Mt TIQERSTEDT PHYSIOLOGIE DES KREISLAUFES DIE PHYSIOLOGIE DES KREISLAUFES VON Dr. ROBERT TIGERSTEDT HELSINGFORS (FINNLAND; ZWEITE, STARK VERMEHRTE UND VERBESSERTE AUFLAGE ERSTER BAND MIT 177 ABBILDUNGEN IM TEXT BERLIN UND LEIPZIG 1Q21 VEREINIGUNG WISSENSCHAETLICHER X'ERLEGER WALTER DE GRUyfER '^^ CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN-SCHE VEKLAGSHANDLUNG o J. GUTTENTAG. VERLAGS- BUCH HANDI.UXG o GEORG REIMER c KAKI. T- TRÜBNFK VEIT & COMP. Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechts, vorbehalten. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig DER UNIVERSITÄT LEIPZIG ZUM HUNDERTSTEN GEBURTSTAG LUDWIGS Inhalt Seite Erstes Buch. Allgemeine Übersicht des Kreislaufes i Erstes Kapitel. Allgemeine Übersicht des Kreislaufes 3 § 1. Die Lehre vom Kreislauf vor Harvey 3 a) Galem Lehre vom Kreislauf v 3 b) Servet, Vesaliiis, Colombo 4 § 2. Harvey^ Lehre vom Kreislauf (i Zweites Kapitel. Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren 13 § 3. Der Kreislauf bei den kaltblütigen Wirbeltieren .... 13 a) Amphioxus 13 b) Fische 14 c) Amphibien 17 d) Reptilien 21 § 4. Der Kreislauf bei den warmblütigen Wirbeltieren .... 27 Zweites Buch. Die mechanischen Leistungen des Herzens 29 Drittes Kapitel. Die Herzklappen 31 § 5. Die Sinus-Vorhof klappen 31 a) Fische 31 b) Amphibien . 31 c) Reptilien 33 d) Vögel 33 c) Säugetiere 33 § ti. Die Atrioventrikularklappen 34 a) Fische 34 b) Amphibien 34 c) Reptilien 34 d) Vögel 35 e) Säugetiere 35 § 7. Die Klappen an den arteriellen Mündungen des Herzens 45 a) Fische 45 b) Amphibien 46 c) Reptilien 47 d) Vögel und Säugetiere 47 9 ? ;\ ' 9 VI Inhalt Seite Viertes Kapitel. Die Herztöne 54 § 8. Die Ursachen der Herztöne 54 a) Der erste Herzton 55 b) Der zweite Herzton 58 c) Der dritte Herzton 61 § 9. Die graphische Registrierung der Herztöne 62 Ftinftes Kapitel. Die Formveränderungen des Herzens 72 § 10. Die Forniveränderungen des Herzens bei den kaltblütigen Tieren 73 § 11. Die Forniveränderungen des Herzens bei den Säugetieren 75 • a) Die Vorhöfe . 75 b) Der Bau der Herzkammern 75 c) Die Formveränderungen der Herzkammern 85 d) Die Veränderungen der Kamnierhöhlen 95 Sechstes Kapitel. Die Druckschwankungen im Herzen während seiner Tätigkeit 103 § 12. Wellenzeichner 103 a) Das Quecksilbernianumeter 104 b) Der Sphygmograph 107 c) Die Registrierung durch Lufttransport 110 d) Elastische Manometer ' 114 e) Art der Verbindung der Herzhöhlen mit dem Manometer . . . 122 § 13. Der Druckablauf in den Vorhöfen 123 § 14. Der Druckablauf in den Kammern 130 a) Die allgemeine Form des Druckablaufes 130 b) Das Plateau der Kamnierdruckkurve 139 c) Die Einzelheiten in der Kammerdruckkurve 142 d) Absolute Werte des Kammerdruckes 153 Siebentes Kapitel. Der Herzstoß 154 § 15. Die Ursachen des Herzstoßes 154 § 16. Das Kardiogramm im allgemeinen 158 § 17. Das Kardiogramm beim Menschen 164 a) Die Form des Kardiogrammes beim Menschen 164 b) Die Lage der Herztöne am Kardiogramm 168 c) Das Volumenkardiogramm 175 § 18. Das Ösophaguskardiogramm 176 Achtes Kapitel. Die vom Herzen herausgetriebene Blutmenge 179 § 19. Berechnung der herausgetriebenen Blutmenge auf Grund der Kapazität der Herzhöhlen 180 § 20. Berechnung der herausgetriebenen Blutmenge auf Grund von Eichung des Blutstromes in peripheren Arterien 181 a) Direkte Eichung des Blutstromes in einer peripheren Arterie 182 b) Indirekte Bestimmung der Geschwindigkeitsveränderungen in peripheren Arterien 183 c)T Berechnung der durch die Aorta strömenden Blutmenge . . . 1185 §21. Berechnung der herausgetriebenen Blutmenge auf Grund der pulsatorischen Erweiterung zentraler Arterien^usw. 186 §22. Berechnung der herausgetriebenen Blutmenge auf Grund von Infusion fremder Substanzen in das Blut 190 §23. Direkte Eichung des durch die Aorta ascendens strömen- den Blutes 193 Inhalt Vll Seite §24. Berechnung der herausgetriebenen Blutmenge auf Grund des respiratorischen Gaswechsels 197 a) Über die Verbrennung in den Lungen 197 b) Bestimmung der durch die Aorta strömenden Blutmenge ... 199 c) Versuche am Menschen 2üü Neuntes Kapitel. Die zeitlichen Verhältnisse der Herzbewegung 208 §25. Angaben über die Dauer der einzelnen Phasen der Herz- tätigkeit . 2U8 a) Die Vorhofsystole 208 b) Die Anspannungszeit der Kammern 209 c) Die Zeit des Druckanstieges 212 d) Die Austreibungszeit 213 e) Die Dauer der Systole und Diastole der Kammern 213 Zehntes Kapitel. Die Füllung des Herzens bei der Diastole 216 §26. Die Ansaugung in der Perikardial- bzw. Brusthöhle . . 216 a) Die Ansaugung in der Perikardialhöhie bei den Fischen . . . 216 b) Die Ansaugung in der Brusthöhle bei den Säugetieren .... 217 §27. Die Ansaugung durch die Herztätigkeit 221 a) Die Ansaugung bei der Systole 221 b) Die Ansaugung bei der Diastole 224 §28. Die Bedeutung der Vorhöfe für die Füllung der Kammern 230 §29. Die Vermeidung einer übermäßigen Herzfüllung .... 234 Elftes Kapitel. Die Kraft und Arbeit des Herzens 236 §30. Die Kraft des Herzens 230 §31. Die Arbeit des Herzens 237 Drittes Buch. Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich 243 Zwölftes Kapitel. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag 245 § 32. Die Methoden zur künstlichen Durchspülung des Herzens mit der Nährflüssigkeit 245 a) Das Kaltblüterherz 245 b) Das Warmblüterherz 247 §33. Die Bedeutung gewisser anorganischer Stoffe für die Herztätigkeit 248 a) Chlornatrium 249 b) Der osmotische Druck 253 c) Alkali und die Reaktion der Nährflüssigkeit 255 d) Serumsalze 258 e) Chlorkalzium und Chlorkalium 260 a) Chlorkalzium 263 ß) Chlorkalium 267 f) Andere anorganische Stoffe 269 g) Restitution nach der Ausspülung 270 §34. Die Bedeutung gewisser organischer Stoffe für die Herz- tätigkeit ^71 a) Eiweißstoffe 271 h) Kohlehydrate usw 280 c) Harnstoff 284 Vlll Inhalt V Seite §35. Die Bedeutung des Sauerstoffes und der Kohlensäure für die Herztätigkeit 286 a) Sauerstoff 286 b) Kohlensäure 289 §36. Das Verhalten der einzelnen Abteilungen des Herzens 294 §37. Theoretisches über die Bedeutung der einzelnen Sub- stanzen in der Nährflüssigkeit 296 Dreizehntes Kapitel. Der Koronarkreislauf 306 §38. Anordnung und Bedeutung des Koronarkreislaufes . . . 306 a) Anastomosen zwischen den Koronararterien 306 b) Bindung der Koronararterien _ 307 a) Das Kaninchenherz 308 ß) Das Hundeherz . . . . : 309 c) Bindung der Koronarvenen 315 d) Einwirkung der Herzbewegungen auf den Koronarkreislauf . . 316 e) Die Irrigation des Herzmuskels 317 §39. Wiederbelebung des Herzens 319 Vierzehntes Kapitel. Die mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels an und für sich 323 §40. Isotonie und Isometrie des Herzmuskels 323 §41. Der Wirkungsgrad des Herzens 330 ERSTES BUCH Allgemeine Übersicht des Kreislaufes •^ Tigerstedt, Kreislauf. I. 2. Aufl. Erstes Kapitel. Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. Bei der Verbrennung, die überall im Körper stattfindet und die Quelle aller seiner Leistungen bildet, werden sowohl das Verbrennungsmaterial als auch der für den normalen und vollständigen Verlauf der Verbrennung notwendige Sauer- stoff verbraucht und eine Anzahl Zersetzungsprodukte gebildet, die den Organen des Körpers von keinem Nutzen mehr sind, sondern im Gegenteil durch ihr Vor- handensein schädlich auf sie einwirken. Wenn die sämtlichen Teile des Körpers keine neue Zufuhr von brennbaren Stoffen und von Sauerstoff erhalten, und wenn die entstandenen Verbrennungsprodukte aus ihnen nicht entfernt werden, so gehen sie bald ihrem Untergange entgegen. Dies wird indessen dadurch vermieden, daß durch alle Teile des Körpers in ununterbrochener Strömung eine Flüssigkeit getrieben wird, welche diesen alles, was sie nötig haben, zuführt und sie von den unnützen und schädlichen Produkten ihrer Tätigkeit befreit. Diese Flüssigkeit ist das Blut; es wird von dem Herzen in Bewegung gesetzt und strömt in den Blutgefäßen durch alle Teile des Körpers. Die Lehre von dem Kreislaufe behandelt die Art und Weise, wie das Herz arbeitet, und die Erscheinungen, welche bei der Strömung des Blutes in den Ge- fäßen stattfinden. § 1. Die Lehre vom Kreislauf vor Harvey. a) Galens Lehre vom Kreislauf. Bis in die Neuzeit war Galens Lehre vom Kreislauf die allein herrschende. Der Hauptsache nach enthielt sie folgendes (vgl. das Schema Fig. 1). Sämtliche Venen entstammen der Leber, sämtliche Arterien dem Herzen. Jene enthalten das wirkliche Blut, d. h. die Nahrung, welche von dem Darm aus nach der Leber strömt, um dort in Blut verwandelt zu werden. Von der Leber wird das Blut durch die Venen in alle Teile des Körpers verteilt. Die Bewegung des Blutes wird hauptsächlich von den attraktiven und auswählenden Eigenschaf- ten der Organe bedingt. Das in den Venen dahinströmende Blut wird in den Or- ganen unaufhörlich verbraucht und ebenso unaufhörlich durch die Nahrung er- neuert. In den Mesenterialvenen findet die Strömung in beiden Richtungen statt, 1* 4 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. indem einerseits die Naiirung vom Darm aus nach der Leber und andererseits das Blut von dieser nach dem Darm getrieben wird. Im Gegensatz zu den Venen führen die Arterien nur wenig Blut, aber viel Luft. Ein Teil des Blutes, welcher durch die Vena cava inferior zum rechten Vorhof und von dort zu der rechten Kammer gelangt, wird durch die Lungenarterie in die Lungen getrieben und geht in einerkleinenMenge in die Lungen- venen über, und zwar durch deren Wände hindurch, denn die Lungenvenen kommunizieren nicht direkt mit der Lungen- arterie, sondern mit der Luft- röhre. Ein anderer Teil des Blutes gehtdurch Löcher in der Kammer- scheidewand von der rechten Kammer in die linke über. In letzterer wird also dieses Blut mit dem aus den Lungen kommen- den, mit Pneuma geschwänger- ten gemischt, von dort in die Aorta aufgenommen und in alle Teile des Körpers verteilt. Unter gewissen Umständen kann eine geringe Menge Blut aus dem linken Herzen in die Lungenvenen zurückfließen. Das Blut würde also in diesen Gefäßen, ganz wie in den Darmvenen, in zwei ent- gegengesetzten Richtungen strö- men können. Die Arterien erhalten aber noch etwas Blut durch Anasto- mosen mit den Venen, welche ihrerseits dagegen Pneuma aus den Arterien bekommen. ^ Diese Lehre wurde anderthalb Jahrtausende hindurch als unerschütterliche Wahrheit aufgefaßt. Fig. 1. Schematische Darstellung der Lehre Oalens vom Kreislauf. Nach Richet. a, Aorta; b, Übergänge zwischen Arterien und Venen; c, Leber; d, Magen; e, Pfortader; /, Venen aus der Leber; g, Hohlvene; h, Kammer- scheidewand; /, linker Vorhof; /, linke Kammer; m, Lungenvene; n, Lunge; o, Lungenarterie; p, rechte Kammer. b) Servet, Vesalius, Colombo. Erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde von Servet (1553) und Vesalius. (1555) nachgewiesen, daß die Scheidewand zwischen den Herzkammern keine 1 Nach Daremberg, Histoire des sciences medicales, 2, S. 588—590. Paris 1870. Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. 5 sichtbaren Löcher hat, und damit also der erste Angriff gegen Ga/^« gerichtet.^ In nächstem Zusammenhang damit steht die Entdeckung des Lungenkreislaufes, d. h. der Nachweis, daß die ganze Blutmenge, welche von der rechten Herzhälfte zur linken getrieben wird, den Umweg durch die Lungen machen muß (Servet, 1553 2; Colombo, 1559^). 1 In der ersten Auflage seiner Anatomie (De humani corporis fabrica. Basel 1543, S. 598; zit. nach Tollin, Arch. f. d. ges. Physiol., 33, S. 489; 1884) hat Vesalius noch keine Vorstellung von der Undurchdringlichkeit der Scheidewand, denn er spricht dort unter anderem von dem Blute, welches aus der rechten Herzkammer in die linke durch die mittlere Herzscheidewand reichlich hindurchschwitzt, ,,Quemadmodum enim dexter (ventriculus) ex cava (vena) sanguinem trahit, ita quoque sinister aerem ex pulmone in arteriam venalem (Lungenvene) attractum, ad se dilatato corde allicit, illoque (aere) ad caloris innati refrigerationem et substantiae ipsius enutritionem spi- ritumque vitalem utitur, hunc aerem excoquens et praeparans, ut is una cum sanguine, qui ex dextro ventriculo in sinistrum per ventriculorum septum copiosus resudavit, in magnam arteriam totumque adeo corpus delegari possit." Nun kam Servet und lehrte, daß die Scheidewand, da sie keine Gefäße oder Öffnungen besitzt, keinen Übergang des Blutes von der rechten nach der linken Kammer gestattet (Servet, Christianismi restitutio, 1553, S. 170; zit. nach Hedenius, Om upptäckten af blodomloppet. Upsala 1892, S. 32), obgleich er doch zugab, daß etwas durchschwitzen konnte. ,,Demum paries ille medius, cum sit vasorum et facultatum expers, non est aptus ad com- municationem et elaborationem illam, licet aliquid resudare possit." Jetzt ändert auch Vesalius seine Ansicht (De humani corporis fabrica, Basel 1555, S. 746) und hebt, wenn auch nur mit der größten Vorsicht, hervor, daß er es nicht einsehen kann, wie durch die Substanz der Scheidewand aus der rechten Herzkammer in die linke auch nur irgend etwas Blut aufgenommen werden könne. ,,In cordis itaque constructionis ratione ipsiusque partium usu recensendis, magna ex parte Galeni dogmatibus sermonem accomodavi: non sane, quod undique haec veritati consona existimem, verum quod in novo passim partium usu officioque referendo, adhuc mihi diffidam, neque ita pridem de medicorum principis Galeni sententia vel latum unguem hie declinare ausus fuerim. Haud enim leviter studiosis expendendum est ventriculorum cordis interstitium, aut septum, ipsumve sinistri ventriculi dextrum latus, quod aeque crassum compactumque ac densum est, atque reliqua cordis pars, sinistrum ventriculum complectens, adeo ut ignorem (quicquid etiam de foveis hac in sede commenter, et venae portae ex ventriculo et intestinis suctionis non sim immemor) qui per septi illius substantiam ex dextro ventriculo in sinistrum vel minimum quid sanguinis assumi possit: praecipue quum tam patentibus orificiis vasa cordis in suorum ventriculorum amplitudinem dehis- cant : ut modo taceam verum venae cavae ex corde progressum." — Wir müssen also Tollin wenigstens das zugeben, daß es nicht ganz unmöglich ist, Vesalius habe die Undurchdringlichkeit der Herz- scheidewand von Servet übernommen, obgleich dies lange nicht als einwandfrei nachgewiesen an- gesehen werden kann {Tollin, Arch. f. d. ges. Physiol., 33, S. 489; 1884; — Biologisches Zentralblatt, 5, S. 474; 1885). Für Vesalii Selbständigkeit spricht aber ganz bestimmt eine von Roth (An- dreas Vesalius Bruxelliensis, S. 188) zitierte Angabe von Tronus, Vesalius habe im Jahre 1544 bei einer öffentlichen Dissektion in Bologna gegen Galen betont, daß die undurchbohrte Scheide- wand des Herzens dem Blute unmöglich einen Übertritt nach der linken Kammer gestattet (vgl. auch Roth, a. a. 0., S. 247). 2 Nach Servet ist der spiritus vitalis, der sich in dem Herzen und den Arterien vorfindet, aus der eingeatmeten Luft und dem allerfeinsten Blut zusammengesetzt und wird in der linken Herz- kammer gebildet. „Generatur ex facta in pulmonibus mixtione inspirati aeris cum elaborato subtili sanguine, quem dexter ventriculus cordis sinistro communicat. Fit autem communicatio haec non per parietem cordis medium, ut vulgo creditur, sed magno artificio a dextro cordis ventriculo. longo per pulmones ductu, agitatur sanguis subtilis; a pulmonibus praeparatur, flavus efficitur et a vena arteriosa (der Lungenarterie) in arteriam venosam (die Lungenvenen) transfunditur. Deinde in ipsa arteria venosa inspirato aeri miscetur, expiratione a fuligine repurgatur" (Sen'(?f, Christianismi restitutio, 1553, S. 169; zit. nach Hedenius, a. a. O., S. 32). Als die wichtigsten Beweisgründe für diese Auffassung hebt Servet teils die Undurchdring- lichkeit der Kammerscheidewand (vgl. oben), teils auch die bedeutende Größe der Lungenarterie hervor, die ja zeigt, daß dieses Gefäß nicht allein die Aufgabe haben kann, die Lungen zu ernähren. ^ Colombo, De re anatomica. Venedig 1559, S. 177. ,,Inter hos ventriculos (des Herzens) septum adest, per quod fere omnes existimant sanguini a dextro ventriculo ad sinistrum aditum patefieri; id ut fiat facilius, in transitu ob vitalium spirituum generationem tenuem reddi. Sed longa errant via, nam sanguis per arteriosam venam ad pulmonem fertur, ibique attenuatur; deinde cum aere una per arteriam venalem ad sinistrum cordis ventriculum defertur: quod nemo hactenus aut animadvertit, aut scriptum reliquit: licet maximum sit ab omnibus animadvertendum." 6 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. Durch den Nachweis, daß der Übergang des Blutes von der rechten Herz- kammer zu der hnken nur durch die Lungen und nicht durch Löcher und Poren in der Kammerscheidewand erfolgt, war es indessen noch lange nicht erwiesen, daß die gesamte Blutmenge des Körpers diesen Weg durchlaufen mußte, und der Lungenkreislauf, so wie er von Servet und Colombo begründet wurde, konnte in den Rahmen der galenischen Lehre von der Blutbewegung hineingepaßt werden, ohne weitergehende Veränderungen bei derselben zu erfordern. Erst durch Harvey wurde es festgestellt, daß bei den warmblütigen Tieren die ganze Blutmenge durch die Lungen passiert, wie daß das von der linken Herzkammer in die Arterien herausgetriebene Blut in die Venen übergeht und durch diese wieder zu dem rechten Herzvorhof strömt. § 2. Harveys Lehre vom Kreislauf. Die Lehre vom Kreislauf des Blutes, welche Harvey nach jahrelangen For- schungen im Jahre 1628 veröffentlichte, wurde von ihm so fest begründet, daß sie in allem Wesentlichen noch jetzt ebenso gültig ist, wie vor 290 Jahren, wie sehr auch spätere Forschungen sie erweitert und vertieft haben. ^ Mehrere Autoren, unter ihnen Tollin (Arch. f. d. ges. Physio!., 22, S. 277) und Willis (William Harvey. London 1878, S. 92) sind zu dem Ergebnis gelangt, daß Colombo alles, was er über den Lungenkreislauf geschrieben hat, Servet verdankt, während andererseits Chereau für die Selbständig- keit Colombos entschieden eintritt (Revue scientifique, 24, S. 63; 1879). Die Frage, betreffend den Anteil Servets und Colombos an der Entdeckung des kleinen Kreislaufes dürfte indessen nie mit zwingender Gewißheit beantwortet werden können. Daß Servets Schrift Christianismi restitutio einige Jahre vor dem Erscheinen von Colombos De re anatomica gedruckt wurde, bezeugt keines- falls, daß die in der betreffenden theologischen, äußerst seltenen und schwer zugänglichen Arbeit enthaltenen Angaben über den kleinen Kreislauf Colombo bekannt waren, wie er dies ja auch ausdrücklich bemerkt, daß niemand vor ihm die betreffende Tatsache erwähnt hat. Übrigens bietet die Auffassung Colombos in bezug auf die von Servet den entschiedenen Fortschritt dar, daß nach ihm auch nicht die geringste Menge- Blutes durch die Scheidewand hindurch schwitzt, während Servet noch die Möglichkeit zugibt, daß aliquid resudari possit. Nach M. Roth, dem gründlichsten Kenner der Anatomie des 16. Jahrhunderts, steht es außer jedem Zweifel, daß Colombo der wirkliche Entdecker des kleinen Kreislaufes ist, und er sagt ausdrücklich, daß nichts auf eine Einwirkung Servets hindeutet. Seine Beweisführung ist wesentlich die folgende. Die von Servet vertretene Lehre vom Zusammenhange der Gefäße und Nerven stammt von Praxagoras und ist von Galen und Vesalius widerlegt worden; die Solidität der Kammerscheidewand des Herzens und die Weite der Arteria pulmonalis, welche bei Servet herangezogen werden, sind Beobachtungen von Vesalius. Nimmt man dazu, daß Servet seine Abweichungen nicht als selbsterworbene Anatomie bezeichnet, sie nicht beschreibt, die entgegenstehenden Angaben nicht kritisiert, also keinen anatomischen Beweis führt, wie er auch keine anatomische Schrift hinterlassen hat, so bleibt nur eines übrig: Servet hat nach Büchern gearbeitet. Er will Übereinstimmung zwischen der Bibel und der Anatomie, erzielen, und erzielt sie durch Kompilation. In die Galenische Lehre fügt er passende Bruch- stücke aus Praxagoras und ausV esalius ein. An der Hand derV^sa/Zusschen Beobachtung gelangte er zu einer angemesseneren Idee von der Blutbewegung in den Lungen als sie Galen gehabt hatte, und indem er Praxagoras hineinzieht, machte er einen Schritt hinter Galen zurück. Mit anderen Worten: Servet gibt hier nicht wirkliche, sondern spekulative Anatomie, nicht Anatomia sensi- bilis, sondern Anatomia imaginabilis. Er schaltet hier mit der Anatomie ungefähr so wie es in der vorvesalischen Periode zu geschehen pflegte. {Roth, Andreas Vesalius Bruxelliensis. Berlin, S. 247.) ^ Exercitatio anatomica de motu cordis et sanguinis in animalibus Giiilielmi Harvei, Angli, Medici Regii, et Professoris Anatomiae in Collegio Medicorum Londinensi. Frankfurt, Guilielmus Fitzer, 1628, 72 S., kl. 4° mit 2 Seiten Druckfehlerberichti- gungen. Von dieser Arbeit sind zahlreiche spätere Auflagen erschienen. Eine Faksimile-Ausgabe mit einer englischen Übersetzung wurde 1894 von G. Moreton in Canterbury herausgegeben. Eine andere englische Übersetzung wurde schon 1847 von 7?. Wz7//s (The Works of William Harvey, Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. 7 Es empfiehlt sich daher, an der Hand dieser Arbeit, den Kreislauf in seinen allgemeinen Zügen darzustellen, insbesondere da dadurch die Gelegenheit geboten wird, die ursprünglichen Beweisgründe für unsere Auffassung vom Kreislauf des printed for the Sydenham Society, London) veröffentlicht. Ins Deutsche wurde Harveys Arbeit von Boas (William Harvey, der Entdecker des Blutkreislaufes und dessen anatomisch-experimentelle Studie über die Herz- und Blutbewegung bei den Tieren. Stuttgart 1878) und von v. Töply (Die Bewegung des Herzens und des Blutes. Übersetzt und erläutert. Klassiker der Medizin. Leipzig 1910) übertragen. Eine französische Übersetzung lieferte Ch. Richet (Harvey, La circulation du sang. Traduction fran^aise avec une introduction historique et des notes. Paris 1879), Von vielen, besonders italienischen Autoren, wird Cesalpino als der eigentliche Entdecker des Kreislaufes gefeiert, und nach ihrer Auffassung würde Harvey im großen und ganzen nur das Verdienst zukommen, die Lehre vom Kreislauf weiter ausgebildet und zu allgemeiner Annahme gebracht zu haben. Da eine eingehendere Darstellung der Geschichte des Kreislaufes nicht in der vorliegenden Arbeit beabsichtigt ist, kann ich mich nicht auf die betreffende Streitfrage näher einlassen, ins- besondere, da ich nicht Gelegenheit gehabt habe, die Originalarbeiten von Cesalpino näher kennen zu lernen. Es scheint mir aber, vor allem auf Grund der ausführlichen, reichlich dokumentierten Untersuchung von dem hervorragenden schwedischen Autor Per Hedenius, ziemlich einleuchtend zu sein, daß Cesalpino allerdings nachwies, daß die uralte Beobachtung der Venenstauung unterhalb der Aderlaßbinde nicht mit der Annahme einer hauptsächlich in zentrifugaler Richtung stattfinden- den Strömung des Blutes in den Venen in Übereinstimmung gebracht werden konnte, und daß also das Blut in umgekehrter Richtung von den Gliedern nach dem Herzen zurückströmen mußte. Er hat aber diese nur zögernd dargestellte Ansicht nicht an der Hand genauerer Experimente geprüft; auch wagte er es nicht zu behaupten, daß das venöse Blut immer in der angegebenen Richtung strömte, vielmehr stellte er sich vor, daß dies unter normalen Verhältnissen nur im Schlaf der Fall war (Hedenius, a. a. O., S. 234). Er dürfte also noch ziemlich weit von der wirklichen Entdeckung des Kreislaufes gewesen sein. Um dem Leser indessen Gelegenheit zu geben, sich eine gewisse Vorstellung von den An- sprüchen Ccsalpinos als Entdecker des Kreislaufes zu bilden, teile ich nach Tollin (Arch. f. d. ges. Physiol., 35, S. 388; 1885) eine Übersetzung der berühmtesten Stellen Ccsalpinos über den Blut- kreislauf hier mit. „Die Gänge des Herzens sind von der Natur so angelegt, daß von der Hohlvene aus die Ein- führung in die rechte Herzkammer geschieht, von wo der Ausgang in die Lunge freisteht. Aus der Lunge gibt es aber noch einen anderen Eingang in die linke Herzkammer, von wo der Ausweg frei- steht in die Arteria aorta, indem einige Membranen an den Türen der Gefäße angebracht sind, um den Rückweg zu hindern. Und so findet eine fortwährende Bewegung aus der Hohlvene durch Herz und Lungen in die Arteria aorta statt." „Während nun aber beim Wachen die Bewegung der Lebenswärme nach außen geht, nämlich nach den Sinneswerkzeugen hin, so geht sie beim Schlaf nach innen, nämlich nach dem Herzen. Man muß annehmen, daß beim Wachen viel Geist und Blut zu den Arterien geführt wird; denn von da geht der Weg zu den Nerven ; daß aber beim Schlafen dieselbe Wärme durch die Venen zum Herzen zurückkehre, nicht etwa durch die Arterien: denn der natürliche Eingang in das Herz wird durch die Hohlvene gegeben, nicht durch die Arterie. Als Anzeichen können die Pulse dienen: werden sie doch bei den Aufwachenden stark, heftig, schnell und häufig, mit einer gewissen Erschütterung, während des Schlafes sind sie klein, träge, spät und selten. Denn während des Schlafes geht wenig Lebenswärme in die Arterien: in dieselben aber stürzt sie sich heftiger, sobald wir aufwachen. Die Venen aber verhalten sich gerade entgegengesetzt: denn sie schwellen an beim Schlafe, beim Er- wachen werden sie dünner, wie man bei den in der Hand befindlichen Venen deutlich erblicken kann. Denn es geht im Schlaf die Lebenswärme aus den Arterien in die Venen über durch die Gemein- schaftlichkeit jener Öffnungen, welche man Anastomosen nennt, und von dort ins Herz." „Wie nun das Überströmen des Blutes nach obenwärts und das Zurückströmen nach untei- wärts nach Art der Ebbe und der Flut in Euripus im Schlaf und Wachen (zusammengenommen) zutage liegt, so macht sich eine gleichartige Bewegung deutlich geltend, sobald in irgend einem Teile des Körpers ein Verband angelegt oder auf andere Weise die Venen verschlossen werden. Denn sobald der Durchgang aufgehoben wird, schwellen die Bächlein dort an, wo sie herzufiießen pflegen. Vielleicht strömt zu der Zeit das Blut zu seinem Ursprung zurück, damit es nicht vermöge des Abschnittes erlösche. Denn nicht jede beliebige Venenunterbindung führt zur Erstickung, sondern nur die Unterbindung derjenigen, die zum Haupte führen, wegen der Vorzüglichkeit und Größe." 8 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. Blutes zu besprechen. Dabei werde ich hauptsächlich die vor kurzem von TÖply herausgegebene Übersetzung von Harveys Werk benutzen. Nach Eröffnung der Brusthöhle und Durchschneidung des Herzbeutels an einem lebenden Tiere sieht man, wie das Herz zuweilen sich bewegt, zuweilen ruht. In der Ruhe liegt das Herz schlaff, welk, kraftlos, gleichsam niedergebeugt. Bei seiner Bewegung richtet es sich auf, hebt sich mit der Spitze in diu Höhe, so daß es gegen die Brust schlägt und seine Pulsation außen gefühlt wird. Es zieht sich In bezug auf die Entdeckung des Kreislaufes und den dabei verschiedenen Autoren zukom- menden Anteil verweise ich noch auf die unten verzeichneten Arbeiten aus den letzten Jahrzehnten. Die mit * bezeichneten Arbeiten sind mir nicht zugänglich gewesen. Bilancioni, Una controversa rlaperta: Cesalpino o Harvey, Archivio di fisiol., 10, S. 297; 1912. ^'Ceradini, Qualche appunto storico-critico intorno alla scoperta della circolazione del sangue. 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Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. 9 allseits zusammen, mehr aber von den Seiten her, so daß es kleiner, etwas länglich und zusammengeschrumpft erscheint. Wenn man es zu dieser Zeit mit der Hand umfaßt, so fühlt man, daß es härter wird, in ganz derselben Weise, wie die Skelett- muskeln bei ihrer Kontraktion härter werden. Bei den kaltblütigen Tieren ist das Herz bei seiner Bewegung weißlich; bei der Ruhe hat es dagegen eine ge- sättigte blutrote Farbe. Daraus folgt, daß das Herz bei seiner Bewegung von allen Seiten her zusam- mengezogen wird, sowie daß sich dabei dessen Kammern verengen und das in ihnen enthaltene Blut heraustreiben. Dies erweist sich auch dadurch, daß aus einer Herzwunde das Blut bei jeder einzelnen Bewegung mit Gewalt hervorstürzt. Die aktive Phase der Herzperiode ist also die Volumenabnahme, die Systole; die Volumenzunahme, die Diastole, ist dagegen nach Harvey völlig passiv. ^ Infolge der Zusammenziehung des Herzens werden die Arterien, sowohl die Aorta als die Lungenarterie, erweitert. Wenn die linke Kammer aufhört zu schlagen, hört auch der Puls in den Arterien auf. Wird irgend eine Arterie durchschnitten, so stürzt das Blut bei jeder Systole gewaltsam aus der Wunde hervor. Daraus folgt, daß die Arterien ausgedehnt werden durch die Blutmenge, welche das Herz bei jeder Systole in sie hineintreibt: sie werden also erweitert, weil sie wie eine Blase gefüllt werden, und füllen sich nicht, weil sie sich wie Blasebälge erweitern»^ Dies alles bezieht sich auf die Herzkammern, in bezug auf die Vorhöfe ist zunächst zu bemerken, daß sie sich, wie die beiden Kammern, zu gleicher Zeit zusammenziehen. Es finden aber die Bewegungen der Vorhöfe früher als die der Kammern statt, und man sieht, wie die Bewegung von jenen ausgeht und dann von der Zusammenziehung der Kammern gefolgt wird. Beim absterbenden Herzen, wie bei den Herzen kaltblütiger Tiere schiebt sich zwischen den Bewegungen der Vorhöfe und der Kammern eine Ruhepause ein, und endlich hört zuerst die linke Kammer und zuletzt der rechte Vorhof auf zu schlagen. Nachdem die Kammer zu schlagen aufgehört hat, kann man mittels eines auf sie aufgelegten Fingers die den Vorhofkontraktionen entsprechenden Schläge wahrnehmen, und bei an- geschnittener Kammer strömt bei jeder Vorhofkontraktion Blut aus der Wunde heraus. Also besteht auch die aktive Phase der Vorhöfe in ihrer Zusammenziehung.^ Die Bewegung des Herzens geht also auf folgende Weise vor sich. Zuerst ziehen sich die Vorhöfe zusammen und treiben das in ihnen enthaltene Blut in die Herzkammern. Nachdem diese gefüllt sind, richtet das Herz sich auf, spannt alle seine Fasern, zieht die Kammern zusammen und ruft den Puls hervor, durch welchen die rechte Kammer das Blut in die Lungenarterie, die linke in die Aorta treibt.^ Von der rechten Kammer kann das Blut nicht durch die Scheidewand in die linke gelangen, denn diese Scheidewand ist fest und undurchdringlich. Statt dessen wird es von der rechten Kammer in die Lungenarterie getrieben und strömt von dieser durch die Lungenvenen zum linken Vorhof und zu der linken Kanmier. Dabei muß das Blut Porositäten in der Lungensubstanz passieren ganz wie die ^ Harvey, De motu cordis, Kap. II. Bei der Darstellung der Untersuchungen Harvey s. habe ich in der Regel die jetzt gebräuchliche Terminologie benutzt. 2 Harvey, a. a. O., Kap. III. ' Harvey, a. a. O., Kap. IV. * Harvey, a. a. O., Kap. V. jQ Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. aus dem Darmkanal aufgenommenen Nahrungssäfte durch Porositäten in der Sub- stanz der Leber strömen. Das Blut tritt also ununterbrochen in die rechte Kammer ein, wird aus dieser durch die Lungenarterie zu den Lungen getrieben und strömt ununterbrochen in die linke Kammer hinijber, von woher es wieder in die Aorta herausgetrieben wird.^ Bis hierher ist die Auffassung Harveys durchaus nicht neu, sondern stellt nur eine Bestätigung und Vertiefung der schon von seinen Vorgängern ausgespro- chenen Ansichten dar. Die folgenden Abschnitte enthalten die Beweisgründe dafür, daß das in die Aorta strömende Blut von den kleinsten Arterien in irgend einer Weise zu den Venen strömt und durch die Hohlvenen zum rechten Vorhof zurückkehrt, in ganz derselben Weise, wie es aus dem rechten Herzen durch die Lungengefäße zu dem linken Herzen getrieben wird. Diese Bewegung dürfte in demselben Sinne eine kreisförmige genannt werden können, wie Aristoteles den Nebel und den Regen mit einer Kreisbewegung der oberen Regionen verglichen hat. Denn wie die feuchte, von der Sonne erwärmte Erde ausdünstet, die in die Höhe geführten Dämpfe sich verdichten, als Regen niederfallen und die Erde wieder naß machen, und wie durch die kreisförmige Bewegung der Sonne, durch deren Hinzutreten und Zurücktreten Erzeugung und Entstehung der Gewitter und sonstiger Himmelserscheinungen vor sich gehen: so mag es wahrscheinlich auch im Körper stattfinden, daß durch die Bewegung des Blutes alle Teile mit einem wärmeren, vollkommenen, dunstigen, geistigen und nährkräftigen Blut ernährt, erwärmt und belebt werden; daß es andererseits in den verschiedenen Körperteilen abgekühlt, verdichtet und gewissermaßen ge- schwächt wird und von diesen dann nach dem Herzen gleichsam zu seiner Quelle zurückkehrt, um seine Vollkommenheit wieder zu erlangen. Hier wird es durch den Schatz des Lebens, die natürliche, mächtige, wallende Wärme von neuem ver- flüssigt, mit Lebensgeistern und Balsam geschwängert und aufs neue heraus- getrieben. Und dies alles ist von der Bewegung und der Tätigkeit des Herzens ab- hängig.2 Den Beweis dafür, daß die gesamte Blutmenge von den Arterien zu den Venen und von diesen zum Herzen übergeht, liefert Harvey, indem er darlegt, erstens, daß das Blut durch die Herztätigkeit beständig und ununter- brochen aus der Hohlvene in die Arterien in einer Menge hinübergeleitet wird, die viel zu groß ist, um von der genossenen Nahrung gedeckt werden zu können, und in solcher Weise, daß die ganze Blutmasse in kurzer Zeit diesen Weg zurücklegt; zweitens, daß gleichfalls das Blut durch die Herztätigkeit beständig und ununterbrochen in jedes Glied und jeden Körperteil in viel größerer Menge hinein- getrieben wird, als für die Ernährung der betreffenden Körperteile genügt, bzw. von der ganzen Blutmasse gedeckt werden könnte; drittens, daß dieses Blut aus jedem Körperteil durch die Venen zum Herzen zurückströmt. Den ersten Satz beweist Harvey durch eine Berechnung der von dem Herzen in einer halben Stunde herausgetriebenen Blutmenge und zeigt, daß, selbst wenn man das Schlagvolumen der linken Kammer sehr niedrig schätzt, dennoch diese 1 Harvey, a. a. O., Kap. VI und VII. - Fast wörtlich nach Harvey, a. a. O., Kap. VIII. Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. 1 1 halbstündliche Blutnienge immer größer als die gesamte Blutmenge des Körpers ist, und auch größer ist als daß sie von der aufgenommenen Nahrung herrühren könnte. Das Blut muß also durch die Venen zum Herzen zurückgeführt werden. Dies folgt auch daraus, daß, wenn eine noch so kleine Arterie durchschnitten wird, binnen etwa einer halben Stunde die gesamte Blutmenge aus dem ganzen Körper, sowohl aus den Venen als aus den Arterien herausgetrieben wird.^ Endlich führt Harvey an, daß, wenn bei einer Schlange die Hohlvene mittels einer Pinzette erfaßt und also die Blutströmung auf einer gewissen Strecke unter- halb des Herzens unterbrochen wird, diese fast augenblicklich leer wird. Gleich- zeitig wird auch das Herz selbst während der Diastole viel blässer und wegen Blut- mangels kleiner als sonst; allmählich schlägt es immer langsamer, so daß es endlich abzusterben scheint. Dagegen werden, nachdem die Vene losgelassen worden ist, dem Herzen normale Farbe und Größe sofort wiedergegeben. Wenn dann die Ar- terien eine Strecke weit vom Herzen unterbunden werden, so schwellen sie inner- halb des gefaßten Teils heftig an; das Herz wird übermäßig ausgedehnt, bekommt eine purpur-bläuliche Farbe und wird zuletzt vom Blute überwältigt, daß man glaubt, es werde ersticken. Nach der Lösung der Ligatur kehrt das Herz zu seiner normalen Farbe, Größe und Tätigkeit wieder zurück.^ Zum Beweis des zweiten Satzes zieht Harvey in erster Linie folgende Erfah- rungen an. Legt man am Oberarme eines Menschen eine straffe Ligatur an, so hört die Pulsation der Arterien peripher von derselben auf. Unmittelbar oberhalb der Ligatur schlägt aber die Arterie höher und heftiger und ist übermäßig gefüllt. Nach einiger Zeit fängt die Hand an, ein wenig kalt zu werden. Wenn dann die Ligatur etwas gelockert wird wie beim Aderlasse, so färbt sich die ganze Hand plötzlich und wird größer, ihre Venen werden strotzend und varikös, und unterhalb der Ligatur schwellen die Venen an, oberhalb derselben aber gar nicht. Hieraus folgt, daß das Blut durch die Arterien eintritt, denn bei der straffen Ligatur fließt nichts ein; daß es wieder durch die Venen austritt, denn bei der losen Ligatur wird die Entleerung der Venen nach den oberen Teilen gehemmt, während die Zuströmung durch die Arterien nur in einem verhältnismäßig un- bedeutenden Grade beeinträchtigt ist. Es fließt also das Blut aus den Arterien in die Venen, und nicht umgekehrt aus den Venen in die Arterien. Auch kann ein Tier durch eine eröffnete Hautvene vollständig entblutet werden.^ Um den dritten Satz zu beweisen, teilt Harvey in erster Linie einige Beob- achtungen über die Venenklappen mit. Der Entdecker dieser Klappen, Fabrizio ab Aquapendente (1574) erkannte nicht den wahren Nutzen derselben, sondern stellte sich vor, daß sie ein Hindernis bildeten, damit nicht alles Blut wegen seiner Schwere in die unteren Körperteile herabfalle.* 1 Harvey, a. a. 0., Kap. IX. 2 Harvey, a. a. O., Kap. X. 3 Harvey, a. a. O., Kap. XI und XII. * ,,Ea ratione, ut opinor, a natura genitae membranuiae, ut sanguinem quadantenus remo- rentur, ne confertim ac fluminis instar aut ad pedes, aut in manus et digitos universus inflat colli- gaturque duoque incommoda eveniant, tum ut superiores artuum partes alimenti penurio iaborent, tum vero manus et pedes tumore perpetuo premantur." — ,,Porro alia ostiolorum in artubus neces- sitas est. Nam cum crura et brachia motu locali frequentissime exerceantur eoque interdum vehe- menti ac violentissimo, unde plurimum ac vehementem in ipsis caiorem contingat, procul dubio 12 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. Bei der Präparation der Venen war es Harvey oft aufgefallen, daß von der Wurzel der Venen aus eine Sonde wegen des Hindernisses, das die Klappen bil- deten, nicht weiter gegen die dünnen Venenzweige vorgeschoben werden konnte, daß es dagegen sehr leicht war, die Sonde von den Ästen her nach der Wurzel hineinzuschieben. Daraus, wie aus dem anatomischen Bau der Klappen folgert Harvey, daß diese die vom Herzen und der Hohlvene ausgegangene Bewegung des Blutes hemmen, und wenn sie sich an mehreren Stellen gemeinsam heben und schließen, die Bewegung vollständig unterbrechen und aufheben, so daß das Blut nicht nach oben nach dem Kopfe zu oder nach unten nach den Füßen hin oder seit- lich in den Arm durch die Venen wegfließen kann, sondern sie treten jeder Bewegung des Blutes, welche von den größeren Venen nach den kleineren gerichtet ist, ent- gegen. Andererseits begünstigen sie die Bewegung, welche von den kleinen Venen beginnend nach den größeren hin ausläuft. Harvey begnügt sich indessen nicht mit dieser rein anatomischen Beweis- führung, sondern teilt noch eine Reihe von Versuchen über die Bedeutung der Venenklappen bei der Blutströmung in den Hautvenen mit. Ich werde im Kapitel über den Blutstrom in den Venen auf diese Versuche zurückkommen. ^ Im 14. Kapitel seines Buches faßt Harvey seine Lehre vom Kreislauf in folgender Weise zusammen. Da dies alles sowohl durch Vernunftgründe als durch augenfällige Versuche festgestellt ist, nämlich daß das Blut infolge der Pulsation der Herzkammern durch die Lungen und das Herz hindurchgeht und in den ganzen Körper hinein- getrieben wird, und dort in die Venen und Porositäten des Fleisches eindringt, sowie durch die Venen selber von allen Orten aus der Peripherie nach dem Zentrum aus den kleinen Venen in die großen zurückgeht, und von den letzteren in die Hohl- vene und schließlich in den Vorhof gelangt, und zwar in so großer Menge, in solchem Strom und Rückfluß durch die Arterien von hier dorthin und von dorther durch die Arterien wieder hierhin zurück, daß es von der aufgenommenen Nahrung aus nicht gedeckt werden kann, sowie auch in größerer Menge, als zur Ernährung ge- nügend ist: so muß man unbedingt schließen, daß das Blut bei den Tieren, dank einer kreisförmigen Bewegung, in einem Kreis strömt, daß es sich in einer ununter- brochenen Bewegung befindet, sowie daß die Tätigkeit oder Aufgabe des Herzens, gerade darin liegt, durch seine Pulsation diese Bewegung zu unterhalten. ^ vi caloris excitati, sanguis ad artus in tanta copia fluxisset atque attractus fuisset, ut vel partibus principalibus e cava vena subriperetur alimentum vel artuum vasa ruptionis periculo periclitarentur. Quorum utrumque maxime perniciosum toti animali erat futurum, quando principes partes, ut hepar, cor, pulmones et cerebrum, perpetuo sanguine abundare copiosissimo oportebat. Quam ob causam uti opinor factum est, ut vena cava, qua per corporis truncum perreptat, similiter et jugulares, ostiolis prorsus fuerint destitutae." {Fabrizio, Opera physico-anatomica. Padova 1625; zit. nach Hedenius, Om upptäckten af blodomloppet. Upsala 1892, S. 121, 122.) 1 Harvey, a. a. O., Kap. XIII. 2 Harvey, a. a. O., Kap. XIV. ,,Cum haec confirmata sint omnia, et rationibus et ocularibus experimentis, quod sanguis per pulmones et cor, pulsu ventriculorum transeat, et in Universum corpus impellatur, et immittatur, et ibi in venas et porositates carnis obrepat, et per ipsas venas undique de circumferentia ad centrum ab exiguis venis in majores remeet, et illinc in venam cavam, ad auriculam cordis tandem veniat, et tanta copia, tanto fluxu, refluxu, hinc per arterias illuc, et illinc per venas huc retro, ut ab assumptis suppeditari non possit, atque multo quidem majori (qua sufficiens erat nutritioni) proventu. Necessarium est concludere circulari quodam motu in circuitu agitari in animalibus sanguinem; et esse in perpetuo motu, et hanc esse actionem sive functionem cordis, quam pulsu peragit, et omnino motus et pulsus cordis causam unam esse." Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren. 13 Den Übergang zwischen den Arterien und Venen sah Harvey nie. „Mit aller möglichen Sorgfalt habe ich nach einem solchen gesucht", sagt er, ,, dennoch ist es mir nie gelungen, zwei Gefäße, eine Arterie und eine Vene, zu finden, welche sich unmittelbar miteinander vereinigt hätten."^ Die Frage nach der Art und Weise, wie das Blut von den Arterien in die Venen strömt, blieb also von Harvey unbeantwortet. Nur vier Jahre nach dem Tode des großen Forschers wies Malpighi^ (1661) zunächst an der getrockneten Froschlunge nach, daß die Arterien und Venen durch einen Netzwerk feiner Gefäße untereinander verbunden waren. Daß dies auch bei anderen Gefäßbezirken der Fall war, hob er als äußerst wahrscheinlich hervor, und er konnte, wie es scheint, bei der gefüllten Harnblase des Frosches die Bewegung des Blutes in den Kapillaren direkt nachweisen. ^ Es war also Malpighi, der den Schlußstein zu der Lehre Harvey^ vom Kreis- lauf fügte. Diese Lehre war indessen durch Harvey?, Untersuchungen so entschieden bewiesen, daß ihre Gültigkeit nicht von dieser Entdeckung abhängig war. Es ist daher vollkommen falsch, wenn von gewissen Autoren behauptet wird, der eigent- liche Entdecker des Kreislaufes sei Malpighi und nicht Harvey. Zweites Kapitel. Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren.* § 3. Der Kreislauf bei den kaltblütigen Wirbeltieren.^ a) Amphioxus. Das niedrigste der Wirbeltiere, Amphioxus, unterscheidet sich von den übrigen Wirbeltieren dadurch, daß ihm ein differenziertes Herz abgeht. Dieser Mangel wird durch eine allerorts gut ausgeprägte Kontraktilität der Gefäßwände ersetzt. 1 Harvey, Erste Entgegnung gegen Riolan; Works of William Harvey, transl. by Willis. London 1847, S. 103. 2 Malpighi, De pulmonibus epistola II, 1661 ; — Opera Omnia, II. Leiden 1687, S. 327—331. 3 Malpighi, a. a. 0., S. 329f, „Ex his etiam summa cum probabilitate illud solvi potest de mutua vasorum unione et anastomosi, etenim si semel intra vasa natura sanguinem volvit et vasorum fines in rete confundit, probabile est etiam in aliis anostomo im jüngere; hoc evi- denter deprehenditur in ranarum vesica ab urina turgescente, in qua citatus sanguinis motus per diaphana vasa mutuani invicem anastomosi juncta observatur, quin et vasa ista illum sortita sunt nexum et progressum, quem in foliis omnium fere a borum illarum venae, sive fibrae per- petuo designant." * Da unsere Kenntnisse von den allgemeinen Erscheinungen des Kreislaufes bei den Wirbei- losen zum allergrößten Teil an der Hand von rein anatomischen Untersuchungen gewonnen sind und außerdem Herr Professor v. Brücke (Leipzig), wie er mir gütigst mitgeteilt hat, die betreffenden Erfahrungen in dem von H. Winterstein herausgegebenen Handbuch der vergleichenden Phy- siologie in gebührendem Umfange behandeln wird, habe ich auf die Darstellung des Kreislaufes bei den Wirbellosen ganz verzichtet und verweise in bezug auf denselben auf die bald erscheinende Monographie von v. Brücke. 5 Über die phylogenetische Entwicklung der Septa in der Herzkammer und dem Bulbus aortae vgl. Jane Robertson, Heart, 6, S. 87; 1915. 14 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. PCs QVe Das Gefäßsystem beim Amphioxus ist nach den Darstellungen von Legros^ und Zarnik'^ folgendermaßen gebaut. Unterhalb der Chorda läuft jederseits ein Gefäß, die rechte und die linke Aorta, welche sich am distalen Ende des Kiemenschlauches zu der Aorta abdominalis vereinigen. Das in diesem Gefäß nach dem Schwänze strömende Blut tritt am Enddarm in Kapillarlakunen ein, durch welche es in den hinteren Abschnitt des Darmsinus (Ds, Fig. 2) und in die Kaudalvene (Vcd) übergeht. Der Darmsinus ist ein umfangreiches Lakunen- system, umgreift den ganzen Darm und er- streckt sich fast bis an die Leber. Aus ihm entspringt die Vena subintestinalis ( Vsi), welche das Blut zu der Leber führt und sich dort in ein Lakunennetz auflöst (L /). Aus diesem sammelt sich das Blut in einem oder mehreren Gefäßstämmen, welche schließlich in den Sinus venosus (Sv) münden. Dieser geht proximal- wärts in die Arteria brachialis über, welche das Blut nach den Kiemen führt. Von diesen strömt es dann wieder zu den beiden Aorten. Ein anderer Teil des Aortenblutes ge- langt durch Kapillarlakunen und auf der rechten Seite durch Vermittelung der Kaudal- vene (Vcd) in die Venae cardinales posteriores {Vcp), strömt in diesen nach vorn und versorgt die Geschlechtsdrüsen, um dann in der Kardinal- vene weiter zu fließen. Aus den Kardinal- venen gelangt das Blut durch die Quervenen (Qv) und durch die Ductus Cuvieri (DC) sowie unter Vermittelung der Parietallakune (PI) in den Venensinus (5v). Ein dritter Teil des Aortablutes strömt durch die Gefäße, welche längs der Muskel- septa verlaufen, nach den Kardinalvenen. Gg Vca LI Li) DCd Sv Vsi •PI -■■Ds Vcp Vcd Fig. 2. Schema des venösen Kreis- laufes beim Amphioxus. Nach Zarnik. DCd und DCs, Ductus Cuvieri dexter und sinister; Gg, Genitalgefäße; LI, Leberlakunen; Lv, Lebervene; Sv, Ve- nensinus; PI, Parietallakune; Ds, Darm- sinus; Qv^—Qv^, Quervenen; Vca, Vena cardinalis anterior; Vcd, Vena caudalis; Vcp, Vena cardinalis posterior; Vsi, Vena subintestinalis. b) Fische. Auch bei den eigentlichen Fischen ist die allgemeine Mechanik des Kreislaufes sehr einfach. Das Blut wird durch den Körper von einem Herzen getrieben, dessen Form bei verschiedenen Arten mannigfach variiert; seinem allgemeinen Plan nach ist es aber bei 1 Legros, Mitt. aus der zool. Station zu Neapel, 15, S. 487; 1902. 2 Zarnik, Anat. Anzeiger, 24, S. 609; 1904. Vgl. auch Langerhans, Arch. f. mikr. Anat., 12, S.336; 1876. Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren. 15 allen Fischen nach demselben Grundtypus gebaut. Stets unterscheidet man zwei Hauptabteilungen, eine Kammer und einen Vorhof. In den Vorhof münden, und zwar unter Vermittelung eines besonderen Venensinus, die Venen, durch welche das Blut von allen Teilen des Körpers zum Herzen zurück- geführt wird. Von dem Vorhofe strömt das Blut in die Kammer, welche ihrerseits dasselbe in die Arterien hineintreibt. Von der Kammer geht ein einziges Gefäß, Conus arteriosus, aus (Fig. 3, c), welches sich in einen langen Truncus arteriosus fortsetzt. Dieser löst sich in 3—7, meistens aber 4 Kiemenarterien (a) auf, welche das Blut zu den Kiemen (ö) führen. Von den Kiemen sammelt sich das jetzt durchgeatmete Blut in die Kiemenvenen (/?), welche jederseits in einen starken Stamm münden. Diese Stämme vereinigen sich nach vorn zu dem Cir- culus cephalicus (ce) und nach hinten zur Aorta {A). Fig. 3. Der Kreislauf bei den Fischen. Schematisches Bild nach Wiedei'sheim. Fig. 4. Das Herz bei Ceratodus. Nach Boas. Das Blut, das zum Herzen strömt, ist also rein venös, ebenso wie das, welches in dem Bulbus arteriosus das Herz verläßt. Erst nachdem das Blut die Haar- gefäße der Kiemen durchströmt hat, wird es arteriell und setzt von diesen seinen Gang nach allen Teilen des Körpers fort.^ Die Strömung des Blutes durch das Herz wird durch Klappen geregelt. Solche finden sich sowohl zwischen dem Vorhofe und der Kammer, wie auch inner- halb des Conus arteriosus. Letztere stehen bei verschiedenen Fischen in mehreren Längsreihen, wovon jede bis aus neun Klappen bestehen kann. Viel mehr verwickelt sind die Verhältnisse, denen wir bei den Dipnoi be- gegnen. Wegen Raumersparung werde ich unter diesen nur den Ceratodus berücksichtigen und stütze mich hierbei auf die Darstellung von Boas. 1 Über den Kreislauf bei den Fischen vgl. Schönlein, Zeitschr. f. Biol., 32, S. 511; 1895 (Se- lachier);— Bränings, Arch. f. d. ges. Physiol., 75, S.599; 1899 (Leuciscus dobula);— Ko///, ebenda, 122, S. 37; 1908 (Teleostier). 16 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. Von einem etwas zusammengedrückten Conus arteriosus geht ein äußerst kurzer Truncus arteriosus aus; aus diesem entspringen (Fig. 4) drei Paar Gefäße, von welchen das dritte sich gleich nachher beiderseits in zwei Gefäße spaltet. Wir bekommen also jederseits vier Gefäße, die als Kiemenarterien zu den vier Haupt- kiemen jederseits verlaufen. Aus jeder Kieme geht wieder eine Kiemenvene hervor (Fig. 5). Die erste Kiemenvene teilt sich in zwei Äste, die Carotis interna (Fig. 5, c i) und ein Gefäß, das sich nach hinten wendet und mit der zweiten Kiemenvene (2 v) verbindet. Das so gebildete Gefäß läuft nach hinten und vereinigt sich mit dem durch die Vereinigung der dritten und vierten Kiemenvene (3 y, 4 v) entstandenen Gefäß zur Aortawurzel {aw); aus den beiden Aortawurzeln entsteht dann die Aorta (öo). Aus der vierten Kiemenarterie entsteht jeder- seits eine Lungenarterie (p, p^\ von diesen ist die linke weit stärker als die rechte. Das Blut, das durch die Kiemen gegangen und dann in der A. carotis und in der Aorta ge- strömt ist, kehrt durch den Venensinus zum Herzen zurück. Von der Lunge strömt das Blut zu einer separaten Abteilung des Venensinus und von diesem zum Vorhof. Dieser ist aber durch eine unvoll- ständige Scheidewand in zwei Abteilungen ge- trennt; in der rechten strömt rein venöses Blut, in der linken dagegen nebst diesem auch das von der Lunge kommende Blut. Das in der linken Abteilung des Vorhofes befindliche Blut ist also eine Mischung von arteriellem und venösem Blute. Die obenerwähnte Scheidewand des Vorhofes erstreckt sich ziemlich weit in die Kammer hinein und teilt gewissermaßen auch diese unvollkommen. Von der Kammer geht der spiralförmige Conus arteriosus aus (Fig. 4). Längs der Achse, um welche die Spiraldrehung stattgefunden hat, befindet sich eine aus 8 Klappen gebildete Falte, die Longitu- dinalfalte oder Spiralklappe, welche also auch spiralig gewunden ist. Dazu kommen noch mehrere andere Klappen, welche ich hier nur kurz erwähne, weil ihre physiologische Bedeutung mit derjenigen der Spiralklappe durchaus nicht zu vergleichen ist. Diese Spiralklappe ist hinten in der Mittellinie an der ventralen Konuswand angeheftet, vorn dagegen seitlich, und zwar rechts. Der Blutstrom (mit ge- mischtem Blut), der hinten an der linken Seite der Spiralfalte hereinkommt, wird auf seinem Wege durch den Konus gewissermaßen geschraubt, so daß er vorn an der ventralen Seite der Spiralfalte ausläuft. Von da aus wird er in die erste und zweite Kiemenarterie getrieben. Diese erhalten also eine Blutmasse, die schon halb durchgeatmet ist. Fig. 5. Die Kiemenvenen bei Cera- todus. Nach Boas. Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren. ;7 Dagegen wird das in der rechten Abteilung der Herzkammer befindliche rein venöse Blut an der rechten Seite des hintern Teiles der Spiralklappe in den Konus einströmen und in die dritte und vierte Kiemenarterie gelangen. Diese emp- fangen dabei rein venöses Blut. Das Blut, das durch die A. carotis interna nach dem Kopf strömt, ist also zwei- mal arterialisiert worden: erstens in der Lunge, zweitens in den Kiemen. Das Blut dagegen, das durch die Aorta zu den übrigen Teilen des Körpers fließt, hat nur teilweise eine derartige doppelte Arterialisierung erlitten, denn nur die zweite Kiemenvene führt Blut, welches sowohl die Kiemen als die Lunge passiert hat, während das Blut der dritten und vierten Kiemenarterie nur in den Kiemen, nicht aber in der Lun^e durchgeatmet ist.^ Wir begegnen hier einer Erscheinung, die nicht alleinstehend ist, denn wenig- stens bei gewissen Reptilien, d. h. bei mit Lungen versehenen Tieren, wo die Blut- masse nicht in ihrer Gesamtheit durch die Lungen strömt, finden wir Vorrichtungen, welche es wahrscheinlich machen, daß der Kopf ein mehr durchgeatmetes Blut als die übrigen Körperteile erhält. Man wird nicht umhin können, hierin einen Ausdruck zu finden für die größere Bedeutung, die das Gehirn allmählich vor den übrigen Organen des Körpers erhält, je höher wir in der Reihe der Wirbeltiere hinaufsteigen. c) Amphibien. Unter den Amphibien werden wir Salamandra als Vertreter der Urodela und Rana als Vertreter der Anura auswählen. Schon bei den Urodelen ist der Vorhof durch eine Scheidewand, die jedoch nicht absolut dicht, sondern mit einer größern oder kleinern Zahl Löcher von ver- schiedener Größe versehen ist, in zwei Abteilungen getrennt. Die Kanuner zeigt keine Spur von einer Scheidewand. Wie bekannt, atmen die Amphibien während ihres Larvenstadiums mit Kiemen und werden erst später für die Lungenatmung eingerichtet. Es ist von Interesse zu untersuchen, wie sich die Blutverteilung während dieser beiden Stadien gestaltet, und wie der Übergang zwischen beiden stattfindet. Bei der Salamanderlarve gehen von dem Truncus arteriosus nach jeder Seite vier Gefäße aus, die erste bis dritte Kiemenarterie und der vierte Arterienbogen (Fig. 6, la—ja, 4). Die drei Kiemenarterien gehen zu den respektiven Kiemen und werden in ihr Kanillarnetz aufgelöst, von welchem dann die Kiemenvenen ausgehen. Die erste Kiemenvene (Fig. 6, jv) teilt sich in zwei ziemlich gleich starke Äste, Carotis externa {ce), welche mit der ersten Kiemenarterie durch feine Queranastomosen in Verbindung steht, und Carotis interna {ci), und setzt sich dann in einem von der zweiten und dritten Kiemenvene {2V, jv) gebildeten Stamm {aw) fort, welcher medianwärts verläuft und mit seinem gegenüberliegenden Stamm zur Aorta {aö) verschmilzt. Der vierte Arterienbogen (Fig. 6, 4) verbindet sich schließlich mit der von der dritten Kiemen vene abgehenden Lungenarterie (p). Es ist also nur ein sehr kleiner Teil der Blutmasse, der bei der Salamanderlarve durch die Lungen strömt. 1 Boas, Morphol. Jahrbuch, 6, S. 325—332, 337—339; li Tigerstedt, Kreislauf. I. 2. Aufl. 18 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. Die Kiemenarterien und die Kiemenvenen stehen nicht nur durch das Kapil- larnetz in den Kiemen, sondern auch durch direkte Anastomosen untereinander in Verbindung (Fig. 6, y, z). Bei der Schrumpfung und Zerstörung, welche die Kiemen beim Übergang des Tieres zum erwachsenen Zustande erleiden, sind sie von großer Bedeutung. Da die Haargefäße der Kiemen für die Blutströmung nicht Fig. 6. Der Kreislauf bei der Salamanderlarve. Nach Boas. mehr durchgängig sind, fließt das Blut durch die betreffenden Anastomosen direkt in die entsprechenden Kiemenvenen, welche also unmittelbare Fortsetzungen der Äste des Truncus arteriosus darstellen. Zu gleicher Zeit wird auch die relative Größe dieser Äste verändert, und wir finden bei dem erwachsenen Salamander folgende Gefäßverteilung (Fig. 7). Fig. 7. Der Kreislauf beim erwachsenen Salamander. Nach Boas. Von der ursprünglichen Gleichartigkeit der drei ersten Arterienbogen ist kaum eine Spur mehr vorhanden. Der erste Bogen sendet die Carotis externa (ce) und interna (ci) aus und scheint, in der Regel wenigstens, keine Anastomosen mit den übrigen Bogen einzugehen. Der zweite, dritte und vierte Arterienbogen (2, 3, 4) unter denen der zweite am größten ist, vereinigen sich zur Aortawurzel {aw). Von dem vierten Bogen geht außerdem die Lungenarterie {p) aus; ihr während des Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren. 19 Larvenstadiums stattfindender enger Zusammenhang mit dem dritten Bogen hat jetzt aufgehört. 1 Von allen Teilen des Körpers geht das Blut durch den Venensinus zum rechten Vorhofe und von den Lungen durch einen sehr kleinen Sinus zum linken Vorhof zurück. Die Löcher, die sich in der Scheidewand finden, erlauben jedoch schon hier eine, wenn auch angesichts der kleinen Größe derselben wahrscheinlich nur geringe Mischung der beiden Blutarten {Langer hans'^, Bruner^), und sie wird in der Kammer selbst noch vollkommener. Es ist freilich wahr, daß unter den vier am proximalen Ende des Conus arteriosus stehenden Taschenklappen eine stärker vorspringt, sich nach hinten auf die Konuswand fortsetzt und also eine Spiralklappe, analog derjenigen, die wir bei Ceratodus kennen gelernt haben, und derjenigen, der wir beim Frosch begegnen werden, darstellt.* Wenn auch durch diese Spiral- klappe eine gewisse Trennung des von den verschiedenen Teilen der Kammer ent- stammenden Blutes zustande gebracht werden könnte, so würde diese jedoch nur eine sehr unbedeutende sein. Denn erstens hat die Spiralklappe hier lange nicht die Entwicklung wie beim Frosch und kann wohl kaum je mit ihrem Rand die Konuswand erreichen; zweitens ist die horizontale Scheidewand im Truncus nicht so weit nach hinten fortgesetzt wie beim Frosch, so daß im Anfangsteil wieder eine Mischung des Blutes, das zu den Lungenarterien und zu den Karotiden und zur Aorta dirigiert wird, stattfinden muß (Boas).^ Im Grunde dürfte die Aufgabe der Spiralklappe hier allein darin bestehen, dem Zusammenfallen des Konus vorzubeugen, das bei starker Zusammenziehung der Konuswand, bzw. durch einen von außen wirkenden Druck sonst stattfinden könnte (Bruner).^ Es ist daher aller Wahrscheinlichkeit nach in der Hauptsache richtig, wenn wir annehmen, daß bei dem Salamander und den ihm nahestehenden Amphibien das Blut in allen Ästen des Truncus arteriosus ungefähr von derselben Beschaffenheit ist. Ein Teil davon wird wegen der Sauerstoffaufnahme nach den Lungen getrieben, die übrige, weit größere Blutmasse wird zu den übrigen Organen des Körpers ge- leitet. Dieses Blut ist also eine Mischung von einem Teil arteriellen Blutes mit mehreren Teilen venösen. Auch bei den lungenlosen Salamandern, wie Spelerpes fuscus, Salamandrina per- spicillata, Plethodon erythronotus und cinereus, Desmognathus fusca, findet sich eine Lungenarterie; diese versorgt nur den Magen; eine besondere Lungenvene kommt aber ebensowenig wie die Vorhofscheidewand bei diesen Tieren vor.^ Die mangelhafte Arterialisierung des Blutes in den Lungen wird von dem Gasaustausch, welcher bei der Blutströmung in der Haut zwischen dem Blute und dem umgebenden Medium stattfinden kann, bis zu einem gewissen Grade auf- gewogen. Bei den Anuren ist die Vorhofscheidewand vollständig und ohne Löcher. Von der Kammer (Fig. 8), welche nie eine Spur einer Teilung in mehrere Abschnitte 1 Die Arterienbogen bei dem Salamander sind nach Boas (Morphol. Jahrb., 7, S. 516—526; 1882) beschrieben. ' Lanoerhans, Zeitschr. f. wiss. Zool., 23, S. 457; 1873. 3 Bruner, Journ. of morphol., 16, S. 330; 1900. " Boas, Morphol. Jahrbuch, 7, S. 489—492; 1882; — vgl. auch Bruner, a. a. O., 16, S.330. 5 Boas, Morphol. Jahrbuch, 7, S. 515; 1882. « Bruner, a. a. O., 16, S. 331. 7 Bethoe, Zeitschr. f. wiss. Zool., 63, S. 689; 1898; — Bruner, a. a. O., 16, S. 329; 1900. 20 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. zeigt, geht der Conus arteriosus (7) aus. Dieser wird von einem sehr kurzen Truncus arteriosus fortgesetzt. Aus letzterem gehen jederseits drei große Arterien hervor (/, //, ///), welche jedoch eine Strecke weit jederseits zu einem einzigen, durch Scheidewände abgetrennten Stamm vereinigt sind. Der weitere Verlauf dieser Gefäße ist aus der Fig. 8 ersichtlich. Von dem ersten Arterienbogen (/) entspringen die Arterien des Kopfes; der zweite Arterienbogen (//) bildet die Aorta (.4), indem er sich gegen die Medianebene des Körpers wendet und sich mit dem entsprechenden Bogen der andern Seite vereinigt. Der dritte Arterienbogen ist atrophiert. Aus dem vierten (///) entstehen die Lungenarterie (P) und eine große Arterie, die sich in der Haut verzweigt (c).^ Das Blut, welches von den Körpervenen zum Herzen zurückkehrt, sammelt sich im Venensinus und strömt von da zum rechten Vorhofe. Aus den Lungen strömt das arteriali- sierte Blut durch einen kleinen Venensinus^ zum linken Vor- hof, der viel kleiner als der rechte Vorhof ist. Der Conus arteriosus be- ginnt an der rechten Seite der Herzkammer. Da nun von dem rechten Vorhof aus rein venöses und von dem linken rein arte- rielles Blut in die Kammer hineinströmt, so ist es offen- bar, daß, wenn auch die beiden Blutarten in einem gewissen Grade in der Kammer mit- einander gemischt werden, den- noch im Beginn der Systole hauptsächlich rein venöses Blut in den Konus heraus- getrieben wird. Nun findet sich im Konus eine Spiralklappe, welche derjenigen bei Ceratodus analog ist. Diese Klappe ist beim Frosch viel stärker als bei dem Salamander aus- gebildet und kann also in der Tat eine gewisse Bedeutung für die Trennung der beiden im Herzen befindlichen und bei dessen Systole herauszutreibenden Blut- arten haben. Diese Spiralklappe breitet sich nach oben in einem mit der horizon- talen Scheidewand des Truncus arteriosus zusanmiengewachsenen Häutchen aus (vgl. Fig. 9), welches den Eingang zu den Lungenarterien (p, p) schützt. Daraus Fig. 8. Der Kreislauf beim Frosch. Nach Ecker. 1 Vgl. Ecker, Die Anatomie des Frosches, 2, S. 67f.; 1881. - Boas, Morphol. Jahrbuch. 8, S. 183; 1882. Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren. 21 folgt, daß das Blut auf der linken Seite der Klappe sowohl in die Lungenarterien wie in die übrigen Arterienstämme, auf der rechten Seite aber nur in die letzteren fließen kann.^ Brücke'^ und Sabatier^ haben auf verschiedenem Wege nachzuweisen versucht, daß das im Anfang der Kammersystole von der rechten Seite der Kammer herausgetriebene rein venöse Blut so- wohl in die Lungenarterie als auch in die übrigen Arterien hineinströme, daß aber im weiteren Verlauf der Systole die Spiralklappe das später einströmende, zum Teil arterialisierte Blut verhindere, in die Lungenarterie zu fließen; das- selbe würde also ausschließlich in die Körperarterien gelangen. Dieselben Autoren haben noch hervorgehoben, daß unter den letzteren die Carotis eine verhältnismäßig größere Menge arteriaiisierten Blutes als die Aorta- wurzeln zugeführt erhalte ; wir hätten also hier dieselbe Anordnung, die wir schon bei Ceratodus kennen gelernt haben. Wir können es um so eher unterlassen, den hierbei tätigen Mechanismus näher zu analysieren, als Gompertz unter der Leitung Ludwigs nachgewiesen hat, daß die eben vorgetragene Auffassung wenigstens nicht in allen ihren Teilen un- bedingt richtig ist. Es geht aber auch aus den Beobachtungen von Gompertz hervor, daß das Blut in der Herzkammer nicht vollständig gemischt wird, daß das in dem Konus strömende Blut im Beginn der Systole eine dunklere Farbe hat als in dem spätem Verlauf, sowie daß dies auch in dem mittleren Arterienbogen (der Aorta- wurzel) der Fall ist. Dagegen ergaben manometrische Versuche keine derartigen Differenzen, wie man sie nach Bruches und Sabatiers Ansichten hätte erwarten müssen.* Fig. 9. Die Spiralklappe im Konus des Frosches. Nach Boas. d) Reptilien. Bei den Reptilien können wir, wie Greil^ hervorgehoben hat, in Rücksicht auf die spezielle Organisation des Herzens zwei Gruppen unterscheiden: solche mit temporär und solche mit konstant getrennten Kammerabteilungen. Der ersteren gehören die Schildkröten, Eidechsen und Schlangen, der letzteren die Krokodilier an. i Vgl. Boas, Morphol. Jahrbuch, 7, S. 502—505; 1882. — Gompertz, Arch. f. Anat. und Physiol., physiol. Abtg., 1884, S. 248. 2 Brücke, Denkschriften d. math.-naturwiss. Klasse der Wiener Akademie der Wiss. 3, S. 23-26; 1852. 3 Sabaticr, Etudes sur le coeur dans la serie des vertebres. Montpellier 1873, S. 16f. * Gompertz, a. a. O., S. 253—260; vgl. auch Fritsch, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1869, S. 750 bis 753. 5 GreU, Morphol. Jahrbuch, 31, S. 228; 1903. 22 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. Der Vorhof des Schildkrötenherzens ist durch eine Scheidewand iti zwei Abteilungen getrennt. Dagegen ist die Kammer einfach, obgleich dieselbe durch die von ihrer Wand nach innen ziehenden Muskelbündel bis zu einem gewissen Grade in zwei untereinander kommunizierende Abteilungen geteilt wird. Von der rechten Seite der Kammer gehen drei anfangs miteinander ver- einigte Gefäße, die beiden Aortawurzeln, welche später zu einem gemeinsamen Stamm zusammenlaufen, und die Lungenarterie aus (Fig. 10 A, A'). Das Blut, das von den Lungen zu dem linken Vorhof strömt, wird aus diesem zu der linken Ab- teilung der Kammer getrieben. Daß die Mischung des c ,B Blutes in der Kammer nicht vollständig ist, geht ^' - '' i/!^'" "^ daraus hervor, daß der linke Teil der Kammer nach ^']^^^^sJ/f[ "\ Brücke eine hellere rote Farbe hat als der rechte. § -■^ljl\ — ^\"'° Die Kontraktion der Kammer beginnt, sagt i^' % ,^^/^#*'/ Brücke, freilich in allen Teilen derselben zu gleicher ^I^^^W ' Zeit, sie schreitet aber nicht in allen mit gleicher W /~"^^ Energie vorwärts, indem sich zuerst vorzugsweise ^' '^^^«ss...»-^ ^^^ rechte Hälfte, später vorzugsweise die linke zu- Fig. 10. Das Herz von Cistudo sammenzieht, so daß in dieser der Akt der Kontraktion europaea. Nach Sabatier. etwas länger währt als bei der rechten. Im Anfang der Systole wird also das venöse, am Ende derselben das arterielle Blut aus der Kammer herausgetrieben. Bei ihrem Austritt aus der Kammer sind die Gefäße von einem Muskelring {H) umgeben, welcher besonders an der Wurzel der Lungenschlagader stark entwickelt ist und das Analogon des Bulbus arteriosus der niederen Wirbeltiere darstellt. Gegen die Mitte derKammersystole zieht sich dieser Muskelring so stark zusammen, daß dadurch eine tiefe Einschnürung gerade am Eingange in die Lungenarterie gebildet wird, während die Aortawurzeln dem Blute fortwährend offenstehen. Das bei der Kammersystole zuerst herausgetriebene venöse Blut gelangt also in die Lungenarterie, dagegen fließt das später ausströmende arterielle Blut ausschließlich in die Arterien des großen Kreislaufes.^ Sabatier stellt sich dejn Mechanismus in einer ganz anderen Weise vor. Im Beginn der Kammersystole wird in die Lungenarterie rein venöses, in die Aorten- wurzeln gemischtes Blut, und zwar in die linke ein etwas weniger arterialisiertes, hineingetrieben. Bei fortgesetzter Kontraktion wird die mit der Lungenarterie kommunizierende Abteilung des Herzens (Conus arteriosus der Pulmonalis, Fritsch^) geschlossen, indem eine der vorderen Kammerwand entspringende Muskelleiste gegen die hintere Wand angedrückt wird. Daher wird von der arteriel- len Seite der Kammer aus kein Blut in die Lungenarterie gelangen können. Zu gleicher Zeit wird auch der Zugang zu der linken Aorta aufgehoben, hauptsächlich dadurch, daß der oben erwähnte Muskelring {H) den Knorpel, welcher zwischen dem Eingange in die linke Aorta und dem in die Lungenarterie liegt, nach vorn und links zieht und also die Mündung dieses Gefäßes zusammendrückt. Während des spätem Abschnittes der Kammersystole kann also das arterielle Blut nur in . die rechte Aortawurzel strömen. Zwischen den beiden Aortawurzeln findet sich aber eine kleine Öffnung, durch welche Blut aus der rechten in die linke Aorta- 1 Brücke, a. a. O., S. 1—7. 2 Früsch, a. a. O., 1869, S. 722. Die. vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren. 23 Wurzel gelangen kann. Jedenfalls wird aber die rechte Aortawurzel ein vollstän- diger arterialisiertes und in größerer Menge vorhandenes Blut erhalten. Da nun diese die Blutzufuhr zum Kopfe, zum Gehirn usw. besorgt, finden wir, daß eben die Organe, welche für das Leben des Körpers am wichtigsten sind, das am voll- ständigsten arterialisierte Blut erhalten. ^ Der Abschluß der mit der Lungenarterie kommunizierenden Abteilung von der an- deren Kammerabteilung geht aus folgendem Versuch von Greil hervor. Er injizierte an Testudo graeca durch eine Lungenvene eine Lösung von Ferrozyannatrium und legte an den beiden Aorten wie an der Lungenarterie feine Stichöffnungen an. In dem aus den ersteren strömenden Blute konnte die Gegenwart des injizierten Salzes, nicht aber in dem Blut aus der Lungenarterie nachgewiesen werden. Andererseits ließ sich bei Injektion desselben Salzes in die untere Hohlvene dieses in allen drei Gefäßen entdecken; die Reaktion war in- dessen im Pulmonalisblut viel deutlicher als im Aortablut. ^ Unter den Eidechsen ist die Trennung der Herzkammer in zwei Abtei- lungen bei den niedrig stehenden Formen, wie Hatteria und Lacerta, viel unvoll- ständiger als bei den höheren. Die Muskelleiste, welche diese Trennung bewirkt, ist kurz, in ihrem proximalen Abschnitte von zahlreichen intertrabeku- lären Lücken durchbrochen und sondert einen kleinen, ventralen Raum von der übrigen Kammer- höhle ab. Dagegen ist die Muskel- leiste beim Herzen der Vara- niden (Fig. 11) in ihrer ganzen Ausdehnung solid und undurch- gängig; äußerhch ist ihre In- sertion an der Kammerwand durch eine Furche gekenn- zeichnet. Im Innern der Kam- mer zieht der freie Rand der Leiste von der Mitte der rechten ir ^ • 1 • Vi+ R '^'2- li- Ventralansicht des Herzens und des Truncus t^ammerwanamieicntemtSOgen arteriosus von Varanus varius nach Freilegung des ge- distalwärts zur ventralen In- samten ventralen Kammerraumes. Nach Greil. Die Be- ,. . Cpnf anrfipn Zeichnungen haben dieselbe Bedeutung wie in Fig. 12. sertion aes beptum aorilCO- ^g kommen noch folgende Bezeichnungen hinzu: /«,, pulmonale. Dabei nimmt der Sj, Pulmonalisklappen; 5./.V., Sulcus interventricularis. ventrale Kammerraum nahezu zwei Fünftel der gesamten Kammerhöhle ein. Von der dorsalen Kammerabteilung wird der ventrale Kammerraum bis auf die zwischen dem rechten dorsalen Abschnitt der Bulboaurikularlamelle (ß.L.) und der Muskelleiste (M.L.) bestehende Spalte (Fig. 11, +) völlig geschieden. Diese beginnt am proximalen Ende des Septum aortico-pulmonale und endigt an einer Muskelbrücke, welche die jVluskelleiste bzw. den linken Abschnitt der Bulbo- At.d. B.L. Ao.s. At.B. A.h. V.c. C.V.v. 1 Sabatier, a. a. O., S. 39—72. 2 Greil, Morphol. Jahrbuch, 31, S. 236; 1903. 24 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. aurikularlanielle mit dem rechten dorsalen Abschnitte der letzteren verbindet (Fig. 11, X). Von einer Trennung der Kammerabteilung des Herzens in eine rechte und linke Kammer kann bei den Varaniden jedoch noch nicht die Rede sein, da beide Ostia atrioventricularia dem dorsalen Kammerraume angehören {Greiiy. Vom physiologischen Stand- punkt aus besteht hingegen, wenn auch nur periodisch, eine völlige Trennung der Kammer in zwei Ab- teilungen, Diese Trennung wird durch die während der Kammersystole er- folgende Anpressung der Bulbo- aurikularlamelle an die Muskelleiste besorgt. Dabei arbeitet die ventrale Abteilung der Kammern ausschließ- lich für den Lungen-, die dorsale für den Körperkreislauf {Greil)-. Wenn man am lebenden Va- ranus, nachdem man das Herz und die großen Gefäße entblößt hat, mit einer scharfen Staarnadel möglichst rasch hintereinander die beiden Aorten und die Lungenarterie ansticht, sieht man, wie aus den ersteren hellrotes Blut in einem hohen Strahle spritzt, während aus der Lungenarterie dunkles Blut in einem viel niedrigeren Strahle herausgetrieben wird. Daraus folgt, daß das arterielle Blut aus- schließlich in die Körperarterien über- geht (Brücke)'^. Hier fügt Sabatier hinzu, daß die Mündung der rechten Aorta- wurzel in einem direkteren Zusammen- hang mit der arteriellen Abteilung der Kammer steht und also noch ge- eigneter wird, rein arterielles Blut zu empfangen.* Der viel größeren Arbeitsleistung entsprechend, die der dorsalen Abteilung der Kammer obliegt, ist bei den Varaniden ihre Wand fast doppelt so stark als die Wand der ventralen Abteilung, welche nur in dem ventralen Bulbusbezirke etwas kompakter gebaut ist.^ .V. n V. - - P. m Fig. 12. Ventrale Ansicht des Herzens von Boa constrictor. Nach Greil. Ao.d., Aorta dextra; Äo.s., Aorta sinistra; At.s., linker Vorhof; C.com., Carotis communis; B.L., Bulbuslamelle; C.V.v., Cavum ventriculi ventrale; M.L., Muskelleiste; P., Lungenarterie; S.a.v., Sulcus atrioventricularis; X, Spalte zwischen Muskelleiste und Bulbuslamelle; *. Loch in der Muskelleiste. 1 Grcil, Morphol. Jahrbuch, 31, S. 229, 1903. 2 Greil, ebenda, 31, S. 235. 3 Brücke, a. a. O., S. 13. « Sabatier, a. a. O., S. 77. '•> Greil, a. a. O., 31, S. 235. Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren. 25 Acc.d. A.s.d. \ A.c.p. L ß d Bei den Schlangen gestaltet sich der Kreislauf in allem Wesentlichen ähn- 1 ch dem der Schildkröten und Eidechsen. Bei ihrem Herzen snd in der Muskel- leiste (Af.L, Fig. 12) nahe ihrem Ansätze an der rechten Kannnerwand stets große Lücken nachweisbar (Greil)^. Die Krokodile bieten uns zum erstenmal das Vorhandensein einer vollstän- digen Scheidewand zwischen den Kammern und also einer vollständigen Trennung des arteriellen und des venösen Blutes dar. Im Zusammenhang hiermit steht es auch, daß aus jeder Kammer be- sondere Gefäße austreten: von der rechten entspringen die Lungenarterie und die linke Aortawurzel (Fig. 13), von der linken die rechte Aortawurzel. Beide Aortawurzeln vereinigen sich später zu einem gemeinsamen Stamm, der Aorta. Zwischen der Höhle der rechten und der linken Aortawurzel, nahe an dem Ursprünge dieser Gefäße fanden Hentz, Harlan, Panizza eine Kommunikationsöffnung, das Fo- ramen Panizzae (Brücke). Das in die rechte Aortawurzel strömende Blut ist also rein arteriell; in die linke strömt rein venöses Blut. Bei der Systole der Kammern kann nach Bischof!^, Brücke^ und Sabatier keine Mischung der beiden Blutarten statt- finden, weil das Foramen Panizzae von den gegen die Wand der Aorta- wairzel gedrückten Semilunarklappen auf beiden Seiten verschlossen wird. Das Blut der beiden Aortawurzeln kann also nur, nachdem die Kammer- systole ihr Ende erreicht hat und die Semilunarklappen sich schließen, von der einen Aorta in die andere fließen. Nach Fritsch dürfte ein völliger Verschluß der Kommunikation wegen der für Berührung der Gefäßwand unzu- -Ao.s. /l-coe Fig. 13. Schema des Krokodilierherzens. Nach Greil. Ao.d.{s.), Aorta dextra (sinistra); Ao. dors., Aorta dorsalis; A.c.c.d.(s.), Arteria collateralis colli dextra (sinistra); A.c.p., Arteria carotis prae- vertebralis; i4.co^/., Arteria coeliaca; ^.s.f/.(.s.), Ar- teria subclavia dextra (sinistra); Ät.d.(.'i.), Atrium dextrum (sinistrum); d.A., sog. dorsale Anastomose der beiden Aortenwurzeln ; F.P., Foramen Panizzae; L.B.d., Ligamentum Botalli dextrum; ().a.v.d.{s.), Ostium atrioventriculare dextrum (sinistrum); P.A., Pulmonalarterie; R.p.d(s.), Ramus pulmonalisdexter (sinister); S.ao., Septum aorticum; !S.ao.p., Septum aorticopulmonale ; S.v., Septum ventriculorum; T.a.d.{s.), Truncus anonymus dexter (sinister) ; \ \d.{s.), Ventriculus dexter (sinister). reichenden Ausgiebigkeit der Klappen niemals stattfinden. Jedoch findet auch nach ihm der Hauptverkehr durch das Loch jedenfalls erst nach dem Ablauf der Kammersystole statt.* Panizza nahm an, daß durch das betreffende Loch nur Blut aus der rechten Aorta in die linke fließe, Bischojj umgekehrt nur aus der linken in die rechte. 1 Greil, a. a. ü., 31, S. 232. - Bischoff, Arch. f. Anat. u. Physio!., 1836, S. 1 3 Brücke, a. a. O., S. 16. * Fritsch, a. a. O., 1869, S. 740f. 26 Allgemeine Übersicht des Kreislaufes. Brücke schließt sich der Meinung Panizzas an und stützt seine Ansicht auf folgende Betrachtung. Die linke Kammer des Krokodilherzens ist kleiner, aber viel stärker als die rechte. Hieraus ist es erlaubt zu schließen, daß am Ende der Kammer- systole der Druck in der linken Kammer und der aus ihr entspringenden rechten Aortawurzel größer ist als der, unter welchem gleichzeitig die Wände der rechten Herzkammer und der aus ihr entspringenden linken Aortawurzel stehen. Daraus folgt notwendig, daß in dem Momente, wo sich die Semilunarklappen schließen und das Foramen Panizzae wegsam wird, zunächst Blut aus der rechten Aorta- wurzel in die linke fließen muß. Während der ganzen Zeit der Kammerdiastole ist kein Moment gegeben, vermöge dessen der Druck in der linken Aortawurzei über den in der rechten steigen sollte. Also kann kein Blut aus der linken Aorta- wurzel in die rechte fließen. Diese enthält demnach rein arteiielles Blut, wenigstens bis sie sich durch die vor der Wirbelsäule liegende Anastomose mit der linken Aorta verbindet. Nach Panizza würde das Blut durch diese Anastomose aus dei rechten Aortawurzel in die linke, nach Bischoff und Brücke dagegen umgekehrt aus der linken in die rechte strömen. Da aber diese Anastomose erst nach dem Abgange der Arterien, welche die Blutzufuhr zu dem Kopf und den vorderen Extremitäten besorgen, stattfindet, erhält jedenfalls der vordere Teil des Körpers mit seinen für den Bestand des Lebens so überaus wichtigen Organen ein vollständig arterialisiertes Blut. Dies wäre nach Panizzas Ansicht auch hinsichtlich der hinteren Extremitäten der Fall, während der Verdauungskanal ein gemischtes Blut erhalten sollte. Nach Bischoff und Brücke würden dagegen sowohl die hinteren Gliedmaßen wie die Darmwand mit gemischtem Blut versorgt werden. ^ Der Hauptsache nach mit Brücke übei einstimmend, fügt Sabatier auf Grund der anatomischen Lage der Mündung der linken Aorta in die rechte Kammer hinzu, daß dieses Gefäß überhaupt nur wenig Blut aus der rechten Kammer erhält, und daß es daher fast ausschließlich von dem arteriellen Blute, das aus der rechten Aortenwurzel während der Diastole dahin hinüberströmt, gespeist wird.^ Einen Beweis für die Auffassung, daß das Blut nur in der Richtung von der rechten nach der linken Aorta durch das Foramen Panizzae passieren kann, brachten Regnard und Blanchard^ durch den Nachweis, daß in jener der Sauer- stoffgehalt größer und der Kohlensäuregehalt kleiner war als in dieser (Aoita dextra: 7.0 Vo O2, 25.0 7« CO2; Aorta sinistra 3.7 V„ Oo, 41.6 % CO2; Vena abdomi- nalis 1.1 «/0O2, 50.4 «/„CO2). Seinerseits fand Greil beim ruhig atmenden Tiere nach Injektionen von Ferrozyannatnum in die Vena abdominalis, daß dieses Salz nach zwei Systolen in der linken, nach etwa sieben bis neun Systolen, nachdem das Blut inzwischen die Lungen passiert hatte, in der rechten Aorta nachweisbar war, sowie daß es nach Injektion in die Lungenarterie ungefähr nach acht Systolen in beiden Aoiten gleichzeitig auftrat. Hieraus folgt wiederum, daß das Blut bei natüi lieber Atmung nur aus der rechten in die linke Aorta übergeht. Bei starker, aber nicht übermäßiger Aufblähung der Lungen ergaben gleich- artige Versuche, daß das in die V. abdominalis injizierte Salz nach zwei Systolen 1 Brücke, a. a. O., S. 16—20. 2 Sabatier, a. a. O., S. 118. 3 Regnard und Blanchard, Gazette med. de Paris, 1881, S. 727. Die vergleichende Physiologie des Kreislaufes bei den Wirbeltieren. 27 in der linken und recliten Aorta nachweisbar war, stäri dieselbe spezifische Schwere wie das Blut hat und auf /^\~.- ~~~^ "' /\ die Wände des Gefäßes den mittleren physiologischen / ; \ /. \ \ Blutdruck ausübt. Unter diesen Bedingungen fand / ; \, / ■• \ Cerörf/n/, daß die Klappen nicht zusammenfallen, sondern "^ Y V daß ihre freien Ränder sich wie azc, cyb, bxa (Fig. 24), \ \ / '•• / *^' ^^' ^^^ ^^^^ Sehnen der Sinusprofile stellen. ^'V " ' \ / ■■/■■■■-y^ Dagegen sprach E. H. Weber die Ansicht aus, \.^___^,:X.____...^ daß, indem die Zusammenziehung der Kammern Fig. 24. Schema. Nach Ceradini. nachläßt, endlich der Blutdruck in den Arterien größer als der in den Kammern wird, was die Schließung der Klappen zur Folge hat.^ Wir hätten also hier im großen und ganzen denselben Mechanismus wie bei dem Schluß der Atrioventrikularklappen, ' 1 Lüchsinger, Arch. f. d. ges. PhysioL, 34, S. 291; 1884. Die Versuche sind an der aus- geschnittenen Aorta oder Pulmonalis eines eben getöteten kleineren Säugetieres ausgeführt. 2 J. R. Ewald, Berl. klin. Wochenschr., 1905, Nr. 44a. 3 Burdach, Berichte von der anat. Anstalt zu Königsberg, 3. Leipzig 1820, S. 25. 4 Ceradini, Der Mechanismus der halbmondförmigen Klappen. Leipzig 1872, S. 34 — 45. 5 E. H. Weber, Brief an Hamernjk, Vierteljahrschr. f. d. prakt. Heilkunde, Prag, 20, S. 106; 1848. Die Herzklappen. 4g und hierbei brauclite keine Regurgitation von den Arterien aus in die Kammern stattzufinden. Derselben Auffassung nähern sich bis zu einem gewissen Grade Sandborg und Worm-Müller^ sowie Collier.^ Nach Hesse^ und Krehl^ steht sich das Ostium arteriosum der linken Kammer am systoHschen Herzen ganz anders als am diastolischen dar: es ist spaltförmig ge- worden, und zwar durch Muskelwi^ilste, welche fast allseitig in das Ostium vor- springen und nur an der vorderen Hälfte der linken Aortenklappe fehlen. Oberhalb dieses engen Muskelspaltes liegt der weite Raum der Aortenwurzel. Auch an dem Ostium der rechten Kammer bilden nach Krefil-' die zusanunengezogenen Längs- wülste genau ebensolche Polster für die Pulmonalklappen. Infolge dieser Einrichtung wird das Blut bei der Systole durch einen engen Muskelspalt in den weiten Raum oberhalb der Klappen gepreßt. Hierdurch müssen immer Wirbelbewegungen und Kreisströme entstehen, welche die Klappensegel fortwährend einander zu nähern streben und nur deswegen nicht nähern können, weil das unter hohem Druck stehende durchfließende Blut sie auseinander drängt: hört der Blutstrom auf, so müssen die Klappen, wie durch Federkraft getrieben, sich aneinander legen, und zwar außerordentlich schnell und ohne alle Regur- gitation.^ Der Verschluß wird dann durch die Differenz zwischen Aorten- und Kam- merdruck aufrecht erhalten, und diese Differenz genügt, nachdem die Klappen einmal geschlossen sind, offenbar auch dann, wenn die Muskeln der Kammer er- schlaffen und die muskulären Unterstützungen der Klappen wegfallen. Wenn die für den schnellen Verschluß des Ostiums notwendigen Muskelwülste am Boden der Semilunarklappen ungenügend ausgebildet sind, so wird eine Aortensuffizienz, trotz vollkommen normaler Klappen, auftreten können.^ Auch Ceradini^ stellte sich vor, daß die Halbniondklappen, unmittelbar nachdem alles Blut aus dem Herzen herausgetrieben worden ist, geschlossen werden. Dabei würde fol- gender physikalischer Vorgang stattfinden. Wird in einer einige Zentimeter weiten Glasröhre bei senkrechter Stellung eine auf einem Stempel ruhende und mit Bärlappsamen versehene zylindrische Wassersäule von mäßiger Höhe in Bewegung gesetzt, so ist die Geschwindigkeit der Wasserteilchen in der Achse beinahe doppelt so groß, als die Gesamtgeschwindigkeit der ganzen Säule; sie nimmt nach den Wänden zu ab, und die kaum sichtbaren, dicht an den Wänden befindlichen Bär- lappsamen bewegen sich nur äußerst langsam, so daß ihr Abstand von dem Stempel all- mählich sich verringert, bis sie von diesem selbst erreicht werden. In dem Augenblick aber, wo dies geschieht, sieht man dieselben sich sofort von den Wänden losmachen, indem sie von einem zentripetalen Wirbel ergriffen werden, welcher an diesem Stempel stattfindet und die Bärlappsamen ringsherum nach der Achse hin fortreißt. Sie durchlaufen mm mit der größten Geschwindigkeit die ganze Länge der Säule bis zu ihrer freien Oberfläche und geraten hier in einen zentrifugalen Wirbel, der sie wiederum nach den Wänden hinwirft; und indem die Körperchen dann dort bald wieder von dem Stempel erreicht werden, wieder- holt sich die ganze Erscheinung von neuem (Inversionsbewegung, Ceradini). Diese beiden gleich mit dem Beginn der Fortbewegung der Säule an den Basen derselben eintretenden Wirbel haben die Form eines mit der Spitze in die Wassersäule hineingerichteten Kegels. 1 Sandborg und Worm-Müller, Arch. f. d. ges. Physiol., 22, S. 415; 1880. - Collier, On the physioloey of the vascular System. London 1889, S. 20. 3 Hesse, Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abt.,' 1880, S. 338. * Krehl, Abhandl. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss., 17, S. 348; 1891. 5 Krehl, ebenda, S. 353. 6 Eine Methode, um diese Wirbelbewegung zu demonstneren, ist von v. Rijnberk in Zeitschr. f. biol. Technik, 2, S. 97; 1911, angegeben. 7 Krehl, Abhandl. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss., 17, S. 360, 361. *• Ceradini, a. a. O., S. 46. Tigerstedt, Kreislauf. I. 2. Aufl. 4 50 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Ganz dieselben Erscheinungen zeigen sich auch, wenn man, anstatt die Wassersäule mit dem Stempel in Bewegung zu setzen, diesen festhält und die Röhre längs des Stempels und der Wassersäule bewegt. Wenn man plötzlich mit der Bewegung des Stempels oder der Röhre einhält, hört die Inversionsbewegung der Flüssigkeit nicht auf, sondern modifiziert sich nur, indem die von dem Zentrifugalwirbel nach den Wänden der Röhre hin geworfenen Axialmoleküle sich dort nun zurückwenden gegen die mit geringerer Geschwindigkeit vorgerückten Wasser- teilchen, welche dadurch in ihrem Laufe plötzlich gehemmt und bei ihrer geringeren leben- digen Kraft auch noch genötigt werden, nach dem Zentripetalwirbel zurückzuweichen. Und seinerseits übt der Zentripetalwirbel, dem plötzlich der Zufluß von den Wänden entzogen wird, auf die diesen zunächst liegenden Konaxialschichten eine anziehende Wirkung aus, welche danach ihre Bewegung in die umgekehrte zu verwandeln strebt. So kommt es, daß in dem Augenblick, in welchem die Bewegung des Stempels aufhört, die flüssige Säule sich in zwei Teile spaltet, in einen inneren Zylinder, der die Vorwärtsbewegung mit nach der Achse hin zunehmender Geschwindigkeit beibehält, und in einen äußeren Mantel, welcher die entgegengesetzte Bewegung annimmt. Nun findet Ceradini in bezug auf die Blutströmung in den großen Arterien ganz ent- sprechende Verhältnisse. Das Blut wird durch die Kontraktion der Herzkammer in sie hinein- getrieben, und dabei werden Aorta und die Lungenarterie noch gegen die Richtung des ein- strömenden Blutes herabgezogen. „Man muß deshalb annehmen", sagt Ceradini^, ,,daß das plötzliche Aufhören der Systole in den zu jenen Gefäßen zugeströmten Blutsäulen eine so- fortige Scheidung in zwei der Richtung nach entgegengesetzte, durch einen heftigen Zentri- petalwirbel miteinander verbundene Strömungen hervorruft, nämlich in eine axiale, die wir die recht lauf ige nennen wollen, und in eine längs der Wände nach dem Valsalvaschen Sinus hin laufende, die rückläufige." Die letztere würde ein augenblickliches Zusammen- schlagen der Semilunarklappen bewirken. Durch Versuche an einer ausgeschnittenen Lungenarterie wollte Ceradini die Richtig- keit dieser Auffassung direkt beweisen. Es zeigte sich dabei in dem Augenblicke, wo die Strömung aus der Mündung der Lungenarterie aufhörte, ,, jedesmal ohne Ausnahme eine blitzschnelle, in der Ebene des Sinusquerschnittes stattfindende gegenseitige Annäherungs- bewegung der freien Klappenränder." Jedoch konnte Ceradini nicht behaupten, daß unter allen Verhältnissen diese systolische Schließung des Ostium arteriosum eine vollständige war. Sie wird aber beim lebenden Organismus immer eine vollständige sein, da hier der Zentripetalwirbel nicht allein durch das plötzliche Stillstehen der Blutsäule, sondern auch durch das plötzliche Aufhören der bei der Kammersystole stattfindenden Verlängerung der Arterienstämme bewirkt wird.- Und jedenfalls wird die Schließung im Beginn der Diastole durch den dabei in den Arterien stattfindenden Überdruck vervollkommnet. Also würde keine Spur des einmal herausgetriebenen Blutes zu den Herzkammern zurückkommen. Gegen diese Theorie kann indessen bemerkt werden, daß die physikalischen Voraus- setzungen, von welchen Ceradini ausgeht, nicht absolut sicher sind, und daß er das Verhalten bei der Bewegung des Blutes in den Arterien mit der Strömung einer Flüssigkeit in einer starren Röhre vergleicht. Endlich weicht seine Versuchsanordnung in einem sehr beträcht- lichen Grade von den Verhältnissen im Körper ab. Er experimentierte nämlich an einer von dem Herzen ausgeschnittenen Lungenarterie mit dem nächstliegenden Teil der rechten Kammer und befestigte dieselbe an eine Glasröhre, also eine Röhre mit starren Wänden. Auch war die Flüssigkeitsbewegung keine in sich zurücklaufende. In einer derartigen Röhre wird sich aber die Strömung ganz anders gestalten können als in einem elastischen, viel ver- zweigten und in sich zurücklaufenden Systeme, wie es das Gefäßsystem des Körpers ist.^ Ich muß noch erwähnen, daß Moens die Schließung der Semilunarklappen in einer fünften Weise erklärt.* Nach ihm gibt die Kammer bei ihrer Systole dem Blute einen so starken Stoß, daß dasselbe infolge seiner Trägheit schneller aus dem Herzen fließt, als die Kammerwände nachfolgen können. Hierdurch entsteht in der Kammer während der Systole selbst, gegen das Ende derselben, eine Ansaugung, und infolgedessen eine zurückgehende Bewegung im Blute: dabei würden die Semilunarklappen geschlossen werden. Diese An- sicht ist aber an und für sich wenig haltbar, denn es ist schwierig, sich vorzustellen, daß bei den im Gefäßsysteme stattfindenden Verhältnissen eine so kräftige Beschleunigung der aus dem Herzen getriebenen Blutmasse auftreten könnte. Übrigens wird sie durch die Untersuchungen über den intrakardialen Druck vollständig widerlegt. 1 Ceradini, a. a. O., S. 53. 2 Ceradini, a. a. O., S. 6L 3 Vgl. auch Sandborg und Worm-Müller, Arch. f. d. ges. Physiol., 22, S. 416—419; 1880. 4 Moens, ebenda, 20, S. 531, 532; 1879. Die Herzklappen. 5I In bezug auf die Scmiltinarklappeii ist noch die Frage zu erörtern, welche Lage ihre freien Ränder bei der Systole einnehmen, und wie sie sich verhalten zu den Mündungen der Kranzarterien in den Sinus Val- salvae. Im 18. Jahrhundert wurde diese Frage lebhaft diskutiert, und diese Dis- kussion fing aufs neue an, ah Brücke 1854 die Theorie von Thebesius wieder auf- nahm und lehrte, daß die Semilunarklappen bei der Kammersystole in der Weise gegen die Sinuswandungen gestellt werden, daß sie die Mündungen der Kranz- arterien zuschließen.^ Es ist ganz selbstverständlich, daß, wenn die Kammerwände sich kontrahieren und also einen starken Druck auf das im Herzen eingeschlossene Blut ausüben, die inneren Schichten der Herzmuskelfasern einem Druck ausgesetzt werden, der höher als der Aortendruck ist ; gegen die äußeren Schichten nimmt dieser Druck ab, und zwar um so mehr, je näher sie der Kammeroberfläche liegen. Unter diesen Umständen muß natürlich, wenigstens nachdem die Systole bis zu einem gewissen Grade fortgeschritten ist, die Blutströmung in die tiefer liegenden Gefäße der Kammern unmöglich sein. Brücke stellte sich vor, daß bei der Systole gar kein Blut in die Kranzarterien gelangt, und daß also diese nur bei der Diastole mit Blut gespeist würden. Er fand in diesem Umstände einen wichtigen regulatorischen Mechanismus (,, Selbststeuerung des Herzens"): wenn das Blut während der Systole in die Kranzarterien hineinkommen könnte, so würde dadurch die Kon- traktion der Kammern behindert werden; dagegen würde die Ausdehnung der Kammern bei der Diastole durch das Blut, das jetzt unter einem starken Druck in die Kranzarterien und deren Verästelungen hineinströmt, wesentlich erleichtert werden. Diese Auffassung veranlaßte einen lebhaften Streit zwischen Brücke^, v. Wit- tich^ u.a. einerseits und Hyrtl*, Endemann^, Rüdinger^, Mierswa\ Kleefeld^, Perls^ andererseits. ^° Die anatomische Untersuchung der Frage, ob es den Semilunar- klappen überhaupt möglich war, die Mündungen der Kranzarterien zuzuschließen, gab keine übereinstimmenden Ergebnisse. Bei 117 menschlichen Leichen fand Hyrtl, daß in den meisten Fällen die Mündungen der beiden Kranzarterien oder wenigstens der einen höher als der freie Rand der Klappen lag; Rüdinger fand in der Mehrzahl der Fälle, daß die Klappe die Öffnung der Kranzarterie nicht erreicht, während Brücke seinerseits angibt, daß unter 100 Kranzarterien nur vier sich ober- halb des Sinus öffnen, und v. Wittich behauptet, unter einer sehr großen Zahl von Herzen nur ein einziges gesehen zu haben, dessen eine Kranzarterie oberhalb des ^ Brücke, Sitzber. d. Wiener Akad. d. Wissensch., math.-naturw. KI., 14, S. 345; 1855. - Brücke, Der Verschluß der Kranzschlagadern durch die Aortenklappen. Wien 1855. ^ V. Wittich, Allgemeine med. Zentralzeitung, 1857, Nr. 5; zit. nach Meißners jahresher., 1858, S. 550. 1 Hyrtl, Sitzber. d. Wiener Akad. d. Wissensch., math.-naturw. K'., 14, S. 373; 1855; — Über die Selbststeuerung des Herzens. Wien 1855. ^ Endemann, Beitrag zur Mechanik des Kreislaufes im Herzen. Marburg 1856; zit. nach Meißners Jahresber., 1856, S. 432. ^ Rüdingcr, Ein Beitrag zur Mechanik der Aorten- und Herzklappen. Erlangen 1859. ^ Mierswa, De mechanismo valvularum semilunarum. Greifswald 1858; zit. nach Meißners Jahresber., 1858, S. 551. 8 Kleefeld, Arch. f. path. Anat., 23, S. 190; 1862. 9 Perls, ebenda, 39, S. 188; 1867. 1" Eine ausführliche geschichtliche Darstellung dieses Streites, sowie der Anschauungen über die Semilunarklappen überhaupt findet sich bei Ceradini, a. a. 0., S. 1 — 31. 4* 52 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Sinus Valsalvae entsprang.^ Ferner hob Brücke hervor, daß man am hinteren rechten Sinus Valsalvae an seiner oberen Grenze nicht selten sehr deutlich einen flachen Eindruck in der Substanz der Aorta bemerkt, welcher nach ihm ohne Zweifel eine Klappenspur ist und also bezeugt, daß die entsprechende Aortenklappe im Leben bis hier hinauf gereicht hat. Bei geeigneten Subjekten werden auch die Klappenspuren an den beiden anderen Sinus oberhalb des Einganges in die Kranz- arterien nicht vermißt. 2 Dies wurde aber von Hyrtl ganz entschieden bestritten. ^ Die Ursache zu dieser Verschiedenheit der Ergebnisse dürfte wohl zum Teil in der Art der Präparation liegen, denn wenn die großen Arterien aufgeschnitten und ausgebreitet werden, ist es gar nicht abgemacht, daß die Mündungen der Kranz- arterien sich in derselben Weise wie unter normalen Verhältnissen verhalten sollen. Dazu kommt noch, daß, wie Brücke bemerkt, die unter den Klappen liegenden Muskelpolster bei der Kammerkontraktion die Klappen nicht nach abwärts ziehen, sondern nur nach aufwärts heben und drängen.* Auch Durchströmungsversuche an herausgeschnittenen Herzen ergaben widersprechen Ergebnisse. Einen positiven Beweis gegen die Lehre Brücke?, glaubte man jedoch darin gefunden zu haben, daß beim Durchschneiden einer Kranz- arterie bei einem lebenden Tiere aus dem zentralen Ende der Arterie ein Blutstrahl im Beginn der Kammersystole hervorspritzte,^ Jedoch konnten auch gegen die beweisende Kraft dieser Versuche Einwendungen gemacht werden. Nur direkte Beobachtungen über die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes in einer Kranz- arterie konnten hier entscheiden. Derartige Beobachtungen wurden von Chauveaii und Rebatel an Pferden angestellt. Wenn man die Geschwindigkeit des Blutes in einer Kranzarterie während der verschiedenen Phasen des Herzschlages bestimmen kann, so hat man zu gleicher Zeit auch die vorliegende Frage beantwortet. Werden die Mündungen der Kranz- arterien bei der Systole zugedeckt, so muß die Geschwindigkeit des Blutes in diesen Arterien negativ sein, d. h. das Blut muß in der Richtung gegen ihre Mündungen strömen. Drängt dagegen während der Systole Blut in diese hinein, so muß die Geschwindigkeit eine positive sein, d. h. eine Blutströmung in der Richtung von den Mündungen gegen die Kapillaren stattfinden. Ich werde später in einem anderen Zusammenhange die Methoden Chauveaus darstellen und hier nur seine Ergebnisse vorlegen. Diese zeigen (Fig. 25), daß im Beginn der Systole (ä) sowohl die Geschwindigkeit wie der Blutdruck in den Kranz- arterien zunehmen: im Beginn der Systole strömt also Blut in die Kranzarterien hinein. Dann finden wir eine neue Drucksteigerung(ö), welche aber von einer starken Abnahme der Geschwindigkeit begleitet ist. Hier begegnen wir also dem Augen- blicke, wo die Kontraktion der Kammer so stark geworden ist, daß dadurch die Gefäße zusammengepreßt werden: dabei steigt natürlich der Druck, das Blut aber strömt in entgegengesetzter Richtung als vorher. Etwas vorc tritt in der Druck- kurve als Marke des Beginnes der Diastole eine Diskontinuität auf, und gleichzeitig beginnt die Geschwindigkeitskurve (c) sich zum zweiten Maximum zu erheben. 1 V. Wittich, a. a. O., zit. nach Henles Jahresber., 1858, S. 172. - Brücke, Dev Verschluß der Kranzschlagadern, S. 19, 20. 3 Hyrtl, Über die Selbststeuerung des Herzens, S. 65. * Brücke, Der Verschluß der Kranzschlagadern, S. 12f. 5 H}rtl, Über die Selbststeuerung des Herzens, S. 9. Die Herzklappen. 53 Auf dieses folgt dann eine der Vorhofsystole entsprechende Geschwindigkeits- abnahme.i Zum wesentlich gleichen Resultat kamen Martin und Sedgwick- bei mano- metiischen Versuchen an Hunden, bei welchen der Druck in der Carotis und einer Kranzarterie gleichzeitig registriert wurde. ^ Aus diesen Tatsachen geht hervor, daß die Mündungen der Kranzarterien bei der Systole von den Halbmondklappen nicht zugedeckt werden, daß also im Beginn der Systole Blut in diese wie in die übrigen Arterien hineinströmt, daß aber im weiteren Verlaufe der Systole wenigstens ein großer Teil von den Verästelungen der Kranzarterien zufolge des starken Druckes, welcher von den Kammerwänden ausgeübt wird, undurchdringlich wird; nach beendigter Systole strömt das Blut wieder in diese Gefäße. Dies geht auch aus einer Beobachtung von Klug hervor: er band das voll- ständige lebende Herz einmal während der Systole, ein anderes Mal während der Diastole ab; im ersteren Falle fand er wohl die oberflächlichen Herzgefäße Fig. 25. Blutdruck (A) und Geschwindigkeit (B) in den Kranzarterien. Nach Chauveau und Rcbatel. natürlich injiziert, in den etwas tiefer gelegenen aber kaum Spuren von Blut, wogegen im letzteren Falle die Gefäße in allen Schichten der Muskulatur mit Blut gefüllt waren.'* Soviel ist also jedenfalls nachgewiesen, daß bei der Diastole des Herzens das für die Erweiterung der Kammern günstige Moment, das Brücke in der Füllung der Arterien mit Blut erkannte, tatsächlich existiert. Dies bezeugte Donders durch direkte Versuche. Als er nämlich unter einem hohen Drucke eine Flüssigkeit durch die Kranzarterien eines toten Herzens leitete, fand er in der Kanmier eine deutliche Ansaugung.^ Welche Stellung die Haibmondklappen bei der Systole einnehmen, kann nicht als völlig entschieden erachtet werden. Bei seinen Versuchen an isolierten Lungenarterien beobachtete Ccradini, daß, wenn Wasser durch das Ostium plötz- lich eingetrieben wird und die Klappen sich dabei öffnen, die Klappe des vordem Sinus nach der Sinuswand hin zurückweicht, ohne jemals die Sinuswand zu er- 1 Rebatcl, Recherches experimentales sur la circulation dans los arteres coronaires. Thise, Paris 1872. — V0. auch die Kritik von Porter, Amer. Journal of physioi., 1, S. 149; 1898. - Martin und Sedgwicl<, Journal of physioi., 3, S. 165; 1882. ^ Weiteres über die Strciinung in den Koronararterien in Kap. XIII. 4 Klug, Zentralbl. f. d. med. Wissensch., 1876, S. 133. 5 Donders, Physioi. des Menschen, 1, S. 42; 1859. 54 Die mechanischen Leistungen des Herzens. reichen, während die Seitenklappen nicht über ihre Sehnenlage zur Sinusbuchtung zurückweichen, sondern schwingend in derselben verharren .^ Für diese Auffassung sprechen entschieden Krehls schon erwähnte Beob- achtungen, und durch eine derartige Stellung der Semilunarklappen wird der Schluß in der Tat sehr begünstigt. Die physiologische Bedeutung der Valsalvaschen Sinus würde dann eben darin liegen, daß sie das Pressen der Klappen gegen die Gefäßwand noch unmög- licher machen. 2 Viertes Kapitel. Die Herztöne. § 8. Die Ursachen der Herztöne. Schon Harvey ^ kannte die Herztöne ; erst 200 Jahre später lehrte aber Laennec"^ ihre Bedeutung für diagnostische Zwecke kennen. Wenn man das Ohr an die Brustwand legt, hört man bei jedem Herzschlag einen dumpfen und gedehnten Ton und nach diesem einen kürzern und hellen; danach folgt eine Pause, und dann hört man wieder den langen Ton usw. Der lange Ton heißt erster Herzton, der darauffolgende zweiter Herzton. Laennec glaubte, daß der erste Herzton mit der Systole der Kammern, der zweite mit derjenigen der Vorhöfe zusammenfiel. Das ist jedoch nicht der Fall. Zuerst Turner (1829) und dann Hope, Williams, Carlile, Magendie u. a. wiesen nach, daß der erste Herzton während der Kammer- systole, und nur dann gehört wurde. — In betreff des zweiten Herztones bemerkte Turner, daß dieser unmittelbar nach dem ersten, d. h. sofort nach dem Ende der Kammersystole folgt, und daß nach ihm die Herzpause eintritt. Da nun die Systole der Vorhöfe derjenigen der Kammer vorhergeht, so kann erstere die Ursache eines Tones, der nur nach dem Ende der Kammerkontraktion gehört wird, nicht dar- stellen.^ Noch heute gilt vollständig das, was Kürschner im Jahre 1844 von der Theorie der Herztöne äußerte: kaum möchte in der Physiologie noch ein Kapitel zu finden sein, welches mehr bearbeitet, ohne großen Erfolg, und reicher an Kontroversen mit wenig Aussicht zur endlichen Lösung sein möchte.^ Sandborg zählte im Jahre 1881 nicht weniger als etwa vierzig Erklärungsversuche, welche während der letz- ten fünfzig Jahre zur Deutung der Herztöne aufgestellt worden sind." 1 Ceradini, a. a. O,., S. 60. — Vgl. auch Rüdinger, a. a. O., S. 5, sowie Rosenbach, Berl. klin. Wochenschr., 1889, S. 26. - Vgl. Collier, On the physiology of the vascular System. London 1889, S. 25. 3 Harvey, De motu cordis, Kap. V; — vgl. Boas, William Harvey, der Entdecker des Blut- kreislaufes, Stuttgart 1878, S. 61. * Laennec, De l'auscultation mediate, 2, S. 210—227. Paris 1819. ^ Vgl. Reid, Art. Hcart in Todd?, Cyclopaedia of anatomy and physiology, 2. London 1839, S.614f. « Kürschner, in Wagners Handwörterbuch, 2, S. 95; 1844. ' C. P. Sandborg, Resume des etudes sur les bruits du cour. Christiania 1881, S. 6. — Vg auch Geigel, Arch. f. path. Anat., 141, S. 9; 1895. Die Herztöne. 55 Meines Erachtens liegt die Ursache dieser großen Divergenz der Ansichten in einem wesentlichen Grade darin, daß viele Forscher sich zu exklusiv an ein ein- ziges Erklärungsprinzip gehalten und dabei übersehen haben, daß mehrere Ur- sachen zusammenwirken können. Als z. B. Magendie den ersten Herzton durch das Prallen des Herzens gegen die Brustwand erklären wollte^, hatte er ohne Zweifel Unrecht, denn auch bei eröffnetem Brustkasten und sogar bei dem ausgeschnittenen, noch pulsierenden Herzen hört man den ersten Herzton. Damit ist aber keineswegs bewiesen, daß nicht die Erschütterung der Brustwand beim Herzstoß bei der Er- scheinung mitwirkend sein kann. So gibt das Dubliner Komitee der British Asso- ciation 1835 an, daß der erste Herzton in einem erheblichen Grade verstärkt wird, wenn man das entblößte Herz gegen ein kleines Brettchen schlagen läßt.^ Wir müssen daher bei unseren Schlußfolgerungen sehr vorsichtig sein und aus den vorliegenden Beobachtungen nur die positiven Resultate, die sie ergeben, ziehen, und uns nicht vorstellen, daß eine Ursache, die"wir ausfindig machen können, .alle anderen Ursachen notwendig ausschließen muß. a) Der erste Herzton. Beim Studium des ersten Herztones müssen wir festhalten, daß er genau in demselben Augenblicke, wo der Herzstoß stattfindet, auftritt. Dies zeigt, daß alle diejenigen Theorien, die den ersten Herzton durch die Füllung der Kammern während der Diastole zu deuten gesucht haben, ganz und gar un- möglich sind.^ Vor dem eigentlichen ersten Herzton, d. h. vor dem Beginn des Herzstoßes, wird zuweilen ein Geräusch gehört, bzw. bei graphischer Aufnahme der Herztöne registriert (Kr£'/^/^ Hürthle"^, Weiß^, Roos\ A. Weber und Wirth^, Benjamins^). Es stellt gewissermaßen einen Vorschlag vor dem ersten Tone dar, und die zeit- liche Distanz zwischen jenem und dem ersten Tone würde etwa 0,04 — 0,14 Sekunde betragen (y. Wyß^""). Als Ursache dieses Vortones, der lange nicht eine konstante Erscheinung darstellt, wurde von den soeben genannten Autoren das bei der Kontraktion des Vorhofes auftretende Muskelgeräusch (s. unten) angenommen", während Inchley^'- und Kahn^^ hierbei Umstände hervorheben, welche mit dem Einströmen des Blutes 1 Magendie, The Lancet, 1834—1835 (1), S. 638, 666; 1835. 2 Report of the fifth meeting of the British Association, 1835, S. 246. 3 Vgl. Reid, a. a. O., S. 615. ' Krehl, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1889, S. 255. 5 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 60, S. 284; 1895. ^ Weiß, Phonokardiogramme. Jena 1909, S. 26. " Roos, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 26, S. 684; 1909. 8 A. Weber und A. Wirth, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 105, S. 568; 1912. 9 Benjamins, Arch. f. d. ges. Physiol., 158, S. 141; 1914. 10 V. Wyß, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 101, S. 3; 1910. 11 Beim bloßgeiegten Herzen eines Hundes, an welchem durch elektrische Reizung die Kam- mern nur fibrilläre Kontraktionen ausführten, die Vorhöfe aber normal weiter schlugen, hörte man insbesondere bei der Auskultation des rechten Vorhofes einen Ton ganz vom Charakter des Herz- muskeltons, aber schwächer (Krehl, a. a. O., 1889, S. 255). Diesen Ton konnten Hürthle und Sti^rn am Herzen eben getöteter Hunde nur ein einziges Mal wahrnehmen (Hürthle, a. a. O., 60, S. 285). 12 Inchley, Barth. Hosp. reports, 38, S. 91; 1903; zit. nach dem Jahresbericht. 13 Kahn, Arch. f. d. ges. Physiol., 133, S. 605, 611; 1910; — vgl. auch Weiß, ebenda, 123, .S. 365; 1908. 56 Die mechanischen Leistungen des Herzens. in die Kammer zusammenhängen, bzw. von Vorgängen im Reizleitungssystem herrühren (Kahn^). Bei der graphischen Registrierung der Herztöne (vgl. unten) treten in der Kurve vor dem ersten Herzton ab und zu einige schwache Schwingungen auf, welche mit der elektrischen Schwankung der Vorhofsystole genau zusammen- fallen und also unzweifelhaft der Ausdruck des Vorhoftones sind (vgl. Fig. 36, P, Battaerd-). Im Jahre 1810 wies Wollaston nach, daß der Skelettmuskel bei seiner Kon- traktion einen Ton, den sogen. Muskelton, hervorbringt. DieUrsachen desMuskel- tones wollen wir hier nicht näher erörtern. Zum vorliegenden Zwecke genügt die Bemerkung, daß, wie Ludwig und DogieP hervorheben, dieMuskelbündel der Kam- mern so mannigfaltig untereinander verflochten sind, daß sie bei einer plötzlichen Anspannung gut einen Ton oder ein Geräusch verursachen können, sowie daß nach Herroun und Yeo dieser Ton auch bei der einfachen, von einer einzelnen Reizung hervorgerufenen Muskelzuckung auftritt.^ In diesem Muskelton fanden C. J. B. Williams sowie die Mitglieder des Lon- doner Komitees der British Association, Williams, Todd und Clendinning, zu einem wesentlichen Grade die Ursache des ersten Herztones. ^ Sie beobachteten nämlich diesen Ton, auch wenn die Entfaltung der Atrioventrikularklappen durch Einfüh- rung eines Fingers in die Atrioventrikularöffnung verhindert wurde, sowie an den herausgeschnittenen Herzen großer Säugetiere. Spätere Untersuchungen haben die Richtigkeit dieser Beobachtung vollständig bestätigt. Unter diesen werde ich hier nur eine von Ludwig und Dogiel aus- geführte näher besprechen, weil sie sich durch die Genauigkeit der Methode und die Sorgfalt der Arbeit vor allen anderen unbedingt auszeichnet.*^ Es galt nachzuweisen, daß der erste Ton noch deutlich hörbar war an einem Herzen, das 1. eine weit geringere Blutmenge enthielt als nötig war, um die venösen Klappen desselben zu entwickeln oder zu spannen, das 2. bei seinen Bewegungen keine Luft aufnehmen konnte, und das 3. in dem schallleitenden Apparat so auf- gehängt war, daß durch die Kammerkontraktion kein geräuscherzeugender Stoß bedingt wurde. Zu diesem Zwecke wurden an einem lebenden Hund um sämtliche aus dem Herzen hervorkommende Venen und Arterienstämme an ihrem Austritt Fäden geschlungen. Danach geschah die Unterbindung in folgender Ordnung: V. Cava superior — V. cava inferior — A. pulmonalis — V. V. pulmonales — und endlich, nachdem durch einen sanften Druck das linke Herz möglichst vollständig entleert war, die Aorta. Darauf wurde das fast blutleere Herz rasch herausgenommen und in einen mit defibriniertem Blute gefüllten Apparat gehängt, und zwar in solcher Weise, daß das Herz die Wände des Gefäßes nirgends berührte. Das so präparierte Herz fuhr eine Zeitlang fort zu schlagen und brachte während der Zu- sammenziehung seiner Kammern einen Ton hervor, welcher ,, nicht wesentlich von dem verschieden war, den die Kammersystole des lebenden Hundeherzens 1 Kahn, ebenda, 133, S. 612. ~ Battaerd, Inaug.-Diss. Leiden 1913, S. 17; — vgl. nuch Fahr, Heart, 4, S. 153; 1913. 3 Ludwig und Dogiel, Ber. d. sächs. Gesellsch. der Wissensch., math.-phys. Kl., 1868, S. 96. * Herroun und Yeo, Journal of physiology, 6, S. 290; 1885. 5 Sixth report of the British Association, 1836, S. 265, 269. « Ludwig und Dogiel, a. a. O., S. 89—96: — vgl. auch Quincke, Berl. klin. Wochenschr., 1870, S. 263. Die Herztöne. 57 erzeugt". Dasselbe war auch der Fall, wenn das durch Unterbindung der Gefäße in der oben erwähnten Reihenfolge blutarme Herz bei seiner natürlichen Lage im Körper auskultiert wurde. Es ist aus diesem Versuche ersichtlich, daß der erste Herzton wesentlich einen Muskelton darstellt, denn in einem fast blut- und luftleeren Herzen können die Klappen nicht-gespannt und also auch nicht in Schwingungen versetzt werden, und es findet sich keine andere Möglichkeit, den Ton bei einem in der oben beschrie- benen Weise präparierten Herzen zu erklären. Freilich machte Guttmann gegen diese Versuche die Einwendung, daß selbst bei der vollkommensten Blutleere des Herzens die Spannung der Atrioventrikular- klappen nicht gänzlich aufgehoben wird, denn es kontrahieren sich auch im blut- leeren Herzen die Papillarmuskeln und können also die Klappensegel spannen.^ Diese an und für sich nicht sehr wahrscheinliche Möglichkeit ^ wurde aber durch einen schon von Williams ausgeführten Versuch, den Krehl^ und Käsern- Beck* später in vervollkommneter Weise wiederholt haben, als nicht stattfindend er- wiesen. Durch ein dazu geeignetes, in die Atrioventrikularöffnungen eingeführtes Werkzeug verhinderten sie gänzlich die Bewegungen der Atrioventrikularklappen: dabei wurde zwar der erste Herzton gehört, doch konnte man aus der Art des Tones allein nicht sicher entscheiden, ob die Klappen funktionierten oder nicht. In betracht dieser positiv ausgefallenen Versuche scheint die von R. Quain^ zitierte Angabe von HalforcV', daß die Herztöne beim Hunde nach Verschluß der Venae cavae und der Lungenvenen verschwinden, um nach Freigeben derselben wieder zu erscheinen, doch nicht zu genügen, um die Beteiligung des Muskelgeräusches an dem ersten Herzton aus- zuschließen. Auch die von demselben Autor erwähnte Beobachtung A/or/söns, daß am aus- geschnittenen Schildkrötenherzen kein Ton gehört werden kann, dürfte nicht in dieser Hin- sicht maßgebend sein. Jedenfalls sind neben dem Muskelgeräusch auch andere Umstände beim Entstehen des ersten Herztones mitbeteiligt. Einen solchen hat man seit Rouanet in der plötzlichen Schließung der Atrioventrikularklappen im Anfang der Systole und in ihren dabei hervorgerufenen Schwingungen gesehen. Als Grund einer der- artigen Ansicht mag angeführt werden, daß das englische Komitee, wenn das Zusammenschlagen der Atrioventrikularklappen verhindert wurde, den ersten Herzton freilich hörte, jedoch mit dem Unterschied gegen den normalen Ton, daß sein Anfang jetzt weniger deutlich und schwächer war als sonst. Ferner haben Bayer'^ und Giese^ gefunden, daß die plötzliche Spannung der Atrioventrikular- klappen bei künstlicher Zirkulation an einem toten Herzen einen Ton hervorruft, obgleich sie alle beide zu dem Schlüsse kommen, daß der erste Herzton sein Ent- stehen ausschließlich oder hauptsächlich dem Muskelton verdankt. Endlich ist es Wintrich^ gelungen, durch Resonatoren nachzuweisen, daß der erste Herzton normal aus zwei Tönen, einem tiefen, den er als Muskelton auffaßt, und einem 1 Guttmann, Arch. f. pathol. Anat., 46, S. 226; 1869. Vgl. auch Barrett, Journal of anat. and physiol., 18, S. 271; 1884; — Pezzi, Zeitschr. f. kiin. Medizin, 75, S. 102; 1912. - Vgl. die Kritik von Bayer, Arch. d. Heilkunde, 11, S. 170^174; 1870. 3 Krehl, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1889, S. 253—257. « Kasem-Beck, Arch. f. d. ges. Physiol., 47, S. 56—66; 1890. 5 R.Quain, Proc. of the Royal Society, 61, S. 335; 1897. " Haiford, The action and sounds of the heart. London 1860, S. 25. ^ Bayer, Arch. d. Heilkunde, 10, S. 1; 1869; — 11, S. 168; 1870. 8 Giese, Deutsche Künik, 1871, S. 393—394. ** Wintrich, Sitzber. d. physikal.-med. Sozietät in Erlangen, 7, S. 51—59; 1875. 58 Die mechanischen Leistungen des Herzens. höhern, dessen Ursache er in den Schwingungen der Atrioventrikularklappen sieht, zusammengesetzt ist.^ Daß die Spannung der Klappen oder die dadurch verursachten Schwingungen im Blute in der Tat für den ersten Herzton von Bedeutung sind, geht auch aus den Beobachtungen Haycrafts hervor, bei welchen es sich nämlich herausstellte, daß der erste Herzton bei einem blutleeren Kaninchenherzen beträchtlich tiefer als bei normaler Zirkulation ist.- Cruveilhier^, Ceradini'^ und Sandborg^ sind der Ansicht, daß der erste Herzton mehr oder weniger ausschließlich von den Schwingungen der Semilunarklappen, wenn sie während der Systole geöffnet werden, bedingt ist, und Sandborg hat an einem toten Herzen bei künst- licher Zirkulation einen entsprechenden Ton gehört, auch nachdem er die Atrioventrikular- klappen zerstört hatte. Wir können daher nicht bestimmt behaupten, daß nicht in dem Öffnen der Semilunarklappen ein Moment liege, das in einem gewissen Grade zur Erzeugung des ersten Herztones beiträgt, obwohl auf der anderen Seite festgestellt ist, daß dies Moment nicht dessen einzige Ursache sein kann, denn der erste Herzton fängt unbe- dingt früher an, als die Semilunarklappen geöffnet werden. Außerdem könnten auch Schwingungen der Semilunarklappen vor deren Eröffnen einen Ton erzeugen (Geigel'^). Hiermit stimmt R. Quain gewissermaßen überein, als er als einzige Ursache des ersten Herztones den Anprall des Blutes gegen die geschlossenen Semi- lunarklappen bezeichnet.' Vom physikalischen Gesichtspunkte hat Talma Einwendungen gegen die Auffassung gemacht, daß die Klappen durch ihre Schwingungen an und für sich einen Ton erzeugen sollten. Er hat hervorgehoben, daß die Klappen in eine Flüssigkeit eingesenkt sind, deren spezifische Schwere nur unbedeutend geringer als die ihrige ist, und daß daher ihre Schwin- gungen in einem sehr bedeutenden Grade gedämpft werden müssen. Und er hat noch durch direkte Versuche, welche ich beim Studium des zweiten Herztones näher besprechen werde, nachzuweisen gesucht, daß der Ton, welcher bei plötzlicher Schließung der Klappen gehört wird, nur in Flüssigkeitsschwingungen seinen Grund haben kann. Wir werden jedoch sehen, daß Beobachtungen vorliegen, die ziemlich deutlich nachweisen, daß auch die Spannung der Klappen an und für sich einen Ton hervorbringen kann, obschon Talma darin Recht hat, daß auch die eigenen Schwingungen der Flüssigkeit dabei eine Rolle spielen.** Aus diesem allen geht hervor, daß der erste Herzton einen sehr komplizierten Ton darstellt. In erster Reihe ist er ein Muskelton; zu diesem kommen aber noch andere Töne, welche entweder durch Schwingungen der Atrioventrikularklappen oder der Semilunarklappen oder durch Schwingungen im Blute erzeugt werden. b) Der zweite Herzton. Daß der zweite Herzton, welcher nach den Beobachtungen von Thayer und Mac CalliuTf am bloßgelegten Hundeherzen über der Aortamündung viel stärker und klangreicher ist als über der Lungenarterie, in irgendeiner Weise mit der Schließung der Semilunarklappen zusammenhängt, machten Carswell und Rouanet 1832^" dadurch wahrscheinlich, daß bei einer ausgeschnittenen Aorta eine plötzliche Spannung dieser Klappen einen Ton erzeugte, der seinem Charakter nach mit dem ^ Vg!. auch die Einwendungen Ludwigs gegen die Klappentheorie (Ludwig, Über den Stoß und den ersten Ton des Herzens. Programm, Leipzig). 2 Haycraft, Journal of physiology, 11, S. 486; 1800; — Zentralbl. f. Physiol., 14. Febr. 1891. ^ Cruveilhier, Gazette medicale de Paris, 1841, S. 499. « Ceradini, a. a. O., S. 60. 5 Sandborg, a. a. O., S. 6—8. « Geigel, Arch. f. path. Anat., 141, S. 25; 1895. 7 R. Quain, a. a. O., 61, S. 338. » Talma, Arch. f. d. ges. Physiol., 23, S. 275—278; 1880. " Thayer und Mac Callum, Amer. journ. of medic, sciences, N. S., 133, S. 250; 1907. 1« Mdne-Edwards, a. a. O., 4, S. 43. Die Herztöne. 59 zweiten Herzton eine vollständige Übereinstimmung darbot. Einige Jahre später fand Williams, daß der zweite Herzton i:iber dem Ursprung der großen Arterien deutlicher als über der Kammer gehört wurde, während das Gegenteil mit dem ersten Herzton stattfand; ferner, daß ein Zusammendrücken der Aorta und der Lungen- arterie den zweiten Herzton aufhebt und endlich, daß er auch verschwindet und von einem Blasegeräusch ersetzt wird, wenn man das Zusammenschlagen der Semi- lunarklappen verhindert, ^ Als einen weiteren Beweis für die Bedeutung der Semi- lunarklappen in dieser Hinsicht führt das Londoner Komitee der British Asso- ciation noch an, daß der zweite Herzton nicht mehr hervortrat, wenn die großen Arterien ganz nahe den Semilunarklappen abgeschnitten wurden.- Das Dubliner Komitee derselben Gesellschaft fand dasselbe, wenn die Herzspitze an einem Kalbs- herzen abgeschnitten wurde und also das Blut direkt aus den Kammern hervor- strömte, ohne in die großen Arterien zu fließen.^ Wie eben erwähnt, trat Talma aus physikalischen Gründen gegen die Annahme auf, daß die Schließung der Klappen an und für sich einen Ton erzeugen könnte. Der zweite Herzton tönt freilich gleichzeitig mit der Schließung der Semilunarklappen, die Ursache davon liegt aber in den Schwingungen im Blute, nicht in denen der Klappen. Er nimmt zwei lange Glasröhren von gleicher Weite und z. B. von 2 und 4 m Länge. An dem einen Ende werden sie geschlossen mit einer Lungenarterie und ihren Klappen. Darauf werden sie mit einer Flüssigkeit ganz oder zum Teil gefüllt und vertikal gestellt. Werden die gespannten Klappen mit der Hand nach oben gedrückt und also abgespannt, und nimmt man nun die Hand fort, so werden sie infolge der'Schwere der Flüssigkeitssäulen plötzlich gespannt. Hierbei hört man nun wirklich einen Ton. Wenn man aber die Höhe des Schalles in den beiden Röhren vergleicht, so findet man, daß der Ton ceteris paribus um so niedriger ist, je höher die Flüssigkeitssäule. Der bei der Spannung der Klappen er- zeugte Ton ist also nicht von ihren Schwingungen, sondern von denen der Flüssigkeitssäule bedingt.* Talma übersah aber einen Umstand, nämlich den, daß bei derartigen Versuchen nicht ein, sondern zwei Töne gehört werden. Dies wurde von Webster nachgewiesen.^ Er stellte seine Versuche in derselben Weise wie Talma an, benutzte aber statt der Pulmonalisklappen ein Stückchen frischer Harnblase. Er füllte das Rohr allmählich mit Wasser und aus- kultierte den Ton, welcher bei der Spannung der Haut bei verschiedener Höhe der Wasser- säule entstand. Er fand dabei, daß bei einer und derselben Haut zwei Töne gehört wurden; der eine von diesen war bei dem ganzen Versuch konstant, der zweite variierte aber mit der Höhe der Wassersäule. Bei verschieden dicken Häuten fand er, daß der konstante Ton mit der benutzten Haut variierte. Infolgedessen faßt Webster den zweiten Herzton als von verschiedenen Tönen zu- sammengesetzt auf, welche teils von den Schwingungen der Semilunarklappen, teils von denjenigen der Blutmasse herrühren. Dazu kommt nach Webster noch, daß die Arterien mit ihren zahlreichen Verästelungen nicht, wie die Wassersäule in der Glasröhre, einen einzigen, sondern mehrere Töne geben, daß jede der Semilunarklappen ihren eigenen Ton hat, sowie daß auch die Schwingungen der Arterienwände in einem untergeordneten Grade mitwirken, können. Wenn also nachgewiesen ist, daß der zweite Herzton mit der Spannung der Semilunarklappen und anderen gleichzeitig erfolgenden Schwingungen im Blute usw. zusammenhängt, so ist damit nicht entschieden, daß er gerade beim Schluß der genannten Klappen tönt. Im Gegenteil scheint aus allem, was wir über den Schluß 1 Bericht der Dubliner Kommission der British Association, fifth report, 1835, S. 246 f.; — Londoner Kommission der British Association, sixth report, 1836, S. 264. Vgl. auch Reid, a. a. O., S. 618. - Sixth report of the British Association, 1836, S. 267, 273. ^ Ebenda, S.281. Die Mitglieder des Dubliner Komitees waren Macartney, Adams, Kennedy, Greene, Hart, Joy, Nolan, Law und Carlik. * Talma, a. a. O., 23, S. 277—278. 5 Webster, Journal of physiology, 3, S. 294; 1882. gQ Die mechanischen Leistungen des Herzens. der Semilunarklappen wissen, hervorzugehen, daß dieser tonlos stattfindet; erst einen AugenbHck später werden die Klappen gespannt und der zweite Herzton erzeugt.^ Aus dem, was ich über die Natur der Herztöne hier bemerkt habe, geht hervor, daß wir eigentlich nicht zwei, sondern vier Herztöne haben, unter welchen jedoch je zwei gleichzeitig oder fast gleichzeitig tönen. Die linke Herzkammer hat ihren Muskelton, die rechte den ihrigen. Die linke Atrioventrikularklappe macht ihre Schwingungen für sich, ebenso die rechte. Und dasselbe gilt von den Semilunar- klappen der beiden Herzhälften, sowie von den Schwingungen der Blutmasse. Die Momente, welche den ersten Herzton bedingen, machen sich also in den beiden Herzhälften geltend, ebenso die, welche den zweiten Ton herverrufen. Wir haben daher zwei erste und zwei zweite Herztöne. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß die beiden ersten und die beiden zweiten Herztöne in der Regel gleichzeitig tönen. Daraus folgt, daß in der Regel die beiden Kammern gleichzeitig ihre Kontraktion anfangen, und daß in der Regel die Semi- lunarklappen an beiden Seiten gleichzeitig gespannt werden. Oder genauer aus- gedrückt, daß die zeitliche Differenz, die sich zwischen dem Auftreten der ent- sprechenden Prozesse in den beiden Herzhälften möglicherweise vorfindet, so klein ist, daß sie unter normalen Verhältnissen durch das Ohr nicht aufgefaßt werden kann. Zufolge des Lageverhältnisses des Herzens zu den Lungen werden die ein- zelnen Herztöne am lautesten an folgenden Stellen gehört: der erste Herzton des rechten Herzens nahe dem rechten Sternalrand, wo die Grenze zwischen dem vierten Interkostalraum und der fünften Rippe auf jenen trifft; der erste Ton des linken Herzens im fünften linken Interkostalraum, wo die Herzspitze an die Brustwand anliegt oder in gerader Richtung nach aufwärts im vierten Interkostalraum; der zweite Ton des rechten Herzens neben dem Sternalrand im zweiten linken Inter- kostalraum; der zweite Ton des linken Herzens am rechten Sternalrande an der Grenze von der ersten Rippe und dem zweiten Interkostalraum.^ Derjenige arterielle Druck, bei welchem der Aorta- und der Pulmonaliston die gleiche Tonhöhe, Stärke und Klangfarbe darbieten, ist, wegen der verschie- denen Beschaffenheit der betreffenden Gefäße, für diesen niedriger als für jenen, und beim Pulmonaliston erscheint eine Verstärkung schon bei einem Druck- zuwachs von 6 bis 8 cm Wasser, bei dem Aortaton erst bei einem von 20 bis 25 cm Wasser (Wieset). Mehrere Forscher, vor allem H. Vierordt, haben die gegenseitige Stärke der Herztöne zu bestimmen gesucht. Vieroräf^ stellt zwischen dem Ohr und der Brustwand eine Säule von Kautschuk- pfropfen, welche den Schall nur schlecht leiten, und nimmt dieser Pfropfen so viele, bis der zu untersuchende Herzton auf den Punkt der Ebenmerklichkeit abgeschwächt wird. Je länger die Säule gemacht werden muß, bevor dies erreicht wird, um so lauter ist natürlich der^Ton. Durch besondere Versuche, welche ich hier nicht anfi^ihren kann, wurde die schall- schwächende Wirkung der einzelnen zur Verwendung kommenden Pfropfen festgestellt und so die Vorrichtung kalibriert. Die Mittelwerte der Messungen Vierordts, insofern sie sich auf Gesunde beziehen, sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt.^ 1 Vgl. Rosenbach, Berl. klin. Wochenschr., 1889, S. 26; — Collier, On the physiology of the vascular System. London 1889, S. 35. 2 VgL RoUeü, a. a. O., S. 198. 3 Wiesel, Deutsches Arch. f. klin. Med., 102, S. 552; 1911. * H. Vierordt, Die Messung der Intensität der Herztöne. Tübingen 1885. 5 H. Vierordt, a. a. 0., S. 88. Die Herztöne. 51 Die relative Stärke der Herztöne 4—10 Jahre 11—20 Jahre 21—39 Jahre 40 -50 Jahre Der erste Herzten: ^ Die linke Kammer 751 758 768 637 'Die rechte Kammer 491 577 602 516 Der zweite Herzton: Aorta 626 492 481 546 Luneenarterie 778 660 568 539 Unter Anwendung eines von Bock konstruierten Instrumentes, bei welchem die Luft- leitung im Stethoskop allmählich verringert werden kann, untersuchte Goldschmidt^ die Intensität der Herztöne unter verschiedenen Umständen und fand dabei unter anderem, daß beide Herztöne beim Liegen an Stärke abnahmen; daß durch Körperbewegung der erste Ton über der linken Kammer ein wenig, über der rechten gar nicht zunahm; daß dagegen der zweite Herzton dabei eine erhebliche Intensitätssteigerung zeigte, was wohl mit dem höheren Blutdruck zusammenhing. Ein näherer Aufschluß in bezug auf die Mechanik des Herzens dürfte indessen aus Intensitätsmessungen der Herztöne kaum erhalten werden können. c) Der dritte Herzton. Bei zwei herzgesunden Individuen beobachtete Gibson- an der Herzspitze während der Pause einen tiefen Ton, den er als einen nachkommenden diastolischen Ton bezeichnete. Der Schall dieses Tones war hell, schwächer und viel tiefer als der des gewöhnlichen zweiten Tones, wechselte aber in seiner Stärke. Denselben dritten Herzton konnte Einthoven bei einigen Versuchen, wo er die Herztöne graphisch registriert hatte, nachweisen. Nach seinen Ermittelungen^ fängt der dritte Ton durchschnittlich 0,13 Sekunde nach dem Beginne des zweiten Tones und 0,32 Sekunde vor dem Anfang des folgenden ersten Tones an und dauert nur etwa 0,02—0,03 Sekunde. Er ist sehr schwach, indem seine Stärke höch- stens etwa 200 mal kleiner ist als die des ersten Herztones. Demgegenüber ver- sucht Bridgman^ nachzuweisen, daß der dritte Herzton vielmehr etwa derselben Stärke ist wie die zwei anderen Herztöne. Bei jüngeren Individuen kommt der dritte Herzton fast konstant vor und nimmt nach mäßigen Körperbewegungen an Intensität zu {Tliayer, Bridgman). Als Ursache dieses Tones faßt Gibson, dem sich Thayer'" und Benjamins'^' anschließen, eine Schwingung der Valvula tricuspidalis bei der Füllung des rechten Herzens auf, indem das Blut bei stärkerer Füllung oder höherem Druck im venösen System sehr rasch in die Kammer hineinfließt und dabei Wirbel erzeugt, die einen vorzeitigen und nur kurzdauernden Verschluß der Atrioventrikularklappen ver- anlassen. V. Wyss stellt sich vor, daß der dritte Herzton mit der Öffnung der Atrioventrikularklappen zusammenfällt.^ Dagegen sucht Einthoven die Er- klärung desselben in einer Schwingung der Aortaklappen. Während der Diastole tragen diese den in der Aorta herrschenden Blutdruck, der in jeder Herzperiode einer Anzahl von Schwankungen unterliegt. Es braucht dann nicht wunderzu- 1 Goldschmidt, Zeitschr. f. klin. Med. 75. S. 387; 1912; daselbst auch eine Übersicht der älteren hierhergehörigen Literatur. 2 Gibson, Lancet, 1907 (2), S. 1380. 3 Einthoven, Arch. f. d. ges. Physiol., 120, S. 31 ; 1907. * Bridgman, Heart, 6, S. 41; 1915. 5 Thayer, Arch. of int. med., 4, S.297; 1909. « Benjamins, Arch. f. d. ges. Physiol., 158, S. 150; 1914; auch in Onderzoek. van het phy- siol. Laborat. in Utrecht (5) 16, S. 26; 1915. — Vgl. ferner Bridgman, a. a. O. ' V. Wvss. Deutsch. Arch. f. klin. Med., 101, S. 14; 1910. 62 Die mechanischen Leistungen des Herzens. nehmen, daß die Aortaklappe, wenn diese Druckschwankungen in einigen Fällen eine große Amplitude erreichen, nach der Erzeugung des diastolischen Tones zum zweitenmal eine beträchtliche Spannungsvermehrung erfährt, wodurch sie aufs neue zu einer kurzen Schwingung genötigt wird.^ § 9. Die graphische Registrierung der Herztöne. Um die Herztöne eingehender analysieren zu können, hat man versucht, dieselben graphisch zu registrieren. Die ersten Untersuchungen in dieser Richtung, welche wir Hürthle^ verdanken, wurden speziell darum angestellt, um die Einzelheiten am gleichzeitig registrierten Kardiogramm zu deuten, und beabsichtigten gar nicht, die Eigenschaften der Herz- töne an und für sich zu erforschen. Auf Grund dessen werde ich diese im Zusammen- hange mit dem Kardiogramm besprechen. Dann wurde aber die Aufgabe erfaßt, auch die Form der Herztöne graphisch zu registrieren, und es wurden nun in schneller Folge nacheinander hierher ge- hörige Methoden von Einthoven^, Holowinski^, Frank^, Hürthle^, Weiß'^, Marbe^, Gerhartz^, Roos^'^, Kahn^^, Ohm^'^ und Lilienstein'^^ beschrieben. Da es außerhalb der Aufgabe dieses Buches liegt, die in der Hämodynamik benutzten Methoden eingehend zu erörtern, werde ich nur das Prinzip der betreffenden Versuchs- weisen kurz erwähnen.!* Einthoven und Geluk benutzten zur Aufnahme der Herztöne ein Mikrophon, welches in der primären Leitung eines Induktoriums eingeschaltet war; die Schraubklemmen der ^ Näheres bei Einthoven, a. a. O., 120, S. 4L — VgL auch 0. Hess, Ergebn. d. inn. Med., 14, S. 370; 1915. Bei dem einzigen Falle, wo Hess den dritten Herzton nachweisen konnte, erschien er 0,26 Sekunde nach dem zweiten Ton. ^ Hürtfjle, Deutsche med. Wochenschr., 1892, Nr. 4; — Jahresber. d. schles. Ges. f. vaterl. Kultur, 1895, S. 81 ; — Arch. f. d. ges.. Physiol., 60, S.263; 1895. 3 Eintlioven und Gelul<, Arch. f. d. ges. Physiol., 57, S. 617; 1894; — Eintlioven, ebenda, 117, S. 461; 1907; — vgl. auch Wertfieim-Salomonsen, ebenda, 172, S. 422; 1918. * Holowinski, Zeitschr. f. kiin. Med., 23, S.362; 1893; — 31, S. 201; 1897; — 37, S. 199; 1899; — Arch. d. physiol., 1896, S. 893; — Holowinski und Pawinski, Arch. des sciences biol.. 1, S. 786; 1892. ^ Frank, Mlinchener med. Wochenschr., 1904, Nr. 22, 42; — vgl. auch Wiggers und Dean jr., Amer. journ. of physiol., 42, S. 478, 1917. « Hürthte, Zentralbl. f. Physiol., 18, S. 617; 1904. ^ Weiß, Schriften d. physik.-ök. Geseüsch. zu Königsberg, 48, S. 246; 1907; — 49, S. 112, 115; 1908; — Zeitschr. f. biol. Technik. 1, S. 49, 121; 1908; — Comptes rend. de la Societe de biol., 65, S. 1 18; 1908; — Arch. f. d.ges. Physiol., 123, S.341 ; 1908; — 127, S.74; 1909; — Phonokardiogramme. Jena 1909; — Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 25, S. 653; 1909; — Deutsch. Arch. f. klin. Med., 98, S. 513; 1910; — Arch.f. d.ges. Physiol., 132, S.539; 1910; — 141, S.423; 1911 ; — Trav. de 1' Institut Marey, 2, S. 271; 1910. 8 Marbe, Arch. f. d. ges. Physiol., 120, S. 205; 1907. " Gerhartz, Zeitschr. f. exp. Pathol., 5, S. 105; 1908; — Arch. f. d. ges. Physiol., 124, S. 526; 1908; — 128, S. 600; 1909; — 131, S. 509; 1910; — 147, S. 437; 1912; — Die Registrierung des Herzschalles. Graphische Studien. Berlin 1911. '° Roos, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 25, S. 643; 1908; — 26, S. 682; 1909; — Deutsch. Arch.f. klin. Med., 92, S. 314. " Ko/zn, Arch. f. d.ges. Physiol., 129, S. 291; — 133, S. 597, 604; 1910; — 140, S. 471; 1911. 12 0/zm, Zeitschr. f. exp. Path., 11, S. 138; 1911 ; — Deutsche med.Wochenschr., 1911, S. 1432; — 1913, S. 1493. 13 Lilienstein, Münchener med. Wochenschr., 1911, S. 1561; — Verh. d. Kongresses f. inn. Med., 29, S. 290; 1912. 1* Eine Zusammenstellung der hierhergehörigen Methoden findet sich bei Seddig, Münchener med. Wochenschr., 1909, S. 2161. sowie bei Frank, Handb. d. physiol. Methodik, 2 (4), S. 195; 1911 unöi Gerhartz, Die Registrierung des Herzschalles. Berlin 1911, S. 1 — 58. Die Herztöne ß3 sekundären Rolle waren mit einem Kapillarelektrometer verbunden, dessen Ausschläge photographiert wurden. Um der Gefahr zu entgehen, daß das Mikrophon von gröberen Herzbewegungen (dem Herzstoß) beeinflußt werden sollte-, verbanden die Autoren bei ihren Versuchen an Hunden und Kaninchen einen Stethoskoptrichter, welcher mit der Hand gegen die Brust- wand des Tieres gehalten Wurde, mittels eines Schlauches mit einem kupfernen Rohr. Dieses endigte in der Nähe des Mikrophons, jedoch ohne dieses zu berühren.^ Die menschlichen Herztöne wurden in derselben Weise auigenommcn, nur stand der Stethoskoptrichter durch den Schlauch mit der Röhre des Mikrophons in direkter Verbin- dung. Um die durch den Herzstoß hervorgerufenen Erschütterungen auszuschließen, trägt die Leitung nach dem Mikrophon einen Seitenzweig, welcher mittels eines Hahnes so weit geöffnet wird, daß der Luftdruck im Röhrensystem dem atmosphärischen Luftdruck gleich bleibt; dann sind die Wirkungen des Herzstoßes verschwunden.^ Bei seinen unter Mitwirkung von Flohil und Battaerd ausgeführten späteren Ver- suchen benuzte Einthoven zur Registrierung der Herztöne statt des Kapillarelektrometers das Saitengalvanometer; außerdem wurde das Induktorium gelegentlich durch einen zweck- entsprechenden Transformator ersetzt.* Derselben Art der Registrierung hat sich auch A. Hofjmann^ bedient. Nur wurde hier der Aufnahmetrichter in 1 — 2 cm Abstand von der Brustwand gehalten. Da wir keine Veranlassung zu der Annahme haben, daß das von Einthoven benutzte Mikrophon die Schallschwingungen in einem wesentlicheren Grade gefälscht haben, können wir wohl seine Kurven als ziemlich getreue Wiedergaben der Herztöne bezeichnen, mit dem alleinigen Vorbehalt, daß die Übertragung durch Induktion, wie Frank^ bemerkt, eine Veränderung der ursprünglichen Schwingungen in dem Sinne bedingt, daß mehr die Geschwindigkeit eine Rolle spielt. Auch Lilienstein'' benutzt zur Aufnahme des Herzschalles ein Mikrophon. Vor der Telephonmembran bringt er aber in gewisser Entfernung eine zweite Membran aus Hart- gummi, Zelluloid oder Glimmer. Holowinski^ benutzte zur Aufnahme der Herztöne ein optisches Telefon, d.h. die Membran eines gewöhnlichen Telefons trägt in ihrem Zentrum ein planes Glasplättchen, das seinerseits den Scheitel einer sehr schwach gewölbten plankonvexen Linse berührt. Wenn diese Vorrichtung von der planen Seite der Linse her beleuchtet wird, so nimmt man im reflektierten Lichte die Newtonschen Interferenzringe wahr. Wird die Membran des Tele- fons und damit das plane Glasplättchen in Schwingungen versetzt, so ändert sich der Ab- stand der Newtonschen Ringe. Diese Änderungen werden photographisch registriert. Alle folgenden Apparate für die Registrierung der Herztöne bezwecken dagegen die unmittelbare Registrierung derselben. O.Frank^, der hier die ersten Versuche machte, erzielte dies in der Weise, daß er ein gewöhnliches Stethoskop oder einen kleinen Trichter auf die Brustwand stellte und diesen durch einen Schlauch mit einer kleinen, mit sehr dünnem Gummi- membran überzogenen metallenen Kapsel, deren Peripherie an einer Stelle durch eine Sehne geschlossen war, verband (Herztonkapsel, Segmentkapsel). Die Membran trägt ein kleines, von einer Nernstschen Lampe beleuchtetes Spiegelchen, dessen Ausschläge photo- graphisch registriert werden. Um die Wirkung der Erschütterung der Brustwand auszu- schließen, ist der Aufnahmetrichter mit einem nach außen mündenden Loch versehen. Gegen diese Methode hat Gerhartz^'* bemerkt, daß die Aufnahmen im Grunde nur stark gedämpfte Herzstoßkurven darstellen können. 1 Die eventuellen Störungen der Herztonaufnahme durch Erschütterung der Herzwand wurden anläßlich eines Referates von Hürthles erster Arbeit über die Registrierung der Herztöne von J. R. Ewald hervorgehoben; Zentralbl. f. Physiol., 7, S. 52; 1893. ■2 Einthoven und Geluk, Arch. f. d. ges. Physiol., 57, S. 618, 622; 1894. 3 Einthoven und Geluk, ebenda, 57, S. 626. * Einthoven, ebenda, 117, S.462; 1907; — vgl. auch ßa/fafrd.Inaug.-Diss. Leiden 1913, S.S. 5 A. Hoffmann, Arch. f. d. ges. Physiol., 146, S. 305; 1912; — Die Elektrographie als Unter- suchungsmethode des Herzens. Wiesbaden 1914, S. 13. « Frank, Handb. d. physiol. Methodik, 2 (4), S. 198. ^ Lilienstein, Münchener med. Wochenschr., 1911, S. 1561. » Holowinski, Archives de physiol., 1896, S.893 ; einen ähnlichen Apparat hat auch Crehore gebaut und mit ihm unter anderem Untersuchungen über die Einzelheiten des Herzstoßes ausgeführt (Journ. of exp. med. 13, S. 616; 1911). 9 Frank, Münchener med. Wochenschr., 1904, Nr. 22; — Zeitschr. f. Biol., 59, S. 526; 1912. ^0 Gerhartz, Arch. f. d. ges. Physiol., 131, S. 537. 54 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Demgegenijber läßt sich indessen geltend machen, daß, wie Frank^ selber hervor- gehoben hat, die Schwingungen der Herztöne nichts weiter sind, als ein Teil der gesamten Erschütterungen. Wenn man die Herztöne registriert, versucht man diese raschen Schwin- gungen allein auf den Registrierapparat wirken zu lassen, indem man eine mehr oder weniger große Öffnung in dem System anbringt. Für eine Analyse der ganzen Erschei- nung wäre es indessen viel besser, möglichst die Herztöne innerhalb des Kardiogrammes zur Darstellung zu bringen, als das gewöhnliche Kardiogramm durch die Seitenöffnung auszulöschen. Hürtiüe'^ hat eine Methode beschrieben, wo ein auf die Brustwand gesetztes Ste- thoskop mittels eines Schlauches mit einem künstlichen Trommelfell verbunden war. Statt der Gummimembran benutzt Weiß^ zur Registrierung der Herztöne eine Seifen- lamelle*, in deren Zentrum das eine Ende eines winklig gebogenen, versilberten Glasfadens eingesetzt ist, während das zweite Ende des Fadens von einem besonderen Träger getragen wird. Die Bewegungen des Fadens werden photographisch registriert. Damit die Aufnahme nicht durch den Herzstoß usw. entstellt werden soll, wird die Stethoskopröhre mit dem Tubus des Phonoskopes so verbunden, daß zwischen beiden ein Spielraum von 4 mm vor- handen ist. Marbe^ hat die von ihm erfundene Methode, die Schwingungszahl rußender Königscher Flammen dadurch aufzuzeichnen, daß man durch ihren oberen Teil einen Papierstreifen hindurchzieht, auch zur Registrierung der Herztöne benutzt. Zu diesem Zwecke läßt er mittels einer besonderen Vorrichtung die Herztöne auf eine Flamme einwirken, so daß sie von ihr ganz Wie von einer Königschen Flamme Wiedergegeben werden. Auf den durch die Flamme gezogenen Papierstreifen drückt sich dann jede Schwingung der Flamme als ein schwarzer Ring aus. Gerhartz^ benutzt zur Aufnahme "der Herztöne die photographische Registrierung der Ausschläge einer Membran, die in geeigneter Weise mit einem Spiegel verbunden ist. Die Zuleitung des Schalles findet mittels eines an der Brustwand angelegten Stetho- skoptrichters statt; der Druck in der Leitung wird auf den atmosphärischen Druck ausgeglichen. Zur Vermeidung der Einwirkung des Herzstoßes auf die Kurve stellt Gerhartz in den Stethoskoptrichter eine Zwischenmembran aus Tannenholz, welche indessen den Schall erheblich schwächt. Durch einen mit einer durchlöcherten Ansatzfläche abgeschlossenen Aufnahmetrichter kann indessen dieser Übelstand vermieden werden, ohne daß irgend- welche Elemente des Herzstoßes die Kurve beeinflussen.' O/zm** registriert die Herztöne mittels eines Gelatinehäutchens, an welchem ein kleiner Planspiegel angeklebt ist. Die Aufnahme der Töne geschieht unter Vermittlung einer an der Brustwand aufgeschnallten 0,5 cm dicken Holzplatte; auf diese ist ein Schallempfänger in der Weise befestigt, daß ein dem Zentrum der Schallmembran aufgeleimtes Korkstückchen der Platte aufliegt, oder daß ohne direkte Verbindung zwischen Schallmembran und Holz- platte der Schallempfänger auf einem dem Rande der Holzplatte aufliegenden Gummiringe ruht. Ersteres Verfahren ist vorzuziehen, weil hier mehr Schallenergie erspart wird. Dieser Schallempfänger wird mit dem Registrierapparat durch einen Gummi- schlauch verbunden. Unter den Autoren, die sich mit der graphischen Registrierung der Herztöne beschäf- tigt haben, haben mehrere danach gestrebt, den Herzschall ganz unabhängig von der bei der Kontraktion des Herzens auftretenden Erschütterung der Brustwand aufzunehmen. 1 Frank, Handb. d. physiol. Methodik, 2 (4), S. 199. — Frank und Hes-„ Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 25, S. 290; 1908: Die Schwingungen des ersten Herztones ,,sind nichts anderes als die ersten drei Oszillationen des Kardiogrammes". 2 Hürthle, Zentralbl. f. Physiol., 18, S. 616; 1904. 3 O. Weiß, Zeitschr. f. biol. Technik, 1, S.49; 1908; — vgl. auch die Polemik zwischen Weiß, Arch. f- d. ges. Physiol., 132,8.539; 1910; — 141,8.423; 1911 und O.Frank, Zeitschr. f. Biol., 55, S. 530; 1911; —58, 8.31; 1913. * Eine Seifenlamelle war früher von Garten, Arch. f. d. ges. Physiol., 104, 8. 357; 1904, zum Zwecke der Registrierung benutzt worden. ß Marbe, Arch. f. d. ges. Physiol., 120. 8. 205; 1907. « Gerhartz, Zeitschr. f. exp. Pathol., 5, 8. 105; 1908; — Die Registrierung des Herz- schalles. S. 19. ' Gerlmriz, ebenda, 8. 45, 46. « Ohm, Zeitsch.. f. e.xp. Pathol., 11, 8. 138; 1912; über einen früheren Aufnahmeapparat desselben Autors vgl. Deutsche med. Wochenschr., 1911, 8. 1432. Die Herztöne. 65 um solcherart die vom Herzen allein herrührenden rein akustischen Erscheinungen für sich zu registrieren. / Vollständig ist dieses Ziel von A.Hofjmanii erreicht worden, indem bei seinem \tr- /' fahren der aufnehmende Apparat mit der Brustwand gar nicht in Berührung kommt. Ol^v'.. dies bei den übrigen Versuchsweisen möglich gewesen ist, dürfte wenigstens fraglich seiit,-^» - denn selbst bei der Methode von Gerhartz kann die Einwirkung derErschütterung doch nicHt .1 • als vollständig einwandfrei ausgeschlossen angesehen werden. \ Andererseits ist ja bei der Art und Weise, wie die Herztöne beim Auskultieren wahi- genommen werden, die Erschütterung der Brustwand keineswegs ausgeschlossen, wie auch die englische Kommission vom Jahre 1836 gezeigt hat, daß der Charakter des ersten Herztones durch die betreffende Erschütte- rung entschieden beeinflußt wird (vgl. oben, S. 55). Was aber hier ganz besonders in Be- tracht gezogen werden muß, ist, daß die auf- nehmenden Apparate nicht durch die Er- schütterung in Eigenschwingungen geraten, welche die zu registrierende Erscheinung voll- ständig verkehrt darstellen können. In dieser Hinsicht verweise ich auf Fig. 26, in welcher die „Herztöne"mit der Herztonkapsel frön/cs aufgenommen wurden; der Registrierspiegel war aber nicht genügend fest mit der Kapselmembran verbunden und machte daher bei jedem Anstoß eine Reihe Eigenschwingungen im Rhythmus von etwa 37 pro Sekunde.^ Angesichts der verschiedenen Methoden, welche zur Registrierung der Herz- töne benutzt worden sind, ist es fast selbstverständlich, daß die von den verschie- denen Autoren mitgeteilten Kurven sehr verschieden aussehen. In einer Beziehung stimmen indessen alle untereinander überein, nämlich darin, daß der erste Herzton nur während eines Teils der Kammer- systole tönt und daß also zwischen ihm und dem zweiten Herzton ein stummes Intervall vorliegt. Die Angaben der einzelnen Autoren über die Dau^r der Herztöne weichen indessen untereinander ziemlich stark ab. Ich habe in der folgenden Tabelle die hierher gehörigen Angaben zusammengestellt. Fig. 26. Eigenschwingungen des aufnehmen- den Apparates, ,,Herztöne" simulierend, a, Herztöne. Die Stimmgabelkurve gibt \,oo Sek. an. Von rechts nach links zu lesen. Dauer in Sekunden J_- Tierart Autor ^ I. Herzton II. Herzton Systole Herzschlag 1 Kaninchen 0.050 0.055 0.11 0.23 Einthoven und Geluk- 2 0.063 0.055 0.13 — „ 3 0.022 0.018 0.12 0.22 ,, 4 0.015 0.015 0.10 — „ 5 Hund 0.072 0.044 — 0.410 Frunli ■' 6 0.076 0.045 0.116 0.328 Gerfmrtz ' 7 >> 0.07—0.08 0.04 0.200 0.967 Eintlwvcn und Geliik ■• 1 Vgl. Frfl/7/t, Handb. d. physioi. Methodik, 2 (4), S. 196. - Eintlioven u. Gelii1<, Arch. f. d. ges. Phvsiol., 57, S. 623, 625; 1894. 3 Frank, Zeitschr. f. Bio!., 46, S. 524; 1905; ber. von Gcriiartz, Arch. f. d. ges. Physioi., 131, S. 536. 4 Gerhartz, Arch. f. d. ges. Physioi., 13!, S. 557, 566. 5 Einthoven und Geluk, a. a. O., 57, S. 633; ber. von Gerhartz, Die Registrierung des Herz- sclialles, S. 64. Tigerstedt, Kreislauf. I. 2. Aufl. ^ 66 Die mechanischen Leistungen des Herzens. (Fortsetzung.) Dauer in Sekunden u.' Tjerart Autor z I, Herzton II. Herzton Systole Herzschlag 8 Hund 0.096 0.052 0.192 0.500 Kahn ^ 9 0.078 0.032 0.149 0.353 yy 10 0.088 0.025 0.130 0.286 fy 11 0.068 0.025 0.125 0.273 M 12 0.072 0.015 0.140 0.260 J7 13 Mensch 0.130 0.065 0.40 0.99 Einthoven- 14 0.176 0.104 0.39 0.91 15 0.110 0.068 0.38 0.80 yy 16 0.141 0.078 0.32 0.70 yj 17 0.07 0.044 0.33 0.74 Einthoven ^ 18 0.058 0.041 0.33 0.82 yy 19 0.131 0.042 — 1.034 Gerhartz*' 20 0.105 0.053 — 0.857 yy 21 0.108 0.062 — 0.857 22 0.110 0.072 — 0.835 5 23 0.094 0.075 0.238 0.721 ) j 24 0.115 0.064 — 0.665 „ (Ruhe6) 25 0.132 0.057 — 0.531 „ (Arbeit) 26 0.130 0.045 — . — 7 27 0.129 0.024 — . — 28 0.041 0.045 0.328 0.811 Roos^ 29 0.064 0.048 0.340 0.851 j j 30 0.068 0.071 0.280 — Weiß^ 31 0.109 0,081 0.334 — Kahn^^ 32 0.095 0.068 0.308 — >7 33 0.083 0.052 0.208 0.927 Ohm^^ 34 0.097 0.061 0.265 0.628 yy 35 0.08 0.06 — — Lilienstein^^ 36 0.096 0.062 — — Kapff 13 37 0.128 0.095 0.307 — Eyster " 38 0.145 0.089 0.314 0.731 Bridgman ^^ Die Dauer der Herztöne variiert bei den wenigen am Kaninchen gemachten Beobachtungen trotz nur geringer Variationen in der Dauer des Herzschlags sehr beträchthch, und zwar betragen die Grenzwerte für den ersten Ton 0,063 bis 0,015, sowie für den zweiten Ton 0,055—0,015 Sekunde. 1 Kahn, Arch. f. d. ges. Physiol. 140, S. 473. 2 Einthoven, ebenda, 117, taf. 18; ber. von Gerhartz, ebenda, 131, S. 528. 3 Einthoven, ebenda, 120, S. 33, Taf. I; ber. von Gerhartz, ebenda, 131, S. 530. Einthoven selber hat die Dauer des ersten Herztones zu 0,08 und die des zweiten zu 0,05 Sekunde angegeben. 4 Gerhartz, ebenda, 131, S. 536, mit Franks Herztonkapsel registriert. 5 Gerhartz, ebenda, 131, S. 557; Durchschnitt; nach Gerhartz' eigener Methode registriert. " Gerhartz, Die Registrierung des Herzschalles, S. 66. 7 Gerhartz, ebenda, S. 61. 8 Roos, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 92, S. 327. ä Weiß, Arch. f. d. ges. Physiol., 123, S. 360; ber. von Gerhartz, ebenda, 131, S. 534. 10 Kahn, Arch. f. d. ges. Physiol., 133, S. 602, 604; Nr. 31 bezieht sich auf die Spitzentöne, Nr. 32 auf die Pulmonalistöne. 11 Ohm, Zeitschr. f. exp. Path., 11, S. 148; 1912. 12 Lilienstein, Mimchener med. Wochenschr., 1911, S. 1561. 13 Kapff, Deutsches Arch. f. klin. Med. 113, S. 496; 1914. 11 Eyster, Journ. of exp. med., 14, S. 598; 1912. 15 Bridgman, Heart, 6, S. 49; 1915; Mittel aus Beobachtungen an 16 Knaben. Die Herztöne. 57 Beim Hunde sind die Variationen in der Dauer des ersten Tones nur gering, nämlich zwischen 0,072 und 0,096 Sekunde (Durchschnitt nach Kahn 0,08 Sekunde). Die Variationen in der Dauer des zweiten Tones sind erhebhch größer, Maximum 0,052, Minimum 0,015 Sekunde. Wenn wir aber die verschiedene Dauer des Herz- schlages in Betracht ziehen, sowie die kürzesten Herzschläge (Nr. 10—12) aus- schließen, so schwankt die Dauer des zweiten Tones nur zwischen 0,052 und 0,032 Sekunde. Beim Menschen, an welchem die zahlreichsten Beobachtungen gemacht wor- den sind, ist das Maximum der Dauer des ersten Tones 0,176 und das Minimum 0,041 Sekunde; die entsprechenden Grenzwerte für den zweiten Ton sind 0,104 und 0,024 Sekunde. Diese großen Schwankungen können nicht ausschließlich wenigstens auf die Verschiedenheit der angewendeten Versuchsmethoden bezogen werden, denn wir finden bei Einthoven für den ersten Ton 0,176—0,058, sowie für den zweiten Ton 0,104—^0,041 Sekunde. Für den zweiten Herzton findet Battaerd^ eine Dauer von 0,06 — 0,1 6 Sekunde. Auch unter Berücksichtigung der verschieden langen Dauer der Herzperiode stellt sich in bezug auf die Dauer der Herztöne bei weitem keine Konstanz dar. Bei Nr. 15—18 variiert jene zwischen 0,82 und 0,70, während die Dauer des ersten Tones zwischen 0,141 und 0,058, die des zweiten Tones zwischen 0,078 und 0,041 Se- kunde schwankt. Eine größere Konstanz findet sich bei den Versuchen von Gerhartz, wenn nämlich nur diejenigen Versuche zusammengestellt werden, wo die Periodendauer etwa gleichgroß gewesen ist (Nr. 20—22). Das vorliegende Material scheint indessen noch viel zu wenig umfassend zu sein, um irgendwelche weitergehenden Schlüsse betreffend die Dauer der registrier- ten Töne zu gestatten. Als Beispiele der von den verschiedenen Autoren registrierten Formen der Herztöne teile ich in Fig. 27—36 Aufnahmen von Einthoven und Geluk'^, Eint- hoven^, Frank\ Crehore'', Roos^, Weiß', Gerhartz\ Ohnf, Edens^^ und Battaerd^^ hier mit. Die Schallkurven von Edens sind auf die Herzstoßkurve superponiert (vgl. oben, S. 64). Beim Hunde besteht bei höheren Pulsfrequenzen die Gruppe der Saiten- schwingungen, welche dem ersten Tone entsprechen, nach Kahn aus zwei vonein- ander leicht unterscheidbaren Teilen, von welchen der erste aus höheren, der zweite aus niedrigeren Zacken zusammengesetzt ist.^^ 1 Battaerd, Inaug.-Diss., Leiden 1913, S. 36;— Onderzoek. ged. in het physiol. Laborat. te Leiden (2) 9, S. 150; 1916; — Heart, 6, Nr. 2. 2 Einthoven und Geliik, Arch. f. d. ges. Physiol., 57, S. 628, Fig. 6. 3 Einthoven, ebenda, 117, S. 465; die Kurve Fig. 28 ist nach einer von Herrn Professor Einthoven freundlichst zu meiner Verfügung gestellten Originalkurve reproduziert. 4 0. Frank, Zeitschr. f. Biol., 46, S. 524. ^ Crehore, Journ. of exp. med., 13, S. 616. 8 Roos, Deutsch. Arch. f. kün. Med., 92, Taf.VI, Fig. 4. ' Weiß, Phonokardiogramme, S. 25, Fig. 23. 8 Gerhartz, Die Registrierung des Herzschalles, S. 61, Fig. 56. 9 O/zm, Zeitschr, f. exp. Pathol., 11, S. 149, Fig. 8; 1912. 1« Edens, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 100, Taf. II, S. 244; 1910. " Battaerd, Inaug.-Diss., Leiden 1913, S. 14, 36. 12 Kahn, Arch. f. d. ges. Physiol., 140, S. 474; 1911. 5* 68 Die mechanischen Leistungen des Herzens. okJcc g [' I I I I I I I I '1 [ I I I 1 1 I I I I I I I I I [TTT AI A2 I I I 11 I I I 11 I I I I I I I I MI M I I I I Bl B2 i 1 1 1 M Fig. 27. Menschliche Herztöne, mit dem Kapillarelel*W»l!»^Y^X**'*«^^ Fig. 33. Normaler Herzschall. Nach Gerhartz. ^'i^^i-M-'- I II Jl Fig. 34. Menschliche Herztöne. Nach Ohm. Die obere Kurve stellt den Radialispuls dar. Von links nach rechts zu lesen. Dementsprechend teilt Battaerd die Schwingungen des ersten Herztones in Anfangsschwingungen, Hauptschwingungen und Endschwingungen ein (vgl. Fig. 36); die Dauer der ersten beträgt durchschnittlich etwa 0,06 Sek., die der zweiten 0,12 Sek. Die Dauer der Endschwingungen ist sehr variabel, weil diese sich bis nahe dem Ende der Kammersystole erstrecken können. Da die Dauer der Anfangsschwingungen etwa der Dauer der Anspannungs- zeit des Herzens entspricht (vgl. § 14, c) und diese Schwingungen ganz im Beginn 70 Die mechanischen Leistungen des Herzens, der Kammersystole auftreten, ist es nach Fahr^ wahrscheinlich, daß sie sich auf die Kontraktion der Kammern vor dem Öffnen der Semilunarklappen beziehen. Durch Vergleich der graphischen Aufzeichnung der Herztöne mit der Kurve des intrakardialen Druckes sind Wiggers und Dean jr^ am bloßgelegten Hunde- herzen, wo also die Einwirkung der Erschütterung der Brustwand ganz aus- geschlossen war, zu dem Resultat gelangt, daß die Anfan'gsschwingungen gerade vor und die Hauptschwingungen etwa gleichzeitig mit dem steilen Anstieg des Kammerdruckes beginnen, während die Endschwingungen in der Mitte des Pla- teaus (vgl. § 14, b) endigen. Auch die bei einer und derselben Versuchsperson unmittelbar nacheinander aufgenommenen Schallkurven können gewisse Verschiedenheiten darbieten. Diese sind vor allem durch die verschiedenen Atmungsphasen und die damit zusammen- hängenden Verschiebungen der Lungen verursacht. Fig. 35. Herzstoßkurve vom Menschen mit daran super- ponierten Herztönen, Nach Edens.^ Von links nach rechts zu lesen. Fig. 36. Spitzenstoß und Elektrokardiogramm vom Menschen. Nach Battaerd. a, b, c, Anfangs-, Haupt- und Endschwingungen des ersten Herztones; oberhalb P die Schwingungen des Vorhof- tones; 3, der dritte Herzton. Von links nach rechts zu lesen. Eine nähere akustische Analyse der Herztöne ist von Gerhartz und Roos ver- sucht worden, und zwar haben sie dabei vor allem die Tonhöhe des Grundtons, Weiß außerdem noch die der Teiltöne festzustellen versucht. Es ist selbstver- ständlich, daß sich hier alle Mängel bei der Registrierung der Herztöne in be- sonderem Grade geltend machen müssen. In den Kurven von Weiß wechseln die Schwingungszahlen des ersten Tones zwischen 67 und 167 in der Sekunde; es kommen aber auch Frequenzen bis zu 180 in der Sekunde vor. Außer diesen frequenten Schwingungen zeigen die Kurven gewöhnlich noch Schwingungen von langsamerem Verlauf, deren Frequenzen man indessen nicht ohne weiteres bestimmen kann, weil auf sie die frequenten Schwingungen sich häufig aufsetzten. ^ Auf Grund von Franks Bemerkung, daß die von Weiß beobachteten Schwin- gungen lediglich Eigenschwingungen des Apparates darstellten, hat Weiß nach der Fourierschen Reihe den ersten Herzton in einem Versuch in einfache Sinus- schwingungen zerlegt, und dabei gefunden, daß folgende Schwingungszahlen 1 Fahr, Heart, 4, 8. 156; 1912. 2 Wiggers und Dean jr., Amer. journ. of physiol., 42, S. 489; 1917. 3 Weiß, Arch. f. d. ges. Physiol. 123, S. 362; 1908. Die Herztöne. 71 mit einer größeren Intensität als 20 (auf die Intensität des 20. Obertones als Einheit bezogen) vorkamen: 16.66, 24.99, 33.32, 58.31, 108.29.1 Bei der Untersuchung der vorliegenden Kurven der Herztöne in bezug auf die Schwingungszahl derselben haben Gerhartz (Nr. 1^ — 19) und andere die in der folgenden Tabelle aufgenommenen Zahlen gefunden. ^ Schwingungszahl des Schwingun gszahl des Nr. Autor Nr. Autor I. Tones II. Tones I. Tones II. Tones 1 Einthoven 25—33 25—50 13 Weiß 67 94 2 j j 25—50 30—50 14 jj 84 108 3 ,, 38—55 50—80 Mittel 4 >> 36—48 39—67 7—14 )» 77 86 5 52—97 45—80 15 Gerhartz^ 38 48 6 )» 81—117 50—100 16 3 >> 25 39 Mittel 17 3 54 50 1—4 jj 39 48 18 4 69 89 Mittel 19 4 54 82 5—6 jj 88 72 Mittel >> 55 63 7 Weiß 67 63—72 20 Lilienstein ^ 50 50 8 >> 44—83 73—80 21 Kapif^ 34 39 9 63—88 92—94 22 O.Hess' 40—73 58—125 10 >> 80—95 86—89 23 Bridgman « 40 50 11 >> 89—100 91—100 12 88—100 88—89 Also treten sehr große Variationen sogar bei einem und demselben Autor und bei einem und demselben Apparat auf. Die vorhandenen Variationen können daher nicht allein von den verschiedenen Versuchsweisen bedingt sein. ^diChGerhartz^ ist die Variationsbreite der Schwingungszahl des ersten Tones 34—74, und die des zweiten Tones 35—82. Die in der obigen Tabelle auf- genommenen Mittelzahlen von Gerhartz entsprechen für den ersten Ton etwa dem Kontra-Ais und für den zweiten dem Kontra-His. Auch variiert die Schwingungszahl der registrierten Töne je nach dem Ort, von woher die Töne aufgenommen wurden, und zwar beträgt nach Gerhartz' Be- rechnungi" in den Versuchen von Einthoven die Schwingungszahl des ersten Spitzen- tones durchschnittlich 88, des ersten Aortatones 45, des ersten Pulmonalistones 36; in den Versuchen von Weiß wären die entsprechenden Zahlen bzw. 94, 81 und 65. Die Höhe des zweiten Tones entspricht in Einthovens Versuchen nach Ger- hartz'^^ an der Spitze 72, an der Aorta 47 und an der Pulmonalis 48 Schwingungen, nach Weiß an der Spitze und der Aorta 92—90, an der Pulmonalis 72 Schwingungen. 1 Weiß, ebenda, 132, S. 543; 1910. 2 Gerhartz, ebenda, 131, S. 528. 3 Registrierung nach Frank. * Gerhartz, Die Registrierung des Herzschalles, S. 61 f. ^ Lilienstein, Münchener med. Wochenschr., 1911, S. 1561. « Kapff, Deutsches Arch. f. klin. Med. 113, S. 496; 1914; Mittel. " O. Hess, Ergebn.d.inn.Med., 14, S. 461; 1915; Mittel für den ersten Ton 50, für den zweiten 90 Schwingungen in der Sekunde. >* Bridgman, Heart, 6, S. 47; 1915; Mittel. ^ Gerhartz, Die Registrierung des Herzschalles, S. 63. " Gerhartz, Arch. f. d. ges. Physiol., 131, S. 555. 11 Gerhartz, ebenda, 131, S. 557. 72 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Auch A. Weber und A. Wirth'^ finden, daß die Herztöne, obgleich sie dem auskultierenden Ohr überall vollkommen gleich sind und sich nur durch ihre ver- schiedene Lautheit unterscheiden, dennoch ein ganz verschiedenes Aussehen haben, je nachdem sie von der Herzbasis oder der Herzspitze aufgenommen werden (vgl, Fig. 37). Dagegen gibt Gerhartz an, daß die Höhe des ersten wie des zweiten Herz- tones an den verschiedenen Auskultationsstellen etwa dieselbe ist.^ Die großen Variationen, welche also in bezug auf die Form und Höhe der Herztöne gefunden worden sind, sind wesentlich auf ihre komplizierte Entstehungs- weise zu beziehen, wie am deutlichsten daraus hervorgeht, daß die zeitliche Ent- fernung zwischen zwei nacheinander folgenden Zacken bei einer und derselben Kurve zwischen 0,0005 und 0,0051 Sek. variieren kann (Battaerd).^ Fig. 37. Gleichzeitig registrierte Herztöne am Manubrium sterni und an der Herzspitze. Weber und Wirth. Von links nach rechts zu lesen. Nach Ob überhaupt die nähere Analyse der betreffenden Schwingungen Resultate von größerer Bedeutung ergeben können, kann noch nicht sicher entschieden werden. Im großen und ganzen dürften die bis jetzt gewonnenen Resultate kaum etwas mehr ergeben haben als eine ziemlich exakte Bestimmung der Zeit, wo die Herztöne beginnen, und also eine ziemlich befriedigende Bestimmung der Länge der Herzsystole.* Die Lage der Herztöne im Verhalten zu den anderen äußeren Ausdrücken der Herztätigkeit, der intrakardialen Druckkurve, dem Kardiogramm und dem Elektrokardiogramm, werden in den betreffenden Kapiteln erörtert werden. Fünftes Kapitel. Die Formveränderungen des Herzens. Um die Formveränderungen der einzelnen Abteilungen des Herzens beob- achten zu können, war man bis vor wenigen Jahren gezwungen, am lebenden Tiere das Herz bloßzulegen, wobei man bei den Warmblütern meistens auch die Pleura- 1 Weber und Wirth, Deutsch. Arch. f. kiin.Med., 105, S. 570; 1912; und Dean jr., Amer. journ. of physiol., 42, S. 493; 1917. 2 Gerhartz, Die Registrierung des Herzschalles, S. 64. 3 Baltaerd, Inaug.-Diss., Leiden 1913, S. 22. 4 Vgl. Weber und Wirth, a. a. O., 105, S. 565. vgl. auch Wiggers Die Formveränderungen des Herzens. 73 lichiL-.: eröffnen imd also nach dem Vorgang von Vesalius'^ am Tiere eine künst- liche Atmung unterhalten mußte. Man kann allerdings z. B. am Kaninchen die Perikardialhöhle eröffnen, ohne die Pleurae zu schädigen, und an einem solcherart operierten, natürlich atmenden Tiere sogar ziemlicii eingreifende Operationen machen. Diese Methode genügt aber nicht, wenn man eine möglichst vollständige Übersicht über die Bewegungen des Herzens haben wiH, Durch Röntgens Entdeckung der nach ihm benannten Strahlen ist es möglich geworden, auch beim unversehrten Tiere bzw. beim Menschen die Bewegungen des Herzens am fluoreszierenden Schirm zu beobachten. Dank den großen Fortschritten der photographischen Technik sind wir nicht mehr darauf beschränkt, die Bewegungen des Herzens mit dem unbewaffneten Auge zu verfolgen, sondern wir können nunmehr dieselben durch momentane oder durch serienweise erfolgende Aufnahmen photographisch fixieren, und zwar gilt dies sowohl beim bloßgelegten Herzen, als auch bei dem mit Röntgenstrahlen untersuchten. Unsere Kenntnisse von den Formveränderungen des Herzens sind auf Grund dieser neuen Untersuchungsmethoden in den letzten Jahren nicht unwesentlich erweitert worden. Um die zeitliche Aufeinanderfolge der Kontraktionen der einzelnen Herzabschnitte, bzw. der einzelnen Teile innerhalb eines und desselben Abschnittes zu erforschen, hat man am bloßgelegten oder vom Körper ausgeschnittenen Herzen durch zweckmäßig angelegte Schreibhebel deren Kontraktionen registriert. Auch hat man unter Anwendung von Sonden, die in die einzelnen Räume des Herzens eingeführt wurden, die daselbst stattfindenden Druckvariationen bestimmt. Nach diesen Methoden gewinnt man indessen keine Aufschlüsse über die bei der Systole stattfindenden Veränderungen der Form des Herzens, weshalb die mit den- selben gezeitigten Resultate in den Kapiteln über die Druckschwankungen im Herzen und über die Erregungsfortpflanzung durch das Herz besprochen werden sollen. § 10. Die Formveränderungen des Herzens bei den kaltblütigen Tieren. Bei den kaltblütigen Tieren fängt die Kontraktion bei den in den gemein- samen Venensinus mündenden großen Venen an. Danach kontrahiert sich der Sinus, dann die Vorhöfe und endlich die Kammer; im Verlaufe der Kammer- kontraktion zieht sich auch der Conus arteriosus zusammen. Für die einzelnen Herzabteilungen gilt, daß sie nicht zu gleicher Zeit tätig sind: erst nachdem der Sinus sein Kontraktionsmaximum überschritten hat, fängt die Systole der Vorhöfe an ; erst nachdem diese zum Maximum kontrahiert sind, beginnt die Kammersystole. Während der Diastole ist die Form des Herzens wesentlich von der Art be- dingt, in welcher es auf der Unterlage ruht. Legt man es auf eine Glasscheibe, so liegt es dort platt wie ein Blutkuchen; faßt man es an den Vorhöfen, so hängt es während der Diastole wie ein schlaffer Beutel herunter usw. Ganz anders bei der Systole. Dann spannt das Herz, wie Harvey sagt-, alle seine Fasern, und es erhält nun eine vollkommen bestimmte Form. Legt man das Froschherz mit seiner Basis auf eine Glasplatte, so wird die Basis während der Systole kleiner, und die Spitze steigt aus der Masse des Herzens empor; legt man es mit der hinteren Fläche auf die Platte, so wird die Basis bei der Kontraktion 1 Vesalius, De huniani corporis fabrica, Basel 1543; 2. Aufl. 1555, S. 824; in französischer Übersetzung von v. Rijnberk, Arch. neerland. de physiol., 1, S. 144; 1917. - Harvey, De motu cordis, Kap. 2. 74 Die mechanischen Leistungen des Herzens. rund, und die Spitze hebt sich von der Glasplatte ab. Ist das Herz an den Vorhöfen aufgehängt, so wird die Basis während der Systole rund und die herabhängende Herzspitze nähert sich derselben {Ludwi^.y Wenn sich das bloßgelegte Froschherz bei unversehrtem Kreislauf in seiner normalen Lage befindet, nähert sich die Basis bei der Systole der Spitze. Da die letztere den freiesten Teil des Herzens darstellt, sollte man sich von vornherein vorstellen, daß sie sich der Basis nähern würde. Die betreffende Erscheinung dürfte, wenigstens zum Teil, durch den Rück- stoß des Blutes, wenn es durch das arterielle Ostium herausströmt, erklärt werden können. Näheres darüber unten bei der Besprechung der entsprechenden Erschei- nung am Herzen der Warmblüter. Indessen scheint auch die eigentümliche Anordnung der Muskeln im Herzen hierbei mitbeteiligt zu sein, denn selbst bei einem blutleeren, in normaler Lage be- findlichen Froschherzen wird die Basis gegen die Spitze, obgleich nicht so stark wie bei ungestörter Zirkulation, gezogen. Wenn der bei der Kontraktion zu überwindende Widerstand in den Arterien nicht zu groß ist, entleert sich die Kammer des Froschherzens voll- ständig (O.Fran/c)." Bei höherem Druck bleibt immer etwas Blut nach Ende der Systole in der Kammer zurück (0. Frank). » Die photographische Registrie- rung wurde schon im Jahre 1865 von Onimus'^ zur Untersuchung der Be- wegungen des Frosch- und Schild- krötenherzens wie auch des Kaninchen- herzens benutzt. An derselben still- stehenden photographischen Platte wurden zwei Bilder erhalten, indem die Konturen des Herzens bei der Diastole nicht mit denjenigen des systolisch kontrahierten Herzens zusammenfielen. An solchen Photographien stellte es sich heraus, daß die transversale Verkürzung vor allem an der Herzbasis bedeutend größer war, als die Verkürzung in der Längsrichtung, Diese Untersuchungsmethode wurde dann weiter ausgebildet und von W. H. Thompson^, Marey^, Zotfi" und Mines^ am Froschherzen benutzt. Fig. 38 1 Vgl. Ludwig, Zeitschr. f. rat. Med., 7, S. 207; 1849; — Rolleü, in Hermanns Handbuch der Physiol., 4(1), S. 185. ^ O. Frank, Sitz.-Ber. d. Ges. f. Morph, u. Physiol. in München, 1897, S. 19 des SA. 3 O. Frank, Zeitschr. f. Biol., 32, S. 419; 1895. 4 Onimus, Journal de l'anat. et de la physiol., 2, S.337; 1865; — Comptes rend. de la Societe de biol., 1901, S. 573. 5 W.H. Thompson, Scientific American, 22, Nr. 56; 1886. ß Marey, Comptes rend. de l'Academie des sciences, 115, S. 485; 1892. ' Zoth, Festschrift für Rollett. Jena 1893. 8 Mines, Journ. of physiol., 46, S. 192; 1913. Fig. 38. Kinematographische Aufnahme des Froschherzens, Nach Mines. 15 Aufnahmen in der Sekunde. Die Formveränderungen des Herzens. 75 stellt eine kinematographische Aufnahme des künstlich ernährten Frosch- herzens dar, in welcher die Formveränderungen der Kammer bei der Systole sehr deutlich hervortreten. § 11. Die Formveränderungen des Herzens bei den Säugetieren. a) Die Vorhöfe. Beim Säugetierherzen fängt die Kontraktion etwa bei den Mündungen der großen Venen an (vgl. Kap. XVI) und schreitet von hierim rechten Vorhof zuerst auf den Canalis auricularis — den Rest des ursprünglichen Herzrohres — und dann auf den eigentlichen Vorhof. Die Muskelfasern des Kanals verengen denselben und ziehen die Atrioventrikulargrenze nach innen und hinten, während die Kamm- muskeln des eigentlichen Vorhofes die Basis der rechten Kammer sozusagen über das Blut nach oben ziehen (Keitli^). Wenn sich der linke Vorhof zusammenzieht, wird der hintere Teil der Basis der linken Kammer nach oben und die eigene Wand des Vorhofes nach oben und rechts gezogen (Keith^). In bezug auf die im Innern der Vorhöfe bei der Systole stattfindenden Ver- änderungen siehe oben, S. 33.3 Im Röntgenbilde sieht man, nach Dietlen^, die systolische Verkleinerung am rechten Vorhof in Form einer zuckenden Bewegung von etwa 1—3 mm Umfang nach medianwärts erfolgen. Die diastolische Erweiterung der Vorhöfe erscheint im Röntgenbilde langsamer als die der Kammern.-^ b) Der Bau der Herzkammern. Die von den Kammern zu leistende Arbeit ist viel bedeutender als die der Vorhöfe. Einen Ausdruck dafür finden wir in dem sehr verwickelten Bau der Kammermuskulatur. Um die bei der Kammersystole stattfindenden Erschei- nungen besser verstehen zu können, ist es daher notwendig, die Anatomie der Kammermuskulatur etwas näher ins Auge zu fassen. Jedes Stückchen Kammer, insofern es nur eine ganze Wanddicke darstellt, zeigt beim Zerklüften an der äußeren Fläche eine Faserung, welche mit der der inneren Fläche in kreuzender Richtung geht; zwischen diesen beiden Faserungen liegen in regelmäßiger Reihenfolge alle Übergänge einer Richtung in die andere eingeschlossen. Die einzigen vorkommenden Unterschiede sind: 1. ein Fehlen ein- zelner Übergangsstufen, während die steile Kreuzung der Fasern der Grenzflächen vorhanden ist; 2. die Fasern der einen Grenzfläche bilden mit der horizontalen nicht denselben Winkel wie die Faserzüge der anderen Grenzfläche, oder mit anderen Worten, es ist der Übergang von einer Richtung in die andere vorhanden, die eine Richtung aber ist nicht bis zur Endstufe — zur steilen Kreuzung — ge- langt {Ludwig^). 1 Keith, Lancet, 1904 (1), S. 630. - Keith, ebenda, S. 705. * Vgl. auch Tandler, Anatomie des Herzens, Jena 1913, S. 82. * Dietlen, Ergebn. d. Physioi., 10, S. 634; 1910. — Vgl. auch Goett, Studien über die Piilsation des Herzens mit Hilfe der Röntgenstrahlen. Habilitationsschrift. München 1913, S. 37. 5 Über die Formveränderungen der Vorhöfe beim Pferd und Schaf, vgl. Colin, Bull, de l'Acad. de medecine, 1874, S. 491. 6 Ludwig, Zeitschr. f. rat. Med., 7, S. 191 ; 1848. 76 Die mechanischen Leistungen des Herzens. '^ Unter solchen Umständen wird die genaue Verfolgung der einzelnen Faser- systeme außerordentlich schwierig; wir finden auch, daß verschiedene Beobachter die Faserung derHerzkammern sehr verschieden darstellen, E « ^j^(j ^ir müssen mit Testut^ und Tandler- zugeben, daß jede Darstellung dieses Gegen- standes mehr oder weniger schematisierend ist. Die Auffassung des Faser- verlaufes und des Zusammen- hanges der einzelnen Teile der Herzkammern ist durch die Untersuchungen MacCallums^ am embryonalen Herzen des Schweines im hohen Grade aufgeklärt worden. Ich werde Fig. 39. Die Basis des mazerierten Herzens von oben. Nach MacCallum. A, die Öffnung des Conus arteriosus; B, der Sehnenstreifen; C, der rechte Atrioventrikularring; D, der linke Atrioventrikularring; E, die Öffnung der Aorta, welche mit D zusammenhängt. also in erster Linie seine Dar- stellung hier wiedergeben. Bei seiner Zerfaserung des Herzens bediente sich MacCallum einer früher von Krehl* zum gleichen Zweck angewandten Methode. Er ließ nämlich das Herz in einer Mischung von Salpetersäure (1 Teil), Glyzerin (2 Teile) und Wasser (2 Teile) genügend lange liegen und bewahrte es dann, nach Auswaschen in einer fünfprozentigen Lösung von Glyzerin in Wasser, in einer fünfprozentigen Formalinlösung auf. Diejenigen Stellen, von welchen aus die Muskelfasern des Herzens entsprin- gen oder an welchen sie endigen, sind (Fig. 39) an der Kammerbasis die beiden Atrioventrikularringe {C,D) und ein zuerst von Krehl^ beschriebener Sehnenstreifen {B), welcher sich vom rechten Atrioventrikularring nach der hinteren Fläche des Conus arteriosus (4) erstreckt. Ein großer Teil der Herz- muskelfasern sanmielt sich in den ver- schiedenen Papillarmuskeln und steht unter ihrerVermittelung mit den Chordae tendineae und den Atrioventrikular- klappen in Verbindung. Auf der vorderen Seite der Herz- kammern laufen die oberflächlichen Muskelschichten (Fig. 40) in diagonaler Fig. 40. Vordere Ansicht des Herzens. Nach Mac Call um. 1 Testut, Traite d'anatomie humaine. Paris 1890, 2, S. 25. '^ Tandler, Anatomie des Herzens. Jena 1913, S. 176. 3 Mac Calliim, Johns Hopkins Hospital reports, 9, S. 307; 1900. 4 Krehl, Abhandl. d. math.-phys. Kl. der Sachs. Ges. d. Wiss., 17, S. 342; 1891. 6 Krehl, ebenda, 17, S. 353, Fig. 19. Die Formveränderungen des Herzens. 77 Richtung von rechts nach h'nks. Dabei entspringt die alleroberflächiichste Schicht hauptsächHch von dem Sehnenstreifen B (Fig. 39) und breitet sich davon fächer- artig über das Herz aus. Von dem hinteren Teil dieses Streifens und vom rechten Atrioventrikularring gehen die mit B in Fig. 40 bezeichneten Fasern schief über die Vorderfläche des Herzens, umkreisen den unteren Teil der linken Kammer, dringen an der Herzspitze zwischen den anderen Muskelschichten nach oben und endigen in dem vorderen Papillarmuskel der linken Kanmier (vgl. Fig. 41, C). Muskelfasern, welche vom vorderen Abschnitt des Sehnenstreifens ausgehen, haben einen ähnlichen Verlauf (Fig. 40, /\) wie die soeben besprochenen und dringen schließlich von der Herzspitze her in die Tiefe, um teils in den an der Scheide- wand befindlichen Papillarmuskeln, teils, obgleich in kleinerer Zahl, in dem hinteren Papillarmuskel der linken Kammer zu endigen (vgl. Fig. 42, A). Fig. 41. Schematische Darstellung der an den Atrioventrikularringen und dem hinteren Abschnitte des Sehnenstreifens entspringenden ober- flächlichen Herzmuskelfasern. Nach Mac Calliim. A, Fasern aus dem linken Atrioventrikularring, welche in den Papillarmuskeln der rechten Kammer endigen; B, Fasern aus dem rechten Atrioventrikularring und dem Sehnenstreifen; C, vorderer Papillarmuskel der linken Kammer. Die Fasern der hinteren Kammerfläche sind in Fig. 43 ersichtlich. Vom rech- ten Atrioventrikularring (Fig. 43, A) gehen sie über die rechte Kammer diagonal nach unten, liegen dann unter der schon beschriebenen oberflächlichen Schicht, biegen sich schließlich in der Herzspitze nach oben und endigen in dem hinteren Papillarmuskel der linken Kammer. Die dem linken Atrioventrikularring entstanmienden Fasern gehen, wie aus Fig. 43 ersichtlich, in schiefer Richtung über die hintere Kammeroberfläche, dringen in die Tiefe und endigen in den Papillarmuskeln der rechten Kammer. Der Verlauf dieser Schicht ist in Fig. 41, ^ schematisch wiedergegeben. 78 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Die oberflächlichen Muskelbündel entspringen also an der Kammerbasis und endigen in den Papillarmuskeln an der entgegengesetzten Seite. Nach Wegpräparieren deroberflächlichenSchicht auf der hinteren Wand der Kammern (Fig. 44) kann man unschwer von der hinteren interventri- kularen Furche her die linke Kammer von der rechten aufrollen, indem die Muskelbündel von der rechten Kammer durch die Scheidewand ohne Unterbrechung auf die linke Kammer übergehen. In solcherweise bekommt man sukzessiv die in Fig. 45—49 dargestellten Präparate, aus welchen ersichtlich ist, daß die von der rechten Kammer her kommenden Fasern in der Scheidewand nach vorn laufen und dann auf die vordere Wand der linken Kammer übergehen; daß sich das an der Herzspitze eintretende Bündel D (Fig. 46 und 47) nach oben kehrt und zusammen mit den als C (Fig. 46, 47 und 48) bezeichneten Bündeln in dem vorderen Papillarmuskel der linken Kammer endet; daß die darüber liegenden Bündel in den hinteren Papillarmuskel eintreten (Fig. 49, A; Fig. 50, .4); daß tiefer ver- laufende Fasern nach Umkreisung von dreiviertel der linken Kammer die Papillarmuskeln der Scheide- wand versorgen (Fig. 51, ß) und daß andere, noch tiefere Bündel die ganze linke Kammer umkreisen und in dem vorderen Papillar- muskel endigen (Fig. 52, C); daß von dem oberen Teil der rechten Kammer und des Sehnenstreifens eineMuskelschicht ausgeht, welche alle diese drei anderen Schichten umkreist, in die Scheidewand ein- Fig. 43. Die oberflächliche Muskelschicht an d^^^^ tritt und sich am linken Atrio- hmteren Oberflache des Herzens. Nach Mac Caäum. Fig. 42. Schematische Darstellung des Verlaufes der an dem vorderen Abschnitt des Sehnenstreifens entspringenden Herz- muskelfasern. Nach Mac Calluin. A, hinterer Papillarmuskel; B, die Papillarmuskeln an der Scheidewand. Die Formveränderungen des Herzens. 79 ventrikularring befestigt; daß das Bündel E (Fig. 49) gänzlich der linken Kammer gehört und auch die Aorta einschließt. Fig 44. Das Herz von hinten. Nach Mac Callum. Die oberflächlichen Schichten sind an der Kammerbasis wegpräpariert worden. A, ein von der rechten Kammer kommendes Muskelbündel, welches in dem linken Atrio- ventrikularring endet. Fig. 45. Das Herz von hinten; Beginn des Aufrollens der rechten Kammer von der linken. Nach Mac Callum. Fig. 46. Weiter fortgeschrittenes Aufrollen der linken Kammer. Nach Mac Callum. A, B, Bündel, welche direkt von der rechten Kammer nach der linken übergehen; D, Bündel, welche schließlich in dem vorderen Papillarmuskel endigen; C, andere, oberflächliche Bündel zu dem vorderen Papillarmuskel. 80 Die mechanischen Leistuno;en des Herzens. Kurz zusammengefaßt bestehen alle Muskelschichten der embryonalen Herz- kammern aus einfachen Muskelbändern oder -bündeln, welche in der einep Kammer beginnen und in die andere endigen, und zwar in der Weise, daß diejenigen Bündel, Fig. 47. Das Aufrollen ist noch vollständiger. Die Buchstaben haben dieselbe Bedeutung wie in Fig. 46. Fig. 48. Eine noch weiter fortgeschrittene Stufe des Aufrollens. A, Beginn des hin- teren Papillarmuskels; ß, Papillarnuiskeln der Scheidewand; C, oberflächlichste Schicht an der Herzspitze, die in dem vorderen Papillarnuiskel endet; D, ein Teil der Muskel- bündel, welche die tieferen Schichten der Kammernuiskulatur umgibt; E, Muskel- schicht um die Aorta; /^, Verbindung zwischen den einzelnen Papillarmuskeln. Die Formveränderungen des Herzens. 81 Fig. 49. Das Herz fast vollständig aufgerollt. A—F wie in Fig. 48; G, Endigung der in Fig. 42 abgebildeten Fasern {B) in den Papillarmuskeln der Scheidewand; C, vorderer Papillarmuskel. welche in der einen Kammer am oberflächlichsten liegen, in der anderen die tiefste Lage einnehmen. Schematisch läßt sich dies durch drei Bündel darstellen, welche in der aus Fig. 53 ersichtlichen Weise zusammengerollt wer- den. Die oberste Schicht liegt links am oberflächlichsten, rechts am tiefsten; sie um- kreist die linke Kammer voll- ständig und endigt in den vorderen Papillarmuskel; die mittlere Schicht umkreist die linke Kammer nur zu zwei Dritteln und versorgt die Papillarmuskeln des Septums; die tiefste Schicht geht nur bis zum hinteren Papillar- muskel. Hierzu kommen noch andere Muskelbündel, wie das- jenige, welches die Basis der linken Kammer umkreist, so- wie Fasern, welche die Pa- pillarmuskeln in derselben Kammer miteinander verbin- den (F, Fig. 48, 49). Tigerstedt, Kreislauf I. 2. Aufl. Fig. 50. Schematisclie Darstellung des Verlaufes der tiefsten Muskelschicht der linken Kammer. Nach Mac Calliiin. A, der hintere Papillarmuskel. 82 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Fig. 51. Scheinatische Darstellung des Verlaufes der mitt- leren Muskelschicht in der linken Kammer. Nach Mac Callurn. A, der hintere Papillarmuskel ; B, der Papillar- muskel der Scheidewand. Fig. 52. Schematische Darstellung des Verlaufes einer etwas oberflächlicheren Muskclschicht in der linken Kammer. Nach Mac Callurn. A, der hintere Papillarmuskel; B, der Papillar- muskel der Scheidewand; C, der vordere Papillarmuskel. Aus dieser Darstellung geht hervor, daß beim embryonalen Herzen die Papillarmuskeln durch vielfache Muskelbündel an die Herzwand stark ver- ankert sind. Dies stimmt mit der von Albrecht vertretenen Auffassung über den Bau des Herzens des Erwachsenen wesentlich überein. Nach Al- brecht kann man nämlich bei der linken Kammer am hin- teren Papillarmuskel einen „trabekulären" und einen „in- tramuralen" Teil unterschei- den. Der erstere besteht (im kontrahierten Herzen) aus Muskelzügen, deren Richtung annähernd vertikal von der KuppederPapillaren zurHerz- spitze herabgeht; es ist zu- gleich der oberflächlich ge- legene! Teil. Der intra- murale Anteil ist kom- plizierter gebaut, und setzt sich teils aus dünnen, aus dem hinteren Septumrand kommenden Zügen, teils und vor allem aus einem Lamellensystem zusam- men, das sich in die Masse der Herzwand ein- senkt. Der vordere Papillar- muskel unterscheidet sich nach Albrecht vom hin- teren vor allem dadurch, daß er einen wesentlich stärkeren trabekulären Teil führt. Auch in der Hinsicht stimmt Albrecht mit Mac Callurn überein, daß die Wand der linken Kam- mer zwischen den Pa- pillarmuskeln zum ganz überwiegenden Teil von Die Formveränderungen des Herzens. 83 Muskellamellen gebildet wird, die die Fortsetzung der Papillarmuskeln bilden.^ Die Resultate MacCallums sind von Mall'^ beim erwachsenen Menschen- und Schweineherzen wesentlich bestätigt worden; insbesondere ist zu bemerken, daß Pk NT. poST. Fig. 53. Schema. Nach Mac Ca/Zum. Erklärung im Text. die Papillarmuskeln mit allen wichtigen Muskelzügen der Herzkammern in Ver- bindung stehen. Bei seiner Darstellung vom Baue des Herzens lehrte Krehl, daß die äußeren und inneren Schichten der linken Kammer durch eine zwischenliegende dicke Schicht voneinander getrennt wären, und zwar würde diese von schlingenförmigen Muskel- fasern gebildet werden, welche zu ihrem Ausgangspunkte zurück- kehrten, weil sie nicht sehnig ■endigten. Von dieser mittleren Muskel- •schicht (Fig. 54) gingen allerdings auch nach Krehl nicht wenige Fasern sowohl in die äußeren als in die inneren Schichten, wie auch in die Papillarmuskeln über. Seiner ganzen Auffassung nach würde dieselbe indessen gewissermaßen einen selbständigen Teil der linken Kammer bilden, was auch dadurch betont wurde, daß diese Schicht als das eigentliche Triebwerk- zeug des linken Herzens bezeich- net wurde. ^ Diese Auffassung kann nicht mehr in ihrem vollen Umfang aufrecht er- halten werden, vielmehr müssen wir uns vorstellen, daß die linke Kammer in allen ihren Teilen gleichmäßig an dem Heraustreiben des Blutes beteiligt ist, wenn es 1 Ehrenfried Albrecht, Der Herzmuskel und seine Bedeutung für die Physiologie des Herzens. Berlin 1903, S. 28. - Mall, Amer. journ. of anat., 11, S. 211, 258; 1911. 3 Krehl, Abh. d. math.-phys. Kl. d. Sachs. Ges. d. Wiss., 17, S. 346; 1891. 6* Fig. 54. Die mittlere Muskellage der linken Herz- kammer. Nach Krehl. g4 Die mechanischen Leistungen des Herzens. andererseits, wie dies auch Albrecht tut\ zugegeben werden muß, daß dem zirkulär angeordneten, zentralen Teil der Wand des suprapapi Ilaren Raumes im großen und ganzen Funktionen obliegen, welche den von Krelil seinem Mittelstück zu- geschriebenen ziemlich gut entsprechen. Auch ist es nicht richtig, daß die Fasern des Triebwerkzeuges nicht m den Atrioventrikularring enden, dennMö//- hat sich davon überzeugt, daß sie sämtlich an Sehnen der Herzbasis oder in den Papillarmuskeln endigen. In bezug auf den Bau der linken Kammer ist noch im Anschluß an Mall^ hervorzuheben, daß die Aorta an der Kammermuskulatur stark verankert ist, wodurch dem Losreißen derselben bei der Systole vorgebeugt wird. Was den Bau der rechten Kammer an und für sich betrifft, so hat man einen Einströmungs- und einen Ausströmungsteil zu unterscheiden; ersterer hat die Form einer Tasche und ist medial begrenzt von der Scheidewand, lateral von der bogenförmig gekrümmten Außenwand der rechten Kammer. Der Ausströmungs- teil setzt sich röhrenförmig an das vordere Ende der Tasche an; beide Abschnitte sind voneinander durch den schon früher erwähnten, stark vorspringenden Muskel- wulst getrennt. Die Außenwand des taschenförmigen Teils besteht aus zwei Schichten, einer äußeren kontinuierlichen dünnen und einer inneren netzförmig angeordneten dickeren. Am stark erweiterten Herzen kann man zwischen den dicken Balken der letzteren fast überall das Licht durch die zarte Außenschicht durchschimmern sehen. Diese ist zum größten Teil aus Fasern gebildet, welche von der linken Kam- mer kommen; sie laufen im wesentlichen von links hinten oben nach rechts vorn unten und gehen zum größten Teil in den besonderen Wirbel der rechten Kammer^ welcher kleiner als der der linken ist. In der Außenschicht laufen aber auch hori- zontale Fasern und solche, welche von rechts hinten unten nach links vorn oben gehen. Von den Fasern, welche die Hauptrichtung verfolgen, kommt nur ein Teil aus der linken Kammer, ein anderer entspringt vom rechten Atrioventrikularring.. Die innere Schicht der Außenwand des taschenförmigen Teiles wird fast ganz, von kurzen Fasern gebildet, die ihrem Verlauf nach der Tasche allein angehören. Sie entspringen am oberen Rand der Scheidewand in dessen ganzer Ausdehnung und gehen zunächst senkrecht nach abwärts, stellen somit eine besondere Schicht der Scheidewand dar. In verschiedener Höhe wenden sie sich nach dem Lumen der rechten Kammer, durchziehen dieses in wechselnden Höhen und steigen in getrennten Balken teils als Trabekeln, teils als Papillarmuskeln an der Außenwand der Tasche in die Höhe, um sich entweder mittels Sehnenfäden am Segel oder mit mehr oder weniger kurzen Sehnen an den Atrioventrikularring anzusetzen. Auch die Außenwand des Conus arteriosus läßt zwei Schichten erkennen: eine innere, für ihn längs verlaufende und eine äußere Ringschicht. Am systolischen Herzen bildet erstere dort, wo die Semilunarklappen sich ansetzen, genau eben- solche Polster für die Lungenarterie, wie sie an der Aorta oben (S. 49) beschrieben worden sind. Die äußeren Querschichten gehören teils dem Konus allein an, teils setzen sie sich von ihm auf die linke Kammer fort. Sie entspringen von der Scheide- wand dort an der Stelle, wo sie zugleich Aortenwand wird. Die Fasern schlagen ^ Albrecht, Der Herzmuskel, S. 50. - Mall, Amer. journ. of anat., U, S. 223, 242; 1911. 3 Mall, ebenda, 11, S.229. Die Fonnveränderungcn des Herzens. 85 sich um den Konus herum und gehen teils in die Außenschichten der Unken Kammer, teils in die Scheidewand, teils bleiben sie auf den Konus beschränkt und setzen sich an verschiedenen Stellen des Lungenarterienrandcs an. Die äußeren Fasern des Konus sind von denen der Tasche nicht prinzipiell getrennt; an der Grenze beider geht ein Teil der äußeren langen Taschen- fasern noch um den Kegel herum. ^ Die eben besprochene Anordnung der Muskelfasern des Herzens macht, daß die Wand der linken Kammer viel dicker als die der rechten ist, wie aus der Fig. 55, welche einen von Ludwig^ gezeichneten Querschnitt eines totenstarren Herzens darstellt, ersichtlich ist. Diese stärkere Entwicklung der Wand der linken Kammer "^ ^ hängt offenbar mit der stärkeren Arbeit Fig. 55. Durchschnitt eines totenstarren ° ,. , . Herzens. Nach Ludwig: dieser Kammer zusammen; die rechte Kammer hat nur das Blut durch die Lungen zu treiben, während die linke das Blut durch alle Teile des Körpers treiben muß. c) Die Formveränderungen der Herzkammern. Wie beim Froschherzen (vgl. oben, S, 73) ist auch bei dem Säugetierherzen die Form bei der Systole eine ganz bestimmte, während sie bei der Diastole sich wesentlich danach richtet, wie das Herz auf die Unterlage gelagert ist (Ludwig).^ Wegen der bedeutenderen Dicke der Herzwand macht sich letzterer Umstand in- dessen beim Säugetierherzen weniger auffallend als beim Froschherzen geltend. Um die Formveränderungen der Herzkammern bei der Systole festzustellen,, hat man, außer der direkten Inspektion des bloßgelegten Herzens, teils unter An- wendung geeigneter Vorrichtungen die Veränderungen des Herzens in verschie- denen Durchmessern bestimmt, teils die Form des durch plötzlich eintretende Wärmestarre in maximale Kontraktion gebrachten Herzens untersucht, teils die Bewegungen des Herzens durch kinematographische Aufnahme fixiert, teils end- lich unter Anwendung der Röntgenstrahlen die Formveränderungen des Herzens bei unversehrter Brustwand beobachtet und photographiert. Aus den von Ludwig^ am Katzenherzen in situ in horizontaler Lage gemachten Messungen ging hervor, daß bei der Systole der sagittale Durchmesser zunimmt, während der quere Durchmesser abnimmt und das Herz sich in der Richtung von der Basis nach der Spitze verkürzt. Während der Diastole stellt die Herzbasis eine mit der kürzeren Achse von vorn nach hinten gerichtete Ellipse dar; bei der Systole nähert sich die Basis einem Kreise. Als Belege teile ich die folgenden von Ludwig ermittelten Werte mit: Querdurchmesser Diastole 28.0 mm Systole 22.5 „ Durchmesser von vorn nach hinten Diastole 16.5 ,, Systole 20.G „ (Mittel aus vier Beobachtungen) 1 Krehl, Abhandl. d. math.-phys. Kl. d. Sachs. Gesellsch. d. Wiss., 17, S. 351—354; 1891. 2 Ludwig, Zeitschr. f. rat. Med., 7, Taf. II, Fig. 3; 1848. 3 Ludwig, ebenda, 7, S. 206; 1848. « Ludwig, ebenda, 7, S. 205; 1848. 86 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Auch beim Menschen ist die Herzbasis während der Diastole (d. h. bei einem schlaffen Leichenherzen) eine Ellipse. Wird das Herz aufrecht gestellt, so daß seine Längenachse vertikal steht^ und wird die Herzspitze mit einem Bleigewicht beschwert, so nimmt bei der Systole sein Durchmesser von vorn nach hinten, sowie der Querdurchmesser ab, wogegen die Längenachse größer wird, wie dies aus den folgenden Werten Ludwigs hervorgeht : Längenachse Diastole 22.0 mm Systole 25.0 „ Durchmesser von vorn nach hinten . Diastole 26.0 „ Systole 24.5 „ Auch an vom Körper ausgeschnittenen, blutleeren Herzen beobachtete Ludwig ähnliche Erscheinungen. Zu ganz denselben Resultaten wie Ludwig gelangten Roy und Adami am Hundeherzen^ während Chauveau und Faivre beobachteten, daß beim Pferde, wo das diastolische Herz in dem Querdurchmesser abgeplattet ist, das Herz sich bei der Systole in seinem sagittalen Durchmesser und seiner Längenachse verkürzte, während der Querdurchmesser zunahm.^ Wenn das Herz während der Diastole in einem seiner Durchmesser verlängert ist, so verkürzt es sich also während der Systole besonders in diesem und umgekehrt. Hierin finden wir auch die Erklärung der Hebelbewegung des Herzens, d. h. des Hervortretens der Herzspitze, das wir sowohl bei dem Frosch- wie bei dem Säugetierherzen beobachtet haben. Wenn man nämlich das Herz so legt, daß die Basis der Kammer gegen die Unterlage senkrecht steht, so hebt sich die Spitze bei der Systole bis zu einer gewissen Höhe empor. Wenn aber die Basis schief steht, so daß sie mit der Unterlage einen nach den Vorhöfen zu offenen, spitzen Winkel bildet, so wird die Spitze höher emporgehoben, und dies um so mehr, je kleiner dieser Winkel ist.^ Auch die am Hundeherzen von Rehfisch* angestellten Versuche, welche in der folgenden Tabelle zusammengestellt sind, bringen zunächst, wie aus fol- gender Tabelle ersichtlich, eine Bestätigung der Angaben von Ludwig. Breitenmessung; mm Längenmessung; mm Nr. beide Kamm, zusammen linke Kammer rechte Kammer beide Kamm, zusammen linke Kammer rechte Kammer CQ 1 c CQ bü C ■■CS bJO >l bfl C 3 b/) n bß :3 1 2 3 4 5 6 Durchschn. 48 48 44 52 45 41 46 7.0 7.5 7.5 8.0 6.0 8.5 7.4 32 38 28 34 29 21 30 5.0 6.0 5.5 5.5 6.0 6.5 5.8 32 28 20 25 23 30 26 6.5 7.5 6.5 7.5 7.0 7.0 7.0 61 46 50 52 9.5 ^5 9.5 9.0 45 44 50 32 37 41 6.5 5.5 6.5 6.5 7.0 6.4 58 45 43 49 9.0 8.0 8.0 8.3 1 Roy und Adami, The practitioner, 1890 (1), S. 82. 2 Chauveau und Faivre, Gazette m^d. de Paris, 1856, S. 572; — moires de l'Academie de m^decine, 26, S. 292; 1863. 3 Ludwig, Zeitschr. f. rat. Med., 7, S. 209. * Rehfisch, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1908, S. 12. Chauveau und Marey, Me- Die Formveränderungen des Herzens. 87 In bezug auf die hier verzeichneten Zahlenangaben ist zu bemerken, daß die gemessene Linie im Breitendurchmesser des ganzen Herzens einen anderen Verlauf aufwies, als die beiden fi:ir die Messung benutzten Strecken der einzelnen Kammern, weshalb die Abnahme der Gesamtbreite des ganzen Herzens wesentlich geringer ist als die Summe der Breitea- abnahmen der rechten und der linken Kammer. Durchschnittlich beträgt die Verminderung des queren Durchmessers etwa 17 Prozent. Die Bestimmung der Längenveränderungen der beiden Herzkammern zusammen ge- schah zwischen der Spitze der linken Kammer und der Ursprungsstelle der Lungenarterie. An der linken Kammer wurde der Durchmesser zwischen der Herzspitze und der Mitte der entsprechenden Atrioventrikulargrenze gemessen. Bei der rechten Kammer fand die Längs- messung zwischen dem untersten Punkt der vorderen Längsfurche und der rechten Seite der Ursprungsstelle der Pulmonalis statt. Das unmittelbare Resultat der Längenmessung ergab, wie aus der Tabelle ersichtlich, auch in Rehfiscfis Versuchen eine Abnahme bei den beiden Kammern. Durch eine nähere Erörterung will dieser Autor indessen nachweisen, daß dies nur für die rechte Kammer gilt, während die linke Kammer, trotz dem Vor- handensein einer Abwärtsbewegung ihrer oberen Begrenzungslinie im großen und ganzen keine Veränderung ihrer Längendurchmesser erleidet. Darin, daß sich die rechte Kammer bei der Systole in der Längsrichtung ver- kleinert, stimmen alle neueren Autoren (Hesse'^, Braun^ u. a.) untereinander überein. Diese Verkürzung kommt im wesentlichen dadurch zustande, daß sich der Conus arteriosus stark abflacht und der rechte Anteil der Atrioventrikular- grenze der Spitze entgegenstrebt. Dagegen hat sich nicht allein Rehfisch, sondern auch mehrere andere ältere und neuere Autoren dafür ausgesprochen, daß sich die linke Kammer bei ihrer Systole in der Längsrichtung gar nicht verkürzt. Wir stoßen in der Tat hier auf eine alte, vielfach ventilierte Frage, die großes Aufsehen erregt hat. Während Galen und nach ihm Vesalius, Riolan und Borelli annahmen, daß das Herz bei der Systole länger würde, wurde von Harvey, Lower, Steno, Lancisi, Winslow, Senac und Haller die entgegengesetzte Ansicht ver- fochten.^ Daß letztere, in bezug auf die rechte Kammer wenigstens, recht hatten, geht aus dem schon Ausgeführten hervor. Es erübrigt, das Verhalten der linken Kammer näher zu untersuchen. Der erste, der in neuerer Zeit dafür eintrat, daß die linke Kammer bei ihrer Systole keine Längenveränderung darbietet, scheint Hesse gewesen zu sein.* Er stützte sich in dieser Hinsicht auf Gipsabgüsse von den unter dem Druck einer etwa 150 mm hohen Blutsäule gefüllten Kammern eines eben aus dem Körper herausgeschnittenen, noch reizbaren Hundeherzens. Dann rief er durch Eintauchen des entleerten Herzens in eine auf 50^ C erwärmte gesättigte Lösung von Kalium- bichromat eine maximale Kontraktion (Wärmestarre) hervor, wobei sich die Mus- keln ohne irgend einen Widerstand zusammenzogen.^ Vorher hatte Hesse durch Marken die verschiedenen Teile der Kammern erkenntlich gemacht. Die so behandelten Kammern hatten in der Diastole etwa die Gestalt einer Halbkugel. In dem kontrahierten Zustande hatten sie etwa die Form eines Kegels. Für beide Kammern stellte sich eine Abnahme des sagittalen und des transversalen 1 Hesse, Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abt., 1880, S. 335. 2 Braun, Über Herzbewegung und Herzstoß. Jena 1898, S. 39. •■' Vgl. Tandler, Anatomie des Herzens. Jena 1913, S. 74. * Hesse, Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abt., 1880, S. 328. 5 Hesse, ebenda, S. 333. 38 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Diameters heraus. Auch der Längsdurchmesser der rechten Kammer war beim systohschen Herz verkürzt, der der hnken Kammer blieb aber unverändert.^ Gegen die Methode von Hesse läßt sich indessen vielerlei einwenden. Die Herzkammern waren bei der Diastole auf das Maximum ihrer Füllung gebracht, was wohl im Leben kaum als Regel stattfindet, insbesondere, da das Perikardiuni dabei jede zu große Erweiterung verhindert (vgl. unten, § 29). Sie wurden dann widerstandslos zusammengezogen und zwar bis zum größten erreichbaren Maximum, was bei normalem Kreislauf selten, wenn überhaupt, vorkommt. Die normale Form der kontrahierten Kammern muß außerdem, wie oben bemerkt, auch durch das Herausströmen des gegen einen großen Widerstand herausgetriebenen Blutes nicht unwesentlich beeinflußt werden. Auch baut die Methode Hesses auf den Annahmen, daß sich alle Teile des Myokards im Leben synchron kontrahieren, sowie daß die durch die Wärmestarre herbeigeführte Verkürzung der bei der Systole hervorgerufenen homolog sei. Wie Tandler ^ bemerkt, trifft die erstere dieser Annahmen sicher nicht zu, die zweite kaum. Mehr beweisend sind die kinematographischen Aufnahmen von Braun.^ Laut diesen schließt nämlich die Längsachse der linken Kammer mit derjenigen der rechten in der Systole einen spitzeren Winkel als während der Diastole ein, und die zusammengezogene linke Kammer ist demnach in die Längsachse des ganzen Herzens nicht so wie die ruhende mit ihrem Längsdurchmesser, sondern mehr mit ihrer Schmalseite eingestellt. Infolgedessen kommt eine scheinbare Verkür- zung der linken Kammer bei der Systole zustande, obgleich die Spitzen-Basis- Achse derselben dabei keine Verkürzung erleidet. Damit stimmt auch die Auffassung von Relifiscfi* überein: wenn die Längs- achse der linken Kammer in die Linie verlegt wird, welche von der Berührungsstelle ■der Atrioventril^ulargrenze und des Septums nach der Spitze verläuft, bleibt sie bei der Systole fast unverändert. Wird aber die Entfernung einer mehr links ge- legenen Stelle der Atrioventrikulargrenze von der Spitze als Längsachse gedacht, so erfährt auch die linke Kammer bei ihrer Systole eine gewisse Abnahme in der Längsrichtung. Bei der Systole bildet sich ferner an der Vorderfläche der linken Kammer, zwischen dem unteren Rande des Herzens und dem unteren Teile der vorderen Längsfurche eine umschriebene Prominenz, welche dem Spitzenteile wie eine Kugel- kuppe mit der basalen Fläche gerade nach rückwärts gerichtet aufliegt (systolischer Herzbuckel, Braun^). Zu ihrer Bildung werden die der Herzspitze angehörenden und ihr unmittelbar benachbarten Teile herangezogen, während an ihre Stelle von den Seiten und von hinten her andere Teile der Herzwand rücken. 1 Über ähnliche Messungen am menschlichen Herzen vgl. v. Frey, Verh. d. X. Internat, med. Kongr. in Berlin, 1890, Physiologie, S. 35. - Tandler, a. a. O., S. 74. ^ Braun, Über Herzbewegiuig, vgl. besonders S. 39, 44, 57, 58, 87, 104. — Auch Frangois- Franck hat die Bewegungen des Hundeherzens mit dem Kinematographen aufgenommen und zu gleicher Zeit auch den intrakardialen Druck registriert (Comptes rend. de la Soc. de biologie, 1902, S. 1193; — 1903, S. 939, 1448; — Cours du College de France de 1880 ä 1904. Paris 1904, S. 114). Er hat indessen meines Wissens nie über seine Resultate eingehender berichtet. * Rehfisch, Arch. f. Anat. u. Physiol.. physiol. Abt., 1908, S. 19. 5 Braun, a. a. 0., S. 57, 103. Die Formveränderungen des Herzens. 39 An der Vorderfläche des Herzens erscheint zwischen den Kammern während der ganzen Dauer der Systole eine tiefe Furche, welche zum Teil wohl dadurch zustande kommt, daß sich während der Systole jede Kammer nach einem verschie- denen Radius krümmt. 1 Endlich wird bei der Systole die Spitze des Herzens spiralförmig von links nach rechts gedreht, indem der linke, ziemlich scharfe Rand sich nach vorn und rechts bewegt, während die Vertikalfurche mehr auf die Mitte des Herzkörpers zu liegen kommt, da ein größerer Teil der linken Kammer nach vorn gelagert wird, wie dies von Chauveau und Faivre^, von Hesse^ und Braun^ beim Hunde, von Bamberger ^, Jafin^, Filehne und Penzoldf^ beim Kaninchen und von Frangois- Franck^, Wilkens^ und Ziemssen^^ bei Menschen, bei welchen infolge einer kon- genitalen Mißbildung oder durch eine chirurgische Operation das Herz in kleinerer oder größerer Ausdehnung von dem Brustbein und den Rippen unbedeckt gewesen, beobachtet worden ist.^^ Hierbei hat die rechte Kammer keinen Anteil und bei geschwächter Tätigkeit der linken Kammer kann daher die Rotationsbewegung gänzlich fehlen {Braun'^'^). Die wirkende Ursache bei dieser Erscheinung ist aller Wahrscheinlichkeit nach in der eigentümlichen Anordnung der Herzmuskelfasern zu suchen. Daß hier nicht der Einfluß irgendwelcher Druckschwankungen im Herzen vorliegt ^^ dürfte daraus gefolgert werden können, daß die betreffende Bewegung auch nach Bindung aller zu- und abführenden Gefäße des Herzens mit Ausnahme der unteren Hohl- vene zum Vorschein kommt (Pettigrew'^'^, Rosenstein'^^), sowie daß sie auch am aus- geschnittenen Herzen {Rosenstein) und sogar am frei aufgehängten Herzen und an Herzen, welche nach der Methode von Hesse wärmestarr gemacht worden sind, deutlich auftritt (Braun^^). Die bisher besprochenen Beobachtungen beziehen sich auf das bloßgelegte Herz in Rückenlage des Tieres, bzw. auf die Formveränderungen des ausgeschnit- tenen Herzens. Es ist von vornherein klar, daß sie auf das in situ bei geschlossenem Brustkasten befindliche Herz nicht ohne weiteres übertragen werden können, und wir müssen daher noch die Frage nach den Formveränderungen des Herzens unter diesen Umständen erörtern. 1 Braun, a. a. O., S. 59. - Chauveau und Faivre, Gazette med. de Paris, 1856, S. 408. 3 Hesse, Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abt., 1880, S. 336. * Braun, Über Herzbewegung und Herzstoß. Jena 1898-, S. 38, 67. s Bamberger, Arch. f. path. Anat., 9, S. 343; 1856. « Jahn, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 16, S. 219; 1875. ^ Filehne und Penzoldt, Zentralbl. f. d. med. Wiss., 1879, S. 482. ^ Frangois-Franck, Travaux du laboratoire de Marey, 3, S. 313; 1877. » Wilkens, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 12, S. 237; 1873. ^" Ziemssen und Ter Gregorianz, ebenda, 30, S. 274; 1882. " Dagegen soll, nach Colin, beim Pferde die Herzspitze nach links gedreht werden; s. Physiol. comp. Ed. 3, 1. Paris 1888, S. 429. — Nach einer von Cruveilhier mitgeteilten Beobachtung am Men- schen soll die Spitze sich von rechts nach links gedreht haben. Aus der Beschreibung Cruveilhiers geht indessen ganz deutlich hervor, daß er Systole und Diastole verwechselt hat; Gazette med. de Paris, 1841, S. 498. 12 Braun, a. a. O., S. 70. ^^ Vgl.O.Da/;/sc/?,Überdie Bewegungsvorgänge des menschlichen Herzens. Leipzigu.Wien 1897. " Pettigrew, Edinburgh med. journ., 1874, S. 773. js Rosenstein, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 23, S. 75; 1878. i" Braun, a. a. O., S. 73. QQ Die mechanischen Leistungen des Herzens. Im lebenden Körper und bei uneröffnetem Brustkasten liegt das Herz, zum größten Teil von den Lungen bedeckt, in den Herzbeutel eingeschlossen. Es ist an den großen Arterien aufgehängt und, soweit der Herzbeutel es erlaubt, nach ver- schiedenen Richtungen beweglich. Wenn man, wie dies bei Versuchen an Säugetieren in der Regel der Fall ist, das Tier in die Rückenlage bringt, um das Herz zu beobachten, und wie gewöhn- lich das Perikard als eine Unterlage des Herzens an die Wände des Brustkastens annäht, so muß sich das diastolische Herz dabei etwas von vorn nach hinten abplatten und sein Querdurchmesser zunehmen. Bei der natürlichen Stellung des Tieres wird aber das Herz zum größten Teil von den Lungen getragen; diese sind als Luftkissen aufzufassen und werden also nur in einem unbedeutenden Grade die Form des diastolischen Herzens beeinflussen können. Es muß also bei der natürlichen Lage des Tieres die Herzbasis mehr kreisrund sein als bei Rücken- lage und geöffnetem Brustkasten. Dagegen kann ich mir nicht vorstellen, daß die Längenachse des diastolischen Herzens in diesen beiden Lagen irgendwelchen nennenswerten Unterschied darbietet. Beim Menschen wird ebenso wie bei den übrigen Säugetieren das von den großen Gefäßen getragene Herz zum größten Teil von den Lungen gestützt. Bei aufrechter Körperstellung werden daher nur die Herzspitze und der Teil des Herzens, welcher am Zwerchfell ruht, in ihrer Form von den umgebenden Teilen beeinflußt. Im großen und ganzen scheint also beim Menschen die Form des diastolischen Herzens nicht so sehr von derjenigen bei den Tieren abzuweichen. Auf der anderen Seite ist aber die Form des systolisch kontrahierten Herzens nicht von der Form des diastolischen, sondern nur von der Gesamtwirkung der Herzmuskelfasern abhängig. Die vielfach gekreuzten Fasern der Kammerwände spannen einander gegenseitig, und nur durch diese Anordnung können sie, wie es E. H. Weber'^ und Ludwig^ hervorgehoben haben, tatsächlich eine in allen Rich- tungen gleichmäßige Wirkung ausüben. Die in den Messungen Ludwigs bei der Katze gefundene Zunahme des sagit- talen und Abnahme des transversalen Durchmessers scheinen also für die normale Lage des Herzens im Brustkasten etwas zu groß zu sein; dagegen ist die Abnahme des ganzen Herzens in der Längenachse aller Wahrscheinlichkeit nach durchaus normal. Dies wird durch die Erfahrungen von Haycraft bezeugt.^ Am uneröffneten Brustkasten untersuchte er bei Katzen und Kaninchen mittels durch die Brustwand in das Herz eingeführter Nadeln die Richtung, in welcher sich die verschiedenen Kammerabschnitte bei der Systole verschieben. Bei dieser zuerst von Jung (1836)^ eingeführten Methode stellt die Nadel einen zweiarmigen Hebel dar, der seinen Drehpunkt in der Brustwand hat. Wenn das äußere Ende der Nadel sich nach oben bewegt, so bewegt sich das im Herzen ein- gestochene innere Ende nach unten usw. 1 E. H. Weber, Hildebrands Anatomie, 3. Aufl., 3, S. 15!. - Ludwig, Zeitschr. f. rat. Med., 7, S. 209. 3 Haycraft, Journ. of physiol., 12, S. 452—455; 1891. — Vgl. auch die ähnlichen Beobach- tungen Brücke?, über die Abnahme der Längenachse des Herzens bei der Systole. Sitz.-Ber.d. Wiener Akad. d. Wiss., 14, S. 348; 1855. 4 Jung, Ber. d. naturf. Gesellsch. in Basel, 2, S. 19; 1836. Die Formveränderungen des Herzens. 91 Nun fand Haycraft, daß dann, wenn die Nadel in die Herzbasis eingeführt war, ihr inneres Ende und also die Herzbasis sich nach unten bewegte. Dasselbe fand auch statt, wenn die Nadel mehr nach der Spitze zu angebracht ward; dabei wurden aber die Oszillationen immer kleiner, je mehr man sich der Spitze näherte, und bei Einführung in die Spitze selbst war die Bewegung sehr klein. Hieraus er- gibt sich in Übereinstimmung mit den Erfahrungen am bloßgelegten Herzen, daß bei der Systole die Basis sich der Spitze nähert, und daß die letztere den un- beweglichsten Punkt des Herzens darstellt. Auch Flofiil^ gibt auf Grund von Röntgenphotographien an, daß die Herzspitze bei der Systole ihre Lage nicht verändert. Diese Erscheinung erklärt sich, wie die entsprechende am Froschherzen (S. 74), durch die Wirkung des Rückstoßes des Blutes, wenn es durch das arte- rielle Ostium herausgetrieben wird. Wenn nämlich eine Flüssigkeit durch die Mün- dung eines Gefäßes herausströmt, findet an der ganzen Oberfläche der Mündung kein Druck von innen nach außen statt, da ja die Wand hier fehlt. Die horizontale Komponente des Druckes an dem gegenüberliegenden Oberflächenelement wird also nicht kompensiert, wie dies bei geschlossenerMündung der Fall ist, und sucht daher das Gefäß in eine der Ausströmung entgegengesetzte Richtung zu treiben. Ist das Gefäß beweglich, so kann es hierdurch in Bewegung versetzt werden, wie dies beim Wasserrad von Segner der Fall ist. Ein ähnlicher Rückstoß muß sich auch beim Herzen geltend machen, und es ist daher, wie meines Wissens zuerst Chauveau und Faivre- und dann Scheiber^ hervorgehoben haben, nicht gerade unwahrscheinlich, daß, wenn die Kammern bei ihrer Systole das Blut in die großen Arterien heraustreiben, die Spitze wegen des Rückstoßes daran verhindert wird, sich gegen die Basis zu bewegen, und statt dessen den verhältnismäßig festen Punkt darstellt, gegen den die Basis herab- gezogen wird. Bei gebundenen Venen bewegt sich aber nach Guttmann^, Jahn^ und anderen die Basis nicht gegen die Spitze, was leicht zu erklären ist, da das Herz wegen mangelnder Zufuhr kein Blut mehr heraustreiben kann und also die Bedingungen für das Auftreten des Rückstoßes wegfallen. Es ist indessen auch möglich, daß die Streckung der großen Arterien bei der Einströmung des Blutes hierbei von Bedeutung sein kann, denn die anatomischen Verhältnisse gestatten nicht, daß sie sich, wenn sie bei der Kammersystole mit Blut gefüllt und erweitert werden, nach oben verlängern; dies muß also nach unten stattfinden, und daher wird die Basis der Herzkammern gegen die Spitze verschoben werden (Giraud-Teulon^). Sowohl nach der oben erwähnten Methode als auch an Herzen, welche ent- weder in systolischem oder diastolischem Zustande getötet und mit dem ganzen Tiere zum Gefrieren gebracht wurden, fand Haycraft schließlich", daß auch das Herz in situ bei der Systole nicht allein von der einen Seite zur andern, sondern auch 1 Flohil, Arch. neerl. de physiol., 2, S. 568; 1918. - Chauveau und Faivre, Gazette med. de Paris, 1856, S. 411. 3 Sc/ze/öer, Arch.f.path.Anat.,24, S.127; 1862; - Deutsch.Arch.f.klin.Med.,47,S.368; 1891. * Guitmann, Arch. f. path. Anat., 65, S. 540; 1875. s Jahn, Deutsch. Arch. f. khn. Med., 16, S. 220; 1875. « Giraud-Teulon, Gazette med. de Paris, 1856, S. 557. • Haycraft und Paterson, Journ. of physiol., 19, S. 496; 1896. 92 Die mechanischen Leistungen des Herzens. im Durchmesser von vorn nach hinten verl<ürzt, und daß auch bei der Diastole die Herzbasis eine i ^^ _^^ -■>- r— V r- 'XJ 'N ^ — ' K A/ w. V- >w - ' / l^ \ \ r — ^, ^ ~v ^ \ \ V l \ -^ mt, D 1 \ 1— ■^ ^- V \ , , ^ \ \ l-N., ) V 1 m' 1 1 r r ^ \ / \ ^ \l 1 /i 1 r f il j V> Magini ^ 4 — 10 >i V. Frey^ 5 1,5—2,0 2,5 Katze H. Straub' 6 4—6 10—12 }) Piper 8 Zu bemerken ist, daß bei Nr. 1 die Messung bei geschlossenem Brustkasten stattfand, und daß sich also hier der negative Druck in der Brusthöhle geltend machen mußte. Die Zahl von Chauveau und Marey wie auch die von Straub sind ohne Zweifel anborm klein. § 14. Der Druckablauf in den Kammern. a) Die allgemeine Form des Druckablaufes. In bezug auf den in der intrakardialen Druckkurve dargestellten Verlauf der Druckschwankungen in den Herzkammern können wir die Resultate in zwei Haupt- gruppen einteilen. Den Typus der ersten Gruppe stellen die Kurven von Chauveau und Marey dar (Fig. 75). Von Einzelheiten, welche nur eine sekundäre Bedeutung haben, abgesehen, begegnen wir hier 1. einer steilen Steigung, 2. einer darauf folgenden viel langsameren Steigung oder einem mit der Abszisse fast parallel verlaufenden oder sehr langsam abfallenden oder kuppeiförmigen Plateau; 3. einem von diesem Maximum sehr schnell stattfindenden Herabsinken. Dieselbe Form haben der Hauptsache nach auch die von Fick^ in seiner ersten 1 H. straub, Deutsches Arch. f. klin. Med., 116, S. 416; 1914. - Die Aufnahmen der Kontraktionskurve der Vorhöfe von der Speiseröhre aus werden im folgenden Kapitel besprochen. Vgl. auch den Abschnitt über den Venenpuls. 3 Vgl. Marev, La circulation du sang, S. 115. * Goltz und Gaule, Arch. f. d. ges. Physiol., 17, S. 106; 1878, 5 Magini, Arch. ital. de biol., 8, S. 127; 1887. « V. Frey, Die Untersuchung des Pulses, S. 88. 7 H. Straub, a. a. O., 143, S. 78. 8 Piper, Arch. f. Anat. u. Physiol. physiol. Abt., 1912, S. 366, 373. 9 Fick, Arch. f. d. ges. Physiol., 30, S. 600. Die Druckschwankungen im Herzen während seiner Tätigkeit. 13 Mitteilung (Fig. 88), von Fredericq^ (Fig. 89), Hürthle^ (Fig. 90), Lüderitz^, Porter*, Frangois-Franck^ Contejean^C.Tigerstedf (Fig.91), Piper« (Fig. 85, 92, 93), Wiggers^ (rechte Kammer) und Garten^^ (Fig. 94) mitgeteilten Kurven des intrakardialen Druckes. Fig. 88. Druckkurven aus der linken Kammer (A) und der Aorta (B) Hund. Nach Fick. Von links nach rechts zu lesen. Fig. 89. Intrakardiale Druck- kurve, linke Kammer, Hund. Nach Fredericq. Fig. 90. Druckkurven aus der Aorta {A) und der linken Kammer {V), Hund. Nach Hiirthle. Hierher gehören auch die von Patterson, Piper und Starling^^ wie von H.Straub^^ am vereinfachten Kreislauf nach Starling (vgl. Kap. XII) gewonnenen Kurven des intrakardialen Druckes (vgl. Fig. 95). Die zweite Gruppe der intrakardialen Druckkurven wird vor allem durch die von v. Frey und Krehl^^ (Fig. 96), wie von H. Straub^* (Fig. 97) veröffentlichten Kurven vertreten. 1 Fredericq, Travaux du laborat., 2, S. 73; 1888. 2 Hiirthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 49, S.29; 1891 ; — Arch. f.d.exp.Pathol.,30,S.144;1892. 3 Lüderitz, Zeitschr. f. klin. Med., 20, S. 374; 1892. * Porter, Journal of physiol., 13, Taf. 18, 19; 1892. 5 Frangois-Franck, Arch. de physiol., 1893, S. 86. « Contejean, Comptes rend. de la Soc. de biol., 1894, S. 396; — Zentralbl. f. Physiol., 8, S. 264; 1894. ' C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 28, S.37; 1912; — 29, S. 240; 1913. 8 Piper, Zentralbl. f. Physiol., 26, S. 429; 1912; — Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1912, S. 343; — 1913, S. 331, 363; — 1914, S. 365. 9 Wiggers, Amer. journ. of physiol., 33, S. 388; 1914. 10 Garten, Zeitschr. f. Bjol., 66, S. 42; 1915. " Patterson, Piper und Starling, Journ. of physiol., 48, S. 492, 493, 501, 503—505. 12 H. Straub, Deutsches Arch. f. klin. Med., 115, S. 552; 1914. 13 V.Frey und Krehl, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1890, S. 37; — v. Frey, Die Untersuchung des Pulses, S. 83. " H. Straub, Arch. f. d. ges. Physiol., 143, S. 80; 1911. Später hat Straub auch beim natürlichen Kreislauf Kurven erhalten, an welchen ein deutliches Plateau zum Vorschein kommt (Deutsches Arch. f. klin. Med., 115, S. 552, 587). 132 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Mit jeder Kontraktion des Herzens beginnt in diesen Kurven der Druck von einem Werte, der nicht weit von Null abweicht, zu steigen, zuerst so allmählich, daß der Beginn der Erhebung nicht scharf zu bestimmen ist (y. Frey und Krehl), sodann aber sehr bald mit großer Steilheit. Gegen den Gipfel nimmt dann die Schnelligkeit des An- stieges wieder ab. Ist die Maximal- höhe erreicht, so beginnt der Druck ohne Verzug wieder zu sinken, zuerst mit zunehmender, dann mit abneh- mender Geschwindigkeit, bis der Wert Null erreicht ist. Wie die Figuren zeigen, vermissen wir hier das systo- lische Plateau, das den Kurven des ersten Typus so charakteristisch ist, vollständig. Die von Fick'^ in seiner zweiten Mitteilung veröffentlichten Kurven, welche mittels eines etwas modifizierten Manometers gewonnen sind, zeigen mit dem- jenigen von V. Frey und Krehl eine auffallende Übereinstimmung. Fig. 91. Druckkurven aus der Aorta und der linken Kammer. Nach C. Tigerstedt. 120 mm = 1 Sek. V'\g. 92. Druckkurve der linken Kammer und der Aorta (die obere Kurve) vom Hunde. Nach Piper. Von rechts nach links zu lesen. V, Vorhofsystole. Die von Rolleston^ sowie von Roy und Adami^ veröffentlichten Kurven stellen gewissermaßen einen intermediären Typus dar. Bei diesem (vgl. Fig. 98) steigt der Druck zuerst schnell, dann langsamer zum Maximum, sinkt danach schneller oder langsamer bis zu einem Punkte D, von welchem an er sehr steil gegen die Abszisse herabfällt. 1 Fick, Verhandl. d. Kongresses f. inn. Med., 5, S. 96; 1888. 2 Rollesion, Journ. of physiol., 8, S. 241; 1888. » Roy und Adami, The practitioner, 1890 (1), S. 161. Die Druckschwanknngen im Herzen während seiner Tätigkeit. 133 Etwa desselben Aussehens sind auch einige von Lüderitz registrierte Kurven, wie die von Bayliss und Stärlinge mitgeteilten Kurven (Fig. 99), nur ist der auf- steigende Schenkel we- sentlich steiler. Hierher gehört auch eine von 0. Frank und //^ss^ mitgeteilte schema- tische Druckkurve der linken Kammer. In einer im Institute Franks aus- gearbeiteten Abhandlung gibt Lambardt^ an, daß der Gipfel der Kammer- druckkurve (beimHunde) parallel der Aortadruck- kurve verläuft und die- selben charakteristischen Veränderungen wie die Aortadruckkurve zeigt. In allen diesen Fällen vermissen wir den ziem- lich symmetrischen Verlauf der beiden Äste in den Kurven von v. Frey und Krehl wie von Straub; andererseits ist das Plateau hier im Gegensatz zu den Kurven Fig. 93. Druckkurve der linken Kammer (Hund). Nach P/per. Von rechts nach links zu lesen. Fig. 94. Druck in der linken Kammer und der Aorta des Hundes. Nach Garten. Von links nach rechts zu lesen. von Chauveau und Marey öfters abgerundet und sinkt ziemlich schnell gegen die Abszisse herab. 1 Bayliss und Starling, Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., 11, Heft 9; 1894. - 0. Frank und Hess, Verh. d. Kongresses f. inn. Med., 25, S. 289; 1908. 3 Lambardt, Inaug.-Diss., Gießen 1910, S. 32. 134 Die mechanischen Leistungen des Herzens. p Sc^U'n.iU.e.rt. - iU> -ifO - 20Ü - Vo - fw -fia - fM> - /0 -m - 90 -7ff -6f —ro -(^ -lO -Z(? -f(? ^0 Vs^ Diese Variationen der von verschiedenen Autoren erhaltenen Kurven sind nicht von der Verschiedenheit der benutzten Tierarten bedingt, denn sie finden sich auch bei Versuchen an einer und der- selben Tierart vor. Sie müssen also von den verschiedenen Versuchsmethoden ver- ursacht sein. Wie schon bemerkt, liegt eine nähere Prüfung gerade der Apparate, welche Chauveau und Marey bei ihren Versuchen benutzten, nicht vor. Was wir aber sonst über die Registrierung mittels der Schreib- trommel wissen, deutet indessen darauf hin, daß, obgleich diese durch Eigen- schwingungen die Einzelheiten der Kurve verunstalten mag, der allgemeine Verlauf der Druckschwankungen im großen und ganzen richtig wiedergegeben sein dürfte.^ Auch dürften besonders bei den von Chauveau und Marey als Typen darge- stellten Kurven die Eigenschwingungen des Hebels, nach der Größe der Undula- tionen auf dem Plateau zu urteilen, ziemlich gering gewesen sein. Die Kritik der Wellenzeichner, welche Frank durchgeführt hat und die oben kurz zusammengefaßt worden ist, hat ergeben, daß unter den früher gebauten Manometern kein einziges in dem Maße zum Registrieren der Druckschwankungen in der Herzkammer genügt, wie das von ihm zuletzt gebaute Spiegelmanometer. Die mit diesem gewonnenen Kurven bieten indessen, wie aus Fig. 91 und 92 hervorgeht, genau denselben Typus dar, wie die von Chauveau und Marey und deren Nachfolgern erhaltene. D. h. bei der Systole findet sich zwischen dem aufsteigen- den und dem absteigenden Ast der Druckkurve ein Plateau vor, das entweder mehr oder minder stark aufsteigend oder parallel der Abszisse oder sogar sanft absteigend ist. Gegen die Kurve des Kammerdruckes in Fig. 91 hat H. Straub^ allerdings bemerkt, daß die Schwingungszahl des hier benutzten Manometers, wegen der Einfügung der Herzkanäle in die Leitung, erheblich kleiner als die von 0. Frank angegebene wäre und daß infolgedessen die richtige Form der Druckschwankung mehr oder weniger gefälscht wäre. Demgegenüber lassen sich indessen sowohl die beim vereinfachten Kreislauf von mehreren Autoren erhaltenen Kurven, wie vor allem die beim normalen Kreislauf gewonnenen Kurven von Garten (Fig. 94) mittels des Saitengalvano- meters und von C. TigerstedP (Fig. 100) mittels eines neuen Manometers von der Schwingungszahl 330 in der Sekunde (mit der Kanüle) gewonnenen Kurven zitieren, denn auch diese Kurven, die sich auf den Hund und die Katze {Garten}. Fig. 95. Druck in der linken Kammer beim vereinfachten Kreislauf und steigendem Wider- stand. Nach //. Straub. 1 Vgl. die Äußerung von Fick, Arch. f. d. ges. Phvsiol., 30, S. 597; 1883. ^IH. Straub, Deutsches Arch. f. klin. Med., 115, S. 532; 1914. ^ C. Tigerstedt, Acta Societ. scient. fenn., 48, Nr. 4. Die Druckschwankungen im Herzen während seiner Tätigkeit. 135 wie das Kaninchen (C. Tigerstedf) beziehen, bieten den typischen Verlauf mit einem gut ausgebildeten Plateau dar. V. Frey und Krehl^ und im Anschluß an sie Piper ^ heben noch hervor, daß der Typus mit dem systolischen Plateau durch eine fehlerhafte Lage der Sonde in der Herzkammer bedingt sei. Kurven dieser Form werden nach ihnen nämlich nur dann erhalten, wenn die Sonde so weit gegen die Herzspitze hin vorgeschoben ist, daß ihr offenes Ende in den Raum zwischen den Papillarmuskeln gerät und von 0 0 Fig. 96. Kurve 1 und 3 stammen vom rechten, 2 und 4 vom linken Ventrikel; 1 und 2 bei offenem, 3 und 4 bei geschlossenem Thorax. Künstliche Respiration. Nach V. Frey und Krehl. diesen zugeschlossen wird; dann ist es natürlich dem Manometer unmöglich, wei- tere Druckschwankungen zu verzeichnen. In Fig. 101 stelle ich nach v. Frey und Krehl eine Reihe von Kurven dar, welche den Einfluß dieses Umstandes auf den vom Manometer angezeigten Druckverlauf auf das deutlichste demonstrieren. Hierdurch scheint indessen die Differenz zwischen v. Frey und Krehl einer- seits und Chauveau und Marey sowie deren Nachfolgern andererseits nicht erklärt 1 V. Frey und Krelil, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1890, S. 40; — v. Frey, Die Unter- suchung des Pulses, S. 86. 2 Piper, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1912, S. 359. 136 Die mechanischen Leistungen des Herzens. werden zu können. Erstens benutzten Chauveau und Marey keine offene Sonde, sondern eine Ampulle, welche, soweit ich die Sachlage zu beurteilen vermag, bei den betreffenden Versuchen nie vollständig zusammengepreßt werden konnte. Ferner sind die Druckwerte, welche von Chauveau und Marey erhalten wurden, See lj \m- ^S 1/ S Fig. 97. Druckkurve von der linken Kammer der Katze. Nach Straub. AS, Vorhofsystole; VS, Kammersystole. Fig. 98. Intrakardiale Druckkurve, linke Kammer, Hund. Nach Rolleston. Von links nach rechts zu lesen. viel größer als diejenigen, welche die abgekappten Kurven v. Freys und Krehls zeigen. Bei diesen finden wir nach dem hier mitgeteilten Beispiel den Druck im Maximum nur etwa 50 mm Hg, während jene Kurven bedeutend höhere Druck- maxima aufweisen. Wären in der Tat die genannten Kurven durch eine etwaige VerSchließung der offenen Spitze der Sonde hervorgebracht, so würden auch die beobachteten Druckwerte viel geringer gewesen sein. Die Druckschwankungen im Herzen während seiner Tätigkeit. 137 Porter'^ suchte die Frage nach dem Vorhandensein eines Plateaus an der Kamnierdrucki / /-\ i_i u ^lijr ^ V 'S K ^) f ' .1 i T*-'— - ^ % . r— r^ v^ /^ui," " ( i"^ : 1 1 — ' — 1 l^^ — _J_J i ! _UJ 1^ / rrLT_ i ■ ■ 1 1 -\ \p' Li JCLL t 1 1 VA n 1 1 r ::: 7 _ _ t K — ■ _ — ; ^ 'sj .. j.- __ -^i kJ „J.-!tl — "— 1 1 4- p,.. .c-1 _1 h -\ — — V — - — -ij H— 1 . ^ - -\ — -- — 2^ J — 1 i*"^ (?' 1 /^ -N, L>^ , / "s / ' '"■v. y s ^... ... ^ J , ^•-'••:; — •sy / ^ ■* ^d4-= 1 "1 ' 1 n 1 ,_L . .,. "^ 1 i ! ' ! ] Fig. 108. Druckkurven aus der linken Kammer (1) und der Aorta (2,) Pferd. Nach Chauveaii und Marey. welche manchmal aus zwei Schwingungen besteht und nur wegen des steilen Druckanstieges nicht in der Druckkurve der linken Kammer vorkommt, als Aus- druck des Schlusses der Atrioventrikularklappen auffaßt. Beim Hunde ist die Dauer der Intersystole nach Wiggers'^ durchschnittlich etwa 0,024 Sek. Nachdem die Kammersystole begonnen hat, dauert es eine gewisse Zeit, bis die Kraft der Kontraktion genügend groß wird, um den von den Gefäßen aus auf die Semilunarklappen wirkenden Druck zu überwinden. Die tatsächliche Existenz einer solchen Anspannungs- oder Verschluß- zeit wurde zuerst von Chauveau und Marey^ nachgewiesen, indem sie zeigten, daß der Druckanstieg in der Aorta beim Pferde etwa 0,1 Sekunde nach dem Beginn der Kammersystole anfängt (vgl. Fig. 108, wo 1 die Druckkurve der linken Kammer 1 R. Tigersiedt, Ergebn. d. Physiol., 1 (2), S. 253; 1902. 2 Bard, Journ. f. physiol., 1906, S. 470. ' Piper, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1914, S. 369. * Wiggers, Amer. journ. of physiol., 42, S. 142; 1916. ^ Chauveau und Marey, a. a. O., 26, S. 298. Tigerstedt, Kreislauf. I. 2. Aufl. 10 146 Die mechanischen Leistungen des Herzens. und 2 die unmittelbar darauf durch Ausziehen der kardiographischen Sonde er- haltene Druckkurve der Aorta bezeichnet i). Es ist selbstverständlich, daß sich die Semilunarklappen in dem Moment eröffnen müssen, wo der Druck in der Kammer den in der Aorta gerade übersteigt. In den Kurven von Chauveau und Marey (vgl. Fig. 75 und 108) macht sich dieser Moment nicht durch eine besondere Unstetigkeit bemerkbar. Auch sämtliche folgende Autoren stimmen darin überein, mit alleiniger Ausnahme von Piper, der Versuche mitgeteilt hat, aus welchen er schließt, daß eine bestimmte Zacke genau dem Moment der Eröfnung der Semilunarklappen entspricht.2 Dieser Auffassung hat sich H. Straub^ angeschlossen, kurz nachher aber wieder verlassen.^ Wie aus der Fig. 109 ersichtlich, fallen bei gleichzeitig registrierten Druck- kurven aus der linken Kammer und der Aorta die mit S^ bezeichneten Zacken genau zeitlich zusammen. An der Aortakurve entspricht aber Si dem Moment, Fig. 109. Kurven der Kammer (die untere Linie) und des Aortadruckes (die obere Linie) bei der Katze. Nach Piper. Von rechts nach links zu lesen. in welchem der steile Druckanstieg beginnt, d. h. der Öffnung der Semilunar- klappen. Daraus folgt also, daß die Zacke 5^ an der Kammerdruckkurve, d. h. der Punkt, in welchem der ansteigende Druck eine deutliche Diskontinuität zeigt, einen Ausdruck der Öffnung der betreffenden Klappen darstellt. Diese Folgerung ist indessen nicht berechtigt. Wie Piper angibt^ war das zur Druckmessung in der Aorta benutzte Manometer in der Anonyma so eingebun- den, ,,daß es seitenständig zur Aorta lag". Zwischen dem in die Kammer hinein- geführten Manometer und dem Aortamanometer fand sich also die ganze auf- 1 Näheres über die Länge der Anspannungszeit in Kap. IX. 2 Piper, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1912, S. 350; — 1913, S. 347. — Über die entsprechende Deutung der Zacken am aufsteigenden Schenkel der Druckkurve der rechten Kammer vgl. Piper, ebenda, 1914, S. 369. 3 H. Straub, Deutsches Arch. f. klin. Med., 115, S. 548. * H. Straub, ebenda, 116, S. 410; 1914. 5 Piper, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1912, S. 346. Die Druckschwankungen im Herzen während seiner Tätigkeit. 147 steigende Aorta, deren Länge bei der erwachsenen Katze etwa 3 cm beträgt. Nun erfordert die Fortpflanzung der Pulswelle von der Aortawurzel bis zu der Ursprungs- stelle der Anonyma eine gewisse Zeit. Bei den Druckkurven von Piper entsprechen also die senkrecht übereinander stehenden Punkte nicht gleichzeitig stattfindenden Vorgängen, sondern die Aortadruckkurve muß, um den Vorgängen in der Aorta- wurzel zu entsprechen, etwas nach rechts verschoben werden. Dann hört aber die von Piper behauptete Koinzidenz auf, und aus seinen Versuchen folgt dann, wie aus denen der früherer Autoren, daß sich die Eröffnung der Semilunarklappen nicht durch irgendwelche Diskontinuität an der Kammerdruckkurve erkenntlich macht. ^ Die Wellen, welche in den Druckkurven von Chauveau und Marey auf der Höhe der Systole auftreten (vgl. Fig. 75, S. 123), wurden von den genannten Auto- ren als Schwingungen der Atrioventrikularklappen aufgefaßt. ^ Gegen diese Deu- tung ist indessen später von Marey^ selber ausgeführt worden, daß die in den gleich- zeitig geschriebenen Vorhofkurven auftretenden Wellen desselben Vorzeichens sind, während sie in dem betreffenden Falle in entgegengesetzter Richtung hätten verlaufen müssen. Er erklärt sie daher als Wellen, welche sich aus den großen Ar- terien in die Herzkammer fortpflanzen und von dorther unter Vermittelung der Atrioventrikularklappen auf den Vorhof übergehen. — Andere Autoren, wie d'Espine^, Fredericq^ und Stefani^, finden in diesen Wellen den Ausdruck dafür, daß die Kammerkontraktion aus drei einzelnen Muskelzuckungen zusammen- gesetzt ist. Dies wird aber durch andere Erfahrungen über die Natur der Herz- kontraktion (vgl. Kap. XVIII) mit aller Bestimmtheit widerlegt. Aller Wahr- scheinlichkeit nach stellen diese Wellen nichts anderes als Eigenschwingungen der schreibenden Apparate dar. Dasselbe ist sicherlich auch der Fall mit den Wellen, welche sich auf der Höhe der Systole in den Kurven von Freder icq (Fig. 89, S. 131) wie von Bayliss und Starling (Fig. 99, S. 137) vorfinden; denn man bekommt mit dem Frank- schen Manometer genau dieselben Kurven, wenn ein größeres (Fig. 110 A) oder kleineres (Fig. HOB) Luftbläschen in das Manometer eingeschlossen ist (C. Tiger- stedr). Dagegen dürften die Diskontinuitäten, welche bei den mit dem Frankschen Manometer aufgenommenen Druckkurven im Anfangsteil des Plateaus erscheinen, keine Kunstprodukte darstellen, sondern das Vorhandensein wirklicher Schwin- gungen im Blute angeben. In der Aortadruckkurve, deren Form von 0. Frank^ festgestellt worden ist und welche in Kap. XXV näher erörtert werden soll, findet sich (Fig. 1 1 1) im Ver- lauf des aufsteigenden Schenkels mehr oder weniger nahe dessen höchstem Punkte vor dem Plateau eine kleine Schwingung (ö), welche eine wirkliche Schwingung 1 Vgl. C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 31, S. 250; 1914; — Garten, Zeitschr. f. Bio!., .66, S. 45ff.; 1915. 2 Chauveau und Marey, a. a. O., S. 298. 3 Marey, La circulation du sang, S. 247. * d'Espine, Revue de mMecine, 1882, S. 7, 17. 5 Fredericq, Trav. du laborat., 2, S. 91 ; 1888. 6 Stefani, Mein, letta all' Academia med. chir. di Ferrara 11 5 agosto 1891, S. 69. ' C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 28, S. 43. 8 O. Frank, Zeitschr. f. Bio!., 46, S. 478; 1905. 10* 148 Die mechanischen Leistungen des Herzens. im Gefäßsystem ist. Nach dieser Anfangsschwingung steigt der Druck stetig wieder an und bildet ein mehr oder weniger ausgeprägtes Plateau, zeigt aber keine weiteren Wellen, bis ein rapides Herabsinken (b) erscheint, das dem Anfang der Herzdiastole entspricht. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieser Druckabfall (die Inzisur) durch eine Rückströmung des Blutes nach dem Herzen zu bedingt ist. Unmittelbar nach diesem Sinken folgt eine neue Drucksteigerung (c), mit einer Fig. IIOA. Intral) 5,9 5,5 58 100 94 Lindhard^ >> 6,2 5,2 62 100 84 „ 6,5 5,8 58 112 100 ») 7,1 6,4 60 118 107 X. 9,9 5,3 72 136 71 Frau M. 7,0 4,3 58 121 75 K. A. H. 9,4 5,4 62 151 87 W. M. B. 7,2 5,3 77 94 69 B. 3,5 3,4 54 60 58 Boothby^ Frau L. 4,8 3,8 76 62 51 Lundsgaard'^ C. L. . 10,3 6,0 80 129 75 In einer neueren Mitteilung geben Lindhard und HasseWalch^ für das (re- duzierte?) Minutenvolumen bei J. L., W. M. und K. A. H. bzw. 4,0 — 5,2, 4,1 — 5,2 und 7,2 — 7,5 Liter in der Minute an. Um die Zuverlässigkeit der Stickoxydulmethode nach Kroghs und Lindliards Verfahren zu prüfen, hat Fridericia^ an zwei Menschen das Minuten volumen sowohl nach derselben wie nach der ursprünglich von Fick vorgeschlagenen Methode bestimmt und dabei einen Unterschied von nur 8 — 10 Proz. gefunden. Die von ihm ermittelten Durchschnittszahlen sind für die Versuchsperson A, liegend: Minutenvolumen 6,5 Liter, Schlagvolumen 98ccm; für die Versuchsperson B, sitzend: Minutenvolumen 4,1 Liter, Schlagvolumen 61 ccm. Der von Krogh und Lindhard und ihren Nachfolgern bei den vorliegenden Versuchen beobachtete Sauerstoffverbrauch, der ja im Vergleich mit dem von ihnen an denselben Versuchspersonen sonst gefundenen sehr groß ist, zeigt ohne weiteres, daß von einer wirklichen körperlichen Ruhe keine Rede hier sein kann, und die von ihnen ermittelten Minutenvolumina sind daher auch als abnorm groß zu bezeichnen, wenn sie als Ausdruck des Blutstromes beim nicht arbeitenden Menschen gelten sollen. Auch haben die Autoren, wie oben bemerkt, unter Berücksichtigung der 1 Lindhard, Skand. Arch. f. Physiol., 30, S. 395; 1913. 2 Lindhard, Arch. f. d. ges. Physiol., 161, S. 268 ff.; 1915; daselbst eine eingehende Kritik ■der einschlägigen Methoden. 3 Boothby, Amer. journ. of physiol., 37, S. 399; 1915. ^ Lundsgaard, Undersögelser over hjaertets minutvolumen. Kopenhagen 1915, S. 53; — Deutsches Arch. f. klin. Med., 118, S. 395; 1916. ^ Hasselbalch und Lindhard, Biochem. Zeitschr., 68, S. 278; 1915. « Fridericia, Oversigt over det kongl. danske Videnskabernes Selskabs Forhandl., 1916, S. 156; — Biochem. Zeitschr., 85, S. 337; 1918. Die vom Herzen herausgetriebene Blutmenge. 205 normalen Sauerstoffaufnahme ihrer Versuchspersonen aus den direkten Beob- achtungen neue Werte fiär die wahre Stromstärke hergeleitet. Diese Herleitung setzt voraus, daß die Blutmenge, weiche die Lungen passiert, für die Aufnahme von je 100 ccm Sauerstoff (das Stromäquivalent, Lundsgaard^) gleich groß sein soll, daß also das Minutenvolumen eine eindeutige Funktion der Sauerstoffaufnahme ausmacht, denn sonst hat ja eine derartige Berechnung nur einen sehr bedingten Wert. Um diese Frage zu prüfen, habe ich für zwei von Lundsgaard und eine von Bootfiby mitgeteilte längere Versuchsreihen das Stromäquivalent berechnet. Bei der einen Versuchsperson Lundsgaards ergaben 24 Bestimmungen im Durch- schnitt 1,63, mit einem Minimum von 1,29 und einem Maximum von 1,90; bei der anderen geht aus 16 Bestimmungen ein Durchschnitt von 2,20, ein Minimum von 1,56 und ein Maximum von 1,93 hervor. Die 26 Beobachtungen von Bootliby ergeben als Mittel 1,34, Minimum 0,82, Maximum 2,06. Die Zahlen für das Stromäquivalent variieren also nicht unbeträchtlich sowohl von dem einen Individuum zum anderen, als auch bei einem und dem- selben Individuum. Die reduzierten Werte sind daher mit größerem Fehler als die ursprünglichen behaftet. ^ Schon vor Zuntz und Krogh hatte Bornstein^ zur Bestimmung der von dem linken Herzen herausgetriebenen Blutmenge eine Methode ausgebildet, wo er statt der Sauerstoffaufnahme die Stickstoffabgabe vom Blute als den maßgebenden Faktor benutzte. Hierbei wurden anfangs allerdings keine absoluten, sondern nur vergleichende Zahlen erhalten, weshalb die Methode zunächst zur Untersuchung der Veränderungen in der vom Herzen in der Zeiteinheit herausgetriebenen Blut- menge benutzt wurde. Läßt man einen Menschen ein stickstoffarmes Gasgemisch atmen, so tritt allmählich ein Teil des im Körper absorbierten gasförmigen Stickstoffes in das Atemgas über. Dabei gibt das die Lungenkapillaren passierende Blut seinen Stick- stoff an das Atemgas ab, so daß ersteres so gut wie frei von Stickstoff in die Organe zurückkehrt, dort sich mit dem in den Organen absorbierten Stickstoff sättigt und diesen Stickstoff wieder an die Lungenoberfläche transportiert, wo er nach den Gesetzen der Diffusion in das stickstoffarme Gemisch ausgeschieden wird. Außer anderen Faktoren (Fettgehalt des Körpers*, Körpergewicht und Blutmenge) hängt also die Größe der N-Ausscheidung von der Menge des Blutes ab, das in der Zeit- einheit die Lungen passiert, d. h. vom Minuten volumen. Kann man jene Faktoren, wie bei vergleichenden Versuchen an einem und demselben Individuum, als kon- stant betrachten, so gibt die Stickstoffausscheidung ein Maß für die Größe des Minutenvolumens. 1 Lundsgaard, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 118, S. 400. - Gegen die Verfahrungsvveise vonKrogh und Lindhard hat Sonne (Arch. f. d. ges. Physiol., 163, S. 75; 1915) bemerkt, daß hierbei die Luftmischung in den Lungen nicht genügend homogen gewesen ist, weshalb die Resultate dieser Autoren mit einer ,, unberechenbaren Unsicherheit" 'behaftet sind. Demgegenüber halten Krogh und Lindhard (Journ. of physiol., 51, S. 84; 1917) ihre früheren Resultate aufrecht und zeigen durch neue Versuche, daß die durch unvollständige Mischung der Lungenluft bewirkten Fehler bei der Bestimmung des Minutenvolumens des Herzens viel zu klein sind, um sich bei Versuchen an normalen Lungen geltend zu machen. 3 Bornstein, Arch. f. d. ges. Physiol., 132, S. 307; 1910. — Zur Kritik der Methode vgl. F. Müller, Zentralbl. f. Physiol., 25, S. 99; 1911. * Fett absorbiert sechsmal so viel Stickstoff wie Wasser. 206 Die mechanischen Leistungen des Herzens, Mit dieser Methode untersuchte nun Bornstein die Einwirkung körperlicher Arbeit, verstärkter Atmung, warmer und kalter Bäder.i Kauffmann^ behandelte die Frage nach der Einwirkung des Schmerzens und der Digitalis auf die Herz- arbeit des normalen Menschen. Bei dieser Methode existiert noch eine Fehlerquelle, auf welche Bornstein selber die Aufmerksamkeit gerichtet hat^: die großen Mengen Stickstoff, die in den Lungen enthalten sind, müssen erst entfernt werden, was dadurch ge- schieht, daß man eine gewisse Zeitlang aus einem besonderen Sack Sauerstoff atmen läßt. Dieser Versuch, der gleichzeitig zur Bestimmung der Residualluft dient, dauerte bei Bornsteins älteren Versuchen 20 Sekunden. Dabei blieben aber noch geringe Stickstoffmengen in den Lungen zurück. Dieselben schadeten weiter nichts, wenn es sich darum handelte, vergleichende Werte am gleichen Individuum zu erhalten. Um absolute Werte zu bekommen, muß man auch die letzten Reste des Stickstoffes aus den Lungen entfernen. Dies geschieht einfach dadurch, daß der Vorversuch länger ausgedehnt wird. Nach einer zu diesem Zwecke vorgenommenen Modifikation, die hier nicht näher beschrieben werden kann, bekam Bernstein^ für das Minutenvolumen des ruhenden Menschen etwa 3—5 1. Die Pulsfrequenz ist in der kurzen Mitteilung, die bis jetzt vorliegt, nicht angegeben. Wenn dieselbe auf 70 pro Minute geschätzt wird, würde das Schlagvolumen etwa 43—70 ccm betragen haben. Auch wenn in bezug auf die Einzelheiten der Methodik mancherlei noch zu verbessern ist, dürfte dennoch, soviel sich die Sache zurzeit übersehen läßt, die Berechnung des Blutvolumens auf Grund des respiratorischen Gaswechsels wenig- stens beim ruhenden Menschen ganz befriedigende Resultate gegeben haben. Bevor diese, auf direkte Versuche gestützten Angaben gewonnen waren, war man gezwungen, auf Grund verschiedener, mehr oder weniger wahrscheinlicher Annahmen, das Schlagvolumen des menschlichen Herzens zu berechnen. Ich stelle die wichtigsten der solcherart gewonnenen Zahlen hier zusammen. Größe des Schlagvolumens des menschlichen Herzens nach Fick^ 77 ccm Plac^ 63—80 „ Zuntz'' 61 „ V. Hoesslin^ 76 ,, Fick^ 50—73 „ 1 Bornstein, Zeitschr. f. exp. Pathol., 9, S. 387; 1911; — 14, S. 147; 1913. 2 Kauffmann, ebenda, 12, S. 165; 1913. 3 Vgl. Kauffmann, ebenda, 12, S. 165; 1913. * Bornstein, Mitteil, beim Physiologenkongreß in Groningen, 1913. ^ Fick, Sitz.-Ber. d. phys.-med. Gesellsch. in Würzburg, 1870, S. XVI. Das Minutenvolumen wurde auf Grund der vorliegenden Angaben über die Größe des Sauerstoffverbrauches und den Unterschied des Sauerstoffgehaltes im venösen und arteriellen Blute berechnet. ^ Place, Verh. d. niederl. Akad. d. Wiss. zu Amsterdam, 28. Nov. 1886; zit. nach Loewy und V. Schrötter, Zeitschr. f. exp. Pathol., 1, S. 97 des SA. Berechnung wie bei Fick. ' Zuntz, Deutsche med. Wochenschr., 1892, Nr. 6 u. 13. Berechnung wie bei Fick. 8 V. Hoesslin, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 66, S. 126; 1899. Berechnung wie bei Fick. * Fick, Unters, aus dem physiol. Laborat. d. Züricher Hochschule, 1, S. 66; 1869. Fick ging hier von der plethysmographischen Kurve des Armes aus. Unter gewissen Voraussetzungen schloß er daraus, daß die Stromstärke in der Axillaris bei zwei Versuchspersonen 3,9 und 5,9 ccm pro Sekunde betrug. Er nahm nun an, daß die Stromstärke in der Subklavia doppelt so groß war und, nach Vierordt, daß die Stromstärke in der Subklavia zu der in der Aorta sich wie 26 : 207 verhielt. Er bekam also für die Stromstärke in der Aorta in dem einen Falle 2 x 3,9 x 207/26 = 62, in dem anderen 2 x 5,9 x 207/26 = 94 ccm. Da die Pulsfrequenzen gleich 74 bzw. 77 waren, be- trugen also die Schlagvolumina 50 bzw. 73 ccm. Die vom Herzen herausgetriebene Blutmenge. 207 Hoorweg^ 45 ccm Stewart- 80 ,, TigerstedP 51—69 „ Die durch die Methodik von Fick in ihrer weiteren Ausarbeitung von Loewy und V. Sclirötter, Plesch, Schapals, Zuntz, Müller und Markoff, Krogh, Lindhard, HasseWalch, Lundsgaard, Fridericia und Bornstein gewonnenen Zahlen für das Schlagvolumen des ruhenden erwachsenen Menschen sind: Loewy und v. Sclirötter 33 — 55 — 139 ccm Plesch 40— 78 ccm Scfiapals 43— 84 „ Zuntz, Müller und Markoff 48— 97 ,, Krogh und Lindhard* 39— 95 ,, Lindhard^ 51— 117 „ Boothby^ 58 „ Lundsgaard^ 51 — 75 „ Bornstein 43— 70 „ Die Zahl der hierhergehörigen Bestimmungen ist noch viel zu klein, um das Fixieren eines Normalwertes zu gestatten. Soviel sich aus den vorliegenden Er- mittlungen schließen läßt, dürfte indessen beim ruhenden erwachsenen Menschen das Schlagvolumen des Herzens etwa auf 50 bis 60 ccm oder etwas mehr geschätzt werden können. Bei einer mittleren Pulsfrequenz von 70 macht dies 3500 bzw. 4200 ccm pro Minute. Wenn wir nach Suter^ den Aortaumfang des Menschen bei mittlerem Blut- druck zu etwa 10 cm schätzen, was einem Querschnitt von etwa 8 qcm entspricht, so erhalten wir für die mittlere Stromschnelle des Blutes in der Aorta des Menschen 73—87 mm pro Sekunde. Die maximalen Pulsvolumina von Loewy- Schrötter und Lindhard ergeben, unter Annahme derselben Pulsfrequenz, 202 bzw. 170 mm. Bei körperlicher Arbeit steigt, wie beim Pferde (vgl. oben, S. 200), auch beim Menschen die vom linken Herzen herausgetriebene Blutmenge ganz erheblich an. Als Beispiel davon sei erwähnt, daß Krogh und Lindliard dabei ein Minutenvolumen von 21,2 1 und in einem anderen Falle ein solches von 17,2 1 beobachtet haben. 1 Hoorweg, Arch. f. d. ges. Physiol., 46, S. 178; 1890. Hoorweg führte die gleiche Rechnung wie Fick (Fußnote 9, S. 206) auf Grund der bei jedem Herzschlag stattfindenden Erweiterung der Karotis aus. Nach seinen Ausführungen würden dabei pro Herzschlag 5 ccm Blut passieren. Daraus berechnet Hoorweg unter Anwendung des von Henle angegebenen Durchmessers der hier in Betracht kommenden Arterien das Schlagvolumen des Herzens zu 44,7 ccm. 2 Stewart, Journ. of Physiol., 22, S. 173; 1697. Von seinen Bestimmungen des Schlagvolumens beim Hunde ausgehend, macht Stewart folgende Überlegung. An einem Hunde von 27,9 kg Körper- gewicht betrug das Schlagvolumen bei einer mittleren Pulsfrequenz von 69 pro Minute 46,7 ccm, d.h. 0,177 Proz. des Körpergewichts; das Sekundenvolumen war also 0,203 Proz. des Körpergewichts. Bei einem Menschen von 70kg muß das Sekundenvolumen erheblich kleiner sein. Stewart schätzt es zu 0,150 Proz. des Körpergewichts, und bekommt also für das Sekundenvolumen 105 g und für das Schlagvolumen, bei einer Pulsfrequenz von 72, 87 g = 80 ccm. 3 R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 3, S. 242; 1891. Wenn man aus der Blutmenge pro Minute und Kilogramm Körpergewicht beim Kaninchen das Schlagvolumen beim Menschen be- rechnen darf, würde dieses gleich etwa 51 ccm sein. Wenn die Dauer eines ganzen Kreislaufes beim Kaninchen und Menschen dieselbe wäre, so würde man für das Schlagvolumen des letzteren 69 ccm bekommen. 4 Die reduzierten Zahlen. 5 Suter, Arch. f. exp. Pathol., 39, S. 316; 1897. 208 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Im letzten Falle war die Pulsfrequenz 152 pro Minute; bei jedem Herzschlag wurde also 113 ccm Blut herausgetrieben.^ Wie das Minuten- und Schlagvolumen des Herzens sonst, unter dem Einfluß verschieden großer venöser Zufuhr, verschieden großer Pulsfrequenz, verschieden großen Widerstandes in den Arterien, bei körperlicher Arbeit usw. variiert, wird im Anschluß an die Darstellung der Blutströmung in den Arterien näher be- sprochen werden. Neuntes Kapitel. Die zeitlichen Verhältnisse der Herzbewegung. § 25. Angaben über die Dauer der einzelnen Phasen der Herztätigkeit. a) Die Vorhofsystole. Nach den Versuchen von Chauveau und Marey beträgt beim Pferde die Dauer der Vorhofsystole bis zum Druckmaximum etwa 0,1 Sekunde^. Beim Hunde ist die Dauer der Vorhofsystole durchschnittlich 0,111 Sek.; das Druckmaximum erscheint etwa in der Mitte dieser Zeit (Wiggers^). Fig. 158. Kurven aus dem rechten Vorhof (Od) und der rechten Kammer {V d) beim Menschen. Nach Frangois-Franck. An Menschen mit angeborenem oder erworbenem Defekt der vorderen Brust- wand oder mit Dislokation des Herzens in die Bauchhöhle, sowie unter Anwendung des Ösophaguskardiogrammes (vgl. S. 176) hat man die Bewegungen der Vorhöfe graphisch registrieren können und dabei für die Dauer ihrer Systole etwa dieselbe Zeit gefunden.* Als Belege teile ich nach Frangois-Franck^ in Fig. 158 die Kurven von dem rechten Vorhof und der rechten Kammer bei einer Kranken mit, an welcher das Herz in die Bauchhöhle disloziert war. 1 Krogh und Lindhard, Skand. Arch. f. Physiol., 27, S. 123; 1912. — Die Angabe von Bornstein (Fortschr. d. Med., 1912, S. 269), daß das Pulsvolumen des Menschen bei exzessiver körperlicher Arbeit auf etwa 400 bis 450 ccm ansteigen kann, ist einfach unmöglich, da die Herzhöhlen des Menschen bei weitem nicht eine solche Blutmenge fassen können. Vgl. darüber Henderson und Prince, Amer. journ. of physiol., 35, S. 116; 1914. 2 Chauveau und Marey, a. a. O., 26, S. 289. ^ IV/ggers, Amer. journ. of physiol., 40, S. 227; 1916. * Rautenberg, Samml. klinischer Vorträge, n. F. 557—558, S. 107; 1909; — Eiienne, Arch. intern, de physiol., 12, S. 18; 1912. 5 Frangois-Franck, Trav. du laborat. de Marey, 3, S. 311 ; 1877; vgl. auch die oben (S. 174) angeführte Literatur. Die zeitlichen Verhältnisse der Herzbewegung. 209 b) Die Anspannungszeit der Kammern. An der intrakardialen Druckkurve wie am typischen Kardiogramm, wenn nicht die Vorhofkontraktion dabei störend eingreift (vgl. S. 171), beginnt die Kam- mersystoie da, wo der steile Anstieg der Kurve anfängt. Bis der Druck in der linken Kammer so weit gestiegen ist, daß er den von der Aorta aus wirkenden Widerstand zu überwinden vermag, verstreicht, wie schon hervorgehoben (S. 1 45), eine gewisse Zeit, dieAnspannungs- oder V erschlußzeit. Diese Zeit wird an Tieren dadurch bestimmt, daß man an den gleichzeitig geschrie- benen Kurven des Kammer- und Aortadruckes (beim letzteren natürlich ganz in der Nähe der Klappen) an ersteren den Punkt bemerkt, bei welchem der Aortadruck gerade beginnt anzusteigen(vgl.Fig. 159 sowie Fig. 103, 104, 108 und 112). Auch kann man zuerst die Kammer- druckkurve registrieren, dann die Sonde von der Kammer in die Aorta hinausziehen und beide Kurven miteinander vergleichen (s. Fig. 108) oder mittels eines Differentialmano- meters, nach dem Vorgange von Hürthle, den Augenblick gleichen Druckes in der Aorta und der linken KaiT|mer feststellen (Fig. 113). Endlich gibt die Dauer der zweiten Vor- schwingung in der Kurve des zentralen Arterienpulses (vgl. Kap. XXXII) die der Anspannungszeit genau an. Fig. 159. Druckkurven der Aorta (A) und der linken Kammer (V) beim Hund. Nach Hürthle. Die Dauer der Anspannungszeit wurde von Chaiiveau und Marey'^ beim Pferde gleich 0,1 Sekunde angegeben. Beim Hunde hat Hürthle^ sie gleich 0,02—0,04 Sekunde gefunden. Fredericq, welcher früher eine größere Zahl für die Dauer der Anspannungszeit bekommen hatte, bestätigte bei neuen Versuchen am Hunde das Ergebnis von Hürthle.^ Zahlen derselben Ordnung sind ferner von Lüderitz'^ (0,04 bis 0,06 Sek.) und de Heer"^ (0,03 bis 0,05) gefunden worden. Bei der Katze fand Piper^ die Anspannungszeit der beiden Herzkammern gleich 0,05 Sekunde. Beim Kaninchen ist die Anspannungszeit der linken Kammer nsLCh Lüderitz'' und C. Tigerstedt^ 0,02—0,04 Sekunde, also derselben Größe wie beim Hunde. 1 Chauveau und Marey, a. a. O., 26. S. 305. 2 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 49, S. 61 ; 1891. 3 Fredericq, Zentralbl. f. Physiol., 6, S. 259; 1892. « Lüderitz, Zeitschr. f. klin. Med., 20, S. 374; 1892. 5 de Heer, Arch. f. d. ges. Physiol., 148, S. 16; 1912. Die Bcstimmimgen wurden am dezere- brierten Hunde ausgeführt. 8 Piper, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1912, S. 357, 366. 7 Lüderitz, a. a. O., 20, S. 374. 8 C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 29, S. 247. Tigerstedt, Kreislauf. 1. 2. Aufl. 14 210 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Von vornherein sollte man glauben, daß die Höhe des zu Beginn der Systole in der Aorta herrschenden Blutdruckes einen großen Einfluß auf die Dauer der Anspannungszeit ausüben würde. Dies ist indessen nur bei einem ganz niedrigen Druck der Fall, und dann nähert sich auch die Anspannungszeit dem Werte Null. Sonst zeigt sich aber diese Zeit verhältnismäßig wenig von dem Aortadruck ab- hängig. Beim Wechsel des arteriellen Druckes zu Beginn der Systole zwischen 58 und 140 mm Hg variierte die Anspannungszeit nur zwischen 0,022 und 0,038 Se- kunde; ihre kürzeste Dauer von 0,022 Sekunde fand bei einem arteriellen Drucke von 136 mm, ihre größte von 0,038 Sekunde bei einem solchen von 95 mm Hg statt {Hürthle). Wie Hürihle aber bemerkt, ist der Aortadruck kein genaues Maß der An- strengung, welche der Kammermuskel während der Anspannungszeit macht, denn auch der am Ende der Diastole in der Kammer vorhandene Druck unter- liegt Schwankungen, und man muß daher die Differenz zwischen Kammer- und Aortadruck für die Leistung des Herzens in Betracht ziehen. In diesem Falle findet man die Anspannungszeit weit mehr in gleichem Sinne mit der Druckdiffe- renz wechseln, als in der vorhergehenden Zusammenstellung mit dem jeweiligen Werte des Aortendruckes. Wir finden z. B. bei einer Zahl aufeinander folgender Pulse bei einer Druckdifferenz von 50—59 mm Hg die Anspannungszeit 0,017, bei einer Differenz von 60-70: 0,019, 0,020, bei einer Differenz von 89-90: 0,022, von 100 mm: 0,025, von 112: 0,030, von 125-128: 0,030-0,027. Bei diesen Be- obachtungen fielen aber hohe Werte des diastolischen Kammerdruckes mit nie- deren des arteriellen zusammen, und umgekehrt. Es läßt sich deshalb nicht ent- scheiden, ob die Dauer der Anspannungszeit mehr durch den Kammer- oder durch den Aortendruck beeinflußt wird. Übrigens sind die Variationen in der Dauer der Anspannungszeit verhältnismäßig unbedeutend im Vergleich zu den großen Schwankungen der Druckdifferenz. Wenn die Schlagfolge des Herzens nach Durchschneidung seiner Hemmungs- nerven oder durch Reizung seiner beschleunigenden Nerven verändert wird, zeigt die Anspannungszeit nur sehr geringe und nicht immer im gleichen Sinne gehende Variationen.^ Auch für das Kaninchenherz gilt, daß die Anspannungszeit bei verschiedener Druckhöhe im Moment der Klappenöffnung sehr konstant ist; so war die An- spannungszeit in einem Versuch 0,038—0,037 Sekunde bei einem Druck von 73 bis 139 mm Hg, und in einem anderen 0,042—0,039 bei einem Druck von 34 bis 119 mm Hg. Der diastolische Kammerdruck war dabei immer gleich Null (C. 7/- gerste.dt^). Beim Katzenherzen fanden Weitz und Grauer^, daß die Anspannungszeit durch Abklemmung der Bauchaorta nur ganz wenig zunahm, bei manchen Ver- suchen aber sogar abnahm. Dagegen ergab die Abklemmung der Vena cava inf. sowie die Verlangsamung der Herzfrequenz durch Abkühlung des Sinusknotens eine Verlängerung der Anspannungszeit. Beim Menschen ist die Anspannungszeit im allgemeinen auf Grund fol- gender Betrachtungen ermittelt worden. 1 Hürthle, Arch. f. d. ges. PhysioL, 49, S. 61; 1891. - C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. PhysioL, 29, S. 247. 3 Weitz und Grauer, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 116, S. 512; 1914. Die zeitlichen Verhältnisse der Herzbewegung. 211 Bei jedem Herzschlage entsteht, wenn das Blut in die Aorta hineingetrieben wird, in den Arterien eine Weilenbewegung (der Arterien puls), welche sich mit einer gewissen Geschwindigkeit durch das arterielle System fortpflanzt. Ferner entsteht in typischen Fällen im Beginn der Kammersystole der Herzstoß, welcher wie der Puls graphisch registriert werden kann. Wenn wir an einer mit zweckmäßiger Geschwindigkeit rotierenden Schreib- fläche den Puls zweier Arterien, z. B. der A. carotis und der A. radialis, aufzeichnen, so finden wir, daß die beiden Kurven nicht gleichzeitig von der Abszisse empor- steigen, sondern daß der Karotispuls früher als der Radialispuls beginnt (vgl. Fig. 160), was darauf beruht, daß die Fortpflanzung der Pulswelle eine gewisse Zeit erfordert. In dem speziellen Falle, der in Fig. 160 wiedergegeben ist, betrug Fig. 160. Synchronisch geschriebene Pulskurven von Karotis (die obere Linie) und Radialis (die untere Linie). Nach Edgren. Fig. 16L Synchronisch geschriebene Kurven des Herzstoßes (//) und des Karotis- pulses (die obere Linie). Nach Edgren. diese zeitliche Differenz 0,0786 Sekunde. Die Bahn von den Semilunarklappen bis zu dem Punkt der A. carotis, deren Pulsationen geschrieben wurden, betrug etwa 20 cm, und die Bahn von den Semilunarklappen zu der A. radialis 80 cm. Der dem gefundenen Unterschied entsprechende Weg ist also 60 cm. Hieraus berechnet sich die Fortpflanzungszeit vom Herzen bis zu A. carotis zu 0,0262 Se- kunde und vom Herzen zu A. radialis zu 0,1048 Sekunde. Schreibt man nun gleichzeitig den Herzstoß und den Karotispuls, so findet man (Fig. 161), daß sich die Kurve des Herzstoßes nicht unbeträchtlich früher als die des Karotispulses von der Abszisse abhebt. Dies ist natürlich, denn wir wissen ja, daß die Fortpflanzung der Pulswelle von den Semilunarklappen zu A. carotis eine Zeit von 0,0262 Sekunde erfordert, — was bei der stattgefundenen Rotations- geschwindigkeit des Zylinders einer Länge von 1,3 mm entspricht. Wird diese Länge aa-^ an der Karotiskurve abgestochen, so bleibt noch ein Stück a^ b^ übrig, 14* 212 Die mechanischen Leistungen des Herzens. bevor die Pulswelle sich erhebt. Dieses Stück entspricht der Anspannungszeit, die in dem hier vorliegenden Falle 0,092 Sekunde beträgt. ^ Die folgende Tabelle enthält eine Zusammenstellung einiger von verschie- denen Autoren ermittelten Werte für die Anspannungszeit beim Menschen. pannungszeit Autor 0,1 Marev'^ 0,073 Rive^ 0,085 Landois* 0,096—0,087 Edgren^ 0,07 Grunmach ^ 0,054 Keyi^ Anspannungszeit Autor 0,06 Hürthle' 0,02—0,04 Schmidt^ 0,07—0,10 Hochhaus^ 0,05 R. Tigerstedt^'* 0,07—0,085 Robinson u. Draper^^ 0,05 0. Hess^'~ c) Die Zeit des Druckanstieges. Vom Beginn des Druckanstieges bis zum ersten Druckmaximum in der Kam- mer (vgl. S. 139) vergeht, wie aus der folgenden Zusammenstellung hervorgeht» eine sehr kurze Zeit. Die Versuche sind am Kaninchen ausgeführt. Nr. Primärer Druckanstieg in der linken Kammer; mm Hg Dauer dieses Druckanstiegs; Sek. Der Druck steigt 10 mm Hg in Sek. Anmerkungen I 1 125 0,033 0,0026 Normal 2 68 0,032 0,0046 Depressorreizung 3 131 0,033 0,0025 Normal 4 84 0,032 0,0039 Depressorreizung 5 138 0,032 0,0023 Normal II 1 110 0,045 0,0041 Normal 2 117 0,042 0,0036 Adrenalin 3 130 0,039 0,0030 )> 4 154 0,037 0,0024 >> Trotz dem sehr variierenden Druck ist die Dauer des Anstiegs in einem und demselben Versuch etwa dieselbe, oder (II) bei einem höheren Druck sogar kürzer als bei einem niedrigen ; daraus folgt, daß die Drucksteigerung um so steiler er- folgt, je höher der Druck ansteigt, wie dies auch aus der vierten Spalte der Tabelle hervorgeht (C. TigerstedÜ^). 1 Edgren, Skand. Arch. f. Physiol., 1, S. 121; 1889. 2 Marey, La circulation du sang, S. 118. 3 Rive, De sphygmograaf en de sphygmographische Kurve. Utrecht 1866, S. 68. * Landois, Die Lehre vom Arterienpuls, S. 304. s Grunmach, Arch. f. pathol. Anat., 102, S. 569; 1885. ® Keyt, Sphygmography and cardiography. New Nork und London 1887. 7 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 49, S. 98; 1891. 8 Schmidt, Zeitschr. f. klin. Med., 22, S. 405; 1893. « Hochhaus, Arch. f. exp. Pathol., 31, S. 420; 1893. 10 R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 20, S. 255; 1908. Nach der zweiten Vorschwin- gung gemessen, 11 Robinson und Draper, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 100, S. 353; 1910. Daselbst auch Angaben über die Anspannungszeit bei Herzkrankheiten. Vgl. in dieser Hinsicht ferner Pezzi^ Journ. de physiol., 1913, S. 1178; — Swann und Janorin, Arch. of int. med., 12, S. 117; 1913 (zit. nach dem Zentralbl.); — A. Müller und Breuer, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 104, S. 119; 1911. 12 0. Hess, Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk., 14, S. 461; 1915. 13 C. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 28, S. 59; 1912. ^ Die zeitlichen Verhältnisse der Herzbewegung. 213 d) Die Austreibungszeit. Nach der Öffnung der Klappen wird das Blut vom Herzen in die Gefäße so lange getrieben, als der Druck in der Kammer höher ist als in der Aorta bzw. der Lungenarterie. Da wir nun gesehen haben (s. S. 150), daß der Aortadruck erst zu Beginn des steilen Abfalles der Kammerdruckkurve dem Kammerdruck gleichkommt, so muß die Austreibung von der Eröffnung der Semilunarklappen bis zu diesem Punkte erfolgen. Die in dieser Weise umgrenzte Austreibungszeit ist bei der linken Kammer von dem in der Aorta zu Beginn der Systole stattfinden- den Druck, sowie von der Pulsfrequenz nur in einem sehr geringem Grade abhängig und beträgt nach Hürthle beim Hunde 0,178—0,195 Sekunde.^ e) Die Dauer der Systole und Diastole der Kammern. Das Ende der Kammersystole wird von verschiedenen Autoren in etwas ver- schiedener Weise abgegrenzt, indem z. B. Hürthle^ dasselbe zu Beginn der steilen Druckabnahme verlegt, andere dagegen, wie BaxP und v. Frey^ es zu dem Punkt, wo die Kurve ihren tiefsten Stand erreicht, zählen. Mit letzterem stimmt die von Volkmann^ und Donders^ benutzte Abgrenzung der Kammersystole als dem Inter- vall zwischen den beiden Herztönen ziemlich genau überein. Ich gebe gern zu, daß die eine Auffassung ebenso berechtigt wie die andere sein mag. Nach Hürthle hört die Systole auf, wenn ihre mechanische Leistung für die Strömung des Blutes endet. Nach dem, was wir durch die Untersuchungen über die Leistungen des Herzens sonst wissen, hört aber die Tätigkeit sämtlicher Herzmuskelfasern nicht in diesem Moment vollständig auf, sondern dauert noch tine Zeitlang (die Entspannungszeit) weiter fort. Die Abgrenzung von ßöx/und V. Frey bezieht sich also genauer auf die ganze Zeit, während welcher die Herz- kammern in einem größeren oder geringeren Grade tatsächlich zusammengezogen sind. Dagegen ist der Abstand zwischen den beiden Herztönen, so bequem er auch sein mag, doch physiologisch und mechanisch nicht vollständig befriedigend, denn er schließt ja einen Teil der Entspannungszeit, nicht aber die ganze Dauer derselben, ein und wird also eine zwischen die anders begrenzten Systolendauern fallende Zeit darstellen. Jedoch wird dieser Abstand ganz allgemein der Systolendauer gleich gesetzt, und der dadurch bedingte Fehler hat auch keine wirkliche Bedeutung. Für die Kenntnis der Leistung der Herzkammern ist es von keinem geringen Interesse, die Schwankungen in der Dauer der Kammersystole zu untersuchen. Zu diesem Zwecke stellte Volkmann zwei Metronome so, daß die Schwingungsdauer des einen dem Abstand zwischen dem ersten und zweiten Herzton gleichkam, die des anderen mit demjenigen zwischen dem zweiten und dem nächstfolgenden ersten Herzton zusammenfiel. In dieser Weise fand er, daß bei einer Pulsfrequenz von 84 Schlägen die Dauer des ersten Abstandes (der Kammersystole) 0,375 Sekunde, die des zweiten (der Kammerdiastole) 0,380 Sekunde betrug. '^ Mittels eines Signalapparates markierte Donders die beiden Herztöne an 1 Hürthle, Arch. f. d. ges. Physiol., 49, S. 65. - Hürthle, ebenda 49, S. 84. ^ Baxt, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1878, S. 131. * V.Frey, Die Untersuchung des Pulses, S. 119 — 122. ^ Volkmann, Hämodynamik, S. 362; 1850. « Donders, The Dublin quarterly Journal of medical science, 1868, S. 225. ' Volkmann, a. a. O., S. 363—364. 214 Die mechanisciien Leistungen des Herzens. einem mit gleichmäßiger und bekannter Geschwindigkeit rotierenden Zylinder. Der Fehler bei der Markierung betrug im Durchschnitt nur 1,25 Proz. von einer ganzen Herzperiode und selten mehr als 2,5 Proz. von derselben. Bei Menschen, deren Pulsfrequenz zwischen 74 und 94 Schlägen in einer Minute schwankte, fand er für die Kammersystole eine Dauer von 0,327—0,301 Sekunde. Die Systole wird also bei einer größeren Pulsfrequenz kürzer, jedoch nicht proportional zur Frequenz, denn bei den betreffenden Fällen verhielt sich die Frequenz wie 100 : 127, die Dauer der Systole aber wie 109:100. Diese verhältnismäßig große Gleichmäßigkeit be- obachtete er auch bei einem Menschen mit sehr seltenem Puls, 32 Schläge in einer Minute. Die Dauer der Systole schwankte bei diesem zwischen 0,307 und 0,324 Sek. Bei stark beschleunigter Herztätigkeit, die durch Muskelarbeit hervorgerufen war, nahm jedoch die Dauer der Systole nicht unbeträchtlich ab. Wenn die Fre- quenz der Herzschläge sich von 63 bis auf 124 in der Minute erhöhte, sank die Dauer der Systole von 0,382 Sekunde auf 0,199 Sekunde herab.^ Landois fand bei einem gesunden Mann in liegender Stellung die Dauer der Systole (gleich demZeitunterschied zwischen den kardiographisch bestimmten beiden Herztönen) 0,300—0,327 Sekunde bei einer Pulsfrequenz von 55—65 in einer Minute^, sowie die Variationen der Systolendauer bei einer zwischen 55 und 1 13 pro 1 Sekunde schwankenden Pulsfrequenz 0,346—0,190.^ Edgren hat durch genaue Messungen bei einem Mann mit einer Pulsfrequenz von 70 Schlägen in einer Minute dieDauerderSystole(gleichdemZeitunterschied zwischen den Herztönen) zu 0,379 Sekunde und die der Diastole zu 0,483 Sekunde ermittelt.* in einer langen Beobachtungsreihe fand Thurston, daß bei einer Pulsfrequenz, zwischen 47 und 1 28 variierend, die Dauer der Systole (gleich der£ntfernung zwischen der primären und der dikrotischen Erhebung der Pulskurve) zwischen 0,347 und 0,256 schwankte. Das Verhältnis der Pulsfrequenz ist wie 100 :270, das der Dauer der Systole wie 136 :100.=^ Aus Roos' Messungen der Entfernung des Beginns der beiden Herztöne seien folgende Zahlen hier mitgeteilt.« Nr. Pulsfrequenz pro Min. Versuchsperson Dauer der SystoJe; Sek. Dauer der Diastole; Sek. Anmerkungen 1 1 62 A 0,327 0,639 Ruhe 2 81 A 0,313 0,371 Arbeit 3 74 B 0,328 0,432 Ruhe 4 68 B 0,335 0,554 Angst 5 73 B 0,282 0,538 Nach Arbeit 6 74 C 0,302 0,510 Ruhe 7 80 C 0,318 0,429 Nach Arbeit 8 46 D 0,345 0,957 Ruhe 9 68 D 0,266 0,621 Arbeit 10 69 E 0,306 0,561 Normal " 160 E 0,202 0,173 Tachykardie 1 Donders, The Dublin quarterly Journal of medical science, 1868, S. 225 — 243. 2 Landois, Die Lehre vom Arterienpuls, S. 307. ^ Landois, Graphische Untersuchungen über den Herzschlag, S. 66. * Edgren, a. a. O., 1, S. 150. ^ Thurston, Journal of anat. and physiol., 10, S. 499; 1876. Vgl. auch Stockmann, Über das zeitliche Verhältnis der Dauer der Systole zur Dauer der Diastole. Inaug.-Diss. Königsberg 1889. 6 Roos, Verh. d. Kongr. f. inn. Med., 25, S. 649; 1908; — Deutsch. Arch. f. klin. Med., 92, S. 327; 1908. Die zeitlichen Verhältnisse der Herzbewegung. 215 An 107 herzgesLinden Menschen fanden A. Weber und A. Wirtli^, daß die Dauer der Systole (gleich der zeitlichen Differenz zwischen den Herztönen) zwischen 0,25 und 0,35 Sekunde variierte. Bei einem und demselben Individuum kann die Dauer der Systole während einer halben Stunde trotz Variationen der Pulsfrequenz ganz konstant sein; die Variationen der Herzperiode betreffen also hier nur die Diastole. An verschiedenen Tagen treten dagegen nicht unbedeutende Schwan- kungen der Systolendauer auf; so betrug z. B. bei einer Versuchsperson während einer Periode von 14 Tagen die maximale Dauer der Systole 0,35, die minimale 0,28 Sekunde. Dabei waren die Grenzwerte für die Dauer der Diastole 0,64 bzw. 0,38 Sekunde. Wir finden also, daß trotz recht bedeutender Schwankungen der Pulsfrequenz doch die Dauer der Kammersystole merkwürdig gleich bleibt. Bei den hier er- wähnten Bestimmungen schwankte sie nur zwischen 0,190 und 0,382 Sekunde, obgleich die Pulsfrequenz zwischen 32 und 160 Schlägen in einer Minute variierte. Nach Garrod läßt sich die Dauer der Systole (gleich der Entfernung zwischen Beginn des Kardiogrammes und der Erhebung /, Fig. 161) aus der Dauer des Gesamtherzschlages in der folgenden Weise berechnen. Wenn x die Pulsfrequenz in einer Minute bezeichnet und y ausdrückt, wie viel mal die Systole im ganzen Herzschlage enthalten ist, so wird durch x y angegeben, wie viel mal die Systole in jeder Minute enthalten ist und durch 1/xy der Teil einer Minute, der von der Systole in Anspruch genommen wird. Dann stellt sich nach den Ermittelungen Garrods folgende Beziehung zwischen der Dauer der Systole und der des ganzen Herzschlages heraus: xy— kVx, wo k eine Konstante— 20 ist.^ Garrod^ und Thurslon'^ haben ferner bemerkt, daß, wenn die Pulskurve in derselben Weise berechnet wird, x die Pulsfrequenz bezeichnet und y' ausdrückt, wievielmal der systo- lische Abschnitt der Pulskurve in der ganzen Pulsperiode enthalten ist, die Relation zwischen Systole und Pulsfrequenz durch folgende Formel dargestellt werden kann: xy'=k[' x, wo k=47 ist. Bei einer Frau, die wegen eines Osteosarkoms des Brustbeines operiert worden war, so daß die großen Gefäße nunmehr nur von der Haut bedeckt waren, fand ich^ daß bei Veränderungen der Pulsfrequenz zwischen 75 und 92 Schlägen in der Minute, die Dauer der Systole zwischen 0,284 und 0,316 und die der Diastole zwischen 0,368 und 0,482 Sekunde variierte. Die Veränderungen in der Dauer der Aus- treibungszeit, der Kammersystole und der Kammerdiastole erfolgte hier propor- tional den Veränderungen der Dauer der Herzperiode und ließen sich durch folgende Gleichungen ausdrücken. Austreibungszeit 0,234 + 0,000208 d; Kammersystole 0,284 + 0,000222 d; Kammerdiastole 0,368 + 0,000785 d; WO d die Differenz in 0,001 Sekunde zwischen der Dauer der betreffenden Herz- periode und der kleinsten hier beobachteten (0,652 Sekunde) darstellt. Für eine mittlere Pulsfrequenz von 80 in der Minute würden wir also erhalten : 1. Anspannungszeit 0,051 Sekunde 2. Austreibungszeit 0,254 ,, ^ 1 + 2. Kammersystole 0,305 ,, 3. Kammerdiastole 0,445 ,, 1 + 2 + 3. Herzperiode 0,750 1 A. Weber und A. Wirth, Deutsch. Arch. f. klin. Med., 105, S. 565; 1912. - Garrod, Journal of anat. and physiol., 5, S. 17; 1871. 3 Garrod, Proceedings of the Royal Society, 18, S. 353; 1870. Vgl. auch Garrod, ib., 19, 318; 1871; — 23, S. 142; 1875. ^ Thurston, Journal of anat. and physiol., 10, S. 499; 1876. s R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 20, S. 257; 1908. 216 Die mechanischen Leistungen des Herzens. Über die Einwirkungen der Herznerven auf die Dauer der Kammersystole usw. vgl. Kap. XIX. Kurz nach dem Übergang der Herzkammern in Diastole öffnen sich die Atrio- ventrikularklappen, wobei nach Rautenbergs Ausführungen die Zacke D am Öso- phaguskardiogramm auftritt (Fig. 145). Die zeitliche Entfernung dieser Zacke von dem nach 0. Weiss registrierten II. Herzton beträgt beim Menschen etwa 0,022 Sekunde. 1 Betreffend die Dauer der Diastole geht aus den obigen Darstellungen ohne weitere Auslegungen hervor, daß sie von der Schlagfolge des Herzens in hohem Grade abhängig ist und bei einer Beschleunigung der Herzfrequenz ab-, und bei einer Verlangsamung derselben zunimmt. Zehntes Kapitel. Die Füllung des Herzens bei der Diastole.^ Die wichtigste Ursache zur Füllung des Herzens bei der Diastole liegt in der Beschleunigung, die das Herz bei seiner Systole dem Blut gegebenen hat. Dies folgt direkt aus der Tatsache, daß der Kreislauf auch nach umfangreich- ster Öffnung des Brustkastens an einem kuraresierten Tiere noch ganz normal statt- findet. Die zur Unterhaltung des respiratorischen Gaswechsels notwendige künst- liche Atmung kann die Füllung des rechten Herzens wenigstens nicht in günstiger Richtung beeinflussen. Übrigens geht der Kreislauf selbst nach Aufhören der künstlichen Atmung ganz normal vor sich, bis die allmählich immer stärkere Er- stickung die Tätigkeit des Herzens herabsetzt und schließlich aufhebt. Da aber das Blut während seiner Strömung durch die Gefäße sehr großen Widerständen begegnet, ist die zurückbleibende Triebkraft verhältnismäßig ge- ring, und akzessorische Mechanismen spielen daher eine bedeutende Rolle. § 26. Die Ansaugung in der Perikardial- bzw. Brusthöhle. a) Die Ansaugung in der Perikardialhöhle bei den Fischen. Bei den Fischen hat die einzige Herzkammer das Blut durch die Kiemen- kapillaren und die Körperkapillaren sowie auch durch die Leber- und die Nieren- kapillaren zu treiben. Dabei wird das Herz durch das Perikardium wesentlich unterstützt. Bei den Selachiern wies Schönlein^ nämlich einen ausgeprägten Aspirations- druck im Perikardialraum nach. Wenn man in der Rüd Schultz, Amer. journ. of physiol., 22, S. 147; 1908. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 265 keit und verbessert also die Löslichkeitsbedingungen der Kalziumphosphate, so schlägt das Herz lange Zeit weiter; desgleichen, wenn zur Lösung des Natrium- phosphats Kohlensäure und Chlorkalzium zugegeben werden {Busquet und Pachon}). Die günstige Wirkung, die das Chlorkalzium auf das Herz ausübt, läßt sich auch dadurch nachweisen, daß eine Vermehrung des Chlorkalziumgehaltes des normalen unverdünnten Blutes beim ausgeschnittenen Katzenherzen eine regere Tätigkeit unterhält (Langendorff und Hueck^, Gross^), daß die Latenzdauer der Herz- spitze des Froschherzens bei elektrischer Reizung durch Bepinseln mit 0,2prozen- tiger Chlorkalziumlösung regelmäßig verkürzt mrd{Bornstein^), sowie daß wenigstens beim Froschherzen die refraktäre Periode deutlich abnimmt (Burridge^, Boehm^). In Zusammenhang hiermit steht die Tatsache, daß eine Anreicherung des Blutes mit Chlorkalzium bei vollkommen normalem Kreislauf den Blutdruck steigert {Langendorff und Hueck"^, Rutkewitsch^). Nach den Angaben des letzteren bewirkt das Chlorkalzium in Mengen bis zu 1 :5000 keine Veränderung in der Weite der Nierengefäße; nur bei einer Lösung von 1 :1000 trat eine geringe Erweiterung derselben ein^. Wenn dies auch von den übrigen Gefäßen gilt, so muß die soeben erwähnte Drucksteigerung auf die Einwirkung des Chlorkalziums auf das Heiz selber bezogen werden. Dies wird durch Versuche von Rothberger und Winterberg^^ bezeugt, wo an der Katze der Blutstrom bei einem verkürzten Kreislauf (linke Kammer — A. anonyma — V. anonyma; alle anderen Äste der Aorta waren abgebunden) geeicht wurde. Nach Einspritzung von 0,2—0,3 ccm einer zehnprozentigen Lösung von Chlorkalzium nahm das Schlagvolumen sehr beträchtlich zu, während die Puls- frequenz unverändert blieb oder nur wenig abnahm. Durch eine längere Zeit dauernde vermehrte Zufuhr von Kalziumsalzen wird eine beträchtliche Herzhypertrophie hervorgebracht und im Herzmuskel findet eine Kalkspeicherung statt (Loeper und Boveri^^). In bezug auf das Chlorkalzium ist noch zu bemerken, daß dasselbe, obgleich es die Leistungsfähigkeit und auch die Erregbarkeit des Herzens in so hohem Maße steigert — nach Langendorff und Hueck ist das mit Kochsalzlösung ausgespülte Froschherz in chlorkalziumfreier Flüssigkeit vollständig unerregbar^^ — , dennoch nicht an und für sich als direktes Reizmittel bezeichnet werden kann, wie daraus hervorgeht, daß eine Zuckerlösung mit Chlorkalzium keine Kontraktionen am Streifen aus dem Schildkrötenherzen hervorruft {Lingle^^), sowie daß die nach Bernstein abgeklemmte Herzspitze des Frosches durch Vermehrung des Chlor- 1 Busquet und Pachon, Journ, de physiol., 1909, S. 1025. 2 Langendorff und Hueck, Arch. f. d. ges. Physiol., 96, S. 480; 1903. 3 Gross, ebenda, 99, S. 264; 1903. * Bornstein, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1906, Suppl., S. 361. ^ Burridge, Journ. of physiol., 48, proc. S. 9; 1914; — Quarterly journ. of exp. physiol., 8, S. 308; 1918. 6 Boehm, Arch. f. exp. Pathol., 75, S. 274; 1914. ' Langendorff und Hueck, Arch. f. d. ges. Physiol. 96, S. 481 f.; 1903. 8 Rutkewitsch, ebenda, 129, S. 494f.; 1909. " Rutkewitsch, ebenda, 129, S. 493; 1909. ^o Rothberger und Winterberg, ebenda, 142, S. 523; 1911. ^^ Loeper und Boveri, Comptes rend. de la Soc. de biologie, 1907 (1), S. 1094. 12 Langendorff und Hueck, Arch. f. d. ges. Physiol., 96, S. 478; 1903. 13 Lingle, Amer. journ. of physiol., 4, S. 277; 1900. 256 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. kalziumgehaltes im Blute niemals zu spontanen Pulsationen gebracht werden konnte {Langendorff und Hueck^). Die hier erwähnten Erfahrungen über die gijnstige Wirkung des Kalziums auf die Leistungen des Herzens beziehen sich ausschließlich auf die Wirbeltiere. In welchem Umfange sie auf die Wirbellosen übertragen werden können, darüber läßt sich zurzeit gar nichts mit Bestimmtheit sagen. Da nämlich die Untersuchun- gen von Carlson am Herzen von Limulus erwiesen haben, daß selbst die kleinsten, überhaupt wirksamen Gaben von Chlorkalzium nur eine Herabsetzung der Herz- arbeit hervorruft, welche sich sowohl auf das Ganglion als auch auf den Herz- muskel selber erstreckt '^^ ist es ja wenigstens nicht unmöglich, daß sich auch andere Herzen bei den Wirbellosen in der gleichen Weise verhalten, und daß also die chemischen Bedingungen für den Herzschlag, bei verschiedenen Tiergruppen, sehr verschieden sein können. Indessen haben Mines^ am Herzen von Pecten und Fry* am ausgeschnittenen Herzen der Cephalopoden Eledone moschata und Octopus keine schädliche Wirkung vom Chlorkalzium beobachtet, sondern dieses Salz vielmehr in der Nährflüssigkeit für die künstliche Speisung des Herzens aufgenommen. Insbesondere gibt Mines^ an, daß die Herzkontraktionen ohne Kalzium schwach werden und daß das Herz nach 1 — 2 Minuten in der Diastole still steht. Auch findet W. Koch^, daß das Herz von Anodonta cygnaea verhältnismäßig sehr hohe Konzentrationen von Chlorkalzium verträgt, sowie daß dieses Salz die Schlagstärke des Herzens ver- mehrt. Hier sind noch die Einwirkungen einer Gummilösung auf das isolierte Herz zu be- sprechen, da diese wesentlich von dem Gehalt an Kalziumverbindungen abhängig sind. Da das Serum dem Froschherz nicht gestattete, die gleiche Arbeit wie bei der Speisung mit Blut auszuführen, und da ferner das gelöste freie Oxyhämoglobin an und für sich die Herzmuskulatur nicht ernähren konnte, versuchte Hefjter, das Herz mit einer Flüssigkeit, wo die roten Blutkörperchen in einer zähen, aber eiweißfreien Flüssigkeit aufgeschwemmt waren, zu ernähren, und fand, daß sich diese mit Gummi bereitete Flüssigkeit vorzüglich zur Erhaltung der Herztätigkeit eignete.'' Im Anschluß dazu suchte Albanese eine künstliche Nährflüssigkeit herzustellen, deren Viskosität der des Blutes näher entsprach, als die der gewöhnlichen Salzlösung; seine Flüs- sigkeit bestand aus einer zweiprozentigen Gummilösung mit 0,6 Proz. Kochsalz sowie ein klein wenig NagCOs und Sauerstoff. Mit dieser Lösung konnte Albanese ein durch reine Kochsalzlösung beinahe oder schon vollständig zur Ruhe gebrachtes Froschherz restituieren.* Dasselbe fand auch Öhrri'. Nur wenn das Herz sehr stark geschwächt oder beschädigt war, blieb jede nennenswerte Erholung durch die Gummilösung aus. In diesem Falle konnte dann frische Blutmischung eine leidliche Herztätigkeit hervorrufen; wenn aber das Herz zu stark angegriffen war, blieb auch das Blut wirkungslos. Die erholende Wirkung der Gummilösung glaubt Öhrn darin zu finden, daß diese dem Herzen neue Nahrung bietet — welche Substanz hierbei tätig ist, darüber geben aber seine Versuche keinen Aufschluß.^" 1 Langendorff und Hueck, Arch. f. d. ges. Physiol., 96, S. 476; 1903. 2 Carlson, Amer. journ. of physiol., 16, S. 390, 394; 1906. 3 Mines, Journ. of physiol., 43, S. 496; 1912. * Fry, ebenda, 39, S. 186; 1909. 5 Mines, ebenda, 43, S. 478; 1912. « W. Koch, Arch. f. d. ges. Physiol., 166, S. 329; 1917. 7 Heffter, Arch. f. exp. Pathol., 29, S. 41; 1891. 8 Albanese, ebenda, 32, S. 297; 1893. 3 Öhrn, ebenda, 34, S. 29f., 1894. ^0 White fand, daß die Gummilösung an einem durch Kochsalzlösung vollständig erschöpften Herzen keine erholende Wirkung ausübte (Journ. of physiol., 19, S. 352f.; 1896). Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 267 Diese Nahrung besteht nun, wie zuerst Howell und Cooke bemerkten, ganz einfach in den im Gummi vorhandenen Kah'um-, Magnesium- und Kalziumsalzen gewisser orga- nischer Säuren/ Locke wies die Richtigkeit dieser Auffassung nach, indem er diese Säuren freimachte und ihre Natriumsalze in zweiprozentiger Lösung niit 0,2 Proz. Kochsalz, etwas Na2C03 und Sauerstoff dem Froschherzen zuführte: die Leistungsfähigkeit des Herzens hörte nun ebenso schnell wie in einer alkalischen Kochsalzlösung auf, und doch war die Viskosität dieser Lösung etwa dieselbe, wie bei der Gummilösung. Fügte man aber zu der betreffenden Lösung etwas Chlorkalium und Chlorkalzium hinzu (Ringerlösung), so fing die Herztätigkeit wieder an. Die Gummilösung verdankt also ihre ernährenden Eigenschaften wesentlich den im Gummi enthaltenen Kalium- und Kalziumsalzen. ^ Damit darf man indessen nicht verneinen, daß die größere Zähigkeit der Flüssigkeit auch von einer gewissen Bedeutung sein konnte, denn man kann sich ja mit Götfüin vorstellen, daß die Gummilösung wegen ihrer kolloidalen Beschaffenheit die Diffusion der Bestandteile der Gewebsflüssigkeit in einem gewissen Grade verzögert.^ ß) Chlorkalium. Nach den Erfahrungen von Merunowicz wirkt ein geringer Zusatz von Chlor- kaliuni zu der Kochsalzlösung niemals etwas anders als die letztere allein auf das Herz ein.* Nachdem /^rng^r^ die Bedeutung des Chlorkalziums für die Herztätigkeit er- kannt hatte, wies er auch die große Rolle des Chlorkaliums für die Neutralisierung der schädlichen Nebenwirkungen des Chlorkalziums nach. Allein für sich in schwacher Lösung, 0,03—0,04 Proz., bringt das Chlor- kalium einen Streifen aus der Herzkammer der Schildkröte nach wenigen, an Um- fang schnell abnehmenden Zuckungen im Zustande tonischer Verkijrzung zum Stillstand {Greene% In Kochsalzlösung mit 0,03 Proz. Chlorkalium gibt der Streifen entweder gar keine Kontraktionen oder sind diese sehr schwach und treten erst nach einer langen Latenzdauer auf; der Tonus des Streifens nimmt im höchsten Grade ab {Greene^). Bei größerem Gehalt an ChlorkaHum tritt dagegen keine Tonusabnahme auf (Lingle^). Die depressorische Wirkung der Kaliumverbindungen haben auch alle fol- genden Autoren, wie Howell^, Schücking^^, Gross^\ E.G.MartirO-^, Carlson^^, Schultz^*, Lussana'^^, Busquet und Pachon^^, F. B. Hofmann^'' nachgewiesen. 1 Howell und Cooke, Journ. of physiol., 14, S. 216; 1893. 2 Locke, ebenda, 18, S.332f.; 1895. — Vgl. Rusch, Arch. f. d. ges. Physiol., 73, S. 549; 1898. 3 Göthlin, Skand. Arch. f. Physiol., 12, S. 36; 1901. * Merunowicz, Ber. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss., math.-phys. Kl-, 1875, S. 296. 5 Ringer, Journ. of physiol., 4, S. 31; 1883. « Greene, Amer. journ. of physiol., 2, S. 101; 1898. ^ Greene, ebenda, 2, S. 103. 8 Lingle, ebenda, 4, S. 279; 1900. 9 Howell, ebenda, 6, S. 186; 1901. '» Schücking, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1901, Suppl., S. 226. " Gross, Arch. f. d. ges. Physiol., 99, S. 316; 1903. 12 E.G.Martin, Amer. journ. of physiol., 16, S. 210; 1906. 13 Carlson, ebenda, 16, S. 388, 393; 1906. 14 Schultz, ebenda, 22, S. 156; 1908. 15 Lussana, Arch. intern, de physiol., 11, S. 15; 1911. IS Busquet und Pachon, Compt. rend. de la Soc. de biol., 1907 (1), S. 785; — Compt. rend. de l'Acad. des sciences, 144, S. 1065; 1907; — Journ. de physiol., 1909, S. 253. 1- F. B. Hofmann, Zeitschr. f. Bio!., 66, S. 312; 1915. 268 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Hierher gehört auch die Tatsache, daß das Chlorkaiium die refraktäre Periode des Herzens verlängert (Ringer und Sainsbury^, Boehm^). In kalziumfreier Lösung vermag indessen das Chlorkalium, wie Boehm^ nach- gewiesen hat, die Vorhofkontraktionen stark zu beschleunigen ; Beccari^ gibt an, daß bei der nach dem Stanniusschen Ligatur stillstehenden Kammer des Frosch- herzens Kontraktionen hervorgerufen werden, wenn Chlorkalium auf dieselbe getröpfelt wird, und Clark^ wie Sakai^ finden bei Erhöhung des Chlorkalium- gehaltes Inder Spülflüssigkeit eine flüchtige Zunahme der Schlagfrequenz, bevor die Abnahme erscheint. An unversehrten Hunden und noch leichter an Kaninchen beobachtete H. E. Hering'^ nach intravenöser Injektion von Chlorkalium, selbst nach Aus- schaltung der Vagi, eine Beschleunigung der Herzschläge. Nach Busquet und Pachon sind für das Kaninchenherz diejenigen Kalium- verbindungen am giftigsten, wo die elektrolytische Dissoziation am größten ist. Die giftige Wirkung ist also in erster Linie als eine lonenwirkung zu bezeichnen. Direkt in eine Vene am sonst unversehrten Tier injiziert, scheinen die Kalium- salze nur in den kleinsten Dosen eine, übrigens kaum nennenswerte stimulierende Wirkung auf den Herzmuskel ausüben zu können. Einigermaßen größere Kalium- dosen führen bereits Schädigungen bzw.,deletäre Beeinträchtigungen des Herzens herbei; diese Wirkungen lassen sich indessen durch Entfernung des Kaliumsalzes prompt beseitigen. An den Gefäßen übt das Kalium eine verengende Wirkung aus (Braun^, Hald^). Die Gefäßverengerung kommt auch nach Zerstörung des Rücken- markes zum Vorschein und rührt also zum Teil von einer direkten Reizung peri- pherer Gefäßmechanismen her (Mathison^^). Wie Kronecker nach Versuchen von McGuire mitteilte, wirkte lackfarbenes (Kanin- chen?) Blut, dessen rote Zellen durch Gefrieren zerstört worden waren, auf das ausgeschnit- tene Froschherz sehr schädlich ein, indem die Pulse sehr klein wurden und das Herz häufig in tonische Kontraktion verfiel. ^^ Da man mittels Diffusion dieses Blut von den schädlichen Stoffen befreien konnte und die anderen diffusiblen Blutbestandteile für das Herz gefahrlos sind, schließt Kronecker, daß die Ursache dieser Giftwirkung in dem Gehalte des lackfarbenen Blutes an Kalium- salzen liegt.^^ Von Heffter wurde sie dagegen als Folge einer ungenügenden Sauerstoffzufuhr auf- gefaßt^^ undGöthlin deutete sie in der Weise, daß das freigemachte Hämoglobin die im Serum befindlichen, ursprünglich gelösten Kalziumsalze gebunden hatte, und es gelang ihm in der Tat, durch Hinzufügung einer genügenden Menge Chlorkalzium zum verdünnten lack- 1 Ringer und Sainsbury, Journ. of physiol., 4, S. 356; 1883. 2 Boehm, Arch. f. exp. Pathol., 75, S. 309; 1914. 3 Boehm, ebenda., 75, S. 288. * Beccari, Volume in omaggio al prof. Murri ed. p. cura della Soc. med.-clin. di Bologna. 1912. ^ Clark, Journ. of physiol., 47, S. 75; 1913. •■• Sakai, Zeitschr. f. Biol., 64, S. 508; 1914. ^ H. E. Hering, Münch. med. Wochenschr., 1912, Nr, 15, Anm. 30; — Arch. f. d. ges. Physiol., 161, S. 537; 1915. 8 Braun, Arch. f. d. ges. Physiol., 103, S.483; 1904; daselbst eine Übersicht über die älteren Versuche über die Einwirkung der Kaliumsalze auf den Kreislauf. '■> Hald, Arch. f. exp. Pathol., 53, S. 227; 1905. 10 Mathison, Journ. of physiol., 42, S. 473; 1911. 11 Kronecker, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1878, S. 321. 1- Kronecker, Deutsche med. Wochenschr., 1882, Nr. 19; — Mc Guire, Zeitschr. f. Biol., 47, S. 293; 1906. " Heffter, Arch. f. exp. Pathol., 29, S. 41; 1891. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 269 farbenen Blute eine gute Nährflüssigkeit herzustellen; auch fand er, daß Zusatz von Hämo- globin zu einer aus dem anorganischen Salzgemisch bestehenden Nährflüssigkeit, wegen des dann eintretenden Ca-Mangels, Schlaffheit usw. beim Herzen hervorbrachte. ^ Demgegenüber führt Langendorf f an, daß lackfarbenes Katzenblut für das Katzenherz, sowie lackfarbenes Hundeblut für das Hundeherz ganz gute Nährflüssigkeiten darstellen, wenn auch die Kontraktionen nicht so häufig sind, wie bei Speisung mit gleich verdünntem normalem Blut desselben Tieres. Dagegen war lackfarbenes Kaninchenblut unfähig, ein Kaninchenherz am Leben zu erhalten, vielmehr trat hier unter zunehmender Abschwächung und Verlangsamung der Herztätigkeit schon nach wenigen Minuten dauernder Stillstand ein. In Übereinstimmung mit dieser Verschiedenheit der verschiedenen Blutarten erwies sich das lackfarbene Blut des Hundes und der Katze für das Froschherz als völlig unschäd- lich, während das lackfarbene Kaninchenblut die gewöhnliche schädliche Wirkung ausübte. Der Übergang der Hämoglobins in die Lösung konnte also nicht die Ursache der Gift- wirkung gewisser Arten lackfarbenen Blutes abgeben, und Langendorff findet die Er- klärung der Erscheinung darin, daß die roten Blutkörperchen bei verschiedenen Tierarten einen sehr verschiedenen Gehalt an Kalium haben. So enthalten die roten Blutkörperchen beim Kaninchen, dessen lackfarbenes Blut sehr schädlich ist, 1,945, bei dem Hunde und der Katze, deren lackfarbenes Blut keine schädliche Wirkung ausübt, aber nur 0,117 — 0,112 g auf 1000 g Blut. Die entgiftende Wirkung des Chlorkalziums in den Versuchen Göthlins mit lack- farbenem Blut muß daher auf den Antagonismus zwischen Kalzium und Kalium bezogen werden.^ Auch die schädliche Wirkung des Preßsaftes aus dem frischen Herz- oder Skeiett- muskel des Hundes auf das isolierte Hundeherz ist auf die Anwesenheit von Kalium zu beziehen, wie daraus folgt, daß die Asche dieses Saftes den gleichen Einfluß ausübt (Macleod ^). f) Andere anorganische Stoffe, Über die Bedeutung anderer im Blutplasma vorhandenen Verbindungen als die bis jetzt erörterten liegen nur wenige Angaben vor, was angesichts der domi- nierenden Bedeutung des Kochsalzes, des Chlorkalziums, des Chlorkaliums und des Natriumbikarbonats eigentlich leicht erklärlich ist. Indessen läßt es sich ja nicht von vornherein verneinen, daß nicht die übrigen Serumsalze in einer künstlichen Nährflüssigkeit und also auch im Blute selbst eine gewisse, wenn auch nicht so durchgreifende Aufgabe, wie die Salze der Ringer- lösung, bei der Herztätigkeit haben konnten. Auch hat Göthlin ausdrücklich be- merkt, daß das Froschherz bei Zugabe von Natriumphosphat zu der Lösung meh- rere Stunden lang in demselben allgemeinen Kontraktionstypus, mit derselben Frequenz und in demselben Rhythmus wie bei der Speisung mit Blutmischung pulsiert.* Durch das Phosphat wurde die Arbeit des Herzens in der Regel um etwas verlängert. Die Phosphatmenge kann innerhalb recht weiter Grenzen variieren, sofern das Verhältnis zwischen Di- und Monophosphat nicht gestört wird.^ 1 Götlilin, Skand. Arch. f. Physiol., 12, S. 37f.; 1901. 2 Langendorff, Arch. f. d. gas. Physiol., 93, S. 286; 1903; — 99, S. 30; 1903; — Branden- burg, ebenda, 95, S. 625; 1903. 3 Macleod, Amer. journ. of physiol., 19, S. 426; 1907. * Göthlin, Skand. Arch. f. Physiol., 12, S. 9f.; 1901. Göthlins Lösung hat folgende Zusammen- setzung: NaCl 0,65 Proz., NaHCOg 0,10 Proz., KCl 0,01 Proz., CaCI, 0,0065 Proz., NajHPO» 0,0009 Proz., NaHjPOi 0,0008 Proz. — Clark (Journ. of physiol., 47, S. 70) empfiehlt eine etwas andere Zusammensetzung, nämlich: NaCl 0,65 Proz., NaHCOg 0,01 Proz... KCl 0,014 Proz., CaCl^ 0,012 Proz., NaHP04 0,001 Proz., Dextrose 0,2 Proz. — Vgl. auch die Flüssigkeit von Tyrode (s. Rona und Neukirch, Arch. f. d. ges. Physiol., 144, S. 556; 1912): NaCl 8g, KCl 0,2 g, CaCL 0,2 g, MgCla 0,1 g, NaHaPO^ 0,05 g, NaHCOg 1 g, Dextrose 1 g, destilliertes Wasser ad lOOOccm. ä Göthlin, Skand. Arch. f. Physiol., 12, S. 35. 270 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Die Ausschließung des auch im Blute vorkommenden Magnesiums hatte in Göihlins Versuchen keine Einschränkung in der Intensität und Dauer der Herz- arbeit im Gefolge.^ Nach Carlson vermindert das Magnesiumchlorid sowohl beim Ganglion als beim Muskel des Limulusherzens die Leistungsfähigkeit^ und auch die elektrische Reizbarkeit der Spitze des Froschherzens wird dadurch herabgesetzt (Lussana'^). Auf das Herz der Anodonta wirkt Magnesiumchlorid dem Kalziumchloiid ähnlich; in verdünnten Lösungen ist es verhältnismäßig unschädlich, in kon- zentrierten dagegen sehr schädigend, so daß sofortiger Stillstand, meistens in schwacher Diastole, eintritt (W. Koch^). Bei Pecten und Sepia scheint das Magnesium dagegen ein notwendiger Be- standteil der Nährflüssigkeit zu sein. In der Mischung von Natrium-, Kalium- und Kalziumchlorid stand das Herz in der Systole still, wurde aber durch Zusatz von Magnesiumchlorid zu der Nährflüssigkeit zu kräftiger, rhythmischer Tätigkeit an- geregt. Das Fortlassen des Magnesiums von der Nährflüssigkeit des Elasmo- bronchierherzens bewirkte dagegen keine andere Veränderung als eine geringe Be- schleunigung (M/n^s^), und in den Versuchen von H.Fredericq^ schlug das Octopus- herz ebensogut ohne als mit Magnesium in der Nährflüssigkeit. Auch betreffend anorganische Verbindungen, welche im normalen Blut nicht enthalten sind, liegen mehrere Untersuchungen vor; da sich diese indessen mehr auf die Pharmakologie als auf die Physiologie des Herzens beziehen, können sie hier nicht besprochen werden. g) Restitution nach der Ausspülung. Wenn ein ausgeschnittenes Froschherz mit Natriumoxalat vergiftet und also des im Herzinhalt befindlichen Kalziums beraubt wird, fängt es bei Speisung mit einer kalziumfreien, Natriumbikarbonat enthaltenden Kochsalzlösung allmählich an, wieder zu schlagen, und erholt sich innerhalb einiger Stunden in ziemlich hohem Grade {Gros''). Ein Herz, das mit der Ringerflüssigkeit eine längere Zeit hindurch gespült worden ist und daher nunmehr nur schwach schlägt, erholt sich in hohem Grade, wenn die Spülung unterbrochen wird und die Flüssigkeit im Herzen stehen bleibt (Boehm^). Desgleichen erholt sich das Herz nach Durchspülung mit bikarbonatfreier Ringerflüssigkeit von selbst und schlägt stundenlang weiter.^ Selbst nach Spülung mit reiner oder bikarbonathaltiger Kochsalzlösung, wenn diese nicht zu weit getrieben wird, kann nach Abstellung der Spülung eine ausgiebige Restitution zum Vorschein kommen. ^^ 1 Göthlin, ebenda, 12, S. 9. - Carlson, Amer. journ. of physiol., 16, S. 396; 1906. 3 Lussana, Arch. intern, de physiol., 11, S. 18; 1911. — Vgl. auch Hahn, Arch. f.Anat.u. Physiol., 1910, physiol. Abt., Suppl., S. 199. 4 W. Koch, Arch. f. d. ges. Physiol., 166, S. 332; 1917. 5 Mmes, Journ. of physiol., 43, S. 480,496; 1912. 6 H. Fredericq, Arch. intern, de physiol., 14, S. 136; 1914. ' Gros, Arch. f. exp. Pathol., 71, S. 395; 1913. 8 Boehm, ebenda, 75, S. 234; 1914. 9 Boehm, ebenda, 75, S. 237. " Boehm, ebenda, 75, S. 253; — Airima, Arch. f. d. ges." Physiol., 157, S. 532; 1914. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 271. Auch ein mit Kalium vergiftetes Froschherz erholt sich spontan, wenn es nach Eintritt des diastolischen Stillstandes ohne jeden weiteren Eingriff sich selbst überlassen wird.^ Kurz zusammengefaßt lehren also diese Erfahrungen, daß die Unterbrechung der Spijlung, wo noch die letzte Charge der Spülflüssigkeit dauernd im Herzen bleibt und Zeit hat, im Verkehr mit dem ruiienden oder arbeitenden Muskel ihre Zusammensetzung zu ändern, einen erholenden Einfluß auf das Herz ausübt — vorausgesetzt, daß Sauerstoff in genügender Menge anwesend ist.- Die Erklärung dieser Erscheinung findet sich darin, daß von der Herzwand Substanzen zu der in den Herzhöhlen stauenden Flüssigkeit abgegeben werden, wodurch diese das Vermögen wieder bekommt, die Herztätigkeit zu unterhalten (Boehm^, Airima^). Durch direkte Versuche hat nämlich Boehm gezeigt, daß einige Stunden nach einer Spülung mit einer bikarbonatfreien Ringerlösung der Inhalt der Herzhöhlen etwa 0,02 — 0,03 Promille Natriumbikarbonat enthält, sowie daß nach Spülung mit einer reinen Kochsalzlösung Kalziumchlorid in den Herzhöhlen ausgetreten ist.^ Dieser Austritt findet nach Lieb und Loewi^ unabhängig vom Gehalt der Nähr- flüssigkeit an Kalzium und Bikarbonat sowie auch von der Stärke der Herzarbeit statt. Daß auch Kalium der im Herzen stauenden Flüssigkeit abgegeben wird, folgt aus der schon erwähnten Tatsache, daß ein mit Kochsalzlösung gespültes Herz bei danach stattfindender Zufuhr von normaler Ringerlösung stärker als sonst auf das Kalzium reagiert. Es muß also hier eine Verarmung an Kalium, d. h. eine ver- hältnismäßig reichlichere Abgabe von Kalium als von Kalzium vorliegen, was noch dadurch erwiesen wird, daß die zu starke Kajziumwirkung durch genügende Er- höhung des Kaliumgehaltes der Ringerlösung'^ vermieden wird. Wenn das Herz mit einer kalziumfreien Flüssigkeit gespeist wird, wird seine Tätigkeit von vornherein maximal beeinträchtigt, während eine kaliumfreie Lösung anfangs keine wesentliche Beeinträchtigung verursacht. Das Kalzium ist also im Gegensatz zum Kalium von vornherein entweder nicht in wirksamer Menge vor- handen oder auch nicht in wirksamer Form — etwa weil zunächst gebunden — verfügbar (Airima^), § 34. Die Bedeutung gewisser organischer Stoffe für die Herztätigkeit. a) Eiweißstoffe. In seiner Mitteilung vom Jahre 1874 glaubte Kronecker nachgewiesen zu haben, daß die- Herzmuskulatur nur mit Hilfe stets frischen Nährmaterials gleichmäßig zu funktionieren vermag, und als frisches Nährmaterial versteht er, wie aus der ganzen Darstellung ersichtlich, nur eine oder einige organische 1 Boehm, Arch. f. exp. Pathol., 75, S. 276. 2 Boehm, ebenda, 75, S. 251. 3 Boehm, ebenda, 75, S. 238, 244, 256. * Airima, a. a. O., 157, S. 533. 5 Vgl. auch Airima, a. a. O., 157, S. 535f. « Lieb und Loewi, Arch. f. d. ges. Physiol., 173, S. 152; 1918. ' Boehm, a. a. O., 75, S. 258. 8 Airima, a. a. O., 157, S. 539. 272 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Substanzen, denn das Herz zehrt nicht vom eige nen Stoffe, erhält sich aber, gut ernährt und nicht mißhandelt, ohne sich abzunutzen, unermessene Zeit.^ Die soeben besprochenen Untersuchungen haben indessen ergeben, daß das vom Körper isolierte, durch eine Salzlösung ohne Gegenwart von Eiweiß ge- speiste Herz lange dauernde Kontraktionsreihen ausführen kann. Es stellt sich dann in erster Linie die Frage, ob auch möglichst salzfreie oder von dem einen oder anderen Bestandteil befreite Eiweißlösungen die Tätigkeit des Herzens eine längere Zeit unterhalten können oder nicht. Wenn Kalzium aus dem Serum durch Natriumoxalat entfernt wird, hat dies Serum auf das isolierte Froschherz keine andere Wirkung als die physiologische Kochsalzlösung; die Herzschläge werden immer schwächer, bis sie endlich auf- hören. Daß ein etwaiger geringer Überschuß vom Natriumoxalat für dieses Re- sultat nicht verantwortlich war, folgt daraus, daß Zusatz von Chlorkalzium das Herz sofort zu kräftigen Kontraktionen erweckt (Eaton^, HowelP). Dialysiertes, mit Kochsalzlösung verdünntes Blut, übt auf das Herz die gleiche Einwirkung wie die Ringersche Flüssigkeit minus Chlorkalium aus. Durch die Dialyse ist dieses Salz zum größten Teil vom Blute entfernt worden, wogegen noch ziemlich viel Chlorkalzium anwesend ist: deshalb bieten die Herzkontraktionen jetzt das für die umkompensierte Chlorkalziumwirkung charakteristische Aus- sehen dar (Ringer^). Kalbsserum, das durch eine lange dauernde Diffusion seiner Salze beraubt und dann durch Zusatz von Kochsalz auf den normalen osmotischen Druck zurück- gebracht wurde, hebt für mehr als eine Stunde die Kontraktionen des Froschherzens auf (Algina^). Ohne die wichtigsten Serumsalze — Chlornatrium, Chlorkalium und Chlor- kalzium — vermag also eine eiweißhaltige Lösung nicht die Tätigkeit des aus- geschnittenen Herzens zu unterhalten, was übrigens schon längst auch von Kron- ecker zugegeben wird.^ Es bleibt also nur noch die Bedeutung der Eiweißstoffe als Bestandteile einer für das Herz geeigneten Nährflüssigkeit zu untersuchen. Bei den hierhergehörigen Versuchen ist es vor allem notwendig gewesen, das Herz gründlich auszuspülen, so daß von ihm alle Blutbestandteile wirklich entfernt werden. In bezug auf das Froschherz ist hierbei zu bemerken, daß nach Schifft und Hyrtl^ die Herzkammer keine Gefäße besitzen soll, während H. Martirf daselbst eine Koronararterie und eine kleine Bulbusarterie beschreibt, und Dogiel^^ Blutgefäße abbildet, welche vom reichen Gefäßnetz des Bulbus aortae zum Teil 1 Kronecker, Beiträge zur Anatomie u. Physiol. Festschrift für Ludwig. 1874. Neudruck,. S. 33, 39. 2 Eaton, bei Howell und Cooke, Journ. of physiol., 14, S. 219; 1893. 3 Howell, Amer. journ. of physiol., 2, S. 54, 55; 1898. * Ringer, Journ. of physiol., 6, S. 368f.; 1885. Vgl. auch Lussana, Archivio di fisiologia, 6,. S. 17; 1908. 5 Algina, Arch. int. de physiol., 5, S. [76]; 1907. Vgl. Kronecker, Comptes rend. de l'Acad^mie des Sciences, 145, S. 393; 1907. « Vgl. White, Journ. of physiol., 19, S. 351, 354; 1896. ' Schiri, Arch. f. physiol. Heilk., 9, S. 39; 1850. 8 Hyrtl, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 33, S. 572; 1852. 9 H. Martin, Comptes rend. de la Soc. de biol., 1893, S. 754. 1« Dogiel, Arch. f. mikr. Anat., 70, S. 797; 1907; — Arch. f. d. ges. Physiol., 135, S. 45; 1910. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 273 in das zwischen Bulbus und Vorhof h'egendc Bindegewebe sich begeben, zum Teil aber das Gewebe durchsetzen, weiches zwischen Bulbus und Kammeroberfläche liegt. Jedenfalls spielen diese Gefäße nur eine ganz unbedeutende Rolle, und die Blutversorgung der Kammer findet so gut wie ausschließlich durch kapillare Spalträume in der Kammerwand, welche eine verhältnismäßig große Blutmenge fassen, statt. Bei der Ausspülung der Kammer kann es nun eintreffen, daß die Lösung nur mit Schwierigkeit in diese Spalträume hineindringt. Dann muß es verhältnismäßig lange dauern, bis die dort enthaltenen Blutreste wirklich entfernt worden sind, und man ist daher nicht selten gezwungen, die Ausspülung sehr lange fortzusetzen. Bei der Diskussion über die Bedeutung der Eiweißstoffe in der Nährflüssigkeit des Herzens hat dieser Umstand eine große Rolle gespielt, weshalb es angezeigt war, auf ihn ausdrücklich aufmerksam zu machen. In einer unter Kroneckers Leitung ausgeführten Versuchsreihe spülte Martius das Froschherz zuerst mit Kochsalzlösung und dann mit alkalischer Kochsalz- lösung aus und prüfte das Verhalten des durch diese Ausspülung völlig erschöpften Herzens bei Zufuhr von verschiedenen organischen Substanzen. Dabei zeigten Pepton, Glykogen, Syntonin, Milchkasein und Myosin keine Spur von er- nährenden Eigenschaften. Der damit behandelte Herzmuskel blieb, selbst bei Anwendung der stärksten Reize, vollkommen regungslos, während er in jedem ein- zelnen Falle nach Verdrängung der künstlichen Lösung durch Blut oder Serum wieder zur Schlagfähigkeit oder spontanen Pulsationen erwachte. Nur die serum- albuminhaltigen Flüssigkeiten besitzen die Fähigkeit, den Herzmuskel zu ernähren, d. h. zur Arbeit zu befähigen, und Martius glaubt sich sogar berechtigt, diese am Herzmuskel bewährten Anschauungen auf alle Muskeln zu übertragen. ^ Die Resultate von Martius erschienen Kronecker, eine Zeitlang wenigstens, für die Notwendigkeit des Serumalbumins^ bei der Herztätigkeit so entscheidend, daß er das ausgespülte Froschherz geradezu als Reagens auf Serumalbumin be- nutzte. So will sein Schüler v. Ott die Bildung von Serumalbumin oder einer anderen noch unbekannten eiweißartigen Verbindung, in der chemisch als Serumalbumin charakterisierte Stoffe enthalten sind, in der Höhle des Magens und des Darms dadurch nachgewiesen haben, daß das ausgespülte Froschherz durch den Magen- und Darminhalt des Kaninchens und des Hundes wieder belebt wurde. ^ Auf Grund gleichartiger Versuche geben ferner Kronecker und Popoff an, daß Pepton in einer isolierten Darmschlinge des lebenden Hundes binnen zehn Minuten zu Serumalbumin regeneriert wird, sowie daß das aus Blutfibrin durch Pankreas- extrakt hergestellte Pepton weder in dem lebenden Magen, noch in dem lebenden Darm in Serumalbumin übergeht.* Dazu fügen Kronecker und Brinck noch zahl- reiche Einzelheiten und bemerken ausdrücklich, daß das Serumalbumin durch seine muskelernährende Eigenschaft sicherer charakterisiert wird, als durch physikalische und chemische Reaktionen.^ 1 Martius, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1882, S. 560f. 2 Nach Schücking, ebenda, 1901, Suppl., S. 235, fassen Kronecker und seine Schüler alle genuinen Eiweißkörper des Serums, der Lymphe und der Milch unter dem gemeinsamen Namen Serumalbumin zusammen. 3 V.Ott, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1883, physiol. Abt. S. 11 f., 20. * Kronecker und Popoff, ebenda, 1887, S. 345; — Popoff, Zeitschr. f. Biol., 25, S. 427; 1889. 5 Kronecker und Brinck, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1887, S.346; — Brinck, Zeitschr. f. Biol., 25, S. 473; 1889. Tigerstedt, Kreislauf. 1. 2. Aufl. 18 274 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Demgegenüber wiesen indessen Howell und Cooke^ nacii, daß bei diesen Ver- suchen nicht das hypothetisch gebildete Serumalbumin, sondern die im Magen- und Darmsekrete vorhandenen Kalziumsalze wirksam waren. Wie leicht man sich übrigens in bezug auf den Nährwert einer gewissen Sub- stanz irren kann, geht aus folgenden Beobachtungen von Popielski sehr deutlich hervor. Ein isoliertes Katzenherz wurde nach der Methode von Langendorff mit der Ringer-Lockeschen Lösung ernährt, und dann Wittepepton in einer Menge von 0,0075 Proz. der Lösung zugesetzt. Dabei wurden die Herzschläge in außerordent- lich hohem Grade beschleunigt und verstärkt: die Frequenz pro fünf Sekunden stieg von vier auf sieben an und der Umfang der Kontraktionen nahm von 14—16 auf 48 zu. Die vorher vorhandenen Unregelmäßigkeiten in der Herztätigkeit ver- schwanden und das Herz schlug vollkommen regelmäßig. Wenn der Gehalt an Pepton zu 0,035 Proz. erhöht wurde, wurde der Umfang der Kontraktionen noch mehr verstärkt usw. Hier lag also anscheinend eine sehr stark hervortretende Wirkung des Peptons vor. Sie beruhte indessen gar nicht auf dem Pepton an sich, denn Popielski fand, daß genau dieselbe Wirkung, quantitativ und qualitativ, durch die Asche des Wittepeptons erzielt wurde, und daß das Ganze lediglich auf den großen Calcium- gehalt des benutzten Peptons zurückzuführen war. Nur ein Unterschied ließ sich in bezug auf die Wirkung des Peptons und der Asche nachweisen: bei Anwendung der letzteren in genügender Gabe trat ein systolischer Herzstillstand auf, was bei dem Pepton nicht stattfand. Dies wird von Popielski so gedeutet, daß das Kalzium im Wittepepton in einer chemischen Verbindung vorkommt, wo der Zerfall in Ionen erschwert ist.^ Nachdem die überaus günstigen Resultate bei der Anwendung der Ringerschen Lösung als Nährflüssigkeit für das ausgeschnittene Herz bekannt geworden waren, sah sich Kronecker veranlaßt, ein neues Kriterium für die vollständige Ausspülung des Herzens aufzustellen, indem jetzt ein Froschherz nur dann als vollständig aus- gespült gelten kann, wenn es mit der Ringerschen Flüssigkeit keine Kontraktionen gibt. Bei der Ausspülung mit reiner Kochsalzlösung wird das Eiweiß nur sehr lang- sam, die Salze aber leicht und schnell aus den Spalträumen des Herzens entfernt. Da nun auch die Salze für die Tätigkeit des Herzens notwendig sind, erscheint das Herz nach dem Auswaschen mit der Kochsalzlösung als tot, obgleich noch etwas Eiweiß zurückgeblieben ist. Wenn die verloren gegangenen Salze in diesem Stadium durch die Ringerlösung ersetzt werden, wird das Herz wieder leistungsfähig und bleibt es, bis die letzten Spuren von Eiweiß durch die Ringerlösung entfernt sind. Man muß daher das Herz zuerst mit Kochsalzlösung auswaschen, bis es stillsteht, und dann die Ringerlösung prüfen. Wenn sich das Herz nun kontrahiert, soll man es wiederum mit der Kochsalzlösung ausspülen, dann noch einmal die Wirkung der Ringerlösung untersuchen und in dieser Weise fortsetzen, bis sich das Herz selbst bei der stärksten Reizung nicht mehr zusammenzieht. Erst eine Lösung, welche dann das Herz wieder erweckt, kann als wahre Nährflüssigkeit gelten.^ 1 Howell und Cooke, Journ. of physiol., 14, S. 212f.; 1893. 2 Popielski, Arch. f. d. ges. Physiol., 130, S. 394f.; 1909. 3 White, Journ. of physiol., 19, S. 351, 354f.; 1896. Vgl. auch White, Zeitschr. f. Biol., 35, S. 1 ; 1896. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 275 Da nun nach Schücking^ ein mit reiner Kochsalzlösung gespeistes Froschherz erst nach etwa anderthalb Stunde aufhört zu schlagen, mit alkalischer Kochsalz- lösung aber sechs Stunden lang pulsiert und mit Ringerlösung bis 24 Stunden leistungsfähig bleibt, kann man ja fast gegen jeden Versuch geltend machen, daß die Kapillarspalten dennoch etwas Eiweiß zurückgehalten haben. Diese Einwen- dung gewinnt noch dadurch an Bedeutung, daß ein Froschherz, das 24 Stunden lang in Intervallen durchspült worden war, noch Blutreste enthielt^; daß das Herz, solange es überhaupt sich kontrahierte, immer deutliche Blutspuren zeigte; sowie daß in den Kranzgefäßen eines mit anderthalb Liter Flüssigkeit durchspülten Kaninchenherzens noch Blutreste nachgewiesen werden konnten. Hier sei auch erwähnt, daß nach Schultz^ die zur Speisung eines Herzmuskel- streifens benutzte Ringerlösung sich beim Erhitzen trübte, obgleich der Streifen vorher sorgfältig ausgewaschen war, sowie daß nach Boehm* die Spülflüssigkeit immer etwas organische Substanz enthält. • Was nun die nutriierende Wirkung des Serums, bzw. Blutes betrifft, teilt schon Ringer Beobachtungen mit, wo die Stärke der unter Anwendung seiner Flüs- sigkeit erheblich geschwächten Kontraktionen bei Zufuhr von kleinen Mengen Blut wesentlich vermehrt wurde. ^ Ferner bringt White Versuche, wo das durch nacheinander stattfindende Aus- spülung mit reiner Kochsalzlösung und der Ringerschen Flüssigkeit völlig erschöpfte, durch starke Reize nicht mehr erregbare Herz bei Fütterung mit Blut zu neuer Tätigkeit gebracht werden konnte.® In wesentlicher Übereinstimmung damit steht auch folgende Erfahrung von Howell. Ein Streifen aus der Vena cava superior der Schildkröte pulsierte 48 Stun- den lang in der Ringerlösung, während der Gehalt derselben an Chlorkalzium all- mählich von 0,026 auf 0,086 Proz. erhöht wurde. Endlich erschienen nur unregel- mäßige Pulsationen. Als nun die Ringersche Flüssigkeit von verdünnten Schafs- blutserum ersetzt wurde, nahm der Tonus des Streifens zu, die Kontraktionen kehr- ten zurück und dauerten stundenlang.'^ Dasselbe Resultat bekam Greene am Streifen aus der Herzkammer der Schild- kröte^ und Waiden am ganzen Herzen des Frosches.^ Auch ist die elektrische Erregbarkeit des Froschherzens größer, wenn es mit Serum, als wenn es mit der Ringerlösung gespeist wird (Lussana^^). In bezug auf diese Ergebnisse bemerkt Howell, daß es allerdings möglich ist, daß die im Serum enthaltenen Nährsubstanzen, welcher Art sie nun sind, vom Herzen haben assimiliert werden können. Die verhältnismäßig kurze Zeit aber, während welcher ein Herzmuskelstreifen seine Kontraktionen im Serumbad fort- 1 Schückinz, Arch. f. Anat. u. Physlol., phy.^iol. Abt., 1901, Suppl., S. 219—222, 224. 2 Nach 21/2 Stunden dauernder Spülung fand Boehm (Arch. f. exp. Pathol., 75, S. 243) im ganzen Herzen nur noch etwa 42000 rote Blutkörperchen. 3 Schultz, Amer. journ. of physiol., 22, S. 135; 1905. 4 Boehm, Arch. f. exp. Pathol., 75, S. 234. 5 Ringer, Journ. of physiol., 6, S. 364; 1885. c White, Journ. of physiol., 19, S. 349; 1896. ' Howell, Amer. journ. of physiol., 2, S. 57f.; 1898. 8 Greene, ebenda, 2, S. 90; 1898. 9 Waiden, ebenda, 3, S. 128; 1899. 10 Lussana, Comptes rend. de la Societe de biol., 1908, 13 juin; — Archivio di fisiologia, 6, S. 7; 1908. 18* 276 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. setzt, spricht dennoch gewissermaßen gegen diese Auffassung, denn man hätte dann erwartet, daß die Restitution dauernder gewesen wäre. In dieser Hinsicht ist es auch bemerkenswert, .daß die nachher benutzte Ringerlösung l> Katze Hund mg 0,6-^,0 2,8—6,2 >> >> 0,8—3,8 0,3—8,0 Autor Mittel mg 1,6 Rona und Neukirch^ 2.8 Rona und Wilenko, Tyrodes Lösung* 1,2 ,, „ ,, Lockes „ » 1.9 Cruikshank und Patierson^ 4 Knowlton und Starling^" Starling und Patterson^ „ „ „ Adrenalininjekt. „ 1,6 Starling und Evans^^ Der bemerkenswerte Unterschied in bezug auf die vom Kaninchenherzen bei Anwendung der Lösung von Tyrode und von Locke zersetzten Mengen von Zucker ist, wie Rona und Wilenko nachgewiesen haben, von der verschiedenen Reaktion dieser Flüssigkeiten bedingt. Bei Tyrodes Lösung ist nämlich Ch = 10~"®*^^ während diese Zahl bei der Lockesohtn Lösung \Qr"^''^^—'^fi^ beträgt. Von Rohrzucker, Maltose und Laktose, wie von Galaktose, Rhamnose, Arabinose und Glukoheptose konnten Locke und Rosenheim^^ keine Wirkung auf das Säugetierherz beobachten, während die Lävulose die Herztätigkeit ein wenig verbesserte. 1 Camis, a. a. O., 8, S. 393; 1908. 2 Gayda, Zeitschr. f. allg. Physioi., 13, S. 28; 1911. ^ Loewi und Weselko, Arch. f. d. ges. Physioi., 158, S. 156; 1914. 4 Camis, Zeitschr. f. allgem. Physioi., 8, S. 397; 1908 (Katze, Fuchs). 5 Starling und Patterson, Journ. of physioi., 47, S. 140; 1913. 6 Cruikshank und Patterson, ebenda, 47, S. 381; 1913. ' Loewi und Weselko, a. a. O., 158, S. 160. « Rona und Neukirch, Arch. f. d. ges. Physioi., 148, S. 285; 1912. 9 Rona und Wilenko, Biochem. Zeitschr., 59, S. 173; 1914. 1« Starling und Knowlton, Journ. of physioi., 45, S. 146; 1912. 11 Starling und Evans, ebenda, 49, S. 71; 1914. 12 Locke und Rosenheini, Journ. of physioi., 31, proc. S. 13, 14; 1904. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 283 Im Gegensatz dazu haben Rona und Neukirch am Kaninchen gefunden, daß das Herz Dextrose, Galaktose und Mannose, nicht aber Lävulose und Disaccharide zerstört und zu demselben Resultat sind Mac Lean und Smedley^ am Kaninchen-, wie am Hundeherzen gekommen, nur vermag letzteres auch die Lävulose zu zersetzen. Bei den Versuchen von Mac Lean und Smedley verbrauchte das Kaninchen- herz pro Stunde: 4 — 7mg Dextrose, 5mg Mannose, 1 — 2mg Galaktose; das Hundeherz zersetzte pro Stunde: 48 — 104mg Dextrose, 38mg Mannose, 27mg Galaktose und 29 — 46 mg Lävulose. Durch besondere Versuche überzeugten sich die Autoren davon, daß die Lävulose nicht lediglich durch mechanische Adsorption an der Herzwand von der Nährflussigkeit entfernt worden war. Im Anschluß an diese Erfahrungen ist noch zu erwähnen, daß Starling und Evans''' beim isolierten Hundeherzen pro g Herzmuskel und Stunde durchschnitt- lich einen Sauerstoffverbrauch von 3,2 und eine Kohlensäureabgabe von 2,7 ccm (respiratorischer Quotient 0,85) gefunden und daraus berechnet haben, daß das Herz bei diesen Versuchen im Mittel 0,48 mg Eiweiß, 1,64 mg Kohlehydrate und 0,68 g Fett, gleich 0,0156 Kai., zersetzte. Nach Ringer übt getrocknetes, durch Ätherextraktion von seinem Fett be- freites Blut auf das Froschherz eine ebenso gute Wirkung als das noch fetthaltige Blut aus.^ In Übereinstimmung damit fanden Howell und Cooke, daß eine Lösung der Serumsalze nach der Ätherextraktion ebensogut wirkte, wie vorher, während der Ätherextrakt an und für sich keine Wirkung hatte.* Das Fett würde demnach in einer künstlichen Nährflüssigkeit keine Rolle spielen. Dagegen hat Clark^ unter anderem erwiesen, daß am Froschherzen eine aus dem Serum extrahierbare, in Äther und Alkohol lösliche Substanz nicht allein eine fördernde Einwirkung auf das hypodynamische Herz ausübt, sondern außerdem noch direkt festgestellt, daß ein solches Herz durch das Natriumoleat, -laurat, -myristat, -palmitat und -stearat wesentlich gekräftigt wird, während das Kaprat nur eine schwache und das Butyrat gar keine Wirkung hat. Den stärksten Ein- fluß hatten diejenigen Fettsäuren, deren Kalziumsalze unlöslich sind. Diese müssen also auch in ungelöstem Zustande ihre normale Wirkung auf das Herz ausüben. Nach Danilewsky^ tvhöhi das Lezithin in mäßiger Gabe — beim Froschherzen höchstens 0,1, beim Kaninchenherzen höchstens 0,05 Proz. — der Ringerlösung zugesetzt, den Umfang der Kontraktionen, macht eine unregelmäßige Herztätig- keit regelmäßig und vermehrt unter Umständen die Pulsfrequenz. Sogar bei einer Verdünnung von 1 : 500000 macht sich diese Wirkung geltend {Kaiznelson"^). In stärkeren Lösungen schwächt das Lezithin dagegen die Herztätigkeit und setzt die Frequenz der Herzschläge herab (Danilewsky). 1 McLean und Smedley, Journ. of physiol., 45, S. 462; 1913. — Vgl. auch Camis, Arch. di farni., 15, S. 481; 1913; zit. nach dem Zentralbl. f. Biochemie u. BiophyJft<, 16, Nr. 1322. 2 Starling und Evans, Journ. of physiol., 49, S. 69. 3 Ringer, ebenda, 6, S. 370; 1885. * Howell und Cooke, ebenda, 14, S. 204; 1893. 5 Clark, Journ. of physiol., 47, S. 90; 1913. — Vgl. auch Loewi, Arch. f. d. ges. Physiol., 170, S. 691; 1918. « Danilewsky, Journal de Physiologie, 1907, S. 909. ' Katznelson, Ann. d. Dorpater Universität, 1910; zit. nach Lawrow und Woronzow (Arch. intern, de pharmacodyn., 22, S. 391 ; 1912). — Vgl. auch die daselbst zitierten Abhandlungen von Kakowsky (1904), Michailowsky (1910) und Lifschitz (1910). 284 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. An einem Herzen, welches durch Äthylalkohol, Chloral, Äther, Chloroform oder Muskarin vergiftet worden ist, hat das Lezithin eine sehr günstige Wirkung und es vermag selbst bei starken Vergiftungen das Herz wieder zu beleben. Hierzu be- darf es bei der Katze und dem Hunde einer verhältnismäßig großen Lezithingabe, bis zu einigen 0,1 g pro Kilogramm Körpergewicht. Aber schon in viel kleineren Gaben entfaltet das Lezithin hier eine günstige Wirkung, während andererseits Mengen bis zu 1,5 g pro Kilogramm Körpergewicht bei intravenöser Injektion vom Herzen gut vertragen werden. Auf das isolierte, künstlich gespeiste Herz ist die Wirkung des Lezithins viel stärker, als auf das Herz im Körper (Lawrow und Wo- ronzow^). Dagegen haben die Bausteine des Lezithins keine Wirkung auf das Herz {Danilewsky, Clark^). Etwa die gleiche Wirkung wie das Lezithin, obgleich schwächer, übt auch das Cholesterin auf das Herz aus (Danilewsky^, Clark). Auch bei der Vergiftung mit Alkohol hat es eine sehr günstige Wirkung (Chistoni^). Das in der einen oder anderen Weise geschwächte Herz wird also durch lipoide Substanzen günstig beeinflußt, was nach Clark^ davon herrührt, daß diese die von der Oberfläche oder dem Innern der Herzmuskelzellen ausgewaschenen Lipoide ersetzen. Auch konnte er in einer Flüssigkeit, welche stundenlang durch das Froschherz zirkuliert hatte, Spuren von Phosphor und Eiweiß sowie ein gelbes Pigment und rote Blutkörperchen nachweisen, sowie mit dieser Flüssigkeit ein geschwächtes Herz wieder beleben. c) Harnstoff. Nach Carlson^ ruft eine auf das Herzganglion von Limulus angebrachte isotonische Lösung von Harnstoff eine Beschleunigung und Verstärkung der Herzschläge hervor, der innerhalb weniger Minuten ein Herzstillstand nachfolgt. Direkt auf den Herzmuskel appliziert, setzt Harnstoff den Umfang der Herz- kontraktionen herab und hebt sie binnen kurzem vollständig auf. Nachdem v. Schröder'' nachgewiesen hatte, daß das Blut von Scylliurh catula durchschnittlich 2,6 Proz. Harnstoff enthielt, machte Baglioni^ Versuche über die künstliche Ernährung des ausgeschnittenen Herzens bei allen Selachiern, die ge- wöhnlich im Sommer und Herbst im Golfe von Neapel vorkommen. Dabei fand er, daß das Herz in einer mit dem Blute dieser Tiere isotonischen 3,5prozentigen Koch- salzlösung nur schlecht schlug, während andererseits eine Lösung von 2 Proz. Chlor- natrium und 2,2 Proz. Harnstoff sich zum Unterhalten der Herztätigkeit in hohem Grade geeignet erwies. Der Harnstoff erhöhte den Tonus des Herzmuskels, was bei größeren Gaben bis zum systolischen Stillstand führen konnte.^ 1 Lowrow und W^-onzow, a. a. O., 22, S. 389; 1912. 2 Clark, Journ. of physiol., 47, S. 96; 1913. 3 Danilewsky, Arch. f. d. ges. Physiol., 120, S. 181; 1907. * Chistoni, Arch. intern, de physiol., 14, S. 214; 1914. ^ Clark, a. a. O., 47, S. 97. 6 Carlson, Amer. journ. of physiol., 16, S. 384; 1906. ■^ V. Schröder, Zeitschr. f. physiol. Chemie, 14, S. 576; 1890. 8 Baglioni, Zentralbl. f. Physiol., 19, S. 385; 1905. 9 ßag//on/, Zeitschr. f. allgem. Physiol., 6, S. 92; 1906; — ebenda, 6, S.213; 1906. —Vgl. auch Fiifiner, ebenda, 8, S.485; 1908; sowie die Kritik von Bottazzi, Archivio di fisiologia, 3, S.501 ; 1906. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 285 Es scheint daher unzweifelhaft, daß der Harnstoff für das Selachierherz eine notwendige Lebensbedingung darstellt. Im Anschluß hierzu untersuchte Bompiani^ an ausgeschnittenen Selachier- herzen (Torpedo, Scyllium), inwiefern der Harnstoff durch Harnstoffabkömmlinge, durch lipoidlöslichc Substanzen (Azeton, Glyzerin, Urethan) wie durch Amino- säuren (Glykokoll, Asparagin, Asparaginsäure) ersetzt werden konnte, und fand dabei, daß die unmittelbaren Derivate des Harnstoffes einen bedeutend geringeren schädlichen Einfluß als die übrigen Verbindungen zeigten. Methylharnstoff be- dingte z. B. eine Überlebungsdauer von 480 Minuten gegen die von 600 Minuten, welche durch Harnstoff unter sonst gleichen Bedingungen beobachtet wird. Je mehr die Harnstoffabkömmlinge in dem Bau ihres Moleküls von der Muttersubstanz sich entfernen, desto weniger vermögen sie den Harnstoff in den künstlichen Lö- sungen für das Selachierherz zu ersetzen. Da chemische Verbindungen, welche gleich Harnstoff in Lipoiden löslich (Glyzerin, Azeton, Urethan) sind, durchaus unfähig sind, das Selachierherz für längere Zeit am Leben zu erhalten, und auch die von Bompiani untersuchten Aminosäuren (Glykokoll, Asparaginsäure) dies nicht vermochten, scheint die eigentümliche physiologische Wirkung des Harnstoffes auf das Selachierherz von den spezifischen chemischen Eigenschaften seines Moleküls abhängig zu sein. Indessen ist es, nach einer Angabe von Mines^, Knowlton gelungen, eine al- kalische Flüssigkeit herzustellen, in welcher der Harnstoff durch Dextrose ersetzt ist, und welche es vorzüglich vermag, die Pulsationen des Selachierherzens zu unterhalten. Bei Knochenfischen (Tinea, Cyprinus aur.) bekam Lussana^ durch Zusatz von Harnstoff immer eine Verlangsamung der Herzschläge, bei stärkerer Kon- zentration auch eine Abnahme des Kontraktionsumfanges. Als erste Wirkung konnte indessen eine kurze Reihe von sehr frequenten Schlägen erscheinen. Durch die Resultate von Baglioni veranlaßt ^ unternahm Lambert^ entspre- chende Versuche am Froschherzen; ein geringer Zusatz von Harnstoff zu der Ringerlösung verlängerte in hohem Grade die Ausdauer des ausgeschnittenen Herzens, ja selbst ein Herz, das in Ringerlösung vier Stunden lang stillgestanden hatte und bei Reizung mit Induktionsströmen nicht mehr reagierte, konnte durch Zusatz von Harnstoff zu der Lösung wieder für eine kürzere Zeit zur Tätigkeit erweckt werden. — Zu etwa demselben Resultat gelangten auch Baglioni und Federico^ an der Kröte: unter dem Einfluß des Harnstoffs wurden die Herz- kontraktionen höher, länger ausgezogen, aber zu gleicher Zeit auch etwas verlang- samt. Seinerseits beobachtete Lussand' am Froschherzen nur eine Verlangsamung der Herzschläge, nicht selten ohne Veränderung des Kontraktionsumfanges. 1 Bompiani, Zeitschr. f. allgem. Physiol., 15, S. 273; 1913. 2 Mines, Journ. of physiol., 43, S. 477; 1912. 3 Lüssana, Archivio di fisiologia, 6, S. 491. * Vgl. auch Cavazzani und Chiaruttini, Arch. per le scienze med., 1892, sowie Lusini und Cabibbe, Atti della Acc. dei fisiocrati di Siena, 1899; zit. nach La Franca, Arch. intern, de physiol., 11, S. 233. 5 Lambert, Comptes rcnd. de la Soc. de biol., 1905 (2) S. 460. « Baglioni und Feder ico, Zeitschr. f. allg. Physiol., 6, S.481; 1907. — Vgl. auch La Franca, Arch. intern, de physiol., 11, S. 233; 1911; sowie Sakai, Zeitschr. f. Biol., 62, S. 346; 1913. ^ Lussana, a. a. O., 6, S. 478. 286 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Am ausgeschnittenen Kaninchenherzen wies dann Backman^ nach, daß der Harnstoff eine kräftige Wirkung auf das Herz ausübt, indem durch Zusatz davon zu der Ringerlösung der Umfang der Herzkontraktionen für eine längere Zeit erhöht wird, und auch die Pulsfrequenz etwas zunimmt; diese Wirkungen werden schon von so niedrigen Konzentrationsgraden erreicht, daß sie mit den Harnstoff- mengen im Blute der Säugetiere sehr gut übereinstimmen. Zu bemerken ist, daß dabei auch die Koronarzirkulation in gewissem Grade beschleunigt wird. Auch durch Ammoniumkarbamat und -karbonat, Kreatin, Hypoxanthin, Xanthin, Harnsäure und Allantoin wird der Umfang der Herzschläge in kleinerem oder größerem Maße gesteigert; durch einige von ihnen kommt auch eine geringe Beschleunigung der Herzschläge zustande; bei den zwei erstgenannten nimmt die Koronarzirkulation ab. Da unter diesen Substanzen Harnstoff, Ammoniumkarbamat und -karbonat sowie wahrscheinlich auch das Kreatin im Körper nicht weiter oxydiert werden, muß ihre Wirkung auch hier als erregend oder erregbarkeitsteigernd aufgefaßt werden. Dagegen ist es ja nicht unmöglich, daß die übrigen von Backman unter- suchten Abbauprodukte zu einem gewissen Grade als Energielieferer haben wirken können. Im Lichte dieser Tatsachen würde der oben besprochene günstige Einfluß gewisser Aminosäuren möglicherweise als Ausdruck einer erregenden oder erreg- barkeitsteigernden Wirkung aufzufassen sein. Diesen Erfahrungen gegenüber stehen indessen die Ergebnisse einiger von Lussana an den Herzen des Frosches, der Kröte, der Schildkröte und zweier Kno- chenfische ausgeführten Versuche, laut welchen der Harnstoff nicht vermag, ein ermüdetes Herz, und sei es auch nur vorübergehend, zu erholen. ^ § 35. Die Bedeutung des Sauerstoffes und der Kohlensäure. a) Sauerstoff, In einer ganz kurzen Mitteilung der Hauptresultate einer unter seiner Leitung von McGuire ausgeführten Untersuchung erwähnt Kronecker u. a., daß der Sauer- stoffgehalt der Speiseflüssigkeiten für das Herz gleichgültig zu sein scheint, denn entgastes Serum wie entgastes Blut unterhielten kräftige Pulsationen; auch Kohlen- oxyd beeinträchtigte die erholende Eigenschaft des Blutes nicht. ^ Diese Untersuchung wurde erst 28 Jahre später in extenso veröffentlicht. Über die Bedeutung des Sauerstoffes für die Herztätigkeit wird hier nur folgendes mitgeteilt. „Wir brachten die Herzen in den luftleeren Raum einer Quecksilber- pumpe, von wo aus ein enges Barometerrohr sie mit dem Manometer verband, deren Quecksilbersäule den Schreibschwimmer trug. Das eine Herz hob vor der Auspumpung des durch dasselbe geleiteten Serums die Quecksilbersäule um 10,0 bis 8,5 mm; nachdem das Serum entgast worden war 8,5—10,25. Das andere Herz schrieb mit gashaltigem Serum Pulse von 5,75—7 mm. Dagegen verzeichnete es entgast Pulse von 6,5—7,5 mm."* 1 Backman, Zentralbl. f. Physiol., 21, S. 1 ; 1906; — Skand. Arch. f. Physiol., 20, S. 5; 1907. "- Lussana, Archivio di fisiologia, 6, S. 473; 1909; — 8, S. 253; 1910; — Arch. intern, de physiol., 9, S. 405; 1910. 3 Kronecker, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1878, S. 321. * McGuire, Zeitschr. f. Biol., 47, S. 302; 1906. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 287 In Kroneckers Laboratorium untersuchte dann Handler die Schnelligkeit, mit welcher das Hämoglobin im Schildkröten- und Froschherzen reduziert wird, um solcherart die Abhängigkeit der Sauerstoffaufnahme von der Arbeit des Herzens festzustellen. Es ergab sich, daß die Reduktionszeit bei stillstehendem Herzen erheblich länger war als beim automatisch pulsierenden oder künstlich gereizten, sowie daß sie im allgemeinen bei größerer Schlagfrequenz abnahm. Da diese Ab- nahme aber nicht proportional der geleisteten Arbeit erfolgte, und ferner die Hub- höhen des Manometerschwimmers vor und nach der Reduktion des Hämoglobins etwa gleichgroß waren, kommt Handler im Anschluß an McGuire zu dem Schluß, daß der Sauerstoffverbrauch in keinem Zusammenhange mit der Leistung des Her- zens steht und übrigens für die Arbeit des Herzmuskels unnötig ist.^ Diese Resultate wurden von Divine vollständig bestätigt; das Kohlenoxyd- blut erwies sich für das Froschherz unschädlich und kam in seiner erholenden Fähigkeit dem arteriellen Blut fast gleich.^ Demgegenüber liegen aber sehr zahlreiche Erfahrungen vor, welche, wie es scheint, die Bedeutung der Sauerstoffzufuhr, wenn es überhaupt nötig wäre, sie zu beweisen, über jeden Zweifel erheben. Schon Castell erwähnte, daß ein Froschherz bei einer Temperatur von 20 bis 25** C in atmosphärischer Luft drei Stunden lang schlug, während die Herzschläge bereits nach zehn Minuten in verdünnter Luft seltener wurden und bald aus- blieben; Zufuhr von Sauerstoff verstärkte die Herztätigkeit in hohem Grade und unter dessen Einwirkung konnten die Fulsationen über zwölf Stunden andauern.' Zu diesem Ergebnis fügte Klug^ noch hinzu, daß Störungen der Herztätigkeit bei der Anwendung von entgastem Blut erst beim ermüdeten Herzen zum Ausdruck kommen, und glaubte darin die Erklärung der abweichenden Beobachtungen von McGuire zu finden. Seinerseits beobachtete Yeo, daß die Reduktion des Oxyhämoglobins beim stillstehenden Herzen wesentlich langsamer als beim arbeitenden erfolgte, sowie daß sie um so schneller verlief, je größer die Anzahl Reizungen war in der Zeit- einheit — welches Resultat er im Gegensatz zu Handler als Ausdruck eines wirk- lichen Sauerstoffbedarfes auffaßt.^ Beim Fundulus-Embryo setzt eine bestimmte Verminderung des Sauerstoff- druckes die Zahl der Herzschläge auf die Hälfte bis ein Drittel herab {Loeb und Wasteneys^). Soviel ich die Äußerungen der Schule Kroneckers verstanden habe, würde die Erholung des Herzens nach einer Erstickung nicht von der Zufuhr von Sauer- stoff, sondern von der Entfernung der Kohlensäure bedingt werden. Indessen traten auch in den Versuchen von ÖhrwaW, wo das Herz in einer Atmosphäre von langsam strömendem Wasserstoff umgeben war, die typischen Erstickungserscheinungen auf, und diese wurden dann durch Zufuhr von Sauer-' 1 Sophie Handler, ebenda, 26, S. 253; 1890. — Vgl. Bertha Finn, ebenda, 47, S. 330f ; 1906. 2 Julia Divine, ebenda, 47, S. 334; 1906; — vorl. Mitt. Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1898, S. 533. 3 Castell, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1854, S. 226. 4 Klug, ebenda, physiol. Abt., 1879, S. 468. 5 Yeo, Journ. of physiol., 6, 92, 119; 1885. 6 Loeb und Wasteneys, Biochem. Zeitschr., 40, S. 277; 1912. 7 Öhrwall, Skand. Arch. f. Physiol., 7, S. 222, 294; 1897; — 8, S. 1, 53; 1898. 288 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Stoff, sei es im Blut oder in der Luft, wieder beseitigt. Hier kann doch keine Rede davon sein, daß die Sauerstoffzufuhr für die Arbeit des Herzens unnötig wäre. In bezug auf diese Versuche ist noch ganz besonders zu bemerken, daß eine voll- ständige Erstickung durch von außen her zugeführten Sauerstoff aufgehoben werden konnte, ohne daß der Inhalt des Herzens erneuert zu werden brauchte.^ Ein weiterer Beweis für den Sauerstoffbedarf des Herzens bildet die Tatsache, daß die Kranzarterien bei den Fischen aus den Kienienvenen entspringen, d. h. nachdem das Blut durch die Kiemenatmung Sauerstoff aufgenommen und Kohlen- säure abgegeben hat {Baglioni^); hierher gehört auch die Gefäßversorgung des Sinus des Froschherzens. Ferner schlägt ein ausgeschnittener Streifen aus der Kammer des Schild- krötenherzens in reiner Kochsalzlösung durch Zusatz von HgOg viel stärker und viel längere Zeit als sonst, und der Zusatz von Wasserstoffsuperoxyd kann sogar ein stillstehendes Herz zum Pulsieren bringen. Dieselben Wirkungen werden auch durch Zufuhr von gasförmigem Sauerstoff erzielt (Lingle^). Am selben Objekt hat E. G. Martin^ unter anderem einen Versuch mit- geteilt, welcher in ganz auffallender Weise den günstigen Einfluß reichlicher Sauer- stoffzufuhr illustriert. Der Kontrollstreifen in gewöhnlicher Kochsalzlösung machte während 52 Minuten bis zur Erschöpfung insgesamt 628 Kontraktionen mit einem totalen Arbeitswert von 1900 g-mm; bei Zufuhr von reinem Sauerstoff machte ein anderer Streifen desselben Herzens in 1340 Minuten 16755, Kontrak- tionen, gleich einer Arbeit von 12000 g-mm; als nun etwas CaClg der sauerstoff- gesättigten Kochsalzlösung hinzugefügt wurde, traten neue Kontraktionen auf, welche noch 780 Minuten lang dauerten. Einen anderen derartigen Versuch verdanken wir Vernon^: ein ausgeschnit- tenes Schildkrötenherz pulsierte in mit Sauerstoff gesättigter Ringerlösung 105 Stunden. Der Umfang der Kontraktionen betrug am Anfang des Versuches 38, nach 24 Stunden 38, nach 48 Stunden 34, nach 72 Stunden 24, nach 95 Stun- den 7; zu diesen Stunden betrug die Pulsfrequenz in einer Minute bzw. 12, 6,4, 4,7, 3,7, 3,7. Wenn also das Herz der Kaltblüter ohne Sauerstoff nicht auf die Dauer lei- stungsfähig bleiben kann, so hat es dennoch einen verhältnismäßig geringen Be- darf an Sauerstoff, in welcher Hinsicht auch auf Newmans^ Beobachtungen am Limulusherz verwiesen werden kann. In einer Atmosphäre von Wasserstoff gibt das Ganglion kräftigere Impulse als sonst, und während 3V2 Stunden nehmen die Kontraktionen immer mehr zu. Dagegen nehmen die Kontraktionen langsam an Stärke ab, wenn der Herzmuskel allein in einer Wasserstoffatmosphäre gehalten wird. In sauerstoffreiem Wasser kann das Limulusherz bis zu etwa 12 Stunden lang schlagen. Dies hängt natürlich mit dem verhältnismäßig geringen Stoffwechsel des Kaltblüterherzens (vgl. oben, S. 256) aufs engste zusammen. Wo der Stoffwechsel, 1 öhrwall, ebenda, 7, S. 300. 2 Baglioni, Zeitschr. f. allg. Physiol., 6, S. 96; 1906. ^ Lingle, Amer. journ. of physiol., 8, S. 79f.; 1902. " E. G. Mariin, ebenda, 15, S.306; 1906; — 16, S. 196; 1906. Vgl. auchS. R. Benedict, ebenda, 22, S. 24; 1908. 5 Vernon, Journ. of physiol., 40, S. 297; 1910. • Newman, Amer. journ. of physiol., 15, S. 371 ; 1906. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 289 wie beim Säugetierherz, größeren Umfanges ist, stellt sich die durchgreifende Be- deutung der Sauerstoffzuluhr in der unverkennbarsten Weise dar, wie aus sämt- lichen Versuchen über die Speisung des ausgeschnittenen Herzens mit einer Salz- lösung ohne weiteres hervorgeht. Ohne Sauerstoffzufuhr stellt das Säugetferherz auch bei Speisung mit der besten Nährflijssigkeit seine Tätigkeit bald ein (Strecker^), und bei länger dauernder Asphyxie erfährt es eine nicht mehr reparable Schädigung (Winterstein^). Die Versuche Streckers fanden am ausgeschnittenen Katzenherzen statt. Unter Anwendung von entgastem Blute kamen nur schwache, wenig regelmäßige Kontraktionen zum Vorschein. Wurde das Blut mit Sauerstoff geschüttelt, so wurde die Tätigkeit des Herzens sofort kräftig und regelmäßig. Mit einem an Kohlenoxyd reichen, aber nicht gesättigten Blute konnte das durch Kochsalzlösung erschöpfte Herz zu ungewöhnlich starkem Schlagen an- geregt werden und blieb dabei eine nicht ganz kurze Zeit, vorausgesetzt, daß die Speisung sehr reichlich war (40 ccm in der Minute). Wenn das Blut dagegen mit Kohlenoxyd vollständig gesättigt war, wurden beim durch Kochsalzlösung erschöpften Herzen nur schwache und immer schwächer werdende Kontraktionen erzielt, die bald aufhörten; oder auch konnte es gar nicht zum Schlagen gebracht werden. Aber auch in diesem Falle kann das Herz durch sauerstoffhaltiges Blut wieder belebt werden. Da dies sehr schnell stattfindet, darf geschlossen werden, daß das Kohlenoxydblut an und für sich keine spezifische Giftwirkung ausgeübt hat. Aus Wintersteins Beobachtungen folgt, daß das isolierte Säugetierherz bei Körpertemperatur ohne Sauerstoffzufuhr im allgemeinen innerhalb 14—25 Minuten stirbt. Sofort nach Beginn der Durchspülung mit der sauerstofffreien Lösung be- obachtet man, wie zuerst von Rusch^ angegeben wurde, eine mitunter außerordent- lich auffällige Verstärkung der Pulsgröße bei unveränderter Pulsfrequenz. Hierauf folgt aber bald eine allmählich fortschreitende Abnahme der Kontraktionen und der Pulsfrequenz, die Herztätigkeit hört allmählich auf, und dann ist auch die direkte Erregbarkeit des Herzens für mechanische und elektrische Reize auf- gehoben. b) Kohlensäure. Unter dem Einfluß der Kohlensäure wird der Tonus des Aplysienherzens in hohem Grade gesteigert und auch die Erregbarkeit desselben nimmt zu. Gleich- zeitig vermindert sich die Pulsfrequenz unter Verlängerung der Diastole und Abnahme des Umfanges der einzelnen Kontraktionen {W. Straub^). Auch beim Herzen des Krebses steigert die Kohlensäure den Tonus, ruft aber gleichzeitig eine Beschleunigung der Schlagfolgc hervor. Schließlich stirbt das ausgeschnittene Herz in der Systole. Nach Aufheben dei Kohlensäurezufuhr erholt sich das Herz in situ allmählich, indem der Tonus zuerst von einigen nor- malen Kontraktionen unterbrochen wird; dann folgt ein wiederholter Tonus, 1 Strecker, Arch. f. d. ges. Physiol., 80, S. 173; 1900. 2 Winterstein, Zeitschr. f. allg. Physiol., 4, S. 356; 1904. » Rusch, Arch. f. d. ges. Physiol., 73, S. 535; 1898. ^ W. Straub, Arch. f. d. ges. Physiol., 86, S. 519; 1901. Tigerstedt, Kreislauf. I. 2. Aufl. '9 290 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. dem sich eine neue Reihe rhythmischer Kontraktionen anschließt. Und so geht es fort, bis die Herztätigkeit wieder normal geworden ist (P. Hoffmann^). Nach Applikation von Kohlensäure auf das Ganglion des Limulusherzens werden die Kontraktionen zuerst, während 4—5 Schläge, stärker und nehmen dann bis zum Stillstand in der Diastole schnell ab. Nach Zufuhr von Sauerstoff findet die Wiederherstellung allmählich statt. Auf den Herzmuskel selber übt dagegen die Kohlensäure aueh nicht im ersten Augenblicke irgendwelche fördernde Wirkung aus (Newman^). Wenn das Herz eines Wirbeltieres mit einer Flüssigkeit gespeist wird, die Kohlensäure in genügender Menge enthält, so geht es in diastolischen Stillstand über^, kann aber, wenn die Vergiftung nicht zu stark gewesen ist, nach Auswaschen der Kohlensäure vollständig wiederhergestellt werden (W. Straub^). Auch kann die Erregbarkeit des Froschherzens durch die Kohlensäure ge- steigert werden (W. Straub^), wie dasselbe nach Göthlin^ unter gewissen Bedin- gungen besser in einer Atmosphäre mit 7 Proz. Kohlensäure als in reinem Sauer- stoff arbeitet. Wenn nämlich der Kraftbestand des Herzens bei reinem Sauerstoff dahin gesunken war, daß seine Arbeit, nach ähnlichen Fällen zu urteilen, binnen kurzem aufgehört hätte, bewirkte die Einführung von Kohlensäure in die Atmo- sphäre eine ansehnliche Vermehrung der Arbeitsfähigkeit, so daß das Herz eine neue, mehr als viermal größere Arbeit wie vorher ausführte. Etwas derartiges konnten Starling und Jerusalem' indessen nicht nachweisen, denn bei einem Kohlensäuregehalt von 7 Proz. an kam nur eine Abnahme der Lei- stung des Froschherzens zum Vorschein, während andererseits Clark^ bemerkt, daß eine geringe Zugabe von Kohlensäure zu der Ringerflussigkeit den Umfang der Herzkontraktion erhöht. Indessen trat bei Versuchen von Starling und Jerusalem am Katzenherzen bei größerer diastolischer Erschlaffung eine wesentliche Vergrößerung des Schlag- volumens ein, wenn die zur künstlichen Atmung benutzte Luft einen Kohlensäure- gehalt von 5—8 Proz. hatte.^ Die Ursache dieser Erscheinung dürfte indessen nicht in einer durch die Koh- lensäure hervorgerufenen Steigerung der Leistungsfähigkeit des Herzens gesucht werden können, denn wie Kitcham, King und Hooker^^ fanden, zeigt sich am iso- lierten Katzenherzen ein Gehalt von 3 Proz. Kohlensäure in der Nährflüssigkeit schon schädlich. Die auch von ihnen bestätigte Zunahme der bei einem verkürzten Kreislauf vom linken Herzen herausgetriebenen Blutmenge, wenn die zur Venti- lation des Präparates benutzte Luft einen höheren Kohlensäuregehalt besaß, er- klären daher die genannten Autoren als die Folge einer Erweiterung im Lungen- kreislauf, durch welche das linke Herz reichlicher als vorher mit Blut gespeist 1 P. Hoffmann, Zeitschr. f. Biol., 59, S. 308; 1912. 2 Newman, Amer. journ. of physiol., 15, S. 379; 1908. 3 Vgl. Ringer, Journ. of physiol., 14, S. 125; 1893; — Saltet, Zeitschr. f. Biol., 47, S. 312; 1905. * W. Straub, Arch. f. exp. Pathol., 45, S. 381; 1901. ^ W. Straub, ebenda, 45, S. 385. 6 Göthlin, Skand. Arch. f. Physiol., 12, S. 14; 1901. 7 Starling und Jerusalem, Journ. of physiol., 40, S. 282; 1910. 8 Clark, ebenda, 47, S. 87; 1913. " Starling und Jerusalem, ebenda, 40, S. 283. 1" Kitcham, King und Hooker, Amen journ. of physiol., 31, S. 64; 1912. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 291 wurde. Und in der Tat konnten sie sowohl an der Schildkröte wie an der Ratte eine Erweiterung der Lungengefäße unter der Einwirkung der Kohlensäure nachweisen. Aus diesem Gesichtspunkte dürfte auch die Beobachtung Jappeltis'^, daß bei durchschnittenen Vagi die Systole der linken Kammer durch Erstickung verstärkt wird, erklärt werden können. Endlich hat CathcarP beim Kaninchen gefunden, daß die Wirkung der Koh- lensäure in der Inspirationsluft bei leichter Äthernarkose lediglich in einer Abnahme der Pulsfrequenz und des Umfanges der Kontraktionen besteht; bei tiefer Narkose übt die Kohlensäure in den von ihm benutzten Mengen überhaupt keine Ein- wirkung aus. Unter dem Einfluß der Erstickung tritt zunächst am isolierten Herzen eine merkwürdige Veränderung auf, indem Gruppen von 3—4—15 oder noch mehreren ziemlich schnell nacheinander folgenden Kontraktionen, welche Gruppen durch größere Pausen getrennt sind, erscheinen. Diese wurden zuerst am ausgeschnittenen Froschherzen, das durch eine um den Vorhof gelegte Ligatur auf eine Kanüle aufgebunden war, von Luciani^ be- obachtet. Roßbach\ Sokoloff und Luchsinger'" wie Langendorff^ wiesen den Zu- sammenhang dieser Erscheinung mit der Erstickung nach, und ÖhrwaW machte sie dann zum Gegenstand einer sehr eingehenden Untersuchung. Wenn das isolierte Froschherz, von Kochsalzlösung oder Wasserstoff umgeben, mit einer abgesperrten Blut-' oder Serummenge, die nicht erneuert wird, arbeiten muß, entwickelt sich im allgemeinen spätestens nach 2—3 Stunden die Erstickung so vollständig, daß die Herzschläge ganz aufhören. Während dieses Vorganges lassen sich in bezug auf den Rhythmus und den Umfang der Bewegungen zwei Hauptformen unterscheiden. In der einen wird der Rhythmus, aber nicht der Umfang der Pulse verändert. Dies gibt sich gewöhnlich zuerst dadurch zu erkennen, daß einzelne Pulse aus- bleiben. Bald bleiben immer mehrere aus, oft nacheinander, so daß Pausen ent- stehen, welche Gruppen von Pulsen trennen, deren Frequenz die gewöhnliche ist. Die Pausen werden immer länger, während die Gruppen sich in einzelne Pulse auflösen, die schließlich ganz aufhören. Häufiger aber setzen während des ersten Stadiums einzelne Schläge in so großer Menge aus und sind so gleich verteilt, daß ein ausgeprägteres Gruppenstadium nicht zustande kommt, sondern das letzte Stadium mit einzelnen Schlägen unmittelbar auf das erste folgt. Das Ausfallen der Schläge fängt nach 15—45 Minuten an und geschieht oft mit großer Regelmäßigkeit, indem erst z. B. jeder siebente, darauf jeder sechste, fünfte, vierte usw. ausfällt. Gewöhnlich ist die Schlagfolge innerhalb der Gruppen ganz gleichförmig, so daß alle Pulse mit gleichen Zwischenzeiten aufeinander folgen. 1 Jappelli, zit. nach dem Jahresbericht der Physiologie, 1899. 2 Cathcart, Journ. of physiol., 47, S. 400; 1913. — Vgl. Mathison, ebenda, 41, S. 433; 1910. 3 Luciani, Berichte d. sächs. Gesellsch. d. Wiss., math.-phys. KI-, 1873, S. 11. 4 Roßbach, ebenda, 1874, S. 193. 5 Sokoloff und Luchsinger, Arch. f. d. ges. Physiol., 23, S. 295; 1880. 6 Langendorff, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1888, S. 103. ^ Öhrwall, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1893, S. 40; — Skand. Arch. f. Physiol., 7, S. 222; 1897; — 8, S. 1 ; 1898. 19* 292 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Bei Öhrwalls Versuchen trat das Gruppenstadium oft nicht ein, was unzweifel- haft davon verursacht war, daß die Erstickung hier schneller verlief und weiter getrieben wurde als bei den Versuchen von Luciani, denn je langwieriger der Ver- lauf ist, um so mehr ausgebildet ist im allgemeinen das Gruppenstadium. Endlich ist bei diesem Typus zu bemerken, daß bei einigen Versuchen die Erstickungserscheinungen bei der Kammer schneller als beim Vorhof sich ent- wickeln, während bei anderen Kammer und Vorhof einander folgen und gleich- zeitig aufhören zu schlagen. Während der Pausen zwischen den einzelnen Gruppen können Extrazuckungen durch leichte Reizung der Kammerspitze ausgelöst werden. Wenn die Reizung kurze Zeit nach Ablauf einer Gruppe stattfand, bewirkte sie nur einen Puls; je weiter man sich von der vorangehenden Gruppe entfernte, desto zahlreichere Pulse traten auf; reizte man kurz vor dem mutmaßlichen Ende der Pause, so wurde die volle Gruppe ausgelöst (Langendorff^). 5" ■ H ''""'''''■■'■■'■''''''' ' I I I I > I L 1 I I > I I 1 1 1 ] t i I I I I 1 I U I I I t I t I I I 1< I I I I I I I I I I I Ax. " " " 1 1 1 1 1 1 1 ■ I ' I "■ I ' " 'I ■ 1 1 1 " I ' 1 1 II II " 1 1 1 ' 1 1 ' I ' I " " 1 1 II ' I 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 II 1 1 1 1 1 1 II 1 1 a II IUI I I I ' I II II I 11 I I 11 IUI I III II II I I IL II I 11 I II IUI I I I JJV. Fig. 174. Periodisch aussetzende Tätigkeit des Froschherzens. Nach Langendorff. Vgl. den Text. Als Belege verweise ich auf Fig. 174.^ Darin bedeutet die oberste Linie die Herzkontraktionen, die mittlere Linie gibt die Zeit in 5 Sekunden und die dritte Linie die stattfindende elektrische Reizung an. Die erste Reizung (1) sogleich nach Ende einer Gruppe gibt nur eine Extrazuckung, die zweite (2), die etwas später ein- trifft, gibt eine Gruppe von drei Zuckungen, usw. Die fünfte Reizung (5), die ganz am mutmaßlichen Ende der Pause angeführt wird, ruft eine ganze Gruppe hervor.^ Die zweite Hauptform der Erstickung ist durch die beständige Abnahme des Umfanges bei Unveränderlichkeit des Rhythmus charakterisiert. Sie ist in aus- geprägten Fällen der ersten Hauptform vollständig unähnlich und hat mit ihr nichts anderes gemein, als daß auch bei ihr die Frequenz allmählich abnimmt. In vielen Fällen ist die Form der Erstickung eine gemischte, so daß außer Störungen im Rhythmus auch eine Verminderung des Umfanges stattfindet, wo- bei bald die eine, bald die andere Veränderung vorherrschen kann. 1 Langendorff, Arch. f. Anat. u. Physioi., physiol. Abt., 1884, Suppl., S. 68. 2 Langendorff, Arch. f. d. ges. Physiol., 121, S. 59; 1907. 3 Über weitere Einzelheiten vgl. Langendorff, ebenda, 121, S.61. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 293 Zur Deutung der Herzperiodik ging Öhrwall^ von den Erfahrungen über die Erregbarkeitsverhäitnisse der isolierten, freiwillig nicht pulsierenden Herz- spitze aus. Bei der künstlichen Erregung von Pulsationen ließen sich nämlich gesetzmäßige Einflüsse einerseits der Tätigkeit, andererseits der Ruhe des er- stickenden Herzmuskels auf den Grad seiner Reizbarkeit erkennen. Auf Grund dessen schloß Öhrwall, daß die periodisch aussetzende Rhythmik des ganzen Herzens auf Erregbarkeitsschwankungen des Herzmuskels beruhe. Auch beim erstickenden Herzmuskel erfolgen die Tätigkeitsantriebe wie beim normalen Herzen in ge- wöhnlichem Rhythmus, aber mit allmählich abnehmender Stärke. Aber die Impulse treffen das ausführende Organ bald mehr, bald weniger fähig und geneigt, sie zu beantworten. Ein einmal hervorgerufener Puls erhöht die Erregbarkeit des Herzmuskels; infolge dessen treffen die nächstfolgenden Impulse den Herzmuskel so stark erregbar, daß er sie alle beantwortet und eine Pulsreihe („Gruppe") entsteht. Im Laufe dieser Reihe erschöpft sich indessen die Erreg- barkeit, der Impuls hört daher auf zu wirken und die Pause tritt ein. Im Beginn derselben sinkt die Erregbarkeit noch tiefer, aber in ihrem weiteren Verlauf steigt sie wieder an und erreicht schließlich eine solche Höhe, daß die Impulse wieder wirksam werden und eine neue Gruppe von Zuckungen auftritt (vgl. Fig. 175, JPouse Gruppe ^~~^*r;~. Gruppe Fig. 175. Schema zur Erklärung der periodisch aussetzenden Tätigkeit des Herzens. Nach Öhrwall. welche die gegenseitigen Beziehungen der Stärke der Impulse [die gerade Linie] und die Erregbarkeitsveränderungen des Herzens angibt). Gegen diese Deutung der Periodik macht Langendorff unter anderem geltend, daß das Herz während der Pause tatsächlich erregbar ist (vgl. oben), und daß man nach Beendigung einer spontanen Gruppe durch schwache Einzelreize von einer Frequenz, die dem Gruppenrhythmus etwa entspricht, lange Reihen von Pulsen hervorrufen kann, was sich ja doch nicht mit der Annahme einer Erschöpfung des Herzmuskels vereinbaren läßt. Auch zeigt die Analyse der während der Gruppen- pulse ausgelösten Extrazuckungen, daß hier keine kompensatorische Pause auf- tritt, und daß also die Kontraktionen, aus welchen die Gruppe zusammengesetzt ist, nicht durch einen von den anderen Herzabteilungen fortgepflanzten Reiz, sondern autochton ausgelöst sind (vgl. Kap. XV). Auf Grund dieser Umstände gelangt Langendorff seinerseits zu der Auf- fassung, daß die Ursache der Periodik in einer mangelhaften Wirksamkeit des hier tätigen automatischenApparates zu suchen ist. Wir könnten uns vorstellen, daß die in jenem automatischen Apparate ent- stehenden Reize wegen der Erstickung nicht in so regelmäßiger Weise abströmen wie gewöhnlich, sondern nur in gewissen Intervallen gewissermaßen explosions- artig sich entladen. 1 öhrwall, a. a. O., 8, S. 71; 1898. 294 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Jede Entladung bewirkt eine auf einen gewissen Zeitraum sich erstreckende Dauerreizung des Herzmuskels, der darauf mit rhytlimischer Tätigkeit antwortet, die bis zur Erschöpfung des Reizes andauert. Während der dann eintretenden Ruhe sammelt sich neue Spannkraft im Zentrum an, die wieder nach der Er- reichung einer gewissen Größe explodiert, usw. hl welcher Weise aber der Reiz vom Herzmuskel aufgespeichert wird, um die rhythmische Tätigkeit der Gruppe auszulösen, darüber gibt die Theorie von Langendorf f^ uns keinen Aufschluß. Bei wieder stattfindender Zufuhr von Sauerstoff werden die Störungen ganz und gar beseitigt, so daß das Herz sich binnen einer Zeit (30 Sekunden bis 33 Mi- nuten) erholt, die jedenfalls viel kürzer ist als die Zeit, welche bei der Erstickung bis zum letzten Herzschlage verläuft. ^ Die Erholung durch Sauerstoffzufuhr kann auch ohne Ausspülung des Her- zens stattfinden. Daraus und aus anderen Umständen folgert Öhrwall^, daß der Sauerstoff bei der Herzarbeit nicht direkt verbraucht wird, sondern in dem Herz- muskel erst in eine Verbindung eintritt, die bei der Tätigkeit des Herzens in An- spruch genommen wird. Bei der Erstickung wird diese Verbindung allmählich bis zu einem gewissen Grade vermindert und die Kontraktionen hören wegen Mangel an derselben schließlich auf. Bei nun stattfindender Sauerstoffzufuhr kann der Herzmuskel seine Tätigkeit wieder ausüben, sobald die dazu erforderliche Ver- bindung sich aufs Neue in genügender Menge gebildet hat. Die Erstickungserscheinungen bei den Säugetierherzen lassen sich am besten verfolgen, wenn man alle Herznerven durchschneidet und das Rückenmark zer- stört. Das Herz ist dann vom zentralen Nervensystem vollständig isoliert und im großen und ganzen auch von den Gefäßen unabhängig, indem diese, nach Zerstörung des Rückenmarkes, bei der Erstickung keine Reaktion mehr zeigen. An solcherart operierten Kaninchen fanden Konow und Stenbeck*, daß das Herz nach Aufhören der künstlichen Atmung immer langsamer schlägt, bis die Herzschläge schließlich nicht mehr am Manometer angegeben werden können. Die Zeit, innerhalb welcher dies stattfindet, beträgt nur 105—185 Sekunden. Am isolierten, mit der Ringerlösung gespeisten Katzenherzen beobachtete Zanda^ unter anderem, daß Kohlensäure häufig Gruppenbildung hervorruft. § 36. Das Verhalten der einzelnen Abteilungen des Herzens. In der vorhergehenden Darstellung habe ich absichtlich gar nicht erörtert, inwiefern der eine oder andere bei den betreffenden Versuchen benutzte Teil des Herzens an und für sich spontane Kontraktionen ausführt oder nicht, denn die Besprechung dieser Frage gehört der allgemeinen Diskussion über die Ursachen der rhythmischen Tätigkeit des Herzens und steht in keinem engeren Zusammen- hang mit der Aufgabe, die chemischen Bedingungen des Herzschlages zu unter- suchen. 1 Langendorff, Arch. f. d. ges. Physiol., 121, S. 71. 2 Öhrwall, a. a. O., 7, S. 268, 306. ■^ Öhrwall, a. a. O., 7, S. 317. 4 Konow und Stenbeck, Skand. Arch. f. Physiol., 1, S. 405; 1889. 5 Zanda, Archivio di fisiologia, 3, S. 269; 1906. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 295 Auch bei dieser Beschränkung läßt es sich indessen nicht ganz umgehen, das Verhalten der einzelnen Herzabschnitte ins Auge zu fassen, denn es hat sich gezeigt, daß eine Lösung von einer gewissen Zusammensetzung, die für das Hervorrufen bzw. Unterhalten der Kontraktionen einer Herzabteilung ganz vorzijglich ge- eignet ist, nur durch bestimmte Modifikationen in bezug auf den gegenseitigen Ge- halt ihrer Bestandteile auch fijr eine andere Herzabteilung anwendbar ist. Anderer- seits können solcher Art äußerst leicht spezielle Reize entstehen, welche auf die normale funktionelle Abhängigkeit zwischen den verschiedenen Teilen des Herzens mehr oder weniger störend eingreifen.^ So zeigt sich vor allem, daß selbst das eigene Blut des Tieres nicht ohne weiteres imstande ist, Kontraktionen bei allen Herzabteilungen hervorzurufen. Allerdings kontrahieren sich beim Hundeherzen isolierte Streifen im Blut des Tieres ohne irgendwelche Wartezeit [Porter^). Andererseits schlägt aber die nach Bernstein isolierte Herzspitze des Frosches im eigenen Blut des Tieres — wenn keine Drucksteigerung vorhanden ist — nie; also müssen die chemischen Bedingungen für das Zustandekommen der Kon- traktionen bei dem Venensinus von den bei der Kammerspitze geltenden wesent- lich verschieden sein.^ Dementsprechend pulsiert ein Streifen aus der Herzkammer der Landschild- kröte im eigenen Blute des Tieres nie {Howell); auch im unverdünnten Serum er- scheinen erst nach sehr langer Latenzdauer (30—50 Stunden) Kontraktionen, welche höchstens eine Stunde dauern, während er sich zu kontrahieren beginnt, sobald das Serum in genügendem Grade mit Kochsalzlösung verdünnt wird oder Chlorkalzium zugegeben wird; daß auch reine Kochsalzlösung Pulsationen des ausgeschnittenen Streifens hervorruft, ist ja mehrmals hervorgehoben.^ Die Vor- höfe stehen in dieser Hinsicht gewissermaßen in der Mitte zwischen dem Venen- sinus und der Kammer, indem sie in einigen Fällen mit unverdünntem Serum pul- sieren, in anderen aber nicht; hier braucht das Serum zum Hervorrufen der Kon- traktionen indessen nicht so stark verdünnt zu werden wie bei der Kammer. — Eine Ringerlösung von 0,7 Proz. NaCl, 0,026 Proz. CaClg und 0,03-0,04 Proz. KCl ist für den Venensinus vorzüglich; in derselben steht die Kammer in der Regel still, fängt aber an zu pulsieren, wenn die Flüssigkeit mit Kochsalzlösung verdünnt oder wenn ihr Gehalt an Chlorkalzium erhöht wird. Diese Tatsachen zeigen also, daß die gegenseitigen Proportionen des Kalziums und Kaliums im normalen Blut die automatische Erregung des Venensinus, nicht aber die der Kammer gestatten.^ Auch bemerkt Martin, daß die venöse Seite des Herzens für die giftige Wir- kung des Kaliums viel weniger empfindlich als die Kammer ist, indem jene das Kalium in sechsfacher Konzentration verträgt.'' In Übereinstinmmng damit steht der Befund Sagais'', daß die Sinusautomatie 1 Vgl. Wybauw, Arch. intern, de physiol., 2, S. 207; 1905. 2 S. bei Howell, Amer. journ. of physiol., 2, S. 78. 3 Bernstein, Zentralbl. f. d. med. Wiss., 1876, S. 385. * Howell, Amer. journ. of physiol. ,2, S.71f.; 1898. — Vgl. auch Greine, ebenda, 2, S.87; 1898. 5 Howell, ebenda, 2, S. 71 f.; 1898. — Vgl. auch E. G. Martin, ebenda, 1 1 , S. 105; 1904. « E.G.Martin, ebenda, 16, S. 211; 1906.— Vgl. auch Boehm, Arch. f. exp. Pathol., 75., 275; 1914. ■ Sagai, Zeitschr. f. Bio!., 64, S. 539. 296 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. durch Änderung des Salzgehaltes der Nährflüssigkeit in weit geringerem Grade beeinflußt wird als die Kammerautomatie. Insbesondere ist zu bemerken, daß Vermehrung des CaClg-Gehaltes der Nährflüssigkeit am Sinus meist die Schlag- frequenz etwas herabsetzt, während sie auf die Kammer stark beschleunigend wirkt. 1 Beim isolierten Säugetierherzen erscheinen bei Speisung mit der Lockeschen Flüssigkeit mit herabgesetztem Kochsalzgehalt (0,2 — 0,3 Pioz.) Unregelmäßig- keiten, welche schließlich zum Stillstand der Vorhöfe führen, während die Kam- mern in seltenem, aber durchaus gleichmäßigem Rhythmus stundenlang weiter schlagen (F. B. Hofmann^). Nach Göthlin werden die Kontraktionen der Vorhöfe, nicht aber die der Kam- mer des Froschherzens durch NagCOg und NaOH verstärkt.^ Am isolierten Froschherzen suchten Dale und Thacker^dle Reaktion der Nähr- flüssigkeit für die einzelnen Abteilungen festzustellen, bei welchen diese noch ohne künstlichen Reiz erregt werden, und fanden dabei folgende Grenzwerte: für den Venensinus C^ == 10~* bis 10~^'^ für die Vorhöfe Ch = lO"^'^ bis 10~^°'^ für die Kammer Ch = 10~^'^ bis 10~^^ d. h. der Venensinus kann in einer sauren Flüssigkeit pulsieren, die zu sauer ist, um bei den Vorhöfen und der Kammer Kontraktionen hervorzurufen. Anderer- seits ist es der letzteren möglich, in einer alkalischen Flüssigkeit tätig zu sein, in welche Vorhöfe und Sinus ihre spontanen Kontraktionen einstellen. Zu entgegengesetzten Resultaten ist indessen Clark^ gekommen, indem nach seinen Erfahrungen das Optimum der Wasserstoffionenkonzentration beim Vorhof niedriger als bei der Kammer liegt. Die Dauer der Reizleitung zwischen dem Vorhof und der Kammer nimmt bei Abnahme der Wasserstoffionenkonzentration ab {Mines*^), kann aber bei Ver- änderungen der Schlagfrequenz, welche durch Variationen in der Zusammen- setzung der Nährflüssigkeit erzielt werden, unverändert bleiben {Mines^). § 37. Theoretisches über die Bedeutung der einzelnen Substanzen in der Nährflüssigkeit. Kurz zusammengefaßt, lehren die soeben besprochenen Erfahrungen, daß das Herz, um eine längere Zeit leistungsfähig bleiben zu können, außer den für seine Tätigkeit notwendigen organischen Nahrungsstoffen, welche ja immer in ziemHch großer Menge in der Gewebsflüssigkeit und in der Muskelsubstanz selbst vorhanden sind, in der dasselbe durchströmenden Nährflüssigkeit vor allem Sauer- stoff und gewisse mineralische Salze nötig hat, denn ohne diese vermag das Herz keine Arbeit zu leisten. 1916. 1 Vgl. auch Broiiwer, Akad. van Wetenschappen, Amsterdam, Proceedings, 19, S. 458; 2 F. B. Hofmann, Zeitschr. f. Blol., 66, S. 308; 1915. 3 Göthlin, Skand. Arch. f. Physiol., 12, S. 17; 1901. * Dale und Thacker, Journ. of physiol., 47, proc. S. 1 ; 1913; — 47, S. 493; 1914. 5 Clark, a. a. O., 47, S. 75. « Mines, Journ. of physiol., 46, S. 216; 1913. ' Mines, ebenda, 46, S. 234. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 297 Wir haben also nun die Aufgabe dieser Salze, jedes für sich, zunächst bei der Ernährung des vom Körper ausgeschnittenen Herzens wenn möghch festzustellen. Diese Salze können entweder als Erreger auf das Herz einwirken oder für diejenigen spontanen chemischen Vorgänge, welche den Herzschlag hervorrufen, notwendig scin.^ Es liegt ja die Annahme sehr nahe, daß das Kochsalz, der an Menge wich- tigste Bestandteil der Nährflüssigkeit, vor allem für die Unterhaltung des normalen osmotischen Druckes der Flüssigkeit von Bedeutung ist. Zu diesem Zwecke können weder Chlorkalium noch Chlorkalzium dienen, weil diese bei entsprechender Konzentration das Herz binnen kurzem töten, und man kann überhaupt, so weit unsere Erfahrung bis jetzt reicht, sagen, daß das Chlornatrium auf die Dauer durch keine andere Substanz ersetzt werden kann. Wie oben hervorgehoben ist, kann sich der Herzmuskel unter Umständen auch ohne die Gegenwart des Kochsalzes eine Zeitlang kontrahieren (vgl. S, 251) und zwar sowohl in Salzlösungen wie in Lösungen von Non-Elektrolyten. Es zeigt aber die Erfahrung, daß der Zusatz von Kochsalz zu einer solchen Lösung das Ein- treten der rhythmischen Kontraktionen, selbst wenn dieses nur etwa ein Zehntel des vorhandenen osmotischen Druckes repräsentiert, in hohem Grade begünstigt {Lingle"-)] daß ein in isotonischer Zuckerlösung stillstehender Herzmuskelstreifen nach Übertragung in eine isotonische Kochsalzlösung beginnt, sofort zu pulsieren, was er ja sonst nie tut (Lingle^); daß ein Streifen, der im Serum nicht schlägt, durch Übertragung in physiologische Kochsalzlösung oder bei genügender Verdün- nung des Serums zur Kontraktion gebracht wird (Howell^); daß ein Herzmuskel- streifen nach lange dauernder Behandlung mit isotonischer Zucker- oder Chlor- lithiumlösung, nur wenn wenigstens Chlorkalzium und Chlornatrium anwesend sind, zu neuer Arbeit angeregt werden kann (Howell^). Angesichts dieser und an- derer in gleicher Richtung gehender Tatsachen dürfte es kaum gestattet sein, dem Chlornatrium das Unterhalten des normalen osmotischen Druckes als alleinige Aufgabe bei der Tätigkeit des ausgeschnittenen Herzens zuzuschreiben, vielmehr muß dieses Salz auch in anderer Bezeichnung dabei von Bedeutung sein. Zur theoretischen Deutung der spezifischen Wirkung des Chlornatriums hat vor allem Lingle im Anschluß an die Anschauungen Loebs über das Zustande- kommen der rhythmischen Kontraktionen bei chemischer Reizung der Skelett- muskeln usw. angenommen, daß auch die Kontraktionen des Herzmuskels durch die Einwirkung von Natriumionen ausgelöst werden. Nach der Ansicht Loebs würden nämlich die zuerst von Biedermann beob- achteten rhythmischen, durch chemische Reizung bedingten Kontraktionen der quergestreiften Muskeln^ dadurch hervorgerufen werden, daß gewisse Ionen, wie Na, Cl, in bestimmte Verbindungen im Muskel eintreten, während andere Ionen, wie Ca, K, durch ihr Eintreten in bestimmte Verbindungen im Muskel diese Wir- kung erschweren oder verhindern. Loeb bemerkt hierbei noch, daß die Gesetze für 1 Vgl. Howell und Cooke, ebenda, 14, S. 217; 1893. - Lingle, Amer. journ. of physiol., 4, S. 267, 271 f ; 1900; — 8, S. 91 ; 1902. 3 Lingle, ebenda. 4, S. 271; 1900. 4 Howell, ebenda, 2, S. 72; 1898. — Vgl. auch Greene, ebenda, 2, S. 88, 92; 1898. 5 Howell, ebenda, 6, S. 190f.; 1901. 6 Biedermann, Sitz.-Ber. d.Wien. Akad.d.Wiss., math.-naturw. K!., 82 (3), S. 257; 1880. 298 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. die Auslösung periodischer Pulsationen im Ventrikel des Herzens dieselben zu sein scheinen, wie die für den Muskel von ihm entwickelten. ^ In der Fortsetzung seiner hierhergehörigen Arbeiten entwickelt Loeb diese Auffassung in der Weise, daß das Natriumion nur dann rhythmische Kontraktionen verursacht, wenn in der Muskelzelle Kalziumionen in genügender Menge vorhanden sind: die Vertretung gewisser Mengen der Kalziumionen durch Natriumionen stellt den eigentlichen Grund der Erregung dar. Wenn diese Vertretung aber zu weit geht, verliert der Muskel seine Erregbarkeit.^ Die genannten Ionen, sowie das Kaliumion und vielleicht noch andere Ionen bilden mit den Proteiden des Protoplasmas Verbindungen, je mit verschiedenen physikalischen Eigenschaften. Die Muskeln bleiben nur in dem Falle erregbar, wenn sie die Na-, Ca- und K-Ionproteide in gewissen, nur innerhalb verhältnis- mäßig enger Grenzen variierenden gegenseitigen Mengen enthalten. Wenn der Muskel von einer reinen Lösung von Kochsalz umgeben ist, drängt das Natriumion die Kalzium- und Kaliumionen allmählich aus ihren Proteidverbindungen, und dementsprechend sinkt die Erregbarkeit des Muskels herab. Die reine Chlornatrium- lösung wird daher von Loeb als giftig bezeichnet. ^ Die Aufgabe des Kalziums und Kaliums bestände dann darin, die giftigen Wirkungen des Natriums zu kompensieren, was Loeb in Zusammenhang mit der Wertigkeit dieser Metalle zu bringen sucht, indem er der Tatsache folgende For- mulierung gibt: die giftigen Wirkungen eines einwertigen Kations können durch Zusatz minimaler Mengen eines zweiwertigen abgeschwächt oder ganz beseitigt werden.* Später bezieht er die Giftigkeit des Chlornatriums nicht wie früher auf das Natriumion, sondern auf das Chlorion^ und faßt seine neue Auffassung darin zu- sammen, daß die Giftigkeit der Salze mit einwertigen Kationen von der negativen Ladung ihrer Anionen verursacht sind; die Salze mit zweiwertigen Kationen ver- danken ihre antitoxische Wirkung der positiven Ladung ihres Kations.^ Eine neue Formulierung seiner Ansichten über die Einwirkung der Ionen auf die rhythmischen Kontraktionen gibt Loeb dann, als er bemerkt, daß die Beteili- gung der Ionen bei diesen sich möglicherweise darauf beschränken dürfte, daß sie die physikalischen Zustände der lebenden Substanz in einer für die Ausführung der nötigen Bewegungen günstigen oder ungünstigen Weise beeinflussen. Das wäre der Fall, wenn beispielsweise in einer reinen Kochsalzlösung Bestandteile des Proto- plasmas verflüssigt würden, welche fest sein sollten, und wenn ein kleiner Zusatz von Kalzium die Verflüssigung verhinderte.'^ Hierbei könnten die Metalle dadurch wirken, daß sie Verbindungen mit ge- wissen Protoplasmabestandteilen eingehen und so die Eigenschaften des Proto- plasmas verändern; oder auch wäre es möglich, daß die Ionen, vielleicht vermöge ihres elektrischen Feldes, auf gewisse kolloidale Lösungen in den Zellen wirken und so die Zustände des Protoplasmas beeinflussen, ohne daß sie chemische Verbin- 1 Loeb, Festschrift für Fick, S. 118f.; 1899; 2 Loeb, Amer. journ. of physiol., 3, S. 329; 1900. 3 Loeb, ebenda, 3, S. 336f.; 1900. " Loeb, Arch. f. d. ges. Physiol., 88, S. 77; 1901. 5 Loeb, Amer. journ. of physiol., 6, S. 413; 1902. « Loeb, ebenda, 6, S. 430; 1902. 7 Loeb und Gies, Arch. f. d. ges. Physiol., 93, S. 247; 1902. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 299 düngen mit den Bestandteilen (vielleicht den Lipoiden) einzugehen brauchten, deren Eigenschaften sie ändern.^ Für die Auffassung vom Chlornatrium oder richtiger von den Natriumionen als den eigentlichen Erregern der Herzmuskelkontraktionen bringt Lingle, außer den aus Loebs Untersuchungen hervorgehenden Erfahrungen, die sich indessen nicht auf das Herz bezichen, noch die Tatsachen, daß die Fähigkeit verschiedener Lö- sungen Kontraktionen beim Herzmuskel hervorzurufen ceteris paribus in direkter Proportion zu ihrem Gehalt an Chlornatrium steht^; und daß die Kontraktionen in einer Chlornatriumlosung zuerst klein sind und allmählich immer mehr zunehmen, was von dem allmählichen Eintritt des Chlornatriums in den Herzmuskel bedingt wäre.^ Es scheint mir indessen, daß dies lange nicht einen zwingenden Beweis für die erregende Wirkung der Natriumionen darstellt, denn die betreffenden Beob- achtungen können ja einfach so gedeutet werden, daß innerhalb gewisser Grenzen diejenigen Veränderungen im ausgeschnittenen Herzmuskel, welche schließlich zu dessen Zusammenziehung führen, schneller verlaufen, je mehr sich der Gehalt der Nährflüssigkeit an Kochsalz dem normalen nähert. Durch die Erfahrung Loebs, daß sich die Zilienzellen der Larven des Seeigels mehrere Tage lang in einer von Natriumionen freien Lösung von MgClg und CaClg bewegen^ werden übrigens alle auf Erfahrungen betreffend die Skelettmuskulatur, die Bewegungen des Genionemus usw. gestützte Analogieschlüsse in bezug auf die Herztätigkeit ziemlich hinfällig. Ein direkter Widerspruch gegen die betreffende Anschauung dürfte in der Beobachtung von Howell liegen, daß ein Herzmuskelstreifen in einer Kochsalz- lösung mit etwas Chlorkalzium besser schlägt, als in der reinen Kochsalzlösung, denn hier kann wohl nicht das Natrium die Kalziumionen aus dem Streifen ver- drängen, wie dies Lingles Ansicht erfordert.^ Auch die von 5. R. Benedict^ bestätigte Erfahrung Lingles, daß der Herz- muskelstreifen stärker und längere Zeit in einer isotonischen Lösung von Natrium- bromid als in einer von Natriumchlorid schlägt^, sowie, wie Benedict ausführt^ die Tatsache, daß das Natriumkarbonat allerdings nach Erschöpfung des Herzens in reiner Kochsalzlösung, aber nicht am frisch präparierten Herzmuskelstreifen Kontraktionen auslöst, sprechen gegen die Anschauung, daß die Erregung auf den Eintritt der Natriumionen in gewissen Verbindungen im Herzmuskel zu beziehen wäre. Betreffend die Giftigkeit des Kochsalzes haben ja Loeb und seine Nachfolger ganz recht darin, daß eine reine Kochsalzlösung unvermögend ist, die Herztätig- keit auf die Dauer zu unterhalten, und man kann ja, wenn man so will, diese Lösung als giftig bezeichnen. Dann gibt es aber andererseits keine einzige Substanz, die nicht mit noch größerem Grund als giftig für das Herz bezeichnet werden müßte, denn das Kochsalz stellt doch die einzige mineralische Verbindung dar, die in 1 Loeb, ebenda, 93, S. 267. ■^ Lingle, Amer. journ. of physiol., 8, S. 91; 1902. 3 Lingle, ebenda, 8, S. 94. * Loeb, ebenda, 3, S. 386; 1900. 5 Howell, ebenda, 6, S. 204; 1901. « S. R. Benedict, ebenda, 13, S. 194; 1905. 7 Lingle, ebenda, 4, S. 272; 1900. 8 S. R. Benedict, ebenda, 13, S. 196f. 300 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. einer dem osmotischen Druck des Herzens entsprechenden Menge, ohne ganz erheb- liche schädHche Wirkungen auszuüben, vorh Herzen ertragen wird und die Kon- traktionen des Herzens unterhalten kann. Bei einer solchen Lösung treten nun durch Diffusion andere Krystalloide aus dem Gewebe aus, diese werden dadurch in einem gewissen Grade ausgewaschen, ganz analog mit den Verhältnissen beim Aschehunger, und die hierdurch entstehende tiefgreifende Veränderung der Ge- websflüssigkeit, welche endlich zu weitgehenden Veränderungen in der Herz- muskulatur selbst führen muß, bewirkt dann, daß die Herzkontraktionen allmäh- lich immer schwächer werden, bis sie endlich aufhören. Deswegen beweist meines Erachtens folgender Versuch gar nichts in bezug auf die spezifische Giftigkeit des Kochsalzes. Zwei Kamnierstreifen werden in Kochsalzlösung eingesenkt und dort bis zum Erscheinen der Kontraktionen gelassen; dann wird der eine Streifen in eine feuchte Kammer gebracht, während der andere in der Lösung liegen bleibt; jener kontrahiert sich nun mehr als acht Stunden lang, dieser setzt aber schon nach etwa 1% Stunde seine Bewegungen aus.^ Wenn also die Ansicht, daß die Natriumionen als Erreger des Herzens wirken, nicht das leistet, was wir von einer Theorie erfordern müssen, so können wir an- dererseits auch nicht eine andere theoretische Anschauung über die spezifische Rolle des Chlornatriums bei der Herztätigkeit aufstellen, sondern müssen uns hier, wie auch in so vielen anderen Fällen, mit dem Nachweis der nackten Tatsachen begnügen lassen. Nach einer theoretischen Auffassung, die von Howell vertreten wird, findet die Erregung des Herzmuskels durch die Kalziumionen statt. Der Kammermuskel ist unter normalen Verhältnissen mit Lymphe und Blut gesättigt, in welcher Kal- zium- und Kaliumverbindungen in solchen gegenseitigen Mengen vorhanden sind, daß diese die stimulierende Wirkung der ersteren neutralisieren. Wenn nun der Muskel in eine isotonische Kochsalzlösung gebracht wird, fängt eine Diffusion von Kalzium- und Kaliumverbindungen von der Gewebsflüssigkeit in das um- gebende Bad an. Hierbei ist, wie Howell annimmt, die Diffusionsgeschwindigkeit der Kalziumverbindungen geringer, als die der Kaliumverbindungen; das normale Gleichgewicht zwischen ihnen wird gestört und es entsteht ein Übergewicht von jenen, das genügt, um den Muskel zur Kontraktion zu bringen. Beim weiteren Fortschreiten der Diffusion werden die Kontraktionen allmählich kleiner und hören endlich auf, wenn die diffusiblen Kalzium- und Kaliumverbindungen unterhalb einer gewissen Menge herabsinken.^ — Die Latenzdauer eines Muskelstreifens in Kochsalzlösung ist von der Zeit abhängig, die verfließt, bis so viel Kalium nach außen diffundiert ist, daß sich dessen hemmende Einwirkung nicht mehr geltend machen kann.*"" Als Stütze für diese Theorie, nach welcher die Kalziumverbindungen- als die eigentlichen Erreger des Herzens zu betrachten sind*, führt Howell in erster Linie 1 Lingle, ebenda, 4, S. 274; 1900; — 8, S. 82; 1902. 2 Howell, ebenda, 2, S. 79 f.; 1898. ^ Howell, ebenda, 6, S. 184; 1901. In einer analogen Weise deutet Denis (ebenda, 17, S. 40; 1906) den Stillstand des Limulusherzens in Kochsalzlösung; der hemmende Einfluß des Kalziums und Magnesiums macht sich wegen dieser langsameren Diffusion nach Verlust einer gewissen Menge von Na und K geltend. ^ . . . . a preponderance of the calcium, Compounds results sufficient to stimulate the muscle to contraction. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 301 die schon oben zusammengestellten Beobachtungen über die günstige Einwirkung des Chlorkalziums auf das Kontraktionsvermögen des Herzens an. Gegen diese Auffassung macht Li n^le verschiedene Bemerkungen. So schlägt ein Streifen aus dem Schildkrötenherzen nicht in einer Lösung von Chlorlithium und Chlorkalzium, wohl aber in einer von Chlornatrium und Chlorkalzium. ^ Dieser Versuch beweist indessen nur, daß auch das Kochsalz in der Regel (vgl. oben, S. 250) notwendig ist zur Auslösung der Herzmuskelkontraktionen. Dasselbe gilt auch von Versuchen, wo das Herz in isotonischen Lösungen von Rohrzucker, Dextrose oder Glyzerin, wo ja die Diffusion von den Kalium- und Kal- ziumverbindungen in derselben Weise wie in der Kochsalzlösung erfolgen mußte, keine rhythmischen Kontraktionen machte.^ Auf der anderen Seite würde nach Howells Ansicht das Aufheben der Diffusion von Kaliumverbindungen auch die Herzkontraktionen aufheben. Nichtsdesto- weniger schlägt ein Herzstreifen in einer Kochsalzlösung mit Chlorkalium in einer Menge, die jeden Verlust von Kalium ausschließt (Lingle^). Ferner fordert die Theorie Howelts, daß die Latenzdauer der Kontraktionen um so länger ist, je größer der Chlorkaliumgehalt in der umgebenden Flüssigkeit ist. Dem ist indessen nicht so, denn die mittlere Latenzdauer ist in reinen Koch- salzlösungen und in solchen mit Zusatz von Chlorkalium etwa gleich groß.^ hl bezug auf diese und andere Einwendungen hat ^onW später hervorgehoben, daß er mißverstanden worden sei, und daß die Sätze, die er in den Schlußfolgerungen seiner Arbeit vom Jahre 1898 aufstellt, den richtigen Ausdruck seiner Auffassung abgeben.^ An der betreffenden Stelle sagt er indessen nur, daß der Reiz, welcher die Zusammenziehung des Herzens verursacht, unter normalen Umständen von dem Vorhandensein von Kalziumverbindungen in den Flüssigkeiten des Herzens abhängig ist.^ Dieser Satz stellt indessen nur eine Umschreibung des tatsächlichen Verhält- nisses dar und kann keine Ansprüche darauf erheben, als eine theoretische Er- klärung des Reizvorganges bei der Erregung des Herzens aufgefaßt zu werden. In der Darstellung, wo Howell seine allgemeinen theoretischen Anschauungen betreffend die Herzkontraktion präzisiert, bemerkt er über die Art und Weise, wie die mineralischen Salze bei der Auslösung der Herzreize wirken, daß Kalium durch Kalzium und Natrium in gewissen energieliefernden Substanzen ersetzt wird, wo- durch diese von einer stabilen in eine leicht dissoziableVerbindung verwandelt werden.' Seinerseits faßt E. Q. Martin die Rolle des Chlornatriums bei der Herz- tätigkeit in der Weise auf, daß es durch Massenwirkung die Kalkverbindungen des Herzens diffusibel macht^; er stützt diese Auffassung wesentlich darauf, daß eine reine Kochsalzlösung nur dann das Herz zur Tätigkeit bringt, wenn sie in großem Überschuß vorhanden ist.^ 1 Lingle, Amer. journ. of physiol., 4, S. 276; 1900. - Lingle, ebenda, 4, S. 269; 1900; — 8, S. 86; 1902. 3 Lingle, ebenda, 8, S. 86; 1902. -• Lingle, ebenda, 8, S. 87, 93f. Vgl. auch S. R. Benedict, ebenda, 22, S. 18. ^ Howell, Journ. of the amer. med. association, 46, Nr. 22—23; 1906; S. 27f. des S. A. •■" Howell, Amer, journ. of physiol., 2, S. 80; 1898. ^ Howell, Journ. of the amer. med. assoc, 46, Nr. 22—23; 1906; S. 29, 30 des S. A. s E.G.Martin, Amer. journ. of physiol., 16, S. 219; 1906. 9 E.G.Martin, ebenda, 16, S. 215. 302 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Anfangs stellte sich Martin in wesentlicher Übereinstimmung mit Howell vor, daß die Kontraktionen des Herzmuskels durch Anhäufung von diffusiblen Kalziumionen entstehen^ verwarf aber später wegen folgender Versuche diese Auffassung. Ein Streifen aus der Herzkammer, der in eine mit Kohlensäure ge- sättigte Kochsalzlösung eingesenkt wird, beginnt darin sofort zu schlagen. Die Kontraktionen sind allerdings schwach, nehmen aber bei Zufuhr von Sauerstoff an Stärke zu und werden endlich ganz kräftig. Da die Kontraktionen in reiner Kochsalzlösung bzw. in einer solchen mit Zusatz von Chlorkalzium im besten Falle erst nach mehreren Minuten erscheinen, kann weder Natrium noch Kalzium als direkter Erreger des Herzmuskels angesehen werden, und die in diesem Versuch auftretenden Kontraktionen müssen daher die Folge einer durch die Kohlensäure hervorgerufenen Reizung darstellen. ^ Damit die Kohlensäure und andere Stoffwechselprodukte ihre reizende Ein- wirkung ausüben sollen, müssen Kalziumionen in diffusibler Form anwesend sein. Die isolierte Herzkammer pulsiert deswegen nicht spontan, weil ihr Stoffwechsel zu wenig umfangreich ist, um erregende Stoffwechselprodukte in genügender Menge zu bilden, und weil die Kalziumverbindungen hier nicht, wie dies an der venösen Seite des Herzens der Fall ist, diffusibel sind.^ Wenn nun die Kammer zuerst in ein Bad von Chlorkalzium und dann in reine Chlornatriumlösung gebracht wird, werden die Kalziumionen absorbiert, das Gewebe reagiert nun mit dem Sauer- stoff, und es entstehen Stoffwechselprodukte, welche schließlich den Herzmuskel erregen.^ Die Aufgabe der Kalziumionen würde darin bestehen, daß sie die Reaktion zwischen dem Sauerstoff und dem Gewebe vermitteln. In kalziumhaltigen Flüssig- keiten bewirken die Kalziumionen daher, daß die Gewebe mit dem Sauerstoff frei reagieren. Die Latenzdauer ist in einer reinen Chlornatriumlösung deswegen ziem- lich lang, weil eine gewisse Zeit verstreichen muß, bis die in dem Gewebe enthal- tenen Kalziumverbindungen durch die Massenwirkung der Natriumionen diffu- sibel werden.^ Betreffend das Alkali nimmt Martin endlich an, daß es irgendeine sauerstoff- haltige Verbindung spaltet und dadurch eine gewisse Menge Sauerstoff dem Herzen zur Verfügung stellt. Als Grund dafür führt Martin u. a. an, daß das Herz in Gegenwart von Alkali seine Arbeit ganz unabhängig von der Sauerstoffzufuhr leistet.*' Indessen haben wir keine Beweise für das Vorhandensein einer Sauerstoff- speicherung in den Organen, vielmehr sprechen die neueren Untersuchungen über diese Frage ganz deutlich dagegen. Ich werde zuerst die Beweisgründe Martins für die Annahme, daß das Kal- zium die Rolle eines Sauerstoffüberträgers spielt, erwähnen, und dann die Frage nach der erregenden Wirkung der Kohlensäure usw. erörtern. Die erholende Wirkung des Chlorkalziums an einem in reiner Kochsalzlösung erschöpften Herzmuskelstreifen kommt nur dann zum Vorschein, wenn Sauerstoff 1 E.G.Martin, ebenda, 11, S. 133; 1904. - E.G.Martin, ebenda, 16, S. 200; 1906. 3 E.G.Martin, ebenda, 11, S. 105; 1904. 4 E.G.Martin, ebenda, 16, S. 202; 1906. 5 E.G.Martin, ebenda, 16, S. 203; — 11, S. 105. « E.G.Martin, ebenda, 15, S. 318; 1906. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag, 303 anwesend ist (Howell^); dasselbe gilt auch von der Verkürzung der Latenzdauer durch das Chlorkalzium, kurz, die Zufuhr von Chlorkalzium zu einer Kochsalz- lösung übt nur bei Gegenwart von Sauerstoff einen Einfluß auf die Herztätig- keit aus.2 hl einer mit Sauerstoff gesättigten Lösung ruft die sonst physiologisch wirksame Menge von Chlorkalzium einen Kardiotonus hervor.^ Der Stillstand eines Herzmuskelstreifens in reiner Kochsalzlösung kann unter drei verschiedenen Zuständen eintreffen, nämlich erstens bei Mangel an Sauerstoff, zweitens bei mäßiger Zufuhr von Sauerstoff und drittens bei Überfluß an Sauerstoff. Im ersten Falle kann man einfach durch Zufuhr von Sauerstoff oder Luft das Herz wieder beleben (vgl. unten), und der Stillstand stellt daher lediglich den Aus- druck des Sauerstoffmangels dar. Beim zweiten Falle können Herzkontraktionen durch Zufuhr von Chlorkalzium wieder ausgelöst werden, hier liegt also kein Sauer- stoffmangel vor. Da aber in diesem Falle durch vermehrte Sauerstoffzufuhr eine Erholung eintritt, kann, nach Martins Ansicht, auch kein Mangel an Kalzium vor- liegen, und die Erscheinung läßt sich daher am einfachsten so deuten, daß der Muskel bei dem stattfindenden niedrigen Partialdruck des Sauerstoffs diesen nicht ohne Zufuhr von diffusiblenKalziumveibindungen ausnutzen kann. — Beim driiten Falle liegt Mangel an Kalzium vor, was sich daraus ergibt, daß Zusatz von Chlor- kalzium eine sehr günstige Wirkung hat.* Diese Erscheinungen stellen indessen keine Beweise für die Rolle des Kal- ziums als Sauerstoffüberträger dar, und in einer späteren Abhandlung hat Martin^ selber diese Ansicht verlassen und nimmt nun in Übereinstimmung mit Howell (s. oben, S. 300) an, daß es eine stabile Substanz in eine labile, energieliefernde verwandelt. Das Natrium würde die Dissoziation der letzteren und also die Kon- traktion verursachen. Kalzium und Natrium sind also keineswegs als Antagonisten zu betrachten, denn sie greifen bei verschiedenen Phasen der Herztätigkeit positiv ein und bilden sukzessive Glieder in einer für die Auslösung des Herzschlages not- wendigen Kette. Weder Kalzium noch Natrium sind indessen unbedingt notwendig, denn sowohl die Bildung der dissoziablen Substanz als deren Dissoziation kann durch andere Faktoren erzielt werden. Zu den Erregern des Herzens gehört daher auch die Kohlensäure oder andere Produkte des Stoffwechsels. Hierin hat Martin eine Idee aufgenommen, die Langendorjf schon vor Jahren aussprach und welcher er den prägnanten Ausdruck „das Lebensprodukt der Zelle ist ihr Erreger" gegeben hatte. Die oben (S. 289) erörterten direkten Versuche über die Reizwirkung der Kohlensäure sprechen indessen größtenteils gegen diese Auffassung, und in der- selben Richtung gehen auch die Resultate von Y. Henderson über die Wirkungen des Kohlensäuremangels auf die Leistung des Herzens in situ. Durch eine mehr oder weniger ausgiebige künstliche Atmung konnte Henderson die Frequenz der 1 Howell, ebenda, 6, S. 193; 1901. 2 E.G.Martin, ebenda, 15, S. 305, 309; 1906. 3 E.G.Martin, ebenda, 15, S. 310, 317. * E.G.Martin, ebenda, 15, S.315. 5 E.G.Martin, ebenda, 32, S. 177; 1913. •^ Langendorff, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1884, Suppl., S. 47; — Ergebnisse der Physiol., 1 (2), S. 322; 1902. 304 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Herzschläge in sehr hohem Grade beeinflussen, und zwar war diese um so größer, je kräftiger die Lungenventilation, d. h. je geringer der Kohlensäuregehalt im Blute war. Im extremen Falle war dabei das Herz so stark kontrahiert, daß die Kammerhöhlen fast verschwunden waren. ^ Hier hat also der Kohlensäuremangel die Frequenz der Herzschläge erhöht. Da die Vagi unversehrt waren, muß die starke Frequenzzunahme bei der starken Lungenventilation zum Teil wenigstens auf die Aufhebung des Vagustonus zurück- geführt werden; ob auch die gewaltsamen Atembewegungen oder die durch diese hervorgerufenen Störungen im Lungenkreislauf das Herz direkt beeinflußt haben, ist a.us der Arbeit H ender so ns nicht ersichtlich; jedenfalls sprechen seine Ergeb- nisse wenigstens nicht dafür, daß die Herztätigkeit durch eine Kohlensäurereizung ausgelöst werden würde. Auch die Milchsäure kann nicht als der Erreger aufgefaßt werden, denn Zu- satz von Natriumlaktat zu der Ringerlösung vermindert immer den Umfang der Herzkontraktionen und nur bei der stärksten Konzentration, wie sie nach anstren- genden Muskelbewegungen im Blute vorkommen dürfte, wird die Frequenz der Herzschläge dadurch vermehrt (Backman^). Dies schließt natürlich nicht aus, daß andere (intermediäre) Produkte des Stoffwechsels die Erreger der Herztätigkeit darstellen konnten, und in dieser Be- ziehung könnte man auch die neueren Erfahrungen über die Bedeutung des Harn- stoffs im Blut der Selachier herbeiziehen wollen. Die betreffenden Beobachtungen liefern indessen keinen Beweis dafür, daß der Harnstoff als wirklicher Erreger des Herzens bezeichnet werden dürfte. Endlich hat Mines^ folgende theoretische Auffassung, betreffend die in einer für das Herz geeigneten Nährflüssigkeit vorhandenen Ionen entwickelt. Diese können in drei Gruppen geteilt werden, nämlich 1. Nomadisierende Ionen, Na, K, Cl, NO3, welche bei ihren Wanderungen ihre Ladungen auf andere Regionen übertragen und also Potentialdifferenzen zwischen den verschiedenen Teilen des Herzmuskels hervorrufen; 2. Ionen, die Verbindungen eingehen, Ca; diese bilden chemische Verbin- dungen mit irgendeinem wesentlichen Bestandteil des Herzmuskels; 3. Polarisierende Ionen, H, Mg, OH, welche die elektrische Ladung und also die lonenpermeabilität bei gewissen Membranen des Herzmuskels verändern und solcher Art die Passage für die nomadisierenden Ionen durch diese Membranen verändern. Auch diese Auffassung gibt uns keine Lösung der Frage nach der Wirkung der einzelnen anorganischen Bestandteile in der Nährflüssigkeit. Die vorhandenen, sehr zahlreichen Untersuchungen haben uns also eine Fülle neuer Tatsachen kennen gelernt, und es ist uns auch möglich, aus diesen einige ganz bestimmte Regeln oder, wenn man so will, Gesetze zu ziehen. Es ist uns aber noch lange nicht möglich, in einer einwandfreien und klaren Weise die Autgabe 1 Henderson, Amer. journ. of physiol., 21, S. 142, 147; 1908. 2 Backman, Zentralbi. f. Physiol., 20, S. 801 ; 1906; — Skand. Arch. f. Physiol., 20, S. 172; 1907. => Mincs, Journ. of physiol., 43, S. 503; 1912. Die chemischen Bedingungen für den Herzschlag. 305 dieser Substanzen bei der Herztätigkeit zu präzisieren, noch eine bestimmte Meinung darüber auszusprechen, wie die Reizung des Herzens, wenn sie tatsächhch chemischer Art ist, eigentlich zustande kommt. Zum Schluß muß noch ausdrücklich betont werden, daß alle künstlichen Nährflüssigkeiten, selbst wenn sie noch so lange die Herztätigkeit unterhalten bzw. dieselbe anregen können, dennoch als vollständig abnorm zu erachten sind, wie aus der schon erwähnten Erfahrung, daß Teile des Herzens, welche im nor- malen Blute des Tieres nie spontan pulsieren, durch eine geeignete Salzlösung ohne Schwierigkeit dazu gezwungen werden können, direkt hervorgeht. In Übereinstimmung damit zeigt die Erfahrung, daß bei Herzen, welche mit einer Salzlösung gespeist werden, abnorme Reizbildungsstellen, welche den natür- lichen funktionellen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Abteilungen des Herzens verwischen und aufheben, äußerst leicht entstehen {Wybamv^); daß derjenige Druck, bei welchem das Optimum der Herzleistung erzielt wird, beim Blut höher als bei der Salzlösung liegt {Guthrie und Pike-); daß das Verhalten eines ausgeschnittenen Säugetierherzens bei Erwärmung ziemlich verschieden ist, je nachdem Blut oder Salzlösung als Nährflüssigkeit benutzt wird (Herlitzka^), usw. Bei Anwendung von Blut oder verdünntem Blut als Nährflüssigkeit ver- ändert sich die Kraft des Herzens, bzw. der Umfang der Herzkontraktionen parallel der Durchströmungsgeschwindigkeit {Magrath und Kennedy^, Schirr- macher'", Guthrie und Pike^, Popielski'^). Bei Anwendung der Lockeschen Flüssig- keit wird aber nach Popielski^ der Umfang der Herzkontraktionen um so größer, je kleiner die Stromgeschwindigkeit bei demselben Druck ist^ was insofern mit den Erfahrungen von Guthrie und Pike übereinstimmt, daß der optimale Druck auch von der Beschaffenheit der Nährflüssigkeit abhängt und bei Anwendung der Ringerlösung sehr niedrig ist, wenn die Perfusion beginnt, bevor das Herz aufgehört hat zu schlagen i". Auf Grund eingehender vergleichender Versuche über die Leistungen ver- schiedener Flüssigkeiten bei der Ernährung des ausgeschnittenen Säugetier- herzens sind Guthrie, Pike und G. N.Stewart^^ zu dem Resultat gelangt, daß hierbei das Blut die erste Stelle einnimmt. Dann folgten der Reihe nach: Blut mit Koch- salzlösung verdünnt, Serum, Milch nach Ausfällung des Kaseins und Zusatz von ein wenig Natriumkarbonat; am wenigsten günstig erwiesen sich die reinen Salz- lösungen.i2 1 Wybauw, Arch. intern, de physiol., 2, S. 207; 1905. • 2 Guthrie und Pike, Science, N. S., 24, S. 52; 1906. 3 Herlitzka, Zeitschr. f. alig. Physiol., 5, S. 283; 1905. •• Magrath und Kennedy, Journ. of exp. med., 2, S. 13; 1897. ^ Schirrmacher, Inaug.-Diss. Rostock 1901. « Guthrie und Pike, Amer. journ. of physiol., 18, S. 23; 1907. ' Popielski, Arch. f. d. ges. Physiol., 130, S. 387; 1909. « Popielski, ebenda, 130, S. 376. ■' Die Stromgeschwindigkeit wurde hier durch variierende Kompression des zuführenden Schlauches verändert. " Guthrie und Pike, Amer. journ. of physiol., 18, S. 24. 11 Guthrie, Pike und G. N. Stewart, Journ. of exp. med., 10, S. 407; 1908. 12 Vgl. auch Hasegawu, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1914, S. 277. Tigerstedt, Kreislauf. I. 2. Aufl. 20 306 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Dreizehntes Kapitel. Der Koronarkreislauf. § 38. Anordnung und Bedeutung des Koronarkreislaufes. a) Anastomosen zwischen den Koronararterien. Daß die Koronararterien des Herzens untereinander ausgiebig anastomosieren, wurde von Haller auf Grund von den Arbeiten vom Ruysch und anderen angegeben. ^ Als Hyrtl aber auf Grund seiner Korrosionspräparate jede Anastomose zwisclien den beiden Koronararterien ganz bestimmt verneinte^, und Cohnheim und v. Schult- hess-Rechberg sicli entschieden auf denselben Standpunkt stellten^ wurde die Lehre von den Kranzarterien als Endarterien eine Zeitlang allgemein herrschend. Dann gab indessen Baum an, daß beim Hunde die A. coron. cordis dextra mit der A. coron. cordis sinistra Anastomosen einging.* Im Anschluß dazu be- schrieb Michaelis, ebenfalls beim Hunde, schon mit bloßem Auge sichtbare Anasto- mosen zwischen den Ästen der A, coron. sinistra, wie auch zwischen dieser und A. coron. dextra.^ An der Hand von Röntgenbildern bemerkten Jamin und Merkel, daß sich Anastomosen am häufigsten an den Vorhöfen, in der Vorhof- und der Kammerscheidewand und unter Umständen auch in der Vorderwand der rechten Kammer, wie über den Papillarmuskeln und an der Herzspitze nachweisen lassen.® Endlich lieferte Spalteholtz entscheidende Beweise dafür, daß die Kranzarterien beim Hunde, Kalbe, Schweine, Affen und Menschen ausgiebige Anastomosen eingehen.'^ Diese Anastomosen finden sich, nach der Beschreibung von Spalteholtz, zu- nächst nahe der Oberfläche an allen Abschnitten des Herzens inkl. der großen Ge- fäße (deren Vasa vasorum) und sind ihrer Anordnung nach derjenigen der flachen Skelettmuskeln außerordentlich ähnlich. Von diesem oberflächlichen Netz ziehen dort, wo das Myokard dick ist, Äste annähernd senkrecht in die Tiefe und gehen teils innerhalb der Muskulatur, teils und insbesondere unter dem Endokard zahl- reiche Anastomosen ein. Jeder Papillarmuskel erhält mehrere zuführende Gefäße, die untereinander anastomosieren. Außerdem finden sich nach A. Nussbaum ^ arteriovenöse Anastomosen im subepikardialen Bindegewebe, welche Blut von den Arterien direkt in die Venen ab- leiten können. 1 Haller, Elementa physiologiae corporis humani, 1, S. 371. Lausanne 1757. 2 Hyrtl, Die Korrosionsanatomie. Wien 1873, S. 61. 3 Cohnheim und v. Schiilthess-Rechberg, Arch. f. pathol. Anat., 85, S. 508; 1881. Nur bei einem einzigen Hundeherzen fanden sie eine feine Anastomose zwischen der A. coronaria dextra und dem Ramus circumflexus der linken Kranzarterie, im Bereiche der Vorhof äste des letzteren. * Baum, Deutsche Zeitschr. f. Tiermedizin; zit. nach Michaelis (s. unten), S. 21. 5 Michaelis, Zeitschr. f. klin. Med., 24, 1893, S. 21 des S. A. ^ Jamin und Merkel, Die Koronararterien des menschlichen Herzens in stereoskopischen Röntgenbildern. Jena 1907; zit. nach Spalteholtz. ' Spalteholtz, Deutsche med. Wochenschr., 1907, Nr. 20. « A. Nussbaum, Arch. f. mikr. Anatomie, 80, S. 450; 1912. Der Koronarkreislauf. 307 b) Bindung der Koronararterien. Trotz den Anastomosen kommt es dennoch, wegen der geringen Dicke des- selben, im allgemeinen leicht zur Infarktbildung bei dem Verschluß einzelner Äste. So fand Kolster am Hunde nach der Bindung eines kleinen Astes vom R. des- cendens der linken Kranzarterie in dem von der Ischämie betroffenen Abschnitt des Herzens eine Koagulationsnekrose, welche schon innerhalb 24 Stunden voll- kommen ausgebildet war und allmählich in Schwielenbildung überging.^ Porter beschreibt unter anderem die nach Bindung des R. descendens der linken Kranz- arterie in der Kammerscheidewand sowie in der vorderen Wand der linken Kam- mer beim Hunde auftretenden Infarkte.^ An Hunden und Affen erschienen auch in den Versuchen von Hirsch und Spalteholiz nach Bindung des R. descendens der linken Kranzarterie Infarkte bzw. myomalakische Schwielen. Bei dem Hunde- herzen entsprachen diese ihrer Ausdehnung nach niemals dem ganzen Gebiet des unterbundenen Gefäßes, sondern sie waren stets kleiner und lagen konstant mehr peripher nach der Herzspitze zu. Sie waren also weit von der Unterbindungs- stelle abgelegen. Bei den Affen fanden sich dagegen verhältnismäßig größere myo- malakische Veränderungen; trotzdem zeigten auch diese Herzen im Leben nicht die geringste Funktionsstörung.^ Die Anastomosen des Hundeherzens sind also in der Tat funktionstüchtig, nur dauert es eine gewisse Zeit, bis sie in genügendem Grade für den Blutstrom durchgängig werden. Bei geringer Kraft des Herzens können sie keinen effektiven Dienst leisten, wie bei einem von Hirsch und Spaltehnltz beobachteten, infolge einer Nachblutung einige Stunden nach der Operation zugrunde gegangenen Hunde, wo der Infarkt sich über das ganze Gebiet der gebundenen Arterie erstreckte.* Auch beim Menschen hat man Fälle beobachtet, wo große Äste der Koronar- gefäße ohne Auftreten eines entsprechend großen Infarktes verstopft waren.^ — In einem Falle, wo der R. descendens der linken Kranzarterie gebunden werden mußte, fand sich bei dem einige Tage später erfolgten Tode des Operierten die Herz- muskulatur völlig normal (Pagenstecher^). Wie es aus einigen Versuchen von Michaelis hervorzugehen scheint, können die für die Ausbildung eines Kollateralkreislaufes wichtigen Anastomosen dadurch sozusagen wegsamer gemacht werden, daß zuerst kleinste und kleinere Äste ge bunden werden, denn in diesem Falle erträgt das Herz leichter als sonst die Bindung größerer Äste.' In bezug auf die Folgen der Ausschaltung eines kleineren oder größeren Ge- fäßgebietes findet sich ein wesentlicher quantitativer Unterschied zwischen den in dieser Beziehung näher untersuchten Herzen, dem Kaninchen- und dem Hunde- herzen, und es empfiehlt sich daher, diese beiden besonders für sich zu besprechen. 1 Kolster, Skand. Arch. f. Physiol., 4, S. 1—45; 1892. 2 Porter, Arch. f. d. ges. Physiol., 55, S. 2; 1893. ^ Hirsch und Spalteholiz, Deutsche med. Wochenschr., 1907, Nr. 20. * Vgl. in dieser Hinsicht auch Baiimgarten?, Darstellung der Infarkte am Hunde- und Katzen- herzen, Amer. journ. of physiol., 2, S. 254; 1899. ^ Chiari, Prager mediz. Wochenschr., 1897. ^ Pagenstecher, Deutsche med. Wochenschr., 1901, S. 56. ' Michaelis, Zeitschr. f. klin. Med., 24, 1893, S. 19, 20 des S. A. 20* 308 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. a) Das Kaninchenherz. Als V. Bezold die linke Kranzarterie allein oder beide Kranzarterien abklemmte, ' fuhr das Herz noch 10—20 Sekunden lang fort, in dem frijheren Rhythmus zu schlagen; dann fing zunächst die linke Kammer an, langsamer und arhythmisch zu pulsieren; innerhalb 3/4 bis 2V2 Minuten vom Augenblicke des Verschlusses an wurden die Herzschläge unregelmäßig, indem sich die Kammern, zuerst die linke, nunmehr nur wurmartig, peristaltisch und flimmernd zusammenzogen. Es liefen Kontraktionswellen an der Kammer von der Basis zur Spitze, und zwar so, daß zu jederzeit irgend einer oder mehrere Teile der Kammerwand in Kontraktion und andere in Erschlaffung begriffen waren. Endlich folgte ein ganz regelloses Flim- mern, welches bald in Stillstand der Kammern überging. Die Pulsation der rechten Kammer pflegte die der linken zu überdauern, bald aber folgte dem Stillstand der linken auch die Unregelmäßigkeit der rechten Kammer und Stillstand derselben. Selbst wenn auch die rechte Koronararterie gebunden war, hörten die regelmäßigen Kontraktionen der rechten Kammer später als die der linken auf.^ Wenn der Blutstrom in den Kranzgefäßen nicht zu lange aufgehoben ge- wesen war, kehrten die normalen Herzschläge nach Lösung der Abklemmung all- mählich wieder zurück. Die erste Erscheinung, die man dabei beobachtete, war nach V. Bezold die, daß der Stillstand sich löste und das Flimmern wieder erschien. Nach diesem kam dann, manchmal von einem kurz dauernden neuen Stillstande eingeleitet, eine ordentliche Kontraktion, dann wieder ein Flimmern, dann wieder ein Puls usw., bis die regelmäßigen Pulse langsam wieder auftraten und sich all- mählich beschleunigten, sowie das Herz sich selbst nach scheinbar völliger Vernich- tung seiner früheren Lebenseigenschaft vollständig erholte.^ Im großen und ganzen wurden diese Ergebnisse von Samuelsohn^ , Cohnheim und V. Schulthess- Rechter g^, Michaelis^ und Lukjanoff^ bestätigt. Mittels einer um die Vorhöfe gelegten, starken und festschließenden Pinzette konnte ich den ganzen Kreislauf bis zu 5—6 Minuten völlig aufheben, ohne daß die Herzkammern dabei ihre Leistungsfähigkeit verloren. Vielmehr machten sie die ganze Zeit hindurch ganz regelmäßige, wenn auch allmählich immer seltener werdende Pulsationen; nach der Entfernung der Pinzette nahm die Pulsfrequenz schnell zu, und der Blutdruck stieg rasch auf seine normale Höhe wieder an. Aber selbst in dem Falle, wenn dies, wegen einer zu lange dauernden Abklem- mung, nicht stattfand und der Blutdruck also auf seinem niedrigen Stand blieb, schlugen die Herzkammern noch lange Zeit weiter, ehe ihre Kontraktionen voll- ständig aufhörten, obgleich diese nicht mehr vermochten, den Blutdruck zu stei- gern. Dies war wesentlich von der durch das Aufheben des Kreislaufes bedingten Gefäßlähmung verursacht, wie daraus hervorgeht, daß der Blutdruck augenblick- lich anstieg, wenn der Widerstand im arteriellen System und der Zufuhr von Blut zu den zentralen Venen durch Druck auf den Bauch vermehrt wurde.' 1 V. Bezold, Untersuchungen aus dem physiol. Laborat. in Würzburg, 2, S. 273f.; 1867. 2 V. Bezold, ebenda, 2, S. 285. 3 Samuelsohn, Zeitschr. f. kün. Med., 2, S. 12; 1881 ; — Arch. f. pathol. Anat., 86, S. 539; 1881. « Cohnheim und v. Schulthess- Rechberg, ebenda, 85, S. 531 f.; 1881. 5 Michaelis, Zeitschr. f. kün. Med., 24, S. A., S. 10. 6 Lukjanoff, zit. nach Wassiliewski, Zeitschr. f. exp. Pathol., 9, S. 149; 1911. • R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 2, S. 394; 1890. — Vgl. auch Michaelis, Zeitschr. f. klin. Med., 24, S. A., S. 18; 1893. Der Koronarkreislauf. 309 Daß sich das Herz unter solchen Umständen nicht mehr erholen kann, ist wohl selbstverständlich, denn bei den paralytischen Gefäßen kann überhaupt keine genügende Zirkulation und also auch kein zureichender Blutstrom in den Kranzgefäßen stattfinden. Die Erscheinungen am Kaninchenherzen infolge einer Bindung der einen oder beiden Kranzarterien bzw. eines vollständigen Aufhebens des Kreislaufes lassen sich also unschwer auf die stark beschränkte bzw. vollständig aufgehobene Blutzufuhr zurückführen. Hier konmien vor allem der Mangel an Sauerstoff und die Ansammlung der Verbrennungsprodukte in Betracht, und in dieser Hinsicht ist es sehr bemerkenswert, daß die Zeit, während welcher das Herz einer akuten Erstickung erliegen kann, ohne zu sterben, etwa derselben Größe ist, wie die Zeit, nach welcher das Herz nach einer Abklemmung der Vorhöfe noch restitutionsfähig ist (Konow und Stenbeck'^). ß) Das Hundeherz. Der Stamm der äußerst kurzen, linken Kranzarterie des Hundeherzens teilt sich einige Millimeter von der Aorta in einen Ramus descendens und einen R.circumflexus. Ersterer verläuft nach unten in der Furche zwischen den Kammern und versorgt teils den vorderen und unteren Teil der linken Kammer, teils die Schei- dewand. Außerdem entspringt aus dem R. descendens nahe an seinem Ursprung der R. septi (A. septi magna), welcher sogleich in das Septum hineindringt. R. cir- cumflexus geht längs der linken Seite des Herzens in der Furche zwischen den Vorhöfen und den Kammern und versorgt den linken Vorhof sowie den oberen und hinteren Teil der linken Kammer wie die Scheidewand (A. septi fibrosi). Die rechte Kranzarterie verhält sich analog dem R. circumflexus der linken Kranz- arterie und versorgt die rechte Kammer.^ Nach Bindung eines der großen Äste der Kranzarterien (des R. descendens art. coron. sin. in einer Entfernung von 10—18 und des R. circumflexus in einer Entfernung von 12 mm vom Ursprung) konnten Cohnheim und v. Schulthess- Rech- berg, von kleinen, sofort vorübergehenden Unregelmäßigkeiten abgesehen, keinen unmittelbaren Einfluß auf die Tätigkeit des Herzens beobachten. Während der ersten 30—40 Sekunden und oft noch länger blieben Pulsfrequenz und Blutdruck ganz unverändert. Erst etwa gegen Ende der ersten Minute setzten einige Pulse aus; die Zahl der aussetzenden Pulse wurde immer größer, die Herztätigkeit wurde ausgesprochen arhythmisch und etwa gleichzeitig stellte sich eine deutliche Ver- langsamung der Schlagfolge ein. Dabei blieb der Blutdruck indessen ziemlich unverändert. Durchschnittlich 105 Sekunden nach der Zuschnürung der Ligatur stand das eben noch, wenn auch irregulär, zuweilen aber ganz regelmäßig, doch kräftigst schlagende Herz plötzlich still und der arterielle Druck sank steil zur Abszisse herab ; dabei pulsierten die Vorhöfe noch regelmäßig fort. Nachdem die Kammern etwa 10—20 Sekunden stillgestanden hatten, begannen in der Muskulatur beider Kam- 1 Kotww und Stenbeck, Skand. Arch. f. Physiol., 1, S. 431 ; 1889. 2 Vgl. Cohnheim und v. Schulthess- Rechberg, Arch. f. path. Anat., 85, S. 51 1 ; 1881 ; — Porter, Journ. of physiol., 15, S. 126; 1893; — Baiimgarten, Amer. journ. of physiol.. 2, S. 250; 1899; — Haas, Anat." Hefte, 43, S. 627; 1911; — Kahn, Arch. f. d. ges. Physiol., 163, S. 506; 1916. 310 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. mern äußerst lebhafte, wühlende, flimmernde Bewegungen, die 40 — 50 Sekunden und länger anhielten und dann in den definitiven Ruhestand übergingen. Beim Verschluß der rechten Kranzarterie traten die Unregelmäßigkeiten nicht vor Ablauf der dritten Minute ein, und bis zum tödHchen Herzstillstand dauerte es mindestens fünf Minuten^ Nach dem piötzHchen Herzstillstand gelang es Cohnheim und v. Schulthess- Rechberg auf keine Weise, noch irgend eine Kontraktion des Herzmuskels auszu- lösen — mechanische Reizung der Außenwand, Injektion von Flüssigkeit in die Herzhöhlen, Induktionsschläge blieben ohne Wirkung, und selbst die stärksten Kettenstöße vermochten höchstens eine kleine Zuckung zwischen den Elektroden auszulösen. Am merkwürdigsten war, daß, wenn die Koronarligatur nach 80—90 Se- kunden, d. h. zu einer Zeit, wo die Schlagfolge schon irregulär, die Herzkontrak- tionen indes noch durchaus kräftig und der arterielle Druck hoch war, entfernt wurde, der Versuch trotzdem in der typischen Weise verlief: die Unregelmäßigkeit der Schlagfolge dauerte noch, bei hohem Blutdruck, eine Reihe von Sekunden an, bis dann plötzlich der Herzstillstand durch den steilen Fall des Blutdruckes signa- liert wurde.2 Die Ursache dieser Erscheinungen kann, wie die Autoren selber bemerken, nicht in der Anämie eines zirkumskripten Teiles der Herzwand liegen, denn wenn die Lungenarterie oder der linke Vorhof während einer Minute und länger ab- geklemmt wird, schlägt das Herz nach Lösen der Bindung weiter, der Karotis- druck steigt rapid in die Höhe und bald findet der ganze Kreislauf wie früher vor der Abklemmung statt. Auch die Erstickung bietet wesentlich andere Erscheinungen dar, als diejeni- gen, welche nach Bindung der größeren Kranzarterienäste auftreten. Unter solchen Umständen und insbesondere, da die Entfernung der Ligatur vor dem Herzstillstand diesen nicht verhüten konnte, finden Cohnheim und v. Schult- hess-Rechberg ihre Resultate absolut unverträglich mit der Annahme, daß lediglich dem Mangel an sauerstoffhaltigem Blut jene verhängnisvolle Störung der Herz- tätigkeit zuzuschreiben sei, und stellen sich vor, daß hier die Wirkung eines besonderen Herzgiftes vorliegt, das sich während des Verschlusses der Kranz- arterien gebildet hat und sich bei aufgehobener Zirkulation ansammelt. Dieses Gift wird in um so reichlicherer Menge gebildet, je intensiver die Herztätigkeit ist, weshalb kräftige Herzen rascher dem Eingriff erliegen, als schwache. Auch ist dessen Menge innerhalb gewisser Grenzen um so größer, je größer der anäm.isch gemachte Bezirk, was daraus hervorgeht, daß die Geschwindigkeit des Eintrittes der schädlichen Wirkungen mit der Größe dieses Bezirkes wächst.^ Indessen war es nicht ausgeschlossen, daß die von Cohnheim und v. Schulthess- Rechberg beobachteten Erscheinungen und insbesondere der schnell erfolgende Tod des Herzens möglicherweise von unabsichtlichen mechanischen Beschädigungen des Herzens herrühren könnten; auch schien die Wirkung der Anämie an und für sich nicht durch ihre Überlegungen gänzlich ausgeschlossen zu sein. 1 Nach Bindung der rechten Kranzarterie haben H. E. Hering (Arch. f. d. ges. Physiol., '163, S. 7; 1915) noch bis zu 33V2 Minuten und Lewis (Heart, 1, S. 98; 1909) in einem extremen Fall sogar 3 Stunden 13 Minuten lang normale Herzkontraktionen beobachtet. 2 Colinlieim und v. Sciiuithess- Rechberg, Arch. f. pathol. Anat., 85, S. 513—519; 1881. 3 Cohnheim und v. Schulthess-Rechberg, ebenda, 85, S. 522—529, 534. Der Koronarkreislauf. 3 1 1 N. Martin und Sedgwick zeigten, daß das Herz die Einführung einer Kanüle in einen genügend großen Ast der linken Kranzarterie und also auch den temporären Verschluß des betreffenden Astes erträgt, ohne zu sterben.^ Fenoglio und DrogouP beobachteten nach Ligatur der Kranzarterien durchaus nicht immer die von Colin- heim und V. Schulthess- Rechberg beschriebenen Veränderungen. Porter band in verschiedenen Versuchen den R. descendens 6 mm von seinem Ursprung; den R. descendens 3 mm und den R. septi 2 mm von ihrem Ursprung; den R, descen- dens 5 mm von seinem Ursprung und den R. septi an seinem Ursprung; den R. circumflexus zwischen seinem Ursprung und seinem ersten Ast; die A. coronaria dextra 14 mm und den R. circumflexus 12 mm von ihrem Ursprung: in allen diesen Fällen blieb das Herz lange am Leben, und die kürzeste Zeit bis zum Eintritt des Todes betrug hier drei Stunden 45 Minuten.^ In der Fortsetzung seiner Versuche bezeichnet Porter"^ die Bindung eines Arterienastes als nicht tödlich, wenn die Herzschläge während mindestens 10 Mi- nuten gar nicht verändert oder wenigstens innerhalb dieser Zsit wieder normal werden. Die Resultate seiner in dieser Art gedeuteten Versuche, bei welchen, wie es scheint, die Ligatur liegen blieb, bis sich die Wirkungen eingestellt hatten, sind folgende: Arterle Mal gebunden Stillstand absolut in Proz. R. circumflexus 11 7 64 R. descendens 39 11 28 R. A. septi cor. dextra 5 14 0 0 2 14 Der Stillstand trat öfter bei Hunden ein, die mit Kurare oder Kurare und JMorphin vergiftet waren, als bei solchen, die Äther bekommen hatten oder denen das Halsmark durchschnitten worden war.^ Wie ersichtlich, ist die Bindung des R. circumflexus am gefährlichsten und dann folgt die des R. descendens. Zu demselben Resultat ist auch Kronecker^ ge- kommen. Bei Hirschs Versuchen trat nach der Bindung des R. descendens in keinem Falle Herzstillstand auf.' Aus diesen Versuchen geht also hervor, daß die Bindung eines größeren Kranzarterienastes lange nicht immer die von Cohnheim und v. Schulthess- Rech- berg beschriebenen fatalen Folgen hat, was wohl als Ausdruck der physiologischen Bedeutung der Anastomosen zwischen den Kranzarterien aufgefaßt werden muß. Wenn die betreffenden Störungen auftreten, dürfte dies daher nicht auf Rechnung der Anämie eines zirkumskripten Herzabschnittes gebracht werden können, son- dern ist aus einem anderen Gesichtspunkte zu deuten. H. E. Hering^ hat die Frage erörtert, inwiefern der anämisierte Ort des Herzens hierbei von einem maßgebenden Einfluß sein konnte, aber dafür keine 1 N.Martin und Sedgwick, Journ. of physiol., 3, S. 167f.; 1882. 2 Fenoglio und Drogoul, Arch. ital. de biol., 9, S. 49; 1888. 3 Porter, Arch. f. d. ges. Physiol., 55, S. 1 ; 1893. 4 Porter, Journ. of physiol., 15, S. 128; 1893; — Journ. of exp. med., 1, S. 2; 1896. ^ Porter, Journ. of exp. med., 1, S. 3; 1896. — Vgl. auch Baumgarten, Amer. journ. of physiol., 2, S. 263; 1899. " Kronecker, Zeitschr. f. Biol., 34, S. 553; 1896. ' Hirsch, Deutsche med. Wochenschr., 1907, Nr. 20. 8 H. E. Hering, Arch. f. d. ges. Physiol., 163, S. 12; 1915. 312 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. bestimmten Beweise gefunden. Dessen ungeachtet neigt er zu der Annahme, daß die Störung leichter von den Hauptabschnitten des Reizleitungssystems der Kammern als von dessen Ausläufern bzw. der übrigen Herzkammermuskulatur ausgeht. Das Vorhandensein eines speziellen Herzgiftes nach Cohnheim und v. Schalt- hess-Rechberg kann durchaus nicht als bewiesen angesehen werden. Gegen diese Annahme spricht die Tatsache, daß auch bei ziemlich ausgebreiteten Infarkten die Herztätigkeit noch lange fortdauert und nicht, wie in den Versuchen der genannten Autoren, binnen zwei Minuten plötzlich aufhört. Dagegen läßt sich auch anführen, daß dieses Gift doch bei wiederhergestelltem Blutstrom entfernt werden müßte, und dennoch erschien in den Versuchen von Cohnheim und v. Schulthess- Rechberg der zum Tode führende Stillstand auch dann, wenn die Ligatur vor dem Auftreten der Drucksenkung gelöst wurde. Es bleibt also zur Erklärung des plötzlich eingetretenen Todes nach Bindung eines größeren Kranzarterienastes nur die Annahme einer mechanischen Beschädi- gung des Herzens übrig. Von mehreren Autoren wird die große Empfindlichkeit des Hundeherzens für allerlei mechanische Eingriffe hervorgehoben, und Martin und Sedgwick be- merken ausdrücklich, daß die Verletzung der die Koronargefäße umgebenden Ge- webe leicht für das Herz fatal werden kann.^ Dasselbe scheint auch aus einer Beobachtung von Langendorf f^ hervorzu- gehen. Nach Durchschneidung der linken Kranzarterie blutete die Wunde meh- rere Minuten lang, ohne irgendwelche Störung der Herzkontraktionen hervorzu- rufen. Als er aber dann versuchte, das Gefäß zentral von der Wunde zu binden, hörte die Koordination der Herzmuskelbewegung auf und das Herz verfiel in das oben beschriebene Flimmern. Andererseits findet allerdings Porter, daß eine ausgiebige mechanische Be- schädigung der um die Kranzarterien liegenden Gewebe nur selten das Herz zum Stillstand bringt, und daß die Präparation der Arterien behufs Unterbindung nie- mals dauernde Veränderungen beim Herzen hervorruft.^ Dies mag bei Porf^rs Versuchen der Fall gewesen sein. Der durchgreifende Unterschied zwischen seinen Resultaten und denen von Cohnheim und v. Schulthess- Rechberg kann indessen, wie mir scheint, nur unter der Annahme erklärt werden, daß bei den Versuchen der letzteren das Herz einer unabsichtlichen mechanischen Beschädigung erlegen ist. Denn sonst läßt es sich kaum begreifen, wie die Ligatur der gleichen Arterienäste in den Versuchen des einen Autors konstant zum Tode des Herzens führt, während sie bei denen eines anderen Autors in zahlreichen Fällen bzw. konstant ohne Lebensgefahr verläuft. Es ist selbstverständlich, daß das Herz nach Bindung der ganzen linken Koro- nararterie, auch wenn keinerlei sonstige Beschädigungen es treffen, wegen der nun auftretenden Anämie großer Bezirke, die durch die Anastomosen nicht ausgeglichen werden kann, schließlich, und zwar innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeit, zugrunde gehen muß. So standen bei zwei Versuchen von Michaelis, wo gleichzeitig der Ramus descendens und circumflexus jene 15 mm, diese 10 mm nach ihrer Teilung gebunden 1 N. Mariin und Sedgwick, Journ. of physiol., 3, S. 168; 1882. 2 Langendorff, Arch. f. d. ges. Physiol., 70, S. 294; 1898. 3 Porter, Journ. of exp. med., 1, S. 11 f., 20; 1896. Der Koronarkreislauf. 313 wurden, beide Kammern nach 104 bzw. 150 Sekunden still. ^ — In allen Versuchen, in welchen Por/er^ den Stamm der A. coronar. sinistra band, hörte das Herz inner- halb einer kurzen Zeit auf zu schlagen. Um jede Verletzung der Herzwand bei dem Verstopfen der Arterie zu ver- meiden, führte Porter in die A. anonyma bzw. A. subclavia einen Glasstab hinein, dessen Ende winkelig gebogen, ein klein wenig ausgezogen und mit einem runden Kopf versehen war. Dieser wurde in den vorderen linken Sinus Valsalvae vorge- schoben und, sobald sich der Widerstand der Klappe kundgab, so lange gedreht, bis der Kopf in der Richtung der linken Koronaröffnung lag, und dann in die Arterie hineingefijhrt.^ Unter Anwendung dieser Methode beobachtete Porter nach Zustopfen der linken Kranzarterie Stillstand des Herzens nach etwa 150 Sekunden; wenn das Herz mit Rinderblut durch den R. circumflexus künstlich gespeist wurde, folgte nach Verstopfen des R. descendens Stillstand erst nach 600 Sekunden.* Ganz wirkungslos erwies sich das Verstopfen des R. circumflexus allein.^ Nur wenn das Herz gegen einen genügend großen Widerstand Arbeit leistete, verfiel es ins Flimmern; sonst waren seine Bewegungen bis zum Tode koordiniert und nahmen nur stetig und allmählich an Stärke und Frequenz ab. Um den Blutstrom in den Kranzarterien ohne jede Verletzung der Kammer- wand aufzuheben, habe ich meinerseits in der schon oben angegebenen Weise durch eine um die Vorhöfe gelegte Pinzette oder durch Kompression der Herz- kammern durch erhöhten Druck in der Perikardialhöhle den ganzen Kreislauf aufgehoben und außerdem noch die eine Karotis geöffnet, um solcher Art den Blut- druck im arteriellen System sicher auf einen sehr niedrigen Stand zu bringen. Drei Versuche, wo der arterielle Druck während der Abklemmung auf 6 mm Hg bzw. 0 herabsank, ergaben, daß das Herz die vollständige Anämie, wenigstens 115—180, 117—146, 130—150 Sekunden erträgt. Im letzten Versuch trat nach einer Ab- klemmung von 200 Sekunden, beim Lösen der Pinzette, sofort Herzflimmern eift.^ Das Hundeherz erträgt also eine 2^/2—3 Minuten lang dauernde Anämie, ohne seine Restitutionsfähigkeit bei der wiederholten Zufuhr von normalem Blut zu verlieren. Es scheint aber in bezug auf seine Abhängigkeit von der Blutzufuhr nicht unwesentlich empfindlicher als das Kaninchenherz zu sein. Außerdem hat man durch Einbringen von erstarrenden Massen bzw. von Lyko- podiumsamen versucht, die Wirkungen der Verengerung bzw. Verschließung der Kranz- arterien festzustellen. Hierbei begegnen wir indessen der Schwierigkeit, daß man nie sicher weiß, in welchem Umfange der Kreislauf aufgehoben oder verengt ist, weshalb die Versuche in dieser Richtung besonders für sich besprochen werden müssen. Pamim injizierte als der erste in die Kranzarterien des Hundes vomTruncus anonymus aus eine aus Talg, Wachs, Öl und Kienruß bereitete Injektionsmasse, deren Schmelzpunkt bei 40" C lag. Trotz vollständiger Injektion aller sichtbaren Kranzgefäße pulsierte das Herz fünf Minuten lang unveränder£fort; eine Minute später stand der linke Vorhof still, während beide Kammern und der rechte Vorhof zwar erheblich verlangsamt, aber in regelmäßigem Rhythmus fortschlugen. Anfangs kontrahierten sich dann die Kammern seltener als der rechte Vorhof, später aber erholten sie sich und 40 Minuten nach der Injektion machten 1 Michaelis, Zeitschr. f. klin. Med., 24. S. A., S. 15f.; 1893. - Porter, Zentralbl. f. Physiol., 9, S. 643; 1896. 3 Porter, ebenda, 9, S. 481; 1895; — Journ. of exp. med., 1, S. 15f. 1876. * Porler, Journ. of e>ip. med. 1, S. 19. 5 Porter, ebenda, 1, S. 17. 6 R. Tigerstedt, Skand. Arch. f. Physiol., 5, S. 71; 1893. 314 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. die Kammern 23, der Vorhof nur drei Kontraktionen in der Minute, Auch dies Stadium ging vorüber und 20 Minuten später pulsierten Vorhof und Kammern gleichmäßig, 13mal in der Minute. Erst 75 Minuten nach der Injektion hörte die linke Kammer und erst nach 90 Minuten die rechte auf, zu schlagen.^ Dieser Versuch lehrt uns nur, daß das Herz eine partielle Verengerung des Koronar- kreislaufes verhältnismäßig lange erträgt, denn von einer wirklichen Verstopfung kann hier keine Rede sein. Unter Anwendung von Lykopodiumsamen, welche sie in die Kranzarterien ein- spritzten, verstopften See, Bochefontaine und Roussy den Ramus septi der linken Kranz- arterie und den Stamm der rechten. Nach 45 — 150 Sekunden hörten die Herzschläge auf.^ Nach der gleichen Methode verstopfte Porter bei Injektion von der linken Karotis plötzlich alle Äste des Koronarkreislaufes; nach 20 Sekunden wurden die Herzschläge un- regelmäßig, das Herz stand still und verfiel in der Regel in heftiges Flimmern; nähere Zeit- angaben werden nicht mitgeteilt.^ Bei den Versuchen von Wassiliewski wurden endlich die suspendierten Lykopodium- samen in kleinen Portionen injiziert, so daß dadurch nur eine teilweise Verödung des Koro- narkreislaufes stattfand. Daher konnten bei einem und demselben Tiere mehrere (2 — 3) Injektionen gemacht werden. Nach der letzten trat Herzstillstand nach etwa 2 — 5Va Mi- nuten ein.^ Die Versuche mit Injektion von Lykopodiumsamen usw. haben also die nach an- deren direkteren Methoden gewonnenen Ergebnisse im großen und ganzen nur bestätigt. Kurz zusammengefaßt haben die hierher gehörigen Untersuchungen ergeben, daß das Herz bei Ausschaltung eines großen Teiles des Koronarkreislaufes wegen Blutmangel binnen einigen Minuten, früher beim Hunde als beim Kaninchen, stirbt; daß eine Anämie selbst ziemlich großen Umfanges in der Regel gut, besser vom Kaninchenherz als vom Hundeherz, ertragen wird; daß bei mehreren Ver- suchen, wo nach der Bindung mittelgroßer Arterienäste der Tod plötzlich ein- getreten ist, der fatale Ausgang aller Wahrscheinlichkeit nach von unabsichtlichen Nebenläsionen verursacht worden ist; sowie daß das am meisten charakteristische Symptom bei einer genügend ausgiebigen Anämie der Herzwand eine mehr oder minder stark hervortretende und allmählich sich herausbildende Schwäche des Herzens bzw. Herzflimmern darstellt. H. E. Hering hat sich gegen die hier vertretene Auffassung, insofern sie sich auf das Betonen der Nebenläsionen bezieht, sehr bestimmt ausgesprochen und unter speziellem Hervorheben des bei dem Kranzarterienverschluß auftretenden Herzflimmerns bemerkt, daß hieibei teils disponierende, teils auslösende Mo- mente zu berücksichtigen sind. Zu den ersteren gehören die Größe der gebundenen Arterie, die Funktion des von ihr versorgten Bezirks, die Narkose^, die Blutung, die Nebenverletzungen usw. Auslösende Momente sind, außer dem Verschluß an und für sich, örtlicher Blutmangel, örtliche Vergiftung (Kohlensäure usw.) und an abnormen Orten auftretende Herzreize. Wie mir scheint, verhält sich Hering in bezug auf die Anschauung von Cohn- heim und v. Sclmlthess- Rechberg ebenso ablehnend wie ich, und da er außerdem 1 Panum, Arch. f. pathol. Anat., 25, S. 311; 1882. 2 See, Bochefontaine und Roussy, Comptes rend. de l'Acad. des sciences, 92, S. 86; 188L 3 Porter, Journ. of experim.med., 1, S. 20; 1896. — Vgl. auch Kronecker, Zentralbl. f. Physiol., 9, S. 470; 1895 (Verstopfen durch Paraffin). 4 Wassiliewski, Zeitschr. f. exp. Pathol., 9, S. 155; 1911. — Vgl. auch Vogt, Arbeiten des In- stituts für allg. Pathol. der Moskauer Universität, 1903; zit. nach Wassiliewski, a. a. O., S. 152. 5 H. E. Hering, Arch. f. d. ges. Physiol., 163, S. 1; 1915. ö In den Versuchen Porters (Zentralbl. f. Physiol., 9, S. 643) erschien nach Bindung des Ramus descendens der Herzstillstand leichter bei Hunden, welche Morphin oder Kurare er- halten hatten, als bei Hunden, die nur ätherisiert waren; vgl. auch oben S. 311. Der Koronarkreislauf. 315 noch ausdrücklich sagt, daß der Verschhiß der Kranzaiterien nur im Verein mit anderen Momenten das Herzflimmern zur Folge hat, sowie daß dieses nicht die notwendige Folge nur des ersteren sein kann^, findet sich in der Hauptsache im großen und ganzen keine prinzipielle Differenz zwischen ihm und mir vor, obgleich Hering noch verschiedene Momente herbeizieht, welche ich nicht be- rücksichtigt hatte, teilweise auch nicht berücksichtigen konnte. Wenn das Herz infolge der Anämie oder irgendeiner anderen Schädlichkeit still steht, ist es indessen noch nicht tot. Allerdings kann es nicht mehr durch die ihm und dem Körper selbst zur Verfügung stehenden Mittel zu neuer Tätigkeit erregt werden. Wird aber durch die Kranzgefäße Blut oder irgend eine andere, für das Säugetierherz geeignete Nährflüssigkeit unter einem genügend hohen Druck geleitet, so erscheinen binnen kurzem neue Herzschläge, welche stundenlang fort- dauern können (vgl. §39). Das Herz kann vom Körper herausgeschnitten werden und dann Gegenstand der mannigfaltigsten Versuche werden. c) Bindung der Koronarvenen. In Versuchen von v. Bezold und Breymann'^ ergab die Bindung der Koronar- venen beim Kaninchen, daß das Herz diese Operation viel besser als die Bindung der Koronararterien ertrug, indem Unregelmäßigkeiten der Herzschläge viel später eintraten, sowie die Pulsfrequenz und der Blutdruck anfangs sogar erhöht waren. Dasselbe Resultat erzielten am Hunde Cohnheim und von Sehn Ithess-Recliberg.^ Bei der Bindung des Sinus venosus in der Nähe seiner Einmündung in den rechten Vorhof blieb die Herztätigkeit trotz der kolossalen Stauung länger als eine halbe Stunde ganz normal. Zur Erklärung dieser Erscheinung wiesen v. Bezold und Breymann^ u. a. darauf hin, daß hier noch ein Blutwechsel im Koronarkreislauf stattfindet, indem das Blut aus den prallgefüllten Venen gegen die Aorta hin bei jedem Herzschlage zurückgedrängt wird und während der Diastole durch neues Blut aus der Aorta ersetzt wird. Es ist indessen nicht leicht, sich vorzustellen, daß allein hierdurch, wie durch die von v. Bezold und Breymann hervorgehobene Möglichkeit einer direkten Lüftung des in den oberflächlichen Venen vorhandenen Blutes durch den atmosphärischen Sauerstoff, für die Ernährung des Herzmuskels genügend gesorgt wäre. Michaelis und Gad haben daher auf die Bedeutung der Vasa Thebesii, welche einerseits mit überaus zahlreichen Öffnungen in die Wand aller vier Herzhöhlen münden, anderer- seits durch Kapillaren mit den Kranzarterien und -venen, sowie durch etwas größere Gefäße mit den Kranzvenen in Verbindung stehen, hingewiesen.^ Als Stütze dieser Auffassung führen sie an, daß sich die rechte Kannner, trotz sorgfältigster Abschlic- ßung derselben und des großen Venensinus am rechten Vorhofe, dennoch ziemlich bald und reichlich füllte, wenn am ausgeschnittenen Herzen Flüssigkeit durch die 1 H. E. Hering, a. a. O., 163, S. 25. 2 V. Bezold und Breymann, Unters, aus dem physiol. Laborat. in Würzburg, 2, S. 288; 1867. 3 Cohnheim und v. Sclniltliess-Rechberg, Arch. f. pathol. Anat., 85, S. 526f.; 1881. 4 V. Bezold und Breymann, Unters, aus dem physiol. Laborat. in Würzburg, 2, S. 301 ; 1867. 5 Michaelis, Zeitschr. f. klin. Med., 24, S. A., S. 23; 1893. 316 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Höhlen des linken Herzens — Vorhof, Kammer, Aorta — und die Kranzgefäße unter genügendem Drucke geleitet wurde, ^ In der Tat ist es möglich, ein ausgeschnittenes Herz von der rechten oder linken Kammer aus, also durch die Vasa Thebesii^, künstlich zu ernähren, so daß die betreffende Kammer ganz regelmäßige Pulsationen ausführt, welche nicht selten schon nach einer Minute erscheinen und bei zweckmäßiger Temperatur sowie genügend oft stattfindendem Wechsel des Blutes stundenlang fortdauern können. Dabei kann auch ein ununterbrochener, wenn auch schwacher Strom aus den Koronarvenen beobachtet werden. Daß die Ausdehnung des Herzens nicht das hierbei Maßgebende ist, folgt daraus, daß die Kontraktionen ausbleiben, wenn das Blut durch Ringerlösung (ohne Sauerstoff?) ersetzt wird. Im Anschluß an diese Ergebnisse lenkt Pratt die Aufmerksamkeit auf die Analogie dieser Ernährung des Säugetierherzens von dessen Höhlen aus mit der in gleicher Weise erfolgenden Ernährung des Froschherzens. ^ Das Herz kann außerdem noch durch die Kranzvenen ernährt werden, wie Prati* an Katzenherzen direkt nachgewiesen hat. d) Einwirkung der Herzbewegungen auf den Koronarkreislauf.^ Im Anfangder Systole, etwa der Verschlußzeit beim Herzen in situ entsprechend, werden die Kranzarterien erweitert, und im weiteren Verlauf dieser Phase wegen der starken Zusammenziehung der Herzwand verengt (Langendorff^); infolgedessen wird die Zufuhr von Blut in den Kranzarterien während der Systole geringer, als während der Diastole und kann bei genügend starker Kontraktion der Herzwand gänzlich aufhören (Tschuewsky'^). Auch durch einen von der Kammerhöhle aus wirkenden Druck werden die Kranzgefäße komprimiert und auf Grund dessen der Strom in dem Herzen ver- mindert {Magrath und Kennedy^; Hyde^). Die während der Systole stattfindende starke Kompression der Korona. - gefäße bewirkt, daß das Blut mit großer Kraft, oftmals im Strahle, aus den Koronar- venen heran ^.strömt {Porter^^, Langendorjf^^). Im Anfang der Diastole sind die Kranzvenen leer und neues Blut strömt erst dann nach, wenn sich die Gefäße durch das Hineinströmen von Blut in die Kranz- arterien wieder gefüllt haben. 1 Gad, Arch. f. Anat. u, Physiol., physiol. Abt., 1886, S. 382. - Über die Anatomie der Vasa Thebesii vgl. Bochdalek, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1868, S. 314; — Langer, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KI., 82 (3), S. 25; 1880; — Pratt, Amer. journ. of physiol., 1, S. 90; 1898. 3 Pratt, Amer. journ. of physiol., 1, S. 93—97; 1898. * Pratt, ebenda, 1, S. 98. 5 Vgl. auch oben, S. 52. 6 Langendorff, Arch. f, d. ges. Physiol., 78, S. 426f.; 1900. — Vgl. auch Taljanzew, Russische med. Rundschau, 45, S. 506; 1896; zit. nach dem Jahresbericht. ■^ Tschiiewsky, Ruskij Wratsch, 1904, S. 437; zit. nach dem Jahresbericht. ^ Magrath und Kennedy, Journ. of exp. med., 2, S. 14; 1897. 9 Hyde, Amer. journ. of physiol., 1, S. 219; 1898. ^o Porter, Journ. of the Boston soc. of medic.sciences, 1897, No. 10; — Amer. journ. of physiol., 1, S. 152; 1898. li Langendorff, Arch. f. d. ges. Physiol., 78, S. 424; 1900. , Der Koronarkreislauf. 3I7 Der Blutstrom in den Koronararterien hat also zwei Maxima, das eine am Anfang der Systole, das andere am Anfang der Diastole, und zwei Minima, das eine auf der Höhe der Systole, das andere während der Vorhofkontraktion. Die wechselweise stattfindende Zusammenziehung und Erweiterung der Herz- kammerwand und die davon bedingten Variationen in der Weite der Kranzgefäße scheinen auf die Blutströmung in diesen einen vorteilhaften Einfluß auszuüben, denn nach Porter^ und Langendorf f^ ist diese beim schlagenden Herzen deutlich größer als beim stillstehenden bzw. totenstarren, was nach dem ersteren von dem verminderten Widerstand bei den während der Systole entleerten Gefäßen bedingt ist. Desgleichen wird die Durchblutung der Herzwand bei einer durch Akzelerans- reizung beschleunigter Schlagfolge vermehrt, was indessen zum Teil wenigstens von der Reizung der im betreffenden Nerven vorhandenen Dilatatorcn bedingt ist. Dagegen setzt eine durch Erwärmung des Sinusknotens hervorgebi achte Beschleunigung die durch die Herzwand strömende Blutmenge herab {Morawitz und Zahn^). Während der Vorhofsystole ist der Strom des venösen Blutes in den rechten Vorhof, wie v. Vintschgau nachgewiesen hat, dadurch in hohem Grade erschwert bzw. aufgehoben, weil gleichzeitig damit die Muskelfasern des Sinus coronarius sich zusammenziehen.* Beim flimmernden Herzen ist der Blutstrom im allgemeinen von derselben Größe wie beim normal schlagenden Herzen; die unregelmäßigen, wogenden Be- wegungen der Herzwand üben also auf die Koronargefäße eine quantitativ gleiche Wirkung wie normale Bewegungen des Herzens aus {Langendorf f^, H. Fredericq^). e) Die Irrigation des Herzmuskels. Am Präparat von Langendor ff sind zahlreiche Beobachtungen über die Durch- dringlichkeit der Koronargefäße und über deren Abhängigkeit von verschiedenen Variabein ausgeführt worden. Diese Versuche sind indessen zum größten Teil unter Anwendung anderer Nährflüssigkeiten als das Blut vorgenommen und können daher schon aus diesem Grunde nicht als maßgebend angesehen werden, wenn es sich darum handelt, die Größe der normalen Blutversorgung des Herzens festzustellen. Nach einer Operationsweise, welche hier nicht näher beschrieben werden kann, fanden Bohr und Henriques'' an dem vom Kreislauf vollständig isolierten Hundeherzen für Minute und 100 g Herzmuskel eine Blutmenge von durchschnitt- lich 30 ccm; Maximum 41, Minimum 19 ccm. F. Meyer^ suchte die unter dem Einfluß verschiedener Gifte stattfindenden Veränderungen im Koronarkreislauf durch Eichung der Blutmenge zu bestimmen» die durch eine größere Vene der vorderen Herzwand herausströmte. Absolute Werte konnten dabei natürlich nicht erhalten werden. 1 Porter, Joiirn. of the Boston soc. of med. sciences, 1897, No. 10; — Amer. jourii. of physiol., 1, S. 160; 1898. - Langendorff, Arcli. f. d. ges. Physiol., 78, S. 435; 1900. ^ Morawitz und Zahn, Deutsches Arch. f. klin. Med., 116, S. 364; 1914. ' V. Vintschgau, Arch. f. d. ges. Physiol., 64, S. 79; 1897. '> Langendorf f, ebenda, 78, S. 435; 1900. « H. Fredericq, Arch. intern, de physiol., 6, S. 461 ; 1908. ' Bohr und Henriques, Skand. Arch. f. Physiol., 5, S. 234; 1894. « F. Meyer, Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1912, S. 213. 318 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Um dies zu erzielen, führten Morawitz und Zahn^ an kleinen bis mittelgroßen Hunden eine Tamponkanüle durch das rechte Herzohr und den rechten Vorhof in den Sinus coronarius hinein. Allerdings strömt nicht die ganze durch den Koronarkreislauf fließende Blut- menge, sondern nur etwa 60 Proz. derselben durch den Sinus coronarius, und der Rest, d. h. 40 Proz., durch die Vena card. post., die Venae Thebesii usw. in den rech- ten Vorhof hinein (Starling und Evans^, Morawitz und Zahn^; Unger^; Versuche am isolierten Hundeherzen). Da indessen die betreffende Verteilung des Koronarvenenblutes von der ab- soluten Menge des durchströmenden Blutes im großen und ganzen unabhängig ist, geben die am Sinus allein gewonnenen Resultate jedenfalls eine befriedigende Kenntnis von eventuell stattfindenden Veränderungen im Koronarkreislauf. Bei den Versuchen von Starling und Evans betrug die Blutmenge pro Minute und 100 g Herzgewicht (Hund) ,, normal" etwa 60 ccm. Bei wesentlich unversehrtem Kreislauf eichte Henriques^ den Blutstrom der Koronargefäße in folgender Weise. Er führte (am Hunde) durch die Carotis sin. je eine Sonde in die linke Kammer und in die Aorta hinein und bestimmte in der oben (S. 192) angegebenen Weise unter Anwendung von Rhodannatrium bzw. Kreatinin als Indikator die Blutmenge, welche von der linken Kammer heraus- getrieben wurde, sowie diejenige, welche durch die Aorta strömte. Die Differenz zwischen beiden stellte den Blutstrom durch den Koronarkreislauf dar. Die Versuche ergaben, daß von der gesamten, aus der linken Kammer her- ausgetriebenen Blutmenge 18—25 Proz. durch die Koronararterien ging, was einer Blutmenge von 119—163 ccm pro Minute und 100 g Herzgewicht entspricht. Im normalen Organismus darf man indessen, wie Henriques bemerkt, wohl keine so bedeutende Blutversorgung des Herzens annehmen, denn bei seinen Versuchen waren ja alle Äste des Aortabogens gebunden und also der Widerstand in den Körperarterien im Verhältnis zu dem in den Kranzarterien jedenfalls größer als dies beim normalen Kreislauf der Fall ist. Betreffend die Einwirkung von verschie denen Variabein auf die Durch- blutung der Koronargefäße sei hier nur erwähnt, daß sie durch Adrenalin {F. Meyer, Morawitz und Zahn, Starling und Evans, Starling und Markwalder) und zwar auch bei unversehrtem Kreislauf stark in die Höhe getrieben wird. Auch durch Vergif- tung mit Kohlensäure wie durch Erstickung wird sie gesteigert und kann im letzten Falle beim ausgeschnittenen, mit dem Blute von einem anderen Tier direkt ge- speisten Herzen bis auf 370 ccm pro Minute und 100 g Herzgewicht ansteigen {Starling und Evans^). Überhaupt kann man sagen, daß unter allen Umständen, wo sich die Arterien des großen Kreislaufes stark zusammenziehen, die Kranzarterien offen bleiben 1 Morawitz und Zahn, Zentralbl. f. Physlol., 26, S. 465; 1912; — Deutsches Arch. f. klin. Med., 116, S. 364; 1914. 2 Starling und Evans, Journ. of physiol., 46, S. 422; 1913. — Vgl. auch Starling und Mark- walder, ebenda, 47, S. 278; 1913. 2 Morawitz und Zahn, Deutsches Arch. f. klin. Med., 116, S. 377. ^ ünger, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med., 4, S. 175; 1915. 5 Henriqms, Biochem. Zeitschr., 56, S. 239; 1913. « Starling und Evans, Journ. of physiol., 46, S. 421; 1913; — Starling und Markwalder, ebenda, 48, S. 350; 1914. — Vgl. auch H. Fredericq, Arch. intern, de physiol., 6, S. 465; 1908. Der Koronarkreislauf. 319 oder sich mehr wie vorher öffnen un:l also, soweit möglich, die notwendige Blut- zufuhr zu der Herzwand sicherstellen (über die Einwirk uns,' von Adrenalin auf die Gefäße, vgl. Kap. XXXIX). Der niedrigste Aortadruck, bei welchem das isolierte Kaninchenherz bei Speisung mit einer Salzlösung noch pulsiert, ist nach Herlitzka^ etwa 13 bis 18 mm Hg. Je niedriger der Druck ist, um so weniger regelmäßig sind die Herzschläge ; bei einem etwas höheren Druck treten diese periodisch gruppenweise auf. Wenn der Druck dann allmählich weiter ansteigt, so wird die Schlagfolge immer mehr regelmäßig, mit abwechselnden größeren und kleineren Kontraktionen, bis end- lich alle Kontraktionen gleichgroß sind. Bei einem niedrigen Druck kann es zutreffen, daß die Vorhöfe schon tätig sind, während die Kammern stillstehen. Unter allmählich stattfindender Druck- steigerung kommt dann eine Kammersystole auf je drei oder zwei Vorhofsystolen, bis schließlich Vorhöfe und Kammern isorhythmisch schlagen. § 39. Wiederbelebung des Herzens. Wenn das Herz aufgehört hat, zu schlagen, bzw. wenn die Herzschläge nicht mehr vermögen, einen Ausschlag am Manometer hervorzurufen, ist das Herz dennoch nicht unbedingt gestorben. Vielmehr hat man in zahlreichen Fällen ver- hältnismäßig lange Zeit nach dem Tode des Tieres, bzw. nach dem Ausschneiden des Herzens aus dem Körper, deutliche Bewegungen des ganzen Herzens oder einzelner Herzteile beobachtet. So beobachteten A. D. Waller und E. W. Reid spontane Kontraktionen des vom Körper ausgeschnittenen, nicht künstlich ernährten ganzen Kaninchenherzens während 42—72 Minuten, und erzielten bei künstlicher Reizung positives Resultat sogar 90 Minuten post mortem. Am Katzenherzen sahen sie vollständige Kon- traktionen 23—2572 Minuten nach dem Tode.^ Einzelne Herzteile pulsieren noch länger, wie z. B. Vulpian Kontraktionen beim rechten Vorhof des Hundeherzens beschreibt, die noch 93^/2 Stunden nach dem Tode des Tieres beobachtet wurden.^ Das embryonale Herz ist sehr zäh. Als Beispiel davon mag erwähnt werden, daß Rawitz bei einem sechs Monate alten menschlichen Fötus noch vier Stunden nach dem Tode normale Kammerkontraktionen beobachtete.'* Nachdem die künstliche Speisung des ausgeschnittenen Säugetierherzens von der Aorta aus bekannt worden ist, hat man in überaus zahlreichen Fällen nachgewiesen, daß ein solches, unter Anwendung einer geeigneten Nährflüssigkeit sehr lange am Leben bleibt, wie Locke am Physiologenkongreß zu Turin unter Anwendung der Salzlösung +0,lProz. Dextrose + Sauerstoff ein Kaninchenherz demonstrierte, das von 7 Uhr morgens bis zum Abend mit unverminderter Energie pulsierte.^ 1 Herlitzka, Arch. f. d. ges. Physiol., 107, S. 557; 1905. 2 A. D. Waller und E. W. Reid, Philos. transact., 1887 B, S. 217. — Vgl. auch CzermakuxxA Piotrowsky, Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, 25, S. 431; 1857. 2 Vulpian, Memoires de la Societe de biologie, 1858, S. 8. « /?üH'//z, Arch. f. Anat.u. Physiol., physiol. Abt., 1879, Suppl., S.69. — Vgl. auch Hcmr/dus, Zeitschr. f. Biol., 26, S. 190; 1890; sowie Neugebaner, Zentralbl. f. Gynäkol., 1898, Nr. 47. 5 Locke, Zentralbl. f. Physiol., 15, S. 490; 1901. 320 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Da bei vielen der hierher gehörigen Versuche das Herz vor Einleitung der künstlichen Durchströmung stillstand, ergeben diese Versuche ohne weiteres, daß das Hjerz aus einem Zustand von Scheintod tatsächlich wieder belebt werden kann. Bei den betreffenden Versuchen ist indessen die Zeit vom Tode des Tieres bis zur Etablierung des künstlichen Kreislaufes im allgemeinen ziemlich kurz ge- wesen, da man ja allerdings dem Rat Lan^endorffs gefolgt ist, bei der Präparation sich nicht besonders zu beeilen\ andererseits aber keine Veranlassung hatte, das betreffende Zeitintervall länger, als gerade nötig, auszudehnen. Daher wurde Kuliabko der erste, der es unternahm, durch direkte Versuche diejenige Zeit festzustellen, innerhalb welcher das Säugetierherz nach Herausnahme aus dem Körper noch durch künstliche Speisung wieder zum regelmäßigen Pul- sieren gebracht werden konnte. Seine Resultate sind folgende. Bei einem Kaninchenherz, das 18^/2 Stunden bei 0° C aufbewahrt gewesen war, pulsierten die Vorhöfe und die rechte Kammer bei Durchströmung mit der Ringerlösung; ein anderes Herz wurde nach 44 stündigem Aufenthalt im Eis- schrank durch die Ringerlösung vollständig restituiert und pulsierte noch drei Stunden lang.^ — Am Ende des vierten Tages nach dem Tode erschienen unter dem Einfluß der Ringerlösung schwache Pulsationen im Gebiete der Mündung der Hohlvenen, die allerdings nur durch den Lichtreflex merkbar waren. — In d-en Hohlvenenmündungen eines Tauben- und eines Kaninchenherzens wurden Kontraktionen drei bzw. vier Tage nach dem Tode beobachtet.^ Auch Herzen von Tieren, die nicht getötet wurden, sondern an einer Krank- heit gestorben waren, gelang es Kuliabko, unter Anwendung der Ringerflüssigkeit, wieder zu beleben. So bei einem an Enteritis gestorbenen Kaninchen: das ganze Herz schlug nach 20 Stunden; die Vorhöfe und die rechte Kammer nach 66 Stun- den und die Hohlvenenmündungen wie die Herzohren sogar noch nach 112 Stunden. In einem anderen Falle wurden nach 72 Stunden Pulsationen des ganzen Herzens und nach sieben Tagen Wogen und Wühlen der Vorhöfe und der Hohlvenen be- obachtet.^ Locke und Rosenheim beobachteten am Herzen eines erwachsenen Kaninchens vollständige Kontraktionen 24 Stunden, und Kontraktionen der Vorhöfe und der rechten Kammer noch fünf Tage nach dem Tode. Zwischen den Versuchen wurde das Herz bei einer Temperatur von etwa 10" C gehalten.^ Ein Affenherz wurde von H. E. Hering durch Speisung mit Ringerlösung 4^2 Stunden nach Auffindung des toten Tieres im Käfig wieder vollständig belebt; •dann wurde das Tier auf Eis gelegt und steinhart gefroren. 24 Stunden später konnten wieder alle Abteilungen des Herzens zum Schlagen gebracht werden; nach weiteren 25 Stunden pulsierten der rechte Vorhof und die rechte Kammer 1 Langendorff, Arch. f. d. ges. Physiol., 61, S. 300; 1895. 2 Kuliabko, Arch. f. d. ges. Physiol., 90, S. 467 f.; 1902. In allen hierher gehörigen Ver- suchen ist das Herz in der Zeit zwischen den Versuchen bei niedriger Temperatur gehalten worden. "^ Kuliabko, ebenda, 97, S. 540f.; 1903; — Zentralbl. f. Physiol., 15, S.588; 1902.; — 16, S. 330; 1902. * Kuliabko, Arch. f. d. ges. Physiol., 97, S. 542 f.; 1903. 5 Locke und Rosenheim, Zentralbl. f. Physiol., 19, S. 737; 1905. Der Koronarkreislaut. 321 des Herzens des inzwischen aufs neue gefrorenen Tieres unter dem Einfluß der Ringerlösung wieder.^ Beim Herzen eines an Pneumonia duplex gestorbenen Knaben im Alter von 3V2 Monaten gelang es Knliabko, mit der Ringerlösung Kontraktionen aller vier Herzabteilungen 20 Stunden nach dem Tode auszulösen. Die Frequenz der mehr als eine Stunde lang fortgehenden Pulsationen betrug bei 39" C 70 — 80, sowie bei 41° C 98-102 pro Minute. In einem anderen Falle erschienen 30 Stunden nach dem Tode Kontraktionen der Herzohren und des rechten Vorhofes beim Herzen eines viermonatigen, an Cholera infantum gestorbenen Kindes.^ Desgleichen kamen in einem Versuch von H. E. Hering die Kontraktionen des Herzens eines 35jährigen Mannes bei der Behandlung mit der Ringerlösung elf Stunden nach dem Tode wieder.^ Eine noch mehr erstaunliche Lebenszähigkeit bieten die Herzen der kalt- blütigen Tiere dar. Als Beispiel davon sei erwähnt, daß es Aihanasiu*^ gelang, in Loches Lösung ein ausgeschnittenes Froschherz 33 Tage am Leben zu er- halten. Außer der Durchspülung des Herzens mit irgendeiner Salzlösung gibt es noch andere Mittel, ein scheinbar totes Herz wieder zu beleben. Hierher gehört in erster Linie dii Massage des Herzens. Schon v. Bezold bemerkte, daß ein Kaninchenherz, welches wegen der Abbindung der Kranz- arterien stillstand, durch Massage zu neuer Tätigkeit erweckt wurde. Hierbei wurde die Kammer mit zwei Fingern gefaßt und rhythmisch zusammengepreßt. Wenn gleichzeitig die Aorta abgeklemmt war, so daß das Blut unter hinlänglichem Druck in die Kranzgefäße hineinströmte, und die Zusammenpressung 10— 20mal hintereinander ausgeführt wurde, konnte man deutlich fühlen, daß die vorher ganz schlaffen Wandungen auf einmal von Zeit zu Zeit zwischen den Fingern wieder hart wurden. Nach einigen weiteren Zusammenpressungen sah v. Bezold die Pul- sationen zur vollen Regelmäßigkeit zurückkehren.^ Dieses Resultat wurde am Kaninchen nach Ligatur der Kranzarterien von Michaelis^, am Hund nach Chloroformvergiftung von Schiff, Prus^, Arabian^, BourcarV^, Kemp und Gardner^^, Tuffier und Hallion^^, Battelli^^, an der Katze nach Äthertod von Pike, Guthrie und Stewart^^ bestätigt. 1 H. E. Hering, Arch. f. d. ges. Physiol., 99, S. 248; 1903. 2 Kuliabko, Zentralbl. f. Physiol., 16, S. 330; 1902; — Arch. f. d. ges. Physiol., 97, S. 555f.; 1903. 3 H. E. Hering, Verh. d. Kongresses f. inn. Med., 22, S. 206; 1905. — Vgl. d'HaUuin, Rcsur- rection du coeur. Paris 1904. 4 Athanasiu, Comptes rend. de la Soc. de biol., 73, S. 335; 1912. ^ V. Bezold, Unters, aus d. physiol. Laborat. in Würzburg, 2, S. 286; 1867. 6 Michaelis, Zeitschr. f. klin. Med., 24, S. 11 des S. A., 1893. ^ Schiff, Ges. Beitr. zur Physiol., 3, S. 11. ^ Prus, Arch. de med. experim., 1901, S. 354. ^ Arabian, Travaux du laborat. de physiol. de Geneve, 4, S. 1 ; 1903. ^« Bourcart, ebenda, 4, S. 34; 1903. 11 Kemp und Gardner, Medical news, 83, S. 184; 1903; zit. nach Pike, Guthrie und Stewart (s. unten), S. 382. 12 Tuffier und Hallion, Compt. rend. de la Soc. de biol., 1898, S. 988. 13 Battelli, Journ. de physiol., 1900, S. 443. " Pike, Guthrie und Stewart, Journ. of exp. med., 10, S. 395f.; 1908. Tigerstedt, Kreislauf. [. 2. Aufl. 21 322 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Die zuletzt erwähnten Autoren bemerken, daß das Herz mittels Massage wiederbelebt werden kann, selbst wenn diese etwa 10—15 Minuten oder noch länger nach Aufhören der wahrnehmbaren Herztätigkeit appliziert wird. Bei temporär abgebundener Aorta, wodurch der Kreislauf zeitweilig auf die vordere Körper- hälfte beschränkt wird, gelang es ihnen, ein Katzenherz durch Massage sogar 44 Minuten nach Aufhören des äußeren Pulses zum regelmäßigen Schlagen zu bringen. Und Prus gibt an, daß Tiere, welche durch Chloroform getötet wurden, durch Herzmassage auch in dem Falle wiederbelebt werden können, wenn zwischen dem Todesaugenblick (Aufhören der Atembewegungen) und dem Beginn künst- licher Atmung und Herzmassage eine ganze Stunde verflossen ist. Nach Pike, Guthrie und Stewart ist die direkte Massage das beste Mittel, das Herz wieder zu beleben. Viel weniger kräftig wirkt die extrathorakale Massage: hier konnte das Herz nur etwa 3—5 Minuten nach dem Aufhören des äußeren Pulses zu neuer Tätigkeit gebracht werden; bei wirklich stillstehendem Herzen war diese Methode ganz wirkungslos, während die direkte Massage sich noch ganz gut bewährte. Übrigens macht die Todesart auch einen wesentlichen Unterschied in bezug auf die Möglichkeit einer Wiederbelebung des Herzens. Nach Pike, Guthrie und Stewart wäre die Reihenfolge nach zunehmender Schwierigkeit: Erstickung, Nar- kose, Hämorrhagie, Tod durch Induktionsströme. Auch die Nahrung des Tieres übt, nach Prevost und Battelli\ einen wesent- lichen Einfluß auf das Resultat der Massage aus, indem die Wiederherstellung am leichtesten erfolgt, wenn das Tier vorher gemischtes Futter gefressen hatte; dann folgen der Reihe nach Kohlehydrate, Eiweiß und Fett. Bei hungernden Tieren konnten normale Herzkontraktionen nur in Ausnahmefällen erzielt werden. Sogar beim Menschen hat man durch Massage ein stillstehendes Herz zum Schlagen bringen und also das Leben des Kranken retten können. ^ Die Herzmassage wirkt wohl zu großem Teil durch die von ihr ausgeübte mechanische Reizung des Herzens; hierzu kommt aber noch, daß die zweckmäßig ausgeführten Massagebewegungen einen, wenn auch nur verhältnismäßig geringen Blutstrom in den Kranzgefäßen unterhalten (Schifft). Als belebendes Mittel kommt noch der elektrische Strom in Betracht; darüber vgl. Kap. XV. ^ Prevost und Battelli, Revue med. de la Suisse romande, 1901, S. 489. - Vgl.Sencerf, Compt.rend.de laSoc.de biol., 1905(1), S.1080; sow'ieGreen, Lancet,1906(2), S. 1708, wo die hierher gehörende Literatur eingehend besprochen ist. 3 Schiff, Ges. Beitr. zur Physiol., 3, S. 11. Die mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels an und für sich. 323 Vierzehntes Kapitel. Die mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels an und für sich. § 40. Isotonie und Isometrie des Herzmuskels. Beim ausgeschnittenen Skelettmuskel hat man die Leistungen bei verschier denen Arbeitsweisen untersucht, indem man bei gestatteter Verkürzung die Span- nung des Muskels möglichst unverändert gehalten hat (iso tonische Zuckung) oder die Spannung im Verlauf der Kontraktion in der einen oder anderen Weis^ erhöht (auxotonische Zuckung) oder vermindert hat (Entlastungszuckung), sowie bei verhinderter Verkürzung (isometrischer Zuckung) die Größe der unter der Einwirkung eines Reizes erscheinenden Spannungszunahme untersucht hat, Zwischen den beiden Extremen stehen teils die Überlastungszuckungen, bei welchen die Belastung derart unterstützt ist, daß sie nur, nachdem der Muskel bei seiner Erregung die entsprechende Spannung erreicht hat, von jener angegriffen wird; bis zu diesem Punkte verläuft die Muskeltätigkeit isometrisch und dann, je nach der näheren Versuchsanordnung, iso- oder auxotonisch; teils die Anschlags- zuckungen, bei welchen der Muskel sich zuerst frei (isotcnisch oder auxotonisch) kontrahiert, aber im Verlaufe seiner Zusammenziehung von einem gewissen Moment an weiterer Verkürzung verhindert wird, indem z. B. der Schreibhebel gegen eine auf bestimmte Hö!ie gestellte Hemmungsvorrichtung stößt. Wie aus der Darstellung in Kap. VI ersichtlich ist, läßt sich die normale Ar- beitsweise des Herzens am nächsten mit den Überlastungszuckungen vergleichen: eine wirkliche Verkürzung der Herzmuskelfasern kann ja erst dann stattfinden, wenn die Semilunarklappen geöffnet werden, und bis dahin verläuft die Herzsystole, abgesehen von einem etwaigen Zurückweichen der Vorhof- Kammerscheidewand, im großen und ganzen isometrisch. Erst nach Eröffnung der Herzklappen hat die Spannung des Herzmuskels die durch den Überdruck des Blutes in den großen Ar- terien repräsentierte Überlastung überwunden, und der Herzmuskel kann sich nun verkürzen. Dabei ist der Widerstand in den Arterien wohl nur ausnahmsweise konstant, und die fortgesetzte Kontraktion verläuft daher in der Regel nach dem auxotonischen Regim (vgl. oben, S. 139). Die eigentümliche Anordnung der Herzmuskulatur bereitet natürlich dem direkten Vergleich mit dem Skelettmuskel gewisse Schwierigkeiten, und vor allem kann ja hier von dem Verhalten der parallelfaserigen Skelettmuskeln keine Rede sein, wie daraus hervorgeht, daß eine Verkürzung der Herzmuskelfasern in meri- dionaler Richtung um 50 Proz. die Höhle der entsprechenden Herzabteilung auf ein Achtel vermindern würde. ^ Nähere Untersuchungen über die Leistungen des Herzens bei verschiedener Arbeitsweise sind in erster Linie am isolierten Froschherzen von 0. Frank aus- 1 Vgl. V. Weizsäcker, Arch. f. d. ges. Physiol., 141, S. 457; 1911. 21* 324 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. geführt und bezwecken, die Dynamik des Herzmuskels an sich schärfer, als dies der alleinigen Untersuchung am unversehrten Kreislauf möglich ist, fest- zustellen. Seine Versuche führte Frank an einem künstlichen Kreislauf aus, wobei je nach der augenblicklich vorliegenden Aufgabe das Herz in verschiedener Weise arbeiten konnte. ^ Bei isometrischem Regim wurde die Blutzufuhr zum Herzen abgesperrt und das Herz pumpte in wenigen Schlägen seinen Inhalt aus, so daß nur ein ganz kleiner Rest zurückblieb. Nun wurde auch der Ausfluß abgesperrt und das Herz schrieb jetzt die isometrische Kurve bei ganz schwacher Füllung. Dann wurde die Füllung des Herzens mit je 0,1 ccm erhöht und die isometrische Kurve bei immer zunehmender Füllung geschrieben. Dabei stiegen die Maxima mit wachsender Füllung oder Anfangsspannung zuerst rasch in die Höhe, um von emer gewissen Füllung an wieder langsam abzunehmen. (Später folgte ein nochmaliges Ansteigen der Maximalspannungen.) Die Kurven verbreiteten sich dabei stetig und die von der Spannungskurve und der Abszisse eingeschlossene Fläche nahm stetig zu^ — alles in vollkommener Übereinstimmung mit den Erfahrungen von Fickam Skelett- muskel.^ Als Beispiel verweise ich auf folgenden Versuch: Blutmenge im Herzen 0^ 0,18 0,34 0,47 0,63 0,84 0,93 ccm; Spannungsmaximum 12 60 68 66 60 59 58 mm Hg. Mit wachsender Anfangsspannung erfolgt der Anstieg der Kurve immer steiler. Wie bekannt, versteht man seit Ed. Weber unter absoluter Kraft des Muskels dasjenige als Überlastung am nicht gedehnten Muskel angebrachte Gewicht, welches durch die Kontraktion desselben gerade gehoben werden kann. Bei iso- metrischer Arbeitsweise entspricht die dabei erreichte maximale Spannung der absoluten Kraft; bei der Kammer des Froschherzens beträgt sie im Mittel aus acht Versuchen 59 mm Hg (Grenzwerte 55 bzw. 64 mm Hg^). Beim abgebundenen Vorhof des Froschherzens betrug die absolute Kraft 6—10 mm Hg, d. h. 12—21 Proz. der absoluten Kraft der Kammer.^ Beim Skelettmuskel läßt sich nur unter ganz speziellen Bedingungen ein wirklich isotonisches Regim durchführen. Dasselbe gilt auch vom Herzen, denn 1 Vgl. Frank, Zeitschr. f. Biol., 32, S. 372; 1895; — Handb. d. physiol. Methodik, 2 (2), S. 135; 1911. Um den Unterschied zwischen dem Herzen und dem Skeiettmuskel scharf zu betonen, nennt V.Weizsäcker das Regim bei konstantem Druck im Herzen statt isotonisch isobarisch, das Regim bei konstantem Volumen statt isometrisch isochorisch und benutzt statt des Aus- druckes auxotonisch auxobarisch; Arch. f. d. ges. Physiol., 140, S. 136; 1911. 2 Frank, a. a. O., 32, S.377; — 41, S. 18; 1901. — Vgl. auch Di Christina, Arch. di fisiol., 5, S. 498; 1908; — La Franca, Arch. intern, de physiol., 11, S. 231; 1912; — Kozowa, Journ. of physiol., 49, S. 236; 1915. 3 Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwicklung bei der Muskeltätigkeit. Leipzig 1882, S. 132. ■* Der Inhalt des fast leeren Herzens. 5 Frank, Zeitschr. f. Biol., 32, S. 382. Dreser (Arch. f. exp. Path., 24, S. 226; 1887) bezeich- nete als absolute Kraft die Höhe der Blutsäule, welche das Herz gerade nicht mehr zu überwinden vermag, wenn die Überlastung stetig gesteigert wird. 6 Frank, Zeitschr. f. Biol., 32, S. 392; — vgl. auch Roy, Journ. of physiol., 1, S. 469; 1879. Die mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels an und für sich. 325 bei der Kontraktion eines muskulösen Hohlorgans wird, auch wenn der hydro- statische Druck unverändert bleibt, die auf die Querschnittseinheit wirkende Spannung vermindert. Man kann indessen als Isotonie die Arbeitsweise des Herzens bezeichnen, wo der hydrostatische Druck im Herzen konstant bleibt. ^ Bei dieser Arbeitsweise steigt die Druckkurve bei einem niedrigen Druck steiler als bei einem höheren an, während andererseits der Abfall schneller bei höherem als bei niedrigerem Druck erfolgt. Die Kuppen der Kurven sind also bei niedrigen Drucken breit, während sich mit wachsenden Drucken ein spitzer Gipfel ausbildet. Bei niedrigem Druck erfolgt der Abfall bei nicht zu langsamer Kontrak- tionsfrequenz so langsam, daß ein mit der Abszisse paralleles, einer vollständigen Ruhe des Herzmuskels entsprechendes Stück nicht auftritt; bei höherem Druck bildet sich aber ein solches sehr deutlich aus.^ Unter Umständen kann das Herz der Rana temporaria noch bei einem Binnendruck von 100 mm Hg mechanisch registrierbare Kontraktionen aus- führen {Santesson^). Wie beim Skelettmuskel trifft auch beim Herzen das Maximum der isoto- nischen Druckkurve später als das der isometrischen ein*, und bei einem und dem- selben Volumen des Herzens ist der Druck bei dieser größer als bei jener.^ Dagegen liegt das Druckminimum bei der isometrischen Kurve niedriger als bei der iso- tonischen.® Wie beim Skelettmuskel keine bestimmte Beziehung zwischen Länge und Spannung aufgestellt werden kann, ist auch nicht eine bestimmte Beziehung zwischen Volumen und Druck für irgendeinen Zeitpunkt der Herztätigkeit ge- geben, denn diese ist auch von den mechanischen Zuständen, in denen sich der Herzmuskel vor dem beobachteten Zeitpunkt befunden hat, abhängig." Um die hier waltenden, komplizierten Erscheinungen näher übersehen zu können, hat Frank folgendes Schema, in welchem die Abszisse den Druck und die Ordinaten die Volumina bezeichnen, entworfen. Die Drucke sollen in der Zeichnung (Fig. 176) positiv nach rechts, die Volumina nach unten zunehmen.'^ Die isometrischen Maxima werden in der oben erwähnten Weise dadurch bestimmt, daß man das Herz bei einer geringen Füllung eine isometrische Zuckung ausführen läßt und den Punkt zeichnet, der dieser Füllung und dem erreichten Maximaldruck entspricht. Dann bestimmt man bei immer wachsender Füllung 1 Frank, Zeitschr. f. Biol., 41, S. 16. 2 Frank, ebenda, 41, S. 18; — Sitz.-Ber. d. Ges. f. Morphol. u. Physiol. in München, 1897, H. 2. 3 Santesson, Bih. tili K. Svenska Vet.-Akad. Hand!., 12 (4), Nr. 3, S. 14; 1886. * Frank, Zeitschr. f. Biol., 32, S. 395. '" Frank, ebenda, 41, S. 19. « Frank, Sitz.-Ber. der Ges. f. Morphol. u. Physiol. in München, 1897, Heft 2. ' Eine nähere Besprechung der Frage nach dem Einfluß der Länge und der Spannung der Muskelfasern als verschiedener Größen auf die Muskeltätigkeit würde in diesem Zusammen- hange zu weit führen. Ich will nur bemerken, daß Gesell (Amer. journ. of physiol., 39, S. 239; 1916) die Tonusvariationen beim Vorhof der Schildkröte (vgl. Kap. XVI) dazu benutzt hat, um dieser Frage näher zu treten. Dank dieser Variationen läßt sich nämlich an diesem Objekt der Einfluß der Spannung bei sehr verschiedener Länge der Muskelfasern besonders gut unter- suchen. Dabei stellte es sich heraus, daß bei gleicher Anfangsspannung die Stärke und Dauer der Kontraktion proportional der Länge der Vorhofmuskelfasern variierten. « Frank, Sitz.-Ber. der Ges. f. Morphol. u. Physiol. in München, 1897, Heft 2; — Zeitschr. f. Biol., 37, S. 516; 1897. 326 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. des Herzens die entsprechenden Punkte und erhält solcher Art die Dehnungs- kurve der isometrischen Maxima. Nun läßt man das Herz in ähnlicher Weise eine Reihe von isotonischen Zuckungen bei verschiedenem Druck ausführen und erhält so die Dehnungs- kurve der isotonischen Maxima, welche die Punkte der jeweiligen Drucke und Volumina verbindet. Diese Kurve verläuft, wie aus der Figur ersichtlich, stets tiefer und nach links von der Dehnungskurve der isometrischen Maxima, d. h. bei den isometrischen Zuckungen siiid die Druckwerte, welche bei einer gewissen Herzfijllung erhalten werden, stets größer als diejenigen, unter denen sich das Herz zu derselben Fül- lung zusammenzieht. Daraus folgt nun, daß die Maxima der Überlastungszuckungen zwischen die beiden erwähnten Dehnungskurven fallen müssen, daß also bei den Überlastungs- zuckungen die Maxima höher liegen, als bei rein isotonischen Zuckungen. (ii)tucVv Fig. 176. Schema nach Frank. Zur Charakteristik der verschiedenen mechanischen Zustände, die der Herz- muskel während seiner Zuckung durchläuft, gehört noch die Dehnungskurve des ruhenden Herzmuskels.^ Hierbei zeigen sich folgende Eigentümlichkeiten. Wenn das Herz eine iso- tonische Kurve aufgeschrieben hat, so fällt in vielen Fällen die Kurve am Ende der Zuckung, ehe die neue einsetzt, noch mit fast ungeminderter Steilheit ab. Wäre hier die durch die Tätigkeit hervorgerufene Umlagerung der Muskelelemente schon zu Ende, so müßte aber an diesem Punkte die Kurve nur ganz allmählich herab- sinken. Da dies nicht der Fall ist, kann man schließen, daß die Rückkehr der Ele- mente in die Ruhelage noch nicht vollendet ist. Aus derartigen Kurvenreihen kann also keine Dehnungskurve des ruhenden Herzmuskels, sondern nur etwa eine Dehnungskurve der isotonischen Minima abgeleitet werden. 1 Vgl. auch Roy, Journ. of physiol., 1, S. 468; 1879. Die mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels an imd für sich. 327 Ganz anders verhalten sich im allgemeinen die isometrischen Zuckungen. Hier nimmt die Steilheit des Abfalles lange vor Beginn der neuen Zuckung stark ab. Die Kurve verläuft dann fast parallel der Abszisse und die Dehnungskurve der isometrischen Minima ist also gar nicht identisch mit der der isotonischen, sondern verläuft tiefer. Aus den Dehnungskurven der isometrischen und isotonischen Maxima läßt sich nun auch die der Überlastungsmaxima ableiten. Es sei P^ der Punkt der Dehnungskurve der isotonischen Minima, dem der Anfangsdruck, für welchen wir die Dehnungskurve der Überlastungsmaxima bestimmen wollen, entspricht. Dann ist H^ der Gipfel der entsprechenden isotonischen Zuckung und stellt den Anfang der gesuchten Dehnungskurve dar. Ziehen wir nun von P^ eine der Abszisse parallele Gerade, welche den konstanten Minima der Überlastungszuckungen entspricht, so schneidet sie die Dehnungskurve der isometrischen Maxima in einem Punkt P3, dessen Abszisse den Maximaldruck einer bei demselben Ausgangsvolumen statt- findenden isometrischen Zuckung darstellt. Dieser Punkt entspricht dem Maximum einer Überlastungszuckung, die unter dem gegebenen Anfangsdruck bei einem Über- lastungsdruck abläuft, der gerade hinreicht, um die Verminderung des Ausgangs- volumens zu verhindern. Bei einer derartigen Überlastungszuckung findet sich in bezug auf die beim natürlichen Kreislauf stattfindende der Unterschied, daß letztere wesentlich auxotonisch verläuft und daß das Herz bei seinem Übergang zur Ruhe durch Schluß der Aortaklappen bald dem Einfluß des hohen in den Arterien stattfinden- den Druckes entzogen wird. Bei wachsender Unterstützung werden die Zuckungsgipfei erhöht, d. h. das Herz zieht sich bis zu einem geringeren Inhalt zusammen.^ In weiterer Verfolgung dieser Frage haben Rohde und Usui'^ ebenfalls am Froschherzen gefunden, daß, wenn man ein Herz am Ende einer Zuckung einen höheren Druck als den Anfangsdruck erreichen läßt, die gleichzeitige Volumen- verkleinerung bei der auxotonischen Zuckung weit größer ist als bei der Über- lastungszuckung, und daß, wenn man ein Herz bis zum gleichen Volumen sich kontrahieren läßt, es bei der auxotonischen Zuckung einen viel höheren Druck als bei der Überlastungszuckung erreicht. Bei gleicher Anfangsfüllung ist die Größe der maximalen Arbeit bei den Überlastungszuckungen ohne Ausnahme größer als bei den auxotonischen und diese erreichen ihr Arbeitsmaximum erst bei einem etwas höheren Druck als jene. Bei den unter einem bestimmten Anfangsdruck ausgeführten Überlastungs- zuckungen findet die maximale Arbeit bei einem Überdruck statt, der annähernd die Hälfte der ganzen Druckhöhe ausmacht, wenn man Anfangsdruck und Druck- niaximum der entsprechenden isometrischen Kontraktion zusammenzählt; hiei- bei wird vorausgesetzt, daß das Herz so stark gefüllt ist, daß es sich nicht schon bei einem Überdruck von der halben Gesamtdruckhöhe vollständig ent- leert.^ 1 Frank, Sitz.-Ber. d.Gesellsch. f. Morphol. u.PhysioI. in München, 1897, Heft 2; — Zeitschr. f. Biol., 41, S. 19. 2 Rohde und Usui, Zeitschr. f. Biol., 64, S. 409; 1914. 3 über nähere Einzelheiten vgl. Rolidc und Usui, ebenda, 64, S. 425. 328 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sicn. Schließlich haben Rohde und Usui^ auch Versuche über Anschlags- zuckungen gemacht und dabei folgendes gefunden. Führt das Herz, vom gleichen Anfangsdruck ausgehend, entlang der iso- tonischen Kontraktion (Punkt A, Fig. 177) eine Schar verschiedener Anschlags- zuckungen aus, so liegt die Kurve der Anschlagsmaxima noch weiter nach der Druckabszisse zu als die der auxotonischen Zuckungen und besitzt bei niedrigen Anfangsdrucken eine von der Kurve der Überlastungsmaxima völlig abweichende Form. Sie entfernt sich nämlich vom Punkte C des isometrischen Maximums an zunächst von der Ordinate oder verläuft doch längere Zeit in ziemlich gleicher 0 25 50 75 100 0 Dru ck- 1 — " * 'Jsc meh ". Mc 1^/m <3 'Tr^," B "^- » + + .** * * * ■ + + * + + + + + -Jf +■* + + '^^'A ^•^•/j {'!^-j -£ ~js % ^ ^ ^ ~~ ^ .^^ ^2-/^ ^. ■• » r^ ^"N: 1 1 N s -i^4 -^ "Fa, ^-, \ ?/! % \ N^ f. > "^X ■^ '"x^ \ s \ % ^ N. X X , ^ \ \ + Q ä i ^ \ + + •* f 1 \ ^: ,. ^, ? 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Weizsäcker"-)-^ vgl. die folgende Tabelle. 1 Rohde und Vsüi, ebenda, 64, S. 431; 1914. - V. Weizsäcker, Arch. f. d. ges. Physiol., 140, S. 147; 1911. Die mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels an und für sich. 329 Nr. Anfangsdruck; 1 Arbeit; Die Elastizitätsarbeit /1 '">> mm Hg g-cm in Proz. der Gesamtarbeit , k^ > ^ * ^ 1 1,5 0,9 0,8 2 2,0 2,2 1,5 ^^ '- -s ^ 3 4 6,1 15,1 6,9 9,3 4,2 5,9 5 23,1 10,2 11,2 X^,^A%€ . 6 27,7 10,7 15,7 NÖLeK^ Bei dem Anfangsdruck, wo die größte Arbeit geleistet wird (vgl. oben, S. 327), ist der Anteil der elastischen Kräfte an der Gesamtarbeit etwa 15—20 Proz., und beim Druck des maximalen Schlagvolumens etwa 5—15 Proz. Die hierher gehörigen am Säugetierherzen gewonnenen Erfahrungen müssen später, bei der Besprechung der Strömung des Blutes in der Aorta (Kap. XX IX) und in der Lungenarterie (Kap. XXXV) eingehend berijcksichtigt werden. Auf Grund dessen beschränke ich mich in diesem Zusammenhang darauf, einige Resultate von H. Straub'^, welche sich auf das mit dem oben S. 248 beschriebenen Präparat von TV. Martin piinzipiell übereinstimmende Herz-Lungen-Präparat von Starling beziehen, kurz zu erwähnen (vgl. auch oben S. 139). Wie beim natürlichen Kreislaufe wirkte auch hier der zur Zeit der Diastole in der Aorta stattfindende Druck als Überlastung auf das Herz. Je größer diese Ül^erlastung bei konstanter venöser Zufuhr war, um so mehr verbreitete sich die intrakardiale Druckkurve und um so höher stieg das intrakardiale Druck- maximum an. Gleichzeitig nahm auch die Anfangsspannung in der linken Kammer sowie die nach Ende der Systole daselbst zurückgebliebene Blutmenge zu, wobei nichtsdestoweniger das Schlagvolumen der Kammer unverändert blieb; die An- spannungszeit hielt sich unverändert oder wurde nur unwesentlich verlängert und der ansteigende Teil der Druckkurve beanspruchte eine nur wenig verlängerte Zeitdauer (vgl. oben S. 134). Wenn die dem Herzen zur Verfügung stehende Blutmenge durcli vermehrten Zufluß aus dem venösen Reservoir erhöht und dabei die Überlastung unverändert erhalten wurde, stieg das Schlagvolumen und mit ihm der Maximaldruck an, ohne daß die Herzfüllung auf der Höhe der Systole deutlich zunahm. - Betreffend die rechte Kammer ist H. Straub^ am gleichen Präparate zu der Auffassung gelangt, daß die Größe des venösen Zuflusses hier den maßgebenden Faktor darstellt. Mit Zunahme des Zuflusses steigt innerhalb der Grenzen der Suffizienz, entsprechend der vermehrten Füllung, die Anfangsspannung, was seinerseits einen steileren Druckanstieg, Erhöhung des systolischen Druckmaxi- mums und Verbreiterung der Zuckungskurve bedingt. Aus diesem allen folgt also, daß dei günstige Einfluß, welche die Spannung vor der Kontraktion bzw. die Spannungszunahme während derselben auf die Leistung des Skelettmuskels ausübt, auch bei der Tätigkeit des Herzens sich geltend macht. 1 H. Straub, Deutsches Arch. f. klin. Med., 115, S. 531; 1914. - Über weitere Details s. die Originalabhandlung. •' H. Straub, Deutsch. Arch. f. klin. Med.. 116, S. 409; 1914. 330 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Es ist natürlich, daß auch beim Herzen Ermüdungserscheinungen auftreten müssen, wenn die von ihm zu leistende Arbeit im Verhältnis zu seiner Leistungs- fähigkeit auf die Dauer zu groß ist. Obgleich das nähere Studium dieser Frage in die Pathologie gehört, muß sie mdessen im folgenden ab und zu gestreift werden, insofern die Ermüdung des Herzens das physiologische Geschehen aufklären kann. Hier mag nur erwähnt werden, daß der vom Herzen zu überwindende Widerstand für dessen Ausdauer eine sehr wesentliche Rolle spielt, wie z. B. aus folgender Reihe an ausgeschnittenen, mit Ringerlösung gespeisten Froschherzen ersichtlich ist (Lambert^). Nr. Widerstand; cm Wasser Dauer bis zur Erschöpfung; Stunden Gesamtarbeit; g-cm 1 2 3 4 33 23 15 9 0,5 1 1,75 3 9ß0 2116 4260 5085 Wenn der Widerstand kleiner war als der venöse Druck, konnte das Herz 5 Tage lang und noch länger ununterbrochen tätig sein. § 41. Der Wirkungsgrad des Herzens. Bei den Untersuchungen über den Gaswechsel des Herzens hat man auch Aufschlüsse über den Wirkungsgrad der Arbeitsleistung zu gewinnen gesucht. In den Versuchen von Gayda^, welche am isolierten Kaninchenherzen aus- geführt wurden, betrug die Kohlensäureabgabe für 1 kg-m 0,093—1,024 g. Da 1 g Kohlensäure = 3 Kai. = 1275 kg-m, war der Wirkungsgrad hier geringer als 0,1 Proz. Am isolierten Hundeherzen fand Evans^ pro kg-m Arbeit eine durchschnitt- liche Kohlensäureabgabe von 40 ccm =0,24 Kai. = 102 kg-m bei niedrigem, und 25 ccm =0,15 Kai. = 64 kg-m bei höherem Druck. !m ersten Falle wäre der Wir- kungsgrad 1 Proz., im zweiten 1,6 Proz. Hier ist indessen die Kohlensäurebildung in den mit dem Präparat noch zu- sammenhängenden Lungen wie in dem zirkulierenden Blute nicht berücksichtigt. Nach Evans kommen auf diese etwa 25 Proz. des gesamten Gaswechsels des Prä- parates. Der Wirkungsgrad wäre demnach etwa 1,25 bzw. 2 Proz. In einem von Evans selber berechneten Versuch betrug der Wirkungsgrad etwa 2 Proz. In neuen Versuchen von Evans^ war der Wirkungsgrad im allergünstigsten Falle etwa 10 Proz., im schlimmsten aber nur ein Zehntel davon. Die hieran sich anschließenden Versuche von Evans und Ogawa^ ergeben einen 1 Lambert, Journ. de physiol., 1906, S. 988. - Gayda, Zeitschr. f. allg. Physiol., 13, S. 1, 1911. ' Evans, Journ. of physiol., 45, 227; 1912. 4 Evans, ebenda, 47, S. 413; 1914. ^ Evans und Ogawa, ebenda, 47, S. 446; 1914. Die mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels an und für sich. 331 Wirkungsgrad von etwa 11 bis 3 Proz. Nach Adrcnalinziigabe zu der Nährflüssig- keit konnte der Wirkungsgrad auf 0,8 Proz. herabsinken. Ebenso klein sind die Zahlen, welche aus Herlitzkas^ Bestimmungen der Wärmebildung des Kaninchenherzens hervorgehen. Da der Wirkungsgrad der Skclettmuskeln etwa 20 — 25 Proz. und noch mehr beträgt und wir keine Veranlassung zu der Annahme haben, daß das Herz weniger ökonomisch als jene arbeitet, ist es selbstverständlich, daß die oben angegebenen Zahlen für den Wirkungsgrad des Herzens nicht richtig sein können. Auch bemerkt Gayda^, daß der Dextroseverbrauch und die Kohlensäure- bildung keineswegs im Verhältnis zu der vom Herzen geleisteten Arbeit stehen, weshalb kein Verhältnis zwischen der bei der Oxydation der Dextrose freiwerdenden chemischen Energie und der geleisteten mechanischen Arbeit nachgewiesen werden kann. Es gibt aber noch zwei, am Säugetierherzen ausgeführte Untersuchungen, welche für den Wirkungsgrad des Herzens Zahlen gegeben haben, die sich denen bei den Skelettmuskeln viel näher anschließen. Unter der Voraussetzung, daß 1 ccm Sauerstoff = 2,6 kg-m ist, findet Rohde^ folgende Zahlen für den Wirkungsgrad des Herzens bei verschiedenem Anfangsdruck: «j ! Anfangsdruck; I cm Wasser Wirkungsgrad; Proz. Wirkungsgrad, red.; Proz. 20—23 55 64—67 93—94 2,5—6,7 14,3 11,8—17,9 11,4—22,1 2,9—7,8 16,7 13,8—20,9 13,3—25,8 Hierbei war aber nur die Arbeit der linken Kammer berücksichtigt und die Zahlen für den Wirkungsgrad im zweiten Stab sind daher etwas zu klein. Wenn wir die Arbeit der rechten Kammer gleich ein Sechstel derjenigen der linken schätzen, erhalten wir für den Wirkungsgrad die im dritten Stabe der Tabelle aufgenommenen Zahlen. Der Wirkungsgrad ist also hier um so größer, je größer der Anfangsdruck war, und erreicht bei dem höchsten Anfangsdruck etwa die Höhe des bei den Skelett- muskeln gefundenen. Indessen subtrahierte Rohde bei diesen Versuchen den Stoffwechsel des wegen Kalziummangels stillstehenden Herzens von dem des tätigen, was ja kaum begründet ist und etwas zu hohe Zahlen für den Wirkungsgrad gegeben hat. Dies wird zum Teil wenigstens dadurch kompensiert, daß der von ihm angenommene Arbeitswert für 1 ccm Sauerstoff wohl etwas zu hoch ist. Bei Versuchen am Präparat von Starling, wo Evans und Matsuoka'^ den Wirkungsgrad des Herzens bei verschiedenem Druck und verschiedener Blutzufuhr bestimmten, erhielten sie, ohne jede Reduktion für den Ruhestoffwechsel des i Herlitzka, Arch. di fisiol., 10, S. 530; 1912. ^ Gayda, Zeitschr. f. allg. Physiol., 13, S. 29; 1911. ' Rohde, Arch. f. exp. Pathol., 68, S. 420; 1912. * Evans und Matsuoka, Journ. of physiol., 49, S. 378; 1915. 332 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Herzens und unter der Annahme, daß 1 ccm Sauerstoff einer Arbeit von 2,07 kg-m entspricht, im gijnstigsten Falle einen Wirkungsgrad von 19,7 Proz. Bei Zunahme der geleisteten Arbeit nahm dei Wirkungsgrad im allgemeinen zu, zeigte aber bemerkenswerte Differenzen, je nachdem die Arbeitsmenge durch erhöhten Widerstand (Druck) oder vermehrte Zufuhr (Stundenvolumen) ge- steigert wurde. Wenn der Druck von 40 auf 120 bis 160 mm Hg anstieg, war der Wirkungs- grad bzw. 5,1, 8,5 und 7,8 Proz. und nahm also im letzten Falle schon ab. Die Zunahme des Stundenvolumens von 17 auf 34 bis 71 (—92) Liter erhöhte den Wirkungsgrad von 7,1 auf bzw. 12,7 und 17,8. Der größte Wirkungsgrad wurde bei der Kombination eines mäßigen Druckes (100 bis 140 mm Hg) und des größten Stundenvolumens, das ohne eine sehr be- trächtliche Steigerung des venösen Druckes erzielt werden konnte, erhalten. ^ Der Gaswechsel des ausgeschnittenen Herzens steigt annähernd in direkter Proportion zu der vom Herzen entwickelten Spannung an, vorausgesetzt, daß das Anfangsvolumen stets gleich gehalten wird, d. h. das Herz weist pro Puls und Millimeter Druckleistung innerhalb der Fehlergrenzen fast denselben Sauer- stoffverbrauch auf. Von der freiwerdenden chemischen Energie wird also fast derselbe Prozentsatz zur Erzeugung von Spannungsenergie verwendet (Rohde^). Dasselbe gilt auch bei ausgiebigen Variationen der Temperatur {Rohde^): Nr. Tpmnpr^itnr i SauerstoffverbraucH pro Puls lemperatur ^^^ ^^ Druckzunahme; "C ccm 25 1 427 X 10"' 36 436 X 10-" und bei Variationen der zugrunde gehenden Nahrungsstoffe (Rohde), wie z. B. Nr. Nährflüssigkeit ^^^- P''« ^"'^ und mm Druckzunahme Zuckerfreie Ringer* Zuckerhaltige Ringer 3050 X 10"' 3040 X 10-' Respiratorischer Quotient 0,80 0,98 Ebenso ist der Sauerstoffverbrauch pro Puls und Millimeter Druckleistung bei hohem Anfangsdruck der gleiche wie bei niedrigem, solange das Herz auf den erhöhten Anfangsdruck auch mit erhöhter oder wenigstens gleich großer Druck- leistung reagiert. Ist dies nicht der Fall und wird also die Druckleistung pro Puls ^ Auf Grund seiner Untersuchungen über den Wirkungsgrad der Skelettmuskeln gelangt A. V. Hill (Journ. of physiol., 46, S. 466; 1913) zu der Auffassung, daß, weil eine hohe An- fangsspannung den Wirkungsgrad des Skelettmuskels herabsetzt, der Wirkungsgrad d^ Herzens bei einem hohen Blutdruck kleiner als bei einem niedrigen sein dürfte, sowie daß, weil die che- mischen Veränderungen des Skelettmuskels kleiner sind, wenn die Verkürzung beginnt bevor die Spannung ihren Höhepunkt erreicht hat, die Wärmebildung und Energieentwicklung bei einem gewöhnlichen Herzschlag, wo die Spannung langsam ansteigt, beträchtlich kleiner sein dürfte, als wenn das Herz sich gar nicht verkürzen würde. 2 Rohde, Arch. f. exp. Pathol., 68, S. 425; 1912. 3 Rohde und Nagasaki, Zentralbl. f. Physiol., 27, S. 1 114; 1913; — vgl. auch Evans, Journ. of physiol., 45, S. 232; 1912. * Als Kraftquelle kommt hier vor allem Eiweiß (und Fett) in Betracht. Die mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels an und für sich. 333 deutlich kleiner als in der Norm bei mittlerem Anfangsdruck, so verbraucht das Herz unverhältnismäßig mehr Sauerstoff als vorher (Rohde^). Am Froschherzen hat v. Weizsäcker- beobachtet, daß bei der gleichen Anzahl von Kontraktionen der Sauerstoffverbrauch mit zunehmendem Anfangsdruck zunimmt, und zwar wächst die mechanische Arbeit dabei schneller und erreicht wesentlich später ihr Maximum, als dies mit dem Sauerstoffverbrauch der Fall ist. Der Wirkungsgrad ist also um so größer, je größer die Arbeit ist, vorausgesetzt, daß das Druckoptimum dabei nicht überschritten wird. Unter Annahme, daß 1 g Sauerstoff = 3,5 Kai. ist, berechnet sich bei diesen Versuchen der Wirkungsgrad gleich 1,5—36 Proz. Die geringeren Werte beziehen sich auf die kleineren Anfangsdrucke. Nach Fick^ ist die von 1 g Skelettmuskel des Frosches bei einer energischen Zuckung geleistete maximale Arbeit gleich 27,4 g-cm und die gesamte Wärme- produktion dabei 2,48 Mikrokalorien ; beim Froschherzen beobachtete v. Weizsäcker pro 1 g Substanz bei einer Systole eine Arbeitsleistung von 180 g-cm und eine ge- samte Wärmebildung von 11,93 Mikrokalorien, also das 6,6 bzw. 4,8 fache. Hier- bei muß aber auch der wesentlich schnellere Ablauf der Kontraktion beim Skelett- muskel berücksichtigt werden. Wie sich die Arbeit bei beiden verhält, wenn diese auf die Zeiteinheit bezogen wird, ist daher durch die vorliegenden Angaben noch nicht entschieden. Ferner fand V.Weizsäcker*, daß die Arbeitsleistung bei Vergiftung des Herzens mit Kaliumcyanid bei weitem nicht aufhörte, obgleich die Sauerstoffaufnahme wie auch die Kohlensäureabgabe dabei sehr beträchtlich, in einigen Versuchen bis auf Null herabsanken. Dabei war die elektrische Erregbarkeit des Herzens in mehreren Fällen ganz unverändert. Es lag also hier ein anoxybiotischer Vorgang vor, der im extremen Falle ohne Abspaltung von Kohlensäure vor sich ging. Durch besondere Versuche hatv.Weizsäcker^ versucht, den Sauerstoffverbrauch beim stillstehenden Herzen zu bestimmen. Bei einer Temperatur von etwa 20" C variierte dieser zwischen 0,065 und 0,164 ccm pro Stunde und Gramm Herzmuskel, etwa 4—12 Proz. des Sauerstoffverbrauches beim arbeitenden Herzen (Frequenz 25—35 pro Minute) entsprechend. Ferner nimmt der Sauerstoffverbrauch pro Kontraktion mit zunehmender Schlagfrequenz, bis zu etwa 40 pro Minute, zu, und zwar geht die Steigerung desselben der Frequenzzunahme einigermaßen parallel, solange dabei Schlag- volumen und damit die Arbeit einer Systole nicht wesentlich kleiner werden. Bei höherer Frequenz (40—80 pro Minute), wo das Schlagvolumen und die Arbeit bei den einzelnen Kontraktionen stark abnehmen, hat die Oxydations- steigerung ihre Grenze erreicht. Es findet sich hi( r ein Bereich, innerhalb dessen 1 Rohde, Arch. f. exp. Pathol., 68, S. 425; 1912; — Rolide undOgawa, ebenda, 69, S. 200; 1912. Vgl. auch Evans und Ogawa, Journ. of physiol., 47, S. 457; 1914. Über die absolute Größe des Gaswechsels beim Herzen vgl. die oben angeführten Arbeiten von Gayda, Evans, Starling und Rohde. - V. Weizsäcker, Arch. f. d. ges. Physiol., 141, S. 472; 1911;— Sitz.-Ber. d. Heidelberger Akad. d. Wiss., math.-naturw. KL, Abt. B, 1917, Abh. 2, S. 10, 13. ^ Vgl. Fick, Arch. f. d. ges. Physiol., 16, S. 89; 1878. — Ges. Schriften, 2, S. 291. * V.Weizsäcker, Arch. f. d. ges. Physiol., 147, S. 135; 1912. 5 V. Weizsäcker, ebenda, 148, S. 539; 1912. 334 Die physiologischen Eigenschaften des Herzens an und für sich. Änderungen der Frequenz von keinen wesentlichen Änderungen der minutlichen Oxydationsgröße begleitet werden. Kurz zusammengefaßt, ist die Große des Sauerstoffverbrauches im allgemeinen nicht von der Zahl der Erregungen (der Pulsfrequenz), sondern von der mecha- nischen Leistung in der Zeiteinheit abhängig. Über die Wärmeproduktion des Schildkrötenherzens gibt Snyder'^ an, daß sie während der ersten Hälfte der Systole nur sehr gering ist und allmählich zunimmt, so daß sie ihr Maximum etwas vor dem Kontraktionsmaximum er- reicht und danach mit abnehmender Intensität während der Diastole noch eine Zeitlang dauert. Bei der Temperatur von 10 — 12*' C, bei welcher das Herz in diesen Versuchen arbeitete, betrug die Größe der Wärmebildung pro g und Herzperiode 0,00048 kleine Kalorien, d. h., bei einer Pulsfrequenz von 5,5 in der Minute, 0,158 kleine Kalorien pro Stunde. 1 Snyder, Amer. journ. of physiol., 44, S.421 ; 1917. — Vgl. auch Herlitzka, Arch. di fisioi., 10, S. 501; 1912; — Arch. f. d. ges. Physiol., 161, S. 397; 1915; — ßernsf^/n, ebenda, 159, S. 547; 1914; — 161, S. 595; 1915. Lehrbuch der speziellen und pathologischen Anatomie. Für Studierende und Arzte. Von Professor Eduard Kaufmann, Direktor des Pathologischen Instituts in Göttingen. Sechste Auflage. Neudruck. Mit 703 Abbildungen und 2 Tafeln. 1920. 2 Bände. Oktav. Preis geh. M. iio. — , geb. M. 130. — Die in den früheren Auflagen verfolgten Ziele waren auch für die vorliegende Neubearbeitung maßgebend: einmal, die pathologisch-anatomischen Befunde zwar in präziser Kürze, aber doch zugleich in ihrer großen Reichhaltigkeit vor Augen zu führen, zu analysieren und durch allgemein-pathologische Exkurse sowie allenthalben in die Darstellung eingeflochtene konkrete eigene Beobachtungen zu beleben — und ferner dem praktischen Bedürfnis der Studierenden und nicht minder auch der Arzte durch Berücksichtigung wichtiger klinischer Gesichtspunkte Rechnung zu tragen. Grundriss der Anatomie des Menschen für Studium und 1 raXIS. Von Dr. Johannes Möller, ehemalig. 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