Columbia ©mberöttp mtfjeCttpofi5eto|9ork COLLEGE OF PHYSICIANS AND SURGEONS Ü9fr Reference Library Given by Dr. phil. Mit einer Vorrede von Dr. W. Preyer, o. ii. Professor der Physiologie und Director des physiologischen Institutes der Universität Jena. (Separatabdruek aus der Jen. Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. XVII. N. F. X. Bd.) -e O Q- Jena, Verlag von Gustav Fischer 1884 -. QT251 r* n 0. Vorrede. Der Aufforderung zu diesem Buche eine Vorrede zu schrei- ben, entspreche ich um so lieber, als mir dadurch erwünschte Ge- legenheit geboten wird, öffentlich meine Zustimmung zu den Grund- linien der darin vorgetragenen neuen Theorie auszusprechen und zugleich auf die allgemeine Bedeutung derselben aufmerksam zu machen. Die Hauptsache ist, dass hier zum ersten Male eine in sich widerspruchfreie und mit vielen bekannten Thatsachen überein- stimmende Antwort auf die alte Frage nach der Ursache des nu- merischen Geschlechtsverhältnisses bei Pflanzen, Thieren und Men- schen gegeben wird. Die Wahrnehmung, dass die Anzahl der männlichen Indivi- duen zu der der weiblichen in einem bestimmten Verhältnisse steht, Hess schon längst die Vermuthung einer Regulierung durch Zu- sammenwirken derjenigen Factoren, welche das Geschlecht bestim- men, entstehen. Hr. Düsing forschte diesen Factoren nach und erkannte bald im Gegensatze zu seinen Vorgängern, welche nur nach einer Ursache der Geschlechtsentscheidung suchten, dass mehrere von einander unabhängige Umstände das Geschlecht be- stimmen. Er stellte dann die Annahme auf, dass die sich sexuell fortpflanzenden Wesen vermöge der Wirkung jener Umstände, be- sonders der Ernährung, auf ihre Genitalapparate bei Mangel an Individuen des einen Geschlechtes von diesem mehr und von dem entgegengesetzten weniger erzeugen müssen, und dass diese phy- — TI — siologisch noch zu erklärende Eigenschaft , weil vorteilhaft für die Fortpflanzung, durch Naturzüchtung entstanden sei und erhalten werde: dabei habe aber gegenwärtig nicht allein factischer Mangel an Individuen des einen Geschlechtes die Mehrproduction zur Folge, sondern auch das. was ich den ..virtuellen11 Mangel nennen möchte, nämlich die Gesarnmtheit der Umstände, welche einem factischen Mangel an Individuen des einen Geschlechtes äquiva- lent sind; z. E. entspricht starke sexuelle Beanspruchung des Mannes auch bei grosser Anzahl der Männer für ihn dem Zu- stande des Mangels an Männern, desgleichen späte und seltene Ovulation der weiblichen Individuen für diese einem Mangel an männlichen Wesen, frühe und häufige einem Überfluss an sol- chen, wenn auch nur eines da ist. Mit dieser völlig neuen Auffassung kam Hr. Düsing nach Jena und fragte mich im Herbst 1882 nach meinem Urtheil über ihren Werth. Ich erklärte die Grundhypothese für höchst beachtenswerth. die Gleichsetzung des actuellen und virtuellen Mangels und Über- flusses für einen sehr glücklichen Gedanken , vor Allem aber ein- gehender Prüfung an der Erfahrung bedürftig. Denn die bis da- hin vom Verfasser gesammelten Thatsachen reichten zum Beweise seiner aus relativ wenigen Daten scharfsinnig abgeleiteten Lehr- sätze nicht aus. Die Hauptarbeit war also noch zu leisten. Diese hat aber im Jahre 1883 der Urheber der neuen Theorie — so kann sie sich jetzt nennen — mit grossem Fleisse zu Ende ge- führt. soweit es sich um Sammlung, Sichtung, kritische Verwer- thung und statistische Berechnung von früheren Angaben handelt. Der experimentellen Verification steht freilich noch die Schwie- rigkeit entgegen, dasa tausende von Einzelfällen beobachtet wer- den müssen. Ich schlug vor. ein paar Hundert weibliche Thiere, die sich in der Gefangenschaft schnell vermehren, mit einem ein- zigen zeugungskräftigen Männchen zusammen gegen alle anderen Männchen und Weibchen abzusperren und das Geschlecht der von ihnen erzeugten und sogleich entfernten Neugeborenen zu ermit- teln. Ist die Grundhypothese richtig, dann müssen innerhalb eines VII — langen Zeitraums in einem solchen Falle viel mehr männliche als weibliche Individuen zur Welt kommen. Die in meinem Institute seit zehn Monaten von Dr. Düsing selbst, dann von Dr. Walter nach dieser Richtung ausgeführten Versuche an Meerschweinchen und weissen Mäusen haben bis jetzt zu einer Entscheiduüg wegen zu kurzer Dauer nicht geführt; sie werden fortgesetzt und es soll später über den Erfolg berichtet werden. Weil aber der Abschluss leicht noch ein Jahr oder länger auf sich warten lassen kann und das unterdessen aus der Litera- tur gesammelte thatsächliche Material die Wahrscheinlichkeit der Düsing'schen Theorie erheblich gesteigert hat, so wäre es nicht gerechtfertigt, mit der Veröffentlichung dieses Materials zu zögern. Um so mehr ist die systematische Zusammenstellung und Drucklegung desselben geboten, als die vorläufige Mittheilung des Verfassers (in seiner Inauguraldissertation „Die Factoren, welche die Sexualität entscheiden". Jena 1883 und in der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissenschaft, 16. B. N. F. 9. B., 1883, S. 428) der Begründung bedarf und ausserdem Dr. Düsing aus unbenutz- ten Quellen (Geburtsregistern der Gebäranstalten, Abfohlungs- tabellen der Gestüte u. s. w.) neue Thatsachen deduciert hat, welche unabhängig von jeder Theorie bleibenden Werth haben, z. B. das mit Zugrundelegung von 700,000 Fohlengeburten ermittelte Über- wiegen männlicher Pferde nach starker geschlechtlicher Beanspru- chung des Hengstes. Diese Bemerkung erläutert zugleich die vom Verfasser überall angewendete Methode. Es handelt sich gar nicht etwa um ein geistreiches Apercu, um eine Speculation auf Darwinistischer Grund- lage, die durch viele geschickt ausgesuchte Thatsachen plausibel gemacht würde, sondern es liegt hier ein, abgesehen von einzelnen formalen Härten, sachlich den strengsten Anforderungen gerecht werdendes, für die Zeugungslehre hochwichtiges Werk vor, in wel- chem aus meistens bekannten aber unvermittelten singulären That- sachen neue allgemeine Thatsachen und Lehrsätze abgeleitet und gegen Einwände durch die Berufung auf die Erfahrung und durch einfache Überlegungen auf fester empirischer Grundlage geschützt werden. — vni — Selbst im Falle neue Bedenken die Theorie zu modifizieren nöthigen sollten, bezeichnet sie doch einen wesentlichen Fortschritt in der Erkenntniss der organischen Natur und kann von grosser praktischer Bedeutung werden, sofern sie die willkürliche vorherige Geschlechtsbestimmung innerhalb gewisser Grenzen an die Herbei- führung genau angebbarer Bedingungen knüpft. Wenigstens folgt aus dem bis jetzt festgestellten Befunde, dass im Allgemeinen die Befruchtung eines jungen Eies mit altem Sperma bei guter Er- nährung der Mutter öfter weibliche als männliche, die eines alten Eies mit jungem Sperma, zumal bei etwas mangelhafter Ernährung der Mutter öfter männliche als weibliche Früchte zur Folge ha- ben muss. Doch ich will dem Verfasser, meinem jungen Freunde und einstigen eifrigen Zuhörer, nicht vorgreifen, diese seine Arbeit em- pfehlenden Worte mit dem Wunsche beschliessen , dass dieselbe eine allgemeine Beachtung finden möge, und nur noch die Bitte an die Leser hinzufügen, die neue Lehre nicht einseitig, etwa nur vom statistischen, nur vom zoologischen oder botanischen Stand- punkte aus zu beurtheilen, sondern als das gelten zu lassen, was sie zu sein beansprucht: eine biologische Theorie. Ihr entgegen- stehende Bedenken wolle man ebenso zu unserer Kenntniss bringen, wie etwa sie bestätigende Thatsachen. Jena, am 2. Juni 1884. Professor Dr. W. Preyer. Inhaltsübersicht. Einleitung. Seite A. Wichtigkeit aller das Geschlecht betreffenden Erscheinungen XIII 1. Concurrenz der Organe um die Nahrung . . . XIII 2. Exceptionelle Stellung des Genitalapparates . . . XVI B. Das Sexualverhältniss XVII 1. Bisherige Leistungen • XVII 2. Neue Entwicklung vom Standpunkt der natürlichen Zuchtwahl XVIII Die Regulierung. A. Umstände, die nur einen der beiden Erzeuger betreffen. 1. Directe Ursache: Wirklicher Mangel an Individuen des einen Geschlechtes 3 a. Verzögerte Befruchtung des Individuums . . 13 b. Geschlechtliche Beanspruchung 19 c. Verzögerte Befruchtung des Eies 29 d. Arrenotokie 40 e. Bei Pflanzen 49 2. Indirecte Ursachen, die einem Mangel an Individuen aequivalent sind 58 a. Mangelhafte Ernährung 58 b. Belatives Alter 66 3. Zusammenfassung '4 B. Umstände, die beide Erzeuger betreffen 1. Die Ernährung des Genitalsystems 77 a. Einfluss auf die Beproduction überhaupt . . 77 a. Die Stärke der Beproduction . . . . 77 ß. Die Begulierung derselben 90 aa. Beim Menschen 95 — X — Seite bb. Bei Tieren 100 cc. Bei Pflanzen 112 dd. Nachträgliche Regulierung . . 117 b. Einfluss auf das Sexualverhältniss .... 121 a. Die Ernährungsverhältnisse der Ge- schlechter 121 ß. Die Regulierung des Sexualverhältnisses 139 ß'. Unter gleichen Ernährungsver- hältnissen 143 ß'. Unter ungleichen Ernährungsver- hältnisssen 150 aa. Beim Menschen . . . 150 bb. Bei Tieren 180 cc. Thelytokie 190 dd. Knospung und Teilung . 208 ee. Paedogenesis 212 ff. Bei Pflanzen 213 2. Inzucht 237 3. Specielle Anpassungen 2b7 C. Resultat 276 Die Entstehung' des Geschlecktes. A. Vorgang der Geschlechtsentstehung 278 B. Zwitterhafte Bildungen 280 C. Schlusswort 286 Nachtrag 288 Einleitung. A. Wichtigkeit aller das Geschlecht betreffenden Erscheinungen. 1. Concurrenz der Organe um die Nahrung. Es ist eine mannigfaltige Reihe von Umbildungen , welche uns in der Entwickelungsreihe der Tiere entgegentritt. Bald sehen wir, wie sich bei dem einen Tier Muskeln und Klauen, die ihm zum Ergreifen der Beute dienen , gewaltig ausbilden , bald sehen wir, wie die vordem oder hintern Extremitäten oder der Hals eine ganz enorme Grösse erlangen, je nachdem dies dem Tier in irgend einer Hinsicht nützlich ist. Solche günstige Eigenschaften erscheinen aber höchstens bei einem einzelnen Tiere plötzlich, von einer grösseren Anzahl werden sie stets langsam dadurch erwor- ben, dass ein Körperteil sich nach und nach stärker ausbildet, oder ein anderer unnützer langsam reduziert wird. Ein solches verstärktes Wachstum eines Körperteiles, das z. B. durch häufigeren Gebrauch herbeigeführt werden kann , ge- schieht stets auf Kosten aller übrigen Teile, deren Nahrungszufuhr wenigstens relativ beschränkt wird. Verbraucht aber ein Organ infolge seiner Verkümmerung immer weniger Stoffe, so verbessern sich die Ernährungsverhältnisse aller übrigen Körperteile, insofern sich in ihnen der Stoffwechsel reger gestalten wird. — Ich rede natürlich nur von den Schwankungen in der allmähligen Entwicke- ln g der Tiere und schliesse pathologische Erscheinungen voll- ständig aus. — Zwischen den einzelnen Teilen des Körpers findet also so zu sagen eine Concurrenz um die Nahrung statt, in wel- cher bald der eine, bald der andere einen grössern Vorteil er- reicht. Bei diesem fortwährenden Auf- und Abschwanken in der relativen Ausbildung der einzelnen Organe bemerken wir oft, wie ein Körperteil von der ersten schwachen Differenzierung zu immer höherer Ausbildung und Wichtigkeit gelangt, während alle übrigen Organe zu seinen Gunsten sich schwächer entwickeln, ja sogar — XIV — bis zur Verkümmerung und zum schliesslichen Verschwinden sich zurückbilden können. Bei Gartenpflanzen ist es leicht, diese Wechselbeziehung zwi- schen den verschiedenen Organen zu zeigen. Schneidet man ihnen Stengel und Sprosse, so erhält man mehr Früchte, verhindert man aber die Fruchtbildung, so treiben sie mehr Sprosse und Blätter. Auf diese Weise lässt der Gärtner das eine Organsystem sich auf Kosten des andern entwickeln. Auch bei Haustieren geschieht Ähnliches. Wollen Landwirte bei Schweinen, Schafen etc. eine reichliche Fettablagerung erzielen, so entfernen sie die Genitalor- gane durch Herausschneiden. Bei gleicher Nahrungsaufnahme können alsdann die übrigen Teile besser ernährt werden. Darwin1) ist mehr geneigt, die Rückbildung von Organen nur allein der natürlichen Zuchtwahl zuzuschreiben. Indessen giebt er zu, dass bei domestizierten Tieren das Princip der Com- pensation häufig in betracht kommt. Es ist nötig, seine eigenen Worte anzuführen : „Der ältere Geof fr oy und Göthe haben ihr Gesetz von der Compensation der Entwickelung fast gleichzeitig aufgestellt, wonach, wie Göthe sich ausdrückt, die Natur genötigt ist , auf der einen Seite zu sparen , was sie auf der andern mehr giebt. Dies passt in gewisser Ausdehnung, wie mir scheint, ganz gut auf unsere Kulturerzeugnisse: denn wenn einem Teile oder Organe Nahrung im Überfluss zuströmt, so kann sie nicht, oder wenigstens nicht im Überfluss, auch einem andern zu teil werden, daher man eine Kuh z. B. nicht zwingen kann, viel Milch zu geben und zugleich fett zu werden. Ein und dieselbe Kohlvarietät kann nicht eine reichliche Menge nahrhafter Blätter und zugleich einen guten Ertrag von Öl-Samen liefern. Wenn in unserm Obste die Samen verkümmern, gewinnt die Frucht selbst an Grösse und Güte. Bei unsern Hühnern ist einer grossen Federhaube auf dem Kopfe gewöhnlich ein kleinerer Kamm beigesellt, und ein grosser Federbart mit kleinen Bartlappen verbunden. Dagegen ist kaum anzunehmen, dass dieses Gesetz auch auf Arten im Naturzustande allgemein anwendbar sei, obwohl viele Beobachter und namentlich Botaniker an seine Wahrheit glauben." Es ist mir unverständ- lich geblieben, wie gerade Darwin dazu kommt, die undarwi- nistische Behauptung auszusprechen, dass für domestizierte Tiere andere Gesetze gelten als für solche im Naturzustand. Auch bei diesen besteht eine Concurrenz der Organe. Wenn *) Entstehung der Arten. Übers, v. Bronn, pag. 158. — XV — die Nahrungszufuhr des einen Organs sich ändert, so muss hier- durch auch die Ernährung der übrigen Teile beeinflusst werden. Wenn ein Organ sich onto- oder phylogenetisch weiter ausbildet und mehr Nahrung beansprucht, so werden — wenn nicht etwa von da ab eine grössere Nahrungsaufnahme stattfindet — die übrigen Teile hierunter leiden, d. h. es werden sich ein oder mehrere Teile mehr oder weniger rückbilden. Centaurea jacea besitzt einen Blumenkopf von grosser Variabilität. Gewöhnlich sind alle Blüten des Köpfchens zweige- schlechtlich. Aber sehr häufig finden sich diöcische Pflanzen mit sämtlichen Übergängen vor, wie Hermann Müller 1) beobach- tete. Mit einer solchen Änderung der Scheibenblüten tritt zu- gleich eine Umwandelung der Randblüten ein. Diese geben näm- lich ihre Geschlechtsthätigkeit gänzlich auf, bilden dagegen die Blumenkrone sehr stark aus. Während letzteres eine entschieden nützliche Eigenschaft ist und durch Zuchtwahl immer mehr ge- steigert werden kann, sind die Geschlechtsorgane durchaus nicht schädlich und können nicht durch Zuchtwahl reduziert worden sein. Die Ursache ist vielmehr in der Beziehung zu suchen, in der diese beiden Organe stehen. Zwischen diesen einander be- nachbarten Teilen ist der sog. Kampf um die Nahrung sehr stark, d. h. ein grösserer Nahrungsverbrauch des einen bewirkt eine schwächere Ernährung des andern. Hermann Müller hat die Erscheinung in derselben Weise erklärt: „Soweit wir zu erkennen vermögen, werden also in den strahlenden Randblüten, während ihre Corollen sich stufenweise weiter vergrössern, die weiblichen Geschlechtsorgane funktionslos und fallen der Verkümmerung anheim, ehe noch ihre Funktion nutzlos geworden ist. Sie werden also jedenfalls nicht durch Na- turauslese beseitigt, sondern wahrscheinlich nur durch Entziehung des Säftezuflusses, den die Corolla in verstärktem Grade für sich in Anspruch nimmt." Bei Thymus Serpyllum, vulgaris undSatureja hor- tensis fand Ch. Darwin2), dass die weiblichen Pflanzen weit mehr Samenkörner produzieren als die hermaphroditischen. Es liegt auf der Hand, dass eine Blüte, welche der männlichen Funk- x) Hermann Müller, Die Vielgestaltigkeit der Blumenköpfe von Centaurea Jacea. Kosmos, 5. Jahrg., 1881 — 82, Bd. X, pag. 341. 2) Ch. Darwin, Die verschiedenen Blütenformen an Pflanzen der nämlichen Art. Übers, v. J. V. Carus, pag. 261 u. 262. — XVI — tion enthoben ist, die weibliche dem-entsprechend besser verrichten kann. Fällt die Ernährung der männlichen Organe fort, so kommt dies den weiblichen zu gute. Über das Gefülltwerden der Blüten sagt Darwin1): „In bezug auf die Ursache des Gefülltseins, welches, wie wir sehen, unter so verschiedenen Umständen auftritt, werde ich sofort zu zeigen versuchen, dass die wahrscheinlichste Ansicht die ist, dass unnatürliche Bedingungen zuerst eine Neigung zur Unfruchtbarkeit veranlassen und dass dann nach dem Princip der Compensation, weil die Reproductionsorgane nicht ihre eigenen Funktionen er- füllen, diese entweder in Kronenblätter entwickelt werden, oder sich überzählige Kronenblätter bilden." Diese Erscheinung lässt zugleich auch die Vermutung zu, dass jedes Organ infolge von Vererbung stets ungefähr dieselbe Nah- rungsmenge zugeführt erhält. Bildet sich dies Organ doch nicht aus, so kommt die Nahrung andern, namentlich den in der Nähe liegenden zu gute. Findet phylo- oder on togenetisch ein stärkeres Wachstum des einen Teiles statt, so werden bei gleich starker Nahrungsaufnahme unbedingt alle übrigen Teile zusammen weniger Nahrung erhalten, und es müssen sich ein oder mehrere oder alle übrigen Or- gane zurückbilden, wodurch die entstandene Diver- genz der Charactere verstärkt wird. 2. ExceptionelTa Stellung des Genitalapparates. i Ein Körperteil nimmt in bezug auf die Entwickelung eine ganz besondere, eigentümliche und deshalb sehr wichtige Stellung ein , es ist der Geschlechtsapparat. Sobald dieser in dem Kampf um die Nahrung durch die ab- oder zunehmende Ausbildung eines andern Körperteils beeinflusst wird, erfahren die oben angeführten Sätze einige Modificationen. Während nämlich die vollständige Verkümmerung eines Organs z. B. bei einem Entoparasiten für diesen eine relative Vervoll- kommnung sein kann , tritt dies niemals mit dem Genitalsystem ein , weil ja von seiner Leistungsfähigkeit die Stärke der Repro- l) Das Variieren der Tiere und Pflanzen. Übers, v. Carus, II. Band, pag. 167. — XVII — duction abhängt. Phylogenetisch werden die Fortpflanzungsorgane niemals rudimentär, wohl aber kann dies bei allen übrigen Orga- nen des Körpers eintreten. Sogar der Darmkanal kann verschwin- den, wahrend das Genitalsystem eine weit grössere Constanz zeigt. Als Heispiel können die Bandwürmer dienen. Während bei solchen Parasiten fast alle übrigen Organe wenig angestrengt sind und sich infolge dessen zurückbilden , wird der Fortpflanzungsapparat, der ja stets, wenn auch nur periodisch, angestrengt ist, in desto günstigere Ernährungsverhältnisse gebracht und erreicht dann auch eine kolossale Leistungsfähigkeit. Wenn hingegen die stärkere Ausbildung eines Körperteils, z. B. eines Muskels, dessen Kräftigung von erheblichein Vorteil für die Erhaltung des Individuums wäre, nur geschehen kann unter gleich- zeitiger starker Reduction des Genitalsystems, so wird sich eine solche, wenn auch sonst noch so günstige Eigenschaft nicht phy- logenetisch ausbilden können, da ihr die Möglichkeit der Verer- bung abgeschnitten ist. An einigen Bastarden sehen wir diesen Fall verwirklicht. Bei ihnen haben sich die zur Erhaltung des Individuums dienenden Organe auf Kosten der die Vermehrung besorgenden kräftiger ausgebildet. Daher können sich diese Tiere trotz ihrer allerdings nur für das Individuum günstigen Eigen- schaft gar nicht fortpflanzen und ihre Existenz verdanken sie auch nur abnormen Zeugungsverhältnissen. Aus dieser exceptionellen Stellung des Genitalapparates er- giebt sich die enorme Wichtigkeit desselben und aller das Ge- schlecht betreffenden Erscheinungen. Hui ger und Durst sind nicht allein die treibenden Motive im Leben de:- organisirten Welt. Die Befriedigung der Geschlechtsbedürfnisse könnte man sogar für weit einflussreicher halten, da sie es vor allem ist, welche die Fort- pflanzung und damit die Gestaltung der folgenden Generationen beeinflusst. Ich brauche nur an die Entstehung und Ausbildung der seeundären Geschlechtscharactere zu erinnern, welche ja ledig- lich Folgen des Fortpflanzungstriebes sind. B. Das Sexualverhältniss. 1. Bisherige Leistungen. Von den mit dem Geschlechtsleben verknüpften äussern Er- scheinungen ist namentlich die geschlechtliche Zuchtwahl schon oft Gegenstand der eingehendsten Untersuchungen gewesen. Die — XVIII — Erscheinungen der Befruchtung etc. stehen indessen noch uner- klärt da, und es ist kaum ein Versuch gemacht worden den Schleier zu lüften , der eins der tiefsten Geheimnisse der Natur verhüllt. Nur mit einer speciellen Erscheinung ist ein schwacher An- fang zur Erforschung gemacht worden , es ist die numerisch verschieden starke Ausbildung der Geschlechter, welche unter gewissen Verhältnissen auftritt. Den Anstoss zu den neuern Untersuchungen gaben Hofacker und Sadler, indem sie dem Einfluss des relativen Alters nachwiesen. Ploss, Thury, Janke und viele andere stellten Theorien über diese Erscheinun- gen auf. Burdach, Leuckart, Mayrhofer, Hensen lie- ferten Zusammenstellungen. Die umfassendste verdanken wir Dar- win. In seinem Buch über die geschlechtliche Zuchtwahl führt er eine Menge Thatsachen an, ohne indessen den vielverschlunge- nen Knoten lösen zu können. Er schliesst mit den Worten : „Ich sehe jetzt ein, dass dieses ganze Problem so verwickelt ist, dass es sicherer ist, seine Lösung der Zukunft zu überlassen." Fast ein jeder der vielen Forscher hat durch fleissige Beob- achtungen oder durch schwierige Experimente den Stand der Sache gefördert. Jeder arbeitete allerdings nur auf seinem speciellen Gebiete. Es widersprachen sich daher die mit grossem Eifer trotz enormer Schwierigkeiten gesammelten Thatsachen stets, was zu scheinbar unvereinbaren Meinungsdifferenzen führte. Hätte ein Forscher nur einmal eine umfassende Umschau über alle bekannten Thatsachen gehalten , so würde er sicherlich den innern Zusammenhang dieser sich scheinbar so widersprechenden Erscheinungen gefunden haben. Darum aber ist das Verdienst dieser Gelehrten nicht minder gering, denn nur auf Grund ihrer mannigfaltigen und mit objectivem Forschungseifer gesammelten Thatsachen ist es möglich dieses Problem zu lösen. Ich glaube nun, dass diese schon in genügender Zahl vorhanden sind, um bereits jetzt einen Versuch der Enträtselung wagen zu dürfen. 2. Neue Entwrickelung vom Standpunkt der natürlichen Zuchtwahl. Die Eigenschaft aller organisierten Wesen, welcher sie ihre mannigfaltige Entwicklung zu danken haben, ist ihre Variabilität. Die Tiere können in allen ihren Eigenschaften nach allen nur denkbaren Richtungen schwanken. Die Natur hingegen trifft unter diesen nur eine einseitige Auslese. Jedesmal, wenn ein Tier sich — XIX — zu seinem Nachteil umgeändert hat, wird es im Kampf ums Da- sein untergehn; dasjenige jedoch wird weiter [eben und sich fort- pflanzen können, bei welchem sich die betreffenden Organe gün- Btiger gestaltet haben. Das heisst, die Natur züchtet nur solche Eigenschaften, welche dem Tiere je nach seinen Lebensbedingungen nützlich sind. Die vollendete Thatsaehe erscheint uns dann nach- her gleichsam wie eine zu einem bestimmten Zweck getroifene Einrichtung. Nach Anerkennung der Wirkung der Variabilität und der na- türlichen Züchtung nützlicher Eigenschaften , wird man das Vor- handensein solcher bei einem Tiere vermuten dürfen, wenn man seine Lebensweise kennt. Die hierdurch gegebene geringe Wahr- scheinlichkeit wird aber erst durch die Beobachtung der That- sachen zur Gewissheit. Wissen wir z. B., dass ein Vogel auf dem Wasser schwim- mend seine Nahrung sucht, so dürfen wir folgendennassen schlies- sen: Diejenigen, deren gewöhnliche Vogelfüsse sich nicht an das Schwimmen angepasst haben, werden im Kampf ums Dasein unter- gehen , die Natur wird nur diejenigen für die Nachwelt auslesen, bei denen eine der Lebensweise entsprechende Ummodelung der Füsse stattgefunden hat. Wir können also mit mehr oder miu- der grosser Wahrscheinlichkeit von der Leben>weise auf das Vor- handensein einer entsprechenden Eigenschaft schliessen. Diese Wahrscheinlichkeit ist weit entfernt von einer Gewissheit, da ja die Anpassung eines Fusses an die Schwimmbewegung' in mannig- faltig anderer Weise bewerkstelligt werden könnte. Es lassen sich nun Umstände angeben, unter wel- chen bei Pflanzen und Tieren die M ehr pro duetion des einen Geschlechts von erheblichem Vorteil für die Fortpflanzung der Tiere ist. Es werden dann die- jenigen Tiere, welche unter solchen Verhältnissen dem Bedürfniss nach dem einen oder andern Geschlecht möglichst rasch abzuhelfen im stände sind — eben weil sie die misslichen Verhältnisse der Reproduction bessern — mehr Nachkommen hinterlassen und diesen mit ihren übrigen Eigenschaften auch die günstige vererben, unter solchen Umständen mehr des einen Geschlechts hervorzubringen. Wie bei jedem einzelnen Punkte noch besonders gezeigt werden soll, ist daher die Vermutung gerechtfertigt, dass die Natur solche nützliche Eigenschaften in bezug auf die Produktion der beiden Geschlechter gezüchtet hat. Mit dieser Überlegung ist natürlich nur eine gewisse Wahr- — XX — scheinlichkeit für ihr Vorhandensein und die Art und Weise der Entstehung dieser Eigenschaften gegeben. Der Beweis für ihr faktisches Dasein aber liegt in den vielen Thatsachen, die ich an- zuführen im stände biu. Es sollen einmal die Umstände angegeben werden, welche eine Mehrproduktion des einen Geschlechtes verlangen, und dann soll bei jedem einzelnen durch eine Menge zoologischer, botanischer und statistischer Thatsachen der Beweis geliefert werden, dass die Organismen auch wirklich die Eigenschaft haben unter solchen Umständen mehr Individuen des einen oder andern Geschlechtes zu produzieren. Ohne also irgend welche Theorie über Befruchtung etc. auf- gestellt zu haben , glaube ich im stände zu sein , eine Reihe von Faktoren angeben zu können , welche die Ausbildung des Embryo zum männlichen resp. weiblichen Geschlecht verursachen. Die Art und Weise , wie diese Umstände nun ihre Wirkung ausüben , bleibt allerdings vorläufig noch ein Rätsel. — Ebenso wenig, wie wir genau wissen, welche physiologischen Vorgänge mit den Erschei- nungen der Befruchtung verknüpft sind, ebenso wenig will ich eine physiologische Erklärung der Vorgänge liefern, welche die Ausbildung des Geschlechtes im Gefolge haben. Dies Ziel wird nicht eher erreicht werden können, als bis mehr Rätsel der Fortpflanzung gelöst sind. Der Gewinn aber ist der, dass hiermit der Weg gezeigt ist, auf welchem später einmal eine solche zu er- langen ist; denn zunächst muss man wissen, was überhaupt vor sich geht, ehe man erforschen kann, wie dieses stattfindet. Zu- nächst ist zu untersuchen, unter welchen Umständen eine Beein- flussung der Geschlechtsausbildung stattfindet und dann erst kön- nen die mit diesen Umständen verbundenen physiologischen Vor- gänge erörtert werden. Teilweise wird aber auch dieses schon geschehen können. Die Regulierung. A. Umstände, die nur einen der beiden Erzeuger betreffen. 1. Direkte Ursache: Wirklicher Mangel an Individuen des einen Geschlechtes. Alle Ursachen, welche das Geschlecht bestimmen, lassen sich einteilen erstens in solche, welche aus den Umständen des einen Erzeugers entspringen, während der andere sich in den entgegen- gesetzten Verhältnissen befindet, und zweitens in solche, welche auf beide Erzeuger gleichartig wirken. Die Untersuchung der ersteren muss zunächst vorgenommen werden. Die Besprechung des ersten auf das Geschlecht des Em- bryo einwirkenden Momentes liefert uns zugleich einen Einblick in die Entstehung dieser Arbeit. Zunächst zeigte sich, dass bei Tieren wie bei Menschen, die männlichen und weiblichen Indivi- duen stets und überall in einem ganz bestimmten Zahlenverhält- niss zu einander stehen. Beim Menschen werden stets ungefähr ebenso viel Knaben als Mädchen geboren, nämlich circa 106 Knaben auf 100 Mädchen. Die Knaben sind also anfangs in der Mehr- zahl; aber bei ihnen finden sich mehr Totgeburten und auch die Kindersterblichkeit ist bei ihnen grösser. Und zwar wird die Zahl der Knaben durch die beiden letzteren Einwirkungen so stark re- duziert, dass die Anzahl der beiden Geschlechter zur Zeit ihrer höchsten Reproductionsthätigkeit etwa die gleiche ist. Bei Feststellung des Sexualverhältnisses muss unter- schieden werden zwischen dem bei der Geburt und dem später herrschenden, wie auch aus folgendem Beispiel hervorgeht. A. v. Griesheim1) stellte das Geschlechtsverhältniss bei Rana fusca in der Umgegend von Bonn fest. Er fand unter 440 jungen Fröschen 160 Männchen (36,3$), ferner unter 245 Tieren 92 Männchen (37,5£). Pflüger2) erhielt unter 806 künst- lich aufgezogenen Fröschchen 288 Männchen (35,7 $). Diese waren direct nach der Metamorphose untersucht. 235 Tiere, die noch einen Monat länger erhalten wurden, lieferten 88 Männchen (37,4 $). Alsdann wurden 228 Fröschchen in der Natur gefangen, die seit zwei Monaten das Wasser verlassen hatten ; sie zeigten 35,5 $ Männchen. Indessen bleibt dieses Sexualverhältniss nicht be- stehen ; denn unter 253 zweijährigen Fröschen fanden sich 49,0 $ Männchen. Endlich wurden ältere Tiere untersucht, von denen circa ein Drittel drei Jahre alt waren. Von diesen waren unter 281 Tieren 49,4 £ und unter 64 derselben 57,8$, also im Durch- schnitt 51 }} Männchen. Dasselbe Verhältniss zeigte sich bei er- wachsenen Fröschen, die er aus Utrecht bezog; denn unter 297 fanden sich 48,8 $ Männchen, während unter einigen Hundert aus Utrechter Froscheiern gezüchteten Jungen nur 12 bis 14$ Männchen waren. Bei den aus Königsberg stammenden Fröschen waren die Männchen sowohl bei den jungen als auch bei den alten Tieren mit circa 48$ vertreten. Hieraus geht also hervor, dass bei den erwachsenen Fröschen das Sexualverhältniss stets 1 : 1 ist, dass bei den jüngeren jedoch meist die W eibchen überwiegen. Letzteres kann zum Teil dadurch bewirkt werden, dass sich unter den jungen sehr viel Hermaphro- diten finden, welche leicht für Weibchen gehalten werden können, wie Pflüg er nachgewiesen hat. Umgekehrt wie beim Menschen tritt also hier eine Reduction der Weibchen ein; bei beiden ist jedoch später das Verhältniss ungefähr 1:1. Beim Menschen überwiegen anfangs die männlichen, bei den Fröschen die weib- lichen Individuen; stets ist jedoch das Zahlenverhältniss ein be- stimmtes stets wiederkehrendes. *) Über die Zahlenverhältnisse der Geschlechter bei Eana fusca. Pflüger's Archiv 1881, pag. 237. 2) Zur Frage über die das Geschlecht bestimmenden Ursachen. 1. c. 1881, pag. 254. Hat die Concentration des Samens Einiluss auf das Geschlecht? 1. c. 1882, pag. 1. Über die das Geschlecht bestim- menden Ursachen und das Geschlechtsverhältniss der Frösche. 1. c. 1882, pag. 13. — 5 In Bezug auf die Geburten der Pferde hat Gochlert1) eine umfangreiche Zusammenstellung gegeben. Ich teile dieselbe hier mit: ZmIiI dor a, so dass A = b. a ist, so beträgt die zuerst erwähnte a z / b \ zweite Generation nur — 1 — l— 1 I Individuen, die zuletzt x V n J az/1 \ 1 -f- b n genannte aber - - ( - + b j, d. h. diese ist numerisch -, mal ö x V ii J b + n so stark als erstere. Indem man nun für n und b bestimmte — 11 — Werte einsetzt, kann man sich mit Hülfe dieser allgemeinen For- mel jeden speziellen Fall veranschaulichen. Für das normale Verhältniss n = 1 , also bei gleicher An- zahl von Männchen und Weibchen zur Reproductionszeit, wird , , = 1 für jeden Wert von b, d. h. welches das Sexualver- b + n J haltniss der Nachkommenschaft eines Weibchens auch sein mag, sie wird stets dieselbe Anzahl Individuen zweiter Generation liefern. Ganz anders gestaltet sich dies jedoch bei einem abnormen numerischen Verhältniss der beiden Geschlechter. Angenommen z. B. es seien zweimal so viel Männchen als Weibchen vorhanden, so würde das Verhältniss der Enkel -,~-r~^r sein. Produziert nun b -f 2 bei diesem Mangel an WTeibchen eins derselben z. B. 3mal so viel weibliche als männliche Junge, während ein anderes das umge- kehrte Verhältniss zeigt, so wird ersteres | mal so viel Enkel haben als letzteres ; denn für b = 3 wird -, , ~ = l. b -+- 2 5 Umgekehrt lässt sich für den Fall eines Mangels an Männ- chen (wenn n ein echter Bruch ist) zeigen, dass eine relativ stär- kere Production von männlichen Jungen (bei gleicher absoluter Reproductionsstärke (auch eine absolut grössere Vermehrung in der zweiten Generation zur Folge hat. Einen Einwurf nur ist es noch nötig zurückzuweisen. Es kann darauf hingewiesen werden, dass bei einem normalen Sexual- verhältniss z. B. unter den Menschen ein männliches Individuum einige hundert Nachkommen erzeugen kann, ein weibliches aber nur sehr wenige. Es wäre also meine Behauptung unrichtig, nach welcher bei normalem Sexualverhältniss jedes männliche und weib- liche Individuum durchschnittlich gleichviel Nachkommen produ- ziert. Allerdings ist die Möglichkeit vorhanden, dass unter einer bestimmten Anzahl von Individuen mit normalem Sexual- verhältniss ein männliches derselben bedeutend mehr Nachkommen produziere als ein weibliches. Die Verwirklichung dieser Möglich- keit ist aber eine in diesem Falle allerdings starke Abweichung von dem Durchschnitt ; die übrigen männlichen Individuen werden daher desto weniger Nachkommen erzeugen. Während also das weibliche Geschlecht eine weit grössere Constanz in der Stärke der Reproduction zeigt, können bei den männlichen Individuen — 12 — die grössten Schwankungen vorkommen. Es handelt sich aber bei der Berechnung nicht darum, wie weit die Extreme auseinander- fallen können, sondern darum, welches die Durchschnittszahl der Nachkommen ist; und diese hat unter normalen Geschlechtsver- hältnissen für männliche und weibliche Individuen dieselbe Grösse. Doch kehren wir zu unserer eigentlichen Aufgabe zurück. Es war bewiesen worden, dass bei einem abnormen Sexualverhält- niss ein Tier, welches mehr von den Individuen produziert, an denen es gerade mangelt, überhaupt mehr Nachkommen haben wird, als ein anderes, das sich nicht so verhält. Diese für die Re- production günstige Eigenschaft wird sich also auf sehr viele ver- erben und nach und nach sich immer mehr ausbreiten, d. h. es findet eine natürliche Züchtung derselben statt. Nachdem so die Möglickkeit der Erwerbung dieser Eigenschaft auseinander gesetzt wurde und wohl jeder Zweifel daran beseitigt sein wird, ist die Vermutung gerechtfertigt, dass eine solche nützliche Eigenschaft auch wirklich existirt. Der Beweis hierfür ist durch Thatsachen zu liefern. Man könnte mir vorhalten, ich sei nur durch Spekulation also auf rein deductivem Wege zu meiner Theorie gelangt. Dem ist aber nicht so. Eine grosse Zahl von Thatsachen hat mich vielmehr dazu gedrängt eine Regulierung des Sexualverhältnisses zu vermuten; denn diese Thatsachen zeigten mir eine unleugbare Regulierung. Also ein rein inductiver Weg führte zu dieser Ver- mutung. Dann aber bin ich selbstverständlich deductiv vorgegan- gen und habe immer nach neuen Anwendungen gesucht und immer neue Bestätigungen gefunden. Es wird besser sein diese Thatsachen nicht in der Reihenfolge, wie sie mich zu der Idee einer Regulierung gebracht und wie sie diese immer mehr bestätigt haben, sondern systematisch geordnet anzuführen, so dass jeder einzelne Punkt leicht übersehen und angegriffen werden kann. Eine grosse Zahl von Thatsachen spricht für die Theorie. Nur einzelne scheinen damit nicht im Einklang zu stehen. Man ist berechtigt zu vermuten, dass diese auf schlechte Beobachtung beruhen; denn sie werden durch bessere, umfassendere als nicht zutreffend erwiesen. Bei den meisten wird sich die Unzulänglich- keit sogar direct nachweisen lassen. Indessen habe ich auch diese ohne Ausnahme wiedergegeben, — 13 — so dass man sich ein vollständiges Bild aller bis jetzt über diesen Gegenstand bekannten Thatsachen machen kann. a. V e r zögerte Befruchtung des I n d i v i d u u m s. Schreiten wir nun zu den Anwendungen und Beweisen der durch die obige Überlegung veranlassten Vermutung, dass alle Tiere die Eigenschaft haben bei Mangel an Indivi- duen des einen Geschlechtes mehr derselben zu pro- duzieren, so bieten sich im täglichen Leben der Menschen Er- scheinungen, welche zeigen, dass bei einem Mangel an männ- lichen Individuen mehr Knaben geboren werden als unter norma- len Verhältnissen. In folge socialer Einrichtungen giebt es Frauen, welche erst relativ spät zum ersten Mal gebären, die also lange auf die erste Conception haben warten müssen, sich demnach in einem Zustand befinden, der bei Tieren einem grossen Mangel an Männchen ent- sprechen würde. Solche ältere Erstgebärende zeigen daher einen grossen Knabenüberschuss, der das Durch- schnittsmass bedeutend überschreitet. Wenn daher diese Verzöge- rung der Befruchtung nicht die Folge socialer Einrichtungen son- dern die eines wirklichen Mangels an männlichen Individuen wäre so würde auf diese Weise eine Regulierung des gestörten Sexual- verhältnisses stattfinden. Ahlfeld1) scheint zuerst auf diese Erscheinung aufmerksam gemacht zu haben. Er fand unter 102 Kindern von über 32 Jahre alten Erstgebärenden das Sexualverhältniss 137 : 100. Dieses wurde alsdann bestätigt von Hecker2), der unter 432 Früchten über 30 Jahre alter Erstgebärenden das Verhältniss 133 : 100 fand. Bei ebenso alten fandWinckell 136,8 Knaben auf 100 Mädchen. Ahlfeld und Schramm3) lieferten alsdann umfassendere Be- weise. Nach letzterem fand sich unter 1038 Kindern von über 28 Jahre alten Erstgebärenden das Verhältniss 124 : 100. Ferner !) Archiv f. Gynaekologie B. IV, p. 519. Ahlfeld: Die Ge- burten älterer Erstgeschwängerter. 2) I.e. B. VII, C.v. Hecker: Über die Geburten älterer Erst- gebärenden p. 458. 3) I.e. B. IX, p. 448. Ahlfeld: Über den Knabenüberschuss älterer Erstgebärenden. 14 — lieferte er diese Tabelle, aus der wir das Wachstum des Knaben- überschusses mit dem Alter der Erstgebärenden klar ersehen kön- Alter der Erst- Zahl der d dl 2 gebärenden Geburten $ 28 Jahre 273 143 130 110 29 172 93 79 118 30 164 88 76 115,8 31 103 60 43 139,5 32 , 80 42 38 110,5 33 66 37 29 127,6 34 58 35 23 152 35 40 29 11 265,4 36 , 29 19 10 190 37 , 70 38 32 119 nen. Je länger also die Betreffende auf die Befruchtung hatte warten müssen, je mehr sie den Mangel an männlichen Individuen empfunden hatte , desto tiefer wird auch die Einwirkung auf die Geschlechtsthätigkeit sein, desto mehr Knaben werden später geboren. Endlich hat E. Bidder x) eine grössere Zahlenreihe geliefert, welche in folgender Tabelle wiedergegeben ist. Auch hier zeigt sich der grosse Knabenüberschuss bei verzögerter Befruchtung, der mit der Länge der Verzögerung wächst. Alter der Erst- Zahl der d d\ 2 gebärenden Geburten $ 14. 15. 2 2 ] 136,2 16. 17. 135 77 58 18. 19. 750 389 361 107,7 20. 21. 991 495 496 99,8 22. 23. 971 516 455 113,4 24. 25. 675 363 312 116,6 26. 27. 341 189 152 124,3 28. 29. 205 111 94 118,0 30. 31. 186 97 89 109,0 32. 33. 73 40 33 121,2 34. 35. 52 31 21 147,6 36. 37. 36 20 16 125,0 38-50. 24 12 12 100 30-50. 371 200 171 117,0 Summa 4441 2342 2099 111,6 ') Zeitschrift f. Geburtshülfe u. Gynaekologie , Bd. II, Heft 2, — 15 — Auch ich stellte; nach den Protokollen verschiedener Gebär- häuser eine Tabelle auf. Die Zahlen aus Leipzig umfassen die Erstgeburten im dortigen Trierschen Institut von 1870 — 1882, die aus Dresden solche von L878 — 1882 und die aus Jena solche von 1861 1:881. Ich ergreife diese Gelegenheit, um den Herren Pro- fessoren Credo" in Leipzig, Winckell in Dresden, B. Schultze und Küstner in Jena meinen Dank auszusprechen für die Be- reitwilligkeit, mit der sie mir die Durchsicht der Journale ihrer Anstalten gestatteten. Wie man bei der Ansicht der Tabelle sieht, bestätigt sie die Regel, dass ältere Erstgebärende mehr Knaben gebären, dass Alter der Erst- gebärenden Leipzig Dre äden : 2 Jena Summa 15 1 -! l 1: — 3 2 ) 16 4 4 6 10 2: 2 12 16 (549:494 = 17 23 13 20 15 9: 7 52 35 [ m,l 18 67 55 103 :100 17: 13 187 168 19 110 103 152 141 33:29 295 273 ' 20 148 147 187 185 32 : 45 367 377 ( 807:781 = 21 157: 146 241 201 42:57 440 404 I 103,3 22 120: 133 191 207 48:53 359 393 j 903:962 = 23 106- 108 168 149 51 :51 325 308 j 93,9 24 71: 105 111 118 37:38 219 261 25 79: 57 73 72 35:27 187 156 1 26 45 35 60 43 20:20 125 98 (531:469 = 27 31: 35 52 55 10: 12 93 102 113,2 28 32 23 26 33 19: 16 77 72 29 19: 10 26 18 4: 13 49 41 ) 30 9: 15 30 13 9: 6 48 34 \ 31 3: 8 15 11 3: 3 21 22 32 5 6 12 9 7: 3 24 18 j 33 2: 2 5 5 5: 2 12 9 1 34 4 — 8 5 2: — 14 5 f 35 2: — 9 3 2: 1 13 4 1,156:104 = 150,0 36 1 — 3 3 1: 1 5 4 37 4: 1 4 3 1 : — 9 4 38 — 1 1 : — 1 1 39 — 4 — 1 :— - 5 _ 40 1: 1 2 1 1 : — 4 2 I 41 etc. — 1 — : — — 1 i Summa : 5 756 Seburten näm Lieh 2946:281 0 = 104,84. Stuttgart E. Bidder: Über den Einfluss des Alters der Mutter auf das Geschlecht des Kindes pag. 358. — 16 — ferner der Knabenüberschuss mit dem Alter steigt. Bemerkens- wert ist, dass auch im Anfang sich eine nicht unerhebliche Mehr- geburt von Knaben zeigt, eine Erscheinung, welche auch die Ta- belle von Bidder aufweisst. Ich werde hierauf später zurück- kommen. Jedoch scheint es viel weniger auf das Lebensalter der Erst- gebärenden anzukommen als vielmehr auf die Zeit, welche seit dem Beginne der Geschlechtsreife, seit der ersten Menstruation vergangen ist. Hiernach wird sich auch der geschlechtliche Zustand bei der Conception beurteilen lassen ; denn diese Zeit giebt uns ein directes Mass dafür, wie lange die Betreflende trotz der Con- ceptionsfähigkeit noch nicht befruchtet worden war. Die in Bezug auf das Alter bereits mitgeteilten Geburten wa- ren so in Rubriken geordnet worden, dass sich die seit der ersten Menstruation vergangene Zeit daraus ersehen Hess. In neben- stehender Tabelle sind nun die Geburten nach der Länge dieser Zeit geordnet *). Man sieht sofort, dass je länger die Betreifende auf die erste Conception hatte warten müssen, desto mehr Knaben geboren Wartezeit in Jahren Leipzig Dresden Jena Summa 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 ete 3: 3 2: 2 — : 3 5: 8 30: 11 31 : 27 8:10 1 69: 48 58: 53 66: 64 28:11 152:128 120: 91 183: 140 28:40 331:271 147: 159 189:188 53:47 389:394 144: 163 218:237 46:62 408:462 132: 159 192:202 63:65 387:426 129: 98 162:168 45:50 336:316 69 76 138:116 30:26 237:218 68 58 102: 61 18:27 188:146 34 45 50: 57 19:22 103:124 36: 36 47: 36 20:12 103: 84 22: 12 37: 36 5: 6 64: 54 16: 13 16: 21 7:10 39: 44 7: 9 20: 14 5: 1 32: 24 21: 16 53: 34 1 18: 7 92: 57 '557:455 122,4 797:856 93,1 723:742 97,4 528:488 108,2 '330:263 125,5 Summa: 5739 Geburten nämlich 2935:2804=104,6. l) Es ist nicht genau dieselbe Zahl, weil die Angaben in den Protokollen zuweilen fehlen. — 17 — werden. Nur bei Beginn der Geschlechtsreife zeigt sich ein Kna- benüberschuss, den icli später besprechen werde. Aber auch auf Mehrgebärende kann sich der Einfluss eines Mangels an männlichen Individuen geltend machen. Es ver- geht dann eine längere Zeit von der einen Geburt bis zur folgen- den. In dieser Hinsicht habe ich die Geburten Mehrgebärender geordnet. Das Material stammt aus den bereits genannten Quel- len. Eheliche Geburten sind hierunter nur in verschwindend ge- ringer Anzahl vorhanden. Aus der Tabelle ersieht man, dass je länger die Pause von der .einen Geburt bis zur folgenden war, je länger die Betreflende also auf die Conception hatte warten müs- sen, desto grösser alsdann der Knabenüberschuss ist. Vom vier- ten Jahre an macht sich dieser Einfluss geltend. Pause in Jahren Leipzig Dresden Jena Summa 1 162:158 194:178 58: 45 414:381 = 108,6 2 366:307 374:361 168: 145 908:813 = 111,6 3 198:196 207:194 116: 94! 521 : 484 =107,7 4 127:109 132: 106 59: 45,318:260(470:406 = 5 59: 54 55: 54 38: 38, 152:146/ 115,7 6 u. 8, 9 u. 10 61: 62 18: 16 52: 49 41: 23 49: 24 16: 24 ^:1^278:228 = 75 : 63 121 9 41: 30' 121'y 11 etc. 25: 15 12: 9 4: 6 Summa: 4903 Geburten nämlich 2591:2312 = 112,06. Nach diesen thatsächlichen Belegen glaube ich wohl mit Sicher- heit den Satz aussprechen zu dürfen: Verzögerte Befruchtung der Frauen bewirkt eine Mehrgeburt von Knaben. Angezweifelt hat dies Phaenomen noch Niemand. Welches nun aber die physikalischen oder chemischen Verän- derungen sind, welche das Ei einer älteren Erstgebärenden erlitten hat, ist vorläufig noch unmöglich zu erforschen. Man könnte z. B. an einen Einfluss des Nervensystems auf die Ovulation denken. Sicher ist jedenfalls, dass die Eigenschaften des Eies, die einem Mangel an männlichen Individuen entsprechen, auch die Tendenz zum männlichen Geschlecht bewirken. Schon auf diese Weise kann eine Regulierung des Sexualverhältnisses herbeigeführt werden. Jedoch sind es noch mehr Factoren, welche hier zusammen wirken. Indessen nicht nur die Geburten älterer Erstgebärender, 2 — 18 — sondern die Erstgeburten überhaupt zeigen einen re- lativ grossen Knabenüberschuss. Der weibliche Theil war bis dahin meist noch nicht beansprucht worden , bei dem männlichen jedoch ist dies unwahrscheinlicher. Der Zustand des erstereo entspricht also mehr oder weniger einem Mangel an männlichen Individuen. Und in der That scheint die erste Frucht relativ mehr zum männlichen Geschlecht zu tendieren. So fand Buek1) in lfJO Familien 65 männliche und 35 weibliche Erstge- burten. Das Entgegengesetzte behauptet Hörn2) für Belgien, oder besser er vermutet es, da er keine Zahlen anführt. Bou- 1 enger 3) constatierte auf Grund von 6812 Fällen ein Übergewicht des männlichen Geschlechtes. Ich selbst fand indessen, wie aus den mitgeteilten Tabellen ersichtlich ist, nicht bei Erstgebärenden sondern bei Mehrgebärenden einen grösseren Knabenüberschuss. Dies ist vielleicht darauf zurückzuführen , dass unter diesen Ge- burten sich fast nur uneheliche Kinder befinden. Eine Ent- haltsamkeit kann bei solchen unehelichen Erstgebärenden nicht angenommen werden. Dagegen haben Goehlert und Bertil- lon4) nachgewiesen, dass der Knabenüberschuss der im Anfang einer Ehe geborenen Kinder ein grösserer ist als für die späteren. Es wird dieser Unterschied wohl besonders durch die Erstgebur- ten herbeigeführt. Jedenfalls ist derselbe bei Erstgeburten gegen- über dem normalen ein weit geringerer als der bei älteren Erst- gebärenden. Bei letzteren hatte ja auch die Verzögerung der Befruchtung weit länger gedauert. Wie gesagt, wird die Beanspruchung bei unehelich Gebären- den früher eintreten und häufiger stattfinden. Wir bemerken daher bei unehelichen Geburten einen geringeren Knabenüber- schuss. Dieser Satz ist bereits lange bekannt. Xeefe5)fand ihn in vielen Staaten bestätigt, nur in einzelnen deutschen Klein- staaten nicht, was sich vielleicht auf die Kleinheit der Zahlen zu- rückführen lässt. Babbage'3) kommt bei einer Vergleichung von x) Burdach, Physiologie, B. II, pag. 278. 2) Statistische Studien aus Belgien, B. I, pag. 320. 3) Wappäus, Bevölkerungsstatistik, B. II, pag. 198. 4) Zeitschrift für Ethnologie XIII. Jahrg., 1881, Heft III. 5) Hildebrauds Jahrb. f. Xat. u. Srat. XXIV, pag. 186. 6) The Edinburgh Journal of Science 1829, Vol. I. X. S., pag. 85: On the proportionate number of Births of the two sexes under diffe- rent circumstances. — 19 — einer Million unehelicher Geburten mit vierzehn Millionen ehelicher zu eben demselben Resultat Hörn1) fand diese Erscheinung auch in Belgien. Derselbe führt dann noch weiter aus, dass die Differenz besonders stark auf dem Lande sein muss, da die un- ehrlichen Kinder dort nur Früchte der Liebe seien. In den Städten findet dagegen häutig illegitimes Zusammenleben statt, das mehr einen ehelichen Character trägt. Er stützt diese Ansicht durch Zahlen. Der Satz, dass die unehelichen Geburten einen geringeren Knabenüberschuss zeigen, ist seitdem nicht angefochten worden. Wie wir später sehen werden, lässt sich für diese Erscheinung noch ein anderer Grund anführen. Es scheinen hier zwei Mo- mente zusammenzuwirken. In der menschlichen Gesellschaft kann auch ein factischer Mangel an Individuen des männlichen Geschlechts dadurch ein- treten, dass viele derselben abwesend sind, nämlich im Fall eines Krieges. Die Wirkung, welche dieser Mangel auf das Genital- system ausübt, geht dahin, das folgende Kind zum männlichen Geschlecht zu bestimmen. In der That bemerken wir nach Beendigung jedes Krieges ein starkes Überwiegen von Knabengeburten. Nach den Napoleonischen Kriegen trat diese Erscheinung sogar so stark auf, dass man einen baldigen Mangel an weiblichen Individuen fürchtete. Es ist dies schon sehr lange bekannt, hat sich nach jedem Kriege gezeigt und ist niemals be- zweifelt worden. Die Vermutung also, dass die Menschen bei einem Mangel an männlichen Individuen mehr Knaben produzieren, haben wir durch die Thatsachen bestätigt gefunden und zwar wurde dies nachgewiesen für Frauen , welche sich in einem Zustand befinden, der einem Mangel an männlichen Individuen entspricht, sei dieser Mangel nun wirklich oder nur scheinbar. Wenden wir uns jedoch zur folgenden Anwendung des allge- meinen Satzes, um mehr Beweise entgegenzunehmen. b. Geschlechtliche Beanspruchung. Untersuchen wir etwas näher, wodurch sich ein Mangel an Individuen des einen Geschlechtes z. B. an "Weibchen bemerklich macht, so erhalten wir die unzweifelhafte Antwort, dass diese we- nigen Weibchen von den vielen Männchen stärker geschlechtlich beansprucht werden als unter normalen Verhältnissen. Wenn nun *) Volkswirtschaftliche Studien aus Belgien, pag. 267 — 282. — 20 — der Satz über den Einfluss des Mangels an Individuen richtig ist, so müssen alle Tiere durch natürliche Züchtung die Eigenschaft er- langt haben, im Falle sie stärker geschlechtlich bean- sprucht werden, mehr Individuen ihres eigenen Ge- schlechtes zu produzieren. Folgende Thatsachen bestä- tigen dies. Der Züchter Fiquet zu Houston in Texas sagt1): „Es ist eine ganz gewöhnliche Erscheinung, die alltäglich bei uns unter den zahlreichen Heerden vorkommt, welche unsere ame- rikanischen Prairien durchziehen, dass ein überangestrengter Stier allemal auch Stierkälber erzeugt, wogegen anderseits in Heerden, wo viele Stiere gehalten werden, die Kuhkälber überwiegen." Es ist klar, dass ein Mangel an dem einen Geschlecht in Bezug auf die Inanspruchnahme bei Männchen und Weibchen Ent- gegengesetztes bewirkt. Fehlt es z. B. an männlichen Tieren, so werden diese stärker, die weiblichen dagegen schwächer als unter normalen Verhältnissen beansprucht. Dadurch wird also ein Gegen- satz zwischen den Eigenschaften der Geschlechtsproducte hervor- gerufen. Die des (weiblichen; Eies entsprechen bei Schonung der Kuh einem Mangel am entgegengesetzten (d. h. männlichen) Ge- schlecht, die des männlichen Spermas bei starker Inanspruchnahme des Stieres dagegen einen Überschuss am entgegengesetzten (d. h. weiblichen) Geschlecht oder (was dasselbe ist) einem Mangel an demselben (d. h. männlichen) Geschlecht. Ohne Einfluss auf die Geschlechtsbestimmung ist es daher, wenn beide Teile (z. B. in der Ehe) sehr stark oder nur sehr selten geschlechtlich thätig sind. Den Gedanken, bei den zur Begattung bestimmten Tieren einen entgegengesetzten Zustand hervorzurufen, hat zuerst der er- wähnte Züchter Fiquet gehabt und durch über 30 Versuche an Rindern bestätigt gefunden. Je mehr Kühe der Stier bedienen musste, und je länger erstere geschont waren, desto mehr Stier- kälber wurden geworfen. Umgekehrt erzeugten solche Kühe mehr Kuhkälber, deren Geschlechtslust schon durch einen verschnittenen Stier herabgesetzt war und welche dann durch einen springlustigen lange nicht zugelassenen Stier gedeckt wurden. Aus der Praxis der Landwirte sind sehr viele Beobachtungen bekannt, welche damit übereinstimmen. *) Dr. Heinrich Janke, Die Vorherbestimmuug des Ge- schlechtes beim Rinde. — 21 — Brieflich teilte mir Hr. Janke, der die Versuche Fiquets veröffentlichte, folgende Untersuchung mit, die auch trotz des Mangels an Zahlenbelegen nicht unwichtig ist. „Aus dem sorgfältigen Studium der Sprungregister von Stamm- schäfereien habe ich die bemerkenswerte Thatsache konsta- tieren können , dass in der jedesmaligen Sprungzeit zu Anfang, wo die springlustigsten Böcke praevalieren, als die ersten Ge- burten vorwiegend Mutterlämmer fallen. Danach kommt eine Pe- riode, wo gleich viel Bock- und Mutterlämmer fallen, ein Zeichen dafür, dass beim Springen die Passion und Potenz der Widder schon nachliess. Zum Schlüsse aber fallen überwiegend mehr Bocklämmer, ein Beweis, dass es mit der Potenz der Böcke zu Ende ging, selbstverständlich in Folge des vielen vollzogenen Springcns." Ferner fügte er noch folgende Beobachtung hinzu: „Ein Besitzer einer Stammrinderheerde klagte mir, sein Ver- walter berichte ihm, dass bei der letztjährigen Kälberperiode durchgängig nur Stierkälber gefallen wären, eine Kalamität, die vor 6 — 8 Jahren schon einmal eingetreten wäre. Ich sagte ihm, die Ursache liege am Stier, der abgetrieben d. h. ohne Potenz und ohne Passion den Kühen gegenüber sei und der also durch einen jüngeren Stier ersetzt werden müsse. Der Herr bestätigte mir darauf, dass allerdings der Stier schon 8 — 9 Jahr alt sei und von ihm wegen seiner edlen Abstammung beibehalten wrorden wäre. Genau ebenso sei dies 6 — 8 Jahre vorher gewesen." Endlich teilt er mir mit: „In den Pferdegestüten ist es eine stetig beobachtete Erfahrung, dass von den kräftigsten Beschälhengsten, so oft sie morgens decken, vorwiegend Stutenfohlen, wenn sie aber im Laufe des Tages (was eigentlich rationell nicht geschehen soll!) zum zweiten Male decken, fast immer Hengstfohlen fallen, was seine Er- klärung darin findet, dass die Hengste durch das (in der Regel zweimalige) Decken der ersten Stute doch geschlechtlich strape- ziert waren." Auch von anderer Seite wurde mir mitgeteilt, dass ein stark in Anspruch genommener Hengst überwiegend männliche Fohlen zeuge. Martegoute1) hat auf der Schäferei zu Blanc in der Ge- *) Schmidts Jahrbücher der Medicin 102, 1859, pag. 285. — 22 — meinde Gaijhac Toulza (Haut-Garonne) Züchtungen angestellt und ist zu folgendem Resultat gelangt, dessen Auslegung der Theorie zu widersprechen scheint, Im Anfange der Paarung, so lange der Widder noch im Be- sitze der vollen Kraft ist, zeugt er mehr männliche als weibliche Tiere. Sobald einige Tage nachher die Schafe in grosser Zahl zu- gleich brünstig werden und der Widder durch häufigen Sprung seine Kraft mehr erschöpft, gewinnt die Zeugung von weiblichen Tieren die Oberhand. Wenn endlich diese Periode übermässiger Anstrengung aufhört, die Zahl der brünstigen Schafe abnimmt, so beginnt wiederum die Zeugung männlicher Tiere. Nur der erste Teil dieser Angaben, dass auch im Anfang mehr männliche Tiere fallen sollen, widerspricht den schon erwähnten Resultaten Jankes. Leider habe ich das Original noch nicht er- halten. Die Zuverlässigkeit dieser älteren Angaben scheint aber keine sehr grosse zu sein. Der zweite Teil indessen stimmt mit der Beobachtung Jankes überein, dass später mehr männliche Tiere gezeugt werden als früher. In der Landwirtschaft wird häufig ein Tier von edler Race stark in Anspruch genommen. Auf einer Schäferei1) wurde eine Menge Schafe von einem kräftigen Merinowidder belegt, der mög- lichst viel Nachkommen liefern sollte. Das Resultat waren 50 Bock- lämmer und 22 Schaflämmer, während gewöhnlich die Zahl der Geschlechter gleich ist. In Stammschäfereien kommt es überhaupt nicht gar selten vor, dass ein Tier edler Abkunft, zumal wenn es mit prägnanter Vererbungskraft ausgestattet ist, möglichst viel Nachkommen liefern soll. Die Vater-tiere mit besonders feiner und edler Wolle wurden früher in manchen Schäfereien Norddeutschlands nicht selten dergestallt ausgenutzt, dass infolge dessen die Traber- krankheit ausbrach. Sehr häufig wird dies einer zu starken Beanspruchung des Bockes zugeschrieben2) uud man könnte hier eine starke Mehrgeburt von Männchen erwarten. Hr. Sette- gast hingegen, dem auf dem Gebiete der Tierzucht unstreitig die grössten Erfahrungen zu Gebote stehen, teilt mir mit, dass hier die geschlechtliche Überbürdung sowohl bei den Böcken wie x) Findet sich in der Schrift v. Dr. Ploss: „Über die das Ge- schlechtsverhältniss der Kinder bedingenden Ursachen." Monatsschrift für Geburtskunde und Frauenkrankheiten, B. XII, p. 331. 2) Vergl. H. Settegast, Die Züchtungslehre. Breslau 1878, IV. Aufl., pag. 99. — 23 - bei den Mutter-schafen stattfand. «Jene wurden zu früh, zu oft und in zu hohem Alter beansprucht. Die weiblichen Tiere da- gegen wurden nicht selten schon mit 1} .Jahren zugelassen, was hei so spät-reifen Tieren normaler Weise erst mit 2\ Jahren hätte eintreten sollen. Es wurden sogar zur Förderung des Ver- edelungsprocesses und zur Beschleunigung des Anwachsens der Herde anfangs jährlich zwei Sprung- und Lainnizeiten durchgesetzt, wahrend zur Schonung der Tiere nur eine stattfinden soll. Beide Geschlechter waren also stark beansprucht und ein anomales Se- xualverhältniss kann daher bei den Geburten nicht erwartet werden und ist auch nicht beobachtet worden. Hingegen teilt mir Hr. Settegast die Ansicht mit, zu der ihn seine doch gewiss ausserordentlich zahlreichen Beobachtungen geführt haben. Sie stimmt mit der Theorie überein. Er sagt, dass im Allgemeinen der Nachkomme das Geschlecht des stär- ker beanspruchten Erzeugers erhalte, wenn man darunter den Einfluss der Benutzung des Zuchttieres in hohem Alter des- selben, vor seiner vollen Reife, in schlechter Condition und bei missbräuchlicher (zu angespannter) Ausbeutung seiner Zeugungs- kraft versteht. Dies ist nicht unbedingt bei jeder Geburt der Fall, sondern, wie Settegast sagt, giebt es mannigfaltige Aus- nahmen, es wird also unter solchen Umständen ein mehr oder weniger grosser Überschuss des einen Geschlechtes erzeugt. Ich glaube, dass die Meinung einer solchen Autorität, wie Sette- gast es unstreitig ist, von der grössten Wichtigkeit ist, nament- lich da er doch über eine ausserordentliche Fülle von Beobachtungen und Erfahrungen verfügt. Ich ergreife diese Gelegenheit, um ihm meinen Dank auszusprechen für die Mitteilungen, die er mir freundlichst zukommen liess. Es ist bereits erwähnt worden, dass bei den Geburten der Pferde vorurteilsfreie Beobachter gefunden hatten, dass die Fohlen meist das Geschlecht des relativ stark in Anspruch genommenen Er- zeugers zeigen. Um dies statistisch zu prüfen, wurde folgende um- fassende Untersuchung angestellt. Die Abfohlungsresultate der preussischen Gestüte werden jährlich veröffentlicht. Früher geschah dies von den Annalen der Landwirtschaft, jetzt geschieht es von den Landwirtschaft- lichen Jahrbüchern. Es standen neunzehn Jahrgänge zur Ver- fügung, nämlich von 1859 — 82 mit Ausnahme der vier Tabellen von 1870—71, 1871—72, 1872—73 und 1873—74, welche fehlten. In diesen Tabellen ist unter anderm für jedes Gestüt angegeben, — 24 — wie viel Stuten in jedem Jahre ein Hengst durchschnittlich belegt hatte, wie stark also die geschlechtliche Beanspruchung der Hengste in diesem Gestüt und in diesem Jahre war. Sämmtliche Zahlen wurden nach der Anzahl der pro Jahr und pro Hengst gedeckten Stuten geordnet und addiert. Das Resultat ist in der Tabelle wiedergegeben. Zahl der gedeckten Zahl der geworfenen Fohlen Sexual- verhältniss Stuten männlich weiblich 60—70 42 445 41 933 101,22 55—59 66551 66 226 100,49 50 — 54 59 940 61 096 98,18 45—49 57 077 59 216 96,39 40—44 59 967 62 007 96,71 35—39 38348 40 181 95,44 20—34 26 354 27 069 97,35 Summa 350 682 357 728 98,03 Aus diesen Zahlen ersehen wir, dass bei stärkerer Bean- spruchung der Hengste mehr Männchen geboren werden. Die- selben bilden sogar eine fortlaufend abnehmende Reihe. Nur an zwei Stellen kommen kleine Abweichungen vor. Die grössere von diesen stützt sich auf nur eine geringere Zahl von Fällen, so dass sie sehr wohl auf Zufall zurückgeführt werden kann. Die Haupt- masse der Zahlen liefert eine nicht zu unterschätzende Bestätigung der Theorie. Die hier wieder gegebenen Zahlen sind so aussergewöhnlich gross, dass von einem Zufall keine Rede sein kann. Lexis1) hat berechnet, in wie weit die Schwankungen des Sexualverhält- nisses auf Zufall zurückzuführen sind. Will man sich dies ver- anschaulichen, so stelle man sich eine Urne vor, in welcher schwarze und weisse Kugeln stets im Verhältniss von 106,3 zu 100 vorhan- den wären. Diese entsprechen den Knaben und Mädchen, die in diesem mittleren Verhältniss geboren werden. Wenn man nun 3200 mal eine Kugel herausholt, so besteht noch immer die Wahr- scheinlichkeit 0,113, dass das Verhältniss der weissen und schwar- zen Kugeln nicht den mittleren Wert 106,3 zu 100 , sondern einen solchen habe, der unter 100,4 oder über 112,2 liegt. Bei 3200 Geburten kann man also etwa 1 gegen 9 wetten, dass der Kna- benüberschuss diese Grenzen überschreitet. J) Hildebrands Jahrbücher d. Nat. u. Stat. XXVII. 1876, pag. 209. — 25 — Bei obiger Untersuchung handelt es sich aber um eine mehr als zweihundert mal so grosse Zahl von Geburten. Und das Re- sultat kann als unzweifelhaft sicher angesehen werden. Gegen diese Untersuchung könnte man folgende Einwürfe machen. Während hier nämlich die Beanspruchung der Hengste eine verschiedene ist, sind die übrigen in Betracht kommenden Momente nicht etwa gleichgestaltet, sondern über sie finden sich gar keine Angaben, z. 13. über die Beanspruchung der Stuten, ferner über das Alter von Hengst und Stute. Die Zahl der vier- jährigen Hengste, die zum ersten Mal zugelassen werden, ist eine wechselnde. Ferner werden die Hengste in einem Gestüt nicht alle gleichstark beansprucht, sondern einzelne Hengste sind sehr beliebt und darum viel stärker in Anspruch genommen als an- dere. — Alle diese Einwürfe entsprechen den thatsächlichen Ver- hältnissen. Die angeführten Umstände sind von Einfluss auf das Sexualverhältniss, sie sind ungleich in den einzelnen Gestüten und den einzelnen Jahren. Da aber die Zahlen so ausserordentlich gross sind, so darf man mit Recht annehmen, dass diese Umstände sich im Allgemeinen ausgleichen. Selbst wenn daher in einzelnen Gestüten zu verschiedenen Zeiten beliebte Hengste gestanden haben, oder wenn das Alter der einem Gestüte zugeführten Stuten bald ein hohes, bald ein niedriges gewesen ist und so fort, so wird dadurch der Wert des Resultates nicht geändert, nur der zu erwartende Überschuss wird erheblich herabgedrückt. In der That ist die grösste Differenz in der Tabelle bei einer etwa dop- pelt so starken durchschnittlichen Beanspruchung nur gleich etwa 6$. Diese Differenz erscheint auf den ersten Blick als sehr ge- ringfügig. Man könnte vermuten, der Unterschied müsse so stark sein, dass das Sexualverhältniss sich sofort ausgleicht; man könnte vielleicht noch einmal so viel Hengstfohlen erwarten, als normaler Weise geboren werden, was einem Verhältniss von 200 männlichen zu 100 weiblichen Fohlen entsprechen würde. Ein solcher Überschuss aber wäre viel zu stark, wie sich aus den Lebensverhältnissen der Pferde ergiebt. Bei diesen dauert die Tragzeit ein Jahr; die Reife beginnt im zweiten Jahre, jedoch werden die Tiere erst vom vierten Jahre an zur Belegung zuge- lassen. Die ersten bei anomalem Sexualverhältniss gezeugten Fohlen treten also fünf Jahre später in den Kreis der Zeugenden ein. Die folgenden vier Jahrgänge von Fohlen sind daher unter demselben anomalen Geschlechtsverhältniss gezeugt und müssen — 26 — also auch denselben Männchenübcrschuss zeigen. Wenn nun der erste Jahrgang von Fohlen das anomale Verhältniss wieder aus- gliche, so würde durch das Eintreten der folgenden das Gegenteil hervorgerufen werden, aus dem Mangel würde ein grosser Überfluss an Männchen entstehen. Man kann daher vermuten, dass der Über- schuss nicht so gross, sondern etwa ein Fünftel hiervon sein, also dem Sexualverhältniss von 120 zu 100 entsprechen wird. Alsdann wird, nachdem die fünf Jahrgänge in den Kreis der Zeugenden getreten, das anomale Geschlechtsverhältniss beseitigt sein. Von der Zeit jedoch, wo der erste Jahrgang die Zeugung begann, bis fünf Jahre später, wo der letzte die Ausgleichung herbeiführte, herrschte immer noch ein anomales, wenn auch nicht mehr so stark anomales Geschlechtsverhältniss der Zeugenden. In den folgenden fünf Jahren findet also immer noch eine Mehrproduction von Männchen statt. Es scheint also, als ob auch dieser Über- schuss ein noch zu starker ist. Eine massvolle Regulierung eines Männchenmangels könnte vielleicht durch einen Überschuss von 10 männlichen Geburten auf 100 weiblichen über das bei einem Weibchenmangel auftretende Verhältniss herbeigeführt werden. Ist letzteres 95 : 100, so wird man bei noch einmal so starker Bean- spruchung der Männchen das Sexualverhältniss 105 : 100 bei den Geborenen erwarten können. Man ersieht auch aus diesen theoretischen Erörterungen, wie gering der Einfluss eines einzigen Momentes sein muss. Es ist eben eine grosse Zahl von Factoren, welche das Geschlecht be- stimmen. Die Änderung eines einzelnen kann daher nur eine kleine Änderung des Sexualverhältnisses zur Folge haben. Untersuchen wir die physiologischen Erscheinungen etwas näher, die sich beim Mangel an Individuen des einen oder andern Geschlechtes einstellen werden, legen wir uns also die Frage vor : Worin besteht denn eigentlich die Zustandsänderung z. B. der Männchen, wenn diese stärker geschlechtlich beansprucht werden ? Die Antwort lautet unbestreitbar: Wenn bei starker Bean- spruchung das kaum gebildete Sperma sehr bald wieder verbraucht wird, so befruchten die Männchen mit relativ jungen Spermatozoon x). Um keinerlei Zweifel über die Richtigkeit dieser Verhältnisse 1) Auf diese Beziehung zwischen der geschlechtlichen- Bean- spruchung und dem Alter des Spermas bin ich von Herrn Prof. Preyer aufmerksam gemacht worden. — 27 — aufkommen zu lassen, wurde in der vorläufigen Mitteilung zu dieser Arbeit1) eine Berechnung dieser Verhältnisse vorgenommen, welche es als unzweifelhaft erweisen, dass bei stärkerer Inan- spruchnahme die Spermatozoen jünger, bei schwächerer Beschäf- tigung dagegen älter sind, als dies durchschnittlich der Fall sein wird. Und zwar tritt dieses auch dann ein, wenn infolge der stärkeren Anregung eine vermehrte Spermaproduction herbeige- führt wird. Bei einem Mangel an Männchen wird das Ei also von jungen Samentierchen befruchtet und neigt infolge dessen zum männlichen Geschlecht und umgekehrt. Die Eigenschaft der Männ- chen, bei einem anomalen Sexualverhältniss mehr Individuen des Geschlechtes zu zeugen, an dem es fehlt, lässt sich zurückführen auf eine Wirkung des Alters der Spermatozoen. Bock hatte eine Theorie über die Geschlechtsentstehung auf- gestellt, wonach der „dünnere" Samen bei häufiger Thätigkeit zum weiblichen Geschlecht bestimmend sein soll. Bei seltener Inan- spruchnahme sollen indessen mehr Knaben geboren werden. Da- nach wäre der Zustand des Eies ohne Einfluss und nur die Dünn- heit des Samens von Bedeutung. Hiergegen ist einzuwenden, dass nicht der Samen, sondern die Samenfäden befruchtend wirken, und diese sind alsdann nicht dünner, sondern jünger. Thatsachen führt Bock fast gar nicht an. Nur wiederholt er die Behauptung einiger Reisender, dass in den Ländern, in denen Polygamie herrscht, mehr Mädchen geboren werden. Die Statistiker haben aber diese Behauptung als unzuverlässig zurückgewiesen. Die nützliche Eigenschaft, mehr Tiere des Geschlechtes zu erzeugen, an dem es mangelt, war bei den Männchen auf eine Wirkung des Alters der Spermatozoen zurückgeführt worden. Ent- sprechendes gilt auch vom weiblichen Geschlecht. Wird dieses stark beansprucht, so werden die Eier sofort befruchtet werden, sobald sie nur dazu fähig sind; solche früh befruchtete Eier neigen zum weiblichen Geschlecht. Diese Verhältnisse sind so einfach und leicht zu überschauen, dass die nähere Auseinandersetzung, wie sie in der vorläufigen Mitteilung gegeben wurde, wohl nicht wiederholt zu werden braucht. Nur in bezug auf solche Tiere, deren Reproduction nicht an eine bestimmte Jahreszeit gebunden ist, könnten Zweifel x) Diese Zeitschrift, 1883, pag. 428. Die Factoren , welche die Sexualität entscheiden. auftauchen. Diese lassen sich durch folgende Überlegung be- seitigen. Denkt man sich, dass die weiblichen Individuen z. B. beim Menschen plötzlich doppelt so stark beansprucht werden als vor- her, so wird sich allerdings die Geschlechtsthätigkeit ebenso gut für die spätem Tage nach der Menstruation als für die frühern verdoppeln. Eine Bevorzugung letzterer ist nicht anzunehmen. Auch durch den Umstand, dass anfangs die Conceptionscapacität bedeutend grösser ist, wird das Verhältniss nicht geändert. — Wäre dieselbe anfangs z. B. dreimal so gross, so kann man sich dies leichter vorstellen, indem man annimmt, im Anfang fände die geschlechtliche Verbindung dreimal so oft statt und es hätte als- dann jede eine gleiche Wahrscheinlichkeit zu befruchten. Verdop- pelt sich jetzt die Beanspruchung , so werden anfangs in derselben Zeit sechs Sexualacte stattfinden, auf welche später nur zwei kommen, d. h. es wird auch jetzt noch anfangs dreimal so oft der Act ausgeübt als nachher. Dies Verhältniss wird also durch die Verschiedenheit der Beanspruchung nicht gestört. — Jetzt tritt aber der Umstand ein, den man leicht übersehen könnte, dass nämlich bei stärkerer Thätigkeit einer von den ja auch bald nach der Loslösung des Eies häufiger stattfindenden Geschlechtsacten befruchtend gewirkt haben kann, was bei der Häufigkeit sehr wahr- scheinlich ist, und dass alsdann alle folgenden wirkungslos sind, mögen sie nun häufig stattfinden oder selten. Beim Menschen be- wirkt also eine stärkere geschlechtliche Beanspruchung eine relativ häufigere Befruchtung bald nach der Menstruation. Nehmen wir z. B. an , durchschnittlich wirke von x Verbin- dungen eine befruchtend, so wird bei stärkerer Beanspruchung der xte Zeugungsact früher nach der Menstruation stattfinden als gewöhnlich; daher wird auch die Befruchtung des Eies eher nach der Loslösung d. h. im jugendlicheren Zustand erfolgen. — Oder noch allgemeiner: An einem bestimmten Zeitpunkt nach der Men- struation ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Befruchtung statt- gefunden hat , bei stärkerer Beanspruchung grösser als bei schwä- cherer. Bei einem Mangel des weiblichen Geschlechtes werden also junge Eier befruchtet und diese bilden sich zu Weibchen aus. Die nützliche Eigenschaft der weiblichen Tiere, mehr von dem Geschlecht zu produzieren , an dem es mangelt, kann also zurück- geführt werden auf den Einfluss des Alters der Eier. Diese Eigenschaft der Männchen wie der Weibchen ist vielleicht allgemein — 29 — als eine Wirkung des Alters der Geschlechtsproducte zu erklären. Junge Spermatozoen und alte Eier neigen demnach zum männ- lichen, alte Spermatozoen und junge Eier dagegen zum weiblichen Geschlecht. Allgemein können wir also sagen: Je grösser der Mangel an Individuen des einen Geschlechtes ist, je stärker die vorhandenen in Folge dessen geschlechtlich beansprucht werden, je rascher, je jünger ihre Geschlechtsproducte verbraucht wer- den, desto mehr Individuen ihres eigenen Ge- schlechts sind sie disponiert zu erzeugen. Von einem solchen überangestrengten Genitalsystem sagt Janke, es habe geringe geschlechtliche Kraft, indem er dabei an die Leistung bei einer Begattung denkt. Eine Scho- nung des Genitalsystems bewirkt dagegen eine höhere geschlecht- liche Kraft oder Prävalenz. Indessen sollen diese Ausdrücke hier nicht angewendet werden. c. Verzögerte Befruchtung des Eies. Als physiologische Wirkung einer stärkeren Beanspruchung des weiblichen Geschlechtes hatte sich eine frühzeitige Befruchtung der Eier und damit eine stärkere Production von weiblichen In- dividuen ergeben. Je länger der Weg ist, den das Ei zurück- gelegt hat, desto mehr neigt es im Allgemeinen zum männlichen Geschlecht. Thury1), welcher das Überwiegen des männlichen Ge- schlechtes bei einer solchen verzögerten Befruchtung der Eier zu- erst beobachtete, stellte eine dem-entsprechende Theorie auf. Er behauptete, dass jung befruchtete Eier sich zu Weibchen und spät befruchtete sich zu Männchen ausbildeten. Nach seiner Anweisung wurden 29 Versuche mit Kühen auf einem Gute angestellt. Die Kälber zeigten das vorhergesagte Geschlecht. Er schliesst daraus, dass im Anfang der Brunst belegte Kühe stets Kuhkälber, solche dagegen, welche länger hatten warten müssen, stets Stierkälber werfen. Indessen ist diese eigentliche Thurysche Theorie in sofern nicht richtig, als immer nur ein gewisser Überschuss des einen oder andern Geschlechtes erwartet werden kann. Denn es tritt nie plötzlich die ausschliessliche Production nur des einen Ge- l) La Production des Sexes. Übers, v. Pagenstecher. — 30 — schlechtes ein, sondern es handelt sich um eine massige Regu- lierung des Sexualverhältnisses. Es war unzweifelhaft ein Zufall, dass sämmtliche 29 Ver- suche der Theorie gemäss ausfielen. Indessen scheinen dieselben doch von zuverlässiger Seite angestellt worden zu sein. Als Thury seine Aufsehen erregende Theorie aufgestellt hatte, wurden eine grosse Zahl von Versuchen angestellt, um sie zu prüfen. Der grösste Teil wurde von Züchtern vorgenommen und ist daher weniger wertvoll als die mehr wissenschaftlich angestellten. Die Resultate sprachen teilweise für, teilweise gegen die Theorie. Da Thury selbst das Alter des Eies als das einzig massgebende ansah, so konnte auf Grund einer ein- zigen Nichtbestätigung die Theorie als widerlegt angesehen wer- den. Bei der Anstellung der Versuche wurde daher auch auf alle übrigen Momente, wie das Alter des Spermas, die Ernährungs- verhältnisse, nicht geachtet, Auf den landwirtschaftlichen Akademien zu Proskau und E 1 d e n a 1 ) wurde die Thury sehe Theorie experimentell geprüft. Die Kühe, welche Kuhkälber werfen sollten, wurden belegt, sobald man ihre Brünstigkeit bemerkte, welche meist 24 — 30 Stunden andauerte. Sie warfen in Proskau fünf Kuh- und fünf Bullen- kälber. In Eldena drei und fünf. Diese Geburten zeigten also ein normales Sexualverhältniss. In Proskau warfen ferner die Kühe, welche erst circa 20 Stunden nach Eintritt der Brunst be- fruchtet wurden, ein Kuh- und vier Bullenkälber. Aus diesen Versuchen schloss man mit Recht, dass die Thury'sche Theorie in ihrer ursprünglichen Form unhaltbar sei. Ferner wurden in dem kgl. Friedrich-Wilhelms-Gestüt Beobachtungen über diese Theorie angestellt2). Von zwanzig Stu- ten, die nach Thury Stutenfohlen hätten werfen sollen, entspra- chen nur 11 dieser Erwartung, 10 dagegen warfen Hengstfohlen. Später wurden in Waldau und Eldena3) abermals mit Kühen derartige Versuche angestellt. In Waldau warfen früh be- fruchtete Kühe ein Stier- und ein Kuhkalb, spät befruchtete eben- falls ein Stier- und ein Kuhkalb. In Eldena wurden von neun sofort nach Eintritt der Brunst belegten Kühen neun Kuh- und zwei Bullenkälber geworfen. Die letzteren fanden sich in zwei x) Annalen der Landwirtschaft, 23. Jahrg., 46. B., 1865, pag. 271. 2) Annalen der Landwirtschaft, Wochenblatt, 1864, pag. 335. 3) 1. c. 1866, p. 461. — 31 — Zwillingsgeburten. Diese Versuche scheinen am exactesten ange- stellt zu sein ; denn vom ersten Bemerken des Rinderns bis zur Belegung vergingen nur ein viertel bis eine halbe Stunde, was bei deii vorigen nicht der Fall war. Endlich hat Touchon1) in Hohenau Versuche über die Richtigkeit der Thury sehen Theorie angestellt. Er fand sie be- stätigt. Elf Kälber zeigten das erwartete weibliche Geschlecht. Auch bei zwei Fohlen war dies der Fall. Die eigentliche Thury sehe Theorie, dass nur das Alter des Eies in Betracht komme, ist durch diese Versuche als falsch nach- gewiesen worden. Das Alter des Eies ist vielmehr nur einer der vielen Factoren, welche auf die Entstehung des Geschlechtes von Einfluss sind. Wenn in Folge eines Mangels an Männchen eine Verzögerung der Befruchtung stattfindet, so tritt nicht etwa eine ausschliessliche Production von Männchen ein, sondern die Ein- wirkung dieses einen Moments zeigt sich nur in einem gewissen Ueberschuss, welcher alsdann das Sexualverhältniss reguliert. Um einen solchen Ueberschuss zu constatieren , sind nur grössere Zahlen zulässig. Fassen wir daher einmal sämmtliche Versuche, welche angestellt wurden , um die Thury'sche Theorie zu erproben, und die mir bekannt geworden sind, zusammen, so erhalten wir folgende Zahlen. Kühe, welche früh befruchtet wurden, warfen 13 Stier- und 29 Kuhkälber; Stuten, die ebenfalls früh befruchtet wurden, produzierten 10 Hengst- und 13 Stutenfohlen. Endlich warfen spät befruchtete Kühe 5 Stier- und 2 Kuhkälber. Wie man sieht, sprechen diese Zahlen entschieden eine Tendenz aus, das Geschlechtsverhältniss zu regulieren. Albini in Neapel2) stellte Versuche mit Hühnern an, welche im Sinne der Thury'schen Theorie ausfielen. Er fand, dass die Hühner drei bis sechs Tage nach Vereini- gung mit dem vorher getrennten Hahne wieder befruchtete Eier legen, aus denen im Mittel gleichviel männliche und weibliche Hühnchen entstehen, doch scheint im Ganzen die Zahl der Männ- x) Agronomische Zeitung, 1865, pag. 519. 2) Es stand mir allerdings nur das Referat von Krön eck er zur Verfügung: Centralblatt für med. Wissenschaften, 1868, pag. 268. Original in Rendiconto della R. Accad. d. sc. fis. e mat. di JSapoli 1867. Settembre. 9 Stn. Alb in i erklärt sich dem Referat zufolge für die Theorie von Thury. Referent spricht sich dagegen aus, da Thury das Alter des Eies als das allein massgebende bezeichnet hatte, also keine Ausnahme hätte eintreten dürfen. — 32 — clien zu überwiegen. — Nach Entfernung des Hahnes aber legen sie am 9. und 10. Tage gleich viel befruchtete und unbefruchtete, am 12. überwiegend unbefruchtete, aber selbst am 18. Tage noch einige befruchtete. Die am 10. bis 15. Tage nach Entfernung des Hahnes gelegten Eier waren überwiegend weiblich. Im ersteren Falle, wo am 3. bis 6. Tage nach der Wieder- vereinigung mit dem Hahne viel männliche Eier gelegt wurden, haben wir es mit Eiern zu thun, die schon sehr lange seit Beginn ihrer Befruchtungsfähigkeit auf eine Befruchtung warteten, aber noch immer hierzu geeignet waren und auch befruchtet wurden. In Folge dieser Verzögerung tendierten sie sich zum männlichen Geschlecht auszubilden. In dem entgegengesetzten Zustand aber befand sich das Sperma. Dieses gelangte bald nach dem Coitus zur Befruchtung, war also relativ jung. Seine Eigenschaften ver- stärkten also noch die Tendenz der Eier. Dagegen waren die am 10. bis 15. Tage nach der Trennung vom Hahn gelegten Eier, also zu einer Zeit, wo schon überwie- gend unbefruchtete gelegt wurden, weil das Sperma fast verbraucht war, meistens weiblich. Sie mussten schon äusserst frühzeitig be- fruchtet sein. Das Sperma hingegen war schon relativ alt, da es erst lange nach der Begattung zur Verwendung kam. Junge Eier und altes Sperma bewirken eine Tendenz des Embryos, sich zum weiblichen Geschlecht auszubilden. Coste1) stellte 1864 denselben Versuch mit einer Henne an. Nach der Trennung vom Hahn legte sie noch fünf befruchtete Eier: am 15. März ein Männchen 17. n „ Männchen 18. n „ Weibchen 20. ■)■> „ Männchen 22. ii „ Weibchen. Unter diesen fünf Fällen stimmt einer nicht, denn das vorletzte Männchen hätte ein Weibchen sein müssen. Coste zog daraus den Schluss, dass die Theorie von Thury falsch sein müsse. Im folgenden Jahre wiederholte Gerbe 2) diesen Versuch mit demselben Erfolg, die Verteilung der Geschlechter war eine regel- lose, wie die Tabelle zeigt. Auch diese Resultate widerlegen die Theorie von Thury, insofern dieser glaubte, das Alter der Eier sei das einzig in betracht kom- 1) Comptes rendus, 1864, pag. 740. 2) Comptes rendus 1865, Tome 60, pag. 941. Coste: Production des sexes. — 33 — Henne zum Hahn gebracht Dieselbe H snne zum Hahn am 9. Juli, zurückgebracht am 31. Juli, getrennt am 10. Juli getrennt am 1. August Gelegt am Resultat Gelegt am 1. August Resultat 10. Juli Unbefruchtet Unbefruchtet 11. „ 6 2- , 2 13. „ Gestorben 5. 2 14. „ Gestorben 7- 4 15. ,, t 8. , Gestorben 17. „ Gestorben 11. S 18. „ d" 12. $ 20. „ 6 16. , cT 21. „ x 18. , Unbefruchtet 24. „ d 19. Unbefruchtet 25. „ ? 21. , Unbefruchtet 27. „ Unbefruchtet 28. „ Unbefruchtet 30. „ Unbefruchtet mende Moment. Die Geschlechter zeigen sich fast gleichmässig verteilt, nur in der ersten Tabelle zeigt sich im Anfang ein schwaches, der Theorie entsprechendes Ueberwiegen der Männ- chen. Addirt man die von Coste und Gerbe erhaltenen Resultate, so zeigen die Zahlen ein der Theorie entsprechendes Verhalten. Jedoch ist selbst die Summe dieser Fälle eine noch so kleine, dass keine sichern Schlüsse daraus gezogen werden können. Nach Flourens1) hatte schon Aristoteles bemerkt, dass die Tauben stets zwei Eier legen, wovon das eine männlich, das an- dere weiblich ist. Eine genauere Beobachtung lehrte ihm, dass das zuerst gelegte männlich und das zweite weiblich war. Flou- rens stellte elf mal diese Beobachtung an und fand die Aussage von Aristoteles jedesmal bestätigt. Wenn diese Thatsache richtig ist, so wäre damit eine neue Bestätigung der Theorie gegeben. Das erste Ei ist älter, wird sofort von jungem Sperma befruchtet und liefert ein männ- liches Tier. Das zweite wird jung befruchtet, vielleicht auch et- was später von dem älter gewordenen Sperma. Es wird daher auch erst als zweites gelegt. Dieses jung von altem Sperma be- fruchtete Ei liefert ein Weibchen. l) Comptes rendus, 1864, pag. 740. - 34 — Gerb e *) stellte ferner Versuche mit Kaninchen an, indem er das eine bald nach Beginn der Brunst begatten Hess, die anderen aber erst möglichst spät. Die Tabelle zeigt die Resultate, sie giebt die Geschlechter an, wie sie in den Uterushörnern vom Ovarium aus vorgefunden wurden. Es zeigte sich eine ziemlich gleichmäs- I. IL HI. früh begattet spät beg. spät beg. linkes rechtes linkes rechtes linkes rechtes Hörn H. H. H. H. H. d 2 2 2 d d 2 d d d d 2 2 2 d 2 2 d d — d d d — d 2 2 — _ d 2 2 2 — Z — d d — . — — — — 7 cf und 5 $ 5 cf und 7 $ 5 $ und 2 2 sige Verteilung. Indessen können diese Versuche nicht massge- bend sein, weil, wie Born2) anführt, „nach neueren Autoren, wie Hensen, die Eier derselben sich rasch hintereinander lösen und bald befruchtet werden." Da Gerbe erwartete, dass das Ge- schlecht sich nur allein nach dem Alter der Eier richte, so hat er alle übrigen Momente ausser Acht gelassen. Bei diesem Expe- riment aber scheint sich zu zeigen, wie einflussreich das Alter des Spermas ist. Beim ersten und dritten Fall fanden nämlich hin- tereinander zwei Begattungen statt, das Sperma war also durch- schnittlich jünger als beim zweiten, wo nur eine stattfand. Die Geschlechtsproduction steht damit in Einklang; denn I. und III. produzierten zusammen 12 d und 7 2 ; IL aber umgekehrt 5 cf und 7 2 , da das Sperma hier älter war. Das verschiedene Alter des Spermas kann also die Ursache gewesen sein, warum das Se- xualverhältniss so verschieden ausfiel. x) Comptes rendus, 1865, Tome 60, pag. 942. Coste: La Produktion des Sexes. 2) Experimentelle Untersuchungen über die Entstehung der Ge- schlechtsunterschiede. Abdruck aus : Breslauer ärztliche Zeitschrift, 1881, Nr. 3 ff. — 35 — Auch an Würmern sind solche Experimente angestellt wor- den. A. Schneider schrieb an Hotfmann ') bez. seiner Ver- suche über Geschlechtsbestimmung bei Nematoden Folgendes: „Pelodera papulosa, ein in faulenden Substanzen leben- der Nematod, eignet sich ausgezeichnet zu diesen Untersuchungen, da man denselben in einem Uhrglas isoliert aufziehen kann, und die Geschlechtsverschiedenheit schon deutlich ist, noch ehe ein Coitus möglich gewesen ist. Ich habe zwei Experimente angestellt. 1) Ein Weibchen wurde isoliert und 6 Tage nach Eintritt der Geschlechts- reife begattet; von den Eiern waren 19 männlich, 41 weiblich.... 2) Ein Weibchen wurde 13 Tage nach Eintritt der Geschlechts- reife begattet, von 46 Eiern waren 23 Weibchen und 23 Männ- chen.... Will man diese Versuche gelten lassen, so würden sie dafür sprechen, dass die Zahl der Männchen bei später Befruch- tung zunimmt." Auch beim Menschen ist die Wirkung einer verzögerten Befruchtung auf das Geschlecht des Eies constatiert worden. Der grosse Knabenüberschuss bei den Juden wird auf die Sitte zurückgeführt, das Weib nach der Menstruation noch mög- lichst lange zu vermeiden 2). Die statistischen Angaben über das Geschlechtsverhältniss der jüdischen Geburten schwanken allerdings bedeutend, weil sie stets nur wenig Fälle umfassen kön- nen. Das Resultat ist indessen stets dasselbe. So wurden im Wieselburger Comitat (1835—1855) auf 100 jüdische Mädchen 117,1 Knaben geboren 3). In Preussen (1820 — 1834) war das Ver- hältnis 111 zu 100, 1849—1852 war es 106 zu 100; in Schweden 1851 — 1855 betrug es 108 zu 100. Sogar bei den unehelichen jüdischen Kindern kamen auf 100 Mädchen in Oesterreich 123,9, in Preussen 118,6 Knaben. Letztere Zahl umfasst 800 erstere, 4600 Fälle4). Dasselbe Ptesultat ergiebt eine in der Medicini- schen Statistik von Oesterlen gegebene Zusammenstellung. Ferner teilt Baust5) vierzehn Fälle „nach den zuverlässig- sten Angaben verschiedener Freunde" mit, aus denen hervorgeht, dass jede Conception acht Tage nach beendigter Menstruation x) Citiert von Hoff mann. Botanische Zeitung 1871, Nr. 7 pag. 109. 2) Thury: La Production des Sexes, pag. 24. 3) Glatter: Die Lebenschancen der Juden. Citiert von Wappäus. 4) Wappäus: Bevölkerungsstatistik, Bd. II, p. 158, 159, 194. 5) Baust: Die Ursachen, welche die Entwickelung des männ- lichen und weiblichen Geschlechts bedingen. Stuttgart 1871. 3* — 3fi — einen Knaben zur Folge hatte, während die ersten drei Tage nach derselben regelmässig den Mädchen angehörten und der fünfte und sechste Tag sich als schwankend erwiesen. Indessen ist die Angabe, dass der Erfolg ausnahmslos den Erwartungen entspro- chen haben solle, nicht geeignet, das Vertrauen zu stärken; der Zufall müsste zu diesem Resultat etwas beigetragen haben. Mit grosser Reserve könnte noch folgendes bemerkt werden. In Frankreich ist der Knabenüberschuss relativ hoch. Es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen , dass die angestrebte Ver- meidung der Befruchtung in folge der Herrschaft des Zwei- kinder Systems, dies bewirkt. — Auch der äusserst hohe Kna- benüberschuss bei den unehelichen jüdischen Geburten liesse sich auf diese Weise erklären. Selbstverständlich sind dies nur Ver- mutungen, die nur als Erklärungen, nicht aber als Stützen der Theorie angesehen werden können. Später ist die Thury'sche Theorie von mehreren andern For- schern wieder aufgestellt worden, so von Dr. Upjohn und Dr. Van S. D e a t o n 1 ). Dr. Sweet1) spricht sich indessen dagegen aus , weil er drei Fälle anführen konnte , bei denen die Theorie nicht zutreffend war, was ja sehr leicht möglich gewesen ist. Das Thatsächliche an der Theorie von Thury ist mit der Einschränkung, dass das Alter des Eies nicht das allein massge- bende ist, richtig ; die Erklärung indessen, welche er für diese Er- scheinungen aufstellt, wird man wohl kaum annehmen können. Er hält das männliche aus altern Eiern hervorgehende Geschlecht für das weiter entwickelte, das weibliche aus Jüngern Eiern entste- hende aber für das mehr rudimentäre. Es kann nicht angenom- men werden, dass dies richtig sei, denn so lange das befruch- tungsbedürftige Ei nicht befruchtet ist, entwickelt es sich auch nicht. Das ältere zum männlichen Geschlecht neigende Ei kann daher nicht als etwas weiter entwickeltes und das jüngere nicht als etwas rudimentäres angesehen werden. Ein Ei kann nach der Ablösung auch nicht für unreifer gelten als später. Auch müsste gesagt sein, was man unter „reif" versteht. Mit demselben Recht könnte man auch umgekehrt behaupten , das Ei wäre sofort nach der Ablösung reif d. h. befruchtungsfähig, es verlöre aber nach und nach seine Entwicklungsfähigkeit und man müsse daher das männ- liche aus altern Eiern hervorgehende Geschlecht als etwas weniger vollkommenes ansehen. l) Schmidt's Jahrbücher d. ges. Med. 187, pag. 156. — 37 — Henschel und Schclver haben nach Gärtner1) ähn- liches für Blüthen behauptet. Sie sehen die weibliche Blume bei getrennten Geschlechtern für die vollkoramnere, die männliche aber für die unreifere an. Gärtner aber meint mit Recht, wenn dies auch bei einzelnen Fällen zutreffend sein könnte, so dürfe diese Ansicht doch auf Allgemeinheit keinen Anspruch machen. Th u ry ging bei seinen Betrachtungen von der durch K n i g h t gemachten Beobachtung aus, dass sich bei Pflanzen infolge stär- kerer Belichtung und Erwärmung mehr männliche Blüthen bil- den. Er glaubte dies als eine durch Licht und Wärme herbeige- führte Weiterentwickelung erklären zu können. Knight hatte in- dessen ebenfalls die Beobachtung gemacht, dass gute Düngung eine Ueberproduktion von weiblichen Individuen herbeiführt. (Diese Erscheinungen werden erst später genauer erörtert werden kön- nen.) Nach Thury müsste sich also das Geschlecht bei guter Ernährung nur unvollkommen d. h. weiblich ausbilden können. Zu der entgegengesetzten Ansicht scheint F. Simon2) ge- kommen zu sein ; denn er sagt : „Eine Verstärkung oder Schwächung der Assimilationsthätigkeit wird auf den Grad der Ausbildung der Zeugungsstoife von Wirkung sein und eine stärkere oder schwächere Entwicklung derselben herbeiführen." Nachdem er als Beispiel die Produktion von Weibchen im Ueberfluss und von Männchen im Man- gel bei den Cladoceren und Aphiden angeführt hat, fährt er fort: „Diese Thatsachen lehren, dass die Veränderung der Assimilation schon auf die Zeugungsstoffe der noch im Ei befindlichen Generation einwirken kann, und zwar so, dass ein Herabdrücken ihrer Energie an Stelle der weiblichen Sexualelemente die Ausbildung männlicher veranlasst." Er scheint also umgekehrt wie Thury das männ- liche für das schwächer, das weibliche für das weiter entwickelte zu halten. Die Frage, welches von den beiden Geschlechtern das weiter entwickelte ist, bleibt besser unberührt. Es sollen hier keine Theorien über das „Wesen" und den „Character" der beiden Ge- schlechter aufgestellt werden. Die Entstehung des Geschlechtes ist noch nicht physikalisch zu erklären, sondern zunächst ist es nöthig zu zeigen , dass auch in bezug auf die Production der beiden Ge- schlechter nützliche Eigenschaften massgebend sind. — Es muss hier ein kleiner Excurs gestattet werden. H i s 3) J) Gärtner, Beiträge zur Keniitniss der Befruchtung pag. 66. 2) Dissertation Jena 1883, pag. 54. 3) Anatomie menschlicher Embryonen, I, pag. 166, u. II pag. 74. — 38 — hat Dämlich die Theorie aufgestellt, dass die menschlichen Eier nur im obersten Teile der Tuba von dem dort vorrätigen Sperma befruchtet werden können. Durch Coste1), His2), und Oel- 1 ach er3) ist ferner nachgewiesen worden, dass der Keim eines den Eileiter unbefruchtet durchwandernden Eies sich erheblich ver- ändert. Coste hat gezeigt, dass das Ei nach Verlassen der obersten Abschnitte des Eileiters nicht mehr befruchtungsfähig ist. Wenn die Theorie von His, dass das Ei stets sofort nach Ver- lassen des Ovariums befruchtet wird, richtig ist, so scheint es, dass eine Verzögerung der Befruchtung überhaupt niemals eintreten kann. Dass das Ei sich nach und nach verändert z. B. auch in bezug auf seine geschlechtsbestimmende Tendenz ist sehr natür- lich. Dass das Hühnerei in einzelnen Fällen seine Befrnchtungs- fähigkeit sehr rasch verlieren kann, ist denkbar; dass es diese aber nicht sofort verlieren muss, zeigen unter andern die Experi- mente von Albini. Hier wurden Eier, welche schon ca. 12 — 15 Tage alt waren noch befruchtet. Wenn auch diese Zahl als zu hoch sich herausstellen sollte, so geht doch aus den Experimenten hervor, dass das Ei noch spät nach der Ablösung befruchtet wer- den kann , dass also die auf nur wenige Thatsachen gegründete Meinung von His nicht zutreffend sein kann. Es lassen sich auch andere Thatsachen gegen diese Theorie anführen , wie z. B. der Fall von Hensen, in dem die Frau, welche einen 3 — 3£ wöchent- lichen Embryo ausstiess, drei Wochen vorher ihre Periode gehabt hatte. Die Unvereinbarkeit dieses Falles und anderer mit seiner Theorie erkennt His sogar selbst an4). Die Ansicht von His ist aber eine solche, welche sofort als unhaltbar aufgegeben werden muss, wenn nur ein einziger Fall dagegen spricht. x) Coste, Hist. gen. etc., Bd. II pag. 76 etc. Citiert von His. 2) His, Entw. d. Hühnchens pag. 14. His zeigt hier, dass er an unbefruchtet gelegten Eiern einige Veränderungen gefunden habe. Dass solche nicht mehr befruchtungs- fähig sind, ist wohl unzweifelhaft. Wann aber diese Veränderungen eintreten, hat er nicht näher festgestellt. Es müsste der Beweis ge- liefert werden, dass sie sehr rasch nach dem Verlassen des Ovariums eintreten. 3) Oellacher, Zeitschrift für wiss. Zoologie XXII: Die Ver- änderungen des unbefruchteten Keimes des Hühnereies im Eileiter. 4) Anatomie der menschlichen Embryonen I pag. 168. — 39 — Sowie nur ein einziges Mal ein Ei später befruchtet wurde als der Zeit seines Verweilens im obersten Teile der Tuba ent- spricht, so ist damit bewiesen, dass das Ei später befruchtet werden kann und damit fällt die Theorie. Dass His seine Theorie in so vielen Fällen bestätigt fand (unter 10 ausgesuchten Fällen stimmen 12) ') ist leicht einzusehen. Bei der Mehrzahl derjenigen, welche in Gebärhäusern niederkom- men oder welche überhaupt einer ärtztlichen Untersuchung zugäng- lich sind, findet eine so häufige Cohabitation statt, dass wohl stets Sperma in den Ampullen vorrätig sein wird, welches ja wochen- lang lebenskräftig bleiben kann. Daher ist bei solchen Frauen die Wahrscheinlichkeit sehr gross, dass das Ei schon im obersten Teile der Tube befruchtet wird. — Als allgemeingültig kann dies aber wohl nicht angesehen werden. Gegen Schluss seiner Deductionen scheint H i s angesichts der vielen widersprechenden Thatsachen kein grosses Vertrauen zu seiner Theorie zu zeigen, indem er auch andere Erklärungs- möglichkeiten als berechtigt zulässt; denn er sagt2): „Eines nur scheint mir zu betonen: Entweder ist die Lebensdauer der menschlichen Spermatozoon noch weit grösser anzuschlagen, als man sie bis dahin geschätzt hat, oder das menschliche Ei bewahrt Allem, was wir sonst über die Ei-veränderungen bei Tieren wissen, zum Trotz, seine Befruch- tungsfähigkeit selbst in den tiefen Leitungswegen bez. selbst im Uterus, oder endlich unsere Vorstellungen von der Ovulation bedürfen einer eingreifenden Correction. Unter diesen drei Möglichkeiten scheint mir die erste immer noch die weitaus wahrscheinlichste." Die bereits erwähnten Versuche von Albini aber zeigen, dass die Annahme einer sehr grossen Lebensdauer der Sperma- tozoon nicht genügt, um die Zeit der Geburt respective der Ei- ablage zu erklären; denn es wurden nach langer Trennung des Huhnes vom Hahn sehr bald nämlich schon drei bis sechs Tage nach der ersten Begattung wieder befruchtete Eier gelegt. Zur Zeit der Befruchtung mussten diese also bereits ein verhältniss- mässig hohes Alter haben. ») 1. c. IL Band, pag. 73. 2) Anatomie menschlicher Embryonen II, pag. 84. — 40 — Doch selbst angenommen die Theorie von His sei in ihrer ganzen Schroffheit richtig, so ist doch unzweifelhaft, dass die Be- fruchtungsfähigkeit des Eies nicht etwa nur einen Moment, son- dern stets eine gewisse Zeit dauert. Der Ort, wo die Befruchtung stattfindet ist hierbei gleichgültig. Bei starker Beanspruchung wird das Ei in den Tuben sogleich Sperma vorfinden und jung befruchtet werden. Bei geringerer Inanspruchnahme wird dies nicht oder weniger oft der Fall sein. Auch eine Cohabitation, die eine gewisse wenn auch sehr kurze Zeit nach der Ablösung des Eies stattfindet, wird noch fruchtbar sein können. Also selbst wenn die Befruchtung nur in den Tuben stattfände wird dieselbe doch für das eine Ei früher als für das andere eintreten können. Es kann also sehr wohl eine mehr oder weniger starke Verzöge- rung der Befruchtung beim Eie eintreten. Endlich ist die dritte Möglichkeit, welche His zulässt, näm- lich die dass „unsere Vorstellungen von der Ovulation einer ein- greifenden Correction bedürfen" von Leopold1) als zutreffend bewiesen. Dieser Forscher hat durch eingehende Untersuchungen gezeigt, dass die Loslösung der Eier zu jeder Zeit stattfinden kann. Die Befruchtung wird also ebenfalls zu jeder Zeit eintreten kön- nen. Die Mehrzahl der Ei-losJösungen wird allerdings zur Zeit der Menstruation stattfinden, da beide Erscheinungen in Beziehung zu einander stehen. Wenn dies auch bei Tieren der Fall ist, so wird bei verzögerter Beanspruchung nach der Brunst im allge- meinen ein älteres Ei befruchtet werden. Unter Umständen kann dies jedoch auch mit einem jüngeren der Fall sein. Also auch aus diesem Umstand erklärt sich, warum bei verzögerter Deckung der Tiere nicht etwa ausschliesslich Männchen, sondern nur ein ge- wisser Überschuss derselben erzeugt wird. d. Arrenotokie. Der denkbar extremste Fall einer verzögerten Befruchtung des Eies tritt dann ein, wenn das Ei, das be- fruchtungsfähig ist und unter normalen Verhältnissen auch be- fruchtet worden wäre, in Folge eines Mangels an Männchen oder eines zufälligen dem entsprechenden Umstandes gar nicht be- fruchtet wird. Die Wirkung dieses extremsten Männchenmangels ist auch das Extrem des Sexualverhältnisses, d. h. aus diesen Eiern gehen nur Männchen hervor. J) Archiv f. Gynaekologie XXI pag. 347. Untersuchungen über Menstr. und Ovulation. — 41 — Die auffallendsten Beispiele linden wir bei den Arthropo- den. Die Weibchen, welche unter normalen Verhält- nissen befruchtet werden, produzieren, wenn sie in Folge eines Man gel s an Man n che n nicht befruchtet werden, nur männliche Individuen. Eine zufällige Nichtbefruch- tung bewirkt natürlich dasselbe. Hat z. B. die Bienenkönigin l) nur mangelhafte Flügel und kann daher nicht im Flug begattet werden, oder hat sie im Alter ihren vorrätigen Samen erschöpft, oder ist ihr Receptaculum zufällig oder absichtlich verletzt2) oder sind endlich die Samenfäden durch Frost getötet worden 3), so legt sie unbefruchtete Eier, aus denen nur männliche Individuen her- vorgehen. Dasselbe zeigt sich, wenn die unbefruchteten Arbeiter Eier legen. Die Bienenkönigin soll sogar so empfindlich gegen einen Mangel an Männchen sein, dass sie bei künstlich verzögerter Befruchtung mehr Männchen, dagegen bei frühzeitiger Begattung, was ein Zeichen von Überfluss an Männchen ist, fast nur weib- liche Nachkommen produziert 4). Ähnliches ist von Siebold für viele Vespiden constatiert. Das im Herbst befruchtete Weibchen legt im nächsten Frühjahr Eier, aus denen Arbeiter hervorgehen (von Siebold kleine Weib- chen genannt). Die grösseren derselben können sich an der Ei-ab- lage beteiligen. In Folge des gänzlichen Mangels an Männchen aber legen sie unbefruchtete Eier, aus denen nur männliche Indi- viduen hervorgehen. Für Polistes gallica5) hat Siebold dies festgestellt. Dasselbe scheint aber auch bei Vespa holsatica und Vespa britannica6) der Fall zu sein. Hier zeigt sich auch, dass die Schwankungen des Sexualver- hältnisses bei niederen Tieren viel bedeutender sind als bei höheren. x) Siebold, Wahre Parthenogenesis bei Schmetterlingen und Bienen 1856 Leipzig. 2) Berlepsch, Eichstätter Bienenzeitung 1855, No. 7, pag. 78. 3) Drierzon: Bienenzeitung 1854 pag. 252 und Berlepsch, 1. c. 1855 pag. 80. Citiert von Siebold. 4) Zuerst von Hub er beobachtet: Burdach Physiologie I. Bd. pag. 589. Thury, La Production des Sexes, pag. 14. Pagenstechers Kritik zu dieser Schrift pag. 38. 5) Siebold, Über die Parthenogenesis der Polistes gallica. Zeit- schrift f. wiss. Zool. 1870, XX. Beiträge zur Parthenogenesis der Arthropoden Leipzig 1871 I Über die bei Polistes wahrzunehmende Parthenogenesis. * ) 1. c. II Parthenogenesis bei Vespa holsatica. — 42 — Beim Menschen sahen wir immer nur einen gewissen Überschuss des einen Geschlechtes auftreten, hier indessen zeigt sich unter bestimmten Umständen die ausschliessliche Production von Männchen. S i e b o 1 d stellte ferner mit Xematus ventricosus, deren Larven auf Johannis- und Stachelbeersträuchern leben, Versuche an, um die Wirkung der Befruchtung und der Verhinderung der- selben zu erforschen. Die Tabellen geben seine Resultate wieder: Befruchtete Eier Versuch Jahreszeit Geschlecht $ zu 100 c? l Anfang Juni 136 S und 19$ 14 $ 2 Mitte „ 86 S „ 66$ 77 i 3 Ende „ 215 S n 579? 269 ? 4 Anfang August 60 6 „ 6? 10 9 5 Ende Juli 24 S „ 65? 271 $ 6 August 4 & „ 14$ 340 $ 7 Ende August 2 °°* 996 1O03 924 939 90 92S 895 85* 957 874 '"'•<. ''" 7^ November* 10.612 2915 7697 8*99 3436 5762 924 9,9 918 936 79,3 990 '*--i ^;-V -7~~7~ ^\ Derember «- 23*8 777,-} SJW «« «U 9S4 9«, 939 1026 ,0,S 1057 1 Nl Januar 10,783 »930 7333 8888 3172 3799 « 934 937 999 962 997 y^ Februar ' «,„, 2926 7493 «,7 3443 5889 936 903 926 932 W45 .» i \ j Märt ,,,„ 31 14 7997 9034 3246 6223 ~ 934 ,o,s 982 ,070 's \ '■,, ^s 1 Summa. 13363t «.„ 98703 ,o„„ 38808 j 68*93 ,7000 I ,„„0 12QOO ~. „090 1 ,M /A>//„,,f/ ifnrlf ' Ttt>" Stnrtt 1t, 304 *„ — .7,, 3234 37 OS i ^ — 1 ""■- \ Mittel Mona! der ( oucc/ilio April Mai Juni Juli August Teptembi Ortobei Vettern b> ~)ecernb. Jemnt Februc März Monat da' Conccutioii Geburten Temp CeOurlen looo 3IOO 310O 33006 A/jril 3134 w,/ Mai 3037 f/S.3 X s. Juni 3227 3387 36.7 ~~"~~- -^___ """"-■-^ Juli 59, 0 "~~> ^^~ .August 32.90 .57,8 ,' September 3289 33,3 ^^~ ^ Vetober 3107 J*7,/ j-r***' Nouemlter ?3/J >tO.O ■^^ Deeemüer ''979 38 A .Januar 3o?2 38,3 39,7 *0,8 f 1 Februar \ \ März \ < \ Mittel 3/! 7 », i. )" CO - 09 — Je unabhängiger sich der Mensch von der Natur gemacht hat, desto weniger werden auch die Veränderungen der Temperatur auf die Stärke seiner Reproduction von EinfluBS sein. Dies finden wir bestätigt, wenn wir die Zahlen betrachten, welche für die Stadt- resp. Landbewohner gelten. Die Zahl der Conceptionen steigt im Frühjahr bei letzteren viel bedeutender und ebenfalls liegt das Minimum bedeutend tiefer als das bei den Städtern. Die Reproductionsstärke der Landbewohner ist also, wie zu er- warten war, weit abhängiger von den Veränderungen in der Natur als die der Stadtbewohner, welche bereits eine grössere Unab- hängigkeit erlangt haben. Eine fernere Tabelle, No. II, welche der Statistik von Wap- päus entnommen ist, zeigt, wie das Maximum der Reproduction in andern Klimaten auch in andere Monate fällt als bei uns. Die Zahlen sind bereits auf einen Monat von 30 Tagen corrigiert und auf 12 000 jährliche Geburten reduziert. Im gemässigten Klima fällt die stärkste Conceptionsfrequenz in die Monate Mai und Juni, in Chile dagegen den dortigen Jahreszeiten gemäss in den De- cember, Januar und Februar. Wie sehr die Conceptionsfrequenz von der Temperatur ab- hängig ist, wird am besten an der Tabelle No. III ersehen, welche einer Arbeit von Haycraft1) entnommen ist. Die Zahlen gelten für die acht grossen Städte Schottlands. Man sieht hieraus deut- lich, wie mit der Temperatur auch die Zahl der Conceptionen steigt und fällt. Nur der Januar zeigt eine von der Temperatur unabhängige Zunahme, welche nach Haycraft mit der dortigen Feier des Neujahrsfestes in Zusammenhang steht. Aus den Zahlen lässt sich leicht berechnen, dass eine Tem- peratursteigerung um 1° F. eine Vermehrung der Conceptionen um 5$ bewirkt. Diese ist nach Haycraft nicht darauf zurückzuführen, dass eine verstärkte Coitusfrequenz stattfindet, sondern darauf, dass die Conceptions- fähigkeit der weiblichen Individuen zunimmt. Er schliesst nämlich folgendermassen : Das Intervall zwischen Insemination und Entbindung dauert durchschnittlich 275 Tage 2), die Dauer der Schwangerschaft , von der Conception bis zur Ent- *) John Berry Haycraft, On some physiological Results of Temperature-variations. Transactions of the Royal Society of Edin- burgh. Vol. XXIX. 2) Matthews Duncan, Fertility, Fecundity and Sterility. Ci- tiert von Haycraft. 7* — 100 — bindung gerechnet, 272 Tage. Folglich verfliessen durchschnitt- lich drei Tage von der Insemination bis zur Conception. Aus den Zahlen geht aber hervor, dass Conceptions- und Temperatunnaximum nur um zwei Tage auseinander fallen, die stärkste Coitusfrequenz müsste also in die Zeit vor dem Maximum der Temperatur fallen, kann mithin keine Folge derselben sein. Der Einfluss der Teinperatursteigerung auf die Häufigkeit der Geschlechtsacte ist daher bedeutend kleiner. Vielmehr wirkt die Wärine direct auf die weiblichen Genitalien ein und erhöht die Conceptionsfähigkeit. Indessen wurde schon darauf hingewiesen, dass es vielleicht weniger die Temperatur selbst, als die Steigerung derselben ist, welche auf die Genitalien einwirkt. Je rascher die Temperatur zunimmt, je mehr der Körper also an Stollen aufgenommen hat und ausgeben kann, und je weniger er infolge der verminderten Wärmeproduction hiervon wirklich ausgiebt, desto mehr erübrigt er für die Reprodnction. In den meisten Ländern fällt auch in der That das Maximum der Conceptionen in das Frühjahr. Die auf besondere klimatische Verhältnisse zurückzuführende Ausnahme der schottischen Städte kann diese Regel nicht erschüttern. In Preussen fällt das Maxi- mum der Geburten, wie später an sehr grossen Zahlen nachge- wiesen werden soll, in die Monate April, Mai und Juni. Das aber ist an dem Gedankengang Haycrafts jedenfalls richtig, dass es nicht etwa blos die gesteigerte Coitusfrequenz ist, welche die Conceptionen vermehrt, sondern dass die Temperatur auf die weiblichen Genitalien wirkt und eine verstärkte Concep- tionscapacität hervorruft. Wie dies geschieht, darüber Hessen sich leicht Vermutungen aussprechen. Indessen wird es besser sein, wenn dies spätem Untersuchungen vorbehalten bleibt. An diesen Beispielen haben wir also gesehen, wie die Repro- duction der Menschen infolge nützlicher Eigenschaften je nach der Gunst oder Ungunst der Verhältnisse verstärkt oder vermindert wird. bb. Bei Tieren. Eine sehr grosse Zahl von Thatsachen lässt sich dafür an- führen, dass auch bei Tieren der Fortpflanzungsapparat sehr em- pfindlich gegen äussere Einwirkungen ist. Und zwar wird auch hier die Vermehrung je nach den Existenzbedingungen reguliert. — 101 — Unter günstigen Verhältnissen wird sie vermindert, unter ungün- stigen verstärkt. C r a in p e 1 ) hatte bei seinen Zuchtversuchen mit der Wan- derratte Gelegenheit, den Einfluss der Ernährung auf die Re- production bei diesem Tiere zu beobachten. Anfangs wurden seine Tiere sehr mangelhaft ernährt, während er später besser für sie sorgen konnte. Er sagt hierüber: „Als die Ratten rationeller ernährt wurden, wurden dieselben früher fortpflanzungsfähig, war- fen häufiger und Hessen seltener ihre Nachkommen zu Grunde gehen." Au einer andern Stelle sagt er: „Die überaus reichliche Er- nährung in der Jugend hat die zahmen Ratten schnellwüchsig und frühe fortpflanzuugsfähig gemacht. Die Tiere werden zuweilen schon mit 50 Tagen, jedenfalls viel früher tragend, als dieses die bei weitem nicht hinreichend vorgeschrittene Körperausbildung zuträglich erscheinen lässt." Dies ist wieder ein Zeichen, wie mächtig eine bessere Ernährung besonders auf das Genitalsystem einwirkt, während die übrigen Körperteile viel weniger empfind- lich sind. Spencer2) führt folgendes treffende Beispiel an, welches zeigt, wie unter den domesticierten Säugetieren die wohlgenährten fruchtbarer sind als die schlechtgenährten. „Auf den hohen und verhältnissmässig unfruchtbaren Cotswolds kommt es nur selten vor, dass die Schafe Zwillinge werfen, während sie sehr gewöhn- lich zwei Junge zur Welt bringen in dem benachbarten reichen Thale des Severn. Ebenso werden auf den öden Hügeln des Westens von Schottland zwei Lämmer nur von etwa einem Schafe unter zwanzig zur Welt gebracht, während in England mindestens ein Schaf unter dreien zwei Lämmer bringt. Ja auf reichen Weiden sind Zwillinge viel häufiger als einfache Geburten und gelegentlich kommt es sogar vor, dass nach einem günstigen Herbste und dem dadurch bedingten üppigen Graswuchse eine Schafheerde im nächsten Frühjahr die doppelte Anzahl von Läm- mern bringen kann, so dass die dreifachen Geburten den einfachen das Gleichgewicht halten. So unverkennbar ist diese Relation, dass ich einen Pächter versichern hörte, er sei im Stande, aus der guten, mittleren oder schlechten Beschaffenheit eines Mutter- 1) Crampe, Zuchtversuche mit zahmen Wanderratten. Land- wirtschaftliche Jahrbücher XII. Band (1883), Heft 3, pag. 395 u. 434. 2) Principion der Biologie, übers, v. Vetter, Band 2, pag. 506. — 102 — schafes im Herbste vorauszusagen, ob es im nächsten Frühjahr zwei, ein oder kein Junges bringen werde." Unter den niedern Krustern sind besonders dieDaphniden für Nahrungsverminderung sehr empfindlich. Bei den Daphniden hat Weismann1) die Wirkung einer Nahrungsverminderung näher erforscht. Er kam zu dem Resultat, „dass die Folgen des Hungers sich zu allererst an den Fort- pflanzungskörpern geltend machen." Lässt man diese Tiere näm- lich hungern, so bemerkt man, wie eine Keimgruppe nach der andern resorbiert wird. Das Tier nährt sich also von den Ge- schlechtsproducten, die es früher zur Zeit des Überflusses gebildet hatte. Unter ungünstigen Verhältnissen wird also zu allererst die Fortpflanzung vermindert. Ahnliche Vorgänge wie bei den Daphniden müssen auch bei den Bienen stattfinden. Eine schlecht genährte Königin legt „taube" Eier, d. h. solche, welche sich nicht entwickeln können. Nach den übereinstimmenden Untersuchungen von Claus und Siebold2) tritt dies wegen Mangel an Dottermaterial ein. Eine schlecht genährte Königin entzieht ihrem Eierstock Dotter, sie lebt wie die hungernden Daphniden auf Kosten ihrer Geschlechts- producte. Also auch hier bewirken ungünstige Umstände eine Verminderung der Keproduction. Natürlich ist die Empfindlichkeit des Reproductionsvermögens auch den niedrigsten Tieren eigen. Trembley bemerkte z.B. bei Süsswasserpolypen, dass bei Überfluss an Nahrung eine kolossale Knospung eintrat, während bei abnehmender Nahrungs- zufuhr diese sich immer mehr reduzierte bis zum gänzlichen Er- löschen. Ferner hat Marshall3) sehr schöne Beobachtungen über Hydra viridis angestellt. Er sagt: „Fütterte ich meine Hydren in dem einen Glase gut, so waren sie fruchtbar und mehrten sich. Liess ich sie in einem andern Behälter darben, so nahm die Selbsterhaltung sie ganz in Anspruch und von Knospung war keine Rede." Bei äusserst starker Nahrungszufuhr kann sogar eine ganz aussergewöhnlich unmässige Vermehrung eintreten. Auch dies beobachtete Mars hall: „Während Ehrenberg nie mehr x) Zur Naturgeschichte der Daphniden pag. 126. 2) Zeitschrift f. wiss. Zool. XXIII, 1873. Claus und Siebold, Über taube Bienen-Eier. 3) William Marshall, Über einige Lebenserscheinungen der Süsswasserpolypen und über eine neue Form von Hydra viridis. Zeitschrift f. wiss. Zool. XXXVII, 4. Heft, pag. 668. — 103 — als vier Knospen sah, habe ich bei Hydra vulgaris, allerdings an ganz besonders gut genährten Exemplaren, oft einen ganzen Kranz derselben beobachtet." Bei hungernden Individuen bilden sich keine neuen Knospen. Die vorhandenen wachsen nicht weiter, sie lösen sich entweder ab, auch wenn sie noch relativ klein sind, oder sie schwinden. Dasselbe was Weismann bei den Daphniden beobachtet hat, dasselbe zeigt sich auch hier bei den Süsswasserpolypen. Das Tier lebt auf Kosten seiner Geschlechtsproducte. Bei Hydra sieht man also recht deutlich, wie ein Tier die Eigenschaft besitzt, sich in der Stärke der Reproduction genau nach den Ernährungsver- hältnissen zu richten. Im Überfluss zeigt Hydra eine ganz enorme, oft sogar unnatürlich starke Vermehrung, im Mangel aber hört diese gänzlich auf, ja es kann sogar die zu bessern Zeiten statt- gefundene Vermehrung rückgängig gemacht werden, es kann eine Verminderung der Individuenzahl eintreten und zwar zu Gunsten des einen Tieres, welches den Mangel überlebt. Dasselbe fand Dalyell1) bei Hydra tuba. „Es ist wun- derbar, wie sehr die Vermehrung durch reichliche Nahrungszufuhr begünstigt wird." Dieser Polyp lässt Junge hervorsprossen mit einer Geschwindigkeit, die genau im Verhältniss zur Nahrungs- zufuhr steht. An dem Beispiel der Hydra sieht man recht deutlich, dass die stärkere Vermehrung nicht eine rein physikalische Wir- kung der grösseren Nahrungszufuhr ist. Marshall hat die ver- mehrte Bildung von Knospen als eine mechanisch bewirkte Aus- bauchung des Magens erklären wollen. Indessen ist nicht einzu- sehen , warum z. B. die Tentakeln nicht dasselbe Verhalten zeigen. Bei Hunger könnten ja auch diese schwinden und das Tier auf Kosten derselben leben. Dies wäre aber eine äusserst ungünstige Eigenschaft. Und die Thatsachen beweisen, dass das Tier diese nicht besitzt. Mars hall bemerkt sogar ausdrücklich, dass schlecht genährte Individuen mehr Tentakeln haben als gut ge- nährte. Im Hungerzustande werden also die Geschlechtsproducte re- duziert, während die zur Ernährung dienenden Teile sich sogar weiter ausbilden. Dies kann unmöglich die mechanische Wirkung der schwankenden Nahrungszufuhr sein, sondern dies beruht auf *) Citiert von Spencer: Principien der Biologie, übers, von Vetter, Band 2, pag. 502. — 104 — vererbten nützlichen Eigenschaften, welche bewirken, dass die Ver- mehrung den Existenzbedingungen gemäss reguliert wird. — Die Domestication wirkt ähnlich wie Überfluss. Die Haustiere sind im Allgemeinen besser genährt als die wilden Formen. Infolge dessen ist bei ihnen eine frühere Geschlechts- reife1), eine häufigere Brunst und eine grössere Fruchtbarkeit2) eingetreten. So ist der Alexishirsch in Deutschland, wo er nur in Gefangenschaft vorkommt, zu allen Jahreszeiten zur Zeu- gung bereit. Ferner bemerkt man, dass im Stall gefütterte Kühe oder solche, die mit dem Stiere gemeinsam weiden, sich zu jeder Jahreszeit begatten 3). Es giebt sogar Hennen, die bei sehr guter Nahrung jährlich 200 Eier legen , die also ihr eigenes Ge- wicht im Laufe des Jahres etwa zehn mal in Form von Eisubstanz erzeugen1), während die Henne des wilden Gallus bankiva nur sechs bis zehn Eier legt. Schon Buffon wusste dies; denn er sagt, dass domesticierte Tiere sich öfter im Jahre paaren, mehr Junge in einem Wurf producieren als wilde Tiere derselben Spe- cies; sie pflanzen sich zuweilen in einem früheren Alter fort. Eine grosse Anzahl von ähnlichen Thatsachen führt Dar- win5) an. „Das wilde Kaninchen pflanzt sich viermal jähr- lich fort und soll höchstens sechs Junge produzieren; das zahme pflanzt sich sechs oder siebenmal fort und produziert jedesmal vier bis elf Junge." „Das Frettchen ist fruchtbarer als sein angenommener wilder Urtypus, trotzdem es in so enger Gefangen- schaft gehalten wird." Das Frettchen (Mustela furo) bringt nach Spencer jähr- lich zweimal 6 — 9 Junge, das gewöhnliche Wiesel (Mustela erminea) aber wirft jährlich nur einmal 5 Junge. Ein auffal- lender Gegensatz jedoch ist der zwischen den wilden und zahmen Varietäten des Schweins. Spencer6) sagt: „Während die er- steren je nach ihrem Alter 4 — 8 und selbst 10 Junge einmal des Jahres werfen, bringen die andern manchmal bis zu 17 Junge in x) Wagners Handwörterbuch der Physiologie : Leuckart, „Über Zeugung", Band IV, pag. 858. 2) Wundt, Physiologie. 3) Wagners Handwörterbuch, B. IV, pag. 722. 4) Burdach, Physiologie, B. I, pag. 385. 5) Das Variiren der Tiere u. Pfl. im Zust. d. Dornest. Übers, v. Carus, pag. 97 — 100. 6) Principien der Biologie, B. 2, pag. 506. 105 — einem Wurfe zur Well oder werfen in andern Füllen sogar fünf mal in 2 Jahren mit je 10 Jungen." „Bei Gänsen bewirkt gute Ernährung, sorgfältige Pflege und massige Wärme Neigung zur Fruchtbarkeit, welche in gewis- sem Masse erblich wird." Die wilde Ente legt 5—10 Eier, die zahme in einem Jahre 80 — 100. Die wilde Gans legt 5— 8 Eier, die zahme 13 — 18 und zwar legt sie sogar ein zweites Mal." Nach Spencer besteht der Wurf des Hundes aus 6 — 10, der des Wolfes und Fuchses aus 5 — 7 Jungen. Die wilde Katze wirft einmal 4 — 5 Kätzchen, die zahme aber 5 — (5 Kätz- chen 2 — 3mal im Jahr. Die gemeine Ratte hat im Jahre mehrere Würfe von 10—12 Jungen, die Wasserratte aber nur 5—6 in einem Wurfe und nur ein bis höchstens zwei Würfe des Jahres. Die bessern Ernährungsverhältnisse scheinen also besonders auf die Vermehrungsfähigkeit eingewirkt zu haben. Gegen einige dieser Beispiele könnte man einwenden, dass in folge der Höherschätzung der fruchtbareren Individuen durch den Menschen eine künstliche Zuchtwahl stattgefunden habe. Wie Darwin richtig bemerkt, „kann aber bei Hunden, Katzen, Frett- chen eine solche Zuchtwahl nur eine untergeordnete Rolle ge- spielt haben; und die Zunahme ihrer Fruchtbarkeit muss den günstigeren Lebensbedingungen zugeschrieben werden, unter denen sie lange existiert haben." Nachdem M acgillivray ') die Bemerkung gemacht hat, dass die Columba livia (Felstaube) „im Frühjahr, wenn sie reichlich Korn auf den neubesäeten Feldern aufpicken kann, fett zu werden und sich zu paaren beginnt, ebenso abermals im Herbste, wenn das Korn geschnitten worden ist" setzt er hinzu, dass „das- selbe Paar in gezähmtem Zustande gewöhnlich viermal im Jahre brütet." Ferner erwähnt Spencer2), dass der Sperling, der sich durch seine Keckheit mancherlei Futter verschafft, was seinen Verwandten aus der Finkenfamilie nicht zugänglich ist, mehrere Brüten jährlich aufbringt, während keiner von seinen das Feld bewohnenden Verwandten mehr als höchstens zwei und manche nur eine einzige Brut aufweisen. Die Änderung der Nahrungs- zufuhr wirkt also besonders auf die Thätigkeit der Fortpflanzungs- organe ein. 1 ) Citirt t. Spencer. Principien der Biologie, Band 2, pag. 505. 2) 1. c. pag. 506. — 106 — Aber nicht allein die Verminderung der Nahrungszufuhr, son- dern jeder nachteilige Umstand, z. B. das Gefangenhalten wirkt vor allem auf den Reproduction sapparat ein. Allgemein bekannt ist es, dass sich viele Tiere in der Gefangenschaft nur schwach oder gar nicht fortpflanzen. Am stärksten wird dies natürlich bei solchen Tieren hervortreten , welche den Verlust der Freiheit und Selbständigkeit am meisten empfinden werden. Namentlich gefangene Raubvögel, die sich selbst in den zoolo- gischen Gärten unter den unnatürlichsten Verhältnissen befinden, da ihnen die Raumbeschränkung den Flug nicht gestattet, pflanzen sich fast gar nicht fort. Die Stärke der Einwirkung auf das Re- productionssystem ist bei verschiedenen Tieren verschieden stark. Man kann vielleicht drei Grade unterscheiden. Die Vermehrung findet statt , ist aber schwächer als normal ; zweitens die Begat- tung wird ausgeübt, bleibt aber ohne Befruchtung; endlich es tritt nicht einmal eine Annäherung der Geschlechter ein. Das bekannteste Beispiel bietet der Elephant, der sich in der Gefangenschaft fast nie fortpflanzt. Füchse, Bären, Hasen, Eich- hörnchen zeigen dieselbe Erscheinung, wie Darwin 1) anführt. Die Fehden pflanzen sich gefangen zwar fort, aber schwächer als normal. Dasselbe gilt für Aflen. Wie Darwin von dem Oberauf- seher des zoologischen Gartens erfuhr, hat sich die Fruchtbarkeit der Carnivoren gegen früher bedeutend vermehrt, als sie reich- licher der Luft und Kälte ausgesetzt wurden. AVie schon oben gesagt, pflanzen sich Raubvögel fast nie in der Gefangenschaft fort. Nur als seltene Ausnahme ist dies beim Condor (Zoolog. Garten zu Dresden) und bei Milvus niger con- statiert worden. Einige Eulen sollen sich nach Darwin ebenfalls fortpflanzen. Bei allen übrigen Raubvögeln aber findet dies nicht statt. Lerchen, Papageien, Schwalben, Birkhühner etc. sind nach Darwin ebenfalls in der Gefangenschaft unfruchtbar. Columba migratoria, die amerikanischen Hoccohühner, der afrikanische Strauss etc. zeigen gefangen eine verminderte Fruchtbarkeit. Darwin führt sogar einige Thatsachen an, denen zufolge In- sekten2), Sphingiden, in der Gefangenschaft sich als un- fruchtbar erwiesen. x) Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestica- tion. Übers, v. J. V. Carus. pag. 146. -) 1. c. pag. 154. — 107 — Er sagt ferner1): „In Europa hat enge Gefangenschaft eine entschiedene Einwirkung auf die Fruchtbarkeil des Huhnes. Man hat in Frankreich gefunden, dass bei Hühnern, denen man eine beträchtliche Freiheit gestattet, nur zwanzig Procenl der Eier fehlschlagen. Gestattet man ihnen weniger Freiheit, so schlagen vierzig Procent fehl, und in enger Gefangenschaft wurden von hundert Eiern sechzig nicht ausgebrütet"-). Die Wirkung ungünstiger Verhältnisse ist also dieselbe, als wenn die Tiere an einem Nahrungsmangel gelitten hätten. So sagt Darwin: „Pflanzt sich ein Tier, welches sonst allgemein in der Gefangenschaft steril ist, zufällig fort, so hat das Junge dies Ver- mögen nicht. Dr. Broca behauptet selbst, dass viele Tiere im Jardin des Plantes , nachdem sie in drei oder vier aufeinander folgenden Generationen Junge produziert haben, steril wurden"3). Also nicht allein bei schlechter Ernährung, sondern überhaupt unter ungünstigen Verhältnissen tritt eine Verringerung der Ver- mehrung ein. Selbst auf die Reproduction der Frösche wirkt die Ge- fangenschaft nachteilig ein, wie Pflüger beobachtete. Er sagt hierüber4): „Endlich weise ich darauf hin, dass man Froschpaare nicht vor der Laichzeit einfangen darf, wenn die meisten Eier noch in den Eierstöcken sind. Solche paaren sich zwar in der Gefangenschaft, laichen aber nicht: die Eier bleiben in den Ova- rien und verderben. Weshalb die Ovulation so leicht gestört wird, ist mir ganz räthselhaft und ich will natürlich nicht in Ab- rede stellen , dass noch die günstigen notwendigen Bedingungen gefunden werden, welche den normalen Ablauf des Generations- geschäftes in der Gefangenschaft bei den grünen Wasserfröschen ermöglichen'1. Diese notwendige Bedingung wird wohl die sein, dass der Frosch eben nicht gefangen gehalten wird oder wenig- stens, wenn dies doch der Fall ist, diese Verhältnisse nicht auf ihn einwirken, er also so zu sagen nicht weiss, dass er gefangen ist. Ein anderes Mal fand Pflüger5) zufällig ein Männchen, 1) 1. c. pag. 159. 8) Entnommen dem Bullet, de la Soc. d. Acclimat. 1862. Tom. IX, pag. 380, 384. 3) 1. c. pag. 157. entnommen dem Journal de Physiologie. Tom. II, pag. 347. 4) E. Pflüger, Über den Einfluss der Schwerkraft auf die Teilung der Zellen. Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. XXXI, p. 318. 5) E. Pflüger, Wirkt der Saft der Hoden nicht brünstiger — 108 — das sich in den Keller der Privatwohnung und ein Weibchen, das sich in den des Institutes verirrt hatte. Beide mussten sich hier schon lange aufgehalten haben. „Während die übrigen Frösche auf dein Höhepunkt der Brunst standen, zeigte das in ein Gefäss zusammengebrachte Paar nicht die geringste Neigung zur Paa- rung". Pflüger bemerkt ausdrücklich, dass beide wohl genährt erschienen. Das unnatürliche Lebensverhältniss hatte also seine nachteilige Wirkung nur auf das Genitalsystem ausgeübt, während der übrige Körper sich bei weitem nicht so empfindlich erwies. Auch auf Ratten wirkt die Gefangenschaft nachteilig ein. Crampe1), welcher sehr ausgedehnte Zuchtversuche mit der Wanderratte (Mus decumanus) anstellte, sagt hierüber: „Die zah- men Ratten erreichen bei weitem nicht die Länge und Schwere der wilden. Die Ratten verkümmern in Folge der Haltung in engen Käfigen und unzureichender Ernährung. Die Gefangenschaft ist die Ursache des Sinkens der Fruchtbarkeit und des Ausster- bens der Familien". Gehen wir zu weiteren Umständen über, welche auf die Re- production einwirken. Jede starke, unvermittelte Änderung der Lebens- bedingungen übt ebenfalls einen nachteiligen Einfluss aus, der sich zuerst au den Reproductionsorganen geltend macht. Stu- ten2), welche mit trockenem Futter im Stall aufgezogen und dann auf Grasweiden gebracht wurden, pflanzten sich anfangs nicht fort. Man ersieht hieraus, wie ausserordentlich empfindlich der Genitalapparat ist. — Die Ernährung des Fortpflanzungsapparates ist aber nicht nur abhängig von äusseren Einflüssen, sondern auch von dem Alter des Individuums. Die Ernährung desselben und damit auch seine Leistungsfähigkeit nimmt zuerst zu, erhält sich dann eine Zeit lang auf seiner Höhe, um dann später wieder abzu- nehmen. Nach Buffon3) bringt eine Sau von weniger als einem Männchen befruchtend? Archiv f. d. ges. Physiologie, Bd. XXIX, Heft 1 u. 2. l) Dr. Crampe, Zuchtversuche mit zahmen Wanderratten. Landwirtschaftliche Jahrbücher. XII. Bd. (1883), Heft 3, pag. 391. "l ) Citirt von Darwin : Das Varriiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Übers, v. J. V. Carus. II. Bd. p. 159. Entnommen aus: J. Mills, Treatise on Cattle 1776, p. 72.. 3) Citiert von Spencer: Principien der Biologie, Bd. II, pag. 482. Übers, von Vetter. — 109 — Jahre Junge hervor. Diese sind aber wenig an Zahl und die ein- zelnen Tiere sind schwach und selbst unvollkommen ausgebildet. Nach Burdach haben das Elentier, der Bär etc. im Aofang stets nur ein Junges, später aber fast regelmässig zwei und schliesslich wieder nur eins. Der junge Hamster erzeugt blos drei bis höchstens sechs Junge, während er im vorgeschrittenen Alter von acht bis zu sechzehn Jungen wirft. Eine Hündin1) bringt, noch bevor ihr Wachstum vollendet ist, in einem Wurfe stets weniger Junge, als wenn sie vollständig ausgewachsen ist. Mit abnehmender Lebenskraft wird die Zahl der in einem Wurfe enthaltenen Jungen immer geringer, bis sie auf eins oder höchstens zwei herabsinkt. Auch beim Menschen finden sich die meisten Mehrgeburten bei einem mittleren Alter der Mutter. Man findet also auch, wenn man das Alter des Muttertieres in betracht zieht, den Satz bestätigt, dass die Stärke der Vermehrung mit der Er- nährung des Genitalapparates zu- und abnimmt. — Auch das Klima scheint auf Tiere eine ähnliche Wirkung zu haben wie auf den Menschen. In wärmere Gegenden gebrachte Tiere sollen eine früher eintretende und häufig wiederkehrende Brunst zeigen. Dies ist an Haustieren beobachtet worden. Jedoch sind die Angaben hierüber noch spärlich. „Ein hartes Leben verzögert auch die Periode, zu welcher die Tiere empfangen; denn man hat es auf den nördlichen schot- tischen Inseln für unvorteilhaft gefunden , Kühe zum Tragen zu- zulassen, ehe sie vier Jahre alt sind"2). Jedoch sollen die Haustiere in Lappland, wie ein Reisender angiebt, äusserst fruchtbar sein 2). „Unter den domesticierten Vögeln ist2), mehreren Berichten zufolge, die Pfauenhenne fruchtbarer, wenn sie in ihrer eigent- lichen indischen Heimat wild lebt, als wenn sie in Europa do- mesticiert und unserem viel kälterem Klima ausgesetzt ist." Darwin führt ferner an 3), dass Schafe, welche in die heissen Thäler der aequatorialen Cordillera gebracht waren, nicht völlig fruchtbar waren. Aus Spanien eingeführte Merinoschafe sollen anfangs nicht ganz fruchtbar gewesen sein. Lange Zeit hat es 1) 1. c. pag. 500. 2) Citiert von Darwin (Das Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestication, übers, v. J. V. Carus, Bd. H, pag. 98) entnommen aus Hogg, on Sheep , pag. 263 und Acerbi, Reisen nach d. Nord-Cap und Tegetmeiers Poultry Book 1866, pag. 280, 282. 3) 1. c. pag. 158. — 110 — gedauert, bis der Canarienvogel seine vollkommene Fruchtbarkeit wieder erlangte. „Roulin zufolge legten Gänse, welche auf das Plateau von Bogota gebracht wurden, zuerst selten und dann nur wenige Eier ; von diesen wurde kaum ein Viertel ausgebrütet und die Hälfte der jungen Vögel starb. In der zweiten Generation waren sie fruchtbarer und als Roulin schrieb, wurden sie so fruchtbar als unsere Gänse in Europa." Dasselbe führt Darwin an für Gänse, welche nach Quito und nach dem Philipinenarchipel eingeführt wurden, ferner für die Hühner und englischen Kampf- hühner, welche nach Cusco in Bolivia eingeführt wurden. Sonst ist das Huhn in allen Teilen der Erde fruchtbar mit Ausnahme von Grönland und dem nördlichen Sibirien , wo sich dasselbe nach Darwin nicht mehr fortpflanzt. — Wie das Klima, so ist auch der Wechsel der Jahreszeiten von Einfluss auf die Stärke der Reproduction. Spencer1) er- wähnt folgende Beispiele. „Unser gewöhnliches Geflügel wird während der kalten Monate gefüttert; allein nichtsdestoweniger hört es in der Mitte des Winters entweder vollständig zu legen auf oder legt wenigstens nur spärlich. Dazu kommt die fernere Thatsache, dass, wenn es spärlich legt, dies doch auch nur unter der Bedingung geschieht, dass die Wärme sowohl wie die Nahrung künstlich auf gleichem Niveau erhalten wird. Hennen legen in kalter Jahreszeit nur, wenn sie warm gehalten werden. Hierzu mag denn noch die verwandte Thatsache hinzugefügt werden, dass, wenn Tauben künstliche Wärme erhalten, sie nicht allein bis tief in den Herbst hinein zu brüten fortfahren, sondern auch im Früh- jahr früher damit beginnen, als sie dies sonst thun würden. — Macgillivray2) sagt sogar, dass domesticierte Tauben bei reich- licher Fütterung in jedem Monate des Jahres brütend angetroffen werden können. Ein entsprechendes Beispiel ist ferner, dass un- genügend geschützte Kühe im Winter entweder ganz aufhören, Milch zu geben, oder nur in verringerter Menge solche produ- zieren." Gould3) sagt: „Ich darf nicht unterlassen, die ausser- ordentliche Fruchtbarkeit zu erwähnen, welche bei den Vögeln in Australien vorliegt, von denen manche kleine Art drei-, selbst viermal im Jahre brütet; immer aber legen sie im ersten Früh- 1) Principien der Biologie, übers, v. Vetter, Band II, pag. 493. 2) Citiert von Spencer, 1. c. pag. 505. 3) Citiert von Spencer, 1. c. entnommen aus Gould, Die Vö- gel von Australien. — 111 — jähr, so lange das Insectenleben noch wenig ausgebildet ist, nur wenige Eier, eine grosse Zahl dagegen später im Jahre, wenn die Menge der Insectennahrung reichlicher geworden ist. Spencer, welcher dies citiert, ist der Meinung, dass ausser der grösseren Menge der Nahrung auch die zunehmende Wärme eine Teilursache der stärkeren Vermehrung ist. — Steigert man bei deniseilten Tiere die Stoffausgabc für die Muskelarbeit, so bewirkt dies eine bedeutende Verminderung der Reproduction. Eine Hündin1) wirft im Alter immer weniger Junge. „Diese Abnahme findet rasch oder allmählig statt, jenach- dem die Grösse der Arbeit, welche ein Hund zu leisten hatte, wechselt, so dass daher eine Hündin, die Jahr für Jahr stark angestrengt wurde, sehr bald unfruchtbar wird und die Vermin- derung ihrer Jungen entsprechend rasch vor sich geht, während sie dagegen, nur massig angestrengt und wohlgenährt, ganz all- mählig abnimmt und auch die Verminderung der Jungen weniger rasch eintritt." — Aus dieser grossen Zahl von Thatsachen geht unzweifelhaft hervor, dass die Vermehrung der Tiere durch äussere Einwirkungen beeinflusst wird. Und zwar richtet sie sich in ihrer Stärke nach den jedesmaligen Exi- stenzbedingungen, sie wird diesen entsprechend re- guliert, Unter ungünstigen Verhältnissen, wenn also weniger Tiere leben können, werden auch weniger erzeugt. Unter gün- stigen Umständen, unter denen viele Tiere leben können und eine starke Vermehrung der Fortpflanzung nur nützlich ist, tritt auch eine verstärkte Reproduction ein. Während alle übrigen Organe eine weit grössere Konstanz in der Ernährung zeigen, ist es beson- ders der Genitalapparat, auf den der Wechsel der Lebensverhält- nisse seinen Einfluss ausübt; infolge dessen richtet sich dieser in seiner Thätigkeit genau nach der augenblicklichen Existenzmög- lichkeit. — Nebenbei mag auch Erwähnung finden, dass infolge ungün- stiger Einflüsse auch häufig die secundären Geschlechts- charactere stark afficiert werden. Es ist dies sehr natürlich, da sie ja in so enger Beziehung zu dem Reproductionssystem stehen. *) Nach Dune an, citiert von Spencer, Principien der Bio- logie, übers, v. Vetter, Band 2, pag. 500. — 112 — Bei dem gemeinen Hirschkäfer1) bemerken wir drei For- men. Das Weibchen mit breitem Thorax und Kopf und kurzem, aber kräftig beissendem Kiefer. Im Gegensatz hierzu steht das grosse Männchen. Dies hat einen kleinen Thorax, sehr grossen breiten Kopf und kolossale hirschgeweihähnliche Kiefer, mit denen es wahrscheinlich das Weibchen bei der Begattung festhält. We- sentlich anders ist das kleine Männchen, das dem Weibchen ähn- licher sieht und dessen Kiefer kaum ein Drittel so lang sind als die des grossen Männchens. „Die Entomologen wissen aber, dass die Formen mit grossen Kiefern durch reichliche, die kleinen da- gegen durch kümmerliche Ernährung der Larven erzeugt werden." Darwin2) zeigt in einer Anzahl von Fällen, dass selbst in der Gefangenschaft die männlichen Geschlechtscharactere leiden. „So erhält der gemeine Hänfling in Käfig gehalten die schöne carmoisinrote Färbung auf der Brust nicht, und die Ammern verlieren das Schwarze von ihrem Kopfe. Bei einigen andern Vögeln und auch bei einem Hirsch ist ähnliches beobachtet wor- den. Die Wirkung der ungünstigen Verhältnisse auf den Fort- pflanzungsapparat trifft also zugleich die mit diesem in so inniger Beziehung stehenden secundären Geschlechtscharactere. oo. Bei Pflanzen. Auch bei Pflanzen ist schon häufig beobachtet worden, wie sehr besonders die Reproductionsthätigkeit von der Ernährung abhängig ist. Hermann Müller3) machte folgende Beobachtung an den Blumenköpfen von Centaurea Jacea, welche eine sehr starke Variabilität besitzen. Gewöhnlich4) „sind sechzig bis über hun- dert Blüten mit 7 — 10 mm lauger Blumenröhre, '6 — 44 mm langem Glöckchen und etwa 5 mm langen, linealen Zipfeln in ein Blüten- körbchen vereinigt, dessen die Röhren umschliessender Teil nur 8 — 10 mm Durchmesser hat. Indem aber die Röhren mit ihrem 1) Reichenau, Über den Ursprung der männlichen secundären Geschlechtscharaktere insbesondere bei den Blatthornkäfern. Kosmos, 5. Jahrg., X. Band, pag. 172 resp. 176. 2) Das Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Dome- stication, übers, von J. V. Carus, pag. 155. 3) Hermann Müller, Befruchtung der Blumen durch Insekten, pag. 382. 4) Hermann Müller, Die Vielgestaltigkeit der Blumenköpfe von Centaurea Jacea. Kosmos, 5. Jahrg. 1881 — 82, X, pag. 334. — 113 — oberen Ende sich um so stärker Dach aussen biegen, je näher sie dem Rande stehen, und indem dadurch die aus dem Blütenkörb- cheu hervorragenden Glückchen divergieren , stellen die in voller Blüte befindlichen Körbchen, von oben gesehen, rote kreisförmige Flächen von 20— 30 mm Durchmesser dar." „Dieser Beschreibung habe ich nur hinzuzufügen, dass auf steilem Haideland an kleinen Stöcken die Blumengesellschaften nicht selten bis 15, bisweilen sogar bis 10 mm Durchmesser und bis zu einer Zahl von 40 bis 32 einzelnen Blüten hinabsinken." Durch die schlechtere Ernährung ist also die Bildung von mehr Blüten verhindert worden. Darwin1) fand, dass zwerghafte Pflanzen von Trifolium 111 i n u s und repens, die auf einer oft gemähten und nie ge- düngten Waldwiese wuchsen, keinen Samen produzierten. Ferner hatte Hey er2) Gelegenheit, die Wirkung der Er- nährung auf die Fruchtbarkeit des Bingelkrautes zu beob- achten. Er sagt: „Auch im Warmhause hatten sich einige Pflanzen beiderlei Geschlechts angesiedelt; sie standen im freien Grunde und hatten sich zu stattlichen Sträuchen von über 1 m Höhe entwickelt. Zur Vergleichung quantitativer Unterschiede möge noch erwähnt werden, dass sich im Freien, an der Westseite einer Mauer, unter der Dachtraufe mehrere Pflanzen beiderlei Ge- schlechts angesiedelt hatten. Die grössten hatten unter diesen dürftigen Verhältnissen blos eine Höhe von 2 cm erreicht und meist blos vier Blättchen gebildet. Die weiblichen Exemplare dieser Miniaturpflänzchen trugen in den beiden untern Blattwinkeln je ein Samenkorn und die männlichen einzelne Blüten, während die Riesenpflanzen im Warmhause Hunderte von Blüten hervor- brachten." Von der grössten Bedeutung für die Ernährung der Pflanzen ist es, ob sie dicht gedrängt stehen, oder ob sie frei und unge- stört wachsen. Wenn sie sich gegenseitig, oder wenn andere Pflanzen ihnen die Nahrung streitig machen, so herrscht ein ganz bedeutender Unterschied in der Nahrungszufuhr. Wenn z. B. an einer Stelle zweimal so viel Pflanzen wachsen als an einer andern Stelle, so werden sie auch vielleicht fast nur halbsoviel Nahrung erhalten können als letztere. Über die Wirkung der Dichtsaat x) Das Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Dorne- st! cation, übers, von J. V. Carus, pag. 161. 2) Untersuchungen über das Verhältniss des Geschlechtes bei ein- häusigen und zweihäusigen Pflanzen etc. Dissertation. Halle 1883. pag. 41. 8 — 114 — sagt Hoffmann1): „Die Dichtsaat kann als eine Herabsetzung der Ernährung, als eine Art Hungerkur aufgefasst werden. Die stärkste Einwirkung der Kümmerung veranlasst, dass die Pflanzen überhaupt nicht zum Blühen kommen ; eine schwächere : Zwerg- haftigkeit (Aethusa, Plantago major pygmaea); dann folgt in ge- wissen Fällen (Spinacia) Praeponderanz des männlichen Ge- schlechtes." — Auch die Domestication wirkt auf Pflanzen in derselben Weise ein wie auf Tiere. Domesticierte Pflanzen sind weit frucht- barer als ihre wilden Stammformen. Darwin2) stellte hierüber Experimente an. „Bei der Vergleichung ganzer Beete von Möh- ren, welche in einem Zuchtgarten gezogen wurden, mit wilden Pflanzen schienen die ersteren ungefähr zweimal so viel Samen zu ergeben. Cultivierte Kohl Sorten ergaben der Messung nach drei- mal so viel Schoten als wilder Kohl von den Felsen von South- Wales. Der Reichtum an Beeren, der von dem cultivierten Spargel im Vergleich mit der wilden Pflanze produziert wird, ist enorm." Da diese Pflanzen nicht wegen ihrer Fruchtbarkeit geschätzt werden, so muss die Steigerung der Reproduction nicht durch Zuchtwahl, sondern durch die günstigeren Lebensbedingungen her- beigeführt worden sein, wie auch Darwin sagt. Zu beachten ist aber, dass Domestication nicht unter allen Umständen günstig auf die Ernährung der Pflanze einwirkt. Topf- kulturen z. B. sind sehr vielen Pflanzen schädlich. Wie Hoff- mann3) fand, brachten Topfkulturen des hochalpinen Dianthus alpinus, obgleich im Freien stehend, oft weniger, oder gar keine vollkommenen Früchte, während identische Parallel-Kulturen, im freien Lande eingepflanzt, reichliche Früchte trugen. Darwin führt eine grosse Zahl von Thatsachen an , welche zeigen , dass das Reproductionssystem der Pflanzen besonders durch plötzliche starke Änderung der Lebensbedingungen affiziert wird, während die übrigen Teile vollständig normal ent- wickelt sein können. Bei uns gezogene Alpenpflanzen sind sehr häufig unfruchtbar oder produzieren nur wenig Samen. Pflanzen, die auf Torferde wachsen, sind in unsem Gärten vollkommen steril. Sehr unbedeutende Veränderungen, z. B. ob eine Pflanze x) Botanische Zeitung. 2) Das Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Dome- stication, übers, v. J. V. Carus, pag. 99. 3) Botanische Zeitung 1881, No. 25, pag. 398. Hoffmann, Rückblick auf meine Variationsversuche von 1855 — 1880. — 115 - auf einem Hügel oder am Fusse desselben wächst, ob sie in einem Korbe oder in einem feuchteren Topfe gepflanzt wurde, ob man sie des Winters an einem warmen oder kalten, trocknen oder feuchten Ort hält, alle diese scheinbar geringfügigen Unterschiede können die Reproduction der Pflanzen beeinflussen. — Auch das Klima wirkt stark auf die Reproduction der Pflan- zen ein. Der Tulpenbaum z. B. gedeiht in den Vereinigten Staa- ten ausgezeichnet, in Zürich aber bringt er keine reifen Früchte mehr hervor, in Norddeutschland, z. B. in Coburg trägt er nur selten Blüten. Die Fortpflanzungsorgane verkümmern also gänzlich. Nach Darwin1) produzieren der persische und chinesische Hollunder, trotzdem sie völlig kräftig sind, in unserm Clima nie- mals Samen. Der gemeine Hollunder trägt in England massig guten Samen, aber in einigen Teilen Deutschlands enthalten die Kapseln niemals Samen 2 ). Jedoch giebt es auch Pflanzen, welche unter den verschieden- sten Climaten gedeihen. Es ist dies nicht sehr erstaunlich, da die schädliche Einwirkung im Anfang, also bei der Änderung des Climas stattfindet, während später je nach der Natur der Pflanze und der Stärke des Wechsels verschieden rasch eine Anpassung an die neuen Lebensbedingungen eintreten kann. — Ebenso wie bei den Tieren infolge der Einwirkung ungünsti- ger Verhältnisse ausser dem Genitalsystem auch leicht die damit in Beziehung stehenden secundären Geschlechtscharactere affiziert werden können, so werden auch bei Pflanzen nicht nur die eigent- lichen Fortpflanzungsorgane, der Fruchtknoten mit Pistill und die Antheren, sondern auch häufig die übrigen Blumenteile verändert. Obgleich diese Erscheinung nichts beiträgt zur Regulierung der Reproduction , so mag sie doch Erwähnung finden. Darwin3) führt eine Reihe von Thatsachen auf, welche zei- gen, dass Unfruchtbarkeit und Monstrosität der Blumen- krone häufig mit einander verknüpft sind. Letzteres kommt aber auch allein vor. Ob in diesen Fällen die Reproduction die nor- male Stärke hatte, wurde meist nicht beachtet. So sind z. B. die wunderbar anomalen Blüten von Begonia frigida steril. Für 1) Das Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Do- mestication. Übers, v. J. V. Carus. II. Bd., pag. 162. 2) Gärtner, Beiträge zur Kenntniss der Befruchtung, p. 560, 564. 3) Das Yariiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Do- mestication. Übers, v. J. V. Carus. II. Bd., pag. 165. 8* — 116 — die pelorischen Blüten von Linaria vulgaris, Corydalis solida und der Gewächshaus-Pelargonien gilt dasselbe. Es lässt sich auch häufig eine Beziehung zwischen der ano- malen Ausbildung der Blüte und ihrer Stellung nachweisen. Moquin-Tandon bemerkt, dass die Blüten, welche auf dem Gipfel des Hauptstammes oder eines Seitenzweiges stehen, leich- ter pelorisch werden als die an den Seiten (z.B. bei Teucrium campanulatum) 1). „Bei einer von Darwin gezogenen Labiate (Galeobdolon luteum) wurden die pelorischen Blüten stets am Gipfel des Stammes produziert, wo Blüten gewöhnlich nicht stehen1). Morren beschrieb eine pelorische Blüte derCalceo- laria, die am Gipfel der Pflanze stand. Bei der Orchideengat- tung Phalaenopsis hat man gesehen, dass die endständige Blüte pelorisch wurde. Darwin beobachtete an einem Labur- num-Baum, dass ungefähr ein Viertel der Blütentrauben termi- nale Blüten produzierte, was gewöhnlich nicht stattfindet; diese wurden produziert, nachdem fast alle andern Blüten an denselben Trauben verwelkt waren. Sie besassen aber keinen Schmetter- lingsbau. Dr. Mastens hat eine andere leguminose Pflanze beschrie- ben, nämlich eine Species von Klee, bei welcher die obersten und centralen Blüten regulär waren oder ihren Schmetterlingsbau ver- loren hatten. Nach Naudin sitzen die gespornten pelorischen Blüten bei Linaria fast unveränderlich am Gipfel der Rispe. — Auf Grund dieser Thatsachen darf man wohl vermuten , dass die an der äussersten Spitze wachsenden Blüten unter ungünstigen Ernährungsverhältnissen stehen. Denn im allgemeinen darf wohl gesagt werden, dass die Ernährung desto schwächer sein wird, je grösser der Weg ist, den die Säfte zurückzulegen haben. So sagt Mr. Masters in Canterbury, der nach Darwin ein sorg- fältiger Beobachter und Züchter neuer Varietäten der Erbse ist, dass bei der blauen Kaisererbse die letzte (oder oberste) Erbse in der Schote häufig viel kleiner ist als die übrigen. Auch das Auftreten von gefüllten Blüten muss hier be- sprochen werden. Darwin hatte hierüber schon die richtige An- sicht, wenn er sagt2): In Bezug auf die Ursache des Gefülltseins, welches, wie wir sehen, unter so verschiedenen Umständen auftritt, werde ich sofort zu zeigen versuchen, dass die wahrscheinlichste x) Die folgenden Beispiele sind entnommen: 1. c. p. 371. 2) 1. c. pag. 166. — 117 — Ansicht die ist, dass unnatürliche Bedingungen zuerst eine Nei- gung zur Unfruchtbarkeit veranlassen und dass dann nach dem Principe der Coinpensation , weil die Reproductionsorgaue nicht ihre eigenen Funktionen erfüllen, diese entweder in Kronenblätter entwickelt werden oder dass sich überzählige Kronenblätter bilden." Derartige gefüllte Blüten bemerkte Darwin bei wilden Pflan- zen von Gentianaamarella, die auf einem armen kalkigen Boden wuchsen, ferner bei einem Ranunculus, einer Ross- kastanic und einer Blasennuss (Staphylea), die unter sehr ungünstigen Bedingungen wuchsen. Viele Pflanzen produzieren samenlose Früchte. „Dies ist notorisch der Fall bei unsern besten Birnen, Trauben und Feigen, bei der Ananas, der Banane, dem Brodbaum, der Granate, der Azarole, der Dattelpalme und einigen Gliedern der Orangengruppe." Die meisten Züchter betrachten die anomale Entwicklung der Frucht als die Ursache und die Unfruchtbarkeit als das Resultat. Die umgekehrte Ansicht ist aber, wie schon Darwin sagt, wahrscheinlicher. In folge einer übermässigen Nahrungszufuhr oder anderer unnatürlicher Bedingungen wird eine Sterilität her- vorgerufen und die Folge davon ist erst, dass das der Blüte zu- geführte Material statt zur Reproduction zu irgend welchen an- dern Leistungen verwendet wird. An diesem Beispiel zeigt sich wieder, dass die Regulierung der Reproduction nicht rein mechanisch, sondern durch nützliche Eigenschaften bewirkt wird. Denn an Nahrung fehlt es trotz der unnatürlichen Bedingungen nicht und ein mechanisches Hinder- niss der Vermehrung ist nicht vorhanden. Wir haben also gesehen, dass auch bei Pflanzen die Repro- duction auf das Empfindlichste abhängig ist von äussern Einwir- kungen. Sie steigt unter günstigen Umständen. Unter ungünsti- gen aber nimmt sie ab bis zur Unfruchtbarkeit. dd. Nachträgliche Regulierung. Wie nützlich es ist, wenn die Zahl der Tiere den Ernährungs- verhältnissen entspricht, geht auch daraus hervor, dass viele Tiere noch andere Eigentümlichkeiten besitzen, welche die Schädlich- keit einer zu starken Reproduction im Falle eines Mangels zwar nicht gänzlich aufheben, aber doch zu vermindern im Stande sind. Es besteht diese Eigentümlichkeit in einer nach- träglichen Regulierung der Vermehrung. Diese wird erreicht unter anderm durch Geschwisterfrass. — 118 — Denken wir uns, ein Tier bringe auch bei Mangel noch im- mer mehr Junge hervor, als sich später ernähren können, so wer- den viele zu Grunde gehen müssen. Die Nahrung aber, welche diese während ihres Lebens zu sich genommen haben, ist für die Ueberlebenden nicht verloren, son- dern wird wieder verwertet, indem letztere ihre toten Kameraden auffressen. Als Beispiel kann der Frosch angeführt werden. Das Weib- chen ist im Stande, 3000 Eier abzulegen. Durch Austrocknen des Wassers und andere zufällige Verhältnisse geht ein grosser Teil zu Grunde; dennoch sind die übrig bleibenden viel zu zahlreich, um alle zur vollkommenen Ausbildung gelangen zu können. Unter der Voraussetzung nämlich, dass die Zahl der Frösche constant bleibt, gehen nur aus circa 0,06$ der Eier reife Tiere hervor. Diese nutzen die von ihren verstorbenen Geschwistern verbrauchte Nahrung wieder aus, indem sie letztere selbst auffressen. Ferner kann eine Correction der Vermehrung auch durch Kinderfrass stattfinden. Dies gilt z. B. für die Wander- ratte (Mus decumanus), wie Dr. Crampe1) beobachtete. Die Weibchen sind im Allgemeinen ausgezeichnete Mütter und pflegen ihre Jungen mit der grössten Sorgfalt. Nicht aber im Mangel, wenn sie selbst unzureichend genährt sind, namentlich, wenn sie in Folge des Mangels das Säugegeschäft nicht verrichten können. Alsdann fressen sie ihre eigenen Jungen. Es ist dies eine ent- schieden nützliche Eigenschaft, da diese doch zu Grunde gehen oder sich nur schlecht ausbilden würden. Durch diese nachträg- liche Correction der Vermehrung wird wenigstens dem überleben- den Teil, der Mutter, genützt. Auch bei wilden Schweinen ist Kinderfrass beobachtet worden. Dass Tiere, z.B. Wölfe, im Fall eines Mangels ihre eigenen Stammesgenossen verzehren, ist ebenfalls eine solche nützliche Eigenschaft, welche die Zahl der Individuen den Ernährungsver- hältnissen gemäss corrigiert. Es wurde schon nachgewiesen, dass ungünstige Verhältnisse, z. B. Gefangenhalten, im Stande sind, die Reproduction zu vermindern. Aber auch hier kann eine den ungünstigen Umständen entspre- chende Regulierung der Vermehrung noch nachträglich durch Kin- !) Landwirtschaft!. Jahrbücher, Bd. XII (1883), Heft 3, p. 423. Crampe, Zuchtversuche mit zahmen Wanderratten. — 119 — derfrass eintreten. Darwin1) war dies bekannt, er sagt hier- über : „Wir können auch der Störung der geschlechtlichen Funk- tionen das häufige Auftreten jenes monströsen Instinktes zuschrei- ben, welches die Mutter dazu führt, ihre eigenen Nachkommen zu verzehren, ein mysteriöser Fall von Verkehrtheit seinem ersten Auftreten nach." Man hat diese Erscheinung stets als eine Na- turverirrung bezeichnet. Da die Natur indessen kein Ziel und keinen Zweck im Auge hat, so kann sie weder irrren noch Ver- kehrtheiten begehen. Die Eigenschaft ist durchaus nicht myste- riös, sondern erklärt sich sehr einfach und naturgemäss als ein nützlicher Instinkt, die Vermehrung den Existenzbedingungen ge- mäss zu corrigieren. Ebenfalls soll Kinderfrass bei Wespen vorkommen. „Wes- pen stehlen die junge Brut anderer Stöcke, ebenso wie Ameisen; und die solchen beraubten Stöcken angehörigen Weibchen werden dadurch so demoralisiert, dass sie einen Teil ihrer eigenen Jun- gen töten und an andere verfüttern, oder dass sie dieselben sogar selbst auffressen. Ja nach einigen Angaben von Reaumur2) scheint dieses sogar um gewisse Zeiten ganz regelmässig zu ge- schehen, und es würde sich dann dieser Kindermord der Ermor- dung der Drohnen im Herbst an die Seite stellen, einer durch Sitte geregelten Barbarei." Hier von Barbarei und Demoralisation zu sprechen dürfte man wohl für Anthropomorphismus halten. Es ist vielmehr eine nützliche, durch natürliche Zuchtwahl erwor- bene Eigenschaft, dass die Bienen im Herbst die Drohnen töten. Zur Zeit des Mangels liegt es im Interesse des Stockes, dass eine Verminderung der Individuenzahl, eine Reduction der Vermehrung eintritt. Da die Drohnen im Winter gar nichts nützen, so sind sie es gerade, welche getötet werden. Der Kindermord der Wes- pen scheint aber ebenfalls durch ungünstige Verhältnisse herbei- geführt zu sein. Denn die Thatsache, dass sie die einen Jungen töten, um die andern damit zu füttern oder sie selbst zu fressen, spricht sehr für einen Mangel an Nahrung, namentlich da diese Erscheinung zu gewissen Zeiten regelmässig auftreten soll. Ein Teil der Jungen wird geopfert, um wenigstens den andern zu ret- ten. WTenn die Wespen alle ihre Jungen gleich stark hungern Hessen, so würden sie alle zu Grunde gehen oder sich alle nur 1) Darwin, Das Variiren der Tiere u. Pflanzen im Zustande der Domestication. Übers, v. J. V. Carus. II. Bd., pag. 155. 2) Von Bolph citirt: Biologische Probleme, pag. 136. — 120 — unvollkommen ausbilden. Es ist zweifellos eine nützliche Eigen- schaft, wenn zur Zeit des Mangels eine Reduction der Vermeh- rung eintritt, wenn ein Teil oder die ganze Nachkommenschaft geopfert wird und den Überlebenden als Nahrung dient. — Es seien noch wenige Worte über die Zeit hinzugefügt, zu der die Vermehrung stattfindet. Da die Reproduction überhaupt eine so bedeutende Nahrungs- zufuhr beansprucht, so könnte man vermuten, dass diese wohl zur Zeit des grössten Nahrungsvorrates stattfände. Wie man aber leicht einsieht, wäre dies sehr schädlich; da ja die vielen Nach- kommen bei ihrem Aufwachsen weit mehr Nahrung verbrauchen. Wir sehen daher, dass die Vermehrung bei vielen Tieren in den Beginn der stärkeren Ernährung, z. B. in den Frühling fällt. Wäh- rend des Überflusses kann alsdann die grosse Zahl der Nachkom- men reichlich ernährt werden, z. B. bei den Fröschen. Eine solche nützliche Einrichtung in dem Auftreten der Reproduction wird bei sehr vielen Tieren getroften. Beispiele sind so bekannt, dass wohl keine weiter angeführt zu werden brauchen. In Bezug auf die Zeugungsthätigkeit der beiden Geschlechter finden wir bei einigen Tieren die überraschende Eigentümlichkeit, dass beide durch eine gewisse Zeit getrennt sind. Es ist dies die Zeit des Mangels. In folge dieser Einrichtung verausgaben Männ- chen wie Weibchen den Stoff für die Vermehrung zu einer Zeit, wo genügende Nahrungszufuhr möglich ist. Beim Reh z. B. fällt die Brunstzeit in den August, aber erst im December beginnt die eigentliche Entwickelung des Eies. Ähn- liches findet sich bei den Fledermäusen. Im Herbst findet die Begattung statt. Das Sperma bleibt lebensfähig im Uterus bis zum Eintritt wärmerer Witterung. Dann erst beginnt mit dem Platzen des Follikels die Reproductionsthätigkeit des Weibchens l). Die Zeit des Mangels ist nicht geeignet zur Stoffausgabe und wäh- rend derselben findet eine Pause statt. Bei vielen Tieren zeigt sich, dass sie mit fertigem Vorrat von Geschlechtsproducten in den Winter gehen. Die Erzeugung dieser und das Aufwachsen der Embryonen fällt also in zwei verschie- l) Zoologischer Anzeiger 1879, II, pag. 304. Benecke, Über Reifung und Befruchtung des Eies bei den Fledermäusen. Tri es, Über die Fortpflanzung der einheimischen Chirop- teren, pag. 355. Eimer: Über die Fortpflanzung der Fledermäuse, p. 425. — 121 — dene wärmere Jahreszeiten. Unstreitig ist dies für die Reproduc- tion sehr nützlich. So findet man bei Helix pomatia im Ja- Duar reife Geschlechtsproducte vor. Audi viele Teleo stier und Batrachier bilden die Geschlechtsstoffe vor der Zeit des Man- gels1). „Während der Sommer- und Herbstmonate werden die Geschlechtsproducte der Amphibien für die Begattung des künfti- gen Jahres bereits vorbereitet" (Triton, Salamandra, Elana, Bombi- aator, Bufo)2). — Auch bei Pflanzen lässt sich vielleicht ähn- liches nachweisen, so fällt bei Pinus Bestäubung und Befruchtung um ein Jahr auseinander. Bei allen höheren Pflanzen findet die männliche Gcschleehtsthätigkeit vor der weiblichen statt, zuerst wird Pollen, später nach der Befruchtung aber erst Samen gebildet. So gering die Zahl dieser Beispiele auch noch ist, so scheint hieraus doch hervorzugehen, dass die Organismen sich auch in bezug auf das zeitliche Auftreten der Reproduction nach den Le- bensverhältnissen richten, dass die hierauf bezüglichen Eigenschaf- ten als Anpassungen aufzufassen sind. b. Einfluss auf das Sexual v er hältniss. a. Die Er nährungs Verhältnisse der Geschlechter. Es war gezeigt worden, dass die Reproductionsstärke je nach den Existenzbedingungen eine verschiedene ist; die Organismen vermehren sich stärker unter günstigen, schwächer unter ungün- stigen Verhältnissen. Jetzt muss bewiesen werden, dass infolge eingetretener Arbeitsteilung sich insofern ein Unterschied zwischen beiden Geschlechtern ausgebildet hat, als dem Weibchen die Funktion zukommt, den Stoff für den Aufbau des Em- bryo zu liefern. Später wird sich alsdann die Folgerung er- geben, dass, da den Weibchen diese Hauptleistung bei der Repro- duetion zufällt, auch die Stärke der Reproduction besonders von der relativen Zahl der Weibchen abhängt, dass also eine rasche Vermehrung besonders mit Hülfe eines Weibchenüberschusses vor sich gehen kann. Daran wird sich alsdann die Vermutung knüpfen, dass die Organismen wohl die Eigenschaft erlangt haben können, 1) Archiv für mikrosk. Anatomie, Bd. 18, pag. 78. Nussbaum, Zur Differenzierung des Geschlechtes im Tierreich. 2) 1. c. Bd. 12 pag. 797. v. la Valette St. George, Über die Genese der Samen- körper. — 122 — im Überfiuss, also dann, wenn stärkere Vermehrung nützlich ist, besonders mehr Weibchen zu produzieren, weil alsdann diese Ver- mehrung erst recht stark von statten gehen kann. — Nach diesem kurzen Überblick soll also mit dem Nachweis begonnen werden, dass infolge einer zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht eingetretenen Arbeitsteilung den Weibchen die Aufgabe zugefallen ist, den Nährstofi für den Aufbau des Embryo zu liefern. Das Weibchen oder mindestens sein Genitalapparat wird daher mehr Nahrung verbrauchen als das Männchen, resp. dessen Geschlechts- apparat. Dieses ist durch Thatsachen zu beweisen. Zunächst könnte man einwenden, dass nicht bei allen Tieren das Weibchen ausschliesslich den Stoff zum Aufbau des Embryos schafft, dass die Menge des ejaculierten Sperma z. B. bei Ves- perugo pipistrellus so gross wäre, dass sie nach Pagen- stecher1) „einigen Einfluss auf die eigentliche Ernährung der in den Uterus gelangenden Eier üben könnte." Indessen wird man wohl zugeben, dass dieser Einfluss nur ein geringer sein kann und dass auch in diesem einen extremen Fall dem Weibchen die Haupternährung obliegt. Auch das Beispiel der Fische liesse sich entgegen halten, da hier die Quantität der Milch der des Rogens oft beinahe gleich kommt. Jedoch ist auch bei diesem Extrem der Unterschied noch ein nicht unbedeutender. Man könnte vielleicht auch anführen, dass bei einzelnen Tieren das Männchen einen Teil des Brutgeschäftes übernimmt, z. B. beim S trau ss. Viele männliche Vögel füttern das W7eibchen und die Jungen. Der männliche Stichling (Gasterosteus) und grosse Wels (Silur us glanis) bewachen die Eier. Jedoch ist auch bei diesen Tieren unzweifelhaft, dass die weibliche Fortpflan- zungsthätigkeit weit mehr Nahrung in Anspruch nimmt als die männliche. Was zunächst die stärkere Ernährung des weiblichen Ge- schlechtes anbetrifft, so ist es nach dem jetzigen Stande der Wis- senschaft noch unmöglich, den Beweis für sämtliche Tiere zu bringen. Keine bekannte Thatsache spricht aber gegen diese Be- hauptung, d. h. bei keinem bekannten Tier gebraucht das männ- liche Genitalsystem mehr Nahrung als das weibliche. Die beson- x) Pagenstechers Kritik zu Thurys, La Production des Sexes, pag. 31. Hierbei ist auch zu bedenken, dass der grösste Teil des Sperma im Frühling durch die Vagina wieder entleert wird. Man vergleiche: Zoologischer Anzeiger 1879, II, pag. 304. Benecke, Über Keifung und Befruchtung des Eies bei den Fledermäusen. — 123 - ders in die Augen springenden Thatsachen sollen hier kurz ange- führt werden. Schon bei der ersten Di i'fe r e nzieru n g in ä n n 1 i c b e r und weiblicher Elemente existiert ein solcher Unterschied in bezug auf die Ernährungsverhältnisse der beiden Geschlechter. Bei den Vorticellen sehen wir eine Conjugation ungleich grosser Individuen. Ein kleineres durch viele Teilungen entstandenes In- dividuum sucht ein grösseres auf, setzt sich am hintern Ende fest und verschmilzt mit ihm. Auch bei Volvox und Verwandten ist ähnliches zu beobachten. Einige grosse Zellen bilden sich zu grossen Eizellen, während andere, weniger grosse, zu Kapseln mit vielen Mikrogouidien werden. Bei den Orthonecti den besteht ein Hauptunterschied zwischen männlichen und weiblichen Tieren darin, dass die innere Schicht (das Entoderm), welche die Eier resp. Zoospermien liefert, beim Männchen viel kleiner bleibt als bei dem Weibchen '). Bei letzterem tritt also die Reproductionsthätigkeit weit mehr in den Vordergrund. Bei sehr vielen Tieren bemerkt man einen auffallenden Dimorphismus zwischen beiden Geschlechtern, so z. B. bei den Rädertieren. Die Männchen sind sehr viel kleiner als die Weibchen , haben weder Schlundröhre noch Darm. Sie verlassen in vollkommener Ausbildung das Ei, nehmen keine Nahrung auf, leben überhaupt nur kurze Zeit. Die viel grösseren Weibchen sind dagegen mit allem ausgerüstet , was einer guten Ernährung dienen kann, da sie auch sonst die weibliche Reproductionsthätig- keit, die Production von Eiern, nicht zu Wege bringen würden. Die interessantesten Verhältnisse indessen zeigen sich bei den Insecten. Bei ihnen besitzen die Männchen fast stets eine schlankere Körperform und grössere Beweglichkeit als die Weib- chen; diese können sogar ganz flügellos und larvenähnlich bleiben. Unter den Orthopteren tritt dies bei Cladoxerus ein. Bei den Termiten treffen wir Arbeiter und Soldaten beiderlei Ge- schlechts; indessen ist ihr Genitalapparat infolge unvollkommener Nahrung rudimentär geblieben. Unter den Nymphen finden sich auch Ersatz-Männchen und -Weibchen. Bei Mangel an Geschlechts- tiereu werden diese besser genährt, so dass sie sich zu fortpflan- zungsfähigen Individuen ausbilden können. Nach der Begattung x) Zoologischer Anzeiger 1879. H etschiiikoff, Zur Naturgeschichte der Orthouectideu. — 124 — wird die Königin stark gefüttert und schwillt zu ganz kolossalen Dimensionen an. Es ist also nur dem Einfluss der Nahrung zu- zuschreiben, ob der weibliche Genitalapparat rudimentär bleibt oder sich zu so kolossaler Leistungsfähigkeit entwickelt. — Unter den Rhynchoten bieten uns die Cocciden sehr auffallende Beispiele. Die grossen flügellosen Weibchen sind plump und un- symmetrisch, ungegliedert, sitzen ohne Bewegung in dem Pflanzen- parenchym, dem sie ihre Nahrung durch den langen Schnabel entziehen. Die Männchen dagegen sind viel kleiner und meta- morphosieren sich zu geflügelten Individuen, die aber weder Rüssel noch Stechwaö'en besitzen und gar keine Nahrung aufnehmen. Bei Phylloxera kann man den Eiern ansehen, ob aus ihnen das männliche oder das weibliche Geschlecht hervorgehen wird. Aus den grossen entstehen die Weibchen, aus den kleinen die darmlosen Männchen, die also keine Nahrung zu sich nehmen. Über die Dipteren haben uns die Beobachtungen von Fritz1) und Hermann Müller'-) Aufklärung verschafft. Bei vielen blutsaugenden Dipteren, Bremsen und Stechmücken nehmen die Männchen, welche der Stechwaffe gänzlich entbehren, nur Blumen- nektar zu sich, während die Weibchen entweder ausschliesslich von Blut oder doch meistens von solchem sich nähren. Der grös- sern Aufgabe wegen, die ihnen gestellt ist, werden sie mehr stick- stoffreiche Nahrung zu sich nehmen müssen. — Unter den Co- leopteren finden wir ein verschiedenes Verhalten der zwei Geschlechter bei den Bostrychiden. Diese bohren Gänge in den Nadelhölzern, in denen sie leben. Die Begattung findet bei der Begegnung in den Gängen statt. Aber nur das Weibchen frisst sich alsdann weiter, um später die Eier abzulegen. — Unter den Hymenopteren sehen wir zunächst bei den Ameisen, dass das Weibchen, die Königin, vollständig bedient, gefüttert und beim Ortswechsel selbst getragen wird y ) , so dass sie möglichst wenig Stoff' für anderweitiges Arbeiten verbraucht und desto mehr für die Bildung von Eiern erübrigt. Die Männchen gehen dagegen nach der Copulation zu Grunde. Über die verschiedene Ernährungsweise der Männchen und Weibchen bei den Bienen seien hier die Resultate der Beobach- x) Über Paltostoma. Kosmos, Jahrgang IV, Heft 7. 2) Die verschiedene Bluraenthätigkeit der Männchen und Weib- chen von Insecten. Kosmos, Jahrgang V, Heft 8. 3) Burdach, Physiologie, B. II, S. 27. — 125 — tun gen von Hermann Müller mitgeteilt. Bei ihrer Blumen- thätigkeit lassen sich die ersteren weit mehr von dem Wohlge- schmack und der Bequemlichkeit der Erlangung als von der Massenhaftigkeit desselben leiten. Sie besuchen daher manche Honigblumen mit würzigem Duft besonders gern, die von den Weibchen derselben Art kaum einer Beachtung gewürdigt werden. Diese, durch die Sorge für die Nachkommen getrieben, sehen nur darauf, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Futterladungen einzuheimsen. Meist besuchen sie nur eine oder wenige Blumen- arten, von denen sie wissen, dass sie die schnellste und ergiebigste Ausbeute an Nahrung liefern. Beim Menschen scheinen die Verhältnisse etwas compli- cierter zu liegen. Der Körper des weiblichen Individuums ver- braucht an und für sich weniger Nahrung als der des männlichen. Daher macht man in Gefängnissen die Beobachtung, dass die Frauen durchschnittlich weniger Nahrung bedürfen als die Männer. Dies gilt jedoch nur, so lange das weibliche Genitalsystem ausser Thätigkeit gesetzt ist. Zur Zeit dieser Ruhe wird sogar ein Überschuss durch die Menstruation beseitigt. Teilweise scheint er auch aufgespeichert zu werden; denn das Weib ist weit fett- reicher als der Mann l). Während der Schwangerschaft dagegen verschwinden die rundlichen Formen. Auch repräsentieren zehn Menstrualblutungen bei weitem nicht das Gewicht des Kindes mit der Nachgeburt. Dieses wird wohl wenigstens 4000 gr betragen 2), während die Menstruationsproducte durchschnittlich 100 bis 200 gr wiegen. Es geht hieraus deutlich hervor, dass zur Zeit der Schwangerschaft viel mehr Stoff verbraucht wird als während der Ruhe des Genitalsystems. Nach Fr. Richarz3) ist Jede Schwangerschaft infolge der grossen Abgaben mit einem gewissen Grad von Hydraemie und einer Abnahme des Haemoglobins , mit Veränderungen , wie sie sonst nur den mit Blutarmut einher- gehenden Krankheiten zukommen, unzertrennlich verbunden." Man sieht hieraus, wie viel mehr ein weibliches Genitalsystem zu leisten hat als ein männliches. Der allgemeine Satz gilt also auch für den Menschen. *) Schmidt's Jahrb. d. ges. Med. 183, pag. 116. Pagliaui, Die Entwickelung des Menschen. 2) Leuckart, Über Zeugung. Wagners Handwörterb. d. Phys. IV, pag. 880. 3) Fr. Richarz, Über Zeugung und Vererbung, Bonn 1880, pag. 16. — 126 — Da die Weibchen ein so bedeutendes Stoffbedürfniss haben, so sind sie häufig durch Anpassung zu Schmarotzern aus- gebildet worden, während ein solcher einseitiger Para- sitismus bei den Männchen niemals vorkommt. Auch hier verlohnt es sich, einen Blick auf die so lehrreichen Verhält- nisse bei den Arthropoden zu werfen. Bei den Copepoden sehen wir, wie die Weibchen der schmarotzenden Lernaeen, Lernaeopoden , Chondracanthiden infolge des Parasitismus kolossal an Grösse zunehmen. „Das Wachstum des Weibchens ist so enorm, dass es im Stadium der Brutproduction nach massigem Anschlag eine mehr als 1000 fache Körpermasse besitzt als im Alter der Begattung" l). Alle Organe werden rückgebildet, der Körper wird aufgetrieben, zeigt unnatürliche Aussackungen und Auswüchse. Das Männchen hingegen behält sein normales Aus- sehn und wächst nicht so unmässig. Bei den Lernaeen schma- rotzt das Männchen überhaupt gar nicht, sondern nur das be- fruchtete Weibchen. Auch die männlichen Sapphiriniden schwimmen frei umher, während die Weibchen in Salpen schma- rotzend leben. Auch bei der von Claus entdeckten Sepicola longicauda fanden sich unter den an den Kiemen von Sepien parasitierenden Individuen nur weibliche2). An den parasitischen Cirripedien finden wir eine nicht minder interessante Gruppe. Sie sind eigentlich Zwitter. Indessen kommen auch Weibchen vor, so bei Scapellum ornatum, Ibla Cu- mingii, Cryptophialus, Alcippe. Bei diesen treti'en wir noch Zwerg- männchen, welche im Gegensatz zu den grossen Weibchen resp. Hermaphroditen äusserst klein sind und an diesem haften. Unter den Amphipoden ist vielleicht nur Phronima zu erwähnen. „Die Weibchen sind Parasiten der Pyrosomen, in denen sie Er- nährung und Wohuort finden. Bietet das Tönnchen dem wachsen- den Tier keine Nahrung mehr, so wird ein grösseres gewählt und zuletzt das Brutgeschäft begonnen. Niemals aber findet man das Männchen im Tönnchen"3). Die Isopoden bieten uns mehr Beispiele. Zunächst sehen wir bei den Garneelasseln wieder, wie das weibliche Geschlecht, das in den Kiemenhöhlen von Gar- neelen „eine schwelgerische Lebensweise führt", unter Reduction x) Claus, Beobachtungen über Lernaeocera, Peniculus und Ler- naea. Marburg 1868. 2) Claus, Beiträge zur Kenntniss der Entomostraken. . Mar- burg 1860. 3) Claus, Über Phronima sedentaria etc. — 127 — der Organe zu einer unbehülflichen unsymmetrischen Scheibe aus- wächst, während das winzig kleine Männchen seine Beweglichkeil behält. Bei den Bin nenas sein (Cryptoniscus, Entoniscus, Praniza) sind die Tiere bis zum Begattungsstadium einander sehr ähnlich. Das weitere Schicksal der Männchen ist meist unbekannt, vielleicht gehen sie dann zu Grunde. Das Weibchen jedoch parasitiert und schwillt infolge des Überflusses zu einem unförmlichen Sack an. Ebendasselbefinden wir bei der Insecteuordnung Strepsiptera, deren Geschlechtsdimorphismus zuerst Siebold in ein richtiges Licht gestellt hatte. Das Männchen ist ein fliegendes schönes Insect von vielleicht kurzer Lebensdauer, das man Wespen und andere Adlerflügler verfolgen sieht; das Weibchen dagegen lebt flügellos, fusslos, blind als wurmförmige Made schmarotzend im Innern dieser Adlerflügler, streckt zuletzt Kopf und Geschlechts- organe aus dem Hinterleib der Wespen hervor und wartet den befruchtenden Besuch des Männchens ab, welches nur dieserhalb die Adlerflügler verfolgt. Endlich wäre unter den Dipteren noch Pulex penetrans zu erwähnen, dessen Männchen die ge- wöhnliche Lebensweise der Flöhe beibehält, während das Weibchen sich in die Haut der Füsse von höhern Tieren einbohrt, um da- selbst mit Hülfe reichlicherer und besserer Nahrung die Eierstöcke mächtig zu entwickeln. Im Vorhergehenden wurde also gezeigt, wie die Weibchen im Gegensatz zu ihren Männchen häufig eine para- sitische Lebens weise führen, was als eine Anpassung an den grösseren Nahrungsbedarf des weiblichen Ge- schlechts aufgefasst wurde. Da die Weibchen aber mehr Nahrung verbrauchen, so folgt, dass auch bei ihnen mehr Nahrung zu finden ist; und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie von Parasiten heimgesucht sind. In der That lassen sich viele Beispiele anführen, wo das Weibchen mehr Schmarotzer beherbergt als das betreffende Männ- chen. Nach Leuckart und Küchenmeister1) kommt der Band- wurm bei Frauen etwa zweimal so oft vor als bei Männern. Je- doch könnte sich diese Erscheinung vielleicht auch auf andere Umstände zurückführen lassen, z. B. auf die Beschäftigung der *) Schmidts Jahrbücher 99, pag. 97. Wawruch fand ihn bei 135 Frauen und 71 Männern. — 128 — Frauen. Weit besser sind daher die Beispiele, welche uns die Tierwelt bietet. Bei den Cirripedien und parasitischen Copepoden schmarotzt sogar das eigene Männchen auf dem grossen parasi- tischen Weibchen resp. Zwitter. Das Männchen ist sehr klein uud braucht wenig Nahrung, einigen fehlten sogar Mund und Darm l). Das Geschlecht des Überflusses, wenn wir die Weibchen ein- mal so bezeichnen wollen, kann aber niemals auf dem des Mangels, den Männchen, schmarotzen. Dieser umgekehrte Fall ist fast un- denkbar und seine Möglichkeit kann von vornherein bestritten werden. Wird nun der Parasit durch zu starken Nahrungsentzug gefährlich , so äussert sich dies zuerst beim Genitalsystem , das Weibchen wird unfruchtbar. So geschieht dies mit dem Weibchen der Einsiedlerkrebse, in denen Cryptoniscus resp. Pel- togaster schmarotzt. Fraisse 2) sagt : „Nach meinen Beobach- tungen muss ich annehmen , dass Entoniscus Cavolinii nur bei Weibchen schmarotzt und die Unfruchtbarkeit seines Wirtes zur Folge hat." Wie weit der Geschlechtsdimorphismus sich steigern kann, zeigt sich bei dem Nematoden Trichosoraa crassicauda3) und der Gephyree B o n e 1 1 i a. Hier beherbergt das weibliche Geschlecht das winzig kleine Männchen in den Fortpflanzungsor- ganen. An diesem extremen P'all sieht man am besten, wie un- natürlich der umgekehrte Fall sein würde. — Wenn es richtig ist, dass im ganzen Tierreich das Weibchen, da es die Hauptarbeit der Reproduction übernommen hat, stärker ernährt werden muss, so wird auch bei Hermaphroditen not- wendigerweise das weibliche Genitalsystem mehr Nahrung bean- spruchen als das männliche. Die Untersuchung dieser Verhältnisse ist mit Schwierigkeiten verknüpft, einmal, weil bei den meisten Hermaphroditen die Er- nährungsverhältnisse der einzelnen Körperteile nicht bekannt sind und zweitens, weil häufig die beiden Genitalsysteme so nahe bei- sammen liegen, dass ein Urteil über ihre Nahrungszufuhr fast un- möglich ist. x) Darwin, Cirripedien, pag. 26. Scalpellum. 2) Arb. a. d. zool. Inst, zu Würzburg IV B, 1877 — 78. Fraisse, Entoniscus Cavolinii etc. 3) Archiv f. Naturgesch. 39. Jahrg., Bd. II, pag. 542. Leuckart, Jahresbericht für 1872 — 75. — 129 — Einige Hermaphroditen scheinen Ausnahmen von der Regel zu bieten. Bei den Hirudineen z. B. erscheint gerade das männliche Genitalsystem weit mächtiger ausgebildet als das weib- liche. Ersteres ist auf alle Segmente verteilt, letzteres rindet sich dagegen nur in einem einzigen. So lange also noch nicht genauere Untersuchungen über die Ernährungsverhältnisse dieser Organe vorliegen, muss man annehmen, dass es hier wahrscheinlich der männliche Teil des Genitalsystems ist, welcher mehr Nahrung in Anspruch nimmt. Es würde dann hier eine Ausnahme von der allgemeinen Regel stattfinden, die sich vielleicht auf eine An- passung an besondere Lebensverhältnisse wird zurückführen lassen. Unter den Coelenderaten sind für Hydra1) diese Ver- hältnisse genauer studiert. Bei dieser haben wir zwei Tuberkel- reihen , eine in der Nähe des Mundes , die andere um die untere Gegend des Magens. Erstere, unzweifelhaft weniger stark er- nährten, bilden sich zu Hoden um, letztere aber haben dort ihren Sitz, wo die Verdauung stattgefunden, wo die Ernährungssäfte in grösster Menge vorhanden, und sie bilden sich auch zu Eiern resp. Knospen aus. Unter den Würmern begegnen uns zunächst die meist her- maphroditischen Turbellarien. Man sieht hier sofort, wie klein die männlichen Geschlechtsdrüsen im Vergleich zu den weiblichen sind. Erstere bestehen nur aus den zwei Hoden, letztere aber aus dem Ovarium, den zwei sehr grossen Dotterstöcken und dem Behälter. Während die Hoden gleich das fertige Sperma liefern, werden die vom Ovarium ausgeschiedenen primitiven Eizellen erst von einem Dottermaterial umgeben, welches die Dotterstöcke liefern, und endlich noch von einer im Eibehälter ausgeschiedenen harten Schale umgeben. Es unterliegt also nicht dem geringsten Zweifel, dass das weibliche Genitalsystem bedeutend mehr Material zu liefern hat als das männliche und infolge dessen auch einer weit stärkern Ernährung bedarf. Noch mehr in die Augen springend aber finden wir dies bei der folgenden Gruppe. Bei diesen, den Trematoden, scheint ein Übergang statt- zufinden vom Hermaphroditismus zum geschlechtlichen Dimorphis- mus. Bei allen Arten aber sieht man auf den ersten Blick den kolossalen Unterschied zwischen den beiden Geschlechtssystemen. J) William Marshall, Über einige Lebenserscheinungen der Süsswasserpolypen und über eine neue Form von Hydra viridis. Z. f. w. Z. XXXVII, 4. Heft, p. 668. 9 — 130 — Der männliche Teil beansprucht nur die Ernährung von zwei ein- fachen oder lappigen Hoden. In dem weiblichen System aber haben wir zunächst das eigentliche Ovarium, ferner die ungeheuer grossen Dotterstöcke, welche in vielfach verzweigten Schläuchen die beiden Seitenteile des Tieres erfüllen, und endlich die Scha- lendrüse. Von diesen drei Drüsen sondert das Ovarium die Eier, die Dotterstöcke die Dotterballen und die Schalendrüse ein Secret ab, welches Ei und Dotter einhüllt. Man kann sich hiernach wohl vorstellen, welch grosser Ernährungsunterschied zwischen den beiden Systemen stattfindet. Man ist wohl berechtigt, die Ab- sonderung und daher auch die Ernährung einer Drüse nach ihrer Oberfläche zu taxieren. Und dann treten die Hoden gegen die weiblichen Drüsen sehr zurück. Ein sehr demonstratives Beispiel liefert uns Sagitta. Die beiden Geschlechtssysteme sind hier örtlich von einander ge- trennt. Der Darm zieht sich durch das ganze zweite Segment. Im ersten Teil desselben wird mehr verdauende Thätigkeit statt- finden, im zweiten dagegen werden die Ernährungsflüssigkeiten durch den Darm durchdringen. Und hier, also am best genährten Teil des ganzen Körpers, bilden sich die weiblichen Geschlechts- producte. Die männlichen hingegen entstehen da, wo der Darm gar nicht einmal mehr hindringt, im dritten oder Schwanzsegment. Sie werden also nur von Säften ernährt, welche das weibliche Genitalsystem bereits passiert haben. Bei den hermaphroditischen Gastropoden besteht eine Zwitter- drüse, welche beide Geschlechtsproducte liefert. Untersucht man aber eine solche, so findet man freie Spermatozoen und ferner Eier, welche meist noch im Entstehungszustand begriffen sind. Die Bildung letzterer und ihre Ernährung nimmt viel mehr Zeit in Anspruch, während die Spermatozoen scheinbar noch nebenbei gebildet werden. Wenn man endlich die grosse Eiweissdrüse in betracht zieht, so wird man zugestehen müssen, dass auch bei den zwittrigen Gastropoden der weibliche Teil des Genitalapparates stärkere Er- nährung beansprucht als der männliche. Als weiteres Beispiel können uns die Thatsachen dienen , auf Grund deren van Beneden seine Theorie von der Geschlecht- lichkeit der Keimblätter aufstellte. Er sah, dass bei ein- zelnen Tieren die männlichen Genitalproducte vom Ectoderm, die weiblichen vom Entoderm abstammten und glaubte, dies bei allen — 131 — übrigen auch vermuten zu dürfen. Diese Vermutung hat sich in- dessen als nicht stichhaltig herausgestellt. Bei einigen Tieren trifft der Fall zu, er findet auch leicht seine Erklärung. Denn eine weibliche Zelle kann sich nur da ausbilden, wo sie gut ernährt wird, während Spermazellen sich auch an andern Stellen bilden können. Bei einem Tier, das nur aus den beiden primären Keimblät- tern besteht , ist aber das Entoderm unstreitig besser ernährt als das Ectoderm, da letzteres ja seine Nahrung erst vom Entoderm bezieht. Es ist also äusserst wahrscheinlich, dass die nahrungsbe- dürftige Eizelle im gut genährten Entoderm, die weniger an- spruchsvolle Spermazelle im dürftiger versorgten Ectoderm sich ausbilde. Und in der That scheint dies bei vielen niedern Tieren der Fall zu sein. Meist jedoch ist der Bau des Tieres und damit das Ernährungsverhältniss der Keimblätter complicierter. — Häufig tritt es ein, dass Hermaphroditen sich unter wechseln- den Ernährungsverhältnissen befinden. Da nun der Mangel mehr der Ausbildung des männlichen Genitalsystems, der Überfluss aber mehr der des weiblichen günstig ist, so tritt häufig der Fall ein, dass nur das eine oder andere System die Funktionsfähigkeit erhält. Bei solchen Hermaphroditen, bei denen regelmässig eine zeit- lich verschieden starke Ernährung der Genitalien stattfindet, kön- nen die beiden Geschlechter zu verschiedenen Zeiten zur Ausbil- dung gelangen. Bei vielen findet in der Jugend, wo das Tier noch das Maximum der Nahrungsstoffe zum Aufbau des eigenen Kör- pers braucht, eine schwächere Ernährung des Genitalsystems statt, weshalb nur der männliche Teil zur Ausbildung gelangt. Später dagegen, wenn das System mehr Nahrungszufuhr erhalten wird, kann das Tier auch weiblich functionieren. Von den Isopoden sind die Cymothoideen hermaphro- ditisch, jedoch mit zeitlicher Trennung der Geschlechtsreife. Im jugendlichen Alter sind dieselben funktionsfähige Männchen. Nach einer spätem Häutung werden die weiblichen Drüsen immer weiter entwickelt, so dass das Tier bald nur als Weibchen fun- giert. Ähnliches scheint beim Süsswasserschwamm (Spongilla) stattzufinden. Keller1) fand in kleineren Exemplaren stets nur *) Zool. Anz. 1. Jahrg. pag. 314. Spermabildung bei Spongilla. — 132 — Spermazellen. Im Anfang erübrigt der Schwamm noch wenig Stoß für die Reproduction und es ist eine Anpassung an diesen Umstand, dass er dann nur männlich functioniert. — Endlich wäre es noch nötig, für Pflanzen zu beweisen, dass das weibliche Geschlecht mehr Nahrung beansprucht als das männ- liche. Hierüber brauchen wohl nicht viele Worte gesagt zu wer- den. Es wird Niemand daran zweifeln, dass zur Ausbildung des männlichen Blütenteils weniger Stoffzufuhr nötig ist als zur Ent- wickelung des weiblichen inclusive der der Frucht. Als ein Beispiel könnte angeführt werden, was Darwin über die cultivierte Erdbeere1) sagt, die in den Vereinigten Staaten eine starke Neigung zur Trennung der Geschlechter zeigt. „Die männlichen tragen grosse, die hermaphroditischen mittelgrosse, und die weiblichen kleine Blüten. Die letzteren Pflanzen produ- cieren wenig Ausläufer, während die zwei anderen Formen deren viele producieren; infolge dessen vermehren sich, wie sowohl in England, als in den Vereinigten Staaten beobachtet worden ist, die Pollen tragenden Formen sehr schnell, und streben danach, die weiblichen zu verdrängen. Wir können daher schliessen, dass viel mehr Lebenskraft auf die Production von Eichen und Früch- ten verwandt wird, als auf die Production von Pollen." Ferner sagt Gärtner2): „Die männlichen Blüten derLych- nis vespertina sind etwas kleiner und von zarterem Baue als die weiblichen." — „Das Leben der männlichen Blüte ist von kürzerer Dauer als das der weiblichen: es scheint dies ein allge- meines Gesetz bei dem dichogamen Baue der Blumen zu sein; denn alle männlichen Blumen vergehen oder fallen ab nach der Verstäubung des Pollens." Der Dimorphismus der Geschlechtszellen bei den Volvocineen ist bereits erwähnt worden. Auch bei höheren Algen bemerken wir diese fortschreitende Differenzierung. Die Gameten waren ur- sprünglich jedenfalls gleich gestaltet. Bei weiter entwickelten sehen wir jedoch, wie die weibliche Geschlechtszelle grösser und weniger beweglich wird als die männliche, sie übernimmt es, die Nahrung für den Aufbau des Embryo zu liefern. Bei den Me- lanophyceen z. B. lässt sich diese fortschreitende Differen- zierung sehr deutlich verfolgen. 1) Die verschiedenen Blütenformen an Pflanzen der nämlichen Art, übers, v. J. V. Carus, pag. 253. 2) Beiträge zur Kenntniss der Befruchtung, I, pag. 44. — 133 — Bei vielen Prothallophyten sind die männlichen Pflänz- cben kleiner als die weiblichen. Bei den gewöhnlichen Laub- moosen, Schachtelhalmen und andern kann man sich hiervon über- zeugen. Bei den heterosporangiaten Farnen zeigt sich, dass die männlichen Elemente weniger Nahrung bedürfen als die weiblichen. Aus allen diesen Beispielen geht wohl auf das Unzweifelhaf- teste hervor, dass infolge eingetretener Arbeitsteilung dem weib- lichen Geschlecht die Aufgabe zugefallen ist, den Stoff für den Aufbau des Embryo zu liefern. Das weibliche Genitalsystem be- ansprucht daher im Allgemeinen mehr Nahrung als das männ- liche. — Beim weiblichen Geschlecht spielt, wie bewiesen wurde, die Ernährung eine weit wichtigere Rolle als beim männlichen. Schon aus diesem Umstand folgt, dass eine Änderung in der Ernährungs- stärke beim weiblichen Geschlecht weit grössere Folgen haben muss als beim männlichen. Eine derartige Einwirkung ist ja überhaupt von grossem Einfluss auf das Genitalsystem. Und zwar wirkt eine Verminderung der Ernährung derartig, dass eine Ver- minderung der Reproduction eintritt. Besonders stark muss die Einwirkung auf das weibliche Geschlecht sein , da ja von diesem hauptsächlich die Stärke der Reproduction abhängig ist. Das weibliche Geschlecht resp. dessen Genitalapparat wird daher weit empfindlicher gegen Ernährungs- schwankungen sein, als dies beim männlichen der Fall ist. Die Empfindlichkeit des weiblichen Genitalsystems zeigt sich z. B. bei vielen Insecten. Bei den Bienen sehen wir, dass die meisten befruchteten Eier - - während die unbefruchteten zu Männ- chen werden müssen, wie oben gezeigt wurde — infolge unzuläng- licher Ernährung sich nicht zu vollkommenen Weibchen ausbilden können, da sich der Mangel zunächst auf die Entwickelung des weiblichen Geschlechtsapparates geltend macht. Diese Individuen bilden sich daher nur zu Arbeitern, d. h. verkümmerten Weib- chen aus. Es ist also kein Zufall, dass bei staatenbildenden Insecten es gerade das weibliche Geschlecht ist, dem die Arbeiter angehören, sondern es ist dies begründet in der grossen Empfindlichkeit des weiblichen Genitalapparates gegen verminder- tenNahrungszufluss. Soll sich bei Bienen das Geschlecht voll- kommen ausbilden, so wird die Larve der zukünftigen Königin in einer weiten, geräumigen Weiselwiege gepflegt und mit reichlicher — 134 - Nahrung und königlicher Kost zum geschlechtsreifen , begattungs- fähigen W eibchen, zur Königin erzogen, deren Genitalapparat dann auch eine kolossale Leistungsfähigkeit erreicht, so dass die Köni- gin an einem Tage über 3000 Eier abzusetzen im Stande ist. "Wie empfänglich der weibliche Genitalapparat für Überfluss ist, zeigt sich durch die Beobachtungen Siebolds und anderer noch auf eine andere Art. Fehlt dem Stock nämlich eine Königin, so werden einige der Larven, welche eigentlich zu Arbeitern bestimmt waren, in Weiselwiegen gebracht und ihnen die bessere königliche Nah- rung gereicht. Der weibliche Geschlechtsapparat, dessen Ausbil- dung eigentlich durch schlechte Nahrung unterdrückt werden sollte, entwickelt sich dann ausserordentlich, so dass eine solche Königin in keiner Beziehung einer andern nachsteht. Bei keinem einzigen Tiere ist dagegen bis jetzt eine solche ausserordentliche Empfind- lichkeit des männlichen Genitalsystems gefunden worden. Auch durch viele andere Beobachtungen ist der grosse Ein- fluss der Nahrungszufuhr auf das weibliche Genitalsystem hinrei- chend constatiert. Nach Gaspard entwickeln sich die Eier der Weinbergschnecke bei warmer Witterung in drei, bei kühler erst in 4—6 Wochen 1). Bekannt ist feiner die Beobachtung, dass gut gefütterte Pferde um 8 Tage eher gebären als schlecht ge- nährte. „Ammon hat sogar bei Durchsicht der preussischen Ge- stütsregister gefunden, dass eine kräftigere Fütterung des Mutter- tieres die Tragzeit um 10—14 Tage abkürzt" ä). Ernst Zeller3) beobachtete, dass die Eiproduction von Polystomum integer- rimum beim Eintritt der Frühlingswärme vor sich geht. Bei Jüngern Fröschen, in denen solche Würmer schmarotzen, findet man selbst noch im Mai und Juni Eier im Eiergang. Diese Ver- zögerung der Eierproduction kann sehr wohl auf den Einfluss einer weniger reichlichen Nahrung in jüngeren Tieren zurückgeführt werden. Auch bei Vögeln scheint der Einfluss der Nahrung auf die Ausstattung der Eier ein bedeutender zu sein. Baldamus giebt eine Notiz, „nach welcher in einem sehr günstigen Mäusejahr die !) Burdach, Physiologie, Bd. II, S. 76. 2) von Dr. Ploss angeführt: Über die das Geschlechtsverhält- niss der Kinder bedingenden Ursachen. Monatsschrift für Geburts- kunde. 12. B. 3) Zeitschrift f. wiss. Zoologie, XXVI, 1876. Dr. E. Zeller, Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Polystomen. — 135 — Eier der Sunipfweihen nahezu die doppelte Grösse des Durch- sclmittsmaasses erreichen" 1 ). Ferner „fand II is die Kehnscheibe der Hühner im Herbst viel spärlicher mit Dotterkömehen ausgestattet als im Sommer" 2). Eigentlich könnten hier fast alle Beispiele, welche aufgezählt wurden, um die Empfindlichkeit des Reproductionsapparates über- haupt gegen Ernährungsveränderungen zu zeigen, noch einmal wie- derholt werden; denn fast alle betreffen besonders die Thätigkeit des weiblichen Geschlechtes. Lässt man Daphniden3) hungern, so tritt eine Resorption der weiblichen Geschlechtsproducte ein. Beim Männchen ist Ahnliches noch nicht beobachtet worden. Auch \Y e i s m a n n hat daher die Ansicht , dass es das weibliche Ge- schlecht ist, welches durch ungünstige Verhältnisse am meisten affiziert wird. Dasselbe lässt sich über Hydra4) sagen. Der untere Tuberkelring liefert die weiblichen Geschlechtsproducte, Knospen und Eier. Diese Tuberkel sind sehr unbeständig, ver- schwinden öfter und treten wieder auf, z. B. nach der Ablösung der Knospe, wenn diese also keine Nahrungszufuhr mehr von der Mutter erhalten kann, verschwinden sie, um dann später wieder aufzutreten. Lässt man die Tiere hungern, so werden sie, wie schon oben erwähnt, resorbiert. Der obere Tuberkelring hingegen, der die männlichen Geschlechtsproducte liefert, ist weit beständiger und scheint kaum von der Nahrungszufuhr abhängig zu sein. — Auch wenn in der Gefangenschaft die Reproduction vermindert wird, ist es besonders das weibliche Genitalsystem, welches hiervon affiziert wird; denn bei sehr vielen gefangenen Tieren wird die Begattung ausgeübt, es werden aber keine oder nur wenige Junge geworfen. Hieraus geht hervor, dass es weniger die Production von Sperma als vielmehr besonders die Ablösung der Eier sein muss, welche in folge der Einwirkung ungünstiger Verhältnisse reduziert wird. Im zoologischen Garten zu London wurden nach Darwin5) 1) Hensen, Physiologie der Zeugung, p. 19 (Hermann's Hand- buch d. Phys.). 2) His, Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbeltier- leibes. Leipzig 1868, p. 13. Citiert von Hensen. 3) Weismann, Zur Naturgeschichte der Daphniden, p. 126. 4) "William Marshall, Über einige Lebenserscheinungen der Süsswasserpolypen und über eine neue Form von Hydra viridis. Z. f. w. Z. XXXYII, 4. Heft, p. 668. 5) Das Yariiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Do- mestication. Übers, v. J. V. Carus, IL Bd., p. 146. — 136 — bei Felidcn 73 Begattungen gezählt (abgesehen von den vielen, welche nicht beobachtet wurden) und doch folgten diesen nur 15 Geburten. Dasselbe gilt für Bären, einige Nagetiere, Allen. Einige Raubvögel wurden in der Begattung gesehen, produ- zierten aber keine Eier. — Auch die Kinder zeigen je nach dem Geschlecht eine ver- schiedene Empfindlichkeit gegen Veränderungen in der Ernährung. Bei dem Nahrungswechsel der neugeborenen Kinder werden mehr Mädchen als Knaben vom Tod ereilt, trotzdem vorher die Knaben aus andern Gründen eine grössere Sterblichkeit zeigten. Die Be- sprechung führt hierauf später zurück und eine Taljelle über die verschiedene Sterblichkeit der Kinder je nach dem Geschlecht soll alsdann mitgeteilt werden. — Es muss ferner noch gezeigt werden, Üass auch bei Pflan- zen es das weibliche Geschlecht ist, welches am empfindlichsten reagiert auf Veränderungen der Lebensbedingungen. H e y e r J ) fand durch seine Versuche, bei welchen er Pflanzen unter den verschiedensten Verhältnissen aufzog, dass weibliche In- dividuen von Mercurialis annua unter verschiedenen Bedin- gungen weit stärker in Bezug auf die Bildung von Trockensubstanz affiziert werden als männliche, wie folgende Tabelle zeigt. Lufttrockene Trockensubstanz in Prozenten. Lebensbedingungen Geschlecht Trockensubstanz | ? 12,507 \ 8 11,445 / ? 13,331 | S 12,411 / ? 9,706 \ S 9,753 i ? 8,981 | s 9,012 / Gartenerde unbeschattet n n Sandboden „ vi n Gartenerde beschattet n r> Sandboden „ -f 1,062 4 0,920 0,047 0,031 „Während auf den nicht beschatteten Abteilungen die weib- lichen Pflanzen eine grössere Menge Trockensubstanz gebildet ha- ben als die männlichen, ist es bei den beschatteten gerade umge- *) Untersuchungen über das Verhältniss des Geschlechtes bei einhäusigen und zweihäusigen Pflanzen. Dissertation, Halle, 1883, pag. 40. — 137 — kehrt," <1. h. die weiblichen reagiren so zu Bagen weil empfind- licher auf Veränderungen der Lebensbedingungen al> die wider- stands&higeren mannlichen. Man könnte dem Satz, dass das weibliehe Genitalsystem das empfindlichere sein soll, eine Bemerkung Darwins entgegenhal- ten, welche sich in seinem Buch über die verschiedenen Bluten- formen anPflanzen der nämlichen Art findet1). Er sagt: „Pflan- zen im Zustande der Cultur oder unter veränderten Lebensbedin- gungen werden häufig steril, und die männlichen Organe werden viel häufiger affiziert als die weiblichen, obschon zuweilen die letz- teren allein affiziert werden." Diese Bemerkung bezieht sich aber ohne Zweifel nicht auf die Ausbildung der männlichen Elemente, sondern nur auf die Contabescenz der Antheren, welche er an einer andern Stelle er- örtert2). Wodurch diese hervorgerufen wird, ist, wie auch Dar- win sagt, noch nicht festgestellt. An derselben Pflanze sind alle Blüten in nahezu demselben Grade affiziert. Die Eigenschaft wird durch Senker, Ableger und dergl. und vielleicht auch durch Samen fortgepflanzt. Darwin sagt, dass die Atfection auch durch Inzucht hervorgebracht werden könne. Kölreuter und Wieg mann glauben, dass die Ursache in ungünstigen Lebensbedingungen zu suchen sei. Die Sache ist also noch unentschieden und weitere Versuche müssen abgewartet werden. Die Erscheinung beruht jedenfalls auf einer Neigung der Pflanze dioecisch zu werden. Gärtner3) stellte ebenfalls viele Versuche an, welche über die Ursache keinen Aufschluss gaben. Indessen könnten manche Beobachtungen Darwins für die Theorie angeführt werden. Er beobachtete z. B. weibliche und männliche Sträucher von Euonymus europaeus (Celastrineae) 4 ) während drei Jahre und fand, dass in dem einen sehr günstigen Jahre nicht nur die weiblichen Pflanzen eine sehr grosse Menge von Früchten bildeten, sondern dass sogar auf den Pollen tragen- den Pflanzen sich solche, bei einigen sogar in nicht unbeträcht- licher Menge vorfanden. In folge der günstigeren Lebensbedin- gungen hatten sich die gewöhnlich functionslosen weiblichen Or- 1) Übers, v. J. V. Carus pag. 245. 2) Das Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande des Do- mestication. Übers, v. J. V. Carus, pag. 163 3) Beiträge zur Kenntniss der Befruchtung, pag. 117 etc. 4) 1. c. pag. 252. — 138 — gane der männlichen Pflanze doch entwickelt und sogar Früchte produziert. Ferner sagt Darwin1): „Dass die Pflanzen in ihrer Frucht- barkeit durch unbedeutende Veränderungen der Lebensbedingun- gen aftiziert werden können, ist um so merkwürdiger, als der Pol- len, wenn er einmal im Process der Bildung begriflen ist, nicht leicht verletzt wird. Eine Pflanze kann umgesetzt werden oder ein Zweig mit Blütenknospen kann abgeschnitten und in Wasser gesteckt werden und doch wird der Pollen reif. Auch kann der Pollen, wenn er einmal reif ist, Wochen oder selbst Monate lang aufbewahrt werden. Die weiblichen Organe sind weit sensitiver." Bei einigen dicotyledonen Pflanzen fand Gärtner2), dass ein Versetzen die weiblichen Organe unfruchtbar gemacht hatte. Bei Crocus fand Herbert3) ähnliches. Durch den angeführten Satz entkräftet Darwin selbst seine frühere oben angeführte Be- merkung, die der Theorie Schwierigkeit zu bieten schien. Gärtner4) sagt von Di anthus j aponicus, einer Passi- flora und von Nicotiana, dass er Pflanzen beobachtete, deren weibliche Organe steril waren, während die männlichen ihre voll- kommene Ausbildung erlangt hatten. Nach Gärtner5) blühen die männlichen Rispen von Zea Mays nana 89 — 107 Tage, die weiblichen 106 — 125 Tage nach der Aussaat. „In der Regel geht daher die Entwickelung der männlichen Rispe um 18 — 19 Tage der der weiblichen Organe voraus, und jene ist regelmässiger und weniger variabel als die Erscheinung dieser letzteren; die Entwickelung dieser weiblichen scheint daher mehr von äussern Umständen abzuhängen als die der ersteren." Aus allen diesen Thatsachen kann man den sichern Schluss ziehen, dass es nicht nur bei Tieren sondern auch bei Pflanzen das weibliche Geschlecht ist, welches gegen eine Änderung der Ernährung besonders empfindlich ist. Es hängt dies zusammen mit dem Umstand, dass bei den Weibchen, da sie den Stoff zum *) Das Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Do- mestication. Übers, v. J. V. Carus, II. Bd. p. 162. 2) Gärtner, Beiträge zur Kenntniss der Befruchtung, p. 560, 564. 3) Citiert von Darwin, 1. c. p. 163, entnommen aus dem Journal of Horticult. Soc. 1847, Yol. II, pag. 83. 4) Gärtner, Bastarderzeugung, pag. 356. 5) Beiträge zur Kenntniss der Befruchtung, pag. 522. — 139 — \ufbau des Embryo zu liefern haben , die Ernährung eine weif wichtigere I Julie spielt als bei »lein männlichen Geschlecht. ß. Die Regulierung des Sexualverhältnisses. Es sei gestattet, noch einmal eine flüchtige Übersicht über den Gang des Beweises im zweiten Teil der Arbeit zu halten. Zunächst wurde gezeigt, dass die durchschnittliche Stärke der Vennehrung bei jedem Tiere eine ganz bestimmte, stets wiederkehrende ist. Unter verschiedenen Ernährungsbedingungen jedoch, überhaupt unter sehr günstigen oder ungünstigen Verhält- nissen weicht dieselbe mehr oder weniger von dieser Norm ab. Die Stärke der Reproduction richtet sich also nach den Existenz- bedingungen. Es war ferner gezeigt worden , dass den Weibchen die Hauptaufgabe hierbei zukommt, insofern sie den Stoff zum Aufbau des Embryo zu liefern haben. Hieraus folgt, dass die Vermehruugsstärke besonders von der Zahl der Weibchen abhängig ist. Bei einer relativ grossen Anzahl von Weibchen können in derselben Zeit viel mehr Junge produziert werden als bei einem Mangel an Weibchen. Da es nun vorteilhaft für die Fortpflanzung der Tiere ist, wenn sie sich zur Zeit des Überflusses möglichst stark vermehren, so wird es auch vorteilhaft sein, diese Vermehrung besonders durch eine relativ grosse Zahl von Weibchen zu verstärken. Daher war bereits die Vermutung ausgesprochen worden, dass die Tiere durch natürliche Züchtung die Fähigkeit erlangt haben möchten, bei eintretendem Überfiuss besonders mehr weibliche In- dividuen hervorzubringen und sich überhaupt in der Zahl der produzierten Weibchen nach den Ernährungsbedin- gungen zu richten. Diese vorteilhafte Eigentümlichkeit be- wirkt, dass mit Hülfe der Weibchen, denen ja die Hauptarbeit bei der Reproduction zufällt, eine ganz besonders starke Vermeh- rung eintritt und so der Überfiuss durch eine möglichst starke Reproduction ausgenutzt wird. Wenn dies richtig ist, so müssen auch umgekehrt bei ein- tretendem Mangel relativ mehr Männchen geboren werden, die Zahl der Weibchen muss abnehmen ; alsdann tritt eine den ungünstigen Existenzbedingungen entsprechende schwache Vermehrung ein. Leider ist es durchaus nötig, diese theoretischen Betrach- tungen noch etwas weiter zu verfolgen. Es lassen sich nämlich mehrere Bedenken erheben, welche auf den ersten Blick gerecht- — 140 — fertigt erscheinen. Diese müssen besprochen und als nicht zu- treffend erwiesen werden. Zunächst mag an folgendem Beispiel erörtert werden, eine wie starke Vermehrung mit Hülfe eines Weibchenüberschusses her- beigeführt werden kann. Denken wir uns, eine Species, deren Tragzeit vier Monate be- trage, produziere bei Eintritt von Überfluss viermal so viel weib- liche als männliche Individuen. (Der Veranschaulichung wegen sei diese ungewöhnliche Zahl gestattet). Fragen wir nun, wie gross die Vermehrungsfähigkeit dieser Tiere ist, so ergiebt sich folgendes. Trotzdem alsdann auf je ein Männchen vier Weibchen kommen, können letztere doch fortwährend in Reproductionsthätig- keit gehalten werden. Da nämlich durchschnittlich jeden Monat eins derselben wieder befruchtungsfähig wird, so kann das Männ- chen dieses sofort wieder befruchten , indem das Sperma in we- nigen Tagen wieder ersetzt wird. Fünf Tiere können also pro Monat ein Junges liefern. Anders verhält es sich aber, wenn die Tiere diese günstige Eigenschaft nicht hätten, wenn sie trotz Eintritt des Überflusses ebenso viel männliche als weibliche Individuen erzeugten. Es werden dann je zwei Tiere (ein männliches und ein weibliches) in vier Monaten ein Junges hervorbringen, zehn Individuen werden demnach in dieser Zeit nur fünf produzieren, während bei den Tieren, welche im Überfluss mehr Weibchen erzeugten, zehn Indi- viduen in vier Monaten acht Junge hervorbringen konnten. Wir sehen also, dass die Reproductionsfähigkeit einer Anzahl Tiere hauptsächlich von der Zahl der Weibchen abhängt, da diesen ja die Hauptfunction hierbei zukommt. Nun aber kann man der Theorie folgenden Einwand entgegen- halten : Man denke sich eine Abteilung Tiere mit normalem Sexual- verhältniss, und diese produziere auch bei Eintritt von Überfluss gleichviel Männchen und Weibchen. Nur ein Tier habe die Eigen- schaft, unter diesen Verhältnissen mehr Weibchen hervorzubringen, so wird mit Hülfe derselben die ganze Abteilung allerdings mehr Nachkommen hinterlassen können. Bei diesem Überschuss von Weibchen aber wird eins derselben durchschnittlich weniger Nach- kommen haben als die Männchen. Folglich wird ein Tier, wel- ches die Eigenschaft nicht hat, mehr Weibchen bei Nahrungsüber- fluss zu produzieren, sondern welches, während alle übrigen Ge- burten einen Weibchenüberschuss zeigen, mehr Männchen hervor- bringt, mehr Nachkommen hinterlassen als die übrigen Tiere. Man — 141 — könnte nun glauben, dass die Eigenschaft bei Nahrungsüberfluss mehr Weibchen zu gebären für die Vermehrung des betreffenden Individuums eher ungünstig sei und infolge dessen unmöglich von der Natur gezüchtet werden könnte. Die Unzulässigkeit dieser Schlüsse geht aus folgender Über- legung hervor. Man denke sich auf dem Verbreitungsgebiet eines Tieres herrsche Mangel an Nahrung. Dieses Tier habe aber die Eigenschaft dennoch relativ mehr Weibchen zu gebären, so werden diese Jungen sich auf einem Gebiet bewegen, welches das Verbrei- tungsgebiet der Mutter zum wahrscheinlichsten Centruin hat. Die auf dieser Fläche lebenden Tiere werden mit Hülfe dieser Weib- chen relativ viel Nachkommen erzeugen können (wie oben be- wiesen wurde). Und zwar stammen, wenn die übrigen Tiere mehr Männchen produzierten, von jedem Weibchen sogar mehr Nach- kommen ab als von jedem Männchen. Da aber der Voraussetzung nach auf diesem Gebiete Nahrungsmangel herrscht, so wird (wie bereits gezeigt wurde) eine relativ stärkere Vermehrung eine re- lativ schwächere Fortpflanzung zur Folge haben. Das Weibchen also, welches die Eigenschaft hatte, im Mangel mehr weibliche Individuen zu produzieren, wird nur wenig Nachkommen hinter- lassen. Also gerade die stärkere Vermehrung ist es, welche der Fortpflanzung des Tieres und damit der Vererbung und Ausbreitung dieser Eigenschaft entgegentritt. Das Umgekehrte lässt sich von einem Tiere beweisen, welches bei Nahrungsmangel mehr Männchen hervorbrachte. Diese der Fortpflanzung günstige Eigenschaft erfährt also eine natürliche Züchtung. Für den Fall eines Überflusses gilt das entgegengesetzte. Hier ist eine starke Production von Weibchen günstig; denn mit Hülfe derselben tritt eine stärkere Vermehrung ein und diese ent- spricht einer ebenso starken Fortpflanzung, da die Nachkommen alle leben und gedeihen können. Produziert dagegen ein Tier trotz des Überflusses mehr Männ- chen, so wird dadurch die Vermehrung auf dem betreffenden Ver- breitungsgebiete reduziert zu einer Zeit, wo eine starke Vermehrung auch eine starke Fortpflanzung zur Folge haben würde. Indessen lässt sich der Einwurf vielleicht besser durch folgendes Beispiel widerlegen. Er basiert hauptsächlich auf der Ansicht, dass eine Eigenschaft, welche der Vermehrung der übrigen Tiere zwar günstig, aber der des Tieres selbst ungünstig sei, nicht von der Natur gezüchtet werden könnte. Wie falsch dies ist, lehren — 142 — uns Erscheinungen bei den Bienen und Ameisen. Diese produ- zieren unfruchtbare Arbeiter, welche zwar durch ihre Thätigkeit dem Gesammtwesen nützen, aber ihre Eigenschaften selbst nicht direct vererben können. Dennoch wäre es sehr falsch zu glauben, dass letztere daher nicht gezüchtet werden könnten. Diejenigen Ameisen werden nämlich am meisten Nachkommen hervorbringen können, welche auch solche nützliche Arbeiter produzieren. Wenn letztere nicht selbst sich vermehren, so nützen sie durch Über- nahme aller sonstigen Arbeit der Reproduction ihrer Geschwister, deren nützliche Eigenschaft, solche unfruchtbare Arbeiter hervor- zubringen, auf diese Weise gezüchtet wird. Also selbst angenommen die Eigenschaft, bei Eintritt von Überfluss, im Gegensatz zu den übrigen Tieren, mehr Männchen hervorzubringen, sei der Fortpflanzung dieses Tieres vorteilhaft, so wird dadurch der der übrigen mehr oder weniger verwandten geschadet. Diejenigen, welche also solche (sei der Ausdruck er- laubt) eigennützige Tiere hervorbringen, werden sich weniger stark fortpflanzen als solche, deren Nachkommen in bezug auf die Re- production „uneigennützige" Eigenschaften haben, d. h. solche, welche dem Gesammtinteresse der Tiere mehr entsprechen als dem eigenen. — Obige Erörterung stützt sich also auf den be- kannten Satz, dass das Interesse aller wichtiger ist als das des einzelnen. Wenn nun infolge der eben besprochenen Eigenschaft beim Überfluss mehr Nachkommen und besonders mehr weibliche pro- duziert sind, so wird mit Hülfe letzterer die zweite Generation besonders zahlreich ausfallen können. Bei der Production dieser letzteren herrschte aber schon ein nicht mehr normales Sexualver- hältniss der Erzeuger. Der Überschuss an weiblichen Individuen bewirkt später notwendig eine Mehrgeburt von männlichen Jungen. Tritt also ein andauernder Nahrungsüberfluss ein, so werden zu- nächst überhaupt mehr Junge und besonders mehr weibliche er- zeugt. Sind diese herangewachsen, so kann eine erst recht starke Vermehrung stattfinden. Unter den spätem Generationen aber finden sich wieder relativ viel männliche Individuen, so dass sich bei anhaltendem Überfluss später das Gleichgewicht im Sexual- verhältniss wieder herstellt. In der Natur aber findet stets ein Wechsel von Überfluss und Mangel statt. Die relative Mehrpro- duction von weiblichen Individuen dauerte mindestens eine volle Generation hindurch. Der Überfluss wurde fortwährend durch — 143 — starke Vermehrung ausgenutzt, besonders aber während des Heran- wachsens der zweiten Generation. — Noch ein Einwurf nmss besprochen werden. Man könnte vielleicht auf den Gedanken kommen, die Behauptung, dass bei Mangel mehr Männchen geboren werden, stehe im Widerspruch mit einer früheren Auseinandersetzung, wonach die Weibchen dann, wenn sie stärker genährt werden, mehr Knaben hervor- bringen sollen. Bei einer genaueren Durchsicht der damaligen Erörterungen ersieht man aber bald, dass es sich dort um etwas wesentlich anderes handelt. Es ist eine starke vor der Befruchtung statt- findende Ernährung des Weibchens und eine schwache des Männ- chens, welche die geschlechtliche Leistungsfähigkeit des ersteren im Gegensatz zu der des letzteren steigert und eine Mehrgeburt von männlichen Nachkommen bewirkt. Herrscht indessen Überfluss oder Mangel, so kommt ein Gegensatz in der Ernährung der beiden Geschlechter überhaupt nicht zu Stande. Wenn die Genitalproducte des Weibchens bei der guten Ernährung zum männlichen Geschlecht neigen, so ist die Tendenz des Sperma unter diesen Umständen die entgegen- gesetzte, wodurch eine Ausgleichung herbeigeführt wird. Ein Gegensatz in den Qualitäten (z. B. im Alter) der Geschlechtspro- duete bei der Befruchtung kommt hier also nicht in Betracht. Vielleicht ist es die dem Embryo bei seiner Entwicklung gebotene Nahrungsmenge, welche die Geschlechtsausbildung beeinflusst. Jedenfalls wirkt auch sie in dieser Weise, wie sich später zeigen wird. — Aus diesen theoretischen Erörterungen geht hervor, dass es für die Fortpflanzung der Tiere vorteilhaft ist, zur Zeit des Mangels mehr Männchen und zur Zeit des Überflusses mehr Weibchen zu produzieren. Man ist also berechtigt zu vermuten, dass die Organismen eine dem-entsprechende nützliche Eigenschaft haben. Alle darauf bezüglichen Thatsachen sollen im Folgenden angeführt werden. Wir werden alsdann sehen, ob die Tiere wirk- lich solche vorteilhafte Eigenschaften besitzen. ß'. Das Sexualverhältniss unter gleichen Ernährungs- verhäl tn i sse u. Ist der Satz richtig, dass die Ernährungsverhältnisse von Einfluss auf die Geschlechtsausbildung sind, so müssen bei glei- cher Nahrungszufuhr sich mehr Tiere gleichen Ge- — 144 — schlechtes ausbilden, als unter sonstigen Verhältnissen der Fall sein würde. Einige Thatsachen mögen dies erläutern. „Insectenlarven, namentlich gewisse Raupen, auch einige Kokkoslarven entwickeln sich an bestimmten Futterplätzen ausschliesslich zu weiblichen, an andern ausschliesslich zu männ- lichen Tieren, ferner die zu Tierstöcken verbundenen Polypen sind mit nur wenigen Aasnahmen desselben Geschlechts" 1). Die Rädertiere tragen entweder nur männliche oder nur weibliche Eier, nie aber beides. Auch die Beobachtungen von Leon Du- four2) sind hier zu erwähnen. „Dieser zog aus einer gewissen Galle immer nur weibliche Individuen des Hymenopteron Sto- rno et ea, war aber sehr erstaunt, als er aus der Puppe eines Tenthredo nichts als männliche Individuen desselben Hymenopte- rons erhielt." Der Einfluss der verschiedenen Lebensverhältnisse auf die Ausbildung des Geschlechtes ist bei diesen Beispielen un- verkennbar. Dasselbe zeigt sich bei den Orthonectiden. „Jeder Mut- terschlauch erzeugt nur Larven eines Geschlechtes. Gewöhnlich trifft man in einer Ophiuride nur Männchen oder nur Weibchen erzeugende Schläuche, obwohl nicht selten Ausnahmen von dieser Regel vorkommen"3). Letzteres lehrt, dass die Ernährung nicht das einzige in Betracht kommende Moment ist, sondern dass auch andere Umstände von Einfluss sind. An dieser Stelle muss auch die Thatsache besprochen werden, dass Zwillinge mit gemeinsamen Eihäuten und Dop- pelmissbildungen stets gleiches Geschlecht besitzen. Dasselbe wäre nach Hueter und Ploss auf die Wirkung der gemeinsamen Ernährung zurückzuführen. Indessen fragt es sich, ob solche Zwillinge wirklich gemeinsam oder gleich ernährt werden, so fand Hyrtl, dass bei gemeinsamen Chorion zweier Kinder die Gefässbezirke getrennt waren. K. Mayrhofer 4) kann x) Ploss, Monatsschrift f. Geburtskunde und Frauenkrankheiten, B. 12. 2) Recherches auatomiques et physiologiques sur les Orthopte- res etc. in den Me'moires presentes par divers savants a l'Acad. roy. d. scienc. de l'Institut de France. T. VII, 1841, p. 528. 3) Zoologischer Anzeiger 1879. Metschnikoff, Zur Naturgeschichte der Orthonectiden. *) Wiener med. Presse No. 36 — 48: Über die Entstehung des Geschlechtes beim Menschen. Ferner Arch. f. Gyuaek. B. IX: Gegen die Hypothese, die menschlichen Eierstöcke enthielten männliche und weibliche Eier. — 145 — daher die gemeinsame Ernährung nicht als das geschlechtsbe- stimmende ansehen. Er sagt: „Man kann bei allen Zwillingen von einer gemeinsamen Ernährung sprechen; denn sie erfolgt ja immer durch denselben mütterlichen Organismus im Allgemeinen und im besonderen durch dieselbe Gebärmutter." Untersuchen wir nun die Geschlechtsverhältnisse der Zwillinge genauer, so linden wir in der That ein stärkeres Überwiegen der Gleichge- schlechtlichkeit, als man dies der Wahrscheinlichkeit nach er- warten sollte. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ergiebt l) nämlich, dass 49,96 § Zwillingsgeburten von gemischtem Geschlecht sein sollten. Moser selbst aber fand unter 33 556 Zwillingsgeburten nur 36,21$, Ploss2) in Sachsen von 1831—35 nur 32,37 g. Berg3) erhielt aus der Statistik Schwedens dasselbe Resultat. Unter 19 295 Zwillingsgeburten waren 37,36 f, von verschiedenem Geschlecht. Neefe4) fand ebenfalls nur 36,4$ Zwillinge un- gleichen Geschlechtes. Nach Meckel von Hemsbach5) waren unter 141 715 Zwillingen 36,15 {J-, welche verschiedenes Geschlecht hatten. Zu demselben Resultate führten die Aufzeichnungen der Ge- bäranstalten. Sickel6) fand unter 482 Zwillingsgeburten das Verhältniss der Kinder ungleichen Geschlechts zu denen von glei- chem wie 1 : lf| (beinahe 2 : 3). Baillarger7) fand 158 Zw.-geb. von gleichem, 98 von un- gleichem Geschlecht, Späth8) 128 und 56, Elsässer9) 62 und 1) Moser, Die Gesetze der Lebensdauer, 1839. Citiert von Ploss und von Neefe. 2) Ploss, Zur Zwillingsstatistik. Monatsbl. f. med. Stat. u. öffentl. Gesuudheitspn. No. 1, 1861. (Beilage zu Göschens deutscher Klinik). 3) Schmidts Jahrb. d. ges. Med. 188, pag. 149. Über Geburten mit mehreren Früchten. 4) I.e. 179, pag. 187. Neefe, Zur Statistik der Mehrge- burten (Auszug). Ferner in den Jenenser Jahrb. f. Nationalö'k. u. Stat. XV, pag. 168—195 (Orig.). 5) Müllers Arch. f. Phys. , Jahrg. 1850, pag. 235. Über die Verhältnisse des Geschlechtes, der Lebensfähigkeit etc. 6) Schmidts Jahrb. d. ges. Med. 104, pag. 108: Bericht über Gebäranstalten. 7) 1. c. 89, pag. 212. Baillarger, Über das Verhältniss der Geschlechter bei mehrf. Geb. (Original: L'Union 142, 1855). 8) Wien. Zeitschrift N. F. III 15, 16, 1860. Späth, Studien über Zwillinge. 9) Schmidts Jahrbücher 96, pag. 331. Elsässer, Über die 10 — 146 — 20, Levy1) 73 und 43, Siebold2) 45 und 42. Eine Addition der in Gebärhäusern gewonnenen Zahlen (von Sickel, Baillar- ger, Späth, Elsässer, Levy, Siebold) ergiebt, dass unter 1207 Zwillingsgeburten nur 452 von ungleichem Geschlecht waren, d. h. 37,4$. Diese Zahl stimmt gut mit den von Moser, Ploss und Meckel gefundenen. Hak3) fand in seinem Dienstbezirk unter 348 Zw.-geburten 128 von ungleichem Geschlecht, d. h. 36$. Bei Drillingsgeburten zeigt sich dieselbe Erscheinung. Der Wahrscheinlichkeit nach sollte nur ungefähr { oder 25 $ der- selben von gleichem Geschlecht sein (drei Mädchen oder drei Knaben). Es zeigt sich indessen, dass dies weit häufiger der Fall ist. Meckel von Hemsbach fand fast die Hälfte der- selben von gleichem Geschlecht (nämlich 719 und 1594 Geburten). Nach Neefe war der Procentsatz der Drillinge von gleichem Ge- schlecht in Preussen, Oesterreich und Italien 49,6 £ ; denn er fand 2146 derartige unter 4327 Drillingsgeburten. Stets bemerken wir also ein stärkeres Auftreten der Gleichgeschlechtlichkeit bei den Mehrgeburten , als man dies der Wahrscheinlichkeit nach erwarten sollte. Für Vierlinge gilt dasselbe. Die Wahrscheinlichkeit, dass alle vier Kinder von gleichem Geschlecht sind, ist etwa 12 #. Es finden sich deren aber weit mehr. Die umfassendste Arbeit hierüber verdanken wir v. Fricks4). Sämmtliche Mehrgeburten in Preussen von 1826 bis zum Schluss des Jahres 1881 sind hier in Rechnung gezogen. mehrfachen Geburten in d. Gebäranst. etc. (Original: Würtemb. Corr. Bl. 31, 1856). x) 1. c. 81, pag. 326. Levy, Über Zwillingsgeb. u. ihre Be- handlung. (Original: Hosp. Meddelelser, Bd. 5). 2) Mon.-Schriit f. Geburtsk. XIV, pag. 401, 1859. Siebold, Zur Statistik der Zwillingsgeburten. 3) Schmidts Jahrbücher 108, pag. 50. Hak, Zur Statistik der menschl. Zwillingsgeburten. (Original: Ärztl. Mitteil. a. Baden 13, 1859). 4) Zeitschrift des statistischen Bureaus in Berlin 1882. Geburten, Eheschliessungen und Sterbefälle im preussischeu Staate während des Jahres 1881. — 147 — Unter 1000 Geburten sind: Geschlecht wahrscheinlich wirklich Zahl der Fülle gleich 500 G29 303 459 Zwillinge ungleich 500 371 179 101 gleich 251 467 2 559 Drillinge ungleich 749 533 2 916 Vierlinge gleich 126 353 30 ungleich 874 647 55 Diese Zahlen zeigen am besten , wie ausserordentlich die Gleichgeschlechtlichkeit bei den Mehrgeburten überwiegt. Bei getrennten Placenten fand Siebold 9 gleichge- schlechtliche und 21 ungleichgeschlechtliche Geburten, Späth 32 von gleichem und 16 von ungleichem Geschlecht. Letzterer er- hielt ferner bei verwachsenen Placenten (2 Chor.) 26 von gleichem und 20 von verschiedenem Geschlecht; 31 mit einem Chorion waren wie immer von gleichem Geschlecht. — Kehren wir zurück zur Besprechung der Theorien, welche aufgestellt wurden, um dies Überwiegen der Gleichgeschlechtlichkeit zu erklären. Bei Gefässkommunikation wurde stets Gleichgeschlechtlichkeit gefunden. Die beiden Zwillinge können sogar teilweise Zwitter sein und ihr Genitalapparat ist bei beiden vollkommen gleichartig gebaut. Solche höchst interessante Fälle wurden von Nägele1) und Katzky mitgeteilt. Diese Thatsachen scheinen dafür zu sprechen, dass gemeinsame Ernährung die Gleichgeschlechtlichkeit verursacht habe. Mayrhofer indessen erkennt diesen Schluss nicht an, da die Ernährung oft sehr ungleich ist. Sehr häufig zeigt sich nämlich, dass, während der eine Zwilling völlig gesund und wohl ausgebildet ist, der andere sehr schlecht ernährt, er- krankt, ja selbst gestorben sein kann. Späth (Citiert von Mayr- hofer) beobachtete einen Fall, wo sich bei einer Placenta und einem Chorion voluminöse Gefässanastomosen zeigten. Und doch war der eine Foetus abgestorben , der andere jedoch vollkommen gesund. Nach Claudius2) kann der eine Embryo dem andern das Blut vollständig entziehen, bei dem alsdann Missbildung ein- tritt. Trotz dieser ungleichen Ernährung haben sie aber gleiches Geschlecht. x) Meckels Archiv B. V, pag. 136. 2) Entwicklung der herzlosen Missgeburten, Kiel 1859. Citiert von Mayrhofer. 10 * — 148 - Nun könnte man denken, dass, wenn es nicht die gleich starke Ernährung, d.h. die gleiche Quantität des Blutes ist, welche die Gleichgeschlechtlichkeit bewirkt, dass es dann wohl die gleiche Qualität desselben sein wird. Aber auch diese Auslegung ist unstatthaft. Einmal ist die Mischung des Blutes in der gemein- samen Placenta so gering, dass eine vollständige Gleichartigkeit der zwei Blutmengen nicht angenommen werden kann, dass trotz Gemeinsamkeit von Placenta und Anastomosen „ein jeder Foetus ein abgeschlossenes und vom Nachbarfoetus unabhängiges Leben führt" (Späth, Crede" etc.). Zweitens sprechen gegen die gleiche Beschaffenheit des Blutes alle Fälle von herzlosen Missgeburten. Diese erhalten das Blut, das schon zur Ernährung des gesunden Foetus gedient hat, also jedenfalls von ganz anderer Qualität ist; und doch haben sie stets dasselbe Geschlecht wie der Nach- barfoetus. Also auch die Qualität des Blutes ist unwesentlich. Schul tze und Ahlfeld1) stellten zuerst den Satz auf, dass die Gleichgeschlechtlichkeit die Folge der Abstammung aus einem Ei sei. Letzterer ging dann noch weiter und behaup- tete, dass es männliche und weibliche Eier im Eierstock gebe. Dort müssten also gleichsam genau abgezählt 106 männliche auf 100 weibliche sich vorfinden und dieses Verhältniss dürfte keine Schwankungen zeigen, was, wie wir genügend gesehen haben und noch ferner sehen werden, nicht richtig ist. Die Individualität des Vaters müsste ebenfalls ohne jeden Einfluss auf das Geschlecht der Nachkommen sein. Schon Heck er2) wandte sich gegen diese Theorie von Ahlfeld, namentlich da er gezeigt hatte, dass ältere Erstgebärende mehr Knaben gebären, als man erwarten sollte. Die Theorie hat nur den Vorzug, dass sie sehr bequem ist und nicht näher erforscht werden kann. Denn es wird wohl kaum eine Ursache angegeben werden können, warum im Eierstock das eine Ei sich männlich ausbildet, das folgende wieder weiblich und so fort im Verhältniss von 106 zu 100. Dem Richtigen weit näher scheint die Auslegung von Mayr- hofer zu stehn. Er kommt zu dem Resultat: „Bei zwei ver- schiedenen menschlichen Eiern können die Conceptionen durch einen Zwischenraum von einigen Tagen getrennt sein und so kann x) Arch. f. Gynaekologie IX: „Beiträge zur Lehre von den Zwillingen" und IV : „Ursachen der Geschlechtsdifferenz, nachgewiesen durch Beobachtungen an Zwillingen und Drillingen. 2) Schmidts Jahrbücher d. ges. Med. 189, pag. 300. Über die Sterblichkeit der Kinder in der Gebäraustalt zu München. — 140 — bei Zwillingen, die aus zwei Eiern entstehen, irgend welcher erst nach der Conception wirkender Einfluss das Geschlecht des ersten Eies bestimmen , ehe das zweite befruchtet wird, oder wenigstens ehe für das zweite der Moment nach der Conception gekommen ist, in welchem die Bestimmung des Geschlechts getroffen wird. Zwillinge, welche von einem Chorion umschlossen sind, stammen aber aus einem Ei; es giebt also für solche Zwillinge nur eine Conception, deshalb kommt für beide der Moment, in welchem durch irgend welchen Einfluss (nach der Conception) das Ge- schlecht bestimmt wird, zur selben Zeit, und daher sind solche Kinder notwendig von gleichem Geschlecht." Für die Gleichge- schlechtlichkeit ein-eiiger Zwillinge ist also eine Erklärung ge- funden. Man könnte nun glauben, das Überwiegen der Gleichgeschlecht- lichkeit bei Zwillingen überhaupt Hesse sich zurückführen auf das Vorkommen von Zwillingen aus einem Ei, da diese doch stets dasselbe Geschlecht haben. Diese Vermutung ist jedoch falsch, weil die Gleichgeschlechtlichkeit viel häufiger vorkommt, als sich aus dem Procentsatz ein-eiiger Zwillinge ergeben würde, wie schon v. Fircks1) gezeigt hat. Nach Ahlfeld kommt nämlich auf 8,15 Zwillingsgeburten eine mit einem Chorion 2). Wollte man aber das so starke Auftreten gleichgeschlechtlicher Zwillinge aus dem Vorkommen solcher eineiigen Zwillinge erklären, so müsste man annehmen, dass schon auf 3,84 Zwillingsgeburten eine solche mit einem Chorion käme, was nicht der Fall ist. Hieraus folgt, dass nur die Ähnlichkeit der Verhältnisse, unter welchen sich die Zwillinge befinden, das Überwiegen der Gleichgeschlechtlichkeit herbeiführen kann. DieThatsache also, dass dieFrüchte, welche unter ähnlichen äussern Umständen gezeugt und ernährt wurden, sehr häufig gleiches Geschlecht haben, spricht klar dafür, dass die äussern Um- stände auf die Entstehung des Geschlechtes von Ein- fluss sind. Sehr viele äussere Umstände, d. h. viele geschlechtsbestim- mende Faktoren sind also bei Zwillingen dieselben, wie das Alter des Vaters, der Mutter, der Ernährungszustand beider, die Stärke der Beanspruchung, die Ernährung des Embryo etc. Sie 1) Diese Berechnung findet sich in Hermanns Handb. d. Phys. (Hensen, Phys. d. Zeugung), pag. 251. 2) Das ist 23 $ der Gleichgeschlechtlichen. — 150 — wirken für beide Zwillinge nach derselben Richtung. Daher tritt bei ihnen Gleichgeschlechtlichkeit häufiger auf, als man der Wahr- scheinlichkeit nach erwarten sollte. Eine Verschiedengeschlecht- lichkeit kann z. B. durch zeitlich getrennte Befruchtung verur- sacht sein, indem das Ei, je später es befruchtet wird, desto mehr zum männlichen Geschlecht hinneigt. Es wird sogar nicht selten eintreten, dass von zwei Eiern, die sich zugleich losgelöst, das eine erst infolge eines späteren Geschlechtsactes befruchtet wird. Bei ein-eiigen Zwillingen hingegen findet nur eine Befruchtung statt. Der Zustand (z. B. das Alter) des Eies und des Sperma- tozoon, wenn nur einer eindringt, ist für beide Zwillinge derselbe. Sollten zwei das Ei befruchten, so werden diese in ihren Eigen- schaften nicht sehr von einander abweichen, da sie bei demselben Geschlechtsact auftreten und zu gleicher Zeit eindringen. Endlich ist auch die Ernährung der Zwillinge eine meist ungefähr gleich starke. Der Umstand also, dass bei Mehrgeburten die geschlechts- bestimmenden Factoren häufiger gleichartig als entgegengesetzt wirken, hat eine überwiegende Gleichgeschlechtlichkeit dieser Kin- der zur Folge. Wir haben also an einigen Beispielen gesehen, dass die Tiere und Menschen, deren Geschlecht unter gleichen oder ähnlichen äussern Bedingungen entsteht, häufiger gleiches Geschlecht zeigen, als unter sonstigen Verhältnissen der Fall ist. Daraus darf man schliessen, dass die äussern Umstände von Einfluss auf die Ent- stehung des Geschlechtes sind. ßu. Das S exual ver hältni ss unter ungleichen Ernährungsverhältnissen. aa. Beim Menschen. Allerdings lassen sich Gründe dafür angeben, dass der Ein- fluss der Ernährung des Embryo bei höher entwickelten Tieren nur ein geringer ist. Das Schwanken des Sexualverhältnisses be- trägt nur wenige Procent, aber es ist noch immer gross genug, um auf das unzweifelhafteste nachgewiesen werden zu können. Beim Menschen sind die fraglichen Erscheinungen am interes- santesten und am genauesten studiert, daher sollen diese zuerst erwähnt werden. Zunächst muss aber gleich von vorn herein ein Einwurf wider- legt werden , den man der Theorie jedenfalls machen wird. Man könnte Folgendes einwenden : „Die Behauptung, dass bei schlech- — 151 — terer Ernährung sich ein Knabe und bei besserer ein Mädchen aus- bildet, steht im Widerspruch mit der Thatsache, dass ein Knabe während seines Embryonal-lcbens mehr Nahrung verbraucht als ein Mädchen, da er bekanntlich schwerer ist als letzteres"1). Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich sage: Dieser Gedanke ist teleologisch. Die schwächere Ernährung bewirkt auf rein mechanischem Wege die Ausbildung zum männlichen Ge- schlecht und sie „überlegt" nicht, dass der Knabe den seeundären Geschlechtscharacter hat, später, also lange nachdem das Geschlecht entschieden ist, rascher zu wachsen und mehr Nahrung zu bean- spruchen. Aus der Thatsache aber, dass dies doch der Fall ist, folgt, dass d i e Knaben, deren Geschlechtsentstehung durch mangel- hafte Ernährung verursacht worden ist, sich relativ weniger gut ausbilden können, während bei den Mädchen das Umgekehrte der Fall ist. Die unbedingte Folge dieser relativ schwächeren Aus- bildung wird eine grössere Sterblichkeit sein. Es müssen also während des Embryonal-lebens mehr Knaben zu Grunde gehen als Mädchen. Und in der That findet sich unter den Knaben eine grössere Zahl von Totgeburten. Als weitere Wirkung der relativ schwächern Ausbildung zeigt sich auch anfangs eine grös- sere Sterblichkeit der männlichen Kinder. *) Nach Frankenhäuser (Mon. Schrift f. Geburtsk. XIII, pag. 170) betrug das Durchschnittsgewicht der neugeborenen Knaben 3484, das der Mädchen 3344 gr. Diese Zahlen wurden aus 1702 Fäl- len berechnet. Nach Veit (1. c. VI. 1855) wogen 1312 Knaben durchschnittlich 3545 gr und 1239 Mädchen 3440 gr. Nach Ingers- lev (1. c. 169, pag. 156) war das Gewicht bei 1833 Knaben 3380,9 gr, bei 1617 Mädchen 3279,7 gr. Kezmärszky (1. c. 159, pag. 145) fand das mittlere Gewicht von 34 Knaben zu 3382,8 gr und das von 39 Mädchen zu 3283,7 gr. Von mir wurde aus den Protokollen des Gebärhauses zu Jena (1861 — 81) das mittlere Gewicht von 732 Kna- ben zu 3236 und das von 642 Mädchen zu 3126 gr gefunden. Damit in Übereinstimmung steht das Gewicht der Piacent a. Aus den Protokollen zu Dresden (1878 — 82) und Jena (1861—81) wurde das Durchschnittsgewicht der Placenta von 3671 Knaben zu 597,3 gr, das von 3398 Mädchen zu 583,5 gr berechnet. Die Zahl der Fälle ist eine so grosse , dass man die Thatsache als gesichert annehmen kann. Hieraus geht hervor, dass die Grösse der Placenta in Be- ziehung steht zur Grösse des Kindes. Der Knabe wiegt etwa 3 $ mehr als das Mädchen und seine Placenta ist um etwa 2-| $ schwerer. Es wird sich später Gelegenheit bieten, auf diese nicht unwichtige Beziehung, welche zwischen der Schwere der Placenta und der Stärke der Ernährung des Embryo besteht, später zurückzukommen. — 152 — Wie ausserordentlich viel geringer die Lebensfähigkeit der Knaben ist als die der Mädchen, mag durch folgende Zahlen ver- anschaulicht werden. Walser1) stellte auf Grund von 14 000 Geburten im Ober- amtsbezirk Leutkirch die folgenden Verhältnisse fest: Im ersten Lebensjahre starben (inclusive Totgeburten) . . . 154 Knaben auf 100 Mädchen dito (excl. Totgeb.) 147 „ „ „ „ Totgeburten (incl. unreife Geb.) 266 „ „ „ „ Unreife Geburten 174 „ „ „ „ Sickel2) fand unter 107 frühgeborenen Knaben und 110 Mädchen 18 totgeborene Knaben und 21 todgeb. Mädchen. Ver- fasser fügt aber hinzu, dass diese Zahlen zu klein sind, um Schlüsse zuzulassen. Für Totgeburten indessen führt er grössere Zahlen an. Unter 20 942 Knaben wurden 1039 tot geboren (also 1 : 19,16), ferner wurden von 19 274 Mädchen nur 717 tot ge- boren (1 : 25,76). Das Verhältniss ist also für Knaben sehr viel ungünstiger. Auch starben in den ersten zwölf Tagen von 4556 Knaben 257 (1 : 17,7), von 4514 Mädchen aber nur 214 (1 : 21,1). Hecker3) fand bei Totgeburten das Verhältniss von 118 Knaben zu 100 Mädchen, erstere waren also stärker beteiligt. Ausserdem sterben auch während der Geburt mehr Knaben; das Verhältniss war hier 139 : 100. Letztere Erscheinung wird in- dessen nur durch die Grösse der Knaben herbeigeführt und steht in keiner Beziehung zu der relativ schlechteren Ernährung der- selben. Nach Rosen4) war der Procentsatz der Totgeburten in Däne- mark 1835—49 bei Knaben 5,03$ und bei Mädchen nur 3,9 £. Wir finden also überall dieselbe Erscheinung wieder. Die Sterblichkeit im ersten Jahre war (1845 — 54) folgende: Knaben Mädchen Kopenhagen . . 28,43 & 25,28 % Landstädte . . 19,44 „ 16,55 „ Land .... 18,49» 15,26 „ Dänemark . . . 19,56 £ 16,34 £ x) Archiv f. Heilkunde v. Wagner I, 1860: Über die Ursachen der Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahr. 2) Schmidts Jahrb. d. ges. Med. 104, pag. 107: Bericht über Gebäranstalten etc. 3) 1. c. 189, pag. 300: Über die Sterblichkeit der Kinder etc. 4) 1. c. 112, pag. 355 (Orig.: Om Afkommet af Syphylitiske 1859). 18,7 16,9 17,8 16,3 19,6 17,6 19,9 17,9 19,4 17,2 — 153 — Nach Ploss1) war die Sterblichkeit im ersten Lebensjahr in Sachsen Knaben Mädchen Tiefland . . 16,89 13,74 Gebirgsland . 18,00 14,75 Obergebirge . 19,81 16,38 In Preussen war nach Dr. Engel2) 1877 diese Sterblichkeit: Knaben Mädchen Im ganzen Staat in den Landgemeinden . . . „ „ Stadtgemeinden . . . „ „ Städten unter 20000 Ein w. „ „ 64 grösseren Städten . Granville3) fand in England 1838 — 42 unter 377845 im ersten Lebensjahr gestorbenen Kindern das Verhältniss von 126,7 : 100. Diese Angaben bestätigen die von Walser. Abgesehen also von den grösseren Schwierigkeiten , welche die Knaben beim Geburtsact selbst zu bestehen haben, geht aus diesen Zahlen hervor, einer wie grossen Sterblichkeit die Knaben ausgesetzt sind und zwar sowohl während des Foetallebens als auch während der ersten Tage nach der Geburt. Alsdann befinden sich beide Geschlechter unter gleichen Er- nährungsbedingungen und die grössere Sterblichkeit der Knaben nimmt daher ab. Unter diesen gleichen Umständen erweisen sich sogar die Knaben als widerstandsfähiger. Sobald nämlich der Nahrungswechsel eintritt, sterben mehr Mädchen als Knaben, da ja das weibliche Geschlecht empfindlicher gegen Schwankungen in den Ernährungsverhältnissen ist als das männliche. Dies zeigt die von Walser gegebene Tabelle: 1) 1. c. 112, pag. 323: Statistische Untersuchungen über die Kindersterblichkeit. 2) 1. c. 186, pag. 219: Preussische Statistik (amtlich). 3) 1. c. 43, pag. 114. 154 — Männl. Geschl. Weibl. Geschl. Beide Geschl. Alter der Kinder Sterblich- keit pro Tag Anteil nach Procenten d. Sterbl. Sterblich- keit pi'o Tag Anteil nach Procenten d. Sterbl. Sterblich- keit pro Tag Anteil nach Procenten d. Sterbl. 0 — 24 Stund. 1—7 Tage 7—14 „ 14—21 „ 333,0 30,1 56,5 55,3 58,5 5,2 10,4 9,8 165,0 15,9 39,0 31,2 52,3 5,0 12,6 9,9 498,0 46,0 95,5 86,5 55,4 5,1 11,5 9,9 Aus der Tabelle ersieht man, dass die Sterblichkeit in der zweiten Woche auf das Doppelte steigt, weil alsdann nach dor- tiger Sitte der Nahrungswechsel bereits eintritt. Beim weiblichen Geschlechte ist dieselbe, wenigstens in dem untersuchten Bezirk, um 2,2 $ höher als beim männlichen. Auch in folgender von B e n t z e n 1 ) gegebenen Sterblichkeits- tabelle der Kinder tritt dies deutlich hervor: Alter nach Monaten Knaben Mädchen Kopen- hagen Land- städte Land Kopen- hagen Land- städte Land 1 50,8 54,2 59,9 46,3 53,5 57,0 2 8,7 7,9 7,6 9,4 7,5 8,1 3 7,1 6,9 5,9 7,4 7,6 5,8 4, 5, 6 14,6 14,9 12,0 16,5 13,5 12,9 7, 8, 9 9,7 9,4 8,1 11,3 10,4 8,4 10, 11, 12 9,1 6,7 6,5 9,1 7,5 7,8 Auch hier zeigt sich, wie anfangs die Sterblichkeit der Knaben infolge der Nachwirkung der relativ schlechteren Ernährung grös- ser ist, während später die empfindlicheren weiblichen Individuen unter der Ernährungsänderung stärker leiden. Anmerkung. Küttner (Über den Einfluss des Geschlechts auf Kinderkrankheiten, Schmidts Jahrbücher 103) vergleicht auf Grund statistischer Angaben der Dresdener Kinderheilanstalt das Geschlechts- verhältniss bei verschiedenen Krankheiten. Vielleicht muss man aber diese Schlüsse mit Vorsicht hinnehmen, weil nämlich Knaben öfter zum Arzte gebracht werden als Mädchen, da den Eltern an der Er- haltung ersterer weit mehr gelegen ist. Diesen letzteren Umstand x) Schmidts Jahrbücher 108, pag. 53. Bentzen, Über die Sterblichkeit im ersten Lebensjahr. (Original: Ugeskrift for Laeger XXVIII, pag. 441). — 155 — kann man auch auf folgende Weise nachweisen. Wenn man nämlich das Geschlechtsverhültniss der in den Familiennachrichten der Zeitungen veröffentlichten Geburten statistisch untersucht, so ergiebt sich ein zu grosser Knabenüberschuss. Es ist dies ein Beweis, dass die Geburt eines Knaben die Eltern häufiger zum Annoncieren veranlasst als die eines Mädchen, welche weniger zu erfreuen scheint. Auch in der Statistik der Kinderheilanstalten zeigt sich bei fast allen Krankheiten ein bedeutender Knabenüberschuss. Die auf diese Weise gewonnenen Zahlen haben also keinen absoluten, sondern nur relativen Wert. So zeigt sich z. B. , dass Knaben Krankheiten am Nervensystem weit mehr ausgesetzt sind als solchen an den Verdauungsorganen. An ersteren litten unter 10 000 Kranken 91 Kn. u. 51 M., an letzteren 1050 Kn. u. 983 M. Dies bestätigt Brünniche (Journal für Kin- derkrankheiten XXXIII, citiert von Küttner). Alle diese sicher festgestellten Tkatsachen stehen in Über- einstimmung mit der Theorie und finden durch sie ihre Erklärung. Bei schlechterer Ernährung entstehen verhältnissmässig mehr Knaben. Im Allgemeinen haben aber die Knaben die Eigenschaft, rascher zu wachsen, also mehr Nahrung zu verbrauchen. Dieje- nigen Knaben also, deren Geschlechtsbestimmung durch eine schlechtere Ernährung herbeigeführt wurde, werden sich später unter besonders ungünstigen Bedingungen befinden und sich we- niger gut ausbilden können. Bei Mädchen wird dies dagegen nicht stattfinden, da sie einmal unter durchschnittlich besseren Ernäh- rungsverhältnissen entstehen und ferner auch weniger Nahrung beanspruchen. Die Folge dieser für die Knaben so ungünstigen Verhältnisse muss sein, dass sie während des Foetallebens häu- figer sterben als Mädchen. Die schädliche Wirkung der relativ schlechteren Ernährung ist sogar so nachhaltig, dass auch nach der Geburt die Sterblichkeit der Knaben noch erheblich grösser ist als die der Mädchen. Wenn die Knaben aber unter durchschnittlich ungünstigeren Ernährungsverhältnissen sich finden, so darf man schon hieraus schliessen, dass letztere zum männlichen Geschlecht bestimmend wirken. Indessen sprechen die directen Beweise weit deutlicher hierfür und wenden wir uns jetzt zu diesen. — Ploss1) machte zuerst darauf aufmerksam, dass bei Prospe- rität eine Mehrgeburt von Mädchen eintrete, und stellte den Satz auf, „dass auch beim Menschen die besonders gute Ernährung, x) Monatsschrift für Geburtskunde, Bd. XII, pag. 321. Man vergleiche auch: Schmidt's Jahrbücher der Medicin 102, 1859, pag. 285. — 156 — welche die Mutter ihrer Frucht gewährt, mehr Aussicht auf ein Mädchen minder gute Nahrung aber Aussicht auf einen Knaben giebt.u Die Prosperität eines Volkes ist Schwankungen ausgesetzt. Es ist zweifellos, dass namentlich die untern Klassen sich in guten Jahren besser nähren als in schlechten. Der Theorie zu- folge muss man daher in guten Jahren eine grössere Zahl von MädcheDgeburten erwarten als in schlechten. Ploss verglich nun das Steigen und Fallen der Preise der Nahrungsmittel mit den Schwankungen des Sexualverhältnisses der Geborenen in Sachsen und fand, wie erwartet, dass der Knabenüberschuss mit den Prei- sen steigt und fällt. Er wies statistisch nach, dass in ungünsti- gen Zeiten einige Prozent mehr Knaben geboren wurden als bei billigen Preisen der Nahrungsmittel. Nebenbei mag erwähnt sein, dass der Fleischconsum einen bedeutenderen Einfluss auf die Schwankungen im Geschlechtsverhältniss der Geborenen zu haben scheint als der Verbrauch an Vegetabilien. Ploss fand ferner, dass selbst in Paris sich in den Jahren 1841 — 1850 bei einer näheren Betrachtung der Einfluss des wech- selnden Steigens und Fallens der Getreidepreise auf die Geschlechts- production der geborenen Kinder zeigte; weniger deutlich war ein solcher Einfluss in England von 1838 — 1847 bemerklich. Aber gerade diesen Satz bekämpft Wappäus l) in seiner all- gemeinen Bevölkerungsstatistik und führt als Widerlegung die Statistik Schwedens an, welche trotz vieler Missernten diese Er- scheinung in den Jahren von 1770 — 1790 nicht aufweist. Hier- gegen lässt sich indessen zweierlei einwenden. Einmal gehört Schweden zu den Ländern, welche nur wenig empfindlich gegen solche Ereignisse sind. Dass die Länder sich verschieden hierin verhalten , und dass Schweden zu den weniger empfindlichen ge- hört, sagt Wappäus selbst2), wo er von der Abnahme der Hei- ratsfrequenz nach der Missernte von 1846 spricht. Diese Ab- nahme betrug in Schweden, Sachsen, England, Holstein, Däne- mark, Norwegen, Bayern 9,46—7,42; dagegen in Belgien, Holland, Österreich, Hannover, Frankreich, Preussen 35,07 — 14,46 3). — Ferner ist man aber trotzdem im Stande, selbst in Schweden und zwar mit Hülfe der von Wappäus gegebenen Tabellen die erwähnte !) Band II, Seite 167. 2) Band II, Seite 248. 3) Man sehe auch Bd. I, S. 225. llij ^j, .** Uli r-~--""~lT ^V" ~^j7 « '"£ — ;"" ^x= l ^= :, •: l | . H ; ::"- o-Jv-^ SjrSji^ff zz «"-' - - — ---r? ^Sb^=r- 2» .-.- IV ..„ ZZ, "!.» «-^s/- f- W » ""- ,,,,, ( — -?;-'' ~p\ !t «o~ " "', 'ZZ, ";;; ~\ f€r Z M ;; ZI, Z,Z '"".. ~'-t .-•'"« — V u ' ' ' '-■" ,:,,.> 1 — ••■- ß 1 „ i> ;", ','^j '!'-".,' x » 9 17 ■' t-- s - !7 V' ,, .„ s: ^ '■•>0::r>J X - ~>7^ ,Z"u ,, ..,. ■:::. i - ~- ^ÄrfgL " >■■• l :.:: sfS ,,,„„ fe|l £ ." '.':':, — 157 — Erscheinung auf das unzweideutigste nachzuweisen. Am besten vergleicht man die Mehrgeburt von Knaben nicht allein mit »lern Ausfall der Ernten — die ja nicht unbedingt das Mass für die Prosperität abgeben und auch statistisch zu ungenau angegeben sind — sondern diese Folge der Prosperität muss auch mit Er- scheinungen verglichen werden, welche ebenfalls eine Folge dersel- ben sind, z. ß. mit der absoluten Volkszunahme. Die beigefügte Tafel zeigt nun in Kurven dargestellt: 1) Die Anzahl der Knabengeburten auf 100 Mädchengeburten. 2) Den Ausfall der Ernte, indem 0 vollständigen Misswachs, X aber äusserst günstige Ernte bedeutet. Ebenso giebt bei I — IX der Zahlenwert den Ausfall derselben an. 3) Die Volkszunahme in Prozenten. 4) Die Trauungszahl. Man sehe davon ab , dass die Kurve im Ganzen der Zunahme der Bevölkerung gemäss steigt. 5) Die Anzahl der Lebendiggebornen. Auch diese Kurve steigt. Man beachte, dass die Trauungszahl eine directe Folge der Prosperität, die Anzahl der Lebendiggebornen aber eine erst im folgenden Jahr auftretende ist ebenso wie die Anzahl der Knaben- geburten, während die Volkszunahme sich zusammensetzt aus der Anzahl der Lebendiggebornen, der Gestorbenen und der Ein- resp. Ausgewanderten. Wenn man dies nicht vernachlässigt, erhält man aus den letzten vier Kurven ein vollständiges Bild über die jeder- zeitige Prosperität. Man sieht nun, dass diese im Allgemeinen da ein Maximum haben, wo die Kurve der Knabengeburten ein Minimum hat, dass die erstem steigen, wenn die letztere fällt. Je grösser also die Prosperität, desto mehr Mädchen und desto weniger Knaben werden geboren. Nur in den Jahren 1773 — 1790 zeigen sich grössere Anomalien, die sich auf bestimmte historische Verhältnisse zurückführen lassen. Leider untersuchte Wappäus gerade nur diese Zeit, ein ganzes Jahrhundert wird aber wohl massgebender sein als diese wenigen Jahre. Die Volkszunahme zeigt noch einzelne kleinere Anomalien, die jedenfalls auf zufällig starke Auswanderung oder auf Druckfehler in der Tabelle zurück- zuführen sind. Diese Stellen sind mit a bezeichnet. Jedenfalls geht die Richtigkeit des Ploss'schen Satzes aus den Wappäus'schen Tabellen hervor. Die erwähnten Ausnahmen in dem Zeitabschnitt 1772 — 1791 lassen sich erklären durch die grillenhafte Regierung von Gustav III. (1771 — 1792). Er begann mit einem Verfassungsumsturz (1772), der vom Volke freudig gutgeheissen wurde; daher trat 1773 und - 158 — 1774 starke Zunahme des Volkes, der Trauungen, der Lebendig- gebornen und dementsprechend ein schwacher Knabenüberschuss auf. Dann aber begann er eine Missregierung infolge seiner Prachtliebe, der Xachahmungssucht französischer Sitten und der Sympathie für verschwundene Ritterzeiten. Theater, Turniere, Ringelrennen, versuchte Einführung einer allgemeinen National- tracht, das Gesetz, welches das Branntweinbrennen für ein könig- liches Vorrecht erklärte, während dies der Sitte gemäss jede Fa- milie für sich selbst besorgt hatte, das alles verursachte tiefe Un- zufriedenheit im ganzen Volke. Die Folge davon war sehr schwache Volkszunahme und dauernd niedriger Stand der Trauungs- und Geburtszahl, während der Knabenüberschuss unsicher schwankt. 1788 — 1790 bewirkte der Krieg gegen Russland eine starke Volks- abnahme. 1791 und 1792 zeigen sich alsdann die gewöhnlichen Erscheinungen, die nach einem Kriege eintreten : starke Zunahme der Trauungen, des Volkes, der Lebendiggebornen und ein gros- ser Knabenüberschuss unter den Gebornen. Von da an nehmen die Kurven wieder einen regelmässigen Verlauf. Wir hatten bereits gesehen, dass die Prosperität eines Volkes sich beurteilen lässt nach der Zahl der Trauungen, der Geborenen, nach dem Knabenüberschuss und der Volkszunahme. Aber noch an einem andern Umstände zeigt sich die Wirkung der Prospe- rität, es ist die Zahl der Mehrgeburten. Je grösser die Zahl der Geburten ist, desto grösser ist im Allgemeinen der Procentsatz der Mehrgeburten unter denselben. Folgende Tabelle zeigt die Schwankungen des Sexualverhältnisses, der Zahl der Mehrlings- kinder , ferner der Geborenen überhaupt und der Heiratsfrequenz in Preussen vom Jahre 1867—1881 x). Im Jahre 1869 bemerken wir ein Prosperitätsmaximum; denn die Geburten des folgenden Jahres sind bedeutend, unter diesen sind relativ viel Mehrlingskinder und ihr Knabenüberschuss ist gering, auch ist die Heiratsziffer desselben Jahres hoch. Im Jahre 1870 zeigt sich eine Abnahme der Prosperität, wie man aus sämtlichen vier Zahlen ersieht. 1871 jedoch bemerken wir eine Ausnahme von dieser Regel, es tritt nämlich ein neues Moment hinzu. Die Zunahme der Prosperität ist unverkennbar. Trotz- dem aber zeigt sich ein bedeutender Knabenüberschuss im folgen- J) Zeitschrift d. stat. Bur. in Berlin 1882, pag. 226. . Frh. v. Fircks: Die Geburten, Eheschliessungen u. Sterbe- fälle im preussischen Staate während des Jahres 1881. — 159 § Knaben g Mehr- Geburts- Heirats- lingskinder ziffer ziffer 1867 51,42 26,0 38,6 18,7 68 51,54 24,9 38,6 17,7 69 51,55 24,9 39,7 18,0 1870 51,42 25,9 40,2 14,9 71 51,49 23,9 35,3 16,0 72 51,50 25,8 41,5 20,7 73 51,47 25,7 41,5 20,4 74 51,57 24,3 42,1 19,6 1875 51,68 23,8 42,8 18,2 76 51,50 24,0 42,7 17,2 77 51,55 23,9 41,7 16,1 78 51,46 24,6 40,5 15,7 79 51,49 24,9 40,8 15,4 1880 51,55 24,9 39,7 15,4 81 51,45 24,5 38,6 15,3 Mittel 51,51 24,8 | 40,3 17,3 den Jahre. Es ist dies die Wirkung des Mangels an männlichen Individuen, der sich während des Krieges und bei den Conceptio- nen kurz nachher geltend macht. Im Jahre 1872 herrscht Pro- sperität, welche im folgenden Jahre wieder abnimmt. Sie hebt sich wenig in den Jahren 1876 und 1878, um dann wieder zu sinken. — Bereits früher war darauf hingewiesen worden, dass der Städter sich durchschnittlich besser nährt als der Landbe- wohner. „Ploss benutzte Du cpeti au x's undLePlay's statis- tische Arbeiten über die Consumption der arbeitenden Klassen, welche unwiderleglich darthun, dass die Bevölkerung der Stadt- gemeinden , namentlich deren zahlreichster Teil, die Arbeiter, sich in besseren physischen und materiellen Verhältnissen befindet als die Bevölkerung der Landgemeinden. Die Frauen in den Städten geniessen bessere Nahrung als die in den Dörfern und jene kön- nen daher ihre Frucht durchschnittlich auch besser ernähren. Es verwendet die Arbeiterfamilie in den Städten in ihrem jährlichen Budget nicht nur mehr Geld auf ihre Nahrung als die ackerbau- treibende Familie auf dem Lande, sondern es ist namentlich, wie ausführlich nachgewiesen wird, der Consum des Landbewohners ein weit geringerer (in Frankreich um 60$ geringer) als der des Städters." Es lässt sich nun, wie Ploss gezeigt hat, nachweisen, dass der Knabenüberschuss auf dem Lande ein grösserer ist als in den Städten. — 160 — Corradi1) kam durch statistische Untersuchungen in Italien zu demselhen Resultate. Er fand, dass auf dem Lande relativ mehr Knaben geboren werden als in den Städten. Girou de Buzareingues 2) stellte fest, dass das Sexual- verhältniss bei den Geburten sogar in den einzelnen Departements während eines längeren Zeitraumes (1834 — 1843) ein bedeutend abweichendes war. Es schwankte zwischen 1000:920 und 1000: 964. Und zwar zeigten die ackerbau-treibenden Departements den grössten, die übrigen den kleinsten Knabenüberschuss. Bereits früher hatte er den Satz aufgestellt, dass da, wo schwere Arbei- ten geleistet würden , z. B. auf dem Lande , relativ viel Knaben geboren würden 3). Zu demselben Resultat gelangte Hörn4). Nach ihm war in Paris das Sexualverhältniss 104,7:100, in Frankreich (1841 — 1850) 106,7 Knaben zu 100 Mädchen. Denselben Unterschied weist er dann für verschiedene Länder nach. Q u e t e 1 e t führt in seinem berühmten Buche : „Sur l'homme" 5) verschiedene Thatsachen an, welche zu demselben Resultate füh- ren. Am Cap der guten Hoffnung wurden von 1813 — 1820 von der freien weissen Bevölkerung 6604 Knaben und 6789 Mädchen, von den Sklaven während dieser Zeit aber 2936 Knaben und 2826 Mädchen geboren. Ersteres entspricht einem Sexualverhältniss von 97,2 Knaben zu 100 Mädchen, letzteres einem solchen von 103,9 zu 100. Die Freien zeigten also dort im Gegensatze zu den arbeitenden Sklaven einen Mädchenüberschuss in den Geburten. Ferner führt er die Geburten in Belgien von 1815 — 1829 an, welche zeigen, dass auf dem Lande etwas mehr Knaben geboren wurden als in den Städten. — Es ist also unzweifelhaft, dass die Lebensweise einen Einfluss auf das Geschlecht der Kinder hat. Dieser lässt sich sogar noch viel weiter verfolgen, wenn man den Stand der Eltern in Be- tracht zieht. Wir werden also bei besser situirten Leuten etwas mehr Mädchen und bei solchen, die in schlechteren Verhältnissen x) Schmidt's Jahrb. d. ges. Med. 175, pag. 207 (Dell' ostetri- cia in Italia etc.). 2) 1. c. 56, pag. 95 (Revue med. Juin 1846). 3) Rev. med. Juin 1838 und schon früher: Bulletin de M. de Ferussac, tome XII, pag. 3. Citiert v. Quetelet. 4) Volkswirtschaftliche Studien aus Belgien I, pag. 306. 5) Sur l'homme et le developpement de ses facultes ou Essay de physique sociale, pag. 44. — 161 - leben, etwas mehr Knaben zu erwarten haben. Dies wird durch die Thatsachen bestätigt C. Harape1) ordnete die Geburten des Bezirkes Ottenstein nach der Wohlhabenheit der Eltern , wie man aus der Tabelle ersieht. Um die Prosperität dieser Stände besser zu veranschau- lichen, wurde noch die Lebenswahrscheinlichkeit im dreissigsten Lebensjahre für beide Geschlechter hinzugefügt, wie sie sich in einer andern Tabelle von Hampe fand. Staude Lebenswahrsch. Kinder Sexual- im 30 jahre männl. weibl. ; verhältniss männl weibl Meierbaueru Köther Gebildete 345 572 77 340 545 66 101,4 104,9 106,6 31,7 33,9 32,2 31,8 Wohlhabende 994 951 104,5 Brinksitzer Gewerbetreibende Taglöhner 406 501 710 360 440 606 110,3 136,6 115,5 29,6 26,2 27,7 28,8 26,5 28,4 Ärmere 1617 1406 115,0 Summe 2611 2357 110,7 Aus diesen Zahlen geht hervor, dass die Wohlhabenderen länger leben als die Ärmeren. Sie befinden sich in weit günsti- geren Verhältnissen als letztere. Infolge dessen ist auch der Knabenüberschuss bei ihnen ein bedeutend geringerer als bei den Ännereu. An diesem Beispiel tritt der Unterschied besonders stark hervor, im Allgemeinen ist er nicht so bedeutend. Die an- geführten Zahlen sind auch etwas klein und die Mitwirkung eines Zufalls ist daher nicht ganz ausgeschlossen. Um den Einfluss des Standes der Eltern an grösseren Zahlen zu prüfen, wurde eine umfassendere Untersuchung der Frage vor- genommen. Als Material dienten die vom Frhn. v. Fircks zu- sammengestellten und jährlich in der Zeitschrift des statistischen Bureaus in Berlin veröffentlichten Zahlen. Die Geburten sind hier nach dem Stand und nach dem Erwerbszweig geordnet. Die Re- sultate seien zunächst in folgender Tabelle mitgeteilt. l) Monatsbl. f. med. Stat. u. öff. Gesundheitspfl., Nr. 6, 1862 (Beilage zur deutschen Klinik): Statistische Beiträge zur Frequenz der Geburten und zu d. Ursachen des Sexualverhältnisses der Kinder. 11 162 — Stand und Erwerbszweig Kinder männlich weiblich Sexual- verhältniss Totgebur- ten in ~ Beobachtungs- jahre Landwirtschaft Gehülfen, Gesellen, Lehrlinge, Fabrik- arbeiter Tagearbeiter, Lohn- diener, Tagelöhner Öffentliche Beamte Beherbergung und Erquickung Nahrungs- und Genussmittel Handel und Ver- sicherungswesen 1390 441 667 107 931 975 122 695 45 776 97 194 150 832 1306 277 627 128 878 246 116343 43 408 91 886 142 020 106,44 106,37 106,12 105,46 105,4 105,77 106,20 4,054 1875—81 3,769 1877 — 81 4,275 1875—81 3,371 1877—81 4,287 1877—81 3,727 1877 — 81 3,649 1875—81 In diesen Geburtszahlen sind die Totgeburten eingerechnet. Der Procentsatz derselben für die Jahre 1877 — 1881 ist für jede Gruppe angegeben. Die drei ersten Classen leben unter etwas ungünstigen Verhältnissen und sie zeigen den grösseren Knaben- überschuss. Geringer ist derselbe in den folgenden Gruppen, näm- lich bei den öffentlichen Beamten, d. h. solchen in unkündbarer Stellung, ferner bei denen, welche sich mit Beherbergung und Er- quickung abgeben, und solchen, die in der Industrie der Nahrungs- und Genussmittel beschäftigt sind. Bei letzteren Gruppen kann man im Allgemeinen einen besseren Ernährungstand erwarten, als bei ersteren. Die Handeltreibenden zeigen endlich ein mittleres Sexualverhältniss , welches indessen noch um ein wenig höher ist als das der Tagearbeiter. Die übrigen in der erwähnten Zeitschrift veröffentlichten Zah- len sind zu wenig umfassend, als dass man Schlüsse daraus zie- hen dürfte. Auch die in der Tabelle angeführte Gruppe „Beher- bergung und Erquickung" enthält eigentlich schon etwas zu kleine Zahlen. Die übrigen Zahlen sind indessen gross genug, um sichere Schlüsse zuzulassen. Aus ihnen geht auf das unzweifelhafteste hervor, dass unter günstigeren persönlichen Verhältnissen etwas mehr Mädchen geboren werden, als unter ungünstigeren. — Wenn die Ernährung des Embryo von Einfluss auf die Ent- stehung des Geschlechtes ist, so muss sich dies auch an dem Sexualverhältniss der Mehrgeburten zeigen. Denn es ist un- zweifelhaft, dass ein Kind besser ernährt werden kann als mehrere zu gleicher Zeit. Auch aus den Gewichtsverhältnissen und der Sterblichkeit letzterer geht dies hervor. Das Geschlechtsverhält- niss der Mehrgeburten bedarf daher einer genaueren Untersuchung. — 163 — \V;is zunächst das Verhältniss bei den Zwillingen anbe- trifft, so fand Moser1) unter 33556 Zwillingsgeburten 106,9 Kna- ben auf L00 Mädchen, Meekel von Hemsbach *) giebt an, dass in Preussen von 1826 — 1848 unter 141 715 Fällen das Ge- schlechtsverhältniss 105,14 zu 100 war, Ploss3) fand in Sachsen von 1834 — 1858 bei 23420 Zwillingsgeburten 106,7 Knaben zu 100 Mädchen, während das Verhältniss bei den Neugeborenen überhaupt 106,5 zu 100 war. Hecker4) giebt unter 273 Gebur- ten das Verhältniss 116:100, bei 228 Geburten 122:100 an. Sickel5) fand 510 Zwillingskinder männlichen und 454 weib- lichen Geschlechtes, ein Verhältniss wie 112,3:100. HakG) giebt an, dass in seinem Dienstbezirk unter 216 Zwillingsgeburten sich 196 Knaben (45$) und 236 Mädchen (55$) ferner im Bezirk Wies- loch unter 160 Zw.-geburten sich 143 Kn. (45 jj) und 177 Md. (55$) befunden hätten, dass hier also das weibliche Geschlecht stets überwiege. In Hinblick auf die angeführten viel grösseren Zahlen kann diese Meinung als nicht zutreffend angesehen werden. Baillarger7) fand 298 Zw.-knaben und 214 Zw.-mädchen, Siebold8) 99 Knaben und 77 Mädchen, Levy9) 133 Knaben und 99 Mädchen, Elsässer10) 88 Knaben und 76 Mädchen. Die Statistik Schwedens dagegen ergab unter 19 295 Zwil- lingsgeburten das Verhältniss 104,5 zu 100 1X). Ebenfalls fand 1) Die Gesetze der Lebensdauer 1839. 2) Müllers Archiv für Physiologie 1850, pag. 235. Meekel von Hemsbach, Über die Verhältnisse des Geschlechtes, der Le- bensfähigkeit und der Eihäute bei einfachen und Mehrgeburten. 3) Monatsblatt f. med. Statistik etc. Nr. 1. 1861 (Beilage zur deutschen Klinik). Ploss, Zur Zwillingsstatistik. 4) Arch. f. Gyn. XX, 1882. Hecker, Statist, a. d. Geb.-anst. zu München. 5) Jahrbücher der ges. Med., 104, pag. 108. Sickel, Bericht über Gebäranstalten etc. G) 1. c. 108, pag. 50. Hak, Zur Statistik der menschl. Zwil- lingsgeburten (Original: Ärztl. Mittl. a. Baden 13, 1859). 7) 1. c. 89, pag. 212 Baillarger, Über das Verhältniss der Geschlechter bei mehrf. Geb. (Original: L'Union 142, 1855). 8) Mon.Schr. f. Geburtsk. XIV, pag. 401, 1859. Siebold: Zur Statistik der Zwillingsgeburten. 9) Schmidts Jahrbücher der ges. Med. 81, pag. 326. Levy, Über Zwillingsgeburt und ihre Behandlung (Orig. : Hosp. Medde- lelser, Bd. 5). 10) 1. c. 96, pag. 331, Elsässer, Über die mehrfachen Geb. in d. Geburtsanst. etc. (Orig.: Würtemb. Corr.Bl. 31, 1856). 11) 1. c. 188, p. 149. Berg, Über Geb. mit mehreren Früchten. 11* — 164 — Neefe1) aus eiiier sehr grossen durch amtliche Statistik gewon- nenen Zahl von Zwillingsgeburten das Verhältniss von 104 Kna- ben zu 100 Mädchen. In Preussen wurden nach meiner Berech- nung2) in fünfzig Jahren (1824 — 1874) 400744 männliche und 382 675 weibliche Zwillinge geboren , was einem Sexualverhältniss 104,7 entspricht. Addiert man sämtliche für Gebärhäuser geltenden Zahlen (von Hecker, Sickel, Baillarger, Siebold, Elsässer, Levy) zusam- men, so erhält man 1673 Knaben und 1377 Mädchen oder ein Ver- hältniss von 121,5 zu 100. Dieser Knabenüberschuss ist bedeu- tend grösser als der statistisch gewonnene. Die in Gebärhäusern erhaltenen Zahlen sind vielleicht obwohl kleiner, doch zuverlässi- ger, da im gewöhnlichen Leben zuweilen Früh- und Tot-geburten nicht mitgezählt werden. An diesen sind aber die Knaben erheb- lich stärker beteiligt als die Mädchen, wie bereits früher erwähnt wurde. Diese Totgeburten kommen aber bei Zwillingen weit häu- figer vor als gewöhnlich. Auch ist die Sterblichkeit eine weit grössere. Diese Thatsachen sind so bekannt und stehen so un- zweifelhaft fest, dass es wohl nicht nötig sein wird, specielle Zah- len hierfür anzuführen 3 ). Es ist unzweifelhaft, dass die grössere Sterblichkeit vor und nach der Geburt auf eine mangelhafte Ernährung der Zwillinge zurückzuführen ist. Damit in Übereinstimmung steht das Ge- wicht der Zwillingskinder, Levy4) fand es zu etwa 2600 Gr. bei 117 Geburten. Ich erhielt ein mittleres Gewicht von 2350 Gr. unter 76 Kindern (Dresden, Jena). Dagegen beträgt das Gewicht der Kinder aus Einzelgeburten erheblich mehr. Ingerslev5) 1) 1. c. 179, pag. 187, Neefe, Zur Statistik der Mehrgeburten (Auszug), ferner: JTenenser Jahrbücher f. Nationalök. und Stat. XV, pag. 168—195, 1877 (Orig.). 2) Zeitschrift d. stat. Bureaus in Berlin 1876, pag. 104. 3) Ich verweise auf die Arbeiten von Sickel (1. c), Berg, Über Geburten mit mehreren Früchten (1. c. 188, pag. 149), Hasse (Vorstand des statistischen Bureaus in Leipzig) , Über die Sterblich- keit der Zwillinge (1. c. 179, pag. 189), endlich Vinc. Goehlert in Graz, Die Zwillinge (1. c. 184, pag. 76 und Virchow's Archiv LXXVI, pag. 457). 4) 1. c. 5) 1. c. 169, pag. 156, Über die Gewichtsverhältnisse der Neu- geborenen (aus dem Gebärhaus zu Kopenhagen) (Orig. : Nord. med. ark. VII, 2, Nr. 7, 1875). — 165 — fand es unter 3450 Kindern im Mittel zu 3333,5 Gr., Kez- niarsky ') unter 73 Kindern zu 3329,8 Gr. Auch das Gewicht der Placcnta ist bei Zwillingen ein geringeres. Unter 134 Fällen fand ich das Durchschnittsgewicht derselben pro Foetus zu 477 Gr., während es bei Einzelgeburten im Mittel 590 Gr. beträgt. Es ist also unzweifelhaft, dass Zwillinge infolge der gegen- seitigen Concurrenz verhältnissmässig schlecht ernährt werden. Während der ersten Zeit des Embryonal-lebens, wo noch eine Ein- wirkung auf die Entstehung des Geschlechtes möglich ist, scheint bei Zwillingen noch keine erhebliche Concurrenz stattzufinden. Der Knabentiberschuss ist daher bei ihnen nicht oder doch nur sehr wenig grösser als der bei Einzelgeburten. Auch bei Drillingsgeburten scheint dies der Fall zu sein. Meckel von Hemsbach2) fand unter 1689 solchen Ge- burten, welche von 1826—1848 in Preussen eintraten, das Ver- hältniss 109,55:100, bei 36 Vierlingsgeburten aus derselben Zeit 111,76:100, während wie schon erwähnt, die Zwillingsgebur- ten jener Zeit nur das Verhältniss 105,14:100 zeigten. 167 Dril- lingsgeburten in Preussen 1864 ergaben sogar das Verhältniss 133 Knaben zu 100 Mädchen. Neefe3) fand in Preussen 1860 bis 1873 dies Verhältniss im allgemeinen zu 104,07:100, bei den Drillingsgeburten zu 104,55:100, in Österreich 1860—1873 erhielt er als allgemeine Verhältnisszahl 105,26, bei den Drillingsgebur- ten aber 106,10. Bei weniger umfassenden Zahlen anderer Staa- ten fand er diesen Unterschied nicht. Die angeführten Zahlen sind indessen weit zuverlässiger. — Der Zeitschrift des statisti- schen Bureaus in Berlin4) wurden die Zahlen der Drillingsgebur- ten von 1824 — 1874 entnommen. In diesen fünfzig Jahren wurden meiner Berechnung zufolge 6974 männliche und 6549 weibliche Drillinge geboren, was einem Sexualverhältniss 106,4 entspricht. Dieser Knabenüberschuss ist zwar hoch, aber doch nicht so gross, dass man irgend welche Schlüsse daraus ziehen dürfte. Es scheint also, dass die Ernährungsconcurrenz auch bei Drillingen erst ziem- lich spät wirksam wird. Indessen ist doch beachtenswert, dass der Knabenüberschuss um beinahe 2$ höher ist als bei den in x) 1. c. 159, pag. 145, Über Gewichtsveränderungen der Neuge- borenen, auch im Arch. f. Gynäkologie V, 3. 2) 1. c. pag. 236. 3) 1. c. pag. 182. 4) Jahrgang 1876, pag. 104, — 166 — eben dieser Zeit geborenen Zwillingen. Die Nahrungsconcurrenz scheint also auf jeden Fall wirksamer zu sein als wie bei Zwil- lingen. Wenn auch der Einfluss der schwächeren Ernährung bei den Drillingen unverkennbar hervortritt, so scheint doch bei den Mehr- geburten noch ein anderes Moment in betracht zu kommen, wel- ches den Knabenüberschuss herabdrückt. Wir hatten gesehen, dass Mehrgeburten besonders dann auftreten, wenn die Prosperität des Volkes eine grosse ist. Wir wissen aber auch, dass unter solchen Umständen die Zahl der Mädchen eine relativ grosse ist. Folglich werden auch unter den Mehrgeburten relativ viel Mäd- chen sein müssen. Bei Mehrgeburten scheinen also zwei Momente einander zu bekämpfen. Der Umstand, dass sie besonders zur Zeit der Pro- sperität geboren werden, lässt mehr Mädchen, der, dass die Kin- der sich Nahrungsconcurrenz schauen, lässt mehr Knaben erwar- ten. Bei Zwillingen scheint nun das erstere Moment die Ober- hand zu haben und infolge dessen ist der Knabenüberschuss etwas gering. Bei Drillingen indessen tritt die Concurrenz früher ein und ist auch bedeutender, so dass hier der Knabenüberschuss höher ist. — Auch das Alter der Mutter muss einen bedeutenden Ein- fluss auf die Ernährung des Embryo haben. Ältere Mütter wer- den diesem eine nicht so gute Ernährung zu Teil werden lassen können, als solche, die auf der Höhe der Reproductionsfähigkeit stehen. Dasselbe gilt für allzu junge Mütter, jedoch ist hier zu beachten, dass für Erstgeburten auch die schon früher erläuterten Umstände in betracht kommen. Aus den Tabellen von Duncan1) geht hervor, dass die Fort- pflanzungsfähigkeit bis zum 25. Jahre zunimmt, vom 30. Jahre an aber wieder abnimmt. In Übereinstimmung damit steht die Grösse und das Gewicht der Kinder; denn die zwischen dem 25. — 29. Le- bensjahre geborenen Kinder sind länger und schwerer als die spä- ter oder früher geborenen. Es ist dies ein directer Beweis, dass letztere schwächer ernährt werden. Der Einfluss des absoluten Alters Mehrgebärender auf das Geschlecht des Kindes kann durch folgende von Bidder2) gegebene Tabelle erläutert werden. 1) Citiert von Spencer, Principien der Biologie, Bd. 2, pag. 531. 2) Zeitschrift f. Geburtshülfe und Gynaekologie, Bd. II, Heft 2, 1878. Bidder, Über den Einfluss des Alters der Mutter auf das Geschlecht des Kindes. — 167 — Alter der Mutter Anzahl der Fälle Sexual- verhältniss 17—19 Jahre 80 122,2 20—21 » 405 130,1 22—23 y> 869 109,9 24 — 25 >> 1138 104,6 26—29 2049 105,5 30—31 878 112,5 32—35 >> 1120 119,6 36—39 >> 676 123,1 40 u. mehr „ 215 131,5 Bei der Mutter hat man also sorgfältig zu unterscheiden zwischen dem relativen und absoluten Alter. Beim Manne da- gegen fällt dies fort. Bei ihm wird das absolute Alter wie das relative einem höhern Knabenüberschuss günstig sein; so fand z. B. Hofacker die in unten stehender Tabelle gegebenen aller- dings etwas kleinen Zahlen. Anzahl Sexual- Alter des Vaters | der FäUe verhältniss 24 — 36 Jahre 36—48 „ 48—60 1193 683 105 100 114 169 Bei der Mutter dagegen liegen die Verhältnisse weit compli- cirter. Je relativ jünger (d. h. im Vergleich zum Vater) die Mutter ist, desto mehr Kinder werden zum männlichen Geschlecht bestimmt mittelst der Qualitäten des Eies, die schon vor der Be- fruchtung vorhanden waren. Je absolut jünger aber die Mutter ist, desto mehr Kinder bilden sich zum weiblichen Geschlecht aus infolge der bessern Ernährung des Embryo (also lange nach der Befruchtung). Auch hierüber stellte Hofacker Nachforschungen an und fand die in untenstehender Tabelle gegebenen Zahlen. Sie liefern Alter der Mutter Anzahl der Fälle Sexual- verhältniss 16 — 26 Jahre 26—36 „ 36 — 46 „ 363 1056 567 121 101 111 Summa 1986 107,3 — 168 — dasselbe Resultat wie die von Bidder auch in bezug auf juDge Mütter. Auch die Resultate, welche C. Hampe1) aus der Sta- tistik von Ottenstein erhielt, bestätigen diese Regel, wie neben- stehende Tabelle zeigt. Alter der Mutter Anzahl der Fälle Sexual- verhältniss bis 20 Jahre 56 107,7 20—25 >> 871 90,6 25—30 >; 1633 114,9 30—35 1631 108,3 35—40 jj 1185 117,1 40 etc. j? 616 124,0 Summa 5992 110,4 Auch von mir wurden die Geburten von Mehrgebärenden, welche aus den bereits angegebenen Quellen stammen, nach dem Alter der Mutter geordnet, Wie nebenstehende Tabelle zeigt, stimmen die Resultate mit denen der genannten Forscher überein. Wie aus den Tabellen hervorgeht, zeigen sehr junge Müt- ter ebenfalls einen grösseren Knabenüberschuss. Es ist dies wahrscheinlich darauf zurückzuführen , dass der Genitalapparat noch nicht geeignet war, eine normale Ernährung des Embryo zu stände kommen zu lassen. Als die Geburten Erstgebärender untersucht wurden, zeigte sich eine ähnliche Erscheinung und zwar sowohl bei der Zusam- menstellung nach dem Lebensalter als auch der Zeit, die seit der ersten Menstruation vergangen war. Nach dem oben gesagten erklärt sich dies sehr leicht. Wenn z. B. ein Mädchen gleich nach dem ersten Auftreten der Menses oder sogar schon vorher befruchtet wird, so wird das Genitalsystem häufig noch nicht ge- eignet sein zur Leistung einer vollständig normalen Ernährung des Foetus. Junge und alte Mütter werden also ihre Kinder im allgemei- nen schlechter ernähren als solche, welche auf der Höhe der Re- productionsfähigkeit stehen. Dies wird bestätigt durch Ingers- lev2), welcher fand, dass die dritte Frucht der Mutter durch- 1) Monatsblatt für med. Statistik u. off. Gesundheitspflege,. Nr. 6, 1862 (Beilage zur Deutschen Klinik). 2) Schmidt's Jahrb. d. ges. Med. 169, pag. 156: Über die Ge- — 169 — Tabelle der Mchrgebährenden. Alter Leipzig Dresden Jena Summa 15 \ 16 — — — : 1 — — — : 1 1 17 1 : — 2: — — — 3: — J 18 3:3 4: 6 1 : 1 8: 10 (574:565 — 19 7:6 11: 7 2:4 20: 17 / 101,6 20 24 : 26 27: 24 9:6 60: 56 1 21 46:50 50: 51 11:13 107: 114 1 22 72:68 81 : 69 23:24 176: 161 1 23 87:97 88: 92 25:17 200: 206 24 80:92 97: 120 36:51 213: 263 j 689:663 = 25 92:89 88: 94 46:24 226- 207 j 103,9 26 105:88 90: 70 55 : 35 250: 193 27 78:61« 85: 63 42 : 43 205 167 ) 28 63:60 73: 68 50:32 186 160 (737:586 = 29 85:31 80: 50 36 : 29 201 110 f 125,7 30 50:59 60: 55 35:35 145 149 j 31 36:35 42: 23 19: 10 97 68 \ 32 50 : 32 42: 38 25:21 117 91 33 25:21 30: 23 15: 19 70 63 J 34 28:18 30: 27 23:13 81 58 I 35 20:17 13: 20 19:9 52 46 f 36 18:27 24: 18 9:10 51 55 1595:500 = 37 21:13 10: 13 5:8 36 34 [ 119,0 38 12: 4 9: 15 11:4 32 23 1 39 7:11 12: 5 5:3 24 19 1 40 3: 3 6- 7 4:3 13 13 41 etc. 6: 8 13' 14 3:8 22 . 30 / Summa: 4909 Geburten nämlich 2595:2314 = 112,1. schnittlich mehr wiegt als die zweite und diese mehr als die erste. Neefe1) stellte ferner fest, dass bei Müttern unter 20 und über 40 Jahren die Totgeburten am häufigsten sind. Beides lässt sich auf eine Wirkung verschieden starker Ernährung zurückführen. Die Frucht einer jungen oder alten Mutter wird schwächer ernährt als die einer solchen, welche etwa in der Mitte der Fruchtbar- keitsperiode steht. — wichtsverhältnisse der Neugeborenen (Orig. Nord. med. ark. VII, 2, Nr. 7). ') Hildebrands Jahrb. f. Nationalök. und Stat. 24, pag. 186: Statistik der Totgeborenen. — 170 — Auch in einzelnen Ländern zeigt der Knabenüberschuss eine bedeutende Differenz, was vielleicht auf eine Verschiedenheit der Lebensweise zurückzuführen ist. Ein grösserer Knabenüberschuss findet sich in solchen Ländern, die der Kultur erst erschlossen werden, in denen eine körperliche Beschäftigung vorherrschend sein wird, z. B. in Australien1). Denselben Unterschied im Se- xualverhältniss der Geborenen zeigen auch die neueren Staaten Nord- Amerikas im Vergleich zu den älteren, in denen bereits ein bequemeres Culturleben platz gegriffen hat und relativ mehr Mäd- chen geboren werden2). — Die Wirkung des Klimas ist bis jetzt noch nicht in bezug auf die geographische Breite, sondern nur in bezug auf die Meereshöhe untersucht worden. Ploss3) hat nachgewiesen, dass mit der Meereshöhe die Knabengeburten zunehmen. Mit der Rauhigkeit des Klimas tritt auch hier das Symptom des Mangels, ein grösserer Geburtsüberschuss von Knaben auf. In Sachsen (1847—48—49) fand Ploss in einer Höhe bis 500 par. Fuss das Sexualverhältniss 105,9, zwischen 1000 bis 1500 Fuss schon 107,3 und endlich zwischen 1500 bis 2000 Fuss 107,8. Weitere Unter- suchungen liegen über diesen Punkt noch nicht vor. — Wie das Klima, so muss auch der jährliche Wechsel der Tem- peratur, welchen die Jahreszeiten mit sich bringen, einen Einfluss auf die Entstehung des Geschlechtes haben. Wie bereits früher gezeigt wurde, werden in den warmen Monaten mehr Kinder ge- zeugt als in den kälteren. Wir werden nun sehen, dass mit der Zunahme der Geburten eine Abnahme des Knabenüberschusses Hand in Hand geht. Bereits früher ist häufig behauptet worden, dass im Sommer relativ mehr Mädchen gezeugt würden als im Winter. Die Sta- tistiker sprachen sich indessen meist dagegen aus. Hampe4) ordnete 5997 Geburten nach den Monaten. Die Sexualverhältnisse zeigen ein regelloses Hin- und Herschwanken. Husemann5) verglich bei 138 209 Geburten die Geschlechts- x) Wappäus, Bevölkerungsstatistik II, pag. 159 und 195. 2) Burdach, Physiologie I, pag. 592. 3) Monatsschrift für Geburtskunde B. XII. 4) Monatsbl. f. med. Stat. u. off. Gesundheitspflege, Beilage zur deutschen Klinik No. 6, 1862: Statistische Beiträge zur Frequenz der Geburten u. zu d. Ursachen d. Sexualverhältnisses der Kinder. 5) 1. c. No. 1, 1861: Die Verhältnisse der Geburten im Canton Zürich 1825—58. — 171 — Verhältnisse. Er sagt aber sehr richtig, dass auch diese Zahl noch eine zu geringe ist, um irgend welche Schlüsse zuzulassen. Osterlen1) führt drei Untersuchungen an, welche ebenfalls zu wenig umfassend sind. Die Schwankungen der Sexualverhaltnisse sind hier zu stark und zu unregelmässig. Es treten hier nämlich so feine Unterschiede auf, dass sie erst bei ganz ausserordentlich grossen Zahlen erkannt und als un- zweifelhaft nachgewiesen werden können. Um dies näher zu un- tersuchen, wurden die in der Zeitschrift des statistischen Bureaus in Berlin gegebenen Geburten für ganz Preussen, so weit sie dort zu finden waren , addiert und das Sexualverhältniss für die ein- zelnen Monate berechnet. Das Ergebniss dieser Untersuchung ist eine Bestätigung des Gesetzes, dass bei den in den Sommermo- naten gezeugten Kindern der Knabenüberschuss etwas geringer ist als bei den in der kälteren Jahreszeit erzeugten. Die Untersuchung umfasst zehn Jahrgänge, nämlich die von 1872 bis 1881. Auf jedes Jahr fallen über eine Million Geburten. Da es sich hier also um ganz ausserordentlich grosse Zahlen han- delt, so darf man das Resultat als gesichert ansehen. Jeder Monat zeigt acht bis neunhundert tausend Geburten und es kann von zu- fälligen Schwankungen des Sexualverhältnisses keine Rede mehr sein. Zunächst mag das Resultat der Untersuchung mitgeteilt werden. Geburt Ganze Jahr Januar Febrjiar März April Mai Knaben 5 499 782 484 443 451 750 484 786 450 272 446 642 .Mädchen 5 174472 455 847 425 091 457 702 424 740 420 867 Summe der Kinder 10 674 254 940 290 876 841 942 488 875 012 867 509 Sexualver- hältniss 106,287 Ganze Jahr 106.27 106,27 105,92 106,01 106,12 Conception April Mai Juni Juli August Geburt Juni Juli August Septmb. October Xovemb. Decemb. Knaben 419 541 439 685 458 385 479 023 468 337 452 894 464 024 Mädchen 392 928 411 888 431 192 452 045 440 447 426 343 435 382 Summe der Kinder 812 469 851 573 889 577 931068 908 784 879 237 899 406 Sexualver- hältniss 106,77 106,75 106,31 105,97 106,33 106,23 106,58 Conception Septmb. October >»ovemb. Decemb. Januar Februar März x) Handb. d. med. Statistik, pag. 300. — 172 — Aus der Tabelle ersieht man, dass der Knabenüberschuss in den fünf wärmeren Conceptionsmonaten ohne Ausnahme unter dem Mittel (106,287) bleibt. Damit ist das Gesetz bewiesen. Gehen wir etwas näher auf die Zahlen ein, so sehen wir, dass in den sieben übrigen kälteren Monaten der Knabenüberschuss grösser als das Mittel ist mit Ausnahme der Monate December und Fe- bruar. Im December nämlich steigt die Zahl der ehelichen Con- ceptionen aus leicht begreiflichen Gründen ausserordentlich. Es ist die Folge der zunehmenden Prosperität. Denn diese wird nicht allein von der Menge der aufgenommenen Nahrung und der Stärke der Wärme-abgabe , sondern auch von psychischen Zuständen ab- hängig sein. Die Folge dieser Prosperität ist ein Sinken des Knabenüberschusses. Dieses Sinken wird noch verstärkt durch die Zunahme der unehelichen Conceptionen , da ja die unehelichen Geburten etwas weniger Knaben aufweisen als die ehelichen , wie bereits gezeigt wurde. Indessen ist diese Zunahme nicht sehr bedeutend, weit stärker ist sie im Februar infolge der Fastnachtsfeier. Die grös- sere Zahl der unehelichen Conceptionen in diesem Monat bewirkt ein Sinken des Knabenüberschusses. Es wird als bekannt voraus- gesetzt, dass die Zahl der ehelichen Conceptionen im December und die der unehelichen im December und Februar zunimmt. Den Beweis hierfür findet man in den von der Zeitschrift des sta- tistischen Bureaus in Berlin veröftentlichten Zahlen. Wollen wir also die Wirkung der Jahreszeiten beurteilen, so müssen wir die Zahlen für December und Februar ausser Acht lassen. Alsdann sehen wir das Gesetz ausnahmslos bestätigt. In den fünf wärmeren Conceptionsmonaten, nämlich April bis August, bleibt der Knabenüberschuss stets unter dem Mittel, in den fünf kälteren, nämlich September, Oc- tober, November, Januar und März steigt er stets über das Mittel. Das Minimum fällt in den Juni, das Maximum in den September und October. Es scheint also besonders der Anfang des Winters deprimierend einzuwirken. Es wurde bereits früher darauf hingewiesen, dass wahrscheinlich besonders die Temperatur- änderungen von Einfluss sind, während später eine mehr oder weniger starke Accommodation an die neuen Verhältnisse ein- zutreten scheint. Ausserdem ist hierbei noch zu beachten, dass die Einwirkung einer bessern Ernährung des Embryo erst . lange nach der Conception zur Geltung kommt. Beim Menschen ist diese Einwirkung während der ersten drei Monate möglich. Zu — 173 — welcher Zeit sie durchschnittlich am stärksten ist, darüber werden erst spätere Untersuchungen Aufschluss geben können. Bereits früher hatten uns statistische Nachweise gelehrt, dass die Zahl der während der wannen Jahreszeit coneipierten Kinder grösser ist als die in der kälteren Zeit. Dieser Satz wird durch dir Tabelle von neuem bestätigt. Wenn man nun aufmerksam die Zahlen verfolgt, so wird man auch hier finden, dass stets dann, wenn die Zahl der Conceptio neu abnimmt, der Knabenüberschuss zunimmt. Wächst umgekehrt die Prosperität und damit die Conceptio nsziffer, so nimmt der Knabenüberschuss ab. Nur der Monat Februar macht hiervon eine Ausnahme. Die Zahl der ehelichen Concep- tionen nimmt nämlich in diesem Monat ab, die der unehelichen zu. Da erstere aber den Ausschlag geben, so nimmt im Ganzen die Zahl der Conceptionen ab. Aber ein relativ grosser Teil der Conceptionen ist unehelich und es sinkt zugleich auch der Knabenüberschuss. Alle übrigen Monate folgen dem Gesetz. Die kleinste Zahl der Conceptionen und der höchste Knabenüber- schuss zeigt sich im September, die grösste Zahl von Conceptionen und der geringste Knabenüberschuss findet sich im Juni. Und zwar wurden im September auf 100 Mädchen um 0,85 {} mehr Knaben geboren als im Juni. Es ist klar, dass die früheren Forscher mit ihrem geringen Zahlenmaterial eine solche kleine Differenz nicht auffinden konnten. Der sichere Nachweis dieser Erscheinung war erst mit Hülfe so grosser Zahlen möglich, wie sie angeführt wurden. — Auch hieraus ersieht man wieder, wie ausserordentlich gering der Einfluss der Variation eines einzigen Umstandes ist. Je grösser die Zahl dieser Umstände ist, desto weniger Einfluss hat jeder einzelne. Beim Menschen sind die Schwankungen des Sexualverhält- nisses sehr gering. Bei niedern Tieren sind sie viel bedeutender. Während beim Menschen im Sommer nur etwa 1 {J mehr Mädchen geboren werden , werden wir später Tiere kennen lernen , welche im sommerlichen Überfluss meist Weibchen, ja sogar nur Weibchen erzeugen. Es ist darum besonders wichtig, dass selbst beim Menschen die Erzeugung einer grösseren Zahl von weiblichen In- dividuen im Sommer trotz des geringen Unterschiedes dennoch auf das Unzweifelhafteste nachgewiesen werden konnte. Im ersten Teil der Arbeit bei Gelegenheit der statistischen Untersuchung über den Einfluss einer stärkeren geschlechtlichen Beanspruchung bei Pferden wurde bereits versucht, theoretisch — 174 — zu ermitteln, wie stark wohl die Schwankung vom normalen Se- xualverhältniss infolge häufigerer Inanspruchnahme sein könnte. Bei dieser Überlegung war besonders von Wichtigkeit gewesen, wie rasch das junge Tier geschlechtsreif wird. Da dies bei Pferden vier Jahre dauert und die Trächtigkeit ein Jahr währt, so be- steht fünf Jahre lang ein anomales Sexualverhältniss bei den Er- zeugern. Fünf Jahre lang wurden also bei Männchenmangel mehr männliche Fohlen erzeugt und erst nach dieser Zeit konnte das Sexualverhältniss der Erzeuger durch die herangewachsenen Jungen corrigiert werden. Um diese Regulierung herbeizuführen , war eine bestimmte Anzahl von männlichen P'ohlen nötig. Auf je mehr Jahrgänge sich die Production dieser verteilt, desto geringer ist der Überschuss bei jedem einzelnen. Je später ein Tier also ge- schlechtsreif wird, desto geringer sind die Schwankungen des Sexualverhältnisses. Dieser Satz wird nicht nur bei der Regulierung eines ano- malen Geschlechtsverhältnisses der Erzeuger, sondern auch bei der Mehrproduction von Weibchen im Überfluss gültig sein. Letz- tere hatte ja den Nutzen, dass mit ihrer Hülfe eine besonders starke Vermehrung stattfinden konnte. Je rascher die Weibchen geschlechtsreif werden und zur Reproduction beitragen können, desto mehr Nutzen gewährt eine Mehrproduction derselben im Überfluss. Je länger es aber dauert, bis dieselben herangewachsen sind, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Prosperi- tät nicht mehr andauert. In der wärmeren Jahreszeit haben wir z. B. einen günstigen Umstand, der sehr rasch wieder verschwin- det. Die Mehrproduction von Mädchen wird daher ohne Nutzen sein, da diese erst lange nach Verschwinden dieses günstigen Um- standes geschlechtsreif werden. Indessen treten auch beim Men- schen sehr häufig günstige und ungünstige Verhältnisse ein, welche sehr lange andauern. Die Mehrproduction des einen Geschlechtes gewährt also auch dem Menschen einen Nutzen, der allerdings weniger scharf hervortritt als bei niedern Tieren. Je rascher das Tier geschlechtsreif wird, desto mehr Weibchen werden zur Zeit des Überflusses geboren werden. So werden wir später Tiere kennen lernen, deren Junge schon bei der Geburt trächtig sind. Bei ihnen werden unter solchen günstigen Umständen fast nur Weibchen geboren, die sich auf solche Weise enorm vermehren, so lange der Überfluss andauert. — Doch kehren wir nach dieser theoretischen Abschweifung zu- rück zur weiteren Aufzählung der Thatsachen, welche das Schwanken — 175 — des Sexualverhältnisses beim Menschen unter günstigen und un- günstigen Verhältnissen beweisen. In ähnlicher Lage wie Raubtiere, welche zur Unthätigkeit verurteilt in Käfigen gebannt liegen, befinden sich die wilden Stämme Amerikas und Oceaniens, welchen in ihrem Urzustand plötzlich die europäische Cultur aufgedrungen wurde. Die unge- mein schnelle Änderung der Lebensweise und Ernährungsart musste diesen Racen unzuträglich sein. Ein Wechsel, der, wie Darwin sagt, sich bei den Europäern erst durch Jahrtausende vollzogen hatte, ging bei ihnen in wenigen Jahren vor sich. Als Folge dieser so ungünstigen Verhältnisse sehen wir eine ausser- ordentliche Unfruchtbarkeit eintreten, so dass oft auf hundert oder mehr Familien nur wenige Kinder kommen und diese sind meist Knaben, so z.B. bei den Maoris von Neuseeland 1 ). Genau dasselbe findet sich bei den Sandwichs-insulanern , wo die Volks- zählung von 1872 an männlicheu Individuen 31 650 und an weiblichen 25 247 ergab (d.h. 125:100), während bekanntlich bei allen übrigen Völkern die Weiber bedeutend überwiegen '-'). Unter ungünstigen Verhältnissen wird die Vermehrung also immer schwächer, das weibliche Genitalsystem reagiert auf diese schäd- liche Einwirkung am stärksten, die Frauen leiden daher an ausser- ordentlicher Unfruchtbarkeit. Endlich ist der Knabenüberschuss ein ganz enorm grosser. Hierin ist zugleich ein Beispiel gegeben, worin die unter abnormen Verhältnissen erzeugten Kinder ge- schlechtsreif werden und in den Kreis der Erzeuger eintreten, während diese abnormen Verhältnisse noch immer andauern. — Schreiten wir zu weiteren Thatsachen. Die Wirkung einer schwachen Ernährung auf das Geschlecht wurde ferner auf folgende Weise statistisch untersucht. Es schien sehr wahrscheinlich, dass die Stärke der Menstruation ein durchschnittlich zutreffendes Mass für die spätere Ernährung des Embryo abgäbe. Und es Hess sich bei schwacher Regel ein grösserer Knabenüberschuss voraussehen als bei reichlicher. Es wurden daher die Geburten nach den in den Protokollen angege- benen Bemerkungen über die Menses geordnet. Wie die Tabelle *) Mr. Feu ton, Observation on the Aboriginal Inhabitants of New-Zealaud , von der Regierung herausgegebeu 1859. Citiert von Darwin. 2) Darwin, Abstammung des Menschen : Aussterben der Kacen. Übersetzung von Carus, pag. 238, 250. — 176 — zeigt, fand sich in der That bei spärlicher Menstruation der grössere Knabenüberschuss. reichliche M. spärliche M. Dresden 902 : 847 495 : 431 Jena 66 : 69 56 : 45 Leipzig 21 : 22 239 : 211 Summa 989:938 = 105,4 790:687 = 114,7 Um aber sicher zu sein, dass bei spärlicher Regel wirklich der Embryo schwächer ernährt wird, musste eine Berechnung des durchschnittlichen Gewichts der Placenten vorge- nommen werden ; denn vom mittleren Gewicht des Ernährungsor- gans darf man wohl auf die Stärke der Ernährung selbst schliessen. Diese Berechnung des Gewichts wurde für die in Dresden und Jena gesammelten Fälle ausgeführt. Das Resultat bestätigte in reichliche M. spärliche M. 3 $ 3 ? Dresden 600,6 588,5 574,9 580,0 Jena 625,6 638,3 602,7 561,5 Durchschnitt 602,3 592,2 577,9 578,2 der That die Vermutung. Das durchschnittliche Gewicht ist, wie die Tabelle zeigt, bei Individuen mit spärlicher Menstruation ge- ringer als bei solchen mit reichlicher. Der grosse Knabenüber- schuss bei schwacher Regel ist also durch eine schwächere Ernäh- rung des Embryo hervorgerufen. — Im ersten Teil der Arbeit wurde bereits darauf hingewiesen, dass Erstgebärende einen grössern Knabenüberschuss zeigen. Bei altern Erstgebärenden scheint sich der Mangel an männlichen Individuen in irgend einer Weise fühlbar gemacht und Verände- rungen am Ei bewirkt zu haben. Indessen lässt sich der grössere Knabenüberschuss bei Erstgebärenden überhaupt vielleicht auch dadurch erklären, dass diese ihre Früchte nicht so gut ernähren wie Mehrgebährende. Hierfür sprechen die Gewichtsverhältnisse der Kinder. Frankenhäuser1) bestimmte das Durchschnitts- gewicht derselben bei Mehrgebärenden zu 3500 gr bei Erstge- bärenden zu 3359 gr. Veit2) fand folgende Gewichte: x) Mon.-Schrift f. Geburtsk. XIII, pag. 170. Franken häuser, Über einige Bedingungen der stärkern oder schwächern Entwickelung der Frucht. 2) 1. c. VI 1855. Veit, Beiträge zur geburtshilflichen Statistik. 177 — Mehrgebärende Erstgebärende Knaben 3640 (419) 3500 (893) Mädchen 3530 (440) 3390 (799) Die Klammern geben die Zahl der Fälle an. Ingerslev1) fand das mittlere Gewicht von 1723 Erstge- burten zu 3254 gr, das von 1727 Kindern von Mehrgebärenden zu 3412 gr, also um 158 gr höher. Erstellte für das 25. bis 29. Le- bensjahr der Mutter fest, dass bei gleichem Alter derselben die dritte Frucht etwas schwerer als die zweite, und diese etwas schwerer als die erste ist. Die Protokolle des Gebärhauses zu Jena (1861—81) ergaben die Gewichte, wie sie die Tabelle wiedergiebt. Auch hier nennen die eingeklammerten Zahlen die Anzahl der Fälle. Knaben Mädchen Mehrgeb. 3277 (461) 3174 (353) Erstgeb. 3166 (271) 3067 (289) Damit in Übereinstimmung steht das Gewicht der Placenta. Sowohl das Gewicht der Kinder wie das der Placenta ist also bei Mehrgebärenden grösser als bei Erstgebärenden. Knaben Mädchen Mehrgeb. 608 (401) 567 (298) Erstgeb. 572 (205) 560 (225) Diese Erscheinung bestätigt von neuem den Satz, dass die Grösse der Placenta in Beziehung steht zu der Ernährungsstärke des Kindes. Auch die Sterblichkeit der Kinder von Erstgebärenden ist grösser, was teilweise auf die schwächere Ernährung zurückzu- führen ist. Die folgende Übersicht von Veit zeigt dies sehr deutlich. Sie giebt die Sterblichkeit in Procenten an. Geburts- dauer Scheintot Totgeboren Nach d. Geburt gestorben Stunden Erstgeb. M ehrgeb. Erstgeb. Mehrgeb. Erstgeb. Mehrgeb. 12 24 mehr 3,33 4,87 8,77 1,22 2,89 3,70 0,65 1,31 3,13 0,41 0,55 2,72 1,02 1,96 1,88 0,48 0,83 0,77 x) Schmidts Jahrb. 169, pag. 156. Über die Gewichtsverhältnisse der Neugeborenen (Nord. med. ark. VII, 2, No. 7). 12 — 178 - Auch Hecker1) fand unter Erstgeburten relativ viele tote Früchte. Nach ihm starben in den ersten acht Tagen von Erst- geburten 17,6}], während diese Sterblichkeit im allgemeinen nur 10$ ist2). Wenn also, wie es scheint. Erstgeburten weniger gut ernährt werden 3), so kann das Überwiegen des männlichen Geschlechtes bei denselben vielleicht hierauf zurückgeführt werden. - Missbildungen sind meist sehr kräftig gebildet, oft sogar fett. Man hat bei diesen stets ein Überwiegen des weiblichen Geschlechts gefunden. H. Meckel von Hemsbach4) citiert folgende Angaben : „In Hinsicht des Geschlechts machte J. F. Meckel auf die Häufigkeit des weiblichen Geschlechts bei Mon- strositäten aufmerksam. Otto (Monstr. sexcent. descr. p. XVI) fand folgende Verhältnisse der Monstra. Männlich Hemicephalen 22 Perocephalen 63 Spaltungen in der Mittellinie 33 Summe 7~ 203 270 47:; Sehr allgemein sind Doppelmissbildungen körperlich un- gleich gebildet. Das Geschlecht steht hier in bestimmter Beziehung zur Zwillingsasymmetrie. Doppelbildungen weiblichen Geschlechts sind nach meinen Erfahrungen weit häufiger zwillingssymmetrisch als die männlichen Geschlechts; ebenso fand Haller unter 42 symmetrischen Doppelbildungen nur 9 männliche, J. F. Meckel unter 80 nur 20, Otto unter 142 nur 52 männliche Burdach (Physiologie Bd. I, pag. 281) erhielt unter 268 Fallen 181 weibliche (164 symmetrische und 17 asymmetrische) und 87 männliche (59 symmetrische und 28 asymmetrische). reiblich Summa 47 69 110 173 17 50 *) 1. c. 189, pag. 300. Über die Sterblichkeit der Kinder in der Gebäranstalt zu München. -) 1. c. 166, pag. 261. Über die Geburten alter Erstgebärender (Auszug). Ferner Arch. f. Gynäk. VII. pag. 448 (OrigA 3) Es sei bemerkt, dass auch bei Tieren Ähnliches stattzufinden scheint. Erstlingskälber, namentlich wenn sie von zu jungen Müttern abstammen, sollen sich nicht kräftig ausbilden und werden meist nicht zur Zucht benutzt ^Dr. G. May, Das Bind, II, pag. 99\ *) Müller, Archiv für Physiologie 1850, pag. 246. Meckel, Über die Verhältnisse des Geschlechts, der Lebensfähigkeit und der Eihäute bei einfachen und Mehrseburten. — 179 — Bei den Acephalen ist das männliche Geschlecht überwiegend." Für die letztere Behauptung fehlen Zahlenangaben. Mercer Adam1) bestätigt das Vorwiegen des weiblichen Geschlechts na- mentlich bei Doppelmissbildungen ; denn er fand unter 263 Fällen 192 weibliche und 71 männliche. Er fügt hinzu, dass Doppelkinder meist von gleichem Geschlecht seien wie Zwillinge und dass bei ihnen jedoch das männliche Geschlecht überwiege. Es scheint also, dass im Allgemeinen bei Missbildungen das weibliche Geschlecht stärker vertreten ist. Es wird sich dies wahrscheinlich zurück- führen lassen auf die relativ gute Ernährung derselben. Nur bei Doppelkindern soll nach Mercer Adam das männliche Geschlecht vorherrschen. Zahlenangaben fehlen indessen hierüber. — Zum Schluss sei noch auf folgende Thatsache aufmerksam gemacht. C. v. Hecker2) hat statistisch gezeigt, dass durch ungün- stige Verhältnisse beim Gebären die Knaben mehr be- nachteiligt sind als die Mädchen. Allerdings stehen viele Ver- hältnisse, z. B. eine Becken-verengung in gar keinem Zusammen- hang mit der Ernährung des Foetus, also mit der Entstehung des Geschlechtes. Von andern Umständen aber ist dies wahrschein- lich, obgleich es bis jetzt noch nicht statistisch untersucht worden ist. So kann es z. B. für die Ausbildung der Placenta und folg- lich auch für die Ernährung des Foetus nicht gleichgültig sein, wo diese entsteht, ob sich das Ei an den Stellen ansetzt, welche durch die überwiegende Zahl der Fälle dazu am besten geeignet erschei- nen, oder ob es sich ausnahmsweise an dem jedenfalls weniger geeigneten Cervix ansetzt. Wenn auch noch nicht erwiesen, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass unter solchen Verhältnissen eine schwächere Ernährung stattfindet. Sollte sich dies wirklich so verhalten, wie sich vermuten lässt, so steht damit in Überein- stimmung der grosse Knaben überschuss, den Heck er bei placenta praevia fand. — Aus allen diesen Thatsachen geht hervor, dass auch beim Menschen unter ungünstigen Verhältnissen mehr Knaben geboren werden als unter günstigen. Da sich indessen der Mensch infolge seiner Civilisation namentlich in jetziger Zeit ziemlich unabhängig 1) Schmidts Jahrbücher d. ges. Med. 90, pag. 6. Mercer Adam, Zur Lehre von den Missgeburten (Original : Monthly Journ. March, May, Sept., Dec, 1854). 2) Heck er, Statistisches aus der Gebäranstalt München. Crede's Archiv für Gynäkologie, Bd. XX, Heft 3, 1882. 12* — 180 — von dem Ausfall der Ernte und andern Schwankungen gemacht hat, so werden die Abweichungen im Sexualverhältniss nur ziem- lich gering sein können. Indessen haben wir gesehen, dass sie doch gross genug waren, um statistisch nachgewiesen werden zu können. Wir fanden, dass der Knabenüberschuss steigt bei Teue- rungen, bei Abnahme der Prosperität eines Volkes überhaupt, namentlich beim Extrem derselben, heim Aussterben von Rassen. Ferner ist der Knabenüberschuss grösser auf dem Lande als in den Städten, im Gebirge grösser als in der Ebene. Dasselbe ist der Fall bei zu jungen oder zu alten Müttern, bei spärlicher Menstruation derselben und unter andern Umständen. Stets ist das Auftreten einer grösseren Zahl von Knaben auf die Wirkung einer schwächeren Ernährung zurückführbar. Die unbedingte Folge hiervon ist eine grössere Sterblichkeit der Knaben während und bald nach dem Foetal-leben. Die Thatsachen lehren also, dass beim Menschen die Zahl der Mädchengeburten mit der Er- nährungsstärke steigt und fällt. bb. Bei Tieren. Im Gegensatz zu den Tieren lebt der Mensch unter weit gleichmässigeren Ernährungsbedingungeu , es treten nur geringe Änderungen hierin ein und diesen entsprechen auch nur geringe Schwankungen im Sexualverhältniss. Weit auffallender treten uns diese bei den Tieren entgegen. Bei ihnen finden wir häufig den extremsten Wechsel von Überfluss und Mangel. Eine Mehrgeburt von Männchen ist schon früher mit einer Verminderung der Nahrungszufuhr in ursächlichen Zusammenhang gebracht worden, unter andern von Rolph. Er nennt daher die Männchen die „Hungergeneration." Indessen ist ja die Ernährung nicht das einzige in Betracht kommende Moment und darum wird es besser sein, diesen Ausdruck zu vermeiden. — Doch gehen wir über zu den Thatsachen, welche den Einfluss der Ernährung auf die Entstehung des Geschlechtes beweisen. Zunächst sollen die Arbeiten von M. H. Landois J) erwähnt werden, welche wertvoll sind, trotzdem sie einige offenbare Irr- tümer enthalten. Er wendet sich gegen die allgemein angenom- mene Ansicht von der parthenogenetischen Fortpflanzung der ») Zeitschrift f. wiss. Zool. XVIII, 1867. Dr. H. Landois, „Über des Gesetz der Entwickelung der Geschlechter bei den Insecten." — 181 — Bienen und behauptet, dass das Gesehlecht der Bienenlarven nur durch die Nahrung bestimmt würde. Er macht darauf aufmerk- sam, dass die Eier, aus denen Arbeiter auskriechen, in andern Zellen und mit anderer Nahrung auferzogen werden als die Drohneneier. Um zu prüfen, ob diese Verschiedenheit der Er- uährungsverhältnisse die eigentliche geschlechtsbestimmende Ur- sache sei, brachte er Eier, die von der Königin in Arbeiterzellen gelegt waren, in Drohnenzellen, wo der Embryo von den Bienen mit Drohnennahrung gefüttert wurde. Alsdann schlüpften nachher Drohnen aus Arbeiter-eiern aus und umgekehrt. Trotzdem nun die Beobachtungen von Siebold und Andern zweifellos richtig sind, so scheinen doch obige Angaben, die in Deutschland fast gänzlich unberücksichtigt geblieben sind, beachtet werden zu müssen. Es ist ja sehr wahrscheinlich, dass bei den Bieneneiern die Befruchtung und ihr Ausfall nicht die alleinige Ursache der Entstehung des betreffenden Geschlechtes ist, dass vielmehr auch die Ernährung hierzu mitwirkt. Der Ausfall der Befruchtung kann vielleicht gänzlich aufgehoben werden durch die andere geschlechtsbestimmende Ursache, welche durch eine früh- zeitige reichliche Ernährung gegeben ist. Den Einfluss der Nahmngszufuhr beobachtete Landois be- sonders an Vanessa urticae. Aus Tausenden von ganz jungen Räupchen zog er willkürlich Männchen oder Weibchen, je nachdem er sie schlecht oder gut nährte. Siebold und Klein J) halten mit Unrecht Landois als einen Einwurf entgegen, dass das Geschlecht in der Raupe schon ziemlich bald ausgebildet wird. Die Experimente von Landois stehen vielmehr hiermit in Über- einstimmung; denn Landois sagt, dass die den Larven an- fangs gegebene Nahrung das Geschlecht bestimmt. Er fütterte junge Raupen von Vanessa urticae anfangs sehr reichlich, nach einer gewissen Zeit spärlich und alle entwickelten sich zu Weib- chen mit verkümmerten Ovarien. Es zeigt uns dies, dass die Ausbildung des weiblichen Geschlechtes durch Überfluss an Nah- rung begünstigt wird und ferner, wie empfindlich der weibliche Genitalapparat gegen Veränderung der Ernährung ist. Ebenso verhält es sich nach Landois bei den Bienen. Arbeiter- und Königinnenlarven erhalten anfangs gleich reich- 1) 1. c. Siebold, Zusatz zu Landois' vorläufiger Mitteilung. Kleine, Über das Gesetz der Entwicklung der Geschlechter bei den Insecten. — 182 — liches Futter, wodurch sich bei ihneu das weibliche Geschlecht ausbildet. „Nach eiuiger Zeit aber bekommen die Arbeiterlarven schlechteres Futter und ihr Geschlecht bleibt daher unentwickelt. Die Drohnenlarven erhalten im Anfang weit schlechteres Futter, wodurch sie sich zum männlichen Geschlecht ausbilden." Eine so im Anfang infolge schlechter Nahrung männlich gewordene Larve kann sich natürlich später durch bessere nicht wieder zum weib- lichen Geschlecht umbilden. Es ist unrichtig, wenn Siebold1) sagt, es wäre dies eine Consequenz der Landois'schen Theorie. Nach Landois bleibt das im Anfang2) durch die verschiedene Nahrung bestimmte Geschlecht bestehen, und nur beim weiblichen kann sich der Genitalapparat, wenn später Mangel eintritt, nicht vollkommen ausbilden — weil er sehr empfindlich gegen Schwan- kungen in der Ernährung ist. Im Irrtum ist aber Landois unzweifelhaft, wenn er glaubt, die primäre und secundäre Drohnenbrütigkeit durch seine Theorie erklären zu können; denn diese ist, wie sicher feststeht, die Folge eines Mangels an Männchen, respective des Ausfalls der Befruchtung. Bei den Bienen scheinen also zwei Momente in Betracht ge- zogen werden zu müssen, nämlich die einem Mangel an Männchen entsprechende Nichtbefruchtung und die Verschiedenheit der Er- nährung. Beide können unter Umständen einander entgegen wir- ken. Von den Bienen werden sie wahrscheinlich gemeinsam zur Erziehung ihrer Larven benutzt. — Da Frösche ein sehr geeignetes Object zu bieten schienen, den Einfluss der Ernährung auf die Geschlechtsentstehung zu prü- fen, so unternahm es Born3), eine grosse Zahl von Froschlarven aus künstlich befruchteten Eiern aufzuziehen. Die Tiere wurden in einigen Aquarien mit rein pflanzlicher Nahrung, in den übrigen mit gemischter aufgezogen. Die Sterblichkeit war eine ausseror- dentlich grosse; denn aus beinahe 9000 Eiern erhielt er nur 1443 Tiere, deren Geschlecht er bestimmte. Es fanden sich hierunter nur 5 {} Männchen. Es ist möglich, dass dieser Überschuss des weiblichen Ge- schlechtes durch eine grössere Sterblichkeit des männlichen herbei- x) 1. c. pag. 530. 2) Auch Dr. Kleine scheint dies Wort übersehen zu haben. 3) G. Born, Experimentelle Untersuchungen über die Entstehung der Geschlechtsunterschiede. Sep. -Abd. aus d. Breslauer ärztlichen Zeitschrift, 1881. — 183 — geführt wurde, wie schon Pflüger1) hervorhob. — Bei den Ver- suchen von Born kann auch eine Befruchtung von noch jungen Eiern stattgefunden haben. Er entnahm diese dein Uterus von Froschweibchen zur Laichzeit. Pflüger dagegen verwandte nur die Eier von in brünstiger Umarmung befindlichen Weibchen, also wahrscheinlich ältere Eier. Er erhielt unter 80b' Individuen 288 Männchen. — Auf den Einfiuss der Nahrung lassen sich keine Schlüsse ziehen , da die rein pflanzlich ernährten bis auf wenige starben, denn sie waren in der Grösseu-ent Wickelung sehr zurück- geblieben. Später stellte Yung2) ähnliche Experimente an. Er fand, wie Born, dass die rein pflanzlich ernährten Larven an Grösse erheblich zurückblieben gegen die mit Fleisch und Eiweiss ernährten. Er fand bei letzteren 70 — 75 g Weibchen. Diejenigen, denen nur Pflanzen zur Verfügung standen, starben fast alle. Das Resultat ist also ähnlich dem der Experimente von Born. Ein bestimmter Schluss lässt sich nicht daraus ziehen. Wahrscheinlich liegt die Erklärung darin, dass, wie Pflü- ger3) nachwies, sich bei den jungen Fröschen sehr viele Zwitter finden, welche sehr leicht für Weibchen gehalten werden können. Aus diesen gehen aber später sowohl V\Teibchen wie Männchen hervor. — Bei viviparen Tieren hängt die Ernährung sehr von der der Mutter ab. Nach Martegoute besassen die Mutterschafe, welche weibliche Tiere geboren hatten, durchschnittlich ein grösseres Ge- wicht als die, welche Bocklämmer geworfen hatten4). Ploss schliesst von diesem grösseren Gewicht der Mutter auf einen bes- sern Ernährungszustand derselben und von diesem auf eine bessere Ernährung des Foetus, was im Allgemeinen wohl zulässig ist. Es wäre also das weibliche Geschlecht der Theorie entsprechend durch eine reichlichere Nahrungszufuhr bestimmt worden. — Darwin machte an 6878 Fällen die Beobachtung, dass bei Windspielen die männlichen Geburten zu den weiblichen sich verhalten wie 110,1 : 100. Dieser bedeutende Überschuss erklärt sich vielleicht daraus, dass die Tiere weniger gut genährt sind, *) Zur Frage über die das Geschlecht bestimmenden Ursachen. Arch. f. Phys. 1881, pag. 249. 2) Comptes rendus 92, 1881, pag. 1525 u. 93, pag. 854. 3) Über die das Geschlecht bestimmenden Ursachen etc. Arch. f. Phys. 1882, pag. 32. 4) Von Ploss citiert, Monatsschrift für Geburtskunde, Band XU. — 184 — als ihre Stammeltern es waren ' ). Jedoch kann hierauf nicht viel Gewicht gelegt werden. — Bei Besprechung des Einflusses der Nahrung auf das Ge- schlecht überhaupt wurden die infolge von Nahrungsmangel ent- standenen rudimentären Missbildungen beim männlichen Hirsch- käfer2) erwähnt. Hier erst ist der Ort, zu sagen, warum diese niemals beim weiblichen Geschlecht vorkommen. Die Larven näm- lich, welche Mangel leiden, werden durch diesen zum männlichen Geschlecht bestimmt. Wenn dieser Mangel stark ist, so bilden sich die secundären Geschlechtscharactere nur unvollkommen aus. Unter den Weibchen finden sich aber keine Individuen, die als Larve so starken Mangel gelitten hätten. — Bei eier-legenden Tieren hängt die Stärke der Ernährung des Embryo von der Grösse des Eies resp. des Nahrungsdotters ab. Diese ist variabel. Bei Hennen sollen die später gelegten Eier kleiner sein und meist Hähne liefern 3). Die Nahrungszufuhr ist bei der schon erschöpften Mutter eine mangelhafte, es entsteht ein kleineres Ei , der Embryo erhält also weniger Nahrungszufuhr und bildet sich zum männlichen Geschlecht aus. Bei andern Vögeln, z. B. bei Kanarienvögeln, soll das zuerst gelegte Ei sehr klein sein und fast stets einen männlichen Vogel liefern. — Auch bei niedern Tieren zeigt sich dieselbe Erscheinung. Phylloxera legt im Herbst verschiedene Eier, grosse und kleine. Aus ersteren gehen Weibchen hervor, aus letzteren, den kleine- ren, aber Männchen. Bei den Ortho nectiden entstehen in den Mutterschläuchen entweder Männchen oder W'eibchen. „Die grössern Embryonen gestalten sich zu weiblichen Larven oder zur „forme ovoi'de" von Giard, während die kleinern zu Männchen oder zur „forme allongee" werden" 4). — Dass Domestication ähnlich wieÜberfluss wirkt, war schon oben erwähnt. Es zeigt sich, dass in Folge des Überflusses bei künstlich gepflegten Tieren eine stärkere Reproduction eintritt. 1) Darwin, Geschlechtliche Zuchtwahl, pag. 282. *) Kosmos, 5. Jahrg., 1881—82, X, pag. 172. Reichen au, Über den Ursprung der secundären männ- lichen Geschlechtscharactere, insbesondere bei den Blatt- hornkäfern. 3) Thury, La Production des Sexes, p. 22; Pagenstechers Kri- tik, p. 37. 4) Zoologischer Anzeiger 1879, pag. 547. Metschnikoff, Zur Naturgeschichte der Orthonectiden. — 185 — Es ist aber auch constatiert worden, dass unter solchen Verhält- nissen besonders das weibliche Geschlecht sich numerisch stärker ausbildet. Schon Giron ') beobachtete, dass die weiblichen Nach- kommen desto mehr überwiegen, je üppiger die Nahrung ist und je mehr Kühe die Tiere gemessen. Umgekehrt bemerkte Giron aber auch, dass je grösser die Anstrengung und je kärglicher die Nah- rung, desto mehr männliche Junge geworfen wurden. Auch fand er, dass eine Schafherde, die im vorigen Jahr nicht getragen hatte, sich also in dieser Beziehung nicht angestrengt hatte, viel mehr weibliche Junge warf (100:67), während eine andere, die im vorigen Jahre getragen hatte, mehr männliche produzierte (100: 104 2). — Für Pferde wurde durch Goehlert3) nachgewiesen, dass im allgemeinen etwas mehr Weibchen geboren werden; das Sexual- verhältniss war nämlich 100:96,57, was sehr wohl mit dem aus den preussischen Abfohlungstabellen gefundenen Verhältniss von 100:98,03 übereinstimmt. Bei den Tot-geborenen dagegen verhält es sich umgekehrt, das Verhältniss ist hier 100:106 — 107. Wie beim Menschen so sterben also auch hier während der Embryonal- zeit mehr männliche Individuen. Beim Menschen wurde diese Erscheinung auf die anfänglich schwächere Ernährung der männ- lichen Embryonen zurückgeführt. Auch beim Pferd wird dies der Fall sein. Und es wäre interessant, zu erforschen, ob sich ein ähnliches Verhältniss auch bei andern Tieren zeigt. Bei Pferden wird also die Zahl der männlichen Tiere, die schon bei der Ent- stehung des Geschlechtes schwächer vertreten waren, durch die Sterblichkeit während des Foetal-lebens noch mehr reduciert. Es steht zu vermuten, dass infolge der relativ schlechteren Ernäh- rung die Sterblichkeit des männlichen Geschlechtes auch nach der Geburt grösser sein wird als beim weiblichen. Untersuchungen liegen hierüber noch nicht vor. Wenn sich dies so verhält, wie sehr wahrscheinlich ist, so wird sich die Zahl der Hengste noch mehr vermindern und auf diese Weise ist es vielleicht zu erklären, warum später die Anzahl der Stuten eine weit grössere ist, als die der Hengste. Auch bei andern polygamen Tieren wird das zur Zeit der Reproduction herrschende Sexualverhältniss vielleicht ebenfalls durch eine grössere Sterblichkeit des männlichen Ge- schlechtes herbeigeführt. — *) Wagners Handwörterbuch der Physiologie, Bd. IV, p. 773. 2) B ur dach, Physiologie, Bd. I, p. 591. 3) Zeitschrift für Ethnologie, 1382. — 186 — Auch das Klima muss von Einfluss auf die Entstehung des Geschlechtes sein. Bringt man Tiere von wärmern Gegenden in kältere, so werden sie unter diesen Umständen mehr Männchen produzieren. Es fragt sich, ob ein Tier, welches sowohl in kältern wie wärmern Gegenden vorkommt, je nach dem Klima ein ver- schiedenes Sexualverhältuiss zeigt. P f 1 ü g e r J ) hat hierüber fol- gende Thatsachen festgestellt. Das Geschlechtsverhältniss der er- wachsenen Frösche ist in Utrecht, Bonn und Königsberg dasselbe, nämlich 1:1, worauf bei Besprechung der Constanz des Sexualverhältnisses bereits aufmerksam gemacht wurde. Das Ver- hältniss bei den Fröschen, welche noch im ersten Lebensjahre stehen , ist jedoch ein nach der Herkunft verschiedenes. Pflüger fand bei solchen aus Utrechter Eiern gezüchteten Tieren nur 12 bis 14$ Männchen, bei den aus Königsberg stammenden dagegen 48 {|, während die Bonner Fröschchen sowol in den Aquarien wie in der Natur 35 — 36$ Männchen aufwiesen. Da Pflüger wieder- holt viele hundert Tiere untersuchte, so können diese Zahlen als gesichert angesehen werden. In einigen Aquarien hatte er Frösche von verschiedener Abkunft aufgezogen und das Geschlechtsver- hältniss entsprach genau dem arithmetischen Mittel, wie Pflüger berechnete. Endlich wiesen noch junge aus Glarus stammende Frösche 22,6$ Männchen auf. Jedoch betrifft dieses Verhältniss nur eine geringe Zahl. Sollten sich diese Verhältnisse auch bei andern Tieren zeigen, so wird man wohl berechtigt sein, dem Klima einen Einfluss auf das Sexualverhältuiss zuzuschreiben. Danach müsste also das Klima und die Beschaffenheit der Umgegend von Utrecht den Fröschen am günstigsten sein. Am wenigsten würden sie in Ost- preussen prosperieren , während die Gegend von Bonn eine mitt- lere Stellung einnimmt. Dies steht in Übereinstimmung mit fol- gender Bemerkung Pflüger's-): „Dabei zeigten sich gerade die x) Griesheim, Über die Zahlenverhältnisse der Geschlechter bei Eana fusca, Pflüger's Archiv, 1881, pag. 237. Pflüg er, Zur Präge über d. d. Geschlecht bestimmenden Ursachen, 1. c. 1881, pag. 254. Hat die Concentration des Samens Einfluss auf das Geschlecht? 1. c. 1882, pag. 1. Über die das Geschlecht bestimmenden Ursachen u. d. Geschlechtsverhältniss der Prösche, 1. c. 1882, pag. 13. 2) 1. c. pag. 34. — 187 — Utrechter aus der Natur bezogenen jungen Frösehchen viel besser und kräftiger genährt als die Königsberger." /um teil wurde dies Verhältnis« dadurch hervorgerufen, dass die Utrechter am meisten und die Königsberger am wenigsten Hennaphroditen aufwiesen. Durch die Uniwandelung dieser und vielleicht auch durch eine verschiedene Sterblichkeit der Geschlechter wird sich das Sexual- verhältniss so ändern, dass es später bei den erwachsenen Fröschen 1 : 1 beträgt. — Der Einfluss des absoluten Alters der Mutter auf die Ernährung und damit auf das Geschlecht des Foetus wird sich auch bei Tieren zeigen. Einzelne Beobachtungen liegen hierüber schon vor. In der von Goehlert1) gegebenen und bereits oben mitgeteilten Tabelle zeigt sich, dass bei Stuten unter 10 Jahren das Sexualverhältniss der Fohlen 89,8, bei solchen über 10 Jahren 93,9:100 war. Der Unterschied ist natürlich nicht gross, weil diesem der Einfluss des relativen Alters entgegenwirkt. Aber es ist doch ersichtlich, dass ältere Stuten etwas mehr Männchen producieren. Bei Schafen ist der Einfluss des Alters ebenfalls beobachtet worden. Morel de Viade fand, dass Schafe im besten Alter von 4| Jahren eine gleiche Zahl von Bock- und Zibbelämmern werfen, dass sie dagegen im frühern oder spätem Alter mehr männliche Junge producieren. Auch Girou de Buzareingues stellte hierüber Versuche an, die aber an Unklarheit leiden. Er paarte noch sehr junge Mutterschafe mit ebenfalls sehr jungen Widdern und es brachten alsdann die zwei Jahre alten Schafe 14 männliche und 26 weib- liche Lämmer zur Welt, die drei Jahre alten 16 männliche und 29 weibliche. Die vier Jahre alten aber, die mit alten Widdern gepaart und vorher auf magere Weide gelassen wurden , warfen 33 Bock- und nur 14 Schaf lämmer. Der Einfluss des relativen Alters und der der Ernährung des Embryo ging hier Hand in Hand. — Wie Ploss2) erwähnt, gilt es bei Leder- und Pelzhändlern als feststehende Annahme, dass fruchtbare Gegenden mit guten Weideplätzen vorzugsweise Häute von weiblichen Tieren, unfrucht- bare Länderstriche aber mehr solche von männlichen Tieren lie- fern. Indessen dürfen solche Angaben nur mit Vorsicht aufge- nommen werden. — !) Zeitschrift für Ethnologie, Heft IV, 1882. 2) Schmidt's Jahrbücher der Medicin, 102, 1859, pag. 285. — 188 — Auch die Jahreszeiten sind von dem grössten Einfluss auf das Geschlecht der produzierten Tiere. Da für die meisten der grösste Nahrungsüberfluss in den Sommer fallt, so müssen im Herbst mehr Männchen erscheinen. Bei vielen, namentlich solchen von kurzer Lebensdauer findet sich im Herbst und Winter die relativ grösste Zahl von Männchen. Zenker1) fand „von vielen Arten der Cypriden die Männchen am reichlichsten im Winter, wie bei den meisten Entomostraceen." Siebold fand, dass bei Nematus ventricosus sowohl aus befruchteten wie aus unbefruchteten im Sommer die meisten Weibchen hervorgingen, während im Herbst und Frühling mehr Männchen auftraten. Dieses ist ersichtlich aus der Tabelle, welche bei Gelegenheit der Besprechung der Arrenotokie gegeben wurde. — Es wurde oben erwähnt, dass Domestication im allgemeinen die Prosperität der Tiere hebt. Ganz anders verhält es sich jedoch mit den in Menagerien gefangen gehaltenen Raubtieren. Ihnen ist eine starke Bewegung ein Bedürfniss, der Zustand, in dem sie sich befinden, kann durchaus nicht als ein Wohlbefinden bezeich- net werden. Gefangene Raubvögel, die den Mangel an Bewegung am allermeisten empfinden werden, begatten sich fast nie, nicht ganz gezähmte Raubsäugetiere nur selten und die Jungen sind meist männlich. Geoffroy St. Hilaire2) sagt in bezug auf Accli- matisation ausländischer Tiere, dass die in Menagerien geborenen Individuen häufiger männlichen Geschlechtes seien, während die in den Museen aufgestellten häufiger weiblich seien, und dass die Acclimatisation exotischer und die Domestication (namentlich die vergebliche) von wilden Tieren denselben Erfolg habe. Über die Art und Weise, wie der Zustand der Gefangen- schaft auf das Reproductionssystem wirken kann, sagt Dar- win3): „Wir fühlen uns zuerst natürlich geneigt, dieses Resultat einem Verlust an Gesundheit oder mindestens einem Verluste an Kraft zuzuschreiben. Diese Ansicht kann aber kaum aufrecht erhalten bleiben, wenn wir überlegen, wie gesund, langlebig und kräftig viele Tiere in der Gefangenschaft sind, so z. B. Papageien, Habichte, wenn sie zur Falkenbeize, Cheetahs, wenn sie zum Jagen x) Müller's Archiv für Physiologie, 1850, pag. 194. Zenker, Über die Geschlechtsverhältnisse der Gattung Cypris. 2) Ann. d. scienc. nat. 1839, T. XII, p. 174 3) Variiren der Tiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. Übers, v. J. V. Carus, pag. 155. — 1 SO — benutzt werden, und Elephanten. Die Fortpflanzungsorgane selbst sind nicht erkrankt und die Krankheiten, an denen die Tiere in den Menagerieen gewöhnlich umkommen, sind nicht solche, welche in irgend einer Weise ihre Fruchtbarkeit affi/ieren. Kein Haus- tier ist Krankheiten so ausgesetzt wie das Schaf und doch ist es merkwürdig fruchtbar. Dass diese Tiere sich in der Gefangenschaft nicht fortpflanzen, ist zuweilen ausschliesslich einem Ausbleiben ihrer sexuellen Instincte zugeschrieben worden. Dies mag gelegent- lich mit ins Spiel kommen. Doch liegt kein Grund vor, warum dieser Instinct, so besonders bei vollständig gezähmten Tieren, affiziert werden sollte, allerdings mit Ausnahme einer indirecten Affection infolge einer Störung der Reproductionssysteme selbst. Überdies sind zahlreiche Fälle angeführt worden, dass sich ver- schiedene Tiere in der Gefangenschaft reichlich begatten, dass die Weibchen aber niemals empfangen ; oder, wenn sie empfangen und Junge producieren, dass sie in geringerer Zahl produziert werden, als es der Species eigen ist." Damals hatte man noch nicht erkannt, dass das weibliche Genitalsystem weit empfindlicher gegen ungünstige Einwirkungen ist als das männliche. Dass also bei vielen Tieren trotz stattge- fundenem Coitus keine Befruchtung eintritt, erklärt sich dadurch, dass die Ovulation stärker beeinträchtigt wird als die Production von Sperma. Es bleibt keine andere Erklärungsmöglichkeit, als dass diese Einwirkung mit Hülfe des Nervensystems geschieht, dass also doch der geschlechtliche Instinkt leidet und zwar beson- ders beim weiblichen Geschlecht und oft nur bei diesem. Der Einfluss der Nerventhätigkeit auf die Reproductionsvor- gänge scheint überhaupt ein grosser zu sein und die Sterilität in der Gefangenschaft ist wohl nur durch diesen erklärbar. Wie gross derselbe sein muss, geht auch aus folgendem Beispiel her- vor: „Zwei Pärchen brünstiger Ohne wurden zwei Stunden lang aus dem gewohnten in einen andern Behälter gethan. Und diese kurze Zeit genügte, um bei allen ein derartiges Zusammenfallen der Anschwellungen zu bewirken, dass die Tiere nicht mehr brün- stig erschienen, und erst nach Verlauf von 12 Stunden stellten sich diese Merkmale wieder ein" *). Jedoch werden diese Verhältnisse erst später vollständig auf- geklärt werden können. Für die Theorie genügt es, nachgewiesen ') Zeitschrift f. wiss. Zool., 1883, 38, pag. 673. Chauvin: Die Art der Fortpflanzung des Proteus anguineus. — 190 — zu haben , dass die Tiere unter unnatürlichen Verhältnissen in ihrer Reproductionsthätigkeit erheblich beeinträchtigt werden, wäh- rend alle übrigen Funktionen wenig oder gar nicht affiziert werden. Schon aus den bis jetzt angeführten Thatsachen geht auf das unzweifelhafteste hervor, dass die Tiere unter günstigen Umstän- den mehr Weibchen, unter ungünstigen mehr Männchen produzie- ren. Wenden wir uns nun zu weiteren Thatsachen. cc. Thelytokie. Wir hatten gesehen, dass bei Tieren im Überfiuss eine Mehr- production von Weibchen stattfindet. Bei vielen niedern Tieren tritt zur Zeit des grössten Xahrungsüberflusses sogar das äusser- ste Extrem dieser Erscheinung auf, d. h. es werden nur Weibchen geboren, welche wieder nur Weibchen produzieren, und sofort, solange als der Überfiuss vorhanden ist. Bei dieser denkbar stärksten Vermehrung, welche im allgemeinen zur Zeit des som- merlichen Überflusses stattfindet, fehlen die Männchen überhaupt gänzlich. Jedes Tier gebärt als Weibchen, wenn möglich vivipar, Junge, die wieder weiblich und oft sogar schon bei der Geburt wieder trächtig sind und so fort in kolossaler Vermehrung. Diese kann natürlich nur bei Xahrungsüberfluss nützlich sein und ist auch durch denselben herbeigeführt — vermittelst der Eigen- schaft der Tiere, sich in der Stärke der Reproduction den Er- nährungsverhältnissen anzuschmiegen. Der Überfiuss ist also die Bedingung und die Ursache der thely tokischen Parthenogenesis. Im Herbst, wo infolge des Mangels eine so starke Ver- mehrung im Interesse der Fortpflanzung nicht erwünscht ist, be- merken wir das Auftreten der Männchen. Sobald alsdann die Fortpflanzung durch geschlechtliche Mischung vermittelt wird, ge- hören ja schon a priori stets zwei Individuen zur Reproduction; das Erscheinen der Männchen bewirkt also eine Reduction der Vermehrung und diese ist unter solchen Umständen für die Fort- pflanzung der Tiere nützlich. Die thelytokische Parthenogenesis, bei der sich in- folge von Überfiuss die Weibchen, ohne der Befruchtung zu bedürfen, zur Hervorbringung einer möglichst zahlreichen Nachkommenschaft parthenogenetisch repro- duzieren, unterscheidet sich also gänzlich in Ursache und W irkung von der arrenotokischen, bei der infolge des anomalen Ausfalls der Befruchtung bei einem befruch- - 191 — tungsbedürftigen Weibchen, also bei Mangel an Männchen, eben solche, an denen es fehlt, aus den unbefruchteten Eiern hervorgehn. Die Eigenschaft der Bienen und Wespen, sich ungeschlecht- lich fortpflanzen zu können, ist eine vorbeugende und dient nur dazu, den Mangel an Miinnchen wieder auszugleichen. Die The- lytokie aber tritt bei jedem sommerlichen Überfluss auf und ist von diesem abhängig. Die Männchen fehlen bei ihnen nicht aus- nahmsweise , wie bei den Wespen, trotzdem diese befruchtungsbe- dürftig sind, sondern sie fehlen, weil sie gänzlich überflüssig sind. Die geschlechtliche Mischung ist unnötig, ja sogar schädlich, weil sie eine nicht so starke Vermehrung gestattet als die Thelytokie. Es bleibt nun noch ein Bedenken zu beseitigen. Man könnte einwenden , dass nach der Theorie sich alle Übergänge finden müssten zwischen einer immer stärkeren Production von Weibchen bis zur vollkommenen Herrschaft derselben. Statt dessen zeigt sich wenigstens bei den meisten Arten ein unmittelbarer Übergang von reiner Parthenogenesis zur geschlechtlichen Fortpflanzung. Und zwar sind beiderlei Weibchen sogar verschieden , indem er- stere überhaupt nicht befruchtet werden können. Um diesen scheinbar sehr gerechtfertigten Einwurf zu erle- digen, ist es nötig, noch einmal auf das zurückzugreifen, was im Anfang dieses Kapitels gesagt wurde. Bei Besprechung des Ein- flusses der Nahrungszufuhr auf das Sexualverhältniss der Nach- kommen gelangten wir zu dem Resultat, dass bei eintretendem Überfluss eine stärkere absolute Reproduction und zugleich eine relativ grössere von weiblichen Jungen stattfindet. Mit Hülfe letz- terer tritt dann eine noch grössere Vermehrung ein. Später aber werden infolge des Weibchenüberschusses wieder mehr männliche Individuen geboren. Das Sexualverhältniss wird also wieder das normale. Von einem immer stärker werdenden Überwiegen des weiblichen Geschlechtes oder gar von einem Übergang zur völligen Alleinherrschaft desselben , davon zeigt sich keine Spur. Dennoch muss es einen Weg geben, auf dem die Natur zu diesem Extrem des Sexualverhältnisses gelangt. Fragen wir uns, wodurch bei einem Mangel an Männchen eine Mehrgeburt von männlichen Jungen wieder herbeigeführt wird. Der erste Teil der Arbeit giebt hierauf die Antwort, dass die stärkere geschlecht- liche Beanspruchung der Männchen dies bewirkt. — Giebt es denn kein Mittel, diese trotz factischem Mangel an männlichen Tieren nicht eintreten zu lassen? Gewiss, die ungeschlechtliche Fort- — 192 — pflanzung ! Der unvermittelte Übergang zur Parthenogenesis ! So- bald nämlich Weibchen geboren werden, deren Eier sich unbe- fruchtet entwickeln können, kann eine kolossale Vermehrung stattfinden, ohne dass die etwa noch vorhandenen Männchen stär- ker geschlechtlich beansprucht würden. Jetzt wird es auch begreiflich, warum viele von diesen Jungfernweibchen sogar ihre Befruchtungsfähigkeit eingebüsst haben. Bei einem Weibchen, welches diese noch besitzt, kann das Sperma, das bei der geringen Anzahl und star- ken Beanspruchung der Männchen stark zum männlichen Ge- schlecht bestimmend sein muss, diese Wirkung noch immer aus- üben. Die Tendenz des Samens, das normale Sexualverhältniss wiederherzustellen, kann aber nicht zur Geltung gebracht werden bei einem nicht befruchtungsfähigen Weibchen, welches also, un- beeinflusst von der grossen oder geringen Anzahl der Männchen, Individuen seines eigenen Geschlechts produzieren muss, die sich abermals wieder thelytokisch stark vermehren werden und so fort, so lange dies durch das Vorhandensein des Überflusses ge- stattet ist. Auf diese Weise kann der Überfluss im Interesse der Ver- mehrung der Tiere viele Generationen hindurch ausgenützt werden, ohne dass sich, wie dies für gonochoristisch sich fortpflanzende Tiere gezeigt wurde, in den spätem Generationen das Gleichge- wicht im Sexualverhältniss wiederherstellt. Eine solche Anpassung an die Parthenogenesis findet sich aber niemals bei arrenotokischen Weibchen. Diese sind befruch- tungsfähig und werden auch unter normalen Verhältnissen stets befruchtet. So fand S i e b o 1 d bei der Zergliederung der jungfräulichen aber eierlegenden Polist es weibchen !) nicht nur, „dass die sechs Eierstöcke vollkommen entwickelt waren und Eier von ver- schiedenen Graden der Ausbildung enthielten, sondern dass auch das Receptaculuin seminis in vollkommener Entwickelung vorhan- den, aber durchaus leer war." Bei der Thelytokie hingegen trifft man es sehr häufig (z. B. bei den Daphniden), dass die Sommer-Weibchen ihre Befruch- tungsfähigkeit aufgegeben haben, was nach den angestellten Er- örterungen für eine fortgesetzt starke Vermehrung nützlich ist. x) Siebold, Über die Parthenogenesis der Polistes gallica. Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XX, 1870. — 19.3 — Unterziehen wir die Erscheinung der Thelytokie einer näheren Betrachtung. Es mag mit den so lehrreichen Arthropoden begonnen werden. Die Phyllopoden bieten uns eine Fülle von Beispielen. So tritt uns das Verhalten von Artemia entgegen. Im Sommer legt sie parthenogenetisch Sommereier, aus denen sich sofort wieder Weibchen entwickeln. Bei Eintritt des Mangels im Herbst aber erscheinen auch die Männchen, und es werden dann befruch- tete Wintereier gelegt. Zenker1) fand bei der Beobachtung von Artemia salina in der Greifswalder Saline im Frühling auf 100 Weibchen nur 3 Männchen , im Sommer aber unter Tausen- den nicht ein einziges. Danach scheint also auch im Frühling, wenn der Überfluss noch nicht so stark ist, das männliche Ge- schlecht aufzutreten. Siebold2) beobachtete dieses Tier eben- falls. Jedesmal , wenn die Behälter infolge von Fäulniss des Schlammes oder infolge verkehrter Nahrung, z.B. bei Anwendung von Süsswasserschlamm statt Meeresschlamm, oder infolge von unrichtigem Salzgehalt des Wassers den Tieren ungünstige Lebens- verhältnisse boten , wurden von den Weibchen Wintereier gelegt, während die andern günstiger situierten Sommereier hervorbrachten. Ferner sagt W. E. Seh m ankewitsch 3) über das Auftreten der Männchen bei Artemia: „Bei schneller Veränderung des Salz- wassers wird dasselbe zu einem für das Leben der Art unvorteil- *) Wiegmanus Archiv 1854, B. I, p. 111. 2) Sitzungsberichte d. niath. phys. Cl. d. Münchener Akad. III, 1873. Siebold, Über die Parthenogenesis der Artemia salina. 3) Zeitschrift f. wiss. Zool. , Suppl.-B. zum XXV. B. , 1875. Schmauke witsch macht hierzu folgende Bemerkung, pag. 112. „Schwer ist zu sagen, welches die mittlere Conceutration des Salz- wassers für eine Art von Artemia ist, und zwar deshalb, weil eine etwas verringerte Conceutration dem Wachstum des Individuums zwar günstig ist, dessen Vermehrung aber abschwächt, während eine erhöhte Concentratiou das Gegenteil bewirkt." Hiergegen könnte eingewendet werden, dass diese Vergrösserung oder Verkleinerung der Individuen weniger in einem verstärkten oder verzögerten Wachstum ihren Grund hat, als vielmehr auf Endosmose resp. Exosmose des zu verdünnten resp. zu concentrierten Mediums zurückzuführen ist. Es ist schwer denkbar, dass ein Tier rascher wächst, also scheinbar prosperiert und sich dennoch schwächer ver- mehrt. Von dem besseren Wachstum castrierter Tiere sehe ich na- türlich ab. Das raschere Wachstum in einem ungeeigneteren , dün- neren Medium ist wohl auf diese Weise zu erklären. 13 — 194 — haften Element, welches die Ernährungsweise der Tiere verändert und zugleich in freier Natur das Erscheinen der Männchen bei Formen bewirkt, welchen die Parthenogenesis eigen ist." Bei Apus ist bis jetzt die verschiedene Wirkung von Über- fluss und Mangel auf die Art der Reproduction noch nicht nach- gewiesen, da die Männchen erst seit kurzem entdeckt wurden. Wir gelangen jetzt zu den so wichtigen Fortpflanzungser- scheinungen bei den Cladoceren. Von diesen findet man im Frühjahr und Sommer gewöhnlich nur weibliche Tiere, die sich in zahlreichen auseinander hervorgehenden Generationen partheno- genetisch durch sogenannte Sommer- oder Subitan-eier fortpflanzen. Bei Eintritt des Mangels im Herbst entstehen die Männchen und dann legen die befruchteten Weibchen und nur diese duukelkör- nige, hartschalige Dauer- oder Latenz-eier, von denen jedes nur eine geringe Zahl erzeugen kann. Denn hier kommt es nicht auf Quantität, sondern Qualität derselben an, da sie den Winter über- dauern müssen. Schon durch das Auftreten der Männchen wird die Zahl der durchschnittlich vom Individuum erzeugten Eier ver- mindert. Die parthenogenetische Vermehrung dagegen bewirkte eine möglichst starke Ausnutzung des augenblicklich herrschenden Überflusses. Bei allen Daphniden wird das Sommer-ei durch Vermittelung eines blasigen Gewebes, welches Blut ansaugt uud dem Ei über- führt, stark und rasch ernährt1), wie um eine möglichst starke Reproduction herbeizuführen. Bei Polyphemus2) sind die Sommereier fast dotterlos und bei ihrer Ernährung im Brut-raum wachsen sie auf das zehnfache ihrer frühern Grösse. Wie stark die Vermehrungsfähigkeit solcher Jungferweibchen3) ist, geht aus den Beobachtungen Ramdohrs4) hervor. „Ein Weibchen von Daphnia longispina, welches isoliert gehalten wurde, lieferte in 19 Tagen etwa 190 Junge, und Rani d oh r berechnete daraus die gesammte Nachkommenschaft einer einzigen Daphnia für den Zeitraum von 60 Tagen auf 1291370075 Individuen, eine Zahl, die ich (d. h. Weis mann) bei den sehr massigen Voraussetzungen Ramdohrs mit Gerstäcker eher für zu niedrig halte. Ramdohr x) Weismann, Zur Naturgeschichte der Daphniden, pag. 82. ») 1. c. pag. 130. 3) Dieser Ausdruck ist von Weismann eingeführt. 4) Mikrographische Beitrüge zur Entomologie und Helmintholo- gie. 1. Beiträge zur Naturgeschichte einiger deutschen Monoclus- Arten. Halle 1805. Citiert von Weismauu, 1. c. p. 187. — 105 — zeigt« auch durch Versuche, in denen stets ein einzelnes Tier jeder Generation von Greburl au isoliert gelullten wurde, dass von Juni Ms in den September zehn auseinander hervorgehende Genera- tionen rein weiblich waren, dass aber die elfte auch Männchen enthielt." Die Wintereier, an Zahl gering, bilden sich viel langsamer und unter viel tiefer greifenden Resorptionsvorgängen im Ovarium (Leptodora, Moina). Sie sind weit vollkommener, erhalten keine solche Nahrungszufuhr von aussen, wie dies bei den zartwandigen Sommereiern der Fall ist. Ihr Dotter ist bedeutender, wie auch die Schale, welche bei vielen noch durch ein von der Mutter ab- gesondertes Ephippium verstärkt wird. Bei Moina1) z. B. „geht das Sommerei aus einer einzelnen Keimgruppe hervor, das Wiuterei aber bedarf einer grossen An- zahl von Keimgruppen, von denen eine die Eizelle enthält, welche durch alle übrigen ernährt wird. Es sind hierzu 48 Keimzellen nötig." Bei Daphnella2) besitzt das Winterei eine kolossale Grösse, da es 0,7 mm in der Länge misst, während das Tier 1,0 mm lang ist. Daher wird auch stets nur ein Ei in dem einen Eier- stock ausgebildet, während der andere die Anlage eines solchen enthält. An Sommereiern hingegen werden in jedem Ovarium bis zu drei gleichzeitig gebildet, da sie bedeutend kleiner sind. Die Sommereier werden also in grösserer Zahl produziert und bilden sich weit rascher aus. Alles dies sind nützliche Einrich- tungen, welche die Vermehrung während des Überflusses noch verstärken helfen. Es war bereits früher theoretisch erörtert worden, dass eine Mehrproduction von Weibchen besonders für solche Tiere nützlich ist, welche rasch geschlechtsreif werden, bei denen also diese Weibchen zur Verstärkung der Vermehrung beitragen können, so lange der Überfluss noch andauert. Bei den Daphniden und den später zu besprechenden Tieren sehen wir nun, dass die Sommer- generationen die Eigenschaft erlangt haben, rascher geschlechts- reif zu werden. Bei Evadne sind z. B. die noch im Brutraura befindlichen Jungen vor der Geburt schon trächtig (Claus). Spencer3) macht darauf aufmerksam, dass, wie die ge- ringere Zahl der befruchtungsfähigen Eier zeigt, die Nahrungs- 1) 1. c. pag. 98. 2) 1. c. pag. 108. 3) Principieu der Biologie. Übers, v. Vetter, pag. 249. 13* — 196 — menge, welche während einer gegebenen Periode auf die Gamo- genesis verwendet wird, bedeutend geringer ist als die Masse, welche während der gleichen Periode zur Agamogenesis verwendet wird. „Wir sehen, dass die Agamogenesis durch die grosse Menge ihrer Producte einen beträchtlichen Überschuss der Ernährung erfordert, während die Gamogenesis nur eines kleinen Überschusses der Ernährung bedarf; und somit können wir kaum daran zweifeln, dass die eine oder andere Fortpflauzungsweise eintritt, jenachdem die äussern Bedingungen für die Ernährung günstig sind oder nicht." Obwohl Spencer zu dem richtigen Resultat gekommen ist, so war doch wohl die Art und Weise, wie er schloss, nicht ganz zutreffend. Bei besserer Ernährung kann eine stärkere Ver- mehrung eintreten. Aber es wurde schon früher darauf hinge- wiesen, dass ja auch alle übrigen Teile des Körpers, z.B. die Sinnesorgane, auf Ernährungsschwankungen reagieren könnten. Dies thun sie aber nicht. Es ist vielmehr eine besondere nütz- liche Eigenschaft, dass gerade der Genitalapparat so empfindlich gegen Veränderungen der Ernährung ist, dass die Reproduction also den Existenzbedingungen gemäss reguliert wird. Beobachtungen über Entstehung des Geschlechtes bei den Cladoceren sind schon sehr viele angestellt worden. Nach Zenker finden sich auch im Frühjahr einzelne Männchen, wie bei Artemia. Der eigentliche Überfluss fällt ja erst in den Sommer. W. Kurz '), der eine grosse Menge Cladoceren Böhmens untersuchte, bemerkte, dass die Männchen nicht blos im Herbst, sondern auch zuweilen im Frühjahr, im April, auftreten. Selbst mitten im Sommer fand er Männchen, aber nur in Tümpeln, die dem Austrocknen nahe waren. Dies brachte ihn auf die Idee, den Vorgang des Aus- trocknens künstlich nachzumachen, was ihm auch vollständig ge- lang. Er kam zu dem Schluss, dass erst dann Männchen produ- ziert werden , wenn das Wasser „zum Lebensunterhalt quantitativ oder qualitativ unzureichend wird. Dieses tritt ein, wenn 1. das WT asser austrocknet, 2. sich chemisch ändert, 3. einen unzuträg- lichen Temperaturgrad erreicht" oder allgemein ausgedrückt, wenn die Prosperität abnimmt. Auf diese Weise erhielt er über 40 bis dahin unbekannte Männchen 2). Beim ersten Auftreten der Mäun- ») Sitzungsberichte d. k. Ak. d. Wiss. Wien 1874, LXIX. 2) Sitzungsberichte d. k. Ak. d. Wiss., Wien 1875, LXX, pag. 7. Kurz, Dodekas neue Cladoceren nebst einer kurzen Übersicht der Cladocerenfauna Böhmens. — 197 — chen fand er auch Zwitter, worauf die Besprechung weiter unten noch einmal zurückkommen wird. Auch Schmankewitsch ') kam bei der künstlichen Züchtung nicht isolierter Weibchen von Daphnien zu dein Resultat, dass die Männchen erst an den äusser- ten Grenzen der für das Leben der Art günstigen Beschaffenheit des umgebenden Elementes erscheinen, z. B. sowohl bei zu niede- rer als zu hoher Temperatur. „Züchtet man die Süsswasserart Daphnia magna Leydig in schwach salzigem Wasser, welches dieselbe gut verträgt , so erscheinen bei dieser nach verhältnissmässig schneller Erhöhung der Conceutration des Salzwassers die Männchen und befruchtete Eier. Die Daphnia rectirostris hört mitten im Sommer bei zu starker Conceutration des Salzwassers auf, sich parthenogene- tisch zu vermehren und trägt wie vor dem Winter befruchtete Eier. Überhaupt rief ich während der künstlichen Zucht bei der Daphnia das Erscheinen der Männchen sowohl durch rasche Ver- stärkung der Concentration , als auch durch schnelle Erhöhung der Temperatur hervor." Soweit Schmankewitsch; etwas hinzuzufügen, dürfte wohl unnötig sein; diese Experimente sind beweisend. Die Versuche von Weismann können erst später besprochen werden. Ein weiteres treffendes Beispiel bieten uns die Aphiden. Im sommerlichen Überfluss pflanzen sich diese parthenogenetisch fort. Die Weibchen entbehren sogar des Receptaculums. Es ist also bereits eine vollständige Anpassung an den Ausfall der Be- fruchtung eingetreten. Die Eier entwickeln sich in den langen Eileitern und die Jungen werden lebendig geboren. Bei eintre- tendem Mangel entstehen Männchen und begattungsfähige Weib- chen. Auch hier sollen Männchen im Frühjahr nachgewiesen worden sein, nämlich durch Derbes für Pemphigus terebinthi. Wir sehen also die grösste Ähnlichkeit mit den Vorgängen bei den Daphniden. Dass die Thelytokie bei den Aphiden nur durch den Überfluss hervorgerufen ist, mit ihm entsteht und vergeht, ist durch verschiedenfache Experimente bewiesen worden 2). Bonnet (1732) sah neun Sommer-Generationen einander folgen. Kyber hielt Kolonien von Aphis Rosae und Dianthi in einem ge- !) Zeitschrift f. wiss. Zool., Suppl.-B. z. XXV. B. 1875. 2) Kosmos, B. VII, p. 309. — 198 — heizten Zimmer und sah sie während vier Jahre sich fortpflanzen, ohne dass sie eine einzige geschlechtliche Generation hervor- brachten. „Die Geschwindigkeit der agamischen Vermehrung wäh- rend der ganzen Periode aber war direct proportional der Summe von Wärme und Nahrung, welche ihnen zugeführt wurde"1). Ebenso wie man mittelst der künstlichen Verlängerung des Über- flusses die parthenogenetische Fortpflanzung verlängern kann, so kann man sie auch durch künstlich herbeigeführten Mangel ab- kürzen. Landois2) gelang es, durch allmählich herbeigeführte Kälte und künstliches Absterbenlassen der Xahrungspflanzen die lebendig gebärenden Blattläuse zum Verschwinden und dafür die geschlecht- liche Generation zum Auftreten zu bringen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Phylloxera. Im Früh- ling und Sommer sehen wir 5 bis 8 parthenogenetisch sich fort- pflanzende Generationen. Im Herbst aber werden Eier gelegt, grosse und kleine. Aus ersteren gehen Weibchen hervor, aus letzteren darmlose Männchen. Nach der Begattung legen die Weibchen nur ein einziges Winterei ab. Experimente sind noch nicht angestellt worden der grossen Schädlichkeit der Tiere wegen. Ein besonders bemerkenswertes Verhalten zeigt sich uns unter den Schmetterlingen bei Bombyx mori. Die Eier können sich parthenogenetisch entwickeln und liefern Junge, deren Ge- schlecht ungefähr gleich verteilt ist. Hierzu eignen sich aber nur die im Sommer gelegten Eier. Diese zeigen auch kein Latenzstadium , sondern entwickeln sich sofort, sie können daher wohl auf den Xamen Sommer- oder Subitan-eier Anspruch machen 3). Zur Überdauerung des Winters eignen sich nur solche Eier, die aus geschlechtlicher Vermischung hervorgegangen sind, aus unbefruchteten entwickelt sich im Winter niemals eine Raupe. Wir haben also hier die erste Entstehung der thelytokischen Par- thenogenesis. Befruchtungsfähige, aber nicht befruchtete Eier x) Citiert von Spencer, Principien der Biologie, übers, v. Vetter, Band 2 , pag. 502. 2) Zeitschrift f. wiss. Zool. XVII, 1867. Landois, Über das Gesetz der Eutwickelung der Ge- schlechter bei den Insecten. Siebold, Zusatz hierzu, pag. 529. 3) Hensen, Phys. d. Zeugung, pag. 164 (Hermanns Handb. d. Phys.). Annales d. sc. nat., T. XII, 1859, p. 312. Barthelemy, „Etudes et Considerations generales sur la Parthenogenese". — 199 — entwickeln sich entweder gar nicht oder nur zu Männchen; hört alier die Befruchtungsbedürftigkeit infolge des Eintritts von Über- fluss allmählich auf, wie es bei Bouibyx im Sommer der Fall ist, so entstehen auch Weibchen ; denken wir uns den Überfluss ge- steigert, so würden immer mehr Weibchen auftreten, bis wir zu- letzt zu einer vollständig thelytokischen Parthenogenesis gelangen würden. Dieselbe Erscheinung zeigt auch die Geschlechtsproduction von Nematus ventricosus. W enn bei einem künstlichen Mangel an Männchen die Eier sich unbefruchtet entwickeln, so entstehen fast nur Männchen. Aber es treten doch auch einige Weibchen auf und zwar nur während des Überflusses, im Früh- ling und Herbst nicht. Es ist dies also die erste Neigung der Arrenotokie, in Thelytokie überzugehen, bewirkt durch Nahrungs- überfluss. Die Tabelle, welche bei Besprechung der Arrenotokie gegeben wurde und welche die Resultate der Experimente Sie- bolds wiedergiebt, zeigt dies sehr deutlich. Deu umgekehrten Process haben wir im Herbst bei den Aphiden, Daphnien und verwandten Tieren gesehen. Im Sommer war infolge des Überflusses keine Befruchtungsbedürftigkeit vor- handen, vielmehr vermehrten sich die Tiere mittelst fortgesetzter Parthenogenesis. Im Herbst aber ist dies nicht mehr möglich und wir sehen daher die Tiere in die Fortpflanzungsart von Bombyx eintreten , sie produzieren parthenogenetisch beide Ge- schlechter. Bei Liparis dispar, ebenfalls zu den Bombycinen gehö- rig, soll dieselbe Art der Parthenogenesis wie bei Bombyx beob- achtet sein. Von Psyche wurde das Männchen erst vor kurzem in den Alpen aufgefunden ' ). Letzteres ist auffallend kleiner , so dass Claus 2) an den Raupen die Geschlechter bereits erkennen konnte. Auf die Ernährungsverhältnisse hat man bis jetzt nicht geachtet. VonSolenobia triquestrella, zu den Tiueiden 3) gehörig, wurde das Männchen lange vergeblich gesucht. Alle künstlich gepflegten Generationen lieferten nur Weibchen, bis endlich die 1) Siebold, Beiträge zur Parthenogenesis der Arthropoden. Leipzig 1871. IV. Zur Parthenogenesis der Psyche Helix, pag. 132. ») Zeitschrift f. wiss. Zool., XVII. B., 1867. Claus, „Über das Männchen von Psyche Helix", pag. 475. 3) Siebold 1. c. V. Zur Parthenogenesis der Solenobia tri- questrella und Lichenella, pag. 148. — 200 — Männchen in der Natur gefunden wurden und zwar alle in dem- selben Landstrich, im Reichswald bei Erlangen und Nürnberg. Die Weibchen dieser Tiere sind noch befruchtnngsfähig und zwar erweist sich die Befruchtung ohne Einfluss auf das Geschlecht; denn, wieRolph1) erwähnt, schlüpften aus 14 befruchteten Eiern einer Solenobia 14 Weibchen aus. Es geht hieraus also klar her- vor, dass es nicht das Ausbleiben der Befruchtuug ist, welches die Thelytokie herbeiführt. Eine Zeit lang war man nämlich der Ansicht, dass bei einigen Tieren die Nichtbefruchtung zum männlichen, die Befruchtung zum weiblichen Geschlecht bestimme, dass bei andern aber umgekehrt die Nichtbefruchtung zum weiblichen, die Befruchtung zum männ- lichen Geschlecht bestimme. Die erstere Ansicht ist richtig, da die Nichtbefruchtung, die einem Mangel an Männchen entspricht, zum männlichen Geschlecht bestimmt und umgekehrt. Die zweite Ansicht indessen wird durch die Thatsachen widerlegt. Wrenn die thelytokischen W7 eibchen erst der Befruchtung bedürften, um männ- liche Tiere hervorzubringen, so könnten, wenn kein Männchen im Sommer z. B. bei den Aphiden mehr vorhanden ist, auch im Herbst keine wieder produziert werden, was doch geschieht. Bei der Thelytokie ist es also im Gegensatz zur Arrenotokie nicht der Ausfall der Befruchtung, sondern ein ganz anderes Mo- ment, welches die Bestimmung des Geschlechtes bedingt. Und zwar ist es, wie gezeigt wurde, die schwankende Ernährung. Wäh- rend bei der Arrenotokie es sich nur um Befruchtung oder Nicht- befruchtung bei der Entstehung des Geschlechtes handelt, ist bei der Thelytokie ein anderer Umstand massgebend; denn aus den unbefruchteten Eiern gehen je nach der Ernährung nur Weibchen oder beide Geschlechter hervor. In dieser Verschiedenheit der Ursachen liegt der fundamentale Unterschied von Thelytokie und Arrenotokie. Von den C y n i p i d e n züchtete H a r t i g 2 ) durch künstliche Pflege von einer Art gegen 10000, von einer andern gegen 400 Individuen, ohne ein Männchen zu erhalten. Die jedenfalls sehr gut genährten Weibchen machten sich gleich nach dem Ausschlü- pfen daran, schon wieder Eier zu legen, die sich wieder zu Weib- chen entwickelten und sofort in ausserordentlicher Vermehrung. Dasselbe bestätigen andere Forscher. !) Rolph, Biologische Probleme, pag. 112. 2) Seidlitz, Die Parthenogenesis und ihr Verhältniss zu den übrigen Zeugungsarten im Tierreich. Leipzig 1872, p. 23. - 201 — Die weiblichen Gallwespen Spathegaster liaccarum1) legen im Herbst befrachtete Eier, aus denen im Frühjahr andere Weibchen hervorgehen, die sich infolge des sommerlichen Über- flusses parthenogenetisch vermehren. Dass nun diese continuirliche Weibchenprodnction nur eine Folge des Überflusses ist, geht dar- aus hervor, dass man durch künstliehe Mittel eine scheinbar un- begrenzte Zahl von Generationen viviparer Weibchen aufeinander folgen lassen kann, indem man einfach den ÜberHuss durch Zu- fuhr von Wärme und Nahrung beliebig lang unterhält. Im Freien dagegen erzeugen die viviparen Weibchen im Herbst bei eintreten- dem Mangel Männchen und Weibchen, die alsdann überwinternde Eier ablegen. Mit Hülfe der folgenden Beobachtungen von Adler2) mag noch einmal der Unterschied zwischen Arrenotokie und Thelytokie erläutert werden. „Ptero malus puparum legt seine Eier in die Puppen verschiedener Tagfalter, wie Vanessa Io, polychloros, urticae, Pieris rapae etc. Eine einzige Puppe liefert oft hundert und mehr die- ser kleinen Wespen, so dass es nicht schwer ist, sie in genügender Zahl zu ziehen. Da bei diesen Zuchten die Männchen regelmässig zuerst erscheinen, ausserdem leicht von den Weibchen zu unter- scheiden sind, so kann man ohne Schwierigkeit die Geschlechter trennen und eine Copula verhindern. Bringt man dann die un- befruchteten Weibchen auf Tagfalter-Puppen, so beginnen sie ge- wöhnlich bald dieselben anzustechen. Ich habe diese Versuche mehrfach angestellt und dabei im Allgemeinen das Resultat erhal- ten, dass von den unbefruchteten Weibchen vorzugsweise nur Männchen erzeugt werden. Ich lasse die Resultate eines Versuches folgen. Im Frühjahr 1876 hatte ich eine Anzahl Puppen von Pieris Brassicae eingesammelt, welche von Pteromalus puparum ange- stochen waren. Gleichzeitig hatte ich Raupen von Vanessa urti- cae gezogen, welche sich im Juni verpuppten. Diese Puppen wur- den von unbefruchteten Weibchen angestochen. Um ganz sicher zu sein, hatte ich nachher noch das Receptaculum seminis unter- sucht und wusste desshalb mit Bestimmtheit, dass eine Copula 1) Handbuch d. vergl. Embryologie v. Fr. H. Balfour, 1. B., 2. Hälfte, p. 406. *) Zeitschrift für wiss. Zool. XXXV, 1881, pag. 241. Adler, Über den Generationswechsel der Eichen-Gallwespen. — 202 - nicht stattgefunden hatte. Die angestochenen Puppen lieferten folgendes Resultat : 1. Puppe: 124 . Genan ebenso benimmt sich die un- chlechtliche Generation. Audi diese Weibchen schieben ihren Stachelapparat hervor und verbleiben eine Zeil lang in dieser Stel- lung, wie wenn sie die Copula abwarteten. Infolge des Mangels an Manuellen tritt aber keine Befruchtung ein und aus den Eiern gehen mehr Männchen hervor als aus den befruchteten, die sieh ja Bämmtlich weiblich entwickelten. Es wirken also hier zwei Mo- mente nach derselben Richtung. Aus den befruchteten Eiern gehen gut ernährte Larven hervor und bilden sich zu Weibchen aus. Die infolge von Mangel an Männchen unbefruchtet gebliebenen Eier liefern Larven, die weniger gut ernährt werden. Aus ihnen gehen Männchen und Weibchen hervor. Dies sind die allgemeinen Lebensverhältnisse, wie sie für fol- gende Wespen gelten: Xeuroterus lenticularis und Spathegaster baccarum, X. laeviusculus und S. albipes, X. numismatis und S. vesicatrix, X. fumipeiinis und S. tricolor; Aphilotrix radicis und Andricus noduli, Aph. Sieboldii und An. testaeeipes, Aph. corticis und An. geminatus, Aph. globuli und An. inflator, Aph. collaris und An. curvator, Aph. feeundatrix und An. pilosus, Aph. colli- doma und An. cirratus, Aph. Malphigii und An. nudus, Aph. au- tumnalis und An. ramuli, Diophanta scuttelaris und Spathegaster Taschenbergi, D. longiventris und S. similis, D. divisa und S. verru- cosus, Biorhiza aptera und Teras terminalis, B. renum und Trigo- naspis crustalis, Neuroterus ostreus und Spathegaster aprilinus. Der erste Xame bedeutet die parthenogenetische, der zweite die ge- schlechtliche Generation. Dieser Generationswechsel dauert bei einigen ein Jahr, bei andern zwei bis drei Jahre. Von Aphilotrix seminationis, A. marginalis, A. quadrilineatus , A. albopunetata ist bis jetzt nur die ungeschlechtliche Fortpflanzung bekannt. Trotzdem nun bei den übrigen Tierclassen die geschlechtlichen Verhältnisse noch wenig aufgeklärt sind, so bemerken wir doch eine grosse Übereinstimmung mit den besprochenen Erscheinungen bei den Arthropoden. Unter den Würmern sehen wir bei den Rhabdocoelen Turbellarien l) die Einrichtung von Sommer- und Wintereiern. Die im Überfluss produzierten Sommereier sind durchsichtig, von einer zarten Hülle umgeben und entwickeln sich bereits im mütterlichen Körper; es liegt also die grösste Analogie mit den Vorgängen bei den Daphniden und andern vor. Die 1) 14. Jahresbericht der Oberhess. Ges. f. Natur- u. Heilkunde. Schneider, Untersuchungen über Plathelminthen. — 200 — Wintereier dagegen sind hartschalig und werden nach geschlecht- licher Mischung produziert. Experimente über den Einfluss der Nahrung auf die Art der Reproduction sind noch nicht angestellt. Die Reproductionsverhältnisse bei den R ä d e r t i e r e n sind bereits besser bekannt. Im sommerlichen Überfluss pflanzen sie sich parthenogenetisch mittelst dünnschaliger Sommereier fort. Bei Eintritt des Mangels geht aus ihnen auch das Geschlecht des Manuel-, die Männchen, hervor, welche sehr viel kleiner sind, keine Nahrung aufnehmen und nur kürzt; Zeit leben. Alsdann legen die befruchteten Weibchen dickschalige, oft dunkler gefärbte Winter- eier, die noch mit einer zweiten äusseren Schale umgeben sind. Bei Hydatina Senta kann gleich an der Form der Eier erkannt werden . welches Geschlecht sich hieraus entwickeln wird. Die weiblichen sind bedeutend grösser als die kleinen männlichen. Ehrenberg hielt daher die beiden Geschlechtstiere für ganz ver- schiedene Tiere. Nach Colin ' ) findet man die Männchen im Früh- ling und besonders im Herbst, die Weibchen im Frühling und be- sonders im Sommer. Wintereier werden daher auch während des Mangels im Frühling erzeugt, obwohl spärlicher als im Herbst. Merkwürdig ist, dass eine Mutter stets nur einerlei Eier produ- ziert, in einem Tier scheinen also alle vorhandenen Eier gleich stark ernährt zu werden. Von den Wintereiern werden, wie man erwarten konnte, auch weniger erzeugt, von Conochilus Volvox z. B. stets nur eins2). Cohn3) stellte auch Versuche an durch Isolieren der Kolonien; er sagt darüber: „Ohne Zweifel erleiden die Kolonien durch die Kultur im kleinen Räume eine Verände- rung vermutlich durch Mangel an hinreichender Nahrung, welche sich zunächst dadurch äussert, dass die Kolonien weniger zahl- reich, die Tiere bedeutend kleiner werden und meist unentwickelte Eierstöcke enthalten. Dabei vermehrt sich die Zahl der Winter- eier auffallend; dazwischen werden einzelne männliche bemerkt; doch fehlen die Sommereier nicht gänzlich. Frisch gefangen tru- gen die Conochilus-Weibchen dagegen der Mehrzahl nach nur weib- liche Sommereier, doch auch dazwischen fanden sich vereinzelte Tiere mit männlichen Eiern." Diese Experimente sind sehr über- 1) Zeitschrift f. wiss. Zool., 7, 1856. Colin, Über die Fort- ptlanzuDg der Rädertiere. 2) Zeitschrift f. wiss. Zool., XII, 1863. Cohn, Bemerkungen über Rädertiere. 3) Zeitschrift f. wiss. Zool., XII, 1863. Cohn, Bemerkungen über Rädertiere. — 207 — zeugend. Bei höhlenbewohnenden Rädertieren fand sich kein Un- terschied zwischen Winter- und Sommereiern. Ks lässt sich dies wohl darauf zurückführen, dass für sie ein Wechsel der Jahres- zeiten uar nicht oder nur wenig hervortritt ' >. Bei Generationswechsel finden wir häufig eine frei leitende und eine parasitirende Generation. Zeigt sich nun Parthenogene- sis, so wird sich diese bei den besser genährten Parasiten linden. Kin Beispiel für diese Heterogonie bietet uns Ascaris ni- grovenosa. Die geschlechtliche Rhabditisgeneration lebt im schlammigen Wasser. Aus der befruchteten Mutter entwickeln sich 2—4 Embryonen, welche später durch den Mund in die Lunge des Frosches gelangen. Hier in der Lunge inmitten des Blutes eines höheren Tieres herrscht jedenfalls ein grösserer Überfluss an Nahrung als im schlammigen Wasser. Es darf uns daher nicht wundern, dass das Tier hier parthenogenetische Brut erzeugt; diese gelangt später durch den Darm wieder nach aussen. Aus alle den angeführten Thatsachen geht folgendes als unzweifelhaft hervor. Bei der Parthenogenesis sind hauptsäch- lich zwei Momente von Einfluss auf die Entstehung des Ge- schlechtes. Der Ausfall der Befruchtung bei einem anomalen Man- gel an Männchen und bei ungefähr gleichbleibenden Ernährungs- verhältnissen bewirkt eine fast ausschliessliche Production von Männchen (Arrenotokie). Diese gewährt den Nutzen, den Mangel an Männchen sofort wieder auszugleichen. Der Überfluss dagegen führt wie immer so auch hier eine Mehrgeburt von W eibchen her- bei. Bei einigen Tieren sehen wir daher, wie unter normalen Er- nährungsverhältnissen und einem Ausfall der Befruchtung fast nur Männchen erzeugt werden. Unter günstigen Bedingungen treten dagegen auch Weibchen auf, und zwar desto mehr, je günstiger die Existenzbedingungen beschaffen sind. Denken wir uns die Wirkung des Überflusses immer stärker werdend, so haben wil- den Übergang zur Thelytokie. Es werden nur Weibchen geboren und eine kolossale Vermehrung tritt ein. Dies findet jedoch nur so lange statt, als die Ursache dazu, nämlich der Überfluss, an- dauert. Hört dieser auf, so verschwindet auch seine Wirkung. Aus den unbefruchteten Eiern gehen nicht mehr ausschliesslich Weibchen, sondern auch Männchen hervor. Unter ungünstigeren Verhältnissen, wenn die Wirkung des Überflusses ausfällt, beginnt *) Zool. Anzeiger, 1879. Joseph, Zur Kenntniss der in den Krainer Tropfsteingrotten einheimischen Kädertiere, p. 61. — 208 — die Wirkung des Ausfalls der Befruchtung, die einem Mangel an Männchen entspricht, wieder hervorzutreten. Mit dem Überfluss verschwindet die Thelytokie und es finden Männchengeburten statt. Denken wir uns diese immer weiter gehend , so würden wir zur Arrenotokie gelangen. Arrenotokische wie thelytokische Partheno- genesis sowie auch die Übergänge von der einen zur andern haben wir in der Natur vorgefunden. Und gerade diese Übergänge zeig- ten uns unzweifelhaft, dass es der Überfluss ist, welcher die The- lytokie, und der anomale Mangel an Männchen, der die Arreno- tokie herbeiführt. dd. Knospung und Teilung. An die Erörterung der Thelytokie soll sich die der Knospung und Teilung anschliessen; denn auch sie ist eine ungeschlechtliche Vermehrung und als solche von den Ernährungsverhältnissen ab- hängig. Auch in bezug auf die Zahl der Männchen herrschen diesel- ben Verhältnisse wie bei der Thelytokie. Es kann eine starke Vermehrung stattfinden, ohne dass die Männchen stärker ge- schlechtlich beansprucht würden und hierdurch das normale Sexual- verhältniss wiederherstellen könnten. Der anomale Weibchenüber- schuss kann also bestehen bleiben. Und mit Hülfe desselben findet während des Überflusses eine ausserordentlich starke Vermehrung statt. Bei den Chaetopoden findet geschlechtliche sowohl wie ungeschlechtliche Fortpflanzung statt; indessen sind die Ernäh- rungsverhältnisse noch vollständig unaufgeklärt. Nach einigen Autoren soll bei den Naiden die ungeschlechtliche Knospung im Frühling und Sommer stattfinden , im Herbst dagegen das Ge- schlechtssystem sich ausbilden. Nach Semper1) sollen jedoch beide Fortpflanzungsarten das ganze Jahr hindurch nebeneinander vorkommen. Auch bei Chaetogaster fand er dies. Indessen scheint die Knospung im Sommer stärker zu sein, er fand näm- lich im August und September fast nur Zooide mit 4 Rumpfseg- menten, im October meist solche mit 3, im Frühjahr wieder solche mit 4 und im Juni sogar eins mit 5 Segmenten. Experimente über ungeschlechtliche Fortpflanzung sind mit Hydra vielfach angestellt. In der Natur findet diese, die Knos- !) Arb. a. d. Zool. Inst, zu Würzburg. IV. B., 1877 — 1878. Semper, Beiträge zur Biologie der Oligochaeten. — 209 — pung, nur im Frühling und Sommer statt, im Herbst aber zur Zeit des Mangels tritt die geschlechtliche Fortpflanzung auf. Die Knospenbildung hört auf und an Stelle derselben entstehen Eier. Schon oben wurde erwähnt, wie sehr die Stärke der Knospung von der Nahrungszufuhr abhängig ist. Mars hall1) hat gezeigt, dass bei sehr gut ernährten Individuen sogar eine unnatürlich starke Knospuug eintritt. Lässt man die Tiere dagegen hungern, so hört diese sofort auf und die schon gebildeten Knospen können sogar wieder resorbiert werden. Bei guter Ernährung findet stets ungeschlechtliche, niemals aber geschlechtliche Fortpflanzung durch Eier statt. Erst im Herbst tritt diese ein, wenn die Süsswasser- krebschen, die ihr Futter bilden, anfangen weniger häufig zu werden. Knospung verbunden mit Generationswechsel fin- det sich bei den Salpen. Die eine Generation vermehrt sich ungeschlechtlich, die andere aber mittelst Geschlechtsproducte. Es drängt sich die Vermutung auf, dass die beiden Generationen unter verschiedenen Ernährungsbedingungen leben. Und in der That ist ein solcher Schluss gerechtfertigt. Wenn man ein s o 1 i t ä r lebendes Individuum mit einer Gruppe von solchen in bezug auf die Ernährungsverhältnisse vergleicht, so ergiebt sich, dass infolge der Concurrenz, die sich letztere gegenseitig machen, jedes einzelne Tier viel weniger Nahrung erhalten kann, als wenn es für sich allein lebte. Bei den Salpen scheint auch die Grösse der Tiere dadurch bedingt zu sein. Die schlechter genährten Kettensalpen sind bedeutend kleiner als die wohlgenährten grossen solitären Tiere. Damit in Übereinstimmung steht auch die Art der Repro- duetion. Die prosperierende solitäre Generation vermehrt sich auf ungeschlechtlichem Wege, die weniger gutgenährten Kettensalpen dagegen erzeugen die beiden Geschlechtsproducte. Es sind dies also dieselben Erscheinungen, wie wir sie bereits bei Ascaris nigro- venosa kennen gelernt hatten. Die im Überfluss lebende Generation vermehrt sich parthenogenetisch, die weniger gut genährte dagegen pflanzt sich geschlecht- lich fort. Noch bei einer grossen Menge von Tieren ist ein Wechsel x) "William Marshall, Über einige Lebenserscheinungen der Süsswasserpolypen und über eine neue Form von Hydra viridis. Z. f. w. Z. XXXVII, 4. Heft, p. 668. 14 — 210 — von ungeschlechtlicher und geschlechtlicher Fortpflanzung bekannt, z.B. bei den Coelenteraten, aber über ihre Er nährungs Ver- hältnisse wissen wir so viel wie nichts. Bis jetzt hat die Mor- phologie allein die Forscher so in Anspruch genommen, dass sie den Lebensverhältnissen der Tiere nur wenig Beachtung schenken konnten. Indessen tritt uns bei einem Teil der Coelenteraten eine sehr interessante Erscheinung entgegen. Bei den Hydroidmedusen haben wir Polypenstöcke, welche sich ungeschlechtlich durch Knos- pung vermehren. Diese ungeschlechtlich erzeugten Individuen bleiben also an derselben Örtlichkeit. Ausserdem entstehen aber auch Geschlechtstiere (Gonophoren) , welche sich ablösen und die Geschlechtsproducte fort an andere Örtlichkeiten tragen. Der Theorie nach findet die ungeschlechtliche Fortpflanzung dann statt, wenn an dieser Stelle Überfluss herrscht. Damit in Übereinstim- mung steht die Erscheinung, dass diese ungeschlechtlich erzeugten Individuen auch in der That an diesem Orte bleiben, wo sie dann leben und gedeihen werden. Der Theorie nach muss dagegen ge- schlechtliche Fortpflanzung eintreten, wenn die Örtlichkeit weniger günstig ist zur Ernährung von noch mehr Individuen. Dies steht in Übereinstimmung mit der Erscheinung, dass die geschlecht- lich erzeugten Individuen an ganz andere Stellen getragen werden und dort aufwachsen. Diese Tiere fliehen also so zu sagen die ungünstigen Örtlichkeiten. Bei den meisten wird die eine oder andere Fortpflanzungsart nicht ausschliesslich auftreten, sondern beide nebeneinander stattfinden. Je nach den Verhältnissen wird alsdann bald mehr die eine, bald mehr die andere in den Vorder- grund treten. — Wir werden später dieselbe Erscheinung auch bei den Pflanzen wiederfinden. Der Gegensatz zwischen Teilung und geschlechtlicher Fort- pflanzung tritt uns bei den Protisten entgegen, wenn die Con- jugation als eine solche angesehen werden kann. Für die niedern Algen wenigstens, von denen besonders die Rede sein wird, ist dies als ganz unzweifelhaft festgestellt. Wenn es also richtig ist, dass die Conjugation der geschlecht- lichen Verbindung entspricht, so wird sie unter ungünstigen, die Teilung aber unter günstigen Verhältnissen eintreten. Experimente sind bereits angestellt und sprechen zu Gunsten dieser Ansicht. Strassburger1) beobachtete, dass Schwärm- *) von Rolph citiert, Biologische Probleme, pag. 52, 98. — 211 — sporen, obwohl sie auf sehr verschiedene Lichtstärken abge- stimmt sind, doch alle die Dunkelheit fliehen. Im Hellen setzen sie sich fest, teilen und conjugieren sich. Im Dunkeln bleiben sie in steter Bewegung, magern zum Erbarmen ab und werden so kraftlos, dass sie auf den Boden sinken und zu Grunde gehn. Nur solche Schwärmer, welche geschlechtlich differenziert sind und sich conjugieren, kommen zur Ruhe. Hieraus geht hervor, dass die geschlechtliche Verbindung im Zustande des Mangels für die Fortpflanzung nützlich und in diesem Falle sogar notwen- dig ist. Ulothrix zonata pflanzt sich mittelst Schwärmsporen fort, die sich festsetzen und zur Alge werden. Nur im Frühjahr, wo doch jedenfalls noch Mangel herrscht, werden statt vier Sporen deren mehrere aber kleinere geliefert, welche nur dann zu einer normalen Alge auswachsen können, wenn sie sich geschlechtlich verbunden haben. Später zur Zeit des Überflusses werden vier grössere Sporen gebildet, die sich festsetzen und zur Alge wer- den. Im Überfluss ist also ungeschlechtliche Fortpflanzung einge- treten. Everts1) stellte Beobachtungen über Vorticella nebu- lifera an. „Bei einem Versuche nämlich, zu erfahren, wie sich Vorticellen unter allmählichem Austrocknen des Wassers, in dem sie leben , verhielten , erstaunte ich nicht wenig , als ein äusserst lebhaftes Conjugieren eintrat, nachdem bereits ein Teil des Was- sers verdunstet war. Ich prüfte sogleich das Wasser, aus welchem meine Versuchs- tiere genommen waren , fand aber dort keine Spur von Conjuga- tionsvorgängen ; so lag nun die Vermutung nahe, dass die Ver- dunstung des Wassers einen Anstoss zur Conjugation gegeben habe. Wiederholte Versuche ergaben stets das nämliche Resultat, und es wurde dadurch meine Vermutung, dass Wassermangel zu einer Conjugation Veranlassung gebe, ausreichend bestätigt." Es scheint also, als ob auch bei diesen niedern Organismen unter günstigen Verhältnissen meist eine ungeschlechtliche Ver- mehrung, unter ungünstigen dagegen häufiger Conjugation statt- findet. Für die niedern Algen scheint dies ziemlich sicher zu sein, für die niedersten Tiere sind die Beobachtungen allerdings noch sehr vereinzelt. x) Zeitschrift f. wiss. Zool. XXIII, 1873, pag. 610. Everts, Untersuchungen an Vorticella nebulifera. 14* — 212 — ee. Paedogenesis. Eine ungeschlechtliche Vermehrung sogar von Jugendformen ist für einzelne Tiere festgestellt worden. Eine solche wird der Theorie zufolge nur dann eintreten können, wenn sie bei grossem Überfluss der Fortpflanzung der Tiere von Nutzen ist. Leider ist auf die Ernährungsverhältnisse so wenig geachtet worden, dass sich dieser Überfluss nur bei einzelnen mit Sicher- heit nachweisen lässt. Ein solches Beispiel ist folgendes. Die Larve von Poly- stemum integerrimum1) wandert bekanntlich in die Kiemen von Kaulquappen. Bei eintretender Rückbildung der letzteren kriecht sie durch den Darm zur Harnblase des Wirtes, wo sich nach circa drei Jahren die hermaphroditischen Individuen be- gatten. Gerät aber eine Larve auf die zarten Kiemen von ganz jungen Kaulquappen, so tritt eine äusserst rasche Entwickelung ein. Nach Z e 1 1 e r „wird dies bewirkt durch die ganz ausseror- dentlich erleichterte Nahrungsaufnahme, da die Kiemen von jungen Kaulquappen in ungleich höherm Grade als die bereits weiter entwickelten blutdurchlässig sind. Infolge dieses Überflusses von Nahrung wachsen einesteils die Polystomenlarven sehr schnell und produzieren neben den Ausgaben für ihr Wachstum auch noch überschüssiges Bildungsmaterial zur Herbeiführung der Fortpflan- zung"2). Man ersieht hieraus, dass die Paedogenesis, die unge- schlechtliche Vermehrung von Larven, nur durch den Überfluss herbeigeführt wurde, und nicht eintritt, wenn dieser nicht vor- handen ist. Als ein ferneres Beispiel ist zu erwähnen, dass nach Chun die Jugendform von Eucharis multicornis (Rippenqualle) bei Eintritt der heissen Jahreszeit, Juni, ebenfalls solche Jugend- formen wieder hervorbringen kann 3). Paedogenesis ist auch bei Dipteren beobachtet (Hetero- peza, Miastor). An den Cecidomyidenlarven wurde sie von N. Wagner4) entdeckt. Über die Ernährungs Verhältnisse *) Zeitschrift f. wiss. Zool. XXVII, 268—271. Zell er, Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Polystomeen. 2) Gustav Dilling, Über die verschiedenen Arten der Fort- pflanzung im Tierreich. Hamburg 1880. 3) Mitt. a. d. zool. Stet zu Neapel I, 1879, pag. 201. 4) Zeitschrift f. wiss. Zool. XIII, 1863. Wagner, Beitrag zur Lehre von der Fortpflanzung der Insectenlarven. 1. c. XIV, 1865. Abhandlungen von Fr. Meinert und von Pagenstecher. — 2V6 — lässt sich noch nichts bestimmtes sagen. Es fehlt sowohl an Ex- perimenten , als auch an ausreichenden Beobachtungen. Dasselbe gilt von Chiron om us. Die Betrachtung aller dieser Thatsachen hat uns also zu folgenden) Resultat geführt. Die ungeschlechtliche Vermehrung, welche in Form von Thelytokie, Knospung, Teilung und Paedo- genesis auftritt, wird durch Überfluss herbeigeführt. Sie bewirkt eine möglichst starke Vermehrung, was im Überfluss von Vorteil für die Fortpflanzung der Tiere ist. Die Männchen sind hierbei vollständig überflüssig. Ja sie sind sogar schädlich, da sie bei einer ausserordentlich grossen Zahl von Weibchen sehr stark be- ansprucht sein würden und da das infolge dessen junge Sperma die Eier wieder zum männlichen Geschlecht bestimmen könnte. Wir sehen daher, dass die Weibchen ihre Befruchtungsfähigkeit aufgeben. Solange der Überfluss dauert, werden immer wieder Weibchen hervorgebracht, die sich auf gleiche Weise weiter ver- mehren. Mit dem Überfluss verschwindet aber auch die unge- schlechtliche Vermehrung und es treten Männchen auf. ff. Bei Pflanzen. Auch für Pflanzen gilt der Satz, dass Nahrungsüberfluss die Ausbildung des weiblichen, Mangel dagegen die des männlichen Geschlechtes begünstigt. Es sei erlaubt, die Nützlichkeit dieser Eigenschaft speciell für Pflanzen klarzulegen. Denken wir uns zwei Pflanzen, die eine auf gutem, die andere auf schlechtem Boden. Nun bildet die erstere besser genährte mehr weibliche Blüten und natürlich später auch mehr Samen. Der Samen aber fällt auf ein Gebiet, dessen Mittelpunkt der Standpunkt der Pflanze selbst ist. Auf diesen oder wenigstens in seine Nähe fällt der Wahrschein- lichkeit nach der grösste Teil des Samens. Er fällt hier also auf guten Boden, die Nachkommenschaft wird gedeihen. — Träte aber der umgekehrte Fall ein, würde die schlechter genährte Pflanze mehr Samen bilden, so müsste dieser grösstenteils zu Grunde gehen; eine so verderbliche Eigenschaft wird die Natur schwerlich züchten. — Die Pflanze, welche infolge der Variabilität zuerst diese Eigenschaft erworben hatte, konnte sich auch bei gleich grosser Reproduction stärker fortpflanzen, da ihre Nachkommen einer geringeren Sterblichkeit ausgesetzt waren. Ihre nützliche Eigenschaft vererbte sie daher auf sehr viele Individuen, d. h. es trat eine natürliche Züchtung derselben ein. Ferner würde es der schlecht genährten Pflanze nur sehr — 214 — schwer fallen, die weibliche Geschlechtsthätigkeit zu übernehmen, da diese, die Production von Samen, mehr Nahrungsmaterial be- ansprucht als die männliche. Sie würde also nur wenig oder schlechter ausgebildeten Samen hervorbringen, was der Fortpflan- zung sehr schädlich sein würde. Weit vorteilhafter ist es da- gegen, wenn die Pflanze, der mehr Nahrung zur Verfügung steht, auch die Geschlechtsfunction übernimmt, welche mehr Nahrung erfordert. Der schlechter genährten Pflanze wird alsdann der männliche Teil der Geschlechtsthätigkeit nicht schwer fallen. — Wir werden nun sehen , dass in der That derartige nützliche Eigenschaften bestehen, welche infolge natürlicher Zuchtwahl zur Ausbildung gelangt sein können. Die ersten Experimente hierüber wurden von K n i g h t i ) an- gestellt. Er setzte verschiedene Pflanzen einer hohen Temperatur aus. Bei Melonen bemerkte er alsdann, dass nur männliche Blüten produziert wurden. Bei niederer Temperatur zeugten Gurken nur weibliche Blüten. Dies erklärt sich sehr leicht. Wärme und Licht befördern die Entwickelung. Je rascher sich nun eine Pflanze infolge äusse- rer Einwirkungen entwickeln muss, desto weniger Nahrung wird dem einzelnen Teile zugeführt, selbst wenn die gesammte Nah- rungsaufnahme etwas gestiegen sein sollte. Wärme und Licht wirken daher wie verminderte Nahrungsaufnahme. Düngung ist Überfluss an Nahrung, sie darf jedoch nicht zu stark sein. Feuch- tigkeit wirkt ebenso, da sie die Nahrungsaufnahme befördert. — Man wird also bei hoher Wärme, starkem Licht, Trockenheit und Mangel an Düngung männliche Blüten, bei niedriger Temperatur, Schatten, Feuchtigkeit und guter Düngung mehr weibliche Blüten zu erwarten haben. Während über die Wirkung der Wärme kein Zweifel besteht, muss jedoch über die des Lichtes bemerkt werden, dass dieses die Assimilation, also die Zuführung von stickstoff- freien Nährsubstanzen verstärkt. Bei der Bildung der Genera- tionsproduete aber scheint es besonders auf die Zufuhr von stick- stoffhaltigen Stoffen anzukommen. Knight's Versuche wurden bestätigt durch die von Mauz2). 1) Transactions of the horticultural Society of London III, pag. 459. 2) 4. Beilage zur Flora 1822, Bd. V, 2 und Correspondenzblatt des würtemb. landw. Vereins, Bd. I. Citiert Heyer. • — 215 — Auch Preussner erhielt dasselbe Resultat. Er pflanzte auf „einem trockenen und mageren und sehr sonnigen Standort" fünf- zig Gurkenpflanzen und fast sämmtliche Blüten wurden männlich. Auch ist die Beobachtung gemacht worden, dass Pflanzen, solange sie ihre Nahrung noch meist zum Wachstum verwenden, mehr männliche Blüten produzieren als später, wenn der Baum oder Strauch weniger Stoff verbraucht zum individuellen Haushalt, hin- gegen mehr für die Fortpflanzung erübrigt. „Namentlich tritt dies bei den inonoecischeii Coniferen hervor, welche im jugendlichen Alter vorzugsweise männliche Blüten treiben und dioecisch erscheinen" x). Normal ist dieser Geschlechtswechsel auch bei Aesculus Hip- pocastanum; diese Pflanze ist in der Jugend männlich und erst später, wenn sie genügende Stärke erlangt hat, erzeugt sie Zwitterblüten. In neuester Zeit hat Hey er2) eine von grossem Fleisse zeugende Arbeit veröffentlicht , welche sich zum Gegenstand ge- macht hat, den Einfluss äusserer Lebensbedingungen auf das Geschlecht der Pflanzen zu untersuchen. Das Resultat seiner Arbeit ist, dass das Sexualverhältniss auch bei Pflanzen ein ganz bestimmtes ist, welches nicht durch äussere Einwirkungen abge- ändert werden kann. Da letzteres der hier wiedergegebenen Theo- rie direct widerspricht, so ist es durchaus nötig, auf diese Arbeit etwas näher einzugehen. Wie schon im Beginn der Arbeit erwähnt wurde, hat Hey er die wichtige Entdeckung gemacht, dass auch bei Pflanzen, ähnlich wie es bereits für Menschen und einige Tiere festgestellt war, das Verhältniss der Geschlechter ein ganz bestimmtes ist. Aller- dings war für Zwitterblüten selbstverständlich längst bekannt, dass hier das Verhältniss das von 1 zu 1 sei, indessen ist es doch im höchsten Grade bedeutungsvoll, dass eine solche be- stimmte Relation auch bei einer dioecischen Pflanze nachgewiesen wurde. Wie aus der Tabelle hervorgeht, fand er unter 21000 Pflanzen vom Bingelkraut (Mercurialis annua) 10201 weib- liche und 10 799 männliche Individuen , d. h. das Verhältniss 100 : 105,86. Wie viele Forscher , welche eine bedeutende Ent- deckung gemacht haben, so ging auch H e y e r zu weit in der Ab- *) C. L. Preussner, Über die geschlechtsbestimmenden Ur- sachen. Diss. , Göttingen 1860. 2) Untersuchungen über das Verhältniss des Geschlechtes bei einhäusigen und zweihäusigen Pflanzen etc. Dissertation, Halle 1883. — 216 — Schätzung der Tragweite derselben. Weil er fand, dass auch bei dioecischen Pflanzen das Sexualverhältniss ein ganz bestimmtes ist, so glaubte er, dass dieses auch stets unter allen Umständen vorhanden sei, dass also äussere Einwirkungen ohne jeden Einfluss auf die Bestimmung des Geschlechtes seien. Er hat Versuche angestellt, um dies zu beweisen; zu diesen wollen wir uns jetzt wenden. Zunächst handelt es sich um das Material, an welchem er seine Untersuchungen anstellte. Was das Geschlecht der Pflanzen im allgemeinen anbetrifft, so scheint ein tiefgreifender Unterschied zwischen monöcischen und diöcischen Pflanzen zu bestehen. Bei letzteren hat die ganze Pflanze ein bestimmtes Geschlecht. Bei vielen Arten sind sogar secundäre Geschlechtscharactere nachgewiesen. Und zwar er- scheinen diese früher, als die Anlage der Geschlechtsorgane er- folgt. Daraus darf man wohl folgern, dass bei diesen Pflanzen das Geschlecht schon sehr frühzeitig bestimmt ist, dass also eine nachträgliche stärkere oder schwächere Ernährung der jungen Pflanzen nur wenig Einfluss auf die Geschlechtsbestimmung haben kann. Bei monöcischen Pflanzen scheinen die Verhältnisse anders zu liegen, da jede Pflanze später sowohl weibliche als auch männ- liche Blüten erzeugen kann. Hey er hat nun seine Experimente und Beobachtungen haupt- sächlich anMercurialis annua angestellt. Dies ist aber eine diöcische Pflanze. Und zwar ist sie so streng diöcisch, dass männ- liche Individuen mit einer oder mehr weiblichen Blüten und um- gekehrt zu den seltenen Ausnahmen gehören; denn Hey er fand unter 21000 Pflanzen nur einige wenige1). Wie Hey er selbst sagt, ist der Geschlechtscharacter dem ganzen Individuum vom Anfang an aufgeprägt. „Bei den statistischen Erhebungen2) ge- langte ich ferner zu dem Resultate, dass bei Mercurialis annua schon im Beginne der Blütezeit der Sexualcharacter an der ganzen Pflanze wahrzunehmen ist. Die weiblichen Pflanzen sind nämlich unter sonst gleichen Verhältnissen bereits um diese Zeit intensiver grün gefärbt 'als die männlichen." Auch besitzen sie ein gedrunge- neres Wachstum. „Die beiden Geschlechter unterscheiden sich ferner durch das Gewicht. Die weiblichen Pflanzen sind ceteris paribus bereits im x) 1. c. pag. 33. 2) 1. c. pag. 29. — 217 — Beginne der Blütezeit, wo also noeh keine oder nur vereinzelte Samen angesetzt sind, stets schwerer als die männlichen." — Wenn man das Gewicht einer bestimmten Zahl Männchen zu 1()0 setzt, so wog dieselbe Anzahl von Weibchen 111,9. Dieses Verhältniss trat mit ziemlicher Constanz auf und kann mit Recht als Sexual- character angesehen werden. Auch später, wenn bereits Samen angesetzt worden sind, ist das Gewich tsverhältuiss ein bestimmtes und ziemlich constantes , nämlich 100 : 126 ! ). Von der wesentlichsten Bedeutung ist aber, dass jedes Indi- viduum durch das Erscheinen der seeundären Geschlechtscharactere sich bereits sehr frühzeitig als männlich oder weiblich documen- tiert. Daraus geht aber hervor, dass eine stärkere oder schwä- chere Ernährung des Keimlings bei diesen Pflanzen nur einen geringen Einfluss auf Bestimmung des Geschlechtes haben kann. Schon an und für sich ist die Wahl von Mercurialis eine sehr unglückliche, denn man kann nicht erwarten, dass hier der Ein- fluss der Ernährung frappant zu Tage tritt. So pflanzte er z. B. je drei Pflanzen in einige Blumentöpfe, welche mit verschiedeneu Bodenarten gefüllt waren, und stellte sie in das Warmhaus. Er erwartete natürlich, dass in einigen 1 opfen sich lauter Weibchen , in andern sich nur Männchen ent- wickeln würden, und war sehr erstaunt, als dies nicht eintrat2). Angenommen , selbst in den verschiedenen Töpfen hätte wirklich eine verschieden starke Ernährung der Pflanzen stattgefunden, was man bezweifeln darf, wie später erörtert wird, so kann un- möglich bei einer so geringen Zahl von Individuen (drei in jedem Topf) und bei einer Pflanze, deren Geschlecht so frühzeitig be- stimmt ist, eine verschiedene Verteilung der Geschlechter frappant in die Augen treten. Und so fand auch Hey er, dass das Ge- schlecht dieser Pflanzen scheinbar regellos hin- und herschwankte. Die Versuche, bei denen er eine geradezu staunenswerte Zahl von Pflanzen zählte, können daher ebenfalls nur als wenig mass- gebend betrachtet werden, selbst wenn wirklich die Ernährungs- unterschiede der Pflanzenabteilungen bedeutende gewesen wären. Bei Mercurialis kann der Einfluss der Ernährung auf das Ge- schlecht des Individuums nur ein geringer sein , ähnlich wie man ja auch bei einem Tier nicht erwarten kann, dass ein Weibchen x) 1. c. pag. 31. 2) 1. c. pag. 41. — 218 — bei schlechter Ernährung zu einem Männchen wird. Dies ist nur in der allerersten Zeit des Embryonallebens möglich. Bei Mercu- rialis aber fällt dieser Zustand in die Zeit der Ausbildung als Samen. Später ist bei diöcischen Pflanzen, bei denen jedes Indi- viduum, wie beim Tiere, ein ganz bestimmtes Geschlecht hat, eine Umänderung des Geschlechtes gar nicht oder nur sehr schwer möglich. Wie aber die Ernährung der Mutter von Einfluss auf die des Foetus und damit auf das Geschlecht desselben ist, so ist auch die Ernährung des Samens abhängig von der der Mutterpflanze. Also hat letztere Einfluss auf das Geschlecht der Nachkommen, d. h. der aus dem Samen hervorgehenden Pflanzen. Wenn Hey er also wirklich verschiedene Ernährungsbedingungen hergestellt hätte, so hätte vor allem das Geschlecht der Nachkommen von ver- schieden stark ernährten Mutterpflanzen geprüft werden müssen. Dies that er aber nicht, sondern begnügte sich damit, das Ge- schlecht der erzeugenden Pflanzen zu beobachten. Zum Schluss könnte auch bemerkt werden, dass das Bingel- kraut auch deshalb eine ungeeignete Pflanze zu sein scheint, weil es ein Unkraut ist, unter sehr verschiedenen Lebensbedingungen wächst und dennoch gedeiht. Eine Änderung der Verhältnisse scheint also nur wenig Einfluss auf die Pflanze zu haben. Aber nicht nur das Material, an welchem er seine Unter- suchungen anstellte, war ein äusserst ungünstiges Object, sondern auch die Art und Weise, wie er diese vornahm, war nicht die beste. Er legte zuviel Gewicht darauf, welche Agentien auf das Wachstum einwirken. Auch vor Heyer wurde vielfach behauptet, dass die Wärme an und für sich die Ausbildung von Männchen bewirke. Es kommt vielmehr auf die relative Ernährungsstärke an. Dünger wirkt deshalb vorteilhaft für die Erzeugung von weiblichen Blüten, weil bei guter (natürlich nicht zu starker) Düngung die Pflanze einen Überfluss von Nahrung erhält. Ebenso wirkt Feuchtigkeit, wobei indessen eine ungewöhnlich starke Wasser- zufuhr der Pflanze je nach ihrer Lebensgewohnheit schädlich sein kann. Das Licht wirkt, wie schon erwähnt, fördernd auf die Ent- wickelung ein und dasselbe gilt für die Wärme. Durch die Ein- wirkung dieser Agentien wird daher die Ernährung relativ herab- gesetzt; denn wenn in der Zeiteinheit mehr Organe gebildet wer- den, so können diese bei gleichbleibender Gesammternährung nur — 219 — weniger Nahrung erhalten, als wenn die Bildung langsamer vor sich ginge. Licht und Wärme wirken also auf die einzelnen Or- gane wie eine Nahrungsentziehung, begünstigen darum das Auf- treten des männlichen Geschlechtes. Wenn es also darauf ankommt, auf die Geschlechtsausbildung der Pflanzen einzuwirken , so werden am besten mehrere nach derselben Richtung wirkende Momente vereinigt. Mehrere Lebens- bedingungen müssen sämmtlich entweder Mangel oder Überfluss an Nahrung bewirken , nicht aber darf man den Versuch so ein- richten, dass die Wirkung des einen durch die des andern wieder aufgehoben wird. Ersteres that Preussner, als er seine Pflan- zen auf einen trockenen, sandigen und sonnigen Ort pflanzte. Letzteres war aber bei Heyers Untersuchungen der Fall. Unter den 21 000 Pflanzen von Mercurialis befanden sich 10 000, deren Beleuchtung „sehr sonnig" und deren Nährboden „gut gedüngt" war. Das erstere Moment bewirkt eine zu rasche Ent- wicklung, d. h. relativen Mangel, das letztere aber veranlasst eine überflüssige Nahrungszufuhr und hebt den Mangel wieder auf. Umgekehrt waren die meisten sehr schattig gestellten Pflan- zen nicht gedüngt. Hey er glaubte, es käme nur auf die Verschiedenheit der Lebensbedingungen an. Allerdings leben Pflanzen im Schatten und ohne Düngung unter ganz andern Verhältnissen als solche im Sonnenschein und mit Düngung. Hey er erwartete eine enorme Verschiedenheit des Sexualverhältuisses. Aber doch nur die re- lative Ernährungsstärke ist das Massgebende. Bei den meisten von Hey er angestellten Versuchen hoben sich die zwei variierten Momente, Bestrahlung und Düngung, in ihrer Wirkung wieder auf, und das Sexualverhältniss schwankte daher auch aus diesem Grunde nur wenig. Hey er hatte vielleicht die Behauptungen seiner Vorgänger nicht genügend beachtet. Mauz1) z. B. sagt ausdrücklich: „So- wohl bei nionöcischen als bei diöcischen Pflanzen wird die Ent- wicklung des männlichen Geschlechts begünstigt durch Trocken- heit, freien Einfluss von Licht und Luft; dagegen die des weib- lichen durch Feuchtigkeit, guten Dünger, Maugel an Licht." Auch Preussner hatte, wie schon angeführt, die Gurken, welche 1) 1. c. pag. 50. — 220 — später fast nur männliche Blüten trugen, auf einen sandigen, trockenen und sehr sonnigen Platz gepflanzt. Denn es ist zu beachten, dass bei alle diesen Versuchen Licht und Wärme gleich- artig sich ändern und dass die Zunahme beider eine Abnahme der stickstoffhaltigen Nahrungszufuhr bewirkt. Hey er stellte auch Versuche an, um die Wirkung verschiede- ner Bodenarten zu prüfen. Er nennt allerdings diese Bodenarten extrem - verschieden l ) , was indessen nicht der Fall gewesen zu sein scheint. „Für die Cultur der Pflanzen", so sagt er in der Beschreibung seiner Versuche, „war mir eine nach allen Seiten hin freiliegende Bodenfläche von 11,4 m Länge und 5,82 m Breite zur Verfügung gestellt worden. Dieselbe wurde in zwei gleich grosse Beete geteilt. Bei dem einen wurde der Boden bis zu einer Tiefe von 22 cm ausgehoben und dann mit Sandboden an- gefüllt. Dieser Sandboden bestand aus einer Mischung von 3 Teilen Flusssand (aus der Saale) und 1 Teil Composterde von geringer Qualität. Diese Composterde wurde deshalb beigemischt, um dem rein ausgewaschenen Flusssande die nötigen Nährstoffe einzuverleiben. In dem andern Beete wurde der schwere thonige Gartenboden belassen. Es waren somit zwei ganz verschiedene Bodenarten geschaffen." Dass diese Bodenarten sehr verschieden waren, ist allerdings richtig. Dass sie aber in bezug auf die Ernährung der Pflanzen nicht extrem-verschieden waren, das geht aus den eigenen Worten des Experimentators hervor ; denn er sagt 2 ) : „Es ergiebt sich zunächst, dass das Gewicht der vom Sandboden geernteten Pflan- zen durchgehends das höhere ist. Die Pflanzen hatten sich also im Sandboden massiger entwickelt als im Gartenboden, was wohl einerseits dem Umstände zuzuschreiben ist, dass der Sandboden, wegen seiner geringen specifischen Wärme, sich schon frühzeitig mehr erwärmte als der Gartenboden, wodurch die Vegetation ge- steigert wurde. Anderseits soll der Saalesand, trotzdem er ziem- lich rein ausgewaschen ist, wenn er mit anderm Boden vermischt ist, das Wachstum sehr begünstigen." Es ist klar, dass ein Un- kraut in einem solchen Boden sehr gut prosperieren wird. Es kommt nicht darauf an, dass der Boden nach physikalischer Be- schaffenheit oder Ursprung verschieden ist, sondern es kommt i) pag. 12. 2) pag. 39. — 221 — darauf au , wieviel Nährstoffe er der Pflanze zuzuführen im Stande ist. Endlich hat er noch eio Moment vollständig unberücksichtigt gelassen, nämlich den Umstand, ob die Pflanzen dicht gedrängt wuchsen und sich heftige Ernährungsconcurrenz machten, oder oh dies nicht der Fall war. Dass dieser Umstand von der gröasten Wichtigkeit ist, geht aus den eigenen Worten Heyer's hervor'): „Dass das absolute Gewicht der einzelnen Tausende ein sehr ver- schiedenes ist, selbst wenn die Pflanzen von demselben Standort stammen , kommt davon , dass an manchen Stellen die Pflanzen sehr dicht standen und daher in ihrer Entwickelung mehr ge- hemmt waren als andere, denen mehr Raum vergönnt war." Bei jenen fand unstreitig eine schwächere Ernährung statt als bei diesen, welche uugestört wuchsen. Dass Hey er diesem Umstand nicht die geringste Berück- sichtigung geschenkt hat, erklärt sich leicht, da er an den Ein- fluss der Ernährung gar nicht gedacht zu haben scheint, sondern von der Annahme ausging, das Licht oder die Bodenart als solche müsse einen directen Einfluss auf das Geschlecht der Pflanzen haben. Indessen ganz vergeblich scheinen die mit so grossem Fleiss angestellten Versuche Heyers doch nicht vorgenommen zu sein. Trotzdem er unzweifelhaft eine sehr ungünstige Species gewählt hatte, trotzdem er bei Anstellung seiner Beobachtungen und Ver- suche von teilweise falschen Voraussetzungen ausging, so zeigt doch das Sexualverhältniss Schwankungen, welche, wie sich zeigen wird, einen directen Beweis für die Theorie liefern. Damit man sieht, dass ich nicht etwa willkürlich vorgehe, ist es durchaus nötig, dass zunächst die von Hey er aufgestellte Tabelle der Resultate hier wiedergegeben wird. Zur Erläuterung mag dienen, dass Hey er von verschiedenen Standorten je Tau- send Pflanzen ausraufte und dann das Sexualverhältniss durch Zählen derselben bestimmte. ») 1. c. pag. 30. 222 — Geschlechtsverhältniss bei Mercurialis annua auf verschiedenen Standorten. No. des ? S Auf 1000 Weib- chen kommen Männchen Beleuchtung Düngungszustand Tausend des Standortes 1 2 483 505 517 495 1070 980 sehr schattig nicht gedüngt >> 3 462 538 1164 halb schattig 5» 4 5 450 487 550 513 1222 1053 sehr sonnig massig gedüngt 6 512 488 953 halb schattig 5» 7 451 549 1217 ?> >» 8 480 520 1083 5? 5» 9 482 518 1075 ,, 10 492 508 1032 sehr schattig nicht gedüngt 11 491 509 1037 sehr sonnig gut gedüngt 12 505 495 980 ,, 13 482 5 18 1075 , 14 518 482 930 5 15 491 509 1037 » 16 490 510 1041 , 17 491 509 1037 , 18 493 507 1028 , 19 473 527 1114 , 20 488 512 1049 9 21 475 525 1105 •> massig gedüngt Wie man sieht, variieren hier zwei Umstände, Beleuchtung und Düngungszustand. Wenn man den Einfluss des einen Mo- mentes prüfen will, so ist es durchaus nötig, dass alle übrigen Verhältnisse dieselben bleiben. Bei den Pflanzen z. B., welche auf massig gedüngtem Standort sich fanden, war die Beleuchtung vieler sehr sonnig, anderer aber halbschattig. Hier bietet sich also die Gelegenheit, den gemeinsamen Einfluss des Lichtes und der Wärme zu ermitteln. Dasselbe gilt von den Pflanzen , welche auf nicht gedüngtem Boden und entweder sehr schattig oder halb- schattig standen. — 223 — Einfluss dos Lichtes. massig i ;edüng nicht gedüngl sehr s< ig halbschattig halbschattig sehr schattig No. des Tausend Bexualver- b<niss No. des Taus. Sexual Ver- hältnis No. des Tausend Si\ nalver- liältniss NU. des Tausend Sexualver- liältniss 4 :> 21 1105 1222 1053 6 7 8 9 953 1217 1083 1075 3 iic.i 1 2 10 1070 980 1032 Mittel: 1164 Mittel : 1027 Mittel 1127 Mitte 1: 1082 Man ersieht aus diesen Zahlen die Thatsache, dass die stär- kere Einwirkung von Licht und Wärme eine Mehrproduction von Männchen bewirkt hat, wie es der Theorie entspricht. Die Gründe, warum dieser Überschuss ein verhältnissmässig geringer ist, wur- den bereits oben mitgeteilt. Auch die Einwirkung einer verschieden starken Düngung lässt sich auf diese Weise ermitteln , wie die folgende Zusammenstellung zeigt. Einfluss der Düngung. sehr sonuig halbschattig massig gedüngt gut gedüngt nicht gedüngt massig gedüngt No. des Sexualver- No. des Sexualver- No. des Sexualver- No. des Sexualver- Tausend hültniss Taus. hältniss Tausend hältniss Tausend hältniss 4 1222 11 1037 3 1164 6 953 5 1053 12 980 7 1217 21 1105 13 1075 8 1083 14 15 16 930 1037 1041 9 1075 Mittel: 1164 Mittel 1082 17 18 1037 1028 „Sexual verbal tniss" l edeutet 19 1114 hier : 20 1049 n S ■ 1000 ? Mittel : 1127 Mitte 1: 1033 Man sieht aus diesen Zusammenstellungen, dass eine bessere Düngung eine Mehrproduction von weiblichen Individuen bewirkt, wie es die Theorie verlangt. Also selbst bei Mercurialis annua ist die Ernährung des Keimlings noch von, wenn auch nur ge- ringem, Einfluss auf die Geschlechtsausbildung. — 224 — Die Resultate Heyers können daher als positive Beweise für die Theorie verwendet werden. Die Schwankungen im Sexual- verhältniss entsprechen derselben, obgleich sie aus den früher an- geführten Gründen gering sind. Hoffmann1) prüfte ebenfalls den Einfluss der Ernährung auf das Geschlecht bei Mercurialis, fand aber keine Einwirkung, weil er mit zu wenig Pflanzen experimentierte. Die geringe geschlechtsbestimmende Wirkung einer verschieden starken Ernährung des Keimlings bei einer so ungünstig ge- wählten Pflanze, wie Mercurialis, ist eine so geringe, dass sie nur durch eine Beobachtung so grosser Massen erkannt werden konnte, wie sie Hey er vornahm. Das Resultat, welches Heyer aus seinen Experimenten glaubte folgern zu können, ist folgendes2): „Die Verteilung der Geschlechter bei Mercurialis annua ist keine zufällige, sondern das Verhältniss der männlichen zu den weiblichen Individuen ist an allen Standorten eine constante Grösse. Die Entstehung der Geschlechter ist demnach unabhängig von äussern Einflüssen und erfolgt nach einem innern Gesetz." „Das Geschlecht der zukünftigen Pflanze ist bereits im Samenkorn ent- schieden und kann durch äussere Einflüsse nicht mehr abgeändert werden." Der erste Satz spricht die Entdeckung aus, welche Hey er gemacht hat, nämlich die, dass das Sexualverhältniss auch bei diöcischen Pflanzen ein ganz bestimmtes ist. \Yie schon früher erwähnt, geht der Entdecker in der Abschätzung der Gültigkeit seines Satzes zu weit. Das Verhältniss ist nicht unbedingt con- stant, sondern wird durch äussere Einflüsse der Theorie ent- sprechend abgeändert. Der dritte Satz ist also auch nicht ganz richtig. Allerdings wird bei Mercurialis annua das Geschlecht schon sehr frühzeitig bestimmt, aber dennoch ist die Ernährung des Keimlings noch von Einfluss auf das Geschlecht der Pflanzen, wie aus den Versuchen von Hey er hervorgeht. Abgesehen von diesen negativen Behauptungen stellt Hey er auch einen positiven Satz auf. Er sagt: „Die Entstehung des Geschlechtes erfolgt nach einem innern Gesetz." Aber man wird wohl kaum im Stande sein, sich vorzustellen, wie die Entstehung des Geschlechtes nach einem „innern Gesetz" *) Botanische Zeitung 1881, pag. 381. 2) 1. c. pag. 43. — 225 — erfolgen könnte. Die Annahme eines innern, mystischen und je- denfalls auch un erforschbaren Gesetzes kann nicht wissenschaft- lich genannt werden. Hoff mann1) stellte Versuche dergestalt an, dass er Spi- uatpflanzen in freies Land, wo sie genügend Raum und Nahrung hatten, resp. in einen Topf dicht gedrängt pflanzte, wo sie sich gegenseitig die Nahrung streitig machten. Der Erfolg war, dass im letzteren Falle, also bei Dichtsaat, eine bedeutende Vermehrung der Männchen eintrat. Auch mit Mercurialis annua1) nahm Hoffmann Ver- suche vor und diese bestätigen, was über den Einfiuss der Nah- rung überhaupt und besonders bei Mercurialis gesagt wurde. Er erhielt nämlich ein negatives Resultat, wenn er die Keimlinge einem Überfluss resp. Mangel aussetzte. Da diese späte Einwir- kung der Ernährung von nur geringem Erfolg sein kann, so konnte dieser bei der sehr kleinen Zahl von Individuen, die Hoff mann benutzte, nicht zum Vorschein kommen. Die Experimente2) indessen, welche Hoff mann mit Mercu- rialis anstellte, um die Wirkung einer frühen resp. späten Be- fruchtung zu untersuchen, ergaben stets einen kolossalen Über- schuss an Weibchen. Das normale Sexualverhältniss ist bei dieser Pflanze wie 106$ zu 100 .i Gekreuzt Selli>tbefr. ! >i c o — — — ^ ^ N *4 N HH = N PC SI X K Dicht gedrängt 1 5 1 5 100 1 11* 1 11 95 Total 4 31,5 * 59,5 188 4 74,0 4 131,0 177 — 261 — Nicotiana tabacum. Tabellen LXXXVIII, LXXXIX, XC. Aus Topf II. Tab. LXXXV1I. Aus I'opf V. Tabelle LXXXVIII Eew-gekreuzt Selbstbefr. , Kew-gekreuzt Selbstbefr. , 3 - :o 2 sS c Ol o :© w * » 5§ Dicht gedrängt im Topf w. 6 175,63 6 101,50 57,7 6 202,75 6 105,13 51,8 In Töpfen wach- send 14 902,63 14 636,13 70,4 12 743,13 12 447,38 60,2 Im freien Lande wachsend 10 478,75 10 286,86 59,9 10 496,13 10 417,25 84,1 Beta vulgaris. Tabelle XCVI. Gekreuzt Selbstbefr. Höhenver- hältniss wie 100 zu Zahl Höhe Zahl Höhe In Töpfen wachs. Im freien Lande wachsend 4 8 272,75 30,92 4 8 238,50 30,7 87 99 Phalaris can ariensis. Tabellen XCVIII u. XCIX. Gekreuzt Selbstbefr. Höhenver- hältniss wie 100 zu Zahl Höhe Zahl Höhe Iu Töpfeu wachs. Im freien Laude wachsend 11 12 428,00 429,5 11 12 392,63 402,0 92 93 Fast bei allen Zahlen zeigt sich, dass der Höhenunterschied desto grösser ist, je mehr die Pflanzen dem Nahrungsmangel aus- gesetzt waren. Nur einzelne bieten eine Ausnahme und bei diesen handelt es sich meist um eine kleine Zahl von Individuen. Um das Gesamtresultat besser überschauen zu können, habe ich aus sämtlichen Zahlen das mittlere Höhenverhältniss berechnet, wie folgende Übersicht zeigt. Dicht gedrängt In Töpfen wachsend Zahl der Individuen Mittleres Höhen- verhältniss wie 100 zu Zahl der Individuen Mittleres Höhen- verhältniss wie 100 zu 60 74,9 270 83,13 — 262 I n Töpfen wachsend Im freien Lande wachsend Zahl der Individuen Mittleres Höheu- verhältniss wie 100 zu Zahl der Individuen Mittleres Höhen- verhältniss wie 100 zu 126 78,16 74 83,43 Bei Dichtsaat also zeigen die gekreuzten Individuen die stärkste Überlegenheit über die durch Selbstbefruchtung erhaltenen, wäh- rend dieser Unterschied viel geringer ist zwischen solchen, die im freien Lande wuchsen und denen der betreffenden Versuchsreihe, welche in Töpfen wuchsen. Hiermit ist auf das Bestimmteste nachgewiesen, dass die gekreuzten Individuen unter günstigen Umständen nicht so sehr überlegen sind als unter ungünstigen , dass also die Wirkungen der Selbstbefruchtung durch Überfluss compensiert werden können. Es ist nötig, noch einen hierher gehörigen Versuch zu er- wähnen, welcher in obigen Tabellen nicht enthalten ist. Ich führe die Worte D a r w i n s an J ) : „Petunia violacea. Acht gekreuzte Pflanzen verhielten sich zu acht selbstbefruchteten der dritten Generation in mittlerer Höhe wie 100 zu 131, und in einem frühen Alter waren die gekreuzten selbst in einem noch höheren Grade niedriger. Es ist aber eine merkwürdige Thatsache, dass in einem Topfe, in welchem Pflanzen beider Sätze äusserst gedrängt wuchsen, die ge- kreuzten drei mal so hoch waren, wie die selbstbefruchteten." Ähnliches beobachtete er bei Iberis. Die durch Selbstbefruchtung erhaltenen behaupteten ihren Vorrang vor den gekreuzten. „Einige von diesen selben Samenkörnern von Iberis wurden auf die ent- gegengesetzten Seiten von Töpfen gesäet, welche mit gebrannter Erde und reinem Sande, die also keinerlei organische Substanz enthielten, gefüllt waren, und nun wuchsen die jungen gekreuzten Sämlinge während ihres kurzen Lebens bis zur doppelten Höhe der selbstbefruchteten heran in derselben Weise, wie es mit den beiden obigen Sätzen von Sämlingen der Petunia eintrat, welche sehr zusammengedrängt und daher sehr ungünstigen Bedingungen ausgesetzt waren." Wir haben also gesehen, dass auch bei Pflanzen die Wirkung der Inzucht übereinstimmt mit der eines Nahrungsmangels. Und ]) 1. c. pag. 267. — 2G3 — zwar ist dies auch in sofern der Fall, als diese Wirkung wieder aufgehoben werden kann durch Überfluss an Nahrung. Es niuss noch auf eine äusserst interessante, vielleicht allge- meine Eigenschaft der durch Inzucht erhaltenen Individuen hin- gewiesen werden. Diese zeigen nämlich in ihrem Verhalten, dass sie für die Ausnutzung eines augenblicklichen Überflusses ange- passt sind, wofür folgende Thatsachen sprechen. Während Dar- win erwartete, dass die gekreuzten eher keimen und auch anfangs sich rascher entwickeln sollten, erhielt er sehr häufig das ent- gegengesetzte Resultat1). Unter einundzwanzig Fällen keimten zweimal beide Sätze gleichzeitig. Unter den neunzehn übrigen keimten in zehn Fällen die selbstbefruchteteu eher als die ge- kreuzten und nur in neun Fällen entsprach das Verhalten den Erwartungen Darwins. Die durch Inzucht erhaltenen entwickelten sich also überraschend schnell. Mehr oder weniger Inzucht findet, wie früher gezeigt wurde, dann statt, wenn im Überfluss eine stärkere Vermehrung mit Hülfe einer grösseren Zahl von Weibchen eintritt. Unter diesen Um- ständen ist diese Inzucht unschädlich. Aber es scheint auch, als wenn die durch Inzucht erzeugten Individuen, welche in der Na- tur meist nur dann auftreten, wenn Überfluss herrscht, die Eigen- schaft erworben hätten, möglichst rasch sich zu entwickeln. Hier- durch erlangen sie die Fähigkeit, den augenblicklich herrschenden Überfluss ausnützen zu können. Auch andere Forscher machten ähnliche Beobachtungen. Hoff mann2) fand dies bei seinen Versuchen über die Wirkung der Selbstbefruchtung bei Mercurialis annua. „Ich will hinzu- fügen , dass diese Samen ganz ebenso vollkommen ausgebildet waren, wie andere, indem dieselben nach angestellter Probe leicht und sogar sofort — also ohne Ruhezeit — keimten." Wir hatten bereits früher durch eine theoretische Überlegung erkannt, dass eine Mehrproduction von Weibchen im Überfluss besonders für solche Tiere von Nutzen ist, welche rasch ge- schlechtsreif werden. Bei parthenogenetisch sich fortpflanzenden Tieren hatten wir alsdann gesehen , dass die Sommergenerationen die nützliche Eigenschaft besassen, sehr rasch geschlechtsreif zu werden und dass infolge dessen eine ausserordentlich starke Ver- x) 1. c. pag. 344, auch pag. 26, 35, 63 etc. "2) Botanische Zeitung 1871, pag. 98. Hoffmann, Zur Ge- schlechtsbestimmung. — 26J — mehrung während des Überflusses eintreten konnte. Es scheint nun, als ob auch bei deu übrigen Tieren die unter günstigen Uni- ständen produzierten Jungen die Eigenschaft hätten, rascher ge- schlechtsreif zu werden. Teilweise mag dies auf die bessere Er- nährung zurückgeführt werden , teilweise aber ist es als eine Wirkung der Inzucht aufzufassen, da es auch unter gewöhn- lichen Ernährungsverhältnissen eintritt, wofür folgende Thatsachen sprechen. So macht Crampe1) auf die rasche Entwickelungsfähigkeit der durch Inzucht erhaltenen Ratten (Mus d e c u in a n u s) auf- merksam. Auch die meisten parthenogenetisch produzierten Sommereier der Insecten entwickeln sich sofort ohne Ruhepause, wie aus dem bereits früher mitgeteilten hervorgeht. Die durch Knospung und Teilung entstandenen Individuen sind am meisten geeignet, einen augenblicklichen Überfluss auszu- nutzen, in sofern eine Entwicklung umgangen und gleich das fertige Tier produziert wird. Auch haben die sich sofort ent- wickelnden Tiere die nützliche Eigentümlichkeit, an dem Ort zu bleiben, wo der Überfluss herrscht. Die in der Inzucht erzeugten Individuen sind also so zu sagen für den Überfluss bestimmt, sie besitzen die Tendenz, rascher ge- schlechtsreif zu werden. Eben deswegen beanspruchen sie mehr Nahrung und leiden um so stärker, wenn kein Überfluss, sondern sogar Nahrungsmangel herrscht. Dar w i n , welcher diese Beobachtungen machte , gab einige Erklärungen dafür, die ich hier anführen will, obwohl man sie kaum wird annehmen können. „Bei2) Ipomoea, und wie ich glaube, bei einigen von den andern Species, bestimmte augenscheinlich die relative Leich- tigkeit der selbstbefruchteten Samenkörner ihr frühes Keimen, wahrscheinlich weil die geringere Masse der schnelleren Vollen- dung der chemischen und morphologischen Veränderungen, die zur Keimung notwendig sind, günstig war. Anderseits gab mir Mr. Galton (ohne Zweifel alle selbstbefruchtete) Samenkörner von Lathyris odoratus, welche in zwei Sätzen von schweren und leichteren Körnern geteilt wurden, und mehrere von den ersteren keimten zuerst. Es ist augenfällig, dass viel mehr Beobachtungen !) Landwirtschaftliche Jahrbücher, Band XII, 1883, Heft 3. 2) 1. c. pag. 344. — 265 notwendig sind, che irgend etwas in bezug auf die relative Pe- riode des Keiniens gekreuzter und selbstbefruehteter Samenkörner entschieden werden kann. An einer andern Stelle l) erklärt er die rasche Entwicklungs- fähigkeit selbstbefruchteter Samen auf folgende Weise: „Die wahrscheinlichste Erklärung ist die, dass die Samen- körner, aus denen die selbstbefruchteten Pflanzen der dritten Ge- neration gezogen wurden, nicht ordentlich gereift waren; denn ich habe einen analogen Fall bei Iberis beobachtet. Selbst- befruchtete Sämlinge dieser letzteren Pflanze, von denen bekannt war, dass sie aus nicht ordentlich gereiften Samenkörnern produ- ziert waren, wuchsen von Anfang an viel schneller als die ge- kreuzten Pflanzen, welche aus besser gereiften Samenkörnern ge- zogen wurden, so dass sie, nachdem sie einmal einen günstigen Anlauf genommen hatten, im stände waren, für spätere Zeit ihren Vorrang zu behaupten." Nachdem er erwähnt hat, dass diese Erscheinung nicht eintritt, wenn die Pflanzen in sehr dürftigem Boden gezogen wurden, fährt er fort: „Wir haben auch in der achten Generation von Ipomoea gesehen, dass selbstbefruchtete, von ungesunden Eltern gezogene Sämlinge anfangs viel schnel- ler wuchsen, als die gekreuzten Sämlinge, so dass sie eine lange Zeit hindurch viel höher waren, obgleich sie schliesslich von jenen übertreffen wurden." Man wird sich aber wohl kaum vorstellen können, wie Pflan- zen aus nicht ordentlich ausgebildeten Samen und wie die Nach- kommen ungesunder Eltern ein frühzeitigeres und rascheres Wachs- tum haben könnten als die Pflanzen aus ordentlich ausgebildeten Samen von gesunden Eltern. Man wird diese untereinander nicht in Übereinstimmung stehenden, jedenfalls auch nur provisorischen Erklärungsversuche wohl aufgeben und die Erscheinungen als Anpassungen auffassen dürfen, namentlich da sie in Übereinstimmung stehen mit der Theorie und allen zugehörigen Thatsachen. Die durch Inzucht erzeugten Individuen scheinen sich also rascher zu entwickeln, als dies im allgemeinen der Fall ist, was vielleicht eine allgemein auftretende Wirkung der Inzucht ist. Da letztere zur Zeit des Überflusses bei einem Weibcbenüberschuss stattfindet, so können wir die schnelle Entwicklungsfähigkeit als eine Anpassung an x) 1. c. pag. 268. — 266 — den Überfluss auffassen. Die Vermehrung kann mit Hülfe dieser raschen Entwicklung der Jungen besonders stark stattfinden. — Es bleibt noch nachzuweisen, dass auch in bezug auf die Production der Geschlechter die Wirkung der Inzucht compensiert wird durch die des Überflusses. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung ist das Extrem einer In- zucht. Bei ihr müssen also die Wirkungen derselben am schärfsten hervortreten. Parthenogenesis unter gewöhnlichen Ernährungsbe- dingungen ist die Arrenotokie, solche im Überfluss die Thelytokie. Diese Erscheinungen sind bereits früher genügend erläutert. Die Arrenotokie kann daher nicht nur als Wirkung einer nicht einge- tretenen Befruchtung, sondern auch als die der hiermit zugleich stattfindenden Inzucht betrachtet werden. Bei der Thelytokie aber wird die Wirkung derselben durch den Überfluss compensiert, ebenso da, wo ein Übergang von Arrenotokie zu Thelytokie statt- findet, wie dies früher erörtert wurde. Hoffmann1) stellte Versuche über die Wirkung einer Selbstbefruchtung bei Mercurialis annua an. Da er seine Pflanzen unter äusserst günstigen Umständen aufzog, so erhielt er auch keinen Überschuss an männlichen, sondern an weib- lichen Individuen, wie die Tabelle zeigt. 6 ? 1864—65 5 27 1866—67 60 64 1866—67 12 42 "Summe 77 133 Girou2) cultivierte Hanf pflanzen (Cannabis sativa), welche er „mit grosser Sorgfalt" pflegte. Die weiblichen Indivi- duen wurden sogar isoliert aufgezogen, setzten aber doch Samen an , die also durch nahe Inzucht entstanden waren. Sie lieferten relativ mehr weibliche Pflanzen. Bernhardi3) stellte denselben Versuch an; aber er säte die Pflanzen auf magern Boden. Er fand, dass sich in den spä- tem Generationen die Zahl der männlichen Pflanzen im Vergleich zu den weiblichen ziemlich regelmässig vermehrte. Beide Ver- x) Botanische Zeitung 1871. Hoff mann, Zur Geschlechtsbe- stimmung. 2) Gärtner, Beiträge zur Kenntniss der Befruchtung, pag. 466 bis 472. 3) 1. c. pag. 482. — 267 — suche ergänzen sich gegenseitig. Die Wirkung der Inzucht auf die Entstehung des Geschlechtes , die Production von Männchen, wird also wieder aufgehoben durch die des Überflusses. Das Ergebniss der über die Wirkung der Inzucht angestellten Untersuchungen ist ungefähr folgendes. Dem Männchen ist infolge eingetretener Arbeitsteilung die Aufgabe zugefallen, die geschlecht- liche Mischung möglichst differenter Tiere herbeizuführen. Bei Inzucht fehlt es also an genügender geschlechtlicher Mischung. Es kommt dieser Umstand einem Mangel an Männchen gleich. Die Organismen haben nun die nützliche Eigenschaft, unter diesen Verhältnissen mehr Männchen zu produzieren. Aber nicht nur in dieser, sondern auch in vielen andern Beziehungen stimmt die Wirkung der Inzucht überein mit der eines Nahrungsmangels. Auch wird ihr Einfluss durch den des Überflusses wieder aufge- hoben. Endlich zeigen die durch Inzucht erzeugten Tiere und Pflanzen Eigenschaften, welche als Anpassungen an die Verhält- nisse, unter denen sie geboren werden, aufzufassen sind. Wir haben also einen innern Zusammenhang zwischen einer gewiss ausserordentlich grossen Zahl von bisher unvermittelten Erscheinungen gefunden. Und gerade diese Übereinstimmung ist es, worauf besonderes Gewicht zu legen ist. 3. Speeielle Anpassungen. Bei der Auffindung der Eactoren, welche die Sexualität ent- scheiden , war von dem Grundsatz ausgegangen worden , dass die Mehrproduction des einen oder andern Geschlechtes auf durch Anpassung erworbenen Eigenschaften beruht. Die bisher betrach- teten geschlechtsbestimmenden Momente ergaben sich nur aus den für alle Tiere und Pflanzen gültigen allgemeinen Repro- ductionsverhältnissen. Viele Tiere besitzen aber noch speeielle Lebenseigen- tümlichkeiten, infolge deren sich noch besondere, die Ge- schlechtsausbildung beeinflussende Eigenschaften entwickelt haben können und zwar ebenfalls infolge der Variabilität der Individuen und der natürlichen Zuchtwahl nützlicher Eigenschaften, wie es für die allgemein gültigen Sätze angegeben wurde, deren Rich- tigkeit durch solche speeielle Eigentümlichkeiten nicht berührt wird. Die Daphniden1) bieten uns, wie die umfassenden und 1) Zur Naturgeschichte der Daphniden von August Weis- mann. Leipzig 1876—79, I— VIII. — 268 — sorgfältigen Untersuchungen Weismanns gezeigt haben, ein an- schauliches Beispiel für derartige Verhältnisse. Bei ihrer verschiedenen Lebensweise sehen wir, wie die einen Arten solche specielle Eigentümlichkeiten besitzen, während sie bei den andern mehr und mehr zurücktreten und verschwinden, da sie diesen Tieren keinen Nutzen gewähren. Bei den Daphniden haben wir je nach der Lebensweise zu unterscheiden 1) solche, welche nur in kleinen oft austrocknenden Wasser- lachen leben (Moina rectirostris und paradoxa), 2) solche, welche auch in tiefern Gräben und Sümpfen vorkom- men (Daphnia pulex Baird. und longispina 0. F. Müller, Ceriodaphnia quadrangula O.F.Müller, Polyphemus pedi- culus de Geer, Daphnella brachyura Lievin), 3) solche, welche in Sümpfen, Teichen und Seen leben, die nicht austrocknen (Sida crystallina 0. F. Müller, Daphnia hyalina Leydig, Bythotrephes longimanus Leydig, Lepto- dora hyalina Lilljeborg), 4) solche, welche den Winter über ausdauern (Bosmina longi- cornis und longispina, Chydorus sphaericus 0. F. Müller). WTie schon bei Besprechung der Thelytokie erwähnt wurde, besteht bei den Daphniden ein Wechsel von Parthenogenesis und geschlechtlicher Fortpflanzung. Dieser tritt aber nicht bei allen gleichmässig auf, sondern ganz verschieden je nach der Lebens- weise. Hierüber haben uns die ausgezeichneten Experimente Weismauns Aufklärung gegeben. Wenn man die Aufeinanderfolge der Generationen von einer Geschlechtsgeneration bis wieder zur folgenden einen Cyclus nennt, so muss man unterscheiden zwischen poly-, di-, mono- und a-cyclischen Arten. Solche Arten1), welche, wie die beiden Moina, in kleinen Wasserlachen leben, die jährlich mehrmals dem Austrocknen aus- gesetzt sind oder sein können, sind poly cyclisch, d. h. jährlich tritt mehrmals eine Geschlechtsgeneration auf. Aus dem W'interei von Moina z. B. gehen nur Jungferweibchen hervor. Aus den Sommereiern dieser entstehen teils wieder Jungferweibchen, teils aber auch schon Geschlechtstiere, welche in den folgenden Gene- rationen immer stärker auftreten. Mit dem Erscheinen der Ge- schlechtsgeneration beginnt auch die Ablage der Wintereier, so „dass schon genau vier WTochen nach dein Befeuchten der einge- x) pag. 416 u. 343. — 209 — trockneten Eier neue Dauereier gebildet sind und damit der Be- stand der Art gesichert ist"1) gegen Vernichtung durch Ein- trocknen. Trocknet die Lache aber noch nicht ein, so sorgen die neben den Geschlechtstieren noch immer vorhandenen Jungferweibchen für eine möglichst starke Vermehrung, so dass also stets für beide Fälle gesorgt ist. Trocknet die Lache aber ein, so beginnt beim nächsten Regen der Cyclus wieder von neuem , was in einem Jahre mehrmals vor- kommen kann. Bei diesen Tieren treten also bereits in der zweiten Generation (die aus dem Winterei hervorgehende als erste gerechnet) wieder Geschlechtstiere auf, also unabhängig von äussern Einflüssen, wie Ernährung. Es ist dies als eine nützliche Eigen- schaft zu betrachten, welche auf keinen der obigen allgemeinen Sätze zurückgeführt werden kann und welche — auch nach der Meinung Weismanns -- durch Anpassung an specielle Lebensver- hältnisse erworben ist. Es beweist das Vorhandensein dieser speciellen Eigentümlichkeit, dass man mit Recht die das Ge- schlecht bestimmenden Ursachen auf durch Anpassung erworbene nützliche Eigenschaften zurückführen darf. Solche Arten2), welche nicht nur in Lachen, sondern auch in Gräben etc. vorkommen , die nicht so oft eintrocknen , zeigen alljährlich ein zweimaliges Auftreten von Männchen, also einen zweifachen Cyclus. Bei Polyphemus z. B. gehen aus den Wintereiern wie immer Jungferweibchen hervor. Diese produzieren wieder eben solche, so dass meist erst die dritte Generation Ge- schlechtsindividuen aufweist. Bei Daphnia pulex können sogar zwei bis vier Jungfer-generationen einander folgen. Ein Cyclus ist hier bedeutend länger und es kommen deren nur zwei auf ein Jahr. Wir sehen also hier diese Eigentümlichkeit nicht mehr so scharf ausgeprägt. Die Fortpflanzung ist eben nicht so sehr durch Austrocknen des WT assers bedroht. Der Einfluss der Nahrung auf das relative Verhältniss der Geschlechter kommt wieder mehr zur Geltung. Daher bemerken wir eine .sehr schwankende Zahl von eingeschlechtlichen Generationen, bei Daphnia pulex sogar zwei bis sechs 3). Endlich kommen wir zu solchen Formen, welche in grössern x) pag. 350. 2) pag. 352 u. 418. 3) pag. 353. — 270 — Gewässern leben, die überhaupt nicht austrocknen können. Diese zeigen von der bei Moina so ausgeprägten nützlichen Eigenschaft nichts mehr. Die geschlechtliche Generation tritt nur einmal im Jahre und zwar zur Zeit des herbstlichen Mangels auf, wie nebenstehende Tabelle übersichtlich zeigt. Auskriechen Sexualperiode Monate mit parth. Fortpflan- zung Zahl der parth. Gene- rationen Sida D. hyalina Bythotrephes Leptodora Ende April Anfang „ >> >> Mai Mitte October „ August October Ende September 6 4 6 3—4 mindestens 20 vielleicht 10 6 bis 7 Es scheinen auch acyclische Arten vorzukommen. Dies sind solche, welche den Winter über ausdauern und bei denen ge- schlechtliche und ungeschlechtliche stets nebeneinander vorkommen. In welchem numerischen Verhältniss indessen die beiden Ge- schlechter in den verschiedenen Jahreszeiten zu einander stehen, ist bisher nicht untersucht worden. Weis m a n n hingegen geht in der Abschätzung der Trag- weite seiner Entdeckung wohl zu weit; denn er sagt, dass es in der Natur des Tieres liegt, in einer ganz bestimmten Generation die Geschlechtstiere hervorzubringen und dass dies durch keine von aussen wirkende Ur- sache modifiziert werden kann. Dass dieser Satz wohl zu streng ausgesprochen ist, geht aus einigen Weismann'schen Versuchen selbst hervor, z. B. fand er bei Daphnia pulex, dass die Geschlechtstiere schon in der dritten, aber auch erst in der fünften oder sechsten auftreten konnten. Im Versuch 13 *) fand er, dass ein Weibchen der zweiten Gene- ration unter der vierten Brut auch viele Geschlechtsweibchen ge- bar. Er berechnete nun, dass diese Brut ungefähr in die Zeit der vierten oder fünften Generation fallen müsse, so dass also mehrere Generationen gleichzeitig zur Sexualzeugung schritten, nämlich die spätem Brüten der ersten älteren Generationen und die frühern Brüten der spätem Generationen. Die eigentliche Theorie, dass die Geschlechtstiere nur an be- stimmte Generationen gebunden seien, muss also schon aus diesem T) 1. c. pag. 356. — 271 — Grunde dahin modifiziert werden, dass die Art der Reproduction auch von andern Ursachen, z. B. vom Alter des Individuums be- einflusst wird. Weismann fand auch viele Erscheinungen, die sich beim strengen Festhalten seiner ursprünglichen Theorie gar nicht oder nur sehr schwer erklären lassen. Dies ist z. B. die Ungleichheit der Intensität der Geschlechtsperioden *), d.h. die That- sache, dass oft die immense Majorität aller Weibchen gleichzeitig in geschlechtlicher Fortpflanzung sich befindet, in andern Fällen aber nur eine geringe Minorität. WTeismann erklärt dies da- durch, dass die Wintereier nicht gleichzeitig befruchtet seien. Es ist aber doch viel einfacher anzunehmen, dass irgend eine äussere Ursache das gleichzeitige Auftreten von Geschlechtstieren in verschiedenen Generationen bewirkt habe. Ferner sei erwähnt, dass die Sexualperioden von Daphnia pul ex2) oft in ganz verschiedene Monate fallen. Weis mann erklärt dies dadurch, dass er annimmt, bei verschiedener Tempe- ratur folgten die Generationen mit verschiedener Schnelligkeit auf einander. Es ist dies möglich, obwohl es noch nicht experimen- tell untersucht wurde. Ebenso leicht lässt es sich aber auch da- durch erklären , dass durch ungünstige Bedingungen in den ver- schiedenen Monaten die Production von Geschlechtstieren herbei- geführt wird. Sollten nicht z.B. bei Polyphemus 3), der in den Sümpfen am Nordabhang der Alpen einen sehr kurzen und deshalb häufig doppelten Generationscyclus durchmacht, ungünstige Er- nährungsverhältnisse das Auftreten der Geschlechtstiere hervor- rufen? Weis mann wenigstens kann diese Erscheinung nicht erklären, da in dem feuchten Sommerklima der dortigen Gegend ein Austrocknen der Sümpfe meist nicht eintritt. Die Auffindung der cyclischen Reproductionsweise, welche sich bis jetzt nur bei den Daphniden gezeigt hat, ist unstreitig eine be- deutende biologische Entdeckung. Indessen ging W e i s in a n n wohl zu weit, als er glaubte , die Cyclie sei das einzig Massgebende bei der Vermehrung dieser Tiere und alle äussern Einflüsse seien ohne jede Wirkung. Er stützt sich in dieser Behauptung auf einen einzigen Versuch, auf den ich daher eingehen muss. Es folgt hier seine Beschreibung desselben. 1) 1. c. pag. 422. 2) 1. c. pag. 419. 3) 1. c. pag. 421. — 272 — „Sechs von einer Mutter stammende Daphniaweibchen wurden bald nach ihrer Geburt (am 3. März) in sechs Glaströgen isoliert und unter genau denselben Verhältnissen aufgezogen. Das Wasser wurde nicht erneuert, dunstete stark ab und überzog sich all- mählich mit einer dicken Staubdecke. Vierzehn Tage später hatte Nr. 1 drei weibliche Junge geboren, Nr. 2 deren acht, Nr. 3 deren sechs, Nr. 4 deren fünf, Nr. 5 sieben Weibchen und drei Männ- chen und Nr. 6 fünf Weibchen ; keine der Töchter zeigte einen Ansatz zur Wintereibildung. Trotzdem also hier ein starkes Eintrocknen des Wassers stattfand , lieferte doch nur eines von den sechs Tieren geschlecht- liche Brut, die andern nicht." Aber, wie auch Weis mann meint, ist nicht einzusehen, auf welche Weise das Austrocknen auf die in noch genügendem Was- ser frei umherschwimmenden Tiere sich bemerklich machen soll. Ein directer Einfluss ist wohl nicht gut denkbar. Es kommt viel- mehr auf eine Verminderung der Ernährung an. Wenn z. B. in einigen Gläsern Mangel, in andern aber Überfluss geherrscht hätte, so würde man bei einer genügenden Zahl von Versuchen einen Schluss aus dem Resultat ziehen können. — Trotzdem ausser dem obenbesprochenen kein Experiment auf die Untersuchung des Nahrungseinflusses gerichtet war, so finden sich unter den sehr objectiv mitgeteilten Versuchen Weismanns doch einige Thatsachen, welche deutlich zeigen, dass auch bei den Daphniden trotz ihrer speciellen Eigentümlichkeit die Wir- kung der Ernährung noch in derselben Weise fortbesteht wie bei allen andern Tieren. Über die Bildung von Wintereiern stellte Weis mann Ex- perimente an, worüber er sagt1): „Über 200 Versuche blieben resultatlos, d. h. es wurde zwar eine Brut von Jungen nach der andern hervorgebracht, aber nicht ein einziges Ephippium. Und doch wurden Ephippien mit Dauereiern zu derselben Zeit ge- bildet und mehr wie einmal fand ich Weibchen mit Ephippial- eiern in solchen Versuchsgläsern vor, die ich längere Zeit nachzusehen versäumt und in denen sich nun eine zahlreiche Nachkommenschaft angesammelt hatte. Immer aber waren dann Männchen vorhanden! — Ich schloss daraus, dass zur Zeit dieser Versuche wenigstens (Vorfrühling) *) 1. c. pag. 193. — 273 — nur einzelne aus einer grossen Anzahl von Weibchen Dauereier hervorbrächten." Hieraus können wir direct auf einen Einfluss des Mangels schliessen, da diese "Weibchen mit Wintereiern sich nur in solchen Gläsern fanden, welche lange vernachlässigt worden waren und in denen sich eine grosse Zahl von Individuen angesammell hatten, die also jedenfalls an Nahrungsmangel litten. Für die Ansicht, dass Nahrungsmangel die Bildung von Wintereiern begünstigt, spricht ferner die Thatsache, dass junge WCibchcn, welche noch viel Stoff für den individuellen Haushalt, für das Wachstum, nötig haben und also noch nicht so viel Ma- terial für die Reproduction erübrigen können, die Anlage eines Wintereies zeigen ; denn Weismann sagt: „Zahlreiche Weibchen von Daphnia pulex enthalten in ihrer ersten Jugend die Anlage eines Wintereies in jedem Ovarium , welches einige Tage hindurch wächst, sogar beginnt, den charakteristischen, feinkörnigen Dotter des Dauereies in sich abzulagern, dann aber (wenigstens in der Sommerzeit) in der Entwickelung stillsteht, um sich allmählich aufzulösen und vollständig zu verschwinden" l ). Es erklärt sich dies durch die zur Zeit des Wachstums schwächere und erst später stärker werdende Ernährung des Genitalsystems. Man wird sich erinnern, dass auch beim Menschen das Genitalsystem und damit der Foetus von Erstgebärenden eine schwächere Nahrungs- zufuhr erhält als bei Mehrgebärenden. Auch war die Production von Knaben bei ersteren grösser. Auch dann, wenn an das Geschlechtssystem kurz vorher be- deutende Anforderungen gestellt wurden, zeigt sich die Anlage eines Dauereies. „Beinahe alle Weibchen sollen, sobald sie Brut abgesetzt haben, die Anlage eines Wintereies im Ovarium er- kennen lassen, welches dann aber meistens nicht zur Entwickelung gelangt"2), weil alsdann das Ovarium wieder starke Nahrungs- zufuhr erhält. In beiden Fällen bewirkt also auch umgekehrt der Überfluss das Wiederverschwinden dieser Wintereianlage und deu Übergang zur Parthenogenesis. Auch experimentell hat WTeismann gezeigt, dass, wenn man die Tiere hungern lässt, sich im Ovarium Nährkammern bilden, genau so wie bei der WTintereibildung. Und zwar hat er dies für J) 1. c. pag. 202 und 454. 2) 1. c. pag. 454 von L üb bock beobachtet, Philosoph. Tiaus- act. 1857. 18 — 274 — sehr viele Daphniden beobachtet, so dass es wohl bei allen sich so verhalten wird1). Er sagt darüber2): „Die durch schlechte Gesamternährung des Tieres veranlasste Atrophie eines Eifollikels (einer Eikammer) verläuft genau unter denselben Erscheinungen, wie die bei der Wintereibildung normaler Weise eintretende Re- sorption einer Keimzellengruppe." Weis mann aber Hess die Tiere so stark hungern, dass sich überhaupt kein Ei mehr bilden konnte, sondern dass sie verhungerten. Je nach der Stärke der Ernährung bilden sich also im Ova- rium Winter- oder Sommereier. Ferner beobachtete Weismann, dass die Reproductionsweise der Weibchen sich unter Umständen ändern kann. „Bei Daphniapulex3) können zuweilen diejenigen Weibchen, welche Männchen hervorbringen , später Dauereier bilden, also zur geschlechtlichen Fortpflanzung übergehn." Da im Alter das Ge- nitalsystem weniger Nahrung erhält, so wird eine solche Umwand- lung sich wohl auf eine Änderung der Nahrungszufuhr zurück- führen lassen. Am häufigsten kommt aber die umgekehrte Weibchenumwand- lung vor. Wenn man Weibchen, welche mit der Bildung eines Wintereies beschäftigt sind, isolirt, und dadurch vor Befruchtung sichert, so bildet sich das Ei nur unvollkommen aus und tritt nicht in das Ephippium über, das alsdann leer abgelegt wird. Das Ei selber aber bleibt im Ovarium und wird resorbirt. Man ist daher sehr wohl berechtigt, zu vermuten, dass bei dieser un- erwarteten Nahrungszufuhr der Eierstock die Erscheinungen des Überflusses zeigen wird. Und in der That geht das Weibchen zur Bildung von Sommereiern über. So verhalten sich die meisten Daphniden 4). Dass dieser causale Zusammenhang nun wirklich besteht, zeigt uns das Verhalten von Moina paradoxa5). Hier treten näm- lich auch die unbefruchteten Wintereier in die Ephippien über, die also mit dem Ei abgelegt werden. Das weibliche Genital- system erhält also nicht diese unerwartete Nahrungszufuhr wie bei den übrigen Daphniden. Und daher zeigt es auch nicht die Erscheinung des Überflusses, welche wir bei diesen wahrnehmen. 1) 1. c. pag. 43, 87, 115, 126. 2) 1. c. pag. 43. 3) 1. c. pag. 358. 4) 1. c. pag. 22, 359, 350, 196, 454—458. 5) 1. c. pag. 208. — 275 — Das unbefruchtete Weibchen geht nicht zur Bildung von Sommer eiern über, sondern bildet nach wie vor Winter- eier, die nach einander abgelegt werden, wie wenn sie befruchtet wären. Von Weismann wurde dies sogar viermal hintereinander beobachtet. Bei der nahverwandten Moina rectirostris aber zeigen sich die gewöhnlichen Erscheinungen, dass das unbefruch- tete Ei im Ovarium resorbiert wird und letzteres infolge dieses Überflusses zur Bildung von Sommereiern übergeht. Es ist also ganz unzweifelhaft, dass die Ernährung des Ge- nitalsystems von dem grössten Einfluss ist auf die Art der Re- production. Das Resultat der Untersuchung über die Cyclie lässt sich in folgende Sätze zusammenfassen: Die strenge Cyclustheorie, welche sagt, dass die Geschlechts- tiere nur in ganz bestimmten Generationen auftreten und dass äussere Einflüsse ohne jede Einwirkung auf die Reproduction wä- ren, ist in dieser strengen Form nicht haltbar, weil sich viele Er- scheinungen nicht hieraus erklären lassen, weil die Beobachtungen an Daphnia pulex direct dagegen sprechen, weil der einzige Ver- such, auf Grund dessen WTeismann den Einfluss äusserer Momente bezweifelt, nicht zutreöend ist, und weil eine Menge von W'eismann selbst beobachteter Thatsachen den grossen Einfluss der Ernäh- rung auf die Reproduction direct beweisen. Eine Erweiterung der Cyclustheorie dahin, dass die Geschlechts- tiere in gewissen gleichzeitig fallenden Brüten auftreten, würde nach den bisherigen Beobachtungen nur für Daphnia pulex statthaft sein. Das gleichzeitige Auftreten von Geschlechtstieren lässt sich aber einfacher auf die Wirkung äusserer Umstände zu- rückführen. Wahrscheinlich werden die Verhältnisse folgendermassen liegen: Die Daphniden, namentlich die in kleinern Wasseransammlun- gen wohnenden, haben durch natürliche Zuchtwahl die nützliche, die Fortpflanzung der Tiere gegen Vernichtung durch Austrock- nen des Wassers sichernde Eigenschaft erworben , schon in der zweiten oder dritten Generation Geschlechtstiere hervorbringen zu können. Nichtsdestoweniger äussert die Ernährung ihren Einfluss in genau derselben Weise wie bei allen übrigen Tieren. — Physiologisch lassen sich diese Erscheinungen als eine Wir- kung der Inzucht auffassen. Wie wir gesehen haben, ist Parthe- nogenesis das Extrem der Inzucht. Sie kann nur eine gewisse für verschiedene Tiere und unter verschiedenen Umständen ver- 18* — 276 — schieden lange Zeit fortbestehen. Alsdann haben sich die Wir- kungen derselben so gehäuft, dass die Production von Männchen erfolgen muss. Wir müssen demnach annehmen, dass die einzel- nen Daphnidenarten in verschiedenem Grade für die Wirkung der Inzucht empfänglich sind. Auch Darwin, der auf diesem Ge- biete doch gewiss als massgebend betrachtet werden muss, sagt, dass bei den einzelnen Tier- und Pflanzenarten die Wirkung der Inzucht eine sehr verschieden starke ist. Und zwar scheint dies, wie auch schon Darwin anführt, in Beziehung zu den Lebensver- hältnissen der Organismen zu stehen. Diese Ansicht stützt er durch Thatsachen. Es ist daher ganz naturgemäss, wenn auch die einzelnen Daphnidenarten je nach ihrer Lebensweise in ver- schieden starkem Grade für die Wirkung der Inzucht empfänglich sind. Bei den polycyclischen Daphniden, die in kleinen Wasser- ansammlungen leben, kann dieselbe nur eine kurze Zeit fortgesetzt werden und bald äussert sich ihre Wirkung durch die Production von Geschlechtstieren. Die dicyclischen Arten sind weniger em- pfindlich und die Inzucht kann länger fortgesetzt werden. Am schwächsten erscheint sie bei den monocyclischen Formen; denn hier führt erst die vereinigte Wirkung von Inzucht und Nahrungs- abnahme im Herbst die Entstehung der • Geschlechtstiere herbei. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Cyclie auf eine Wirkung der Inzucht zurückzuführen ist. — Da nun fast jedes Tier in besondern Lebensverhältnissen sich befindet, so ist es sehr wahrscheinlich, dass diese die Entstehung noch besonderer Eigentümlichkeiten in der Reproduction veranlasst haben können , die in obigen allgemeinen für alle organisierten Wesen geltenden Sätzen noch nicht berücksichtigt sein können. Bei einigen Tieren kann auch das eine oder andere allge- meine Moment in Wegfall kommen; so versteht sich von selbst, dass bei Hermaphroditen niemals von einem Mangel an In- dividuen des einen Geschlechts die Rede sein kann. Das Ge- schlechtsverhältniss ist bei ihnen ein constantes und bedarf keiner Regulierung. Durch die Existenz specieller Eigentümlichkeiten einzelner Tiere wird die Richtigkeit der allgemeinen Sätze nicht beeinflusst. C. E e s u 1 1 a t. Fassen wir die Resultate der Arbeit noch einmal kurz zu- sammen, so gelangen wir zu folgenden Sätzen: — 277 — Alle Eigenschaften der Tiere und Pflanzen, wel- che Einfluss auf die Geschlechtsbildung besitzen, sind durch natürliche Züchtung entstanden. Sie sind der Fortpflanzung der Individuen nützlich und bewirken, dass unter solchen Verhältnissen das eine Geschlecht reich lieh er produziert wird, unter welchen eine solche relative Mehrproduction für die Fort- pflanzung der Tiere und Pflanzen vorteilhaft ist. Im ersten Teil der Arbeit wurde gezeigt, wie das Sexual- verhältniss mit Hülfe dieser Eigenschaften sich selbst reguliert und auf diese Weise um einen be- stimmten stets wiederkehrenden Zahlenwert schwankt. Im zweiten Teil wurde dann erläutert, wie unter gewissen Umständen sogar ein anomales Sexualverhältniss für die Fortpflanzung von Nutzen sein kann und in der That auch eintritt. Der erste Teil der hierauf bezüg- lichen Eigenschaften wurde abgeleitet aus dem Umstände, dass in folge eingetretener Arbeitsteilung das W eibchen bei der Repro- duetion den Stoff für den Aufbau des Embryo zu liefern hat, dass also die Stärke der Vermehrung besonders von der Zahl der Weibchen abhängig ist. Da im Überfluss eine starke Reproduc- tion von Nutzen ist, so werden alsdann mehr Weibchen produziert und mit Hülfe derselben findet eine besonders starke Vermehrung statt. Das Extrem bildet die ungeschlechtliche Fortpflanzung, wo die Männchen gänzlich fehlen. — Der zweite Teil der hier in be- tracht kommenden Eigenschaften ergab sich aus dem Umstände, dass dem Männchen die Rolle zugefallen ist, die geschlechtliche Vermischung verschiedener Tiere herbeizuführen, also Inzucht zu verhindern. Findet dennoch solche statt, so werden mehr Männ- chen geboren, wie überhaupt die Wirkung der Inzucht mit der eines Nahrungsmangels übereinstimmt. Im dritten Teil wurde gezeigt, dass die Tiere als Anpassun- gen an specielle Lebenseigentümlichkeiten noch besondere Eigen- schaften in bezug auf die Entstehung des Geschlechtes haben können. Die Entstehung des Geschlechtes. A. Vorgang der Gteschlecktsentstehung. Es ist oft und viel darüber gestritten worden , ob d i e g e - schlechtlichen Unterschiede schon im unbefruchte- ten Ei ausgeprägt sind, ob es also männliche und weibliche Eier giebt, oder ob das Geschlecht bei der Befruchtung- bestimmt wird, wie die Anhänger der Hofacker-Sadler'schen und der Thury'scheu Theorie behaupteten, oder ob es e i n e F o 1 g e der nachträglichen Einwirkung der Ernährung ist, eine Ansicht, die besonders von Ploss verteidigt wurde. Alle diese Forscher gingen eben von der Ansicht aus, dass es nur ein ein- ziges Moment sei, welches das Geschlecht bestimme. Wir haben aber gesehen, dass durch das Zusammenwirken vieler Faktoren die Regulierung des Sexualverhältnisses herbeigeführt wird. Diese kommen aber zeitlich nacheinander zur Wirkung, wie in Folgendem näher erläutert werden soll. Es war gezeigt worden, dass die Individualität der Mutter von Einfluss auf das Geschlecht ist. Diese gelangt aber zum Aus- druck durch die qualitative Beschaffenheit des Eies, dem also schon vor der Befruchtung die Tendenz inne liegen muss, sich zum einen oder andern Geschlecht auszubilden , z. B. tendieren junge Eier zum weiblichen, ältere dagegen zum männlichen Ge- schlecht. Die Thatsachen beweisen ferner, dass die Individualität des Vaters, d. h. die qualitative Beschaffenheit des Sperma eine Wir- kung auf die Geschlechtsausbildung ausübt. Durch diese kann bei der Befruchtung die eben erwähnte Tendenz der noch unbe- fruchteten Eier umgeändert werden. Die in der Persönlichkeit des Vaters und der Mutter liegenden Momente, welche vermittelst der Qualität des Sperma und des Eies bei der Befruchtung zum Ausdruck gelangen, können also in verschiedener Stärke nach der einen oder andern Richtung hin wirken. Sie setzen sich alsdann zu einer Resultierenden zusammen, deren Ausfall dem Ei eine vorläufige Tendenz der Geschlechtsausbildung giebt. — 282 — Zur besseren Veranschaulichung möge ein Beispiel dienen. Ein Ei tendiere nach seiner Ablösung in Folge seiner Qualitäten sich zum weiblichen Geschlecht auszubilden. Wird es jetzt noch nicht befruchtet, sondern durchläuft es einen langen Weg, so wird die genannte Tendenz, die sich nach der Jugendlichkeit des Eies bemisst, immer schwächer und es ändern sich seine Eigenschaften schliesslich derart, dass es die erstere Tendenz gänzlich aufgiebt und die entgegengesetzte annimmt, nämlich die, ein männliches Individuum zu bilden. Wird dieses Ei nun von Sperma befruch- tet, das die Qualitäten (z. B. ein hohes Alter) besitzt, welche ein Ei bei der Befruchtung zum weiblichen Geschlecht bestimmen kön- nen, so wird die Tendenz des Eies der des Sperma entgegenwir- ken und es kommt darauf an, welche die stärkere von beiden ist. Ist dies z. B. die des Samenfadens, so wird das Ei abermals die Tendenz der Geschlechtsausbildung wechseln und sich dem weib- lichen Geschlecht gemäss zu entwickeln streben. Hier möge noch bemerkt sein, dass auch der Samen ähnlich wie das Ei schon vor der Befruchtung seine Tendenz wechseln kann. Wenn er zuerst zum männlichen Geschlecht neigt, so kann er infolge des zunehmenden Alters z. B. bei Nichtbeanspruchung des männlichen Individuums oder bei längerem Aufenthalt in den weiblichen Ampullen die frühere Tendenz aufgeben und die ent- gegengesetzte zum weiblichen Geschlecht bestimmende annehmen. Bei der Befruchtung wird aber das Geschlecht des Embryo noch nicht definitiv bestimmt. Wir wissen, dass das zeitlich zu- letzt eintretende Moment der Ernährung noch seinen Einfluss gel- tend machen kann. Die Beeinflussung der Geschlechts-ausbildung durch mütterliche Ernährung dauert beim Menschen drei Monate. Bis dahin findet bei Zwillingen noch keine Nahrungs-beeinträch- tigung statt. Bei Drillingen aber stellt sich schon vorher eine erhebliche Concurrenz um die Nahrung ein und es finden sich daher bei ihnen mehr Knaben als bei Zwillingen. Dass nun wirklich schon lange vor dem Beginn der definitiven Ausbildung der Geschlechtsorgane der scheinbar hermaphroditische Embryo wenigstens die Tendenz besitzt, sich dem einen oder an- dern Geschlecht gemäss auszubilden, das ist wenigstens für einige Plagiostomen von Semper1) direct bewiesen worden. Bei diesen sind nämlich in einer so frühen Zeit, in der die Keimdrüsen noch gar keine Differenz zeigen, beide Geschlechter an einem scheinbar x) Arbeiten d. zool. Inst, in "Würzburg II, 1875. — 283 — secimdären Merkmal zu unterscheiden. Beim Weibchen bildet sich Dämlich nur ein Ovariuni aus und schon sehr frühzeitig zeigen daher die weiblichen Embryonen eine unsymmetrische Entwicke- luug der beiden Keimfalten. Hieran sind die Geschlechter viel eher zu erkennen als die histologische Untersuchung der Drüsen einen Unterschied ergeben würde. Zugleich ersieht man aber auch, ein wie grosser Nutzen es für alleTiere ist, möglichst lange der äussern Ge- stalt nach hermaphroditisch zu bleiben. Dadurch ist den Embryonen die Möglichkeit gegeben, noch sehr spät die Tendenz der Geschlechtsausbilduug zu wechseln. Es können also auch noch sehr spät eintretende Umstände ihren Eiufluss erfolgreich äussern, was ja sonst unmöglich wäre. Hiermit ist eine Erklärung gegeben für die Thatsache, dass die Embryonen fast aller Tiere zuerst herma- phroditisch angelegt erscheinen. In bezug auf die Entstehung dieses Jugend-Hermaphroditis- mus kann man auch daran denken, dass die zwitterhafte Anlage eine ontogenetische Erscheinung ist, welche auf hermaphroditische Stammformen hinweist. Diese Ansicht hat für viele Tiergruppen eine grosse Wahrscheinlichkeit. Sei die Eigenschaft aber die Folge palingenetischer Vererbung oder cenögenetischer Anpassung, jeden- falls gewährt sie jetzt einen Nutzen in bezug auf die Entstehung des Geschlechtes. B. Zwitterhafte Bildungen. Das Moment, welches zeitlich zuletzt in Wirksamkeit tritt, ist die Ernährung des Embryo. Anfangs ist dieser hermaphro- ditisch und die geschlechtsbestimmende Wirkung der Ernährung kann ohne Schwierigkeit vor sich gehen. Aber selbst dann, wenn die Genitalien schon angefangen haben, sich defini- tiv dem einen Geschlecht gemäss auszubilden, kann dennoch eine in der Ernährung liegende Ursache, wenn sie stark genug ist, die Ausbildung nach der entgegengesetzten Richtung veranlassen, so dass ein vollkommener oder teil- weiser Zwitter entsteht, indem das Individuum Merkmale von beiden Geschlechtern in sich vereint. Eine schlechtere Ernährung kann sich z. B. bei einem weiblichen Embryo geltend machen. — 284 — Zwar können sich die weiblichen Geschlechtsorgane nicht mehr in die männlichen umwandeln, aber wenigstens ein Stillstand in der Entwicklung derselben wird bewirkt und der Anfang wird ge- macht, die männlichen Genitalien auszubilden. Auf diese Weise entsteht ein sog. Zwitter, an dem meistens beide Genitalsysteme unvollständig ausgebildet sind. Jedoch scheint sich das männ- liche häufiger im funktionsfähigen Zustand zu befinden, da es sich als das bezüglich der Ernährung weniger anspruchsvolle leichter ausbilden kann. Als Beispiel zur Erläuterung dieser Zwitterbildung können zunächst die Bienenzwitter angeführt werden. „In manchen Stöcken1) findet man Hermaphroditen, deren zwei Seiten, oder Vorder- und Hinterteil, oder Segmente verschieden geschlechtlich sind. Diese Eierstöcke enthalten niemals Eier, während man in dem Hoden Samenkörperchen antrifft. Diese Zwitter wachsen wie die Arbeiter in Deckelzellen auf. Sie werden beim Ausschlüpfen aus dem Stock geworfen." Da sie in Arbeiterzellen sich entwickeln, so ist unzweifelhaft, dass die Eier eigentlich zum weiblichen Ge- schlecht bestimmt wurden ; sie waren also befruchtet und die Lar- ven wurden (wenn man auch die Theorie von Landois acceptiert) anfangs gut genährt. Das weibliche Genitalsystem fing an sich auszubilden. Die Larven bekamen später, da aus ihnen ja Ar- beiter und nicht Königinnen hervorgehen sollten, verminderte und schlechtere Nahrung, weshalb sich der empfindliche weibliche Ge- schlechtsapparat nicht ausbilden konnte. Bei einigen aber, welche zu früh oder zu stark Mangel gelitten hatten, reduziert sich nicht nur das weibliche System , sondern das männliche fängt an sich auszubilden, d. h. es entstehen Zwitter. Das Geschlechtsverhält- niss der einzelnen Körperteile kann natürlich mit den Ernähmngs- verhältnissen derselben wechseln. Wegen der geringeren Ernäh- rungsbedürftigkeit des männlichen Genitalsystems gelangt dieses örtlich zur vollständigen Ausbildung, die Hodeu enthalten Samen- körperchen, während die Ovarien infolge des Mangels niemals Eier bilden können. Fast denselben Vorgang finden wir bei den Cladoceren 2). ») Zeitschrift f. wiss. Zool. Bd. XIV, 1864, pag. 73. Siebold, Über Zwitterbienen. Kefersteins Jahresbericht über die Fortschritte in der Generationslehre. Besondere Abteilung von Henles und Pfeu- fers Zeitschrift für rationelle Medicin 1860 — 1868. 2) "W. Kurz, Über androgene Missbildungen bei Cladoceren. Sitzungsberichte der Akademie d. Wissensch. Wien 1874. Bd. LXTX. — 285 — Im sommerlichen Überttuss pflanzen sich dieselben durch thely- tokische Parthenogenesis fort, indem ein Weibchen immer wieder Weibchen produziert, die oft bei der Geburt schon wieder träch- tig sind, und bald wieder eine Menge Weibchen hervorbringen und so fort in anhaltender Vermehrung. Tritt dann aber der Herbst mit seinem Nahrungsmangel auf, oder erzeugt man letz- tern auf künstliche Weise, so entstehen wieder mehr Männchen. Vor dem Auftreten dieser männlichen Individuen bemerkt man aber zuweilen Zwitterformen mit halb männlicher und halb weiblicher Organisation. Es ist unzweifel- haft, dass diese bei noch herrschendem Überfluss sich zu Weib- chen entwickelt hätten. Noch während der Ausbildung der Ge- schlechtsorgane überraschte sie der Mangel. Das weibliche System blieb rudimentär und das männliche begann sich auszubilden. Hierfür spricht deutlich ihr Auftreten vor dem der Männchen. Für alle folgenden Individuen existirt ja schon der Mangel vom Anfang der Entw ickelung an. Ferner zeigt sich auch bei ihnen , dass das an Mangel gewöhnte anspruchs- losere männliche Geschlechtssystem einen höheren Grad der Aus- bildung hat erreichen können , indem die Hoden oft Samenfäden enthalten. Also auch diese Zwitter scheinen anfangs zum weib- lichen Geschlecht bestimmt gewesen zu sein und nur ein zu spät eintretender Mangel bewirkte den Beginn der männlichen Aus- bildung. Zwitter scheinen überhaupt besonders dann aufzutreten, wenn eine plötzliche Änderung in den Ernährungsverhältnissen eintritt, namentlich aber, wenn plötzlich Mangel entsteht, der dann beson- ders auf die Ausbildung des empfindlichen weiblichen Geschlechts seinen verderblichen Einfluss ausüben kann. Eine derartige Beobachtung machte Herr Dr. Rehberg1). Ein früherer Torfkanal wurde von einer Seite aus zugeschüttet, so dass das Wasser nach dieser Seite hin absickerte, während die Tiere auf ein immer kleiner werdendes Wasservolum zusammen- gedrängt wurden. Während der Kanal früher stets normale Ver- hältnisse gezeigt hatte, boten sich jetzt die grössten Abnormitäten unter den Tieren. Die meisten Exemplare von Cyclops signatus Koch, C. viri- *) Man vgl. auch Dr. Rehberg, Beitrag zur Kenntniss der freilebenden Süsswasser-Copepoden. Obige Beschreibung beruht auf persönlicher Mitteilung. — 286 — dis Fischer, pulchellus Koch und agilis Koch, hatten nur die Grösse von Cyclops diaphanus, waren also im Wachstum erheblich zurückgeblieben. Ferner zeigten die meisten Exemplare Ver- letzungen und Verkümmerungen an den Antennen, Füssen und der Furca. Die geringe Wassermenge gab der übergrossen Zahl von Tieren zu wenig Nahrungsstoff, um eine normale Entwickelung zu gestatten. — Die Eiersäcke der Weibchen zeigten ausserge- wöhnlich wenig Eier. Während z. B. Cyclops diaphanus deren gewöhnlich 10 trägt, zeigten die meisten Exemplare nur 2, 4 bis 6 Eier. Der Mangel hatte seine Wirkung besonders auf die Leistungsfähigkeit des weiblichen Genitalsystems ausgeübt. — Wäh- rend bei den Cyclopiden unter normalen Verhältnissen das weib- liche Geschlecht bedeutend überwiegt, zeigte sich hier das ent- gegengesetzte Verhältuiss. Die Hauptmasse der Tiere waren Männchen. Aber nicht nur bei den Cyclopiden (besonders Cyclops agilis Koch), sondern auch bei Simocephalus vetulus 0. Fr. Mül- 1 e r (identisch mit Daphnia sima L e y d i g) fand er dieses abnorme Sexualverhältniss. Also auch diese Beobachtung bestätigt den Satz, dass Mangel an Xahrung die Entstehung des männlichen Geschlechtes begünstigt. — Endlich - machte er noch die wichtige Beobachtung, das Auftreten von Zwittern. Unter mehreren Hun- dert untersuchten Cyclopiden fand er ausser den übersehenen und zweifelhaften vier bestimmt als Zwitter erkannte Individuen. Der weibliche Charakter herrschte bei ihnen noch vor. Also auch hier kann angenommen werden , dass der durch so aussergewöhnliche Verhältnisse plötzlich eingetretene Nahrungsmangel hindernd auf die weitere Ausbildung des weiblichen Geschlechtes gewesen ist und die beginnende Entwickelung des männlichen bewirkt hat. Bei Zwillingskälbern zeigt sich häufig die Erscheinung, dass, während das eine männlich ist, das andere äusserlich weib- lich erscheint. Eine Untersuchung aber lehrt, dass meistens auch dieses männlich ist, dass aber die äussern Geschlechtsteile sich nicht weiter ausgebildet haben und anscheinend weiblich sind. Da dies besonders häufig an Zwillingen beobachtet wird, so liegt es nahe, an den Einfluss der später eintretenden Nahrungscon- currenz zu denken1). x) Sitzungsberichte der Münchener Akademie, 1863, pag. 471. Bischoff, Ein Fall von Kuhzwillings-zwitterbildung; ferner Reper- torium für Tierheilkunde 1881, pag. 1. Hering, 18 Fälle von un- fruchtbaren Zwillingen. — 287 — Bischoff, welcher die Theorie von Ploss kannte, dass gute Ernährung zum weiblichen, schlechte zum männlichen Geschlecht bestimmt, kommt hierüber zu folgenden Schlüssen: „Würde der Ernährungszustand der Mutter das Entscheidende sein und eine besonders gute Ernährung der Mutter das weibliche, eine minder gute das männliche Geschlecht der Frucht bedingen , so müssten bei sehr vorzüglich gut ernährten Kühen zwei völlig ausgebildete Weibchen , bei minder gut genährten ein vollkommenes Weibchen und ein vollkommenes Männchen, bei noch weniger gut genährten zwei vollkommene Männchen und endlich bei den schlecht genähr- testen ein vollkommenes und ein zwitterhaft gebildetes Männchen erzeugt werden." Er vergisst, dass die Zwitter doch auch mor- phologisch zwischen den beiden Geschlechtern stehen, also auch ihre Ursache — selbst angenommen, die Ernährung sei das einzig massgebende Moment — weder eine gute, noch eine schlechte Ernährung sein kann. Nach der Theorie steht die Ursache auch zwischen einer guten und schlechten Ernährung, sie ist zuerst das eine, später das andere. Diese Nahrungsverminderung z. B. in- folge der gegenseitigen Nahrungsentziehung der Zwillinge muss zu einer bestimmten Zeit und auch in der nötigen Stärke einge- treten sein, wenn ein Zwitter entsteht. Da es nun auch bei Menschen häufig beobachtet wird, dass die männlichen Geschlechtsorgane ihr letztes Entwickelungsstadium nicht mehr haben zurücklegen können, so liegt wohl die Vermutung nahe, dass bei diesen die Entstehung des männlichen Geschlechts nur die Folge eines sehr spät eintretenden Nahrungsmangels ge- wesen ist. Man erinnere sich an die von Nägele1) beschriebe- nen eineiigen Zwillinge, deren männliche Geschlechtsorgane auf einem embryonalen Stadium stehen geblieben waren. Meckel v. Hemsbach2) sagt: „Es ist zuweilen angegeben, dass an einer Doppelbildung ein Kind männlich, das andere weiblich sei; die nähere Untersuchung ergiebt stets, dass letzteres ein Knabe mit unvoll- kommenen äussern Genitalien war." Obwohl noch keine bestimmte Behauptung ausgesprochen werden kann, so drängt sich doch auch hier die Vermutung auf, dass bei dem anfangs zum weiblichen *) Meckels Archiv 1819, V., S. 136. Beschreibung eines Falles von Zwitterbildung bei einem Zwillingspaar. 2) „Über die Verhältnisse des Geschlechtes etc. bei einfachen und Mehrgeburten." Job. Müllers Archiv f. Anat. , Phys. u. wiss. Med. 1850, pag. 249. — 288 — Geschlecht bestimmten Zwilling später durch den Einfluss schlech- terer Ernährung das Geschlecht umgewandelt wurde. Alsdann fanden aber die männlichen Geschlechtsorgane nicht mehr genü- gend Zeit, um auch äusserlich sich vollkommen auszubilden. Wie wir früher gefunden hatten, reagiert das weibliche Ge- schlecht viel leichter auf Ernährungsveränderungen als das männ- liche. Es wird daher viel häufiger vorkommen, dass bei einem weiblichen Embryo, dessen Genitalien schon angefangen hatten, sich auszubilden, ein eintretender Mangel den Stillstand der weib- lichen und den Beginn der männlichen Geschlechtsentwickelung bewirkt, als dass ein späterer Überfluss die Zurückbildung der männlichen und die Entwickelung der weiblichen Organe veran- lasst. Die grössere Zahl der Zwitter wird daher früher weiblich gewesen und später männlich geworden sein. Bei zwittrigen höheren Tieren mit nur einem Paar Genitaldrüsen finden wir daher innerlich meist männliche Organe, deren Entwickelung infolge der späten Anlage auf einem gewissen Stadium stehen geblieben ist. Nicht mit Unrecht sagt daher Leuckart, alle Zwitter seien eigentlich männlich. Er stützt sich dabei auf seine Untersuchun- gen an Ziegenzwittern. Vielleicht ist dies aber nicht unbedingt für alle Zwitter gültig. Aus dem Umstand, dass die beiden Genitalsysteme sich dem Einfluss der Ernährung gegenüber nicht gleichartig verhalten, folgt aber noch ein nicht unwichtiges Verhältniss. Wir hatten bereits erkannt, dass die Tiere die nützliche Eigenschaft haben, möglichst lange scheinbare Hermaphroditen zu bleiben. Die Umwand- lung dieser Jugend-z witter in die Geschlechtstiere kann aber bei verschiedenen Individuen zu verschie- denen Zeiten eintreten. Bei Fröschen hat dies Pflü- ger1) gefunden. Nach ihm wandelt sich unter normalen Ver- hältnissen ein Drittel der Tiere in Männchen um. Die übrigen sind Weibchen und Zwitter. Von letzteren finden sich selbst im dritten Lebensjahr noch immer viele vor. Vielleicht ist die Ver- mutung nicht ganz ungerechtfertigt, dass bei diesen Tieren die im Ei und Sperma vorhanden gewesenen Eigenschaften sich das Gleich- gewicht gehalten haben, so dass die Entscheidung über das Ge- schlecht lediglich der später wirksam werdenden Ernährung an- !) Archiv f. Physiologie B. 29, 1882, pag. 33: E. Pflüger, Über die das Geschlecht bestimmenden Ursachen und das Geschlechts- verhältniss der Frösche. — 281) — heinifällt. Ob sich hier in der That die geschlechtsbestimmenden Tendenzen von Ei und Sperma gegenseitig aufgehoben haben, wird wohl kaum experimentell geprüft werden können. Nur das lässt sich zeigen, dass auf diese Jugend-zwitter die Ernährung so einwirkt, wie es der stärkeren Empfindlichkeit des weiblichen Systems gemäss zu erwarten steht. Bei eintretendem Mangel bildet sich eher der weibliche Teil zurück, als dass dies bei Überfluss mit dem männlichen stattfindet. Diese Zwitter entwickeln sich daher der Mehrzahl nach zu Männ- chen. Nach der äusserst wahrscheinlichen auf viele Beobachtungen sich gründenden Vermutung Pflügers1) bilden sich beim Erosch | der Zwitter später in Männchen um. Es ergiebt sich also hieraus der merkwürdige, aber mit der Theorie vollkommen übereinstim- mende Umstand, dass die späteren Männchen durchschnittlich länger hermaphroditisch bleiben als die späteren Weibchen. C. Schlusswort. Nach alle dem , was wir gefunden haben , kann von einer Vererbung des Geschlechtes, von der man früher sprach, über- haupt keine Rede sein. Die Art und Weise, wie sich das eine oder andere Geschlecht ausbildet, wird allerdings vererbt, aber die Entscheidung darüber, welches Geschlecht sich ausbildet, be- ruht nicht auf Vererbung, sondern wird durch das Zusammen- wirken von äussern Umständen herbeigeführt. Die hierauf bezüg- lichen Eigenschaften der Organismen sind durch Anpassung an allgemeine oder specielle Lebensverhältnisse erworben. Diese Um- stände können teils zu gleicher Zeit, teils nach einander auf- treten und ihre Ursachen werden sich je nach Stärke und Art in ihrem geschlechtsbestimmenden Einfluss unterstützen oder be- kämpfen. Je mehr sich die zuerst wirkenden Momente gegenseitig in ihren Wirkungen auflieben, desto leichter werden die folgenden ihren Einfluss zur Geltung bringen können. Wird z. B. ein Ei zu der Zeit befruchtet, wo die Tendenz desselben sich zum weiblichen Geschlecht auszubilden, infolge des Älter-werdens des Eies in die entgegen-gesetzte übergeht, wo also das Ei in bezug hierauf so zu sagen neutral ist, so wird die Eigenschaft des Sperma desto leichter seine Wirkung ausüben können. !) 1. c. pag. 35. L9 — 290 - Endlich, vielleicht nach wiederholter, oft sogar nach zu später Umänderung der Tendenz der geschlechtlichen Ausbildung, ist letztere so weit gediehen, dass keine auch noch so starke Ein- wirkung dieselbe rückgängig zu machen im stände wäre und da- mit ist das Geschlecht des Foetus definitiv entschieden. Obige Erörterungen sind vielleicht an einzelnen Stellen nicht klar genug gewesen. Die theoretischen Auseinandersetzungen waren häufig mit den grössten Schwierigkeiten verknüpft und ich darf daher die Nachsicht des Lesers wohl erwarten. Oft sind die Erörterungen etwas weit ausgedehnt, aber es war dies durchaus nötig, da alle nur denkbaren Einwände widerlegt werden mussten. Indessen darf ich wohl mit Zuversicht glauben, dass die Zahl der bereits bekannten und der neuen Thatsachen gross genug ist, um die Vorurteile zu besiegen, die man der Theorie naturgemäss ent- gegenbringen wird. Ö^Ov Hier spreche ich noch einmal allen den Herren meinen Dank aus, deren Unterstützung ich bei meinen Untersuchungen in An- spruch nahm. Besonders bin ich Herrn Professor H ä c k e 1 wegen seines jederzeit freundlichen Entgegenkommens zum grössten Danke verpflichtet. Vor allem aber ist es meine Pflicht, Herrn Professor Prey er auch hier meinen Dank auszudrücken. Derselbe hat nicht nur die Ergebnisse der mannigfaltigen Untersuchungen mit dem grössten Interesse verfolgt, sondern mich auch bei diesen selbst und bei Anstellung des Experimentes durch Rat und That unterstützt. Auch hat er es übernommen, diesem Buche ein empfehlendes Vor- wort beizufügen. Ich benutze diese Gelegenheit, um ihm für alles dieses meinen allergrössten Dank auszusprechen. Nachtrag. 19 Auch nachdem das Manuscript bereits fertig gestellt, abge- schlossen und dem Druck übergeben war, wurden die Forschungen nach weiteren Thatsachen, die auf die Theorie bezug haben, noch immer fortgesetzt. Wie die früheren immer neue Bestätigungen der einmal aufgestellten Theorie lieferten, so werden wir auch in den jetzt wieder aufgefundenen Thatsachen neue Beweise für die Richtigkeit der Theorie erkennen. Daher ist es von Wichtigkeit dieselben mitzuteilen und es darf damit nicht gezögert werden, auch wenn sie nicht mehr in die systematisch geordnete Zusam- menstellung der übrigen Thatsachen eingereiht werden können. Über die Wirkung stärkerer Beanspruchung bei Pferden. Eine der umfassendsten Untersuchungen, auf welche sich die Theorie stützt, ist die über den Einfluss stärkerer geschlecht- licher Beanspruchung bei Pferden. Die Landwirtschaftlichen Jahr- bücher, herausgegeben von H. Thiel in Berlin, veröffentlichen jährlich von jedem einzelnen Gestüt in Preussen, wie viel männ- liche und weibliche Fohlen geboren wurden und wie viel Stuten ein Hengst durchschnittlich belegt hatte. Nach der Stärke dieser Inanspruchnahme, welche je nach den Jahren und Gestüten sehr verschieden ist, wurden die Geburten zusammengestellt und ad- diert. Als Resultat ergab sich, dass desto mehr männliche Fohlen geboren wurden, je stärker im vorhergehenden Jahre die Hengste in Anspruch genommen waren. Die Tragzeit der Pferde dauert nämlich fast genau ein Jahr. Bei dieser Untersuchung konnten vier Jahrgänge nicht be- rücksichtigt werden, da sie zufällig nicht zur Verfügung standen. Erst jetzt ist es mir gelungen, diese zu erhalten. Die darin ver- — 204 - öfientlichten Geburten wurden auf dieselbe Weise wie die übrigen, also je nach der Beanspruchung der Vater-tiere, zusammengestellt und addiert. Das Ergebniss ist so ausgefallen, wie es vorausge- sehen werden konnte; auch in diesen vier Jahrgängen zeigt es sich schon , wie mit der Stärke der Beanspruchung der Hengste die Zahl der geworfenen Hengstfohlen zunimmt. Folgende Tabelle giebt die Resultate wieder. Zahl der von einem Hengst in einem Jahre Zahl der geworfenen Fohlen Sexualver- hältniss gedeckten Stuten männliche weibliche 60 oder mehr 28 962 28 636 101,14 55—59 8 942 8 686 102,95 50—54 10 032 10 365 96,79 45—49 12 697 12 857 98,74 40—44 6 606 7 038 93,86 35 — 39 6 563 6 312 103,98 20—34 2 669 2 865 93,19 Summe 76 471 76 756 99,63 Aus diesen Zahlen erkennt man, wie mit der Beanspruchung auch das Sexualverhältniss steigt. Indessen sind dieselben viel kleiner als die früher mitgeteilten. Daher erhält man viel stär- kere Schwankungen , so dass das Resultat weniger deutlich her- vortritt. Will man grössere Zahlen erhalten, so muss man die- selben gruppenweise zusammenfassen, wie es in folgender Tabelle geschehen ist. Zahl der gedeckten Zahl der geworfenen Fohlen Sexualver- hältniss Stuten männliche weibliche 55 oder mehr 45—54 20—44 37 904 22 729 15 838 37 322 23 222 16 215 101,56 97,88 97,68 Man ersieht aus dieser Übersicht, wie die Zahl der gewor- fenen Hengstfohlen zunimmt mit der Zahl der Stuten, welche die Hengste durchschnittlich deckten. Die Geburten in diesen vier Jahrgängen liefern also schon an und für sich wieder einen Be- weis für die Richtigkeit der Theorie. 295 Fassen wir diese neuen Zahlen mit den bereits früher mit- geteilten zusammen, so erhalten wir folgendes Gesammtresultat. Zahl der gedeckten Zahl der geworfenen Fohlen Sexualvcr- Stuten männliche weibliche Cid oilcr mehr 71 407 70 569 101,19 55—59 75 493 74 912 100,77 .')() 54 69 972 71 461 97,92 4 5—49 69 774 72 073 96,81 40 — 44 66 573 69 045 96,42 35 -39 44911 46 493 96,60 20—34 29 023 29 934 96,94 Summe 427 153 434 487 98,31 Wie aus diesen sehr grossen Zahlen ersichtlich ist, bilden die Sexualverhältnisse eine mit der Beanspruchung regelmässig zunehmende Reihe. Die Schwankungen, welche bei den früher mitgeteilten Zahlen noch deutlicher waren, treten hier schon mehr zurück und die Regelmässigkeit ist eine weit grössere. Die Zahl der hier zusammengefassten Geburten (861 640) ist eine so grosse, dass die Frage nahe liegt, ob nicht die Hälfte derselben an und für sich schon beweisend sein wird. Um dies zu untersuchen, wurden die Geburten der Jahrgänge von 1859 bis 1874 und ferner der von 1875 bis 1882 nach der Stärke der Be- anspruchung zusammengestellt. Infolge dieser Teilung umfassen beide Gruppen eine ungefähr gleiche Zahl von Geburten. Das Er- gebniss teilen die hier wiedergegebenen Tabellen mit. 1859—1874. Zahl der gedeckten Zahl der geworfenen Fohlen Sexualver- hältuiss Stuten männliche weibliche 60 oder mehr 55 — 59 50—54 45—49 40 — 44 35—39 20—34 34 835 27 337 26 874 39 674 47 845 26 478 20 505 34 694 27 060 26978 40 830 49 429 27 337 21 162 100,41 101,02 99,62 97,14 96,79 96,85 96,90 Summe 223 548 227 490 98,27 - 296 - 1875-1882. Zahl der gedeckten Zahl der geworfenen Fohlen Sexualver- hältniss Stuten männliche weibliche 60 oder mehr 36 572 35 875 101,95 55—59 48 156 47 852 100,64 50—54 43 098 44483 96,88 45- 49 30 100 31 243 96,34 40—44 18 728 19 616 95,47 35—39 18433 19 156 96,22 20—34 8518 8772 97,10 Summe 203 605 206 997 98,36 Wie aus diesen Tabellen hervorgeht , ist auch schon die Hälfte der Geburten genügend, um die Zunahme der Zeugung von Hengst- fohlen mit der der Beanspruchung von Hengsten definitiv zu be- weisen. Und zwar bilden die Sexualverhältnisse in beiden Ta- bellen, abgesehen von einigen unvermeidlichen Schwankungen, eine ziemlich regelmässig fortlaufende Reihe. Der Beweis kann also als ein doppelter angesehen werden. Über die Wirkung stärkerer Beanspruchung bei Rindern. Auch bei andern Tieren ist die Wirkung einer stärkeren ge- schlechtlichen Beanspruchung festgestellt worden. Bereits früher wurden die Experimente von Fiquet erwähnt. Hierzu mag noch folgende kleine Untersuchung mitgeteilt werden. Prof. Wilhelm1) prüfte statistisch, ob die Häufigkeit der Beanspruchung des Vater-tieres einen Einfluss auf das Geschlecht der Jungen habe. Er ermittelte nämlich aus dem Stammregister die Zeit, welche zwischen je zwei Sprüngen von fünf Stieren ver- gangen war. Als Resultat ergab sich, dass bei häufiger Benutzung des Stieres weit mehr Stierkälber geboren wurden, als wenn die Sprünge weniger rasch nach einander folgten. Da hier die Stärke der Beanspruchung genau in Rechnung gebracht werden konnte, so ist dies Ergebniss nicht unwichtig, obgleich es nur wenige, l) Allgemeine Land- und Forstwirtschaftliche Zeitung, Wien, 1865, IL Band, pag. 1016. Hat die Häufigkeit der Benutzung des Vater-tieres einen Einfluss auf das Geschlecht des Jungen? — 297 — Dämlich 13(5 Geburten umfasst. Es kann als eine neue Bestäti- gung der Theorie angesehen werden. Wenn eine derartige Untersuchung weiter ausgedehnt würde, so wäre sie für die Theorie jedenfalls von grosser Wichtigkeit. Denn nach der Länge der Zeit, welche zwischen den einzelnen Sprüngen vergeht, lässt sich das durchschnittliche Alter des Sperma bemessen. Natürlich hat das betreuende Spermatozoon, welches zufällig zur Befruchtung gelangt, durchaus nicht immer das mittlere Alter, sondern es werden sich sehr viele ältere und jüngere vorfinden. Auch ist das Alter des Eies und die Ernäh- rung des Embryo eine sehr verschiedene. Immerhin aber wird die Mehrgeburt von männlichen Jungen bei stärkerer Inanspruch- nahme der Vater-tiere mindestens so stark sein, als sie die sta- tistische Untersuchung über Pferdegeburten ergab. Das Ergebniss wurde hier herabgedrückt durch den Umstand, dass die Hengste nicht alle gleichmässig stark in Anspruch genommen werden. Eine statistische Untersuchung, in der genau die Pause zwischen den einzelnen Sprüngen berücksichtigt wird , wäre daher von grossem Interesse, auch wenn sie nicht so viele Fälle umfasste, als die von mir angestellte. Über die Geburten von älteren Erstgebärenden. Von den Geburten älterer Erstgebärenden war früher gezeigt worden, dass sie einen weit grösseren Knabenüberschuss aufweisen, als der normale beträgt. Durch die statistischen Untersuchungen von Hecker, Winckel, Ahlfeld, Schramm, Bidder und endlich von mir war dies als sicher nachgewiesen worden. Auch folgende kleinere Mitteilung mag hierzu noch erwähnt werden. Grenser1) fand nämlich bei Erstgebärenden im Alter von 30 bis 45 Jahren 29 Knaben und nur 14 Mädchen. Nur die Hälfte der Gebärenden gehörte dem niedern Stande an. Obgleich die Zahl der Fälle klein ist, so kann dieses Ergebniss doch beachtet werden , da es die Beweiskraft der früheren statistischen Unter- suchungen verstärkt. Auch darf nicht unterlassen werden dar- auf hinzuweisen, dass keine bisjetzt bekannte Thatsache dagegen spricht, dass die Geburten älterer Erstgebärender einen grossen 1) Beiträge zur Geburtshülfe , Gynäkologie und Pädiatrik (Fest- schrift) 1881, pag. 32. Dr. Paul Grenser in Dresden: Über Ge- burten bei älteren Erstgebärenden in der Privatpraxis. — 298 — Knabenüberschuss zeigen. Vielmehr bestätigen dies alle Forscher, welche sich hiermit beschäftigt haben. Über den Einfluss der Jahreszeiten. Wie wir früher gesehen haben treten die für die meisten Tiere günstigsten Ernährungsverhältnisse im Sommer ein. Dementspre- chend finden wir im allgemeinen während des sommerlichen Über- flusses nicht nur überhaupt eine stärkere Reproduction, sondern na- mentlich eine Mehrproduction von Weibchen. Dieselben Erscheinun- gen haben wir auch beim Menschen gefunden. Wie aber die Schwan- kungen des Sexualverhältnisses bei höheren Tieren überhaupt nur gering sind, so war auch die Mehrproduction von Mädchen so klein, dass sie nur an ausserordentlich grossen Zahlen nachgewiesen werden konnte. Diese sind von der Zeitschrift des statistischen Bureaus in Berlin mitgeteilt worden und umfassen sämtliche Geburten in Preussen während der zehn Jahre von 1872 bis 1881 (incl.). Aus diesen bereits früher mitgeteilten Zahlen geht hervor, dass die Reproductionsthätigkeit im Juni am stärksten, im September und October am schwächsten ist, und dass dementsprechend der Kna- benüberschuss im Juni am geringsten, im September und October am grössten ist. Die übrigen Monate zeigen einen regelmässigen Übergang zwischen diesen beiden Extremen. Nur im Dezember findet eine Steigerung der Conceptionszahl statt, womit, wie ge- wöhnlich, ein Sinken des Knabenüberschusses verbunden ist. Diese Erscheinung ist zweifellos auf eine Wirkung der Familienfeste zu- rückzuführen. Im Februar zeigt sich abermals ein abweichendes Sinken des Knabenüberschusses. Dies ist durch eine relative Zu- nahme der unehelichen Conceptionen zu erklären. Indessen war bei der früheren Erörterung nur die Summe sämtlicher Kinder angeführt. Um daher diesen Einfluss der unehelichen Geburten beurteilen zu können, habe ich nebenstehende Tabelle aus den von der Zeitschrift des statistischen Bureaus mitgeteilten Zahlen be- rechnet. 299 Cunceptiuos- mODRt April Januar 424 585 Mai Februar 395 628 Juni März 425 378 Juli August Septbr. Gebor tsmonal April Mai Juni Lebend 396 438 39 3 707 370 830 ehelich. -102 861 374 857 404 680 376 534 373 857 349 488 827 446 770 485 830 058 772 972 767 564 720 318 105,39 105,5 1 105,11 105,29 105,3 1 106,11 Tot 21 112 19 064 20 335 18413 18001 16 526 ehelich 15 902 15077 15 905 14 183 13 493 12 518 37014 34 141 36 240 32 596 31494 29 044 18 283 126,44 127,84 129,82 133,43 132,01 4,28 4,24 4,18 4,05 33 381 3,94 3,88 Lebend 36 340 34 873 36 706 32 902 30 423 unehelich 35 079 33 388 35 227 32 251 31849 29 430 71 419 68 261 71 933 65 632 64 751 59 853 103,60 104,45 104,19 103,50 103,30 103,37 Tot 2 416 2 190 2 382 2 057 2(44 1779 unehelich 2 017 1 771 1 902 1 783 1 683 1 506 4 433 3 967 4 284 3 840 3 727 3 285 119,7 123,9 125,2 115,4 121,4 111,4 5,85 5,49 414 692 5,62 445 713 5,53 444 851 5,44 5,20 Ehelich 445 697 411708 387 356 418763 389 934 420 5 85 390 717 387 350 362 006 864-460 804 626 866 298 805 568 799 058 749 362 106,43 106,35 105,98 106,18 106,29 107,00 Unehelich 38756 37 069 39 088 35 438 34 946 32 202 37 096 35 159 37 129 34 034 33 532 30 936 75 852 72 228 76217 69 472 68 478 63 138 104,48 105,44 105,28 104,13 104,22 104,09 8,07 8,24 8,09 7,94 7,89 7,77 Lebend 460 925 430 501 462 084 429 819 426 609 401 253 437 940 408 245 439 907 408 785 405 706 378 918 898 865 838 746 901 991 838 604 832 3 15 780 171 105,25 105,45 105,04 105,14 i 105,15 105,89 Tot 23 528 21 260 22 717 20 470 20 045 18 305 17919 16 848 17 807 15 966 15 176 14 024 41 447 37 108 40 524 36 436 35 221 32 329 131,30 126,19 127,58 128,22 132,09 130,53 4,41 4,23 4,30 4,16 4,06 3,98 Summe 484453 451 761 484 801 45 0 289 446 654 419558 455 859 425 093 457 714 424 751 420 882 392 942 940312 876 854 942 515 875 040 867 536 812500 106,27 106,27 105,92 106,01 106,12 106,77 300 Conceptions- raonat Octbr. Nov. Dezbr. Januar Febr. März Jahr Geburtsmonat Juli August Septbr. October Novbr. Dezbr. Jahr Lebend 391 842 410712 428 300 418 878 401 850 409 044 4 867 202 ehelich 369 286 389 156 407 136 396 719 381 096 387 066 4 612 736 761 128 799 868 835 436 815 597 782 946 796 110 9 479 938 106,11 105,54 105,20 105,59 105,44 105,68 105,517 Tot 16 357 17 086 17 435 18060 18478 19 825 220 692 ehelich 12 546 13 357 13 324 13 924 14 100 15 197 169 526 28 903 30 443 30 759 31 984 32 578 35 022 390 208 130,39 127,94 130,86 129,72 131,04 130,46 130,15 3,66 3,67 3,55 3,77 3,99 4,21 3,953 Lebend 29 751 28 931 31 558 29 520 30 712 34411 389 508 unehelich 28581 27 290 30 147 28 319 29 544 32 635 373 740 58 332 56 221 61 705 57 839 60 256 67 046 763 248 104,10 106,02 104,68 104,24 103,92 105,44 104,22 Tot 1754 1682 1754 1 897 1 889 2 190 24 040 unehelich 1491 1398 1454 1 520 1 634 1 885 20 044 3 245 3 080 3 208 3417 3 523 4 075 44 084 117,7 . 120,3 120,6 124,8 115,8 116,2 119,9 5,27 5,19 4,94 5,58 5,52 5,73 5,460 Ehelich 408 199 427 798 445 735 436 938 420 328 428 869 5 087 884 381 832 402 513 420 460 410 643 395 196 402 263 4 782 262 790 031 830 311 866 195 847 581 815 524 831 132 9 870 146 106,91 106,28 106,01 106,40 106,36 106,61 106,391 Unehelich 31505 30 613 33 312 31417 32601 36 601 413 548 30 072 28 688 31 601 29 839 31 178 34 520 393 784 61 577 59 301 64913 61256 63 779 71 121 807 332 104,77 106,72 105,41 105,29 104,57 106,03 105,019 7,23 6,67 6,97 6,74 7,25 7,88 7,561 Lebend 421 593 439 643 459 858 448 398 432 562 443 455 5 256 710 397 867 416446 437 283 425 038 410 640 419701 4 986 476 819 460 856 089 897 141 873 436 843 102 863 156 10243186 105,96 105,57 105,16 105,49 105,34 105,66 105,42 Tot 18 111 18 768 19 189 19 957 20 367 22015 244 732 14 037 14755 14 778 15 444 15 734 17 082 189 570 32 148 33 523 33 967 35 401 36 101 39 097 434 292 129,04 127,21 129,87 129,24 129,44 128,88 129,09 3,77 3,79 3,65 3,89 4,11 4,33 4,067 Summe 439 704 458411 479 047 468 355 452 929 465 470 5 501 432 411 904 431 201 452 061 440 482 426 374 436 783 5 176 046 851 608 889612 931 108 908 837 879 303 902 253 10 677 478 106,75 106,31 105,97 106,33 106,23 106,57 106,286 — 301 — In dieser Tabelle ist für jeden Monat und ferner für das ganze Jahr die Zahl der Lebendgeborenen und der Totgeborenen unter den ehelichen und ebenso unter den unehelichen Kindern angegeben. Hieraus ist die Gesamtzahl der ehelichen und der unehelichen Geburten und ferner die Summe der Lebend- und Tot- geborenen berechnet worden. Diese Angaben finden sich eben- falls in der Tabelle. Und zwar giebt die erste Zahl einer jeden Rubrik die Knaben-, die zweite die Mädchengeburten , die dritte die Summe beider und die vierte das Sexualverhältniss derselben an. Letztere Zahlengrösse nennt, wie gewöhnlich, die Anzahl der Knaben auf 100 Mädchen berechnet. Ferner findet sich bei den totgeborenen ehelichen Kindern noch angegeben, wie viel Procent sie von der Gesamtzahl der ehelichen Geburten ausmachen. Ebenso ist berechnet worden , wie viel Procent die totgeborenen unehe- lichen Kinder unter den unehelichen Kindern überhaupt und endlich wie viel Procent die unehelichen Geburten im Vergleich zu allen Geburten des betreffenden Monats betragen. Diese Summe aller Geburten findet sich in der untersten Reihe. Die früher ange- gebenen Zahlen stimmen nun mit dieser Summe nicht vollstän- dig überein, sondern sind etwas kleiner. Die Geburtsangaben der statistischen Zeitschriften können nämlich nie vollständig richtig sein; denn stets werden noch nachträglich einige Ge- burten angemeldet. Daher sind die späteren Angaben um ein Minimum grösser als die früheren. Indessen sind diese Nach- träge so klein , dass durch sie an dem Sexualverhältniss der Geburten nichts geändert wird, wie man sich durch eine Ver- gleichung der früher und der jetzt mitgeteilten Zahlen leicht über- zeugen kann. Diese Tabelle enthält so umfassende Zahlen, dass die Schlüsse, welche sich daraus ziehen lassen, nicht nur für die Darlegung der Theorie sondern auch für die Lehre von der Zeugung überhaupt von grosser Wichtigkeit sind. Vergleichen wir zunächst die Gesamtzahl der ehelichen mit der der unehelichen Geburten, so ergiebt sich, dass das für das ganze Jahr berechnete Sexualverhältniss bei beiden Summen von Geburten ein verschiedenes ist. Der durchschnittliche Knabenüberschuss ist bei den unehelichen geringer als bei den ehelichen; bei ersteren beträgt er 105,019 und bei letzteren 106,391. Bereits früher wurde eine grosse Zahl von Thatsachen angeführt, welche diesen Sachverhalt als richtig be- wiesen. Das Ergebniss dieser Forschungen erfährt durch die hier - :;o2 — angeführten Zahlen eine neue Bestätigung. Und zwar ist das Resultat dieser neuen Zahlen zuverlässig, da die Anzahl der un- ehelich Geborenen eine grosse, nämlich 807 332 ist. Die ehelichen Geburten zeigen dasselbe Verhalten wie die Summe aller Geburten, was sehr natürlich ist, da sie ja den grössten Teil derselben ausmachen. Die unehelichen Geburten da- gegen betreffen weit weniger Fälle und das Schwanken des Sexual- verhältnisses, welches als eine Wirkung des Zufalls aufgefasst wer- den muss, ist bei ihnen nicht unbedeutend. Im allgemeinen zeigt sich aber, dass, wie zu erwarten stand, die Zahl der unehelichen Conceptionen im Frühling steigt, während zugleich der Knaben- überschuss ebenso wie in den folgenden Sommermonaten gering ist. Im Winter dagegen zeigt sich eine Abnahme der unehelichen Conceptionen und dieser entsprechend ein Steigen des Knabenüber- schusses. Das Extrem fällt in den November. Eine Zunahme der Conceptionen findet sich im December ebenso bei den ehelichen, wie unehelichen Geburten und diese Erscheinung ist beide Male mit einem Sinken des Knabenüberschusses verbunden. Es ist dies ohne Zweifel auf eine Wirkung der Familienfeste und der einge- tretenen Winterruhe der ländlichen Bevölkerung zurückzuführen. Im Februar dagegen tritt eine Abnahme der ehelichen und eine Zunahme der unehelichen Geburten ein. Hiermit ist ein Sinken des Knabenüberschusses verbunden, welches besonders stark bei den unehelichen Geburten ist. Der Umstand, welcher verursacht, dass bei den unehelichen Geburten der Knabenüberschuss geringer ist als bei den ehelichen, wird bei den Conceptionen im Februar besonders ins Gewicht fallen. Schon früher hatten wir gesehen, dass dies nicht bei allen unehelichen Geburten gleichmässig der Fall ist. Aus diesem Grunde ist z. B. der Knabenüberschuss bei den unehelichen Geburten auf dem Lande geringer als bei denselben in den Städten; denn in letzteren trägt das illegitime Zusammenleben mehr einen ehelichen Character, während auf dem Lande die un- ehelichen Kinder mehr als Kinder der Liebe angesehen werden müssen. Letzteres ist jedenfalls auch bei den im Februar conci- pierten unehelichen Kindern der Fall. Bei Durchsicht der Zahlen, welche sich auf die Totge- burten beziehen, bemerkt man zunächst, dass dieselben einen ganz bedeutenden Knabenüberschuss aufweisen (129,09). Die Kna- ben sterben also während des Fötallebens häufiger als die Mäd- chen, weil viele derselben sich unter ungünstigen Ernährungsver- hältnissen ausbilden, während sie, da sie durchschnittlich schwerer — 303 — sind, sogar mehr Nahrung beanspruchen als die leichteren Mäd- chen. Die hier gefundene Zahl stimmt sehr wohl mit den bereits früher angegebenen. Man bemerkt ferner, dass der Knabenüberschuss bei den tot- geborenen ehelichen Kindern (130,15) grösser ist als bei den tot-gebo- renen unehelichen (119,9). Dieses ist auf folgende Weise zu erklären. Unter den ehelichen Geburten finden sich weniger Totgeborene (3,9 £) als unter den unehelichen (5,4$), wie man aus der Tabelle ersieht. Ist die Zahl der Tot-geburten gering, so tritt die stär- kere Sterblichkeit der Knaben umsomehr hervor. Hat dagegen die Mutter unter ihren Umständen viel zu leiden, so werden über- haupt viele Kinder sterben , ganz abgesehen davon welches Ge- schlecht sie haben. Bei unehelichen Geburten wird daher die stärkere Sterblichkeit des männlichen Geschlechtes mehr zurück- treten. Diese interessante Erscheinung stimmt sehr schön überein mit dem Ergebniss der statistischen Untersuchungen über die Kindersterblichkeit in Süddeutschland, welche von G. Mayr an- gestellt wurden. Dieser Forscher sagt1): „Aus meinen geogra- phischen Detailstudien für Bayern ergiebt sich nämlich, dass d i e Sterblichkeit der Knaben jene der Mädchen überall da verhältnissmässig am meisten übertrifft, wo die Kindersterblichkeit an sich gering ist, während da, wo die Kindersterblichkeit überhaupt bedeutend ist, der Übcr- schuss der besonderen Knabensterblichkeit sich kleiner heraus- stellt." Aus den mitgeteilten Zahlen ergiebt sich nun, dass dieser Satz nicht nur für die Kindersterblichkeit während des ersten Lebensjahres sondern auch für die Sterblichkeit während des Fötal- lebens gilt. Je grösser die Sterblichkeit überhaupt ist, desto weniger tritt die stärkere Gefährdung des männlichen Geschlech- tes hervor, und zwar sowohl während des Fötallebens als auch während der folgenden Jahre. Vergleicht man nun die Zahl der Totgeburten in den einzel- nen Monaten, so findet man, dass dieselbe im allgemeinen gegen den Herbst hin abnimmt, dann aber rasch steigt und im Januar das Maximum erreicht. Bei den Kindern, welche im Anfang des Jahres erzeugt und im Herbst geboren werden, zeigen sich die wenigsten , dagegen bei denen , welche im Frühjahr gezeugt und x) München in naturwissenschaftlicher und medicinischer Be- ziehung, G. Mayr: Über die Kindersterblichkeit in München, pag. 193. — 304 — im Winter geboren werden, die meisten Tot-geburten. Beim Be- ginn der Schwangerschaft ist der Winter dem lieben der Kinder nicht so gefärlich als gegen Vollendung derselben. Hiermit in Über- einstimmung stehen die Änderungen des Sexualverhältnisses. Je grösser die Sterblichkeit der Kinder während des Fötallebens überhaupt ist, desto weniger tritt die stärkere Gefährdung des m ännlichen Ges chlechtes hervor. Die Zahlen, welche die Totgeburten angeben, sind aber so klein, dass die Sexualverhältnisse beträchtlichen Schwankungen ausgesetzt sind. Es ist daher nötig, die Summe der Tot-geburten in mehreren Monaten zu betrachten. Ihre Zahl ist gering in den fünf Monaten Juni bis October, es wurden während der betrach- teten zehn Jahre nämlich 94 330 Knaben und 73 038 Mädchen tot-geboren, was einem Sexualverhältniss von 129,15 zu 100 ent- spricht. In den fünf Monaten December bis April aber wurden 109 990 Knaben und 85 622 Mädchen tot-geboren, woraus sich ein Geschlechtsverhältniss von 128,46 Knaben zu 100 Mädchen ergiebt. In diesen kältern Monaten werden also überhaupt etwas mehr Kinder totgeboren und die stärkere Sterblichkeit der Knaben tritt daher etwas weniger hervor. Die Erscheinung, dass bei hoher Sterblichkeit der Kinder überhaupt die grössere des männlichen Geschlechtes weniger her- vortritt, bietet viel Interesse und ist für die medicinische Stati- stik nicht unwichtig, sodass es sich verlohnt, dieselbe noch weiter zu verfolgen. Eine solche Untersuchung wurde in folgender Weise vorgenommen. Von der Zeitschrift des statistischen Bureaus in Berlin werden, wie schon früher erwähnt, die Geburten nach dem Stande und der Beschäftigung des Vaters geordnet veröffentlicht. Hierbei ist aber nicht nur die Zahl der Lebendgeborenen sondern auch die der Totgeboreneu genau angegeben. Nach dem oben gefundenen Satze muss nun der Knabenüberschuss bei den Tot- geburteu desto grösser sein, je geringer die Zahl der Totgeburten überhaupt bei diesem Stande ist. Das Resultat der Berechnungen ist in umstehenden Tabellen mitgeteilt. 305 — Totge- Totgeburten Sexual- ; Beobach- Stand burten verhält- tuugs- in Vo männlich weiblich niss jahre Öffentliche Beamte 3,371 4 579 3 478 1877—81 Heer, Marine 3,074 743 560 1875—81 Militärzwecke . | . 3,194 6 5 1877—81 Summe 3,0—3,5 5 328 4 043 131,8 Selbständige .... 3,840 1 41 286 31 607 1877—81 Privatbeamte 3,784 2 814 2 083 1877—81 Gesellen, Lehrlinge, Ar- beiter 3,769 27 500 21 284 1877—81 Ausgedingte Rentner, Pensionäre 3,965 765 597 1875—81 Summe 3,5—4,0 72 365 55 571 130,22 ! 1 Tagearbeiter 4,275 44 373 34 087 130,18 1875—81 Dienstboten, Mägde . 4,674 9 076 63 7 149 127,0 1.877—81 Almosenempfänger 6,561 50 1875—81 Insassen v. Anstalten, Unterricht 11,992 327 287 1877 — 81 Krankenpflege . 7,008 712 606 1877—81 Arme, Invalide 5,085 19 25 1877—81 Strafe, Besserung . 13,171 30 21 1877 — 81 9,769 3 505 2 729 1877—81 Summe über 5,0 4 656 3 718 125,3 Erwerbszweig Fischerei .... 3,422 330 234 1875—81 Fabrikation v. Maschi- 3,429 1 353 984 1877—81 Papier- u. Lederind. 3,477 826 661 1877—81 Polygraph. Gewebe 3,114 207 157 1877—81 Kunstgewerbe . 3,080 69 62 1877—81 Gesundheitspflege,Kran- kendienst .... 3,183 125 102 1877—81 Unterricht .... 2,794 754 ; 575 1877—81 Kirche, Gottesdienst . 3,414 186 ! 144 1 1 187 7—81 Kaisl. Hof- u. Staats- 1 gemeinden . 1 3,449 1 340 1 021 j 1877—81 Heer und Flotte . . j 3,095 753 568 | 1875—81 Summe 3,0 — 3,5 5 943 4 508 \ 131,8 20 306 Totge- Totgeburten Sexual- Beobach- Erwerbszweig burten verhält- tungs- » °/o männlich weiblich niss jahre Handel- u. Versiche- rungswesen . 3,649 6 072 4717 1875—81 Verkehrsgewerbe . 3,836 5 613 4 218 1877—81 Kunst, Litteratur, Presse 3,657 53 58 1877—81 Bergbau, Hütten-Sali- nenwesen .... 3,651 6 908 5 451 1875—81 Ind. d. Steine u. Erden 3,865 2 258 1 670 1875—81 Metallverarbeitung 3,716 6 032 4 725 1875—81 Chemische Industrie 3,892 84 74 1877—81 Ind. d. Heiz- u. Leucht- stoffe 3,643 81 49 1877—81 Ind. d. Holz- u. Schnitz- 3,634 3 576 2 75 1 1877—81 Ind. d. Nahrungs- und Genussmittel 3,727 3 874 3 171 1877—81 Baugewerbe .... 3,717 9 646 7 5 LS 1875—81 Summe 3,5—4,0 44 197 34 402 128,5 Beherbergung und Er- quickung .... 4,287 2 120 1 703 1877—81 Fabrikarbeiter . 4,380 2 898 2 190 1877—81 Tagelöhner .... 4,481» 8 470 6 631 1877—81 Dienstboten .... 5,692» Landwirtschaft . 4,054 61 607 47 039 1875—81 Textilindustrie . 4,226 4 326 3 348 1875—81 Bekleidung und Beini- gung 4,013 6 954 5 172 1875—81 4,054 1 332 1 010 1875—81 Summe 4,0—4,5 87 707 67 093 130,7 Unbestimmt 8,183 5 928 4 655 127,3 1875—81 In der ersten Tabelle sind die Geburten nach dem Stand des Vaters, in der zweiten nach dem Erwerbszweig desselben geordnet. In der ersten Zaklencolumne ist angegeben, wie viel Procent aller Geburten des Standes die Totgeburten 1877 — 81 ausmachten. Je grösser diese Zahlen sind, desto kleiner muss der Knabenüber- schuss sein, der durch das Sexualverhältniss angegeben ist. Um über möglichst grosse Zahlen zu verfügen, wurden die Anga- ben zu Partien zusammengefasst. Die erste Partie enthält die niedrigste Zahl von Totgeburten, nämlich 3,0 bis 3,5 §. Dann folgt 3,5 bis 4,0$, ferner 4,0 bis 4,5 g, endlich 4,5 bis 5,0$; die erste Tabelle enthält dann noch eine Partie, bei der die Totge- — 307 — burten mehr als 5 ;; betragen. Wie; man aus der ersten Tabelle ersieht, nimmt der Knabenüberschuss stetig ab, je mehr die Zahl der Totgeburten steigt, und zwar wird diese Regelmässigkeit durch keine zufallige Schwankung gestört. In der zweiten Tabelle zeigt sich genau dieselbe Erscheinung; nur wird die Regelmassigkeit durch eine kleine zufällige Schwankung gestört, da der Knaben- überschuss bei der zweiten Partie etwas zu niedrig ist. Jedoch ist diese Unregelmässigkeit unbedeutend. Aus den Tabellen geht also als unzweifelhaft sicher hervor, dass mit der Zunahme der Totgeburten der Knabenüberschuss derselben sinkt. Diese Erscheinung zeigt sich also, wenn man die Geburten nach dem Stand, ferner wenn man sie nach dem Erwerbszweig des Vaters und endlich wenn man sie nach dem Geburtsmonat ordnet. Da M a y r Ähnliches in bezug auf die Kindersterblichkeit feststellte, so darf man mit Sicherheit den Satz annehmen, dass die grössere Sterblichkeit der Knaben sowohl während des Foetal- lebens wie auch später desto weniger hervortritt, je grösser die Sterblichkeit überhaupt ist. — Doch kehren wir zurück zur Betrachtung der Tabelle über den Einfluss der Jahreszeiten. Die Summe aller Geburten, welche während der zehn Jahre in den verschiedenen Monaten stattfan- den, zeigt, wie bereits früher als unzweifelhaft richtig nachgewie- sen wurde, dass in den wärmeren Monaten mehr Mädchen gezeugt werden als in den kälteren. Es ist unnötig, dies noch einmal zu erläutern. Jedoch ist es vielleicht von Interesse, zu erfahren, wie viel Knaben in jedem Winter dem Umstand ihr Geschlecht ver- danken, dass sie in den kälteren Monaten gezeugt wurden. Dieses ist auf folgende Weise berechnet worden. In den fünf wärmeren Monaten wurden in Preussen während der in Rechnung gezogenen zehn Jahre 2 317 958 Knaben und 2184299 Mädchen erzeugt, was einem Sexualverhältniss von 106,12 Knaben zu 100 Mädchen ent- spricht. In den fünf kälteren Monaten aber wurden 2 251 498 Knaben und 2113312 Mädchen erzeugt; diese Zahlen geben das Verhältniss 106,54 zu 100. Die Monate December und Februar nehmen eine Ausnahme-Stellung ein und sind darum bei dieser Berechnung fortgeblieben. Aus den angeführten Zahlen geht her- vor, dass in den fünf kälteren Monaten um 0,42^ mehr Knaben erzeugt werden als in den fünf wärmeren. Daraus geht hervor, dass in diesen zehn Jahren 8876 Knaben ihr Geschlecht dem Um- stände verdanken, dass sie im Winter erzeugt wurden. Für jedes Jahr beträgt dies 888 Knaben. Diese Mehrproduction ist indessen 20* — 308 so gering, dass sie nicht in jedem Jahre nachweisbar ist. Daher war es auch früheren Forschern nicht möglich gewesen, diese Dif- ferenz unzweifelhaft sicher nachzuweisen. Über die Geburten in der Stadt und auf dem Lande. Wie wir früher gesehen hatten, bewirken ungünstige Verhält- nisse auch beim Menschen eine Verminderung der Reproduction und eine relative Mehrgeburt von Knaben. Die Städter sind nuu im allgemeinen nicht nur besser ernährt, sondern auch körperlich weniger angestrengt als die Landbewohner. Daraus geht hervor, dass der Genitalapparat letzterer durchschnittlich weniger Nah- rungszufuhr erhalten wird als der ersterer. In Übereinstimmung hiermit hatten wir gefunden, dass die Bewohner der Städte durch- schnittlich eher geschlechtsreif werden als die des Landes. Die Untersuchungen mehrerer Forscher führten nämlich in verschie- denen Ländern zu dem übereinstimmenden Resultat, dass die Städ- terinnen früher menstruieren als die Bäuerinnen. Mit der Zunahme der Ernährung des Genitalsystems nimmt aber auch die relative Production von Mädchen zu. Dies fanden wir bestätigt durch mehrere Untersuchungen , welche zu dem übereinstimmenden Er- gebniss führten, dass der Knabenüberschuss auf dem Lande grösser ist als in den Städten. Eine neue Bestätigung findet dieses Resultat durch folgende aus den Mitteilungen der Zeitschrift des k. preussisch. Statist. Bu- reaus berechneten Zahlen. Die hier gegebene Übersicht zeigt die Sexualverhältnisse der Geburten im Jahre 1881, welche in den Städten und auf dem Lande stattfanden. Knaben Mädchen Sex.-verh. Grossstädte 53 715 51342 104,62 Alle Städte 181698 173 240 104,88 Plattes Land 337 308 320318 105,30 Staat 519,006 493,558 105,15 Aus diesen Zahlen geht die Thatsache hervor, dass der Kna- benüberschuss bei den Geburten im Jahre 1881 auf dem platten Lande am grössteu, in den Städten kleiner uud in den Grossstäd- ten am kleinsten war. Ferner lässt sich aus den von der Zeitschrift mitgeteilten An- gaben das durchschnittliche Sexualverhältniss der Geburten in — 309 — Preusscu während der fünf Jahre von 1875 bis 1879 entnehmen, Es ist für die versehiedenen Städte, sowie für das platte Land in folgender Übersieht mitgeteilt. Berlin 105,70 Grossstädte 105,72 Mittelstädte 105,44 Kleinstädte 106,14 Plattes Land 106,62 Staat 106,36 Diese Zahlen führen abermals zu demselben Ergebniss. Nur die Grossstädte, d.h. solche Städte, welche über 100000 Einwoh- ner haben, zeigen eine kleine Steigerung des Knabenüberschusses, was vielleicht darauf zurückzuführen ist, dass diese Angabe we- niger Fälle umfasst als die übrigen. Im Jahre 1881 zeigte sich diese Abweichung nicht, wie wir gesehen hatten. Für das Jahr 1882 war das Sexualverhältniss der Geburten in ganz Preussen 106,42, in den Grossstädten aber nur 105,24, in den Mittelstädten, d. h. solchen von 20000 bis 100,000 Ein- wohnern, sogar nur 104,83. Hieraus geht wieder hervor, dass der Knabenüberschuss in den Städten am geringsten ist. Eigentüm- licherweise ist derselbe auch in diesem Jahre in den Grossstädten etwas höher als in den Mittelstädten. Indessen ist die Steigerung zu gering, als dass man glauben dürfte, sie sei durch diese Zah- len bereits sicher festgestellt. Vielleicht wird sie nur als zu- fällige Abweichung zu betrachten sein. — Im allgemeinen gelan- gen wir also von neuem zu dem unzweifelhaften Resultat, dass in den Städten mehr Mädchen geboren werden als auf dem Lande, und zwar ist dies zurückzuführen auf die Wirkung der verschie- denen Lebensweise. Der durchschnittlich besser genährte und weniger angestrengt arbeitende Städter erübrigt mehr Nahrung für das Genitalsystem. Mit der Zunahme der Ernährung des Ge- nitalsystems nimmt aber auch die Production von Mädchen zu. Über die Wirkung der Inzucht. Im Laufe der Entwicklung der Theorie war schon darauf hin- gewiesen worden , dass die Differenz in den Sexualverhältnissen der Stadt- und Land-geburten wahrscheinlich durch die Wirkung von zwei Momenten herbeigeführt wird. Bei Vergleichung der — 310 — Stärke der geschlechtlichen Mischung auf dem Lande und in der Stadt kommt man zu dem Resultat, dass unter den Landbewoh- nern mehr Inzucht stattfindet als in den Städten. Am stärksten ist die Mischung in Fabrikstädten, wo sich die Angehörigen nicht nur verschiedener Stämme, sondern auch verschiedener Nationali- täten zusammenfinden. In der That findet man in Fabrikstädten einen relativ geringen Knabenüberschuss. Die Zeitschrift des sta- tistischen Bureaus in Berlin hat die Sexualverhältnisse der Ge- burten für jede einzelne Mittelstadt während der fünf Jahre 1875 bis 1879 und während des Jahres 1880 mitgeteilt. Aus diesen Zahlen wurde das durchschnittliche Geschlechtsverhältniss der Ge- burten in den Fabrikstädten und ferner in allen übrigen Mittel- städten berechnet, wobei natürlich die ungefähre Einwohnerzahl der Städte eine Berücksichtigung erfuhr1). Diese Berechnung er- gab folgende Sexualverhältnisse: 1880 1875—1879 104,67 104,89 Fabrikstädte 104,99 105,79 Die übrigen Mittelstädte 106,36 106,42 Staat Wir sehen also, dass der Knabenüberschuss in den Fabrik- städten geringer ist als in den übrigen etwa gleich grossen Städ- ten. Es wäre unrichtig, wenn man vermuten wollte, dieser nie- drige Ausfall des Knabenüberschusses in den Fabrikstädten werde vielleicht durch eine grössere Zahl von unehelichen Kindern ver- ursacht. Dem ist nicht so, denn diese Städte liegen zum grössten Teil in der Rheinprovinz und in Westfalen, wo die Zahl der unehelichen Kinder eine aussergewöhnlich niedrige ist. Es muss dies als bekannt vorausgesetzt werden, die Beweise hierfür finden sich in statistischen Werken. Man gelangt also zu dem Resultat, dass unter den Städten, in denen ja überhaupt weniger Knaben produciert werden, der Knabenüberschuss in den Fabrik- städten am geringsten ist. Da die Fabrikarbeiter, welche doch die Hauptmasse der Bewohner dieser Städte stellen, jedenfalls nicht besser genährt sind als die Einwohner der übrigen Städte, so kann diese Erscheinung nicht auf die Wirkung einer besseren Ernährung zurückgeführt werden. Die Mehrproduction wird da- her zweifellos durch die Wirkung der stärkeren geschlechtlichen Mischung in den Fabrikstädten hervorgerufen. 1) Um eine Controle der hier angestellten Berechnung zu er- — 311 — Unter den schou früher benutzten Zahlen , welche die nach dein Stande des Vaters geordneten Geburten wiedergeben, findet sich auch die Zahl der Neugeborenen, deren Vater Fabrikarbeiter ist. Es wurden nämlich in den fünf Jahren von 1877 bis 1881 51)71)1 männliche und 56 581 weibliche Fabrikarbeiter-kinder ge- boren, was einem Sexualverhältniss von 105,67 zu 100 entspricht. Bei diesen Zahlen sind, wie schon früher bemerkt, die Totgeburten mitgerechnet. Solche Arbeiter, bei deren Reproduction wahrschein- lich wenig geschlechtliche Mischung stattfindet, sind jedenfalls die Bergleute. Fabrikarbeiter werden stets von aussen herbeigeholt, bei den Bergleuten ist dies aber gar nicht oder nur wenig der Fall. Es mag dies seinen Grund darin haben, dass der erwach- sene Mensch nur dann in die Erde geht und dort arbeitet, wenn er dies von Jugend auf gewohnt ist. Bei Bergleuten wird also nicht wie bei Fabrikarbeitern eine Mischung verschiedener Stämme und Nationalitäten stattfinden. In den obengenannten 5 Jahren wurden 168 862 männliche und 157 202 weibliche Kinder geboren, deren Vater im Bergbau, Hütten- oder Saline- wesen beschäftigt waren. Diese Zahlen ergeben das Sexualverhältniss 107,42:100. Der Knabenüberschuss ist hier also bedeutend grösser als bei den Fabrikarbeitern. Man ist also wohl berechtigt, diesen Unterschied als eine Wirkung der verschieden starken geschlechtlichen Mi- schung anzusehen. Das Experiment. Die meisten der angeführten Thatsachen, namentlich die, auf welche das grösste Gewicht zu legen ist, sind nicht durch Expe- rimente, sondern durch statistische Untersuchungen gewonnen. Es fragt sich, wie sich die Richtigkeit der Theorie etwa durch ein directes Experiment prüfen Hesse. Der Grundgedanke derselben besteht darin, dass stets ein bestimmtes Geschlechtsverhältniss sich zu erhalten bestrebt ist. Wenn man also unter einer Anzahl von Tieren ein von diesem abweichendes Sexualverhältniss her- stellt, so muss sich in den Geburten die Tendenz zeigen, dasselbe zu regulieren. möglichen, teile ich die Xamen der Städte, welche als Fabrikstädte angesehen wurden, nach der Grösse geordnet mit : Barmen, Elberfeld, Aachen, Krefeld, Dortmund, Essen, Duisburg, München-Gladbach, Bo- chum, Bielefeld, Eemscheid, Königshütte, Hagen in W., Hanau, Vier- sen, Mülheim (Ruhr), Witten, Hamm, Mülheim (llhein). — 312 — Herr Professor Preyer, mit welchem ich mehrfache Unter- redungen über diesen Gegenstand hatte, schlug vor, das Experi- ment auf folgende Weise zu unternehmen. Als Material wurden Meerschweinchen benutzt, da Herr Professor Preyer die Güte hatte, mir die Meerschweinchen des physiologischen Institutes zu diesem Zwecke zur Verfügung zu stellen, wofür ich mir auch hier erlaube, ihm meinen Dank auszusprechen. Etwa 90 Stück dieser Tiere wurden in zwei Ställen so verteilt, dass in dem einen ein ausserordentlicher Mangel an Männchen und ein grosser Überfluss an Weibchen, in dem andern ein Mangel an Weibchen und ein Überfluss an Männchen herrschte. In dem einen Stall herrschte also das entgegengesetzte Sexualverhältniss wie im andern. Als- dann mussten der Theorie nach in dem ersteren mehr Männchen und in dem zweiten mehr Weibchen geboren werden. Wöchentlich wurde der Stall ein- oder zweimal revidiert, das Geschlecht der neugeborenen Jungen bestimmt und dieselben durch kleine Ausschnitte in den Ohren gekennzeichnet. Eine Woche später, wenn sich die Tiere schon etwas weiter entwickelt hatten, wurde noch einmal controliert, ob sich auch kein Fehler einge- schlichen hatte. Im Anfang zeigte sich nun ein ganz erheblicher Überschuss an männlichen Geburten in dem Stall, der meist Weibchen ent- hielt. Dies war aber nur das Werk des Zufalls; denn bald stellte sich das umgekehrte Verhältniss ein und es wurden viel mehr Weibchen als Männchen geboren. Endlich änderte sich das Ver- hältniss wieder zu gunsten der Männchengeburten. Wenn man nun sämmtliche Geburten, welche bis jetzt stattfanden, zusammen- fasst, so ist diese Zahl noch viel zu gering, um irgend etwas dar- aus schliessen zu können. Wenn es gelänge, ein Experiment von so umfassender Art anzustellen, dass es sich, wenn auch nur annähernd, mit der sta- tistischen Untersuchung über die Wirkung der stärkeren Bean- spruchung bei Pferden vergleichen Hess, so würde die Theorie auch durch ein directes Experiment bestätigt, resp. widerlegt wer- den können. Es scheint mir, als ob die Art und Weise, wie der Versuch bis jetzt unternommen wurde, eine sehr zweckmässige sei. Dieser muss aber so lange fortgesetzt werden, bis das Sexualverhältniss constant geworden ist, also nicht mehr durch zufällige Schwan- kungen abgeändert werden kann. Angenommen einmal, die Theo- rie sei falsch, so würde sich folgendes einstellen. In beiden Stäl- 313 — [en, sowohl in dem, wo Mangel an Männchen herrscht, als in dem, wo diese sehr in der Mehrzahl sind, würden die Geburten, wenn eine genügende Zahl erhalten ist, ein ganz bestimmtes und zwar dasselbe Sexualverhältniss zeigen. Bei der Richtigkeit der Theo- rie hingegen wird sich in dem einen Stall ein anderes Geschlechts- verhältniss bei den Geburten herausstellen als in dein andern. Und zwar müssen in dem Stall, in dem Mangel an Männchen herrscht, etwas mehr Männchen, in dem, wo Mangel an Weibchen herrscht, etwas mehr Weibchen geboren werden. Der Versuch muss also so lange fortgesetzt werden, bis das Sexualverhältniss der Geburten in jedem Stall nicht mehr durch die zufälligen Schwankungen der folgenden Geburten abgeändert wird. Dies wird erst bei einer grossen Zahl von Geburten der Fall sein. Bei 3200 Fällen z.B. ist nach Lexis1) die Wahr- scheinlichkeit noch immer gleich £, dass das Verhältniss um 6 männliche Geburten, auf 100 weibliche berechnet, unrichtig ist. Das Bemühen, eine möglichst grosse Anzahl von Geburten zu erhalten, stösst aber auf einige Schwierigkeiten. In dem einen Stall, in welchem Mangel an Männchen herrschen soll, kann auf eine sehr grosse Zahl von Weibchen nur ein einziges Männchen gehalten werden. Dieses wird die vielen Weibchen dennoch in Reproductionsthätigkeit halten und an Geburten wird es nicht mangeln. In dem Stall jedoch, in welchem Mangel au Weibchen herrscheu soll, kann kein so extremes Sexualverhältniss hergestellt werden. Bei einer grossen Zahl von Männchen müssen doch immer mehrere Weibchen gehalten werden. Wollte man noch weniger nehmen, so würde die Zahl der Geburten eine viel zu geringe sein; denn die Stärke der Vermehrung hängt besonders von der Anzahl der Weibchen ab, wie im Laufe der Entwicklung der Theorie oft betont wurde. Es wird daher immerhin eine längere Zeit dauern, bis auch in diesem Stall die Zahl der Geburten eine genügende geworden ist. Ferner ist es nicht unwichtig, auch das Datum in die Pro- tokolle aufzunehmen, da voraussichtlich im Sommer die Zahl der weiblichen Geburten eine etwas grössere als im Winter sein wird. Alsdann können später die Geburten auch nach den Jahreszeiten zusammengestellt werden und auf solche Weise kann zugleich der Einfluss dieses Momentes geprüft werden. Einem solchen Experiment gegenüber hat eine statistische l) Hildebrands Jahrbücher d. Nat. u. Stat. XXVII, 1876, p. 209. — 314 — Untersuchung den grossen Vorteil, dass sie über so ausserordent- lich grosse Zahlen verfügt, wie sie ein Experiment wohl niemals erreichen kann. Trotzdem wäre es von grosser Wichtigkeit, dieses Experiment fortzusetzen. Da mir dies unmöglich ist, so muss ich die Hoffnung aussprechen, dass diese Fortsetzung von anderer Seite unternommen wird. Eine grosse Mühe ist nicht mit dem- selben verbunden, da die Revision jede Woche nur eine halbe oder ganze Stunde in Anspruch nimmt. Auch brauchen keine Tiere hierbei geopfert zu werden, da nur ausnahmsweise in zweifel- haften Fällen eins getötet und innerlich untersucht werden muss. Meist ist das Geschlecht mit Sicherheit äusserlich zu erkennen. Acht Tage später controliert man noch einmal die Jungen, welche in der vorigen Woche geboren und mit bestimmten Ausschnitten an den Ohren versehen wurden. Ein etwaiger Irrtum stellt sich alsdann stets heraus. Da das Experiment keine grosse Mühe ver- ursacht, so kann es sehr leicht nebenbei angestellt und längere Zeit fortgesetzt werden. — Da im Winter die Geburten der Meerschweinchen spärlicher wurden, so fragte es sich, ob nicht noch fruchtbarere Tiere zu diesem Experiment benutzt werden könnten. Mäuse und Ratten gehören zu solchen. Die gewöhnlichen grauen Tiere halten sich aber nicht gut in der Gefangenschaft und es wurden daher weisse Mäuse zu diesem Experiment gewählt. Ähnlich wie bei den Meer- schweinchen, wurden auch hier die Tiere so verteilt, dass in einem Topfe Männchenmangel, in zwei andern aber WTeibchen- mangel herrschte. Die nackten Jungen müssen sofort nach der Geburt entfernt werden, da sie häufig aufgefressen werden. Ein- mal wurde selbst eine alte Maus bis auf das Rückgrat aufge- fressen, trotzdem die Tiere sicherlich nicht Hunger litten. Die Jungen wurden sofort in Spiritus geworfen und alsdann innerlich untersucht, da bei ihnen das Geschlecht äusserlich nicht zu er- kennen ist. Wahrscheinlich wird die Mutter alsdann eher wieder trächtig, als wenn sie das Säugegeschäft erst vollzöge. Auch mit diesem Experiment ist keine grosse Mühe verbunden, es muss aber mit Ausdauer fortgesetzt werden. Die Angabe des Datums ist auch hier erwünscht, damit zugleich der Einfluss der Jahres- zeiten berücksichtigt und beobachtet werden kann. Infolge der freundschaftlichen Bereitwilligkeit des Herrn Dr. Walter, Assi- stenten am zoologischen Institute zu Jena, ist es möglich, dieses Experiment vorläufig noch fortzusetzen. — Indessen fragt es sich, ob höhere Tiere überhaupt ein gün- — 315 — stires Objeet zur Anstellung- solcher Experimente liefern. Es war früher theoretisch gezeigt worden, dass die Schwankungen des Sexualverhältnisses desto grösser sein werden, je rascher das Tier geschlechtsreif wird. Die Thatsachen standen hiermit in Überein- stimmung; denn beim Menschen und bei höheren Tieren zeigte sich immer nur eine geringe Abweichung vom normalen Zahlen- wert des Sexualverhältnisses. Der Einüuss äusserer Umstände auf das Geschlechtsverhältniss bei den Geburten wird daher bei höheren Tieren, deren Geschlechtsreife im allgemeinen spät ein- tritt, klein und nur an grossen Zahlen sicher nachzuweisen sein. Bei niederen Tieren sind aber die Schwankungen ausserordentlich stark , so dass oft die ausschliessliche Production nur des einen Geschlechtes eintritt. Bei diesen wird die Anstellung eines Ex- perimentes weit leichter sein und zu sehr in die Augen fallenden Resultaten führen. Teilweise sind diese Versuche bereits oben mitgeteilt worden. Als solche sind namentlich die von Siebold und von Adler über die verschiedenen Arten der Parthenoge- nesis ausgeführten zu erwähnen. Die Versuche mit niederen Tieren gewähren auch noch einen weiteren Vorteil. Bei den Experimenten mit Meerschweinchen kann nämlich nur geprüft werden, ob eine Regulierung des Geschlechts- verhältnisses stattfindet. Bei niederen Tieren aber, bei denen eine künstliche Befruchtung der Geschlechtsproducte vorgenommen werden kann, ist es zugleich möglich, den Einfluss des Alters der Geschlechtsproducte zu untersuchen. Man wird leicht Sperma und Eier von verschiedenem Alter erhalten und dann später die Schwankungen des Sexualverhältnisses der Nachkommen beobachten können. Die Tiere, bei denen unter Umständen eine ausschliessliche Production des einen Geschlechtes eintritt, eignen sich vielleicht we- niger zu diesen Experimenten. Bei Bienen z. B. ist der Umstand, ob das Ei befruchtet oder nicht befruchtet ist, so entscheidend, dass alle übrigen Momente mehr oder weniger in den Hintergrund treten. So könnte bei diesen der Einfluss des Alters der Samen- fäden beobachtet werden. Denn die Königin wird nur einmal be- fruchtet, die zuerst verbrauchten Samenfäden sind also jung, die später gebrauchten alt. Es ist daher die Möglichkeit nicht aus- geschlossen, dass aus den befruchteten Eiern sich im Anfang auch einige männliche Tiere entwickeln könnten ; denn die Befruchtung mit jungen Spermatozoen entspricht einem Mangel an männlichen — 316 — Individuen. Der gänzliche Ausfall der Befruchtung entspricht indessen einem weit stärkeren Mangel an Männchen und erst dieser ist genügend, um das Ei zum männlichen Geschlecht zu bestimmen. Solche Tiere aber, bei denen bereits eine Verzögerung der Befruchtung eine Mehrgeburt von Männchen bewirkt, eignen sich vielleicht besser dazu, den Einfluss des Alters der Geschlechts- producte zu untersuchen. — Ferner gehen bei andern Tieren in- folge des Ausfalls der Befruchtung aus den Eiern Männchen und Weibchen hervor. Bei diesem Übergang zwischen Thelytokie und Arrenotokie zeigen sich nach den bisherigen Experimenten im Sommer mehr Weibchen als in den übrigen Jahreszeiten, was dem Einfluss der besseren Ernährung zugeschrieben werden muss. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass der Einfluss der Ernährung besonders bei diesen Tieren leicht geprüft werden könnte, wie auch schon früher erwähnt wurde. Da man bei Fröschen leicht eine Befruchtung mit verschieden - altrigen Geschlechtsproducten vor- nehmen kann , so eignen sich auch diese vielleicht zu einer solchen Untersuchung. Indessen bietet die Bestimmung des Geschlechts erhebliche Schwierigkeiten, wie Pflüg er fand. Die Wichtigkeit eines solchen Experimentes ist jedenfalls nicht unbedeutend und es wird hoffentlich recht bald trotz der Schwie- rigkeiten, die sich ihm entgegenstellen, unternommen werden. — Indessen darf die Wichtigkeit eines solchen Versuches doch nicht überschätzt werden. Eine statistische Untersuchung hat dieselbe Beweiskraft, wie ein Experiment. Häufig wird ihm die- selbe aber nicht zugeschrieben , da mau in den Experimental- wissenschaften nicht gewohnt ist, statistische Ergebnisse in betracht zu ziehen. Man hat zu einem Experiment deshalb so viel Zuver- sicht, weil man voraussagt, dass unter den hergestellten Um- ständen eine Erscheinung eintreten wird. Tritt diese alsdann wirklich ein , so ist die Theorie experimentell bestätigt. Bei einer statistischen Untersuchung aber handelt es sich im Grunde ge- nommen um dasselbe. Auch hier wird das Resultat vorausgesagt und es wird dann an einem bereits vorhandenen thatsächlichen Material geprüft, ob es auch wirklich der Fall ist. Der Unter- schied, ob das thatsächliche Material durch absichtlich angestellte Versuche gewonnen wird, oder ob es bereits fertig vorliegt, ist für die Beweiskraft vollständig gleichgültig. Bei statistischen Unter- suchungen ist aber die Möglichkeit gegeben, eine so grosse Zahl von Fällen in Rechnung zu ziehen, dass auch die kleinsten — 317 — Schwankungen einer Zahlengrösse mit Sicherheit nachgewiesen werden können. Bei einem Experiment aber wird dies kaum mög- lich sein. Über die Wirkung günstiger und ungünstiger Lebens- verhältnisse bei Pflanzen. Erst nach vollständiger Fertigstellung der vorliegenden Arbeit habe ich von den Versuchen Kenntniss erhalten, welche Hey er ausser den bereits früher mitgeteilten angestellt hat x). Dieselben betreffen , wie die in seiner Dissertation beschriebenen , die Wir- kung äusserer Umstände auf das Geschlecht bei Pflanzen. Da er aus den Ergebnissen Schlüsse zieht, welche der Theorie teilweise widersprechen, so ist es wichtig, seine Versuche näher zu prüfen. Hey er hatte, wie schon früher mitgeteilt wurde, die wich- tige Entdeckung gemacht, dass das Sexualverhältniss auch bei dioecischen Pflanzen ein bestimmtes, stets wiederkehrendes ist. Durch die Zählung von 21 000 Pflanzen des Bingelkrautes (Mer- curialis annua) hatte er dies nachgewiesen. Das Sexualverhält- niss fand er bei dieser Art wie 105,8(3 männliche zu 100 weib- lichen Pflanzen. Er schloss alsdann, dass auch alle übrigen Pflanzen ein solches constantes Verhältniss der Geschlechter zeigen. Die Fest- stellung desselben gelang ihm ausser bei Mercurialis noch beim Hanf. Er säete nämlich mehrere Samenproben aus, welche aus verschiedenen Handlungen bezogen waren 2). Das Sexualverhält- niss schwankte bei den Pflanzen, welche hieraus hervorgingen, zwischen 85,7 und 89,7 männlichen zu 100 weiblichen Individuen. Versuche, welche Hab er 1 and t mit Hanf angestellt hatte, zog er ebenfalls in Berücksichtigung; das Sexualverhältniss war bei ihnen 83,0 und 85,0. Endlich ergab ein Versuch von Girou de Bu- zareingues das Verhältniss 85,9: 100. Aus diesen Zahlen er- sieht sich ein mittleres Sexualverhältniss von 86 männlichen zu x) Die Abhandlung findet man im 5. Hefte der Berichte aus dem physiologischen Institut der Universität Halle. Herr Geheimrat Pro- fessor Dr. Julius Kühn erlaubte mir, die Korrectur-abzüge durchzu- sehen. Auch die Verlagsbuchhandlung von G. Schönfeld in Dresden kam mir hierbei freundlichst entgegen. Ich ergreife diese Gelegenheit, um den Herren, sowie dem Herrn Verfasser für ihre Bereitwilligkeit meinen Dank auszusprechen. 2) 1. c. pag. 53. — 318 — 100 weiblichen Hanfpflanzen. Beim Hanf scheinen also nach den bisherigen Ermittelungen stets etwas mehr weibliche als männliche Pflanzen vorhanden zu sein. — Das umgekehrte Verhältniss fand Hey er bei etwa hundert Pflanzen von Lychnis dioica1). Hier scheinen die Männchen in der Mehrzahl zu sein. Nach Feststellung dieser Sexualverhältnisse ging er in- dessen viel zu weit, indem er annahm, dass dieses Sexualverhält- niss allein durch ein inneres Gesetz bestimmt würde, dass das Geschlecht bereits im Samenkorn definitiv entschieden sei und die äusseren Lebensverhältnisse nicht den geringsten Einfluss auf die Entstehung desselben hätten. Hey er hat nun Beobachtungen und Versuche angestellt, aus denen auf das Unzweifelhafteste hervorgeht , dass unter günstigen Verhältnissen mehr Weibchen gebildet werden als unter ungün- stigen. So machte er Experimente mit Kürbissen und Gurken. Bei diesen monoecischen Pflanzen gelang es ihm nicht, ein be- stimmtes, stets wiederkehrendes Sexualverhältniss zwischen den männlichen und weiblichen Blüten nachzuweisen. Die Schwan- kungen in dem Zahlen-verhältniss der Geschlechter sind hier zu grosse. Schon allein diese Thatsache ist nicht in Übereinstimmung zu bringen mit der Ansicht Heyers, dass die Entstehung des Ge- schlechtes nach einem „innern Gesetze" erfolgt und dass das Se- xualverhältniss unter allen Umständen stets dasselbe ist. Bei dem in Rede stehenden Versuche aber traten diese Schwankungen nach der Meinung Heyers unabhängig von äussern Verhältnissen auf; denn sie waren sehr stark bei Pflanzen, welche unter scheinbar gleichen äussern Bedingungen wuchsen. Indessen berücksichtigte er, wie bei den früheren Beobachtungen an Mercurialis, so auch bei diesem Versuche nicht, welche Pflanzen gedrängt und welche von ihnen frei wuchsen. Gerade dieser Umstand ist, wie auch Hoff mann hervorgehoben hat, von der grössten Wichtigkeit für die Ernährung der Pflanzen. Denn gleichartige Pflanzen machen sich gegenseitig die schärfste Concurrenz. Dadurch, dass Hey er nicht auf diesen so wichtigen Umstand geachtet hat, wird die Brauchbarkeit seiner Versuche etwas verringert; indessen ist das Resultat doch so in die Augen springend , dass es sich wohl ver- lohnt, die Versuche einer Besprechung zu unterziehen. Bei seinen Versuchen mit Gurken und Kürbissen Hess Heyer einen Teil der Pflanzen im Warmhaus, einen andern in Garten- ') 1. c. pag. 79. — 319 und einen dritten in Sand-boden wachsen. Als Resultat des Ex- perimentes ergab sich, dass unter günstigeren Umständen mehr weibliche Blüten gebildet wurden. Die eigenen Worte des Expe- rimentators, sowie die Tabelle seiner Resultate mögen hier ange- führt werden : PHanzenart Standort Zahl der Pflanzen Zahl der Blüten Sexualver- hältniss ? S Gurke II Warmhaus Gartenboden Sandboden 10 17 22 184 173 85 370 739 557 201 427 655 Gurke IV Gartenboden Sandboden 49 21 22 442 143 112 1666 581 671 377 406 599 Kürbis III Warmhaus Gartenboden Sandboden 43 6 8 13 255 32 251 358 1252 79 813 1484 491 247 324 415 Kürbis I Gartenboden Sandboden 27 7 12 641 142 311 2376 1194 1940 371 841 624 19 453 3134 692 „Diese Zusammenstellung zeigt, dass die im Gartenboden ge- wachsenen Pflanzen von beiden Gurkensorten relativ mehr weib- liche Blüten produzierten als die im Sandboden. Dies ist jeden- falls dem Umstände zuzuschreiben, dass die Gurken in einem etwas bindigeren Boden besser gedeihen als im lockeren Saudboden. Dass die im Warmhause cultivierten Gurken sogar relativ die meisten weiblichen Blüten erzeugten, ist einerseits der regnerischen und kalten Witterung zuzuschreiben, welche längere Zeit anhielt und für Gurkenkulturen im freien Lande sehr ungünstig war, so dass auch mehrere Pflanzen eingingen. Anderseits hat auch der Umstand einen Einfluss ausgeübt, dass die Gurken und Kürbisse im Warmhause in Blumentöpfen cultiviert wurden, was insofern von Bedeutung ist, als die Pflanzen weniger üppig wuchsen und infolge dessen ihre Blütenanlagen reichlicher zur Entwicklung gelangten, was bei jugendlichen üppig wachsenden Pflanzen we- niger der Fall ist, indem bei diesen zunächst reichlich Stengel und Blätter gebildet werden, wodurch die Blüten-entwickelung verzögert wird. . . . Auch bei den Kürbissen sind aus demselben - 320 — Grunde, wie bei den Gurken, im Warmhause relativ die meisten weiblichen Blüten erzeugt worden. Zwischen den beiden Boden- arten treten jedoch derartige Unterschiede weniger hervor. Wäh- rend bei Kürbis III im Gartenboden ebenfalls mehr weibliche Blüten erzeugt wurden als im Sandboden, ist es bei Kürbis I um- gekehrt. Auch der Kürbis gedeiht in einem etwas bindigeren Boden besser als in lockerem Sandboden. Dass das Resultat nicht durchgeheuds zu gunsten des Gartenbodens ausfiel, ist vielleicht der geringen Zahl von Versuchspflanzen zuzuschreiben, bei welchen dem Zufalle noch ein grosser Einfluss gestattet war" ! ). Diese Resultate stehen in Widerspruch mit der Ansicht Heyers, dass das Sexualverhältniss durch ein immanentes Gesetz bestimmt und durch äussere Einwirkungen nicht beeinflusst wird. Der Ex- perimentator aber sucht dieses Ergebniss auf folgende Weise mit seiner Meinung in Einklang zu bringen. Um diese darzulegen, sollen seine eigenen Worte angeführt werden: „Die Pflanzen sind allerdings insofern von äussern Einflüssen abhängig, als zur Gesammtentwickelung aller ihrer Anlagen die äussern Bedingungen mitwirken müssen — das Mass der zur Ent- wicklung gelangenden Anlagen ist von äussern Bedingungen ab- hängig. — Diejenigen Pflanzen, die schon von Jugend an unter günstigen Bedingungen vegetieren , erzeugen , wenn sie dazu an- gelegt sind, neben den männlichen auch zahlreiche weibliche Blüten. Bei andern ungünstiger situierten hingegen gehen viele Blüten schon vorzeitig zu Grunde und eine ergiebige Fruchtbildung unterbleibt deshalb, weil dazu die Summe der Vegetationsbedingungen eine günstigere sein muss. Dieses darf aber nicht so aufgefasst wer- den, als ob zur Weiterentwickelung der Fruchtanlagen ein be- stimmtes Mass von günstigen äusseren Bedingungen erforderlich sei, sondern durch ungünstige äussere Wachstumsverhältnisse wird der Gesamtorganismus in seiner Productionsfähigkeit geschwächt, was zur Folge haben muss, dass die Fruchtanlagen in ihrer Ent- Wickelung besonders benachteiligt werden, so dass viele von ihnen gar nicht zur Entwickelung gelangen oder schon frühzeitig ab- sterben." Hey er scheint also sagen zu wollen, dass sich infolge eines innern Gesetzes eine bestimmte Zahl von männlichen und weib- lichen Blüten auszubilden strebt, dass aber unter ungünstigen Verhältnissen die weiblichen Blüten viel stärker leiden als die x) 1. c. pag. 66. - 321 — männlichen und daher weit häufiger in ihrer Entwicklung ge- hemmt werden als letztere. Auf diese Weise erklärt er also die Thatsache, dass bei den erwähnten Cucurbitaceen unter günstigen Verhältnissen sich mehr weibliche, unter ungünstigen aber mehr männliche Blüten zeigen. Wenn dies richtig wäre, so müsste an allen Pflanzen dieser Art die Zahl der weiblichen Blüten schwankend, die Zahl der männlichen aber stets nahezu dieselbe sein. Letzteres ist bekannt- lich nicht der Fall; denn sowohl die männlichen wie die weib- lichen Blüten schwanken in ihrer Anzahl. — Angenommen die Ansicht Heyers wäre richtig, so würde dennoch das Sexualver- hältniss nicht stets dasselbe sein, sondern es würde den Ernäh- rungsverhältnissen gemäss reguliert werden , so dass unter gün- stigen Umständen mehr weibliche, unter ungünstigen mehr männ- liche Blüten vorhanden sind. Diese Regulierung würde indessen erst nachträglich infolge der stärkeren Empfindlichkeit des weib- lichen Geschlechtes gegen Verschiedenheiten in der Ernährung eintreten. Wenn Hey er noch einen Schritt weiter gegangen wäre, so würde seine Ansicht vollständig mit der hier wiederge- gebenen Theorie übereinstimmen. Die Empfindlichkeit des weib- lichen Geschlechtes ist nicht nur später, sondern auch schon in der frühesten Geschlechtsentwickelung vorhanden, und diese Eigen- schaft besteht nicht nur darin, dass das weibliche Geschlecht in seiner Entstehung gehemmt wird, sondern auch darin, dass sich dann , wenn es noch nicht zu spät ist , an stelle des weiblichen das männliche Geschlecht ausbildet. Also nicht nur später zeigt sich eine grössere Empfindlichkeit des weiblichen Geschlechtes, sondern diese ist schon in der allerersten Anlage vorhanden und bewirkt je nach den Umständen eine Mehrproductibn des einen Geschlechtes. Auf diese Weise wird eine Regulierung des Sexual- verhältnisses nicht nur nachträglich, sondern auch schon von vorn- herein bewirkt. — Die Thatsache, dass im Überfluss mehr weibliche Blüten pro- duciert werden, sucht Hey er noch auf eine andere Art und Weise in Übereinstimmung mit seiner Theorie von der unbedingten Con- stanz des Sexualverhältnisses zu bringen. Diese Auslegung lässt sich vielleicht am besten an dem Verhalten der Brennnessel, Urtica urens, erläutern x). Die männlichen und weiblichen Blüten finden sich auf derselben Pflanze und zwar ziemlich regelmässig verteilt. Schon früher wurde darauf hingewiesen, dass die Ernäh- *) 1. c. pag. 58. 21 — 322 — rung der Blüten eine desto stärkere sein wird, je näher sie der Nahrungsquelle sitzen. Man wird daher im allgemeinen an den äussersten Spitzen der Zweige die männlichen Blüten häufiger finden als die weiblichen. Bei vielen Pflanzen hatten wir dieses bestätigt gefunden. Ein neues Beispiel liefert uns die Brennnes- sel. Bei dieser Pflanze stehen die Blüten in Rispen, und zwar die männlichen oben, die weiblichen unten, letztere also der Nah- rungsquelle näher. Demnach bilden sich die Blüten da männlich aus, wo sie weniger Nahrungszufuhr erhalten. Ferner sind die weiblichen Blüten stets zahlreicher als die männlichen. In hin- sieht auf dieses Sexualverhältniss constatierte Hey er folgende wichtige Thatsachen: „Das Verhältniss der männlichen und weib- lichen Blüten zu einander ist aber an verschieden üppig ent- wickelten Stengeln etwas schwankend. An den kleinen und schwächlichen Pflanzen oder an Seitenzweigen befinden sich re- lativ etwas mehr männliche Blüten als an üppig gewachsenen. Je grösser und reichhaltiger die Rispen werden, umsomehr nimmt auch die Zahl der weiblichen Blüten zu, so dass das Verhältniss der männlichen zu den weiblichen Maximum im wie 1 : 5 ist, wäh- rend es bei kleineren Zweigen oder Pflanzen auf 1:3, und bei den sehr dürftig gewachsenen auf 1 : 1 herabsinkt. Die jugendlichen Pflanzen producieren also anfangs relativ etwas mehr männliche Blüten als im höheren Alter, und die älteren Pflanzen haben an den schwächeren Seitenzweigen relativ mehr männliche Blüten als an den üppiger gewachsenen Haupt- zweigen. Die weiblichen Blüten erscheinen also stets da in grös- serer Zahl, wo die üppigste Entwickelung und die reichlichste Nahrungszufuhr stattfindet." Diese Thatsachen erklärt nun Hey er auf folgende Weise: „Die Pflanzen verhalten sich unter ungünstigen Vegetationsbe- dingungen ganz so wie jugendliche Pflanzen oder schwächliche Seitenzweige, d. h. es werden in allen Fällen relativ etwas mehr männliche Blüten erzeugt als an normal entwickelten Pflanzen. Es ist also keiner der erwähnten Factoren im stände, die Mehr- entwickelung von männlichen oder weiblichen Blüten zu begün- stigen. — Die Pflanzen von Urtica urens sind von Jugend an praedisponiert , beiderlei Blüten in einem annähernd sich gleich- bleibenden Verhältnisse zu erzeugen und zwar in der Jugend re- lativ etwas mehr männliche als im höheren Alter. Bleibt nun durch ungünstige Wachstumsverhältnisse der jugendliche Zustand erhalten, indem sich stets nur schwächliche Zweige bilden, so — 323 — bleibt auch das Verhältniss der Blütenverteilung dasselbe wie bei jugendlichen Pflanzen." Hey er ist also der Ansicht, dass die Brennnesseln zuerst eine ganz bestimmte Anzahl von männlichen und später eine solche von weiblichen Blüten bilden. Von den Umständen hängt es nun ab, wieviel von letzteren zur Ausbildung gelangen. Infolge dessen ist das Sexualverhältniss je nach den Verhältnissen ein verschie- denes. Wenn dies richtig wäre, so müssten alle Brennnesseln eine nahezu gleiche Anzahl männlicher Blüten zeigen, was wohl eben- sowenig wie bei Gurken und Kürbissen der Fall ist. Ferner scheint Hey er der Meinung zu sein, dass ein schlecht ernährtes Individuum stets jugendlich sein müsse. Allerdings kann infolge schlechter Ernährung die Entwickelung verlangsamt werden. Dieselbe steht aber nicht vollständig still, sondern die Pflanze wächst weiter, wie auch aus den Worten Hey er s her- vorgeht. Wenn die Entwickelung also auch verzögert wird, so ist es doch unrichtig, dass der jugendliche Zustand erhalten bliebe ; vielmehr geht die Entwickelung weiter und die Pflanze wird älter. Aber sie bildet, da sie weniger Nahrung erhält, mehr männliche Blüten. Die Verminderung der Nahrungszufuhr ist also die Ur- sache der Entstehung des männlichen Geschlechts, was zu be- weisen war. Die Brennnessel giebt in der Jugend wie die meisten Organis- men den grössten Teil des Stoffes für das Wachstum aus und erübrigt nur wenig für die Reproduction. Dies ist die Ursache dafür, dass sich anfangs meist männliche Blüten bilden. Schon früher wurde eine grosse Zahl von Thatsachen angeführt, welche zeigen, dass ebendasselbe bei vielen Pflanzen und Tieren der Fall ist. Hey er führt noch einige Beobachtungen an, die dasselbe Ergebniss liefern. Nach Rumpf1) producieren die weiblichen Pflanzen von Leontarus domestica, ehe sie Frucht tragen, einmal männliche Blüten. Miller teilt von Morus nigra mit, „dass von den aus Samen gezogenen Exemplaren einige nur männ- lich seien, oder andere nur an einzelnen Ästen männlich; dass ferner einzelne Bäume nach dem Einsetzen nur Kätzchen bräch- ten, später aber fruchtbar würden, dass eben dieses bei der wel- schen Nuss vorkomme und Ritter Rathgeb dasselbe beim Mastix- und Terebinthenbaume beobachtet habe." Ähnliches bemerkte 1) Die Beobachtungen von Rumpf, Miller und Rathgeb sind nach Hey er (1. c. pag. 76) von Schlechtendal (Linnaea XIV B. 1840. pag. 369) angeführt. 21 * — 324 — Treviranus1) an Fagus Castanea, welche, wenn sie zum ersten Male blüht, nur Blüten männlichen Geschlechtes trägt. Nach Treviranus beobachtete Mikan einen Wachholder Strauch, welcher zuerst männliche, später aber immer mehr weibliche Blüten erzeugte. Nach demselben Autor sah Fabricius eine männliche Pistacia Lentiscus, die später Zwitter-blüten und Früchte trug. Indessen ist auch einige Male der umgekehrte Fall beob- achtet worden. Nach C lausen2) brachte ein Exemplar von Cephalotaxus Fortunei früher weibliche und später nach und nach immer mehr männliche Blüten hervor. Spruce3) hat eben dieselbe Umwandlung an Palmen am Rio Negro beobachtet. Welches die Ursachen dieser Umänderungen gewesen sind, kann nicht entschieden werden. Es ist möglich, dass sich die Ernäh- rungsverhältnisse der Pflanzen sehr verändert hatten. Solche Be- obachtungen sind indessen seltener. Meist verhält es sich so, dass die Pflanzen in der Jugend mehr männliche, später dagegen, wenn sie mehr Stoff für die Reproduction erübrigen, mehr weib- liche Blüten producieren. Hierfür sprechen nicht nur die von Hey er, sondern auch die früher von mir angeführten Thatsachen. Die Production von männlichen Blüten wird also durch schlechte Ernährung herbeigeführt, und zwar in der Jugend deshalb, weil die meiste Nahrung nicht für die Reproduction, sondern für das WTachstum verbraucht wird, im Alter dagegen nur dann, wenn ungünstige Ernährungsbedingungen eintreten. Die Verteilung der Geschlechter bei den Brennnesseln war eine solche, dass an den Spitzen die männlichen, der Nahrungsquelle näher jedoch die weiblichen sassen. Die weiblichen Blüten verbrauchen mehr Stoff und die Ursache der Entstehung des weiblichen Geschlechtes liegt in der besseren Ernährung der Blütenanlagen. Hierfür sprechen noch folgende Thatsachen. Die von Clausen beobachtete Umwandlung eines weiblichen Cephalotaxus Fortunei in einen männlichen ge- schah derartig, dass die Blüten an den Spitzen der Zweige männ- lich, die an der Basis aber weiblich waren. Beim Hanf jedoch kommen als Anomalien beide Stellungsverhältnisse vor. Die weib- lichen können über den männlichen, wie auch die männlichen über x) Die Lehre vom Geschlechte der Pflanzen, Bremen 1882, pag. 14 und 15. Citiert v. Hey er, 1. c. pag. 77. 2) Eegel's Gartenflora 1882, pag. 204. Citiert v. Heyer. 3) Journal of the Linnean Society. London 1871, pag. 95. Citiert v. Hey er, 1. c. pag. 85. — 325 - den weiblichen vorkommen. Dies wurde von Braun1) und Ho- luby~) beobachtet. Beim Mais bilden sich als Anomalien, und zwar nach Heye r regellos , sowohl an männlichen Blütenstän- den weibliche, als auch an weiblichen Ständen männliche Blüten. Kr äfft8) jedoch, der verschiedene Fälle zusammenstellte, sucht sie so zu erklären, dass er annimmt, „dass die Blütenanlage an- fangs hermaphrodit sei, und bei normaler Entwicklung die termi- nalen Blüten stände zu männlichen, die axillären hingegen zu weib- lichen Blüten differenziert würden, bei normaler Entwickelung aber die verschiedensten Übergänge vorkommen könnten." Auch an dem Blütenkolben der Aroideen zeigt sich, dass die männlichen Blüten oben, die weiblichen unten sitzen. Ähnliches ist bei den Typhaceen der Fall. Bei den verschiedenartigsten Pflanzen bemerken wir also , wie der Nahrungsquelle näher die weiblichen, weiter von ihr entfernt die männlichen Blüten entstehen. Wenn wir nun auch die bereits früher mitgeteilten Thatsachen in be- tracht ziehen, so dürfen wir wohl schliessen, dass die Spitzen der Blütenstände sich nicht, wie Hey er meint, in einem jugend- lichen Stadium befinden, sondern dass die schwächere Ernährung die Ursache der Entstehung des männlichen Geschlechtes an den von der Nahrungsquelle entfernt gelegenen Stellen ist. Zu den Erörterungen über die Geschlechtsproduction bei Brenn- nesseln fügt Hey er noch folgende Bemerkung hinzu4): „Eine ähnliche Beobachtung wie bei Urtica urens machte ich früher an Amaranthus retroflexus in der Umgebung von Wien. Diese Pflanze kommt dort auf bebauten Kalk- und Dolomit-böden in grossen Mengen vor. Sind die Standorts-verhältnisse günstig, so werden die Pflanzen mehr als einen Meter hoch und erzeugen grosse Mengen von Samen. Auf den dürftigsten, trockenen und fast ganz humusfreien Standorten, die sich also im Sommer sehr erwärmen aber schwer wieder abkühlen, so dass oft längere Zeit gar kein Tau fällt, auf solchen Standorten erreichen die Pflanzen oft kaum eine Höhe von 2 Centimetern. Aber trotz aller Trocken- heit, hoher Temperatur und voller Beleuchtung entwickeln solche Pflänzchen dennoch weibliche Blüten und bringen auch einzelne Samen zur Reife. Die Monöcie wird also auch hier durch die *) Botan. Zeitung 1873 pag. 268. Citiert v. Hey er 1. c. p. 56. 2) Österr. botan. Zeitschrift 1878 pag. 367. Citiert v. Hey er. 3) Landwirtsch. Centralbl. 1870, pag. 409. Citiert v. Hey er, 1. c. pag. 76. 4) 1. c. pag. 60. — 326 — erwähnten Factoren nicht aufgehoben." Hier zeigt sich wieder ein anderer, schon früher erwähnter Irrtum Heyers. Er nahm an, dass, wenn äussere Umstände von Einfluss auf das Geschlecht seien, sich unter verschiedenen Bedingungen entweder ausschliess- lich das eine Geschlecht oder wenigstens ein ausserordentliches Überwiegen desselben zeigen müsse. Daher hatte er, wie früher erörtert wurde, auch die geringen, aber mit der Theorie überein- stimmenden Schwankungen des Sexualverhältnisses bei Mercuria- lis nicht beachtet. Auch bei Amaranthus zeigt sich, wie aus den Worten Heyers hervorgeht, dass unter ungünstigen Umständen die Bildung von weiblichen Blüten nicht vollständig unterblieben war; denn es waren doch noch einzelne entstanden. Waren aber die Verhältnisse günstig, so hatte sich deren eine relativ viel grössere Zahl gebildet. Es findet also auch hier eine Regulierung des Sexualverhältnisses je nach den Umständen statt. Bei andern Pflanzen sind die Schwankungen des Geschlechtsverhältnisses, wie die sorgfältigen, bereits früher erwähnten Beobachtungen von Her- mann Müller zeigen, so gross, dass sich bei derselben Pflanze unter verschiedenen Umständen alle Übergänge finden von der Monöcie bis zur vollständigen Diöcie. Die Neigung zur Monöcie ist also bereits im Samenkorn vorhanden , aber sie wird durch äussere Verhältnisse beeinflusst. Auch aus folgendem Versuche1) geht hervor, dass nach H e y e r die Schwankungen des Sexualverhältnisses, wenn sie über- haupt vorhanden wären, ausserordentlich stark sein müssten. Er liess Kürbisse und Gurken teilweise beschattet, teilweise unbe- schattet wachsen. Die beschatteten Pflanzen blieben in ihrer Ent- wicklung zurück, gelangten später zur Blüte und bildeten weniger Blüten als die unbeschatteten. Die Blüten wurden jedoch nicht gezählt. Nach einer Taxierung wiederholten sich ähnliche Zahlen- verhältnisse der beiden Geschlechter, so dass H e y e r das Zählen für überflüssig hielt. Man wird sich aber entsinnen, dass es ihm gar nicht einmal möglich gewesen war, bei Kürbissen und Gur- ken ein bestimmtes Sexualverhältniss festzustellen. Die Schwankun- gen desselben sind hier sehr stark, aber dennoch scheinen sie nicht gross genug gewesen zu sein, um Hey er zu überzeugen, dass das Geschlechtsverhältniss unter allen Umständen nicht unbedingt das- selbe sein muss. Hey er erwartete unter verschiedenen Lichtver- ') 1. c. pag. 65. 2) 1. c. pag. 70. — 327 — hältnissen ein ausserordentliches Überwiegen des einen Geschlech- tes und als er ein solches in die Augen fallendes Überwiegen nicht fand, schloss er, dass die Beleuchtungsverhältnisse ohne jeden Ein- fluss auf die Entstehung des Geschlechtes seien. In derselben Weise verfuhr er bei den Experimenten, welche er mit Spinat (Spinacia oleracea), der Gartenmelde (Atriplex hortensis) und Spitzkletten (Xanthium spi- nosum und X. strumarium) später angestellt hat. Er sagt hierüber, dass „auch diese Pflanzen keinen Einfluss der ver- schiedenen Wachstums-bedingungen auf die Verteilung der ver- schieden-geschlechtlichen Blüten erkennen Hessen, so dass auch hier das Resultat negativ ausfiel." Wie er aber diesen Versuch anstellte und in welchem Zahlenverhältniss die Blüten sich vor- fanden, davon teilt Hey er nichts mit. Jedenfalls nahm er eine Taxierung vor und als diese nicht auf ein ausserordentlich starkes Überwiegen des einen Geschlechtes hindeutete, glaubte er aber- mals auf eine unbedingte Constanz des Sexualverhältnisses schlies- sen zu dürfen und damit eine Bestätigung seiner Ansicht gefun- den zu haben. Da bei der Entstehung des Geschlechtes viele Umstände von Einfluss sind, so werden die Schwankungen des Sexual Verhältnisses bei Variation eines Umstandes nur geringe sein. Es ist daher ganz natürlich, dass diese bei einer blossen Taxierung nicht bemerkt werden konnten. Eine bessere Düngung bewirkt, wie zweifellos feststeht, eine Mehrproduction des weiblichen Geschlechtes. Haberlandt1), welcher hierüber Versuche mit Hanf anstellte, fand dieses in- dessen nicht bestätigt. Auch er erwartete jedenfalls unter ver- schiedenen Umständen ein ausserordentliches Überwiegen des einen Geschlechtes. In dem Citat von Hey er finden sich keine speci- alen Zahlenangaben. Bemerkenswert jedoch ist, dass Hey er bei den männlichen Hanfpflanzen eine grössere Sterb- lichkeit fand als bei weiblichen. Wir hatten früher bei Men- schen und Pferden ebendasselbe gefunden. Die Ursache liegt in den ungünstigeren Umständen, unter denen das männliche Ge- schlecht sich ausbildet. Wie Hey er2) anführt ist auch bei Schafen die Sterblichkeit bei den männlichen Individuen in der Jugend grösser als bei den weiblichen. Es war bei der früheren Erörterung dieser Verhältnisse die Vermutung ausgesprochen wor- *) Landw. Wochenbl. des k. k. Ackerbau-mini steriums , Wien 1870, pag. 256. Citiert v. Heyer, 1. c. pag. 51. *J 1. c. pag. 93. — 328 — den, dass sich eine solche grössere Sterblichkeit des männlichen Geschlechtes in der Jugend bei den meisten Organismen finden würde. Diese Vermutung scheint sich also zu bestätigen. Im Gegensatz zu Haberland — um auf die Wirkung der Düngung auf die Entstehung des Geschlechtes zurückzukommen — kam Leidhecker1) bei seinen Versuchen mit Hanf zu dem Resultat, „das der erhöhte Kraftzustand des Bodens wesentlich die Pro- duction der weiblichen Pflanzen fördere, während die männlichen Gebilde auf minder kräftigem Boden mehr zur Geltung kommen." Immer wieder von Neuem zeigt sich die Mehrproduction von Weib- chen unter günstigeren Umständen. Dass indessen diese Unter- schiede nicht sehr gross sein werden, geht aus folgenden That- sachen hervor. Früher wurde bereits darauf hingewiesen, dass beim Bingel- kraut (Mercurialis annua) das Geschlecht sehr frühzeitig entschie- den sein muss und dass daher eine verschieden starke Ernährung der aufwachsenden Pflanzen nur wenig Einfluss auf die Entstehung des Geschlechtes haben, also nur geringe Schwankungen im Sexual- verhältniss hervorrufen können. Schon aus der Thatsache, dass die secundären Geschlechtscharactere beim Bingelkraut so ausser- ordentlich tiefgreifende sind , wie früher ausführlich besprochen wurde, kann man schliessen, dass das Geschlecht frühzeitig ent- schieden sein muss, da sonst keine Zeit wäre zur Ausbildung die- ser Unterschiede. Genau dieselben Verhältnisse finden wir beim Hanf. Die Beobachtungen Hey erV2) hatten folgende Ergebnisse. „Die Ent- wickelung der beiden Geschlechter ist auch beim Hanf sehr ver- schieden. Die männlichen Pflanzen entwickeln sich schneller als die weiblichen, gelangen etwas früher zur Blüte und sind schlan- ker gewachsen als diese. Dagegen haben ceteris paribus schon im Beginne der männlichen Blütezeit, wo also noch keine Samen angesetzt sind, die weiblichen Pflanzen stets ein grösseres Gewicht als die männlichen. Die Entwicklung der männlichen Pflanzen wird in einem kürzeren Zeitraum zurückgelegt als die der weib- lichen, aber die weiblichen producieren schon frühzeitig eine grös- sere Masse organischer Substanz. Die männlichen Pflanzen haben einen schlankeren Habitus und längere Internodien als die weib- 1) Landw. Wochenbl. d. k. k. Ackerbau-ministeriums , 1870, pag. 209. Citiert v. Hey er. 2) 1. c. pag. 55. — 329 — liehen; die Blätter der männlichen Pflanzen sind im Beginne der Blütezeit dunkler gefärbt als die der Weibchen ; gegen das Ende der männlichen Blütezeit aber ist es umgekehrt und während der vollen Blütezeit haben die Blätter der beiden Geschlechter an- nähernd eine gleiche Färbung." Gerade wie beim Bingelkraut so sind also auch beim Hanf die Unterschiede der seeundären Geschlechtscharactere sehr tief- greifende. Solche grosse Unterschiede werden aber einer langen Zeit bedürfen, um sich auszubilden. Daher wird also auch beim Hanf das Geschlecht schon frühzeitig entschieden sein und die Ernährung der jungen Pflanzen nur wenig Einfluss auf die Ent- stehung desselben haben. Die Schwankungen des Sexualverhält- nisses sind beim Hanf also nur geringe. Hieraus erklärt sich, warum Haberland bei seinen Versuchen eine solche Verschie- denheit des Verhältnisses unter verschiedenen Umständen nicht bemerkte. Auch Herr Professor Hoffmann ist, wie er mir freundlichst mitteilt, bei seinen noch nicht veröffentlichten Expe- rimenten zu dem Resultat gekommen, dass beim Hanf das Ge- schlecht bereits sehr frühzeitig entschieden sein muss. Lässt man aber bei diesen Pflanzen die Ernährung der Mutter varieren, so wird diese Verschiedenheit der Lebensbedingungen von dem gröss- ten Einfluss auf das Geschlecht der Nachkommen sein, ebenso wie die Ernährung der Mutter von Einfluss auf die Entstehung des Geschlechtes beim Embryo ist. Die spätere Ernährung des Kindes ist jedoch nicht mehr im stände, das Geschlecht zu ver- ändern. Ähnlich so hat auch die Ernährung der selbständig ge- wordenen Pflänzchen nur wenig Einfluss auf das Geschlecht der- selben. Das Schwanken des Sexual Verhältnisses kann also bei diesen diöcischen Pflanzen im Gegensatze zu der Meinung Heyers nur ein geringes sein. Ein anderer Irrtum Heyers besteht darin, dass er, wie bereits früher erwähnt wurde, nicht richtig aufgefasst hat, in welcher Weise die äussern Faktoren auf die Entstehung des Geschlechtes einwirken. Die verschiedenen Bodenarten sind nur deshalb von Einfluss auf das Sexualverhältniss, weil sie den Pflanzen verschie- den günstige Lebensbedingungen bieten. Die Bodenart hat also nicht, wie Heyer meint, an und für sich eine Wirkung auf die Entstehung des Geschlechtes, sondern sie wirkt indirect, indem die Pflanzen mehr oder weniger gut darin gedeihen. Auch die Forscher, welche sich vor Heyer mit dem Gegenstand beschäf- tigten, hatten dies nicht vollständig richtig erkannt. Meist glaub- — 330 — ten sie, dass die Wärme, das Licht oder die Ernährung als solche directen Einfluss auf die Entstehung des Gechchlechtes habe, und sie fassten dies meist als eine rein mechanische Wirkung auf. Daher glaubte Heyer beweisen zu müssen, dass die Bodenart oder irgend ein anderer äusserer Umstand an und für sich keinen Ein- fluss auf die Geschlechtsentstehung habe. Auch bei seinen Beob- achtungen an Brennnesseln fand er dies bestätigt, wie aus folgen- den Worten hervorgeht1): „Wenn die Vegetationsbedingungen ungünstig werden, so ist es für die Blütenverteilung ganz gleich- gültig, ob diese ungünstigen Vegetationsbedingungen durch mangel- hafte Bodenbeschaffenheit, wie durch nassen Lehm- oder trockenen Heideboden, oder durch zu hohe Temperatur oder durch zu tiefen Schatten herbeigeführt werden. Die Pflanzen verhalten sich dann ganz so wie jugendliche Pflanzen oder schwächliche Seitenzweige, d. h. es werden in allen Fällen relativ etwas mehr männliche Blü- ten erzeugt als an normal entwickelten Pflanzen. Es ist also kei- ner der erwähnten Factoren im stände, die Mehrent Wickelung von männlichen oder weiblichen Blüten zu begünstigen." Heyer erkannte also ganz richtig, dass keiner der erwähnten Umstände an und für sich eine Mehrproduction des einen Ge- schlechtes bewirkt; denn zu grosse Trockenheit hat ebenso wie zu grosse Feuchtigkeit eine Mehrentwickelung von männlichen Blüten zur Folge. Die Feuchtigkeit wirkt also nicht rein mecha- nisch auf die Entstehung des Geschlechtes. Ein Mangel an der- selben hat bei der Brennnessel vielmehr dieselbe Wirkung wie ein Überfluss daran. Es kommt vielmehr nur darauf an, ob der äus- sere Faktor günstig oder ungünstig für die betreffende Pflanze ist. Alsdann findet eine Einwirkung auf die Entstehung des Geschlech- tes statt infolge nützlicher durch natürliche Zuchtwahl erworbener Eigenschaften. Hier sind auch Beobachtungen zu erwähnen, welche Hampe 2) an Sali einen anstellte. Er bemerkte, wie bei diesen ein unge- wöhnlich hoher Wasserstand eine Mehrproduction von männlichen Blüten bewirkte, während die Feuchtigkeit doch meist der Bildung von weiblichen Blüten günstig ist. Dieselbe Wirkung hatte ein hoher Wasserstand bei verschiedeneu C a r i c e s. Die Feuchtigkeit wirkt also nicht rein mechanisch auf die Entstehung des Geschlech- l) 1. c. pag. 59 *■; i. c. pag. äs. 2) Linnaea XIV. Band, 1840, pag. 367. Citiert von Heyer, 1. c. pag. 72. — 331 — tes, sondern dieselbe Quantität Wasser kann für die eine Pflanze ein günstiger, für die andere ein ungünstiger Umstand sein und bei der einen eine Mehrproduction von weiblichen, bei der andern eine solche von männlichen Blüten herbeiführen. Dasselbe gilt von der Mitteilung Meehan's1), dass an Co- niferen ältere Äste, welche von Jüngern überwuchert und beschattet werden , nur männliche Blüten tragen. Meehan schliesst hieraus richtig, dass das weibliche Geschlecht mehr Nahrung bedarf, als das männliche. Folgende Beobachtungen von Schrank2) zeigen ebenfalls, wie ungünstige Umstände eine Mehrproduction von männlichen Blüten herbeiführen können: „Zuweilen wird das eine Geschlecht durch Kärglichkeit der Nahrung oder durch Schwäche des Alters unterdrückt. Ich hatte im hiesigen botanischen Garten (München) mehrere Samen von GuilandinaBonducella gesteckt, welche viel über 30 Jahre alt waren. Ich erhielt schöne Bäume von ihnen, aber alle waren männlich; auch Rumpf erzählt, auf Amboina bringe der Baum, wenn er auf dürrem Grunde steht, nur männ- liche Blüten. Hier ist im ersten Falle angestammte Schwäche, die vom hohen Alter des Samens herrührt, im zweiten wirklicher Mangel an Nahrung die Ursache von der Unterdrückung des einen Geschlechtes; aber auch jugendliche Schwäche bewirkt mehr oder weniger dieselbe Erscheinung; so tragen alle mir bekannten Arten von Aesculus in der Jugend bloss männliche Blüten, und viele andere Bäume werfen, ohne das eine Geschlecht zu unterdrücken, gleichwohl ihre Blüten ab, ohne Frucht anzusetzen ; es giebt auch Bäume, welche in der Jugend scheinbar sogar Früchte bringen, aber ihre Samen taugen nichts." Ferner führt Schrank noch fol- gendes an: „Prof. Hermann Hess für den botanischen Garten in Strasburg einen weiblichen Acer Negundo kommen. Einer der Ableger an diesem Baum trug männliche Blüten. Der Hopfen- händler und Bürgermeister Brauder zu Altorf düngte einstens seinen Hopfengarten mit unabgelegenem Teichschlamme, und seine sämtlichen Hopfenranken trugen nun statt der Zapfen männliche Blüten; derartiger Hopfen kommt in manchen Gegenden vor." Bei alle diesen Beobachtungen zeigt sich, wie ungewöhnliche Ver- hältnisse infolge ihrer ungünstigen Einwirkung eine Verminderung 1) Proceed. Acad. Nat. Sc. Phil. 1878, pag. 267. Citiert von Just, Bot. Jahresber. f. 1879, pag. 177, und von Heyer, 1. c. pag. 76. 2) Flora 1882, Nr. 4. Citiert von Heyer, 1. c. pag. 72. — 332 — der Reproduction und besonders eine Verminderung der Production von Weibchen bewirken. Ob indessen ein höheres Alter des Samens wirklich ein solcher Umstand ist, der eine Mehrproduction des einen Ge- schlechtes herbeiführt, ist nach den bis jetzt vorliegenden Beob- achtungen noch nicht zu entscheiden. Nach Hey er1) behaupten Gärtner häufig, dass die aus zwei oder drei Jahre alten Samen ge- zogenen Gurkenpflanzen mehr weibliche Blüten trugen als solche aus einjährigem. Ein sehr tüchtiger Züchter von Gurken in Halle hat indessen diese Behauptung nicht bestätigt gefunden. Ebenso unentschieden ist es, ob die Schwere des Samens, ferner die Zeit des Anbaues von Einfluss auf die Entstehung des Ge- schlechtes ist. Leidhecker2) stellte hierüber Versuche mit Hanf an, die jedoch resultatlos verliefen. Dasselbe fanden Ha- berland3) und Saccardo4) bei den Experimenten, welche sie hierüber mit Hanf anstellten. Späteren Untersuchungen bleibt es also vorbehalten zu entscheiden, ob die erwähnten Umstände von Einfluss auf die Entstehung des Geschlechtes sind. Ebenso unaufgeklärt ist die Wirkung der Unterschwefelsäure auf die Entstehung des Geschlechtes. Knop5) verwandelte den männlichen Blütenstand der Maispflanzen dadurch in einen ge- mischtblütigen , dass er in den Nährstoftlösungen statt Schwefel- säure Unterschwefelsäure anwendete. Das Experiment wurde öfters wiederholt. Knop fügt noch hinzu : „Ich glaube, dass, namentlich in humosem Boden , an Stellen , wo derselbe nicht hinreichend locker ist, um den Zutritt der atmosphärischen Luft in die Tiefe hinreichend zu gestatten, Reductionen der schwefelsauren, vielleicht auch der phosphorsauren Salze eintreten können , so dass solche Degenerationen in der Inflorescenz des Mais auf dem Felde die- selben Ursachen haben, wie sie bei meinen Versuchsobjecten sich geltend machten." Nach Knop tritt also bei Maispflanzen, die an humosen also jedenfalls viel Nahrung bietenden Stellen wach- sen, häufig eine anomale Mehrproduction des weiblichen Geschlech- *) 1. c. pag. 69. 2) Landw. Woclienbl. d. k. k. Ackerbau-ministeriums, Wien 1870, pag. 209. Citiert von Heyer, 1. c. pag. 50. 3) Frühlings landw. Zeitung 1877, pag. 881. Citiert v. Heyer. 4) Citiert von Just, Bot. Jahresber. f. 1879, pag. 177. Citiert von Heyer. 5) Bericht des landw. Institutes der Universität Leipzig, Leip- zig 1881. Citiert von Heyer, 1. c. pag. 75. — 333 — tes ein. Es ist möglich, dass diese Erscheinung infolge der Re- duction gewisser Salze eintritt. Es wäre nötig, noch weitere Ver- suche mit andern Pflanzen über diesen interessanten Zusammen- hang anzustellen. — Es sei auch noch erwähnt, dass die verschiedensten Forscher Anomalien bei der Production von männlichen und weiblichen Blüten beobachtet haben. Da indessen nicht auf die äusseren Lebensverhältnisse geachtet wurde, so haben sie keinen biologi- schen, sondern nur morphologischen Wert. Eine Aufzählung der- selben würde hier gar keinen Zweck haben. — Oben wurde bereits erwähnt, dass ein Ableger eines weib- lichen Baumes von Acer Negundo männliche Blüten trug. Jeden- falls befinden sich Ableger zuerst unter ungünstigen Ernährungs- verhältnissen, was das Erscheinen von männlichen Blüten zur Folge hat. Auch andere Beobachtungen scheinen für einen solchen Sach- verhalt zu sprechen. So wird im „Naturforscher"1) mitgeteilt: „Unsere Trauerweiden stammen nach Loudon Arboretum alle von einem weiblichen Exemplare ab, welches 1 730 durch Herrn Verrin nach England gebracht war, daher sind fast alle weiblich. Es wurden aber Bäume bekannt, bei denen das Geschlecht abgeän- dert war, was also nur auf dem Wege der vegetativen Vermeh- rung geschehen konnte. So tragen die Stecklingspflanzen der von St. Helena nach England gebrachten Trauerweiden vom Grabe Napoleons männliche Kätzchen." Wir haben also gesehen, dass die verschieden-artigsten Um- stände von Einfluss auf das Geschlecht der Pflanzen sind. Die- ser Einfluss ist jedoch stets derartig, dass bei ungünstiger Ein- wirkung das männliche, bei günstiger das weibliche entstellt. Der- selbe Faktor kann sogar je nach der Stärke der Einwirkung und je nach der eigentümlichen Lebensweise der Pflanze verschiedene Wirkung haben. Es kommt also stets darauf an, ob der Umstand als ein günstiger oder als ein ungünstiger zu betrachten ist. Sehr wichtig für die Theorie sind die Sätze, dass das männ- liche Geschlecht im allgemeinen weniger Nahrung bedarf und daher auch weniger empfindlich gegen Schwankungen in der Ernährung ist als das sensiblere weibliche Geschlecht. Auch hierüber stellte Heyer2) bei Brennnesseln Beobachtungen an, deren Resultate hier angeführt werden mögen: „Bemerkenswert !) 1876, pag. 34. Citiert von Heyer, pag. 78. 2) 1. c. pag. 59. — 334 — ist noch, dass die männlichen Blüten schnell verstäuben und dann bald abfallen. Zu ihrer Ausbildung und Erhaltung ist also von Seiten der Pflanze kein bedeutender Ernährungsaufwand erforder- lich, so dass sie auch unter ungünstigen Verhältnissen noch zur Entwicklung gelangen. Die weiblichen Blüten hingegen haben nach der Bestäubung auch noch die Samen auszubilden; sie sind daher vielmehr dem Zufalle der ungünstigen Verhältnisse ausge- setzt. Dieser Umstand veranlasste auch , dass bei meinen Ver- suchen unter den verschiedenen ungünstigen 'Wachstums-verhält- nissen viele weibliche Blüten vorzeitig abfielen und die angesetz- ten Samen nicht zur Reife brachten." Auch beim Hanf stellte Heyer fest, dass die Ernährung bei weiblichen Pflanzen eine weit grössere Rolle spielt als bei männ- lichen. Daher haben die ^Yeibchen ein grösseres Gewicht als die Männchen, wie aus folgenden von Heyer gegebenen Zahlen her- vorgeht : Das durchschnittliche Gewicht Entwickelungsstadium eines Weibchens, wenn das eines Männchens gleich 100 gesetzt wird Beginn der Blüte der männlichen Pflanzen 131,8 Tolle Blüte der männlichen Pflanzen 152,2 Nach der vollen Blüte der männ- lichen Pflanzen 221,4 Die weiblichen Pflanzen wiegen also durchschnittlich weit mehr als die männlichen. Die weiteren Unterschiede der beiden Geschlechter mögen durch einen Teil der bereits früher citierten Sätze Heyers wiedergegeben werden. „Die Entwickelung der bei- den Geschlechter ist also auch beim Hanf sehr verschieden. Die männlichen Pflanzen entwickeln sich schneller als die weiblichen, gelangen etwas früher zur Blüte und sind schlanker gewachsen als diese. Dagegen haben ceteris paribus schon im Beginne der männlichen Blütezeit, wo also noch keine Samen angesetzt sind, die weiblichen Pflanzen stets ein grösseres Gewicht als die männ- lichen. Die Entwickelung der männlichen Pflanzen wird in einem kürzeren Zeitraum zurückgelegt als die der weiblichen, aber die weiblichen producieren schon frühzeitig eine grössere Menge orga- nischer Substanz." Alle diese Unterschiede sind nützliche Eigen- schaften, welche in Beziehung stehen zu der Reproductionsthätig- keit des betreffenden Geschlechtes. Auch beim Hanf fällt die Geschlechtsthätigkeit der Männchen vor die der Weibchen. Diese — 335 — Proterandrie ist nützlich; denn der Pollen bedarf stets einer gewissen Zeit, um auf die weibliche Blüte zu gelangen. Zur Ent- wickelung der männlichen Blüte ist daher weniger Nahrung nötig und die männlichen Pflanzen sind dem-entsprechend schlanker und leichter. Auch bei der Brennnessel fällt die Geschlechtsthätig- keit der männlichen Blüten vor die der weiblichen und erstere vergehen sehr bald. Die weiblichen aber bilden den Samen, be- dürfen hierzu mehr Nahrung und sind daher weit empfindlicher gegen Schwankungen in der Ernährung. Endlich sei noch erwähnt, dass nach den Beobachtungen von Hey er1) auch bei Lychnis dioica die Männchen früher blühen als die Weibchen. Bei po- lygamischen Thymus -arten sind die eingeschlechtlichen Blüten weiblich und zwar steht dies nach der Ansicht Hildebrands2) damit im Zusammenhang, dass bei den zwittrigen derselben Arten die Antheren sich etwas vor der Narbe entwickeln. Nach Hey er3) kommt es bei Gurken und namentlich Wassermelonen häufig vor, dass sich zuerst nur männliche Blüten entwickeln und erst später auch weibliche erscheinen. Die Hauptthätigkeit des weib- lichen Geschlechtes, die Bildung des Samens, beginnt erst nach der Befruchtung, also zu einer Zeit, wo die des männlichen be- reits ihr Ende erreicht hat. Daher gehen die männlichen Pflan- zen eher zu Grunde als die weiblichen. Beim Hanf z. B. ver- gilben schon nach der vollen Blüte der männlichen Pflanzen die Blätter dieser Männchen und fallen bald ab, während bei den weiblichen Pflanzen die Lebensthätigkeit noch ungeschwächt ist, wie Hey er4) feststellte. Alle diese Thatsachen, welche von neuem die in dieser Arbeit vorgeführte Theorie bestätigen und teilweise sogar als nicht un- wichtige Stützen derselben angesehen werden können, waren Hey er bekannt und sind von ihm angeführt worden. Den innern Zu- sammenhang indessen erkannte er nicht, vielmehr hielt er an der einmal gefassten Meinung fest. Auch sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass Hey ei- serne eigentümlichen Ansichten nur deshalb beibehalten konnte, weil er die meisten Thatsachen, die ich früher aufgezählt habe, gar nicht gekannt hat. Einige hat er indessen erwähnt, ohne sie *) 1. c. pag. 79. 2) Die Geschlechtsverteilung etc. , Leipzig 1867, pag. 26. Citiert Hey er, pag. 81. 3) 1. c. pag. 64. 4) 1. c. pag. 56. — 336 — aber genauer zu erörtern. Geht man jedoch näher hierauf ein, so erkennt man sofort, wie unhaltbar die Heyer'sche Theorie von der unbedingten Constanz des Sexualverhältnisses ist. So erwähnt Hey er ganz kurz die Versuche von Prantl1), welche beweisen, dass sich auf Prothallien bei Mangel an Nahrung männliche, bei Überfluss aber weibliche Geschlechtsorgane bilden, indem er eine eingehende Beurteilung dieser Thatsachen aber vermeidet. Er geht mit den Worten darüber hinweg, dass die Zahl dieser Unter- suchungen noch zu gering sei, um Schlüsse zu erlauben, auch dürfe man von Farnen nicht auf die Verhältnisse bei höheren Pflanzen schliessen, weil bei den Farnen der ganze Entwickelungs- cyclus auf zwei getrennte Organismen verteilt ist, was bei den höheren Pflanzen nicht der Fall ist. Beide Einwände sind unzu- lässig. Die Versuche von Prantl sind zahlreich und sorgfältig und werden bestätigt durch die anderer Forscher. Auch sind all- gemeine Schlüsse sehr wohl zulässig; denn es handelt sich hier um allgemeine Eigenschaften aller Pflanzen, ja sogar aller Orga- nismen. Ferner erwähnt Hey er auch noch andere Beobachtungen, welche dasselbe Resultat hatten. Wie Borodin2) beobachtete, wurde bei Prothallien von Allosorus sagittatus „im Dunkeln die weitere Bildung vegetativer Zellen sistiert und an Stelle der- selben trat Antheridienbildung. Wurden derartige Prothallien nachträglich dem Lichte ausgesetzt, so konnte die Bildung vege- tativer Zellen wieder veranlasst werden. Nach demselben Autor wurden ähnliche Vorgänge beobachtet von Nägeli3) bei Aspi- dium angescens, von Schacht4) bei Pteris serrulata, von Wiegand5) bei Blechnum Spicant." Auch nach Gö- bel6) bildeten die von Göppert7) im Dunkeln gezogenen Pro- thallien von Osmunda regalis nur Antheridien. Aus allen die- sen Thatsachen geht aufs neue unzweifelhaft hervor, dass das Ge- schlecht nicht durch ein inneres Gesetz schon von vornherein un- x) 1. c. pag. 74 und 88. 2) Bulletin de l'Acad. imp. d. St. Petersb. 1867. Nov. pag. 438. Citiert v. Heyer. 3) Zeitschrift f. wiss. Bot., Heft I, Taf. IV, Fig. IL Citiert v. Hey er. 4) Linnaea 1849, Taf. V, Fig. 1 u. 2. Citiert v. Hey er. 5) Bot. Untersuchungen 1854, pag. 42. Citiert v. Hey er. 6) Grundzüge der Systematik, Leipzig 1882, pag. 219. Citiert v. Hey er. 7) Sitzungsber. d. intern, bot. Congr. zu Petersb. 1869. Citiert V. Hey er. — 337 — abänderlich bestimmt ist, sondern dass das Geschlechtsverhältniss den äussern Umständen gemäss reguliert wird. Noch einige andere Thatsachen, die sich mit seiner Theorie nicht vereinigen lassen, hat Hey er in ähnlicher Weise kurz er- ledigt. Er sagt1): „Es möge hier darauf hingewiesen werden, dass es unstatthaft ist, bei der Diskussion über die Frage nach der Entstellung des Geschlechtes beim Menschen und den Wirbel- tieren das Geschlechtsleben der Bienen mit herbeizuziehen, weil man schon aus den vorgeführten Fällen aus dem Geschlechtsleben der Hymenopteren für die sich widersprechendsten Hypothesen Beweismittel finden könnte, was offenbar ad absurdum führt. Die normale geschlechtliche Zeugung ist auch bei den Hymenopteren nicht zu verkennen, sie ist aber durch verschiedene Regenerations- vorgänge verschleiert oder sie ist ganz verloren gegangen." An einer späteren Stelle2) sagt er dies ergänzend: „Ich habe im Vor- hergehenden bereits darauf hingewiesen, dass es bei exaeten Un- tersuchungen unstatthaft ist, aus dem Geschlechtsleben niederer Tiere und Pflanzen zur Beweisführung irgend einer Ansicht über die Entstehung der Geschlechter beim Menschen, höheren Tieren und Pflanzen einige passende Fälle herauszugreifen, da man durch- aus nicht in Verlegenheit geraten würde, für die andere entgegen- gesetzte Ansicht ebenfalls Beweismaterial zu finden." Bei der Darlegung der in dieser Arbeit vertretenen Theorie wurden nicht etwa einige passende Fälle ausgesucht, sondern alle bekannten Thatsachen wurden vorgeführt und in Übereinstimmung mit der Theorie gefunden. Man muss auch von einer richtigen Theorie verlangen, dass sie sämtliche in betracht kommende Thatsachen erklärt. Hey er aber kann dies von seinem Standpunkt aus nicht. Bei den niedern Tieren sind aus früher erleuterten Gründen die Schwankungen des Sexualverhältnisses viel grösser als bei den höheren Tieren und Pflanzen. Als Beispiel mag die Thelytokie bei den Aphiden und die Arrenotokie bei den Bienen dienen. Bei diesen niedern Tieren sah Hey er am deutlichsten, dass das Se- xualverhältniss keine unbedingt constante Grösse ist. Die Schwan- kungen desselben sind hier ausserordentlich stark. Um also seine Theorie von der unbedingten Constanz des Geschlechtsverhältnisses aufrecht zu erhalten, musste Hey er die Thatsachen aus dem Ge- schlechtsleben der niedern Tiere und Pflanzen unterdrücken. Dies x) 1. c. pag. 101. 2) 1. c. pag. 103. 22 — 338 — ist aber unstatthaft, wenn es sich um die Erforschung allgemeiner Gesetze handelt. — In der Annahme von innern Gesetzen und in der Verläug- nung des Einflusses äusserer Umstände ist Hey er indessen noch weiter gegangen. Er stellte nämlich einen Versuch an, um zu prüfen, ob die Tendenz zur Bildung von gefüllten Blüten durch äussere Einwirkungen herbeigeführt oder bereits im Samenkorn entschieden sei. Es war früher darauf aufmerksam gemacht worden, dass unter ungünstigen Bedingungen nicht nur die Re- production vermindert wird, sondern auch häufig andere Organe, welche zu der Geschlechtsthätigkeit in Beziehung stehen, afficiert werden. Zu diesen Erscheinungen muss auch das Gefülltsein der Blumen gerechnet werden. Bereits Darwin hatte hierfür die richtige Erklärung gegeben. Zuerst bewirken nämlich irgend welche ungünstige Verhältnisse eine Verminderung der Reproduc- tion und damit eine Verminderung der Ernährung der Reproduc- tionsorgane. Ungünstige Umstände sind aber durchaus nicht immer mit einem Nahrungsmangel verbunden. Wenn es der Blume nun nicht an Nahrung fehlt, so wird diese zu einer andern Leistung verbraucht werden. Eine solche Leistung ist die Bildung von Blumenblättern. Diese Theorie Darwins hat ausserordentlich viel Wahrscheinlichkeit für sich. Hey er indessen ist hierüber anderer Meinung. Wie das Geschlecht einem innern Gesetze fol- gend bereits im Samenkorn definitiv entschieden sein und durch äussere Umstände niemals eine Änderung erleiden soll, so ist nach ihm auch die Tendenz zur Bildung von gefüllten Blüten be- reits im Samenkorn definitiv entschieden und wird niemals durch die Verschiedenheit äusserer Verhältnisse beeinflusst. Bei der Erörterung der Entstehung des Geschlechtes hatten wir gesehen, dass die Verhältnisse, unter denen die Eltern leben, von dem grössten Einfluss auf das Geschlecht der Nachkommen sind. Die Geschlechtsproducte neigen also schon von vornherein mehr zum einen oder andern Geschlecht, aber dennoch ist die spätere Ernährung des Embryo vom grössten Einfluss auf die Entstehung des Geschlechts. Ebenso wird es sich wahrscheinlich mit der Tendenz zur Bildung von gefüllten Blüten handeln. Auch hier werden die Lebensverhältnisse der Eltern-pflanzen von der grössten Bedeutung sein. Also bereits im Samenkorn wird eine mehr oder weniger grosse Tendenz zur Bildung von gefüllten Blüten vorhanden sein. Aber auch die Lebensverhältnisse der jungen aufwachsenden Pflanzen sind noch von Einfluss auf diese — 339 — Tendenz; und zwar wird dies nicht nur durch die bereits früher angeführten Thatsachen, sondern auch durch die von Hey er an- gestellten Versuche bewiesen. Die Experimente wurden mit Lev- kojen angestellt und ergaben die in der Tabelle wiedergegebenen Resultate. I. Probe II. Probe Summe Hoden und Beleuchtung Ol bß o .s 'S o a 'S 'S Gartenboden unbeschattet ,, beschattet Sandboden unbeschattet ,, beschattet 48 34 36 23 40 31 28 21 16 11 25 16 18 10 14 6 64 45 61 39 58 41 42 27 Summe 141 120 68 48 209 168 Diese Tabelle giebt an, wieviel Pflanzen unter den betreffen- den Verhältnissen einfache oder gefüllte Blüten trugen. Aus den Zahlen geht hervor, dass auf Sandboden 100 gefüllte und 69 ein- fache Pflanzen wuchsen, was einem Verhältniss von 145 zu 100 entspricht. Auf Gartenbodeu dagegen erhielt Hey er 109 gefüllte und 99 einfache Pflanzen, demnach ein Verhältniss von 110 zu 100. Auf dem Sandboden wuchsen also relativ mehr gefüllte Pflanzen als auf dem Gartenboden. Der Umstand, ob die Pflanzen be- schattet oder unbeschattet wuchsen, scheint dagegen ohne merk- lichen Einfluss zu sein auf die Tendenz , gefüllte Blüten zu bilden. Bei den in Sandboden wachsenden Exemplaren zeigte sich also das Gefülltsein der Blüte häufiger als bei den in Gartenboden wachsenden. Dieses hat seine Ursache jedenfalls darin, dass Gartenboden dieser Gartenpflanze jedenfalls günstigere Bedingun- gen als Sandboden bietet. Hiermit ist unzweifelhaft nachgewiesen, dass die äusseren Lebensverhältnisse von dem grössten Einfluss sind auf die Tendenz, gefüllte Blüten zu bilden. Allerdings wird diese Tendenz schon im Samenkorn vorhanden und mehr oder weniger stark sein. Dies erkannte Hey er, aber er ging zu weit, als er annahm, dass das Gefülltsein bereits im Samenkorn defini- tiv entschieden sei und die äusseren Verhältnisse ohne jeden Ein- fluss seien. Dass letzteres doch der Fall ist, geht nicht nur aus den bereits früher mitgeteilten Thatsachen, sondern auch aus den Versuchen von Hey er selbst hervor. Mau sieht also, wie weit 22* — 340 — Hey er gegangen ist, indem er überall innere Gesetze annahm und den äussern Umständen auch nicht die geringste Bedeutung beilegte. Bei der Erörterung der Concurrenz, welche sich alle Organe gegenseitig machen, war schon darauf hingewiesen worden, dass die Nahrung, welche einem Organe nicht mehr zu teil wird, den benachbarten zu gute kommt. Ein solches Verhältniss haben wir bei den gefüllten Blüten. Irgend welche ungünstige Umstände rufen eine Unfruchtbarkeit hervor und alsdann wird die Nahrung nicht zur Reproduction , sondern zur Bildung von Blumenblättern verbraucht. Hey er hat noch andere Beobachtungen angestellt, welche sich auf einen ebensolchen Zusammenhang zurückführen lassen. Bei seinen Beobachtungen an Lychnis1) bemerkte er, dass mehrere männliche Pflanzen von Ustilago antherarum befallen waren, ein Pilz, der nur die männlichen Geschlechtsorgane heimsucht. Hey er bemerkte nun, dass fast alle befallenen Blüten einen Fruchtknoten gebildet hatten. Auch von Miss Becker und Lorum ist dies beobachtet worden, wie Hey er2) anführt. Es wäre durch Untersuchungen festzustellen, ob nicht die ange- griffenen Antheren absterben und dann die für sie bestimmte Nahrung den übrigen Teilen der Blüte zu gute kommt. Bei dieser günstigeren Nahrungszufuhr werden die Anlagen der weiblichen Geschlechtsorgane veranlasst, sich auszubilden. Besonders be- merkenswert bei dieser Beobachtung ist aber folgender Umstand. Es hatten sich nämlich nicht bei allen befallenen Blüten die Fruchtknoten ausgebildet, sondern dies war bei den kleineren, auf schwächlichen Seitenzweigen stehenden nicht der Fall gewesen. Bei diesen Blüten war also die Zunahme der Ernährung der übri- gen Blütenteile nicht sehr stark gewesen und dies hat ohne Zweifel seinen Grund darin, dass diese Blüten überhaupt schwächer er- nährt werden. Dieser Umstand spricht von neuem für den allge- meinen Satz, dass die Ernährung eines Teiles desto stärker ist, je näher dieser der Nahrungsquelle gelegen ist. Auch folgende Beobachtungen von Hey er3) zeigen, dass die Nahrung, die dem einen Teil bestimmt ist, aber ihm nicht mehr zu Teil wird, besonders den Organen zu gute kommt, welche in x) 1. c. pag. 79. 2) Entnommen aus Sorauer, Pflanzenkrankheiten, Berlin 1874, pag. 276, Anmerkung. 3) 1. c. pag. 84. — 341 — der Nähe desselben gelegen sind. Wird durch irgend welche Mittel eine starke Zweigbildung verhindert, so bilden sich mehr Blüten. Dies war schon früher von Kürbissen und Gurken mitgeteilt worden, welche in Blumentöpfen wuchsen. Auch in der Technik des Gartenbaues wird dies benutzt. „Die Obstbäumchen stehen gewöhnlich auf fruchtbarem Boden, so dass sie hinreichend Nahrung finden. Es ist aber dafür gesorgt, dass eine üppige Zweigbildung verhindert wird, indem als Wildlinge, auf welche die edlen Sorten veredelt sind, schwachwüchsige Sorten verwendet werden. Es findet also eine hinreichende Nahrungszufuhr , aber eine minder lebhafte Sprossbildung statt, womit dann auch ein früherer und reichlicherer Blütenansatz und eine vollendetere Aus- bildung der Früchte im Zusammenhange stehen." Ferner bemerkte Hey er bei Weiden, dass die Zweige, deren Spitzen von vorüber- gehenden Personen abgeschlagen waren, Blüten gebildet hatten, was bei den übrigen nicht der Fall war. Diese Blüten hatten sich infolge des Saftandranges schon am Ende des Sommers ent- wickelt, während sie sonst erst im nächsten Frühjahr erscheinen. Nach Hey er wird dasselbe Verfahren, das sogenannte Pincieren auch bei der Zwergobstbaumzucht in Anwendung gebracht, um einerseits eine zu üppige Entwickelung der Zweige zu verhindern und anderseits, um die Knospen zu veranlassen, sich zu Blüten- knospen zu entwickeln." Es zeigt sich also, dass die Nahrung, die eigentlich für die Spitze bestimmt war, den zunächst gelegenen Knospen zukommt. Es fragt sich aber noch, warum die benach- barten Zweige nicht einfach stärker wachsen, sondern warum die Knospen -anlagen sich zu Blütenknospen entwickeln. Dies ist je- denfalls darauf zurückzuführen, dass die Pflanzen die Eigenschaft haben , die Reproductionsthätigkeit bei vermehrter Nahrungszufuhr zu verstärken. — Das Verdienst Heyers besteht, wie schon mehrmals hervor- gehoben wurde, darin nachgewiesen zu haben, dass auch bei dioe- cischen Pflanzen das Sexualverhältniss ein bestimmtes, unter den- selben Verhältnissen stets wiederkehrendes ist. Daraus schloss er irrtümlicher Weise, dass das Sexualverhältniss ein unbedingt con- stantes, unter allen Umständen stets wiederkehrendes sei. Alsdann dehnte er diesen Schluss auf alle Organismen aus. Lange vor ihm war es indessen schon bekannt, dass das Sexualverhältniss bei Tieren ein bestimmtes ist. Spencer hatte sogar schon ange- deutet, dass dieses Geschlechtsverhältniss als eine Anpassung an die Lebensverhältnisse der betreffenden Tiere zu betrachten sei. 342 Bei der Verallgemeinerung seiner Ansichten über die unbe- dingte Constanz des Geschlechts Verhältnisses hat Hey er sich der Mühe unterzogen, eine Zusammenstellung der ihm bekannten Se- xualverhältnisse von Pflanzen und Tieren zu geben. Da dieselbe einige neue Zahlen enthält, so mag sie hier wiedergegeben werden. Sexualver- Arten Summe ? 3 hältniss Bingelkraut, Mercurialis annuu 21 000 10 201 10 799 105,86 Hund i) 6 878 3 273 3 605 110,14 Schaf in Deutschland 2) 1 121 545 577 105,87 „ „ England , Leicester- rasse 3) 8 965 4 558 4 4U7 96,68 Schaf in England, Cheviot- rasse4) 50 685 25 614 25 071 97,88 Pferd in Ungarn 5) 42 555 21 741 20 814 95,73 „ ,, Preussen 6) 18 832 9 622 9 211 95,72 >> >> >j ) 1321 676 645 95,41 „ „ Würtemberg 8) 16285 8 443 7 842 92,64 2) >> >> >> i 2 340 1 181 1 159 98,13 „ England10) 2 925 1 465 1 460 99,65 1 1) 25 560 12 797 12 763 99,73 Rind in Österreich12) 8 179 4 129 4 050 98,08 „ „ England 13) 982 505 477 94,05 Huhn, Cochinchinarasse 14) 1 001 514 487 94,74 Frosch, Eana fusca15) 440 280 160 57,14 Hanf in Deutschland 1 353 713 640 89,76 » ji » 1 339 718 621 86,49 >> » >> 3 321 1 788 1 533 85,73 „ „ Ungarn16) — — — 85,08 „ „ Österreich 1V) 6 282 3 432 2 850 83,04 „ „ Frankreich 1 8) 2 276 1 224 1 052 85,94 Diese Tabelle enthält mehrere Zahlen, welche bereits im An- fang der Arbeit bei Erörterung der Zahlengrösse des Sexualver- l)> 3)> 4)> X1)> l3) uncl 14) Darwin, Abstammung des Men- schen 1875, II, pag. 318. 2) und ü) — 10) Nach Nathusius aus Frank, Tierärztl. Geburtsh. Berlin 1876, pag. 145. 5) Revue für Tierheilkunde 1882, JSTo. 6—9. 12) 1. c. 1882 pag. 42 nach Dr. Nagl. 15) Archiv f. d. ges. Phys. 1881, pag. 237. Irrtümlicherweise nenut Hey er dieses Tier eine Kröte. 16) Wiener landw. Zeitung 1869 No. 3. 17) Frühlings landw. Zeitung 1877, pag. 881. 18) Annales des Sciences nat. Paris 1830. — 343 — häJtnisses angeführt wurden. Es sind die über das Verliältniss beim Windhund und beim Pferde, welehe von Darwin festgestellt wurden, ferner über dasselbe beim Frosch, das von Pflüger und andern festgestellt wurde. Indessen ist die letztere Angabe Heyers nicht vollständig richtig. Hätte er die Arbeiten Pflügers weiter verfolgt, so würde er gefunden haben, dass ein derartiges Über- wiegen der Weibchen nur in der Jugend stattfindet, dass dagegen später die Zahl der Männchen und Weibchen bei den Fröschen ungefähr die gleiche ist. Abgesehen von den Zahlen, welche den Hanf betreffen und welche bereits oben mitgeteilt wurden, enthält die Tabelle viele neue Zahlen, die abermals aufs deutlichste zeigen, dass das Se- xualverhältniss bei jedem Organismus ein bestimmtes, unter den- selben Umständen stets wiederkehrendes ist. Hey er ging indessen viel zu weit in der Abschätzung der Tragweite seiner Entdeckung. Er glaubte, dass das Sexualverhält- niss nicht nur unter denselben, sondern auch unter verschiedenen äussern Umständen unbedingt immer dasselbe sein müsse. Dem ist aber nicht so, vielmehr rufen die äussern Umstände Schwan- kungen dieses Verhältnisses hervor, welche bei niedern Organismen gross, bei höheren aber gering sind. Der zwingenden Gewalt der Thatsachen gegenüber muss auch Hey er zugestehen, dass unter verschiedenen äussern Umständen kleine Schwankungen des Sexualverhältnisses vorkommen können. Er sagt am Schlüsse seiner Arbeit: „Da bei diöcischen Pflanzen das constante Geschlechtsverhältniss auf verschiedenen Standorten und in verschiedenen Jahren stets zu stände kommt, so muss an- genommen werden, dass die äusseren Lebensbedingungen keinen, oder doch nur insofern einen Einfluss auf die Entstehung der Ge- schlechter auszuüben vermögen, dass bei constant bleibenden gün- stigen oder weniger günstigen Lebensbedingungen während mehre- rer Generationen, innerhalb des gesetzlichen Verhält- nisses kleine Schwankungen zugunsten des weiblichen oder des männlichen Geschlechtes vorkommen können. Da nun der Mensch und die hier in betracht kommenden Tiere nicht wie die Pflanze an einen bestimmten Ort und an bestimmte äussere Le- bensbedingungen gebunden sind, so muss gefolgert werden, dass bei diesen die äussern Lebensbedingungen noch weniger einen Ein- fluss auf die Entstehung des Geschlechtes haben, oder doch nur insofern, dass unter verschiedenen Lebensbedingungen während — 344 — grösserer Zeiträume kleine Schwankungen innerhalb des gesetz- lichen Verhältnisses vorkommen können." Also selbst Heyer gesteht zu, dass unter verschiedenen äussern Umständen Schwankungen des Sexualverhältnisses statt- finden. Da er aber doch seine Theorie von der unbedingten Con- stanz des Geschlechtsverhältnisses nicht fallen lassen will, so nimmt er an, dass diese Schwankungen nur innerhalb des gesetz- lichen Verhältnisses stattfinden könnten, welches jeder Art imma- nent sei. Warum die Schwankungen des Sexualverhältnisses bei ver- schiedenen Pflanzen, wie beim Bingelkraut und beim Hanf, welche Hey er in betracht zog, nur geringe sein können, wurde bereits genügend erörtert. Ihr Vorhandensein giebt Hey er selbst zu. Dass sie aber innerhalb des gesetzlichen Verhältnisses blieben, ist eine willkürliche Annahme. Bei fast allen Versuchen und Beobach- tungen variierte stets nur ein Moment. Da die Zahl der Mo- mente, welche von Einfluss auf die Entstehung des Geschlechtes sind, eine grosse ist, so bewirkt das Variieren eines Momentes auch nur eine kleine Schwankung des Sexualverhältnisses. Lässt man indessen viele Momente nach derselben Richtung hin wirken, so werden die Schwankungen des Geschlechtsverhältnisses immer grösser. Sie bleiben also nicht innerhalb eines gesetzlichen Ver- hältnisses. Man erinnere sich nur daran, dass bei Gurken und Kürbissen die Schwankungen so starke waren, dass es Hey er überhaupt gar nicht gelang, dieses immanente, gesetzliche Ver- hältniss auch nur annähernd festzustellen. Auch bei der Wirkung eines einzigen Umstandes sind diese Schwankungen durchaus nicht immer klein. Bei niedern Organismen können sie vielmehr sehr stark sein, wie wir bei Erörterung der Thelytokie und Arrenotokie gesehen haben. Die Annahme, dass die Schwankungen des Se- xualverhältnisses nur klein seien und nur innerhalb des gesetz- lichen Verhältnisses stattfänden, kann also nicht länger aufrecht erhalten werden. Auch an einer andern Stelle fügt sich Hey er1) der Macht der Thatsachen, indem er sagt: „Es weist demnach Alles darauf hin, dass unter dem günstigen Zustande der äussern Lebensbedingungen innerhalb des gesetzlichen Verhältnisses in der Verteilung der Geschlechter das Maximum von Weib- chen erzeugt wird." Indessen fährt er so fort: „Dabei wird je- x) 1. c. pag. 91. — 345 — doch die Frage nach der Entstehung der Geschlechter noch gar nicht berührt, Es wird nur angedeutet, dass unter anhalten- den günstigen oder ungünstigen Lebensbedingungen relativ mehr Weibchen resp. Männchen innerhalb des gesetzlichen Verhältnisses erzeugt werden. Diese äussern Einflüsse gelangen aber nicht 1110 in en tau, sondern erst nach mehreren Generationen zum Aus- druck; die ganze physiologische Organisation der betreuenden Art oder Rasse wird schliesslich den äussern Lebensverhältnissen ent- sprechend praedisponiert, eines von beiden Geschlechtern zu be- günstigen, ohne aber dabei die gesetzliche Verteilung der Ge- schlechter aufzuheben." Hier hat Hey er also wieder eine neue Auslegung, um die Annahme einer Regulierung des Geschlechtsverhältnisses, für welche die Thatsacheu so deutlich sprechen, nicht machen zu müssen. Hey er glaubt, dass äussere Umstände, z. B. eine bessere Ernährung, nicht sogleich, sondern erst nach mehreren Genera- tionen eine Mehrproduktion von Weibchen herbeiführen. Wenn man indessen die in dieser Arbeit zusammengestellten Thatsacheu der Reihe nach durchgeht, so wird sich bei fast jeder derselben zeigen, wie falsch diese Auslegung ist. Bei seinen eigenen Beobach- tungen an der Brennnessel hätte Hey er sich überzeugen hönneu, dass eine bessere Ernährung sofort, noch an derselben Pflanze, eine Mehrproduction von weiblichen Blüten bewirkt. Ferner wirkt der Sommer, um aus den von mir angeführten Thatsacheu irgend ein Beispiel herauszugreifen , so auf das menschliche Genital- system ein, dass eine Mehrproduction von Mädchen stattfindet. Und zwar findet diese Wirkung bei allen Menschen sofort und in jedem Sommer von neuem statt. Man sieht hieraus, wie falsch die Annahme ist, dass diese Wirkung erst nach mehreren Gene- rationen zum Ausdruck käme. Hey er wurde sicherlich nur da- durch zu dieser Annahme verleitet, dass er seine Theorie von der unbedingten Constanz des Sexualverhältnisses durch die vielen widersprechenden Thatsachen gefährdet sah. Bei Gelegenheit dieser Erörterungen macht Hey er1) auf eine Thatsache aufmerksam, welche von neuem beweist, dass unter günstigen Bedingungen eine Mehrproduction von Weib- chen eintritt. Es mögen seine Worte hier angeführt werden: „Bei der Pferdezucht ergab sich aus langjährigen Aufzeich- *) Eevue für Tierheilkunde 1882, No. 6, 7, 8, 9. Citiert v. Hey er 1. c. pag. 90. — 346 — nungen , dass mit der Verfeinerung des Gestütsbetriebes , mit dem rationelleren Betriebe der Pferdezucht, die Zahl der weib- lichen Geburten relativ zunahm. Es' nahmen ferner die männ- lichen Totgeburten in grösserem Masse zu als die weiblichen, so dass aus dem verfeinerten Betriebe eine Zunahme der weiblichen Individuen resultierte. Diese Verhäftnisse wurden von Schlech- ter aus den Gestütsbüchern in Mezöhegyes in Ungarn ermittelt und erstreckten sich auf den Zeitraum von 1791 — 1879. Diese Angaben können daher als zuverlässig betrachtet werden. Wäh- rend dieses Zeitraumes ist der Gestütsbetrieb allmählich vervoll- kommnet worden." Schlechter verfügt ohne Zweifel über umfassende Zahlen, in bezug auf die Tot-geburten sind sie vielleicht doch noch nicht gross genug gewesen. Denn der Umstand, dass die Tot-geburten unter besserem Betriebe, also unter günstigeren Verhältnissen zu- genommen haben sollen, ist kaum denkbar. Vielleicht handelt es sich nur um eine absolute nicht aber um eine relative Zunahme. Zu den Beobachtungen Schlechters ist noch folgendes hinzuzufügen. „Die Untersuchung ergab, dass mit der fortschrei- tenden Verfeinerung des Gestütsbetriebes die Zunahme der weib- lichen Geburten nicht gleichen Schritt hielt, sondern je mehr sich die Verfeinerung ihrem Höhepunkte näherte, um so geringer wurde auch die Zunahme der weiblichen Geburten. Es wurde also eine Grenze erreicht, welche als das mögliche Maximum der weiblichen Geburten innerhalb des gesetzlichen Verhältnisses bezeichnet werden kann." Schlechter fand also die Thatsache , dass die Zunahme der weiblichen Geburten später nicht mehr so stark war als im Anfang. Dies stimmt vollständig überein mit den theoretischen Erörterungen, welche bei Beginn der Besprechung der Regulie- rung des Sexualverhältnisses gegeben wurden. Dort wurden fol- gende Schlüsse gezogen. Treten günstigere Existenzbedingungen ein, so nimmt die Production von Weibchen zu. Mit Hülfe dieser kann alsdann eine stärkere Reproduktion stattfinden. Wenn aber die Zahl der Weibchen eine grosse ist, so wird infolge der stärke- ren Beanspruchung der Männchen nach und nach die Zahl der Männchen-geburten doch wieder steigen. Nur bei der Thelytokie wird dies vermieden, da die Weibchen ihre Befruchtungsfähigkeit verloren haben. Bei den übrigen Tieren dagegen wird im Laufe der Zeit eine Anpassung an den neuen Zustand eintreten. Bei einem andauernden Überfluss tritt keine Regulierung des Ge- - 347 — schlechtsverhältuisses ein. Die meisten Tiere aber leben unter wechselnden Lebensverhältnissen. Den Änderungen dieser Exi- stenzbedingungen gemäss findet die Regulierung des Sexualver- hältnisses statt. Wenn man alle die vorgeführten Thatsacheu und Erörterun- gen vorurteilsfrei betrachtet , so darf man wohl schliessen , dass die Hey er 'sehen Auslegungen der Thatsacheu unzulässig sind, dass das Sexualverhältniss also nicht etwa ein der Art imma- nentes, unbedingt constantes ist, auf welches die äusseren Um- stände auch nicht den geringsten Einfluss haben, sondern dass es infolge nützlicher Eigenschaften den Existenzbedingungen ge- mäss reguliert wird. Über den Einfluss des relativen Alters. In der vorliegenden Arbeit glaube ich alle bisher aufgestellten wissenschaftlichen Theorien über die Entstehung des Geschlechtes einer Besprechung unterzogen zu haben. Es bliebe vielleicht noch zu erwähnen, dass nach der Meinung von Guislain1) der Stand des Mondes einen Einfluss darauf haben soll, ob ein Knabe oder ein Mädchen geboren wird. Während diese Ansicht sofort als absurd erscheint, lässt sich die von dem Statistiker G. Mayr2) aufgestellte Theorie schon eher rechtfertigen. Er sagt, dass der Wunsch der Mutter von Einfluss auf das Geschlecht des Kindes sei, und er erklärt dadurch den grösseren Knabenüberschuss bei ehelich Geborenen. „Während die eheliche Mutter, sobald sie weiss, dass sie empfangen hat, in der Regel einen Knaben und nur selten ein Mädchen erhofft, machen sich bei der unehelichen Mutter vorwaltend die Empfindungen der Reue über den Fehltritt verbunden mit Apathie gegen die Geschlechtszugehörigkeit des zu erwartenden Kindes geltend.'1 Auch Öttingen3) hat sich dieser Wunsch-theorie angeschlossen und er erklärt den hohen Knaben- überschuss auf dem Lande als eine Folge des „allbekannten, fast krankhaften Wunsches nach Söhnen" bei der Landbevölkerung. Die Forscher gingen bei Aufstellung dieser Theorie von dem rich- x) Schmidts Jahrbücher d. ges. Med. 12, 1836, pag. 272. 2) Die Theorie findet sich in seiner populären Schrift: Die Gesetzmässigkeit im Gesellschaftsleben, pag. 252. 3) Die Moralstatistik in ihrer Bedeutung für die Social-ethik, Erlangen 1882, pag. 78. Citiert von Schumann. — 348 — tagen Gedanken aus, dass psychologische Vorgänge von Einfluss auf die Ncrventhätigkeit und diese von Einfluss auf die Geschlechts- thätigkeit sind. Im ersten Teil der Arbeit wurde ausführlich die Abhängigkeit der Ovulation von einigen nervösen Vorgängen er- örtert. Wenn aber das Ei sich bereits festgesetzt hat, kann ein Einfluss auf die Entstehung des Geschlechtes nur durch eine schwache oder starke Ernährung des Embryo ausgeübt werden, psychologische Vorgänge werden dagegen ohne Wirkung auf das Kind sein. Es ist aber physiologisch ebenso unwahrscheinlich, dass ein Versehen der Mutter die Ausbildung des Embryo beeinflussen, als dass ein Wunsch derselben eine Wirkung auf die Entstehung des Geschlechtes haben könnte. In der neuesten Zeit ist noch eine Theorie über die Entste- hung des Geschlechtes aufgestellt worden , die mir jetzt erst be- kannt geworden ist. M. Schumann1) behauptet, „dass je grös- ser die sexuelle Befähigung der Erzeuger, desto grösser der Ein- fluss letzterer ist, dass es ferner in erster Linie auf des Mannes Befähigung ankomme und dass endlich mit dem Grade derselben auch der Knabenüberschuss wechselt." Schumann prüfte näm- lich die Hofacker- S ad ler' sehe Theorie in ihrer ursprüng- lichen Fassung an Zahlen von Geburten, welche durch die Sta- tistik Norwegens gegeben waren. Bereits früher wurde erwähnt, dass Francke2) aus einer Zusammenstellung der norwegischen Geburten in den vier Jahrgängen 1870 bis 1874 auf die Unhalt- barkeit der Ho facker' sehen Theorie geschlossen hatte. WTie man sich entsinnen wird, litten diese Zahlen aber sehr an Mangel- haftigkeit. Die Geburten aus dem Jahre 1870, deren Angaben am mangelhaftesten waren, sind nun bei der Berechnung von Schumann fortgeblieben, dagegen hat er den folgenden Jahr- gang 1875 hinzugerechnet. Die Zahlen Schumann's sind also jedenfalls zuverlässiger als die Franc ke's. Bei der Untersu- chung seiner Zahlen fand Schumann aber ebenso wie Francke das Gesetz Hofacker's nicht bestätigt. Zu demselben Resultat kam Stieda3) bei der Untersuchung der Angaben über die ehelichen Geburten in Elsass-Lothringen aus den Jahren 1872 und 1873. Aus den norwegischen Geburts- 1) Dr. M. Schumann, Die Sexualproportion der Geborenen, eine statistische Studie. Oldenburg 1883. 2) Hildebrands Jahrbücher f. Nat.-Ök. u. Stat. 1877 u. 1878. 3) Statistische Mitteilungen über Elsass-Lothringen, 1875. Citiert v. Schumann. 349 — zahlen schliesst Schumann, dass der Knabenüberschuss bei Mannern von 2ö bis 29 Jahren am grössten, bei Jüngern und altern dagegen kleiner ist, was allerdings mit den norwegischen Zahlen in Übereinstimmung steht. Die Angaben über die Geburten in Elsass-Lothringen aber zeigen in dieser Beziehung starke Schwan- kungen, die nicht mit dieser Theorie harmonieren. Indessen sind diese Zahlen weniger umfassend als die aus Norwegen. Endlich ist auch in Berlin 1) das Alter der Eltern von Neugeborenen er- mittelt worden. Die betreuenden Zahlen hat Schumann eben- falls mitgeteilt. Seine Theorie hat er jedoch an denselben nicht geprüft und zwar aus folgendem Grunde nicht. Bei einer solchen Prüfung müssen die Geburten nach dem absoluten Alter des Vaters geordnet sein. In der Tabelle ist aber nur das absolute Alter der Mutter und das relative des Vaters angegeben. Schumann glaubte daher, dass diese Zahlen bei seiner Untersuchung nicht hätten verwandt werden können. Er bedachte nicht, dass mit dem absoluten Alter der Mutter und dem relativen des Vaters, d. h. der Differenz zwischen dem des Vaters und dem der Mutter, auch das absolute des Vaters gegeben ist. Sollen die von Schu- mann mitgeteilten Zahlen nach dem absoluten Alter des Vaters geordnet werden, so bedarf es hierzu nur einer kleinen Um- ordnung. Nimmt man eine solche Umstellung vor, so erhält man für die verschiedenen Altersstufen des Vaters die Sexualverhältnisse, welche die Tabelle wiedergiebt. Norwegen Elsass-Lothringen Berlin Alter des 1 Sex- i Sex- Sex- Vaters Kn. Md. verh. Kn. 2 289 Md. 2 109 verh. Kn. Md. verh. 15-24 4 742 4 582 103,49 108,53 4 416 ' 4 1571 106,2 25 — 29 18 484 17 204 107,44 10 294 9 535 107,96 21 111 20 16:V 104,7 30—34 23 935 22 620 105,81 14 546 13 740 105,86 25212 24 (129 104,9 35-39 21 653 20 742 104,39 11 820 11 298 104,62 16 644 16 127 103,2 40 - 44 17 111 16 368 104,54 7 205 6 785 106,19 8 336 7 975 104,5 45—49 / 9 686 4 237 9 264 4 124 104,55 102,74 3 471 \ 3217 107,89 2 936 2 845 103,2 über 50 < 1 316 708 1 306 682 100,77 103,81 \ 2 201 2 080 105,82 1 334 1 292 103,2 Die Zahlen für Elsass-Lothringen und für Berlin können nicht als eine Bestätigung der Schumann' sehen Theorie angesehen i) Statistisches Jahrbuch der Stadt Berlin, 6., 7., 8. u. 9. Jahr- gang. Herausgegeben von Richard Böckh. Berlin 1880, 1881 und 1883. Citiert v. Schumann. 350 werden. Die Sexualverhältnisse schwanken regellos, trotzdem sie eine ziemlich grosse Zahl von Fällen betreffen. — Wenn man die Zahlen der Geburten in Norwegen, Elsass- Lothringen und Berlin zusammen addiert, so erhält man sehr um- fassende Zahlen. Diese sind daher sehr gut zur Prüfung einer Theorie über den Einfluss des Alters der Erzeuger geeignet. Viele Thatsachen sprechen dafür , wie wir früher gesehen haben , dass der Ernährungszustand der Mutter resp. des Genitalsystems der- selben vor der Befruchtung einen andern Einfluss auf die Entste- hung des Geschlechtes hat als der nach der Befruchtung. Der Ernährungszustand des Genitalsystems nimmt zuerst zu und dann wieder ab. Der Einfluss des Alters der Mutter auf das Geschlecht des Kindes ist also ein sehr complicierter. Beim Vater dagegen liegen die Verhältnisse einfacher; denn bei ihm kommt nur der Ernährungszustand vor der Befruchtung in betracht. Je besser die Ernährung, desto grösser ist die Leistungsfähigkeit des Geni- talsystems, desto geringer ist verhältnissmässig die Beanspruchung, desto mehr weibliche Individuen werden erzeugt. Jüngere und ältere Väter werden also etwas mehr Knaben zeugen als solche im mittleren Alter. Wenn dies geprüft und zugleich der Ein- fluss des Alters der Mutter vermieden werden soll, so dürfen nur solche Geburten verglichen werden, bei denen das Alter der Mutter dasselbe ist. Die Resultate einer solchen Berechnung teilt neben- stehende Tabelle mit. Alter der Mutter 1 25—29 Jahre 20—24 Jahre Alter des Vaters Kn. Md. Sex- verh. Kn. Md. Sex- verh . Kn. Md. Sex- verh. 15—29 8 525 30—34 23 283 35 -39 17 885 40—44 j 7 972 über 45 | 4 220 7 887 21 823 17 070 7 681 3 997 108,1 106,9 104,7 103,8 105,6 27 389 24 394 10 272 3 165 1 734 25 843 23 486 9 838 3 058 1 525 106,0 103,9 104,4 103,5 113,8 21560 7 954 2 426 j 1 154 20 330 7 469 2416 1 100 106,0 106,5 100,4 105,0 Diese Tabelle giebt die Geburten nach verschiedenem Alter des Vaters bei demselben Alter der Mutter geordnet wieder. In den drei Zusammenstellungen wurde ein solches Alter der Mutter gewählt, welches überhaupt reich an Geburten ist. In der Tabelle zeigt sich deutlich, dass der Knabenüberschuss am Anfang und Ende der Zahlenreihe zunimmt. Bei demselben Alter der Mutter zeugen also jüngere und ältere Männer mehr Knaben als solche im mittleren Alter. Zur Zeit ihrer grössten geschlechtlichen Lei- — 351 stungsfähigkeit zeugen sie also melir Mädchen. Diese Thatsache liefert mithin einen Reweis für die Richtigkeit der raodificierten Hofacker-Sadler' sehen Theorie. Das Resultat dieser Untersuchung darf als zuverlässig be- zeichnet werden. Denn einmal sind die Zahlen umfassender als die aller früheren Untersuchungen über den Einfluss des Alters, die Summe aller Geburten ist nämlich 314 456. Ferner sind bei der Ermittelung des Einflusses, den das Alter des Vaters ausübt, nur solche Geburten in betracht gezogen, bei denen das Alter der Mutter dasselbe war. Der Einfluss des letzteren trübt also das Resultat nicht. Bei allen früheren Untersuchungen ist dies nicht geschehen und konnte auch nicht geschehen, da sie zu wenig Fälle umfassten. Nur die Untersuchung von Schumann, welche von allen früheren die umfassendste ist, zeigt eine solche Zusam- menstellung. Indessen hat Schumann die Geburten aus einem zu verschiedenen Alter der Mutter zusammengestellt. Schumann hat einen zehnjährigen Abschnitt des Alters der Mutter genom- men, während er in obiger Tabelle nur fünfjährig ist. Ein solcher muss möglichst klein sein, da die Mütter bei verschiedenem Alter des Vaters ungefähr gleichalterig sein sollen. Ältere Männer neh- men aber durchschnittlich auch ältere Frauen. Wenn also das Alter der Mutter in zu weite Grenzen eingeschlossen wird, so ist es bei verschiedenem Alter des Vaters nicht dasselbe, sondern ebenfalls ein verschiedenes. Wählt man aber das Alter der Mutter innerhalb enger Grenzen, wie es in obiger Untersuchung geschehen ist, so wird diese Fehlerquelle vermieden. — In seiner Broschüre hat Schumann noch verschiedene an- dere Thatsachen mitgeteilt, die sich auf die Entstehung des Ge- schlechtes beziehen. Früher war bewiesen worden, dass der K n a - benüberschuss auf dem Lande grösser ist als in der Stadt. Auch in Norwegen zeigt sich dieselbe Erscheinung, wie Schumann1) mitteilt. Denn in den vier Jahren von 1871 — 75 war das Sexualverhältniss in den Städten 104,10, auf dem Lande aber 105,31. Auch die Geburts-angaben aus Berlin von 1878—81 bestätigen diesen Satz; denn trotzdem es sich um eheliche Kinder handelt, ist das Sexualverhältniss daselbst nur 104,72 2). Schumann erklärt diese Thatsache dadurch, dass die Männer in den Städten im allgemeinen sexuell schwächer seien als die auf *) 1. c. pag. 45. 2) 1. c. pag. 17. — 352 — dem Lande 1). In Wirklichkeit ist aber gerade das Umgekehrte der Fall, wie wir früher gesehen haben, die geschlechtliche Lei- stungsfähigkeit ist in den Städten infolge der bessern Ernährung und geringeren körperlichen Anstrengung grösser als auf dem Lande. Infolge dessen und vielleicht auch infolge der stärkeren Anregung tritt die Geschlechtsreife in den Städten früher ein als durch- schnittlich der Fall ist, wie früher an dem Eintritt der Menstru- ation statistisch nachgewiesen wurde. Daher finden auch die Hei- raten frühzeitiger statt als auf dem Lande und das Maximum der Geburten fällt in den Städten in ein früheres Lebensalter als auf dem Lande. Dieses lässt sich mit Hilfe der von Schumann mitgeteilten Zahlen nachweisen. Das Maximum von Geburten findet sowohl in Norwegen wie in Elsass-Lothringen im 30sten bis 34sten Lebensjahre statt. In Berlin tritt dieses Maximum schon im 25 — 30sten Jahre der Mutter ein2). Der Eintritt der Ge- schlechtsreife wie das Maximum der Reproductionsthätigkeit findet also in den Städten früher statt als auf dem Lande. Die Haupt- ursache hierfür liegt in der bessern Ernährung des Genitalsystems. Diese liefert zugleich den Hauptgrund für die stärkere Production von Mädchen in den Städten. Man sieht also, dass die einzelnen Teile der Theorie wieder neue Bestätigungen erhalten. Und ge- rade hierin scheint mir der grosse Wert dieses Nachtrages zu liegen, dass man erkennt, wie auch die Thatsachen, welche ich erst spä- ter, nach Fertigstellung des Manuscriptes , kennen lernte, immer von neuem die bereits fertige Theorie bestätigen. — Schuhmann führt indessen auch eine Thatsache an, welche scheinbar im Widerspruche mit früher angeführten Erscheinungen steht. Wir hatten gesehen, dass der Knabe n übers chuss bei unehelichen Geburten kleiner ist als bei ehelichen. In Norwegen und Serbien jedoch verhält sich dies umgekehrt; denn das Sexualverhältniss der Geborenen von 1865 — 1880 war bei den 3) ehelichen Kindern unehelichen Kindern in Norwegen 105 106 in Serbien 106 110 *) 1. c. pag. 47. . 2) 1. c. pag. 18 u. 24. 3) Movimento dello stato civile. Anno XIX — 1880. Con- fronti internazionali per gli anni 1865 — 1880. Roma 1882, pag. CCXXVII und CCXXXIII. Citiert von Schumann, 1. c. pag. 50. — 353 — In bezug auf die unehelichen Geburten in Norwegen ist jedoch zu bemerken, dass nach Schumann „besonders unter der länd- lichen Bevölkerung vielfach der Brauch herrscht, erst nach der Geburt eines oder einiger Kinder zu heirathen", wie ein norwe- gischer Autor noch weiter ausführt l ). In Norwegen sind die un- ehelichen Geburten also mehr als Erstgeburten zu betrachten. Da nun Erstgeburten, wie wir früher gesehen haben, relativ viel Knaben aufweisen, so muss auch der Knabenüberschuss der un- ehelichen Geburten in Norwegen ein grosser sein, was in Über- einstimmung mit den Thatsachen steht. Ob in Serbien ähnliche Verhältnisse in betracht kommen, darüber ist mir nichts bekannt. Vielleicht umfasst die Angabe zu wenig Fälle, was sehr wahr- scheinlich sein wird, da das Sexualverhältniss ein ganz abnormes ist. Schumann erklärt nun diese Erscheinungen dadurch, dass „in Norwegen die jüngeren Männer, welche in unehelicher Verbindung zeugen , sexuell kräftiger sind als die in ehelicher Gemeinschaft lebenden, dass es gerade umgekehrt sich verhält bezüglich der im mittleren und höheren Alter stehenden Männer2)". Diese Er- klärung ist der Ausdruck für die Thatsache, dass die jüngeren Männer unehelich mehr Knaben zeugen. Letzteres ist deswegen der Fall, weil es sich gerade bei jüngeren Männern meist um Erst- geburten vor der Ehe handeln wird. Bei Vätern von mehr als 30 Jahren ist dagegen das Sexualverhältniss der Kinder sehr nie- drig, nämlich nur 103,33. Hier handelt es sich eben nicht um Erstgeburten, sondern um uneheliche Kinder im eigentlichen Sinne des Wortes. Daher ist bei diesen der Knabenüberschuss gering, was in Übereinstimmung mit den bereits früher mitgeteilten That- sachen steht. — Der Einfluss des Klimas auf das Genitalsystem der Men- schen ist, wie in den früheren Erörterungen gezeigt wurde, ein bedeutender. Namentlich beim weiblichen Geschlecht bemerkt man daher in wärmeren Gegenden eine frühzeitigere Reife. Diese Erscheinung steht noch mit folgenden Thatsachen in Übereinstim- mung. In heisseren Klimaten beginnt die Geschlechtsthätigkeit des Weibes nicht nur früher, sondern hört auch früher wieder auf. In Italien verblühen die Frauen rascher als in nördlicheren Län- dern. Daher werden in Italien Wittwen seltener geheiratet als *) Dr. 0. J. Broch, Le royaume de Norvege et le peuple nor- vegien. Christiania 1876, p. 80. Citiert von Schumann, 1. c. p. 54. 2) 1. c. pag. 52. 23 — 354 — in Deutschland, England und Frankreich1). Auch folgende von Mayr2) mitgeteilte Tabelle erläutert dies. Procentanteil der 30 u. mehr Länder Beobach- tungsjahre Jahr* alten Personen unter den Bräutigamen Bräuten England und Wales 1872—1874 23 17 Italien 1872—1875 36 17 Preussen 1871—1874 33 20 Cisleithanien 1870—1874 39 26 Niederlande 1871—1873 39 27 Schweiz 1873—1875 42 28 Bayern 1871—1875 48 32 Aus dieser Tabelle geht hervor, dass die wenigsten alten Bräute in England und in Italien sich finden. In England aber nur deshalb, weil dort überhaupt frühzeitig geheiratet wird; denn, wie die Tabelle zeigt, sind auch die alten Bräutigame selten. In Italien finden sich aber ziemlich viel ältere Bräutigame, die Bräute nur sind relativ jung. Dies hat seinen Grund in dem rascheren Verblühen der Frauen im Süden Europas im Vergleich zu denen im Norden. Jedoch ist wohl zu berücksichtigen, dass auch Ge- setze und Sitten hierauf von Einfluss sein können. Auch die That- sache, dass die über 40 Jahre alten Männer in Italien Bräute nehmen, die durchschnittlich 10 Jahre jünger sind, steht hiermit in Übereinstimmung; denn keines der übrigen Länder erreicht diese grosse Altersdifferenz 3). — Ob sich ein Volk unter günstigen oder ungünstigen Verhält- nissen befindet, wird einmal nach der Stärke der Reproduction überhaupt und zweitens nach der Grösse des Knabenüberschusses sich beurteilen lassen. Folgende von Schumann4) gegebene Tabelle liefert hierfür eine neue Bestätigung. Lebendgeborene Knabengeburten auf 100 Einwohner auf 100 Mädchengeburten Russisch Polen 4,23 101 England 3,54 104 Rumänien 3,05 HO Griechenland 2,85 111 x) Mayr, Gesetzmässigkeit im Gesellschaftsleben, pag. 270. a) 1. c. pag. 272. 3) 1. c. pag. 276. 4) Die Sexualproportion unter den Geborenen, pag. 56. — 355 — Wir sehen aus diesen Zahlen wieder, dass eine stärkere Re- production mit einer Mehrproduction von Mädchen verbunden ist. Griechenland zeigt einen ganz kolossalen Knabenüberschuss. Da- her ergeben die Volkszählungen stets einen Überschuss an Män- nern, während bekanntlich in allen übrigen europäischen Ländern die Weiber überwiegen. In Griechenland ergab die Volkszählung im Jahre 1870 ein Verhältniss von 100 männlichen zu 93,3 weib- lichen Personen l). Nach Keleti's Untersuchungen 2) ist das Ge- schlechtsverhältniss selbst in den einzelnen Teilen von Ungarn ein verschiedenes. Im Norden und Westen des Landes, wo Deut- sche und Slovaken wohnen, zeigt sich ein Überschuss des weib- lichen Geschlechtes. In den von Magyaren bewohnten Teilen herrscht ein ziemliches Gleichgewicht. Im Nordosten, Osten und Süden, also in den von Ruthenen, Rumänen, Serben und Kroaten bewohnten Landesteilen nimmt das weibliche Geschlecht bedeutend ab. Letztere Völker werden also einen grösseren Knabenüber- schuss zeigen als erstere. Damit in Übereinstimmung steht, dass auch die Magyaren eine schwache Vermehrung zeigen. Bei die- sen Völkern ist der Überschuss des männlichen Geschlechts aller- dings nicht so gross wie bei den aussterbenden Rassen Austra- liens. Dennoch ist man berechtigt, einen hohen Knabenüberschuss unter den Geborenen als ein ungünstiges Zeichen für die Fort- existenz des Volkes anzusehen, wie überhaupt die Consequenzen der Theorie sehr weitgehende sind. 1) Die Gesetzmässigkeit im Gesellschaftsleben, pag. 134. 2) Schwicker, Statistik des Königreichs Ungarn, Stuttgart 1877, pag. 128. Citiert von Mayr, 1. c. pag. 134. 23 Alphabetisches Register. Die kleineren Zahlen beziehen sich auf die Paginierung der Abhandlung in der Jen. Zeitschrift für Naturwissenschaft, die grösseren Zahlen bedeuten die Seitenzahlen des Buches. A. Aal 676 86. Ableger 918 328. Aeclimatisation 778 188. Acer 916 326, 918 328. Adler 670 80. Aesculus 805 215, 817 227, 916 326. Affen 606 16, 726 136. Aganiogenesis 823 233. Agave 823 233. Aglia 828 238. Alexishirsch 694 104. Algen 722 132, 800 210, 825 235, 826 236. Allosoms 921 331. Alpenpflanzen 704 114, 817 227, 824 234. Alter d. Bräute 939 349, d. Eies 617 27, 639 49 , d. Erstgebärenden 603 13, d. Erzeugers 613 23, 656 66, 661 71, 932 342, d. Geschlechtspro- ducte 667 77, 900 310, d. Mutter 638 48, 756 166, d. Pflanzeneies 641 51 , d. Pflanzen 908 318, d. Pollens 641 51, 647 57, d. Samens 917 327, d. Spermas 616 26, 657 67, 900 310, absolutes d. Tiere 777 187, d. Va- ters 757 167, mit Reprod.- Maxim. 697 107, 937 347. Amaranthus 910 320. Ambrosia 816 226, 819 229. Ameisen 714 124, 732 142. Ammern 7 02 112. Amphipoden 7 16 126. Ampullen 629 39. Ananas 707 117. Anbau, Zeit d. 917 327. Andricus 7 95 205. Anemone 817 227. Anregung, geschl. 634 44. Antheridien 820 230. Aphiden 787 197, 840 250, 922 332. Aphilotrix 795 205. Aphysilla 830 240. Apus 784 194, Aquileja 817 227. Archegonien 820 230. Arbeiter bei Insecten 723 133, 732 142, 871 281 , Sex.-verh. d. Geburten bei d. 749 159. Arbeitsteilung d. Geschlechter 711 12t, 827 237. Aristolochia 83 0 240. Aroideen 910 320. Arrenotokie 629 39, 840 250, 922 332, Übergang zur Thelytokie 789 199, 901 311 , Unterschied gegen Thelyto- kie 7 90 200. Artemia 783 193. Arthropoden 631 41, 716 126. Ascaris 7 97 207. Aspidium 921 331. Assimilation 66 9 79. Astrantia 817 227. Atriplex 912 322. Aufsuchung des Weibchens 827 237. Ausbreitung 823 233. Australien 7 65 175. Austrocknen 786 196, 801 211, 858 268. Azarole 707 117. Azolla 825 235. B. Banane 707 117. Bandwürmer XVII, 677 87, 717 127. Bär 696 106, 699 109, 726 136. Bastarde XVII. Batrachier 711 121. 357 Bayern, Alter d. Bräute 939 349, Hei- ratsfrequeni nach Hungersnot tu; 156, Häufigkeit d. Zwillinge 637 47. Beanspruchung 609 19, 878 288, 881 291 , in besag auf Alter 657 67, auf Ernährung 648 58, im Überfluss 781 191. Befruehtung, Eintritt d. 6 28 38, d. In- dividuums 603 13, 834 244, d. Eies üli) 29, 641 51, 834 244, hei Pflan- zen 815 225, 816 226, Wirkung auf Geschlechtscntstehung 630 40, 790 800, Zeit d. beim Ei 739 149. Befruchtungsfähigkeit 629 39, 782 192. Begonia 7 85 195. Beleuchtung , siehe Licht. Belgien 608 18, 688 98, 746 156. Bergarbeiter 896 306. Berlin 894 304, 934 344. Beta 851 261. Beweglichkeit d. Männchens 828 238. Bienen, Arrenotokie 631 41, 771 181, 781 191, 922 332, Arbeiter 723 133, 732 142, Ernährung d. Geschlechter 714 124, Eier, taube 692 102, Ex- periment 900 310, Inzucht 838 248, Proterandrie 829 239, Zwitter 871 281. Biunenasseln 717 127. Biorhiza 7 95 205, 829 239. Birkhuhn 672 82, 696 106. Birnen 707 117. Blasennuss 707 117. Blechnum 921 331. Blumenkrone, monströse 7 05 115. Blüten, gefüllte 706 116, 923 333, pe- lorische 7 05 115. Boden 810 220, 904 314, 914 324. Boers 687 97. Bonellia 718 128. Bombinator 711 121. Bombyx 788 198. Bosmina 858 268. Bostrychiden 714 124. Brennnessel 906 316, 920 330, 930 340. Bremsen 714 124. Brodbaum 7 07 117. Bythotrephes 858 268, 860 270. €. Calceolaria 7 06 116. Canarienvogel 598 8, 700 HO. Cannabis , siehe Hanf. Capland 687 97, 750 160. Carices 915 325. Cecidomyiden 8 02 212. Centaurea XV, 702 112. Cephalotaxus 909 319. Ceratopteris 820 230. Ceriodaphnia 858 268. Chaetopoden 798 208. Charaoter d. Geschlechter 627 37 Cheetahs 779 189. Chile 689 99. Chironomus 803 213. Chondracanthiden 7 16 126. Chydorus 858 268. Cirripedien 7 16 126, 718 128. Cladoceren 784 194, 871 281. Cladoxerus 713 123. Cocciden 714 124, 828 238. Cochlearia 824 234. Coelenderaten 719 129, 800 210. Coleopteren 714 124. (Jompensation XII. Concentration d. Salzwassers 787 197. Conchilus 7 96 206. Concurrenz d. Organe XI, 925 335, d. Pflanzen , siehe Dichtsaat. Condor 6 96 106. Conochilus 829 239. Coniferen 805 215, 916 326. Conjugation 800 210, 835 245, 837 247. Consum 7 49 159. Contabescenz d. Antheren 727 137. Copepoden 716 126, 718 128. Copulation 801 211. Corydalis 7 05 115. Croton 819 229. Cyclie d. Daphniden 858 268. Cynipiden 7 90 200, 829 239. Cymothoideen 721 131. D. Dänemark , Heiratsfrequenz nach Hun- gersnot 746 156, Kindersterblichkeit 742 152, 744 154, Zwillinge 637 47. Daphnella 858 268. Daphniden, Cyclie 857 267, Befruch- tungsfähigkeit 782 192 , Hunger 693 103, 725 135, Zwitter 872 282. Dattelpalme 707 117, 832 242. Dauereier 7 82 192. Deutsche 940 350. Deutschland 63 7 47. Dianthus 7 28 138. Dichtsaat 703 113, 811 221, 815 225, 903 313, bei Inzucht 846 256. Digitalis 849 259. Dioecie 806 216, 902 312, 911 321. Diophanta 7 95 205. Dimorphismus d. Geschlechter 713 123, 828 238, d. Blüten 844 254, d. Ge- schlechtszellen 7 22 132. Dipteren , Ernährung der Geschlechter 714 124, 717 127, Paedogenesis 802 212. Domestication, v. Pflanzen 7 04 114, Po- lygamie 598 8, 677 87, Weibchen- produetion 774 184. Drillinge, Gleichgeschlechtlichkeit 736 146, Sexualverh. 755 165. 358 — Drohnen-brütigkeit 772 182, -Schlacht 709 119. Dryas 817 227. Düngung 627 37, 804 214, 808 218 813 223, 817 227, 913 323. Ehe 656 66, 937 347, Länge d. 659 69, verfrühte 657 67, Verwandten- 841 251. Ei, Alter d. 617 27, 619 29, 630 40, 641 51, Befruchtungsfähigkeit 629 39, Nichtbefruchtung 631 41 , Qualitäten d. 868 278, Reife d. 626 36. Eichengallwespen 7 93 203. Eichhörnchen 696 106. Einsiedlerkrebs 718 128. Elentier 699 109. Elephanten 779 189. Elodea 825 235. Eltern, ungesunde bei Pflanzen 854 264. Elsass-Lothringen 933 343. England, Alter d. Bräute 939 349, Hei- ratsfrequenz nach Hungersnot 746 156, Verwandten-ehen 840 250, Zwillinge 637 47. Ente 598 8, 695 105. Entscheidung, definitive d. Geschlechtes 806 216, 814 224. Entstehung d. Geschlechtes 868 278, 870 280. Entwickelung d. Eies 626 36, bei In- zucht 853 263, 854 264. Empfindlichkeit d. Geschl. 723 133, 979 389. Equisetum-prothallien 822 232. Erbse 706 116. Erdbeere 722 132. Ernährung, d. Blüte bei versch. Stellung 706 116, d. Embryo 733 143, 774 184, d. Erzeuger 648 58, 667 77, Einfluss auf d. Cyclie 859 269, auf d. Geschlecht 869 279, 871 281, 872 282, 875 285, 902 312, auf Ovula- tion 634 44, auf Wintereibildung 863 273, d. Geschlechter 711 121, 722 132, 804 214, d. Genitalsystems 656 66, d. Hermaphroditen 721 131, d. Keimblätter 721 131, d. Organe bei versch. Stellung 816 226, d. Pflanzen 808 218, 817 227, 915 325, d. Weib- chens 733 143, Wirkung auf Repro- duction 702 112, d. Zwillinge 734 144, 738 148. Ernährungsschwankungen , Einfluss auf d. Geschlechter 723 133. Eucharis 802 212. Eulen 696 106. Erstgebärende 608 18, ältere 603 13, 634 44, 882 292, Knabenüberschuss 766 176, Häufigkeit v. Zwillingen 638 48. Erstgeburten 608 18, 938 348. Erwerbszweig d. Vaters 890 300. Erzeuger, Alter d. 932 342. Euonymus 727 137. Evadne 785 195. Experiment 882 292, 896 306. F. Fabrikarbeiter 895 305, 896 306. Fabrikstädte 834 244, 895 305. Fagus 909 319. Farne 723 133, 820 230, 921 331. Fasan 598 8, 672 82. Fäulniss d. Wassers 786 196. Feigen 707 117. Feliden 726 136. Festsitzende Tiere 6 78 88. Fettleibigkeit, Einfluss auf Fruchtbarkeit 682 92. Feuchtigkeit 804 214, 808 218. Finken 672 82, 673 83. Fische 712 122, 829 239. Fledermaus 674 84, 710 120, 712 122. Fliegen 802 212. Floh 717 127. Fortpflanzung 668 78, ungeschlechtliche bei Pflanzen 822 232, s-organe, siehe Genitalapparat. Frankreich , Heiratsfrequenz nach Hun- gersnot 746 156, Stadtgeburten 750 160, Zwillinge 637 47. Frettchen 694 104. Frosch, Geschlechts-entstehuug 7 72 182, Gefangenschaft 6 97 107, Jugend-zwit- ter 875 285, Reproduction 674 84, 678 88, Regulierung d. 684 94, Zeit d. 711 121, Sex. -verh. 594 4, 927 337, Geschwisterfrass 708 118. Fruchtbarkeit im Überfluss 634 44. Früchte, samenlose 707 117. Frühgeburten 7 42 152. Fuchs 695 105, 696 106. O. Galeobdolon 706 116. Gallwespen 7 93 203, 829 239. Gamogenesis 823 233. Gameten 722 132, 828 238. Gänse 695 105, 700 110. Garneelasseln 716 126, 828 238. Gartenmelde 912 322. Gartenpflanzen XIV. Gastropoden 720 130. Gebären 76 9 179. Geburt, Sterblichkeit bei d. 743 153. Geburten in Stadt u. Land 74 9 159. Gefangenschaft, Empfindlichkeit d. Weib- chens 275 135 , Ovulation 634 44, Männchen-production 778 188, Repro- duction 696 106. Gefässcommunication 737 147. — 359 — Gefüllte Blüten XVI, 92 3 333. Gegensatz in d. Eigenschaften d. Gc- schlechtsprodacte 733 143, in d, ESr- ntthrnng (1. Geschlechter 7:s:s 143. Generationswechsel 797 207, 799 209. Genitalapparat, exceptionelle Stellung XVI, Empfindlichkeit d. 685 95, Er- Dährungsverhältniss bei Tieren 711 121, bei Pflanzen 722 132, Leistungs- fähigkeit bei versch. Alter 656 06, bei versch. Ernährung 648 58, Abnahme d. 659 69. Gentiana 7 07 117. Gemüse 823 233. Gephyreen 718 128. Geschlechtliehe Mischung 830 240, 895 305. Geschichtlichkeit der Keimblätter 7 20 130, wechselnde bei Hermaphroditen 721 131. Geschlechts-dimorphismus 713 123, 828 238, 913 323, -generation bei Daphni- den 858 268, Gleichzeitigkeit d. 860 270, 861 271, -perioden, Intensität d. 861 271, -produete, Alter d. 900 310, Qualitäten d. 616 26, 617 27, 639 49, 641 51, 647 57, 652 62, 656 66, 657 67, 868 278, -reife bei Inzucht 854 264, bei versch. Ernährung 686 96 , in versch. Klima 687 97 , bei Stadt- und Landbewohnern 6 86 96, 937 347, bei versch. Rassen 688 98, bei Tieren 669 79, -thätigkeit bei al- tern Erstgebärenden 6 34 44, Einfluss d. Nervensystems darauf 7 79 189, -tiere 800 210, -trieb 653 63, -lust 649 59, -verhältniss, siehe Sexualver- hältniss , - zellen , Dimorphismus d. 722 132. Geschwisterfrass 7 07 117, -kinder-ehen 840 250, -Schwärmer 83 7 247. Getreidepreise 746 156. Geum 817 227. Gewicht der Erstgeburten 766 176, d. Kinder bei Mehrgebärenden 759 169, d cf u. $ bei Pflanzen 806 216, 919 329, d. Placenta bei Erstgeburten 766 176, bei versch. starker Menstruation 766 176, bei Zwillingen 755 165, d. Zwillinge 754 164, versch. grosser Tiere 67 0 80. Gleichgeschlechtlichkeit bei Drillingen 736 146, bei Gefässkommunication 737 147 , bei gemeinsamer Placenta 737 147, bei Vierlingen 736 146, beiZwil- lingen 735 145. Gonophoren 800 210. Granate 707 117. Gräser 832 242, 915 325. Gregarine 675 85. Griechenland 939 349. Grösse snlitärer u. geselliger Tiere 799 209 , d. Tiere in bez. auf Reprodac- tionsstürke 668 78. Grossstädte 893 303, 894 304. Guilandina 916 326. Gurken, Entstellung d. Geschlechtes 804 214, 805 215, 904 314, Proterandrie 920 330, Schwankungen d Sez.-verh. :mi:j 313, 911 321, alter Samen 917 327, Topfkultur 926 336. H Habicht 779 189. Hanf, Düngung 912 322, Entscheidung d. Geschlechtes 822 232, Ernährung d. Geschlechter 919 329, Inzucht 832 242, 856 266, Proterandrie 920 330, seeundäre Geschlechtscharactere 913 323, Sexualverhältniss 902 312, 927 337, Stellung d. Blüten 816 226, 909 319, Sterblichkeit 912 322, Zeit d. Befruchtung 647 57, Zeit d. Anbaues u. Schwere d. Samens 917 327. Hänfling 7 02 112. Hannover 746 156. Hamster 6 90 100 Hasen 696 106. Hausschwalbe 672 82. Haustiere XII, 596 6, 598 8, 6 99 109, 838 248. Heirat 656 66, 937 347, 938 348. Helix 711 121. Hennen 774 184. Hering 676 86. Hermaphroditen , siehe Zwitter. Heterogonie 797 207. Heteropeza 802 212. Heterophagie 836 246. Heterospore, Pteridophyten 821 231. Hirsch 694 104. Hirschkäfer 702 112, 774 184. Hirudineen 719 129. Holland 688 98, 746 156, 939 349. Hollunder 705 115. Holstein 746 156. Hopfen 916 326. Hottentotten 687 97. Hühner, Befruchtung d. Eies 621 31, 628 38, 629 39, Concurrenz d. Or- gane XIV, Inzucht 838 248, Regulie- rung d. Reproduction 694 104, 697 107, 700 110, 725 135, Sexualver- hältniss 927 337. Huhn, Inzucht 83 8 248, Regulierung d. Reproduction 695 105, 699 109, 701 111, Sexualverhältniss 927 337. Hunger-generation 770 180, -not 686 96. Hydatina 7 96 206. Hydra, Ernährung d. Genitalsysteme 719 129 , Empfindlichkeit der weiblichen 725 135, Knospung 798 208, 822 232. — 360 — Hydra , Proterandrie 83o 240 , Repro- duction 693 103. Hydroidmedusen 800 210. Hymenopteren 714 124. 734 144. Hypericum 824 234. I. Iberis 852 262. Idiote 840 250. Jahreszeiten, Einfluss auf Häufigkeit v. Mehrgeburten 6 38 48. auf Reproduc- tion d. Menschen 688 98, d. Tiere 700 110, d. Stadt- u. Land-bewohner 689 99, auf d. Geschlecht b. Menschen 760 170, 883 293, 930 340, bei Tieren 778 188, 898 308. Insecten 696 106, 713 123, 723 133, -befruchtung 824 234, -larven 734 144. Intelligenz d. Männchens 829 239. Inzucht 635 45, 827 237. 894 304. bei Cyclie 865 275, beim Menschen 833 243, 839 249, 840 250. Schädlichkeit d. bei Tieren 835 245. bei Pflanzen 843 253, Vermeidung d. 838 248, 839 249, versch. Wirkung bei verscb Tie- ren 866 276, Compensation durch Uber- fluss 839 249, Extrem d. 840 250. Ipomea 843 253 bis 854 264. Irre 840 250. Isophagie 836 246. Isopoden 716 126, 721 131. Isophore Pteridophyten 821 231. Italien 938 348. Juden 625 35, 833 243. Jugendzwitter 869 279, 870 280, 875 285. Jungfer- weibchen bei Daphniden 858 268. Jussiaea 824 234. Käfer 714 124. Kaffern 687 97. Kanarienvögel 7 74 184. Kaninchen 624 34, 694 104, 842 252. Kartoffel 823 233. Kastanie 805 215, 817 227, 916 326. Keimblätter, Geschlechtlichkeit d. 7 20 130. Kinder, Gewicht d 741 151, Nahrungs- wechsel 726 136. Kinder-frass 708 118. -krankheiten 745 155. -Sterblichkeit 594 4, 741 151. Klassen, Geschlechtsreife bei versch. — 686 96. Klee 702 112. 706 116. Kleinstädte 894 304. Kleistogame Blüten 824 234. Klima 776 186, 938 348, Einfluss auf Brunst 699 109, auf Menstruation 687 97, auf Reproduction d. Pflanzen 705 115, auf Sex-verh. 760 170. Knaben, Gew. d. 741 151, Gewicht d. Placenta 741 151 . Frühgeburten 742 152, Kindersterblichkeit 741 151, Le- bensfähigkeit 742 152, Mehrproduc- tion in .ehlechten Jahren 746 156, Totgebui <>n 741 151. Knospung i 208, 854 264. Kohl XIV, ,04 114. Kokkoslarven 7 34 144. Kraft, gescnlechtliche 619 29, 653 63. Krähen 672 82, 673 83. Kreuzung siehe Inzucht. Krieg 609 .9, 748 158, 749 159. Kroaten 94p 350. Kröten 7il| 121. Kürbisse 903 313, 911 321, 926 336. Laburnum 7 06 116. Lampyris 8?8 238. Landbewohner 686 96. Land-gebur'en 749 159, 834 244, 893 303, 936 346. Lappinnen 687 97 Lathyris 854 264. Laubmoose 723 133. Lebens-bedingungen, Einfluss auf Repro- duction 7 04 114, -dauer, mittlere 675 85, -Wahrscheinlichkeit d. Stände 751 161, Lebensweise, Einfluss auf Häufig- keit d. Zwillinge 638 48, auf Sexual- verhältniss 7 60 170. Leistungsfähigkeit, geschlechtliche in ver- schied. Alter 656 66, 659 69, 933 343. bei versch. Ernährung 648 58, d. Muskeln bei versch. grossen Tieren 670 80. Leontarus 908 318. Leptodora 858 268, 860 270. Lerchen 696 106. Lernaeen 716 126. Levkojen 924 334. Licht 627 37, 804 214, 808 218, 813 223, 915 325. Linaria 7 05 1 1 ö . Liparis 789 199. Löwe 677 87. Lyehnis 644 54, 722 132, 903 313, 920 330, 925 -335. Lysimachia 824 234 Lythrum 844 254. H. Mädchen, Gewicht d. neugeborenen 741 151, Gewicht d. Placenta 741 151. Magyaren 940 350 Maio 728 238, 910 320, 917 327. Makrogonodien 828 238. Männchen, Aufgabe bei d. Reproduction 827 237. — 3G1 Mangel, wirklicher, a il einen Qeschlechl :;, 790 800, 831 241, scheinbarer 648 58 Harattiaceen 890 -30. Marchantia 825 235. ♦•> Mastixbaum nos 318. Hans 678 8.5. 674 84. 899 309. Meckelnburg *; :i t 47. Meerschweinchen 842 252, 8"44 254, 897 307. Meereshöhe 760 170. Mehrgebärende 607 17, II ufigkeit von Zwillingen bei - 638 4f . Mehrgeburten, bei versch. Alter 699 109, bei verscli. Rassen 687 97, Häufigkeit der 633 43, 637 47. Sexualverhältniss 752 1G2. 754 1C4. 756 1GG. Zahl d. 749 159. Meisen 6 72 82. Melanophyceen 7 22 132. Melonen 804 214, 920 330 Menagerien 7 78 188. Mensch, Ernährung d. Geschlechter 715 125, Reproductionsstärke 677 87, Se- xualverhältniss ö!>4 4. Menstruation 618 28, 636 46, 715 125, erste 606 16, bei versch. Ernährung 686 96, in versch. Klima 687 97, bei Stadt- u. Landbewohnern 686 96, 937 347, bei versch Rassen 688 98, Stärke d. Einfluss auf Sex.-verh. 765 175, Ver- änderung d. 637 47. Mercurialis, Empfindlichkeit d. Weibchen 72.; 136, Inzucht 853 263, 856 266, Sexualverhältniss 599 9, 639 49, 902 312, 927 337, Regulierung des 805 215. 815 225, Zeit d. Befruchtung 643 53, 645 55. Meristembildung bei Prothallien 820 230. Metamorphose 673 83. Miastor 802 212. Mikrogonidien 828 238. Mimulus 84 3 253, 848 258. Mischung, geschlechtliche 830 240, 895 305. Missbildungen 734 144, 768 178. Missernten 746 156, 894 304, 895 305. Möhre 7 04 114. Moina 785 195, 858 268, 864 274, 865 275. Mond, Einfluss auf d. Geschlecht 932 342. Monöcie SOG 216, 911 321. Monstrositäten 7 68 178. Morus 908 318. Mucor 826 236. Muscheln 678 88. Muskelarbeit 673 83, 701 111. Mutter, Einfluss d. auf d. Geschlecht 868 278. Nachtrag 878 288. Nahmngs-concurrenz bei Geschwisterfrass 681 91. bei Neugeborenen 7 1:; 153, 744 154 Nagetiere 7 26 136. Naiden 7 98 208. Nematoden 685 35, vis 128. Nematus 632 42, 778 188, 789 199, 792 202, 840 250. Neugeborene, Gewicht d. 741 151. Neuroterus 795 205. Neuseeland 765 175. Nichtbefruchtung. Wirkung auf d. Ge- schlecht 630 40, 790 200. Nicotiana 728 138, 850 260. Norwegen 660 70, 746 156. 933 343, 936 346, 937 347. O. Obstbäume 707 117, 926 336. Orangenbäume 707 117. Orchideen 671 8i, 706 116. Organisation u. Sterblichkeit d. Pflanzen 671 81. Orthonectiden 713 123, 734 144, 774 184. Orthopteren 713 123. Osmunda 820 230, 921 331. Österreich 736 146, 746 156, 939 349. Ovulation 629 39, 633 43. Paedogenesis 802 212. Palmen 909 319. Papageien 696 106, 779 189. Parasiten XVII, 675 85. Parasitismus d. Weibchen 7 16 126. am Weibchen 717 127. Parthenogenesis 780 190, 830 240, 856 266, 871 281, 873 283. Passiflora 7 28 138. Pelorische Blüten 7 06 116. Perlhuhn 598 8. Petunia 850 260, 852 262. Pfau 69 9 109. Pferde, Beanspruchung 611 21, 613 23, 878 288, Ernährung 655 65, Inzucht 832 242, Alter d. Eies 6 20 30, Alter 661 71, 777 187, Reproduction 6 76 86, 677 87, Sex-verh. 595 5, 927 337, Totgeburten 775 185, Trächtigkeits- dauer 724 134 , Verbesserung d. Be- triebes 930 340. Pflanzen , Ernährungsverhältnisse d. Ge- schlechter 722 132, Sexualverhältniss 599 9, 639 49, 902 312, Empfindlich- keit der Weibchen 726 136, Proteran- drie 830 240, Reproduction 711 121, -fresser 598 8, 676 86. 362 — Phalaenopsis 7 06 116. Phalaris 851 261. Phyllopoden 783 193. Phylloxera 714 124, 774 184, 788 198. Pilz 671 81, 826 236, 925 335. Pistacia 909 319. Placenta, Gewicht bei Erstgeburten 767 177, bei Knaben u. Mädchen 741 151, bei versch. Menstruation 766 176, bei Zwillingen 755 165, gemeinsame 737 147, praevia 769 179. Plagiostomen 869 279. Polen 939 349. Polistes 782 192, 838 248. Pollen, Alter d. 641 51, 647 57. Polygamie 597 7, 677 87, 775 185. Polyphemus 784 194, 801 211, 858 268, 859 269. Polypen 734 144. Polystomum 724 134, 802 212. Praevalenz 619 29. Preussen 637 47, 736 146, 743 153, 746 156, 748 158, 752 162, 753 163, 755 165, 761 171, 883 293, 893 303, 894 304, 939 349. Primiparae siehe Erstgebärende. Prosperität d. Menschen, Einfluss auf Häu- figkeit d. Mehrgeburten 638 48, auf Sexualverhältniss 746 156, 939 349, auf Reproduction 6 8 6 96. Proterandrie 829 239, 919 329, 920 330. Prothallien 820 230, 921 331. Prothallophyten 723 133. Protisten 800 210. Psyche 789 199, 828 238. Pteris 921 331. Pteromalus 791 201. Pulex 717 127. Pyrosomen 830 240. R. Rädertiere 713 123, 734 144, 796 206, 829 239. Ranunculus 707 117, 824 234. Rassen, Geschlechtsreife 688 98, Aus- sterben 7 65 175. Ratten 673 83, 695 105, 697 107, 708 118. Raubtiere 677 87, 778 188, 896 306. Raubvögel 670 80, 696 106, 726 136, 778 188. Raupen 7 34 144. Rebhuhn 672 82, 673 83. Regulierung d. Reproduction 680 90, nachträgliche 707 117, d. Sexualver- verhältnisses 729 139, 803 213. Rehe 672 82, 710 120. Reife d. Eies 626 36, geschlechtliche 937 347, 938 348, d. Pollens 728 138, d. Samens 855 265. Relatives Alter 656 66. Reproduction, Max. d. 937 347 , Reduc- tion d. 668 78, Regulierung d. oso 90, bei Menschen 6 85 95, bei Tieren 690 100, bei Pflanzen 702 112, in d. In- zucht 839 249 bis 843 253, Zeit d. Eintritts 710 120. Reproductions-stärke 597 7, 66 7 77, Züch- tung d. 67 9 89, bei Weibchen -über- schuss 730 140. Reproductions-thätigkeit d. beiden Ge- schlechter 711 121, Max. bei Men- schen 656 66. Reseda 849 259. Resultat 86 6 276. Rhizocarpeen 821 231. Rhodites 7 92 202 Rhynchoten 714 124. Rinder XIV, 610 20, 611 21, 619 29, 648 58, 649 59, 655 65, 676 86, 677 87, 699 109, 700 110, 838 248, 873 283, 881 291, Sex.-verh. 927 337. Rosskastanie 707 117. Rotwild 672 82. Rumänien 940 350. Rumex 644 54, 646 56. Russland 637 47, 939 349 Ruthenen 94 0 350. S. Sachsen 743 153, 746 156, 753 163, 760 170. Sagitta 7 20 130. Salamander 67 6 86, 7 11 121. Salicinen 915 325. Salpen 799 209. Samen, Alter d. 917 327, Schwere d. 917 327. Sandwichs-inseln 765 175. Sapphiriniden 7 16 126, 828 238. Sardinien 6 89 99. Satureja XV. Savoyen 637 47. Schachtelhalme 723 133. Schafe XIV, 677 87, 691 101, 699 109, 773 183, 775 185, 777 187, 779 189, 838 248, 912 322, Sexualverhältniss 596 6, 611 21, 613 23, 662 72, 664 74, 927 337. Schatten siehe Licht. Schmetterlinge 596 6. Schnecken 678 88. Schneehuhn 672 82. Schottland 689 99. Schwalben 672 82, aar, 106. Schwankungen d. Sexualverhältnisses 7 63 173, 807 217, 911 321, 914 324, 928 338, 929 339, in bezug auf Geschlechts- reife 7 86 196. Schwärinsporen 800 210, 835 245. Schweden 637 47, 638 48, 689 99, 746 156, 753 163. 363 — Sahweine XIV, 59a 8, 686 45, 676 B6, 694 104, s:ss 248, s 1 • , 255, Kinder- l'r.iss 7 OS 118. Schweiz 989 849. Schwere d. Sinnens :ii7 327 , in bczug auf Entwickelung sr.i 2G4 , bei In- ■ncbt sm 254. Seoundäre Gescblechtscharactere b. Pflan- zen 80i) 216, bei Tieren 702 112. Segler t; 7 2 82. Selbstbefruchtung 848 253. Serbien 937 347. Serben 9 4 0 350. Sepicola 71c 126. Sexualverhältnlss, beim Bingelkraut S12 222, bei Drillingen 7.r>r> 165, bei Frö- stben 5 94 4 , bei Haustieren 5 96 6, 5 98 8, bei Menseben 594 4, bei Pflan- zen 599 9, 639 49, 812 222, bei po- lygamen Tieren 597 7, bei Schmetter- lingen 596 6, bei Zwillingen 753 163, Zusammenstellung d. 927 337 , Ände- rung d. 5© 6 5, Constanz d. 905 315, Regulierung d. 600 10, 650 60, 729 139, bei Tieren 664 74, 667 77, bei Pflanzen 641 51 , Schwankungen 763 173, zufällige 614 24, 64 0 50, unter gleichen Verhältnissen 7 33 143, unter ungleichen Verhältnissen 740 150. Sexuelle Befähigung 933 343. Sida 858 268, 860 270. Singvögel 670 80. Sklaven, Sex.-verh. 750 160. Slovaken 94 0 350. Solenobia 789 199. Sommer-eier 782 192, 858 268. Spathegaster 7 91 201, 7 95 205. Spezielle Anpassungen 857 267. Sperling 6 95 105. Sperma, Alter d. 616 26, 900 310, Be- fruchtungsfähigkeit d. 629 39, Quali- täten d. 86 8 278. Spinat 642 52, 644 54, 815 225, 816 226, 819 229, 912 322. Spitzkletten 912 322. Spongien 830 240. Spongilla 721 131. Spulwurm 677 87. Stadt-bewohner. Geschlechtsreife 6 86 96, Menstruation 686 96, Prosperität 749 159. Stadt-geburten 834 244, 893 303, 936 346. Stand d. Eltern 750 160, d. Vaters 890 300. Stände, Geschlechtsreife bei d. 686 96. Stophylea 707 117. Stechmücke 714 124. Stellung d. Blüten 706 116, 816 226, 909 319, 925 335. Sterblichkeit d. Erstgeburten 767 177, bei Fröschen 77:! 183, in d. Inzucht 836 246, in d. Jugend 912 322, d. Kinder aus Verwandten-olieu 841 251, d. Knaben sss 298, d. Organismen 668 78, d. Tiere 597 7 ; d. Zwillinge 754 164. Sterilität bei Pflanzen 822 232. Stichling 670 80, 712 122. Stockfisch (17 0 80. Strauss 712 122. Strepsiptera 7 17 127, 829 239. Subitan-eier 782 192. Sumpfweihen 724 134. Süss wasserschwamm 721 131. T. Taube 623 33, 695 105, 700 110, 838 248. Teilung 798 208, 854 264. Teleostier 711 121. Temperatur d. Wassers 7.86 196. Tendenz d. Geschlechtsausbildung 868 278. Teras 795 205. Terebinthenbaum 908 618. Termiten 713 123. Teucrium 7 06 116. Thelytokie 780 190, 901 311, 922 332, Inzucht bei 840 250, Übergang zur Arrenotokie 7 89 199, Unterschied ge- gen Arrenotokie 790 200, 792 102. Thymus XIII, 920 330. Topfkulturen 704 114, 815 225, 846 256, 904 314, 926 336. Totgeburten bei Knaben 594 4, 741 151, 742 152, 887 297; bei Pferden 775 185, 931 341, bei Zwillingen 737 147, 7 54 164, Zahl der bei versch. Alter d. Mutter 759 169. Traberkrankheit 612 22. Trauben 7 07 117. Trauerweide 9 18 328. Trauungszahl 74 7 157. Trematoden 719 129. Trichosoma 7 18 128. Trigonapsis 7 95 205. Trimorphismus 844 254. Triton 711 121. Trockenheit siehe Feuchtigkeit. Trockensubstanz , Menge unter versch. Umständen 7 26 136. Tuba 628 38. Tulpenbaum 705 115. Turbellarien 719 129, 7 95 205. Typhaceen 910 320. ü. Überanstrengung d. Genitalapparates 610 20, 648 58. 364 — Übergang zwischen Thelytokie und Ar- renotokie 7 89 199, 901 311. Uferschwalbe 672 82. Ulothrix 801 211. Uneheliche Geburten , in bezug auf Be- anspruchung liö.s 18, auf Alter d. Eies 625 35, auf Inzucht 834 244, als Erst- geburten 937 347, Zahl in versch. Mo- naten 763 173. Unfruchtbarkeit bei Fettleibigkeit 682 92, in Gefangenschaft bei Insecten 696 106, bei Raubtieren 696 106, bei Raub- vögeln 6 96 106. Ungarn 94 0 350. Ungeschlechtliche Vermehrung 822 232, in bezug auf Inzucht 830 240, 835 245, 840 250, 856 266. Unterschwefelsäure 917 327. Umstände, eines Erzeugers 593 3. beider Erzeuger 667 77. Ustilago 925 335. V. Vanessa 771 181. Vater, Einfluss auf d Geschlecht 868 278 Vauche'ria 835 245. Vegetative Fortpflanzung 82 2 232. Veratrum 817 227. Verbreitungsgebiet, individuelle 681 91, 731 141 , in bezug auf Inzucht 831 241, d. Samens 803 213. Vermehrung siehe Reproduction. Verzögerung der Befruchtung , beim Ei 619 29, 630 40, 634 44, d. Indivi- duums 603 13, bei Pflanzen 641 51, 815 225, 816 226. Vesperugo 712 122. Vierlinge, Gleichgeschlechtlichkeit 7 36 146, Sex.-verh. 755 165. Viscoria 850 260. Vitis 819 229. Vögel, Reproduction 673 83, Grösse d. Eies 7 24 134, Proterandrie 82 9 239. Vollkommenheit d. Geschlechter 627 37 Volvox 713 123. 722 132, S28 238. Vorticellen, Geschlechtsdimorphismus 713 123, Conjugation 801 211, 837 247. w. Wachholder 909 319. Wachstum d. Geschlechter bei Pflanzen 806 216, 919 329. Wachtel 672 82. Waldtaube 673 83. Wahrscheinlichkeit d. Sexualverh 614 24, 898 308. Wanderratte, Inzucht t;35 45, 836 246, 839 249, 854 264, Kinderfrass 708 118, Reproduction 691 101. Wärme, Einfluss auf d. Pflanzen 627 37, 804 214, 808 218, 813 223, 817 227, auf Geschlechtsreife 634 44, 938 348. Wärmeproduction versch. grosser Tiere 670 80. Wasserstand 915 325. Weibchen , Aufgabe bei d. Reproduction 827 237, -Umwandlung 864 274. Weiden 918 328, 926 336. Weinbergsschnecke 7 24 134. Wels 712 122. Wesen d. Geschlechtes u27 37. Wespen, Arrenotokie 6 31 41, 781 191, Inzucht 838 248, Kinderfrass 709 119. Wiesel 694 104. Wilde Stämme 7 65 175. Windspiel 773 183. Winter-eier 782 192, 858 268. Wittwen 938 348. Wohlhabenheit d. Eltern 751 161 Wolf 695 105, 708 118. Wunsch-theorie 93 2 342. Wurf bei Inzucht 635 45. Würmer 6 25 35. Würtemberg 63 7 47. X. Xanthium 912 322. Z. Zaunkönig 672 82. Zeugungskraft d. Mutter 6 54 64. Zuckerrohr 823 233. Zufall , Reduction d. Vermehrung durch denselben 67 7 87. Zwillinge, ein-eiige 738 148, 874 284, Gewicht 754 164, Gleichgeschlechtlich- keit 734 144, Häufigkeit 633 43, 637 47, Sexualverhältniss 753 163, bei versch. Alter d. Erzeuger 661 71, Sterblichkeit 754 164, Totgeburten 754 164. Zwitter, Entstehung 87 o 280, Ernährung d. Genitalsystems 718 128, wechselnde Geschleehtlichkeit 721 131, bei Frö- schen 773 183, in d. Jugend 875 285, Wirkung d. Momente 866 276, bei Pflanzen 640 50. bei Zwillingen 737 147. amann'schcBnchdrnckcrei(HcrmannPohle)iii Jena. 5> QP^s 3>H JUN 2 g T92(f