wenigstens soferne der Stiel
— 1 29 —
nicht mit in den Schnitt fallt. Ich sage Biscuitform, denn thatsächlich
kann kein Schnitt, wie das bei einem wahren Cylinder der Fall wäre, eine
gerade Begrenzungslinie des Auges ergeben, die Wölbung am Ende der
Walze geht direct in die Wölbung der Einschnürung über. Es ist das des-
halb von Wichtigkeit, weil es im Principe des Facettenauges liegt, dass
die Axen der Facettenglieder gegeneinander geneigt sind.
Ich habe auch schon oben auf die durch die Gestaltung nothwendig
bedingte Verzerrung des aufrechten Netzhautbildes hingewiesen; es lohnt
sich aber doch, diese Verzerrung etwas genauer ins Auge zu fassen und
nach deren möglicher Bedeutung im Leben des Thieres zu fragen.
Fassen wir zunächst nur die eine Hälfte des Organes ins Auge, also
eine Hälfte der Walze, welche vom Ende bis zur Einschnürung reicht.
Denken wir uns die Walze horizontal stehend, so ist der Krümmungshalb-
messer des Auges in der Horizontalen weit grösser als in der Verticalen.
Das Netzhautbild eines mit einer Seite horizontal stehenden Quadrates
muss also die Gestalt eines langgestreckten Rechteckes haben, dessen
horizontal stehende Seite die lange ist.
Kann nun eine solche Verzerrung für das Thier von irgend einem
Nutzen sein? Ich denke wohl. Wir wenden bei unseren physikalischen Ver-
suchsanordnungen eine solche Verzerrung eines Bildes häufig als einen zu
dem speciellen Zwecke sehr geeigneten Kunstgriff an. So z. B. wird jetzt
oftmals die vordere Fläche von Thermometerröhreu so zugeschliffen, dass
durch die an ihr stattfindende Lichtbrechung der dünne Quecksilberfaden
dick erscheint; wir sehen ihn dann viel besser wegen des Zuwachses in
der einen Dimension. In der anderen Dimension war eine Vergrösserung
durchaus kein Bedürfniss. Es ist auch dasselbe Princip, nach welchem wir
zur Erzeugung eines Spectrums nicht einen hellen Punkt als Lichtquelle,
sondern eine helle Linie verwenden. Das Spectrum wäre ebensolange
und enthielte dieselbe Anordnung der Farben, wenn wir nur einen Punkt
verwenden würden, wir würden aber viele Details nicht sehen, wenn wir
nicht die Verzerrung in der Richtung- bewirken würden, welche auf die
Reihe der wahrzunehmenden Details senkrecht steht.
Gerade ebenso würde also das Netzhautbild einer Squilla z. B. ein
System paralleler Linien noch als solches erkennen lassen, wenn die Linien
vertical stehen, und würde die Auflösung desselben Liniensystemes nicht
mehr bewirken, wenn es horizontal stünde. Es würde sich also die eigen-
thümliche Form des Auges unter der Voraussetzung erklären, dass es im
Haushalte dieses Thieres von Wichtigkeit ist, Details, die in
einer bestimmten Richtung angeordnet sind, genau zu unter-
scheiden.
Die andere Absonderlichkeit des Auges, die ringförmige Furche, die
dasselbe in zwei recht ähnliche Hälften theilt, muss zur Folge haben, dass
ein Object, welches näherungsweise in der Ebene dieser Furche liegt, zwei
Netzhautbilder in demselben Auge entwirft. Es muss das so sein, weil das
Exner, Fucetten;mgeii. ',1
— lao —
Facettenauge, abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden gering-
fügigen Abweichungen, nach jeder der vielen über seine Functionsweise
aufgestellten Theorien, das Bild eines Punktes durch jenes Facettenglied
entwirft, dessen Axe den Punkt trifft. Hier sind aber zum mindesten
zwei Facettenglieder, auf jeder Seite der Einschnürung, deren Axen nach
dem Gegenstand gerichtet sind, wenn er in der genannten Ebene liegt.
Das Thier sieht also mit einem Auge zwei Bilder, es sieht binoculär. Es
hat demnach auch die Vorzüge des binoculären Sehens für jedes Auge
speciell. Der wichtigste Vortheil des binoculären Sehens aber ist unzweifel-
haft die ermöglichte Schätzung der Entfernungen. Squilla kann also mit
einem Auge Entfernungen schätzen. Wir wissen freilich nicht, wie gut
andere Krebse und Insecten monoculär stereoskopisch sehen, das aber ist
sicher, dass das Auge der Squilla in dieser Beziehung über einen der
wichtigsten Factoren verfügt, der den anderen fehlt.
Dabei ist aber noch Folgendes zu beachten. Es ist nicht gleichgiltig,
von welcher Beschaffenheit der Gegenstand ist, dessen Entfernung geschätzt
werden soll. Einer horizontalen Linie gegeuüber wäre diese ganze Ein-
schnürung des Squillaauges fruchtlos; geradeso wie unser binoculäres
Sehen uns bei horizontalen Linien im Stiche lässt, ebenso die Vögel, die
sich ja deshalb so häufig an Telegraphendrähten im Fluge erschlagen, wie
das allgemein bekannt ist.
Wir haben oben der Einfachheit der Darstellung wegen vorausgesetzt,
dass das walzenförmige Auge mit seiner "Läugsaxe horizontal stehe und
sehen nun, dass dies die Richtung eines Liniensystems ist, dessen Ent-
fernung es am schlechtesten schätzt. In der Senkrechten muss es Entfernun-
gen am besten schätzen. Wie nun immer im Leben das Auge stehe, so geht
daraus hervor, dass diejenige Richtung, welche ein Liniensystem
haben muss, um das deutlichste Netzhautbild zu entwerfen, die-
selbe ist, die es haben muss, damit seine Entfernung am sichersten
erkannt werde. Ein Zusammentreffen, das man kaum ein zufälliges
nennen darf.
Die Eigentümlichkeiten des Auges befähigen also Squilla Structuren,
in deren Anordnung eine bestimmte Richtung hervortritt, schärfer zu sehen
und ihre Entfernung genauer zu beurtheilen, als dies ohne diese Eigen-
tümlichkeiten cet. par. der Fall wäre. Ich bin mit der Lebensweise des
Thieres zu wenig vertraut, um auch nur vermuthen zu können, um welche
Objecte des Sehens es sich hier handelt.
b) Die Phronimiden haben, wie seit geraumer Zeit bekannt, Augen,
die sich von jenen der anderen Krebse recht bedeutend unterscheiden-
Jedes Auge zerfällt auch hier in zwei Theile, doch sind dieselben so hoch-
gradig verschieden, dass man füglich jeden als ein Auge betrachten und
sagen kann, das Thier habe vier Augen. (Vgl. Holzschnitt Fig. 20.) Es
sind zwei Seitenaugen, deren Sehfeld die gewöhnliche Lage und Ausdeh-
nung hat, und zwei Scheitelaugen, deren Sehfeld ausschliesslich nach oben
i:-n
liegt, wenn man sich das Thier,
mit seiner Körperaxe horizontal
sitzend denkt. Ja, es sind dement-
sprechend auch vier Retinen vor-
handen (Rl, R'2). Fig. 20 zeigt die
rechte Hälfte eines Kopfes von vorne
gesehen, bei schwacher Vergröße-
rung. Diese Thiere sind nämlich
fast durchsichtig, so dass man so-
fort das Seitenauge mit den kurzen
theilweise in Verkürzung erscheinen-
den Krystallkegeln und der Retina
Rl erkennt, ebenso das ausgedehnte
Scheitelauge, dessen Kegel in lange
Fäden übergehend von der zweiten
Netzhaut R- aufgenommen werden,
deren Sehstäbe fast wie eine Fort-
setzung der Kegel erscheinen und
in ihrer Gemeinschaft die Form einer
Düte nachahmen.
Ich verdanke auch hier wieder
Herrn Prof. Brauer die Mittheilung,
dass bei Insecten, und zwar der den
Ephemeriden angehörigen Chloe bino-
culata, eine ähnliche Theilung der
Augen vorkommt.
Indem ich, was den anatomi-
schen Bau des Auges und der Retina
von Phronima betrifft, auf die be-
kannten Untersuchungen und Ab-
bildungen von Claus * verweise, mit
deren Benützung auch die beistehende
Figur entworfen ist, will ich hier
nur das besprechen, was mir von
physiologischer Bedeutung scheint.
Während Gammarus (ich unter-
suchte G. R ö s e 1 i i) Krystallkegel hat,
deren hintere Enden in einer nennens-
werthen Entfernung von der Retina
i Vgl. C. Claus:
Der Organismus der
Phroniuiiden. Arbeiten aus dem zoologischen
Institute der Universität in Wien.
1879.
Tom. II-
Fig. 20.
y*
— 132 —
liegen, somit ein Superpositionsbild bei diesem Thiere nicht ausgeschlossen
ist, ragen bei dem im Uebrigen ziemlich ähnlich gebauten Seitenauge von
Phronima die Krystallkegel so in die Netzhaut hinein, dass ihre sehr kleine,
aber ebene Endfläche hart an das vordere Ende des Rhabdomes (S) zu stehen
kommt, so dass dieses, da es auch fast dieselbe Dicke hat, wie eine Port-
setzung des Kegels wirkt. (Vgl. Taf. IV, Fig. 43.) Die centralen Fortsätze
der Netzhautelemente sieht man die Membrana fenestrata (in. f.) durchbohren
und sich hier mit Körnern in Verbindung setzen, welche ein primitives
Ganglion opticum darstellen, und von diesen Kernen sieht man wieder die
Nervenfäden abgehen und den Sehnerven zusammensetzen. Pigment findet
sich im Auge keines, abgesehen von einer gelblichen diffusen Färbung der
Netzhaut. l
Ich kenne kein Facettenauge von ähnlicher Einfachheit und deshalb
Verständlichkeit des Baues, in Bezug auf die Gliederung in den dioptri-
schen Apparat, die Netzhaut als energieumwandelnden Apparat und den
eigentlich nervösen Perceptions- und Leitungsapparat.
Etwas anders steht es mit der Verständlichkeit der physikalisch-
optischen Vorgänge. Ein Superpositionsbild kann nicht da sein, aus dem
schon genannten Grunde, aber auch ein Appositionsbild von der Art, wie
wir es bisher kennen gelernt haben, ist ausgeschlossen. Denn es erfordert,
dass in der Nähe der Spitze jedes Krystallkegels ein, wenn auch schlechtes,
dioptrisches Bild der äusseren Objecte entworfen werde. Das ist hier aber
so gut wie ausgeschlossen, denn die Kegel -sind erstens hierzu in ihrem
Baue nicht regelmässig genug, sie sind, wie 0. Schmidt richtig hervor-
hebt, durchaus nicht symmetrisch um eine Axe orientirt, zweitens aber
schliesst, wenigstens beim Scheitelauge, die ungeheure Länge des Krystall-
kegels, sowie seine Dünne den Gedanken an ein gewöhnliches dioptrisches
Bild gänzlich aus. Der Kegel des Scheitelauges hat ja im Allgemeinen die
Form einer Stecknadel, deren Kopf aber nicht kugelig ist, sondern allmählich
in die Nadel übergeht, und deren Nadel circa fünfzehnmal so lang ist als
die Kopfanschwellung. (Vgl. Taf. IV, Fig. 44, einen isolirten Kegel, dessen
Faden aber noch bedeutend vor seinem natürlichen Ende durchschnitten
ist.) Sollte da ein dioptrisches Bild entstehen, so müsste der ganze lange
Faden kaum um ein Tausendstel Millimeter von der Geraden abweichen,
wenn das Bild nicht zerstört werden dürfte. Nun trifft das gewiss nicht
zu, vielmehr sieht man Asymmetrien und Verbiegungen, die ganz gewiss
schon im Leben bestanden haben. Aus diesen hat Schmidt gefolgert,
dass die Krystallkegel von Phronima das Licht durch totale Reflexion
leiten, wie ein Glasstab dies thut, und dass die Theorie vom musivischen
Sehen hier nicht zutrifft. Die letzte Folgerung ist, wie schon mehrfach
hervorgehoben wurde, falsch, die erstere ist im gewissen Sinne richtig.
1 So zeigten es meine in Alkohol, theilweise auch vorher in Osmiumsäure, erhärteten
Thiere. Frische Augen zu untersuchen, hatte ich keine Gelegenheit.
- 133 —
In meiner ersten Abhandlung (1875) über das zusammengesetzte Auge
glaubte ich, die Theorie aufstellen zu dürfen, dass jedes Facetteuglied des
zusammengesetzten Auges Lichtstrahlen, welche näherlings weise in der
Richtung seiner Axe auffallen, theils durch Brechung, theils durch totale
Reflexion an die Spitze des Krystallkegels leitet, wo sie dann vom Netz-
hautelemente aufgenommen werden. Im Grossen und Ganzen war diese
meine Theorie falsch. Ich kannte damals die optische Wirkung der Linsen-
oylinder noch nicht. Für Phronima aber muss ich sie heute noch aufrecht
erhalten, allerdings in einer durch die Kenntniss der Linseneylmder vervoll-
kommneten Form. Die Leitung von Lichtstrahlen in Glasstäben geschieht
auch, wenn dieselben gekrümmt sind, ja es ist dieses Princip in neuester
Zeit praktisch verwerthet worden.
Stellen wir uus also zunächst die radiäre Anordnung der wirklich
kegelförmigen vorderen Enden der Krystallkegel vor und setzen wir vor-
aus, dass Lichtstrahlen, welche näherungsweise in Richtung der Axe in
einen solchen Kegel eintreten, in den Faden gelangen und von diesem bis
zum Netzhautelement geleitet werden, so ist nur nöthig, dass diese letz-
teren dieselbe gegenseitige Anordnung haben wie die dazugehörigen vor-
deren Kegelenden. Es muss dann ein aufrechtes Netzhautbild entstehen,
ob die Kegelfäden gerade oder gebogen verlaufen. Wenn die drei Punkte
a, b, c eines Gegenstandes in den Axen der drei nebeneinander stehen-
den vorderen Kegelenden av bv c{ liegen, so müssen die von ihnen aus-
gehenden Lichtstrahlen den Netzhautelementen a2, b.2, c2 zugeführt werden.
Stehen diese letzteren auch nebeneinander, so erhalten sie also ein Bild
• von a, b, c. Nun stehen sie aber nebeneinander, wie daraus mit Bestimmt-
heit zu ersehen ist, dass auch beim Scheitelauge von Phronima die Kegel-
fäden vollkommen regelmässig, d. h. ohne sich zu verflechten oder zu
kreuzen, nach der Netzhaut convergiren.
Dass nun wirklich Licht, das näherungsweise mit der Axenrichtung
in den Kegel eindringt, in der geschilderten oder einer ähnlichen Weise
durch denselben bis an seine Spitze geleitet wird, davon überzeugte ich
mich am Seitenauge von Phronima folgendermassen. Das Auge, gefärbt
und in Celloidin eingebettet, wurde in dicke Schnitte zerlegt und ein Kegel
ausgesucht, dessen Axe senkrecht stand, mit dem vorderen Ende dem Spiegel
des Mikroskopes zugewendet. Man sieht nun bei passender Beleuchtung
ganz wie bei einem Glasstab das obere Ende hell und dunkel werden, wenn
man das untere Ende belichtet oder beschattet. Das Licht selbst gab
den Beweis, dass es den Kegel der Länge nach durchsetzt hatte, denn es
war tief roth gefärbt, obwohl die nicht senkrecht stehenden Kegel so schwach
tingirt waren, dass sie eben nur eine röthliche Farbe erkennen Hessen.
Auf ähnliche Weise überzeugte ich mich nun aber auch — es geschieht
das wohl jedem Forscher — dass die Dinge doch noch complicirter sind,
als man sie sich vorgestellt hat. Auch diese Krystallkegel, die, wie
Claus richtig beschreibt, aus zwei longitudinal aneinandergelegten
— 134 —
Stücken bestehen, sind nämlich wieder nach dem Principe der Linsen-
cylinder gebaut.
Die lichtsammelnde Wirkung der Linsencylinder wird sich also zu
der gleichen Wirkung der vorderen convexen Kegelfläche addiren. Es fragt
sich, was für eine Bedeutung für das Sehen
kann diese Sammelwirkung an den Krystall-
kegeln überhaupt haben? Mir scheint dieselbe auf
der Hand zu liegen.
Ich habe oben (S. 59) gezeigt, dass ein
Kegel im strengen Sinne des Wortes nicht ge-
eignet ist, Licht an seine Spitze zu leiten. Hier
handelt es sich aber gerade um etwas derartiges,
und speciell um die Lösung der Aufgabe, das
aus einer bestimmten Eichtung, nämlich der Axe
kommende Licht in den Kegelfaden zu bringen.
Betrachten wir die Sache in Holzschn. Fig. 21
etwas schematisirt. Würde eine Brechung der
Lichtstrahlen nicht stattfinden, so könnte von
einem entfernten, auf der Axe x y des Kegels ge-
legenen Punkte fast nur ein Lichtbündel bei m n in
den Faden eintreten, das den Querschnitt m'n'
hat. Etwas von den benachbarten Strahlen würde
wohl noch durch Reflexion dahin gelangen, aber
aus den oben angeführten Gründen würde das bei
der Feinheit des Fadens nicht viel sein. Anders
ist es, wenn die Strahlen gebrochen werden. Es
kann dann das ganze von demselben Object-
punkte kommende Lichtbündel, dessen Basis a b
der Breite des Kegelendes entspricht, den Faden
erreichen; denn die Wellenoberfläche von a b
wird durch die Brechung an der convexen Fläche
nach unten concav (ax bj, welche Concavität
durch den Linsencylinderbau im Fortschreiten
der Wellenoberfläche noch vermehrt wird (a2 b2),
und bedenkt man, dass die Richtung der Strahlen
immer senkrecht auf der Wellenoberfläche steht,
so gelangt ein Strahlenkegel «2 °, \ ° in den Faden, welcher nun durch totale
Reflexion (\ az) bis an das Netzhautelement geleitet wird und alles Licht
enthält, das aus jener Richtung in die Convexität des Kegels eingedrungen ist.
Die kegelartige Erweiterung am vorderen Ende, ihre convexe Fläche
und ihr Linsencylinderbau erzielt also eine sehr nennenswerthe Hellig-
keitssteigerung des Netzhautbildes.
Strahlen, welche schief in den Kegel eindringen, werden, je nach dem
Grade ihrer Neigung gegen die Axe, entweder eliminirt (s. oben) oder
135
sie werden auch in den Kegeltaden gelangen. Ks ist dies natürlich der
kleinere Theil, der eine geringe Neigung gegen die Axe hat. Er niuss
aber bewirken, dass in einen Kegelfaden nicht nur das Licht des Axen-
punktes, sondern auch das seiner nächsten Umgebung gelangt.
Also auch Phronima sieht mit einem aufrechten Netzhautbild, das
dem Appositionsbilde verwandt ist, sich von ihm aber dadurch unter-
scheidet, dass ausser der Brechung in jedem Facettenglied auch noch eine
Leitung des Lichtes durch totale Reflexion vorhanden ist. Das Thier sieht
wie die Libelle nach oben mit einem mehr abgeflachten Auge, was wohl
eine ähnliche Bedeutung haben dürfte, wie bei jener. Im Ganzen ist das
Auge jedenfalls ein weit unvollkommeneres als das anderer Krebse.
Die bisher besprochenen Augenformen hatten manche Absonderlich-
keiten, führten aber doch immer wieder auf den Typus des Facettenauges
mit aufrechtem Netzhautbild zurück. ■
c) Bei Copilia aber und ihren nächsten Verwandten, besonders
Sapphirina, hat man neuerer Zeit eine Augenform kennen gelernt, die in
der That im höchsten Grade absonderlich ist und in den Rahmen keines
bekannten Augentypus zu passen scheint.
Copilia, die ich lebendig und todt zu untersuchen Gelegenheit hatte und
von der ich deshalb hier allein zu sprechen habe, ist ein wenige Millimeter
grosser, von oben nach unten abgeplatteter Copepode, in der Flächenansicht
näherungsweise von der Gestalt eines gleichschenkeligen Dreieckes. Die
Basis desselben bildet die vordere Kante des Thieres, und an deren beiden
Enden findet sich eine auffallend schöne Linse, deren eine convexe Fläche
nach vorne sieht und an Wasser grenzt, und deren hintere Fläche dem
Innern des fast ganz durchsichtigen Körpers zugewendet ist. (Vgl. Holz-
schnitt Fig. 22.)
Grenadier hat bemerkt und ich kann es bestätigen, dass die Linse
aus zwei Substanzen besteht, einer cuticularen, welche selbst wieder die
Form einer concav-convexen Linse hat, und einer dahinterliegenden bicon-
vexen stärkeren Linse. Die Linsen bilden die vordersten Theile des ganzen
Thieres, und hinter denselben ist nichtj wie man erwartet hätte, eine Retina,
sondern durchsichtige Körpermasse. Erst weit hinten, etwa in der halben
Länge des Körpers, gewahrt man eia Gebilde, das man zunächst gar nicht
als mit der Linse in Beziehung stehend erkennt. Es ist ein krystallkegel-
artiger Körper, vorne abgerundet, von starkem Lichtbrecliungsvermögen,
der auf einem knieförmig umgebogenen gelben Stab aufsitzt, dem einzigen
pigmentirten Körpertheil des Thieres. Er endet auf der anderen Seite
stumpf. Bei genauerer Betrachtung sieht man, dass dieser Krystallkegel,
wenn wir ihn so nennen wollen, durch Aufhängebäiider, die bis in die
Nähe der Linse reichen, vorne befestigt ist, und dass weiterhin in den
gelben Stab seitlich ein Nerv, der Sehnerv (n. o.), hineinführt, sich auch
136
ein quergestreifter Muskel an ihn ansetzt. Grenadier, auf dessen Be-
schreibung ich in anatomischer Beziehung verweise (auch Gegenbauer,
Leuckart, Claus und Haeckel haben dieses Auge studirt), und unter
Benützung von dessen schöner Abbildung auch die Fig. 22 angefertigt
worden ist, beobachtete weiter, dass im Innern des gelben (hier grau
gezeichneten) Stabes die Analoga der Retinulazellen, sowie der Rhabdome
zu sehen sind, und zwar wahrscheinlich drei an der Zahl.
Es ist leicht begreiflich, dass ein
solches Auge zu Versuchen anregen
musste, seiner Functionsweise auf die
Spur zu kommen. Es wurde mit einem
Fernrohre verglichen, dessen Objectiv
die grosse Linse, dessen Ocular der
stark brechende Körper ist, den wil-
der Einfachkeit wegen Krystallkegel
nannten. Das möchte wohl gehen, aber
wo ist die Netzhaut, die das Fern-
rohrbild aufnehmen soll? Das Bild jener
Linse muss ja eine ganz bedeutende
Grösse haben; nur der kleinste Theil
des Bildes kann überhaupt vom Kegel
aufgenommen werden, und selbst für
diesen wäre doch die hinlängliche An-
zahl von Nervenenden nicht vorhanden.
Grenadier1 sagt mit Bezug auf die
Leistung dieses Auges: „. . . hier liegen
eine Reihe von Gründen vor, dieselbe für
die gleiche zu halten, wie die des Einzel-
auges des facettirten. Freilich wird bei
consequenter Durchführung der Be-
griffe, die in dieser Hinsicht, nament-
lich bezüglich der Leistung der Stäb-
chen und der Bedeutung ihrer Zahl für
die Sehschärfe, in der Wissenschaft zur
Zeit existiren, diese Leistung zu einer
minimalen heruntergedrückt, und die
grosse Unvollkommenheit des percipirenden Apparates, dessen anato-
mischer Bau die Annahme einer Bildperception ausschliesst, contrastirt
seltsam mit dem sozusagen kolossalen Aufwand von Mitteln zur Erzeugung
eines Bildes, wie sich dieser namentlich im Bau der Linse ausspricht."
Auch ich bin der Meinung, dass eine solche Deutung der Functions-
weise nicht eine befriedigende genannt werden kann. Was könnte auch
nach unseren heutigen Kenntnissen ein einziges Facettenglied für einen
Fig. 22.
1 1. c. S. 73.
137 —
Nutzen bieten, abgesehen von dei sehr fraglichen Analogie des Baues?
Nur der pigmentirte Sehstab mit seinen Retinnlazellen und dem Rhabdom
hat die von Grenadier hervorgehobene Aehnlichkeit mit der Retinula
eines Facettengliedes, im Uebrigen ist eine Aehnlichkeit kaum aufzufinden.
Ich glaube nun, eine ebenso einfache als befriedigende Lösung dieses
Augenräthsels geben zu können.
Nach den Abbildungen und Besehreibungen dieses Auges hatte ich
mir schon gedacht, es sei eine mögliche Functionsart im Folgenden ge-
legen: die Linse entwirft jedenfalls ein verkehrtes Bild äusserer Objecte.
Dieses Bild könnte von einer Netzhaut aufgefangen werden, deren Retina-
elemente gleichzeitig von den verschiedenen Theilen des Bildes erregt
werden. Eine solche Netzhaut aber fehlt; es ist nur ein Netzhautelement, ver-
bunden mit dem Kegel, da: dieses aber könnte successive nach der
Willkür des Thieres von den verschiedenen Theilen des Bildes erregt
werden, wenn es am Bilde entlang geführt wird. Die eine Retinula würde
dann z. B. angesichts einer horizontalen Reihe von Punkten abwechselnd
hell und dunkel sehen und dadurch im Stande sein, die Anordnung der-
selben zu erkennen; es würde bei einer bestimmten Stellung hell sehen,
und durch diese Stellung würde die Lage des hellen Zwischenraumes
geradesogut charakterisirt sein, wie sie es im Wirbelthier- oder Facetten-
auge durch die Lage des erregten Netzhautelementes ist, ja das Thier
würde mit dem einen Netzhautelement eigentlich genau dasselbe thuu, was
wir Menschen mit unserer Stelle des deutlichsten Sehens machen; auch
wir führen ja die Fovea centralis unserer Netzhaut am optischen Bilde
entlang und betrachten uns so des Genaueren die einzelnen, uns inter-
essirenden Stellen: wir machen Blickbewegungen. Oft ist der Vergleich
gemacht worden: wir tasten mit unserem Blicke das Sehfeld ab, indem
wir die Fovea centralis am Netzhautbilde hin und wider führen; ebenso
tastet Copilia mit dem einzigen Netzhautelement das Bild ab, welches die
Linse entwirft. Wir haben freilich dabei noch ein indirectes Sehen, dieses
fehlt der Copilia.
Sollte diese meine Vorstellung von der Functionsweise des Auges
richtig sein, so müssten zwei Bedingungen erfüllt sein. Erstens das Retina-
element, also der gelbe geknickte Stab mit dem darangesetzten kegel-
artigen Gebilde, muss gegen die Linse verschiebbar sein, oder die Linse
gegen das Retinaelement, aber derart, dass sich die Entfernung der beiden
voneinander nicht merklich ändere. Denn das Bild der Linse liegt ja immer
in fast gleicher Entfernung von ihr. Zweitens müsste das Netzhautelement,
wenigstens näherungsweise (wegen des Vorhandenseins des Kegels) in der
Entfernung von der Linse liegen, in welcher auch deren Bild liegt; das
Netzhautelement muss in der Ebene des Bildes liegen und bei den voraus-
gesetzten Bewegungen in dieser Ebene bleiben.
In der Neapeler zoologischen Station hatte ich Gelegenheit, Copilia
lebend zu untersuchen, und der erste Blick durchs Mikroskop überzeugte
— 138 -
mich von der Erfüllung der ersten Bedingung-. Die geknickten Sehstäbe
zeigten die lebhaftesten Bewegungen, welche, wenn man das Thier im
hohlgeschliffenen Objectträger mit dem Deckgläschen eindeckte und es
wahrscheinlich deshalb anfing, bei der geringen Menge Wassers Sauerstoff-
mangel zu empfinden, geradezu krampfhaft wurden. Die Bewegungen waren
aber immer merklich dieselben und symmetrisch. Beide Sehstäbe wurden
gegen die Medianebene gezogen oder von ihr entfernt und blieben dabei
immer, soweit man das ohne Messung beurtheilen kann, in derselben Ent-
fernung von den Linsen. Die Bewegung machte den Eindruck jener Turn-
übung, bei welcher die in der Faust gehaltenen Hanteln oftmals nach-
einander an den Körper gezogen und wieder von ihm entfernt werden.
Nur blieben hier die Sehstäbe immer in der gleichen Weise geknickt,
änderten überhaupt nur ihre Lage innerhalb der genannten Ebene.
Die Exemtionen eines Sehstabes betrugen schätzungsweise ein Vier-
theil der ganzen Breite des Thieres. Ob derselbe ausser diesen seitlichen
Bewegungen auch solche von oben nach unten und umgekehrt macht, Hess
sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Bei der geringen Tiefe des, wie
erwähnt, flachgedrückten Körpers könnten diese Elongationen nur von sehr
geringer Ausdehnung sein.
Besorgt wird die Bewegung wohl zweifellos durch den von Grenadier
beschriebenen und abgebildeten quergestreiften Muskel; auch die Flinkheit
spricht dafür, dass ein quergestreifter Muskel im Spiele ist, Ob dieser
allein wirkt oder ob gewisse Stränge, die sich noch an den Sehstab an-
setzen, doch auch Muskeln sind, wie behauptet worden ist, weiss ich nicht.
Im ersteren Falle würden diese Stränge als elastische Bänder wirken, die
das Zurückschnellen des Sehstabes gegen die Medianebene bewirken, wenn
der Zug des von aussen kommenden Muskels nachlässt. * Die Anordnung
der Stränge, deren einer sich am fingerförmigen Ende des Sehstabes, der
andere in der Nähe des Kegels, den Sehstab umschlingend, ansetzen, würde
hiefür sprechen.
Es ist mir nicht bekannt, dass diese Bewegungen schon beschrieben
worden sind, allein ich gestehe, die einschlägige Literatur nicht genau genug
zu kennen. Doch theilte mir Herr Prof. P. Mayer von der zoologischen
Station in Neapel, dem ich von diesen Bewegungen erzählt hatte, mit,
dass sich in seinen Notizen diese seines Wissens nie, auch nicht von ihm
veröffentlichte, Beobachtung verzeichnet finde.
Was die zweite Bedingung betrifft, nach welcher das Netzhautelement
näherungsweise in der Ebene des Bildes liegen müsse, so ist dieselbe durch
Messung zu prüfen. Ich fand mit dem Mikrometer an einem lebenden
Thiere die Entfernung der hinteren Linsenfläche von der Convexität des
Kegels = 0-87 Millimeter.
Die Entfernung des Bildes, von der Linse zu messen, ist weniger
einfach. Ich schnitt parallel mit der vorderen Begrenzung des Körpers
einen schmalen Streifen des Thieres ab; es gelang mir nach einiger Mühe,
— 139 —
denselben im Wasser so auf die Kante zu stellen, dass die hintere Fläche
der Linse dem Objective des Mikroskopes zugekehrt war. Nun sieht man
ein überraschend schönes und natürlich auch ziemlich grosses Bild, das
die Linse entwirft. Seine Entfernung vom hinteren Linsenpol wurde mit
der Mikrometerschraube gemessen. Ich fand sie 093 Millimeter. Die
Differenz der beiden Messungen beträgt also 006 Millimeter, kommt somit
bei der Entfernung von fast 1 Millimeter nicht mehr in Betracht. Sie ver-
mindert sich aber noch, freilich um eine sehr geringe Grösse, wenn man
bedenkt, dass die Untersuchung in einem hohlgeschliffenen Objectträger
geschah.
Es ist also kein Zweifel, dass der Kegel fast genau in der Ebene
des Bildes liegt. Nun drängt sich aber noch die Frage auf, welche Bedeu-
tung diesem stark lichtbrechenden vorne convexen Kegel zukommen mag. Ich
glaube, auch diese Frage ist unschwer zu beantworten. Oben bei Bespre-
chung des Phronimaauges habe ich auf den Werth von kegelartigen Ge-
bilden hingewiesen, für die Sammlung aller jener Strahlen, welche nähe-
rungsweise die Richtung der Axe haben, und für die Abbiendung der
schief einfallenden Strahlen ist die grosse Bedeutung der Kegel im Ab-
schnitte C des Capitels II, S. 59, auseinandergesetzt worden. Bei der grossen
Entfernung der Linse vom Bilde, beziehungsweise bei der Kleinheit der-
selben, werden die sich in einem Bildpunkte schneidenden Strahlen sehr
spitze Winkel miteinander bilden. Werden sie von der Convexität des
Kegels aufgefangen, so werden sie wohl an seiner Spitzenfläche sämmtlich
wieder austreten und somit in die Retinula gelangen, gleichgültig ob dieses
Auffangen etwas vor oder etwas hinter dem Vereinigungspunkte geschieht.
Sie verhalten sich bei den obwaltenden Dimensionen fast wie parallele
Strahlen. Damit ist aber schon gesagt,1 dass durch Brechung keine anderen
Strahlen an die Retinula gelangen können, als eben jene aus der Gegend
der Linse kommenden, um die es sich beim Sehen handelt. Etwa durch
totale Reflexion könnten noch seitlich einfallende Strahlen störend wirken.
Doch diejenigen, welche mit einer geringen Neigung auf den Kegel fallen
(also aus der Nähe der Linse kommen), müssen nach ihrer Brechung den
hinteren Theil der Mantelfläche des Kegels treffen, wo sie vielleicht von
der eigenthümlichen Pigmentlage absorbirt werden, falls dieselbe die dazu
nöthigen optischen Eigenschaften hat,- vielleicht aber auch thatsächlichreflectirt
werden und die Reinheit des Bildes trüben. Strahlen von stärkerer Nei-
gung aber werden so gebrochen, dass sie aus dem Kegel wieder austreten,
ohne an die Retinula zu gelangen.
Bedenkt man, dass das Thier, abgesehen vom Sehstab, vollkommen
durchsichtig ist, dass also auf das vordere Ende der Retinula, selbst wenn
sie, wie thatsächlich der Fall, am Boden einer kurzen Pigmentröhre sitzt,
1 Wegen des optischen Gesetzes von der Umkehrbarkeit des Strahlenganges, siehe S. 6.
2 Sie müsste sieh zur Kegelsubstanz verhalten, wie z. B. der schwarze Lack zum Glase,
mit dessen Hilfe man schwarze Soiegeln zu machen pflegt.
— 140
Licht aus einem immerhin noch sehr grossen Theile des Sehfeldes gelangen
würde, so leuchtet der Nutzen des vorgesetzten Kegels sofort ein. Er
bewirkt, dass der aus der Linse kommende Strahlenkegel in sehr voll-
kommenem Masse der Eetinula zugeführt und alles oder fast alles Licht,
das aus anderer Richtung kommt, von derselben abgeblendet wird. Aus
der Linse kommt aber an die eine Stelle des Bildes eben nur Licht von
der entsprechenden Stelle des Gegenstandes.
Copilia sieht also, indem sie mit einem lichtempfindlichen
Netzhautelemente das Bild, das die Linse entwirft, abtastet.
Der psychische Process, der dem Erkennen der Objecte zu Grunde liegt,
ist wesentlich jener, der uns zum Erkennen von Formen führt, wenn
wir mit einem Finger tastend, den Kanten und Flächen des Objectes ent-
lang fahren und uns so aus dem Nacheinander der Empfindungen die
Gestalt construiren. Dieses Sehen hat eine gewisse Analogie mit unserem
Sehen bei bewegtem Blicke. Wegen der Körperform des Thieres ist sein
Sehfeld, d. i. die Fläche des Bildes, die es abtasten kann, ein lang-
gestrecktes. Die Ausdehnung desselben ist eine derartige, dass, wie aus
den obigen Angaben hervorgeht, das Thier mit einem Auge eine Strecke
von 1 Meter Länge noch ganz zu übersehen vermag (natürlich successive),
wenn sie sich in einer Entfernung von näherungsweise 2 Meter befindet. '
Das Netzhautbild, das abgetastet wird, ist ein verkehrtes, und der
Umstand, dass das Thier symmetrische Bewegungen mit seinen Sehstäben
ausführt, zeigt, dass es, so wie die Krebse meistens oder immer, mit
jedem Auge besonders sieht, also keinen binocularen Sehact besitzt.
1 Diese Angabe ist natürlich ganz approximativ; ieli kann mich um die Hälfte geirrt
haben; doch gibt sie einen Begriff von der Grössenordnung, um die es sieh hier handelt.
IX. CAPITEL.
Accessorische optische Erscheinungen am zusammen-
gesetzten Auge.
Soweit ich die optischen Vorgänge in den facettirten Augen bisher
besprochen habe, bezogen sie sicli auf die Function des Auges als Seh-
organ, insbesondere also auf die Entwerfung des Netzhautbildes. Es liegt
aber auf der Hand, dass ein so complicirter optischer Apparat, wie dieses
Auge einer ist, auch zu Brechungen, Reflexionen, Absorptionen etc. Ver-
anlassung geben muss, die zwar mit der Function des Sehens direct nichts
zu thun haben, wegen des gesetzmässigen Baues des Organes aber regel-
mässige optische Erscheinungen hervorrufen können, sowie etwa die auf
Reflexion beruhenden Purkinje'schen Bildchen des menschlichen Auges
oder das Leuchten des Katzenauges auch direct mit dem Sehen nichts zu
thun haben. Bei der oft genannten Mannigfaltigkeit im Bau des Facetten-
auges sind auch diese Erscheinungen fast bei jeder Species andere; doch
treten gewisse Typen immer wieder hervor. Von diesen soll hier die Rede
sein und die zum Theil nicht einfache Erklärung derselben gegeben werden.
Einzelne Beobachtungen liegen schon vor, aber allgemeine Erklärungs-
versuche dieser Erscheinungen sind meines Wissens überhaupt noch nicht
gemacht worden.
Ich gehe hauptsächlich ein auf das Leuchten der Facettenaugen und
auf die Pseudopupillen derselben.
1. Das Augenleuchten.
Leydig1 erzählt, er habe vermuthet, dass das von ihm entdeckte
Trachealtapetum im Auge von Schmetterlingen, beim Windenschwärmer
(Sphinx convolvuli) besonders stark entwickelt sei, da von diesem „Lepi-
depterologen (Kleemann) melden, dass die Augen desselben im Dunkeln
wie glühende Kohlen leuchten". Es sei ihm aber erst später gelungen
dieses Thieres lebend habhaft zu werden, und da sah er Folgendes:
„Als ich das erste lebende Thier in der Abenddämmerung erhaschte
und sofort im Freien auf die Beschaffenheit der Augen prüfte, war ich
1 Das Auge der Gliederthiere. Tübingen 1864. Histologie. S. 255.
— 142 —
nicht wenig betroffen, auch keine Spur von einem Leuchten zu gewahren.
Die Augen hatten dasselbe dunkle Aussehen, wie etwa bei einem Käfer.
Zu Hause angekommen, wende ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den
Falter im erhellten, sowie im ganz dunklen Zimmer, doch die Augen
leuchten eben nicht. Des Experimentirens müde, sperre ich das Thier in
eine ausgeräumte Commodenschublade. In aller Frühe des anderen Morgens
sehe ich nach dem Windig; ich ziehe behutsam die Schublade etwas hervor,
der Falter sitzt ruhig am Rande, ich blicke nach seinen Augen — und
sie leuchten jetzt prächtig „wie glühende Kohlen". Ich glaubte
nun, die Bedingung zu kennen, unter denen das Leuchten auftritt. Der
Käfig des Falters stand vom Lichte abgewendet, die Fensterläden waren
geschlossen bis auf einen, die Augen leuchteten, als nur durch den Spalt
der geöffneten Schublade auf das im Dunkeln sitzende Thier etwas Licht
fiel. Unter ähnlichen Verhältnissen sieht man bekanntlich auch am ehesten
z. B. an Hunden und Katzen das Leuchten ihrer Augen. Aber seltsam, als
ich einige Stunden später das noch immer wie im Schlafe ruhig dasitzende
Thier besehe, ist trotzdem, dass ich genau dieselben Umstände wieder
herbeiführe, nicht die leiseste Spur von einem Leuchten wahrzunehmen. Die
Augen haben wieder das dunkle, sammtschwarze Aussehen wie Abends vorher.
Dieselbe Unbeständigkeit beobachtete ich an anderen frisch eingefangenen
Thieren." Leydig schliesst aus derartigen Beobachtungen mit Recht, dass
ausser den entsprechenden Beleuchtungs Verhältnissen noch eine andere
Bedingung erfüllt sein muss, soll ein Leuchten statthaben, dass nämlich
ein gewisser innerer Zustand im Auge statthaben müsse. Er denkt hier
an zwei Möglichkeiten, entweder eine stärkere Füllung der Tracheen, die
das Tapetum bilden, oder „die Contractionszustände der Pupillenschichte
wechseln". Unter den Pupillen versteht hier Leydig die engen Oeffnungen
im Pigmente, durch welche die Spitzen der Krystallkegel oder die oberen
Enden der Sehstäbe hindurchragen und denen er nach gewissen Beob-
achtungen Verengerungsfähigkeit zuschreibt. Wir wissen nach dem Vor-
stehenden, dass diese Auffassung, wenigstens für die Nachtschmetterlinge,
nicht annehmbar ist, doch werden wir uns überzeugen, dass Leydig's
zweite Alternative im Principe zutrifft.
Während sich Leydig über die Verbreitung des Augenleuchtens bei
den Schmetterlingen nicht näher ausspricht, sich nur wundert, dass er bei
gewissen Arten, die auch Tracheen im Auge haben, kein Leuchten finden
konnte, spricht Max Schult ze den Satz aus, dass die Augen der Nacht-
schmetterlinge im Dunkeln leuchten, die der Tagschmetterlinge nicht.
Dieser Satz, soferne man ihn aussprechen will, ohne von den Tausenden
von Schmetterlingen, die es gibt, mehr als einen sehr kleinen Bruchtheil
untersucht zu haben, ist, wie wir sehen werden, wenigstens unter gewissen
Bedingungen richtig, unbegreiflich aber ist, dass Max Schultze der leicht
zu bestätigenden Beobachtung Leydig's widerspricht, dass die Augen
eben nur zeitweilig leuchten. Er stellt die Behauptung auf, dass sie jeder-
— 143 -
zeit leuchten, wenn man die Thiere in den dunklen Raum bringt, und
schreibt den vermeintlichen Irrthum Leydig's der Unzweckmässigkeit der
Beleuchtung zu. Die Ursache des Leuchtens sieht er nicht in der Schichte
der Tracheen, sondern in der vou ihm beschriebenen Blättchenstructur der
Sehstäbe.
Endlich hat Kühne1 nach Beobachtungen hauptsächlich an einem
Todtenkopf (Acherontia atropos) ausser Zweifel gestellt, dass stärkere Be-
leuchtungen das Augenleuchten zum Schwinden bringen und dass sich der
Zustand des Auges, in welchem es leuchtet, wiederherstellt, wenn das
Thier längere Zeit im Dunkeln gehalten wurde. Er sah nämlich während
der Beleuchtung des Auges mit dem Augenspiegel das Leuchten vergehen.
Aus der Langsamkeit, mit der die entsprechende Veränderung im Auge
vor sich geht, vermuthet er, dass dieselbe auf Vorgängen an Pigmentzelleu
beruhe, da sie für eine Muskelaction zu langsam, für eine Aenderung au
den Tracheen zu rasch erfolge.
Eigene Beobachtungen. A. Insecten. Mit Hilfe des Augenspiegels
untersucht, zeigen nicht alle, wohl aber die meisten Facettenaugen die
Fälligkeit zu leuchten, d. h. das eingedrungene Licht nach bestimmten
Gesetzen zurückzuwerfen und aus dem Auge wieder austreten zu lassen,
in voller Analogie zu dem sogenannten Augenleuchten der Wirbelthiere.
Wie bei diesen die Pupille leuchtet, so beschränkt sich auch bei den
Facettenaugen das Leuchten auf ein kreisförmiges Stück derselben, welches
ganz oder nahezu identisch ist mit dem Sitze jener optischen Erscheinung,
die wir unten als Pseudopupille kennen lernen werden. Es sei mir deshalb
jetzt schon gestattet, von der leuchtenden Pseudopupille zu sprechen,
obwohl ich die Eechtfertigung des Namens Pupille erst später bringen
werde. Ein wesentlicher Unterschied aber zwischen dem Leuchten der
beiden Augenarten zeigt sich sofort, wenn man das Facettenauge dreht,
während die Richtung der Beleuchtung und die Stellung des Beobachters
dieselbe bleibt. Es behält nämlich dann auch die leuchtende Stelle des
Auges dem Beobachter gegenüber immer dieselbe Lage, d. h. während der
Drehung des zusammengesetzten Auges wechselt die leuchtend erscheinende
Gruppe von Facetten. Ist die Beleuchtung des Auges eine möglichst voll-
kommene, so* erscheint dem Beobachter leuchtend die Facette, deren opti-
sche Axe in der Richtung seiner eigenen Augenaxe liegt, und deren kreis-
förmig begrenzte Umgebung. Wie gross dieser leuchtende Kreis ist, hängt
vom feineren Bau des Auges, sowie von der Stellung der beiden Pigment-
lagen ab; er kann, wie das bei Nachtschmetterlingen und Dunkelstellung
des Pigmentes geschieht, mehrere Millimeter im Durchmesser haben, und das
sind die Fälle, welche von Leydig, Kühne und Anderen beschrieben worden
sind; er kann aber auch, und so verhält es sich normalerweise bei Tag-
schmetterlingen, so klein sein, dass er nur unter besonders günstigen Ver-
1 Eine Beobachtung über das Leuchteu der Tnseotenauiien. Untersuchungen des phys.
Institutes der Universität Heidelberg. Bd. I. Heft 3. Heidelberg, bei Winter.
— 144 —
hältnissen überhaupt und da fast nur unter Lupenvergrösserung wahr-
genommen wird, und wenn es mir bei manchen Insecten und bei den
meisten Krebsen in Lichtstellung überhaupt unmöglich war, den leuchten-
den Kreis zu sehen, so beruht das offenbar wenigstens zum Theile darauf,
dass seine Grösse eben jenseits der Grenze der Wahrnehmbarkeit fällt.
Ich vermuthe das darum, weil ich ihn bei manchen Insecten erst vergebens
gesucht, später aber doch als kleines leuchtendes Pünktchen gefunden
habe. Die Farbe des leuchtenden Kreises ist gewöhnlich roth, kann aber
auch bei gewissen Alten eine weissliche bis grünliche sein, und während
der Dauer der Belichtung des Auges ihren Ton ändern.
Ich gebe keine Abbildung von dem wenigstens theilweise bekannten
Leuchten der Insectenaugen, doch können die Krebsen angehörigen Figuren
68 und 70 der Taf. VII als Beispiele engeren und ausgebreiteteren Augen-
leuchtens dienen, welches dem der Tag- und Nachtschmetterlinge recht
ähnlich ist.
Gerade wie beim Wirbelthierauge die optischen Vorgänge zwar wesent-
lich dieselben sind, ob das Auge ein Tapetuni enthält oder nicht, man aber
doch der auffallenderen Lichterscheinung wegen hauptsächlich von den mit
Tapetum versehenen Augen als von leuchtenden Augen spricht, so kann man
es auch bei Facettenaugen halten. So wie das menschliche Auge unter
günstigen Umständen eine leuchtende Pupille zeigt, hat auch das Fliegen-
auge unter analogen Bedingungen eine leuchtende Pseudopupille; dieses
Leuchten ist aber in beiden Fällen ein unscheinbares gegenüber den mit
Tapetum versehenen Augen einerseits der Raubthiere, gewisser Wieder-
käuer u. s. w., andererseits der Nachtschmetterlinge und der Nachtkrebse,
letzterer für den Fall, dass sie im Dunkeln gehalten worden waren.
Ich beginne mit der Besprechung des Augenleuchtens der Nacht-
schmetterlinge als jener Thiere, bei denen diese Erscheinung schon
bekannt ist und in vollkommenstem Masse auftritt. Die Erklärung des
Phänomens ist für die verschiedenen Thierclassen wesentlich dieselbe, so
zahlreich auch seine Variationen sind. Es wird also auch für diese
genügen, wenn ich mich zunächst an die Nachtschmetterlinge halte.
Es ist Regel, dass ein nach Anbruch der Dunkelheit gefangener
Nachtschmetterling, den man so hinter eine Lichtflamme hält, dass das
beobachtende Auge, Flamme und der Kopf des Schmetterlings fast in einer
Geraden liegen (letzterer also hart an der Flamme vorbei gesehen wird),
leuchtende Augen zeigt. Die Art des Leuchtens ist mit Recht dem glühen-
der Kohlen verglichen worden. Schöner noch und bequemer ruft man die
Erscheinung hervor, wenn man einen Augenspiegel zur Beleuchtung ver-
wendet; ich pflegte denselben mit einer Convexlinse, die ich als Lupe
benützte, zu versehen. Man erkennt dann leicht, dass nicht das ganze Auge
leuchtet, sondern nur eine kreisrunde Scheibe desselben, dass bei Drehung
des Thieres diese Scheibe am Auge so wandert, dass sie ihre Fläche stets
dem Beschauer zuwendet und dass sie, an den Rand des Auges geschoben,
145 -
hinter demselben nach und nach zu verschwinden scheint. Betrachtet man
das Thier von vorne, so sieht mau beide Augen leuchten, aber entspre-
chend der Randstellung der leuchtenden Pseudopupillen in jedem Auge nur
einen linsenförmigen Abschnitt.
Die Erklärung des Augenleuchtens schliesst sich vollkommen
an die des Wirbelthierauges an. Das hinter und zwischen den Sehstäben
gelegene Tapetum wirft, wie wir sahen, das Licht, nachdem es die Seh-
stäbe durchsetzt hat, wieder zurück. Auf diesem Rückweg wird es haupt-
sächlich die schon einmal durchlaufenen Sehstäbe, beziehungsweise Rhab-
dome zum zweitenmale durchdringen uud dadurch die Sehfähigkeit des
Auges bei geringen Heiligkeiten erhöhen. Es ist aber bei der Structur des
Tapetum kaum anders denkbar, als dass ein Theil des Lichtes auch diffus
zerstreut wird. Bei geringen Helligkeiten, also unter den normalen Ver-
hältnissen für das Dunkelauge, wird dieser kaum in Betracht kommen, bei
grossen Helligkeiten, also dem besprochenen Fall, dass das Dunkelauge in
die Nähe einer Lichtflamme gebracht wird, muss sich auch dieses diffus
gewordene Licht bemerkbar machen.
Erinnern wir uns an den normalen Strahlengang im Dunkelauge eines
Insectes, wenn ein leuchtender Punkt als Gegenstand fungirt. Das Iris-
pigment steht zwischen den Krystallkegeln, die Strahlen eines mächtigen
Lichte}- linders (vgl. Holzschnitt Fig. 11 auf S. 40) werden durch die
Facettenglieder so gebrochen, dass sie sich im Bildpunkte B treffen. Dieser,
iu der stark reflectirenden Netzhautschichte liegend, wirkt nun selbst als
leuchtendes Object und die von ihm ausgehenden Strahlen, soferne sie in
die Krystallkegel ein- und durch dieselben hindurchdringend in das Auge
des Beobachters gelangen können, werden gerade so gebrochen, wie die
einfallenden Strahlen gebrochen worden waren; es zeigen also die Linien
der Fig. 11 x' B ?/', p B q, sowie alle dazwischen liegenden jetzt den Weg
an, welchen die von der beleuchteten Netzhaut ausgehenden Strahlen
durch den dioptrischen Apparat einschlagen, um wieder uach Aussen zu
gelangen. Das Resultat ist wieder ein Strahlencylinder, der denselben Weg
zurückgeht, den er, von dem beleuchtenden Lichtpunkt kommend, nach
dem Auge gegangen war. Würden die Verhältnisse mathematisch genau
die eben geschilderten sein, so könnte man (wie beim Wirbelthierauge)
mit unbewaffnetem Auge das Leuchten nicht sehen, sondern nur mit Hilfe
des Augenspiegels, denn das beobachtende Auge müsste sich genau an dem
Punkte im Räume befinden, an welchem gleichzeitig der beleuchtende
Lichtpunkt sein muss. Noch weniger als beim Wirbelthierauge ist aber
dieser ideale Zustand im Facettenauge verwirklicht, und deshalb genügt
es, wenn man, wie oben beschrieben, das Auge des Beobachters und die
Lichtquelle nur näherungsw7eise mit dem beobachteten Facettenauge in
dieselbe Linie bringt. Andererseits aber ist das geschilderte Verhalten
doch die Ursache, aus welcher das Augenleuchten bei ungeeigneter Ein-
fallsrichtnng des Lichtes gar nicht und am vollkommensten mit Hilfe des
Einer, Facettenaugen. ^Q
- 146 —
Augenspiegels beobachtet werden kann; denn dieses Instrument ermöglicht
eben Lichtquelle (beziehungsweise deren Spiegelbild), beobachtendes und
beobachtetes Auge in eine Linie zu stellen.
Wäre nämlich jener ideale Zustand verwirklicht, so müsste das Augen-
leuchten, falls ein Punkt als Lichtquelle dient, sofort verschwinden, wenn
der Beobachter sein Auge aus der genannten Richtung bringt. Das ist nun,
wie wir sahen, erst bei recht merklicher Verschiebung der Fall. Unter-
sucht man mit dem Augenspiegel, indem man diesen sammt dem eigenen
Auge um das Facettenauge als Centrum bewegt, und merkt sich eine
Stelle, z. B. die Mitte des untersuchten Auges, so kann man gewahren,
dass, auch wenn die Lichtquelle als punktförmiges Object zu betrachten
ist (z. B. das Spiegelbild der Sonne durch einen Helmholtz'schen
Augenspiegel als Object benützt wird), diese Stelle schön leuchtend erscheint,
während man einen Bogen von ziemlich viel Winkelgraden um das Auge
beschreibt. Die leuchtende Pseudopupille ist eben recht gross und die
Stellung des Beobachters, bei welcher die Mitte des Auges in dieselbe hinein-
rückt, demnach recht verschieden von der Stellung, bei welcher sie wieder
herausrückt. Gemessen habe ich die Anzahl dieser Winkelgrade nicht, da
sie verschieden ist bei verschiedenen Species und auch bei demselben
Individuum unter verschiedenen Pigmentzuständen des Auges.
Diese Beobachtung lehrt, dass auch bei punktförmiger Lichtquelle
die aus einer Facette austretenden Lichtstrahlen nicht nur, wie es jener
ideale Zustand voraussetzte, nach einer Sichtung verlaufen, sondern dass
sie einen Lichtkegel bilden. Dieser Lichtkegel ermöglicht es also auch,
dass wir das Auge leuchten sehen, ohne Zuhilfenahme des Augenspiegels,
und es fragt sich nun, woher kommt es weiter, dass beim Facettenauge,
indem es leuchtet, an jedem Punkte seiner Oberfläche (oder doch an
jeder Hornhautfacette) ein ganzer Lichtkegel austritt. Beim Wirbelthier-
auge ist das nur der Fall, wenn das Netzhautbild eine merkliche Aus-
dehnung hat.
Diese Frage ist leicht zu beantworten. Es mag hierbei in Betracht
kommen, dass unter den genannten Umständen, wo ein grelles Netzhaut-
bild bei voller Dunkelstellung des Pigmentes im Auge entworfen wird,
dieses eben durch Diffusion des Lichtes seine Punktform verliert. Man
bedenke, dass sowohl die stark lichtbrechenden Shabdome als das Tracheal-
tapetum so stark Licht zerstreuen und reflectiren muss, dass das Netzhaut-
bildchen der punktförmigen Sonne so wenig punktförmig sein wird, wie
etwa das Sonuenbildchen, durch eine Linse auf Milch entworfen, seine
richtige Grösse zeigen würde. Mehr aber dürfte ein anderer Umstand in
Betracht kommen. Die Netzhaut des Facettenauges ist im Vergleiche zu
der des Wirbelthierauges sehr dick, auch das Tapetum liegt in sehr ver-
schiedenen Ebenen. In welcher Ebene immer die Perception des Netzhaut-
bildes geschehen möge (wenn sie überhaupt in einer Ebene geschieht), so
ist kein Zweifel, dass sowohl die Netzhaut als hauptsächlich das Tapetum
117
in sehr verschiedener Tiefe des Auges erleuchtet wird, somit auch die
zurücklaufenden Strahlen aus sehr verschiedenen Entfernungen auf den
dioptrischen Apparat stossen. Wenn der Punkt B in Fig. 11, S. 40, den
vordersten Enden der Sehstäbe entsprechen würde, so niüsste nicht nur
von diesem aus Licht nach den Krystallkegeln zurückkehren, sondern auch
von weiter hinten gelegenen Stellen, z. B. von den Tracheen, welche das
hintere Ende dieses Sehstabes umfassen, und da diese Tracheen von hinten
nach vorne verlaufen, auch wieder von den verschieden tief gelegenen An-
theilen derselben. Es ist. aber klar, dass diese Strahlen dann unter einem
anderen Winkel gegen die Axe desselben Krystallkegels, z. B. nach n, ge-
langen müssen als der Strahl Bn, somit auch unter einem anderen Winkel
aus der Hornhautfacette austreten. Das ist offenbar die hauptsächlichste
Ursache dafür, dass an jeder Facette ein ganzer Strahlenkegel das Auge
verlässt, dessen Spitze in der Facette gelegen ist. Von der Grösse dieses
Strahlenkegels, d. h. von der Grösse seines Spitzenwinkels hängt ceteris
paribus aber direct die Grösse der leuchtenden Pseudopupille ab.
Die Erscheinungen des Augenleuchtens erklären sich also nach den-
selben Principien wie bei Wirbelthieraugen, sie unterscheiden sich aber
insoferne, als an Stelle der Pupille eine mit der Stellung des Beobachters
ihre Lage ändernde Pseudopupille tritt und die erhellten Objecte im Augen-
hintergrunde nicht in einer, sondern in sehr verschiedenen Ebenen liegen,
demnach die an einem Punkte das Auge wieder verlassenden Strahlen in
einem Strahlenkegel divergiren, auch wenn die beleuchtende Lichtquelle
eine punktförmige. ist.
Das Verschwinden des Augenleuchtens in Folge von Lichtein-
wirkimg ist bei Nachtthieren eine allgemeine Erscheinung. An jedem der
vielen von mir darauf geprüften Nachtschmetterlinge habe ich beobachten
können, dass die am Abend gefangenen Thiere leuchtende Augen haben
und dass dieses Leuchten verschwindet, wenn man sie in einen hellen
Raum bringt. Die Geschwindigkeit, mit der das geschieht, ist wohl von
sehr verschiedenen Umständen abhängig, vor Allem von dem Grade der
einwirkenden Helligkeit; eine Eule, die des Abends in mein Zimmer ge-
flogen kam, zeigte nach 25 Minuten kein Augenleuchten mehr, wenigstens
nicht in jenen Theilen des Auges, die ich in dieser Zeit wiederholt mit
dem Augenspiegel beleuchtet hatte. Das ist also ungefähr die Zeitdauer,
in welcher der Zustand des Auges den Wechsel durchmacht. Langsamer
geht die Umwandlung in entgegengesetzter Richtung vor sich. Nach meinen
Erfahrungen braucht es immer mehr wie eine Stunde, bis das nicht leuch-
tende Auge wieder leuchtend geworden ist. Zweifellos hängt die Lebhaftig-
keit dieser Vorgänge auch von dem Gesundheitszustand der Thiere ab.
Matte, im Absterben begriffene Schmetterlinge verlieren die Fähigkeit,
leuchtende Augen zu bekommen. Der Uebergang hingegen in Nichtleuchten
scheint auch noch bei recht kranken Thieren verhältnissmässig gut abzu-
laufen: ich habe schon gesagt, dass ich wiederholt bei der Glucke (Lasio-
10*
— 148 —
campa quercifolia) folgenden Versuch gemacht habe. Dem dem Dunkeln
entnommenen Thiere wird sagittal eine Kopfhälfte sammt dem Auge ab-
geschnitten und dann wird es in die Sonne gebracht. Das zurückgebliebene
Auge, zunächst wunderschön leuchtend, war nach circa einer Viertelstunde
vollkommen dunkel geworden.
Was das Hervorrufen des Leuchtens bei Tage anbelangt, so muss ich
bemerken, dass man für sorgfältigen Abschluss des Lichtes sorgen muss.
Man täuscht sich eben leicht über den Grad der Dunkelheit in der Nacht,
und eine kleine Spalte am Käfig des Thieres reicht hin, das Auge am
Uebertritt in die Dunkelstellung zu verhindern.
Die Art, wie das Augenleuchten erlischt, hat, wie gesagt, Kühne
nach Beobachtungen an einem Todtenkopf vollkommen zutreffend beschrieben :
die leuchtende Kreisscheibe wird kleiner und kleiner, blasst dabei etwas
ab, zeigt auch Unregelmässigkeiten in der Helligkeitsvertheilung besonders
am Rande, bis endlich nichts mehr von ihr zu sehen ist.
Dem ist noch hinzuzufügen; dass, wenigstens bei gewissen Schmetter-
lingen, die klein gewordene leuchtende Scheibe zunächst von einem schwarzen,
weiter nach aussen von einem bräunlichen Hofe umgeben erscheint (es sind
das die Phänomene der später zu besprechenden Pseudopupille) und dass
die grösseren Unregelmässigkeiten wohl von ungleicher Beleuchtung der
verschiedenen Augenantheile herrühren.
Den physiologischen Vorgang, der dem Erlöschen des Augenleuchtens
zu Grunde liegt, wird der Leser schon aus dem Mitgetheilten entnommen
haben. Er besteht in den oben ausführlich besprochenen Pigmentverschie-
bungen in Folge der Lichteinwirkung. Bei den in Rede stehenden Nacht-
schmetterlingen kommt nur die photomechanische Wirkung des Irispigmentes
in Betracht. Es ist klar, dass, wenn dasselbe in die Lichtstellung über-
getreten ist, nicht nur das Netzhautbild um Vieles weniger hell, deshalb
auch das aus dem Auge rückgestrahlte Licht entsprechend vermindert
sein muss, sondern dass auch die leuchtende Kreisscheibe mit zunehmender
Lichtstellung an Grösse bis zum Verschwinden abnehmen muss. Denn
(vgl. Holzschnitt 19, S. 64) so wenig wie Lichtstrahlen durch die von ab
entfernteren Krystallkegel noch nach fr, dem Bildpunkte, gelangen können,
um sich an der Erzeugung des Bildes zu betheiligen, wenn das Irispigment
in Lichtstellung ist, ebensowenig können, von dem immer noch in b liegen-
den Bildpunkte aus, Strahlen durch diese seitlichen Facettenglieder aus-
treten. Sie werden vom nach hinten geschobenen Irispigmente aufgefangen.
Rückt das Pigment im ganzen Auge gleichmässig nach hinten, dann sind
es die von ab entferntesten Strahlen, welche zuerst am Austritt ge-
hindert werden: es verschwindet die periphere Zone der leuchtenden
Scheibe zuerst, und mit successiver Zunahme der Lichtstellung werden
ebenso successive die ab näher gelegenen Strahlen abgeblendet: die Scheibe
geht ein, bis endlich nur wenige, vielleicht nur mehr eine Facette Licht
nach aussen treten lässt: das Leuchten ist verschwunden.
149
Man ersieht hieraus, dass man sich jederzeit mit Hilfe des Augen-
spiegels von dem Zustande des Irispigmentes am lebenden Thiere über-
zeugen kann, ein Umstand, der mir beim Studium der Pigmentverschie-
bungen sehr dienlich war.
Ich komme zur Besprechung eines weiteren Verhaltens, durch welches
sich die leuchtende Pseudopupille von der leuchtenden Wirbelthierpupille
unterscheidet. Es besteht darin, dass die Licht Wirkung auf das Irispigment
eine locale ist. Während sich also die Säugethierpupille bei Lichtwirkung
im Ganzen contrahirt und dabei rund bleibt, kann die leuchtende Pseudo-
pupille verschiedene Gestalten annehmen, indem auf einen Theil des Auges
Licht eingewirkt hat, auf einen anderen keines oder doch weniger. Ich wage
nicht zu behaupten, dass die nicht belichteten Theile des Auges vollkommen
unberührt bleiben, doch sind, wenn sie überhaupt in Mitleidenschaft ge-
zogen werden, die Wirkungen an ihnen mit den von mir benützten Hilfs-
mitteln nicht zu bemerken.
Man kann sich von dieser localen Lichtwirkung auf das Augen-
leuchten und somit auf das Irispigment leicht dadurch überzeugen, dass
man ein in der Dunkelheit gefangenes Thier von einer gewählten Richtung
aus mit dem Augenspiegel untersucht. Wenn dann die betreffende Augen-
stelle ihr Leuchten eingebüsst hat, so leuchten noch andere Stellen des
Auges, die man nun, indem man das Thier dreht, der Beobachtung zu-
gänglich macht.
Am schlagendsten habe ich mich von der localen Lichtwirkung durch
folgenden Versuch überzeugt. Ein grosser Windenschwärmer (Sphinx con-
volvuli) wurde an einem Abend, während seine Augen leuchteten, auf einer
Korkplatte fast unbeweglich so befestigt, dass eines seiner Augen in der
oberen Gesichtsfeldhälfte die La^npe und von dieser beleuchtetes weisses
Papier sah, während die untere Hälfte des Auges einem möglichst dunkel
gehaltenen Räume gegenüber stand. Die beiden Sehfeldhälften stiessen in
einer scharfen horizontalen Linie aneinander Nach circa 10 Minuten zeigte
das Auge, mit dem Augenspiegel untersucht, in der oberen Hälfte kein
Leuchten mehr, während die untere Hälfte noch schön leuchtete. Bei
passender Stellung des Auges zum Beobachter konnte man die Grenze der
beiden Hälften einstellen, und gewahrte nun einen correcten Halbmond mit
scharfer horizontaler Grenze und nach unten gewendeter Convexität. Es
entspricht dies also dem in der eben genannten Zeichnung (Fig. 19, S. 64)
dargestellten Schema der Pigmentstellung, wo aus der unteren Hälfte des
Auges noch Licht austreten kann, während in der oberen Alles von dem
nach hinten geschobenen Irispigment absorbirt wird. Diesen Versuch habe
ich zweimal mit demselben Erfolg ausgeführt.
Auch habe ich ihn in folgender Weise modificirt. Ich sorgte dafür,
dass die ganze Umgebung der Lampe und das Zimmer möglichst dunkel
waren und das Thier, ruhig gehalten, die Lampe immer mit derselben
Facettengruppe sehen musste.
— 150 —
Das Resultat war, dass, während das ganze Auge noch leuchtete,
eine beschränkte Stelle dunkel geworden war. Untersuchte man, indem
das T hier hin und her gewendet wurde, mit dem Augenspiegel, so gab
diese photomechanisch modificirte Stelle zu eigenthümlichen optischen
Effecten Veranlassung, sobald man die leuchtende Pseudopupille in ihre
Nähe schob.
Das Verschwinden des Leuchtens geht in der Regel mit einer recht
nennenswerthen Farbenveränderung einher. Während anfangs, wie so oft
beschrieben wurde, die Pseudopupillen zwei glühenden Kohlen gleichen,
geht die rothe Farbe allmählich in ein matteres Orange und einen weiss-
lichen Ton über, um selbst bisweilen, d. h nach meiner Erfahrung bei
gewissen Species, in einem Grünlichweiss zu enden. Leider ist es mir nicht
möglich, für diesen Farbenwechsel eine genügende Erklärung zu geben.
Es läge freilich nahe, das ursprüngliche Roth dem in den Sehstäben ent-
haltenen Sehpurpur ähnlichem Farbstoffe zuzuschreiben und das Erblassen
dann dem Ausbleichen des Farbstoffes in Folge der Lichtwirkung. Doch
ist es mir, wenigstens bei Tagschmetterlingen, wo ich alsbald eine analoge
Erscheinung zu besprechen haben werde, nicht gelungen, ein Ausbleichen
des Farbstoffes auch im directen Sonnenlichte unter dem Mikroskope zu
beobachten.
Was nun die Taginsecten betrifft, so erstrecken sich meine Unter-
suchungen auch hier hauptsächlich auf Schmetterlinge. Ich muss dem
Späteren vorwegnehmen, dass. viele Tagfalter eine schon mit freiem Auge
sichtbare dunkle Pseudopupille zeigen, die von einer Gruppe Nebenpupillen
umgeben ist. Alle diese erscheinen, mit ßder ohne Augenspiegel untersucht,
als dunkle Flecke. Es soll unten noch ausführlich von ihnen die Rede sein.
Die Pseudopupille, die uns hier allein inttressirt, ist von den Nebenpupillen
gewöhnlich leicht durch ihre tiefere Schwärzung und ihre centrale Lage
zu unterscheiden. Sie wandert mit der Drehung des Auges wie die leuch-
tende Pseudopupille der Nachtschmetterlinge. Nimmt man nun z. B. unseren
gemeinen Rübenweissling (Pieris rapae) in die Hand und untersucht sein
Auge mit dem Augenspiegel, indem man als Lichtquelle die Sonne benützt,
so sieht man im Centrum der Hauptpupille einen sehr hellen, roth glänzen-
den Fleck. Derselbe ist so klein, dass ihn nicht Jeder mit unbewaffnetem
Auge erkennen wird — ich pflege den Augenspiegel mit einer Convexlinse
von 2 bis 8 Zoll Brennweite zu armiren — , und anfangs bekommt man den
Eindruck, als würde er nur zeitweilig aufblitzen, um alsbald wieder zu
verschwinden. Es rührt dies, von zwei Umständen her. Erstens sieht man
den leuchtenden Punkt nur, wenn das Licht recht genau aus der Richtung
des beobachtenden Auges kommt. Der concave Augenspiegel entwirft einen
Reflex, in welchem man die centrale Oeffnung als Lücke sieht. Man muss
nun dieses Spiegelbild der Oeffnung, durch welche man durchblickt, hart
neben die Pseudopupille oder doch neben das Auge werfen, soll man den
roth leuchtenden Punkt sehen. Bei Nachtschmetterlingen genügte es voll-
— 151 —
kommen, wenn nur überhaupt vom Spiegel reflectirtes Licht ins Auge
drang. Zweitens verliert der leuchtende Punkt seine rothe Farbe schon
nach einer oder doch sicher nach einigen Secunden der intensiven Beleuch-
tung und wird weisslich und unscheinbar, so dass er der Beobachtung
leichter entgeht. Die Schmetterlinge pflegen sich bei dieser Untersuchung
nicht ruhig zu halten, sie bedroht sie am Leben (mir sind sie wiederholt
todt in der Hand geblieben, ob in Folge von Hitze, lasse ich dahingestellt),
und deshalb machen sie mit dem Kopfe unruhige Bewegungen-. Sowie nun
die Pseudopupille in Folge dessen ihren Platz ändert, leuchtet auch wieder
der helle Fleck in derselben in grellem Roth auf, um sofort wieder abzu-
blassen und in Folge neuerlicher Kopfdrehungen au einer anderen Stelle
aufzutauchen. Dies sind die Ursachen der Unstetigkeit der Erscheinung
am Tagschmetterling. '
Die Erklärung dieser Form des Augenleuchtens ergibt sich
aus der Erklärung des Augenleuchtens der Nachtschmetterlinge sofort,
wenn man die anatomischen Verhältnisse in Betracht zieht. In der That
habe ich erst die Vermuthung gehabt, man müsse auch bei Taginsecten
eine, wenn auch sehr kleine leuchtende Scheibe finden und, indem ich nach
ihr suchte, fand ich das beschriebene Phänomen. Denn wenn auch ein
Tapetum von der Art, wie wir es bei Nachtschmetterlingen kennen gelernt
haben, hier nicht vorkommt, so wissen wir doch, dass ein solches zum
Zustandekommen des Augenleuchtens nicht nothwendig ist, und betrachten
wir das Auge z. B. des Rübenweisslings auf dem Durchschnitt (Taf. IV,
Fig. 31), so verhält es sich, was die Pigmentlagen betrifft, recht ähnlich
dem Auge eines Nachtschmetterlings in Lichtstellung oder in annähernder
Lichtstellung. Letzteres leuchtet noch, und wenn ersteres nicht mehr
leuchtend gefunden wurde, so liegt das gewiss nur an ungenügenden Unter-
suchungsmitteln. Es war deshalb recht wahrscheinlich, dass auch Tag-
insecten mutatis mutandis Leuchten zeigen, und wirklich hat der helle
Fleck in der Pseudopupille des Eübenweisslings recht viel Aehnlichkeit
mit dem letzten Eeste des Leuchtens an Nachtschmetterlingen, bei denen
man auch schon um den leuchtenden, punktförmig gewordenen Kreis die
dunkle Pseudopupille sieht. Dass die dioptrischen Verhältnisse im Auge
der Tag- und Nachtschmetterlinge nicht dieselben sind, wie wir sahen,
kommt hier nicht in Betracht, denn in jedem Falle müssen die Strahlen
von einem Netzhautelement, das durch eindringendes Licht beleuchtet
wurde, wesentlich auf demselben Wege zurückkehren, den sie auf dem
Wege nach dem Netzhautelement zurückgelegt hatten. Es lässt sich nun
freilich in der genannten Fig. 34 nicht genauer angeben, wo Licht zurück-
geworfen wird, ob erst an der Membrana fenestrata oder schon früher
etwa an den die Sehstäbe begleitenden Tracheen oder noch später oder
1 Ich will nicht unerwähnt lassen, dass man bei jenen [nseeten, die Nebenaugen
besitzen, diese in der vorzüglichsten Weise leuchten sieht, wenn man mit dem Augenspiegel
untersucht.
- 152 —
auch an allen drei Orten. Das aber ist sicher, dass wegen der bis unten
reichenden Pigmenthüllen alle Strahlen absorbirt werden müssen, die auf
ihrem Rückwege nicht in der Richtung nach den Spitzen der Krystallkegel
verlaufen. Diese aber dringen dann nahezu genau in der Axe des Facetten-
gliedes in den dioptrischen Apparat ein und erleiden hier eine ganz analoge
Brechung, wie die einfallenden Strahlen erlitten haben.
Stellen wir uns nämlich einen Querschnitt des Sehstabes als beleuch-
tete und somit leuchtende Fläche vor, so wird von diesem ungefähr an
der vorderen Corneafläche ein verkehrtes Bildchen entworfen (sowie normaler-
weise von einem kleinen äusseren Objecte an der Spitze des Krystallkegels
ein verkehrtes Bild entworfen wird), dessen Lichtstrahlen aber wegen der
Linsencylinderwirkung so wenig divergiren, dass sie in ihrer Verlängerung
nur ein ganz kleines Stückchen des Sehfeldes treffen. Haben wir ja ge-
sehen, dass der dioptrische Apparat jedes Facettengliedes seinem Sehstab
nur Licht aus einem sehr beschränkten Gebiete des Sehfeldes, dieses aber
in verhältnissmässig grosser Intensität zuführt. Oder correcter ausgedrückt:
nach den obigen Darlegungen über den Strahlenverlauf in den Tagaugen
gelangen in das Netzhautelement eines Facettengliedes nur Strahlen,
welche von einem engbegrenzten Antheile des Sehfeldes ausgingen, diese
aber in relativ grosser Intensität. Der Querschnitt des vordersten Theiles
eines Netzhautelementes enthält also Punkte, welche entsprechenden
Punkten jenes Stückes des Sehfeldes conjugirt sind. Alle Strahlen, welche
diesen Querschnitt passiren, müssen also auch an die zugehörigen Punkte
des Sehfeldes gelangen. Nun müssen aber alle zurückkehrenden Licht-
strahlen, soferne sie überhaupt das Auge verlassen, jenen Querschnitt des
Netzhautelementes durchsetzen.
Was wir mit dem Augenspiegel beobachten, ist also eine volle Be
stätigung der im dioptrischen Theile dargelegten Verhältnisse. Es beweist,
dass aus jedem Facettenglied nur in einer sehr bestimmt eingehaltenen
Richtung Licht zurückstrahlt, dieses aber auffallend intensiv ist; demnach
müssen wesentlich dieselben Verhältnisse auch für das eindringende Licht
obwalten. Beobachtet man im dunkeln Zimmer unter Benützung einer
Kerzenflamme zur Beleuchtung, so gewahrt man, dass der leuchtende Punkt
im Inneren der schwarzen Pseudopupille kleine Verschiebungen erleidet,
wenn man den Spiegel ein wenig dreht. Der Sinn dieser Verschiebungen
entspricht der jeweiligen Richtung des einfallenden Lichtes, indem
z. B. bei Verschiebung des Spiegelbildes der Kerze nach rechts eine
Facettengruppe ins Leuchten geräth, die auch (spurweise) weiter nach
rechts liegt.
So gibt die Kleinheit des leuchtenden Fleckes in der Pseudopupille
einen Massstab für die Schärfe des Netzhautbildes ab, ja man kann den
Lichtpunkt bei Beleuchtung geradezu als das von Aussen gesehene Netz-
hautbildchen der Sonne auffassen. Sieht man doch auch mit Hilfe des
Augenspiegels ein Netzhautbild im menschlichen Auge.
— 153 —
Das Verblassen des Augenleuchtens bei Tagschmetterlingen bin ich,
wie schon erwähnt, nicht zn erklären im Stande, da ich ein Schwinden
des rothen Farbstoffes in den Sehstäben nicht beobachten konnte. Ich zer-
zupfte das Auge eines Rübenweisslings und sah unter dem Mikroskope die
rothen fadenartigen Gebilde der Sehstäbe. Dann brachte ich das ganze
Mikroskop sammt dem Präparate in die Sonne, wo letzteres nahezu im
Brennpunkte des beleuchtenden Hohlspiegels lag. Trotzdem war auch nach
einer Viertelstunde keine Aenderung in der Intensität der Farbe zu
erkennen.
Nachdem ich nun das Augenleuchten der Insecten im Grossen und
Ganzen besprochen habe, will ich gewisse Einzelnheiten, sowie meine Er-
fahrungen au verschiedenen Thieren mittheilen.
Zunächst, dass ich nicht unterlassen habe, mich davon zu überzeugen,
dass das Augenleuchten eine rein dioptrische Erscheinung ist, wie beim
Wirbelthiere und dass keine Lichtproduction im Auge stattfindet. Schon
aus dem beschriebenen Verhalten des Auges ist mit Sicherheit zu ent-
nehmen, dass nicht etwa leuchtende Körper wie im Leuchtorgan von
Lampyris vorhanden sind, aber an etwas anderes konnte gedacht werden.
Es könnten Stoffe im Augenhintergrunde sein, welche nachleuchten, d. h.
wenn auch nur kurze Zeit nach der Belichtung selbst Licht prodnciren.
Thun dies ja selbst die fiuorescirenden Stoffe, und sind solche im mensch-
lichen Auge nachgewiesen.
Ich construirte mir einen Apparat (nach Art des Phosphoroskopes
von Becquerel), der mit Hilfe eines rotirsnden Zahnrades gestattete, das
Auge eines Nachtschmetterlings in Dunkelstellung zu beleuchten, während
es für den Beobachter verdeckt war und gleich nach Abbiendung der
Beleuchtung sichtbar werden zu lassen. Durch rasches Kotiren konnte sich
dies oftmals in der Secunde wiederholen, so dass ein Nachleuchten, selbst
wenn es von sehr kurzer Dauer wäre, hätte bemerkt werden müssen.
Der Taubenschwanz (Makroglossa), als ein bei Sonnenschein fliegender
Nachtschmetterling, hat, wie wir sahen, Augen, die sich sowohl von jenen
der Tagschmetterlinge wie der Nachtschmetterlinge im feineren Baue unter-
scheiden. (Vgl. Taf. II, Fig. 17 und Taf. VI, Fig. 63.) Auch sein Augen-
leuchten ist eigenthümlich. Mit dem Augenspiegel betrachtet, zeigt sich
ein auffallend grosser, schön grün glänzender Fleck im Inneren der Pseudo-
pupille. Ich sah dieses wiederholt, und zwar am Tage, bei diffusem oder
directem Sonnenlicht.
Auch der Bärenspinner (Euprepria) ist ein am Tage sich herum-
treibender Abendfalter. Er zeigte mir aber ein Leuchten, das dem der
Tagschmetterlinge entsprach, also nur einen ganz kleinen hellen Fleck.
Sehr gut eignete sich zum Studium des Augenleuchtens bei Nacht-
schmetterlingen auch das rothe Ordensband (Catocala nupta), dessen Augen
gross genug sind, um das Leuchten an einem Theile zum Schwinden zu
— 154 —
bringen (durch Lampenbeleuchtung in circa einer Viertelstunde), während
es noch an anderen weiter besteht. Ich brachte ein solches Thier am Tage,
wenn seine Augen gleichmässig dunkel erschienen, in einen lichtverschlos-
senen Raum und nahm es nach zwei Stunden heraus. Die Augen zeigten
das schönste Leuchten.
Was die Tagschmetterlinge betrifft, so glaubte ich anfangs nur bei
jenen Species eine leuchtende Pseudopupille zu finden, die keine schwarzen
Augen haben. Denn der nächste Verwandte des oben behandelten Rüben-
weisslings, der schwarze Augen hat (ich kann nicht sicher sagen, ob es
Pieris crataegi oder brassicae war), zeigte mir trotz mancher Bemühungen
kein Leuchten. Ebenso viele andere schwarzäugige Insecten, insbesondere
Käfer. Doch fand ich später bei dem eben genannten Bärenspinner trotz
seiner schwarzen Augen ein Leuchten wie bei Tagschmetterlingen, und
habe seitdem an mehreren schwarzäugigen echten Tagschmetterlingen die
Erscheinung beobachtet. So z. B. beim Wiesen bläuling (Lycaena).
In meinen Notizen finde ich, dass ich die typische Form der leuch-
tenden Pseudopupille bei folgenden Tagschmetterlingen gesehen und an-
gemerkt habe: bei Vanessa urticae, C-album und cardui, dem Bärenspinner
(Euprepia). Lycaena corydon, Coenonympha Pamphilus, Argynnis Latonia,
Polias, Coleas Hyale, Polyomatus phlaeas, dem Rübenweissling (Pieris
rapae) und einer Hipparchia (Medea?), welche alle einen rothen Augenreflex
zeigen, während mir Pararge megarea, Melanargia galathea, sowie Epine-
phele grünes Augenleuchten zeigten; vom Taubenschwanz habe ich dasselbe
schon angeführt, und ganz ähnlich diesem verhält sich Hesperia coma.
Plusia gama zeigt bei Tage im Inneren der schwarzen Hauptpupille nur
einen helleren Fleck, der erst am Abend in die leuchtende Pseudopupille
übergeht. Es liegt der Gedanke nahe, dass diese grüne Farbe des reflec-
tirten Lichtes der Ausdruck längeren Aufenthaltes im Sonnenschein ist, doch
liegen die Dinge nicht so einfach, dass sie ohne genauere Untersuchung
beurtheilt werden können.
Ich habe natürlich auch anderelnsecten auf die Anwesenheit der leuchten-
den Pseudopupille untersucht, und, wie zu erwarten war, gefunden, dass sie
eine in der Insecten weit recht verbreitete Erscheinung ist. Nur bei Käfern
konnte ich sie niemals sehen. Auch wenn ich z. B. Hydrophilus piceus im
Dunkeln gehalten hatte, in welchem Falle das Irispigment ja eine Stellung
einnimmt, welche der bei Nachtschmetterlingen durchaus ähnlich ist, konnte
ich ein Leuchten nicht sehen. Als Ursache hiefür kann das massige und
dichte Retinapigment der Käfer angesehen werden, ob das aber die alleinige
Ursache ist, muss ich dahingestellt lassen.
Schön sieht man das Augenleuchten, und zwar nach dem Typus der
Tagschmetterlinge in den unteren Hälften der Libellenaugen. Ich habe es
bei verschiedenen Arten gesehen, hebe hier aber Libellula vulgata (Diplex)
— 155
als bestimmt besonders hervor. Audi bei unseren grossen grünen Heu-
schrecken (Locusta viridissima oder caudata), die eine sehr kleine dunkle
Pseudopupille haben, kann man, unter gewissen gleich zu besprechenden
Bedingungen, noch im Inneren derselben das hellglänzende Pünktchen
erkennen.
In anderer Art zeigt sich das Augenleuchten bei Untersuchung mit
dem Augenspiegel und directem Sonnenlicht an allen jenen Insecten, deren
Augen arm an schwarzem Pigment sind. Eine Stubenfliege z. B. zeigt
einen ziemlich grossen roth glänzenden, aber nicht scharf begrenzten Fleck,
in dessen Mitte eine viel hellere Stelle besonders aufleuchtet. Ebenso ver-
hält sich im Allgemeinen das Auge der übrigen Dipteren. Bei manchen
ist der centrale hellste Fleck, den ich als das Analogon der leuchtenden
Pseudopupille betrachten muss , besonders schön ausgebildet , z. B. bei
Eristalis. Sehr schön zeigt sich bei dieser Untersuchungsart wieder die
Differenz der beiden Augenhälften der Libellen, indem auch hier der obere
Augenantheil das Verhalten des Fliegenauges, der untere der des Auges der
Tagschmetterlinge zeigt. Man denke sich in Fig. 67 (Taf. VII) den grossen
schwarzen Fleck, abgesehen von einem schmalen Randstreifen, voll leuchtend,
und in Fig. 66 die mittlere schwarze Hauptpupille mit einem leuchtenden
Fleck versehen, so hat man einen Begriff von den beiden Formen des
Augenleuchtens.
Man kann aber mit Hilfe des Augenspiegels am Libellenauge noch
eine andere physiologisch bedeutsame Beobachtung machen. Dreht man
das Thier, indem man die untere Augenhälfte beobachtet, und achtet auf
die Geschwindigkeit, mit welcher die leuchtende Pseudopupille wandert,
und macht dann dasselbe mit der oberen Augenhälfte, so wird man nicht
im Zweifel darüber sein, dass im letzteren Falle die Bewegung eine weit,
raschere ist. Erinnern wir uns daran, dass die Licht erscheinung in ge-
wissem Sinne als das von aussen sichtbare Netzhautbild betrachtet werden
kann, so ersieht man, dass ein Object von gewisser Winkelgeschwindigkeit
im oberen Theile des Sehfeldes ein Netzhautbild entwirft, das sich schneller
über die Netzhaut bewegt, als wenn dasselbe Object sich im unteren Theile
des Sehfeldes bewegen würde. Oben habe ich auf Verhältnisse hingewiesen,
die dafür sprechen, es sei der obere Theil des Libellenauges wesentlich
zum Sehen von Bewegungen bestimmt, der untere zur Erkennung von
Formen. Das geschilderte Verhalten am Augenspiegel dient als kräftige
Stütze hiefür.
Die Verwaschenheit und Grösse des Netzhautreflexes bei allen nach
dem Typus des Fliegenauges gebauten Insectenaugen erklärt sich von
selbst, wenn man die Lichtzerstreuung auf der Netzhaut wegen des man-
gelnden schwarzen Pigmentes in Betracht zieht. Ich habe oben von der
Diffusion des Lichtes an der Netzhaut als Ursache der grossen leuchtenden
Pseudopupille von Nachtschmetterlingen gesprochen. Am Fliegenauge muss
diese Diffusion eine viel stärkere sein, und da auch das typische schwarze
— 156 —
Irispigment mangelt, so wird der helle Kreis auch keine so scharfen
Ränder haben. Immerhin aber ist zu erwarten, dass das eigentliche Netz-
hautbild als Centrum des verwaschenen Fleckes sich mit besonderer
Intensität abliebt, wie wir das thatsächlich sehen.
Die gegenseitige Lage des Corneareflexes und der Pseudo-
pupille.
Wie gesagt, sieht man das Leuchten der Pseudopupille bei sehr vielen
Insecten, aber nicht bei allen. Eine vermuthete Ursache für den Wegfall
der Erscheinung habe ich schon erwähnt, es ist die Kleinheit und Licht-
schwäche derselben. Bei anderen Thieren aber dürfte noch eine andere
Ursache im Spiele sein, deren Besprechung einiger physikalischer Erläute-
rungen bedarf und auch für das Folgende noch von Bedeutung ist. Ich
will die Sache hier also besonders behandeln.
Ich habe gezeigt, dass und warum die leuchtende Pseudopupille im
Grunde jener Facettenglieder gesehen wird, deren Axen in ihrer Ver-
längerung genau oder näherungs weise das Auge des Beobachters treffen.
Sie erscheint also (in der Regel) an jener Stelle des Insectenauges, an
welcher die Gesichtslinie des Beobachters die Insectencornea senkrecht
schneidet. Nun bildet aber die Cornea selbst eine mehr oder weniger
kugelförmige Wölbung, die als Convexspiegel wirken kann. Sie entwirft
also wie die Cornea des Menschen ein Spiegelbild von jeder Lichtquelle.
Die Lage dieses Spiegelbildes der Sonne bei Untersuchung mit dem
Augenspiegel muss nun aber wieder durch die Richtuug gegeben sein, in
welcher die Gesichtslinie des Beobachters die Hornhautoberfläche des
Insectenauges senkrecht trifft, denn der Werth des Augenspiegels beruht
ja eben darauf, dass die Lichtquelle mit dem beobachtenden Auge von dem
beobachteten Auge aus in derselben Richtung liegt.
Man sollte also zunächst glauben, dass die Pseudopupille überhaupt
nicht Gegenstand der Beobachtung sein könne, da sie von dem starken
Cornearetiex zugedeckt werden müsse. Und in der That glaube ich, dass
dies die Ursache ist, aus welcher bei vielen Thieren eine
leuchtende Pseudopupille nicht gesehen werden kann.
Es fragt sich nun, wieso sieht man sie bei anderen Thieren? Aus
zweierlei Ursachen. Erstens, weil viele Iusecten gar keinen Corneareflex
in Form eines Bildchens haben. Es sind das alle jene, deren vordere
Corneafläche nicht eine gekrümmte Fläche darstellt (wie z. B. bei den im
Wasser lebenden Käfern und Krebsen inTaf. II, Fig. 16 und Tat. V, Fig. 45
bis 56), sondern in Facetten zerfällt, deren jede eine kleine, nach vorne
convexe Fläche bildet (z. B. beiden Schmetterlingen, Taf. IV, Fig. 28 bis 36).
Eine solche Cornea entwirft kein einheitliches Spiegelbild der Lichtquelle,
sondern jede Facette wirkt als selbstständiger Convexspiegel; die mikro-
skopisch kleinen Spiegelbilder dieser aber bilden in ihrer Gesammtheit
— 157 —
nur einen Schimmer über das Auge, der die Wahrnehmung der leuchtenden
Pseudopupille nicht stört. Werden die Krümmungshalbmesser der einzelnen
Facetten aber recht gross, d. h. nähert sich die Gestalt der Fläche einer
einfach gekrümmten, so entsteht doch ein Corneareflex, ähnlich dem an
einer glatten Hornhautfläche, nur weniger scharf (z. B. bei Libellen,
Taf. VI, Fig. 58). Man kann also in dieser Weise schon mit freiem Auge
bestimmen, welcher Art die vordere Hornhautfläche eines Thieres ist.
Zweitens aber sieht man oft die leuchtende Pseudopupille trotz starken
Corneareflex aus folgender Ursache.
Oben (S. 24) wurde gelegentlich der Dioptrik des Limulusauges
auseinandergesetzt, dass , wenn die anatomische Axe des Kegels die
Corneaoberfläche nicht senkrecht schneidet, der Kegel also geneigt auf der
Cornea aufsitzt, an der Kegelspitze Strahlen zur Vereinigung gelangen,
die nicht von jenem Antheile des Sehfeldes stammen, der durch eine auf
die Cornea errichteten Senkrechten getroffen wird, sondern von einem
Sehfeldantheil, der mit diesem einen recht bedeutenden Winkel einschliessen
kann (vgl. Holzschnitt Fig. 9, S. 25). Wir erkannten in dieser Einrich-
tung ein Mittel, das Sehfeld des Thieres bedeutend zu vergrössern, ohne
der Cornea eine gefährlich starke Wölbung zu geben Dieses Mittel ist
in der Thierwelt viel verbreiteter, als man nach der groben mikroskopischen
Untersuchung erwarten könnte, wie die feinere Untersuchung der leuch-
tenden oder nicht leuchtenden Pseudopupille mit Hilfe des Augenspiegels
beweist. Da gewahrt man nämlich als eine ganz gewöhnliche Erscheinung
die örtliche Verschiebung des Corneareflexes gegen die Pseudopupille,
erkennt auch wieder, wie uns das die anatomische Untersuchung von
Limulus und von einigen anderen Thieren erwarten liess, dass diese Ver-
schiebung an den Rändern des Auges ihr Maximum erreicht. Bei gewissen
grossen Libellen und Heuschrecken z. B. wäre es wegen des Zusammen-
fallens von Pseudopupille und Corneareflex nicht möglich, erstere zu sehen,
wenn nicht eine gegenseitige Verschiebung der beiden Phänomene einträte,
sobald man die Beobachtung vom Centrum des Auges gegen den Rand
hin fortsetzt. Hier fallen die beiden Lichterscheinungen räumlich ganz
auseinander, indem der Corneareflex peripherer liegt als die Pseudopupille,
ja ersterer schon am Rande des Auges verschwunden sein kann, während
man die letztere noch übersieht.
Die Erklärung hiervon ist nach dem gemachten Hinweis kaum mehr
nöthig. Man braucht sich nur wieder zu erinnern, dass der Weg der
Strahlen in einem dioptrischen Systeme, wenn er gegeben ist für die eine
Richtung des fortschreitenden Lichtes, auch für die entgegengesetzte
Richtung zutrifft. In Holzschnitt Fig. 9, S. 25, wird also der Strahl, der
von dem beleuchteten Punkte a' ausgeht, den Weg a'oc zurücklegen, da
ein von c nach o verlaufender Strahl, wie wir sahen, den Weg coa'
gegangen war. Ist also die Netzhaut bei a' durch den Augenspiegel
erleuchtet, so wird die leuchtende Pseudopupille in der Richtung co zu
— 158
sehen sein; der Corneareflex aber wird bei x oder einem Punkte, der von
o noch weiter als x gegen die Peripherie des Auges gelegen ist, sichtbar
sein, nämlich an jener Stelle der Corneaoberfläche, an der diese von der
Gesichtslinie des untersuchenden Auges senkrecht getroffen wird.
Im Centrum des Auges, dem der Kegel A der Figur entspricht,
fallen Pseudopupille und Corneareflex zusammen, da der Weg des nach a
gelangenden Strahles senkrecht auf der Hornhautoberiläche steht.
Dieses örtliche Auseinanderfallen von Pseudopupille und Corneareflex
gibt also in theoretischer Beziehung eine schöne Bestätigung der auf
anderem Wege gefundenen Art der dioptrischen Erweiterung des Seh-
feldes; in praktischer Beziehung ist sie von Wichtigkeit, weil sie ermög-
licht, die Pseudopupille noch bei Thieren zu sehen, wo ein starker Cornea-
reflex dies sonst unmöglich machen würde. Es gilt dies nicht nur für die
leuchtende Pseudopupille, sondern in noch höherem Grade für die schwarze,
die unser Interesse später noch in Anspruch nehmen wird.
.B.Krebse. Es war zu erwarten, dass bei der Aehnlichkeit im Baue der
Augen von Insecten und Krebsen auch bei diesen letzteren Erscheinungen,
welche dem Augenleuchten entsprechen, vorhanden sein werden. Ich kannte
dieselben schon, ehe ich wusste, dass die Aehnlichkeit sich bis auf die Ver-
schiebung des Irispigmentes und die Anwesenheit eines Tapetums erstreckt.
So viel mir bekannt, ist das Leuchten der Krebsaugen bisher nicht
beschrieben worden. Es hängt das wohl mit der grösseren Unzugänglichkeit
des lebenden Materiales zusammen.
Zuerst sah ich an einem der kleinen, in unseren Seen und Bächen
vorkommenden gemeinen Krebse (Astacus) mit Hilfe des Augenspiegels
und bei Sonnenbeleuchtung eine roth leuchtende Pseudopupille. Das Thier
war vorher im Dunkeln gewesen. ludem das Leuchten verschwindet, bleibt
eine schwarze Pseudopupille zurück. Ich habe den Versuch bei Sonnen-
beleuchtung, sowie bei künstlicher Beleuchtung am Abend oder des Morgens
ausgeführt, im Allgemeinen mit demselben Erfolg. Freilich fand ich bis-
weilen die Augen nicht leuchtend, wenn ich sie leuchtend erwartet hatte
(nie umgekehrt), was, wie ich jetzt weiss, mit dem Gesundheitszustände
des Thieres zusammenhing. Das Auftreten des Zustandes, in welchem die
Augen leuchten, ist bei Krebsen viel mehr vom Wohlbefinden des Thieres
abhängig als bei Insecten — so weit man dieses Wohlbefinden beurtheilen
kann. Ich habe schon auf dieselbe Thatsache betreffs der Verschiebung
des Irispigmentes, das ja mit dem Augenleuchten in ursächlichem Zu-
sammenhang steht, hingewiesen.
Obwohl die mikroskopische Untersuchung des Flusskrebses (Astacus
fluviatilis) ein Tapetum an der Netzhaut erwies, so steht sein Leuchten
doch weit hinter dem mancher Meerkrebse zurück. Taf. VII, Fig. 71 und 72,
zeigt die Augen eines Einsiedlerkrebses (Pagurus); Fig. 69 und 70 das
Auge einer Species von Palaemon, dessen Leuchten dem von Nachtschmetter-
liugen nicht nachsteht, und Fig. 73, 74 die Augen von Sicyonia sculpta.
159
In jedem Paare dieser Abbildungen ist Licht- und Dunkelauge desselben
Thieres nebeneinander gestellt und bei Lupenvergrösserung abgebildet,
sämmtlich so wie man sie bei Beleuchtung mit dem Augenspiegel sieht. Das
Leuchten der* Dunkelthiere verging im Laufe von Minuten, wenn sie ans
Licht gebracht wurden, so dass das in Fig. 70 dargestellte Auge in das
der Fig. 69, Fig. 72 in 71, Fig. 74 in 73 überging.
Ein ähnlich intensives Augenleuchten sah ich nach Einwirkung der
Dunkelheit bei Dromia vulgaris — ich verweise auf die ausgesprochene
Dunkelstellung, welche Iris- und Retinapigment bei diesem Thiere eingeht,
wie Taf. V, Fig. 55 und 56, zeigt ; ferner bei Nica edulis, Sicyonia sculpta
und Anderen. Während bei diesen Thieren das Auge eine grosse leuchtende
Scheibe zeigt, wie bei den Nachtschmetterlingen, nähert sich das Bild bei
anderen Krebsen insoferne dem der Tagschmetterlinge, als die leuchtende
Pupille kleiner ist und im Inneren einer schwarzen Pseudopupille sichtbar
wird, oder es ist die leuchtende Fläche nicht so scharf begrenzt und nicht
so intensiv wie bei den erstgenannten Thieren. Immer aber ist es ein
unzweifelhaftes Leuchten, das im hellen Räume rasch vergeht. Ohne auf
das Verhalten der einzelnen Thiere näher einzugehen, führe ich an, dass
ich derartiges Augenleuchten bei Carcinus maenas gesehen und Taf. VII,
Fig. 68, abgebildet habe ; ferner bei Innachus , Scyllarus arctus, Pisa,
Galathea strigosa, Herbstia und Maja verrucosa. Waren die Thiere am
Lichte, so verschwand das Leuchten vollkommen bei Innachus, Galathea,
Pagurus, den verschiedenen Species von Palaemon, Sicyonia sculpta, während
ein sehr kleiner Rest einer leuchtenden Pupille, wie bei Tagschmetter-
lingen, bei Carcinus maenas zurückblieb. Wir wissen, dass diese Krabbe
sich wirklich wie ein Tagthier benimmt und auch im Sonnenschein ihr
Wesen treibt.
Eine eigenthümliche Stellung nehmen Palinurus (die Langusta),
Homarus (der Hummer) und Scyllarus arctus (der Bärenkrebs) ein, indem
ihre Augen, wenn sie im Dunkeln waren, ein unzweifelhaft rothes, aus-
gedehntes, aber nicht scharf begrenztes Leuchten zeigen, das am Lichte
schwächer wird, auch die Farbe ändert, aber doch als ein ausgebreiteter
weisslicher Schimmer bestehen bleibt. Von einer Pseudopupille kann man
wegen der schlechten Begrenzung nicht sprechen.
An Portunus konnte ich bei Untersuchung mit dem Augenspiegel
überhaupt kein Augenleuchten und keine Veränderung in Folge von Licht-
einwirkung beobachten. Wie die spätere mikroskopische Untersuchung
lehrte, hat diese Krabbe wirklich kein Tapetum, wohl aber eine Licht-
verschiebung von Iris- und Retinapigment. (Siehe Taf. IV, Fig. 37 und 38.)
Es liegt wohl an dem Mangel reflectirten Lichtes, dass mir der optische
Effect dieser Verschiebungen entgangen ist.
Ebenso hatten die Augen der frisch aus dem Dunkelkasten ent-
nommenen Exemplare dasselbe Aussehen, wie der in der Sonne gehaltenen,
bei Peneus membranaceus und Squilla mantis. Bei diesen stimmte die
— 160 —
mikroskopische Untersuchung vollkommen mit dem Augenspiegelbefimd,
denn keiner dieser Krebse zeigte an den Schnitten Verschiedenheiten bei
Licht- und Dunkelauge. Der erstere hat, wie wir sahen, überhaupt kein
oder fast kein Pigment. Fast bei allen von mir untersuchten Crustaceen
habe ich wieder das oben bei den Insecten besprochene Phänomen beob-
achtet, dass gewöhnlich am Rande des Auges der Cornearefiex von der
leuchtenden Pseudopupille örtlich abweicht, und zwar natürlich wieder in
dem Sinne, dass der Cornearefiex peripherer liegt als die Pseudopupille.
Ja man kann hier die Pseudopupille in der Regel nur dann gut sehen ?
wenn man solche Stellen des Auges aufsucht, wenigstens wenn sie klein
ist. Es weicht also auch hier die optische Axe des Facettengliedes von
der auf der Corneaoberfläche desselben errichteten Senkrechten nennens-
werth ab, und wird auch bei diesen Krebsen so wie es bei Limulus und
manchen Insecten besprochen wurde, das Sehfeld durch diese Einrichtung
weiter gemacht, als es der Corneawölbung entsprechen würde.
Einige weitere Beobachtungen über die Physiologie der
Pigmentverschiebungen will ich hier noch anführen, mehr um dadurch
zu eingehenderen Versuchen anzuregen, als um Fertiges mitzutheilen.
Der Uebergang von der Dunkelstellung zur Lichtstellung geschieht
viel rascher, als der Uebergang von der Licht- zur Dunkelstellung. Ich
hatte anfangs geglaubt, dass die Krebsaugen überhaupt nur des Nachts
leuchten, weil ich sie gewöhnlich nur des Morgens, indem ich sie aus dem
Dunkelkasten nahm, leuchtend fand. Später überzeugte ich mich, dass das
Leuchten doch auch bei Tage eintritt, wenn man die Thiere nur lange
genug im Dunkeln hält. Das Leuchten verschwindet an der Sonne im
Laufe von Minuten und tritt im Dunkelkasten wieder auf im Laufe von
Stunden. Auch überzeugte ich mich z. B. an verschiedenen Species vou
Palämon, dass die Oeffnung des Dunkelkastens, die so kurz dauert, dass
das Augenleuchten beim Schliessen noch nicht verschwunden ist, doch
bewirkt, dass noch nach einer Stunde kein Auge leuchtet. Erst nach drei
Stunden fand ich wieder schönes Augenleuchten.
Es ist eine naheliegende Frage, ob die Pigmentverschiebungen im
Krebsauge directe Lichtwirkungen oder ob sie reflectorisch ausgelöste
Bewegungen sind. Ich habe auf verschiedenen Wegen versucht, diese Frage
zu beantworten, bin aber zu keinem mich befriedigenden Resultate
gekommen. Bei einer Reihe von Thieren (ein grosser Palinurus, zwei
Scyllarus, drei Maja, ein Pagurus) bohrte ich auf einer Seite den Augen-
stiel an und entfernte aus dem centralen Canal alle Weichtheile, also
auch den Sehnerv. Es zeigten sich dann wohl Unterschiede der beiden
Augen, wenn man mit dem Augenspiegel prüfte und die Thiere vorher in
der Sonne oder im Dunkeln gehalten hatte, nur waren dieselben nicht
eindeutig genug. Nur das ging aus den Versuchen hervor, dass das operirte
lßl —
Auge gar nicht, oder doch weit geringer auf Hell und Dunkel reagirte
als das normale. Wie leicht einzusehen, könnte das ganz wohl von der
gestörten Ernährung herrühren.
Ferner, habe ich eine ganze Reihe von Versuchen gemacht (Palämon
eiguet sich dazu am besten), in denen ich dem im Dunkeln gehaltenen
Thiere ein Auge, natürlich sammt dem Augeustiel, abschnitt, Thier und
Auge dann an die Sonne brachte, oder umgekehrt. Es zeigte sich, dass im
ersteren Falle das dem Thiere gelassene Auge natürlich zu leuchten aut-
hörte, während das abgeschnittene fortleuchtete. In einem Falle fand ich
die Augen (ich machte den Versuch immer zugleich an mehreren Thieren)
nicht nur nach einer Stunde, sondern noch am nächsten Morgen, nach
17 Stunden leuchtend, obzwar ich sie auch da wieder in der Sonne liegend
antraf. Andererseits hatte ich bei mehreren Palaemonen, die in der Abend-
sonne gehalten waren, je ein Auge abgeschnitten, diese wie die Thiere
dann in den Dunkelraum gebracht; am nächsten Morgen fand ich die am
Thiere gelassenen Augen natürlich leuchtend, während die abgetrennten
Augen in voller Lichtstellung verblieben waren. Es ist selbstverständlich,
dass die abgetrennten Augen vor Vertrocknen geschützt sein müssen.
Diese Versuche sprechen wohl dafür, dass man es hier mit reflectorisch
ausgelösten Pigmentbewegungen zu thun hat. Sie sind aber durchaus nicht
einwurfsfrei, hätten auch nur zur vorläufigen Orientirung über die Mög-
lichkeit der experimentellen Prüfung dienen sollen. Leider war mir nicht
genügend Zeit in Neapel gegönnt, die Frage definitiv zu beantworten. Es
liegt nämlich auf der Hand, dass eine hinlänglich rasche Abnahme der
Erregbarkeit nach Abtrennung des Auges auch die Ursache für das Ver-
bleiben des Auges in dem Zustand sein kann, in welchem es sich im
Momente der Exstirpation befindet.
Auf die Notwendigkeit, dass die Thiere in gesundem Zustande sein
müssen, sollen sich die Pigmentverschiebungen correct vollziehen, habe
ich schon wiederholt hingewiesen. Es ist mir z. B. vorgekommen, dass
aus einer ganzen Reihe von im Dunkelkasten gehaltenen Krebsen einer
aus dem Aquarium herausgesprungen war. Er war nicht ins Trockene
gerathen, sondern sass in einer Tasse, die einige Centimeter hoch Wasser
enthielt. Trotzdem war er der einzige von allen Krebsen, der keine
leuchtenden Augen zeigte, obwohl man ihm im Uebrigen ein Unbehagen
nicht ansehen konnte.
Endlich habe ich mich bemüht, zu ermitteln, ob die Pigmentverschie-
bungen durch elektrische Reizung erzielt werden können. Auf diese Weise
müsste man erfahren, welcher der Ruhezustand der Pigmentlagen ist.
Leider haben mir auch diese Versuche keine befriedigenden Resultate
ergeben. Aeussere Verhältnisse zwangen mich, die meisten an Hydrophilus
anzustellen, bei welchem Thiere erst durch die mikroskopische Unter-
suchung ein Urtheil über die Pigmentstellung zu gewinnen ist. Am meisten
wäre zu erwarten von Reizung des leuchtenden und des nicht leuchtenden
Exner, Facettenaugen. 11
— 162 —
Auges eines grossen Nachtschmetterlings. Solche bekam ich aber nur
während meines Landaufenthaltes, wo mir die elektrischen Reizmittel nicht
zur Verfügung standen.
2. Das Phänomen der Pseudopupillen.
Ich komme zur Besprechung eines merkwürdigen optischen Phänomens,
dessen Enträthselung mir manches Kopfzerbrechen gekostet hat. Auch hier
war, meines Wissens, wieder Leydig1 der Erste, der eine Beschreibung
und zutreffende Beobachtung brachte, sonst ist kaum von dem Gegenstande
die Rede gewesen, abgesehen von einer Bemerkung Thompson-Lowne's,
auf die ich alsbald zurückkomme. Die allgemeine Verbreitung der Er-
scheinung — sie wird an den meisten Facettenaugen beobachtet die
Einheit in der Mannigfaltigkeit ihrer zahlreichen Former), wurde bisher
freilich nicht hervorgehoben, und eine Erklärung kaum angestrebt.
Leydig sagt richtig, dass man bei Limulus einen dunklen, einer
Pupille ähnlichen Fleck im Auge sieht, der sich aber von einer Wirbel-
thierpupille dadurch wesentlich unterscheidet, dass er mit dem Beschauer
die Lage im Auge ändert. Er nennt ihn schon eine Pseudopupille. Auch
hebt er hervor, dass man bei Schmetterlingen gelegentlich mehrere solche
schwarze Flecken im Auge bemerken kann. Thompson Lowne2 bemerkte
bei einem Schmetterlinge (Cabbage Butterfly) sechs schwarze Flecken
um einen siebenten centralen angeordnet, welche mit dem Beschauer den
Ort ändern, und die, wenn er sie mit einem ophthalmoskopisch armirten
Mikroskope betrachtete, hell erschienen. (Ich zweifle nicht, dass hier ein
Irrthum vorliegt und nicht alle sieben, sondern nur der centrale Fleck hell
erschienen war, d. h. dass das im vorstehenden Abschnitte behandelte
Phänomen vorlag.) Als Erklärung denkt er an ein Diffractionsbild.
Ich habe im Vorstehenden schon wiederholt von der Pseudopupille
zu sprechen gehabt, alter hauptsächlich insoferne sie oder ein centraler
Kern in ihr leuchtete. Im P'olgenden bitte ich den Leser, von dieser Er-
scheinungsweise der Pseudopupille, dem das Leuchten des Wirbelthierauges
entspricht, abzusehen und sich vielmehr einen pupillenähnlichen schwarzen
Fleck als solche vorzustellen.
Man kann als Regel aufstellen, dass jene zusammengesetzten Augen,
die zwischen den vorderen Antheilen der Krystallkegel eine Licht
reflectirende Substanz (Iristapetum) haben, Pseudopupillen zeigen. Als
solche Substanz fungirt in der Regel ein gleich hinter der Cornea gelegenes
Pigment, das die verschiedensten Farben und Helligkeiten besitzen kann.
Je deutlicher eine Farbe vom Schwarz absticht, desto deutlicher ist auch
die Pseudopupille; so sieht man sie auf rothem (Taf. VI, Fig. 65), blauem
(Taf. VII, Fig. 71 und 76), gelbem (Taf. VI, Fig. 61), blaugrünem (Taf. VII
' Müller's Areh. f. Phys. 1855, S. 431.
2 Transact. of the Lninean Soe. Zool. 188k S. 407.
163 —
Fig. 66, 71, 75), lichtbraünem (Tai. VI, Fig. 64, Tat'. VII, Fig. 68;, braunem
(Taf. VI, Fig. 62, 63, und Tat'. VII, Fig. 69) und dunkelbraunem (Taf. VII,
Fig. 73) Grunde, welcher Grund schliesslich so dunkel werden kann, dass
man die Pseudopupille, wie bei vielen nichtleuchtenden Augen von Nacht-
schmetterlingen oder bei Hydrophilns pieeus und Dyticus,1 kaum mehr
sieht, ähnlich wie man bei recht dunkler Iris auch in manchem Menschenauge
die Pupille schwer unterscheiden kann. Bei jenen Insecten, es sind haupt-
sächlich Käfer, bei welchen auch die vordersten Pigmentlagen im Auge
schon schwarz sind, sieht man gar keine Pseudopupille mehr. Krebse dieser
Art sind mir nicht bekannt geworden.2
Alle Pseudopupillen haben die Eigenschaft, mit dem Beschauer den
Ort zu ändern, indem sie im Allgemeinen da erscheinen, wo das Facetten-
auge von der Gesichtslinie des Beobachters senkrecht getroffen wird. Die
sehr häufig und insbesondere an der Peripherie des Auges auftretende Ab-
weichung von dieser Stelle ist oben schon ausführlich besprochen und für
die leuchtende Pseudopupille erklärt worden.
Die Pseudopupille ist durchaus nicht immer kreisrund. Entsprechend
der Abweichung der Corneaoberfläche von der Kugelgestalt nimmt auch
sie häufig die Form eines Oval an, welches bei Insecten, deren Facetten
sechseckig sind, bisweilen Neigung zeigt, in ein unregelmässiges Sechseck
überzugehen, bei Krebsen, deren Facetten quadratisch sind, gewöhnlich,
wenigstens bei massiger Vergrösserung in deutliche Viereckform übergeht.
(Taf. VI, Fig. 65, und Taf. VII, Fig. 69 und 73.) Auch unsere Flusskrebse
zeigen die Pseudopupille. Peneus membranaceus, der, wie wir sahen, kein
oder fast kein Pigment im Auge hat, zeigt in Folge seines Iristapetums doch
in seinem, herrliche Farben spielenden Auge eine deutliche quadratische
Pseudopupille, die durch die Kreuzung zweier dunkler meridionaler Streifen
entsteht (Taf. VII, Fig. 75). Auch er hat, wie dieses Phänomen erwarten
Hess, quadratische Hornhautfacetten.
Die eigenthümliche Wölbungsart der Cornea bewirkt, dass manche
Krabben, z. B. Carcinus maenas (Taf. VII, Fig. 68), nach einer Seite hin spitz-
zulaufende Pseudopupillen haben.
Ausser dieser Pseudopupille sieht man aber bei sehr vielen Thieren
noch andere schwarze Flecke am Auge, die zwar nicht so dunkel, auch
weniger scharf begrenzt als jener sind, aber doch viele Aehnlichkeit mit
ihm haben, sich vor Allem auch wie die Pseudopupille am Auge ver-
schieben, wenn sich die Stellung des Beobachters zu demselben ändert.
Hat man einige Thiere, am besten Tagschmetterlinge, genau angesehen,
so erkennt man bald, dass in der anscheinend unregelmässigen Gruppe
1 Man üiuss in diesen Fällen kräftige Beleuchtung des Auges mit dem Augenspiegel vor-
nehmen, dann überzeugt man sieh auch an diesen dunkeln Augen von der Anwesenheit der
Pseudopupille.
2 Bei der Lan^nsta und dem Hummer sind die Pseudopupillen aus anderen Ursachen
nicht deutlich.
11*
— 164 —
dunkler Flecke eine Gesetzmässigkeit herrscht. Um die eigentliche Pseudo-
pupille liegt nämlich zunächst ein Kranz von sechs dunklen Flecken, die
in ihrer Schärfe der Pseudopupille am nächsten stehen, weiter nach Aussen
kommt ein zweiter Kranz noch schlechter ausgebildeter Flecken, deren zwölf
zu sein scheinen. Bei gewissen Libellenlarven habe ich auch noch Flecken
unterschieden, die einem dritten Kranze angehört haben. Alle zusammen
bilden das Phänomen der Pseudopupillen. Es besteht aus der bisher
allein besprochenen Hauptpupille, ferner aus (bei den Thieren mit sechs-
eckigen Facetten) sechs Nebenpupillen erster Ordnung und wahrschein-
lich zwölf Nebenpnpillen zweiter Ordnung, endlich solchen dritter
Ordnung, die sich alle über das Auge verschieben, wenn man es dreht.
Die meisten Augen zeigen das Phänomen nicht in dieser Vollständig-
keit. Wie etwa das Phänomen des Regenbogens aus äusseren Gründen
last nie in seiner Totalität gesehen wird, so ist es auch mit dem der
Pseudopupillen. Freilich ist mir die Theorie dieses letzteren, somit die
Kenntniss alles dessen, was dazu gehört, nicht in jener Vollkommenheit
bekannt, doch glaube ich das Gesagte vertreten zu können.
Am vollkommensten sah ich die Erscheinung bei reifen, im Wasser
lebenden Larven von Agrion, deren Augen wie übersäet mit Punkten
waren, an denen ich zuerst die geschilderte Anordnung und Zahlenvertheilung
bemerkt habe. Dreht man das Auge so, dass die Hauptpupille gegen den
Rand rückt, so verschwinden die Nebenpupillen auf der einen Seite, indem
sie gleichsam über den Rand hinausrücken, während auf der entgegen-
gesetzten Seite neue Nebenpupillen aufzutauchen Platz finden. So ist es
bei jedem Thiere, das überhaupt Nebenpupillen hat. Der untere Augen-
antheil grosser Libellen (Taf. VII, Fig. 66) lässt das Phänomen auch noch
in ziemlicher Vollkommenheit erkennen, wenn man die Hauptpupille an
den richtigen Ort bringt. Man sieht dann die verzerrten, zum Theil mit-
einander verschmelzenden Nebenpupillen erster Ordnung, auf der einen Seite
ziemlich vollkommen die Reihe der Nebenpupillen zweiter Ordnung, und
sieht zeitweilig an einzelnen Randstellen auch noch die eine oder andere
Nebenpupille dritter Ordnung auftauchen (bei a). Bei jeder Bewegung
des Thieres oder des Beschauers geräth das ganze Bild in ein Fliessen,
das dem Auge jenen räthselhaften Schimmer verleiht, der noch unver-
ständlicher wird, wenn man die Hauptpupille gegen den oberen Antheil
des Auges verschiebt, wo sie schliesslich halbmondförmig wird, und in die
grosse schwarze Hauptpupille des oberen Augenantheiles übergeht, unter
Wegfall aller Nebenpupillen.
Immer noch sehr schön, aber schon enger begrenzt tritt das Phänomen
am Auge vieler Tagfalter auf, z. B. an dem des Rübenweisslings (Pieris
rapae) Taf. VI, Fig. 61. Eine schöne Hauptpupille, sechs gut ausgebildete
Nebenpupillen erster Ordnung und einige Andeutungen von jenen zweiter
Ordnung sind bei einer gegebenen Stellung des Auges zu erkennen. Die
letzteren treten auf einer Seite deutlicher hervor, wenn man die Haupt-
165 —
pupille nach der anderen Seite verschiebt. Ganz ähnlich verhalten sich
Pupille und Nebenpupille beim Citronenfalter (Colias rhamni).
Auch Epinephele zeigt die Nebenpupillen bis zur zweiten Ordnung.
Diese haben hier eine Neigung, miteinander und mit der Hauptpupüle
zusammenzufliessen, so dass das Auge ein eigenthümliches Aussehen erhält
(Taf. VI, Fig. 64) und erst nach einigem Drehen und Wenden das Gesetz-
massige der Anordnung erkennen lässt. Man darf nämlich bei Betrachtung
dieser Abbildungen nicht vergessen, dass eine solche das Auge nur bei
einer Stellung und von einem Gesichtspunkte aus darstellen kann. Bei
kleinen Verschiebungen schon ändert sich Lage, Form uud gegenseitige
Entfernung der Pupillen.
In ähnlicher Ausdehnung, aber mit anderer Anordnung tritt das
Phänomen beim Distelfalter (Vanessa cardui. Fig. 62) auf. Auch hier sind
noch einzelne Nebenpupillen zweiter Ordnung andeutungsweise zu erkennen.
Bei Melanargia, und noch mehr beim Taubenschwanz (Makroglossa stella-
tarum) hat das Phänomen grössere Dimensionen angenommen, so dass
selbst die Nebenpupillen erster Ordnung nicht mehr ganz auf dem Auge
Platz finden (Taf. VI, Fig. 63). Die Hauptpupille ist bei letzterem ver-
hältnissmässig gross, es ist dieselbe, welche bei Untersuchung mit dem
Augenspiegel so intensiv grün aufleuchtet. Würden, wie Thompson-Lowne
angibt, die Nebenpupillen auch leuchten können — bei diesem Schmetterling
wäre mir das sicher nicht entgangen.
Man denke sich diese Hauptpupille noch grösser und die Nebenpupillen
über den Rand des Auges hinausgerückt, dann liegt das Bild vor, das, wie
oben gesagt, die nicht leuchtenden Augen von Nachtschmetterlingen und
manchen Käfern zeigen.
Die grossen Heuschrecken, z. B. Psophus stridulus, zeigen scharfe,
aber kleine schwarze Pupillen ohne Nebenpupillen.
In allen diesen Fällen ist, wie die Abbildungen zeigen, der ring-
förmige Raum zwischen der Hauptpupille und den Nebenpupillen erster
Ordnung von besonderer Helligkeit. Bei manchen Thieren, z. B. Hesperia
coma, die ein dem Auge des Taubenschwanzes sehr ähnliches Auge hat,
ist diesei' lichte Hof um die Hauptpupille so ausgeprägt, dass man
geneigt ist zu sagen, diese sei von einem sechsstraliligen, weisslichen
Stern umgeben.
Ein auffallender Unterschied zwischen der Hauptpupille und den
Nebenpupillen erster Ordnung einerseits, den Nebenpupillen zweiter und
dritter Ordnung andererseits besteht darin, dass die Lage der ersteren
nur von der Stellung des beobachtenden Auges, die Lage der letzteren
aber ausserdem noch von der Richtung der Beleuchtung abhängig ist. Ich
beobachtete das bei Pieris rapae. Benutzt man eine Kerzenflamme als
Lichtquelle im sonst dunkeln Räume, überzeugt sich unter Benützung des
Augenspiegels, dass man die Hauptpupille richtig erkannt hat (indem ihr
Kern bei passender Belichtung roth leuchtet) und wendet das Auge so
— 166 —
dass wenigstens einige Nebenpnpilleii zweiter und dritter Ordnung sicht-
bar werden, so sieht man, wie sich diese im Kreisbogen um die Haupt-
pupille drehen, wenn man die Kerze auf und ab bewegt. An der Haupt-
pupille, sowie au den Nebenpupillen erster Ordnung habe ich nie aut
diese Weise eine bemerkbare Bewegung hervorrufen können.
Es ist nothwendig bei diesen Beobachtungen eine Lupe zu benützen.
Die Hauptpupille steht also, wie gesagt, fest, insoferne als ihre Lage
unabhängig von der Richtung der Beleuchtung ist. Anders aber ist es mit
dem centralen leuchtenden Theile derselben. Diese, die „leuchtende Pseudo-
pupille", erleidet wenigstens bei dem genannten Schmetterling — und bei
anderen Tagschmetterlingen wird es sicher ebenso sein — kleine Orts-
veränderungen im Inneren der schwarzen Pseudopupille, wenn die Richtung
der Beleuchtung durch den Augenspiegel sich ändert. Ich habe das oben
schon hervorgehoben und erklärt.
Aehnlich wie bei den Insecten, ist auch bei vielen Krebsen (z. B.
Carduus mänas, Taf. VII, Fig. 68) die dunkle Hauptpupille von einem
auffallend hellen Hof umgeben.
Bei den Krebsen habe ich, so deutlich, wenn auch klein, die Haupt-
pupille ist, niemals unzweifelhafte Nebenpupillen gesehen, ausser beim
Einsiedlerkrebs (Pagurus, siehe Fig. 71). Dieser Krebs hat wie die Insecten
sechseckige Corneafacetten, und hat wohl auch sechs Nebenpupillen. Sie
sind aber sehr undeutlich, nur unter den günstigsten Verhältnissen mit
Sicherheit zu erkennen, und es gelang mir nicht, sie zu zählen. Man ist
nie überzeugt, das ganze Phänomen zu übersehen. Wohl aber glaube ich
noch Nebenpupillen zweiter Ordnung erkannt zu haben.
Bei den Krebsen mit quadratischen Corneafacetten, bei denen sich
vier Nebenpupillen erster Ordnung erwarten lassen, habe ich niemals solche
von ähnlicher Deutlichkeit wie bei Insecten gesehen. Vier dunkler gefärbte
Stellen, wie man sie z. B. bei Galathea (Taf. VI, Fig. 65) sieht, oder die
eigentümliche Zeichnung bei Palaemon (Taf. VII, Fig. 69) und ähnliche
Erscheinungen an Palinurus und Homarus halte ich für den Ausdruck von
Reflexen, die an den in Reihen gestellten Corneafacetten, beziehungsweise
den darunter liegenden Kegeln erfolgen; sie haben also einen anderen
Ursprung als die Pseudopupillen. Am ersten könnten mit diesen noch die
Arme des dunklen Kreuzes identificirt werden, das man am Auge von
Peneus membranaceus (Taf. VII, Fig. 75) sieht.
Erklärung des Phänomens der Pseudopupillen.
Diese Erklärung ist nicht ganz einfach, auch nicht für jene Theile
des Phänomens, für die ich sie überhaupt zu geben vermag. Ich werde
mich nämlich darauf beschränken müssen, die optischen Grundlagen für
— 167 —
die Erscheinungsweise der Hauptpupille und der Nebenpupillen erster
Ordnung klarzulegen. Die Nebenpupillen höherer Ordnungen sind so
schwach entwickelt, dass sie einer eingehenderen physikalischen Unter-
suchung zu grosse Schwierigkeiten entgegensetzen. Ich musste hier also
auf eine experimentelle Prüfung meiner Vermuthungen verzichten, glaube
deshalb auch die Mittheilung dieser Vermuthungen unterlassen zu können,
umsomehr, als der Weg, auf dem man die Deutung der Nebenpupillen
zweiter und dritter Ordnung zu suchen hat, durch die Erklärung jener
erster Ordnung schon in seiner Richtung bestimmt ist.
Die grosse Manigfaltigkeit, die wir in Form und Grösse des Phänomens
kennen gelernt haben, und die auf den zahlreichen Variationen im Baue
der Facettenaugen beruht, zwingt uns zunächst eine Erklärung des typischen
Phänomens auf Grund eines typischen Auges zu suchen und die einzelnen
Variationen dann an der Hand der zu Grunde liegenden anatomischen
Verhältnisse besonders in Betracht zu ziehen. Wir setzen also im Folgen-
den ein vollkommen regelmässig gebautes (z. B. kugelig gekrümmtes, mit
senkrecht aufsitzenden Krystallkegeln versehenes etc.) Insectenauge voraus.
Das Phänomen hat ein Centrum, um das es angeordnet ist. Dasselbe
ist die Mitte der Hauptpupille, welche, wie oft erwähnt, dadurch charakte-
risirt ist, dass in ihr die Gesichtslinie des Beschauers das Facettenauge
senkrecht trifft. Wir wollen diese Linie die Axe des Phänomens nennen.
Dasselbe, soweit wir es zu erklären beabsichtigen, besteht dann aus der
die Axe umgebenden Hauptpupille und sechs von der Axe gleichweit ent-
fernten, im Sechseck gestellten Nebenpupillen.
Die Hauptpupille. Man sieht dieselbe, wie schon Leydig beob-
achtet hatte, sehr schön am Limulus, selbst an einem getrockneten
Exemplare konnte ich sie noch erkennen. Nebenpupillen fehlen bei diesem
Thiere, doch zum Studium der Hauptpupille eignet es sich besonders, nicht
nur wegen der Grösse dieser - sie misst mehrere Millimeter im Durch-
messer — sondern vor Allem wegen der Grösse der einzelnen Facetten-
glieder. Betrachtet man am lebenden Thier mit der Lupe die Grenze der
Hauptpupille, so gewahrt man eine Liclitvertheilung an den einzelnen
Facetten, die ich durch Taf. I, Fig. 8, wiederzugeben versucht habe.
A liegt noch im Bereiche der Pupille, B liegt schon ausserhalb derselben.
Mau hat sich diese Liclitvertheilung an den Facetten rund um die Pupille
vorzustellen. Diese verdankt somit ihre Schwärze dem Umstände, dass in
der Nähe der Axe des Phänomens aus den Facetten kein Licht in das
Auge des Beobachters gelangt, und die Grenze der Pupille ist dadurch
gegeben, dass aus Facetten, die von der Axe weiter entfernt sind, wohl
Licht in der Richtung nach dem beobachtenden Auge herausdringt. Die
Abbildung zeigt weiter jede dieser Facetten auf der der Axe ab gewen-
deten Seite hell, und dass die mit der Entfernung von der Axe zunehmende
Helligkeit der Augenoberfläche darauf beruht, dass in jeder einzelnen
Facette die helle, fast lialbmond förmige Zone an Breite und Intensität wächst,
— 168 —
Ich habe mich überzeugt, dass bei Thieien, welche Nebenpupülen
haben, die Lichtvertheilung in und um die Hauptpupille dieselbe ist, wie
hier bei Limulus. Libellen und der Rübenweissling, bei schwacher Ver-
grösserung unter dem Mikroskope untersucht, dienten zu dieser Controle.
Die Richtung der Beleuchtung kommt, wie aus dem Vorstehenden schon
hervorgeht, hier in der Regel nicht in Betracht.
Die Ursache dieser Lichtvertheilung und somit der Entstehung der
Hauptpupille geht aus Holzschnitt Fig. 23 hervor. Zum Verständnisse des-
Pig. 23.
selben ist festzuhalten, dass das von einem Punkte ausgehende Licht die
Oberfläche des Facettenauges nur an einer Stelle senkrecht trifft, und
dass es auf die übrigen Corneafacetten unter um so grösserem Einfalls-
winkel auffällt, je weiter diese, bei gegebenem Krümmungshalbmesser des
Auges, von der ersten Stelle entfernt sind.
Gestatten wir uns, der Bequemlichkeit der Darstellung wegen, das
Auge des Beobachters als leuchtenden Punkt vorzustellen, und zu fragen,
wohin die von diesem Punkte ausgehenden Strahlen im Facettenauge
gelangen werden. Haben wir den Weg dieser Strahlen gefunden, dann
— 169 -
wissen wir auch, von welchen Punkten des Facettenauges aus Licht in
das Auge des Beobachters gelangen kann. Haben wir ja doch den Satz
von der Umkehrbarkeit des Strahlenganges schon wiederholt in Anwendung
gebracht.
Es seien A und B (Fig. 23) zwei Facettenglieder, deren Form ich ,dem
Lampyrisauge entnehme, ohne damit einen anderen Zweck zu verfolgen, als
das mir bekannteste Auge den Betrachtungen zu Grunde zu legen. Bei
den anderen Augen müssen die Verhältnisse in den wesentlichen Punkten
dieselben sein. Befindet sich das leuchtende Auge des Beobachters in der
Verlängerung von b a, also in der Axe des Phänomens, so dringt Licht
durch das Facettenglied B und beleuchtet eine in der Axe gelegene Stelle
der .Retina. Ist diese Stelle nicht mit schwarzem Pigmente ausgekleidet,
sondern vermag sie eine genügende Menge Licht zurückzuwerfen, so dringt
dieses in der Eichtung von b a in das Auge des Beobachters, und dieses
sieht — wie das für Tagschmetterlinge, Libellen und manche Krebse oben
beschrieben wurde — das Centrum der Hauptpupille leuchtend. Ist eine
solche reflectirende Schichte nicht da, so kann aus dieser Facette kein
Licht in das Auge des Beobachters zurückgelangen, es sieht das Centrum
der Pseudopupille schwarz, wie das bei Käfern, Krebsen, deren Augen sich
in Lichtstellung befinden, etc., besprochen wurde.
Fällt aber vom Auge des Beobachters ein Strahl etwa unter der
Neigung von c o auf eine Facette — dieselbe stünde dann in einiger Ent-
fernung von der Axe des Phänomens — so gelangt er, wie wir (S. 25) sahen,
nach w, und wird, wenn sich daselbst schwarzes Pigment befindet, wie das
bei fast allen Augen der Fall ist, absorbirt. Aus allen Facettengliedern also,
deren Axen zu der Axe des Phänomens, eine gewisse Neigung haben,
könnten in das Auge des Beobachters nur Strahlen gelangen, die von dem
schwarzen Pigmente ausgegangen sind, d. h. es gelangen keine Strahlen
in sein Auge; er sieht das schwarze Pigment, das die Krystallkegel umgibt,
in Form eines schwarzen Einges um die leuchtende Pupille (Fig. 72,Taf. VII),
oder wenn an der Eetina kein Licht refiectirt wurde, als äussere Zone des
schwarzen Fleckes, der durch die erst besprochenen Strahlen bedingt ist.
Beide zusammen bilden dann das, was wir die Pseudohauptpupille genannt
haben. Dieser äussere, von dem Kegelpigment herrührende schwarze Eing
ist deshalb immer vorhanden, es mag die Beleuchtung welche immer
sein, denn das Pigment absorbirt eben immer alles Licht, das auf das-
selbe fällt.
Ein Strahl, der, vom Auge des Beobachters kommend, unter einer noch
grösseren Neigung ein Facettenglied trifft, z. B. d o, gelangt nach dem Punkte
n in das daselbst liegende Pigment. Wir haben aber gesehen, dass bei vielen
Facettenaugen vor dem schwarzen Irispigment ein lichteres, häufig schön
gefärbtes Pigment, das Iristapetum, liegt, z. B. beim Eübenweissling ein gelbes
(T) Fig. 34, Tai'. IV). In das Auge des Beschauers gelangt also jetzt in
diesem Falle reichlich gelbes Licht, und zwar nur solches, denn aus allen
— 170 —
Facettengliedern, welche die bestimmte Neigung- gegen die Axe des Phänomens
haben, dringt nach der Richtung des beobachtenden Auges eben nur dieses
gelbe Licht. Hierdurch ist die äussere Grenze der Hauptpupille gegeben,
und zugleich die Ursache des hellen Hofes, den man um dieselbe zu
sehen pflegt (Taf. VI, Fig. 62, 64).
Auch die Lichtvertheilung an einer Corneafacette, die oben beschrieben
und Taf. I, Fig. 8, abgebildet wurde, erklärt sich in dieser Weise sehr einfach,
denn es ist klar, dass ein Lichtstrahl e /, der aus derselben Richtung
wie d o, also auch aus dem beobachtenden Auge kommend, die Cornea-
facette bei / trifft, den Kegelrand erst etwa bei jj, also im Bereiche des
schwarzen Pigmentes erreichen muss. Die Corneafacette wird also auf der
der Axe des Phänomens zugewendeten Seite noch schwarz erscheinen,
während die andere Seite schon hell ist.
Diese Deutung der Hauptpupille bedarf uoch einiger Ergänzungen.
Nach ihr kann eine Pseudopupille überhaupt nur in jenen Augen sichtbar
sein, in denen vor dem schwarzen Pigment, das wir Irispigment genannt
haben, noch eine andere das Licht nicht oder doch nicht vollständig
absorbirende Masse liegt. In dieser Beziehung stimmt meine Erfahrung
vollkommen mit der Theorie. Es liegt ja eben hierin die Ursache, aus
welcher man bei Schmetterlingen mit schwarzen Augen (zwar mit Hilfe
des Augenspiegels eine leuchtende, aber ohne diesen) keine Pseudopupille
sieht, ebenso bei den meisten Käfern. Viele freilich haben nicht vollkommen
schwarze, sondern dunkelbraune Augen; das entsprechende Pigment hat dann
auch die Lage wie das Iristapetum bei anderen Thieren (c, Taf. II, Fig. 15).
Dann aber sieht man auch die Hauptpupille. Eine scheinbare Ausnahme macht
Limulus, bei dem man gerade die Pupille auffallend schön sieht, obwohl er
ausser dem schwarzen kein Pigment im Auge hat. Hier wird das vordere
lichte Pigment, das Iristapetum, in ganz exquisiter Weise vertreten durch
die stark reflectirenden Stellen der Corneasubstanz, die wir zwischen den
einzelnen Kegeln kennen gelernt haben. Da liegen (s. a auf Taf. III, Fig. 20)
zahlreiche feinste Porencanälchen, welche die Substanz von vorne nach
hinten durchziehen und mit Luft gefüllt zu sein scheinen. Es ist klar, dass
diese um die vorderen Antheile jedes Kegels (soferne er optisch als solcher
wirkt) angeordnete modiflcirte Chitinsubstanz ihrer Lage, sowie dem
Reflexionsvermögen nach das helle Pigment anderer Augen nicht nur
ersetzen, sondern übertreffen kann.
Wenn der obere Theil des Libellenauges, auch wo er kein schwarzes
Pigment enthält, doch eine grosse diffuse Pseudopupille zeigt, so rührt das
daher, dass das betreffende braune Pigment eben doch recht dunkel ist.
Es ist das Leuchten dieser Pseudopupille eben wegen dieses nicht ganz
srliwarzen Pigmentes auch ein ausgedehntes und diffuses. Im unteren Theile
des Libellenauges ist die Pupille dunkelschwarz und scharf begrenzt, weil
hier schwarzes Pigment vorhanden ist und die Kegel relativ länger und
schmäler sind, wie im oberen Theile (s. oben Cap. VI und Fig. 59, Taf. VI.)
- 171 —
Ich habe im Vorstehenden nur von dein die Kegel umkleidenden
Pigmente als Ursache der Hauptpupille gesprochen. Es ist aber kein Zweifel,
dass bei jenen Thieren, deren bis an die Kegelspitzen reichende Sehstäbe
mit Pigment umhüllt sind, dieses Retinapigment in derselben Weise wirken
muss. Es bildet dann in Bezug auf die Pseudopupille eben nur eine Fort-
setzung des Irispigmentes nach hinten.
Einer besonderen Bemerkung bedürfen noch die Augen mit Super-
positionsbild und sehr ausgiebiger Verschiebung des Irispigmentes. Am
besten erkennt man an jenen unserer Nachtschmetterlinge bei Tagstellung
eine auffallend grosse, von einer bräunlichen Umgebung sich schwach
abliebende Pseudopupille. Wo ist da das nothwendige vordere Pigment-
lager?
Eine solche vordere diiferenzirte Pigmentlage ist in der That vor-
handen, wenn sie sich auch am mikroskopischen Präparate nur wenig in
der Färbung vom Irispigment unterscheidet. Man erkennt sie doch als
unzweifelhaft dunkelbraun. Auch verhält sie sich physiologisch anders als
das Irispigment. Dieses Pigment bildet eine dünne, dem Kegel sich eng
anschmiegende Lage, welche schon in der Dunkelstellung von dem eigent-
lichen Irispigmente leicht zu unterscheiden ist und beim Uebergang in
die Lichtstellung vielleicht nicht immer, aber jedenfalls bisweilen in seiner
Lage am Kegel verharrt (vgl. die Abbildung vom rothen Ordensband,
Taf. II, Fig. 15). Bei den Krebsen, deren Irispigment ausgiebige Ver-
schiebungen eingeht, macht das Iristapetum, das Analogon der lichten
Pigmentschichte der Insecten, dieselben mit (vgl. Taf. IV, Fig. 39, und
Taf. V, Fig. 51 bis 54), ohne die Lage gegen dasselbe zu ändern; bei
anderen Krebsen, deren Irisverschiebungen weniger ausgiebig sind, ver-
harrt das analoge Pigment an seinem Platze (so z. B. bei Portimus,
Taf. IV, Fig. 37, 38 it.).
Aber auch die Pupille bei Nachtschmetterlingen bedarf einer Bemer-
kung. Bei vielen dieser Thiere, sowie wohl bei den meisten Insecten und
Krebsen, die ein Superpositionsbild haben, ist bei Lichtstellung des Auges
die Mantelfläche des Krystallkegels ganz oder zum grossen Theile vom
Irispigment entkleidet. Man könnte nun fragen, wie entstellt da eine Pseudo-
pupille, wo die Strahlen co, do und ef des Holzschnittes Fig. 23 auf gar
kein Pigment stossen? Die Antwort hierauf ergibt sich, wenn wir zunächst
die regelrecht gebrochenen Strahlen ins Auge fassen. Bei diesen Thieren,
deren Facettenglied einen Linsencylinder von der doppelten Länge seiner
Brennweite darstellt, werden die gegen die Axe desselben massig geneigten
Strahlen noch an die Spitze des Kegels geleitet, wo sie auf derselben Seite
der Axe austreten, auf der sie eingetreten sind. Es ist das oben ausführ-
lich besprochen worden. Vgl. Strahl p l>' p' auf Holzschnitt Fig. 12, S. 44.
Diese Strahlen aber gelangen dann auch noch an das nach rückwärts
geschobene Irispigment, werden also absorbirt, so dass das ganze Gebiel
dieser schief einfallenden Strahlen der Hauptpupille angehört, obwohl der
— 172 —
Verlauf derselben von dem bisher geschilderten recht verschieden ist. Der
Beschauer sieht dann in der Pupille ein Schwarz, welches nicht den der
Axe des Phänomens abgewendeten Seiten der Kegelmantelumhüllungen
angehört, sondern den der Axe zugewendeten Seiten der Pigmentscheideu,
die zwischen Kegel und Retina liegen. Strahlen aber, welche so verlaufen
wie co oder ef des Holzschnittes Fig. 23 müssen, nachdem sie aus dem Kegel
ausgetreten sind, doch früher oder später auf schwarzes Irispigment stossen,
das jetzt aber weit rückwärts geschoben ist.
Je grösser also die Anzahl der Facettenglieder ist, welche zur
Bilderzeugung eines Punktes bei voller Dunkelstellung des Auges ver-
wendet wird, desto grösser muss ceteris paribus auch die Pseudopupille
dieses Auges während der Lichtstellung sein. Und das dürfte mit der
Erfahrung auch stimmen.
Die Nebenpupillen erster Ordnung. Zum Verständnisse dieses
Theiles unseres Phänomens werden uns hauptsächlich zwei Beobachtungen
führen.
Die erste besteht in Folgendem. Untersucht man das lebende Auge
eines Thieres, das gut entwickelte Nebenpupillen hat (Rübenweissling;
unterer Theil des Libellenauges), indem man die Corneafläche desselben
bei auffällendem Lichte unter dem Mikroskope betrachtet, und eine Ver-
grösserung wählt, bei welcher die sechseckigen Facetten schon gut zu
sehen sind, so bemerkt man, dass die Lage einer Nebenpupille gegen die
Hauptpupille gegeben ist durch eine Gerade-, die, vom Centrum der Haupt-
pupille ausgehend, je zwei Seiten der sechseckigen Facetten senkrecht
schneidet. Denken wir uns nämlich eine ebene Fläche in regelmässige
Sechsecke getheilt, so liegt auf der Hand, dass vom Mittelpunkt eines
derselben sechs Linien (von denen je zwei in derselben Richtung liegen)
zu ziehen sind, die alle Sechseckseiten, die sie schneiden, rechtwinkelig
treffen. Das sind die Richtungen, nach welchen von der Hauptpupille aus
die Nebenpupillen erster Ordnung zu finden sind.
Da das Auge gewölbt ist, auf einer kugelig gekrümmten Fläche aber
eine vollkommen regelmässige Eiutheilung in Sechsecke bei gegebener
Grösse der letzteren im Allgemeinen nicht möglich ist, so weicht die
Richtung correspondirender Sechseckseiten am Auge häufig recht beträcht-
lich von der an der supponirten ebenen Fläche ab. Das ist die Ursache,
aus welcher die sechs Nebenpupillen erster Ordnung in der Regel von
einer regelrechten Anordnung recht weit entfernt sind, also durchaus nicht
in gleichen Abständen voneinander und vom Centrum der Hauptpupille
stehen. Es zeigen das die Figuren auf Taf. VI zur Genüge-
Ich mache noch darauf aufmerksam, dass die genannten Linien auf
der in Sechsecke getheilten Ebene kurze Durchmesser der Sechsecke
bilden, während sie um 30 Grad gedreht, indem sie die gegenüber-
liegenden Ecken der Sechsecke miteinander verbinden, lange Durchmesser
darstellen.
— 173
Wenn schon von vornherein kaum daran zu zweifeln war, dass
die Sechszahl der Nebenpupillen erster Ordnung in einem ursächlichen
Zusammenhang mit der Sechszahl der Facettenseiten steht, so wird diese
Vermuthung durch diese weitere Beziehung der Lagen beider noch ver-
stärkt.
Die zweite Beobachtung, die uns zum Verständuiss der Nebenpupillen
führen soll, bezieht sich auf eine recht überraschende dioptrische Er-
scheinung, von der ich im einschlägigen Abschnitte noch nicht sprach,
weil sie zwar ihre Entstehung der Dioptrik des Auges verdankt, für das
Sehen des Thieres aber bedeutungslos ist; ich meine die Erscheinung der
N eben bil der, wie ich sie nennen möchte.
Hat man das Auge von Lampyris spl. abgepinselt, und so unter das
Mikroskop gebracht, wie man es tliun muss, um den Verhältnissen im
Leben möglichst nahe zu kommen („correct montirt") und das normale
Netzhautbild zu sehen, so gewahrt man unter günstigen Verhältnissen um
dasselbe herum sechs weitere aufrechte Bildchen von wesentlich gleicher
Art wie das Hauptbild, nur nennenswerth weniger scharf. Wie beim Haupt-
bilde kann man auch hier, unter Benützung eines Punktes als Gegenstand,
die Strahlen nach dem betreffenden Bildpunkt convergiren sehen, und zwar
ist es sehr evident, wie — geschieden durch sechs radiäre Trennungslinien
— die Strahlen eines Sectors nach je einem Bildpunkte convergiren,
also Strahlen, welche aus den Trennungslinien nahe gelegenen Kegeln aus-
treten, untereinander divergiren. Die Nebenbilder sind ebenso angeordnet
wie an anderen Augen die Pseudopupillen erster Ordnung, verhalten sich
insoferne ihnen ähnlich, als man gewöhnlich nicht gleichzeitig alle sechs
übersieht, ihre Abstände voneinander und vom Hauptbild kleinen Variationen
unterliegen, und indem die Lage derselben gegen das Hauptbild wieder
gegeben ist durch die sechs Linien, die vom Centrum des ersteren aus-
gehend gedacht werden, und die Seiten der Sechsecke senkrecht
schneiden. l
Die Nebenbilder sind immerhin noch deutlich genug, um die Finger
einer nahe gehaltenen Hand, besonders wenn sie bewegt wird, unter-
scheiden zu lassen. Sie liegen in einer etwas anderen Ebene als das
Hauptbild, haben aber näherungs weise dieselbe Grösse. Ich sah sie nicht
nur bei Lampyris und jenen seiner Verwandten, deren Krystallkegel auch
mit der Cornea verwachsen sind, sondern auch bei Tropinota hirtella und
dessen Verwandten. Ich habe oben hervorgehoben (S. 80), dass bei diesen
1 Beim Lampyrisauge kann man in der oben geschilderten Anordnung die sechs-
eckigen Facetten nicht sehen; um mich über die Lage der Nebenbilder zu den Sechseckseiten
zu orientiren, benutzte ich den Kunstgriff, das Präparat wie es war umzudrehen. Man sieht,
wie oben S. 39 geschildert wurde, auch dann in der Ebene der Netzhaut ein Bildchen, und
sieht nun auch die Nebenbilder. Jetzt aber kann man durch Hebung des .Mikroskoptubus
auch die sechseckigen Facetten zur Anschauung bringen und sieh über die gegenseitige Lage
unterrichten.
— 174 -
Thieren der Hauptantheil der dioptrischen Leistung des Facettengliedes
der dicken Corneafacette zufällt, und man deshalb bei ihnen, auch wenn
die unscheinbaren Krystallkegel mit dem Pigmente weggepinselt worden
sind, noch ein allerdings schlechtes aufrechtes Netzhautbild sieht, dessen
Zustandekommen dem bei Lampyris ganz ähnlich ist. Diese Thiere zeigten
mir nun auch Nebenbilder, immer natürlich erst nach Abpinselung des
Pigmentes. Die Anordnung entsprach der bei Lampyris.
Diese Nebenbilder nun geben ein Mittel an die Hand, den Strahlen-
gang im Auge zu verfolgen, und dadurch einen Rückschluss auf die Neben-
pupillen zu machen.
Hat man bei Lampyris em Nebenbild unter dem Mikroskope ein-
gestellt und als Object einen Lichtpunkt verwendet, so gewahrt man bei
Annäherung des Tubus an das Object, ganz ähnlich wie beim Hauptbilde,
dass die Strahlenbündel — die freilich lange nicht so scharf begrenzt,
sondern stark verzerrt sind — auseinanderweichen und jedes derselben in
das Bild eines schief gesehenen Krystallkegels übergeht, wenn man den
Focus des Mikroskopes bis an den dioptrischen Apparat herangeschoben
hat. Es erscheint eine rundlich begrenzte Gruppe von Kegeln, ungefähr
von derselben Anzahl wie jene in der Verkürzung gesehenen des Haupt-
bildes, hell erleuchtet. Hier überzeugt man sich nun, dass alles Licht,
das das Nebenbild zusammensetzt, aus der Mantelfläche der
Kegel austritt. Diese Mantelfläche ist aber im Leben vom Iris-
pigment überkleidet, absorbirt l also das ganze Nebenbild. Deshalb ist
dieses für das Sehen des Thieres bedeutungslos.
Kehren wir aber jetzt wieder zu unserer Vorstellung zurück, nach
welcher das Auge des Beobachters leuchtet, so ist klar, dass die von
diesem ausgehenden Strahlen an jenen sechs Gruppen von Krystallkegeln,
und zwar an der der Axe des Pupillenphänomens abgewendeten Seite der-
selben durch das Irispigment absorbirt werden müssen, während wir vor-
läufig keinen Anhaltspunkt dafür haben, eine ähnliche Absorption für die
Zwischenräume zwischen jenen sechs Gruppen anzunehmen. Der Beobachter
sieht also jedenfalls ausser der Hauptpupille auch jene sechs Stellen am
Auge schwarz : die sechs Nebenpupillen erster Ordnung.
Also die Existenz der Nebenpupillen folgt nothwendig aus der Existenz
der Nebenbilder, und die physikalische Erklärung der ersteren fällt mit der
der letzteren zusammen. Wir haben uns demnach zu fragen, wie kommen
die Nebenbilder zu Stande?
Denken wir uns das kugelig gewölbte Auge von parallelen, z. B. im
Räume senkrecht verlaufenden Strahlen getroffen. Es ist dann jener Strahl,
der dessen Oberfläche senkrecht schneidet, die Axe des Phänomens. In der
Nachbarschaft dieser Axenfacette schliessen die einfallenden Strahlen
1 Oder dasselbe liegt bei Lichtstellung tiefer unten und fängt demnach das aus-
tretende Licht auch, nur etwas später, auf. Bei Tropinota tritt das Licht durch die seitlichen
Theile der hinteren Oorneafläche aus.
- 175 —
Winkel mit deii Facettenaxen ein, die, um so grösser werden, je weiter
die Facette von der Axenfacette entfernt ist. Die so in das Auge tretenden
Strahlen com der Fig. 23, S. 168, werden erst vom Irispigment absorbirt,
dann (don) vom lichten Pigmente reflectirt (theilweise auch absorbirt) und
veranlassen so, wie wir sahen, das Phänomen der Hauptpupille und des
sie umgebenden hellen Hofes. In noch grösserer Entfernung von der Axen-
facette ist der einfallende Strahl noch stärker geneigt (go), und dringt
deshalb auch nicht mehr in das lichte Pigment des Auges, sondern passirt
die Trennungsfläche zweier Corneafacetten, bei h, gelangt so in den
benachbarten Kiystallkegel und nimmt daselbst einen Weg, den wir nach
unserer Kenntniss vom optischen Bau desselben zwar nicht genau, wohl
aber näherungsweise angeben können; er dürfte o kkl sein. Bei Je sehen
wir diese Strahlen aus den Kegeln austreten, wenn wir nach Beobachtung
der Nebenbilder den Tubus so weit verschieben, dass die Krystallkegel
sichtbar werden. Bedenkt man, dass bei k Irispigment liegt, so ist klar,
dass die Facetten der betreffenden Antheile des Auges für den Beschauer
schwarz erscheinen müssen. Mau könnte also einen schwarzen Ring
erwarten, da eine ringförmige Zone Facettenglieder die supponirte Neigung
gegen die Axe des Phänomens hat. In der That sieht man bei gewissen
Thieren unzweifelhafte Andeutungen dieses Ringes, z. B. bei Epinephele
(s. Taf. VI, Fig. 64). In der Regel aber hat dieser Ring nicht nur wie
bei diesem Thiere die Neigung, iu sechs Stücke zu zerfallen, sondern er
besteht wirklich aus sechs Stücken, den Pseudopupillen, beziehungsweise
den Nebenbildern. Diese Zerfällung geschieht augenscheinlich durch die
Corneafacetten.
Ein Umstand, der hierzu beiträgt, ist leicht zu nennen. Wir sahen,
dass die Richtungslinie für die Pseudopupille jede sechseckige Facette in
einem kurzen Durchmesser schneidet. Stellt also v f (Holzschnitt Fig. 23)
einen Durchschnitt durch die Corneaoberfläche dar, welcher im kurzen
Durchmesser geführt wurde, so müsste die Distanz vf grösser sein, wenn
der Schnitt durch den langen Durchmesser ginge. Dann aber würde der
gebrochene Strahl oh noch nicht in den Nachbarkegel gelangen, sondern er
müsste (ähnlich wie o n) das lichte Pigment zwischen den Kegeln treffen.
So erklärt sich, weshalb der lichte Hof um die Hauptpupille iu den sechs
Meridianen, welche die Facettenflächen senkrecht treffen, schmäler ist als
in den um 30 Grad dagegen Verschobenen Meridianen, weshalb er also, einen
seehsstrahligen Stern bildend, die centrale Begrenzung der Pseudopupillen
erster Ordnung herstellt.
Das ist die Ursache, aus welcher die Strahlen, welche die Trennungs-
fläche zweier Corneafacetten passiren, ein Phänomen erzeugen müssen,
das in seiner kreisförmigen Anordnung sechsmal seinen Charakter ändert, in
der Weise, dass die Grenze zum mindesten vom Centrum weggeschoben wird.
Aber auch eine periphere Grenze muss das Phänomen haben, die
ebenso leicht zu erklären ist. Die Nebenbilder zeigen, wie gesagt, dass
- 176 —
Strahlen, wie g o, bei k die Mantelfläche des Kegels verlassen. Ein noch
geneigter auf die erste Facette auffallender Strahl q o wird etwa so
gebrochen werden, wie es der Weg o r s f angibt; bei s aber liegt wieder
das lichte Pigment. Das Auge des Beschauers also sieht peripher von der
schwarzen Stelle (der Pseudopupille erster Ordnung) wieder das lichte
Pigment, sowie es dasselbe central von dieser Stelle sieht. Dieses aber
ist nun die äussere Begrenzung der Pseudopupille.
So weit wir die Sache bisher betrachtet, könnte man erwarten, die
Gestalt der Pseudopupille, beziehungsweise der Nebenbilder, müsste ein
mit sechs Wellenbergen versehenes Band sein, das die Hauptpupille kranz-
förmig umgibt. Jeder nach Aussen gerichtete Wellenberg entspräche der
grösseren Breite, in welcher die Facetten vom Lichtstrahl durchsetzt werden
müssen. Dass nun das Phänomen kein fortlaufendes Band ist, dieses viel-
mehr thatsächlich in sechs Stücke zerrissen wird, beruht nun darauf, dass
die Lichtstrahlen, indem sie die Trennungsflächen zweier Hornhautfacetten
durchsetzen (bei r oder h der Fig. 23), eine seitliche Ablenkung erfahren,
wenn diese Trenuungsflächen nicht in einem der sechs bevorzugten Meridiane
liegen.
Das sowohl, wie die Entstehung der Nebenbilder überhaupt, geht
aus folgender Betrachtung hervor. Wir denken uns durch die Axe des
Phänomens und eine jenerLinien,welche die Facettenseiten senkrecht schneidet,
eine Ebene gelegt, die somit, unserer obigen Voraussetzung entsprechend,
im Räume senkrecht steht und Meridianebene heissen soll. Die ebenfalls
vertical einfallenden Lichtstrahlen, so weit sie jener Zone des Auges an-
gehören, in der sie .die Trennungsfläche zweier Corneafacetten passiren,
convergiren nach der Brechung untereinander, und zwar näherungsweise
nach einem in der Meridianebene gelegenen Punkte. Im ganzen Auge sind
das also die sechs Convergenzpunkte, die Nebenbilder. Die Convergenz
kommt für jene Strahlen, die in der Meridianebene verlaufen, dadurch zu
Stande, dass sie sämmtlich Theile des dioptrischen Apparates passiren, die
im Wesentlichen Linsencylinder sind. Diese werden schief durchsetzt, und
nach Allem, was wir vom Linsencylinder wissen, dürfte der im Holzschnitt
Fig. 23 g o hkl und q o r st angegebene Weg ziemlich richtig sein. Denn
die Richtung der austretenden Strahlen ist Gegenstand der Beobachtung,
wenn ich auch nicht über genauere Messungen verfüge. Die Zeichnung
zeigt, dass, wie das bei jedem regelmässigen Durchtritt des Lichtes
durch einen Linsencylinder geschehen muss, die in das Facettenglied ein-
tretenden Strahlen im Bogen abgelenkt werden. In Bezug auf den Verlauf
nach dem Austritte spielt freilich auch die Form des Kegels und die
Eintrittstelle des Strahles eine Rolle. Die austretenden Strahlen kreuzen
sich, wie das die directe Beobachtung lehrt.
Die Strahlen st und kl, welche verschiedenen in der Meridianebene
gelegenen Facettengliedern angehören, convergiren also hinter dem dioptri-
schen Apparate und geben dadurch die Möglichkeit zur Entstehung des
171 —
Nebenbildes. Es ist dazu aber weiter nötliig, dass auch Strahlen, welche
die ausserhalb der Meridianebene gelegenen Facetten treffen, zur Meridian-
ebene hin abgelenkt werden.
Trägt man sich in möglichst regelmässiger Anordnung Sechsecke auf
eine Kugelfläche auf, so gewahrt man — wie am Insectenauge — dass
in einiger Entfernung vou jener Linie, in der die Meridianebene die
Augenoberfläche schneidet, die Sechsecke nicht mehr ihre Seiten, sondern
ihre Ecken der Axenfacette zukehren, wie das natürlich auch in der
Ebene der Fall ist. Jede der Seiten des Sechseckes ist aber nur das freie
Ende jener Trennungsfläche zwischen zwei Hornhautfacetten, in der die
Punkte h und r der Fig. 23 liegen. Denkt man sich auf einer dieser
Trennungsflächen ein Loth errichtet, so fällt dasselbe in die Meridian-
ebene, wenn die Facette dem Meridian angehört, liegt sie aber ausserhalb
derselben, so ist das Loth gegen die Meridianebene geneigt. Denken wir
uns den Fusspunkt desselben von einem senkrechten Lichtstrahl getroffen,
so muss derselbe, er mag was immer für eine Brechung an der Trennungs-
fläche erfahren, in der Ebene bleiben, welche durch den Strahl und das
Loth gegeben ist. Diese senkrechte Ebene schneidet aber die Meridian-
ebene. Er wird demnach dieser zugeführt, da im Uebrigen seine Brechung
im Kegel der jener Strahlen ähnlich ist, welche in der Meridianebene
selbst einfallen. Es wäre demnach ganz wohl denkbar, dass die beiden
oberen Trennungsflächen einer Corneafacette das durch sie dringende
Licht so trennen, dass der eine Theil dem einen Nebenbilde zugeführt
wird, der andere dem anderen Nebenbilde. Bei den Thieren, die ich unter-
suchte, trifft das aber nicht zu, da ist immer zwischen zwei Kegelgruppen,
die sich an der Erzeugung von Nebenbildern betheiligen, eine Strecke,
deren Kegeln gar kein Licht so austreten lassen, dass es in das Mikroskop
gelangt. Hier tritt alles Licht, das man den dioptrischen Apparat passiren
sieht, zwischen den Basen der Kegeln hervor, da also wo sonst das Iris-
tapetum liegt. Wir haben ja schon einsehen gelernt, dass der Zwischen-
raum zwischen den Pseudopupillen deshalb von der Farbe dieses Pig-
mentes ist.
Dass jene Ablenkung, welche die Strahlen an den Trennungsflächen
zweier Corneafacetten erleiden, um so grösser sein muss, je weiter inner-
halb gewisser Grenzen die Facette von der Meridianebene entfernt ist,
dass sie auch innerhalb des Meridians mit der Entfernung von der Axe
des Phänomens wächst, geht aus dem Dargelegten wohl hervor; dass die
Nebenbilder nicht deutlicher sind, wird wohl auch Niemanden Wunder
nehmen; eher dass sie so deutlich sind, wie man sie thatsächlich sieht.
Mit dieser Erklärung der Nebenbilder ist aber auch die Erklärung der
Nebenpupillen erster Ordnung erledigt, denn wir brauchen uns eben wieder
nur die Eichtung des Strahles umgekehrt zu denken und zu erwägen,
dass die Strahlen, welche die Nebenbilder zusammensetzen, sämmtlich an der
im Leben pigmentirten Mantelfläche des Kegels austreten, so leuchtet ein,
E x 11 e r , Facetten atigen 12
— 178 -
dass sechs getrennte schwarze Flecke um die centrale Hauptpupille gesehen
werden müssen.
Eine eingehendere Theorie des Phänomens zu geben bin ich nicht
in der Lage. Ich weiss wohl, dass das hier Vorgelegte in vieler Beziehung
mangelhaft ist, ich habe z. B. auf die Wölbungen der Corneafacetten keine
Rücksicht genommen, doch dürfte der richtige Weg zur Erklärung des
complicirten Phänomens eingeschlagen sein.
Die dargelegte Theorie der Nebenpupillen postulirt, dass kein Thier
solche zeigt, bei welchem sich zwischen den Corneafacetten undurch-
sichtiges Pigment befindet (Taf. VI, Fig. 60). In der That habe ich niemals bei
einem solchen Insect Nebenpupillen gesehen. Dasselbe gilt natürlich für die
Nebenbilder. Das Leuchtkäferchen, die Verwandten der Cetonia, zeigen Neben-
bilder, aber keine Nebenpupillen. Letzteres aus demselben Grunde, aus dem
sie keine Hauptpupille zeigen. Hauptpupille und Nebenpupille sind da, aber
von ihren Zwischenräumen nicht zu unterscheiden, weil diese Thiere eben nur
schwarzes Pigment im Auge haben. Aus derselben Ursache kann auch ein
anderer Effect eintreten. Ich habe hin und her gesonnen, weshalb wohl
die grossen grünen Heuschrecken (Locusta viridissima) keine Nebenpupillen
zeigen, obwohl sie so hellgefärbte Augen haben. Die mikroskopischen
Schnitte belehrten mich, dass bei diesen Thieren das lichte Pigment fast
bis an die Spitze des Krystallkegels reicht. Unter diesen Umständen kann
sich natürlich auch die Pseudopupille von der Umgebung nicht abheben,
obwohl sie virtuell vorhanden ist. Diese Pigmentvertheilung ist zugleich
die Ursache, aus welcher die Hauptpupille dieser Thiere so ausserordentlich
klein ist. Wie leicht einzusehen, muss diese cet. par. um so grösser sein,
je höher das Irispigment am Kegel hinaufreicht, beziehungsweise je weniger
tief das Iristapetum herabreicht.
Es ist selbstverständlich, dass Alles, was ich von der gegenseitigen
Verschiebung des Corneareflexes zur leuchtenden Pseudopupille gesagt habe,
Giftigkeit hat für das ganze Phänomen der Pseudopupilleu.
X. CAPITEL.
Das Sehen mit den Facettenaugen.
a) Schärfe des Netzhautbildes.
Eine Angabe über die Schärfe des dioptrischen Netzhantbildes bin
ich mit Sicherheit nur für Lampyris zu geben in der Lage. Sie ist in der
Photographie des Titelbildes enthalten, und zeigt, dass dieses Thier, soferne
es sich um das Netzhautbild handelte, noch im Stande wäre, Schilderschrift
in der Entfernung von einigen Metern zu lesen. Die Dicke der Haupt-
striche des an der Fensterscheibe angebrachten R betrug 4-9 Centimeter,
die Entfernung desselben vom Auge 2-25 Meter. Das ,,R" ist, obwohl die
Photographie und die weitere Vervielfältigung desselben gewiss das Bild
nicht gebessert, sondern nur geschädigt haben kann, noch erkenntlich. In
der Ausdrucksweise der Ophthalmologen entspräche also das Netzhautbild
von Lampyris einer Sehschärfe von -— ^ bis — ^ Snellen.
1 J 400 500
Der senkrechte Stab des „/?'" war 4-9 Centimeter breit. Ein Gitter
aus so dicken Stäben würde also das Leuchtkäferchen aus einer Entfernung
von 225 (Zentimeter noch als Gitter erkennen. Ein Netzhautbild von der-
selben Grösse würde es auch erhalten, wenn Gitter und Entfernung sich
proportional verkleinern würden. Es unterscheidet also auf die Distanz
von 1 Centimeter noch die Stäbe des Gitters, wenn diese nur 022 Millimeter
breit sind. Wie man sieht, eine Leistung des Auges, die nicht gering
genannt werden kann, und dem Thiere beim Aufsuchen von Nahrung u. dgl.
sehr wohl dienen dürfte.
Nach dem Baue der Augen ist kaum daran zu zweifeln, dass andere
Insecten und Krebse mit Superpositionsbild sehr viel schärfere Netzhaut-
bilder haben; schon ihre Grösse deutet in hohem Masse darauf hin. Ich
glaube, es würde mit einiger Mühe gelingen, diese Netzhautbilder entweder
auch direct sichtbar zu machen, wie ich es bei Lampyris und dessen Ver-
wandten gethau habe, oder auf Grund des Augenspiegelbefundes ein Mass
für die Schärfe derselben zu gewinnen.
Aehnliches gilt von den Appositionsbildern. So könnte man z. B. für
Limulus ans den oben mitgetheilten Daten die Sehschärfe theoretisch ermitteln.
12*
— 180 —
wenn der Durchmesser der einzelnen Retinula am lebenden Thiere (oder
an Schnitten durch das gefrorene Auge) ermittelt würde.
Man kann die Frage aufwerfen, ob die Schärfe des Netzhautbildes
auch wirklich ein Maass für die Sehschärfe abgibt. Es wäre ja möglich,
dass die Netzhaut so unvollkommen ist, dass sie die im Bilde enthaltenen
Details nicht wahrzunehmen gestattete. Ich glaube nicht, dass irgend
Jemand ernstlich das Zutreffen einer solchen Möglichkeit in ausgiebigem
Masse annehmen würde. Denn erstens entspricht die Anzahl der Netzhaut-
elemente, die so gross ist, wie die Anzahl der Facettenglieder (wenn
wir mit Grenadier ein Rhabdom als eine physiologische Einheit auf-
fassen), durchaus der Schärfe des Bildes, zweitens wäre es doch wohl
absurd, zu denken, die Natur habe einen so complicirten dioptrischen
Apparat zur Herstellung eines Bildes construirt und dem Thiere keine
Netzhaut gegeben, dieses Bild zu verwerthen. Freilich, dass das Bild in
seiner vollen Schärfe percipirt wird, kann auch nicht behauptet werden;
ich werde selbst sofort einen Umstand anzuführen haben, der dies zweifel-
haft erscheinen lässt.
b) Verzerrungen am Netzhautbild.
Eine besondere Beachtung verdient der Umstand, dass das Netzhaut-
bild des facettirten Auges häufig, ja vielleicht in der Mehrzahl der Species
der Projection des Objectes nicht geometrisch ähnlich ist. Wir sind das
beim Wirbelthierauge nicht oder doch nur in sehr geringem Grade zu
finden gewohnt. Beim Facettenauge aber haben wir Einrichtungen kennen
gelernt, welche eine solche Verzerrung des Netzhautbildes zu Gunsten
einer Erweiterung des Sehfeldes bewirken. Es sind das die Schiefstellungen
der Kegel am Rande des Auges. Ausserdem aber lernten wir vielfach sehr
beträchtliche Abweichungen der Cornea von der Kugelgestalt kennen, sehr
nennenswerthe Differenzen der Krümmungshalbmesser in den verschiedenen
Meridianen, welche dann natürlich auch eine Verzerrung der Pseudopupille
bewirken (Libellen, Carcinus). Das Maximum solcher Abweichung zeigte
uns Squilla, von deren Consequenzen oben schon die Rede war. '
Sei es also, dass die Corneaoberfläche nicht eine Kugelschale um die
kugelig gekrümmte Netzhaut bildet, sei es, dass bei kugeliger Krümmung
der Cornea die Axen der Facettenglieder nicht radiär gestellt sind,
immer muss eine Verzerrung des Netzhautbildes entstehen, durch welche
es seine geometrische Aehnlichkeit mit dem Sehfelde verliert.
So muss z. B. die stärkere Krümmung des Auges an seiner Peripherie
bewirken, dass ein Quadrat, dessen eine Seite horizontal steht und das in
1 Schon J. Müller hat die Abweichung des Auges von der Kugelgestalt bemerkt und
besprochen (zur'vergl. Physiologie des Gesichtssinnes, S. 379), hebt aber nun hervor, dass die
Deutlichkeit des Netzhautbildes in Folge dessen an verschiedenen Stellen eine ungleiche sein
müsse.
— 181 —
einer kugeligen Fläche um das Auge bewegt wird, ein Netzhautbild ent-
wirft, das, wenn das Quadrat nach oben oder unten verschoben ist, die
Form eines Kechteckes hat, dessen horizontale Seite länger ist; befindet
sich das Quadrat aber rechts oder links, so bildet das Netzhautbild ein
Rechteck, dessen verticale Seite die längere ist. In den Zwischenstellungen
bildet es Rhomben. Kurz, das Netzhautbild eines solchen Auges wird an
seinem Rande Verzerrungen zeigen, die dadurch zu Stande kommen, dass
die Dimensionen desselben in radiärer Richtung (wobei die Mitte des Seh-
feldes Centrum ist) verkürzt sind.
Analoges muss sich auch im Centrum des Netzhautbildes linden,
wenn der Krümmungshalbmesser desselben in verschiedenen Meridianen
verschieden ist. Ist er z. B. im verticalen kürzer, so wird auch das in
der Mitte des Sehfeldes stehende Quadrat als Rechteck abgebildet, dessen
horizontale Seite die längere ist.
Es fragt sich nun, ob diese geometrische Unähnlichkeit des Netzhaut-
bildes mit dem Sehfeld nicht etwa das Sehen schwer schädigt.
Vom physiologischen Standpunkte aus ist eine solche Schädigung
nicht zu erwarten. Erkennen doch auch wir die Grösse eines Objectes
ziemlich gut, ob das Object nahe oder ob es ferne, d. h. ob sein Netzhaut-
bild gross oder ob es klein ist. Der Mensch, wenn er es nicht in der
Schule gelernt hat, weiss nichts davon, dass er ein Netzhautbild besitzt
und wie es gestaltet ist, der Arthropode noch viel weniger. Der Werth
aller Sinnesorgane bei der Wahrnehmung der Aussenwelt beruht vielmehr
darauf, dass unter gleichen äusseren Bedingungen gleiche Nervenerregungen
zum Centralorgan gelangen. Aus der Differenz der Nachrichten, die dahin
gelangen — unter sonst gleichbleibendem Zustand des Thieres und seiner
Organe — wird eine Differenz der Verhältnisse in der Aussenwelt erkannt.
Nun ist das Netzhautbild bei einem gegebenen Auge, z. B. am Rande
immer in der bestimmten Weise verzerrt. Es hat das betreffende Insect
einen Vogel, der am Rande seines Sehfeldes vorbeifliegt, immer mittelst
eines langgestreckten Netzhautbildes gesehen, und wenn nun wieder ein
solches langgestrecktes Netzhautbild in demselben Theile des Sehfeldes
auftritt, so wird es, vom Netzhautbild nichts wissend, den Vogel erkennen
und sich zu verbergen trachten.
Es kann natürlich keine Rede davon sein, dass dieses Individuum
das Netzhautbild zu deuten gelernt hat, wohl aber ist der ganze centrale
Mechanismus von Instincten etc. auf Grund dieses so und nicht anders
geformten Netzhautbildes im Laufe der Generationen ausgebildet worden.
Ein in der angeführten Art verzerrtes Netzhautbild ist also durchaus
nicht als schlechter betreffs der Erhaltung des Individuums zu betrachten,
es wird vielmehr gewöhnlich gerade wegen seiner Brauchbarkeit diese
Form erhalten haben. Wenn auch am Rande weniger Details im Netzhaut-
bilde enthalten sind, so kann die Erweiterung des Sehfeldes doch einen
grösseren Werth für das Thier haben ; denn wenn es Details an einem
- 182 —
Objecte beobachten will, so kann es ja das Centrun] des Auges nach dem-
selben richten. Machen wir es doch auch so. Unser Netzhautcentrum dient
uns zur genauen Beobachtung : wir richten unseren Blick nach Objecten,
die wir bis dahin in den seitlichen Theilen des Sehfeldes hatten und die
unser Interesse erweckt haben.
c) Das Sehen von Bewegungen.
Ich habe im Vorstehenden mit Absicht nur von der Schärte und der
Verzerrung des Netzhautbildes gesprochen, denn so wenig die Thiere
die Verzerrung des Netzhautbildes als Verzerrung der Objecte sehen, so
wenig ist von vornherein die Schärfe des Netzhautbildes als directer Aus-
druck für die Schärfe des Sehens zu betrachten. Es ist unmöglich, dass
die Thiere Einzelnheiten sehen, die nicht im Netzhautbild enthalten sind,
es ist aber, wie schon bemerkt, wohl möglich, dass sie solche nicht sehen,
obwohl sie im Netzhautbilde enthalten sind. Hier kommt es auch auf
die Leistungsfähigkeit der Netzhaut an, sowie auf die ganze Art ihrer
Function.
Die Netzhaut des Facettenauges ist im Allgemeinen absolut dicker
als die des Wirbelthierauges , eine Differenz, welche mit Rücksicht
auf die kleinen Dimensionen des dioptrischen Apparates eine ungeheure
wird. Würden wir uns vorstellen, dass nur eine dünne Schichte dieser
Netzhaut lichtempfindlich ist, so könnte das Bild in seiner vollen Schärfe
percipirt werden. Eine dünne Schichte, der man eine solche Function
zuschreiben könnte, ist aber nirgends zu finden, und es geschieht gewiss
mit Recht, dass wir die Sehstäbe, beziehungsweise die Rhabdome für dieselbe
in Anspruch nehmen. Die Schichte der Sehstäbe ist aber eben recht dick,
und ist bei vielen Augen immer, bei anderen in der Dunkelstellung des
Netzhautpigmentes, noch bei anderen allerdings wohl gar nicht oder nur
in geringem Grade (Tagschmetterlinge) für solches Licht durchgängig, das
nicht genau in der Richtung der Axe des Facettengliedes eindringt.
Dadurch aber kann es geschehen, ja es ist nicht einzusehen wie es nicht
geschehen sollte, dass das von einem hellen Punkt ausgehende Licht nicht
nur einen Sehstab, sondern, allerdings in geringerem Grade, auch noch die
benachbarten reizt. Ein Blick auf Holzschnitt Fig. 11, S. 40, macht es
klar, dass, wenn der Bildpunkt B z. B. auf dem vorderen Ende eines
Sehstabes vom Lampyrisauge liegt, die nach rückwärts divergirenden
Strahlen auch noch in Nachbarstäbe eindringen müssen. Die oben ge-
schilderte Art, wie die Rhabdome das gefangene Licht festhalten, wird
diese Diffusion des Lichtes in der Netzhaut gewiss sehr beschränken, aber
gänzlich wegzuschaffen vermag sie sie wohl nicht. Es wird deshalb ein
heller Punkt, wenn sein mikroskopisch beobachtetes Netzhautbild auch
scharf wäre, immer noch in der Empfindung als mit einem Hofe umgeben
erscheinen, der an Intensität nach Aussen rasch abfällt. AYiirde der Bild-
- 183 —
punkt nicht an dem vorderen Ende des Sehstabes liegen, sondern an seinem
hinteren, oder irgendwo in seinem Verlaufe, so würde das im Verhalten
dieser Lichtdiffusion nichts Wesentliches ändern.
Die ganze Lichtverschiebung des Retinapigmentes bei Krebsen scheint
mir, nur von diesem Standpunkt betrachtet, eine physiologische Bedeutung
zu haben; es war schon oben davon die Rede, dass auf diesem Wege das
Netzhautbild, soferne es percipirt wird, bei Nacht eine grosse relative
Helligkeit auf Kosten seiner Schärfe gewinnen muss. Es scheint das um
so wünschenswerther, als das Netzhautbild des Facettenauges, ganz im
Allgemeinen gesprochen, sehr viel lichtschwächer ist als das des Wirbel-
thierauges. Man bedenke nur die grosse Ebene der Pupille des Säuge-
thieres als Basis jedes einem Bildpunkte zugehörigen Strahlenkegels und
die kleine Gruppe von Facetten, welche beim zusammengesetzten Auge die
Basis dieses Strahlenkegels bildet, von dem Appositionsbild ganz abgesehen.
Die Schärfe des Netzhautbildes gibt also nur die obere Grenze für
die Schärfe des Unterscheide gs Vermögens; der physiologische Zerstreuungs-
kreis drückt dieses herab. Doch ist dieser Zerstreuungskreis gewiss nicht so
bedeutend, dass er es unmöglich machte, die Sehschärfe nach der Schärfe
des Netzhautbildes näherungsweise zu beurtheilen.
Ich bin auf den wahrscheinlichen Zerstreuungskreis und seine
physiologische Entstehung hier eingegangen, weil ich mit demselben einen
Umstand in Beziehung bringen möchte, der mir von Bedeutung scheint.
Es ist ja eine sehr naheliegende Frage: was bedeuten die beiden
Typen von Augen, die im Thierreiche vorkommen? Haben sie wirklich
ganz gleiche Functionen, und hat die Natur hier dasselbe Ziel auf zwei
grundverschiedenen Wegen erreicht, einmal mit einem Linsensystem und
dem verkehrten Bilde, das anderemal mit Hunderten von Linsensystemen
und einem aufrechten Bilde? Wenn ja, was bedeutet es dann, dass viele
Thiere nebst den grossen Facettenaugen kleine einfache Augen haben?
Wozu die kleinen, wenn die grossen genau dieselben Functionen, nur
ihrer Grösse wegen in vollkommenerer Weise erfüllen?
Ich stehe in der Beantwortung dieser Fragen noch auf dem Stand-
punkt, den ich schon in meiner ersten Abhandlung über das zusammen-
gesetzte Auge (1875) angegeben habe; die genauere Begründung desselben
muss nach meinen heutigen Kenntnissen vom Facettenauge freilich eine
andere Gestalt annehmen, und wird dadurch wohl an Festigkeit gewinnen.
Meine Ansicht geht dahin, dass der Typus des Wirbelthierauges
in vollkommenerer Weise dem Erkennen von Formen der äusseren
Objecte, der Typus des Facettenauges in vollkommenerer Weise
dem Erkennen von Veränderungen1 an den Objecten dient.
i
Ich habe früher gesagt „von Bewegungen der Objecte". Es seheint mir berechtigt,
den Begriff zu dem der Veränderungen zu erweitern. Es geschieht auf Grund von Studien
über die Fähigkeit des menschlichen Auges, Bewegungen und Veränderungen im Allgemeinen
wahrzunehmen.
— 184 —
Ich muss bemerken, dass die Wahrnehmung von Veränderungen, ins-
besondere von den Bewegungen äusserer Objecte, im Leben der Thiere
eine viel grössere Rolle spielt, als man gewöhnlich anzunehmen scheint.
Es steht das in Zusammenhang mit deu lebendigen Feinden, vor denen
sie sich zu hüten, oder mit der lebendigen Beute, die sie zu erjagen haben.
Ich habe mich zu wiederholtenmaleu davon überzeugt, dass Rehe oder
Hasen den Menschen an seiner Gestalt nicht erkennen; wenn er sich
vollkommen ruhig verhält, so kommt es vor, dass er ihnen als etwas
Absonderliches auffällt, dass sie ihn lange und aufmerksam betrachten,
dass sie aber ganz nahe kommen, und sich schliesslich vollkommen über
den fremden Gegenstand beruhigen. Selbstverständlich würde das Reh im
höchsten Grade erschrecken, wenn es so unter den Wind käme, dass es
Geruch vom Menschen empfinge — nebenbei bemerkt — ein Zeichen, um
wie viel sicherer diese Thiere nach dem Geruchsinn, als nach dem Gesichts-
sinne, wenigstens bei ruhenden Objecten urtheileu. Wer je eine Katze
genau beobachtet hat, weiss, wie sehr die leiseste Bewegung in ihrem
Gesichtsfeld sie aufzuregen, oder doch ihre Aufmerksamkeit zu wecken
vermag, während sie für ruhende Objecte verhältnissmässig stumpfsinnig
ist. Eine Natter sieht den Frosch in ihrem Käfig nicht, so lange er ruhig
ist, beim ersten Sprung, den er macht, ist er gesehen und erhascht.
Aehnliches beobachtet man bei Fröschen, wenn sie Fliegen fangen, oder
bei Fischen. Der Angelfischer weiss, dass sich seine künstliche Mücke an
der Wasseroberfläche bewegen muss, soll die. Forelle nach ihr schnappen.
Solche Beispiele Hessen sich von Wirbelthieren in grosser Menge anführen;
noch viel mehr aber ist das für die Insectenwelt der Fall. Ich brauche
nur daran zu erinnern, wie man einen Schmetterling oder eine Libelle
fängt. Alles kommt auf die Behutsamkeit der Annäherung an, jede rasche
Bewegung schreckt das Thier auf, bei hinlänglich langsamer Bewegung
aber kann man sich oft nähern, bis man es greifen kann. Die Gestalt des
sich bewegenden Objectes scheint dabei ziemlich gleichgültig, es fliegt auf,
ob ein Vogel vorbeifliegt, ein Schmetterlingnetz ihm unvorsichtig genährt
wird, ein Mensch oder ein Hund vorbeigeht u. s. w. Das Insect kennt seine
Feinde nicht nach Formen, sondern nur nach Bewegungen, die Fliege
setzt sich ungescheut auf jeden ausgestopften Vogel, und der ganze Schwann
von Fliegen steigt in die Luft, wenn im Zimmer ein Sacktuch geschwungen
wird. Andererseits erkennt die Libelle auch ihre Beute hauptsächlich an
Bewegungen, denn sie stürzt sich auf ein in die Luft geworfenes Papier-
kügelchen, sowie sie es bei einem fliegenden Insect thut.
Dieses Alles sollte nur die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung lenken,
welche die wahrgenommene Bewegung im Sinnesleben der Thiere hat.
Nun war ich, ehe ich mich mit den Facettenaugen zu beschäftigen
begann, auf Grund physiologisch-optischer Studien zu der Anschauung
gelangt, dass die Wahrnehmung von Bewegungen mit dem Auge auf einer
primitiven Empfindung beruhe, einer so primitiven Empfindung etwa, wie
— 185 —
die Empfindung Roth oder Hell im Gegensatze zu einer anderen Farbe
oder zu Dunkel ist. Es ist hier nicht der Ort auf diesen Gegenstand näher
einzugehen, ich will nur erwähnen, dass diese Empfindung der Bewegung
ebenso eine obere und untere Intensitätsgrenze hat, wie die Empfindung
der Farbe, dass sie wie diese ein negatives Nachbild hinterlässt, welches
sich wie bei dieser auf die gereizte Netzhautstelle beschränkt u. s. w.
Für uns von Wichtigkeit ist nun der Umstand, dass die Empfindlich-
keit für die BeAvegungen an den verschiedenen Stellen der menschlichen
Netzhaut durchaus nicht gleichen Schritt hält mit der Localisations-
lähigkeit derselben. Diese ist im Centrum am grössten und nimmt nach
der Peripherie hin rasch ab. Die Bewegungsempfindlichkeit aber nimmt
so viel Aveniger rasch ab, dass man geneigt ist zu sagen, die Function der
Netzhautperipherie besteht in erster Linie in der Wahrnehmung von
Bewegungen, oder, wie ich mich später überzeugt habe, in der Wahr-
nehmung von Veränderungen überhaupt.1 In der That lehrt die tägliche
Erfährung, dass wir ruhende Objecte nie bemerken, wenn sie nicht recht
nahe dem Blickpunkt liegen, dass aber die leiseste Veränderung an der
Peripherie des Sehfeldes, ein vorbeifliegender Vogel, die Bewegung eines
Zweiges, das Herabgleiten eines Kleidungsstückes von einem seitlich
stehenden Stuhl, den wir vorher gar nicht bemerkt hatten, u. dgl. m. unsere
Aufmerksamkeit sofort rege macht und uns fast reflectorisch nöthigt, den
Blick dahin zu wenden, v. Fleischl hat eine sinnreiche Hypothese über
die Structurverhältnisse der menschlichen Netzhaut aufgestellt, welche,
anknüpfend an meine Anschauungen über die Functionsweise des Insecten-
auges, diese relative Ueberempfindlichkeit für Bewegungen bei Unter-
empfindlichkeit für räumliche Auffassung zu erklären vermag.
Ich bin nämlich der Anschauung, dass das Facettenauge ähnlich
functionirt wie die Netzhautperipherie des Menschen, dass also
das Hauptgewicht der Wahrnehmung von Veränderungen zufällt, die Wahr-
nehmung der Formen erst in zweiter Linie in Betracht kommt.
Warum ich diese Ansicht hege, geht aus folgender Betrachtung
hervor:
Wie eben besprochen wurde, wird durch das Superpositionsbild eines
hellen Punktes, auch wenn das optische Bild so vollkommen als möglich
wäre, nicht nur ein Sehstab in Erregung versetzt, sondern eine ganze
Gruppe derselben. Es entstellt eben eiu kleiner Empfindungszerstreuungs-
kreis. In diesem Zerstreuungskreis aber ist der Grad der Erregung nicht
gleichmässig vertheilt, sondern das Maximum der Erregung trifft den im
Centrum gelegenen Sehstab; um diesen herum liegt eine Zone Sehstäbe,
deren Erregung geringer ist, um diese Zone eine zweite, deren Erregung
noch geringer ist u. s. w.; kurz es ist ein Zerstreuungskreis vorhanden,
1 Wenn man z. B. eine' Gruppe dunkler Punkte auf hellem Grunde so weit an die
Peripherie des Sehfeldes schiebt, dass man sie auch nicht mehr annähernd zählen kann, so
bemerkt mau es doch sofort, wenn einer von ihnen versehwindet oder ein neuer auftaucht.
— 186 -
innerhalb dessen die Erregung nicht gleichmässig vertheilt ist, sondern
vom Centrum nach aussen continuirlich bis auf Null absinkt. Denken wir
uns jetzt den leuchtenden Punkt nur um so weniges verschoben, dass sein
Bild sich auf der Netzhaut nur um den Durchmesser eines Sehstabes ver-
schiebt. Es muss sich dann der Erregungsgrad aller dem Zerstreuungs-
kreis angehüriger Sehstäbe geändert haben. Es leuchtet ein, dass diese
Erregungsänderung in einer grossen Anzahl von Nervenendigungen in
hohem Grade geeignet ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, d. h. ein
Bemerken der stattgehabten Bewegung sowie ihrer Richtung zu veranlassen,
ebenso dass jede Veränderung, also das plötzliche Auftreten eines vorher
unsichtbar gewesenen Objectes (es ist ein solches ohne sehr merkbare
Bewegung möglich), ähnlich starke Sinnesreizung veranlassen muss.
Der Zerstreuungskeis eines correct gebauten Wirbelthierauges würde
nicht in gleicher Weise wirken, weil er durchaus von gleicher Helligkeit ist.1
Es treten im selben Falle dann Veränderungen im Erregungszustande
nur in der relativ geringen Anzahl von Netzhautelementen ein, welche
die Peripherie des Zerstreuungskreises bilden. Die beiden Typen der
Zerstreuungskreise verhalten sich also recht verschieden und die physio-
logische Wirkung gleicher Verschiebungen gleich grosser Zerstreuungs-
kieise dürfte sich verhalten wie die Peripherie zum Flächeninhalt. Es ist
also der Zerstreuungskreis des Facettenauges in dieser Beziehung sehr
bedeutend im Vortheil. Eine Vergleichung der Bewegungsempfindlichkeit
beider Augentypen muss natürlich auf der Voraussetzung basiren, dass in
beiden Fällen die Netzhaut gleich empfindlich für Helligkeitsdifferenzen ist.
Auf dieser Voraussetzung beruht natürlich jede Schätzung der Leistungen
eines Auges nach seinem dioptrischen Verhalten.
Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass nur die mit Superpositons-
bildern begabten Augen einen derartigen physiologischen Zerstreuungs-
kreis haben. Er ist wohl auch beim Appositionsbild vorhanden.
Man erinnere sich, dass bei diesen Augen in der Nähe der Spitze
des Krystallkegels ein Bild von einem kleinen Stück Sehfeld entsteht
(vgl. Holzschnitt Fig. 9, Seite 25 ab), welches von der da liegenden Retinula
aufgenommen wird. Es wird nicht als Bild percipirt, sondern liefert einen
einheitlichen Eindruck, da ja die Retinula einem Sehelement entspricht,
Nun ist die Aussenfläche der Retinula, wie die Mantelfläche des Kegels
von Pigment umgeben. Ein wie grosser Theil des Bildes ab auf die Reti-
nula fällt, hängt von der Lage dieser und des einhüllenden Pigmentes ab.
Es wäre sehr unzweckmässig und deshalb nicht wahrscheinlich, dass der
percipirte Antheil des Bildes kleiner wäre, als es dem zugehörigen Bruch-
theil des Sehfeldes entspricht. Wäre er nämlich kleiner, so würde das
Thier nicht Eindrücke von allen Objecten des Sehfeldes erhalten, sondern
1 Ich sage: eines eorreet gebauten Auges, denn thatsächlich kommen Helligkeits-
differenzen vor, die aber unregelmässig sind, und deshalb nicht wie die des oben geschilderten
Zerstreimngskreises im Faeettenauge der geschilderten Function dienen können.
— 187 —
das Sehfeld wäre gleichsam mij einem Netz überzogen, durch dessen Maschen
es sieht, das alter selbst vieles zudeckt. Es würde zwar von der Existenz
dieses Netzes so wenig eine Empfindung haben, wie wir von der Existenz
unseres blinden Fleckes, doch erlitte es eine bedeutende Schädigung
seines Sehens. Man wird also wohl voraussetzen, dass die pereipirten An-
theile des Bildes ab so gross sind, dass sich die correspondirenden Antheile
des Sehfeldes mindestens berühren. Nun aber braucht man nur anzunehmen,
dass diese Antheile noch etwas grösser sind, so hat auch dieses Auge
Zerstreuungkreise, welche sich ebenso verhalten wie die des Auges mit
Superpositionsbild. Denn es gelangt dann zu der Retinula eines Facetten-
gliedes nicht nur das Licht, welches von dem ihm durch Protection
zugehörigen Theile des Sehfeldes ausgeht, sondern auch noch solches aus
den Nachbartheilen des Sehfeldes, aber in geringerer Menge, uud zwar
in um so geringerer Menge, je weiter dieser Nachbartheil von dem in der
Axe des Facettengliedes gelegenen entfernt ist.
Aus den oben geschilderten Beobachtungen an abgekappten Augen
mit Appositionsbild geht hervor, dass man diese Voraussetzung aber gar
nicht braucht und dass es keine Hypothese, sondern Thatsache ist, dass
an der Spitze einer ganzen, wenn auch kleinen Gruppe von Kegeln die
verkehrten Bildchen desselben leuchtenden Objectes gesehen werden;
uud die anatomischen Verhältnisse der Eetinula lassen es kaum möglich
erscheinen, dass auf jede nur das Licht des geometrisch zugehörigen An-
teiles des Sehfeldes gelangt. Es ist also nur — vielleicht übergrosse -
Vorsicht, wenn ich mich über das Vorhandensein des nach der Peripherie
an Intensität abnehmenden Zerstreuungskreises mit so geringer Ent-
schiedenheit ausspreche. Wenn sich die Beobachtung Leydig's und
Thompson Lowne's bestätigt, nach welcher das Pigmentlumen zwischen
Krystallkegel und Retinula seinen Durchmesser im Leben zu ändern
vermag, an welche Möglichkeit freilich nur für gewisse Thiere gedacht
werden kann, so haben wir auch hier, wie bei den Augen mit Super-
positionsbild, ein Mittel vor uns, nicht nur die Helligkeit des Netzhautbildes,
sondern auch die Grösse des Zerstreuungskreises, somit die Schärfe des
Bildes zu variiren.
Dass ich beim Sehen der Insecten ein grösseres Gewicht auf das
Erkennen von Veränderungen lege, geschieht, weil ich darin die wesent-
lichste functionelle Differenz vom Sehen mit dem verkehrten Netzhautbild
erblicke; ich bin aber weit davon entfernt, das Erkennen von Formen zu
unterschätzen,1 wie man wohl geglaubt zu haben scheint. Die schönen Ver-
suche von Plateau haben hinlänglich festgestellt, dass die Insecten Objecte
und deren Lage sehen, und die Schärfe, mit der das geschieht, stimmt recht gut
mit der überein, die ich seit Langem vermuthet und auch angedeutet habe.
1 Vgl. das oben bei Besprechung des A.uges von Squilla Mitgetheilte. Es seheint
mir übrigens selbstverständlich, dass bei verschiedenen Thierarten das Verhältniss der Voll-
kommenheit 'los Form- und Bewegungssehens bedeutenden Variationen unterworfen ist.
— 188 —
Man braucht mir einen Schmetterling zu beobachten, wie er von
IM Linie zu Blume fliegt, um sieh zu überzeugen, dass er diese aus massiger
Entfernung sieht, und man braucht andererseits nur zu sehen, dass er
sich nicht zu selten von Objecten ähnlicher Gestalt und Farbe täuschen
lässt, diese Täuschung aber erst bemerkt, wenn er fast bis zur Berührung-
nahe gekommen ist, um die Ueberzeugung zu gewinnen, es sei dieses
Sehen etwa von jener Vollkommenheit, deren Grössenordnung durch das
Netzhautbild von Lampyris gegeben ist.
Auch dass die Thiere Farbenempfindung haben, kann man so ohne
weiters beobachten, hauptsächlich an der Art, wie sie sich täuschen lassen;
doch ist das durch die exacten Versuche Lubbock's längst bekannt, und
die ganze bunte Welt der Schmetterlinge und Blumen legt Zeugniss davon ab.
d) Accommodation.
Dass es im zusammengesetzten Auge eine Accommodation gebe, ist
mir sehr unwahrscheinlich. Erstens ist dieselbe beim Appositionsbild über-
flüssig, denn es kommt eine geringe Verschiebung des an der Spitze des
Krystallkegels entworfenen Bildes physiologisch kaum in Betracht. Zweitens
ündet man weder in den Augen mit Appositionsbild, noch bei jenen mit
Superpositionsbild irgend eine Einrichtung, welche als Accommodations-
mechanismus gedeutet werden könnte. Bei den Augen letzterer Art rückt
das Bild bei Annäherung des Objectes nach vorne, im Gegensatze zu den
Wirbelthieraugen. Ich mass diese Verschiebung in einem Falle bei Lampyris.
Sie betrug 0092 Millimeter, wenn der Gegenstand aus der Entfernung von
810 Millimeter in die von 1-2 Millimeter gebracht wurde. Um den Gegen-
stand so nahe zu bringen, benutzte ich den Kunstgriff, von demselben
durch den Abb e 'sehen Beleuchtungsapparat ein Bild zu entwerfen. Dieses
fungirte als abzubildender Gegenstand. Die Messungen sind aus nahe-
liegenden Gründen nur approximativ, doch zeigen sie zur Genüge die
Grössenordnung der Verschiebung, um die es sich bei diesem Auge handelt.
Man wird wohl kaum zweifeln, dass das herumfliegende Lanipyrismännchen
mit dem Auge das im Grase sitzende leuchtende Weibchen sucht, dass es
also diesen Lichtpunkt mit näherungsweise auf Unendlich eingestelltem
Auge sieht; ob es aber noch deutliche Bilder von 1-2 Millimeter entfernten
Objecten zu bekommen nöthig hat, mag wohl fraglich erscheinen.
Wäre ein Accommodationsapparat da, so müsste er beim Fixiren naher
Objecte eine Annäherung des dioptrischen Apparates und der Netzhaut
erzielen. Doch ist nichts von einem solchen zu finden. Es ist auch sehr
leicht begreiflich, dass ein Accommodationsapparat diesen Augen fehlt, Denn
die grosse Dicke der Netzhaut vermag ihn vollständig zu ersetzen. Wenn
das Bild auch etwas nach vorne oder nach rückwärts rückt, es kann dabei
immer noch im Inneren der Netzhaut verbleiben. Beim Wirbelthierauge ist
es unter gleicher Verschiebung des Objectes längst schon vor oder hinter
die Netzhaut gewandert.
— 189 —
Noch ein anderer Umstand kommt in Betracht. Er betrifft auch das
Wirbelthierauge. Je kleiner die Dimensionen des Auges werden, desto
entbehrlicher wird die Accommodation, unter der im Grossen und Ganzen
zutreffenden Voraussetzung, dass die empfindliche Schichte der Netzhaut
eine absolut gleichbleibende Dicke hat. Die Grösse der Verschiebung des
Netzhautbildes ist, gleichen Bau der Augen vorausgesetzt, proportional den
linearen Dimensionen des Auges. ' Für diese gibt die hintere Brennweite
ein Mass ab. Dieselbe ist z.B. beim Elephanten vielmals grösser als bei der
Maus; und da die beiden empfindlichen Netzhautschichten, sowie die Netz-
hautelemente nur geringe Grössenunterschiede zeigen (beim Frosche sind
sie sogar viel grösser als beim Elephanten), so ist die Accommodation bei der
Maus viel entbehrlicher als bei den grossen Säugethieren. Hier ist freilich
unter entbehrlicher nur verstanden, dass das Thier in einer Entfernung
noch scharfe Bilder bekommt, für welche der Elephant schon stark accom-
modiren muss. Dabei könnte allerdings für die Maus die Beobachtung
wenige Millimeter entfernter Objecte noch Bedeutung haben, die für den
Elephanten bedeutungslos ist.
Ganz ähnlich aber verhält es sich auch bei den Insecten und Krebsen
mit Superpositionsbild, deren Augen durchaus nur die Grösse von denen-
kleiner Säugethiere haben.
e.) Das Sehen in der Tiefendimension.
Dass Insecten und Krebse nahe von fernen Gegenständen unter-
scheiden, wird wohl nicht zu bezweifeln sein; es lassen sich, besonders
an Insecten, leicht Versuche anstellen, die zeigen, dass sie sich vor einem
nahen Gegenstand mehr fürchten, als vor einem fernen, auch wenn schein-
bare Grösse und Winkelgeschwindigkeit dem letzteren günstig sind.
Wir Menschen und offenbar alle Wirbelthiere erkennen Entfernungen
hauptsächlich auf Grund der Verschiedenheit, welche die beiden Netzhau t-
bilder desselben Gegenstandes in den beiden Augen zeigen, und auf Grund
der Convergenzanstrengung, die wir beim binocularen Fixiren eines Gegen-
standes aufwenden müssen. Letzterer Punkt kommt bei sehr vielen Thieren,
welche mit Facettenaugen sehen, sicher nicht in Betracht, denn ihre Augen
sind unbeweglich am Kopfe befestigt. Die Augen anderer allerdings sind
beweglich (viele Krebse), doch sind ihre Bewegungen so unabhängig von-
einander, dass es schwer ist, zu glauben, ein Mechanismus binocularer
Fixation spiele in ihrem Sehen eine grosse Rolle. Auch ist vielfach die
Stellung der Augen am Kopfe eine solche, dass dieser Gedanke zurück-
gedrängt wird.
Doch ist kein Grund anzunehmen, dass das erste Moment bei Facetten-
augen nicht dieselbe Rolle spiele, wie bei Wirbelthieraugen. Auch hier ist,
i
Denn die Entfernung des Bildes vom zweiten Brennpunkt f2— F2 = D ergibt,
da f., = JjlL ist, D = F) F2
fi-F. f,-F,
- 190
z. B. bei Libellen, ein grosses gemeinsames Gesichtsfeld, unzweifelhaft
viel grösser als das des Menschen, denn es erstreckt sich nicht nur nach
vorne, sondern auch nach oben, hinten und unten. Auch hier müssen die
Bilder beider Augen verschieden sein, und die beiden Netzhautstellen,
welche von dem Bilde desselben Objectpunktes getroffen werden, bestimmen
eindeutig die Entfernung und Lage des Objectpunktes bei gegebener
Stellung des Kopfes.
Die binoculare Tiefenschätzung des Wirbelthieres ist eine um so
genauere, je grösser die Distanz der beiden Augen voneinander ist, wie dies
jüngst Berlin1 ausgeführt hat. Diese Distanz ist bei Insecten allerdings
recht gering, obwohl sie so gross zu sein pflegt, als es die Dimensionen
des Kopfes nur immer zulassen. Daraus geht aber nicht hervor, dass
diese Thiere mit dieser Art der Tiefenwahrnehmung nicht auskommen,
sondern nur dass sie bei gleicher und ziemlich grosser Entfer-
nung der Objecte unvollkommener ist. Bei geringer Entfernung aber
kann das Princip der Tiefenwahrnehmung genau so fungiren wie bei den
Wirbelthieren. Und wenn ein solches in wenigen Centimetern von seinen
Augen schon gar keine brauchbare Tiefenwahrnehmung- mehr hat, schon
wegen der schlechten Netzhautbilder und der unmöglich gewordenen Con-
vergenz, so wird eine Libelle vielleicht gerade in dieser Entfernung die
schärfste Tiefenwahrnehmung besitzen, und diese kann ihr vortheilhafler
sein, als eine genaue Schätzung grosser Entfernungen.
Es ist sehr wohl möglich, dass manche Insecten, wie dies Plateau
beobachtet hat, deshalb erst kurz vor einem Hinderniss ihren Weg ändern
(Platta) und ausweichen, weil sie das Object zwar vorher gesehen, seine
Entfernung und damit seinen Charakter als Hinderniss aber erst erkannt
haben, als sie nahe genug waren, um einen brauchbaren binocularen Tiefen-
eindruck von ihm zu bekommen. Wenn viele Insecten an ein Papierblatt
erst anstossen mussten, um auszuweichen, so kann das auch darin seinen
Grund haben, dass die Tiefenwahrnehmung (auch beim Wirbelthiere) nur
dann möglich ist, wenn Details im Objecte gesehen werden. Ein Blatt Papier
könnte also nur auf Grund der Wahrnehmung seiner Begrenzungslinien in
die richtige Entfernung verlegt werden, wenn es selbst vollkommen gleich-
massig gefärbt wäre.
Wie gesagt, ist es bei der Unabhängigkeit voneinander, mit der
sich die Augenstiele vieler Krebse bewegen, schwer, bei diesen Thieren an
einen binocularen Sehact der geschilderten Art zu denken. Doch drängt
sich bei der Betrachtung eines solchen Krebses mit seinen lebhaften Augen-
bewegungen eine andere Vorstellung auf. Jedermann weiss, dass es eine
für das schwierige Erkennen und Enträthseln eines Gesichtsobjectes charak-
teristische Bewegung ist, wenn Jemand mit vorgestreckten Hals und fixirtem
1 lieber die Schätzung der Entfernungen bei Thieren (Festschrift zur Feier des
XXV. Regieraugsjubiläums Sr. Majestät des Königs Karl von Württemberg), Stuttgart 188(J.
191
Blicke eleu Kopf nach rechts und links hin und her bewegt. Auch Thiere
machen es bisweilen so. Es handelt sich darum, das Object von etwas ver-
schiedenen Richtungen aus zu betrachten. Die nacheinander erhaltener!
Bilder gewähren dann nicht nur eine correctere Anschauung der Formen,
sondern vor Allem auch der Entfernungen der verschiedenen Theile.
v. Helmholtz führt einen sehr treffenden Fall an, ' in dem man sich von
der Wirkung dieser Succession von Bildern überzeugen kann : Wenn man
den binocularen Sehact beseitigt, indem man ein Auge schliesst, und blickt
dann bei ruhig gehaltenem Kopfe in die Zweige eines Baumes oder in das
Astwerk eines Gebüsches, so sieht man nur ein wüstes Gewirre von
Zweigen und Blättern, in dem man sich nicht zurechtfindet und vor Allem
kein Urtheil über die Entfernung und gegenseitige Beziehung der einzelnen
Aeste zu einander gewinnt. Sowie man aber nun den Kopf etwas nach
rechts und links bewegt, so geht das ganze Gewirre in räumlicher Klar-
heit auseinander, es scheiden sich Aeste und Wipfeln, kurz es stellt sich
ein plastisches Bild des Ganzen dar. Es beruht das natürlich darauf, dass
das Netzhautbild eines nahegelegenen Gegenstandes sich während der Kopf-
bewegung rascher auf der Netzhaut verschiebt, als das eines fernen, und
dass der nahe Gegenstand eben dadurch als solcher erkannt wird.
Ich halte es nun für möglich und wahrscheinlich, dass Krebse, deren
Augenstiele keine coordinirten Bewegungen machen, sich aber, fast wie in
gewohntem Spiele, hin und her zu bewegen pflegen, nach diesem Principe
Wahrnehmungen der Tiefendimension gewinnen. Es ist dieses freilich eine
Hypothese, die leider nicht leicht wird verificirt werden können, deren
Prüfung aber doch nicht ganz ausgeschlossen erscheint. Sie findet ihre
Stütze auch darin, dass diese fast continuirlichen Augenbewegungen keinen
anderen einsehbaren Grund haben.
1 Physiologische Optik. 1. Auflage, S. 653.
XI. CAPITEL.
Einige Bemerkungen über die Phylogenese des
facettirten Auges vom functionellen Standpunkte
betrachtet.
Grenadier hat neuerdings die genetische Verwandtschaft der
beiden Augentypen einer Discussion unterzogen, des zusammengesetzten
und des einfachen, nach dem T}Tpus des Wirbelthierauges gebauten
Stemmas.
In der That, man findet bei verwandten Thieren, ja an einem und
demselben Kopfe nebeneinander die zwei Augenformen, das eine Auge
sieht mit verkehrtem, das andere mit aufrechtem Netzhautbilde. Wo ist
da das Bindeglied, nach dem wir doch stets zu suchen pflegen, wie kann
überhaupt ein Bindeglied zwischen einem aufrechten und einem verkehrten
Bilde, zwischen dem Bilde einer Camera obscura und dem Superpositionsbilde
vieler astronomischer Fernrohre aufzufinden sein?
Ich will zum Schlüsse hierüber noch ein Paar Worte vom optischen
Standpunkte sagen, umsomehr, als mich meine Betrachtungen zu wesentlich
demselben Resultate geführt haben, das Grenadier auf Grund seiner
morphologischen Untersuchungen gefunden hat.
Eine warzenartige Verdickung der Cuticula mit einer oder einigen
darunterliegenden Sinneszellen, die im Stande sind, Aetherbewegungen als
solche oder vielleicht nach ihrer durch ein schwarzes Pigment bewirkten
Umwandlung in Wärmebewegung, zu Nervenerregung umzusetzen, kann
wohl in den ruhesten Zügen als Urauge betrachtet werden. Solche Uraugen
sehen wir auch noch heute bei niederen Tliieren. Sie sind bei gegebener
Stellung des Thieres im Stande, Hell und Dunkel, sowie die Sichtung
zu unterscheiden. Ein im Wasser schwimmendes Thier wird durch
dasselbe erkennen können, nach welcher Richtung die leuchtende Ober-
fläche liegt.
Nun sind zwei Arten der Vervollkommnung dieses einfachsten Seh-
apparates möglich. Erstens die Verdickung der Cuticula (auch die Linse
des Menschen entwickelt sich noch aus dem äusseren Keimblatt) nimmt
immer mehr die Gestalt einer optischen Linse an, und die Sinneszellen
nähern sich der Brennweite derselben. Schon bei der einfachsten warzen-
artigen Verdickung wird im Allgemeinen die in der Axe derselben gelegene
— 193 —
Sinueszelle, dann die intensivste Erregung- erleiden, wenn diese Axe der
Sonne zugekehrt war; es wäre also da schon ein Beginn der Localisirung
vorhanden, wenn mehrere Sinneszellen im Urauge angenommen werden.
Denken wir uns diese Zellen allmählich an Zahl zunehmen und gegen
die Brennweite der Linse rücken, so wird, da der von der Sonne stammende
Lichtkegel in immer intensiveren Partien von den Sinneszellen aufgefangen
wird, die Localisirungsfähigkeit stetig zunehmen, und wir gelangen so ohne
Sprung — und darauf kommt es hier ja ausschliesslich an — bei ebenso
stetig zunehmendem Werthe des Organes für seinen Träger zu den ein-
fachen, aber hoch entwickelten Augen der Spinnen u. dgl., sowie der
Wirbelthiere. Die Sinneszellen breiten sich in grosser Anzahl in der Brenn-
ebene der brechenden Medien, also in einer nach vorne concaven Fläche
aus und empfangen das verkehrte Bild.
Zweitens kann sich das Urauge durch Multiplication vervollkommnen
und so zum zusammengesetzten Auge werden. Das Thier, das ein Urauge
besitzt, bekommt in einem gegebenen Momente nur Nachricht darüber, ob
in der Richtung, welche der Axe und deren Umgebung entspricht, helle
Objecte sind; will es über eine andere Richtung Erfahrungen einziehen,
so muss es den Körper wenden. Soll das Thier zu gleicher Zeit über
mehrere Richtungen orientirt werden, so müssen sich mehrere Augen ent-
wickelt haben, deren Axen divergiren. Zwei solcher Augen geben dann
in ihrer vereinten Wirkung schon den ersten Anfang eines aufrechten
Bildes. Je grösser die Anzahl dieser primitiven Augen geworden ist, desto
vollkommenere Localisirung ist möglich. So entstehen, wieder ohne Sprung,
die zahlreichen radiär augeordneten Facettenglieder des zusammengesetzten
Auges, von denen jedes noch die ursprünglichen Elemente birgt. Bei der
Kleinheit der Cuticularlinsen wird die Quantität des in ein Einzelauge
dringenden Lichtes eine geringe sein, es werden sich Structurverhältnisse
ausbilden, welche diese geringe Menge Lichtes wenigstens in so voll-
kommenem Masse als möglich dem nervösen Elemente oder den nervösen
Elementen zuführen, sei es durch die Bildung kugeliger brechender Flächen,
sei es durch Schichtung von Medien ungleichen Brechungsvermögens. Wir
kommen auf diesem Wege direct zu dem Auge, das wir als mit einem
Appositionsbilde ausgestattet kennen gelernt haben.
Morphologisch haben wir diese Entwickelungsreihe im Vorstehenden
kennen gelernt, ausgehend vom Trilobitenkrebs und durch das Auge von
Limulus zu dem der Taginsecten fortschreitend. Man sieht in dieser Reihen-
folge deutlich, wie das verkehrte Bildchen des Einzelauges (beim Trilobiten-
krebs) verkümmert, um dem aufrechten Bilde des Gesammtauges, das auch
bei diesem Thiere schon in der Aggregation der Augen vertreten war,
Platz zu machen und es zur vollkommensten Ausbildung gelangen zu lassen.
Es fragt sich nun, ob auch vom Appositionsbild zum Superpositions-
bild eine phylogenetische Brücke führt, d. h. ob eine continuirliche Reihe
von Zwischengliedern denkbar ist, deren jedes gegenüber dem vorher-
Ex 11 er, Facetteuaugen. lO
— 194 —
gehenden im Kampfe ums Dasein Vortheile gewährte, und sich dadurch
ausbilden konnte. Es scheint mir, dass diese continuirliche Reihe unschwer
zu linden ist :
Das Facettenglied in dem mit einem Appositionsbilde begabten Auge
enthält, wie wir sahen, einen Linsencylinder, näherungsweise von der Länge
seiner Brennweite. Er bewirkt, dass an seiner Spitze ein Bildchen eines
engbegrenzten Antheiles des Sehfeldes entsteht, welches dadurch einen
verhältnissmässig intensiven Lichtreiz hervorruft, dass die Hauptstrahlen
der verschiedenen Punkte des Sehfeldes sämmtlich fast parallel mit der
Kegelaxe in die Eetinula eindringen. Der einem Bildpunkte angehörende
Strahlenkegel zeigt dabei eine nicht unbeträchtliche Divergenz. Stellen
wir uns vor, der Träger dieses Auges sei aus biologischen Motiven gedrängt,
ein Dämmerungs- und ein Nachtthier zu werden. Dann braucht sich der
Linsencylinder nur zu verlängern, und die Retina in entsprechendem Maasse
vom dioptrischen Apparat zurückzuweichen, um das Auge für geringeres
Licht sehtüchtiger zu machen. Durch die Verlängerung, beziehungsweise
Verstärkung des Linsencylinders, nämlich verringert sich die Divergenz
jedes einem Bildpunkte zugehörigen Strahlenkegels, was jedenfalls für das
Centrum des „Elementarsehfeldes" (s. S. 31) eine Erhöhung der Perceptions-
intensität bedeutet; zugleich aber hören die Hauptstrahlen der peripherischen
Punkte des Partialsehfeldes auf, parallel der optischen Axe des Facetten-
gliedes der Retina zuzustreben ; sie bilden mit dieser einen Winkel in dem-
selben Sinne, wie sie das beim Superpositionsbilde thun. Wenn also, wie
vorausgesetzt, die Retina zurückgewichen ist, so trifft jetzt ein Theil des
Strahlenkegels dieser peripheren Sehfeldpunkte schon das benachbarte
Netzhautelement, geht also auch für die Perception nicht mehr verloren.
Ich habe schon S. 84 und S. 91 von solchen Augen gesprochen, welche
Uebergangsformen zwischen den beiden Typen darstellen.
Auf diesem Wege kann die relative Helligkeit des Bildes zum Nutzen
der betreffenden Thierclasse allmählich steigen, ohne dass ein Super-
positionsbild in vollkommenster Weise entsteht; dieses in der Form, wie
wir es oben besprochen haben, ist erst vorhanden, wenn der ursprüngliche
Linsencylinder an Stärke oder Länge um das Doppelte zugenommen,
also die doppelte Länge seiner Brennweite hat, und die Netzhaut sehr be-
trächtlich zurückgewichen ist.
Dieses Ziel also, so scheint mir aus dem Dargelegten mit Wahr-
scheinlichkeit hervorzugehen, kann unter continuirlicher Steigerung der
Leistungsfähigkeit des Auges bei Lichtmangel erreicht werden; dabei ist
zu bedenken, dass die Lichtverschiebung des Irispigmentes jederzeit aus
dem unvollkommenen Superpositionsbild ein Appositionsbild zu machen
vermag, sollte ein Ueberfluss an Licht das erheischen.
Sachregister.
A.
Aecommodation 188.
Aeherontia atropos 143.
Agrion-Larve, Bau 121.
— Pseudopupillen 164.
Agrypnus inoertus, Netzhaut-
bild 77.
Appositionsbild 17, 18, 75, 86.
Argynnis latonia, Augen-
leuehten 154.
Asealaphus, Zweitheilung der
Augen 128.
Astacus, Augenleuehten 158.
— Bau 124.
— Jrispiguient 73.
— Retinapigment 108
— Tapetum 101.
Augen mit doppelter Functions-
weise 91.
— mit ungleiehraässigem Bau
112.
Augenleuehten 141, 153.
— der Krebse 158.
— der Nachtsehmetterlinge
144.
— der Taginseeten 150.
— Versehwinden desselben 147.
Augensehema 45
B.
Bärenkrebs, s. Seyllarus.
Berechnung d. Lampyrisauges
52.
Bewegungen der Augenstiele
von Krebsen 190
— ihre Wahrnehmung 182.
Bild, verkehrtes von Lampyris
39, 46.
Bilder durch Linsencylindor
2 u. folg.
Bildschärfe 37.
Bombus terrestris, Netzhaut-
bild 87.
C.
C-album,
C-cardui,
Augenleuchten
Netzhaut-
Augen-
154.
Augenleuchten 154.
Cantharis fusca, Bau 118.
— Irispigment 67.
— Netzhautbild 77.
Cantharis rustiea,
bild 77.
Carcinus maenas,
leuchten 159.
— Irispigment 74.
— Pseudopupillen 163, 166.
— Tapetum 102.
Catoeala nupta, Augenleuchten
153.
— Bau 117.
— Irispigment 71.
— Pseudopupillen 171.
Cetonia, optischer Bau 80.
— Irispigment 67.
— Retinapigment 103.
Chloe binoculata, Bau 131.
Cnophria quadria, Netzhaut-
bild 81.
Coenonympha Pamphilus,
Augenleuchten 154.
Coleas hyale,Augenleuehtenl54.
Colymbetes fuscus, Bau 119.
Irispigment 68.
Colymbetes fuseus, Retinapig-
ment 103.
Copilia 135.
Cordulegaster, Augenwölbung
113.
Cornea für Wasser und Luft 9.
— der Wasser- und Luft-
thiere 9.
— der Krebse 82.
Corneafacetten, Grö'ssendiffe-
renz 113.
Corneakrümmung,
unregel-
mässig 113.
Corneareflex 166.
— der Libellen 157.
— und Pseudopupille 156.
Corneaschiehtung 8:
Crangon, Bau 122.
— Tapetum 101.
D.
Dioptrik des Lampyrisauges
39, 52.
Diplex, Bau 120.
Dipteren, Augenleuehten 154.
— Corneakrümmung 113.
Doppelte Functiousweise der
Augen 91.
Dorkadion aethiops, Netzhaut-
bild 90.
Dromia vulgaris, Augenleuch-
ten 159.
— Bau 125.
— Irispigment 73.
— Retinapigment 109.
— Tapetum 102.
13 *
196 —
Dytiscus, Bau 119.
— niarginalis, Irispiguient 68.
Einsiedlerkrebs, s. Pagurus 73.
Elater, Kegel desselben 77-
Epinephele, Augenleuehten 154.
— Bau 116.
— Pseudopupille 165.
Eristalis, Bau 121.
Etagenlupe 8, 58.
Euprepria, Augenleuehten 153,
154.
F.
Flusskrebs, s. Astaeus.
Fuchs, s. Vanessa.
G.
Au gen -
Galathea strigosa,
leuchten 159.
— Augenzeichnung 166.
— Bau 126.
— Irispiguient 74.
— Retinapigrnent 110.
— Tapetum 102.
Gammarus 131.
Gastropacha, Irispigment 70.
H.
Hauptstrahlen der Linsen-
cylinder 5.
Helligkeit, relative, des Netz-
hautbildes 32.
Helligkeitsregulirung des Bildes
65.
Herpstia, Augenleuehten 159.
Hesperia coina, Augenleuehten
154.
— Pseudopupillen 165.
Hipparchia, Augenleuchten 154
Hornarus, Corneakriimmung
113.
— Augenleuchten 159.
Hornisse, s. Vespa. erabo
Hummel, Netzhautbild 87.
Hydrophilus piceus 13.
— Netzhautbild 78.
— optischer Bau 78.
— Irispigment 68.
— Retinapigrnent 103.
I.
Innachus, Augenleuchten 159.
Irispigment 63.
— Function 59.
— locale Lichtwirkung 149.
— locale Wirkung 66.
— Verschiebung und Wirkung
63, 160.
Iristapetum 61, 62.
— dunkles 117, 171.
— von Catoeala 117.
— Wanderung 171.
K.
Käfer, Corneakriimmung 113.
Katroptrische Wirkung der
Kegel 59.
Kegel der Krebse 82.
— optische Wirkung 83, 134.
Kegel, katoptrische Wirkung 59.
— optische Wirkung 43, 133.
— optische Wirkung der
Schiefstellung 24.
— von Lampyris 44.
Kegelmantel 27.
Krebse, Corneakriimmung 113.
Krystallkegel, s. Kegel.
L.
Lampyris splendidula 35.
— Nebenbilder 173.
— Retinapigrnent 103.
Lampyrisauge, Dioptrik 39, 52.
Languste, s. Palinurus.
Lasiocampa quercifolia,Baull8.
— Irispigment 70.
Leuchten der Augen 141.
Leuchtkäferchen, s. Lampyris.
Leueoma, Bau 118
— Irispigment 70.
Leueoma Salicis, Netzhaut-
bild 81.
Libelle, Netzhautbild 89.
Libellen, ihr Sehen 115.
— Augenleuchten 154, 155.
— Corneareflex 157.
— Pseudopupillen 164.
Libellula depressa, Differenzen
im Bau 113.
Libellula vulgata, Augen-
leuchten 154.
— Bau 120.
Libellulinen, Differenzen im
Bau 113.
— Augenwölbung 113.
Lichtschimmer im Auge 61.
Lichtwirkung auf das Iris-
pigment 64.
— auf das Retinapigrnent 104
Limulus 18.
— Pseudopupille 167.
Linsencylinder 2. u. folg.
— von der Länge ihrer Brenn-
weite 5.
— von der doppelten Länge
der Brennweite 7.
— im Facettenauge 7.
Locusta caudata, Augenleuchten
155.
Locusta virdissiina, Augen-
leuchten 155.
— Bau 122.
— Pseudopupillen 178.
Luciola italica, Netzhautbild 77.
Lycaena, Augenleuehten 154.
— Bau 116.
Lycaena coridon, Augen-
leuchten 154.
M.
Maja verrucosa Augenleuchten
159.
— Irispigment 74.
— Bau 126.
— kein Tapetum 102.
— Retinapigrnent 110.
Makroglossa, Augenleuchten
153.
— Bau 118.
— Netzhautbild 81.
— Pseudopupillen 165.
— Retinapigrnent 103.
Melanargia, Bau 116.
Melanargia galathea, Augen-
leuehten 154.
Müller'sche Theorie 11.
Musca, Augenleuchten 154.
Musea domestiea, Bau 121.
Musca vomitoria, Netzhaut-
bild 87.
N.
Nebenbilder 173.
Netzhaut 95.
197 -
Netzhautbild, Grösse von Lam-
pyris 37.
— Lage 38.
— Schärfe 37, 179.
— unähnlich 112, 129.
— Verzerrungen 180.
Netzhautfunction 95.
Nica edulis, Augenleuchten
159.
— Bau 123.
— Irispigment 72.
— Tapetuni 101.
— Retinapigment 108.
O.
Ocneria rubea, Netzhautbild
81.
Ordensband, rothes, s. Cato-
cala.
Oryctes rhinocerus 81.
— Bau 120.
P.
Pagurus, Augenleuchten 158.
— Bau 125.
— Irispigment 73.
— Pseudopupillen 166.
— Retinapigment 110.
— Kein Tapetum 102.
Palaemon, Augenleuchten 158.
— Augenzeichnung 166.
— Bau 122.
— Corneakrümmung 13.
— Irispigment 72.
— Retinapigment 104.
— Tapetum 101.
Palinurus, Augenleuchten 159.
— Bau 124.
— Corneakrümmung 113.
— Irispigment 72.
— Retinapigment 107.
— Tapetum 101.
Pararge megarea, Augen-
leuchten 154.
Peneus membranaceus, kein
Augenleuchten 159.
— Augenzeichnung 166.
— Bau 124.
— Irispigment 73.
— Tapetum 101, 109.
Phacops fecundus 34.
Pliotomechanische Wirkung am
Irispigment 63.
Phronima, Bau 130.
Phylogenese der Augen 192.
Pieris rapae, Augenleuchten
151, 154.
— Bau 116.
— Nebenpupillen 172.
— Pseudopupillen 164, 165.
Pisa, Retinapigment (Tapetum)
110.
— Augenleuchten 159.
— Bau 126.
— Irispigment 74.
Plusia gama, Augenleuchten
154.
Polias, Augenleuchten 154.
Polyommatus phlaeas, Augen-
leuchten 154.
Portunus, Kein Augenleuchten
159.
— Bau 126.
— Irispigment 74.
— kein Tapetum 102.
— Retinapigment 110.
Porthesia, Bau 118.
— Irispigment 70.
— Netzhautbild 81.
Pseudopupillen 18, 162.
— Erklärung 166.
— ihre Form 163.
— quadratische 163, 166.
Pseudopupille und Corneareflex
156.
Psophus stridulus, Augenab-
theilungen 114.
— Pseudopupillen 165.
R.
Reflexion im Auge 61.
Retina der Dekapoden 85.
— beim Superpositionsbild u.
Appositionsbild 75
Retinapigment 102.
— Liehtwirkung 101.
— Verschiebung 104.
Retinatapetum 97.
Retinula, s. Rhabdom.
Rhabdom, optische Wirkung 31.
— Function 96.
— Retinapigment 105.
Rhagonycha tnelanura, Kegel
und Netzhautbild 77.
Rosenkäfer, s. Cetonia.
Rübenweissling, s. Pieris rapae.
S.
Schärfe des Netzhautbildes
37, 179.
Schema des Insectenauges 45.
Schiefstellung der Kegel 24,
90, 121.
Schimmer im Auge 166.
Scyllarus arctus, Augen-
leuchten 159.
— Bau 123.
— - Irispigment 73.
— Retinapigment 108.
— kein Tapetum 101.
Sehen von Bewegungen 182.
— in der Tiefendimension
189.
Sehen, Theorie des, s. Theorie
des Sehens.
Sehstäbe 91.
Sicyonia sculpta 107.
— Augenleuchten 159.
— Irispigment 72.
— Retinapigment 123.
— Tapetum 101.
Sirex gigas, Bau 122.
Sphinx eonvolvuli, Augen-
leuchten 149.
— Netzhautbild 81.
Spillosoina, Irispigment 70.
Squilla mantis, kein Augen
leuchten 159.
— Bau 127.
— optischer Bau 112, 128.
— Irispigment 74.
— Netzhautbild 112.
— Verzerrung des Netzhaut-
bildes 112, 129.
— Retinapigment 111.
— kein Tapetum 102.
Stereoskopisches Sehen 189.
— bei Krebsen 190.
Stubenfliege,s.Muscadomestica.
Superpositionsbild 35, 75, 84.
T.
Tapetum 67.
— körnig 100.
198
Tapetuiu im Ganglion opticiim
101.
— der Krebse 100.
— der Retina 97.
— aus Tracheen 98.
Taubenschwanz, s Makroglossa.
Telephorus, Irispigment 67.
Tenthredo instabilis, Bau 122.
Theorie des Sehens, von J.
Müller 11, von Grüel und
Gottsche 11, von Max Schultz«
12, von Grenadier 12, von
0. Schmidt 14, von Notthaft
15, von Thompson-Lowne 16
Tracheen im Auge 99.
— bei Tagschmetterlingen 99.
— als Tapetum 98.
Trichodes apiarius, Cornea-
kegel 119.
Trilobitenkrebse 33.
Tropinota hirtella, Irispigment
67.
— Bau 119.
U.
Uebergangsformen des Auges
85.
Vanessa, Bau 116.
— Pseudopupillen 165.
Vanessa urticae, Augenleuchten
154.
Verkehrtes Bild im Insecten-
auge 46.
Verzerrungen des Netzhaut-
bildes 180.
Vespa crabo, Bau 121.
— Hornhaut und Kegel 90.
— Schiefstellung der Kegel
121.
W.
Wasser- und Luftaugen 9.
Wiesenbläuling, s. L)'caena.
Z.
Zertreuungskreis 182.
Erklärung der Tafeln.
Tafel i.
Fig. 1. Meridionaler Durchschnitt durch den seitlichen Antheil des Auges von Lampyris
splendidula. Alkoholhärtung; Einbettung in Celloidin; Färbung mit Saffranin, Vergrösse-
rung der Zeichnung (auf diese, nicht auf die Mikroskopvergrösserung, bei welcher
gezeichnet wurde, sind die Angaben über Vergrößerung im Folgenden zu beziehen): 120.
c. Corneafacetten.
I. P. Irispigment in Dunkelstellung, aus welchem nach rückwärts heraus ragen:
K. die .Spitzen der Krystallkegel. Die hier nicht sichtbare Gestalt eines Krystall kegeis
und einer Hornhautfacette ist im Holzschnitt S. 44 wiedergegeben.
Gr. Glaskörperraum der Autoren, hier mit durchsichtigen spindelförmigen, radiär gestellten
Zellen erfüllt.
R. Retina.
RP. Retinapigment.
vi. f. Membrana fenestrata, an welche von hinten die Nervenbündel herantreten, welche
aus dem
G. o. Ganglion opticum kommen.
Fig. 2 bis 5 zeigt die optischen Querschnitte der aus den Krystallkegeln des Lampyris-Auges
austretenden dünnen .Strahlenbündel (beziehungsweise ihrer Verlängerungen), wie man
sie bei schwacher Vergrösserung sieht, wenn als Object ein heller Punkt in Verwendung
steht und das Mikroskop successive auf verschiedene Ebenen eingestellt wird. Der Ver-
lauf der Strahlen, sowie die vier Ebenen, bei deren Einstellung die vier in Rede stehenden
Bilder gesehen werden, sind in Holzschnitt, Fig. 11, S. 40 des Textes, gezeichnet.
Fig. 2, 3, 4, 5 entsprechen der Einstellungsebene AAV CC{, DDV E Ex. Fig. 2 zeigt
die Strahlen (richtiger ihre Verlängerungen), wenn man auf eine im Innern der
Krystallkegel oder noch vor denselben gelegene Ebene eingestellt hat. Rückt man mit der
Focalebene von da aus gegen die Netzhaut, so nähern sich die einzelnen Strahlenbünde]
und gewähren etwa in der Ebene, welche die Spitzen der Kegel tangirt fCC{J, das Bild
der Fig. :j. Ist das Auge frisch dem Thiere entnommen (die Figuren •_' bis "> sind nach
einem in Alkohol cönservirten Auge gezeichnet), so sind die durch Reflexe u. dgl. be-
dingten Höfe weniger ausgeprägt. Rückt man die Focalebene noch weiter nach rückwärts
(DDt), so nähern sich die Strahlenbündel, bis sie an der Ebene der Netzhaut zu dem
Bilde des punktförmigen Objectes den kleinen hellen Fleck der Fig. 1 verschmelzen.
Noch weiter nach hinten (EEX) gehen sie in den Zerstreuungskreis, Fig. 5, auseinander,
der zierliche Diffractionserscheinunffen zei"-t.
— 200 -
Fig-. 6 und 7. Krystallkegel und vorderer Antlieil des Sehstabes von Dyticus marginales.
Die Umrisse sind mit dem Zeichenprisma aufgenommen. Vergrösserung 550. Fig. G zeigt
das Irispigment in der Lichtstellung, Fig. 7 dasselbe in der Dunkelstellung.
Fig. 8. Ein Streifen aus dem Auge eines lebenden Limulus. Das Ende der Zeichnung A liegt
im Bereiche der schwarzen Pseudopupille, B liegt ausserhalb derselben, so dass die Ab-
bildung die Art der Lichtvertheilung in den einzelnen Facettengliedern wiedergibt. Das
beleuchtende Licht kam von der rechten Seite des Beschauers.
Fig. 9. Corneafacette mit dem daranhaftenden Krystallkegel von Cantharis fusca. A einem
im Dunkehi, B einem im Sonnenscheine getödteten Thiere angehörig.
Tafel II.
Fig. 10 und 11. Heide Abbildungen betreffen dasselbe frische Zupfpräparat der Netzhaut
von der Messingeule (Plusia chrysetis). Es zeigt die bei den Nachtschmetterlingen das
Tapetum bildenden Tracheenbüscheln, welche die Sehstäbe von hinten her umkleiden und
im durchfallenden Lichte, Fig. 10, dunkel, im auffallenden Lichte, Fig. 11, hell erscheinen.
Hinter dem Tapetum sieht man bei Fig. 10 die Pigmentschichte der Netzhaut und in
dieselbe eintretende Nerven. S. die im frischen Zustande undeiitlichen vorderen Hälften
der dicken Antheile der Sehstäbe.
Fig. 12. Zwei solcher Tracheenbüschel desselben Thieres isolirt. Man erkennt, wie jedes
derselben aus einer kleinen Trachea hervorgeht.
Fig. 13 und 14. Durchschnitte durch das Auge von Hydrophilus piceus. Die Cornea ist nicht
gezeichnet. Die Umrisse der einzenlen Schichten sind mit dem Zeichenprisma aufgenommen.
Vergrösserung 210.
R. Ketina.
m. f. Membrana fenestrata.
Zwischen dioptrischem Apparat und Netzhaut befindet sich ein von Fasern durch-
zogener Glaskörperraum. Die Fasern inseriren sich an kegelartigen Vorsprüngen des
Irispigmentes. Fig. 13 gehört einem im Dunkeln gehaltenen und daselbst getödteten
Thiere an, Fig. 14 einem im Sonnenschein getödteten.
Fig. 15. Einige Facettenglieder eines rothen Ordensbandes (Catocala nupta) (Nachtfalter)
links in Dunkelstellung, rechts ein Facettenglied mit seinem Irispigment in Lichtstellung.
Vergrösserung 21(3. Man sieht, dass bei c eine dem Kegel eng anliegende Pigmentschichte
zurückbleibt, wenn das Irispigment nach rückwärts wandert. Es ist das das Analogon
des „Iristapetums". Es reflectirt, wie das eigentliche Iristapetum der Krebse, das Licht,
und gibt dadurch zu der braunen Farbe Veranlassung, die das Auge des Ordensbandes
hat, und von der sich am Tage die schwarze Pseudopupille abhebt.
a. Querschnitt durch die Anschwellung eines Sehstabes.
b. Netzhaut im Sinne von Thompson Lowne.
m. f. Membrana fenestrata.
Fig. 16. Facettenglieder von Colymbetes ruscus. Vergrösserung 160. A gehört einem Thiere
an, das im Dunkeln gehalten und daselbst getödtet, B einem solchen, das dem Sonnen-
scheine ausgesetzt und in diesem getödtet wurde; beide durch Alkohol.
i. p. Irispigment.
r. p. Retinapigment.
Fig. 17. Facettenglieder eines Taubenschwanzes, Makroglossa (Abendfalter). Vergrösserung 166.
a gehört dem .-1111' Tafel VI, Fig. 63, abgebildeten Auge an. Es zeigte, mit dem Augen-
spiegel untersucht, schönes grünes Leuchten im Innern der Pseudo-Hauptpupille. Das Iris-
pigment befindet sich in Dunkelstellung.
b gehört einem anderen Exemplare an. Sein Irispigment nähert sich der Lichtstellung.
r. p. Das Retinapigment ist in langen Streifen zwischen den Sehstäben angeordnet.
m. f. Membrana fenestrata.
— 201 —
Fig. 18. Tangentialschliff durch das Auge des fossilen Phakops fecundus. Vergrös-
serung 22.
Fig. 10. Meridionalschlifr' durch dasselbe Auge, Vergrösserung 22.
Tafel III.
Fig. 20. Ein Facettenglied von Limulus polyphemus. Vergrösserung 170. Es ist nur insoferne
combinirt, als gerade an dem hier abgebildeten Facettengliede die Porencanälchen in
der Cornea bei a nicht mit Luft gefüllt waren, die wenigen hier lufthaltig gezeichneten
also einem anderen entnommen sind. Die wellenartige Streifung der Chitinsubstanz ist
in der Natur viel reicher und regelmässiger, als dies die Abbildung wiedergeben konnte.
7t. Stäbchen im Innern der Retinula.
Fig. 21. Querschnitt durch die Retinula desselben Thieres. Vergrösserung 170. Die radiär
gestellten Gebilde im Centrum sind die Querschnitte der in Fig. 20 der Länge nach
sichtbaren Stäbchen. Der Querschnitt trifft die Retinula etwas tiefer als der mit R be-
zeichneten punktirten Linie der Fig. 20 entspräche.
Fig. 22. Uebersichtlicher Durchschnitt eines Auges von Squilla mantis bei Vergrösserung 30.
Der Schnitt geht parallel zur Längsaxe des walzenförmigen Auges und durch seinen
grössten Umfang.
c. Cornea.
k. Ervstallkegel.
I. P. Irispigment.
s. Sehstäbe.
mi. f. Membrana fenestrata und in ihrer Umgebung das Netzhautpigment.
ff. Ganglion opticum.
Fig. 23. Drei Facettenglieder von Tropinota hirtella. Vergrösserung 280.
c. Cornea.
T. Ein Kiystallkegel der vom Irispigment vollkommen umhüllt ist, während die beiden
benachbarten wenigstens in ihren oberen Antheilen freigelegt sind. Die Sehstäbe haben
knopfartige kernhaltige Anschwellungen, die den Kegeln anliegen, und eine längere ver-
dickte Strecke an ihren hinteren Enden.
m. f. Membrana fenestrata.
a gibt den Ort an, wo der Schnitt geführt ist, welcher
Fig. 24 ergibt. Die Sehstäbe sind durch die Färbung dunkel geworden, und zwischen ihnen
sieht man polygonale Felder, die wahrscheinlich Querschnitte von Tracheen sind; am
Längsschnitte (Fig. 23) siebt man dieselben nur als scharf gezeichnete parallele Streifen.
Vergrösserung 1000.
Fig. 25 und 26. Facettenglieder vom Bärenkrebs (Scyllarus arctus). Vergrösserung 85.
Fig. 25 gehört einem Dunkelauge an. Das Thier war über Nacht bis gegen Mittag im
Dunkeln gewesen, wurde in Alkohol abgetödtet, nach Verlauf von drei Viertelstunden
wurden die Augen abgetrennt und in (Mprocentige Chromsäure gelegt. Fig. 26 entstammt
einem Lichtauge. Das Thier ward in der Sonne gehalten und dann ebenso behandelt wie
das erste.
a. Querschnitt eines Sehstabes an der bezeichneten Stelle bei stärkerer Vergrösserung.
m. f. Membrana fenestrata.
Fig. 27. Einige Facettenglieder der Hornisse (Vespa crabo). Vergrösserung 132. Dieselben sind
dem Rande des Auges entnommen und zeigen die Abweichung der optischen Axe der
Facettenglieder von dem auf der Corneaoberfläche errichteten Loth. Cornea und Kegel
zeigen Schattirungen, wie man sie unter Zuhilfenahme des Mikroretractometers sieht,
so dass die Grenzen der einzelnen Corneafacetten und dadurch die sonst schwer wahr-
nehmbare Zuordnung der Kegel zu denselben kenntlich wird.
202 —
Tafel IV.
Fig. 28. Einige Facettenglieder von Lasiocampa qüercifolia (Nachtfalter). Vergrösserung 145.
Die Sehstäbe bestehen aus einem dünnen, vorderen und einem dicken hinteren Antheil.
m. f. Membrana fenestrata.
n. Die Elemente der Netzhaut im Sinne von Thompson-Lowne.
n. o. Bündeln der Sehnervenfasern.
Das Irispigment befindet sich in Lichtstellung, die dadurch erzielt wurde, dass das Thier
etwa eine Viertelstunde im Sonnenschein gehalten wurde; vorher aber war es im Dunkeln
gewesen, und daselbst hatte ich ihm die eine Hälfte des Kopfes mit einem Auge ab-
geschnitten, und diese Hälfte sogleich in Alkohol gegeben. Ihr entstammt
Fig. 29, welche nur den vorderen Theil der Facettenglieder zeigt; das Irispigment in Dunkel-
stellung. In beiden Abbildungen sieht man die muskelartigen Stränge, welche sich an
die Pigmentzellen ansetzen und augenscheinlich dieselben in Folge der Erhellung nach
h inten ziehen.
Fig. 30 und 31 zeigt Licht- und Dunkelauge eines kleinen Nachtfalters, von dem ich in
Folge eines Versehens bei der Signirung (wie schon im Texte erwähnt) nicht weiss, ob
es Porthesia, Ocneria rubea, Leucoma Salicis oder Cnophria quadra ist. Das Thier dem
Fig. 31 angehört, wurde des Nachts gefangen und noch während der Nacht in der
Dunkelheit getödtet, das andere (Fig. 30) wurde nächsten Morgen in directes Sonnen-
licht gesetzt und daselbst getödtet. Vergrösserung 208.
Fig. 32. Ein Facettenglied von Epinephele (Tagfalter). Vergrösserung 240.
m. f. Membrana fenestrata.
a Kolhige Erweiterungen augenscheinlich analog n der Fig. 28 und b der Fig. 15.
Fig. 33. Ein Facettenglied einer Blattwespe (Tenthredo instabilis). Vergrösserung 220.
Fig. 3-4. Zwei Facettenglieder des Rübenweisslings (Pieris rapae). Vergrösserung 18.0. Macht
man bei a einen Querschnitt, so erhält man das Bild der
Fig. 35, wo die dunkleren Kreise die Querschnitte der Sehstäbe, die hellen jene von sack-
artigen Tracheen bilden. In den ersteren sieht man je vier Stäbchen, die nicht zu einem
eigentlichen Rhabdom verschmolzen sind. Vergrösserung 300.
Fig. 36. Zwei Facettenglieder eines Fuchses (Vanessa) (Tagfalter). Vergrösserung 208.
1 >as Auge ist behaart.
a. Ein Stück eines Haares, das der Cornea aufsitzt.
Fig. 37. Facettenglieder eines Portunus, der im Dunkeln gehalten war. Vergrösserung 125.
i. t. Iristapetum zwar dunkel, aber doch deutlich unterscheidbar von
i. p. dem Irispigment.
r. p. Retinapigment, das sich den Nervenfasern folgend Ins hinter die Grenzschichte
des Auges,
vi. f. die Membrana fenestrata, erstreckt und dadurch den Zusammenhang der Nerven
mit den Sehstäben sehr deutlich hervortreten lässt.
a u. b. Zwei verschieden hoch gelegene Querschnitte des Sehstabes mit seiner Pigmenthülle.
Fig. 38. Zwei Facettenglieder derselben Krebsspecies, doch von einem Individuum, das in
diffusem Tageslicht gehalten worden war. Vergrösserung und Bezeichnungen wie in
Fig. 37. Man sieht eine Verschiebung des Irispigmentes, sowie das Vorwandern des
Retinapigmentes, in Folge dessen die hinteren Enden der Sehstäbe, sowie die Nerven-
bündeln des Ganglion opticum fast ganz pigmentfrei geworden sind.
Fig. 30 zeigt in den Abtheilungen T) und L zwei Augenabschnitte von Sieyonia sculpta,
die erstere in der Dunkelstellung, die zweite in der Lichtstellung. Sie sind so aneinander-
gerückt, dass sie einen Augenabschnitt zu bilden scheinen, damit die Umlagerungen
der Pigmentschichten augenfälliger zu Tage treten. Die dritte Abtheilung A zeigt das
Präparat L im auffallenden Lichte und ist auch als die Fortsetzung des Auges dargestellt.
Schematisirt ist also nur die Zusammenstellung der drei Bilder zu einem grösseren
Augenabsclmitte, im Uebrigen ist alles genau nach der Natur gezeichnet; Vergrösserung 60.
- 203 -
Eine deutlichere Darstellung der einzelnen Facettenglieder dieses Thieres findel sich
auf Tafel V, Fig. 53 und 54. Blendet man beim Präparate vom Lichtauge das
durchfallende Lieht ab, s<> erkennl man, dass dem Erispigmente vorne ein Iristapetum
(i. t.) aufsitzt, und dass die hinteren Enden der Sehstäbe blo's vom Retinatapetum (r. t.)
umgehen sind; im Ganglion opticum findet sieh eine dritte Lage Tapetumsubstanz (t), welche
auch im durchfallenden Liebte vom Pigmente kaum zu unterscheiden ist. Bei Vergleich
des Lieht- und Dunkelauges fällt das als geschlossene Masse wandernde Irispigment auf,
sowie das Retinapigment, welches das Retinatapetum durchsetzend vom Ganglion opticum
Ins an die vorderen Ende der. Sehstäbe wände, t.
C. Cornea.
i. p. Irispigment.
F. Retina.
vi. f. Membrana fenestrata.
i. t. Iristapetum.
r. t. Retinatapetum.
/. Tapetumschichte im Ganglion opticum. Das Lichtauge gehört einem Thiere an, das nicht
an der Soune, sondern nur im hellen diffusen Tageslichte verweilt hatte.
Fig. 40. Facettenglieder von Lycaena (Tagfalter). Vergrösserung 330.
vi. f. Membrana fenestrata. Darunter die kernartigen Gebilde wie bei vielen anderen
Schmetterlingen.
Fig. 41 und 42. Facettenglieder von Maja. Vergrösserung 126. Die erste Figur gehört einem
Lichtauge, die zweite einem Dunkelauge an. Am Irispigment ist eine nur geringe Ver-
schiebung zu beobachten; auffallender ist dieselbe am Retinapigmente. Schön sieht man.
den Zusammenhang der Sehstäbe mit den Nerven.
Fig. 43. Ein Kegel mit der Cornea (c) und seinen centralen Verbindungen, dem Sehstab (S)
und dem Ganglion opticum aus dem Seitenauge von Phronima. Vergrösserung 157.
Fig. 44. Ein Kegel, dessen fadenförmiger centraler Antheil noch nicht in voller Länge
gezeichnet ist, aus dem Scheitelauge von Phronima. Vergrösserung 157.
Tafel V.
Auf dieser Tafel ist alle Tapetummasse gelb gezeichnet. Selbstverständlich erscheint
sie unter dem Mikroskope nicht so, es soll die gelbe Farbe vielmehr nur ein Zeitdien
dafür sein, dass die betreffenden Stellen im durchfallenden Lichte dunkel, wie Pigment,
im auffallenden Lichte aber hell, im Gegensatz zum Pigment, erscheinen.
Fig. 45 und 46. Facettenglieder von Galathea. Vergrösserung 02. Fig. 45 gehört einem Dunkel-
thiere an; das Thier, dem die Fig. 46 entnommen ist, war in der Sonne getödtet. Wan-
derung des Iris- und Retinapigmentes. Gehärtet in Müller'scher Flüssigkeit.
Fig. 47. Facettenglieder von Peneus memhranaceus. Vergrösserung 114. Im ganzen Auge ist
kein Pigment (hei einem anderen mikroskopisch untersuchten Individuum dieser Species
fanden sich Spuren von Pigment, wie im Texte erläutert ist) sondern nur die drei Lagen
von Tapetum, wie sie hei anderen Krebsen auch vorkommen. Härtung in Alkohol.
i. t. Iristapetum.
r. t. Retinatapetum.
t. Tapetummasse im Ganglion opticum.
vi. f. Membrana fenestrata.
Fig. 4r grösste schwarze Fleck
ist die Hauptpupille, in deren Innerem man bei Benutzung des Augenspiegels und directen
Soimenlichtes noch ein roth leuchtendes Pünktchen sehen würde. Um die Hauptpupille
in etwas unregelmässiger Anordnung die sechs Nebenpupillen erster Ordnung der Haupt-
pupille am nächsten stehend. Noch weiter nach Aussen sieht man eine Anzahl Neben-
pupillen zweiter Ordnung, deren regelmässige Anordnung aber nicht mehr zu er-
kennen ist.
Fig. 62. Auge des lebenden Distelfalters (Vanessa cardui) unter Lupenvergrösserung. Haupt-
pupille mit den sechs Nebenpupillen erster Ordnung und einigen am Rande eben noch
bemerkbaren Nebenpupillen zweiter Ordnung.
Fig. 63. Auge eines lebenden Taubenschwanzes (Makroglassa) unter Lupenvergrösserung. Die
Hauptpupille. Die Nebenpupillen erster Ordnung sind bis an den Rand des Auges gerückt
and, obzwar sechs an der Zahl, nicht mehr mit Sicherheit bei einer Stellung des Beob-
achters zu übersehen. Würde die Zeichnung bei Benutzung des Augenspiegels und directen
Sonnenlichtes aufgenommen sein, so würde der dunkelste Theil der Hauptpupille mit
grünem Glänze leuchtend zu zeichnen sein.
Fig. 64. Lebendes Auge von Epinephele (Tagfalter) mit der Lupe betrachtet. Die Hauptpupille
ist durch eine dunkle Spange mit zwei der sechs Nebenpupillen erster Ordnung verbunden,
und diese wieder sind untereinander durch einen dunklen Ring in Communication. An-
deutungen von Nebenpupillen zweiter Ordnung.
Fig. 65. Lebendes Auge von Galathea in diffusem Lichte mit der Lupe betrachtet. Die
Hauptpupille ist entsprechend der quadratischen Gestalt der Comeafacetten viereckig.
Schimmernde Streifen, den Seiten der Pupille parallel durchziehen das Auge in einer
Feinheit und Regelmässigkeit, wie dieses die Zeichnung nicht wiederzugeben vermag.
Tafel VII.
Fig. 66. Auge einer grossen Libelle (Cordulegaster), von seitlich vorne und unten mit freiem
Auge gesehen. Hauptpupille; theilweise ineinanderfliessende Nebenpupillen erster Ordnung
und eine Anzahl Nebenpupillen höherer Ordnung.
Fig. 67. Auge derselben Libelle von oben gesehen. Die grosse Hauptpupille des oberen
Augenabscbnittes und einige Nebenpupillen erster und zweiter Ordnung am seitlichen
Theile des Auges.
Fig. 68. Auge eines im Dunkeln gehaltenen Carcinus maenas mit dem Augenspiegel bei
schwacher Lupenvergrösserung untersucht. In der länglichen dunkeln Pseudopupille sieht
man den roth leuchtenden Kern (leuchtende Pseudopupille). Um das Ganze ein heller
Hof. Die Flecken in der Umgebung des Phänomens haben mit diesem nichts zu
thun, wandern nicht mit der Blickrichtung des Beobachters, sondern sind Pigment-
flecken.
Fig. 69 und 70 sind Augen von Palaemon, beide mit dem Augenspiegel und bei schwacher
Vergrösserung untersucht. Fig. 69 gehört einem in diffusem Tageslicht gehaltenen Thiere
an, Fig. 70 einem eben der Dunkelheit entnommenen. Nach Minuten dauerndem Auf-
enthalte im Lichte geht das Bild der Fig. 70 in das der Fig. 69 über. Durchschnitte
dieser Augen siehe Fig. 51 und 52.
Fig. 71 und 72. Licht- und Dunkelauge von Pagurus, in derselben Weise betrachtet.
Ersteres (Fig. 71) zeigt um die dunkle Hauptpseudopupille einige eben merkbare Pseudo-
pupillen erster Ordnung, die zum Theile doppelt erscheinen. (Pseudopupillen zweiter
Ordnung?)
Fig. 73 und 74. Licht- und Dunkelauge von Sicyonia sculpta in derselben Weise betrachtet.
Durchschnitte dieser Augen siehe Fig. 39, 53 und 54.
— 206 -
Fig. 75. Das Auge von Peueus membranaceus im diffusen Tageslichte bei schwacher Lupen-
vergrösserung. Die Pseudopupille bildet den Kern eines vierstrahligen Sternes. Durch-
schnitt dieses Anges Fig. 47.
Fig. 70. Das Auge von Nica edulis bei schwacher Lnpenvergrösserung unter Wasser betrachtet.
Benutzt man zur Beleuchtung den Augenspiegel und directes Sonnenlicht, so leuchtet
die schwarze Pseudopupille oder ein centraler Fleck in ihr hell auf. Die weissen Streifen
stellen einen Reflexionsschimmer von einer Zartheit und Zierlichkeit dar, die die Zeichnung
nicht wiederzugeben vermag.
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