FOR THE PEOPLE ¥0K EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY Bciir Graf C. G. Wrangel Die Rassen des Pferdes, Erster Band. Die Rassen des Pferdes Ihre Entstehung, gesehiehtliehe Entwicklung und eharakteristisehen Kennzeichen. Von Graf C. G. Wrangel. Erster Band. Mit 87 Alibiklungen, vielen Tabellen und Stamml^äumen sowie einer Kunstbeilaa:e. m a: >— ^^ d-l'u V ^ - f ^.-^ ^ h p[ti[fÄ[)L^\$ i8. Tiroler- 13- Mährisches ?? 19. Li])pizaner- 14. Niederösterreichisches 20. Bosnisches Pferd XIII. Serbien. Serbisches Land-Pferd. XIV. Bulgarien. I. Bulgarisches Land-Pferd 2. Veredeltes bulgarisches Pferd. XV. Rumänien. I. Moldauer-Pferd 2. Jalomitza-Pferd 3. Dobrudscha-Pferd. XVI. Türkei. Europäisches Türken-Pferd. XVII. Ponies. England: New Forest-, Wales-, Dartmoor-, Exmoor-, Highland-, Shetland- und Connemara- Pony Schweden: Gotlands (Skogsruss-) Dänemark: Islands- Tirol: Haflinger- Bukowina: Huzulen- Bosnien: Bosnischer Frankreich: Korsikanischer Italien: Sardinischer Dieser Aufstellung entsprechend beginnen wir nun mit der Be- schreibung der einzelnen Rassen. JVIorgenländische Rassen. Das arabische Pferd. Die Ansicht, dass Arabien die ursprüngliche Heimat des Pferdes gewesen, hat bis auf den heutigen Tag in der hippologischen Literatur mehr oder weniger ernst zu nehmende Vertreter gefunden. Es ist dies W ran gel, Die Rassen des Pferdes. I. 3 — 34 — eine um so auffälligere Erscheinung, als es durchaus keiner zeitraubenden geographischen Spezialstudien bedarf, um zu der Überzeugung zu ge- langen , dass wilde Pferde nie und nimmer zu der arabischen Fauna gehört haben können. Ob dem Pferde in irgend einer vorgeschicht- lichen Periode, als die geologische Formation der arabischen Halbinsel möglicherweise eine andere war, dort günstigere Existenzbedingungen geboten wurden, ist eine Frage, mit der wir uns hier nicht zu be- schäftigen haben. Wir dürfen uns mit der auch von den Arabern zu- gegebenen Tatsache begnügen, dass ein herrenloses Pferd in Zentral- arabien elend verhungern und verdursten müsste , und dass niemand, sei es in älterer oder neuerer Zeit, je von einem wilden arabischen Pferde gehört oder gar ein solches zu Gesicht bekommen. Wie kritiklos und kühn diejenigen hippologischen Verfasser zu- wege gehen, die beweisen wollen, dass sich das Pferd von Arabien aus über den ganzen Erdball verbreitet habe, lässt sich unter anderem aus den Werken des bekannten englischen Arabomanen, Mr. William Blunt und seiner Gemahlin, Lady A. Blunt, entnehmen. So berichtet die letztere in »A Pilgrimage to Najd«, dass sie in rotem Wüstensand, hundert englische Meilen weit von der nächsten Quelle, Antilopenspuren gefunden, und dass, da wie ihr von Arabern mitgeteilt worden, nicht nur die Antilope äusserst selten Wasser benötige, sondern auch das Schaf im Nedjd-Lande höchstens einmal im Monat nach Wasser verlange, das dortige Pferd möglicherweise ebenfalls nicht öfter zu trinken brauche. Es dürfe daher keineswegs als eine absolute Unmöglichkeit bezeichnet werden, dass wilde Pferde in Zentral- Arabien ihr Fortkommen hätten finden können (!) — Ja, wer das glaubt, mit dem lässt sich kein ernst- hafter Meinungsaustausch über wissenschaftliche Fragen pflegen. Ist es doch eine allbekannte Tatsache, dass das Pferd infolge der bedeu- tenden Absonderung von Feuchtigkeit, die bei ihm durch die Hautporen stattfindet, genötigt ist, sehr häufig Wasser aufzunehmen, weit häufiger als irgend ein anderes von den Arabern gezüchtetes Haustier. Dieser Umstand allein ist geeignet, die Behauptung, dass Arabien die ursprüng- liche und natürliche Heimat des Pferdes gewesen, ad absurdum zu führen, denn nicht einmal ein Drittel der ganzen Halbinsel besteht aus fruchtbarem Boden und die Wassermengen, die sich in den arabischen Bergen ansammeln, genügen bei weitem nicht, um von den umfangreichen Hochebenen einen einzigen nie austrocknenden Fluss zum Roten Meer, dem Persischen Meerbusen oder dem Indischen Ozean zu entsenden. — 35 — In einem Lande wo es an Wasser fehlt, wird aber die Pferdezucht stets mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Der berühmte deutsche Forschungsreisende Burckhardt (1784 — 1817), der mit Carsten Niebuhr (1733 — 1815) die Ehre teilt, Arabien dem europäischen Handel eröffnet zu haben, hebt auch ausdrücklich hervor, dass die arabische Halbinsel nie reich an Pferden gewesen. »Die Zucht«, schreibt er, »ist auf solche Gegenden beschränkt, wo fruchtbare Weidegründe vorhanden, wohin- gegen bei denjenigen Beduinen, die nur über ärmeren Boden verfügen, der Besitz von Pferden zu den Ausnahmen gehört. Infolgedessen werden die meisten Pferde in den verhältnismässig fruchtbaren Ebenen Mesopotamiens, am Euphrat-Ufer und in der syrischen Ebene an- getroffen. Hier linden die Pferde im Frühjahr während einiger Monate gute Weide. Im Nedjd aber sind die Pferde bei weitem nicht so zahlreich wie in diesen Gegenden und sie werden desto seltener, je weiter man gen Süden vordringt«. Aus den hier angeführten geographischen Tatsachen ergibt sich die logische Schlussfolgerung, dass Equus caballus nicht Zeitgenosse der ältesten arabischen Haustiergattungen gewesen sein kann. Zu dem- selben Resultat gelangen wir, wenn wir die Geschichte zur Hand nehmen. Als Saul, der im Jahre 1095 v. Chr. König von Israel wurde, einen siegreichen Feldzug gegen Arabien unternahm, bestand seine Beute nur aus Kamelen, Schafen, Ochsen und Eseln; von Pferden wird nichts erwähnt. Strabo, der grosse griechische Geograph, schreibt mit Bezug auf die Regierungszeit des Kaisers Augustus (27 v. Chr. — 14 n. Chr.), dass Yemen weder Pferde noch Maultiere besass. Zu jener Zeit bildete Yemen den Sitz eines grossen arabischen Reiches, »Sa-bä« oder »Königreich der Himyariten und Sabäer« genannt. Dr. R. Pococke hat nachgewiesen, dass es 49 Yemenitische Könige gegeben. Unter diesen Herrschern soll sich auch die vielgenannte König-in von Saba befunden haben, die durch ihren Besuch bei Salomo zur Berühmt- heit gelangt ist, (i. Buch von den Königen X. i, 13.) Salomos Schiffe entfalteten ihre Segel auf dem Roten Meere, seine Karawanen eröffneten neue Wege über Land und er selbst errichtete, wie im 2. Buch der Chroniker VIII, 6, nachgelesen werden kann, nicht nur »Wagenstädte« sondern auch Städte für »Reuter«. In dem alten Jerusalem scheint also der Pferdesport zu Salomos Zeiten wahre Orgien gefeiert zu haben. Es ist daher auch kaum zu bezweifeln, dass die Königin von Saba während ihres Besuches bei Salomo Pferde gegen Gold aus Ophir - 36 - eingetauscht hat. Später dürften die römischen Heerschaaren, die unter Augustus, Trajanus und Severus in Arabien eindrangen, einen Teil ihrer nicht mehr dienstfähigen Pferde dort zurückgelassen haben, und dass sich unter den Geschenken, die Kaiser Constantius im Jahre 350 nach Yemen schickte, 200 edel gezogene kappadocische Pferde befanden, ist eine geschichtliche Tatsache. Bis zum 7. Jahrhundert besassen die Araber indessen nur eine kleine Anzahl von Pferden und diese waren sehr geringer Klasse. Als Mohammed die Koreischer bei Mekka angriff, soll er nur zwei Pferde in seinem ganzen Heer gehabt haben. Gegen Ende dieses blutigen Ringens war er in den Besitz von 24000 Kamelen, 140000 Schafen und 24000 Unzen Silber gelangt; unter dieser riesigen Beute befand sich aber nicht ein einziges Pferd. Bei Ohod erlitt der Prophet eine empfindliche Schlappe durch eine von Caled Ebn-el- Wallid geleitete Kavallerie- Attacke. Diese Niederlage ward insofern von grossem Nutzen für ihn und sein Volk, als es ihn erkennen Hess, dass es eine verhäng- nisvolle Unterlassungssünde von ihm gewesen, nichts für die Heran- bildung einer leistungsfähigen Reiterei getan zu haben. Sobald er zu dieser Einsicht gelangt war, verkündete er bei jeder Gelegenheit mit begeisterten Worten das Lob des edlen Pferdes und zahlreich sind die Vorschriften, die er mit Bezug auf die Wartung und Zucht desselben seinen Gläubigen hinterlassen hat. Es wäre aber dennoch töricht, ihn als Schöpfer der arabischen Rasse bezeichnen zu wollen. Allerdings heisst es in einer für Europäer fabrizierten Kaffeehaus-Legende, dass das Wüstenpferd von 5 Stuten des Propheten abstamme. Daran glaubt aber kein gebildeter Araber, denn es ist ihm wohlbekannt, dass Arabien schon vor der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina (April 622) im Besitz des Pferdeschlags war, mit dem die Reiterei der vier ersten Kalifen beritten gemacht wurde. Mohammed soll überhaupt nur vier Pferde sein Eigen genannt haben, dagegen hielt er zahlreiche Kamel- stuten. Der Name einer derselben, Al-Kas-wa, ist der Nachwelt über- liefert worden, weil der Prophet bei einer besonders denkwürdigen und feierlichen Gelegenheit von ihrem Rücken zu 40000 Menschen ge- sprochen haben soll. Ausserdem weiss man, dass er grosse Stücke auf sein Maultier Duldul und seinen Esel Ufaier gehalten. Er scheint somit mehr aus militärischen und politischen Beweggründen, wie aus persönlicher Liebe zum Pferde ein Förderer der Pferdezucht in Arabien geworden zu sein. — 37 — Bei den Forschungen nach dem Ursprun«^ des arabischen Pferdes wird man aber gut tun, der sich in zahllosen Varianten aufdrängenden Legende mit ausgesprochenem Misstrauen zu begegnen. Der Orientale und besonders der orientalische Dichter hat eben eine sehr lebhafte Phantasie. So stösst man z. B. im Koran auf einige Verse, die Stoff zu folgender hübschen Erzählung geliefert haben: »König Salomo war ein grosser Pferdeliebhaber. Die Bewunderung, die er seinen Pferden widmete, nahm den grössten Teil des Tages und nahezu seine ganze Zeit in Anspruch. Versunken in die Betrachtung seiner Lieblinge versäumte dieser grosse Patriarch und demütige Diener Gottes eines Tages das vorgeschriebene Abendgebet. Zur Erkenntnis gelangt, dass er seinen Gott und Herrn wegen eines weltlichen Ver- gnügens vernachlässigt habe, wurde er von solcher Erbitterung gegen die Pferde erfasst, dass er sie alle davonjagte. Bei dieser Gelegen- heit wurden sechs der besten Stuten von ebenso vielen gewiegten Kennern des edlen Pferdes eingefangen und sodann ausschiesslich zur Zucht verwendet. Die Namen dieser Männer und der nach ihnen benannten Stuten werden von den Arabern noch immer hoch in Ehren gehalten. Endlos ist die Reihe der in direkter Linie von jenen Stuten abstammenden Wüstenrenner. Ein Fohlen, dessen Stammbaum nicht auf diese Quelle zurückgeführt werden kann, lindet keine Beachtung bei den Beduinen. Es kann daher nicht wundernehmen, dass die Araber heute noch mit gleichem Eifer wie einst ihre Vorväter bemüht sind, das Blut der sechs königlichen Stuten in ihrer Zucht rein zu bewahren.« Major Tweedie, der lange Jahre hindurch den Posten eines britischen Generalkonsuls in Ba«:dad inne gehabt und als Verfasser des hoch- interessanten Werkes »The Arabian Horse, his country and people« einen hervorragenden Platz unter den hippologischen Schriftstellern der Neuzeit einnimmt, hat dieses Geschichtchen einem 1869 im »Calcutta Magazine« erschienenen Artikel des arabischen Züchters und Pferde- händlers Esau bin Curtas entlehnt. Ich brauche wohl kaum zu be- merken, dass derartige Legenden, oder richtiger gesagt Fabeln, von den Beduinen nur zu dem Zweck aufgetischt werden, leichtgläubigen Euro- päern beim Pferdekauf eine imponierende Vorstellung von dem Adel des betreffenden Tieres zu suggerieren. Mit Stammbäumen wird von den Beduinen überhaupt viel Schwindel getrieben. Major Tweedie erzählt unter anderem , dass einer seiner - 38 - Freunde beim Kauf eines arabischen Pferdes ein Dokument mitbekommen habe, das angebHch authentische Daten über die hochedle Abkunft des betretenden Tieres enthalten sollte. Es war, wie sich bei näherer Be- sichtigung erwies, aber nur ein Talisman gegen den »bösen Blick«!! Tatsächlich verhält es sich mit den orientalischen Stammbäumen so, dass beim Pferdekauf in den arabischen Städten selbst von den leicht- gläubigsten Liebhabern nicht der geringste Wert auf die Angaben ge- legt wird, die der Verkäufer über das Pedigree seines Gaules vor- zubringen pflegt. Dies ist um so geratener, als der Araber, falls es sich nicht um ein Pferd der alleredelsten Gattung handelt, selten über die zweite Generation hinaus wirklich informiert sein wird. Schrift- liche Pedigrees werden auch, wenn die Beduinen voneinander kaufen, weder verlangt noch angeboten. Europäer, besonders solche, die im Auftrage ihrer Regierung Ankäufe von Zuchtmaterial bei den Stämmen des Nedjd oder Scha-mi-jas bewerkstelligen, pflegen jedoch für jedes Pferd ein beglaubigtes Pedigree zu verlangen. Dass solche zumeist nicht das Papier wert sind, auf das man sie hingekritzelt, scheint den Herren unbekannt oder gleichgültig zu sein. Wird in dem Schriftstück nur feierlichst bei Allah beteuert, dass alles wahr, was darin steht, so sind sie zufrieden. Unter solchen Verhältnissen darf man wohl an- nehmen, dass jeder Mulla*) mit Vergnügen bereit sein wird, im Schatten des Beduinenzeltes Dokumente anzufertigen, mit denen erfahrungs- gemäss der verhasste Christenhund hinters Licht geführt werden kann. Es wäre indessen ein grosser Irrtum, wenn man aus diesen Tat- sachen den Schluss ziehen wollte, dass der Araber selbst keinen Wert auf bekannte und hochedle Abstammung bei seinen Zuchtpferden legt. Ihm ist im Gegenteil »Blut« alles. »Von diesem Pferde könnte man auch im Dunkel der Nacht züchten«, heisst es oft genug in der Wüste. Mit anderen Worten: Ist nur die wundertätige Kraft des Blutes in reichem Masse vorhanden, so braucht der Züchter nach arabischer Auf- fassung sich nicht viel um Erhaltung oder Entwicklung der korrekten Körperform zu sorgen. Was wir Vollblut nennen, bezeichnet der Araber mit dem Worte Ku-hai-lan**). Zu den Ku-hai-lans zählen die Familien: Sak-La-Wi, U'Bai-Yan, Ham-Da-Ni, Had-Ban, Abu-U'r-Kub, Dah-Män, Jil- *) Muselmännischer Geistliche. **) Von Ku-hail, ein schwarzes Pulver, mit dem die arabischen Weiber ihre Augenhder bestreichen. — 39 — Fan, Ku-bai-shanu '1 U'mair, Mi-ni-ki, Mil-wah Shar-ban, Mu- waj Ham-mad, Rab-dan, Ri-shan, Sa-dan, Sam-han, Shu-wai- man, Tu-wai-san und Wad-Man Khir-san. Die fünf ersten Ab- zweigungen des Ku-hai-lan-Stammes tragen den gemeinsamen Namen Al-Kham-sa (die fünf). Diese Gruppe umfasst sozusagen die höchste Aristokratie der arabischen Rasse. Mit Recht betrachtet der Araber sie als »a-sil« , d. h. fest begründet, denn während der 1400 Jahre ihres Bestehens im Nejd ist ihr nie ein Tropfen unreinen Blutes beigemischt worden. Über die Herkunft eines zur Al-Kham-sa-Gruppe gehörenden Pferdes kann der Beduine stets genaue Auskunft erteilen. Durch das isolierte Dasein, das er und seine Vorfahren in der Wüste geführt, und durch die Übung, die er darin erlangt hat, aus dem Gedächtnis ellenlange Stammbäume ohne Stocken oder Fehler herzusagen, ist es ihm möglich geworden, seine Ku-hai-lans vor jeder Kreuzung mit anderen weniger edlen Stämmen zu bewahren. Auch der grösste Kenner würde dies nicht fertig gebracht haben, wenn ihm die von den Körperformen ge- botenen Merkmale allein als Leitsterne bei der Zuchtwahl oredient hätten. Zwischen dem Exterieur eines Ku-hai-lan und eines arabischen Pferdes unbekannter Herkunft — letzteres wird ka-dish genannt — besteht eben häufig genug kein grösserer Unterschied als zwischen der äusseren Form eines englischen Derbysiegers und eines Halbblutpferdes, dessen Pedigree vielleicht mütterlicherseits nur eine ganz unbedeutende Lücke aufweist. Wird dem Beduinen ein Pferd vorgeführt, das er nie früher zu Gesicht bekommen, so fragt er zuerst, wie dasselbe gezogen, d. h. von welchem Hengst und welcher Stute es abstammt. Wenn er auf diese Frage eine befriedigende Antwort erhalten, geht er zu einer näheren Besichtigung des Gaules über; nie aber wird er von der äusseren Körper- form auf die Herkunft schliessen oder dem Exterieur ohne Berück- sichtigung der Abstammung irgend welche Bedeutung beimessen. Sollte er zufälligerweise in den Besitz einer Stute gelangen, die nur auf väter- licher Seite reines a-sil -Blut nachzuweisen vermag, so kann man ver- sichert sein, dass er sie nicht zur Zucht benützen wird. Und ka-dish ist ihm, wie Ijereits erwähnt, jedes Pferd, über dessen Herkunft nichts, oder doch nichts Gewisses in Erfahrung gebracht werden kann. In Persien und Syrien geht man in dieser Beziehung weit weniger rigoros zuwege. Eduard Löfiler schreibt mit Bezug auf diese Verhältnisse in seiner bereits 1860 erschienenen, überaus interessanten Schilderung der »öster- — 40 — reichischen Pferdeankaufs-Mission unter dem k. k. Obersten, Ritter Rudolf von Brudermann, in Syrien, Palästina und der Wüste, 1856 und 1857«: »Die Hengstfohlen der ersten Klasse Vollblut werden sorgsam auf- gezogen, um sie später, wenn sie sich durch ihre Leistungen bewähren, als Vaterpferde für den Stamm zu verwenden, wogegen jene der minder edlen Stuten bald nach der Geburt in die Städte und das innere Land verkauft werden. Es mag ein von diesen weniger edlen Stuten abstammender Hengst noch so schön und gelungen sein, so wird ihn doch der Wüstenaraber von der Zucht ausschliessen , weil er zur Fortpflanzung nur das beste und reinste Blut verwendet. Ist zufällig beim Stamme kein Vaterpferd erster Klasse vorhanden, so wird der Beduine seine Stute um keinen Preis durch einen minder edlen Hengst decken lassen, und ist ihm bei einem entfernten Tribus ein hochedler Beschäler bekannt, so wird er eine Reise dahin nicht scheuen, wenn sie auch mehrere Tage in An- spruch nehmen sollte. Hierdurch erklärt sich's, weshalb man allenthalben bei den vor- nehmen Bewohnern Syriens und der angrenzenden Provinzen edle arabische Hengste findet, von wo diese dann nach Europa gebracht werden, sich aber nicht immer in ihren Nachkommen bewähren. Würde von all den arabischen Hengsten, die nach dem europäischen Kontinent gelangten, nur der kleinste Teil jenen Elitestuten entstammt sein, so stände es mit unseren durch Araber gekreuzten Schlägen weit besser, und das edle Wüstenpferd wäre höher geschätzt. Es bleibt immer gewagt, in den Städten und Ortschaften Hengste oder Stuten zu kaufen, weil man es dem sonst ganz makellosen Pferde doch nicht ansehen kann, ob es von dem reinsten und allerbesten Blute stamme. hn Innern des Landes wird der fremde Käufer durch einen vom Besitzer selbst fabrizierten Stammbaum getäuscht und betrogen, während man in der Wüste vergebens nach einem solchen Dokument fragen würde. Der Beduine führt keine Stammregister, die auch schon aus dem Grunde ohne Wert für ihn wären, weil er mit niemanden anders als seinen Stammgenossen verkehrt, und weil jeder Beduine nicht allein die Genealogie seines eigenen Tieres, sondern auch die jedes einzelnen Pferdes im Stamm genau kennt.« Mit diesen Beobachtungen des österreichischen Oberleutnants stimmen die weiter oben angeführten , vierzig Jahre später nieder- — 41 — geschriebenen Ansichten des Majors Tweedie nahezu wörth'ch überein. Hierin liegt unbedingt eine nicht zu unterschätzende Gewähr für die Richtigkeit der von diesen beiden Schriftstellern Ijei den Beduinen ge- machten Wahrnehmungen. Wir werden uns nun zunächst etwas im Zuchtgebiete des araljischen Pferdes umsehen müssen. Von Diarbekr im Norden bis Hadramaut im Süden, vom Euphrat wie auch vom Tigris bis zur Westküste Afrikas, wird arabisch ge- sprochen und in allen Teilen dieses umfangreichen Gebietes stösst man auf Araber oder Nachkommen derselben. Es darf aber keineswegs an- genommen werden, dass auch arabische Pferde hier überall zu den alltäglichen Erscheinungen gehören. Dies ist nämlich durchaus nicht der Fall. Ja, manche Hippologen wollen überhaupt nur das im zentral- arabischen Hochland Nedjd geborene und aufgezogene Pferd als Vollblutaraber anerkennen. So eng dürfen aber wohl die Grenzen des eigentlichen arabischen Zuchtgebietes nicht gezogen werden. Aller- dings ist Nedjd viele Jahrhunderte hindurch ein streng abgeschlossenes Territorium gewesen. »He who enters Nejd, does not come out again« (wer in Nejd hineingelangt, kommt nicht wieder heraus) ist ein von englischen Forschungsreisenden in der Wüste aufgeschnapptes Sprichwort, das heute noch eine gewisse Geltung hat. Zu beachten bleibt nur, dass zwei grosse Stämme, die Schammars und die Aenizes, bereits vor sehr langer Zeit vom Nedjd ausgewandert sind. Die ersteren zogen nach der Scha-mi-ya, wie die Syrische Wüste von den Arabern genannt wird; die letzteren nahmen Besitz von dem zwischen Tigris und Euphrat gelegenen Gebiete, das die wertvollen Distrikte Urfa, Rak-ka, Mosul, Na-si-ljin und Diarbekr umfasst und den Namen Al-Je-zi-ra erhalten hat. An Zahl sind die Aenizes den Schammars weit überlegen ; dafür sollen aber letztere den Vorzug grösserer Tapferkeit be- sitzen. Von den Aenizes, deren Seelenzahl auf 120000 geschätzt worden, wird behauptet, dass sie 30000 Lanzenreiter ins Feld stellen könnten. Die Araber meinen aber, dass w^enn die Schammars nur annähernd so zahlreich wären, bald keine Aenizes mehr vorhanden sein würden. Unter- abteilungen der Aenizes sind die Sbas im Norden, die Wuold-Alis im Westen und die Ruallas im Süden. Mit diesen mächtigen zentral- arabischen Stämmen kam natürlich auch eine grössere Anzahl wertvoller Zuchtpferde aus dem verschlossenen Nedjd heraus, und dass diese viel zur Verbreitung des edlen Blutes in anderen Teilen der arabischen — 42 — Halbinsel, wie auch in Syrien, Persien, Kurdistan, Ägypten und dem nördlichen Afrika beigetragen, liegt auf der Hand. Nur hat sicher hierbei zugleich eine je nach Beschaffenheit der betreffenden Lokalitäten grössere oder geringere Verwässerung und Verunreinigung der ge- schätztesten ßlutströme stattgefunden. Wer die einschlägigen Verhält- nisse kennt, wird daher nie von »echten« ägyptischen, syrischen oder türkischen Arabern reden. Echt im wahren Sinne des Worts sind nur die im früheren Wahabitenreiche Nedjd gezogenen Pferde, sowie deren direkten Nachkommen, Die Fohlen der reinen Rasse erhalten stets den Rassenamen ihrer Mutter. War diese z. B. eine Sak-La-Wi und der Vater ein Ku-hai-lan, so gilt das Fohlen als Sak-La-Wi. Zur ersten Klasse gehören nur solche Fohlen, die das Produkt von erstklassigen Eltern sind. Das genügt aber in manchen Fällen nicht. Sollte das junge Tier z. B. mit »unheil- vollen« Abzeichen behaftet sein oder in irgend einer anderen Hinsicht nicht einen gewissen Standard erreichen , so erbt es nicht das Adels- prädikat der Mutter, sondern wird in die dritte Klasse versetzt. Auch wenn eine zur höchsten Klasse gehörende Stute zufällig von einem ge- ringeren, obwohl reinblütigen Hengst gedeckt worden, verliert nicht nur diese Stute, sondern auch jedes Fohlen derselben den Rang, der ihnen ihrer Geburt nach gebühren würde. Hierdurch ist eine zweite Rang- klasse gebildet worden. Ausser den weiter oben erwähnten fünf edelsten Familien — die Ku-hai-lans, Sak-La-Wis, U'Bai-Yans, Ham-Da-Nis und Had-Bans — ge- hören noch mehrere Seitenlinien des Ku-hai-lan-Stammes zur ersten Klasse. Von den Sak-La-Wis sind dagegen die Sak-La-Wi-U'Bai-Yan und die Sak-La-Wi-Arjibi in die zweite Klasse versetzt worden. Diese verschiedenen Familien sind im Laufe der Zeit in den Be- sitz verschiedener Stämme übergegangen, die sich über das ganze Zucht- gebiet des arabischen Pferdes verbreitet haben. Die Shammars halten sich hauptsächlich in Mesopotamien auf, die Aenizes dagegen beschreiben jährlich einen grossen Kreis, indem sie von Nedjd nach Aleppo kommend, im Frühjahr quer durch die Wüste zum Euphrat ziehen und im Spätherbst wieder nach Nedjd zurückkehren. Zu den angesehensten Unterabteilungen des grossen Aenizestammesgehören ausser den weiter oben erwähnten Stämmen auch die Gomassas. Von diesen wird sogar behauptet, dass sie die besten Pferde der Welt besitzen. Es muss daher im Interesse der Zucht lebhaft beklagt werden. — 43 — dass der Aenize-Stamm in letzterer Zeit durch die Türken aus seinen besten Weidegründen vertrieben worden ist und sich genötigt gesehen hat entlegenere, weniger fruchtbare Gegenden aufzusuchen, wo das edle Wüstenpferd schwerlich in gleicher Güte wird gedeihen können. Tat- sächlich werden heutzutage in ganz Arabien weniger und auch minder edle Pferde als früher gezogen. Wer in den Besitz von erstklassigem Material gelangen will, wird indessen solches noch immer am ehesten bei den Aenizes antreffen. Was an der syrischen Küste zu haben ist, besteht zumeist aus Pferden unreiner Abstammung. Sogar in Zentral- Arabien, ist kein Haustier so spärlich vertreten wie das Pferd. Der grösste Pferdebesitzer in der Wüste war der Emir-ibn-Rashid ; sein Ge- stüt barg aber nur 300 Stuten, von denen keine die Höhe von 148 cm überschritt. Viele Umstände haben dazu beigetragen einen bedenklichen Rück- schritt in der Qualität und der Quantität der arabischen Zucht herbei- zuführen. Zunächst sei erwähnt, dass ein grosser Teil der Beduinen nicht mehr wie ehedem ein nomadisierendes Räuberleben führt, sondern sesshaft geworden ist. Hierdurch hat die Zucht eines ebenso schnellen wie ausdauernden Pferdes viel an Bedeutung für diejenigen Stämme verloren, die sich allmählich an ein ruhigeres, friedlicheres Dasein ge- wöhnt haben. Rennen, die wenigstens zum Teil Ersatz für die durch die frühreren Raub- und Kriegszüge herbeigeführte Prüfung des Zucht- materials bieten könnten, sind, obwohl solche in der prä-islamitischen Zeit bei Mekka stattfanden, heute in der Wüste nicht mehr gebräuchlich. Was in dem zukünftigen Zuchtpferde steckt, ist daher nicht überall mit Sicherheit festzustellen, und dürfte somit manches mittelmässige Tier, das sich den Strapazen des Nomadenlebens nicht gewachsen ge- zeigt haben würde, gegenwärtig nur auf Grund seiner vornehmen Ab- stammung ohne ernstere Leistungsprüfung, Gnade vor den Augen des Züchters finden. Der Araber ist nämlich ein noch grösserer Blut- fanatiker wie der englische Vollblutzüchter. Kein Wunder daher, dass die charakteristischen Fehler des arabischen Pferdes — als da sind: schlechte Schultern, runder, niedriger Widerrist, knieenge und fran- zösische Stellung der Vordergliedmassen, durchtretende Fesseln, Spat — wie Unkraut in einem vernachlässigten Garten, von Jahr zu Jahr grössere Verbreitung finden. Solchen Gebrechen misst indessen der Araber keine ernstere Bedeutung bei, wenn nur die Herkunft des betrefi:enden Gaules nichts zu wünschen übrig lässt. Dagegen legt er eine heilige — 44 — Scheu vor »gefahrdrohende« Abzeichen an den Tag. Besonders ver- hasst ist ihm z. B. der sogenannte »Sultansstern«, und hat das Pferd eine Blässe unter der Stirn, so harrt des Reiters »ein oftenes Grab«. Eine Rappstute ohne Abzeichen gilt übrigens bei den Beduinen eben- falls als ein unglückbringendes Tier. Sonst herrschen in der Wüste ganz vernünftige Ansichten über das Exterieur. Ein von Sid Mohammed Bin Abd-El-Kader vor nicht gar langer Zeit herausgegebenes arabisches »Buch vom Pferde« enthält mit Bezug hierauf unter anderem folgende, angeblich bereits vom persischen König Pervez aufgestellten Lehrsätze: »Die edelsten Pferde haben drei Teile kurz: die Schweifrübe, den Rücken, die Fessel; drei Teile lang: die Ohren, die Kinnbacken, den Hals; drei Teile weit: den Bauch, die Nüstern, die obere Brustportion; drei Teile breit: die Stirn, die Brusthöhle, die Kruppe; drei Teile licht: die Haar- farbe, die Zunge, das Auge; drei Teile dunkel: die Pupille, die Lippen, den Huf; drei Teile von bedeutendem Umfang: die Schenkel, das Schienbein, das Sprunggelenk«. Diese Sätze enthalten ja viel Wahres, scheinen aber heutigen Tages in der Wüste bei Auswahl des Zucht- materials kaum mehr beachtet zu werden. Legt man nun noch hierzu, dass der Beduine keine Ahnung von einer die Entwicklung der Leist- ungsfähigkeit des Pferdes fördernden Reitkunst hat — er reitet nicht, sondern lässt sich nur vom Pferde tragen und er kennt keine anderen Gangarten als einen zackelnden unreinen Schritt und einen regellosen Galopp — sowie auch dass er ein unbarmherziger Pferdeschinder ist, dem es wenig Kummer bereitet, wenn sein treues Ross infolge kopf- loser Behandlung unter ihm niederbricht, wird man es sehr begreiflich finden, dass Zucht- und Gebrauchswert des arabischen Pferdes sich nicht auf der ursprünglichen Höhe hat erhalten können. Bei Beurteilung der in der Wüste üblichen Pferdepflege darf in- dessen nicht unberücksichtigt bleiben, dass dem Beduinen, der sich selbst gegenüber von einer geradezu unglaublichen Härte und Genüg- samkeit ist, einfach die Fähigkeit abgeht, ängsthch auf die Schonung der Gefühle und Kräfte seines Pferdes bedacht zu sein. Die Hauptnahrung des arabischen Pferdes bildet die Weide. Im Frühjahr hat es Überfluss an diesem Nahrungsmittel. »Wenige Wochen aber genügen um diesen Überfluss schwinden zu machen« , schreibt E. Löftler in seinem weiter oben erwähnten »Berichte über die Er- gebnisse der österreichischen Pferde-Ankaufsmission«, denn die glühende Sonne dörrt die Erde aus und nur dürre Grashalme bleiben zurück als — 45 — einziges Futter für die Herden. Der \vohlhal)endc Beduine hat wohl immer etwas Gerste für sein Pferd vorrätig, doch bei den Ärmeren ist der Mangel an diesem Körnerfutter ein häufiger und in solchen Fällen bleibt das Pferd lediglich an die karge Weide gewiesen. In demselben Berichte heisst es ferner: »Die Beduinen verwenden bei all ihrer Liebe und Zuneigung nicht die geringste Sorgfalt auf die Pflege und Wartung ihrer Pferde. In bezug auf Reinhaltung derselben scheinen sie ihren eigenen Körper zum Vorbilde zu nehmen. Wie oft hatten unsere Leute halbe Tage zu tun um nur die Mähnen und Schopfhaare der gekauften Pferde zu entwirren, und Tage vergingen wieder, bis das Tier von dem massen- haften Staub befreit war. Stets gefesselt umkreist das Pferd das Zelt seines Herrn und sucht sich das spärliche Futter in dem eng gezogenen Raum. Es hat kein anderes Dach als das blaue Himmelszelt, keine andere schützende Decke als den elenden Sattel. Und in diesem Zustand ist es im Winter dem Regen, im Sommer aber den senkrechten Strahlen der glühenden Sonne ausgesetzt ! « Ein anderer hervorragender Kenner der arabischen Zucht, Mr. W. S. Blunt, schreibt: »Das in der Wüste geborene arabische Pferd hat von Anfang an alles gegen sich. Schon vor der Geburt ausgehungert, tritt es meist als ein verkümmertes Fohlen ins Leben ein. Trotzdem wird es nach unwandelbarer Beduinen -Sitte schon nach einem Monat abgespänt. Aber sogar während dieses ersten Monats seines Erdenwallens darf es nicht mit der Mutter laufen, sondern bleibt mit dem linken Hinterbein, dicht über dem Sprunggelenk, an den Zeltstricken angebunden. Falls der Stamm sich nicht gerade auf dem Marsch befindet, erhält das arabische Saugfohlen gar keine Bewegung. Während der nächsten Monate besteht die Fütterung aus Kamelmilch und einigen schlechteren Datteln, wenn der Besitzer meint diese entbehren zu können. Im glück- lichsten Fall kommt es auf eine vorher abgegraste Weide. Im Herbst bleibt das junge Tier sich ganz selbst überlassen. Vorher wird es jedoch mit schweren eisernen Fesseln versehen, damit es nicht so leicht gestohlen werden könne. Als Jährling gleicht es einer kleinen halb- verhungerten Katze und erst im dritten Frühjahr beginnt es etwas zu w^achsen. Dann wird es an den Reiter gewöhnt. Von einer regel- - 46 - rechten Dressur ist natürlich keine Rede. Verspricht es sich nun nicht zu einem brauchbaren Zuchttier zu entwickeln, so wird es an einen der kleinen Händler verkauft, die sich in der Nähe der Wüste aufzu- halten pflegen. Dieser stellt es in seinem engen, dumpfigen Stall auf, wo es zuerst eine Zeidang kränkelt, später aber fett ansetzt und glattes Haar bekommt und nachdem es einige bei den Türken hochgeschätzte Zirkuskünste erlernt hat, mit ungeheurem Profit an irgend einen Pascha, Kaimakam oder Ulema verkauft wird, aus dessen Händen es gewöhnlich in europäischen Besitz übergeht. Während dieser ganzen Entwicklungs- periode hat das junge Pferd keinen einzigen ordentlichen Galopp ab- solviert, ja nicht einmal seine Beine in einer Box strecken können, denn es ist Tag und Nacht am Spannstrick angebunden gewesen (getüdert worden). Hat es dann ein Alter von sechs, sieben oder acht Jahren erreicht, so wird es, obwohl all sein ganzes Skelett sich den kurzen Gangarten angepasst hat und es möglicherweise schon zur Zucht be- nützt worden ist, oft genug von seinem neuen Besitzer urplötzlich in Training genommen. W^ie soll es da imstande sein, mit Erfolg gegen von Jugend auf an kräftiges Futter und schnelle Arbeit gewöhnte eng- lische Rennpferde aufzutreten?« So weit der enthusiastische Arabomane Blunt, der mehr als die meisten anderen Bewunderer des Wüstenpferdes hinter die Kulissen der arabischen Zucht geblickt hat. Welch wunderbare Lebenskraft in dieser Zucht steckt, geht auch aus seiner Schilderung der üblichen Aufzuchtsmethode hervor, denn nur eine Rasse, in dessen Adern nie versiegende Ströme des reinsten, edelsten Blutes fliessen, wird in einem derartigen Kampf ums Dasein nicht vollständig verkümmern und entarten. Zu den vielen Lebenden die über den Araber und das arabische Pferd in Umlauf gesetzt worden sind, gehört auch die Behauptung, dass wertvolle Stuten in der Wüste überhaupt nicht zu haben seien. Wer hätte z. B. nicht schon von herrlichen Araberstuten gehört, die um gar keinen Preis verkäuflich waren ! Dies wird gewiss in einzelnen Fällen auf Tatsachen beruhen. Andererseits ist es aber auch von ab- solut einwandsfreien Zeugen bestätigt worden, dass die Beduinen weit und breit bekannte Stuten edelster Herkunft an fremde Liebhaber ver- kauft haben. So berichtet z. B. Captain Upton, der Verfasser von »Newmarket and Arabia«, dass er und seine Genossen von 1874 bis 1875 »sechs Hengste und Stuten« bei den Aenizes gekauft hätten. — 47 — Auch der mehrfach zitierte Mr. Blunt versichert, dass man in der Wüste gute arabische Stuten bester Abstammung zum Preise von 200 bis 250 Pfd. St. in der Wüste bekommen kann; er selbst habe für Viele bedeutend weniger gezahlt. Es hängt eben beim Pferdekauf alles von den obwaltenden Umständen ab. Allerdings züchtet der Wüstenaraber nicht für den Markt; dies schliesst aber nicht aus, dass trotzdem das eine oder andere Produkt seiner Zucht auf den Markt gelangt. Wenn die Beduinen Stuten vorziehen und sich im allgemeinen schwerer von diesen trennen, so hat das seine guten Gründe. Die Stute ist leichter zu reiten und deshalb bequemer in der Wüste. Die Hengste werden meist nur dann geritten, wenn Krieg zwischen zwei Stämmen auszubrechen droht. Ausserdem macht die Wartung der Stute weniger Umstände; sie kann allein auf die Weide gebracht werden und erträgt sowohl Hunger wie Durst weit besser als der Hengst; andererseits ist dieser unzweifelhaft schneller, ermüdet aber auch früher. Hierzu kommt noch, dass Hitze von der Stute viel besser vertragen wird. Sie gleicht in dieser Hinsicht der Schlange, deren Kraft mit der Wärme zunimmt. (Siehe mein »Buch vom Pferde«, 4. Auflage, 2. Band, Seite 289). Ein englischer Offizier fragte einst den sehr angesehenen und er- fahrenen arabischen Pferdehändler Abdullah in Bangolore (Indien), ob er ihm nicht einige Stuten hochedler Abkunft verschaften könnte. Die Antwort lautete: »Durch Diebstahl oder geschickte Verwendung einer sehr grossen Summe Geldes möglicherweise ja ; es würde das aber sehr bald bekannt werden und ich könnte mich dann nicht mehr in jener Gegend sehen lassen«. Mit einigen Schwierigkeiten ist also der An- kauf erstklassiger arabischer Stuten immerhin verknüpft. Man darf sich eben nicht verhehlen, dass die öftentliche Meinung nicht nur in Arabien, sondern im ganzen Orient entschieden gegen den Export von Stuten ist. In der arabischen Literatur wird es sogar vielfach ganz unver- hohlen ausgesprochen, dass der einzige Weg, sich in den Besitz einer Stute zu setzen, die man nicht mit dem Schwerte in der Hand erbeuten könne, sei, sie zu stehlen. Mit Bezug hierauf sei es mir gestattet hier eine kleine Erzählung einzuflechten , die einem vom Scheich Ahmad verfassten arabischen Werke entnommen ist. »Eine angesehene Persönlichkeit berichtet, dass sie eines Tages ein Mitglied des U-kail-Stammes sah, dessen Rücken von Narben be- - 48 - deckt war. Befragt, wie dieselben entstanden seien, gab der Mann folgende Antwort: »Damit verhält es sich so: Ich liebte eine holde Verwandte von mir und hielt um ihre Hand an. Hierauf wurde mir von ihrer Familie der Bescheid, dass ich die Geliebte nur dann heimführen dürfe, wenn sie Sha-ba-ka als Hochzeitsgeschenk von mir erhielte. Sha-ba-ka aber war eine Stute, die edelste und schnellste von allen, und sie ge- hörte einem Krieger des Ba-nü Bakr-Stammes. So heiratete ich denn meine Verwandte. Ich hatte nämlich feierlich gelobt, die Wunderstute — koste es was es wolle — in meinen Besitz zu bringen. Dass dies nur durch Anwendung von List oder Gewalt zu erreichen sein würde, war mir vollkommen klar. Ich begab mich daher als Kamel-Schlächter verkleidet in das Lager des Ba-nu-Bakr-Stammes und trieb mich dort herum bis ich herausgebracht, vor welchem Zelt die Stute ihren Stand- platz hatte. Ihr zur Seite lag ein Stutfohlen. Es gelang mir unbemerkt in das Zelt zu schlüpfen und mich unter einem Haufen gekämmter Wolle zu verbergen. Als die Nacht hereinbrach trat der Besitzer in das Zelt. Und sein Weib bereitete ihm das Abendessen und beide begannen zu speisen. Tiefe Dunkelheit herrschte ringsum, sie hatten keine Lampe und ich war sehr hungrig. Schliesslich konnte ich der Versuchung nicht widerstehen meine Hand nach einem Bissen auszu- strecken. Ich muss mich aber dabei ungeschickt benommen haben, denn der Mann bemerkte meine Hand und griff nach ihr. Obwohl sehr erschrocken, verlor ich die Geistesgegenwart nicht, sondern erfasste blitzschnell die Hand des Weibes mit meiner anderen Hand. Nun rief sie »Was willst Du mit meiner Hand?« Überzeugt, dass es die Hand seines Weibes gewesen, Hess der Mann mich los und nun gab ich auch die Hand der Frau frei. Bald nachher streckten sich beide auf ihr Lager aus. Während der Mann schlief, beobachtete ich genau alles, was inner- und ausser- halb des Zeltes vorging. Die Stute stand gefesselt vor dem Eingang, das Fohlen lag frei im Zelte und der Schlüssel zur eisernen Fessel der Stute befand sich unter dem Kopfkissen des Weibes. Nach Verlauf von etwa einer Stunde erschien ein schwarzer Sklave, der einige Kiesel- steine auf das Lager der Frau warf. Und sie erhob sich und schlich behutsam hinaus zu ihrem schwarzen Liebhaber. Nun war der ent- scheidende Augenblick für mich gekommen. Den Schlüssel unter dem Kopfkissen hervorzuholen, ins Freie zu kriechen und die Stute von ihren — 49 — Fesseln zu befreien, war eine leichte Sache. Schnell legte ich der Stute eine von mir mit^eführte Reithalfter aus Kamelhaar ins Maul, schwang mich auf ihren Rücken und schickte mich an davonzureiten ■ — doch da erschien das nach ihrem Schäferstündchen heimkehrende Weib auf dem Schauplatz der Begebenheiten. Als sie mich erblickte, begann sie laut um Hilfe zu rufen. In einem Nu war das ganze Lager alarmiert und ein Haufen Berittener hinter mir her. Ein Wettrennen ward es, wie ich es schärfer weder früher noch später erlebt. Gegen Morgen sah ich nur mehr einen einzigen Verfolger hinter mir. Als die Sonne aufging , war er mir so nahe , dass er mir mit seiner Lanze die Haut am Rücken ritzen , aber keine tiefere Wunde zufügen konnte. Weiter brachte er es jedoch nicht, und ebenso gelang es mir nicht die Ent- fernung zwischen uns beiden so zu vergrössern , dass ich gegen die Lanzenspitze geschützt blieb. Schliesslich kamen wir an das Ufer eines reissenden Stromes. Ich feuerte meine Stute mit energischem Zuruf an und sie sprang hinüber. Mein Verfolger tat dasselbe, aber seine Stute sprang nicht. Als ich sah, dass er nicht hinüberkommen würde, hielt ich an, um mir und dem Pferde etwas Ruhe zu gönnen. Da ritt der Mann dicht an das Ufer heran und rief mir zu: »Ich bin der Besitzer der Stute, die du unter dir hast und dies ist ihre Tochter. Nachdem sie nun deine Beute geworden, so hüte und pflege sie sorgfältig; ich schwöre bei Allah, dass sie, was immer ich von ihr verlangte, nie ver- sagt hat. Sie war wie das Netz des Fischers (Shabaka), wenn es galt, etwas zu fangen oder zu erbeuten.« Eine gute Vorstellung von dem Exterieur eines Wüstenarabers edelster Rasse gibt nachstehendes, nach einem Aquarellportrait an- gefertigtes Vollbild (Abb. lo). Dieses Pferd mass vom höchsten Punkt des Widerristes bis zum Tragrand seiner Vorderhufe genau 145 cm. Grössere Pferde gehören unter den Elitetieren der Rasse zur Seltenheit und er- freuen sich daher auch bei den Kennern derselben keiner besonderen Beliebtheit. Die typischen Haarfarben sind: Braun, Fuchs und die zahl- reichen Schimmel-Varietäten, Dunkelbraune, Falben und Rappen kom- men unter den hochgezogenen Arabern nicht vor. Was Adel in der ganzen Erscheinung und Harmonie zwischen den einzelnen Körperteilen anbelangt, steht das edle arabische Pferd unerreicht da. Der leichte, viereckige Kopf zeigt am Nasenbein eine ziemlich starke Einsenkung, welche die schon von Natur aus sehr weiten Nüstern noch grösser erscheinen lässt. Das ausdrucksvolle, Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 4 ;o — intelligente Auge ist entzückend schön, der Hals hat eine überaus graziöse Form, das Haar ist fein und glänzend wie Seide und die Be- wegungen lassen mit Bezug auf Elastizität und Eleganz kaum etwas zu wünschen übrig. Es ist indessen nicht in Abrede zu stellen, dass sogar die Nedjdpferde, die ja vielfach als Typen der Vollkommenheit im Pferdegeschlecht bezeichnet werden, ziemlich allgemein mit gewissen Mängeln behaftet sind, die ihren Zucht- und Gebrauchswert für euro- päische Zwecke nicht unbedeutend herabsetzen. Zu diesen Mängeln zähle ich ihre geringe Grösse (132—145 cm), den nicht selten gesenkten Rücken, die runde, kurze Kruppe, die eingeschnürten Sprunggelenke, die allerdings ausserordentlich reinen und trockenen, aber auch un- gemein feinen Röhrbeine, die französische Stellung der Vorderglied- massen, die zu langen, weichen Fesseln und die wenig raumgreifende, im Schritt geradezu widerwärtige, zappelnde Aktion. Bei der Beurteilung des arabischen Pferdes wird man sich jedoch gerechterweise stets vor Augen halten müssen, dass man es mit einem Tiere zu tun, dessen ausserordentliche Leistungsfähigkeit, dank der wundertätigen Kraft des edlen Blutes, wenig oder gar nicht durch der- artige tv^pische Mängel der äusseren Form beeinträchtigt wird. Emir Abd-el-Kader versicherte den französischen General Daumas (Siehe »Les Chevaux du Sahara et les moeurs du desert, par le General E. Daumas«), dass ein arabisches Pferd, 3 bis 4 Monate hintereinander, Tag für Tag ohne Anstrengung 80 Kilometer zurück- legen könne. Ausnahmsweise würde es auch 240 Kilometer in einem Tage absolvieren, dann müsste es aber den folgenden Tag geschont und nur zu einem kürzeren Ritt gebraucht werden. Ein junger Araber, namens Si-Ben-Zyon, soll indessen, wie General Daumas ebenfalls mit- teilt, auf der Stute seines Vaters 80 französische lieux (= 800 Kilometer) in 24 Stunden geritten sein. Während dieses Riesenrittes erhielt die Stute angeblich nur einmal Wasser und einige Blätter der Zwergpalme. Trotzdem soll sie nicht vollständig erschöpft gewesen sein. Ob hier die Kilometerzahl nicht als ein Produkt der üppigen orientalischen Phantasie anzusehen ist, wollen wir jedoch lieber dahingestellt sein lassen. Mit den Kilometern scheint es in der Wüste überhaupt eine eigentümliche Bewandtnis zu haben, denn unser französischer General weiss auch von einem Araber zu erzählen, der behufs Überbringung eines Befehls in 24 Stunden auf einem und demselben Pferde 700 Kilo- meter zurückgelegt. Und für die Authentizität dieser Kilometerzahl « bC 2 — übernimmt der General persönliche Bürgschaft! Dass das edle arabische Pferd in seiner Heimat eine erstaunliche Leistungsfähigkeit an den Tag legt, ist allerdings nicht zu bezweifeln. Zahlreiche offiziell beglaubigte Leistungen beweisen dies. Von bemerkenswerten Distanzritten, die auf arabischen Pferden ausgeführt worden sind, scheinen mir folgende be- sonders interessant zu sein. * Vor etlichen Jahren fand ein Match zwischen einem englischen Vollblutpferde — oder sagen wir lieber Vollblutkrüppel — und einem Araber statt. Die Distanz war 90 englische Meilen (= cirka 144 Kilo- meter) und der Weg führte durch die Wüste nach Kairo. Das eng- lische Pferd brach unterwegs nieder, das arabische aber erreichte das Ziel in 7 Stunden 52 Minuten. Zwischen einem Leutnant der in Madras garnisonierenden reitenden Artillerie und einigen Offizieren des 15. englischen Husarenregiments wurde ebenfalls vor einigen Jahren infolge strittiger Ansichten über die Leistunp-sfähio-keit des arabischen Pferdes eine Wette abgeschlossen, laut welcher der Leutnant es übernahm, auf seinem kleinen Araber — das Pferd war nur 145 cm hoch — 400 englische Meilen (= cirka 674 Kilometer) in 5 Tagen zurückzulegen. Der Araber gewann die Wette mit grösster Leichtigkeit, so leicht sogar, dass sein Besitzer sich erbot, dieselbe Leistung nach nur einem Ruhetag noch einmal zu wiederholen. Vor kurzem ritt der Leutnant Mougenot von den 5. Chasseurs d'Afrique auf einem arabischen Pferde morgens um 6 Uhr 15 Minuten von Algier ab, traf um 10 Uhr in Blida ein, verliess dieses um 3 Uhr nachmittags und kehrte um 6 Uhr 15 Minuten nach Algier zurück, wo er, um den guten Zustand seines Pferdes festzustellen, noch sechs Hindernisse nahm. Das Pferd war gjährig, und nicht in Training. Be- sondere Nährmittel, Zuckerwasser u. s. w. wurden nicht verwendet. Der Reiter hatte ein Gewicht von 80 kg und war stets im Sattel geblieben. Die in 7 Stunden zurückgelegte Entfernung betrug 90 Kilometer. Das Pferd war am nächsten Morgen ganz frisch. Auch als Rennpferd hat der Araber in Indien sehr achtung- gebietende Leistungen aufzuweisen. So liefen die Araber: The Chile! of the Isles . . . i^j., engl. Meilen in 2 Min. 48 Sek. Elepoo 13/4 „ „ „ 3 „ 20 „ Elepoo 1V2 „ „ „ 2 „ 55 „ Glenmore I^/^ „ „ „ 3 „ 58 „ Oranmore l^U » » I5 yds. „ 3 „ 25 „ — 53 — Wenn man sich nun vor Augen hält, dass die Rennchronik iur das englische Derby, dessen Distanz 11/2 englische Meilen ist, während der letzten 11 Jahre folgende Zeiten aufzuweisen hat: 1895, Sir Visto 2 Min. 437,, Sek. 1896, Persimmon 2 „42 1897, Galtee More 2 „44 1898, Jeddah 2 „47 1899, Flying Fox 2 „ 42^/5 1900, Diamond Jubilee 2 ,,42 1901, Volodyovski 2 „ 4075 1902, Ard Patrick 2 „ 42 Va 1903, Rock Sand 2 „ 42* Ir, 1904, St. Amant 2 „ 45^5 1905, Cicero 2 „ 3975 so wird man zugeben müssen, dass der Speed des arabischen Pferdes, obwohl nicht mit demjenigen der vornehmsten Vertreter des englischen Vollblutes zu vergleichen, keineswegs gering zu nennen ist. Was das arabische Pferd als Kriegspferd zu leisten imstande, haben die Engländer und Franzosen reichlich Gelegenheit gehabt zu erproben. Ein grosser Teil der in Indien stehenden englischen Kavallerie erhält ausschliesslich arabische Remonten, die auf den Pferdemärkten von Bombay angekauft werden. Pferde, deren »Wiege« am Ufer des Euphrat gestanden, haben Englands Reiter nach Persien, Candahar, Chartum, Cabul, Peking, Magdala, Ladysmith, Bloemfontain und Pretoria getragen, und in Burma, wo es mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verknüpft ist, Pferde die an das dortige Klima nicht gewöhnt sind, gesund zu er- halten, bewährte sich die auf arabischen Pferden berittene Kavallerie des Hyderabad-Kontingents aufs allerbeste. Ein Offizier des 3. englischen Ulanenregiments berichtet mit Bezug hierauf, dass er sich in Burma mit 90 Mann seines Regiments nahezu drei Monat beständig auf dem Marsch befunden habe, ohne dass ihm ein einziges Pferd »gedrückt« worden sei. Der grösste und beste Markt für arabische Pferde jeder Gattung ist, wie bereits erwähnt, Bombay. Generalmajor Tweedie erzählt, dass während seines letzten Aufenthalts in Bombay im Verlauf von 5 bis 6 Monaten ca. 3000 araljische Pferde in den Häfen des persischen Meerbusens ans Land gesetzt worden seien. Da aus dieser Anzahl Zuchtpferde für ganz hidien, Russland und die Vereinigten Staaten ge- wählt werden konnten, dürfte die Qualität keine schlechte gewesen sein. »Man erhält in Bombay,« schreibt der General, »den Eindruck, als ob ein riesiofes Netz über oranz Arabien orezoo-en und der Inhalt desselben — 54 — in Indien entleert worden wäre. Jedenfalls gibt es kaum ein arabisches Hengstfohlen, das man nicht eines schönen Tages in Bombay zu sehen bekommen könnte und auf dem Sattelplatz der Rennbahn in Bombay ist stets eine grössere Auswahl erstklassiger Araber versammelt, als an irgend einem anderen Orte der arabischen Halbinsel, Stuten und Stutfohlen natürlich ausgenommen. Es wimmelt in Bombay förmlich von arabischen Pferdehändlern. Infolgedessen sind auch die Preise nicht besonders hoch. So muss z. B. ein junger Hengst schon sehr gut sein, wenn er in Bombay mit loo Pfd. St. bezahlt werden soll. Es befasse sich jedoch niemand mit Pferdekauf in Bombay, der nicht sicher ist ein echtes arabisches Ross von einem Tiere unterscheiden zu können, das aller- dings als Wüstenaraber ausgegeben wird, aber weder die Wüste noch das Meer je gesehen, sondern in Indien oder Australien das Licht der Welt erblickt hat. Durch theoretisches Studium ist diese Gabe nicht zu gewinnen, dazu gehört langjährige Praxis. Doch auch der beste Kenner des arabischen Pferdes wird nur unter besonders günstigen Umständen, die man mit Geduld abwarten muss, in die Lage kommen, zuchttaugliches Material in Arabien, Indien und Ägypten zu erwerben.« Captain Horace Hayes, der Verfasser des bekannten Werkes »The Points of the Horse«, der lange Jahre im Orient zugebracht hat, versichert ebenfalls, dass viele der allerbesten und edelsten Wüsten- araber nach Bombay ausgeführt werden, um auf den indischen Renn- bahnen Verwendung zu finden. Die Hauptunterschiede zwischen dem Exterieur des hochedleri Nedjd-Pferdes und dem des Mischlings orientalischer Zucht, habe ich versucht in den Figuren ii und 12 ersichtlich zu machen. Wohl zu beachten bleibt indessen bei der Beurteilung eines arabischen Pferdes, dass das Wüstenpferd edelster Zucht selten oder nie die Höhe von 145 — 148 cm überschreitet. Araber dieser Klasse sind somit nach europäischen Begriffen als Ponies zu bezeichnen. Eine Expedition zu den Beduinen wird am zweckmässigsten im April von Damaskus oder Aleppo aus angetreten. Der Leiter der heute noch in der Geschichte der Pferdezucht unübertroffen dastehenden öster- reichischen Ankaufsmission des Jahres 1856, Oberst Rudolf, Ritter von Brudermann, schreibt mit Bezug hierauf in seinem mir freundlichst zur Verfügung gestellten Bericht unter anderem folgendes: »Gleich nach der Ankunft in Aleppo trachte man durch den Herrn Konsul oder durch ihn verschaffte, in dieser Beziehung unterrichtete Araber zu erfahren, olj und welche Beduinenstämme aus der arabischen Wüste bereits in der Nähe Syriens und zwar zwischen Hamah und Aleppo eingetroffen seien. Sie pflegen im Laufe des Monats Mai, je nachdem das Frühjahr für die Weiden günstig war, anzukommen und bis September dazul:)leiben. Um dies sicher zu erfahren — da man sich dort auf Aussairen pfanz und ^ar nicht verlassen kann — nehme man Fig. II. Hengst der Nedjd-Rasse. einen Araber, der schon oft bei den Beduinen war, und entsende ihn, um die südlich von Aleppo gewöhnlich lagernden Beduinenstämme Fedan und Sbaa aufzusuchen. Diesem Boten gebe man Briefe an die Scheichs der Stämme mit — was am besten der Konsul besorgt — in welchen man ihnen bekannt gibt, dass man sie besuchen wolle, um Pferde zu kaufen und bitte um Antwort. Sind die Beduinen nicht in offenem Bruch mit der Regierung, was häufig der Fall ist, jedoch das Hinausgehen zu ihnen nicht hindert, so - 56 - ersuche man den zunächst higernden der Scheichs in demselben Brief, zwei Araber seines Stammes nach Aleppo zur Abhokmg der Mission zu senden, was sie immer bereitwilHgst tun; man gelangt auf diese Weise am sichersten und auf kürzestem Wege in ihr Lager. Alle Scheichs haben Sekretäre oder Schreiber, weil sie selbst nicht lesen und schreiben können, daher sie auch immer durch diese Antwort geben. Die Antworten sind nötig, teils um zu wissen, ob der Bote dort war, teils um zu erfahren, ob der Stamm den Besuch annimmt. Mit dem Boten bedinge man den Lohn und zugleich die Frist, binnen welcher er zurück sein müsse. Es wird ihm ausserdem bedeutet, dass man ihn erst nach der Rückkehr zahlen werde und dass er den Lohn nur dann bekomme, wenn er zur rechten Zeit eingetroffen. Tut man dies nicht, so ist es sehr ungewiss, ob er zurückkommt oder wie lange er aus- bleibt, denn die Zeit hat bei den Arabern gar keinen Wert. In sechs Tagen kann der Bote seinen Auftrag verrichtet haben. Bei jedem Stamm spielt beim Ankauf der Scheich die Hauptrolle. Ohne ihn ist es ganz unmöglich, ein Pferd zu erstehen. Am besten tut man , ihm gleich vom Beginn an zu sagen , dass er für jedes in seinem Lager gekaufte Pferd 5 Lira bekommen werde. Er bestellt alle Pferde seines Stammes, der oft mehrere Stunden weit im LTmkreis lagert, in sein Lager, wo man sie dann besichtigen kann. Das Pferd, das man zu kaufen beabsichtigt, bezeichnet man dem Scheich und bittet ihn, es auszuhandeln. Er fragt nur an, was man dafür zu geben beabsichtige. Darauf biete man je nach dem Werte und den im Lande geltenden Preisen eine angemessene Summe. Gewöhnlich sagt dann der Scheich, dass es um diesen Preis nicht zu haben sein werde; man müsse mehr bieten. Um nun dem Weiterbieten bis ins Unendliche zu entgehen, bittet man den Scheich, doch selbst zu sagen, um welchen Preis das Tier wohl zu haben sein werde. Nach langem Hin- und Herreden nennt er einen Betrag. Will man diesen geben, so geht er, handelt mit dem betreffenden Araber und den Partnern des Pferdes ganz ab- seits und schliesst gewöhnlich den Kauf ab, wobei er jedoch gewöhn- lich noch einige kleine Begünstigungen , wie z. B. die Zugabe von i oder 2 bis 3 Araberanzügen ausbedingt. Bietet man dem Scheich einen geringeren Preis, als er genannt, so geht er wohl auch handeln, aber man kann sicher sein, dass dies nur verlorene Liebesmüh' ist — man bekommt das Pferd nicht. Sehr wichtig ist es ferner, den Scheich um die Abstammung des zu kaufenden Pferdes zu befragen. Ob eine Stute — 57 — von edelstem, reinsten Blut ist, erfährt man am besten, wenn man fragt, ob Deckhengste (Hadudi) xon ihr gezogen werden. Lautet die Ant- wort auf diese Frage bejahend, so kann man versichert sein, dass das betreffende Tier rein gezogen ist. Was die Herkunft und den Adel der Pferde anbelangt, wurde ich während meiner ganzen Bereisung nicht ein einziges Mal belogen. Das -^'=^^■^^_'=^K^ ':i*v. - Fig. 12. Hengst gemischter orientalischer Abstammung. ist aber auch der einzige Gegenstand, in welchem ich den Araber wahr- heitsliebend gefunden habe, denn in allem übrigen lügt er wie gedruckt. Man darf es jedoch nicht als Unwahrheit ansehen, wenn der Araber von einem minder edlen Pferde sagt, es sei ein reines Seglavi, Menegie oder anderer hochedler Rasse. Dies kann möglicherweise wahr sein; allein es gibt auch in den berühmtesten Familien minderwertige Linien, von welchen jedoch nie ein Hengst zur Zucht oder wenigstens nicht zum Decken von Stuten edelster Herkunft benutzt wird. Von den bei jedem Stamm befindlichen Deckhengsten pflegt im allgemeinen nur einer, höchstens zwei von absolut einwandfreier Ab- - 5S - staniimiiiLi; zu sein. Die übrigen sind meistens auch guter Rasse, jedoch werden ihnen nie Stuten des reinsten Blutes gegeben. Leider sind die Deckhengste ungemein häufig mit Fehlern behaftet, die bei ihrer Verwendung zur Zucht nicht berücksichtigt werden. Es ist daher eine sehr schwere Aufgabe, korrekt gestellte Pferde heraus- zufinden. Der Araber hält nur auf Blut, Schnelligkeit und Ausdauer, letztere aber nicht für viele Jahre berechnet, sondern nur bei einzelnen forcierten Ritten. Er ist auch nicht imstande, ein ihm unbekanntes Pferd mit freiem Auge zu beurteilen, sondern benützt hierzu gewisse, von der Tradition als massgebend bezeichnete Handgriffe. Die beiden Vorderfüsse des Pferdes stellt er z. B. so nahe nebeneinander, wie nur die Hufe zusammenkommen können und prüft dann , wie viele aus- gestreckt und geschlossene Finger er zwischen die Knie durchstecken kann. Gehen drei Fingerbreiten durch, so ist nach seiner Ansicht das Pferd gut gestellt; gehen nur zwei Finger durch, so ist es auch noch gut; geringerer Raum aber ist schon ungenügend und fehlerhaft. Dann umfasst er mit dem Daumen und Mittelfinger das Röhrbein, um zu sehen, ob es stark unter den Knien ist. Ausserdem misst er die Länge vom Widerrist über den Hals l^is zur Oberlippe und vom Widerrist bis zum Ende der Schweifrute. Ist erstere länger, so freut er sich, denn dann weiss er, dass das Pferd gut gehalst ist, einen kurzen Rücken hat, gut geschlossen ist u. s. w. Diese Masse sind allerdings von nicht zu unterschätzender Bedeutung, aber können auch von jedem beliebigen Schneider genommen werden. Ein Pferdekenner braucht sie nicht. Er beurteilt das Pferd mit freiem Auge. Unter den Arabern habe ich frei- lich keinen einzigen Kenner im wahren Sinne des W^ortes angetroften. Beim Ankauf findet man oft unter loo Stuten nicht eine von der Klasse, die wir benötigen. Häufig besichtigte ich mehrere hundert, ohne eine kaufen zu können. Es können ja unter diesen viele edle und schöne Stuten sein, besichtigt man sie aber näher, so findet man kaum einige, die passen würden. Ein Teil ist zu alt, ein anderer mit zu starken Abzeichen behaftet, die Mehrzahl nicht korrekt gestellt, andere wieder nicht hoch genug im Blute u. s. w. Als Hauptfehler sind, besonders bei den Pferden der Beduinen, zu bezeichnen: rückbiegig gestellte Vorderbeine, ein zu schmaler Rumpf, auswärts, seltener einwärts gestellte Vorderextremitäten, zu lange und zu weiche Fesseln, diese jedoch in geringerer Zahl. Vorbiegig gestellte Pferde sah ich gar nicht; mit fehlerhaften Hufen und Augenkrankheiten — 59 — behaftete auch nicht; selten solche mit zu lanSeit dem Ende der Regierung des Khedive Ismael ist die Pferde- zucht in Ägypten total verfallen. Die zahlreichen Hilfen, die unter diesem Khedive und mehr noch unter seinem Onkel Abbas I. der Zucht gewährt wurden, sind schon seit den letzten Regierungsjahren Ismaels aus denselben finanziellen Gründen aufgehoben worden, die seit 1876 die englische und französische Einmischung in die Finanzen des Landes ermöglicht haben. Im Jahre 1875 ist dann auch das einst I)lühende Gestüt zu ChouI)rah aufgelöst worden und auf den Rennbahnen zu Kairo und Alexandria erscheinen nunmehr nur syrische Pferde, sowie einige wenige englische — der Ausschuss europäischer Ställe. Ägypten zählt auf nahezu 20 MilHonen Einwohner etwa 80000 Pferde. Die jährliche Produktion beträgt ca. 6000 Köpfe. Von besonderen Zuchtzentren kann man hierbei nicht reden. Die Pferde Ober-Agyj)ten.s (Assuans) sind kräftiger und aus- dauernder als die Unter-Agyptens.« (Siehe »Zucht und Remontierung der Militärpferde aller Staaten von Dr. Paul Goldbeck). Die einzige ägyptische Rasse, die sich noch einiger Aufmerksam- keit seitens der Hippologen zu erfreuen hat, wird in Nubien und der italienischen Kolonie Eryträa angetroffen und trägt den Namen Don- golavi oder Dongolav. Abbildungen von Pferden dieser Rasse kommen schon auf den Denkmälern der Pharaonenzeit vor. Wie aus Fig. 15 zu ersehen ist, zeichnet sich das Dongolapferd nicht durch Schönheit seiner Körperformen aus. Trotzdem hat es warme Bewamderer gefunden. Dies verdankt es hauptsächlich seiner hohen Knieaktion, seiner eigentümlichen Haarfarbe — schwarz oder dunkelbraun mit kolossalen Abzeichen — seiner für einen Orientalen stattlichen Grösse (155 — 160 cm) und seiner Eigenschaft unglaublich lange den Durst er- tragen zu können. Bekanntlich waren die Hengste Ali Pascha und die vStute Ramdy des königlichen Privatgestütes Weil echte Dongolaer. Diese Rasse dürfte daher zu Beginn des vorigen Jahrhunderts grössere Harmonie in den Körperformen besessen haben, als ihr heute zuerkannt werden kann. H()chst wahrscheinlich hat jedoch die Entartung unter den Dongolapferden schon lange vor der Zerstörung des Derwisch- Gestütes Wad-el-Kalj durch die Horden des Mahdis ihren Anfang genommen. Es lässt sich indessen auch denken, dass die Widerstandsfähigkeit der Rasse gegen das entsetzlich heisse und erschlaffende Klima des Sudan in demselben Masse abgenommen hat, als das ägyptische Volk auf- gehört sich für die Zucht seiner einheimischen Rassen zu interessieren. Dass die Pferde im Sudan unter dem Einfluss des Klimas zu leiden haben, unterliegt keinem Zweifel, denn bei der Sektion von in jenen Gegenden geborenen und aufgezogenen Pferden hat es sich gezeigt, dass deren Leber, Milz und Nieren mit denselben krankhaften Verände- rungen behaftet waren , die auch bei dort verstorbenen Europäern wahrgenommen werden. Die Lebensdauer dieser Pferde ist infolge- dessen auffallend kurz. Alter als 10 Jahre wird ein Pferd im Sudan höchst selten. Dank dem edlen arabischen Blut, das auch in den Adern des sudanesischen Pferdes Üiesst, vermag dasselbe aber trotzdem ganz — 73 — respektable Leistungen aufzuweisen. So ist es z. B. imstande mehrere Tage hintereinander unter schwerem Gewicht 70 — 80 Kilometer per Tag zurückzulegen. Ja, man behauptet sogar, dass einzelne Exemplare es in 24 Stunden bis auf 140 Kilometer gebracht haben. Fig. 16. Abessinisches Pferd. Diesem Umstände ist es wohl auch zuzuschreiben, dass Versuche gemacht worden sind, das Dongolapferd zu Kreuzungen mit europäischen Pferdeschlägen zu verwenden. Irgendwelcher Erfolg scheint aber damit nicht erzielt w'orden zu sein. In England wenigstens, wo der bekannte Züchter Lord Moreton, Mr. John Knight und einige andere enthusiastische Pferdefreunde vor ungefähr hundert Jahren viel mit zu diesem Zwecke importierten Dongolapferden experimentierten — unter anderen wurden auch Exmoor Ponvstuten von Hengsten genannter Rasse gedeckt — hat man es bei diesem einen Versuche bewenden lassen. — 74 — Das abessinische Pferd dürfte jedenfalls einen grösseren Zucht- und Gebrauchswert als der Dongolavi besitzen. Dass es edler Abkunft ist, geht schon aus seiner auffallenden Ähnlichkeit mit dem Araber hervor. Man wird es daher wohl den eigentümlichen \'erhältnissen im Reiche des Königs Menelik zuschreiben müssen, dass dieses Pferd kein Exportartikel geworden ist. In Europa, das doch einen so fleissigen Gebrauch von allen möglichen orientalischen Rassen gemacht hat, ist der Abessinier noch immer eine unbekannte Grösse. Der loj ährige Wallach, den Prinz Henri d'Orleans vor einigen Jahren von seiner abessinischen Expedition mitbrachte, wurde infolgedessen auch wie ein Wundertier ano;estaunt und sograr im >Recueil de Medecine Vete- rinaire« zum Georenstand eines längeren wissenschaftlichen Artikels ffe- macht. Nach der in Fig. i6 reproduzierten Photographie und der in be- sagtem Artikel enthaltenen Beschreibung dieses Pferdes, scheint dasselbe ein edles, trockenes und kurzbeiniges Tier mit vorzüglichen Schultern, korrekt gestellten, etwas dünnen aber starken Beinen, gesunden harten Hufen, ausgezeichneten Bewegimgen und lebhaftem, aber frommem Tem- perament gewesen zu sein. Die Widerristhöhe soll 138 cm betragen haben. Diese Beschreibung stimmt durchaus mit dem Bilde überein, das sachkundige Forschungsreisende von der abessinischen Rasse entworfen haben. Der orleanische Wallach dürfte somit ein t}-pischer Repräsen- tant seines Stammes gewesen sein. Das Berber-Pferd (Fig. 17) nimmt unter den afrikanischen Pferdeschlägen unbedingt in jeder Beziehung den ersten Platz ein. Xordafrika scheint zu allen Zeiten ein Pferde produzierendes Land gewesen zu sein. Die prähistorischen Funde die in Höhlen und Schluchten des Atlasgebirges gemacht worden sind, berechtigen zu der Annahme, dass diese Gegenden dieselbe Fauna wie Spanien, Korsika, Sardinien, Italien und Südfrankreich gehabt. Wenn man bedenkt, dass während der früheren Ouatemär-Periode bis zur Eiszeit eine breite Landbrücke zwischen genannten Ländern bestanden, sowie dass die Meerenge von Gibraltar damals noch nicht vorhanden war, so er- scheint dies keineswegs unwahrscheinlich. Als die Araber 700 Jahre n. Chr. zum ersten Male in Afrika eindrangen, zählte ihr Heer 75000 Reiter. Es liegt nun auf der Hand, dass das einheimische numidische Pferd, das ein AbkömmHng der prähistorischen afrikanischen Urrasse war, nicht unberührt von einer solchen Invasion bleiben konnte. Es fanden im Gegenteil zahlreiche Kreuzungen zwischen diesen — 75 — beiden Rassen statt und so entstand die nach der Berberei — dem vor- maligen Mauritanien — benannte Berl)er-Rasse. Von jener Zeit an hat die Einfuhr arabischer Pferde nach Nord- afrika keine Unterbrechung erfahren. Man kann daher, ohne sich einer Übertreibung schuldig zu machen, behau})ten, dass ein grosser Teil der alufierischen Pferde aus direkten Nachkommen echter Wüstenaraber Fig. 17. Berber. besteht, und alle dortigen Pferde mehr oder weniger orientalisches Blut in ihren Adern haben. Trotzdem wäre es sehr unrichtig, wenn man, wie dies häutig ge- schieht, den Berber mit dem Araber sozusagen in einen Topf werfen wollte. Es unterliegt nämlich keinem Zweifel, dass ersterer ein autochtones Tier ist, das viel länger in Afrika heimisch gewesen, als der xA.raber in Asien. Überdies bestehen zwischen den beiden Rassen deutliche, selbst dem Laien sichtbare Unterschiede in der äusseren Form. Das arabische Pferd hat einen edlen, ausdrucksvollen und kurzen Kopf. Der Kopf des Berbers dagegen ist etwas schwer und ordinär mit leicht 2:eboo[ener Nasenlinie, lanijen Ohren und groben Ganaschen. - 76 - Dafür ist das Auge schön und die Stirn breit wie beim Araber. Ver- glichen mit dem Araber, hat der Berber ferner im allgemeinen einen besser geformten Rücken wie dieser; der schwerere Hals, das gröbere Mähnen- und Schweifhaar, die abgeschlagene Kruppe, der minder ele- gante Schweifansatz und die geringere Trockenheit der Gewebe beim Berber geben jedoch sofort zu erkennen , dass die asiatische Wüsten- rasse dem afrikanischen Pferde an Adel weit überlegen ist. Als sichere Kennzeichen der alten Berberrasse sind die gebogene Nasenlinie und die abgeschlagene Kruppe zu bezeichnen. Rein ge- zogene Exemplare dieses Schlages dürften aber heutzutage kaum mehr aufzutreiben sein. Auch die von General Daumas mit so glühenden Farben geschilderten Pferde der Sahara existieren nicht länger in Algier, falls sie überhaupt je anderswo als in der Phantasie dieses begabten militärischen Schriftstellers gelebt haben. Der französische Hippologe Vallee Loncey versichert wenigstens, dass es ihm nicht gelungen sei, irgend eine Spur derselben zu entdecken, obwohl er zu diesem Zweck zwei Expeditionen unternommen, während welcher er die drei algerischen Provinzen genau durchforscht habe. Vermutlich war jenes afrikanische Wüstenpferd ein Stammgenosse des Berberpferdes, das von einem seit- her verschwundenen nomadisierenden Beduinenstamm mit grösserer Sorgfalt und unter günstigeren lokalen Verhältnissen gezüchtet wurde, als sonst im Bereiche der algierischen Kolonie der Fall zu sein pflegt. Einige Jahre nach der Eroberung Algiers durch die Franzosen gelangte man dort zu der Erkenntnis , dass das früher so vorzügliche Berberpferd nicht nur immer seltener, sondern auch auffallend schlechter wurde. Die Eingeborenen, deren Wohlstand durch die langjährigen Kämpfe untergraben worden, besassen nicht mehr die Mittel, eine grössere Anzahl von Pferden zu unterhalten, hifolgedessen gaben die meisten das Züchten ganz auf, und was noch gezogen wurde, erreichte nicht mehr die Qualität der früheren Produkte. Sollte die neue Kolonie nicht l^eträchtliche Einbusse an ihrer mili- tärischen und wirtschaftlichen Bedeutung für das Mutterland erleiden, so musste man sich beeilen , weiteren Rückschritten der algierischen Pferdezucht in geeigneter Weise vorzubeugen. Zu diesem Zwecke wurde im Jahre 1852 ein Gestüts- und Remontierungsdienst unter militärischer Oberleitung organisiert. Gegenwärtig bestehen drei Remontedepots und zwei Staatsgestüte. Die Anzahl der vom Staate unterhaltenen Be- schäler beträgt über 600 Stück und werden jährlich ca. 24000 Stuten — 77 — von diesen Beschälern gedeckt, also nicht einmal die Hälfte des ge- samten algierischen Stutenstammes, der auf 70000 Stück geschätzt wird. Von den Staatsgestüten ist das eine in Tiaret, Provinz Oran, und das zweite in Allelik, Provinz Constantine, untergebracht. Ersteres ist das weitaus grösste von den beiden. In Allelik stehen nur einige wenige Stuten. Der Zuchtzweck der algierischen Gestütsbehörde ist, das Berber- pferd durch Reinzucht zu verbessern. Diese Aufgabe wird durch den Umstand, dass zuchttaugliche Exemplare der vortrefflichen alten Rasse kaum mehr vorhanden sind, bedeutend erschwert. Hie und da sollen jedoch noch einige an den Urtvpus erinnernde Tiere im Süden der Provinz, wie auch auf den Hochplateaus aufzutreiben sein und werden diese dann sofort von den Agenten der staatlichen Gestütsverwaltung mit Beschlag belegt. Ein weiterer Schritt zur Reorganisierung der in Verfall geratenen Pferdezucht war die im Jahre 1886 erfolgte Herausgabe eines algierischen Gestütsbuchs, wodurch es möglich wurde, taugliches Zuchtmaterial auf- zufinden , evident zu halten und zur Gründung vertrauenswürdiger Stämme heranzuziehen. Was die Quantität des vorhandenen Pferdematerials anbelangt, steht die Provinz Constantine in erster Reihe. Dann folgt das Departe- ment Oran und zuletzt kommt das Departement Alger. Die grössten und stärksten Pferde findet man in Oran, besonders im östlichen Teil dieser Provinz, wo sie auch weniger edel als im Westen sind. Leichtere, etwas hochbeinige Pferde bilden die Mehrzahl in den Provinzen Con- stantine und Alger. Die meisten Remonten werden im südlichen Oran angekauft. Von den in dieser Provinz ansässigen Beduinenstämmen stehen die Flittas in dem Ruf die besten Pferde zu ziehen, jedoch werden auch die Pferde der Mina-Ebene und des Cheliff-Tales wegen ihres Adels und ihrer Leistungsfähigkeit von Fachmännern vielfach gelobt. Mit Bezug auf die Leistungsfähigkeit des Berberpferdes sei hier sofort bemerkt, dass diese, nach den Ergebnissen zahlreicher öffentlicher Prüfungen zu urteilen, nicht gering sein kann. So lief z. B. im Jahre 1873 das 9jährige arabisch-berberische Pferd Qui Vive unter dem Gewicht von 68 Kilo 15000 Meter in 24 Minuten 43 Sekunden. 1886 gelang es einem von Herrn Leger in Oran gezogenen 14jährigen Berberpferde, vor einem schweren, vierrädrigen Wagen, in welchem zwei Personen Platz genommen, 109 Kilometer in 11 Stunden zurückzulegen. - 78 - Oberst Ben Daoud ritt auf einer ihm gebörio;en Berberstute in 9 Stunden von Sebdou nacb Tlemcen, Distanz i6o Kilometer. Leutnant Carrez des i. Chasseur d'Afriqueregiments hat, wie der hippologische Schriftsteller und Cheftierarzt Aureggio berichtet, auf seinem Chargenpferde 420 Kilometer in 3 ^j^ Tagen zurückgelegt. Solcher Beispiele könnte noch eine ganze Reihe angeführt werden. Dass das Berberpferd grosse Ausdauer in schnellen Gangarten besitzt, lässt sich somit nicht bezweifeln, hii Gegensatz zum Araber vermag es aber ausserdem eine recht befriedigende vSchnelligkeit im Trab zu entwickeln. So haben auf den Traberbahnen zu Algier und Blida echte Berberpferde folgende Zeiten erzielt: i. März 1892, Sultan im Geschirr 4500 Meter in 8 Min. 17 Sek., d. i. den Kilometer in i Min. 50 Sek.; Mabrouk den Kilometer in i Min. 48-/5 Sek.; Octave den Kilometer in I Min. 48 % Sek. usw. Leider wird die Zucht von den algierischen Beduinen in einer allen Fundamentallehren der Tierproduktion hohnsprechenden Weise betrieben. Dies macht sich ganz besonders bei der Paarung bemerk- bar. Auf die Wahl des Beschälers wird nicht das geringste Gewicht gelegt, vielmehr benützt der Beduine entweder den nächsten Hengst oder auch einen jener elenden Beschäler, die während der Deckzeit von einem Stamm zum anderen ziehen. Eine Eigentümlichkeit des algierischen Zuchtbetrieljes ist ferner, dass die Stuten gewöhnlich von mehreren Hengsten hintereinander belegt werden, ja es geschieht nicht selten, dass die Stute zuerst zu einem Beschäler der Gattung E q u u s und darauf zu einem Eselhengst geführt wird. Fügt man nun noch hierzu, dass, wie Mons. Beduet, einer der grössten Züchter der Kolonie, mit- teilt, die französische Regierung nur 575 — 725 Francs per Stück für in Algier gezogene Remonten bezahlt, so kann man sich nicht wundern, dass der Republik von fachmännischer Seite der Vorwurf gemacht wird, die grosse militärische Bedeutung einer wertvollen Pferdereserve in Algier nicht genügend gewürdigt zu haben. Zu Kreuzungen mit anderen Rassen eignet sich der Berber er- fahrungsgemäss nicht. Die anglo-berberische Zucht in Tiaret, von der man sich grosse Dinge versprach , erfreut sich gegenwärtig keines be- sonderen Ansehens mehr und die Kreuzungsexperimente, die in Algier mit französischen Kaltblütern vorgenommen worden sind, haben voll- ständig fehlgeschlagen. Dies war vorauszusehen, denn in einem Lande, wo sich das Pferd den grössten Teil des Jahres mit Strohhäcksel und - 79 — etwas Heu begnügen muss, wo das Thermometer zwischen 40 Grad über Null im Sommer und 10 Grad unter Null im \^'inter schwankt, wo gute Weide nur während zwei Monaten des Jahres vorhanden ist und wo nahezu überall ein empfindlicher Wassermangel herrscht, haben unsere europäischen Rassen nichts zu suchen. Der edle Wüstenaraber aber, mit dem sicher eine wesentliche Verbesserung der äusseren Form des Berbers zu erzielen sein würde, ist leider noch kleiner wie das algierische Pferd und deshalb ungeeignet, mit diesem stattliche, leicht verkäufliche Produkte zu erzeugen. Die französische Gestütsverwaltung dürfte daher wohl das Richtige getroffen haben, als sie sich entschloss, den Berber nur auf dem Wege der Reinzucht von den ihm noch anhaftenden Mängeln zu befreien. Ich glaube nun den Wünschen meiner Leser zuvorzukommen, wenn ich eine Unterbrechung in der Beschreibung der orientalischen und anderen überseeischen Pferderassen eintreten lasse und ihnen zuerst die sie näher interessierenden europäischen Rassen in Wort und Bild vor- führe. Das nächste Kapitel trägt daher die Überschrift: Europäische Rassen. 1. Das englische Vollblutpferd. Wenn man in der hippologischen Literatur Nachforschungen über die Entstehung der englischen Vollblutrasse anstellt, stösst man vielfach auf die Behauptung, dass diese orientalischen Ursprungs sei. Durch ein genaueres Studium der britischen Kulturgeschichte gelangt man indessen sehr bald zu der Überzeugung, dass das orientalische Blut nur einer der Faktoren gewesen, die entscheidenden Eintiuss auf die Entwicklung jener kostbaren Rasse ausgeübt haben. Was das Alter der britischen Pferdezucht betrifft, sei zunächst auf die geschichtliche Tatsache hingewiesen, dass Cäsar (102 v. Chr.) zu seiner Überraschung eine zahlreiche, gut berittene Reiterei in England vorfand. England muss somit früher als Arabien im Besitz eines zum Reitdienst tauglichen Pferdeschlags gewesen sein. Ob aber auch, wie englische Schriftsteller behaupten, schon unter dem römischen Eroberer, Kaiser Severus (208 v. Chr.), Pferderennen zu Wetherby in Yorkshire stattgefunden, wollen wir lieber dahingestellt sein lassen. Uns genügt das historische Faktum, dass edles Blut bereits im 10. Jahrhundert nach England gelangte. Als Hugo Capet, der Stamm\ater der zweiten — 8o — französischen Königsdynastie, sich um die Hand der Schwester des enghschen Königs Athelstan bewarb , schickte er diesem mehrere »running horses« (Rennpferde) als Geschenk. VermutHch wurden jedoch diese Tiere in England nur deshalb Rennpferde genannt, weil sie auf der landesül^lichen Jagd grössere Schnelligkeit als die ein- heimischen an den Tag legten. Der nächste Import fremden Blutes erfolgte unter Wilhelm II (1087 — iioo), >- der Eroberer genannt. Dieser König bevorzugte spanische Pferde. Sein Streitross war spanisch- orientalischer Abstammung, und wie das schon so geht, folgten die Grossen seines Reiches dem Beispiel ihres allerhöchsten Kriegsherrn, indem sie ebenfalls spanische Hengste benützten. Dass orientalisches Blut in den Adern dieser aus Spanien bezogenen Pferde floss, unter- liegt keinem Zweifel, denn bekanntlich hatte unter der langjährigen Herrschaft der Mauren eine durchgreifende Veredlung der spanischen Pferderasse durch Kreuzung mit arabischen Hengsten stattgefunden. Während der normannischen Periode kam auch der erste authentische arabische Hengrst nach Encrland und zwar wurde dieser zur Zeit Hein- richs I (iioo — 1135) auf Befehl König Alexanders I von Schottland aus dem sonnigen Morgenland nach dem Nebelreich entführt, wo er mit grossem Erfolg zur Zucht verwendet worden sein soll. Die durch diese Importe bewirkte Veredlung des einheimischen Reitpferdeschlags kam indessen zu einem plötzlichen Stillstand, als König Johann (1199 — 12 16) flandrische Hengste in grossen Mengen nach England bringen liess. John Osborne (Beacon) behauptet allerdings in seinem berühmten Werke »The Horse-Breeder's Handbook<, dass genannter König auch edle Pferde aus dem Auslande bezogen und mit diesen ein Gestüt in Eltham — demselben Orte, wo im vorigen Jahr- hundert Mr. William Blenkirons herrliche Hengste Hermit und Galopin das Licht der Welt erblickt — begründet habe, doch habe ich in der einschlägigen Fachliteratur vergeblich nach einer Bestätigung dieser Behauptung geforscht. Dagegen unterliegt es keinem Zweifel, dass unter Eduard III (1327 — 77) 50 lombardische Hengste eingeführt wurden. Alles in allem genommen, scheint die Zucht edler Pferde, trotz der vielen heterogenen Kreuzungen, damals einen ziemlich hohen Standpunkt er- reicht zu haben, denn als während der Regierung Heinrichs VI die un- heilvolle Fehde der Häuser Lancaster und York (rote und weisse Rose) auch die Grossgrundbesitzer und geistlichen Würdenträger nötigte ihre blühenden Gestüte aufzulösen, beeilten sich ausländische Fürstenhäuser, - 8t - den Bestand dieser Zuchtstätten an sich zu l)rino-en. So gelangte eine grosse Anzahl vorzüglicher englischer Pferde in den Besitz des Herzogs von Ferrara, der in Mantua ein in hohem Rufe stehendes Gestüt sein eigen nannte. Hier wurden diese Produkte der englischen Zucht sorg- fältig weiter gezogen, und als der blutige Bürgerkrieg ein Ende ge- nommen, gelang es Heinrich VIII (1509—47), die besten ihrer Nach- kommen durch einen gelungenen Enbloc-Ankauf für England zurück- zuerobern. König Heinrich tat überhaupt sehr viel für die einheimische Zucht. Ihm ist es unter anderem zu verdanken, dass das früher in Eltham bestandene Gestüt wieder errichtet und neue Zuchtstätten in Windsor und Hampton angelegt wurden. Im ül^rigen al)er war dieser Monarch ein sehr strenger und rücksichtsloser Herr. Er bestimmte, dass niemand Pferde halten dürfe, die nicht ein gewisses Mass erreichten. Das geringste Mass für Hengste war 15 hands {= 153 cm) und für Stuten 13 hands (= 133 cm); auch durften über zwei Jahre alte Hengste, die keine 14 hands (= 143 cm) hoch waren, nicht mit Stuten auf einer Weide gehen. Zu Michaeli mussten Vertreter der lokalen Behörden sämtliche Weiden ihres Bezirkes besuchen und nicht nur derartip-e Hengste, sondern auch alle zur Zucht ungeeigneten Stuten und Fohlen ohne weiteres vertilgen lassen. Den Edelleuten und Prälaten, sowie jedem, dessen Gattin »Samthüte trug« (!!), wurde befohlen, Hengste des Reitschlags in der Grösse von mindestens 153 cm zu halten. Fremde Fürstlichkeiten, die von der Pferdeliebhaberei König Hein- richs gehört hatten, sandten ihm vielfach kostbares Zuchtmaterial. So erhielt dieser vom Marquis von Mantua mehrere edle Stuten, mit welchen er das Gestüt zu Hampton Court begründete. Diese Stuten waren von einem Hengste begleitet, der, wie in einer alten Handschrift angegeben wird, berbischer Rasse gewesen und für den dem Marquis vergeblich das lebende Gewicht des Hengstes in Silber geboten worden sein soll. Der berühmte englische Kardinal Wolsey war ebenfalls ein enthu- siastischer Pferdeliebhaber und Züchter. Dieser Kirchenfürst scheint grosse Stücke auf orientalisches Blut gehalten zu haben, denn er machte in seinem Gestüte ausgedehnten Gebrauch von einem arabischen Hengste, den der König vom Herzog von Urbino zum Geschenk bekommen. Rennen wurden schon lange vor dieser Zeit alljährlich zu Ostern in verschiedenen Teilen des Landes abgehalten. Es waren dies aller- dings äusserst anspruchslose Veranstaltungen. Bestand doch der Sieges- preis nur in einer mit Blumen geschmückten hölzernen Kugel! Erst Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 6 — 82 — unter dem prachtliebenden Heinrich VIII entschloss man sich, die an die Kegelbahn erinnernde Kugel durch eine silberne Glocke im Werte von »3 shilHngs und sixpence« zu ersetzen. Es dauerte indessen noch recht lange, bevor diese Volksbelustigungen den Charakter ernster Prüfungen annahmen. Vor dem Regierungsantritt Jakobs I, des vSohnes der Maria Stuart (1603— 1625), wurde nirgends ein Versuch gemacht, dem Rennwesen einheitliche, zweckentsprechende Formen zu verleihen. Unter diesem König, der schon in Schottland eine besondere Vorliebe für edle und schnelle Pferde an den Tag gelegt hatte, begann man aber in den massgebenden Kreisen, dem Turf erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden und bald wurde Newmarket, wo der König wegen der auf der dortigen Heide stattfindenden Rennen sehr häufig längeren Auf- enthalt nahm, das Lieblingsziel der vornehmen britischen Gesellschaft. Über die Qualität des englischen Pferdes damaliger Zeit äussert sich james Rice in »The History of the British Turf« folgender- massen: »In demselben Masse, als die Zivilisation zunahm, verbesserte sich auch die Qualität der englischen Pferderasse, so dass wir unter der Regierung Jakobs I bereits einen Stamm einheimischer Pferde besassen, der, speziell was Kraft und Ausdauer betrifft, hohen Anforderungen entsprach. Mit diesen Tieren haben wir später den Grund zu der heutigen Vollblutrasse gelegt.' Ein noch beredteres und zuverlässigeres Zeugnis für die Güte des englischen Landpferdes vor der durchgreifenden Kreuzung mit Orientalen liefert uns der hippologische Schriftsteller Markham, der im Jahre 161 4 folgenden Ausspruch tat: »Wenn es strenge Arbeit und Ausdauer gilt, gibt es kein Pferd, das mit dem englischen verglichen werden könnte. Dieses hat nicht nur einen recht befriedigenden Körperbau, sondern ist auch stark, tapfer und ausdauernd.« Michael Barrat, dessen »Vine- yard of Horsemanship' im Jahre 16 18 erschien, ist ebenfalls der Ansicht, dass Ausdauer als eine typische Eigenschaft des englischen Pferdes bezeichnet werden könne. Man wird daher unbedingt Joseph Osborne beipflichten müssen, wenn er in der Einleitung zu seinem grossartigen Werke »TheHorse-Breeder's Handbook« mit Bestimmt- heit erklärt, dass England zur Zeit Jakobs I im Besitz einer ein- heimischen, von den Arabern deudich zu unterscheidenden Pferderasse war und dass diese erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts nach Ankunft der später zu so grosser Berühmtheit gelangten orientalischen Vaterpferde jene svmmetrischen arabischen Formen erhielt, die das Vollblut zur - 83 - Veredlungsquelle unserer europäischen Pferdezucht gemacht haben. Die flüchtigen Renner Jakobs I, die den Kampf mit den besten Arabern nicht zu scheuen brauchten, waren also ein rein britisches Produkt. König Jakob, der grosse Pferdefreund, hatte das Pech, für teueres Geld — 500 Pfd., wie behauptet worden, waren es aber nicht, sondern nur 150 — den unter dem Namen Markham Arabian bekannt ge- wordenen Araberhengst zu erstehen. Dadurch wurde er die unfrei- willige Ursache eines langwierigen Stillstandes in der Entwicklung der ihm so sehr am Herzen liegenden Edelzucht. Jener Hengst war nämlich in jeder Beziehung ein unwürdiger Vertreter seiner Rasse. Auf der Bahn Hess er sich von jedem gegen ihn startenden einheimischen Gaul schlagen und in der Zucht leistete er überhaupt gar nichts. Hierdurch erhielten die Gegner des orientalischen Blutes für eine lange Reihe von Jahren Wasser auf ihre Mühle. Der Rückschlag wurde um so heftiger, als die orien- talische Kreuzung bisher wieder auf die Körperform, noch auf die Aktion des Landschlages die erhoffte günstige Einwirkung ausgeül^t hatte. Glücklicherweise war der finstere Lord-Protektor Cromwell (1640 bis 1658), ein viel zu feiner Politiker, um nicht der Passion seines Volkes für Pferde und Sport gebührend Rechnung zu tragen. Er be- mühte sich daher, den Beweis zu erbringen, dass die Hebung der eng- lischen Zucht, trotz des Fiaskos einiger aus dem Orient importierter Vaterpferde, nur durch Kreuzung mit Wüstenblut zu erreichen sei. Als er nach der Hinrichtung König Carls I und nach Auflösung des sog. Langen Parlaments 1653 an die vSpitze der drei Reiche trat, erhielt da- her auch die Pferdezucht einen tatkräftigen Protektor. Dass es Crom- well Ernst war mit seinem Interesse für die britische Edelzucht, bewies er durch den Ankauf des berühmten Hengstes White T u r k und mehrerer wertvoller Stuten, die ihm sein späterer Stallmeister Mr. Place in Berücksichtigung der bekannten Sparsamkeit des grossen Mannes zu einem sehr billigen Preis überliess. Diese Opferfreudigkeit hat in- sofern ihren Lohn gefunden, als der Name des Herrn Stallmeisters mit demjenigen des Hengstes zur Nachwelt übergegangen ist. Letzterer wird nämlich immer nur Place's White Turk genannt. Sowohl dieser »Türke«, wie auch der während der Regierung des unglücklichen Carl I durch den Herzog von Buckingham ins Land gebrächte und später an einen Mr. Helmsley verkaufte Helmsley Turk, haben sich um die eng- lische Vollblutzucht sehr verdient gemacht. Place's White Turk erwarb hauptsächlich. durch seine weibliche Nachkommenschaft unvergänglichen - 84 - Ruhm, während Helmsley Turk als Vater von Bnstler und der vorzügr- Hchen Mutterstute Vixen einen hervorragenden Platz in den Annalen der englischen Vollblutzucht einnimmt. Alles was bis dahin für die Hebung der Edelzucht im britischen Reiche geleistet worden, sollte jedoch durch die unter Carl II (1660 bis 1685) zu demselben Zweck ergriffenen Massregeln weit übertroffen w^erden. Dieser König rief nämlich nicht nur die von Carl I gestifteten Rennen zu Newmarket wieder ins Leben, sondern schickte auch seinen Stallmeister Sir John Fenwick mit dem Auftrag ins Ausland, daselbst wertvolle Hengste und Stuten für die königlichen Gestüte anzukaufen. Leider fehlt jede zuverlässige Angabe ül^er die Orte, wo dieser Ankauf bew^erkstelligt wurde, wie auch über die Anzahl und Herkunft der von Fenwick heimgebrachten sog. Royal Mares. Es w4rd jedoch allgemein als feststehend angesehen, dass diese orientalischer Abstammung ge- wesen. In Charles Richardsons interessantem Werke »The English Turf« wird folgendes über jene Stuten mitgeteilt: »Näheres über die Herkunft dieser Royal Mares ist nicht zu er- forschen gewesen. Dass mehrere derselben während der Regierung Carls 11 und auf seinen Befehl durch den königlichen Stallmeister Sir john Fenwick nach England gebracht worden sind, ist eine allbekannte Tatsache. Welcher Gattung diese Stuten gewesen und w^as von ihnen gezogen worden, habe ich jedoch nicht herausbringen können. Ein Stud Book gab es damals nicht und es ist sehr wohl möglich, dass nicht nur alle Stuten im Gestüt des Königs, sondern auch deren weib- liche Produkte »Royal Mares« genannt wurden. Wo ein orientalischer Hengst oder der Sohn eines solchen benützt w^orden, geben die alten Pedio-rees allerdings klaren Aufschluss, aber was die Stuten anbelangt, muss man vieles auf gut Glauben hinnehmen. Wer z. B. den Stamm- baum des Eclipse in allen Verzweigungen verfolgt, wird bald zu der Erkenntnis gelangen, dass es absolut unmöglich ist, mit einiger Sicher- heit über die sechste oder siebente Generation hinaus zu gelangen und mindestens ein dutzendmal wdrd er den Weg durch die Worte »Royal Mare« gesperrt finden. Was man als erwiesen ])etrachten kann ist, dass der König bald nach Ankunft dieser Stuten über die beste Rennzucht in o-anz England verfügte und dass, als nach seinem Tode das Gestüt aufgelöst wairde, die vornehmsten Züchter des Landes w^etteiferten , in den Besitz der noch vorhandenen »Royal Mares« zu gelangen.« Ausser diesen königlichen Stuten brachte Sir Fenwick von seiner - 85 - Ankuufsmission auch drei orientalische Hengste mit nach England. Einer derselben hat unter dem Namen The Fenwick Barb gute Zuchterfolge aufzuweisen. Unter der Regierung Wilhelms III (1689 — 1702) erfolgten weitere Importe orientalischer Zuchtpferde. Das berühmteste von diesen war ein türkischer Hengst, den Captain Byerly während der Belagerung von Wien erbeutet und später in Irland als Chargenpferd benützt haben soll. The Byerly Turk, so hiess dieser Hengst, wurde durch seinen Sohn Jigg Begründer der berühmten Herodfamilie und als solcher einer der Stammväter der englischen Vollblutrasse. Ferner verdienen noch genannt zu werden: The Selabv Turk, The Harpur Arabian, The Akaster Turk und The Honeywood Arabian. In der Zeit, als die Königin Anna auf Englands Thron sass (1702 bis 17 14), kam der sog. »Darley Arabian« nach England. Dieser Hengst kann in noch weit höherem Grade als Byerly Turk Anspruch auf Stammvater-Ehren machen, denn seine Nachkommenschaft beherrscht beinahe den ganzen Vollblutstamm. Darley Arabian wurde von dem britischen Konsul in Aleppo, Mr. Darley, für billiges Geld erworben und sodann als Geschenk an dessen in Yorkshire ansässigen Bruder, Mr. Darley of Buttercamb, nach England geschickt. Dort wurde der Hengst sehr bald unter dem Namen Darley Arabian allgemein bekannt und ge- schätzt. Mr. Darley hatte zu jener Zeit ein kleines, unbedeutendes Ge- stüt, in welchem sich nur eine erstklassige Stute, und zwar eine Tochter von Hautbov, befand. Zu dem neuen Hengst geführt, wurde diese Stute die Mutter von Aleppo und 17 13 auch von Almanzor, welche Produkte, obwohl in keiner Beziehung hervorragend, Mr. Childers so imponierten, dass er seine Lieblingsstute, Betty Leedes, zu The Darley Arabian schickte. Das Ergebnis dieser Paarung wurde 1715 The Flying Childers, der als das schnellste Pferd bezeichnet wird, das je eine englische Rennbahn betreten hat. Wiederum von The Darley Arabian gedeckt, gebar Betty Leedes im folgenden Jahr Bartlet's Childers, der nie in Training genommen wurde, sich aber trotzdem einen ehrenvollen Platz unter den Zuchthengsten der älteren Zeit ge- sichert hat. Ungefähr gleichzeitig mit The Darley Arabian wurde noch ein anderer Orientale für englische Rechnung erworben. Dieser Hengst, der nach seinem Besitzer, Mr. Leedes, den Namen The Leedes Arabian erhielt, hat ebenfalls viel dazu beigetragen, dass die besten Eigenschaften der aral^ischen Rasse in der englischen Zuc^ht fixiert werden konnten. Einige Jahre später, angeblich 1728, kam der dritte Stammvater der englischen Vollblutrasse, The Godolphin Arabian, nach Eng- land. Wenn man mündlichen Überlieferungen Glauben schenken darf, soll der Hengst mit einigen anderen Pferden als Geschenk des Be3'S von Tunis an König Ludwig XV von Tanger nach Frankreich ge- kommen sein. Als die Pferde in Paris anlangten, waren sie von den Strapazen der langen Reise derartig mitgenommen, dass sie nur Hohn und Entsetzen im Kreise der französischen Höflinge wachriefen. Man erklärte einstimmig, dass solche Jammergestalten unmöglich Aufnahme in den königlichen Stallungen linden könnten und Sham — so hiess der Hengst ursprünglich — wurde trotz des Stammbaumes, den er in einem schön gestickten Beutel um den Hals trug, als vollkommen un- brauchbar an einen Fuhrmann verkauft. Dieser wusste zuerst nicht, was er mit dem Gaul anfangen sollte, denn Sham legte in der neuen Umgebung ein höchst unliebenswürdiges Temperament an den Tag. Seiner Reiter entledigte er sich regelmässig im sog. »abgekürzten Ver- fahren«, im Geschirr schlug er alles kurz und klein und im Umgang mit seinen Wärtern erwies er sich als ein wahrer Sohn der Wildnis. Schliesslich brachte es der Fuhrmann durch energische Anwendung der Hunger- und Prügelkur doch so weit, dass der Hengst mit einiger Vorsicht als Zugpferd vor einem Lastkarren verwendet werden konnte. Zum Glück erweckte er eines Tages, als er auf der spiegelglatten Strasse vor dem schweren Karren hingestürzt war, das Mitleid eines vorüber- gehenden englischen Quäkers namens Cooke, der, nachdem er seiner Entrüstung über die rohe Behandlung eines so edlen Tieres beredten Ausdruck verliehen, dem Fuhrmann stehenden Fusses 15 Louisdor für das beklagenswerte Tier bot. Der Kauf kam allsogleich zustande und bald darauf wairde Sham nach England gebracht. Hier fand er zuerst ein Unterkommen bei dem Londoner Kaffeesieder Roger Williams, ging aber schon wenige Monate später in den Besitz des Earl of Godolphin über. Dieser edle Lord scheint indessen ebenfalls keine rechte Vor- stellung von dem Werte des vielgeprüften Hengstes gehabt zu haben, denn Sham, oder wie wir ihn nun nennen wollen, The Godolphin Arabian wurde von 1730 — 31 ausschliesslich als Probierer für den Be- schäler Hobgoblin benützt. Dass er nicht als solcher »verdorben und gestorben«, ist einem reinen Zufall zu verdanken. Hobgoblin war eines schönen Morgens nicht zu bewegen die Stute Roxana zu decken. Da musste dann Godolphin für ihn einspringen. Aus dieser programm- :q — 88 — widrigen Paarung ging Lath hervor, der eines der berühmtesten Renn- pferde seiner Zeit war, das einzige sogar, das den Kampf mit dem als unbezwingbar geltenden Flying Childers aufzunehmen wagte. Damit war der Ruf des ehemaligen Probierhengstes besiegelt. Es wurden ihm nun von allen Seiten Stuten bester Klasse zup;eführt und der Erfolof bewies, dass er die ihm etwas spät zuteil gewordene Anerkennung wohl verdiente. Hier sei nur erwähnt, dass er durch seinen Sohn Ca de Grossvater von Match em (1748) und durch Regulus Urgrossvater von Eclipse (1764) geworden. Godolphin starb 1753, 29 Jahre alt, auf dem nahe bei Cambridge gelegenen Gute Gogmagog. Über seinem Grabe ist eine Marmortafel angebracht, die in goldenen Buchstaben die In- schrift »The Godolphin Arabian< trägt. Nach dem Porträt zu urteilen, das der bekannte englische Pferde- maler George Stubbs von Godolphin gemalt (Fig. 18), dürfte dieser kein Wüstenaraber, sondern ein Berber gewesen sein. Schön nach den land- läufigen Begrifi;en war er sicher auch nicht. Sein unedler Kopf, seine Schweinsohren, der riesige Speckhals und die runde Kruppe verhinderten ihn jedoch nicht Stammvater einer der edelsten Pferdefamilien Englands zu werden. In welchem Umfange orientalisches Blut von der Regierungszeit Jakobs I bis zur Thronbesteigung Georgs I (1714) nach England ein- geführt worden, lässt sich daraus entnehmen, dass die Importliste 90 Araber, 46 Berber, 32 Türken und 4 Perser umfasst. Von diesen kommen nicht weniger als 9 Araber, 8 Berber und 6 Türken auf die Zeit der Königin Anna. Es wäre indessen durchaus verfehlt, aus diesen imponierenden Zahlen den Schluss ziehen zu wollen, dass die englische Vollblutrasse, was sie geworden, ausschliesslich den Orientalen zu verdanken habe. Ist es doch eine über jeden Zweifel erhabene Tatsache, dass das eng- lische Jagd- und Rennpferd des 17. Jahrhunderts auf der Bahn eher grössere als geringere Schnelligkeit und Ausdauer als die besten im- portierten Orientalen entwickelte. Die durch das orientalische Blut be- wirkte Veredlung hat somit, auf einer vortrefflichen Grundlage statt- gefunden, eine Grundlage, die reines Produkt der englischen Scholle gewesen. Ausserdem bleibt wohl zu beachten, dass von den vielen importierten Orientalen nur eine verhältnismässig geringe Anzahl nam- haften oder überhaupt irgendwelchen Zuchtwert in ihrer neuen Heimat an den Tag gelegt. Die Liste derjenigen arabischen, berberischen oder - 89 - türkischen Hengste, die dauernden Einfluss auf die Entwicklung der englischen Vollblutrasse genommen, ist mit der Nennung von The Byerly Turk, The Darley Arabian, The Godolphin Barb oder Arabian, Place's White Turk, The Helmsley Turk, The Sela])y Turk, The Akaster Turk, The d'Arcy Yellow Turk, The Lister Turk, Huttons Bay Barb, The Toulouse Barb, The Fenwick Barb, The Coombe Arabian und Honeywood's Arabian nahezu erschöpft. Sagen wir, um ja nicht die Verdienste der Orientalen zu knapp zu bemessen: 15 — 20 Namen verteilt auf den Zeitraum von 100 Jahren! Selbstverständlich dürfen auch die stattgefundenen Stuten- importe nicht unberücksichtigt bleiben. Es fragt sich nur, wie viele von diesen »Royal Marcs« und anderen nach England eingeführten Zuchtstuten wirklich echte Orientalen und nicht Produkte verschieden- artiger europäischer Edelzuchten gewesen. Der besseren Übersicht wegen wird das englische Vollblut ge- wöhnlich in drei grosse Familien eingeteilt, als deren Stammväter fol- gende drei Hengste anzusehen sind: 1. The Darley Arabian. 2. The Byerly Turk. 3. The Godolphin Arabian. Die erste dieser Familien, also der Darley Arabian-Stamm, ist in der Jetztzeit hauptsächlich durch folgende Zuchthengste vertreten: The Abbot, Adventurer, Albert Victor, Althotas, Altyre, Amphion, Ard Patrik, Artillery, Avontes, Ayrshire, Barefoot, The Baron, Bay Ronald, Beau Brummel, Beauclerc, Beaudesert, Ben BatÜe, Bendigo, Bend Or, Bertram, Bill of Portland, Birdcatcher, Blair Athol, BlinkhooUe, Bonavista, Breadalbane, Breadknife, Caml^allo, Cambuscan, Carbine, Cathedral, Chanticleer, Chelandry, Childeric, Coeru- leus, Common, Craig Miliar, Cyllene, Dalesman, Daniel O'Rourke, Diamond Jubilee, Distin, Doncaster, Donovan, Earwig, Edward the Confessor, Enthusiast, Ercildoime, Esterling, Exminster, Faugh-a-Ballagh, Fernandez, Fitz Roland, Fitz Simon, Flageolet, Florentine, Florizel, Flying Fox, Forager, Friar's Balsam, Friar Rush, GalHard, Galli- nule, Galopin, Galtee More, Gemma di Vergy, George Frederick, Gold, Grey Leg, Grey Palmer, Hackler, Hagioscope, Hampton, Hermit, Highland Chief, Isinglass, Iso- nomy, Janissary, Jeddah, Jolly Friar, Julius, Julius Cäsar, Kendal, Kettledrum, King- craft, King Tom, Knight of Malta, Knowsley, Ladas, The Lambkin, Laureate, Lea- mington, Lord Clifden, Lord of the Isles, Lord Lyon, Love Wisely, Lowlander, Marcion, Marden, j\Iars, Marsyas, Martagon, Martyrdom, Master Kildare, Matchmaker, Melanion, Melton, Merry Hampton, Minting, Mountain Deer, Muncaster, Musket, New- minster, Onslow, Orlando, Orme, Orvieto, Oxford, The Palmer, Paradox, Pellegrino, Peppermint, Peregrine, Persimmon, Peter, Petrarch, Petronel, Plutus, Pretender, Pride, Prism, Privateer, Oueen's Messenger, The Ranger, Rataplan, Ravensbury, Retreat, — 90 — Reverberation, Rightaway, Robert the Devil, Rosebery, Rosicrucian, Royal Hampton, The Saddler, Sainfoin, Santoi, Satiety, Saunterer, Scottish Chief, Sefton, Sheen, Silvester, Silvio, Simonian, Sir Hugo, Skylark, Speculum, Springfield, St. Albans, St. Angelo, St. Frvisquin, St. Gatien, St. Maclou, St. Serf, St. Simon, St. Simonmimi, Sterling, Stockwell, Strathconan, Surefoot, Teddington, Tertius, Thunder, Thunder- l^olt, Thurio, Timothy, Touchstone, Toxophilite, Trappist, Trenton, Tristan, Trum- peter, Uhlan, Uncas, Vanguard, Vedette, Velasquez, Vespasian, Victorious, Victor Wild, Voltigeur, Volod3'ovski, Warlock, Weatherbit, Wenlock, William the Third, Winslow, Wisdom, Womersley, Worcester, Xenophon. Den Byerly Turk- Stamm vertreten: Balfe, Berserker, Brownbread, Bruce, Buccaneer, Cadet, Carnival, Charibert, Compiegne, Confessor, Couronne de Fer, Crafton, Cremorne, The Cure, Cylinder, Despair, Discord, Dollar, Dundee, Elzevir, Favo, Favonius, Fitz Gladiator, Flibustier, Flying Dutchman, Hobbie Noble, Gladia- teur, King of Trumps, Kisber, Lambton, Lecturer, Macaroni, Macgregor, Macheath, Mac Mahon, Mask, Monarque, Mortemer, Ocean Wave, Ollerton, Ossian, Parmesan, Paul Jones, Pepper and Salt, The Rake, Saccharometer, Salvator, See Saw, Sir Bevys, Sweetmeat, Thormanby, Vanderdecken, Wild Dayrell, Windhound. Godolphin Araliians Nachkommen unter den Vollblutvätern unserer Zeit sind: Arbitrator, Arthur W^ellesley, Barcaldine, The Deemster, General Peel, Gilderoy, Joskin, Kilwarlin, Knight of the Carter, Knight of Kars, Marco, Melbourne, Mentmore, Morian, New Holland, Pell Meli, Philammon, Plebeian, Prime Minister, Rapid Rhone, The Rush, Sir Victor, Sir Visto, Solon, Syrian, West Australian, Winkfield, Wizard, Wolfs Crag, Young Mell30urne. Obwohl in dieser Zusammenstellung nur die besten Vertreter der einzelnen Familien angeführt sind, lässt sich aus derselben doch ersehen, dass The Godolphin Arabian am schwächsten vertreten ist, wohingegen The Darley Arabian, wie bereits erwähnt, nahezu den ganzen Vollblut- stamm mit seiner Nachkommenschaft beherrscht. Ausserdem lässt sich nicht bestreiten, dass die beiden anderen Familien ihre Erfolge zum grössten Teil der Kreuzung mit den Darley Arabians zu verdanken haben. Solche Kreuzungen haben indessen im Laufe der Zeit in so grossem Umfange stattgefunden , dass es gegenwärtig sehr schwer hält, diese drei Hauptzweige der englischen Vollblutrasse auseinander zu halten. Der Darley Arabian-Stamm verzweigt sich in fünf Linien : nämlich die Birdcatcher-, Touchstone-, Blacklock-, Tramp- und Harkaway-Linie. Sämtliche diese Linien leiten, wie wir sogleich sehen werden, ihre Her- kunft direkt auf Eclipse (Fig. 19) zurück. Es wird somit notwendig sein, zunächst einen Einl)lick in den vStammbaum, die Leistungen und Schicksale dieses merkwürdigen Hengstes zu gewinnen. Was das Pedigree betrifft, verweise ich auf Seite 92, wo dieses vollständig wiedergegeben ist. • 92 — Eclipse (1764) Spiletta 1749 Mother Western Kegulns 1739 Marske 1750 The Ruby mare Sqiiirt 1732 cy S ö >-3 r I S ^ 2 £• i^ t-"- 03 ? M 2 o iir >s- p CD ti ?Lg- CD g CD CD 03 5 m S ^CD 5s 5 > t? CD^pr Cd"e£^^ gw >^ 2 W -^ -*^ i a ö Wöi ■^ P ^f^;; ^g 0 ■"■«5 Pj g=«- ^►-^ SJÖOM 0 t=) a>s^ ^ o- > pr g ^ S=»"3 ■-s oa CD -51o 0 >< &-^ 1^ 0 CD P3 ?= :^ t-3CD CD 1^ Fi pr i-3tö fdtd 2^ O CD ^ C £3 o ir: "^ 1-5 o Ca 3 93 bdj c^td cr"^ CD C CD X bd;j>§ CD Ti g ■^ g td (T^ CD ^ 3" 1^ — 93 — Die Lebensgeschichte des Eclipse hat einen recht romantischen Anstric-h. hn Jahre 1750 tauschte der Herzog von Cuml^erland von Mr. John Hutton ein braunes, nach Squirt gezogenes, Hengstfohlen gegen einen Araberfuchs ein. Dieses Fohlen erhielt den Namen Marske. Marske debütierte anfangs mit einigem Erfolg auf der Rennbahn, lief aber später so schlecht, dass der Herzog die Sache satt bekam und den Hengst 1756 ins Gestüt übersiedeln Hess. Hier wurde er sieben Jahre hindurch zur Zucht benützt, ohne ein einziges brauchbares Pro- dukt zu liefern. Im Jahre 1764 aber erl)lickte der von ihm mit Spiletta erzeugte Wunderhengst Eclipse das Licht der Welt. Ein Jahr später schied der Herzog von Cuml^erland aus dem Lel;)en, worauf das Gestüt unter den Hammer kam. Der als vollkommen unbrauchbar angesehene Marske wurde bei dieser Gelegenheit um ein sog. »Butterbrot« von einem Dorsetshirer Pächter erstanden. Eclipse aber ging zu dem Preise von 80 Guineen in den Besitz eines Mr. Wildman über. Dieser Herr scheint ein scharfes Auge für den Wert junger Vollbutpferde gehabt zu haben. Als das Cumberlandsche Gestüt bei Tattersalls zur Auktion gelangte, begann die Versteigerung aus Versehen einige Minuten vor der bekanntgegebenen Stunde. Dies hatte zur Folge, dass Mr. Wildman, der eigens nach London gekommen war, um den Jährlingshengst der Spiletta zu kaufen, das Auktionslokal in dem Moment betrat, als Eclipse einem Herrn aus dem Publikum für das Gebot von 70 Guineen zuge- schlagen wurde. Dieser Unglücksmensch sollte sich aber nicht lange seines Kaufes freuen, denn Mr. Wildman legte sofort unter Hinweis auf die zu früh eröffnete Versteigerung Protest gegen den Verkauf von Eclipse ein, und forderte, dass der Jährling noch einmal zur Auktion gestellt werden solle. Wohl oder übel musste Mr. Tattersall diesem Ansinnen entsprechen, Eclipse wurde aufs neue vorgeführt und brachte es nun auf 80 Guineen, die der energische Mr. Wildman für ihn bot. Viel Freude erlebte jener aber zu Anfang auch nicht an dem Hengst. Dieser hatte nämlich von seinem Urgrossvater mütterlicherseits — Godolphin Arabian — ein so unbändiges Temperament geerbt, dass Mr. Wildman eine Zeitlang ernstlich mit dem Plane umging, ihn kastrieren zu lassen. Zum Glück erbot sich im rechten Augenblick ein berüch- tigter »Pferdebrecher« dem unartigen »Youngster« in kürzester Zeit die Mucken auszutreiben, und so wurde es denn beschlossen, Eclipse bei dem in Epsom ansässigen Lehrmeister in Pension zu geben. Dort er- fuhr der übermütiofe Gesell, was harte Arbeit sairen will. Von Ruhe — 94 — war für ihn weder bei Tag noch bei Nacht viel die Rede. Hatte der Herr Dresseur doch die Gewohnheit, jede Woche einige Male zu nachtschlafender Zeit, seinem Nebengewerbe als Wilddieb auf Eclipses Rücken nachzugehen. Vollkommen zahm gemacht wurde der tapfere Hengst allerdings selbst durch diese eigentümliche Dressurmethode nicht, aber man konnte es jetzt doch wagen ihn in Training zu nehmen. Er war und verblieb indessen bis an sein Lebensende das eigen- willigste Pferd, das je einen Sattel getragen. Durch unangenehme Er- fahrungen gewitzigt, versuchte John Oakley, der Jockey der ihn in den meisten Rennen geritten, nie ihn zu halten, sobald er einmal im Schwung war. Eclipse machte sich immer sein Rennen selbst, und w^enn es ihm gerade einfiel, ging er ohne weiteres durch. Das schadete aber weiter nichts, denn den Siegespfosten passierte er stets als Erster. Sein erstes Rennen lief Eclipse am 3. Mai 1769. Das Resultat dieses Debüts war, dass er das ganze Feld distanzierte. Nun begab sich Mr. Wildman eiligst auf die Suche nach dem früher so verachteten Marske, den er auch bald in Dorsetshire auffand und für 20 Pfd. St. von dem nichts ahnenden Pächter an sich brachte. Selbstverständlich wurde das Deckgeld für den Erzeuger von Eclipse allsogleich ent- sprechend erhöht. Es stieg im Jahre 1770 von 3 Guineen auf 10, so- dann auf 30 und schliesslich auf 100 Guineen. Ungefähr um dieselbe Zeit verkaufte Mr. Wildman den alten Hengst um 1000 Guineen an den Earl of Abingdon. Marske erzeugte bis zu seinem im Juli 1779 erfolgten Tode noch eine grosse Anzahl guter Pferde, aber keines, das auch nur annähernd den Vergleich mit Eclipse hätte aushalten können. Die Renn-Karriere seines Sohnes Eclipse hier in allen ihren Phasen zu verfolgen, würde uns zu weit führen. Es dürfte genügen zu er- wähnen, dass der Hengst, obwohl er während der zwei Jahre die er im Training war, in 11 sog. King's Plates und 7 anderen Rennen auf- trat, keine einzige Niederlage erlitten hat. Dabei trug er in 10 dieser King's Plates das erdrückende Gewicht von 12 stone (= 76 Y4 kg). Seine Uljerlegenheit war so gross, dass von allen seinen Gegnern nur einer, und zwar der Hengst Bucephalus, (ein Sohn des Regulus, des Gross- vaters von Eclipse), es in einem Rennen zuwege gebracht, dass Eclipse sich ernstlich strecken musste. Diese Leistung nahm aber so viel aus dem armen Bucephalus heraus, dass er seine Form gänzlich verlor und nicht mehr imstande war, irgend ein Rennen zu gewinnen. Unter solchen Umständen wird man es begreiflich finden, dass Oberst Daniel — 95 — O'Kelly, der schon im Jahre 1769 von Mr. Wildman eine Hälfte des Besitzrechtes an EcHi)se für den geradezu unglaublich billigen Preis von 650 Guineen erworben hatte, und im folgenden Jahre auch die andere Hälfte für 11 50 Pfd. St. an sich gebracht, eines schönen Tages die denkwürdige Wette proponieren konnte, dass er in einem beliebigen Rennen die ganze beim Start erscheinende Gesellschaft im voraus plazieren wolle, und zwar so, dass das Resultat folgendes sein würde : »Eclipse first and the rest nowhere« (Eclipse Erster und die übrigen nirgends). Der Oberst gewann seine Wette mit grösster Leichtig- keit, denn der wunderijare Hengst ging dem ganzen Feld im gewöhn- lichsten Kanter auf und davon. Nachdem er der Rennbahn Valet gesagt, wurde Eclipse auf dem 1)ei Epsom gelegenen Gute Clav Hill aufgestellt. Seine Decktaxe betrug anfangs 50 Guineen, ging aber später auf 25 — 30 Guineen herunter. Vier Jahre später, am 26. Februar 1789 erlag der Hengst einem heftigen Kolikanfall. Der junge französische Tierarzt Sainbel, der ihn obduzierte, stellte fest, dass das Herz von Eclipse 7 kg wog, also ein ganz ab- normes Gewicht hatte, denn im Durchschnitt wiegt das Herz eines Voll- ])lutpferdes nicht mehr als 3 kg. Hieraus, wie vielfach geschehen, den Schluss ziehen zu wollen, dass die Erklärung der aussergewöhnlichen Energie und Leistungsfähigkeit des merkwürdigsten Hengstes in seinem übergrossen Herzen zu suchen sei, wäre selbstverständlich im höchsten Grade unwissenschaftlich und töricht. Es liegt im Gegenteil auf der Hand, dass Eclipse nicht nur keinen Vorteil von der Grösse seines Herzens gehabt, sondern gewiss häufig genug im Rennlaufe durch die Hypertrophie, die jenes unnatürliche Volumen hervorgerufen, stark be- hindert worden ist. In dem 1809 herausgegebenen Werke »The Historv and Delineation of the Horse« wird der Hengst vom Verfasser, John Lawrence, folgendermassen beschrieben: »Als ich Eclipse zum ersten Male sah, schien er bei bester Gesundheit und von robuster Konstitution zu sein. Was mir besonders an ihm auffiel, war seine nach gewöhn- lichen Begriffen sehr schwere Schulter, die aber eine grosse Länge hatte und gut gelagert war. Der Hengst musste unbedingt als stark überbaut bezeichnet werden. Kein Pferd konnte aber die Hinterbeine im Galopp besser unter den Rumpf setzen wie er. Die Elastizität seines Galopp- sprunges war eben so bemerkenswert wie die Länge desselben, was er der glücklichen Harmonie im ganzen Exterieur und seiner ungewöhn- - 96 - liehen Stärke zu verdanken hatte. Im Gegensatz zu Flving Childers, der ein kurzes kompaktes Pferd war, stand Echpse über viel Boden, Nach der äusseren Körperform dieser beiden Hengste, würde man Flying Childers für das bessere Pferd im Rennen von i engl. Meile (= 1609 Meter), Eclipse dagegen für den grösseren Steher gehalten haben. Eclipse war ein ausserordentliches, aber hartschnaufiges Pferd, so dass man ihn schon auf beträchtliche Entfernung hören konnte, wenn er in schneller Gangart bewegt wurde. Als Deckhengst mit mehr Fett auf den Rippen, machte er auch einen etwas ordinären Eindruck ; dem Auge des Kenners verblieben jedoch die charakteristischen Kennzeichen des edel gezogenen Rennpferdes an ihm stets deutlich erkennbar.« EcHpse verdiente 25000 Pfd. St. (^ ca. 500 oco Mark) an Deck- geldern, welchem riesigen Betrag noch die auf der Rennbahn ge- wonnenen Preise hinzuzurechnen sind. Oberst O'Kelly machte also kein schlechtes Geschäft, als er sich für 1800 Pfd. St. in den alleinigen Besitz dieses in seiner Art phänomenalen Hengstes setzte. Von welcher Bedeutung Eclipse für die englische Vollblutzucht gewesen, geht aus der Tatsache hervor, dass er der Stammvater der Birdcatcher-, Touchstone-, Blacklock-, Tramp- und Harkaway-Linien ge- worden. Dies lässt sich aus nachstehenden Tabellen (siehe S. 97 — 100) ersehen, die zugleich einen lehrreichen Überblick über die Abstammung der meisten bekannteren Vollblutfamilien unserer Zeit gewähren. Wir werden nun nicht umhin können , etwas näher auf die Ent- wicklung und den gegenwärtigen Zuchtwert dieser verschiedenen Blut- linien einzustehen. Eclipses beste Söhne, vom rein züchterischen Standpunkt aus be- urteilt, waren Pot-8-os und King Fergus. Ersterer erzeugte Waxy, dessen Sohn, Whalebone, Vater von Sir Hercules und Grossvater von Birdcatcher, dem grossen Ahnherrn der Stockwell-Familie, wurde. King Fergus aber hinterliess die berühmten Söhne Beningbrough, Orville und Hambletonian, welch letzterer durch seinen Sohn Whitelock Begründer der ruhmreichen Blacklock-Linie geworden. Seine gegenwärtige dominierende Stellung verdankt der Bird- catcher- bezw. Sir Hercules-Zweig des Eclipse-Stammes hauptsächlich den Zuchterfolgen von Oxford und Stockwell. Auf der Bahn eine vollständige Null, hat Oxford im Gestüt der englischen Vollblutzucht unschätzbare Dienste geleistet. Wir brauchen mit Bezug hierauf nur auf die Nachkommen seines Sohnes Sterlings hinzuweisen, unter welchen tL, 97 — -3 T- OJ 03 I i J5 X OJ c ^ i^ K >. 2 J C c/) P c 5 (u .4_1 O j> C/j .2 Ä 'U Ö ;-( W ?^ o O O 5: .b •- ^ £ t> C/2 ffl H C/2 c 5 ;_ )_ __^ 2 ffl O O [In fa Wränge], Die Kassen des Pferdes. I. Ü _m c 0 r' X) rö 0 0 u A 0 '-C OJ ? I S ° I •§ ;? ^ « o; c ^ o . . O ,ii ^^ t^ m 7; Ä O ^H ►> ^ .b -b j= c« ;j= ■►r >- I C OJ CQ 0 C a; br > r3 u u 0 CS <5 98 — o a> Q ö <^ K W ^ K ffi ^ X X C2h 00 ^ p rt > r^ K P P" w ph > ^ u H :z; C/3 X X H H G CD r- Oh c a K ^ K C/2 G O C/3 CL, nj s 03 H-I tu ■2 -^ Q ffi ^ ö 99 — c '3 u o u CO O u m o o Ul pH o > o ?^ .^i X3 i/J o; C/2 K 73 . in 'iri < 73 73 73 ^ C ^ a; s ri TS 73 • h lS .4_> ;-! ^ 73 CLh N j^ Tl 73 S 111 72 Q c/2 o ^1 Tl *^ Hfl j_) d .gn bei ^ ;^ ;=; 13 -^ ^ o o OJ =^ ffl > > ;> O u u 73 K < 5 _30 U 2. ffi o. te (U ^ ^ JH S (U 'TS o 3 S rt o cä u H -TS < ^ tu 5 o> ,_( ') ITl -t-> ^ tu ^ .o I— i 5 o 1— ) Q ü 73 CQ ^ ^ OD tu rt 'OJ o PQ oS ■V 11 "T^ c c" 'o X r/1 pq )-. b/j ^ 73 ffi ^ o>- — lOO — 5. Die Harkaway-Linie. Eclipse Pot-8-os Waxy Whisker Economist Harka\vav King Tom Kingcraft. Ausser des durch Eclipse und dessen Söhne vertretenen Darley-Arabian-Stammes gibt es , wie bereits erwähnt , noch zwei andere von orientalischen Hengsten ab- stammende Linien, die ebenfalls, wenn auch weniger oft wie die Nachkommen des Darier Arabian, in den Pedigrees des modernen Vollbluts vorkommen, nämlich die Bverlv Turk- und die Godolphin-Barb-Linien. Herod Highflyer Sir Peter Walton Partisan -Sweetmeat Macaroni Mac Greofor Die Byerly-Turk-Linie. Byerly-Turk Jigg Partner Tartar Herod Highflver Sir Peter Sir Paul Paulowitz Cain Jon — ^"Wild Dayrell Buccaneer — Kisber Crafton Sir Bevvs Morglav The Rake Pepper and Salt Grevlea: Herod Woodpecker Buzzard Castrel Pantaloon Windhound Thormanliv Charibert Herod Woodpecker Buzzard Selim Sultan Bay Middleton Flving Dutchman Upas Elf II See Saw See Saw Despair Ocean Wave Die Godolphin Arabian- oder Barb-Linie. Barcaldine The Rush Barcaldine Marco Barcaldine Sir Visto Barcaldine Wolfs Crag Barcaldine Morion Marco Godolphin Arabian Cade Matchem Conductor Trumpator Sorcerer Comus Humphrey Clinker Melbourne West Australian -Solon j Arbitrator • Kilwarlin- 1 Kilcock — lOI — solche Grössen wie Isonoiny und dessen Söhne Isintrlass, Janissary, Common und Ravenshury anzutreffen sind. Isinglass, vorläufig un- zweifelhaft Isonomys bester Sohn, hat bereits Proben eines bedeutenden Zuchtwerts abgelegt , während Janissary als Erzeuger von J e d d a h, des Siegers im englischen Derby des Jahres 1898, Anspruch auf ernste Beachtung seitens der Vollblutzüchter Old Englands erheben darf. Gleiches wird von Common und Ravensbury erwartet. Interessant ist, dass Isonomy seine besten Zuchterfolge mit direkt von Newminster ab- stammenden Stuten erzielt hat. Common , Isinglass , Janissary und Ravensbury sind so gezogen. Charakteristisch für diese Familie ist ihr bedeutendes Stehvermögen. Isonomy selbst siegte zwei Jahre hinter- einander im Ascot Cup (272 engl. Meilen), Isinglass, der ebenso wie Common die .^dreifache Krone« — Derby, 2000 Guineen und St. Leger — eroberte, holte sich ebenfalls den Ascot Cup, und Ravensbury gewann sowohl das Alexandra Plate (3 engl. Meilen), wie auch das Manchester November-Handicap (1^/4 engl. Meilen, letzteres unter dem Gewichte von 9 stone 4 Ibs (^= 59 V2 kg). Stehvermögen ist also dieser Linie, deren Stammvater Oxford eigentümlicherweise hauptsächlich sog. > Flieger« (Pferde für kurze Distanzen) erzeugte, nicht abzusprechen. Wie aber nichts vollkommen in dieser Welt ist, vererbt sich auch in der Ster- ling-Familie ein recht bedenklicher Exterieurfehler. Nahezu alle Spröss- linge derselben sind nämlich mehr oder weniger hochbeinige Er- scheinungen. Was den Stockwell-Zweig der Birdcatcher-Linie betrifitt, sei zu- nächst bemerkt, dass Stockwell in den Annalen der englischen Voll- blutzucht mit dem Ehrentitel »The Emperor of Stallions« bezeichnet worden ist. Glänzendere Namen hat aber auch kein Stallion unter seinen Nachkommen aufzuweisen. Als Beispiele seien hier nur erwähnt: Doncaster, Bend Or, Ormonde, Orme, Flying Fox, Orvieto, Martagon, Bonavista, Cyllene, Kendal, Galtee More, Blair Athol, Baliol, St. Albans, Springfield, Craig Miliar und Bread- knife. Doncasters Ruf als Zuchtpferd wurde durch den im Jahre 1880 errungenen Sieg seines Sohnes Bend Or im englischen Derby be- gründet, wozu noch die höchst bemerkenswerte Tatsache kommt, dass Bend Or's erstes Fohlen Ormonde, obwohl ein schlimmer Roarer, ge- boren 1883, ebenfalls das Derby nebst den 2000 Guineen und das St. Leger heimzuführen vermochte. Nach diesem ersten sensationellen Er- — I02 — folge hat Doncaster jedoch nichts Hervorragendes mehr erzeugt. Es ist daher erklärlich, dass die Engländer ihn nach Ungarn ziehen Hessen. Ebenso wie sein grosser Ahn schied Ormonde unbesiegt von der Renn- bahn. Im übrigen aber war er ein höchst unglückliches Pferd. Während der einzigen Decksaison, die er im Heimatlande zugebracht, schwer- krank, hat er daselbst vor seiner Expatriierung nach Südamerika nur zwei Produkte hoher Klasse: Orme und Goldfinch hinterlassen. Von diesen beiden wurde jedoch Goldfinch bald nach Frankreich verkauft, so dass das züchterische Ansehen von Ormonde nun ausschliesslich davon abhängig ist, was Orme im Gestüte zu leisten vermag. Mit seinen bisher erzeugten Söhnen Flying Fox (jetzt im Gestüt de Jardy, Frank- reich) und Frontier, hat er sich indessen schon so gut eingeführt, dass es ihm wohl gelingen wird, den an ihn gestellten hohen An- forderungen zu entsprechen und der Begründer einer neuen ruhmvollen Vollblut-Dynastie zu werden. Blair Athol stand bis zu seinem Ende in dem Ruf eines ganz ausserordentlichen Pferdes, was er auch insofern verdiente, als er eine grosse Anzahl hervorragender Rennpferde unter seiner Nachkommen- schaft zählt. Trotzdem wird man zugeben müssen, dass seine Tätig- keit , vom züchterischen Standpunkte aus beurteilt , keine durchweg segensreiche gewesen ist, denn seine Sprösslinge waren mit wenigen Ausnahmen weiche, zum Roaren disponierende Tiere, deren Rennfähig- keit nicht über eine englische Meile hinausreichte. Ein in jeder Beziehung vertrauenswürdiger Vertreter der Bend Or- Familie ist dagegen Ken dal, dessen Sohn, der Derbysieger des Jahres 1897, Galtee More, für 20000 Guineen an die russische Gestüts- verwaltung, dann nach Italien und schliesslich nach Deutschland verkauft worden ist; doch haben auch die Hengste Bonavista, Martagon und Orvieto dazu beigetragen, den guten Ruf ihres Stammes aufrecht zu erhalten. Bonavista, der ebenso wie Galtee More für eine grosse Summ* nach dem Ausland verkauft worden ist, hat sogar schon in Cyllene den Vater des Siegers im vorjährigen Derby, Cicero, geliefert. Obwohl Stockwells Nachkommen im allgemeinen nicht so gute Steher wie die Sprösslinge des Oxford- resp. Sterlingzweiges sind, pflegen die meisten doch auf der Distanz von 11/2 engl. Meilen ver- wendbar zu sein. Doncaster, Robert the Devil und St. Gatien haben sogar den Ascot Cup erobert, welches Rennen über den Kurs von 2^/2 engl. Meilen führt. — 103 — In der Touchstone-Linie wird Newminsters Stamm stets den ersten Platz einnehmen. Bei der Beurteilung dieses Stammes ist aljer wohl zu beachten, dass seine Produkte, wenn ihnen nicht sehr robustes Blut von der mütterlichen Seite her zugeführt worden, mit Bezug auf Kondition und Substanz gewöhnlich viel zu wünschen übrig lassen. Zu Kreuzungen mit Familien, die weniger Adel besitzen, eignen sie sich dagegen vortrefflich. Trotzdem wird das Newminster-Blut , was Vater- pferde betrifft, in England aller Wahrscheinlichkeit nach bald nur durch die männlichen Nachkommen Lord Clifdens und Adventurers vertreten Fig. 20. Das Skelett von Hermit, Sieger im englischen Derby 1S67. Aufgestellt im Tierärztliclien Institute zu Camden Town. sein. Hermit selbst war nämlich ein weiches, zu Nasenbluten dispo- nierendes Pferd und diese fatalen Eigenschaften hat er auch den meisten seiner Sprösslinge als väterliches Erbe mit auf den Lebensweg gegeben. Dass sowohl die Söhne wie auch die Töchter Hermits der Mehrzahl nach von weicher Konstitution, ist eine in Englands züchterischer Welt wohlbekannte Tatsache. Dies war auch der Grund, weshalb der ver- storbene Lord Falmouth, gewiss eine Autorität ersten Ranges, von der weiblichen Nachkommenschaft des Newminster-Sohnes durchaus nichts wissen wollte. Damit soll nun keineswegs das Hermit-Blut per se als unbrauchbar oder gar schädlich Ijezeichnet, sondern nur nachdrücklichst — I04 — betont werden, dass eine doppelte Kreuzung mit sehr gesundem, wider- standsfähigen Blute erforderlich ist , wenn man unangenehme Er- fahrungen mit Hermits Nachkommen vermeiden will. Als Hermits beste Söhne in der Jetztzeit wären zu nennen: Tristan, Trappist, Friar's Balsam, Hazlehatch, Melanion, Re- treat, Heaume (Frankreich) und St. Blaise (Amerika). Grosses hat aber keines dieser Vaterpferde geleistet. Am meisten haben sie sich noch als Erzeuger von guten Hindernispferden bewährt; dies aber auch nur, wenn sie mit zähen irländischen Stuten gepaart wurden. Sogar Cloister, der Sieger in der Liverpool Grand National Steeplechase des Jahres 1893, ein Enkel Hermits, vermochte nur kurze Zeit die An- strengungen des Trainings zu ertragen. Den Hermit-Stuten ist es im allgemeinen besser auf der Bahn ergangen. Wenn wir im Racing- Calendar nachschlagen, finden wir unter Hermits Nachkommen: 2 Derbysieger (Shotover und St. Blaise), i Siegerin in den Zweitausend Guineen (Shotover), 2 Siegerinnen in den Eintausend Guineen (Thebais und St. Marguerite) und 2 Siegerinnen in den Oaks (Thebais und Lonely). Also nur einen einzigen Sohn, aber 6 Töchter in der Siegerliste der klassischen Rennen. Hermit, der Derbysieger des Jahres 1867, war ein mächtiger Fuchs- hengst von überaus edlem Schnitt (Fig. 20). Sein Sieg im Derby rief kolossale Sensation hervor, denn man wusste, dass er sich einige Tage zuvor einen Blutsturz zugezogen und sein Besitzer, Mr. Chaplin, gleich- zeitig mit dem »blauen Bande des Turfs« die Summe von 120000 Pfd. St. in Wetten gewonnen hatte. Das kalte Wetter, das an diesem Derby- Tage geherrscht, soll den Sieg des durch seinen Unfall geschwächten Hermit ermöglicht haben. Dass der ebenfalls von Touchstone abstammende Lord Clifden- Zweig grösseren und reelleren Zuchtwert als Hermits Nachkommen- schaft besitzt, unterliegt keinem Zweifel. Lord Clifdens Mutter war eine Tochter des mächtigen Melbourne und der Volley, einer rechten Schwester von Voltigeur. Mit diesem Stammbaum allein Hesse sich Lord Clifdens Überlegenheit recht gut erklären. Seinen Ruf begründet er mit Hamp- ton und Petrarch. Letzterer, wie auch dessen bester Sohn The Bard, wurden allerdings nach Frankreich entführt, doch hinterliess Petrarch in England Florentine und Lactantius, die sich beide als nützliche Vater- pferde bewährt haben. Hampton dagegen hat dem englischen Turf nicht weniger als drei Derby-Sieger geschenkt — Merry-Hampton, 'oß — lOÖ — Ayrshire und Ladas, von denen nur der erstgenannte sich später nicht bewährt hat. Ladas ist ja noch ein verhältnismässig junger Hengst; Ayrshire dagegen nimmt bereits seit mehreren Jahren einen hervor- ragenden Platz unter den siegreichen Vollblutbeschälern der englischen Zucht ein. Im Jahre 1904 z. B. gewannen seine Nachkommen nicht weniger als 15453 Pfcl. St. Ein vorzüglicher Hampton-Sohn war auch Sheen, der sich durch ein ausserordentliches Stehvermögen auszeichnete. Im Cesarewitch des Jahres 1890 siegte er, 5 Jahre alt, unter dem höchsten Gewicht — 9 st. 2 Ib. (= 58 kg) — das je in diesem über die Distanz von 2 Vi engl. Meilen führenden Rennen auf den ersten Platz oretrao^en worden ist. Er war aber nicht nur selbst ein vorzüglicher Steher, sondern verlieh auch den meisten seiner Sprösslinge eine bemerkenswerte Ausdauer. Lord Clifdens Sohn Petrarch war ebenfalls ein hervorragender Zuchthengst, doch erzielte er grössere Resultate mit seinen Töchtern als mit seinen Söhnen. Von den ersteren siegten Bus}^ Body (1884) und Miss Jummy (1886) sowohl in den »Eintausend Guineen« als auch in den Oaks, während eine dritte Petrarch-Stute, Throstle, 1894 ihrem Besitzer das St. Leger eroberte. Sein bester Sohn war unstreitig The Bard. Dieser Hengst würde es sicher 1886 zu Derby -Ehren gebracht haben , wenn er nicht das Pech gehabt hätte , in demselben Jahre wie Ormonde zur Welt zu kommen und also in allen klassischen Rennen auf diesen furchtbaren Gegner zu stossen. Dass er aus gutem Stoff war, hat er später in Frankreich im Gestüte des Herrn Henri Say be- wiesen. Seitdem The Bard der französischen Vollblutzucht einverleibt worden ist, sind, wie bereits erwähnt, Lactantius und Florentine als die berufensten Stammhalter Petrarchs anzusehen. Touchstone, der Begründer dieser wundertätigen Familie, wurde 1831 im Gestüte des Herzogs von Westminster zu Eaton geboren. Er war das Erstlingsprodukt seiner Mutter Banter, die später, wiederum zu Touchstones Vater, Camel, geführt, Launcelot und Pasquinade das Leben schenkte. Ältere Schriftsteller, die den Triumphen des grossartigen Hengstes auf Englands Bahnen beigewohnt, entwerfen folgende Schilde- rung seines Exterieurs: ;> Grösse ungefähr 158 cm; scharf gezeichneter Widerrist; gut gelagerte aber etwas schwere Schulter; edle Hals- und Kopfform; grosse Länge von der Hüfte bis zum Sprunggelenk; mus- kulöse Hosen; fassbeinige Stellung hinten; steile Stellung der Vorder- gliedmassen; hohe Aktion; eiserne Konstitution; ausserordentlich nervöses — loy — Temperament; grosse Tapferkeit im Endkampf.« Seine l^edeutendsten Siege errang Touchstone im St. Leger (1834), im Doncaster Cup (1835 und 1836) und im Ascot Cup (1836 und 1837). Bleibenden Ruhm er- warb er jedoch erst im Gestüt. Drei seiner Söhne, Cotherstone, Orlando und Surplice, haben das Derby gewonnen; Blue Bonnet, Surplice und Newminster siegten im St. Leger; Mendicant eroberte die Oaks und die Eintausend Guineen des Jahres 1846; Cotherstone, Fiatcatcher, Nunnykirk und Lord of the Isles triumphierten in den Zweitausend Guineen. »Klassische Ehren« haben die Söhne und Töchter Touchstones also in reichem Masse eingeheimst. Bemerkens- wert ist ferner, dass Touchstone in seinem ganzen Leben nicht einen Tag krank war. Als er am 21. Januar 1861 im ehrwürdigen Alter von 30 Jahren zu Eaton einging, wurde festgestellt, dass die Todesursache Altersschwäche gewesen. Gegenwärtig spielt indessen weder die Touchstone- noch die Bird- catcher-Linie die erste Rolle in der englischen Vollblutzucht, sondern ist diese auf den ehedem geradezu verachteten Blacklock-Stamm übergegangen. Vor etwa 30 Jahren brach man, wie gesagt, in den englischen Renn- und Züchterkreisen ganz allgemein den Stab über »The accursed Blacklock Blood«, und es dauerte sehr lange bis diese Linie sich Geltung verschaften konnte. Heute hat sie alle gegen sie bestandenen Vorurteile durch ihre über jeden Zweifel erhabenen Ver- dienste niedergerungen. Es gibt einfach gegenwärtig keine Vollbut- familie, die höhere Preise auf dem Jährlingsmarkt erzielte. Blacklock war ebenso wie Sir Hercules und Touchstone ein direkter Nachkomme Darley Arabians. Dieses grossartige Trio, das an der Spitze der drei grössten Blutlinien unserer Zeit steht, wird in der modernen Vollblut- zucht hauptsächlich durch folgende Vaterpferde vertreten : Die Black- lockfamilie durch Galopin und St. Simon, die Sir Hercules-Linie, wie wir gesehen, durch Bend Or's Söhne und die Touchstone- Linie durch Hampton, Her mit und deren Produkte. Blacklock war der Sohn eines Urenkels von Eclipse namens White- lock. Seine Mutter Rosalind v. Coriander, wurde einst um den lächerlich geringen Preis von 3 Pfd. St. (= 60 Mark) verkauft. Blacklock selbst kam als Zweijähriger für den Preis von 40 Pfd. St. in den Besitz eines Mr. Watt in Bishop Burton. Er war ein gutes Rennpferd, das sich speziell auf grosse Distanzen bestens bewährte. Sein Exterieur scheint aber zu lierechtigtem Tadel Anlass gegeben zu hal3en. Ganz besonders wird — io8 — hervorgehoben, dass seine Vorderpedale eine grauenerregend steile Stellung gehabt. Die Züchter wollten denn auch anfangs nichts von ihm wissen, weshalb Mr. Watt ihn für die Dauer einer Decksaison um loo Pfd. St. an einen Mr. Kirby vermietete. Dieser soll hierbei so etwas wie achthundert Prozent verdient haben. Blacklocks drei grössten Söhne waren Voltaire, Velocipede und Brutandorf, jedoch ist es nahezu ausschliesslich Voltaires Verdienst, dass sein Blut in der modernen Zucht sich eines so grossen Ansehens erfreut. Voltaire wird als ein schnittiges, aber etwas zu leichtes Pferd beschrieben. Sein mit Martha Lynn (v. Mulatto) erzeugter Sohn Volti- geur, war dagegen mehr ordinär und so schwer in der Vorhand, oder richtiger gesagt im Hals und Nacken, dass er als Jährling auf der Auktion zu Doncaster nicht den Reservepreis von lOO Guineen zu er- zielen vermochte, hi Training genommen, entwickelte er sich jedoch zu einem Rennpferde hoher Klasse. Weniger hervorragend waren seine Leistungen auf dem Gebiete der Zucht. Als Vater von Vedette, den er mit Mrs. Ridgway (v. Birdcatcher) zeugte, hat er aber doch An- spruch auf einen Ehrenplatz unter den Stammvätern der englischen Vollblutrasse erworben, denn mit der Geburt von Vedettes Sohn Galo- pin, trat die weiter oben erwähnte vollständige Wandlung in dem Ge- schick der Blacklock-Familie ein. Vedette war als Jährling ungemein hässlich. Er hatte einen Riesen- schädel, ein Mittelstück wie eine Mutterstute und weit nach hinten ge- stellte Sprunggelenke. Mit den Jahren machte sich dieser Mangel an Harmonie in seiner äusseren Erscheinung allerdings w^eniger bemerkbar, doch zeigte er nie den bestechenden Adel, der eine so charakteristische Eigenschaft Galopins war, (siehe Fig. 22, die diesen Hengst in hohem Alter und in Beschälerkondition darstellt). So lange der Derby-Sieger des Jahres 1875 in Training stand, hatte er nicht den sogenannten »Voltigeur-Nacken« ; während seiner Tätigkeit im Gestüt entwickelte sich aber bei ihm ein ausserordentlich starker und schwerer Kamm, der auf die wunderbare Konstitution und Ausdauer schliessen Hess, die er selbst besessen und auch den meisten seiner Nachkommen mit auf den Lebensweg zu geben pflegte. Dass Galopin ein Rennpferd allererster Klasse war, beweisen seine Erfolge im Derby, in dem denkwürdigen Match mit Lowlander und mehreren anderen Rennen. Er musste jedoch schon als Dreijähriger der Rennbahn Valet sagen, denn sein Besitzer, Fürst Batthyany, dem die Kämpfe auf dem grünen Rasen zu stark auf die — I09 — Nerven gingen, vermochte den Gedanken nicht zu ertragen, dass sein LiebHng doch einmal geschlagen werden könnte. Nach dem jähen Tod des greisen Fürsten, ging Galopin zum Preise von 8000 Guineen in den Besitz von Mr. Chaplin über, und wurde schliesslich der Nachfolger von Hermit, auf dessen Posten als Hauptbeschäler im Chaplinschen Gestüte zu Blankney. Was er hier geleistet, geht unter anderem daraus hervor, ; -^/r'^ii.,,,. ?^Ä^>?^ia#2^:^*>'^^J!«,^ Q Voltigeur Mrs. Ridgway Flving; Dutchman Merope Voltaire Martha Lvnn Birdcatcher Nan Darrell Bay Middleton Barbelle Voltaire Tochter vo " { Blacklock Tochter von Phantom Mulatto Leda Sir Hercules Guiccioli Inheritor Neil Sultan Cobweb Sandbeck Darioletta Blacklock Tochter von Phantom Juniper Tochter von Sorcerer. St. Simon (Fig. 23), br. H., geb. 1881, v. Galopin a. d. St. Angela, V. King Tom, war vom Fürsten Batthyan}^ gezogen. Nach dem Tode des Fürsten, hatte der Herzog von Pordand das Glück, den damals 2jährigen St. Simon, auf der Versteigerung der Batthyanyschen Renn- und Gestütspferde, für den lächerlich geringen Preis von 1600 Guineen zu erstehen. Ein vorteilhafterer Pferdekauf ist wohl nie abgeschlossen worden. Grosse finanzielle Resultate Hessen sich allerdings auf der Rennbahn nicht mit ihm erzielen, denn mit dem Tode des Fürsten Batthyany waren nach dem englischen Renngesetz alle von diesem gemachten Nennungen erloschen. St. Simon konnte somit nur in solchen Rennen abgeschossen werden, zu welchen die Nennungen nicht jahre- lang zuvor zu erfolgen brauchten. Von den klassischen Prüfungen war er ausgeschlossen. Trotzdem gewann er als Zweijähriger in 5 Rennen 1856 Pfd. St. 15 sh. und als Dreijähriger in 4 Rennen 2820 Pfd. St., somit im ganzen 4676 Pfd. St. 15 sh., allerdings nur ein sehr geringer Betrag, wenn man bedenkt, was der Hengst hätte verdienen können, — III — falls es ihm verjjjcinnt gewesen wäre, an den klassischen Rennen des Jahres 1884 teilzunehmen; denn dass er ein Rennpferd von ganz ex- zeptioneller Klasse war, bewies er dadurch, dass er sich nie zu strecken brauchte, um verhalten als Erster durchs Ziel zu kantern und unbesiegt von der Rennbahn ins Gestüt übersiedelte. Auszustellen war indessen trotz- dem manches an ihm. Speziell brachte er seine Wärter durch das von :;-.Vx>^y.N\\ ^^^. -,:..- ''-^ :^ü Fig. 23. St. Simon. Nach einer Photographie. Galopin ererbte, ungewöhnlich reizbare und unzuverlässige Temperament oft zur Verzweiflung. Wer ihn nach den, wie so mancher meint, »allein seligmachenden« Grundsätzen der Lehre vom Exterieur musterte, würde auch schwer zu überzeugen gewesen sein, dass dieser kurze, hoch- beinige und dünnknochige Hengst als Renn- und Zuchti)ferd unver- gängliche Lorbeeren geerntet. St. Simons berufensten Stammhalter sind die drei ruhmirekrönten — 112 — Brüder Persimmon, Florizel II. und Diamond Jubilee. Es dürfte kaum eine Vollblutfamilie geben, die grössere Eigentümlichkeiten auf- zuweisen hätte, wie die St. Simons. Ein alter Yorkshire-Mann äusserte einst: »Das sind keine Rennpferde, sondern Rennmaschinen!« Für das Auge des Kenners hatten die ersten Produkte St. Simons allerdings nicht viel Anziehendes. Sie waren nahezu alle klein, kurz, hochbeinig und dünn in den Knochen ; ausserdem entwickelten sie sich sehr langsam. So war z. B. die berühmte Oaks- und St. Leger-Siegerin des Jahres 1892, La Fleche, eine kleine unbedeutende Katze, als sie auf der Bahn de- bütierte, machte aber, nachdem sie ihre volle Reife erlangt hatte, den Eindruck einer ebenso schönen wie stattlichen Stute. Genau so ver- hielt es sich auch mit den anderen siegreichen St. Simon-Töchtern Semolina, Memoir, Amiable, Mrs. Butterweck und La Roche. Signorina dagegen war stets eine imposante und auffallend edle Stute. Als eine weitere Eigentümlichkeit St. Simons ist es zu bezeichnen, dass die Elite seiner ersten Produkte ausschliesslich aus Stuten bestand, so dass es den Anschein hatte, als ob er sein Renommee nur mit der femininen Linie begründen würde. Er zeugte allerdings St. Serf, der sich sowohl auf der Bahn wie auch im Gestüte einen recht guten Namen erwarb, und ein anderer Sohn von ihm, namens Bill of Port- land, hat, obwohl er ein hochbeiniger, hässlicher Hengst und noch dazu ein schlimmer Roarer war, in Australien schöne Erfolge als Vater- pferd aufzuweisen gehabt. Trotzdem schenkte St. Simon dem englischen Turf keinen wirklich erstklassigen Hengst, bevor Persimmon und St. Frusquin auf der Bildfläche erschienen und ihr grossartiges Rennen im Derby des Jahres 1896 miteinander ausfochten. Von diesem Zeit- punkte an, zeigte auch die äussere Erscheinung seiner Söhne solidere, gefälligere Formen. Persimmon z. B. ist ein grosses, starkknochiges und muskulöses Pferd, während St. Frusquin, obwohl kleiner, den Be- schauer trotz der weichen, fehlerhaft gestellten Fesseln, durch seinen Adel und seine überaus harmonischen Formen für sich einnimmt. Diamond Jubilee ist ebenfalls ein sehr schöner Hengst, ja in gewisser Hinsicht ist er dies sogar mehr als Persimmon, denn er hat entschieden weniger Tageslicht unter sich, wie sein um 4 Jahre älterer Bruder. Eine gleiche Verbesserung der äusseren Form, ist l^ei den St. Simon-Stuten der späteren Zeit wahrzunehmen. Leider haftet vielen St. Simons der Makel eines reizbaren, unzu- verlässigen Temperaments an. Es ist das ein verhängnisvolles Erbstück, — 113 — das sie ihrem Grossvater Galupin zu verdanken halben. Welche sorgen- volle Stunden Diamond Jubilees Launen, dem jetzigen König von Eng- land und dessen Trainer bereitet haben, dürfte allgemein bekannt sein, und — um noch einen anderen Erben, der sprichwörtlich gewordenen »Galopin irritability zu nennen — Simon Dale war ein Pferd, das nicht zweimal hinter einander dieselbe Form auf der Bahn zeigte. Laufen können aber die Sprösslinge dieser Familie alle. Nachstehende Ziffern enthalten den überzeugenden Beweis hierfür: St. Simons Söhne und Töchter gewann, im Jahre 1891 Pfd. St. 26890. 15 sh 1892 „ ,, 55995. — ., „ 1893 •■ ,, 36369- 10 „ „ 1894 ,. „ 42092. — „ „ 1895 „ „ 30470. — „ „ „ V ), „ „ „ 1896 „ „ 59740- — „ :, „ „ 1897 „ „ 22541. — „ ,, V « „ « » „ 1898 „ ., 14320. — „ „ ,, „ „ „ „ „ 1899 ., ., 17505. 5 „ „ „ „ „ : „ „ 1900 „ „ 58625. — „ 1901 „ „ 28964. 15 „ 1902 ., „ 36531- 10 „ 1903 „ „ 5964- 10 „ 11 J) ») » )1 7) )) 1904 !1 )) 17576. „ V )5 n » !) n n 1905 !• )! 12595. — „ Und unter den Pferden, die diese kolossalen Summen für ihre resp. Besitzer verdient haben, befinden sich Sieger in den vier klassischen« Rennen: Derby, Oaks, 2000 Guineen und St. Leger! Ein anderer Galopin-Sohn, auf dessen Zuchttätigkeit grosse Hoff- nungen gesetzt wurden, ist der im Jahre 1886 geborene Derby- und St. Leger-Sieger Donovan. Während der zwei Jahre, die dieser Hengst in Training war, gewann er einen mächtigen Haufen Geld — im ganzen Pfd. St. 55154: 10 sh. — in den 21 Rennen an denen er teilgenommen. Sensationelle Erfolge auf dem Gebiete der Zucht ver- mag er aber nicht aufzuweisen. Da er aber doch schon ein so gutes Pferd wie Velasquez erzeugt hat, darf man wohl hoffen, dass er sich noch zu einem bemerkten Platz unter den Vaterpferden des englischen Vollblutstammes emporarbeiten wird. Donovans Halbbruder Galliard wurde die unschuldige L^sache zu zwei Ereignissen, die grosses und schmerzliches Aufsehen auf dem britischen Turf hervorriefen. Der Sieg dieses Galopin-Sohnes in den 2000 Guineen des Jahres 1883 versetzte nämlich den greisen Fürsten Wrang-el, Die Rassen des Pferdes. I. 8 — 114 — Batthyanv in eine so fieberhafte Erregung — Galopin war das Idol des alten Herrn — dass ihn auf der Tribüne, von welchem er dem Rennen beiwohnte, der Schlag traf und er sofort tot umfiel. Ferner ist es eine bekannte Tatsache, dass Galliards unerwartete Niederlage im Derby Anlass zu höchst unangenehmen Gerüchten gab, in welchen aller Wahrscheinlichkeit nach die Erklärung dafür zu suchen ist, dass sein Züchter und Besitzer, Lord Falmouth, ihn aus dem St. Leger strich und im folo-enden Jahre zur Auflösung seines grossen Renn- und Zucht- stalles schritt. Bei der zu diesem Zwecke angeordneten Auktion, erzielte Galliard den immerhin schönen Preis von 3600 Guineen. In England wurde der Hengst anfangs viel benützt, so dass er dort eine ungemein zahlreiche Nachkommenschaft erzeugte. Unter dieser befanden sich auch einige recht gute Pferde, die Mehrzahl bestand aber doch aus Tieren einer sehr minderwertigen Klasse. Es kann daher nicht als ein Verlust für Englands Vollblutzucht bezeichnet werden, dass Galliard im Jahre 1901 nach Deutschland verkauft wurde. Die englischen Züchter dürfen sich überhaupt glücklich schätzen, dass mit der alleinigen Aus- nahme von Childwick, der in Frankreich steht, keiner der besten Söhne St. Simons ausser Landes gegangen ist. Zu Persimmon, Diamond Jubilee, Florizel IL, St. Frus(|uin, dem von Australien zurückgebrachten Bill of Portland und zu Collar, der ebenfalls einige Zeit Gastrollen in einem anderen Weltteil, nämlich in Süd-Afrika, ge- geben, sind allerdings keine Unterschriften mehr zu haben. Dafür steht aber den Züchtern noch eine ganze Reihe anderer St. Simons guter Klasse, wie z.B. Fitz Simon, Perigord, Raeburn, St. Serfu. m. a. zur Verfügung. Der Blacklock-Zweig des Darley-Arabian-Stammes wird auch von Speculum, (geb. 1865, v. Vedette a. d. Doralice, v. Alarm oder Orlando) aufrechterhalten. Speculum hat der englischen Vollblutzucht mehrere vortreffliche Vaterpferde geschenkt. Unter diesen sind in erster Reihe zu nennen: Rosebery — Doppelsieger im Cesarewitch und Cambrid- geshire und Vater von Amphion — Castlereagh, Vater von Clorane — und Hagioscope, Vater von Queen's Birthday. Was der Nach- kommenschaft Speculum besonderen Wert verlieh, war ihre seltene Treue und Ausdauer. Obwohl nicht so angesehen wie die Blacklock-Linie, wird die Tramp -Linie dennoch zu den kräftigsten Stämmen der englischen Vollblutrasse gezählt. Ihre gegenwärtigen Vertreter sind die Söhne und — 115 — Enkel der berühmten Hengste Beadsman und Rosicrucian. Dieser Familie wird mit Recht nachgerühmt, dass ihre Sprösslinge sich durch ein heutzutage höchst ungewöhnliches Stehvermögen auszuzeichnen pflegen. Schon der Stammvater Tramp stand in dem Rufe eine be- sondere Vorliebe für 4 Meilen Heats-Rennen zu haben. Tramps bester Sohn war Lottery, der als ein reiner Menschenfresser geschildert wird. Das Temperament dieses Hengstes war ein so unbändiges, dass sein Besitzer mit dem Gedanken umgegangen sein soll, ihn erschiessen zu lassen. Die Kugel, die Lottery ins Jenseits befördern sollte, wurde aber glücklicherweise nie gegossen und so konnte denn der böse Hengst nach beendigter ehrenvoller Renn-Karriere ins Gestüt übersiedeln, wo er Sheet Anchor, dem Vater von Wheaterbit und Grossvater von Beadsman, das Leben schenkte. Auf Beadsman aber leiten, wie ge- sagt, mehrere vortreffliche Renn- und Zuchtpferde ihren Stammbaum väterlicherseits in direkter Linie zurück. Von diesen seien hier speziell erwähnt: Rosicrucian, Coeruleus, Beauclerc, Blue Green und Tyrant. Stehvermögen — das Familienerbe — fehlte keinem derselben. Es würde sich daher im Interesse der Zucht wohl empfehlen, der Tramp- Linie grössere Beachtung zu schenken als bisher geschehen. Die Harkaway-Linie, deren Blut der Zucht nur durch den ge- waltigen King Tom vor dem Versiegen bewahrt worden ist, macht gegenwärtig in England nicht viel von sich reden. Dagegen hat sie in Amerika und Australien mehrere tüchtige Stammhalter gehabt, unter denen der Amerikaner Foxhall, Sieger im Grand Prix de Paris, Cesarewitch und Cambridgeshire des Jahres 1881, sowie im Ascot-Gold- Cup der folgenden Saison wohl den ersten Platz einnehmen dürfte. Die Bverlv Turk- Linie teilt sich in vier Zweige, die alle von Her od (geb. 1758, v. Tartar a. d. Cypron, v. Blaze, v. Flying Childers) also einem Enkel von Darley Arabian, abstammen. Herods Stammbaum ist so lückenhaft, dass er nicht einmal so weit, wie der des Eclipse zurückgeführt werden kann. So viel steht jedoch fest, dass der Hengst ein vorzügliches Vaterpferd gewesen, denn seine Nachkommen haben im Laufe von 19 Jahren über 201 505 Pfd. St. an Rennpreisen heim- geführt. Von seinen Söhnen sind Highflyer, Phenomenon, Anvil, Bagot, Florizel, Weasel, Woodpecker u. m. a. zu grosser Berühmt- heit gelangt. Ausserdem aber erzeugte er die Mutter von Whisky, Waxy, Gohanna, Gustavus, Beningborough, Coriander, Pre- cipitate und Calomel. Was speziell den obenerwähnten Highflyer — ii6 — betrifft, so war dieser das beste Renn- und Zuchtpferd seiner Zeit. Als Rennpferd hat er nie eine Niederlage erlitten, und nie Reugeld gezahlt und während seiner Tätigkeit auf dem Gebiete der Zucht wurde er der Vater von 270 Produkten, die im Rennkalender mit 970 Preisen verzeichnet stehen. Unter seinen Söhnen befinden sich die bekannten Grössen : Bolton, Cowslip, Diamond, Escape, Guilford, Buckingham, Sir Peter Teazle, Skyscraper, Traveller und andere Sterne ersten Ranges. Von diesen würden Buckingham und Sir Peter Teazle allein genügt haben, dem Namen Highflyers strahlenden Glanz zu verleihen. Ge^enwärtior hält sich eigrentlich nurmehr ein einzig-er Zwei"; des Herodstammes, nämlich der des Wild Dayrell, noch einigermassen über Wasser. Die anderen drei sind allem Anschein nach bereits dem Unter- p-anof Pfeweiht. Nehmen wir z. B. die Sweetmeat-Familie, so sehen wir, dass deren l3este Vertreter Macaroni, Mc. Gregor, Cremorne, Favo- nius und Sir Bevvs blutwenig für die Zucht geleistet. Ahnlich verhält es sich mit dem Nachkommen des berühmten Flying Dutchman, jedoch befinden sich unter diesen die in Frankreich gezogenen Hengste Upas, gez. 1883, V. Dollar (v. Flying Dutchman) a. d. Rosemary, dessen Söhne Elf II. und Omnium IL, und der zu grossen Hoff- nungen berechtigende, 1890 geborene Callistrate, der ebenfalls auf väterlicher Seite direkt von Dollar resp. Flying Dutchman abstammt. Vollkommen auf den Aussterbeetat gesetzt aber erscheint der Thor- manby -Zweig, seitdem Charibert, ohne in England einen nur einiger- massen vertrauenswürdigen Sohn hinterlassen zu haben, nach Deutsch- land verkauft worden ist. Wollen die Engländer wieder in den Besitz von Thormanby-Blut gelangen, müssen sie nach Frankreich gehen, wo der Thormanbv-Enkel Le Sancy (Schimmel, geb. 1884, v. Atlantic [v. Thormanby] a. d. Gem of Gems, v. Strathconan, v. Newminster), nachdem er 358 132 Francs auf der Bahn gewonnen, grossartige Triumphe als Zuchthengst gefeiert hat. Für die Vertretung des Herod-Blutes ist also in England nur noch auf die Wild Dayrell- oder Buccaneer-Linie zu zählen. Buccaneers bester Sohn, der in Ungarn geborene Kisber, nahm allerdings nie dauernden Aufenthalt in England. Bevor Bucca- neer nach Ungarn übersiedelte, hatte er aber in England mehrere Söhne erzeugt, und einer von diesen, der im Jahre 1865 geborene See Saw wurde der Erbe seiner Stellung in dem alten Heimatlande. Diesem Um- stände ist es zu verdanken, dass der Wild Dayrell-Zweig nicht das Schicksal der Sweetmeats und Thormanbys geteilt, sondern in See Saws Söhnen — llj — Bruce, Desi)air und Ocean Wave drei nützliche Pferde erhalten hat, die in England (Bruce später auch in Frankreich) mit Erfolg für das Buccaneer Blut tätig gewesen sind. Es dürfte z. B. immerhin als ein guter Beginn bezeichnet werden, dass die Stute Billow, eine Tochter Ocean Waves, im Jahre 1892 die Ascot Stakes gewinnen konnte. Ein Sprössling der Wild Davrell-Linie ist auch The Rake, dessen Sohn Pepper and Salt, ()l)wohl er als Vater von Grey Leg wirksam dazu Ijeigetragen hat, dass das Herod-Blut nicht gänzlich aus der eng- lischen Zucht verschwunden ist, 1892 nach Frankreich verkauft wurde. Der Gleichmut, mit welchem die Engländer das Verschwinden des Herod-Blutes aus ihrer Zucht hinnehmen, hat seine Erklärung in ver- schiedenen Umständen. Nirgends wird dem Erfolg mehr gehuldigt als auf dem Gebiete der Vollblutzucht. Es kann daher nicht w^undernehmen, dass es der Galopin-Familie gelang, die Sympathien der britischen Züchter auf Kosten anderer altbewährten Blut- Linien im Fluge für sich zu monopolisieren. Ausserdem mehrten sich von Jahr zu Jahr die Stimmen, die behaupteten , dass von dem ehedem viel gerühmten Stehvermögen der Herods nicht mehr viel wahrzunehmen sei. Despair z. B. habe zu- mt-ist nur »Flieger« erzeugt. Die Tatsache, dass Buccaneer und Ver- neuil in Österreich-Ungarn , Chamant in Deutschland, Vermouth, Dollar und Fitz Gladiator in Frankreich, Fisherman und Glencoe in Amerika glänzende Beweise für den hohen Zuchtwert des Herod- Blutes erbracht, konnte man allerdings nicht bestreiten, aber in den Augen der Züchter verlor dieselbe nahezu alle Bedeutung, wenn man sie mit den blendenden Ziffern verglich, die sich mit Galopin- bezw. St. Simon-Sprösslingen erzielen Hessen. Auf ein Wiederaufleben der Herod-Linie in England dürfte daher kaum oder wenigstens nicht in nächster Zeit zu zählen sein. Nicht ungünstig sind dagegen die Aussichten der Godolphin- Barb-Linie, die auch den Namen des im Jahre 1748 geborenen Matchem (v. Cade [v. Godolphin-Barb] a. e. Partner-Stute) führt. Matchem war ein ausserordentlich schnelles Rennpferd. Er bewährte sich aber auch aufs beste im Gestüt. Das Verzeichnis seiner auf den englischen Bahnen gestarteten Produkte umfasst nicht weniger als 201 Pferde, welche die für die damalige Zeit kolossale Summe von 151097 Guineen an Rennpreisen heimgeführt haben. Matchem selbst erwies sich übrigens eljenfalls als eine Goldgruloe für seinen Besitzer, ^Ir. Holmes, Carlisle, denn er brachte diesem nur an Decko'eldern den schönen Betraof von — ii8 — 17000 Guineen ein. Es ist dies um so bemerkenswerter, als seine Taxe anfangs nicht 5 Guineen überstieg und erst ganz allmählich • — oder genauer ausgedrückt im Laufe von 12 Jahren — auf 50 Guineen erhöht wurde. Matchem erreichte ein Alter von 33 Jahren. Sein bester Sohn war Conductor, der mit Brünette gepaart Trump ator, den Vater von Sorcerer, Grossvater von Comus und Urgrossvater von Humphrey Clinker erzeugte. Aus der Paarung von Humphrey Clinker mit einer Cervantes-Stute aber ging im Jahre 1834 der berühmte Melbourne (Fig. 21) hervor, dem es zu verdanken ist, dass Matchems Nachkommen wieder Beachtung gefunden. Denn hätte nicht Melbournes Sohn West Australian (geb. 1850 a. d. Mowerina, v. Touchstone) Solon, dem Vater von Barcaldine und Arbitrator, das Leben geschenkt, so würde wohl gegenwärtig die Godolphin-Barb-Linie in England gänzlich er- loschen sein. Was Barcaldine (geb. 1878, v. Solon a. d. Ballyroe, v. Bella- drum [v. Stockwell] a. d. Bon i\ccord, v. Adventurer) für diese Linie geleistet, geht schon aus der Tatsache hervor, dass er den englischen Turf Sieger in mehreren klassischen Rennen geliefert hat. Seine Tochter Mimi siegte 1891 in den Oaks und 1000 Guineen, sein Sohn Sir Visto gewann das Derby und das St. Leger des Jahres 1895; Morion, das erste gute Pferd, das er herausgebracht, holte sich 1891 den Ascot Gold- Cup, Marco blieb Sieger in den Cambridgeshire Stakes und The Rush gehörte ebenfalls zu den besseren Produkten des 1892 er Jahrganges, in welchem Barcaldines Nachkommen einen dominierenden Platz ein- nehmen. Beliefen sich doch ihre Renngewinnste 1895 auf 21 713 Pfd. St. Marco, Sir Visto, The Rush und Wolfs Crag haben sich übrigens auch schon als viel versprechende Vaterpferde bemerkbar gemacht. Barcaldine wird daher unbedingt als der Regenerator des West Australian- Zweiges der Matchem-Linie bezeichnet werden müssen. Jedenfalls hat er in dieser Richtung mehr geleistet als sein Halbbruder Arbitrator, der nur auf Kilwarlin, den Sieger im St. Leger des Jahres 1887, und auf dessen Sohn Kilcock hinzuweisen vermag. Vorstehende kurze Übersicht über die drei Blutlinien, nach welchen man die englische Vollblutrasse einzuteilen pflegt, wird dem Leser als orientierende Einleitung zum Studium dieser Rasse sicher gute Dienste leisten. Keineswegs aber darf sie zu dem Schlusssatz verleiten , dass der väterliche Einfluss das entscheidende Moment in der Entstehung und weiteren Entwicklung des Vollbluts gebildet habe und man infolge- dessen den Stammmüttern der verschiedenen Familien keine Aufmerk- — 119 — samkeit zu widmen brauche. Weleh hohe Bedeutung dem weibHchen Zuchtmaterial gegenüber dem männUchen zukommt, geht schon aus der Tatsache hervor, dass man durch einseitige Berücksichtigung des letzteren in ein Chaos von Blutverwandtschaften gerät, die eine zweckdienliche Zuchtwahl ungemein erschweren , ja häufig sogar vollständig aus- schliessen. Auch vom physiologischen Standpunkt aus beurteilt, kann der grosse Einfluss der Stute auf das Ergebnis der Zucht, wie wohl kaum bemerkt zu werden braucht, nicht hoch genug geschätzt werden. Elf Monate hindurch ruht das Fohlen im Mutterleibe und auch nach der Geburt ist es noch lange Zeit für seine Ernährung auf die -natür- liche Milchc|uelle« angewiesen. Wie sollte es da nicht in allen seinen Anlagen und Fähigkeiten von der Mutter in einer Weise beeinflusst werden, die während der ganzen Dauer seines Erdenwallens deutlich wahrgenommen werden kann? Es ist daher sehr natürlich, dass, wie Dr. Dünkelberg in seiner Broschüre »Aus der Renncampagne des Jahres 1902«*) sehr richtig bemerkt, sich im Laufe von Jahrhunderten mehr weibliche Linien als Träger der Vollblutzucht gegenüber nur drei männlichen Linien bis jetzt erhalten haben. Die von dem Australier Bruce Lowe durchgeführte Sonderung und Wertschätzung der weiblichen Elemente in Vergangenheit und Zu- kunft durch Zurückführung aller Vollblutpferde auf die Urfamilien und ihre Stammmütter hat denn auch höchst wertvolle Ausgangspunkte für eine rationelle Zuchtwahl ergeben. Li dem ich mir vorbehalte, im weiteren Verlauf meiner Schilderung der englischen Vollblutrasse auf das Bruce Lowesche Svstem näher zurückzukommen, will ich dem Leser eine Anzahl Vollblutstuten vorführen, die durch ihre Nachzucht bleibenden Einfluss auf die Entwicklung der Rasse ausgeübt haben. Namen: Geb. Abstammend von Produkte: Partner Mare 1733 Partner, a. e. Makeless-Stute Matchem. Spiletta 1749 Regulas, a. d.MotherWeston, V. Smith's son of Snake Eclipse. Cypron 1750 Blaze, a. d. Confederate Filly, v. Grey Grantham Her od. Papillen 1769 Snap, a. d. Miss Cleveland, v. Regulus Sir Peter. Brünette 1771 Squirrel, a. d. Dove, v. Matchless Trumpator. Misfortune 1775 Dux, a. d. Curiosity, v. Snap Buzzard. Calash 177=; Herod, a. d. Teresa, v. Matclu-m Whisky. *) Aus der Rennkampagne des Jahres 1902. Von Dr. Fr. \V. Dünkelberg. Heft 25 > Unsere Pferde«. Stuttgart, Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer). — 1 20 — Namen: Geb. Abstammend von Produkte: Her od Mare 1779 Herod, a. d. Maiden, v. Matchem Gohanna. Irene 1790 Bagot, a. e. Gamahoe-Stute Bob Bootv. 1 TiT », T TT- , ,T r- \ Castrel, Selim, Alexander Mare 1790 Alexander, a. e. Hip;hnver-btiite , r-. 1 "= " ^Rubens. Evelina 1791 Highflver, a. d. Termagant, v. Tantrum Orville. Arethusa 1792 Dungannon, a. e. Prophet-Stute Walton. T3 1 Q T ^ A TD u Tj- ua ^ W h a 1 e b o n e, Penelope i79o Irumiv^tor, a. d. rrunella, v. Hiü;hnver ^^^, . , ^^' , *- • ^ Whisker, Web. Coriander Mare 1799 Coriander, a. d. Wildgoose, v. Hightiver Blacklock. INIandane 1800 Pot-8-os, a. d. Young Camilla, von \ Brutandorf, Woodpecker f Lottery. Gohanna Mare 1S03 Gohanna, a. d. Fraxinella, v. Trentham Tramp. Crescida 1807 Whiskv, a.d. Young Giantess,v.Diomed Priam. Bacchante 1809 Williamson's Ditto , aus Calomel's Schwester, v. Mercury Sultan. Idalia 181 5 Peruvian, a d. Musidora, v. Meteor Pantaloon. Harriet 1819 Pericles, a. e. Sehm-Stute Plenipotentiary. Otis 1820 Bustard, a. e. Election-Stute Lanercost. Cobweb 1821 Phantom, a. d. Filagree, v. Soothsayer Bay Middleton. Peri 1822 Wanderer, a. d.Thalestris, V.Alexander Sir Hercules. „..,. „ Ti,n. jT-i-1. T-iT- Irish Birdcatcher. Guiccioli 182^ Bob Bootv, a. d. Flioht, V. Insh Escape ^ , „ ,, , ^ ^ Faugh- a-Ballagh. Fanny Dawson 1823 Nabocklish , a. d. ]\liss Tooley, von Teddv the Grinder Harkaway. Baut er 1826 Master Henrv, a. d. Boadicea, v. Ale- xander Touchstone, Vulture 1833 Langar, a. d. Kite, v. Bustard Orlando. Barbelle 1836 Sandbeck, a. d. Darioletta, v. Amadis The Flying D utchman. Lollypop 1836 Starch oder Voltaire, a. d. Belinda, V. Blacklock Sweetmeat. Martha Lynn 1837 INIulatto, a. d. Leda, v. Filho da Pata Voltigen r. Echidna 1837 Economist, a. d. Miss Pratt, v. Gadabout The Baron. Stockwell, R ataplan, King Tom, Knight of Kars, K n i g h t o f S t. Patrick, Araucaria. Alice Hawthorn 1838 Muley Moloch, a. d. Rebecca, v. Lotterv Thormanby. Little RedRover 1841 Little Red Rover, a. d. Eclat, v. Ed- Mare mund Buccaneer. Ennui 1843 Bay Middleton, a. d. Blue Devils, von Velocipede S aunterer. Jocose 1843 Pantaloon, a. d.Banter, V iNlaster Henrv jNIacaroni. Poeaho ntas 1837 Glencoe, a. d. Marpessa, v. Mulev Miss Agnes 1S50 Irish Birdcatcher, a. d. Agnes, von Clarion — 121 — Namen: Gel). Abstammend von Produkte: Mendicant 1S43 Touchstone, a, d. Ladv Moore Carew, V. Tramp Beadsman. Mowerina 1843 Touchstone, a. d. Emma, v. Whisker WestAustralian. Honey Dear 1844 Plenipotentiary, a. d. My Dear, v. Bay Middleton Oxford. Cavatina 1845 Redshank, a. d. Oxigen, v. Emilius Trumpeter. Hybla 1846 The Provost, a. d. Otisina, v. Liverpool Kettledrum. Ellen Middleton 1846 Bay Middleton, a. d. Myrrha, v. Malek Wild Dayrell. Mrs. Ridgway 1849 Birdcatcher, a. d. Nan Darell, v. In- heritor Vedette. Little Agnes, Brown Agnes, Dark Agnes, PoUv Agnes. The Arrow 1850 Slane, a. d, Southdown, v. Defence Cambuscan. Darling's Dam 1S50 Irish Birdcatcher, a. e. Hetman Platoff- Stute Solon. Bribery 1851 The Libel, a. d. Splitvote, v. St. Luke St. Albans. Paradigm 1852 Paragone, a.d. Ellen Hörne, v. Redshank Lord Lyon. The Slave 1852 Melbourne, a. d. Volev, v. Voltaire Lord Clifden. Flying Duchess 1853 The Flying Dutchman, a. d. Merope, v. Voltaire Galopin. Blink Bonny 1854 Melbourne, a. d. Queen Mary, v. Gla- diator Blair Athol. Margery Daw 1856 Brocket, a. d. Protection, v. Defence See Saw. Mme. Eglentine 1857 Cowl, a. d. Diversion, v. Defence The Palmer. Seclusion 1857 Tadmor, a. d. Miss Sellon, v. Cowl Her mit. Whisper 1857 Fiatcatcher, a. d. Silence, v. Melbourne Sterling. Bonny Bell 1860 Voltigeur, a. d. Queen Mary, v. Gla- diator Beauclerc. Marigold 1860 Teddington, a. d. Sister to Singapore, v. Ratan Doncaster. Laura 1S60 Orlando, a. d. Torment, v. Alarm Petrarch. AI ine 1862 Stockwell, a. d. Jeu d'Esprit, v. Fiat- catcher Wisdom. Araucaria 1862 Ambrose, a. d. Pocahontas, v. Glencoe Chamant. Mineral 1863 Rataplan , a. d. Manganese, v. Irish Kisber und We n- Birdcatcher lock. True Heart 1864 JNIusjid, a. d. Mary Jane, v. Pompey Arbitrator. Viridis 1864 Marsyas, a. d. Maid of Palmvra, von Pvrrhus the First Springfield. St. Angela 1865 King Tom, a. d. Adeline, v. Jon St. Simon. Rouge Rose 1865 Thormanb\-, a. d. Ellen Hörne, vtni Redshank Bend O r. Isola Bella 1868 Stockwell, a. d. Isoline, v. Ethelbert Isonomy. — 122 — Namen: Geb. Abstammend von Produkte: Lady Langden 1868 Kettledrum, a. d. Haricot, v. Mango oder Lanercost Hampton. Feronia 1868 Thormanby, a. d. Woodbine, v. Stock- well St. Serf. Lilly Agnes 1871 Macaroni, a. d.Polly Agnes, v. The Cure Ormonde. Ballyroe 1872 Belladrum, a. d. Bon Accord, v. Ad- venturer Barcaldine. Peine de Coeur 1872 Friponnier, a. d. Torment, v. Alarm Despair. Vanish 1874 Honiton, a. d. Retreat, v. Orlando Rightaway. Pilgrimage 1875 The Earl, a. d. Lady Audley, v. Maca- roni Jeddah. Thistle 1875 Scottish Chief, a. d. The Flower Safety, V. Wild Dayrell Common. Mowerina 1876 Scottish Chief, a. d. Stockings, von Stockwell Donovan. Queen of the 1877 Exminster, a. d. Queen of the ]\Iay, Meadows v. King of Trumps T^-rant. Doli Tearsheet 1877 Broomielaw, a. d. Mrs. Quickly, v. Longbow Merry Hampton. Illuminata 1877 Rosicrucian , a. d. Paraffin, v. Blair Athol Ladas. Atalanta 1878 Galopin, a. d. Feronia, v. Thormanby Ayrshire. Sanda 1878 Wenlock, a. d. Sandal, v. Stockwell Sainfoin. Dead Lock 1878 Wenlock, a. d. Malpractice , v. Che- valier d'Industrie Isinglass. Angelica 1879 Galopin, a. d. St. Angela, v. King Tom Orme. Agneta 1879 Macaroni, a. d. Fair Agnes, v. Dollar St. Angelo. Isabel 1879 Plebeian, a. d. Parma, v. Parmesan St. Frusquin. Vista 1879 Macaroni, a. d. Verdure, v. King Tom Bonavista. Perditall (Fig. 24) 1881 Hampton, a. d. Hermione, v. Young | Persimmon, Melbourne | Diamondjubilee I imd Florizel IL Vampire 1889 Galopin, a. d. Ironv, v. Roseberv Flving Fox. In vorstehendem Verzeichnis dürften nicht viele Stuten fehlen, die sich als Stammmilitter erfolgreicher Blutlinien oder berühmter Familien einen Namen in der englischen Zucht gemacht haben. Dadurch, dass ich bei sämtlichen Stuten diejenigen Produkte angeführt, durch welche epochemachende Leistungen erzielt worden sind, glaube ich diesem Verzeichnis erhöhten Wert für solche Leser verliehen zu haben, denen die Vollblutzucht bi.sher eine terra incognita gewesen. Lässt sich schon aus den hier von mir zusammengestellten Daten ersehen, welche Bedeutung der Qualität des weiblichen Zuchtmaterials zuerkannt werden muss, so wird uns dies durch die Arbeiten der PL, ^ Oh Ji|.'l^-^ — 124 — deutschen Forscher Frentzel und Hermann Goos und des Australiers Bruce Lowe noch überzeugender vor Augen geführt. Goos leitet die Ab- stammung des englischen Vollblutpferdes mütterlicherseits auf 50 Stamm- mütter zurück; Bruce Lowe dagegen will nur 43 Stuten als solche gelten lassen; beide aber sind darin einig, dass diese Stammmütter sich unter den ca. 100 Stuten von teils morgenländischer, teils englischer und teils unbekannter Abstammung befunden haben, die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit den drei orientalischen Stammvätern der englischen Vollblutrasse — The Darley Arabian, The Byerly Turk und The Godolphin Arabian — gepaart worden sind. Bruce Lowe teilt die durch seine 43 Stuten gebildeten Familien in 3 Arten ein und zwar in Rennfamilien (running families) Familie i bis 5, in Zuchtfamihen (sire families) Familie 3, 8, 11, 12 und 14, und in Aussenseiter-Familien (outside families) Familie 6, 7, 9, 10, 13, 15 bis 43. Zu dieser Einteilung gelangte er dadurch, dass er zunächst ermittelte , wie viele Sieger in den drei sog. klassischen englischen Hauptrennen, Derby, Oaks und St. Leger, von Anfang an bis 1894 aus jeder der 43 Familien hervorgegangen. Je mehr Sieger eine Familie geliefert, desto höher schätzte er sie ein. So entstand die Reihenfolge der einzelnen Familien. Unter Rennfamilien versteht Bruce Lowe also diejenigen, welche die meisten Sieger in klassischen Rennen aufzuweisen haben. Als Zuchtfamilien bezeichnet er diejenigen , aus welchen die erfolgreichsten Vaterpferde hervorgegangen und für alle die übrigen hat er die etwas verächtlich klingende Rubrik »Aussenseiter-Familien« gewählt. Dies ist, in kurzen Worten geschildert, das von vielen verhimmelte, von ebenso vielen aber sehr abfällig beurteilte Bruce Lowesche Zahlen- system. Ein untrügliches Rezept, nach dem bekannten Kochbuch-Motto »Man nehme usw.«, Renn- und Zuchtpferde der Ijesten Klasse zu er- zeugen, enthält es leider nicht. Anscheinend geht Bruce Lowe bei seinem System von dem vollkommen richtigen Grundsatze aus, dass die Leistung den Ausschlag bei der Zuchtwahl zu geben habe. Man wird ihm jedoch nicht den Vorwurf ersparen können, dass er bei seiner Be- urteilung der Leistungen sehr einseitig vorgegangen ist. Es braucht z. B. w^ohl kaum hervorgehoben zu werden, dass eine Familie, von der kein Produkt in den klassischen Rennen gestartet, auch keine Sieger in diesem aufweisen kann. Allerdings pflegt die Elite jedes Jahrganges, in diesen Rennen Pr()l>en ihres Könnens al)zulegen, aber häufig genug — 125 — kommt es doch vor, dass sogar der absolut beste seines Jahrganges aus irgend einem Grunde dem Derby oder St. Leger fernbleibt und dann in anderen grossen Rennen eine erdrückende Überlegenheit über den mit »dem blauen Bande des Turfs« geschmückten Triumphator an den Tag legt. St. Simon z. B. konnte infolge des Ablebens seines Züchters und Besitzers , wodurch alle Nennungen , die in dessen Namen an- gemeldet worden waren, ihre Gültigkeit verloren, nicht am Derby des Jahres 1884 teilnehmen, und dies war ein grosses Glück für St. Gatien und Harvester, die hier totes Rennen miteinander machten, denn vSt. Simons Leistungen im Ascot Cup, Epsom Gold Cup, Ascot Gold Cup und Goodwood Cup lieferten den überzeugenden Beweis, dass er turm- hoch über la creme de la creme, der im genannten Jahre auf eng- lischen Bahnen gestarteten Gesellschaft stand. Vedette, St. Frusquin, Isonom}^ Sterling u. m. a. Vaterpferde der allerersten Klasse haben ebenfalls keine Siege in klassischen Rennen errungen. Es muss daher als ein verhängnisvoller Fehler Bruce Lowes bezeichnet werden, dass er nur nach vSiegern in den drei Hauptrennen gerechnet, also weder das Verhältnis zur Zahl der startenden Pferde noch die Tatsache berück- sichtigt hat, dass es kein Wunder ist, wenn die ersten fünf Stammütter mehr als die Hälfte aller klassischen Sieger gebracht haben, da ungefähr die Hälfte sämtlicher im General Stud-Book vorkommenden Zuchtstuten von ihnen abstammt. Ferner liegt es auf der Hand, dass das Wert- verhältnis der verschiedenen Familien zu einander ständigen Verände- rungen unterworfen sein muss. Familien, die Jahrzehnte hindurch eine ganz untergeordnete Rolle auf der Bahn gespielt, gelangen plötzlich durch ein hervorragendes Mitglied in die erste Reihe, während ruhm- gekrönte Vollblutgeschlechter aussterben oder aus irgend einem Grunde von den Züchtern gänzlich vernachlässigt werden. Erlässt doch die »Fashion«, speziell in England, auch auf dem Gebiete der Zucht Gesetze, denen unbedingt Folge geleistet wird. Wer sich ein wenig in das Zahlensystem vertieft, wird ausserdem sehr bald zu der Erkenntnis gelangen, dass die Annalen der britischen Vollblutzucht hunderte von Beispielen enthalten, die das gerade Gegen- teil der Bruce Loweschen Ziftern beweisen. So sollte wohl Eclipse, der nie besiegt worden, zu den vornehmsten Rennfamilien gehören. Tatsächlich aber enthält sein Pedigree keine einzige Running-Zifter. Stockwell dagegen ist nach Bruce Lowe stärker in Running- als in Sire- Ziffern, während ^Vest Australian, der Sieger im Derby-, 2000 Guineen- — 126 — ■ und St. Leger-Rennen, der nur einen einzigen wirklich hervorragenden Deckhengst, nämhch Solon, unter seinen Nachkommen zählt, Sire- Ziffern in Menge aufzuweisen hat. Touchstones kolossaler Zuchtwert tritt in dem Zahlensystem ebenfalls nicht deutlich zutage und schliess- lich gibt es unter den nahezu als quantite negligeable« hin- gestellten »Aussenseiter-Familien« eine ganze Reihe, die durch ihre Pro- dukte eine unschätzljare Bedeutung für die Zucht erlangt hat. Wie leichtfertig Bruce Lowe bei der Klassifizierung der Vollblut- familien vorgegangen ist, ergibt sich aus folgender Zusammenstellung bemerkenswerter Zuchtresultate, die mit sog. Aussenseiter-Familien er- zielt worden sind: Flageolet, See Saw. Beningbrough , Wild Dayrell, West Australian, Perdita II (Florizel II, Persimmon, Diamond Jubilee), Parmesan, Wisdom, Mowerina (Donovan). Blinkhoolie, Blair Athol, Hampton, Petrarch. Orlando, Beadsman, Little Duck, Le Justicier. Wolfs Crag, Foxhall. Agnes-Familie (Ormonde, Martagon, St. Gatien). Idalia-Familie (Regalia, Pantaloon, Callistrate). Waxy, Trenton. Monarque, Cambuscan, Vedette, Tenebreuse, Plaisanterie, Retreat, Iso- nomy, Upas, Gallinule, Childwick. Longbow, Sweetmeat. Gladiator, Merry Hampton, Omnium, St. Frusquin. Chanticleer, Solon, Barcaldine, Hagioscope, Pepper and Salt. Gohanna, Camel, The Baron. Comus, Slane, Gouverneur. Herod, Bill of Portland. Prime Minister, Energv, Ragotskv. Emilius. Canezou, Kilcock. Fitz Gladiator. Economist. Dr. Syntax. Pot-8-os. Diese kleine Blütenlese dürfte genügen. Sie beweist, dass Bruce Lowe's famoses Zahlensystem nicht als unbedingt zuverlässiger Leit- faden bei der Auswahl und Paarung von Vollblut-Zuchtpferden empfohlen werden kann. Andererseits ist ohne Einschränkung anzuerkennen, dass dieses System dem Hippologen, ein sehr wertvolles Orientierungsmittel beim Studium der englischen Vollblutzucht an die Hand gibt. Famil le 6- )) 7' „ lo: n 13: ?) 15: 15 16: ■>■> 17: >) 18: 11 19 11 21: 11 22: 11 23: 11 24: )) 25: 11 26: „ 27: „ 28: 11 31: )) 32: 11 36: 11 37: 11 38: — 127 — Der Vollständigkeit wegen lasse ich daher auch nachstehend ein Verzeichnis der vorerwähnten 43 Stammmütter nach den Familien- Nummern geordnet folgen: 1. Tregonell's Natural Barb Mare — (Whalebone, Minting). 2. Burton's Barb Mare — (Voltigeur, Blacklock). III. The Dam of the Two True Blues — (Stockwell, Sir Peterj. 4. Layton Barb Mare — (Matchem, Thormanby). 5. Daughter of Massey's Black Barb — (Gladiateur, Hermit). 6. Old Bald Peg — (Priam, Diomed). 7. Darcy's Black-legged Royal Mare — (West-Australian, Donovan). VIII. Bustier Mare, dam of Byerley Turk Mare — (Marske, Newminster, Sultan). 9. Old Vinter Mare — (Mercurv, Bendigo, Peter). 10. Daugther of Gower's Stallion — (Blair Athol, Hampton). XI. Sedbury Royal Mare — (Regulus, Birdcatcher, St. Simon). XII. A Royal Mare (Montagu Mare) — (Eclipse, Sterling). 13. A Royal Mare (dam of Turk Mare) — (Hightlyer, Orlando). XIV. The Oldfield Mare — (Touchstone, Macaroni). 15. Royal Mare (dam of Old Whynot) — (Soothsayer, Jerry, Foxhall). 16. Sister to Stripling, by Hutton's Spot (Ormonde, Agnes family). 17. Byerly Turk Mare — (Pantaloon, Yattendon). 18. Old Woodcock Mare — (dam of Old Spot Mare) — (Waxy, Trenton). 19. Daughter of Davell's Old Woodlock — (Isonomy, Sir Hugo). 20. Dam of Gascoigne's Foreign Horse — (Citadel, Ghuznee). 21. Moonah Barb Mare — (Sweetmeat, Lonely). 22. Belgrad Turk Mare — (Gladiator, St. Blaise). 23. Piping Peg — (Ossian, Barcaldine). 24. Helmsley Turk Mare — (Camel, The Baron). 25. Brimmer Mare — (Y. Melbourne, Comus, Sefton). 26. Merlin Mare — (Herod, Promised Land). 27. Spanker Mare — (Saunterer, Pero Gomez). 28. Daughter of Place's White Turk — (Emilius, Dalesman). 29. Natural Barb Mare (dam of Bosset Arab Mare — (Landscape, Ashton). 30. Daughter of Duc de Chartres' Hawker — (Paris, Delpini, Stamford). 31. Dick Barton's Barb Mare — (Ruler, Fazzoletto). 32. Barb Mare (Dodswordi's dam) — (Nike, Fitz Gladiator). — 128 — 33- Sister to Honevcombe Punch — (Sergeant, Dungannon). 34. Hautboy Mare — (Antonio, Birmingham). 35. Daughter of Bustier — (Haphazard, Bustard, Castrel). 36. Daughter of Curwen's Bay Barb — (Economist, Old Engineer). 37. Sister to Old Merlin — (Dr. Syntax, Little Red Rover). 38. Twarfs Dun Mare — (Pot-8-os). 39. Bonny Black — (Dagworth), 40. Royal Mare (Dam of Brimmer) — (Boston). 41. Grashopper Mare — (Bagot, Portrait), 42. Spanker Mare — (Oiseau, Cestus). 43. Natural Barb Mare — (Balfe, Underhand). Von dem Blute, das bei der Bildung der englischen Vollblutrasse zur Verwendung gelangt ist, wenden wir uns nun einem anderen, min- destens ebenso wichtigen Faktor zu, nämlich der strengen, ölfentlichen und genau reglementierten Prüfung, der das Vollblut seit seiner Ent- stehung auf der Rennliahn unterzogen worden ist. Wir werden uns hierbei vor Augen zu halten haben, dass das heutige Vollblut nichts anderes ist, als ein aus fortgesetzter Reinzucht hervorgegangenes Pro- dukt der Rennen, der Vorbereitung zu diesen — dem sog. Training — und der durch diese Faktoren bedingten, zielbewussten Paarung Auf- zucht und Fütterung. Ich sehe mich daher genötigt, die Unentbehr- lichkeit der Rennprüfung bei der Vollblutzucht etwas näher zu beleuchten. Der Wert des Pferdes als Zuchttier beruht auf der Herkunft und der individuellen Beschaffenheit des betreffenden Gaules; letztere aber zerfällt wieder in die äusseren, d. h. sichtbaren, und die inneren, d. h. unsichtbaren Eigenschaften. Als äussere Eigenschaften sind also zu bezeichnen: die Körperform, der Knochenbau, die Muskulatur und die Bewegungen; als innere: die Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer, Energie, Konstitution und das Temperament. Erst nachdem auch diese letzteren Eigenschaften geprüft und zwar gründlich geprüft worden, kann man sich ein zuverlässiges Urteil über den Wert des Pferdes für Zucht- und Gebrauchszwecke bilden. Es ist nämlich offenbar, dass eine Musterung des Exterieurs allein, diese möge noch so streng und sachgemäss sein, nie und nimmer die Grundlage zu einem solchen Urteile abzugeben vermag. Auch der grösste Kenner ist nicht imstande einem Pferde anzusehen, ob dasselbe schnell oder ausdauernd und energisch ist. Alle Meinungsverschiedenheiten und — 129 — alle Theorien müssen sich in dieser Beziehung den Tatsachen unter- ordnen. Leistungen sind Tatsachen; wollen wir wissen was unsere Pferde zu leisten vermögen, müssen wir sie prüfen. Eine Prüfung ist also unentbehrlich. Es fragt sich nur, in welcher Form diese für das Vollblut am zweckmässigsten stattzufinden hat. Zunächst sei bemerkt, dass Ausdauer, oder mit anderen Worten diejenige Eigenschaft, die wir von jedem Pferde, vor allem aber von den veredelten Klassen unbedingt fordern müssen, keine mystische Naturgabe sein kann, sondern wie jede andere Kraftäusserung ihre Quelle in bestimmten anatomischen und physiologischen Erscheinungen hat. Durch sorgfältig geregelte Versuche ist es auch gelungen, letztere zu erforschen. Bei einem dieser Versuche wurden zwei starke Pferde vor einen schweren Wagen gespannt, wodurch man eine konstante und bedeutende Anstrengung ihrer Muskeln erzielte. Nach einer Fahrt von 25 — 30 Kilometer, während welcher häufig Schritt gefahren wurde, um die Lungen der Pferde zu schonen, gelangte man zu einer steilen An- höhe. Hier Hess der Versuchsleiter den Wagen mit Steinen beladen. Bis dahin hatten die Lungen sozusagen kaum mitgearbeitet, die Mus- keln dagegen waren bereits ermüdet, und da sie hier ihrer ganzen Kraft bedurften um den Wagen über die Anhöhe zu bringen, erschien es ganz selbstverständlich, dass sie zuerst versagen und das Anordnen einer kurzen Rast erforderlich machen würden. Dies erwies sich indessen als eine irrige Annahme. Durch energische Anspannung der Sprunggelenke setzten die Pferde den Wagen in Bewegung. Nachdem sie 200 Meter zurückgelegt hatten, waren sie aber so ausser Atem, dass man sie einen Augenblick ausruhen lassen musste. Sobald die Atmung sich wieder beruhigt hatte, wurde weiter gefahren. Diesmal musste jedoch schon nach 100 Meter angehalten werden und bald stieg die Atemnot in so hohem Grade, dass jedesmal nur 50 Meter zurückgelegt werden konnten. Trotz der grossen Muskelanstrengung die erforderlich war, um den schwer be- ladenen Wagen bergauf zu ziehen, wurde die LTnterbrechung der Fahrt also jedesmal durch Erschöpfung der Atmungsorgane, nie durch \'er- sagen der Muskeln herbeigeführt. Diese Tatsache ist von grosser praktischer Bedeutung, denn sie zeigt uns, dass die Ausdauer des Pferdes durch zunehmende Erschöpfung der Atmungsorgane begrenzt wird. Solange der Atmungsprozess keine Störung erleidet, oder — um ein anderes Bild zu gebrauchen — der W ran gel, Die Rassen des Pferdes. I. 9 — I30 — Lokomotive nicht der Dampf ausgeht, läuft die Maschine weiter; sie bleibt aber sofort stehen, wenn diese causa movens aufhört. Die Respiratoren sind somit als die eigentliche Urkraft für die Bewegung des tierischen Organismus zu betrachten ; die Muskeln und Knochen bilden nur den für die Bewegung erforderlichen Mechanismus. Sobald Herz und Lungen infolge übergrosser Anstrengung nicht mehr imstande sind, regelmässig zu funktionieren, häuft sich im Körper des Pferdes eine so grosse Menge Kohlensäure, dass eine Ausscheidung derselben durch die Lungen auf unausgesetzt zunehmende Schwierigkeiten stösst. Die verbrauchten Bestandteile treten dann wieder in das Blut und führen, falls dem Pferde nicht Zeit zum Ausschnaufen und Stallen gewährt wird, in sehr kurzer Zeit zu einer tötlichen Blutvergiftung, als deren sichere Vorboten eine Körpertemperatur von über 40 Grad, irres Auge, geschwollene Adern, steife Muskeln und schwankender Gang zu be- zeichnen sind. Aus allem dem geht hervor, dass der Massstab für die Beurteilung der Ausdauer des Pferdes hauptsächlich in der umfang- reichen Tätigkeit des Herzens und der Lunge zu suchen ist, und diese wird wiederum am sichersten durch Rennen auf flacher Bahn geprüft. Der Franzose sagt: >'La vitesse est le fond< (Schnelligkeit ist Ausdauer). Es ist unmöglich das Prinzip, das zur allgemeinen An- wendung der Rennprüfung geführt hat, präziser und kürzer in Worte zu kleiden. Bei den Engländern heisst es : »It is the pace that kills« (Was tötet, ist die Schnelligkeit) und auch dieser Satz enthält die deut- liche Erklärung eines leider allzu häufig übersehenen physiologischen Axioms. Wenn wir aber in Übereinstimmung hiermit von einer mass- gebenden und aufklärenden Prüfung des Vollblutpferdes verlangen, dass sie zur Entwicklung der grösstmöglichen Schnelligkeit zwinge, w-erden wir sie auf der Flachbahn abhalten müssen. Die Hindernisbahn eignet sich aus mehreren Gründen nicht für diesen Zweck. Zunächst sei be- merkt, dass Pferde, die nicht imstande waren, auf flacher Bahn ein Rennen von nur 1000 Meter zu gewinnen, häufig genug auf der Hin- dernisbahn glänzende Triumphe im Rennen über die Distanz von 4 eng- lischen Meilen (= 6436 Meter) gefeiert haben. Die Erklärung dieser anscheinend überraschenden Tatsache liegt in dem Umstände, dass die in der Steeple-chase oder im Jagdrennen entwickelte Schnelligkeit ge- ringer, als die im Flachrennen vorkommende ist, sowie auch darin, dass das betreffende Pferd vor jedem Sprung, wenn auch nur einen flüchtigen Augenblick verhalten wird, und hierdurch in die günstige Lage kommt, — 131 — frischen Atem zu schöpfen, wohingegen sich für das Flachrennpferd vom Start bis zum Ziel keine Gelegenheit zum Luftschnappen bietet. Ausserdem ist das Resultat aller auf der Hindernisbahn stattfindenden Rennen, gar zu sehr von äusseren Umständen abhängig. Das Wetter, die Beschaffenheit des Terrains, die grössere und geringere Erfahrung und Routine des Reiters, das grössere und geringere Springtalent des Pferdes, die Tatsache, dass diejenigen Anlagen die zu Erfolgen auf der Hindernisbahn führen, sich erfahrungsgemäss nicht oder wenigstens nur in seltenen Ausnahmsfällen vererben, und mehreres andere benehmen den Rennen über Hindernisse vollständig den Charakter einer regelrechten, nicht dem Zufall oder dem Glück preisgegebenen Zuchtprüfung. Wie oft kommt in einem Jagdrennen das schlechteste Pferd im Felde als erstes ein, weil sämtliche Konkurrenten unterwegs gestürzt, sich von ihren Reitern getrennt oder infolge anderer unverschuldeter Accidents aus dem Rennen geschieden sind? Doch selbst wenn dies alles nicht der Fall wäre, könnte die für das heranwachsende Vollblut-Zuchtmaterial bestimmte Prüfung schon aus dem Grunde nicht auf der Hindernisbahn stattfinden, weil nur ältere Pferde imstande sind, ohne Schaden zu leiden, an Steeple-chase- und Jagdrennen teilzunehmen. Das zur Verfügung stehende Material würde also, ganz abgesehen von den ökonomischen Schwierig- keiten, die durch eine solche Anordnung für den Züchter entstehen müsste, erst in einem höheren Alter für Zuchtzwecke verwendbar werden. Wohin käme aber die Vollblutzucht, wenn die Stuten durchschnittlich erst im Alter von 6 — 7 Jahren zum Hengst geführt werden könnten? Noch weniger sind selbstverständlich Distanzritte geeignet, die Flachrennen als Prüfungen des mutmasslichen Zuchtwerts junger Voll- blüter in nur einigermassen befriedigender Weise zu ersetzen. Zahl- reiche praktische Versuche haben den Beweis geliefert, dass das eng- lische Vollblutpferd mehr als irgend ein anderer Pferdeschlag befähigt ist, grosse Distanzen in scharfer Face zu durchlaufen. Dieses Faktum gibt aber nicht den eigentlichen Prüfstein für den Zuchtwert des Vollbluts, denn nahezu jeder beliebige Vollblutgaul wird dem Halb- blut an Ausdauer und Energie überlegen sein. Unter den vielen Beispielen, welche die absolute Überlegenheit des Vollbluts bei Dauer- ritten über alle anderen Pferderassen und Blutmischung-en auo-enschein- lieh dargetan haben, scheint mir der im Juli (1905) auf der Strecke Lyon — Aix-les-Bains in schwierigem Gelände stattgefundene Wettbewerb französischer Offiziere von grossem aktuellen Interesse zu sein. — 132 — Es starteten im <(anzen 47 Pferde. Von diesen waren 20 Vollblut (englisches oder anglo-arabisches), 23 Halbblut (2 von anglo-arabischen, 3 von englischen Vollbluthengsten und 13 von Halbbluthengsten ab- stammend); die anderen 4 Pferde waren unbekannter Abkunft. Das Ziel erreichten 24 Pferde und zwar 15 Vollblüter, 8 Halbblüter und eines unbekannten Ursprunges. Mit Bezug auf die Herkunft jener 8 Halbblut- pferde, enthält die oflizielle Starterliste die Mitteilung, dass 3 von eng- lischen, I von einem anglo-arabischen und 4 von Halbbluthengsten erzeugt waren. Das zuerst angekommene Dutzend bestand aus 9 eng- lischen Vollblut-, I anglo-arabischen Vollblut- und 2 Halbblutpferden. Unter letzteren befand sich eines, das einem englischen Vollbluthengste das Dasein verdankte. Sobald es sich um Leistungen handelt, bei welchen Schnelligkeit, verbunden mit Ausdauer, Energie und Widerstandsfähigkeit des Nerven- systems den Ausschlag geben, wird das Vollblut eben stets den Sieg über jede andere Pferderasse davontragen. Für eine Erprobung von Vollblut gegen Vollblut eignen sich aber Jagd- und Distanzritte schon aus dem Grunde nicht, weil zu derartigen Leistungen nur ältere Pferde herangezogen werden können, und das Vollblut unbedingt bereits in jungen Jahren den Übergang von der Rennbahn zum Gestüt bewerk- stelligen muss, wenn nicht der gesamte Zuchtbetrieb auf unüberwind- liche, ökonomische und technische Hindernisse stossen soll. Wir haben somit alle Ursache den Engländern dankbar zu sein, dass sie uns durch die bei ihnen zuerst eingeführten und in System gebrachten Flachrennen, ein Mittel an die Hand gegeben haben, den Zuchtwert unserer Vollblutpferde einer wenn auch nicht absolut ein- wandfreien, so doch im grossen ganzen zweckentsprechenden Prüfung zu unterziehen. Jedenfalls ist es bisher noch niemand gelungen eine bessere Methode zu erfinden. Lieber als uns auf unpraktisches, aus- sichtsloses Experimentieren einzulassen, werden wir uns daher an die beruhigende Tatsache halten, dass das heutige Vollblut nichts anderes ist, als ein^aus fortgesetzter Reinzucht hervorgegan- genes Produkt der Rennen, der Vorbereitung zu diesem — dem sog. Training — und der durch diese beiden Faktoren bedingten sorgfältigen Paarung, Aufzucht und Fütterung. Es soll indessen nicht verschwiegen werden, dass sich das alte Sprichwort »wo viel Licht, ist auch viel Schatten« auch bei einer vor- urteilsfreien Beurteiluns: des modernen Rennwesens als zutreffend er- — 133 — weist. Ob das hcutiRuff's Guide to the Turf« leicht kontrollieren lässt, sind es die Pferde, die im Frühjahr und Vorsommer an den Rennen für Zweijährige teilnehmen, die am schnellsten niederbrechen. Länger als zwei Jahre verbleibt ein englisches Rennpferd jetzt überhaupt selten im Training. Diese Tatsache sollte den Engländern zu denken geben. Es ist aller- dings üblich die Rennpferde schon als Jährlinge in Training zu nehmen, und sie, kaum dass sie 2 Jahre alt geworden, mit 57 ^'4 Kilo im Sattel ihr Glück auf der Bahn versuchen zu lassen ; wie viele von diesen Treibhauspflanzen sind aber mit 4 Jahren noch auf den Beinen und — 134 — wie viele siedeln ohne bleibenden Schaden an ihrer Gesundheit ge- nommen zu haben in das Gestüt über? Ziffernmässigen Bescheid auf diese Fragen zu geben hält allerdings schwer; so viel steht jedoch fest, dass Vollblutpferde, deren Entwicklung mit allen zu Gebote stehenden Mitteln künstlich forciert worden und die schon als Fohlen Proben ihres Könnens haben ablegen müssen, nicht als naturgemäss herangereifte Produkte einer rationellen Zuchtmethode betrachtet werden können und falls sie später Verwendung in der Zucht finden, den Keim zu verschiedenen Leiden und Gebrechen auf ihre Nachkommen übertragen. Es muss daher als eine Lebensfrage für die englische Vollblutzucht bezeichnet werden, dass sich die Erkenntnis von der Schädlichkeit dieses rück- sichtslosen Forcierungs-Systemes recht bald in den massgebenden Kreisen Bahn brechen möge. In dieser Beziehung können die Engländer von ihren Konkurrenten, den Franzosen, lernen, denn auf den französischen Bahnen gibt es nicht nur mehr Rennen über lange Distanzen und weniger sog. »short cuts« als in England, sondern betreten die fran- zösischen Zweijährigen die Bahn auch 4 Monate später als ihre eng- lischen Altersgenossen, hi England können die Zweijährigen nämlich schon Anfang März in Verkaufs- und anderen Rennen starten, während in Frankreich kein Zweijähriger vor dem i. August an einem öffent- lichen Rennen teilnehmen darf. Erst ganz kürzlich hat sich der eng- lische Jockey-Klulj zu der reformatorischen Tat aufgeschwungen, dass er in seinem Rennreglement einen Paragraphen eingeschaltet hat, laut welchem mit mehr als 200 Sovereigns dotierte Rennen für Zweijährige nicht vor dem i. Juni stattfinden dürfen. Der Klub ist hierbei augen- scheinlich von der Voraussetzung ausgegangen, dass es keinem ver- nünftigen Rennstallbesitzer einfallen werde, einen wertvollen Zweijährigen in kleineren Rennen abzuklappern. Gewiss, vernünftige Turfmen werden das nicht tun; es fragt sich nur, welche Kreise jetzt die Majorität unter den Rennleuten bilden: diejenigen, denen die hiteressen der Zucht am Herzen liegen oder diejenigen, denen es nur darum zu tun ist möglichst schnell viel Geld auf dem grünen Rasen zu verdienen. Eine natürliche Folge der schnellen Abnützung des auf den eng- lischen Bahnen verwendeten Pferdematerials ist, dass eine sehr grosse Anzahl Stuten schon im Alter von zwei und drei Jahren zum Hengst geführt wird. Der bekannte Hamburger Pedigree-Forscher Dr. Cha- peaurouge, äusserte sich vor einigen Jahren (1902) in einer an das englische Fachblatt »The Field« gerichteten Zuschrift folgendermassen — 135 — hierüber: »Zur Zeit der berühmten Mutterstute Queen Mary (General Stud-Book, Vol. VIII.) gab es kaum mehr als ein Dutzend im Alter von zwei Jahren gedeckte Stuten; ungefähr 20% wurden erst mit drei Jahren und die Mehrzahl mit vier Jahren zur Zucht verwendet. Fünfzig Jahre später (Vol. XVIII) ist die Zahl der als Zwei- und Dreijährige gedeckten Stuten mehr als doppelt so gross wie die der Vierjährigen. Der bei weitem grösste Teil übersiedelt schon mit drei Jahren ins Gestüt und 252 Stuten (wohl gemerkt nur solche Stuten deren Verwendung zur Zucht in vorgenannten Band des Stud-Books begonnen hat), d. h. 8 "/o der Gesamtzahl (3084), wurden mit 2 Jahren zum Hengst geführt. Drei wurden sogar als Jährlinge gedeckt; eine oder zwei derselben jedoch höchst wahrscheinlich infolge eines Versehens. Nimmt man Irland allein, so findet man, dass mehr als 25 7ü aller dortigen Vollblut-Mutterstuten im Alter von zwei Jahren belegt werden. Das sind Tatsachen und keine An- sichten. Mit wenigen Ausnahmen haben die Stuten dieser Gattung nichts für die Zucht geleistet. Stuten und deren Produkte ebenfalls, werden gewöhnlich für die ganze Dauer ihrer Verwendung im Gestüt verdorben, wenn sie zu früh zum Hengst kommen. Die Nachkommen eines zu jungen Vaterpferdes sind in der Regel auch nicht viel wert, aber der Hengst findet doch nach der Deckzeit Gelegenheit zur Erholung.« Soweit die Ausführungen des Dr. Chapeaurouge, die wohl ver- dienten, ernste Beachtung in den für die gesunde Entwicklung der Voll- blutzucht tätigen Kreisen zu finden. Obwohl also das englische Renn-System dringend einer Reform bedarf, hiesse es doch das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn man daraus die Schlussfolgerung ziehen wollte, dass die Flachrenn-Prüfung überhaupt nicht das geeignete Mittel sei das Vollblut-Zuchtmaterial auf dem Standpunkt zu erhalten, den es bisher innegehabt. Zunächst sei Ijemerkt, dass trotz der Misswirtschaft die, wie wir soeben gesehen, mit diesem Material getrieben worden ist, noch immer nicht von einer drohenden Degeneration desselben gesprochen werden kann. Wir hören allerdings schon lange, dass es in der sog. »guten alten Zeit« weit mehr Steher als heutzutage gegeben. Ein stichhaltiger Beweis für diese Behauptung ist aloer meines Wissens bisher nicht erbracht worden. Kein Fachmann wird bestreiten, dass Stehvermögen nicht mehr als die erste Voraussetzung für den Erfolg eines Rennpferdes auf der Bahn bezeichnet werden kann und ebenso wird man, obwohl nicht ohne Vor- behalt, dem Herzog von Beaufort darin beistimmen, dass es ein Ding - 136 - der Unmöglichkeit für den Trainer ist, den Flieger in einen Steher zu verwandeln. Es versteht sich indessen von selbst, dass die Vorbereitung für ein Rennen von 1005 Meter eine andere sein muss als die für eines von iy2 engl. Meilen und darüber. Wenn wir auch nicht imstande sind, einem Pferde grössere Schnelligkeit beizubringen als ihm von der Natur verliehen worden, liegt es doch in unserer Macht, diejenigen Eigenschaften die es schon besitzt der vollen Entwicklung zuzuführen. Das Gleiche gilt von dem Rennen über grössere Distanzen. Obwohl der Flieger auch in der Hand des geschicktesten Trainers immer ein Flieger bleiben wird, vermögen wir ihn also zur Entfaltung seines ganzen Könnens — gleichviel nach welcher Richtung dieses überwiegt — zu befähigen. Überdies wissen selbst die Trainer nicht, wie oft der als erwiesen angesehene Mangel an Stehvermögen seine Erklärung in nicht genügend vorgeschrittener Kondition hat, oder wie oft ein Pferd es nur durch seine überlegene Kondition zu unerwarteten Erfolgen auf der Bahn bringt. Dass es keineswegs unmöglich ist, einen Flieger durch zweckentsprechende Vorbereitung instand zu setzen, auch über grössere Distanzen bedeutende Schnelligkeit zu entwickeln, habe ich selbst durch die Tat bewiesen. Unter den Pferden, die ich als Manager und Gentleman-Trainer eines grossen deutschen Rennstalles unter meiner Obhut gehabt, befand sich auch der ausgezeichnete Flieger Goldregen (br. H. geb. 1893 in England, v. Amphion a. d. Pluie d'Or). Mit diesem »Flieger« gelang es mir 1896 im grossen Preis von Leipzig, 2400 Meter, den bewährten Steher Dahlmann zu schlagen. Der offizielle Urteilsspruch lautete »Goldregen siegte nach kurzer Gegenwehr sicher um einen Hals.« In demselben Jahre wurde Goldregen zweiter im grossen Preis von Berlin (2000 Meter) und dritter im grossen Preis von Hamburg (2000 Meter). Für einen Flieger keine schlechten Leistungen! Man wird auch nicht übersehen dürfen, dass Pferde, denen man auf der flachen Bahn jedes Stehvermögen abgesprochen, später oft genug auf der Hindernisbahn unter hohem Gewicht und in schwerem Terrain 3 — 4 englische Meilen in windender Pace zurückgelegt haben. Aller- dings war ihre Vorbereitung zu derartigen Rennen eine andere, als diejenige, die sie in ihren Flachrenn-Tagen für Spritzer von 1000 bis 1200 Meter erhalten hatten. Man wird wohl der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man sagt, dass das englische Vollblutpferd heute nicht mehr auf Stehvermögen hin trainiert wird, und daher auch kaum ohne weiteres, wie die Rennpferde zu Matchems oder Childers' Zeiten, hervor- — 137 — ragende Schnelligkeit über die Distanz von 4 englischen Meilen zu entwickeln vermöchte. Ein Beweis von Entartung der Rasse ist das aber wie gesagt durchaus nicht, sondern nur die natürliche Folge einer veränderten Organisation des ganzen Renn- und Zuchtbetriebes. Mehr oder weniger sachkundige Gegner der Flachrennprüfung sind auch bemüht gewesen, die Erprobung auf der Rennbahn und den hierzu gehörigen Training als verderblich für das Zuchtvermögen der Stuten hinzustellen. Gleichzeitig wurde gewöhnlich versichert, dass Stuten, die nie im Training gewesen oder wenigstens nie die Bahn betreten, wie z. B. die unvergleichliche Poeaho ntas, Sieger in klassischen Rennen gebracht hätten; die Rennprüfung wäre also für Stuten zum mindesten höchst überflüssig. Was nun zunächst die alte Pocahontas betrifft, so verhält es sich tatsächlich so, dass sie 2-, 3-, 4- und sjährig im Training gewesen und an 9 Rennen guter Klasse teilgenommen hat. Das Ge- rede von der schädlichen Einwirkung des Trainings und der Rennen auf Stuten aber erhält eine höchst eigentümliche Beleuchtung, wenn man im englischen Rennkalender und Stud-Book nachschlägt, was aus den Töchtern und Enkelinnen der Siegerinnen in klassischen Rennen geworden ist. Wer sich diese recht mühsame Arbeit ersparen will, sehe sich nachstehende Liste etwas näher an: Cobweb, die die 1000 Guineen und Oaks gewann, brachte de- mentia (1000 Guineen), Achmet (2000 Guineen) und Bay Middleton (2000 Guineen und Derby); B rieseis (Oaks) brachte Corinne (1000 Gui- neen und Oaks); Whizgig (1000 Guineen) brachte Oxygen (Oaks); Queen Bertha (Oaks) brachte Spinaway (1000 Guineen und Oaks), Wheel of Fortune (1000 Guineen und Oaks) und Gertrude Chariberts Mutter (2000 Guineen); Spinaway wurde die Mutter von Busybody (1000 Guineen, Oaks und St. Leger); Crucifix (2000 Guineen, 1000 Gui- neen und Oaks) brachte Surplice (Derby und St. Leger); Industry (Oaks) brachte Lady Evelyn (Oaks), von welcher die grosse Familie, die in Aurum kulminiert, herstammt; Miami (Oaks) brachte Morgan la Faye, Mutter von Marie Stuart (Oaks und St. Leger) und Grossmutter von Morganette, Mutter von Galtee More (2000 Guineen, Derby und St. Leger); St. Marguerite (1000 Guineen) brachte Seabreeze (Oaks und St. Leger); Medora (Oaks) brachte Gulnare (Oaks), die Mutter von Corsair (2000 Guineen) ; Manganese (1000 Guineen) brachte Mandragora und Mineral, die Mutter von Apology (icxdo Guineen, Oaks und St. Leger), Kisber (Derb 3^) und Wenlock (St. Leger); Mincemeat (Oaks) - 13« - brachte Tomato (looo Guineen); Picnic (looo Guineen) brachte Mayon- naise (looo Guineen); Faith (Oaks) brachte Bobtail, Mutter von Ephe- mera (Oaks); Hurricane (lOOO Guineen) brachte Atlantic (2000 Guineen); Mentmore Lass (1000 Guineen) brachte Hannah (1000 Guineen, Oaks und St. Leger) und Zephyr, Mutter von Favonius (Derby); Blink Bonny (Derby und Oaks) brachte Blair Athol (Derby und St. Leger); Mendi- cant (1000 Guineen und Oaks) brachte Beadsman (Derby), Vaga, Mutter von Belphoebe (1000 Guineen) und Strayshot, Mutter von Shotover (2000 Guineen und Derby); Extempore (1000 Guineen) brachte Jeu d'Esprit, Mutter von Feu de Joie (Oaks); Ghuznee (Oaks) brachte Meeanee, Mutter von Lady Augusta (1000 Guineen); Sorcery (Oaks) brachte Cadland (2000 Guineen und Derby); Landscape (Oaks) brachte Kathe- rine, Mutter von Rowton (St. Leger); Augusta (Oaks) brachte Augustus {2000 Guineen) und Acacia, Mutter von Potentia (1000 Guineen); Manu eil a (Oaks) brachte Memnon (St. Leger); Altisidora (St. Leger) brachte die Mutter von Ralph (2000 Guineen); Variation (Oaks) brachte Elphine, Mutter von Warlock (St. Leger) und Grossmutter von Wizard (2000 Guineen); Pewet (St. Leger) brachte Paulina (St. Leger); Cyprian (Oaks) brachte Songstrees (Oaks) und Miss Harewood, Mutter von Pits- ford (2000 Guineen); Fille de l'Air (Oaks) brachte Reine (1000 Guineen und Oaks); Canezou (1000 Guineen) brachte Fazzoletto (2000 Guineen); Zeal (1000 Guineen) brachte Arab (1000 Guineen); Piatina (Oaks) brachte Juhana, Mutter von Matilda (St. Leger); Siberia (1000 Guineen) brachte Cecilia (1000 Guineen), und Pilgrimage (2000 Guineen und 1000 Guineen) brachte Canterbury Pilgrim (Oaks) und Jeddah (Derby). Ferner lehrt uns der Racing-Calendar, dass die meisten Mütter von Siegern in den vier klassischen Rennen (Derby, Oaks, St. Leger und 2000 Guineen) die Bahn schon im Alter von 2 Jahren betreten haben und zwar viele derselben sogar sehr häufig. Unter diesen seien hier genannt: Little Lady, die Mutter von Camballo, i8mal; Miss Roland, die Mutter von Craig Miliar, 16 mal; Pietas (früher Faith), die Mutter von Placida, I4mal; Crytheia, die Mutter von Petronel, 13 mal; Violet Melrose, die Mutter von Melton, 13 mal; Lady Portland, die Mutter von Miss Jummy, 12 mal; Blink Bonny; die Mutter von Blair Athol, II mal; St. Marguerite, die Mutter von Seabreeze, 11 mal; Fille de l'Air, die Mutter von Reine, 9 mal; Atalanta, die Mutter von Ayr- shire, 8 mal; Fl3^ing Duchess, die Mutter von Galopin, 8 mal; Mavis, die Mutter von Galliard, 7 mal; Seclusion, die Mutter von Hermit, — 139 — 6 mal; The Gern, die Mutter von Regalia, 6 mal; Laura, die Mutter von Petrarch, 5 mal, u. s. w. Angesichts dieser Tatsachen wird man wohl die Behauptung, dass die Rennprüfung einen schädlichen Einfluss auf das Fortpflanzungs- vermögen der Stuten ausübe, als müssiges Gerede bezeichnen dürfen. Dass es auch Stuten gibt , die , obwohl sie nie gelaufen , Mütter von guten Pferden geworden, weiss ich sehr wohl. Das sind aber die Ausnahmen , welche nur die Regel bestätigen. Solche Ausnahmen waren z. B.: Rouge Rose, die Mutter von Bend Or; St. Editha, die Mutter von St. Gatien; Hybla, die Mutter von Kettledrum; Ferina, die Mutter von Pretender; Paul ine, die Mutter von Fille de l'Air; Flax, die Mutter von Queen Bertha; Hasty Girl, die Mutter von Kilwarlin, u. m. a. Diejenigen Mutterstuten, die öftentliche Leistungen aufzuweisen haben, bilden aber, wie jedermann leicht kontrollieren kann, den un- geprüften gegenüber eine so kolossale Majorität, dass Englands Voll- blutzucht schon lange der Vernichtung anheimgefallen sein müsste, wenn Stuten nicht ohne dauernden Schaden an ihrer Konstitution zu erleiden, trainiert und auf der Rennbahn einer massgebenden Leistungs- prüfung unterzogen werden könnten. Ich gebe jedoch gerne zu, dass ein zu langes Verweilen im Rennstall geeignet erscheint, die Flanken der Stute aufzuschürzen , verengernd auf wichtige innere Organe ein- zuwirken, die Geschmeidigkeit der Gewebe zu beeinträchtigen und auch die Nerven und das Temperament in ungünstiger Weise zu beeinflussen. Diese Gefahren lassen sich aber leicht vermeiden, wenn man, wie dies bei den grösseren Züchtern und Rennstallbesitzern allgemein üblich ist, die Rennkarriere der Vollblutstute mit dem vierten Jahre zum Abschluss bringt. Einer der besten und glücklichsten Züchter der Neuzeit war der verstorbene Lord Falmouth, über dessen im Jahre i8So aus 24 Stuten bestehendes Gestüt Graf Lehndorfl" in seinem berühmten »Handbuch für Pferdezüchter« folgende ebenso interessanten wie lehrreichen Mit- teilungen macht: 1. Es war keine Stute darunter, welche nicht gelaufen und nur eine, welche nicht gesiegt. 2. Es war keine darunter, welche nicht schon 2 jährig gelaufen. 3. Es war keine darunter, welche älter als 4 jährig noch gelaufen, ausser Lilian. welche während ihrer Rennkarriere Mr. Savile gehörte und erst nach Be- endigung derselben von Lord Falmouth erkauft wurde. 4 Es war keine darunter, deren Mutter ausser ihr nicht noch andere Sieger gebracht hätte. — 140 — Ich bin der Ansicht, dass in diesen vier Punkten mehr züchterische Weisheit enthalten ist als in allen gegen die Rennprüfung gerichteten Artikeln und Broschüren , deren Verfasser nie ein Rennpferd trainiert und nie einen Sieger gezüchtet haben. Wenn die Gegner der Rennprüfung auch in dem Training eine Schädigung des Zuchtwertes der englischen Vollblutrasse erblicken, so übersehen sie, dass man mit dem Worte »Training« die Kunst bezeich- net, die individuelle Leistungsfähigkeit durch systematische Übungen, zweckentsprechende Nahrung und eine den ganzen Organismus um- fassende, zielbewusste Pflege zu erhöhen. Der Training ist demnach die notwendige Voraussetzung grosser, körperlicher Leistungen. Ohne Training keine Kondition, oder mit Umschreibung dieses Fremdwortes, keine Möglichkeit für den Organismus, die ihm auferlegte, das Mass des Alltäglichen überschreitende Arbeit ungefährdet mit Anspannung aller Kräfte verrichten zu können. Die Aufgabe des Trainings besteht in der Hauptsache darin, die bei dem angestrebten Zweck vornehmlich in Anspruch genommenen Muskeln zu entwickeln und an die ihnen zugedachte spezielle Arbeit zu gewöhnen ; durch zweckdienliche Übungen, Fütterung und Wartung förderlich auf den Gesundheitszustand des ganzen Organismus ein- zuwirken; dafür zu sorgen, dass die Atmungsorgane instand gesetzt werden, die Kraftanstrengungen des Systems zu unterstützen, und schliess- lich zu verhindern, dass das betreffende Pferd mehr Fett ansetze, als mit dessen Wohlbehnden vereinbar, wodurch auch erreicht wird, dass das Tier kein überflüssiges Gewicht zu tragen bekommt und die er- forderliche gesteigerte Muskeltätigkeit unbehindert vor sich gehen kann. In betreff der hier erwähnten Entwickelung der Muskeln werden wir zu beachten haben, dass häufig wiederholte Übung der Muskeln durch Erzeugung einer gesteigerten Blutzufuhr die Ernährung derselben fördert, was wiederum zur Folge hat, dass neue Gewebe entstehen und die Muskeln an Grösse und Kraft gewinnen. Dies gilt nicht nur mit Bezug auf das ganze Muskelsystem, sondern auch für jedes einzelne Muskelpaar, das mehr und häufiger als die übrigen in Anspruch ge- nommen wird, w^ie ja die auf gleichmässige Ausbildung aller Muskeln gerichteten Turnübungen und die von gewissen Berufen bedingte ein- seitige Entwicklung einzelner Muskeln ■ — ich erinnere an die Arme der Schmiede und die Waden des Ballet-Tänzers — zur Genüge beweisen. Solche gesteigerte Ernährung hat jedoch eine den erhöhten Anforde- — 141 — rungen entsprechende Fütterung zur notwendigen Voraussetzung. Ist die Fütterung ungenügend, so tritt bei den Muskeln ein Verlust an Umfang und Kraft zutage, welche Einbusse desto empfindlicher sein wird, je bedeutender die Anstrengung und infolgedessen auch der Ver- brauch an Muskelkraft gewesen. Kaum weniger schädlich wirkt eine von keinen Ruhepausen unterbrochene, andauernde Kraftanstrengung, denn der Wiederaufbau des Muskelgewebes erfolgt nur während der Ruhe und das Muskelsystem erleidet ebenso wie das Nervensystem durch übertriebenen Gebrauch eine unverhältnismässige Abnützung. Je hef- tiger die Anstrengung war, eine desto längere Periode ungestörter Ruhe wird demnach erforderlich sein, um den Ersatz des Gewebes zu er- möglichen. Die Existenz der verschiedenen Gewebe des tierischen Körpers hat nämlich nur eine beschränkte Zeitdauer, die direkt durch das dem Tiere auferlegte Arbeitsmass beeinflusst wird. Abgesehen von der Be- deutung der Arbeit für die Muskelbildung, die Beschränkung des Fett- ansatzes und die Erhaltung der Gesundheit, besteht aber noch die Tatsache, dass Gewebe, die unter dem Einflüsse schnellen Gebrauchs und diesem entsprechenden Ersatzes zur Entstehung gelangen, kräftiger und von grösserem Wert als solche sind, die in dieser Beziehung weniger schroffen Einwirkungen ausgesetzt gewesen. Dies tritt sogar in dem röteren, gesünderen Aussehen der ersteren zutage. Wollen wir die Qualität des Muskel- und Nervengewebes verbessern, werden wir daher dem betreffenden Tiere so viel Arbeit geben müssen, als sich mit der individuellen Leistungsfähigkeit desselben in Einklang bringen lässt. Die anstrengende Bewegung im Freien reinigt das Blut, indem sie die Tätigkeit der Lunge und dadurch auch die Zufuhr von Sauer- stoff, sowie die Ausscheidung von Kohlenstoffen beschleunigt. Gleich- zeitig aber stärkt sie die Tätigkeit des Herzens und der Lunge. Altere Verfasser, die über den Training geschrieben, legten grosses Gewicht auf die Notwendigkeit, dem Pferde ausschliesslich hartes Futter zu geben und hierdurch, sowie durch tunlichste Beschränkung der Wasserzufuhr, auf ein Zusammenschrumpfen des Magens und der Eingeweide hinzuwirken. Bei oberflächlicher Prüfung erscheint diese Vorschrift auch ganz beachtenswert, denn es lässt sich ja nicht ab- leugnen, dass die Aufgabe des Zwerchfelles Raum für die Tätigkeit der Lungen zu schaffen, auf Hindernisse stossen muss, falls die Verdauungs- organe durch voluminöses Futter ausgedehnt werden. Die Futterfrao-e — 142 — ist indessen gänzlich abhängig von dem Gesundheitszustande, der Verdauung und der Dienstleistung des betreffenden Pferdes. So lange die Gesundheit und die Arbeitsfrische der Tiere nichts zu wünschen übrig lassen, darf somit auch angenommen werden, dass die Fütterung ihrem Zwecke entsprochen hat. Bei aussergewöhnlichen Anstrengungen hat der Appetit des Pferdes den einzigen Massstab für die Bemessung der Futter- und Wasserrationen abzugeben. Das Tier wird dann, vorausgesetzt dass sein Gesundheits- zustand ein tadelloser, schon instinktiv für die rechten quantitativen Verhältnisse in den von ihm aufzunehmenden Futtermengen sorgen. Glänzendes Haar, ein klarer, ruhiger Blick, geringer, wässeriger und leicht trocknender Schweiss, normale Beschaffenheit der Exkremente, kühle Beine und Füsse, harte, stark hervortretende Muskeln, ein stahl- harter Kamm, eine geschmeidig aufliegende Haut und freier Atem, sind die hauptsächlichsten Anzeichen, die auf Kondition beim Pferde deuten*). Aus dieser kurzgefassten Schilderunor (jgg Beg^riffes und Wesens des Trainings geht hervor, dass dieser, sachgemäss und mit steter Be- rücksichtigung der physiologischen Gesetze ausgeführt, unmöglich die Gesundheit des Pferdes gefährden kann, sondern im Gegenteil ein vor- zügliches Mittel darstellt, das allgemeine Wohlbefinden und die Leistungs- fähigkeit desselben kräftig zu fördern. Mit Bezug hierauf sei speziell erwähnt, dass die in früheren Zeiten allgemein gebräuchlichen, überaus anstrengenden Schwitzgalopps unter schweren Decken von keinem ge- bildeten Trainer mehr angewendet werden. Man Ijringt überhaupt die Pferde heutzutage viel weniger »fein gezogen« — d. h. auf gut deutsch »dicker« — zum Pfosten und verschwunden sind jene durch Abführen und Schwitzen in lebendige Skelette verwandelten Renner, die bald die Heiterkeit, bald das Mitleid unserer Väter erregten. Überflüssiges, die Atmungs- und Verdauungsorgane belästigendes oder gar als Ballast wirkendes Fett darf allerdings auch das moderne Rennpferd nicht tragen. Einer Fettbildung dieser Gattung kann aber bereits durch die tägliche Arbeit entgegengewirkt werden. Der berühmte Altmeister Tom Jennings, der Trainer von Gladiateur, Fille de TAir, Ravon d'Or und vielen anderen Heroen des Turfs äusserte einst: »If you send them fast enough, they'll want no sweating. The difficultv, then, will be to *) Siehe auch »Der Training des Pferdes zu verschiedenen Gebrauchszwecken« von Graf C. G. Wrangel, Stuttgart, Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) 1899. — 143 — keep them big enough« (Ist die Arbeit schnell genug, so bedarf es keines Schwitzes. Der Trainer wird dann seine liebe Not haben, die Tiere in gutem Futterzustand zu erhalten). Allerdings setzt diese Methode voraus, dass das zu Fettansatz disponierende Pferd über ein widerstandsfähiges Vorderpedal verfügt, denn bei vieler und schneller Arbeit würde ein solches Tier voraussichtlich binnen kürzester Frist niederbrechen. Mit dem andauernden Schonen ist es aber in diesem Falle auch nichts, denn dann wird der Gaul bald so dick wie ein Mast- kalb. Also muss mitunter schliesslich doch zur Schwitzkur gegriffen werden, nur bedient man sich hierbei nicht mehr angreifender Galopps unter schwerer Umhüllung, sondern gibt dem Pferde ausschliesslich Schritt- und Trabbewegung, wobei durch Auflegen wollener Decken (eine über den Rücken, eine um den Rumpf und eine wie ein Schawl um die Brust gewickelt) und kluger Benützung der wärmeren Tages- stunden schon dafür gesorgt werden kann, dass das Schwitzbad ein ausgiebiges werde. Nichts liegt mir indessen ferner als zu bestreiten, dass viele schwäch- lich organisierte Vollblutpferde den Anstrengungen des Trainings er- liegen oder sich während desselben irgend einen Schaden zuziehen. Das halte ich eben für einen unschätzbaren Vorzug der Rennprüfung, denn hierdurch wird dem Naturgesetze, dass der Schwache, dem Ge- schlechte zu Nutz und Frommen, im Kampf ums Dasein erliegen soll, auch in unseren zivilisierten Verhältnissen genügende Geltung gesichert. Das Vollblut ist das edelste Zuchtmaterial, das den Pferdezüchtern zur Verfügung steht ; es muss dieses daher, so weit möglich, von den stets vorhandenen wertlosen Zuchtprodukten gereinigt werden, denn mit dem Vollblut sinkt die Qualität aller jener Pferdeschläge von denen wir Ausdauer in beschleunigter Gangart verlangen. Von den Rennen zu reden ohne das wenig erbauliche Kapitel der Wetten zu berühren, ist aus vielen Gründen nicht tunlich. Die Wette bildet nämlich einen wunden Punkt im Rennbetriebe und wird daher auch dem Laien von den Gegnern der Rennprüfung stets als Schreck- bild vorgehalten, wenn es sich darum handelt Propaganda gegen die mit dem Turf in Zusammenhang stehenden Institutionen zu machen. Andererseits aber ist es auch eine unleugbare Tatsache, dass die Wette für den Rennsport absolut nicht zu entbehren ist. Man möge sie daher immerhin ein Übel nennen, nur vergesse man nicht, dass sie zu den unentbehrlichen Übeln gehört. Mit Bezug hierauf sei zunächst bemerkt, — 144 — dass auch der Millionär bei anhaltendem Pech im Stalle und auf der Bahn nicht in der Lage sein würde, die mit der Vollblutzucht, dem An- kauf von Jährlingen, der Erhaltung von Rennpferden, den Nennungen, Jockey-Gebühren u. s. w. u. s. w. verbundenen kolossalen Kosten lange zu tragen, wenn ihm nicht auf dem Wettmarkte die Möglichkeit geboten würde, alle erlittenen Verluste mit einem Schlag oder wenigstens allmählich auszugleichen. Es hat aber noch nie einen Rennstallbesitzer gegeben, der dauernd vom Glück begünstigt w^orden wäre. Selbst bei der geschick- testen Leitung und der rutiniertesten Ausnützung aller der sich bietenden Chancen, pflegt die Zahl der mageren Jahre die der fetten bei weitem zu übersteigen. Da muss eben die Rennwette aushelfen, wenn die Verluste nicht erdrückende Dimensionen annehmen sollen. In Eng- land bietet sich hierzu überall Gelegenheit. Alle Kreise der Bevölke- rung, die höchsten wie die niedrigsten, beteiligen sich an der Rennwette und tragen so dazu bei, dass der Vollblutzucht direkt und indirekt Ein- nahmen zufliessen, die ihr sonst nicht zur Verfügung stehen würden. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Nutzen der allgemeinen Wett- lust, die sich in England bei jeder Gelegenheit bemerkbar macht, ist, dass sie das Interesse des grossen Publikums für die Vollblutzucht und die Rennen wachruft und den Massenbesuch auf den zahlreichen Bahnen Grossbritanniens in Fluss hält. Wer in England eine Wette auf irgend ein Pferd anlegen will, muss sich aber an den Buchmacher wenden, denn der Totalisator hat in England nie Eingang gefunden. Dass es unter diesen professionellen Vermittlern von Rennwetten manche an unsere Bauernfänger erinnernde Individuen gibt, wird kein Kenner der ein- schlägigen Verhältnisse in Abrede stellen. Trotzdem darf man nicht glauben, dass die Buchmachergilde aus lauter blutgierigen Wölfen und die grosse Schar der Wetter nur aus unschuldigen Lämmern besteht. Der englische Buchmacher besserer Klasse ist in der Regel ein sehr anständiger, gutsituierter Mann, der pünktlich und ohne je unbefugte Einwände zu erheben, die bei ihm gemachten Gewinne auszahlt, dem säumigen Schuldner gegenüber aber oft eine ganz ausserordentliche Nachsicht an den Tag legt. Was dagegen den gewohnheitsmässigen Wetter betriftt, so ist dieser in der Regel ein sehr geriebener Gesell, der genau weiss, was er tun und was er lieber lassen soll. Ein paar unglückliche Wetten werden dem auch nicht das Genick brechen ; der kommt schon' wieder hoch. Die beste Kundschaft der Buchmacher bilden indessen die Habitues der Rennbahn keineswegs ; dazu sind sie, — 145 — um einen Berliner Ausdruck zu gel)rauchen, viel zu »helle«. Nein, weit lieljer ist dem Buchmacher der vornehme Rennbahnbesucher, der zu jedem Rennen dem er beiwohnt, eine seinen Verhältnissen ent- sprechende Wette abschliesst, keinen Purzelbaum schlägt wenn er ge- winnt und kein Wehgeschrei anstimmt wenn er verliert. Alles in allem genommen hat der Verfasser des »Dictionnaire de Jurisprudence hippique« M. Charton de Meur, avocat ä la cour de Paris, mit Bezug auf die Wetten den Nagel auf den Kopf getroffen, als er sich in seinem juridischen Wörterbuch folgendermassen über dieselben äusserte: »Les paris sont tellement entres dans les habitudes mo- dernes, que Sans eux les courses tomberaient, et en meme temps s'evanouirait le profit incontestable qu'en tirent l'elevage et le progres national de la race chevaline.« (Die Wetten gehören so vollständig zu unseren modernen Ge- wohnheiten, dass die Rennen ohne sie nicht weiter bestehen könnten ; mit ihnen würde dann aber auch der nicht zu bezweifelnde Gew^inn ver- schwinden, den die Zucht und die nationale Entwicklung der Pferde- rassen aus den Rennen ziehen). Die Wetten dürfen wir somit nicht ohne weiteres, mit den vielfach auf der Rennbahn betriebenen Schwindeleien in einen Topf werfen. Es wäre ja gewiss sehr wünschenswert, dass sowohl die Vollblutzucht wie auch die Rennen ohne Mithilfe des wettenden Puljükums blühen und gedeihen könnten ; da dies aber leider undenkbar, wird man sich darauf beschränken müssen, die Auswüchse des Wettspieles mit ge- eigneten Mitteln zu bekämpfen und unablässig dafür Sorge zu tragen, dass unlautere Elemente auch im übrigen so viel als möglich vom Turf ferngehalten werden. Erfreulicherweise sind seit einiger Zeit in dieser Beziehung nicht nur auf den englischen, sondern auch auf den deut- schen, österreichisch-ungarischen und französischen Bahnen recht ener- gische Massregeln ergriffen worden. Die Herren Jockeys dürfen keine Wetten mehr abschliessen, schwindelhaftes oder gegen die Instruktion verstossendes Reiten wird unnachsichtlich mit Entziehung der Lizenz bestraft, Trainers die durch »Doping« eines ihrer Pferde den Versuch machen, das Resultat der Rennprüfung zu fälschen, setzen ihre ganze Existenz aufs Spiel, u. s. w. Das als »Doping« bezeichnete Verfahren, das durch Verabreichung gewisser Arzneimittel oder anderer chemisch wirkender Substanzen an Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 10 — 146 Pferde, die Rennleistungen derselben auf kurze Zeit, in der Regel für ein bestimmtes Rennen, zu erhöhen, ist in Amerika schon sehr lange üblich gewesen. Derartige Arzneien werden »Drugs< , die chemisch wirkenden Substanzen aber »Dopes« genannt. Mit diesen Mitteln lassen sich drei Zwecke erreichen — nämlich schmerzhafte Zustände vorübergehend zu beseitigen, die Schnelligkeit des betreffenden Pferdes zu steigern, und lähmend ^auf die Energie und Gehlust desselben ein- zuwirken. Routinierte amerikanische Trainer besitzen eine erstaunliche Fertigkeit in der Kunst, die Drugs und Dopes je nach Bedarf zu einem dieser Zwecke zu verwenden. So- lange die Aufmerksamkeit der sport- lichen Behörden noch nicht auf das in betrügerischer Absicht vor- Fig. 25. + Die Punkte, an denen die subkutane Injektion von Dop-Mitteln früher stattfanden. Fig. 26. Rennpferd, an dem eine sub- kutane Cocain-Injektion vorgenommen wird. genommene Doping gelenkt worden, bedienten sich die Trainer aus- schliesslich der Injektions-Methode. Seitdem man auf den grösseren Rennbahnen einen strengen Überwachungsdienst organisiert hat, sehen sich die Herren Dop-Künstler jedoch genötigt, dem Pferde ihre Mittelchen in Pillenform zu verabreichen. Allerdings setzen sie sich auch hierbei der Gefahr aus, dass der Schwindel durch eine Untersuchung des Speichels ihrer gedopten Renner aufgedeckt werden kann. Die beim Doping am häufigsten in Gebrauch kommenden Alca- loiden sind: Cocain, Eucain, Coffein, Atropin und Strychnin. Ein Doping-Elixir, das ein amerikanischer Jockev nach Russland mitgebracht, wurde dort von Chemikern untersucht. Die Anal3'se ergab, dass das Elixir folgende Bestandteile enthielt: Weinspiritus, Holzspiritus, Oleum — 147 — Gaolthori, Wasser, Cocain, Coffein, andere Alcaloiden, Öle, Wachs, Trauljenzucker, Gerbmittel und Mentol. Die angeführten Bestandteile waren in folgender Proportion vorhanden: Weinspiritus 20°/o, Zucker ca. 22° (j, Cocain und andere Alcaloiden ca. io^/q. Die stärkste Wirkung erzielten Spiritus und Alcaloiden. Der wichtigste Bestandteil ist Cocain. Nach den bei Pferden mit Cocain angestellten Versuchen, ruft dasselbe eine psvchische Erregung hervor und steigert durch Einwirkung auf das Rückenmark die Erregbarkeit in den Muskeln. In genau abgemessener, d. h. dem betreffenden Pferde angepasster Menge, dürfte, wie auch Professor Dr. Möller-Karlshorst, hervorhebt, Cocain wohl geeignet sein, die Rennleistung eines Pferdes auf kurze Zeit zu erhöhen. Die praktische Anwendung dieses Mittels ist indessen mit manchen Schwierigkeiten verknüpft. Zunächst hat man mit der Tatsache zu rechnen, dass die Wirkungsdauer derartiger Stimulantien zwischen einer Viertelstunde und einer Stunde schwankt, also eine sehr kurze ist. Es muss infolgedessen beim Start alles glatt von statten gehen, wenn der Schwindel von Erfolg begleitet sein soll, denn im entgegengesetzten Fall hört die stimulierende Wirkung auf bevor es zum Ablauf kommt und das chemisch-präparierte Pferd verfällt zum grossen Arger seines Trainers und seiner im Wettringe befindlichen etwaigen Anhänger in einen Zustand auffälliger Lethargie. Ausserdem wirken die Stimulantien nicht gleichmässig bei allen Pferden ; es gibt daher nicht selten höchst unangenehme Überraschungen beim Doping. Schliesslich lehrt die Er- fahrung noch, dass gedopte Pferde nur so lange blind darauf los- stürmen, als sie frei an der Spitze des Feldes galoppieren dürfen; werden sie aber von einem befähigten Gegner überholt und hängt der Erfolg im »finish« von einer letzten energischen Kraftanstrengung ab, so Ijringt es auch der beste der Gedopten höchstens auf den zweiten Platz. Selbstverständlich kommt es häufig vor, dass dem Pferde zu grosse Dosen der obenerwähnten Stimulantien verabreicht werden. In diesem Fall geht der Gaul einfach durch und mag der Jockey dann zusehen wie er sich mit heilen Knochen aus der Aff"äre zieht ; oft wird ihm dies sicher nicht gelingen. Eine weitere Gefahr liegt darin, dass Pferde die wiederholt kokainisiert zum Start gegangen, dieses Mittel überhaupt nicht mehr entbehren können. Ohne die gewohnte Dosis Cocain erhalten zu haben, spielen sie eine geradezu jämmerliche Figur im Rennen. Ob wiederholtes Doping auch, wie in einem englischen Fachblatte be- hauptet worden, Knochenerweichung beim Pferde hervorruft, will ich — 148 — jedoch dahingestellt sein lassen. Dagegen halte ich es für höchst wahrscheinlich, dass die Paarung häufig gedopter Hengste mit Stuten, die ihre Rennprüfung ebenfalls in chemisch-präparierter Verfassung absolviert haben, zur Erzeugung einer wertlosen Nachkommenschaft führen würde. Doping zum Zwecke schmerzhafter Zustände beim Pferde, wenn auch nur vorübergehend zu beseitigen, lässt sich eher entschuldigen, kann aber auf der Rennbahn ebenfalls Anlass zu argen Missbräuchen geben. Wenn die Beine eines Rennpferdes anfangen dem Trainer Be- denken einzullössen, oder das Tier in einer oder mehreren Extremitäten Schmerzen zu erkennen gibt, wird in manchen Ställen zu starken Cocain- oder Eucain-Lösungen gegriffen, um den Gaul trotz seiner invaliden Beine noch eine Weile auf der Bahn abklappern zu können. Eine Stunde vor dem Rennen wird eine in solche Lösung getauchte leinene Binde um das verdächtige Bein gewickelt. Dies genügt in der Regel um eine vorübergehende Unempfindlichkeit in dem betreffenden Bein hervorzurufen und das hierüber hocherfreute Pferd galoppiert nun lustig über den grünen Rasen dahin, wohingegen es ohne Doping auf drei Beinen vor dem Publikum erschienen wäre. Die Sache hat aber einen oder richtiger gesagt mehrere Haken. Das in dieser Weise künst- lich kampffähig gemachte Pferd ist der Gefahr ausgesetzt, während des Rennens durch Kreuzen der Beine zu Fall zu kommen. In Amerika haben mehrere Jockeys ihr Leben infolge schwerer Stürze eingebüsst, die nur dadurch verursacht wurden, dass man mittels Cocain-Lösungen eine vollständige Empfindungslosigkeit in den Extremitäten der von ihnen gerittenen Pferde hervorgerufen hatte. Ausserdem aber ist es eine entschiedene Grausamkeit, ein schon ruhebedürftiges Rennpferd nur des schnöden Mammons wegen, durch Anwendung schmerzlindernder Mittel so lange auf den Beinen zu erhalten, bis das Übel, das den Schmerz verursacht, unheilbare Formen angenommen. Will der betrügerische Trainer, um den Handicapper oder die Wetter hinters Licht zu führen, lähmend auf die Energie und Gehlust des Pferdes einwirken, so bedient er sich sorgfältig abgepasster Mor- phium-Injektionen. Sollte aber das Pferd seine Rennen schon früher unter dem Einfluss von Stimulantien bestritten haben, so genügt es ihm, diese zu dem bevorstehenden Rennen nicht zu verabreichen. Es wird dann nicht den fferingrsten Versuch machen zu seiner wahren Form aufzulaufen. — 149 — In welcher Weise die Stimulantien und narkotischen Mittel aber auch auf dem Turf zur Verwendung gelangen mögen, führen sie stets zu dem Resultat, dass das Ergebnis der Rennprüfung gefälscht und das Publikum betrogen wird. Es kann daher nicht streng genug gegen derartige lichtscheue Manii)ulationen vorgegangen werden. Unter den vielen Massregeln, die zur Bekämpfung des Dopings in Vorschlag ge- bracht worden sind, erscheint mir folgende am meisten Beachtung zu verdienen. In unmittelbarer Nähe der Rennbahn wird eine geräumige Boxstallung errichtet und unter der Aufsicht von wenigen, absolut zuverlässigen Leuten gestellt, die jedem Unberufenen den Eintritt ver- wehren. Ruft nun ein Pferd durch seine Leistung, sein Aussehen oder seine Aktion den Verdacht wach, dass es gewohnheitsmässig unter der Einwirkung von Stimulantien zum Start geschickt wird, so erhält der betreffende Trainer vom Rennvorstand den Befehl, am Tage des Rennens, Schlag 12 Uhr mit diesem Pferde — eventuell auch mit anderen In- sassen seines Etablissements — vor jenem Stall zu erscheinen und das Tier daselbst einzustellen. Von diesem Augenblick an, bis zu der für das Rennen angesetzten Stunde verbleibt das Pferd unter der Aufsicht der Beamten des Rennvorstandes, und da es kein stimulierendes Mittel gibt, dessen Wirkung mehrere Stunden vorhält, wäre hierdurch die Möglichkeit geboten, betrügerischen Trainern ein für alle Mal die Lust zu benehmen mit chemisch-präparierten Rennpferden am Start zu erscheinen. Von den Amerikanern haben die Engländer auch den Affensitz gelernt, der jenseits des grossen Wassers auf der Flachbahn von allen Jockeys eingenommen wird (Fig. 27). Über die Vor- und Nachteile dieses Sitzes herrschen in der Fachwelt sehr verschiedenartige Ansichten. Wie aus nebenstehender Figur zu ersehen ist, sitzt der amerikanische Jocke}^ stark gebeugt vornüber im Sattel ; seine Hände sind nahe am Pferdemaul und die infolsre der kurzgeschnallten Bügel, hoch- und krummgezogenen Knie an dem Pferdekörper angeklammert. Seine Haltung ist regungslos vom Start bis ins Ziel. Die englischen Jockeys sitzen oder sassen ebenfalls etwas vorgebeugt und mit den Händen am Widerrist, doch war ihre Haltung im übrigen eine ziemlich normale. Sie ritten aber viel mit losen Zügeln, so dass ihre Pferde die Beine wechseln konnten so oft es ihnen beliebte. Das war entschieden ein Fehler und das gleiche gilt von dem allgemein als besonders kunst- (jerecht angesehenen »Reiten auf Warten«. Bis es zum Finish kam. — I50 — stand der Jockey in den Bügeln. Dies geschah um dem Pferde das Galoppieren zu erleichtern. Auch die Jockeys hatten nämlich eine dunkle Vorstellung von dem bekannten Lehrsatze, dass die Vorderbeine die Träger und die Hinterbeine die Propeller der Maschine sind. Im Endkampfe aber handelten sie eigentümlicherweise im strikten Gegen- satz zu dieser Theorie, denn dann setzten sie sich resolut nieder im Sattel und von einer Erleichterung für das Hinterteil des Pferdes war nicht mehr die Rede. Trotzdem glaubte gewiss jeder Jockey steif und fest, nur in dieser Weise die letzte Unze aus seinem Pferde heraus- pressen zu können. Ja, so ritt man früher auf den englischen und allen kontinentalen Bahnen. Heute dagegen darf nur derjenige Jockey, der die alte Methode über Bord geworfen und den amerikanischen Reitstil mit Erfolg kopiert hat, auf einträgliche Engagements zählen. Einer der berühmtesten englischen Trainer, J. Porter-Kingsclere, äusserte sich vor nicht langer Zeit folgendermassen über den ameri- kanischen Rennsitz: »Ist die amerikanische Reitmethode besser oder schlechter wie die unsrige? Ich glaube, wir werden zugeben müssen, dass sie in vielen Beziehungen besser ist. Die amerikanischen Jockeys beurteilen die Pace richtiger und finden, dank ihrer eigenartigen Haltung, weniger Luft- widerstand beim Rennreiten als ihre britischen Berufsgenossen. Was nun zunächst die Beurteilung der Pace anbelangt, gehen die Amerikaner von Jugend auf in eine vorzügliche Schule. Sie reiten »drüben« ausserdem stets auf genau abgemessenen und vollständig ebenen Bahnen, die stets in demselben guten Zustand erhalten werden. W'ie mir mitgeteilt worden, erhalten die Reitburschen in Amerika bei den Morgengalopps genaue Order, in welcher Zeit sie eine von ihm bestimmte Strecke zurück- zulegen haben. Gelangt der Junge einige Sekunden zu früh oder zu spät ans Ziel, so wird er bestraft oder wenigstens strenge zurechtgewiesen. Auf diese Weise lernt er sehr bald, sich ein richtiges Urteil über die von seinem Pferde im Galopp entwickelte Pace zu bilden. In England liegen die Verhältnisse ganz anders. Die Pferde werden hier zumeist in hügeligem Terrain und auf so verschiedenartigen Bahnen trainiert, dass es unmöglich sein würde, die Zeitmessung bei der Morgenarbeit ein- zuführen. Während meiner Lehrzeit wurde mir beigebracht, kurze Zügel zu nehmen, mich in den Bügeln zu erheben, eine vorgeneigte Haltung im Sattel zu bewahren und die Hände zu beiden Seiten des Widerristes zu halten. Das war der frühere Reitstil, dann kam eine — 151 — Zeit, wo man stets mit langen Zügeln, langen Bügeln und aufrechter Haltung ritt, also das ganze Gewicht auf diejenigen Partien des Pferde- kcirpers verlegte, die am wenigsten geeignet sind dasselbe zu tragen. Das war vielleicht ein eleganterer, gefälligerer Stil, aber sicher nicht der richtige für Rennzwecke. Jeder professionelle Radfahrer wird auf Befragen erklären, dass der Unterschied zwischen der aufrechten und Fig. 27. Rennsitz des amerikanischen Jockeys. (Nach einer Monientiihotographie.) der vorgeneigten Haltung Ijeim Radrennen eine Differenz von 100 Yards (— 0,91 Meter) auf die englische Meile (= 1609 Meter) ausmachen würde. Weshalb sollte der zu überwindende Luftwiderstand beim Renn- reiten geringer sein? Die Jockeys der alten Schule ritten ausserdem in eng anliegenden Hosen und Jacken. Die neue Schule trägt bequeme weite Reithosen und ebensolche Jacken. Alle diese Verhältnisse tragen dazu Ijei, den Luftwiderstand zu verstärken. Icli sprach vor einigen Tagen mit einem Herrn , der mir erzählte , dass er einst in einem die Klubflagge führenden Achtruderer am Steuer gesessen sei und hierbei die Bemerkung gemacht habe, dass der Unterschied in der Schnellig- — 152 — keit, wenn die kleine FL^igge gehisst oder versorgt war, mehr als eine Botlänge per englische Meile betrug. Das sind doch Tatsachen, die auch beim Rennreiten berücksichtigt werden müssen und deshalb bin ich der Ansicht, dass die amerikanische Reitmethode in manchen Be- ziehungen der unsrigen vorzuziehen ist.« Diese Auffassung des erfahrenen englischen Trainers dürfte wohl von den meisten praktischen Rennleuten geteilt werden. Ich möchte nur hinzufügen, dass der amerikanische oder nach amerikanischer Methode reitende Jockey nie »auf Warten« reitet, sich also nie im Hintertreffen befindet, sondern stets versucht, den Platz in Front des Feldes zu behaupten. Mögen die anderen rückwärts auf der Lauer liegen, so viel sie wollen, wenn nur er freies Feld und Ausblick nach vorn hat und die führende Rolle spielen kann. So kommt es, dass er sein Rennen mit Fall der Flagge aufnimmt und bis ins Ziel die gleiche Face beibehält. Sein Prinzip ist: ^Vom Start weg in schärfster Fahrt, und zum Schluss — wenn möglich — noch so viel Dampf übrig haben, um alle Angriffe abschlagen zu können. Die Medaille hat aber ihre Kehrseite. Durch den amerikanischen Sitz wird ein so bedeutendes Gewicht auf die vorderen Extremitäten der Rennpferde gelegt, dass eine unverhältnismässig grosse Anzahl der- selben vor der Zeit niederbricht. Durch genaue Experimente ist kon- statiert worden, dass ein im amerikanischen Stil galoppierender Reiter, der 59 kg in den Sattel bringt, den Vorderbeinen seines Pferdes das- selbe Gewicht aufbürdet, wie ein in normaler Haltung sitzender Reiter, dessen körperliche Hülle ii8 kg wiegt. Die unleugljaren Vorzüge der amerikanischen Methode scheinen also zum grossen Teile auf Kosten der Pferdebeine gewonnen zu werden. Es dürfte sich daher wohl empfehlen, die Reitburschen Ijeim Training den altgewohnten Sitz ein- nehmen zu lassen, wenn man auch im Rennen nicht auf die Vorteile des amerikanischen Reitstils verzichten will. Die nähere Bekanntschaft mit den in amerikanischen Rennkreisen herrschenden Ansichten und Gebräuchen ist übrigens für die Engländer auch in anderen Beziehungen von praktischem Nutzen gewesen. So haben sie unter anderem von den Yankees gelernt, grösseren Wert auf die Zeitmessung bei ihren Rennen zu legen. Allerdings ist im Derby und den Oaks die Zeit des Siegers schon seit 1846 gemessen worden, in der grossen Liverpool Steeple-Chase sogar seit 1839 ^^i"^*^ ^'^^^ Don- caster St. Leger bis 18 10 zurück, doch hat dies nie Anlass zu irgend — 153 — welchen Änderungen des üblichen Trainier- und Rennsystems gegeben. Erst als man die von Amerika herübergekommenen Jockeys vom Fall der Flagge ab bis zum Ziel genuine Rennen reiten sah, begann man in England sich ernstlich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine rationell angeordnete Zeitmessung nicht vielleicht doch geeignet sei, wertvolle Aufschlüsse über den relativen Wert der gestarteten Pferde zu erteilen. Dass der ultrakonservative, allen Neuerungen abholde Durchschnitts-Engländer nichts von der Einführung einer obligatorischen Zeitmessung wissen will, ändert nichts an der Tatsache, dass diese in den massgebenden Fachkreisen von Jahr zu Jahr zahlreichere Anhänger gewinnt. Auch die früheren Spötter geben jetzt zu, dass man mit Hilfe des Chronographen konstatieren könne, ob das Resultat eines Rennens als richtig oder falsch anzusehen sei. Gelangt die Zeitmessung auf allen Bahnen zur obligatorischen Einführung, so kann es nicht mehr vorkommen, dass über die halbe Distanz und noch weiter ein Bummel- tempo geritten wird und die Jockeys erst auf dem letzten Stückchen Ernst machen. Ohne Zeitmessung wäre man z. B. zu der Annahme berechtigt gewesen , dass Stehvermögen nicht zu den charakteristischen Eigen- schaften Galtee More's gehört habe, denn der Hengst siegte nur mit knapper Not im St. Leger des Jahres 1897. Als man aber erfuhr, dass er zu diesem Siege die abnorm lange Zeit von 3 Minuten 3 1 '/s Sekunden gebraucht hatte, ward es sofort offenbar, dass das Rennen ein falsches gewesen und Galtee More nicht nach seiner St. Leger-Form beurteilt werden dürfe. Ähnlich verhielt es sich, als Paradox 1885 i^i den 2000 Guineen um ein Haar von dem schnellen Crafton geschlagen worden wäre. Die Zeit, in der dieses Rennen gelaufen wurde, war 10 Sekunden länger als die, in welcher Farewell, eine in jeder Be- ziehung weniger leistungsfähige Stallgefährtin von Paradox, die 1000 Gui- neen gewann. Aus dieser Tatsache wollten manche den Schluss ziehen, dass der Zeitmessung keine praktische Bedeutung zuerkannt werden könne, und doch bewies dieselbe klar und deutlich, dass die 2000 Gui- neen ein falsches Rennen gewesen. Selbstverständlich wird bei der Beurteilung der erzielten Zeit stets ermittelt werden müssen, wie die atmosphärischen Einflüsse, die Boden- beschaftenheit und die Terrainverhältnisse auf der betreffenden Bahn waren ; auch die Form der letzteren wird nicht unbeachtet bleiben dürfen. Es liegt nämlich auf der Hand, dass ein Pferd l^ei schönem Wetter, auf trockenem, elastischem Boden, ebener Fläche und kunstgerecht an- — 154 — gelegter Bahn bessere Zeiten erzielen wird, als wenn das Wetter stürmisch und regnerisch, der Boden durchweicht, das Terrain hügelig und die Form der Bahn nicht günstig für die Entwicklung grösserer Schnelligkeit ist. Mit Bezug auf diese Verhältnisse entnehme ich einer mir vorliegenden Beschreibung der englischen Rennbahnen folgende Einzelheiten: Während es in Epsom nichts Ungewöhnliches ist, dass ein Pferd die Distanz von 5 Furlongs (= 1005 m) in 57 Sekunden zurück- legt, gelten i Minute 2 Sekunden in Newmarket schon als eine sehr gute Zeit. Die Bahn zu Lingfield, die vom Start al3 schnurgerade über eine leicht gegen das Ziel geneigte Fläche führt, begünstigt natürlich die Erzielung phänomenaler Zeiten, wohingegen der Hügel auf dem letzten Stück der Ascot-Bahn hemmend auf das Tempo einwirkt, welche Tendenz indessen durch die vorzügliche Bodenbeschaffenheit dieser Bahn nahezu kompensiert wird. Die Finish-Strecken der sog. Bunbury- Mile oder der Criterion-Bahn zu Newmarket stellen aber den Speed des Rennpferdes unter allen Verhältnissen auf eine äusserst schwere Probe. Will man nicht zu Trugschlüssen bedenklichster Gattung gelangen, wird man daher bei der Beurteilung der von einem Pferde erreichten Zeit stets sämtliche Faktoren, die hemmend oder fördernd auf die im Rennen gezeigte Schnelligkeit eingewirkt haben können, mit in Rech- nung ziehen müssen. Wer sich dies vor Augen hält, wird nichts Un- erklärliches oder gegen den Nutzen der Zeitmessung Sprechendes darin finden, dass mittelmässige Pferde sehr häufig über gleiche Strecken bessere Zeiten erzielt haben, als die berühmtesten Sieger älterer und neuerer Zeit. So erfocht z. B. der famose Galopin, eines der besten Pferde, die je im Derby gestartet, seinen Derby-Sieg in 2 Min. 48 Sek., während Sir Visto, einer der allergeringsten, hierzu nur 2 Min. 43 ^/r, Sek. benötigte. Lord Lyon, der als Sieger im Derb}^ dem St. Leger und den 2000 Guineen des Jahres 1866 unvergängliche Lorbeeren auf der Bahn geerntet, lief sein Der1:)y in 2 Min. 50 Sek., Merry Hampton, ein sehr massiger Derby-Sieger, kam nach Verlauf von nur 2 Min. 43 Sek. durchs Ziel. Wheel of Fortune, eine der besten Stuten, die je an einem Rennen teilgenommen, brauchte 3 Min. 2 Sek., um ihren Sieg in den Oaks zu erringen; Lonely, ein ganz minderwertiges Tier, siegte in 2 Min. 43% Sek. Die für den mächtigen Ormonde im St. Leger notierte Zeit war 3 Min. 212/-, Sek.; der zu einer äusserst mittelmässigen Klasse gehörende The Lambkin brachte es fertig, die Distanz in nur 3 Min. 14 Sek. zurückzulegen. Ein obskurer Sohn des berühmten Orme, — 155 — namens Harrow, hielt vor einigen Jahren den Schnelligkeitsrekord — I Min. 35^/5 Sek. — über die englische Meile (1609 m), auf welcher Distanz der Derbysieger Galtee More keine bessere Zeit als i Min. 40^/5 Sek. erzielte. Trotzdem wird es wohl niemand eingefallen sein, Harrow und den berühmten Irländer als zu dersell)en Klasse gehörend anzusehen. Alle diese anscheinend nicht mit unbestrittenen Tatsachen in Einklang zu bringenden Leistungen untergeordneter Pferde beweisen eben nichts anderes, als dass die Rennen, in welchen die Uhr schlechtere Zeiten für rühmlichst bekannte Turfhelden angegeben, aus irgend einem Grunde zu einem falschen Resultat geführt haben. Seitdem die ameri- kanische Reitmethode auf den englischen Bahnen zur Einführung gelangt ist, gehören aber falsche Rennen zu den immer seltener werdenden Ausnahmen. Was man auch gegen den Sitz und die Reitmethode der Yankee-Jockeys einzuwenden haben mag, wird man also nicht in Ab- rede stellen können, dass die englischen Berufsreiter durch das Beispiel der Herren Amerikaner gezwungen worden sind, so wie diese die ganze Distanz in einer dem idealen Zweck der Rennprüfung entsprechenden Weise zurückzulegen, d. h. mit anderen Worten: in der kürzesten Zeit, die das Pferd überhaupt zu leisten imstande ist. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass die mit elektrischen Apparaten bewerkstelligte Zeitmessung behufs genauer Überwachung sämtlicher Phasen des Rennens binnen kurzem bei allen Flachrennprüfungen zur Anwendung kommen wird. Trainiert wird heute schon ziemlich allgemein nach der Uhr, was mir, besonders einige Zeit vor Eintritt eines wichtigen Nennungs- termines für Zweijährige, sehr empfehlenswert zu sein scheint. Von den Kämpfen auf dem grünen Rasen wenden wir uns nun dem in Englands Vollblutgestüten üblichen Zuchtbetrieb zu. Es ist eine eigentümliche Erscheinung in der Vollblutzucht, dass die Vorliebe der Züchter für gewisse Blutlinien von jeher bedeutenden Schwankungen unterworfen gewesen ist, die, indem sie einerseits das Alte wieder ans Tageslicht gefördert und andererseits das jüngst noch Neue in die Rumpelkammer verwiesen haben, lebhaft an die Laune der Modegöttin erinnern. Weshalb so viele neue oder bislang unpopuläre Linien plötzlich beliebt und modern werden, ist jedenfalls eine Frage, auf die sich nicht leicht eine für alle Fälle geltende Antwort erteilen lässt, denn vereinzelte, wenn auch blendende Erfolge erklären den oft urplötzlichen Umschwung in den Anschauungen der Züchter um so weniger, als den Triumphen der Neulinge stets eine lange Reihe gross- - 156 - artiger Leistungen ihrer Vorgänger gegenüber steht. Ausserdem wird nur zu oft übersehen, dass in der Nachkommenschaft der fashionabelsten, neben einigen »Stars« ersten Ranges eine ganze Schar vollkommener Nullen vorzukommen pflegt. Persimmon z. B. ist allerdings der Vater der Wunderstute Sceptre und des vortreftlichen Zinfandel, doch hat er in der Zucht seinen Anhängern auch zahlreiche herbe Enttäuschungen bereitet. Dies dürfte die Ursache sein, weshalb seinen Produkten auf dem englischen Jährlingsmarkt bereits ein gewisses Misstrauen entgegen- gebracht wird. Der noch vor kurzem hochgefeierte Orme erfreut sich ebenfalls nicht mehr derselben Nachfrage wie vor einigen Jahren und Meltons Jährlinge erreichten im Jahr 1904, mit knapper Not den Durchschnittspreis von 220^/3 Guineen ; sie brachten also 29^/3 Guineen weniger als die Decktaxe ihres Erzeugers ! Sogar der stolze Isinglass sah seinen Stern erbleichen, weil sein Sohn Rising Glass als 4 jähriger nicht gehalten, was er als 3 jähriger versprochen. Dagegen schwärmt heute alles für seinen Halbbruder Gallinule, obwohl dieser ausser der allerdings ausserordentlich wertvollen Stute Pretty Polly (Siegerin in den Oaks, den 1000 Guineen und dem St. Leger 1904) und Wild- fowler (Sieger im St. Leger 1898) keine klassischen Sieger unter seinen Nachkommen zählt. Da aber erfahrungsgemäss eine einzige schlechte Saison genügt, um auch den Nimbus des bislang am meisten um- worbenen Vaterpferdes zu zerstören, berechtigt die gegenwärtige Stellung Gallinules keineswegs zu der Annahme, dass die Züchter ihm von einem Jahr zum anderen die Treue bewahren werden. Will er nicht das Schicksal anderer gestürzten und vergessenen Grössen teilen, muss er es fertig bringen, jedes Jahr einen der allerersten Plätze im Verzeichnis der erfolgreichsten Vaterpferde Grossbritanniens einzunehmen. Unter solchen Verhältnissen wäre es vielleicht anzuraten, dass die Be- sitzer fashionabler Hengste durch entsprechende Herabsetzung der gegen- wärtigen unmässigen Decktaxen den Züchtern grösseres Entgegenkommen zeigten, als bisher von ihnen an den Tag gelegt worden. Stockwell, der den Ehrennamen »The Emperor of Stallions« erhielt, deckte zum Preise von 100 Guineen, und der Versuch seine Taxe auf 200 Guineen zu erhöhen, führte zu einem beschämenden Misserfolg. Ebenso erging es seinem berühmten Sohne Blair Athol. Hampton, der drei Derby- sieger erzeugt hatte und dessen Zuchtwert kaum geringer als derjenige des unübertreftlichen St. Simons war, stand den Züchtern für 150 Guineen zur Verfügung. Man vergleiche mit diesen Beträgen die Sprunggelder, — 157 — die in letzter Zeit für die Liebesdienste von Vaterpferden erh()1)en worden sind, die — zwei bis drei Matadore ausgenommen — den Ver- gleich mit Stockwell und Hampton nicht aushalten können. Im Jahre 1905 betrug die Decktaxe für FiNnng Fox (Frankreich) 600 Guineen, für St. Simon 500 Guineen, für Persimmon und Diamond Juljilee 300 Guineen, für Melton 250 Guineen, für Gallinule, Isinglass, Carbine, Ladas, Rightaway, St. Frusquin und William the Third 200 Guineen. Das sind doch, wie der Wiener sagen würde, »geschmalzene Preise« und es unterliegt meiner Ansicht nach keinem Zweifel, dass auch die englischen Züchter bald nicht mehr geneigt sein werden, Hengste aufzusuchen, für welche ein Deckgeld verlangt wird, das den Durchschnittspreis für einen gutgezogenen Jährling um ein beträchtliches übersteigt. Eine Herabsetzung der für die meisten Züchter unerschwinglichen Sprungtaxen scheint daher im Interesse der britischen Vollblutzucht dringend geboten. Die Halbblutzüchter haben es insofern besser, als der Betrag der früher vom englischen Staate für die unter dem Namen »Queen' s plates« stattfindenden Rennen ausgesetzt wurde — 5000 Pfd. St. — jetzt unter den Auspizien der »Royal Commission on Hör se-b ree- din g« zur Prämiierung von zu Halbblutzwecken geeigneten Vollblut- Hengsten verwendet wird, welche Staatshilfe an die Bedingung ge- knüpft ist, dass für diese »Oueen's Premium-Hengste« keine höhere Decktaxe als 40 Shillings erhoben werden darf. Was nun die Auswahl der in der Vollblutzucht benützten Vater- pferde anbelangt, so lässt sich nicht in Abrede stellen, dass dieselbe in England manches zu wünschen übrig lässt. Zunächst sei bemerkt, dass die grosse Mehrzahl der englischen Züchter dem Exterieur nicht genügend Beachtung schenkt. Infolgedessen machen sich mehr oder weniger bedenkliche Fehler, wie Hasenhacke, Schale, Hochbeinigkeit, französische Stellung der Vorderextremitäten, zu lange Rücken, Roaren u. s. w. bei vielen der bekanntesten und am meisten benützten Stal- lions auf eine sehr unangenehme Art bemerkbar. Florizel II, der rechte Bruder Persimmons ist z. B. ein schlimmer Roarer, bekommt aber trotzdem und obw^ohl sein Sprunggeld 2000 Mark beträgt, so viele Stuten vornehmster Klasse, als sein Besitzer für ihn anzunehmen ge- neigt ist. Diejenigen englischen Züchter oder Rennleute, die an die Erblichkeit des Kehlkopfpfeifen s glauben, dürften aber auch leicht ge- zählt sein. Wird einmal in irgend einem Fachblatte vor der allzu - 158 - ungenierten Benützung notorischer Roarer gewarnt, so bekommt man gewiss gleich darauf mehrere »Eingesandt« zu lesen, in welchen auf den unleugbaren Zuchtwert verschiedener Pferde hingewiesen wird, die mit diesem Leiden behaftet waren. Als solche wären zu nennen: die berühmten Stuten Pocahontas und Lilly Agnes, die Hengste Ormonde, Humphrey Clinker, dessen Sohn Melbourne, Toxophilite, Prince Charlie, Macaroni, Sir Bevys, Sweetmeat u, v. a., die alle zu der »musikalischen« Gesellschaft gehörten. Der Zuchtwert dieser Tiere ist allerdings über jeden Zweifel erhaben; andererseits steht aber auch fest, dass unter ihrer Nachkommenschaft neben Sternen ersten Ranges sehr viele Kehl- kopfpfeifer vorkommen. Dies ist speziell in der ausgezeichneten Agnes- Familie der Fall; sämtliche Mitglieder dieser Familie roarten nämlich mehr oder weniger. In England, Frankreich und Deutschland haben sich fast alle Autoritäten auf dem Gebiete der Tierheilkunde für die Vererbungsfähigkeit des Roarens ausgesprochen. Es muss jedoch be- rücksichtigt werden, dass nicht Vererbung allein die Schuld an dem Auftreten des Leidens zuzuschreiben ist. Wenn ein Pferd infolge der Brustseuche Kehlkopfpfeifer wird, so liegt anscheinend kein Grund zur Vererbung des Leidens vor, da es sich in diesem Falle um einen er- worbenen Fehler handelt. Man wird daher gut tun, gewisse Rücksicht auf die Entstehungsursache desselben zu nehmen. (Siehe »Das Kehl- kopf-Pfeifen der Pferde« von Professor H. Möller). Mit noch grösserer Sicherheit als das Roaren, gehen schlechte Sprunggelenke und fehlerhafte Stellung der Extremitäten, von den Eltern auf die Produkte über. Buccaneers Hasenhacken traten bei den meisten seiner Nachkommen zu Tage und sein Sohn See Saw, trägt die Verantwortung dafür, dass dieser fatale Fehler in dem englischen Stamme des famosen Kisberer Hengstes grosse Verbreitung gefunden hat. Scottish Chief und Macaroni erzeugten in der Regel Pferde, die auf steilen, spindelbeinigen Pedalen durchs Leben wanderten. Ähnliche, der englischen Vollljlutzucht entnommene Beispiele, könnten hier in grossen Mengen angeführt werden. Sie beweisen alle, dass es nicht geraten scheint das Exterieur und den Gesundheitszustand des Vollblut- beschälers unberücksichtigt zu lassen, sol^ald dieser nur ein vornehmes, oder richtiger gesagt, fashionables Pedigree und gute Rennleistungen aufzuweisen hat. Zum Glück zeichnen sich die meisten Rennpferde bester Klasse auch durch ein vorzügliches Exterieur aus. Ist der Züchter in der Lage, sich die Dienste eines mit der dreifachen Krone — 159 — geschmückten Vaterpferdes zu sichern, wird er daher in der Regel mit dem Exterieur desselben vollkommen zufrieden sein können. Aber auch der schönste Hengst vermag nicht immer ausreichende Garantie für innere Gesundheit zu bieten. Ebenso unrichtig wäre es natürlich, wenn man mehr Gewicht auf das Exterieur wie auf das Blut und die Lei- stungen legen wollte. Diese drei Grundelemente des züchterischen Erfolgs müssen aber bei der Hengstenwahl annähernd gleiche Beach- tung finden, wohlverstanden nachdem man sich vorher überzeugt hat, dass an der Gesundheit und Konstitution des betreffenden Stallions nicht der geringste Makel haftet. Wem nur darum zu tun ist, in den Besitz von Pferden zu gelangen, mit denen, gleichviel ob sie sich zur Zucht eignen oder nicht, viel Geld auf dem Turf verdient werden kann, wird sich allerdings keinen Pfifferling um derartige Regeln kümmern, sondern die in englischen Turfkreisen mit Vorliebe angewendeten Redensarten »Handsome is who handsome does« (Schönheit liegt in den Leistungen), »Horses go in all shapes« (Jede Form ist gut, wenn der Gaul nur laufen kann), und »An ounce of blood is worth a pound of bone« (Eine Unze »Blut« ist ebensoviel wert wie ein Pfund Knochen), als die Quintessenz aller sportlichen und züchterischen Weisheit betrachten. Wie ich bereits in meinem >Buche vom Pferde« bemerkt habe, sind diese Aussprüche, obwohl ihr tiefer Sinn die grösste Beachtung verdient, geeignet den Anfänger auf sehr bedenk- liche h-rwege zu führen. Dass fehlerhaft gebaute Pferde mitunter eine viel grössere Leistungsfähigkeit an den Tag gelegt haben, ist auch ausserhalb Englands Grenzen kein Geheimnis für den Fachmann, nur lehrt die Praxis, dass solche Widersprüche mehr scheinbar als wirklich sind. Die Überlegenheit des fehlerhaft gebauten Pferdes hat nämlich in den meisten Fällen ihre Erklärung darin , dass dieses von der Natur mit ganz ausserordentlichen inneren und äusseren Eigenschaften ausgerüstet worden ist, welche die Mängel in dessen Körperbau mehr wie aufwiegen. Und was das mustergültige aber schlafte Tier be- trifit, fehlte demselbem aller Wahrscheinlichkeit nach das nötige Quan- tum »Dampf« , ohne welches auch der beste Mechanismus nicht auf eine höheren Anforderungen entsprechende Art im Gang erhalten werden kann. Dass ein Vollbluthengst ohne die Bahn betreten oder im Training resp. in Rennen vornehmer Klasse bedeutende Leistungsfähigkeit ent- wickelt zu haben, Grosses in der Zucht geleistet hätte, dafür gibt es — i6o — meines Wissens in der ganzen neueren Geschichte der britischen Voll- blutzucht nur ein einziges Beispiel, nämlich Wisdom, geb. 1873, V. Blinkhoolie a. d. Aline, v. Stockwell. Young Melbourne, ein 1885 geborener wunderschöner, ungewöhnlich kräftig gebauter Sohn des be- rühmten Melbourne u. d. Clarissa, v. Pantaloon, wie auch St. Simon- Mimi, geb. 1894, v. St. Simon, a. d. Mimi, v. Barcaldine, die beide nie gelaufen, ihrer vornehmen Herkunft wegen, aber trotzdem als Deck- hengste Verwendung fanden, haben es in der Zucht zu nichts gebracht. Das Sicherste ist daher unbedingt in der Vollblutzucht ungeprüften, wenn auch noch so schönen Hengsten sorgfältig aus dem Wege zu gehen und nur solche Vaterpferde zu verwenden, die sich auf der Bahn als Edelmetall bewährt haben. Was die besonders in älteren Zeiten von den englischen Vollblut- züchtern viel benützte und oft sehr weit getriebene Verwandtschafts- zucht anbelangt — der im Stammbaum des Eclipse vorkommende Hengst Spanker wurde sogar mit seiner eigenen Mutter gepaart — lehrt uns das Stud-Book, dass viele der besten englischen Vollblut- beschäler, Produkte einer ziemlich nahen Verwandtschaftszucht sind. Orest z. B., war der Sohn des Orestes, von Orlando, v. Touchstone, a. d. Ladv Louise, v. Touchstone; Petrarch ist v. Lord Clifden, V. Newminster, v. Touchstone, a. d. Laura, v. Orlando, v. Touchstone; Galopins Grossvater väterlicherseits, Voltigeur, war ein Sohn des. Voltaire, und seine Grossmutter mütterlicherseits, Merope, eine Tochter des Voltaire. Unter den Vaterpferden, deren Eltern nur 3 — 4 Generationen von ihrem gemeinsamen Stammvater entfernt sind, gibt es solche Grössen wie: Orlando, Buccaneer, Sweetmeat, The Baron, Wild Day- rell, Cambuscan, Rosicrucian, Hermit, Adventurer, u. m. a. Nichtsdestoweniger wird man, wenn man sich behufs näherer Orien- tierung über diese und andere Zuchtfragen in das Studium des Stud Books und Rennkalenders vertieft, zu der Überzeugung gelangen, dass die grösste Anzahl erfolgreicher Vaterpferde ihr Dasein keiner nahen Verwandtschaftszucht verdanken. Ganz irrig ist ferner die oft gehörte Ansicht, dass mit älteren Vollblutbeschälern keine erfolgreiche Zucht betrieben werden könne. Nachstehende in einem englischen Fachblatte veröftentlichte Tabelle beweist das Gegenteil. Lifeboat G e m m a Di V e r g y G u n b o a t Ralph R e s i n Robbie Noble Oxford W i n d h o u n d P a n t a 1 o o n Gladiator V e n i s o n Blücher E m i 1 i u s Sa unterer R i f 1 e m a n V o 1 1 i g e u r Doncaster Gang F o r w a r d Sir Archv Ball's Florizel Diamond J u 1j i 1 e e — l6l . — a) Hengste. wurde geboren als sein Vater 28 Jahre alt war 1 27 „ „ . i 26 25 24 23 22 21 20 über 20 Jahre alt war 16 Jahre alt war. b) Stuten. M i s e r r i m a T u n s t a 1 1 ;\I a i d B e e s w i n g C y p r i a n Blanche of Middlebie wurde geboren als ihr Vater 23 Jahre alt war " " " " " 22 j, .j jj 11 51 " 11 11 -''■ 11 11 n " " 11 11 11 21 ,, „ „ 11 n n 11 -^O ,, ,. Es gibt also auch unter den Hengsten »bemooste Häupter«, die noch während ihres Lebensabends Hervorragendes als Zuchtverbesserer leisten. Man will überhaupt in England die Erfahrung gemacht haben, dass junge Hengste selten »Steher« erzeugen. Stockwell z.B. war 9 Jahre alt als St. Albans, 1 1 Jahre als Blair Athol und 20 Jahre als Doncaster — unbedingt einer seiner besten Söhne und ein vorzüglicher Steher — geboren wairden. Blair Athol kam 4jährig ins Gestüt; es dauerte aber 6 Jahre bevor er seinem ersten St. Leger-Sieger, Craig Miliar, das Leben schenkte und er war 12 Jahre alt, als sein berühmter Sohn Silvio das Licht der Welt erblickte. Diese, sowie viele ähnliche Tatsachen sprechen für die Richtigkeit, der von den meisten erfahrenen Züchtern gehegten Ansicht, dass der Zuchtwert eines Hengstes erst im reiferen Alter seinen Kulminations|)unkt erreicht; man wird auch in der Reo-el Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. II — 102 — finden, dass alte Beschäler häufiger Hengste als Stuten einer höheren Klasse erzeugen. Ich erinnere mit Bezug hierauf an St. Simon, der, wie bereits an anderer Stelle erwähnt wurde, in der ersten Zeit seiner Gestütskarriere eine ganze Reihe vorzüglicher Stuten, aber keine erst- klassigen Hengste herausbrachte. Er hatte unter anderem schon drei looo Guineen-, vier Oaks- und zwei St. Leger-Siegerinnen das Leben geschenkt, bevor es ihm gelang einen Sieger im Derby oder in den 2000 Guineen zu stellen. Der erste Hengst, dem St. Simon ehrende Anerkennung seitens der Züchter zu verdanken gehabt, war der im Jahre 1887 geborene St. Serf, Sieger im Epsom Grand Prize; seine anderen ruhmgekrönten Söhne St. Fr us quin, Persimmon, Diamond Jubilee, Bill of Portland und Florizel H wurden später geboren; Bill of Portland 1890, Florizel II 1891, St. Frusquin und Persimmon 1893, Diamond Jubilee 1897. Obwohl nun St. Simons Söhne die eigentlichen Begründer seines Weltrufes geworden, erinnern sie in ihrem Äusseren doch weit weniger als die Töchter an ihren etwas kurzen und hoch- beinigen Erzeuger. Das gleiche lässt sich von den Söhnen und Töchtern der berühmten Hengste Galopin und Hampton sagen. So gute Stuten wie Rookery und Reve d'Or hat letzterer in seinen alten Tagen auch nicht mehr erzeugt. Starkweathers Theorie (siehe: >The Law of Sex« dieses amerikanischen Verfassers), dass von dem Elternpaare derjenige Teil der sich zurzeit der Paarung im Besitz der physischen Überlegen- heit befindet, das Geschlecht des Produktes bestimme, ihm aber nicht das eigene, sondern das entgegengesetzte Geschlecht verleihe, erhält somit auch in der Vollblutzucht durch manche sonst schwer zu er- klärenden Erfahrungen eine gewisse Bestätigung ihrer Glaubwürdig- keit. Sind doch ähnliche Erfahrungen auch bei berühmten Mutterstuten gemacht worden. iStuten, die wegen ihres hohen Zuchtwerts einen Ehrenplatz in den Annalen der englischen Vollblutzucht erhalten haben, zählen nämlich in der Regel unter ihren Nachkommen mehr Hengste als vStuten vornehmster Klasse. Ich erinnere hier nur an Eleanor, die Mutter von Muley, Crucifix, die Mutter von Surplice, Mendicant, die Mutter von Beadsman, Pocahontas, die Mutter von Stockwell, Cathe- rine Hayes, die Mutter von Belladrum, Beeswing, die Mutter von Newminster, Alice Hawthorn, die Mutter von Thormanby und Blink Bonny, die Mutt(^r von Blair Athol. Viele berühmte Matronen des Stud-Books haben auch noch im hohen Alter vorzücrliche Produkte o-ebracht. So war z. B.: i63 — B e e s w i n g 15 Jahre alt, als s e N e w m i n s t e r c Bonny Bell 15 „ 5) T> , Beauclerc M i s s Ann 15 „ )) n , Scottish Chief St. Angela 16 „ V V ) , S t. S i m 0 n Silverhair 16 „ „ V , Silvio Jocose 17 „ )) )) , M a c a r 0 n i P a 1 m a 19 „ )) n , A d V e n t u r e r Flying Duch ess 19 „ )! V , G a 1 0 p i n Alice Hawth orne 20 „ n )i , T h 0 r m a n b y Bathilde 20 „ V j) , Lowland Chief M a n d a n e 20 „ » ?) , L 0 1 1 e r V M a 1 i ]3 r a n 21 „ )j ri , M a r s V a s F e r i n a -72 — IJ n V , Pretender gebar Eine bewährte Zuchtstute kann somit noch in einem sehr hohen Alter mit bestem Erfolg zur Zucht verwendet werden. Ln übrigen empfiehlt der grosse Pferdekenner, Graf Lehndorff, bei der Auswahl von Vollblutmutterstuten : 1. Nur Stuten aus dem bestbewährten Blut zu kaufen, wobei namentlich auf die Mutter noch mehr Rücksicht zu nehmen ist, als auf den Vater; 2. die gute Abstammung allein aber nicht entscheiden zu lassen, sondern auch innerhalb des besten Blutes die Forderung aufrecht zu erhalten, dass die Stuten entweder eigene Leistungen auf der Rennbahn aufweisen sollen — wenn sie auch wegen ihrer Jugend im Gestüt noch nicht erprobt worden — oder aber bereits Sieger gebracht und dadurch den Beweis geliefert haben, dass sie eine gute Mutter; 3. wohl zu bedenken, dass es keinen schlimmeren und sichereren Erbfehler als Ungesundheit gibt. Diese drei Sätze enthalten in kurzen und klaren Worten das Wich- tigste was beim Ankauf von Vollblutmutterstuten zu beobachten ist. Ich möchte jedoch hinzufügen, dass man unbedingt auch von der Stute Training und öffentliche Rennen als Beweise einer guten Konstitution fordern solle, obwohl man nicht auf den Ankauf einer in anderen Hin- sicht entsprechenden Stute zu verzichten braucht, wenn die Renn- leistungen des betreffenden Tieres nur bescheidener Art gewesen. Stuten, die eine oder mehrere Male verworfen, güst geblieben sind oder Zwillinge gebracht haben, pflegen, zur Zucht ver\vendet, sich als wahre Unglücks vögel zu entpuppen. Sonstige Fehler, die den Zucht- wert der Stute mehr oder weniger herabsetzen, sind: bösartig oder hochgradig nervöses Temperament, zu häufig wiederkehrende Rosse, — 164 — mangelhaft ausgebildetes Euter, eingerissene Scheide, kurzer hoch- beiniger Körperbau, zu üppiger Haarwuchs, u. s. w. Bei der Paarung muss selbstverständlich darauf gesehen werden, dass die Stute nicht nur im Blute, sondern auch in ihren übrigen Eigen- schaften zum Hengste passe. Mit Bezug hierauf sei erwähnt, dass man, wie E. Suckow bereits 1897 im »Deutschen Sport« hervorgehoben hat, in der Vollblutzucht vermeiden muss, Steherinnen mit Stehern oder Fliegerinnen mit Fliegern zu paaren. Erfahrene Züchter wissen auch, dass alte Hengste am besten zu jungen Stuten und umgekehrt junge Hengste zu alten Stuten passen. Von einer Besprechung der in der V()lll)Iutzucht am meisten benützten und erfolgreichsten Blutmischungen muss ich, da eine solche den Rahmen unserer »Rassenlehre« weit über- schreiten würde, leider hier absehen. Dagegen kann ich es mir nicht versagen, dem Leser die Stammmütter der berühmtesten Vollblutfamilien vorzuführen. Diese sind: Miss Agnes 1850, Brown Agnes 1857, Brown Bread 1862, Polly Ag- nes 1865, Windermere 1870, Lilly Agnes 1871, St. Editha 1873, Mun- caster 1877, St. Gatien 1881, Kendal 1883, Ormonde 1883, Marcion 1890. Osborne's Acmes bekannteste Nachkommen (geb. 1844, V. cTarion, (^»glei^'^ die mütterliche Ab- . stammung berühmter Renn- a. d. Anette, v. Priam) ^„^ Zuchtpferde.) Treasiire (geb. 1810, V. Camillus a. e. Hyacinthus-Stute) Tramp's Dam (geb. 1803, V. Gohanna, a. d. Floxanella V. Trentham) C o n t e s s i n a (geb. 1787, V. Y. Marske, a. d. Tuberose, v. Herod) Olympia (geb. 1815, V. Sir Oliver, a. d. Scotilla, v. Anvil) dto. dto. dto. dto. Leda 1824, Martha Lynn 1837, Volti- geur 1847, The Slave 1852, Little Lady 1858, Lord Clifden 1860, Camballo 1872 , Sainfoin 1887, Friar's Balsam 1888. Brown Bess 1844, Knowsley 1859, General Peel 1861, Musket 1867, Morier 1874, Windgall 1887, Me- moir 1887, La Fleche 1889. The Drone Mare 1797, Veronica 1832, Poetess 1838, Mrs. Ridgeway 1849, Monarque 1852, Vedette 1854, Lsola Bella 1868, Lowlander 1870, Isonomv 1875, Plaisanterie 1882, Tenebreuse 1884, Retreat 1887, Surefoot 1887, Childwick 1890. Vulture 1833, Orlando 1841, Men- dicant 1843, Beadsman 1855, Ely 1861, Princess of Wales 1862, Al- bert Victor 1868, George Frederick 1871, Shotover 1879, Ravensbury 1890. - i65 Boadicea ■kannteste Nachkommen (geb. 1807, V.Alexander, (^ugu-ich die mütterliche Ab- a. d. Brünette, V. Ama- stanimung berühmter Renn- ranthusl ""'' Zuchtpferde.) Rebecca (geb. 1831, V. Lütter}-, a. e. Cervantes-Stute) Amazon (geb. 1799, V. Driver, a. d. Fractious, v. Mercurv) Canary Bird (geb. 1806, V. Whisker oder Sorcerer, a. d. Canary, v. Coriander) Maniac (geb. 1806, V. Shuttle, a. e. Beningbrough- Stute P r u n e 11 a (geb. 1788, V. Highflyer, a. d. Promise, v. Snap) P e n e 1 o p e (geb. 179S, V. Trumpator, a. d. Prunella, v. High- flyer) dto. dto. dto. dto. dto. dto. Banter 1826, Touchstone 1831, Jo- cose 1843, Leamington 1853, Ma- caroni 1860, Hippia 1864, Geheim- nis 1879, Saraband 1883. Alice Hawthorne 1838, Fair Helen 1843, Oulston 1852, Lord of the Isles 1852, Lady Hawthorne 1854, Thormanb}- 1857, Brigantine 1866, Ben Battie 1871, Tyrant 1885, Bonavista 1889. Marpessa 1830, Red Rose 1836, Pocahontas 1837, Stockwell 1849, Rataplan 1850, King Tom 1851, Rosa Bonheur 1854, Araucaria 1862, Knight of the Carter 1864, Cha- mant 1874, Rayon d'Or 1876, Ising- lass 1890. Paulinei826,Gladiatori833, Aphro- dite 1848, Catherine Hayes 1850, Green Sleeves 1865, Rosebery 1872, Insulaire 1875, Doli Tearsheet 1877, Gay Hermit 1883, Merr}- Hampton 1884, Matchbox 1891. Lunatic 1818, Moonbeam 1838, Man- ganese 1853, Mandragora 1860, The Miner 1861 , Mineral 1863, Man- drake 1864, Wenlock 1869, Apo- logy 1871, Kisb6r 1873, Thistle 1875, Common 1888, Goldtinch 1889, Throstle 1891. Penelope 1798 (siehe diese), Para- sol 1800, Pawn 1808, Partisan 181 1, Ellen Hörne 1844, Paradigm 1852, Achievement 1864, Rouge Rose 1865, Bend Or 1877, Ladas 1891, Janissarv 1897. Whalebone 1807, Web i8o8,Woful 1809, Wire 181 1, Whizgig 1819, Cobweb 1821, Waltz 1822, Oxigen 1828, Glencoe 1831, Verulam 1833, Bay Middleton 1833, Trumpeter 1856, Bas Bleu 1858, Silverhairi858, Queen Bertha 1860, The Rake 1S64, Childeric 1875, Charibert 1876, Wheel of Fortune 1876, Paradox 1883, Minting 1883. i66 Queen Mary bekannteste Nachkommen (geb. 1843, V. Gladiator, (zugleich die mütterliche Ab- a. e. Plenipotentiary- stammung berühmter Renn- Stute) """^ Zuchtpferde.) M o r e 1 (geb. 1805, V. Sorcerer, a. d. Hornby Lass, V. Blizzard) C a m i 1 1 a (geb. 1778, V. Trentham, a. d. Coquette, v. Comp- ton Barb") Ardrossan Mare (geb. 1807, V. Ardrossan, a. d. Lady Eliza, V. Whitworth) Little Folly (geb. 1806, V. Highland Fling, a. d. Harriet, V. Volunteer) Velocipede's Dam (geb. 18 17, V. Juniper, a. e. Sorcerer-Stute) Gibside Fairy (geb. 181 1, V. Hermes, a. d. Vicissitude, V. Pipator) dto. dto. dto. dto. dto. dto. Haricot 1847, Braxie 1849, Blink Bonnv 1854, Caller Ou 1858, Bonnie Bell 1860, Blair Athol 1861, Brea- dalbane 1862, Lady Langden 1868, Hampton 1872, Beauclerc 1875, Sir Bevys 1876, Sweetbread 1879. Mangel Wurzel 1823, Mustard 1824, Sam Mare 1826, Fitz Roland 1855, Dollar 1860, John Davis 1861, Mor- temer 1865, Specukim 1865, Craig Miliar 1872. Y-Camilla 1787, Catherine 1795, Mandane 1800, Golumpus 1802, Jerboa 1803, Wanderer 1811, Lot- tery 1820, Brutandorf 182 i,Venison 1833, Flight 1846, Cordelia 1851, Thunderbolt 1857, Retreat 1859, Woodcraft 1861, Strathconan 1863, St. Angela 1865, Kingcraft 1867, Angelica 1879, St. Simon 1881, Royal Hampton 1882, Hazlehatch 1885. Emancipation 1827, Beeswing 1833, Newminster 1848, Honeydew 1850, HoneysuckleiSSi, Woodbine 1860, Violet 1864, Violet Melrose 1875, Atalanta 1878, Melton 1882, Ayr- shire 1885, Melanion 1886, Lavi- reate II 1886. Defiance 1816, Folly 1830, Madame Eglentine 1857, The Palmer 1864, Rosicrucian 1865, Morgan 1883, Morion 1887. Velocipede 1825, Estelle 1836, Me- rope 1841, Flving Duchess 1853, Bruce 1879, Highland Chief 1880, Fullerton 1883, Kissing Crust 1887, None the Wiser 1891. Emma 1824, Mowerina 1843, West Australian 1850, Parmesan 1857, Caterer 1859, Lord Ronald 1862, Stockings 1863, Exminster 1869, Wisdom 1873 , Mowerina 1876, Donovan 1886, Semolina 1887, Raeburn 1890. i67 M e d o r a bekannteste Nachkommen (o-ell. iSlI, V. Selim (zugleich die mütterliche Ab- '^ ,, ■ ,T r-. 'n staiiununs: berühmter Kenn- a. e. Sir Harry-Stute) V i o 1 a n t e (gel). 1S02, V. John Bull, a e. Hightlyer-Stute) K i s s (geb. 1827, v.Waxy Pope, a. e. Champion-Stute) The Alexander Mare (geb. 1790, V. Alexander, a. e. Hiorhflver-Stute) Sister to Petworth (geb. 1796, V. Precipitate, a. e. Woodpecker-Stute) C am ar ine's Dam (geb. 1819, V. Rubens, a. d. Tippitvwitchet, V. Waxv) Maid of all Work (geb. 1786, V. Highflver, a. d. Sister to Tandem, V. Svphon) L V d i a (geb. 1822, V. Poulton, a. d. Variety, v. Hya- cinthus) Otis (geb. 1820, V. Bustard, a. e. Election-Stute) und Zuchtpferde. 1 dto. dto. dto. dto. dto. dto. dt< dto. Margaret 1831, Ion 1835, Virginia 1835, Virago 1851, Devotion 1869, The Abbot 1873, St. Marguerite 1879, Clairvaux 1880, Seabreeze 1885, Le Var 1892. Decoy 1830, Phryne 1840, Fiat- catcher 1845, Legerdemain 1846, Windhound 1847, Hobbie Noble 1849, Toxophilite 1855, Queen of the Gibsies 1860, Paul Jones 1865. Whim 1 827, Chanticleer 1843, Solon 1861, Ballvroe 1872, Barcaldine 1878. Castrel 1801, Selim 1802, Bronze 1803, Rubens 1805, Mulatto 1821, LangarMare 1838, Skirmisher 1854, The Ranger 1860, Rigolboche 1861, Mabille 1868, Cremorne 1869, Pell Meli 1869, Lillian 1869, Bay Archer 1876. Miss Stephenson 1814, Morgiana 1820, Sheet Anchor 1832, Bay Celia 1851, Maid of Palmyra 1855, The Duke 1861, Viridis 1864, Spring- lield 1873, Suicide 1879, Amphion 1SS6, Sorcerer 1889. C'are 1825, Camerine 1828, Blue Devils 1S37, Ratalia 1842, Ennui 1843, Saunterer 1854, Salamanca 1859, ^ürella 1863, Pero Gomez 1866, Cherry Duchess 1871, Arbi- trator 1874, Energy 1881, Enthu- siast 1886. Meteora 1802, Musidora 1804, La- rissa 1813, Idalia 1815, Don Juan 1824, Pantaloon 1824, The Gem 1851, Dulcibella 1858, Regalia 1862, Eole II 1868, Verneuil 1874. Languish 1 830, Languid 1 83 1 , Ghuz- nee 1838, Escalade 1846, Sortie 1851, Citadel 1859, Forager 1861, Jenny Howlet 1877, Chitabob 1886, St. Florian 1891. Lanercost 1835, Otisina 1837, Hybla 1846, Kettledrum 1858, Glee 1873, Border Minstrel 1880, Stuart 1885. — i68 — Unter den berühmtesten Renn- und Zuchtfamilien der englischen Vollblutrasse wären ausserdem noch zu nennen: Die Torment-Familie mit ihren Vertretern Petrarch, Fraulein, Tormentor, Laureate, Lemnos, Rotherhill, Rosy Gross u. m. a. Die Tes an e -Familie mit Antonio, Eilerdale, Colsterdale, Tunstall Maid, Formosa, Ellington, Wardermarske, The 111 Used u. m. a. Die Figtree-Familie mit Vauban, Ben Nevis, Siberia, Cecilia, Petronel u. m. a. Die Cobbea-Familie mit Sorcery, Cadland, Manfred, Secret, Silence, Whisper und Sterling. Erstlingsfohlen und Zwillingsprodukte werden von den Vollblut- züchtern gewöhnlich mit sehr gemischten Gefühlen begrüsst und tat- sächlich lehrt die Erfahrung, dass diese zumeist sehr schwächlichen Tiere oft schon in frühester Jugend eingehen oder doch den An- strengungen des Trainings recht bald unterliegen. Ausnahmen gibt es aber auch hier. So waren, um bei einem frühen Zeitpunkt zu beginnen, Anthony, Gonductor, Pyrrhus und Pantaloon, die vier besten Pferde, die 1767 gezogen wurden, ferner Pot-8-os, der berühmte Sohn von Eclipse, dann Dr. Syntax, der grosse Sir Hercules, Melbourne und vor allen Touchstone, der Ahnherr so vieler ausgezeichneter Vollblutpferde der Jetztzeit, sämtlich erste Fohlen. Touchstone war vom Herzog von Westminster gezogen und von diesem, weil er als Erstlingsfohlen wenig versprach, verschenkt worden! Von hervorragenden Zwillingsprodukten wären zu nennen: Elisa- beth, die 1803 in den Oaks lief, Waterloo, der am St. Leger 18 14 teil- nahm und Nicolo, der in den 2000 Guineen und Newmarket Stakes 1823 nicht nur startete, sondern diese Rennen auch gewann und dann sogar unter den Favoriten für das Derby figurierte; ferner die im Jahre 1838 geborene Langar Marc (siehe oben die Nachkommen der Alexander Marc), welche durch ihre Tochter, Gardham Marc, die Grossmutter von Skirmisher, The Ranger und Rigolboche, der Mutter von Cremorne, Lady Hilda und Earl of Dartrey geworden; Jonathan Hayne, der Sieger in den North Shropshire Stakes 1847; Prairie, die Gewinnerin der Huntingdonshire Stakes 1845; King Pepin, v. Orlando a. d. Princess, der von 1852 bis 1855 mit schönem Erfolg auf der Bahn tätig war; Mogador, der rechte Bruder des berühmten The Baron, Sieger im Liver- pool Spring Cup 184c) und zahlreichen Rennen in Irland; die 1879 ge- borene Spring Daisy, v. vSpringheld a. d. Crocus, die u. a. das Lan- — 1 69 — caster Nurser}^ Handicap zu Manchester gewann und dann nach Amerika exportiert wurde, und schliessHch Trapeze, der 1881 geborene rechte Bruder des famosen Tristan. Als ein Axiom darf somit die Behauptung, dass ZwilHnge in der Vollbkitzucht ohne weiteres als wertlose Produkte anzusehen seien, keineswegs bezeichnet werden. Dagegen lässt es sich zitfernmässig nachweisen , dass diejenigen Jährlinge, die auf den grossen englischen Auktionen am meisten um- worben waren und hauptsächlich wegen ihres fashionablen Pedigrees mit unsinnigen Preisen bezahlt wurden, in der Regel ihren Besitzern später auf der Bahn bittere Enttäuschungen bereitet haben. Nachstehende Tabelle erteilt hierüber näheren Bescheid: Verkaufte Erzielte Anno Jährlinge Gesamtpreis Reingewinste Defizit £ £ £ 1883 II 16590 6486 10 104 1884 21 36225 6600 29625 1885 26 44169 15 800 25360 1886 16 21 276 4 106 20 170 1887 21 32917 II 258 21 679 1888 26 44383 3 1 304 12079 1889 41 73856 34126 39724 1890 58 104 706 41477 40229 189I 37 60396 21 819 39077 1892 26 45465 11^1 37728 1893 18 33705 9200 24415 1894 22 36952 13 598 22994 1895 22 48510 2799 45 711 1896 33 54862 15033 39 829 1897 26 41055 12 986 28069 1898 22 34 965 26634 8331 1899 19 33 357 27 475 5 882 1900 37 92400 5 1 804 40606 I9OI 22 41 212 4517 36695 1902 26 53 120 7062 46058 1903 23 41207 8177 33030 1904*) 17*) 3 1 760 *) 277*) 31533*) 570 I 022 088 360265 638 928 *) 1905 nur als Zweijährige gelaufen. — I70 — Wie aus diesen Ziffern zu entnehmen ist, kam es während der zweiundzwanzig Jahre von 1883 — 1904 nicht ein einziges Mal vor, dass die auf der VerkaufsHste mit einer vierstelligen Zahl prangenden Jähr- linge mehr eingeljracht als sie gekostet. Ja, die Differenz zu ihren Ungunsten erreicht während dieser zweiundzwanzigjährigen Periode nahezu den kolossalen Betrag von 160000 Pfd. St. Einer der wenigen Sensationsjährlinge, deren Ankaufspreis sich als eine glänzende Kapitals- anlage erwiesen hat, war die Wunderstute Sceptre (geb. 1899, v. Per- simmon, a. d. Ornament, v. Bend Or), die auf der Auktion des Herzogs von Westminster mit 10 000 Guineen bezahlt wurde, dann ihrem neuen Besitzer, Mr. Sivier, von 1901 — 1903 rund 38225 Pfd. St. an Rennpreisen einbrachte und schliesslich noch um 2^ 000 Guineen an Mr. W. Bass als Mutterstute verkauft wurde. Wer beim Ankauf von Jährlingen auf derartige Glücksfälle zählt, wird jedoch unfehlbar ebenso oft enttäuscht werden wie derjenige, der da meint, man müsse nur — wie es in den Lotterie-Prospekten so schön heisst — »dem Glück die Hand bieten«, um begründete Aussicht auf Erwerbung des grossen Loses zu gewinnen. Nichtsdestoweniger erreichen die Preise, die für fashionabel gezogene Jährlinge erzielt werden, nach wie vor alljährlich eine schwindelnde Höhe. Mundus vult decipi, ergo decijnatur. Die in letzter Zeit am höchsten Ijezahlten Jährlinge waren: Sceptre 10 000 Guineen. Cupbearer 9100 „ Childwick 6000 „ Hengst, V. Orme a. d. Vampire 5 700 „ Hengst, V. Orme a. d. Gauntlet 5 600 „ Stute, King's Favour, v. Persimmon a. d. Phantasie 5 600 „ Hengst, Y. Trenton a. d. Sandiway 5 500 „ Hengst, Y. Orme a. d. Serpentine 4000 „ Stute, Y. Gallinule a. d. Tierce 3 600 ,, Stute, V. Flying Fox a. d. Lonely 3 300 „ His Majesty, v. Melton a. d. Siher Sea .... 3100 „ Stute, Y. Gallinule a. d. jNIoira 3 100 „ Hengst, Y. Persimmon a. d. Surprise-me-Not ... 3 000 „ Als besonders hoch bezahlte Vaterpferde wären zu erwähnen: Flying Fox 37 500 Guineen. Cyllene 30000 ,, Ormonde 30000 „ Diamond Jubilee 25000 „ Ard Patrick 20000 „ Galtee More 20000 „ filTfli — 172 — Gouvernant*) 20000 Guineen. Blair Athol 12500 „ Isonomy 9 000 „ Galopin 8000 „ Delaunay*) 7 500 „ Ein Deckhengst allererster Klasse kann allerdings kaum zu hoch bezahlt werden, denn eine bessere Kapitalsanlage gibt es kaum. Lord Beresford, der Manager des Königs von England, hatte daher auch vollkommen recht, als er mit Bezug auf die drei königlichen Hengste Diamond Jubilee, Florizel 11 und Persimmon und deren gesprächsweise erörterten eventuellen Verkaufspreis erklärte: »Wie könnte überhaupt nur daran gedacht werden, Hengste zu verkaufen, die jeder für sich ungefähr 10 000 Guineen an Deckgeldern einbringen!« (Siehe »Voll- l^lut« von Edmund Suckow.**) Ähnlich verhält es sich mit Vollblut-Mutterstuten hoher Klasse. Bend Or a. d. Agneta Archiduc a. d. Hauteur St. Simon a. d. St. Marguerite St. Simon a. d. Antibes Common a. d. Priestess Springfield a. d. Eglentyne Bend Or a. d. Dame Masham Isinglass a. d. La Croise Doree Galopin a. d. Lady Chelmsford Amphion a. d. Sierra Royal Hampton a. d. Lightfoot Der hohe Wert der St. Simon-Stuten für die Zucht ergibt sich aus dem Umstände, dass diese nun schon drei Jahre hintereinander (1903, 1904 und 1905) mit ihren Produkten die grössten Erfolge auf den englischen Bahnen errungen haben. Es gewannen die Kinder der Töchter von St. Simon 1900, 37 an der Zahl, 73 Rennen im Werte von 23551 Pfd. St. Im Jahre 1904 betrug die Gewinstsumme der Pro- dukte von St. Simon -Töchtern 48792 Pfd. St. 15 sh. und 1903 gar 50 589 Pfd. St. Mit solchen Zahlen vor Augen wird man sich nicht wundern können , dass in englischen Züchterkreisen ein reger Wett- bewerb um den Besitz von Töchtern des Galopin-Sohnes herrscht. Für La Fleche, geb 1889, ,, M e d 0 r a, V 1890, „ H a u t e s s e. )) 189I, „ R 0 q u e b r u n e, „ 1893, „ C i m i e z, V 1896, „ N 11 n N i c e r, V 1895, „ White Lila c, „ 1896, „ Fa i r y Gold, ri 1897, „ Jeunesse Doree j) 1897, „ G a 1 i n n e, ■n 1892, „ A m p h 0 r a, n 1893, „ Royal Footstep 57 1895, Guineen wurde gezahlt 12600 )i )) 5 600 n n 4600 „ n 4500 r> r> 4300 n n 3 600 )i )5 3600 „ )J 3600 =i )) 3560 ^ „ )) 3 100 » 3000 3000. *) In Frankreich gezogen. **) Seitdem (Dezember 1905) ist Diamond Jubilee allerdings dennoch um 25 000 Guineen nach Argentinien an Signor Casares verkauft worden. Anm. d. Verfassers. — 173 — Eines steht somit fest — und wird von der Doktorfrage, ob sich die QuaHtät des englischen Vollbluts im Laufe der Jahre verschlechtert hat oder nicht, gar nicht l)erührt — das Zuchtmattrial der Rasse besitzt heute einen grösseren Geldwert als je zuvor. Dies hat England haupt- sächlich dem stetig zunehmenden Export von Renn- und Zuchtpferden nach allen pferdeproduzierenden Ländern unseres Erdballs zu verdanken. Ein derartiger Export wäre aber nicht denkl)ar, wenn wirklich eine deutlich wahrnehmbare Verschlechterung in der Zucht des britischen Vollbluts Platz gegriffen hätte, denn mit Blindheit geschlagen sind doch diejenigen Leute nicht, die, sei's im Auftrage ihrer Regierungen oder für eigene Rechnung, alljährlich mit gespickten Brieftaschen nach Eng- land reisen, um dort mehr oder weniger grossartige Ankäufe von Voll- blut zu bewerkstelligen, hi Geldsachen hört bekanntlich die Gemüt- lichkeit auf und für Produkte einer degenerierten Rasse würde das Ausland den Herren Engländern schwerlich ein Jahr um das andere Millionen in den Schoss werfen. hl welchem Umfang englisches Vollblut nach dem Ausland ex- portiert wird, ist aus nachstehender, nach den Ländern geordneten Tabelle zu ersehen, die genau mit den diesbezüglichen Angaben des General Stud Book, Band XX, übereinstimmt. Von 1900 — 1905 wurden ausgeführt: Nach Australien (Neuseeland) .... 32 Hengste, 25 Stuten „ Belgien 181 „ 211 „ British Nord-Amerika .... 22 „ 9 ■,■> ,, Kap der Guten Hoffnung, Natal und Süd-Afrika 154 „ 243 „ „ Dänemark 68 „ 38 „ „ Deutschland 275 ,, 356 „ „ Frankreich 367 „ 527 „ „ Holland 46 „ 43 „ Indien 45 ^^ 23 „ „ Italien 48 „ 5° „ „ Österreich-Ungarn 23 „ 87 „ „ Portugal — „ 4 » „ Rumänien 12 „ 18 „ „ Russland 6 ., 10 ,, Übertrag . . 1279 Hengste, 1644 Stuten — 174 — Übertrag . .1279 Hengste, 1644 Stuten Nach Schweden-Norwegen .... 21 „ 35 5, „ Schweiz 8 „ li „ „ Süd-Amerika 56 „ 79 „ „ Vereinigten Staaten 142 „ 258 „ ,, Verschiedenen Ländern ... 8 „ 11 „ Summa . . 1514 Hengste, 2038 Stuten. Frankreich ist somit weitaus der Ijeste Käufer in England. Die überraschend grosse Ziffer, die hinter Belgien verzeichnet steht, dürfte ihre Erklärung in dem Umstände hal3en, dass Antwerpen der grösste europäische Stapelplatz für Englands Pferdeexport ist und das in den Exportlisten vorkommende »sent to Belgium« daher keineswegs als Bezeichnung des definitiven Bestimmungsortes aufgefasst werden darf. Ausserdem kommen unter den angeblich nach Belgien exportierten Voll- blütern nicht weniger als 92 Wallache vor, von denen wohl die meisten vorübergehend Aufstellung in belgischen Händlerställen gefunden halben dürften. An zweiter Stelle unter den Kunden der englischen Vollljlut- zucht kommt Deutschland, an dritter Süd-Afrika, an vierter die Ver- einigten Staaten von Nordamerika u. s. w. Die hervorragende Rolle, die Frankreich schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der Zucht des englischen Vollblutpferdes gespielt hat, macht es uns zur Pflicht, auch die Anfänge und weitere Ent- wickelung der französischen Vollljlutzucht in den Kreis unserer Be- trachtungen zu ziehen. Frankreich begann ebenso wie England gegen Ende des 18. Jahr- hunderts in systematischer Weise arabisches Blut zur Veredlung seiner leichteren Pferderassen zu verwenden. Die Zahl der zu diesem Zwecke verwendeten orientalischen Hengste war sogar in Frankreich grösser als in England, hi dem 1859 erschienenen Werke von M. E. Houel »Les Chevaux de Pur Sang en France et en Angleterre« werden nicht weniger wie 132 Orientalen namhaft gemacht und beschrieben, die von 1800 l:)is in die fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Frankreich gedeckt haben. Mit Recht heljen französische Hippologen hervor, dass mehrere dieser Hengste, wie z. B. Ar ab (geb. 1792), Massoud (geb. 1815), Bedouin (geb. 1813), Abufar (geb. 1813), Saklavi-Amdam (geb. 1817), Mehedi (geb. 1846), Sherif (geb. 1835), Saklavi-Djedran (geb. 1834), und etliche andere den Vergleich mit den in England zu grosser Berühmtheit gchingtcn (»ricntalischen Vater- pferden — The Darley- und The Godolph in-.\ rahian lu'cht aus- genommen — keineswegs zu scheuen brauchten. Um so mehr muss es bedauert werden, dass diese vorzügHchen Beschäler nur in den Staats- gestüten die richtige Pflege und den zu ihnen passenden Stutenstamm gefunden haben, sowie dass ihre mit französischen Stuten erzeugten Produkte nicht oder doch nur ausnahmsweise auf der Bahn einer Prüfung ihrer inneren Eigenschaften unterzogen worden sind. Der Nutzen, den man in Frankreich aus ihrem unzweifelhaft hohen Zuc^htwert gezogen, war daher weit geringer, als sich mit Befolgung des englischen Systems hätte erreichen lassen. Trotzdem gelangt das edle arabische Blut noch in den Stammbäumen mehrerer französischer Rennpferde unserer Tage zum Vorschein. So gehörten z. B. Eylau, der berühmte Steeplechaser Franc-Picard, Danae, Agar, Reine de Chyi)re, Lesbie (Mutter von Merimac) u. m. a. zu den direkten Nachkommen des hier oben er- wähnten Massoud. Ungefähr um dieselbe Zeit wie die Orientalen kamen auch die ersten später zur Zucht benützten englischen Vollbluthengste nach F'rankreich. Es wurden allerdings schon früher einige \^)lll)lüter aus England importiert, doch haben diese, da ihre Zuchttätigkeit gleich Null geblieben, keine Aufnahme im französischen Stud-Book gefunden. Unter den im 19. Jahrhundert von England nach Frankreich ausgeführten \'oll- l)lutbeschälern haben sich folgende in der Zucht besonders bemerkbar gemacht : geb. 1805, V. Stamford, a. d. Bourdeaux-]\Iare. Im]i. 1S19. Walton, a, d. Iris. Imp. 1823. Ouitz, a. d. Persepolis. Imp. 18 18. Sir Oliver, a. d. Cowslip. Imp. 1825. Tramp, a. d. INIandane. Imp. 1834. Catton, a. d. Smolensko-Mare. Imp. 1833. Bob-Booty, a. d. Pope-Mare. Imp. 1834. Merlin, a. d. Pawn. Imp. 1834. Emilius, a. d. Colnveb. Imp. 1834. Lotterv, a. d. Handmaiden. Imp. 1848. Partisan, a. d. Pauline. Imp. 1846. Defence, a. d. Deposit. Imp. i84(>. Camel, a. d, Wings. Imp. 1842. Cain, a. d. Margaret. Imp. 1851. Liverpool, a. d. Otis. Imp. 1853, Plenipotentiary, a. d. AUy. Imp. 1847. Sir Hercules, a. d. Guiccioli. Imp. 1855. S n a i 1 , geb. , 1805, R a i n b 0 w , )i 1808, Tigris, » 1812, Eastham, ,, 1818, Lottery, )) 1820, Royal Oak, V 1823, Napoleon, n 1824, Paradox, )! 1827, Y. Emilius, » 1828, Inheritor, )) 1831, Gladiator, n 1833, Tipple Cid er, )) 1833, C a r a \- a n , 11 1834, Ion, » 1835, Lanercost, » 1835. N u n c i 0 , » 1839, Faugh-a-Balla gh, .. 1841. - 176 The E m ]i e r o r , geb. 1841, The Baron, „ 1842, Sting, . 1843, Nunnykirk, „ 1846, TheFlyingDutchman „ 1846, The Nabob, „ 1849, B u c k t h o r n , „ 1849, West Australian, „ 1850, Scottish Chief, „ 1861, King Lud, „ 1869, Atlantic, ,, 1871, Trent, „ 1871, Petrarch, ,, 1873, Pellegrino, „ 1874, Retreat, „ 1877, F r o n t i e r , „ 1878, Peregrine, „ 1878, Tristan, „ 1878, Bruce, „ 1879, Energy, „ 1880, Border INIinstrel, „ 1880, Scotland, „ 1881, Pepper and Salt, „ 18S2, L a 11 z u n , „ 1882, The Bard, „ 1883, Silver, „ 1883, Brio, „ 1884, Ben Strome, „ 1886, Miguel, „ 1886, Gulliver, „ 1886, War Dance, „ 1887, Chesterfield, „ 1888, Simonian, „ 1888, Saint Damien, „ 1889, Childwick, „ 1890, Son o'Mine, „ 1891, .Le Var, „ 1892, Saint Bris, „ 1893, Bay Ronald, „ 1893, Winkfield's Pride, „ 1893, Flying Fox, „ 1896, Delaunay, „ 1901, Defence, a. d. Reveller-Mare. Imp. 1850. Irish Birdcatcher, a, d. Echidna. Imp. 1849. Slane, a. d. Echo. Imp, 1848. Touchstone, a. d. Beeswing. Imp. 1850. Bay Middleton, a. d. Barbelle. Imp. 1859. The Nob, a. d. Hester. Imp. 1857. Venison, a, d. Zoila. Imp. 1855. Melbourne, a. d. Mowerina. Imp. 1860. Lord of the Isles, a. d. Miss Ann. Imp. 1884. King Tom, a. d. Qui Vive. Imp. 1881. Thormanby, a. d. Hurricane. Imp. 1874. Broomielaw, a. d. Mersey. Imp. 1882. Lord Clifden, a. d. Laura. Imp. 1893. The Palmer, a. d. Lady Audley. Imp. 1886. Hermit, a. d. Quick March. Imp. 1890. Landmark, a. d. Saccharometer-Mare. Imp. 1900. Pero Gomez, a. d. Adelaide. Imp. 1886, Hermit, a. d. Thrift. Imp. 1884. See Saw, a. d. Carine. Imp. 1885. Sterling, a. d. Duchess. Imp. 1886. Tynedale, a. d. Glee. Imp. 1885. Barcaldine, a. d. Lord Lyon Mare. Imp. 1898. The Rake, a. d. Oxford Mixture. Imp". 1892. Bay Archer, a. d. Laurencia, v. Fitz Gladiator. Wawerley, a. d. Castrelina. Imp. 1887. Sterling, a. d. Lucetta. Imp. 1892. Hermit, a. d. Brie, v. Parmesan. Bend Or, a. d. Strathfleet, v. Scottish Chief. Fernandez, a. d. Cream Cheese, v. Parmesan. Galliard, a. d. Distant Shore, v. Hermit. Galliard, a. d. War Paint, v. Uncas. Wisdom, a. d. Bramble, v. See Saw. St. Simon, a. d. Garonne. Imp. 1896. St Simon, a. d. Distant Shore, v. Hermit. St. Simon, a. d. Plaisanterie. Imp. 1902. Isonomy, a. d. Alibech, v. Hermit. Isonomy, a. d. St. Marguerite. Imp. 1903. St. Simon, a. d. Nandine, v. Wisdom. Imp. 1899. Hampton, a. d. Black Duchess, v. Galliard. Winkiield, a. d. Alimony, v. Isonomy. Imp. 1899. Orme, a. d. Vampire. Imp. 1900. Fortunio, a. d. Pet, v. Peter. Imp. 1905. Dies wäre ein, wie ich glaube, ziemlich vollständiges Verzeichnis der besten von Frankreich aus England importierten »Stallions«. Die Franzosen haben aber selbst eine ganze Reihe vorzüglicher Vollblut- beschäler gezogen. Unter diesen stehen in erster Reihe: — I / / Sylvio, geb. 1826, v. Trance, a. d. HCbe, v. Ru])ens. Young Snail, „ 1827, „ Snail, a. d. Comus-Mare. Ali Baba, „ 1834, „ HoUiein, a. d. Cloton, v. Eastham. Eylau, „ 1835, „ Napoleon, a. d. Delphine, v. Massoud. Giges, „ 1837, „ Priam, a. d. l^va, v. Sultan. Commodor Napier, „ 1841, „ Royal Oak, a. d. Flighty, v. Young Phantom. Fitz Emilius, „ 1842, „ Young Emilius, a. d. Miss Sophia, v. Shakspeare. Fitz Gladiator, „ 1850, „ Gladiator, a. d. Zarah, v. Reveller. Royal-Quand-Meme, „ 1850, „ Giges, a. d. Eusebia, v. Emilius. Monarque, „ 1852, ,, The Baron, Sting oder The Emperor, a. d. Poetess, V. Royal Oak. Ventre-Saint-Gris, „ 1855, „ Gladiator, a. d. Belle de Xuit, v. Young Emilius. Light, ,, 1856, ,, The Prime Warden, a. d. Balaclava, v. Medoro. Compiegne, „ 1858, „ Fitz Gladiator, a, d. Maid of Hart, v. The Provost. Hospodar, „ 1860, „ Monarque, a. d. Surprise, v. Emilius. Dollar, „ 1860, „ The Flying Dutchmann, a. d. Payment, v. Slane. Vermouth, „ 1861, ,, The Nabob, a. d. Vermeille, v. The Baron. Vertugadin, „ 1862, „ Fitz Gladiator, a. d. Vemieille, v. The Baron. La Mandarin, „ 1862, „ Monarque, a. d. Loubia, v. Nuncio. Gontran, „ 1862, „ Fitz Gladiator, a. d. Golconda, v. Lioubliou. Ruy Blas, „ 1864, ,, West Australian, a. d. Rosati, v. Gladiator. Fervacques, „ 1864, ., Underhand, a. d. Slapdash, v. Annandale. Trocadero, „ 1864, ,, Monarque, a. d. Antonia, v. Epirus. Suzerain, „ 1865, „ The Nabob, a. d. Bravery, v. Gamebov. Mortemer, ,,, 1865, „ Compiegne, a. d. Comtesse, v. Nuncio oder The Baron. Boi'ard, „ 1870, .. Vermouth, a. d. La Bossue, v. De Cläre. Flageolet, „ 1870, „ Plutus, a. d. La Favorite, v. Monarque. Nougat, „ 1872, „ Consul, a. d. Nebuleuse, v. Gladiator. Perplexe, „ 1872, „ Vennouth, a. d. Peripetie, v. Sting. Saxifrage, „ 1872, ,, Vertugiidin, a. d. Slapdash, v. Annandale. Chamant, „ 1874, „ Mortemer, a. d. Araucaria, v. Ambros. Verneuil, „ 1874, „ Mortemer, a. d. Regalia, v. Stockwell. Zut, ,, 1876, „ Flageolet, a. d. Regalia, v. Stockwell. Vignemale, „ 1876, „ Dollar, a. d. La Maladetta, v. The Baron. Prologue, „ 1876, „ Dollar, a. d. Ortolan, v. Saunterer. Le Destrier, „ 1877, „ Flageolet, a. d. La Dheune, v. Black Eyes. Farfardet, „ 1880, „ Nougat, a. d. La Farandole, v. Joskin. Es CO griffe, „ 1881, „ Caterer, a. d. Ella, v. Ely. Sansonnet, „ 1881, „ Dollar, a. d. Ortolan, v. Saunterer. Richelieu, „ 1881, „ Trocad(§ro, a. d. Reine de Saba, v. Orphelin. Little Duck, „ 1881, „ See Saw, a. d. Light Drum, v. Rataplan. Xaintrailles, „ 1882, „ Flageolet, a. d. Dellane, v. The Flying Dutchman. Upas, „ 1883, „ Dollar, a. d. Rosemar>-, v. Skirmisher. Gamin, „ 1883, „ Hermit, a. d. Grace, v. The Scottish Chief. Le Sancy, „ 1884, „ Atlantic, a. d. Gem of Gem, v. Strathconan. Krakatoa, „ 1884, „ Thunderbolt, a. d. Little Sister, v. Hermit. Dauphin, „ 1885, „ Dollar, a. d. Schooner, v. Father Thames. Stuart, ' ,, 1885, „ Le Destrier, a. d. Stockhausen, v. St.Kkwell. Wränge], Die Rassen des Pferdes. I. - 178 - Heaume, geb. 1887, v. Hermit, a. d. Bella, v. Breadalbane. Le Hardy, „ 1888, „ Saint Louis, a. d. Albania, v. St. Albans. Ermak, „ 1888, „ Farfadet, a. d. Energetic, v. Lord Lyon. Floreal, „ 1888, .. Border Minstrel, a. d. Fleur de Mai, v. Saxifrage. Clamart, ,, 1888, „ Saumur, a. d. Princess Catherine, v. Prince Charlie. Reverend, „ 1888, ., Energy, a. d. Reveuse, v. Perplexe. Le Capricorne, ,. 1888, ,. Atlantic, a. d. La Dauphine, v. Doncaster. Rueuil, „ 1889, „ Energ}-, a. d. Reveuse, v. Perplexe. St. Damien, „ 1889, ,, St. Simon, a. d. The Lizzard, v. Springfield. Chene Royal, „ 1889, „ Narcisse, a. d. Perplexite, v. Perplexe. Callis träte, „ 1890, „ Cambyse, a. d. Citronelle, v. Mars, Rao-Qtskv, „ 1890, ., Perplexe, a. d. Czardas, v. Kisber. Le Pompon. „ 1891, .. Fripon, a. d. La Foudre, v. Scottish Chief. Dolma Bagthche, „ 1S91, ,, Krakatoa, a. d. Alaska, v. Galopin. Lutin, „ 1891, „ Patriarche, a. d. Legitime, v. Don Carlos. Polyo"one, „ 1891, „ Xaintrailles, a. d. Brienne, v. Dollar. Gospodar, „ 1891, „ Gamin, a. d. Georgine, v. Trocad6ro. Le Sagittaire, „ 1892, ,, Le Sancy, a. d. La Dauphine, v. Doncaster. Launav, ,, 1892, „ The Bard, a. d. Lina, v.Mortemer oder INIonarque. Le justicier, „ 1892, „ Le Sancy, a. d. North Wiltshire, v. Parmesan. Champaubert, „ 1893, „ Little Duck, a. d. Tantrip, v. Carnival. Palmiste, „ 1894, „ Le Sancy, a. d. Perplexite, v. Perplexe. Perth .. 1896, .. War Dance, a. d. Primrose Dame, v. Barcaldine. Selbstverständlich führte das Aufljlühen der französischen Voll- blutzucht auch zu einem bedeutenden hnport von .Stuten. Welche Dimensionen dieser annahm, lehrt uns das im Jahre 1869 von Th. Pontet, Redakteur des Stud-Book Francais, herausgegebene »Dictionnaire Genealogique des Chevaux de Pur Sang Importes ou nes en France et livres ä la reproduction depuis i. Reine. „ „ ., i'^TÖ „ Camelia. „ „ 1000 Guineen 1872 „ Reine. „ „ „ „ 1876 „ Camelia. „ „ . •, ^^^3 « Hauteur. „ 2000 Guineen 1865 „ Gladiateur. „ „ „ „ 1877 „ Chamant. Im St. Leger 1865 ,, Gladiateur. 1879 „ Rayon d'Gr. — i84 — In den Cesarewitch Stak es J) " Tl J5 „ „ Cambridgeshire Stakes n n )' ), Im Ascot Gold Cup Gold Vase (Ascot) Goodwood Cup Alexandra Plate (Ascot) In den Rous Memorial Stakes Im Jockey-Club Cup In den Champion Stakes „ „ Great Foal Stakes ImDewhurst Plate In den Eclipse Stakes Dieser Auszug aus dem »Racing-Calendar« dürfte genügen. Ist ihm doch die Tatsache zu entnehmen, dass französische Pferde nicht nur in sämtlichen klassischen Rennen, sondern auch in den meisten grösseren Leistungsprüfungen Grossbritanniens ihren englischen Rivalen die Hufe gezeigt haben. Die beträchtliche Anzahl dieser auf britischem Boden erfochtenen Siege sowie die sportliche Bedeutung derselben be- weisen, dass hier nicht, wie bei den Erfolgen der Amerikaner Foxhall und Irocjuois oder der Ungarn Kisber und Kincsem, die individuelle Überlegenheit einzelner Zufallsprodukte, sondern der hohe Standpunkt einer ganzen Zucht den Ausschlag gegeljen. Trotzdem und obwohl das französische Volll)lut auf der Hindernisbahn un1)edingt mehr leistet als das englische, darf Frankreich sich heute noch nicht rühmen, Eng- land in der Volll^lutzucht den Rang abgelaufen zu haben. Hätten die Franzosen dieses Ziel schon erreicht, brauchten sie nicht alljährlich für Millionen Zuchtmaterial aus England einzuführen. Da aber die Vollblut- zucht von Seiten des Staats, der Departements, der Städte und Renn- gesellschaften in Frankreich eine sehr weitgehende Förderung geniesst 1885 mit Plaisanterie. 1888 „ T(;nebreuse. I86I „ Palestro. 1874 „ Peut-Etre. 1885 „ Plaisanterie. 1866 „ Gladiateur. I87I „ IM 0 r t e m e r. 1874 „ Boi'ard. 1878 „ V e r n e u i 1. 1878 „ Verneuil. 1857 „ M 0 n a r q u e. 1864 „ Dollar. 1873 „ Flageolet. 1865 „ Fille de l'Air 1870 „ Trocadero. 1878 „ Verneuil. 1879 „ Insulaire. 1899 ., Le Senateur. 1880 „ Rayon d'Or. 1873 ,, Flageolet. 1877 „ V e r n e u i 1. 1894 „ Callistrate. 1879 „ Rayon d'Or. 1879 „ Rayon d'Or. 1876 „ Chamant. 1895 „ Le Justicier. — iS5 — und das französische Jvcnnsystcm mit seinen vielen langen Distanzen, seiner schonenden Behandkingj der Zweijährijren und seiner ausser- ordentlich praktischen Verwendung der Totalisator-Einkünfte grosse Vor- züge vor dem in England herrschenden Rennbetriel) aufzuweisen hat, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der kleine Unterschied in der Qualität, der heute noch zwischen den Produkten der englischen und der französischen Vollhlutzucht bestehen mag, recht bald zu Frankreichs Gunsten ausgeglichen sein wird. Mit Bezug auf die Ouantität wird England aber bis auf weiteres die Rivalität des franz()sisehen Xachluirs wohl nicht zu fürchten halben. Nachstehende Tabelle gewährt eine nähere Üljersicht über die im Jahre icjoo auf französischen Bahnen für Flach- und Hindernisrennen verausijfabten Preissummen : Herkunft des Geldes. Für Flach- rennen. Für Hinder- nisrennen. Total. Staat Fr. 230 450 72400 5 149 555 978 500 436 650 409 800 Fr. 45925 4 032 325 792 300 197 330 226 540 Fr. 230 450 118 325 9 181 880 r 770 800 633 980 636 340 Departements Gesellschaften auf ihren eigenen Bahnen Gesellschaften ausserhalb der eigenen Bahnen Städte Verschiedene Quellen Summa 7 277 355 5 294 420 12571775- In demselben Jahre gelangten auf den englischen Bahnen etwas über 13 Millionen Francs (531 906 Pfd. St.) zur Verteilung. Unter denjenigen privaten Vollblutgestüten Frankreichs, die dem Turf die meisten Sieger und der Zucht das wertvollste Material geliefert haben, verdienen an erster Stelle genannt zu werden : Bois-Rüuaud, Graf de Juigne, Loire Interieure. Bois Roussel, M. H. Delamarre und Graf Roederer, bei S6ez (Ome). Chamant, M. Albert Menier „ Senlis (Oise). Cheffreville, Graf de Berteux, „ Lisieux (Calvados). Dangu, M. Michel Ephnissi, „ Gisors (Eure). Lang 6, Baron ]. f'inot Indre. Le Jardy, M. Edmond Blanc, Seine-et-Oise. Lonray, Graf Le Marois, bei Alen(;on (Orne). Lormoy, M- Henri Say Seine-et-Oise. Martin vast, Baron Schickirr Manche. Meautrv, Baron KotlisrliiUl Toutpies (Calvados). — i86 — N e X o n , Baron de Nexon, Haute-Vienne. Pepinvast, Gräfin P. Le Marois, Manche. Vaucresson, M. A. Lupin, Seine-et-Oise. Victot, M. P. Aumont, bei M^zidon (Calvados). Villebon, M. J. Lebaudy, „ Palaiseau (Seine-et-Oise). Viroflay, M. A. Lupin, Seine-et-Oise. Auch was die so überaus wichtige finanzielle Grundlage des Renn- betriebes anbelangt, stehen die Franzosen also nur um ein geringes hinter den Engländern zurück. Ja, die Rechnung ergibt sogar ein bedeutendes Plus für die ersteren , wenn man , wie recht und billig , die grossen Summen hinzuzählt, die der französischen Gestütsverw^altung aus den Einnahmen des Totalisators zuliiessen und ferner berücksichtigt, dass der Staat keine Kosten scheut, um den Züchtern gegen Erlag einer niedrigen Decktaxe Vaterpferde hoher Klasse zur Verfügung zu stellen. So gut haben es die englischen Vollblutzüchter wahrlich nicht. In Deutschland ist die Zucht des englischen Vollblutpferdes von jeher mit so grossen Schwierigkeiten verknüpft gewesen, dass man sich nicht wundern darf, wenn sie, verglichen mit der französischen und eng- lischen, sich heute noch auf einer äusserst bescheidenen Entwickelungs- stufe befindet. Es ist dies für jeden Freund des edlen Pferdes eine um so bedenklichere Tatsache, als die deutsche Vollblutzucht bald ihr hundertjähriges Jubiläum feiern kann. Die ersten hnporte aus England begannen nicht viel später wie in Frankreich. Der Hengst Young Buzzard, geb. 1802, v. Buzzard, a. d. Y. Doxv, V. hiiperator, kam z. B. schon 1804 nach Deutschland, hi demselben Jahre wurde Young Trump ator, geb. 1802, v. Trumpator, a. Royalist's Schwester, v. Saltram, aus England herübergebracht. Zu den ersten hnporten zählten ferner die Hengste: Amber, geb. 181 1, v. Selim, a. d. Woodnymph, v. Trumpator. Actaeon, „ 1822, „ Scud, a. d. Diana, v. Stamford. Astonishment, „ 1824, „ Filho da Puta, a. d. Remembrancer-Mare. Belzoni, „ 1836, „ Belzoni, a. d. Frederica, v. Phantom. Blackamoor, „ 1811, „ Stamford, a. d. Sorcerer-Mare. Blackdrop, „ 1840, „ Physician, a. d. Zabetta, v. Langar. Com et, ,, 1830, „ Bobadil, a. d. Clarinet, v. Camillus. Young Confederate, „ 1834, „ Confederate, a. d. Conviction, v. Cannonball. The Corsair, „ 1836, „ Sir Hercules, a. d. Gulnare, v. Smolensko. Don Cossack, „ 1821, „ Don Cossack, a. d. Donna Clara, v. Cesario. Elector, „ 1813, „ Election, a. d. Lazy, v. Driver. Yoving Emilius, „ 1835, „ Emilius, a. d. Sea-Mew, v. Scud. Figaro, „ 1819, „ Haphazard, a. d. Selim-Mare. — i87 — Gaberlunzie, geb. 1824, v. Wanderer, a. Camel's Mutter, v. Selim. Ganges, ., 1831, „ Tigris, a. d. Dick Andrew's Mare. Glaucus, „ 1830, „ Partisan, a. d. Nanine, v. Selim. Godolphin, „ 1818, „ Partisan, a. d. Ridicule, v. Shuttle. The Great Mogul, ,, 1841, „ Bay Middleton, a. d. Muliana, v. Muley. Grey Momus, „ 1835, „ Comus, a. d. Cervantes-Mare. Gustavus, „ 1818, „ Election, a. d. Lady Grey, v. Stamford. HokeePokee, „ 1829, „ Muley, a. d. Nancy, v. Dick Andrew's. Logic, „ 1820, „ Selim, a. d. Piquet, v. Sorcerer. MickleFell, „ 1834, „ Catton, a. d. Emma, v. Whisker. Moses, „ 1819, „ Whalebone od. Se3'mour, a. d. Sister to Castanea, V. Gohanna. Mundig, „ 1832, „ Catton, a. d. Emma, v. Whisker. Oroonoko, ,, 1836, „ Camel, a. d. Bertha, v. Reveller. Phantom, „ 1808, „ Walton, a. d. Julia, v. Whiskey. Phosphorus, „ 1834, „ Lamplighter, a. d. Mutter v. Camarine, v, Rubens. Roderick, „ 1833, „ Emilius, a. d. Whisker Mare. Brother to Rostrum, „ 1838, „ Glaucus, a. d. Rosalie, v. Whalebone. St. Swithin, „ 1837, „ Velocipede oder St. Nicholas, a. d. Fille de Joie, V. Filho da Puta. Sampson, „ 1836, „ Cetus, a. d. Pucelle, v. Muley. Sheet An chor, „ 1832, „ Lottery, a. d. Morgania, v. Muley. Sias hing Harry, „ 1834, „ Voltaire, a. d. Arinette, v. Wanton. Brother to Tarrare, „ 1822, „ Catton, a. d. Henrietta, v. Sir Solomon. Taurus, „ 1826, „ Phantom oder Morisco, a. d. Katherine, v. Sooth- sayer. Young Whalebone, „ 1823, „ Whalebone, a. d. Gramarie, v. Sorcerer. Wildfire, „ 1816, „ Waxy, a. d. Penelope, v. Trumpator Während der dreissiger und vierziger Jahre des vorigen Jahr- hunderts wurde aber auch eine grosse Anzahl von Vollbhitstuten aus England eingeführt. Im Jahre 1832 betrug diese schon gegen 400 Stück. Unter den hnporteuren dieses Vollblutmaterials werden die königlichen Gestüte, das grossherzogliche Gestüt Redefin, das herzogliche Gestüt Harzburg, Graf Hahn-Basedow, Baron Biel-Zierow, Graf Plessen- Ivenack, Baron Maltzahn-Cumerow, Hr. v. Fahrenheid-Angerapp, Graf Bassewitz - Prebberde , Baron Willamowitz-Möllendorff, Graf Renard- Gr. Strehlitz, Hr. v. Dewitz-Gr. Miltzow, Graf v. Lehndorff- Steinort, Herzog zu Schleswig-Holstein-S.-A. , Hr. v. Oertzen-Lübbersdorff, Hr. V. Veltheim-Destedt, Hr. v. Simpson-Georgenburg, Oberpräsident v. Bonin auf Schönel^erg und Pferdehändler Lichtwald am häufigsten genannt. Die Vollblutzucht scheint auch während ihrer ersten Entwickelungsperiode mit einem gewissen Feuereifer betrieben worden zu sein, denn das 1 844 erschienene Verzeichnis der Vollblutpferde Preussens weist schon 1295 an- — 188 — gebliches Vollblut im Privatbesitz und 244 in den königl. Gestüten nach, von denen 892 resp. 83 authentisches Vollljlut waren. Von 1839 — 43 wurden nachweislich 1161 Vollblutpferde in Preussen gezogen, und zwar von IQQ im jähre ohne Abnahme bis 282 steigend (siehe »Über die Lage der Landespferdezucht in Preussen«, von Heinrich von Nathusius- Althaldensleben). Man kann diese Zeit mit einer gewissen Berechtigung als die Glanzperiode der deutschen Vollblutzucht bezeichnen. Im Lager der Züchter herrschte noch eine idealistische Auffassung der zu bewältigenden Aufgabe ; das Zuchtmaterial stand, besonders was die Qualität der Mutter- stuten anbelangt, auf einer achtunggebietenden Höhe; deutsche Pferde durften es wagen, auf englischen Bahnen um die Siegespalme zu kämpfen und den Franzosen erschien das deutsche Pferd als gefürchteter Gegner. Es war ein schöner aber leider nur kurzer Traum. Die nach dem Schreckensjahr 1848 hereinbrechende Zeit brachte ein schmerz- liches Erwachen. Die ersten Rennen auf deutschem Boden fanden 1823 in Doberan statt. Ein Jahr früher gab es in ganz Mecklenburg, der Bestand des Ivenacker Gestüts nicht mit eingerechnet, nur 5 Hengste und 4 Stuten, die ihre Herkunft auf das englische General Stud-Book zurückführen konnten; 1830 aber war die Zahl der im Lande befindlichen authentischen Vollblutpferde bereits auf 30 Hengste, 80 Mutterstuten und 260 Fohlen angewachsen. In Berlin wurde das erste Rennen im Jahre 1829 und zwar auf dem Tempelhofer Felde abgehalten. Die Bahn beschrieb ein etwas gezogenes Viereck, das eine halbe deutsche Meile einschloss. Da die Rennen um 9 Uhr früh (!!) ihren Anfang nahmen, begann der Zu- zug des massenhaft herbeiströmenden Publikums schon um 7 Uhr. Kurz vor 9 Uhr erschien die königliche Familie. Gleich darauf erfolgte der Start zu dem Rennen um die von Sr. Majestät dem Könige be- willigte VolU^lutstute. ■ — Pferde im Besitze ihrer Züchter. — Eine halbe deutsche Meile, doppelter Sieg. — Gewichtsbestimmungen. Ferner ent- hielt das Programm einen Subskribtionspreis von 200 Frd'or für Pferde aller Länder, ein Herrenflachrennen, ein Jagdrennen, ein Rennen für inländische Pferde u. s. w. Das Richteramt hatte Seine Königliche Hoheit Prinz Wilhelm übernommen. Der Erfolg der Berliner Rennen hatte zur Folge, dass eine ganze Reihe von Provinzstädten ebenfalls von dem Ehrgeiz ergriffen wurde. Rennen vor ihren Toren abhalten zu können. Grössere Bedeutung für — 1 89 — den Sport und die Vollljutzucht vermochten diese Plätze mit Ausnahme von Doberan und Hamburg-Wandsbek jedoch nicht zu gewinnen. Selbst Baden-Baden, dessen Rennbahn im Jahre 1858 eröfthet wurde, leistete schon aus dem Grunde für die deutsche Zucht so gut wie nichts, weil die daselbst zur Verteilung gelangenden Preise nahezu ausschliess- lich von französischen Pferden bestritten und — gewonnen wurden. Besonders schmerzlich empfand man es im deutschen Lager, dass die Hoffnungen, die auf die Erfolge der beiden Hahnschen Zweijährigen Atalanta und Meleager (beide von Blackdrop, a. d. Brown Bess, von Glaucus) im Badener Zukunfts-Rennen von 1859 ^^d 1860 gesetzt wurden, nicht in Erfüllung gingen. Die Franzosen blieben bis Anfang der 70 er Jahre Alleinherrscher auf der Badener Bahn. Es wäre zum Ver- zweifeln gewesen, wenn nicht die Erinnerung an den 1854 ^'Oi^ Scherz (geb. 1851 V. The Provost, a. Die Freude, v. Morisco) errungenen schönen Sieg in The Cambridgeshire Stakes zu Newmarket trotz allem den Glauben an kommende bessere Zeiten für die heimische Zucht aufrecht erhalten hätte. Dieser Glaube sollte denn auch gerechtfertigt werden. Sowohl in den drei preussischen Hauptgestüten Trakehnen, Friedrich-Wilhelm- Gestüt und Graditz, wie auch in zahlreichen privaten Zuchtstätten war man schon lange eifrig l^emüht gewesen, eine gesunde Basis für die mit so grossen Schwierigkeiten kämpfende Zucht zu schaffen und lang- sam aber stetig reifte die Frucht dieser bahnbrechenden Arbeit heran. Die in drei räumlich weit getrennten, mit sehr mittelmässigem Material und äusserst primitiven Einrichtungen betriebene, staatliche Vollblutzucht führte allerdings zu einem in jeder Beziehung unbefrie- di'Tenden Ergebnis. Dieser Misserfolg darf aber für Deutschlands Zucht und Turf als eine kaum hoch genug zu schätzende Gunst des Schick- sals bezeichnet werden, denn er ward die Veranlassung, dass die Reo-ieruno- 1866 beschloss, die bisher in den drei Hauptgestüten be- triebene Vollblutzucht in Graditz unter Leitung des in demselben Jahre zum Landstallmeister und Gestütsdirigenten ernannten Grafen Georg Lehndorff zu konzentrieren. Es ist hier nicht der Ort, eine Geschichte des Graditzer Gestüts zu schreiben. Ich beschränke mich daher darauf, hervorzuheben, dass Graf Lehndorff mit geradezu unglaul)lichen Schwierig- keiten zu kämpfen hatte, bevor es ihm gelang, in dem zur \\)llblutzucht Wühl sehr wenig geeigneten Graditz ein Zuchtmaterial zu versammeln, das, was Abstammung, Leistungen und Exterieur anbelangt, ohne Über- — 190 — treibung als absolut erstklassig zu betrachten ist. Die eigentlichen Er- folge von Graditz begannen nämlich erst, als im Jahre 1882 die zum sachgemässen Betriebe einer Rennzucht unbedingt erforderlichen Mittel bewilligt wurden. Seitdem hat es in Graditz, wie in jedem Vollblut- gestüt, gute und schlechte Jahre gegeben — solche der letzteren Gattung sogar eine ganze Reihe, was sicher seinen Hauptgrund in den für die Vollblutzucht ungeeigneten Lokalverhältnissen des Gestüts gehabt — aber Graf Lehndorfif darf sich doch rühmen, der heimischen Zucht eine wundertätige Veredlungsquelle eröffnet zu haben, die überall, wohin sie geleitet worden, frisch aufljlühendes Leben geschaffen und heute von den Züchtern gar nicht mehr entbehrt werden könnte. Von den importierten Vaterpferden haben sich in Graditz am besten bewährt: Fazzoletto, geb. 1853, v. Orlando, a. d. Canezou, v. Melbourne. Trumpeter, ,, 1856, ,, Orlando, a. d. Cavatina, v. Redshank. The Wizzard, „ 1857, ,, West Australian, a. d. The Cure Mare. Savernake, „ 1863, „ Stockwell, a. d, Bribery, v. The Libel. Rustic, „ 1863, „ Stockwell, a. d. Village Lass, v. Pyrrhus I. The Palmer, „ 1864, „ Beadsman, a. d. Madame Eglentme, v. Cowl. Flibustier, „ 1867, „ Buccaneer, a. d. Sweet Katie, v. Stockwell. Flageolet, „ 1S70, „ Plutus, a. d. La Favorite, v. Monarque. Chamant, „ 1874, „ Mortemer, a. d. Aracauria, v. Ambrose. Dandin, „ 1879, „ Gabier, a. d. Dulce Domum, v. Cambuscan. Saint Gatien, „ 1881, „ Rotherhill oder The Rover, a. d. Saint Editha, von Kingley Vale. Le Justicier, „ 1892, „ Le Sancy, a. d. North Wiltshire, v. Parmesan. Manners, „ 1896, „ St. Simon, a. d. Tact, v. Wisdom. In neuester Zeit hat die Liste der Importierten noch eine glänzende Bereicherung durch den Namen des englischen Derby- Siegers Ard Patrick (geb. 1899, v. St. Florian, a. d. Morganette, v. Springfield) er- fahren, und darf man sich wohl der Hoffnung hingeben, dass dieser in jeder Beziehung zur allerersten Klasse zählende Hengst sich als würdiger Nachfolger des unvergesslichen Chamant bewähren wird. Von den in Deutschland gezogenen Vollblutbeschälern verdienen folgende in den Annalen der Graditzer Zucht mit besonderen Ehren genannt zu w^erden : Weltmann, geb. 1881, v. Chamant, a. d. Vergissmeinnicht, v. Savernake. Potrimpos, „ 188^, i ^, -, ^ , ■, ■ t-, i „ . , , ^' ; V. Chamant, a. d. Pulchernma, v. Beadsman. Pumpernickel, „ 1884, S Habenichts, „ 1895, v. Chamant, a. d. Haselnuss, v. Flibustier. u — 192 — Selbstverständlich ist in Graditz schon seit Begründung der dortigen Vollblutzucht auch mit regem Eifer und ausserordentlichem Verständnis auf die Schaffung eines wertvollen Mutterstuten-Stammes hingearbeitet worden. Ja, man kann getrost behaupten, dass die Erfolge des Gestütes in erster Reihe diesem Umstände zu verdanken gewesen sind, denn das Stutenmaterial hat in Graditz nahezu immer grösseren Wert als die Vaterpferde besessen. Von grösster Bedeutung für die Graditzer Zucht waren u. a. die importierten Mutterstuten : Miss Bosswell, geb. 1S59, v. Stockwell, a. d. Lady Harriet, v. Touchstone. Lady Betty, „ 1867, „ Trumpeter, a. d. Miss Bowzer, v. Hesperus. Mlle. de Mailloc, ,, 186S, ., Muscowite, a. d. Slapdash, v. Annandale. Andorka, „ 1868, „ Buccaneer, a. d. Brown Agnes, v. West Australian. Hamadryade, ,, 1871, „ Bois Roussel, a. d. Madame la Baronne,v. The Baron. Goura, ,, 1872, „ Buccaneer, a. d. Gorse, v. King Tom. Yorkshire Bride, „ 1872, „ King Tom, a. d. Lady Coventr}-, v. Thormanby. Pulcherrima, „ 1873, „ Beadsman, a. d. Formosa, v. Buccaneer. Miczi, „ 1873, „ Carnival, a. d. Gipsy Girl, v. Weatherbit. Miss Harriet, „ 1874, „ Pero Gomez, a. d. Stockings, v. Stockwell. Lorna Doone, ., 1875, „ Scottish Chief, a. d. Slapidan, v. Beadsman. Pearlina, „ 1875, ,, Brown Bread, a. d. Defamation, v. Jago. Execution, „ 1875, „ Paul Jones, a. d. Damages, v. Oxford. Autonomy, „ 1884, „ Isonomy, a. d. In Bounds, v. Hermit. Unter den in Graditz gezogenen Vollblut-Mutterstuten haben .sich durch besonderen Zuchtwert ausgezeichnet: Das Veilchen, geb. 1868, v. Cavendish, a. d. Vanessa, v. Newminster. Vergissmein nicht, „ 1873, „ Savernake, a. d. Das Veilchen, v. Cavendish. Walhalla, „ 1876, „ Rustic, a. d. Das Veilchen, v. Cavendish. F. F., ,, 1877, „ Rustic, a. d. Das Veilchen, v. Cavendish. Nachtwandlerin, „ 1878, „ Rustic, a. d. No Chance, v. Newminster. Brunhild, „ 1878, „ Rustic, a. d. Lady Betty, v. Trumpeter. Willkommen, ,, 1879, „ The Palmer, a. d. Das Veilchen, v. Cavendish. Prinzessin Ilse, „ 1879, „ The Palmer, a. d. Yorkshire Bride, v. King Tom. Wartburg, „ 1880, „ Trumpeter oder The Palmer, a. d. Das Veilchen, V. Cavendish. Wanderlust, „ 1880, „ Emilius, a. d. Viscountess, v. Stockwell. Glocke, „ 1880, ., The Palmer, a. d. Goura, v. Buccaneer. Haselnuss, ,, 1882, „ Flibustier, a. d. Miss Harriet, v. Pero Gomez. Geheimnis, „ 1883, „ Chamant, a. d. Goura, v. Buccaneer. Närrin, „ 1884, „ Chamant oder Whitebait, a. d. Nike, v. Orlando. Warnung, „ 1884, ,, Chamant, a. d. Willkommen, v. The Palmer. Milchmädchen, ,, 1884, „ Dalham, a. d. Miczi, v. Carnival. Altenburg, „ 1885, „ Chamant, a. d. Antias, v. Prime Minister. Erbtante, „ 1886, ,, Weltmann, a. d. Execution, v. Paul Jones. - 193 — Schon aus diesem kurzen Verzeic^hnis ist zu entnehmen, dass die in Graditz gezogene Stute Das Veilchen von geradezu unschätzbarem Wert für das Gestüt gewesen ist. Diese Stute Hef und siegte achtmal und brachte, nachdem sie der Rennl)ahn Valet gesagt, im ganzen 1 1 Produkte , von welchen 5 in vorstehendem Verzeichnis der besten selbstgezogenen Graditzer Mutterstuten Aufnahme gefunden haben. Diese gewiss höchst bemerkenswerte Tatsache gewinnt aber noch mehr an Bedeutung durch den Umstand, dass Das Veilchen auch mit ihren Enkeln grossartiges für das Gestüt geleistet hat. Ihre Tochter Ver- gissmeinnicht wurde die Mutter des Hauptbeschälers Weltmann; Walhalla brachte Wallvater; Willkommen schenkte dem Gestüt die Mutterstute Warnung; Wartburg hat als Mutter von Burgwart ihren Beitrag zu dem Ruhm der Familie geleistet; Wanderlust ist durch die unvergleichliche Steeplerin Wellgunde zur Berühmtheit gelangt; für den hohen Zuchtwert von Haselnuss spricht der Hauptbeschäler Habe- nichts u. s. w. Mit diesem Zuchtmaterial hat Graditz bisher 10 Hauptbeschäler geliefert, nämlich Weltmann, Potrimpos, Hortari, Hartenfels, Panther, Inselberg, Pumpernickel, Marder, Botschafter, Habe- nichts. Ausserdem befinden sich unter den zahlreichen in Graditz gezogenen Landbeschälern mehrere Vollbluthengste. Der Leiter von Graditz darf daher wohl mit einiger Befriedigung auf die Zuchtleistungen des seiner Obhut anvertrauten königlichen Ge- stütes zurückblicken. Der Rennstall dagegen war ihm nicht immer eine Quelle ungetrübter Freude. Wie bekannt, lässt Graditz seine Produkte von einem eigenen Trainer trainieren und erfolgt auch die Prüfung derselben auf den öffentlichen Bahnen für Rechnung des Gestüts, jedoch stellt dieses die gewonnenen Geldpreise nach Abzug der Kosten im folgenden jähre den betreffenden Rennvereinen mit der Bezeichnung »Graditzer Gestüts-Preise« wieder zur Verfügung. Fs ist erklärlich, dass die hierdurch geschaft'ene staatliche Konkurrenz von den privaten Renn- stallbesitzern sehr schwer empfunden worden ist und viel böses Blut gemacht hat. Der »Deutsche Sport« brachte jedoch mit Bezug hierauf am I. Dezember 1903 einige Betrachtungen, die so sachgemäss und zutreffend sind , dass ich mich nicht enthalten kann , dem Leser hier folgenden Auszug aus demselben vorzulegen: »Ganz besonders heftig richteten sich die Angriffe gegen die öffent- liche Prüfung der Graditzer Produkte auf der Rennl)ahn, und je mehr Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 13 — 194 — die Träo-er der preussischen Farben auf dem Turf in den Vordergrund traten, um so grösser wurde die Zahl der Anhänger, die sich um den Rufer im Streite scharte, darunter natürHch auch mancher Rennpferde- besitzer, der die BeteiHgung des Graditzer Stalles an den Rennen als eine ungerechte Konkurrenz ansehen zu müssen glaubte. Das war da- mals, als die Produkte eines Chamant und einer vornehmen Mutter- herde Jahr für jähr auf unseren Rennbahnen Sieg auf Sieg häuften. Und wie steht es heute? »Tempora mutantur, et nos mutamur in illis«. Der Rufer im Kampfe gegen Graditz ist längst verstummt, und auch seine Nachfolger sind still geworden, denn es ist der Hauptgrund ihres Unmuts dahingeschwunden und nicht mehr wird die Konkurrenz des fiskaUschen Stalles als lästig oder gar vernichtend empfunden. Der o-lorreiche Chamant ist längst tot und ein gleichwertiger Nachfolger ihm nicht erstanden. Die Stutenherde in Graditz zwar ist nach Zahl und Qualität gewiss nicht geringer geworden, aber es sind indessen Gestüte entstanden im Lande, die aus privaten Mitteln ein gleich vor- nehmes Material zusammenstellten; dieser und jener Deckhengst in privatem Besitz — wir rechnen auch Harzburg hierzu — »schlug ein«, wenn auch nur periodisch, und so ist es denn gekommen, dass die Graditzer auf der Rennbahn nicht mehr Furcht und Schrecken ver- breiten wie früher, sondern vielmehr eine verhältnismässig bescheidene Rolle in unserem Rennbetriebe zu spielen gezwungen waren. Wir haben allezeit, in o-uten wie in schlechten Perioden, für Graditz manche Lanze in den Federkriegen gebrochen und auf demselben vStandpunkt, dass die Beteiligung der Graditzer an den öffentlichen Prüfungen nie ge- schadet hat und auch in Zukunft nicht schaden wird, stehen wir auch heute noch. Nur eins, und das gestehen wir ebenso offen an dieser Stelle zu, hat uns zu jeder Zeit an dem Management des Graditzer Stalles missfallen, das ist die grosse, ja schwächliche Reserve, die sich der Stall immer da auferlegt hat, wo es galt, für die deutsche Zucht o-eo-en das Ausland zu streiten. Dies trifte besonders für die Jahre des höchsten Glanzes zu, die Graditz erlebt, und für die Rennen in Baden- Baden, ganz vornehmlich auch für den dortigen Grossen Preis, den uns das Ausland so oft entführt hat. Der königliche Stall begnügte sich damit, auf diesem internationalen Platz auf Handicaps »zu marschieren« und war von jeher schon mit den Nennungen für das grosse Rennen in Iftezheim so karg, dass es fast komisch wirkte gegenüber den Massen- Anmeldungen, die oft für kleine Rennen auf anderen Plätzen im Reiche — 195 — erfolgten. Eine Ökonomie in dieser Hinsicht, wie sie mit ix'ücksicht auf die hohen Einsätze für manchen Privatstall geboten erscheint, ist aber für den fiskalischen Stall nicht massgebend, und dass man ähn- lichen Erwägungen in Graditz auch nicht Raum gibt, zeigt die kürzlich erfolgte Nennung von acht Pferden für den allerdings nur für Inländer ausgeschriebenen Grossen Preis von Hamburg. So ist nun also die Tatsache zu konstatieren, dass Graditz den Grossen Preis von Hamburg noch niemals gewonnen hat*), und bis auf den unglückseligen Habe- nichts, den in Iftezheim das Schicksal des völligen Niederbruchs er- eilte, standen die besten Kämpen für Schwarz-Weiss fast jedesmal un- tätig im Stalle, wenn die reiche Trophäe den Österreichern oder Franzosen zur leichten Beute fiel. Dass sich unter den besten der »Königlichen« im letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts gar mancher befunden, der den Preis dem Lilande zu erhalten imstande gewesen wäre, dürfte wohl unljestritten bleiben, und es erübrigt sich demnach eine Aufzählung der sattsam bekannten Namen Graditzer Helden. Was wir mit dem hier Gesagten zum Ausdruck bringen wollen, ist also, dass es nur wünschenswert und richtig, wenn der fiskalische Stall — mehr noch als es ein mit reichen Mitteln arbeitender Privatstall tut — gerade da mit seinen Anmeldungen spendabel vorgeht und sich möglichst viele Chancen sichert, wo die Konkurrenz des Auslandes in Betracht zu ziehen ist.« So weit der »Deutsche Sport«. Dass dieser sich mit obigen Aus- führungen zum Dolmetscher der in deutschen Fachkreisen herrschenden Ansicht über den Graditzer Rennstall gemacht hat, unterliegt keinem Zweifel. Spricht doch der Verfasser des vortrefflichen Werkes »Der Rennsport« in dem Absatz »Privat- und Staatsgestüte« genau dasselbe aus, indem er schreibt: »Es soll hier zugegeben werden, dass in einem Lande, dessen Rennbetrieb noch auf so schwachen Füssen steht, wie derjenige Deutschlands, ein grosser musterhafter Staatsrennstall als Vorbild, vor allem aber als gegebener Konkurrent in den Rennen anderer Länder, eher segensreich als schädlich wirken muss. Anders aber ist es, wenn die hisassen eines solchen Stalles dem inländischen Privatmann gegenüber in kleinen, für die Prüfung wertlosen Konkurrenzen laufen; dann wirkt das Bestehen des Staatsrennstalles *) Dies gelang dem königl. Rennstall jedoch 1904 mit Leander I. Anm. d. Verfassers. — 196 — auf das private Kapital nicht anregend, sondern direkt abschreckend. Die einfachste Lösung dieser so viel umstrittenen Frage also wäre wohl, wenn die fiskalischen Pferde nur in Rennen von 10 000 M. und mehr Wert liefen und ihre Hauptkräfte zur Konkurrenz mit Österreich-Ungarn, Frankreich und hier und da auch England aufsparten, um alljährlich einen Vergleich zwischen unseren besten und denen unserer Kon- kurrenten zu erzielen.« Im Gegensatz zum Königlich Preussischen Hauptgestüte Graditz betreibt das Herzoglich Braunschweigische Hofgestüt Harzburg Voll- blutzucht auf Basis des Jährlingsverkaufs und ist es hierbei nicht schlecht gefahren. Die bedeutendsten Stallions, die in Harzburg als Vaterpferde benützt worden, sind: Savernake, geb. 1863, v. Stockwell, a. d. Bribery, v. The Libel. Lord Clifden, a. d. Cantata, v. Wild Dayrell. Buccaneer, a. d. Mineral, v. Rataplan. Scottish Chief, a. d. Katie, v. Y. Melbourne. Savernake, a. d. Gold Dust, v. Hermit. Energy, a. d. Gladia, v. Tournament. Kisber, a. d. Relic, v. Rosicrucian. St. Serf, a. d. Sandiway, v. Doncaster. Das Stutenmaterial von Harzburg ist vom gegenwärtigen Leiter des Gestüts, Exzellenz Freiherrn v. Girsewald, mit ausserordentlichem Geschick und feinem Verständnis teils durch Ankäufe in England, teils durch Erwerbung hervorragender inländischer vStuten zusammengestellt und auf achtunggebietender Höhe erhalten worden. Es ist daher auch nicht zu verwundern, dass die Harzburger Produkte sich nicht nur auf der Bahn, sondern auch in der Zucht bestens bewährt haben und in- folgedessen bei den stark besuchten Jährlings-Auktionen des Gestüts hohe Durchschnittspreise (5000 M. und darüber) zu erzielen pflegen. Unter den übrigen deutschen Vollblutgestüten wären ausser dem bereits genannten Gross-Strehlitz, wo Graf Renard Anfang der 70 er Jahre solche Pferde wie Bauernfänger, Flibustier, Hochstapler, Adonis und Amalie von Edelreich zog, noch zu erwähnen: Basedow, Romolkowitz, Schlenderhan, Römerhof*), Weil, Bockstadt, Görlsdorf, Puchhof, Schlen- derhan, Stodolkau, Zschorna, Neu-Cölln, Schrombehnen, Waldfried u. a. An Hengsten mehr oder weniger vornehmer Klasse leidet die deutsche Vollblutzucht jedenfalls keinen Mangel. Es decken 1906: Hynienaeus, )7 1869, Kisber, V 1873, Emilius, ^^ 1875, Nickel, 5> 1887, Gouverneur, V 1888, Realist, ii 1890, Calveley, )5 1895, *) Im Jahre 1905 zu dem Kaufpreis von 552 250 M. in den Besitz des preussi- schen Staates übergegangen. 197 — In Graditz: » n ,, Hoppegarten : „ Neustadt a.D. Römerhof: In Basedow: „ Bockstadt: „ Dahlwitz: Harzburg: Neu- Colin: n Schlenderhan Weil: Ard Patrick, Hannibal, Mann er s, Habenichts, : Galtee I\Iore, Kirkconnel, Botschafter, Geier, Caius, Saraband, Joyful, St. Maclou, geb. 1899, V. St, Florian, a. d. Morganette, v. Springfield. „ 1891, „ Trachenberg,a. d.Zama,v. Hermit. „ 1896, „ St. Simon, a. d. Tact, v. Wisdom „ 1895, „ Chamant, a. d. Haselnuss, von Flibustier. „ 1894, „ Kendal, a. d. Morganette, von Springfield. „ 1892, „ Royal Hampton, a.d. Sweet Sauce, V. Blair Athol. „ 1880, „ Chamant oder Dreadnought, a. d. Miss Boswell, v. Stockwell. „ 1890, „ Flageolet, a. d. Geheimnis, von Chamant. „ 1900, „ Reverend, a. d. Choice, V. Galopin. „ 1883, „ Muncaster, a. d. Highland Fling, V. Scottish Chief. „ 1890, „ Galopin, a. d. Farewell, v. Don- caster. „ 1898, „ St. Simon, a. d.Mimi, v.Barcaldine. Sperbers Bruder, „ 1894, „ Kisber,a.d.Vitarba,v.Rosicrucian. Bandit, „ 1887, „ Savernake, a. d. Relic, v. Rosi- crucian. Over Norton, „ 1897, „ Adieu, a.d. Lady Wh}', v.Roseberv. Calveley, „ 1895, ,, St. Serf, a. d. Sandiwav, v. Don- caster. Realist, „ 1890, ,, Kisber, a. d. Relic, v. Rosicrucian. Gouverneur, „ 1888, „ Energy, a.d.Gladia,v.Tournament. Ameer, „ 1895, „ Orme, a. d. Quetta, v. Bend Or. Archer, „ 1889, „ Crafton,a. d.Archeress,v.Petrarch. Saphir, „ 1894, „ Chamant, a.d. Sappho, v, Wisdom. Cazabat, „ 1895, „ Rueil, a. d. Clementine, v. Man- drake. „ „ Ausmärker, „ 1891, „ Kisber, a. d. Santa Maria, von Isonomv. „ „ Serpent, „ 1885, „ Tantale, a. d. Serpentine, v. Bav Archer, u. V. a. Wenn man aber die Decklisten der deutschen Vollblut^estüte einer genauen Durchsicht würdigt, kann man sich nicht verhehlen, dass die Kräfte dieser Heng-ste, mit Ausnahme einiger weniger der allerersten Klasse , bei weitem nicht so ausgenützt werden , wie es die Interessen der heimischen Zucht erheischen würden. Die Zahl der vorhandenen Mutterstuten scheint somit in keinem richtigen Verhältnis zu derjenigen der auf Verwendung harrenden Vaterpferde zu stehen, denn son.st würden wohl solche Hengste wie Saphir, Hannibal, Realist, Gouverneur, Manners, — 198 — Calveley, Habenichts u. a. nicht so auffallend wenijr in Anspruch ge- nommen werden, wie die Decklisten zu erkennen geben. Angesichts dieser Tatsachen kann den deutschen Züchtern nur geraten werden, in der nächsten Zeit mit allen Kräften auf die Verstärkung ihres Mutter- stutenstandes hinzuarbeiten. Mit Hengsten wären sie ja vorläufig mehr wie genügend versorgt. Allerdings lässt der Norddeutsche Zuchtverein alljährlich eine Anzahl wertvoller Stuten in England ankaufen und diese sodann in Hoppegarten nur den deutschen Züchtern käuflich und nur im hilande verkäuflich zur Auktion stellen; soll aber das in ({uantitativer Beziehung entstandene Missverhältnis zwischen dem Hengsten- und dem Stutenmaterial der deutschen Vollblutzucht endgültig ausgeglichen werden, so wird man sich in den züchterischen Kreisen notgedrungen dazu bequemen müssen , der Einfuhr von Mutterstuten bester Klasse weit grössere Opfer als bisher zu bringen. Als ein beachtenswerter Schritt in dieser Richtung ist es zu bezeichnen, dass der Union-Klub, um den Import junger Stuten zu heben, in sein Hoppegartener Programm einige Rennen aufgenommen hat, die jungen Stuten aller Länder im Alter von 2 bis 4 Jahren offen stehen. Selbstverständlich enthält die Proposition die Bestimmung, dass diese Stuten zu Zuchtzwecken im Lande bleiben müssen. In Österreich-Ungarn hat sich die Entwickelung der Vollblut- zucht in ähnlicher Weise wie in Deutschland vollzogen, nur wurde sie in Wien und Budapest infolge günstigerer, örtlicher und sozialer Ver- hältnisse viel kräftiger gefördert. Ein verhältnismässig mildes Klima, eine reich begüterte Aristokratie, zu deren Familientraditionen es ge- hört, Sport und Zucht mit Eifer zu pflegen, und eine Bevölkerung, der die Liebe zum edlen Pferde sozusagen im Blute lag, das waren Vor- teile, die der österreichisch-ungarischen Vollblutzucht von Anfang an ein entschiedenes Übergewicht über der deutschen verleihen mussten. Ungarische und siebenbürgische Kavaliere waren es, denen das Rennwesen der Haljsburgischen Monarchie seine Entstehung zu ver- danken hatte. Überzeugt von der Notwendigkeit, den Zucht- und Ge- brauchswert des Blutpferdes durch Leistungsprüfungen zu ermitteln, vermochte der um die ungarische Pferdezucht hochverdiente Graf Stefan Szechenyi mit einigen gleichgesinnten Standesgenossen eine Renn- gesellschaft (ungarischer Jockey-Klub) zu bilden, die ihr erstes Rennen im Monate Juni 1827 zu Budapest abhielt. Diese erste Anregung ver- blieb jedoch recht lange ohne durchgreifende W^irkung auf die sport- — 199 — liebenden Kreise der »Haupt- und Residenzstadt« Wien, denn der dortige »Verein für Pferdezucht und Pferderennen« trat erst im Jahre 1838 ins Leben. Bedeutende Leistungen hatten indessen weder der ungarische noch der österreichische Rennverein aufzuweisen. An gutem Willen und Oi)ferfreudigkeit fehlte es weder hier noch dort, aber ohne jede Unterstützung von selten des Staates waren die Vereine ganz auf ihre eigenen, unzulänglichen Kräfte angewiesen und mit diesen Hessen sich selbstverständlich keine bahnl)rechenden Resultate erzielen. Ein Um- schwung in diesen wenig erfreulichen Verhältnissen trat erst ein, als der Kaiser mit Allerhöchster Entschliessung vom 27. Januar 1S57 die jährliche Aljhaltung von Wettrennen in Wien, Pardubitz, Lemberg, Budapest und Klausenburg unter Ausschreibung von Kaiserpreisen im jährlichen Gesamtbetrage von 6550 Dukaten genehmigte. Diese Preise waren teils für Pferde aller Länder bestimmt, teils den Produkten der inländischen Zucht vorbehalten. Als Distanz wurde die englische Meile angenommen. Wallache waren ausgeschlossen. Die wirkliche Glanzj^jeriode der österreichisch -ungarischen \'oll- l)lutzucht beginnt jedoch erst mit der im Jahre 1868 durch den Grafen Nikolaus Esterhäz}' zustande gebrachten Gründung des ()sterreichischen Jockey-Klubs. Erst seit dieser Zeit nahm die Vollblutzucht und das Rennwesen in der habsburgischen Monarchie jenen Aufschwung, mit welchem die Namen Kincsem, Kisber, Kalandor, Brigadier, Fenek, Tartar, Stronzian, Espoir, Vinea, Bälväny, Triumph, Patience u.v.a. untrennbar verknüpft sind. Diesen Aufschwung aber verdankt der österreichisch -ungarische Turf nahezu ausschliess- lich der in dem königlich ungarischen Staatsgestüte Kisber l)etriel)enen V()lll)lutzucht. Ursprünglich eine Gräflich Batthyänische Herrschaft, war Kisber nach Niederwerfung der ungarischen Revolution von der Regierung konfisziert und 1853 in ein Militärgestüt verwandelt worden, ging aber 1869 infolge der inzwischen vollzogenen Zweiteilung der Monarchie mit den übrigen ungarischen Staatspferdezuchtanstalten aus di-m Reichs- eigentum in den Besitz der ungarischen Krone übi^. Von den Hengsten, die Kisber bis zum l'bergang de> Gestütes in den ungarischen Staatsbesitz zur Zucht benützt hat, nelinun folgende einen Ehrenplatz in den Annalen der ()sten-eicliisch-ungari>ehen \ oll- blutzucht ein : — 200 — Teddington, geb. 1848, v. Orlando, a. d. Miss Twickenham, v. Rockingham. Daniel O'Rourke, „ 1849, „ Irish Birdcatcher, a. d, Forget-me-not, v. Hetman Platoff. Buccaneer, „ 1857, „ Wild Daj-rell, a. d. Little Red Rover Marc. BoisRoussel, „ 1861, „ The Nabob, a. d. Agar, v. Sting. Ostreger, „ 1862, ,, Stockwell, a. d. Venison Mare. Jeder dieser Hengste verdient einen speziellen Nachruf. Dass Teddington, der Sieger im englischen Derby 1851, im Ascot Cup, Great Yorkshire Stakes, Warwick Cup u. s. w. um den billigen Preis von 1200 Pfd. St. nach Ungarn verkauft werden konnte, lässt sich nur dadurch erklären, dass er den hochgespannten Er- wartungen, die seine Rennleistungen erweckt hatten, nicht ganz ent- sprochen. Er wurde deshalb in England als Vaterpferd nie nach Ge- bühr geschätzt und musste, obwohl er unter seinen Nachkommen so gute Tiere wie Moulsley, Master Richard, Emblem, Emblematic, May Queen und last not least Marigold (Mutter des Derby siegers Don- caster) zählte, 13 Jahre alt, in die Verbannung gehen. In Kisber hat er dann noch fünf Jahre gedeckt. Während dieser fünf Jahre produzierte er im Gestüt 26 Fohlen und deckte 73 Privatstuten. Von bleibendem hippologischen hiteresse ist die in den Gestütsakten vorkommende Be- schreibung Teddingtons. Es heisst dort: »Der höchste Adel im Kopf und Auge; der Aufsatz schön, aber nicht hoch. Widerrist nicht au.s- gesprochen; keine besondere Tiefe in der Brust; die Ellbogen etwas eingezogen; die Schulter gut gelagert-, aber kurz; der Rücken, die Lendenpartie und die Kruppe voll Kraft, die letztere ein wenig gespalten und bedeutend höher als der Widerrist; die Muskulatur und Sehnen unvergleichlich; die Stellung der Beine korrekt; viel Knochenmasse; der Gang regulär und erhalten; in jeder Bewegung graziös und auf- fallend geschickt in kurzen Wendungen; die Hufe der Vorderfüsse mit starkem Trachtennachwuchs, schmal und zusammengezogen, alle aber von bester Substanz; ungewöhnlich menschenfreundlich und fromm, sehr geistig, aber dabei eher timid; war in seinen Leistungen ausserordent- lich und hatte viele Nachkommen. (Siehe mein Werk »Ungarns Pferde- zucht in Wort und Bild«.) Etwas weniger enthusiastisch , aber doch im grossen ganzen mit obiger Beschreibung übereinstimmend, lautet folgende Schilderung, die in dem hochinteressanten Werke »Stallion Record, being a Dictio- nary of Stallions of the XIX Century, compiled by W. Chis- mon, Liverpool 1901,« von Teddington entworfen wird: »He had — 20I — speed, bottom and weight-carrying powers, but was a small, Short horse, low in withers, straight in Shoulders, short and upright in pasterns, small-footed, calf-kneed and only 63 in- ches in girth when he won the Derby. His head and neck were especially game and bloodlike, and the secret of his great racing power lay in his high muscular loins and fine slashing action.« (Er besass Schnelligkeit und Ausdauer und konnte auch Gewicht tragen, war aber ein kleiner, kurzer Hengst, mit niedrigem Widerrist , steilen Schultern , kurzen , steilen Fesseln , kleinen Hufen, Kalbsknien und nur 63 Zoll Gurtentiefe, als er das Derby gewann. Sein Kopf und Hals war ganz besonders rassig und edel, und das Geheimnis seines grossen Rennvermögens lag in seiner hochgelagerten Lendenpartie und schönen, weitausgreifenden Galoppaktion.) Über Daniel O'Rourke schreibt der unter dem Pseudonym »The Druid« bekannte englische Sport-Schriftsteller: »Er war der längste und kompakteste Hengst der ganzen Birdcatcher- Familie und mass nur 14,3 (= 150 cm), als er das Derby gewann. Später erreichte er eine Höhe von nahezu 15,2 (= 158 cm). Seine Fohlen hatten eine dunklere Fuchsfarbe als sonst bei den Birdcatchers vorzukommen pflegt; ausserdem zeichneten sie sich durch ein starkes Untergestell und kräftige Rücken aus. Er gewann das Derb}^ und die St. James' Palace Stakes, war aber nach seiner zweiten Saison nicht mehr viel wert für Renn- zwecke.« In Ungarn hat sich Daniel O'Rourkes Zuchtwert hauptsäch- lich in der Halbblutzucht bemerkbar gemacht. Mit allem Enthusiasmus, dessen ein Grundbuchsljlatt überhaupt fähig ist, wird das Lob Ostregers in den Kisberer Gestütsakten gesungen: »Vorzügliches, hochedles Produkt englischer Vollblutzucht. Hoher Adel in allen harmonisch korrekten Körperteilen, unter denen Schulter, Wider- rist, Brust und Rippenwölbung nicht schöner und besser sein können; die Fesselung der Vorderfüsse etwas dünn, dafür aber Knochen, Ge- lenke und Sehnen ungeachtet 42 maligen Startens vollkommen rein ; die Hufe der Vorderfüsse in der Sohle etwas voll, aber von guter Substanz ; die Augen gross und schön; fromm, schnell und ausdauernd; gewann viele Preise in England.« — Und er hat sie redlich verdient, die Vor- liebe, die aus diesen Worten für ihn hervorleuchtet, der brave Ostreger, denn unschätzbar sind die Dienste, die er der Kisberer Halbblutzucht geleistet. Warmes Lob wird auch Bois Rons sei gespendet. Von ihm — 202 — heisst es: »Hochedles Produkt französisch -englischer V(>lll)lutzucht; äusserst eleganter und korrekter Bau und Gang; hinlänglich stark von Knochen; Augen und Hufe sehr grut; die Sehnen der Vorderfüsse haben durch das Rennen gelitten; fromm, schnell, fruchtbar; bespringt die Stute gewöhnlich zweimal; deckt jedoch mit Widerwillen, wenn die Stute ihm nicht sympathisch ist.« Buccaneer, dem Regenerator der österreichisch-ungarischen Zucht (Fig. 30), widme ich in meinem Werke »Ungarns Pferdezucht in Wort und Bild« folgendes Gedenkblatt: »Am 15. November 1865 traf Buccaneer in Kisber ein. Wenn die Amerikaner mit Recht behaupten, dass ihr Nationalvermögen in dem Augenblick, als der englische Vollbluthengst Messenger, der Stamm- vater der amerikanischen Traberrasse, 1878 in New-York landete, einen Zuwachs von mindestens 100 Millionen Dollars erhielt, so dürfen auch die Züchter Österreich-Ungarns geltend machen, dass der Eisenbahnzug, der Buccaneer nach Kisber brachte, der inländischen Vollblutzucht eine nur nach Millionen zu schätzende goldene Saat zugeführt hal^e, denn nie und nirgends hat sich — der Fall von Messenger ausgenommen — der hnport eines Zuchthengstes so sehr gelohnt wie derjenige von Buccaneer.« Diesen Worten kann ich heute hinzufügen »auch der des Graditzer Chamant nicht . Buccaneer wurde durch Oberst de Butts für Kisber erworben. Was der Hengst den österreichisch -ungarischen Staat eigentlich ge- kostet, lässt sich schwer mit Genauigkeit angeben. In bar zahlte Oberst de Butts 2600 Pfd. St., ausserdem aber hatte das Gestüt Kisber die im lahre 1862 erworbene Stute The Gem, v. Touchstone a. d. The Biddy an England zurückzuliefern. Zu obigen 2600 Pfd. vSt. kommt also noch der Wert von The Gem, und da diese Stute im Jahre 1862 Mutter von Regalia (Verneuils Mutter) geworden war, welch letztere sich 1865 als Siegerin in den Oaks einen Namen gemacht hatte, wird man kaum behaupten können, dass der damals noch ziemlich un- beachtete Buccaneer, dessen Rennleistungen recht anspruchsloser Gattung waren, eine billige Acquisition gewesen, wohlgemerkt, billig in dem Moment, als der Kauf abgeschlossen wurde, denn kaum hatte Buccaneer England verlassen, so trat auch sein unschätzbarer Zuchtwert zutage. Das Jahr 1868 brachte die Triumphe Formosas, See Saws und Paul Jones', 1869 Brigantines Sieg in den Oaks, von den Erfolgen anderer Buccaneer-Sprösslinge nicht zu reden. — 204 — Von den zahlreichen hervorragenden Rennpferden, die in Öster- reich-Ungarn und Deutschland nach Buccaneer gefallen sind, dürften folgende die bekanntesten sein: Amalie von Edelreich, Siegerin im Norddeutschen Derby zu Hamburg 1873. Bälväny, Sieger im Zukunftspreis von Baden-Baden 1880 und im Bürgerpreis zu Ödenburg 1880. Brigand, Sieger in der grossen Steeple-Chase zu Wien 187S und der grossen Pardu- bitzer Steeple-Chase 1875, 77, 78, Brigantine, Siegerin in der grossen Steeple-Chase zu Wien 1873. Budagyöngye, Siegerin im Norddeutschen Derbv zu Hamburg 1885. Cadet, Sieger im Österreichischen Derby 1870. Canace-Stute, Siegerin im Österreichischen Derby 1873. Elemer, Sieger im Österreichischen Derby 1880 und im Hertefeld-Rennen zu Ber- lin 1880. Falsacappa, Sieger im St. Leger zu Budapest 1872. Fenek, Sieger im Österreichischen Derby und in der Berliner Union 1886, sowie im Zukunftspreis zu Baden-Baden 1885. Flibustier, Sieger in der Berliner Union 1870 und im Silbernen Schild zu Berlin 1870. Gamecock, Sieger im Nemzeti-dij zu Budapest 1873. Good Hope, Sieger im Österreichischen Derby und in der Berliner Union 1876, Good Morning, Sieger in der grossen Wiener und der grossen Pardubitzer Steeple- Chase 1880. Kisber, Sieger im Dewhurst-Plate 1875, im Derby zu Epsom und im Grand Prix de Paris 1876. Lady Patroness, Siegerin im Österreichischen Derby 1874. Landlord, Sieger im St. Leger zu Budapest 1881. Nil Desperandum, Sieger im Österreichischen Derby 1878. Ollyan-nincs, Siegerin im St. Leger zu Budapest 1886. Picklock, Sieger im Zukunftspreis von Baden-Baden 1878 und in der Berliner Union 1879. Pirat, Sieger im Norddeutschen Derby zu Hamburg 1877. Tallös, Sieger im Hertefeld-Rennen zu Berlin 1877, im Grossen Preis zu Baden- Baden und im Silbernen Schild 1880. Ugod, Sieger im Bürgerpreis zu Ödenburg 1887 und im Fenek-Rennen zu Wien 1888. Vederemo, Sieger im Österreichischen Derby 1881. Veronica, Siegerin im St. Leger zu Budapest 1882. Vinea, Sieger im Österreichischen Derbv, im Norddeutschen St. Leger und im Hertefeld-Rennen 1884. Vordermann, Sieger im Zukunftspreis zu Baden-Baden 1875. Waisenknabe, Sieger in den Bretby Nursery Stakes zu Newmarket 1874 und im Henckel-Rennen zu Berlin 1875. Ausserdem wären als siegreiche Buccaneer-Sprösslinge zu nennen: Andorka, Balzsam, Bendigo, Bibor, Count Zdenko, Dart, Grand Buc- caneer, Goura, Kisber öcscse, Oracle, Pista, Talpra Magyar, Thalma, Triumph, Y. Buccaneer u. m. a. - 205 — Von Buccaneers hier genannten Söhnen hal)en sich viele bereits als vorzügliche Vaterpferde bewährt. Flil)ustier z. B. zeugte Künstlerin, die Siegerin im Norddeutschen Derby 1879, sowie die mit bestem Erfolg zur Zucht verwendeten Hengste Trachenberg und Burgwart; Waisen- knabe ist der Vater von Stronzian, Sieger in der Berliner Union 1884, von Lehetetlen, Sieger im Grossen Preis von Baden-Baden 1882, von Pity the Blind u. a. guten Rennpferden ; Triumph zeugte in seinem gleichnamigen Sohne den Sieger im Österreichischen Derby 1899; Kis- bers Sohn Ausmärker war ein schnelles, hartes und treues Rennpferd und hat auch als Hauptbeschäler in Weil nützliche Dienste geleistet; noch stolzere Vertreter des kostbaren Kisber-Blutes waren Sperber und Sperbers Bruder; doch haben sich auch Kisber's Söhne Trollhetta und Realist als brauchbare Vaterpferde erwiesen; Kisber öcscse hat Buzgö, den Sieger im Österreichischen Derby 1885, Red Hot und Deceiver das Leben geschenkt; Talpra Magyar ist der Erzeuger des Österreichischen Derby-Siegers Tokio; Bälväny, der Vater des Kisberer Hauptbeschälers Kozma , braucht sich ebenfalls seiner Sprösslinge nicht zu schämen ; Buccaneers Tochter Lady Patroness hat der Kisberer Zucht in ihrem Sohne Päsztor einen fleissig benützten und erfolgreichen Hauptbeschäler geliefert, u. s. w. Einen zweiten Haupttreffer machte die ungarische Vollblutzucht, als Cambuscan (geb. 1861, v. Newminster a. d. Arrow, v. Slane) 1872 eine Box im Kisberer Pepiniere-Stall bezog. Caml;)uscan wurde im September genannten Jahres durch Mr. Cavaliero von Lord Stamford um den Preis von 5500 Guineen erkauft. Der einzige Name Kincsem genügt, um Cambuscans Zuchtwert in das hellste Licht zu stellen. Allerdings hatte der vortreffliche Hengst ausser der »Wunderstute« noch viele andere Pferde vornehmer Klasse produziert, so z. B. in England Onslow und den 2000 Guineen-Sieger Camballo, in Ungarn die Kisberer Hauptbeschäler Päsztor, Czimer und Milon und ausserdem zahlreiche wertvolle Stuten. Zu grösserer Berühmtheit ist er aber doch hauptsächlich als Vater der unvergleich- lichen Kincsem gelangt, Kincsem (geb. 1874 zu Tapio Szent-Marton, dem Privatgestüt des Herrn Ernst von Blaskovics), v. Cambuscan, a. d. Waternymph, v. Cots- wold, betrat schon am 31. Juni 1876 zum erstenmal die Hahn und ob- wohl sich ihre Rennkarriere auf vier Jahre erstreckt und 54 gegen eng- lische, französische, deutsche und österreichische resp. ungarische Pferde — 2o6 — ausgefochtene Rennen umfasst, hat sie nie eine Niederlage erlitten. Das ist mehr, als von irgend einem anderen Rennpferde gesagt werden kann, denn wenn auch z. B. Eclipse unbesiegt geblieben, startete dieser doch nur i8mal, davon 4 mal in einem Walkover; Eclipse's Leistungen stehen demnach weit hinter denen der ungarischen Stute zurück. Von Kincsems Siegen seien hier besonders hervorgehoben: Der Zukunfts-Preis zu Baden-Baden am 31. August 1876. Der Nemzeti-dij zu Budapest „ 6. Mai 1877. Das Österreichische Derby zu Wien ,, 21. Mai 1877. Der Grosse Preis von Hannover ,, 24. Juni 1877. Das Renard-Rennen zu Hamburg „ 9. Juli 1877. Der Grosse Preis von Baden-Baden ,, 3. September 1877. Das St. Leger zu Budapest „ 7. Oktoljer 1877. Der Goodwood-Cup zu Goodwood ,, i. August 1878. Der Grand Prix de Deauville „ 18. August 1878. Der Grosse Preis von Baden-Baden ,, 3. September 1878. Der Silberne Schild zu Berlin ,, 17. Juni 1879. Der Grosse Preis von Baden-Baden „ 2. September 1879. Nach Beendigung ihrer sagenhaften Siegeslaufbahn in das Gestüt übersiedelt, brachte Kincsem am i. Januar 1882 auf dem Bahnhof zu Ofen — sie befand sich gerade auf der Fahrt nach der ungarischen Vollblut-Pepiniere — ein Stutfohlen zur Welt, das unter dem Namen Budagyöngye 1885 das Norddeutsche Derby heimführte und die Mutter von Primas 11 wurde. Am 4. Januar 1883 gebar Kincsem wieder ein Stutfohlen nach Buccaneer, das den Namen Ollyan-nincs erhielt und sich als Dreijährige das St. Leger zu Budapest holte. In dem- selben Jahre konnte die berühmte Stute wegen einer an der Nasen- scheidewand entstandenen Knochenauftreibung nicht gedeckt werden, wurde aber im Februar 1884, vollkommen wiederhergestellt, aufs neue zu Buccaneer geführt. Das Resultat dieser Paarung wurde Talpra Magyar. In den nächsten zwei Jahren wanderte Kincsem zu Doncaster nach Kisber, von welchem sie 1886 den viel versprechenden, aber bald eingegangenen Kincs-ör und 1887 die nie gestartete Kincs brachte. Kurz darauf, am 17. März 1887, erlag die Unbesiegte den Folgen eines Wurmaneurysma. Wenn man das Verzeichnis der übrigen in Kisber zur Zucht ver- wendeten Vaterpferde durchsieht, muss man über das Glück staunen. — 207 — von welchem diese \'()lll)lut-Pc''|)initTe ])ei der Anschaffunjr ihrer Haupt- heschäler begünstigt worden ist. Ich nenne hier nur diejenigen Hengste, die dem Gestüte die meisten Ehren und — das meiste Geld ein- gebracht haben: Verneuil, geb. 1^74, v. Mortemer, a. d. Regalia, v. Stockwell. Gunnersbin-}-, „ 1876, „ Hermit, a. d. Hippia, v. King Tom. Doncaster, „ 1870, „ Stockwell, a. d. Marigold, v. Teddington. Sweetbread, „ 1879, „ Brown Bread, a. d. Peffar, v. Adventurer. Galaor, „ 1885, ,, Isonomv, a. d. Fideline, v. Dollar. Dunure, „ 1889, ,, St. Simon, a. d. Sunrise, v. Springfield. BonaVista, „ 1889, „ Bend Or, a. d. Vista, v. Macaroni. Gaga, „ 1889, „ Galopin, a. d. Red Hot, v. Isonomy. Ganache, „ 1893, „ Galopin, a. d, Red Hot, v. Isonomy. Adieu, „ 1898, „ St. Simon, a. d. Farewell, v. Doncaster. Jeder Kenner der englischen Vollblutfamilien, der die hier ge- nannten Namen mit denjenigen vergleicht, die in dem Graditzer Hengsten- Register vorkommen, wird zugestehen müssen, dass Kisber, was das Beschäler-Material anbelangt, stets ganz bedeutend im \'orteil gegen das unter Graf Lehndorffs fachkundiger Leitung stehende kgl. preussische Hauptgestüt gewesen ist. Letzteres darf dagegen mit vollem Recht geltend machen, dass seine selbstgezogenen Stuten eine Leistung darstellen, zu der das in anderen Beziehungen so bevorzugte Kisber kein Gegenstück aufzuweisen vermag. Die Beschaffenheit des Stuten- stammes hat nämlich in Kisber von jeher ungemein viel zu wünschen übrig gelassen und ist es hauptsächlich der hohen Klasse der dort auf- gestellten Vaterpferde zu danken, dass die Jährlings-Auktionen des Ge- .stütes trotzdem befriedigende Durchschnittspreise ergeljen haben. Von 1853 — 1860 wurde die Zucht in Kisber ohne jede Leistungs- jirüfung betrieben. Dies erschien aber, sogar von dem damaligen be- scheidenen Standpunkt der hippologischen Wissenschaft aus betrachtet, den damaligen Leitern des staatlichen Pferdewesens als ein Unding und so wurde denn beschlossen, in Ki.sber eine Trainieranstalt zu errichten. Viel Freude erlebten aber weder der Staat noch das Gestüt an diesem nach militärischen Prinzipien geleiteten Rennstalle. Schon im März 1867 erfolgte daher ein Erlass des Kriegsministeriums, der die Autlösung des Kisberer Rennstalles verfügte und mit der l^otiiniining, dass die Volll)lutjährlinge fortan alljährlich an die Meistbietenden verkauft werden sollten, eine neue Ära in der Geschichte der (isterreichisch-ungarischen Vollblutzucht Ijegründete. — 208 — Die Chronik der Kisberer Jährlings-Auktionen weiss von sensatio- nellen Preisen und späteren, schönen Erfolgen der in Privatbesitz über- gegangenen Gestütsprodukte zu erzählen. Der teuerste Jährling, der je in Kisber erzeugt worden, ist wohl die vom Grafen Schlick im Jahre 1882 um 18200 Gulden erstandene Stute Miramar, v. Buccaneer, a. d. Mineral, die nur ein einziges Rennen im Werte von 1000 Gulden zu gewinnen vermochte. Es hat aber auch nicht an grossen Siegern unter den zur Auktion gestellten Kisberer Produkten gefehlt. Im österreichischen Derby, in der Berliner Union und anderen klassischen Rennen — von Kisbers Erfolgen in England und Frankreich gar nicht zu reden — haben solche oft genug Zeugnis von dem hohen Standpunkt der ungarischen Zucht und den Vorzügen ihrer heimatlichen Scholle ab- gelegt. Trotzdem dürfte der Kisberer Vollblutzucht kaum mehr ein langes Dasein beschieden sein, denn die meisten Kenner der ein- schlägigen Verhältnisse stimmen darin überein, dass die Privatzucht in Österreich-Ungarn sich nicht mehr auf der niedrigen Stufe der Ent- wdckelung befindet, welche die Aufrechthaltung der Staats-Pepiniere rechtfertigen würde. Ob in Kisber 20 oder 25 Vollblutstuten zur Zucht verwendet werden oder nicht, ist heutzutage nur insofern von Bedeutung für die private Vollblutzucht, als dieser durch die jährliche Versteigerung der dortigen Jährlinge eine immerhin unbequeme Konkurrenz geschaffen wird. Es wäirde daher sicher in den Kreisen der ungarischen und öster- reichischen Züchter mit Freuden begrüsst werden, wenn Kisber, wie auch von dem Wiener »Sport« vorgeschlagen worden, seine Stuten zum Verkauf stellen und sich künftig darauf beschränken w^ürde, für die Aufstellung erstklassiger Vollbluthengste Sorge zu tragen. So verschieden haben sich die Verhältnisse in Österreich-Ungarn und in Deutschland gestaltet! Von grosser Bedeutung für die ungarische Vollblutzucht ist auch die Wirksamkeit des sog. »Neuner-Komitees«, die darin besteht, stets einen Hengst vornehmster Klasse zu halten und diesen irgend einem geeigneten Privatgestüte mietweise zu überlassen, sowie auch von Zeit zu Zeit Auktionen von in England durch Beauftragte des Komitees angekaufte Mutterstuten zu veranstalten, welche Stuten nicht ausser Landes verkauft werden dürfen. Von den in dieser Weise den Züchtern zur Verfügung gestellten Hengsten seien hier genannt: Carnival, geb. 1860, V. Sweetmeat, a. d. Volatile, v. Buckthorn; Waisenknabe, geb. 1872, V. Buccaneer, a. d. Sw'Cet Katie, v. Stockwell, und Orwell, geb. 1887, V. Bend Or, a. d. Lizzie Agnes, v. Macaroni. — 209 — Die ungarische Volll)lutzucht hätte jedocli nie den hohen Stand- punkt erreicht, den sie gegenwärtig einnimmt, wenn ihr nicht aus den zahlreichen, vorzüglich geleiteten Privatgestüten des Landes eine schier unerschöpfliche Quelle edlen Blutes und enthusiastischer Hingebung zugeflossen wäre. Was die ungarischen Privatgestüte für die Vollblut- zucht geleistet haben, lehrt eine, wenn auc^h nur flüchtige, Durchsicht der Rennkalender und Gestütsbücher. Hierbei wird man besonders oft auf die Namen Tapio Szent-Marton, Also Kemencze, Bucsäny, Carl- burg, Egyed, Eleonora Udvär, Fenek-Keszthely, Gaspartelek, Gomba, Mändok, Monostor, Öreglak, Szomoläny, Tallos, Totis, Puszta Pervat, Pettend, Zibo u. a. stossen. hl den Hof- und Staatsgestüten der österreichischen Reichshälfte wird keine Vollblutzucht betrieben. Seit das kaiserliche Hofgestüt Kladrub die Rennzucht, die daselbst zehn Jahre hindurch mit grossem Erfolg aufrecht erhalten worden war, im Jahre 1879 ganz eingestellt hat, ruhen die Schicksale der cisleithanischen Vollblutzucht ausschliesslich in den Händen einiger leider leicht gezählter Privatzüchter. Wäre nicht Napagedl, wo der bekannte frühere Herrenreiter, Herr Aristide von Baltazzi, 1886 ein auf den Jährlingsverkauf basiertes Vollblutgestüt ge- gründet hat, würde man überhaupt kaum von einer österreichischen Vollblutzucht reden können, denn Angern, Caslau, Chorzelöw oder wie die sonst noch in der österreichischen Reichshälfte gelegenen Privat- Vollblutgestüte heissen mögen, bieten wohl keine genügenden Garantien für eine den tatsächlich vorhandenen Bedürfnissen entsprechende Ent- wicklung der cisleithanischen Vollblutzucht. Napagedl hat aber im Laufe der Jahre einen derartigen Aufschwung genommen, dass es gegenwärtig dem kgl. ungarischen Staatsgestüte Kisber bereits ernste Konkurrenz macht. Schicken doch viele ungarische Züchter nunmehr ihre Stuten zu den in Napagedl aufgestellten Hengsten, anstatt auf die Dienste eines Bonavista, Tokio, Gaga oder Dunure zu reflektieren. Es muss aber auch zugegeben werden, dass die Gestütsleitung von Napagedl bisher bei der Anschaffung und Auswahl ihres Zuchtmatorials mit grossem Verständnis und Geschick vorgegangen ist. Aus dem Verzeichnis der seit Gründung des Gestütes in Napagedl verwendeten Vaterpferde seien hier herausgegriffen: Kisber, geb. 1887, v. Buccaneer, a. d. Mineral, v. Rataplan. Arcadian, „ 1883, „ Kisber, a. d. Spinaway, v. Macaroni. Zsupän, „ 1884, „ Peter, a. d. British Queen, v. Blair Athol. Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. M — 2IO — Abonnent, geb. 18S4, v. Przedswit, a. d. Aschenbrödel, v. Lecturer. Stronzian, „ 1881, „ Waisenknabe, a.d.MademoiselleGiraud,v.BoisRoussel. Master Kildare, ,, 1875, „ Lord Ronald, a. d. Silk, v. Plum Pudding. Matchbox, „ 1891, „ St. Simon, a. d. Match Girl, v. Plebeian. Tokio, „ 1892, „ Talpra Magyar, a. d. Tutleanv, v. Gunnersbury. Gouvernant, „ 1901, „ Flying Fox, a. d. Gouvernante, v. Energy. Dass in einem Gestüte wie Napagedl nichts versäumt worden ist, um auch das Stutenmaterial auf eine achtunggel^ietende Höhe zu bringen und zu erhalten, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. Die Anzahl der dem Gestüte gehörenden Stuten schwankt zwischen 40 und 60 Stück. Hierzu kommen aber in der Regel noch eljensoviele fremde Stuten, die den Napagedler Hengsten ihren Besuch abstatten und zu diesem Zwecke längere Zeit im Gestüte verweilen. Bemerkenswert ist, dass sich in der Napagedler Stutenherde kaum ein Dutzend Stuten be- findet, das von in England Ijefindlichen Beschälern abstammt; die übrigen sind zum grössten Teil Produkte von Hengsten aus öster- reichisch-ungarischen Gestüten, zum Teil auch von Beschälern, die in Deutschland in Verwendung gestanden oder noch stehen. Die gross- artigen Erfolge der Napagedler Zucht lassen aber auch das Prinzip der Zucht nach inländischen Müttern als das rationellste erscheinen (»Sport«). Was Napagedl eine so grosse Anziehungskraft in den Augen der Vollblutzüchter verliehen hat, ist indessen nicht nur die hohe Klasse des dortigen Zuchtmaterials, sondern noch mehr der praktische Erfolg, der den Produkten des Gestütes sowohl auf der Bahn wie in der Zucht beschert worden ist. Namen wie: Tegetthoff, Adria, Kiralyne, Bon Marche u. a. haben den Napagedlern begreiflicherweise eine sehr wirk- same Reklame gemacht. Es kann daher auch nicht wundernehmen, dass Herr v. Baltazzi alle Ursache hat, mit dem Ergebnis seiner Jährlings- Auktionen sehr zufrieden zu sein. Im Jahre 1905 bezifferte sich der Gesamterlös für die versteigerten Jährlinge des Gestüts auf 270 600 Kronen, ein Betrag, der Herrn v. Baltazzi um so mehr befriedigt haben dürfte, als Kisber für seine Jährlinge nur 114 200 Kronen ein- kassierte. Unter den Vätern der in Österreich-Ungarn verkauften Jähr- linge steht Matchbox obenan. Für zehn von seinen Kindern wurden 159200 Kronen bezahlt, während es neun Produkte des Kisberer Haupt- beschälers Bonavista nur auf 95 800 Kronen brachten. Besonders gut bezahlte Napagedler Jährlinge waren 1905: Janicsar, l)r. H., v. Janissarv", a. d. Mrs. Langtry, 24200 Kr.; Taltos, br. H., v. Matchbox, a. d. Theorie, — 211 — 22400 Kr.; Turcaret, f. H., v. Matchhox, a. d. 'rur(|ii()is(', 21400 Kr.; Witte, f. H., V. Matchbox, a. d. Wilful, iSoooKr.; Scdiranda, f. St., V. Bonavista, a. d. See Me, i()OOoKr.; Alcnicli, scliwhr. H., v. Vesuvian, a. d. Novice, 15800 Kr. u. m. a. Trotz Napagedl und anderen (isterreic-hischen l^rivatj^estüten ist indessen der Schwerpunkt der cisleithanischen VoUhlutzucht doch nur auf ungarischem Boden zu suclien. Wir finden dort niclit nur f^rössere und l^esonders allh-i der Regel sind die australischen und, obwohl im geringeren Grade, auch die amerikanischen Pferde härter und gesünder als die englischen. Gute, reine Gliedmassen mit stärkeren Knochen, als man bei uns zu produzieren pflegt, und tadellose Atmungsorgane kenn- zeichneten die meisten australischen Rennpferde, die während der letzten sechs oder sieben Jahre nach England gebracht worden sind. Pferde, die, wie der alte Herald, viele Jahre hindurch auf der flachen Bahn in Tätigkeit verbleiben, gehören bei uns zu den Seltenheiten, wohingegen der Durchschnitts-Australier, wie wir ihn hier zu sehen bekommen haljen, — 229 — imstande zu sein scheint, ohne ir^^end welche Störung seiner Gesund- heit, sechs oder inelir jalire alle Anstrengungen einer Rennkampagne zu ertragen*). Ferner nuiss betont werden, dass die imj)ortierten Australier sich in vielen Beziehungen vorteilhaft von den Amerikanern unterscheiden. Letztere scheinen weniger geeignet, unsere Zucht zu verbessern. Die meisten Amerikaner sind nicht rein gezogen. Einige derselben führen wohl ihre Herkunft sowohl väterlicher- wie mütterlicher- seits auf englische Ahnen zurück, die grosse Mehrzahl aber stammt von eingeborenen Stuten, deren Blut sicher nicht rein zu nennen war. Die Australier dagegen können alle ihre Pedigrees auf importierte Hengste und Stuten zurückführen. Indem wir australisches Material zur Zucht benützen, gelangen wir also wieder in den Besitz altbewährter Blutlinien , die , da sie mehrere Generationen hindurch nicht unter- einander gekreuzt worden und auch dem Einfluss des herrlichen australischen Klimas ausgesetzt gewesen sind, aller Wahrscheinlichkeit nach viel an Frische und Lebenskraft gewonnen haben.« hl Russland hat der Trabersport sich von jeher so lebhafter Sympathien seitens der Züchter und des grossen Publikums zu erfreuen gehabt, dass nicht viel für die Rennen auf flacher Bahn oder zwischen Flaggen übrig gel)lieben ist. Die ersten hnporte von englischem \'oll- blut zu Zuchtzwecken sollen gegen Ende des i8. und Anfang des IQ. Jahrhunderts stattgefunden haben. Seltsamerweise behaupten die Russen, dass sie und nicht die Amerikaner in den Besitz des englischen Derby-Siegers Diomed, gel). 1777, v. Florizel, a. e. Spectator-Stute, gelangt seien. Sie erklären sogar mit grösster Bestimmtheit, dass ein Graf Muravieff den Hengst im Jahre 1799 um den für die damalige Zeit ausserordentlich hohen Preis von 25 000 Rubel gekauft und nach Russland gebracht habe. Nun imterliegt es aber keinem Zweifel, dass jener Graf, falls er tatsächlich einen Diomed importiert haben sollte, sich für teueres Geld einen Usurpator dieses Namens hat anhängen lassen, denn im ersten Band des General Stud-Books heisst es in einer Note unter den Angaben über die Sj)ectator Marc (sister to Juno) ausdrücklich: >Diomed was sent to X'irginia, N. America, at the age of 22^ where he covered a great number of mares, and was alive in 1807«. In Anl)ctracht des Umstandes, dass Diomeds *) So war z. B. Newhaven 6 \a\\xv all, als er im City aiul Suburban seinen englischen Konkurrenten die Hufe zeigte und 1900 siegte sogar ein alter australischer Wallach namens The Grafter (v. Gozo a. d. Industry) in diesem grossen Kennen. — 230 — Decktaxe während der letzten Saison, die er noch in England zubrachte, nur mehr 2 — sage zwei — Guineen betrug, der Hengst also zu jener Zeit von den Züchtern gar nicht mehr beachtet wurde und ausserdem schon das ehrwürdige Alter von 21 Jahren erreicht hatte, wäre auch der angeblich vom Grafen Muravieff gezahlte Preis ein geradezu un- sinniger gewesen. Dagegen erscheint es sehr erklärlich , dass Sir T. Charles Bunbury nicht mehr als 50 Guineen für den alten Hengst be- kam, als dieser von dem Agenten des amerikanischen Züchters Oberst Hoomes nach Virginien entführt wurde. Ein echtes, von der Firma Weatherby and Sons ausgestelltes Ausfuhr-Zertifikat hat Graf Muravieff also keinenfalls in Russland vorweisen können. Unter den ersten englischen Vollbluthengsten, die nach Russland ausgeführt wurden , befanden sich indessen mehrere Vaterpferde der besten Klasse, wie z. B. : Eclipse, a. d. Eclipse-Mare. Highflver, a. d. Brim, v. Squirell. Eclipse, a. d. Spindleshanks, v. Omar. Highflyer, a. d. Squirell-Mare. Florizel, a. d. Ruth, v. Echpse. Trumpator, a. d. Mark Anthonv-Mare. Justice, a. d. Flyer, v. Sweetbriar. Trumpator, a. d. Mambrino Mare. Delpini, a. d. Violet, v. vStark. Traveller, a. d. Faith, v. Pacolet. Sorcerer, a. d. Goldenlocks, v. Delpini. Walton, a. d. L'huile de Venus, v. Whisky. Rubens, a. d. Ellen, v. Delpini. Whisker, a. d. INIanuella, v. Dick Andrews. Phantom, a. d. Web, v. Waxy. Filho da Puta, a. d. Miss Craigie, v. Orville. Conductor, a. d. Boadicea, v. Alexander. Acteon, a. d. Hambletonia, v. Stamford. Voltaire, a. d. Matilda, v. Comus. Sultan, a. d My Lady, v. Comus. Sir Hercules, a. d. Ruljy, v. Rubens. Lanercost, a. d. Barbelle, v. Sandbeck. Irish Birdcatcher, a. d. Alice Hawthorn, v. Muley Moloch. Bay Middleton, a. d. Defence ]\Iare. Mehrere dieser Hengste haben auf dem englischen Turf Siege in klassischen Rennen errungen, so z. B. Noble, Daedalus, Middleton und Coronation im Derby, Tartar, Symmetry, Memnon, Soothsayer, Birming- ham und Van Tromp im St. Leger. H a c k w 0 0 d , geb. 1782, V Noble, „ 17835 5, G u n p 0 w d e r , „ 17845 ,: Escape, V 17855 5. Tartar, V 17895 ,. P a y n a t 0 r , Tl I79I5 5. Daedalus, V I79I5 „ Trumpeter, Tl 17935 ,• S V rn m e t r V , „ 1795, 5, Traveller, » 17995 5, Soothsa^•er, V 1808, ,, N e c t a r. ?1 1813, ,, Ruler, 5) I819, , Memnon, )1 1822, ,, Middleton, )> 1822, , B i r m i n g h a m , »1 1827, ,, Caractacus, » 1828, , General C h a s s e , 5) I83I, , H e n r i a d e , )1 1834. 5 J e r e e d. ?) 18345 5 Coronation, )) 1838, , Van T r 0 m p , )i 18445 , Lord F a u c 0 n b e r g , -, 1850, . A n d 0 v e r , 55 I85I, , — 231 — Zu den russischen Innjnrten der neueren Zeit gehören: Touchstone, a. d. Campfollower, v. The Colonel. Voltigeur, a. d. Countess of Burlington, v.Touchstone. Kingston, a. d. Defenceless, v. Defence. Stockwell, a. d. Typee, v. Touchstone. Monarque, a. d. Lad}- Lift, v. Sir Hercules. King Tom, a. d. Ba}- Middleton-Mare. Knowsley, a. d. Young Melbourne-Mare. Skirmisher, a. d. Regina, v. King Tom. Vermouth, a. d. La Bossue, v. De Cläre Ventre St. Gris, a. d. Favorite, v. Nunnykirk oder The Cossack. Dollar, a. d. Savivagine, v. Ion. Caterer, a. d. Isoline, v. Ethelbert. Lord Clifden, a. d. Summers Eve, v. .Stockwell. Ethus, a. d. Baroness, v. Young Melbourne. Lord Cough, a. d. Weatherglass, v. The Student. Ben Battle, a. d. Hasty Cirl, v. Lord Cough. Pell Meli, a. d. Bonny Spec, v. Speculum. Wellingtonia, a. d. Princess Catherine, v. Prince Charlie. Tristan, a. d. Fille de Roland, v. Cabier. Energ}-, a. d. Fleur de Mai, v. Saxifrage. Bend Or, a. d. Vesper, v. Kingcraft. St. Serf, a. d. Orange, v. Bend Or. Kendal, a. d. Morganette, v. Springfield. Auch in diesem, nur die vornehmsten unter den hnportierten um- fassenden Verzeichnis gibt es eine ganze Reihe berühmter Sieger. Im engHschen Derby siegten Caractacus und Galtee More, im französischen Derby: Consul, Boiard, Salvator und Clover; im Grand Prix de Paris: Boiard und Salvator; im St. Leger: Galtee More; in den 2000 Guineen: Galtee More; im Ascot Gold Cup: Boiard; im Prix du Conseil: Municipal und Peut-etre; in den Cambridgeshire Stakes: Bendigo und Peut-etre; im Doncaster Cup: Carlton; im Middle Park Plate: Galtee More; in den Hardwich Stakes: Shaddock u. s. w. Galtee More wurde zu dem sensationellen Preis von 20000 Guineen (= ca. 440000 IMark) für die russische Regierung angekauft. Als aber die ersten Produkte dieses mit der dreifachen Krone geschmückten Hengstes nicht sofort table rase auf allen russischen Bahnen machten, fiel er in Ungnade und steht er nun als Hauptbeschäler in dem kgl. preussischen Gestüte Neustadt a. d. D. Sein bestes Produkt in Russ- land war der Warschauer Derby-Sieger Irish Lad. Für die Anschaftunii guter Mutterstuten ist in Russland besonders R i f 1 e m a n , geb. IS52, C a V e n d i s h , IS56, Caractacus, 1^59, Typhoeus, j) 1865, Consul, )! 1866, E t h e 1 r e d , 1869, H i s M a j e s t y , „ 1870, Kaiser, V 1870, B 0 1 a r d , V 1870, Peut-etre, V 1871, Salvator, V 1872, B r a c 0 n n i e r , „ i873> Roehampton, ,, 1873, Mars hall Scott. , 1876, F a u g h - a - B a 1 1 a g h , 1879, Bendigo, )5 1880, C a r 1 1 0 n , » 1883, Clover, " 1886, L e Nord, 1887, E n e r g i q u e , )) 1889, Idle Boy, )5 1891, Shaddock, „ 1893, Galtee More, „ 1894, — 232 — in letzter Zeit ebenfalls recht ausgiebig gesorgt worden. Wie im General Stud-Book unter der Rubrik »Horses sent abroad« nachgeschlagen werden kann, haben die Russen seit 1896 nur in England 150 ältere und jüngere Vollblutstuten für Renn- und Zuchtzwecke angekauft. Der erste Band des russischen Gestütbuches erschien im Jahre 1836. Fünfundfünfzig Jahre später, also 1891, zählte das vom Fürsten S. P. Urussoff im Auftrag der kaiserlichen Hauptgestütsverwaltung redigierte, nur in russischer Sprache erscheinende »Gestütbuch der Vollblut- und Rennpferde in Russland« 10 Bände, hn Hengstenregister des 10. Bandes waren 516 Vollbluthengste und im Stutenregister 800 Vollblutstuten ein- getragen. Mr. William Allison, der bekannte »Special Commissioner« des »Sports man«, der den Verkauf von Galtee More an die russische Gestütsverwaltung vermittelte, bemerkt hierzu in seinem grossen Werke »The British Thoroughbred«, dass die Zahl der eingetragenen Voll- blutstuten im Jahre 1900 bereits auf 1500 angestiegen war. Derselbe Verfasser hat auch durch seine russischen Freunde in Erfahrung gebracht, dass im genannten Jahre 1209 Flachrennen und 265 Steeplechases auf den 32 russischen Bahnen stattgefunden haben und auf dem dortigen Turf eine Gesamtsumme von i 515000 Rubel zur Verteilung gelangt ist. Es wäre indessen ein grosser Irrtum , wenn man aus diesen imponierenden Ziffern und Importen die Schlussfolgerung ziehen wollte, dass in Russland eine blühende Vollblutzucht bestände. Dies ist keines- wegs der Fall. Der populäre hippologische Schriftsteller Captain Hayes hielt sich sogar für berechtigt, den russischen Flachrennsport in seinem unterhaltenden Buche »Among horses in Russia« mit den gering- schätzigen Worten >Flat racing in Russia is carried on in a very poor style« abzufertigen. Es werde, schreibt derselbe Verfasser weiter, allerdings eine grosse Anzahl von Vollblutpferden in Russland gezogen, aber man höre sehr selten, dass es diesen gelänge, Rennen auf aus- ländischen Bahnen zu gewinnen. An eine Wendung zum Besseren in diesen Verhältnissen ist auch wohl kaum zu denken, solange die hohen Pönalitäten, die auf dem russischen Turf in allen Rennen für fremd- ländische Pferde festgesetzt sind, aufrecht erhalten bleiben und die im Zarenreich ansässigen Vollblutzüchter nicht das Bedürfnis empfinden, sich durch regere Beteiligung an den in anderen Ländern stattfindenden Rennen einen Massstab für die Bewertung ihrer eigenen Produkte zu verschaften. Ohne solchen Massstab tappt die russische Vollblutzucht vollkommen im Dunkeln. Bemerkenswert ist ferner, dass das Verzeich- — 233 — nis derjenigen Hengste, deren Nachkommen in neuester Zeit auf russischen Bahnen gestartet sind, eine auffallend grosse Anzahl ganz obskurer, höchstens zur Halbblutzucht geeigneter Vaterpferde aufweist, währenddem die Decklisten der besten Beschäler meist nicht voll sind. Diese Zustände, die schon seit vielen Jahren eine »splendid Isolation« für die russische VolUjlutzucht herl)eigeführt haben, kcmnen — wie wohl kaum hervorgehoben zu werden braucht — unmöglich eine günstige Einwirkung auf die Entwicklung derselben ausüben. Der erste nennenswerte Vollblutzüchter Russlands war Feodor Mossolow, der zu Anfang des vorigen Jahrhunderts im Verein mit seinem Bruder auf dem unweit Moskau gelegenen Gute Golowkowo ein nach englischen Prinzipien geleitetes Renngestüt gründete. Mossolow erwarb ausser mehreren englischen Deckhengsten bester Klasse, von 1704 — 1824 sechsunddreissig Mutterstuten, von denen jede, Kopf für Kopf, achthundert Rubel kostete. Seinem Beispiel folgten andere Züchter, namentlich Lunin , der lange Zeit Präsident der ältesten Ge- sellschaft für Pferderennen zu Lebedjan war, ferner Murawdew, Voyei- kow, Mjäsnow, Petrovsky, Paschkow, Graf Rostoptschin junior, Fürst Gagarin, Jikharew, Panow, Skarjatin und Ladijensky. Ferner gehörten zu den Beförderern der Rennzucht die Fürsten Gagarin , Galitzin, WassiltschikoW' , Soltykow, Tscherkassky , der Graf Branitzky und die Herren Bernin, Lanskoy, Stolypin, Petrovo-Solovovo, Bogdanowitsch, Ghersevanow, Barnard und Dirin. Mehrere dieser Herren unterhielten sehr grosse Privatgestüte. Die bedeutendsten russischen Privat-Vollblutzuchten waren in den fünfziger Jahren die der Gebrüder Mossolow mit 60 Mutterstuten, von Petrowsky mit g6 vStuten, Fürst Galitzin mit 37 Stuten, Bogdanow mit 27, Lub- jensky mit 26, Stolipin mit 24, Fürst Soltykow mit 22, Paschkow mit 22 Stuten und 3 Beschäler u. s. w. (Siehe »Die Pferdezucht Russlands« von Baron von Meyendorff, Berlin 1863.) Ganz besondere Verdienste um die russische \'ollblutzucht erwarb sich der vorgenannte Herr v. Mjäsnow, dem unter anderem die im Jahre 1825 erfolgte Anlage der ersten russischen Rennbahn bei Lebedjan zu verdanken war. Mjäsnow entwickelte auch eine sehr nutzbringende züchterische und literarische Tätigkeit. Die meisten und berühmtesten Importe englischen und französischen Zuchtmaterials dürften jedoch zu der Zeit stattgefunden haben, als Graf Woronzow-Daschkow an der Spitze des kaiserlichen Gestüts-Departements stand. — 234 — Gegenwärtig verfügt der russische Turf über 25 Rennplätze. Mehr als lokale Bedeutung haben indessen nur die Bahnen von Moskau, Petersburg, Warschau, Kijew, Charkow und Odessa. Unter den grösseren lokalen Rennplätzen wären zu erwähnen Riga, Nowotscher- kask, Pjatigorsk, Wladikawkas, Simferopol, jarmolinzi u. m. a. Die Flachrenn-Saison beginnt am ersten Sonntag des Monats Mai in Warschau und dauert dort ungefähr sechs Wochen. Die nächst- folgenden Rennen linden während des grossen Sommer-Meetings zu Moskau statt. Unmittelbar darauf nimmt das bis Ende August auf der Tagesordnung stehende Petersburger vSommer-Meeting seinen Anfang. Von Petersburg übersiedelt die russische Sportwelt dann wieder nach Moskau zum dortigen Herbst-Meeting und den Schluss der Rennsaison bilden die gegen Ende September in Warschau stattfindenden Rennen. An grossen als »klassisch« bezeichneten Rennen herrscht auf dem russischen Turf kein Mangel. Ich erwähne hier nur: Das Warschauer Derby, 20000 Rubel, für 3jährige, 2400 Meter. Den Warschauer Kaiserpreis, 6000 Rubel, für 4Jähr. und ältere Pferde, 3201 Meter. Den Warschauer Jubiläumspreis, 6000 Rubel, für 3 jähr, und ältere Pferde, 2400 Meter. Den Graf Potocki-Preis, Warschau, 5000 Rubel, für 3 jähr., 2134 Meter. Das Russische Derby, Moskau, 40000 Rubel, für 3 jähr., 2400 Meter. Die Moskauer Oaks, 8000 Rubel, für 3 jähr. Stuten, 2400 Meter. Den Petersburger Kaiserpreis, 10 000 Rubel, für 4Jähr. und ältere, 4268 Meter. Die Moskauer Oaks, 5000 Rubel, für 3 jähr. Stuten, 2400 Meter. Den Preis J. M. der Kaiserin, 25000 Rubel, für 3 jähr., ca. 3000 Meter. Den Woronzow-Daschkow-Preis, 7000 Rubel, für 3 jähr., 2400 Meter. Das Petersburger Middle Park-Plate, 10 000 Rubel, für 2 jähr. , ca.- II 80 Meter. Das Moskauer Middle Park-Plate, 15 000 Rubel, für 2 jähr., ca. 1 180 Meter. Den Preis des Grossfürst-Thronfolgers, 14000 Rubel, für 4 jähr, und ältere, ca. 3630 Meter. Den Woronzow-Daschkow-Preis (Saint-Leger), 10 000 Rubel, für 3 jähr., ca. 3000 Meter. Ausserdem pflegt das Programm der verschiedenen Bahnen noch mehrere wertvolle Handicaps zu enthalten. — 235 — Das »Tischlein deck dich" des russischen Turfs bietet somit einen recht verlockenden Anblick. Befreit von jeder fremdländischen Kon- kurrenz geht es den, sozusagen einen geschlossenen Familienkreis bildenden Rennstallbesitzern des weiten Zarenreichs auch durchaus nicht schlecht. Gehört es doch gar nicht zu den Seltenheiten, dass ein russischer Rennstallbesitzer beim Schluss der Saison eine Gewinst- summe von looooo Rubel und darüber aufzuweisen hat. Dem in Turf- kreisen wohlbekannten Herrn v. Grabowski ist dies sogar mehrere Jahre hintereinander vergönnt gewesen. Schöner Erfolge dürfen sich ferner rühmen die Herren J. Reszke, Graf Ribeaupierre , Graf Potocki, Graf Zamoiski, Fürst Lubomirski, Baron Wulf, Platanow, Mamontow, Lazaref, Ilienko, Dorojinski und Skarjinski u. v. a. mit zumeist polnischen Namen. Mehrere dieser Herren nehmen auch einen hervorragenden Platz unter den russischen Vollblutzüchtern ein. Dies gilt in erster Reihe für die Grafen Potocki, Zamoiski und Ribeaupierre, Herrn v. Grabowski, J. Reszke, Lazaref, Ilienko und von Kronenberg. Obwohl es also keineswegs berechtigt erscheint, Russlands \'oll- 1 )lutzucht ohne weiteres als eine » q u a n t i t e n e g 1 i g e a b 1 e k zu be- zeichnen , wird man doch schwerlich mit dem Verfasser eines im »Sport U n i V e r s e 1 Illustre« erschienenen Artikels darin über- einstimmen können, »dass das russische \'ollblutpferd einen höheren Wert als das deutsche besitze, trotzdem dieses unter weit günstigeren Idimatischen Verhältnissen aufgewachsen sei«, denn dank dem Ab- schliessungs-System, das seit jeher auf dem russischen Turf geherrscht schwebt man über den exakten Zucht- und Gebrauchswert des dortigen Vollbluts gänzlich im Dunkeln. Nachdem wir nun einen flüchtigen Überblick über die Zucht des Vollblutpferdes in denjenigen Ländern gewonnen haben, die sich in grösserem Massstabe mit dieser Spezialität befassen, gehen wir zu einem nicht minder interessanten, in vorliegendem Kapitel noch nicht be- handelten Gegenstand über, nämlich zu der Frage, wie es sich mit den charakteristischen äusseren Formen der englischen \'ollblutrasse verhält. Mit Bezug auf diese Frage habe ich mich in meinem Buche vom Pferde« folgendermassen geäussert: »Man kann kaum ein einziges Vollblutgestüt besuchen, ohne auf bedeutende Unterschiede in den Formen der Zuchttiere zu stossen. Es gibt da hoch- und kurzbeinige, dünne und breite, soh\voro und leichte Individuen, und je mehr Vollbhitpferde man zu Gesicht bekonimt, desto inniger wird man von der ^^"ahrheit des alten Spruches ^They run in all shapes« (Gelaufen wiid in jeder F'onn) übeizeugt. Dies hält aber unsere gelehrten Kathederhippologen nicht ab, die ganze \'ollblutrasse in die ausgereckte Rennform pressen zu wollen. ^ Selbstverständlich ist eine so alte und unter so gleichartigen \'er- hältnissen gezüchtete Rasse trotz der hier hervorgehobenen individuellen \'ei-schiedenheiten im Besitze gewisser gemeinschaftlicher Züge. Zu diesen zähle ich eine grosse Gmtentiefe, eine gute Schulterlage, eine Muskulatiu-, wie sie in ähnlicher Vollkommenheit bei keiner anderen Rasse anzutreffen ist, einen kräftigen Rücken mit einer häufig gerade;^u idealen Xierenpartie, eine gi'osse Länge zwischen den \'order- und Hinterfüssen, so dass das Pferd ungeachtet seines kur/on Kückens über viel Boden steht und — ausdruckslose Vorderln ine. Im Missverständ- nissen vorzubeugen, beeile ich mich jedoch hinzuzufügen, dass auch diese Familienzüge nicht bei allen Individuen mit gleicher Schärfe her- vortreten, ja bei vielen W^llblutpferden kaum lu^'h w ahi.iuiohnuMi >ind. Lassen doch manche Sprösslinge der Rasse sogar, w.is den Aiiol der Erscheinung betritft. überraschend viel zu wünschen übrig. Diese Wrschiedenheit der äusseren KiMpertorm ist keiiu s\\ o^^s eine neue Tatsache, die etwa als Sxniininn oinov .lUniählirh cin^otrotrnon Degeneration der Rasse aufgefasst \\cvden könnte, sondern ist dieselbe schon bei den ältesten inid \ ornehmsten StvUnnivätern des englischen \'ollblutes zutage getreten. Plenipotenti.nv z. H.. geb. 1831. v. iMnilius, a. d. ILirriot, v. Pericles. Sieger im Perbx des lahres iS;4. war ein grosser und starker Hengst von autYallond nnrdlem r\pus; Mrll>onrne, geb. 1834, V. Humphrev L'linker, .i. o. <.\n\'antos Marr. war ein ülu-r- aus schwerer Honi^st mit Kiesensehädel und Selilappohrrn. dom niemand die Abstammung" \on Parlev's Arabian. liodolphin"-- Harli mul .nuloirn orientalischen Ahnen angesehen haben winde: Touehstone. geb. iS;i, V. Caniel, a. d. B.uuer. v. Master Henrv. besass und \orerbte .lueh häutig;' ein sehr wenig \'ertrauen cintlössendes UnttM-ij,\'stoll : l-'l\inij,' Puteh- man. geb. 184O, v. Bay MiddK>t^.in. a. d. Barln-lle, \". Sandbrek, imponierte durch die Mächtigkeit seiner l'\ Minen, war iedo(,-h st.irl-; überbaut, hatte eine elende Xierenpartie, Kalbsknie und nn^'cmein sebwaolu^ hintere Röhrbeine, im übrigen abor war solnc UiniiMh.md \on schöner SoUömi- heit und Stärke; Xewniinstor. geb. 184S. \. Touehstone, a. il. Hees- — ^37 — win^, V. Dr. Syntax, besass in hohem Grade, was die FVanzosen />des j^randes lij^nes ' nennen, herrliche Schultern und ji^rosse Tiefe, erreichte alxr nur eine Höhe von 152 cm; West-Australian, geb. 1850, v. Mel- bournf, a, d. Movverina, v, Touchstone, mass dacregen 162 cm. In der Neuzeit haben wir so verschiedenartige Typen unter den lM-ri'ihint«;st(;n Produktf;n der englischen Vollblutzucht, wie (Jrme, geb. Fig. 32. Florizel II. 1889, V. Ormonde, a. d. Angelica, v. Galopin, das Idealbild eines hoch- edlen, in jeder Beziehung harmonisch gebauten Pferdes; \'olod vovski, geb. i8c)8, V. Florizel 11, a. d. Pa Reine, v. Kosicrucian, langer Rücken, ]<\u-/j: Kruppe; St. Simon, geb. 1881, v. Galo])in, a. d. St. Angela, V. King Toni, kurz und hoch, mit schöner langer Krujjpe; Avrshire, gel). 1SN5. \. Iliimjjton, a. d. Atalante, v. Galopin, steht über viel Boden; Diamond jubilee, geb. 1897, v. St. Simon, a. d. Perdita II, v. Hamj)- ton, etwas zu langer Rücken; St. l-"rus(juin, geb. 1893, v. St. Simon, a. d. ls;ibc], v. i'lcbcian, herrlicher K'ücken, etwas beladene \'i>rhan(l; Suspender, gelj. 1889, v. Muncaster, a. d. Garterless, v. Knight ot the — 238 — Carter, einer der schwersten Vollbluthengste der Neuzeit; Winkfield's Pride, geb. 1893, v. Winkfield, a. d. x^limon}', v. Isonomy, ebenso leicht wie der vorgenannte schwer, hochbeinig, lang im Rücken; Ard Patrick, geb. 1899, V. St. Florian, a. d. Morganette, v. Springfield, kräftig gebaut, schöne Kruppe, etwas beladene Schulter, der Kücken könnte kürzer und die hinteren Gliedmassen weniger gesäbelt sein; Persimmon, geb. 1893, V. St. Simon, a. d. Perdita II, v. Hampton, schön überall; sein rechter Bruder Florizel II (Fig. 32) dagegen zeigt neben einer Reihe vorzüg- licher Points eine etwas schwere und nicht mustergültig gelagerte Schulter. Nach scharf ausgeprägten Kontrasten morphologischer Art braucht man da nicht lange zu suchen. Eines steht indessen fest: ein Pferd, das imstande sein soll, grosse Rennen in bester Gesellschaft zu ge- winnen, muss — gleichviel welche Blutströme in seinen Adern fliessen — unbedingt gewisse Points besitzen, die es befähigen, trotz etwaiger Exterieurmängel eine entschiedene Überlegenheit über erstklassige Kon- kurrenten zu entwickeln. Als solche Points sind zu bezeichnen : eine nicht zu lange, aber gut gelagerte und flache vSchulter, ein verhältnismässig langer und perpendikulärer Oberarm, freistehende Ellbogen, ein kurzer Rücken, eine lange, mächtige Kruppe, ein langer Oberschenkel, ein tief sitzendes und kräftiges Unterschenkelgelenk, gerade Stellung der hinteren Gliedmassen, eine eher schmale als l^reite und nicht fleischige Brust. Allerdings werden selbst bei den vorzüglichsten Rennpferden nicht immer sämtliche diese Points vereint anzutreffen sein, aber die wich- tigsten derselben — wie z. B. das lange, im Verhältnis zum Schulter- blatt möglichst perpendikulär gestellte Armbein, die freistehenden Ell- bogen und der lange, in ein kräftig entwickeltes Unterschenkelgelenk endigende Oberschenkel — dürfen doch nie fehlen, wenn es dem be- treffenden Pferde gelingen soll, sich einen Platz im Verzeichnis der Sieger in klassischen Rennen zu sichern. Auf eine besonders schräge Lage des Schulterblattes wird in den Kreisen erfahrener Rennleute mit Recht weit weniger Gewicht gelegt als auf ein langes und günstig, d. h. tunlichst aufrecht gestelltes Arm- bein. Die Erfahrung hat nämlich die Praktiker gelehrt, dass ein der- artiger Oberarm geradezu als eine conditio sine qua non für die Entwicklung einer weit ausgreifenden freien Galoppaktion anzusehen ist. Je mehr das Armbein die Fähigkeit besitzt, im Buggelenk eine pendelnde Bewegung auszuführen, desto elastischer und raumgreifender — 239 — wird der Galoppsprun*:; des l)etreffenden Pferdes sich gestalten. Dass die Theorie von der Unentbchrlichkeit einer lano; und schräg <^elagerten Schulter für Galoj^pferde keineswegs über jeden Zweifel erhaben sein kann, lehrt ein Blick auf die vielen mit steilen und kurzen Schultern ausgestatteten Renni)ferde, deren Namen in die Liste berühmter Sieger Fitj. 33. Persimmon. einsetrapfen worden sind. Zu diesen gehören u. a. auch Ravensburv, geb. 1890, v. Isonomv, a. d. Penitent, v. Hermit, der, wenn er nicht das Pech gehabt hätte ein Jahresgenosse von Isinglass zu sein, sicher alle Rennen des Jahres 1893 gewonnen haben würde. Allerdings fehlte bei Ravensburv keiner jener Points, die weiter oben als Grundi)edingungen für die Entwicklung hervorragender Rennfähigkeit bezeichnet wurden. Ähnliche Beispiele könnten in Hülle und Fülle angeführt werden. (Siehe »Points of a Racehorse« by Major-General Sir John Hills, William Blackwood and Sons, Kdinl)urgh and Loncb)n, 1903.) — 240 — Generalmajor Hill ist im Gegensatz zu Captain Hayes, dem Ver- fasser des vortreftlichen Werkes »The Points of the Horse«, der Ansicht, dass das Unterschenkelgelenk kaum zu tief sitzen kann und um so besser funktionieren wird, wenn es, wie bei den bekannten Renn- pferden Bendigo, Galeottia, St. Frusquin und Laveno ein wenig nach aussen gedreht erscheint. Um die ausserordentliche Tätigkeit, die das Oberschenkelljein bei der Bewegung entwickelt, voll zu würdigen, wird man sich vor Augen halten müssen, dass der untere Teil dieses Knochen beim Beugen des Hinterfusses dem Boden genähert wird; der von diesen zwei Knochen gebildete Winkel wird also kleiner, ebenso der Winkel zwischen Ober- und Unterschenkelknochen. Beim Niedersetzen des Fusses dagegen werden die Knochen voneinander entfernt und die Winkel dann auch wieder grösser. Je schneller die Beugung, um so mehr verkleinern sich die Winkel und um so mehr wird die Tätigkeit der Muskeln in Ansj^ruch genommen. Die beste Ausnützung dieser Tätigkeit der Gelenke und Muskeln wird erreicht, wenn die innere Seite der hinteren Gliedmassen vom Unterschenkelgelenk bis zur Fessel und die äussere vom unteren Ende der Kruppe bis zum Sprunggelenk, sowie von diesem bis zum Boden je eine gerade Linie 1 bilden. Hierdurch erhält der vom Unterschenkel dargestellte Hebel für die Einwirkung der bewegenden Kraft die grösst- mögliche Länge. Ausserdem aber pflegen derartige Hinterbeine mit be- sonders starken Sehnen und breiten, kräftigen »Hosen« versehen zu sein. Der obengenannte Verfasser des vorzüglichen Werkes »Points of a Racehorse* erwähnt, dass er nie schönere, geradlinige Hinterbeine als diejenigen des Derbysiegers Persimmon (Fig. 33) gesehen habe. Velas- quez (geb. 1894, v. Donovan, a. d. Vista, v. Macaroni); Princess Mel- ton (geb. 189S, V. Melton, a. d. Schoolbrook, v. Wisdom) und Ard Patrick (geb. 1899, v. Florian, a. d. Morganette, v. vSpringfield) wandern dagegen auf mehr oder weniger gesäbelten Hinterbeinen durchs Leben. Es braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden, dass eine kräftig entwickelte Nierenpartie und eine lange, wohlgeformte Kruppe eine nicht hoch genug zu schätzende Propellerkraft auf den körperlichen Mechanis- mus des Vollblutpferdes ausüljen. Kurze Kruppen und flache Nieren sieht man daher auch Ijei keinem Rennpferde gern. Kann doch eine besonders starke Nierenpartie sogar die Nachteile gesäbelter Hinterbeine neutralisieren. Es wäre überhaupt ein verhängnisvoller h'rtum, wenn man gestützt auf das so oft zur L'nzeit zitierte Wort »Gelaufen wird in — 241 — jeder Form - oder weil man auf die Allmacht gewisser Blutströme ver- traut, dem Exterieur des Rennpferdes weniger Beachtung schenken würde. Osmer, ein hippologischer Schriftsteller, der sich eingehend mit der äusseren Form der Vollblutrasse beschäftigt hat, schreibt mit Bezug hierauf: »Wenn nicht die grössere oder geringere Verschiedenheit der Körperformen auch eine Verschiedenheit in den Leistungen hervorrufen Fio;. 34. The Darley Arabian. würde, wie soll man es dann erklären, dass der eine von zwei Brüdern, obwohl ein Sprössling desselben hochedlen Stammes nichts, sein in grossem Rahmen gebauter Bruder dagegen Grossartiges zu leisten ver- mag? Conqueror und Othello z. B. waren rechte Brüder, der eine aber ein König und der andere ein Bettler, sowohl was die Form als auch die Aktion betrifft. Wenn die Verschiedenheit in den Leistungen dieser beiden Brüder nicht durch die Verschiedenheit in der äusseren Körper- form hervorgerufen w^urde, dann bitte ich, mir zu sagen, was die L^rsache gewesen sein mag. Im Blut kann sie nicht gelegen sein; man müsste denn annehmen, dass diese ererbte Eigenschaft nur auf den einen Bruder Wrangel, Die Kassen des Pferdes. I. 16 — 242 — übergegangen sei und damit wäre erst recht nichts erklärt oder be- wiesen.« Für die hippologische Wissenschaft und speziell für die Rassen- lehre wäre es von ausserordentlichem Vorteil gewesen, wenn man schon zu Beginn des XIX. Jahrhunderts die Hilfe der Photographie bei der Herstellung von Pferdebildern hätte in Anspruch nehmen können, denn die Porträts hervorragender Renn- und Zuchtpferde, w'elche uns die Künstler jener Zeitepoche hinterlassen haben, sind mit wenigen Aus- nahmen wertlose Produkte notorischer Stümper. Ein besonders frucht- barer Erzeuger derartiger Pferdekarikaturen w^ar der englische Maler Stubbs. Man sehe sich nur das vorstehende Konterfei des berühmten Darley Arabian an. Ist es denkbar, dass dieser Wüstensohn auch nur eine entfernte Ähnlichkeit mit dem hier abgebildeten schlappen Kutschgaul gehabt? Ein sehr produktiver und beliebter Pferdemaler war ferner der in Newmarket ansässige Harry Hall. Einige von ihm gemalte Porträts, wie z. B. die von Daniel O'Rourke, Newminster und Stockwell sind auch recht gelungen, die Mehrzahl seiner Pferdebilder aber stellen ganz unmögliche Pferdetypen dar. Als solche sind u. a. zu bezeichnen die durch seinen Pinsel verewigten, wie karikierte Teckel aussehende Turfgrössen: Andover, Catherine Hayes, Mincemeat und West Australian. Dass sich die damaligen Sportsmen, die doch ge- wiegte Pferdekenner waren, derartige Machwerke bieten liessen, er- scheint umso unljegreiflicher, als Harry Halls Vorgänger, J. F. Herring, A. Cooper und C. Hancock, obwohl auch keine Pferde-Raphaels, doch weit Besseres geleistet hatten. Alle diese Leute scheinen sich aber nie der Mühe unterzogen zu haben, ein wenig Anatomie zu studieren, denn die Sprunggelenke und Röhrbeine, die sie ihren Cracks »angedichtet«, spotten in ihrer Absurdität jeder Beschreibung. Künstlern solcher Gattung ist nun das Handwerk durch die Camera für immer gelegt worden. Dank den vorzüglichen Pferdephotographien, die jetzt überall zu haben sind, hat das grosse Publikum gelernt, den Unterschied zwi- schen lebenswahren Bildern und unfreiwilligen Karikaturen zu erfassen. Der Pferdemaler, der sich heutzutage einen Namen machen will, muss daher einen durch anatomische Studien geschärften Blick für die charakteristischen Points, Proportionen und osteologischen Merkmale der verschiedenen Pferderassen besitzen. Man vergleiche z. B. die Stubbschen Bilder mit denjenigen, die wir der Kunst eines Allen Sealey oder Emil Adam zu verdanken halben und man wird sich sofort im — 243 — klaren darüber sein, \vas es zu bedeuten hat, wenn der den Pinsel führende Meister nicht nur ein Künstler, sondern auch ein Pferdekenner ist. Selbst die beste Photographie vermag den Maler nicht instand zu setzen, bei seiner Arbeit das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unter- scheiden. Diese Fähigkeit kann er sich nur durch langjährige prak- tische und theoretische Studien aneignen. Für den gewöhnlichen Pferdefreund aber ist die photographische Kunst, wie sie heute in einigen deutschen, englischen und französischen Ateliers ausgeübt wird, von unschätzbarem Wert, denn sie bietet ihm die Möglichkeit, sich für ver- hältnismässig geringe Kosten eine Gallerie der besten Typen jeder ihn speziell interessierenden Rasse anzulegen, ohne dass er zu befürchten l)raucht, durch Irrtümer oder mangelnde Kunstfertigkeit des betreifenden Photographen irregeführt zu werden. Hieraus folgt auch, dass die hippologische Wissenschaft und ganz besonders die Rassenlehre mehr von der geschickt gehandhabten Camera als von dem Stift oder dem Pinsel gottbegnadeter Künstler zu erwarten hat. Ein Blick in das weiter oben wiederholt erwähnte Prachtwerk :)Points of a Racehorse« führt uns dies in überzeugender W'eise vor Augen. Ich möchte diese Schilderung der englischen Vollblutrasse nicht zum Abschluss bringen, ohne mich auch zu der Frage zu äussern, ob das Rennpferd tatsächlich, wie vielfach behauptet wird, ein verweich- lichtes Tier sei, das nur in Watte gewackelt die Fähigkeit besitze, vollen Gebrauch von seinen vielgerühmten Eigenschaften zu machen. Abgehärtet kann jede Rasse werden, verweichlicht ebenfalls. Das ist eine Sache, die ganz in der Hand des Menschen liegt. Man kann sogar behaupten, dass das englische Vollblutpferd sich überraschend unempfindlich gegen klimatische Unbilden zeigt. Ich habe wiederholt jüngere und ältere Vollblutstuten im Spätherbst per Dampfer von Eng- land nach dem skandinavischen Norden gebracht und ihnen hierbei nie Decken auflegen lassen. Als ich im Jahre 1872 zum ersten Male von Hüll aus eine derartige Fahrt unternahm, befahl ich dem Transporteur, vor der Einschiffung recht warme Decken für die 10 Stuten zu be- sorgen. Davon wollte aber der alte Mann nichts wissen. »Diese Stuten sind nicht an Decken gew^öhnt, legen wir ihnen nun solche auf, so werden sie unruhig, geraten in Schweiss und können sich dann leicht erkälten,« erwiderte er mir jedesmal, wenn ich auf die Deckenfrage zurückkam. Gerne hätte ich mittelst eines Machtspruches meinen Willen durchgesetzt. Doch der alte ^lann, der schon wiederholt ho(iiedles — 244 — Zuchtmaterial nach Amerika, Australien und Indien gebracht hatte, be- sass ja weit grössere Erfahrung als ich und so Hess ich ihn denn ge- währen. Zu bereuen hatte ich das nicht, denn keiner meiner Stuten ist die im November unternommene Seereise irgendwie schlecht be- kommen. Man irrt el^en sehr, wenn man annimmt, dass der englische Voll- blutzüchter ängstlich bemüht sei, seinem Zuchtmaterial eine übermässig sorgfältige, verzärtelnd einwirkende Stallpflege angedeihen zu lassen. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Decken, Kopfstücke, Bandagen, eine peinlich genaue Putzpflege, eine hohe Stalltemperatur u. s. w. lernt das junge Vollblutpferd erst im Trainingetablissement kennen und kaum hat es der Rennbahn Valet gesagt, so kehrt es — gleichviel ob es seinen Besitzer lo oder loooo Pfd. St. gekostet — wieder zu der früheren naturgemässen, abhärtenden Lebensweise zurück. Ob kalt ob warm, ob schön ol) Regen — stets verweilen sowohl die jüngsten Altersklassen, wie auch das eigentliche Zuchtmaterial ohne andere Bekleidung als den ihnen von der gütigen Mutter Natur verliehenen dichten und ungepflegten Pelz in ihren luftigen Laufstallungen oder auch im geräumigen Paddock. Jeder Karossier, jedes Reitpferd wird sorgfältiger gepflegt und gehütet als das zur Zucht verwendete Voll- blutpferd. Wie soll sich da eine verweichlichte Konstitution heran- bilden können? Eine allbekannte Tatsache ist es ja auch, dass während der letzten grossen Winterfeldzüge direkt aus dem Trainingstall gekommene Renn- pferde ihren militärischen Besitzern unter den denkbar ungünstigsten Witterungs- und Verpflegungsverhältnissen vorzügliche Dienste als Chargenpferde geleistet haben. Mit Bezug hierauf schrieb ein hippo- logischer Verfasser in dem französischen Fachblatte »Le Sport« u. a. folgendes: »Nach den ersten Niederlagen des Jahres icSyo wurde durch die absolute Notwendigkeit, rasch zu jedem Preis eine grosse Anzahl von Pferden für die Armee anzuschaften, allen gelehrten Theorien und vor- gefassten Meinungen bis auf weiteres Schweigen geboten. Ob man nun wollte oder nicht, sah man sich genötigt, alles zu nehmen, was ge- rade zu haben war. Infolgedessen wurden auch sehr viele Vollblut- pferde von den Remontierungskommissionen angekauft. Da diese Tiere nun plötzlich einen Dienst verrichten mussten, zu welchem sie weder vorbereitet noch dressiert worden, schien die Befürchtunp: wohl berech- — 245 — tifahrung im Orloffschen Gestüte, dass dies keineswegs der Fall sei. Die Pferde würden ja nur einige Stunden den Einwirkungen der Kälte ausgesetzt und kämen dann wieder in die sorg- fältig unterhaltene feuchte Wärme des Stalles. Die Kälte übe daher auf den physischen Organismus nur die Wirkung eines äusseren Reiz- mittels aus. Die Gewohnheit müsse ebenfalls viel hierzu beitragen, denn in diesen Gegenden, i6o deutsche Meilen in südöstlicher Richtung von Moskau, sei scharfer Temperaturwechsel eine häufige Erscheinung, ja man könne in Chrenowoje grellere und plötzlichere Temperatur- schwankungen als im nördlichem Russland beobachten. Auf einen heissen Tag folge nur zu oft eine kalte Nacht und auf strengen Winter nahezu ohne vermittelnden Übergang eine sommerliche Temperatur.« Auch der Araber verträgt die Verpflanzung von der heimatlichen Scholle nach Gegenden, die den Bedürfnissen seiner Rasse in keiner Weise zu entsprechen scheinen, weit besser als die Produkte der Kalt- blutzucht. Für diese, wie auch für andere Äusserungen einer nur bei den edlen Rassen zutage tretenden wundertätigen Lebenskraft gibt es keine andere Erklärung als den bekannten Spruch: Blut ist der Saft, der Wunder schafft. 2. Das anglo-arabische Vollblut. Anglo-arabisches Vollblut wird das Produkt direkter Kreuzung zwischen authentischem englischen und arabischen Vollblut genannt. Gegen diese Definition wäre nichts einzuwenden, wenn es nicht so schwer hielte, genau festzustellen, was eigentlich unter der Bezeichnung »authentisches arabisches Vollblut« zu verstehen ist. Das französische Ackerbau-Ministerium veröffentlichte allerdings am 5. Juli 1884 einen Erlass, in welchem bestimmt wurde, dass eine Eintragung arabischer, nach Frankreich importierter Hengste, Stuten und Fohlen in das franzö- sische Stud-Book nur dann stattfinden dürfe, wenn nachgewiesen werden könne, dass deren Heimat innerhalb folgender Grenzen gelegen: Im Norden die Taurus-Kette und tlas Mittelländische Meer; im W^esten der Suez-Kanal und das Rote Meer; im Süden der Meerbusen von Aden und der Meerbusen von Oman; im Osten der Persische Meerbusen und der Tigris; also in Syrien: Al-Djezireh oder Mesopotamien und in Arabien: die fünf Provinzen Jrak, Hauran, Hedjaz, ^'emen und Hadra- maut. Es fragt sich nur, ol) man in h'rankrcicli wirklich der ^leinung — 248 — ist, dass jeder Gaul, der in diesem ungeheueren Gebiet das Licht des Tages erbhckt hat, wirkhch das Prädikat »authentisches arabisches Vollbkit« verdiene? Anscheinend huldigt das Ahnisterium dieser Ansicht, denn es nimmt an, dass der Nachweis reiner Abstammung erbracht worden, wenn für das als Vollblut- Araber importierte Pferd ein Ursprungs- zertifikat vorgezeigt wurde, das den Familiennamen des betreifenden Tieres enthielt und auch Aufschluss darüber erteilte, welcher Beduinen- stamm dessen Züchter zu den Seinigen zählt. Arabische Zertifikate ! — Du lieber Himmel, wer kann sich da eines Lächelns erwehren! Selbstverständlich fällt es mir nicht ein, zu bestreiten, dass es absolut rein und edel gezogene Araber gibt. Ich bezweifle nur, dass der oben erwähnte Erlass des französischen Ackerbauministers sich auf der Suche nach Zuchtmaterial derartiger Klasse als brauchbarer Weg- weiser bewähren würde. Der Begrift' »arabisches Vollblut« lässt sich meines Erachtens überhaupt sehr schwer in vollkommen befriedigender Weise definieren, denn dieses Vollblut ist — was wir nicht vergessen dürfen — das Produkt eines Zuchtbetriebes, bei w-elchem mündliche, von der ausschweifenden Phantasie des Orientalen stark beeinflusste Überlieferungen die gänzlich fehlenden züchterischen Urkunden ersetzen müssen. Vielleicht käme man der Wahrheit am nächsten , wenn man bestimmte, dass nur Sprösslinge der Nedjd-Rasse und deren nach- weisbar direkte, ebenfalls rein gezogene Nachkommen als Vollblut an- zusehen seien, doch würde allerdings dadurch nicht auch die grosse Schwierigkeit aus der Welt geschaftt, einwandfreie arabische Pedigrees zu erhalten. Das meiste , was man in der Wüste über die Herkunft eines angeblich hochedlen Arabers zu hören bekommt, wird man daher, wenn auch mit stillem Ingrimm, ohne jede Kontrolle hinnehmen müssen. Es ist dies um so fataler, als das, w^as der Beduine beim Pferdehandel »einwandfrei« oder .nachweisbar« zu nennen beliebt, stets mfit den Worten »höchst zweifelhaft« ins Deutsche zu übertragen sein dürfte. Die Aufgabe der anglo-arabischen Zucht ist, dem Markt ein Pferd zu liefern, das die besten Eigenschaften des englischen und des arabischen Vollblutes in sich vereinigt und in solchen Gegenden, wo das Stutenmaterial einen Schlag Hengst erfordert, der, wie in Ungarn, Polen und Südfrankreich, sich dem orientalischen T3'pus nähert, ohne so klein und leicht wie das Produkt rein orientalischer Zucht zu sein, mit grösserem Vorteil als das englische Vollblut verw^endet werden kann. Das wäre in kurzen Worten oreschildert die theoretische »raison — 249 — d'etre« der angjlo-arabischen Zucht. Ich meine jedoch, dass man ganz einfach sacren sollte: Wer Anlut in der ersten Generation aus- — 250 — geglichene harmonische Produkte hervorzubringen, wohingegen das reine anglo-arabische Bkit gerade diese Fähigkeit in hohem Grade be- sitzt. Man wird dann aus praktischen Gründen zumeist gute engHsche Stuten zu einem womögHch aus dem Morgenlande importierten arabischen Hengst bester Klasse führen. Bei der Weiterzucht erscheint es aber nicht geraten, die anglo- arabischen Mutterstuten wieder von einem Araber decken zu lassen, denn es könnte dann leicht geschehen, dass die Produkte zu klein und schmächtig ausfallen würden. Diese Stuten werden daher lieber einem passenden englischen Vollbluthengst zu- geführt, im w^eiteren Verlauf der Zucht jedcjch auch wieder je nach Bedarf arabische Hengste abwechselnd mit englischen benützt. Es ist eine interessante geschichtliche Tatsache, dass eine anglo- arabische Zucht schon Mitte des 18. Jahrhunderts in Zweibrücken ent- stehen konnte. Felix Villeroy schreibt in seinem 1844 erschienenen Werke »Ein Wort ül)er die Stuterei zu Zweibrücken und über die Pferde- zucht in der Umgegend Zweibrücken«, dass das 1760 vom vorletzten Herzoo- Christian von Zweibrücken mit englischen Voll- und Halbblut- stuten und arabischen Vollbluthengsten gegründete Hof- und Land- gestüt einen vorzüglichen Ruf genoss. Unter den ersten Beschälern, die dort decken , nennt Villeroy einen Sohn von The Darley Arabian und einer Byerley Turk-Stute, der Baudy geheissen und ein berühmtes Rennpferd gewesen sein soll. Wie es sich hiermit in Wirklichkeit ver- halten, lässt sich leider nicht mehr feststellen, denn weder im General Stud-Book noch im Pacing Calendar ist auch nur die geringste Spur eines Baudy's zu entdecken. Auch unter den im I. Band des General Stud-Books namhaft gemachten Söhnen des Darley Arabian kommt dieser Name nicht vor. Zu der arabischen Kreuzung wurde ein aus Wien als Geschenk nach Zweibrücken gelangter Schimmel -Hengst, namens Vezir verwendet. Dieser Orientale erzeugte mit einer eng- lischen Vollblutstute den vorzüglichen Beschäler Empereur, dessen Sohn Herkules Stammvater der berühmten Zweibrücker Kutschpferde geworden ist. Dank der sorgfältigen Auswahl des Zuchtmaterials und dem zielbewussten rationellen Betriebe, den Herzog Christian in seinem Gestüte eingeführt hatte, erreichte die dortige Zucht sehr bald einen so hohen Standpunkt, dass sie die Aufmerksamkeit der gesamten euro- päischen Fachwelt auf sich zog. Die Tatsache, dass bereits vom Jahre 1787 an, also ca. 25 Jahre nach Gründung des Gestütes, über 150 Zweibrücker Hengste in die preussischen Gestüte eingestellt wurden, — 251 — spricht, was das Ansehen dieser anglo-araljischen Zucht betrifft, eine sehr beredte Sprache. Die französische Invasion vernichtete diese Früchte langjähriger züchterischer Arbeit. Von dem herrhchen Zweibrücker Gestüt blieVjen nur die Gebäude und Ländereien übrig. Als Napoleon I später die französischen Gestüte neu organisierte, wurde auch das Zweibrücker wieder hergestellt und durch Überweisung einiger vorzüglicher arabischer Hengste instand gesetzt, seine frühere Tätigkeit wieder aufzunehmen. Diese Freude dauerte aber nicht lange, denn 1814 bereitete der Krieg dem dortigen Zuchtbetrieb zum zweiten Male ein plötzliches Ende. Die Pferde wurden nach Frankreich gebracht; einige kamen in das bei Nancy gelegene Gestüt Rosieres , die Mehrzahl aber nach Pompadour, und in Zweibrücken blieben nur wenige Pferde und Fohlen von ge- ringem Werte zurück. Nach der im Jahre 181 5 erfolgten Einverleibung von Zweibrücken in das Königreich Bayern, versuchte man die Wiederherstellung des Gestütes, doch führten diese Bemühungen zu keinem nur halbwegs be- friedigenden Resultat. Der alte Glanz der Zweibrücker anglo-arabischen Zucht war dahin und Hess sich trotz der Anschaffung verschiedener orientalischer Hengste guter Klasse, wie z. B. des Persers Cyrus und des Wüstenarabers Choueiman, nicht wieder auffrischen. Das be- kannte Sprüchlein »Fröhlich Pfalz, Gott erhalt's« hat sich also in diesem Fall nicht bewährt. (Siehe auch »Die Zuchtwahl des Pferdes« von Professor F. W. Dünkelberg, Braunschweig 1898.) In Frankreich ist es das Staatsgestüt Pompadour, das seit seiner im jähre 1806 erfolgten Neuerrichtung der anglo-arabischen Voll- und Halbblutzucht als Heimstätte gedient hat. Pferde, und zwar solche orientalischen Schlages, wurden jedoch schon lange vor jenem Zeit- punkt in Pompadour gezogen. Sogar die berüchtigte Marquise de Pompadour, welche die herrliche Domäne mit samt dem dazu ge- hörenden Titel von ihrem königlichen Liebhaber, Ludwig XV, zum Ge- schenk erhalten hatte, scheint einiges Interesse für die dortige Zucht an den Tag gelegt zu haben, denn unter ihrer, glücklicherweise, nur kurzen Herrschaft kamen drei berberische, sieben dänische Stuten und zwei orientalische Hengste nach Pompadour. Eine sachkundige Leitung erhielt das Gestüt jedoch erst, als der Prinz de Lambesc mit der Organisation desselben Ijetraut wurde. Es geschah während der Regierung Ludwigs XV ül)erhaupt recht viel für die Hebung der Pom- — 252 — padourer Zucht. Ausser einer ziemlich grossen Anzahl berberischer und andalusischer Stuten erhielt das Gestüt mehrere englische Hengste und im Jahre 1778 Hess der König sogar acht eigens für Pompadour aus dem Orient importierte arabische und syrische Hengste daselbst aufstellen. Unter diesen befand sich auch der berühmte Derviche, der in seiner neuen Heimat eine überaus erfolgreiche Tätigkeit ent- wickelte. Leider wurde das aus 136 Hengsten, Stuten und Fohlen bestehende hüchedle Material, das im Laufe der Jahre teils durch gelungene Importe, teils durch eigene Zucht herangebildet worden war, am i. Mai 1791 von den fanatisierten Schergen der Revolution in alle Winde zerstreut. Bei dieser Gelegenheit fiel auch ein Teil der Domäne der Zerstückelung anheim und gelangte in der Folge nie mehr in den Besitz des französischen Staates. Drei Jahre später wurden allerdings einige der besten Vaterpferde des verwüsteten Gestütes, nahezu alle Söhne des vorerwähnten Derviche, wieder dorthin zurückgebracht, doch schritt man erst 1806 zur Aufstellung einer Stutenherde, die indessen — un- glaublich aber wahr — schon 1825 wieder aufgelöst wurde. Eine Reihe von Jahren gab es nun in Pompadour nur ein »Depot d'Etalons«. Die Wiedererrichtung des Gestütes erfolgte nämlich erst 1833. Stamm- vater der im genannten Jahre neu begründeten anglo-arabischen Zucht wurde der 1820 von Herrn de Porte importierte syrische Hengst Massoud, dessen Tochter Delphine als Mutter des berühmten anglo- arabischen Vollbluthengstes Eylau sich unvergängliche Verdienste um die Hebung der französischen Pferdezucht erworben hat. Ausser dieser Delphine haben noch zwei andere arabische Stuten, Nichab und Moina, mit englischen Vollbluthengsten gepaart, viel zur Bildung des wertvollen Stutenstammes jener Epoche beigetragen. Dass die französische Gestütsverwaltung (oder richtiger gesagt ihr Chef, General Fleury), nachdem sie glücklich in den Besitz eines solchen Schatzes gelangt war, 1861 die Auflösung des Gestütes zu Pompadour dekretierte, muss als eine geradezu wahnwitzige Massregel bezeichnet werden. Allerdings wurde das von so vielen Umwälzungen heim- gesuchte Gestüt 1874 aufs neue errichtet, aber da die Anschaffung wertvoller Originaltiere orientalischer Rasse von Jahr zu Jahr auf grössere Schwierigkeiten stiess und der moderne Geschmack auch im südlichen Frankreich sich indessen immer mehr dem englischen Halbbluttypus zugewendet hatte , wird es wohl ein schöner Traum verbleiben , das — 253 — Pompadour-Gestüt wieder jene Bedeutung erlangen zu sehen, die es vor dem Jahre 1861 unzweifelhaft Ijesessen. Unter den Hengsten und Stuten, die von 1833 bis 1861 in Pom- padour zur Zucht verwendet worden sind, seien folgende hier erwähnt: Hengste. Arnac, geb. 1853, v. Brcjcardo XX, 'i- d- Didon, v. Terror X X- Attorney, „ 1S53, ,, Brocardo X X, a. d. Mallzia, v. Hussein farab.) B a 1) a, „ 1S54, „ Commodore Napier X X, a. d. Mercedes, v. Hussein ( ai-al). ). B^douin, „ 1831, „ Araber. Beo,(jne, „ 1854, „ Bagdadli (arab.), a. d. Althea, v. Paradox X X- Danseur, „ 1856, „ Commodore Napier X X, a. d. Nvmphaea, v. Ben Massoud (arab.). Emir, „ 1851, „ Bagdadli (arab.), a. d. Leana, v. Massoud (arab.). Evenement, „ 1857, „ Hussein (arab.), a. d. M6dicis, v. Hussein (arab.), a. d. C^sarine, v. Napoleon. L u X o r, „ 1834, „ Imp6rieux, a. d. Esly, v. Holbein X X- M e n t o r, „ 1838, „ Sylvio X X, a. d. IMoina, v. Tigris X X, a. d. Micha!) (arab.). Neptune, „ 183g, „ Massoud (arab.), a. d. Luna, v. The Flyer x X- Orient, „ 1840, „ Mansouraha (aral).), a. d. JMoina, v. Tigris X X- Quaker, „ 1842, „ Napoleon XX, a. d. FoUette, v. Eastham X X, a. d. Delpliine, v. ^lassoud (arab.). Riego, „ 1843, „ Mesmr (arab.), a. d. Dulcinee, v. Eastham X X, a. d. Danae, v. Massoud (arab.). Roi de Chypre, „ 1851, „ Eylau (anglo-arab.), a. d. Reine de Chypre, v. Eylau, a. d. Agar, v. Eastham X X- Romagnesi, „ 1843, „ Massoud (arab.), a. d. Didon, v. Terror XX, a. d. Cvbele, V. Tigris X X- n, ,, 1835, ,. Turkman (Türke), a. d. Didon, v. Terror X X- „ 1845, „ Numide (aral).i, a. d. Hoema, v. Hoemus X X. „ 1846, „ Koheil Obayan Sederei (arab.), a. d. Ber(inice, V. Eastham X X- „ 1847, j, Saoud (arab.), a. d. Althea, v. Paradox X X- „ 1847, „ Hussein (aralj.), a. d. FoUette, v. Eastham X X- „ 1847, „ Hussein (arab.), a. d. Hoema, v. Hoemus x X- „ 1848, ,. Romagnesi (anglo-aral).), a. d. C'esarine, v. Napo- leon X X. 1S49, „ Hussein (arab.\ a. d. Hcrminic^', v. Massoud (arab.). „ 1849, „ Commodore Napier, a. d. Katinka, v. Terror X X. „ 1850, ,, Hussein (arab.i, a. d. Leana, v. Massoud larab.). T. Ben T u r \< T u Ante m , Utetur, V a u q u e 1 i n , V e s u V e , V u 1 c a i n , X a n t i p ]) e, Y. ') Y 0 r i c k , Z e p h i r , — 254 — Stuten, Alpha, geb. 1853, v. Xenocrate (angio-arab.), a. d. Herminie, v. Massoud (arab.). Azora, „ 1851, „ Bagdadli (arab.), a. d. Dulcin^e, v. Eastham X X, a. d. Danae, v. Massoud (arab.). Bagatelle, „ 1852, „ Hussein (aralj.), a. d. Etincelle, v. Royal Oak X X- B e n e d i c t a, „ 1851, „ Romagnesi (anglo-aral).), a. d. Benediction, v. Physi- cian X X- Gabriele, „ 1855, ,, Prince Caradoc X X , a. d. Quarantaine, v. Bro- cardo X X- C a s t i 1 1 e, „ 1855, „ Prince Caradoc X X, a. d. Leana, v. Massoud (arab.). Cavatine, „ 1851, „ Romagnesi (anglo-arab.), a. d. Mercedes, v. Hussein (arab.). Cesaree, ,, 1852, „ Brocardo X X, a. d. Cesarine, v. Napoleon X X. Charade, „ 1855, „ Womersley X X, a. d. Didon, v. Terror X X. Ciarisse Harlowe, „ 1855, „ Womersley X X, a. d. Mercedes, v. Hussein (arab.) Didon, „ 1837, „ Terror X X , a. d. Cybele, v. Tigris, a. d. Cloris, V. Azlan (Türke). Discorde, „ 1856, „ Commodore Napier X X, a. d. Medicis, v. Hussein (arab.). Faucille, „ 1851, ,, Kohel (anglo-arab.), a. d. Herminie, v. Massoud (arab.). Gavotte, „ 1851, „ Bagdadli (arab.), a. d. Liesse, v. Numide (arab.), a. d. Laetitia, v. Napoleon X X- G r a z i e 1 1 a, „ 1850, „ E^'lau (anglo-arab. ), a. d. Clematite, v. Quoniam X X- H6l6is, „ 1841, „ Abou-Arkoub (arab.), a. d. Cloris, v. Azlan (Türke). Herminie, „ 1841, „ Massoud (arab.), a. d. Waverley Mare X X- Hirondelle, „ 1822, „ Haleby (arab.), a. d. Witch, v. Sorcerer X X- H o r t e n s i a, „ 1860, „ Weathergage X X» a. d. Malzzia, v. Hussein (arab.). Idalia, „ 1842, „ Napoleon X X, a. d. B(5r6nice, v. Eastham X X, a. d. Danae, v. Massoud (arab.). Illusion, „ 1852, ,, Hussein (ara1>.), a. d. Chimere, v. Holbein X X- Iris, „ 1842, „ Napoleon X X, a. d. Dine, v. Eastham X X, a. d. Cloris, V. Azlan (Türke). Isabelle, „ 1842, „ Harlequin X X, a. d. Didon, v. Terror X X, a. d. Cybele, v. Tigris X X , a. d. Cloris, v. Azlan (Türke). Massoud (aralj.), a. d. Follette, v. Eastham X X- Mesrur (arab.), a. d. Bresilia, v. Napol(5on X X- Brocardo X X, a. d. Laetitia, v. Napoleon X X- Mezarouni (arab.), a. d. Brasilia, v. Napoleon X X- 1852, ,, Brocardo X X, a. d. Kalouga, v. Napoleon X X- J a c t a n c e , „ i'^43, Jane Rose, n 1^^435 J 0 y eu s e. T> 1852, K a 1 m i a , 55 1844, K a n d h a , 55 1852, iS44; V. Tt'iTor X X, ii- d- Kalouga, v. Napoleon X X- „ MassoLid (arab.), a. d. Didon, v. Terror X X- „ Koheil Obaj'an Sederei (arab.) , a. d. Delphine, V. Massoud (arab. i. „ Numide (arab. i, a. d. Dulcinee, v. Easthain X X- „ Numide (aralj.), a. d. FoUette, v. Eastham X X- 1845, „ Numide (arab.i, a. d. Laetitia, v. Napoleon X X- „ Hussein (arab.), a. d. Althea, v. Paradox X X- „ Koheil OlDayan Sederei (arab.), a. d. FoUette, v. Eastham X X- „ Hussein (arab.), a. d. Hoema, v. Hoemus X X- 1852, „ Koheil (aniilo-arab. ), a. d. Es^este, v. Royal Oak X X- „ Hussein (arab.), a. d. C^sarine, v. Napoleon X X- „ Bagdadli (arab.), a. d. Nem^e, v. Hussein (arab.). „ Hussein (arab.), a. d. Delphine, v. Massoud (arab.i. „ Hussein (arab.), a. d. Brasilia, v. Napoleon X X- „ Hussein (arab.), a. d. Danae, v. Massoud (arab.). ,, Hussein (arab.i, a. d. H^l6is, v. Abou-Arkoub (arab.). ,, Hussein (arab.), a. d. Kalouga, v. Napoleon X X- „ Ben Massoud (anglo-arab.), a. d. Didon, v.Terror X X- „ Massoud (arab. ), a. d. Herminie, v. Massoud (arab.). „ Hussein (arab.), a. d. Iris, v. Napoleon X X- „ Hussein (arab.), a. d. Dinarzade, v. Massoud (arab.). „ Prospero X X? a. d. Kalouga, v. Napoleon X X- „ Brocardo X X, a. d. Belle Poule, v. Napol6on X X- „ Hussein (arab.), a. d. Bt^rt^nice, v. Eastham X X- „ Brocardo X X, a. d. Iris, v. Napoleon X X- „ Prospero X X, a. d. Didon, v. Terror X X- „ Brocardo X X, a. d. Belle Poule, v. Napoleon X X „ Eylau (anglo-arab.), a. d. Agar, v. Eastham X X ,, Hussein (arab.), a. d. Lasciva, v. Numide (arab.) „ Mr. d'Ecoville X X, a. d. Ber^nice, v. Eastham X X „ Bagdadli (arab.), a. d. Venezia, v. Belmont X X „ Hussein (arab.) , a. d. Lara , v. Koheil Obayan Sederei (arab.). Aus diesem Verzeichnis ist zu entnehmen, dass die englischen Vollbkithengste: Brocardo, geb. 1843, v. Touchstone, a. d. Brocade, V. Pantaloon; Young Eastham, geb. 1829, v. Eastham, a. d. Canvas, V. Rubens; Napoleon, geb. 1824, v. Bob Booty, a. e. Pope Mare; Terror, geb. 1825, v. Magistrate, a. d. Torelli, v. Cerberus; die orientalischen Vollbluthengste: Abou-Arkoub, Azlan, Bagdadli, Hussein, Koheil Obayan Sederei und die anglo-arabischen \'oll- bluthengste: Eylau, geb. 1835, v. Napoleon, a. d. Delphine, v. Massoud; K a t i n k a , geb 1844, K y, n 1844, L a c h e s i s , n 1845, Lasciva, ji 1845, L e n t i 1 1 e , 11 1845, L i e s s e. „ 1845, M a 1 z z i a , )! 1846, Marie de Braljant, '? 1846, M a u r i c e 1 1 e , )) 1846, M a u V i e 1 1 e , )) 1852, M 6 d i c i s , )7 1846, Misere, )I 1852, M n a c e b , •1 1846, M 0 u a 1 1 i s , Tl 1846, N a i a d e , 11 1847, N a u s i c a a , 11 1847, N e d r 0 m a , 11 1847, N y m p h a e a , 11 1847, 0 e n 0 n e , 11 1848, Opale, n 1848, 0 s s i a n a , 11 1848, Pauletta, 11 1849, Po ul e tte, n 1852, P r u n e 1 1 e , 11 1849, Quadrille, 11 1850, Qualit(§, 11 1850, Q u a r a n t a i n e , 11 1850, Queen, 11 1850, Q u e t e u s e , n 1850, Q u i r i t a , 11 1850, R a m a , 11 184I, Ritta, jj 1852, — 256 — Kohel, geb. 1837, v. Napoleon, a. d. Biche, v. Eastham, a. d. Galatee, V. Massoud; Romagnesi, geb. 1843, v. Massoud, a. d. Didon, v. Terror, als die Stammväter der neubegründeten anglo-arabischen Rasse in Frank- reich zu bezeichnen sind. Die Gerechtigkeit erfordert indessen hier auch zu erwähnen, dass es der berühmte Hippologe und Fachschriftsteller E. Gayot war, der im Jahre 1843 die systematische Zucht der Anglo-Araber in Pompadour einführte. Der frühere Zuchtbetrieb hatte natürlich, was Planmässigkeit und zielbewusstes Vorgehen betrifft, sehr viel zu wünschen übrig ge- lassen, doch konnte Gayot von seinem Vorgänger zwei vorzügliche, leider aber schon hochbetagte, Vaterpferde übernehmen, nämlich den Araber Massoud und den Türken Aslan. Diesen beiden Hengsten und drei o-uten Stuten — von denen zwei englisches und eine anglo- arabisches Vollblut waren — ist es zu verdanken, dass es Gayot ge- lang, binnen überraschend kurzer Zeit einen vorzüglichen Mutterstuten- Stamm heranzuziehen. Wie Herr Landstallmeister Graben see mitteilt, standen im Jahre 1852 bereits 39 anglo- arabische Vollblutstuten in Pompadour, von welchen 28 direkt oder indirekt auf Massoud, 10 auf Aslan und i auf beide zurückzuführen waren. Nachdem Gayot es glücklich so weit gebracht hatte, machte der damals an der Spitze der Gestütsverwaltung stehende General Fleury mit einem Schlage wieder ^ alles ungeschehen, indem er, dem Drängen einiger parlamentarischer Schreier nachgebend, zuerst einen Teil der Pompadourer Aufzucht ver- kaufte und 1861 das Gestüt vollkommen auflöste. »Difficile est satiram non scribere.« Dreizehn Jahre später hiess es dann wieder von vorne anfangen. Ohne kostbare hiiporte liess sich dies selbstverständlich nicht machen. Zum Glück lapf die Leitung der französischen Pferdezucht nun in den Händen eines Mannes, der seiner Aufgabe in jeder Beziehung ge- wachsen war. Ich habe den unschätzbaren Vorzug genossen, mit Baron du Taya, so hiess dieser ausgezeichnete Fachmann, und dessen kaum minder befähigten Nachfolger, Monsieur Plazen, wiederholt in England zusammenzutreffen und den von diesen beiden Herren vorgenommenen Besichtigungen von Zuchtmaterial beizuwohnen. Es ist daher das Er- gebnis eigener Beobachtungen, wenn ich die Ansicht ausspreche, dass die Geschicke der französischen Staats-Pferdezucht-Anstalten zu jener Zeit der Obhut eines Mannes anvertraut waren, der seine Zeitgenossen auf dem Gebiete der Pferdekunde weit überragte. — 257 — Nach den Bestimmungen des für das neuerstandene Gestüt er- lassenen Reglements sollten künftig in Pompadour 60 Stuten zur arabi- schen und anglo-arabischen Vollblutzucht verwendet werden. Um dies zu ermöglichen, mussten sofort sowohl im Orient, wie auch in England bedeutende Ankäufe von Zuchtmaterial vorgenommen werden. Schon vor dem offiziellen Beginn der Zuchttätigkeit hatten die Gestütsdirek- toren Lagrange, Labaudie und de Ganay einige arabische vStuten nach Pompadour gebracht. Von diesen haben Dair-el-Balah, Mantoura und Merjane eine vorzügliche Nachzucht hinterlassen. Mantoura z. B. wurde die Mutter von Nazareth, einer der besten Stuten des heutigen Gestüts, während Merjane mit ihren beiden von Nahr-el-Kebir ge- zeugten Töchtern Berthe und Charlotte Stammmutter einer in Pom- padour sehr geschätzten Blutlinie geworden ist. Die Ankäufe des benötigten englischen und anglo-arabischen Voll- blutmaterials bewerkstelligte Baron du Taja selbst. Von ihm wurden für Pompadour erworben: Ariane, geb. 1869, v. Merkham, a. d. Parizade, von Romani (arab.). [Diese ausgezeichnete Stute schenkte dem Gestüt zwei Hauptbeschäler: Eche- veau, V. BHnkhoolie und Gaetan, v. Suffolk, i Landbeschäler: Jaguar, V. Vulcan und i Mutterstute: Leucade, v. Edhen (arab.)]. Electricity, geb. 1866, v. Thunderbolt, a. d. Lady Kingston, v. Kingston. Produkt: Mutterstute Kosiki, v. Edhen (arab). Pas de Charge, geb. 1863, v. Rataplan, a. d. Scalade, v. Touchstone. Produkte: Heroine, v. Harami (arab.); Isly, v. Bnniet oder Abou-Fares (arab.). Hop Blossom, geb. 1868, v. Weatherbit, a. d. Feodorowna, v. Kingston. Mutter der fünf anglo-arabischen Hengste: Idem, v. Mouzaffar, Janus, v. Edhen, Kali, V. Edhen, Maxe nee, v. Edhen und Novi-Bazar, v. Edhen. Marmalade, geb. 1875, v. King-o'Scots, a. d. S6ville, v. St. Albans. Produkte: Khiva, v. Daoud (arab.), Lesbos, v. Edhen, Naupla, v. Edhen u. s. w. Chance, geb. 1867, v. Adventurer, a. d. Eveline, v. King Tom. Produkte: Die Mutterstuten: Korrigane, v. Daoud (arab.l und Mycene, V. Edhen (arab.), sowie des Landbeschälers Nervi, v. Edhen (arab.). Memento, geb. 1866, v. Stockwell, a. d. Vergiss-mein-nicht, v. The Fh-ing-Dutchman. Produkte: Mutterstute HtJloise, v. Harami (arab.) luid die Landbeschäler: jack, v. Daoud (aral).) und Ivan, v. Aliou-Far^s (arab.). Stockwell-Mare, geb. 1870, v. Stockwell, a. d. Vlie, v. Zuyder-Zee. Mutter des Landbeschälers Gedeon, v. Harami (arab.). Po(^trv, geb. 1866, v. Stockwell, a. d. Leila, v. Mrlbourne. Mutter von Hlusion, v. Daoud (arab.). Durham, geb. 1864, v. Lifel^oat, a. d. Honey Dear, v. Plenipotentiarv. Mutter von Nevada, v. Edhen (arab.). Sweet-Bite, gel). 1879, v. Mac-Gregor, a. d. Quail, v. Thunderbolt, u. m. a. W ran gel, Die Rassen des Pferdes. I. I7 — 258 — Die importierten orientalischen Mutterstuten des Gestüts sind nahezu alle durch den Generalinspektor M. Portales angekauft worden. Die im Jahre 1892 importierten, zu welchen auch die bewährten Zuchtstuten Hamaida, Z aal eh und Kadidja gehören, sind sehr klein. Man be- grüsste es daher in den französischen Fachkreisen mit Befriedigung, dass der 1896 aus dem Orient eingetroffene zweite Transport auch Stuten von etwas stattlicherem Wuchs umfasste. Als solche wären u. a. zu nennen: die viel bewunderte Malakaa, die elegante El-Zhora, die in mächtigem Rahmen gebaute Zibda, die nicht sehr edle, aber über- aus kräftige Meleke und die ebenfalls durch ihren soliden Körperbau imponierende Moabite. Eine zw^eite Gruppe bilden die in neuerer Zeit durch die Herren Plazen und de Lannay in England angekauften englischen Vollblutstuten. In diesem Lot nehmen einen hervorragenden Platz ein: Mortemer, a. d. Highland Lassie, v. Caterer oder Stockwell. Ruy Blas, a. d. Vestement, v. St. Albans. Craig Miliar, a. d. Rodel, v. John Davis. Tynedale oder Fitz James, a. d. Extradition, V. Restitution. Foxhall, a. d. Winter Queen, v. King Tom. Fernandez, a. d. Hilarity, v. King Tom. Foxhall, a. d. Nespola, v. Kisb(^r. Florentine, a. d. Imposture, v. Barcaldine. Roj'al Hampton, a. d. Fair Vision, v. Touchet. Mac Mahon, a. d. Shy, v. Wisdom. Morglay, a. d. Daintv, v. Robert the Devil. Als dritte Gruppe sind schliesslich die im Gestüte aufgezogenen Anglo-Araber zu bezeichnen. Unter diesen gibt es eine grosse Anzahl vorzüglicher Mutterstuten, wie z. B. L e u c a d e, v. Edhen, a. d. Ariane. N a z a r e t h, „ Edhen, a. d. Mantoura. Epine Vinette, „ Assad, a. d. M(§l(§ke. K o s i k i, „ Edhen, a. d. Electricity. M y c e n e, „ Edhen, a. d. Chance. K o r r i g a n e, ,, Daoud, a. d. Chance. E c h a 1 o 1 1 e, „ Fligny, a. d. Naupla. E t a m p e s, „ Echeveau, a. d. Givre. J a V e 1 i n e, „ Vulcan, a. d. Djalah. O u t a r d e, „ Bariolet, a. d. Falbala. Diane, „ Echeveau, a. d. Nazareth. F o r m o s a, „ R^ussi, a. d. Mayotte. G a 1 a t 6 e, „ Röussi, a. d. Idole. L a d y M a n t 0 n , geb. 1878, V e s t a 1 e. ?7 1879, Miller's Maid, n 1883, T 0 n d i n a, ■n 1885, Givre, 11 1887, S e g u i d i 1 1 a, )j 1888, N e r i s s a, )5 1888, I m p 0 s t r e s s. )) 189I, Royal G 1 a n c e, ,, 189I, Miss Mac Mahon, i n 1894, D e 1 i c a c y, 11 1895, — 259 — In dem zu Pompadour gehörenden Hengstendepot oder Landgestüt standen ferner im Jahre 1900 noch die Vollbluthengste: Tambour de Basque, v. Trent oder Beaurepaire, a. d. Turbulente; Fligny, v. Zut, a. d. Mademoiselle de Fligny; Champignol, v. Le Sancy, a. d. Chopine; Acoli, V, King Lud, a. d. Rome und Reussi, v. Flageolet, a. d. Regalia. Fig. 35. Angio-Arabische Vollblut-Stute des Gestütes Pompadour. (Siehe »Le Sport LTniversel Illustre«, Jahrgang 1900, Seite 228 — 230 und 245 — 249.) Nach dem Etat soll das Gestüt, wie bereits erwähnt worden, 60 Mutterstuten halten. Im Jahre 1903 waren daselbst vorhanden: 14 englische Vollblut-Stuten 22 arabische dto. 23 englisch-arabische dto. Summa: 59 Mutterstuten. Vom Jahre 1902 waren 34 lebende Füllen vorhanden und zwar: — 200 — 1. Hengst-Füllen: 4 arabisch Vollblut und 12 englisch-arabisch Vollblut ^16 2. Stut-Füllen: 4 arabisch Vollblut und 14 englisch-arabisch Vollblut =18 Summa . . 34. Ausserdem zwei mit der Mutter aus England eingeführte englische Vollblut-Stutfüllen. Diese Ziffern sind dem hochinteressanten Bericht des Herrn Land- stallmeisters Grabensee-Celle über seine zu Anfang des Jahres 1903 im Auftrage des Auswärtigen Amts gemachte Studienreise nach dem Westen und Süden Frankreichs entnommen. Derselbe Verfasser äussert sich wie folgt über seine in Pompadour gemachten Erfahrungen: »Die Aufgabe, englisch-arabische Vollblut-Hengste zu produzieren, die mit entsprechenden Stuten des Südens und Südwestens von Frank- reich gepaart, Kavalleriepferde erzeugen sollen, wird in Pompadour ge- löst, indem man 1. englische Vollblut-Stuten mit arabischen Vollblut-Hengsten oder 2. arabische Vollblut-Stuten mit englischen Vollblut-Hengsten oder 3. englisch-arabische Vollblut-Stuten mit englisch-arabischen Vollblut- Hengsten paart. Die beiden ersteren Arten der Paarung nennt man in Frankreich »Croisement«, die dritte Art der Paarung Ijezeichnet man mit »Selec- tion«. Zurzeit besteht eine grosse Meinungsverschiedenheit darüber, welche Art der Paarung die bessere sei. Sehr sachverständige Beamte der Gestütsverwaltung und viele erfahrene Züchter neigen mehr der »Selec- tion« zu, weil diese Art der Paarung sicherer in bezug auf Erzielung guter Körperformen sein soll. Diejenigen jedoch, welche die englisch- arabischen Vollblut-Pferde mehr zu den Rennen benützen wollen, ziehen »Croisement« vor und zwar sagte mir ein in der Nähe von Pan woh- nender Gentleman-Trainer, dass ihm solche Pferde für die Rennen am liebsten seien, die aus einer Paarung von englischen Vollblut-Hengsten mit arabischen Vollblut-Stuten entstanden seien. Zweifellos ist es sehr schwer zu sagen, was das Bessere ist und es erscheint mir üljerhaupt fraglich, ob man hierfür allgemein gültige Regeln aufstellen kann. Dass man auch in Pompadour, wo man so viel Gelegenheit hat, Beobach- tungen über vorstehendes Thema zu machen, noch nicht darüber klar — 201 — ist, geht daraus hervor, dass man dort in allen Jahrgängen Pferde sieht, die nach jeder der drei oben angegebenen Paarungsmethoden ent- standen sind. Die in Pompadour aufwachsenden Fohlen werden so aufgezogen, wie es bei den englischen Vollblut-Fohlen allgemein üblich ist. Von Jugend auf werden sie stark gefüttert und viel bewegt. Im Alter von 1^/4 Jahren werden sie in Training genommen. Sehr anstrengend ist der Training in dieser Zeit freilich noch nicht, da es sich mehr um anreiten (einbrechen) handelt und die Tiere darni wieder auf die Weide geschickt werden. Zwei- und dreijährig machen sie dann einen rich- tigen Training durch, doch schickt man sie nicht zu öffentlichen Rennen, probiert sie vielmehr zu Hause aus, wozu die vor dem Schlosse gelegene Rennbahn günstige Gelegenheit l)ietet. Nach dieser Probe werden die zuerst zur Zucht zu verwendenden vierjährigen Hengste und Stuten aus- gewählt und die übrigen Pferde des betreffenden Jahrganges im Oktober in öffentlicher Auktion verkauft. Am Tage nach der Versteigerung linden in Pompadour Rennen statt, darunter auch Flach-Rennen für Anglo-Araber und alle drei Jahre wird daselbst um einen Wanderpreis von 10 000 Francs gekämpft, der zwischen Pompadour, Pau und Mont de Marsan wandert. Die in Pompadour befindlichen Pferde zeichnen sich im allgemeinen durch Schönheit, schwunghaften Gang und ganz besonders durch vor- züglichen Schub in der Hinterhand aus. ]\Ian sieht bei ihnen meist einen schönen Kopf, gut geformten und gut getragenen Hals und trotz der Beimengung von arabischem Blut viele mit sehr gutem Widerrist und guter Schulter. Die Nierenpartie könnte öfter voller sein, doch lässt man sich bei der Beurteilung derselben sehr häufig durch hoch- stehende innere Darmbeinwinkel täuschen, w^odurch dieser Körperteil flach erscheint, namentlich wenn die Tiere weniger gut genährt sind. Kruppe und Hinterteil sind meist gut, doch selten hervorragend. Brust- tiefe und Rückenwölbung gut, Hinterrippen desgleichen. Vorderfüsse öfter etwas verstellt (meist nach aussen), doch gewöhnlich fest im Knie. Hinterbeine meist gut gestellt, die Sprunggelenke lassen jedoch nach unseren Ansprüchen in der Einschienung oft zu wünschen übrig. Über- haupt beurteilt man in Frankreich dieses Gelenk weniger streng als in Deutschland. Selbst bei deutlich abgesetzten Sprunggelenken heisst es nur, wenn keine Lahmheit vorhanden ist: nm peu osseux . Am meisten zu tadeln waren bei fast allen Pferden in Pompadour die — 202 — leichten Röhren, besonders vorne. Wie es hiess, enthält der Boden um Pompadour zu wenig Kalk, ein Mangel, dem man auch durch Kalk- düngung u. s. w. nur teilweise abhelfen kann.« So weit der erfahrene und gewissenhafte Beobachter, Landstall- meister Dr. Grabensee-Celle, dessen Urteil üljer den Anglo-i\raber in einem dieser Rasse gewidmeten Kapitel nicht fehlen durfte. Meine eigene Ansicht über die Produkte des Pompadourer Gestütes stimmt mit diesem Urteil vollkommen überein. Fasste ich dieselbe doch be- reits 1902 in der 4. Auflage meines »Buches vom Pferde« in folgenden Worten zusammen: »Die Pompadourer, die ich während der grossen internationalen Pariser Pferdeausstellung des Jahres 1900 zu Gesicht bekam, konnten mir keine besondere Bewunderung einflössen. Sie waren zwar alle sehr edel, aber auch bedenklich leicht in den Knochen.« Was die auch von Herrn Landstallmeister Grabensee gestreifte Frage der bei der Zucht von Anglo-Arabern mit sicherster Aussicht auf Erfolg zu verwendenden Blutmischung anbelangt, so lässt sich diese nicht mit einem für alle Fälle geltenden Rezept beantworten. Vom theoretischen, wie zootechnischen Stand[)unkt aus gesehen, müsste ja der Ang^lo-Araber stets das Produkt einer Paarungf zwischen einem englischen Vollblut- und einem arabischen Vollblut-Pferde sein. Es gibt aber noch andere Dosen der hier in Rede stehenden Blutmischung, die dem Produkte ebenfalls Anspruch auf die Bezeichnung »Vollblut« verleihen. So würde z. B. eine aus obiger Vollblutpaarung hervor- gegangene Stute mit einem arabischen Vollbluthengst ein Produkt erzeugen, das, falls die Natur immer streng nach mathematischen Regeln vorginge, 75 "/o arabisches und 25 ^'/o englisches Blut in seinen Adern haben müsste. Liesse man dacregren diese Stute von einem englischen Volll3luthengst decken, so erhielte man ein Produkt mit 75 ^/o englischem und 25^/0 arabischem Blut. Angenommen, dass dieses Produkt weiblichen Geschlechts wäre und mit einem Araber gepaart würde, bekäme das zu erwartende Fohlen 50^/0 von sowohl dem englischen, wie dem arabischen Blute u. s. w. ]\ht Bezug hierauf sei bemerkt, dass, wenn in Frankreich von einem Anglo- Araber gesagt wird, er habe 25 "/o oder 50^,0 u. s. w^, immer das arabische Blut ge- meint ist. Die Anhänger der 50 "/eigen Blutmischung behaupten, dass die besten Kavalleriepferde von so gezogenen Hengsten erzeugt würden. — 203 — die 2570 igen dagegen wegen ihrer zu grossen Ähnlichkeit mit dem englischen Blutpferde schon aus dem Grunde keinem züchterischen Be- dürfnisse entsprächen, weil man mit grösserem Vorteil statt ihrer gleich englisches Vollblut ziehen könnte. Hierauf wird von anderer Seite erwidert, dass, wenn man schneidige, flott galoppierende Kavalleriepferde produzieren wolle, man nur Stuten, aber nicht Hengste mit 50*^/(1 ver- wenden dürfe und erstere von englischen Vollbluthengsten decken lassen müsse. Es ist nun interessant, vom Grafen de Comminges (siehe dessen 1904 erschienenes Werk »Les Races de Chevaux de seile en France«) zu erfahren, dass die französische Gestütsverwaltung mehr 25*^/0 ige als 50°/oige Anglo-Araber ankauft, letztere aber teurer bezahlt. Nach einer Zusammenstellung des erwähnten Verfassers verhielt es sich hiermit wie folo^t: Jahr 50% Durchschnittliche Ankaufssiimme 25 7o Durchschnittliche Ank auf ssumm e Frcs. Frcs. 1902 5 7300 7 6214 I9OI 8 9625 14 8229 1900 3 7167 15 6234 1899 10 7950 17 6130 Dass die französischen Kavallerieoffiziere und Sportsmen diejenigen Anglo-Araber vorziehen, die dem englischen Vollblute am nächsten stehen, ist eine Tatsache, und ebenso kann es, wie auch Graf de Com- minges mit Nachdruck hervorhebt, nicht bezweifelt werden, dass die besten Vaterpferde anglo- arabischer Rasse das Produkt eines 25^/0 igen Hengstes und einer 257oigen Stute sind. Der famose Hengst Prisme, geb. 1890, V. Vignemale XX, a. d. Prima, v. Emir (arab.), einer der besten Anglo-i\raber, die je im Süden von Frankreich zur Zucht ver- wendet worden, war so gezogen. Prisme war ein gutes Rennpferd und die meisten seiner Nachkommen haben ebenfalls eine anständige Form auf der Bahn gezeigt. Ein Monopol der 25*^/0 igen scheint jedoch Renn- fähigkeit nicht zu sein, denn mehrere 50*'/oige Anglo-Araber stehen ihnen in dieser Beziehung keineswegs nach. Unter diesen sei hier in erster Reihe genannt der berühmte Wallach Auricula, geb. 1857, V. The Baron XX, a. d. importierten arabischen Stute Aella, der grosse — 264 — Triumphe auf der Hindernisbahn gefeiert, ferner Valerien, der nach Japan verkaufte Füret u. m. a. Die Mütter solcher hervorragend ge- laufenen Anglo-Araber waren zumeist ganz kleine Tiere. Die Mutter von Prisme z. B. mass nur 152 cm. Die im Süden von Frankreich gezogene anglo-arabische Vollblut-Stute ist überhaupt nie gross. Nur ganz ausnahmsweise überschreitet sie eine Widerristhöhe von 154 cm und die meisten sind gar nur 146 — 150 cm hoch. Das gleiche gilt von den aus dem Orient importierten arabischen Vollblutstuten. Die Erfahrung lehrt indessen, dass diese kleinen Stuten, von denen man annehmen könnte, dass sie von der Natur zur Produktion einer edlen Pony-Rasse bestimmt seien, mit englischen Vollbluthengsten gepaart, Pferde in der Grösse von 156 — 160 cm zur Welt bringen. Die auf der grossen internationalen Pferdeausstellung zu Paris im Jahre 1900 mit dem ersten Preis (goldene Medaille und 2000 Frcs.) ausgezeichnete anglo-arabische Vollblutstute Belle du Jour, geb. 1892, v. Castillon X X, a. d. Baronne, v. Israel (arab.), gibt eine gute Vorstellung von dem besten und stattlichsten anglo-arabischen Typus. Belle du Jours Wider- risthöhe war 160 cm. Es ist nicht wahrscheinlich, dass das Pompadourer Gestüt in der nächsten Zeit noch einmal der Vernichtung preisgegeben werden wird. In Frankreich ist jedoch alles möglich und die Tatsache, dass jeder in Pompadour aufgezogene Beschäler den Staat 15 000 Frcs. kostet, könnte wohl eines schönen Tages irgend einem unternehmungslustigen Parla- mentarier den gewünschten Anlass geben, sich als Schirmherr der »durch die Konkurrenz des Staates bedrohten Privatindustrie« hinzu- stellen. An Leuten, die bereit wären, da Beifall zu klatschen, könnte es nicht fehlen und käme der Stein einmal ins Rollen, läge es immer- hin im Bereiche der Möglichkeit, dass das schöne Gestüt von ihm hin- weggefegt würde. Es ist daher als ein grosses Glück zu betrachten, dass der ganze französische Süden mit eifersüchtiger Liebe über Pom- padours Geschick wacht. So leicht wie Anno dazumal wird er sich also diesen Schatz gewiss nicht rauben lassen. Die meisten anglo-arabischen Vollblutstuten kommen in den Depar- tements Hautes-Pyrenees und Basses-Pyrenees vor; weniger zahlreich sind sie in den Departements Haute-Garonne und Gers. Wie aus mir vorliegenden offiziellen Berichten der französischen Gestütsverwaltung zu ersehen ist, wurden im Jahre 1900 1022 anglo- arabische Vollblutstuten von Hengsten folgender Gattung belegt: - 265 - Von englischen Vollbluthengsten 293, „ arabischen „ 180, ,, anglo-arabischen ,, 371, ,, Halbbluthengsten 178. Als die bekanntesten und erfolgreichsten Züchter anglo-arabischer Pferde sind zu bezeichnen : die Herren Louis Juge, Mons, par Caussens (Gers); Fourcade-Peyraube, Tarbes (Hautes-Pyrenees); Henry de Fournas, Chäteau de Serres, bei Carcassonne (Aude); Gustave Ducos, Gavau (Hautes-Pyrenees); F. de Bazignan, Chäteau de Bazignan, per Ligardes (Gers); Baron de Nexon ( Haute- Vienne); Louis de Neuville, Chäteau de Combas, bei Vieq (Haute- Vienne) ; M. Ayral, Bagneres-de-Bigorre ; M. Viguerie, Toulouse ; M. de Sainte-Jayme, Saint-Palais (Basses-Pyrenees) ; M. Dubois-Godin, Puech-del-Sol (Aveyron); M, Prevot, Billiers, bei Pau (Basses-Pyrenees); Dr. Sempe (Tarbes); Marquis de Campaigno (Haute- Garonne); E. Toucet (Laloubere) u. s. w. Mit Recht beklagen sich diese Züchter darüber, dass ihnen im Ver- gleich mit den Züchtern von englischem Vollblut so wenig Gelegenheit geboten wird, einen Teil ihrer Kosten auf der Rennbahn hereinzu- bringen. An Rennpreisen werden nämlich vom Ackerbauministerium nur 24 300 Frcs. für Anglo-Araber ausgesetzt und zwar gelangt dieser Betrag in zwei Preisen zu je 12 150 Frcs. zur Verteilung, wobei sich die Gestütsverwaltung das Recht vorbehält, die jeweiligen Sieger zum Preise von 20000 Frcs. für die Staatspferdezuchtanstalten anzukaufen. Ausser- dem gibt es 21 Flach-Rennen, die nur für anglo-arabisches Vollblut offen stehen und von der » S o c i e t e d' e n c o u r a g e m e n t « (französischer Jokeyklub) mit im ganzen 50000 Frcs. dotiert sind. Hiervon erhalten die 25 7oigen Anglo-Araber 25000 Frcs. und die 5o7oigen bezw. die dem Vollblut- Araber noch näherstehenden ebenfalls 25000 Frcs. In Anbetracht des Umstandes, dass der Anglo-Araber der franzö- sischen Armee vorzügliche Kriegspferde liefert und überall, wo er einer ernsten Leistungsprüfung unterzogen wurde, den an ihn gestellten Forderungen in vollstem Masse entsprochen hat, würde es sich, dünkt mir, wohl empfehlen, die Zucht dieser speziell für französische Verhält- nisse überaus wertvollen Rasse etwas kräftiger zu unterstützen. Pompa- dour allein vermag dem Lande nicht die benötigte Anzahl von Repro- duktoren zu liefern; die Privatzucht aber muss bei guter Laune erhalten werden, wenn sie nicht die Lust verlieren soll, weiter mitzutun. — 266 — InRussland wird ebenfalls anglo-arabische Vollblutzucht betrieben. In dem Graf Rostopschinschen Gestüte Annenkovo begann man sogar schon im Jahre 1815 englische Vollblutstuten von importierten arabischen Hengsten decken zu lassen. Dem Grafen Rostopschin gelang es auch mit Benützung des von seinem Zeitgenossen Grafen Orlow zu Khrä- novoe gezüchteten anglo-arabischen Reitpferdestammes und fortgesetzter Beimischung orientalischen und englischen Blutes ein kleines hochedles und elegantes Reitpferd — den sogenannten Orlow-Rostopschiner — zu produzieren (s. Fig. 36). Einen Zweig dieser Rasse gründete sodann noch Graf Orlow mit hervorragendem arabischen Material. Im Jahre 1845 gingen Khränovoe und das Gestüt Annenskoe des Grafen Rostopschin in den Besitz des russischen Staates über und wurden die Produkte der letzteren Zuchtstätte kurze Zeit darauf nach Khränovoe transferiert. Daher der Name Orlow-Rostopschin. Gegenwärtig wird dieser Schlag in den Staatsgestüten Derkoulj und Limarew, sowie auch vom Gross- fürsten Dimitri in dessen Privatgestüt Dombrovo, Gouvernement Poltawa, gezüchtet. Ob wirklich authentisches anglo-arabisches Vollblut unter den Orlow-Rostopschiner Reitpferden vertreten ist, dürfte sich schwer feststellen lassen. Ich kann nur konstatieren, dass kein einziges der in Paris auf der grossen internationalen Pferdeschau 1900 ausgestellten Exemplare im Katalog als »Vollblut« bezeichnet worden war. Über die Herkunft der einzelnen Individuen war nichts anderes zu erfahren, als dass Vater und Mutter des betreffenden Tieres Orlow-Rostopschiner seien. Was mich betrifft, habe ich diesem Schlage keinen rechten Ge- schmack abgewinnen können. Seine Gurtentiefe und Schulterlage lassen in der Reorel recht viel zu wünschen übrig, der Rücken ist meist zu lang, die Gänge haben nichts Imponierendes und von hinten gesehen macht das ganze Pferd den Eindruck, ziemlich schmal zu sein. Ein ungemein bestechender Gaul bleibt aber der Orlow-Rostopschiner trotz- dem und in der Zirkusarena wird er stets grossartige Triumphe feiern. Der Leiter des Königl. Ungarischen Gestütswesen, Ministerialrat V. Lossonczy, der dem Gestüte Limarew im Jahre 1900 einen Besuch abgestattet hat, scheint von den dortigen Produkten ebenfalls nicht sehr entzückt gewesen zu sein. Er schreibt nämlich im »Vadasz es Ver- senylap«: »In Limarew befinden sich derzeit 60 reinblütige, sogenannte Orlow-Rostopschiner Stuten und 20 solche Hengste. Unter den Stuten gibt es jedoch viele gekaufte, an denen der Charakter dieser Rasse nicht genug ausgeprägt erscheint. Im Gestüt wird jetzt ein regelmässiges — 267 — Mutterstutenbuch geführt.*) Die Pferde sind 162— 168 cm gross**), mit schönem, edlem Kopf, Schwanenhals, kurzen (?) Rippen, überhaupt von sehr gefälligem Exterieur, machen jedoch einen weichen Eindruck. Die abgesetzten Fohlen sahen sehr schwach aus. In Derkulj befinden sich 48 englische Vollblut- und 50 arabische, teils Voll-, teils Halbblutstuten ^^^;^vW"^' Fig. 36. Reiti^ferd der Orlow-Rostopschiner Rasse. und es ist geplant, den Stand der arabischen Vollblut-Mutterstuten auf 50 zu erhöhen. Als Stammhengste stehen dem Gestüt 8 englische Vollblut- und 6 original-arabische Vollbluthengste zur Verfüguno-. \'on den engHschen Vollblutprodukten des Gestüts kommen 20 alljährlich in Training, um in den Farben des Staatsgestüts auf der Bahn aus- probiert zu werden; das Plus wird an Private verkauft.« Captain M. H. Hayes, der bekannte hippologische Schriftsteller, gehörte ebenfalls nicht zu den Bewunderern des russischen Ancrlo- *) Scheint also früher nicht der Fall gewesen zu sein. Anni. d. Verfassers. **) Die in Paris ausgestellten Exemplare massen 155 — 16S cm. — 268 — Arabers. Dies erhellt unter anderem aus folgenden Zeilen, die in seinem 1900 veröifentlichten Werke »Among Horses in Russia« vor- kommen: »The Orlowo-Rostopchin saddle horses at Dou- brovka did not please me; for they were essentially light harness animals. I would not call a horse a saddle horse, let alone a hunter^ unless he had a long, flat, oblique Shoulders, light fore hand, blood legs with plenty of bone, and strong hocks.« (»Die Orlow-Rostopschiner Reitpferde in Doubrovka gefielen mir nicht, denn sie sind unbedingt leichter Wagen- schlag. Ich wenigstens könnte kein Pferd als Reitschlag und noch weniger als Jagdpferd bezeichnen, wenn es nicht lange, flache, schräg gelagerte Schultern, eine leichte Vorhand, edel geformte Gliedmassen mit viel Knochen und starke Sprunggelenke aufzuweisen vermöchte.«) In Österreich-Ungarn besteht nirgends eine systematische und im grösseren betriebene anglo-arabische Vollblutzucht. Auch der preussische Staat, der auf speziellen Wunsch des Kaisers seit einer Reihe von Jahren im Zucht-Gestüt bei Neustadt a. D. Ver- suche mit der Zucht von Anglo-Arabern vornimmt, hat meines Wissens noch kein Vollblut dieser Gattung gezogen. Der aus dem königlichen ungarischen Gestüte Bäbolna stammende Araber J. O'Bajan hat während seiner Tätigkeit in Neustadt allerdings drei Landbeschäler ge- liefert, nämlich: Nachtwandler, a. d. Nachtwandlerin, Eiszapfen, a. d. Eisblume, und Gerolstein, a. d. Geheimrätin — doch da er selbst nur auf väterlicher Seite reines Wüstenblut geerbt, hätte er auch mit einer englischen Oaks-Siegerin kein Vollblut erzeugen können. Die preussische Gestütsverwaltung verfügte im Monate Januar 1906 über- haupt nur über zwei anglo-arabische Vollblutbeschäler, nämlich den in Kosel aufgestellten Jakitaki, v. Montrose XX, a. d. Kryda o X, und den 1905 in Frankreich für Trakehnen angekauften Sylvio, geb. 1901, V. Melchior XX, a. d. Syona. Recht ernst scheint es dem Grafen Lehndorfl' mit der Zucht von Anglo-Arabern also nicht zu sein. Interessant ist übrigens, dass der Berliner Union-Klub am 5. Februar beschlossen hat, dass Anglo-Araber wie auch Araber-Hengste als Halb- blut zu gelten haben, daher auch ihre Produkte aus Vollblutstuten als Halbblut gelten und die entsprechenden Vergünstigungen in Rennen gemessen. — 269 — 3. Das Halbblut. Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass, streng genommen, nur solche Pferde Anspruch auf die Benennung »Halbblut« haben, die aus einer direkten Kreuzung des Vollblutes mit minder edlem Blute hervor- gegangen. Der Sprachgebrauch hat jedoch dem Begriffe »Halbblut« eine weit lil^eralere Deutung gegeben, so dass man heutzutage gemeinhin jedes zwischen dem Vollblut und den kaltl)lütigen Schlägen stehende Pferd »Halbblut« nennt. Ein Halbblutpferd kann also dem Vollblut so nahe stehen, dass es nur durch eine konventionelle Theorie von diesem getrennt erscheint — ich erinnere mit Bezug hierauf an den berühmten Hengst C o 1 o n e 1 , der zweimal den Sieg in der grossen Liverpool- Steeple-Chase davontrug, an Clorane, Newdiaven, New-Ostwestry, Royal George, Prince Royal u. a. vorzügliche Rennpferde — kann aber auch ziemlich tief in der Rangordnung des Pferdegeschlechts rangieren. Ganz ungerechtfertigt erscheinen mir die Bezeichnungen ^/4, ■^/s, ^^/i6 u. s. w. Blut, denn wer würde behaupten wollen, dass die Ver- erbung in der mathematischen Progression von statten geht, die dieser Klassifikation als Basis gedient hat? In den Ländern, wo offizielle Gestütsbücher für die warmblütigen Schläge geführt werden, lässt sich der Begriff »Halbblut« in sehr ein- facher Weise präzisieren. Dort ist jedes Pferd Halbblut, dessen Eltern Aufnahme in dem Gestütsbuch des betreffenden Schlages gefunden hat. Wo derartige Zuchtregister fehlen, wird es heissen müssen: Halbblut ist jedes Pferd, das nachweisbar aus einer Zucht hervorgegangen, die mit warmblütigem Material betrieben wird, aber keinen Anspruch auf die Bezeichnung Volll)lut erheben kann. Bei der Schilderung der einzelnen Halbblutrassen werde ich diese der besseren Übersicht wegen, nach ihrer Heimat geordnet, Revue passieren lassen. Ich beginne also mit den zum Halbblut gehörenden englischen Rassen. Die enoflischen Halbblut-Rassen und -Schlägre. Von allen in Grossbritannien gezogenen halbblütigen Schlägen ist das Jagdpferd — der »Hunter« — unzweifelhaft nicht nur das be- kannteste, sondern auch das auf dem Kontinent am meisten geschätzte und bewunderte. Trotzdem wird sogar in Züchter-Kreisen noch viel- fach von einer Hunter-Rasse gesprochen. Ich halte es daher für zweck- — 270 — massig, gleich anfangs zu bemerken, dass es eine solche einfach nicht gibt. Der Himter ist sozusagen nur ein Zufallsprodukt und unzählige sind die Rezepte, nach welchen in England der Versuch gemacht wird, Jagdpferde für verschiedene Zwecke zu produzieren. Wer kein schweres Gewicht in den Sattel bringt und in den besten Jagddistrikten, wie The Shires, The Vale of Aylesbur\' etc., eine gute Rolle im Felde spielen will, muss sich auf Vollblut beritten machen, denn hier gilt es vor allem zu beweisen , ob Schneid beim Reiter und Schnelligkeit ge- paart mit guter Kondition beim Pferde vorhanden. Es gibt aber un- endlich viele Herren , die gar nicht daran denken können , den Sport des Jagdreitens auf einem VollJjlutpferde zu betreiben. Da haben wir zuerst den wohlgenährten , schwerreichen Börsen-Magnaten , dem der Sport nur ein Mittel ist. Umfang und Gewicht seiner imposanten körper- lichen Hülle womöglich etwas zu reduzieren, jedenfalls aber innerhalb gewisser Grenzen zu halten, mit guten Freunden und Bekannten zu- sammentreffen und sich Appetit zum Diner zu holen. Herren dieser Kategorie ist es gar nicht darum zu tun, viel zu galoppieren oder gar schwere Hindernisse zu nehmen. Von ihren Pferden verlangen sie daher auch nur ein stattliches Exterieur, die Fähigkeit, hohes Gewicht zu tragen, sanfte Bewegungen und last not least tadellose Manieren. Pferde, die diesen Anforderungen entsprechen, hndet man, allerdings zu ungemütlich hohen Preisen , in London stets bei den fashionablen Händlern des West-Ends. Derartige Tiere sind in der Regel das Pro- dukt einer Kreuzung zwischen einer Karrossier-Stute oder auch einer gängigen Kaltblüterin und einem zur Halbblutzucht verwendeten Voll- bluthengst. In diesem Falle ist also der Hunter tatsächlich ein Halb- blutpferd in der strengsten Bedeutung des Wortes. Es gibt aber auch Herren, die trotz ihres mit jedem Jahre zunehmenden Gewichts nicht auf das hinreissende Vergnügen verzichten wollen, in einem aus er- fahrenen, vorzüglichen berittenen Reitern bestehenden Felde die Führung zu übernehmen und bis zum Halali beizubehalten. Das sind beklagens- werte Leute, besonders wenn sie nicht über ein sehr grosses Porte- monnaie verfügen, denn Gewichtsträger, die eine gute Pace halten und auch im Springen etwas leisten können, gehören zu den Seltenheiten; teuer und zwar sehr teuer sind sie immer. An Rezepten, wie solche Ideal-Hunters am sichersten zu produ- zieren seien, fehlt es indessen, wie bereits erwähnt, nicht. Der ver- storbene Herzog von Beaufort, der in allem, was die Zucht und das — 271 — Jagdreiten betrifift, mit Recht als eine Autorität ersten Ranges angesehen wurde, schrieb hierüber: »Meiner eigenen Erfahrung nach fehlt es der Nachzucht immer an Schnelligkeit, wenn die Stute nicht edel ist. Ich sehe am liebsten, dass sowohl der Hengst wie auch die Stute hoch im Blute stehen ; eine edle Stute und ein unedler Hengst werden aber eine schnellere Nachzucht erzeugen als von einem Vollbluthengste und einer unedlen Stute erwartet werden kann.« Derselben Ansicht waren sowohl der bekannte Londoner Pferdehändler Bob Chapman, durch dessen Hände gewiss viele tausend Hunters gegangen, wie auch der verstorbene Trainer -Veteran Thomas Coleman. Chapman erklärte, dass die zwei besten Jagdpferde, die er je besessen, Produkte eines keineswegs hoch im Blute stehenden Halbbluthengstes und einer Vollblutstute gewesen seien, und in Colemans von einer englischen Zeitschrift veröffentlichten »Denkwürdigkeiten« kommen folgende Zeilen vor: »Eine ausgezeichnete Methode ist es, auf den Hengst des Ackerschlages zurückzugreifen. Dieser darf jedoch nicht ein gemeiner Gaul mit hängenden Rippen und viel Haar an den Beinen sein, sondern ist unter kurzbeinigen, energischen und gängigen Exemplaren zu suchen. Besonderes Gewicht lege man auf einen edlen Kopf. Schickt man Vollblut oder hochveredelte Stuten zu einem solchen Hengst, so erhält man sicher ein zum täglichen Gebrauch oder zum Kavalleriedienst taugliches Produkt. Der Hensfst des Acker- Schlages vererbt gesunde, offene Hufe, kurze stramme Beine, eine starke Konstitution und ein gutes Temperament; Energie, Blut, Schnelligkeit und Gewandtheit erhalten wir von der Stute. Ich habe selbst, nur des Experimentes wegen , auf der Lilly Hoo Farm eine kleine edle Stute von einem gelungenen Ackerhengst decken lassen; das Produkt dieser Paarung war ein Jagdpferd, das auf der Jagd seine 113V2 Kilo tragen konnte. Im Springen leistete das Tier geradezu Wunderbares und selbst wenn es von früh bis in die Nacht gehen musste, tat es nie einen Fehltritt.« Dass sich mit derartigen Kreuzungen dann und wann ein gutes Gebrauchspferd erzielen lässt, bezweifle ich keinen Augenblick. Da- gegen halte ich es für absolut ausgeschlossen, dass man auf diesem Wege je zur Bildung einer konstanten Rasse von Jagdi)ferden mit dem gewünschten fixierten Typus gelangen könnte; dazu ist das Element der Unsicherheit, das ein beliebiger Kaltblüter oder ein Hengst un- bekannter Herkunft in die Zucht hineintragen würde, denn doch zu gross. Jeder erfahrene Reiter wird ausserdem bestätigen, dass ein Pferd, — 272 — in dessen Adern viel Kaltblut fliesst, selten oder nie die Fähigkeit be- sitzt, einen Galopp von 30 Minuten hinter der auf heisser Fährte jagenden Meute auszuhalten. Je mehr aber einem solchen Gaul der Dampf ausgeht, desto gefährhcher wird er für seinen Reiter, denn es besteht die grösste Wahrscheinlichkeit, dass er beim nächsten Hindernis kopfüber gehen wird und »when he falls, he falls like Lucifer«. Die Aussichten eines schweren Reiters, nach solchem Sturz mit heilen Knochen wieder auf die Beine zu kommen, sind erfahrungsgemäss ver- schwindend klein. Ich bin daher der festen Überzeugung, dass auch von dem bei der Hunter-Zucht benützten Hengste mit Bezug auf Typus, Herkunft und Leistungsfähigkeit gewisse Garantien für eine in ge- wünschter Richtung wirkende Vererbungskraft gefordert werden müssen. In England wird jetzt ziemlich allgemein zugegeben, dass Voll- blut-Hengste — auch solche der schwersten Gattung — sich nicht zur Produktion von Gewichtsträgern des Hunter-Typus eignen. Die Nach- zucht fällt immer zu leicht aus; um so leichter, je edler die Stute war. Der Hunter-Hengst muss wie ein Hunter aussehen, selbst ein Gewichts- träger sein und womöglich Hunter-Blut in seinen Adern haben. Hengste dieses Schlages werden seit ungefähr zehn Jahren von der 1885 ge- gründeten »Hunter's Improvement Society« in das »Hunter Stud- Book« eingetragen und hierdurch den Züchtern zur Benützung empfohlen. Selbstverständlich finden auch zur Hunter-Zucht qualifizierte Stuten und Stutfohlen Aufnahme in diesem Gestütsbuch, von welchem bisher zwei Bände erschienen sind. Der 1906 erschienene zweite Band (elfter der Serie) enthält die Pedigrees von 24 Hengsten und 241 Stuten bezw. Stutfohlen. Berechtigt zur Aufnahme in das Stud-Book sind Hengste, deren »soundness« (Freisein von Erbfehlern) mittelst tier- ärztlichen Zertifikats bescheinigt worden: Wenn sie ein nach dem Reglement des Jockey-Klubs oder des Grand National Hunt Committees abgehaltenes Rennen gewonnen haben. Wenn, falls sie Halbblut sind, der betreftende Halbbluthengst derartige Rennen gewonnen oder Sieger in diesen Konkurrenzen erzeugt hat. Wenn in ihrem Pedigree bis zur dritten Generation hinauf vier Vollblüter vorkommen. Dem Vollblute gleichwertig sind hier die- jenigen Hengste, die als »Hunt er Stallions« eingetragen worden N b/} g n 11 5(i V Fl 'i! <ü n ü a r^ ^; Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. l8 — 274 — sind. Die vier Mütter aber müssen eingetragene »Hunt er Mar es« sein. Gefordert wird also folgendes Pedigree: Vater: Vollbluthengst. Mutter: Eingetragene, von einem Vollbluthengst erzeugte Stute. Grossmutter: Eingetragene, von einem Vollbluthengst er- zeugte Stute. Urgrossmutter: Eingetragene, von einem Vollbluthengst er- zeugte Stute. Ur urgrossmutter: Eingetragene Stute. Stuten können eingetragen werden: Wenn sie auf einer anerkannten Schau des britischen König- reichs einen Preis in der Hunter-Klasse erhalten und einen Voll- blut- oder eingetragenen Hunter-Hengst zum Vater haben. Wenn sie, tierärztlich gesund erklärt und von einem Hengste obengenannter Gattung erzeugt, ein ebenso gezogenes Produkt gebracht, das die silberne Medaille der Hunter's Improvement Society oder erste Preise bei anerkannten Hunter-Schauen ge- wonnen haben. Wenn sie die goldene Medaille der Hunter's hnprovement Society oder einen Preis derselben Gesellschaft oder einen Preis auf der »Royal Dublin society's show« erhalten haben, und zwar müssen obige Auszeichnungen als Jährling oder in einer höheren Alters- klasse erworben worden sein. Wenn sie das Produkt der Paarung eines Vollblut- oder ein- getragenen Hunter-Hengstes mit einer eingetragenen Hunter-Stute sind. Wenn sie ein nach den Jockey-Klub Rules oder National Hunt Rules abgehaltenes Rennen, Point-to-Point-Rennen mit eingerechnet, gewonnen haben. Wenn, falls sie Halbblut sind, die betreffende Halbblut-Stute derartige Rennen gewonnen oder Sieger in diesen Konkurrenzen gebracht hat. Wenn sie von zwei durch den Vorstand der Hunter's hiiprovement Society erwählten Mitgliedern dieser Gesellschaft als zur Halbblut- oder Hunter -Zucht oreeio-net befunden wurden und mindestens 154 cm hoch sind. — 275 — Selbstverständlich brauchen die behufs Eintragung in das Hunter Stud-Book angemeldeten Pferde nicht allen, sondern nur einer oder mehrerer der obengenannten Anforderungen zu entsprechen. Diese Bestimmungen enthalten unzweifelhaft die Grundlage zu einer systematischen Hunter-Zucht. Erfreulicherweise scheint das auch die Ansicht der hervorragendsten englischen Züchter dieses Pferde- schlags zu sein. So schreibt z. B. der bekannte Züchter und produktive hippologische Schriftsteller Sir Walter Gilbey, Bart., Elsenham Hall, Essex , in seiner Broschüre »Hunter Sires, suggestions for breeding hunters, troopers and general-purpose horses«: »Der beste Rat, der überhaupt gegeben werden kann, lautet: Züchtet von einem Hengste, der nicht Vollblut ist und einen Strom von Hunter-Blut in seinem Pedigree hat; oder wählt einen Vollbluthengst, der das Ex- terieur eines Hunters besitzt und einen Reiter im Gewichte von 90 Kilo hinter den Hunden zu tragen vermag. Wird ein solcher Hengst mit einer Hunterstute von bekannter Herkunft — einer, die ebenfalls nicht weniger als 90 Kilo im Jagdfelde getragen, Jagd- oder Point-to-Point- Rennen gewonnen oder Preise auf den Frühjahrs-Schauen der Hunter's Improvement Society erhalten hat — gepaart, dann wird die aus einer derartigen Paarung hervorgehende Nachzucht das Stamm-Material zur Produktion von Gewichtsträgern des rechten Jagdpferde-Tvpus ab- geben.« Wir wissen also nun, wie ein Hunter gezogen sein soll. Damit ist aber bei weitem nicht alles gesagt. Ein und derselbe Huntertvpus passt nämlich nicht überall, wo Jagd geritten wird. Wer z. B. an den fashionablen Jagden in den Shires teilnimmt, braucht Pferde in der Grösse von 162 cm, die auf väterlicher Seite direkt von Vollblut ab- stammen und auf mütterlicher mindestens zwei erstklassige Vollblut- linien aufweisen können. Diese Pferde müssen sich ausserdem durch ein energisches Temperament, grosse Ausdauer, tadellose Atmungs- organe, stählerne Gliedmassen, gesunden Appetit, bedeutendes Spring- vermögen, eine elastische, weit ausgreifende Galoppaktion und wo- möglich auch durch ein elegantes Exterieur auszeichnen. Mit dem gemeinsamen Namen »The Shires« bezeichnet man geographisch die drei Landschaften Leicestershire , Rutlandshire und Northamptonshire. Diese geographische Begrenzung gibt aber keine richtige Vorstellung von dem Umfange der Shires. Ein grosser Teil des Reviers, das zur Verfügung der famosen Belvoir-Meute steht, liegt - 276 - z. B. in Lincolnshire und unzweifelhaft werden auch die Meuten von Warwdckshire , die häufig in Northamptonshire jagen, zu den Shire- Meuten gezählt werden müssen. Die einzig richtige Definition des Be- griffes »The Shires« ist daher vom Standpunkte des Jagdreiters die- jenige, die im Kapitel »Hunting« der vom Herzog von Beaufort herausgegebenen »Badminton Library« vorkommt und folgender- massen lautet: »Mit »The Shires« meint man das Terrain, auf welchem Fuchsjagden mit folgenden Meuten abgehalten werden: die Belvoir-, die Cottesmore- und die Ouorn-Meuten , Sir Bache Cunards und die Pytchley-Hunde mit eingerechnet. So ist es durch ein ungeschriebenes uraltes Gesetz bestimmt worden.« Während dieser Jagden bilden die Städtchen Melton Mowbra}^, Rugby und Market Harborough die Haupt- quartiere solcher Sportsmen, die in der Lage sind, sich dort mit wenigstens einem halben Dutzend auserlesener Jagdpferde und dem dazu gehörenden Train einzufinden. Dass dies ein Heidengeld kostet, liegt auf der Hand. Wer nicht Millionär ist oder kein Talent zum Schuldenmachen hat, wird also gut tun, dem Sport des Jagdreitens in weniger fashionablen Gegenden zu huldigen. Als solche wären zu nennen: Essex, Hertford- shire, Bedfordshire , Cambridgeshire , Norfolk oder Sufifolk. Hier gibt es keine ausgedehnten Grasflächen, welche die Schnelligkeit und Aus- dauer des Pferdes auf eine harte Probe stellen, sondern hat das Terrain nahezu überall zahlreiche Gräben und Erdwälle aufzuweisen , wodurch die Face naturgemäss in bescheideneren Grenzen gehalten wird. Das in diesen Gegenden zur Verwendung gelangende Pferd braucht daher weder so edel noch so gross wie der für die Shires passende Hunter zu sein. Ein strammer Gaul in der Höhe von ca. 154 cm mit starkem Rücken, vorzüglichen Sprunggelenken, viel Schneid und Gewandtheit wird in jenen » d i t c h - a n d b a n k c o u n t r i e s« allen Anforderungen genügen. In Yorkshire, wo Acker und Weide miteinander abwechseln, sind beim Jagdreiten weite Gräben, hohe Hecken und feste Bretterzäune zu überwinden. Hier braucht man also wiederum ein ziemlich grosses und schnelles Pferd, das nicht vor einem ernsten Hindernis zurück- schreckt. Hat man nicht ein solches Tier zu seiner Verfügung, wird man wenig von den Hunden der Braham Moor-, York und Ainsty-, Badsworth-, Lord Middleton-, Holderness- oder Bedale-Meuten zu sehen bekommen. Fig. 38. Modernes englisches Jagdpferd. — 278 — In Wales oder im westlichen England dagegen kann man ein grosses Pferd gar nicht verwenden. Wer in dem dortigen stark kupierten Terrain mit den zahlreichen hohen Erdwällen dicht hinter den Hunden bleiben will, benötigt ein hochedles, aber kleines und kurzbeiniges Pferd mit mustergültiger Nachhand , strammem Rücken , weiten Hüften , gut gelagerten Schultern , widerstandsfähigen Extremitäten , vorzüglicher Aktion, kerngesunden Atmungsorganen und katzenartiger Gewandtheit. Obwohl also die Anforderungen an ein Jagdpferd des rechten Schlages in ganz England keineswegs dieselben sind, geht doch aus obiger kurzer Schilderung der erforderlichen verschiedenartigen Typen klar hervor, dass sich diese sehr w^ohl innerhalb des von der Hunter's Improvement Society aufgestellten Rahmens erzeugen lassen. Eine Klasse für sich bildet das irländische Jagdpferd. Zunächst sei bemerkt, dass Irland mit seinem milden Klima und kalkhaltigen Boden sich mehr als irgend ein anderer Bestandteil des britischen Königreichs zur Zucht von edlen Pferden eignet, ja vielleicht in dieser Beziehung in ganz Europa unübertroffen dasteht. Infolge dieser ausser- ordentlich günstigen lokalen Verhältnisse hat denn auch das irländische Pferd von jeher den Ruf eines ungemein leistungsfähigen Tieres ge- nossen. In den letzten 50 — 60 Jahren ist es jedoch hauptsächlich der irländische Hunter für Schwergewicht gewesen, der Käufer aus allen Weltteilen nach der >grünen Insel« gelockt hat. Es war und ist eben die Ansicht aller Sachverständigen, dass die irländischen Jagdpferde den englischen im Springen überlegen sind. Man braucht sich nicht lange in Irland umzusehen, um zu der Überzeugung zu gelangen, dass diese Superiorität tatsächlich vorhanden sein m u s s , denn in einem Lande, wo die Weiden überall mit unheimlich hohen Erdwällen eingefriedigt sind, wird dem Pferde das Springen von frühester Jugend auf anerzogen. In den meisten Gegenden, ganz besonders aber in den Grafschaften Roscommon und Connemara, bezieht die Stute mit ihrem Fohlen aus- gedehnte Weidegründe, deren einzelne Abteilungen nicht durch Gatter- tore, sondern durch Erdwälle und Gräben voneinander getrennt sind. Empfindet nun die Stute das Bedürfnis, sich im nächsten Felde besseres Futter zu verschaffen, so muss sie, gefolgt von ihrem Fohlen, springen, und zwar ordentlich springen. Wie weit und tief der jenseits des hohen Walles gezogene Graben ist, entzieht sich gänzlich ihrer Beurteilung. Deshalb nimmt sie auch das Hindernis nicht »flying«, sondern mit einer kurzen Pause zwischen dem Hoch- und Absprung, also ungefähr — 279 — wie ein Hund über den Wall sj)i-in(ren würde. Sollte der Tiefsi)runo^ ein oder das andere Mal absolut nicht ausführbar erscheinen, so wird auf dem Kamme des Erdwalles kurz Kehrt gemacht und an anderer Stelle ein besserer Übergang gesucht. Diesen Stil eignet sich das Fcjhlen natürlich sehr bald ebenfalls an und geht dann die fröhliche Jagd in schärfster Pace über alle Wälle und Gräben von einem Felde zum andern. Auf diese Art gewinnt das junge Tier, lange bevor ihm der Sattel aufgelegt wird, Vertrauen zu seiner eigenen Kraft; »es lernt beim Springen nicht nur seine Schultern und Füsse, sondern auch seinen Kopf gebrauchen«. Später, d. h. wenn es 2 — 3 Jahre alt geworden, wird es von seinem Besitzer an der Longe über alle möglichen Hinder- nisse geführt. Dass das irländische Pferd in schwierigem Terrain besser zu Hause ist als das englische, kann daher nicht wundernehmen. Dagegen glänzt letzteres, wie bereits erwähnt, mehr auf den endlosen Grasfeldern, die einen charakterischen Bestandteil der landschaftlichen Bilder in den besten englischen Jagddistrikten ausmachen. Wir dürfen auch nicht übersehen, dass der an den festen kalkhaltigen Boden seiner Heimat gewöhnte Irländer, wie der verstorbene Major Whyte Melville mit Recht hervorhob, anfangs keinen besonderen Gefallen an dem weichen Gras- boden des englischen Jagdterrains finden kann. Was Adel, anbelangt, stand der irländische Hunter früher eher über als unter seinem englischen Konkurrenten. Seitdem aber zuerst Suffolk-Pferde und in jüngster Zeit auch Vertreter der Clydesdale-Rasse ihren Weg nach der grünen Insel gefunden haben, ist beim Irländer kein Vorzug in dieser Richtung mehr wahrzunehmen. Kaltblutzucht wird allerdings in Irland so gut wie gar nicht betrieben, dagegen unter- liegt es leider keinem Zweifel, dass man dort die vorhandenen zahl- reichen Shire- und Clydesdale- Hengste dazu benützt, dem leichten drahtigen Stutenstamme des alten Schlages stattlichere Grösse und Substanz zu verleihen. Wie aus dem betreffenden Berichte des irländischen Ackerbau- Departements hervorgeht, deckten im Jahre 1903 nicht weniger als 2460 Hengste in Irland. Von diesen waren: 622 englisches, im General Stud-Book eingetragenes Volllilut. 561 sogenanntes Halbblut, deren zum Teil auf Vt)llblut zurück- zuführenden Pedigrees bis zu einem gewissen Grade als vollkommen authentisch bezeichnet werden konnten. — 28o — 491 sogenannte Ackerbau-Hengste, deren Mehrzahl nicht aus einer Kreuzung mit Vollblut hervorgegangen, aber in vielen Generationen mit Halbblut gekreuzt worden waren und einen strammen, gängigen Schlag darstellten. 116 Hackneys. 113 Shires. 371 Clydesdales. 146 »andere Hengste«; vermutlich eine Mischung der beiden zuletzt genannten Rassen. Von den oben genannten 622 Vollbluthengsten dürften 62 nur zur Vollblutzucht verwendet worden sein. Schon wegen des hohen Deck- geldes hätte der kleinere Züchter ihnen keine Stuten zuteilen können. Es verblieben also 600 Vollblut- und 1052 mehr oder weniger veredelte Hengste für die Zwecke der irländischen Hunterzucht, der es sicher zum Vorteil gereicht hätte, wenn die ganze üljrige Schar nie für sie in Anspruch genommen worden wäre. Unter den Vollbluthengsten, die in Irland zur Zucht Ijenützt worden sind, verdienen genannt zu werden: M a g p i e, geb. 1834, v. Y. Blacklock, a. d. Kitten, v. Waxv. Harkaway, „ 1834, „ Economist, a. d. Xabocklish-i\Iare. Tearaway, „ 1838, ,, Voltaire, a. d. Tagiioni, v. Wisker. Faugh-a-Ballagh, „ 1841, ., Sir Hercules, a. d. Guiccioli, v. Bob Booty. The Ugly Bück, „ 1841, ., Venison, a. d. Monstrosity, v. Plenipotentiar}\ The Baron, „ 1842, ,, King Tom, a. d. Bay Celia, v. Orlando. C h a n t i cl e e r, „ 1843, „ Birdcatcher, a. d. Whim, v. Drone. B an tarn, „ 1843, ,, Euclid, a. d. Lady Fanny, v. Dr. Syntax. Dough, „ 1845, „ Tearaway, a. d. Brandv Bet, v. Canteen. Mountain Deer, ., 1848, „ Touchstone, a. d. Mountain Sylph, v. Belshazzar. Chi t- Chat, „ 1849, „ Magpie, a. d. Clari, v. Smolensko. Hobbie Noble, „ 1849, „ Pantaloon, a. d. Phrvne, v. Filho da Puta. Artillery, „ 1853, „ Touchstone, a. d. Jeanette, v. Birdcatcher. Gemma di Vergy, „ 1854, „ Sir Hercules, a. d. .Snowdrop, v. Heron. PI um Pudding, „ 1857, „ Sweetmeat, a. d. Foinnulla, v. Birdcatcher. Victor, „ 1859, „ Mndex, a. d. Scrogginsmare. Lord Ronald, ,. 1862, ,, Stockwell, a. d. Edith, v. Newminster. Tom King, „ 1863, „ King Tom, a. Solons ]\Iutter, v. Birdcatcher. K i d d e r m i n s t e r, „ 1 864, „ Newminster, a. d. Mutter v. Muscovite, v. Camel. Lord Hastin gs, „ 1864, ., Little Hastings, a. cL Corrival, v. Longsight. Haymaker, „ 1865, „ Leamington, a. d. Village Maid, v. Stockwell. Uncas, ,, 1865, „ Stockwell, a. d. Nightingale, v. Mountain Deer. Bella drum, „ 1866, ,, Stockwell, a. d. Chatherine Hayes, v. Lanercost. Normanby, „ 1867, ,, Thormanljy, a. d. Emily, v. Stockwell. York, „I 869, „ Cathedral, a. d. Empress, v. King Tom. Lord G o 11 o; h , geb. 1869, V. A s c e t i c, )) I87I, ?! Ben B a 1 1 1 e, » I87I, )) R a 1 1 1 e c a s h, !1 IS7I, H o 1 1 y w o () d. » IS7I, X e n 0 p h o n, „ 1872, !! B e 1 1 e r c) p li o n, „ 1872, ,, B a 1 f e, !) 1872, )' H e r b e r t s t o Av n, )) 1872, )? U m p i r e. )! i^^73, „ Ph i 1 a m m o n, V i«74. V Arbitrato r, 5) i^^7+ V Astroloo;er, J1 1S77. W i s e m a n, )) 1885, li H e c k li e r r y, )) 1887, )1 F a V o n i a n, )) 1888, !5 — 281 — Gladiateur, a. d. Battaglia, v. Rataplan. Hermit, a. d. Lady Alicia, v. Melbourne. Rataplan, a. d. Young Alice, v. Young Melbourne. Th(> Rake, a. d. Novice, v. Marsyas. Orest, a. d. Furze Chat, v. King Tom. Canary, a. d. Bircatcher Mare. Solon, a. d. Bellona, v. Artillerv. Plaudit, a. d. Bohemia, v. Weatherbit. Belladrum, a. d. Nora, v. Magpie. Tom King, a. d. Acceptance, v. Ambrose. Solon, a. d. Satanella, v. Wild Davrell. Solon, a. d. Tnie Heart, v. Musjid. Asteroid, a. d. Europa, v. Trumpeter. Wisdom, a. d. Sweet Jessie, v. Strafford. Sterling, a. d. Cherry Duchess, v. The Duke. Favo, a. d. Berengaria, v. George Frederick. Das zum Teil von diesen Vorvätern ererbte Springtalent der irländi- schen Pferde hat sich auch in den grossen Hindernisrennen in glänzend- ster Weise geltend gemacht. Die Geschichte der Liverpooler Grand National-Steeple-Chase ist die Geschichte der besten Stepplechase-Pferde, die je erzeugt worden sind. Sieht man sich nun das Verzeichnis der Sieger in diesem Rennen näher an, so findet man in demselben seit 1879 folgende Irländer: Liberator 1879; Empress 1S80; Wood- Ijrook 1881; Seaman 1882; Come Away 1891; Gl o ister 1893; Manifeste 1897; Manifeste 1899; Ambush II 1900; Kirkland 1005. Ausserdem haben irländische Pferde sehr oft in Liverpool-xAintree das Ziel unmittelbar hinter dem Sieger passiert. Vor etlichen Jahren gab es noch Steeplechases und Hürdenrennen, an denen nur Hunters teilnehmen durften, und die unter den National Hunt rules abgehaltenen Flachrennen standen ebenfalls nur quali- fizierten Hunters offen. Besagte Oualifikation musste durch ein von irgend einem »Master of Hounds« ausgestellten Zertifikat nachgewiesen werden, in welchem bestätigt wurde, dass das betreuende Pferd Jagd geritten w^orden. Dies gab natürlich Anlass zu schwindelhaften Manö- vern. Man setzte einen Stalljungen auf den Gaul und erteilte ihm den gemessenen Auftrag zum Rendezvous zu reiten, sich dort möglichst be- merkbar zu machen, dann in kurzem Galopp mit Benützung von kürzeren und bequemeren Wegen dem Felde zu folgen und rechtzeitig beim Halali in der Nähe des Masters w'ieder aufzutauchen. Tags darauf kam der Besitzer um das Zertifikat ein. Viele Masters machten es den Be- sitzern derartiger Oualifikationsbewerber noch leichter, indem sie, nur — 282 — um die oft o-anz »grünen« und für die Hunde direkt gefährlichen Youngsters so schnell als möglich los zu werden, sich damit be- gnügten, dass diese nur am Rendezvous-Platz erschienen und sodann ruhig nach Hause geritten wurden. Die natürliche Folge dieser Be- stimmungen war, dass es sogar unter den Rennpferden besserer Klasse eine Menge »qualifizierter Hunters« gab, die nie irgend ein — sei es auch noch so kleines — Hindernis genommen hatten, trotzdem aber auf Grund ihres Zertifikates sich an allen für die Jagdpferde reservierten Rennen beteiligen durften. Selbstverständlich konnten es die wirklichen Hunters mit solchen direkt aus dem Renn stall kommenden Vollblütern nicht aufnehmen und darin lag eben der Witz für diejenigen, die es verstanden, schlauen Gebrauch von unsinnigen Bestimmungen zu machen- Ein einziges Beispiel wird genügen, dies zu erläutern. Oldjoe, br. W., geb. 1879, V. Barefoot, a. d. Spot, v. Chevalier dlndustrie, w'ar ein »quali- fizierter Hunter«; dies hinderte ihn jedoch nicht, im Jahre 1886 am Cesarewitch teilzunehmen und — was schwerer in die Wagschale fällt — als Sieger aus der Grand National Steeplechase hervorzugehen. Von grösster Wichtigkeit ist, dass bei der Benützung von Voll- bluthengsten bei der Produktion von Jagdpferden nur kompakte, kurz- beinige, starkknochige Hengste mit gut gelagerten Schultern und stram- mem Rücken gewählt werden. Um so besser, wenn ein solcher Hengst auch anständige Leistungen »zwischen Flaggen« aufzuweisen hat. Als Prototyp eines Vaterpferdes dieser Gattung wäre Yard Arm, geb. 1897, V. Privateer, a. d. Conviction, v. Cardinal York, zu nennen, dem man in England mit Recht den Ehrennamen »The King of Hunter Sir es« zuerkannt hat. Zum Ankauf roher Jagdpferde bieten die Märkte*) in Cahirmee, Grafschaft Cork (12. und 13. JuH), Limerick, Grafschaft Limerick (letzter Donnerstag im Januar, Juh und Oktober); Ballinasloe, Graf- schaft Galway (zweiten Donnerstag im Oktober), alle drei in Irland, vor- treffliche Gelegenheit. In England wird man zu diesem Zwecke die Märkte in Horncastle, Lincolnshire (zweiter Freitag im August); Lincoln, Lincolnshire (erste Woche im April); Ho w den, East-Riding of Yorkshire (dritter Freitag im September bis folgenden Mittwoch); Newcastle-on-Tyne, Northumberland (zweiten Mittwoch im August *) Da die ^Marktta.ü-e mitunter durch die Lokalbehörden geändert werden, ist denjenigen, die diese Märkte besuchen wollen, anzuraten, obige Angaben nur als all- g:emeine Richtschnur zu betrachten. Anm. d. Verfassers. - 283 - und letzten Mittwoch im Oktober); Kugele}', Stafifordshire (i. — 5, Juni); ^'ork, Yorkshire (erste ganze Woche vor 25. Dezember) aufzusuchen haben. Auf diesen Märkten zu kaufen, ist jedoch eine sehr gewagte Sache für den Fremden, auch l)ekommt man dort, wie gesagt, keine fertigen Jagdpferde, sondern nur rohe Ware. Wer sich in den Besitz eines guten und erprobten Hunters setzen will, tut deshalb am klügsten, im Frühjahr eine der vielen, im Londoner Tattersall, in Sewell Son & Simp- son's Horse Repository, Dublin und ähnlichen Etablissements statt- findenden Auktionen zu besuchen, auf denen ganze Jagdställe unter den Hammer kommen. Die bei solchen Verkäufen von Nummer zu Nummer leicht zu kontrollierende Zu- oder Abnahme der Kauflust im Kreise der anwesenden Liebhaber und Händler bietet dem Fremden einen ziemlich sicheren Massstab für die Beurteilung des Wertes, der den einzelnen Tieren von den Sachverständigen zuerkannt wird. Allerdings wird man, wenn man den Meistbietenden ihre Beute entreissen will, vor hohen Preisen nicht zurückschrecken dürfen ; beobachtet man aber die Vorsicht, sich auf der Auktion durch einen einheimischen, vertrauenswürdigen Fachmann vertreten zu lassen, kauft man doch so viel sicherer, als auf den Märkten oder im Stalle kleinerer Händler. Wer indessen nur die Absicht hat, das vorhandene Pferdematerial zu studieren, der versäume ja nicht, einige der grossen Märkte in Irland und England zu besuchen. Von ausserordentlichem Interesse für jeden Pferdefreund ist auch die im August stattfindende Royal Dublin Society's Schau, auf welcher man mehr Hunter zu sehen bekommt, als sonst wo in der ganzen Welt. Der Hackne}'. Der Hackney, der als eine modernisierte Auflage der schon in ältester Zeit vorteilhaft bekannten Norfolk Trotter anzusehen ist, darf sich vornehmer Ahnen rühmen. Wie in Marshalls 1795 veröffentlichte »Rural Economy of Norfolk; mitgeteilt wird, gab es in jenem Teil von England schon vor der Regierung der Königin Anna (1702 bis 1714) einen Stamm starker, gängiger Zugpferde, die im Geschirr eine bedeutende Schnelligkeit zu entwickeln vermochten. Das waren die Vorfahren der in der ersten Hälfte des ic). Jahrhunderts zu europäischer Berühmtheit gelangten Norfolk Trotter. Es lässt sich nun authentisch nachweisen, dass Stuten dieses vortreftlichen Schlages vielfach mit den — 284 — arabischen, berberischen und türkischen Hengsten gepaart worden sind, die wir als die Stammväter der enghschen VoUbkitrasse kennen gelernt haben. Ein Blick auf nachstehende Pedigree lehrt, dass der im Jahre 1733 geborene Blaze, ein Enkel des famosen Darley Arabian war. Blaze selbst aber zeugte den Hengst Shales (geb. 1755) 5 von welchem in direkter Linie die in den Annalen der Hackney-Zucht mit goldenen Lettern verzeichneten Vaterpferde Driver (geb. 1765); Fireaway (geb. 1780); Fireaway (geb. 1815); Wildfire (geb. 1827); Pheno- menon (geb. 1835); Performer (geb. 1846) und Denmark (geb. 1862) abstammen. Ausser den in diesen Stammbäumen vorkommenden Orientalen sind aber im 18. Jahrhundert noch viele andere Araber und Berber in Norfolk und Yorkshire zur Kreuzung mit dem einheimischen Schlag verwendet worden. So brachte die Zeitung »Nor wich Mercury« am 12. April 1729 ein Inserat, in welchem »ein berühmter arabischer Hengst in der Grösse von 15 hands 3 Zoll (= ca. 160 cm) und ent- sprechendem Fundament^ als Deckhengst angepriesen wird. Im April 1754 deckte in Bridgestock, Northampton, ein Berber, der »ein steinernes Pferd« genannt wird. Im Jahre 1755 stand Shakespeare, v, Hob- gobhn, a. e. Bartlett's Childers-Stute, deren Mutter von Flying Whig, a. e. Stute von Woodstock Arabian, in Swaffham, Norfolk. Das Jahr 1762 sah den populären Deckhengst Pettigrew's Grey Barb in Nor- folk, wo 1763 auch der Hengst Active, ein Sohn von The Duke of York's Arabian fleissig benützt wurde; ferner liest man in einem Lokal- blättchen des Jahres 1769 von einem 4jährigen Berberschimmel, der ein Sohn von Sir C. Saunders' Berberschimmel war. Einige Jahre später (1771) wird ein Sohn des Godolphin Arabian den Züchtern wärmstens empfohlen u, s. w., u. s. w. Es fliessen somit reiche Ströme orientalischen Blutes in den Adern des alten Norfolk Trotters. Was Blaze anbelangt, scheint dieser ein gutes Rennpferd gewesen zu sein, denn er gewann seinem Besitzer, Mr. Thomas Panton, von 1738 — 1743 unter dem hohen Gewichte von 12 stone (=76^/4 kg) mehrere 4 Meilen-Rennen. Nach beendigter Rennkarriere wurde er in Newmarket als Deckhengst aufgestellt. Diesem Umstände ist es zu verdanken, dass das Norfolk-Blut auch in Cambridgeshire und den östlichen Grafschaften Verbreitung gefunden. In Yorkshire dauerte es jedoch ziemlich lange, bevor die dortigen Züchter 1:)egannen, sich in grösserem Umfange der 28 = ^•< m ffl >, E , 0_ D J3 >. E -j_ m CQ U^ n o o o .<1 h-1 cc (l) 73 M m Sm O i-i bJO m O H C ■CQ CAj c3 :3 C/3 73 5: 2 ffl ■73 — o ■_b/} c3 ' /ij :1. U ffl 28Ö — Norfolk Trotters zur Kreuzung mit ihren einheimischen Stuten zu be- dienen. Dies geschah eigentUch erst, als der im Jahre 1838 vom Pferde- händler Phillips für Mr. Robert Ramsdale, Market Weighton, Yorkshire, angekaufte berühmte Hengst Norfolk Phenomenon (siehe Fig. 39) durch seine Nachzucht den Beweis erbrachte, dass mit jener Kreuzung viel Geld zu verdienen sei. Mr. Philipps äusserte sich zwei Jahre vor seinem 1885 erfolgten Tode zu dem bekannten Züchter und hippolo- gischen Schriftsteller, Sir Walter Gilbe\^, folgendermassen über diesen Ankauf: »Die Yorkshire-Pferde waren nicht gut genug für den Londoner Markt. Deshalb kaufte ich von Mr. John Bond in Cawston, Norfolk, den famosen Phenomenon, der dann in den Besitz des Mr. Robert Ramsdale, Market Weighton, überging. Ich hielt diesen Hengst zu jener Zeit für den besten Stallion in ganz England. Er mass 15 hands 2 Zoll (= 158 cm), stand auf strammen kurzen Beinen, hatte kern- gesunde Hufe, grosse Gurtentiefe, eine symmetrische Kruppe, viel Energie und eine wundervolle, durchaus korrekte Aktion. Norfolk Phenomenon bewährte sich denn auch als ein ausserordentlich wert- volles Vaterpferd für die Verhältnisse in Yorkshire, wo die Stuten, ob- wohl von stattlicher Grösse, weder Gurtentiefe noch harmonische Formen oder gute Aktion besassen und bis dahin nur mit sehr fehlerhaften, hochbeinigen Hengsten des Wagenschlags gepaart worden waren.« Nach Robert Ramsdales Tod kam Phenomenon in den Besitz seines Sohnes Philipp Ramsdale. Dieser scheint kein Interesse für die Zucht gehabt zu haben, denn er führte den braven Hengst 1848 nach Schott- land und startete den damals nahezu 30jährigen in Trabrennen, bis der Arme in Edinburgh durch den Tod von seinem Leiden erlöst wurde. Sowohl in Norfolk wie auch in Yorkshire, Cambridgeshire und Lincolnshire haben Norfolk Phenomenons Nachkommen einen ausser- ordentlich wohltätigen Einfluss auf die Hackneyzucht ausgeübt. Speziell sei erwähnt, dass der in dritter Generation von Phenomenon ab- stammende Den mark (Bourdass) durch seinen Sohn Danegelt eine weit über die Grenzen Grossbritanniens reichende Berühmtheit er- langt hat. Es ist eine eigentümliche Erscheinung, dass die hervorragenden Trabanlagen, die bereits das auch Hobb}' genannte Norfolk-Pferd des 16. Jahrhunderts kennzeichneten, durch die Vollblutkreuzung keineswegs vernichtet, sondern eher weiter entwickelt worden sind. In Marshalls weiter oben bereits erwähntem W^erke »Rural Economv of Norfolk«. - 287 - wird unter anderen von einem Vollbluthengste Jalap (v. Regulus, einem Sohne des Godolphin Arabian und einer Enkelin des Flying Childers) erzählt, dass er mit den einheimischen Stuten vorzügliche Traber er- zeugt habe. Einer seiner Söhne, Trotting Jalap genannt, soll in dieser Beziehunir Grossartitres jfeleistet haljen. Ein anderer hoch- Fig. 39. Norfolk Phenomenon (g"eb. 1S24). V. Norfolk Cob, a. e. Rotschimmel-Stute, v. Fireawu}-. gezogener Hengst, Frank Maw's Sportsman, dessen Mutter eine Tochter von Lord Clermonts Wentworth (Sohn von The Saanah Arabian und einer Tochter von Cullen Arabian) war, galt als der beste Traber in Yorkshire. Jenkinson's Fireaway, geb. 1780, v. Driver, Sohn von Shales (Original) einem Enkel v. Flying Childers (siehe das Pedigree von Marshland Shales, Seite 285) trabte zwei englische Meilen (= 3240 Meter) in 5 Minuten. Michael Baret urteilte also vielleicht ganz richtig, als er in seinem 1618 erschienenen Buche »An Hippono mie or The Vineyard of Horsemanship« die Ansicht aussprach, dass die zu 288 — jener Zeit benützten berberischen und türkischen Hengste wegen ihrer energischen Trabaktion besonders geschätzt worden seien. Die Trableistungen der alten Norfolk-Trotter war jedenfalls sehr achtunggebietend. Es trabten: Bishop's Brown Marc, i8 Jahre alt, i6 engl. Meilen*) in 56 Minuten; Oyden's Trotting Marc, 40 engl. Meilen in 3 Stunden; die berühmte Stute Phenomena, geb. 1788, V. Othello, 17 englische Meilen in 56 Minuten und später aus Anlass einer Wette dieselbe Strecke in 53 Minuten; ihr Vater Othello, der ebenfalls ein ausgezeichneter Traber war, 17 Meilen in 58 Minuten, 40 Sekunden; Marshland Shales dieselbe Distanz in 58 Minuten; Ramsdale Performer 3 engl. Meilen in 9 Minuten; Read's Fireaway I engl. Meile in 2 Minuten 49 Sekunden; Jary's Bellfounder 9 engl. Meilen in 29 Minuten 38 Sekunden; Wrott's Pretender 16 engl. Meilen in einer Stunde; Jenkinson's Fireaway 2 engl. Meilen in 5 Minuten; West's Driver 17 engl. Meilen in 60 Minuten; Norfolk Cob 2 engl. Meilen in 5 Minuten 40 Sekunden; die Mutter von Lund's Merrylegs, als sie 20 Jahre alt war, 2 engl. Meilen und ca. 204 Meter in 5 Minuten 40 Sekunden; Lund's Rapp- Stute 100 engl. Meilen in 11 Stunden 48 Minuten u. s. w. Diese Beispiele dürften genügen. Geben sie doch deutlich zu erkennen, dass die Stammeltern der heutigen Hackneyrasse tatsächlich ausserordentlich schnelle und leistungsfähige Tiere gewesen. Der erste Norfolk Traber-Hengst des neueren Schlages war Shales (The Original) geb. 1755, v. Blaze a. e. Hackney-Stute. Dieser Shales hatte zwei Söhne — Scot Shales und Driver — die beide zu den Stammvätern der Hackneys unserer Tage gehören. Scot Shales wurde der Vater von Shales (Thistleton's), der als Vater von Marshland Shales (Chamberlin's) Begründer einer ganzen Dynastie von Shales geworden ist, ferner von Hue and Gry und einer grossen Anzahl vor- züglicher Gebrauchspferde. Driver, gewöhnlich Old Driver genannt, der selbst 15 englische Meilen in einer Stunde getrabt sein soll, hat sich hauptsächlich als Vater von Jenkinson's Fireaway einen Namen in der Hackneyzucht gemacht. Dieser Fireaway hat nämlich durch seinen zu grosser Berühmtheit gelangten Sohn Wroot's Pretender einen ausserordentlich wohltätigen Einfluss auf die Landespferdezucht in Norfolk, Lincoln, Yorkshire und dem ganzen Norden von England *) Eine eno;lische Meile ^ 1620 Meter. Anm. des Verfassers. ausgeübt. Wroot's Pretender muss ein eisernes Pferd gewesen sein, denn wie im »Sporting Magazine« vom ii. Juli 1821 von einem Augenzeugen mitgeteilt wird, entwickelte er bei einer Gelegenheit im Alter von 33 Jahren eine so grosse Schnelligkeit im Trab, dass keiner der anderen Hengste mit ihm Schritt halten konnte. Unter seinen zahlreichen Nachkommen stehen Bellfounder (Steven's), Fireaway (Read's) und Performer (Ramsdale's) in erster Reihe. Der hier genannte Bellfounder ist der Vater von dem 1822 nach Amerika exportierten Jary's Bellfounder, a. d. Velocity, v. Hap- hazard X X , der in seinem neuen Vaterlande unter anderen berühmten Pferden auch die Mutter des ruhmgekrönten Rysdyk's Hambletonian erzeugte, desselben Hambletonian, von dem die Amerikaner sagen: »He was the greatest progenitor of harness speed that the World has 3^et seen. (Siehe >The Trotting and the Pacing Horse in America, b\' Hamilton Busbey«.) Jenkinson's Fireaway wurde der Begründer der beiden Familien Read's und West's Fireaway und Read's Fireaways Tochter, die sogenannte Roan Mare, brachte den weiter oben erwähnten Norfolk Phenomenon zur Welt. Der Zuchtwert der Nachkommen von West's Old Fireaway wird auch durch den famosen Norfolk Cob (Wrigt and Goold's), Vater des Norfolk Phenomenon, in gebührender Weise illustriert. Dieser Norfolk Cob war nämlich ein Sohn von West's Fireaw^ays Sohn Burgess Fireaway und einer Tochter von Marshland Shales. Was schliesslich Ramsdale's Performer anbelangt, so heisst es von diesem in Henry F. Eurens Einleitung zum Hackney Stud-Book Vol. I, dass er einen bedeutenden Einfluss auf die Ent- wickelung der Hackneyzucht ausgeübt habe. Als jüngere Familien des Hackney-Stammes wären schliesslich noch zu erwähnen die Wildfires, die Merrylegs, die Prickwillos und die Denmarks. Das Hackney-Pferd unserer Tage führt also seine Entstehung auf folgende Blutlinien zurück; I. Die Shales, Stammvater: Original Shales, v. Blaze, v. Flying Childers X X • II. Die Phenomenons, Stammvater: Norfolk Phenomenon, v. Nor- folk Cob. III. Die Performers, Stammvater: Ramsdale's Performer, v. Wroot's Pretender. IV a. Die F ir ea way-Wes t's , Stammvater: Jenkinson's Fireaway, V. Driver. Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 19 — 290 — IV b. Die F i r e a w a y - R e a d ' s , Stammvater : Wroot's Pretender, V. Fireaway (Jenkinson's). V. Die Wildfires, Stammvater: Ramsdale's Wildfire, v. Fireaway (Burgess'). VI. Die Merrylegs, Stammvater: Lmid's Merrylegs, v. Ramsdale's Performer. VII. Die Confidences, Stammvater: D'Oyly's Confidence, v. Prick- willow (Tice's). VIII. Die Prickwillows, Stammvater: Cobbin's Prickwillow, v. Nor- folk Phenomenon. IX. Die Denmarks, Stammvater: Bourdass' Demnark, v. Sir Charles (Beal's). Wie bereits früher erwähnt worden, haben alle diese Familien einen gemeinsamen Stammvater, nämlich Flying Childers Sohn Blaze, weshalb sie auch sämdich mehr oder minder nahe mit einander ver- schwägert sind. Von grossem züchterischem Interesse ist, dass die Amerikaner ebenfalls Ursache haben, Blazes Andenken in Ehren zu halten, denn jeder ihrer Pedigree-Trotter leitet seine Herkunft in einer oder mehreren Linien auf den 1780 geborenen Schimmel-Hengst Messenger zurück, der im Jahre 1788 nach den Vereinigten Staaten exportiert wurde; Messengers Vater Mambrino aber war ein Enkel von Sampson, geb. 1745, V. Blaze, a. d. Hip-mare. Von dem Norfolk-Trotter des alten Schlages (siehe Fig. 40) heisst es in den Chroniken des 17. Jahrhunderts, dass er nicht nur ein Schnell- traber war, sondern auch als Jagdpferd, vor dem Pflug und dem landes- üblichen Fünfer-Gespann vorzüghche Dienste geleistet. Spätere Schrift- steller rühmen bei ihm seine hohe, raumgreifende Trabaktion; »the lofty trot« lautet der diesbezügliche von ihnen gebrauchte Ausdruck. Es scheint aber, dass diese ebenso praktische wie gefällige Aktion gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts viel von ihrem ursprünglichen Charakter verloren hatte, denn der Sekretär der Hackney- Gesellschaft, Henry F. Euren, schreibt in seinen »Additional Notes on the History of the Hackney Horse«: »Vor ca. 80 Jahren be- gann man in den Züchterkreisen auf die Wiederherstellung des »lofty trot« vergangener Tage hinzuarbeiten. Augenscheinlich war man sich nicht klar darüber, dass diese Trabaktion, ol3wohl sie das Ideal früherer — 292 — Generationen darstellte, den Zwecken und Bedürfnissen der neuen Zeit nicht mehr entsprach. In Norfolk machte sich das Bestreben, dem Pferde eine hohe Knieaktion beizubringen, am meisten bemerkbar. Man dressierte dort die junge Aufzucht, ihre Knie mit grosser SchneUigkeit zu biegen und die vorderen Gliedmassen hierbei sehr hoch zu heben, diese aber gleichzeitig von der Schulter aus kräftig und weit vorzu- strecken. Selbstverständlich hätte bei dieser Bewegung auch eine energische Biegung der Sprunggelenke stattfinden und das hintere Glied- massenpaar vom Hüftgelenk aus weit unter den Rumpf gesetzt werden müssen, denn anders ist eine schnelle, energische und raumgreifende Trabaktion nicht zu ermöglichen. Unglücklicherweise produziert sich aber der Hackney am besten, wenn er im Park oder im Schauring mit extravaganter Knieaktion vor einem Dog-cart dahergetrabt kommt. Hier- durch wurden die Züchter verleitet, die Tatsache, dass eine extravagante Knieaktion sehr häufig auf Kosten von Schulterfreiheit und energischer Beugung der Sprunggelenke erzielt wird, gänzlich ausser Acht zu lassen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der unter dem Namen D'Oyley's Confidence (158) im Hackney -Stud- Book eingetragene Hengst mehr Pferde mit extravaganter Knieaktion und mangelhaftem Nachschub er- zeugt hat als irgend ein anderer Hackney-Hengst. Ebenso sicher ist es aber auch, dass seine Produkte höher bezahlt wurden, als die der übrigen Vaterpferde. Unter den Folgen der lange Jahre hindurch mit Confidence betriebenen Inzucht haben die Norfolker Züchter heute noch zu leiden. Im Gegensatz zu dem in Norfolk befolgten System, huldigte man in Yorkshire der Inzucht mit Pferden, die von Wroot's Pretender (H. S. B. 596) und Bond's Norfolk Phenomenon (H. S. B. 522) eine weniger blendende, aber praktischere Aktion ererbt hatten und somit nicht Gefahr liefen, in der für die Schönheit der Linien so überaus wichtigen Entwickelungf ihrer Formen und Muskeln behindert zu werden. Heute schwärmt man indessen sowohl in England wie auch in Frankreich mehr denn je für »die extravagante Knieaktion«. Je höher der Gaul die Knie hebt, gleichviel, ob er die Hinterbeine dabei ordent- lich unter den Rumpf setzt oder mühsam nachschleppt, desto höher wird er bezahlt. Dass diese unvernünftige Mode der Hackney-Rasse bereits ihren Stempel aufgedrückt hat, ist nicht zu verwundern. Die Tage, wo man den Hackney als ein hartes, schnelles und ausdauerndes. — 293 — Gebrauchspferd schätzte, sind längst vorüber. Gegenwärtig ist er nur ein kostbares Schauobjekt, dem man keine andere Arbeit zumutet, als vor der gaffenden kritiklosen Menge, die das Stamm -Publikum der Korsos und Hippodrome bildet, seine Kniekünste zu produzieren. Es liegt ja auch auf der Hand, dass eine derartige Aktion auf schlechten ;';. J«/: «^^^ji^iij^i/iijiiijii/^l'i^^^ : ^.'^^V^'?' Fig. 41. Hacknev-Hengst des modernen Schlages. Weofen und Fahrten von längrerer Dauer unmöo-lich beibehalten werden kann. Sie ist eben, wie der Engländer treffend sagt: »Only for show, not for use.« (Nur für die Schau, nicht für den GeJjrauch.) Trotz alledem ist der alte Roadster-T^^pus noch nicht gänzlich von dem modernen Hackney verdrängt worden. Ganz besonders in Yorkshire .stösst man noch hie und da auf Pferde, die nicht nur in ihren äusseren Körperformen, sondern auch in ihrer Aktion lebhaft an den Norfolk-Trotter vergangener Tage erinnern. Das Produkt der — 294 — heutigen Hackneyzucht (siehe Fig. 41) ist ein kleines, selten mehr, meistens aber weniger als 160 cm messendes, edel geschnittenes Pferd, dessen gute Eigenschaften — wie: kräftiger Rücken, bestechende runde Formen, Trockenheit, kolossale Gänge, robuste Gesundheit*) u. s. w. — durch die meistens schlechte Rippenbildung, die kurzen Schultern, die eingeschnürten Knie und die unsinnig hohe, nicht immer regelmässige Trabaktion, sehr viel an Wert für den Züchter verlieren. Beim Roadster besserer Gattung sind dagegen genannte Mängel nicht vorhanden, auch ist derselbe grösser und schwerer als der Hackney. Andererseits gibt es in der Roadster-Klasse häufig genug ordinäre, plumpe Tiere mit stark behaarten Extremitäten. Solche sind beinahe immer Produkte einer von gemeinem Blut überströmenden Mischlingszucht und schon aus diesem Grunde zu Zuchtzwecken nicht geeignet. Durch die Versuche dem Hackney eine statdichere Grösse zu ver- leihen, ist die Rasse noch mehr verpfuscht worden. Die richtige Grösse ist 156 — 158 cm; misst der Hackney mehr, z. B. 162 cm, so verkörpert er nicht mehr den Typus seiner Rasse, sondern den eines Pferdes, das zwischen dem Reit- und Wagenschlage stehend, weder für den einen, noch für den anderen Dienst besondere Eignung zu besitzen scheint. Aus dem Hackney ein Reitpferd machen zu wollen, ist überhaupt ein ganz verfehltes Beginnen. Als es noch keine Eisenbahnen gab, wurde der Hackney allerdings viel geritten, heutzutage aber sieht man den Farmer nicht mehr, die Frau hinter ihm auf einem Kissen sitzend, zum Wochenmarkt reiten und im Jagdfelde oder im Londoner Hyde-Park wird man sich ebenfalls vergebens nach Reitpferden umsehen, die an den Hackney -Typus erinnern. Welcher vernünftige Reiter käme aber auch auf den Gedanken, sich auf ein Pferd zu setzen, dessen Aktion dem im Sattel Thronenden Torturqualen bereiten müsste! Was ich hier über den modernen Hackney geäussert, lässt es be- greif Hch erscheinen, dass die französische Gestütsverwaltung, die in früheren Jahren eine grosse Menge Hengste des alten Norfolk Trotter- oder Roadster-Schlages importierte und mit diesen, speziell in der Nor- mandie und der Bretagne, auch bedeutende Erfolge erzielt hat, dem modernen Hackney gegenüber eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legt. Dafür betreibt aber Amerika mit zum Teil aus Frankreich impor- *) Während der letzten 16 Jahre wurden von 5354 zur IsHngtoner Hackne}-- Schau angemeldeten Pferden nur 265 wegen Gesundheitsfehleni zurückgewiesen. Anmerkung des Verfassers. — 295 — tiertem Material eine blühende Hackneyzucht und gehören auch Öster- reich-Ungarn, Russland und Italien noch zu den Kunden derjenigen englischen Züchter, die den Markt mit schnittigen, hochtretenden Hack- neys versehen. Ich zweitie jedoch, dass diese Länder mit ihren Importen ebenso gute Erfahrungen machen werden wie Frankreich mit dem An- kauf der in der anglo-normandischen Zucht zu hohen Ehren gelangten Norfolkhengste Champion, The Colonel, Driver, Drum Major, Norfolk Star, Performer, Young Phenomenon, Pretender, Shales, Young Shales, Trip, Telegraph u. v. a. Und doch hat die französische Gestütsverwaltung nie so unsinnige Preise für Norfolk- resp. Hackney-Hengste gezahlt, wie z. B. Amerika und ItaHen. Mit Bezug hierauf sei erwähnt, dass im Jahre 1892 von Mr. A. J. Cassalt, Präsident der »American Hackney Horse-Society« für den Hackney- Hengst Cadet 3000, sage und schreibe dreitausend Guineen (= ca. 64000 Mk.) gezahlt worden sind, während italienische Agenten vergebens 600 Guineen (= ca. 12800 Mk.) für einen 3jährigen Hengst desselben Schlages boten und sich schliesshch glücklich schätzten, einen 10 jäh- rigen Hackney-Hengst von 165 cm (! !) zum Preise von 250 Guineen (= ca. 5362 Mk.) erwerben zu dürfen. Auf der letzten Islingtoner Schau (1906) wurde ferner der bekannte Zuchthengst Diplomatist (7043) um 1000 Pfd. St. nach Holland verkauft und ein anderer Hackney-Hengst namens Forest Star erzielte auf derselben Schau den hohen Verkaufs- preis von 800 Pfd. St. Über schlechte Zeiten können sich die englischen Hackneyzüchter somit nicht beklagen. Wer sich für Hackneys interessiert, findet bei folgenden Züchtern Gelegenheit, das Beste zu sehen zu bekommen, was die heutige eng- lische Hackneyzucht hervorzubringen vermag: Sir Walter Gilbey, Elsen- ham Paddocks, Essex; Sir Gilbert Greenall, Walton Hall, Warrington; Haiewood Stud Company, Haiewood bei Liverpool; Robert Whitworth, Londesborough-Stud, Market Weighton; Mrs. Fletcher, The Grange Hackney Stud, Angram bei York und Mr. Sidney Brunton, Saint Al- bans, Hertford Shire. Nach den vortrefflichen Exemplaren zu urteilen, die der letztgenannte Züchter im Jahre 1900 auf der grossen inter- nationalen Pferdeschau zu Paris ausgestellt hatte, dürften bei ihm noch Pferde des alten Roadster-Hackney-Schlages zu haben sein. Die Interessen der Hackne3-zucht werden von der am 30. Juni 1883 gegründeten »Hackney Stud-Book-Society« wahrgenommen. Wie aus den Statuten dieser Gesellschaft zu ersehen ist, hat sie sich die — 296 — Aufgabe gestellt, fördernd und verbessernd auf die Zucht von Hackneys, Roadsters, Cobs und Ponies einzuwirken, ein Gestütljuch dieser Schläge herauszugeben, für die Zwecke der Gesellschaft Häuser, Güter, Effekten, Ländereien und andere Vermögensobjekte zu erwerben, zu vermieten und zu veräussern. Schauen für die oben erwähnten Pferde zu ver- anstalten, auf diesen Schauen, sowie auch auf Ausstellungen anderer anerkannten Gesellschaften Preise zu verteilen, Export-Zertifikate auszu- fertigen, Züchtern die Anschaffung gesunden Materials bester Klasse zu erleichtern und im übrigen alle diejenigen gesetzlichen Massnahmen zu ergreifen, die geeignet erscheinen, die hiteressen und Zwecke der Gesell- schaft zu fördern. Die Geschäftsstelle der Gesellschaft ist 12 Hannover Square, Lon- don W. untergebracht. Bisher sind 23 Bände des Hackney Stud-Books erschienen. In dieses Gestütljuch können nach den gegenwärtigen Be- stimmungen eingetragen werden : 1. Hengste, die vor 1881 geboren sind, wenn der Vater und die Mutter oder — falls letztere nicht eingetragen sein sollte — der Vater der Mutter eingetragen ist. 2. Hengste, die nach 18S0 geboren sind, wenn der Vater und die Mutter eingetragen sind. 3. Stuten, die vor 1887 geboren sind, wenn der Vater und die Mutter oder der Vater der Mutter eingetragen sind. 4. Stuten, die nach 1886 geboren sind, wenn der Vater und die Mutter eingetragen sind oder wenn der Vater, der Vater der Mutter und der Vater der Grossmutter mütterlicherseits ein- getragen sind. (V^enn die Mutter vor 1887 geljoren ist, so ge- nügt es, wenn der Vater und der Vater der Mutter eingetragen ist.) 5. Stuten, die von einem eingetragenen Hengste und einer Voll- Ijlutstute oder von einem Vollbluthengst und einer eingetragenen Stute abstammen. (Der Vater und der Vater der Mutter des eingetragenen Hengstes oder der eingetragenen Stute müssen jedoch eingetragen sein.) 6. Stuten, die von einem eingetragenen Hengste abstammen, wenn die Mutter von einem Vollbluthengst und die Grossmutter von einem eingetragenen Heno-st abstammt. Die von der Gesellschaft gestifteten Preise bestehen aus goldenen und silbernen Medaillen für Zuchtmaterial. Ausserdem aber verleiht die Jahr Ang< emeldete Pferde 1885 133 1891 304 1896 442 1901 484 1905 573 1906 660 — 297 — Gesellschaft l:)ehufs Förderung der Zucht von Wagenpferden des Hacknev- Schlages auf verschiedenen lokalen Schauen auch je eine goldene Me- daille für im Geschirr produzierte Stuten oder Wallachen, die von einem eingetragenen Hackney-Hengst abstammen. Die grösste Hackney-Schau findet alljährlich Ende Februar oder Anfang März in der Agricultural Hall zu Islington (London) statt. Trotz der scharfen Konkurrenz, die dem Pferde durch das Automcjbil bereitet worden ist, hat die Zahl der auf dieser Schau ausgestellten Hackneys von Jahr zu Jahr zugenommen. Nachstehende kleine Tabelle erteilt näheren Aufschluss ül^er die seit 1885 erzielten Resultate: Geldpreise £ 350 . 675 „ lOIO „ 1045 „ 1460 „ 1685. Die Zahl der zur Verteilung gelangten Medaillen hat ebenfalls eine stetige Zunahme aufzuweisen. Im Jahre 1904 verteilte die Gesellschaft 16 goldene Medaillen im Werte von 10 Pfd. St., 42 goldene Geschirr- Medaillen im Werte von 5 Pfd. St. und 157 silberne Medaillen. Von den während der letzten zehn Jahre auf der Islingtoner Schau prämiierten Hackneys stammten die meisten aus Yorkshire; in weitem Abstand folgten dann die in Norfolk, Lancashire und Essex gezogenen. Norfolk ist somit auf dem Gebiete der Hackney- und Roadsterzucht schon seit geraumer Zeit von dem pferdereichen und pferdeliebenden Yorkshire überflügelt worden. Die erfolgreichsten Deckhengste der neueren Zeit sind: A c i d Drop (6248), geb. 1896, v. Garton Duke of Connaught, a. d. Amelia, V. Danegelt. Administrator (8047), „ 1900, „ Garton Duke of Connaught, a. d. Lady Salisbury, v. Lord Salisburv. Bonny Dane gelt (6990), „ 1898, „ Royal Danegelt, a. d. Lady Dorothy, v. Denmark. Clifton III (6689), „ 1897, „ Clifton II, a. d. Florence, v. Cadet. Copper King (7764), „ 1899, „ Mathias, a. d. Primrose Lass,v. Connaught. Danebury (47421, „ 1892, „ Evolution, a. d. Lily, v. Lord Derby. Diplomatist (7043), „ 1898, „ His Majesty, a. d. Garton Birthday, v. Garton Duke of Connaught. Ganvmede (2076), „ 1887, „ Danegelt, a. d. Patience, v. Phenomenon. — 298 — Garton Duke of Connaught (3009), „ 1889, „ Connaught, a. d. Lady Cook, v. Lord Dervent. Garton Sir dar (7086), „ 1898 „ Rosador, a. d. Miss Connaught Cook, v. Connaught. Gay Dane gelt (6022), „ 1895, „ Danegelt, a. d. Genista, v. Cadet. Goldfinder VI (1791), „ 1886, „ Danegelt, a. d. Lily of The Valley, v. Denmark. Hedon Squire (4306), „ 1891, „ Rufus, a. d. Polly, v. Triffit's Fireaway. His Majesty (2513), „ 1887, „ Matchless of Londesboro' , a. d. Piggy Wigg3% V. Star in the East. M c. Kinley (6475), „ 1896, „ Garton Duke of Connaught, a. d. Lady Willerbv, v. Romeo. Kirkliurn Sensation (8533), „ 1902, „ Rosador, a. d. Lady Dorothy, v. Remus. L a n g t o n (60781, „ 1894, „ Garton Duke of Connaught, a. d. Sweeth- eart, v. Merry Heart. Polonius (4931 ), „ 1892, „ Wildhre, a. d. OpheHa, v. Denmark. Rosador (4964), „ 1892, „ Danegelt, a. d. Jessie, v. Sir Charles. Royal Danegelt (57851, „ 1894, „ Danegelt, a. d. Dorothy, v. Lord Derby. Nachkommen dieser Hengste sind jetzt in der ganzen Welt ver- breitet. Man findet sie in Deutschland, Österreich-Ungarn, Skandinavien, Holland, Belgien, Italien, in der Schweiz, Spanien, Nord- und Südamerika, Kanada, Südafrika, Neuseeland, Australien, Japan u. s. w. Der Hackney ist eben ein Modetier und dieser Umstand, der seiner Zucht heute un- zweifelhaft eine grosse Bedeutung verleiht, kann ihr sehr wohl eines schönen Tages den Garaus machen. Man braucht nicht lange in der Geschichte des Pferdes zu blättern, um zu der Überzeugung zu ge- langen, dass Moderassen keine lange Lebensdauer beschieden zu sein pflegt. Wirkliche Freunde und Kenner des Pferdes wäirden jedenfalls nicht trauern, wenn der Hackney, der den ausgezeichneten Norfolk- Roadster verdrängt hat, diesem den usurpierten Platz wieder ein- räumen müsste. Der Cleveland Braun (The Cleveland Bay). Über die Entstehungsgeschichte der Cleveland Bays schwebt ein gewisses Dunkel. Dass sie Sprösslinge einer der allerältesten britischen Pferderassen sind, unterliegt jedoch keinem Zweifel. Nur der Name »Cleveland Bay« ist verhältnismässig modernen Ursprungs, denn »The Chapman or Pack horse« lautete die übliche Bezeichnung in der- jenigen Periode der englischen Geschichte, die heute mehrere Jahr- hunderte weit zurückliegt. — 299 — Unter den vielen Theorien, die über die Genesis dieser wertvollen Rasse veröffentlicht worden sind, dürfte die des Edinburger Professors Lowe am meisten Beachtung gefunden haben. Lowe behauptet, dass der Cleveland Bay als das Produkt einer systematischen Kreuzung zwischen Vollblut und Stuten des Land-, oder wie der Engländer sagt, »Karren «-Schlages anzusehen sei. Von einer »in der guten alten Zeit« betriebenen systematischen Kreuzung zu sprechen, erscheint mir indessen ziemlich gewagt. Viel wahrscheinlicher dünkt mir, dass der Cleveland Braun infolge natürlicher Zuchtwahl aus dem kräftigen Pferdeschlag hervorgegangen ist, der schon zu Julius Cäsars Zeiten im südlichen England vorhanden war und dass der so entstandene Stamm später mehrfach eine Beimischung orientalischen und englischen Vollblutes erhalten hat. Hierdurch würde auch die Tatsache, dass eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den morphologischen und biologischen Eigen- schaften des Vollbluts und des Cleveland Bays besteht, ihre nahe- liegende Erklärung finden. Jedenfalls lässt sich nicht in Abrede stellen, dass Yorkshire und Devonshire diejenigen Landschaften waren, wo die Zucht des altenglischen Pferdes sowohl quantitativ wie qualitativ am höchsten gestanden. Die Vermutung, dass dieser Schlag die Urahnen der heutigen Cleveland Bay-Rasse geliefert habe, lässt sich daher schwer von der Hand weisen. Ein älterer Schriftsteller namens Tuke, der eine Beschreibung der landwirtschaftlichen Verhältnisse in Yorkshire herausgegeben, teilt uns mit, dass die in Cleveland gezogenen Pferde starkknochiger, trockener und gängiger als die in der »Vale of York« waren und gleiche Ver- wendbarkeit vor dem Kutschwagen wie vor dem Pflug zeigten. Diesem Schlage entstammten die braunen Wallachen ohne oder nur mit ge- ringen Abzeichen, die auf dem Londoner Markt als Wagenpferde hohe Preise erzielten. Trotzdem aber scheinen die Chapman-Pferde erst vor etwa 200 Jahren als selbstständige Rasse bekannt geworden zu sein. Für die Tatsache, dass dem Cleveland Bay vergangener Tage im Laufe der Zeit wiederholt edles Blut zugeführt worden ist, fehlt es nicht an überzeugenden Beweisen. So kommen z. B. in alten Pedigrees und Deckanzeigen sehr häufig die Namen Old Traveller und Jalap vor. Schlägt man nun im General Stud-Book nach, so findet man Vol. I, pag. 434, dass Old Traveller, geb. 1735, v. Partner, a. e. Almanzor- Stute, authentisches Vollblut war, und in demselben Band, pag. 157, steht auch der 1758 geborene Jalap als Sohn des Regulus und der — 300 — Red Rose, v. Devonshire Blacklegs, a. e. True Blue-Stute, verzeichnet. Traveller, der in dem Ruf eines vorzüglichen Rennpferdes stand, wurde der Vater von Daint}' Davy, Squirrel, Lass of the Mill und anderen be- kannten Turf-Grössen. Als Zuchthengst fand er hauptsächlich Verwen- dung in der Umgegend von Yarm, einem im Zentrum der Heimat des Cleveland-Pferdes gelegenen Städtchen. (Siehe: »Live Stock Hand- books No. IL Light Horses, Breeds and Management<'.) Später kam die Vollblutkreuzung nur mehr in seltenen Ausnahmefällen zur Anwendung und gegenwärtig ist sie ganz verpönt. Man hat sich eben in der Cleveland Bay-Zucht zu dem Grundsatz der alten Züchter dieses Pferdeschlags »neither blood nor black« (weder Vollblut noch Kalt- blut) bekehrt. Dass dies der Rasse zu grossem Segen gereicht hat, kann nicht bezweifelt werden, denn die eine Zeitlang sehr beliebte Kreuzung der besten Stuten mit hochbeinigen, dünnen Vollbluthengsten hätte sicher binnen kurzem dahin geführt, dass nichts von der alten, wertvollen Rasse übrig geblieben wäre. Womöglich noch verderblicher wirkten die Kreuzungen mit ordinären Hengsten des Arbeitsschlages, welche Blutmischung zu dem Zwecke vorgenommen wurde, der zu- nehmenden Verfeinerung des Knochengerüstes entgegenzuarbeiten und schwerere Zugpferde für die Bedürfnisse der Landwirtschaft zu erhalten. Infolge dieser züchterischen Missgriffe schienen die noch vorhan- denen Überreste der alten Rasse während der ersten Hälfte des 19. Jahr- hunderts endgültig auf den Aussterbeetat gesetzt zu sein. Man fand sie nicht schwer genug für das Lastfuhrwerk und nicht leicht genug für die moderne Equipage. Was sollte man also mit ihnen anfangen? Wie schlecht es um den Cleveland Bay stand, erhellt unter anderem aus dem Umstände, dass, als die im Jahre 1886 gebildete Cleveland Bay Horse Society den ersten Band ihres Gestütbuches herausgab, nur 7 Stuten in diesem eingetragen werden konnten, obwohl die Auf- nahme nur an die einzige Bedingung geknüpft war, dass die betreffende Stute im Besitz der charakteristischen Kennzeichen der alten Cleveland- rasse sein müsse. Was die oben erwähnten Stuten des Karrenschlages anbelangt, die gewissermassen als die Stamm-Mütter der Cleveland Bay-Rasse an- zusehen wären, schreibt Marshall in seiner 1795 erschienenen »Rural Economy of Norfolk«, dass diese »Trotting Carthorses« ausser- ordentlich gängige, energische und kräftige Tiere waren. Man darf sich also keineswegs durch die Bezeichnung »Karrenschlag« zu der Auf- — 30I — fassung verleiten lassen, dass der Cleveland Bay das Produkt einer Kreuzung zwischen Vollblut und einer Pferdeart sei, für die unsere modernen Hippologen die Bezeichnung »Kaltblut« erfunden haben. Jene »Karrenpferde« konnten eine aus dem ca. loo Kilo wiegenden Farmer, seiner 75 — 80 Kilo schweren Ehefrau, mehreren Säcken Getreide, Kartoffeln und Äpfel bestehende Last auf elenden Wegen in flottem Trab nach der 6 — 8 englische Meilen entfernten Stadt befördern. Das lässt der heutige Kaltblüter hübsch bleiben. Welche >Points« von dem heutigen Cleveland Bay verlangt werden, ergibt sich aus folgender Beschreibung, die der Herausgeber des Gestütsbuches, Mr. Scarth Dixon, veröffentlicht hat: »Das echte Clevelandpferd soll 165 — 170 cm hoch sein, eine gute, schräg gelagerte Schulter, einen starken Rücken, kräftige Nieren und eine lange Kruppe besitzen. Der Kopf ist eher ordinär als edel zu nennen und ziemlich gross, wird aber hübsch getragen und zeugt das ganze Auftreten des Pferdes von Energie und Kraft, welche Eigen- schaften in dieser Vereinigung bei keinem anderen Schlage angetroffen werden. Die Aktion ist nicht besonders hoch, aber raumgreifend, die Haarfarbe licht- oder kastanienbraun. Irrtümlicherweise wird oft an- genommen, dass nur die goldbraune Haarfarbe von reiner Herkunft zeuge. Dies ist grundfalsch, denn eine grosse Anzahl Pferde reinster und bester Zucht hat dunkles Haar gehabt. Behang an den Beinen darf jedoch nicht vorkommen; dagegen sieht man bisweilen schwarze, zebraartige Streifen an den Armen und über dem Sprunggelenk. Diese Streifen werden »Black points« genannt und gelten als Anzeichen besonders reinen Blutes. Bei dem berühmten Hengste Volunteer traten sie ausserordentlich deutlich hervor und pflegt dies auch bei seinen direkten Nachkommen häutig der Fall zu sein. Abzeichen — ein schmaler Stern oder einige weisse Haare in der Fesselbeuge etwa ausgenommen — werden nicht geduldet und eine Blässe sowie ein weisser Fuss verraten allsogleich die Beimischung fremden Blutes. »Es ist wahrscheinlich die Folge fortgesetzter Inzucht, dass der Cleveland Bay heutzutage leichter als seine Vorfahren ist. Dieser Ver- lust an Masse sollte deshalb zum Gegenstand ganz besonderer Auf- merksamkeit seitens der Züchter gemacht und alles aufgeboten werden, ihn wieder auszugleichen. »Von der praktischen Verwendbarkeit des Cleveland Bay braucht nicht viel gesagt zu werden. Sehr brauchbar vor dem Pflug, zum — 302 — schweren Zug und zu langsamerem Reitdienst ist er, was die Amerikaner »ein allgemein nützliches Pferd« nennen. Allerdings ziehen die Shire- und Clydesdale-Pferde grössere Lasten, dafür ist aber der Cleveland Ba}^ auch vor dem Pflug ein weit gängigeres Pferd und die in der Wirtschaft eines Farmers vorkommenden Lasten bewältigt er ebenfalls. So habe ich z. B. den Hengst Fidius Dius eine Last von 1267 Kilo ziehen sehen, die er mehrere Tage hintereinander zweimal täglich von den Eisenbahndepots in Redcar nach Wihon beförderte. Die Nach- frage nach Pferden des Clevelandtypus hat in London und anderen grossen Städten bedeutend zugenommen. Diejenigen Exemplare dieses Schlages, die nicht gut genug sind, um als Zuchttiere Verwendung zu finden, können infolgedessen leicht an den Mann gebracht werden. Legt man nun zu diesen Vorzügen noch hinzu, dass der Cleveland Bay sich durch grosse Härte der Konstitution und seltene Langlebig- keit auszeichnet (im Cleveland Bay Stud-Book kommen zwei Stuten vor, die im Alter von 24 Jahren gesunde Fohlen gebracht und die berühmte Stute Pearls Darling, die Mutter sechs vortrefflicher Hengste ge- worden, hinterliess 16 Nachkommen, wobei noch besonders zu bemerken ist, dass sie schon als zweijähriges Fohlen belegt wurde), so wird man kaum bezweifeln können, dass der Cleveland-Braun berufen ist, noch einmal von grosser Bedeutung für die Pferdezucht zu werden.« So weit Mr. Scarth Dixon, der, wie aus obigem zu ersehen ist, sein Lieblingsross mit allen möglichen Tugenden schmückt. Ich fürchte jedoch, dass er dabei des Guten ein bisschen zu viel getan hat. Die Cleveland Bays, die ich gesehen, gHchen nämlich dem von Dixon be- schriebenen nur sehr wenig. Speziell vermisste ich den starken Rücken, die kräftige Nierenpartie und die gut gelagerte Schulter; auch die Rippenwölbung liess bei manchen Exemplaren viel zu wünschen übrig. Das Untergestell musste dagegen — wenn man von einer hie und da vorkommenden geringen Rückbiegigkeit absieht — Ijei den meisten als zufriedenstellend bezeichnet werden. Ich schätzte den Umfang der Röhren unter dem Knie auf ca. 24—25 cm; mangelhafte Sprunggelenke bemerkte ich bei keinem der von mir besichtigten Tiere. In der von Mr. Dixon entworfenen Beschreibung fällt mir ferner auf, dass einer der wichtigsten Points — vom Knie abwärts tiefschwarze Beine — gar nicht erwähnt wird, und doch ist ein Cleveland Bay mit hellbraunen oder stichelhaarigen Beinen als Zuchtpferd absolut un- verkäuflich. Dass in Züchterkreisen so grosses Gewicht auf diese — 303 — Färbung der Extremitäten gelegt wird, lässt sich nicht anders erklären, als dass von jeher die besten Exemplare der Rasse schwarze Beine gehabt und solche auch auf ihre Nachkommen vererbt haben, so dass »die schwarzen Strümpfe« allmählich den Charakter einer festgewurzelten, von reiner Herkunft zeugenden Rasseeigenschaft erhielten. Der alte *-V^^V'-X\- V Fig. 42. Hengst der Cleveland Bay-Rasse. Erfahrungssatz »ausgewaschene Beine, ausgewaschene Konstitution« dürfte übrigens eljenfalls dazu l^eigetragen haben, die Vorliebe für dunkel gefärbte Extremitäten bei braunen Pferden weiter zu verbreiten. Eine gute Vorstellung von dem Typus des heutigen Cleveland Ba}' geben Fig. 42 und 43. Mehr enthusiastisch als kritisch veranlagte britische Hippologen haben behauptet, dass es — das Vollblut natürlich ausgenommen — keine Pferderasse gebe, die nicht durch eine Kreuzung mit dem Cleve- land Bav verbessert werden kchnite. In dieser Ansicht liegt eine grosse — 304 — Gefahr für den Bestand der wertvollen alten Rasse; hat sie doch be- reits dahin geführt, dass viele rein gezogene Cleveland Bay-Stuten bester Klasse zu Kreuzungen mit Vollblut, Hackneys und anderen Schlägen verwendet worden und hierdurch dauernd für die Zucht der eigenen Zucht verloren gegangen sind. Sehr zu bedauern wäre es auch, wenn die aus Ersparnisrücksichten vorgeschlagene Fusion zwischen der Yorkshire Coach Horse Society und der Cleveland Bay Horse Society zur Tat würde, denn damit wäre das Todesurteil über den Cleveland Bay gesprochen, ohne dass dies dem Yorkshire Coach-Pferde irgendwie zum Nutzen gereichen könnte. Letztere Rasse ist nämlich, wie wir sogleich sehen werden, viel jünger als der Cleveland Bay, der ihr als Quelle des richtigen Karrossier-T3^pus und der für diesen unentbehrlichen Knochenstärke gedient hat. Ver- schwindet nun der Cleveland Bay — und die Gefahr, dass dies ge- schehen wird, ist um so grösser, als die vorgeschlagene neue Gesell- schaft den Namen Yorkshire Coach Horse Society erhalten soll — so sehen sich die Züchter des Yorkshire-Pferdes der bisher fleissig be- nützten Möglichkeit beraubt, ihrer Rasse durch eine bewährte Blut- auffrischung neue Lebenskraft zuzuführen. Nach einigen Generationen würde dann wohl auch das jetzt so populäre Yorkshire Coach Horse von der Bildfläche verschwinden. Wie die »Royal Agricultural Societv« von England hierüber denkt, ergibt sich aus folgender offiziellen Kundgebung dieser mächtigen Gesellschaft: »It would be little Short of a national calamity were the two breeds to be merged in one, viz., in that of the Coach Horse. The loss of the Cleveland Bay as a foundation for breeding is one that could never be replaced; and the handsome and elegant Coach Horse or carriage horse is one we could ill do without.« (»Es wäre nahezu eine nationale Kalamität, wenn die beiden Rassen in eine einzige, nämlich in die des Coach-Pferdes, aufgehen würden. Der Verlust des Cleveland Bay als Grundlage für die Zucht Hesse sich nie ersetzen und ohne das hübsche, elegante Coach- oder Wagenpferd könnten wir uns kaum behelfen.«) Englands züchterische Autoritäten wissen also sehr wohl, dass die besten Kutschpferde stets das Produkt einer Kreuzung zwischen dem Cleveland Bay und dem Yorkshire Coach Horse gewiesen sind. Laut Beschluss der Generalversammlung vom Jahre 1899 können seit dem i. Januar 1900 in das Gestütbuch der Cleveland Zuchtgesell- — 305 — Schaft nur solche Cleveland Bays eingetragen werden, deren Vater und Mutter im Gestütbuch eingetragen sind. Bis zum Jahre 1900 aber hatten im Hengstregister 1566 und im Stutenregister 1 168 Eintragungen stattgefunden. Fig. 43- Stute der Cleveland Bav-Rasse. Unter den angesehensten Züchtern von Cleveland Bays dürften Mr. F. Wilson Horsfall, Potto Grange, Northallerton, Yorkshire, gegen- wärtig den ersten Platz einnehmen. Mr. Horsfall hat während der letzten 18 Jahre mit den Produkten seiner Zucht mehr Preise auf den grossen britischen und internationalen Schauen erhalten, als irgend ein anderer englischer Züchter. Speziell sei erwähnt, dass ihm auf der grossen internationalen Schau zu Paris 1900 für seine 3jährige Stute Persev e- Wrangel, Die Kassen des Pferdes. I. 20 — 3o6 — rance, v. Prince George (367), a. d. Irimmer II, v. Candidate (64) der I. Preis — eine goldene Medaille und 1200 Frcs. — zuerkannt wurde. Das in der Nähe von Stockton gelegene Gestüt Potto Grange geniesst denn auch in den züchterischen Kreisen des In- und Auslandes ein hohes Ansehen und bildet alljährlich das Reiseziel zahlreicher kon- tinentaler Züchter und Händler. Andere ebenfalls sehr sehenswerte Cleveland Bay-Gestüte sind: Beadlam Grange, Nawton, Yorkshire, des Mr. George Scoby , früheren Präsidenten der Cleveland Bay Society ; Dromonby House, Stokesby R. S. O., Yorkshire des Mr. F. E. C. Dobson; Selby, Yorkshire, des Mr. George Burton, das 1900 in Paris mit dem vorzügHchen Hengst Royal Knight, geb. 1893, v. Prince of Wales und einer Lord of the Manor-Stute, einen i. Preis und 1500 Frcs. da- vontrug; Burton Fields, Stamford Bridge des Mr. John Kirby u. m. a. Nahe verwandt mit dem Cleveland ist das Yorkshirer Wagenpferd oder wie der englische Name lautet: The Yorkshire Coach H o r s e. Diese Rasse hat jedoch im Gegensatz zu dem Cleveland Bay noch kein besonders ehrwürdiges Alter erreicht; sie ist nämlich nur wenig über hundert jähre alt. Als anerkannt selbständige Rasse erscheint sie zum ersten Male im Jahre 1805 auf einer Schau in Howdenshire, wo es ihr auch gelang, mehrere Preise zu erobern. Der verstorbene eng- lische Hippologe, Mr. Lumley Hodgson, war der Ansicht, dass das Yorkshirer Coach-Pferd seine Existenz der zu Anfang des IX. Jahr- hunderts entstandenen gesteigerten Nachfrage nach Wagenpferden von bedeutender Grösse zu verdanken habe. Eine Folge dieser Mode wurde, dass man in Yorkshire die dem angestrebten Typus am meisten ent- sprechenden Cleveland-Stuten ganz allgemein mit hochbeinigen, dünnen Halbbluthengsten paarte und hierdurch der altbewährten Zucht der Cleveland-Braunen unberechenbaren Schaden zufügte. Als vollkommen verfehlt kann jedoch diese Kreuzung nicht bezeichnet werden, denn sie erzeugte ein Pferd, das seine stattliche Grösse, seine Farbe und übrigen Kennzeichen mit ausserordentlicher Treue weiter verbreitete. Nachdem dies Resultat erreicht worden, ging man zur Vollblutkreuzung über. Hierdurch wurde nun allerdings dem Kutschpferde mehr Adel in der äusseren Erscheinung verliehen, gleichzeitig aber erlitt dieses eine be- denkliche Einbusse an Breite und Knochenstärke, die bis jetzt noch — 307 — nicht vollkommen ausgeo^lichen worden ist; ja, wie bewährte Kenner behaupten, soll die Yorkshire Coach-Rasse seit Jener Zeit eine aus- gesprochene Tendenz an den Tag gelegt hal)en, allmählich leichter und schmäler zu werden. Diese Tendenz zu bekämjjfen, war eine Haui)taufgabe der im Jahre i^, „^-^^Vx\\ Fig;. 44. Hen2;st der Yorkshire Coach Horse-Rasse. Society. Einsichtsvolle Züchter hatten indessen schon früher be- gonnen, der zunehmenden Verfeinerung entgegenzuarbeiten. Eine der zu diesem Zwecke mit bestem Erfolg angewandten Zuchtmethoden be- stand darin, die Coach-Stute guter Klasse zu einem gängigen, stark- knochigen Cleveland-Hengst zu führen. Als die Yorkshire Coach Horse- Gesellschaft ins Leben trat und anfangs die Eintragung von Produkten einer direkten Vollblutkreuzung gestattete, begannen viele Züchter aufs neue mit der Zuführung von Vollblut zu experimentieren. Wie voraus- zusehen war, erreichten sie hierdurch gerade das Gegenteil von dem, was die Gesellschaft l)ei ihrer Gründung als ihr Ziel l)ezeichnet hatte. — 3o8 — Es dauerte denn auch nicht lange, bis jedes Produkt einer direkten Vollblutkreuzung von der Eintragung in das Yorkshire Coach Horse Stud-Book ausgeschlossen wurde. Gegenwärtig können in dieses Gestütbuch eingetragen werden: 1. Pferde, die drei Paarungen (der englische Ausdruck lautet: »three crosses«) von reinblütigen Kutschpferden nachweisen können, d. h. mit anderen Worten: der Vater, der Vater der Mutter und der Vater der Grossmutter mütterlicherseits müssen reinblütig gewesen sein. 2. Pferde, bei welchen einer der hier genannten drei Hengste Vollblut, die zwei übrigen aber reinblütige, eingetragene Kutsch- pferde gewesen. Wie aus obigen Bestimmungen zu ersehen ist, hat die Gesellschaft sich neuerdings veranlasst gesehen, die Eintragung von Produkten einer direkten Vollblutkreuzung in das Gestütsbuch wiederum zu gestatten. Dass sie dies in einer glücklichen Stunde getan, darf wohl bezweifelt werden, denn bisher hat noch jede Beimischung von Vollblut der York- shire Coach-Rasse einen mehr oder weniger empfindlichen Verlust an Substanz zugefügt. Von dem Cleveland Bav unterscheidet sich das Yorkshire Coach- Pferd hauptsächlich durch seinen grösseren Adel. Sein Kopf ist kleiner, nobler als der des Cleveland Braunen, die Halsform eleganter und das ganze Knochengebäude sehr viel leichter. Einige Exemplare erinnern sogar lebhaft an das Vollblut stärkeren Kalibers. In der Aktion be- steht ebenfalls ein kleiner Unterschied zwischen den beiden Rassen. Das Yorkshire Kutschpferd hebt nämlich die Knie etwas mehr als der Cleveland Ba3^ Was aber die Farbe — braun ohne Abzeichen — an- belangt, wird in beiden Lagern mit gleicher Strenge auf die Aus- schliessung jedes anderen Haares gehalten. Infolge seiner stattlicheren Grösse, seines eleganteren Exterieurs und seiner auffälligeren Knieaktion wird das Yorkshire Coach Horse auf dem Markt für Luxuspferde dem Cleveland Braun entschieden vor- gezogen. Für die Zucht bildet diese Tatsache jedoch insofern ein er- schwerendes Moment, als harmonisch gebaute Pferde von bedeutender Grösse in allen Rassen zu den Seltenheiten zählen. Die Leitung dieser Zucht liegt in den Händen der Yorkshire Coach Horse Societ}', die bisher 7 Bände ihres Stud-Books heraus- gegeben hat. — 309 — ü e r P o 1 o - P o n V Obwohl der Pulo-Pony ei Schönheit« . Die l3eliebtesten Farljen sind Braun und Dunkelbraun. Rappen linden ebenfalls Liebhaber. Gegen Füchse, Schimmel und Rotschimmel aber herrscht ein gewisses Vorurteil, für das sich allerdings keine stich- haltigen Gründe anführen lassen. Fiü;. 47. Prt'isgcki'cuitfr Hengst dtT Shiiv-Rdssc. Welcher W^ertschätzung sich die Shire-Pferde in ihrer Heimat er- freuen, geht aus den hohen Preisen hervor, die nicht nur in unseren Tagen, sondern schon im 18. Jahrhundert für erstklassiges Zuchtmaterial ihrer Rasse gezahlt worden sind. Folgende Ziftern reden in dieser Beziehung eine beredte Sprache. Ein berühmter Hengst, namens Sweet William, ]:)rachte im Jahre 1778 den für die damalige Zeit sensationellen Preis von 350 Guineen. Einige Jahre später ging der Hengst Mars ton zum Preise von 500 Guineen in den Besitz eines enthusiastisch veranlagten Züchters über. Im Jahre 1882 bezahlte Sir Walter Gilbev 800 Guineen für den weiter oben unter den erfolg- reichsten Vaterpferden der Shire-Rasse genannten Hengst Spark. Drei — 323 — Jahre später erlegte Lord Wantage 1500 Guineen für das i jährige Champion-Hengstfohlen Prince William. Dieser gewiss sehr hohe Preis wurde jedoch noch um ein bedeutendes übertroffen, als der Earl of Ellesmere 2000 Guineen für den 1889 und 1891 auf den Schauen der Shire-Horse-Gesellschaft mit der Championwürde bekleideten Rappen Vulcan bezahlte, und ob die Preisgrenze mit den 2500 Guineen er- Fig. 48. Preis,2;ekrünte Stute der Shire-Rasse. reicht worden ist, die Mr. Joseph Wainwright bar auf den Tisch legen musste, um 1892 in den Besitz des jungen Champion-Hengstes Burv Victor Chief zu gelangen, wird die Zukunft lehren. Eine Tatsache ist, dass der Export von Arbeitspferden der Shire- Rasse nach dem europäischen Festlande und Amerika in den letzten Jahren eine bedeutende Zunahme erfahren hat und er würde noch grössere Dimensionen angenommen haben, wenn die englischen Züchter nicht so schwer dazu zu bewegen wären, minderwertige Hengstfohlen kastrieren zu lassen. Von der stetig zunehmenden Verbreitung der Motorfahrzeuge hat die Zucht des schweren Pferdes nichts zu fürchten. Dem Landwirt liefert das Pferd schon aus dem Grunde die billiofste — 324 — und beste Zugkraft, weil ein halbes Dutzend Pferde gleichzeitig an einem halben Dutzend Plätze verwendet werden kann, wohingegen ein Motor von 6 Pferdekräften nicht teilbar ist und keine noch so grosse Schnelligkeit hierfür Ersatz zu bieten vermag. Sehr viele land- wirtschaftliche Arbeiten können ausserdem nur in einem ziemlich lang- samen Tempo verrichtet werden, so z. B. das Aufladen während der Ernte, das Düngerfahren, Eggen u. s. w. Das gleiche lässt sich von zahlreichen Fuhren in den grossen industriellen Zentren sagen. Der Züchter des schweren Arbeitspferdes kann somit dem vorbeisausenden, unheimlich fauchenden Motor mit grösster Gemütsruhe nachrufen: »Bange machen gilt nicht.« Shire-Pferde bester Klasse findet man gegenwärtig stets bei fol- genden Züchtern: Bell, Charles, Norley Hall, Norley, Cheshire (Eisen- bahnstationen Acton Bridge und Delamere); Cavendish, V. C. W., Holker Hall, Cark-in-Cartmel, Lancashire; Gilbey, Sir Walter, Bart., Elsenham Paddocks, Essex; Mar den Park Shire Horse Stud, Eisen- bahnstation Woldingham, an der Brighton and South Coast-Bahn; Muntz, Sir P. Albert, Bart., Dunsmore, Rugby; Whitehead, Robert, The Peak Stud, Hargate Hall, bei Buxton, Derby-Shire. Schliesslich glaube ich hier noch einige allgemein interessierende Lehrsätze einflechten zu sollen, die ich der Abhandlung von E. v. Drathen »Das schwere Arbeitspferd in England und Schottland, sowie seine Be- deutung für Deutschland« entnommen habe: 1. Die Shires verdienen nach den gemachten Erfahrungen den Vorzug vor den Clydesdales, weil sie im Durchschnitt kom- paktere, tiefere Formen, mehr Muskulatur und Knochenstärke besitzen, besonders auch gute Futterverwerter sind. 2. Die Shires sind nachgewiesen der Grundstamm der englischen schweren Schläge und daher durchschlagender in der Ver- erbung als die andern Schläge, die erst durch Kreuzung ent- standen sind.*) 3. Die von jeher naturgemässe Haltung der Zuchttiere und der Nachzucht in England bei Weidegang, der meistens das ganze Jahr hindurch währt, dürfte vorwiegend die Ursache sein, dass die Zuchttiere ihre Eigenschaften mit durchschlagender Konstanz *) Gegen diesen Satz lässt sich mit Fug einwenden, dass in den Adern des Shire-Pferdes doch auch fremdes Blut fliesst, was hingegen beim Suffolk-Pferde nicht der Fall ist. Anmerkung des Verfassers. — 325 — vererben, auch unter veränderten Futter- und klimatischen Ver- hältnissen. 4. Die Frühreife der englischen schweren Schläge geht nicht so weit, dass sie Körperform und Knochenstärke oder die Konstitu- tion ungünstig beeinflusst. 5. Die Fruchtbarkeit der englischen schweren Schläge ist bei ent- sprechender Haltung bei Hengsten wie bei Stuten durchaus normal und günstig, so dass sie hierin von den leichten Schlägen keineswegs übertroffen werden. 6. Der unter deutschen Verhältnissen nachteilig erscheinende Be- hang tritt bei der Nachzucht, besonders bei Stallhaltung, all- mählich mehr und mehr zurück. Das Clydesdale -Pferd. Zwischen dem Shire-Pferd und dem Clydesdale herrscht eine so grosse Ähnlichkeit, dass nur Kenner der beiden Rassen imstande sind, Ijei der Musterung. sofort zu entscheiden, ob sie ein Shire- oder ein Clvdesdale-Pferd vor sich haben. Es dürfte daher dem Leser will- kommen sein, etwas Näheres über die Merkmale zu erfahren, die es auch dem flüchtigen Beobachter ermöglichen, diese zwei Typen aus- einander zu halten. Zunächst sei l3emerkt, dass das Shire-Pferd grösser, schwerer und massiger als der Clydesdale ist; ferner hat es eine kürzere und nicht so schräg gelagerte Schulter; die Entfernung zwischen den vSprunggelenken ist weiter; der Behang hat eine grössere Länge und umfasst auch den vorderen Teil des Röhrbeines, die Fesseln sind kürzer und steiler, die Augen liegen näher beieinander und die Aktion ist nicht so hoch wie beim Clydesdale. Ausserdem darf nicht üljersehen werden, dass Füchse und Rotschimmel niemals unter den reingezogenen Exem- plaren der Clydesdale-Rasse vorkommen. An leicht wahrzunehmenden Verschiedenheiten zwischen den Produkten der Shire- und der Ch^des- dale-Zucht fehlt es somit nicht. Was nun den Ursprung des schweren schottischen Pferdes an- belangt, liest man häufig in hippologischen Lehrbüchern, dass dieses sein Dasein einer v(jr mehr als 200 Jahren stattgefundenen Kreuzung zwischen liandrischen Hengsten und Stuten des Landschlages zu ver- danken hal)e. Wie gewöhnlich angegeben wird, sollten jene Hengste Mitte des 18. Jahrhunderts von einem Herzog von Hamilton imi)ortiert — 326 — worden sein. Es unterlieget indessen kaum irgend welchem Zweifel, dass Pferde von bedeutender Grösse und Schwere schon weit früher in Schottland Verwendung gefunden haben. In einem noch vorhandenen, anno 1352 von König Eduard ausgefertigten Geleitbriefe wird nämlich dem schottischen Ritter William Douglas die Erlaubnis erteilt, »mit zehn Stallknechten und zehn grossen Pferden« (diese werden in dem in lateinischer Sprache verfassten Briefe als »Magnos« bezeichnet) die Grenzen des damals zu England gehörenden Bezirkes Teviotdale zu überschreiten. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren diese grossen Pferde flandrischen Ursprungs, denn es ist, wie wir gesehen haben, eine historische Tatsache, dass Hengste der schwarzen flandrischen Rasse schon im 12. Jahrhundert nach England gebracht worden sind. An eine systematische Kreuzung des Landschlages mit diesen Hengsten wurde jedoch in jenen Tagen selbstverständlich nicht gedacht. Erst viele Jahrhunderte später kam es in Schottland zu einer ziel- bewussten und andauernden Verwendung des flandrischen Blutes zu Zuchtzwecken. Leider wird die Frage, von wem der Impuls hierzu aus- gegangen, von den britischen Hippologen sehr verschiedenartig beant- wortet. Einige Ijehaupten, ein Herzog von Hamilton habe Mitte des 17. Jahrhunderts sechs schöne Rapphengste aus Flandern kommen lassen und diese auf seiner Besitzung Strathaven Castle den Züchtern zur Verfügung gestellt. Ein im März des Jahres 1884 verstorbener her- zoglich Hamiltonscher Pächter versicherte mit grösster Bestimmtheit, von seinem Grossvater gehört zu haben, dass James VI Herzog von Hamilton (1742 — 1753) einen flandrischen Hengst importiert und in Lanarkshire die Stuten seiner Pächter gratis habe decken lassen. Die wahrscheinlichste, auch in der Einleitung zum Clydesdale Stud-Book als solche bezeichnete, Version aber ist, dass ein gewisser John Paterson aus Lochlyoch, Gemeinde Carmichael, im Jahre 171 5 oder 1720 nach England gereist sei und von dort einen flandrischen Hengst mitgebracht habe, den man als Stammvater der vortrefllichen Lochlyoch-Familie be- zeichnen könne. Besagter Hengst war ein Rappe; seinem Einfluss wird es daher zugeschrieben, dass so viele Lochlyoch-Stuten ein dunkles Haarkleid trugen. Den Namen Clydesdale erhielt die, wie aus obigem hervorgeht, unzweifelhaft durch Kreuzung mit flandrischen Hengsten geschaffene Rasse, weil ihre Wiege in der am Flusse Clyde gelegenen Grafschaft Lanark gestanden, deren ursprünglicher Name >das Clyde-Tal« ge- — 327 — wesen. Eine bessere »Scholle« hätte der neuen Rasse in ganz Schott- land kaum eingeräumt werden können, denn sowohl das Klima, wie auch die Bodenverhältnisse in den Avon- und Clyde-Niederungen be- günstigen in aussergewöhnlichem Grade die Zucht eines kräftigen Pferdes schweren Schlages. Der zweite Hengst, der bestimmt nachgewiesenen Einfluss auf die Zucht in Lanark ausgeübt hat, ist »Thompson's Black Horse«, oder wie sein offizieller Name lautet, Glancer (335), der im Jahre 1810 das Licht der Welt erblickt haben soll. Von diesem Hengste stammen alle heutzutage existierenden Pedigree-Clydesdales ab. Glancer war ein Sohn der berühmten Stute Lampit old Marc, die im Jahre 1808 als zwei- jähriges Fohlen in den Besitz eines Mr. Sommerville in Lampit gelangte und erst 1827 einging. Als Mutter von Glancer und zahlreicher aus- gezeichneter Mutterstuten hat diese Matrone sich bleibenden Ruhm in der Zucht des Clydesdale-Pferdes erworben. Zu den älteren Stamm- vätern der Clydesdale-Rasse gehören ferner: l^roomfield Champion (95), Vater von Glancer ( 153J und Bowman's Colt (1078). Glancer (I53), Vater von Baasay (2i), Prince of Wales (155), Farmer alias Sproul- ston (2g0), Erskine's Farmer's Fancy (298), Muircock (55O), Prince Charlie (625), Barrs Prince Royal (647), welche sämtlich die Entwickeluno; der Clydesdale- Rasse in günstio;ster Weise l^eeinflusst haben. Rol) Rov (714), Vater von Rob Roy (2379), dessen Sohn Hercules (378) sich als Er- zeuger von Lord Lvon (489) einen Namen in den Annalen der Clydesdale-Zucht gemacht hat. Largs jock (444), Vater einer ganzen Reihe vorzüglicher Mutterstuten. Young Clvde (949), Vater von Merry Farmer (531 ) und Grossvater der lamosen Hengste Merry Tom (532) und Glenelg (357). In der neueren und neuesten Zeit haben sich als Begründer an- gesehene Familien besonders hervorgetan: P r i n c e o f W a 1 e s (673), geb. 1866, v. General (322), a. d. Darling, v. Samson 1741 j. Lord Lyon 14891, ., 1867, „ Hercules (378), a. e. Shire-Stute. Old Times (5791, „ 1869, „ Lord Clyde (478), a. d. Hawkie, V. Samson (741 l. Drumflower Farmer (286), ,, 1869, ., Merry Tom (536), a. d. Mary, v. Lochfergus Champion (449). Darnlev {222), .. 1S72, ., Conqueror (199), a. d. Kair Peggy 1.187), V. Samson (741). Lord Erskine (1441, ,, ] 87(;, ., Bovdston Boy (i 1 1), a. d. Hatton Bella (626), V. Times' Day (875). - 328 - Gegenwärtig stehen die Hengste Baron's Pride (9122) und Hia- watha (10067) an der Spitze der erfolgreichsten Vaterpferde. Ersterer zählte im Jahre 1905 nicht weniger als 68 preisgekrönte Nachkommen auf den grossen schottischen Schauen, hn Jahre i()00 eroberten seine Nachkommen sogar 99 Preise. Selbstverständlich hat das weibliche Element unter den Zuchttieren ebenfalls auf das wirksamste zur Entwickelung der Clydesdale-Rasse beigetragen. Alle die im Laufe der Jahre zu Berühmtheit gelangten Mutterstuten hier anzuführen, würde jedoch mehr Raum in Anspruch nehmen, als mir für das Clydesdale-Pferd zur Verfügung steht. Ich muss mich daher auf die Erwähnung einiger der berühmtesten Stamm- mütter beschränken. Als solche wären ausser Lampit's Old Marc zu nennen: eine Haughead-Stute, Mutter von Farmer (233); die Mutter v(^n Grey Emperor (369); Logan's Marc und deren rechte Schwester, die dem Hengste Sir William V^allace (804) das Leben schenkte; Bell, die Mutter von Old Clyde (574) und Begründerin der Ayrshire-Zweig- linie ; Kair Peggy, auch The Barnbroch Filly genannt, die zehn Fohlen hinterliess, unter diesen die preisgekrönten Hengste Pollock (592), Newstead (559) und Darnley (222); Kair Peggy's Mutter Jean, v. Farmer's Fancy (298); Maggie, alias Darling,' auch The Wellshot Gre}^ Mare genannt; ferner Mo ss Rose, Mutter der Chami)ion-Stute Montrave Maud, v. Prince of Wales, und der mit jooo Guineen bezahlten Queen of the Roses, v. Prince of Albion; Belle of Fashion, v. Prince of Fashion, Queen Mal), v. Royalist u. m. a. Wenn man sich nun die Pedigrees dieser Hengste und Stuten etwas näher ansieht, findet man sehr Ijald zu seiner Überraschung, dass die meisten" auf eine mehr oder weniger reichliche Zufuhr von Shire-Blut hinweisen. Es muss demnach schon zu Anfang des 18. Jahrhunderts in Schottland eine Kreuzung der Landrasse mit Shires stattgefunden haben. Vermutlich griff man zu dieser Züchtungsmethode, um dem schottischen Pferde die von den Konsumenten geforderte bedeutendere Grösse und vSchwere zu verleihen. Begünstigt wurde dieses Verfahren durch die Ähnlichkeit, die zwischen den l)eiden Rassen herrschte. Die schottischen Händler kamen denn auch sehr bald dahinter, dass in Derbyshire, Nottinghamshire, Lincolnshire und Camljridgeshire prächtige junge Stuten von ausgesprochenem Clydesdale-Typus zu lialjen waren und die nächste Folge hiervon ward natürlich, dass nicht nur grosse Transporte derartiger Stuten, sondern auch viele im Typus und Gang — 329 — entsprechende Shire-Hengste nach Schottland importiert wurden. So gelangte das Blut von Old Stitcher (577), Black's Champion of Cairnleith, Stanmore, Farmer's Glory, Merr}- Tom (532), Lincoln- shire Lad u. a. in die Zucht des Clydesdale-Pferdes. Ein einziger schottischer Züchter, Mr. Drew, kaufte bei einer Gelegenheit nicht Fio-. 49. Clvdesdak'-Hengst Kevelanta (I1S76) erhielt den l. Preis auf der Glasgower und der Highland Society-Schau des Jahres 1904. weniger als vierzehn Lincolnshire Lad-Stuten. Schaden hat die Clydes- dale-Zucht durch diese Importe nicht gelitten. Im Gegenteil: der reich- lichen Zufuhr v(jn Shire-Blut ist es gewiss nicht in letzter Reihe zu verdanken, dass die Clvdesdale-Rasse in verhältnismässig kurzer Zeit gross und schwer genug geworden ist, um auf den englischen Märkten für schwere Zugpferde mit den reingezogenen Shires konkurrieren zu können. Es gilt in englischen Fachkreisen sogar als eine über jeden Zweifel erhabene Tatsache, dass die Kreuzung zwischen Clydesdales — Si^ — und Shires das sicherste Mittel sei, schwere und zugleich gängige Pferde für den Frachtdienst in den grossen Städten zu erzeugen. Der vor- erwähnte berühmte Clydesdale-Züchter Mr. Lawrence Drew-Merryton, vertrat daher auch bis zu seinem Tode die Ansicht, dass den Zucht- produkten die Grösse durch schwere Shire-Stuten, die Gängigkeit aber durch Clydesdales des von seinem Hauptbeschäler Prince of Wales vertretenen Typus beigebracht werden müsse. Derselben Überzeugung scheinen zahlreiche seiner Landsleute gewesen zu sein, denn im Jahre 1895 wurde bei dem Verwaltungsrat der Clydesdale Horse Society ein An- trag eingeljracht, in welchem die Unterzeichner verlangten, dass die Pro- dukte von einem registrierten Clydesdale-Hengste und einer registrierten Shire-Stute, und vice versa, in einem Supplement zu Band XVIII des Gestütsbuches eingetragen werden sollten. Von ihrem im Clydetal zwischen Lemington stromaufwärts und Hamilton stroma])wärts gelegenen Hauptzuchtgebiet aus, hat sich die Clydesdale-Zucht schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach anderen Teilen Schottlands verbreitet. So gelangte z. B. die Zucht in der Pro- vinz Galloway, wo bis dahin nur kleine, harte Pferde, sog. Galloways, gezogen worden waren, sehr bald zu grossem Ansehen. Ganz beson- ders gilt dies von den Clydesdales der Bezirke Wigtown und Kirkcud- bright. Eine bedeutende Rolle haben auch bis auf den heutigen Tag die Züchter in Kintyre, Ayrshire und Aberdeenshire gespielt. Als die wichtigsten »Points« des modernen Clydesdale-Pferdes sind nach der Ansicht der auf den grossen englischen Schauen fungieren- den Preisrichter zu bezeichnen: ein mittelschwerer, nicht edel oder ponyartig geformter Kopf, der breit zwischen den Augen und beim Maul sein muss; offene, lebhafte Augen; grosse Ohren, kein zu scharfer Winkel zwischen Kopf und Hals; letzterer ziemlich lang, schön ge- schwungen und massiv beim Übergang in die Schulter, die in gleicher Länge und so schräg gelagert bei keiner anderen Zugpferde-Rasse an- getroffen wird; l^reite und tiefe Brust; kurze, stämmige Vorderbeine mit ausserordentlich breiten, muskulösen Unterarmen ; flaches, breites, niedrig sitzendes Knie und möglichst starke Knochen unter diesem; an der hinteren Kante des Röhrbeines, vom Knie abwärts, reicher, seidenweicher Behang (gelockter Behang ein Fehler); ziemlich lange und schräg ge- stellte Fesseln; grosse, starke Hufe; der Rücken nicht zu lang (was häufig vorkommt); hübsch getragener Schweif; tief sitzende, kuhhessig gestellte, trockene und starke Sprunggelenke; an deren hintern Kante Ins hinab zu den schrägen Fessehi reiclier und weicher Behang; lireite, starke Röhren; grosse, gesunde, kräftige und etwas nach auswärts ge- drehte Hufe; absolut tadellose, elastische, eher etwas hohe als niedrige Aktion; braune, dunkelbraune oder schwarze Farbe. Die durchschnitt- liche Grösse des Clydesdale-Pferdes beträgt 170 cm; das durchschnitt- liche lebende Gewicht 550—650 kg. Das Temperament ist, obwohl leb- haft, äusserst gutmütig und die Konstitution in der Regel ungemein hart. (Fig. 40.) vStörend wirken die vielen, oft riesig grossen Abzeichen, die in letzterer Zeit gerade bei den besten Exemplaren häufig vorzukommen pflegen. Ein englischer Fachmann bemerkt hierzu: »Mir sind während meines letzten Besuches in der Clydesdale-Gegend die vielen grossen Abzeichen und lichten Hufe unangenehm aufgefallen.« Mr. Wallace, Professor der Landwirtschaft an der Edinburgher Universität, hebt auch hervor, dass chronische Strahlbeinlähme infolge der üblichen Über- fütterung ein Erbübel unter den Clydesdales geworden sei. Ferner lässt sich nicht in Abrede stellen, dass Verschlag, ein durch organische Erkrankung des Gehirns und Rückenmarks hervorgerufenes nervöses Zittern, Roaren und Mauke unzweifelhaft Erbübel sind, die bei den Clydesdales oft wahrgenommen werden. Es ist daher geraten, sich beim Ankauf von Zugpferden dieser Rasse die Symptome genannter Leiden während der Untersuchung des betreffenden Tieres vor Augen zu halten. Der Export von Clydesdale-Pferden hat während der letzten Dekade stetig zugenommen und erreichte im Jahre 1905 die höchste bisher notierte Zifter. Umstehende Tabelle*) erteilt Aufschluss über die Rich- tungen, die dieser Export im genannten Jahre genommen. Allerdings fehlt noch immer viel an der Zahl von 114g Stück, die der Export im Jahre 1888 aufzuweisen vermochte. Die Preise für Clydesdales guter Klasse betragen gegenwärtig für Hengste 300—400 Pfd. St.; für Stuten 250 — 300 Pfd. St. und für Stut- fohlen 50 Pfd. St. Zuchtmaterial, das mit Bezug auf Abstammung, Exterieurs und Leistungen den strengsten Anforderungen entspricht, muss aber sell)stverständlich mit weit höheren Preisen bezahlt werden. *) In dieser Tabelle sind nur ilic liis 31 . (^ktiil)er 1905 exportierten Clydesdales einiietrai^en. Die Schlussziffer der im Jahre 1905 stattgefundenen Exporte beträgt 65^ Stück, d. i. 117 mehr als während der vorhergehenden zwölf Monate. Anmerkung des Verfassers. 332 — Kanada .... Vereinigte Staaten Südamerika . Italien Russland .... Australien Südafrika .... Neuseeland . . . Hengste 171 51 44 17 15 II I Stuten 246 13 I I I 4 I 2bl Summa 417 ('4 43 18 16 1 1 ^80 Betrug doch der Preis, den Mr. Pilkington für die Champion-Stute Queen of the Roses erlegen musste, 1000 Guineen. Die Interessen der Clydesdale-Zucht werden von der im Jahre 1877 gegründeten Clydesdale Horse Society of the United Kingdom of Great Britain and Ireland wahrgenommen. Diese Gesellschaft, die ihren Sitz in Glasgow hat, sucht die Zucht durch Führung eines Gestütbuches, durch Gewährung von Preisen bei den von verschiedenen Gesellschaften angeordneten Schauen und Belehrung der Züchter tun- lichst zu fördern. Für die Eintragung von Pferden in das Clydesdale Stud-Book gelten folgende Bestimmungen: 1. Alle Clydesdale-Pferde, die vor dem i. Januar 1890 geboren sind, können in das Gestütbuch eingetragen werden, wenn sie von einem eingetragenen Hengste und einer Stute, deren Vater eingetragen ist, al)stammen. 2. Alle nach dem i. Januar i8go geborenen Pferde können ein- getragen werden: a) wenn Vater und Mutter eingetragen sind, h) wenn der Vater und der Vater der Mutter und Grossmutter (mütterlicherseits) eingetragen sind. Die Nachzucht muss in dem ersten Bande, der nach ihrer Geburt er- scheint, eingetragen werden, widrigenfalls doppelte Eintragungsgebühren zu entrichten sind. Hat eine eingetragene Stute abgefohlt, so muss der Eigentümer die stattgefundene Geburt noch am seilten Tage in sein Zuchtregister eintragen und diese Eintragung von der hierzu bestimmten Vertrauens- person bescheinigen lassen. Ist eine solche Bescheinigung aus irgend — jj:) — ■ einem Grund nicht zu ermöglichen, so muss bei der Eintragung des Fohlens in glaubhafter Weise nachgewiesen werden, dass das Fohlen die betreffende Stute zur Mutter hat. Über die Gültigkeit dieses Nach- weises entscheidet der Vorstand. Das Gestütbuch enthält ein Hengstregister, ein Verzeichnis der Stuten und ihrer Nachzucht, ein Register für die fortlaufende Eintragung der Nachzucht, ein Anhangregister, ein Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft, ein alphaVjetisches Namensverzeichnis der Züchter und Besitzer eingetragener Pferde, ein alphabetisches Verzeichnis der Stuten und ein alphabetisches Verzeichnis der Hengste. Bisher (1906) sind 28 Bände des Clydesdale Stud-Book erschienen, hl dem letzten Bande wurden 451 Hengste, 771 Stuten mit Fohlen und 1041 weitere Nachzucht (additional produces) eingetragen. Dies ergibt ein plus von 483 Eintragungen seit dem Erscheinen des 27. Bandes. Wer Clydesdales in England kaufen will, tut am besten, sich mit der Clydesdale-Gesellschaft, die bereitwilligst alle gewünschten Aus- künfte erteilt, in Verbindung zu setzen. Ferner empfiehlt es sich, den alljährlich an verschiedenen Orten in England und Schottland statt- findenden grossen Auktionen von Zuchtmaterial beizuwohnen. Auf diesen Auktionen bekommt man das Beste zu sehen, was die moderne Clydesdale-Zucht hervorzubringen vermag. Speziell sei hier auf die Produkte der Seaham Harbour Stud Company (das frühere Londonderry- Gestüt), sowie auf die Erzeugnisse der von den Herren Gavin Stewart- Overdale, Herbert Webster, A. B. Matthew, A. und W. Montgomery, Mr. Thomas Smith, Blacon Point, Chester, James Kilpatrick-Craigie Mains, William Dunlop, David Mitchell, Matthew Marshall, Sir John Gilmour, Walter S. Park, Ernest Kerr und anderen geleiteten Zuchten. Die näheren Adressen dieser Herren sind vom Sekretär der Clydesdale- Gesellschaft, Mr. Arch. Mac Neilage, 93 Hope, Glasgow, zu erfahren. Das Suffolk-Pferd. Wie alt diese Rasse eigentlich ist, lässt sich nicht mit Gewissheit feststellen. In Camdens anno 1586 erschienenem W^erke »Britannia« wird sie allerdings bereits unter den in der Grafschaft Suffolk heimischen Haustierrassen aufgeführt, aber übei die Frage, wie viele Jahrzehnte oder vielleicht gar Jahrhunderte zwischen ihrer Entstehung und jener ersten Erwähnung ihrer Existenz gelegen haben, verbreiten die geschieht- — 334 — liehen Quellen nieht das <^erino;.ste Licht. Die Behaui)tuno;, dass der Suffolk-Punch sein Dasein einer vor etwa 500 Jahren statto-efundenen Kreuzung ostenglischer Stuten mit Hengsten des alten nonnandischen Schlages zu verdanken halje, muss daher auch als eine Ijlosse Vermutung bezeichnet werden. Der Ursprung des Suftblks ist also in dichtes Dunkel gehüllt. Erst von dem Jahre 1720 an kann man die Entwickelung dieser vortretiHichen Rasse auf authentische Dokumente gestützt genauer verfolgen. Der Herausgeber des »Ipswich Journal« besass nämlich eine Sammlung- aller Jahrgänge seines im genannten Jahre gegründeten Blättchens, das ebenso wie der ebenfalls sorgfältig gesammelte Suffolk Chronicle« ungefähr gleichen Alters, dem Suffolk Stud-Book Comittee in der Form von zahlreichen Artikeln, Notizen und Inseraten hippischen Inhalts das Material zu seiner üljeraus interessanten Geschichte der Suffolk-Rasse geliefert hat. Wie der Herausgeber dieses Stud-Book's mitteilt, ist die Herkunft nahezu jedes reingezogenen Suffolk-Pferdes auf einen im Jahre 1768 geborenen namenlosen Hengst zurückzuführen, der in den Deckanzeigen und Pedigrees stets nach seinem Besitzer Crisp's Horse benannt wurde. Dieser Hengst war in dem nahe bei der Stadt Wood- bridofe irelesfenen Dorfe Ufford zur Zucht aufgestellt und soll ein echter Repräsentant der alten einheimischen Rasse gewesen sein. In einem 1773 erschienenen Inserate wird er »als ein schöner, 158 cm hoher Gold- fuchs geschildert, der, trotzdem er, wie allgemein bekannt, vorzügliche Fohlen erzeuge, denjenigen Züchtern, deren Stuten im vergangenen Tahre unbefruchtet geblieben seien, zu dem Ijilligen Preis von fünf Shil- lings zur Verfügung stehe.« Was nun die hier erwähnte »alte Rasse« betrifft, so scheint diese eine ganz ausserordentliche Zähigkeit an den Tag gelegt zu hal)en. Da es damals in Suffolk keinen anderen Arbeitsschlag gab, musste alle Zugarbeit von diesem verrichtet werden. Die Pferde sollten aber mit gleichem Nutzen in der Wirtschaft, vor dem Fracht wagen und \'or der Kutsche verwendet werden können. Leicht im Rumpf und in den Extremitäten durften die Tiere also nicht sein, aber auch nicht so schwer wie das schwarze englische Karrenpferd jener Zeit, denn ihre Aufgabe war, nicht nur gewaltige Lasten auf grundlosen Wegen fortzuschaffen, sondern auch häufig genug auf besseren Strassen eine Trabgeschwindig- keit von 6 englischen Meilen (= 9720 m) in der Stunde zu entwickeln. Die Entfernung von Ipswich nach London — 68 englische Meilen — — 335 — wurde z. B. u;c\vöhnlich in drei Ta<;en 7Airückdas Prohibitiv- system der Staatsgestüte« abgeschafft und bald darauf auch angeordnet, dass sämtliche in Le Pin befindlichen Beschäler verkauft werden sollten. Glücklicherweise waren die Behörden im Departement Orne so klug, an diesen Verkauf die Bedingung zu knüpfen, dass die Käufer sich verpflichten mussten, die auf der Auktion erstandenen Hengste nicht weiterzugeben, sondern selbst zur Zucht zu verwenden. Dieser — 347 — klugen Massregel ist es zu verdanken, dass mehrere vorzügliche Vater- pferde, wie z. B. Glorieux, dessen Sohn Mignon, Zephir, Jupiter, Parfait und l'Aleyrion, Vater des herrlichen Matador, der norman- dischen Zucht erhalten werden konnten. Ausserdem sollen mehrere wertvolle Stuten, die später die Grundlage berühmter Züchter gebildet, während der Revolution einen sicheren Zufluchtsort bei patriotisch ge- sinnten Grundbesitzern gefunden haben. Auf die Brandschatzungen der revolutionären Horden folgten die Kriege des Kaiserreiches. Was die Revolution verschont hatte , holten sich die napoleonischen Heerscharen. Nichts blieb den beklagenswerten Züchtern. Die Hengste, die Mutterstuten, die junge Aufzucht, alles was nur imstande war, einen Reiter zu tragen oder einen Munitions- karren zu ziehen, wurde requiriert und an die Militärbehörden abgeliefert. Man machte einfach tabula rasa auf dem Arbeitsfelde der norman- dischen Zucht. Napoleon war ein viel zu genialer Staatslenker, um nicht einzusehen, dass der hierdurch entstandene Schaden Ijaldmöglichst wieder gut gemacht werden müsse, wenn nicht die finanzielle und militärische Leistungsfähigkeit des Landes vollkommen untergraben werden sollte. Leider vergriff er sich aber in den Mitteln, die er zur Abwendung der drohenden Gefahr anordnete. Die Staatsgestüte wurden allerdings im Jahre 1806 wieder neu errichtet, aber anstatt den Züchtern englische Hengste desselben Schlages zur Verfügung zu stellen , der sich vor der Revolution so vorzüglich bewährt hatte, Hess die kaiserliche Gestütsverwaltung auf Napoleons Befehl mecklenburgische, ägyptische und türkische Hengste ankaufen, die nur dazu Ijeitrugen, die in dem normandischen Zuchtgebiete herrschende Ratlosigkeit und Verwirrung zu steigern. Napoleon war eben konsequent in seinem Hasse gegen das »perfide Albion«. Im Jahre 1814, als der Kaiser abdanken und nach Elba gehen musste, war die Lage der Staatsgestüte so kritisch, dass man sich genötigt sah, die in Le Pin befindlichen Stuten (10 nor- mandische, 35 mecklenburgische und 14 holländische) zu verkaufen, weil keine Mittel zur Bestreitung ihres Unterhalts mehr vorhanden waren. (Siehe Comte de Comminges, »Les Races de Chevaux de seile en France.«) Während der Restauration beschäftigten sich die Leiter der franzö- sischen Pferdezucht sehr eifrig mit der Frage, wie dem Mangel an ge- eigneten Vaterpferden am besten abgeholfen werden könnte. Zuerst wandte man sich nach England, wo man in der Holfnung, wieder so - 348 - gute Hengste zu erhalten, wie man vor der Revolution von dort be- zogen hatte, einige vielversprechende jüngere Beschäler ankaufen Hess. Unter diesen befanden sich die später in der Normandie zu hohem Ansehen gelangten Vollbluthengste Young Rattler, geb. iSii, V. Rattler, a. e. Snap-Mare; Sylvio, geb. 1826, v. Trance, a. d. Hebe, v. Rubens; Eastham, geb. 1813, v. Sir Oliver, a. d. Cowslip, v. Alexander; Napoleon, geb. 1824, v. Bob Booty, a. e. Pope-Mare; Vampire, geb. 1817, V. Waxy, a. d. Vestal, v. Walton; Captain Candid, geb. 1813, V. Cerberus, a. d. Mandane, v. Pot-8-os; Tigris, geb. 1812, v. Ouitz, a. d. Persepolis, v. Alexander; der 181 5 geborene Original- Araber Mas- soud, die Halbbluthengste Highflyer, geb. 1808; Jaggard, geb. 1813; Cleveland, geb. 1818; Topper, geb. 1812; Vidvid, geb. 1813; Chapman, geb. 1810; Talma, geb. 1822, u. m. a. Nahezu alle diese Hengste zählen zu den Stammvätern der anglo-normandischen Rasse. Die mit einheimischen Hengsten vorgenommenen Versuche fielen dagegen weniger günstig aus. Nach der Raubwirtschaft und den bunten Kreuzungen, die in dem normandischen Zuchtgebiete statt- gefunden, war dies nicht zu verwundern. Von der alten Rasse war ja so gut wie nichts übrig geblieben und dass die Produkte der späteren heterogenen Kreuzungen nicht die erforderliche Zuchtkonstanz besitzen konnten, lag auf der Hand. Tatsächlich bedurfte es einer langjährigen, zielbewussten Arbeit seitens des Staates und der privaten Züchter, bis die anglo-normandische Rasse wieder den vor der Revolution inne- gehabten Standpunkt erreichte. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, dass die Normandie vor Aus- bruch der Revolution die Heimat von vier verschiedenen Rassen bildete. Diese waren: 1. Die in der Umgebung von Courtomer, Seez und Alenyon ge- zogene Merlerault-Rasse, die von der alten normandisch- armoricanischen Rasse abstammend, ihre Entstehung auf die von den Mauren eingeführten Orientalen zurückführte und während der Kreuzzüo-e durch wiederholte Zufuhr orientalischen Blutes vorteilhaft beeinflusst worden war. 2. Die Cotentin-Rasse, die aus einer schwarzen und einer braunen Familie bestand. Erstere wurde hauptsächlich in den Arrondissements Valognes und Saint-Lo gezogen und lieferte dem Handel Karrossiers von nach damaligen Begriffen unüber- troffener Güte. Wenn man der Überlieferung Glauben schenken — 349 — darf, stammten diese Pferde von den dänischen Hengsten ab, welche die Normannen ins Land brachten, als sie die Normandie eroberten. Die braune Familie dagegen entstammte einer Kreuzung dänischer, neapolitanischer und deutscher Hengste mit Stuten des normandischen Landschlages. Ihre Heimat war die Umgebung von Vire. Viel Gutes ist nicht von ihr zu sagen. Hochbeinige Gäule mit schauderhaften Ramsköpfen bildete die Mehrzahl der zu diesem Schlage gehörenden Braunen, die noch dazu eine ausgesprochene Disposition zum Roaren besassen und vererbten. 3. Die in den Arrondissements Valognes und Cherbourg gezogene kleine energische und schnelle Rasse de la Hague, deren orientalische Vorfahren während der Eroberung des südlichen Italiens durch die Normannen von der Insel Sizilien nach Frank- reich gebracht worden war. 4. Die Klepper (bidets d'allure) des Bessin, die sich durch ausserordentliche Leistungsfähigkeit und raumgreifenden Pass- gang auszeichneten. Ausserdem gab es in der Ebene von Caen eine grosse Menge von Pferden verschiedenartigster Herkunft, die unter dem Einfluss des dortigen Klimas und Futters einen so gleichmässigen Typus angenommen hatten, dass man sie allgemein als normandische Pferde normandischer Rasse aus der Ebene von Caen bezeichnete. (Siehe O'Brien »Le Cheval dans l'Ain.«) Vor der Revolution verfügte also Frankreich in der Normandie trotz der daselbst betriebenen Misswirtschaft über einen Pferdestamm,, der wohl die Basis einer erfolgreichen und lohnenden Zucht hätte ab- geben können. Die damalige Gestütsverwaltung war aber ihrer Auf- gabe nicht gewachsen und so wurde denn das noch vorhandene, zum Teil recht brauchbare Material durch widersinnige Kreuzungen derartig verpfuscht, dass man, als ruhigere Zeiten eintraten, wieder ganz von vorne anfangen musste. Leicht wurde dies den Vertretern der Gestüts- behörden nicht gemacht. Besonders während der Regierung des »Bürger- königs« Ludwig Philipp (1830 — 1848) waren die Staatsgestüte beständigen Angriffen seitens der Opposition ausgesetzt. Trotzdem gelang es den leitenden Fachmännern jener Epoche, die Fahne des Fortschrittes hoch- zuhalten. Mehrere ihrer Errungenschaften wurden sogar von geradezu bahnbrechender Bedeutunsf für die französische Pferdezucht. Dies orilt — 350 — vor allem von der im Jahre 1833 erfolgten Gründung des Jockey-Klubs und von den sieben Jahre später ins Leben gerufenen Trabrennen. Überaus segensreich wirkte auch die 1840 organisierte staatliche Gestüts- schule, was nicht verhinderte, dass die Opposition ihr im Jahre 1852 die Kredite strich, so dass sie erst unter dem zweiten Kaiserreich wieder ihre Pforten öffnen konnte. Mit der Thronbesteigung des dritten Napoleon begann überhaupt für die französische Pferdezucht eine Aera glänzender Erfolge, die bisher keine dauernde Unterbrechung erlitten hat. Um nun ein deutliches Bild von der Entwickelung der anglo- normandischen Rasse zu erhalten, wird es notwendig sein, dass wir diejenigen Vaterpferde Revue passieren lassen, denen sie ihren heutigen Standpunkt zu verdanken hat. Von den Vollbluthengsten, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Normandie zur Zucht verwendet worden sind, verdienen in erster Reihe genannt zu werden: Die Orientalen: Dagout (1808), Backa (1801), Aslan (1805), Godolphin (1801), Seklavy (1813), Massoud (1815); die Anglo-Orientalen: Seduisant, Young Morwick und Neron Blanc; die englischen Vollbluthengste: Eastham, geb.i8i8, v. Sir Oliver, a. d. CowsHp, V. Alexander; Roval Oak, geb. 1823, v. Catton, a. e. Smolensko- Stute; Napoleon, geb. 1824, v. Bob Booty, a. e. Pope-Stute; Sylvio, geb. 1826, V. Trance, a. d. Hebe, v. Rubens; Young Emilius, geb. 1828, V. Emilius a. d. Cobweb, v. Phantom; Pick-Pocket, geb. 1828, v. vSt. Patrick a. e. Hedley-Stute; The Juggler, geb. 1832, v. Wamba, a. d. Pantechnetheca, v. Master Henry; Tipple Cider, geb. 1833, v. Defence, a. d. Deposit, v. Blacklock; Lanercost, geb. 1835, v. Liverpool a. d. Otis, V. Bustard; Brocardo, geb. 1843, v. Touchstone, a. d. Brocarde, V. Pantaloon, und Fitz Pantaloon, geb. 1847, v. Pantaloon, a. d. Rebuff, V. Camel. Ausser diesen Vollbluthengsten haljen die englischen Halbbluthengste Young Rattler, geb. 181 1, v. Rattler a. e. Snap-Stute und The Norfolk Phoenomenon, geb. 1845, v. Old Phoenomenon, einen unschätzbaren Einfluss auf die normandische Pferdezucht ausgeübt. Young Rattler, der im Jahre 1820 importiert wurde und bis 1836 als Deckhengst in Verwendung stand, war das Produkt einer weit ge- triebenen Inzucht, denn seine Mutter und die Mutter seines Vaters waren beide Töchter des Vollbluthengstes Snap. Möglicherweise ist es diesem Umstände zuzuschreiben, dass die typischen Eigenschaften seines Stammes mit seltener Treue von einer Generation auf die andere ver- erl)t wurden. Zeitgenossen beschreiben ihn als einen massiven Hengst mit herrHcher Nierenpartie, dessen Schultern und Röhren aber manches zu wünschen übrig Hessen. Dieselben Vorzüge und Mängel treten bei seinen Nachkommen zutage. Von Y. Rattler's Söhnen besass Imperieux (geb. 1822) den grössten Zuchtwert. Er hatte alle guten »Points« seines Vaters ge- erbt, zugleich aber auch dessen steile Schultern und eingeschnürte Röhren. Imperieux zeugte im Jahre 1833 mit einer Tochter des Halb- Ijluthengstes Pilot und einer orientalischen Stute den später zu grosser Berühmtheit gelangten Voltaire, dessen sämtliche Söhne sich durch eine bewunderungswürdige Zähigkeit und Energie ausgezeichnet haben. Primus int er pares unter diesen ist unbedingt Kapirat (geb. 1844), denn dieser wurde im Jahre 1858 Vater von Conquerant, der durch seinen Sohn Reynolds Gross vater von Fuschia, dem König der franzö- sischen Traberhengste geworden ist. Von Kapirats ausserordentlichem Zuchtwert zeugt auch die Tatsache, dass eine seiner Töchter zu dem Hengste Divus (geb. 1859) geführt, Normand, dem Vater des be- rühmten Cherbourg, das Leben geschenkt hat. Ein anderer Halbbluthengst, dessen Zuchttätigkeit von grosser Bedeutung für Frankreichs Traberzucht geworden, ist der im Jahre 1851 importierte Norfolk Phoenomenon. Dieser Hengst hatte eine glän- zende Trabaktion, die er zugleich mit seinen plumpen, etwas ordinären Formen, seinem schwachen Rücken, seinen Kalbsknien und seinem Mangel an Gurtentiefe getreulich weiter vererbt hat. Y, einer seiner besten Söhne, wurde Vater von La vater, dem Tigris und Niger das Dasein verdanken und der infolge dessen einen Ehrenplatz unter den Stammvätern der anglo-normandischen Rasse erhalten hat. Dieser Familie fehlt es indessen entschieden an Ausdauer, und in allen den Fällen, wo es den zu ihr gehörenden Hengsten gelungen ist, ein erstklassiges Produkt zu erzeugen, war die Mutter Vollblut oder doch eine hochveredelte Stute. Der erste englische Vollbluthengst, der in der Normandie Ver- wendung gefunden, war der weiter oben erwähnte Eastham. Von ihm heisst es, dass er trotz seiner blaublütigen Abstammung ein lymphatischer Beschäler und Roarer gewesen sei. Es kann daher nicht wunder- nehmen, dass sein Stamm nahezu gänzlich ausgestorben ist. In den Stammbäumen der anglo-normandischen Rasse wird dieser nur durch zwei von ihm erzeugte Vaterpferde, nämlich Chasseur (1828) und Emule (1830) vertreten. — 352 — Royal Oak produzierte mehr Stuten als Hengste; seine Söhne Merlerault (184O) und Pledge (1842) haben sich jedoch als nützliche Vaterpferde bewährt. Der Vollbluthengst S3'lvio wurde dagegen der Stammvater einer der vornehmsten normandischen Familien, die unter anderen die be- rühmten Hengste Don Quichotte (1835), Utrecht (1854), Idalis (1842), Elu (1860), Ramsay (1845) und Vladimir (1855) zu den ihrigen zählt. Eine bedeutende Rolle in der normandischen Pferdezucht spielte auch der Vollbluthengst Napoleon. Ausser dem Vollbluthengste Friedland (geb. 1835, a. d. Clothon, v. Eastham), der in dem Staats- gestüte Le Pin mit grösstem Nutzen verwendet wurde und dem eben- falls vortrefflichen Anglo- Araber Marengo (Vollblut, geb. 1835), hinterliess er einen Stern allererster Grösse, nämlich Eylau (Vollblut, geb. 1835, a. d. Delphine, v. Massoud). Was Eylau für die Zucht ge- leistet, lehren die Namen seiner ruhmgekrönten Söhne Her ch eil (geb. 1841), Lucain (geb. 1845) und Noteur (geb. 1847). Was speziell letzteren betrifft, haben sein Sohn Seducteur (geb. 1852) und dessen Sohn Centaure (geb. 1858) dafür gesorgt, dass er einen Ehrenplatz unter den besten Vaterpferden seiner Zeit erhalten hat. Centaure erzeugte hauptsächlich vortreffliche Mutterstuten, die, mit englischen Vollbluthengsten gepaart, bedeutenden Zuchtwert an den Tag gelegt haben. Unter den in neuerer Zeit in der Normandie tätig gewesenen englischen Vollbluthengsten hat The Heir of Linne, geb. 1853, V. Galaor, a. d. Mrs. Walker, v. Jereed, besonders im Cotentin, dem Vollblut als Erzeuger von Trabern, eine überaus wirksame Reklame gemacht. Sein bester Sohn war Phaeton (geb. 1871), der bis zum jähre 1896 im Staatsgestüte Le Pin vorzügliche Dienste geleistet. Das Ansehen der Familie wird gegenwärtig von seinen Söhnen Harley (geb. 1885), Flibustier (geb. 1883), Galba (geb. 1884), James Watt (geb. 1887), Levraut (geb. 1889) u. a. aufrecht erhalten. Die Nach- kommen dieser Hengste feiern nämlich Jahr aus Jahr ein glänzende Triumphe auf den französischen Traberbahnen. Wie aus obigem zu entnehmen, sind es hauptsächlich folgende vier Familien, die der Normandie das beste Zuchtmaterial geliefert haben : 1, Young Rattler Imp^rieux I. Voltaire I. Kapinit I C onquerant 353 — Revnolds Serpolet Roiian Uriel Dictateur Beauiie l\usti(|UL' Kivoli Ouintilien I I i 1 ! ^ Imschia jeune Toujours Harpon Jaguar Eclipse Azur Bemi^court Hetman ]\Iarengo Mars Mignon Moonlighter Moskowa Narquois Neuilly Novice Oran Oranger Pompei Portici Presbourg Quartier Maitre Quibus Reseda Rouges Terres Senlis Trinqueur. Niger I Acquila Valencourt St. Julien 2. The Norfolk Phoenomenon Lavater I Tigris Jaguar III, Coq ä FAne Etendart -A« Espoir Ciceron II Fontenav Kalinia Kan Oui Vive L'Estafette I Marin Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 23 - 354 — 3. Normand Cherliouru" I Serpulet Bai Colporti-ur Serviteur Ulrich Da^iuct Echo Hardv I S6bastopol T- T 1 üi c- V . ^ Edimliouro; Elan E(|iiateiir Pompignac Nabucho Juvi2;nv r Stuart Ultima Radzivill Kiffis MichiiL^an 4. The Heir of Linne (Vollblut) Phaeton Pactole Flibusticr Galba Elski Harlev James Watt Levraut Narcisse ! I I . " I I K('pi Lance-ä-Mort Prince Noir Wajiram Ouercy Die in der anglu-normandischen Zucht dominierenden fünf Dynastien Conquerant, Normand, Lavater, Phaeton und Niger ent- stammen obigen vier Famihen. Wie aus nachstehenden Pedigrees zu ersehen ist, sind die Häupter dieser Dynastien recht nahe mit einander verwandt. (3hne Verwandtschaftszucht gibt es eben keine Rassenbildung. I Imperieux ( 1S22) i Pilot-Stute ( The juo^crler x X (1832) I Y. Topper-Stute ( Knox's Corsair (Norfolker) \ Tochter von Cleveland ( Marcellus X X (1819) \ La Panachee ( Quebec (1850), v. Ganymede, v. Xerx^s. i Tochter von Electrique X X (1848) ( ^. . o I Voltaire (i8^^i Kapn-at (1844) '^ 1 ^ s^ ' ' l Tochter von The luogler X X I Tochter von D(^bardeur X X (1836) Y (oder Crocus) | The Norfolk Phoenomenon (1845) (1858) (Tochter von Invincible X X (1839) Candelaria entrl. Halliblut. Conquerant (1858) Nor m a n d (1869) Lavater (1867) Ka])irat (1844) Elisa Divus (1859) Tochter von Voltaire (1N33) Tochter von Corsair (1845) Elise Phaeton (18711 Niger (1869) The Heir of Linne X X (1853) La Crocus -, , ,, ,, fMulev Moloch (183O) Calaor < i8v'^) < y^ .•, ^. \ Darioletta Mrs. Walker fjereed (1834) \Zinganee Mare j Crocus (1856 (Norfolker) I Elisa f Corsair ,1845) ( ^ Elise I The Norfolk Phoenomenon (1843) \ Miss Bell (Amerika). — 355 — Was nun die Zuchtleistungen jedes einzelnen der hier genannten Vaterpferde anbelangt, so hat Conquerant nur dadurch, dass er Reynolds, den Vater von Fuschia, erzeugt hat, Anspruch auf beson- dere Ehrung erworben. Die anglo-normandische Zucht hat ihm aber ausser diesem einen Sensationshengst noch eine ganze Reihe sehr nütz- licher Vaterpferde zu verdanken, wie z.B. Serpolet Rouan, Beäuge, Ouintillien, Rustique u. m. a. Unter seinen Töchtern steht Capu- cine (a. d. Vollblutstute Fortuna), die mit ihrem Rekord von i'34" nahezu lo Jahre hindurch keinen Rivalen auf den französischen Traber- bahnen zu fürchten hatte, in erster Reihe. Treue im Endkampf und eine korrekte Trabaktion wird bei den Nachkommen Conquerants nur selten vermisst. Mit Bezug hierauf sei nur an die Fuschia-Tochter Messagere (geb. 1890) erinnert, die im Alter von 3 Jahren auf der Distanz von 3000 Meter den Kilometer in i'}2" trabte. Dies erklärt die grosse Beliebtheit, der sich das Conquerant-Blut in den Kreisen der normandischen Züchter erfreut. Conquerants Enkel Fuschia (geb. 1883, v. Reynolds, a. d. Reveuse, V. Lavater) wird von den Franzosen mit vollem Recht als Wunderpferd bezeichnet. Dass sie sich hiermit keiner Übertreibung schuldig machen, geht aus nachstehendem Verzeichnis der Renngewinste hervor, die Fuschias Nachkommen seit ihrem ersten Erscheinen bis zum Jahre 1905 auf den französischen Traberbahnen heimefeführt haben. 1893 g'ewannen die Fuschias 1896 . „ „ 1897 1898 1899 1900 190 1 1902 „ 1903 V „ „ 1904 1905 „ Summa 185 186. 20 Frcs. 278 150. 25 „ 296 083. 60 ,, 264 694. 75 „ 291951-55 „ 298 672. 40 „ 380973.15 „ 536 447- 50 „ 297 104. 15 .. 257 995- — „ 396 675. 50 „ 336 736. 25 „ 253 432. 80 ■■ 4 074 103. 10 Frcs. Also über 4 Millionen Francs innerhalb 13 Jahren! Aber eben deshalb wird es auch in 20 Jahren nicht einen französischen Traber ohne Fuschia-Blut in den i\dern geben. Leider gibt dieses phäno- - 356 — menale Vaterpferd vielen seiner Produkte ausser grosser Rennfähigkeit auch ordinäre Schädel und fehlerhafte Sprunggelenke mit auf den Lebensweg. Wer sich nachstehendes Pedigree näher ansieht, wird sofort die Bemerkung machen, dass dieses auf beiden Seiten diejenige Blut- mischung enthält, die besonders wirksam zur Bildung der anglo-norman- dischen Traberrasse beigetragen hat, nämlich Norfolker mit englischem Voll- und Halbblut. F 11 s c h i a (1883) Revnolds . __..^__.., ,__ )lut) Lonquerant ■{ ^,. t- , ,• ■. ^t ,- ,, t- , ^ cer Ivnox's Lorsair JKapirat (Englisch Hall)blut) ^ ' \ Elisa (Enkelin des Norfolke , ,,. _. f Succes (Enkel des Norfolker Old Phoenomenon) Miss Pierce < ^ , _,. , . •, • s y { Lady rierce (Amerikanerin) „^ f Lavater (Enkel des Norfolker The Norfolk Phoenomenon) Keveuse <<-,,. ^ Sympathie X X Bemerkenswert ist ferner, dass Fuschia das einzige bedeutende Vaterpferd ist, das Reynolds hinterlassen hat. Unter Reynolds weib- lichen Nachkommen gibt es jedoch einige ziemlich gute Exemplare. Eigentümlicherweise hat auch Fuschias Mutter weder früher noch später irgend ein Produkt gel^racht, das ihrem berühmten Sohne nur entfernt zur Seite gestellt werden könnte. Dieses Elternpaar scheint demnach seine Produktionskraft bei der Zeugung von Fuschia nahezu vollkommen erschöpft zu haben. Unter Fuschia's zahlreichen Söhnen spielen gegen- wärtig Reseda und Narquois die erste Rolle. Reseda zählte im Jahre 1905 nicht weniger als 15 Produkte, die den Kilometer in kürzerer Zeit als i'45" zurückgelegt hatten, während Fuschia nur 14 aufweisen konnte. Narquois' Nachkommen aber brachten es IQ04 mit 282260 Francs an Renngewinsten auf den zweiten Platz hinter Fuschias und es gilt als eine feststehende Erfahrung, dass nahezu jeder Narquois-Sprössling ein geborener Trotter ist. Im vorigen Jahre (1905) stellte sich die Rechnung folgendermassen : Fuschias Produkte gewannen 253432.80, Resedas 196364.15 und Narquois' 156974.55 Francs auf den französischen Traber- bahnen. Norm and hat der Zucht ebenfalls vorzügliches Material geliefert. Seine besten Söhne waren Cherbourg, Serpolet Bai, Hardy, Echo, Ulrich, Colporteur und Serviteur. Cherbourg darf sich der Vater- schaft von Juvigny und der vortrefflichen Stute Rose The (i'36") rühmen; Serpolet ist der Vater von Edinbourg und Elan; Echo zeugte die berühmte Traberin Ergoline (i'33") u. s. w. Normands — 357 — Zuchterfolge sind somit keineswegs gering zu nennen. Man wird je- doch nicht übersehen dürfen, dass seine Nachkommen nicht nur sehr häufig im Temperament manches zu wünschen übrig lassen, sondern auch zum Roaren disponieren. Cherbourg z. B. war das Ideal eines Karrossiers und produzierte auch solche von hoher Klasse. Unter diesen gab es aber recht viele ordinäre Gäule, die früher oder später, ebenso wie Normand selbst, als Roarer ausrangiert werden mussten. Lavater hat ebenfalls eine Dynastie gegründet. Ein ausgezeich- neter Traber und von kaltem Temperament, passte er vortrefflich zu den Töchtern des Vollbluthengstes The Heir of Linne, mit welchen er mehrere hochangesehene Vaterpferde erzeugte. Seinen Lenden ent- stammen unter anderen: Tigris, der Vater von Leda (i'34" auf 4800 Meter), Iris (i'33"), Fontena}^, der Vater von Med ine II (3 jährig i'36"), Kan u. s. w. ; Etendart, Vater von L'Estafette; Coq ä l'Ane, Vater von LaVeine (i'37") u. m. a. Ausserdem darf bei der Erwähnung von Lavater's Verdiensten nicht unerwähnt bleiben, dass er mit der Vollblut- stute Sympathie die Mutter von Fuschia erzeugt hat. Das Blut des ebenfalls zur Norfolk Phenomenon-Linie gehörenden Niger gilt als etwas „kalt", doch wird es bei vielen guten Hengsten, wie z. B. Narquois (i'29") und Novice (i'33") auf der mütterlichen Seite angetroffen. Seine besten Söhne sind Valencourt, Vater von Impetueuse (i'34") und Acquila, Vater von Ismerie (i'34")- Die jüngste Dynastie ist die des 1871 geborenen Phaeton. Dieser war ein Hengst des Blutpferdet3^pus ,,ä grandes lignes". Unter seinen Nachkommen gehören aber kurze Unterschenkel, flache Nieren, Hasen- hacken, grosse Abzeichen und ein etwas schwieriges Temperament nicht zu den vSeltenheiten. Sein bester Sohn war Fl ibu stier, dessen Sohn Kepi alle französischen Traber-Rekords geschlagen hat. Es lässt sich indessen nicht in Aljrede stellen, dass Phaeton der Zucht mehr durch seine Töchter als durch seine Söhne genützt hat. Von ersteren seien hier Finlande und Gerance, die beide im Traber-Derby zu Ronen (Distanz 3200 Meter) gesiegt haben, besonders hervorgehoben. Phaeton besass überhaupt die Gabe, mit gewöhnlichen Karrossier-Stuten erstklassige Traber zu produzieren. Viele männliche Repräsentanten hat er nicht hinterlassen. Gegenwärtig wird sein Blut hauptsächlich durch Lance ä Mort, Prince Noir, Harley und Narcisse vertreten. Diese genealogischen Angaben dürften genügen, um den Leser instand zu setzen, sich ein zutreffendes Urteil über den Zuchtwert der - 35« - in der anglo-normandischen Rasse dominierenden Blutlinien und deren Vertreter zu Ijilden. Wir werden daher nun zu einer Besichtigung der- jenigen Gegenden übergehen, wo diese Zucht feste Wurzeln gefasst und sich zu einer blühenden hidustrie entwickelt hat. Die frühere Provinz Normandie bildet heute die vier Departements Seine-hiferieure, Eure, Calvados, Manche und den grösseren Teil des Departements Orne. Als die eigentlichen Produktions-Zentren des anglo- normandischen Zuchtgebietes sind jedoch nur die drei letzteren Landes- teile und ganz besonders das Departement Orne mit seinen drei Di- strikten le Merlerault, die Ebene von Alencon und das Tal von Mesle- sur-Sarthe anzusehen. Le Merlerault nimmt, sowohl was das Alter als auch was die Güte seiner Zucht betrifft, unbedingt den ersten Platz unter den Pferde produzierenden Gebieten der Normandie ein. Man findet dort alle die- jenigen Faktoren vereint, die geeignet sind, fördernd und belebend auf die Pferdezucht einzuwirken — gesunde, stärkende Luft, gutes Wasser, herrliche Weiden und von jeher einen zahlreichen Stamm hochedler Hengste und Stuten. Gezüchtet wird denn auch überall in Merlerault, aber am meisten und besten in den Gemeinden Merlerault, Nonant, Saint-Germain de Clairfeuille, Le Mesnil-Froger, Les Anthieux, Medavy, Saint-Leonard-des-Parcs, u. m. a. In Merlerault befindet sich auch das im Jahre 171 7 als Gestüt ge- gründete Staats-Hengstendepot le Pin, das eine so grosse Rolle in der Geschichte der normandischen Zucht gespielt hat, Le Pin birgt ausser den besten französischen Staatsbeschälern englischer Vollblut- und normandischer Halbblut-Rasse auch vorzügliche Repräsentanten der einheimischen kaltblütigen Schläge. Unter den in Le Pin aufgestellten Anglo-Normanden verdienen in erster Reihe genannt zu werden : Azur, V. Fuschia, a. e. Echo-Stute (i'30"^/io); Fuschia, v. Reynolds, a. e. La- vater-Stute (i'jö" -/s); Hetman, v. Fuschia, a. e. Phaeton-Stute (i'43" -'/oo); James Watt, v. Phaeton, a. e. Vichnou-Stute (i'40"^/4); Juvigny. v. Cherbourg, a. e. Niger-Stute (i'40"^'io); Kiffis, v. Edimbourg, a. e. Phaeton-Stute (i'40" ^2); Michigan, v. Edimbourg, a. e. Beauge-Stute (i'37" 72)1 Narcisse, v. Phaeton, a. e. Niger-Stute (i'46" "/20); Narquois, V. Fuschia, a. e. Niger-Stute (i'29"2/io); Novice, v. Fuschia, a. e. Niger- Stute (i'33"Vö)' Oran, v. Fuschia, a. e. Serpolet-Bai-Stute (i'45"); Radzivill, v. Juvigny, a. e. Edimbourg-Stute (i'38" V^); Rouges Terres, v. Fuschia, a. d. Perce Neige XX (i'36"2L); Sebastopol, v. Cherbourg, — 359 — a. e. Fuschia-Stute (i'36" -'jo); Ulema, v. Juvigny, a. e. Phaeton-Stute (i '39" I/o); Ulrich, v. James Watt, a. e. Cherbourg-Stute (i'42"i/2); Valencourt II, v. Fuschia, a. e. Phaeton-Stute (i'36" ^^/le)- Einen hervorragenden Platz unter den Zuchtetablissements des Merlerault nimmt auch das schöne Privat-Gestüt des Rouges-Terres, des Herrn Leon Olry, ein. Dieses Gestüt enthält nicht weniger als 30 Mutterstuten, die sämtlich zur Produktion von normandischem Halb- blut des Traber-Schlages verwendet werden. Mit welcher Vorliebe für hochedles Traberblut Herr Olry bei der Zusammenstellung seines Zucht- materials zuwege gegangen ist, lehren die Namen seiner Vaterpferde: Reseda, geb. 1895, v. Fuschia, a. d. Camelia, v. Sir Quid Pigtail x X ; Senlis, geb. 1896, v. Fuschia, a. d. Camelia, v. Sir Quid Pigtail XX ; Trinc^ueur, geb. 1897, v. Fuschia, a. d. Perce Neige X X , v. Cymbal, sowie auch die der vorzüglichen Mutterstuten, die er dem Gestüte ein- verleibt hat. Befinden sich doch unter letzteren so berühmte Matronen, wie Perce Neige XX, geb. 1875, v. Cymbal, a. d. Mlle. de Fontenay; Hemine (i'34"), geb. 1885, v. Reynolds, a. d. Modestie, v. The Heir ofLinne x X (diese Stute trabte 1891 6000 Meter in 9'44" 1/0 [km i'37"-"ö] und gewann während ihrer Renn-Karriere im ganzen 107 127 Frcs. 90 cts.); Alouette x, geb. 1888, v. Blenheim, a. d. Anna, v. Ephraim; Ergo- line, (i'33'' Va)? geb. 1889, v. Echo, a. d. Camelia, v. Sir Quid Pigtail x X oder Barrabas; Nitouche (i'3i"'7io). geb. 1889, v. Fuschia, a. d. Eva, V. Phaeton; Aline (i'3ö" ■".-,), geb. 1890, v. Fuschia, a. d. Nymphe, v. Cherbourg, u. m. a. Wie aus diesem Verzeichnis hervorgeht, ist Herr Olry ein entschiedener Anhänger der Vollblutkreuzung, was um so mehr beachtenswert erscheint, als er nur Traberzucht für Rennzwecke be- treibt. Ferner wird es dem Fachmann auffallen, dass, obwohl sämtliche Vaterpferde des Gestütes Rouges-Terres Söhne von Fuschia sind, die dortige Stutenherde nicht weniger als 10 Töchter und 2 Enkelinnen dieses Hengstes enthält, von welchen die meisten 1905 wieder zu einem ihrer obengenannten Halbbrüder geführt worden sind. Diese konsequent be- triebene, sehr weitgehende Inzucht mit Fuschia-Blut wird der anglo-norman- dischen Rasse sicher nicht zum Vorteil gereichen. Dass Herr Olry drei so hervorragende Fuschia-Söhne eigener Zucht, wie Reseda, Senlis und Trinqueur, bei sich aufgestellt hat, anstatt sie für teures Geld der fran- zösischen Gestütsverwaltung zu verkaufen, hat seine Erklärung in dem Umstände, dass die normandischen Züchter ihre Hengste der aller- ersten Klasse lieber selbst behalten, weil die Gestütsverwaltung solche — 36o — nicht immer in Le Pin oder St. Lo, sondern häutig in entfernt gelegenen Depots aufstellt, was den Züchtern selbstverständlich Kosten und Un- l:)equemlichkeiten verursacht. Das Zuchtziel in Merlerault ist die Produktion von fashionabel gezogenen Hengsten und Stuten hoher Klasse. Das Fohlen kommt auf der Weide zur Welt. Sobald die Hengstfohlen das Alter von sechs Monaten erreicht halben, werden sie an Aufzüchter aus der Ebene von Caen verkauft. Diejenigen Fohlen, die nicht verkauft wurden, bleiben bis zum Alter von 2^/2 Jahren auf der Weide. Dann aber beginnt ihre Vorbereitung zu den grossen Leistungsprüfungen. Nach einem drei- monatlichen Training, während welchem die Pferde so viel Hafer fressen dürfen, als sie nur mögen, pflegen diese imstande zu sein, 3000 Meter, auf zwei Male verteilt, im Renntrab zurückzulegen. Nach weiteren drei Monaten wird dieses Pensum in einem Zug absolviert. Leider bildet die Gilde der französischen Trabtrainer und Trabjockeys eine sehr rüde Gesellschaft, die sowohl in fachmännischer wie in sozialer Hinsicht tief unter dem Niveau derjenigen Professionals steht, die auf der Flach- und Hindernisbahn tätig sind. Ein sportlicher Genuss ist es daher gerade nicht, dem Training auf irgend einer französischen Trabbahn beizuwohnen, (Siehe auch »Les Races de Chevaux de seile en France«, par le Comte de Comminges.) Die Stuten werden zur Zucht verwendet, bis sie das Alter von 5, 6 oder 7 Jahren erreicht haben; dann aber verkauft sie der Züchter entweder auf dem Markt für Luxus- und Gebrauchspferde oder auch an die Remontenverwaltung. Besonders wertvolle Stuten gelangen aber selbstverständlich nicht zum Verkauf, sondern verbleiben im Dienste der Zucht. Tatsächlich findet man auch im ganzen Norden von Frankreich nirgends so edle und schöne Stuten wie in Merlerault. Ein Umstand, der jedoch unbedingt schädlich auf die dortige Zucht einwirken muss, ist, dass die zum Verkauf bestimmten Pferde, bis sie die heimatliche Scholle verlassen, wenig oder gar nicht bewegt werden. Es fehlt eben in dem hauptsächlich aus Weideland bestehenden Merlerault an Ge- legenheit, die Pferde zur Ackerarbeit zu verwenden und ihnen vor dem Wagen oder unter dem Reiter ausgiebige Bewegung zu verschatfen, ist der kleine bäuerliche Züchter schon aus ökonomischen Gründen nicht imstande. Die Ebene von Alencon erstreckt sich auf beiden Seiten des Flusses Sarthe, von der Stadt Alencon bis zum Waldgebiete Mesnil- — 36i — Broust. Die Flussufer bestehen aus ausserordentlich üppigen Weiden, das kräftigste Futter jedoch wächst in der eigentlichen Ebene, deren Kulturverhältnisse sehr an diejenigen der grossen Ebene von Caen erinnern. Die Pferdezucht dieses Bestandteiles des Departements Orne hat alte Ahnen. Soll sie doch bereits im Mittelalter ein hohes Ansehen genossen haben. Der Adel, der den heutzutage in der Ebene von Alengon gezogenen Pferdeschlag kennzeichnet, wird indessen haupt- sächlich der Zuchttätigkeit zweier Hengste — Le Parfait und TAleyrion — zugeschrieben, die kurz vor der grossen Revolution vom Prinzen de Lambesc aus England importiert und der Königin Marie Antoinette zum Geschenk gemacht worden waren. Als nun der königliche Marstall öifentlich versteigert wurde, gelangten diese beiden, wie man behauptet, anglo-arabischen Hengste in den Besitz eines Pariser Pferdehändlers, der sie einem in der Nähe von Alencon wohnhaften Züchter namens Marchaud überliess. Hier erzeugte TAley- rion mit einer Tochter des Parfait im Jahre 1800 den berühmten Hengst Matador, der in den Annalen der normandischen Pferdezucht als das schönste und beste Vaterpferd geschildert wird, das die französischen Staatsgestüte je besessen. Das Blut dieses Hengstes lässt sich heute noch in den Stammbäumen vieler der vornehmsten normandischen Pferdegeschlechter, wie z. B. das des Conquerant und des Centaure, authentisch nachweisen. In der Ebene von Alencon hat es von jeher zahlreiche vorzüglich geleitete Privatgestüte gegeben. Keines von diesen hat aber auch nur annähernd den hohen Standpunkt erreicht, den das bei Alengon in Semalle gelegene Gestüt de la Fontaine des Herrn Th. Lallouet gegen- wärtig einnimmt. Das Zuchtmaterial dieses herrlichen Etablissements bestand Ende vorigen Jahres (1905) aus den Hengsten Triomphant^ geb. 1897, V. Fuschia, a. d. Narcisse, v. Cherbourg, Beaumanoir, geb. 1901, V. Narquois, a. d. Ouenotte, v. James Watt, und 62 Mutter- stuten. Unter letzteren befinden sich solche Grössen, wie E gl an t ine, geb. 1882, V. Serpolet Bai, a. e. Gaulois-Stute ; Nubienne, geb. 1891, V. Cherbourg, a. d. Eglantine, die 1900 auf der grossen internationalen Pferdeaus.stellung zu Paris mit dem Champion-Preis für die Halbblut- stuten aller Länder ausgezeichnet wurde; Narcisse, geb. 1891, v_ Cherbourg, a. d. Fauvette II; Osmonde, geb. 1892, v. Fuschia, a. d. Escapade, v. Phaeton; Regalia, geb. 1895, v. Fuschia, a. d. Gerance, — 302 — V. Phaeton; Redowa, geb.. 1895, v. Fuschia, a. d, Escapade, v. Phaeton; Reveuse, geb. 1895, v. Fuschia, a, d. Minute, v. Phaeton; Sadowa, geb. 1896, V. Fuschia, a. d. Narcisse; Tyrolienne, geb. 1897, v. Fuschia, a. d. Kouba, v. Cherbourg; Belladonna, geb. 1901, v. Re- seda, a. d. Redowa, u. v. a. Herr Lallouet zieht nur hochedles, normandisches Halbblut. Sein ganzes Zuchtmaterial besteht aus qualifizierten Trabern oder auf so- wohl väterlicher wie mütterlicher Seite von Trabern abstammenden Tieren. In erster Reihe sucht er natürlich mit diesem Material mög- lichst ruhmvolle Erfolge auf der Rennbahn zu erzielen, was ihm denn auch in vollstem Masse gelungen ist, denn seine Gewinste auf den französischen Trabbahnen betrugen während der letzten fünf Jahre: 19OI I09 Pferdes der Orne«, d. h. eines Pferdes, wie es in den besseren Gestüten des De- partements Orne vorherrscht, und dessen Erzeugung von den Verhält- nissen des Departements begünstigt wird. Er ist fast überzeugt davon, dass auch für das Landesinteresse diese Zuchtrichtung die wahre ist. Er ist der Freund eines hochedlen, möglichst raschen Pferdes, das in jedem Zuge Kraft und Energie bekundet, und er sieht diesen Eigen- schaften zuliebe, wenn es nicht anders geht, über andere, die er für weniger wichtig hält, etwas hinweg. Er ist so recht der Verteter der modernen französischen Richtung in der Halbblutzucht des Nord- westens. Der Gesamteindruck der mir in grosser Zahl in Semalle ausser- halb des Stalles vorgeführten Pferde bestätigte vollkommen die eben gegebene Charakteristik. Ich sah, vom Standpunkt des »Pferdes der Orne« aus, ein brillantes Material, ein Tier immer noch besser als das andere; aber es traten mir auch recht häufig, wenn auch meistens nicht eben stark ausgeprägt, die Schattenseiten der genannten Richtung entgegen, und zwar in Gestalt von unharmonischer Körperentwicklung, unschönen Linien, zu geringer Brusttiefe, mangelnder Knochenstärke, kleinen Beinfehlern u. s. w. Vornehmlich war es die zu geringe Bein- stärke, die mir zum Tadel Anlass orab. Al3er ich fand l)ei meinem - 365 - liebenswürdigen Gastgeber und Führer nicht eben viel Verständnis für derartige Bemerkungen. Lächelnd pflegte er zu erwidern, dass es seinem Ermessen nach nicht darauf ankomme, so und so viel Kilo Knochen zu produzieren, sondern Pferde von grosser Leistungsfähigkeit zu züchten, und für diesen Zweck seien edle Beine von 21 — 22 cm Stärke jedenfalls weit schätzenswerter, als gemeine von 23 oder 24 cm. Ich musste freilich bis zu einer gewissen Grenze Herrn Lallouet, der seine Sache sehr geschickt zu vertreten wusste, recht geben, allein so ganz versöhnen konnte er mich mit seinem Standpunkte doch nicht. Was mich jedoch wesendich zur Milde in der Beurteilung einzelner Mängel stimmte, war die während meines bisherigen Aufenthalts in der Normandie bereits gewonnene Erfahrung, dass das edle normannische Pferd mit fünf oder sechs Jahren sich viel vorteilhafter präsentiert als mit drei oder vier, weil es dann viel an Vollständigkeit, Körperharmonie und Stärke gewonnen hat. Dieser Umstand kam um so mehr in Betracht, als die Mehrzahl der mir in Semalle vorgezeigten Pferde noch junge Tiere waren.« So weit Ökonomierat Oetken. Was mich betrifft, bin ich auf meinen wiederholten Streifzügen durch die besten Zuchtdistrikte der Normandie zu der Überzeugung gelangt, dass die Prinzipien, die Mon- sieur Lallouet im Semalle-Gestüte vertritt, als richtig und heilbringend für die französische Pferdezucht bezeichnet werden müssen. Ich habe nämlich stets gefunden, dass der hoch gezogene, in edlem Rahmen gemachte und nicht zu grosse Anglo-Normand ein ebenso schönes wie leistungsfähiges und gängiges Pferd ist. Die Schattenseiten der Rasse treten am häufigsten bei den massiveren, nicht so hoch im Blute stehenden Exemplaren, den sogenannten »Bourdons« zutage. Ein anderes, in der Ebene von Alencon gelegenes, berühmtes Gestüt, ist das des Herrn Jules Thibault zu Larre. Das Zuchtmaterial dieses Gestüts besteht aus dem Deckhengste Presbourg (geb. 1893, V. Fuschia, a. d. Jessie, v. Vichnou x X) und ca. 30 Mutterstuten, unter welchen sich mehrere Sterne erster Grösse befinden. Mit Presbourg errang Herr Thibault, der, nebstbei gesagt, ein Schwager des Herrn Lallouet ist, 1900 auf der grossen internationalen Ausstellung zu Paris den Champion-Preis für Traberhengste und mit Tristan (geb. 1897, V. James Watt, a. d. Bluette, v. Ouiclet) den Champion-Preis für fran- zösische Halbbluthengste. Bei dieser Gelegenheit sei auch erwähnt, dass Herr Lallouet 75 und Herr Thibault 36 Pferde in Paris ausgestellt hatten. - 366 - Das Zuchtgebiet Mesle-sur-Sarthe, so genannt nach dem Städtchen dieses Namens, umfasst die beiden Ufer der Sarthe und deren Beiflüsse in einer Ausdehnung von ungefähr 26 Kilometer. Die hier betriebene Halbbhitzucht kann sich nicht entfernt mit derjenigen messen, die im Merlerault und in der Ebene von Alencon zu so grosser Berühmtheit gelangt ist, auch ist sie bedeutend jünger, nämlich nur wenig über 100 Jahre alt. Ihren Ursprung verdankt sie einem im jähre 1789 von Herrn de Saint-Aubin aus England importierten Hunter- hengst und dessen Nachfolgern, unter welchen die Hengste: King, D. I. O. /<. A (geb. 1813, v. Witworth, a. e. Hambletonian-Stute) ; Eclatant (geb. 18 16, V. Bacha, a. e. Highflyer-Stute); Valient (geb. 1822, v. Equator XX) und in jüngerer Zeit Eylau a. o. X (geb. 1835, v. Napoleon, a. d. Delphine, v. Massoud) und Tipple Cider a X (geb. 1833, V. Defence, a. d. Deposit, v. Blacklock) in erster Reihe zu nennen sind. Diese Hengste wurden mit Stuten des Landschlages gepaart und so bildete sich ein veredelter Stamm kräftiger Pferde heraus, mit dem erfolgreich weitergezüchtet werden konnte. In Mesle-sur-Sarthe wurde auch 1840 die erste Dressurschule ins Leben gerufen. Diese Gründung darf als ein Ereignis von weittragender Bedeutung für die französische Pferdezucht bezeichnet werden, denn die ausserordentlichen Erfolge jener Schule gaben Anlass zur Errichtung zahlreicher Etablissements derselljen Art, die ebenfalls wesentlich dazu l)eitrugen, der anglo- normandischen Rasse einen höheren Zucht- und Gel)rauchswert zu verleihen. Die grössten Gestüte im Bezirke Mesle-sur-Sarthe sind gegen- wärtig Le Haras du Logis in St. Leger-sur-Sarthe des Herrn D. Lindet mit 21 Mutterstuten und La Haye de Poeley an demselben Orte des Herrn Ovide Moulinet mit 16 Mutterstuten. In älterer Zeit bestanden in diesem Landesteile mehrere berühmte Zuchtstätten, wie z. B. die der Herren Forcinal, Villereau und Rathier, die leider nach dem Tode ihrer Begründer der Auflösung anheimgefallen sind. In den Annalen der normandischen Zucht ist ihnen jedoch ein ehrenvoller Platz gesichert, den sie sich durch die Güte ihrer Produkte auch ehrlich verdient haben. Mit Bezug hierauf sei erwähnt, dass die vorzüglichen Vaterpferde Ganymede (geb. 1839, v- Xerxes, a. d. La Louve, v. Chasseur), Kram er (geb. 1844, V. Hercule, a. d. Cybele, v. Chasseur) und Elu (geb. 1849, V. Electeur, a. e. Comminges-Stute) der Zucht des Herrn Rathier ent- stammten. - 307 - Unser nächstes Ziel ist das Departement Calvados. Von den 552000 har, die das Areal dieses Departements Ijilden, bestehen 203103 aus Acker und künstlichen Wiesen und 170743 aus natürlichen Wiesen und Weiden. Letztere kommen hauj)tsächlich in drei verschiedenen Distrikten vor, nämlich im Osten in der Vallee d'Auge, im Westen im Bessin und Bocage und im Zentrum in der Ebene von Caen. Fio;. 52. Dreijähriger Heiiij.st auulo-uormandischer Rasse. Die fruchtbarsten Teile der reichen Vallee d'Auge sind die Kantons Pont-rEveque, Dozule, Croarn, Mezidon und Saint-Pierre-sur-Dives. Hier werden die Produkte meist schon im Alter von 6 Monaten verkauft, jedoch behält der Züchter dann und wann ein l3esonders vielversprechen- des Stutfüllen, um es aufzuziehen und dreijährig zum Hengst zu führen. Bewährt sich das junge Tier dann als Zuchtstute, so wird es weiter zur Zucht verwendet; im entgegengesetzten Falle kommt es auf den Remonten-Markt. Mit der Pferdezucht l^efassen sich die Landwirte des - 368 - Auge-Tales überhaupt nur in zweiter Linie. Ihr Haupterwerb besteht in der Produktion von Mastvieh. Bei der Verpachtung der dortigen Wiesen und Weiden wird der Pächter in der Regel sogar ausdrücklich verpflichtet, nur ein Stück Pferd auf zehn vStück Rindvieh zu halten. Für die Pferdezucht ist dies insofern kaum als Nachteil zu l^ezeichnen, als das üppige, mästende Weidefutter jener Gegenden lymphatische Anlagen beim Pferde hervorzurufen pflegt. Ohne häufige Zufuhr hoch- edlen Blutes ist dort gar nicht gegen die Lymphe anzukämpfen. Dass indessen auch im Auge-Lande gute Pferde gezogen werden können, geht aus der Tatsache hervor, dass die berühmten Traber Fridoline und die beiden Bayadere dort das Licht der Welt erblickt haben. Diese Stuten stammten aus der Gegend von Pont-l'Eveque. Im Bessin, das einen grossen Teil des Arrondissements Bayeux nebst einem Stückchen des Departements La Manche umfasst, gestalten sich die Verhältnisse für die Pferdezucht w^eit günstiger, weshalb denn auch hier mehr Fohlen als Mastochsen produziert werden. Besonders lebhaft ist die Fohlenzucht in den Kantons Isigny, Trevieres und Bayeux, sowie auch in den auf beiden Ufern der Aure gelegenen Weideländern. Die im Bessin geborenen Fohlen gelangen gewöhnlich im Alter von sechs oder achtzehn Monaten zum Verkauf. Dies geschieht zumeist am 2. November auf dem grossen Fohlenmarkt zu Bayeux, wo man 2 — 3000 Fohlen zu sehen bekommen kann. Von grossem Vorteil für die Pferdezucht im Bessin ist der Um- stand, dass dort in den höher gelegenen Ortschaften auch Ackerbau getrieben wird, während das Tiefland nur Wiesen und Weiden aufzu- weisen hat. Die Züchter sind daher in der Lage, ihre Mutterstuten zu leichterer Feldarbeit zu verwenden und ward es wohl mit Recht auch der hierdurch ermöglichten täglichen Heranziehung der Stuten zu massiger, gesundheitsfördernder Arbeit zugeschrieben, dass die Pferde des Bessin grössere Energie als diejenigen der Vallee d'Auge an den Tag legen. In dem südlich vom Bessin gelegenen hügelreichen Bocage halten sich die Fohlenproduktion und die Aufzucht von Pferden unge- fähr die Stange. In den Kantons Vire, Beni-Bocage und Conde-sur- Noireau sollen sich ungefähr 4000 Stuten befinden, von welchen nahezu die Hälfte durch Staatsbeschäler gedeckt wird. Das im Bessin ge- zogene Pferd hat viele ÄhnHchkeit mit dem des Cotentin. Obwohl sehr verwendbar für die schwere Kavallerie und das Luxus-Fuhrwerk, — 369 — kann ihm, wie auch Edmund Gast in dem Prachtwerke »Le cheval normand et ses origines« hervorhebt, doch der Vorwurf gemacht werden, dass es im allgemeinen etwas hochbeinig ist und nicht jene »grandes lignes« besitzt, die dem edlen Pferde sein eigenartiges Gepräge verleihen. Die Ebene von Caen (la Plaine de Gaen), deren Mittelpunkt die altertümliche Stadt Caen bildet, erstreckt sich von Falaise und Harcourt 1)is zum Meer. Ihre Spezialität in hippischer Beziehung ist die Aufzucht von in den angrenzenden Departements La Manche, Orne und Seine-Inferieure, ja sogar in der Bretagne und der Vendee ge- borenen 6 — 18 Monate alten Hengstfohlen. Fohlenproduktion wird da- gegen nur in sehr geringem Massstabe betrieben. Die wenigen Fohlen, die in der Ebene von Gaen zur Welt kommen, werden gewöhnlich nach dem Abspänen oder spätestens im Monat März des folgenden Jahres bis zum November nach dem Lande Auge geschickt, wo sie sich auf den fetten Weiden schneller und kräftiger entwickeln, als in der Ebene. Der Vorgang bei der Aufzucht und Verwertung der angekauften Fohlen ist, kurz geschildert, folgender: Die in der Stadt Gaen ansässigen grossen Pferdehändler, unter welchen es mehrere steinreiche und über prachtvolle Etablissements verfügende Herren gibt, kaufen im Monat November in den »pays d'elevage«, d. h. in den Departements La Manche, Orne u. s. w. so viele hochgezogene Hengstfohlen, als sie für ihr Geschäft zu benötigen meinen. Diese Fohlen werden dann sofort bei Pächtern in der Ebene von Gaen untergebracht, wo der betreffende Händler für Futter und Wartung im ersten Jahre 200, im zweiten wiederum 200 und im dritten 100 Francs per Stück zu bezahlen hat. Im dritten Jahre darf der Pächter den jungen Hengst zu leichter Feld- arbeit verwenden. Lange ist er jedoch nicht in der Lage, Gebrauch von dieser Erlaubnis zu machen, denn schon im Monat Mai pflegt der Händler alle seine jungen Hengste zu sich nach Gaen zu nehmen, um sie der nötigen Vorbereitung für die vorgeschriebene Leistungs- prüfungen und die Ende Oktober in Gaen stattfindende grosse Hengstenschau zu unterziehen. Diejenigen Hengste, die der Besitzer nicht verkaufen konnte oder nicht selbst zur Zucht verwenden will, werden im November sofort kastriert und möglichst vorteilhaft entweder an die Remontierungsverwaltung oder an den Händler mit Luxuspferden verkauft. Wer im Monat März oder April einen Rundgang durch die grossen Händlerställe in Gaen macht, wird also dort nicht einen einzigen Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 24 — 370 — Hengst zu sehen bekommen. »Das Lager wurdt- schon im Herl)st total ausverkauft < und erst im Mai Ijeginnen die Boxen wieder all- mähHch sich zu füllen. Die Preise für in jeder Beziehung befriedigende Hengstfohlen schwanken zwischen 400 und 500 Frcs. ; ist das Fohlen aber ein Produkt vielversprechender Traberzucht, wird es sicher nicht unter 1000 Frcs. zu haben sein; unter Umständen kann der geforderte und bereitwillig gezahlte Preis gar 4000 Frcs. betragen. Die in der Ebene von Caen gebräuchliche Aufzuchtmethode lässt, besonders in den späteren Stadien, manches zu wünschen übrig. Während des ersten Winters werden die Fohlen in offenen Schuppen o-ehalten, wo sie sich frei bewegen können. Ihre tägliche Ration be- steht hier aus 3 Liter Hafer, 7 Kilo Heu und Stroh und etwas Kleien- masch. Sobald es nur irgend angeht, kommen sie aber wieder auf die Weide, und zwar zuerst auf Grünroggen, dann auf hikarnat-Klee, Esparsette und die abgemähten Wiesen. Geweidet wird in Frankreich nahezu überall am Pflock. Das Winterquartier beziehen die nun icS Monate alten Fohlen erst im November. Diesen zweiten Winter bringen die wertvolleren Hengstfohlen aber nicht mehr in offenen Schuppen, sondern in einem geschlossenen Stall zu. Ihre Haferration wird hier auf 5 — ö Liter erhöht und beginnt man auch, sie mit der Vorführung an der Leine vertraut zu machen. Allzuoft kommen die jungen Tiere während dieser Periode ihres Erdenwallens jedoch nicht an die Luft. Manche Fermiers nehmen die ihrer Ol^hut anvertrauten Hengstfohlen sogar grundsätzhch nie heraus. »Es könnte den kost- baren Tieren ja leicht etwas passieren und ausserdem bin ich nicht in der Lage, mir Leute zu halten, die mit so edlen Pferden umzugehen wissen,« wurde mir von einem Pächter erwidert, als ich ihm das Ver- kehrte dieser Aufzuchtmethode vorhielt. Je eher die besseren Exemplare nach Caen übersiedeln, desto vorteilhafter ist es somit für ihre spätere Entwicklung, denn draussen beim Bauer wird diese sicher nicht im richtigen Masse gefördert. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei indessen im Anschluss an obige Schilderung der in der Ebene von Caen gebräuchlichen Auf- zuchtmethode ausdrücklich bemerkt, dass diese nur in solchen Ställen zur Verwendung gelangt, wo wertvollere Hengstfohlen Aufnahme ge- funden haben. Geringeres Material bekommt kein Körnchen Hafer zu sehen und wird so bald als möglich — meistens viel zu früh — zu — 371 — allen Arbeiten herangezogen. Diejenigen Exemplare, von denen ange- nommen werden kann, dass sie die Eignung zum Militärdienst erlangen werden, lässt der Besitzer, sobald sie das Alter von 2' 2 Jahren erreicht haben, kastrieren, um sie dann ein Jahr später der Remontenkommission in Caen zum Verkauf vorführen zu können. Wie in den übrigen Teilen der Normandie, gil)t es auch im De- partement Calvados mehrere Gestüte, deren Produkte sich vorteilhaft Ijekannt gemacht haben. Als solche wären zu nennen : Haras de Gou- •stranville bei Dozule des Herrn Jules Lemonnier mit 3 Vaterpferden und 27 Mutterstuten ; Haras de Secqueville-en-Bessin bei Bretteville- rOrgueilleuse der Herren Ph. du Rozier und F. Guilet mit 2 Vaterpferden und 2g Mutterstuten; Haras de Launay in St. Julien-sur-Calonne, bei Pont-FEveque, des Herrn Fernand Lequillon ; Haras du Bois-de-Troarn, ] )fi Troarn, des Herrn J. Cabrol ; Haras de Mondeville des Herrn Albert \'iel u. m. a. Das Departement La Manche besteht zu zwei Drittel aus der Halbinsel Cotentin ; das üljrige Drittel wird vom Avranchin im Süden und vom Bocage im Südosten gebildet. Dieses Departement eignet sich auf Grund seiner geologischen Beschaffenheit und seines ausser- Bourdons«, gezogen werden. Es sei indessen ausdrücklich be- merkt, dass die Halbl^luthengste in Saint-Lö keineswegs »ordinäre Knüppel« sind, sondern im Gegenteil den Karrossier-Tvpus in seiner besten Form repräsentieren. Ökonomierat Fr. Oetken schreibt mit Bezug hierauf in seinem weiter oben erwähnten amtlichen Bericht: »Saint Lö ist von den französischen Hengstendepots dasjenige, das nicht nur die meisten, sondern auch die schönsten und stärksten Karrossiers ent- hält. Hierin liegen seine grosse Bedeutung und seine Eigentümlich- keit. In Vollblut und Trabern, soweit hohe Qualität in Frage kommt, steht es wohl Le Pin nach, in schweren Wagenpferden ist es umgekehrt. Und wenn ich auch die übrigen beiden Gruppen in Saint Lö mit — 374 — hohem hiteresse und mit Anerkennung betrachten musste, am meisten gefesselt wurde ich immer wieder durch die langen Reihen durchweg vortrefflicher Tiere des starken normannischen Wagenpferdeschlages. Diese Karrossierhengste von Saint Ln trugen vorzugsweise dazu bei, die in mancher Hinsicht etwas mangelhaften Eindrücke, die ich von den Normannenpferden in Paris gewonnen hatte, wesentlich zu ver- bessern. Und durch sie insbesondere auch wurde ich zuerst auf die in- teressante Tatsache aufmerksam gemacht, welch grosser Unterschied besteht zwischen einem drei- bis vierjährigen Hengste, zumal wenn er eben aus dem Training kommt und einem vollentwickelten Tiere im Alter von sechs Jahren und darüber. Die Saint Loer Hengste des Karrossierschlages , wenigstens die älteren, sind durchweg Tiere von stattlicher Erscheinung mit schöner Halsbildung, prächtiger Muskulatur und vollen Formen, von guter Tiefe und Breite des Körpers und auch mit einigermassen angemessener Beinstärke, so dass sie mich bei der Besichtigung sogar dann noch ziemlich befriedigten, wenn ich mich auf einen etwas »oldenburgischen« Standpunkt stellte. Der Gang ist bei vielen Hengsten, um nicht zu sagen bei der Mehrheit derselben, ein hoher, vorne wie hinten voller Kraft und Energie, in der Korrektheit freilich oft etwas zu wünschen übrig lassend.« (Siehe Fig. 53.J In Saint Lö l^eträgt die Decktaxe für die besten Halbbluthengste nur 50 Frcs. Der Zudrang zu diesen Beschälern ist infolgedessen so stark, dass die Gestütsverwaltung sich genötigt sieht, das Los über die Ausfolgung von Deckscheinen zu den betreffenden Hengsten ent- scheiden zu lassen. Hierbei wird folgender Vorgang beobachtet: Wenn die Anmeldungen die Zahl der zur Verteilung gelangenden Deckscheine übersteigt, werden die angemeldeten Stuten in drei Kategorien ein- geteilt. Die erste Kategorie zieht zuerst, bleiben danach noch Deck- scheine übrig, kommt die zweite Kategorie an die Reihe und so weiter bis alle Deckscheine verteilt worden sind. Die erste Kategorie l)esteht: A. aus Stuten, die den Kilometer auf r)tl:'entlicher Bahn 3jährig in l'5i", 4 jährig" in i'49" und 5 jährig oder älter in i' 47" zurückgelegt haben; B. aus Stuten, von welchen Produkte 3 jährig i'46", 4 jährig i'43", 5 jährig oder älter 1*40" als Kilometerzeit aufzuweisen haben; C aus Stuten, die während der letzten drei Jahre auf vom französischen Staate subventionierten Stutenschauen prämiiert worden sind; — 375 — D. aus Vollblutstuten, die auf flacher Bahn oder zwischen Flaggen mindestens 15000 Frcs. gewonnen oder ein Produkt mit Renngewinsten in dieser Höhe gebracht haben. Die zweite Kategorie besteht: E. aus Stuten, die den Kilometer auf öffentlicher Bahn 3 jährig in i'53", 4Jährig in i'5i" und 5 jährig oder älter in i'49" zurückgelegt haben; F. aus Stuten, die während der letzten drei Jahre auf vom französischen Staate subventionierten Stutenschauen in der ersten oder zweiten Klasse oder in irgend einer Klasse auf den Schauen desjenigen Arrondissements, in welchem der betreifende Hengst stationiert ist, prämiiert worden sind ; G. aus Vollblutstuten, die während der letzten drei Jahre auf vom französischen Staate subventionierten Stutenschauen prämiiert worden sind oder 5000 Frcs. auf flacher Bahn oder zwischen Flaggen gewonnen oder auch Sieger auf solchen Bahnen gebracht haben; H. aus 4 jährigen Stuten, die im vorhergehenden Jahre in der ersten Klasse prämiiert worden sind oder einen ersten Preis auf öffentlicher Bahn ge- wonnen haben. Die dritte Kategorie l)esteht: I. aus Stuten, die während der letzten drei Jahre auf vom französischen Staate subventionierten Schauen als Mutterstuten prämiiert worden sind; J. aus 4 jährigen Stuten, die im vorhergehenden Jahre in der zweiten Klasse prämiiert worden sind oder irgend einen Preis auf öffentlicher Bahn ge- wonnen haben; K. aus Stuten, die einen an die Gestütsverwaltung verkauften oder von dieser approbierten Hengst gebracht haben. Unter den im Departement La Manche gelegenen Privatgestüten wären zu erwähnen: Haras de la Chapelle-en-Juger, bei Marigny, des Herrn Guillerme, mit 5 Vaterpferden und 21 Mutterstuten, von welchen 7 Vollblut sind; Haras de la Foulerie in Plomb, bei Avranches, des Herrn Raymond de Septenville mit 12 Mutterstuten; Haras de la Fosse in Saint-Cöme-du-Mont, bei Carentan, des Herrn J. B. Lepaulmier mit 10 Mutterstuten; Haras de Mesnidot in Ham, bei Montebourg, des Herrn Raphael Buhot mit 8 Mutterstuten; Haras de Courcy, bei Monteljourg, des Herrn Pothuau mit 6 Mutterstuten und vielleicht noch einige andere von geringerer Bedeutung. Wir haben nun Umschau in den wichtigsten Zuchtgebieten der anglo-normandischen Rasse gehalten. Wollen wir aber ein vollständiges Bild von dem Entwicklungsgang dieser Rasse gewinnen, müssen wir auch noch andere Faktoren, die von grosser Bedeutung für die nor- — 376 — mandische Halbblutzucht geworden sind, nämlich die obligatorischen Leistungsprüfungen, die Trabrennen und die mit Prämiierungen ver- bundenen Schauen, in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen. Für die obligatorischen Leistungsprüfungen gelten seit dem 27. Mai 1896 folgende, vom französischen Ackerbau-Ministerium erlassenen Be- stimmungen : 1. Es bestehen für die 3- und 4jährigen Halbbkithengste spezielle Leistungs- prüfungen und zwar Trabprüfungen und Galoppprüfungen (Flachrennen). 2. Die Galop]i]3rüfungen hnden nur in den vierten und fünften Arrondissements der obersten Gestütsinspektion statt. Ihr Zweck ist, die Leistungsfähigkeit der in Frankreich geborenen und aufgezogenen qualifizierten Anglo-Araber (d. h. solche, die mindestens 23"/,, arabisches Blut habeni, zu erproben. 3. In den Trabprüfungen tragen die in Frankreich geljorenen und aufgezogenen Halbbluthengste 3 jährig 60 Kilo; 4jährig 68 Kilo. Hengste, die im laufenden Jahre einen oder mehrere Preise im Werte von 1200 Frcs. gewonnen haben, tragen 3 Kilo mehr. Gewinne von einem 3000 Frcs. -Preise 6 Kilo, von 6000 Frcs. IG Kilo mehr. Die Distanz schwankt je nach dem Alter der Hengste und dem Zeitpunkt des Rennens zwischen 2.S00 und 4000 Meter. Für die an den Trabprüfungen teilnehmenden Anglo-Araber gelten diesellien Gewichte und Distanzen, nur wird den Pferden mit 50"/„ arabischen Blutes eine Gewichtserleichterung von 6 Kilo zugestanden. 4. Die von der Gestütsverwaltung angekauften und ihren früheren Besitzern überlassenen Hengste dürfen 4jährig nicht mehr an den Hengstprüfungen teilnehmen. 5. Hat ein Hengst auf irgend einer anerkannten Bahn an einem öffentlichen Trab- oder Galopprennen teilgenommen, so wird ihm dies als Leistungs- prüfung angerechnet, doch muss er nu Trabrennen mindestens dasselbe Gewicht getragen haben, das für ilie offiziellen staatlichen Leistungs- prüfungen vorgeschrieben ist. 6. Bei der Prüfung müssen diejenigen Hengste, die bisher nur in Trabrennen gestartet sind und zu den von der Gestütsverwaltung angeordneten Hengst- Ankäufen zugelassen werden sollen, die vorgeschriebene Distanz in einer gewissen Schnelligkeit zurücklegen, und zwar: a) LTm die Qualifikation als Traber zu erhalten: 3Jährige . . i' 46" pro Kilometer resp. 7' 04" per 4000 Meter. 4 „ • . i'43"V2 V „ „ 6' 54" „ 4000 „ 5 „ . . I' 40" „ „ „ 6' 40" „ 4000 „ b) Halbblut-Hengste, die nicht die Qualifikation als Traber anstreben: 3 — 4Jährige und ältere, 3' 30" pro Kilometer resp. 14 Minuten per 4000 Meter. — 377 — c) Qualifizierte anulo-arabische Halbblutheno-ste: 3 — 4 jährige und ältere, 4 Minuten pro Kilometer resp. 16 Minuten per 4000 Meter. Für Pterde, die nicht unter dem Sattel, sondern im Geschirr kon- kurrieren, wird die Geforderte Schnelliijkeit um 4'/2 Sekunden pro Kilometer ermässio;t. Die in Tra1_)rennen erzielten Zeiten werden nur dann als masso-ebend angesehen, wenn die Distanz und das Gewicht den obigen Bestimmungen entsprochen haben. Da.ss der Trabersport in Frankreich gewaltige Dimensionen an- genommen und einen bedeutenden Einfluss auf die Zucht des dortigen Halbblutpferdes ausgeübt hat, kann nicht wundernehmen, wenn man Kenntnis von den Summen nimmt, die alljährlich teils vom Staate, teils von verschiedenen Gesellschaften, Departements, Städten und Privaten für Trabrennen ausgesetzt werden. So betrugen die Dotationen der französischen Traberbahnen im Jahre 1905 : Venu Staate (die Hengstprüfungen mit eingerechnet) . . . 342 675 Frcs. Von den Renngesellschaften ^69 470 „ Von der Societe du Demi Sang 76] 100 „ „ „ ., „ „ „ im Namen der Regierung 60 000 „ Von der französischen Steeple-Chase-Gesellschaft .... 52 000 „ Von der Societe Sportive d'Encouragement 45 000 „ Von den Generalräten und Departements 145 763 „ Von den Städten 102 430 „ Von Diversen 104 290 „ I 982 730 Frcs. Summe der Entree-Einnahmen 420 118 Frcs. Entree-Einnahmen, die den Bahnfonds zu- geführt wurden 64 490 ., Entree-Einnahmen, die zu Preisen verwendet wurden 355 628 Frcs. 355 628 Frcs. Summa . . 2 33S 358 Frcs. Die vornehmsten, gewissermassen »klassischen« französischen Trab- rennen sind: »Prix du President de la Republique, 2S00 Meter, 50000 Frcs.; »Prix du Ministere de l'Agriculture, 4200 Meter, 2 5 000 Frcs. ; > D e r b v des T r ( > 1 1 e u r s de R o u e n , 3200 Meter, 20000 Frcs.; »Saint-Leger du Demi Sang ä Caen, 4000 Meter, 10 000 Frcs. ; .. » G r a n d Prix de P o n t - T E v e q u e , 4000 Meter, 9000 Frcs. - 378 - Diese sämtlichen Rennen, wie überhaupt die Mehrzahl der franz()- sischen Trabrennen gehen unter dem Reiter vor sich. Dadurch soll nach der Meinung der massgebenden Kreise die Verbindung zwischen der Traberzucht und der Remontierungsverwaltung aufrecht erhalten werden, denn — so folgt man weiter — ein Pferd, das von frühester Jugend an nur gefahren wird, muss unbedingt die Brauchbarkeit zum Reitdienst sehr bald verlieren. Ausserdem lehrt die Erfahrung, dass die Beibehaltung der langen Distanzen, denen der französische Traber nicht in letzter Reihe seine mit Recht gerühmte Ausdauer zu verdanken hat, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stossen würde, wenn das amerikanische System der Trabprüfungen im Sulky allgemein Eingang in Frankreich fände. Gewiss Hesse dann die Abschaffung aller grösseren Distanzen und der durch die Losung »Schnelligkeit, mehr Schnellig- keit, ausschliesslich Schnelligkeit< zur Rennmaschine degradierte Pferde- typus nicht lange auf sich warten. Die beleihende Wirkung, die die munihzente Unterstützung des Trabersports auf die Zucht ausgeübt hat, gibt sich in den bemerkens- werten Rekords zu erkennen, die auf den französischen Trabbahnen erzielt worden sind. Nachstehend ein Verzeichnis der besten Zeiten auf verschiedenen Distanzen. L^ n 1 1' r dem Sattel: 1750 INIeter, Virois (1905), v. Harlev, a. d. Odessa, v. Kozyr (Russe), 6jähr., 2-36" V, d' 29" 1/4)- 2000 .. B 0 1 i d e ( 1905), ., Fuschia, a. d. Grippe Sou, v. Cherbovii'o-, 4 jähr., 2' 58" -/,, (I' 29" V,). 2S00 ,, B e auiii a n i> i r i i()04), .. Xarquois, a. d. Quenotte, v. James Watt, 3 jähr., 4' 12" 3/,, (i'30" 1/5 1. 3000 ., Faisan III (19021, „ Cash (Amerikaner), a. d. Poulette, v. Uh'ich, 7 jähr., 4' 33" ii'3i"73). 3200 ,. Trinqueur (1900), ,, Fuschia, a. d. Perce Neige X X, v. Cymbal, 3 jähr., 4' 36" d' 29" 7,). 3300 ,, B e a u m a n o i r ( 1905 ), „ Narquois, a. d. Quenotte, v. James Watt, 4 jähr., 4' 57" (i'30"). 3500 „ G a r n e m (■ n t (19041, „ Jongleur, a. d. Giboulee, v. Niger, 6jähr., 5' 19" Vö d' 31" '/si- 3700 „ Arthur ( 19041, ., Narquois, a. d. Ombrelle, v. Joinville II, 4 jähr.. 5' 43" ( I' 32" 7io)- 3800 „ Bativa (1905), „ Fuschia, a. d. Bativa, v. Baptiste Lenore, 4 jähr., 5'49"3/„ {!' 32"). 4000 ,, Bella (1905), „ Fuschia, a. d. Neva, v. Phaeton, 4Jähr., 6' 04" < I' 31"). 379 200 :\Ieter, Ben] a m 4500 •' Ellora 4^00 V U r u f f e 5000 Bella 6000 '1 H e m i n e 4500 Benjamin (19051, v. Reseda, a. d. Perce Neige XX, v. Cymbal, 4jähr., 6' 20" V., d' 30" 2/3). (18861, „ Phaeton, a. e. Tochter v. Elu, 4 jähr. , 7' oS" (i'35"). 1903), „ Presbourg, a. d. Etoile Filante, v. Niger, 5 jähr., 7'i7"% (i'3i"Vio)- 1905t, ,, Fu.schia, a. d. Neva, v. Phaeton, 4jähr., 7' 38" < I' 31" '/.:,)■ 1891). ,, Reynolds, a. d. Modestie, v. The Heir of Linne X X, 6jähr., 9' 44" 1/2 (i'37"7.-.'- Im Geschirr: 18961, V. Flibustier, a. e. Therence-Stute, 8 jähr. , 2' 20" ( I' 27"). 1905), „ Jongleur, a. d. Giboulee, v. Niger, 7 jähr., 2' 31" V, (I' 26" 7,0). 1902), ., Harr}- Lumps (Amerikaner), a. d. Sarah, v. Phaeton, 8jähr., 2' 42" ( l' 26" V.->>- 1905), „ Mahomet, a. d. Formosa X X, v. Faublas, 5 jähr., 3' 02" 2/. (i'3i"75). 1905), „ Rouges Terres, a. d. Ogresse, v. Ciceron II, 4jähr., 4' 15" 7, (i'3i" V-,). 1902), „ Jeune Toujours, a. d. Polkantscha (Russin), 5 jähr., 4' 39" 75 (i'33'"/io'- 1905), „ S(§bastopol, a. d. Quenotte, v. Kalmia, 4Jähr. 4'55" (i'32"\/,). 1904), ,, Jongleur, a. d. Giboulee, v. Niger, 6jähr., 4'57"Vio (i'3i"V2)- 1905), „ Narquois, a. d. Ombrelle, v. Joinville II, 5 jähr., 5'00"V5 (i'30"Vio)- jy04), ,, Cash (Amerikaner), a. d. Poulette, v. Ulrich, 9 jähr., 5' 21" (V ii" Vio». 1904), ,, Narquois, a. d. Ombrelle, v. Joinville II, 4 jähr., 5' 27" (I' 33" '/,). 19051, ., Narquois, a. d. Ombrelle, v. Joinville II, 5 jähr., 5' 27" (I' 29" 2/,-,)- 1905), „ Narquois, a. d. Ombrelle, v. Joinville II, 5 jähr., 5'45"V5 ii'29"V5)- 1901), „ Harry Lumps (Amerikaner), a. d. Sarah, v. Phaeton, 7jähr., 6' 09" 72ü H' 3^" 7io)- 1904), .. James Watt, a. d. Nostra, v. Fuschia, 5Jähr., 6' 14" V, d' 31" 7,0. 1893), ., Flibustier, a.d.Therence, 5 jähr., 6' 37" n'2)4"\'o)- 1901 ), „ Harry Lumps (Amerikaner), a. d. Sarah, v. Phaeton, 7 jähr., 6' 09" 720 n' 32" 7io'- G a r n e m e n t ( 1904), „ Jongleur, a. d. Giboul(§e, v. Niger, 6 jähr., 7' 03" (i'34")- 1690 Meter K e p i 1750 G a r n e m e n t 1875 Quin a 11 d 2000 n A s t r u c 2S0O "1 Barbe Bleue 3000 V Th 0 e 3200 B a r 0 n n e 3250 ■' G a r n e m e n t 3300 A r t h u r 3450 >' F a i s a n III 3500 " A r t li u r 3650 " A r t h u r 3'^75 )? A r t li u r 4000 Tl Quin a u d 4100 Vent d'Ouest 4200 K e p i 4400 ., Q u i n a u d — }Ho — 4800 Meter, Garnement (1904), v. Joni^i-leur, a. d. Gibuulee, v. Niger, öjähr., 7' 14"^/-, d' 30" 3/5). SOOO „ Leda (1895), „ Tigris, a. e. Stute v. Normand, 6jähr. , 7' 58" (i'35"7.-,i- ^400 „ Garnement (1905), ,, Jongleur, a. d. Giboulee, v. Niger, 7 jähr., 8' 00" 7.-, II' 28" "/lo). 6000 „ C a p u eine ( 1888), „ Conqu6rant, a. d. Fortuna XX, v. Tonnere des Indes, 9 jähr., 9' 51" "/- ( i' 38" 7:,)- Diese Zeiten stehen allerdings noch beträchtlich hinter denjenigen zurück, die auf amerikanischen Bahnen von den besten Trabern erzielt werden; wenn man aber berücksichtigt, dass es im Jahre 1904 bereits zwanzig französische Traber gab, die den Kilometer in i' 35" oder weniger zurückgelegt hatten*), so wird man zugeben müssen, dass Frank- reich während der letzten Dezennien ganz ausserordentliche Fortschritte auf dem Gebiete der Traberzucht gemacht hat. Die Schnelligkeit der Traber wächst sozusagen mechanisch mit jeder neuen Generation, je mehr Trabergenerationen ein Produkt hinter sich hat, desto deut- licher treten die Trotter-Anlagen bei diesem hervor. Die Sprösslinge von Tigris, Re3a-iolds und Phaeton z. B. brachten es nur auf i' 52" — i' 53" per Kilometer, bei ihren Nachkommen konnte jedoch schon eine um 10 Sekunden verbesserte Zeit notiert werden. Es erscheint daher durchaus nicht unwahrscheinlich, dass die Franzosen nach weiteren 3 — 4 Generationen ihre amerikanischen Rivalen nahezu eingeholt haben werden. Die normale Kilometerzeit auf den französischen Trabbahnen dürfte dann schon auf i' 30" und die aussergewöhnliche auf i' 25" gestiegen sein. Was nun den Nutzen anbelangt, den die normandische Halbblut- zucht aus dieser grandiosen Entwicklung des Trabersports gezogen und in Zukunft noch ziehen könnte, gehen die Ansichten der Fach- kreise sehr weit auseinander. Es gibt leidenschafdiche Anhänger der Traberzucht und leidenschaftliche Gegner dersell^en. Die ersteren be- haupten, dass das hochgezogene, schnelle und energische, wenn auch etwas leichtere Produkt dieser Zucht ein Ijedeutend leistungsfähigeres und sowohl für den Luxusgebrauch wie für den Militärdienst wert- volleres Tier sei als der schwere, stolze Karrossier, dem überdies das Automobil sehr bald den Garaus machen werde. Die Gegenpartei wiederum macht mit grösstem Nachdruck geltend, dass der Schnelltrab *) Im Jahre 1906 liefen 98 französische Traber den Kilometer in kürzerer Zeit als I' 40". Anm. d. Verf. - 38i - eine unnatürliche Gangart beim Pferde sei und infolgedessen — wenn als Zuchtziel aufgestellt — notwendig eine Deformation einzelner Skelettteile herbeiführen müsse. Der eifrigste und über die schärfsten Waffen verfügende Vertreter dieser Partei ist der bekannte hippologische Schriftsteller de Gaste, dessen 1903 erschienenes Werk »Le Modele et les Allures« in den Kreisen der Traberzüchter einen wahren Sturm der Entrüstung hervorgerufen hat. Herr de Gaste bemüht sich nämlich auf Grund von genauen Messungen, die er an Hunderten von Pferden vorgenommen hat, in genanntem Werke den Nachweis zu führen, dass der Traber ein deformiertes Tier sei, das erheblich an praktischer Brauchbarkeit eingebüsst habe. Seine Hauptargumente lassen sich in folgender Weise kurz zusammenfassen: Die Schulter soll bei allen Pferden lang- sein. Es ist wünschenswert, dass sie bei schweren Zugpferden eine mehr steile und bei Luxuspferden eine mehr schräge Lage haben. Traber, die den Kilometer in kürzerer Zeit als i' 41" zurückgelegt, haben in der Regel eine sehr steile Schulter. Der Oberarm soll beim edlen Pferde lang sein. Diese Länge begünstigt eine weit ausgreifende Aktion der vorderen Glied- massen; nur wenn der Oberarm zu lang ist, vermag das Pferd seine Vorderfüsse nicht genügend hoch über den Boden zu führen. Beim Schnelltraber ist der Oberarm kurz. Infolgedessen sind auch die Muskeln, die ihn bekleiden, kurz, und hierdurch erhält das Pferd eine hohe, wenig raum- greifende und runde Aktion mit überaus schnell aufeinander folgenden Schritten. Das Verhältnis zwischen der Länge des Oberarmes und der Schulter ist beim Schnelltraber der i' 41" Klasse 2,04; beim Traber der i' 40" Klasse 2,02; beim Percheron 1,97; beim Irländer 1,95; beim Vollblut 1,94; beim Pferde von Tarbes 1,93. Von grösster Wichtigkeit ist die Richtung des Oberarmes. Bei gewissen Irländern bildet der Ol^erarm mit einer durch die Spitze der Schulter gezogenen Horizontalen einen Winkel von 55"; beim normandischen Schnell- traber misst dieser sogenannte Traberwinkel oft nur 35 ". Von allen Equiden ist der Schnelltraber der einzige, bei dem ein Traberwinkel von weniger als 40° angetroffen wird. Diese Tatsache begründet eine nicht in Abrede zu stellende Deformation. Beim Schnelltraber bildet die Schulter mit dem Oberarm einen sehr spitzen, unter loo" sinkenden Winkel, während er sich beim Galopppferde bis auf 120" öffnet. Dieser Skelettfehler des Trabers wird durch die allzu horizontale Lage des Ober- armes her\-orgerufen. Das Sitzbein, das einen mächtigen Hebel für die Muskeln des Oberschenkels bildet, soll sehr lang sein und ist es auch bei allen Pferderassen, die sich durch eine fliessende, raumgreifende Galoppaktion auszeichnen. Beim Percheron und beim Schnelltraber der i'4i" Klasse dagegen ist dieser Knochen um nahezu 2 cm kürzer wie bei vorgenannten Rassen. - 382 - Mindestens 8o"/o <-^<^i' berühmtesten normandischen SchnelltralDer würden nichts auf der Bahn geleistet haben, wenn die hier hervorgehobenen Skeletttehler bei ihnen nicht vorhanden gewesen wären. Soweit die Theorien des Herrn Gaste, die bei seinen Landsleuten auf heftigen Widerstand gestossen sind. Unbefangene, sachverständige Beobachter werden jedoch sicher zugeben, dass das so scharf kritisierte Werk »Le Modele et les Allures' , sehr viele Ijeherzigenswerte Wahrheiten enthält. Zu diesen Wahrheiten zähle ich auch den Aus- spruch »Die Schnelligkeit von i' 45" bildet die äuss erste Grenze, die man von einer Rasse verlangen kann, wenn man sie nicht deformieren will. W^ird diese Grenze überschritten, so erhält man einen Akrobaten, dessen Verwendbarkeit durch seine Spezialität beschränkt wird.« Im übrigen verweise ich auf folgendes Urteil, das ich in der 1902 erschienenen 4. Auflage meines »Buches vom Pferde« über das anglo-normandische Pferd gefällt habe: »Im grossen Ganzen hat die anglo-normandische Rasse während der letzten Jahrzehnte bedeutende Fortschritte gemacht. Man hat ihr, wie auf der letzten grossen Pariser Ausstellung deutlich wahrgenommen werden konnte, das lymphatische Element durch eine verständige, konsequent fortgesetzte Veredlungskreuzung und rationell organisierte Trabprüfungen mit überraschendem Erfolg so ziemlich ausgetrieben. Die grossen Schädel, der mangelhafte Rippenschluss, die angedrückten Ellbogen, die rückbiegigen Vorderbeine, die matten Gelenke und die schlechten Hufe, die vor 20 Jahren noch als sehr häufig vorkommende Fehler bei den Anglo-Normannen bezeichnet werden mussten, sind jetzt sehr selten geworden und nur in den Ställen kleinerer Züchter anzutreft'en. Der Anglo-Normann unserer Tage ist ein stattliches, hoch- veredeltes — also trockenes — Pferd mit harmonischen Formen, vor- züglichen Hufen und brillanten Gängen. Wären nicht die Röhrbeine mitunter etwas zu leicht, es Hesse sich kaum etwas an den gelungenen Exemplaren dieser Rasse aussetzen. Diese sind aber auch alle mehr oder weniger »pres du sang«, d. h. Produkte einer ziemlich weit ge- triebenen Veredlungskreuzung. Die Klippen, vor denen die Franzosen sich jetzt bei ihrer normandischen Zucht zu hüten haben werden, sind einerseits die Ratschläge derjenigen hippologischen Chauvinisten, die behaupten, die Rasse könne nun auf eigenen Füssen stehen und be- nötige die Zumischung edlen Blutes nicht mehr, und andererseits die naheliegende Versuchung, immer grössere Schnelligkeit auf der Trab- - 383 - bahn zu erzielen. Der Kampf gegen das im Grund und Boden der Xormandie steckende lymphatische Element darf nie aufgegeben werden und dass der anglo-normandische Traber in seiner jetzigen Form zu gut ist, um in eine für den täglichen Dienst unbrauchbare Renn- maschine verwandelt zu werden, w^ird mir jeder Kenner dieser Rasse ohne weiteres zugeben.« Seitdem ich obiges geschrieben, bin ich wiederholt in der Nor- mandie gewesen, um dort Zuchtmaterial für verschiedene schwedische Provinzen anzukaufen. Veranlassung, mein im Jahre igo2 über das anglo-normandische Pferd gefällte Urteil zu ändern, hat sich hierbei nicht ergeben. Ich bin im Gegenteil im Laufe der Jahre zu der Über- zeugung gelangt, dass der heutige Anglo-Normann auch die Fähigkeit erworben hat, in der Verwendung als Kreuzungsmaterial den Tvpus der eigenen Art unter veränderten lokalen Verhältnissen aufrecht zu erhalten und weiter zu vererben. Es hat sich nämlich gezeigt, dass die in den siebziger Jahren nach Schweden importierten anglo-normandischen Hengste Oratio, E f f r o n t e, Excelsior, Ecrin, Ecarlate, Ouatrin, Ou'en dira-t-on, Oui-Court, Savarin, Vaurien und Voyant, denen man damals nicht Schlechtes ge- nug nachsagen konnte, eine Nachkommenschaft hinterlassen haben, der man heute eine ganze Reihe vortrefflicher Zucht- und Gebrauchspferde zu verdanken hat. Und vor zwanzig Jahren war doch die Rasse noch sehr weit von der Zuchtkonstanz entfernt, die ihr gegenwärtig unzweifelhaft inne- wohnt. In Schweden sieht man daher den Ergebnissen der erneuerten Einfuhr anglo-normandischen Zuchtmaterials mit den besten Hoffnungen entgegen. Deutschland, das in den sechziger und siebziger Jahren eben- falls Kreuzungsversuche mit Anglo-Normannen vorgenommen und keinen Erfolg mit diesen erzielt hat, wird schwerlich dem schwedischen Bei- spiele folgen, denn »gebranntes Kind scheut das Feuer«, und ausserdem sind dem Anglo-Normannen in dem Holsteiner und Oldenburger Kon- kurrenten entstanden, gegen die er in Deutschland gar nie aufkommen könnte, obwohl er diese Schläge an Gängigkeit und x\del weit übertrifft. Seit einiger Zeit legt die französische Gestütsverwaltung bei ihren Ankäufen von 3jährigen Hengsten anglo-normandischer Zucht eine gewisse Vorliebe für Hengste des Karrossiertypus an den Tag. Dies geschieht offenbar, um womöglich zu verhindern, dass jener vollständig von dem Produkte der Traberzucht verdränget werde. Es frapft sich nur, ob es sich auf die Dauer machen lassen wird, nur durch bald - 384 - umfangreichere, bald geringere Ankäufe des einen oder des anderen Typus beiden gleichen Platz an der Sonne zu sichern. Man darf nämlich nicht übersehen, dass dieselben Vaterpferde sowohl bei der Traber- wie bei der Karrossierzucht zur Verwendung gelangen. So haben z. B, die Sprösslinge des Normand, des Stammvaters der Familie Cherbourg, nebst Trabern vornehmster Klasse, zahlreiche, mit hohen Preisen bezahlte Karrossiers erzeugt. Meiner Ansicht nach wäre es daher geratener, wenn die Gestütsverwaltung sich bemühen würde, eine radikale Teilung der anglo-normandischen Zucht in zwei getrennte Stämme — den Traber- und den Karrossierstamm — zuwege zu bringen. Ersterer würde dann durch solche Hengste fortgepflanzt werden, die sich durch Vererbung ausgesprochener Trabanlagen bekannt gemacht, und letzterer könnte mit Vaterpferden versorgt werden, die, obwohl von bester Herkunft, sich mehr zur Karrossierzucht eignen. Wir kommen nun zu den mit Prämiierungen verbundenen Pferde- schauen. Was zunächst die Hengste betrifft, so werden diese in drei Klassen eingeteilt, nämlich: i. Approbierte Hengste (etalons approuves); 2. Autorisierte Hengste (etalons autorises) und 3. Akzeptierte Hengste (etalons acceptes). Kein Privathengst kann zur Approbation oder Autorisation vor- gestellt werden, bevor er auf Atem und Augen untersucht worden ist. Soll er, nachdem er diese Prüfung bestanden hat, approbiert werden, muss er das Alter von mindestens vier Jahren erreicht und die in der ministeriellen Verordnung vom 15. Januar 1900 vorgeschriebenen Leistungsprüfungen absolviert haben. Die Approbation geschieht auf zweierlei Art: ohne Prämie für Hengste, deren Decktaxe den Betrag von 100 Frcs. übersteigt, und mit Prämie für Hengste, die zu 100 Frcs. oder weniger decken. Die Höhe der Prämie beträgt: für englisches Vollblut 800 bis 2000 Frcs.; für arabisches und anglo-arabisches Voll- blut 500 bis 1200 Frcs.; für Halbblut 500 bis 1000 Frcs. und für Kalt- blut 300 bis 500 Frcs. Der Betrag der zuerkannten Prämie kann später sowohl erhöht wie auch verringert werden. Entspricht der Hengst nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen, ist sogar der gänzliche Verlust der Prämie nicht ausgeschlossen. Die volle Prämie wird erst ausgezahlt, wenn der approbierte Hengst nachweislich gedeckt hat: Der englische, arabische oder anglo-arabische Vollbluthengst 30 Stuten, der Halbbluthengst 40 Stuten und der Kaltbluthengst 50 Stuten, Im — 385 - Falle die Zahl der gedeckten Stuten eine geringere sein sollte, werden entsprechende Abzüge von der Prämie gemacht. Vermag der betreffende Hengst aber nicht einmal die Hälfte der für seine Kategorie vor- geschriebenen Sprünge aufzuweisen, so erhält er gar keine Prämie. Die approbierten Hengste dürfen nur in dem Departement zum Decken verwendet werden, das in der Approbations-Bescheinigung ge- nannt ist. Fig. 54. 4jährige Stute anglo-normandischer Rasse. Die Klasse der autorisierten Beschäler besteht aus Hengsten, die ohne direkten Nachteil für die Zucht (»sans deteriorer l'espece«) zum Decken benützt werden können, hn übrigen gelten für die Autorisation dieselben Bedingungen wie für die Approbation, jedoch haben die autorisierten Hengste keinerlei Anspruch auf Prämien. Eine sehr gemischte und wenig Vertrauen einiiössende Gesellschaft bildet schliesslich die Klasse der akzeptierten Hengste. Von diesen Tieren wird nämlich nur eine alljährlich erneuert vorzuweisende amt- liche Bescheinigung verlangt, dass sie frei von Roaren^und von der Wrangel, Die Kassen des Pferdes. I. ^o — 386 — periodischen Augenentzündung sind. Über alle sonstigen Mängel und Gebrechen breitet die Gestütsverwaltung den Mantel der christlichen Liebe. Wie so eine Schar akzeptierter Hengste sich ausnimmt, braucht dem Fachmann daher nicht näher beschrieben zu werden. Es unter- liegt auch gar keinem Zweifel, dass es für die französische Zucht ein grosser Gewinn wäre, wenn die Akzeptierten von der Bildfläche ver- schwinden würden, denn ihre Tätigkeit ist sicher nur geeignet — »de deteriorer l'espece« — die Rasse zu verschlechtern. Seit Einführung der mit dem Gesetze vom 14. August 1885 ge- schaffenen Zwangskörung darf kein Privathengst, ohne den vorstehen- den Bedingungen entsprochen zu haben, öffentlich decken. Die Besitzer der approbierten wie auch der autorisierten Hengste sind gesetzHch zur Führung von Deckregistern und Fohlenlisten, zur Ausstellung von Deckscheinen u. s. w. verpflichtet und müssen diese Dokumente vor dem i. Oktober an den Direktor desjenigen Hengsten- depots eingesendet werden, zu dessen Bezirk der Wohnort des be- treffenden Besitzers gehört. Die Abstammungs-Zertifikate (certificats d'origine), durch welche die Abstammung eines Fohlens von einem bestimmten Hengst nachgewiesen wird, zeigen je nach der Klasse des be- treffenden Hengstes eine verschiedene Farbe. Diese ist weiss für die Staats- hengste, rot für die approbierten und grün für die autorisierten Hengste. Selbstverständlich finden in Frankreich auch Stutenprämiierungen statt. Zuerst kommen die 3 jährigen Stuten an die Reihe. Nach den hierfür erlassenen gesetzlichen Bestimmungen sollen diese womöglich während der Monate März, April und Mai auf speziell für sie angeord- neten Schauen prämiiert werden. Zugelassen werden nur 3 jährige Stuten, die entweder von einem Staatshengste oder von einem appro- bierten oder autorisierten Hengste abstammen, frei von allen Gewährs- mängeln sind, sich zur Verbesserung der Rasse eignen, einen franzö- sischen oder in Frankreich ansässigen Besitzer haben, während der Zeit von mindestens drei Monaten vor der Schau die betreftende Zirkum- skription nicht verlassen haben, im laufenden Jahre von einem Hengste der vorgenannten drei Kategorien gedeckt worden sind oder deren Besitzer sich verpflichten, sie noch vor Ende der Decksaison von einem derartigen Hengst decken zu lassen und die nachweisbar in die Klasse der Halbbluthengste gehören. Die früher vorgeschrieben gewesenen Leistungsprüfungen sind abgeschaftt worden, jedoch muss die junge Stute auf der Schau dem - 387 - Preisgericht vorgeritten werden. Hierzu kommt noch, dass in Le Pin und Saint-Lö zu den Hengsten allererster Klasse nur solche Stuten angenommen werden, die 3 jährig auf öttentlicher Bahn den Kilometer in I' 47" zurückgelegt haben. Der normandische Züchter ist auch so durchdrungen von der Notwendigkeit, die Leistungsfähigkeit der zu- künftigen Mutterstuten zu erproben, dass ein Hengstfohlen, dessen Mutter die Bahn nicht betreten hat, heutzutage als absolut unverkäuflich angesehen werden kann. Mit Prämiierung verbundene Schauen für Mutterstuten finden vom I. JuH bis 15. November statt. Berechtigt zur Beteiligung an dem Wett- bewerb auf diesen Schauen sind Stuten im Alter von 4 bis 15 Jahren, die ein von einem Hengst der mehrfach erwähnten drei Kategorien abstammendes Fohlen zur Seite haben und im übrigen dieselben Be- dingungen erfüllen, die an die Prämiierung der 3jährigen Stuten ge- knüpft worden. Erwähnt sei auch, dass die Höhe der Stutenprämien zwischen 100 und öoo Pres, schwankt. Ausser den auf diesen Schauen zur Verteilung gelangenden Prämien gibt es noch die sog. »Primes de conservation' und die vom Kriegsministerium ausgesetzten »Primes de majoration«. Mit ersteren wird bezweckt, einige besonders hervorragende 3 jährige Stuten, deren Besitzer sich verpflichten, sie vier Jahre hindurch zur Zucht zu benützen, mit aussergewöhnlich hohen Prämien zu beteilen oder auch 3 jährigen prämiierten Stuten während der folgenden zwei Jahre ausser der gewöhnlichen Prämie noch eine begehrenswerte Extra- prämie zuwenden zu können. Die Primes de majoration des Kriegs- ministeriums werden bei den Remontenankäufen in Beträgen, die zwischen 200 und 2500 Pres, schwanken, dem Kaufpreise der besten Remonten zugeschlagen. Der Empfänger einer solchen Majorations- prämie ist, wenn er das betreffende Pferd nicht selbst gezogen hat, verpflichtet, ein Fünftel an den Züchter desselben abzutreten. Schliesslich wären noch die Primes de Dressage oder Dressur- prämien zu erwähnen, die auf den Concours de dressage und den Con- cours hippiques zur Verteilung gelangen. An Gelegenheit Prämien zu verdienen, fehlt es also dem franzö- sischen Züchter nicht. Im Jahre 1900 verteilte der Staat nur in der Normandie 320 600 Frcs. an Prämien. Bei den Stutenprämiierungen wird von selten des Staates besonderes Gewicht auf breite tiefe Körper- formen und ein kräftiges Fundament gelegt. Man hofl't hierdurch dem, - 388 - wie vielfach behauptet wird, ungünstigen Einfluss, den die Trabrennen auf die Knochenbildung ausüben sollen, entgegenwirken zu können. Und in der Tat bekommt man auf den besseren Schauen, wie z. B. den in Saint-Lo, Montebourg, Avranches und Pont l'Kveque statt- findenden, eine grosse Anzahl von jüngeren und älteren Stuten zu sehen, die den Typus des edlen Karrossiers in nahezu idealer Weise verkörpern. Es versteht sich indessen von selbst, dass es nur die Elite der Produktion ist, die sich auf den Schauen einfindet. Wer das norman- dische Pferd und dessen Zuchtverhältnisse zum Gegenstand gründlicher Studien machen will, versäume daher nicht, auch die in der Normandie stattfindenden grösseren Märkte zu besuchen. Die Termine derartiger Märkte sind im Departement O r n e : Argentan 22. Januar und 28. November; Le Mesle-sur-Sarthe 29. November; Mortagne 30. Novem- ber; Staatsgestüt Le Pin 9. Oktober; im Departement Calvados: Bayeux 2. November; Argences 18. Oktober; Caen 4. März und 28. April; Falaise (Guibray) vom 8. bis 15. August, einer der grössten Pferde- märkte in ganz Frankreich, und im Departement La Manche: Monte- bourg 17. September; La Pernelle 30. und 31. Mai; Saint Cosme-du- Mont 27. September; Lessay 14. September. Ein naher Verwandter der Anglo-Normannen ist Das anglo-bretagnische Pferd. Wie bekannt, wird die wegen ihrer eigenartigen Natur- und Kultur- verhältnisse so überaus interessante bretagnische Halbinsel im Norden, Westen und Süden vom Atlantischen Ozean umspült, während ihre östliche Grenze an den Departements La Manche, Mayenne, Maine-et- Loire und Loire-Inferieure entlang führt. Schon aus dieser geographischen Lage ergibt sich eine bedeutende Verschiedenheit der für die Pferde- zucht massgebenden Faktoren in den vier Departements Finistere, Cötes-du-Nord, Morbihan und Ille-et-Vilaine, aus welchen die heutige Provinz Bretagne besteht. Das nördliche Küstenland z. B. hat ein feuchtes aber mildes Klima, das speziell in Finistere eine an das süd- liche Europa erinnernde Vegetation hervorgerufen hat. Der im Zentrum gelegene Landstrich, der »La Montagne« benannt wird, bildet durch sein waldiges Hügelland, seine Steppen, Haiden und Klippen einen schroffen Gegensatz zu dem vorgenannten Litt oral du Nord, und im Süden — »Litt oral du Midi« — dessen Klima ebenfalls ein mehr feuchtes ist, findet man sowohl üppige Wiesen und Weiden, wie auch - 389 — unfruchtbare Steppen. Diesen Lokalverhältnissen entsprechend, besass das ursprüngHche Produkt der Pferdezucht in den verschiedenen Be- standteilen der Bretagne keinen einheithchen Charakter. Es gab da eine ganze Reihe verschiedener Rassen. Von diesen seien hier erwähnt: die an den Percheron erinnernde kaltblütige Race de Leon in der Umgebung von Saint-Pöl und Morlaix; die in der Gegend von St. Renau, Trebahu und Le Conquet gezogene, durch Adel ausgezeichnete Race du Conquet; die ziemlich ordinäre Race de Treguier, die um Lannion herum und bei Pontrieux zu Hause war; die groben Zugpferde- Rassen von St. Brieux und Lamballe; die kleinen harten Klepper, die in der Gegend von Ouimper, Chäteauneuf und Corlay gezogen wurden und wegen ihres raumgreifenden Passganges sehr geschätzt waren, u. m. a. Über die älteste Geschichte der bretagnischen Pferderassen ist leider infolge des Mangels an authentischen Nachrichten nur wenig zu berichten. Eine Zufuhr edlen Blutes scheint jedoch schon sehr früh auf diesem Zuchtgrebiete stattgefunden zu haben. Das Archiv der im Departement Morbihan gelegenen Stadt Ouimper enthält nämlich einige Akten, denen zu entnehmen ist, dass im Jahre 12 12 neun vom Herzog Olivier de Rohan aus dem Morgenlande mit heimgebrachte arabische Hengste zur Gründung des bei Gouarec angelegten Gestütes Salles benützt worden sind. Ferner weiss man, dass unter Ludwig XIV 40 königliche Landbeschäler und 500 approljierte Hengste zu Nantes zur Verfügung der bretagnischen Züchter standen. Die Edelzucht be- gann somit schon vor vielen Jahrhunderten ihren wohltätigen Einfluss auf das in der Bretagne gezogene Pferd auszuüben. Von allen diesen Rassen »der guten alten Zeit« hat sich merk- würdigerweise der kleine zähe Klepper am längsten erhalten. Noch vor ungefähr vierzig Jahren benützte man ihn sogar mit Vorliebe, wenn es galt, grosse Strecken in grösstmöglicher Schnelligkeit zurückzulegen und auch heute noch sieht man hie und da am Donnerstag abend ein allerdings mehr oder weniger verkümmertes Exemplar des alten bretagnischen Schlages, den schwer belasteten Wagen eines Fisch- händlers von der Küste bis auf eine Entfernung von 36 Kilometer in das Innere und wieder retour befördern. Diese Distanz von 72 Kilometer pflegen die Klepper in ca. sechs Stunden zurückzulegen. Leider ist von Seiten der Gestütsbehörden nichts geschehen, um diesen mit un- glaublicher Ausdauer, Genügsamkeit und einem gewissen Adel aus- gestatteten Pferdeschlag in seiner ursprünglichen Reinheit zu erhalten — 390 — und weiter zu entwickeln. Im Gegenteil, es wurde den armen, un- wissenden Bauern eingeredet, dass die Zucht eines derartigen Pferdchens verlustbringend für sie und bedeutungslos für das Land sei; wer Geld mit seiner Zucht verdienen wolle, müsse grosse Pferde ziehen. Die Folge dieser Ratschläge wurde, dass der Bauer sich beeilte, seine kleine Klepperstute zum Karrossierhengste mit einer Widerristhöhe von 162 cm zu führen. Selbstverständlich erzielte er damit ein Produkt, das zu nichts zu brauchen war, und so gelang es, dem im schnellen Zug wie auch unter dem Sattel geradezu fabelhaft leistungsfähigen Klepper, der Vergrösserungsmanie zuliebe, seine besten Eigenschaften wegzuzüchten. Trotz der vielen verfehlten Kreuzungen, deren Schauplatz die Bretagne gewesen ist, verdient sie jedoch noch immer das Land der harten, ausdauernden Pferde genannt zu werden. 41 n\v a pas de rosses en Bretagne, tous les ch'evaux marchent« (»Es gibt keine Schinder in der Bretagne, alle dortigen Pferde können laufen«), ist ein Ausspruch, den man in Frankreich häufig auch von sehr ernst zu nehmenden Fachmännern zu hören bekommt. Die Bretagne kann, wie Comte de Comminges hervorhebt, in drei Zuchtdistrikte eingeteilt werden. 1. hl nahezu dem ganzen am Kanal de la Manche gelegenen Küstenlande wird ein tüchtiges, schweres Zugpferd gezogen, das reissenden Absatz auf allen Märkten des nördlichen Frank- reichs findet. Die Fohlen dieses Schlages werden vielfach nach der Norman die ausgeführt, wo sie bedeutend an Grösse und Gewicht zunehmen. 2. Die Gegend von St. Pol de Leon, Morlaix und Landerneau ist die Heimat der sog. Postiers, d. h. von kräftigen, tiefen und breiten Pferden in der Grösse von 158 — 162 cm, die sich durch ihr ungemein harmonisches Exterieur, ihre })rächtige Muskulatur und energische, hohe Aktion auszeichnen. Der eigentliche Postier ist das Produkt einer Kreuzung sehr verschiedener Rassen: Boulonnaiser, Norfolker, Halbbluthengste bretagnischer und anglo-normandischer Zucht u. s. w. — jedoch pflegt man in Frankreich auch leichtere Exemplare der Boulonnaiser- und Percheron-Rassen als Postiers zu bezeichnen. 3. In der ganzen Montagne — dem, wie bereits erwähnt, mittleren und gebirgigen Teil der Bretagne — wird ein ca. 152 — 156 cm hohes, edles und schnittiges Pferd gezogen, das Verwendung — 391 — als leichtes Jagd- und Wagenpferd findet und auch gute Dienste in den Reihen der französischen Dragoner-Regimenter leistet. Längs der südwestlichen Küste, von Ouimper bis Ouimperle, ganz besonders aber in Ouimper, Rosporden, Scaer und Bannalec, kommt ebenfalls ein veredelter Schlag vor, der, obwohl an Qualität hinter den Pferden der Montagne zurückstehend, der Kavallerie recht brauchbare Remonten liefert. Das beste Produkt der im Bereiche der Montagne betriebenen Zucht ist jedoch das Pferd von Corlay. Etwas leicht, aber ausserordentlich hart und energisch, entwickelt dieses nur mittelgrosse Pferd — seine Widerristhöhe erhebt sich selten über 155 cm — eine ganz bedeutende Schnelligkeit und Ausdauer. So soll z. B. eine Corla}'- Stute 4cS Kilometer in i Stunde 50 Minuten zurückgelegt haben. Die Zucht dieser Pferdeart wurde früher mittels einer Kreuzung zwischen Stuten des Landschlages und englischen Vollbluthengsten betrieben. Man erhielt so sehr schnelle, aber für gewöhnliche Gel^rauchszwecke viel zu leichte Pferde, die, wenn sie sich nicht in den populären bretagnischen Bauernrennen bewährten, nur einen sehr geringen Markt- wert besassen. Um der zunehmenden Verfeinerung des Knochen- gerüstes entgegenzuwirken, griff man zur Kreuzung des Stutenmaterials mit Norfolktrabern des alten Typus und anglo-normandischen Karrossier- Hengsten. vSo entstanden die mit den Namen Norfolk-Bretons und Angle )-Bretons Ijezeichneten Pferdeschläge. Die Ansichten über den Nutzen der anglo-normandischen Kreuzung gehen in den französischen Fachkreisen sehr weit auseinander, dagegen wird allgemein zugegeljen, dass der Norfolker, notabene der des früheren Schlages, einen ausserordentlich günstigen Einiiuss auf die bretagnische Halbijlutzucht ausgeübt hat. Dies gilt ganz besonders mit bezug auf die Norfolk-Hengste Pretender, Midlothian und Flying-Cloud. Letzterer war der Vater des in der Bretagne zu hohem Ansehen gelangten Corlay. Wie aus nachstehendem Pedigree zu ersehen ist, war Corlay ein hochge- zogener Halbbluthengst, der mütterlicherseits dem VolU^lute sehr nahe stand. Corlay Flying-Cloud, aus P^ntiland importierter Norfolker I Plenipotentiary I Ally, y. Partisan Theresine Festiyal X Xuncio . . . Bienseance ( Friedland \ Miss Ann, v. Figaro l Giraffe Crayen X X , ,, , ^-^ ,-. N ' I Mab, y. üuncan Crey In Lally. — 392 — Tatsächlich ist das Norfolkbkit für die blühende und einträgliche Postierzucht geradezu unentbehrlich geworden. Ohne Benützung dieses Blutes hätte der Postier nie die gefällige breite Körperfcjrm und die bestechende Aktion erhalten, denen er seine unbestreitbare Popularität zu verdanken hat. Es ist daher auch sehr begreiflich, dass die bretagnischen Züchter sich mit Händen und Füssen gegen die Zu- mutung wehren, der Traberproduktion mit anglo-normandischem Blut grösseren Einfluss auf die Zuchtrichtung ihres Heimatlandes einzu- räumen, als sie bereits gewonnen hat. Dass letzterer nicht unbedeutend sein kann, lehrt das ziffernmässige Übergewicht der aus der Normandie oder der Vendee bezogenen Beschäler in den bretagnischen Staatshengsten- Depots über die dort aufgestellten Norfolker. Es standen im Jahre 1906 Im Staatshengsten-Depot zu Lamballe Xormannen Norfolker oder Vendeer le . . . . 16 80 lont . . -- 78 Summa . ■ 38 158 Trotzdem die französische Gestüts Verwaltung also mehr als viermal so viele Normannen oder Vendeer als Norfolker in der Bretagne auf- gestellt hat, neigt sich das Zünglein der Wage doch erheblich zu- gunsten der letzteren, wenn man die Zuchterfolge vergleicht, welche diese miteinander konkurrierenden Rassen aufzuweisen haben. Dies geht unter anderem deutlich aus folgenden oftiziellen Mitteilungen hervor, die dem am 15. und 16. Juni 1906 zu Paris stattgefundenen hippologischen Kongress vorgelegt worden sind. Vom Jahre 1900 bis 1906 sind der staatlichen Ankaufskonmiission in Landerneau 453 Hall)bluthengste vorgeführt worden. Von diesen wurden 115 angekauft und zwar 11 Normannen oder Vendeer; 47 Söhne von Norfolk-Hengsten ; 57 Söhne von bretagnischen Postiers und ausser- dem 6 Produkte verschiedenartiger Norfolkkreuzungen. (S. Tab. S. 393.) Von den im Verlaufe von sechs Jahren angekauften 115 Halbblut- Hengsten waren also 9,57 7o Söhne von Normannen oder Vendeer; 40,87"/;, Söhne von Norfolkern; 44,34 '^^ Söhne von bretagnischen Postiers und 5,22 "/q Söhne von Hengsten verschiedenartiger Abkunft. Das sind beredte Ziffern und, wenn je, gilt hier das englische Wort: »Facts are stubborn things. In der Bretagne ist denn auch die Ansicht aller Züchter und sonstigen Fachmänner, dass der Norfolker für die dortige Zucht gar — 393 — Nachstehend die Ziffern für jedes einzehie Jahr: Anno Halbblut- hengste Söhne von Normannen oder Vendeer Söhne von Norfolkern Söhne von Norfolk- Bretagnern Söhne von leichten Kalt- blütern oder diversen Vor- geführt Gekauft geführt G«''-"*^ Vor- geführt Gekauft Vor- geführt Gekauft Vor- geführt Gekauft 1900 58 14 17 3 17 3 ! 19 5 5 3 1901 7^ ! 15 15 — 30 9 24 6 3 - 1902 70 19 12 I 27 8 25 9 6 I 1903 93 ' 20 15 3 30 1 7 46 9 2 I 1904 71 22 15 ' 2 27 8 27 12 2 — 1905 89 25 16 2 39 1 - 31 10 3 i Summa 453 115 90 II 170 47 172 51 21 6 nicht zu entbehren sei; von den Anglo-Normannen dagegen heisst es, dass sie sich in der Bretagne nicht bewährt hätten. Ihre Produkte seien in der Regel unharmonische Gäule mit langem Rücken, dünnen Beinen und verschiedenen Knochenfehlern. Am liebsten würden die Bretagner daher ihre veredelten, meist etwas leichten Stuten nur mit schweren englischen Vollbluthengsten und Norfolkern kreuzen, doch erfreut sich auch der Postierhengst norfolk-bretagnischer Zucht seitens vieler Züchter recht lebhafter Sympathien. Unter solchen Umständen ist es sehr bedauerlich, dass Norfolk-Traber in der Form, wie die bretagnischen Züchter sie sich vorstellen, schon lange nicht mehr er- zeugt werden. Aus dem alten l)ewährten Schlag, der in der Bretagne Wunder gewirkt, ist in England der moderne Hackney hervorgegangen, und dieser besitzt für die Bretagner sicher nicht den Zuchtwert, den ihr eio-ener »Norfolk-Breton« mit vollem Recht beanspruchen kann. Der frühere Leiter des französischen Gestütswesens, Monsieur Plazen, äusserte sich im Jahre 1898 in der Deputiertenkammer mit bezug auf diese Verhältnisse in folgender Weise: »Ich bedauere, Ihnen sagen zu müssen, dass Hengste von der Gattung, wie sie hier geschildert worden sind, nicht mehr existieren. Ich möchte nicht von meiner Person reden, muss mir aber dennoch erlauben zu erwähnen, dass ich seit mehr als zwanzig Jahren in England die Pferdeankäufe für unsere Gestütsverwaltung be- Averkstelligt habe. Ich besuche auch regelmässig die Ausstellung in Islington. Die Pferde, die dort prämiiert werden, kosten 125000 Frcs. und darüber; würden Ihnen aber ganz und gar nicht gefallen. Falls ich einen solchen Gaul im Werte von 125000 oder 150000 Frcs. kaufen und ohne etwas über seine Herkunft zu sagen, in der Beschälstation zu Saint-Pol aufstellen wollte, würde ich bei den Züchtern schön — 394 — ankommen. Und gäbe ich ihnen dann bekannt, dass dieser Hengst in Islington den ersten Preis erobert und eine Unmasse Geld gekostet habe, bekäme ich wahr- scheinHch zu hören, dass der von mir gekaufte Hengst auf dem Transport gegen ein minderwertiges Exemplar umgetauscht worden sei In früheren Jahren waren die Xorfolk-Hengste ganz andere Tiere als heut- zutage. Es waren Pferde in der Grösse von höchstens 156 cm mit kurzen, stämmigen Beinen und einer ebenso schönen wie praktischen Aktion. Solche habe ich vor 15 bis 20 Jahren vielfach in England für die Bretagne ankaufen können. Heute linde ich sie nicht mehr.« Wie der hier zitierte bewährte Fachmann es den französischen Deputierten auseinandergesetzt hat, verhält es sich tatsächlich. Der alte Norfolktrotter ist vollkommen von dem, »Hackney« benannten, Mode- tiere verdrängt worden. Eben deshalb aber dürfen sich die bretag- nischen Züchter glücklich schätzen, dass es sowohl in der Bretagne, wie auch in der Norman die noch eine grosse Anzahl direkt von dem Norfolker vergangener Tage abstammende Hengste und Stuten gibt. Ich habe im Jahr 1906 in Lamballe u. a. einen Sohn von Hermes oder Jacob und einer kleinen bretagnischen Stute gesehen — der Hengst hiess Toulfouen • — der mit seinem herrlichen Rücken, seiner grossen Tiefe, seinen muskulösen Armen und Hosen, seinen breiten Röhren und seiner herrlichen Trabaktion, im Typus und Gang genau das Bild eines Norfolktrotters l3ester Klasse verkörperte. Solche Hengste sind in den bretagnischen Depots dutzendweise vorhanden, hi der Normandie verhält es sich ebenso. Ich erinnere mich speziell an drei anglo-normandische Rotschimmel — Reux, Utile Dulci und Barbe- rousse — die, wenn man sie den bretagnischen Züchtern als von England kommend, vorgestellt hätte, sicher als hervorragende Reprä- sentanten der so populären alten Norfolktrotter-Rasse begrüsst worden wären. Die Mutter dieser drei Halbbrüder leitete aber auch ihre Ab- kunft direkt auf The Norfolk Phoenomenon zurück. Hengste jenes Typus werden gegenwärtig in Caen nicht mehr von der Gestüts- verwaltung gekauft. Sie sind eben zu sehr Postiers, oder mit anderen Worten etwas zu kurz in ihren Linien, auch ein wenig zu rund und zu Ijreit, um in der Normandie Verwendung zu finden. Gerade wegen dieser Eigenschaften passen sie aber vortrefflich für die Bretagne, die nun einmal von der Karrossierzucht nichts wissen will, jedoch grossen Nutzen aus einem Zuchtmaterial ziehen könnte, das imstande wäre, ein an den Postier-Karrossier des Departements Seine-Inferieure erinnerndes Pferd zu erzeugen. — 395 — Das früher hochgeschätzte bretagnische Galopppferd edler Abkunft sieht sich allerdings durch die moderne Postier- und Traberzucht end- gültig auf den Aussterbe-Etat gesetzt. Dies ist entschieden als ein Verlust für die französische Armee zu bezeichnen, denn die Leistungen jener ebenso schnellen wie harten und ausdauernden Galoppierer waren Fi- Ansi"l( )-bretatini.scher Heiiffst. in hohem Grade achtunggebietend. Wie Ephrem Houel in seinem 1842 erschienenen »Traite complet de 1' Eleve du Cheval en Bretagne« mitteilt, gab es zu seiner Zeit nicht weniger als fünf Bahnen in der Bretagne, auf welchen alljährlich Bauernrennen abgehalten wurden. Der Ijretagnische Bauer schwärmt allerdings auch heute noch für das edel gezogene Halbblutpferd seiner Heimat, al^er er muss doch, wenn auch widerstrebend, zu seinem tiefen Leidwesen eingestehen, dass die Zucht derartiger Tiere sich nicht mehr für ihn lohnt. Rennsport zu — 390 — betreiben ist ein kostspieliges Vergnügen, zumal, wenn die für HallD- blut ausgesetzten Preise so niedrig sind wie auf den Bahnen in Saint- Brieux, Carhaix, Corlaix, Ouimper u. a. Hippodromen der Bretagne, die Gestütsverwaltung absolut keine Halbbluthengste des galoppierenden Schlaofes ankauft und die Remontierungs-Kommissionen selten mehr als 1800 Frcs. für Offizierspferde dieser Gattung bezahlen. Die bretagnischen Hengstenschauen finden in dem Städtchen Landerneau statt. Als Mittelpunkte der Zucht sind die Kantone Saint Renan, Ploudalmezeau und Trebahu zu betrachten. So wie in der Normandie, hat sich auch in der Bretagne eine Teilung der Arbeit ein- gebürgert. Die Fohlen werden im Alter von 6 — 18 Monaten an die sog. Eleveurs (Aufzüchter) verkauft, bei welchen sie verbleiben, bis sie ein Alter von 2 — 3 Jahren erreicht haben. Die Pferdeausfuhr ist .sehr bedeutend. In den Arrondissements Brest und Morlaix allein sollen jährlich 18000 — 20000 Fohlen und junge Pferde verkauft werden. Viele von diesen wandern, wie l^ereits erwähnt, nach der Normandie. Als erfolgreiche Züchter von anglo-bretagnischen Pferden wären zu nennen: J. Fr. de Cleder, Troadec; Kerneis Fils, l'Höpital, Camfront; Severe, Y., St. Pol de Leon; Vigouroux-Kerneis, Dirinon; du Rusquec, Sibiril; J. M. , Pleyber- Christ, Guillou; Bihan, Yves, Saint Thonan; Autret, J. F., Plouenan, u. m. a. Eine gute Vorstellung von dem Exterieur des Anglo-Bretagners gibt Fig. 55, die einen vielfach prämüerten Hengst dieser Rasse darstellt. Das anglo -arabische Pferd. Der Schwerpunkt der in Frankreich bestehenden anglo-arabischen Zucht liegt, wie bereits auf Seite 251 — 265 ausführlich nachgewiesen worden ist, im Staatsgestüte Pompadour und in dem von diesem, sowie von den Staatshengsten-Depots Tarl^es und Pau mit Hengsten ver- sehenen südwestlichen Provinzen. Die besten Stuten anglo-arabischer Rasse werden in den Departe- ments Hautes-Pyrenees, Basses-Pyrenees und Haute-Garonne angetrofien, doch kommen im Departement Gers ebenfalls einzelne Stuten von guter Klasse vor. Dieser Schlag ist im allgemeinen sehr klein. Seine mitt- lere Grösse beträgt 146 — 150 cm und nur in seltenen Ausnahmefällen erreicht er eine Widerristhöhe von 154 cm. Trotzdem bringen solche kleine Stuten häufig genug Fohlen zur Welt, die 156 — 160 cm hoch — 397 — werden. Allerdings war die Stute dann stets mit einem Hengste ge- paart worden, der in der Schulter und in der Hinterhand die Linien eines grossen Pferdes zeigte. Auf die Widerristhöhe kommt es in diesem Falle weit weniger an. In den hier genannten französischen Provinzen weisen schon aus der Steinzeit stammende Funde auf einen sehr bedeutenden Pferde- reichtum hin. Auch in späterer Zeit scheint dort kein Mangel an Pferden geherrscht zu haben. Ist es doch ein historisches Faktum (siehe u. a. Henri Martin »Histoire de France«, 4. Auflage II. pag. 26), dass die keltischen Heerscharen, die im Jahre 280 v. Chr. von Südfrankreich aus Griechenland überlielen, Sosthenes und die macedonische Phalanx vernichteten und den Tempel von Delphi plünderten, 61000 Reiter in ihren Reihen zählten. Die Zucht edler Pferde muss daher im südwest- lichen Frankreich schon lange vor der Eroberung Spaniens durch die Mauren einen hohen Standpunkt erreicht haben. Selbstverständlich trug jedoch die unter der Mauren-Herrschaft eifrig betriebene Kreuzung des einheimischen Schlages mit orientalischem Blut sehr viel dazu bei, der südfranzösischen Rasse grösseren Adel und Zuchtwert zu verleihen. Der Ruf des in der früheren Provinz Bigorre gezogenen Pferdes begann infolgedessen in der ganzen Welt zu verbreiten. So entwirft z. B. der Herzog von Newcastle 1660 nachstehendes Porträt von »le cheval bigourdan«, wie dieses Pferd damals nach seiner in dem jetzigen Departement Hautes-Pyrenees (Hauptstadt Tarbes) gelegenen Heimat genannt wurde: :>Richtig gewählt, ist es das edelste Ross, das ich kenne. Es gibt tatsächlich keines, das von den Ohrenspitzen bis herunter zu den Hufen ein grösseres Ebenmass besässe, denn es ist weder so zart wie der Berber, noch so plump wie der Neapolitaner, sondern hält die Mitte zwischen beiden. Stark, mutig und gelehrig, entwickelt es in allen Gangarten eine herrliche Aktion. Es gibt kein passenderes Pferd für einen grossen Herrscher, der sich bei festlichen Gelegenheiten seinem Volke zeigen will oder die Absicht hat, vor der entscheidenden Schlacht den Ehrenplatz an der Spitze seiner Armee einzunehmen.« Die damalige Gestütsverwaltung unterhielt in der Provinz Bigorre 50 Hengste und 1300 ausgesuchte Mutterstuten, deren Paarung mit der grössten Sorgfalt überwacht wurde. Dank dieser staatlichen Fürsorge hatte die bigourdaner Rasse bereits in ganz Südfrankreich sowohl in qualitativer wie auch in qantitativer Hinsicht einen hohen Standpunkt - 398 - erreicht, als die revolutionäre Sündflut mit einem Schlage alles ver- nichtete. Die Hengste und Stuten von Bigorre wurden teils verkauft, teils für Kriegszwecke requiriert und auch in den übrigen Zuchtetablisse- ments des Staates — diese enthielten anno 1790 nicht weniger als 3300 Hengste — machten die revolutionären Horden talnila rasa. Der Konvent dekretierte allerdings 1795 die Neuerrichtung der Staatsgestüte, doch war dies nur eine platonische Willensäusserung, die nie zur Aus- führung gelangte. Erst als Napoleon I auf den Trümmern der Republik und des Konsulats alle Gewalt in seine Hand vereinigt hatte, besserten sich wieder die Aussichten für die Zucht des edlen Pferdes. Der Kaiser, der sich vollkommen im klaren darüber war, dass die Armee ohne leistungsfähige. Pferde nicht den Sieg an ihre Fahnen fesseln könne, verfügte am 4. Juli 1806 die Wiederherstellung der Gestüte und erliess zu diesem Zwecke umfangreiche Vorschriften, die erst am 29. Mai 1874 durch eine neue Verordnung ausser Kraft gesetzt worden sind. Napoleon war bekanntlich kein Pferdekenner, aber er hegte eine ausgesprochene Vorliebe für das orientalische Pferd. Dies hatte zur Folge, dass das Hengstendepot zu Tarbes binnen kürzester Zeit so viele arabische Hengste erhielt, als es nur aufzunehmen vermochte. Unter diesen improvisierten Rasseverbesserern befanden sich u. a. mehrere Nachkommen des berühmten S3'rischen Hengstes Mahomet und eines vom Grafen de Montreal der Provinz Bigorre zum Geschenk gemachten Beschälers. Es dauerte nun auch nicht lange, bis die Zucht wieder be- merkenswerte Fortschritte aufzuweisen vermochte. Es schien alles noch einmal ins richtige Geleis zu kommen. Doch da wollte es ein grausames Geschick, dass die aufblühende neue Aussaat durch die blutigen Feld- züge der Jahre 1813, 1814 und 1815, die einen unerhörten Verbrauch von Pferden herbeiführten, in kürzester Zeit vollständig vernichtet wurde. Nichts blieb den Züchtern übrig, so dass sie, als die Bourbonen in Paris ihre weisse Flagge aufzogen, die mühevolle Arbeit noch einmal ganz von vorne in Angriff nehmen mussten. Die neue Regierung tat indessen was in ihren Kräften stand, um ihnen diese Arbeit zu erleichtern. Zunächst Hess sie in Syrien eine grosse Anzahl Hengste edelster Ab- stammung ankaufen, denen nun in erster Reihe einige bisher versteckt gehaltenen Stuten der alten Rasse zugeführt wurden. Im Jahre 1850 standen im Depot zu Tarbes 100 Hengste und zwar 24 englisches Voll- blut, 10 arabisches Vollblut, 8 anglo-arabisches Vollblut, 48 dreiviertel Blut und 10 Halbblut. Anfangs hegten die Züchter ein so starkes — 399 — Misstrauen gegen das englische Vollblut, dass im Jahre 1838 nur eine einzige Stute dieser Rasse ^ in Tarbes belegt wurde; sechzehn Jahre später standen aber schon 105 auf den Decklisten der dortigen Depot- hengste. Gegenwärtig dürften über 1000 englische Vollblutstuten in der Ebene von Tarbes zur Zucht verwendet werden. hn anglo-arabischen Zuchtgebiete, das, wie bereits erwähnt, die südwestlichen Provinzen Frankreichs umfasst, werden alliährlich 25- bis Fig. 56. Cvrus, anglo-arabischer Halbblut-Hengst, v. Prisme (engl.-arab.i, a. d. Jenny (arab.). I. Preis IC)05 auf der grossen Pariser Ausstellung von Zuchtpferden. 30000 Fohlen geboren. Diese verbleiben bis zum vierten Jahre in ihrer Heimat. Der französische Süden muss daher ein Jahr wie das andere mindestens 10 000 Fohlen ernähren. Hierzu kommen dann aber noch die 42 000 Stuten, die nach den statistischen Ausweisen im Süden des Landes vorhanden sind. Von dieser Zahl werden ungefähr 17000 Stück sowohl zur Zucht, wie auch zur Feldarbeit benützt. Man kann somit getrost annehmen, dass ca. 25000 Stuten ausschliesslich im Dienste der Zucht stehen. Das sind gewiss achtunggebietende Ziffern. Leider berechtigen diese keineswegs zu der Annahme, dass sich die anglo- — 400 — arabische Zucht Frankreichs zu einer lohnenden Industrie entwickelt habe. Von den obenerwähnten 25 000 Fohlen kauft nämlich die Remon- tierungs Verwaltung nur ungefähr 50CO Stück. Die übrigen 20000 muss der Züchter trachten zu jedem Preise loszuschlagen, denn da der jähr- liche Bedarf an Remonten der französischen Armee nur 13 800 Stück beträgt, ist es gänzlich ausgeschlossen, dass mehr als 5 — 6000 in den südwestlichen Provinzen angekauft werden könnten. Ohne der Passion für das Pferd und dessen Zucht, welche die Bewohner der hier in Rede stehenden Provinzen von jeher ausgezeichnet hat, würde daher die anglo-arabische Zucht Frankreichs gewiss dem Untergange geweiht sein. So aber hält sie sich nicht nur über Wasser, sondern vermag sogar erfreuliche Fortschritte aufzuweisen. Am höchsten steht die anglo-arabische Zucht noch immer im Departement Hautes-Pyrenees und speziell in der Ebene von Tarbes, wo man die meisten und edelsten Sprösslinge dieser Rasse zu sehen bekommt. (Siehe Fig. 56). Der Boden jener Ebene enthält indessen sehr wenig Kalk, w^as zur Folge hat, dass die dort geborenen Fohlen sich besser entwickeln, wenn sie in Gegenden aufgezogen werden, wo die Futtergewächse Kalk aus dem Boden aufnehmen können, wie z. B. in Le Gers, Tarn-et-Garonne und Haute-Garonne. Ihren Adel, ihr feuriges Temperament und ihre Leistungsfähigkeit aber verdanken sie unzweifel- haft der heimatlichen Scholle. In den Basses-Pyrenees, wo mehr Kalk vorhanden ist, wird ein breiteres, weniger elegantes Pferd gezogen, das jedoch einen hohen Zucht- und Gebrauchswert besitzt. Das Departement Gers erzeugt ebenfalls einen stärkeren Schlag, der auch vielfach mit Anglo-Normannen und Hackneys gekreuzt wird. Die speziellen Vorzüge dieses Schlages sind ein ausserordentlich widerstandsfähiges Skelett, grosse Leistungs- fähigkeit und ein be([uemes Temperament. Bei den in Südfrankreich sehr beliebten Distanzfahrten, die häufig mehrere Tage in Anspruch nehmen, spielen infolgedessen die Pferde des Gers stets eine viel be- merkte und glänzende Rolle. Meistens stellen sie den Sieger. Im Departement Gers werden übrigens auch viele in den Hautes- und Basses-Pyrenees geborene Fohlen aufgezogen, die sich auf den dortigen Weiden vortrefflich zu entwickeln pflegen. Die Pferde der Departe- ments Ariege, Aude, Pyrenees Orientales und Landes dagegen, sind anspruchsloser Gattung, aber trotz ihres unscheinbaren Exterieurs und ihrer geringen Grösse oft von einer bewundernswürdigen i\usdauer. Wraiigel, Die Rassen des Pferdes. I. 26 — 402 — Als die hauptsächlichsten »Points« des südfranzösischen Anglo- Arabers wären zu bezeichnen: ein an den Araber erinnernder, aus- drucksvoller Kopf, mit grossen, schönen Augen ; elegante Halsform ; gut o-elagerte Schulter; tiefer, aber etwas enger Brustkorb; scharfer, weit in den Rücken verlaufender Widerrist; kräftiger Rücken; mitunter etwas zu kurze Kruppe; lange, muskulöse Hosen; trockene, kräftige Gelenke; stählerne, aber dünne und nicht immer korrekt gestellte Vorderglied- Massen; prächtige Schwanzführung; gute Trab- und vorzügliche Galopp- aktion; emfindliches Maul und ein überaus nervöses Temperament. Man findet nirgends auf der Welt eine so grosse Anzahl be- zaubernd schöner Pferde wie bei den Stutenprämiierungen in Süd- frankreich. Und diese Pferde sind nicht nur schön, sondern auch leistungsfähig. Tragen sie doch trotz ihrer verhältnismässig geringen Grösse die iio Kilo, die der französische Chasseur und Husar in den Sattel bringt*); auch verzeichnet ja, wie bereits erwähnt, die Sport- chronik glänzende Leistungen, die von Vertretern dieser Rasse auf kolossale Distanzen sowohl im Geschirr wie auch unter dem Sattel vollbracht worden sind. Ich erwähne mit Bezug hierauf nur die in Südfrankreich überaus populäre Course de la Petite Gironde, die alljährlich über eine Distanz von 700 bis 880 Kilometer stattfindet und stets von anglo-arabischen Halbblutpferden sehr geringer Klasse be- stritten wird. Im Jahre 1905 wurde der Siegespreis, 3000 Pres, und eine goldene Medaille, von einer alten blinden Fuchsstute, namens Reve, erobert, die von ihrem Besitzer um 95 Pres, erstanden worden war und deren Widerristhöhe nur 144 cm betrug. Reve legte die Distanz von 717 Kilometer in 42 Stunden 44 Minuten zurück. Ihre Durchschnittsleistung war 16 Kilometer 848 Meter per Stunde. Eine andere ausserordentliche, ja unübertroffen dastehende Leistung war die der anglo-arabischen Halbblutstute Fa vorine, die, 12 Jahre alt, 1900 im September, 302 Kilometer in 24 Stunden zurücklegte. Favorine war fünf Jahre früher um den Preis von 100 Pres, in den Besitz ihres damaligen Eigentümers übergegangen. Bekannt ist ferner, dass eine grosse Anzahl anglo- arabischer Pferde mit Auszeichnung an den »Raids« Bruxelles-Ostende, und Paris-Deauville teilgenommen haben. Zur weiteren Entwicklung dieser oft bewiesenen Leistungsfähig- keit des französischen Anglo-Arabers tragen die teils vom Staate, teils *) Das in Montauban oamisonierende Dragonerreoiment ist ülnioens auch aut Anglo-Arabern beritten. — 403 — von privaten Rennfi;esellschaften subventionierten Flach- und Hindernis- rennen unzweifelhaft sehr viel bei. Speziell für Ang^lo-Araber gestiftete und reservierte Rennen finden statt in Tarbes, Pompadour, Avignon, Luchon, Dax, Oloron, Castres und mehreren anderen Orten, hiwiefern die auch in Südfrankreich seit einiger Zeit populär gewordenen Trab- rennen geeignet sind, einen wohltätigen Einfluss auf die Zucht des Anglo-Arabers auszuüben, wird die Zukunft lehren. Vorläufig erlaube ich mir, dies zu l^ezweifeln. Meiner Ansicht nach ist der Anglo-Araber ein ausgesprochenes Galopppferd, und wenn er auch hie und da be- merkenswerte Trabanlagen an den Tag gelegt, wird doch immer der Galopp seine natürlichste und beste Gangart verbleiben; auch fürchte ich, dass das unvermeidliche Streben nach immer grösserer Schnellig- keit Anlass zu sicher nicht im Interesse der Zucht liegenden Kreuzungen mit anglo-normandischen, russischen oder amerikanischen Schnelltrabern geben könnte. Dass aljer die Verwendung anglo-normandischer Hengste in Südfrankreich bisher in keiner Weise befriedigende Resultate ge- zeitigt, darf wohl als eine über jeden Zweifel erhabene Tatsache bezeichnet werden. Zum Ankauf von anglo-arabischen Zucht- und Gebrauchspferden bieten verschiedene in Südfrankreich stattfindende Märkte für den Kenner — aber auch nur für diesen — eine günstige Gelegenheit. So z. B. die Märkte in Tarbes 8. und 9. Mai, 3. Sonntag im Juni, 10. und II. November; Pau 4. März, 3. Juni, 12. November; Toulouse 30. November mit 8 tägiger Dauer; La Laitiere (5 Kilometer von Saint- Aula3'e) 30. Ai)ril; Montpazier 8. Juli; Montauban ig. März, 26. Juli, 13. Oktober, u. m. a. Auf diesen Märkten hüte man sich indessen, die Dienste der ungemein zudringlichen und frechen >Courtiers« (Vermittler) in Anspruch zu nehmen und ausserdem wird man gut tun, nicht zu vergessen, dass die periodische Augenentzündung eine im Süden von Frankreich bei den Pferden häufig vorkommende Krank- heit ist. Die besten Pferde findet man jedenfalls in den Departements Le Gers, Haute-Garonne, Tarn-et-Garonne sowie in der Umgebung von Tarbes und Pau; ferner, obschon nicht von gleich hoher Klasse, in den Departements Les Landes, Ariege und Dordogne. Als besonders erfolgreiche Vaterpferde wären unter den gegen- wärtig in Südfrankreich tätigen Anglo-Araljern zu erwähnen : — 404 — No6, F. H. , oeb. 1S92, v. C'hant du Cvgne (X X), a. d. No^mi TangL-arab.), V. Castillon (X X), a. d. Namoima (arab.); Ardizan, Br. H., geb. iSy2, v. Vignemale fXXl, a. d. Coquette, v. Ahmar (arab.i, a. d. Comelie, v. Ismael; Never, F. H., geb. 1895, v. El Nimr (arali.l, a. d. Archere, v. Bay Archer (x X )< a. d. Esperance; Mousquetaire, Br. H., geb. 1897, v. Prisme (angl.-arab.), a. d. Mademoiselle Lucien, v. Patricien (XX)y ^i- d. Amorce (angl.-arab.). Leider hat man in Frankreich die Erfahrung gemacht, da.ss sich die Anglo-Araber, wie die meisten Kreuzungsprodukte, unter sich sehr un- regelmässig vererben. Werden zwei Anglo-Araber miteinander gepaart, so ist nie vorauszusehen, ob das Produkt den orientalischen oder den englischen Tvpus zeigen wird. Die Vererbung eines dem anglo-arabischen Bilde entsprechenden, selbständigen Rassetypus gehört zu den seltensten Ausnahmen. Mit der Bildung des von Gayot geträumten franzcisischen Vollbluts anglo-arabischer Abstammung hat es also noch gute Wege. Wird hierzu zu viel original-orientalisches Blut benützt, so entfernt man sich immer weiter vom Ziel und bleibt man konsequent bei der Ver- wendung des einheimischen anglo-arabischen Blutes, so gelangt man nie zur definitiven Fixierung derjenigen biologischen und morpholo- gischen Eigenschaften, durch welche sich die neu zu schaffende Rasse sowohl von ihren orientalischen wie auch von ihren englischen Stamm- eltern unterscheiden soll. Jeder Freund des edlen Pferdes muss aber wünschen, dass es den Franzosen gelingen möge, die Lösung dieses schwierigen Züchtungsproblems zu finden, denn in Südfrankreich ist der Anglo-Araber durch keine andere Rasse zu ersetzen, und wer je in Pau hinter den Hunden geritten ist, wird gewiss zugeben, dass in Südfrankreich, beispielsweise im Departement Gers, gezogene Gewicht- träger anglo-arabischer Rasse es getrost mit den besten irländischen Hunters aufnehmen können. Lohnen würde sich also die Verwirklichung des Gayotschen Traumes schon. Das Limousin-Pferd. Die ehemalige Provinz Limousin bestand aus den heutigen Depar- tements Haute-Vienne, Creuse und Correze. Dieses umfangreiche Gebiet war schon in der prähistorischen Zeit der Tummelplatz riesiger Herden von wilden Pferden, die, ebenso wie die anderen grossen Säugetiere jener Epoche in den Augen der Bevölkerung nur den Wert eines jagd- — 405 — baren Wildes besassen. Erst viel später, nachdem das Pferd gezähmt worden, lernten die Gallier den Pferdereichtum ihrer Heimat nach Gebühr schätzen und verwerten. Zunächst geschah dies durch Auf- stellung einer imposanten Reiterei. Dass das keltische Heer, das 280 V. Chr. bis nach Delphi vordrang, über 60000 Reiter verfügte, ist bereits erwähnt worden. Unter diesen gab es zahlreiche Lemovices, d. h. gallische Völkerschaften, die den Limousin bewohnten. Nach den keltischen Hufeisen zu urteilen, die an verschiedenen Orten aus- gegraben worden sind, war das Linie )usin-Pferd der gallischen Periode ein feinknochiges Tier mit kleinen Hufen und von geringer Höhe. Professor Sansons Behauptung, dass die Limousin-Rasse ihre Entstehung den während der maurischen Herrschaft nach Spanien und von den Sarazenen auch nach Südfrankreich gebrachten arabischen Pferden zu verdanken habe, muss daher als ein h-rtum bezeichnet werden. Gewiss wurden die Limousins wiederholt durch Zuführung orientalischen Blutes veredelt. Zwischen Veredlung einer schon bestehenden Rasse und Bildung einer neuen herrscht aber bekanntlich ein gewaltiger Unterschied. Unter den merowingischen Königen, denen das Pferd ein wider- wärtiges Tier gewesen zu sein scheint — ob sie aus diesem Grunde oder aus Sparsamkeit keine Kavallerie unterhielten, mag dahin gestellt bleiben — ging es indessen rasch bergab mit der Pferdezucht. Erst unter König Pippin (751) und dessen Sohn, Karl dem Grossen (f 814), erhielt Frankreich wieder eine Reiterei, die jedoch hauptsächlich mit Pferden der tributpflichtigen Sachsen und Sarazenen beritten gemacht wurde. Zu einer dauernden Neubelebung der französischen Pferdezucht kam es nämlich erst im Mittelalter, als die Herren Ritter begannen, sich nicht nur nach kräftigen Streitrossen, sondern auch nach leich- teren, schnellfüssigen Reit- und Jagdpferden umzusehen. Von diesem Zeitpunkte an spielte das Limousin-Pferd Jahrhunderte lang eine glän- zende Rolle. Gayot (siehe Moll et Gayot »La connaissance du cheval«) schreibt mit Bezug hierauf: »Von allen Rassen genoss die des Limousin in ganz Europa das grösste Ansehen. Sie gestaltete sich zu einer nationalen Berühmtheit und lieferte lange Zeit hindurch ein leichtes, gewandtes, gelehriges Reitpferd, das auf den elenden Wegen jener Epoche besser als irgend ein anderer Pferdeschlag zu gebrauchen war. Ausserdem wurde es durch seine Eleganz und seinen Adel sehr bald das Lieblingsross aller Höfe und W^ürdenträger. Die zunehmende Vorliebe, die der Adel allerwärts für die Schul- und Jagd- — 40^J — reiterei an den Tag legte, trug natürlich ebenfalls wesentlich dazu l^ei, die Zucht des Limousin-Pferdes zu heben und ihr ebenso lohnende, wie leicht zugängliche Absatzquellen zu eröftnen.« Für hervorragende Exem})lare der Limousin-Rasse wurden denn auch kolossale Preise gezahlt. Im Jahre 1155 z. B. kaufte der Bischof von Soissons einen Limousiner, für den er fünf Leibeigene (zwei Frauen und drei Männer) hergeben musste. Monseigneur de la Marche, später Philipp der Schöne, bezahlte für zwei Limousiner-Pferde nach heutigem Geldwert ca. 49000 Frcs. Auf dieser Höhe hielten sich jedoch die Preise nicht lange. Immerhin waren sie noch hoch genug, denn Pferde, die heut- zutage um 1600 — 2500 Frcs. zu haben wären, mussten auch später mit öooo Livres bezahlt werden. Billiger wurden sie erst ganz allmählich. Mit Bezug hierauf schreibt de Saincthorent in seinem 1881 erschienenen Werke »Le Cheval Lim ou sin«, dass ein Generalspferd im Jahre 1789 800 — 2000 Livres wert war. Die Glanzperiode der Limousiner-Zucht erreichte indessen schon lange vor der Revolution ihr Ende. Dies geht unter anderem aus fol- genden Zeilen hervor, die in einem anno VI von Eschasserieux an den Rat der Fünfhundert gerichteten Rapport vorkommen: Jn ganz Frankreich findet man nirgends so günstige Bedingungen für die Zucht des Reitpferdes wie in den ehemaligen Provinzen Limousin, Auvergne und Perigord. Nichtsdestoweniger wird auf diesem vorzüg- lichen Boden, der uns früher so edle, ausdauernde und harte Pferde geliefert, kein brauchbares Material mehr gezüchtet. Welche Umstände haben es wohl verschuldet, dass diese ausgezeichneten Rassen, die ebenso geeignet für den Kriegsdienst, wie für die Jagd- und Schul- reiterei waren, einer so vollständigen Degeneration anheim gefallen sind?« Ein anderer Fachmann, Louis de Maleden, schrieb 1803 in einer unter dem Titel »Reflexions sur la reorganisation des Haras« herausgegebenen Broschüre: »Die Limousin-Rasse war eine der besten in der Welt .... Das Herz blutet mir, wenn ich Ijedenke, dass nur noch einige wenige Exemplare von ihr vorhanden sind. Es ist jedoch höchst wahrscheinlich, dass der Verfall schon viel früher, ja schon unter Ludwig XIII begonnen hat. Wäre es doch sonst schwer zu verstehen, wie ein Zeitgenosse jenes Königs, der hippologische Schriftsteller De Charnizay in seinem Lehrbuche »La Practique du cavalier« folgenden Schmerzensschrei hätte ausstossen können : — 407 — > L e s c h e V a u X d o n t 1 e s F r a n y o i s fönt c a s v i e n n e n t d'Espagne (avec difficulte toute fois); il nous en arrive aussi d'Italie, d'oü ils viennent plus commodement; mais pourtant les uns et les autres se recouvrent avec assez de peine, et encore fort peu de bons; les meilleures races etant ä present abätardies ou perdues.« (>Die von den Franzosen am meisten ge- schätzten Pferde kommen aus Spanien [allerdings unter Schwierig- keiten]; wir erhalten auch Pferde aus Italien, von wo sie leichter zu beziehen sind; die einen wie die anderen erholen sich al)er ziemlich schwer und unter ihnen gibt es nur w^enig Gute; die besten Rassen sind heutzutage entartet oder vernichtet. < ) Auch der mehrfach von mir zitierte moderne Verfasser, Comte de Comminges, ist der Ansicht, dass die Limousin-Rasse schon vor der Revolution nicht mehr das Lob verdient habe, das ihr früher von enthu- siastischen Bewunderern gespendet worden. Er schreibt unter anderem: »Man darf nicht glauben, dass die Provinz Limousin vor der Revolution eine Unmasse schöner Pferde produziert habe. Die dortige Zucht war im Gegenteil oft genug nahe daran, ganz einzugehen, hn jähre 1717 z. B. entsprach die Zahl der Landbeschäler bei weitem nicht dem Bedarf; ausserdem gab es nur sehr wenige veredelte Stuten und die Gestüte standen unter der Leitung von Leuten, die kaum irgendwelche hippologischen Kenntnisse besassen. Die Stuten des Landschlages waren übrigens nie viel wert, bevor sie veredelt worden. Um das Jahr 1765 herum verfügten aber die Züchter im jetzigen Departement Haute -Vienne nur über 155 derartige Stuten besserer Klasse. Die wertvollsten Stuten waren alle gemischter englischer und arabischer Herkunft. Schliesslich wurden im Jahre 1779 24 orientalische Hengste aus Syrien importiert. Gleichzeitig erhielt das Staatsgestüt Pompadour einen Stamm englischer und anglo-normandischer Stuten, die sich durch stattliche Grösse, kräftige Gliedmassen und hohen Adel auszeichneten. Vor der vierten Generation kam es jedoch bei diesen Stuten zu keiner befriedigenden Vererbung.« Nun begann die Zucht sich wieder langsam zu erholen und merk- bare Fortschritte zu machen. Die hierzu erforderliche Ruhe wurde ihr aber nur kurze Zeit gegönnt, denn im Jahre 1790 machte die Revolution aller züchterischen Arbeit ein Ende, der Zuchtstamm in Pompadour wurde vernichtet und jedes im Lande befindliche brauchbare Pferd von der neuen übrigkeit für Armeezwecke mit Beschlag belegt. — 4o8 — Nachdem die revolutionäre Sturmflut sich verlaufen hatte und wieder geordnete Zustände eingetreten waren, bemühte die Gestüts- verwaltung sich ehrlich zu retten, was noch möglicherweise gerettet werden konnte. Eine leichte Aufgabe war dies aber nicht. Für Pompadour konnte man nur 20 Stuten verschiedener Herkunft — 12 waren ordinäre ägyptische Gäule — zusammenbringen, und was die benötigten Vaterpferde anbelangt, Hessen sich im ganzen Lande nicht mehr als zwei — Le Derviche und Carolus — auffinden, die von der alten anglo-arabischen Rasse abstammten. Einige Jahre später kamen noch zwei importierte Orientalen hinzu, nämlich Ee Kurde und Bagdad, die sich beide sehr gut vererbt haben sollen. Den früheren hohen Standpunkt hat die Zucht des Limousin-Pferdes jedoch seitdem nie mehr erreicht. Ihre letzten Triumphe feierte sie während der Kriege des ersten Kaiserreichs, die der nahezu ausschliesslich auf Limousinern berittenen leichten Kavallerie Napoleons reichliche Gelegenheit boten, die Leistungsfähigkeit ihrer Rosse ins hellste Licht zu stellen. Den Gnadenstoss erhielt die alte Rasse durch die in den dreissiger Jahren beginnenden Kreuzungsexperimente mit englischem Vollblut und anglo-normandischem Halbl^lut. Man wollte dem Limousin-Pferde durchaus eine stattlichere Grösse und breitere Formen verleihen und wähnte dies ohne Schädigung seiner bewährten Rasseeigenschaften durch ausgiebige Einimpfung englischen Blutes erreichen zu können. Wie vorauszusehen war, erlebten die Veranstalter dieser törichten Experimente, bei welchen ausserdem unbeachtet blieb, dass zur Er- zeugung grösserer Pferde nicht nur ein grösserer Hengst, sondern auch reichlicheres Futter gehört, ein vollständiges Fiasko. Die Kreuzungs- produkte wurden hochbeinige, flachrippige »Spinnen« ohne Harmonie zwischen Vorder- und Hinterteil und ohne Leistungsfähigkeit. Das englische Vollblut, das sich so vorzüglich zur Veredlung starkknochiger, lymphatischer Rassen eignet, taugte absolut nicht für die leichte, nervöse Limousin-Rasse und der Anglo- Normann bildet einen so t3^pischen Gegensatz zum Limousiner, dass eine Verschmelzung der besten Eigen- schaften dieser beiden Rassen gänzlich auss^eschlossen war. Die Ver- edlung des südfranzösischen Pferdes kann eben nur durch sorgfältige Zuchtwahl und von Zeit zu Zeit stattfindende Zufuhr rein orientalischen Blutes bewirkt werden. Dies scheint gegenwärtig auch die Ansicht der meisten erfahrenen Züchter in Limousin zu sein. Das heutige Produkt der Limousiner Zucht ist ein ausgesprochenes — 409 — Reitpferd mit eckigen, etwas schmalen Körperformen und kurzer Kruppe, tadelloser Oberlinie, grosser Tiefe, starken trockenen Gliedmassen, vor- züglichen Gängen und bedeutender Leistungsfähigkeit. Die Widerrist- höhe schwankt bei den Ijesten Exemplaren zwischen 150 — 155 cm und darf 158 cm nicht überschreiten, wenn das betretfende Pferd noch den Beifall des Kenners finden soll. Das durchschnittliche Gewicht beträgt 450 Kilo. Die gewöhnlichsten und beliebtesten Farben sind Schimmel in allen Schattierungen und Fuchs. Da der Limousiner ein besserer Gewichtsträger als das Pferd von Tarbes ist, erfreut er sich bei der Re- montierungsverwaltung noch immer einer nicht geringen Wertschätzung. Seine Vorfahren waren allerdings besser, »mais< — sagen die Herren Offiziere des Remontierungsdienstes — »quand on n'a pas ce qu'on aime, il faut bien aimer ce qu'on a«. Der Durchschnittspreis einer Limousiner Remonte für leichte Kavallerie ist 950 und für schwere Ka- vallerie 1025 Frcs. Als besonders angesehene und erfolgreiche Züchter von Limousin- Pferden verdienen hier genannt zu werden: Vicomte de Curel, dessen Gestüt sich in dem besten Zuchtgebiet des Departements Creuse, La Souterraine, befindet; Vicomte de Causans in Evaux; die Herren de Bellabre in la Geneystouse; de Neuville in Magnac-Bourg ; Dumont- Saint-Priest in Boisseuil; Vendeuil in Dorat; Pelly in Verneuil; Noualhier in Berneuil; Baudon de Mon}^ in Ayat-le-Ris, u. m. a. Eine vorzügliche Gelegenheit, näheren Einblick in die Zucht des Limousin-Pferdes zu gewinnen, bietet sich auch bei den jährlichen Schauen in Vichy, Argenton und Dorat, auf den Märkten in Toulouse (30. November), Limoges (21. Mai und 16. Juni), Perigueux (26. Mai) und Dorat, sowie durch Be- such in den Stallungen der Ecole de Dressage von Limoges. Der fremde Fachmann wird sich bei diesen Studien vor Augen zu halten haben, dass das typische Limousin-Pferd im Departement Haute Vienne und zwar hauptsächlich im Arrondissement Bellac in der L^mgebung von Dorat gezogen wird, hii Departement La Creuse sind die Pferde kleiner und gedrungener (ca. 148 — 153 cm) und im Departe- ment La Correze etwas gemeiner. Das Pferd der Camargue. Südfrankreich beherbergt ausser dem Pferde von Tarbes und dem Limousiner noch eine Pferderasse, die, obwohl von geringerer national- — 4IO — ökonomischer Bedeutung, wegen ihres ehrwürdigen Alters und des eigentümlichen >Milieu«, der ihre Heimat bildet, dennoch Anspruch auf das Interesse jedes Hippologen und Pferdefreundes erheben darf. Dies ist das Pferd der im Departement Bouches du Rhone unweit vom Golfe du Lion gelegenen Camargue, deren Natur und kulturellen Ver- hältnisse lebhaft an den wilden Westen der Vereinigten Staaten er- innern. Hier wie dort endlose Grasebenen, auf denen zahlreiche halb- wilde Pferde- und Rinderherden ihre Nahrung suchen; hier wie dort auch eine Bevölkerung, die unbeleckt von der europäischen Kultur ein freies Reiter- und Hirtenleben führt. Das Delta, das ca. 40 Kilometer vom Meere entfernt, von den beiden Armen des Rhöneflusses gebildet wird, trägt den Namen Isle de la Camargue* ; im Norden dieses Deltas liegt die Stadt Arles, im Westen der sog. kleine Rhone, im Osten der grosse Rhone, der sich in den Meerbusen de Fos ergiesst, und im Süden das Meer. Ganz im Osten, zwischen Arles, Salon, Miramas und dem Meer liegt ferner noch ein La Grau Ijenannter Landstrich. La Grau, La Gamargue und Le Plan du Bourg (ein unmittelbar am Rhone gelegenes Alluvialgebiet, das La Grau von der Gamargue trennt), bilden »Le pays d' Arles«, in welchem den Pferde- und Rinderherden Weidegründe in der Ausdehnung von über 1 10 000 Hektaren zur Verfügung stehen. Städte oder grössere Ortschaften gibt es in der ganzen Gamargue nicht. Die letzte Volks- zählung ergab 4000 Einwohner, d. i. ein Einwohner per 18 Hektare. Kein Wunder, dass sich die Bevölkerung in dieser Einsamkeit eine Lebensauffassung und Sitten bewahrt hat, die nur noch fernab von den grossen Heerstrassen der Zivilisation angetroffen werden. Das kleine Pferd, das mit den dort weidenden 3500 — 4000 Ochsen dem Delta seine eigentümliche Physiognomie verleiht, hat sehr alte Ahnen. Nach der Tradition sollte es von den Berberpferden abstammen, die im VIII. Jahrhundert von den Sarazenen zurückgelassen wurden, als Karl Martell sie aus Arles verjagte. Diese Legende wird jedoch durch die neueren Forschungen in das Gebiet der Fabel verwiesen. Es steht nun fest, dass das Pferd der Gamargue seinen Ursprung auf das während der Ouarternär-Periode in Südfrankreich zahlreich vor- handen gewesene Pferd des Solutre-Typus zurückführt. Die hauptsächlichsten Kennzeichen dieses Pferdchens sind: ein schwerer Kopf, kurze Ohren, grosse ausdrucksvolle Augen, meistens gerader oder nach aufwärts gebogener Hals (sog. Hirschhals), breiter — 411 — Brustkasten, kräftiger Rücken, kurze etwas schmale Kruppe, üppiges Mähnen- und Schweif haar, guter Schweifansatz, lange Unterschenkel, Hängebauch, trockene Gliedmassen und starke Hufe. Seine Widerrist- höhe schwankt zwischen 138 — 143 cm. Die gewöhnlichste Farbe ist Schimmel. Füchse gehören zu den Seltenheiten. Rotschimmel, Rappen und Isabellen kommen dagegen in der reinen Rasse nie vor. Das Pferd der Camargue ist feurig, mutig, ungemein ausdauernd, abgehärtet und sehr genügsam. Grosse Schnelligkeit gehört nicht zu seinen Tugenden, dafür hält es aber um so länger aus. Zu klein und schmächtig, um zu den landwirtschaftlichen Arbeiten verwendet werden zu können, wird es gegenwärtig nur als Reitpferd gebraucht. Um ihm als solches grösseren Wert zu verleihen, hat man es in jüngster Zeit wiederholt mit arabischem Voll- und Halbblut gekreuzt und sollen diese Versuche recht gute Resultate gegeben haben. So hat z. B. der Sohn eines arabischen Vollbluthengstes und einer Stute reiner Camargue- Rasse nicht nur in Frankreich, sondern auch in Belgien zahllose Triumphe in Ponyrennen gefeiert. Derartige verbesserte und gut ge- fütterte Exemplare werden auch von der Remontierungsverwaltung an- gekauft. Es ist daher vorauszusehen, dass die primitive, alte Rasse sehr l3ald durchgreifenden Umgestaltungen unterworfen werden, ja aller W^ahrscheinlichkeit nach ganz verschwinden wird. Vom Stand- punkt des Pittoresken wäre das allerdings zu bedauern, in ökonomischer Beziehung aber unbedingt als grosser Vorteil für die Bevölkerung der interessanten Rhöneniederung zu begrüssen. — Die in der Camargue übliche Aufzucht ist im grossen ganzen seit Jahrhunderten dieselbe geblieben. Von der Zuchtlehre scheint auch nicht ein einziger Paragraph in diese Einöde gedrungen zu sein. Die Stutenherden — im Volksmunde manades« genannt — bestehen in der Regel aus 20 — 25 Mutterstuten, denen ein mit Sorgfalt aus- ufewählter Henorst zugeteilt wird. Dieser vollzieht also den Beschälakt in voller Freiheit und nicht wie in unseren zahmen Gestüten vor- geschrieben »aus der Hand< , d. h. unter Beihilfe von Wärtern. Wie wohl kaum bemerkt zu werden braucht, wird bei diesem Verschwen- dungss3'stem die Stute viel öfter gedeckt, als behufs ihrer Befruchtung notwendig wäre und der Hengst infolgedessen auch bedeutend schneller abgenützt. Die Mutterstuten verrichten keinerlei Arbeit. Die volljährigen Pferde dagegen verwendet man, genau wie im grauen Altertum, zum Ausreiten des Getreides. Schwache Fohlen pflegen den Strapazen des — 412 — Herdenlebens sehr bald zu erliegen. Hierdurch werden sie ohne Ein- greifen des Menschen auf natürlichem Wege vom Fortpflanzungs- geschäfte ausgeschlossen, was den kommenden Geschlechtern unver- minderte Gesundheit und Leistungsfähigkeit verljürgt. Den älteren Altersklassen wird übrigens bei den sog. »Ferrades« (das Aufbrennen der Brandzeichen), bei welchen ihnen die Aufgabe zufällt, die wilden Stiere und Ochsen zusammenzutreiben, sowie bei den populären Hetz- jagden und Ponyrennen Gelegenheit geboten, Proben ihrer Leistungs- fähigkeit al^zulegen. Wie stark und gesund die Hufe dieser Pferde sein müssen, lässt sich daraus entnehmen, dass sie nie beschlagen werden. Wenn somit auch die Aufzucht in der Camargue auf eine für den Züchter äusserst Ijequeme Weise bewerkstelligt wird, pflegt das Einfangen und Dressieren der jungen Wildlinge sich in der Regel zu einem Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Menschen und dem an ungebundene Frei- heit gewöhnten Tiere zu gestalten. Ohne Anwendung der gröbsten Zwangsmittel wird ersterer nie als Sieger aus diesem Kampfe hervorgehen. Der Cowboy des amerikanischen Westens und der Guardian« der Camargue, sie schwingen beide den Lasso mit gleicher Virtuosität, wenn es gilt, sich ihres Opfers im Corral zu l^emächtigen und ihm die Freiheitsg:elüste wündlich auszutreiben. Das Nivernais-Pferd. Die frühere Grafschaft Le Nivernais umfasst das jetzige Departe- ment Nievre und Teile der Departements Loiret und Cher. Da in diesen Gebieten die Boden- und Kulturverhältnisse keineswegs die gleichen sind, unterscheiden sich auch die Produkte ihrer Pferdezucht deutlich von einander, so dass man z, B. mit vollem Recht von einem Pferde des Nivernais und einem des Cher sprechen kann. Im Departe- ment Cher gibt es nur in der Umgebung des Städtchens La Guerche, der sog. Ebene von Germigny, bessere, für die Pferdezucht geeignete Weiden, die denen des Nivernais oder des Charolais in keiner Be- ziehung nachstehen, ja diese, was Üppigkeit anbelangt, sogar über- treffen und deshalb auch vorzugsweise zur Auffütterung von Mastvieh verwendet werden. Hier züchtet man einen kleinen Karrossier in der Höhe von 154 — 158 cm, der sich durch eine glänzende Aktion aus- zuzeichnen pflegt, aber mit seinem etwas weichen Rücken und seinen runden Linien dennoch einen weniger vorteilhaften Eindruck als das — 413 — im Departement Nievre gezogene Pferd hervorruft. Im Departement Cher hat ausserdem die Kreuzung mit Hackneys und russischen Tral3ern einen nicht zu verkennenden Einfluss auf die warmbUitige Zucht ausgeübt. Die Hackneys werden den Züchtern vom Staats- hengsten-Depot Blois in grosser Anzahl zur Verfügung gestellt. Die Russen aber stammen aus einem seither eingegangenen Gestüt, das im Jahre 1880 mit 20 Orloff- Stuten und zwei Hengsten derselben Rasse auf der Besitzung eines Herrn Perrot angelegt wurde. Zum Glück starben die beiden Hengste sehr bald und von den Stuten sollen nach Auflösung des Gestütes höchstens vier oder sechs im Departement verblieben sein. Trotzdem hat die russische Kreuzung unheilvolle Spuren hinterlassen. Man kann sich aber auch kaum eine schauderhaftere Blutmischung vorstellen als Hacknevs und Orloff-Traber auf der einen und der fleischige mehr oder weniger lymphatische Land- schlag des Departements Cher auf der anderen Seite. Das eigentliche Nivernais-Pferd führt seine iVbstammung auf den einst hochberühmten Klepper der alten Morvan-Rasse zurück, der als Jagdpferd im 17. Jahrhundert sehr geschätzt war, jedoch schon längst von der Bildliäche verschwunden ist. Das heutige Produkt der im Departement Nievre betriebenen warmblütigen Zucht ist ein recht leistungsfähiger Gaul mit schönem Aufsatz, starken Knochen und guten Gängen, der eine Widerristhöhe von 157 — 160 cm zu erreichen pflegt. Wäre nicht seine etwas kurze und runde Kruppe, l^rauchte er die Konkurrenz mit dem Anglo-Normannen nicht zu scheuen. In den meisten Fällen ist er, was der Franzose >un cheval ä deux fins«, d. h. ein unter dem Sattel wie im Geschirr gleich brauchbares Pferd, nennt. Leider stehen seiner weiteren Verbesserung zwei Übelstände hindernd im Wege. Diese sind erstens, dass die Züchter in Nivernais eine ausgesprochene Vorliebe für die Zucht des kaltblütigen Pferdes an den Tag legen und zweitens, dass die Beschaffenheit des weiblichen Zuchtmaterials ungemein viel zu wünschen übrig lässt. Für die Be- schaffung einigermassen geeigneter Vaterpferde sorgt wohl das Staats- hengstendepot in Cluny (Saone- et -Loire), nur erhält dieses Depot höchst selten Halbbluthengste bester Klasse; solche reserviert nämlich die französische Gestütverwaltung nahezu immer fih' die normandischen Depots in Le Pin und Saint-L6. Trotzdem ist die Qualität der in Nivernais zur Zucht benützten Deckhengste weit besser als die der Mutterstuten. Diese sind zumeist ältere Tiere anglo-normandischer — 414 — Zucht, die sich den Anforderungen des Strassendienstes nicht mehr gewachsen gezeigt oder auch Produkte der einheimischen Zucht mit Kaltbkit im Hintergrunde. Die Züchter begehen eben in der Regel den Kardinalfehler, ihre besten jungen Stuten zu verkaufen, anstatt Mutterstuten aus ihnen zu machen. Es gibt allerdings einzelne Züchter, die normandische Traberstuten guter Klasse zur Zucht verwenden, doch gehören diese noch immer zu den Ausnahmen. Fügt man nun noch hinzu, dass die Hengstfohlen gewöhnlich schon sehr früh kastriert werden, so gestalten sich die Aussichten des Departements Nievre, in Bälde auf dem Gebiete der Pferdezucht den Wettbewerb mit der Nor- mandie aufnehmen zu können, trotz seiner vorzüglichen Weiden keines- wegs so rosig, wie etliche Lokalpatrioten glaubhaft machen wollen. Ein »französisches Irland <' ist das Nivernais noch lange nicht. Soll es sich dazu entwickeln, muss die Gestütverwaltung zunächst für bessere Vaterpferde Sorge tragen. Die einzigen vom Staate beigestellten Deckhengste, die bleibende und wohltätige Spuren in der Zucht des Nivernais-Pferdes hinterlassen haben, sind Ulrich II, geb. 1876, v. Noville, a. e. Norfolk Phoenomenon-Stute und Jaguar, geb. 1887, v. Lavater, a. e. Telemaque-Stute. Nur zwei hervorragende Vaterpferde im Verlauf so vieler Jahre — das ist ein bisschen wenig! Eine Teilung der Arbeit wie in der Normandie findet im Zucht- betrieb der Nivernais nicht statt. Der Stutenbesitzer ist hier auch Aufzüchter. Das Fohlen kommt auf der Weide zur Welt und verbleibt dort Sommer wie Winter, bis es das Alter von drei Jahren erreicht hat. Wird die Kälte im Winter einmal aussergewöhnlich streng, so warft man den jungen Tieren wohl etwas Heu vor; für gew'öhnlich aber müssen sie mit dem vorlieb nehmen, was die Weide zu bieten vermag. Dieser Haltung hat das Nivernais-Pferd unzweifelhaft seine allgemein anerkannte Unempfindlichkeit gegen widrige Witterungseinflüsse zu verdanken. Es fragt sich nur, ob bei einer minder spartanischen Auf- zuchtsmethode nicht mehr aus ihm werden würde? Die meisten Züchter übergeben ihre drei- und vierjährigen Pro- dukte der Dressurschule in iCercy-la-Tour zur Abrichtung und zum Verkauf. In diesem Etablissement sowie bei den Prämiierungen in Vichy, Nevers und Cercy-la-Tour findet dann der auswärtige Fachmann auch Gelegenheit, sich ein Urteil über die Leistungsfähigkeit der im Nivernais betriebenen Halbblutzucht zu bilden. Zuchtmaterial wird er aber dort sicherlich nicht erwerben, denn, wie bereits hervorgehoben — 415 — worden, holt sich der einheimische Züchter solches selbst noch aus der gesegneten Normandie. Ein ebenfalls von der französischen Reiterwelt sehr geschätztes Halbblutpferd anglo-normandischer Herkunft wird in der Vendee ge- zogen. Wie Graf de Comminges angibt, soll der Anglo-Vendeer in der Kavallerie sogar beliebter als der Anglo-Normann sein. Dieses Pferd erreicht eine Grösse von 158 — 166 cm und hat in der Regel ein kräftigeres Untergestell als das Produkt der modernen anglo-norman- dischen Zucht. Die strammeren Gliedmassen werden aber wohl bald aufhören, einen Vorzug der Vendee-Rasse zu bilden, wenn, wie es den Anschein hat, das Tral^erblut in ihrer Heimat zur Alleinherrschaft ge- langen sollte. Der Per eher on. Der Percheron hat seinen Namen von der früheren Grafschaft Le Perche erhalten, die, ein Gebiet von ca. 60 Ouadratmeilen um- fassend, den mittleren Teil der heutigen Departements Orne, Eure-et- Loir, Loir-et-Cher und vSarthe bildete. Die Heimat der besten Percherons (Le Perche aux bons chevaux) liegt jedoch nicht genau innerhalb dieser geographischen Grenzen, sondern l3ildet eine kleine, kaum zehn Quadratmeilen messende Landschaft, die im Norden von Nogent-le- Rotrou und im Süden von La Ferte Bernards nächste Umgebungen begrenzt wird. Besonderes Ansehen geniesst die Zucht in den Ge- meinden Thiron, Authon, Nogent-le-Rotrou, Theil, Belleme, Noce und Regmalard. Percheronzucht wird indessen auch in anderen Departe- ments, wie z. B. Eure, Mayenne, Loiret und Seine-et-Oise betrieben; allerdings gilt dies nicht von der Reinzucht, sondern nur \on Kreuzungen mit Benützung mehr oder weniger reinen Percheronblutes. Nach der Überlieferung soll orientalisches Blut in den Adern des schweren französischen Zugpferdes fliessen. Wie es sich hiermit ver- hält, dürfte gegenwärtig schwer festzustellen sein. Der bekannte franzö- sische Hippologe Eugene Gayot behauptet in seinem 1887 erschienenen Werke »Les chevaux de trait francais< mit grosser Bestimmtheit, dass eine solche Kreuzung im 8. Jahrhundert stattgefunden habe und deren Einwirkung noch heute wahrzunehmen sei. Vermutlich will Gayot damit auf die ausgesprochen arabische Kopfform des leider nicht mehr vorhandenen, sog. leichten Percherons hindeuten. Bestimmtere Angaben über die im Zuchtgebiete des Percherons statt- — 4i6 — gefundenen orientalischen Kreuzungen findet man im ersten 1876 erschie- nenen Bande des amerikanischen Percheron-Gestütbuches. Es heisst dort: »Die geringen historischen Nachrichten, die in betretf dieser Rasse aufgefunden werden konnten, weisen auf einen orientahschen Ursprung derselben hin. Einige französische Autoritäten verlegen diesen bis in das Jahr 732, als die Sarazenen, 300000 Mann stark, unter Führung des berühmten Abdul Rahmän in Frankreich einfielen. Infolge der gänzlichen Niederlage und Vernichtung dieses barbarischen Feindes, die unter Karl Martell auf den Ebenen zwischen Poitiers und Tours erfolgte, fielen viele der schönen arabischen und berberischen Hengste, mit denen die Angreifer beritten waren, in die Hände der siegreichen Franzosen. Die Kreuzung dieser Pferde mit den grossen, starken Stuten des Landschlages jener Gegenden hat, wenn sie auch nicht den Ausgangspunkt der seither so berühmt gewordenen Rasse bildet, doch unzweifelhaft viel dazu beigetragen, die Grundlage zu schaffen, auf der sie sich später entwickelt hat. Eine weitere starke Beimischung orientalischen Blutes soll nach der Rückkehr der Kreuzfahrer, die eine grosse Anzahl schöner arabischer Zuchthengste mitbrachten, stattgefunden haben. Diese Hengste wurden ebenfalls in ausgedehntem Masse bei dem schon damals ausgezeichneten Material des Perche verwendet und dienten dazu, letzterem die Gestalt und andere charakteristische Merkmale der Araber in noch höherem Grade aufzuprägen, als dies bereits der Fall war. Die Beimischung frischen arabischen und andalusischen Blutes erfolgte dann noch viele Jahre in unregelmässigen Zwischenräumen. Der Herr von Montdoubleau, Gefiroy IV, Rotrou, Graf Mallart, Graf von Le Perche, Graf Roger von Bellesmer und viele andere Edelleute haben sich durch das Inter- esse, das sie der Pferdezucht entgegengebracht, grosse Verdienste er- worben. Um das Jahr 1820 wurden zuletzt zwei berühmte arabische Zuchthengste Godolphin und Gallipoli, beide Schimmel, durch die Gestütverwaltung importiert und ausgiebig zur Zucht verwendet.« Gallipoli erzeugte 1824 den berühmten Jean-le-Blanc, der mehr als irgend ein anderes Vaterpferd zur Verbesserung der Percheronrasse beigetragen hat. Jean-le-Blanc starb 1856, im ehrwürdigen Alter von 32 Jahren. Sein Sohn Mignon wurde der Vater von Coco und Gross- vater von Vieux-Chaslein und Coco II, welch letzterer in der Gegend von La Ferte-Bernard einer grossen Menge von berühmten Zuchtpferden das Leben geschenkt hat. — 417 — Die Wiege der alten Rasse bildeten die Kantone Mortagne, Mondoubleau und Courtalin. Der Percheron vergangener Zeiten glich indessen seinem heutigen Sprössling nur sehr wenig. Seine Farbe war braun, seine Körperform weniger massiv und seine Verwendbarkeit nicht auf den Zugdienst allein beschränkt. Später, als die von Jahr Flu,'. s8. Percheron-Henu'st. ZU Jahr zunehmende Nachfrage ungefähr alles, was die alte Grafschaft Le Perche produzieren konnte, aufgezehrt hatte, sahen sich°die Züchter genötigt, neues Zuchtmaterial aus der Bretagne und dem Boulonnais einzuführen. Hierdurch kam die Schimmelfarbe in die Rasse hinein. Infolge dieser Kreuzung mit schweren Pferdeschlägen weniger edler Art verlor der Percheron aber auch sehr bald seine besten Eigen- schaften, nämlich Adel in der ganzen Erscheinung und Gängigkeit. Er wurde gross, plump, schwerfällig und gemein. Um nun zu verhindern, Wrangel, Die Kassen des Pferdes. I. 27 — 4i8 — dass der so überaus poi)uläre und leistungsfähige Percheron des Postier- T3'pus vollkommen in den schweren französischen Zugrassen aufgehe, Ijemühte sich die Gestütverwaltung, die Züchter zur Benützung ge- eigneter Halbbluthengste zu bewegen. Dies führte zu lebhaften Kämpfen zwischen den Anhängern des schweren Schlages und denen des leichten gängigen Percherons vergangener Tage. Leider vermochte die Gestütverwaltung nicht die Majorität der Züchter für ihr Programm zu gewinnen. In einer Ausdehnung von 30 -40 Kilometer um Nogent- le-Rotrou gelangte der neue grosse und schwere Typus binnen kurzem zur Alleinherrschaft. Trotzdem durfte die Gestütverwaltung gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts noch hoffen, dass die glänzenden Erfolge der von ihr gelieferten Vaterpferde Sandy, Rattler, Eylau, Napo- leon, Idalis und anderer den Percheron-Züchtern die Überzeugung von dem grösseren Zucht- und Gebrauchswert des alten Schlages beibringen würde; doch da erschienen die Amerikaner auf dem Schauplatz und die unerhörten Preise, die sie ohne zu feilschen für Percherons der grössten und schwersten Gattung bezahlten, sicherten der neuen Zucht- richtung endgültig den Sieg. Der Percheron ging für Frankreich ver- loren. Er wurde ein Exportartikel. »Dieses so nützliche, so notwendige leichtere Zuchtpferd, das vor der schweren Luxusequipage, vor dem Omnibus und vor den Geschützen der französischen Artillerie gleich vortreffliche Dienste leistete, existiert nicht mehr,« schrieb Edmond Gast 1889 in seinem prächtigen Werke >Le cheval norm and et ses origines«. Zum Glück zeigt der Percheron-Export seit 1890 eine merkbare Abnahme. Die Amerikaner scheinen also zu der Erkenntnis gelangt zu sein, dass der Zucht- und Gebrauchswert des Percherons nicht auf der Viehwage festgestellt werden kann, sondern in der Energie und Gängigkeit liegt, die ihm in früheren Zeiten einen Weltruf verschafft hatten. Dieser Umstand, sowie die Tatsache, dass die auch im Zucht- gebiete des Percherons stattfindenden Trabrennen viele Züchter ver- anlasst haben, bei der Auswahl ihres Zuchtmaterials mehr als bisher auf die praktische Bedeutung der inneren und äusseren Eigenschaften zu sehen, berechtigen zu der Hoffnung, dass dem Percheron wieder bessere Tage beschieden sein werden. Gegenwärtig hat der mittelschwere Schlag die grösste Aussicht, als das von den Züchtern anzustrebende Ideal aufgestellt zu werden. Von diesem habe ich in meinem »Buche vom Pferde« folgendes Porträt entworfen. ^ 41g — Der K()})f macht von vorne gesehen den Eindruck, breit, ja viereckig zu sein; mustert man ihn aljer im Profil, so findet man ihn lang und schmal. Das Auge könnte grösser und ausdrucksvoller und die Ohren l)esser gestellt sein. Der Hals ist kurz und breit, die Form des Wider- ristes Ijefriedigend, dagegen erscheint die Schulter etwas kurz und steil und der Unterarm nicht kräftig genug. Vorzüglich geformt ist die kraftvolle Nierenpartie; auch die Kruppe pflegt, wenn sie nicht ein wenig zu hoch liegt, kaum etwas zu wünschen übrig zu lassen. (Gleiches Lob verdienen die Rückenwölbung und die Hufe, wohingegen die Unterschenkel nicht muskulös genug sind und die Brust ein wenig l)reiter sein könnte. Die Schimmelfarbe ist noch immer vorherrschend, obwohl braune und schwarze Percherons nicht mehr zu den Selten- heiten zählen. Die Durchschnittsgrösse beträgt nach von Gayot aus- geführten Messungen 160 — 161 cm, jedoch kommen auch Tiere in der Höhe von 170 — 180 cm vor, allerdings pflegen diese nicht die besten zu sein, meistens fehlt es bei ihnen an Gurtentiefe, ihre Grösse ist so- mit hauptsächlich in den langen Beinen begründet. Das Durchschnitts- gewicht eines v(_)llkommen ausgebildeten Percheronpferdes kann mit 500 — 350 Kilo beziftert werden, die Riesen der Rasse aber wiegen 1000 Kilo! — Der Röhrbeinumfang überschreitet nur in seltenen Aus- nahmsfällen das Mass von 26 — 27 cm. Das Temperament des Percherons ist lebhaft, aber sehr gutmütig; seine neuerdings durch Trabrennen und schnelle Zugarbeit entwickelte Trabaktion muss vorzüglich genannt werden, besonders wenn man das nicht unbedeutende lebende Gewicht mit in Betracht zieht. Gibt es doch Percherons, die auf öflentlicher Bahn einen Kilometerrekord von i : 58 erzielt haben und imstande sind, auch vor schweren Wagen und auf Distanzen von 10 — 15 Kilometern den Kilometer in 3^,0 Minuten zurückzulegen. Bei der Beschreibung der Percherons darf indessen eine fatale Eig^enschaft, die sehr häufig bei ihnen hervortritt, nicht mit Stillschweigen übergangen werden. Diese ist ihre ausgesprochene Disposition zum Kehlkopfpfeifen (Roaren). Es wird daher auch bei den jährlichen Körungen mit peinlicher Aufmerksam- keit darüber gewacht, dass kein Roarer mit durchschlüpft, wenn die Lizenzscheine an autorisierte, approbierte und akzeptierte Hengste verteilt werden. Über den Gebrauchswert des Percherons erhalten wir die sichersten Aufschlüsse, wenn wir die Berichte der Pariser Omnibusgesellschaft zur Hand nehmen. In einem dieser Berichte heisst es: — 420 — »Wir kaufen unsere Pferde kurz bevor sie das 5. Lebensjahr er- reichen. Die Tiere haben jedoch bis dahin nicht dem Müssiggang ge- fröhnt. Von dem 18. oder 20. Monat an haben sie ihr Futter verdienen müssen und je näher der Zeitpunkt der Reife herannahte, desto an- strengender, anhaltender und vollständiger wurde die Arbeit, hi dem- selben Masse nahm auch die Fütterung an Intensivität zu. In den Besitz der Gesellschaft übergegangen, muss das Omnibus- pferd sich daran gewöhnen, ein bedeutendes Gewicht in raschem Trab über schlechtes Pflaster zu ziehen, wobei ihm noch dazu in den Strassen von Paris vielfache Hindernisse in den Weg treten. Anfangs wird die Remonte neben einem älteren Pferde, dem sogen. Schulmeister, ein- gespannt. Das Temperament dieser Tiere ist aber so gutmütig, dass die Anlernung zum Zugdienst sehr selten Schwierigkeiten bereitet. Der Übermut, den sie anfangs an den Tag legen, hat nichts zu bedeuten. Der Strassenlärm , das häufige Begegnen anderer Pferde regt sie auf, veranlasst sie aber gleichzeitig, ihr ganzes Gewicht so nachdrücklich ins Geschirr zu legen, als ob sie es darauf ablegten, den Wagen ganz allein zu ziehen. Der Kutscher muss sie deshalb im Zaum halten und trachten, beruhigend auf sie einzuwirken. Unterlässt er dies, so wird das junge, ausser Atem gesetzte Tier nicht imstande sein, nach der ersten Tour eine zweite anzutreten. Die jedem Omnibuspferde abverlangte Tagesarbeit beträgt vier Touren, d. h. die viermalige einfache Zurücklegung der Strecke (die kürzeste Strecke misst 3298 m, die längste 7832 m). Selbstverständhch spielt bei der Klassifikation der Pferde die Länge der verschiedenen Strecken eine entscheidende Rolle. Während des ersten Monats macht das junge Pferd nur jeden zweiten Tag zwei Touren; »es wird in Atem gebracht« sagen die Kutscher. Wenn es nach solcher Arbeit heimkelirt, ist gewöhnlich seine ganze Munterkeit dahin; es ist sehr ermüdet und frisst sogar mitunter den ganzen Tag nicht. Gegen Ende des zweiten Monats aber hat der Training bewirkt, dass das Pferd täglich zwei Touren machen kann. Bei ihrer Ankunft erhielt die Remonte eine Tagesration von 6 Kilo Hafer; sobald sie alle Tage arbeiten kann, gibt man ihr 7 Kilo. Nach Verlauf von 3, 4 oder 6 Monaten vermag das junge Pferd den ge- forderten Dienst zu leisten, oder, mit anderen Worten, die Strecke 2 — 3 mal täghch zurückzulegen, was eine Durchschnittsleistung von 16 — 20 km pro Tag gibt. Einzelne Pferde brauchen jedoch ein ganzes. — 421 — Jahr, bis sie die hierzu erforderhche Kraft gewinnen. Wenn das Pferd es so weit gebracht hat, erhält es eine nach der Strecke bemessene Tagesration von höchstens 8 Kilo Hafer. Dieser progressive Training gibt ganz ausserordentliche Resultate. Treten keine Unglücksfälle ein, so arbeitet das Pferd lang und gut. Es wird dann mit der Zeit Nacht- pferd, was ein überaus harter Dienst ist und ein vorzügliches Tempera- ment fordert. In dieser Eigenschaft geht es täglich 28 — 30 km und darr nur alle 4 oder 5 Tage ruhen. Die grossen Anforderungen, die gegenwärtig an das Omnibus- pferd gestellt werden, haben den Züchter genötigt, anstatt des früheren leichten Zugpferdes, das die Höhe von 1,55 m nicht überschritt, ein schwereres Pferd von 1,66 m zu produzieren. Dieses Pferd wird noch immer »leichtes Zugpferd' genannt, obwohl sein Bau eine solche Be- nennung nicht mehr rechtfertigt und es nur durch einen nicht immer ohne Nachteil absolvierten Training in stand gesetzt wird, die Arbeit eines leichten Zugpferdes zu leisten. < Da 50 Vo des Pferdebestandes der Pariser Omnibusgesellschaft aus Percherons bestehen, bezieht sich, was hier gesagt worden ist, in erster Reihe auf diesen Schlag. Was den Zuchtbetrieb anbelangt, so besteht auch im Zuchtgebiet des Percheron wie in den übrigen französischen Zuchtzentren eine kon- sequent durchgeführte Arbeitsteilung. Die eigentlichen »Pays de ju- ments«, d. h. Gegenden, wo Stuten zur Zucht gehalten werden, sind die nächsten Umgebungen von Nogent-le-Rotrou, Mortagne, La Ferte- Bernard, Chäteaudun, Montdoubleau, Courtalain, Belleme und Saint- Calais. Hier werden die meisten Percheronfohlen geboren. Die Auf- zucht vollzieht sich nun gewöhnlich in der Weise, dass die Fohlen nach dem Absetzen in die Gegend von Regmalard verkauft werden, wo sie teils im — Kuhstall, teils auf der fetten Weide ein beschauliches Da- sein führen, bis sie das Alter von 18 Monaten erreicht haben. Von diesem Zeitpunkt an beginnt man aber, sie allmählich an leichtere land- wirtschaftliche Arbeit zu gewöhnen. Sind sie dann 30 Monate alt ge- worden, so wechseln sie wieder ihre Besitzer. Diesmal kommen sie in die benachbarten Regionen der Departements Eure und Eure-et-Loir, in den sogen, petit Perche, und den Thimerais, wo sie ein ganzes Jahr hindurch zur Arbeit benützt werden. Während dieser Zeit erhalten sie auch etwas Hafer als Zuschuss zu dem reichlichen Heu- und Stroh- futter, welch letzteres von Mai bis Juli durch Grünfutter ersetzt wird. — 4-2 — Im Winter besteht ihr Futter meist aus Klee- und Luzerneheu, Kleie, Mehl und einigen Litern Hafer. Wirklich eingehafert wird der junge Percheron nämlich erst, nachdem er zum dritten Male Besitzer gewech- selt und, nach der im Orleanais gelegenen Landschaft Beauce verkauft, zu allen landwirtschaftlichen Arbeiten herangezogen wird. Bevor der Percheron nicht diese letzte Ausbilduno; in der Beauce o-enossen hat. gilt er nicht als reif für den Pariser Markt. Hat er es aber so weit ge- bracht, so bringt ihn sein Besitzer auf den grossen Pferdemarkt in Chartres, wo zahlreiche Käufer seiner harrt-n. Ich will mit Bezug hier- auf erwähnen, dass eine einzige Pariser Firma, die Herren Levy Freres, Boulevard Richard Noir, jährlich ca. 1 2 ooo Percherons als Postiers und mittelschwere Zugpferde an die grossen französischen Handelshäuser, Paketgesellschaften, vSpeditionsfirmen, Fuhrwerksetablissements und ähn- liche Geschäfte zu verkaufen pflegt. Man darf indessen nicht glauben, dass alle Percherons so einfach und billig aufgezogen werden, wie ich es hier geschildert. Glaubt der eleveur ein Fohlen zu besitzen, das später den Ansprüchen der amerikanischen Händler genügen könnte, so spart er nicht mit dem Hafer. Das junge Tier bekommt dann schon im ersten Jahre 4 S Liter Hafer pro Tag; die zweijährigen aber erhalten sogar während der Weidezeit eine täg- liche Haferration von 10, 12, ja 15 Liter Hafer. Solche Elitefohlen kosten ihren Besitzern selbstverständlich einen mächtigen Haufen Geld. Das macht aber weiter nichts, sind doch die Amerikaner da, um den Spass zu bezahlen. Allerdings hat der Export nach Amerika in den letzten zehn Jahren merkbar abgenommen. Wie indessen die »France Militaire« in Nr. 645 des Jahrganges igos mitteilt, sind im Verlauf von nur zwei Monaten des genannten Jahres 250 der besten Percheron- hengste nach den Vereinigten Staaten von Amerika verkauft und ein- geschifft worden. Es ist daher schwer zu glauben, dass die Herren Yankees ihr Bedürfnis an Zuchtmaterial des Percheronschlages bereits als hinreichend gedeckt ansehen. Dieser gewaltigen und vielseitigen Nachfrage vermag der verhält- nismässig kleine Zuchtbezirk, der den Namen Le Perche erhalten hat, natürlich nicht zu genügen. Es findet daher ein grosser hnport von Fohlen verschiedenartiger Provenienz nach der El)ene von Chartres statt. Wie bedeutend dieser Import sein muss, geht unter anderem daraus hervor, dass nur ein Zehntel der im Perche aufgezogenen Fohlen nach- weisbar berechtigten Anspruch auf die Benennung Percheron hat, alle — 423 — übrigen stammen aus der Bretagne, der Picardie, dem Boulonnais oder dem Poitou. Man nennt solche von auswärts eingeführte Exemplare recht bezeichnend >perchisierte Tiere«, d. h. Pferde, die durch die im Perche gebräuchliche Fütterung und Haltung in Percherons umgewandelt worden sind. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass reichliche, saftige Fütte- rung und zeitliche Arbeit die Grundzüge der Aufzucht ausmachen, die sowohl dem eigentlichen Percheron, wie auch dem perchisierten Pferde seine charakteristischen Körperformen und Eigenschaften verliehen hat. Dass eine solche Aufzucht nicht unbedingt die lokalen Verhältnisse der Perche zur Voraussetzung hat, ist offenbar. Man wird es daher be- greiflich linden, dass ein bekannter französischer Züchter den Aus- spruch wagen konnte: Gebt mir eine gute Weide und Kleie, und ich mache mich anheischig, überall, sogar mitten in Limousin, Percheron- pferde zu züchten.« Allerdings wird man hierbei nicht übersehen dürfen, dass im Perche alle Bedingungen für die erfolgreiche Zucht eines schweren Pferdes von Natur aus vorhanden sind, ein solcher Schlag dort auch von jeher seine Heimat gehaljt hat und somit nicht nur Futter und Klima, sondern auch die hippologischen Traditionen, sowie die von dem autochthonen Schlage gebotene Grundlage darin wetteifern, dem Züchter seine Aufgabe zu erleichtern. Lohnend ist die Percheronzucht jedenfalls. Für junge Percheron- Hengste bester Klasse zahlt die französische Gestütverwaltung bereit- willig 3500—8000 Frcs. und Hengste, die den Anforderungen der amerikanischen Händler entsprechen, erzielen ohne Schwierigkeit Preise, die zwischen 6000 — 12 000 Frcs. schwanken. Vielversprechende Absatz- fohlen kosten 800 — 2500 Frcs. Es ist aber auch vorgekommen, dass Amerikaner 4000 Frcs. für ein aussergewöhnlich schönes Hengstfohlen bezahlt haben. Der grösste und beste Markt für Percheron-Pferde tindet in dem Städtchen Mortagne statt, jedoch spielen auch die Märkte in Belleme eine bedeutende Rolle für den Handel mit Pferden dieses Schlages. Seit dem Jahre 1883 wird von der »Societe hippique perche- ronne«, die ihren Sitz in Nogent-le-Rotrou hat, ein »Stud-Book percheron« herausgegeben. Nach den Bestimmungen dieses Gestüts- Ijuches ist die Registrierung tauglicher Zuchttiere auf folgende 44 Be- zirke l3eschränkt: Im Departement Eure-et-Loir: Nogent-le-Rotrou, Authon, Cloyes, Brou, Thiron, La Loupe. — 424 — Im Departement Loir-et-Cher: Droue, M()n(l()ul)leau, Moree, Sa- vigny-sLir-Bray, Montoire. Im Departement TOrnf: Mortagne, Belleme, Noce, Le Theil, Re- malard, Longni, Tourouvre, Laigle, Moulins-la-Marche, Courtomer, Le Mesle-sur-Sarthe, Pervencheres, Le Merlerault, Mortree, Seez, Alencon, Bazoche-sur-Hoene. Im Departement La Sarthe: La Fresnaye, Mamers, Marolles-les- Breaux, Bonnetable, Tuffe, La Ferte-Bernard, Montmirail, Vilraye, Saint- Calais, Bouloire, Montfort, La Petite-Chatre, Le Grand-Luce, Ballon, Saint- Paterne, Beaumont-sur-Sarthe. Indessen gelten in Frankreich allgemein auch die in den Departe- ments Eure und Seine-et-Oise, sowie in den Arrondissements Vendöme und Blois und einem Teil des Departements Loiret gezogenen Kalt- blüter des hier in Rede stehenden Typus als echte Percherons. Gegenwärtig Ijilden die Percherons in nicht weniger als 64 Departe- ments die Mehrzahl unter den dort betindlichen schweren und mittel- schweren Zugpferden. Diese Ziffer allein stellt die Bedeutung der Percheronzucht für Frankreichs Industrie und Landwirtschaft in helles Licht. Es kann daher nicht wundernehmen, dass die französische Ge- stütverwaltung keine Opfer scheut, um die Züchter mit geeigneten Vater- pferden zu versorgen. Die Zahl der in den Staats-Hengstendepots vorhandenen Beschäler des Percheronschlages beträgt in der Regel ca. 290 Stück und zwar stehen gewöhnlich in Lamballe (Bretagne) ca. 80, in Le Pin (Orne) ca. 70, in Blois (Loir-et-Cher) ca. 30, in Angers (Maine-et-Loire) ca. 30, in Montier-en-Der (Haute Marne) ca. 20, in Be- sancon (Doubs) ca. 16, in Annecy (Haute Savoy) ca. 14, in Hennebout (Bretagne) ebenfalls ca. 14 und ferner noch einzelne in einigen anderen Depots. Ausserdem lässt der Staat noch auf verschiedenen Schauen, so z. B. in Nogent-le-Rotrou, Konservationsprämien für 3 — 4 und ältere (jedoch nicht über 8 Jahre alte) Hengste, Prämien für 2-, 3- und 4jährige Hengste, Prämien für ältere und jüngere Stuten mit und ohne Füllen, sowie goldene und vergoldete Medaillen verteilen. Unter den französischen Percheron-Züchtern nimmt M. Edmond Periot in Morgan (Eure-et-Loir) unbedingt den ersten Platz ein. Auf der internationalen Pferdeausstellung zu Paris igoo, die dieser Züchter mit 38 Produkten seines grossartigen Gestütes resp. seiner Aufzucht be- schickt hatte, errang er nicht weniger als 24 Preise und zwar ausser dem Championpreis (eine goldene Medaille und 1000 Frcs.) für die beste — 425 — kaltblütige Stute französischer Rasse, 16600 Frcs. bar, 6 goldene, 7 silberne und II Bronze-Medaillen. Ich erinnere mich speziell an einen 4jährigen schwarzen Hengst namens Phenix, den ich als den schönsten Percheron bezeichnen möchte, der mir bisher vorgekommen. Vorzügliches leisten auch die Percheron-Züchter Charles Aveline in Verrieres (Orne), Jules Chouanard in Verrieres (Orne), Ernest Gasselin in Laleu (Orne), Alfred Grier in Gaspree (Orne), Auguste Tacheau Fils in Saint-Martin-des- Monts (Sarthe) u. m. a. Welche Ausbreitung die Percheronzucht in Amerika gewonnen hat, lässt sich daraus entnehmen, dass der Percheron dort unter den kaltblütigen Schlägen in erster Reihe steht. Am verbreitetsten ist die Percheronzucht in den Staaten Illinois, Ohio, Jowa, Minnesota, New-York, Nebraska, Wisconsin und Michigan. Wie der landwirtschaftliche Sach- verständige in Washington, Freiherr v. Hermann mitteilt, kamen die ersten Percherons im Jahre 1839 nach New-Jersey. Grösseren Auf- schwung nahm die Zucht dieses Pferdeschlages jedoch erst 1851, wozu ein nach Ohio eingeführter Hengst namens Louis Napoleon den An- stoss gegeben haben soll. Die Kreuzung dieses Heng.stes mit amerika- nischen Stuten des Landschlages hatte nämlich so gute Erfolge, dass die Züchter den Import aus Frankreich in jeder Weise begünstigten. Von 1879 — 1889 wurden infolgedessen mitunter in einem Jahre über 2000 Hengste und Stuten eingeführt. Dann nahm aber die Einfuhr unter dem allgemeinen wirtschaftlichen Druck wieder rapid ab, um 1893 sogar vollkommen aufzuhören. Dieser Stillstand dauerte jedoch nur bis 1897, und bald waren die Percheronhengste wieder ebenso beliebt wie Ende der achtziger Jahre. Seit 1876 gibt »The American Breeder's Association« zu Chicago »The Percheron Stud-Book of America« heraus, von welchen bisher 7 Bände erschienen sind. Dass die Percherons sich in Amerika so grosser Beliebtheit er- freuen, hat nach der Meinung des vorerwähnten Herrn landwirtschaft- lichen Sachverständigen seine Erklärung darin, dass sie schneller und gängiger als die Clydesdales oder Shires sind, dass sie bessere Hufe haben und deshalb länger auf. dem Stadtpflaster aushalten, dass sie, da ihnen der lange Haarbehang an den Fesseln fehlt, leichter rein zu halten sind und dass die Kreuzung von Percheronhengsten mit Ijesseren amerikanischen Landstuten vielseitig brauchbare, leicht verkäufliche Pferde hervorbringt. Jedenfalls liefern diese, der praktischen Erfahrung entnommenen — 426 — Wahrnehmungen, sowie die Tatsache, dass in den ersten fünf Bänden des amerikanischen Percheron Stud-Books nicht weniger als 14000 Pferde verzeichnet stehen, die schon Produkte der amerikanischen Zucht waren, den Bew^eis, dass die Percheronzucht keineswegs, wie vielfach an- genommen worden, an den Boden und das Klima der Landschaft Perche gebunden ist. Das B oulonn ais- Pferd. Der Boulonnaiser ist nicht nur gleichmässiger im Typus wie der Percheron, sondern diesem auch numerisch bedeutend überlegen. Seine eigentliche Heimat bilden die Departements Somme, Seine-Inferieure, Pas-de-Calais und Cötes-du-Nord, doch wird er auch in der Picardie, der Normandie, im Artois und dem französischen Flandern angetroffen. Die meisten Fohlen werden im ; Departement Pas-de-Calais geboren. Dieses ist nämlich ein ;>pays de naisseurs« und zugleich das wich- tigste Zuchtzentrum der Rasse. Die Aufzucht dagegen findet haupt- sächlich im Departement Somme statt, das sich eines besonderen An- sehens als »pays d'eleveurs« erfreut. Von der Picardie und dem französischen Flandern lässt sich dies nicht sagen, denn der dort ge- zogene schwerfällige, h'mphatische und hochbeinige Boulonnaiser gilt mit Recht als »cheval du mauvais pays«. Einigermassen brauchbar wird er nur, wenn er seine Jugend in den Departements Somme oder Seine-Inferieure zuljringen darf. Was nun speziell das Departement Pas-de-Calais anbelangt, so l)e- steht das dortige Zuchtzentrum des Boulonnaiser streng genommen nur aus dem früher Haut- und Bas-Boulonnais benannten Hügellande, so- wie aus der bei Calais gelegenen grossen Ebene von Watringues, Hier in unmittelbarer Nähe des Ozeans, auf kalkreichem, teilweise dem Meere abgerungenen Boden, gedeiht das Boulonnaiser Pferd am Ijesten. Es unterhegt indessen keinem Zweifel, dass die Terrainbeschaftenheit des oberen und unteren Boulonnais ebenfalls sehr viel zur F^ntwicklung der- jenigen Eigenscliaften beigetragen hat, die der dortigen autochthonen Pferderasse einen so hohen Zucht- und Gebrauchswert verleihen. Das ganze Boulonnais wird nämlich in allen Richtungen von unzähligen Hügeln durchzogen, von denen einzelne eine Hr)he von 215 m erreichen und diese Terrainformation hat zur Folge, dass jede Bewegung im Freien sich für die Pferde zu einer g3nnnastischen Übung gestaltet, die stärkend auf die Atmungsorgane, Muskeln, Gelenke, Sehnen und Hufe einwirken muss. — 427 — Auf den steilen Hängen und den höchsten Spitzen trocknet der Boden sehr bald aus; auf den Hochebenen und kleineren Hügeln ge- deihen jedoch die besten Futtergewächse, die dank dem milden Meeres- klima bei jeder Witterung mittelst ihrer Blätter die ihren Wurzeln feh- lende Feuchtigkeit aus der Luft entnehmen können, Reiche Ernten gehören in jenen Gegenden allerdings zu den Seltenheiten, dafür ist aber der Gehalt an nährenden und knochenbildenden Bestandteilen bei den Futtergewächsen ein ungemein hoher. Dieser wird noch durch die allgemein übliche Überdüngung des Bodens mit phosphorsaurem Kalk, der in Form von Kreide überall in grossen Mengen vorhanden ist, be- deutend erhöht. Kein Wunder daher, dass der Boulonnais des Hügel- landes sich im Gegensatz zu seinen Stammgenossen der Tiefebene von Watringues durch ein stärkeres Skelett, bessere Muskulatur und straffere Sehnen auszeichnet. Das Pferd dieser Ebene, der sogen. Calaisis, braucht ganze sieben Jahre zu seiner vollen Entwicklung. Man sagt von ihm >qu'il flamingue«, d. h. dass es an den Flamländer erinnert. (Siehe »Histoire du Cheval Boulonnais; von J. Viseur.) Über den Ursprung des Boulonnaisers herrscht ^'unter den Ge- lehrten keine Einigkeit. Sanson ist der Meinung, dass der Boulonnais der Sprössling einer Rasse sei, die in prähistorischer Zeit auf einem zentralen, zwischen Britannien, dem östlichen Ijelgischen Flandern und einem Teile der jetzigen Departements du Nord, Pas-de-Calais, Somme und Seine-hiferieure gelegenen Punkte erschienen sei, welcher Rasse er den Namen >Britannique« verliehen hat. Diese Theorie wird je- doch durch die Tatsache widerlegt, dass keine der schweren britischen Rassen in der Schädelbildung oder in seiner sonstigen Körperform irgend eine Ähnlichkeit mit dem Boulonnaiser aufzuweisen vermag. Ob Julius Cäsar Pferde in dem ehemaligen Gallien vorgefunden hat, ist eine Frage, die sich nicht mit Bestimmtheit beantworten lässt. In seinen C om- ni entarii de Ijello gallico erwähnt er jedenfalls nichts von Pferden, obwohl er sonst gewissenhaft alles aufzeichnet, was ihm in den eroberten Gebieten und Ländern von Interesse zu sein scheint. Auch der be- rühmte römische Geograph Strabo beobachtet in dieser Beziehung das gleiche Stillschweigen. Wenn es also überhaupt zu jener Zeit Pferde in Gallien gegeben, so kchinen diese keinesfalls besonders zahlreich oder von hervorragender Beschaffenheit gewesen sein. Ausserdem darf nicht übersehen werden, dass das Hipparion, das als der unmittelbare Vorgänger unseres Pferdes angesehen wird, weder in England, wo doch — 428 — sonst kein Mangel an fossilen Überresten von Equiden der Ouaternär- periode herrscht, noch in dem ehemaligen Gallien vorgefunden worden ist. Wir werden uns daher in der geschichtlichen Zeit umsehen müssen, um näheres über die Vorfahren der Boulonnaiser Rasse in Erfahrung zu bringen. Zunächst sei darauf hingewiesen, dass die römische Reiterei 55 Jahre v. Chr. zum ersten Male Quartiere in Gallien bezog und im Verlaufe von 200 Jahren wiederholt dorthin zurückkehrte. Die Pferde dieser Reiterei stammten teils aus dem südlichen Europa, teils aus den römischen Kolonien in Afrika und Asien. Es liegt nun in der Natur der Dinge, dass eine grosse Anzahl jener Tiere nach und nach in den Besitz der eingeborenen Bevölkerung überging und später zur Zucht verwendet wurde. Selbst wenn wirklich schon vor der römischen Inva- sion Pferde in Gallien vorhanden gewesen sein sollten, würde also die sicher nur sehr schwach vertretene autochthone Rasse dem überlegenen Einfluss des fremden Blutes bald erlegen sein, denn die natürlich voll- kommen wilde Kreuzung hätte dann durch den unvermeidlichen Über- gang zur Inzucht, ja Incestzucht, notwendig zur gänzlichen Absorbierung der einheimischen Rasse führen müssen. Nach der Auflösung des römischen Reiches wurde Gallien der Schauplatz einer neuen Invasion. Diesmal waren es die wilden Horden Attilas, die mit über ioocxxd Rossen und ebenso vielen bespannten Kriegswagen mordend und sengend über den Rhein zogen. Auch von ihren Pferden blieb eine grosse Anzahl in der Heimat des heutigen Boulonnaisers zurück und dass diese ebenfalls ihr Blut mit dem der gallischen Landrasse vermischt haben, erscheint nicht nur höchst wahr- scheinlich, sondern geht auch deutlich aus gewissen Körperformen — ich erinnere hier speziell an die eigentümliche vSchädelbildung des asiatischen Pferdes — hervor, die sie ihren Sprösslingen als Erbe hinter- lassen haben. Orientalisches Blut edelster Gattung wurde dem Pferde des Bou- lonnais indessen erst durch die von den Kreuzfahrern aus Palästina mit- gebrachten Araber eingeimpft. Eustache Graf von Boulogne und Robert Graf von Artois werden unter den Rittern genannt, die nach ihrer Heim- kehr aus dem Morgenlande sich mit l^esonderem Eifer der mit orientali- schem Blut betriebenen Verbesserung der einheimischen Rasse ge- widmet haben. Die hierdurch geweckte Vorliebe für das edle arabische Pferd hielt jedoch nicht lange vor. Es kam die Zeit der schweren Rüstungen, die ein Pferd ganz anderen Schlages forderte — gross, — 42Q ~ breit, starkknochig und befähigt, hohes Gewicht zu tragen. Der flüchtige, aber leichte und kleine Araber war hierzu nicht imstande, daher musste er es sich gefallen lassen, von den in Mecklenburg, Friesland, Flandern und der Normandie gezogenen schwerfälligen Streitrossen auf den be- scheidenen Platz eines Zelters für holde Frauen und jugendliche Knappen verwiesen zu werden. Später unter Kaiser Maximilian, Graf von Flandern und Artois, kam wieder eine bessere Zeit für das warmblütige Pferd. Die Rüstungen wurden allmählich leichter und die natürliche Folge hiervon ward, dass eine gesteigerte Nachfrage nach Pferden entstand, die mehr Energie und Gängigkeit als die gepanzerten Rosse der Ritter besassen. Hier- durch gelangten die Andalusier und Navarriner in den Vordergrund der Begebenheiten. Der Einfluss, den diese Rassen auf das sowohl im Süden, wie auch im Norden von Frankreich gezogene Pferd ausgeübt haben, scheint ein überaus vorteilhafter gewesen zu sein, denn der Export von französischen Pferden nahm bald solche Dimensionen an, dass Karl V sich genötigt sah, am 30. Juli 1553 ein strenges Pferde- ausfuhrverbot zu erlassen. Dies ist, in kurzen Worten geschildert, der Werdegang des Bou- lonnaisers. Von der Mitte des XVII. Jahrhunderts an unterscheidet man in seiner Heimat schon zwei Typen, nämlich den kleinen und den grossen Schlag. Ersterer ist als der beste Vertreter dieser wertvollen Rasse anzusehen. Seine Grösse schwankt zwischen 158 — 162 cm, das durchschnitdiche Gewicht beträgt 650 Kilo. Der Kopf erscheint etwas zu leicht und klein im Verhältnis zum Rumpf; die Stirn ist breit und glatt, bisweilen auch etwas gewölbt, das Auge lebhaft, aber häufig durch schwere Augenlider zu sehr verdeckt; der starke, l^reite und mit einer weichen Mähne Ijekleidete Hals geht in einen ziemlich hohen Widerrist über, der indessen unter der mächtig entwickelten Muskulatur nahezu vollkommen verschwindet; die Schulter hat eine den Gebrauch der Zug- kraft begünstigende Form und Lage; Ober- und Unterarm zeigen die richtige Länge; die Röhren sind breit und kurz, doch steht das Pferd häufig »unter sich«, wodurch der Schwerpunkt beim Ziehen mehr nach vorn verlegt wird; der Brustkasten hat in allen Richtungen gewaltige Dimensionen; der Rücken erscheint oft, besonders bei den Stuten, etwas gesenkt, jedoch lässt die Nierenpartie in der Regel mit Bezug auf Breite und Kürze nichts zu wünschen übrig; die Kruppe ist breit und ge- spalten ; muskulöse Unterschenkel, breite, trockene Gelenke, gut geformte,. — 430 — starke Hufe, lebhafte, ausserordentlich energische Gänge, eine robuste Konstitution, grosse Ausdauer und ein lammfrommes Temperament ver- vollständigen das hier entworfene Bild des kleinen Boulonnaisers. Hinzu- zufügen wäre nur, dass die Schimmelfarbe als Kennzeichen der echten alten Rasse angesehen wird. Bei den hie und da vorkommenden Braunen und Rappen liegt stets der Verdacht nahe, dass eine grössere oder geringere Menge belgischen Kaltblutes in ihren Adern fliesst. Deshalb werden die Schimmel auch entschieden bevorzugt, obw^ohl eine andere Haarfarbe der Rasse unbedingt einen höheren Marktwert ver- leihen würde. (Siehe Fig. 60. Stute der Boulonnais-Rasse.) Der grosse Boulonnaiser hat viel Ähnlichkeit mit dem Flamländer und Belgier. Seine Widerristhöhe schwankt zwischen 162 und 172 cm. Der Kopf ist ordinärer und länger als beim kleinen Schlage, der Hals kurz und schwer und der Brustumfang bedeutend. In der Regel be- steht aber keine rechte Harmonie zwischen Vor- und Hinterhand, wie denn auch das ganze Pferd trotz einzelner äusserst massiver Partien eher einen etwas schmalen und hochbeinigen Eindruck macht. Hierzu kommt noch die schwammige Beschaffenheit der Knochen, die desto bedenklicher erscheint, nachdem diese wenig widerstandsfähigen Glied- massen ein Gewicht von 800 — 900 Kilo zu tragen haben. Obwohl also vom Standpunkt der Exterieurlehre vieles am Boulonnais des grossen Schlages zu tadeln ist, wird er doch wegen seiner ausserordentlichen Zugkraft — zwei Pferde dieser Gattung genügen, um auf guten, ebenen Wegen eine Last von 6000 Kilo fortzubewegen, fünf ziehen 8000 Kilo — und seiner vorzüglichen Trabaktion von den französischen Land- wirten und hidustriellen hoch geschätzt. Auf lohnenden Absatz können seine Züchter daher noch immer zählen. Was nun den in Boulonnais gebräuchlichen Zuchtbetrieb an- belangt, so kennzeichnet sich dieser durch dieselbe Arbeitsteilung, die zum Segen der französischen Pferdezucht in allen grösseren Zucht- gebieten des Landes eingeführt worden ist. Geboren werden die Fohlen im Departement Pas-de-Calais, und zwar hauptsächlich in den Bezirken Boulogne, Dunkerque, Saint-Omer, Montreuil, Abbeville, Neufchätel, Dieppe, Yvetot, Lille, Bethume und Peronne, jedoch findet in den letztgenannten fünf Bezirken auch die Aufzucht von im Alter von 6 — 8 Monaten angekauften Absatzfohlen statt. Die eigentlichen Aufzuchtgegenden sind indessen Le Vimeu, so- wie die Bezirke Montdidier und Le Havre. Die Stutfohlen verbleiben — 431 — meist in ihrem Geburtsort, die Hengstfohlen dagegen werden nach anderen Gegenden, wie z. B. der Normandie und Picardie verkauft. Das Absetzen erfolgt in der Regel 3 Monate nach der Geburt des Fohlens. Seine weitere Nahrung muss sich das junge Tier dann auf der Weide suchen. Aus diesem Grunde wird das Abfohlen auch stets so geregelt, dass es mit dem ersten Beziehen der Weide zusammen- trifft. Die also zumeist im März und April geborenen Fohlen gelangen bereits im August zum Verkauf. Von diesem Augenblick an gestaltet sich das fernere Dasein der Fohlen sehr verschiedenartig. Diejenigen, die sich voraussichtlich nur zu Gebrauchspferden entwickeln werden, müssen während des Winters mit Heu und Stroh vorlieb nehmen, be- kommen wenig oder gar kein Kraftfutter und beginnen schon im Alter von 18 Monaten ihren Unterhalt durch leichtere Arbeit zu verdienen. Hochgezogene und vielversprechende Hengstfohlen brauchen dagegen nicht zu fürchten, dass bei ihrer Aufzucht am Futter gespart oder dass ihnen während ihrer Entvvicklungsperiode irgend eine körperliche An- strengung zugemutet werden wird. Gerade das Gegenteil pflegt der Fall zu sein. Das Futter eines derartigen Fohlens besteht aus Mash, gekochten Kartoffeln, Rüben, Leinsamen u. dergl. und anstatt im Alter von 18 Monaten zur Arbeit herangezogen zu werden, darf es noch 6 Monate hindurch den ganzen lieben Tag angehalftert im Stalle stehen bleiben. Das einzige, was man von ihm verlangt, ist, dass es recht gross und dick werden möge. In diesem Falle erzielt es, 2 — 2V2 Jahre alt, sicher einen Preis von 2500 — 4000 Frcs. Die wichtigsten Märkte im Departement Pas-de-Calais werden an folgenden Orten und Tagen abgehalten: am 3. und 9. Oktober in Des- vres; am 24. Oktober in Marquise; am 26. April und 26. Oktober in Frustes; am 10. November in Saint-Pol und am i. Dezember in Huc- queliers. Von diesen sind die in Desvres und Marquise nur Fohlen- märkte. In Fruges, Hucqueliers und Saint-Pol kommen dagegen ausser einer grossen Anzahl (Absatz- und 18 Monate alter) Fohlen auch voll- jährige Pferde zum Verkauf. Auf den hier genannten Märkten zahlen die Aufzüchter 1000 — 1500 Frcs., ja mitunter sogar 1700 Frcs. für erst- klassige Hengstfohlen. Eine vorzügliche Gelegenheit, das Boulonnais-Pferd zum Gegen- stand näherer Studien zu machen, bietet auch der alljährlich Ende Juli stattfindende Concours hippique de Boulogne, an welchem nur Pferde aus den Departements l'Aisne, Le Nord, l'Oise, Le Pas-de-Calais und — 432 — Somme teilnehmen dürfen. Auf diesem Concours bekommt man das Beste zu sehen, was die Boulonnaiser Zucht zu produzieren vermag. Zu den bekanntesten Züchtern gehören die Herren Baron L. D'Her- h'ncourt in Eterpigny (Pas-de-Calais); Ernest Le Gentil in Vieil-Hesdin (Pas-de-Calais); Arthur de Wazieres in Foufflin-Ricametz (Pas-de-Calais); i lu. :^y. Ikiiiiist der Boulonnais-lvci^.^t. . Louis Vasset in Mesnil-Martinsart (Somme); Joseph Briet in Woincourt (Somme); Auguste Calais in Nielles-les-Calais (Pas-de-Calais). Auf der grossen internationalen Pferdeausstellung in Paris 1900 waren diese Züchter in hervorragender Weise vertreten. Unvergesslich bleibt mir der herrliche 3jährige Schimmelhengst Turlututu des Baron D'Herlin- court, der jedesmal, wenn er in der Arena erschien, Stürme des Bei- falls entfesselte. Baron D'Herlincourt erhielt für Turlututu den ersten Preis: eine goldene Medaille und 1000 Pres., doch wurden auch die übrigen hier genannten Züchter vielfach ausgezeichnet. — 433 — Schliesslich wäre noch zu erwähnen, dass der erste Band von »Le Stud-Book de la race boulonnaise, public parles soins du syndicat atrricole du Boulonnais, sous les auspices de la societe d'agriculture de l'arrondissement de Boulogne-sur-mer« im Jahre 1886 erschienen ist. Die hierzu berechtigten Fohlen können aber Fig. 60. Stute der Boulonnais-Rasse. auch im »Stud-Book de la Societe des agriculteurs deFrance<, sowie im »Stud-Book departemental du Pas-de-Calais« eingetragen werden. Das Pferd der Franche-Comte. Das in der ehemaligen Provinz Franche-Comte (den gegenwärtigen Departements Doubs, Jura und Haute-Saöne) gezogene kaltblütige Pferd hat eine weit in der Zeit zurückreichende und keinesweo;s ruhmlose Geschichte. Heute ist ihm dies allerdings nicht mehr anzusehen, ob- Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 28 -- 434 — wohl es noch immer als ein recht brauchbares Ackerpferd bezeichnet werden kann. Während ihrer Blütezeit, d. h. zu Anfang des l8. Jahr- hunderts, lieferte die Franche-Comte-Rasse dem Markte ^ute, wenn auch etwas gemeine Wagen-, Dragoner- und Artilleriepferde. Nach der grossen Revolution aber begann eine Periode des Verfalls, welche die früher mit Recht geschätzte Rasse in einen Haufen gemeiner saft- und kraftloser Gäule verwandelte. Durch die Verwendung schlechter kalt- blütiger Vaterpferde, die aus der Schweiz bezogen wurden, entstand ein schwerfälliger Schlag, der, wie Eug. Gayot in seinem interessanten Werke »Les Chevaux de Trait Frangais« hervorhebt, die Mitte zwischen dem Boulonnaiser und dem Bretagner hielt, ohne die guten Eigenschaften dieser beiden Rassen in sich zu vereinigen. Er war näm- lich weder so mächtig und gängig wie der Boulonnaiser, noch so leicht, energisch und harmonisch wie der Bretagner. Um nun einer weiteren Verschlechterung der Rasse vorzubeugen, Hess Gayot, als er im Jahre 1846 die Leitung des französischen Gestütswesens übernahm, 38 mit Sorg- falt ausgewählte Hengste veredelter kaltblütiger Rasse in der Franche- Comte aufstellen. Leider verblieb dieser vortreffliche Fachmann zu kurze Zeit auf seinem Posten, um durchgreifende Erfolge zu er- zielen. Er erreichte indessen doch so viel, dass der Verbastardierung der Rasse mit schweizerischen Vaterpferden ein Ende gemacht wurde. Gegenwärtig ist der Franc-Comtois ein Pferd, das ziemlich viel Ähnlichkeit mit dem schweren Belgier besitzt und, wenn ordentlich ge- füttert, mit Bezug auf allgemeine Brauchbarkeit sehr wohl den Ver- gleich mit dem schweren Percheron, dem Flamländer und Brabanter auszuhalten vermag. Schön wird man ihn allerdings nicht nennen können. Der lange, schmale, schlecht angesetzte Schädel, die kleinen ausdruckslosen Augen, der magere mit einer dichten und groben Mähne bekleidete Hals, die steile Schulter, der Senkrücken, die hervorstehenden Hüften, die breite, gespaltene Kruppe, der schlecht getragene Schweif, die schmalen Gelenke, die dünnen, aber trockenen Röhren und die grossen, häufig auch platten Hufe benehmen ihm jede Möglichkeit, die Rolle eines Adonis unter den Kaltblütern zu spielen. Trotzdem wird man nicht übersehen dürfen, dass ihn dieses wenig ansprechende Exterieur nicht hindert, vortreffliche Dienste im schweren Zug zu leisten. Die Widerristhöhe des Franc-Comtois schwankt zwischen 150 und 160 cm. Die gewöhnlichsten Farben sind Schimmel und Braun, jedoch kommen hier und da auch Rappen vor. Die besten Exemplare — 435 — sollen in den gebirgigen Teilen des Departements Doubs, in den Kan- tonen Maeche und Russey, sowie in der Umgebung von Seignelegier gezogen werden. (Siehe auch Pierre Megnin »LeCheval et ses Races«.) Das Pferd des Poitou. Die Heimat dieses Pferdes liegt in den Departements Deux-Sevres, Vendee, Charente und Charente-Inferieure oder mit anderen Worten in der ehemaligen Provinz Poitou. Der Urtypus der Poitou-Rasse stammt aus den sumpfigen Gegenden der Vendee und der Deux-Sevres, deren Wiesen vor etlichen Jahrhunderten einen grossen Teil des Jahres unter Wasser standen. Einige Geschichtsschreiber sind auch der Meinung, dass die Rasse durch Holländer und Flamländer, denen Heinrich IV das Recht verlieh, die noch nicht trocken gelegten Ländereien in Besitz zu nehmen, nach dem Poitou eingeführt worden sei. Wie es sich hiermit verhalten, dürfte heute schwer festzustellen sein. Eine unbestrittene Tatsache ist nur, dass die Stammeltern der heutigen Poitou-Rasse ein halbwildes Dasein im Sumpf geführt und dass dieser ihnen den eigen- tümlichen Stempel aufgedrückt hat, den sie auf ihre Nachkommen über- tragen haben. Ein dicker Pelz, ein üppiges Mähnen- und Schweifhaar verlieh ihnen Schutz gegen die Kälte; die Hufe wurden gross und platt, um das Einsinken in den weichen Boden zu verhüten; das saftige, in grossen Mengen genossene Grünfutter wirkte erweiternd auf die Ver- dauungsorgane ein; der ständige Aufenthalt auf der Weide, der die Tiere nötigte, nahezu ohne Unterbrechung eine Haltung mit gesenktem Hals und Kopf einzunehmen, hatte zur Folge, dass die Halsform länger, der Kopf aber grösser und schwerer wurde und durch die starken Muskelkontraktionen, die entstanden, wenn das Pferd sich aus dem Sumpf herausarbeiten oder im Sommer durch tollen Lauf vor seinen Peinigern — den Stechfliegen, Mücken und anderem Geschmeiss — retten wollte, wurden nicht nur gewaltige Muskelmassen, sondern auch grobe Knochen und Sehnen entwickelt. Diesen physiologischen Ursachen ist es zuzuschreiben, dass die ursprüngliche Poitou-Rasse einen grossen, schweren Kopf, langen, dicken Hals, viel Mähnen- und Schweifhaar, einen langen, in der Regel etwas eingesattelten Rücken, eine breite Brust, einen umfangreichen Hänge- bauch, muskulöse Gliedmassen, starke Sehnen und platte, grosse Hufe erhielt. Seitdem aber die Regierung und private Unternehmer die Trockenlegung der sumpfigen Gegenden mit ebenso grossem Eifer wie — 436 — Erfolg in Angriff genommen, ist dieser Urtypus, obwohl von den Maul- tierzüchtern noch immer geschätzt, immer seltener geworden. Die Sprösslinge der alten Rasse gleichen heute nicht mehr dem Porträt, das ein früherer französischer Schriftsteller namens Jacques Bujault mit fol- genden Worten von ihnen entworfen: »Eine grosse Tonne auf vier starken Stützen«. Das starke Untergestell ist ihnen geblieben, aber »die grosse Tonne« hat geringere Dimensionen angenommen; anstatt des dicken Pelzes trägt der moderne Poitevin ein seinen verbesserten Existenz- bedingungen ent.sprechendes, leichteres Haarkleid; seine Füsse erinnern nicht mehr an Austernschalen und sein Kopf nicht an eine Bassgeige. Diese vorteilhaften Modifikationen im Ausseren der sogen. »Race mulassiere« sind indessen nicht ausschliesslich den verbesserten hy- gienischen Bedingungen, sondern vielleicht noch mehr den während der letzten Jahrzehnte vorgenommenen Kreuzungen mit warmblütigen Rassen zu verdanken. Man unterscheidet daher gegenwärtig zwischen der alten Rasse, die wegen ihrer hauptsächlichen Bestimmung noch immer »mulassiere« genannt wird und den mit edlem Blut verbesserten Anglo- Poitevinischen Pferden. Erstere wird, da die Maultierzucht im Departe- ment Deux-Sevres, obwohl nicht mehr in so grossem Massstabe wie früher betrieben, keineswegs einzugehen droht, wohl nicht so bald ver- schwinden. Wie Dr. Paul Goldbeck in seinem Werke »Zucht und Re- montierung der Militärpferde aller Staaten« angibt, sollen jährlich nur im eben genannten Departement 6000 bis 7000 Stuten dem Eselhengst überliefert werden. Die abschreckend hässlichen und unförmlichen Stuten, denen man vordem bei der Maultierzucht den Vorzug gab, sehen sich aber dennoch immer mehr auf den Aussterbeetat gesetzt. Man scheint nämlich im Kreise der Maultierzüchter zu der Über- zeugung gelangt zu sein, dass sich gute Maultiere auch mit weniger hässlichen Stuten erzeugen lassen. Schön, nach den landläufigen Be- griffen, darf die zur Maultierzucht verwendete Stute allerdings nicht sein, denn dann gefällt sie dem Eselhengst — »bandet« genannt — nicht, und schliesslich hängt doch alles davon ab, ob »Er« will oder nicht. Der Niedergang der altberühmten Maultierzucht des Poitous be- gann, als es auch anderen Departements, der Insel Corsika und dem benachbarten Spanien gelang, gute Maultiere auf den Markt zu bringen. Seitdem gewinnt die Pferdezucht mit jedem Jahr eine grössere Anzahl von Anhängern. Infolgedessen hat die Bedeutung der anglo-poitevini- schen Halbblutzucht in überraschend kurzer Zeit sehr zugenommen. — 437 — Die Pferde, die man heutzutage in den Remontendepots von Saint- Maixent, Fontenay-le-Comte und Saint-Jean-d'Angely zu sehen bekommt, unterscheiden sich vom Anglonormannen nur durch einzelne weniger schöne Partien, die sie noch als Erbstücke von der alten »Race mulas- siere< bewahrt haben. Als solche sind zu bezeichnen: die häufig vor- kommenden schweren Köpfe, weichen Rücken, hässlichen Kruppen und platten Hufe, sowie auch das lymphatische Temperament. Es unterliegt indessen keinem Zweifel, dass diese Mängel unter dem Einfluss der nunmehr in grossem Massstabe betriebenen Veredelungskreuzung bald gänzlich verschwinden werden. Zu wünschen wäre nur, dass man im Poitou künftig von Züchtungsexperimenten absehen und nur eine und zwar eine wirklich geeignete Rasse zur Kreuzung mit der verbesserten Landrasse anwenden wollte, denn Ausgeglichenheit lässt sich be- kanntlich mit bunten Blutmischun^en nicht erzielen. 5. Italien. Das italienische Pferd, speziell das im Neapolitanischen gezogene, erfreute sich im 17. Jahrhundert eines ausgezeichneten Rufes. Es war das Lieblingsross der glänzenden französischen und österreichischen Höfe und lieferte ausserdem den Gestüten vieler europäischer Staaten die Stammväter heute noch bestehender Rassen. Diese Periode des Ruhmes war indessen von verhältnismässig kurzer Dauer. Als der Engländer auf der Bildfläche erschien, erbleichte der Stern des Italieners. Nur in Rom und in den Palazzos des süditalienischen Adels zählten die stolzen neapolitanischen Rappen noch lange begeisterte Be- wunderer. Konnte man doch noch so spät wie Mitte des vorigen Jahr- hunderts sowohl in Rom, wie auch in Neapel Pferde dieses Schlages "vor den Karrossen der Nobili einherstolzieren sehen. Die Kirchenfürsten, der Papst nicht ausgenommen, benützten jedoch vorzugsweise Karrossiers der von den Fürsten Chigi gezogenen sogen. Chigi-Rasse, die sich durch eine imponierende, aber ungemein langsame Aktion auszeichnete. Für prachtliebende Kardinäle, die es nie eilig hatten, dafür aber um so mehr auf die Entfaltung würdevollen Pomps hielten, so recht das geeignete Pferd. Heute ist die Chigi-Rasse spurlos aus den Reihen der lebenden Pferdegeschlechter verschwunden und in Rom, Neapel, Mailand, Florenz sieht man vor den Equipagen des »beau monde« nur mehr französische oder englische Karrossiers. - 438 - Indem wir nun zur Beschreibung der einzelnen italienischen Rassen übergehen, führen wir den Lesern zuerst Das Pferd der Römischen Campagna vor, das mit vollem Recht als primus inter pares unter den italienischen Rassen bezeichnet werden kann. Dies will allerdings an und für sich nicht viel sagen. Gerechterweise muss man aber doch zugeben, dass das römische Pferd, obwohl keineswegs schön, ein kräftiges und aus- dauerndes, ja mitunter sogar ganz stattliches Tier ist. Seine Widerrist- höhe schwankt zwischen i6o und i68 cm. Erreicht es eine grössere Höhe, so pflegt es einen hochbeinigen Eindruck zu machen. Besonders charakteristisch ist der Kopf dieses Schlages. Nicht nur die Grösse und Schwere des Schädels, sondern auch die gebogene Nasenlinie müssen jedem Beobachter sofort auffallen. Hierzu kommen noch grosse, durch ihre ungewöhnliche Beweglichkeit auf ein scheues, unzuverläss- liches Temperament hindeutende Ohren und hässliche, kleine Augen, sogen. Schweinsaugen. Im übrigen aber lässt das Exterieur des römischen Pferdes nicht viel zu wünschen übrig. Der Schweif könnte allerdings hübscher getragen werden und die Muskulatur der Gliedmassen besser entwickelt sein, doch das sind schliesslich Kleinigkeiten, die nicht schwer in die Wagschale fallen, wenn man berücksichtigt, dass die Campagna-Rasse sich im Zugdienste durch eine nicht geringe Leistungs- fähigkeit und eine mit gutem Nachschub verbundene hohe Aktion auszuzeichnen pflegt. Ein ernster Gebrauchsfehler der Rasse ist nur ihr scheues, oft geradezu bösartiges Temperament, das wohl durch die in Italien übliche brutale Behandlung des Pferdes, wie auch aller anderen Haustiere hervorgerufen worden ist, denn bösartige Pferde kommen nur dort vor, wo die Aufzucht, Wartung und Dressur nicht mit verständnisvoller Geduld betrieben wird. Das römische Pferd des alten Schlages soll das Produkt einer in frühester Zeit vorgenommenen Kreuzung zwischen hochedlem afrikani- schem Zuchtmaterial und Pferden des normandischen Typus gewesen sein. Auf den ausgedehnten und zum Teil recht guten Weiden des früheren Kirchenstaates fand dieser Schlag alle Vorbedingungen einer kräftigen Entwicklung und so entstand das <'Cavallo romano«, das wie gesagt bis in die Neuzeit eine überaus populäre Erscheinung in den Strassen der ewigen Stadt war. Seither hat sich das Streben nach grösserer Gehlust und Ausdauer in schnellen Gangarten beim Pferde jedoch auch — 43Q — in den Kreisen der römischen Züchter bemerkbar gemacht. Den ersten Anstoss hierzu gab der grosse Bedarf an Remonten, der nach Errich- tung des geeinigten itaHenischen Königreiches im Lande gedeckt werden sollte. Die Züchter lernten einsehen, dass mit dem Kriegsministerium ein Geschäft zu machen sei und froh, einen sicheren Abnehmer für brauchbares Material gefunden zu haben, beeilten sie sich nun durch Kreuzung mit englischen Hengsten ein den Ansprüchen der Armee entsprechendes Pferd hervorzubringen, hn grossen ganzen haben sie dieses Ziel auch erreicht. Man findet heute in den italienischen Reiter- regimentern recht viele Pferde römischer Provenienz, mit denen, wie ich von Offizieren erfahren, die betreffenden Abteilungen ganz zufrieden sind. Was ich von diesem Material gesehen, bestand aus gedrungenen Pferden mit befriedigendem Untergestell und guten Gängen. Einen mehr oder weniger ausgeprägten Ramskopf hatten sie aber alle. Das braucht allerdings ihren Gebrauchswert nicht zu beeinträchtigen, denn auf dem Kopf des Pferdes reitet man bekanntlich nicht und sowohl die Ganaschen wie auch der Kopfansatz und die Halsform derjenigen römischen Pferde, die ich zu Gesicht bekommen, gaben nicht zu der Bemerkung Anlass, dass sie dem Reiter bei der Dressur ernstliche Schwierigkeiten bereiten könnten. Ob sich dasselbe auch von dem, wie bereits erwähnt, etwas unbet[uemen Temperament des römischen Pferdes sagen lässt, ist allerdings eine andere Frage. Das süditalienische Pferd. Nach den Angaben verschiedener Historiker scheint es Zeiten ge- geben zu haben, in welchen die apenninische Halbinsel im Vergleich zu anderen Ländern nicht nur reich an Pferden gewesen, sondern auch bezüglich der Qualität ganz Vorzügliches geleistet hat. Unter der Regierung von Dionysius I (406 v. Chr.) soll Syracus die besten Pferde des Altertums besessen haben. Der berühmte Hengst Phrenikos, der im Gestüte des Hieron gezogen war, wurde von Pindar besungen und noch heute spricht man von den Leistungen dieses Pferdes. Die italienischen Rosse älterer Zeit müssen der Beschreibung nach gross und kräftig ge- wesen sein. Erst zur Zeit des Feldherrn Gonsalvo di Cordova (1503) wurden leichtere, Ijeweglichere Tiere für die Reiterei gesucht und zu diesem Zweck schönes, aber etwas leichteres Zuchtmaterial aus Anda- lusien nach Neapel übergeführt. Unter Karl I (als deutscher Kaiser KarlV, 1500 -1558) erlangten die — 440 — Italiener eine solche Virtuosität in der Kunst Pferde zu dressieren, dass sie nicht nur die gesuchtesten Lehrer für praktische Reitkunst, sondern auch die berühmtesten Schriftsteller für die Literatur dieser Kunst wurden. Die Namen Frederico Grisone, Claudio Conte di Pavia, Pasquale Carac- ciolo und andere legen Zeugnis hiervon ab. Der letztere gibt dem neapolitanischen Pferde den Vorzug vor allen anderen Rassen Italiens. Es gäbe, schreibt er, auch in anderen italienischen Provinzen vortreff- liche Pferde, wie z. B. die edle Rasse von Urbino, von Florenz, von Ferrara, von Parma und von Mantua, aber die wertvollsten seien doch die neapolitanischen. Zu Anfang des XVII. Jahrhunderts bestanden schon 282 Gestüte, die alle ihre besonderen Brandzeichen hatten. In einem 1639 zu Rom erschienenen Werke von Paolo Giordano, Herzog von Bracciano werden diese Brandzeichen genau beschrieben. Nach Fugger unterschied man damals drei verschiedene Rassen, nämlich: »I. Die Corsieri (von corso-currere, laufen); dieses sind grosse, hohe Rosse. Sie kommen mehrenteils aus des Königs Gestüt und werden zu dieser Zeit am meisten in den Carretten gebraucht, wie man zu Rom und an anderen Orten dieses Landes sehen mag. Vor Zeiten aber und ehe das Handgeschütz sogar gebräuchlich war, haben diese Pferde gewaltige Taten getan. 2. Die Genetten, weil sie von spanischer Art abstammen, wie sie denn auch den spanischen Rossen sehr ähnlich und kaum davon zu unterscheiden sind. Sie sind in Wahrheit gar köstliche und gute Rosse, ausdauernd und stärker als die spanischen und werden im Lande höher geachtet als andere Rosse. 3. Die dritten aber, die man da due seile nennt, sind sonst starke, mittelmässige Pferde, deren auch ausser des Königs Gestüten viele in den Abruzzen von Fürsten, Grafen und Herren vom Adel in grosser Menge erzogen werden. Diese neapolitanischen Pferde geben insgemein pfute Krieofsrosse. Man muss ihnen aber Zeit lassen, denn es sind ihrer Natur nach späte Rosse, auch erfordert ihre Abrichtung Vorsicht, denn es sind seltsam stürmische Köpfe darunter.« Dieser gute Ruf der neapolitanischen Pferde veranlasste die Leiter der damaligen Hofgestüte in Österreich, Deutschland und Frankreich solche zu Zuchtzwecken aus Italien kommen zu lassen. Nur geschah dies etwas spät, denn schon zu x^nfang des 18. Jahrhunderts hatte die neapolitanische — 441 — Pferderasse bedeutend an Zuchtwert verloren und weitere Rückschritte vernichteten diesen in verhältnismässig kurzer Zeit nahezu vollständig. Der Herzog von Newcastle erklärte sogar bereits im 17. Jahrhundert, dass die neapolitanischen Pferde seinen Erwartungen nicht entsprochen hätten. Die Glanzperiode dieser Rasse war somit nur von kurzer Dauer. Heutzutage würde man im Neapolitanischen vergebhch Umschau nach Sprösslingen der berühmten Genetten halten. Kein einziger Zug im Ex- terieur der dortigen Pferde erinnert mehr an ihre andalusischen Stamm- väter. Es sind kleine unansehnliche, oft auch bösartige Tiere, deren beste Eigenschaft in einer gewissen Leistungsfähigkeit im leichten Zug besteht. In der neapolitanischen Provinz Campagnia liegt auch das von König Karl III (1759 — 1788) gegründete, früher hoch berühmte Gestüt zu Persano, wo es gelungen war, durch Kreuzung andalusischer Stuten mit orientalischen Hengsten ein edles und leistungsfähiges Pferd heran- zuzüchten. Diese Zucht ging im 19. Jahrhundert immer mehr zurück, ist aber seit dem Jahre 1000 Gegenstand besonderer Fürsorge seitens der italienischen Regierung geworden. Es wurden u. a. 200000 Lire zum Ankauf von Hengsten und 300000 Lire zu dem von Stuten aus- geworfen. Zur Veredlung der Razza Persano sollte nur orientalisches Blut verwendet werden. Die betreffende Ankaufsreise wurde von Baron Airoldo di Robbiate im Juli 1906 angetreten. Ein ähnlicher Versuch hatte bereits im Jahre 1902 stattgefunden, scheint aber nicht besonders günstig ausgefallen zu sein, denn auf dem dritten hippologischen Kon- gress in Mailand wurde darauf hingewiesen, dass staatliche Gelder mit weit grösserem Nutzen zur Hebung der inländischen Zucht in Sizilien, Sardinien und im Ravenna'schen verwendet werden könnten. Indessen spricht sich der Direktor des »Giornale di Ippologia« in Nr. 18 des Jahres 1906 sehr günstig über die Rasse Persano aus. Er schreibt u. a.: »Die Körperform der jetzigen Mutterstuten in Persano ist die Frucht einer schon seit mehreren Jahren mit Geschick geleiteten Zuchtwahl, und das Gesamtergebnis dieser Bestrebungen sind kräftige und energische Zuchthengste; auch hat die Rasse sich jetzt so weit konsolidiert, dass ihre guten Eigenschaften bei der Nachzucht zutage treten. Die gegen- wärtig vorhandenen Mutterstuten sind alle gut genährt und leben nur auf der Weide, was den milcherzeugenden Organen Kraft und Frische verleiht. Um zur Bildung eines soliden Zuchtstammes zu gelangen, der zur Hebung der allgemeinen Landespferdezucht benützt werden könnte, muss man nun bemüht sein, in züchterischer Beziehung hoch- — 442 — stehende Familien heranzubilden, die, wie z. B. die Familie Giacobello, nachweisbar die Fähigkeit besitzen, die o;ewünschten Eigenschaften sicher weiter zu vererben.« Infolge eines am ii. Juli 1904 erlassenen Gesetzes ist für Zucht- zwecke ein Mehrbetrag von einer halben Million Lire ausgeworfen worden. Nach dem Wortlaute des Gesetzes sollte hiermit die Aufstel- lung von 300 Deckhengsten für das ganze Königreich angebahnt werden. Man ist jedoch in Italien noch sehr weit von der Erreichung dieses Zieles entfernt. Die Zahl der Landbeschäler, die vor Erlass des Gesetzes 580 betrug, ist nämlich bis 31. Dezember 1905 nur auf 637 gestiegen. Ausser den hier beschriebenen italienischen Pferdeschlägen wäre noch das im früheren Grossherzogtum Toscana gezogene Pferd der Maremmen (Razza Maremma o brada) zu erwähnen. Dieses Pferd wird mit Recht als eines der vorzüglichsten von Mittelitalien bezeichnet. Die Tatsache, dass es sich grosser Beliebtheit in den italienischen Regi- mentern der leichten Kavallerie erfreut, darf wohl als Beweis dafür gelten, dass ihm nicht aus chauvinistischen Beweggründen Eigenschaften an- gedichtet worden sind, die es in Wahrheit nie besessen. W"er je die am ligurischen Meere gelegene Heimat der Maremma-Rasse besucht hat. wird sich darüber im klaren sein, dass das auf den dortigen ausgedehnten Weiden und Steppen in voller Freiheit gezogene Pferd vorzügliche Atmungsorgane, feste Knochen, kräftige Sehnen und raumgreifende Gänge erlangen muss. Man hat daher auch die Maremmen das Ost- preussen Italiens genannt. (Siehe Dr. Paul Goldbeck > Zucht und Re- montierung der Militärpferde aller Staaten«.) Über die vom Staate ausgesetzten Prämien für Zuchtstuten und Züchtergenossenschaften u. s. w. entscheidet das dem landwirtschaft- lichen Ministerium unterstellte Consiglio ippico. Dem vorjährigen Berichte dieser Behörde ist zu entnehmen , dass von den oberwähnten 637 Landbeschälern 204 dem Reitschlage, 323 dem Reit- und Zugschlage, 47 dem Traberschlage und 63 dem schweren Zugschlage angehörten. Der jährliche Remontebedarf Italiens beträgt ca. 3600 Stück. Von dtr Remontierungsverwaltung werden folgende Durchschnittspreise bezahlt : Für Pferde von 2 Jahren auf den Inseln . . 400 Lire „ „ „ 3 „ „ dem Festlande Ö70 „ „ „ „ 3 „ „ den Inseln . . 000 „ „ ,, ,, 4 ,, ,, dem Festlande Cette race, la meilleure que Ton eleve dans la province de Liege, et bien preferable ä la race che- valine de la Hesbave, est parfaitement proportionnee. Moins eleve et moins gros, le cheval du Condroz convient surtout pour les Services qui demandent de la vitesse, comme Lartil- lerie legere, les postes, les messageries.« (Diese Rasse, die beste, die in der Provinz Lüttich gezogen wird, und derjenigen von Hesbaye entschieden überlegen, besitzt einen sehr harmonischen Körperbau. Weniger gross und schwer, eignet sich das Pferd des Condroz vor- nehmlich zu solchen Diensten, die Schnelligkeit erfordern, wie z. B. die leichte Artillerie, die Post und Diligencen.) Vor etwa 50 Jahren scheint der Condrozianer Schlag somit mehr vom Ardenner als vom Brabanter gehabt zu haben. Seitdem sich aber der Eintluss des letzteren in der belgischen Zucht immer mehr geltend gemacht, hat sich auch das Pferd des Condroz diesem nicht entziehen können. Die Ähnlichkeit mit dem Ardenner ist daher im Schwinden begriften. Das F 1 a m 1 ä n d i s c h e Pferd. Im Mittelalter das hochgeschätzte Schlachtross der Ritter, heute ein vom Brabanter vollkommen in den Hintergrund gedrängter, ja tat- sächlich auf den Aussterbeetat gesetzter, langer, schlapper und lympha- tischer Gaul, erweckt der Flamländer eigentlich nur wegen seiner stolzen Vergangenheit noch das Interesse des Hippologen. Der Verfall dieser einst so hoch gepriesenen Rasse begann von dem Zeitpunkte an, wo man vom Kriegspferde grössere Leichtigkeit und Schnelligkeit in allen Bewegungen forderte. Der Flamländer musste sich nun mehrere Jahr- hunderte hindurch mit dem weniger blendenden Ruhme begnügen, das — 469 — schwerste Zugpferd in ganz Europa zu sein und als solches vielfach zur Verbesserung ausländischer kaltblütiger Rassen, beispielsweise der englischen, beizutragen. Mit der Zeit erstanden ihm aber auch auf diesem Gebiete, speziell in England, überlegene Konkurrenten und als sich hierdurch seine Zucht weniger lohnend für den bäuerlichen Züchter gestaltete, schmolz die Zahl seiner Anhänger immer mehr zusammen. Unter solchen Um.ständen kann es nicht überraschen, dass er bereits gegen Ende des XVIII. Jahrhunderts als eine gefallene Grösse zu be- trachten war. In dem 181 1 zu Halle erschienenen Werke »Anleitung zur Kenntnis der belgischen Landwirtschaft« von J. N. Schwarz, heisst es unter anderem: »Das flamländische Pferd ist ein grosses Tier von starkem Bau und breitem Vorderteile. Es hat einen grossen, dicken Kopf, einen kurzen, schweren Hals, eine volle Brust, einen dicken Bauch, breite Lenden und ein rundes Kreuz. Es hat dabei kurze, dicke Beine und einen ungeheuren Huf.< Besonders empfehlend oder schmeichel- haft lautet diese Beschreibung gerade nicht für den Flamländer jener Tage. Seitdem in Belgien die Kreuzung mit Brabanter Blut von Jahr zu Jahr mehr Anwendung in der Kaltblutzucht gefunden hat, ist das Flamländer Pferd jedoch nicht nur leichter geworden, sondern es hat auch viel von seinen typischen Eigenschaften verloren. Es steht eben im Begriff, ganz in dem Brabanter aufzugehen. In Antwerpen stösst man indessen unter den dort im schweren Lastfuhrwerk arbeitenden Belgiern noch recht häufig auf Tiere, die den alten flamländischen Typus in ziemlicher Reinheit bewahrt haben. Es sind das Gäule in der Höhe von 170 — 180 cm, mit plumpen Schädeln, langen, eingesattelten Rücken, gespaltener, abgeschlagener Kruppe, platten, schlechten Hufen, runden, schwachen Röhren, lymphatischer Konstitution und einem Gewicht von 900^1000 Kilo. Trotz dieser auffälligen Exterieurmängel schleppt ein solcher Koloss mit Leichtigkeit Lasten von 4000 — 5000 Kilo. Diese Tatsache bestätigt die alte Erfahrung, dass Tiere mit der scheusslichsten Form oft fabelhaft arbeiten, sich aber allerdings dabei auch schneller abnützen als regelmässig gebaute. Im ganzen genommen wird man es somit kaum als einen Verlust für Belgien bezeichnen können, dass der Flamländer nunmehr als der letzte Vertreter eines aussterbenden Pferde- geschlechts anzusehen ist. Von grösster Bedeutung für die Zucht des belgischen Pferdes ist das ausserordentlich zweckmässig organisierte Schau-, Körungs- und Prämiierunorswesen . — 470 — Zunächst sei bemerkt, dass Belgien keine Staats- oder Landgestüte besitzt, sondern die Zucht gänzKch den Privaten überlässt. Die Regie- rung beschränkt sich darauf, das beste inländische Material schweren Schlages, Hengste wie Stuten, hoch zu prämiieren, bewilligt ausserdem besondere Zuschüsse zur Erhaltung der wertvollsten Vaterpferde und sorgt durch das von ihr den Provinziallandtagen anempfohlene streng organisierte Körungssystem dafür, dass untaugliche Hengste von der Zucht ausgeschlossen werden. Bei diesen Bestrebungen wird sie von der Societe Nationale du cheval de trait beige auf das wirksamste unterstützt. Die grösste Pferdeschau lindet seit 1886 alljährlich im Juni zu Brüssel in einer jirächtigen, praktisch eingerichteten Halle statt. Auf dieser Schau dürfen nur Pferde der einheimischen Rassen sich an dem Wettbewerb beteiligen. Zu diesem Zwecke werden sie in zwei grossen, den nationalen Hauptschlägen entsprechenden Abteilungen zusammen- gestellt, und zwar die Brabanter und Condrozianer jeglicher Provenienz in der einen und die in ihrem speziellen Zuchtgebiet erzeugten Ardenner in der anderen. Noch ist also der Ardenner als selbständige Rasse nicht ganz aus dem ofliziellen belgischen Zuchtprogramm gestrichen worden. Zu den Championatwettbewerben werden nur solche mindestens vier- jährigen Tiere zugelassen, die entweder auf einer vorhergehenden Schau schon als Champions proklamiert worden sind oder auf einer solchen oder der gegenwärtigen Schau einen ersten Preis errungen haben. Die auf der Brüsseler Schau zur Verteilung gelangenden Geldpreise pflegen in der Regel den Betrag von ca. 30000 Pres, zu erreichen. Ausser dieser grossen hauptstädtischen Schau werden in Belgien jedes Jahr noch zahlreiche lokale und regionale Ausstellungen ver- anstaltet. Als die wichtigsten und am meisten begehrten Preise, die einem belgischen Züchter zufallen können, sind zu bezeichnen: die vorerwähnten Championate; die Nationalprämien, 18 an der Zahl, jede im Betrag von 1500 Pres, für die vorzüglichsten Beschäler des Landes; die Provinzialprämien — eine erste von 900 Pres, nebst vergoldeter Silbermedaille und eine zweite von 700 Pres, nebst silberner Medaille — für die Besitzer der zwei vorzüglichsten Hengste der Provinz; die Be- wahrungsprämien im Betrage von 6000 (zahlbar in fünf jährlichen Raten von je 1200 Pres.), 700 und 500 Pres., die den Zweck haben, dem Lande bewährte Vaterpferde möglichst lange zu erhalten; die nach Ablauf der fünf Jahre dem im Besitz der Prämie von 6000 Pres, ge- — 471 - standenen Hengste eventuell zu verleihende jährliche Erhaltungsprämie von 600—700 Pres, (also eine Art Pension für verdiente Zuchthengste) ; die ersten Kreisprämien für zweijährige, dreijährige und ältere Stuten (100 Pres, nebst silberner Medaille, 125 Pres, nebst silberner Medaille und 300 Pres, nebst silberner Medaille) und die Bewahrungsprämie von 1000 Pres, auf vierjährige Dauer, zahlbar in vier Raten ä 250 Pres, für fünfjährige oder ältere Stuten, die ein Jahr vorher eine erste Kreis- prämie erhalten haben. Aus der nunmehr für sämtliche Provinzen geltenden Körordnung vom 25. Juli iqoi seien hier folgende besonders wichtige Artikel mit- geteilt : 1. Nur solchf mindestens drei Jahre alte Hengste, l)ei denen eine Körungs- kommission die erforderlichen Eigenschaften zur Verbesserung der eigenen Rasse konstatiert hat, dürfen zur Beschälung fremder Stuten zugelassen werden. 2. Die Körung ist auch für solche Hengste obUgatorisch, die, ohne öffentlich zum Decken aufgestellt zu sein, im Besitz zweier oder mehrerer Personen oder eines die bürgerliche Rechtspersönlichkeit geniessenden Vereines stehen. ^. Die Körung gilt nur für die Dauer eines Jahres von dem Tage an gerechnet, wo sie stattgefunden, l)is zu dem Tage, wo sie im folgenden Jahre er- neuert wird. 4. jedem der Körungskommission vorgestellten Hengste wird links am Halse unter der Mähne der Buchstal^e O eingeljrannt. Ist der Hengst angekört, wird ihm neigen dem O ein A eingelirannt. 5. Die Besitzer oder einstweiligen Inhalier angekörter Hengste sind verpflichtet, den behördlichen Organen, sowie auch den Stutenbesitzern auf Verlangen die Decklisten vorzuzeigen. 6. Es ist den Hengsthaltern strengstens verboten, mit ansteckenden Krank- heiten behaftete Stuten decken zu lassen oder an derartigen Krankheiten leidende Hengste zum Belegen zu verwenden. . 7. Die Hengsthalter sind verpflichtet, Signalement, Datum des Beschälaktes, Namen und Wohnort des Besitzers der ihrem Hengste zugeführten Stute auf einem Doppelblatt der Deckliste zu verzeichnen. Ein Einzelheft wird sodann allsogieich abgetrennt und dem Stutenbesitzer eingehändigt; die eventuellen nachfolgenden Paarungen sind auf denselben Blättern zu ver- zeichnen. 8. Die Decklisten müssen jedes Jahr vor dem i. September durch Vermittlung der Gemeindeverwaltungen an die Commission provinciale d'agri- culture eingesendet werden. Das erste belgische Gestütbuch wurde im Jahre 1884 von der Societe des eleveurs beiges unter dem langatmigen Titel »Stud- book national des chevaux de la race beige, variete braban- — 472 — conne ou de gros trait« herausgegeben. Gleichzeitig erschien in Ostflandern ein ähnliches Werk: »Paarden-Stamboek« in flämischer Sprache. Nachdem einige Lieferungen dieser Gestütbücher heraus- gekommen waren, bildete sich im Jahre 1886 ein das ganze Reich um- fassender Zuchtverein, der es unternahm, alljährlich in Brüssel eine all- gemeine Ausstellung belgischer Zuchtpferde zu veranstalten und ein Studbook für die besten einheimischen Zugpferde anzulegen. Hier- durch verloren die obgenannten Lokalvereine ihre Existenzl^erechtigung. Die neue Gesellschaft nannte sich zuerst Societe nationale des eleveurs l^elges«, trägt aber seit einigen Jahren den kürzeren und richtigeren Namen ^Societe Le cheval de trait beige«. Das von dieser Gesellschaft herausgegebene »Studljook des chevaux de trait beiges« enthält die Hengste, die von 2 an- fangend nur gerade Nummern führen; die von eingetragenen Eltern erzeugten Fohlen; die nur ungerade, also von i anfangende Nummern führenden Stuten mit den eventuell von ihnen gebrachten Fohlen; die Namen der Züchter in alphabetischer (3rdnung; Berichtigungen irrtüm- licher Angaben in den früher erschienenen Bänden; ein Verzeichnis derjenigen Auszeichnungen, die von eingetragenen Pferden im vorher- gehenden Jahre auf den Schauen davongetragen worden sind; die das Studbook betrefl'enden Verordnungen; eine Liste der Mitglieder der Ge- sellschaft u. s. w. Bisher sind 1 2 Bände^ dieses Gestütbuches erschienen. Zur Eintragung l^erechtigt sind alle rassereinen Produkte der belgi- schen Zugpferde-Rassen. Pferde, deren Vorfahren nicht im Studbook eingetragen sind, können erst nach zurückgelegtem zweiten Jahre auf- genommen werden imd muss ihre Herkunft so genau als möglich an- gegeben werden. Fohlen von im Studljook eingetragenen Eltern werden gleich nach ihrer Geburt aufgenommen. Jede Eintragung geschieht unentgeltlich. Zur Feststellung der Abstammung von im Studbook ein- getragenen Eltern Jdient der von^den Provinzialbehörden abgestempelte Deckschein. Der belgische Zuchthengst wird in der Regel schon im Alter von drei Jahren zum Decken verwendet. Wie in jeder Zucht, richtet sich auch in Belgien die Decktaxe nach der Qualität der betreffenden Hengste. Während für die Liebesdienste ordinärer Beschäler nicht mehr als 10 oder 15 Eres, gefordert werden, muss derjenige Züchter, der seine Stute zu einem der Matadore unter den im Lande befindlichen Vaterpferden schickt, schon sehr viel tiefer in den Beutel pfreifen. L^nter 200 Eres. — 473 — wird die Taxe dann sicher nicht betragen und da ein derartiger Hengst wohl selten weniger als loo Stuten zugewiesen erhält, gestaltet sich das Halten eines erstklassigen Beschälers — zumal wenn man die hohen Bewahrungsprämien mit in Anrechnung bringt — zu einem ausser- ordentlich einträglichen Geschäft, 8. Holland. Unter den Pferdeschlägen, die im Jahre 1900 auf der Pariser Welt- ausstellung den von allen Teilen der zivilisierten Welt herbeigeströmten Hippologen vorgeführt wurden, befanden sich auch einige Produkte der holländischen Zucht. Es gab eine Zeit, wo das holländische Pferd in hohem Ansehen stand. Ja, man kann sogar, ohne sich einer Übertreibung schuldig zu machen, Holland als die Wiege des europäischen Trabersports be- zeichnen, denn lange bevor der Orloff-Traber geboren worden oder der Ruf des amerikanischen Trotters über den Ozean gedrungen war, bil- deten Trabrennen bereits einen äusserst populären Nationalsport in den Niederlanden. Bekanntlich war auch die Mutter des Stammvaters der Orlofif-Rasse eine holländische Stute. hl älterer Zeit scheint man in den Niederlanden eine besondere Vorliebe für grosse, schwere Pferde von schwarzer Farbe gehabt zu haben. Hamilton Smith nahm an, dass es verschieden gefärbte Ur- stämme der Gattung Equus caballus gegeben. Sollte diese Hypo- these auf Tatsachen beruhen, so hätte sich jener schwarze Stamm in Holland bis auf die Neuzeit erhalten, denn noch heute findet man unter den dortigen Pferden auffallend viele Rappen. Durch mehrfache Ver- wendung spanischer und dänischer Hengste hat die alte Rasse wahr- scheinlich etwas an Grösse und Schwere eingebüsst. Die Widerrist- höhe dieser Pferde schwankt heute zwischen 170 und 175 cm. Sie erscheinen häufig etwas hochbeinig und bisweilen wohl auch lang- leibig. Viele haben einen langen, schmalen Kopf mit konvex ge- bogener Nasenlinie. Dieser, sowie auch der häufig vorkommende Schwanenhals dürften Erbstücke der spanischen Vorväter sein. Die Kruppe ist meistens melonenförmig mit eingezogenen Hüften und dicken, starken Muskeln. Das Hinterteil der Holländer erhält dadurch ein so eigen- tümliches Gepräge, dass sie hieran leicht zu erkennen sind, d. h. voraus- gesetzt, dass sie wirklich von der alten Rasse abstammen und nicht — 474 — aus Kreuzungen mit englischem oder anderem Blut hervorgegangen sind. Das Untergestell ist vielfach zu leicht, im Fesselgelenk zu nach- o-iebig und vom Knie abwärts mit starkem Behang versehen. Mähne und Schweif zeichnen sich durch üppigen, groben Haarwuchs aus. Die Bewegung kann besonders bei Abkömmlingen der alten Harddraver-Rasse als eine überraschend raumgreifende und schnelle bezeichnet werden. Die Stammväter dieser Harddraver waren spanische Hengste, die in Holland zurückgeblieben waren, als Wilhelm von Oranien 1579 sein Vaterland vom spanischen Joch befreite. Mit den Stuten der holländi- schen Landrasse gepaart, erzeugten diese Hengste einen in jeder Be- ziehung hervorragenden Pferdeschlag. Anstatt nun die wertvolle Rasse, die sie der Gunst des Zufalls zu verdanken hatten, sorgfältig zu pflegen und weiter zu entwickeln, vernachlässigten die Holländer sie in unver- antwortlicher Weise. Die auf üppiger Weide aufgezogenen Fohlen er- hielten kein Kraftfutter während ihrer Entwicklungsperiode und die jungen Hengste wurden, sobald sie das Alter von drei Jahren erreicht hatten, zum Decken verwendet, dann aber, wie schön und vielver- sprechend sie auch sein mochten, ohne weiteres kastriert. Bei den holländischen Trabrennen (harddraverijen) der guten alten Zeit ging es ebenfalls sehr wenig fachmässig zu. Sollte das Rennen unter dem Reiter stattflnden, so legte man dem Gaul eine scharfe Kan- dare ins Maul und eine Decke auf den Rücken. Beim Trabfahren be- nützte man bunt bemalte, zweirädrige Karren mit hohen Rädern. — Besonderes Geschick entwickelten weder die Reiter noch die Fahrer. Erstere bemühten sich, mit weit vorgestreckten Fäusten und zurück- gelehntem Oberleib krampfhaft das Gleichgewicht beizubehalten und die Fahrer suchten durch fleissigen, aber gegen die Elementarregeln der Fahrkunst verstossenden Gebrauch der Zügel die Gehlust ihrer Trotter aufs höchste anzuspornen. Hierzu kommt noch, dass die Rennen auf gepflasterten Strassen vor sich gingen und dass der elende Huf- beschlag nicht geeignet war, diese improvisierten Bahnen annehmbarer für die beklagenswerten »Traber« zu machen. Zum Glück können die Holländer heute mit voller Berechtigung sagen »nous avons change tout cela.« Der Trabrennsport wird gegenwärtig auf mehreren holländischen Bahnen ganz nach amerikani- schem Muster — allerdings auch mit amerikanischem Pferdematerial — betrieben, und statt der berüchtigten »Trauergäule«, die sich nur bei den englischen »Pompes-funebres-Gesellschaften« wegen ihres schwarzen — 475 — Haarkleides, ihres lammfrommen Temperaments und ihrer gravitätischen Schrittaktion einer grossen Beliebtheit zu erfreuen hatten, züchtet man in Holland bereits seit mehreren Jahrzehnten vielfach ein elegantes Halb- blutpferd des Karre )ssierschlages. Der melancholische Rappe altfriesischer Abkunft wird infolgedessen nur mehr in einzelnen Teilen der Provinzen Friesland und Drenthe angetroffen. Fiti". 66. Karrossier holländischer Zucht. Der holländische Karrossier (siehe Fig. 66) ist ein stattliches Tier in der H()he von i6o — 170 cm, das den Anglonormannen auf dem Pariser Markt schon eine recht unbequeme Konkurrenz macht und auch in London viel benützt wird. Allerdings besitzt er weder die Eleganz, noch die Leistungsfähigkeit des Franzosen, aber da er im »Schritt und Trab die Kniee mindestens ebenso hoch wie dieser hebt, sich ferner durch ein ungemein bequemes Temperament auszeichnet und es schliesslich auch fertig bringt, täglich vor dem Landauer einer Pariserin im langsamen — 476 — Trabtempo den obligatorischen »tour du bois« zu absolvieren, findet der Händler stets willige Abnehmer für seine Holländer. Die besten Pferde dieses Schlages werden in den Provinzen Gro- ningen und Geldern gezogen. Sämtliche in Paris preisgekrönten hol- ländischen Pferde stammten auch aus diesen Provinzen. Oldenburgische Hengste gelangen hier als Vaterpferde in grosser Ausdehnung zur Ver- wendung. An der belgischen Grenze, und zwar hauptsächlich in den Pro- vinzen Limburg und Zeeland, ist dagegen ein dem schw^eren Belgier ähn- elndes kaltblütiges Pferd zu Hause, das sowohl zu den landwirtschaftlichen Arbeiten, wie auch als Schleppross bei der Beförderung von Gütern auf den vielen Kanälen und Flüssen verwendet wird. In Oberyssel, Nord- brabant und Utrecht züchtet man angeblich einen etwas leichteren Schlag. Die holländische Pferdezucht l:)efindet sich gänzlich in den Händen kleiner bäuerlicher Züchter, die ihre Mutterstuten zu allen vorkommenden Arbeiten benützen. Während der Sommermonate verbleiben die Fohlen auf der Weide und sobald sie 2 oder 2^2 Jfihre geworden, lässt sie der Besitzer bereits an leichteren Arbeiten teilnehmen. Überraschend ist, dass in dem kleinen Land nicht weniger als 50000 Stuten zur Zucht verwendet werden, und zwar ca. 40000 zur Halbblut- und 10 000 zur Kaltblutzucht. Unter solchen Verhältnissen kann man es nur billigen, dass auch in Holland durch eine strenge Körordnung für die Ausschliessung untauglicher Hengste von der Zucht Sorge getragen wird. Hat doch die holländische Pferdezucht bereits einen solchen Aufschwung genommen, dass jährlich nur nach Deutsch- land 4 — 5000 Pferde verkauft werden. 9. Deutschland. Das ostpreussische Pferd. In der Zeit, als den heidnischen Göttern im heutigen Ostpreussen noch Altäre errichtet wurden, spielte das Pferd bei der dortigen Be- völkerung schon eine bedeutende Rolle, und zwar nicht nur als Haus- tier, sondern auch als jagdbares Wild. In den dichten Wäldern Litauens streiften damals grosse Scharen wilder Pferde umher, denen von den Jägern eifrig nachgestellt wurde. Diese kleinen, struppigen Tiere, die im gezähmten Zustande eine überraschende Leistungsfähigkeit an den Tag legten, waren aller Wahrscheinlichkeit nach tartarischen Ursprungs. — 477 — Bei den im damalij^en Litauen mit besonderer Vorliebe betriebenen Raubzügen entwickelten sie eine bewunderungswürdige Zähigkeit und Bravour. Dass der Reiter Ströme mit ihnen durchschwamm, indem er sich mit der einen Hand am Schweif seines Rosses festhielt und mit der anderen ein Holzlioss nachzog, auf dem seine Waffen und Rüstung lagen, gehörten zu den alltäglichen Begebenheiten. Kein Wunder da- her, dass die litauische Bevölkerung grosse Stücke auf diese so tapferen und vielseitig verwendbaren Pferde hielt. Auch der Deutsche Orden nahm nach der Eroberung von Preussen (1283) den von ihm als be- sonders tüchtig erkannten kleinen Litauer in seinen Schutz. Zur Blütezeit des Deutschen Ordens (um 1400) müssen dessen Ge- stüte in Preussen sehr umfangreich gewesen sein. Wie dem vom Archivrat Dr. Joachim, Staatsarchivar zu Königsberg i. P. 1896 heraus- gegebenen >Marienburger Tresslerbuch der Jahre 1399 bis 1490« zu entnehmen ist, hatte z. B. der^ Komtur des Gebietes von Christburg (un- weit Marienburg) folgende Bestände: 42 Rosse (d. i. Beschäler), 59 Hengste und Knechtspferde (schwere Reiterpferde zum Kriegsdienst), 96 Kon- ventshengste (Ritterpferde des schweren deutschen Schlages), 1 1 Füllen (Remonten), 504 alte Stutkobeln (Mutterstuten), 300 Hengstfüllen von i, 2 und 3 Jahren, 85 Wagenpferde und >Schweiken« (leichte Gebrauchs- pferde preussischen Schlages), zusammen 1256 Stück Pferde. In den Ordensgestüten des Gebietes der Marienburg (an der Nogat) waren die Pferdebestände ebenfalls sehr bedeutend, so u. a. 1404 zu Stuhm 150 Stück, 1407 zu Lesewitz 130 Stück, 1407 zu Leske ca. 180 Stück, 1409 zu Grebin 240 Stück. (Siehe Joh. Voigt, »Marienburg«.) Im Gebiete des Ordens-Marschalls der Burg Königsberg standen anno 1404 in den Ordensgestüten 396 grosse Stutkobeln (Zuchtstuten des starken Ritter- pferdeschlages). Ausserdem hatte jeder Ordensritter im Ordenshause Königsberg gewöhnlich drei Konventshengste zu seiner Verfügung. Im Jahre 1436, also zu einer Zeit, als der Orden durch die Polenkriege schon sehr heruntergekommen war, standen auf den Höfen Leske, Grebin, Lesewitz, Neuhof, Kalthof, Warnau und Montan der Marienburg noch 555 Zuchtstuten, i96Stut- und Hengstfüllen und 38 Gebrauchspferde. Schwarznecker äussert sich folgendermassen über die züchterische Tätigkeit des Ordens : '>Im Mittelalter übernimmt der Deutsche Orden eine einüussreiche Sorge für die Zucht. Er führt nicht nur schwere Schläge ein zur Pro- duktion von grossen Ritterpferden, so aus Thüringen, Holland, Däne- - 478 - mark, er fördert auch die Pflege und bessere Erziehung der kleinen eingeborenen Tiere, die er für Wirtschaftszwecke und in khiger Voraus- sicht auch für eine vortreflliche, leichte Kavallerie, die Turkopoliere, zu verwenden wusste. Die hervorragendsten Gestüte des Ordens waren: im Samlande Lochstedt, Insterburg und Tapiau; im Königsberger Ge- biete Heiligenfelde (später Grünhof), Kapore und Galtgarben. Die Kom- turei Ragnit hatte zu Labiau ein Gestüt; die Komturei Brandenburg zu Kaye und Kobbelbude; die Komturei Balga zu Pellen, Biester und Fr. Eilau; die Komturei Elbing zu Drausen-, Neu- und Weskenhof; die Komturei Christburg zu Moteck. Im Culmerlande bestanden vStu- tereien zu Kolbing, Sauerteig, Poswisdorf und Semen. Das Haupthaus Marienburg hatte solche zu Läske, Läsewitz und Montau. Die Pferde- zahl der Konventställe des Ordens war sehr bedeutend und berechnet sich nach den vorhandenen Registern auf ca. 2000 Stück. Zu dieser Zahl gehören nicht die Pferde in den Ställen der Komture und der bei den Ordenshäusern liegenden Vorwerke (Karwanshöfe), die gleich- falls reichlich besetzt waren. Unter diesen sorgsamen Händen der Ordensritter errang sich Preussen schon früh einen Ruf seiner guten Pferde wegen und, wenn auch die Zucht der schweren Ritterpferde als nicht mehr zeitgemäss mit dem 16. Jahrhundert eingeschränkt und bald ganz aufgehoben wurde, so dass schon 1539 für Georg Albrecht kein gutes Turnierpferd mehr dort zu finden war und man deshalb zu Sachsen und Friesland seine Zuflucht nehmen musste, so war es ge- rade der einheimische leichte, zähe Pferdeschlag, der als Klepper, Jagd- und Soldatenpferd gesucht wurde.« Bekannt ist auch, dass die Gestüte des preussischen Samogitien imstande waren, den Tilsiter Markt mit einer ansehnlichen Menge nicht schlechter Reit- und Zugpferde zu beschicken. Die ehemaligen unveredelten Landstuten zerfielen in drei Schläge: 1. Den Masurischen von 133 bis 159 cm Grösse, mit kurzen, aber starken Beinen und raumgreifendem Gang, aber kurzem, ordi- nären Hals. 2. Die Tilsiter Niederungspferde von 159 bis 162 cm Grösse, gut gerippt, mit schwammigen Beinen, abschüssiger Kruppe, Rams- köpfen und Rattenschwänzen, wahre Ausbünde von Hässlichkeit. 3. Die kleinen Litauer, zwischen jener Niederung und den ma- surischen Kreisen heimisch, wo jetzt die besten preussischen Pferde zu finden sind; sie kamen in den verschiedensten Formen — 479 — vor, häufig flach gerippt und lang gefesselt, nach Frentzel »eine ziemlich schlimme Gesellschaft«. Daneben bestanden fortgeschrittene Privatgestüte, u. a. das Ge- orgenburger und das Schreitlauken er, wo edlere Hengste standen, die auch die bäuerliche Pferdezucht günstig beeinflussten. (Siehe Dünkel- berg, »Die allgemeine und angewandte Viehzucht«.) Eine eigentliche bäuerliche Landespferdezucht scheint indessen zu jener Zeit doch nicht vorhanden gewesen zu sein. Der im Jahre 1656 erfolgte Einfall der Tartaren, sowie die von 1709 — 17 11 wütende Pest konnten daher eine geradezu vernichtende Wirkung auf die im Auf- blühen begriffene Pferdezucht Ostpreussens ausüben. Man wird somit Frentzel Ijeistimmen müssen, wenn er in seiner vortrefflichen Arbeit »Über die Landespferdezucht im Regierungsbezirk Gumbinnen< schreibt: »Die eigentliche Entwicklung der ostpreussischen Pferdezucht und die Geschichte dieser nun mit Riesenschritten vorgehenden Entwicklung beginnt erst mit der Errichtung des sogen, litauischen Landgestütes im Jahre 1787. Was weiter zurückliegt, mag für den Forscher geschicht- liches Interesse haben, für den Züchter wohl nur insoweit, als die Er- gebnisse dieses Forschens ihm deutlich zeigen werden, dass noch so rühmliche Bestrebungen und Leistungen einzelner in Ländern eine gute Landespferdezucht nicht hervorrufen können. Diese ist in Ost- preussen nur durch Trakehnen und sein 1787 gegründetes Landgestüt entstanden.« Trakehnen wurde 1732 von König Friedrich W^ilhelm I errichtet. Im genannten Jahre wurden nämlich dort, sowie auf den Vorwerken Bajohrgallen, Jonasthal, Jodlauken, Guddin, Kalpakin, Gurdszen und Birkenwalde i loi Pferde aus den Gestüten Ragnit, Schreitlauken, Budu- pönen, Insterburg, Batriken, Balga, Brandenburg und Koppelbude auf- gestellt. Bis dahin bestand Trakehnen beinahe ausschliesslich aus »Sumpf und Strauch«, deren Urbarmachung erst im Jahre 1725 in An- griff genommen wurde. Es hat also eine siebenjährige mühevolle Ar- beit gekostet, bevor daran gedacht werden konnte, das in Ostpreussen angesammelte Zuchtmaterial des Staates in einem Gestüte zu vereinigen. Dieses erste Zuchtmaterial Trakehnens bildete begreiflicher W^eise eine sehr bunte Gesellschaft und war infolgedessen auch nur von ge- ringem Wert. Von den 32 Hengsten, die bis 1749 nach Trakehnen kamen, waren 19 vollkommen unbekannter Herkunft, 5 Engländer, 5 Rosenburger, i Berber, i Neapolitaner und i Trakehner. Ebenso — 4^0 — bunt war die Zusammensetzung des von verschiedenen Seiten herbei- o-eschafften Stutenmaterials. Trotzdem erhielt das Gestüt bis zum Jahre 1789 keine neuen Stuten, sondern wurde dort mit dem alten, nahezu wertlosen Stamm fortgezüchtet. Dieser bestand im Jahre 1740 aus 368 Stuten, von denen 19 — die schwersten — zur Maultierzucht ver- wendet wurden. Es zeigte sich indessen bald, dass das Gestüt eine so grosse Anzahl Pferde nicht ernähren konnte und wurde der Stuten- stamm infolgedessen 1748 auf 300 Stück reduziert. Der frühere Pferde- stand von 1256 Stück sank hierdurch auf 783 Stück. Von den 356 Hengsten, die von 1732 bis 1786 in Trakehnen be- nützt worden sind, waren, wie Frentzel ermittelt hat: In Trakehnen gezogen 185 Stück Böhmen, erbeutete Tiere, nicht viel wert und wenig benützt 39 „ Ganz ohne Angabe des Ursprungs 36 „ In Preussen gezogen 31 „ Engländer 15 ,, Rosenburger 14 ,, Dänen lO ,, Aus Berlin, ohne weitere Bezeichnung 5 „ Spanier 3 „ Neapolitaner 2 „ Orientalen i „ Perser i „ Berber i „ Ägypter i „ Bulgaren i „ Schlesier i „ Summa . . 346 Stück. In dieser äusserst > gemischten' Gesellschaft kommen drei Hengste vor, l^die, wie aus den Stammbäumen zahlreicher Trakehner Haupt- beschäler zu ersehen ist, eine wertvolle Nachzucht erzeugt haben, nämlich: Persianer, Schimmel persischer Rasse, benutzt von 1739 bis 1747, Spinola, Blauscheck, ein Abkömmling des Persianer, benutzt von 1764 bis 1780, Pitt, brauner Hengst der »englischen Wettläuferrasse«, benutzt von 1764 bis 1771. Diese drei Hengste können als die Stammväter der alten Trakehner- Rasse bezeichnet werden. Der eigentliche Schöpfer des heutigen Tra- kehnen aber ist Graf Lindenau, der im Jahre 1786 zum Oberlandstall- ^- 481 — meister ernannt wurde. In demselben Jahre starb Friedrich der Grosse. Dem Gestüte war der grosse König kein gnädiger Herr. Er liebte Trakehnen, das er von seinem Vater, Friedrich Wilhelm I, geschenkt bekomnien, nicht und interessierte sich merkwürdigerweise auch nicht für die Zucht. Seine Soldatenpferde bezog er aus der Moldau, Wal- lachei und Ukraine, Trakehnen aber betrachtete er nur als eine mög- lichst stark in Anspruch zu nehmende Einnahmequelle. »Von irgend w-elchem Einliuss Trakehnens auf die Landespferdezucht war keine Rede; dafür musste aber das Gestüt jährlich 12-, 13- bis 18000 Taler in Dukaten an die Privatschatulle des Königs abliefern, < bemerkt der verstorbene Generalsekretär des Zentralvereins für Litauen und Masuren, Herr Stoeckel, in der > Georgine«. Wenn die Gestütsbeamten unter- tänigst um Geldmittel zum Ankauf von Zuchtmaterial petitionierten, ward ihnen denn auch stets der Bescheid, dass die Einnahmen aus dem Gestüt viel zu gering seien, um derartige Ausgaben zu gestatten. Dies hatte zur F(jlge, dass die betreffenden Beamten wiederholt wertvolles Zuchtmaterial verkauften, um nur grössere Beträge an die Privatscha- tulle des Königs abführen zu können. Graf Lindenau begann daher seine Laufljahn als Leiter des preussischen Gestütw-esen zu einem Zeitpunkt, der für die Durch- führung der von ihm geplanten Reform nicht ungünstig genannt werden konnte. Der »fürchterlichen Musterung«, die er mit dem Zuchtmaterial des Gestütes vornahm, fielen sofort 25 Hauptbeschäler und 144 Mutter- stuten zum Opfer. Sein Wahlspruch war nämlich: »Lauteres Gold an Beschälern, seien es Araber oder englisch Vollblut«. Dieses »lautere Gold« zu beschaffen, gestaltete sich aber während der ewigen Kriegs- unruhen jener Zeit und in einem so armen Lande wäe dem damaligen Preussen zu einer schier unlöslichen Aufgabe. Graf Lindenau musste somit sehr bald die Erfahrung machen, dass es weit leichter ist, Zucht- pferde auszumustern, als die so entstehenden Lücken mit besserem Material auszufüllen. Trotzdem war seine Amtsführung für Trakehnen eine überaus segensreiche. Im Jahre 1801 besass das Gestüt bereits 262 Stuten eigener Zucht, durch umsichtige Verwendung geeigneter Hengste — so z. B. der Nachkommen des angeblichen Orientalen Turcmain Atti — und strengere Zuchtwahl gelang es, die Erzielung einer mehr aus2:e(rlichenen Form in den verschiedenen Stämmen anzu- bahnen; Trakehnen brauchte auch nicht mehr ausschliesslich Pferde für den königlichen Marstall zu ziehen, sondern bekam zur Aufgabe, Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 3^^ in erster Reihe Vaterpferde für die inzwischen gebildeten Landgestüte zu liefern und um grössere Ordnung in den ganzen Zuchtbetrieb ein- zuführen, wurde die heute noch zu Recht bestehende Anordnung ge- troffen, dass in Trakehnen und Bajohrgallen die Stuten des Reitschlages, in Gurdszen die Rappen, in Kalpakin die Braunen und in Guddin die Füchse des Wagenschlages aufgestellt werden sollten. Obwohl in den Angaben über das älteste Zuchtmaterial Trakehnens mehrere Hengste als »Engländer« und einer — Pitt — sogar als Sprössling »der englischen Wettläuferrasse« bezeichnet werden, kam doch erst im Jahre 1806 ein authentischer englischer Vollblutbeschäler nach Trakehnen. Es war dies der 1800 geborene Hengst Saxony, V. Delpini a. d. Charmer, der von Neustadt a. D. dorthin transportiert wurde. Nach den Niederlagen des Jahres 1806 wurden alle preussischen Staatsgestüte auf russischem Gebiet in Sicherheit gebracht. Dass eine solche in grösster Eile und bei strenger Kälte vorgenommene Flucht nicht ohne grosse Verluste bewerkstelligt werden konnte, ist selbstver- ständlich. Die Pferde wurden in Russland auf den Gütern des Fürsten Suboff untergebracht und kehrten erst 1807 nach dem Friedensschluss wieder heim. Während der dann bis zum Ausbruch des russisch- französischen Krieges folgenden Periode wurden in Trakehnen haupt- sächlich Hengste eigener Zucht, meist Nachkommen des Turkmain- Atty zur Zucht verwendet. Im Jahre 18 12, während des französischen Rückzuges aus Russ- land, mussten sich die Gestüte wiederum auf die Wanderung begeben, und zwar zuerst nach Treptow und Umgebung und später nach Schlesien, wo sie bis zum Mai des folgenden Jahres verblieben. Kurz darauf starb der damalige Gestütsdirektor Trakehnens, Landstallmeister v. Below. Sein Nachfolger wurde Herr v. Burgsdorf, der die Leitung des Gestüts bis zu seinem 1843 erfolgten Tode innehatte. Dass Burgsdorf so kurz nach den unheilvollen Kriegsjahren Tra- kehnen nicht in blühendem Zustand übernehmen konnte, braucht wohl nicht besonders hervorgehoben zu werden. Niemand war aber mehr als er befähigt, das stark geschädigte Gestüt wieder hoch zu bringen. Es gelang ihm auch während seiner langen Amtsführung, Grosses in dieser Beziehung zu leisten. Dies muss um so mehr anerkannt werden, als Burgsdorf in der von ihm verfolgten Zuchtrichtung wiederholt eine schwankende Haltung an den Tag legte. Zuerst bevorzugte er die - 483 - Orientalen, dann die Engländer, hierauf noch einmal die Orientalen und schliesslich wieder die Engländer. Frentzel bemerkt aber mit Recht hierzu: »Dennoch scheint seine zeitweilige Vorliebe nie seinen züch- terischen Scharfblick beim Einrangieren getrübt zu haben. Er hat stets mehr Nachkommen von Engländern auch in der Zeit einrangiert, in der seine Vorliebe für Orientalen ihn mehr Paarungen der besseren Stuten mit Orientalen vornehmen Hess, und mit sicherem Auge hielt er seinen Grundsatz fest, nicht nur von Erbfehlern freie, sondern auch nur in ihrer ganzen Erscheinung gute Tiere zur Zucht zu benützen. Von seinem Liebling, dem Orientalen Nedjd, rangierte er allerdings in den ersten 6 Jahren nach Ankunft des Hengstes, in der zweiten Periode seiner Vorliebe für Orientalen, 26 Töchter ein, in den letzten 7 Jahren aber nur noch zwei und manche der früher einrangierten wurden wieder ausrangiert. Dem Hauptgestüt hat also dieses sein Schwanken gar nicht oder doch nur wenig insow^eit geschadet, als eben ganz vorzügliche Stuten für einige Jahre keine zur Einrangierung brauch- bare Stuten lieferten. Jedenfalls muss man hierbei der Pflichttreue des Herrn v. Burgsdorf die vollste Anerkennung zollen. ^ — Ja, ohne Zweifel, denn Burgsdorf war ein sehr strenger, selbstbewusster Herr, der, wie die meisten tüchtigen Männer, bei der Verfolgung seiner Ziele seinem Willen mit unbeugsamer Energie Geltung zu schaffen verstand. Zum Glück war er aber auch zu intelligent und zu sehr Fachmann, um starr- köpfig zu sein. Nach V. Burgsdorf, unter dessen Leitung eine grössere Anzahl Voll- und Halbbluthengste englischer und orientalischer Abkunft nach Trakehnen eingeführt wurde, kamen zwei Nullen, die Landstallmeister V. Mühlheim und Max, von denen besonders der letztere emsig bemüht war zu verderben, was sein grosser Vorgänger geschaffen. Glücklicher- weise wurde diesen Herren nicht viel Zeit zu ihrer destruktiven Arbeit gelassen, denn v. Mühlheim verschwand schon 1844 und Herrn Max gelang es nicht, sich länger als bis 1847 zu halten. Ihm folgte der Landstallmeister v. Schmichow, ein unterrichteter und gewissenhafter Hippologe mit ausgesprochener Vorliebe für das englische Blut, der im Jahre 1864 die Leitung des Gestüts an den ebenfalls sehr tüchtigen Landstallmeister v. Dassel abgab. Letzterer wurde 1888 von Major V. Frankenberg abgelöst und seit 1895 steht das Gestüt unter der sachkundigen Leitung des Landstallmeisters v. Oettingen, eines be- geisterten Anhängers des englischen Vollbluts. - 484 - Unter v. Schmichow wurde mit grossem Erfolg darauf hinge- arbeitet, durch zweckmässige Paarung und rationelle Fütterung mehr j\Iasse in die Trakehner zu bringen, ohne deshalb ihren Adel zu ver- mindern. Auch Herr v. Dassel huldigte diesem Streben und ist hierin wohl die Erklärung zu der von ihm vor ungefähr 25 Jahren in Szene gesetzten Aufstellung einiger anglo-normandischer Hengste zu suchen, eine Massregel, die mit Recht als vollkommen verfehlt bezeichnet worden ist und daher auch nicht zu weiteren Experimenten Anlass gegeben hat. Herr v. Oettingens Name ist aufs engste mit der ziemlich spät beginnenden, modernen Anforderungen entsprechenden Ära des Tra- kehner Gestütes verknüpft. Auch dieser hervorragende Fachmann hatte bedeutende Schwierigkeiten zu überwinden, bevor es ihm gelang, freie Bahn für den neuen Kurs zu schaffen. Zunächst sei bemerkt, dass er von seinen Vorgängern ein im Rück- gang begriffenes Gestüt übernommen hatte. In einer dem Gestütsetat 1898/99 angehängten Denkschrift heisst es mit bezug hierauf: »Die Pferdezucht Trakehnens hat mit den im Laufe der Zeit mehr und mehr gesteigerten Anforderungen an Form und Leistungsfähigkeit des Pferdes nicht gleichen Schritt gehalten. Die Befürchtung des Rückganges der Trakehner Zucht liegt nahe. Die gesamten pferde- züchterischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Hauptgestütes Tra- kehnen sind deshalb unter Zuziehung von Sachverständigen einer Untersuchung unterzogen worden, deren Ergebnis sich in Verbindung mit entsprechenden Reformvorschlägen in vorliegender Denkschrift nieder- gelegt findet. <' Als Anzeichen des Rückganges der Trakehner Zuchtleistungen werden in dieser Denkschrift folgende Tatsachen bezeichnet: »I. Die Zahl der von Trakehnen geheferten Beschäler (Land- und Hauptbeschäler) hat sich in der Zeit von 1848 bis 1896 erheblich ver- mindert. Von 1848 bis 1859 betrug sie durchschnittlich 52,7 bei 300 Mutterstuten; von 1884 bis 1896 aber nur 39,6 bei 350 Mutterstuten. Dieser Rückgang in der Erzeugung von brauchbaren Beschälern findet zwar zum Teil seine Erklärung darin, dass im Laufe der Zeit im Inter- esse der Landespferdezucht höhere Anforderungen an die Eigenschaften der als Haupt- und Landbeschäler einzustellenden Hengsten gestellt worden sind; indessen bleibt aber doch ein erheblicher Prozentsatz des Minderergebnisses übrig, der lediglich in dem allgemeinen Zurückgehen der Zuchtleistungen an sich seine Veranlassung hat. - 485 - 2. Die Benützung von Halbblutbeschälern in Trakehnen, die ausser- halb des Gestütes gezogen sind, war früher eine Seltenheit, während sie jetzt fast zur Regel geworden ist. Der daselbst in den letzten 8 Jahren hervorgetretene Mangel an brauchbaren Hengsten eigener Zucht hat die Gestütsverwaltung gezwungen, entgegen dem bisherigen Gebrauche, nicht nur von ausserhalb Halbbluthengste heranzuziehen, sondern auch aus den älteren Jahrgängen der litauischen Landgestüte mehrfach Beschäler in Trakehnen zu benützen. Die letzten, den Ansprüchen an einen Hauptbeschäler noch ge- nügenden, in Trakehnen selbst gezogenen Halbblut - Hauptbeschäler sind folgende: a ) Flügel, geb. 1864, g) E 1 f e n I3 e i n , geb. 1879, b) Malteser, V 1872, h) P a s z V a n , „ 1881, c ) Tunnel, V 1874, i) P a s c h a 1 , „ 1881, cl) Paladin, J) 1874, k) 0 r c u s , 11 1883, e ) Venezuela, ?? 1878, 1) Apis, n 1884, fl Fürstenberg, 11 1878, m) Hirtenknabe „ 1887. Diese 12 nach dem Geburtsjahre geordneten Hauptbeschäler würden, nach der Güte beurteilt, wenig anders zu ordnen sein; jedenfalls sind die 6 ersten wertvoller als die 6 letzten. Von den im Jahre 1897 zur Bedeckung der Trakehner Stuten benutzten Halbblut-Hauptbeschälern sind nur 4 in Trakehnen selbst gezogen, während 5 auswärtiger Zucht entstammen. Für die nächste Deckperiode (1898) sind nur 3 Trakehner und 6 ausserhalb gezogene Halbblut-Hauptbeschäler in Aussicht ge- n(jmmen. Wenn man neben vorstehend dargelegten Umständen noch die Tatsache in Rechnung zieht, dass die von ausserhalb im letzten Jahr- zehnt nach Trakehnen abgegebenen Vollblut-Hauptbeschäler an Zahl und auch wohl an Güte über den in den beiden Jahrzehnten vorher eingestellten Vollblütern stehen, und dass dennoch seit dem 1887 ge- borenen Hirtenknabe bis zu den mindesten 1894 geborenen Hengsten zweifellos überhaupt kein wirklich guter Hauptbeschäler in Trakehnen gezogen ist, so dürfte damit ein genügender Beweis für den Rückschritt der Zuchtleistungen Trakehnens nicht nur in der Zahl, sondern auch in der Güte der selbstgezogenen Beschäler gegeben sein. Die Ursachen des Rückganges der Zuchdeistungen sind schwer mit Sicherheit zu erkennen, zumal, wenn es sich um weit zurückliegende Zeiten handelt. — 486 — Nachstehend sind in grossen Zügen die für Trakehnen in Betracht kommenden Hauptursachen ausgeführt: 1. Bei der Gründung des Hauptgestütes (1732) bestanden die Tra- kehner Ländereien aus einem teils versumpften, teils mit Gebüsch und Urwald bewachsenen fruchtbaren Boden. Die jungfräuliche Kraft dieses Bodens hat, nach der erforderlichen Entwässerung und Urbarmachung, anscheinend den Grund gelegt zum schnellen Gedeihen und Empor- blühen des Gestütes. Bei dem niedrigen Stande der Landwirtschaft am Ende des 18., sowie im ersten Teile des 19. Jahrhunderts und bei den für eine ordnungsmässige Wirtschaft bisher unzulänglich gewesenen Geldmitteln, ist jedoch die ursprüngliche Kraft des Bodens im Laufe der Zeit soweit erschöpft, dass jetzt die durchaus erforderlichen guten Weiden und Wiesen nicht mehr vorhanden, sondern zum grossen Teile mit minderwertigen, teilweise sogar schädlichen Pflanzen bestanden sind. Auch die Menge des gewonnenen Heues hat dem Bedürfnisse des Ge- stütes in den letzten Jahren meist nicht genügt. Wird hierzu noch die eingetretene Kleemüdigkeit des Ackers in Betracht gezogen, so ist in diesen landwirtschaftlichen Missständen die gewichtigste Ursache zum Rückschritte der Zuchtleistungen gegeben. 2. Eine weitere Ursache ist in der bisherigen unzulänglichen Unter- bringung, Pflege und Ausbildung des Zuchtmaterials zu finden. Nament- lich hat es bis jetzt an einem grossen Stalle für die notdürftig in den eng besetzten Muttergestüten untergebrachten Absatzhengstfohlen — etwa 120 Stück — gefehlt, in welchem diese sich ungefähr ein Jahr hindurch frei bewegen könnten. Die Mittel für diesen auf 44000 Mk. veranschlagten — vor kurzem ^fertig gestellten — Neubau sind durch den Etat der Gestütsverwaltung für 1897/98 bereits bewilligt. Nächst- dem hat bisher hauptsächlich der Mangel eines geeigneten Stalles für die anzureitenden dreijährigen Hengste und einen Teil der zweijährigen Hengste einen ungünstigen Einfluss auf die Aufzucht dieses Materials ausgeübt. Neben den baulichen Missständen muss insbesondere die durch die Unzulänglichkeit des Wärterpersonals herbeigeführte unzureichende Pflege und Ausbildung des Zuchtmaterials als Ursache des Rückganges angesehen werden. Es hat beispielsweise das Anreiten und planmässige ArlDciten der jungen Hengste, wie solches in den anderen Haupt- gestüten und in sämtlichen Privatgestüten Ostpreussens in neuerer Zeit üblich und an sich auch dringend notwendig ist, wegen Mangels an - 487 - Personal fast ganz unterbleiben müssen. In welchem Masse eine ge- ringere Sorgfalt in der Pflege des Zuchtmateriales ins Gewicht fällt, ergibt sich aus der allgemeinen Erfahrung, dass die Fortschritte in der Pferdezucht, wie in jeder Tierzucht, in hohem Grade mit auf der ste- tigen Vervollkommnung der Pflege einschliesslich der Arbeit des Zucht- materiales beruhen, und dass der verbreitetste Fehler darin besteht, dass man durch Blut allein zu verbessern sucht, wo zunächst eine Ver- besserung der Haltung [angezeigt ist. Eine sorgfältige und rationelle Haltung des Zuchtmaterials erzeugt neue und lebensfähigere Rassen, wie die Geschichte des Vollblutpferdes es am deutlichsten gezeigt hat. Dass dem bestehenden Mangel an Wärtern nicht bereits früher abge- holfen ist, hat seinen Grund mit in der Unzulänglichkeit der zum grossen Teile wenig brauchbaren Beschaftenheit der für dies Personal auf dem Hauptgestüte vorhandenen Wohnungen. Die Mittel zur Hebung der Zuchterfolge werden entsprechend den vorstehend dargelegten Ursachen des Rückganges hauptsächlich in fol- gendem zu bestehen haben: 1. Verbesserung der Wiesen und Weiden, sowie durchgreifende, den Gestütszwecken mehr als bisher entsprechende Umgestal- tung des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes des ^Haupt- orestütes. 2. Erhöhung der Haferrationen für die Dauer der Stallfütterung und zwar: a) für Mutterstuten von i^jo auf 3 kg täglich: b) für die in der Aufzucht begriftenen ein- bis dreijährigen jungen Hengste, sowie die Mehrungsfohlen von 4 bezw. 3^/4 kg auf 5 kg täglich. ~ 3. Herstellung der zur rationellen Aufzucht der Gestütspferde, so- wie zur Unterbringung des Wärterpersonales erforderlichen Baulichkeiten. 4. Einfriedigung der Weiden. Hierin steht Trakehnen zurzeit nicht nur gegen die anderen Hauptgestüte, sondern auch gegen die Privatgestüte Ostpreussens zurück. Bei dem infolgedessen jetzt üblichen Weiden der Pferde auf uneingezäunten Flächen mit berittenen Hirten, ist ihre Be- wegung eine nur sehr ungenügende, da die Hirten, um ein Weglaufen der Herden auf bestellte Felder zu verhindern, diese stets dicht zusammenhalten müssen und somit ein Auslaufen der Pferde nicht gestatten können. AusstMdem ist das WeidcMi in der Nacht wälirend den in Ost])reusscn meistens sehr heissen Monaten Juni, Juli und August als (hingendes Bedürhiis anzu- sehen. Ohne Einfriedigung der Weiden ist eine derartige Massnahme al)er nicht ausfü]irl)ar. 5. Vermehrung" des Wärter|)ersonals zur besseren T^flege und Aus- bildung des Zuchtmaterials.« Da jeder Rückgang der Trakehner Zucht, die nach wie xor die Hauptlebensader für die gesamte Remontezucht in den r)stlichen Ge- bietsteilen bildet, eine in ihren Folgen kaum berechenbare Gefahr in sich schliesst, beeilte sich der Landtag, die von der Regierung gefor- derten Mittel zur Beseitigung der vorerwähnten Mängel zu bewilligen und darf man sich um so eher der Hoffnung hingeben, dass die l't'riode des Rückschrittes damit ihren Al)schluss gefunden, als die Leistungen des gegenwärtigen CJestütsdirektors sichere Bürgsc^iatt für eine ener- gische und intelligente Durchführung aller erforderlichen Reformen bieten. Was seitlu-r fiir d'\c I lebung der Trakehner Zucht geschehen ist, bringt folgende kurz gefasste Schilderung des heutigen Gestütsbetriebes deutlich zur Anschauung. Der Pferdestand des Gestütes beträgt im ganzen ca. J350 Stück und zwar 15 Haui)tbeschäler (darunter 1907 die Vollbluthengste Apanage, Beaumanoir, Gordon, ( !reif, Haz](diatch, LeNichamll, Lutrin, Ostende Express, Poni]) und den Anglo-Araber Syl\io), 4 l'robier- hengste, 350 Mutterstuten und ca. 880 junge Hengste, Stuten und hohk'n. Die in vier Herden geteilten Stuten sind, wie l)ereits früher erwähnt, in fünl Vorwerken untergebracht. In Gurdszen stehen die l\appen, in Kalpakin die Braunen, in Guddin die l^^'uiise des Wagenschlages, in Trakehnen und Bajohrgallen das Reitgestüt und zwar die leichteren Stuten in Trakehnen, die schwereren aber in Bajohrgallen, wo jetzt die lallte des Trakehnei' Stutenstammes zu hnden ist. Die junge Aufzucht mit Ausnahme der auf ihren (icburtshöfen verbleibenden einjährigen .Stuten ist auf die übrigen Vorwerke - Birkenwalde, Burgsdorfhof, Danzkehmen, TaiilGeorgine<' folgende Einzel- heiten mit: »Die dreijährigen Remonten werden in Gudwallen in den Monaten April bis ultimo Juli eingestellt und kommen hier sofort in die sogen. Training-Abteilung. AugenblickHch stehen hier z. B. 22 dreijährige Hengste (12 Trakehner und 10 An- kaufshengste), die bereits täglich ihre i — 2 Kanter ä 800 — 1000 Meter machen. Dazu die entsprechenden Trab- und Schrittreprisen, so dass sie täglich 2 — 27., Stunden unter dem Sattel sind. Die Arbeit findet auf einem sanft ansteigenden Feldweg statt, der zu diesem Zweck öfters geeggt wird. Im vorigen Herbst konnten die Galopps mit kurzen Unterbrechungen l)is Ende Noveml^er fortgesetzt werden. Im Januar sind darauf dazwischen öfter auf dem Schnee langsame Kanter gemacht worden. Während der Deckzeit wurden die nun bereits vierjährigen Hengste so plaziert, dass sie nur sehr schonend zum Decken gebraucht wurden und gleichzeitig eine dem Zweck entsprechende Arbeit tun konnten. Im Juni haben diese Hengste fast gar nicht mehr gedeckt und fingen bereits wieder an, dazwischen zvi kantern. Den 30. Juni schliesst bekanntlich die Deckzeit; vom i. Juli ab waren sämtliche Hengste wieder in Gudwallen und verrichteten dort regelmässige, sich allmählich steigernde Arbeit. Das Hauptprinzip bei dieser Arbeit ist die Erhaltung und Förde- rvuig der Gesundheit der Hengste. Nichtstun oder zu wenig Arbeit ist der grösste Feind der Gesundheit. Selbstverständlich muss l)ei der Zuteilung der Arbeit sehr individualisierend verfahren werden. Jeder Hengst soll soviel Arlieit verrichten als er ertragen kann, ohne an den Gliedmassen, am Magen etc. Schaden zu leiden. Das Mass der von jedem einzelnen Hengste zu verlangenden Arbeit ist daher sehr ver- schieden. Jeder vierjährige Hengst soll zu dem am 4. Oktober bei Insterburg statt- findenden Rennen auf 1200 Meter unter 75 kg in seiner möglichst besten und schönsten Form herausgebracht werden. Selbstverständlich gelingt das nichtmit jedem Vierjährigen. Der Hauptwert dieser Arbeit der drei- und vierjährigen Hengste liegt indessen nicht in den Rennen selbst, sondern in dem iV^ — i'/o jährigen Training. Das Rennen — dem Abiturientenexamen zu vergleichen — ist notwendig als Stimulus und als Gradmesser. Erst im Training treten die wahren Formen des Pferdes hervor und es formt sich bei der Arbeit das Exterieur, auf dessen Vererbung man sicherer rechnen kann, als bei dem für den Laien oft l^lendenden Exterieur eines lebensläng- lichen Nichtstuers. So weit unsere Kavallerie Wert darauf legt, dass ihre Pferde leistungsfähig sind, ebenso sehr sind auch Reproduktoren erwünscht, die nicht im Nichtstun, sondern in Arbeit gross geworden sind. Nur von leistungsfähigen Eltern sind auch leistungsfähige Kinder zu erwarten. Es ist ferner wünschenswert, dass unsere Beschäler auch in späteren Jahren so viel Bewegung haben resp. Arl^eit tun, als erforderHch ist, um sie gesund und mögUchst lange jung zu erhalten. Auch hier wird man sehr individualisierend vorgehen müssen und nicht wie in der Kaserne alles über einen Kamm scheren dürfen. — 493 — Gegen diesen Training der drei- und vierjährigen Beschäler ist der Einwand erhellen worden, dass das Trainieren von Hengsten, die gleichzeitig decken, schäd- lich sei und dass die schädlichen Folgen daran erkenntlich sein würden, dass die betreffenden Hengste schlecht befruchten resp. schwächliche Nachkommen fabrizieren würden. Zunächst ist hiergegen zu erwähnen, dass während der Deckzeit der Trai- ning nur in sehr bescheidenem Masse stattlindet, dass aber Hengste infolge eines seriellen Trainings schlecht befruchten bezw. schwächliche Fohlen erzeugen, ist bis- her noch nirgends tatsächlich lieoljachtet worden und a priori lässt sich so was nicht entscheiden.« Der gute Verlauf und die immer greifbarer hervortretenden Er- folge dieser und der Leistungsprüfungen überhaupt, namentlich auch die vortrefflichen Erfahrungen mit Anwendung des Sulkys als Dressur- mittel gaben dem Nachfolger des Herrn v. Oettingen in Gudwallen, Rittmeister v. Schlüter, Veranlassung, die Prüfung der dreijährigen Hengste im Traberwagen in die Hand zu nehmen. Herr Rittmeister v. Schlüter hat in seinem Buche Training des Pferdes« ausführlich seine dies- 1 bezüglichen Erfahrungen und Ansichten dargelegt. Hier sei darum nur hervorgehoben, dass sich das Einbrechen der jungen Hengste im Sulky sehr gut bewährte. Diese Hengste decken zunächst eine be- schränkte Zahl von Stuten und gehen sowohl gleichzeitig wie auch nach beendeter Deckzeit im Traberwagen, um in der Regel im Juli die Prüfung im Cohinor-Fahren zu bestehen. Dann werden die Hengste galoppiert und bestreiten vierjährig die Hengstprüfungs- und das Fanfarro-Rennen. Falls dieser Training — was ja angenommen werden muss, da er weder eingestellt noch gemildert worden ist — tatsächlich dem ost- preussischen Pferde nicht nur keinen Schaden zugefügt, sondern sogar dessen Entwicklung in gewünschter Richtung gefördert hat, so spricht das ganze Bände für die Härte und Widerstandsfähigkeit der Gewebe und der Konstitution dieses Pferdeschlags, wie es denn auch dem Ver- ständnis, mit welchem das hikraftsetzen der Pferde seitens der preussi- schen Gestütsbeamten betrieben wird, ein glänzendes Zeugnis ausstellt. Hierüber volle Gewissheit zu erlangen, hält allerdings für den aus- ländischen Fachmann sehr schwer, denn ohne Einschränkung lässt wohl kein Gestütsdirektor fremde Besucher hinter die Kulissen blicken und viel von denjenigen Gäulen zu erzählen, die bei dem frühzeitigen und scharfen Training in die Brüche gegangen sind, wird ihm auch schwer- lich in den Sinn kommen. Nun — das »Vae Victis« ist nirgends so l)erechtigt wie in der Pferdezucht. Die Schwachen müssen im Inter- esse der Zucht unschädlich gemacht werden, denn es heisst nicht ver- — 494 — gebens »Portes creantur fortibus et bonis« , und das einzige sichere Mittel, die in den verschiedenen Jahrgängen vorkommenden Schwäch- hnge zu entdecken, ist eine ernste Leistungsprüfung. Dass bei dieser das richtige Mass gehalten wird, dafür wird die preussische Gestüt- verwaltung schon Sorge tragen. Der unermüdlichen und energischen Tätigkeit des Herrn v. Oet- tingen ist es auch in erster Reihe zu verdanken, dass im Jahre 1890 der erste Band des »Ostpreussischen Stutbuches für edles Halbblut« erscheinen konnte. In diesem Bande wurde als Zweck des Stutbuches angegeben, »die besten edlen Halbblut- stuten Trakehner Abkunft in der Provinz Ostpreussen zu ermitteln, in das Stutbuch einzutragen und dieses später- hin, wenn weitere Stuten ohne eingetragene Eltern nicht mehr aufgenommen werden sollen, für die Nachzucht der eingetragenen Stuten fortzuführen und im Druck erscheinen ^^S- 67- , Trakehner- zu lassen.« ^ ^ • 1, Brandzeichen. Mit Schluss des Kalenderjahres 1894 wurde das Stut- buch geschlossen und werden vom i. Januar 1895 ab neue Stammstuten, d. h. solche, deren Mütter nicht in das ostpreussische Stutbuch ein- getragen sind, nur aufgenommen: 1. Vollblutstuten; 2. Trakehner Stuten; 3. m Ostpreussen 1890 oder später geborene edle ;Halbblutstuten; die Auf- nahme ist jedoch an folgende Bedingungen geknüpft: a) die schriftlichen Anmeldungen müssen ^^den genauen, unzweifelhaften Nachweis für die Abstammung von zwei Generationen, väterlicher- und mütterlicherseits enthalten ; b) die Stuten müssen ein Füllen gebracht haben oder nachweislich ge- deckt sein; c) die Stuten müssen vor der Aufnahme gemustert sein; 4. Halbblutstuten, die nachweislich einen edlen von der königlichen Gestüts- verwaltung angekauften Landbeschäler gebracht haben. Berechtigt zur Eintragung der von ihnen erzeugten Pullen sind: 1. alle Trakehner Hauptbeschäler; 2. alle in Trakehnen und Beberbeck geborenen Landbeschäler; 3. alle von der Kgl. Gestütverwaltung angekauften ostpreussischen edlen Halbbluthengste, deren Abkunft durch das ostpreussische Stutbuch nach- gewiesen werden kann; 4. edle ostpreussische Hengste, die von der Kgl. Gestütverwaltung als Land- beschäler angekauft sind, aber in bezug auf Abstammung den unter 3. an- — 495 — 2;eführten Bestimmunoen nicht entsprechen, sobald sie von der Verwaltungs- kommission des StutiDuches als ebenbürtig erklärt worden; 5. alle in Ostpreussen zur Zucht benutzten englischen und orientalischen Voll- bluthengste. Der Brand der in das Stutbuch eingetragenen Pferde besteht aus Fig. 68. Trakehner-Hengst der Rappenherde. zwei nebeneinander gestellten siebenendigen Elchschaufeln, der auf den linken Hinterschenkel aufgebrannt wird. Trakehnen besitzt schon lange ein eigenes Stutbuch. »Wohl hatte man in Trakehnen Zuchtregister geführt,« — heisst es im Vorwort zum ersten Bande des ostpreussisches Stutbuches für edles Halbblut Tra- kehner Abstammung — »es schien jedoch unmöglich, aus dem in Registern aller Art zerstreuten, verschiedenartigen Material ein Stut- buch zusammenzustellen. Selbst der damalige Leiter von Trakehnen, — 496 — Landstallineister V. Schmichüw, warnte Frentzel davor, in die ungeheure Arbeit einzutreten. In dreijähriger, harter, ununterbrochener Arbeit beendete Frentzel sein Stutbuch des königHchen Hauptgestüts Trakehnen, das 1878 vom landwirtschaftlichen Zentraherein für Litauen und Masuren herausgegeben wurde. Durch dieses Stutbuch hat Frentzel Trakehnen Unterlagen und Begründung seines hohen züchterischen Wertes gegeben.« Fig. 69. Trakehntr Hauptbcschältr Murgens tidhl im Alter von 2 )ahren. Der Brand des Trakehner Hauptgestütes ist eine nach links ge- kehrte siebenendige Elchschaufel. (Siehe Fig. 07.) Das Litauische Landgestüt führte früher als Brandzeichen eine Krone. Was nun schliesslich die äussere Form des Trakehner-Pferdes betrifft, verweise ich auf Fig. 68, 69 und 70. Wie aus diesen Abbildungen hervor- geht, ist der Trakehner, obwohl ein sehr einnehmendes Pferd, keineswegs ein Ideal zu nennen. Zu seinen guten Eigenschaften gehören ein edler, ausdrucksvoller Kopf, ein gut geformter Hals, eine vorzügliche Rippen- — 497 — wr)lbun^", eine kräftig- entwickelte, trockene Hinterhand, stramme Glied- massen, grosse Härte nnd seltene Ausdauer. Zu tadeln an ihm ist, dass die Tiefe und die Schulterlage meistens nicht ganz l)efriedigen, dass er, wenn auch kein entschieden hochbeiniges, so doch kein recht kurz- heiniges Pferd ist, dass er noch immer etwas zu leicht für seine Grösse (H^S — 175 cm) erscheint, ein etwas scheues und unzuverlässiges Tempera- Fig. 70. Trakehner Fuchsstute, Mutter von Morgenstrahl. ment besitzt und die speziell beim Wagenpferde mit Recht hoch cre- schätzte Eleganz in den Crängen vermissen lässt. hl Frankreich zählt das ostpreussische Pferd bekanntlich keine Be- wunderer, hl einer kritischen Besprechung, die Monsieur Jules Romain, der Herausgeljerdervorzüglichen Pariser Fachzeitschrift :>LeSportUniversel Illustre«, den 1900 in Paris auf der grossen internationalen Pferdeschau ausgestellt gewesenen Ostpreussen widmet, heisst es unter anderem: »Der Widerrist ist beim Trakehner kaum angedeutet, die Gurtentiefe Wrangel, Die Rassen des Pferdes. 1. 32 - 498 — sollte pTösser sein und der Brustkorb, sowie die nicht genügend mit Muskeln bekleidete Nierenpartie, die Kniee und die Si>runggelenke liegen etwas zu hoch. Man würde jedoch diesen Mängeln weniger Gewicht beilegen, wenn die niedrige und wenig energische Aktion, wie auch der Mangel an vorwärts schiebender Kraft im Hinterteil dieses Pferdes nicht den Eindruck bestärkten, den man von ihm erhält, wenn es still steht.« Nun bemerkt allerdings Landstallmeister v. Graljensee-Celle in seinem 1903 veröffentlichten offiziellen Bericht ül:)er die französische Pferdezucht, dass die vielfachen auch von ihm gehörten abfälligen Ur- teile über die in Vincennes ausgestellten Ostpreussen hauptsächlich darauf zurückzuführen seien, dass man aus Ostpreussen 4V2 jährige, nicht lange vorher aus den Depots entnommene, schnell zugerittene Pferde, die natürlich den Vergleich mit älteren Pferden nicht aushalten konnten, nach Paris geschickt habe. Da es aber in Paris an Gelegen- heit zu Vergleichen der Ostpreussen mit vierjährigen anglo-arabischen, anglo-normandischen, anglo-bretagnischen und ungarischen Stuten wahr- lich nicht gefehlt hat, dürfte dieser Hinweis auf die grosse Jugend der ostpreussischen Stuten in den französischen Fachkreisen kaum eine überzeugende Wirkung ausgeübt haben. Mit derartigen Vergleichen ist meines Erachten s überhaupt nicht viel zu erreichen. Das Ziel der ostpreussischen Zucht war von jeher die Produktion eines den höchsten Anforderungen entsprechenden Soldatenpferdes; was der Luxuspferde- markt benötigte oder haben wollte, blieb infolgedessen vollkommen un- beachtet. Nicht so in Frankreich und Ungarn. vSich auf die Zucht von Remonten zu beschränken, fällt dort keinem verständigen Züchter ein, sondern ist die Armee in jenen Ländern nur der willkommene Ab- nehmer solcher Produkte, die aus irgend einem, für ihre Verwendbar- keit als Soldatenpferde belanglosen Grunde, keinen Käufer auf dem Markt für Zucht- und Luxuspferde gefunden haben. Dies erkennt auch Landstallmeister v. Grabensee an, denn er schreiljt in seinem vor- erwähnten Berichte über die französische Pferdezucht u. a. : »In Preussen gehen die besten Halbblutpferde in die Armee, in Österreich-Ungarn in den Handel.« Es braucht aber wohl kaum hervorgehoben zu werden, dass in den Ländern, wo die Remonte sozusagen nur das Abfallprodukt einer höheren Zielen zustrebenden Zucht ist, nicht nur die Züchter, sondern auch die Gestütsbehörden genau über die Forderungen des Luxusmarktes informiert sein und diesen bei ihren Massregeln Rech- — 499 — nung tragen müssen, und da nun, wie Herr v. Grabensee sehr richtig liemerkt, in Frankreich das schönste Pferd wenig Wert hat, wenn es nicht sowohl an der Hand, wie auch beim Gebrauch den Gang mit vermehrter Knieaktion und besonders guten Schub in der Hinterhand zeigt, so ist es erklärhch, dass dort schon bei der Auswahl des Zucht- materials auf das Erzielen einer derartigen Aktion hingearbeitet wird. Fig. 71. Ostpreussische Remonte. Hieraus ergibt sich die Unmöglicheit, denselben Wertmesser bei der Beurteilung des typischen Soldatenpferdes und derjenigen des ebenso typischen Luxuspferdes anzulegen. Ostpreussen möge sich also mit dem Ruhm begnügen, die Heimat eines vortrefflichen Soldatenpferdes zu sein. Der Typus einer ostpreussischen Remonte zeigt Fig. 71, die ich der jedem Pferdefreunde wärmstens zu empfehlenden illustrierten Zeit- schrift »Sankt Georg« entlehnt habe. Eine genaue Kenntnis der ostpreussischen Zucht lässt sich ohne viele zeitraubende Reisen in den grossen Zuchtgebieten — unter diesen — 500 — stehen die Kreise Gumbinnen, Pillkallen, Darkehmen, Ragnit, Tilsit, Insterburg und Niederung in erster Reihe — durch Besuch der Tier- und Stutenschauen des landwirtschaftHchen Zentralvereins für Litauen und Masuren erlangen. Die Zuchtresultate aber studiert man am be- quemsten in den ostpreussischen Remontedepots — z. B. Kattenau — wo die 3 V2 jährigen für die Kavallerie angekauften Remonten noch ein Jahr vor ihrer Einrangierung gehalten werden. Geht diesen Besichtigungen noch die eines Landgestütes voraus, so kann sich der Pferdekenner in verhältnismässig kurzer Zeit ein genaues Bild der ostpreussischen Zucht und ihrer Leistungen verschaffen. Wer aber nicht Zeit und Gelegenheit findet, die Zucht an Ort und Stelle kennen zu lernen, dem bieten die Reiterregimenter Preussens, Sachsens, Württembergs und Bayerns reiche Gelegenheit, ostpreussische Pferde zu sehen. Die Elite dieser Form zeigen die Gardekavallerie- regimenter in Berlin , die fast ausschliesslich mit ostpreussischen Re- monten versehen werden. Die eigentliche Zucht liegt, wenn man von den nicht gtir zahl- reichen grösseren Gestüten absieht, in den Händen der bäuerlichen Züchter, Von den vorgestellten Remonten pflegen 81 "0 ^^^^s Betrieben unter loo ha, und von diesen bq'^^ aus Betrieben unter 50 ha zu sein. Den Hauptabsatz sucht der ostpreussische kleine Züchter im Ver- kauf der Saugfüllen, also der Füllen im Alter von 6 — 9 Monaten. Unter den ausländischen Käufern solcher Füllen dürften die aus den russischen Ostseeprovinzen und Schweden kommenden die Mehrzahl bilden. Saugfohlen der allerbesten Zuchten werden indessen meistens in Ostpreussen selbst zu Zuchtzwecken angekauft. Die Preise für Füllen guter Klasse stellen sich ziemlich hoch. Unter 500 — 600 Mk. sind solche nie zu haben ; für Elitetiere wird der Käufer sogar 800 Mk. und mehr anlegen müssen. In bezug auf die Aufzucht herrscht in Ostpreussen ähnlich wie in Frankreich eine gewisse Arbeitsteiluno", indem viele Landwirte, die selbst keine Pferde züchten. Füllen kaufen, um diese aufzuziehen und 3^2 jährig an die Remontenkommissionen zu verkaufen. Auch orrössere Züchter kaufen vielfach Füllen, um ihre Remonteausstellung zu komplettieren oder zu vergrössern. Das Gros der Füllen kommt auf die Füllenmärkte, die im September in Gumbinnen, Darkehmen, Insterburg und Tilsit ab- gehalten werden. Gumbinnen ist der bedeutendste dieser Märkte; in der Regel pflegt der Auftrieb dort aus 2000 bis 3000 Füllen zu l^estehen. — 50I — Die preussische Armeeverwaltung kauft in Ostpreussen durch zwei Remontekommissionen. Im Jahre 1906 wurden diesen Kommissionen 10 7 14 Pferde vorgestellt und konnten nicht weniger als 6335, also Sl'^L angekauft werden. Das beste und edelste Material lieferten die Kreise um das Hauptgestüt Trakehnen und die Landgestüte Gudwallen und Zwion-Georgenburg. Der Regierungsbezirk Königsberg steht dagegen, was Zahl und Güte der Pferde betrifft, bei weitem nicht auf derselben Höhe. In ihm ist bereits vielfach Kaltblut- und Kreuzungszucht ver- treten. (Siehe »Die Remontierung der deutschen Armee 1904«, von E. Zobel, Generalmajor z. D., M.-W.-Bl. Nr. 25, 1905.) Dass die Kaltblutzucht in Ostpreussen von Jahr zu Jahr grössere Fortschritte macht, lässt sich nicht in Abrede stellen. Dänische (jüt- ländische) Hengste werden in den Kreisen Fischhausen, Gerdauen, Braunsberg und Heilsberg verwendet; Belgier, Clydesdales und Olden- burger hält die Hengstengenossenschaft Mehlsack; Shire-Hengste er- freuen sich lebhaften Zuspruchs in den Kreisen Neidenburg, Osterode und Mehrungen; Belgier decken in den Kreisen Preussisch-Holland und Sensburg; Clydesdaler in den Kreisen Labiau und Osterode u. s. w. Im ganzen haben von 21 ostpreussischen Zuchtvereinen nicht weniger als 14 ausschliesslich kaltblütige Hengste aufgestellt. Schon im Jahre 1900 standen nach offiziellen Mitteilungen im Königsberger Bezirk 288 und im Gumbinnener 76 Kaltblüter. Die Kaltblutzucht hat also bereits eine nicht unbedeutende Ver- breitung in der ältesten und wichtigsten Remonteprovinz Deutschlands gefunden. Der Generalsekretär des landwirtschaftlichen Zentralvereins für Litauen und Masuren erklärt denn auch unumwunden: »Ganz rein ist das edle ostpreussische Pferd nur in dem eigentlichen Litauen und hier auch nur in dem das Hauptgestüt Trakehnen umgrenzenden Gebiete zu finden. Aber auch dort sehen wir die Anfänge zur Aufstellung privater Hengste kaltblütiger Schläge.« (Siehe »Entwicklung und gegen- wärtige Lage der Pferdezucht in Ostpreussen von Dr. Otto Böhme.) Dieses Vordringen der Kaltblüter dürfte hauptsächlich dem Umstände zuzuschreiben sein, dass sich die Remontezucht nicht länger als lohnend erweist. Die Produktionskosten einer Remonte betragen nach genauen, in höherem Auftrage vorgenommenen Berechnungen 1140 Mk. Selbst wenn es dem Züchter gelingen sollte, seine Remonte für looo Mk. — ■ den höchsten Preis, den der preussische Staat innerhalb der nächsten Zukunft bezahlen wird — zu verkaufen, macht er somit einen baren — 502 — Verlust von 140 Mk. bei dem Geschäft. Und was soll er mit den Tieren anfan<^en, die ihm die Remontekommission nicht abgenommen ? Hierzu kommt dann noch der durch die intensivere Bearbeitung des Bodens und der Zunahme des Güterverkehrs gesteigerte Bedarf an schweren Pferden. Man wird es daher Ijegreiflich finden, dass das königliche Landes-Ökonomiekollegium auf Antrag des Grafen Bernstorff- Wehningen am i. Februar 1897 einstimmig folgende Resolution ge- fasst hat: »Eine weitere Förderung der warmblütigen Zucht in numerischer Beziehung erscheint zurzeit weniger dringend, während eine erhebliche und tunlichst rasche Steigerung von kaltblütigem Material unbedingt anzustreben ist, dabei ist aber jede unrationelle Mischung beider Zucht- richtungen nach wie vor unbedingt zu vermeiden.« Kennzeichnend für die Sachlage ist ferner, dass der landwirtschaft- liche Zentralverein für Litauen und Masuren vor einigen Jahren eine Eingabe an den Minister für Landwirtschaft richtete, in welcher er eine Förderung der Zucht des kaltblütigen Pferdes erbat. Diese Eingabe, sowie die obenerwähnte Resolution des Landes- Ökonomiekollegiums wairden durch eine Prüfung des Bedarfs an warm- und kaltblütigen Pferden veranlasst. Im Königreich Preussen hatte sich ergeben: bei der Warmblutzucht ein Angebot von 100 000 und ein Bedarf von allerhöchstens 40000 Stück; bei der Kaltblutzucht ein Be- darf von 150000 und eine Produktion von nur 32000 Stück. Es be- steht somit zweifellos eine Überproduktion auf dem Gebiete der warm- blütigen Zucht, wohingegen Preussen nicht imstande ist, den Bedarf an schweren Pferden selbst zu decken, sondern, auch wenn es den überschiessenden Rest von Warmblütern mit etwa 60000 Stück zur Deckung des Fehlbetrages verwendet, jährlich ca. 60000 Stück aus dem Auslande einführen muss. Zur Änderung dieser höchst ungünstigen Verhältnisse ist unter anderem vorgeschlagen worden, den Bedarf an schweren Arbeitspferden mit warmblütigem Material zu decken. Nun soll allerdings nicht be- stritten werden, dass es möglich ist, aus der warmblütigen Zucht so schwere Pferde zu ziehen, dass diese auf vielen Bodenarten den zu stellenden Anforderungen vollkommen entsprechen. Den Beweis hier- für Hefert unter anderem der Hengstebestand des Celler Landgestüts, in welchem Hengste edelster Gattung mit einem Gewichte von 700 Kilo vorkommen. Trotzdem bietet dieser Ausweg keine praktisch durch- — S03 — führbare Lösuno; des Problems, wie dem in Preussen herrschenden Mangel an Arbeitspferden abgeholfen werden könnte. Zunächst sei be- merkt, dass das edle Material erst im Alter von vier Jahren so weit in seiner Entwicklung fortgeschritten ist, dass es sein Futter durch ent- sprechende Arbeitsleistung zu verdienen vermag; dieser Umstand allein schliesst die Möglichkeit einer rentablen Arbeitspferdezucht vollkommen aus. Ferner darf nicht übersehen werden, dass edles Material im Zugdienst nur dort zu gebrauchen ist, wo dem Besitzer ein alter Stamm bewährter Leute zur Verfügung steht. Überall, wo dies der Fall ist, braucht man auch für die stärksten Rübenfuhren nicht mehr warmblütige als kalt- blütige Pferde. Wo es aber an einem solchen Arbeiterpersonal mangelt — und das dürfte wohl in den meisten Gegenden die Regel sein — hat der Ruf nach kaltblütigen Pferden volle Berechtigung. Noch weniger annehmbar ist das ebenfalls in Vorschlag gebrachte Aushilfsmittel, warmblütige Stuten durch Kaltblüter decken zu lassen. Eine derartige Mischzucht würde für Ostpreussens Pferdezucht eine sehr ernste Gefahr bedeuten. Es bleibt demnach nichts anderes übrig, als in Übereinstimmung mit dem vom landwirtschaftlichen Zentralverein für Litauen und Masuren gefassten Beschlüsse, die Zucht eines rein- Ijlütigen schweren Pferdes zu l^efürworten. »Ostpreussen« — schreibt Dr. Goldbeck im Militär -Wochenblatt — ist gross genug, um ein reines, gutes Halbblut und ein eljensolches Kaltl)lut für ganz Deutsch- land zu produzieren und uns so die Millionen, die wir heute für den hiiport von öocxDO Pferden dem Auslande bezahlen, zu erhalten.« Von grosser Bedeutung für die ostpreussische Zucht sind die Prä- miierungen und die seit iSoo eingeführten Dressur- und Leistungs- prüfungen. Die Prämiierunüf erfoloft in zwei Abteilungen und zwar: L Abteilung zur Förderung der regelrechten Aufzucht: Prämiierung I- und 2 jähriger Stutfüllen. II. Abteilung zur Förderung von Zuchtleistungen: Prämiierung von a) 4 — in Pension« reiten könnte. Das Hannoversche Pferd. »Das springende weisse Ross im Wappen des Weifenhauses und die Pferdeköpfe, die noch heute das Wahrzeichen vieler Bauernhäuser Niedersachsens bilden, beweisen, dass Hannover von alters her ein pferdezüchtendes Land gewesen ist,« heisst es in einer Denkschrift, die das hannoversche Ministerium des Innern am 20. Juli 1863 veröffent- lichen Hess. Und so verhält es sich in der Tat. Wie genannter Denk- schrift zu entnehmen ist (siehe auch »Zur Geschichte der hannoverschen Pferdezucht«, Militär-Wochenblatt Nr. 2, 1905), brachten die hannover- schen Bauernsöhne, wenn sie zu den Reiterregimentern einrückten, noch am Ende des 17. Jahrhunderts ihre eigenen Pferde mit. Darin änderte sich nichts, als die Remontierung durch den Staat eingeführt wurde. Schlecht können jene von den Bauern gestellten Pferde nicht gewesen sein, denn als im Jahre 1734 hannoversche Reiter- und Dra- gonerregimenter aus Anlass des polnischen Thronfolgekrieges an den Rhein marschierten, äusserte ein kaiserlicher Offizier beim Anblick ihrer Pferde: »Wenn wir selbst dergleichen hätten, so wollten wir gegen die Franzosen keinen Säbel gebrauchen, sondern sie mit den Pferden allein über den Haufen werfen.« Wie bekannt, bestieg der hannoversche Prinz Georg Ludwig im Jahre 17 14 als Erbe der Königin Anna den englischen Thron. Seit- dem ist Hannover bis 1837 stets von englischen Königen regiert worden, ohne deshalb je einen integrierenden Bestandteil des britischen Reiches gebildet zu haben. Die natürliche Folge dieses eigentümlichen Ver- hältnisses war, dass der Geschmack für englische Pferde schon im 18. Jahrhundert in Hannover Wurzel fasste. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts begann auch die staatliche Sorge für die Landespferde- zucht. Schon im Jahre 1732 waren Erkundigungen nach dem Stande des Stutenmaterials an der mittleren Weser, anscheinend der damals 07 — :)"->/ wichtigsten Zuchtgegend, angestellt worden und 1735 erhielt Oberjäger Brown, vordem vermutlich Huntsman der Hirschmeute in der Göhrde, nachdem er durch den gelungenen Ankauf von zwölf holsteinischen Hengsten fachmännische Befähigung an den Tag gelegt hatte, den Befehl, sich über einen ihm von der Kammer mitgeteilten Plan zur Er- richtung eines Gestütes in Celle gutachtlich zu äussern. Bald darauf, nämlich am 27. Juli 1735, wurde das Landgestüt zu Celle, die Grund- lage der hannoverschen Landespferdezucht, durch Resolution Georgs II, Königs von England und Kurfürsten von Hannover tatsächlich er- richtet. Seine Wirksamkeit begann das Landgestüt im Jahre darauf durch Entsendung von 14 Hengsten nach Deckstationen, von welchen acht im Hoyaschen und vier im Bremenschen lagen. Im Hoyaschen und in den Amtern Nienburg und Stolzenau hatte Brown 300 von ihm ausgesuchte Stuten für die Paarung vorgemerkt. Er berichtete, dass die Bauern dort noch mehr gute Pferde besässen, diese aber teilweise versteckt gehalten hätten, weil sie wegen des vorigen Landgestütes (über ein solches ist nichts in Erfahrung zu bringen gewesen) Miss- trauen gehegt. Als sie darauf versichert worden, dass sie frei über die Füllen verfügen könnten, seien sie mit dem Bekenntnis heraus- gerückt, dass sie noch weit bessere Pferde hätten. Die Züchter hatten für den Sprung einen Himten Hafer und für das lebende Füllen einen Taler zu bezahlen. In Celle wurden zunächst nur die für die Wesergegend bestimmten Hengste aufgestellt; die im Bremenschen stationierten blieben der weiten Entfernung wegen wäh- rend des HerJjstes und Winters dort. Die guten Erfolge des Landgestütes führten bald zu dessen Er- weiterung, so dass Browns Nachfolger Stegemann, ein früherer Kaval- lerieoftizier , als er 1748 die Leitung übernahm, 40 Beschäler vorfand. In den nächsten Jahren' schenkte König Georg II sieben Hengste, wo- durch zuerst englisches Blut in die Zucht kam und Stegemann im Jahre 1763 veranlasst wurde, einen Antrag auf weitere Überweisung derartiger Hengste zu stellen, deren Anschaffung von den Züchtern dringend gewünscht wurde. Bezeichnend für den Geschmack jener Zeit sind die Wünsche, die er mit Bezug auf die Beschaffenheit jener Hengste aussprach. Er beginnt damit, zu erklären, dass er am liebsten zwei Braune, zwei Füchse und zwei Schwarze haben möchte. »Sie dürfen aber,« fährt er fort, »keine Blessen und keine hohen, weissen Beine haben, es wäre denn nur etwas Weisses an den Hinterfüssen. Von — 5o8 — Grösse ii Quartier und 4 Zoll, denn zu gross können sie nicht sein. Sodann wohl aufgesetzt, auch womöglich von feinem Ramskopfe, nicht stark von jGanaschen, mit geradem- Rücken, guter Kruppe und ja nicht abhängendem Kreuze, von reinen, mageren, glatten und nervigen Beinen, kurz gekotet, auch mit den Hinterbeinen nicht zu weit gehend und ohne Ansatz zum Spat.« Der Siebenjährige Krieg hat, da seit dem Frühling 1758 die pferde- züchtenden Landesteile vom Feinde nicht heimgesucht worden waren, die Weiterentwicklung des Landgestütes nur wenig gestört. Der Hengste- bestand war allerdings von 60 bei Beginn des Krieges auf 40 herunter- gegangen, aber schon 1764 konnte Stegemann seinem Nachfolger, dem Stallmeister Elderhorst, 51 Hengste hinterlassen. Diese bildeten, wie zur damaligen Zeit nicht anders zu erwarten war, ein Gemisch der ver- schiedensten Rassen. Es befanden sich unter ihnen je ein Engländer und Spanier, zwei von neapolitanischer, drei von preussischer, 13 von dänischer und 31 von holsteinischer Abkunft. Mit diesen Hengsten wurden 32 Deckstationen beschickt, die sämtlich an der Weser, der Elbe und dem unteren Laufe ihrer Nebenflüsse lagen. Da die Be- schaffung einer grösseren Anzahl von Hengsten — man wollte den Stand auf 60 Stück erhöhen — auf Schwierigkeiten stiess, wurden von 1765 bis 1785 aushilfsweise auch solche aus dem königlichen Marstall in Hannover verwendet, für die es, nachdem der König in England residierte und das Land Hannover nie mit seiner Gegenwart beehrte, an regelmässiger Beschäftigung fehlte. Elderhorsts Nachfolger, Stallmeister Koch, der sein Amt im Jahre 1 790 antrat, kaufte nahezu ausschliesslich mecklenburgische Hengste. Nach Mecklenburg flüchtete er auch mit seinen 93 Pflegebefohlenen, als im Jahre 1803 die Franzosen das Land in Besitz nahmen. Für das Land- gestüt gestaltete sich diese Flucht zu einem nahezu vernichtenden Schlag, denn sie kostete es ein Drittel seines Bestandes. Nicht weniger als 60 Hengste mussten verkauft werden, um die Kosten für den Unter- halt der übrigen zu decken, mehrere krepierten auch und das Ende vom Lied ward, dass Koch nur mit 30 Stück nach der inzwischen zum Königreich Westfalen geschlagenen hannoverschen Heimat zurück- kehrte. Unter der Herrschaft des Königs »Und Morgen wieder lustik« fristete das Landgestüt, wie auch die ganze hannoversche Zucht, ein kümmerliches Dasein. Bessere Zeiten traten erst wieder ein, als das 18 14 auf dem Wiener Kongress zum Königreich erhobene und durch — 509 — Ostfriesland, Meppen, Lingen und das nördliche Eichsfeld vergrösserte Hannover, befreit von der Fremdherrschaft, sich aufs neue ungestört der friedlichen Arbeit widmen konnte. Von nun an ging es rasch vorwärts. hii Jahre 1818 betrug die Zahl der Hengste bereits 1 10 und als König Ernst August 1837 den von der Verbindung mit England ge- lösten Thron bestieg, war sie auf ca. 130 gestiegen. Die Leitung des Landgestütes hatte seit 18 16 in der Hand des Vize-Oberstallmeisters V. Spörcken gelegen. Wie behauptet wird, soll dieser Fachmann, der sich durch Verbesserung und Erweiterung der zum Landgestüte ge- hörenden Baulichkeiten und auch sonst grosse Verdienste um die Hebung der hannoverschen Landespferdezucht erworben, ein wenig zu weit in der Verwendung des englischen Blutes gegangen sein, was angeb- lich zur Folge gehabt, dass die Pferde zu leicht und heftig für den gewöhnlichen Gebrauch wurden. Jedenfalls hat nicht er, sondern sein Bruder, der ihn 1839 ersetzte, den Namen v. Spröcken mit goldenen Lettern in die Annalen des Landgestüts eingeschrieben und muss es als ein grosses Glück für die Zucht des Landes Hannover bezeichnet werden, dass dieser ausgezeichnete Fachmann bis 1866 das Szepter in Celle geführt hat. König Ernst August beseitigte die im Jahre 1814 wieder ein- geführte Verwendung von Hengsten aus dem jetzt von ihm selbst be- nötigten Marstall, schenkte aber dem Landgestüte 26 Hengste und er- höhte dessen regelmässigen Stand auf 210. Doch auch mit dieser Zahl konnte dem Bedürfnisse bald nicht mehr entsprochen werden und wau'de sie daher vielfach überschritten. Von den 185Q vorhandenen 224 Hengsten waren 63 eingeborene Hannoveraner, 69 Mecklenburger, 29 Preussen und 63 Engländer; 39, davon 31 Engländer, waren Voll- blut. Unter den 113 Hengsten vom Reit-, Jagd- und Soldatenschlage befanden sich 51 hannoverscher, 42 mecklenburgischer, 13 preussischer, 7 englischer x\bstammung; unter den 56 vom Wagenschlage 8 von hannoverscher, 27 von mecklenburgischer, 10 von preussischer und II von englischer Herkunft. Von den 16 Hengsten des schweren Zug- und Arbeitsschlages waren je i Hannoveraner und Preusse und 14 Eng- länder. Diese Hengste waren damals auf 65 Deckstationen verteilt. Obwohl die vorhandenen Landbeschäler jährlich 12000 bis 13000 Stuten deckten und 8000 bis 9000 Fohlen lieferten, vermochten sie doch der Nachfrage nicht zu genügen. Infolgedessen musste auf eine beträcht- liche Anzahl Privatbeschäler zurückgegriffen werden. Die Tätigkeit — 5IO — dieser Hengste wurde mm auch der staatlichen Aufsicht unterworfen und erliess die Regierung zu diesem Zwecke strenge Körordnungen, durch welche ungeeignete Elemente von der Zucht ausgeschlossen werden konnten. Eine solche Körordnung war in Ostfriesland schon 1756 unter der preussischen Herrschaft erlassen worden; 1860 wurde sie hier auf Stuten ausgedehnt. Die übrigen Provinzen, mit Ausschluss des Harz, erhielten ihre Körordnung im Jahre 1844. Die Zucht lag von jeher und liegt noch jetzt fast ausschliesslich in den Händen bäuerlicher Grundbesitzer, die ihre Mutterstuten zur Ackerarbeit verwenden. Gewöhnlich wird die Stute vom Bauer oder dessen Söhnen gepflegt und gefahren. Diese Sitte bringt den unschätz- baren Vorteil mit sich, dass die Stuten nicht in die Hände roher Knechte kommen und infolgedessen ein verhältnismässig wertvolles Stutenmaterial sowohl zur Zucht, als auch zur Arbeit benützt werden kann. Dagegen ist "der Bauer nur ausnahmsweise in der Lage, sich mit der Aufzucht seiner Fohlen zu befassen. Er sieht sich daher meistens genötigt, diese schon als Saugfohlen an die Händler oder die Vertreter fremder Zuchtgenossenschaften abzugeben. Diese Verhältnisse haben einen sehr lebhaften Handel mit Saugfohlen ins Leben gerufen, der besonders in den ackerbautreibenden Gegenden im Schwung ist, wohingegen die Fohlen in den mit guten Weiden versehenen Gegenden, wie Kehdingen, Hadeln und Ostfriesland bis zum Alter von drei Jahren bei ihren Besitzern verbleiben. Die grösste Ausdehnung hat der Fohlen- handel in den besseren Zuchtdistrikten an der Elbe, Weser, Aller und Leine erhalten. Früher wurden beinahe nur Hengstfohlen verkauft, die wertvolleren Stutfohlen aber zur Ergänzung des Stutenstammes behalten. Der bessere Züchter wenigstens betrachtete es als eine Ehrensache, gute Stutfüllen nicht fortzugeben, und eine bewährte Zuchtstute zu ver- kaufen, galt als eine wahre Schande. Während der letzten fünfzehn Jahre aber hat der früher unerhörte Verkauf weiblichen Zuchtmaterials stetig zugenommen. Dass die hannoversche Pferdezucht so viel geeig- netes weibliches Material ohne Nachteil entl^ehren könnte, erscheint zum mindesten sehr zweifelhaft. Die Mehrzahl der zum Verkauf gelangenden Fohlen wandert nach Mecklenburg, Sachsen, Thüringen und Schweden. Wie Professor Dr. Simon von Nathusius-Jena in Erfahrung gebracht hat, betrug der Durchschnittspreis für 593 im Jahre 1905 geborene und verkaufte Fohlen rund 400 Mk. Viele dieser Fohlen sind aber weit teuerer gewesen. - 511 — 124 Hengste und 33 Stuten haben 500 Mk. oder mehr gekostet. Mit 600 Mk. und mehr wurden bezahlt 61, worunter auch noch 8 Stuten waren. Den höchsten Preis, 900 Mk., brachte ein Hengstfohlen der Station Kehdingljruch, zwei andere kosteten 800 Mk., während 11 für 700 bis 800 Mk. Besitzer wechselten. (Siehe »Einige Mitteilungen aus der hannoverschen Pferdezucht«, von Professor Dr. Simon v. Nathusius- Jena, Zeitschrift für Gestütkunde, Heft 14, 1906.) Gestüte hat es, wie bereits erwähnt, mit Ausnahme eines König- lichen und eines Gräflich Bernstorffschen zu Gartow bei Lüchow, in Hannover nie gegeben. Das erstere, zu Herrenhausen bei Hannover, besteht noch und ist jetzt im Besitz des Herzogs von Cumberland, der dort Pferde für seinen Marstall züchtet. Herrenhausen hat eine recht ruhmreiche Vergangenheit. Zu europäischer Berühmtheit gelangte dieses Gestüt durch die Züchtung zweier interessanter Stämme: die Weiss- geborenen und die Isabellen. Erstere wurden unter König Georg II (1730 — 1740) auf dem früheren königlichen Gestüte Memsen ins Leben gerufen. Der ursprüngliche Stamm verdankte seine Entstehung dem Schimmelhengste Augustus V, einem 1730 aus England importierten Berberhengst »Le barbe blanc«, einer von einem braunen Berber- hengste namens Cäsar gezogenen Grauschimmelstute des Reitschlages und einigen sehr leichten Schimmel- und Isabellenstuten. Hierzu kamen später noch etliche durch Kauf oder Tausch angeschaffte dänische Stuten. Die angestrebte schneeweisse Farbe wurde jedoch erst nach langjährigen Bemühungen erzielt und dauernd fixiert. Obgleich Augustus V als Stammvater der weissgeborenen Schimmel- familie angegeben wird, haben doch die in dem damaligen dänischen Gestüte Fredriksborg angekauften weissgeborenen Hengste viel zur Fixierung der gewünschten Rasseeigentümlichkeit beigetragen. Dies gilt besonders von dem dänischen Hengste »Le Blanc«, der im Jahre 1746 nach Memsen kam und dort die ersten Weissgeborenen von reiner Schimmelfarbe erzeugte. Das Gestüt zu Memsen wurde 1838 aufgelöst und dessen Zuchtmaterial nach Neuhaus gebracht. Als aber auch dieses Gestüt sechs Jahre später zur Auflösung gelangte, kamen sämtliche Pferde nach Herrenhausen, wo diese Zucht indessen auch schon niedergelegt worden ist. Die Isabellen-Familie stammte von Hengsten und Stuten spanischer Rasse her, jedoch dürfte sie auch neapolitanisches Blut in ihren Adern pfehabt haben. — 512 — Diese Schimmel und Isabellen wurden vordem sowohl in Hannover, wie auch in England von der königlichen Familie zu Galaauffahrten benützt, bei welchen Gelegenheiten sie in ihrem roten Geschirr einen sehr bestechenden Eindruck machten, hn königlich englischen Marstalle Fig. 72. Hengst der Isabellen-Familie aus dem königlich englisclien Marstall. befanden sich noch zur Zeit der Königin Victoria stets zwei aus Herren- hausen bezogene Schimmel- und Isabellenzüge. Letztere, »The Oueen's cream-coloured Hanoverian stallions«, (siehe Fig. 72, einen solchen Hengst darstellend), waren in London überaus populär und be- dauert der Londoner Spiessbürger gewiss aufrichtig, dass sie nach dem Tode des Prinzen Albert abgeschafft wurden. Das Gestüt Herrenhausen hat jedoch seinen erhabenen Besitzern — 513 — nicht nur imposante Galapferde geliefert, sondern sind, dort in den letzten 40 Jahren genau 200 Landbeschäler gezogen worden. Von diesen waren 7 englisch Vollblut, unter welchen Adeptus, F,-H., geb. 1880, von Adonis, a. d. Liane, v. Blenheim, sich als Zuchtpferd vorzüglich I )ewcährt hat. Die anderen waren sämtlich hannoversches Halbblut. Von den 200 Herrenhausener Landbeschälern kamen 144 nach Celle, die übrigen gingen nach anderen preussischen und deutschen Gestüten. Vollblut hat übrigens in Celle schon sehr lange und in grossem Umfange Verwendung gefunden. Mit Bezug hierauf sei erwähnt, dass der >^Deutsche Sport« im Jahre 1893 ein ihm vom Landstallmeister Dr. Grabensee-Celle zur Verfügung gestelltes Verzeichnis veröffentlichte, das die Namen von 200 von 1825 — 1893 in Celle tätig gewesenen Voll- blutbeschälern enthielt. Der erste in dieser Liste war ein Hengst namens >'.Dick Andrews, geb. 181 1 in England, v. Dick Andrews, a. d. Miss Watt, V. Delpini; den Schluss bildeten die von der Rennbahn her wohlbekannten Hengste Durchgänger, Hortari, Peter, Grobian und Eckehart. An edlem Blut hat es also in Hannover nie gefehlt. Diesem Llm- stande ist es gew^iss nicht in letzter Linie zuzuschreiben, dass Hannover als Remonteprovinz heute nur hinter Ostpreussen zurücksteht. Mit der alleinigen Ausnahme von jener Hochburg der deutschen Remontezucht vermag kein anderer Landesteil der Armee so viele und gute Remonten zu liefern. Ln Jahre 1906 z. B. verkaufte Hannover von 2710 vorgestellten Remonten I07,s, d. i. 40%. Über die Remonten in der Provinz Hannover hat der Vorsitzende des hannoverschen Rennvereins, General der Kavallerie z. D. Freiherr V. Troschke, 1901 eine Arbeit veröffentlicht, der ich folgendes Urteil üljer die hannoverschen Remonten entnehme: »Nicht allein das Material auf den Schauen, sondern auch die Remonten sind in den letzten zehn Jahren entschieden besser geworden. Wenn auch in den früheren Jahren in Hannover schon starke Pferde als Remonten gekauft wurden, die sich für Kürassiere und Artillerie- zugpferde, I^esonders Stangenpferde eigneten, so standen sie doch ent- schieden denen zurück, die jetzt angekauft werden. Die Pferde sind in ihren Formen jetzt edler und korrekter, man lindet bessere Schultern, mehr Widerrist, bessere Rücken, besser gestellte Beine mit starken Röhren und deutlich ausgeprägte Sehnen; vor allen Dingen ist aber der Gang schwunghafter und regelmässiger. Ganz wesentlich gebessert haben sich die Remonten, die für L^lanen, Dragoner und Husaren an- Wrangel, Die Rassen des Pferdes. J. 33 — 514 — gekauft werden. Früher machten die Pferde für leichte Kavallerie den Eindruck, als wenn es Zufallsprodukte, klein gebliebene Pferde gewesen seien, die meist einen wenig ausgeprägten Widerrist hatten. Jetzt da- gegen sind es Pferde, die für die genannte Waffe ganz besonders ge- eignet erscheinen und den Ostpreussen nicht nachstehen werden. Sehr gute Remonten waren die, die von den Vollbluthengsten Adeptus, Kingdom, Hortari, Loisir und Veronius abstammten. Für die Re- montezucht erscheint es sehr notwendig, wieder eine grössere Anzahl Vollbluthengste für das königliche Landgestüt ausfindig zu machen, die sich für die Zucht des Soldatenpferdes eignen.« Über die Frage, ob es geraten erscheine, eine stärkere Benützung von Vollblut in Celle eintreten zu lassen, herrschen nun allerdings ge- teilte Ansichten. Diejenigen Fachleute, die das hannoversche Pferd von dem ihm noch immer anhaftenden Verdachte [der Weichheit be- freien und ihm zu diesem Zweck etwas mehr Adel, Schnelligkeit und >Nerv« verleihen möchten, stimmen, wie General v. Troschke, unbedingt für eine ausgiebigere Zuführung von Vollblut, Andere, ebenfalls an- gesehene Fachmänner, sind dagegen entschieden für eine Vermehrung der Stärke und Schwere beim Hannoveraner. Das Ideal dieser Herren ist ein Hengst, der wie der berühmte Celler Landbeschäler Schlucker ein Gewicht von nahezu 15 Zentner und eine Röhrbeinstärke von 24 cm aufzuweisen vermag. Mit solchen Hengsten, meinen sie, werde man sehr viel eher und länger der Kaltblutbewegung gegenüber un- bestritten Herr der Situation bleiben, als wenn man immer nur auf Blut und Adel Wert lege. (Siehe »Einiges über die Celler Hengste«, von Dr. Simon v. Nathusius-Jena in der Zeitschrift für Gestütkunde, Nr. 10, 1906.) Ja gewiss, gegen die Kaltblutbewegung liesse sich in Hannover mit Hengsten des Schlucker - Typus wohl eine Zeitlang ankämpfen. Gleichzeitig aber würde Hannover unfehlbar aufhören, eine Remonte- provinz zu sein. Meiner Überzeugung nach bekäme es dann binnen kurzem einen Pferdeschlag, der weder zum Warmblut, noch zum Kalt- blut gezählt werden könnte und infolgedessen auch nach keiner Rich- tung hin volle Befriedigung schenken würde. Wenn es aber einmal soweit gekommen, hätten die Kaltblut-Enthusiasten freie Bahn und die blühende hannoversche Warmblutzucht wäre für immer vernichtet. Leider hat es den Anschein, als ob man in Celle bestrebt sei, die Benützung von Vollbluthengsten immer mehr zu beschränken. Diese — =;l r>A.i hat nämlich, wie aus nachstehender Tabelle zu ersehen ist, seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts stetig abgenommen. Es standen in Celle: im Jahre Landbeschäler darunter Vollblüter I 840/1 199 64 1845/6 208 64 I 850/1 212 51 1855/6 221 40 I 860/1 222 37 1865/6 227 33 1870/1 184 ^5 1875/6 221 21 I 880/1 199 19 1885/6 210 16 I 890/1 211 14 1895/6 236 16 1905 271 12 Ganz unberechtigt scheinen demnach die Befürchtungen derjenigen Kreise, die, wie der General v. Troschke, keine »Versimpelung« des hannoverschen Pferdes eintreten lassen wollen, nicht zu sein. Es lässt sich eben das Faktum nicht aus der Welt schaflten, dass das hannover- sche Pferd ein Produkt der Niederung ist und den Charakter eines Niederungspferdes um so weniger wird gänzlich abstreifen können, als die von dem ausgleichenden Effekt der Kraftfuttermittel nur wenig Ge- brauch machende landesübliche Aufzucht nicht geeignet erscheint, ohne ausgiebige und anhaltende Blutzufuhr auf derartigem Boden ein hartes, leistungsfähiges Pferd zu erzeugen. Oberlandstallmeister Graf Lehn- dorff erklärte sogar während der Verhandlungen der Kommission zur Förderung der Pferdezucht in Preussen im Monat Mai 1881: »dass das im Hannoverschen aufgezogene Pferd trotz der Zuführung des Voll- bluts nie so zäh und ausdauernd wie das litauische werden könne. Dieses sei Höhenpferd, das hannoversche aber Niederungspferd.« Der Schwerpunkt der hannoverschen Pferdezucht liegt sowohl quantitativ wie qualitativ in der Landdrostei Stade; speziell zeichnen sich die Elbe- und Wesermarschen durch die Produktion eines starken und ziemlich edlen Pferdes aus. Im sogen. Alten Lande, im Amte Kehdingen, im Lande Hadeln und Wursten, besitzen die Pferde viel Masse, während - 5i6 - die des Herzogtums Verden mehr durch Adel glänzen. Hier trifft man auch die schönsten Mutterstuten. In diesen Gegenden werden nur königliche Landbeschäler zur Zucht verwendet. (Siehe Fig. 74. Hengst hannoverscher Zucht.) \m Regierungsbezirk Osnabrück, wo seit alter Zeit hauptsächlich Privathengste gedeckt haben, lässt die Zucht dagegen noch viel zu Fig. 73. Hannoverscher Typus: Fuchs-Stute v. Adeptus X X Aus der Zeitschrift »Sankt Georg«, wünschen übrig. Es ist dies der Produktionsort einer eigentümlichen, aus lauter Rappen bestehenden Rasse, dem sogen. Drentherpferde, dessen Stammväter holländische Hengste aus der niederländischen Pro- vinz Drenthe gewesen. Dieser Schlag versieht, wie bereits Seite 474 erwähnt worden, England mit Leichenpferden. Ostfriesland hat von jeher eine hippologische Ausnahmestellung eingenommen. Im Mittelalter wurde dort ein starkes, schweres Streit- ross gezogen, das allmählich die Form eines starken Wagenpferdes mit mehr Masse als Adel angenommen hat. Dass diese Provinz ihrer Pferde- zucht schon in älterer Zeit eine sorgfältige Pflege hat angedeihen lassen, beweist unter anderem die im Jahre 1755 erschienene Körordnung. Im Zusammenhang mit dieser mehrfach verbesserten, zuletzt im Jahre 1876 neu erlassenen Körordnuno- stand und steht noch heute eine liberale Prämi- Fig. 74. Hengst hannoverscher Zucht. ierung, die von grossem Nutzen gewesen ist. Ostfriesland empfing früher gar keine Landbeschäler aus Celle, sondern hielt eigene Be- schäler. In neuerer Zeit sind jedoch auch in Ostfrie.sland mehrere Be- schälstationen errichtet worden. Alle diese Massregeln haben dazu bei- getragen, die Zucht in Ostfriesland zu heben und da nun auch die Absatzverhältnisse durch den alljährlich Ende Januar zu Aurich statt- findenden mit Körung verbundenen Hengstenmarkt, auf welchem ca. 3C0 bis 400 dreijährige und ältere Hengste vorgeführt zu werden pflegen, - 51« - wirksam gefördert worden sind, nimmt Ostfriesland, was die Pferdezucht betrifft, entschieden einen bevorzugten Standpunkt ein. Für die Re- montelieferung kommt das pferdereiche Ostfriesland allerdings nur wenig in Betracht. Dies findet seine Erklärung in dem Umstände, dass die dortigen Pferde zu schwer sind und höchstens bei der Artillerie Ver- wendung finden können. Da aber, wie General v. Zobel sehr richtig bemerkt, die Artilleriepferde im Frieden auch zum Reitunterricht der Fahrkanoniere gebraucht werden und deshalb hierzu geeignet sein müssen, ist die Ausbeute nur gering. Dagegen werden die ostfriesischen Pferde bei einer Mobilmachung ein vorzügliches Material abgeben. Zur Förderung der Warmblutzucht Hannovers wurden im Jahre 1888 das hannoversche und 1897 das ostfriesische Stutbuch gegründet. Als das Zuchtziel wurde in dem 1893 erschienenen ersten Bande des hannoverschen Stutbuches aufgestellt: »Ein möglichst starkes, edles Halbblutpferd, das in leichteren Exemplaren ein starkes Reitpferd, in schwereren einen mittelstarken Karrossier abgibt oder vom Standpunkt der Remontierung der Armee aus l^etrachtet, ein Kürassier- oder Artillerie- stangenpferd repräsentiert.« Zur Aufnahme in das Stutbuch sind nur solche erbfehlerfreie Stuten berechtigt, von denen ausser dem eigenen Vater auch der Vater der Mutter und der Vater der Grossmutter sicher als von homogenem Stamme nachweisbar sind. Die einzutragende Stute muss im laufenden Jahre gedeckt sein. Ohne weitere und nähere Prüfung durch die Stutbuchkommissi(»n können alle diejenigen Stuten in das Stutbuch aufgenommen werden, die auf Staatsprämien-Schauen der Provinz Hannover Prämien erster Klasse erhalten haben. Töchter eingetragener Stuten werden nur dann im vStutbuch als Mutterstuten x\ufnahme finden, wenn sie von Hengsten abstammen, die von der Stutbuchkommission als ebenbürtig erklärt worden sind, das erste lebende Fohlen zur Welt gebracht haben und von der Stut- buchkommission zur Eintragung für geeignet gehalten werden. Als ebenbürtige Hengste gelten: a) alle erb fehl er freie Vollbluthengste; b) die in den königlichen Hauptgestüten aufgestellten Beschäler; c) alle im Celler Landgestüte und sonst innerhalb der Provinz Hannover befindlichen fehlerfreien, in Bezug auf Exterieur den Ansprüchen der vStutbuchkommission genügenden, edlen Halbblut- — 519 — hengste, deren ebenbürtige, kaltblutfreie Abkunft nachgewiesen ist. Ausnahmen sind auf Beschluss der Stutbuchkommission zulässig. Im ostfriesischen Stutbuch wird als Zuchtziel bezeichnet: »die Er- zeugung eines starken, edlen, leicht lenkbaren Wagenpferdes, das sich bei angemessener Ernährung so frühzeitig entwickelt, dass es schon im jugendlichen Alter zu leichteren landwirtschaftlichen Arbeiten benützt werden kann, dadurch im dritten Lebensjahre sein Futter voll verdient und einen Teil seiner Aufzuchtskosten deckt. Im Alter von 3 — 3 1/2 Jahren soll die Entwicklung so weit fortgeschritten sein, dass das Tier vom Händler als volljährig abgenommen und mit den Preisen eines guten Karrossiers bezahlt wird.« Zur Aufnahme in das ostfriesische Stutbuch gelangen dreijährige und ältere Stuten, die vorstehendem Zuchtziele entsprechen. Der Brand des ostfriesischen Stutbuches besteht aus einem O mit darüber befindlicher Krone. Im Regierungsbezirk Aurich .werden auch an die besten jungen Hengste und Stuten des Bezirks sogen. Angeidprämien verteilt. Diese Hengste können dann, sobald sie das Alter von vier Jahren erreicht haben, bei [den alljährlich Ende August oder Anfang September in Aurich stattfindenden Hauptprämiierungen zur Bewerbung vorgeführt werden. Durch die Annahme eines Angeldes wird der Hengstenbesitzer verpflichtet, den Hengst zwei Jahre, durch die Annahme einer Prämie sechs Jahre in Ostfriesland zu belassen. Wird der Hengst vor Ablauf dieser Termine ins Ausland verkauft, so ist ausser Rückzahlung des Angeldes bezw. der Prämie eine Strafe von 300 Mk. zu entrichten und, wenn die Prämie den Betrag von 6co Mk. überstieg, die halbe Prämie zurückzuzahlen. An die besten in das ostfriesische Stutbuch eingetragenen jungen Stuten werden [Angeidprämien unter der [Bedingung erteilt, dass sie zW'Ci Jahre hintereinander zur Zucht benützt und von einem im Stut- buch eingetragenen Hengst gedeckt* werden. Zur Bewerbung bei der Hauptprämiierung sind nur solche mit Angeld beteilten Stuten berech- tigt, die mit zwei durch das Stutbuch nachweisbar von ihnen abstam- menden Fohlen vorgeführt werden. Die Annahme einer Hauptprämie verpflichtet den Stutenbesitzer, die Stute vier Jahre lang von einem im ostfriesischen Stutbuch eingetragenen Hengst decken zu lassen. Der Nachweis der Abkunft wird seitens des Landgestüts auf Grund — 520 — genau geführter Register mittelst eines Abstämmlings- und Geburts- Zertifikates — des sogen. Füllenscheins — für jedes von einem könig- lichen Hengste erzeugte Fohlen gegeben. Dieser Füllenschein enthält ein auf Ptiicht und Diensteid genau angegebenes Signalement des be- tretenden Füllens nach Haar und Abzeichen, den Nachweis der Abkunft durch so viele Generationen, als amtlich feststeht und das Datum der Geburt. Für Füllen von Vollbluthengsten werden diese Füllenscheine in blauer Farbe, für Füllen von Halbbluthengsten und Stuten nach- gewiesener Abkunft in roter Farbe und für Füllen von Halbbluthengsten und Stuten unbekannter Abkunft in weisser Farbe ausgefertigt. Das Mecklenburgische Pferd. Fritz Reuters Heimat steht bei vielen nicht gerade zu den »Nörg- lern ^x gehörenden Leuten in dem Rufe, keine Pflegestätte für soziale Reformen zu sein. Was man aber auch in politischer Beziehung gegen die dort wehende Luft einwenden mag, den Pferden be- kommt sie entschieden ganz vorzüglich. Ich kenne überhaupt — England, die Normandie und Südskandinavien ausgenommen — keine »Scholle«, die sich in so hohem Grade wie Mecklenburg zur Aufzucht edler und starker Pferde eignet. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erfreute sich auch bekanntlich das mecklen- l)urgische Wagenpferd eines hohen x^nsehens. »Heute,« schreibt Graf V. Bernstorff in seiner 1878 erschienenen Broschüre »Die Mecklenburg- ische Pferdezucht , »gehört es zu den Seltenheiten, einen Karrossier zu finden, der nicht seine Herkunft dem Nachbarlande Hannover verdankt, während die hannoversche Pferdezucht zurzeit den Stand- punkt noch nicht erreicht hat, den die mecklenburgische bereits vor einem halben Jahrhundert behauptete.« Tatsächlich gab es zu Anfang der 1840er Jahre fast kein Gut im Lande Mecklenburg, auf welchem nicht 6, 8 bis 10 und mehr Mutterstuten gehalten wurden. Auf vielen Gütern waren ganze Gestüte, teils Vollblut, teils Halbblut, die alle einen Hengst guter Klasse als Beschäler hielten. Unter den Vollblutgestüten seien hier genannt das des Grafen Hahn-Basedow, Graf Plessen-Ivenack, Baron Biel-Zierow, Graf Bassewitz-Prebberede, Graf Schlieften-Schlieffen- berg u. s. w. Eine vorzügliche Halbblutzucht wurde betrieben im Grossherzoglichen Hauptgestüt Redefin, wie auch in Ivenack und in den Gestüten der Herren Levetzow-Markow, Graf Bassewitz-Prebberede, — 521 — Graf Bernstorff- Wedendorf, Mecklenburg- Gehmkendorf, v. Blücher- Suckow, Graf Blücher-Finken, Graf Blücher-Blücher, v. Zeppelin-Appel- hagen, v. Ferber-Heller, Jacobsen-Klenz u. m. a. An Vollbluthengsten herrschte damals auch kein Mangel. Ich erinnere hier nur an folgende \"aterpferde, deren Namen in den Annalen der mecklenburgischen Pferdezucht häufig und mit Ehren genannt werden: Figaro, br. H., gez. 1819, v. Haphazard, a. e. Selim-Stute. Grev Momus, Sch.-H., gez. 1835, v. Comus, a. e. Cervantes-Stute. Blackdrop, br. H., gez. 1840, v. Physician, a. d. Zabetta, v. Langar. Robin Ho od, schw. H., gez. 1818, v. Mulev, a. d. Miss Witch, v. Sorcerer. Wildfire, br. H., gez. 1816, v. Waxy, a. d. Penelope, v. Trumpator. Taurus, F.-H., gez. 1826, v. Phantom oder Morisco, a. d. Katherine, v. Soothsayer. Satirist, br. H., gez. 18 v8, v. Pantaloon, a. d. Sarcasm, v. Teniers. Morisco, Ijr. H., gez. 1819, v. Mule}-, a. d. Aquilina, v. Eagle. Y. Muley, schw. H., gez. 1828, v. Muley, a. d. Miss Wasp, v. Waxy. Unter den Faktoren, denen Mecklenburg diesen glänzenden Stand- |)ankt seiner Landespferdezucht zu verdanken hatte, sei zunächst die im Jahre 1812 erfolgte Errichtung des Redefiner Landgestüts erwähnt, das teils aus dem daneben bestehenden Hauptgestüte, teils durch Ankäufe, teils durch Einführung englischen Vollbluts rekrutiert wurde. Von günstigem Einliuss auf die Pferdezucht erwiesen sich ferner: die niedrige Stufe, auf der die Landwirtschaft in Mecklenburg zu Anfang des vorigen Jahr- hunderts stand, der Reichtum an Weiden und Hutungen gegenüber der Körner tragenden Fläche des Bodens, die kommunale Bewirtschaftung der grossen zu Bauerrecht verliehenen Flächen des Domanii und da- mals auch noch teilweise der Ritterschaft, der ausgedehnte Anbau von Hafer und Weidepflanzen gegenüber dem Anbau von anderen Cerealien, die weniger intensive für die Gespanne schonendere Weise der Be- ackerung, sowie überhaupt die primitiven landwirtschaftlichen Verhält- nisse. Ausserdem erliess die Regierung sehr zweckmässige Verord- nungen zur Förderung der Landespferdezucht. In der Verordnung vom 20. Januar 1828 wurde z. B. bestimmt, dass alle Stuten, deren Be- deckung durch Landgestüthengste gewünscht würde, im vorhergehenden Jahre dem Gestütsbeamten zur Besichtigung vorgeführt werden und erst nachdem ihre Zulässigkeit vom Gestütsrossarzt bestätigt worden, in das Beschälregister für das nächste Jahr eingetragen werden sollten. Um auch die Vererbungskraft der Hengste kennen zu lernen, mussten die Gestütsbeamten aber ausserdem nach der Abfohlung sämtliche Stuten mit Fohlen besichtiofen und truof dies selbstverständlich mit dazu — 522 — bei, den Einfluss der Gestütsleitung auf den Zuchtbetrieb zu befestigen. In einer anderen Verordnung wurde nachdrücklichst betont, dass bei der Zucht alles auf die Haltung guter Stuten ankomme und die Bauern deshalb dahin zu belehren seien, geeignete Stutfüllen nicht zu verkaufen. Die Landgestütordnung verbot den Domanialeingesessenen auch ihre Stuten anders als von Landbeschälern decken zu lassen oder gar selbst Hengste zu halten. (Siehe »Die Mecklenburgische Pferdezucht« von A. Graf v. Bernstorff.) Dank diesen und anderen Verfügungen blieb die Leitung der ganzen domanialen Pferdezucht in der Hand des Landgestütdirektors, und so entstand in den besseren Landesteilen ein vorzüglicher Stamm grosser, starker und gängiger Mutterstuten, die sich ebensogut zur Veredlungszucht wie zur Produktion tüchtiger Arbeitspferde eigneten. Mit diesen Stuten konnten die in genügender Zahl vorhandenen wert- vollen Zuchthengste Reitpferde und Karrossiers bester Gattung erzeugen. Vor 40 Jahren, d. i, 1867, war es denn auch noch möglich, bei Errich- tung des 2. mecklenburgischen Dragonerregiments den Etat des i. Regi- ments von 480 Pferden auf den Etat beider Regimenter von 1350 Dra- gonerpferden und 25 Chargenpferden, also in Summa 1375 Stück zu bringen und die daran fehlende Zahl von 875 Pferden in einem Jahre, allein in Mecklenburg (mit Ausnahme von 40 englischen und ebenso- viel galizischen Pferden) also rund 800 Pferde, anzukaufen. Diese Pferde waren sämtlich volljährig, edel, gesund und vom rechten Reit- pferdetypus. In dem bald darauf ausbrechenden französischen Kriege 1870 und 1871 haben sie wiederholt bewiesen, dass Mecklenburg da- mals die Heimat eines ausserordentlich leistungsfähigen Soldatenpferdes war. Leider gelten da die Einleitungsworte zu den meisten Märchen »Es war einmal«. Im Jahre 1904 kaufte die preussische Remontekom- mission in Mecklenburg-Schwerin nur 690 und in Mecklenburg-Strelitz gar nur 140 Pferde an und von diesen war nur ein kleiner Teil Er- zeugnisse des eigenen Landes. Was die beiden Grossherzogtümer Mecklenburg erzeugen, ist eben nicht mehr das altbekannte und berühmte »mecklenburgische« Pferd, sondern hat seinen Ursprung in Hannover und Holstein und besteht zum Teil (unter Beimischung von Vollblut) aus einer Kreuzung dieser beiden Schläge. (Siehe auch den Artikel »Die Remontierung der deutschen Armee 1904«, von Generalmajor E. Zobel im Militär- Wochenblatt Nr. 25, 1905.) Die Blütezeit der mecklenburgischen Pferdezucht erstreckt sich — 523 — kaum über die vierziger Jahre hinaus. Als Ursachen des Verfalls sind in erster Reihe zu bezeichnen: die allmählich erfolgende Aufhebung der alten Landgestütorganisation mit ihren Stutenschauen, Füllenschauen, Registerführung, Deckzwang u. s. \v., die im Jahre 1848 eingeleitete Parzellierung der Gemeindeweiden, die Zunahme des Korn- und Hack- fruchtbaues, der überhandnehmende Verkauf der besten Stutfüllen, die Aufstellung schwerer englischer und französischer Kaltbluthengste und die Verwendung vieler zur Halbblutzucht nicht geeigneter Vollbluthengste. Was die vielfach als einzige Ursache des Verfalles bezeichnete Verwendung von zur Halbblutzucht nicht qualifizierten Vollbluthengsten anbelangt, meint Graf Bernstorff, dass dieser Fehler kein irreparabler gewesen wäre, wenn man noch die alte Organisation des Landgestüts gehabt und die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eine den Interessen der Pferdezucht schnurstracks zuwiderlaufende Gestaltung angenommen hätten. ^Immerhin richtete die übertriebene und unrichtige Verwendung von Vollblut viel Schaden an. Hierüber äusserte sich im Jahre 1893 ein offenbar sehr sachkundiger »Einsender« in den Mecklen- burger Nachrichten wie folgt: »Den ersten Anstoss zum Rückgang der Pferdezucht gab die Voll- blut-Manie. Viele, leider zu viele Züchter stürzten sich ohne Überlegung auf Vollblut. Es war ihnen ganz egal, ob passend oder nicht, ob fehler- haft oder gesund, gerade- oder schief beinig, nur Vollblut musste es sein. Die Folgen kamen bald: klein, fein, fehlerhaft, kein Ertrag, nur Kosten. Und so schwand die Liebe zur Zucht. Dazu trat dann noch der Eingang der besseren Gestüte, teils wegen Tod der Besitzer, teils aus anderen Gründen. Den Anfang machte jMarkow, das 1842 ver- auktioniert wurde. Hierdurch gingen der Umgebung zwei gute Hengste, Feldmarschall und Admiral, |verloren. Bald darauf folgte Prebber- ede. Im Jahre 1844 oder 1845 wurde das weit über Deutschlands Grenzen hochberühmte Ivenacker Halbblutgestüt auf der Güstrower Tierschau versteigert und ging in alle Winde. Bemühungen einzelner, wie V. Ferber-Helle und v. Klingrefif, einiges vom Ivenacker Stamm zu retten, hatten keinen Erfolg. Das Jahr 1848 brachte die Auflösung des im Jahre 1810 errichteten Redefiner Hauptgestüts. Unter den Hammer kamen bei dieser Gelegenheit nicht weniger als 29 Mutterstuten, dar- unter 10 Vollblutstuten, 47 Stück junge Nachzucht und 15 ausgemusterte Beschäler, also im ganzen 91 Pferde. Nach Aufhebung des Haupt- gestüts errichtete der Grossherzog allerdings in Rabenstein feld ein — 524 — Privatgestüt, wo zuerst auch Rennpferde orezüchtet wurden, doch ist dieses im Jahre 1883 ebenfalls aufgelöst worden. Geradezu vernichtend für die warmblütige Pferdezucht in Mecklen- burg erwies sich ferner die vom damaligen Oberlandstallmeister Frei- herrn V. Maltzahn zu Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahr- hunderts bewirkte Aufstellung einer grossen Anzahl von Suftblk-Hengsten im Redefiner Landgestüt. Alle Stationen ijekamen Sufifolk-Hengste. Im Jahre 1872 bestand fast die Hälfte des Redehner Hengstenbestandes aus Suffolks. »Diese Hengste, an und für sich schon schreckliche Tiere, produzierten eine geradezu haarsträubende Nachzucht und ruinierten den letzten Rest der Stuten bis auf den Grund,« schreibt der vor- erwähnte Fachmann in den »Mecklenburger Nachrichten«. Graf Bernstorff schildert den Schaden, den die Sutfolks der mecklen- burgischen Landespferdezucht zugefügt haben, in folgender Weise: »An und für sich kann die Aufstellung schwerer Hengste aus kon- stanten Rassen nicht als Fehler gelten; der Hauptfehler war, abgesehen davon, dass man auch Bastardhengste verwandte, vielleicht auch Ge- ijäude und Gang beim Ankauf massiger Hengste etwas übersah, dass man die Zucht dem Zufall und den Vorurteilen des Ijäuerlichen Züchters überliess. Es begann ein wildes Züchten auf Basis der Ausgleichungs- theorie. Leichte Stuten wurden mit Suffolks belegt, dänische, ordinäre, oft sehr mangelhafte Stuten und Bastardstuten, die dem Suftblk zu sehr ähnelten, wieder edlen Hengsten zugeführt, und so entstand ein Sorti- ment Stuten, in denen so häufig heterogenes Blut gemischt w^ar, dass die Produkte schliesslich jeden Charakter verloren. Die Stallfütterung beförderte die Ausbildung des Rumpfes gegenüber dem Fundament und oft fand man Pferde, die den schweren Körper, den schweren Kopf des Suffolks und die Beine der leichten Mutter hatten. So wie üljerhaupt die ganze Zucht der freiesten Willkür überlassen war, legte man auch keinen Wert mehr auf die Beol^achtung der gesetzlichen Vor- schriften bezüglich Ausschluss aller Erbfehler. Das Zurückweisen fehler- hafter Stuten nach Massgabe der Landgestütordnung war ein über- wundener Standpunkt — wer sollte auch wohl zurückweisen? Die Landgestütdirekton durfte nicht mehr prüfen, der Beamte verstand nicht zu prüfen, der Gestütknecht wollte nicht prüfen, denn er hätte sich die Bauern zu Feinden gemacht, auch direkt seine Einnahme geschädigt. Die kleinen Züchter aber brachten mit Vorliebe fehlerhafte Stuten zum Hengst; gewährte doch der Sprung eines Suftblkhengstes ihnen den — 525 — Vorteil, durch Verkauf schwerer Saugfüllen eme fehlerhafte Mutterstute hoch auszunützen. Die Folgen solchen Gebahrens blieben natürlich nicht aus. In der bäuerlichen Zucht nahmen Knochenfehler in wirklich kolossalem Masse überhand, vor allen Dingen die gefährlichen Attribute massiger Rassen (?), der Spat und die Schale, doppelt gefährlich dadurch, dass sie fast nie beim Saugfohlen fühlbar sind, sondern meistens erst mit dem 3., 4. oder 5. Jahre zum Vorschein kommen. Zurzeit bietet die bäuer- liche Zucht ein Bild dar, wie es nicht viel trauriger gedacht werden kann.« In diesen Worten des Grafen Bernstorff liegt sicher keine Über- treil)ung. Tatsächlich hat ja das alte mecklenburgische Pferd aufgehört zu existieren. Das dortige Pferdematerial besteht gegenwärtig aus im- portierten dänischen, holsteinischen, oldenburgischen und hannoverschen Pferden und die vordem so berühmten Gestüte leben nur noch in der Erinnerung alter Pferdefreunde und Hippologen. Die Missgrifte der Züchter und deren Ratgeber haben indes die Natur der mecklenburgischen Scholle nicht verändern können. Der verstorbene General v. Spröcken, langjähriger Direktor des Celler Land- gestüts, äusserte einmal: »Ich kenne kein Land, das in so hohem Grade wie Mecklenburg für Pferdezucht geeignet ist. Die grossen Güter und Bauernhöfe, der kräftige Boden, die hohen, harten, luftigen Kleekoppeln — alles dies trägt dazu bei, die Zucht des Pferdes in Mecklenburg zu fr)rdern. Eben deshalb kaufe ich auch mit Vorliebe meine Hengste dort, selbst wenn sie in Hannover geboren und nur in Mecklenburg aufgezogen w^orden sind.« Dieser vor ca. 50 Jahren gemachte Ausspruch eines der besten deutschen Pferdekenner gilt noch heute voll und ganz. Importierte Eohlen entwickeln sich in Mecklenburg weit besser, als wenn sie in ihrer' Heimat aufgezogen worden wären. Erfreulicherweise ist seit Anfang der go er Jahre des vorigen Jahr- hunderts vieles geschehen, um dem fortschreitenden Verfall der mecklen- burgischen Landespferdezucht Einhalt zu gebieten. Zunächst sei er- wähnt, dass die Landbeschäler in Redefin jetzt sämtlich dem Warm- blut angehören und vollkommen geeignet erscheinen zur Zucht von starken Reit- und Wagenpferden, tüchtigen Arbeitspferden und in glück- lichstem Fall auch von Landbeschälern guter Klasse verwendet zu werden. Ausserordentlich segensreich wirkt ferner die durch die Ver- ordnung vom 16. Januar 1895 und 4. April 1899 eingeführte Körord- nung, die folgende Bestimmungen enthält: — 526 — Im Privatbesitz befindliche Hengste dürfen nur dann zum Be- decken fremder Stuten verwendet ^werden, wenn sie von der Kommission für die Landespferdezucht als tauglich erklärt (angekört) sind. Hengste im Besitz von Vereinen, Genossenschaften und im Miteigentum mehrerer Personen müssen gleichfalls angekört sein, wenn sie die Stuten der Ver- einsmitglieder u. s. w. decken sollen. Eine Ausnahme machen Hengste im Besitz einer Erbgemeinschaft und Vollblutpferde, deren Abstammung väterlicher- und mütterlicherseits durch Eintragung in das Gestütbuch für Vollblut nachgewiesen ist. Jeder anzukörende Hengst muss das dritte Lebensjahr vollendet haben oder bis zu dem auf den Körungstermin folgenden i. Juni das dritte Jahr vollenden. Auszuschliessen von der Körung sind Hengste, deren Abstammung eine in dem Masse heterogene ist, dass von ihnen eine den Zucht- bedürfnissen des Landes entsprechende Nachzucht in keinem Falle zu erwarten ist, Hengste, deren äussere Erscheinung sich als mangelhaft darstellt und Hengste mit Erbfehlern. Vierjährige und ältere Hengste, die abgekört worden sind, können noch einmal zur Körung vorgeführt werden, erfolgt aber auch dann wiederum die Abkörung, so hat der Hengstbesitzer zu den verursachten Kosten einen Beitrag von 50 Mk. zu zahlen. Abgekörte jüngere Hengste können ohne diese Beschränkung im nächsten Jahre wieder vorgeführt werden. Jedem Besitzer eines angekörten Hengstes wird ein Zulassungs- schein erteilt, der den Namen des Besitzers, das Nationale und den Standort des Hengstes enthält. Die Ankörung eines jüngeren Hengstes gilt für die nächste auf den Körtermin folgende Deckperiode. Die An- körung eines vierjährigen oder älteren Hengstes berechtigt an sich zur Verwendung des Hengstes ohne Zeitbeschränkung. Diese Hengste werden jedoch von Zeit zu Zeit besichtigt und falls diese Besichtigung einen Zweifel an der andauernden Zuchttauglichkeit ergibt, so hat der Vorsitzende der Kommission für die Landespferdezucht die Neukörung bei der im laufenden Jahre stattfindenden ordentlichen Körung anzu- ordnen. Der Zulassungsschein wird in diesem Falle mit dem Ablauf des Kalenderjahres unwirksam. Die ordentliche Körung findet alljährlich im Oktober statt, An- meldungen zur Körung sind bis 15. August an den Vorsitzenden der Kommission zu richten. Nachkörungen erfolgen in der Regel im Februar für zur Zeit der — 527 — ordentlichen Körung erkrankter oder wegen zurückgebliebener Entwick- lung zurückgewiesener oder erst später angekaufter Hengste. Anmel- dungen zur Nachkörung haben bis zum 15. Januar jedes Jahres zu erfolgen. Bei jeder Erstankörung eines Hengstes hat die Kommission zu entscheiden, ob die Abstammung des Hengstes als eine dem Zuchtziel des Gestütbuches entsprechende anzusehen und der Hengst zur Auf- nahme in das Hengstenregister geeignet ist. Ein Verzeichnis der angekörten Hengste wird alljährlich durch das Regierungsblatt bekannt gegeben. Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung werden mit Geld- strafen bis zu 150 Mk. bestraft. Ausser der nach vorstehenden Bestimmungen erfolgenden Hengst- körung hat auch die Stutenprämiierung eine überaus wohltätige Ein- wirkung auf die mecklenburgische Landespferdezucht ausgeübt. Es ündet nämlich alljährlich eine Preisverteilung für vorzügliche, in das Gestütbuch eingetragene Zuchtstuten im Besitz kleiner Züchter statt. Die Anmeldungen zum Preisbewerbe sind bis i. April an den Vor- sitzenden der Kommission für die Landespferdezucht einzureichen, mit Angabe, an welchem Orte die Vorführung erfolgen soll. Nach Abhal- tung sämtlicher Vorführungstermine entscheidet die Kommission über die Preiszuerkennung. Empfänger eines Preises von mindestens 300 Mk. haben sich zu verpflichten, die prämiierte Stute während eines Zeit- raumes von fünf Jahren nicht zu verkaufen, andernfalls ist der Preis zurückzuzahlen. W^ird die für die Preisverteilung vorgesehene Summe nicht ver- braucht, so ist die Kommission berechtigt, den übrigbleibenden Teil zur Beschaffung geeigneten Zuchtmaterials zu verwenden. Die so einge- führten Stuten dürfen nur an kleine Besitzer abgegeben werden, die sich zu verpflichten haben, ohne Zustimmung der Kommission diese Stuten nicht zu verkaufen. (Siehe »Regierungsblatt für das Grossherzog- tum Mecklenburg-Schwerin«, 1895.) Seitens der Direktion des Landgestüts zu Redefin werden auch alljährlich in denjenigen Gegenden des Landes, aus welchen hierauf abzielende Anträge vorliegen, an den Standorten der Landbeschäler zu Beginn der Deckzeit Stutenkörungen abgehalten. Diese Körungen sind beschränkt auf Mutterstuten im Besitz kleinerer Züchter und auf die Halbblutzucht. Sie bezwecken die Anordnung passender Paarungen — 528 — und gehen in der Art vor sich, dass jeder zur Körung gestellten Stute ein bestimmter Hengst zur Bedeckung zugewiesen wird. Diejenigen Stutenbesitzer, die sich dieser Anordnung unterwerfen, zahlen ein ge- ringeres Deckgeld. Auf Grund der von der Regierung am lö. Januar 1895 erlassenen Verordnung ist im Jahre 1895 das Gestüt buch für edle Pferde im Grossherzogtum Mecklenburg-Schwerin angelegt worden. Zweck dieses Gestütbuches ist die Schaffung einer öffentlichen L'rkunde, durch welche die Abkunft m()glichst aller in Mecklenburg- Schwerin vorhandenen, dem Zuchtziel entsprechenden Mutterstuten und deren Nachzucht amtlich nachgewiesen werden kann. Als Zuchtziel wurde aufgestellt: ein erbfehlerfreies, zur Zucht ge- eignetes, homogen gezogenes Pferd, das den Typus eines edlen, starken Reit- und Wagenpferdes mit hohen, räumenden Gängen darstellt. Jede einzutragende Stammstute muss bei der Vorführung tragend oder von einem Fohlen begleitet sein. Ebenbürtige Töchter einge- tragener Stuten werden erst dann unter besonderer Nummer einge- tragen, w^enn sie das erste Fohlen gebracht haben. Als stutbucheljenl^ürtig gelten alle Beschäler des Landgestüts und alle zur Aufnahme in das Hengstregister geeigneten angekörten Hengste. Diese stutbuchebenbürtigen Hengste werden in einem Hengstregister, das als Anhang zum Gestütbuch geführt wird, eingetragen. Alljährlich erscheint ein Band des Gestütbuches mit den Ein- tragungen des vergangenen Jahres. Besondere Erwähnung verdient auch der im Jahre 1890 gegründete Mecklenburgische Reiterverein zu Wittenburg i. M. Dieser kauft näm- lich seit 1895 jährlich einige hannoversche Stutfohlen an, die er an kleinere Züchter zum halben Einkaufspreis abgibt und veranstaltet ausserdem im Sommer Galopprennen zu \\'ittenburg". Bei der im Jahre 1906 abgehaltenen ordentlichen Hengstkörung wurden acht vierjährige und ältere Hengste l3is auf weiteres angekört, während für 19 Hengste die Deckerlaubnis für die Deckperiode 1907 erteilt wurde. Im ganzen wurden also im genannten Jahre 27 Hengste neu aufgestellt. Von diesen waren 14 Kaltblüter und 13 Halbblüter. Letztere verteilten sich auf 9 Hannoveraner, 2 Holsteiner, i Olden- burger und I Mecklenburger. Von den kaltblütigen Hengsten stammten nach ihren Geburtsländern 3 aus Belgien, 4 aus der Rheinprovinz, 4 aus — 529 — Dänemark, 3 aus Nordschleswig und 3 aus Mecklenburg. Von letzteren waren 2 dänischer Abstammung aus der Zucht des Baron v. Biel in Zierow. Dieses Gestüt war einst eine hervorragende Zuchtstätte des englischen Vollblutes, nun werden dort bereits seit Jahren dänische Pferde gezogen. Baron v. Biel benutzt die junge Nachzucht bis etwa zum fünften, höchstens achten Lebensjahre im eigenen Wirtschafts- betriebe und veräussert dann alljährlich auf öffentlicher Auktion die in diesem Alter stehenden überzähligen Pferde. Dabei erzielt er in der Regel recht gute Preise und hat nebenbei für die Arbeit stets nur junge, kräftige Pferde zu seiner Verfügung. Auch in Mecklenburg-Strelitz sind, und zwar auf Grund einer landes- herrlichen Verordnung vom 6. November 1905 seit 1906 allgemeine Hengstkörungen eingeführt worden. Gleichzeitig wurde als staatlich zu förderndes Zuchtziel aufgestellt: ein Pferd des edlen, starken Reit- und Wagenschlages mit hohen, geräumigen Gängen, wie es als Zuchtziel im Mecklenburg-Schweriner Stutbuch Ijezeichnet ist und ferner »das mittelstarke Ackerpferd im Typus des dänischen und schleswigschen Schlages mit harmonischem Körperbau, starken Knochen und ge- räumigem Gang, das den Anforderungen einer intensiven Ackerkultur entspricht. « Diese Körordnung und dieses Zuchtziel gelten aber nur für den Bereich des Herzogtums Strelitz. Für den zum Strelitzer Grossherzog- tum gehörigen Bezirk des Fürstentums Ratzeburg haben sie keine Kraft, wie denn das Fürstentum auch nicht berechtigt ist, Ansprüche auf die Beschäler des Landp^estüts Neustrelitz zu erheben. Das Oldenburgische Pferd. In den meisten hippologischen Lehrbüchern wird Graf Anton Günther von Oldenburg (1603 — 1667) als der Begründer der olden- burgischen Pferdezucht bezeichnet. L. Hofmeister (siehe dessen hoch- interessantes Werk »Die Pferdezucht des Herzogtums Oldenburg 1583 bis 1884«) erklärt jedoch, dass dies nicht ganz richtig sei, denn obwohl Anton Günther der grösste Züchter und Pferdekenner seiner Zeit ge- wesen und unendlich viel für die Veredlung des oldenburgischen Pferdes getan habe, wurde schon lange vor seiner Regierung eine blühende Pferdezucht in dem jetzigen Herzogtum Oldenburg betrieben. So heisst es in einem 1587 geschriebenen Briefe Hamelmanns: »Oldenburgs fette Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 34 — 530 — Ochsen und schöne Pferde sind bekannt«. Ferner ergibt sich aus einem im Oldenburger Landesarchiv vorhandenen Verzeichnis, dass Graf Johann XVI, der sich wärmstens für die edle Pferdezucht inter- essierte, auf seinen Gütern eine umfangreiche Zucht veredelter Pferde einführte und zu diesem Zwecke kostbare Hengste aus dem Auslande kommen Hess. Die Grundlage der oldenburgischen Pferdezucht bildet aber unzweifelhaft das friesische Pferd, das heute noch in ziemlich un- veränderter Gestalt in den holländischen Provinzen Groningen und Westfriesland angetroffen wird. Wie geschätzt dieses Pferd im 17. Jahr- hundert war, geht unter anderem aus folgender Beschreibung hervor, die ihm der Herzog von Newcastle in seinem 1660 geschriebenen und 1700 in deutscher Übersetzung erschienenen W^erke über Reitkunst widmet: »Es ist keines angenehmer zu gebrauchen in allen Stücken als ein friesisches Pferd. Es ist stark und lustig und taugt zu allen Übungen, nur nicht zum langen Lauf. Es ist kein Pferd, worauf sich der Reiter besser ausnimmt, es ist seines Ganges sehr wohl versichert. < Kitzinger ist der Ansicht, dass das friesische Pferd aus einer Kreuzung des flam- ländischen und normandischen Pferdes hervorgegangen sei. Die starke Beimischung fremden Blutes, die unter der Regierung Anton Günthers, wie auch später in der Zucht des oldenburgischen Pferdes stattfand, hatte indessen zur natürlichen Folge, dass dieses all- mählich andere, vom Typus der friesischen Rasse abweichende Formen annahm. Unter anderem wird die noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts vielfach bei den oldenburgischen Pferden vorkommende Rammsnase sicher nicht mit Unrecht als ein Erbstück der neapolitanischen und andalusischen Hengste bezeichnet, die Graf Anton Günther mit grosser Vorliebe benützte. Dieser Herrscher scheint überhaupt ein Freund bunter — heute würde man sagen » wilder < — Kreuzungen gewesen zu sein, denn er verwendete nicht nur italienische und spanische, sondern auch englische, polnische, tartarische und berberische Hengste in seinen Gestüten. Es muss also dort eine heillose Mischmaschzucht statt- gefunden haben. Trotzdem behauptet auch Hofmeister, »dass es dem Grafen in ungewöhnlich kurzer Zeit gelang, auf seinen Vorwerken die edelsten Schul-, Reit- und Wagenpferde zu züchten.« Geradezu enthu- siastisch aber äussert sich der Rat Winkelmann in seiner 167 1 erschie- nenen Lebensbeschreibung des Grafen Günther über dessen züchterischen Erfolge. Dieser Verfasser, der allerdings blutwenig von der Pferdezucht verstanden haben soll, erzählt unter anderem, »dass der Graf sich durch — 531 — seine Vorliebe für Reiterei und schöne Pferde eine solche Kenntnis von Pferden erworben, dass er deren Natur, Wissen, Wollen und Können im ersten Anschauen gründlich habe erkennen können; auch habe er die Xaturgeheimnisse der Pferde dermassen ergründet, dass er ihnen allerhand Farben schon im Mutterleibe habe geben können.« (!!) Ver- mutlich fand der gute Herr Winkelmann es sehr merkwürdig, dass Schimmel in der Regel wieder Schimmel erzeugen, dass die Fuchsfarbe in einer Zucht rasch überhand nimmt u. s. w. und schrieb er diese Er- scheinungen der wunderbaren Gabe seines Grafen zu, »in die Natur- geheimnisse der Pferde« eindringen zu können. In einer anderen, ebenfalls von Hofmeister angeführten, aber in italienischer Sprache 1664 verfassten Beschreibung des Landes und der Hofhaltung des Grafen Anton Günther — »Relatione degli Stati e Corte di Ant. Günther Conte di Oldenburg« — wird die Anzahl und Beschaffenheit der Pferde, die aus des Grafen verschiedenen Ge- stüten stammen, rühmend hervorgehoben. Es seien ihrer mehr als 1000 bis 1200 der schönsten Pferde und mehr als 70 — 80 aus Neapel, Spanien, der Türkei, Polen, der Tartarei und anderen Ländern sehr teuer und ohne Rücksicht auf die Kosten gekaufte Beschäler. Man könne mit Wahrheit sagen, dass kein Fürst oder Potentat in Europa grössere, schönere oder zahlreichere Pferde habe als der Graf, so wie denn auch die Haarfarbe der Pferde so verschieden sei, dass man sie nirgends ausserordentlicher und besser finde als hier. Ferner sagt dieser italieni- sche Verfasser, dass das Land ziemlich fruchtbar sei und viele schöne Weiden habe, so dass dort eine grössere Menge von Hornvieh und Pferden gehalten werden könne als in irgend einem Lande von gleichem Umfange. Nach Flandern, Frankreich, Italien und anderen Staaten gingen aus dem Oldenburgischen jährlich 5000 Pferde, die vorzugs- weise' auf den bedeutendsten Märkten im Juni und Juli in Oldenburg verkauft würden. Mit Recht bemerkt Hofmeister hierzu, dass die Pferdezucht also in den damaligen Grafschaften eine weit grössere Bedeutung gehabt haben muss, als in dem jetzigen Herzogtum, in dem kaum 5000 Füllen ge- boren und aus welchem nicht über 3000 Pferde ausgeführt werden. Man wähne aber nicht, dass diese Tatsache als Beweis eines be- sonders sorgfältigen Zuchtbetriebes in den oldenburgischen Gestüten aufzufassen sei. Auf welchem Standpunkt die Gestütszucht in der Mitte des 17. Jahrhunderts stand, geht aus folgender Schilderung des — 532 — Herzogs von Newcastle hervor. »Man bringt,« schreibt dieser Ver- fasser, »einen Hengst mit 10—12 Stuten in einen grösseren eingefrie- digten Raum und überlässt sie dort sich selbst. Nach etwa 6 Wochen werden von 12 Stuten etwa 10 tragend sein, was man daran merken kann, dass der Hengst selbst an die Einfriedigung schlägt, wodurch er anzeigt, dass er keine Beschäftigung mehr hat. Der Hengst ist dann allerdings in der Regel so herunter, dass man Mühe hat, ihn zum nächsten Frühjahr wieder zum Beschäler tauglich zu machen. Mehr als 12 Stuten darf man also einem Hengste nicht zuteilen, sonst ruiniert man den Hengst und muss befürchten, nicht viele Stuten tragend zu bekommen.« Es erscheint indessen kaum glaublich, dass auch Graf Anton Günther die Zucht in dieser mehr als primitiven Weise betrieben habe, denn dann würde es ihm wohl nicht gelungen sein, jährlich mehrere hundert edle Schul- und Reitpferde, wie auch eine grosse Anzahl statt- licher Kutschpferde zu züchten, die nicht nur wegen ihres seltenen Haares — Apfelschimmel, gelbe mit schwarzem Mähnen- und Schweif- haar, Isabellen, Tiger und Perlfarben waren besonders beliebt — son- dern auch wegen ihrer Schönheit und Stärke von den Pferdeliebhabern in allen europäischen Staaten hoch geschätzt waren. Da aber der über- aus freigebige Graf weit mehr Pferde verschenkte als verkaufte, und auch durch Überlassuno; oreeicrneter Hengste und Stuten an kleinere Züchter viel für die Hebung der allgemeinen Landespferdezucht tat, dürften ihn seine Gestüte sehr teuer zu stehen gekommen sein. Dies lässt sich auch daraus schliessen, dass die Kammerbeamten im Jahre 1663 dem damals schon 80 Jahre alten Herrn vorschlugen, die Stutereien und die vielen Stallbedienten abzuschaffen oder wenigstens zu vermindern. Darauf ging der Graf jedoch aus Rücksicht auf seine Stallmeister nicht ein, und so blieben denn die Gestüte und die Reitschule zu Rostede bis zum Tode Anton Günthers erhalten. Kaum hatte dieser aber die Augen geschlossen, so schlug auch die Stunde der Auflösung der von ihm mit so grosser Liebe und so bedeutenden Kosten geschaffenen Zucht. Gleichzeitig hörte die Regierung auf, Interesse für das Wohl der Landes- pferdezucht an den Tag zu legen. Kein Wunder also, dass die olden- burgische Pferdezucht bald in Verfall geriet. Dieser wurde übrigens ausserdem noch dadurch beschleunigt, dass die Marschdistrikte infolge häufiger Deichbrüche und Sturmfluten, die das Land in der Zeit von 1777 bis 1721 heimsuchten, ihren Wohlstand einbüssten. — 533 — Herzog Friedrich August und sein Nachfolger (1780 — 1793) waren allerdings bemüht, die Landespferdezucht durch Überlassung guter Hengste des Marstalls wieder zu heben, doch scheinen sie damit keine nennenswerte Erfolge erzielt zu haben. Gleichzeitig wurden auch von der Regierung Vorschläge zur Hebung der Pferdezucht vermittelst Körung der Hengste, Prämienverteilung, Verbot gegen die Benützung zwei- jähriger Hengste zum Decken u. s. w. ausgearbeitet, jedoch scheiterte die Durchführung dieser in Aussicht genommenen Massregeln an dem geringen Verständnis der Züchter, und gelang es der Regierung erst 28 Jahre später durch das Gesetz vom 20. '23. Dezember 1819 zu er- reichen : 1. dass alle Hengste, die zum Beschälen fremder Stuten gehalten wurden, mindestens drei Jahre alt, geprüft und dazu geeignet erkannt sein mussten; 2. dass die besten Hengste eine Prämie im Wert von 100 R.-T. Gold erhalten sollten und 3. dass das niedrigste Deckgeld für eine Stute auf 1^2 R--T. Gold bestimmt wurde. Diese rettende Tat hätte nicht ohne Gefahr länger aufgeschoben werden können, denn während der Freiheitskriege (181 2 — 18 15) hatte der Verfall der oldenburgischen Pferdezucht reissende Fortschritte ge- macht. Man liess die Hengste schon im Alter von zwei Jahren gegen sehr niedriges Deckgeld eine grosse Anzahl Stuten belegen, verkaufte die besten Stuten, verwendete vielfach fehlerhafte Stuten zur Zucht und widmete auch der jungen Nachzucht nicht die für ihre gedeihliche Ent- wicklung erforderliche Fürsorge. Es ist daher nicht zu verwundern, dass der Zucht- und Gebrauchswert des in früherer Zeit so hoch- geschätzten oldenburgischen Pferdes allmählich eine bedeutende Ein- busse erlitt. Pferde gab es allerdings noch immer mehr als genug, aber von dem alten Stamm, der den europäischen Ruf der oldenburg- ischen Rasse begründet hatte, war so gut wie nichts mehr vorhanden. Die erste Hauptkörung fand im Sommer 1820 statt und wurden bei dieser der Körungskommission 102 Hengste vorgeführt, von denen 68 als Beschäler zugelassen werden konnten. Es dauerte nun nicht lange, bis sich die Zucht in den Marschen wieder zu heben begann. »Ein glücklicher Zufall trug wesentlich hierzu bei,« schreibt Hof- meister in seinen 1874 erschienenen »Mitteilungen über das olden- burgische schwere Wagenpferd«, hn Jahre 1820 führten nämlich die — 534 — Pferdehändler Stäve und Brandes aus Braunschweig einen in England geborenen, schon älteren kastanienbraunen Hengst mit Stern von vor- züglichen Eigenschaften ein, der um so mehr Beifall fand, als damals die bis dahin beliebten Abzeichen (Blässen und weisse Füsse) und die Rammsköpfe aus der Mode kamen. Dieser Hengst deckte im Jahre 1820 nur wenige Stuten, 1821 und 1822 aber eine grosse Zahl, doch kauften die Herren Stäve und Brandes die meisten Hengstfüllen selbst an und führten sie aus. Indessen blieben doch zwei von diesen zurück, die sich durch gute Körperformen und korrekten Gang auszeichneten und bald Prämien erhielten. Die Nachkommen dieser beiden Hengste — Neptun und Thorador I — wurden sorgfältig aufgezogen und ge- hütet und bilden die Stammväter der besten Pferdefamilien in den Marschen. Neptun, geb. 1821, zeugte den Heros und dieser den nach dem Besitzer genannten Hengst Martens, geb. 1835 (siehe Fig. 75), dessen Sohn, Landes söhn, geb. 1846, gegen 1500 lebende Füllen pro- duziert hat.*) Thorador I, geb. 1823, dagegen zeugte den Hubertus, geb. 183 1, dessen Sohn Alcibiades, geb. 1835, als das beste Vaterpferd seiner Zeit gepriesen wird. Mit vollem Recht ist daher auf den alten Stäveschen Hengst das Wort angewendet worden: »Ein guter Hengst ist der, welcher gute Fohlen liefert, besser der, welcher gute Pferde liefert, der beste aber, welcher gute Hengste liefert.« Ja, gewiss, der Segen, den der richtige Beschäler über eine ganze Landespferdezucht zu verbreiten vermag, ist unschätzbar. Welcher Rasse der Stävesche Hengst angehörte, lässt sich leider nicht mit Sicherheit feststellen. Man weiss nur, dass er ungefähr 1806 in England geboren war und eine schöne kastanienbraune Farbe ge- habt. Aller Wahrscheinlichkeit nach war er ein SprössHng der alten Clevelandrasse. Auch in neuerer Zeit sind einige Yorkshire- und Cleveland-Hengste nach Oldenburg eingeführt worden. Unter diesen wird ein Hengst namens Astonishment genannt, der im Jahre 1844 den sehr geschätzten *) Als Beitrag zur Kenntnis der sogen. Erbfehler möge hier erwähnt werden, dass der alte Martenssche Hengst Krippensetzer war und wie es im Protokoll der Körungskommission heisst, »Anlage zum Spat« hatte. Dies verhinderte ihn aber nicht, ausgezeichnete Fohlen zu liefern. Anmerkung des Verfassers. 3^)3 Beschäler Der Nobele erzeugte, und 1849 importierten die Herren Lübbe vier englische Hengste, von denen Duke of Cleveland, br. H., geb. 1846, V. Magistrate, a. e. Conqueror-Stute, sowie Luks-All, br. H., geb. 1846, V. President, a. e. Godolphin-Stute, eine vorzügliche Nach- kommenschaft hinterlassen haben. Ausser diesen Henofsten haben sich Fig. 75. Der alte Martenssche Hengst. (Nach einem Bilde von E. Volkers, in L. Hofmeisters »Pferdezucht des Herzogtums Oldenburg«.) noch einige importierte Beschäler edlerer Gattung in der oldenburg- ischen Zucht bestens bewährt. Dies gilt besonders von einem aus dem Sennergestüte stammenden Halbbluthengst, dem sogen. Menkeschen Senner, v. Brother to Rostrum X X und einer Sennerstute, der den viel und mit Nutzen verwendeten Hengsten Nelson, Nathan u. a. das Leben geschenkt, sowie auch von Graf Wedel, dbr. H., geb. 1862 in Hannover, vom Celler Landbeschäler Y. Boradil. Noch später sind auch einige anglo-normandische Hengste impor- — 536 — tiert worden, von denen mehrere viel zur Veredlung der oldenburgischen Pferderasse beigetragen haben. Anglo-normandischer Abkunft sind u. a. zwei der allerbesten gegenwärtig in Verwendung stehenden Vaterpferde, nämUch der mit 1500 Mark prämiierte dbr. H. Ruthard, geb. 1890, V. Rubico, a. d. Gräfin, v. Emigrant, und der ebenfalls ausserordentlich erfolgreiche Glasmacher (1489). Von Ruthards zahlreichen Nach- kommen haben sich bisher die Prämienhengste Ehrenb er g und dessen Söhne Ehrenfried, Erbgraf und Ehrenknabe am meisten bemerk- bar gemacht. Abgesehen von den hier erwähnten Kreuzungen, sind die olden- burgischen starken Wagenpferde das Produkt zielbewusster Inzucht. Dies geht schon aus folgenden, schätzungsweise ermittelten Zahlen hervor: Das oldenburgische Warmblut setzt sich zusammen aus: 0,36 ''/o Hannoveranern, 0,71 "/^ Hannoveranern, Ostpreussen und Zweibrückern (Birkenfeld), 2"/^ Holsteinern, 1,3670 Landschlag (Fürstentum Lübeck) und 80,07^0 Oldenburgern. Die Oldenburger bilden somit eine erdrückende Majorität. Be- merkenswert ist ferner, dass von den warmblütigen Pferden 20,86 ''/o als Zuchtpferde angegeben sind. Als die Nachkommen des Stäveschen Hengstes Gegenstand be- sonderer Nachfrage wurden, begann man auch in Oldenburg grösseren Wert auf die Abstammung der Pferde zu legen. Infolgedessen wurde im Jahre 1862 ein Stammregister für das hauptsächlich in den Ämtern Eisfleht, Brake, Ovelgönne und Stollhausen gezüchtete starke Wagen- pferd angelegt und sollten die in diesem Register eingetragenen Tiere an dem rechten Schenkel mit dem Brandzeichen I mit Krone darüber versehen werden. Die Einrichtung dieses ersten Stammregisters fand jedoch nicht den Beifall der oldenburgischen Züchter, so dass nur sehr wenige ihre Pferde eintragen liessen. 24 Jahre später, also 1886, ord- nete die Regierung die Führung eines öffentHchen Stammregisters an, in welchem die Elite-Tiere der oldenburgischen Rasse eingetragen werden sollten. Die im Jahre 1891 von dem Züchter Ed. Lübben-Sürwürde ins Leben gerufene »Gesellschaft der Züchter Oldenburger Kutschpferde« wollte jedoch von einem derartigen Stammregister nichts wissen, son- dern erklärte, dass nachdem dank der seit 70 Jahren bestehenden Hengst- körung und der ebenso lange eingehaltenen Verfolgung eines bestimmten, gemeinsamen Zuchtzieles, schon ein fixierter, ausgeglichener olden- burgischer Kutschpferdeschlag vorhanden sei, sofort zur Herausgabe — 537 — eines ordentlichen Stutbuches geschritten werden könne. Dies geschah denn auch. Im Jahre 1891 erschien der erste Band des oldenburgischen Gestütbuches. Die Herren oldenburgischen Züchter scheinen aber im Gegensatz zu ihren Berufsgenossen in anderen Ländern geradezu ver- sessen auf die Ausarbeitung zahlreicher, mehr oder weniger verschieden- artiger Gestütbücher zu sein. Im Jahre 1893 wurde nämlich das vom Jahre 1886 an geführte Stamm- und Ahnenregister von der Grossherzog- lichen Körkommission herausgegeben und im Jahre 1897 erschien, nach- dem Oldenburg durch das Pferdezuchtgesetz vom 9. April desselben Jahres in ein nördliches und ein südliches Zuchtgebiet eingeteilt worden, das »Oldenburger Stutbuch« für die Ämter Butjadingen, Brake, Elsfleth, Teile der Amter Delmenhorst und Oldenburg, die Ämter Wester- stede, Varel und Jeder, und das »Stutbuch der Münsterländisch- Oldenburgischen Geest« für Teile der Ämter Oldenburg und Delmen- horst, sowie für die Ämter Wildeshausen, Vechta, Cloppenburg und Friesoythe. hl das Oldenburger Stutbuch wurden eingetragen; 1. alle für das nördliche Zuchtgebiet angekörten Hengste; 2. alle zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes vom 9. April 1897 vorhandenen dreijährigen und älteren Zuchtstuten, die weder in das staatliche Stammregister, noch in das vorerwähnte Lübben- sche Gestütbuch eingetragen waren und von der Körungs- kommission dem Zuchtziel des Bezirkes entsprechend befunden wurden ; 3. alle im Zuchtgebiete vorhandenen dreijährigen und älteren zur Zucht benützten Stuten, die von einer Stammbuchstute ab- stammten ; 4. in späterer Zeit auf Antrag des Besitzers sonstige dreijährige und ältere Stuten, die nach dem Ergebnis der vorzunehmenden Körung dem Zuchtziel entsprachen. Dieselben gesetzlichen Bestimmungen gelten für die Weiterführung des Stutbuches, jedoch wird in diesen ausserdem verfügt, dass die ohne vorhergehende Körung in das Stutbuch aufzunehmenden, mindestens dreijährigen zur Zucht verwendeten Stuten nicht nur von einer Stamm- buchstute, sondern auch von einem angekörten Hengst abstammen müssen. Jeder Eigentümer eines eingetragenen Zuchtpferdes ist Genosse — d:)0 — des Züchterverbandes, dem die Führung des Stutbuches unter Aufsicht der Körkommission obliegt. Der Sitz dieses Verbandes ist Rodenkirchen, Zuchtziel des nördlichen Zuchtgebietes ist die Zucht eines schweren, eleganten Kutschpferdes mit hohen, räumenden Gängen. Die auf- o-enommenen Pferde werden auf dem linken Schenkel mit dem Brande des Oldenburgischen Stutsbuches, einem O mit Krone versehen. In das für das südliche Zuchtgebiet aufgelegte Stutbuch der Münsterländisch-Oldenburgischen Geest werden eingetragen: 1. alle im Stamm- und Ahnenregister bezw. im I. und II. Band des Lübbenschen Gestütbuches bereits eingetragenen, im Zucht- gebiete vorhandenen Zuchtpferde; 2. alle im Zuchtgebiete zur Ankörung gelangten Hengste; 3. alle zur Zeit des Inkrafttretens des Pferdezuchtgesetzes vorhan- denen dreijährigen und älteren Zuchtstuten, die nach voraus- gegangener Körung dem Zuchtziel enstprechen; 4. in späterer Zeit nach der erstmaligen Körung alle von einer Stutbuchstute abstammenden, im Zuchtgebiete vorhandenen drei- jährigen Stuten, ferner alle als Füllen prämiierten oder mit staat- licher Beihilfe angekauften, im Zuchtgebiet vorhandenen drei- jährigen Stuten und schliesslich auf Antrag der Besitzer auch sonstige dreijährige oder ältere Stuten, falls diese auf Grund einer Körung als dem Zuchtziel entsprechend angesehen werden können. Zuchtziel des südlichen Zuchtgebietes ist die Zucht eines Pferdes des mittelschweren Gebrauchs- und Wagenschlages. Die Führung des Stutbuches erfolgt unter direkter Leitung der Körkommission mit Unterstützung des Züchterverbandes. Mitglied dieses Verbandes ist wie im nördlichen Zuchtgebiet jeder Besitzer eines ein- getragenen Pferdes. Die aufgenommenen Pferde werden auf dem linken Schenkel mit dem Brandzeichen des Stutbuches M mit Krone versehen. Die seit 1820 bestehende Körordnung gilt mit wenigen und ge- ringen Änderungen noch heute. Sie muss daher wohl von Anfang an den Bedürfnissen der Landespferdezucht in einem seltenen Masse ent- sprochen haben. Auf Grund des Gesetzes vom 9. April 1897 dürfen nur solche Hengste zum Decken fremder Stuten benützt werden, die nach voraus- gegangener Körung als geeignet befunden sind. Ein nicht angekörter oder abgekörter Hengst im Besitz mehrerer Personen darf nur die Stuten desjenigen Besitzers decken, auf dessen Gehöft er steht. Ohne Ge- - 539 — nehmigung der Körungskommission darf ein solcher Hengst auf dem Gehöft eines anderen Mitgliedes nicht aufgestellt werden. Angekört können nur solche Hengste werden, die entweder volle 3 Jahre alt sind oder dieses Alter spätestens bis zum folgenden i. Juli erreichen, frei von Erbfehlern sind und dem Zuchtziel des Zuchtgebiets, für das sie angekört werden sollen, entsprechen. Für die im Herzogtum 1897 und später geborenen Hengste muss der Nachweis geführt werden, dass sie von in eines der beiden Stutbücher eingetragenen Eltern abstammen, jedoch genügt die Abstammung von einer eingetragenen Mutter, wenn diese mit einem von der Körkommission bezeichneten, nicht im Herzog- tum geborenen Hengst gepaart war. Nicht im Herzogtum geborene Hengste können nur dann angekört werden, wenn der Nachweis ihrer Abstammung väterlicher- wie mütterlicherseits erbracht worden und sie geeignet erscheinen, zur Verbesserung des Pferdeschlages des betreffenden Zuchtgebiets zu dienen. Diejenigen Hengste, die zur Körung vorgeführt werden sollen, sind 14 Tage vorher bei der Körungskommission anzumelden. Mit Ausnahme der dreijährigen Hengste dürfen abgekörte Hengste später nicht wieder zur Körung vorgeführt werden. Die ordentliche Körung findet alljährlich in den Monaten Januar, Februar oder März statt. Nachkörungen werden in der Regel im April vorgenommen. Zu diesen können vorgeführt werden : die von der Körungskommission bei der ordentlichen Körung zurückgestellten Hengste, die zur Zeit der ordentlichen Körung krank gewesen oder seit derselben eingeführt worden sind. Sowohl im Termin der ordentlichen Körung, wie auch in dem der regelmässigen Nachkörung kann die Kommission aus dringenden Gründen eine besondere Körung anordnen, ebenso kann ein Hengsthalter eine solche beantragen, wenn er die Kosten der Nachkörung trägt. Jeder Besitzer eines abgekörten Hengstes hat das Recht, eine Revisionskörung zu verlangen, die in der Regel im Anschluss an die regelmässige Nach- körung vorgenommen wird. Der Beschluss der aus sämtlichen Mit- gliedern der Körungskommission und zwei von der Regierung zu er- nennenden Kreistierärzten bestehenden Revisionskommission ist end- gültig. Für jeden angekörten Hengst wird ein bis zur nächsten ordent- lichen Körung gültiger Zulassungsschein ausgefertigt. Für diesen ist — 540 — im nördlichen Zuchtgebiet 30 Mk., im südlichen Zuchtgebiet 15 Mk. zu zahlen. Ist ein Hengst für beide Zuchtgebiete angekört, so beträgt die Gebühr 30 Mk. Der niedrigste Satz des Deckgeldes ist im nördlichen Zuchtgebiet auf 20 Mk., im südlichen auf 15 Mk. festgesetzt. Wenn ein Hengsthalter ein niedrigeres Deckgeld als das vorgeschriebene Minimum nimmt, so wird er mit Geldstrafe bis 60 Mk. belegt. Jeder Besitzer eines angekörten Hengstes ist verpflichtet, ein Deck- register zu führen, dieses der Körungskommission im folgenden Jahre bis zu einem von ihr bestimmten Termine vorzulegen und dem Stuten- besitzer einen Deckschein auszufertigen. Wer einen nicht angekörten Hengst zum Decken fremder Stuten, sei es unentgeltlich oder gegen Bezahlung hergibt, oder wer einen Hengst ausserhalb des Ortes oder der Zeit, für die der betreffende Hengst angekört worden ist, decken lässt, wird für jeden Kontraventions- fall mit einer Geldstrafe von 30 Mk. oder mit Haft bestraft. Die in dem Zuchtgebiet vorhandenen Zuchtstuten dürfen nur von solchen Hengsten gedeckt werden, die für das Zuchtgebiet angekört sind. Der Hengsthalter ist verpflichtet, an der Tür des Stalles, in dem ein angekörter Hengst aufgestellt ist, eine schwarze Tafel sichtbar an- zubringen, auf welcher in weisser Farbe deutlich angegeben sein muss : Name, Geburtsjahr, Farbe, Abzeichen, Abkunft und Tag der letzten Ankörung des Hengstes. Noch nicht angekörte oder abgekörte drei- jährige Hengste dürfen in der Zeit vom i. Mai bis 15. Juli, ältere in der Zeit vom i. April bis 15. Juli nicht in demselben Stalle und nicht auf demselben Hofe mit angekörten Hengsten aufgestellt werden. Im Anschluss an die regelmässigen Nachkörungen finden Prämiie- rungen von Hengsten und im Juli oder August in Oldenburg eine solche von Stuten statt. Ausserdem werden auf besonderen Füllenschauen Preiserteilungen für Hengst- und Stutfüllen vorgenommen. Mit Bezug auf diese Prämiierungen sei zunächst bemerkt, dass die Beträge der verschiedenen Prämien, zumal die für Hengste zur Vertei- lung gelangenden, im Laufe der achtzig Jahre, die seit ihrer Einführung- vergangen sind, eine stetige und beträchtliche Erhöhung erfahren haben. Es zeigte sich nämlich bald, dass mit den niedrigen Prämien — aus- gezeichnete Hengste erhielten anfangs 50 — 100 R,-T. Gold, später 200 bis 300 R.-T. Gold — trotz der gesetzlichen Bestimmung, dass die Prämienhengste eine gewisse Anzahl Jahre im Lande gehalten werden müssten, bei Strafe der Rückzahlung der Prämie, der Verkauf des besten — 541 — Materials ins Ausland nicht immer verhindert werden konnte. >Mit Ein- führung weniger, sehr hoher Prämien für ausgezeichnete Hengste und mit dem zunehmenden Wohlstand der Landleute hob sich die sfute Beschaffenheit der Beschäler und der Zuclitstuten und damit auch der Füllen,« schreibt Hofmeister in seinem vorzüglichen Werke »Die Pferde- zucht des Herzogtums Oldenburg«, das ich in den von der Geschichte der oldenburgischen Pferdezucht handelnden Abschnitten als hauptsäch- lichste Quelle benützt habe. Dieser Ausspruch des erfahrenen Fach- mannes verdient in allen Pferdezucht treibenden Ländern beherzigt zu werden. Gegenwärtig werden nach dem Pferdezuchtgesetz vom 9. April 1897 folgende Prämienbeträge an geeignete Hengste, Stuten und Stutfüllen verteilt. Für das nördliche Zuchtgebiet gewährt die Landeskasse all- jährlich: a) für Hengste und zwar für mindestens vierjährige und ältere an- gekörte Hengste: eine i. Prämie von 1800 Mk., „ 2. „ „ 1500 „ „ 3- „ „ 1200 „ ferner an sogenannten Angeldsprämien für mindestens dreijährige zum ersten Male angekörte Hengste: ein I. Angeld von 750 Mk., zwei 2. Angelder von je 600 Mk. ; b) für drei- und vierjährige Zuchtstuten: vier I. Prämien von je 500 Mk., fünf 2. „ „ „ 400 „ vierzehn 3. „ „ „ 300 „ für fünf- bis achtjährige (bewährt durch besonders gute Nach- zucht) sechs Prämien von je 300 Mk.; c) für den Züchterverband des nördlichen Zuchtgebietes kommen ferner noch folgende Prämien in Betracht, die zur Hälfte von der Landeskasse ausgesetzt sind und zur Hälfte vom Züchter- verband aufgebracht werden. I. Für Hengstfüllen und zwar: für Saugfüllen 8 Prämienbeträge von je 200 Mk., „ ijährige Füllen 6 „ „ „ 300 „ ,, 2 „ „4 55 » 55 400 ?, — 542 — 2. Für Stutfüllen und zwar: für I jährige Füllen lo Prämien von je 150 Mk. Für das südliche Zuchtgebiet sind von der Regierung an Prä- mien festgesetzt: für Hengste eine i. Prämie von 800 Mk., „ 2. „ „ 500 „ ,, Angeldsprämie ,, 500 ,, für Stuten zwei i. Prämien von je 400 ,, drei 2. „ „ „ 300 „ fünf 3. „ „ „ 200 „ für Füllen Prämien im Betrage von 900 ,, Ausserdem wird alljährlich aus der Landeskasse ein Zuschuss von 800 Mk. zum Ankauf wertvoller Füllen gewährt. Prämienhengste müssen bei Verlust der Prämie und eines zu zahlenden Reugeldes vier, Angeldshengste unter denselben Bedingungen zwei Deckperioden nach der Preiszuerkennung zur Zucht im Zucht- gebiete verwendet werden. Stuten, die eine Prämie erhalten haben, müssen bei Verlust derselben und Zahlung eines Reugeldes in der Höhe der Prämie während der nächsten drei Jahre durch einen Prämienhengst oder durch einen von der Körungskommission bestimmten Hengst ge- deckt werden und während dieser Zeit alljährlich mit den in dieser Zeit geborenen Nachkommen, sofern sie noch im Besitz des Stuten- besitzers sind, vorgeführt werden, bei welcher Gelegenheit auch der Deckschein des laufenden Jahres vorzuzeigen ist. Prämiierte Hengst- füllen dürfen während des auf die Prämiierung folgenden Jahres nicht aus dem Zuchtgebiet veräussert werden, müssen zu der nächsten Schau wieder vorgestellt und, wenn sie im Alter von 2 bis 2^/2 Jahren prämi- iert wurden, zur nächsten Hengstkörung vorgeführt werden. Werden sie angekört, so ist der Besitzer verpflichtet, sie im nächsten Jahre im Zuchtgebiet decken zu lassen. Stutfüllen sind bis zur Erreichung des zuchtfähigen Alters aus dem Zuchtgebiet nicht zu veräussern, alljährlich vorzuführen und mit Eintritt der Zuchtreife zu belegen. Aus besonderen Gründen kann der Besitzer jedoch von dieser Verpflichtung entbunden werden. Es finden ferner Preiserteilungen statt zur Hebung der Leistungs- fähigkeit der oldenburgischen Pferde als Kutschpferde, insbesondere zur Förderung hervorragender Leistungen im Geschirr. Diese Prüfungen sind möglichst in Oldenburg abzuhalten. Es werden hierzu nur solche — 543 — Pferde zugelassen, die in das Stutbuch des nördlichen Zuchtgebietes eingetragen sind oder nachweislich von solchen Stutbuchstuten ab- stammen. Der im Oldenburgischen gebräuchliche Zuchtbetrieb ist nach L. Hofmeister folgender: Die Stuten werden bis kurz vor der Geburt des Füllens und schon 8 — 14 Tage nach dieser zur Feldarbeit gebraucht. Sie kommen, wenn das Wetter gut ist, schon im März und April täg- lich einige Stunden auf die Weide und gehen dort vom Mai bis November Tag und Nacht. Das Absetzen der Füllen erfolgt meist im September und Oktober, also im Alter von ungefähr fünf Monaten. Diejenigen, die nicht als Saugfüllen ins Ausland gehen, werden dann entweder im Stalle angebunden, oder noch häufiger je zwei oder drei zusammen in eine Box gebracht. Anfangs erhalten sie neben Heu 2^ 2 — 3 Kilo Hafer und etwas Brot oder Möhren, später bei mehr Heu und etwas Bohnenschrot nur etwa 2 — 2^/2 Kilo Hafer. Schon Mitte April, wenn die Witterung günstig ist, sonst Anfang Mai, kommen sie wieder auf die Weide, wo sie meistens bis Mitte November verbleiben. Im zweiten Winter werden die jungen Pferde angebunden und mit den älteren Pferden gefüttert, d. h. sie bekommen täglich etwa i^a — 2 Kilo Hafer und reichlich Heu und auch etwas Bohnenstroh bis zum Früh- jahr, wo sie mehr Hafer erhalten und zur Feldarbeit herangezogen werden. Die jungen Pferde müssen also vom vollendeten zweiten Jahre an ihr Futter verdienen, obwohl sie mit schwerer Arbeit und dem Ge- brauch auf den Landstrassen verschont bleiben. Anfang Mai kommen sie wieder auf die Weide und erhalten vor dem Herbst kein Beifutter bei der Arbeit, ausser etwas Brot beim Einholen von der W^eide. Im allgemeinen wird in diesem wie im ersten Winter mit Rauhfutter nicht gekargt, da man vermeiden will, dass die Tiere zu dünnleibig werden, was beim Oldenburger Pferde, das einen tiefen, mächtigen Rumpf haben soll, ein schwerer Fehler wäre. Dass die meisten Züchter es im zweiten Winter an hinreichender Bewegung für die jungen Pferde fehlen lassen, wird von allen Kennern der oldenburgischen Verhältnisse zugegeben, jedoch soll neuerdings hierin ein Wandel zum Besseren eingetreten sein. Mit dem Alter von drei Jahren werden die zur Zucht bestimmten Stuten gewöhnlich zum Hengste geführt und von da an, wenn sie gute Fohlen liefern, bis ins hohe Alter, d. h. bis 20 Jahre und darüber, zur Zucht verwendet. Die zum Verkauf bestimmten Pferde werden orewöhnlich im vierten — 544 — oder nach vollendetem vierten Jahre, wie man es in Oldenburg nennt, »fett gemacht«, d. h. entweder mit Arbeit verschont, auf eine bessere Weide gebracht und im Juni oder Juli an den Pferdehändler abgeliefert, oder schon im Winter vorher im Stalle besser gefüttert und im Januar oder März verkauft. Die Beschäler werden in der Regel nicht zur Arbeit gebraucht. Sie kommen nach Schluss der Deckzeit bis Ende September auf die Weide und erhalten im Stalle mehr Hafer als die Mutterstuten, beson- ders während der Deckzeit, wo sie 7V2— lo Kilo Hafer täglich bekom- men. Die beliebtesten Hengste decken 100 — 150 Stuten und darüber, von denen gewöhnlich 75 ''/o tragend werden. Das Sprunggeld für diese Elite-Beschäler beträgt meistens 100 Mk. Die üblichen Deckgeld- sätze sind im nördlichen Zuchtgebiete 25 — 40 Mk. W^eniger als 20 Mk. im nördlichen und 15 Mk. im südlichen Gebiete darf das Deckgeld nicht betragen. Eine gewisse, an die französischen Verhältnisse erinnernde Arbeits- teilung hat sich auch in Oldenburg eingebürgert. So befassen sich einige Züchter — unter diesen wären die Herren Hergens und Riese- bieter-Ranzenbüttel bei Berne; Töllner und Tantzen-Esenshamm ; W. Gäting und Müller-Esenshamm; G. P. Gerdes-Strohausen bei Roden- kirchen; E. Daun-Wiarderbusch bei Wiarden; Justus Daun-Jever; Joh. Harms-Sanderseeteich bei Sande und Nie. Dencker-Moorsee bei Abbe- hausen in erster Reihe zu nennen — vorzugsweise mit der Aufstellung von Zuchthengsten, andere halten Mutterstuten und verkaufen die Füllen und endlich gibt es Gegenden, wo der Landwirt keine Mutterstuten hält, sondern jährlich 2 — 3 Füllen ankauft und vierjährig wieder ver- kauft, seine Wirtschaft also hauptsächlich mit zwei- und dreijährigen Füllen besorgt. Letztere Art der Pferdezucht wird besonders im Jever- lande und dem benachbarten Ostfriesland betrieben. Dorthin werden auch die meisten Hengstfohlen (Enter genannt) auf dem am 8. Juni in Oldenburg stattfindenden Medardusmarkt verkauft, bei w^elcher Ge- legenheit man häufig bis zu looo Stück solcher »Enter« zu sehen be- kommen kann. Volljährige Hengste, die sich bereits als Zuchttiere bewährt haben, sind meist unverkäuflich oder doch nur um ausserordentlich hohe Preise zu haben. Dass Oldenburger Hengste I. Klasse sich vortrefflich rentieren, dafür sei folgendes Beispiel angeführt: Bei der Hengstkörung des — 545 — / Jahres igo6 war der vierjährige Eli mar, v. Elegant, a. d. Orsina, v. Congo, einer der am meisten bewunderten Hengste. Für diesen wurden dem Züchter, Gutsbesitzer Preis, ein Jahr vorher vergebens 25000 Mk. geboten. Elimar deckte sodann im Frühjahr 1905 nicht weniger als 227 Stuten (! !) Sein Deckgeld betrug damals 50 Mk. Also hat der Hengst seinem Besitzer im genannten Jahre 11 350 Mk. eingebracht. Auf das hin wurde seine Decktaxe sofort auf 60 Mk. erhöht. Allmäh- lich wird sie wohl auf 100 Mk. steigen, notabene falls der Hengst nicht infolge der übermässigen Inanspruchnahme seiner Zeugungskraft vorzeitig zugrunde geht. Ein anderer Beschäler allerersten Ranges, der 1896 geborene Ehrenberg, v. Ruthard, a. d. Giba, v. Isenhard, deckt jährlich im Durchschnitt 150 Stuten, wodurch er seinem Besitzer ein Einkommen von ca. loooo Mk. sichert. Ähnliche Beispiele könnten in Menge angeführt werden. Man kann daher auch getrost behaupten, dass es in ganz Europa, Frankreich oder genauer gesagt die Normandie vielleicht ausgenommen, keine Pferdezucht gibt, die einen so hohen Nutzen abwirft, wie die oldenburgische. Einigermassen erleichtert werden den oldenburgischen Hengsten die von ihnen verlangten kolos- salen Zuchtleistungen freilich durch den Umstand, dass die dortigen Stuten ungemein leicht und sicher aufnehmen, Nachsprünge somit nur selten in Frage kommen. Eine vorzügliche Gelegenheit, den Typus des modernen olden- burgischen Pferdes zu studieren, bieten die alljährlich Ende Januar in der Stadt Oldenburg stattfindenden Hengstkörungen des nördlichen Zuchtgebietes, zu welchen in der Regel ca. 350 Hengste angemeldet zu werden pflegen. Ausser in Caen bei den berühmten »Achats d'eta- lons« der französischen Gestüts Verwaltung, wird man in ganz Europa auch nicht annähernd eine so grosse Anzahl erstklassiger Hengste des Wagenschlages, wie in Oldenburg bei der Hengstkörung, auf einem Platze zu sehen bekommen. Es ist allerdings ein etwas kaltes Ver- gnügen, im Januar mehrere Tage hintereinander auf offener Musterbahn von 9 Uhr früh bis 4 Uhr Nachmittags der Vorführung von Hengsten ein und desselben Schlages beizuwohnen, aber wenn man sich da auch kalte Füsse und eine rote Nasenspitze holt, das Herz wird einem warm bei dem Anblick dieser prächtigen, wie aus einem Guss geformten Tiere. Was mich in Oldenburg am meisten überrascht hat, war ausser der wohl in keiner anderen Rasse in gleichem Masse herausgebildeten Gleichmässigkeit der äusseren Form und des Ganges, die ausserordent- Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 35 — 546 — lieh schöne Rückenhnie, die imposante Länge und Breite der Kruppe, die mustergültige Rippenwölbung, die kräftigen, trockenen Gelenke und Fig. 76. Oldenburger Hengst Kuthard, geb. 1890 Gl ätin Rulnco -^ Rend ina E mig rant Tochtei von Xormann (Angl -Norui.) CA TA w c *T| a> < 0 0 a <; 0 0 g crq 0 2 •-; 0 Fd" <: 0 2 w 1-1 0 1— ( c c '—' JL " — ' s w- '^ Ol n) (T) ft 0 ?r 1 — ■ I-' "The Oldenburg Coach Horse Associa- tion of America« mit dem Sitz in Fairfield (Illinois). Da diese Ver- eine bis zu einem gewissen Grade miteinander konkurrieren, geben sie auch beide eigene Gestütbücher heraus. In einem Punkte sind sie je- doch vollkommen einig. Sie halten den Oldenburger für das beste Kutschpferd, das je den Fuss auf amerikanischen Boden gesetzt. In- folgedessen hat denn auch der Import oldenburgischer Pferde nach den Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten bedeutend zugenommen. Darüber könnte man sich nur freuen, wenn nicht der Import von deut- schen Pferden nach Amerika ausschliesslich in der Hand von Händlern läge, die entweder selbst gar kein Verständnis für diejenigen Eigen- schaften haben, welche man von einem Zuchtpferde fordern muss, oder prinzipiell nur minderwertiges Material ankaufen, weil solches billiger zu haben ist und der kritiklosen amerikanischen Kundschaft trotzdem für teures Geld angehängt werden kann. Hierin liegt meines Erachtens eine Gefahr für die deutschen Interessen, die von den oldenburgischen Züchtern nicht unterschätzt werden sollte. Es haben schon manche von den Herren Yankees zuerst enthusiastisch gepriesenen europäischen Rassen — ich erinnere hier nur an die Suffolks und die Clevelands — ihre Rolle in Amerika sehr bald ausgespielt. Ein gleiches könnte den Oldenburgern passieren, wenn man deren Export ruhig amerikanischen Händlern überliesse und es als ein gelungenes Geschäft betrachtete, den Brack auf so gute Art los zu werden. Auf die Dauer ist keine Zucht nur durch geschickte Reklame lebenskräftig zu erhalten. Wird ihr stets nur mittelmässiges Material zugeführt, so ist ihr Eingehen mit Zuversicht binnen kurzer Frist zu erwarten. In Amerika stehen aber für die oldenburgischen Züchter so grosse Interessen auf dem Spiel, dass es ihnen wohl anzuraten wäre, den Hengsten-Export dorthin durch Bildung eines sich dieser Aufgabe widmenden Vereines selbst in die Hand zu nehmen. Konnte man doch auf den Ausstellungen in Chicago — 551 — und St. Louis deutlich wahrnehmen, welch gewaltiger Unterschied zwischen den von deutschen Fachmännern und den von amerikanischen Händlern ausgestellten Hengsten besteht. Dass Holland ausgiebigen Gebrauch von oldenburgischem Blut macht, ist bereits erwähnt worden. Ein vortreffliches Beispiel für die mit der Einführung dieses Blutes erzielten Erfolge lieferte die holländi- sche Abteilung auf der grossen Pferdeschau in Paris-Vincennes (Sep- tember 1900), welche die gute Wirkung der Kreuzung einheimischer holländischer Pferde mit Oldenburgern ins beste Licht stellte. In seinem Berichte über die genannte Schau äusserte sich Ökonomierat Fr. Ötken (siehe »Oldenburger Landwirtschafts-Blatt« Nr. 20, 1900) folgendermassen über die holländischen Pferde: »Die Holländer hatten nach dem Kataloge an Halbblutpferden von 1,60 ni und mehr Grösse 3 Hengste und 28 Stuten ausgestellt, nicht etwa Tiere mit ganz oder vorzugsweise einheimischem Blut, sondern, was mir ausserordentlich interessant war, Pferde von ganz im Oldenburger Karrossier-Typ und grösstenteils mit reinem oder doch viel OIdenl:)urger Blut. Mochten die holländischen Pferde auch noch nicht in allen Teilen als den unserigen (die wir zur Ausstellung geführt hatten) ebenbürtig er- achtet werden können, so war der Abstand doch keineswegs ein grosser und stellte die niederländische Kollektion der Konstanz und Durchschlagskraft des Oldenburger Blutes fraglos ein vortreffliches Zeugnis aus.« Ich unterschreibe obigen Ausspruch des bewährten Fachmannes ohne jeden Vorbehalt und will ich bei dieser Gelegenheit einige 1900 in Paris-Vincennes ausgestellt gewesene oldenburgische resp. ostfriesische Pferde, die mir besonders gefallen haben, hier namhaft machen. Es waren dies: Freibeuter, dbr. H., geb. 1891, v. Palatin, a. d. Penelope, v. Matador, 167 cm. Arthur III, schw. H., geb. 1897, v. Mattfriede, a. d. Weltdame, 165 cm. Warner, br. H., geb. 1896, v. Hermann, a. d. Eva, v. Driver, 167 cm. Aristokrat, br. H., geb. 1896, v. Albert, a. d. Rosa, v. Zampa, 166 cm. Botho, dbr. H., geb. 1894, v. Bravo, a. d. Gradiska, v. Humbold, 160 cm. Erra II, dbr. St., geb. 1897, v. Ruthard, a. d. Erra, v. Bernhard, 164 cm. (Siehe Fig. 78.) Anziehung, br. St., geb. 1892, v. Admiral, a. d. Arsena, v. Erwin, 164 cm. Bildschön, schw. St., geb. 1897, v. Andreas, a. d. Bildschön, v. Bernhard, 160 cm. Mit derartigen Tieren werden die oldenburgischen Züchter auf allen europäischen und überseeischen Schauen den Beweis erbringen können, dass ihre einheimische Rasse auf dem Gebiete der Karrossier- Zucht eine dominierende Stellung einnimmt. Der grösste französische Importeur oldenburgischer Pferde ist der A d a 1 13 e r t ,. 13 000 C o t i m a r „ 12500 Girello „ 12 000 Caprivi „ 9000 Witteisbacher „ 8000 Andreas ,, 7500 D e i c h g r a f „ 7 000 — DD^ — bekannte Pariser Pferdehändler A. Roy, 7 Route de la Revolte (Porte Maillot) Neuilly s. Seine, in dessen Stallungen man stets eine Anzahl aus Oldenburg bezogener Karrossiers zu sehen bekommen kann. Welchen enormen Wert erstklassige Oldenburger Zuchthengste nunmehr besitzen, geht aus folgenden Ziffern hervor. Es wurden ver- kauft die Deckhengste: Elegant für 25000 Mk. Fritz Reuter für 13000 Mk. Coco „ 18000 ,. Joubert „ 16000 „ Held ,, 16000 ,. Kurfürst „ 16 000 „ Germane „ 14000 „ Bravo ,, 13 500 ,. Ruthard ,. 13300 ,. M a r s 1 1 ,. 13 000 ,. Diese Liste umfasst, wie in den Rechenschaftsberichten der olden- burgischen Landwirtschaftsgesellschaft ausdrücklich hervorgehoben wird, meist jüngere Deckhengste im Alter von drei Jahren. Alle diese Hengste blieben im Inlande. Nach dem Auslande sind indessen auch wieder- holt gute Deckhengste zu hohen Preisen verkauft worden, doch er- warben die fremden Käufer vorzugsweise Hengstfüllen bester Klasse. Von diesen brachten Zweijährige mehrfach Preise von 4 — 8000 Mk.; Einjährige, sogen. Hengstenter, wurden nicht selten mit mehr als 2000 Mk. bezahlt, in einem Falle sogar mit 3500 Mk. Hengst-Saugfüllen brachten bis zu 1500 Mk. Weibliche Tiere stehen natürlich weit niedriger im Wert, doch ist der Preis für erstklassige junge Zuchtstuten im Alter von 3 — 6 Jahren bereits auf 1500 — 2500 Mk., ja in Ausnahmefällen noch höher gestiegen. So wurden auf der Pariser Weltausstellung zwei junge Zuchtstuten für 6500 resp. 3500 Mk. nach England verkauft, um dort mit Hackneys ge- kreuzt zu werden. Stutfohlen von ganz hervorragender Beschaffenheit und Abstammung sind übrigens auch nicht billig zu haben. Derartige Stutenter haben wiederholt mit 1500 Mk. und Stut-Saugfohlen mit 1000 Mk. bezahlt werden müssen. (Siehe »Mitteilungen über die Olden- burgische Pferdezucht« von Fr. Ötken.) Graf Münster-Moritzburg wird somit nicht der Übertreibung beschuldigt werden können, wenn er in seinen »Betrachtungen über das Oldenburger Pferd« die Ansicht ausspricht, »dass sich das Zuchtziel der Oldenburger Pferdezüchter in praktischer Beziehung als höchst gelungen bewährt habe,« denn es sind — 553 — fast sämtliche Produkte vom halbjährigen Fohlen bis zum ausgewach- senen Pferd zu hohen Preisen immer gut verwertbar, wie dies sonst nirgends in Deutschland der Fall ist. Die beiden Hauptpferdemärkte im Lande Oldenburg sind der im Juni stattfindende Medardus-Markt in Oldenburg und der September- ~^/y Fig. 78. Erra II, dunkelbraune Stute, geb. 1897. Markt in Ovelgönne. Besseres volljähriges Zuchtmaterial gelangt je- doch auf diesen Märkten nicht zum Verkauf, sondern tut man am besten, solches gegen Ende des Winters bei den Besitzern aufzusuchen. Fremden Käufern werden zu diesem Zwecke bereitwilligst zuverlässige Verkaufsvermittler von den Vorständen der beiden Züchterverbände und von dem Generalsekretariat der Landwirtschaftskammer nachs^ewiesen. Wer jüngere Pferde in Oldenburg zu kaufen beabsichtigt, sehe sich indessen wohl vor, dass er nicht das Opfer eines Händlerkniffes werde, der dort mit grossem Talent angewendet wird. Dieser Kniff besteht darin. — 554 — dass der Besitzer dem dreijährigen Tiere die sogenannten vierjährigen Milchzähne ausbricht und es so zum vierjährigen Pferde stempelt. In der Zahnlehre minder bewanderte Käufer werden hierdurch um so leichter getäuscht, als der frühreife Oldenburger Schlag schon im Alter von drei Jahren das Bild eines ausgewachsenen Pferdes zeigt. Das arme Tier wird daher gewöhnlich von seinem neuen Besitzer ohne weiteres zu harter Ackerarbeit oder, was noch schlimmer ist, zu an- strengendem Dienst auf dem Strassenpflaster benutzt. Selbstverständ- lich ist es diesen Anforderungen noch nicht gewachsen und nimmt infolofedessen zum orrossen Ärger des Käufers sehr bald Schaden an den Knochen, Sehnen oder Hufen. Bei verständiger Behandlung und kräftiger Fütterung ist das Oldenburger Pferd aber erfahrungsgemäss schon recht früh leistungsfähig. Wie mir von Herrn Vize-Oberstall- meister V. Wenkstern mitgeteilt worden, ist man auch im grossherzog- lichen Marstall mit den Leistungen des Oldenburger Karrossiers sehr zufrieden. Ich sah dort Pferde rein Oldenburger Herkunft, die trotz voller Inanspruchnahme ihrer Kräfte ein hohes Alter erreicht hatten. Das Gerede von der Weichheit des Oldenburgers wird daher »cum grano salis« aufgenommen werden müssen. Interessant ist, dass der jetzige Grossherzog auf seiner holstein- ischen Besitzung Bungsberghof ein Gestüt oder richtiger gesagt eine Aufzuchtstation unterhält, wo Oldenburger Fohlen bester Herkunft auf hochgelegenem, trockenem Boden nach allen Regeln der Kunst auf- gezogen werden. Zu der Körung im Jahre 1907 waren nicht weniger als acht Produkte der grossherzoglichen Aufzuchtstation angemeldet und machten diese ihrem hohen Besitzer, wie auch dem um die oldenburgische Pferdezucht hochverdienten Vize-Oberstallmeister v. Wenk- stern alle Ehre. Es waren durchweg breite, kurzbeinige, knochige und trockene Pferde, denen die holsteinische Weide und die rationelle Auf- zucht offenbar vortrefflich bekommen war. Schliesslich sei noch erwähnt, dass mir durch die Güte Sr. Ex- zellenz des Königl. preussischen Remonteinspekteurs, Generalleutnant V. Damnitz, Gelegenheit geboten wurde, einer Vorführung jüngerer und älterer Oldenburger und ostfriesischer Remonten in der Reitschule der Oldenburger Artilleriekaserne beizuwohnen. Ich bin sehr viel in der W>lt herumgekommen und glaube, das Pferdematerial der verschiedenen europäischen Heere ziemlich genau zu kennen. Stattlichere Artillerie- Reit- und Zugpferde als diejenigen, die mir in der Oldenburger Artillerie- — 555 — kaserne gezeigt wurden, habe ich aber an keinem anderen Orte zu sehen bekommen. Und diese Pferde waren nicht nur von nahezu idealer äusserer Form, sondern nach dem Ausspruch der Artillerie- offiziere auch ungemein leistungsfähig. »Wir bekamen früher ausschliess- lich Hannoveraner,« erklärte mir einer dieser Herren, »und brachten daher anfangs den weniger edlen Oldenburgern ein entschiedenes Miss- trauen entgegen. Seitdem wir sie aber im Dienste erprobt haben, sind wir anderer Ansicht geworden. Die lassen ihre Kanonen auch in tiefem und kupiertem Terrain nicht im Stich.« Das ist immerhin eine Erfahrung, die bei der Beurteilung des Oldenburger Pferdes nicht ausser Acht gelassen werden darf. Im südlichen Zuchtgebiete Oldenburgs findet man noch keinen wirklich konsolidierten Pferdeschlag. Den Züchtern dieses Gebietes wird vielfach der Vorwurf gemacht, dass sie zu viel Gewicht auf die Entwicklung einer hohen Knieaktion bei ihren Pferden legen und hier- über die Heranbildung anderer wichtigerer Eigenschaften vernach- lässigen. Im allgemeinen ist das von ihnen gezüchtete Pferd jedoch dem des nördlichen Gebietes ziemlich ähnlich, nur ist es, da auf leichtem Boden aufgewachsen, durchschnittlich etwas leichter. Das Zuchtziel des südlichen Gebietes ist aber auch nur die Produktion eines »mittel- schweren, eleganten Wagenpferdes«. Zu beachten ist ausserdem, dass der Umfang der Zucht im südlichen Zuchtgebiet stets weit geringer als im nördlichen gewesen. Während im letzteren 1905 58 Hengste ins- gesamt 5500 Stuten, also im Durchschnitt 95 Stuten, deckten, wurden zur selben Zeit im südlichen Zuchtgebiet den dort aufgestellten 10 Hengsten 752 Stuten zugeführt, also durchschnittlich jedem Hengst 75 Stuten. Ich glaube nun, dem Leser ein ziemlich vollständiges Bild der hochinteressanten Oldenburger Pferdezucht geliefert zu haben. Einer argen Unterlassungssünde würde ich mich jedoch schuldig machen, wenn ich dieses Kapitel abschlösse, ohne die virtuose Art, in welcher die Söhne und Knechte der oldenburgischen Züchter ihre Hengste vor- zuführen verstehen, rühmend hervorzuheben. Die Engländer, Franzosen und Belgier sind bekanntlich eljenfalls Meister in der schwierigen Kunst, Pferde jeder Art so zur Musterung vorzuführen, dass deren besten Eigenschaften zur vollen Geltung gelangen. Bisher war auch ich der Meinung, ähnliches lasse sich in Deutschland nicht erreichen. Seitdem ich in Oldenburg gewesen, bin ich eines Besseren belehrt worden. Die Oldenburger Jungens haben von ihren fremdländischen Berufsgenossen - 556 - nichts zu lernen. Im Gegenteil, ich bin überzeugt, dass jeder französi- sche Pferdehändler, der in die Lage kommt, einer Hengstkörung in Oldenburg beizuwohnen, lebhaft bedauern wird, nicht einige dieser »schwerfälligen Allemands« daheim in seinem Geschäft zur Verfügung zu haben. Und sicher wird er dabei zu seiner Überraschung auch die Beobachtung machen, dass man es in Oldenburg gelernt, dem geehrten Publikum die übermütigen dreijährigen Hengste ohne Pfeftern, Peitschen- geknall, Tücherschwenken , Huttrommeln, Scharren und Schreien in fliegendem Trab vorzuführen. »Sollens uns nachmachen«, würde der Wiener sagen. Das Holsteinische Pferd. Die Geschichte der Pferdezucht in den holsteinischen Marschen lässt sich bis auf das zweite Jahrhundert v. Chr. Geburt zurückführen. Verbürgte Nachrichten über das in Holstein gezogene Pferd beginnen jedoch erst mit der Einführung des Christentums und der Gründung der Klöster. G. Ahsbahs, der grosse Kenner dieses Pferdes, schreibt mit Bezug hierauf in der Vorrede zum Gestütbuch der holsteinischen Marschen: »Die Geistlichen als die Besitzer umfangreicher Ländereien brauchten Pferde für sich und ihr Gefolge. Sie legten Gestüte an und ihre Kenntnis der Pferde anderer Länder veranlasste sie, edle morgen- ländische Hengste einzuführen, die Gestalt und Temperament des in- ländischen Pferdes günstig beeinflussten.« So entstand schon zu An- fang des 14. Jahrhunderts die Stuterei des Klosters Utersen, die vor- zügliche Pferde geliefert haben soll. Der alte Stamm holsteinischer Pferde dürfte aus einer Kreuzung des einheimischen Schlages mit spanischen Rassen entstanden sein. Besonders gelobt an ihm wurde die stattliche Grösse, der Schwanenhals, die Feinheit des durch eine breite Stirn und imposante Rammsnase gekennzeichneten Kopfes, die Breite der Brust, das gerade Kreuz u. s. w. Diese in damaliger Zeit hochgeschätzten Eigenschaften veranlassten viele fremde Gestüte, Hengste holsteinischer Rasse anzuschaften, was natürlich wiederum dazu beitrug, das Ansehen des in den Herzogtümern gezogenen Pferdes weiter zu verbreiten und zu erhöhen. Als die Klöster infolge der Reformation eingezogen wurden und zum grossen Teil an die Krone fielen, errichteten die dänischen Könige mit dem Zuchtmaterial der Klöster landesherrliche Gestüte, in welchen die Pferdezucht mit grossem Verständnis betrieben wurde. Dem Bei- spiele der Könige folgten der Adel und die Ritterschaft. Bald wurden in Holstein ganz allgemein grosse, kräftige Reit- und Wagenpferde ver- edelten Schlages gezüchtet und nach anderen Ländern ausgeführt. Herzog Christian August schreibt, dass König Philipp II von Spanien (1556 — 1598) die jahrhundertelang wegen ihrer Schönheit und Stärke hochberühmte Rasse des königlichen Gestüts zu Cordova hauptsächlich vermittelst einer Kreuzung mit holsteinischen Beschälern begründet habe. Das Dillenburger Gestüt in Nassau wurde im 16. Jahrhundert zum Teil mit holsteinischen Stuten ins Leben gerufen. Bei der Errich- tung des hannoverschen Landgestütes zu Celle spielten bekanntlich holsteinische Heng.ste ebenfalls eine hervorragende Rolle. Die fürst- Ijischöflich Münstersche Regierung unterstützte von 1767 an die Kreuzung des einheimischen westfälischen sogen. Kleienpferdes mit holsteinischen Hengsten. Für die hohe Wertschätzung, welcher sich diese schon in älterer Zeit zu erfreuen hatte, spricht auch die Tatsache, dass Herzog Friedrich August von Holstein-Gottorp 1780 und später holsteinische Beschäler nach Oldenburg einführte. Ahnliche Beispiele könnten in Menge angeführt werden. Nach Aufhebung der Leibeigenschaft ging die Pferdezucht wohl quantitativ und qualitativ zurück, jedoch trat die Zucht des schweren Wagenpferdes in Holstein trotzdem immer mehr in den Vordergrund; auch bemühte sich die Regierung gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch zweckmässige Gesetze und Verordnungen fördernd auf die be- drohte Zucht einzuwirken. Solche Verordnungen waren u. a. die vom 15. Februar 1779, durch welche königliche Prämien für Beschäler bäuer- licher Besitzer ausgesetzt wurden, sowie auch die vom 12. Juni 1782, die in einer Unzahl von Paragraphen alle Kennzeichen eines guten Beschälers mit peinlicher Genauigkeit aufzählt. Aus der älteren Literatur über die holsteinische Pferdezucht ist besonders ein im »Staatsbürgerlichen Magazin« vom Jahre 1822 erschie- nener Brief des Etatsrats Professor Niemann in Kiel erwähnenswert, dem ich folgende Zeilen entnehme: »Heinrich Rantzau rühmt den Erwerb der Einwohner durch ihre Pferdezucht. Dankwerth berichtet vom alten Ruhme des holsteinischen Pferdes. Savari stellt im Handelslexikon Holstein voran unter den Län- dern, die Deutschland, Frankreich und Italien mit Pferden versorgen. Der Graf von Veitheim nennt Holstein als eins der Länder, aus welchem die französische Reiterei, besonders die schwere, fast zu jeder Zeit den - 558 - bei weitem grössten Teil ihres Bedarfs erhalten, und holsteinische unter den Beschälern, für welche Frankreich seit Jahrhunderten ungeheuere Summen verwendet habe. (?) Professor Begetrap erzählt in seinen Be- merkungen über die englische Landwirtschaft, dass der hochberühmte Tierkenner und Viehzüchter Bakewell zur Veredelung englischer Art mit englischen Muttertieren holsteinische Hengste zu paaren empfohlen wegen ihres hohen und schönen Baues. Verfasser erinnert sich aus seiner Jugend, dass fast alljährlich österreichische Kommissare nach Altona ofekommen seien zum Ankauf holsteinischer Pferde. Tetens erzählt in seinen Reisen durch die holsteinischen Marschen, dass ihm ein Händler in St. Margarethen drei ausgewählte Hengste habe vorreiten lassen, deren einen, ein grosses, kraft- und mutvolles, schönes Tier, dieser zu 800 Talern geschätzt habe. Im Jahre 1797 wurden über 10 000 Pferde aus Schleswig-Holstein ausgeführt und das Stück auf 100 Taler ge- schätzt. Beliebt und gesucht waren die holsteinischen Pferde zu jener Zeit besonders auch in Mecklenburg wegen ihres Baues, ihrer Farbe, auch ihrer zeitigen Ausbildung wegen. Fast in jeder Naturgeschichte und in vielen Schriften ül^er Pferdezucht wird des holsteinischen Pferde- stammes als eines der vorzüglichsten in Deutschland Erwähnung getan. Überall wird Holstein wegen seines feuchten Klimas, seiner ausgedehnten Ebenen und ihrer dichten, grünen Rasen als das grasreiche, ergiebige Weideland schöner Pferde beschrieljen.« Aus dieser Schilderung ergibt sich trotz der von flammendem Lokalpatriotismus zeugenden Übertreibungen ihres Verfassers — so ent- spricht es z. B. nicht den Tatsachen, dass Frankreich Nutzen aus der Kreuzung normandischer Stuten mit holsteinischen Hengsten gezogen — unzweifelhaft, dass das holsteinische Pferd bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein grosses Ansehen genoss. Man wird es daher dem holsteinischen Züchter jener Zeit nicht als Überhebung auslegen dürfen, wenn er mit einem gewissen Selbstgefühl von den Erfolgen seiner Pferdezucht spricht. Auch auf dem Gebiete der Zucht gilt der alte Spruch: »Bescheidenheit ist eine Zier, doch kommt man weiter ohne ihr.« Inzwischen begann das englische Blut auf dem Kontinent ein neues Züchtungsverfahren zur Geltung zu bringen, welcher Umstand insofern auch für die Herzogtümer von Bedeutung wurde, als die dor- tige Landespferdezucht durch die Einführung und Benützung eng- lischer Voll- und Halbbluthengste einen bedeutenden Aufschwung nahm. — 559 — Trotz der in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts durch Sturm- flut und anhaltende Missernten hervoro-erufenen wirtschaftHchen Bedränof- nis sind, wie dem Gestütbuch der holsteinischen Marschen zu entnehmen ist, vom Jahre 1820 an durch vereinzelte mit Mass und Vorsicht bewerk- stelligte Importe englischer Vollbluthengste dem holsteinischen Marsch- pferde höherer Adel, lebhafteres Temperament, grössere Gurtentiefe und längere Linien in Schulter und Kruppe angezüchtet worden. Unter diesen Vollblutbeschälern verdienen besonders genannt zu werden: Tramp, br. H., gez. 1810, v. Dick Andrews, a. e. Gohanna-Stute. Haphazard, schw. H., gez. 1817, v. Haphazard, a. e. Quiz-Stute. Antonius, br. H., gez. 1819, v. Octavian, a. e. Evander-Stute. Shuffler, br. H., gez. 1819, v. Walton, a. e. Drone-Stute. Stratherne, l:)r. H., gez. 1820, v. Whiskei", a. Barlow's Shuttle-Stute. Young Interpreter, dbr. H., gez. 1821, v. Soothsa3'er, a. d. Blowing, v. Buzzard. Brother to Tarrare, dbr. H., gez. 1822, v. Catton, a. d. Henrietta, v. Sir Solomon. Palemon, br. H., gez. 1823, v. Vampyre, a. d. Lady Henry, v. Orville. Virginius, br. H., gez. 1826, v. Carbon, a. e. Gohanna-Stute. Protocoll, Schimmel-H., gez. 1828, v. Partisan, a. e. Hambletonian-Stute. Egbert, br. H., gez. 1828, v. Morisco, a. d. Ina, v. Smolenska. Blythe, br. H., gez. 1829, v. Catton, a. e. Raphael-Stute. The Grand Falconer, lir. H., gez. 1829, v. Merline, a. d. Active, v. Partisan. Nautilus, br. H., gez. 1832, v. Skiff, a. d. Ikaria, v. The Flyer. Djalma, 8chl.-H., gez. 1842, v. Brother to Aleppo, a. d. Cosa Rara, v. Potatoes u. ni. a. Herzog Christian August von Schleswig-Holstein, in den Kreisen des Sports besser als Herzog von Augustenburg oder kurzweg »der Augustenburger« bekannt, gehörte zu den er.sten und den besten, die der Vollblutzucht in den Marken Norddeutschlands Eingang verschafften. Wir begegnen dem Herzog im Kreise jener Sportsmen, die vor 65 Jahren sich so grosse Verdienste um die deutsche Vollblutzucht erwarben und von denen hier nur die Grafen Hahn und Wilamowitz, die beiden Frei- herren V. Maltzahn, Herr v. Veitheim und Baron Biel genannt seien. Von einer Reise aus England zurückgekehrt, begann der Herzog 1821 den Grund zu dem später so berühmt gewordenen Augustenburger Gestüte auf der Insel Alsen zu legen. Dieses Gestüt nahm bald einen solchen Aufschwung, dass es in den dreissiger Jahren des vorigen Jahr- hunderts 12 — 15 Vollblutbeschäler und über 30 Vollblut-Mutterstuten zählte. In Augustenburg selbst wurde bis 1848 jährlich zur Feier des Geburts- tages der Herzogin ein mehrtägiges Renn-Meeting abgehalten, bei welcher Gelegenheit das Schloss Augustenburg zahlreiche zu diesem Sportfeste — 560 — geladene Gäste zu beherljergen pflegte. Mit dem Rennen war dann auch stets eine Auktion verbunden, auf der allemal eine bedeutende Anzahl teils eigen gezogener, teils von den Bauern gekaufter Pferde unter den Hammer kam. Vor allem trachtete der Herzog danach, die Pferdezucht in den Herzogtümern und besonders auf der Insel Alsen zu fördern. Dort gab es nämlich einen Stamm starker, wenn auch weniger edler Pferde, der durch Kreuzung mit Vollblut wesentlich zu verbessern war. Zu diesem Zwecke gestattete der Herzog den Landleuten, ihre Stuten von seinen Hengsten umsonst decken zu lassen und behielt er sich nur bei allen nach diesen Beschälern gefallenen Fohlen das Vorkaufsrecht vor. Um die Abstammung der einzelnen Pferde verfolgen zu können, wurde ein mit grosser Sorgfalt geführtes Gestütbuch angelegt, in dem eine jede Stute, die von einem herzoglichen Hengste gedeckt worden war, mit dem Namen des Besitzers eingetragen wurde. Auch bestimmte der Herzog immer selbst, welchem seiner Hengste die Stuten der Bauern zugeführt werden sollten, damit der seiner Ansicht nach passendste Hengst gewählt werden kcinne. Auf diese Weise wurden fast jedes Jahr 200 — 300 Bauernstuten auf Augustenburg gedeckt. Das Gestüt des Herzogs zeichnete sich vor allem durch Grösse und Knochenstärke, gepaart mit Adel, aus. Auf der Rennbahn hat es jedoch nur geringe Erfolge erzielt. Ein Pferd, das dem Augusten- burger Gestüt viel Schaden zugefügt hat, war der englische Derby- Sieger des Jahres 1822, Moses, br. H., geb. 1819, v. Whalebone oder Seymour, a. e. Tochter v. Gohanna und Grey Skim, v. Woodpecker, auf den der Herzog grosse Hoffnungen setzte. Dieser Hengst hat sich nämlich als Vaterpferd durchaus nicht bewährt und kein einziges be- deutendes Rennpferd geliefert, obgleich er mehrere Jahre hindurch fast sämtliche Stuten des Augustenburger Gestüts zugeführt erhielt. Im jähre 1848 nahm die dänische Regierung das Gestüt in Be- schlag, führte alle dortigen Pferde mit Ausnahme einiger wenigen nach Kopenhagen und rangierte sie teils in das Fredriksborger Gestüt ein, teils Hess sie sie auf öffentlicher Auktion verkaufen. Auf diese Weise traf das Gestüt mit einem Schlage völlige Vernichtung und die Früchte dreissigj ähriger, liebevoller Arbeit waren dahin. Mit dem Verluste seines Augustenburger Gestütes verlor der Herzog auch die Lust später, nachdem er sich in Primkenau niedergelassen hatte, wieder von vorne anzufangen und ein neues Gestüt zu gründen. - 56i - Aber wenn der Herzog auch nicht mehr für die Bahn züchtete, gab er es doch nicht auf, Halbblutpferde zu ziehen, wie denn auch in Augustenburg stets eine bedeutende Aufstauung von Halbblutpferden neben dem Vollblutgestüt gehalten w^orden war. Der »Augustenburger« konnte sich somit rühmen, einen bedeutenden und segensreichen Ein- fluss auf die Pferdezucht seines engeren Vaterlandes ausgeübt zu haben. Ausser den vorerwähnten Vollblutpferden kam eine ganze Reihe hochgezogener Yorkshire-Coachers, Hunters und Cleveland Bays ins Land. Unter diesen haben sich die Hengste Old Patrick, Severin, Burlington Turk, Young Turk, der Hunter, Hassan, Young Ruler, For- tunatus und Brillant bleibenden Ruhm in den Annalen der holsteinischen Pferdezucht erworben. Burlington Turk, br. H. der Yorkshire Coach- Horse-Rasse, geb. 1825 in England, darf sogar neben dem weiter oben orenannten Vollblut-Schimmelhengst Protocoll als Stammvater des heu- tigen Kremper Marschpferdes bezeichnet werden. Umstehend das vollständige Pedigree des Burlington Turk. Kaltblut ist in den holsteinischen Marschen nur ganz vereinzelt zur Verwendung gelangt; von 1871 an einige Jahre hindurch ein Percheron- Hengst und ungefähr zu derselben Zeit ein Suffolk. Dagegen sind in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Oldenburger und später hannoversche und ostpreussische Hengste eingeführt worden. Die Pro- dukte der Oldenburger Blutmischung mussten jedoch schleunigst aus- gemerzt werden und die zwar im Blut dem holsteinischen Marschpferde nicht fernstehenden hannoverschen und ostpreussischen Hengste haben sich mit Ausnahme des Trakehner Rapphengstes Hans II und eines hannoverschen Rapphengstes namens Y. Harold I ebenfalls nicht be- währt; sie drohten den Typus und damit auch die wertvollen Eigen- schaften des holsteinischen Pferdes gänzlich zu verwischen. Aus allem dem ergibt sich, dass das holsteinische Marschpferd vollkommen homogen gezüchtet ist. Das Marschpferd am Ende des achtzehnten und zu Anfang des vorigen Jahrhunderts war ein grosser Karrossier mit schönem, wohl- gebautem Körper, starkem, geradem, etwas langem Rücken, gut ge- formter, breiter Kruppe, starken, korrekt gestellten, trockenen Beinen, gutem, regelmässigem Gang und langem, hoch aufgesetztem Halse mit Rammskopf. (Siehe »Die Pferdezucht in der Kremper Marsch« von G. Ahsbahs). Dank der Vollblutkreuzung sind die kleinen Mängel, die uns in diesem Bilde entgegentreten, heute vollkommen verschwunden. Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 3^ 562 - CQ X u CQ X V IT) C^ =3 H ' T^';„„ T7^^^,,r. Eclipse jxiiit; i i,igu.-5 Polly 1 Stute von Herod X G 'c3 ' Pyrrha Walnut Highflyer 1^ Constantia Maiden Contessina Y. Marske Duchess ) Turk 968 Hutchinson's Turk — — Stute von Y. Cade 0 1> Forrester-Stute +-1 C/3 Stute von Engineer Sampson Y. Greyhound-Stute Stute von Whitenose Grey Hautboy-Stute O 10 0 Dreadnought 720 Rainbow 834 Dart 712 — Stute von Fearnought 743 — Stute von Hamm Miller — — Stute von Success 876 Candam-Stute 0 > in Volunteer 650 Victory 899 Trotting-Jalap Tochter von Earl's Horse Stute von Cade 925 — — — — 5 -6 '1^ — i-i bCi CQ 0 -2 3 _c N 0 TJ 0 > ' ' •^ m '■^ m Q) U ■f. OJ G ^H , r^ .-^ '53 03 73 u ^ in rt <+H OJ rt ^ 0 ^ ffi ^ x: <4— t (-H 0 -J-J 0 ^ 0 i^ c 0 H bJO 0) ;h T< (U PQ 0 r^Sj rn 0 s >-l 0 +r ^ ^ ■^ S fl. .H -^ ;g -^ 00 E o; G 0) +-] (U (U 72 1 'S C/3 7; ^-1 ;-< OJ rt CS ^ 13 0) 1) «3 ^ OJ fX, 0) :G « Allerdings ist englisches Vollblut in den letzten Jahrzehnten sparsamer als in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bei der Produktion des holsteinischen Marschpferdes zur Verwendung gelangt. Ganz auf- - 563 - gehört aber hat die Zufuhr edlen Blutes darum keineswegs. So bildete sich im Jahre 1871 ein Verein von Züchtern, der den englischen Voll- bluthengst St. Fagans, Braun, gez. 1862, v. Ethelbert, a. d. Pet Lamb, V. Melbourne, für die Kremper Marsch erwarb. Und dass dieser An- kauf ein glücklicher gewesen, beweisen die Erfolge seines 1874 ge- borenen Sohnes Young Ethelbert, a. d. Adolphine, v. Y. Hannibal I, Fig. 79. Falb (1760), br. H., geb. 1892, v. Adjutant (1500J, a. d. Dampfschiff (1230). Auf der Hengstschau zu Elmshorn 1906 mit 16 Söhnen vorgeführt. der 1878 und 1883 als der beste Beschäler seines Kreises bezeichnet wurde. Zu erwähnen wäre wohl auch der 1892 in Meldorf stationiert gewesene Traventhaler Landbeschäler Perdeutos, Fuchs, gez. 1888 in Graditz, v. Chamant, a. d. Pulcherrima, v. Beadsman. Übrig-ens bleibt wohl zu beachten, dass der holsteinische Züchter nicht wie sein in der Normandie wohnhafter Berufsgenosse genötigt ist, sein Augen- merk stets auf die Bekämpfung des l3aiiphatischen Elements durch Zu- fuhr hochedlen Blutes gerichtet zu haben, denn das holsteinische Marsch- — 564 — pferd hat sich von jeher durch eine kräftige Konstitution, straffe Sehnen, Muskelfülle, trockene Beine und grosse Widerstandsfähigkeit aus- pfezeichnet. Die dortige Zucht befindet sich daher nicht wie in der Normandie in beständigem Kampf mit Weichheit, weshalb sie sich auch darauf beschränken kann, nur von Zeit zu Zeit eine Blutauffrischung mit geeigneten Produkten des englischen Vollblutes vorzunehmen. •/# y fgJ^iSmmSSmmSiSm Fig. 80. Vesta (5612), br. St., geb. 1899, v. Cicero (1608), a. d. Hertha (427). Die Figuren 79, 80 und 81 zeigen die wohlgelungenen Porträts eines Hengstes, einer Stute und eines Wallachs der Kremper Marsch- Rasse. Von grosser Bedeutung für die holsteinische Pferdezucht ist die seit vielen Jahrzehnten bestehende und mehrfach abgeänderte resp. er- gänzte Körordnung gewesen. Durch Polizeiverordnung vom 21. Mai 1898 wurde mit Zustimmung des Provinzialrats angeordnet, dass nur solche Hengste zum Bedecken von Stuten verwendet werden dürfen, die an- - 565 - gekört sind und deren Besitzer einen Körschein erhalten haben. Aus- genommen hiervon sind: i. Königl. Haupt- und Landbeschäler; 2. die Grossherzoglich Oldenburgischen auf den oldenburgischen Fideikommiss- gütern aufgestellten Hengste; 3. die von Züchtervereinen unter Gewäh- rung eines Staatsdarlehens und unter Mitwirkung eines Gestütsbeamten angeschafften Hengste, solange das Darlehen noch nicht vollständig zurückgezahlt ist; 4. im alleinigen Eigentum eines einzelnen stehende Hengste, solange sie für eigene Stuten verwendet werden; 5. englische Fig. 81. Dreijähriger Holsteinischer Wallach v. Cicero (i ^■erkauft 1903 als Kavallerie-Remonte an Preussen. Vollbluthengste, für welche mindestens loo Mk. Deckgeld gezahlt werden. Die zu 3 — 5 sind an den regelmässigen Körterminen vorzuführen. Es sind drei Körbezirke, welche die drei bestehenden Zuchtbezirke umfassen, gebildet, nämHch: i. das ehemalige Herzogtum Schleswig; 2. der Bezirk der Pferdezüchter in den holsteinischen Marschen; 3, das übrige Holstein mit Lauenburg, hi den Kreisen Flensburg-Land, Schles- wig und Eckernförde sind die beiden Zuchtrichtungen der Bezirke i und 3 als bestehend anerkannt. Für jeden angekörten Hengst wird gegen Zahlung von 15 Mk. ein Körschein ausgestellt. Die anzukörenden Hengste müssen am i. Juli - 566 - des Jahres, in welchem die Körung stattfindet, das dritte Lebensjahr vollendet haben, frei von Erbfehlern und nach ihrer gesamten körper- lichen Beschaffenheit für den Zuchtbezirk zur Zucht geeignet und dem Stutenmaterial angemessen sein. Die Körung findet jährlich zweimal statt und zwar im Juli die Sommerkörung für Hengste, die das dritte Jahr vollendet haben, im Februar die Winterkörung für Hengste, die bis I. Juli desselben Jahres drei Jahre alt werden. Ausser diesen Körungen können besondere Körungen auf Kosten des Antragstellers vorgenommen werden. Der Körschein gilt nur für den Kreis, in dem die Ankörung er- folgt ist. Ausnahmen kann die Körungskommission des Kreises, in welchem der Hengst übergeführt werden soll, gestatten. Der Ort, an welchem der Hengst zum Decken aufgestellt wird, ist dem Landrat vorher mitzuteilen und darf ohne dessen Genehmigung nicht verändert werden. Das Decken darf nur an solchen Orten stattfinden, an denen der freie Zutritt und das Zusehen unbeteiligter Personen ausgeschlossen ist. Das Bedecken im Umherziehen ist verboten. Die Besitzer von angekörten Hengsten haben Deckregister zu führen und diese im Sommerkörtermin an den Vorsitzenden der Kommission einzuliefern. Wer ohne im Besitz eines Körscheines zu sein durch seinen Hengst Stuten decken lässt, wird mit einer Geldstrafe von 60 Mk. für jeden einzelnen Fall bestraft. Für sonstige Übertretungen werden Geldstrafen von 15 — 30 Mk. verhängt. Im Unvermögensfalle tritt entsprechende Haft ein. Die jetzt gültige Körordnung ist vom 11. April 1900, weicht aber nur in einigen weniger wesentlichen Punkten von der vorstehend wieder- gegebenen ab. Eine eigentümliche Bestimmung für die Hengstkörung im Hengst- körbezirk II ist, dass ein Hengst mit Warnung bezw. Vorbehalt an- gekört, also zur Abkörung im folgenden Jahre in Aussicht genommen werden kann. Wie schnell und gründlich das heimische Blut, nachdem es nicht mehr in seiner Entwicklung gehemmt wird, durch sein Übergewicht im Exterieur alles andere beiseite geschoben hat, trat deutlich bei der Sommerkörung 1901 und der Winterkörung 1902 im Bezirk der Pferde- züchter in den holsteinischen Marschen zutage. Bei diesen Körungen befanden sich nämlich unter den 100 angekörten 96 Holsteiner. Das — 567 — fremde Blut ist somit tatsächlich verdrängt worden, ohne dass die Blutfrage bei den Hengstkörungen leitend gewesen. Zur weiteren Vervollkommnung der Pferdezucht in den holsteini- schen Marschen und Erzielung grösstmöglicher Vererbungskraft unter- werfen die Mitglieder des dortigen Züchterverbandes auch ihre Stuten einer vereinsweise stattfindenden Körung. Für diese Stutenkörungen gelten folgende Bestimmungen: 1. Das Zuchtziel der holsteinischen Marschen ist, »ein edles, kräftiges Wagenpferd mit starken Knochen und hohen, räu- menden Gängen, das möglichst gleichzeitig die Eigenschaften eines starken Reitpferdes besitzt.« 2. Zur Eintragung in das Stammregister dürfen nur solche Stuten bestimmt werden, die dieser Zuchtrichtung entsprechen und nach Ab- stammung, Knochenbau und Gang mindestens geeignet sind, den Typus des holsteinischen Marschpferdes zu erhalten. 3. Die aufzunehmenden Stuten müssen frei von Erbfehlern sein; in zweifelhaften Fällen kann die Kommission die Beibringung eines tierärztlichen Attestes verlangen. Welche Fehler als Erbfehler anzu- sehen sind, ist dem gewissenhaften Ermessen der Kommission zu über- lassen. Jedenfalls aber haben als solche die in der Körordnung für Deckhengste namhaft gemachten Fehler (Dummkoller, Dämpfigkeit, Kreuzlähmung, periodische Augenentzündung, sogen. Mondblindheit, alle Arten Star, Spat, Schale, Strahlkrebs) zu gelten.*) 4. Bei jeder angekörten Stute ist durch Messstock und Messband die Grösse festzustellen. Ausserdem ist sie zu pointieren nach Eleganz, Körperbau, Fundament und Gang mit je o bis 8 Points. Bei Beurtei- lung des Körperbaues ist nur auf die solide Zuchtform Rücksicht zu nehmen. Die Gesamtzahl der Points, die eine angekörte Stute erhält, darf nicht unter 16 hinabgehen, im Fundament und Gang nicht unter je 4 Points. Kann diese Mindestzahl nicht erreicht werden, so ist die Stute nicht ankörungsfähig. Die den Points entsprechenden Werte sind: o =^ schlecht, 2 — massig, 4 := gut, 6 = sehr gut, 8 = vorzüglich; die ungeraden Zahlen der Skala bilden die Übergangsstufen der Werte. 5. Im dreijährigen Alter ist jede Stute ankörungsfähig, Ist infolge ungenügender Entwicklung der Stute oder aus anderen Gründen die *) Ganz veraltete Bestimmung, denn welcher Fachmann würde behaupten wollen, dass z. B. Kreuzlahmung, Mondblindheit oder Spat zu den Erbfehlern gezählt werden müssen? Anm. des Verfassers. - 568 - Körungskommission nicht imstande, sich ein abschhessendes Urteil über eine vorgestellte Stute zu bilden, so ist diese zur nächstjährigen Körung zu verweisen. Jede angekörte Stute erhält auf dem linken Hinterschenkel den Brand des Verbandes — den geharnischten, nach links sprengenden Reiter (siehe Fig. 82). 6. Die angekörten Stuten sind der Kommission in dem Körungs- termin der beiden folgenden Jahre wieder vorzuführen. Die Kommission hat dann ihr zu Protokoll gegebenes Gutachten über etwaige Mängel, sowie die Messung und Pointierung zu ergänzen bezw. zu berichtigen. Ausserdem wird das beste Zuchtmaterial auf zahlreichen Schauen mit Staats- und Vereinspreisen ausgezeichnet. Jeder angekörte Hengst kann sich um die für diese Schauen aus- gesetzten Preise bewerben. Ferner können sich bewerben: vierjährige und ältere Stuten, gedeckt oder mit Fohlen ; ein-, zwei- und drei- jährige Stutfohlen; Familienzuchten und zwar Mutter mit Nachkommen dreier Jahrgänge. Massgebend für die Preiszuerteilung ist in erster Linie der Zuchtwert des Pferdes. Bei Stutfohlen ist die rationelle Haltung und gute Pflege der Hufe zu berücksichtigen. Fig. 82. Brandzeichen des Ver- T j T~»r j 1 • 1 • 1 1 TT j. j bands der Pferdezüchter in edes Pierd, gleichviel ob Hengst oder , , , ^ • • , ,. , , , den holsteniischen Marschen. Stute, das einen Staatspreis erhalten hat, muss mindestens drei Jahre nach der Preiszuerteilung in der Provinz verbleiben und bei zuchtfähigem Alter auch zur Zucht verwendet werden, andern- falls ist im ersten Jahre nach Preiszuerteilung der ganze, im zweiten der halbe Betrag, im dritten Jahre ein Viertel der Preissumme zurückzuzahlen. Von grösster Bedeutung für die holsteinische Warmblutzucht wurde der im Jahre 1891 erfolgte Zusammenschluss der fünf Pferdezuchtver- eine des westlichen Holsteins [v Kremper Marsch« (gegründet 1883), »Seestermühe-Haseldorfer Marsch« (gegründet 1885), »Norderdithmar- schen« (gegründet 1887), »Süderdithmarschen« (gegründet 1881) und »Wilstermarsch« (gegründet 1887)] zu einem grossen Vereine unter dem Namen »Verband der Pferdezuchtvereine in den holsteinischen Marschen«. Aus dieser freien Vereinigung entstand zu Anfang des Jahres 1897 eine Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht, die seit- dem den Namen »Verband der Pferdezüchter in den holsteinischen Marschen, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht« trägt. — 569 — Es sei hier der Wahrheit gemäss bemerkt, dass die Pferdezucht in den holsteinischen Marschen, was sie heute ist, in erster Linie diesem Verbände und seinen leitenden Organen zu verdanken hat. Der erste Band des Gestütbuchs der holsteinischen Marschen, das älteste Stamm- register einer deutschen Landespferdezucht, ist allerdings schon 1886, also vor Gründung des Verbandes erschienen, jedoch wurde dessen Herausgabe nur durch die Sorgfalt ermöglicht, mit welcher die dem Verbände nun als Körbezirke anpfeorliederten früheren Pferdezuchtver- eine seit 1829 Preislisten und Verzeichnisse von allen Pferdeschauen und Prämiierungen ihren Archiven einverleibt hatten. In den bisher erschienenen fünf Bänden dieses Gestütbuches findet der Leser ein Stammregister, ein Ahnenregister, die Stammtafeln, eine Beschreibung des Zuchtgebietes und des Zuchtbetriebes, die Verbandssatzungen, die Bestimmungen über die Hengst- und Stutenkörungen, statistische Nach- richten, Abbildungen von hervorragenden Zuchtpferden u. m. a. Bis 1905 sind rund 2100 Hengste und 5800 Stuten eingetragen worden. Dieses Stammregister, in das nur angekörte Tiere und deren Nachzucht aufpfenommen werden dürfen, liefert den Qualitätsnachweis. Ausschliesslich das Verdienst der Züchtervereinigung in den hol- steinischen Marschen sind dagegen folgende Gründungen: Die Gestütbuchstelle, welcher die Protokollführung in den Körungsterminen, die Stammregisterführung und die Zusammenstellung des gesamten Materials für die Herausgabe des Gestütbuches obliegt. Die Verkaufsvermittelungsstelle, deren Aufgabe es ist, den Verkauf von Zuchtmaterial kostenlos zu vermitteln, auf Anfrage jede gewünschte Auskunft zu erteilen, sowie auch die Käufer beim Ankauf zu begleiten und mit Rat zu unterstützen. Die Reit- und Fahrschule zu Elmshorn, die, im Jahre 1894 unter dem Protektorat Sr. Hoheit des Herzogs Ernst Günther zu Schles- wig-Holstein errichtet, sich in folgende drei Abteilungen gliedert: Pferde- Dressur und -Verkauf, Leistungsprüfungen und Rennen, und Schüler- Ausbildung. Die Verkaufsabteilung hat die Aufgabe, die von den Ver- einsmitgliedern gezogenen Pferde für verschiedene Gebrauchszwecke zu dressieren, so dass sie direkt an den Konsumenten abgegeben werden können. Auf diese Art machen sich die Züchter unabhängig vom Händler. Die Pferde werden zum Teil von den Mitgliedern zum kommissionsweisen Verkauf eingestellt, zum Teil aber auch von ihnen durch Vertrauensmänner für die Genossenschaft angekauft. Der direkte — ^/^ — Bezug vom Züchter ermöglicht den Verkauf zu verhältnismässig billigen Preisen. Diese werden unter Berücksichtigung aller den wirklichen Wert bestimmenden Faktoren in längstens monatlichen Zwischenräumen von einer unparteiischen, sachkundigen Kommission festgesetzt. Be- sonderes Gewicht wird hierbei auf die Angaben des Züchters und die in der Reit- und Fahrschule gemachten Beobachtungen über Augen, Atem, Hufe, Futterverwertung, Gebrauchstüchtigkeit, Temperament, Charakter und sonstige auf den Marktwert des betreffenden Pferdes einwirkende Vorzüge oder Mängel gelegt. Etwaige den Gebrauchswert beeinträchtigende Eigenschaften haben eine entsprechende Preisherab- setzung zur Folge. Das Resultat der Preisfestsetzung wird protokolliert und das Protokollbuch dem Käufer auf Verlangen vorgelegt. Man darf somit wohl behaupten, dass die Verkaufsabteilung der Elmshorner Reit- und Fahrschule ihren Kunden alle nur denkbaren Garantien zu bieten vermag. Die Lehr-Abteilung der Schule wird als landwirtschaftliche Lehr- anstalt vom Staate, von der Provinz und von der Landwirtschaftskammer subventioniert. In vierteljährigen, am 15. jedes ersten Ouartalmonats beginnenden Lehrkursen werden junge Leute ausgebildet im Reiten, Fahren, Pferdevorführen und Voltigieren, in der Pferdekunde, Züchtung und Stallpflege, in der Führung von Zuchtregistern, in der Wagen- und Geschirrlehre, Selbsthilfe bei Unglücksfällen, polizeilichen Verkehrs- Ijestimmungen u. s. w. Am Schluss des Kursus wird eine öffentliche Prüfung abgehalten. Das Lehrgeld für den vierteljährigen Kursus be- trägt für Schüler aus der Provinz Schleswig-Holstein 60 Mk., für Schüler von ausserhalb der Provinz 120 Mk. Die Kosten ihres Unter- halts und ihrer Wohnung (60 — 65 Mk.) haben die Schüler aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Ausserdem sind sie verpflichtet, die vorgeschrie- bene einheitliche Institutskleidung zu tragen und ein militärisches Ver- halten zu beobachten. Der Dienst dauert von morgens 5 bis abends 6 Uhr. Die Renn-Abteilung umfasst den Rennbetrieb. i\uf der unmittel- bar hinter der Reit- und Fahrschule gelegenen Rennbahn werden die Schleswig-Holsteinischen Rennen, Leistungs- und Gebrauchsprüfungen abgehalten, jedoch benützt die Schule diese Bahn auch zum Einfahren ihrer Gespanne. So weit das Programm der Schule. Über die Art, w^ie dieses durch- geführt worden, herrschen wohl noch hie und da verschiedene An- sichten. In einem mir vorliegenden Berichte wird der korrekten An- — 571 — Spannung und der vorzüglichen Haltung der Kutscher aufrichtiges Lob gespendet. Weniger entzückt ist der Berichterstatter aber von dem Pferdematerial und der Fahrmethode. Über die Pferde schreibt er: »Wir fanden in Elmshorn den echten Typ des Kremper Marschpferdes, eines starkknochigen Tieres, das dem Hunter ähnelt. Doch sind wir der Ansicht, dass den Produkten dieser Zucht noch der Adel fehlt. Dem Kremper Marschpferde muss unbedingt mehr Blut zugeführt werden; es muss mehr »Draht« und weniger Masse haben. Wenn wir auch grosse, starke Tiere als Karrossiers und Artillerie-Zugpferde brauchen, so darf dies doch nicht auf Kosten der Bewegungsfreiheit, der Ausdauer und des Temperaments erreicht werden. Übrigens seien auch die vorzüglichen Eigenschaften der holsteinischen Rasse erwähnt, die gerade eine weitere Veredelung sehr erwünscht scheinen lassen. Das Kremper Marsch-Pferd zeichnet sich durch ein ausserordentlich frommes Temperament und eine bestechende Trabaktion aus. Dazu kommt noch, dass es sich als besonders praktisches Marktpferd darstellt, weil es sich sowohl als Wagen-, wie auch als Reitpferd für schweres Gewicht gleich gut eignet.« Dass letzteres tatsächlich der Fall ist, wird niemand, der Pferde der Kremper Marsch-Rasse gefahren, in Abrede stellen. Professor Dr. S. v. Nathusius-Jena behauptet allerdings in einem in der »Deutschen Landwirtschaftlichen Tierzucht« veröffentlichten Bericht über die Pferde auf der Danziger Wanderausstellung 1904, dass die Kremper Marschpferde sich immer weiter von der Reitpferdeform ent- fernten und immer weicher würden. Dem gegenüber konstatiert Herr G. Ahsbahs, Sommerlander Riep, dass die Ausfuhr von Reitpferden aus dem Vereinsgebiet sich von Jahr zu Jahr gemehrt habe und die in Danzig ausgestellt gewesenen jungen Tiere (volljährige Pferde hatte Holstein nicht ausgestellt) schon bei Beginn der Ausstellung drusig waren, mehr oder weniger stark husteten und in den Beinen an Trocken- heit eingebüsst hatten. Natürlich konnten die Holsteiner in dieser Ver- fassung sich nicht so stramm und schneidig zeigen, als sie es sonst getan haben würden. Ich erlaube mir auch darauf hinzuweisen, dass die Kremper Marsch-Stute Pamela (1869), geb. 1896, v. Cicero (1608), a. d. Brun (3513), v. Hans (1009), im Jahre 1902 in Frankfurt a. M. den I. Preis im Hoch- und Weitspringen erhielt. Schlecht kann somit die Reitpferdform dieser holsteinischen Stute nicht gewesen sein und Pamela war kein Zufallsprodukt der holsteinischen Marschzucht, sondern ver- körperte, wie aus einer mir vorliegenden Photographie zu ersehen ist. — 572 — o-enau den in der Kremper Marsch allgemein vorkommenden Typus. Nichtsdestoweniger bin auch ich der Ansicht, dass die holsteinischen Züchter mit grösster Sorgfalt darüber zu wachen haben werden, dass den Produkten ihrer Zucht der Adel erhalten bleibe, denn ohne wieder- holte, verständnisvoll abgemessene Blutzufuhr lässt sich auf die Dauer keine Karrossierzucht betreiben. Die unbedingt erforderliche Masse muss eben durch das edle Blut in gewissen Schranken gehalten werden, sonst erscheint der Miet- oder Ackergaul in überraschend kurzer Zeit auf der Bildfläche und mit der Zucht »eines edlen, kräftigen Wagen- pferdes, das möglichst gleichzeitig die Eigenschaften eines starken Reit- pferdes besitzt«, hat es dann ein Ende. Glücklicherweise erfreuen sich die Leistungen der Elmshorner Reit- und Fahrschule von Jahr zu Jahr grösserer Anerkennung und darf man sich daher wohl der Hoffnung hingeben, dass der von dieser An- stalt ausgehende Impuls keinen Rückschritt in der Produktion des ver- edelten holsteinischen Pferdes aufkommen lassen wird. Eine sehr interessante Einrichtung des Pferdezüchterverbandes in den holsteinischen Marschen ist auch das Hengstdepot, das von diesem unterhalten wird. Zur Deckzeit 1905 war die stattliche Anzahl von 57 Verbandsbeschälern aufgestellt. Leider ist die seit einer Reihe von Jahren für die Hengsthaltung gewährte Staatsbeihilfe im Jahre 1904 zurückgezogen worden. Das erste Gesuch um Unterstützung im Jahre 1885 wurde abgelehnt. Von 1888 — 1891 wurden jährhch 1000 Mk., von 1892 — 1896 jährlich 2000 Mk. und von 1897 — 1903 jährhch 6000 Mk. gewährt. An diese beträchtliche Erhöhung der jährlichen Staatsbeihilfe knüpfte der Minister für Landwirtschaft 1897 die Bedingung, dass dem Oberlandstallmeister oder dessen Beauftragten das Recht eingeräumt werde, die Hengstbestände des Verbandes alljährlich zu besichtigen und dass ferner bis zum i. Januar jeden Jahres eine Liste der Stationen bezw. Verteilung der Hengste auf diese an das Landgestüt zu Traven- thal eingereicht werde, damit dieses danach seine Dispositionen wegen Aufstelluns: der königlichen Beschäler trefl:en könne. Selbstverständlich gestand die Verbandsleitung der Regierung sofort das Besichtigungs- recht zu. Merkwürdigerweise hat aber eine derartige Besichtigung des Hengstbestandes durch einen Beauftragten des Landwirtschaftsministers nur ein einziges Mal und zw^ar im Jahre 1897 durch den Oberlandstall- meister selbst stattgefunden, bei welcher Gelegenheit jedoch nur ein Teil der Hengste besichtigt wurde. Um so grösser war die Überraschung — 573 — der Verbandsleitung, als ihr am 25. Juni 1904 eine Verfügung des Land- wirtschaftsministers zuging, in welcher dieser erklärt, im allgemeinen Landespferdezuchtinteresse und im Hinblick auf die sehr erheblichen Staatsbeihilfen, die bis dahin gegeben worden und weiter erbeten werden, auf eine strengere staatliche Kontrolle in Gestalt der Mitwirkung eines Staatskommissars bei der Einrangierung von Verbandshengsten nicht verzichten zu können. Er mache daher die Weiterbewilligung der Bei- hilfe von 6000 Mk. davon abhängig, dass die von nun an seitens des Verbandes zur Einrangierung bestimmten Hengste vor ihrer Begutach- tung durch die Körkommission dem Oberlandstallmeister Graf v. Lehn- dorff vorgestellt, und soweit sie von diesem Kommissar des Ministers als ungeeignet bezeichnet würden, auch nicht in Schleswig-Holstein zum Decken aufgestellt werden dürften. Hierbei wolle der Minister es dem Verbände überlassen, als ungeeignet bezeichnete Hengste im Jahre nach der ersten Vorführung dem staatlichen Kommissar nochmals vor- zustellen; dagegen sei es unzulässig, derartige Hengste durch Verkauf an andere Züchter bezw. Hengsthalter Schleswig-Holsteins zum Zwecke der Vorstellung bei Körungen der staatlichen Kontrolle zu entziehen. Mit vollem Recht erblickten der Aufsichtsrat und Vorstand des Ver- bandes in dieser Verfügung ein unverdientes Misstrauensvotum. Nach eingehender Verhandlung und Erwägung aller einschlägigen Gesichts- punkte w^urde daher in einer zu diesem Zweck einberufenen Sitzung beschlossen, dem Herrn Minister folgende Antwort zu geben: »In Anbetracht, dass i. der Verband durch das seit 20 Jahren von ihm ver- tretene und jetzt auch von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft vorgeschriebene Züchtungsverfahren und namentlich durch die seit 17 Jahren nach diesen züchterischen Grundsätzen betriebene Hengsthaltung die Landespferdezucht in diesem Zuchtgebiet erfolgreich gefördert, auch das Eindringen von Kaltblut verhindert hat; 2. die Hengst- haltung des Verbandes dem Staate schon jahrelang grosse Summen erspart und zur Vermehrung des Nationalvermögens beigetragen hat; 3. andere Züchtervereinigungen, beispielsweise für Stierhaltung, staatliche Beihilfen in ähnlichem Umfange erhalten, ohne dass so scharfe Bedingungen gestellt sind ; 4. der Verband durch die verlangte doppelte Könmg und die Beschränkung in der Verwertung seiner Hengste sehr viel ungünstiger gestellt sein würde, als die Privathengsthalter dieses Zuchtgebietes; 5. die Beihilfe von 6000 Mk. dem Verbände schon jahrelang ohne die jetzt gestellte Bedingung gewährt und inzwischen nichts eingetreten ist, was diese Verschärfung rechtfertigen könnte, vielmehr die Garantien für eine züchterisch zweckmässige Ver- wendung sich alljährlich vermehrt haben; 6. die Annahme der Bedingung seitens des Aufsichtsrates ein ]\Iisstrauensvotum schärfster Form gegen die Hengstkörungskom- mission und gegen den als dessen Vorsitzenden amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden — 574 — enthalten würde; 7. der Aufsichtsratsvorsitzende die Hengstkörgeschäfte stets durch- aus unparteiisch und gewiss nicht zugunsten des Verbandes geführt hat, auch von Anfang an bei der Körung irgend eines Verbandshengstes sich stets der Mitwirkung streng und für alle Anwesenden ersichtlich enthalten hat, ohne dass die anderen Konimissionsmitglieder dies für notwendig gehalten haben; — in Anbetracht alles dessen ist es dem Aufsichtsrat geradezu unmöglich, die von seiner Excellenz dem Herrn Minister gestellten Bedingungen anzunehmen, umsomehr, als er überzeugt ist, dass die Annahme derselben die grösste Missstimmung bei den Mitgliedern hervor- rufen würde. Der Aufsichtsrat bittet daher, die Beihilfe auch ferner unter den bis- herigen Bedingungen gewähren zu wollen, welche dem Herrn Minister die Hand- habe bieten, die Tätigkeit des Verbandes auf dem Gebiet der Hengsthaltung jeder- zeit kontrollieren zu können.« Dass eine derartige Antwort auf einen Erlass eines könip^lich preussischen Ministeriums nicht den gewünschten Eindruck hervorrufen würde, war vorauszusehen. Die Verbandsleitung dürfte daher kaum überrascht gewesen sein, als ihr am 12. Oktober 1904 in dürren Worten mitgeteilt wurde, dass der Minister, »nachdem der Verband es abgelehnt habe, der in seinem Erlasse vom 18. Juni desselben Jahres gestellten Forderung wegen Mitwirkung eines Staatskommissars bei Einrangierung von Verbandshengsten zu entsprechen, sich veranlasst sehe, die bisher dem Verbände der Pferdezüchter in den holsteinischen Marschen ge- währte jährliche Unterstützung von 6000 Mk. zurückzuziehen.« Und hierbei ist es seitdem geblieben. Den Schaden trägt die hol- steinische Pferdezucht. Diese wird zugunsten der Rindviehzucht ein- geschränkt und die Hengsthaltung des Verbandes ist durch Entziehung der Staatsbeihilfe misskreditiert worden. Aber das staatserhaltende Prinzip, »nicht räsonnieren, sondern parieren«, ist gerettet. Dem Unbeteiligten will es erscheinen, als ob der Herr Landwirt- schaftsminister besser getan hätte, sich mit der Kontrolle zu begnügen, die ihm das Recht, die Hengstbestände des Verbandes alljährlich zu be- sichtigen, seit dem Jahre 1903 gewährt hatte. Es lässt sich nämlich nicht in Abrede stellen, dass die Produktion des warmblütigen Pferdes auch in Schleswig-Holstein ernstlich durch die von Jahr zu Jahr zu- nehmende Kaltblutzucht bedroht wird und es daher als eine Pflicht der Regierung bezeichnet werden muss, hier schützend und helfend einzu- greifen. Mit Bezug auf diese Verhältnisse sei erwähnt, dass die preussi- schen Remontenkommissionen im Jahre 1906 von 161 1 in Schleswig- Holstein vorgestellten Pferden nur 423, d. i. 26 vom Hundert, ankaufen konnten. Unter diesen 161 1 Pferden befand sich nämlich eine sehr — 575 — grosse Anzahl Kaltblüter, von denen nur wenige für die schwere Artil- lerie des Feldheeres brauchbar waren. Man wird es somit dem Vor- sitzenden des Aufsichtsrates wohl nachfühlen können, wenn er ein Jahr nach Entziehung der Staatsbeihilfe in dem Geschäftsberichte über das Jahr 1905 nicht ohne Bitterkeit bemerkt: »Wie lag die Hengstzucht im Argen, als der Verband seine Tätigkeit begann? Wer könnte wohl ein grösseres Interesse daran haben, dass die Pferdezucht höher und immer höher kommt, dass es den Züchtern gut geht und sie es wagen können, für die Verbesserung ihrer Stuten, ihrer Ställe, ihrer Weiden Opfer zu bringen, als der Verband, der doch gerade zu dem Zweck besteht und ins Leben gerufen ist?« Was die Zuchtverhältnisse anbelangt, so sind diese im grossen Ganzen als günstig zu bezeichnen. Die Bauernhöfe, zumeist alte Familiensitze, überschreiten nur ganz ausnahmsweise die Grösse von 30 — 50 ha und können also in der Regel ohne fremde Hilfe vom Be- sitzer und dessen Familienmitgliedern l^ewirtschaftet werden. Dies bringt auch das Gute mit sich, dass das holsteinische Pferd sich der ständigen Beaufsichtigung und Fürsorge seines Herrn zu erfreuen hat, ein Um- stand, der um so höher zu schätzen ist, als sämtliche im Wirtschafts- betriebe vorkommenden Ackerarbeiten und Fuhren fast ausschliesslich von den Zuchtstuten und deren jungen Nachzucht verrichtet werden. Infolge des hohen Tongehaltes, der den Boden in den holsteinischen Marschen kennzeichnet, stellen diese Arbeiten grosse Anforderungen an die Kraft und Ausdauer der Zugtiere. Trotzdem werden die jungen Pferde schon zweijährig zur Arbeit herangezogen und die allgemeine Regel ist, dass hochtragende und säugende Mutterstuten neben Zwei- und Dreijährigen vor dem Pfluge, der Egge, der Walze oder dem Arbeitswagen im Zuge gehen. Die Sommermonate bringen die Pferde von frühester Jugend an auf der zumeist hochgelegenen Ackerweide zu. Von dort werden sie, auch wenn man sie bei Tag zur Arbeit benützt hat, oder rauhe Witterung eintreten sollte, am Abend nicht nach Hause geholt. Dass diese Lebensweise eine abhärtende Wirkung auf die junge Aufzucht ausüben muss, liegt auf der Hand. Ausserdem bemerkt G. Ahsbahs in seinen dem III. Bande des Gestütsbuchs der holsteini- schen Marschen beigefügten »Nachrichten über das Zuchtgebiet und die Zucht«, dass der verhältnismässig hoch gelegene, trockene Ton- boden, der schon Jahrhunderte in guter Kultur und sorgfältig entwässert ist, durch seinen hohen Gehalt an Phosphorsäure dem Knochengerüst - 576 - des holsteinischen Pferdes eine bedeutende Stärke und Festigkeit ver- leihe, so dass der Hufbeschlag bei allen Wirtschaftsarbeiten meistens entbehrt werden könne. Weitere Vorzüge des Kremper Marschpferdes sind seine stattliche Grösse, seine edle Erscheinung, seine vortrefflichen, korrekten Gänge und last not least seine grosse Frömmigkeit. Ich glaube daher, mich keiner Übertreibung schuldig gemacht zu haben, als ich in Nr. 2 des »Sporn« vom Jahre 1894 die Ansicht aussprach, »dass Holstein auf dem besten Wege sei, den Weltmarkt mit hoch- klassigen Karrossiers und schweren Reitpferden zu versorgen.« Aller- dings ging ich hierbei von der Voraussetzung aus, dass die preussische Regierung der zu den schönsten Hoffnungen berechtigenden Warmblut- zucht in den holsteinischen Marschen ihre tatkräftige Unterstützung nicht entziehen würde. Als die bekanntesten Züchter im Marschgebiete wären zu nennen: Ökonomierat Georg Ahsbahs, Glückstadt, Gestüt in Sommerlander Riep, bei Krempe, Hofbesitzer Martin Thormählen, Moorhusen, bei Neuendorf, ,, Carl Ahsbahs, Sommerlander Riep, bei Krempe, „ Claus Hell, Kurzenmoor, bei Elmshorn, „ Richard Schmidt, Kamerlander Abtei, bei Siethwende, „ Otto Hell, Kronsnest, bei Neuendorf, ,, Richard Schacht, Tiefhusen, bei Krempe, „ Rudolf Hellmann, Grevenkoper Riep, bei Krempe, „ Jakob Hellmann, Borsflether Büttel, bei Krempe, ,, Heinrich Ehlers, Grevenkop, bei Krempe, j-i Jtirg*?!^ Kahlke, Neuendeich, bei Uetersen, „ Johannes Ahsbahs, Kamerlander Au, bei Siethwende, „ Hermann Clüver, Steinburg, bei Hohenfelde (Kreis Steinburg), „ Wilhelm Kruse, Neuendorf, „ Victor Magens, Dorfreihe, bei Neuenburg, „ Thies Spliedt, Süderauerdorf, bei Krempe, „ Martin Lüdemann, Heiligenstedten, „ Johannes Becker, Sommerland, bei Siethwende, „ Wilhelm Peters, Sommerlander Riep, bei Krempe, ,, Heinrich Stamerjohann, Kamperrege, bei Haseldorf, „ Gustav Fehrs, Drage, bei Hohenaspe, „ Hermann Piening, Tiebensee, ., Johann Heim, Österfeld, bei St. Annen, „ Julius Dethlefs, Odderade, bei Nordhastedt, ,, Heinrich Wilt, Ammerswurth, bei Meldorf, „ Claus Stahl, Bauland, bei Uetersen, „ Heinrich Wieckhorst, Stördorf, bei Wilster. — 577 — Das schleswig-holsteinische Landgestüt Traventhal liegt im Dorfe Traventhal, 5,6 km von der Stadt Segeberg entfernt. Seitens des Herzog- tums Schleswig wurden 1863 10 Hengste in der Stadt Schleswig zum öffentlichen Gebrauch aufgestellt, die beim Ausbruch des Krieges nach Dänemark geschafft, nach dem Frieden aber zurückgegeben wurden. Diese Hengste blieben bis 1867 in Schleswig, kamen dann auf kurze Zeit nach Glücksburg, 1868 nach Ploen und 1874 nach Traventhal, wo die erforderlichen Gebäude auf dem früheren Amtshofe errichtet wurden. Der Etat des Landgestüts ist für 120 Hengste aufgestellt. Die Mehr- zahl der dortigen Landbeschäler gehört zum edlen Halbblutschlag, doch befinden sich auch stets einige Kaltblüter (Dänen) unter ihnen. Es ist wohl zum Teil den vom Landgestüte Traventhal ausgehenden Impulsen zuzuschreiben, dass die schleswig-holsteinischen Geestlande dem Beispiele der Marsch gefolgt sind und durch Zusammenschluss der dortigen Pferdezuchtvereine einen »Verband der Pferdezuchtvereine der schleswig-holsteinischen Geestlande« mit dem Sitz in Segfeberof ore- gründet haben. Das Zuchtziel dieses Verbandes, der die Landschaft Angeln im früheren Herzogtum Schleswig, die Geestbezirke des Kreises Steinburg und die Kreise Rendsburg, Kiel-Land, Ploen, Oldenburg, Stormarn und Segeberg umfasst, ist dasselbe wie in den Marschlanden. Mit den in der Kremper Marsch erzielten Resultaten werden sich die Zuchtleistungen der Geestlande jedoch wohl kaum je messen können. Auf der Geest wird eben noch vielfach ein leichteres Zugpferd gezogen, das sich gewiss nicht bald, dem offiziellen Zuchtziele entsprechend, in »ein edles, kräftiges Wagenpferd mit starken Knochen, hohen, räu- menden Gängen und möglichst gleichzeitig mit den Eigenschaften eines schweren Reitpferdes« verwandeln wird. In Schleswig wird unter Oberleitung des im Jahre 1891 gegrün- deten Verbandes Schleswiger Pferdezuchtvereine in Spätinghof bei Friedrichstadt ein kaltblütiges Pferd dänischen Schlages in den Kreisen Hadersleben, Tondern, Apenrade, Husum, Eiderstedt, je einem Teil von Sonderburg, Flensburg, Eckernförde und Schleswig gezogen. Das Zuchtziel dieses Verbandes, der auch ein Gestütljuch herausgibt, ist ein kräftiges Ackerpferd, das den gesteigerten Anforderungen, der Armee, der Industrie und des Verkehrs zu entsprechen vermag. W ran gel, Die Rassen des Pferdes. I. 37 - 578 - Das Rheinisch-Belgische Pferd. Ihren gegenwärtigen hohen Standpunkt hat die in der Rheinpro- vinz betriebene Pferdezucht nächst der hitelHgenz und Betriebsamkeit der rheinischen Züchter dem Landgestüte Wickrath zu verdanken. Dieses Landgestüt wurde im Jahre 1839 ^^^i^ einem Bestände von 50 Be- schälern, überwiegend Halbbluthengsten, errichtet. Siebenunddreissig Jahre später konnte der erste Grundstein zur jetzigen rheinischen Pferde- zucht gelegt werden. Man war zu der Überzeugung gelangt, dass ein kräf- tiges, schweres Arbeitspferd den Bedürfnissen der Rheinprovinz am meisten entspreche. Als am geeignetsten zur Begründung einer derartigen Zucht wurde mit Rücksicht auf den bereits vorhandenen Stutenbestand der Provinz die Anschaffung von belgischen Hengsten ins Auge gefasst. Seit 1893 sind denn auch auf Wunsch der rheinischen Züchter dem Landgestüte nur Hengste belgischen Schlages überwiesen worden. Seitdem hat die Zucht in der Provinz grosse Fortschritte gemacht. Im Jahre 1899 standen bereits 120 belgische Beschäler in Wickrath, 1903 war der Be- stand auf 150 angewachsen und 1905 zählte das Landgestüt 200 der- artige Hengste, darunter etwa 30 in der Provinz gezogene. Infolge dieser überraschenden Fortschritte ist man jetzt nicht mehr ausschliess- lich auf das belgische Material angewiesen, sondern sind auch gute rheinische Hengste zur Zucht sehr gesucht. Von grösster Bedeutung für die weitere Entwicklung der jungen rheinischen Kaltblutzucht wurde die im Jahre 1893 vom landwirtschaft- lichen Verein für Rheinpreussen durchgeführte Gründung der Züchter- vereinigung »Rheinisches Pferde - Stammbuch « , deren Zuchtziel »ein kräftiges, gutgebautes, tiefes Pferd kaltblütigen Schlages mit starken Knochen und freien Bewegungen« ist. Die Erreichung dieses Zieles wird durch alljährliche Prüfung und Eintragung der geeigneten Pferde in das Stammbuch angestrebt. Eintragungsfähig sind Stuten, die dem Zuchtziel entsprechen und angekörte Hengste nach vollendetem dritten Jahre, die dem Zuchtziel in hervorragender Weise entsprechen. Über die Aufnahme entscheidet ein fünfgliedriger Prüfungsausschuss , an dessen Spitze der Direktor des Rheinischen Landgestüts steht. Die eingetragenen Pferde werden auf der linken Seite des Halses mit einem Brandzeichen, einem Pflug, dem Sinnbild des Ackerbaues vorstellend, versehen. Die Eintragung eines Stutfohlens einer eingetragenen Stute kann — 579 — nur dann erfolgen, wenn das Fohlen abstammt von einem königl. Land- beschäler, oder einem Pferdestammbuch-Hengst, oder einem angekörten Hengst der anerkannten Zuchtrichtung, oder einem nachweisbar be- kannten oder in das belgische Stud-Book eingetragenen Hengst. Der Bezirk des Rheinischen Pferde-Stammbuches ist die Rhein- provinz, doch sind ausnahmsweise auch Stuten aus benachbarten west- fälischen Kreisen eingetragen worden. Die im Jahre 1880 für die Rheinprovinz erlassene Körordnung ent- hält sehr strenge Bestimmungen. Wer einen nicht angekörten Hengst zum Bedecken fremder Stuten hergibt, verfällt in eine Strafe von 30 Mk., der Eigentümer der Stute in eine solche von 15 Mk. Besitzer angekörter Hengste, die das vorgeschriebene Deckregister gar nicht oder nicht vor- schriftsmässig führen oder dessen Einreichung am Schluss der Deck- periode unterlassen, werden mit Geldstrafe bis zu 15 Mk. bestraft. Eine ausserordentlich fördernde Einwirkung auf die Rheinische Pferdezucht hat auch die seit 1894 bestehende Prämiierungsordnung für die Pferdeschauen der Rheinprovinz ausgeübt. Dem Zuchtziele entsprechend werden nur kaltblütige Pferde des betreffenden Schaubezirks zur Prämiierung zugelassen. Diese Pferde müssen von einem in der Rheinprovinz ansässigen Aussteller gezüchtet oder nachweisbar mindestens seit einem halben Jahr in dessen Besitz sein und dem durch das Zuchtziel bestimmten Schlage angehören. Händler sind ausgeschlossen. Prämiiert werden: 1. ein- und zweijährige Stutfüllen; 2. drei- und vierjährige Stuten, die von einem königlichen oder angekörten Hengste gedeckt sind; 3. vierjährige und ältere Stuten mit mindestens einem Fohlen und wie vor gedeckt; 4. Familienzuchten, bestehend aus einer Stute mit drei Nachkom- men oder aus zwei Stuten mit je zwei Nachkommen; 5. angekörte Hengste. Die Pferdeschauen werden eingeteilt in Provinzialschauen , Gau- (Regierungsbezirks-) Schauen und Lokalabteilungsschauen. Der auf einer Gauausstellung mit dem ersten Preis ausgezeichnete Hengst erhält einen Provinzialgeldpreis von 200 Mk. mit der Bedingung, dass er vom Aussteller mindestens ein Jahr lang zum Bedecken fremder Stuten verwendet wird und dass er im Ausstellungsjahr in den Wett- bewerb um den Siegerpreis der Rheinprovinz tritt. Dieser 1500 Mk. — 58o - betragende Siegerpreis gelangt mit zwei anderen Provinzialpreisen auf derjenigen Gauausstellung, die gelegentlich der alljährlich stattfindenden Generalversammlung des landwirtschaftlichen Vereins für Rheinpreussen abgehalten wird, sowie auf allen Provinzialausstellungen zur Verteilung. Auf den Provinzialausstellungen treten alle angekörten Hengste in Wettbewerb, auf den betreffenden Gauausstellungen nur diejenigen Hengste, die seit Erlass dieser Prüfungsordnung auf irgend einer Gau- ausstellung einen ersten Preis erhalten haben. Durch Annahme des Siegerpreises verpflichtet sich der Aussteller, den betreffenden Hengst mindestens drei Jahre lang zur Bedeckung fremder Stuten zu benützen. Der Preis wird nach erfolgtem Nachweis jährlich mit einem Drittel aus- gezahlt. (Siehe auch »Die Verbreitung der Pferdeschläge in Deutsch- land« von Oskar Knispel, Berlin 1900.) Erwähnenswert ist, dass die Zucht in der Rheinprovinz nahezu ausschliesslich in den Händen kleinerer Züchter liegt. Über die Zuchtleistungen der Provinz äussert sich ein vorzüglich unterrichteter Fachmann, Jos. Krewel-Zievel, in der »Zeitschrift für Ge- stütkunde«, Heft 3, Jahrgang 1906, folgendermassen: »Vor allem hat sich die rheinische Pferdezucht in solchem Masse zu einem einheitlichen Zuchtziele durchgerungen, dass Bestrebungen, die der herrschenden Zuchtrichtung entgegenstehen würden, gar keinen Anklang finden könnten. Die Rheinprovinz steht heute nicht allein an der Spitze aller kaltblutzüchtenden Provinzen, sondern beeinflusst auch die Kaltblutzucht in denjenigen Gebieten, die vorwiegend Edelzucht be- treiben und nur zum kleinen Teil Kaltblut züchten. Dieser Vorrang ist um so bemerkenswerter, als andere Zuchtgebiete, z. B. Sachsen und das Gebiet des Mitteldeutschen Pferdezuchtvereins (Erfurt) gleichzeitig, wenn nicht vorher mit der Kaltblutzucht begonnen hatten. Von welcher Bedeutung diese Beeinflussung der deutschen Kaltblutzucht durch Zucht- tiere des rheinisch-belgischen Typs ist, zeigt der Umstand, dass nach Professor Leyder gegenwärtig 1200 Beschäler dieses Schlages in Deutsch- land zu Zuchtzwecken Verwendung finden. Diese Beschäler stehen nicht allein in den sogen. Kaltblutprovinzen, sondern sind in Deutschland verteilt; selbst in Ostpreussen, dem Hochzuchtgebiete deutscher Edelzucht, stehen über 100 Kaltbluthengste. Dass die Rheinprovinz diesen Vorrang tatsächlich besitzt, wird von den Interessenten unbestritten anerkannt. Wir sehen es alljährlich auf der Ausstellung der Deutschen Landwirtschafts- gesellschaft und hören es von bewährten Sachverständigen. Seit dem - 58i - Jahre 1895, dem erstmaligen öffentlichen Auftreten, finden wir in den Jahrbüchern der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft uneingeschränkte Worte der vollsten Anerkennung und Wertschätzung in einem solchen Masse, wie sie eine züchterische Leistung in Deutschland bisher in so kurzer Zeit noch nicht erlangt hat. Von dem Triumph auf der Welt- ausstellung zu Paris zeugt die Tatsache, dass den 16 rheinischen Pferden mit 7 goldenen, 2 silbernen Medaillen, 2 Anerkennungen prozentual der grösste Ausstellungserfolg zuteil wurde. Dann brachte Düsseldorf 1902 durch die so zahlreiche Beschickung der Ausstellung mit vorzüglichen Pferden auch die grosse Anerkennung als Zuchtgebiet von Umfang und Ausdehnung, und in jüngster Zeit ist Rheinland stolz auf den er- langten Absatz an die preussische Militärverwaltung zur Bespannung der schweren Geschütze, wodurch seiner Pferdezucht besonders eine moralische Würdigung zuerkannt wurde, indem zu der bisherigen wirt- schaftlichen eine militär-politische, vaterländische Bedeutung trat.' Aus dem vorstehenden Zitate ist zu entnehmen, dass die rheinisch- belgische Pferdezucht tatsächlich in unglaubHch kurzer Zeit — es handelt sich ja hier nur um die Jahre 1876 bis 1900 — Ausserordentliches geleistet hat. Ich kenne kein Zuchtgebiet, das Ähnliches aufzuweisen vermöchte. Auf der Pariser Weltausstellung 1900 haben mir speziell Herrn Carl Meulenberghs zweijähriger Fuchshengst Kuno. Herrn Ch. Beckers' zweijährige Rotschimmelstute Olympia, Herrn Ch. Frantzens zweijährige Fuchsstute Kl eo, Herrn Carl Meulenberghs dreijährige braune Stute Lsabelle, desselben Züchters siebenjähriger Hengst Ludwig und Herrn Ch. Beckers' vierjährige Fuchsstute Hegemonie ausnehmend gut gefallen. Trotzdem möchte ich nicht dem Herrn Professor Dr. V. Nathusius (siehe dessen 1905 erschienene Schrift »Messungen an Hengsten, Stuten und Gebrauchspferden«) darin beistimmen, »dass die in der Rheinprovinz gezogenen Belgier den im Ursprungslande ge- zogenen nicht nur nicht nachstehen, sondern dieselben in mancher Be- ziehung sogar übertreffen.« Ganz abgesehen davon, dass die obge- nannten Produkte der rheinisch-belgischen Zucht sich weder mit den belgischen Champion-Hengsten Spirou und Reve d'or, noch mit den herrlichen, von der Kaiserlich Russischen Gestütsverwaltung ausgestellten Ardennern messen konnten, liessen meiner Ansicht nach selbst bei einigen der besten Rheinländer — der Hengst Ludwig und die Stute Lsabelle doch ausgenommen — Rücken, Rippenwölbung und Schien- beinstärke bei scharfer Kritik manches zu wünschen übrig. Ich hebe — 5»2 — dies ausdrücklich hervor, weil es der aufblühenden rheinischen Kalt- blutzucht sicher nicht zum Vorteil gereichen würde, wenn ihre Leiter sich einreden Hessen, dass sie nun den Belgiern zeigen könnten, »wie's ofemacht werden muss«. Bis aufs weitere werden die Rheinländer wohl noch recht häufig aus der belgischen Quelle, der sie u. a. epoche- machenden Zuchttieren das berühmte Vaterpferd Prince de Conde zu verdanken haben, schöpfen müssen. Ist doch die Pferdezucht in der Hauptsache eine Portemonnaie-Frage, die von chauvinistischen Gefühlen und Bestrebungen nicht beeinflusst werden darf. Der weiter oben zitierte Verfasser hat daher auch unzweifelhaft Recht, wenn er betont, dass eine vorsichtige und in sorglicher Auswahl vorgenommene Ein- führung von wirklich guten Stuten bewährter Abstammung aus dem Stammlande Belgien nach wie vor als eine Förderung der heimischen Zucht zu begrüssen sei. Selbstverständlich muss aber gleichzeitig dar- auf hingearbeitet werden, dass der Züchter den grossen Wert einer auf der heimischen Scholle erzeugten und aufgewachsenen guten Zucht- stute erkennen lerne, denn dass eine solche sich in der Regel sicherer vererbt als eine importierte, lehrt die in allen pferdeproduzierenden Ländern gemachte Erfahrung. Auch in vorliegendem Falle und ob- wohl ausschlaggebende Unterschiede zwischen der belgischen und der rheinischen Scholle kaum nachzuweisen sein dürften, wird es sich stets besser lohnen, gute, in der Rheinprovinz geborene Stutfüllen be- sonders sorgfältig aufzuziehen und bei erreichter Reife dem Zucht- stamme einzuverleiben, als solche zu verkaufen und um teueres Geld fremdes Material aus dem Nachbarlande zu beziehen. Das Pferd in Elsass-Lothringen. »Die Pferdezucht in Elsass-Lothringen war, was die Qualität be- trifft, niemals in blühendem Zustande und hat auch sozusagen keine Geschichte«, schreibt Professor Dr. Neumann-Toulouse in der »Encyklo- pädie der gesamten Tierheilkunde und Tierzucht«. Nun, zu verwundern ist das nicht, denn wenn man in den Annalen dieser Zucht blättert, muss man über die Verkettung widriger Umstände staunen, die seit Jahrhunderten ein Aufblühen der Pferdezucht in den heutigen Reichs- landen zur Unmöglichkeit gemacht haben. Unverstand der Züchter und ihrer Ratgeber, folgenschwere Kriegsereignisse, ungünstige politische und lokale Verhältnisse Hessen es nie zu einer gedeihlichen Entwicklung der elsass-lothringischen Pferdezucht kommen. - 583 - Über die Leidensgeschichte dieser Zucht enthält die vorzügliche Schrift »Zucht und Sport in den deutschen Reichslanden« von Fritz Flaum folgende interessante Angaben: »Schon frühzeitig, unter der Herrschaft der Herzöge von Loth- ringen Karl, Rene und Leopold, sind Pferde orientalischen Gepräges, wie z. B. türkische und tartarische, sowie Pferde aus Ungarn und Sieben- bürgen in das Land gebracht worden. Jedenfalls waren dies aber nur Hengste, die die Herzöge auf ihren Domänen benützten. Noch heute lassen sich unter den lothringischen Pferden Spuren der Einwirkung dieser edleren Pferderassen erkennen. Einem wirklichen Aufschwünge der Pferdezucht traten stets die wechselvollen Kriegsfälle, die das Land berührten, hemmend entgegen. Da war es der im Jahre 1524 durch die Auswüchse reformatorischer Bestrebungen hervorgerufene Bauernaufstand, den Herzog Anton III von Lothringen im Verein mit den Bischöfen von Metz, Toul und Verdun niederdrückte, worauf aber bald König Heinrich II von Frankreich (1547 — 1559) als Schützer der deutschen Freiheit diese Bischöfsitze gegen Kaiser Karl V besetzte, um später durch den Passauer Vertrag vom Jahre 1552 das Land förmlich in Besitz zu nehmen. Von neuem wurde das Land während des dreissigj ährigen Krieges und zwar nach der Schlacht bei Nördlingen (1634), durch Ver- heerungen heimgesucht. Kaiserliche, Schweden und Franzosen, sie hausten mit gleicher Grausamkeit im Lande. Wie die Bevölkerung des Landes während jener Zeit um etwa ein Drittel abnahm, so ver- minderte sich wohl in noch weit höherem Grade die Zahl der Pferde. Auch nach dem westfälischen Frieden, der den Greueln des Religions- krieges, ein Ende machte, hat das Land wirkliche Ruhe nicht genossen. Wenn zwar gewisse Hoheitsrechte des Landes der Krone Frankreichs übertragen waren, so Hess doch erst Ludwig XIV (1643 — 17 15) mitten im Frieden, im Jahre 1681, die Stadt Strassburg besetzen, obgleich deren Freiheit garantiert war. Erst durch den Frieden zu Ryswijk (1697) wurde die Zugehörig- keit des Elsass mit Strassburg zu Frankreich völkerrechtlich anerkannt. Zu diesen Unruhen kamen die Kriege, die Ludwig XIV nach auswärts führte und während welcher er auf seinem Rachezug nach Holland Lothringen besetzte. Dass unter so unsicheren und schwankenden Verhältnissen, wo jede kriegerische Unternehmung neue Pferde-Requisitionen herbeiführte. - 584 - an ein dauerndes Verbessern der Pferdezucht nicht zu denken war, ist erklärHch. Für Lothringen liegt die Sache nicht viel anders. Frankreich strebte danach, den ihm fehlenden Teil des Landes zu erlangen. Durch die in Metz eingesetzte Reunionskammer war allerdings schon ein weiterer Teil des Landes der Krone Frankreichs zuerkannt, doch nahm erst Ludwig XV (171 5 — 1775) aus Anlass des polnischen Erb- folgekrieges Lothringen für seinen Schwiegervater, den König Stanislaus Leszynski, in Beschlag. Erst nach Leszynskis Tode (1766), wurde das Land, nachdem Herzog Franz Stephan von Lothringen im Frieden zu Wien sein Herzogtum an Frankreich al^getreten hatte, diesem völlig einverleibt. Nun folgten die Wirren der französischen Revolution, darauf die napoleonischen Unternehmungen und schliesslich der Krieg von 1870/71, der Elsass-Lothringen dem neu erstandenen Deutschen Reiche wiederbrachte.« Wenn nun auch durch die zwischen den kriegerischen Ereignissen und den inneren Unruhen liegenden Friedensjahre manches ausgeglichen wurde, was durch Abgänge an Pferden, Mangel an Futtermitteln u. s. w. zugrunde gerichtet worden, so fehlte doch der Bevölkerung das Ver- trauen auf den zu erfolgreicher züchterischer Tätigkeit unbedingt not- wendigen Bestand eines längeren Friedens. Weit entfernt, die ein- getretene Ruhe zur Anschaffung eines geeigneten Zuchtstammes zu benutzen, beeilten sich die Züchter, kleine, unansehnliche Tiere heran- zuziehen, die bei den gefürchteten Requisitionen als zu militärischen Zwecken untauglich befunden werden mussten und ausserdem noch den Vorteil hatten, mit Hungerrationen vorlieb zu nehmen. So entstand in Elsass-Lothringen ein zahlreicher Stamm kleiner elender Pferdchen, von denen vier bis sechs zum Ziehen von Lasten verwendet werden mussten, für die zwei gut genährte Pferde mittlerer Grösse vollkommen genügt hätten. Dies hatte zur Folge, dass die Landleute, wie dies zum Teil heute noch geschieht, eine unverhältnismässig grosse Anzahl von Pferden auf ihren Höfen hielten, wo diese weder den zu ihrem Wohl- befinden erforderlichen Stallraum noch Kraftfutter und Weide in ge- nügendem Ausmass erhalten konnten. Die Fohlen werden meistens in engen, niedrigen, schlecht gelüfteten und schmutzigen Ställen auf- gezogen. Hafer wird, wenn überhaupt, nur in ganz winzigen Gaben verabreicht, dafür spielen aber Rüben, besonders im Elsass, bei der Winterfütterung eine viel zu grosse Rolle. - 585 - Die Pferde sind aber auch danach. Scharf ausgeprägte Rassen gibt es in Elsass-Lothringen nirgends. Überall herrscht das Kaltblut vor, wohlverstanden ein durch allerlei unverständige Kreuzungen ver- pfuschtes und schauderhaft ordinäres Kaltblut. So z. B. findet man im Ober-Elsass vielfach Nachkommen des in der Champagne und in Bourgogne gezogenen gemeinen Zugpferdeschlags, ferner den sog. Sundgauer, ein schweres, schlaffes, widerwärtiges Tier, das nur in der Gegend von Mühlhausen etwas bessere Formen zeigen soll und zwischen- durch auch importierte Percherons billigster Gattung. Unter diesen Gäulen leuchtet das allerdings sehr selten gewordene, in der frucht- baren Gegend zwischen Rhein und 111 vorkommende Hardt-Pferd mit seiner gutgelagerten Schulter und seinen breiten strammen Formen, wie ein Stern erster Grösse. Im nördlichen Teil von Unter-Elsass sind die Pferde leichter. Dort sollen auch noch Abkömmlinge von Hengsten aus dem Grossherzoglich Zweibrückenschen Gestüt vorhanden sein, denen von den vorerwähnten hippologischen Schriftstellern Professor Neumann und Fritz Flaum warmes Lob gespendet wird. Leider scheinen diese Tiere aber schon seit geraumer Zeit auf den Aussterbe- Etat gesetzt zu sein. In Lothringen wird ebenfalls hauptsächlich das schwere Arbeits- pferd in allen möglichen Variationen gezüchtet. Mit der Warmblut- zucht sieht es somit in den Reichslanden recht dürftig aus. Diese Tat- sache findet ihre Erklärung in dem Umstände, dass sowohl im Elsass, wie auch in Lothringen nahezu alle Vorbedingungen zu einer derartigen Zucht, wie Interesse für und Liebe zum edlen Pferde bei der Be- völkerung, hippologische Traditionen, geeignetes Zuchtmaterial, Weiden und Wiesen, gänzlich fehlen. Die deutsche Regierung übernahm das im Jahre 1806 errichtete Strassburger Landgestüt 1871 mit einem Bestände von 30 Anglo- Normannen, i englischen und 3 französischen Vollbluthengsten. Diese Beschäler wurden allerdings bis auf 11 ausrangiert, dafür aber 43 Norfolk- und Yorkshire-Hengste, 7 Ostpreussen, 31 Mecklenburger und i Olden- burger eingestellt. Gleichzeitig errichtete man für Lothringen in Marsal ein zweites Landgestüt, das nur warmblütige Hengste erhielt. Damit erntete die deutsche Regierung jedoch keine Liebe bei ihren neuen Untertanen. Die Opposition gegen das Warmblut wurde im Gegenteil in den züchterischen Kreisen der Reichslande so stark, dass die Zahl der warmblütigen Staatsbeschäler immer mehr eingeschränkt werden - 586 - musste. Im Jahre 1904 betrug diese in Strassburg nur mehr 23, die der Kaltblüter dagegen 54 Stück. Was aber das Landgestüt zu Marsal anbelangt, sah sich dieses 1880 genötigt, seine Pforten zu schliessen, weil man im Landesausschuss ausdrücklich erklärte, auf eine weitere Verwendung von warmblütigen Hengsten zu verzichten und seitdem in Lothringen überhaupt nur noch Kaltblüter zum Bedecken zugelassen werden. (Siehe auch »Über die Pferdezucht in Elsass-Lothringen « , von Ed. Mieckley in der »Zeitschrift für Gestütkunde«, Heft 3, 1906.) Das französische Institut der »approbierten« Hengste ist von der deutschen Regierung beibehalten worden. Im Jahre 1906 funktionierten 507 derartige Hengste, von denen 62 aus dem Landgestüte stammten, während 445 aus dem Auslande eigens zu diesem Zwecke angekauft waren. Alle gehörten den schweren Arbeitsschlägen an. Unter solchen Verhältnissen ist es begreiflich, dass die Reichslande als Remonte- lieferanten ganz in Fortfall gekommen sind. Auf Grund der Körordnung vom 5. April 1880 für Elsass-Loth- ringen dürfen Privathengste zum Decken fremder Stuten nur benutzt werden, wenn sie durch das zuständige Schauamt besichtigt und zucht- tauglich befunden sind. Wer einen Zuchthengst den Vorschriften dieses Gesetzes zuwider verwendet oder verwenden lässt, verfällt in eine Geld- strafe von 50 bis 500 Mark. Die Ankörung erfolgt ohne Rücksicht auf die Abstammung. Hengste unter 3 Jahren dürfen nicht angekört werden. Seit dem 5. Mai 1883 wird jährlich eine Anzahl der besten an- gekörten Privathengste mit Preisen von 100 bis 300 Mark bedacht. Es stehen hierzu pro Jahr 12000 Mark zur Verfügung. Am i. September des Jahres, für welches die Prämierung erfolgt ist, haben die betreffen- den Hengsthalter ein Deckregister einzureichen, auf Grund dessen die Auszahlung der Preise erfolgt. Sind aus der Bedeckung des genannten Jahres nach dem prämierten Hengste 20 lebende Fohlen gefallen, so wird die volle Prämie gezahlt, sind nur 15 bis 19 Fohlen geboren, so wird ein Viertel, bei 10 bis 14 Fohlen die Hälfte des in Aussicht ge- stellten Preises gekürzt. Ausser diesen Hengstprämierungen finden jährlich auch Prämie- rungen von Stuten, Wallachen, zweijährigen Stutfohlen und einjährigen Hengst- und Stutfohlen statt. Hierbei wird eine scharfe Trennung zwischen Warm- und Kaltblut eingehalten. Kaltblutfohlen sind nur dann bewerbungsfähig, wenn sie 2 Generationen, W^armblutfohlen, wenn - 587 - sie 3 Generationen nachweisen können. Ferner werden Stuten mit sogenannten wachsenden Prämien ausgezeichnet, wenn sie gut ge- halten, von approbierten Hengsten desselben Schlages oder Staats- beschälern gedeckt worden und nicht verkäuflich sind. Für derartige Stuten werden im ersten Jahr 50, im zweiten 100, im dritten 150 und im vierten Jahr 200 Mark ausgezahlt. Zur leichteren und rationelleren Aufzucht von Fohlen bestand von 1884 bis 1893 ein Vereinsfohlenhof in Walburg, Unter-Elsass, der aber dann nach der Mainau in Strassburg verlegt worden ist. Hier zieht der Pferdezuchtverein für Elsass-Lothringen durch Ankauf erworbene gute Stutfohlen auf, die später an die Pferdezüchter der Reichslande verkauft werden. Derselbe Verein hält alljährlich in Strassburg viel- besuchte Rennen- und Dressurprüfungen ab. Es wird also in Elsass-Lothringen recht viel Geld zur Förderung der Pferdezucht ausgegeben. Der Landeshaushalt sieht zu diesem Zweck, wie Ed. Mieckley mitteilt, eine Ausgabe von 217635 Mark vor. Von einem Aufblühen der dortigen Zucht ist aber trotzdem bisher blutwenig zu spüren gewesen, und das warmblütige Pferd wird, wenn nicht alle Zeichen trügen, sehr bald nur mehr in den Ställen der in den Reichslanden stehenden Kavallerieregimenter zu finden sein. Die schönen Tage, als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts im Staatsgestüte Rosieres bei Nancy orientalische und englische Hengste standen, nach welchen in Lothringen edle Reitpferde gezogen wurden, kehren somit schwerlich wieder. Das Sächsische Pferd. Es wird behauptet, dass Sachsen und Thüringen schon in der Urzeit einen gewissen züchterischen Ruf besessen. Wie es sich hiermit tatsächlich verhalten, hat indessen heute keinerlei züchterisches Interesse, denn die thüringischen Silberschimmel, die Vegetius ihrer Tüchtigkeit halber als Zuchtmaterial zur Aufbesserung der Kriegspferdezucht empfahl und die angeblich auch dem Gotenkönig Theodorich d. Gr. gewaltig imponierten, haben ebensowenig wie die »sächsischen Rosse«, die der britische König Athelstan in seinem Testament als besonders wertvoll sogar mit Namen aufführte, irgend eine Spur in der Pferdezucht ihres Heimatlandes hinterlassen. Es sei daher hier nur der Vollständigkeit wegen erwähnt, dass in Sachsen und Thüringen von jeher mit Vorliebe die Zucht schwerer Pferde betrieben worden ist. So wissen wir, dass die Spanier schon gegen Ende des 8. Jahrhunderts einen stärkeren und schwereren Pferdeschlag besassen, der ursprünghch aus Sachsen und Thüringen importiert worden ; dass ferner im ^Shttelalter durch den deutschen Orden zur Produktion eines starken Ritterpferdes schwere Pferdeschläge aus Thüringen nach Preussen eingeführt wurden und dass 1539 gute Turnierpferde für den Herzog Georg Albrecht nur noch in Sachsen und Friesland zu haben waren. Die in den sächsischen Landen herrschende Vorliebe für Kaltblut, stützt sich somit unzweifel- haft auf eine sehr weit zurückreichende Tradition. Trotzdem wird man es Schwarznecker kaum übel nehmen können, dass er vor 30 Jahren der Ansicht war: »Das Königreich Sachsen sei eigentlich nur aus Höflichkeit zu erwähnen, da es in hippologischer Beziehung auf sehr tiefem Niveau stehe, sowohl qualitativ wie quantitativ. < Als auffallend gering muss der vom 16. bis 18. Jahrhundert von den damaHgen ziemlich zahlreichen Hofgestüten ausgeübte Einfluss auf die sächsische Landespferdezucht bezeichnet werden. Die historisch ältesten Gestüte befanden sich in Thüringen im Besitz der Regenten der Ernestinischen Linie. Von den Kurfürsten albertinischen Stammes waren es zuerst August (1553 — 1586) und dessen Sohn Christian I (1586 — 1591)), die ein regeres Interesse für die Entwickelung der Pferde- zucht zeigten. Ersterer errichtete 1563 das Gestüt Merseburg, letzterer Kaikreuth bei Grossenhain in Sachsen. Ausserdem bestanden seit 1630 Graditz bei Torgau, seit 1646 Vessra bei Schleusingen, einige Jahrzehnte später Wendelstein bei Rossleben in Thüringen, Paudritsch bei Leisnig und Zella bei Nossen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstand das vielgenannte Tororauer Gestüt, zu dem ausser Graditz noch Krevschau, Repitz, Dohlen, Neu- und Altbleesern gehörten, und das der Grund- stock des von Friedrich August I im Jahre 1722 gegründeten, welt- berühmten Graditzer Gestütes geworden ist. (Siehe »Geschichte der sächsischen Pferdezucht« von Dr. Albert Johne.) Also fürstliche Gestüte in Menge auf der hier in Rede stehenden verhältnismässig kleinen Fläche. Genützt haben diese aber der sächsischen Landespferdezucht, w4e gesagt, unendlich wenig. Ihr Hauptzweck war eben nur die Remontierung des kurfürstlichen Marstalles. Mit der Landespferdezucht standen sie in gar keiner Verbindung. Wie Johne mitteilt, wurden in den sächsischen Gestüten anfangs friesische und bayerische, später aber vor allen neapolitanische, spanische, dänische, mecklenburgische und holsteinische Pferde, zur Zucht leichter - 589 - Schläge hingegen orientahsches und damit verwandtes Material benützt. Dass aus dieser wüsten Mischzucht kein einheitlicher typischer Pferde- stamm hervorgehen konnte, liegt auf der Hand. Rechnet man hierzu noch die schweren Schädigungen, die die Gestüte im dreissigj ährigen und siebenjährigen Kriege erlitten, so wird der wenig tröstliche Inhalt, der teils von den verschiedenen Oberstallmeistern allein, teils von diesen im Verein mit dem geheimen Finanzkollegium aljgegebenen Vorstellungen und Berichte über den Zustand der Gestüte ohne weiteres verständlich. Zuerst war es der Oberstallmeister v. Lindenau, der Vater des nachmaligen preussischen Oberlandstallmeisters dieses Namens, der un- ablässig auf den schlechten Zustand der Gestüte hinwies und eine Reorganisation dieser ganz in Verfall geratenen Zuchtstätten beantragte. Ihm ist es auch zu verdanken, dass im Jahre 1766 der erste grössere Versuch mit einer Landesbeschälung in Sachsen gemacht wurde. Im genannten Jahre konnten nämlich von Beschälern der kurfürstlichen Gestüte 417 Stuten gedeckt werden. 1767 wurden auf 28 Stationen 34 Hengste verteilt, die 1667 Stuten belegten. Durch ungünstige Zeit- verhältnisse geriet dieser erste Anfang leider wieder ins Stocken und erst 1792 wurde die Errichtung einer allgemeinen Landbeschälung be- schlossen und auf 15 Stationen 20 Hengste aufgestellt, welche Zahl bis zur Teilung Sachsens allmählich auf 30 Stationen und 1 1 7 Beschäler stieg, von denen nach der Teilung aber nur noch 10 Stationen mit 32 Hengsten verblieben. In den folgenden Jahren ist die Zahl der Hengste nicht wesentlich verändert worden; nach der 1828 erfolgten durchgreifenden Neugestaltung der Landbeschälanstalt aber stieg der Bestand der Landbeschäler ohne weitere Unterbrechung von Jahr zu Jahr. 1830 wurden die Landbeschäler, die bis dahin im Marstalle zu Dresden untergebracht waren, nach Moritzburg überführt, wo gegenwärtig 95 Halbbluthengste (66 Oldenburger, 4 Ostfriesen, 22 Hannoveraner, 2 Radautzer, i Ungar) und 9 Kaltblüter (6 Belgier, 3 Shires) aufgestellt sind. Grosse Fortschritte hatte nun die sächsische Pferdezucht bis dahin nicht gemacht und auch später Hess sie trotz aller hierauf verwendeten Mühen und trotz der Tüchtigkeit und des redlichsten Strebens der Landstallmeister v. Schönberg -Pötting (bis 1846), v. Mangoldt (von 1846 — 1877) und Graf zu Münster (von 1877 — 1890) sehr viel zu wünschen übrig. Die erste gewichtigere Stimme, die öffentlich und eingehend die Unproduktivität der sächsischen Landespferdezucht und deren Ursachen — 590 — besprach, war, schreibt Johne, die des Grafen C. H. v. Einsiedel, bekannt durch seine grossen Verdienste auf dem Gebiete des Hufbeschlages. Graf Einsiedel, zugleich einer der Vorstände des Vereins für Veredlung der Pferdezucht in Sachsen, veröffentlichte anfangs 1845 eine Broschüre, betitelt: »Einige Gedanken über die bestehende Pferdezucht im König- reich Sachsen und wie dieselbe zu fördern sei.« Den Grund der Miss- erfolge suchte er in der ungenügenden Anzahl von Hengsten (eine nicht ganz zutreffende Beschuldigung, da in dem vom Verfasser zu- grunde gelegten Jahre 1843 auf i Hengst nur 44,8 Stuten kamen), ferner in dem Mangel geeigneter Stuten und in unzweckmässiger Aufzucht der Fohlen. Ein noch schärferer Kritiker der auf dem Gebiete der sächsischen Pferdezucht herrschenden Zustände war der als Nationalökonom be- rühmte und um die Landwirtschaft hochverdiente Geh. Regierungsrat Dr. Reuning, der von Mitte der vierziger Jahre bis Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Existenzberechtigung einer Pferde- zucht in Sachsen in Wort und Schrift heftig bekämpfte, Sie sei ein schöner aber kostspieliger Luxus, erklärte er in seinen an das Ministerium des Innern gerichteten Vorträgen. Dieser von hochangesehener Seite ausgehenden Opposition ist es wohl auch zuzuschreiben, dass in den Jahren 1849 und 1869 bei den Ständen der Antrag eingebracht wurde, das Landgestüt aufzulösen. Dazu waren aber die Sachsen doch zu »helle«, Dr. Pusch, Professor an der tierärztlichen Hochschule in Dresden (siehe dessen 1891 erschienene Schrift: »Das Gestütswesen Deutsch- lands«) kann indessen nicht umhin, hervorzuheben, dass von vielen Seiten der sächsischen Pferdezucht heute noch jede Existenzberechtigung abgesprochen wird. Infolge der hohen Bodenwerte, die dem bäuer- lichen Wirte die Anlagen von Koppeln nicht gestatte, werde die Auf- zucht zu teuer; ausserdem fehle den jungen Pferden die Bewegung und dem Züchter das richtige Verständnis. Die Pferde würden zwar gut — in der Regel sogar zu gut — gefüttert, andererseits aber auch vielfach zu früh angespannt. Ferner sei die Feststellung der Zucht- richtung immer eine sehr schwierige gewesen, deren Resultat nur teil- weise befriedigen konnte. Ein warmblütiges Pferd, etwa vom Schlage des starken Halbblutes, ist, meint Pusch, wegen Mangels an hinreichender Bewegung in der Jugend in Sachsen ebensowenig zu züchten, wie der schwere Kaltblüter, für den sich wohl ein vorzügliches Absatzgebiet im — 591 — eigenen Lande schaffen Hesse, zu dessen Knochenentwicklung es aber dem Boden an dem nötigen Kalk mangelt. Zudem war, namentlich wegen des fortwährenden Zukaufs in früheren Jahren, das Stutenmaterial ein sehr heterogenes, so dass es in Anbetracht aller dieser Schwierig- keiten dem verstorbenen Landstallmeister Grafen Münster als grosses Verdienst angerechnet werden muss, dass es ihm durch seine unermüd- liche Tätigkeit wenigstens einigermassen gelang, ein gleichmässigeres weibliches Zuchtmaterial zu schaffen und die Züchter zu einer natur- gemässeren Aufzucht der Fohlen zu veranlassen. Nachdem man 1871 niit der Einführung Oldenburger Beschäler begonnen und als Zuchtziel die Produktion »eines stämmigen, gängigen Durchschnittspferdes mit runden Rippen, breitem Becken, gutem, regel- mässigem Stand und Gang, von nicht zu gemeiner Abstammung, für den Dienst im Wagen und im Pfluge gleich geeignet« bezeichnet hatte, hat Graf Münster durch weitere Einführung von Beschälern, Stuten und Stutfohlen aus Oldenburg dieses Zuchtziel mit Konsequenz weiter verfolgt und auch erreicht, dass man jetzt in Sachsen ein Pferd im Oldenburger Typus züchtet, dem eine gewisse Ausgeglichenheit schon nicht mehr abgesprochen werden kann. Dieses Urteil fällte Professor Pusch 1891, also vor 16 Jahren. Seitdem hat sich der Standpunkt der mit Oldenburger Material l^etrie- benen Zucht im Sachsenlande unter der tatkräftigen und intelligenten Leitung des jetzigen Landstallmeisters Grafen zu Münster junior noch bedeutend gehoben. Moritzburg beherbergt gegenwärtig eine so grosse Anzahl Oldenburger Hengste allererster Klasse, dass Sachsen heute mit Recht stolz auf sein Landgestüt sein kann. Das ist immerhin ein Resultat, das nimmermehr erzielt worden wäre, wenn jene Unglücks- propheten, die der sächsischen Pferdezucht jede Existenzberechtigung absprechen wollten. Recht behalten hätten. Das Kaltblut in Sachsen besteht zum grössten Teil aus Dänen, Belgiern und Kaltblut ohne Schlagangabe. Für militärische Zwecke haben diese Schläge nur geringen Wert. Im. Jahre 1906 wurden der Remontierungskommission im ganzen 1441 Pferde vorgestellt, von denen 959 Stück ^= 6672 V. H. gekauft wurden. Darunter befanden sich 10 vorgestellte und 6 gekaufte schleswigsche Kaltblüter (Dänen). Die Halbblutpferde erzielten einen Durchschnittspreis von 939 Mark, die volljährigen Kaltblüter einen von 1300 Mark. Von den gekauften Pferden entstammten: — 592 — Sachsen 7^ Stück Ostpreussen 775 ;i Westpreussen lO ,, Hannover 27 „ Holstein 63 Schleswig 6 „ 959 Stück. Bei der Beurteilung dieser Ziffern wird man allerdings nicht unbe- rücksichtigt lassen dürfen, dass die Remontenproduktion im sächsischen Zuchtprogramm immer nur einen sehr bescheidenen Platz einnehmen kann. Gehört doch die Remonte selbst im Oldenburger Zuchtgebiet zu den sel- teneren Erscheinungen und wie hoch steht nicht Oldenburg über dem Stand- punkt, den Sachsen unter den pferdeproduzierenden Ländern einnimmt! Das Königreich Sachsen gehört zu den wenigen deutschen Staaten, in welchen eine Körordnung nicht besteht. Dies hat seine Erklärung in dem Umstände, dass die wenigen Privatbeschäler, die dort vorhanden sind, gar keine Rolle in der Zucht spielen. Massgebend für letztere sind nur die königlichen Landbeschäler. Es lag daher bisher kein Anlass vor, den immerhin belästigenden Körzwang auch in Sachsen einzuführen. Das Königreich Sachsen ist gegenwärtig, entsprechend den Be- schälstationen, zum Zweck der Stutenmusterung und Fohlenschau in 29 Zuchtbezirke eingeteilt. Die Musterungen finden in der Regel all- jährlich nach der Frühjahrsbestellung statt. Die für brauchbar befun- denen und dem Zuchtziel entsprechenden Stuten werden in drei Klassen eingeteilt: a) Stuten für starken Reit- und Wagenschlag mit leichtem, gutem Gang; b) Stuten mittelstarken Schlages für jeglichen Gebrauch; c) Stuten für schweren Wagenschlag. Die brauchbaren Stuten werden in ein Zuchtregister, diejenigen, deren Abstammung nachgewiesen werden kann und die dem Zuchtziel entsprechen, in ein Stammregister eingetragen. In jedem Zuchtgebiet findet ausserdem nach jedesmal einzuholender Genehmigung des Ministeriums gelegentlich der Stutenmusterung alle zwei Jahre eine Fohlenschau statt, bei welcher ein- und zweijährige gut gezogene Fohlen mit Preisen bedacht werden. Grössere Pferde- schauen werden alle zwei Jahre wechselnd in den Kreisvereinsbezirken abgehalten, bei welchen drei- bis siebenjährige im Königreich Sachsen geborene Pferde und normale Zuchtstuten mit drei laut Zuchtregister erzeugten Fohlen, von denen eines zur Stelle sein muss, sich um Preise bewerben können. Auf diesen Schauen kann ein und dasselbe Tier nicht öfter als zweimal Preise erhalten. Ausgeschlossen von sämtlichen — 593 — Preisbewerbungen sind alle nicht im Zuchtregister eingetragenen Stuten und ihre Fohlen. Schliesslich wäre unter den öffentlichen Massnahmen zur Förderung der Pferdezucht im Königreiche Sachsen noch zu erwähnen, dass dem im Jahre 1882 gegründeten Fohlenzuchtverein, der zur Zeit zwei Fohlen- aufzuchtstationen — Cunertswalde und Heuscheune — unterhält, eine jährliche Staatsbeihilfe von 10 000 Mark gewährt worden ist. Auf diesen Stationen weideten, wie in der »Zeitschrift für Gestütkunde« mitgeteilt wird, im Jahre 1905 zusammen 152 Fohlen, denen sich im folgenden Jahre noch 94 beigesellten. Die Entwicklung der Fohlen ist auf den Stationen eine äusserst günstige, so dass die Qualität der jungen Tiere von Jahr zu Jahr steigt. Man darf somit wohl hoffen, dass ein fachmännisches Urteil über die Pferdezucht im Königreich Sachsen nach Verlauf von — sagen wir — weiteren 25 — 30 Jahren ganz anders lauten wird als dasjenige, das Schwarznecker 1878 auszusprechen sich bemüssigt fühlte. Im Grossherzogtum Sachsen-Weimar besteht eines der ältesten Gestüte im Deutschen Reiche. Es ist dies das grossherzogliche Hof- gestüt Allstedt, das schon im Jahre 1 134 erwähnt wird und dessen Pro- dukte sich seit Jahrhunderten eines grossen Ansehens erfreut haben. Eine Spezialität des Allstedter Gestütes bildet die Zucht von Isabellen und Rappen. Die Isabellen stammen aus Andalusien, die Rappen sollen ursprünglich aus einer Kreuzung von Originalarabern mit edlen selbst- gezüchteten oder von anderen Gestüten bezogenen Stuten hervor- gegangen sein, doch führen sie ihre spätere Abstammung auf Hengste und Stuten der Trakehner Rappenpferde zurück. Von den Isabellen ist nicht viel Gutes zu sagen; die seit langer Zeit betriebene Verwandt- schaftszucht hat ihnen bereits den unvermeidlichen Stempel der Ent- artung aufgedrückt. Die an den Trakehner Typus erinnernden Rappen sind dagegen schnittige und brauchbare Pferde, die auch auf mehreren grösseren Ausstellungen verdiente Anerkennung gefunden haben. Ein Landgestüt hat Weimar nicht, doch werden seitens der Regierung an Private Zuschüsse zum Ankauf von guten Zuchthengsten gewährt. Dem öffentlichen Gebrauch dienende Deckhengste unterliegen dem Körzwange. Für das einen Teil der Herzoglich Sachsen-Coburg-Gothaschen Lande bildende Fürstentum Gotha wird in Gotha ein kleines Land- gestüt unterhalten, das aber trotz der geringen Anzahl der dort auf- Wrangel, Die Rassen des Pferdes. I. 3° — 594 — gestellten Beschäler — es sollen ihrer ganze sieben Stück sein — den Bedürfnissen der Landespferdezucht zu genügen scheint. Deckt doch, die herzoglichen Beschäler mit eingerechnet, im ganzen Lande nur ein Dutzend Hengste. Als Zuchtziel hat der landwirtschaftliche Hauptverein für das Herzogtum Gotha das belgische Pferd aufgestellt. Das Ba3^erische Pferd. Bayern hat in den letzten Jahrzehnten Sachsen und Württemberg auf dem Gebiete der Pferdezucht weit überflügelt. Am auffallendsten treten die in der warmblütigen Zucht gemachten Fortschritte zutage. Dies geht u. a. schon aus den Resultaten hervor, die bei der Re- montierung erzielt werden. So wurden der bayerischen Remontierungs- kommission im Jahre 1906 im ganzen 1993 Pferde vorgestellt. Von diesen entfielen auf Bayern 634, auf Ostpreussen 11 18, auf die Reit- und Fahrschule Elmshorn (Holstein) 70 und auf Hamburg 171 Stück. Gekauft wurden: in Bayern 342 Halbblut- und 36 Kaltblutpferde, in Ostpreussen 843 dreijährige und 95 vierjährige, in Elmshorn 50 und in Hamburg 152 Stück, im ganzen somit 15 18 Pferde = 76 v. H. der vorgestellten Pferde. Auf die einzelnen Landesteile berechnet, entfallen: auf in Bayern selbst gekaufte Pferde ... 27 v. H. ,, ,, Ostpreussen selbst gekaufte Pferde . 59 ,, ,, „ „ Holstein „ „ „ . 14 „ „ Im Jahre 1903 wurden in Bayern gekauft 23 v. H., in Ostpreussen 65 V. H. und in Holstein 12 v. H. Es ist somit in Bayern ein ent- schiedener Fortschritt in der Remontezucht zu verzeichnen, welchen Erfolg das Land in erster Reihe der tatkräftigen Unterstützung zu ver- danken hat, die der warmblütigen Zucht seitens des Staates, wie auch von den 15 bestehenden Remontezuchtvereinen und einzelnen Privat- züchtern gewährt wird. Dass zur Veredlung der Zucht in Bayern ziem- lich viel Vollblut benützt wird, ist aus dem starken Verhältnis der von Vollblutvätern abstammenden Remonten zu ersehen. Nicht weniger als HO der 342 gekauften Remonten — also 32 v. H. — waren von Voll- bluthengsten erzeugt. Der Durchschnittspreis betrug ungefähr 950 Mk. (Siehe auch »Die Remontierung der gesamten deutschen Armee im Jahre 1906«, von Generalmajorz. D.Zobel, Militär- Wochenblatt Nr. 33, 1907.) Im Jahre 1905 befanden sich nach einem Berichte der Münchener Wochenschrift für Tierheilkunde und Viehzucht in den bayerischen Stamm- und Landgestüten: — 595 — Hofgestüthengste 9 Stück Stammgestüthengste 77 Inländerhengste 102 Englische Vollbluthengste*; 13 „ Arabische Vollbluthengste ...... i „ Norddeutsche Hengste 173 Belgische Hengste 40 Ungarische Hengste 11 „ Österreich. (Pinzgauer-Kärntner) Hengste 52 „ Amerikanische Traberhengste 6 „ Dänische Hengste 3 zusammen . . 487 Stück. Das Warmblut dominiert somit entschieden in den staatlichen Pferdeanstalten. Dem Fachmanne wird es nur etwas fraglich erscheinen, wie mit so buntscheckigem Material — englisches Vollblut, arabisches Vollblut, Ungarn, HoLsteiner, Oldenburger, Ostfriesen, Ostpreussen, Amerikaner u. s. w. — ein gleichmässiger Typus in der Landespferde- zucht erzeugt werden soll. In hohem Grade befremdend wirkt ganz besonders die lebhafte Sympathie, die die bayerische Gestütverwaltung der Verwendung von amerikanischen Traberhengsten entgegenbringt. Ganz abgesehen davon, dass die Amerikaner selbst das Material zur Produktion von Wagenpferden nicht aus den heimischen Traberställen, sondern aus Deutschland und Frankreich beziehen und gut gebaute, korrekt tretende Tiere unter den Schnelltrabern zu den grössten Selten- heiten zählen, muss es doch jedem Kenner klar sein, dass die schnelle, weit ausgreifende Aktion des Sekundentrabers mit den Gängen eines den deutschen Anforderungen entsprechenden Wagenpferdes blutwenig gemeinsam hat. Da dürfte es denn wohl geboten erscheinen, daran zu erinnern, dass Graf Lehndorff vor einiger Zeit erklärte, er habe in zehn Jahren nur zwei amerikanische Traberhengste gefunden, die » einiger massen« den an einen Landbeschäler zu stellenden An- forderungen entsprachen. Sollte man da in Bayern wirklich das Glück gehabt haben, gleich ein halbes Dutzend solcher Zuchtverbesserer auf- zutreiben? Und ferner, welchen von den im Lande vorhandenen vier Haupt- oder Normal -Pferdeschlägen, nämlich: a) leichter Reitschlag {Schlag I); b) grosser und starker Reit- und leichterer Wagenschlag, sogen. Mittelschlag (Schlag II); c) starker Wagenschlag (Schlag III); d) schwerer Fracht- oder sogenannter Fuhrmannsschlag (Schlag IV) meint die bayerische Gestütverwaltung mit dem amerikanischen Wett- *) 6 davon sind in Bayern gezogen. — 596 — traber verbessern zu können? Für die Remontezucht (Schlag a und b) ist dieser doch absolut nicht zu gebrauchen und ebenso erscheint es unerfindlich, welchen Nutzen Pferde des starken Wagen- oder des schweren Fuhrmannsschlages, nach welchem stets eine rege Nach- frao"e herrscht und die sehr gut verwertet werden, aus einer Zufuhr amerikanischen Blutes ziehen könnten. Hoffentlich wird eine altbayerische Spezialität, der Rotthaler Kutsch- schlao-, von derartigen mehr oder weniger unheilvollen Kreuzungen verschont bleiben. Es darf dies um so eher erwartet werden, als sich in Pocking eine fünf Bezirke umfassende Zuchtgenossenschaft zur Ver- vollkommnung dieses interessanten Pferdeschlages gebildet hat. Die Rotthaler Füchse sollen schon auf den sogen. Römerfahrten der deutschen Fürsten als Reitpferde für schweres Gewicht sehr geschätzt gewesen sein und »glücklich« nannten sich die Herren, die solche preiswürdig erwerben konnten. Ihr sicheres Gangwerk wurde besonders gerühmt. Ein ähnlicher Schlag ist der Lenggrieser (Fig. 83), der in Oberbayern gezogen wird. In den Adern des Lenggrieser Pferdes, das sich ebenfalls von alters her eines vorzüglichen Rufes zu erfreuen gehabt hat, fliesst ostfriesisch- oldenburgisches Blut. Vor allen pflegen sich die Nach- kommen der bekannten Oldenburger Hengste Ruthard, Virgil und Emi- grant durch Energie und hervorragende Gänge auszuzeichnen. Was Schönheit der Formen und Leistungsfähigkeit auch bei er- höhten Anforderungen an die Aktion und Ausdauer anbelangt, stehen wohl die Pferde Ober- und Niederba3'erns und teilweise noch die der Pfalz in erster Reihe. Als die besten Zuchtbezirke werden angesehen: in Oberbayern Tölz und Miesbach, Aichach, Brück, Ingolstadt, Pfafifen- hofen und Schrobenhausen; in Niederbayern Griesbach, Eggenfelden, Straubing, Vilshofen und Vilsbiburg; in der Pfalz Zweibrücken, Homburg und Pirmasens; in Mittelfranken Ansbach, Schwabach und Ufifenheim; in Schwaben Donauwörth, Günzburg, Neuburg a. D. und Schwabmünchen. Im bayerischen Gebirg, den angrenzenden Bezirken, dann in jenen Gebieten Ober- und Niederbayerns, sowie Schwabens, die ihren Fohlen- bestand vorwiegend aus dem Gebirg beziehen, ist zumeist das norische Pferd (Pinzgauer), teils noch rein, meist aber verkreuzt anzutreffen. Eine interessante Erscheinung ist auch das im Dorfe Feldmoching, unweit München, gezogene sogen. Feldmochinger Pferd, dessen Skelett genau mit dem des fossilen Pferdes übereinstimmt, das vor Jahren im Starnberger See gefunden wurde. Möglicherweise ist dieses Pferd also — 597 — einer der Repräsentanten des ursprünglichen leichten Pferdetypus. Wie allen primitiven Rassen, dürfte auch der Feldmochinger nur mehr ein kurzes Dasein beschieden sein. Von wesentlichem Einfluss auf die Gestaltung der Pferdezucht in Bayern ist die Tätigkeit der Königl. Landgestütverwaltung, der die Pflege der Landespferdezucht obliegt und die in Erfüllung dieser Auf- gabe mit anerkennenswerter Rücksichtnahme auf die verschiedenen wirtschaftlichen Verhältnisse bestrebt ist, sowohl die Zucht von brauch- Fig. 83. Stute des oberbayerischen starken Reit- und Wagenschlages. baren Arbeitspferden, wie auch die von edleren und zu Remonten ge- eigneten Pferden wirksam zu unterstützen. Das bayerische Landgestüt wurde im Jahre 1769 errichtet, be- schränkte jedoch bis zum 10. März 1890 seine Tätigkeit auf die Landes- teile rechts des Rheins. Erst von diesem Zeitpunkte an ging auch die pfälzische Gestütanstalt in die Verwaltung des Staates über. Gegen- wärtig besitzt Bayern fünf Landgestüte, nämlich das Münchener, Lands- huter, Ansbach er, Zweibrückener und Augsburger. Neben diesen Landgestüten bestehen noch die beiden Stammgestüte Achselschwang und Zweibrücken und die Hofgestüte Bergstetten und Rohrenfeld mit - 598 - Neuhof. Nach dem vorerwähnten Bericht der Münchener Wochen- schrift für Tierheilkunde und Viehzucht betrug der Gesamtpferdebestand in den Königl. bayerischen Gestütanstalten am i. Januar 1906 487 Deck- hengste, 123 Zuchtstuten, 134 Hengst-, 122 Stutfohlen, 136 Remonte- fohlen der Anstalt Stillerhof und 33 Ökonomiepferde, also zusammen 1035 Pferde. Die weitaus grösste Anzahl Stuten, die diesen Hengsten zugeführt wurde, gehörte zum starken Wagen- und schweren Fuhr- mannsschlag. Welche Zuchtrichtung die vorherrschende in Bayern ist, ergibt sich hieraus von selbst. Im Stammgestüte Achselschwang werden Hengste des schweren Wagenschlages gezüchtet, die auch als starke Arbeitspferde im landwirt- schaftlichen Betriebe verwendet werden können. Ausserdem aber kauft das Gestüt seit einigen Jahren Hengstfohlen des schweren Arbeits- schlages, um diese für den eigenen Gebrauch aufzuziehen oder an Privathengsthalter abzugeben. Achselschwang wurde 1863 errichtet. Eine viel ältere Geschichte hat, wie bereits Seite 250 mitgeteilt worden, das Land- und Stammgestüt Zweibrücken. Es sei dem eigent- lichen Schöpfer der alten Zweibrücker Zucht, Herzog Christian IV von Pfalz-Zweibrücken, nicht vergessen, dass er der erste deutsche Fürst war, der die Zucht nach Leistung zum leitenden Prinzip bei der Pro- duktion warmblütiger Pferde erhob. Alle von ihm nach arabischem und englischem Vollblut gezogenen Pferde wurden auf der Parforce- jagd erprobt, und jeden Hengst, der sich im Jagdfelde nicht bewährte, verurteilte er ohne Gnade zur Kastration. Es gelangte somit nach dem klassischen, züchterischen Lehrsatz »Portes creantur fortibus et bonis« in Zweibrücken nur die als »stark und gut« erkannte i\uslese zur Verw^endung in der Zucht. Dass dieser Umstand ausserordentlich viel zu den Erfolgen des Gestütes beigetragen hat, braucht wohl nicht be- sonders hervorgehoben zu werden. Das Hofgestüt Bergstetten versieht den königlichen Marstall mit Reit- und Wagenpferden und erzeugt nebenbei auch starkes Halbblut für die Landgestüte. Das Zuchtziel dieses Gestüts ist ein grosses, starkes und edles Halbblutpferd englischer Abstammung. Ba3'erns Pferdezucht liegt hauptsächlich in den Händen bäuer- licher Grundbesitzer, doch bestehen auch mehrere grössere Privatgestüte, wie z. B. in Oberbayern das Vollblutgestüt Leutstetten Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Ludwig von Bayern, Kanzlerhof des Grafen Max v. Drechsel, wo edles, gängiges Halbblut englisch-ungarischer Rasse gezogen wird. — 599 — Sonnenhausen des Freiherrn v. Büsing-Orville, der mit irländischen Stuten und enghschen Vollbhithengsten schneidige Jagdpferde zieht; in Niederbayern: das bekannte erfolgreiche Vollblutgestüt Puchhof der Herren Reichsrat Dr. v. Lang-Puchhof und Dr. v. Schmieder, das Ge- stüt Schönburg bei Pocking des Grafen v. Arco-Zinneberg, wo eben- falls Vollblut gezogen wird; in Unterfranken und Aschaffenburg das grosse Halbblutgestüt Rentweinsdorf bei Ebern des Freiherrn v. Roten- han ; in Schwaben und Neuburg das Halbblutgestüt Stepperg des Reichs- rats Ernst Grafen v. May u. s. w. Mehrere der hier genannten Edel- zucht betreibenden Gestüte lassen ihren Einfluss auf die Zuchtrichtung der angrenzenden Gemeinden nicht verkennen, jedoch befasst sich der bayerische Bauer im allgemeinen nur in sehr geringem Umfange mit der Zucht warmblütiger Pferde. Dies ergibt sich schon aus der Tat- sache, dass, wie die Münchener Wochenschrift für Tierheilkunde und Viehzucht mitteilt, die schwereren jungen Hengste der Schläge III und IV denen der leichteren an Zahl mit 639 Stück überlegen sind und 9 mal mehr Stuten als die letzteren decken. Bezeichnend für die landesübliche Zuchtrichtung ist auch, dass sich unter den im Jahre 1905 angekörten 387 Privathengsten nicht weniger als 104 aus Österreich (Pinzgau und Oberösterreich) und 27 aus Belgien importierte Hengste befanden. Bei der Wichtigkeit der Privathengste für die Landespferdezucht machte sich das Bedürfnis, die Qualität dieser Vaterpferde zu heben, immer mehr geltend. Von 1S18 bis 1874 durften in Bayern Hengste zur Zucht nur dann verwendet werden, wenn sie von der betreffenden Prüfungskommission als zuchttauglich anerkannt wurden. Mit dem jähre 1874 fiel indessen in Bayern rechts des Rheins die Approbation weg, bis durch das Gesetz vom 26. März 1881 bestimmt wurde, dass vom I.Januar 1882 an ein im Privatbesitz befindlicher Hengst nur dann zum Belegen fremder Stuten verwendet werden darf, wenn der Hengst vorher durch den Körausschuss untersucht und durch einen von diesem ausgefertigten Körschein als zur Zucht tauglich befunden worden ist. Der Besitzer eines angekörten Hengstes ist verpflichtet ein Deckregister zu führen und dem Stutenbesitzer einen Auszug aus diesem einzuhän- digen. Die Verwendung eines nicht angekörten Privathengstes wird mit einer Geldstrafe bis zu 90 Mk. bestraft. Sonstige Übertretungen unterliegen einer Geldstrafe bis zu 30 Mk. Das Umherziehen mit Zucht- hengsten zur Deckung von Stuten (sogen. Gaureiterei) ist untersagt, — 6oo — kann aber ausnahmsweise in bestimmt bezeichneten Bezirken gestattet werden, wenn dies wegen Mangels oder zu grosser Entfernung der Be- schälstationen oder Beschälplatten als wünschenswert erscheint und der Hengst zu dem betreffenden Stutenmaterial passt. Als weitere mit gutem Erfolg zur Hebung der Landespferdezucht ergriffene Massregeln sind zu bezeichnen: die alljährlich an bayerische Züchter stattfindenden Preisverteilungen für Privatbeschäler, Hengste im Alter von 1^2^ — 3V- Jahren, Stuten im Alter von 17^ — 4V2 Jahren und Mutterstuten, sofern diese Tiere der im betreffenden Bezirk vor- herrschenden Zuchtrichtung entsprechen; ferner die Bildung von Re- montezuchtvereinen, die sich der Zucht und Aufzucht von Militärpferden widmen; die Errichtung von Fohlenaufzuchtanstalten und Fohlenweiden an verschiedenen Punkten des Landes; die Prüfung der Leistungsfähig- keit mittelst Galopp- und Trabrennen; die Gründung zahlreicher Ver- eine zur Förderung der Pferdezucht u. m. a. Der Ausljlick auf die Vergangenheit und Zukunft der bayerischen Landespferdezucht erscheint mir daher nicht gar so trostlos, wie jenem bayerischen Oberlandstallmeister, von dem in Gustav Raus hochinter- essantem Werke »Die Not der deutschen Pferdezucht« *) erzählt wird, dass er bei seinem Abgange mit Bezug auf Bayerns Pferdezucht ge- lassen die denkwürdigen Worte aussprach: »Hier war nichts, hier ist nichts und hier wird nichts.« Das Württembergische Pferd. Die Regenten Württembergs haben der Pferdezucht stets ein leb- haftes Interesse entgegengebracht, wenn auch ihr Verständnis für diesen Zweig der Landwirtschaft mitunter manches zu wünschen übrig gelassen. Wer sich über die Geschicke dieser Zucht näher unterrichten will, ver- säume nicht, Professor Sohnles 1907 erschienene lehrreiche Schrift »Beiträge zur Pferdezucht mit besonderer Berücksichtigung der ein- schlägigen württembergischen Verhältnisse« zur Hand zu nehmen. Es heisst dort unter anderem: Unsere Regenten betrieben die Pferdezucht nicht bloss um ihren Marstall mit edlen, schönen Rossen zu versehen, sondern auch in der Absicht, durch Abgabe von Hengsten aus den Hofgestüten der Landespferdezucht aufzuhelfen. Herzog Ludwig, der Gründer des Gestüts Marbach (1575), kaufte zu diesem Zweck das beste *) Rau, Gustav, Die Not der deutschen Pferdezucht, Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer), Stuttgart 1907. — 6oi — Material, das in damaliger Zeit zur Verfügung stand : orientalisches Voll- blut, spanisches und neapolitanisches Halbblut. Unter der Regierung des Herzog Karl im i8. Jahrhundert befand sich die Landeszucht auf einer nie zuvor erreichten Höhe. Die württem- bergischen Pferde waren berühmt und gesucht. Aber schon gegen Ende seiner Regierung ging die Zucht merklich zurück. Ein Zeit- genosse des Herzogs schreibt: »Die Benützung norddeutscher Hengste im Stammgestüte wie im Lande hat der Gestüts- und Landespferde- zucht geschadet, da diese Hengste ihre schlaffe Konstitution und vor- nehmlich ihre breiten, flachen Hufe auf die Landpferde vererbten.« Höchst wahrscheinlich dürften aber noch andere Faktoren, insonderheit die auf Wunsch des Herzogs vorgenommenen heterogenen Kreuzungen, den Verfall der Zucht beschleunigt haben. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts räumten die neapolitanischen Kriege mit dem Zucht- und Nutzbestand des Landes vollkommen auf, so dass beim Regierungsantritt des Königs Wilhelm I (18 16) man wohl kaum mehr von einer Landespferdezucht sprechen konnte. Dieser Regent, bekanntlich ein grosser Freund und Gönner der Landwirtschaft und ihrer Disziplinen, reorganisierte im Jahre 181 7 das Landgestütwesen von Grund aus. Er schied Hof- und Landgestüt und unterstellte das letztere einer besonderen Behörde, der Landgestütkommission. Das bei der Scheidung an das Landesgestüt abgegebene Pferde- material setzte sich aus allen möglichen Rassen zusammen. Vertreten waren: Araber, Perser, Türken, Ungarn, Siebenbürger, Mecklenburger, Holsteiner, Engländer und Normannen. Hierzu kamen noch in den folgenden Jahren Orlowtraber und donische Kosakenpferde! Ein Ge- misch, an dem ein Buffon seine helle Freude gehabt hätte. Das Zucht- ergebnis konnte selbstverständlich nicht befriedigen. Züchterischen Wert besass nur die weit über Württembergs Grenzen hinaus bekannte und berühmte Sanspareil-Rasse, die von dem Anglo-Araber Sanspareil, F.-H., geb. 1802 im Königl. Preussischen Hauptgestüte Neustadt a. D., von Original-Araber Bayan und der englischen Vollblutstute Eleonore abstammte. Im Jahre 18 16 von König Jerome von Westfalen an den Königl. Württembergischen Marstall verkauft, hat Sanspareil von 1817 bis 1829 eine überaus zahlreiche Nachkommenschaft erzeugt, der er neben seinen edlen, kräftigen Formen und grosser Leistungsfähigkeit, leider auch französische Stellung der vorderen Extremitäten mit auf den Lebensweg zu geben pflegte. — 6o2 — Als im Jahre 1839 die Klagen über die heterogenen Kreuzungen und ihre Resultate im Lande nicht verstummen wollten, sah sich die Regierung veranlasst, eine Kommission mit der Revision der Zucht- bestände des Gestüts zu betrauen und Vorschläge zur Besserung der bestehenden Verhältnisse auszuarbeiten. Man einigte sich in der Kom- mission dahin, durch Beimischung von englischem Voll- und Halbblut, das gerade um diese Zeit in bester Qualität in England zu haben war, der kränkelnden Zucht aufzuhelfen. Mit höchster Genehmigung erfolgte, wie Wörz (siehe »Die Staats- und Landespferdezucht- Anstalten Württembergs« von J. J. Wörz, Ulm 1876) berichtet, im Jahre 1840 der erste Ankauf von 17 Stuten des Yorkshire- oder Cleveland-Schlages und 6 Halbbluthengsten und im Jahre 1842 von 6 weiteren Stuten in England, die sich jedoch schwer akklimati- sierten. Wörz sagt darüber: »Die importierten englischen Stuten ak- klimatisierten sich wie die früher gekauften Normänner-Stuten schwer auf der Schwäbischen Alb, nahmen anfänglich entweder nicht auf oder verfohlten, dagegen waren ihre Abkömmlinge grösstenteils stark.« Waren also die Stutenimporte nicht als gelungen anzusehen, so hatte der damalige Landoberstallmeister Freiherr v. Reischach desto grösseren Erfolg mit seinen Hengstankäufen. Der englische Halbblut- hengst Volunteer, der im Jahre 1840 zusammen mit fünf anderen Halbbluthengsten in der Grafschaft Yorkshire gekauft worden war, wie auch der englische Vollbluthengst Sovereign, geb. 1829, v. Champion, a. d. Mervinia, v. Walton, aus dem Gestüt des Herzogs zu Sachsen- Meiningen kam, bewährten sich nämlich als ganz ausserordentlich wert- volle Vaterpferde. Während einer etwas mehr als 12jährigen Verwen- dung waren im Stammgestüte Marbach von Sovereign 275 und von Volunteer 225, zusammen 500 Fohlen vorhanden. »Diesen beiden Hengsten«, sagt Professor Dr. Gmelin in seiner an der tierärztlichen Hochschule in Stuttgart gehaltenen Festrede zur Feier des Geburts- festes Sr. Majestät des Königs Wilhelm II, »war es zu danken, dass man schon Ende der vierziger Jahre mit vollem Recht von einem Mar- bacher Schlag sprechen konnte, der neben guten Formen hinreichende Grösse, starken Fussbau und das genügende Mass von Temperament besass, um ebenso als Militär- wie als veredeltes Wirtschaftspferd Ver- wendung zu finden. Der Einfluss dieser Hengste auf die Landeszucht lässt sich daraus ermessen, dass bei ihrem Tode im Jahre 1854 6o°/o des Landbeschälerstalls von ihnen abstammten und ausserdem noch — 6o3 — 21 Hengstfohlen von ihnen da waren. Die allgemeine Anerkennung, welche die Produkte des Landgestütes fanden, wird am besten durch die Tatsache bewiesen, dass von 1854 ^i^ die Zahl der auf den Platten den Landbeschälern zugeführten Stuten rasch stieg und zwar in einem bisher nicht gekannten Masse, indem sie sich binnen acht Jahren nahezu verdoppelte. Dieses rasche Aufblühen der Pferdezucht hatte aber zur Folge, dass der Landbeschälerstall quantitativ nicht mehr genügte. Der Bestand musste daher durch Zukaufe erhöht werden, die in den Jahren 1857 bis 1861 teils im Lande selbst, teils in Mecklenburg bewerkstelligt wurden und nach Qualität den Stammgestütsprodukten nicht eben- bürtig waren.« Im Jahre 1861 starb Freiherr v. Reischach. Mit Recht widmet Professor Gmelin diesem hervorragenden Fachmann den Nachruf, dass er dem Lande eine blühende Pferdezucht, einen gut besetzten Beschäler- stall und ein aus vorzüglichen Stuten bestehendes Stammgestüt hinter- liess. Der Rückgang des Marbacher Gestütes begann jedoch schon zu Reischachs Lebzeiten. Nach 1854 wollte es nicht mehr gelingen, Vater- pferde von gleich durchschlagender Vererbungskraft wie Sovereign und Volunteer aufzutreiben. Solche waren indessen desto notwendiger, als es nun galt, die von diesen epochemachenden Reproduktoren er- erbten Eigenschaften des neugeschaffenen Stammes zu konsolidieren. Mit Hengsten wie Bellfounder und Master Christopher*) (br. H., geb. 1847, V. Master Christoph er, a. d, Rebecca, v. Filho do Puta, im Gestüte des Baron Keudell-Gielgudiszki, Ostpreussen), die als Ersatz für Sovereign und Volunteer angeschafft wurden, war dies nicht zu er- reichen. Master Christopher z. B. vererbte meist leichte Gliedmassen uad fehlerhafte Stellung der Vorderbeine. Als nun gar die Influenza im Jahre 1866 verheerend im Gestüte auftrat und der Nachfolger des Freiherrn v. Reischach, Landoberstallmeister v. Stetten, mit Sufifolk- Hengsten und Oldenburgern zu experimentieren begann, gab es kein Aufhalten mehr auf der schiefen Bahn. Herr v. Stetten muss über- haupt ein wunderlicher Landoberstallmeister gewesen sein. Leistete er doch Grosses in der Mischmaschzucht. Im Marbacher Hauptbeschäler- stall standen während seiner Oberleitung i orientalischer Hengst, 4 in Mecklenburg gezogene englische Halbbluthengste, 3 Suffolk-Hengste und I Oldenburger Hengst. Die Stutenherde aber enthielt im Jahre 1869 *) Nach dem Allgemeinen Gestüt-Buch von C. H. Vogler, Band II, Seite 141, hiess der Hengst ursprünglich Rombinus. Anmerkung des Verfassers. — 6o4 — 27 Marbacher Stuten, i Landstute, 13 Suffolk-, 10 Normänner- und 15 wahrscheinlich aus Oldenburg stammende Stuten. Wie man sieht, eine züchterische Olla Podrida schlimmster Sorte. Dass mit derartigem Material keine Erfolge zu erzielen waren, braucht nicht betont zu werden. Glücklicherweise erstand der württembergischen Landespferde- zucht zu dieser Zeit der höchsten Not ein Retter in der Person des 1867 zum Landoberstallmeister ernannten Rittmeisters a. D. v. Hofacker. Sohnle, dem es vergönnt war, in jahrelanger gemeinschaftlicher Arbeit das reiche Wissen und Können Hofackers kennen zu lernen, schreibt mit Bezug hierauf: »Die von Hofacker ins Leben gerufene Zucht ver- dankt ihr Dasein nicht etwa dem Zufall oder einem glücklichen Griffe, wie dies in den Jahren 1857,61 der Fall war, sondern sie war das Er- gebnis vieljcähriger Arbeit und züchterischen Verständnisses. In seiner langen Amtsführung (1867—96) wich Hofacker nicht ein einziges Mal von der eingeschlagenen Zuchtrichtung ab. Unverrückt das Ziel im Auge behaltend, arbeitete er, von Fall zu Fall die richtigen Konse- quenzen ziehend, auf Typierung und weitere Ausgestaltung des einmal geschaffenen Stammes hin.« Was Herr v. Hofacker zunächst anstreben musste, war, einen festen Typus zu schaffen. Hierbei hatte er indessen mit der 1868 ins Leben gerufenen Pferdezuchtkonferenz — dem sogen. Rossparlament — zu rechnen, dessen Befugnisse sehr weitgehende waren, v. Hofacker hat diese mit folgenden Worten gekennzeichnet: »Das Pferdeparlament bestimmt im Auftrag der von ihm vertretenen Interessenten die Richtung für die Pferdezucht des Landes; das Landgestüt arbeitet in diesem Sinn und unter der Kontrolle des Parlaments.« Der Landoberstallmeister war also, wenn es ihm nicht gelang, ausschlaggebenden Einfluss auf die gewiss nicht aus lauter Hippologen bestehende Pferdezuchtkon- ferenz zu gewinnen, einfach nur der Vollstrecker der von dieser ge- fassten Beschlüsse. Weder die Bestimmung des Zuchtziels, noch die zu dessen Erreichung erforderlichen Mittel — wie z. B. Art des einzu- kaufenden Zuchtmaterials — blieb seiner Entscheidung überlassen. Dass es da nicht zu unheilvollen Konflikten kam, muss Herrn v. Hof- acker als hohes Verdienst angerechnet werden. Oft mag es ihm schwer genug gefallen sein, auch in rein technischen Fragen auf den Rat von Leuten zu hören, die keinen Schimmer von der auf der Tagesordnung stehenden Angelegenheit hatten; aber aus Lielje für die Sache, in deren Dienst er sich mit opferwilliger Hingebung gestellt, brachte er es dahin, — 6o5 — gute Miene zum bösen Spiel zu machen und mit ebenso grosser Ge- duld wie diplomatischer Geschicklichkeit den unwillkommenen Beirat in einen nützlichen, ergebenen Mitarbeiter zu verwandeln. Dass die württembergische Pferdezucht von der völligen Versumpfung gerettet wurde, in der sie Ende der sechziger Jahre unfehlbar untergegangen wäre und dass sie seit 1868 zäh und unentwegt an dem einmal auf- gestellten Ziel festgehalten, ist, wie Professor Gmelin mit Recht in seiner vorerwähnten Festrede nachdrücklich betont, dem viel belächelten und auch viel geschmähten »Rossparlament« zu danken. Als Zuchtziel wurde beim Amtsantritt des Herrn v. Hofacker zu- nächst ein Pferd vom Tvpus des Artilleriestangenpferdes aufgestellt. Dieses Ziel hoffte man in der Weise zu erreichen, dass man anglo- nurmandische Hengste für den Landbeschälerstall anschaffte und der Stutenherde des Stammgestütes kräftiges, ostpreussisches Blut zumischte. Die Warmblutzucht sollte also fortan auf normandisch-ostpreussischer Grundlage betrieben werden. Das Ergebnis dieses ersten V^ersuches war im grossen ganzen, dass das Rossparlament vom Jahre 1882 die Kreuzungsprodukte von Anglo-Normannen und Ostpreussen als vollständig entsprechend fand und diese fünf Jahre später auch für geeignet zur Zucht im Stamm- gestüte erklärte. Es galt daher nun, den gegen Ende der achtziger Jahre geschaffenen Typus zu fixieren. Zu diesem Zwecke sah man sich zunächst nach geeigneten starken Voll- und Halbbluthengsten um. Solche wurden auch gefunden, aber ihre Nachzucht befriedigte nicht, sie wurde zu hoch und schmal. Herr v. Hofacker beschloss infolge- dessen, nochmals sein Glück mit dem anglo-normandischen Blut zu ver- suchen. Ihm war nämlich in erster Reihe darum zu tun, seiner Zucht die zu ihrem Bestände erforderliche Konstanz zu verleihen und gleich- zeitig auch ihr Kaliber zu verstärken. Auf grösseren Adel glaubte er verzichten zu können, ja er zögerte sogar nicht, den neuen Stamm der Gefahr auszusetzen, etwas an Adel einzubüssen. Glücklicherweise sagte das Rossparlament Ja und Amen zu diesem Programm, und so konnte denn Herr v. Hofacker nach Frankreich fahren und dort drei anglo- normandische Hengste ankaufen. Unter diesen befand sich der später in der württembergischen Zucht zu epochemachender Berühmtheit ge- langte Faust, der heute das ehrwürdige Alter von 23 Jahren erreicht hat. Faust hat nicht nur dem Marbacher Gestüt, wo er bis 1903 als Hauptbeschäler tätig gewesen, sondern sogar einem guten Teil der — 6o6 — württembergischen Zucht seinen Stempel aufgedrückt, und dieser Stempel muss als vorzüglich bezeichnet werden. Gustav Rau, der Verfasser der vorerwähnten Schrift »Die Not der deutschen Pferdezucht«, wie auch der in der »Sport- Welt« erschienenen »Hippologischen Wanderungen«, sagt von ihm: »Er ist einer von den alten Anglo-Normänner Typen, jenen imposanten Pferden, die bei starkem Kaliber ein auffallendes Feuer und eine hohe Energie der Bewegung zeigen.« Pferde dieses Schlages nennt man heutzutage in der Norman die »ßourdons«, zu deutsch »Gemeine Knüppel«. Die Zeit ist aber sicher nicht mehr fern, wo die normandischen Züchter in allen Winkeln Umschau nach Bour- dons des Faust-Typus halten werden, um der drohenden Verfeinerung bei ihren stolzen und eleganten Trabern Einhalt zu tun. Unter dem Nachfolger des Herrn v. Hofacker, Herr v. Scholl, der im Sommer 1896 sein i\mt antrat, begann man wieder zu experimen- tieren. Der neue Landoberstallmeister war der Ansicht, dass man dem Zuchtmateriale im Hauptgestüt wieder mehr Blut zuführen müsse. Er verwendete daher vom Jahre 1900 an sowohl englisches Voll- wie Halb- blut. Vermutlich war es ihm klar geworden, dass er mit den kurz vorher von ihm angeschafften Holsteiner Hengsten und Stuten nicht zum Ziele — die Produktion eines leistungsfähigen Artilleriestangenpferdes — gelangen würde, wenn er nicht gleichzeitig für Zuführung edleren Blutes Sorge trüge. Sich ein Urteil darüber zu bilden, ob er mit diesem Zuchtplan das Richtige getroffen, war Herrn v. Scholl nicht vergönnt. Der Tod raffte ihn 1903 hinweg, bevor er über das erste Versuchsstadium hinaus- gekommen. Das Material, das er seinem Nachfolger, dem jetzigen Landoberstallmeister v. Peutz, hinterliess, war infolgedessen bunt genug. Es standen zu jener Zeit im Marbacher Hauptbeschälerstall zwei eng- lische Vollbluthengste, nämlich Donnerschlag, F.-H., geb. 1891, v. Dandin, a. d. Dombrowa, und Hindoo, schwbr. H., geb. 1891, v. Ver- neuil, a. d. Duchess of Albany, ein Trakehner-Halbblut, drei Holsteiner Hengste, der Original- Anglo-Normann-Hengst Faust und ein Faust- Sohn Hektor. Die Stutenherde aber bestand aus 12 Holsteiner-, I ungarischen, 49 im Gestüt und 4 im Land geborenen Stuten. Aus diesem Verzeichnis ergibt sich, dass man unter Herrn v. Scholl einen ganz anderen Zuchtplan als den von seinem Vorgänger auf- gestellten verfolgt hatte. Landoberstallmeister v. Hofacker hielt unent- wegt an der anglo-normandischen Kreuzung fest, Herr v. Scholl dagegen begünstigte die Holsteiner und glaubte häufigen Gebrauch von der — 6o7 — Kreuzung mit edlem Blute machen zu müssen. Ob mit dieser Pro- grammveränderung auf Erfolg zu zählen ist, wird die nächste Zukunft lehren. Mir erscheint es höchst zweifelhaft, dass das Holsteiner Marsch- pferd auf Württembergs hochgelegenem und trockenem Boden seine Form beibehalten und konstant weiter vererben wird. Ich bin daher auch vollkommen der Ansicht des Professors Sohnle, der sich in seinem mehrfach erwähnten Werke »Beiträge zur Pferdezucht« folgendermassen über die neue Zuchtrichtung ausspricht: »Im Jahre 1896 stellte der Marbacher Schlag eine Kombination von i\nglo-Normannen und Ost- preussen dar. Hat man aber einen Pferdestamm mit überwiegend anglo- normandischem Blut, so liegt es doch sehr nahe, zum weiteren Ausbau und zur Verbesserung des Geschaftenen im Bedarfsfalle auf dieses Blut zurückzugreifen, vorausgesetzt, dass in Frankreich Tiere der gleichen oder noch besseren Qualität aufzutreiben sind. Und dies ist bekannter- massen der Fall. Die anglo-normandische Zucht ist gegenüber von früher nicht etwa stehen geblieben oder qualitativ zurückgegangen, sondern hat in den letzten 15 Jahren ganz bedeutende Fortschritte gemacht. Der heutige Anglo-Normann ist eine verbesserte Auflage des früheren. Es dürfte daher bei dem hohen Stand dieser Zucht der An- kauf edelgezogener Hengste zur Blutauffrischung nicht schwer fallen. Die Oldenburger kreuzen z. B. mit Anglo-Normannen und Grabensee empfiehlt den gleichen Versuch für Hannover und Holstein. Ich meine, dass unsere Versuche als gelungen und abgeschlossen gelten können. Der Anglo-Normann hat auf unserem Boden seine Schuldigkeit getan. Warum er eigentlich gehen musste, ist und war mir nie recht begreif- lich. Importieren wir ihn heute wieder — und zu spät ist es noch nicht — so trifft er im ganzen Land noch verwandtes Blut. Seine Einführ bedeutet für uns kein Risiko, sondern nur eine Fortsetzung einer angefangenen und bewährten Zuchtrichtung, die Verdrängung einer Bastardzucht durch eine Reinzucht. Dem Gedanken, in Württem- berg ein Halbblut von der Stärke und Schwere eines norddeutschen Marschpferdes zu züchten, müssen wir über kurz oder lang doch end- gültig entsagen, denn Klima und Boden erweisen sich mächtiger als menschliche Berechnung und züchterische Kunst.« Eine weitere während der Amtstätigkeit des Herrn v. Scholl durch- geführte Änderung im Gestütsbetrieb war die Umwandlung des im Jahre 1888 vom Landoberstallmeister v. Hofacker errichteten Güter- steiner Remontedepots in eine Fohlenaufzuchtanstalt, in welcher 60 im — 6o8 — Land anzukaufende Absatzfohlen Aufnahme finden und bis zum voll- endeten dritten Jahr grossgezogen werden. Diejenigen dreijährigen Stuten, die sich dann für das Militär eignen, werden diesem angeboten; die zur Zucht geeigneten aber bleiben den Züchtern zum Selbstkosten- preise reserviert. Die Zahl der Zuchthengste des württembergischen Landgestüts betrug am i. Januar 1906 133. Der Abstammung nach waren von diesen: Englisch Vollblut 2 Englisch Halbblut i Ungarn i Holstemer 6 Oldenburger 3 Anglo-Normannen 2 Im Gestüt gezüchtet 70 Im Land erkaufte und zwar: unmittelbar in das Gestüt aufgenommen 20 Von der Aufzuchtsanstalt eingetauscht • 28 zusammen 133. Die Zahl der Zuchtstuten des Stammgestüts betrug am i. Januar 1906 69. Von diesen waren der Abstammung nach: Holsteiner 26 Im Gestüt gezüclitet 39 Im Lande erkauft 2 Von der Aufzuchtsanstalt eingetauscht 2 zusammen 69. Nächst dem Königl. Land- und Stammgestüte spielt der im Jahre 1895 gegründete Württembergische Pferdezuchtverein in Stuttgart die wich- tigste Rolle auf dem Gebiete der Landespferdezucht. Das Zuchtziel dieses Vereins ist »ein mittelschweres, kräftiges, gut gebautes und gängiges Ökonomiepferd mit genügendem Blut, das sich gleichzeitig zu Artilleriezwecken eignet«. Diesen Zweck sucht der Verein zu er- reichen durch die Beschaffung von guten Zuchtstuten und Stutfohlen und deren Abgabe an Züchter zu ermässigten Preisen; durch die Er- richtung und den Betrieb von Fohlenaufzuchtanstalten und Weiden, die Förderung von Einrichtungen der Hauspferdezucht, sowie die Ge- währung von Beiträgen zur Anlage von Tummelplätzen, und durch Ver- anstaltung von Versammlungen und Vorträgen zur Belehrung der Züchter. Es gibt indessen auch Vereine, die sich ausschliesslich der Kalt- blutzucht widmen. Als solche wären zu nennen: die Pferdezuchtvereine in Geislingen, Blaubeuren, Münsingen, Langenau und Heidenheim. Diese Vereine, die alle ein gemeinsames Statut angenommen haben. — 609 — werden wohl binnen kurzem von der Zucht des leichteren Boulonnaisers zu jener des kleinen Belgiers übergehen. Der Typus des leichten Bou- lonnaisers mit dem langen Rücken, der ausgesprochenen Neigung zu Kurz- und Flachrippigkeit, der bisher bevorzugt worden, sieht sich näm- lich hart bedrängt von dem gedrungenen, tiefen und energischen Belgier des kleinen Ardennerschlages. Schon im Jahre 1905 wurden nicht weniger als 14 belgische Stutfohlen vom Langenauer Verein eingeführt und scheint man heute in den betreffenden züchterischen Kreisen zu der Überzeugung gelangt zu sein, dass Kaltblüter dieser Gattung un- bedingt den Vorzug verdienen. Der Württembergische Pferdezuchtverein wurde in seinen Be- strebungen zur Förderung der Halbblutzucht seit seiner Gründung durch Gewährung eines Staatsbeitrags von 20000 Mk. unterstützt. Den Ver- einen zur Förderung der Kaltblutzucht wurde ein Staatsbeitrag von zu- sammen 3800 Mk. bewilligt. Es versteht sich von selbst, dass in Württemberg auch Prämien für Zuchthengste, Zuchtstuten, Hengst- und Stutfohlen ausgesetzt werden. Bewerbungsfähig sind Hengste, die angekört sind, sich zur Zucht von starken landwirtschaftlichen Arbeitspferden oder zur Zucht von schweren Zugpferden eignen, und, wenn über 5 Jahre alt, mindestens 35, wenn unter 5 Jahre alt, mindestens 25 Stuten gedeckt haben. Zuchtstuten können sich um Preise bewerben, wenn sie frei von Erbfehlern und von einem Hengste des Land- oder Hofgestüts oder von einem angekörten Hengste gedeckt sind. Fohlen sind nur be- werbungsfähig, wenn ihre Abstammung durch Deckschein nachgewiesen werden kann. Im Jahre 1905 erhielten bei den Distriktprämiierungen die vor- geführten Halbblutpferde (meist Tiere holsteinischer Abkunft und in geringerer Anzahl auch sogen. Württemberger Landschlag, bestehend aus kleinen, gedrungenen, kurzhalsigen Pferden mit kräftiger Rücken- linie, aber schwachem Untergestell) 159 Preise im Gesamtbetrage von 16230 Mk. ; das Kaltblut dagegen musste sich mit 36 Preisen im Ge- samtbetrage von 4200 Mk. begnügen. Aus dem Urteil der Prämiierungskommission über die Beschaffen- heit der vorgeführten warmblütigen Pferde ist zu entnehmen, dass die starke Verwendung von Holsteiner Blut der Zucht nicht unbedingt zum Vorteil gereicht hat. Es heisst da u. a.: »In dem Bezirke Vaihingen a. E. wurden zahlreiche durch den Zuchtverein eingeführte Zuchtstuten hol- W ran gel, Die Rassen des Pferdes. I. 39 — 6io — steinischer Abkunft vorgeführt. Man kann nicht behaupten, dass diese dem Bild ein einheitliches Gepräge verliehen hätten. Vielen merkte man an, dass ihnen eine starke Inanspruchnahme auf hartem Boden und wenig Verständnis und Sorgfalt hinsichtlich des Beschlags beschieden gewesen war. Sie gingen fehlerhaft, Hessen die Rückenlinie sinken und zeigten wenig Energie im Gang, was dem Holsteiner in seiner Heimat gewiss nicht nachgesagt werden kann.« hn Bezirke Saulgau bemerkt die Prämiierungskommission, dass an Stelle des früheren württem- bergischen Landpferdes ein grösseres, figuranteres und schwereres Pferd getreten sei, das sich jedoch nicht immer durch guten Rücken aus- zeichne und wohl stärkere, aber keineswegs immer trockene Extremi- täten aufweise, auch seien die Hufe nicht die besten. (Siehe den von der Königl. Württembergischen Landgestütskommission an das Königl. Ministerium des Innern erstatteten Bericht ül^er die Verwaltung der Landgestüte und der Fohlenaufzuchtsanstalt und die Förderung der Privatpferdezucht des Landes im Jahre 1905.) Professor Sohnles Be- fürchtung, dass das auch von ihm hochgeschätzte Holsteiner Pferd sich vielleicht für die württembergischen Zuchtverhältnisse nicht recht eignen werde, scheint demnach wohlbegründet gewesen zu sein. Privathengste dürfen in Württemberg zum Belegen fremder Stuten nur verwendet werden, wenn ein Beschälpatent für sie ausgefertigt worden ist. Dieses Patent gilt nur für die Beschälzeit eines Jahres; die Erneuerung setzt eine Wiederholung der Untersuchung des Hengstes und den Nachweis voraus, dass der Hengsthalter die für den Betrieb des Beschälgeschäftes erlassenen Vorschriften eingehalten hat. Die zu patentierenden Hengste dürfen nicht unter drei Jahre alt sein. Jedem für brauchbar befundenen Hengst wird bei der erstmaligen Patentierung das landesübliche Hirschhornzeichen aufgebrannt. Vorstehende Mitteilungen über die Geschichte und den jetzigen Standpunkt der württembergischen Landespferdezucht dürften genügen. Dagegen wäre es ein crimen laesae majestatis, wenn wir das schöne Schwabenland verlassen würden, ohne uns etwas genauer im Königl. Privatgestüte Weil umgesehen zu haben, als bereits auf Seite 60 und 61 geschehen ist. Wer wüsste nämlich nicht, dass über dieser Zuchtstätte der Glanz vergangener Grösse ruht? Gab es doch eine Zeit, wo die Blicke der Hippologen und Pferdefreunde aller zivilisierten Staaten auf diese Schöpfung des Königs Wilhelm I gerichtet waren. Damit ist es nun vorbei. Der Araljer hat in Weil, wie fast überall in der Welt, — 6ii — seine Rolle nahezu ausgespielt. Wenn man hier und da in vSportkreisen den Namen Weil nennen hört, so hat das Königl. Gestüt dies nicht der dortigen Araberzucht, sondern dem auf grünem Rasen erfochtenen Siege irgend eines englischen Vollblutpferdes Weiler Abstammung zu danken, denn seit dem Jahre 1892 wird in Weil systematisch Rennzucht betrieben, wohingegen die arabische Zuchtherde auf 2 Hengste und 17 Mutterstuten zusammengeschmolzen ist. Die Domänen Weil, Scharnhausen und Klein-Hohenheim wurden 1817 für Gestütszwecke eingerichtet. Die eigentliche orientalische Rein- zucht begann jedoch erst mit dem Jahre 18 19, als 8 Hengste und 12 Stuten, die Graf Rzewusky im Auftrage des Königs direkt bei den Beduinen angekauft hatte, zur Aufstellung gelangten. Diese Stuten, sowie die 18 16 von Baron Fechtig in Triest erworbene Original- Araber- stute Murana I, sind als die Stammmütter des Gestüts anzusehen. Stammvater der dortigen Zucht wurde der famose Hengst Bairactar, der 1817 durch Vermittlung des vorgenannten Barons Fechtig aus dem Orient nach Weil kam und dort bis zum Jahre 1838 in Verwendung stand. Selbstverständlich konnte eine orientalische Reinzucht im Lande Württemberg mit Aussicht auf Erfolg nicht ohne periodische Zufuhr von Originalblut betrieben werden. Dass die Erfüllung dieser conditio sine qua non grosse Mühe und gewaltige Kosten verursachte, liegt eben- falls auf der Hand. Trotzdem sind im Laufe von 80 Jahren für Weil nicht weniger als 45 Hengste und 40 Stuten angekauft worden. Allerdings dürften von diesen nicht gar viele berechtigte Ansprüche auf die Be- zeichnung »Original-« oder gar »Vollblut- Araber« gehabt haben. Dies lässt sich schon aus den Gestütsakten entnehmen, wo wiederholt solche Bezugsorte wie Marseille, Gumbinnen, England, Italien, Ägypten, Kon- stantinopel, Indien u. s. w. bei dem Nationale von im Auslande er- worbenen sogen. »Original- Arabern« angegeben werden. Es lässt sich indessen nicht in Abrede stellen, dass die in Weil gezogenen Orien- talen sich durch Grösse und starke Knochen ausgezeichnet haben und in dieser Tatsache, sowie in dem nunmehr überall herrschenden Mangel an geeignetem Zuchtmaterial orientalischer Abstammung liegt auch die Erklärung für die rege Nachfrage, der sich die Weiler »Araber« noch immer zu erfreuen haben. Man legt eben in einigen europäischen Gestüten mit vollem Recht nach wie vor grossen Wert darauf, zur Blutauffrischung gutes orientalisches Blut aus einer so alten und gewissenhaft betriebenen Zucht, wie die Weiler es unzweifelhaft ist, beziehen zu können. — 6l2 — Neben der arabischen Reinzucht ist in Weil stets auch gemischte Zucht betrieben worden. Wie dem bereits erwähnten Werke »Weil, das Privatgestüt Sr. Majestät des Königs Wilhelm II von Württemberg« zu entnehmen ist, kamen im Jahre 1818 gegen 20 persische Stuten zur Aufstellung, die von dem Gouverneur in Tiflis, im Kaukasus etc. ange- kauft waren. Die Kreuzung jener Stuten mit arabischem Vollblut lieferte wohl manches gute Pferd, doch konnte sich diese Zucht in Weil nicht heimisch machen und ging in der zweiten und dritten Generation wieder Fio-. 84. Arabisclie Mutterstutrn mit Fnhlcn in Weil. ein. Ähnliche grössere Versuche mit Stuten aus russischen Gestüten misslangen ebenfalls. Auch eine Anzahl im Jahre 1822 angekaufter nubischer Stuten eignete sich in der Kreuzung nicht zur Nachzucht. Zur Züchtung eines grösseren Wagenschlages wurden vorwiegend englische Halbblutstuten verwendet. Die Einkäufe erfolgten direkt in England, zum ersten Male durch Oberstleutnant v. Gemmingen 6 Stück, dann 1821 durch Medizinalrat Hördt 16 Stück u. s. w. Zur Kreuzung wurde bis 1825 hauptsächUch der arabische Hengst Emir benützt. Dauernde Erfolge sind aber mit vorgenannten mehr oder weniger gewagten Blutmischungen nicht erzielt worden. In der ersten - 6i3 - Generation fiel die Sache allerdings meist zur vollen Zufriedenheit der Gestütsleitung aus; in der dritten und vierten machte man dagegen sehr böse Erfahrungen. Nur die Kreuzung englischer Halbblutstuten mit arabischem Vollblut lieferte auch in den späteren Generationen eine Anzahl tüchtiger Gebrauchspferde. — Schade um das schöne Geld, das auf solche Art ohne Nutzen für den königlichen Züchter aus- gegeben worden ist. Wäre nicht die Tatsache, dass man in jeder Wissen- schaft auch aus den Missgriffen, die auf dem betreffenden Gebiete be- Fio-. 8s. Weiler Halbblutheiiüste. gangen worden sind, lehrreiche Schlüsse ziehen kann, müsste es noch mehr bedauert werden, dass Weil seinem Schöpfer so bedeutende Opfer auferlegt hat. Ein frischerer Zug kam erst in die Weiler Halbblutzucht, als es dem König 1837 gelang, einen Hengst — Argon, v. Tigranes (engl.- arab. Vollblut), a. d. Tarragona — in Weil Trak ebner genannt — und 8 Stuten aus Trakehnen zu beziehen. Mit diesen Trakehnern wurde nämlich die heute noch bestehende Weiler Rappenzucht begründet. Von den in neuester Zeit zur Blutauffrischung im Halbblut ver- wendeten Henpfsten waren nach den Anffaben der Gestütsleitunsf in — 6i4 — neuester Zeit besonders erfolgreich: Noblem an (Ostpreusse), Bayard (Anglo-Normand), Oueretaro X X (ex-Ouick), geb. 1863, v. Vortex, a. d. Leontine, v. Nestor; Metz X X, schw. H., geb. 1870, v. Prince Camille, a. d. Miss Murphy, v. Seahorse (M); Seeräuber (Ostpreusse) und Manzanares (Trakehner), geb. 1887, v. Venezuela, a. d. Marne. Die späteren Erwerbungen müssen erst zeigen, was sie können. Dass Weil sowohl in der arabischen, wie in der Halbblutzucht be- achtenswerte Leistungen aufzuweisen vermag, lehrt u. a. ein Blick auf die Fig. 84 und 85, die ich der vorerwähnten von der Gestütsleitung herausgegebenen Beschreibung des Königl. Privatgestüts entlehnt habe. Mit der Vollblutzucht wurde in Weil, wie bereits erwähnt, im Jahre 1892 begonnen. Die Passion, die König Wilhelm von Württem- berg der Vollblutzucht und dem Rennsport entgegenbringt, ist durch die schönen Erfolge, die seine Farben, »schwarz und rotgestreift, schwarze Kappe«, in den letzten Jahren auf dem grünen Rasen er- rungen haben, in einer für die Weiler Zucht in hohem Grade ehrenden Weise belohnt w^orden. Das zur Rennzucht benützte Material besteht gegenwärtig grösstenteils aus in England und Frankreich angekauften Mutterstuten, die nach und nach angekauft wurden und heute mit einem Teil ihrer Töchter eine stattliche Mutterherde darstellen. Im Jahre 1905 gingen folgende siebzehn Mutterstuten in die Deckperiode: Cambray, geb. 1890, v. Quicklime, a. d. Cambric, v. Camballo (tragend von Cazabat); Caravelle, geb. 1891, v. Xaintrailles, a. d. Byfleet, v. Blair Athol (trag. v. Cazabat); Carpe Diem, geb. 1896, v. Carmaux, a. d. Craiglock, v. Craig Miliar (trag. v. Serpent); Craiglock, geb. 1883, v. Craig Miliar, a. d. Wedlock, v. Wenlock (güst); Cuisine, geb. 1890, v. The Lambkin, a. d. Jane, v. Asteroid (güst); Hegemonie, geb. 1891, v. Fulmen, a. d. Alhambra, v. The Palmer (trag. v. Cazabat); Irrfahrt, geb. 1886, v. Chamant, a. d. Irrwisch, v. Flibustier (tragend von Cazabat oder Ausmärker); Küchenfee, geb. 1897, v. Pumpernickel, a. d. Cuisine, v. The Lambkin (tragend von Cazabat); Lady Fischer, geb. 1894, v. Gallinule, a. d. Lady Jacob, v. Uncas (trag. v. Cazabat); Lady Roseber y, geb. 1885, v. Rosebery, a. d. The Empress Maud, v. Beauclerc (güst); Pride of Windermere, geb. 1899, v, Pride, a. d. Miasma, v. Prism (trag. v. Cazabat^; Tercerola, geb. 1893, v. Xaintrailles, a. d. Fontanas, v. Fontainebleau (tragend von Ausmärker); Conduiramur, geb. 1894, v. Cazabat oder Ausmärker, a. d. Charlotte, v. Parsee (tragend von Serpent oder Ausmärker); Obilot, geb. 1901, v. Cazabat, a. d. Ortrud, v. Bend Or; Ortrud, geb. 1896, v. Bend Or, a. d. Vaurienne, v. Galopin (güst); Hecuba, geb. 1901, v. Cazabat, a. d. Hegemonie, v. Fulmen (^trag. v. Ard Patrick) ; Butterfly Dance, geb. 1899, v. Saraband, a. d. Mariposa, v. Martagon (tragend von Cazabat). - 6i5 - Wie aus diesem Verzeichnis zu ersehen ist, hat die Gestüts- leitung Cazabat, gez. 1895 in Frankreich, v, Rueil, a. d. Clementine, V. Mandrake, den Ehrenplatz als »lord of the harem« zuerkannt. Ausnahmsweise bekommt auch Serpent, geb. 1895 in Frankreich, V. Tantale, a. d. Serpentine, v. Bay Archer, der sonst meist als Halbblut -Beschäler Verwendung tindet, einige Vollblutstuten zuge- teilt. Cazabat hat dem Gestüte in Hecuba schon ein sehr nütz- liches Pferd geliefert. Trotzdem dürfte der vortreffliche Ausmärker, gez. 1891, V. Kisber, a. d. Santa Maria, v. Isonomy, in Weil schmerz- lich vermisst werden. Hat doch u. a. sein dreijähriger mit der Cara- velle gezeugter Sohn Kannegiesser am 7. Mai 1907 einen leichten Sieg im Grossen Hoppegartener Handicap (Wert 10440 Mk.) erfochten. Im übrigen wird der Fachmann bei der Durchsicht des vorstehenden Stutenverzeichnisses sofort die Bemerkung machen, dass König Wil- helm II keine Kosten scheut, wenn es gilt, Blut der allerersten Klasse für seine Rennzucht zu erwerben. Mit Bezug hierauf sei speziell er- wähnt, dass Hecuba im Jahre 1906 dem berühmten Orme-Sohn Flying Fox einen Besuch abgestattet hat. Die Liebesdienste dieses Hengstes aber lässt sich der Besitzer des Gestütes Jardy mit 12000 Frcs. bezahlen. Das Gestüt Weil liegt in der Neckartalebene auf dem linken Neckarufer, 2 km von Esslingen und im Talweg 12 km von Stuttgart entfernt. Von der Eisenbahnstation Mettingen aus ist es in einer Viertel- stunde zu erreichen. Die Lage ist insofern ausnehmend günstig, als Gestüt und Vor- werk Scharnhausen aus der Talsohle, über einen teilweise steilen Berg- hang aufsteigend, auf einer grösseren Hochebene auslaufen. Scharnhausen gegen Süden offen und auf der Windseite von Ausläufern umschlossen, ist aoch günstiger gelegen als das gegen Nord und Nordost offene Weil. Das Gestüt Weil umfasst einen Flächenraum von 234,5 Hektar, Scharnhausen einen solchen von 111,3 Hektar. Das auf der Höhe Hegende Land besteht aus nicht sehr gebundenem Lehm; an den Ab- hängen findet sich Tonmergel. Die Talebene von Weil ist auf- geschwemmter Boden, teilweise auf kiesiger Unterlage, Beide Gestüt- höfe sind, ebenso wie die einzelnen Koppeln, mit lebenden Hecken eingefasst. Die Wiesen und Weiden liefern ein den Pferden zuträg- liches Futter, Das gewonnene Heu deckt bei günstiger Ernte den Be- darf, in ungünstigen Jahren muss zugekauft werden, Hafer wird von auswärts bezooren. — 6i6 — Eintrittskarten zum Besuch der Gestüthöfe werden in Weil beim Gestütsmeister, in Scharnhausen beim Gestütsaufseher abgegeben. Die Bahn Ijenützende Besucher fahren entweder nach Hohenheim mit Fusstour durch das Körschtal nach Scharnhausen (etwa i Stunde), von da durch den Königl. Park nach \\'eil (gleichfalls etwa i Stunde), oder nach dem Haltepunkt Mettingen, von da zu Fuss nach Weil (^,'4 Stunde) und dann nach Scharnhausen. Die Freigabe des Weges bei Fahrten durch den Königl. Park nach Scharnhausen und umgekehrt hängt von dem Austrieb ab. Es empfiehlt sich daher bei Benützung eines Wagens die telephonische Anfrage in Weil, ob der Weg zur Durchfahrt freigegeben werden kann. Das mehrfach erwähnte, hier als Quelle benützte Werk der Gestüts- leitung schliesst mit einem Wunsch, in welchen alle Freunde des edlen Pferdes gewiss von Herzen einstimmen werden. Er lautet: Möge es auch von der A\'eiler Zucht stets heissen: »Hie Gut Württemberg Allewegec Das Graditzer Pferd. Es wird hier nicht von den Produkten der Graditzer Vollblutzucht — diese haben ja schon unter der Rubrik Vollblut: Erwähnung ge- funden — sondern nur von dem im Hauptgestüte Graditz gezogenen Halbblutpferde die Rede sein. Einen kurzen Rückblick auf die Ge- schichte dieser berühmten Zuchtstätte glaube ich indessen doch dem Leser schuldig zu sein. Das Königl. Hauptgestüt Graditz. zu welchem die Gestütsvorwerke Graditz, Dohlen und Neu-Bleesern auf dem rechten und das Land- gestüt Repitz auf dem linken Elbeufer gehören, liegt unweit der Stadt Torgau im Regierungsbezirk Merseburg. Provinz Sachsen. Zschackau ist die nächste Bahnstation. Wie Dr. Alb. Johne in seiner Geschichte der sächsischen Pferdezucht mitteilt, wird Graditz als Gestüt bereits 1630 genannt. Die Gründung des sogen. Torgauer Gestütes, zu dem auch Graditz gehörte, erfolgte jedoch erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts unter der Regierung des Kurfürsten Johann Georg III von Sachsen. Repitz wurde nämlich im Jahre 1686 und Dohlen 1691 zum Gestüt ein- gerichtet. Damit war die Grundlage zur Errichtung des Graditzer Ge- stüts geschaffen, die denn auch durch Verfügung des Kurfürsts Friedrich August des Starken im Juli 1721 zustande kam. Nach dem ersten Plan sollten in Graditz, Krevschau und Dohlen je 120 Zuchtstuten und in — 6i7 — Repitz 40 Hengste aufgestellt werden. Wie das aber bei Voranschlägen nicht selten der Fall zu sein pflegt, stimmte die Rechnung nicht. Das zur Verfügung stehende Land war zu klein und die Anzahl der Pferde, die auf diesem ernährt werden sollten, zu gross. Infolgedessen musste eine Reorganisation des Gestüts verfügt werden. Man strich, wo es sich halbwegs machen Hess und änderte schliesslich den Etat dahin ab, dass 14 Hengste, 192 Mutterstuten, 570 Fohlen und 18 Dienstpferde gehalten werden sollten. Bis zum Jahre 18 14 wurden aus den drei Torgauer Gestüten Graditz, Repitz und Dohlen, wie auch aus den Stutereien Merseburg, Wendelstein und Vessra Pferde für den Königl. Marstall zu Dresden und für die Landbeschälerdepots des Königreichs Sachsen entnommen. Diese Tiere sollen viel Ausdauer und Temperament besessen haben. Die Wagenpferde wurden in früherer Zeit von neapolitanischem, spani- schem und dänischem Blut gezogen, wohingegen die Reitpferde orien- talischer Abkunft waren. König Friedrich August, der als schneidiger Jagdreiter eine ausgesprochene Vorliebe für leichte, hochedle Pferde hegte, mochte nämlich die Neapolitaner und Spanier nicht. Er hatte deshalb schon im Jahre 1799 ^^^ Kurfürst den Versuch gemacht, eine Zucht leistungsfähiger Jagdpferde ins Leben zu rufen und zu diesem Zweck eine Anzahl ukrainischer Stuten kommen lassen. Als im Jahre 181 5 das Herzogtum Sachsen an Preussen abgetreten wurde, befahl der König Friedrich Wilhelm III auf Antrag des damaligen Oberlandstallmeisters v. Jagow, dass die sächsischen Gestüte, die wäh- rend der Kriegsjahre zu Anfang des 19. Jahrhunderts schwer gelitten hatten, ja nahezu vollständig vernichtet worden waren, neu zu organi- sieren und durch die Königl. Gestüte von Trakehnen und das Friedrich Wilhelm-Gestüt so viel als tunlich zu ergänzen seien. (Siehe »Das Königl. Preussische Hauptgestüt Graditz«, von J. v. Schwartz, Berlin 1870.) Seitdem hat die zeitgemässe Entwicklung des Graditzer Gestüts keine Unterbrechung mehr erlitten. Wie bereits früher erwähnt, wurden im Jahre 1866 alle zu jener Zeit in den preussischen Hauptgestüten vor- handenen Vollblutstuten in Graditz vereinigt und die Leitung der staat- lichen Vollblutzucht dem Grafen Lehndorff übertragen. Es fand infolge- dessen auch eine örtliche Scheidung zwischen der Voll- und der Halbblut- zucht in Graditz statt. Während erstere in Graditz selbst ein bleibendes Heim erhielt, wurde letztere nach dem früheren Landgestüte Repitz verlegt. In der Regel zählt der Bestand des Graditzer Halbblutgestüts ca. 340 Stück. Von diesen pflegen 5 Hauptbeschäler und ca. 130 Mutter- stuten zu sein. Der Rest besteht aus Hengst- und Stutfohlen verschiedener Jahrgänge. Unter den Vaterpferden befindet sich stets ein starker Voll- bluthengst; Ostpreussen, Hannover und Beberbeck stellen die übrigen. Was nun den Typus der Graditzer Halbblutprodukte anbelangt, so lässt sich dieser nicht leicht kennzeichnen. Einheitlich kann er ent- schieden nicht genannt werden, edel noch weniger und trotz der statt- gefundenen starken Beimischung ostpreussischen Blutes ostpreussisch am allerwenigsten. Mit bedeutend mehr Adel und grösserer Gurten- tiefe würde das Repitzer Pferd vielleicht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Hannoveraner des gröberen Schlages erhalten, denn es ist ein grosses, knochiges, zum Zugdienst geeignetes Tier, das ebenso wie jener in der Niederung aufgewachsen ist; heute aber geben die Graditzer Halbblutpferde kaum zu erkennen, dass auch hannoversches Blut in ihren Adern fliesst. Viel Staat ist überhaupt noch nicht mit diesen Gäulen zu machen. Es mögen ja recht brave und nützliche Arbeiter sein, aber in den Luxusställen will man nichts von ihnen wissen. Was sollte man auch dort mit ihnen beginnen? Fehlt ihnen doch zur Verwendung als Kar- rossiers sowohl die nötige Eleganz, wie auch die energischen Gänge und zum Dienst unter dem Sattel die wahre Reitpferdeform. Dies er- klärt, warum es dem Graditzer Halbblutpferde bisher nicht recht ge- lungen ist, die Aufmerksamkeit der in- und ausländischen Fachwelt auf sich zu ziehen. Nun — die Aufgabe eines königlichen Hauptgestüts ist es ja allerdings auch nicht, mehr oder weniger brauchbare Gebrauchs- pferde zu züchten, sondern vielmehr die Landgestüte mit Beschälern möglichst guter Qualität zu versehen. Es fragt sich nur, ob eine Zucht, die kein typisches, einheitliches Material aufzuweisen hat, dieser höheren Aufgabe gewachsen sein kann. Nach den Ziffern zu urteilen, die vom Deutschen Landwirtschaftsrat über die Betriebsergebnisse der Haupt- gestüte zu Trakehnen, Graditz und Beberbeck von 1875 — 1895 veröffent- licht worden sind, muss indessen diese Frage, was die Menge der während jener Periode von Graditz gelieferten Landbeschäler anbelangt, unbedingt bejaht werden. Es wurden nämlich aus der Aufzucht des Graditzer Ge- stütes als Landbeschäler eingestellt: von 1875 — 79 26; von 1880 — 84 21; von 1885 — 90 24; von 1890 — 94 23 und 1895 13 Hengste; im Laufe von 20 Jahren also 107 Hengste. Selbst wenn sich von diesen nur 60 als Vaterpferde bewährt haben sollten, müsste die Gestütsleitung mit einiger Befriedigung auf ihre Tätigkeit zurückblicken können. — 6i9 — Das Neustädter Pferd. »Vom Maultier zum Anglo-Araber«, mit diesen Worten kann man die eigentümliche Evolution bezeichnen, die das Gestüt Neustadt a. D. durchgemacht hat. Das klingt wie ein schlechter Scherz, ist aber trotz- dem buchstäblich wahr. Schon zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts be- stand nämlich in Neustadt ein Gestüt, das hauptsächlich Maultierzucht betrieb und erst im Jahre 1787 als solches aufgehoben wurde. Bei dieser Gelegenheit erhielt es nicht nur ein anderes Zuchtziel, sondern auch einen anderen Namen. Es hiess fortan Friedrich Wilhelm-Gestüt und bekam zur Aufgabe, sich der Zucht edler Reitpferde zu widmen. Der erste Stutenstamm bestand aus englischen Halbblut-, Zweibrücker, preussischen und mecklenburgischen Stuten. Von dem ersten eng- lischen Vollbluthengst, der in Neustadt verwendet wurde — Archer — • ist nicht viel Gutes zu sagen, dagegen soll sich der 1791 vom Fürsten Kaunitz in Wien angekaufte Orientale Armidor vortrefflich vererbt haben. Zwei Jahre später wurden der Stallmeister Ehrenpfort und Ross- arzt Kleinert zum Ankauf von Zuchtpferden nach Syrien geschickt. Zwölf Hengste waren das Ergebnis dieser im grossen ganzen vom Glück begünstigten Mission, denn von den bei jener Gelegenheit nach Neu- stadt gebrachten Arabern haben ausser Neschty und Bajan, die mit grossem Erfolg zur Zucht verwendet wurden, auch Yemen und Macrabi eine nützliche Nachzucht hinterlassen. Mit dem 1791 ins Gestüt ge- kommenen Orientalen Turc-Main-Atti konnte sich aber keiner aus diesem Dutzend messen. Turc-Main-Atti, mit dessen Blut, wie Professor Dünkelberg mitteilt, sämtliche preussischen Hauptgestüte noch 1839 züchteten, schreibt Frentzel (siehe dessen Schrift »Über die Landes- pferdezucht im Regierungsbezirk Gumbinnen«, Berlin 1875) u. a. folgendes: »Das Friedrich Wilhelm-Gestüt w^ar neu gegründet, es war besetzt mit hochedlen englischen Stuten, und nun sollte auch ein hervor- ragender orientalischer Hengst für dasselbe angeschafft werden. Die österreichische Regierung unternahm es, den Ankauf eines solchen für Preussen zu besorgen, und es wurde angezeigt, dass in Damaskus ein Hengst Turc-Main-Atti angekauft, in Wien eingetroffen sei und von Preussen abgeholt werden könnte. Professor Naumann wurde hin- geschickt, denselben zu übernehmen. Er fand dort einen guten, braunen Hengst, 5 Fuss 2 Zoll gross, der ihm nach Grösse, Figur und Stärke nicht Vollblutorientale zu sein schien. Bald erfuhr er denn auch unter — 620 — der Hand von Leuten, die beim Kauf und Transport mitgewesen waren, dass dem so sei, dass das Tier bestimmt nicht aus Arabien oder der Türkei, sondern aus Russland nach Damaskus gebracht worden sei und wahrscheinlich aus dem Orlowschen Gestüt stamme. Er verweigerte also die Annahme und berichtete darüber nach Berlin. Inzwischen war dem Fürsten Kaunitz, dem damaligen allmächtigen Minister Österreichs, die Sache sehr unangenehm geworden, um so mehr, behauptete Nau- mann, weil er einsah, dass bei nur einiger genauer Untersuchung die Abkunft Turk-Main-Attis sicher festgestellt werden könnte und der zum Ankauf benutzte höhere österreichische Beamte arg kompromittiert werden würde. Fürst Kaunitz tat es also selbst oder bewirkte, dass die Regierung es tat, kurz Turc-Main-Atti wurde Friedrich Wilhelm II zum Geschenk übermittelt. Nach dem Sprichwort: »Einem geschenkten Gaul sieht man nicht ins Maul«, und weil der Hengst dem König Friedrich Wilhelm II sehr gefiel und weil er ihn nicht in der Abkunft herab- gesetzt sehen wollte, auch wohl dem Fürsten Kaunitz zuliebe, bekam Naumann den Befehl, nichts weiter über Ankauf und Abstammung des Hengstes nachzuspüren und zu verlautbaren. So ist Turc-Main-Atti bis heute Vollblut-Orientale auf dem Papier geblieben.« So weit die von Frentzel wiedergegebenen Mitteilungen des Pro- fessors Naumann, wie er sie nicht einmal, sondern oft von diesem selbst gehört hat. An ihrer Glaubwürdigkeit ist also nicht zu zweifeln. Seinen Namen soll der Hengst dem Umstände zu verdanken gehabt haben, dass der türkische Gesandte in Berlin bei seinem Anblick ausrief: »Turk- Main-Atty!«, d. i. turkomanisches Pferd. Kenner, die Gelegenheit hatten, den Hengst genau zu mustern, behaupteten, dass wenn er nicht bedenklich lange Röhrbeine gehabt hätte, nichts an seinem Exterieur zu tadeln gewesen wäre. Nun, dieser Makel hat ihn nicht verhindert, seinem Namen einen Ehrenplatz in den Annalen der deutschen Pferdezucht zu sichern. Turc-Main-Attis bester Sohn war der 1795 geborene Bambo, a. d. englischen Vollblutstute Theli, v. Diomed. Von ihm stammten mehrere hervorragende Mutterstuten. Nützliche Vaterpferde waren ferner der englische Vollbluthengst Saxoni, geb. 1800, v. Delpini, a. d. Charmer, V. Phaenomenon, und die Orientalen Bajan, Arthur, Caibar, Taxis und Meteor. Die Mutterstutenherde bestand damals aus 12 englischen Vollblut- und 25 englischen Halbblutstuten, 15 Turc-Main-Atti-Stuten, 19 Bambo- — 621 — Stuten, 6 Bajan-, 5 Neschty-Stuten, 22 Töchtern der übrigen von Ehren- pfort importierten Hengste und noch anderen 98 Mutterstuten gemischter Herkunft. Die Zuchtrichtung war also eine ausgesprochen anglo-arabische. Doch gerade als das Gestüt im besten Aufblühen begriffen war, traten kriegerische Ereignisse ein, die eine vernichtende Wirkung auf die dor- tige Zucht ausübten. Schon im Oktober 1806 mussten die Pferde in- folge der französischen Siege bei Auerstädt und Jena von Neustadt weggeführt werden. Im Verlaufe dieser Flucht, die das kostbare Zucht- material bis an die dänische Grenze brachte, fiel der grösste Teil in feindliche Hände. Turc-Main-Atti hatte man, wie Dünkelberg mitteilt, einer Verletzung des linken Vorderfesseis wegen, woraus eine bleibende Lähmung entstanden war, nicht flüchten können, sondern in der Nähe des Gestüts verborgen. Sein Aufenthaltsort geriet jedoch durch Verrat zur Kenntnis französischer Nachzügler. Der brave arme Hengst wurde fortgeschleppt und man hat nie etwas Gewisses über seine späteren Schicksale erfahren können, hi den Gestütsakten des Düsseldorfer Archivs aus der Zeit des Grossherzogs von Berg, Murat, fand Dünkel- berg vor einigen Jahren einen Beschäler Turc-Main-Atti aufgeführt. Ob es der vermisste Neustädter war, konnte aber nicht mehr festgestellt werden. Am besten erging es noch den bei l^enachbarten Gutsbesitzern untergebrachten und versteckt gehaltenen Pferden des Gestüts. Diese kamen nach dem Tilsiter Frieden allmählich wieder zum Vorschein. Im Frühjahr 1809 hatte man schon wieder 28 Mutterstuten und eine An- zahl junger Pferde beieinander. Man konnte daher die Neuerrichtung des arg geschädigten Gestüts ins Auge fassen. Dank der Tatkraft des Landstallmeisters Strubberg gelang es auch, diese Aufgabe in verhältnis- mässig kurzer Zeit durchzuführen. Trakehnen, das die während der Kriegszeit dorthin geführten Neustädter Halbblutstuten englischer Ab- stammung behalten hatte, musste dafür eine entsprechende Anzahl Mutterstuten an das Schwestergestüt abgeben. Hierdurch wurde der Stutenbestand in Neustadt wieder auf 60—70 Stück gebracht. Ein glücklicher Umstand war es auch, dass sich die wertvollen Halborien- talen Bajan und Bayard unter den geretteten Hengsten befanden. Man konnte somit nun in Neustadt aufs neue mit der altgewohnten Zuchtarbeit beginnen. Allerdings musste das Gestüt im Winter des Jahres 18 13 abermals nach Oberschlesien flüchten, wobei viele Pferde zu Schaden kamen, aber trotzdem stieg der Bestand sehr bald wieder auf 348 Stück. — 622 — Schwieriger gestaltete sich die VerwirkHchung des Zuchtzieles, als welches die Produktion möghchst starker und edler Halbblut-Jagd- und Reitpferde angenommen worden war. In dem schnell zusammen- gebrachten Material überwog nämlich das Turc-Main-Atti-Blut in so hohem Grade, dass man nolens volens eine sehr weitgehende Ver- wandtschaftszucht betreiben musste, was zur Folge hatte, dass die Neu- städter Pferde kleiner und leichter wurden, als sich mit dem bei den Produkten des Gestüts angestrebten Zucht- und Marktwert vereinigen Hess. Gleichzeitig mit dieser anglo-arabischen Halbblutzucht betrieb Neustadt auch mit ca. 40 englischen Vollblutstuten eine kleine Renn- zucht, die trotz ihrer geringen Erfolge bis 1866, als die gesamte Voll- blutzucht der drei preussischen Hauptgestüte in Graditz vereinigt wurde, bestehen blieb. Vom Jahre 1833 ab wurden überhaupt vorwiegend englische Vollblut- beschäler im Gestüt verwendet. Die hervorragendsten unter diesen waren: Young Corrector, br. H., geb. 1820, v. Corrector, a. d. Lad}- Abbess, v. Car- dinal York; Emilianus, br. H., geb. 1828, v. Emilius, a. e. Tochter v. Whisker u. d. Castrella, V. Castrel; Snyders, br. H., geb. 1833, v. Teniers, a. d. Bombasine, v. Tliunderbolt; Mickle-Fell, F.-H., geb. 1834, v. Catton, a. d. Emma, v. Whisker; Ganges, br. H., geb. 1831, v. Tigris, a. e. Tochter v. Dick Andrews u. d. Eleanor, V. Whiskey; Egremont, schw. H., geb. 1833, v. Chateau Margaux, a. d. Ogress, v. Octavius. An gutem Blut hat es somit in Neustadt weder in der orientalischen, noch in der englischen Zucht gefehlt. Desto mehr aber an ruhiger, konsequenter Arbeit auf Grundlage eines rationellen, den Bedürfnissen des Landes und der Zeit entsprechenden Zuchtplanes. Dennoch wurde es in den züchterischen Kreisen der Provinz Brandenburg schmerzlich empfunden, als das Neustädter Hauptgestüt im Jahre 1877 nach Beber- beck verlegt wurde und das bis dahin in Lindenau bestandene Branden- burgische Landgestüt nach Neustadt übersiedelte. Dieser Umstand dürfte wohl dazu beigetragen haben, dass im Jahre 1895 die Errichtung eines sogen. Zuchtgestüts in den früheren Baulichkeiten des gewesenen Neustädter Hauptgestüts beschlossen wurde. In diesem Gestüt wird ausser der Zucht eines kräftigen Halbbluts auf speziellen Wunsch Sr. Majestät des Kaisers auch anglo-arabische Zucht betrieben. Dass diese bereits Erfolge aufzuweisen vermag, geht unter anderem aus der Tatsache hervor, dass Neustadt den ostpreussischen Landgestüten schon mehrere sehr nützliche Beschäler anglo-arabischer Rasse geliefert hat. — 623 — Zu verdanken hat das Gestüt dies in erster Reihe dem vom Grafen Lehndorff in Bäbolna erworbenen, 1889 daselbst geborenen, dbr. Hengst Young O Bajan, einem Sohn des ehemahgen Bäbohiaer Hauptbeschälers O Bajan und der arabischen Stute Nr. 10 Amurath-Bairactar. Letzteren habe ich in dem ersten Bande meines Werkes »Ungarns Pferdezucht in Wort und Bild«*), folgendermassen beschrieben: »Gegenwärtig verfügt Bäbolna nur über einen Original-Araber. Es ist dies der im Jahre 1881 aus der Wüste gebrachte Araber O Bajan, ein sogen. »Pferd zum Ver- lieben«. O Bajan ist klein, er misst nur 154 cm, doch kann man auf ihn das bekannte »multum in parvo« anwenden. Der edle Kopf mit den klugen, ausdrucksvollen Augen, der schön getragene, wenn auch etwas kurze Hals, der herrliche Rücken mit der kräftigen Nierenpartie, das gut entwickelte breite Kreuz, die befriedigende Gurten- tiefe, die trockenen, sehnigen und korrekt gestellten Gliedmassen, an denen nur die zu langen Fesseln getadelt werden könnten, die in allen Gangarten zutage tretende vorzügliche Aktion und last not least die bereits vorhandene gute Nachzucht, die viel grösser zu werden verspiicht, als der Hengst selbst — alles dies stempelt O Bajan zu einem äusserst wertvollen Beschäler. Was speziell seine Nachzucht be- trifft, so zeichnet sich diese nicht nur durch Adel und harmonische, kräftige Formen, sondern auch dadurch aus, dass sie durchschnittlich um 10 — 12 cm höher ist als der Vater. Letztere Eigenschaft dürfte allerdings weit weniger O Bajans Individual- potenz, als der rationellen Aufzucht und den günstigen örtlichen Verhältnissen zuzu- schreil^en sein.« Es war somit ein glücklicher Griff des Grafen Lehndorff, als er einen der besten Söhne O Bajans nach Neustadt entführte. Seitdem dieser das Zeitliche gesegnet hat, sorgt der Araber Dziaf Amir für die Aufrechthaltung der Neustädter anglo-arabischen Zucht. Mit Bezug auf Y. O Bajans Herkunft sei indessen ausdrücklich bemerkt, dass sein Stammbaum mütterlicherseits auf die 1842 geborene englische Vollblut- stute Maria, v. Jereed, a. e. Tochter von Whisker und der Matilda, v. Comus, zurückführt. Reines Wüstenblut floss also nicht in seinen Adern. Erwähnenswert ist auch, dass sein Nachfolger Dziaf Amir sich bereits durch den mit der Erbtante erzeugten vielversprechenden Sohn Erbfeind berechtigte Ansprüche auf die Aufmerksamkeit der Züchter anglo-arabischer Pferde erworben hat. Das ist immerhin als ein günstiges Omen für diese Zuchtabteilung des Neustädter Gestüts zu bezeichnen. Auch die englische Halbblutzucht hat sich in Neustadt sehr vor- teilhaft entwickelt. Begründet wurde sie ursprünglich mit englischen Voll- und Halbblutheno-sten und Graditzer Halbblutstuten. Von diesem *) Graf C. G. Wrangel, Ungarns Pferdezucht in Wort und Bild, 4 Bände. Stuttgart 1893 — 95. Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer). — 624 — ersten Stamm ist aber gegenwärtig nichts mehr vorhanden. Er ver- schwand auf Nimmerwiedersehen, als das Neustädter Hauptgestüt im Jahre 1877 aufgelöst, dessen ganzer Bestand nach Beberbeck gebracht und das Brandenburgische Landgestüt von Lindenau nach Neustadt verlegt wurde. Seit 1895 besteht aber, wie bereits erwähnt, wieder ein Zuchtgestüt in Neustadt, das 1905 auch aufs neue zum Hauptgestüt er- hoben worden ist. Das dortige, zur englischen Halbblutzucht verwen- dete Material bestand Ende i()o6 aus den Hengsten: Ca'ius X X, F.-H., Fic 86. Egon, Rapphengst, v. Jenissei (Trakehner), a. d. ostpreussischen Stute Elsa, V. Nordländer, gez. im Königl. Preussischen Hauptgestüte Neustadt a. D. geb. 1900, V. Reverend, a. d. Choice, v. Galopin; Manners X X, br. H., geb. 1896, V. St. Simon, a. d. Tact, v. Wisdom; Dziaf Amir, br. Araber- hengst, v. Mohort, a. d. Ladna Hafizka I, v. Hafiz, und sowohl aus Ostpreussen wie aus Hannover bezogenen Stuten allerbester Klasse. Das Hauptgewicht bei dieser Zucht w-ird auf die Produktion kräftiger, breiter und tiefer Reitpferde gelegt. Wie aus vorstehender Abbildung (Fig. 86) zu ersehen, ist es dem Gestüte heute schon gelungen, dieses Zuchtideal zu verwirklichen. Halbbluthengste von gleicher Knochenstärke wie der Neustädter Egon wird man in jedem Lande mit der Laterne suchen müssen. 62^ — Neustadt ist bekanntlich auch der Sitz eines Landgestüts. In diesem stehen ungefähr 225 Beschäler der verschiedenartigsten Rassen und Schläge: englisches Vollblut, Araber, Hannoveraner, Graditzer Halb- blüter, Ostpreussen, Oldenburger, amerikanische Traber und — Dänen, von letzteren nicht weniger als 117 Stück. Wenn ich nun auch sehr gut verstehe, dass das in der Provinz Brandenburg immer stärker hervor- tretende Verlangen nach kaltblütigen Hengsten die Aufstellung einer so grossen Anzahl von Dänen rechtfertigen kann, bezweifle ich doch sehr, dass in der Provinz ein Bedürfnis für die Verwendung aller in Deutschland gezogenen Halbblutschläge vorliegt. Ich glaube, gute hannoversche Hengste würden es allein auch richten und sollte es sich als absolut untunlich herausstellen, die für das Landgestüt erforderliche Anzahl geeigneter Hannoveraner zu beschaffen, wäre wohl Ostpreussen imstande, die etwa noch fehlenden Halbblutbeschäler starken Kalibers zu liefern. Nachstehend ein Verzeichnis der gegenwärtig in Neustadt stehenden Landbeschäler: Geier X X, v. Flageolet, a. d. Geheimnis, v. Chamant; Hans Sachs X X, v. Fulmen, a. d. Hyeres, v. Isonomy; Phosphor X X, v. Hannibal, a. d. Santa Palma, v. St. Simon; Rex, Araber, v. Semchan, a. d. Rewansza. Hannoveraner 29, Im Friedrich Wilhelm-Gestüt gezogene 16, In Brandenburg gezogene 16, Graditzer Halbblüter ll, Ostpreussen 13, Trakehner 5, Oldenburger 5, Amerikanische Traber i, Allstädter I, Aus der Provinz Sachsen l. Aus Braunschweig i, Aus Mecklenburg i, Dänen 117, Summa . . 221. Zu diesen Hengsten kommt nun noch der im Mai 1907 durch die preussische Gestütverwaltung in Frankreich angekaufte, 1892 geborene Anglo-Normanne Ouragan, v. Homard, a. d. Karthoum, v. Dictateur. Ouragan ist der Vater von dem in Celle stationierten Normannen Dakota, den Landstallmeister Grabensee im Jahre 1905 als Zweijährigen an- kaufte und dessen Fohlen zwei Jahre später in züchterischen Kreisen Auf- sehen erregt haben. Es ist ziemlich allgemein bekannt, dass Ouragan W ran gel, Die Rassen des Pferdes. I. 4^ — 626 — ein selten schöner, sehr starker, 1,71 m grosser, korrekter Hengst mit prachtvollem Gangwerk ist. Alle guten Qualitäten vererbt er seinen Nachkommen, von denen namentlich Vol au Vent zu nennen, der einer der besten Traber in Frankreich war und der jetzt als Ersatz für Ouragan im Gestüt Mondeville eingereiht wurde. Landstallmeister Grabensee hatte sein Auge auf Vol au Vent geworfen, und sein Wunsch, ihn für Celle zu erwerben, war von dem Oberlandstallmeister auch gutgeheissen worden, doch ist der Hengst infolge des Verkaufs von Ouragan nicht mehr zu haben, da Mons. Viel, der Züchter und Besitzer beider, sich nur von einem seiner beiden Lieblinge trennen wollte. Ouragan ist für sein Alter (1908: 16 Jahre) noch selten frisch und wird der deutschen Zucht sicher gute Dienste leisten. Als erprobter Beschäler wird er vor allem ausser der Stärke auch die Gänge der französischen Rassen ver- erben, schreibt der »Deutsche Sport«. Den eine Zeit lang in Deutsch- land so verketzerten Anglonormannen scheint somit in den mass- gebenden Kreisen wieder die Sonne der Gnade zu leuchten. Leiter von Neustadt ist der in allen züchterischen und sportlichen Kreisen hochgeschätzte Landstallmeister v. Schlüter, der sich, wie be- kannt, bereits in Gudwallen den Ruf eines über reiches Wissen und aussergewöhnlicher Tatkraft verfügenden Pferdsmannes erworben hat. Unter seiner Leitung geht Neustadt sicher einer ruhmvollen Zukunft entgegen. Das Beb erb eck er Pferd. Das ca. 7 Kilometer von Hofgeismar, in der Provinz Hessen-Nassau gelegene Hauptgestüt Beberbeck gehört zu den ältesten Zuchtstätten Deutschlands. Ursprünglich befand es sich auf der Sababurg, die, von den Erzbischöfen von Mainz, wahrscheinlich zum Schutz des Wallfahrtsorts Gottsbühren, auf einem Basaltkegel im 10. Jahrhundert erbaut, eine Stunde von Beberbeck entfernt ist. Obwohl heute eine Ruine, ist die Burg doch noch so weit erhalten, dass die Türme bewohnt werden können. Im Sababurger Gestüt zogen die geist- lichen Herren Pferde, die in dem rauhen Reinhardswalde wilde Herden bildeten. Als 1247 die Landgrafen von Hessen in den Besitz des Landes kamen, versuchte man eine geregeltere Zucht einzuführen und brachte die Hengste über die Weser. Dort scheint es diesen je- doch gar nicht gefallen zu haben, denn sie schwammen wieder zurück. Infolgedessen wurde bei Sababurg ein Terrain von 140 ha mit einer — 627 — Mauer umgeben und so ein Park gebildet, in dem man die Hengste unterbrachte. Nach vielen »up and downs« kam das Gestüt indessen später nach Beberbeck und blieben nur die jungen Hengste während der Sommermonate in Sababurg. Von der damaligen Zucht ist jedoch sicher nichts mehr in Beberbeck vorhanden, denn nachdem Napoleon seinen Bruder, den unter dem Spottnamen »Und morgen wieder lustick« bekannten Jerome, zum König von Westfalen ernannt hatte, wurde fast das ganze Gestüt nach Frankreich entführt. Nur ein ganz kleiner Teil konnte nach dem SoUing, jenseits der Weser, gerettet werden und ob- wohl man diesen nach den Freiheitskriegen zur Neuerrichtung des Beberbecker Gestüts benutzte, vermochte er dem Drucke der neuen Zeit und der nun zur Verwendung gelangenden Blutströme nicht lange stand zu halten. Als ein Verlust ist das kaum zu bezeichnen. Die ehedem für den hessischen Marstall in Beberbeck gezogenen Isabellen waren nicht viel wert, und in den Adern des alten Gestütsschlags, von welchem 1875, als das zum früheren kurfürstlichen Hausfideikommiss gehörende Leibgestüt Beberbeck in preussischen Besitz überging, 15 Stuten übernommen wurden, floss ein sehr gemischtes Blut. Die Grundlage für die neue Zuchtperiode des Beberbecker Gestüts bildeten daher hauptsächlich 77 aus dem aufgelösten Friedrich Wilhelm-Gestüt zu Neustadt a. D. und 15 aus Graditz stammende Stuten. Professor Pusch ist der Ansicht, dass die Verlegung des Gestüts von Sababurg nach Beberbeck kein grosser Vorteil für dieses gewesen sei, denn Sababurg liege auf einem Basaltkegel, wohingegen Beberbeck nur einen sandigen Lehmboden mit flachliegender, undurchlässiger Ton- schicht l^esitze, dem der Kalk mangle. Bei der Errichtung Beberbecks als preussisches Hauptgestüt war, hebt Professor Pusch weiter hervor, wohl der Umstand wesentlich mitbestimmend, dass eine Bodenanalyse dort einen reichen Kalkgehalt ergab und man daher erwarten durfte, ein trockenes, starkbeiniges Pferd ziehen zu können. Die Zeit habe indessen gelehrt, dass der günstige Kalkgehalt kein natürlicher, son- dern von dem früheren Pächter durch reichliche Kalkdüngung hervor- gebracht war. (!) Nun, es scheint, dass die preussische Gestütsleitung nicht kurz- sichtiger wie der vernünftigerweise auf Hebung seiner wirtschaftlichen Erträge bedachte Pächter gewesen ist und ebenfalls freigebigen Gebrauch von der für den Beberbecker Boden so überaus wohltuenden Kalk- düngung gemacht hat. Denn was man auch dem dort gezogenen — 628 — Pferde vorwerfen kann — Mangel an Knochen ist es sicher nicht, Ausserdem bleibt wohl zu l3eachten, dass die Beberbecker Stutfohlen und jungen Stuten ihre für die Entwicklung des Knochengerüsts wich- tigsten Jahre auf dem Basaltkegel der Sababurg zubringen. Diese herr- lichen Weidegründe wurden ihnen auf Anordnung des damaligen Leiters von Beberbeck, Landstallmeister v. Oettingen-Trakehnen, bereits 1894 eingeräumt. Es geschah dies in der Absicht, einen recht gesunden, kräftigen Mutterstutenstamm heranzuziehen. Herr v. Oettingen verfügte daher, dass der Sababurger Mauerpark künftig nicht mehr den jungen Hengsten, sondern nur den jungen Stuten als Weide dienen sollte. Die Fohlenjahrgänge sind, wie O. v. Funcke in der Zeitschrift St. Georg, Jahrgang 1906 mitteilt, so verteilt, dass die einjährigen Hengste in Beberbeck selbst, die zwei- und dreijährigen auf der Fohlenhute, die Stuten dagegen sämtlich in Sababurg stehen. Die Absatzfohlen werden, nachdem sie im Alter von vier Monaten von der Mutter getrennt worden sind, zunächst ohne Unterschied des Geschlechts nach der Fohlenhute gebracht. Sie erhalten dort bis zum i. Oktober täglich zwei Liter Milch, mit zwei Liter w\irmem Wasser verdünnt. Zu diesem Zweck werden jährlich im April zehn frischmelkende Kühe gekauft, die am I. Oktober wieder verkauft werden. Neben mehrstündigem Weidegang, tagsüber bei guter Witterung durchschnittlich zwei Stunden vormittags und nachmittags, steisfert sich die Haferration der Fohlen ganz allmäh- lieh auf 4 Kilo pro Kopf. Zugleich steht ihnen Heu mit grobem Luzerne- häcksel vermischt nach Belieben zur Verfügung. Auf der Fohlenweide verbleiben sie bis gegen Ende September, zu welcher Zeit die Hengst- fohlen nach Beberbeck zurückgehen, während die Stuten nach Saba- burg übersiedeln. Die Futterration erhöht sich jetzt bis auf 5 Kilo Hafer und 5 Kilo Heu. Die Stutfohlen erhalten in Sababurg als Weide die östlich der Burg ausserhalb des Mauerparks gelegenen Koppeln, die auf ungleich- massigem, bergigem Terrain, jedoch ohne besondere Hindernisse an- gelegt sind. Diese Koppeln bilden einen passenden Übergang zu dem ihnen später zur Verfügung stehenden wilden Terrain des Mauerparks, das für die Stärkung der Atmungsorgane, Muskeln und Gelenke, wie auch für die Ausljildung von Gewandtheit als geradezu unentbehrlich für die junge Gesellschaft bezeichnet werden kann. Auf den Saba- burger Koppeln verbleiben die Fohlen auch als Jährlinge bis zum Herbst. Dann aber kommen sie in den grossen Mauerpark, der den zwei- und — 629 — dreijährigen zur Weide dient. Sämtliche ein-, zwei- und dreijährige Fohlen bleiben im Sommer ungefähr vier Monate lang, durchschnittlich von Ende Mai bis Ende September, je nach den Witterungsverhältnissen draussen. Früh 5 Uhr werden sie in die Ställe gelassen und ange- bunden, wo sie bis 7 Uhr verbleiben und ihre erste Haferration erhalten, ebenso von 10 — 3 oder 5 Uhr je nach der Hitze, wobei sie nach ihrer Ankunft resp. i Stunde vor der Entlassung die beiden anderen Hafer- rationen und dazwischen ca. i Kilo Heu erhalten. Den Durst können sie im Bach stillen. Die Haferzugabe richtet sich ganz nach dem Weidejahr und schwankt zwischen i — 4 Kilo, was bei den regelmässigen langen Galopps, die sich gleich einem Training beim jedesmaligen Verlassen der Ställe wiederholen, auch sehr gerechtfertigt ist. Eine regelmässige Ration von 4 Kilo Hafer und i Kilo Heu erhalten nur die Jährlinge. Im Winter erhalten die besseren Jährlingsstuten, die als Mutter- stuten in Aussicht genommen sind, 6 Kilo, die übrigen dagegen nur 5 Kilo. Für die zwei- und dreijährigen ist eine Haferration von 4 bis 5 Kilo und eine Heuration von 5 Kilo festgestellt. Das hier von den Stutfohlen Gesagte gilt im allgemeinen auch von den Hengsten, doch mit dem Unterschied, dass sich die Hafer- ration der zwei- und dreijährigen besseren Hengste im Winter bis auf 7 Kilo erhöht, wobei natürlich die individuelle Entwicklung der einzelnen Tiere mit in Betracht gezogen wird. Wie sich das in einem Königl. Preussischen Hauptgestüt wohl von selbst versteht, lässt auch die Haltung der Mutterstuten und Beschäler mit Bezug auf Sorgfalt und Zweckmässigkeit in allen Einzelheiten nichts zu wünschen übrig. Gegenwärtig stehen in Beberbeck 6 Hauptbeschäler und 98 Mutter- stuten. Von den Beschälern sind drei Vollblut, und zwar: Bell an 6, F.-H., geb. 1899, v. Le Sagittaire, a. d. Birmanie, v. Saxifrage; Carnage, F.-H., geb. 1899 (in Australien), v. Nordenfeldt, a. d. Mersey, v. Knowsley; Saint Tropez, F.-H., geb. 1890, v. Bruce, a. d. Regardez, v. Mortemer. Unter den Halbbluthengsten nimmt der 1893 in Beberbeck ge- borene Jubelgreis, schwarzbraun, v. Lamberg, a. d. Julie, den Ehren- platz ein. Jubelgreis ist ein Urenkel des berühmten Chamant, denn Lambergs Vater war Weltmann, der würdige Sohn von Chamant und der Vergissmeinnicht. Chamant kann überhaupt als der Regenerator der Beberbeckschen — 630 — Zucht bezeichnet werden. Gibt es doch unter den dortigen Mutter- stuten nur sehr wenige, in deren Adern nicht das Blut des famosen Franzmanns fliesst. Einen ausserordenthch günstigen Einfluss auf die Gestaltung der gegenwärtig in BelDcrbeck zur Zucht verwendeten Stuten- herde hat auch der Halbbluthengst Optimus, schwbr., geb. 1880, V. Odorado (v. The Wizard X X), a. d. Optima, v. The Colonel, aus- geübt. Nach V. Funcke zählt dieser Kapitalhengst nicht weniger als zwei Drittel aller Stuten zu seinen Nachkommen, und da nun die Opti- mus-Töchter vielfach mütterlicherseits von Chamant abstammten oder auch von diesem gedeckt wurden, ist es nicht zu verwundern, dass die Beber- becker Stutenherde sich durch eine grosse Gleichförmigkeit auszeichnet. Wer Näheres über die in Beberbeck vertretenen Blutlinien erfahren will, nehme das vStutbuch des Gestüts zur Hand, dessen erster vom Landstallmeister v. Oettingen verfasste Band 1895 und der zweite, vom Gestütsinspektor Ed. Mieckley bearbeitete, 1905 erschienen ist. In diesen beiden Bänden wird der Fachmann sehr viel Interessantes finden, so u. a. dass aus der Zahl der Mutterstuten, nach Familien und väterlicher Abstammung geordnet, 17 von Optimus, 13 von Mephisto X X , 12 von Chamant X X, 12 von Le Butard X X und II von Birkhahn X X abstammen. Von den vorhandenen 98 Zuchtstuten stammen 63 von Vollbluthengsten ab. Man sollte meinen, dass dieser hohe Prozentsatz zur Folge haben müsste, dass die in Beberbeck gezogenen Pferde zu fein in den Knochen würden. Dem ist aber durch die starken Stuten vorgebeugt, die aus dem Odoardo-Blut und von anderen starken Hengsten, wie z. B. Jubel- greis, stammen. Was schliesslich die Qualität des Beberbecker Pferdes anbelangt, so stimmen wohl alle Fachmänner darin überein, dass dieses Produkt deutscher Zucht eine bedeutende Leistungsfähigkeit besitzt. Mit Bezug hierauf sei nur an die vielen schönen Siege erinnert, die in Beberbeck gezogene Halbblutpferde in Jagdrennen und Distanzritten errungen haben. Weniger einstimmig aber lauten die Schilderungen, die man über das Exterieur der Beberbecker zu hören bekommt. Der eine hat nur Lob für dieses, der andere findet manches, was er tadeln zu müssen glaubt. Nun, Idealpferde zu züchten, ist noch niemand geglückt. Irgend etwas wird man stets auch dem besten Gaul nachsehen müssen. Der Beberbecker (Fig. 87) ist in meinen Augen ein hoch- edles Pferd mit genügendem Masse, kräftigem Rücken, bedeutender — 631 — Brusttiefe, deren Umfang, wie Professor Simon v. Nathusius-Jena er- mittelt hat, bei Hengsten durchschnittlich 21,1 und bei Stuten 20,3 beträgt, starken, trockenen Gelenken, breiten, kurzen Röhren, sehr gutem Gang, grosser Leistungsfähigkeit und vorzüglichem Temperament. Vergleicht man an der Hand der von Professor v. Nathusius veröftent- lichten Masse (siehe des genannten Verfassers hochinteressante Arbeit »Messungen an Hengsten, Stuten und Gebrauchspferden«, Berlin 1905) Fig;. 87. Beberbecker Stute. die Durchschnittsmasse der Pferde Beberbecker Edelzucht mit denjenigen der Ostpreussen, so findet man, dass die ersteren bessere Durchschnitts- masse aufzuweisen haben. Diese waren nämlich in Zentimeter für 27 alte (d. h. mindestens fünfjährige) Beberbecker Stuten folgende: Widerristhöhe 163,61; Kruppenhöhe 161,38; Beinlänge 79,88; Brust- tiefe 83,72; Brustumfang 193,37; Brustbreite 43,42 ; Kruppenbreite 55,63; Röhrbeinumfang 20,26; Rumpf länge 171,7. Und für 31 alte ostpreussische Stuten: Widerristhöhe 161,23; Kruppenhöhe 160,31; Beinlänge 84,46; Brust- — 632 — tiefe 77,06; Brustumfang 193,61; Brustbreite 43; Kruppenbreite 56,45; Röhrbeinumfang 19,86; Rumpf länge 162,9. Also mit alleiniger Ausnahme der Kruppenbreite durchgehend günstigere Masse für die Beberbecker Stuten. Dies stimmt genau mit den tatsächlichen Verhältnissen überein. Der Beberbecker ist faktisch ein tieferes, starkknochigeres Pferd als der Ostpreusse, nur wäre ihm etwas mehr Breite und Länge in der Kruppe, gefälligerer Schweifansatz und auch eine bessere Form der hinteren Rippen zu wünschen. Ja, gewiss, mein alter Trainer Lienow hatte ganz recht, wenn er, sobald ein Fehlergucker sich bemüssigt fühlte, etwas an den seiner Ob- hut anvertrauten Rennpferden auszusetzen, zu antworten pflegte : »Lieber Herr, alles kann man nicht halben!« ieferung 1. Preis Mk. 1.50. Hie "4'*^ Jhre Enbtfihurii/jiscfiichllicfii EMiWifilbng Ärcharakteristischtfi Kiiiii%iit von Vertag von bchickliarcJijc Eaner ( A onrad WillwB Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30.—. Begleitwort. Es herrscht in der hippologischen Literatur kein Mangel an Be- schreibungen der verschiedenen Pferderassen. Trotzdem ist gerade das Studium der Rassenlehre auf dem Gebiete der Pferdekunde noch immer mit ernsten Schwierigkeiten verknüpft. Die Erklärung für diese befremdende Tatsache liegt teils in dem Um- stände, dass derjenige, der Näheres über eine bestimmte Pferderasse zu erfahren wünscht, sich in der Regel genötigt sieht, eine ganze Reihe in- und ausländischer Werke durchzublättern, bevor er die ihn interessierende Auskunft findet — wenn sie überhaupt zu finden ist ■ — , teils auch darin, dass die der speziellen Rassekenntnis gewidmeten Arbeiten den reich- haltigen Stoff gar zu flüchtig behandelt haben oder über denselben nur gänzlich veraltete Angaben enthalten. Wir glauben daher uns keiner Täuschung hinzugeben, wenn wir annehmen, dass eine gross angelegte Rassenlehre, die dem Leser sämt- liche, in den verschiedenen Weltteilen existierenden Pferderassen, deren Ursprung, ältere Geschichte, spätere Entwickelung, heimatlichen Zucht- verhältnisse, charakteristischen Kennzeichen, gegenwärtigen Standpunkt, gewöhnliche Verwendung und erwiesene Bedeutung in lebhaften, reich illustrierten, ausführlichen und aktuellen Schilderungen vorzuführen ver- möchte, im Kreise unserer Züchter und Pferdefreunde freudig willkommen geheissen werden würde. Von dieser Überzeugung ausgehend haben wir den Verlag von dem unter dem Titel Die Rassen des Pferdes ihre Entstehung, geschichtliche Entwickelung und charakteristischen Kennzeichen erscheinenden neuesten Werk des rühmlichst bekannten hippologischen Schriftstellers Graf C. G. Wrangel erworben, welche Arbeit berufen erscheint, ebenso wie das bekanntlich gleichfalls in unserem Verlag herausgegebene ,,Buch vom Pferde" Fortsetzung siehe 3. Seite des Utnsdilags! das bereits vier hohe Auflagen erlebt hat, einen Ehrenplatz unter den ,, Standard works" der hippologischen Literatur einzunehmen. Graf Wrangel ist durch jahrelange Vorarbeiten, Studienreisen und Verbindungen mit bedeutenden Züchtern des In- und Auslandes in den Besitz eines so reichhaltigen Materials gelangt, dass seine „Rassenlehre", was Vollständigkeit und Gründlichkeit anbelangt, alles übertreffen dürfte, was — gleichviel in welcher Sprache — bisher auf diesem Gebiet erschienen ist. Wer die früheren Arbeiten dieses Verfassers kennt, wird auch von vornherein überzeugt sein, dass wir dem Leser des neuesten Wrangei- schen Werkes mit voller Zuversicht eine überaus fesselnde Lektüre in Aussicht stellen können. Unsere „Rassenlehre" beginnt mit einer ausführlichen Geschichte des Pferdes, bringt sodann eine umfangreiche Schilderung der arabi- schen, englischen und anglo-arabischen Vollblutrassen und lässt hierauf in selbständigen Kapiteln die verschiedenen warm- und kalt- blütigen Rassen Europas, Amerikas, Australiens, Afrikas und Asiens vor dem Auge des Lesers vorüberziehen. Besonderes Gewicht ist durchweg auf lebenswahre, künstlerische Illustrationen gelegt worden, bei deren Herstellung von uns keine Kosten gescheut wurden. Für das Erscheinen des neuen Graf Wrangeischen Rassen- werkes sind 20 Lieferungen von je 4 — 5 Druckbogen mit zahlreichen Abbildungen vorgesehen, die in 4- bis 6 wöchentlichen Zwischenräumen zur Ausgabe gelangen werden. Der Preis jeder Lieferung beträgt Mk. L50 (K. L80 ö.W.; Pres. 2. — ; 83 Kop.). Bestellungen auf das Werk vermittelt jede Buchhandlung, wie auch die unterzeichnete Verlagshandlung. Hochachtungsvoll Stuttgart. Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) Verlagsbuchhandlung. Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart. Graf C. G. Wrangel: Das Buch vom Pferde. Ein Handbuch für jeden Besitzer und Liebhaber von Pferden. Vierte vermehrte und verbesserte Auflage. 2 Bände mit 918 Abbildungen im Text, 20 Vollbildern und dem Porträt des Verfassers. Preis geheftet Mk. 20.—, in 2 eleganten Original-Halbfranzbänden gebunden Mk. 25.—. Un§:arns Pferdezucht : in Wort und Bild. = Vier Bände mit 148 Vollbildern und vielen Abbildungen im Text. I. und II. Band : Die kgl. ungarischen Staatsgestüte. III. und IV. Band : Die ungarische Landespferdezucht und die Privatgestüte. Preis: Band I. und IL gel.eftet Mk. 28.— , in Original-Halbfranzband gebunden Mk. 32. .. III. „ IV. „ „ 28.-, „ „ „ 32. Taschenbuch ^sv3^& des Kavalleristen. Enthaltend die Grundlagen der Pferdekunde zum Selbststudium und zum Gebrauch an militärischen Unterrichtsanstalten. Zweite verbesserte Auflage. Mit 197 Abbildungen in Holzschnitt. Preis in Originalleinenband gebunden Mk.3.— . Der Training des Pferdes zu verschiedenen Gebrauchszwecken. Nach den besten Quellen und auf Grund persönlicher Erfahrung geschildert. Mit 9 Abbildungen. Preis geheftet Mk. 3.—, gebunden Mk. 3.40. Einiges über Fahren. Mit 13 Abbildungen. Preis geheftet Mk. 1.20. Das Luxus=Fuhrwerk. Ein Handbuch für Equipagenbesitzer. = Mit 134 Abbildungen. Preis geheftet Mk. 10.— , in eleg. Originalleinenband mit farbiger Reliefpressung geb.Mk.l2. ^leterung 2. Preis Mk. 1.50. Die ]lire inistehyrii.jfscilicfillkhe EntwicHtuni ÄrcharakterisHschif! Kinniaictien von Verlag von bcnicknarak' Loner ( n onrao W liKv^f Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30. Begleitwort. Es herrscht in der hippologischen Literatur kein Mangel an Be- schreibungen der verschiedenen Pferderassen. Trotzdem ist gerade das Studium der Rassenlehre auf dem Gebiete der Pferdekunde noch immer mit ernsten Schwierigkeiten verknüpft. Die Erklärung für diese befremdende Tatsache liegt teils in dem Um- stände, dass derjenige, der Näheres über eine bestimmte Pferderasse zu erfahren wünscht, sich in der Regel genötigt sieht, eine ganze Reihe in- und ausländischer Werke durchzublättern, bevor er die ihn interessierende Auskunft findet — wenn sie überhaupt zu finden ist — , teils auch darin, dass die der speziellen Rassekenntnis gewidmeten Arbeiten den reich- haltigen Stoff gar zu flüchtig behandelt haben oder über denselben nur gänzlich veraltete Angaben enthalten. Wir glauben daher uns keiner Täuschung hinzugeben, wenn wir annehmen, dass eine gross angelegte Rassenlehre, die dem Leser sämt- liche, in den verschiedenen Weltteilen existierenden Pferderassen, deren Ursprung, ältere Geschichte, spätere Entwickelung, heimatlichen Zucht- verhältnisse, charakteristischen Kennzeichen, gegenwärtigen Standpunkt, gewöhnliche Verwendung und erwiesene Bedeutung in lebhaften, reich illustrierten, ausführlichen und aktuellen Schilderungen vorzuführen ver- möchte, im Kreise unserer Züchter und Pferdefreunde freudig willkommen geheissen werden würde. Von dieser Überzeugung ausgehend haben wir den Verlag von dem unter dem Titel Die Rassen des Pferdes ihre Entstehung, geschichtliche Entwickelung und charakteristischen Kennzeichen erscheinenden neuesten Werk des rühmlichst bekannten hippologischen Schriftstellers Graf C. G. Wrangel erworben, welche Arbeit berufen erscheint, ebenso wie das bekanntlich gleichfalls in unserem Verlag herausgegebene ,,Buch vom Pferde" Fortsetzung siehe 3. Seite des Umschlags! das bereits vier hohe Auflagen erlebt hat, einen Ehrenplatz unter den „Standard works" der hippologischen Literatur einzunehmen. Graf Wrangel ist durch jahrelange Vorarbeiten, Studienreisen und Verbindungen mit bedeutenden Züchtern des In- und Auslandes in den Besitz eines so reichhaltigen Materials gelangt, dass seine „Rassenlehre", was Vollständigkeit und Gründlichkeit anbelangt, alles übertreffen dürfte, was — gleichviel in welcher Sprache — bisher auf diesem Gebiet erschienen ist. Wer die früheren Arbeiten dieses Verfassers kennt, wird auch von vornherein überzeugt sein, dass wir dem Leser des neuesten Wrangei- schen Werkes mit voller Zuversicht eine überaus fesselnde Lektüre in Aussicht stellen können. Unsere „Rassenlehre" beginnt mit einer ausführlichen Geschichte des Pferdes, bringt sodann eine umfangreiche Schilderung der arabi- schen, englischen und anglo-arabischen Vollblutrassen und lässt hierauf in selbständigen Kapiteln die verschiedenen warm- und kalt- blütigen Rassen Europas, Amerikas, Australiens, Afrikas und Asiens vor dem Auge des Lesers vorüberziehen. Besonderes Gewicht ist durchweg auf lebenswahre, künstlerische Illustrationen gelegt worden, bei deren Herstellung von uns keine Kosten gescheut wurden. Für das Erscheinen des neuen Graf Wrangeischen Rassen- werkes sind 20 Lieferungen von je 4—5 Druckbogen mit zahlreichen Abbildungen vorgesehen, die in 4- bis 6 wöchentlichen Zwischenräumen zur Ausgabe gelangen werden. Der Preis jeder Lieferung beträgt Mk. L50 (K. 1.80 ö.W.; Pres. 2.—; 83 Kop.). Bestellungen auf das Werk vermittelt jede Buchhandlung, wie auch die unterzeichnete Verlagshandlung. Hochachtungsvoll Stuttgart. Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) Verlagsbuchhandlung. Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart. Graf C. G. Wrangel: Das Buch vom Pferde. Ein Handbuch für jeden Besitzer und Liebhaber von Pferden. Vierte vermehrte und verbesserte Auflage. 2 Bände mit 918 Abbildungen im Text, 20 Vollbildern und dem Porträt des Verfassers. Preis geheftet Mk. 20. — , in 2 eleganten Original-Halbfranzbänden gebunden Mk. 25.— . Un§:arns Pferdezucht = in Wort und Bild. = Vier Bände mit 148 Vollbildern und vielen Abbildungen im Text. I. und II. Band : Die kgl. ungarischen Staatsgestüte. IIL und IV. Band : Die ungarische Landespferdezucht und die Privatgestüte. Preis; Band I. und II. ge!:eftet Mk. 28.—, in Original-Halbfranzband gebunden Mk. 32.— , ,, ., 111. ,, IV. ., •• 2ö. • i< << 1, o^. I Taschenbuch ^v^ des Kavalleristen. Enthaltend die Grundlagen der Pferdekunde zum Selbststudium und zum Gebrauch an militärischen Unterrichtsanstalten. Zweite verbesserte Auflage. Mit 197 Abbildungen in Holzschnitt. Preis in Originalleinenband gebunden Mk.3.— . Der Training des Pferdes zu verschiedenen Gebrauchszwecken. Nach den besten Quellen und auf Grund persönlicher Erfahrung geschildert. Mit 9 Abbildungen. Preis geheftet Mk. 3.—, gebunden Mk. 3.40. Einiges über Fahren. Mit 13 Abbildungen. Preis geheftet Mk. 1.20. Das Luxus=Fuhrwerk. Ein Handbuch für Equipagenbesitzer. :=^ Mit 134 Abbildungen. Preis geheftetMk. 10.— , in eleg. Originalleinenband mit farbiger Reliefpressung geb.Mk. 12.-. ieferung 3. Bie Preis Mk. 1.50. $if •.y %.^ ä ■Ihre illjtiHyng^jischici ^charakteristischen WüricKlung 1^ ~4ikklri ' Graf C.Gr.Wr anfiel Verlag von ScliirkliarclbEUer { nonrad WiHwer z= Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30. — . Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart. James Fillis Grundsätze der Dressur und Reitkunst. Aus dem Französischen. <> Dritte verbesserte Auflage. Bearbeitet von Gustav Goebel. 427 Seiten gr. 8^ mit dem Porträt des Verfassers und 70 Abbildungen auf 36 Tafeln. Preis geheftet M. 12. — , in hochfeinem Halbfranz gebunden M. 15 — . Im Anschluss an das vorstehende Werk ist erschienen: -.-^ James Fillis ==:= Ta§:ebuch der Dressur. Aus dem Französischen übersetzt von Joseph Haiperson unter Mitwirkung von Gustav Goebcl, Lehrer der höheren Reitkunst. 436 Seiten gr. 8" mit dem Porträt des Verfassers und 32 Abbildungen auf 28 Tafeln. Preis geheftet M. 12.—, in hochfeinem Halbfranz gebunden M. 15. — . Abbildungen vorzü|licher pferderassen. Gezeichnet und lithographiert von Emil Volkers. = 6. Auflage. = 34 Blatt in Farbendruck ausgeführt in eleganter Mappe M. 15. — . Dasselbe mit beschreibendem Text von Gestütsdirektor Schwarznecker und Professor Zipperlen. Preis elegant gebunden M. 20. — . Weil, das Privatgestüt Seiner Majestät des Königs Wilhelm II von Württemberg. Kurze Beschreibung, zusammengestellt von der Gestütsleitung, mit Abstammungs- tafeln, Stammbäumen, einem Lageplan des Gestüts und 8 Abbildungen. Preis elegant gebunden M. 3. — . ieferung 4. Die Preis Mk. 1.50. fif V it^ tt!«f!|,|iscfiicfi Fakfiristiicher! I i;JftEfifr44lilt&'4E von Graf C.Gr.Wran^el Verlag von ScIiirkliardiicEtner (Aonrad Wibkver) = Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30. — . Verlao- von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittvver) in Stuttgart. UNSERE PFERDE Sammlung z"wangloser hippologischer Abhandlungen. Heft 1. Kavalleristische Gedanken mit lie- sondeier Berücksichtiguiisr der Re- monteiiabrichtinip:. Von einem ehe- maligen österr. Reiteroffizier. Heft 2. Das Mederhreehen von Renn- iiml Reitpferden in sclinellen Gangarten etc. Von Oberst a. D. Spohr. Mit 2 Abbildungen. Heft 3. Einiges über Fahren von Graf C. G. Wrangel. Mit 13 Abbildungen. Heft 4. Über Reitinstruktionen, die Gehlnst des Pferdes und das Springen der Pferde. Drei Aufsätze von Otto V. Monteton. Heft 5. Die Zännmngsfrage bei Renn- und Reitpferden. Eine fachmännische Studie über deren heutigen Stand. Von Oberst a. D. Spohr. Mit 15 Ab- bildungen. Heft 6. Einfluss von Dressur, Ühang nnd Erziehung auf das Kriegspferd. Von Oberstleutnant der Kavallerie a. D. von Sanden. Über statische Pferde. Von Otto v. Monteton. Die intellektuellen Eigenschaften (Geist und Seele) der Pferde. Von Prof. Dr. F. A. Zürn. Die Beschaffung der Remonten und ihre Ausbildung. Von 0. v. Monteton. Zum 25 jährigen Bestehen des Mili- tär-Reitlehrer-Institutes in Wien. Einst und .Jetzt. Reiterliclie Betrach- tungen an der Wende des Jahr- hunderts von W. v. Unger, Oberst. Heft 12. Vorbildliches Engl Pferde - Zucht nnd -Pflege. Von Berth- Söhoen- bock, Stallmeister a. D. Heft 13. Zur Entstehung des En^rlisclien Voll- blutpferdes. Von Riebard Henning, Major a. D. Heft 14. >ordanierikanische Pferde. Von Dr. Friedr. Wilhelm Dünkelberg, Oeh. Regieruugsrat. Heft 15. Verschiedene Meinungen über die Ausbildung von Reitpferden. Von Oberstleutnant a. D. v- Sanden. Heft 16. Vergleichende Würdigung der Reit- systeme von Baucher, Fillis, Plinzner und der Instruktion zum Reitunter- richt für die Kavallerie vom 31. Aug. 1882. Von Oberleutnant Lauffer. Heft 17. Unsere Pferde im Kriege. Von Oberstleutnant der Kavallerie a. D. v. Sanden. Heft 18, Das Pferd und das Automobil. Von Oberstleutnant a. D. v. Westrell. Heft 7 Heft 8. Heft 9. Heft 10 Heft 11. M. 1.- M. 1.- M. I - M. 1.- M. I.- Heft 19. M. 1.— Heft 20 IM Heft 21. M. 1.20 Heft 22. Heft 23 M. Heft 24 M. 1.51) Heft 25. M. 1.- Heft 26 U. Heft 27. M. l.,^0 Heft 28 M. 1.- M. !•- Heft 29 M. 1.50 M. 1-- Heft 30 M. l.HO Heft 31. Artilleristische Ausbildung v. Reiter u. Pferd. Verbesseruugsvorschläge. Von Waldow. Das (Geheimnis des Sitzes. Von Hengist Horsa. Woran krankt unser Herrensport? Hat das Rennreiten praktischen Wert? Von Clemens Gallus, l<. u. k. Lieutenant. Die Arbeit der .jungen Remonte von Juli bis Anfang Oktober. Von M. H B. Aphorismen zur Xaturgeschichte, Charakteristik nnd Kultur des Pferdes. Von Rieh. Schoenbeek, Major a. D. Mit 12 Abbildungen. i'ber Leistungen des englischen Vollblutpferdes. Von Rich.Henning, Major a. I). Aus der Rennkampagne des Jahres 1902. Von Dr. Fr. W. Dünkelberg, Geheimer Regierun gsr;it. Die Pferderassen des Xiederlän- disch-Indischeu Archipels. Skizze von J. C. A. W. Freih. v. Haerdtl. Der Offizier als Reitlehrer der Re- kruten. Von Freiherr v. Esebeck. Die Logik in der Reitkunst. Erster Teil: Über die Beziehungen der Reit- imd Dressurhilfen zu der ana- tomischen Mechanik des Pferdes. Von Oberst a. D. Spohr. (Zweiter Teil siehe Heft 32). Georg Engelhardt von Löhneyseii, ein Meister deutscher Reitkunst vor dreihundert Jahren von M. v. Unger, Oberst und Konnnandenr der 20. Kavalleriebrigade. Heft 32. Heft 33. Heft 34. M. 1.50 M. 1.- M. 1.- M. 1.20 M. 2.- M. 1 20 M. 2.- M. 1.- M. 1.- M. 21 M. 1.50 .Jagdpferde. Zusammengewürfelte Gedanken über Jagd und Zucht von Freiherr A. H. von Esebeek. 51. 1.— Das Huzulenpferd. Eine züchterische Studie nach Untersuchungen in seiner Heimat. Von Dr A. Osowicki. Jlit 4 Abbildungen und 1 Lageplan. M. 1..50 Die Logikin derReitkunst. Zweiter Teil: Die elementare Reit-Dressur auf Grund der mit der Mechanik des Pferdes übereinstimmenden Hilfen. ]\lit fi Abbildungen. Von Oberst a. D. Spohr. (Erster Teil siehe Heft 28). M. 1.50 Das arabische Pferd in Slawuta und anderen Gestüten des südwestlichen Russlands. Von Dr. B v. Lukomski. Mit 20 Abbildungen. M. 1 50 Die wichtigsten Gestütsbrände in Österreich-Ungarn u. Deutschland. Von Major Gassebner. Mit 207 Brandzeichen. M. 3. — Die Sammlung wird fortgesetzt! Illustrierte Sport -Prospekte gratis und franko! Die Preis Mk. 1.50. /«/ ■H^-' " hwni; 11 äftrtfisii innieichen ""GrafC.G.Wranael Verlag von bcliickliarabLöner (Aonrad vVihUver - Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30. — . Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart. Bibliothek *-^-> Jeder Band bildet ein in sich abgeschlossenes Ganzes und ist einzeln käuflich, -s^jss^&qss^^s^ rsrs für Pferdeliebhaber. Erstes Bändchen : Die Lehre von der Beurteilung des Pferdes Bezug auf Körperbau und Leistung in leiclitverständ- licher Sprache dargestellt von P. Adam, Kgl. Bayer. Landgestüts-Direktor. — 2. vermehrte Auflage. — Mit vielen Abbildungen in Holzschnitt. Preis geheftet Mark 3.—, geb. Mark 3.40. Drittes Bändchen : Beschreibung der vorzüglichsten Pferde -Rassen von G. Schwarznecker und W. Zipperlen, Gestütsdirektor Professor. Zugleich Textband zu den Abbildungen vorzügl. Pferde- rassen, gezeichnet und lithographiert von Emil Volkers. Zweite Auflage. Preis geheftet Mark 2.—, geb. Mark 2.40. Fünftes Bändchen : Hippologisches Wörterbuch enthaltend eine kurze Erklärung der im Gebiet der Pferdekunde und Reitkunst am häufigsten gebrauchten Wörter und Ausdrücke. Bearbeitet von Obertierarzt P. Deseler. Preis geheftet Mark 2.—, gebunden Mark 2.40. Siebentes Bändchen: Der Training des Pferdes zu verschiedenen Gebrauchszwecken. Nach den besten Quellen und auf Grund persönlichei Erfahrung geschildert von Graf C. G. Wrangel. Mit 9 Abbildungen. Preis geheft. M. 3.—, geb. M. 3.40. Neuntes Bändchen : Die Sattel- u. Geschirrdrücke und deren Heilung. Bearbeitet von L. Hoffmann, Professor an der königl. tierärztlichen Hochschule in Stuttgart. Preis geheftet Mark 3.—, geb. Mark 3.40. Zweites Bändchen : Die Gesundheitspflege der Pferde in Bezug auf die Benutzung. In leichtfasslicher Art bearbeitet von August ZÜndel, Landestierarzt. Mit vielen Abbildungen. Preis geheftet Mark 4.—, gebunden Mark 4.40. Viertes Bändchen : Baptist Loiset's praktischer Unterricht in Kunstdarstellungen mit Pferden oder Anleitung den Pferden all' die Kunstfertigkeit zu lehren, wie man sie bei den Kunstreitern ausführen sieht. Mit einer Selbst-Biographie und Betrachtungen über Reitkunst und Kunstreiter neu herausgegeben. Preis geheftet Mark 2.40, gebunden Mark 2.80. Sechstes Bändchen : Ein Besuch in Trakehnen im Sommer. Eine Reise-Erinnerung von P. A. H. Mit einem Plan des Gestüts und einigen Abbildungen. Preis geheftet Mark 1.—. Achtes Bändchen : Das Karussel-Reiten mit genauer Erklärung aller Figuren und Kommandos. Von Heinrich Stiller, Stallmeister und Reitlehrer. Mit 81 Holzschnitten und 1 Kunstbeilage. Preis geheftet Mark 5.50, geb. Mark 6.—. Zehntes Bändchen : Das Damen-Reiten. Ratschläge für Anfängerinnen in der Reitkunst. Von E. Zobel, Generalmajor z. D. Preis geheftet Mark 1.60, gebunden Mark 2.—. STUTTS*.TCR NS-BUCrtORUCKEREI. ferung 6, Preis Mk. 1.50. hunj^jescHlch fkKeriskischen ' Graf CG. Wränge l Verlag von SchirkkrcJbEl3ner ( lAonrad Wi^Kver Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30. — . ^=: Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart. Bibliothek *-^-» Jeder Band bildet ein in sich abgeschlossenes Ganzes und ist einzeln käuflich. ^Os^'^Ss^^^^ c^^r^ für Pferdeliebhaber. Erstes Bändchen : Die Lehre von der Beurteilung des Pferdes in Bezug auf Körperbau und Leistung in leichtverständ- licher Sprache dargestellt von P. Adam, Kgl. Bayer. Landgestüts-Direktor. — 2. vermehrte Auflage. — Mit vielen Abbildungen in Holzschnitt. Preis geheftet Mark 3.—, geb. Mark 3.40. Drittes Bändchen : Beschreibung der vorzüglichsten Pferde -Rassen von G. Schwarznecker und W. Zipperlen, Gestütsdirektor Professor. Zugleich Textband zu den Abbildungen vorzügl. Pferde- rassen, gezeichnet und lithographiert von Emil Volkers. Zweite Auflage. Preis geheftet Mark 2.—, geb. Mark 2.40. Fünftes Bändchen : Hippologisches Wörterbuch enthaltend eine kurze Erklärung der im Gebiet der Pferdekunde und Reitkunst am häufigsten gebrauchten Wörter und Ausdrücke. Bearbeitet von Obertierarzt P. Deseler. Preis geheftet Mark 2.—, gebunden Mark 2.40. Siebentes Bändchen: Der Training des Pferdes zu verschiedenen Gebrauchszwecken. Nach den besten Quellen und auf Grund persönlichei Erfahrung geschildert von Graf C. G. Wrangel. Mit 9 Abbildungen. Preis geheft. M. 3.—, geb. M. 3.40. Neuntes Bändchen : Die Sattel- u. Geschirrdrücke und deren Heilung. Bearbeitet von L. Hoffmann, Professor an der königl. tierärztlichen Hochschule in Stuttgart. Preis geheftet Mark 3.—, geb. Mark 3.40. Zweites Bändchen : Die Gesundheitspflege der Pferde in Bezug auf die Benutzung. In leichtfasslicher Art bearbeitet von August ZÜndel, Landestierarzt. Mit vielen Abbildungen. Preis geheftet Mark 4.—, gebunden Mark 4.40. Viertes Bändchen : Baptist Loiset's praktischer Unterricht in Kunstdarstellungen mit Pferden oder Anleitung den Pferden all' die Kunstfertigkeit zu lehren, wie man sie bei den Kunstreitern ausführen sieht. Mit einer Selbst-Biographie und Betrachtungen über Reitkunst und Kunstreiter neu herausgegeben. Preis geheftet Mark 2.40, gebunden Mark 2.80. Sechstes Bändchen: Ein Besuch in Trakehnen im Sommer. Eine Reise-Erinnerung von P. A. H. Mit einem Plan des Gestüts und einigen Abbildungen. Preis geheftet Mark 1.—. Achtes -Bändchen : Das Karussel-Reiten mit genauer Erklärung aller Figuren und Kommandos. Von Heinrich Stiller, Stallmeister und Reitlehrer. Mit 81 Holzschnitten und 1 Kunstbeilage. Preis geheftet Mark 5.50, geb. Mark 6.—. Zehntes Bändchen : Das Damen-Reiten. Ratschläge für Anfängerinnen in der Reitkunst. Von E. Zobel, Generalmajor z. D. Preis geheftet Mark 1.60, gebunden Mark 2.—. «\, ef erung *?. Preis Mk. 1.50. Bie fm/ r># -*! Jhre iHtstehun3,jeschichHicheEni:wicKlung ftcharakteriskiscHen Kennieichen von A ifan^ Vertag von SchickhardiÄ-Elner (nonrad VvihKver) = Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30.— . Begleitwort. Es herrscht in der hippologischen Literatur kein Mangel an Be- schreibungen der verschiedenen Pferderassen. Trotzdem ist gerade das Studium der Rassenlehre auf dem Gebiete der Pferdekunde noch immer mit ernsten Schwierigkeiten verknüpft. Die Erklärung fi^ir diese befremdende Tatsache liegt teils in dem Um- stände, dass derjenige, der Näheres iäber eine bestimmte Pferderasse zu erfahren wünscht, sich in der Regel genötigt sieht, eine ganze Reihe in- und ausländischer Werke durchzublättern, bevor er die ihn interessierende Auskunft findet — wenn sie überhaupt zu finden ist — , teils auch darin, dass die der speziellen Rassekenntnis gewidmeten Arbeiten den reich- haltigen Stoff gar zu flüchtig behandelt haben oder über denselben nur gänzlich veraltete Angaben enthalten. Wir glauben daher uns keiner Täuschung hinzugeben, wenn wir annehmen, dass eine gross angelegte Rassenlehre, die dem Leser sämt- liche, in den verschiedenen Weltteilen existierenden Pferderassen, deren Ursprung, ältere Geschichte, spätere Entwickelung, heimatlichen Zucht- verhältnisse, charakteristischen Kennzeichen, gegenwärtigen Standpunkt, gewöhnliche Verwendung und erwiesene Bedeutung in lebhaften, reich illustrierten, ausführlichen und aktuellen Schilderungen vorzuführen ver- möchte, im Kreise unserer Züchter und Pferdefreunde freudig willkommen geheissen werden würde. Von dieser Überzeugung ausgehend haben wir den Verlag von dem unter dem Titel Die Rassen des Pferdes ihre Entstehung, geschichtliche Entwickelung und charakteristischen Kennzeichen erscheinenden neuesten Werk des rühmlichst bekannten hippologischen Schriftstellers Graf C. G. Wrangel erworben, welche Arbeit berufen erscheint, ebenso wie das bekanntlich gleichfalls in unserem Verlag herausgegebene ,,Buch vom Pferde" Fortsetzung siehe 3. Seite des Umschlags i das bereits vier hohe Auflagen erlebt hat, einen Ehrenplatz unter den „Standard works" der hippologischen Literatur einzunehmen. Graf Wrangel ist durch jahrelange Vorarbeiten, Studienreisen und Verbindungen mit bedeutenden Züchtern des In- und Auslandes in den Besitz eines so reichhaltigen Materials gelangt, dass seine „Rassenlehre", was Vollständigkeit und Gründlichkeit anbelangt, alles übertreffen dürfte, was — gleichviel in welcher Sprache — bisher auf diesem Gebiet erschienen ist. Wer die früheren Arbeiten dieses Verfassers kennt, wird auch von vornherein überzeugt sein, dass wir dem Leser des neuesten Wrangei- schen Werkes mit voller Zuversicht eine überaus fesselnde Lektüre in Aussicht stellen können. Unsere „Rassenlehre" beginnt mit einer ausführlichen Geschichte des Pferdes, bringt sodann eine umfangreiche Schilderung der arabi- schen, englischen und anglo-arabischen Vollblutrassen und lässt hierauf in selbständigen Kapiteln die verschiedenen warm- und kalt- blütigen Rassen Europas, Amerikas, Australiens, Afrikas und Asiens vor dem Auge des Lesers vorüberziehen. Besonderes Gewicht ist durchweg auf lebenswahre, künstlerische Illustrationen gelegt worden, bei deren Herstellung von uns keine Kosten gescheut wurden. Für das Erscheinen des neuen Graf Wrangeischen Rassen- werkes sind 20 Lieferungen von je 4—5 Druckbogen mit zahlreichen Abbildungen vorgesehen, die in 4- bis 6 wöchentlichen Zwischenräumen zur Ausgabe gelangen werden. Der Preis jeder Lieferung beträgt Mk. L50 (K. 1.80 ö.W.; Pres. 2.—; 83 Kop.). Bestellungen auf das Werk vermittelt jede Buchhandlung, wie auch die unterzeichnete Verlagshandluno-. Hochachtungsvoll Stuttgart. Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) Verlagsbuchhandlung. Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart. Graf C. G. Wrangel: Das Buch vom Pferde. Ein Handbuch für jeden Besitzer und Liebhaber von Pferden. Vierte vermehrte und verbesserte Auflage. 2 Bände mit 918 Abbildungen im Text, 20 Vollbildern und dem Porträt des Verfassers. Preis geheftet Mk. 20.—, in 2 eleganten Original-Halbfranzbänden gebunden Mk. 25.—. Ung-arns Pferdezucht = in Wort und Bild. = Vier Bände mit 148 Vollbildern und vielen Abbildungen im Text. I. und II. Band : Die kgl. ungarischen Staatsgestüte. III. und IV. Band : Die ungarische Landespferdezucht und die Privatgestüte. Preis: Band I. und II. ge! eftet Mk. 28.— , in Original-Halbfranzband gebunden Mk. 32.— , „ „ 111. „ IV. ,, ,, 28. — , M „ „ 32.—. Taschenbuch ^^«> des Kavalleristen. Enthaltend die Grundlagen der Pferdekunde zum Selbststudium und zum Gebrauch an militärischen Unterrichtsanstalten. Zweite verbesserte Auflage. Mit 197 Abbildungen in Holzschnitt. Preis in Originalleinenband gebunden Mk.3.— . Der Training des Pferdes zu verschiedenen Gebrauchszwecken. Nach den besten Quellen und auf Grund persönlicher Erfahrung geschildert. Mit 9 Abbildungen. Preis geheftet Mk. 3.—, gebunden Mk. 3.40. Einiges über Fahren. Mit 13 Abbildungen. Preis geheftet Mk. 1.20. Das Luxus=Fuhrwerk. Ein Handbuch für Equipagenbesitzer. = Mit 134 Abbildungen. Preis geheftet Mk. 10.—, in eleg. Originalleinenband mit farbiger Reliefpressung geb.Mk.l2. iferung 8. Preis Mk. 1.50. Grix| CG^-Wran^fel Verlag von ucliirkfiardii- Einer ( Aonrad Vviikver) Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Geoamtpreis des Werkes Mk. 30.—. =z Verlag- von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart, UNSERE PFERDE Sammlung zwangloser hippologischer Abhandlungen. Heft 1. Kavalleristische Gedanken mit lie- souderer Berttck.sichtigmiir der \ic- moiiteiiabrichtuiifr. Von eiiieiu ehe- maligen österr. Reiteroffizier. Heft 2. Das Metlerbrechcn von Renn- nml Reitiiferden in schnellen Gangarten etc. Von Oberst a. D. Spohr. Mit 2 Abbildungen. Heft 3. Einiges über Fahren von Graf C. G. Wrangel. Mit 13 Abbildungen. Heft 4. Über Reitinstruktionen, die Gehlnst des Pferdes und das Springen der Pferde. Drei Aufsätze von Otto V. Monteton. Heft 5. Die Zänimingsfrase bei Renn- und Reitpferden. Eine fachmännische Studie über deren heutigen Stand. Von Oberst a. D. Spohr. Mit 15 Ab- bildungen. Heft 6. Einfluss von Dressur. Übung und Erziehung auf das Kriepspferd. Von Oberstleutnant der Kavallerie a. D. von Sanden. Über statische Pferde. Von Otto v. Monteton. Die intellektuellen Eigenschaften (Geist xmd Seele) der Pferde. \on Prot. Dr. F. A. Zürn. Die Beschaffang der Remonten und ihre Ausbildung. Von 0. v. Monteton. Zum 25, jährigen Bestehen des Mili- tiir-Reitlehrer-Institutes in Wien. Einst und .Jetzt. Reiterliche Betrach- tungen an der Wende des Jahr- liunderts von W. v. Unger, Oberst. Vorbildliches Engl. Pferde - Zueht und -Pflege. Von Berth. Sehoen- beck, Stallmeister a. D. Zur Entstehung des Englischen Voll- blutpferdes. Von Riehard Henning, Major a. I). Nordamerikanische Pferde. Von Dr. Friedr. Wilhelm Dünkelberg, Geh. Regierungsrat. Verscliiedene Meinungen über die Ausbildung von Reitpferden. Von Oberstleutnant a. D, v. Sanden. Vergleichende Wnrdigunff der Reit- .systeme von Baucher, Fillis, Pliiizner und der Instruktion zum Keitunter- richt für die Kavallerie vom 'M. Aug. 1882. Von Oberleutnant Lauffer. Heft 17. Unsere Pferde im Kriege. Von Ol)erstleutnant der Kavallerie a. D, v. Sanden. Heft 18. Das Pferd und das Automobil. Von Obei'stleutnant a. I), v. Westrell. Heft 7 Heft 8. Heft 9. Heft 10 Heft 11. Heft 12 Heft 13 Heft 14 Heft 15 Heft 16 Heft 19. M. 1.- Heft 20. 1\1 Heft 21. M. 1.20 Heft 22. Heft 23. M. Heft 24. M. 1.5U Heft 25. M. 1.- Heft 26. M. Heft 27. M. l.;)0 Heft 28. J[. 1.- M. 1.- Heft 29. M. 1.50 M. I.- Heft 30 M. I.SO Heft 31. M. 1.- Heft 32. M. 1 .„ M. 1 M. 1. M. 1. Heft 33. Heft 34. Artilleristische Ausbildung v. Reiter u. Pferd. Verbesserungsvorschläge. Von Waldow. M. 1.50 Das Geheimnis des Sitzes. Von Hengist Horsa. M. 1.— Woran krankt unser Herrensport? Hat das Rennreiten praktischen Wert? Von Clemens Gallus, k. u. k. Lieutenant. M. 1.— Die Arbeit der jungen Remonte von Juli bis Anfang Oktober. Von M. H B. M. 1.20 Aphorismen zur Naturgeschichte, Gharakteristik und Kultur des Pferdes. Von Rieh. Sehoenbeck, Major a. D. Mit 12 Abbildungen. M. 2.- Über Leistungen des englischen Vollblutpferdes. Von Rieh. Henning, Major a. D. M. 1 20 Ans der Rennkampagne des Jahres 1902. Von Dr. Fr. W. Dünkelberg, Geheimer Regierungsrat. Jl. 2.— Die Pferderassen des Xiederlän- disch-lndisclien Archipels. Skizze von J. CA. W. Freih. v. Haerdtl M. 1 - Der Offizier als Reitlehrer der Re- kruten. Von Freiherr v. Esebeck. M. 1.— Die Logik. in der Reitkunst. Erster Teil: tjber die Beziehungen der Reit- und Dressurhilfen zu der ana- tomischen Mechanik des Pferdes. Von Oberst a. D. Spohr. (Zweiter Teil siehe Heft 32). M. 2 80 Georg Engelhardt von Löhneysen, ein Meister deutscher Reitkunst vor dreihundert .Jahren von M.v. Unger, Oberst und Konunandenr der 20. Kavalleriebrigade. M. 1.50 Jagdpferde. Zusammengewürfelte Gedanken über Jagd und Zucht von Freiherr A. H. von Esebeck. M. 1.— Das Huzulenpferd. Eine züchterische .Studie nach Untersuchungen in seiner Heimat. Von Dr A. Osowieki. Mit 4 Abbildungen und 1 Lageplan. M. 1.50 Die Logik in der Reitkunst. Zweiter Teil: Die elementare Reit-Dressur auf Grund der mit der Mechanik des Pferdes übereinstimmenden Hilfen. Blit 6 Abbildungen. Von Oberst a. D. Spohr. (Erster Teil siehe Heft 28). M. L.'SO Das arabische Pferd in Slawuta und anderen Gestüten des südwestlichen Russlands. Von Dr. B. v. Lukomski. Mit 20 Abbildungen. M. 1 50 Die wichtigsten Gestüt.sbrände in Österreich-Ungarn u. Deutschland. Von IMajor Gassebner. Jlit 207 Brandzeichen. M. 3. — Die Sammlung wird fortgesetzt! o o o o o Illustrierte Sport -Prospekte gratis und franko! o o o o o TTGAflTER VEPEINS-BUCH ^terung 9. Preis Mk. 1.50. «ceharakteristischen Graf C.GuWran^el Verla g von D cnixkna raljr L bner ( ix onra d Wi l"Kver Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30.—. = Verlag von Schickhardt & Ebner (Konrad Wittwer) in Stuttgart. Bibliothek ^^^^ C^sT^ Jeder Band bildet ein in sich abgeschlossenes Ganzes und ist einzeln käuflich, ^^^is^^j,^^^^ für Pferdeliebhaber. Erstes Bändchen : Die Lehre von der Beurteilung des Pferdes in Bezug auf Körperbau und Leistung in leiclitverständ- licher Sprache dargestellt von P. Adam, Kgl. Bayer. Landgestüts-Direktor. — 2. vermehrte Auflage. — Mit vielen Abbildungen in Holzschnitt. Preis geheftet Mark 3.—, geb. Mark 3.40. Drittes Bändchen Beschreibung der vorzüglichsten Pferde-Rassen von G. Schwarznecker und W. Zipperlen, Gestütsdirektor Professor. Zugleich Textband zu den Abbildungen vorzügl. Pferde- rassen, gezeichnet und lithographiert von Emil Volkers. Zweite Auflage. Preis geheftet Mark 2.^, geb. Mark 2.40. Fünftes Bändchen : Hlppologlsches Wörterbuch enthaltend eine kurze Erklärung der im Gebiet der Pferdekunde und Reitkunst am häufigsten gebrauchten Wörter und Ausdrücke. Bearbeitet von Obertierarzt P. Deseler. Preis geheftet Mark 2.—, gebunden Mark 2.40. Siebentes Bändchen: Der Training des Pferdes zu verschiedenen Gebrauchszwecken. Nach den besten Quellen und auf Grund persönlichei Erfahrung geschildert von Graf C. G. Wrangel. Mit 9 Abbildungen. Preis geheft. M. 3.—, geb. M. 3.40. Neuntes Bändchen : Die Sattel- u. Geschirrdrücke und deren Heilung. Bearbeitet von L. Hoffmann, Professor an der königl. tierärztlichen Hochschule in Stuttgart. Preis geheftet Mark 3.—, geb. Mark 3.40. Zweites Bändchen : Die Gesundheitspflege der Pferde in Bezug auf die Benutzung. In leichtfasslicher Art bearbeitet von August Zündel, Landestierarzt. Mit vielen Abbildungen. Preis geheftet Mark 4.-, gebunden Mark 4.40 Viertes Bändchen: Baptist Loiset's praktischer Unterrii' ^a Kunstdarstellungen mit Pfe ]|n oder Anleitung -■•■ den Pferden all' die Kunstfertigkeit zu lehren, wie man sie bei den Kunstreitern ausführen sieht. Mit einer Selbst-Biographie und Betrachtungen über Reitkunst und Kur.lreiter neu herausgegeben. Preis geheftet Mark 2.40, gebunden Mark '80.- ' Sechstes Bändchen ; Ein Besuch in Trakehnen im Sommer. Eine Reise-Erinnerung von P. A.t.' Mit einem Plan des Gestüts und einigen Abbildun-ei^.' Preis geheftet Mark 1.—. Achtes Bändchen : Das Karussel-Reiten mit genauer Erklärung aller Figuren und Kommandos. Von Heinrich Stiller, Stallmeister und Reitlehrer Mit 81 Holzschnitten und 1 Kunstbeilage. Preis geheftet Mark 5.50, geb. Mark 6.—. Zehntes Bändchen : Das Damen-Reiten. Ratschläge für Anfängerinnen in der Reitkunst. Von E. Zobel, Generalmajor z. D. Preis geheftet Mark 1.60, gebunden Mark 2.-. iferung 10. Preis Mk. 1.50. e Iftlstfihynj^jescliicfiHIIIM^cKlwng %on Graf CG^. Wränget l-uttigart: Ve^flag von SchfrkliarcJkEUer ( nonrad Wi Wvver I Vollständig in 20 Lieferungen ä Mk. 1.50. Gesamtpreis des Werkes Mk. 30. — . z^ tv 0 (T^ ff o PO jo O (vi