— 0 800 W 0 — | ae * | Reitkunst in ihrer Anwendung auf Campagne Militär- und Schul-Veiterei. | | | „ | Kid 1 E Ei | I 7 3 | * | | 1 | | 23 | SF | | | Et X 2 a | . 1 O a [= 2 | Adolph gi ftner, Rittmeister! der Königl. Sächſ. Armee, Ritter des Königl. Sach. Albrecht⸗Ordens | TR: und des Königl. Preuß. rothen Adler⸗Ordens mit den Schwerdtern. J. F. W. Peder Teſpzig F von J. J. Weber. 8 . mit vielen in den Text gedruckten Abb’tvungen nach Otiginatzeidinungen von | | 1 | | RN 1860. “ar ” AR RN BE «=, 25 > 44 5 JOHN A.SEAVERNS Die Reitkunſt. | Anlehnung ist dit erle der Arittrngt. 1 . * Die Neitkunft in ihrer Anwendung auf Campagne⸗, Militär⸗ und Schulreiterei. Von Adolf Käſtner, Rittmeiſter der Königl. Sächſ. Armee, Ritter des Königl. Sächſ. Albrecht— Ordens und des Königl. Preuß. rothen Adler-Ordens mit den Schwertern. — — — Mit 62 in den Text gedruckten Abbildungen nach Originalzrichnungen van J. F. W. Wegener. 2 Teipzig Verlagsbuchhandlung von J. J Weber. 1860. Das Recht der Ueberſetzung iſt vorbehalten. Dem Königlich Sächſiſchen Oberbereiter Herrn A + Carl August Meier, Vorſtand des ehemaligen Königl. Schulſtalles zu Neuſtadt-Dresden, meinem langjährigen Lehrer aus Dankbarkeit und größter Hochachtung gewidmet. a np 3 bös digen a 191734 u ig E l % e ER 17 1 N. un f er * ** inn N = u — 4 N . = N 2 E 1 BAY 8 * N . e | ungen RM bie 9 1 0 ‘ R i 85 g ne nen x - { % 2 5 1 a l 16 N g ne e nen ee ee e * > * . >. Br N n u Vorwort. Wenn es auch nicht an Werken über die Reitkunſt fehlt, ſo glaube ich doch meine Arbeit nicht für überflüſſig erachten zu dürfen, indem ich vornehmlich, mich jeder Wiederholung der elementarſten Anleitungen gänzlich enthaltend, über die Uebereinſtimmung und Verbindung des Reiters mit dem Organismus und Mechanismus des Pferdes ſpreche, die Regeln der Kunſt anführe und beſonders auf die Fehler des Reiters mit ihren unaus— bleiblichen Folgen und nachtheiligen Einflüſſen auf das Pferd aufmerkſam mache; denn ſelbſt in den empfehlens— wertheſten Schriften über Reiterei iſt hierauf nicht genü— gendes Gewicht gelegt worden, in vielen iſt es ganz unberückſichtigt geblieben. Verſteht es ſich übrigens von ſelbſt, daß ſich die Reit— kunſt ſo wenig wie jede andere Kunſt auf rein theoreti— ſchem Wege erlernen läßt, ſo werden doch Lehrer derſel— ben ihre Schüler niemals über eine gewiſſe Mittelmäßig— keit hinaus bringen, ja ſie werden ſelbſt eine höhere Stufe nicht erreichen können, wenn ſie ihre praktiſche Geſchicklichkeit nicht wiſſenſchaftlich zu durchdringen, er— VIII Vorwort. ſchöpfend mit Gründen zu belegen und das Richtige vom Fehlerhaften zu ſondern und zu unterſcheiden vermögen. In dieſer Hinſicht ſoll das Folgende die erforderliche Anleitung und Anregung ertheilen, es ſoll den Schüler auf die Schwierigkeiten hinweiſen, welche zu überwinden ſind, bevor zwei lebende Weſen, Reiter und Pferd, ſo in einander greifen können, daß ſie ſcheinbar ein Ganzes bilden, es ſoll zu Fleiß und Ausdauer anſpornen und zeigen, daß man ſyſtemlos wol reiten, aber niemals mit wirklichem Erfolge Unterricht geben und Pferde bilden könne. Wird meine Arbeit mit der Liebe benutzt, mit welcher ſie hier nach beſter Kraft und mannigfach bewährter Er— fahrung geboten iſt, ſo dürfte ſie wol ſtrebſamen Reitern erwünſcht und von Nutzen ſein. Der Verfaſſer. Inhaltsberzeichniss. — — Erſter Abſchnitt. Ueber Sitz und Führung des Reiters. Seite c ER TE MER 3 $. 2. Nachtheile des fehlerhaften Sitzes 10 $. 3. Fernere Bedingniſſe des Sitzes 25 $. 4. Vom fehlerhaften Sitz auf der rechten Seite des Pferdes, ſowol auf der rechten als linken Hann 34 F. 5. Vom Schwerpunkte des Reiters auf der äußeren Seite des Pferdes 39 6. Vom Eipeus der Kunſt reiter ee an 41 §. 7. Von der Hand überhaupt. =. Are anne ee ne net 44 $. 8. Beſondere Forderungen der Hand- und Zügelführung. .. . . - 45 §. 9. Nachtheile ver unrichtigen Arm-, Hand- und Zügelführung .. 43 $.10. Von der Theilung der Kantharen zügel. 58 Zweiter Abſchnitt. Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen, Nuthe, Zügel, ſowie ſämmtlicher Hülfen. reell... nn,, 6⁵ 8.12. Beſchaffenheit des Spornn s. 67 ii der Nute „ 68 i eenſe ind Kantha re „3 71 $.15 Von der übereinſtimmenden Arbeit mit Trenfe und Kınthare .. 72 16. * 18. 19. 20. 21. 22. 23. . 24. 25. 26. . 27. 28. 29. Inhaltsverzeichniß. a Seite Verſchiedene Hälfen ebau ur: 73 Hülfen durch ven Sitz des Reitee ns. 74 Hülſen MEN BESTE tn s?k.r» Zr HUlTen n U“ 82 üer ——— ae te 84 i sen a A 87 Vereinigte Hülfen durch Sand und Sitazaz . 88 Hülfen durch einzelne Theile des Reiters ohne ſcheinbare Mit— Wing T 88 Zweideutige Hülfen und Doppel-Stra fen 89 Verſchiedene Richtungen der Zügelann ahnen 90 Verrichtungen des äußeren und inneren Zügels ... 92 Verrichtungen des äußeren und inneren Schenfelde. . . . . . - 93 Vom ff” ]wiUi!:!im Se nr nern 94 Reber die ü, 8 e 96 Dritter Abſchnitt. Von der Bearbeitung des Pferdes ohne und mit dem Weiter. un m Un Ur URN UN URN URURUR URN RUM UN UN URUNUR URN . * . . * . B . . B . are wur. l 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. . 45. 46. . 47. 48. 49. 50. 51. Die Longenarbeit gm ], 101 Von dem Gleichgewichte. ut in 113 r yet re 114 Das Richten oder Stimmen des Pferdes 117 „ ar Eu ee 2 121 Natürliche und künſtliche Gängnſdeeee. 128 Ueber die Ausarbeitung des Pferdes unter dem Reiter. ... 128 Verrichtungen bei und vor dem Anreiten . . 4134 Anreiten im Schritt und Trab 3 7 Von der Bolte (Zirkel) genen 136 ere Er ee es ee Von der Wendung und den Ecken in der Bah “ 22... 143 ir halte Schuln ud ea 148 CG En Ah 158 a meet. 3 na ie a Sa ne einge 165 CCC 166 FF AA TUNER REN. 0 n. , unee 168 nn d 2,05% 2.5 wa 171 r r a 4 174 Neo ur Be Delle. . ee 176 ihne, ——— 176 Hülſen für gere Gänge e 179 nun wm e Inhaltsverzeichniß. xl Vierter Abſchnitt. Zur Gharakterifiik des Pferdes. j Seite 2 EN Pe ⁊ᷣͤ 3 ĩðVàu 185 53. Der zu hoch ſtehende Hals mit vorgeſtrecktem . 186 54. Der durch fehlerhafte Bearbeitung zu hoch ſtehende Hals. . .. 187 % %%ô³ð⁰tðv« ¹l 188 VVV ers ua an au 189 „„%%/%//ßͤ V . 6 ↄ . ĩð-ʒ jð v a ne 190 ee Aa 191 59. Der lange, hohe, krumme und Senkrücketteeeennsss 193 n Sinteihil 2... 4 aa tens 195 0% öͤĩ ͤ ͤů 196 FCC 2 0 nee made area dee 197 / Fo a a eh 197 , ne. SETTEE 198 e 2). - BET REN BER TIZE 200 JS%%%% m 3 201 67. Erhöhte Furchtſamkeit durch Augenfehler . au 204 e . 206 e 18- ae ee La a 207 VC 210 ner 2 2.0 au aa 210 // 214 73. Das Schnicken mit dem Kopfe, und Stoßen und Dehnen in die e e ee ne 218 EI =... 2:8 200 aaa nm rare 219 75. Das Anttoßen und Steen 3 221 m , ee 222 Anhang: Ueber den Nestanzg g co. 228 N N * Pa 25% Sl „ 8. K 3 f Er : 1 n Nen Ind Ar N. Kr a 4 12 e . N + a Da re Win e e %. l ** TE BR 3 Ars Kae Tadd By she Var Ah’ i ar ZAA 44 W TER) ae N n e n e N i Pr n ee eee Nen 1 Fer Br 3 e 1:0: e im Fan 1 99 a „ ” BL 8 3 5 * WELPE * * 2 * ir! 3 3 deen . 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Wenn der Campagne⸗, Militär- und Schulreiterei alfo nur ein und daſſelbe Syſtem zu Grunde liegt, dennoch aber Reiter und Pferde verſchieden verwendet werden, ſo iſt bei erſtgenannten beiden Arten der Reiterei das Syſtem Mittel zum Zweck, nämlich Reiter und Pferd zu gewiſſem Dienſte brauchbar zu machen; bei der Schulreiterei jedoch iſt das Reiten ſelbſt der Zweck, denn es ſollen Reiter und Pferd ſo geſchickt als dies nur möglich iſt ausgebildet werden. Darum kann das Schulpferd eben wegen ſeiner erhöhten Ausbildung und Geſchicklichkeit jederzeit ein vollkommenes Campagne- und Militärpferd fein, ſobald daſſelbe auch noch zu dieſem ſpeziellen Behufe geübt wird, daß es nämlich Mi— 1 4 Erſter Abſchnitt. litär, Feuer ꝛc. kennen lernt. Der Unterſchied zwiſchen Campagne-, Militär- und Schulreiterei liegt alſo nicht in verſchiedenen Syſtemen, wie das fälſchlich ſo häufig geglaubt wird, ſondern lediglich in der verſchiedenen Verwendung des Pferdes und in der mangelhaften oder vollkommenen Aus— bildung von Reiter und Pferd nach dem einen Syſteme. Das Schulpferd ſoll gebogen und in erhabenen Gängen, das Campagne- und Soldatenpferd wenig gebogen und an der Erde weggehen. Eine andere, nicht minder unrichtige Meinung iſt die, daß es Zeitverſchwendung ſei, bei der Dreſſur des Campagne— oder Militärpferdes ſtreng ſyſtematiſch zu verfahren. Im Gegentheil iſt ein ſolches Verfahren nur Zeitgewinn, das ſyſtemloſe mindeſtens zeitraubend. Wird für erſteres die Zeit durch das Pferd beſtimmt, ſo beſtimmt ſie für das andere fälſchlicherweiſe der Reiter. Wäre aber auch die Zeit gege— ben, binnen welcher ein Pferd zum Dienſt brauchbar ſein ſolle, müßte ſelbſt die Arbeit auf Unkoſten deſſelben über das Knie gebrochen werden, ſo würde zweifellos nach Verlauf derſelben das ſyſtematiſch bearbeitete Pferd beſſer gehend und wohlbehaltener ſein, als das ſyſtemlos bearbeitete. Sonſt wäre ja jeder Reiter ein guter Reiter und niemand würde es für nöthig erachten reiten zu lernen. Freilich, nur wenige und nur wirklich paſſionirte Reiter binden ſich an das Sy— ſtem, weil zu deſſen praktiſcher Erlernung eine Reihe von Bedingungen zu erfüllen ſind, von welchen ſchon die der un— ermüdlichen Ausdauer und des konſequenten Fleißes genü— gen, um ſo Manchen abzuſchrecken. Möchte doch ſelbſt der leidenſchaftliche Reiter oft an ſeiner weiteren Ausbildung und Ueber Sitz und Führung des Reiters. 5 an jedem Gelingen verzweifeln, wenn ihm zur Beſeitigung eines ſcheinbar ſelbſt nur geringen Fehlers geraume und zu— weilen lange Zeit und tägliches Verbeſſern des Lehrers nöthig wird. Man mache einen Unterſchied zwiſchen reiten, und arbeiten oder dreſſiren. Reiten kann man ſyſtemlos, das be— weiſt ſich täglich, doch mit Erfolg arbeiten und zugleich kon— ſerviren, das kann man nicht, ſonſt würde es nicht ſo viele vorzeitig ruinirte Pferde geben. Und ſtände es anders, ſo wäre das Reiten keine Kunſt. Der Sitz des Reiters, um zur Sache a zu kommen, muß wie deſſen Stellung zu i Fuß ſein. Will man ſich dieſe vergegen— wärtigen, ſo ſtelle man den Reiter zunächſt ſo, daß bei aneinander genommenen Bei— nen Ohr, Schultern, Hüften und Abſätze in eine ſenkrechte Linie a (Fig. 1) fallen. Hierauf laſſe man ihm die Füße ungefähr 2¼ Fuß ſeitwärts ausſpreizen, und ihn ſo weit in die Knie ſinken, daß in ihnen ein Winkel von 145 — 150“ entſteht. Dabei müſſen Abſätze und Fußſpitzen pa— rallel ſtehen, das Geſchäft muß gut vor— gerückt ſein und Ohr, Schultern, Hüften und Abſätze dürfen nicht aus der vertika— len Linie treten. Fig. 2 giebt die Anſicht von vorn. Der Reiter, in dieſer Stellung i zwanglos auf das ſtehende Pferd geſetzt, Fig. 1. nimmt, wie es ſein ſoll, ſeinen Ruhepunkt auf beiden Geſäß— knochen und dem Spalte, und iſt im Gleichgewichte. Durch 6 Erſter Abſchnitt. die in Art und Grad ſo mannigfach verſchiedene Bewegung i und Schwere des Pferdes erleiden aber dieſe Grundregeln des Sitzes auf dem gebildeten, mehr noch auf dem rohen Pferde Ausnahmen, da— rum iſt feſtzuhalten, daß der Sitz im Gleichgewichte ſtets und nothwendi— gerweiſe der drei Ruhepunkte, der beiden Geſäßknochen und des Spal— tes, bedarf. Dieſe Regel muß ſtreng innegehalten und ausgeübt werden, wenn Kopf, Schultern und Abſätze richtig aus der Linie treten ſollen; denn mangelhaft oder verloren muß das Gleichgewicht unbedingt ſein, ſobald der Sitz auf den drei Ruhe— punkten verlaſſen wird. Die in den | folgenden Figuren angegebene ver: Fig. 2. tikale Linie iſt, wie in Fig. 1, die Linie f den normalen Sitz. Die Stelle der PR bezeich- net ein Der Oberleib hat ſich nun mit Kopf und Schultern gerade und ungezwungen aus den Hüften zu erheben, nicht allein des Anſtandes willen, ſondern auch hauptſächlich, weil eine andere Haltung, wenn ſie nicht in der Abſicht des Rei— ters liegt, für dieſen ſtörend wird, und fehlerhaft auf das Pferd einwirkt (Fig. 3.). Die Oberarme ſollen und müſſen zwanglos herab fallen. Die Unterarme haben ſich zwiſchen Hand- und Ellenbogengelenken ungezwungen Ueber Sitz und Führung des Reiters. 7 an Leib und Hüften anzulegen. Das Geſchäft und die Hüften müſſen gut vorgerichtet, das Geſäß herangezogen und der Spalt weit gemacht, geöffnet werden, damit der Sitz gehörig in dieſem und auf beiden Geſäßknochen genommen werden kann. Sind die Hüftgelenke loſe und ungeſpannt, Fig. 3. ſo wird ſich der Reiter auch im Spalte öffnen und nieder— laſſen können. Aus dieſen unbedingten Erforderniſſen ent— ſteht die gute und richtige Lage der Oberſchenkel, welche ohne die geringſte Spannung der Muskeln gehörig einwärts gewendet im Sattel herabfallen, ſtäte und für gewöhnlich an dieſem, nur mit dem Drucke ihrer eigenen Schwere liegen 8 Erſter Abſchnitt. ſollen. Ebenſo liegt mit dem Oberſchenkel das Knie an dem Sattel und wird deſſelben beſonders darum Erwähnung ge— than, weil viele Reiter der Meinung ſind, daß daſſelbe be— ſonders feſt an denſelben gedrückt, ja förmlich in denſelben eingebohrt werden müſſe. Die Kniekehlen müſſen ſanft und unbedingt zwanglos durchgedrückt fein. Von der richti- gen Lage und Haltung der Oberſchenkel hängt die richtige Lage der Unterſchenkel ab. Liegen erſtere fehlerhaft, ſo iſt das beſtimmt auch mit letzteren der Fall. Dieſelben müſſen gerade, ſenkrecht, mit den Schienbeinen nahe am Pferde und ungeſpannt in den Kniekehlen, Knöchelgelenken, ſelbſt in den Ballen- und Zehengelenken, herabfallen. Die Ferſe kommt etwas tiefer als der Ballen zu ſtehen. Der Sitz muß ferner richtig, frei, entledigt und entbunden von jedem Zwange, ſtandhaft und ela— ſtiſch belebend fein, damit der Reiter den Bewegungen des Pferdes gleichmäßig folgen, und daſſelbe gut reiten oder arbeiten könne, ohne ſtörend auf den Organismus deſſelben einzuwirken. Je ungezwungener, natürlicher der Sitz iſt, je elaſtiſcher die Muskeln des Reiters bei jeder Gelegenheit blei— ben, je mehr er den Theilen ſeines Körpers, welche ſtäte ver— harren ſollen, Stätigkeit, den beweglichen Theilen Beweg— lichkeit, frei von jedem Zwange, zu verleihen weiß, um ſo beſſer und feſter und um ſo weniger das Pferd ſtörend wird er ſein. Vollkommen kann der Sitz nur dann genannt wer— den, wenn es der Reiter verſteht, ſich durch denſelben und mit allen feinen Hülfen in ungeſtörte Gemeinſchaft und Ver— bindung mit dem Pferde zu ſetzen, wenn er es verſteht, auf Ueber Sitz und Führung des Reiters. 9 daſſelbe ſo einzuwirken, daß es alles von ihm Ausgehende gleichſam als von ſich ſelbſt ausgehend hält. Richtig iſt nun der Sitz, wenn der Reiter auf dem Pferde ſitzt wie bereits angegeben, und noch ausführlicher angegeben werden ſoll. Es verleiht derſelbe Anſtand, gute Haltung, ſichert vor dem Herabkommen, veranlaßt und nöthigt das Pferd zur Nachgiebigkeit, zum Gehorſam, zu richtigen Gängen, und beſchränkt den Kraftaufwand deſſelben wie den des Reiters auf das nur unbedingt Erforderliche. Frei, entbunden und entledigt iſt der Sitz, wenn der Reiter mit den Bewegungen des Pferdes nicht blos gleichmäßig, ſondern gleichſam von ſelbſt mit fortgeht, ſich alſo von dem Pferde nicht mit fortnehmen läßt, was mehr oder weniger ein Anhalten an den Zügeln bedingt; wenn er ſich, mit anderen Worten geſagt, auf dem Pferde eben ſo frei, ſicher und ungezwungen zu benehmen weiß, als auf eigenen Füßen; wenn er auf dem Pferde zu Haus iſt. Er iſt darum auch entledigt, wenn der Reiter bei ruhiger Hal— tung des Körpers jeden Theil deſſelben ungeſpannt und mit Leichtigkeit, ohne Mitwirkung der übrigen Theile, dem Pferde unmerklich, bewegen und verlegen kann. Standhaft iſt der Sitz, wenn der Reiter bei allen vorkommenden Bewegungen des Pferdes ſeine Haltung nicht verläßt, alſo weder vorwärts noch rück- oder ſeitwärts ſchwankt; wenn er ſich den richtigen Sitz durch fehlerhafte Gänge des Pferdes nicht nehmen läßt. Mit dieſen Eigenſchaften des Sitzes muß noch eine weſentliche deſſelben eng verbunden ſein, nämlich, daß er elaſtiſch und belebend ſei. Dann erlangt der Reiter nicht nur 10 Erſter Abſchnitt. feines Gefühl in Geſäß und Hand, ſondern überhaupt in allen Theilen ſeines Körpers, mittelſt welchem er jede, auch die kleinſte Bewegung des Pferdes ſchon im Voraus oder doch ſogleich empfindet, mittelſt welchem er in dieſelbe ein— geht oder ihr entgegenwirken kann. Darum befördert die elaſtiſche, belebende und entledigte Einwirkung des Reiters regelmäßige Bewegungen, unregelmäßigen tritt ſie hemmend entgegen, ſtarre Theile macht ſie biegſam, fehlerhaft beweg— lichen giebt fie Stätigkeit, übereilte Bewegungen mäßigt fie, zögernde muntert ſie auf, ſie ſtellt Gleichgewicht her, unterhält daſſelbe und erleichtert dem Pferde die Schwere des Reiters. Dem belebenden Sitze entgegengeſetzt iſt der ſtarre, todte Sitz. Mit dieſem hat der Reiter im günſtigſten Falle keinen anderen Einfluß auf das Pferd, als daß er demſelben die Laſt, welche es zu tragen hat, erſchwert. F. W Nachtheile des fehlerhaften Sitzes. Das Vorhängen von Kopf und Schultern, wel— ches leicht das Vorlegen des Oberleibes vor die Linie zur Folge hat, wodurch die Geſäßknochen gelüftet und die Hüften (Fig. 4) zurückgeſchoben werden, erleichtert an und für ſich das Hintertheil und den Rücken des Pferdes; denn es ver— legt die Schwere des Reiters nach dem Vordertheile. Eine richtige Einwirkung auf das Pferd wird aber unmöglich, es wird auf der Vorhand bleiben, ſomit eine richtige Stellung erſchweren und in der Regel ganz verweigern, demnach auch eine fehlerhafte Anlehnung nehmen, die entweder in dem Ueber Sitz und Führung des Reiters. 11 Treten hinter die Zügel, oder im Auflegen beſteht. Ueber— haupt bleibt der Oberleib nicht mehr die Stütze der Hand. Außerdem wird der Reiter nach Maßgabe des Fehlers mehr oder weniger Haltung verlieren, welche er jetzt nur durch das Vorbringen der Schenkel in die Stütze erhalten kann. Sie muß jedoch gänzlich verloren gehen, ſobald die Unterſchenkel, hinter die Linie gebracht, den vorgelegten Oberleib mit den Waden halten ſollen. (Fig. 5.) Das Vorhalten des Oberleibes kann aber, wie ſpä— ter erwähnt werden wird, zeitweilig bei richtig verbleibendem Sitze auf dem Spalte und den Geſäßknochen, bei verblei— 12 Erſter Abſchnitt. benden Hüften auf der Linie und bei guter Schenkellage rich- tig ſein, und zwar nur bei dem geſchickten Reiter, wenn es der Moment oder das Pferd ſo erfordern, und werden dann die aus ihm entſpringenden Nachtheile nicht ſtatt haben, weil ſie der Reiter kennt und zu verhindern weiß. (Fig. 6.) Fig. 6. Fig. 7. Wird der Oberleib fehlerhaft hinter diejenige Linie gelegt, auf welcher ſich der Reiter ſowol auf der Stelle als in jedem Gange in gleicher Schwere mit dem Pferde erhält oder bewegt, d. h. verläßt der Reiter den Sitz im Spalte, ſetzt er ſich lediglich auf die Geſäßknochen und zwar noch ſo, Ueber Sit und Führung des Reiters. 13 daß ſich der Hintere an den Sattel anlehnt, wozu beſonders der ungariſche Bock Gelegenheit bietet; läßt er die Hüften los und ſchiebt oder drückt er dabei die Schultern zurück, ſo bleiben die Oberſchenkel nicht mehr in derjenigen Lage, welche dem Oberleibe Haltung giebt, ſondern ſie ſchieben ſich vor, und die Unterſchenkel werden, wie beim vn des Ober— leibes, mit feſt durchgedrückten Kniekehlen in die Stütze gebracht AR: (Fig. 7), oder in denſelben her— A auf und zurück hinter die fenf- A rechte Linie gezogen (Fig. 8.). „ Mit dieſem Sitze hört gleichzeitig 7 jede richtige Zügelwirkung auf; 5 [A denn die Zügel werden rückwärts A —. gezogen und die Hand muß dem 4 Oberleibe zur Stütze werden. | 7 0yp 7 Wenn nun dieſer Sitz ganz ‚ges ! \ \ gen den Willen des Reiters vor: 0 treibt, und die Zügel wider die \ ©) Abſicht deſſelben rückwärts wir— Ne ken, jo muß das Pferd in Unord⸗ NN — nung kommen, es wird gegen die n Zügel drängen, hinter dieſelben gig. 8. treten, zum Vorſtrecken der Naſe, zum Verbiegen des Hal— ſes, zum Aus- oder Hereinfallen des Hintertheiles ꝛc. ge— zwungen. Alle Pferde werden ſich irgendwie gegen dieſen Sitz wehren. Beobachtet ſich der Reiter, ſo wird er fühlen, daß ſein Oberleib nicht von ſelbſt und gleichmäßig mit der Bewegung des Pferdes fortgeht, was eine unerläßliche Be— 14 Erſter Abſchnitt. dingung iſt, daß er hinter derſelben zurückbleibt und vom Pferde mit fort genommen werden muß. Der Rücken und die Lenden des Pferdes werden die am meiſten beſchwerten Theile, und können eben ſo wenig als das Hintertheil richtig gear— beitet werden. Ungeachtet der verlegten Schwere i des Reiters nach rückwärts muß das Pferd dennoch— auf der Vorhand bleiben. Das richtige Zurück— richten oder Zurückhalten des Oberleibes wird, wie ſpäter zu erſehen iſt, nur zeitweilig er- fordert, dabei wird weder der Sitz im Spalte und auf den Ge— ſäßknochen, noch das eigene Gleichgewicht aufgegeben, man ſucht im Gegentheil mit den drei Ruhepunkten tiefer in den Sattel zu kommen, indem man ſich recht gut im Spalte öffnet, Kreuz und Hüften möglichſt vorrückt und die Oberſchenkel zurücknimmt. Hier— durch allein wird die Nachhand mehr beſchwert, das Pferd verſammelt. (Fig. 9.) Jedes richtige Vor- oder Zurückhalten, wie jedes falſche Vor- oder Zurücklegen des Oberleibes übt auf ungariſchem Bocke größeren Einfluß auf das Pferd, als auf engliſchem Sattel, weil der Sitz bei letzterem auf dem Rücken des Pfer- des ruht, während der Sitz bei erſterem in Folge ſeines Ueber Sitz und Führung des Reiters. 15 Baues und durch die Frieskotze erhöht, mehrere Zolle hoch über denſelben kommt. Dieſe Differenz verſtärkt die Hebel— kraft des Reiters. Daſſelbe gilt bei dem Seitwärtsneigen deſſelben nach links und rechts; eben darum iſt auch auf erſterem Sattel das Gleichgewicht ſchneller verloren als auf letzterem. Die Arme entbehren bei fehlerhafter Haltung der nöthi— gen Ruhepunkte, der Hand werden die erforderlichen Eigen— ſchaften verloren gehen, und es wird ihr zunächſt Stätigkeit und Zwangloſigkeit mangeln. Das Pferd aber weicht jedem Zwange ganz natürlicherweiſe ſo viel als möglich aus, es wird ſich gegen Biegung und Anlehnung wehren. Dem Vorrichten der Hüften (Fig. 1, 3, 6 und 9.) entgegengeſetzt iſt das Zurückbleiben, das Zu— rückſchieben derſelben, (Fig. 4, 5 und 7.). Dies wird hervorgerufen durch das Steifhalten ihrer Gelenke und der Geſäßmuskeln, wodurch das Oeffnen im Spalte und das Niederlaſſen in denſelben und auf die Geſäßknochen gehindert wird, ferner durch nicht umgewendete und vorge— ſchobene oder zurückgezogene Schenkelhaltung, durch das Nei— gen des Oberleibes nach vorn, recht häufig aber auch durch das fehlerhafte Durchdrücken des Rückens, wenn dies näm— lich ohne richtige Theilnahme der Hüften, ohne dieſe mit dem Kreuze vorzurichten und unnöthigerweiſe geſchieht. Das Ge— ſäß iſt jetzt nicht angezogen, das Geſchäft nicht vorgerückt. Durch dieſen Fehler verliert der Reiter an Haltung; er wird daher nur mangelhaft auf das ganze Pferd wirken, und mit den Fehlern zu kämpfen haben, welche durch das Vorneigen des Oberleibes entſtehen. Vor Allem kann er mit dieſem 16 Erſter Abſchnitt. Sitze der Bewegung des Pferdes gleichmäßig nicht mehr fol— gen und die Hand muß ihre Stütze entbehren. Werden die Hüften jedoch ſo weit zurückgeſchoben, daß der Reiter zu ſeiner Haltung die Unterſchenkel vor und in die Stütze brin— gen muß, ſo iſt der Sitz um vieles mangelhafter und es kann ein ſolcher Reiter füglich vom Pferde nicht mehr ver— langen, als daß es ihn trage. Geſpannte Hüften haben Spannung der Schenkel zu Folge, welche deren Gebrauch hemmt und das Pferd ſtört. Ferner gehen das feine Gefühl im Geſäß und die Biegſam— keit der Hüften, Erforderniſſe des entbundenen und beleben— den Sitzes, welche zur Richtigkeit der Gänge ſo viel beitra— gen, verloren, da der Reiter eben auch in die Bewegung des Pferdes nicht mehr einzugehen, ihr nicht zu folgen vermag. Unſtäte Hüften, welche durch unſtäten Sitz auf dem Spalte und den Geſäßknochen bald vor- bald zurückgeſchoben werden, veranlaſſen das Pferd zu allerlei Unordnungen, und an irgend eine regelmäßige Wirkung der Hülfen und darum an Regelmäßigkeit und Zuverläſſigkeit der Gänge, Anlehnung und Gleichgewicht überhaupt, darf der Reiter bei dieſen Feh— lern ſowol als bei den vorher angegebenen und nachfolgen— den nicht denken. Das Verwenden der Hüften, ſo daß die eine vor die andere zurückſteht, hat das Verwenden des ganzen Reiters zur Folge. Es wird deſſen eine Seite gleich der Hüfte vor-, deſſen andere Seite gleich der Hüfte zurückſtehen. An dieſes Verwenden knüpft ſich die unausbleibliche Folge, daß der Reiter, ſteht z. B. wie gewöhnlich ſeine rechte Seite zurück, die Mitte des Pferdes und Sattels verläßt und auf Ueber Sitz und Führung des Reiters. 17 die rechte Seite zu ſitzen kommt, der rechte Schenkel tiefer herabfällt als der linke (Fig. 10). Dieſer Fehler wird jeder— zeit, aber beſonders auf der rechten Hand höchſt nach— theilig für richtige Gänge ſein, indem richtige Stellung und Biegung, darum Anlehnung, Gleichgewicht ꝛc. weder erlangt noch unterhalten werden kön— nen. Der vorgeſchobene rechte Oberſchenkel, mit hinter dem Gurte wirkenden Unterſchenkel iſt jetzt der innere, der gewöhn— lich in die Stütze vorgebrachte linke, weniger und in der Regel vor dem Gurte wir— kende, iſt der äußere. Hier— durch muß die Biegung und darum auch die Bewegung des Pferdes eine ganz falſche und mehr zu der auf der lin— ken Hand werden, da die rechte Seite deſſelben durch den Reiter beſchwert und mit- X hin verhalten, die linke Seite aber erleichtert und demnach | die Bewegung derſelben be— Fig. 10. fördert iſt. Das Pferd wird alſo mit der äußeren Seite ſtets der inneren vorangehen, was im Schritt und kurzen Trabe auf gerader Linie, beſonders aber beim Durchgehen der Ecken und bei Wendungen durch ein ſehr ſichtbares Mehr— vortreten der äußeren Schulter, durch ein Legen oder Fallen Käſtner, Reitkunſt. 2 18 Erſter Abſchnitt. nach der inneren Seite ſichtbar wird. Auffälliger wird das bei dem mehr Boden nehmenden Trabe, beim Paſſiren der Ecken oder ſobald das Pferd in den Galop fällt, welcher, man kann wol ſagen regelmäßig ein falſcher, der linke ſein wird. Je mehr nun der innere Schenkel hilft, deſto verkehrter wird Alles, weil er ſchon allein durch ſeine Lage und dadurch, daß die Schwere des Reiters auf ihm ruht, mehr wirkt, als der auswendige. Er nöthigt das Hintertheil zum Ausfallen, veranlaßt das Pferd zu falſchem Rippen-, Hals- und Gana— chenbuge, zur Auflehnung auf den inneren Zügel und zum Verlaſſen des äußeren ꝛc. Das Pferd iſt unter ſolchen Um— ſtänden bei dem beſten Willen und Vermögen außer Stande, dem Verlangen des Reiters genügen zu können. Behält dieſer den erwähnten fehlerhaften Sitz auf der linken Hand bei, ſo daß er nämlich auf der rechten Seite, nicht auf der Mitte des Sattels und Pferdes verbleibt, ſo wird derſelbe auf die Gänge links weniger nachtheilig wirken, als auf die rechts, indem jetzt der äußere Schenkel der beſchwerte iſt und hinter dem inneren liegt, welcher letztere, iſt er auch vorgeſchoben, das Hintertheil doch nicht zum Ausfallen ver— anlaßt, ſobald er nur ruhig und weich gehalten wird. Die innere Schulter des Pferdes kann die vorangehende bleiben und das Pferd wird wol immer in den richtigen Galop, den links, fallen, weil der Reiter auf dieſer Hand dem Organis— mus deſſelben nicht ſo ganz und gar zuwider handelt. Die ö Fehler, daß das Pferd auf der rechten wie linken Hand hinter den linken Zügel tritt, ihn nicht annimmt, und mit der Croupe nach links hinaus-oder hereinfällt, fin— Ueber Sitz und Führung des Reiters. 19 den gewöhnlich ſtatt. Bei ſchiefem Sitze kann von richtiger, guter Führung, Stellung und Biegung des Pferdes, von regelmäßiger Unterhaltung des Gleichgewichts, von richtigen und zuverläſſigen Gängen, Anlehnung ꝛc. nicht die Rede ſein. Läßt der Reiter die linke Hüfte zurückfallen, ſo treten entgegengeſetzte Fehler ein. i Die Geſchicklichkeit, ſich in der inneren Seite hohl— und einbiegen zu können, verlangt nicht nur die Seiten— biegung der Rückenwirbelſäule mit der Rippenbiegung des Pferdes, worüber ſpäter Erklärung erfolgen wird, ſondern überhaupt die durchgängige Biegung deſſelben, indem ſich allein hierdurch der Reiter mit demſelben in eine enge Ver— bindung zu ſetzen vermag. Mit geſpannten Oberſchenkeln iſt man unver: mögend ſowol rechtzeitige und ſchnelle, als auch abgemeſſene Hülfen in Bezug auf den Grad der Stärke derſelben zu ge— ben. Das empfindſame Pferd wird ſich gegen die Schenkel wehren, heftig werden, vorwärts drängen, das unempfind— liche dagegen durch dieſelben in ſeiner Gefühlloſigkeit be— ſtätigt, zu zögernden Gängen und zum Zurückkriechen ver— anlaßt. Der Reiter entbehrt ferner das Gefühl, welches er vom Pferde haben, welches durch Hand, Geſäß und Schenkel in ihn übergehen ſoll, und durch welches allein Beide Eins werden. Unſtäte Schenkel beirren das Pferd. Es wird in der Meinung des Reiters Fehler begehen, an welchen er allein Schuld trägt, weil es Bewegungen derſelben einmal für Hülfen nimmt, wenn ſie keine ſein, das andere Mal die— ſelben wieder unbeachtet läßt, obgleich es Hülfen ſein ſollten. 2* 20 Erſter Abſchnitt. Werden ſie mit den Knieen an den Sattel ge— preßt, was nach dem Grade, in welchem es geſchieht, doch nicht ohne mehr oder weniger Spannung und Zwang der Muskeln erfolgen kann, ſo entſtehen die Nachtheile geſpann— ter Schenkel, während der vermeintliche Vortheil des Feſt— ſitzens entſchieden nicht erreicht wird. Stätigkeit der Schen— kel bei vollkommener Zwangloſigkeit dieſer und des ganzen Reiters, Geſchick ſich leicht im Gleichgewicht zu erhalten, jeder— zeit in einer Schwere mit dem Pferde zu verbleiben, ſind die Bedingungen des feſten Sitzes, weil nur ſo ein Eingehen in jede Bewegung des Pferdes und ein Fortgehen mit demſel— ben möglich wird. Jemehr nun der Reiter Geſchick des Kör— pers beſitzt, bei Vorkommniſſen, die ein Herabkommen nach ſich ziehen können, ſein eigenes Gleichgewicht und ſeine Zwangloſigkeit zu behalten, mit dem Pferde in einem Gleich— gewichte und einer Schwere zu verharren, ja dann noch das eigene Gleichgewicht zu wahren weiß, wenn das des Pferdes verloren geht, z. B. bei Fehltritten, wenn es fallen will ꝛc., um ſo ſicherer und zuverläſſiger wird er ſich auf demſelben halten. Der beſte Reiter kommt jedoch durch irgend welche Veranlaſſung einmal aus jener engen Verbindung mit dem Pferde, aus dem Sitze; doch während der ungeübte zunächſt ſeine Zuflucht zu den Zügeln nimmt, zu gleicher Zeit ſich aber unwillkürlich noch mehr ſpannt, giebt ſich jener alle Mühe, einen nachtheiligen Einfluß auf die Führung ſobald nicht eintreten zu laſſen, ſich möglichſt zwanglos zu erhalten und ſein Gleichgewicht und ſeine Schwere mit der des Pfer— des lediglich durch Geſchicklichkeit und Geſchmeidigkeit ſeiner Glieder herzuſtellen und zuſammenfallen zu laſſen. Dieſen Ueber Sitz und Führung des Reiters. 21 Reiter wirft das Pferd nicht ſo bald ab, wenn es ihn nicht durch plötzliche und rapide Schnelligkeit zu überraſchen weiß; jenen ſetzt es aber um ſo eher ab, jemehr er durch Steif— machen und Klammern den Fall zu verhüten ſucht. Das ſteife Durchdrücken der Kniekehlen nach vor⸗ wärts (Fig. 11) ſteift die Beine und es finden gewöhnlich die Fehler ſtatt, daß ſich entweder der Reiter in den Bügeln ſtützt, auch in denſelben ſteht, oder daß er die Bügel an den Füßen klap⸗ pen läßt. In beiden Fällen er⸗ 2 füllen die Bügel nicht ihren Zweck. Fig. 11. Der Sitz muß ein unſicherer ſein, die Hand kann durch den Oberleib weder die nöthige noch die . Stütze be⸗ kommen und der Gebrauch der Schenkel iſt gehemmt. Sind die O berſchenkel nicht umgewendet, lie⸗ gen ſie nicht mit ihrer inneren, ſondern hinteren Fläche am Sattel, ſo verläßt der Reiter den Sitz im Spalte, nimmt 7 ihn allein auf den Geſäßkno⸗ KO) chen, die Kniee kommen vom f Sattel ab und die Unterfchen- i. kel in eine ganz fehlerhafte Haltung mit den Fußſpitzen aus— 22 Erſter Abſchnitt. wärts, mit dem Abſatze unter das Pferd, mit den Waden an das Pferd oder den Sattel (Fig. 12). Hierdurch ver— liert der Reiter die erforderliche Stätigkeit, Ruhe, Zwangloſigkeit und alle Haltung. Behaupten die Unterſchen— kel den ſenkrechten, natür⸗ lichen Fall nicht, ſondern kommen ſie unter den Leib des Pferdes (Fig. 13), ſo müſſen die Oberſchenkel loſe am Sattel werden, ſie halten den Fig. 13. Oberkörper nicht mehr und es tre- ten vorerwähnte Nachtheile ein. Verlaſſen die Unterſchen— kel den ſenkrechten und natürlichen Fall nach ab— Fig. 14. wärts vom Pferde, ſperren ſie ſich ab (Fig. 14), ſo iſt hierzu wiederum beſonderes Anſtrengen und Anſpannen Ueber Sitz und Führung des Reiters. 23 der Muskeln erforderlich. Die Hülfen können erſtens alſo nicht ohne Zwang bleiben, müſſen zweitens auch weitläufig und ſchwingend werden, weil ſie einen weiteren Weg zu ma— chen haben, und können darum auch weder rechtzeitig noch ſchnell ſein. Doch in jedem Falle iſt dieſer Fehler geringer, als wenn die Unterſchenkel unter das Pferd fallen oder viel— mehr gehalten werden. Das Zurückziehen derſelben hinter ihren natürlichen, ſenkrechten Fall, hinter die Linie, verſetzt den ganzen Körper in Zwang, und kann darum nicht ohne Spannung der Muskeln ſtatthaben. Vornehmlich verliert der Oberleib dadurch ſeine Stütze, demnach ſeine Haltung; er kommt leicht in eine Neigung nach vorn, lüftet das Geſäß, ſchiebt die Hüften zurück und bringt den Reiter ſchnell in Un— ordnung. Wer dieſen Fehler angenommen hat und die Unzu— verläſſigkeit und Haltloſigkeit ſeines Sitzes fühlt, muß nun unbedingt in einen zweiten Fehler verfallen, ſobald er den erſten nicht ablegt, und zwar muß er ſeinen Oberleib, um ſich im Gleichgewicht zu erhalten, mehr oder weniger nach Maß— gabe des Fehlers der Unterſchenkel hinter die Linie bringen. Der Fehler wird um ſo größer, der Sitz um ſo unnatürlicher und gezwängter, wenn dieſe Haltung des Oberleibes durch das Durch- und Hohlbiegen des Rückgrades erlangt werden ſoll (Fig. 8). Manche Reiter ſind für dieſen höchſt fehlerhaften Sitz eingenommen, weil er beſonders für kleine Leute etwas Elegantes hat, doch wird man bei ſolchen nie ein durchge— rittenes Pferd ſehen, weil ſie ſo ganz gegen die allererſten und weſentlichſten Grundſätze in der Reitkunſt verſtoßen, daß aller Zwang entfernt werden, die Schwere des Reiters 24 Erſter Abſchnitt. ſich gleichmäßig mit der des Pferdes fortbewegen ſolle, da ſie mit gezwängtem Körper hinter der Schwere des Pferdes zurückbleiben müſſen. Fehlen nun dieſe Grundbedingungen, ſo iſt an ein Arbeiten, Vervollkommnen, Durchreiten des Pferdes, an Gleichgewicht und Anlehnung nicht zu denken; das Pferd muß auf der Vorhand bleiben. Dieſe Fehler des Sitzes ſind für den Soldaten die nachtheiligſten, weil er mit ihnen vorzeitig ermüdet, nicht vorwärts reiten, kein Hin— derniß mit Sicherheit nehmen, und das Pferd nicht tummeln kann; denn hierzu ſind Hülfen in den Bügeln, deren er ſich nicht bedienen kann, ebenſo unentbehrlich, als es erforder— lich iſt, die Schwere leicht und ſchnell nach vor- wie rück— wärts, links und rechts verlegen und dabei das Drehen des Sattels verhindern zu können, was ſo leicht und ſchnell mit dem ungariſchen Bocke eintritt und den Soldaten in die allerunangenehmſte Lage verſetzen kann. Der Einfluß die— ſes Reiters auf das Pferd iſt aber in Bezug auf Erfolge nicht blos ein mangelhafter, er wird auch ein ſchädlicher; denn die Pferde bleiben nicht nur unbedingt, obgleich die Schwere des Reiters nach rückwärts fällt, auf der Vor— hand, werden nicht blos hinter oder mit ſtarrem Genicke in die Zügel, und mit unbiegſamem, unſtätem Hinter— theile gehen, ſondern die Gelenke können, weil nicht ent— bunden, auch nicht conſervirt werden, und müſſen leiden. Empfindliche Pferde, roſſige Stuten, kitzliche Wallachen, Pferde mit ſchwachen Rücken und Hintertheilen werden durch dieſen Sitz beunruhigt; Pferde mit langen Hälſen, kurzen Genickbändern, oder mit Hälſen, die einer Herabſtim— mung bedürfen, werden ſich nie willig zeigen, weil es der Ueber Sitz und Führung des Reiters. 28 Hand an Güte und an Uebereinſtimmung mit dem Sitze fehlt; ſie werden um ſo weniger fügſam ſein, je mehr die Schenkel rückwärts wirken und vortreiben, je mehr die Schwere des Reiters dem Hintertheile zufällt. Das heftige Pferd wird abgehen, ſelbſt bei gutem Temperamente wird die Parade aus geſtreckten Gängen ſchwierig, das faule Pferd dagegen immer fauler werden. ꝛc. ꝛc. §. 3. Fernere Bedingniſſe des Sitzes. Der Reiter muß die Haltung ſeines Oberleibes in vier— erlei Richtungen verändern können, nach vor- und rück— wärts, und mittelſt des Ein- und Hohlbiegens der Seiten nach rechts und links. Als Grundſatz iſt hier aufzuſtellen, daß man ſtets und jederzeit mit dem Sitze, alſo mit Spalt und Geſäßknochen auf der Mitte des Sattels, über der Mitte des Pferdes zu verbleiben habe. Die Schenkelhaltung (abgeſehen von Schenkelhülfen) iſt nur zweifach. Sie beſteht entweder in der vollkommen gleichmäßigen Haltung beider Schenkel oder in der Haltung des äußeren und der Lage des innern. Die Anwendung hievon beſteht in Folgen dem: Die Bewegung des Pferdes verlangt, je nachdem ſie mäßig oder ſtark iſt, eine ihr entſprechende Neigung des Oberleibes nach vorn, damit die Schwere des Reiters gleich— mäßig mit jener fortgehen könne. Verbliebe der Oberleib wie auf der Stelle in vollkommen ſenkrechter Richtung zur 26 Erſter Abſchnitt. Erde, ſo müßte er hinter der Bewegung zurückbleiben. Die Haltung des Oberleibes hinter die Schwere des Pferdes hat in allen Fällen zu erfolgen, in welchen die Schwere des Pferdes weiter rückwärts verlegt werden ſoll, z. B. beim Verſammeln, bei halben und ganzen Paraden, bei den Uebergängen aus höheren Gangarten in niedere ꝛc. Das Hohlbiegen der inneren Seite wird einerſeits durch den Grad der Seitenbiegung des Pferdes in Genick, Hals und Rückenwirbelſäule, andererſeits durch das Verlegen der Schwere des Pferdes nach ſeiner inneren Seite, wie bei Wendungen, oder auf der Volte bedingt, und kann allein hierdurch der Reiter auf richtige Weiſe ſeine Schwere mit der des Pferdes vereinigen oder nach innen verlegen. Auf's Engſte hiermit verbunden iſt die Haltung des äuße- ren und die Lage des inneren Schenkels, das heißt: der äußere Schenkel muß mit zwanglos durchgedrückten Knie— kehlen und herabgerichteter Ferſe ſenkrecht und nahe am Pferde herabfallen, ſo daß der Unterſchenkel weder unter das Pferd zu liegen kommt, noch abwärts von demſelben gehal— ten wird. Das Schienbein dem Pferde näher zu bringen als die Wade iſt ein Haupterforderniß, damit der Schenkel umgewendet, mit dem Knie am Sattel ſtäte Haltung be— komme, und dem Oberleibe Haltung und Staätigkeit geben könne, worin ihm das unausgeſetzt ſanfte Fühlen des Bü— gels behülflich iſt und unterſtützt. Die Lage des inneren Schenkels unterſcheidet ſich von der Haltung des äußeren dadurch, daß er vollkommen weich und gerade herabfallen ſoll. Der Abſatz unter der Hüfte iſt weniger abwärts als der des äußeren Schenkels, ſondern Ueber Sitz und Führung des Reiters. 27 mehr vorgerichtet, was kaum ſichtbar ſein darf und mehr im Gefühl liegen muß. Die Fußſpitze ſei nicht wie die äußere einwärts gerichtet, damit der Schenkel eben ganz weich bleibe. Kennt der Reiter weder die Veränderungen in der Haltung des Oberleibes noch die der Schenkel, ſo weiß er auch nicht die nöthige Veränderung und Biegung des Pfer— des hervorzubringen, oder, führt ihn angebornes Talent und gutes Gefühl auf den rechten Weg, ſo vermag er wenig— ſtens nicht über ſein Verfahren Rechenſchaft abzulegen und kann darum kein Lehrer ſein. Sobald alſo Biegung (Seitenbiegung) des Pferdes ſtatt— findet, kann von einem gleichmäßig aus beiden Hüften her— ausgehaltenen Oberleibe, von gleichmäßig zu beiden Seiten herabfallenden Schenkeln eben ſo wenig die Rede ſein, als vom Hohlbiegen der inneren Seite und einer Veränderung der Schenkel, ſobald man vollkommen und ohne jeden Bug geradeaus reitet. Die folgende Abbildung (Fig. 15) giebt die Anſicht des Reiters von hinten, Fig. 16, Anſicht des Pferdes von oben, muß das Geſagte verdeutlichen: ab iſt die Linie des Huf— ſchlags auf der Volte und die Mitte des Pferdes vom Genick bis zum Anfang der Schwanzwirbel, auf welcher der Reiter ſitzen muß, a' b' die gerade Linie oder die des ungebogenen Pferdes; cd die Abweichung der Biegung von der Linie a b', welche der Reiter durch das Hohlbiegen der inneren Seite ausgleichen muß, ſobald er in eine Schwere und in enge Verbindung mit dem Pferde und deſſen Organismus, welche doch ſtattfinden ſoll und muß, treten will. 28 Erſter Abſchnitt. Wollte der Reiter bei dem gebogenen Pferde, welches z. B. auf der Volte vom Genick bis zum Schweife die Bie— gung der abgehenden Volte angenommen hat, mit vollkom— men gerade in die Höhe gerichtetem Oberleibe und dabei genau auf der Mitte des Sattels ſitzen, wie das beim un— gebogenen, ganz geradeaus gehenden Pferde ſtattfinden muß, (Fig. 17), ſo würde ſeine Schwere unbedingt nach außen fal— len, er würde nicht mehr mit den beiden arbeitenden Theilen Ueber Sitz und Führung des Reiters. 29 des Pferdes, dem Vorder- und Hintertheile, in übereinſtim— mender Verbindung bleiben, die Bruſtmitte des Reiters nicht dem Pferdehalſe in a (Fig. 18 a) gegenüber, ſondern in der Richtung nach b ſtehen, ſeine Rückenmitte nach c gerich- — > Fig. 18 a. Fig. 18 b. tet ſein. Gedächte er dieſen Fehler” nicht durch das Hohl— biegen der inneren Seite, ſondern lediglich durch das Rechtswenden des Oberleibes nach der inneren Seite, oder durch das Zurücknehmen derſelben bei gerade 30 Erſter Abſchnitt. gehaltenen Seiten zu verbeſſern, ſo würde dennoch ſeine Schwere nach außen fallend bleiben, er würde, wie die Linie ad Fig. 18 b zeigt, die Verbindung mit dem Hintertheile noch mehr verlieren. Derjenige Reiter, welcher ſich, im Bedürfniß einer Ver— änderung ſeines Sitzes, nun mit dem Geſäße nach innen auf die Linie e ſetzt, wie das jo häufig geſchieht, jo daß der äußere Geſäßknochen der Mitte des Sattels nahe oder näher rückt, bringt ſich zwar mehr in Verbindung mit Vor— der- und Hintertheil, doch wird ſich ſeine Schwere mit der des Pferdes nicht vereinigen, ſie wird mehr nach innen fal— len, da er auf deſſen rechter Seite ſitzt, und die Haltung des äußeren Schenkels und deſſen Wirkungen werden, wie die Haltung des Oberleibes, aufgehoben. Dieſer Reiter kann ſein Pferd nur auf eine geringe Stufe der Ausbildung bringen; denn kann er nicht in die Schwere, Biegung und Bewegung deſſelben eingehen, ſo kann er ſolche folgerichtig weder hervorbringen noch unterhalten. Hieraus ſchon erklärt es ſich, daß gut gerittene und empfindſame Campagnepferde unter ſo manchem Reiter nicht einen einzigen regelmäßigen Tritt gehen und das Schulpferd als vollkommen ſtätig er— ſcheinen kann, weil es ſolchen Sitz und die aus ihm ent— ſpringende ſchlechte Führung nicht gewöhnt iſt und darum nicht vertragen kann. Engverbunden mit dieſen Fehlern, welche durchweg dem Organismus des Pferdes zuwider ſind, und daſſelbe unbedingt zu fehlerhaften Gängen, falſcher und verkehrter Biegung veranlaſſen, auch jede richtige Führung unmöglich machen, iſt das Hohlbiegen der äußeren Seite, gewöhnlich Ueber Sitz und Führung des Reiters. 31 der linken, das Herausdrücken der inneren, gewöhnlich der rechten, ſo daß der Reiter auf der rechten Seite des Pferdes ſitzt. Dieſer Fehler findet ſo häufig ſtatt, daß er ſpäter näher beleuchtet werden ſoll. Sitz und Haltung des Reiters erfor— a dern aber weitere Betrachtung des Pfer— wo des und zwar des rohen auf der Bolte. \ | Figur 19 ftellt die obere Anſicht deſſel— 1 ben dar, es biegt und verbiegt ſich der Volte entgegengeſetzt, und ſeine Schwere fällt bedeutend in dieſelbe; ab iſt die Linie des Hufſchlags auf der Volte; ed die Linie des nach innen gebogenen Rückens vom Genicke bis zum Kreuze, auf welcher der Sattel ruht; ef die gerade Linie vom Genicke bis zum Kreuze, welche das Pferd verlaſſen hat, gh die Größe der Rückenbiegung nach einwärts oder die Abweichung des Pferdes von der ge— raden Stellung. Der Reiter muß, wie immer ſo auch hier, ſeine Schwere mit der fehlerhaften und bedeutend in die Volte fallenden des Pferdes vereinigen, indem er ſich auf die Linie cd, die Mitte des Pferdes, ſetzt, und ſich in der inneren Seite einbiegt. Bringt er nun Hals und Kopf des Pferdes auf die Voltenlinie ab, ſo wird daſſelbe, wenn auch nicht die Voltenbiegung, doch in Hals und Rücken wenigſtens eine gerade Linie bilden müſſen, und er befindet 32 Erſter Abſchnitt. ih dann auf der Linie ef. Schreitet die Ausarbeitung fort, ſo krümmt oder biegt ſich das Pferd endlich gleich der Vol— tenlinie ab, auf welcher, alſo wiederum auf der Mitte des Pferdes, auch der Reiter zu finden ſein muß. Das Maß des Hohlbiegens der inneren Seite, wodurch er allein ſeine Schwere nach innen verlegen ſoll, wird, wie bereits erwähnt, einerſeits durch den Grad der Neigung des Pferdes in die Volte und andrerſeits durch den Grad der Biegung der Hals— und Rückenwirbel bedingt. Es iſt reine Sache des Gefühls, nicht nur genau den Veränderungen der Schwere und der Biegung des Pferdes zu folgen, ſondern ihnen oft auch vorauszugehen; fehlt dies feine Gefühl, ſo wird der Reiter gewöhnlich auf der inneren Seite des Pferdes ſitzend ver— bleiben. Weil nun das rohe Pferd ſeine Schwere mit verkehrter Biegung der Rückenwirbelſäule und der Halswirbel in Folge der Unbiegſamkeit des Genickes, des Halſes, der Schultern, des Rückens und Hintertheiles in die Volte legen muß, ſo werden hierdurch die Verrichtungen der vier Füße geſtört, ſeine Schwere entbehrt der geregelten Fortbewegung und Stütze, und beſonders iſt es der innere und ungebogene Hinterfuß, welcher faſt allein zu ſtützen und ſich an der Fort— bewegung viel mehr zu betheiligen hat, als er es ſoll. Jeder Tritt und Sprung erfolgt daher ſtets abwärts von der Volte, unterbricht die Wendung, und macht neue Hülfe zu dieſer er— forderlich. Da der verkehrte Rippenbug nun den inneren Schenkel des Reiters ausfüllt, den äußeren hohl macht, ſo ſetzt ſich der Ungeübte gewöhnlich nach innen von der Linie cd Ueber Sitz und Führung des Reiters. 33 (Fig. 19), läßt ſich jedoch in der äußeren Seite hohlbiegen. Hierdurch verlegt er nur ſcheinbar ſeine Schwere nach innen, denn die ſeines Oberleibes fällt doch nach außen; er bringt ſich in gleichen fehlerhaften Schwung mit dem Pferde, und der in— nere Hinterfuß iſt es insbeſondere, welcher ſeine Schwere, wie die des Pferdes, bei jedem Tritte und Sprunge gerade vorwärts, abwärts von der Volte wirft. Der geübte Reiter dagegen weiß der fehlerhaften Bewegung des Pferdes zu widerſtreben, indem er ſich auf die Mitte deſſelben, auf die Linie ed (Fig. 19) ſetzt, ſeine Schwere jedoch ledig— lich mittelſt Ein- und Hohlbiegen der inneren Seite vermehrt nach innen verlegt, und dem Oberleibe durch richtige Hal— tung des äußern Schenkels die nöthige Haltung giebt. Von dem Gefühle des Drehens aus dem Sattel, oder des Werfens nach außen kann bei dem durchgerittenen Pferde und bei richtigem Sitze nicht mehr die Rede ſein, denn es bildet immer und in ununterbrochener Wendung einen Theil der Volte, dieſelbe möge groß oder klein ſein, und beſonders iſt es der innere Hinterfuß, welcher, gebogen dem äußeren nahebei tretend, nur ſo viel Kraft zur Fortbewegung ent— wickelt, als er eben unbedingt bedarf, da jetzt auch der äußere Hinterfuß ſeine ihm zukommenden Verrichtungen übernimmt. Wie richtig der leider nur zu oft unbeobachtete Grund— ſatz iſt, daß die Ausbildung des Reiters nur auf durch— gerittenen, alſo richtig gebogenen Pferden beginnen dürfe, beweiſt das Vorſtehende, denn der Anfänger, welcher mit ſeiner eigenen Haltung zu kämpfen hat, kann ſelbſtverſtänd— lich fehlerhafte Bewegungen des Pferdes weder hemmen noch abändern, er muß ſich ihnen überlaſſen und darum allemal Käſtner, Reirkunſt. 3 34 Erſter Abſchnitt. einen fehlerhaften Sitz annehmen, welcher in keinem Falle berichtigt werden kann. Da aber auch kein Pferd aus freiem Antriebe ſo gebo— gen geht, wie es bei der Dreſſur und nach Vollendung der— ſelben gehen ſoll; da es ſich mehr oder minder ſtets in die Naturbiegung und Stellung, der entgegengeſetzten, zurück begeben will und nur durch denſelben Sitz und dieſelbe Führung, durch welche richtige Stellung, Biegung und Gänge erlangt wurden, ferner in Ordnung erhalten werden kann, ſo iſt das andere Erforderniß für den Unterricht, daß er durch einen Lehrer geleitet ſein müſſe, welcher alle Fehler des Schülers und des Pferdes ſofort erkennt und zu berich— tigen verſteht. N §. 4. Vom fehlerhaften Sitze auf der rechten Seite des Pferdes, ſowol auf der rechten als linken Hand. Mit wenigen Ausnahmen ſitzen faſt alle Reiter, die kei— nen auf richtigen Grundſätzen fußenden Unterricht erhielten und nicht mit allem Fleiße nach demſelben fortarbeiteten, mehr oder weniger auf der rechten Seite, dergeſtalt, daß die rechte Seite zurückſteht, das rechte Knie vor und der Unter— ſchenkel entweder vor- oder zurückgeſchoben und der äußere Schenkel am Leibe, die Ferſe unter dem Leibe des Pferdes ſteht; auch ſieht man das äußere Bein vorgeſchoben, das rechte tiefer als jenes herabgedrückt, und bemerkt, daß ſich die Geſäßknochen nicht über der Mitte des Sattels, ſondern rechts und ſchräg von derſelben befinden; daß die Zügelhand Ueber Sitz und Führung des Reiters. 35 oder beide Hände nach links, abwärts von dem Pferde und nicht gerade rückwärts arbeiten, und zwar oft ſo, als dienten ſie dem Reiter zum Balanciren, um ihn nicht nach rechts fal— len zu laſſen. Dieſer Sitz kennzeichnet ſich ferner beſonders dadurch, daß er ſtets der nämliche, wie auf der rechten ſo auf der linken Hand, und der Reiter auf beiden Händen auf der rechten Seite ſitzt. Man kann dieſen Sitz beinahe täglich beobachten, mag er auch hier auffälliger, dort verſteckter ſein. Das Verhält— niß der gerade und richtig Sitzenden iſt ungemein klein. Man findet ihn bei jungen und alten Reitern, ſie mögen in der Bahn, oder im Freien, auf Zaum oder auf Trenſen, auf Schul⸗, engliſchem, ungariſchem Sattel oder auf Decke reiten. Die Urſache dieſes allgemeinen Rechtsſitzens und warum die Beſeitigung dieſes Fehlers ungemein ſchwer wird, und nur bei beharrlicher Ausdauer gelingt, liegt einerſeits im Reiter, andererſeits im Pferde. Der Menſch iſt von Natur oder durch die Gewohnheit geneigt, mit ſeiner rechten Seite mehr zu thun als mit der linken, in und mit dieſer ſtärker und geſchickter, als mit jener. Bei Allem, was mit der rechten Hand unternommen wird, wozu eine Kraftäußerung nöthig iſt, findet ein Herausdrücken und Biegen der rechten, und ein Hohlbiegen der linken Hüfte ſtatt. Die Gewohn— heit bildet dieſe Bewegung aus. So iſt auch das ſtärkere und geſchicktere Bein das rechte, welches der Reiter be— ſtändig mehr anſpannt als das linke, während letzteres ſich gewöhnlich leidend verhält. Erſteres fällt deshalb, wie durch den falſchen Bug in der linken Seite und durch die wol 3 36 Erſter Abſchnitt. überhaupt ſchwerere rechte Seite des Reiters tiefer herab, und zieht den Reiter nach. Was das Pferd anbelangt, ſo hört man die Meinung ausſprechen, daß daſſelbe, weil es im Mutterleibe auf der rechten Seite liegt, einen natürlichen Bug links habe, da- rum ſich lieber links als rechts biege. Wäre dieſe Meinung unumſtößlich, ſo würde auch im Pferde die Veranlaſſung zum Sitze auf der rechten Seite liegen. Man kann ihr aber weder unbedingt beipflichten, noch unbedingt widerſprechen; ſoviel jedoch ſteht feſt, daß jedes Pferd ſchnell bereit iſt, ſich die Fehler des Reiters zu Nutzen zu machen, ſich von Stellung, Biegung ꝛc. zu befreien. Sitzt nun ein Reiter wie angegeben zu Pferde, ſo wird ſich dieſes bald links ver— biegen und ihn in ſeinen Fehlern beſtärken. Die Führung der Kantharenzügel giebt wol Veranlaſ— ſung zum Verſchieben und Verbiegen, doch ſind ſie eben ſo wenig alleinige Urſache, als es bei dem Kavaleriſten Kara— biner und Satteltaſche ſind. Dieſe können wol zum Drehen des Sattels nach der rechten Seite beitragen; hilft aber der Reiter nicht nur nicht mit, ſondern kennt er den beſproche— nen fehlerhaften Sitz, und hat er ſich den richtigen zu eigen gemacht, ſo wird er auf der Mitte des Sattels verbleiben, und den Sitz daſelbſt auch dann noch mittels des linken Bügels erhalten, wenn er noch mehr einſeitig beſchwert würde, indem er der rechten Seite ein Gegengewicht zu ge— ben weiß. Sehr viele Druckſchäden ſind lediglich durch dieſen Sitz hervorgerufen, welcher den Sattel auf die rechte Seite, die Ueber Sitz und Führung des Reiters. 37 Schwere des Reiters ebendahin und faſt allein auf die rechte Schaufel bringt, wodurch dieſelbe mit der unteren Kante drückt und brennt. Daß die Sättel rechts gelegen, beweiſen die gedrückten Stellen, welche tiefer liegen, als wohin die Schaufel gehört. Die linke Schaufel drückt dann mit und zwar näher den Rückenwirbeln; denn wird der Reiter endlich auf Märſchen durch das Rechtsſitzen, welches oft in ein Rechtshängen ausartet, ermüdet, ſo ſetzt er ſich mehr links, ohne gleichzeitig den Sattel auf die Mitte zu bringen und nun ſitzt er faſt wieder allein auf der linken Schaufel. Daß dieſes Verrücken des Sattels bei der Kavalerie mit marſchmäßigem Gepäck mehr vorkommt, als auf der Reit— bahn, und durch den Mantelſack, welcher quer über dem Pferde liegt, ſichtbarer wird, verſteht ſich von ſelbſt; doch eben hierin liegt der Grund, warum dieſer Fehler von ſo vielen Unterrichtgebenden auf der Bahn überſehen, und wird er bemerkt, nicht recht verbeſſert werden kann. | Da dieſe Reiter durchgängig und ohne Ausnahme das linke Bein fehlerhaft und gewöhnlich vorgeſchoben hal— ten, was den Anweiſenden zunächſt in's Auge fällt, ſo beſ— ſern ſie nur an dieſem, indem ſie das Zurücknehmen deſſel— ben verlangen. Dieſe vermeinte Beſſerung iſt aber grund— falſch. Man ſtelle ſich einmal genau hinter den Reiter und beobachte aufmerkſam, was er thut, um dem Befehle, das Bein zurückzunehmen, nachzukommen, und man wird jedes— mal ſehen, daß ſich derſelbe, bevor er das Bein zurücknimmt, zuvörderſt mit dem Geſäß noch mehr rechts ſetzt, als er ſchon ſaß, wodurch dann der Sitz noch ſchlechter wird als vorher. Das auf dieſe Weiſe zurückgenommene Bein kann nicht lie— 38 Erſter Abſchnitt. gen bleiben, es muß bei den erſten Tritten des Pferdes wie— der vor kommen. Die richtige Beſſerung iſt aber nur dadurch möglich, daß ſich der Anweiſende, ſobald er nicht Auge genug hat, dieſen Fehler des Reiters zu ſehen und zu berichtigen, er möge ſich befinden, wo er wolle, zunächſt genau hinter denſelben ſtellt. Hierauf berichtigt er bei gerade ſtehendem Pferde zuerſt die Sattellage, dann läßt er den Reiter mit dem Geſäße genau auf die Mitte des Sattels rücken, richtet hierauf die Hüften und den Oberleib deſſelben, ſo daß kein falſcher Bug in den Seiten ſtattfinde, und dann zuletzt erſt das linke Bein, wel— ches jetzt ſich von ſelbſt weiter zurücklegt, leichter in richtiger Lage zu erhalten iſt und dieſelbe nur verläßt, ſobald der Rei— ter in ſeinen fehlerhaften Sitz zurückfällt. Der Anweiſende wird durch dieſe Berichtigung die beſten Erfolge ſehen, denn der Reiter kann ihr nutzenbringende Folge leiſten, die nicht allein in der in's Auge fallenden Verbeſſerung ſeines Sitzes, ſondern weſentlich darin liegt, daß er jetzt erſt im Stande iſt ſeinen Sitz zu befeſtigen und zu beſtätigen; daß er jetzt erſt ſeinen Säbel gut führen kann, indem allein das Abſtoßen des rechten Ellenbogengelenkes genügt, ein Verwenden der Schultern zu hindern; daß der Sattel erſt jetzt eine ruhige und ſtäte Lage bekommt, welche leicht richtig zu erhalten iſt; daß das Pferd in die Lage verſetzt wird, richtiger gehen zu können, indem ſich vor Allem nunmehr die Schwere des Rei— ters mit dem Mittelpunkte des Pferdes vereinigen, der rechte Schenkel nicht mehr fehlerhaft und der linke richtig wirken kann; daß endlich die Zügelwirkungen andere und richtigere werden. Ueber Sitz und Führung des Reiters. 39 §. Vom Schwerpunkte des Reiters auf der äußeren Seite des Pferdes. Das Nehmen des Schwerpunktes auf der a Seite, welches der Reiter zumeilen N muß, u Fehlern des Pferdes vorzubeu— gen oder entgegenzuarbeiten, wenn es z. B. auswärts drängt, gern mit dem Hintertheile aus— fällt, unſtät mit demſelben folgt, mit der äußeren der in— neren Schulter vorantritt, im Galop gern abwechſelt ꝛc., be— ſteht darin, daß, wie Fig. 20 zeigt, der innere Geſäßkno— chen über die Mitte des Sat— tels gebracht, der äußere Schen— kel tief herabgehalten, und der Bügel mehr gefühlt wird. Die Haltung des Oberleibes kann und darf an und für ſich nicht geändert werden, nur muß ſich die innere Seite um ſoviel einbiegen, als der in— nere Geſäßknochen nach außen rückt, damit die Schwere über dem Mittelpunkt des Pferdes bleibe und nach innen, nicht nach außen, abwärts vom Pferde falle. Hierdurch tritt der äußere Schenkel und äußere Zügel in ſtärkere Wirkung, 10 Erſter Abſchnitt. und die äußere Schulter ſammt dem Hintertheile können mehr in Zaum gehalten werden. Ebenſo unerläßlich, als Haltung des Oberleibes, iſt die ſtäte Haltung der Hüften, ſo daß ſie unverwendet dem Pferdehalſe gegenüber ſtehen bleiben. Be— merkt möge noch ſein, daß die zeitweilige Annahme des Schwerpunktes im äußeren Bügel nur in dieſem, niemals aber und bei keiner Gelegenheit im inneren ſtattfinden kann und darf. Nur der geſchickte Reiter, welcher ſowol die Bewegung des Pferdes, als auch den Einfluß ſeines Sitzes auf daſſelbe kennt und fühlt, wird richtig die äußere Seite des Pferdes beſchweren und zu dem Normalſitze auf der Mitte des Pfer— des unverzüglich zurückkehren, ſowie eine Abweichung von demſelben nicht mehr erforderlich iſt. Wollte er in demſelben verbleiben, ſo würde er dadurch der weiteren Vervollkomm— nung des Pferdes ebenſo entgegenarbeiten, als wenn er be— ſtändig auf der inneren Seite ſäße, und zunächſt ſein Pferd zum Auflegen auf den äußeren Zügel veranlaſſen. Das Hängen auf der äußeren Seite iſt jedoch durchgängig fehlerhaft, und wird es ſicherlich von keinem Sachverſtändigen mit der richtigen und jeweiligen Annahme des Schwerpunktes auf der äußeren Seite oder im äußeren Bügel verwechſelt werden, welche das Pferd belehrt und beſſert, während jenes ihm und dem Reiter unüberwind— bare Hinderniſſe in den Weg legt. Letzterer rückt nun zwar auch mit dem inneren Geſäßknochen über die Mitte des Sat— tels, er biegt ſich auch wol in der inneren Seite ein und hohl, doch ſchiebt er die innere Hüfte zurück, ſteht entweder in dem äußeren Bügel, oder verliert gänzlich die Haltung Ueber Sitz und Führung des Reiters. 41 des äußeren Schenkels, wodurch alle Haltung des Oberlei— bes ſchwindet. Mit ſolchem Sitze iſt denn ein richtiges Ein— wirken auf das Pferd eben ſo undenkbar, als eine richtige Zügelführung und Wirkung derſelben. Das Pferd kann mit dem beſten Willen keinen richtigen Tritt gehen, alle Ar— beit muß erfolglos bleiben, in ſoweit ſie fördern ſoll; denn richtiger Gang iſt die Grundlage derſelben. §. 6. Vom Circus der Kunſtreiter. Der Circus der Kunſtreiter muß hier in Erwähnung ge— bracht werden, weil es Reiter giebt, welche auf der inwen— digen Seite des Pferdes ſitzend, die Richtigkeit ihres Sitzes durch den Circus beweiſen wollen. Sie kennen nämlich weder die Veränderungen in der Haltung des Oberleibes durch das Einbiegen der einen oder anderen Seite, noch die der Schenkel, und demnach verſtehen ſie es nicht, in den Organismus des Pferdes einzugehen. Sie halten den Ober— leib gerade in den Seiten, und damit ſie in Folge hiervon nicht auf die äußere Seite fallen, ſetzen ſie ſich auf die Linie ee (Fig. 18), und folgern aus mangelhafter Beob— achtung der Kunſtreiter, welche ſie auf der inneren Seite des Pferdes zu ſehen vermeinen, daß ihr Sitz der richtige ſei. Iſt dieſe Folgerung in Bezug auf den Circus aber durch— weg unrichtig, weil ſich vor allen anderen Reitern gerade der Kunſtreiter auf das Genaueſte in einer Schwere mit dem Pferde bewegen muß, ſo iſt fie auch auf Kampagne, 42 Erſter Abſchnitt. Militär- und Schulreiterei angewendet grundfalſch. Der Circus der Kunſtreiter, oder die Volte, auf welcher ſie rei— ten, iſt überhaupt und durchweg von der horizontalen Volte der Bahn, auf welcher das Kampagne- oder Schulpferd ge— bildet wird, verſchieden, ſie iſt in der Mitte tief, und erhöht ſich oder ſteigt bedeutend nach der Barriere, nicht allein um dem Pferde ſicheres Fußen gegen dieſelbe zu geben, ſondern hauptſächlich, um demſelben das Neigen oder Legen in die— ſelbe zu erleichtern, wodurch der auf demſelben ſtehende oder ſitzende Reiter den zum Erhalten ſeines Gleichgewichtes nö— thigen Spielraum erhält; er befindet ſich über der Mitte des Pferdes, ganz gleich ob daſſelbe richtig gebogen oder ver— bogen geht, und erhält ſich da in einer Schwere mit dem— ſelben, nach Umſtänden durch mehr oder weniger Einbiegen der inneren Seite. Indeß durch das bedeutende Legen deſſelben in die Volte und beſonders dann, wenn es ſich verbiegt, ſcheint es als reite er auf der inneren Seite. Dies findet wirklich und in der That nur im lebhaften und ſchnellſten Gange ſtatt, weil er ſich hierdurch bei einem Sturze des Pferdes vor dem Falle an die Barriere oder un— ter daſſelbe ſo viel als thunlich ſchützt. Das Legen des Pferdes in die Volte iſt für den Kunſtreiter Bedingniß. Es iſt in Figur 21 ab die Linie vom Kopfe des Reiters bis auf den Hufſchlag, ac die Länge des Reiters, ad der Raum, welcher durch das Legen des Pferdes in die Volte entſteht. Kommt der ſtehende Reiter aus der Linie ab, es ſei nach außen oder nach innen, ſo hat er das Gleichge— wicht verloren. Je mehr er ſich nun z. B. der Linie cd nä— hert, je weniger kann er daſſelbe wieder gewinnen. Ueber Sitz und Führung des Reiters. 43 Wäre aber die Behauptung mancher Reiter richtig, daß der Kunſtreiter auf der inneren Seite des Pferdes ſitze, was eben nicht der Fall iſt, ſo dürfte ein ſolcher Sitz doch ſchwerlich für Kampagne-, Mi⸗ litär- und Schulreiterei maßge— bend ſein, da man hier nicht bemüht iſt, das Pferd in eine ſchiefe Lage, in eine Neigung in die Volte zu bringen, oder es in derſelben zu erhalten, ſon— dern man arbeitet auf ſenkrechte Haltung deſſelben hin, ſucht das dem jungen, ungebogenen Pferde eigene Legen in die Volte ſoviel wie möglich zu beſeitigen, was mit dem Sitze auf der inneren Seite deſſelben unmöglich iſt. Das vollkom⸗ men gearbeitete Kampagnepferd — (von dem Schulpferde und dem Sitze auf der Mitte oder auf der inneren Seite abgeſehen), iſt wegen ſeiner möglichſt ſenk— rechten Haltung in kurzen Gän— gen für den Kunſtreiter voll⸗ kommen unbrauchbar; denn einmal gehört ſtehend auf ihm zu arbeiten, beſonders aber zu ſpringen, zu den Unmög— lichkeiten, weil es ihm viel zu wenig Spielraum zum Er— Fig 21. 44 Erſter Abſchnitt. halten ſeines Gleichgewichtes giebt, und zweitens würde ein Fall des Pferdes für dieſes ſelbſt wie für den Reiter viel ge— fährlicher ſein, denn er würde vorwärts gegen die Barriere erfolgen; während der Fall des Pferdes, welches ſich bedeu— tend in die Volte legt, in dieſe herein und für gewöhnlich nicht gegen die Barriere erfolgt. Aus beiden angegebenen Gründen wird das Legen des Pferdes in die Volte für den Kunſtreiter zur Bedingniß. §. 7. Von der Hand überhaupt. Von dem Sitze, von der Lage des inneren Schenkels und der Haltung des äußeren Schenkels, ſo wie der des Oberleibes, mit der natürlichen und richtigen Lage der Ober— und Unterarme iſt die Hand abhängig, und zwar in dem Maße als jene gut, mittelmäßig oder ſchlecht, denn Sitz und Haltung des Oberleibes ſind die Stützen der Hand. Eine gute Hand bei falſchem, unſtätem, unentledigtem und todtem Sitze iſt undenkbar. Die Schulter-, Ellenbogen-, Fauſt⸗ und ſelbſt Fingergelenke müſſen ſchlaff und frei von jeder Spannung bleiben. Muß der Reiter Kraft anwenden, ſo darf er dieſelbe nur durch vermehrtes Niederſetzen in den Sattel, vermehrte Haltung des Oberleibes und durch ver— mehrtes Andrücken eines Armes oder beider an den Ober— leib hervorbringen, alſo hauptſächlich dadurch, daß er der Hand die Stütze mehr ſichert und wahrt. Die Hand mit den Fingern darf ſich hierbei nur in ſo weit feſter ſchließen, daß die Zügel nicht aus ihr gezogen werden können. Ueber Sitz und Führung des Reiters. 45 Blos durch lange Uebung kann der Reiter dieſe Fertig— keit erlangen, welche allein aus Sitz und Haltung, als den Stützen der Hand, hervorgeht, ihm alle oder doch die größt— möglichſte Gewalt über das Pferd giebt, während umgekehrt die ſchlechte Hand dem Pferde alle Gewalt über ihn ein— räumt. Nächſt der allgemeinen und erſten Anforderung der Zwangloſigkeit muß die Hand ſtäte, weich, leicht, rechtzeitig ſchnell ſein, und ſich erforderlichen Falles eine gewiſſe Schwere geben können. State iſt fie, wenn fie ruhig, ohne ſich zu ſpannen, auf ein und demſelben Flecke verweilen kann, wenn ſie das Pferd zu ruhiger und gleichmäßiger Anlehnung veranlaßt; weich, wenn ſie ſich dem Pferde ſtets auf angenehme Weiſe fühlen läßt; leicht, wenn ſie das Maul des Pferdes fühlt, ohne daſſelbe zu beſchweren; ſchnell, ſobald ſie ſich augen— blicklich in ihrer Wirkung dem Pferde mitzutheilen weiß; und Schwere giebt ſie ſich, ſobald ſie dem Pferde auf fühlbarere Weiſe widerſteht, als daß man ſie noch leicht nen— nen könnte. §. 8. Hefondere Forderungen der Hand- und Zügelführung. In der genaueſten Verbindung und Uebereinſtimmung mit dem Sitze müſſen die Zügelhände geführt werden, da— mit die Zügel auf das ganze Pferd zu wirken im Stande find. Die Unterarme, am Leibe ſanft anliegend, bilden in der Regel mit den natürlich herabfallenden Oberarmen einen 46 Erſter Abſchnitt. etwas größeren als rechten Winkel. Bei Pferden jedoch, die ſehr aufgerichtet werden müſſen, kann ſich derſelbe bis zum rechten Winkel und darunter verkleinern. Bei dem Trenſenreiten haben die Unterarme ihren f Ruhepunkt am Oberleibe in der Nähe des Ellenbogens zu ſuchen, nicht aber mit dieſen. Bei ihren Bewegungen haben ſie ſich in den Ellenbogengelenken zu biegen. Die Fäuſte ſtehen nebeneinander mit vollkommen und natürlich geradegeſtellten Gelenken genau über dem Wi— derrüſte. Die Knöchel ſtehen ganz ſenkrecht, und die Nägel ſind nach der Herzgrube gerichtet. Fig. 22 zeigt wie der Reiter ſeine Hände ſehen ſoll. Nach Umſtänden, wie es Sig. 2 7 das Pferd erfordert, kann der äußere Zügel höher oder niedriger als der innere geſtellt werden, z. B. beim Aufrich— ten oder Herabrichten des Halſes, beim Steigen oder Bocken. Ein Vorſchieben oder Zurückſtellen der einen Hand vor oder hinter die andere darf jedoch niemals ſtattfinden, damit die Zügel gleich lang bleiben, gleichmäßig wirken, und der Reiter nicht verſucht werde, Hüften und Schultern zu ver— wenden. Ueber Sitz und Führung des Reiters. 47 Die Zügel laufen am Halſe des Pferdes hinauf nach der Bruſtmitte des Reiters, und keiner derſelben darf weder ſeit— wärts, abwärts von dem Halſe, noch über das Widerrüſt nach der anderen Seite gebracht werden; ſie liegen zwiſchen den kleinen und vierten Fingern. Bei dem Zaumreiten ändert ſich die Lage des Un— terarmes dahin ab, daß er weiter vorwärts in der Nähe des Fauſtgelenkes ſanft an den Leib angelegt und etwas mehr geſenkt wird, ſo daß die linke Fauſt ziemlich bis auf den Sattel oder das Widerrüſt, über deren Mitte ſie ſtehen und verbleiben muß, gebracht wird. Das Fauſtgelenk iſt wie bei Füh— rung der Trenſenzügel bei ganz natürlicher Haltung vollkom— men gerade. Die Knöchel ſind vollſtändig ſenkrecht, der Daumen unter einem rech— ten Winkel über dem Widerrüſte. Nach Umſtänden, denen ſpäter Erwähnung gethan werden ſoll, verbleibt er horizon— tal, wird erhoben oder auch geſenkt. (Fig. 23.) Fig. 23. Die rechte Hand, welche den Hülfstrenſenzügel zu füh— ren hat, ſtellt ſich in gleiche Höhe, und weder vor- noch rück— wärts, ſondern genau neben die linke; ſie führt in dieſer Lage die Ruthe (auch ohne Trenſenzügel) aufwärts mit der Spitze über dem linken Pferdeohre weg. Die Kantharenzügel laufen endlich wie die Trenſenzügel am Halſe des Pferdes hinauf, vereinigen ſich im kleinen Finger der linken Hand, und zwar ſo, daß ſie nebeneinander 48 Erſter Abſchnitt. und einander gerade gegenüber ſtehen, in der Richtung nach der Herzgrube des Reiters. §. 9. Nachtheile der unrichtigen Arm., Hand- und Zügelführung. Sobald man die Oberarme mit den Ellenbogen, wie dies häufig geſchieht und gelehrt wird, an die Dünnung Fig. 24. des Leibes andrückt, iſt Zwang, welcher ſich den Unterarmen und der Hand mittheilt, unvermeidlich, und zwar deshalb, Ueber Sitz und Führung des Reiters. 49 weil ſie aus ihrem natürlichen Falle nach vorn gebracht wer— den müſſen, damit das Ellenbogengelenke an den Leib kom— men kann; anderweit wird dieſe Haltung dadurch, daß faſt jeder Reiter in der Dünnung ſchmäler iſt als in den Schul— tern, bedeutend erſchwert, und nur durch das Anpreſſen der Oberarme und Ellenbogen ſtattfinden können. So mancher Fig. 25. Lehrer verſchwendet viel Zeit, um dem Schüler dieſen ihm ſo widernatürlichen Fehler beizubringen. (Fig. 24 u. 25.) Werden jedoch die Unterarme ungefähr 2—3“ vor den Ellenbogengelenken mit dem Leibe verbunden, wodurch der Oberarm ſo verbleibt, wie er von ſelbſt herabfällt und der ganze Arm eine gefällige zwangloſe und ruhige Lage erhält, Käſtner, Reitkunſt. 4 50 Erſter Abſchnitt. fo kommen die Ellenbogen 1 — 2“ ab zu ſtehen, eine Ent— fernung, welche in der Regel die Kleidung ganz verſteckt und unſichtbar macht. Vor Allem aber fallen die Fäuſte von Fig. 26. Fig. 27. ſelbſt zuſammen, und der Reiter vermag nun die Kraft der Zügel allein durch die Schwere ſeines Körpers und das Durchbiegen des Kreuzes zu verſtärken (Fig. 26 u. 27). Fig. 28. Wäre übrigens ein Reiter ſo geſchickt, ungeachtet allen Andrückens der Ellenbogen, die Unterarme völlig zwang— Ueber Sitz und Führung des Reiters. 51 los erhalten zu können, ſo nehmen dieſe doch faſt parallele Linien an, deren Entfernung von einander durch die Kör— perſtärke des Reiters bedingt wird, weshalb ſich die Fäuſte von einander entfernen (Fig. 28). Es iſt und bleibt aber ein weſentliches Erforderniß, daß dieſelben einander nahe ſind, ja ſelbſt mit den kleinen Fingern zuſammenſtoßen; denn nur ſo wird der Reiter das Gefühl der Zuſammenwirkung beider Zügel, nicht nur auf Kopf und Hals, ſondern auch auf das Hintertheil des Pferdes in der Hand haben. Ab— und vorgeſpreizte Ellenbogen und Unterarme machen, wie die an Hüften oder Leib gepreßten, eine gute und richtige Zügelführung unmöglich. In gleichem Maße wie ſich die Hände ſeit— bärts von einander und vom Widerrüſt in Fi— gur 28 entfernen, verlieren die Zügel an Stätigkeit und Wirkung, denn die Verlängerung derſelben wird nicht mehr nach des Reiters Mitte, ſondern abwärts, ſogar neben dem Reiter vorbeiführen. Das Pferd erhält nun vollkommen Spielraum, um mit Vor- und Nachhand ausweichen zu können, welche letztere der Reiter durch ſeinen Sitz allein eben ſo wenig, als die Vorhand allein, durch Führung richtig erhalten und gehend machen kann. An Statigfeit verlieren die Zügel, weil die Unterarme, da die Bewegun— gen der Handgelenke unzureichend werden, weitläufige Be— wegungen machen müſſen, an welchen nothwendig ſelbſt die Oberarme theilnehmen. Die Wirkung der Zügel wird nun unſtät, prallig, ruckig, und richtige Stellung in denſel— ben, aus welcher alles Gute entſpringt, iſt ſonach un— möglich. 4 * 52 Erſter Abſchnitt. Werden beim Trenſenreiten die Hände ſo geſtellt, daß die Daumen näher zuſammenſtehen als die klei— nen Finger (Fig 29), jo werden die Zügel ebenfalls vom Pferdehalſe abwärts geführt, während ſie an demſelben gegen die Mitte des Reiters hinauf laufen ſollen. Ihre Fig. 29. Wirkung wird, wie bei den entfernt von einander ſtehenden Händen geſchwächt und es erwachſen gleiche Nachtheile. Werden die Hände ſo geſtellt, daß die Knöchel oben, die kleinen Finger nach den Pferdeohren zu ſtehen (Fig. 30), wobei gewöhnlich ein Abſpreizen der N Ellenbogen ſtattfindet, jo entſteht fo viel Falſches, daß des— ſelben füglich nicht Erwähnung gethan zu werden braucht. Werden die Fauſtgelenke ſo geſtellt, daß ſie einwärts gegeneinander gebogen find (Fig. 31), fo müſſen die Hände gezwängt werden; es geht ihnen an Gefühl ver— Ueber Sitz und Führung des Reiters. 53 loren; die Zügel können nur durch Biegen der Gelenke an— genommen, nicht aber nachgegeben werden ohne Vorgeben des Unterarmes, und können deshalb, da dieſer frei wird, da er mit ſteifem oder gefühlloſem Fauſtgelenke wieder in ſeine Lage zurückgehen muß, weder ſtäte wirken, noch gleich— mäßig anſtehen, weil das Pferd an eine unruhige und ſchlechte Hand nicht treten kann, ſelbſt wenn es auch wollte. Die Hülfen werden entweder prallig oder unzureichend, an Fig 31. eine gefühlvolle Hand oder Eintheilung und genaue Abwä— gung derſelben iſt nicht zu denken. Ferner kann das Pferd, wie bei den weit von einander geſtellten Händen, in dem Zügel ſchwanken. Je höher die Hände geführt werden, deſto mehr verlieren die Zügel an Kraft. Werden ſie ſo weit in die Höhe gebracht, daß die Richtung gegen die Bruſt des Reiters nicht mehr ſtattfindet, ſo werden die Wirkungen der— ſelben, welche doch mit dem Sitze des Reiters eng verbunden 54 Erſter Abſchnitt. ſein ſollen, ganz fehlerhaft; er nöthigt hierdurch das Pferd, auf den Schultern, Feſſeln und mit hohen Lenden zu gehen. Wird die äußere Hand unnöthiger- und fehlerhafter weiſe höher geſtellt als die innere, ſo wird das Pferd ge— nöthigt, ſich vom inneren Zügel zu befreien, woraus ein Verbiegen des Halſes und Verſtellen der Schultern deſſelben entſteht, ſo daß die äußere vor die innere zu ſtehen kommt. Es tritt dann mit erſterer abwärts, auch auswärts (Zir— kel, Ecken, Wendungen), und der letzteren vor, da dieſe zurückbleibt und ſich eindrückt. Das Hintertheil folgt auf ähnliche Weiſe, und es entſtehen falſche Gänge, um ſo eher, wenn ſich der Reiter durch das tiefere Stellen der inneren Hand verleiten läßt, ſeine äußere Seite einzubiegen und ſeine Schwere auf die innere Seite des Pferdes zu legen; ſicherlich iſt dann weder Anlehnung noch Gleichgewicht zu erlangen. Steht dagegen die äußere Hand fehlerhafterweiſe unter der inneren, oder wird ſie bis auf das Widerrüſt geſenkt, ſo bindet der Reiter die äußere Seite des Pferdes. Der geſchickte Reiter, welcher richtig zu arbeiten verſteht, wird nach Um— ſtänden eine Hand, die in nere oder äußere, höher ftellen als die andere; ſoll dies jedoch dem Anfänger als Regel gelten, ſo daß er z. B. den äußeren Zügel beſtändig höher führt, als den inneren, oder umgekehrt, ſo iſt und bleibt das eine ſehr gefährliche Anweiſung für Lehrer und Schüler, denn aus ihr entſpringen ſo mannigfache Uebelſtände, daß beide ſie häufig nicht entwirren können. Werden die Zügelhände tiefer als an die obere Kante des Widerrüſtes geſtellt, jo entfernen fie ſich wie— Ueber Sitz und Führung des Reiters. 55 derum von einander, und die Wirkung der Zügel mindert ſich, wie bei dem Hochſtellen, in demſelben Grade als es erfolgt. Das Pferd wird wiederum auf dem Vordertheile erhalten, in— dem die Zügelwirkungen rückwärts auf das Pferd gemindert oder aufgehoben, nicht mehr im Einklange mit dem Sitze ſte— hen, und ſich im Halſe des Pferdes verlaufen, welcher leicht eine zu tiefe Stellung im Widerrüſte erhält; nächſtdem wird das Hintertheil in Freiheit geſetzt. Hat das Pferd ein gutes Genick, oder gar ein langes Genickband, ſo wird es bald hinter die Zügel treten. Ganz fehlerhaft iſt das Herabdrücken der Zügel, was man ſo häufig als Mittel anwendet, um Hälſe herab— zuſtimmen oder zu biegen, und welches gerade das Mittel iſt, das Pferd in ſeinem Willen zu beſtärken, denn die Zügel können auf dieſe Weiſe nicht ſtäte, nicht ohne das Pferd im Maule zu inkommodiren, nicht in Uebereinſtimmung mit dem Sitze, in der Regel auch nicht ohne Zwang der Arme geführt werden; ſie werden vornehmlich auf das Vordertheil wirken, dieſes niederdrücken und verhalten, ohne die Hals— ſtellung berichtigen zu können. Andere falſche Wirkungen entſtehen durch das Füh— ren des einen oder des anderen Zügels über das Widerrüſt hinweg, was zunächſt das Seitwärts-Ab— wärtsführen des anderen Zügels zur Folge hat. Bei dieſer Art Führung arbeiten die Zügel nicht mehr gerade aufwärts: rückwärts nach der Mitte des Reiters und nicht über der Mitte des Widerrüſtes, ſondern in einer Richtung, welche links oder rechts bei demſelben vorbeigeht, alſo das Einver— ſtändniß und die Verbindung zwiſchen Reiter und Pferd 56 Erſter Abſchnitt. ſtört oder aufhebt. Die Veranlaſſung zu dieſer fehlerhaften Führung giebt fehlerhafter Sitz Wird der innere Zügel über das Widerrüſt in der Richtung nach der äußeren Hüfte des Reiters geführt, ge— ſchoben oder gedrückt, ſo muß ſofort die Richtung des Pferdehalſes verloren gehen, und es iſt ſomit jede ferner— weite richtige Einwirkung auf das Pferd aufgehoben. Es folgen unbedingt fehlerhafte Gänge, denn es geht auch die Wirkung des äußeren Zügels verloren, das Pferd tritt mit dem Halſe an denſelben, wodurch der Reiter nicht mehr all⸗ ein das Gefühl des Maules in der Hand behält, ſondern auch das des Halſes bekommt. Weiß das Pferd dieſen Feh— ler des Reiters zu Unarten zu benutzen, was dann erfolgt, ſobald man es mit dem inneren Zügel zu ſtark und auf ſchmerzhafte Weiſe biegt, wol auch ruckt und zerrt, ſo wird es ſich nicht blos in den äußeren auflehnen, ſondern den ganzen Hals in denſelben hineinlegen, ſich gleichzeitig feſt im Genick machen, und vollkommen Herr des Reiters werden. Iſt es der äußere Zügel, welcher das Widerrüſt feh— lerhaft paſſirt, (zuweilen muß es auch richtiger Weiſe geſche— hen, damit hierdurch derſelbe gewonnen und das Pferd ge— zwungen werden könne, ihn nehmen zu müſſen) ſo wird zwar wegen der falſchen Richtung, und wie ſchon erwähnt, durch das ſtärkere Anliegen an dem Pferdehalſe, ſeine Wir— kung gemindert, doch iſt dieſer Fehler viel geringer, als wenn er von dem inneren Zügel begangen wird; denn die Gänge laſſen ſich doch in ſo weit richtig erhalten, daß ſie auf der rechten Hand rechts und auf der linken links bleiben. Ueber Sitz und Führung des Reiters. 34 Stehen die Knöchel der linken Hand beim Zaumreiten nicht vollkommen ſenkrecht, ſondern nehmen ſie durch geſenkten Daumen eine Richtung nach links oder durch erhobenen Daumen nach rechts an (Fig. 32 und 33), ſo ſtehen die Zügel nicht mehr nebeneinander, ſondern Fig. 32. einer höher als der andere; der Reiter kann dann weder dem Pferde ſeinen Willen erkenntlich machen, noch kann dieſes Folge leiſten. Fig. 33. Stehen die Knöchel der linken Hand in ſchrä— ger Richtung nach vorn, ſo daß der des kleinen Fin— gers die Richtung nach dem Pferdeohre hat, wie Fig. 30, S. 52 zeigt, ſo geht der Hand, je mehr ſich die Knöchel der horizontalen Lage nähern, Gefühl verloren, ſie wird unbe— hülflich und der alleinige Gebrauch des einen oder des anderen Kantharenzügels iſt nicht mehr möglich, es kann derſelbe nur durch Rechts- oder Linksdrücken der Hand bewerkſtelligt wer— den. Man bringt bei richtiger ſenkrechter Stellung der Knö— chel zuweilen den kleinen Finger etwas vor, doch nur momen— 58 Erſter Abſchnitt. tan oder nur für mehrere Tempi, um das Pferd zu beloh— nen, ihm Erleichterung zu verſchaffen, oder es zum ſchnel— len Vorgehen zu veranlaſſen, da hierdurch die Kinnkette in Freiheit gelangt. Stehen die Knöchel der linken Hand verblei— bend in der ſchiefen Richtung, indem der des kleinen Fingers rückwärts nach dem Leibe des Reiters weiſt (Fig. 34), Fig. 34. 5 ſo befindet ſich die Hand fortwährend in der Stellung der verſtärkten Annahme, welche vermehrte Wirkung des Mund— ſtückes und der Kinnkette bedingt. Das Annehmen durch Zurückgehen der Hand mit ſenkrecht ſtehenden Knöcheln, wie das richtig und zunächſt erfolgen muß, ferner das verſtärkte Annehmen durch Zurückgehen des kleinen Fingers oder Um— wenden der Hand, geht ihr ganz verloren. Ein gutes Maul und richtiges zwangloſes Anſtehen der Zügel iſt nicht zu er— langen. Iſt bei dieſer Stellung die Hand geſpannt, wird ſie auch ſtets prallig ſein. $. 10. Von der Theilung der Kantharenzügel. Die Zaum⸗- oder Kantharenzügel werden auf zweierlei Art geführt, indem man ſie entweder mit dem kleinen, oder Ueber Sitz und Führung des Reiters. 59 mit dem vierten Finger theilt. Die Theilung mit dem klei— nen Finger und der ganzen Hand verleiht allein den Zügeln die rechte Wirkung und verſetzt das Pferd in die Lage, dem Willen des Reiters folgen zu können, weil ſie bei ſenkrechter Knöchelſtellung nur durch ſolche Führung nebeneinander und möglichſt einander gerade gegenüber zu ſtellen ſind (Fig. 35), da man beide gleichzeitig und namentlich gleichmäßig, oder auch den einen allein wirken laſſen kann, und zwar über der Mitte des Widerrüſtes, und, was ſo weſentlich iſt, ohne Seitwärtsbewegung. Weiter iſt es von Wichtigkeit, daß die Zügel ſchon dann ſchnell und kräftig wirken, ſobald bei ſtehend bleibender Hand der kleine Finger zurückgeführt wird und daß man dieſelben auseinander zu leiten vermag, alſo daß zwiſchen ihnen ein größerer Raum entſteht, als ſolchen der kleine Finger einnimmt (Fig. 36), wodurch das Pferd freien Gang erlangt; daß man dagegen auch die Zügel in ſtärkere Wirkung nahe aneinander ſtellen und in die ſtärkſte Wirkung durch die Umwendung der Hand bringen kann, wo ſie ſich dann in derſelben kreuzen. Endlich erlaubt dieſe Theilung das größtmöglichſte Gefühl in die Hand zu ver— legen. 60 Erſter Abſchnitt. Die Theilung mit dem vierten Finger hingegen hat die größten Nachtheile und fehlerhafteſten Zügelwirkungen zur Folge, ohne ſelbſt den kleinſten Vortheil. Die Zügel ſtehen nicht nebeneinander ſondern übereinander, wodurch nicht nur die gleichmäßige Wirkung beider, ſondern auch der Gebrauch des einen ohne Theilnahme des andern und über der Mitte des Pferdes aufgehoben wird; denn will man bei dieſer Thei— lung nur einen Zügel ſtärker wirken laſſen, ſo kann das nicht anders geſchehen, als daß die Hand ſeitwärts gehe. Sollten aber ſo getheilte Zügel nebeneinander geſtellt werden, wie es ſich eben gehört, ſo müßte ein bedeutendes Senken des Daumens und Biegen des Handgelenkes ſtattfinden, wo— durch letzteres unbedingt geſpannt würde, und keine Bewe— gung der Hand ohne Theilnahme des Unterarmes geſchehen könnte. (Fig. 37.) Durch das Uebereinander- und über das Kreuzſtehen der Zügel (Fig. 38), welcher Fehler ſich durch das Erheben des Daumens vergrößert, befindet ſich ferner das Mundſtück un— unterbrochen in ſeiner ſtärkſten Wirkung, in welche es nur auf Augenblicke gebracht werden darf, weil man ſonſt das Ueber Sitz und Führung des Reiters. 61 Maul ertodtet und das Pferd nöthigt, durch falſche Stel— lung und Biegung ſich von der Gewalt deſſelben zu be— freien. Des Schiebers an den Kantharenzügeln muß hier auch Erwähnung geſchehen. Schlechthin dient er lediglich zum Ver— kürzen der Zügel nach dem Abſitzen des Reiters, damit dieſe nicht herabhängen; und von dem Soldaten iſt er vor dem Gefechte und vor dem Gebrauche der Feuerwaffen in die Fig. 38. Hand zu ſchieben, damit er ſich vor dem Verlieren eines oder beider Zügel ſichere. Wird der Schieber außer dieſen Fällen und bei gewöhnlichen Reitübungen in der Hand geführt, ſo iſt ſchnelles Verkürzen eines Zügels unmöglich; die Zügel wirken bei mittelmäßiger und ſchlechter Hand jederzeit ſtockig 62 Erſter Abſchnitt. und prallig und der rohe Reiter kann eine Gewalt gebrau— chen, wie ſie ohne Schieber unmöglich iſt. Dieſer Nachtheil ſteigert ſich, wenn die Kantharen, ſtatt mit viereckigen Stuhl— löchern, mit runden verſehen ſind, durch welche das Mund— ſtück außer Wirkung tritt, die Kinnkette ſteigt und bremſen— artig wirkt. Unausbleibliche Folgen ſind unnöthiges An— greifen der Pferde, ungewöhnlich häufige Verletzungen des Maules und der Kinnkettengrube und das Verlaſſen des Standes in beiden Zügeln. Es muß durchaus darauf hin— gewieſen werden, daß durch die Theilung der Zügel durch den vierten Finger, durch unnöthige Führung des Schie— bers in der Hand, und durch die mit runden Stuhllöchern verſehenen Kantharen, alſo durch Anhäufung ſo vieles Feh— lerhaften, die Reitkunſt nicht gehoben werden kann, ſondern immer mehr ſinken muß. Smeiter Abschnitt. Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen, Ruthe, Zügel, fo wie ſämmtlicher Hülfen. = 5 fene ne RE pe mr fi & 5 2 f r 1 er * e Mile W s an * u L Me J 3 . 3 IT NE Fa er 1 ek 1 ne . — 5 2 * — — * 1 u > 2 . * * % 1 \ - “ f 9 Fee f een; ur Auf 1 3 We 03 A Wir * n eee rs 70 1 N. „ x ä 8 U x 8 8 * AT E 2 3 vs Pie ee» ’ * Cann Fl R r Yen, i ®, n l F BAR An Ni N 0 4 2 ’ ‘ 1 I 2 N . nr = hee men §. II. Der Bügel. Der Zweck der Bügel iſt, dem Reiter möglichſte Ruhe, Stätigkeit und vermehrte Haltung zu Pferde zu geben, ihm aber auch im Verlegen ſeiner Schwere und im Erleichtern derſelben zu unterſtützen. Darum müſſen dieſelben, ſollen ſie ihren Zweck erfüllen auch in ihrem ſenkrechten Falle durch die ſenkrecht herabfallenden Unterſchenkel ſtäte mit beiden Ballen erhalten werden. Bei jeder anderen als der ſenkrechten Haltung der Un— terſchenkel, kommen die Bügel aus ihrem ſenkrechten Falle, ſie können von den Ballen nicht mehr blos gefühlt, ſondern ſie müſſen gehalten werden, ſie gehen ſo leicht verloren und ſind in der Regel nicht ohne bedeutende Bewegungen der Unterſchenkel wieder zu erlangen, während ſie an dieſelben faſt von ſelbſt wieder fallen ſollen. Endlich können Hülfen in den Bügel nicht genügend ſtattfinden, wie ſie unbedingt bei künſtlichen Gängen ge— braucht werden. Ganz fehlerhaft iſt das Klappen der Bügel an den Bal— len. Es iſt ein Beweis Sele Beine, und es werden Kaſtner, Reitkunſt. 5 66 Zweiter Abſchnitt. hierdurch die Lenden und Nieren des Pferdes durch die bei jedem Tritte auffallende Schwere des Reiters, welcher ſelbſt ermüden muß, geſtoßen. Die Länge der Bügel richtet ſich lediglich nach der Länge des Beines. Fällt dies zwanglos im Sattel herab, ſo muß der Bügel an den Ballen des mit der Fußſpitze mä— ßig erhobenen Fußes paſſen. Bei zu langen Bügeln, durch welche ein Senken der Fußſpitzen zum Halten derſelben nöthig wird, in Folge deſſen die Abſätze höher als dieſe zu ſtehen kommen und leicht ein Hohlwerden der Knie eintritt, verliert der Reiter an Ruhe und Feſtigkeit des Sitzes wie Güte der Hand. Ferner werden Hülfen in den Bügeln un— möglich, und ein Verlieren derſelben muß oft eintreten. Kurze oder zu kurze Bügel dagegen bringen die Wa— den nahe an das Pferd, geben den Knieen zu viel Biegung und ſchieben ſie vor; ſie zwängen mehr oder weniger das Bein, und nehmen demſelben dadurch Gefühl. Es kann daher ein richtiger Sitz, eine richtige Eintheilung der Hülfen nicht ſtatthaben, ein erhöhtes Gefühl in dieſelben nicht ge— legt werden. Außerdem verliert der Sitz an Feſtigkeit, und gehen einer oder beide Bügel verloren, ſo ſind ſie gleich den langen ſchwer wieder zu gewinnen. Was das Erhalten der Bügel, das Nichtverlieren derſelben anbelangt, ſo hängt dies allein von der Geſchicklichkeit des Reiters, und insbeſondere von der Zwangloſigkeit der ſenkrecht herabfallenden Unter— ſchenkel ab. Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ꝛe. 67 §. 12. Beſchaffenheit des Sporns. Große Reiter, denen der Gebrauch des Sporns, ſoll er ein richtiger ſein, wegen der langen Beine und der bedeu— tenden Entfernung derſelben vom Leibe des Pferdes ſehr er— ſchwert wird, müſſen dieſelben mit etwas langen Hälſen tra— gen, während dieſe bei kleinen Reitern, welche mit den Spo— ren ſchon bei den gewöhnlichen Schenkelhülfen leicht an das Pferd kommen, kurz ſein können. Ganz verwerflich ſind die ſcharfen Spornräder, welche das Pferd kitzeln, ſtechen und verwunden, wodurch der Zweck der Sporen gänzlich verloren geht, denn mit ihnen kann weder eine richtige Hülfe noch eine richtige Strafe gegeben werden. Wird der ſcharfe, ſpitze Sporen als Hülfe zum Vorgehen gebraucht, ſo wird ſich das Pferd im Gegentheil verhalten und den Leib aufziehen; wird er beim Biegen oder zum Seitwärts-Nachgeben helfend an— gewendet, ſo wird es ſich wiederum verhalten, oft gleichzeitig gegen den Sporn und Schenkel gehen. Das Schlagen nach dem Sporn mit einem Fuße, das Ausſchlagen beider Füße, das Roſſen der Stuten und Waſſerlaſſen der Wallachen, das Schweifwedeln, in die Zügel Drängen und Abgehen, Treten hinter die Zügel und Stätigwerden ſind ganz gewöhnliche und häufige Folgen. Die Spornräder dür— fen alſo weder ſcharf noch ſpitz, ſondern müſſen ſtumpf wie ein Gerſtenkorn geformt ſein, und in den Sporenhülſen laufen können, dürfen mithin nicht feſt ſtehen. Es wäre Irrthum zu glauben, daß man mit dieſen nicht hinreichend, nicht kräftig und empfindlich zu ſtrafen vermöge. Nur bei * 3 68 Zweiter Abſchnitt. dem ganz faulen Pferde können ſie unzureichend werden; dann leiſten aber auch die ſcharfen Sporen nicht den nöthi— gen Dienſt, ſondern die Strafe mit der Ruthe muß es thun; ſie muß ſchon dann angewendet werden, wenn das Pferd auf die geſchmeidige, zwangloſe Schenkelhülfe nicht achtet. Gewöhnt man ſo und für den Reiter auf die bequemſte Weiſe das Pferd zur Thätigkeit, ſo kann man beſtimmt darauf rechnen, daß es auch den ganz ſtumpfen Sporn beachten werde. §. 13. Führung der Ruthe. Die Ruthe wird auf zweierlei Art in der rechten Hand geführt, entweder aufwärts mit der Spitze nach dem linken Pferdeohr zu oder zur Seite abwärts; doch iſt nur erſtere Art allein auf der Bahn anwendbar, indem hier der Reiter die Geſchicklichkeit haben oder erlernen ſoll, durch Hand und Sitz hervorzurufen, was diejenigen Reiter, welche die Ruthe abwärts führen, durch Hülfen mit derſelben bewerkſtelligen wollen. Dies iſt aber nicht der alleinige Grund, welcher die Haltung derſelben nach aufwärts beſtimmt, ſondern es giebt deren noch mehrere, von welchen der nachfolgende ſchon wich— tig genug iſt, um die Führung abwärts zu unterlaſſen. Bei dem Trenſenreiten oder bei Führung des Hülfstren— ſenzügels erhält die rechte Hand durch das Abwärtsführen der Ruthe eine durchweg falſche Stellung und demnach der Zügel auch falſche Wirkung, denn es muß der Daumen ge— ſenkt, der kleine Finger abwärts vom Pferde gewendet, die Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ıc. 69 Hand ſeitwärts abwärts geführt werden, damit die Ruthe abwärts über den Schenkel weg und rückwärts fallen kann. (Fig. 39.) Das ſo weſentliche Nahebringen der Hände, das Zuſammenrichten der Zügel, wodurch die Wirkungen bei— der Trenſenzügel beinahe ſchon in den Händen, gewiß aber in ihrer Verlängerung nach einem Punkte, nach der Mitte des Reiters, zuſammenlaufen, wird unmöglich, die Zügel: wirkungen gehen im Gegentheil auseinander. Fig. 39. Auffälliger aber treten alle Fehler bei den mit der Ruthe gegebenen Hülfen hervor, welche nicht ohne Bewegung und Verwenden der Hand, nicht ohne dieſelbe noch mehr ſeit— wärts führen zu müſſen, alſo auch nicht ohne Mitwiſſenſchaft des Zügels erfolgen können, welcher, abgeſehen von ſeiner falſchen Wirkung, unſtät wird. Selbſt der außerordentlich— ſten Geſchicklichkeit iſt es unmöglich, das Pferd bei Hülfen und Strafen mit der Ruthe abwärts ohne Unterbrechung gleichmäßig gut und richtig mit dieſer Hand zu führen. 70 Zweiter Abſchnitt. Ein anderer Nachtheil iſt, daß der Reiter zum Verwen— den des Oberleibes, zum Zurückſchieben der rechten Seite Veranlaſſung findet, ein Fehler, zu deſſen Beſeitigung man von Haus aus viele Schwierigkeiten zu bekämpfen hat. Ferner wird der Reiter in der Bahn auf der linken Hand in der Anwendung der Hülfen durch die Barriere ge— ſtört, und es entſteht durch die Ruthe ein unangenehmes, Hand, Ohr und Pferd ſtörendes Schleifen an derſelben; doch wird ſie auf dieſer Hand wenigſtens auf der richtigen Seite, der äußeren, gebraucht. N Die Hülfen der Ruthe aber an und für ſich ſelbſt, welche doch zunächſt nur bei dem unrittigen Pferde ſtattfinden kön— nen und ein Erſatz für Zügel- und Schenkelhülfen ſein ſol— len, welche das Pferd noch nicht kennt, werden dieſem eben— falls und gleichfalls fremd ſein und ſonach im Erfolge größ— tentheils ſehr unbefriedigend ausfallen; denn das Pferd wird leicht durch das Schmitzen der Spitzen in die Weichen oder durch das Berühren des Hintertheiles zum Hochmachen des Rückens, zum Ausſchlagen, zum Verhalten oder zu ſchreckhaftem Vortreten verleitet. Darum iſt es Zeitverluſt, ſich dem Pferde durch Ruthenhülfen verſtändlich zu machen, weil es die Zügel- und Schenkelhülfen doch kennen lernen muß; die Zeit wird alſo beſſer darauf verwendet, ſich durch die letzteren mit ihm zu verſtändigen. Ueberdies wird auch die Aufmerkſamkeit deſſelben, welche es lediglich auf den Rei— ter gerichtet haben ſoll, getheilt, es wird dieſelbe vornehm— lich oder auch lediglich auf die Ruthe wenden, ſobald es Furcht vor derſelben hat. Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen x. 71 Aus vorſtehenden Gründen iſt die Führung der Ruthe abwärts auch außerhalb der Bahn mit ſeltener Ausnahme ſehr verwerflich, ſobald von geregeltem Reiten die Rede ſein ſoll. Werden Hülfen mit derſelben, z. B. bei Re— monten, nöthig, um den Reiter zu unterſtützen, und ſind die mit der aufwärts geführten Ruthe ungenügend, ſo iſt es entſchieden zweckentſprechender, wenn der Anweiſende oder Unterrichtende nebenher geht und behutſam hilft, oder auch das Pferd führen läßt. Das vorzüglichſte Mittel aber, den Reiter zu unterſtützen, das Pferd achtſam und auch vertraut zu machen, und dabei den Reiter im Auge zu haben, iſt die Longe. Ausnahmsweiſe möge man die Ruthe abwärts führen, z. B. bei Schultereinwärts und auf der Volte; dieſelbe möge auch Anfängern ſo gegeben werden, welche man zu— weilen oft nothgedrungen auf faule Pferde ſetzt, doch darf man die fehlerhafte Führung nicht als Regel hinſtellen und lehren. Unverzüglich aber ſind ſolche faule Pferde denjeni— gen Anfängern zum Reiten zu geben, welche beſondere An— lage zeigen und zunächſt Sporen erhalten können, damit die Ruthe baldigſt in Wegfall kommen könne, welche natürlich dem Anfänger, der ſich noch nicht halten kann, Veranlaſſung zum Verſchieben ſeines Körpers geben muß. §. 14. Trenſe und Kanthare. x Das Trenſengebiß wirkt auf die Lefzen und Laden des Pferdes, die Kantharen vornehmlich auf die Laden. 72 Zweiter Abſchnitt. Vermittelſt der Trenſe giebt man dem Pferde die richtige Halsſtellung, macht es biegſam, bringt es in's Gleichgewicht, ſtark verſammeln aber, auf das Hintertheil ſetzen und bei— zäumen kann und ſoll man es nur mittelſt der Kanthare. §. 15. Von der übereinſtimmenden Arbeit mit Trenſe und Kanthare. Die Zügelhülfen beim Trenſenreiten müſſen mit denen beim Zaumreiten vollkommen übereinſtimmen, das heißt: ſie müſſen genau dieſelben in ihren Aeußerungen auf das Pferd ſein und darum die Trenſen- wie Kantharenzügel in gleichen Richtungen gebraucht werden und vollkommen gleiche Hülfen geben. Iſt die Trenſenarbeit richtig beendet, ſo müſſen die Hülfen von beiden nahe aneinander geſtellten Händen mit ſo wenig Bewegung derſelben und ſo vereinigt und unmerklich gege— ben werden können, wie dies mit dem Zaume geſchehen ſoll. Nur auf dieſe Weiſe iſt dem Pferde der Uebergang von der Trenſenarbeit zu der mit dem Zaume verſtändlich und von Erfolg, denn es hat ſich daſſelbe nicht an andere Hülfen, ſondern nur an die Veränderung des Mundſtückes zu ge— wöhnen, was in kürzerer Zeit erfolgt, als man häufig zu glauben ſcheint. So auch nur iſt die erſte und weſentliche Arbeit, der Anfangsunterricht für das Pferd von Nutzen und der Art, daß der Reiter auf richtiger Grundlage die Ausbil— dung fortſetzen und vollenden kann. Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ıe. 73 Wie ſelten ſieht man aber der Trenſenarbeit an, daß der Reiter nach ſolchen Grundſätzen verfährt. Praktiſch wird ſie ohne Nachdenken, ohne Regel, ohne Genauigkeit, bald ſo, bald anders betrieben, in der Hoffnung, daß der Zaum Wunder thun ſolle. Doch die Enttäuſchung folgt allemal. Das Pferd, welches ſchein bar vielleicht recht leidlich oder ſogar gut auf Trenſe ging, wird auf dem Zaume wieder vollkommen roh erſcheinen und nicht vermögend ſein, ihm Folge leiſten zu können, weil es durch ihn Hülfen erhält, welche es auf der Trenſe nicht kennen gelernt hat, ſich außer— dem aber noch in größeren Zwang verſetzt ſieht. Es iſt daher ganz natürlich, daß die Arbeit, da dem Pferde die Hülfen mittelſt des Zaumes völlig fremd ſind, von Neuem beginnen muß, während ſie ihren ununterbrochenen und geregelten Fortgang haben ſoll. Das auf Trenſen regellos und dem— nach fehlerhaft gearbeitete Pferd muß alſo auf Zäumung ſchlechter gehen, während es bei richtiger Bearbeitung vom erſten Tage der Zäumung an ſtäter, verſammelter geht und dem Reiter neue Freude bereitet. $. 16. Verſchiedene Hülfen überhaupt. Man hat Hülfen: 1) durch den Sitz des Reiters, 2) durch Zügel, Trenſe oder Kanthare, 3) durch die Bügel, 4) durch die Ruthe, 5) durch die Sporen, 74 Zweiter Abſchnitt. 6) durch Sitz und Hand zugleich entſtehende, 7) durch einzelne Theile des Reiters, wie durch Ruthe, Bügel, Sporen, ſcheinbar ohne Mitwirkung der übri— gen Theile, und 5) zweideutige Hülfen und doppelte Strafen. §. 17. Hülfen durch den Sitz des Reiters. Die Hülfen durch den Sitz des Reiters können erfolgen: 1) durch Richten des Oberleibes und Hervorbringen der Bruſt, ſanftes Zurückhalten deſſelben hinter die Linie oder Vorhalten vor die Linie, ohne Störung des eigenen Gleich— gewichts. Erſtere Bewegungen verlegen die Schwere des Reiters rückwärts, dem Hintertheile des Pferdes zu, beſchwe— ren daſſelbe, helfen verſammeln, und erleichtern die Vor— hand; letztere erleichtert die Nachhand, und trägt auch we— ſentlich zur Beförderung und Beſchleunigung der Bewe— gung bei; 2) durch Vorrücken der Hüften und damit verſtärktes Niederſetzen auf den Spalt und die Geſäßknochen, wobei der Oberleib vermehrt zurückgehalten wird. Dieſe Hülfe treibt vor, verſammelt, legt die Schwere des Reiters bedeu— tend dem Hintertheile zu, und erleichtert die Vorhand Hier— durch, nämlich das Vorrichten der Hüften, wird der freie Gebrauch der Schenkel hervorgebracht. 3) Das Hohl- oder Einwärtsbiegen der inneren Seite. Dies nöthigt das Pferd zwiſchen die Schenkel und die Hand des Reiters zu treten. Es findet auf der Volte verbleibend Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ıc. 75 und bei Wendungen ſofort ſtatt, um die äußere Seite des Pferdes in Freiheit zu bringen und die Schwere des Ober— leibes nach innen zu verlegen. Nur auf dieſe Weiſe kann die äußere Seite des Reiters ſenkrecht und ſtäte, ſo wie der äußere Schenkel in angemeſſener Wirkung und richtig im Bügel bleiben. 4) Das Einwärtsbiegen der inneren Seite und das fühlbarere Niederſetzen auf den äußeren Geſäßknochen. Dieſe Bewegung verlegt den Schwerpunkt des Reiters auf die äußere Seite des Pferdes, im äußeren Bügel herab, und wird augenblicklich angewendet, um den falſchen Gang zu verhüten und zur Annahme des inneren Zügels zu zwingen. 5) Der vermehrte und der verminderte Druck der Kniee. Er wirkt vortreibend, verſammelnd oder beruhigend und mäßigend. 6) Das Durchdrücken beider Kniekehlen. Dies wirkt ebenfalls vortreibend, verhütet jedes Verſchieben der Dick— beine und Kniee, und giebt nicht nur dem Oberleibe Hal— tung, z. B. bei allen Uebergängen aus erhöhten in niedere Gänge, vor und nach dem Sprunge, ſondern giebt ſolche auch dem Pferde. 7) Das vermehrte Durchdrücken der äußeren Kniekehle. Der Reiter bringt ſeinen Schwerepunkt in den äußeren Bü— gel, hält dadurch das Hintertheil in Reſpekt, hindert dem— nach das Ausfallen oder Hereindrängen mit demſelben, und unterhält richtigen Gang und richtige Biegung. 8) Sanftes und ſtärkeres Fühlenlaſſen beider Unter— ſchenkel, des einen oder anderen. Dies wirkt vortreibend und verſammelnd, außerdem wie die drei vorerwähnten Hülfen, 76 Zweiter Abſchnitt. und nöthigt das Pferd, richtig in die Zügel zu treten, ſich anzulehnen, und zu allen Gängen, welche der Reiter verlangt. 9) Die Hülfe des auswendigen Schenkels hinter dem Gurte wirkt vornehmlich auf das Hintertheil. 10) Die des auswendigen Schenkels an dem Gurte wirkt auf das ganze Pferd, weil ſie auf die Mitte deſſelben fällt. 11) Die ſanfte Hülfe des inwendigen Schenkels an dem Gurte hat auf Biegung des ganzen Pferdes (Rippenbug) Einfluß, und trägt zur Erhaltung des Hintertheiles auf der Linie bei. 12) Das entbundene Eingehen des Reiters in das Tempo des Pferdes belebt, entbindet, befördert und befeſtigt den Gang. 12) Ungezwungene Haltung des Oberleibes mittelſt elaſtiſcher Schenkel ſetzt den Reiter in den Stand, das Tempo des Pferdes durch ſeine Schwere ſo wenig als möglich im Sattel zu markiren, durch ſeine geringe Bewegung alſo das Pferd ſo wenig als möglich zu ſtören. Somit ſchont man den Rücken und die Nieren, die Schwere des Reiters wird erleichtert und das Pferd willig und bereit zum Nachgeben. Die Hand erlangt erhöhte Güte. Alle dieſe und andere Hül— fen, die nur ungenügend vorgeſchrieben werden können, da ſie Sache des Gefühles ſind, müſſen nicht nur ſtets frei von jedem Zwange ſein, damit der Reiter deren Wirkungen augen— blicklich fühle und das Gefühl von der Bewegung aller Theile des Pferdes ununterbrochen behalte, ſondern auch in der größten Uebereinſtimmung mit den Zügeln gegeben werden, ſie mögen von deren Hülfen begleitet werden oder nicht. Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ır. 17 Faſt jede Hülfe kann ſich ſowol für das fein und voll kommen durchgerittene, wie für das ungerittene und un— empfindliche Pferd, werden ſie verſtärkt, auch mit den Zü— geln begleitet, zur Strafe geſtalten, denn Strafen ſollen nichts anderes als geſteigerte und verſtärkte Hülfen ſein. §. 18. Hülfen durch die Zügel. Dieſe beſtehen: 1) in dem Verbleiben beider Zügel in ein und derſel— ben Wirkung oder in dem Verbleiben der Hand (Kanthare) oder beider Hände (Trenſe) auf ein und derſelben Linie und ein und demſelben Orte, alſo ohne Rückwärts- oder Vor— wärtsgehen derſelben, 2) in dem Verhalten beider Zügel, 3) in dem Nachgeben beider Zügel, 4) in dem Verhalten oder Nachgeben eines Zügels, wenn der andere ſtäte in ſeiner Wirkung verbleibt; und 5) in den Wirkungen der Zügel, einen um den anderen gebraucht, ſowol auf Kanthare als auf Kappzaum und Trenſe. Das ruhige Verbleiben der Hand muß unbe— dingt und augenblicklich ſtattfinden, ſobald andere und wei— tere Zügelhülfen unnöthig werden, wenn nämlich das Pferd vollkommen geht, d. h. wenn zur Zeit an Kopf- und Hals— ſtellung, an Anlehnung und Gleichgewicht nichts zu verbeſſern iſt. Können gleichzeitig alle weitere Hülfen des Reiters durch den Sitz unterbleiben, ſo iſt das Pferd als um ſo vollkom— 78 Zweiter Abſchnitt. mener gehend anzuſehen, was leider bei dem größten Theile der Pferde und bei der beſten Arbeit oft nur auf Momente eintritt, denn ein Helfen und Unterſtützen wird ſelten lange unterbleiben können, z. B. bei dem trägen Pferde. Nur Pferde, welche von der Natur mit allen Eigenſchaften eines guten Reitpferdes ausgeſtattet ſind, können anhaltend von ſelbſt gehen, ſo daß der Reiter nur zu ſitzen hat; doch ge— wöhnlich wollen auch ſie beſtändig in Ordnung erhalten ſein, da jedes Pferd darnach ſtrebt, ſich frei zu machen. Weiß nun der Reiter die Momente der Anlehnung, alſo des richtigen Gehens, wohin doch alle Arbeit führen ſoll, nicht zu füh— len, ſo wird er fernere und überflüſſige Hülfen geben, welche das Pferd natürlich hindern müſſen, gut und rich— tig verbleiben zu können, und er wird nie zu einer Beloh— nung deſſelben gelangen, welche eben in dem ruhigen, ſtäten, weichen Verbleiben der Hand beſteht. Es weiß alſo eigentlich nie, was der Reiter von ihm will, dieſer weiß es dann aber auch ſelbſt nicht, weil er das Gefühl des guten und richtigen Gehens nicht kennt, und nicht zu erlangen oder nicht zu unterhalten verſteht. Von dieſem ganz ruhigen Stehenlaſſen der Hand iſt das Stehenlaſſen und das gleichzeitige Arbeiten derſelben unter— ſchieden. Sie giebt nach, nimmt an, verbleibt trittweiſe ruhig und ſtäte, je nachdem ſie helfen oder nicht helfen muß. Freilich können nur mäßige Hülfen, welche lediglich in der Bewegung der Hand und des Fauſtgelenkes beſtehen, auf dieſe Weiſe erfolgen, denn ſtärkere und ſtarke bedingen ein Verlaſſen des Standpunktes derſelben und ein Vor- und Zurückgehen wieder auf denſelben. Das Stehenlaſſen und Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ꝛc. 79 Arbeiten der Hand auf einer Stelle, welches ſchon eine ge— wiſſe Nachgiebigkeit des Pferdes verlangt, kann nie geſche— hen, ſobald der Reiter nicht von den anfänglich ſtärkeren Hülfen zu immer ſchwächeren, gelinderen, unſichtbareren überzugehen, das Pferd auf ſolche folgeleiſtend zu machen verſteht. Hieraus geht hervor, daß man dieſe Fertigkeit nur durch Fleiß und viele Uebung gewinnt, denn zuvörderſt muß der Sitz vollkommen entbunden fein. Iſt er dies nicht, ſo verbleibt der Reiter in dem Fehler des ununterbrochenen Zu— rückführens oder Ziehens der Hand, da der Oberleib Stütze in derſelben ſuchen muß. Das Verhalten der Hand geſchieht beim Tren— ſenreiten, zunächſt mit ſtehen bleibenden Händen durch das Verwenden derſelben, ſo daß die kleinen Finger in eine Richtung gebracht werden, als wollte man dieſelben anein— ander führen. Dies iſt die gelindeſte Weiſe. Stärker wird die Hülfe, ſobald die Hände in derſelben Art rückwärts auf— wärts wirken. Noch ſtärker wird ſie, wenn gleichzeitig die Unterarme im Ellenbogengelenke in der Richtung der Zügel nach rückwärts aufwärts gehen, bei vermehrter Haltung des Oberleibes, vermehrtem Oeffnen des Spaltes, Niederſetzen auf die Geſäßknochen und Vorrichten der Hüften. Beim Verhalten können die Schenkel nur dann theil— nahmlos bleiben, wenn durch daſſelbe weder eine Störung des Ganges, noch irgend eine fehlerhafte Veränderung des- Pferdes erfolgt; doch in der Regel haben ſie mehr oder weni— ger theilzunehmen, um vornehmlich Unterbrechungen des Ganges zu verhüten und auf ſtäte und fleißige Folge der Nachhand zu wirken, wodurch das Gleichgewicht unterhalten 80 Zweiter Abſchnitt. oder auf daſſelbe hingearbeitet wird. Das Verhalten mittelſt der Kantharenzügel geſchieht, wenn bei unverwendeten Knö⸗ cheln die Hand mit Ballen und Daumen, bei gehaltenem Oberleibe mit dem Gefühle rückwärts aufwärts wirkt. Augen— blickliches und ſchnelles Verhalten iſt, wenn nöthig, durch— aus weſentlich. Nach der Verhaltung muß die Hand unbe— dingt wieder in ihre Stellung zurückgehen. Das fehlerhafte Verhalten beſteht nicht nur in ruckiger und kurzer Bewegung der Hand, ohne Eintheilung dieſer und der Schenkelhülfen, ſondern weſentlich und in der Regel darin, daß die Hand in der Verhaltung bleibt, nicht wieder in ihre Stellung zurückkehrt, und zur Stütze des Oberleibes wird; es entſteht hieraus ein Verhalten gegen Willen und Wiſſen des Reiters, ein ganz unwillkürliches. Fehlerhaft wird es weiter, wenn die Zügel die Richtungen verlaſſen, in denen ſie wirken ſollen, wenn ſich Fauſt und Arme ſteifen, oder die Richtung von Hals und Kopf des Pferdes nicht dabei unterhalten wird; wenn es ohne Schen— kel erfolgt, wodurch das Hintertheil zurückbleibt, und der Gang unterbrochen wird; wenn es nicht ſtäte ſchrauben— artig, nach und nach, je nach dem Vermögen des Pferdes, ſich zu geben, geſchieht. Das Nachgeben der Hand geſchieht beim Trenſen— reiten, und zwar als gelinderte Hülfe durch das Vorrichten des kleinen Fingers, und iſt ſie noch unzulänglich, durch das Senken beider Hände. Wenn nöthig, ſo iſt augenblick— liches und ſchnelles Nachgeben der Hände weſentliches Erfor— derniß. Ein weiteres Nachgeben muß mittelſt Vorgebens der Unterarme ſtatthaben, jo daß zwar der Reiter noch das Maul Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ꝛc. 81 des Pferdes fühlt, dieſes aber nicht die Hand. Wird hiermit eine ſanfte Haltung des Oberleibes vor die Linie verbunden, ſo iſt dies der Grad der größten Freiheit, indem man gleich— zeitig das Hintertheil erleichtert. Selbſtverſtändlich muß der Sitz auf Spalt und Geſäßknochen verbleiben. Mittelſt der Kantharenzügel verfährt man ganz auf die nämliche Weife. Das gelindeſte Nachgeben beſteht im Vorrichten des kleinen Fingers und im Senken der Hand bis auf den Sattel oder das Widerrüſt. Nehmen dabei Unterarm und Oberleib Theil, ſo kann man vollkommene Freiheit verſtatten. Alles Nachgeben, ſei es auch noch ſo ſchnell, muß doch in der Art erfolgen, daß die Anlehnung in keinem Falle ge— ſtört oder gar unterbrochen werde, und in jedem Falle muß die Hand wieder in ihre Normalſtellung zurückkehren. Feh— lerhaft iſt das Nachgeben, wenn es mittelſt der Fauſtgelenke bewerkſtelligt wird, ſo daß dieſelben in die Stellungen kom— men wie bei Figur 30 und 31 angezeigt iſt. Das fehlerhafte Nachgeben iſt ferner die Folge ſteifer und unſtäter Hand und beſteht in dem Vorgeben derſelben ohne gewiſſen Grad, ohne Anlehnung, ohne Richtung und Stellung von Hals und Kopf, ohne Gleichgewicht und geregelten Gang des Pferdes dabei zu unterhalten. Oft wird mit dieſem Fehler ein Bor: neigen des Oberleibes verbunden; in der Regel werden aber auch die Schenkel fehlen, entweder zu viel, zu wenig oder auch gar nicht helfen und das Pferd wird laufen oder im Gange ſtocken. Die Geſchicklichkeit des Reiters, daß er einen Zügel annehmen oder nachgeben, und dabei den andern ſtäte verbleiben laſſen könne, iſt bei dem Reiten auf Käſtner, Reitkunſt. 6 82 Zweiter Abſchnitt. Trenſe leichter zu erlangen, als bei dem auf Kanthare. Sie iſt aber unbedingt erforderlich, ſobald man gut reiten will, und nur mit großem Fleiße und vieler Konſequenz zu er— lernen. Dieſe Hülfen finden ununterbrochen ihre Anwendung, vom Anfang der Dreſſur bis zur Vollendung derſelben, und ohne ſie iſt weder ein richtiges Arbeiten, noch gutes Reiten eines vollkommen gerittenen Pferdes denkbar. Die Wirkung eines Zügels um den anderen wird angewendet, um das Pferd in die Zügel zu richten und in die Hand zu bringen, beim Trenſen- wie beim Zaum— reiten. Sollen aber alle vorſtehenden Hülfen von Erfolg ſein, ſo müſſen ſie vollkommen zwanglos und in Uebereinſtim— | mung mit dem Sitze erfolgen. F. 19. Hilfen in den Bügeln. Die Hülfen in den Bügeln, welche in der allerengſten Verbindung mit dem Sitze ſtehen, beſtehen in dem ſanften, ſtärkeren oder minderen Treten in beide oder nur in den einen. Es muß dies mit ſenkrechter Haltung der Unter— ſchenkel ſo frei von allem und jedem Zwange geſchehen, daß weder eine Spannung des Oberleibes, noch der Hüf— ten, noch der Ober- und Unterſchenkel oder der unteren Fuß— gelenke ſtattfinde. Sie dienen dem Reiter, wie zum Theil ſchon früher erwähnt, zur Verlegung der Schwere nach links, Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ꝛc. 83 rechts, vorwärts, rückwärts, zum Erleichtern derſelben, zur Beförderung des Ganges, zur Verſtändigung zwiſchen Reiter und Pferd, und tragen weſentlich zur Stätigkeit des äußeren Schenkels wie zur Haltung des Oberkörpers bei. Das Mehrfühlen des linken Bügels, welches, wie ſchon im Worte liegt, eben Gefühlsſache iſt, beſtimmt das Pferd, vereint mit der ſtäten Haltung des linken Schenkels und ſtä— ter Führung des rechten Zügels, auf der rechten Hand zu gehen, und umgekehrt auf der linken. Findet die Verwahrung des äußeren Zügels nicht ſtatt, ſo daß alſo auch Anlehnung im inneren unmöglich wird, ſondern Auflehnung oder Nichtannahme eintritt, ſo kann auch der Reiter ſich weder die richtige ſenkrechte Haltung des äußeren Schenkels, noch Stätigkeit im äußeren Bügel ver— ſchaffen. Bei Seitenbewegungen der Pferde (ausgenommen Schul— tereinwärts) ſetzt das ſanfte Fühlen des inneren Bügels die äußere Seite des Pferdes in Freiheit, weil die Schwere des Reiters durch das Fühlen deſſelben, wie durch das Hohlbie— gen der inneren Seite, nach innen verlegt wird. Dies be— fördert freie Bewegung beim Uebertreten, auf der Volte, bei Wendungen, Paſſaden, bei Renvers, Travers ꝛc. Bei dem gut gerittenen Pferde erzielt die ſanfte Bügel— hülfe, die Haltung des Schenkels und der Druck des Knies das, was bei dem weniger gerittenen Pferde die Schenkel— hülfe verſehen muß. Der Reiter nimmt ferner Hülfen in den Bügeln beim Steigen, beim Fallen des Pferdes, beim Bergauf- und Berg— 6 84 Zweiter Abſchnitt. abreiten 2c. Der Bügel muß da bei im ſenkrechten Falle und der Reiter in eben ſolcher Haltung bleiben. Endlich erhält man mittelſt der Bügel den Sattel auf der Mitte des Pferdes. Sie werden aber auch beſonders für den Reiter auf ungariſchem Sattel, weil ſich dieſer leicht dreht, von der größten Wichtigkeit; denn nur durch ſie kann er das Drehen deſſelben hindern und hat dies ſtattgefunden, ihn nur durch ſie wieder mit der größten Schnelle und Leich— tigkeit durch Gegenwirkung des entgegengeſetzten Bügels auf die Mitte des Pferdes bringen; das vermag er jedoch nur bei richtigem Falle der Schenkel. Bei vorgeſchobenen Unter— ſchenkeln, — das iſt die Stütze, — geht dieſe Hülfe wie bei zurückgezogenen verloren. Für das Tummeln des Pferdes iſt dies ſehr wichtig, da hierbei die Bügel vielfältig ver— ſchiedenartig in Anſpruch genommen werden müſſen. Fehlerhaft werden die Bügel ferner gebraucht, wenn der Reiter mit unentbundenem, gezwängtem Sitze in ihnen ſteht oder ſie an den Ballen klappen läßt. 8 Hilfen mit der Ruthe. Die Hülfen mit der Ruthe beſtehen beim Reiten in dem Zwitſchern mit derſelben, um aufzumuntern; in dem Berüh— ren der äußeren Schulter, um das Paſſiren derſelben über den inneren Schenkel zu befördern, wie bei Wendungen, auf der Volte, bei Travers ꝛc. Die Strafe mit derſelben erfolgt durch vollkommen zwangloſes Erheben und Fallenlaſſen des rechten Armes hin— Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ꝛc. 85 ter den Schenkel, ſo daß die Ruthe hinter dem Sporn und Gurte den Leib des Pferdes trifft, und ſich um dieſen legt. Schlecht wird dieſe Strafe, wenn ſich der Arm ſteift, wodurch die Bewegung deſſelben ruckig wird, keinen Schwung hervorbringt, und ſich dem übrigen Körper, wel— cher vollkommen theilnahmlos bleiben ſoll, mittheilt; oder wenn ſie das Hintertheil trifft. Was die Hülfen mit der Ruthe in den Pilaren, und außerhalb derſelben beim Schul— ritt ꝛc. von einem Nebenherhelfenden; ferner die Hülfen der— ſelben bei anderweitiger Handdreſſur anbelangt, ſo iſt Ver— faſſer außer Stande, über dieſelben Ausführliches ſagen zu können, indem er weder Pilarenarbeit hinlänglich kennt, noch überhaupt gründlich ſich mit Handdreſſur, ausgenom— men der Longenarbeit, beſchäftigt hat, indem er die Zeit, welche dieſe Dreſſur erfordert, zum Reiten für beſſer verwen— det hält. Er geht von der Anſicht aus, daß man bei wirk— licher Fertigkeit im Reiten die Handdreſſur entbehren kann, und daß die beſte Handdreſſur für den untüchtigen Reiter verlorene Arbeit und Zeit iſt. Mit dieſer Anſicht ſollen die Vortheile derſelben aber keineswegs über den Haufen gewor— fen ſein, da ſie für den guten Reiter unendlich ſchätzenswerth ſind, ſobald er ſie verſteht und dem Baue des Pferdes ent— ſprechend vornimmt; denn durch die Pilarenarbeit z. B. er— zielt man bei Schonung des Pferdes außerordentliche Er— folge. Was jedoch die Handdreſſur mittelſt ſpaniſchen Reiters und ähnlicher Werkzeuge betrifft, um die Richtung des Hal— ſes, Genickbug ꝛc. zu bewirken, ja ſelbſt zu erzwingen, ſo muß ſie unbedingt als eine große Verirrung, als ganz ver— 86 Zweiter Abſchnitt. werflich, abgeſehen von anderen Uebelſtänden, ſchon aus dem alleinigen Grunde hingeſtellt werden, weil das Pferd ſtets und ohne Ausnahme der richtigen Stellung, Biegung und Nachfolge ausweicht, ſtets eine falſche und ihm leicht werdende annimmt, und ſich daher verſtellt. Die Dreſſur wird ſonach nicht zur Vorarbeit für den Reiter, ſondern ſie legt dieſem oft große und ſchwer zu beſeitigende Hinderniſſe in den Weg, als: Feſtes Genick, Verbiegung des Halſes, geſenkte Schultern, Zurückbleiben und Steifheit des Rük— kens und des Hintertheiles. Wer zum ſpaniſchen Reiter und anderen Zwangswerkzeugen und unnatürlichen Mitteln ſeine Zuflucht nimmt, iſt ſicherlich kein Reiter. In der alten gu— ten Zeit wurden nie rohe Pferde unter dem ſpaniſchen Reiter oder an der Hand dreſſirt, wie es jetzt häufig ge— ſchieht. Man ließ Pferde unter dem ſpaniſchen Reiter gehen, welche nicht geritten werden konnten, aber Bewegung erhal— ten ſollten; man nahm ſie an der Hand in den ſpaniſchen Tritt, in Courbetten vorwärts ꝛc., jedoch erſt dann, wenn ſie bereits unter dem Reiter gebildet waren. Anders kann es auch nicht ſein. Läßt man das ſelbſt voll— kommen gerittene Pferd mehrere Tage hintereinander an der Hand arbeiten, ſo kann man ſofort ein Zurückſchreiten mer— ken; denn man ſtört es in der richtigen Poſition, man nimmt ihm dieſelbe, weil die Zügel, denen es immer durch Ver— ſtellung der Vor- und Nachhand auszuweichen weiß, nie— mals genau über der Mitte deſſelben und übereinſtimmend auf Vor- und Nachhand wirken, was bei richtiger Arbeit unerläßlich iſt. Hierin liegt der Beweis, daß man mittelſt der Handdreſſur wol arbeiten, aber nur fehlerhaft arbeiten Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ꝛc. 87 kann. Ebenſo fehlerhaft wird recht oft die Pilare gebraucht, und zwar um die Schultern des Pferdes zu entbinden, wäh— rend alte und neue Meiſter die Pilare erſt dann zur weite— ren Bildung benutzen, ſobald die Schultern entbunden ſind. f §. A. Hülfe mit den Sporen. Dieſe wendet man an, ſobald das Pferd den Druck des Knies oder die Hülfe des Unterſchenkels nicht reſpectiren will. Sie beſteht darin, daß man den Sporn ſchraubenartig aufwärts mit weichem Schenkel fühlen läßt. Behalten Ober— ſchenkel und Kniee die ſtäte Lage, und nimmt der Reiter die Fußſpitze etwas abwärts mit der Ferſe auswärts, ſo tritt der Sporn in diejenige richtige Lage oder Stellung, aus welcher er helfen oder ſtrafen ſoll. Verlaſſen Oberſchenkel und Kniee die ſtäte Lage, und wendet der Reiter die Fußſpitzen aus— wärts, ſo tritt die Wade an den Leib, der Sporn unter den Leib des Pferdes. Hierdurch öffnet ſich das Knie, und augen— blicklich werden Sitz und Haltung des Reiters und ſomit die Hend verändert. Der Sporn muß, wie jede Hülfe und Strafe, rechtzeitig, mit großer Behutſamkeit, Umſicht und nöthiger Eintheilung gegeben werden; denn das Pferd ſoll denjelben keineswegs fliehen, ſondern ihm nur gehorſamen, und muß daher mit ihm vertraut ſein. Regel iſt es, daß der Sporn weder als Hülfe, noch weniger aber als Strafe früher gebraucht werden darf, bevor nicht das Pferd genügend mit den Schenkeln vertraut iſt, und den Zügeln gehorſamt. 88 Zweiter Abſchnitt. §. 22. Vereinigte Hülfen durch Hand und Sitz. Die Hülfen der Hand ſind mit den Hülfen der Haltung und des Sitzes in die genaueſte Verbindung und Uebereinſtimmung zu bringen, was dem Reiter jedoch erſt dann gelingt, wenn Haltung, Sitz und Führung allen Anforderungen entſprechen. Das Gefühl hiervon muß er jederzeit in ſich haben und durch das— | jelbe die Uebereinſtimmung der einzelnen Theile des Pferdes zu einander bewirken, und von dieſem wieder das Gefühl derſelben nach dem Grade der Ausbildung zurückerhalten. Fehlt dem Reiter das Verſchmelzen des Sitzes und der Hal— tung mit der Hand, ſo kann er nur mangelhaft wirken. Es iſt dies eine Geſchicklichkeit, deren Erlangung allen Fleiß und alle Beharrlichkeit erfordert, das Gefühl ganz in An— ſpruch nimmt, und nur von denjenigen Reitern erreicht wird, welche gehörigen Bau, Talent, Fleiß 2c. beſitzen. $. 23. Hülfen durch einzelne Theile des Reiters ohne ſcheinbare Mitwirkung der übrigen. Iſt die im Vorgehenden beſprochene Uebereinſtimmung und Verbindung zwiſchen Hand, Haltung und Sitz dem Reiter zur andern Natur geworden, ſo wird er auch alle Herr— ſchaft über jedes einzelne ſeiner Glieder erlangt haben, und darum auch die Hülfen zu trennen verſtehen; denn er nuß Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ıc. 89 die Hand, einen oder beide Schenkel, den Oberleib, die Ruthe, die Sporen ꝛc., wenn nöthig, ganz ſelbſtſtändig in Wirkung treten laſſen können. Andernfalls kann er von dem Pferde keinen unbedingten Gehorſam, keine Befolgung ſei— nes Willens erwarten. §. 24. Zweideutige Hülfen und Doppel-Strafen. Zweideutig werden die Hülfen derjenigen Reiter, welche deren Wirkungen und Einfluß auf das Pferd nicht kennen, darum nicht conſequent zu Werke gehen, oder nicht die Ge— ſchicklichkeit haben, ſie angemeſſen und mit richtiger Einthei— lung zu geben. Sie werden dann dem Pferde unverſtändlich und es wird ihnen oft nicht nur nicht nachkommen, ſondern ſie auch oft als Strafen aufnehmen, wenn es keine ſein ſoll— ten. Zweideutig werden ſie ferner, wenn zu ein und dem— ſelben Zwecke nicht ein- und allemal genau dieſelben Hülfen, ſondern verſchiedene und grundſatzlos gebraucht werden; wenn der Reiter falſch und unſtät ſitzt, ſich ſo hält und ſo führt, daß alſo das Pferd deſſen unwillkürliche Bewegungen mit Hand, Oberleib, Schenkeln, als Hülfen aufnimmt; ferner wenn er mit Sitz, Haltung oder Führung wechſelt, heute ſo, morgen ſo. Doppelſtrafen entſtehen z. B. beim Gebrauch der Spo— ren oder der Ruthe, wenn die Hand gleichzeitig das Maul ſtößt oder Haltung und Sitz verloren gehen. Dieſe Zweideutigkeiten in welche alle ſchlechten und mit— telmäßigen Reiter verfallen, müſſen alſo, ſo bald man arbei— 90 Zweiter Abſchnitt. ten will, ſchlechterdings unterbleiben, was um ſo leichter geſchehen kann, als für Alles und Jedes, was der Reiter zu Pferde zu unternehmen hat, beſtimmte Regeln und Hülfen vorhanden ſind. §. 25. Verſchiedene Richtungen der Zügelannahme. Die Zügel haben nur bei richtiger Wirkung Einfluß auf das ganze Pferd. Die Zügel geradaufwärts- rückwärts über der Mitte des Pferdes angenommen, richten und verſammeln das ganze Pferd. Das Heben der Hand darf nie ſo hoch ſtattfinden, daß an den Zügelringen durch die Zügel und Kantharen— bäume ein ſpitzer Winkel entſteht, da auf dieſe Weiſe die Hebelkraft verloren geht, und das Pferd genöthigt wird, entweder mit vorgeſtreckter Naſe in die Zügel, oder abwärts hinter dieſelben zu gehen. (Fig. 40.) Der innere Zügel aufwärts gerichtet, nicht geführt, in der Linie gegen die äußere Schulter des Reiters, unter Zu— vorwirkung des äußeren, erweitert die innere Schulter des Pferdes, erhält die ſtrengſte Poſition, und ſetzt das Pferd auf die Hanken. Der innere Zügel, rückwärts geführt mit Zuvorwirkung des äußeren, hält die innere Schulter des Pferdes zurück, läßt die äußere zirkelförmig vortreten, und beſtimmt dasſelbe zum Wenden nach innen. Der innere Zügel ſanft druckweiſe gegen die äußere Schulter des Reiters gerichtet, ohne ihn zurückzuführen, biegt das Pferd in den Ganachen. Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ıc. 91 Der äußere Zügel, rückwärts nach dem Leibe geführt, bei ruhigem und ſtätem Verbleiben des inneren, erhält die äußere Schulter des Pferdes.“ Der äußere Zügel gerade rückwärts aufwärts geführt, richtet den Hals des Pferdes in die Höh, abwärts geführt, ſtimmt er herab. Er hat in ſeiner Wirkung aufwärts oder Fig. 40. abwärts zu verbleiben, bis ſich das Pferd in Poſition be— geben hat. Der äußere Zügel, druckweiſe gegen den inneren, dieſem gerade gegenüber und ohne ihn zurückzuführen gebraucht, rückt zuſammen, bringt den inneren Hinterfuß und die äußere Schulter des Pferdes auf die Linie und verſchafft dem Reiter Anlehnung. 92 Zweiter Abſchnitt. Auf der Volte bringt dieſe Hülfe die äußere Schulter des Pferdes in die cirkelförmige Bewegung. Hierbei tritt die Hülfe im inneren Bügel mit geradegehaltenem Schenkel und Hohlbiegen der inneren Seite des Reiters ein, damit er feine Schwere nach innen verlegen, die äußere Seite des Pferdes in Freiheit ſetzen könne. §. 26. Verrichtungen des äußeren und inneren Zügels. Bei den Verrichtungen der Zügel muß der Haupt— grundſatz feſtgehalten werden, daß der innere Zügel bei richtiger Mitwirkung des äußeren das Pferd richtet, führt, die Poſition erhält, die Wendung ver— richtet, die innere Schulter erweitert, das Pferd parirt und auf die Hanken bringt. Der äußere Zügel hingegen hat alle Verrich— tungen des inneren zu unterſtützen und ihnen voraus zu gehen; er verſchafft dieſem alle Kraft und Wirkung, beſtimmt die richtige Stellung und Biegung im Genick und in den Ganachen, ſo wie den Grad dieſer, wie den der Wendungen; er bringt Anlehnung und ein lebhaftes Maul her— vor, verſammelt, erhält die Croupe, erhält und unterhält den Gang. Endlich darf bei Allem was der Reiter mit dem einen Zaum- oder Trenſenzügel unter: nimmt, die abgemeſſene Gegenwirkung des ande— ren, die volle Zuſammenwirkung beider nicht fehlen, da ſonſt Anlehnung undenkbar iſt und falſches Anlehnen entſtehen muß. Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen u. 93 Sr, Verrichtungen des äußeren und inneren Schenkels. Durch die ſtäte Haltung des äußeren Schenkels bekommt der Oberleib Haltung, Ruhe und Stätigkeit, und allein hierdurch die Hand Stütze. Er erlaubt dem Reiter das Ein⸗ und Hohlbiegen der inneren Seite bei Wendungen, auf der Volte, bei Schultereinwärts. Renvers, Travers ꝛc. um die Schwere des Körpers mit dem Mittelpunkte des Pfer— des vereinigen, in deſſen Biegung eingehen und auf der Mitte deſſelben, wie auf der des Sattels verbleiben zu kön— nen. Er tritt auch in die engſte Verbindung mit dem Pferde; nimmt deſſen Richtung und Biegung auf, giebt beiden nicht nur Anlehnung an Oberſchenkek und Knie, ſondern verhin— dert vereint mit dem äußeren Zügel, daß ſie fehlerhaft wer— den. Er erhält ſomit alſo auch die Croupe des Pferdes und trägt weſentlich zu richtigen Gängen auf beiden Händen bei. ſo daß allein ſchon durch ſeine Haltung und ganz abgeſehen von allen anderen Hülfen ein Irrthum des Pferdes, ob es auf rechter oder linker Hand zu gehen habe, ganz und gar unmöglich wird. Die Hülfen des äußeren Schenkels müſſen vornehmlich dem Gurte gegenüber auf die Mitte des Pferdes, zuweilen auch hinter derſelben gegeben werden. Der äußere Schenkel iſt namentlich der vortreibende, und hat beſonders bei Paraden das Pferd zu unterſtützen. Seine Haltung allein iſt ſchon ununterbrochene Hülfe. Der innere Schenkel hat durch ſeine ſanften Hül— fen, vereint mit denen der Zügel und beſonders des inneren auf Genick-, Ganachen-, Hals- und Rippenbiegung zu wir— 94 Zweiter Abſchnitt. ken; er hat das Hintertheil auf gerader Linie und auf der Volte vor dem Hereindrängen zu hüten; ſanft helfend die halben Paraden und das Zurücktreten zu begleiten, wo— durch er verſammelt indem er den inneren Hinterfuß zum nahe Bei- und Untertreten veranlaßt. Endlich hat er auf der Volte, ferner im Schritte und Trabe bei Seitengängen ſanfte Hülfe im Bügel mit dem Ballen abwärts zu nehmen, und muß dabei gerade und weich verbleiben; die Hülfen des— jelben erfolgen dem Gurte gegenüber, zuweilen auch vor demſelben. §. 28. Vom Hülfstrenſenzügel. Der Trenſenzügel beim Reiten auf Zaum iſt Hülfs— zügel, denn er hat den Zaum zu unterſtützen. Bei ganz friſch gezäumtem Pferde läßt man beide Unterlegtvenfenzügel mitwirken, gerade wie die Trenſenzügel ohne Zaum, um daſſelbe nicht blos auf dem ihm bisher fremden Mundſtücke, der Kanthare, führen zu müſſen. Hat es ſich an dieſelbe ge— wöhnt, ſo wird nur der innere Trenſenzügel angewendet, und auch dieſer in Wegfall gebracht, ſobald ſich das Pferd ohne Mithülfe deſſelben richtig ſtellt und anlehnt Iſt die Trenſenarbeit eine richtige und vollendete geweſen, und wird das Pferd richtig und angemeſſen gezäumt, ſo wird es ſich kaum gegen die ſofortige Annahme der Kanthare weh— ren, und iſt daher nur der Gebrauch des innern Trenſen— zügels erforderlich. Außerdem iſt der Hülfstrenſenzügel auch Nothzügel, für den Fall, daß an dem Zaume etwas reißt. Bei dem friſchgezäumten Pferde, und in Anwendung beider Hülfstrenſenzügel, theilt man die Kantharenzügel wie - Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ıc. 95 gewöhnlich mit dem kleinen Finger der linken Hand; der linke Trenſenzügel kommt in die volle linke, der rechte in die rechte Hand zwiſchen dem kleinen und vierten Finger; beide ſtehen wie die Kantharenzügel ſanft an. Das Reiten friſch— gezäumter Pferde mit getheilten Zaumzügeln, ſo daß der linke Trenſen- und Zaumzügel in der linken Hand und beide rechte in der rechten geführt werden, kann man unmöglich gut heißen, denn der Reiter, welcher ſo verfährt, führt auch gewöhnlich die Zügel in einer Höhe wie beim Trenſenreiten, wodurch der Kanthare eine ganz falſche Wirkung gegeben, und dieſelbe dem Pferde läſtiger und befremdender wird, als wenn ſie allein wirkt. Läßt der Reiter die Kanthare ganz außer Wirkung, was auch oft vorkommt, ſo hat ſie keine ruhige Lage, ſie ſchlappt im Maule des Pferdes, beun— ruhigt daſſelbe, und ſtört noch dazu die Wirkung der Trenſe. Iſt das Pferd richtig auf Trenſe ausgearbei— tet, wird es richtig und angemeſſen gezäumt, ſo bedient man ſich auch ſicher dieſer Theilung der Kantharenzügel nicht, ſondern man wird gleich zur richtigen Führung über— gehen, und allein den inneren Hülfstrenſenzügel gebrau— chen, da man ſich ſonſt nur die weitere Arbeit erſchwert. Hat es aber der Reiter nicht vermocht, das Pferd auf der Trenſe auszubilden, und wird er genöthigt daſſelbe zu zäu— men, dann treibt ihn die Noth zu dieſem unnützen Aus— kunftsmittel. Die Stellung der rechten Hand bei Führung des Hülfstrenſenzügels iſt bereits früher angegeben. Sie ſoll ſich nämlich in gleicher Höhe und weder vor noch hinter der linken Hand, ſondern ganz genau neben derſelben be— finden, mit gleicher Haltung des Unter- und Oberarmes, 96 Zweiter Abſchnitt. wie mit der anderen Hand, damit ein Verwenden des Rei— ters vermieden wird. Die Verrichtungen dieſes Zügels beſtehen lediglich in dem ganz ſtäten Erhalten der Kopfſtellung des Pferdes, da— mit dieſelbe nicht allein dem inneren Kantharenzügel über— laſſen bleibt; derſelbe trägt hierdurch zur Schonung des Maules bei und hilft zur Annahme beider Zügel. Fehlerhaft werden die Hülfen und die Wirkung dieſes Zügels ſein, ſobald die Hand fehlerhafte Stellungen an— nimmt, ſobald er unſtät wirkt, oder hauptſächlich und all— ein die Führung des Pferdes übernimmt, während die Kan— tharenzügel unthätig bleiben, oder wenigſtens der innere frei wird. Er iſt dann nicht mehr ein bloßer Hülfszügel, ſondern Reiter und Pferd gewöhnen ſich ſo an denſelben, daß erſterer ohne denſelben nicht reiten, letzteres nicht gehen kann. In der Führung des Hülfstrenſenzügels wird allge— mein gefehlt und doch iſt er, einmal gebraucht, und be— ſonders bei dem jungen Pferde, eben auch Hauptzügel, denn er kann genau ſoviel ſchaden als nützen. §. 29. Ueber die Hülfszügel. Bei und außer der Bearbeitung des Pferdes werden verſchie— dene Hülfs- und Beizügel verwendet. Die am meiſten gebrauch— ten find Sprungriemen, Martingal und Schlauf— zügel. Vor Allem muß der Grundſatz aufgeſtellt werden, daß Hülfszügel, nur von demjenigen Reiter mit wirklichem Nutzen gebraucht werden können, Gebrauch und Wirkung der Bügel, Sporen ıc. . welcher auch ohne denſelben zum Zwecke zu ge— langen verſteht. Der Sprungriemen, im Naſenriemen eingeſchnallt, ſoll das Pferd zum Bezäumen, Erhalten der Poſition und hier— durch zum Pariren, zum Wenden ꝛc. nöthigen, alſo das in die Höhe werfen des Kopfes, das Stoßen in die Zügel und das Nehmen derſelben, wie das Steigen hindern. Dies Alles kann man allerdings durch den Sprungzügel mehr oder weniger bezwecken, vorausgeſetzt, daß er weder zu lang, noch zu kurz eingeſchnallt ſei. Die Länge deſſelben wird durch die ſenkrechte Stellung des Kopfes beſtimmt. Nun mögen wol einzelne Fälle eintreten, in denen der Reiter zum Sprung— zügel greifen muß, z. B. wenn er gezwungen wäre zum Dienſt ein Pferd zu reiten, deſſen er ſonſt vielleicht nicht Herr bleiben würde; doch darf und kann ein Arbeiten mit dem— ſelben niemals ſtattfinden, aus dem einfachen Grunde, weil er hinderlich und ſtörend ift. Das Einſchnallen des Sprung— riemens in die Trenſenringe ſoll niemals geſchehen, weil hierdurch Zunge und Laden verletzt und Widerſetzlichkeiten des Pferdes hervorgerufen werden. Den Martingal kann man wie den Sprungriemen zu denſelben Zwecken benutzen; doch erreicht man durch ihn er— wähnte Vortheile nur auf fehlerhafte Weiſe, weil er gleich dem in die Trenſenringe eingeſchnallten Sprungriemen ledig— lich durch die Trenſe zu ſtark und abwärts wirkt. Tritt für den Reiter bei der Bearbeitung des Pferdes, und zur Beförderung der Biegſamkeit deſſelben das Bedürf— niß eines Hülfszügels ein, ſo können es nur die Schlauf— zügel ſein, vorausgeſetzt, daß die Halsrichtung des Pferdes Käſtner, Reitkunſt. 7 98 Zweiter Abſchnitt. bereits beſtätigt, Gehorſam vorhanden und der Reiter genaue Kenntniß von der richtigen und fehlerhaften Richtung, Bie— gung und Stellung des Pferdes beſitzt, ſowie den Einfluß der Zügel genau fühlt. Sie ſind nur auf kurze Zeit in An— wendung zu bringen, und man bedient ſich ihrer, um das Pferd für den Zaum vorzubereiten, um durch ſie die Naſe herbei- und richtige Poſition hervorzubringen. Wegen ihrer ſchnellen und ſtärkeren Wirkung können und dürfen ſie bei Beginn der Arbeit, oder in erſter Zeit, niemals benutzt wer— den, ſobald der Reiter nicht Gefahr laufen will, dem Pferde zu ſchaden. Es muß unbedingt nachgiebig und darum in der Dreſſur ſchon weit vorgeſchritten ſein. Die Führung der Schlaufzügel verlangt guten, ftaten und richtigen Sitz und eine gefühlvolle weiche Hand. Andern— falls werden ſie in ihren Wirkungen nicht nur für die Ge— lenke, namentlich Sprunggelenke, gefährlich, ſondern ſie werden auch das Pferd aus der Richtung in oder hinter die Zügel, auf die Vorhand bringen, verbiegen, zögernde Gänge hervorrufen u. dergl. Das Einſchnallen dieſer Zügel geſchieht in die Oeſe des Sattelknopfes; hier allein können ſie in die angemeſſene Wirkung treten, d. h. nur ſo kann die wahre Poſition des Pferdes hervorgebracht und erhalten werden, ohne daß ſie nachtheilig auf deſſen Richtung wirken. Denn werden ſie in die Seitenöſen des Sattels oder wol gar noch tiefer in die Sattelgurte geſchnallt, ſo ziehen ſie Kopf und Hals herab und herein, werfen ſomit alle Richtung des Pferdes über den Haufen, und zwängen, ſperren und ruiniren die Vorhand. Dritter Abschnitt. von der Bearbeitung des Pferdes ohne und mit dem Reiter. —1 * er SA: ee N fl 4 * e at ii 5 | A" . A ” 1 50 % §. 30. Die Longenarbeit. Die Longenarbeit iſt von ſo weſentlichem Nutzen, daß mit ihr die Ausbildung jedes jungen Pferdes beginnen ſollte, ſobald es Zeit und Ort nur irgend geſtatten. Gewöhnlich erblickt man aber erſt dann ein Pferd an der Longe, wenn es bereits einen hohen Grad von Widerſetzlichkeit erlangt hat, und der Reiter nichts mehr mit ihm auszurichten vermag; ſie wird ſomit nur Correctionsmittel und ihre Vortheile gehen dem jungen Pferde verloren. Dieſe ſind folgende: Das Traben an der Longe entbindet die Gelenke, verſchafft regel— mäßigen Gang, nöthigt zum Herantreten an die Zügel wie zum Gebrauch des Hintertheiles und giebt dem Pferde die erſte Anleitung zum Biegen im Genick, aus welchem das des ganzen Körpers entſpringt. Ferner kann man ihm eine ſei— nen Kräften angemeſſenere Bewegung geben als unter dem Reiter, und man gewöhnt es an Kappzaum, Trenſe und Sattel. Weiter befeſtigt man das gutmüthige und willige Pferd in ſeinem Character; dem widerſpenſtigen bricht man den Willen; dem mißtrauiſchen flößt man Zutrauen ein; das pflegmatiſche oder faule Temperament wird leicht aufgeweckt und das heftige gemäßigt. 102 Dritter Abſchnitt. Nothwendig wird ferner die Longenarbeit, und mit mög— lichſter Schonung kommt man oft durch ſie allein zum Zweck, wenn Pferde ungleich traben oder ſich in den Gängen über— eilen; bei ſtätiſchen, ſobald ſie nicht vor und an die Zügel wol— len; bei Stuten, welche roſſig ſind, ausſchlagen und ſteigen; bei Pferden, welche dem Reiter die Zügel nehmen und ab— gehen, und bei denen, welche ein feſtes, kurzes, verwachſenes Genickſtück haben, und die Naſe hoch tragen. Doch die Longe als Bildungs- und Correctiosmittel wird allein demjenigen Reiter wahre Vortheile gewähren, welcher das Pferd auch nach Weglaſſung derſelben zu reiten verſteht, da mit dem Gehorſam an derſelben noch nicht der unter dem Reiter hergeſtellt iſt. Gerade die Longenarbeit ift in vielen Werken über Reit- kunſt ſo ausführlich behandelt, daß wir blos darauf zu ver— weiſen brauchen; nur über das Weſentlichſte derſelben, über das Begeben des Pferdes in die Longe oder über das Annehmen derſelben ſeitens deſſel— ben, was ebenſo unerläßliches Bedürfniß iſt, wie das Treten an die Zügel unter dem Reiter, und woraus auch hier allein alles Gute entſteht, iſt noch Einiges zu bemerken. Die Longe muß nämlich mit eben der Geſchicklichkeit und Fertigkeit ge— führt werden, wie das mit den Zügeln vom Reiter geſchehen ſoll, da ſie mit ihm ebenfalls in genaueſter Verbindung zu ſtehen hat. Deshalb muß die Hand auch hier leicht, weich, ſtäte, ſchnell ſein und ſich eine gewiſſe Schwere geben kön— nen, und gleich wie zu Pferde hat der Longirende jedem Zwang in ſeinem ganzen Körper zu meiden. Die Longe muß ferner jederzeit ſanft anſtehen (Fig. 41) und zwar anſtehend 103 Von der Bearbeitung des Pferdes. zur Erweiterung der Volte nachgeben, anſtehend zur Ver— engung derſelben verkürzt werden, es geſchehe dies abſichtlich — — — tr — 1 — — Seren — 7 De — — 5 ae — EEE — * Te — I Fu ie = 5 rd — Er ae 6 5 8 x — We — — — 0 — — — e — 2 — = me \ NEIN u | fee f N N 90 . I) N „ N N N) STR =, 1 A 1% I — — — — vom Reiter, oder er ſei vom Pferde hierzu verlaßt. Auf dieſe Weiſe bleibt die Longe anſtehend richtig wirkend. Das Pferd 104 Dritter Abſchnitt. kann ſo nur eine regelmäßige Volte abgehen, mit der äuße— ren Schulter zirkelförmig treten, mit dem inneren Hinterfuße e HR > 2 5 8 U ö NS g Er | N 1 0 — d in er r, Ye 25 5 D r err eee 8 — NN 5 Don der Bearbeitung des Pferdes. 105 gehörig bei- und untertreten, und es wird vor Allem ſeinen Gelenken volle Freiheit zur Bewegung geſtatten, welche es jedoch in jedem Falle zurückhält und zurückhalten muß, ſobald die Longe flattert; oder im Bogen herabhängt; denn es kann daſſelbe ohne ſich ſtäte in dieſelbe hineinzubegeben nicht die Biegung der Volte annehmen, daher dieſelbe auch nicht rund und rich— tig abgehen, und es wird, da nun noch ein Rucken der Longe eintritt, bald auswärts, bald einwärts vom Huf— ſchlage treten (Fig. 42). Hieraus folgt ferner, daß das Pferd mit der äußeren Schulter ſtets abwärts von der Volte, unde nicht cirkelförmig, mit dem inneren Hinterfuß breit und ohne Biegung und nicht dem äußeren nahebei tritt. Springt es an flatternder Longe, ſo erfolgt das ſtets aus- oder ein— wärts von der Volte, und da es doch an derſelben erhal— ten, und dieſelbe nun angenommen werden muß, ſo erhält es oft im Sprunge einen Ruck, eine ſogenannte Hülfe zur Wendung auf der Volte, wodurch Verrenkungen und Ver— ſtauchungen der Glieder leicht und oft bewirkt werden. Steht jedoch es in der Longe, und weiß der Führer dasſelbe in ihr durch ſtätes Verlängern oder Verkürzen ununterbrochen zu erhalten, was er können muß, ſo wird es auf der Volte verbleibend, vorwärts ſpringen. Die Sprünge beginnen aus regelmäßiger Bewegung und auf geregelter Linie, ſelbſt wenn ſich die Volte dabei erweitern oder verengen ſollte, und er— wähnte Nachtheile werden vermieden. Fig. 43 zeigt den richtigen, Fig. 44 den falſchen Gang des Pferdes auf der Volte. 106 Dritter Abſchnitt. Bei dem Longiren unter dem Reiter muß die Aufmerk— ſamkeit des Longenführers eine um ſo größere ſein; denn ſoll die Arbeit Nutzen tragen, ſo darf ſich auch jetzt das Pferd keineswegs unvollkommen in der Longe befinden. Eine Irritirung des Pferdes iſt da um ſo leichter, weil es doppel— ten Einflüſſen unterliegt, denen des Reiters und denen des Longenführers. Letzterer muß deshalb, für den Fall, daß er die Volte mit abgeht, und kleine Volten und gerade Linien reiten läßt, durchaus gleichmäßigen Tritt mit dem Pferde, namentlich mit deſſen Sprüngen im Galop halten, damit die Longe nicht durch zweierlei verſchiedene Bewegungen, durch Don der Bearbeitung des Pferdes. 107 die des Pferdes und die des Führers in's Schwingen kommt oder gar ruckig wirkt. Unterläßt der Führer dieſe weſentliche Regel und verbleibt die Longe nicht immer in der Linie von der Naſe des Pferdes zum Mittelpunkt der Volte, ſo kann der Reiter thun, was er will, mag er das Pferd ſtundenlang plagen, wird er es dennoch nicht richtig an die Zügel bringen, es wird nicht eine einzige richtige Volte gehen, und immer nur aus dem einen Grunde, weil es ſich nicht ungeſtört in die Longe zu begeben vermag. Bevor der Reiter auf- und abſitzt, muß das Pferd der Vorſicht wegen in der Longe 108 Dritter Abſchnitt. ſtehen (Fig. 45); ſelbſt beim Ruhen deſſelben darf ſie nicht, obgleich man ſie außer alle Wirkung treten läßt, in 9 HR großem Bogen herabhängen, damit ſie ſtets in Bereitſchaft bleibe. Bon der Bearbeitung des Pferdes. 109 Eine weſentliche Regel ift ferner, daß ſich der Longen— führer beim Pariren ſofort vor das Pferd mit verkürzter Longe begebe, daß er vor daſſelbe ſo ſchnell als möglich im Gange zu gelangen ſuchen muß, wenn das Pferd ungezogen wird, damit die Longe möglichſt gerade rückwärts auf daſſelbe wir— ken könne, ihn nicht hinter ſich laſſe, und das Pferd nicht umwerfe. Das Unterlaſſen des Vorſpringens kann für Reiter und Pferd die größte Gefahr nach ſich ziehen; ebenſo iſt das Ueberſchlagen nur durch das gerade Vorſtellen vor das Pferd zu verhüten. Wollte der Reiter hierbei zur Seite bleiben, würde er entweder gar nicht helfen können, oder durch Annahme der Longe das Pferd leicht umwerfen. Von hieraus müſſen auch die Hülfen zum Zurücktreten gegeben werden, damit dieſelben gerade rückwärts wirken. Das Begeben des Pferdes in die Longe bleibt alſo auch bei dieſer Arbeit die Seele derſelben. Ohne ſie darf nicht Nutzen, ſondern blos Nachtheil erwartet werden, wel— cher letzterer darin beſteht, daß, ganz abgeſehen von andern Uebelſtänden, erſtlich die Gelenke des Pferdes ruinirt werden, und daß ſich zweitens Reiter und Pferd, oder dieſes allein ſtets in der größten Gefahr befinden; denn es kommt gar nicht ſelten vor, daß ſich Pferde in die Longe verwickeln, ſich über— ſchlagen und Schaden leiden, mit oder ohne Reiter durch das Hereinziehen in die Volte umgeworfen werden, wozu nicht einmal ein Kraftaufwand erforderlich iſt. Iſt die Longenarbeit durchgängig bei vielen Remonten nicht anwendbar, indem wol zuweilen hierzu die Zeit man— geln dürfte, ſo ſollten doch da, wo Reiter gebildet werden, unbedingt einige Pferde an der Longe gearbeitet werden, damit 110 Dritter Abſchnitt. man Gelegenheit böte, den Gebrauch derſelben und das Führen der Peitſche kennen zu lernen, was beides ſchwieriger iſt, als es den Anſchein hat, und nur durch viele Uebung erlernt werden kann. Zum Longiren aber und zwar bei Beginn deſſelben, gehören, ſoll es mit aller Vorſicht geſchehen, vier Mann. Der Erſte hat nichts zu verrichten, als ſich auf einem Punkte zu erhalten und auf einem Abſatze im Centrum der Volte zu drehen. Beim Rechtslongiren ſteht er auf der rechten Ferſe und ſetzt den linken Fuß um den rechten cirkel— förmig, er hat die Longe ganz gleichmäßig aufgewickelt in der rechten Hand, welche hinter der rechten Hüfte angeſetzt iſt, damit er, wenn das Pferd ſtark in die Longe drängen ſollte, dieſem durch das Zurückbiegen des Oberleibes, durch die Schwere ſeines Körpers Gegengewicht geben könne, ohne in der Hand Kraft anwenden und ſeinen Platz verlaſſen zu müſſen. Die linke Hand hält verloren die nach dem Pferde gehende Longe. Der zweite Mann, welcher nur ein Reiter ſein kann, iſt der eigentliche Longenführer. Er verfügt ſich in die Volte an die Longe, führt ſie beim Longiren rechts mit der rechten, beim Longiren links mit der linken Hand, und zwar ſo, daß die Knöchel nach oben ſtehen, und vor Allem in der geraden Linie der Longe, vom Pferde bis zum Longenhalter, dem Mittelpunkte der Volte keine Störung ſtattfinde. In der dem Pferde zunächſt ſtehenden Hand führt er eine Ruthe um mit ihr Hülfen ertheilen zu können. Der Dritte muß, ſoll er ſeine Obliegenheiten als Peitſchen- und Ruthenführer erfüllen, wie der zweite ein Reiter ſein und den richtigen Gang des Pferdes vom falſchen zu unterſcheiden Von der Bearbeitung des Pferdes. aM wiſſen, um zur rechten Zeit und a tempo Hülfen und Stra— fen zu verabfolgen. Weil dieſe nun Vor-, Mittel- und Nach— hand betreffen, muß er auch gewandt und augenblicklich auf dem rechten Flecke, ſelbſt hinter dem Pferde ſein. Er führt Peitſche und Ruthe, damit er gleichzeitig nach vor- und rück— wärts helfen kann. Zögert beiſpielsweiſe das Pferd im Gange und drängt zugleich in die Volte, ſo giebt die Peitſche die Hülfe zum Vorgehen; die Ruthe aber erhält das Pferd in der Longe. Der vierte Mann, ein Reitknecht, führt das Pferd auf der Voltenlinie und in die Longe; nimmt es beide bereitwillig an, ſo geht er mit ihm in den Trab über und verläßt es langſam während des Trabens, ſobald es allein geht. Dieſes Anführen iſt gewöhnlich nur in den erſten Tagen und jedesmal blos für die erſten Touren vorzunehmen, worauf dieſer Mann unnöthig wird. Begiebt ſich das Pferd regelmäßig auf der Volte in die Longe, und wird weitere Vorſicht überflüſſig, gewöhnlich ſchon nach den erſten Tagen, ſo kommt auch der erſterwähnte Longenhalter in Wegfall und das Longiren wird nun von den beiden Reitern (zweiter und dritter Mann) fortgeſetzt. Endlich kann auch der Führer der Peitſche wegbleiben, ſobald das Pferd an der Longe geritten wird und ſobald es willig iſt; er darf aber bei widerſetzlichen Pferden nicht fehlen. Mit ſolcher Vorſicht muß der Anfang des Longirens beginnen, um jede Widerſpenſtigkeit im Keime unterdrücken und dem Pferde ſeine Aufgabe leicht begreiflich machen zu können. Wol ſieht man nur höchſt ſelten einen derartigen Anfang der Longenarbeit, und Mancher wird ihn für Pedanterie erklären, doch iſt er durch vielfältige ſchlimme Erfahrungen vollſtändig gerechtfertigt. 112 Dritter Abſchnitt. Die Werkzeuge zum Longiren ſind Kappzaum, Trenſe und Laufgurt. 5 Der Kappzaum muß nach der Naſe geformt, und mit Rehleder, ſowol inwendig als auswendig gefüttert ſein, damit er das Pferd nicht verletze und ſcheu vor ihm mache. An den Enden ſeines Bügels muß er Ringe haben, in welche man den Kinnriemen befeſtigt, damit dieſer vor dem Trenſen— gebiſſe ſo geſchnallt werden kann, daß der Kappzaum ſeine Lage erhalte und die Trenſe wirke, ohne die Lefzen des Maules zu beſchädigen. Die Lage des Kappzaumes darf weder zu hoch ſein, weil er ſonſt an Wirkung verliert, noch zu niedrig, weil er ſonſt die freie Athmung hemmt und dem Pferde in jeder Art ſchmerzlich wird. Die Hörner des Kapp— zaumes, an ihren Enden rückwärts gebogen, dürfen weder zu lang noch zu kurz ſein. Das Gebiß der Trenſe beſitze die hinlängliche Stärke. Der Laufgurt mit breitem Deckel ſoll möglichſt dahin zu liegen kommen, wo ſpäter die Sattelgurte ihre Stelle finden. Er muß 3 Ringe haben, den einen genau in der Mitte des Deckels, die beiden anderen ihm nahe zur Seite. Der innere Trenſenzügel wird in den mittelſten Ring, welcher ſich genau über der Mitte des Pferdes befinden muß, ſo eingebunden, daß er den Kopf um etwas hereinnimmt. Der äußere Trenſenzügel wird in dem äußeren Ringe ſo weit an— gezogen und gebunden, daß ihn das Pferd wohl fühle. Der innere Kappzaumzügel wird in den inneren bisher freigebliebenen Ring eingebunden, in der Art, daß durch ihn ebenfalls der Kopf hereingehalten wird. Den äußern Kapp- zaumzügel bindet man in den äußeren Ring, in welchem ſich Von der Bearbeitung des Pferdes. 113 der äußere Trenſenzügel befindet, ſo ein, daß er ohne Wir— kung bleibt. Das der Volte entgegengeſetzte und fehlerhafte Ausbinden nach auswärts hindert das Pferd am Buge nach der Vol— tenlinie, nöthigt zum falſchen Gang, bindet die Schultern und macht ſie endlich ſteif. Der Longenführer hat die Longe nun jederzeit ſo zu hal— ten, daß die Linie derſelben von der Naſe des Pferdes bis zum Mittelpunkte der Volte ganz genau beobachtet wird. Mittelſt der Longe kann der Führer folgende Haupthülfen ge— ben: Verſammlung des Pferdes durch einen Anzug aufwärts in der Linie der Longe; — Pariren des Pferdes, durch Vor— treten nach dieſem zu mit vorangegebener Hülfe; — drängt das Pferd in die Longe, ſo wird ſie druckweiſe in ihrer Linie angenommen; — drängt das Pferd in die Volte, ſo wird die Longe durch die Hand vor ihre Linie oder vor den Mittel— punkt der Volte gerichtet. Fehlerhaft dagegen wirkt die Longe, ſobald man ſie abwärts oder hinter ihre Linie, hin— ter den Mittelpunkt der Volte führt. ö F. 31. Von dem Gleichgewichte. Gleichgewicht iſt gleichmäßige Vertheilung der Schwere des Pferdes, die für gewöhnlich der Vorhand zufällt, auf Vorhand und Nachhand, und geht allein aus regelmäßigen Gängen, aus der Haltung des Pferdes, aus dem Richten und Biegen deſſelben hervor. Ohne dieſe iſt Gleichgewicht undenkbar. Wie weſentlich nothwendig, wie unentbehrlich daſſelbe aber iſt, erhellt aus Folgendem: Käſtner, Reitkunſt. 8 114 Dritter Abſchnitt. Vom Gleichgewichte hängt der regelmäßige, thätige Gang ab, und von dieſem die volle Thätigkeit ſämmtlicher Flechſen, welche Vor- und Nachhand beſtimmen; es conſer— virt das Pferd, indem durch daſſelbe ſeine Kraft entwickelt wird, ſo daß es lang ausdauernd arbeiten kann, ohne zu ermüden, und ohne die Vorhand zu benachtheiligen; aus ihm kann ſich das Pferd allein ohne Nachtheil auf das Hintertheil ſetzen und ſich richtig pariren; von ihm hängen die ausge— dehnten Gänge, als raſcher Trab, ausgedehnter Galop, die Karriere, wie auch der Sprung ab. Endlich iſt die freie Be— wegung der Schultern nur bei Gleichgewicht möglich. Der Reiter blos wird Gleichgewicht des Pferdes herſtellen können, welcher fein eigenes Gleichgewicht zu Pferde eben fo ungezwungen, als auf eigenen Füßen zu ebener Erde zu er— halten verſteht, welcher die eigene Schwere mit dem Mittel— punkte des Pferdes zu vereinigen und zu erhalten weiß, zu— gleich den Anforderungen des Sitzes, der Haltung und der Hand entſpricht und den Bau und die Veränderungsfähig— keit des Pferdes kennt. §. 32. Von der Anlehnung. Anlehnung iſt die Seele der Reitkunſt. Für gewöhn— lich verſteht man unter ihr nur die gleichmäßige, ununter— brochene und ſanfte Annahme beider Zügel von Seiten des Pferdes; allein das kann und muß ſchon geſchehen wenn es noch ungebildet iſt, und kann daher nicht blos hierunter An— lehnung zu verſtehen ſein. Anlehnung kann nur im inneren Zügel unter Verwahrung des äußeren, Von der Bearbeitung des Pferdes. 115 beirichtiger Stellung und Biegung im Genick, bei Gleichgewicht und richtigen Gängen ſtatt— fin den. Ohne richtigen Bug des Genicks, ohne vollkommene Uebereinſtimmung des Sitzes, der Haltung, der Führung des Reiters und ſämmtlicher Hülfen, ohne genaue und gefühl— volle Führung der Hand über der Mitte des Pferdes, iſt Anlehnung nicht möglich; denn bei falſchem Buge legt ſich das Pferd entweder auf den inneren Zügel und macht ſich frei vom äußeren, tritt hinter den inneren Zügel und legt ſich auf den äußeren, oder legt ſich in beiden auf, oder tritt hinter beide. Die Hülfen um Anlehnung hervorzubringen, erfolgen durch den äußeren Zügel druckweiſe gegen den inneren, wel— cher ſtäte verbleibt; durch den inneren Schenkel und ſenk— rechtes Verbleiben des äußeren in der Hülfe im Bügel. Falſche Anlehnung findet ſtatt, wenn das Pferd hinter den inneren Zügel tritt und ſich feſt in den äußeren begiebt. | Das Auflehnen im inneren Zügel findet ftatt, wenn das Pferd den äußeren Zügel verläßt und ſich auf den inne— ren begiebt, ohne hart und feſt zu ſein. Das Auflehnen auf beide Zügel, ohne feſt zu werden, iſt für viele Reiter ein Bedürfniß, und es bedingt das nicht das Verlaſſen der Richtung, des Gleichgewichtes und der Po— ſition. Entſteht aus dieſem Auflehnen, das Auflegen oder Feſtwerden, dann wird es zum größten Fehler, denn Richtung, Gleichgewicht, Poſition, Wendſamkeit und Gehor— ſam gehen verloren und der Fehler kann zu allen Untugenden ausarten. 8 * 116 Dritter Abſchnitt. Jeder Reiter und insbeſondere derjenige, welcher ſich mit der Dreſſur der Pferde befaßt, muß es ſich vor Allem angelegen ſein laſſen, ſich das Gefühl des Gleichgewich— tes und der Anlehnung des Pferdes zu verſchaffen. Dies kann er aber nur mit Anwendung des größten Fleißes und Nachdenkens, bei gleichzeitigem Unterricht eines tüchtigen Reitlehrers, welcher auf die Momente aufmerkſam zu machen weiß, in welchem ſich das Pferd im Gleichgewicht befindet und Anlehnung nimmt. Damit aber hierzu dem Lehrer Ge— legenheit geboten werde, iſt es unerläßlich, daß er den Schü— ler von Haus aus auf vollkommen durchgerittene Pferde, und in dem Grade, als ſich dieſer vervollkommet, auf feiner gearbeitete und endlich auf Schulpferde ſetze. Iſt dies der Lehrer nicht im Stande, ſo bleibt der beſte Unterricht Stück— werk, der größte Fleiß des Schülers trägt nur geringe Früchte, ja bei den beſten und ſchönſten Anlagen gehen für ihn Jahre verloren in denen er nicht lernte, was er ſonſt in Monaten erfaßt haben würde. Vornehmlich muß alſo auch das Pferd dem Schüler Lehrer ſein; denn nur durch dieſes kann er ſeinen Sitz, ſeine Hand bilden das Gefühl von Gleichgewicht und An— lehnung bekommen. Der Grad der Ausbildung des Pferdes beſtimmt den Grad des Gefühles, welchen es dem Reiter geben kann. Durch zweckmäßigen Unterricht macht der Schüler auf immer feiner gearbeiteten Pferden beſtändig neue Fortſchritte, und nach Jahren fortgeſetzten Fleißes wird oder kann er in eine neue Bildungsſtufe eintreten, in welcher er ſelbſt Lehrer Von der Bearbeitung des Pferdes. 17 9 für Reiter und Pferd wird und erkennt, daß man nur in dem Grade lehren kann, als man ſelbſt ausgebildet iſt. F. 33. Das Richten oder Stimmen des Pferdes. Das Richten, die erſte Beſchäftigung mit dem rohen Pferde, erfolgt zunächſt auf der Stelle und hierauf im Gange. Der Zweck deſſelben iſt, das Pferd nach und nach in die, ſeinem Baue entſprechende, zur ganzen Dreſſur nöthige und übereinſtimmende Stellung zu bringen, d. h. die einzelnen Theile des Pferdes, wie Hals, Schultern, Rücken, Hintertheil, ſo zu einander zu ſtellen, daß ſie die größtmöglichſte Thätig— keit entwickeln und gleich einem Uhrwerke in einander greifen. Insbeſondere iſt daher dem Halſe ein ruhiger, unver— bogener, ſtäter Stand an Widerrüſte und Schultern zu geben; ſo zwar, daß die Hals- und Rückenwirbel eine vollkommene gerade Linie bilden. Dieſe Linie muß ſpäter an der Seiten— biegung des Pferdes theilnehmen. Aus dem Richten des Pferdes entſpringt Haltung deſſelben, Biegſamkeit, Gleich— gewicht und endlich Anlehnung. Bei dem Richten auf der Stelle hat zunächſt das Gerad— und Beiſammenſtellen des Pferdes zu erfolgen. Dies beſteht darin, daß es gleichmäßig mit unverwandten Schultern und Hüften, geradem Rücken und gerade in die Höhe ſtehendem Halſe ſenkrecht auf ſeinen 4 Füßen ſteht — dieſe alſo weder vor noch hintereinander, ſondern genau nebeneinander. Ge— wöhnlich wird der Gebrauch beider Schenkel hierbei erforder— lich, um das Hintertheil, welches das junge Pferd gern zurückſtellt, heran- und beitreten zu laſſen, damit die Schwere 118 Dritter Abſchnitt. des Reiters gleichmäßiger vertheilt werde und über der Mitte zu ruhen komme. Hierauf erſt richtet man den Hals, d. h. man giebt ihm diejenige Stellung, in welcher er ſich mit ſei— nen Wirbeln in gerader Linie mit der dem unverbogenen Rückenwirbel an dem Widerrüſte in mitten der Schultern erhebt, und zwar ſo, daß man das Genick in die Hand be— kommt. (Fig. 46 u. 47.) Fig. 47. Das Richten hat alſo zunächſt das Pferd in ſeiner Linie vom Genick bis zum Kreuze in unverbogene Stellung zu bringen und darin zu beſtätigen. Von der Bearbeitung des Pferdes. 119 Jedes Pferd hat überhaupt nur eine dem Baue deſſelben und zum Reiten entſprechende Hals- und Kopfitellung, in welche es gebracht und in welcher es gearbeitet werden muß; dieſe kann alſo nie eine beliebige ſein. Sie wird durch das Genick beſtimmt, deſſen Stellung ſich in Bezug auf Höhe oder Tiefe auf einen ſehr geringen Raum, wenn nicht auf einen Punkt, fixirt. Dieſen hat der Reiter aufzuſuchen und nur dann gefunden, wenn ein geringer Zügeldruck durch das Genick auf das ganze Pferd rückwärts wirkt. Das rohe Pferd aber widerſtrebt dem Reiter mit richtig geſtelltem Genicke in der Hand zu verbleiben, einerſeits, weil es ihm unbequem iſt und es ſich dadurch gezwungen ſieht, ſich in die Gewalt des Reiters begeben zu müſſen, ſodann, weil dieſe Stelle auch eine ſehr empfindliche iſt. Darum nimmt es gern eine höhere oder tiefere Halsſtellung ein, wirft ſich auf einen oder den andern Zügel, und befreit ſich vom entgegengeſetzten, um mit verbogenem Genicke aus der Hand treten zu können. Somit verliert der Reiter allen Einfluß auf's ganze Pferd, weil es ſich verbiegt und ſeine Schwere unregelmäßig vertheilt. Da mithin die Auffindung und Erhaltung der geeigneten Halsſtellung von größter Wichtig— keit iſt, ſo ergiebt ſich, daß ſich nicht jeder Reiter mit der Dreſſur befaſſen kann, daß vielmehr hinreichende Erfah— rung und Fertigkeit dazu gehört; denn bei fehlerhafter Hals— ſtellung iſt jeder Tritt des Pferdes ein nutzloſer und vergeb— licher. Beſonders ſchwer läßt ſich das Genick des rohen Pferdes, mittelſt des Maules, in die Hand bringen bei beweglichem Hintertheile und Rücken; bei beweglichem ſchmalen Halſe; wenn ſich der Hals in der Mitte nach einer Seite oder ab— 120 Dritter Abſchnitt. wechſelnd verbiegt; wenn es denfelben abwechſelnd hoch oder tief tragen will; ihn auf und abwirft; ingleichen, wenn die Genicklänge zu kurz oder zu lang und nachgiebig iſt. Wie ſehr oder wie wenig nun auch die Veränderung der Hals- und Kopfſtellung nöthig fein möge, jo muß der Reiter vom erſten Augenblicke des Beſteigens an bedacht ſein, dem Genicke den richtigen Stand anzuweiſen, denn von ihm aus kann und muß allein auf's ganze Pferd eingtwirkt werden, ſobald ein guter Erfolg ſtattfinden ſoll. Durch den richtigen Stand des Halſes mit dem Genicke verſchafft ſich der Reiter in Hand und Sitz das Gefühl vom ganzen Pferde, ſo daß es ihm möglich wird, alle Verbeſſerungen wahrnehmen zu können, die er mit ihm vorzunehmen hat und deren es fähig iſt. Nur mittelſt dieſes Gefühles iſt die gute, ſchöne und ohne Unterbrechung richtige Stellung des Kopfes und Halſes, an welcher der übrige Körper engverbunden theilnimmt, ſo— wie geſammelter Gang und Gehorſam zu eweichen. Die Hülfen zum Richten oder Stimmen des Pferdes ſind: der äußere Zügel wohlverwahrt. Stellung des inneren Zügels in der Richtung gegen die äußere Schulter des Reiters und äußerer Schenkel. Der innere Schenkel verbleibt gerade und weich, um das Hereindrängen der Croupe zu verhüten. Das gerichtete Pferd wird nun ſo angeritten und iſt verſammelt im Gange zu erhalten. Muß der Hals herabgenommen wer— den, ſo geſchieht dies durch das Senken des äußeren Zügels, muß er gehoben werden, geſchieht es durch das Heben des— ſelben. Nach erfolgter Richtung treten beide Zügel wieder in die zuvor angegebene Stellung. Don der Bearbeitung des Pferdes. 121 Fehlerhaft wird das Richten, wenn dem entgegegeſetzt verfahren wird, z. B. wenn zum Herabnehmen oder Auf— heben des Halſes der innere Zügel gebraucht, der äußere außer Wirkung geſetzt wird, und der innere Schenkel hilft. Man wird das Pferd zur entgegengeſetzten Hand verſtellen, zum Ausfallen mit der Croupe, zum Drängen nach der Barriere nöthigen. F. 34. Von dem Biegen. Obgleich Richten und Biegen zwei ganz verſchiedene Ver— richtungen des Reiters ſind, ſo ſtehen ſie nicht nur in engſter Verbindung zu einander, ſondern ſie müſſen auch vollkom— men in einander verſchmelzen, weil richtiges und gutes Biegen nur bei richtiger und guter Richtung des Pferdes ſtattfinden kann. Durch Beides arbeitet man auf Haltung des Pferdes hin. Das Biegen ſoll insbeſondere allen Zwang beſeitigen und alle Theile übereinſtimmend nachgiebig und gefügig machen. Darum verlaſſe man nicht die Baſis, auf welcher das richtige Biegen beruht, nämlich Richtung und Gang des Pferdes; ſie zunächſt herzuſtellen iſt die erſte Aufgabe des Reiters. Das Biegen erſtreckt ſich nicht nur auf Genick und Hals, ſondern überhaupt auf Vor-, Mittel- und Nachhand. Iſt das Pferd gut gerichtet und wird daſſelbe in Genick und erſtem Halswirbel richtig gebogen, ſo ſind die übrigen Theile bei richtigem Sitzen, Führen und Hülfen zur Theil— nahme an richtigem Buge gezwungen. Iſt der Bug des Genickes und der erſten Halswirbel falſch, oder wird das 122 Dritter Abſchnitt. Unterhalten des richtigen Buges durch fehlerhaften Sitz, falſche Haltung und Führung des Reiters unmöglich, ſo wird die regelrechte Verbindung der Halswirbel mit den Rücken— wirbeln unterbrochen; die Richtung geht verloren, und der fehlerhafte Bug geht auf das ganze Pferd über. Das Biegen erfordert alle Einſicht des Reiters, und Uebereilung in der Arbeit iſt entweder Zeitverluſt, oder der— ſelbe zerbricht ſelbſt bei ſonſt richtigem Verfahren das Pferd durch Strenge, welche er anwenden muß. Aus der Richtung, in welcher die Schwere des Pferdes gleichmäßig auf allen vier ſenkrecht und geradegeſtellten Füßen ruht, und der Hals ſich aus der Mitte der Schultern erhebt, geht man zu dem Biegen über, indem der äußere Schenkel ſtäte und zwanglos verbleibt um den Stand des Pferdes zu erhalten; nun nimmt man mittelſt des inneren Zügels in der Stellung gegen den Pferdehals und etwas rückwärts den Kopf herein, giebt im Augenblick die Hülfe mit dem äußeren Zügel gegen den inneren durch einen Druck der Hand (auf- oder abwärts, wenn nöthig) und unterſtützt dieſe Hülfe durch den inneren Schenkel gerade gegenüber dem äußeren. Der Reiter nähert ſich mit den inneren Geſäßknochen der Mitte des Pferdes und biegt ſich nach Umſtänden auch in der inneren Seite hohl. Alle dieſe Hülfen müſſen zu gleicher Zeit erfol— gen. Die Wirkung des inneren Zügels muß wie immer eine ſtäte ſein, die des äußeren Zügels, welcher die Richtigkeit der Poſition und den Grad derſelben beſtimmt, iſt druckweiſe. Die Hülfe des inneren Schenkels wird eine ganz falſche werden, wenn ſie nicht vollkommen weich und zwanglos am Gurte, dem äußeren Schenkel gegenüber, oder ausnahms— Von der Bearbeitung des Pferdes. 123 weiſe etwas vorwärts erfolgt. Geſpannt drängt ſie das ganze Pferd gegen die äußere Seite. Hinter dem Gurte gebraucht, wirft ſie das Hintertheil hinaus und hebt auch hier die Wir— kung des auswendigen Schenkels auf. Speciellere und detaillirtere Angaben der Hülfen zum Richten und Biegen, laſſen ſich nicht zu Papier bringen, ſon— dern müſſen der Praxis überlaſſen werden; denn es ſind dieſelben zu mannigfaltig, zu ſehr von der verſchiedenartigen Bauart, den Temperamenten und Kräften des Pferdes, wie von den Eigenſchaften des Reiters abhängig, und beſtehen oft in ſchein bar gleichgültigen und wirkungslos veränder— ten Stellungen und Verrichtungen der Hand, der Schenkel, des Sitzes, weil ſie nicht ſichtbar ſind; obwol ſie doch den weſentlichſten Einfluß üben. Mit der Richtung des Pferdes hat man ſich beſtändig, vorzüglich aber vor und nach Gängen, welche beſonders Gelegenheit und Veranlaſſung zum Aufgeben derſelben bieten zu beſchäftigen, z. B. auf gerader Linie bei Renvers und Travers, theils weil ſie größere Anſtrengung erfordern, theils weil bei ihnen der Reiter eher in Fehler verfällt; z. B. das Nachaußenziehen der Hand, das Halten des äußeren Unter— ſchenkels unter den Leib des Pferdes ꝛc. Zu biegen hat man das Pferd insbeſondere vor und nach Gängen, welche vermehrte Biegung verlangen oder auch be— zwecken, z. B. beim Schultereinwärts, auf der Volte und wenn das Pferd das Wenden weigert. Der gewöhnliche Fehler, welcher leider ſo oft vorkommt, beſteht in dem Hereinziehen des Halſes und Kopfes, oder auch nur der Naſe, mit dem inneren Zügel, dem Herein— 124 Dritter Abſchnitt. drücken des Hintertheiles mit dem auswendigen Schenkel durch Hülfen hinter dem Gurte oder in dem Ausfallen des— ſelben durch unrichtige Hülfen des inneren Schenkels hervor— gerufen. Das Pferd biegt ſich nun, in der Regel bei ſchlech— ter Hand und ſchlechtem Sitze, natürlich nicht im Genicke, ſeinem empfindlichen Theile, ſondern es verbiegt ſich in den mittleren und unteren Halswirbeln um bei weniger Schmerz größeren Widerſtand leiſten zu können. Es biegt ſich nun nicht mehr in den Rückenwirbeln, nicht in Hanken- und Sprunggelenken, ſondern es verbleibt hier gewöhnlich ſo viel als möglich gerade und ſteif, um eben auch durch ſie möglich— ſten Widerſtand üben zu können, indem es jetzt zugleich in ſeinem natürlichen Gleichgewichte geſtört iſt. Es weicht nun mit der äußeren Schulter dergeſtalt aus, daß es ſchon auf gerader Linie, vermehrt aber auf der Volte mit derſelben ab— wärts von der Linie tritt, wobei die Bewegung der inneren Schulter gebunden oder geſperrt wird. (Fig. 49.) Durch das Hereinziehen des Halſes wird die Richtung und die natürliche, gerade Folge des Pferdes unter— brochen, weil die Verbindung der Hals- und Rückenwirbel geſtört iſt, und es treten daher folgende Nachtheile ein: die Zügelwirkungen brechen ſich in den Hals- und erſten Rücken— wirbeln, ſie gehen nicht auf das ganze Pferd über, verlieren ſich wol auch ſchon im Halſe. Von natürlichen, freien Gängen, vom Befördern und Entbinden dieſer, ſo wie der Schultern, kann nicht mehr die Rede ſein. Das Pferd vermag in ſo verſchobener Stellung und wegen Mangel an allem Gleichgewichte weder mittle noch kurze Gänge zu gehen, es wird, um ſeine Glieder in die natürliche Rich— Von der Bearbeitung des Pferdes. 125 tung und Folge zu einander bringen und um ſich gleichzei— tig vom Zwange befreien zu können, die Hand nehmen, ſich auf einen Zügel auflegen und in längere Gänge zu kommen — Fig. 48. ſuchen. Nur durch Kraft wird es ſich auf einige Zeit in kurze aber durchweg fehlerhafte Gänge zwängen laſſen, aber 126 Dritter Abſchnitt. auch dieſen auf die eine oder andere Weiſe auszuweichen wiſſen. Auf ein gleichmäßiges und naturgemäßes Biegen kann in keinem Falle hingearbeitet werden und kann daher auch nie Anlehnung ſtattfinden, denn das Pferd muß ſich auf einen Zügel auflehnen, der Reiter verliert alle Vortheile und jede Gewalt, und daſſelbe kann unternehmen was es will. Selbſt unempfindliche Pferde werden ungezogen, unfolgſam gemacht, nicht allein durch die beſprochenen Fehler, ſon— dern auch, weil der Reiter nun in der Regel auf die unver— ſchuldeten Unregelmäßigkeiten des Pferdes Strafen folgen läßt, welche natürlich bei falſchem Verfahren nicht beſſern können, wol aber alle Fehler verſchlinmern müſſen. So werden die Pferde mit Hülfen und Strafen überhäuft, die ihnen ebenſo unverſtändlich ſind wie dem Reiter. Ferner werden Gelenke, Flechſen und Muskeln vor der Zeit ange— griffen, ruinirt, ja jeder Nerv des Pferdes ertödtet. Auf derartig verrittenen und verſtellten Pferden können denn auch unmöglich junge Reiter gebildet werden; indem dieſe durch die jenen zur Gewohnheit gewordenen unregelmäßigen Bewegungen, zu fehlerhaftem Sitze verleitet werden, dieſen annehmen müſſen, mögen der Anweiſende und ſie ſelbſt noch ſo ſehr entgegenarbeiten. Doch es kommt recht oft bei dieſen verftellten und hier durch mit Untugenden ausgeſtatteten Pferden vor, daß ſie durch Anfänger weſentlich gebeſſert werden, lediglich und allein aber dadurch, weil ſie bei dieſen ohne oder mit weniger Zwang gehen können. Das iſt nun weder ein Lob für den früheren Reiter noch für den Lehrer. Eine große Anzahl von Reitern indeß wird auf ſolchen Pferden ausgebildet; ſie können nicht andere und nur immer Von der Bearbeitung des Pferdes. 127 dieſelben zum Reiten erhalten, folglich werden ſie, abgeſehen von den vorſtehenden erwähnten Nachtheilen ſelbſt bei den beſten Anlagen nur mittelmäßige Reiter bleiben müſſen, da ſie das Gefühl von einem gut und richtig gehendem Pferde nie— mals erhalten. Der beſte Reiter — muß endlich bemerkt werden — iſt nicht immer gleich Herr des verbogen gehen— den Pferdes, um wieviel weniger kann es der ſchlechte Reiter ſein. In Folge fehlerhaften Biegens ſieht man junge Pferde mit gutem Gange von Tag zu Tag ſchlechter gehen, bis ſie endlich gar keinen natürlichen und regelmäßigen Gang haben. Solche Pferde zu beſſern erfordert oft mehr Zeit und Geſchick— lichkeit als wären ſie ganz roh. Alſo dem richtigen Biegen muß nicht nur das Richten vorangehen, ſondern es muß immer und ununterbrochen ſtattfinden. Ein ſolches Ver— fahren iſt Zeitgewinn; denn das Biegen mit falſcher Richtung oder ohne dieſelbe bleibt unbedingt das Schlechteſte, was der Reiter thun kann. Das vollkommen richtige Biegen verlangt mithin nicht nur einen geübten Reiter, ſondern auch einen theoretiſch gebildeten, der den Bau des Pferdes kennt, auf dieſen einzugehen weiß und nicht wähnt denſelben nach eige— nen Belieben umwandeln zu dürfen. Darum iſt Allen zu rathen, welche fühlen und wiſſen, daß ihnen jene Fertigkeit und Kenntniß fehle, aber doch möglichſt regelmäßige, natür— liche Gänge erhalten und reiten wollen, ſich vor Allem nur mit dem Richten zu beſchäftigen, und das Biegen ganz wegzulaſſen. 128 Dritter Abſchnitt. §. 35. Natürliche und künſtliche Gänge. Natürliche Gänge ſind Schritt, Trab, Galop und Kar— riere; künſtliche ſind die auf der Volte und das Zurücktreten auf einem Hufſchlage, ferner Schultereinwärts, Renvers, Travers, auf zwei Hufſchlägen. Dieſe natürlichen und künſt— lichen Gänge muß das Campagne- und Soldatenpferd im Gleichgewicht, jedoch mit mäßiger Kopfitellung und Halsbie— gung gehen können, ſobald es durchgeritten ſein ſoll. Die Schulgänge unterſcheiden ſich von den erwähnten, natürlichen und künſtlichen dadurch, daß ſie mit größter Ver— ſammlung und ſtärkſter Kopfſtellung und Halsbiegung ge— ritten werden. Der Schritt heißt Schulſchritt, der Trab Schule tritt. Der Galop mit drei Tempi und zwei Zwiſchenräumen heißt Galopade, welche vier Tempi mit drei Zwiſchenräumen hat. Der Unterſchied alſo zwiſchen Soldaten- und Schul— pferd beſteht nicht in der Arbeit nach verſchiedenen Syſtemen, ſondern lediglich darin, daß erſteres die Gänge im Gleichge— wicht weniger erhaben und an der Erde weg entweder mit wenig Kopfſtellung und gekrümmtem Halſe, oder geradaus— geſtellt, letzteres aber die Günge erhaben mit ganz gekrümm— tem Halſe gehen ſoll. $. 36. Ueber die Ausarbeitung des Pferdes unter dem Reiter. Iſt das Pferd genügend an der Longe vorbereitet, d. h. kennt es die Longe, die Zügel, die Hülfen mit Peitſche und Ruthe, den Sattel, und ſind die Gänge richtig geworden, — Von der Bearbeitung des Pferdes. 128 jo iſt der Zeitpunkt zum Anreiten eingetreten und Alles was der Reiter zu unternehmen hat muß, ſo wie früher, um ſo mehr jetzt dem Faſſungsvermögen, dem Bau und der Kraft des Pferdes angemeſſen ſein. Die Ausarbeitung des Pferdes auf Kappzaum und Trenſe bietet den weſentlichen Vortheil, daß durch ſie die Kopf- und Halsſtellung des Pferdes beſſer beſtätigt werden kann, als dies allein mit der Trenſe möglich iſt. Der innere Kappzaum— zügel hat jedoch nichts anderes zu thun, als die Kopfſtellung zu erhalten. Hierdurch wird das Maul des Pferdes geſchont. Das Reiten auf Kappzaum und Trenſe iſt jedoch ſehr ſchwer, und glückt ſehr wenigen Reitern; denn da das Pferd mit ſchwerem Kopf und Hals gern ſtark in die Hand geht, ſich oft den ganzen Kopf tragen läßt, was anfänglich gar nicht zu ändern iſt und dem Pferde geſtattet werden muß, ſo ſind eine beſonders geſchickte Hand, ganz entbundener Sitz und gute Haltung erforderlich, um, wenn nöthig, Kraft an— wenden, dabei aber durchaus zwanglos und weich verbleiben zu können. Dieſe hat ſich lediglich durch die Vorarme mit Zurückbiegen des Oberleibes zu äußern. Beſitzt der Reiter dieſe Geſchicklichkeit und den erforderlichen Grad der Aus— bildung nicht, weiß er ſein Pferd auf Kappzaum nicht voll— kommen nachgiebig und empfindlich für die Hand zu machen, ſelbſt bei geringem Gefühl deſſelben, weiß er es nicht ſo zu erhalten, läßt er es ſich beikommen, das Auflegen des Pfer— des mit dem Kappzaum zu ſtrafen, ſo möge er den Kapp— zaum ja bei Seite legen; denn das empfindliche Pferd wird er ungezogen machen, das unempfindliche ſo in die Hand bringen, daß er es nicht mehr zu halten vermag. Käftner, Reitkunſt. 9 — — — — — 2 —ęꝑ-—ẽ—l— —ꝛ— Ze = — 130 Dritter Abſchnitt. Mit Erfolg wird daher der Kappzaum nur auf Schul— bahnen angewendet werden, einerſeits zur Ausarbeitung der Pferde, da zu derſelben die Zeit nicht beſchränkt zu werden braucht, andererſeits, um ſchon geſchickteren Reitern den Ge— brauch deſſelben auf Schulpferden lehren zu können. Die Hülfen beim Reiten auf Kappzaum und Trenſe kön— nen keine anderen ſein, als die beim Reiten lediglich auf Trenſen; andere Wirkungen und Richtungen können die Zü— gel nicht haben, wenn auch der Kappzaum auf der Naſe liegt. Deſſen äußerer Zügel darf nie wirken. Zur gewöhnlichen Dreſſur legt man dem Pferde eine Doppeltrenſe und einen leichten, ledernen Kappzaum auf, um es an dieſem nöthigen— falls an die Longe nehmen zu können, vornehmlich aber um den Gebiſſen eine ruhige Lage zu geben und das Sperren des Maules zu hindern. Zunächſt nun hat ſich der Reiter während des Ganges mit dem Richten des Halſes und der Stellung des Kopfes zu be— ſchäftigen. Das Weitere iſt das Ordnen und Regeln des Gan— ges, daß nämlich das Pferd in einen ſolchen gebracht werde, in welchem es ſeine Glieder gehörig brauchen muß, ohne ſich zurückzuhalten oder zu übereilen. Dabei giebt es für jedes Pferd ein beſtimmtes Maaß des Ganges, in welchem es ge— arbeitet werden muß, und dieſes iſt der geſammelte Trab, in welchem nach der Beſtimmung des Reiters ein Tritt wie der andere ſein ſoll. Die Richtung des Pferdes, die Erlangung des natürlichen Ganges, und wenn er vorhan— den iſt, die Unterhaltung deſſelben bei gleich- Von der Bearbeitung des Pferdes. 131 mäßigem Tempo find alſo die erſten Grund— lagen zur Ausarbeitung. Legt hierin das Pferd dem Reiter keine Schwierigkeiten mehr in den Weg, erſt dann darf er an das Biegen denken. Häufig ſieht man aber ganz im Gegenſatz zu dieſer An— weiſung arbeiten, und trotz der Unfähigkeit des Reiters zu lehren, ſoll das Pferd lernen. Verkehrtermaßen fängt man gewöhnlich mit dem erſten Beſteigen des rohen Pferdes ſofort das Biegen an, ſo daß alſo die Dreſſur von vornherein unrichtig beginnt. Wer den Hals nicht bearbeiten kann, nicht verſteht, ihm diejenige Rich— tung zu geben, durch welche allein ein guter und durchgän— giger Einfluß auf das Pferd möglich und deſſen Bewegung befördert wird, von welcher die guten und regelmäßigen Gänge, die Haltung, die Biegung, das Gleichgewicht und Anlehnung abhängen, der iſt auch nicht im Stande ein Pferd ausbilden zu können; denn ausbilden heißt brauchbar, ge— horſam machen und dabei conſerviren. Hierbei muß das Verlangen mancher Reiter erwähnt werden, durch unausgeſetztes und ſtrenges Arbeiten mit den Zügeln das Pferd vor der Zeit leicht in der Hand machen zu wollen. Kann aber das rohe Pferd leicht in derſelben ſtehen, bevor nicht gerichteter Hals, vollkommene Poſition hervorgebracht worden iſt? Jede Arbeit wird weiter durch das beſtändige Zurück— führen, das Rückwärtswirken mit dem unteren Theile der Hand, ohne daß dies der Reiter weiß, zur Unmöglichkeit. Anſtatt, daß das Pferd an der Hand verbleiben, an der— ſelben vorwärts gehen ſoll, muß es derſelben widerſtreben. g* 132 Dritter Abſchnitt. unempfindlich werden, ihr ſeitwärts ausweichen, ſich feſt— machen oder hinter dieſelbe treten, denn wo ſollte es auch endlich mit ſeinem Halſe, und würde es auch noch gleichzeitig durch die Schenkel vorgetrieben, wo mit ſeinem Körper hin? Helfen muß und wird es ſich auf die eine oder die andere Weiſe. Ferner beſchäftigen ſich jo viele Reiter un gebür— lich viel mit künſtlichen Gängen, und doch können die Pferde ſehr oft die natürlichen nicht gehen. Unausbleib— liche Folge aber iſt das Schwächen und Ruiniren der Gelenke. Grundſatz iſt es ferner bei der Bearbeitung, die Vor— hand des Pferdes beweglich zu machen, die Nach— hand aber möglichſt zu beſtätigen; d. h. die Vor— hand ſoll augenblicklich den Zügeln gehorſamen und ſchnell und gewandt in den Wendungen werden. Die Nachhand, durch welche ſich die Vorhand mit Leichtigkeit und Schnellig— keit bewegen und dem Willen des Reiters nachkommen kann, iſt ihre Stütze; durch ſie äußert das Pferd vornehmlich die Kraft zur Fortbewegung; ſie iſt es, welche im Gange alle Richtung und Biegung aufzunehmen hat, da ja ſonſt Gleich— gewicht undenkbar iſt, ſie iſt es, welche fähig ſein muß, augen— blicklich die ganze Schwere der Mittel- und Vorhand über— nehmen zu können; durch ſie erſt wird nächſt der Beweglich— keit der Vorhand, Haltung, Gleichgewicht, Anlehnung und Sicherheit im Gange ermöglicht. Ohne Ueberlegung bemühen ſich aber viele Reiter, die Nachhand beweglich zu machen. Sie laſſen dieſelbe links und rechts treten, ſie verrichten die Wendungen mit dem Hintertheile um das Vordertheil allein durch den inneren Schenkel; ſelbſt auf der Volte, welche ſo correct als nur im— Bon der Bearbeitung des Pferdes. 133 mer möglich geritten werden muß, laſſen ſie einmal das Hintertheil durch den äußeren Schenkel hinter dem Gurte herein, dann wieder und für gewöhnlich durch beſtändige Hülfen des inneren Schenkels hinaustreten, während die Vorhand gleichmäßig auf dem Hufſchlage verbleibt, und hier— durch geſperrt wird. Somit iſt Ausbildung der Vorhand undenkbar, und faſt ſyſtematiſch wird dem Pferde gelehrt, wie es dem Reiter in Allem ausweichen könne, wozu es ja ſelbſt bei richtigem Ver— fahren ſtets Gelegenheit ſucht und auch oft findet. Denn wie kann nun das bewegliche Hintertheil ſtets in Bereitſchaft ſein, ſofort und ſchnell die ganze Schwere der Mittel- und Vorhand aufzunehmen; wie kann daſſelbe regelmäßige Kraft— äußerung auf Vor- und Mittelhand üben, ſobald es unge— regelt folgt; wie vermag das bewegliche Hintertheil zum Hebel zu werden, welcher das Gleichgewicht ununterbrochen zu erhalten hat, ſobald es ſchwankend und unſtäte folgt, bald rechts, bald links ausweicht; wie ſoll ferner regelmäßige und ſtäte Richtung und Biegung ſtattfinden, wenn das Hin— tertheil, der Hebel des Pferdes und die Stütze der Vorhand, mit geöffneten Hüften beweglich und unſtät iſt, und immer in eine neue und andere Richtung zur Vorhand tritt; wie können regelmäßige und zuverläſſige Gänge erfolgen, wenn durch die Beweglichkeit des Hintertheiles die Schwere des Pferdes beſtändig nach vor- und rückwärts wechſelt? Wie ſehr endlich wird dem Pferde mit ſchwachem Rücken und Hin— tertheile die Nachfolge erſchwert, wie wird es vergeblich ange— ſtrengt, obgleich es geſchont werden ſollte, wenn der Reiter dieſelbe ſtört, unterbricht oder nicht herzuſtellen weiß! Selbſt 134 Dritter Abſchnitt. das kräftige Pferd muß geſchwächt werden während man bei richtigem Verfahren und richtiger Folge des Hintertheiles das ſchwache Pferd kräftigt. Alle erwähnten Nachtheile entſtehen indeß nicht blos aus der falſchen Anſicht vieler Reiter, das Hintertheil beweglich machen zu müſſen, ſondern auch aus der Unkenntniß der Bewegung des Pferdes, aus Unkenntniß der Hülfen mittelſt Sitz, Haltung und Hand, oder aus dem Unvermögen zu ihrer zweckmäßigen Ausübung. Hauptſächlich ſind es die Zügelhülfen, welche den Reitern mangeln, und ge— rade ſie ſind es, welche ſo unendlich viel zu verrichten haben, gerade ſie ſind unter allen anderen die unentbehrlichſten, aber auch die am ſchwerſten zu erlernenden, weil ſie auf gutem Sitz und guter Haltung beruhen, und gleich— zeitig mehrere Wirkungen mit einander verbinden müſſen. Darum werden ſie für ſo manchen Reiter ungeachtet der Bei— nahme von einem oder ſogar mehreren Hülfszügeln zum Hemmſchuh, die Ausbildung des Pferdes gelingt nur bis zu einem beſtimmten Grade und dann heißt es: „Bis hierher und nicht weiter.“ §. 37. Verrichtungen bei und vor dem Anreiten. Zum Anreiten des an der Longe bisher gearbeiteten Pferdes an der Longe, oder wie das in der Regel geſchieht, des rohen Pferdes ohne Longe, muß ein geſchickter Reiter gewählt werden, welcher ſich mit Leichtigkeit in den Bügel zu ſchwingen und ruhig in den Sattel zu ſetzen verſteht. Von der Bearbeitung des Pferdes. 135 Um hierbei, wie beim Anreiten Untugenden des Pferdes zu verhüten, muß es durch einen ebenfalls gewandten Mann gehalten und hierauf geführt werden. Zeigt ſich das Pferd willig und gehorſam, kann das Arbeiten ſofort begin— nen. Der Reiter hat, ohne zu viel zu verlangen, das Pferd während des Ganges in die Zügel zu ſtellen und den Hals zu richten. Nach einigen Lectionen wird der Zeitpunkt eintreten, daß vor dem jedesmaligen Anreiten mit dem Richten des Pferdes auf der Stelle begonnen werden kann, um das Pferd nach und nach aus dieſer Richtung verſammelt und im Gleichge— wicht zum Vortreten nöthigen zu können. Durch das Richten wie durch den Sitz und die Haltung der Schenkel erkennt das Pferd die Hand, auf welcher es gehen ſoll. Will der Reiter ganz genau verfahren, ſo muß er darauf halten, daß das Antreten mit dem inwendigen Vorderfuße erfolge, was ein Beweis für Richtung, Biegung und Anlehnung iſt. F. 38. Aureiten im Schritt und Trab. Die Hülfen der Hand oder beider Hände beſtehen ledig— lich in dem Senken derſelben. Das Vorrichten des kleinen Fingers oder beider giebt vermehrte Freiheit. Hierbei müſſen Richtung und Biegung durch äußeren Zügel und Schenkel, welcher letztere den Bügel gut fühlt und zum Vorgehen hilft, genügend verwahrt werden. Der innere Schenkel verbleibt gerade und weich. Die Poſition der Hand im Schritte und Trabe iſt fol— gende. Die Knöchel ſtehen ſenkrecht; der äußere Zügel iſt 136 Dritter Abſchnitt. gegen den inneren, der innere gegen die äußere Schulter ge— richtet. Der äußere Schenkel iſt der Helfende. Nur bei dem rohen Pferde und wenn es der alleinigen Hülfe des äußeren Schenkels nicht nachkommen ſollte, wird der innere gleich— zeitig zu helfen haben; doch muß die Wirkung deſſelben un— bedingt der Wirkung des äußeren nachſtehen, und darf er nur dann und nur ſo lange als unbedingt erforderlich fortgebraucht werden. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Grad der Sammlung des Pferdes im Schritt und Trabe deſſen Ver— mögen hierzu angemeſſen ſein muß, und daß ſie nie durch Kraft erzwungen werden darf. Der geſammelte Schritt und Trab ſind diejenigen Gänge, welche nicht nur den Galop, ſondern allen natürlichen und künſtlichen Gängen zur Grund— lage dienen. Verſteht es der Reiter ſein Pferd im Schritte und Trabe zu bilden, weiß er Alles bisher Geſagte anzu— wenden und auszuführen, ſo folgt alles Uebrige von ſelbſt. Am Schritte des Pferdes kann man die Geſchicklichkeit des Reiters erkennen und prüfen. §. 39. Von der Volte (Zirkel). Die Volte, durch welche man vor allen andern Lectionen Haltung und Biegſamkeit des Pferdes erlangt, weil es ſich genau nach derſelben biegen lernen muß, verſchafft insbe— ſondere: Biegung des Genicks, von welcher die des Halſes und Rückgrates allein abhängt; ferner Ausbildung der jedes— maligen inneren Hanke, indem ſich dieſe verſtärkt biegen muß, Von der Bearbeitung des Pferdes. 137 um durch das Untertreten des Fußes dem Pferde genügenden Stützpunkt geben zu können; ſodann Entbindung der Schul— tern, beſonders der jedesmaligen äußeren, indem ſich dieſe zirkelfürmig bewegen muß; endlich Anlehnung. Der Huf— ſchlag der Vorder- und Hinterfüße, welcher bei dem rohen Pferde breit iſt, wird in Folge der Ausbildung geſchloſſener, weil ſich die äußere Schulter zirkelförmig bewegt und das Pferd mit dem inneren Hinterfuß näher dem äußeren bei— und untertreten lernt. Das Pferd ſoll auf der Volte vom Genick bis zum Schweif einen Theil deſſelben bilden (Fig. 43); das rohe dagegen bildet einen Abſchnitt der Volte, und häufig iſt es ihr ſogar entgegengeſetzt ge- und verbogen. Man beobachte aber auf der Volte mit aller Aufmerkſamkeit, daß 1) der äußere Schenkel ſenkrecht nahe am Pferde, mit ſanft durchgebogenem Kniegelenke und ſo herabgehalten werde, daß das Schienbein näher am Pferde als die Wade ſei. Er muß ſtäte im Bügel verbleiben, weil er nur ſo dem Reiter Haltung verſchaffen kann; — 2) daß der äußere Schenkel die Hülfen genau dem inneren gegenüber gebe, weil ſie ſo nur auf das ganze Pferd wirken; — 3) daß der innere Schenkel ganz weich und gerade herabgehalten in der Hülfe im Bügel verbleibt, wozu ihm das Vorrichten des Abſatzes behülflich iſt. Hierdurch wird die Croupe auf der Volte er— halten; — 4) ſei die innere Seite des Reiters ſanft einwärts und hohl gebogen und die Mitte der Bruſt ſtehe genau der Mitte des Pferdehalſes gegenüber, rechtwinklig auf letztere, indem hiedurch die Schwere des Reiters nach innen verlegt wird, und die äußeren Schenkel des Pferdes in Freiheit ge— ſetzt werden; — 5) werde die äußere Hüfte und Schulter des 138 Dritter Abſchnitt. Reiters vorgerichtet; — 6) werde darauf genau geachtet, daß der innere Zügel vollkommen ſtäte den Kopf erhält, und das Pferd auf der Volte führt; — 7) der äußere Zügel nicht rückwärts, ſondern dem inneren gegenüber und in der Rich— tung nach dieſem aufwärts druckweiſe wirke, (hierbei hilft der äußere Schenkel mit,) um der äußeren Schulter freie Bewe— gung und zwar zirkelförmige zu geben. Die Hülfen mit dem— ſelben müſſen à tempo mit der Bewegung der Schulter erfolgen; — 8) daß Sitz und Führung des Reiters den Anforderungen, welche an denſelben ge— ſtellt werden, entſprechen müſſen, indem jeder Fehler auf der Volte mehr Nachtheil bringt, als auf gerader Linie. Zur Erläuterung dieſer Punkte bemerke ich noch Folgen— des: Da die meiſten Pferde ſtets der Richtung, Biegung und Anlehnung nicht nur auszuweichen ſondern entgegen zu ſtre— ben ſuchen, indem ſie geſchickt jede geeignete Gelegenheit zu benutzen wiſſen, ſo iſt dieſe ihnen auf der Volte um ſo er— wünſchter, weil ſie mehr Anſtrengung als die gerade Linie verlangt. Darum iſt ein möglichſt genauer Sitz zu nehmen und derſelbe immer von der richtigen Haltung des äußeren Schenkels abhängig, durch welche der Reiter zunächſt ſelbſt Haltung erhält, und nun erſt die falſche Richtung und Bie— gung, ſowie das Drängen des Hintertheiles nach auswärts hindern kann. Der Schenkel muß demnach und wie unter 1) erwähnt ſo liegen, daß er auf das ganze Pferd Einfluß übe. Sobald es auf der Volte den äußeren Schenkel weder flieht noch gegen ihn drängt, alſo ihn reſpectirt, iſt ſicher an— zunehmen, daß ſich daſſelbe trägt und nach der Voltenlinie Bon der Bearbeitung des Pferdes. 139 gebogen ift, obgleich noch Verbeſſerungen nöthig ſein mögen. Cs giebt junge Pferde mit vielem Zwange, ſei es im Genick, in Ganachen, Rücken, Hintertheil ꝛc., welche alles Mögliche aufbieten um nicht in die Voltenbiegung eingehen zu müſſen. Weiß der Reiter nicht zu arbeiten, ſo iſt die gewöhnliche Folge das Freiwerden oder das Nichtannehmen des äußeren Zügels, das Auflehnen auf den inneren, wodurch augenblicklich das Verbiegen des Genicks entſteht. Die ſenkrechte Haltung des äußeren Schenkels und die Haltung im Bügel gehen nun verloren, indem ſich das Pferd in Folge des falſchen Buges in den Rippen, anſtatt ſich nach auswärts zu runden, in die Volte biegt. Durch verkehrten Rippenbug muß ſich der innere Schenkel ſpannen und der Reiter verliert alle Haltung und jeden vortheilhaften Einfluß auf das Pferd. Anſtatt nun vor Allem das Pferd gerichtet und recht gut geführt werden ſollte, ſucht ſo mancher Reiter das Auflehnen auf den inneren Zügel lediglich durch ununterbrochene Hülfen mit demſelben und durch ſtarke Annahme, um den Kopf und Hals nach inwen— dig zu ziehen, abzuändern. Ferner fehlt man im Gebrauche des inneren Schenkels. um durch ihn den falſchen Rippenbug zu beſeitigen. Es ſind dies aber gerade diejenigen Hülfen, welche das Pferd in ſeiner falſchen Bewegung und Biegung unterſtützen und beſtätigen; denn ſollte es wirklich auch dem inneren Zügel nachgeben, was gewöhnlich nicht geſchieht, ſo wird es dennoch noch lange nicht richtigen Bug nehmen können; ſollte es dem inneren Schenkel nachgeben, ſo wird es mit dem Hintertheile, welches ſchon zur Hälfte außerhalb der Volte iſt, ganz ausfallen, oder mit dem ganzen Körper von der Volte wegdrängen. 140 Dritter Abſchnitt. Erheiſcht der richtige Gang auf der Volte größere Kraft— anſtrengung des Pferdes als auf gerader Linie, um wieviel wird ſich dieſe nicht ſteigern müſſen, ſobald es durch Verſchul— den und gewöhnlich damit verbundenes Peinigen des Reiters, welcher Unmögliches verlangt, gezwungen wird, ganz ſeinem Gliederverhältniß zuwider gehen zu müſſen. Die Wirkungen auf die Gliedmaßen des Pferdes ſind verderbend; ſtatt daß die Schultern entbunden und gekräftigt werden ſollen, werden ſie geſperrt, ſteif gemacht und ge⸗ ſchwächt. Gleichmäßig leiden Rücken und Hintertheil. Das Pferd muß jederzeit auf der Vorhand ſein und kann niemals in's Gleichgewicht treten. Der äußere Schenkel ſoll auf das ganze Pferd einwirken, daher muß er auf der Mitte deſſelben, der Stelle, wo ſich die größte Rundung der Rippen befindet, gerade dem inneren Schenkel gegenüber, gebraucht werden. Hilft er vor dem Gurte, ſo wirkt er mehr auf das Vordertheil und giebt dem Hintertheile nach außen Freiheit und Gelegenheit die ſtäte Folge zu verlaſſen, wozu das Pferd jederzeit geneigt iſt; hilft er hinter dem Gurte, ſo tritt derſelbe Fall ein, das Hinter— theil verläßt leicht und gern die Volte und drängt herein; hierdurch wird die Richtung deſſelben unterbrochen und die äußere Schulter tritt nicht mehr zirkelförmig ſondern von der Voltenlinie hinaus. Wird der innere Schenkel nicht gerade und weich erhalten, ſondern geſpannt, ſo flieht ihn das Pferd, indem es hinaus drängt, und ſomit ſind Richtung, Biegung und Gang ver— loren. Die Hülfen des inneren Schenkels ſind ſchwer in ihrer Von der Bearbeitung des Pferdes. 141 Anwendung und verlangen, ſollen ſie richtig und für das Pferd nicht ſtörend ſein, nicht nur volle Entbundenheit des Sitzes, ſondern auch, daß der Reiter genau weiß, wann ſie angezeigt ſind, und genau ihre Wirkungen fühlt. Denn drängt z. B. das Pferd mit der Croupe in die Volte, ſo be— dingt das noch keineswegs die Hülfe des inneren Schenkels; bietet die Veranlaſſung hierzu der äußere Schenkel durch zu ſtarke oder rückwärts gegebene Hülfe, oder giebt ſie der äußere Zügel durch zu ſtarkes, mithin fehlerhaftes Verhalten, ſo iſt der Gebrauch des inneren Schenkels ein unzeitiger, und blos neue Fehler werden hervorgerufen. Vor Allem wird der Reiter ſeinen Sitz und ſeine Hülfen nach Punkt 2) und 7) berich— tigen müſſen. Entſteht jedoch das Eindringen der Croupe durch das Treten hinter den inneren Zügel, ſo iſt zwar die ſanfte Hülfe des inneren Schenkels am Orte, doch bleibt es gleichzeitig und vor Allem Sache des äußeren Zügels, die verloren gegangene Anlehnung im inneren Zügel wieder her— zuſtellen, indem er druckweiſe aufwärts gegen dieſen wirkt, welcher lediglich nur das Gefühl aufwärts zu nehmen und ſtäte und weich zu verbleiben hat. Wie nöthig das Hohl- und Einbiegen der inneren Seite und wie fehlerhaft das der äußeren wird, iſt wiederholt früher angegeben worden. Bleibt die äußere Hüfte und Schulter des Reiters auf der Volte zurück, ſo verläßt augenblicklich die äußere Schulter des Pferdes die zirkelförmige Bewegung und drängt hinaus. Verbunden damit iſt in der Regel, wenn gleich nicht immer das Hereindrängen der Croupe, ſo doch wenigſtens das Her— eintreten des inneren Hinterfußes. Dieſem Fehler kann nicht 142 Dritter Abſchnitt. durch die Zügel, nicht durch die Schenkel geſteuert werden, ſondern lediglich durch Berichtigung des Sitzes. Iſt der innere, der führende Zügel unſtät, ſo wird es dem Pferde unmöglich Anlehnung nehmen und eine richtige Volte gehen zu können; es wird dieſe bald groß bald klein ſein, die regelmäßige Bewegung wird geſtört, das Pferd wird zaghaft und hält den freien Gebrauch ſeiner Glieder zurück, welche es ſomit nicht mehr entbindet. Wird das Gefühl im inneren Zügel nicht aufwärts, ſondern nur rückwärts oder gar abwärts genommen, ſo kann nicht mehr auf Richtung und Haltung des Pferdes hingewirkt werden; waren dieſe vorhanden gehen ſie verloren. Tritt der innere Zügel in zu ſtarke Wirkung rückwärts, ſo wird die Richtung des Pferdes und hierdurch die Poſition in Folge falſchen Buges verloren gehen, das Hintertheil ausfallen. Um dieſe Fehler berichtigen zu können, muß, wie immer fo auch hier, die Veranlaſſung erkannt werden, und ganz fehlerhaft wird es ſein, wenn das Hintertheil allein durch Hülfen des äußeren Schenkels auf der Volte erhalten werden ſollte. Richtung und Poſition müſſen, indem der bisher fehlende innere Zügel weich und ſtäte verbleibt, durch den äußeren Zügel hergeſtellt werden, worauf erſt der Nachhand richtige und ſtäte Folge ermöglicht wird. Ununterbrochenes Zurückführen, Rückwärtswirken des äußeren Zügels hindert das Pferd vorerſt an richtiger Poſi— tion, dann am richtigen Gange der Volte, indem es von dieſer abgeführt und die äußere Schulter geſperrt wird. Die Volte zählt übrigens zu den künſtlichen Gängen und nimmt darum um ſo mehr alle Geſchicklichkeit des Reiters in Don der Bearbeitung des Pferdes. 143 Anſpruch. Bindet ſich nun derſelbe ſtreng an alle hier ge— gebenen Regeln, ſo wird er allen vorkommenden Fehlern des Pferdes nicht nur entgegenarbeiten, ſondern auch alle Vor— theile der Volte gewinnen können. 8.40. Ueber die gerade Linie. Will man von der Volte auf die gerade Linie übergehen, ſo erfordert dies folgende Hülfen: Der äußere Zügel muß aufwärts gegen den inneren und dieſer gegen die äußere Schulter gerichtet werden. Hierbei hilft der äußere Schenkel. In dieſer Poſition verbleibt die Hand, der äußere Schenkel verharrt in ſeiner gewöhnlichen Haltung, der innere Schenkel gerade und weich in ſeiner Lage. $.4. Von der Wendung und den Ecken in der Bahn. Das Verrichten häufiger Wendungen zu welcher das Ausreiten der Ecken gehört, verſchafft Haltung und Biegung des Pferdes, ſo wie Anlehnung. Insbeſondere werden die jedesmalige äußere Schulter und innere Hanke gebildet; erſtere durch die zirkelförmige Bewegung um den inneren Vorderfuß, letztere durch das nothwendig werdende Unter— treten des inneren Hinterfußes unter den Leib des Pferdes, um deſſen Schwere genügend ſtützen zu können. Hülfen zur Wendung ſind: Unter Verwahrung des äuße— ren Schenkels wird der innere Zügel mit dem Gefühle auf— wärts, und genau über der Mitte des Pferdes verbleibend, 144 Dritter Abſchnitt. in der Richtung gegen den Hals des Pferdes zurückgeführt. Der innere Schenkel iſt der ſanft helfende, um ſowol die Rippenbiegung zu erhalten, als das Untertreten des inneren Hinterfußes zu befördern. Der Reiter hat ſich in der inneren Seite hohlzubiegen, um feine Schwere nach innen verlegen und geſchmeidig in die Wendung folgen und eingehen zu können. Sanfte Hülfe im inneren Bügel darf nicht fehlen. Stockt das Pferd auf die Zügelhülfe und will es ſich in der Wendung verhalten, ſo hat der äußere Schenkel, den Gang zu unterhalten. Iſt die Wendung vollbracht, ſo begiebt ſich die Hand wieder in die frühere Stellung. Zur guten und genauen Wendung wird erfordert, daß das Pferd vor derſel— ben genau auf ſeiner geraden Linie in der Bahn an der Barriere verbleibe, und daß es nach der Wendung ſofort die gerade Linie wieder annehme. Es darf alſo die gerade Linie weder nach außen im Bogen, noch nach innen (Abſchneiden der Ecke) verlafjen, wozu es jederzeit Neigung hat. Die Hülfe um das Pferd bis zum Punkt der Wendung oder bis vor die Ecke auf der Linie zu erhalten, wenn es dieſelbe abſchneiden will, iſt Seite 90 unter 2 angegeben. Iſt die alleinige Hal— tung des äußeren Schenkels ungenügend, ſo hat derſelbe gleichfalls zu helfen. Weigert ſich das Pferd dennoch, ſo hat der Reiter den Schwerpunkt im äußeren Bügel zu nehmen und den äußeren Zügel ſtärker wirken zu laſſen. Will das Pferd die gerade Linie vor der Wendung nach auswärts verlaſſen, ſo iſt die Seite 91 unter 7 angegebene Hülfe anzuwenden. Iſt verwahrende Haltung des äußeren Schenkels ungenügend, ſo kann der Reiter auch hier den Schwerpunkt im äußeren Bügel nehmen. Genau dieſelben Von der Bearbeitung des Pferdes. 145 Hülfen haben nach der Wendung ſtatt zu finden, wenn ſich das Pferd zum Vortreten auf gerader Linie weigert. Richtige und ſchnelle Wendungen in allen natürlichen und künſtlichen Gängen, welche auf ganz gerader Linie an— fangen und endigen, ohne Unterbrechung des Ganges und der Anlehnung, bekunden nicht nur das gut gehende Pferd, ſondern auch den geſchickten Reiter. Daſſelbe gilt vom Aus— reiten der Ecken. Fig. 50. Das Verrichten recht häufiger Wendungen in der Bahn und das Ausreiten der Ecken, iſt ganz beſonders anzuempfeh— len, indem durch ſie für den Reiter die größten Vortheile und für das Pferd die größte Gewandheit und Geſchicklichkeit er— wachſen. Demgemäß ſind die kleinen Volten bei der Aus— bildung anzuwenden. Hierzu benutzt man die halbe Bahn und theilt ſie in vier Theile, ſo daß ebenſoviel Volten ent— ſtehen. Fig. 50 bezeichnet die halbe Bahn. Beginnt man Käſtner, Reitkunſt. 10 146 Dritter Abſchnitt. nun in a, ſo iſt die erſte kleine Volte bed a, von a beginnt die zweite efba, von dieſer geht man über e und k nach g und hier beginnt die dritte ghbf; von f endlich kommt man über g nad) h zur vierten kleinen Volte i e beh. Der Naturreiter, welcher weder den Organismus des Pferdes noch die Hülfen mit ihren Wirkungen kennt, ver— richtet in der Regel die Wendung, indem er mit ſtarrem, innerem Schenkel, auch wol mit der Hülfe hinter dem Gurte das Hintertheil hinaus nach der entgegengeſetzten Seite drückt; daſſelbe macht nun entweder ganz oder zum Theil die Wen— dung um das Vordertheil, während dieſes allein wenden, jenes nur folgen ſoll. Dieſe ganz zweckwidrige Schenkelhülfe ſteht in genauer Berbindung mit eben ſolchen Zügelhülfen.“ Faſt immer wird beim Rechtswenden die Hand auswärts und ſeitwärts nach links gezogen. Hierauf kann die Vorhand nicht rechts werden, ſondern ſie wird im Gegentheil nach der äußeren Seite gedrückt, die innere Schulter geſperrt, wenn gleich der Kopf hereingezogen wird, und der innere Schenkel muß nun, wie oben angegeben, vornehmlich die Wendung verrichten. Ein anderer Fehler iſt, daß man die Hand zur Rechts— wendung rechts ſeitwärts und den linken Zügel an den Hals des Pferdes drückt. Hierdurch wird der Kopf nach links ge— zogen, die Vorhand nach rechts gedrückt und nicht wie es ſein ſoll, durch den inneren Zügel dahin geführt. Bei erſterem Fehler wird die Wendung verzögert, bei letzterem fallend; in beiden aber kann von Haltung, Richtung und Biegung, ſtäter Folge des Hintertheiles, von Anlehnung, und ſomit richtigem Gange des Pferdes nicht die Rede ſein; denn der * * Von der Bearbeitung des Pferdes. 147 Reiter wirft mit dieſen beiden Fehlern ſämmtliche Haupt— grundſätze des Reitens über den Haufen, daß nämlich jeder— zeit und bei Allem, was unternommen wird, die Richtung des Pferdes zu unterhalten, die Vorhand beweglich zu machen, das Hintertheil zu beſtätigen ſei. Das Fehler— hafte der Gänge, woran das Pferd gar keine Schuld trägt, wird der Reiter, wenn er es im Schritt und Trab nicht fühlt, daraus erkennen, daß das Pferd zum Galop falſch anſpringt, und im Trabe in den falſchen Galop fällt, was nicht vorkommen kann, wenn die Gänge richtig ſind. Ganz verkehrt und fehlerhaft wirkend ſind die Hülfen mit dem inwendigen Schenkel, ſowol um das Pferd bis zur Ecke an der Barriere zu erhalten, als auch um es nach derſelben wieder geradeaus zu führen; denn entweder wird das Hinter— theil allein hinausdrückt, und die gerade Folge deſſelben auf— gehoben, oder das ganze Pferd wird nach der äußeren Seite gedrängt. Obgleich nun dieſe Hülfe allein ausreichend iſt, den Gang fehlerhaft zu machen, ſo verbindet der Reiter mit derſelben gewöhnlich noch die mit den Zügeln, daß er die Hand nach auswärts zieht oder drückt. Hierdurch wird der äußere Zügel frei, der innere verkürzt und zurückgeführt, das Pferd verbogen und geradezu aufgefordert die Ecke abzu— ſchneiden, was der Reiter vermeiden will; derſelbe Fehler, in Folge deſſen das Pferd niemals richtig durch die Ecke gehen und geführt werden kann, tritt mit dem fehlerhaften Sitze auf der inneren Seite des Pferdes ein. In der Bahn iſt das fehlerhafte nach Außendrängen an und für ſich nicht ſo ſichtbar, da die Barriere die Grenze iſt, wo es aufhört, man kann aber doch den falſchen Schritt und 10° 148 Dritter Abſchnitt. Trab beobachten, in welchem das Pferd die Schwere mehr dem inneren Hinterfuß zufallen läßt, mit der äußeren Schul— ter bedeutend der inneren vortritt, und in oder nach der Ecke, wie es bei der Wendung ſchon geſagt iſt, in den fal— ſchen Galop fällt. Sichtlicher wird das Drängen des Pferdes vor der Ecke nach außen, auf dem Vierecke im Freien; der Hufſchlag des— ſelben bildet nicht mehr gerade Linien mit richtig abgerunde— ten Ecken, ſondern nur Schlangenlinien. (Fig. 51 a.) Se >= Fig. 51. So wie nun der Reiter hier gewöhnt ift, den inneren Schenkel und Zügel fehlerhaft anzuwenden, ohne das Feh— lerhafte zu fühlen, ebenſo wird er beide bei ſeinem ganzen Reiten gebrauchen, und auf richtige Gänge verzichten müſſen. §. 42. Der halbe Schultereinwärts. Die Schule des ſogenannten halben Schultereinwärts verſchafft nicht nur Biegſamkeit des ganzen Pferdes, ſondern erhöht den Grad der bereits vorhandenen, und giebt durch Von der Bearbeitung des Pferdes. 149 das gleichzeitige Seitwärtstreten Sicherheit und Stätigkeit in derſelben. Sie bildet die Schultern, nöthigt das Pferd mit der inneren die äußere frei und weit zu paſſiren, und ſetzt es auf die Hanken. Sie macht es ferner ſicher und zuverläſſig in den Gängen und giebt Anlehnung. Ueberhaupt iſt ſie 0 25 TUN N N, 4 N { 7 NN N (N SW NN A = 657 a N JA a ji IH \ \ S 1 01 / N N 8 = N N 5 4 \ o RN Y | E 5 N — — 12 ö D nz: — N > S ö — B — ————T— — LN 7, 2 ——— See nr 2 2 77 AT 5 „ — I — — 3 diejenige Schule, welche dem Pferde die meiſte Kraft und Gewandheit ſchafft. N Mit dem jungen Pferde fängt man das Schultereinwärts auf der Volte, ſogar auf der engen Volte an, wenn ſich das— ſelbe weigert, in die Zügel zu treten. Durch ſie verſchafft man ſich augenblicklich Anlehnung, jedoch iſt jetzt und hier 150 Dritter Abſchnitt. das Pferd auf den Schultern. Nach und nach, jo wie man ſich die Anlehnung verſchafft hat, geht man zur weiteren und weiten Volte über, welche letztere erſt das Pferd auf die Han— ken bringt. Beim Schultereinwärts auf gerader Linie muß es vollkommen auf beiden Hanken gehen. Die Hülfen ſind nun folgende: Man nimmt die Vor— hand des Pferdes durch die Wendung im kurzen Schritte und ſpäter im kurzen Trabe behutſam ſo weit herein, daß der innere Hinterfuß in die Linie der Bruſtmitte des Pferdes zu ſtehen kommt. Der äußere Zügel hat die Poſition und die äußere Schulter auf ihrer Linie zu erhalten, und im Verein mit Sitz und auswendigem Schenkel gute Richtung und Bie— gung des Pferdes zu überwachen. Der Schwerpunkt des Reiters muß ſich jetzt im äußeren Bügel befinden, und der gerade gehaltene Oberleib darf ſich nicht in der inneren Seite hohl biegen, damit die Schwere nicht der inneren Seite des Pferdes zufalle, weil die inneren Füße in Freiheit bleiben müſſen. Der in nere Zügel führt die Vorhand auf ihrer angenom— menen Linie, und verbleibt wie immer ſo auch hier der füh— rende, der innere Schenkel iſt der helfende und muß dies mit größter Eintheilung und Zwangloſigkeit geſchehen, ohne dem äußeren das Mindeſte hiervon empfinden zu laſſen. Der äußere Zügel verbleibt ſo ruhig als möglich, damit die äußere Schulter ſtäte und ungeſtört auf ihrer Linie gehend bleibe; damit der ruhige Stand des ſich erhebenden Halſes und deſſen Richtung ohne Störung für den Gang erhalten, und dem inneren Zügel ſeine Wirkung geſtattet werden könne. Don der Bearbeitung des Pferdes. 151 Der innere Zügel wird um die Vorhand, überhaupt das Pferd auf dem Hufſchlage fortzuführen, mit dem vierten Finger gegen die äußere Schulter des Reiters gerichtet und zwar bei dem jedesmaligen Erheben des inneren Vorderſchen— kels druckweiſe, lediglich mittelſt des Gelenkes der auf einer Stelle verbleibenden Hand, ſo daß alſo in keinem Falle ein unnöthiges Rückwärtsführen des Zügels ſtattfindet. Der inwendige Schenkel giebt weich, zwanglos und gut einwärts gewendet die Hülfen nach vorn, gegenüber dem dem äußeren Schenkel. Wie immer hat ſich die Schwere des Reiters mit der des Pferdes zu vereinigen, welche jetzt der äußeren Seite deſſelben zufällt, da die inneren Füße übertreten und in Freiheit bleiben müſſen; darum muß der Schwerpunkt des Reiters im äußeren Bügel genommen werden. Das Vorrücken des inneren Ge— ſäßknochens und die zwanglos ſtäte Haltung des äußeren Schenkels ſind weſentliches Erforderniß; denn er unterhält auch hier erſtens die Richtung und Biegung des Pferdes, und giebt zweitens dem Oberleibe die unerläßliche Haltung, durch welche ſich der Reiter allein gleichmäßig und überein— ſtimmend mit der Schwere des Pferdes fortbewegen kann. Weigert ſich das Pferd mit der Vorhand hereinzutreten, ſo geht der innere Zügel gerade gegen den Leib, der äußere leiſtet die Hülfe einwärts gegen den inneren Zügel. Tritt das Pferd mit der Vorhand zu weit herein, ſo wird der äußere Zügel gegenüber dem inneren etwas ſtärker gegen den Pferdehals gewendet, der innere geht in der Richtung gegen die äußere Schulter ſenkrecht aufwärts. Die Hülfe des äußeren 152 Dritter Abſchnitt. Schenkels beſteht darin, daß man in dieſem Falle den Schwer— punkt etwas ſtärker nimmt. Dieſe Hülfen dürfen nicht ver— bleibend ſein, ſondern müſſen momentan erfolgen. Sollte das Pferd durch ein Verſehen des Reiters, ſobald er z. B. ſeinen Schwerpunkt verliert, mit der Vorhand zu weit, nämlich bis zur Viertelwendung herein-, überhaupt vorgetreten ſein, und dabei mit der Croupe ausfallen, ſo ſoll daſſelbe keineswegs durch Verhalten gegen die äußere Schulter gezwungen werden, auf die richtige Linie zurückzugehen, ſon— dern man läßt es gerade in die Wendung vortreten, und fängt auf einer neuen Linie den Schultereinwärts ſofort von Neuem an. Will das Pferd hinter den Zügeln an die Barriere zurück, jo gebraucht man beide Schenkel. Dies iſt eine Ge legenheit, wo der äußere Schenkel ſtärker angewendet wird, denn er hat überhaupt, und insbeſondere bei dieſer Schule, vornehmlich nur durch ſeine Haltung zu wirken. Sobald man das Schultereinwärts, eine Uebung, welche nie zu lange, und in der Regel, gleich dem Zurücktreten, nur trittweiſe unternommen werden darf, ſei es nun auf der Volte oder auf gerader Linie, beenden will, ſo ſenkt man unter guter Verwahrung des äußeren Zügels die Hand, und läßt das Pferd durch ſanfte Hülfe mit dem äußeren Schenkel in die Viertelwendung auf gerader Linie vortreten. Man kann auch in einen kleinen Zirkel übergehen und dieſen durch die ge— rade Linie beenden; oder man geht aus dem Schulterein— wärts in Renvers zur anderen Hand über. (Fig. 53.) Das Gradausgehen ſoll nicht auf derſelben Linie Fig. 54 nach a ſtattfinden, weil nicht nur das Vortreten dem Pferde eine Be— lohnung iſt, ſondern auch die Uebung nutzenbringender und Von der Bearbeitung des Pferdes. 153 mit größerer Gewißheit, daß es richtig geſchehe, beendet wer— den kann. A) — — — — —— —— E = J,. / 3% Fig. 53. Bei dem Vortreten iſt es nun nothwendig, daß das Pferd in der Verſammlung, Biegung und Anlehnung erhalten werde, gleich wie es auch beim Anreiten aus dem Zurücktreten Fig. 54. geſchehen muß; darum iſt bei vorſichtigem Gebrauche des äußeren Schenkels alles Gefühl in die Hand zu legen, damit der innere Zügel den Kopf, der äußere Richtung und Bie— gung (Poſition) erhalten könne. | 154 Dritter Abſchnitt. Fallen durch ſie Fehler vor, oder hilft beim Vortreten der äußere Schenkel zu weit rückwärts, ſo daß das Hinter— theil hereindrängt, oder thut der innere Schenkel mehr als daß er gerade und weich verbleibt, ſo wird die übereinſtim— mende Richtung und Biegung des ganzen Pferdes unter— brochen, in welche es beim Schultereinwärts getreten war. Die Uebung trug ſomit nur während ihrer Dauer Früchte, und doch ſollen dieſe auf die gerade Linie übertragen werden. Mit dem jungen Pferde fängt man dieſe Schule ohne Säumniß auf der Volte an, wenn es dieſelbe leidlich geht und hinlängliche Kraft beſitzt. Der Zeitpunkt hängt alſo nur von der Beurtheilung des Reiters ab. Das Pariren im Schultereinwärts iſt durchaus, ebenſo wie das in der Wendung und in den Ecken, gänzlich zu vermeiden, indem es allemal nur auf einer Hanke erfolgen kann. Die gewöhnlichen und fehlerhaften Hülfen zum Geradaus— gehen aus dem Schultereinwärts auf derſelben Linie an der Barriere, oder auf der Volte, welche man ſo häufig ſieht und mit ihren Folgen beobachten kann, beſtehen in dem Gebrauche des inneren Schenkels hinter dem Gurte, um das Hintertheil auf dem Hufſchlage zu erhalten, in dem Annehmen des äuße— ren Zügels und im Nachgeben des inneren, wodurch erſterer fälſchlich zum Führenden wird, indem er die Vorhand hin— ausführt. Das Pferd erleidet hierdurch eine vollkommene Umänderung, die zur entgegengeſetzten Hand, und zwar noch dazu eine unrichtige (Fig. 55). Darum ſieht man dieſe Pferde auch häufig ſowol in dieſem künſtlichen Gange ſelbſt, als auch bei dem Geradeausgehen aus demſelben, in den falſchen Galop fallen, falſchen Schritt und Trab annehmen. Von der Bearbeitung des Pferdes. 155 Geht jedoch das Pferd Schultereinwärts richtig, ſo kann es in dieſem Gange wie bei dem Vortreten aus demſelben nicht anders, als in den richtigen Galop einfallen. Darum befeſtigt eben dieſe Schule die richtigen Gänge. Zweifellos und unbedingt beſſer iſt es, die— ſelbe ganz wegzulaſſen, als ſie fehlerhaft zu üben. Hauptfehler des Reiters beim Schulter— einwärts durch die Hand ſind, daß gewöhnlich der innere Zügel zu ſtark rückwärts wirkt, wodurch das Pferd zum Verbiegen des Halſes, zum Verhalten der inneren, und zum Vortreten mit der äußeren Schulter, zum Wenden, ſelbſt zum Stehenbleiben genöthigt wird; daß der innere Zügel 156 Dritter Abſchnitt. mit geſpannter Hand geführt wird, wodurch vorgenannte Nachtheile eintreten; daß man ihn ferner nach der äußeren Seite ſchiebt oder drückt, wodurch die Richtung des Pferdes, N ſo wie der Gang deſſelben unterbrochen und gehemmt, und das Seitwärtstreten ohne den eben ſo falſchen Gebrauch des äußeren Zügels unmöglich wird. Ein weiterer Hauptfehler iſt, daß der äußere Zügel nicht ruhig verbleibt, wodurch die äußere Schulter nicht auf ihrer Linie verbleiben, der innere Zügel nur unruhig und ungenau wirken und helfen kann; daß er abwärts und ſeitwärts geführt wird um das Pferd ab und weiter zu führen, wodurch Hals und Kopf nach außen gezogen werden und die äußere Schulter der inneren vor tritt; daß er zu wenig wirkt, wodurch die Richtung und Bie— gung des Pferdes, und die Wirkung des inneren Zügels verloren gehen: daß man überhaupt den äußeren Zügel zum führenden macht, während dieſe Verrichtung ausnahmslos dem inneren zufällt. Es entſteht hierdurch eine fehlerhafte Um— ſtimmung des Pferdes zur entgegengeſetzten Hand, und die Schule verfehlt gänzlich ihren Zweck. Hauptfehler durch den Sitz des Reiters ſind: wenn er ſich nicht mit herabgehaltenem äußeren Schenkel auf der Mitte des Sattels und Pferdes, ſondern auf der inwendigen Seite deſſelben, mit eingebogener äußerer Seite befindet; wenn der äußere Schenkel ſeine ſenkrechte Haltung verläßt, ſich vor— ſchiebt oder zurückzieht, während der innere mehr herabfällt, geſpannt und hinter dem Gurte hilft. Bei dieſen Uebelſtän— den kann weder das Pferd gerichtet noch richtig gebogen und geſtellt ſein, weil der Reiter nicht mehr in einer Schwere mit ihm zu ſein vermag. Der Oberleib kann darum nicht mehr 7 or — Von der Bearbeitung des Pferdes. | gleichmäßig, nicht ohne Schwanfuug mit der Bewegung des Pferdes fortgehen, er muß hinter ihr zurückbleiben. Zwei andere bedeutende Mängel ſind, wenn der äußere Schenkel nicht ſtäte verbleibt, ſondern beſtändig hilft, wodurch das Pferd zum Nachgeben gegen dieſen und zum Vortreten ge— nöthigt wird, während es an dieſem ruhig forttreten ſoll; und wenn ſämmtliche Hülfen nicht in größter Uebereinſtimmung zu einander gegeben werden. Durch alle Mängel der Hand und des Sitzes wird das Pferd fehlerhaft verändert, zum Verſtellen zur entgegengeſetzten Hand, und zum beſtändigen Wechſeln mit ſeiner Schwere, zum Schwanken genöthigt. Es entſteht nun aus dem Schultereinwärts auf der rech— ten Hand mehr oder weniger der falſche Renvers links, mit ſchlechter Kopf- und Halsſtellung rechts. Somit geht der Zweck dieſer Schule verloren, das Pferd wird angegriffen und die Vorhand ſteif gemacht. Das eben beſprochene Schultereinwärts iſt der halbe Schultereinwärts. Das ganze Schultereinwärts kann nur mit dem Schulpferde geritten werden, zu welchem auf gerader Linie die Vorhand ſo weit in die Viertelwendung hineinge— ſtellt wird, daß ſie nur um ein wenig der Nachhand vor— ausgeht. Richtig und gut Schultereinwärts zu reiten iſt ſehr ſchwer, ſei es nun im Schritt, Trab oder Galop, ja es iſt von allen Schulen für Reiter und Pferde die ſchwerſte, und darum muß nochmals wiederholt werden, daß man bei man— gelnder Fertigkeit mit dem Weglaſſen deſſelben weiter kommt als mit dem Ueben deſſelben. 158 Dritter Abſchnitt. §. 43. Das Zurücktreten. Der Zweck des Zurücktretens beſteht in der Zuſammen— ſtellung des Pferdes, und Kräftigung und Biegung aller Theile, als: der Feſſeln, Sprunggelenke, Hanken des Kreu— zes, Rückens, der Schultern, des Halſes und Genickes; ferner in Zurückſetzung der Schultern, in dem Geſchicktmachen des Pferdes, ſeine Schwere auf alle vier Füße gleichmäßig zu vertheilen, in dem Leichtmachen in der Hand und dem Befördern der Anlehnung; endlich bezweckt daſſelbe in vielen Fällen Beſtrafung des Ungehorſams oder der Unachtſamkeit: eine empfindlichere Strafe als die mit Sporen und Ruthe. Soll das Zurücktreten von gutem Erfolg begleitet ſein, muß es mit Anlehnung und auf ganz gerader Linie erfolgen, und zwar gehend, ſo daß nämlich Bewegung und Tempo des Pferdes ebenſo wie beim Vorgehen erfolgen. Man muß alſo darauf achten, daß das Pferd vor Allem gerichtet und mit der Nachhand auf der Linie verbleibe, regelmäßig in gleichem Tempo und Tritt vor Tritt zurücktrete, nicht zurücklaufe oder ſchleife. Fig. 56. Die Hülfen zum Zurücktreten find: Der äußere Zügel bleibt gegen den Hals des Pferdes gut verwahrt. Hierauf wird der innere Zügel mit dem vierten Finger druckweiſe ſtäte gegen den Hals aufwärts geführt. Der innere Schenkel hilft ſanft dem äußeren gegenüber, letzterer verbleibt in ſeiner ſtäten, ſenkrechten Haltung, um das Ausfallen der Croupe zu verhüten; innerer Zügel und Schenkel ſind alſo die hel— Don der Bearbeitung des Pferdes. 159 fenden, äußerer Zügel und Schenkel die verbleibenden und verwahrenden. Stets druckweiſe ſoll der- innere Zügel gebraucht wer— den; d. h. ſo bald das Pferd der Hülfe deſſelben nachgiebt und den inneren Vorderfuß zum Zurücktreten erhebt, iſt augenblicklich ein nur dem Pferde merkliches Nachgeben deſ— ſelben zu beobachten, worauf ſofort für das Erheben des Fig. 56. anderen Vorderfußes die Hülfe wiederholt eintreten muß. Ebenſo hilft der innere Schenkel, und ſo folgt Tritt vor Tritt. Nur auf dieſe Weiſe iſt richtiges Zurücktreten möglich; erfolgen die Hülfen in ſolcher Eintheilung, ſo kann der Rei— ter jede fehlerhafte Bewegung des Pferdes verbeſſern, und dies iſt im Stande, gerichtet und mit Biegung zurücktreten zu 160 Dritter Abſchnitt. können. Der Reiter tft ferner Herr jedes Trittes; er kann die Uebung mit jedem beliebigen Tritte beenden, was ſehr we— ſentlich, indeß ganz unthunlich iſt, ſo bald das Pferd zurück— ſchleift oder zurückläuft, woraus alle erdenklichen Fehler und Untugenden hervorgehen. Fig. 57. Grundſatz iſt es ferner, das Zurücktreten niemals früher zu beenden, als bis das Pferd im Gleichgewichte und in An— lehnung ſteht, und daß es allemal durch das Vortreten, wären es auch nur einige Tritte, geſchehe, weil ſomit das Pferd genöthigt wird, Gleichgewicht, Biegung und Anleh— nung auf das Vorgehen übertragen zu müſſen. Die Haupt— hülfen zum Vortreten, welche ein- und allemal dieſelben ſein und bleiben müſſen, beſtehen im unbedeutenden Vorgeben des unteren Theiles beider Hände, ſobald man mit Trenſen Don der Bearbeitung des Pferdes. 161 arbeitet, oder der linken Hand, ſobald man auf Zaum reitet. Wäre dieſe Hülfe nicht ausreichend, ſo werden gleichzeitig die Hände oder die Hand geſenkt; ferner im ſteten Verbleiben des inneren Zügels, welcher die Poſition erhält; in der Ver— wahrung des äußeren Zügels, und im Gebrauch des äußeren Schenkels. Der innere kann theilnehmen, doch darf er nur verſammeln. Soll ſich das Pferd beim Zurücktreten ſowol als beim Vortreten hergeben, wodurch allein der volle Zweck der Ue— bung erreicht werden kann, ſo muß der Reiter hier, ſo wie bei Allem was er unternimmt, vollkommen zwanglos und entbunden ſein. Hierdurch faßt das Pferd das nöthige Ver— trauen zu ihm, welches ſich weſentlich dadurch äußert, daß es ihm ſeine Glieder zur Verfügung überläßt. Bei Spannung der Hand, des Sitzes und der Schenkel wird es augenblick— lich in Zwang geſetzt, und es wird dem Willen des Reiters widerſtreben. Recht oft begeht man den Fehler, daß man das Zurück— treten viel zu zeitig übt. Das Pferd muß aber hierzu die ge— nügende Vorbereitung haben, die Richtung deſſelben bereits eine geſicherte ſein, und es muß in derſelben ſchon richtig im Schritt und Trabe pariren. Aus dieſem Grunde verweigern junge oder verdorbene Pferde das Zurücktreten gar oft; nicht aus Böswilligkeit alſo, ſondern aus Unkenntniß den Zügeln hinlänglich nachzugeben. Dieſe Urſache des Weigerns muß der Reiter erkennen und darnach handeln. In der Regel wird das Unterlaſſen des Zurücktretens, wie das Ueben des Pferdes im Nachgeben der Zügel einige Zeit angemeſſen fein. Fleißiges Wechſeln mit kurzem, mittlerem und weitem Trabe, Käſtner, Reitkunſt 11 162 Dritter Abſchnitt. wobei ſich das Pferd beim Uebergang in den kürzeren Gang ſammeln und den Zügel nachgeben muß; verſammelter und kurzer Schritt und öfteres Pariren ſind Vorbereitungen nicht blos zum Zurücktreten, ſondern zu allen Gängen. Das Zurücktreten wird aber auch von vielen Reitern viel zu häufig geübt, und gemeiniglich wird das Pferd dieſer ſo beſchwerlichen Lection widerſtreben und den Reiter mehr von ſeinem Ziele entfernen, als wenn er das Zurücktreten ganz bei Seite gelaſſen hätte. Iſt es aber hinlänglich zum Zurücktreten vorbereitet, will es jedoch durch Vorſtrecken der Naſe, Feſtmachen des Genickes ꝛc., den Hülfen nicht Folge leiſten, dann muß man auf ſeinem Willen beſtehen, indeß mit aller Ruhe, und in einer Weiſe, als wolle man von dem Zurücktreten ganz abſehen. Man | beſchäftige ſich auf der Stelle mit der Richtung des Pferdes, und gebe dann recht behutſam die Hülfen zum langſamen Vortreten. In dem Augenblicke nun, in welchem das Pferd den Vorderfuß zum Vortreten erhebt, muß ſchnell, aber auch ganz weich die Hülfe zum Zurücktreten gegeben werden, welcher das Pferd nun gewiß nachkommt. Gelänge es nicht zum erſten Male, ſo dürfte die Schuld mehr am Reiter als am Pferde liegen. Gelingt es aber, ſo muß man auch anfäng— lich mit einem einzigen Tritte rückwärts befriedigt ſein, das Pferd loben und darauf wirklich anreiten, um ſpäter die Uebung von Neuem zu beginnen. Durch das Senken im Widerrüſt und in den Schultern beim Zurücktreten (Fig. 58), wozu viele Pferde Neigung ha— ben, indem ſie hierdurch der Richtung, dem Gleichgewicht und der Poſition ausweichen, werden die Vorderfüße vorgeſtützt, die Sprunggelenke nicht gebogen, die Lenden werden hoch Von der Bearbeitung des Pferdes. 163 und das Pferd geht auf den hinteren Feſſeln mit geöffneten Hüften. Dies iſt der Ausbildung in jeder Beziehung hinder— lich, wird aber von vornherein dadurch unterdrückt, daß man mittelſt recht guter Hand das Pferd gut zuſammenſtellt und richtet, ſo daß die Zügelwirkungen auf das ganze Pferd — Ta — III NIIT — V Na III > on IX NIS GE übergehen und fih nicht in der Vorhand verlaufen. Pferde, welche dieſen Fehler ſchon bei den gewöhnlichen Gängen und bevor man das Zurücktreten beginnt, zeigen, verlangen ganz beſonders richtiges Gefühl in Sitz und Hand, oft vorerſt nur ſehr mäßige Verſammlung und eine genaue Eintheilung und Abwägung der Hülfen um die Richtung und Halsſtellung LK 164 Dritter Abſchnitt. ſo zu geben, daß wiederum die Zügelwirkungen ununterbro— chen in die Rückenwirbelſäule übergehen können. Durch zu ſtarke Verſammlung und Aufrichtung lehrt der unerfahrene Reiter dem Pferde dieſen Fehler. In der fehlerhaften Halsſtellung (Richtung) oder der ſchlechten Hand liegt es ferner, wenn ſich das Pferd bei dem Zurücktreten zu viel beizäumt, — hinter die Zügel tritt. Zunächſt wird es ſich gegen die Zügel wehren und ſtehen bleiben, dann aber zurücklaufen und ſchleifen, was ſtets mit hohen Lenden, umgebogenen Sprunggelenken, und auf den Hinterfeſſeln mit geöffneten Hüften geſchieht (Fig. 57). Ebenſo fehlerhaft iſt das Zurücktreten mit überrichtetem Halſe, mit welchem gewöhnlich ſteifes Genick verbunden tft. Es treten dieſelben Nachtheile ein, welche aus dem Senken des Widerrüſtes und der Schultern entſtehen (Fig. 58). Das Ausweichen mit dem Hintertheile erleichtert dem Pferde ebenfalls das Zurücktreten und iſt nicht allein durch die Schenkel, ſondern hauptſächlich durch die Zügel zu verhin— dern. Das ſchnelle Zurücktreten wird zu einem der empfind— lichſten, ſtärkſten und erfolgreichſten Correctionsmittel, daher man zu ihm nur in dem äußerſten Falle übergehen darf, und auch dann nur, wenn das Pferd genügend hierzu aus— gebildet iſt, da man ſonſt Lähmen, das Steigen und das Ueberſchlagen ꝛc. herbeiführen könnte. Fig. 59 zeigt das richtige Zurücktreten mit geſchloſſenen, Fig. 60 das fehlerhafte Zurücktreten mit geöffneten Hüften. Von der Bearbeitung des Pferdes. 165 §. 44. Das halbe Arret. Die halben Arrets wendet man an bei mangelhaftem Gleichgewicht des Pferdes um durch ſie zu verſammeln; die Richtung und Poſttion zu verbeſſern; den inneren Hinterfuß und die äußere Schulter auf die Linie zu bringen; den Gang zu verkürzen und ſchnellen Gang zu mäßigen; als Vorberei— tung zu Paraden, zum Springen und Luftſpringen; endlich um das Pferd gehorſam, kräftig und geſchickt zu machen. Die halben Arrets ſind nach Umſtänden ſo oft zu wieder— holen, bis ſich das Pferd fügt richtig in die Zügel zu treten und im Gleichgewicht zu gehen. Einige Tempi des Ganges müſ— ſen gewöhnlich immer zwiſchen denſelben genommen werden. 166 Dritter Abſchnitt. Die Hülfen zu den halben Arrets erfolgen durch den äußeren Zügel und inneren Schenkel. Erſterer wirkt am Pferdehalſe druckweiſe gerade aufwärts gegen den inneren Zügel, welcher ruhig und ſtäte in ſeiner Wirkung verbleibt. Die andere muß vollkommen zwanglos, dem äußeren gegenüber ſtattfinden, damit das Pferd nicht mit der Croupe ausdrängt. Der äußere Schenkel muß beſonders verwahrend, ſtäte und umgewandt im Bügel verbleiben. Nach jedem halben Arret ſtellt ſich die Hand ſofort wieder in ihre vorige Poſition. Zu den halben Arrets im Galop, deren mehrere auf ein— ander folgen können, muß das Tempo gewählt werden. So wie nämlich der Reiter fühlt, daß das Pferd mit dem inneren Hinterfuß und äußeren Vorderfuß auf den Boden kömmt, muß die Hülfe mit dem äußeren Zügel aufwärts gegen den Hals gewendet erfolgen. Hierdurch wird die Vorhand zum erhabenen Gange genöthigt und das Pferd auf die Nach— hand gebracht. §. 45. Die Parade. Der äußere Zügel wird, gut verwahrt, nahe am Pferde— halſe gerade gegen den inneren Zügel gerichtet, welche Hülfe mit dem inneren Schenkel verſteckt begleitet wird. Das iſt das erſte Tempo zur Parade. Das zweite Tempo, welches die Parade beſtimmt, beſteht in der Hülfe des inneren Zügels, der gegen die äußere Schulter aufwärts gerichtet wird, und in der verſteckten Hülfe des äußeren Schenkels. Der innere Schenkel bleibt gerade gehalten. Durch das erſte Tempo wird Don der Bearbeitung des Pferdes. 167 die Nachhand genöthigt, ſich unterzuſchieben und die Schwere des Pferdes zu übernehmen; durch das zweite Tempo, welches im Augenblick des Unterſchiebens der Nachhand zu erfolgen hat, wird das Pferd durch das Herablaſſen der Vorhand mit ſenk— rechtem äußeren Vorderfuße zur Parade gebracht. Von der Ausbildung des Pferdes, je nachdem Poſition und Gleich— gewicht vorhanden oder nicht, hängt es ab, ob oder wie viel halbe Arrets der Parade vorausgehen müſſen. Das richtige und zugleich ſchöne Pariren, beſonders im Galop, iſt ſehr ſchwer, weil Führung, Sitz und Haltung des Reiters bei genauem Abnehmen des Tempos dem Pferde ganz angepaßt ſein müſſen. Nach Umſtänden hat der Reiter ſeinen Oberleib mehr oder weniger zurückzuhalten. Ein Prüfſtein für den Gehorſam des Pferdes iſt das vollkommene Stehenbleiben deſſelben in der Parade. Fehlerhaft wird das Pariren: in der Wendung, wo es nur auf einer Hanke und nicht auf beiden erfolgen und leicht Lähmen nach ſich ziehen kann; durch den äußeren Zügel al— lein, welcher das Pferd auf die Feſſeln bringt und hoch in den Lenden macht; mit dem inneren Zügel allein; denn das Pferd muß ſich im Genick verbiegen und verbleibt nicht richtig gekrümmt im Halſe, folglich auch nicht in ſeinen übrigen Theilen; die innere Seite deſſelben iſt gezwängt, die äußere frei, der innere Hinterfuß kann nicht untertreten und Gleich— gewicht, die Verrichtung des äußeren Zügels, kann nicht ſtatt— finden; endlich ohne Schenkel. Das Pferd kommt auf die Vorhand, und man veranlaßt nicht nur Lähmen der Schul— tern und Vorderfüße, ſondern auch die Hinterfüße ſtauchen ſich, weil ſie ſich nicht biegen. 168 Dritter Abſchnitt. §. 46. Der Galop. Für den Galop iſt das Pferd, ſei es auf der Stelle oder im Gange, ſtärker zu verſammeln, hierauf wird unter Ver— wahrung des äußeren Zügels, bei gleichzeitiger Hülfe des äußeren Schenkels, welcher weich und ſtäte im Bügel ver— bleibt, der innere Zügel vom vierten Finger gerade aufwärts gegen die äußere Schulter gerichtet. Der innere Schenkel verbleibt gerade und weich, um die Croupe auf der Linie zu erhalten. Die Hand begiebt ſich ſofort wieder in ihre Poſi— tion, ſobald das Pferd in Galop geſetzt iſt. Insbeſondere hat der innere Zügel, wie immer ſo auch hier, den Kopf zu erhalten; das Pferd muß an ihm vortretend anſprengen, fortgehen und verbleiben. Seine Hülfe gegen die äußere Schulter, ſo wie die des äußeren Schenkels, ſetzen das Pferd auf die Hanken und erweitern die innere Schulter. Der äußere Zügel, dem inneren vorauswirkend, erhält die äußere Schul— ter, unterhält Richtung und Poſition, und im Verein mit dem äußeren Schenkel Gang und Croupe. | Der falſche, der Hand entgegengeſetzte Galop wird her— vorgerufen, ſobald der innere Zügel zu ſtark rückwärts, ab— wärts, oder ohne äußeren hilft, wodurch die innere Schulter geſperrt wird. Begleitet deſſen Hülfe wol gar noch der innere Schenkel und treten äußerer Zügel und Schenkel noch außer Wirkung, ſo wird mehr und mehr auf falſchen Galop hingewirkt. Zu dieſen Fehlern kann ſich noch das Setzen auf die inwendige Seite des Pferdes, das Zurückſtellen und Von der Bearbeitung des Pferdes. 169 Zurückziehen der inneren Schulter und Hüfte des Reiters geſellen. Bei dem Anſprengen in den Galop begeht der Reiter ferner häufig die Fehler, daß er unwiſſentlich das Pferd zu viel in die Zügel nimmt, alſo am Vortreten, am Erheben zum Sprunge hindert; daß er die Hand vorgiebt und daher das Pferd nicht verſammelt; daß er nicht verhältnißmäßig vortreibt, oder die Hand oder die Hände bei dem vollkommen verſammelten Pferde nicht ruhig ſtehen laſſen kann. Das richtige Maaß der Hülfen iſt nicht ſo leicht zu treffen und kann nur bei entbundenem Sitze genommen werden. Soll das Pferd aus dem Trabe angeſprengt werden, ſo muß wiederum zunächſt vermehrte Verſammlung deſſelben ſtattfinden, und erſt hierauf können die Hülfen zum Galop erfolgen. Hier fehlt der Reiter wiederum oft darin, daß er auf die Schenkelhülfen das Pferd in den Zügel fortlaufen, aus der Verſammlung läßt, während er den verſammelten Gang bis zum Erheben der Vorhand unterhalten muß und erſt hierauf die nöthige Freiheit zum Sprunge geben darf. Fällt nun das junge Pferd in den Galop, welcher gewöhnlich ein langer iſt, ſo verlangt oft wieder der Reiter eine Unmög— lichkeit, daß dieſer ſofort ein verſammelter Gang ſein ſolle, er wird ihn daher verkürzen wollen, dabei aber bei unent— bundenem Sitze gar nicht oder unzureichend mit den Schen- keln helfen. Auf dieſe Weiſe muß das junge Pferd, welches ſelbſt in den Galop fiel oder zur Unzeit in den Galop genom— men wurde, ſofort dieſen Gang verſagen und in den Trab zurückfallen. Die Hand darf überhaupt, ſelbſt wenn ſie rück— wärts wirkt, dem freien Sprunge nicht hinderlich ſein, und I) 170 Dritter Abſchnitt. der äußere Schenkel muß, nächſt dem ganzen Sitze, dieſen durch rechtzeitiges Vertreiben zu unterſtützen und zu unter— halten wiſſen. Alle Fehler des Reiters, welche ihm wie dem Pferde den Galop erſchweren, oder den falſchen hervorrufen, haben bereits in dem Schritte und Trabe ſtattgefunden und auf dieſe Gänge ihren Einfluß geübt. Da aber aus ihnen der Galop hervorgeht, ſo kann das Pferd dieſen unmöglich richtig gehen, und der Reiter muß hieraus erkennen, daß er nicht arbeiten kann. Darum, obgleich Schritt und Trab die Grundlage des Galops ſind, hört man ſo ſelten oder faſt nie von einem falſchen oder fehlerhaftem Schritte und Trabe. Das würde nicht der Fall ſein, wäre das Falſche bei dieſen beiden Gängen ebenſo in's Auge ſpringend, ebenſo auffällig für das Gefühl, wie es beim Galop der Fall iſt, und hierin liegt eben ein Beweis, wie wenig gute Reiter es giebt. Denn den falſchen Galop zu fühlen und zu ſehen, dazu gehört wenig Gefühl, wenig Auge, wenig Erfahrung; doch die fehlerhafte Bewegung im Schritte und Trabe ſofort zu erkennen, ſei es zu Pferde oder zu Fuß, das vermag nur derjenige, welcher mit den richtigen wie falſchen Gängen des Pferdes vertraut iſt. Sind dieſe Gänge richtig, ſo bedarf es entſchieden keiner beſonderen Arbeit für den Galop, denn es folgt dieſer von ſelbſt. Von der Bearbeitung des Pferdes. 171 §. 47. Das Uebertreten (Travers). Beim Uebertreten bleibt der äußere Zügel der verwah— rende, der innere als führender ſtäte; der äußere Schenkel iſt der helfende, den inneren hält man weich und gerade. Die Hand wird, um die Vorhand vorausgehend zu machen, in die Poſition der Wendung und hierauf wieder in die Nor— malpoſition gebracht. Das Pferd bewegt ſeine Schwere jetzt nach der inneren Seite, weshalb der Reiter die ſeinige durch Hohlbiegen der inneren Seite und ſanftes Fühlen des inne— ren Bügels, welches die Hülfe in ihm iſt, gleichmäßig mit erſterer dahin gehen laſſen muß, damit er nicht hinter der Be— wegung des Pferdes zurückbleibe, und ſie nicht ſtöre. Die Vor— hand muß ſtets voraus ſein (Fig. 61). Giebt das Pferd keine 172 Dritter Abſchnitt. Croupe, und iſt die Vorhand allein voraus, ſo verhält der innere Zügel gegen die äußere Schulter und der äußere Schen— kel hilft mehr. Geht die Vorhand ſo viel voraus, daß das Verhalten gegen die äußere Schulter mit Hülfe des äußeren Schenkels nicht mehr ausreicht, ſo hilft letzterer fort und die Vorhand wird momentan ſtärker verhalten oder auch wohl parirt. Bleibt die Vorhand zurück und geht die Nachhand voraus, ſo ertheilt man die Hülfe zur Wendung, und zwar wird der äußere Zügel ſtärker gegen den inneren druckweiſe aufwärts, und der innere gegen den Hals rückwärts geführt. Der äußere Schenkel läßt augenblichlich mit feinen Hülfen nach. Hierbei darf der innere Schenkel gar nicht oder we— nigſtens nicht anders helfen, als daß er mittels des Durch- drückens der Kniekehle, durch etwas mehr Hülfe in dem Bügel das Hintertheil erhält. Stärkere Hülfen würden un— richtige ſein und das Hintertheil fehlerhaft erhalten. Nur, wenn ſich bei richtiger Führung das Pferd verhält und zurückkriecht, werden beide Schenkel vortreibend gebraucht. Zum Verrichten der Wendung im Travers wendet man den äußeren Zügel gegen den Hals und die innere Achſel; der innere Zügel begiebt ſich in ſelbigem Augenblick etwas auf— wärts rückwärts; der äußere Schenkel verbleibt in ſeiner ſenkrechten und ſtäten Haltung im Bügel; der innere, bisher in der Hülfe im Bügel, giebt die Hülfe dem äußeren gegen— über, und gleich nach verrichteter Wendung ſtellt ſich die Hand in die frühere Poſition. Beim Uebertreten wie bei anderen Seitengängen, wo das Pferd doppelte Hufſchläge geht, iſt ſtreng darauf zu achten, daß der Gang des Pferdes mit Vor- und Don der Bearbeitung des Pferdes. 173 Nachhand unbedingt ein Ubereinftimmendern jei, ſo daß die Bewegung der Vorhand und Nachhand gleichzeitg ſeitwärts erfolge. Zu gern ſucht hier das Pferd wiederum dadurch auszuweichen und ſich Erleichterung zu verſchaffen, daß es verſchieden mit Vor- und Nachhand tritt, abwechſelnd mit ihnen zurückbleibt oder voraus geht und ſo— mit ſeine Richtung, Gleichgewicht und ſtäte Folge unterbricht oder ganz aufhebt. Gemeiniglich wird dieſer Fehler durch nicht übereinſtimmende Hülfen von Hand und Sitz, durch Schwanken und Zurückbleiben des Reiters in der Seitenbe— wegung des Pferdes hervorgerufen. Andere häufig vorkommende Fehler ſind: Spannen der Hand, welches das Pferd am Treten verhindert, zum Stehenbleiben, Zurückkriechen oder Ausweichen mit Vorhand oder Nachhand veranlaßt; Ziehen der Hand oder bei— der Hände nach der äußeren Seite, ſo daß beide Zügel dahin wirken, und die Vorhand nach außen, alſo der Be— wegung nach innen entgegengeſetzt, verhalten. Das Pferd kann nicht übertreten, ſelbſt in dem Falle nicht, wenn der innere Zügel allein nach außen wirkt. Dieſer Fehler der Hand iſt nicht durch einen oder beide Schenkel, wie das gewöhnlich geſchieht, ſondern blos durch die Hand zu ver— beſſern. Der fehlerhafte Gebrauch des inneren Schen— kels hindert das Pferd am Seitwärtstreten an demſelben. Durch unrichtigen Gebrauch des äußeren Schenkels, ſo daß er unter das Pferd zu liegen kommt, verliert der Reiter alle Haltung, welche um fo mehr bei künſtlichen Gängen: vorhanden ſein muß; der hinter den Gurt zurückge— zogene Schenkel aber unterbricht die Folge des Hinter— 174 Dritter Abſchnitt. theiles, macht es dem Vordertheile vorausgehend, weil er nur allein auf dieſes, nicht auf das ganze Pferd, auf Vor-, Mittel- und Nachhand wirkt. §. 48. Renvers. Zum Renvers ſind die Hülfen dieſelben wie zum Tra— vers, doch iſt die innere Seite des Reiters nur im Schritte und Trabe hohlzubiegen, und der innere Bügel ſanft zu fühlen, da die äußeren Schenkel des Pferdes in Freiheit ſein müſſen. Im Galop dagegen iſt der Oberleib gerade zu hal— ten, und der Schwerpunkt im äußeren Bügel zu nehmen, Von der Bearbeitung des Pferdes. 175 weil es hier die inneren Schenkel ſind, welche Freiheit haben müſſen. (Fig. 62.) Will man mit dem jungen Pferde in der Bahn den Renvers üben, ſo wendet man z. B. auf der halben kurzen Wand, und geht mittelſt der Paſſade ſchräg nach der langen Wand, an welcher man in Renvers verbleibt. Bei Anfang der Paſſade muß man Acht haben, daß das Pferd richtig im äußeren Zügel und Schenkel verbleibe, weil junge Pferde gern mit der Nachhand auszufallen ſuchen, um ſie weniger gebrauchen zu müſſen. Gewalt mit dem Schenkel, welche ſtets hinderlich, würde dieſen Fehler auch hier vergrößern, dahingegen muß man mit dem äußeren Zügel und inneren Schenkel ſchon vor dem Anfang der Paſſade eine Verhaltung geben, damit das Pferd vorbereitet werde, und ſich zur Wen— dung mehr ſammele. Ueberdies hat man darauf zu achten, daß es nicht zu viel wende, was es gern thut um dem Seitengange auszu— weichen. Will man im Renvers eine Wendung unter— nehmen, ſo iſt der innere Zügel aufwärts zu heben, und et— was mehr mit dem äußeren Schenkel zu helfen, damit die Vorhand, welche einen kleineren Bogen als die Nachhand zu beſchreiben hat, verhalten werde und der Gang ein ununter— brochener bleibe, zumal hier das Pferd gern ſtockt. Nach der Wendung geht die Hand in die frühere Poſition. 176 Dritter Abſchnitt. §. 49. Redop auf der Volte. Redop iſt Travers Galop auf der Volte. Man erlangt dieſen Gang bei vollkommener Verſammlung des Pferdes durch das vermehrte Aufwärtsführen des inneren Zügels in der Richtung nach der äußeren Schulter und den ſtärkeren Gebrauch des äußeren Schenkels. Das Pferd befindet ſich in dieſer Schule vollkommen auf den Hanken, und ſein Hals muß ſtark gekrümmt fein. Tritt es hinter die Zügel, ſo nimmt man es im lebhaften Gange geradaus in Renvers, ohne es jedoch zu ſtrafen. Travers iſt überhaupt die Vorbereitung zum Nedop. §. 90. Geſtreckte Gänge. Dieſe entſpringen aus den kurzen und verſammelten Ge— ſtreckten Trab und Galop, im Gleichgewicht und mit Anleh— nung ſind diejenigen natürlichen Gänge, welche dem Pferde am ſchwerſten werden, weil die Stützpunkte der Vor- und Nachhand um ſo weiter auseinander fallen, als der Gang geſtreckter iſt, daher auch eine Störung des Ganges, des Gleichgewichts und der Anlehnung ſo ſehr leicht eintritt. Das Pferd muß demnach ſehr viel Haltung haben, ſoll es ſeine Schwere ſtets gleichmäßig vertheilen, was ihm bei mittleren Gängen, wo die Stützpunkte unter geringerer Kraftanſtrengung näher zuſammentreten, auch leichter wer— den muß. Darum ſind geſtreckter Trab und Galop eine Probe für den Reiter wie für das Campagnepferd. Geht es dieſe Von der Bearbeitung des Pferdes. 177 Gänge ſicher mit Gleichgewicht und Anlehnung, alſo auch mit vollkommen gleichmäßigem Tempo, nämlich einen Tritt, einen Sprung wie den andern in gleichem Zeit- und Größen— maße, ſo iſt es zuverläſſig von einem guten Reiter gut und durchgeritten; denn der Reiter muß einen ſtäten und ent— bundenen Sitz und gute Führung haben, um in die Bewegung des Pferdes eingehen, mit ihr fortgehen und helfen zu können, ohne im Mindeſten zu ſtören. Die eigene Schwere mit der des Pferdes zu verbinden iſt weit leichter in niederen Gängen. Man erſieht daher wie fehlerhaft es iſt, junge Pferde ohne Ausnahme und Grund ſtets in geſtreckten Gängen zu üben. Nur wenn ſie an gutgeführte Zügel nicht gehen wollen, pflegmatiſch find ꝛc., können dieſe Gänge Mittel zum Zweck ſein; doch ein wirkliches Arbeiten in denſelben, darf dem jungen Thiere ebenſowenig wie in kurzen Gängen zugemuthet werden. Der Zeitpunkt hierzu tritt erſt ein, nachdem es ſich in den mittleren und kurzen Gängen tragen gelernt hat. Dieſe fehlerhafte Bearbeitung hört man zuweilen „an die Zügelreiten“, „eingalopiren“, „auf den Galop ſetzen“ nennen. Das ſo gearbeitete junge Pferd aber iſt nach Verlauf eines halben oder ganzen Jahres, nach ſogenannter vollendeter Dreſſur zwar nicht mehr roh, denn es trägt ſeinen Reiter, doch abgeſehen von Knochenfehlern, von Piphaken 2c. find Flechſen, Muskeln (Schultern) und Nerven angegriffen, es iſt nichts weniger als im Gleichgewichte, alſo weder gut ge— richtet noch biegſam gemacht, und folglich ſind gute und ent— bundene Gänge unmöglich. Der Zweck der Arbeit iſt ver— fehlt. Nur der Händler läßt das junge Pferd traben ſo viel es Käſtner, Reitkunſt. 12 178 Dritter Abſchnitt. kann, weil es ſich jo beſſer als im Mittel- oder kurzem Trabe, den es nicht gehen kann, producirt. Dagegen nimmt er das junge Pferd in möglichſt kurzen Galop, gleichviel ob hinter den Zügeln und auf Unkoſten des Hintertheiles; weil es ſich in dieſem beſſer zeigt als in dem geſtreckten Galop, den es wiederum nicht gehen kann. Ob das Pferd nun leidet oder nicht, dies iſt dem Händler gleichgültig; denn je beſſer es ſich muſtert, je eher wird es verkauft Zur Uebung des jungen Pferdes darf man alſo vor Befeſtigung in kurzen Gängen keine geſtreckten vornehmen, auch nicht aus jenen in ſolche übergehen, ſo lange es ſich nicht in Anlehnung und Gleichgewicht befindet, über— haupt richtig geht. Ebenſowenig darf man im geſtreckten Gange ſehr lange verweilen, ſondern hat ihn nur touren— weiſe zu üben, und alsbald in den kürzeren zurückzukehren, ſo wie man fühlt, daß das Pferd Gleichgewicht und Poſition länger nicht unterhalten könne Es darf nie über ſeine Kräfte angeſtrengt werden, ſondern muß Luſt zur Arbeit be— halten, und bei vollkommenen geſtreckten Gängen durch recht— zeitiges Beenden derſelben belohnt werden. Iſt ſeine Be— arbeitung eine gute und ſtufenweiſe, ſo gelangt man auch dahin, daß es auch in dieſen jeder, ſelbſt der geringſten Hülfe Folge leiſtet. Nur ſomit werden und bleiben ſie ſichere, nur ſo bleibt das Pferd jederzeit in Gehorſam und in der Gewalt des Reiters. Beſonders ſind die Uebergänge in die geſtreck— ten und zurück in die niederen Gänge zu beachten, da dieſe aller Schnelligkeit ungeachtet fließend bes und mit Anleh— nung erfolgen ſollen. Von der Bearbeitung des Pferdes. 179 Von dem Pferde, welches gern Gleichgewicht und An— lehnung verläßt, hinter die Zügel tritt oder dieſelben nimmt, heftig oder faul, ſchwach im Rücken oder Hintertheil iſt ꝛc., darf das Uebergehen zu weiterem Gange und zurück in den kurzen nicht ſo ſchnell verlangt werden, als von dem mit gutem Temperamente und guter Bauart. Braucht es dabei ſtarke Hülfen, ſo kann man zuverläſſig ſeine genügende Vor— bereitung für dieſe Gänge in Abrede ſtellen. §. 51. Hülfen für geſtreckte Gänge. Dieſe beſtehen: in dem Senken der Hand und unbe— merktem Vorrichten des kleinen Fingers bei ganz ſtäter Füh— rung. Der äußere Zügel muß wohlgeführt in Wirkung ver— bleiben; denn durch ihn und durch die Haltung des äußeren Schenkels wird das Pferd im richtigen Gange und auf der Linie erhalten. Die Hülfe des äußeren Zügels erfolgt gegen den inneren, und der äußere Schenkel begleitet ſie. Durch den ſtäte geführten inneren Zügel wird der Kopf, und durch den gerade und weich gehaltenen inneren Schenkel die Croupe auf der Linie erhalten; 2) beſtehen die fraglichen Hülfen in dem mehr oder weniger ſanften Fühlen des einen oder auch beider Bügel, je nachdem der Gang rechts, links oder ſchnell iſt. Dies iſt nicht blos eine vortreibende Hülfe, ſondern ſie erleichtert auch dem Reiter das mit dem Pferde nothwendig gleichzeitige und gleichmäßige Uebergehen in den höheren 12° 180 Dritter Abſchnitt. Gang, wodurch beide Eines verbleiben; 3) in dem ver— mehrten Vorrichten der Hüften zur Beförderung des Ganges. Zurückgeſtellte Hüften halten ihn auf und ſtören das Ganze— Will 4) das Pferd im geſtreckten Gange das Gleichge— wicht verlaſſen, ſo müſſen zunächſt mehr Haltung des Ober— leibes und halbe Arrets eintreten; ebenſo muß 5) der Reiter ſich und ſein Pferd auf unebenem Terrain vor Hinderniſſen ſchützen, indem er mehr Haltung annimmt und das Pferd verſammelter gehen läßt. Der äußere Zügel iſt es, welcher den Gang erhabener macht und Sicherheit hervorbringt. Ferner iſt 6) das Pferd vor dem Uebergehen in den kurzen Gang durch halbe Arrets zu verſammeln. Will es 7) aus dem geſtreckten Trabe übereilend in den Galop fallen, fo it. es ganz behutſam in den Zügeln zu verhalten, nicht druck— weiſe, ſondern innerhalb mehrerer Tempi ganz ſtäte und der Art, daß es nicht etwa noch mehr verſammelt, ſondern blos der Gang etwas gekürzt werde. Hierbei haben ſich die Schenkel ganz leidend zu verhalten und dürfen keine Hülfen in den Bügeln nehmen. Fällt 8) das Pferd aus dem ge— ſtreckten Trabe in den Galop und will man wieder zu jenem zurück, ſo bewerkſtellige man den Uebergang durch halbe Pa— raden, oder parire das Pferd ganz, laſſe es zurücktreten und fange von Neuem an. Will es jedoch in den Galop fallen, lediglich um ſich im Gange zu verhalten, dann müſſen die Zügel ſanft anſtehend verbleiben, und es muß mittelſt Hal— tung des Oberleibes und Schenkelhülfe vorgetrieben, ſelbſt auch in lebhaften Galop gebracht werben, aus welchem es wieder in den Trab zu ſetzen iſt. Uebereilt es ſich im ge— ſtreckten Trabe oder Galop, ſo gebe man 9) die halben Arrets Ven der Bearbeitung des Pferdes. 181 aufeinander folgend. Der mangelhaften Folge der Nach— hand muß 10) ſobald Schwäche hierzu die Urſache, durch weniger bodennehmenden Gang abgeholfen werden. Außer— dem aber iſt das Pferd mit dem äußeren Schenkel ernſtlich vorzutreiben Vei ſchwachem Hintertheile muß man ihm 11) geſtatten, daß es bei erhöhten Gängen in ſeiner Haltung etwas nachlaſſe, und in der Hand einige Hülfe nehme, da es dieſe gewöhnlich ſucht. Ganz fehlerhaft iſt das Vortreiben der Pferde bei geſtrecken Gängen, namentlich in der Carriere, durch Stoßen mit Schenkeln und Sporen. Tritt dieſe Noth— wendigkeit ein, ſo kann angenommen werden, daß es der nöthigen Vorbereitung ermangele; denn hat es dieſe bekom— men, iſt es zur Thätigkeit in kurzen und mittleren Gängen, wie zur Aufmerkſamkeit für immer geringere Hülfen angehal— ten und alſo gefühlvoll gemacht worden, ſo wird ſelbſt ent— ſchiedene Trägheit der Schnelligkeit weichen. Strafen mit den Sporen verzögern in der Regel den Gang, weil der Reiter leicht ſeine Haltung verliert und wol gar auch mit der Hand ſtrafend wird. Befördern ſie ihn dennoch, ſo iſt er gewöhnlich auf der Vorhand unſicher, und das Pferd nicht mehr vollkommen in der Hand und Gewalt des Reiters. Ein gewöhnlicher Fehler bei dem Anreiten ſelbſt iſt das plötzliche Nachgeben und Vorgeben der Zügel, wodurch Rich— tung, Gleichgewicht und Anlehnung verloren gehen, und das Pferd volle Freiheit zu jeglicher Unordnung erlangt. Endlich kommt bei geſtrecktem Trabe häufig der Uebel— ſtand vor, daß der Reiter, ſobald das Pferd in den Galop fallen will, die Zügel verſtärkt annimmt, und wol gar mit 182 Dritter Abſchnitt. den Schenkeln vortreibt. Dieſe Hülfen verſammeln es und befördern den Galop, das ſich verhaltende Pferd wird in ſeinem Willen beſtärkt und nie in einen gezogenen Gang kommen. Vierter Abschnitt. Zur Charakteriftik des Pferdes. 7 * ZZ - ‘ 5 4 . or. — “ F ter . - Pf en u * 200 N ee Fee 7 irre Arten VAR a a a aa RE | FE 8 Ne 9 0 ER Ind ee n Ale Segen fi Sa no 8 eee Pin $. 92. Der ftarre Hals. Je mehr das Pferd ſtarr und im Zwange iſt, je ſchwerer ihm alſo jede Veränderung wird, um ſo überlegter und zwangloſer muß der Reiter in Allem zu Werke gehen. Der ſtarre Hals, welcher durch Unbeweglichkeit der Hals— wirbel, ſteife, unelaſtiſche Ober-, Seiten- und Unter-Mus⸗ keln, durch zu ſtraffes Nackenband entſteht, kann nur all— mälig nachgiebig gemacht werden. Je jünger und unver— dorbener das Pferd, je eher wird dies zu erreichen ſein; je älter es iſt (und außerdem vielleicht noch verdorben), deſto ſchwerer. Bei Bearbeitung des ſtarren Halſes, alſo zunächſt des Genickes, hat der Reiter mit größter Umſicht und ſo gefühl— voll als nur irgend möglich zu verfahren; er darf dieſelbe weder übereilen, noch etwa durch Kraft befördern wollen, muß dem Pferde hinreichende Zeit verſtatten, damit die Hals— muskeln nach und nach Geſchmeidigkeit erlangen, ſich zuſam— menziehen und auseinander dehnen lernen. Derjenige Rei— ter, welcher dieſe Veränderungen allmälig hervorzurufen ver— ſteht, ſo daß ſie ſo wenig als möglich empfindlich ſind, wird 186 Vierter Abſchnitt. am erſten zum Ziele kommen. Biegung des Genicks und Veränderung des Halſes ſind dem Pferde ſchwer und läſtig, weil der ganze übrige Körper durch ſie gebildet und gerichtet wird. Gewöhnlich ſucht es dadurch auszuweichen, daß es bei einigermaßen lebhaftem Temperament zu ſtark in die Zü— gel tritt, oder bei ruhigem Character mit dem Hintertheile ausweicht, ſich im Gange verhält, nicht an die Zügel treten und ſich fehlerhaft in dieſelben ſtellen will. §. 53. Der zu hoch ſtehende Hals mit vorgeſtrecktem Kopfe. Dieſer Hals drückt die Schultern herab und bindet ſie; die Zügelwirkungen können nicht auf das ganze Pferd über— gehen und die Folge der Nachhand iſt eben ſo fehlerhaft als die Bewegung der Vorhand. Der kürzeſte und ihnen verſtändlichſte Weg zum Herbeinehmen des Halſes iſt der mittelſt der Schlaufzügel. Ihre Anzüge, welche bei ihrer ſtar— ken Wirkung ohne allen Zwang erfolgen können, nöthigen es zum Gehorſam, daß es nämlich im Genick nachgiebt und Kopf und Hals ſenkt. Wollte man lediglich mit den Ar— beitstrenſenzügeln zu dieſem gewünſchten Erfolge gelangen, ſo bereitete man ſich viel Mühe; man müßte einen gewiſſen Grad von Zwang anwenden, um die Hände niedriger führen und den Hals herbeinehmen zu können, man würde alſo das Pferd unnöthigerweiſe beläſtigen und Zeitverluſt haben. Die Erforderniſſe des Sitzes und der Hand, welche der ſtarre Hals nöthig macht, verlangt dieſer in erhöhtem Grade; denn ſind ſämmtliche Hülfen nicht übereinſtimmend, fehlt die Zur Charakteriſtik des Pferdes. 187 Hand, wird das Pferd in die Zügel getrieben, das Tempo zu ſchnell genommen ꝛc., ſo können Hals und Kopf unmög— lich erhalten werden, das Pferd wird ug ungeachtet aller Hülfszügel in die Höhe werfen. Die Schlaufzügel ſind übrigens oft nur kurze Zeit, oft nur Tage, erforderlich; denn das Pferd wird gern und bald dem alleinigen Anzuge der Trenſenzügel nachgeben, ſobald es den Willen des Reiters erkannt hat. §. 34. Der durch fehlerhafte Bearbeitung zu hoch ſtehende Hals. Viele Reiter, welche weder den günſtigen Bau des Pfer⸗ des zum Reiten noch die Wirkungen und Folgen des mangel— halften kennen, glauben bei der Trenſenarbeit genug zu thun, wenn ſie den Hals ſo viel und ſo hoch als nur immer mög— lich aufrichten oder in die Höhe ſchrauben, meinen allein hierdurch Gleichgewicht erlangen zu können. Dadurch wird jedoch nicht nur der mangelhafte Hals verſchlechtert, ſondern ſelbſt der von Natur gute verdorben, denn man nöthigt das Pferd Fehler anzunehmen, wie ſie bereits bezeichnet wurden. Unmöglich kann es auf dieſe Weiſe in Richtung, Gleichge— wicht und Biegung gelangen, da die Zuſammen- und Zu— einanderſtellung aller Theile geſtört und unmöglich gemacht wird. Das Hintertheil in ſeinen Gelenken, die Lenden mit dem Rücken und das Vordertheil, beſonders die Schultern werden die leidenden Theile, ſie mögen nun zu viel oder zu wenig arbeiten, da beides Nachtheil bringt. Nie vermag das Pferd Sicherheit zu erlangen, z. B. beim Springen, in ge— 188 Vierter Abſchnitt. ſtreckten Gängen, auf glattem Boden, da man es zum flachen Gang und zum Anſtoßen bringt, indem es die Schultern nicht erheben, nicht aus ihnen, ſondern nur unter ſich treten kann. §. 50. Der niedrig angeſetzte Hals. Iſt der Hals dem zu hochſtehenden entgegen zu niedrig angeſetzt, und trägt das Pferd denſelben wie den Kopf zu tief, ſo daß Aufrichtung nothwendig wird, ſo iſt es auch ge— wöhnlich der Fall, daß es ſtark auf der Vorhand liegt, ſeine Hauptſtütze auf dieſer ſucht und ſich auf die Zügel legt, den Rücken nicht hergiebt, und das Hintertheil wenig oder gar nicht biegt. Letzteres kann bei ſolcher Verbindung des Halſes mit dem Rücken durch die Zügelwirkungen faſt nie erreicht werden, ſie verlaufen ſich gewöhnlich in der Vorhand, und zwar um ſo mehr, je weniger der Reiter der hier eintretenden Verſuchung, die Zügel recht hoch zu führen, widerſtehen kann. Dieſes Pferd darf nur in mäßigem Gange gearbeitet werden, weil das Aufrichten des Halſes die Hergabe des Rückens und die Folge des Hintertheiles bedingt, und weil zu ſtarker oder zögernder Gang es in oder hinter die Zügel bringt. Biegt es ſich jedoch mit derartiger Vorhand von ſelbſt im Hintertheile, um jene nicht bilden zu laſſen und in ihr um ſo ſtarrer bleiben zu können, ſo wird die Arbeit ungemein ſchwierig, und es muß die Nachhand unbedingt leiden, wenn der Reiter dieſelbe nicht dergeſtalt zu behandeln verſteht, daß ſie ungeachtet der Bearbeitung der Vorhand geſchont, und zum richtigen Maß der Thätigkeit gebracht werde. Zur Charakteriſtik des Pferdes. 189 Der tiefangeſetzte, ſonſt aber gute Hals mit gutem Stande iſt nur am Widerrüſt zu erheben, was eben rechte Uebereinſtimmung des Sitzes und der Hand und recht gutes Gefühl verlangt. Würde der bereits gut ſtehende Hals fehlerhafterweiſe, wie es häufig vorkommt, noch mehr aufge- richtet, ſo wird der nachtheilige Bau der Vorhand künſtlich verſchlechtert, die Schultern werden im hohen Grade nieder— gedrückt, die Lenden hoch gemacht und das Pferd wird zu flachem, unſicherem Gange gebracht. $. 56. Der Hirſchhals. Bei dieſem iſt es zweckmäßig, anfänglich die Schlauf— zügel zu gebrauchen, um ihn ſicherer und leichter richten zu können. Man lenke ſein Augenmerk auf den Kopf, um ihn herbeizubringen, weil allein durch das Genick der Hals ge— richtet wenden kann. Bei engen Ganachen iſt die Arbeit um ſo ſchwieriger. Güte der Hand iſt auch hier insbeſondere erforderlich, und alles unnöthige Vortreiben, ſowohl durch die Haltung des Oberleibes als durch die Schenkel muß ſorgſam vermieden werden, weil man ſonſt den Hals unmög— lich in der Richtung erhält und dem Pferde außer den Schwierigkeiten ſeines Baues noch andere durch ſein Beneh— men in den Weg legt. Mäßiges Tempo alſo, welches beſon— dere Kraftäußerung des Hintertheiles nicht erfordert, iſt auch hier vor Allem nothwendig, damit dem Pferde die Hals— richtung erleichtert, und auf das Erheben der Vorhand und abgemeſſene Folge des Hintertheiles hingearbeitet werden könne. 190 Vierter Abſchnitt. §. 57. Der bewegliche Hals. Auf die genaue Richtung dieſes Halſes hat der Reiter vornehmlich zu achten, es möge ſich derſelbe bei ſteifem Genick, als die gewöhnliche Veranlaſſung, entweder in den mittleren Halswirbeln abwechſelnd und ausweichend nach ſeitwärts biegen, oder deſſen Beweglichkeit in der Schlaffheit aller Halsmuskeln liegen. Außer dieſen natürlichen Urſachen der Beweglichkeit kann dieſelbe leicht durch fehlerhaftes Reiten, ohne Beachtung der Richtung des Halſes, durch Mangel an Uebereinſtimmung von Sitz und Hand hervorgerufen werden. Damit nun die Richtung, das Weſentlichſte, ununter— brochen unterhalten werde, iſt die ruhige und ſtäte Stellung der Hände, und zwar ſo nahe neben einander als nur mög— lich, um die Zügelwirkungen recht vereinigen zu können, ſchlechterdings nothwendig. Die Kantharenhand hat ſtreng über der Mitte des Pferdes zu verbleiben. Beim Anfang der Dreſſur iſt das Biegen dieſes Halſes zu unterlaſſen, und der geringſte Genickbug ſchon für genügend zu halten; denn er muß zuvörderſt in ſeiner Richtung voll— kommen beſtätigt werden, was dem Pferde läſtig genug wird. Erſt hierauf, wenn dieſe gewonnen und beſtätigt iſt, was gewöhnlich längere Zeit erfordert, darf man ſich vorſichtig und genau mehr mit dem Biegen beſchäftigen, doch wird das Pferd auch jetzt noch oft verſuchen, dem richtigen Buge durch Verbiegen des Halſes auszuweichen. Findet die Beweglichkeit des Halſes nicht durch Biegung der mittleren Halswirbel nach ſeitwärts, ſondern nach auf— Zur Charakteriſtik des Pferdes. 191 und abwärts ſtatt, ſo iſt dieſer Fehler ſchwerer zu beſeitigen, weil es nicht mehr ſo leicht iſt, den Hals in gleichmäßiger Richtung, weder zu hoch noch zu tief, auf einer Stelle zu er— halten. Wird auch hier zu früh gebogen, ſo macht man den Hals noch beweglicher. Herrſcht ferner nicht die größte Uebereinſtimmung in Hand und Sitz, ſo daß der Hals in gleichmäßiger Richtung verbleiben kann, ſo erfolgt auch keine Berichtigung des Fehlers. Denn wird das Pferd zu viel vorgetrieben, und giebt die Hand nicht nach, ſo muß ſich der Hals zuſammenſchieben, ſteigen oder fallen; wird es zu wenig vorgetrieben, ſo vermag wiederum die Hand nicht den Hals zu erhalten und er wird aus der Richtung fallen, denn ſie muß jetzt nachgeben, um das Pferd, wenn es nicht von ſelbſt geht, im Gange zu beſtärken. Thut ſie dies nicht, ver— bleibt ſie in ihrer Wirkung, ſo muß der Gang aufhören. Dieſelben Fehler, welche aus mangelhaften Hülfen des Sitzes entſpringen, erwachſen durch die der Hand, und es tritt der Fall ein, das dem Pferde das Verbiegen nach ſeit— wärts im Halſe gelehrt wird. Die einfachſte und leichteſte Arbeit bei natürlichen Gängen des Pferdes und Geduld des Reiters führt allein möglichſt ſchnell zum Ziel. §. 58. Kurzes und lauges Genick. Es giebt Pferde, welche ungeachtet eines ſonſt guten Halſes, dennoch Schwierigkeiten in der Arbeit verurſachen, indem die Verbindung deſſelben mit dem Kopfe, wegen Kürze des Genicks, nicht genügend elaſtiſch und dehnbar iſt. 192 Vierter Abſchnitt. Weſentliche Veränderungen und Verbeſſerungen dieſes Theiles können durch den Reiter ſtattfinden, ja es kann auf der Bahn dieſer Mangel des Baues wol ganz beſeitigt wer— den; wird es jedoch dem Reiter nicht mehr möglich dem Pferde ungetheilte Aufmerkſamkeit zu widmen, ſo wird es in allen Gängen, namentlich aber bei Paraden aus erweiterten, gern prall in der Hand werden, durch Vorſtrecken der Naſe oder in die Höhewerfen des Kopfes die Wirkung der Hand zu hindern oder aufzuheben ſuchen. Im Beginn der Arbeit leiſten namentlich bei dem jungen Pferde die Schlaufzügel vorzügliche Dienſte. Doch können ſie füglich immer ganz wegbleiben, falls es der Reiter nicht blos verſteht die Wirkungen der Zügel durch das Gefühl der Hand und des Sitzes einzutheilen, ſondern dadurch auch dem Pferde das Erhalten oder die Hergabe des Genickes zu erleichtern und die Paraden und Uebergänge genügend durch halbe Pa— raden vorzubereiten. Pferde mit kurzem Genicke, welche mit vorgeſtreckter Naſe gehen, biegen ſich gewöhnlich nicht im Rücken und Hinter— theile, bekommen daher bald ſteife Hinterſchenkel, oft Läh— mung in denſelben und ſteile Feſſeln. Je mehr das durch die Zeit der Fall geworden iſt, um ſo ſchwerer wird die Beſ— ſerung, um ſo vorſichtiger muß verfahren werden, da in den angegriffenen, unelaſtiſchen, ſteifen Gelenken bei übereilter Behandlung leicht Lähmungen zum Vorſchein kommen. Die Folge des langen Genickes iſt, daß ſich ſolche Pferde gern überzäumen, alſo hinter die Zügel treten, und zwar oft ſo ſtark, daß die Kantharenbäume an die Bruſt treffen, nicht nur, weil ihnen der richtige Stand des Halſes ſchwer wird, Zur Charakteriſtik des Pferdes. 193 ſondern weil häufig dem Reiter die Geſchicklichkeit mangelt, dieſen hervorzubringen und zu unterhalten. Wiederum iſt auch hier beſondere Güte und Geſchicklich— keit der Hand mit Uebereinſtimmung ſämmtlicher Hülfen nöthig; denn am nachtheiligſten wirkt auf dieſen Hals das fortwährende und in der Regel unbewußte Zurückziehen der— ſelben, eine Gewohnheit, welche ſo viele Reiter an ſich haben, weil das Stehen- und doch Wirkenlaſſen der Hand lange und ununterbrochene Uebung und vollkommene Uebereinſtimmung mit dem Sitze verlangt. Ganz am unrechten Orte iſt auch das zu zeitige und fehlerhafte Biegen. Hinter den Zügeln gehende Pferde ſind nie im Gleichgewicht, ſondern jederzeit auf der Vorhand. 8. 39. Der lange, hohe, krumme und Senkrücken. Dem Pferde mit langem Rücken wird das Erlangen von Biegung, Gleichgewicht, kurzen Gängen und Seitengängen ſo ſchwer, daß die Abrichtung wenig belohnend iſt, wenn es nicht ein ſehr gutes Temperament und vorzügliches Hinter— theil hat. Pferde mit ſtarkem, empfindlichen oder auch ſchwachen Rücken, denen der Druck des Sattels oder der Gurte auf Rücken und Leib und die Schwere des Reiters unangenehm ſind, ziehen denſelben gewöhnlich beim Aufſitzen und An— reiten durch Spannung der Rücken- und Bauchmuskeln, durch näheres Zuſammentreten mit Vor- und Nachhand auf. Das beſte Mittel dagegen iſt, das Pferd vor dem Aufſitzen an der Hand wiederholt einige Schritte möglichſt richtig zurück und Käſtner, Reitkunſt. 12 194 Vierter Abſchnitt. wieder vortreten zu laſſen, und hierauf ſo zu ſtellen, daß es ſenkrecht auf ſeinen vier Füßen ſteht und dahin zu wirken, daß es beim Aufſitzen vollkommen ruhig ſtehen bleibt ohne zu treten. Das Aufſitzen muß mit Leichtigkeit erfolgen, damit nicht nur die Schwere des Reiters nicht in den Bügel zu ſtehen kommt, wodurch ſich Sattel und Gurte ziehen, drücken oder kitzeln, ſondern auch die Schwere nicht plötzlich, ſondern all— mälig auf den Rücken gerathe. Nach dem Aufſitzen laſſe man das Pferd eine kurze Zeit ſtill ſtehen, bis es ſich an die Schwere des Reiters gewöhnt, mit Anſpannung der Muskeln nachgelaſſen und den Rücken hergegeben hat. Wollte der Reiter unbedachtſam aufſitzen, ſofort anreiten und wol gar das Pferd durch Schenkel und Zügel zwingen, welche es aus Unkenntniß vielleicht nicht einmal beachtet, ſo können Unarten mit den nachtheiligſten Folgen, Boden und Ueber- ſchlagen ꝛc., kaum außen bleiben. Gleichmäßig wird man bei dem ſtarken wie bei dem ſchwachen Rücken verfahren, im Reiten jedoch der Unterſchied ſtattfinden müſſen, daß man erſteren durch die eigene Schwere mehr belaftet, letzteren dagegen erleichtert, jenen mehr durch die Zügelwirkungen zum Nachgeben zwingt, dieſen weniger durch dieſelben incommodirt. Gebraucht das Pferd den Rücken momentan zu Ungezogen heiten, jo muß dem durch ſtärkeres Aufrichten des Halſes und Niederſetzen in den Sat— tel, bei vermehrter Haltung des Oberleibes, und nach Um— ſtänden durch mehr oder weniger Schenkelhülfe begegnet wer— den. Den hohen, feſten, kräftigen Rücken kann man aber überhaupt nur durch zweckmäßige und richtige Halsarbeit all— mälig nehmen. Wollte man den Rücken beſtändig mit Kraft Zur Charakteriſtik des Pferdes. 195 und Strenge niederdrücken, ſo würde man ihn ſchwächen, und das Pferd würde ſich dagegen um ſo mehr ſträuben, je weniger die Vorhand gearbeitet und nachgiebig iſt. Die ſchwierigſten Pferde ſind die mit feſtem, ſtarkem Rücken, ſchmalen Sprunggelenken und ſchwachen Beinen. Der Reiter hat den Rücken nachgiebig und biegſam zu machen und doch dabei beſonders ſchonende Rückſicht für die Beine zu nehmen. Zweckentſprechende Uebungen ſind die Volte, das Schultereinwärts und Zurücktreten. Je tiefer aber der ſogenannte Senkrücken, je weniger iſt das Pferd zum Reitpferde tauglich, weil die Verbindung des Vordertheiles mit dem Hintertheile mangelhaft beſteht. Es ermüdet ſehr leicht und die Unterhaltung des Gleichgewichtes wird ihm ſehr ſchwer. §. 60. Das ſtarre Hintertheil. Das Pferd mit ſtarrem, ſteifem Hintertheile muß vor Allem in thätigen Gang gebracht werden, damit durch ihn die gebundenen Gelenke entbunden werden. Die Volte, auf welcher es ſich unbedingt biegen lernen muß, das Schulter— einwärts, Zurücktreten, Verrichten häufiger Wendungen, ſind die Lectionen, welche zu wählen, doch mäßig bei weit vorge— ſtecktem Ziele zu üben ſind; denn ſolche Hintertheile täuſchen manche Reiter, eben ſo wie die krummen und hohen Rücken; ſie ſcheinen oft recht ſtark zu ſein und ſind nichts weniger als das, ja ſie ſind oft recht ſchwach, weil es den Kreuz-, Hüft— und Sprunggelenken ebenſo wie dem Rücken, abgeſehen von anderen Fehlern oder Mängeln des Gebäudes, an Elafticität 13 * 196 Vierter Abſchnitt. fehlt. Was Kraft ſcheint, iſt oft weiter nichts als Starr— heit; alſo Mangel an Elaſticität der Muskeln, Mangel des Baues. Uebereilt ſich der Reiter in der Dreſſur, will er dem Pferde nicht die nöthige Zeit gönnen, ſo werden ſich bald hohe und hebende Bewegungen der Hinterfüße und Spath ꝛc. einſtellen; denn die Muskeln werden geſchwächt, anſtatt daß ihnen Elaſticität und wahre Kraft angeeignet werden ſollte. Daher iſt nothwendig, daß der Reiter Geduld, gute Hand und entbundenen, belebenden Sitz habe, damit ſich das Pferd nicht ſcheue beherzt zu treten und feine Glieder zu gebrauchen. Fehlen Hand und Sitz, ſo wird es ſich verhalten, wenn auch nicht allemal auffällig im Gange, jo doch unbedingt in dem freien, furchtloſen Gebrauche ſeiner Glieder. Gewöhnlich aber wird es ſich mehr und mehr ſpannen und feſter machen, und auf dieſe Weiſe weicht es dem Reiter aus, wenn es keine andere Gelegenheit hiezu findet. §. 6l. Das überbaute Hintertheil. Einem ſo beſchaffenen Pferde muß der paſſende Stand im Halſe gegeben werden, damit man durch ihn auf das Hintertheil wirke. Wohl zu beachten iſt dabei, daß dies wie immer, ſo beſonders hier allmälig geſchehe, damit ſich nicht nur das Hintertheil nach und nach biegen lerne, ſondern da— mit es auch zu großem Zwange durch Hochmachen der Lenden nicht ausweiche und die Schultern nicht herabgedrückt werden. Die Lectionen, welche zur Bearbeitung des ſtarren Hin— tertheiles angegeben wurden, find auch hier anzuwenden, Kann Zur Charakteriſtik des Pferdes. 197 die Longenarbeit vorangehen, jo wird man um ſo ſchonender für das Hinterheil verfahren. Je fehlerhafter aber das Pferd gebaut iſt, mit deſto mehr Genauigkeit und Schonung muß der Reiter zu Werke gehen und ſich oft ſchon durch geringe Leiſtungen zufrieden ſtellen, weil jenem jedwede Veränderung ſehr ſchwer fällt. §. 62. Das niedrige Hintertheil. Pferde ſolcher Art tragen gewöhnlich bei geſundem und kräftigem Hintertheil und Rücken Hals und Kopf hoch, biegen wol auch das Hintertheil vermehrt. Dieſes wie den Rücken zu erleichtern und nicht noch mehr zu bedrücken, muß unbe— dingt der Hals herabgerichtet und in eine zweckmäßige Stel— lung gebracht werden, welche dem Hintertheile alle Erleich— terung in der Folge bietet. Auch darf man durch die Hal— tung des Oberleibes die Schwere nicht unnöthig nach hinten bringen. Iſt hierbei der Hals lang und das Genick ſchwierig, ſo wird die Arbeit um ſo anſtrengender, und kann nur ſehr langſam von Statten gehen. Iſt dieſes Hintertheil ſchwach, und bietet der Hals noch beſondere Schwierigkeiten, ſucht das Pferd in der Hand des Reiters bedeutende Stütze, oder tritt es wol obendrein hinter die Zügel, ſo eignet ſich ein ſolches Pferd weder zum Reiten noch Ziehen. §. 63. Die bewegliche Nachhand. Sie kommt am häufigſten bei Pferden mit Hechtrücken vor; durch ſie weicht das Pferd der Richtung, Biegung, dem Gleichgewichte, der Anlehnung und richtigen Gängen aus, 198 Vierter Abſchnitt. nicht nur weil ihm dieſe Aneignungen läſtig werden, ſondern weil es ihm oft gelingt, den Reiter durch ſie zu unrichtigem Benehmen zu verführen, indem er ſich ſeinen Sitz, ſeine Hal— tung und ſeine Führung fehlerhaft verändern läßt. Geſchieht das, treten falſche Hülfen ein, ſo wird die Nachhand nicht beſtätigt, nur in ihren Fehlern unterſtützt werden. Richtige Haltung des äußeren Schenkels und richtige Lage des inneren, richtige Wirkung des äußeren Zügels bei ſtäter Wirkung des inneren beſtätigen die Nachhand. Sind die Schultern bereits entbunden, kennt das Pferd alſo das Schultereinwärts und wollte die Nachhand noch nicht ſtäte folgen, ſo ſetzt man daſſelbe in Travers, wo möglich auf enger Volte. Fehlen jedoch dem Reiter bei dem ſchönſten und natürlichſten Sitze die Zügelhülfen, was ſehr oft der Fall, weil ſie in ihrer großen Mannigfaltigkeit und wegen der großen Genauigkeit mit welcher ſie ausgeübt werden müſſen, ſchwer und nur durch ausdauernden Fleiß zu erlernen ſind, ſo kann er die bewegliche Nachhand nicht nur nicht beſtätigen, ſondern er wird überhaupt kein Pferd genügend durch- und ausbilden können. §. 64. Das faule Pferd. Phlegmatiſche, faule, zurückhaltende Pferde haben faſt in der Regel gute Mäuler, darum verlangen ſie in jedem Falle eine vorzüglich gute und leichte Führung, wenn fie in Thä— tigkeit gebracht werden ſollen; denn ſobald ſich die Hand im Geringſten ſpannt, unnöthigerweiſe rückwärts wirkt, wird das Pferd ſo fort ſtocken oder ganz den Gang verſagen. Zur Charakteriſtik des Pferdes. 199 Außerdem iſt belebender Sitz das unzertrennlichſte Erforder— niß. Verſteht der Reiter nicht mit aller Weichheit und Ge— ſchmeidigkeit mit den Schenkeln zu helfen, zu ſtrafen, ſogar empfindlich zu ſtrafen, ſo wird das faule Pferd ſicherlich nicht Leben bekommen. Eine recht freie entbundene Haltung des Oberleibes iſt weſentlich und die Ruthe zur Aufmunterung als Hülfe und Strafe ganz am Orte. Ferner muß dieſes Pferd ſo leicht als möglich gezäumt ſein, unbedingt dies we— nigſtens bei nicht ganz guter Hand. Als gewiß und unumſtößlich iſt anzunehmen, daß das faule Pferd nur in dem Grade lebendig und thätig wird, als bei richtigem Verfahren die Hand weich, der Sitz elaſtiſch und belebend iſt. Fehlen dieſe Erforderniſſe, ſo helfen alle Stra— fen nichts, das Pferd wird durch ſie möglicherweiſe noch ge— fühlloſer und ſtätig. Zweckdienliche Mittel zu ſeiner Auf— munterung ſind Longe und Pilaren, indem die Peitſche hier gehörig und zweckmäßig gebraucht werden kann. Mancher Reiter iſt wol der Meinung, daß bei dieſem Pferde weniger Genauigkeit in der Arbeit erforderlich ſei, weil es eben faul und unempfindlich; daß bei ihm grobe Hülfen anzuwenden wären, weil es gegen dieſelben nichts anderes unternimmt, als daß es eben nur den thätigen Gang verweigert, was er allein als Folge der Faulheit, nicht aber als ſeine Schuld anſieht. Dem iſt jedoch nicht ſo; und auf dieſe Weiſe wird ſicher kein Leben in das Pferd gebracht, es wird ſich vielleicht ruhig aufs Uebelſte behandeln laſſen, aber gehen und Gefühl bekommen wird es nicht. 200 Vierter Abſchnitt. §. 65. Das heftige Pferd. Nur gute Eigenſchaften des Reiters verlangt auch dieſes Pferd, doch iſt daſſelbe bei der Campagne-Reiterei häufig durch eine mittelmäßige Hand weniger geſtört als das faule Pferd, wenn ſie nur die Eigenſchaft der Stätigkeit beſitzt; denn die Mängel derſelben werden oft durch das Tempera— ment ganz oder doch zum großen Theil aufgewogen. Daſſelbe iſt oft auch mit dem Sitze der Fall. Dieſes Pferd verträgt zuweilen ſehr gern den Fehler des Wegſperrens der Unter— ſchenkel, überhaupt gezwängten Sitz, wenn nur der Reiter ruhig und ſtäte verbleibt. Bei ſolchen Fehlern kann von einem guten Reiter natürlich nicht die Rede ſein, es ſollte nur angedeutet werden, daß das heftige Pferd grobe Fehler des Reiters oft eher unbeachtet läßt als das faule. Bei Pferden mit Temperament iſt die augenblickliche Hal— tung des Oberleibes ſehr zu berückſichtigen. Die Richtung deſſelben hinter die Linie, das Zürückbleiben deſſelben in der Bewegung treibt vor und beunruhigt, eben ſo wie das un— unterbrochene Rückwärtswirken und verhalten der Hand, wo— durch außerdem noch das Maul getödtet wird. Die ſanfte, Haltung vor die Linie jedoch beſänftigt und mäßigt eben ſo, wie das Nachgeben der Zügel, weil das Pferd die Schwere des Reiters lieber auf der Vorhand als im Gleichgewicht trägt. Das Zurücktreten iſt für das feurige Pferd die em— pfindlichſte Strafe. Fehlerhaftes und zu häufiges Zurück- treten aber hat die nachtheiligſten Folgen. Ferner iſt große Eintheilung der Hülfen und beſondere Geduld nothwendig; Zur Charakteriſtik des Pferdes. 201 denn der Reiter, welcher die Heftigkeit durch Strafen hemmen will, gießt Oel in das Feuer. | Damit das Pferd nicht feſt in der Hand werde, darf man nach der zwangloſen, wenn auch vielleicht dennoch kräf— tigen Annahme der Zügel niemals das Nachgeben derſelben verſäumen. Der beruhigende Einfluß des Reiters durch die Zügel wird durch richtige Halsſtellung bedingt. Dieſer muß auf— hören, wenn ſie überrichtet oder zu tief iſt, denn das Pferd wird die Zügel nicht beachten, in dieſelben drängen und hin— ter dieſelben treten, der Reiter ſchwer Herr deſſelben bleiben, und beſonders unſicher wird es um die Paraden aus ge— ſtreckten Gängen ſtehen. Unerläßlich iſt endlich, daß das Pferd mit Sitz, Schenkel und Bügel vertraut gemacht werde, damit es vor den Be— wegungen der erſteren und Fallen der Letzteren an den Leib nicht ſchreckhaft ſei. Befondere Rückſicht iſt auf die Zäumung zu nehmen. Ob jedoch dieſelbe ſcharf oder gelind fein müſſe, hängt von dem Baue des Pferdes und beſonders von dem des Maules ab; ſchwaches Hintertheil und hohe empfindliche Laden zum Bei— ſpiel verlangen gelinde Zäumung; ſchärfere das ſtarke Hin- tertheil und niedrige Laden mit ſtarker Zunge. §. 66. Das furchtſame Pferd. Mit wenig Ausnahmen iſt jedes Pferd von Natur furcht— ſam und es muß zum großen Theil an alle Gegenſtände ge— wöhnt werden, die ihm fremd, neu und ſchreckhaft ſind. Er— 202 Vierter Abſchnitt. folgt dies mit rechter Vorſicht und Umſicht, ſo gewinnt daſ— ſelbe Zutrauen zu dem Reiter, achtet auf ſein Anreden, und folgt ſeinen Hülfen, weil es weiß, daß es durch ihn nicht in Gefahr gerathe. Wird daſſelbe jedoch fehlerhaft behandelt, unzeitig geſtraft, ſo kann die Furchtſamkeit in Scheu, einen großen Fehler ausarten, welcher ſelbſt dann durch ſchlechte Behandlung eintreten kann, wenn es von Natur nicht furcht— ſam war. | Die richtige Behandlung beſteht vornehmlich in Ueber: legung und Aufmerkſamkeit des Reiters. Derſelbe muß das junge furchtſame Pferd ſo viel als irgend möglich von allen Gegenſtänden, vor welcher es ſich fürchten könnte, entfernt halten, und zwar mindeſtens fo lange, als ihm Zügel und Schenkel gänzlich fremd ſind, da es nicht verſteht dieſen Ge— horſam zu leiſten. Die Bahn oder ein Ort wo das Pferd nicht geſtört werden kann, iſt darum zur erſten Beſchäftigung mit ihm zu wählen, wenn man ganz ſicher gehen will. Folgt es den Zügeln und Schenkeln ſo daß es ſich wenden läßt und auf dieſelben vorwärts geht, ſo kann man auch anfangen, daſſelbe mit fremden Gegenſtänden bekannt zu machen; doch hat man mit aller Ueberlegung das Terrain zu wählen. Dieſes muß eine möglichſt freie Bewegung geſtatten, damit man nicht von ſchnell entgegenkommenden oder nachfolgen— den Wagen ꝛc. überraſcht werde, und denſelben zeitig genug ausweichen könne, damit das Pferd Alles in aller Ruhe und von Weitem kennen und beobachten lerne. Trotz aller dieſer Vorſicht kann bei manchem Pferde der Reiter doch einen großen Fehler begehen, wenn er daſſelbe ſtillſtehend einen ſich bewegenden Gegenſtand zu lange be— Zur Charakteriſtik des Pferdes. 203 obachten läßt, z. B. einen Planenwagen, Hundewagen ꝛc., denn ſah das Pferd in den erſten Augenblicken des Still— ſtehens in dem Gegenſtande nichts Bedenkliches, ſo wird es durch langes Beobachten zuweilen plötzlich von der Furcht wieder übermannt. Fürchtet es ſich jedoch vor lebloſen Ge— genſtänden, ſo iſt unbedingt das Stehenbleiben bei denſelben, ſo lange bis es ſie irgnorirt, das beſte Mittel. Dieſen Mo— ment zeigt das Pferd dadurch an, daß es ſeine Aufmerkſam— keit anderen Gegenſtänden zuwendet. Der Reiter kann übrigens ſelbſt die Veranlaſſung geben, daß das Pferd allen Gegenſtänden beſondere Aufmerkſam— keit ſchenkt und endlich furchtſam wird, wenn er daſſelbe in der erſten Zeit des Ausreitens an gewiſſe Gegenſtände heran— reitet, bei dieſen ſtehen bleibt, ſie betrachten läßt und das Pferd lobt, als hätte es Urſache gehabt, ſich zu fürchten, — während es ſorglos vorbeigegangen ſein würde. Daſſelbe iſt der Fall, wenn er das Pferd vor möglicherweiſe ſchreck— haften Gegenſtänden auffällig in die Zügel und Schenkel nimmt, was im Gegentheil ſo unmerklich als nur ausführ— bar geſchehen ſoll. Gewöhnlich wird es hierbei im Gange verhalten und nun glaubt es, ſo durch den Reiter aufmerk— ſam gemacht, daß ſich etwas Beſonderes nahen und ereignen müſſe. Beſſer iſt zu wenig Sorgſamkeit, als gar zu viel, wenn man ſich nur bei einem Seitenſprunge oder etwaigem Umkehren richtig und natürlich zu benehmen weiß, ohne zu ſtrafen. Hat alles Strafen, ſei es mit Zügeln, Schenkeln, Sporen oder Ruthe, die nachtheiligſten Folgen bei dem jun— gen und furchtſamen Pferde mit guten und geſunden Or— ganen; um wie viel ſchlimmer und nachhaltiger muß nicht 204 Vierter Abſchnitt. der Fehler falſcher und ſchlechter Behandlung werden, wenn die natürliche Furcht durch Nervenſchwäche, Geſichts- oder Gehörfehler erhöht wird. Unvermeidlich entſteht das große und nur langſam, oft gar nicht mehr völlig zu beſeitigende Uebel der Scheu. | §. 67. Erhöhte Furchtſamkeit durch Augenfehler. Die natürliche Furchtſamkeit des Pferdes muß durch Augenfehler, abgeſehen von Augenkrankheiten, ſelbſtverſtänd— lich erhöht werden, und es können dieſe in Kurz-, Weit-, Unter- und Ueberſichtigkeit beſtehen. Bei dem rohen Thiere iſt daher der Augenfehler zu ergründen, um ein geeignetes Verfahren einſchlagen zu können. Auf kurz⸗, weit- und unterſichtigen Pferden beobachte man beim Verlaſſen der Bahn ſehr mäßige Tempi, damit ſie ſich Gegenſtänden, vor denen ſie ſich etwa fürchten möchten, nicht all zu raſch nähern und Zeit zum Erkennen behalten. Erſt wenn ſie durch Sitz und Führung vollkommenes Vertrauen zum Reiter gefaßt und ſich auf dieſen verlaſſen, dürfen ſchnel— lere Tempi angenommen werden. Für kurz- und weitſichtige Pferde muß man ferner in die Weite und in die Nähe, für das unterſichtige, bodenſcheue, ſtets auf den Boden blicken, damit man vorbereitet ſei, ſie vor unzeitigem oder zu ſchnel— lem Begegnen anderer Dinge zu hüten. Ueberſichtigkeit kann zu einem unverbeſſerlichen Fehler werden, wenn Verſehen bei dem erſten Aufſitzen und Anreiten vorkommen. Denn fürchtet ſich das Pferd vor dem Reiter, welcher ihm jedenfalls ganz anders erſcheint, als wie es ihn Zur Charakteriſtik des Pferdes. 205 zur Erde ſieht, ſo dürfte es geſchehen, daß es nicht eher ruht, als bis es ihn abgeworfen hat. Wird es nun anſtatt be— ruhigt, durch Prellen mit den Zügeln, wol auch mit der Ruthe und mit den Sporen geſtraft, fo bekommt es einen ſo andauernden Widerwillen vor dem Reiter, daß es dieſen kaum wieder aufſitzen laſſen wird. Hat das junge und rohe Pferd einmal ſeine Kräfte und Ueberlegenheit erkannt, und gelernt ſie gegen den Reiter anzuwenden, was freilich nur zu den ſeltenen Fällen gehört, ſo bekommt letzterer einen ſehr ſchweren Stand. Am beſten wird man ſeine Zuflucht zu Longe und Pilaren nehmen, das Pferd damit gehorſam und nachgiebig machen, und darauf mit aller Vorſicht an erſterer längere Zeit lediglich das Auf- und Abſitzen üben. Will hierauf das Pferd den Reiter nicht dulden, ſo wird er das erzwingen und ſehr feſten Sitz haben müſſen. Es giebt überſichtige Pferde, welche immer mißtrauiſch gegen den Reiter und gegen Alles was er vornimmt, bleiben, obgleich er bei allen Bewegungen jede Vorſicht anwendet. Ebenſo ſind ihnen Säbel und Hinterzeug unangenehm, ja fie fürchten ſich ſogar vor Nebenanreitenden und deren Be— wegungen. Wird ein ſolches Thier auch rittig, ſo wird es doch kein zuverläſſiges Soldatenpferd. Große Vorſicht, Ruhe und Geduld, und bei aller Güte auch wiederum eine gewiſſe Strenge ſind die einzigen Mittel, um das Zutrauen des Pferdes zu erwecken und ein günſtiges Reſultat zu erzielen. Bei Anfang der Dreſſur iſt alſo zu erwägen, weshalb ſich das Pferd fürchte, und darnach iſt zu handeln. Ohne Aus— nahme bleiben aber nächſt der Anlehnung die vorerwähnten Mittel die beſten, während Strafen die Furchtſamkeit zur 206 Vierter Abſchnitt. Scheu ſteigern, welche oft Reiter und Pferd in die größte Gefahr bringt. Ohne indeß eine Strafe zu beabſichtigen, ruckt mancher Reiter in den Zügeln, ſobald er meint, daß ſich das Pferd ſcheuen könne. Außer ſeiner Furcht wird es nun noch hierdurch geſtört, und häufig das Gefühl erlangen als ob der Reiter an ſeiner Furcht Theil nehme, und dieſe daher begründet ſei. Die Correctur des ſcheuen Pferdes beſteht einzig und al— lein darin, daß man, entfernt von Allem was Scheu oder mindeſtens Furcht erregen könnte, zunächſt Anlehnung und hierdurch Gehorſam und Vertrauen ſucht. Erſt dann kann man wieder nach und nach in's Freie und weit ausreiten, doch ſind ſo lange als möglich alle Dinge zu meiden, welche früher dem Pferde beſondere Furcht einflößten. Erhält ſich der Reiter die Anlehnung auch im Freien, dann kann er es verſuchen, ſich den betreffenden Gegenſtänden zu nähern, je— doch nur von Weitem und ſchnell vorübergehend, damit dem Pferde nicht die Zeit bleibe, ſich mit denſelben die früheren Unarten in's Gedächtniß zurückzurufen. Die BerückſichtigQung des Gehörs der Pferde iſt an— derwärts bereits ſo genügend und ausführlich behandelt, daß wir von dieſem Punkt hier abſehen können. §. 68. Das ſchreckhafte Pferd. Schreckhaftigkeit des Pferdes iſt in der Regel Folge ſchwacher Nerven, und lediglich mit dem Grundleiden ſelbſt zu beſeitigen, obwol durch die Dreſſur Vertrauen und der Zur Charakteriſtik des Pferdes. 207 vollkommenſte Gehorſam zu erlangen ſind. Doch das Schrek— ken, welches bei dem gehorſamen Pferde oft nur in einem Zucken der Muskeln beſteht, bleibt, wenn es häufig vor— kommt, immer eine Unannehmlichkeit, welche den Reiter wol bisweilen zu Ungeduld und Strafen verleiten kann. Gerade aber dieſer Fehler oder vielmehr dieſe Schwäche muß gänzlich ignorirt werden, gerade dieſes Pferd darf man weder durch Zügel noch durch Schenkel ſtören, ſoll das Uebel nicht noch zunehmen. Soll das Schrecken ſich auf Zucken beſchränken laſſen, dann behandele man das junge, nervösfurchtſame Pferd recht nachſichtig; Strafen können es für den uner— fahrenen und demnach auch wenig geſchickten Reiter in kür— zeſter Zeit völlig unbrauchbar machen; denn es tritt Scheu vor den unſcheinbarſten Gegenſtänden ein. §. 69. Die roſſige Stute. Je nach dem Temperamente und der Rage des Pferdes und dem Grade des Roſſens, läßt daſſelbe oft ungern auf— ſitzen, geht mit hohem Rücken, wedelt mit dem Schweife, läßt Waſſer, bockt, ſteigt, ſchlägt aus, wird ſtätig und durch fehlerhafte Behandlung oft vollkommen unbrauchbar zum Reiten. Als Grundſatz iſt aufzuſtellen, daß die roſſige Stute vor— nehmlich mit den Zügeln und durch Hülfen des Sitzes und der Oberſchenkel, mit möglichſter Weglaſſung der Unter— ſchenkel geritten werden muß. Je richtiger das erfolgt, deſto weniger wird der Fehler des Roſſens ausarten; denn nichts 208 Vierter Abſchnitt. zwingt eben auch dieſes Pferd mehr zum Gehorſam, als Anlehnung. Müſſen die Unterſchenkel gebraucht werden, ſo geſchehe es mit größter Vorſicht und Eintheilung. Stra— fen mit den Sporen, namentlich wenn ſie ſcharfe und ſpitze Räder haben, ſind entſchieden ganz wegzulaſſen, da dieſe am meiſten zum Roſſen veranlaſſen; machen ſie auch nicht jedesmal ungezogen, ſo wird ſich die Stute wenigſtens im Gange verhalten, mit dem Schweife wedeln, auch Waſſer laſſen. Man muß mit Sicherheit die Wirkung der Hülfen und Strafen im Voraus wiſſen, fühlen und kennen; die Folgen der Sporen aber und beſonders der ſcharfen, wenn ſie noch dazu unter den Leib mit auswärts gebogenen Fußſpitzen gegeben werden, ſind nie, am wenigſten bei dem roſſigen Pferde vorauszuſehen. Eben ſo werden dieſe Pferde durch ſtarkes Zurückhalten des Oberleibes, zu feſtes Nieder— ſetzen in den Sattel, überhaupt durch rückſichtsloſes Beſchwe— ren des Hintertheiles beunruhigt, auch ungezogen gemacht. Die Correctur des roſſigen Pferdes, welches durch fehler— hafte Behandlung verdorben worden iſt, wenn es nämlich bockt, ausſchlägt, ſteigt, nicht von der Stelle will, beſteht darin, daß man obige Regeln genau beachtet, vor dem Auf— ſitzen aber, alſo an der Hand das Pferd an den herabge— nommenen Trenſenzügeln wiederholt mehrere Schritte recht richtig, d. h. mit guter Halsrichtung zurücktreten läßt und wieder vornimmt, bis es den Rücken hergiebt, willig zurück— tritt und mit Schweifwedeln nachläßt, was es gewöhnlich zum Theil wegen Sattel und Gurten, welche kitzeln, thut. Bei dem Aufſitzen darf ſchweres Treten in den Bügel, Ziehen des Sattels mit den Gurten, und ſchnelles Niederſetzen in Zur Charakteriſtik des Pferdes. 209 denſelben nicht ſtattfinden. Eben ſo wenig darf ſofort ange— ritten werden; man muß ſehr zufrieden ſein, wenn das Pferd ruhig ſtehen bleibt, damit ſich der Rücken an die Schwere des Reiters gewöhnt; man darf ihm aber auch nicht hinderlich ſein, ſobald es ruhig vortreten will Den Hals richten, an die Zügel bringen, ſind Beſchäftigungen, welche im Gange wie auf der Stelle vorzunehmen ſind. Sollte es ſich gegen das Zurücktreten an den Trenſenzügeln weigern, ſo bedient man ſich, um nicht gefährdet zu ſein und zum Zwecke zu ge— langen, der Longe und des Kappzaumes, welchen letzteren es bei vorſichtigem und ſanftem Gebrauch ſofort reſpectiren wird. Der Kappzaum nimmt den Kitzel am ſchnellſten, weil das Pferd alle Aufmerkſamkeit auf ihn wendet, durch ihn aber auch gezwungen und im äußerſten Falle ſelbſt empfindlich ge— ſtraft werden kann, was mit der Trenſe ausnahmlos nicht nur hier, ſondern in allen Fällen unterbleiben muß, ſobald man nicht, anſtatt zu verbeſſern, verſchlechtern will, denn das Pferd würde ſich, abgeſehen davon, daß es im Maule verletzt werden kann, vor den Zügeln ſcheuen lernen, und nicht be— herzt an dieſelben treten, was ja die roſſige Stute ohnedies gern unterläßt. Iſt ſie ſehr ungezogen und will man ganz ſicher gehen, ſo verfahre man wie oben, laſſe ſie außerdem vor dem Auf— ſitzen eine Viertelſtunde an der Longe laufen, und reite ſie dann an derſelben vollends ab, ſobald man einen geſchickten Longenführer hat. Das zeitweilige Ausſchnallen des Hinter— zeuges, weil durch dieſes das Roſſen befördert, das Pfzrd ſchon dadurch allein oft ungezogen gemacht wird; ferner als Sattelunterlage eine Frieskotze, und täglich einige Kleien— Kaſtner, Reitkunſt. 14 210 Vierter Abſchnitt. futter zur Kühlung, ſind Mittel, welche nicht unangewendet bleiben dürfen. Was das Ausſchnallen des Hinterzeuges betrifft, ſo hört man zuweilen die Anſicht ausſprechen, daß das Pferd daſſelbe vertragen lernen müſſe. Irrig iſt ſie aber jedenfalls; denn es giebt ausnahmsweiſe Pferde, welche ſich nie an daſſelbe gewöhnen, und beſſer iſt dann wol jedenfalls, ein ſolches ohne Hinterzeug zu reiten, als ihm Untugenden anzuge— wöhnen, es unbrauchbar zu machen oder vorzeitig zu rui— niren. §. 70. Der kitzliche Wallach. Was über die Behandlung der roſſigen Stute geſagt worden, iſt auch auf dieſes Pferd anwendbar und die Kunſt, daſſelbe brauchbar zu machen, liegt wie immer darin, daß der Reiter daſſelbe zu nehmen wiſſe wie es genommen werden muß. Selten arten die Ungezogenheiten ſo aus wie bei der Stute, und gewöhnlich hat man nur mit hohem Rücken, un— gleichem, ſpielendem Nachtreten, und auch wol mit dem Ausſchlagen zu kämpfen. | $. 7. Das Ausſchlagen und Steigen. Beide Unarten entſtehen faſt ohne Ausnahme durch Schuld des Reiters, wenn er bei der Ausarbeitung aus Mangel an Vorſicht, Einſicht, Beurtheilung, Geſchicklichkeit und Geduld übereilt zu Werke geht, und vom Pferde ver— langt, was es nicht zu leiſten vermag. So kann er z. B. mit Härte und Strenge verfahren, gegen welche ſich oft das Zur Charakteriſtik des Pferdes. 241 gutmüthigſte und willigſte Pferd endlich wehrt, indem er daſ— ſelbe über die Kräfte anſtrengt, zu ſtarke Zügelhülfen giebt, welche oft das Maul verletzen; zu ſtarke Hülfen durch Sitz und Schenkel, auch wol mit Sporen, welche letztere viel⸗ leicht während der ganzen und vollkommenen Abrichtung nicht ein einziges Mal ſtrafend nothwendig geweſen ſein würden. Selbſt der gute Reiter, wollte er übereilt verfahren, kann ſein Pferd ungezogen machen. Viele aber müſſen Pferde arbeiten, ohne daß ſie gute Reiter ſind, und wenn es ſo manchem unter dieſen vielleicht nicht an Geduld mangelt, ſo fehlen ihnen doch Uebung und Erfahrung und die unerläßliche Uebereinſtimmung zwiſchen Hand und Sitz. Findet die Uebereinſtimmung ſtatt, ſo macht der gute Reiter, welcher doch auch fehlt, eine unzeitige und fehlerhafte Zügel⸗ oder Schenkel-Hülfe dadurch unſchädlich, daß er fie ſofort erkennt, und die nöthigen, richtigen Hülfen darauf folgen läßt. Fehlt aber die Uebereinſtimmung, ſo kann der Reiter nicht arbeiten, nicht richtig helfen, noch weniger richtig ſtrafen, keine Anlehnung, folglich auch nicht Gehorſam des Pferdes, wohl aber Untugenden, als Steigen und Schlagen, hervorbringen, und dieſe niemals verhindern oder berichtigen. Der Fehler nun, welche der Reiter begehen kann, ſind un— zählige; hier genüge die Anführung nur einiger: z. B. wenn die Schenkel bei ſtarker Zügelannahme zu ſtark vortreiben; wenn beim Nachgeben der Zügel die Schenkel nicht oder un— richtig vortreiben; wenn das hinter den Zügeln ſtehende Pferd, anſtatt deſſen Hals zu richten, mit den Sporen ge— kitzelt und mit hinter den Gurt gebrauchten Schenkeln vorge— trieben wird. Eben ſo wehrt ſich das Pferd gegen feſte 14 212 Vierter Abſchnitt. Schenkel und gegen mit ſolchen gegebene. Sporen; desgleichen gegen die loſen Schenkel mit heraufgezogenen Kniekehlen und Sporen, ferner gegen die feſte ruckige Hand 2c. Der Wider— ſtand, den nun das Pferd erprobt, hängt einerſeits von den Fehlern des Reiters, je nachdem ſie auf Vor- oder Nachhand wirken, andererſeits von dem Character des Pferdes ab. Zuweilen beſtimmt ihn auch der Moment, in welchem letzteres ſich außer der Gewalt des Reiters befindet; es begeht die eine oder die andere Ungezogenheit, und verbleibt bei ihr, wenn es fühlt, daß ſie der Reiter nicht hindern kann. Die Neigung des Pferdes zum Steigen macht ſich übri— gens recht oft ſchon bemerkbar, bevor es noch ein einziges Mal dazu gekommen iſt, und zwar dadurch, daß es nicht bes herzt an die Zügel tritt, zögert, unentſchloſſen, vorſichtig lauſchig, beſonders aufmerkſam gegen die Schenkel iſt, ohne ſie jedoch zu reſpectiren. Der Reiter wird den Hals, wenn er zu hoch fteht, herbeinehmen, überhaupt richten müſſen, und ihn mit guter und geſchickter Hand, unter beſtändiger Ver— wahrung des äußeren Zügels, zu arbeiten haben; nie darf das Pferd, wenn es auch verhalten wird, im Gange ge— ſtört, vom Vorwärtsgehen abgehalten und nicht mehr verſam— melt werden als nöthig iſt oder dies ſeinerſeits willig ge— ſchieht. Die Schenkel dürfen daher weder zu viel noch zu wenig vortreiben, ein thätiger Gang muß unterhalten wer— den und das freiwillige Stehenbleiben oder Verhalten des Pferdes darf nicht geduldet werden. Die Uebung des Zu— rücktretens muß anfangs ſchlechterdings unterbleiben, und zwar ſo lange, bis das Pferd den Zügeln im Gange, ohne zu ſtocken, nach rückwärts nachgiebt. Zur Charakteriſtik des Pferdes. 213 Beim Anreiten des jungen Pferdes kommt zuweilen das Steigen vor, weil es Zügel und Schenkel nicht kennt und nicht vorwärts will. Dieſe Unart darf beim erſten Vorkom— men keineswegs beſtraft werden, doch auch nicht unbeachtet bleiben. Das Anführen ſtatt der Hülfen des Reiters zum Anreiten iſt angezeigt. Hat es beſondere Neigung zum Steigen, ſo wird es zweckentſprechend ſein, daſſelbe eine kurze Zeit an die Longe zu nehmen, um ihm hier das Vor— wärtsgehen mit nach und nach mehr ausgebundenen Zügeln zu lehren. Die Neigung zum Ausſchlagen fühlt man, bevor es dazu kommt, durch hohen, empfindlichen Rücken; beſondere Em— findlichkeit gegen die Schenkel, ſobald das Pferd die Bauch— muskeln an- und aufzieht, indem es gleichzeitig hinter die Zügel tritt; durch ungleiche Tritte mit hohem Rücken, zögern— des, unentſchloſſenes Treten auf der Vorhand und Spielen der Nachhand. Der Hals dieſes Pferdes muß nach und nach aufgerichtet und gerichtet, die Vorhand erleichtert und beweg— lich, der Rücken nachgiebig und die Folge des Hintertheiles ſtäte gemacht werden. Der äußere Zügel hat ſtets in gute Wirkung zu treten und ſo zu verbleiben; die Schenkel haben vorſichtig zu helfen; Hülfen und Strafen mit den Sporen ſind unbedingt zu meiden, und die Hand darf in keinem Falle dem Vortreten des Pferdes auf die Hülfen durch Sitz und Schenkel hindernd ſein. Alle Uebungen welche auf Gleichgewicht und Biegung des Hintertheiles hinwirken, ſind bereits angezeigt, z. B. die Volte, Schultereinwärts auf ge— rader Linie, das Zurücktreten. Ferner iſt das Pferd ſo viel in Biegung zu nehmen, als deſſen Ausbildung erlaubt. Die 214 Vierter Abſchnitt. Correctur erfolgt oft in wenigen Tagen, wenn nur der Hals in wirkſame Stellung gebracht wird, und Sitz und Schenkel richtig wirken. | Manches junge Thier ſchlägt bei der Dreſſur einmal mit einem Fuße gegen den Sporn, weil es ihn noch nicht kennt. Dies iſt ſehr verzeihlich; man treibe es nur augenblicklich durch die Schenkel, welche gelind ſtrafend wirken müſſen, vor, nehme es nach Umſtänden etwas mehr in die Zügel (halbe Parade), oder ignorire es auch gänzlich, wenn das Pferd lebhaft oder wol gar für die Schenkel ſchreckhaft iſt. Eine Strafe aber mit den Sporen darf nie folgen, denn ſie könnte leicht ſchaden und Ungezogenheiten hervorrufen, weil es eben den Sporn nicht kennt, ſondern erſt kennen lernen muß. Das Ausſchlagen durch Sporen, Ruthe und Peitſche, das Steigen durch Vorſtrecken der Hand, ſo daß die Zügel ganz frei werden, und wol durch gleichzeitiges Spornen be— ſeitigen wollen, iſt nicht nur vollkommen regellos, ſondern es wird die Correctur wol in allen Fällen vergeblich fein. Anlehnung, welche richtige Führung, richtigen Sitz und Uebereinſtimmung beider bedingt, und mit ihr der äußere Zügel, erſchweren und hindern das Ausſchlagen und Stei— gen. Bei jeder Dreſſur und Correctur kann nur Anlehnung zum ſicheren Ziele führen. §. 72. Das Treten hinter die Zügel. Das Treten hinter die Zügel entſteht, wenn der Reiter dem Pferde die richtige Halsſtellung nicht zu geben, oder ſie nicht zu unterhalten weiß. Urſachen hierzu ſind: Mangel an Zur Charakteriſtik des Pferdes. 215 Uebereinſtimmung zwiſchen Hand und Sitz, welcher durch allerlei Mängel und Fehler des Reiters bedingt wird, als Unentbundenheit deſſelben, wenn er nicht in das Pferd ein— und über- und mit demſelben fortzugehen verſteht; fehler— haftes Zurücklegen des Oberleibes; Mangel an Güte der Hand, falſche Führung und Stellung, ſowie ununterbroche— nes Rütteln und Rückwärtswirken derſelben; Mangel an Gefühl durch den Sitz; Hülfen mit geſteiften, geſperrten, unſtäten, fehlerhaft gehaltenen und liegenden Schenkeln; kurze Gänge, welche das Pferd noch nicht gehen kann und die darum verhaltene werden; unzeitige Zuſammenſtellung des Pferdes, fehlerhafter Gebrauch der Schlaufzügel ꝛc. Das Pferd kann ſich aber auch durch ſeinen Bau beſon— ders zum Treten hinter die Zügel neigen; wenn z. B. das Genick zu kurz iſt, läßt es zuweilen den ganzen Hals unter die Richtung herabfallen, um ſich von den Zügeln zu befreien; wenn das Genick zu lang, das Pferd überbaut, der Rücken ſchwach, der Hals beweglich, ſchlaff und fleiſchig oder ſchlecht angeſetzt iſt, die Nachhand nicht ſtäte folgt. Ueberhaupt weichen faule Pferde, roſſige Stuten, kitzliche Wallachen gern auf dieſe Weiſe der Anlehnung aus. Schmerz in den Ga— nachen, Verletzungen in und am Maule, tiefe und ſcharfe Zäumung und die Kantharen mit runden Stuhllöchern, welche fehlerhaft und hauptſächlich nur durch den Druck der Kinnkette wirken, wodurch die Kinnkettengrube gedrückt und gequetſcht wird, ſind ebenfalls nächſt vielem Anderen Veran— laſſung hierzu. Im Allgemeinen ſucht jedes Pferd der An— lehnung auszuweichen; viele ſuchen die Ausflucht im Auflegen auf beide Zügel, den einen oder den anderen; viele durch 216 Vierter Abſchnitt. Schlagen mit dem Kopfe und Stoßen in die Zügel; andere, indem ſie in den Gängen zögern oder eilen und die richtige Folge unterbrechen, wieder andere, indem ſie ausſchlagen, ſteigen, hinter die Zügel treten ꝛc. ꝛc. Um nun den beſprochenen Fehler zu verhindern oder zu beſeitigen, muß man ihn zunächſt fühlen und die Urſache deſſelben erkennen, und die Geſchicklichkeit beſitzen, durch gute Hand und guten Sitz zwiſchen dem Pferde und ſich eine Uebereinſtimmung hervorzurufen, mittelſt welcher nur die Richtung des ganzen Gebäudes, alſo auch richtige Hals— ſtellung erhalten und behauptet, das Pferd richtig geritten, thätiger Gang hervorgebracht werden kann. Das Treten hinter die Zügel macht jeden richtigen Bug der einzelnen Theile des Pferdes und die übereinſtimmende Biegung aller Theile deſſelben vollkommen unmöglich. Es müſſen ſomit ſämmtliche Gelenke leiden. Tritt das Pferd hinter den inneren Zügel, ſo iſt die Hals— richtung nicht nur verloren gegangen, ſondern die des gan— zen Pferdes; gewöhnlich wird das Hintertheil dabei gern her— eintreten. Dieſer Zügel kann nur durch das Richten in An— lehnung gebracht werden; der äußere Zügel hat das Pferd zu nöthigen, daß es ſich in den inneren begebe und verbleibe. Letzterer darf alſo nicht etwa noch weiter zurückgeführt wer— den; denn durch deſſen ſtarke Wirkung nach rückwärts und wol auch abwärts, durch deſſen Unſtätigkeit wird ja gewöhn— lich der Fehler hervorgerufen. Tritt das Pferd hinter den äußeren Zügel, was gewöhn— lich geſchieht, wenn der innere mit feſter Hand geführt wird, und die Kopfſtellung mit ſolcher und durch fehlerhaften Ge— Zur Charakteriſtik des Pferdes. 217 brauch des inneren Schenkels erlangt werden ſoll, ſo legt es ſich auch in der Regel in den inneren Zügel nicht nur mit verkehrter Kopfſtellung auf, ſondern es iſt das ganze Pferd mehr oder minder zur entgegengeſetzten Hand verbogen, und das Hintertheil fällt aus. Es muß alſo wiederum gerichtet werden, äußerer und innerer Schenkel haben in ihre ange— meſſene Wirkung zu treten, d. h. der äußere hat zu helfen und der innere ſich leidend zu verhalten. Der innere Zügel hat den Kopf zunächſt weich und ſtäte geradaus geſtellt zu er— halten, und der äußere Zügel wird druckweiſe gegen den in— neren wirken müſſen. Das Treten hinter den einen oder beide Zügel kann, wie ſchon erwähnt, durch Schmerz in den Ganachen hervorge— rufen werden; denn es können dieſelben verwachſen oder auch die Drüſen in Folge angehender Druſe oder angewendeter Kraft beim Biegen entzündet ſein. Iſt z. B. blos die rechte Ganache ſchmerzhaft, ſo wird ſich das Pferd auf den rechten Zügel legen und hinter den linken treten. Das Biegen und Arbeiten muß ſo lange aufhören, bis die Entzündung der Drüſen gehoben iſt, oder iſt ſolche nicht da, ſo muß es we— nigſtens mit doppelter Vorſicht. und Behutſamkeit geſchehen. Wäre die eine Ganache in Folge früherer Drüſenentzündung beſonders verwachſen, aber nicht mehr ſchmerzhaft, ſo wird man ſich des Schlaufzügels mit Vortheil bedienen, ſo bald die Hand recht weich zu arbeiten verſteht. Tritt das Pferd überhaupt hinter beide Zügel, ſo kann wiederum allein durch die Richtung des Halſes und ganzen Pferdes, wie durch gute und ſtäte Folge der Nachhand ab— geholfen werden. 218 Vierter Abſchnitt. §. 73. Das Schnicken mit dem Kopfe und Dehnen und Stoßen in die Zügel. Bei der Bearbeitung ſchnickt zuweilen das Pferd mit dem Kopfe, um ſich ſelbſt bei dem beſten Sitze und der beſten Führung von der Hand zu befreien, dem Genick und Ga— nachen-Buge, der Halsſtellung, Richtung, der ſtäten Folge des Hintertheiles ꝛc. auszuweichen, oder ſich momentan Er— leichterung zu verſchaffen, ohne jedoch geradezu der Hand zu widerſtreben. Der erfahrene und geſchickte Reiter wird hier— gegen keine beſonderen Maßregeln ergreifen, vielmehr ſich allein bemühen, jo gut als möglich zu arbeiten, weil er weiß, daß das Pferd dieſe Unart in dem Maaße von ſelbſt vergißt, als es in der Ausbildung Fortſchritte macht. Nur wenn es ausnahmsweiſe in ſeinem Fehler beharren ſollte, ſo giebt er der Hand eine gewiſſe Standhaftigkeit, damit es ſich von ſelbſt ſtrafe, und jene reſpectiren lerne. Weſentlich iſt für ununterbrochenen Gang zu ſorgen, da dieſer gewöhnlich und wäre es nur im Tempo des Schnik— kens, verhalten wird, weshalb mit oder während deſſelben die Hülfe erfolgen muß. Iſt jedoch die Hand ſchlecht, wodurch man zunächſt das Maul beläſtigt, wird ohne Sachkenntniß und Ueberlegung auf Stellung und Biegung hingewirkt, ſoll das Schnicken wol gar durch Rucken und Stoßen der Hand und andere Strafen beſeitigt werden, ſo kann daſſelbe in of— fenen Widerſtand gegen die Hand ausarten. Das Drücken oder Reiben des Zaumes, oder zu ſcharfe Zäumung ſind oft die Veranlaſſungen, welche dem ruhigen Stande des Halſes und Zur Charakteriſtik des Pferdes. | 219 Kopfes hinderlich find. So und nicht durch den Sprungrie— men muß dem Pferde das Stoßen in die Zügel abgewöhnt werden. Will die Hand dem jungen Pferde das Dehnen wehren, ſo gilt auch hier das zuvor Erwähnte und die Hand hat ſich, wenn nöthig, bei aller Güte eine gewiſſe Schwere zu geben, ſo daß ſie jedenfalls nicht mehr leicht zu nennen iſt. Wol hat man ſich zu hüten, das friſchgezäumte Pferd in dem gelinden Dehnen oder Drücken in die Zügel, in dem Fühlen in dieſelben zu ſtören, denn dies iſt oft gerade der Moment, in welchem das Pferd dieſelben annehmen will, in welchem es gleichſam verſucht und fühlt, ob es dem Mund— ſtücke vertrauen, ob es ſich an daſſelbe anlehnen kann und darf. §. 74. Vom Ungleichtreten. Das Ungleichtreten iſt oft mit dem Schnicken des Kopfes, dem Dehnen und Stoßen in die Zügel verbunden, und ver— liert ſich gleichzeitig mit der Beſeitigung dieſer Mängel; denn Zwang im Genick und Ganachen ſind die Veranlaſſung. Das Pferd ſucht dieſem nicht allein mit der Vorhand, ſon— dern auch mit der Nachhand zu entgehen. Eben ſo können auch fehlerhafte Halsſtellung, mangelhafte und fehlerhafte Führung und eben ſolcher Sitz, fehlerhafte Arbeit auf der Volte, zu ſtarke oder überhaupt unpaſſende Zäumung das Ungleichtreten bewirken. Uebereinſtimmende Arbeit mit Hand und Sitz, richtige Stellung und Biegung und nicht Verſtellung des Pferdes, zunächſt mäßiger Bug im Genick, oder gänzliches Weglaſſen deſſelben, bis das Pferd gehörig an die Zügel und gleichtritt, 220 Vierter Abſchnitt. mäßige und kurze Gänge und paſſende Zäumung werden zum Ziele führen. Vermag jedoch der geſchickte Reiter unge— achtet aller Genauigkeit und Mühſamkeit im Reiten das Ungleichtreten, deſſen Veranlaſſung oft unergründlich iſt, nicht zu beſeitigen, ſo iſt anzunehmen, daß daſſelbe durch mehr oder mindere Ausdehnung oder Verletzung irgend einer Muskel oder Flechſe, durch Quetſchung eines Nervs, über— haupt durch eine innere oder äußere Urſache hervorgerufen wurde, ohne daß geradezu Lähme entſtehen mußte. Lähme kann aber auch früher ſtattgefunden und ungleichen Tritt zurückgelaſſen haben. Geſchieht es, daß ein Pferd mit bisher ganz regelmäßi— gem Gange plötzlich anfängt, ungleich zu treten, ohne daß der Grund hierzu aufzufinden iſt, ſo bleibt es rathſam, daſ— jelbe für einige Zeit in vollkommene Ruhe zu verſetzen, alſo nicht zu reiten, ſondern ihm nur an der Hand, oder wenn es ruhig iſt an der Longe Schrittbewegung zu geben, damit die Natur die Ausgleichung bewerkſtellige; die freie Bewegung ö iſt in jedem Falle durch die Verletzung irgend eines Theiles gehemmt, ſie müßte dies durch das Reiten noch mehr werden, und Lähmung könnte folgen. | U In der Regel nimmt man an, daß das unter dem Reiter ungleich tretende Pferd frei von aller Lähmung ſei, ſobald es an der Hand feſt und regelmäßig ſchreitet. Dieſe An— nahme aber dürfte nicht allemal die richtige ſein; denn die Schwere des Reiters bedingt ſtärkeren Gebrauch der Glieder, der ſchmerzhafte, krankhafte oder ſchwache Theil wird bedrückt, und das Pferd findet in dem Kurztreten eine Erleichterung und Schonung dieſes Theiles, indem es ſeine Schwere mög— Zur Charakteriſtik des Pferdes. 221 lichſt ſchnell dem anderen Fuße zuwirft, em hierdurch ent- ſchieden Lähmung zu verrathen. Sr. Das Anſtoßen und Stolpern. Dieſes Uebel entſteht durch flachen, unſicheren Gang, und dieſer durch ſteile, zurückgeſtellte oder gebundene Schul— tern, ferner, wenn die Schultern würfeln, der Kniebug zu gering, der Huf ſchwer iſt, die Vorderſchenkel angegriffen find; durch ſchwere Vorhand, Mangel an Gleichgewicht, fehlerhaft tiefen oder hohen Halsanſatz, durch welchen die Schultern herabgedrückt werden, ſo daß ein freier Vortritt nicht ſtattfinden kann; durch übereilten Gang, Treten hinter die Zügel; durch Jugend und Schwäche; durch mangelhaftes Reiten, wenn das Pferd nicht gerichtet und ſomit der natür— liche und freie Gang n iſt, wenn die Hand unſtäte und ſeitwärts wirkt 2c.' Strafen v erwehren aber unbedingt das Anstoßen und Stolpern. Durch richtiges Reiten und Erkennen der Urſache, welche - das Uebel hervorruft, iſt daſſelbe häufig ganz zu beſeitigen, jedenfalls durchgängig und in allen Fällen, ſelbſt bei ſtrup— pirten Pferden, ſobald dieſelben ſchlecht geritten ſind, bedeu— tend zu mindern. Werden die gebundenen Schultern möglichſt entbunden, die ſteilen und zurückgeſtellten bei paſſender Halsrichtung zum fleißigen und möglichſt weiten Vortreten genöthigt; wird den würfelnden Schultern und den angegriffenen Vorder— 222 a Vierter Abſchnitt. ſchenkeln durch gute Richtung des ganzen Pferdes, durch Gleichgewicht und Anlehnung eine ſtäte Vorwärtsbewegung und eine ſichere Bewegung mit feſtem Auftreten geſtattet; wird das ſchwere Vordertheil durch Gleichgewicht erleichtert; der ſchwere und tiefangeſetzte Hals aufgerichtet und der über— richtete herabgerichtet, wodurch in beiden Fällen die Schul⸗ tern erhoben werden; wird der übereilte Gang geregelt und in's Tempo, das hinter den Zügeln ſtehende Pferd an die— ſelben gebracht; giebt man dem jungen und ſchwachen Pferde bei richtiger und mäßiger Arbeit Zeit zur Kräftigung, ſo wird Beſſerung oder Beſeitigung des Fehlers eintreten können. Der gute, richtige Trab und Schritt, von welchen Gän— gen beſonders der erſtere in erhöhtem Grade vollſtändige Thätigkeit und ſtäte Nachfolge bedingt, die Bewegung be— ſtätigt und regelt, vervollkommnen das Pferd in jeder Be— ziehung und ſomit auch in dieſer. N §. 76. Das ſtätige Pferd. Wenn nicht organiſche Fehler und Leiden, Schwächen und Lähmen Veranlaſſung zum Stätigwerden geben, jo - trägt wol allemal der Reiter die Schuld; denn er kann das Pferd durch unzählige, ſowol grobe als gering ſcheinende Verſtöße dahin bringen. Das ſchlimmſte hierbei iſt, daß er ſie in der Regel nicht kennt, und ſie darum auch nicht mit Sicherheit meiden kann. Wir können unmöglich hier alle Verſehen und Fehler kennzeichnen, überhaupt aber entſpringen ſie aus Mängeln . IND Zur Charakteriſtik des Pferdes. 23 des Sitzes, der Haltung, Führung, Uebereinſtimmung zwiſchen Hand und Sitz, aus zweideutigen Hülfen, unzeitiger Nachgiebigkeit, Ungeduld und ſowol unzeitigen als auch überhaupt fehlerhaften Strafen, übereilter und ſtrenger Ar— beit, wie aus Mangel an Beurtheilung des Pferdes. Sie ſind im Allgemeinen im ganzen Vorhergehenden, vom An— fang bis hierher, angeführt, beſprochen und da zu ſuchen. Die ſtätigen Pferde können in 4 Claſſen eingetheilt werden: 1) in ſolche, welche durch fehlerhaftes Benehmen des Reiters nur gezwungen zum Widerſtand übergehen; 2) in ſolche, welche noch roh ſind, Hülfen alſo nicht reſpec— tiren und darum manchen Eigenwillen zeigen können, als: Anhänglichkeit an den Stall und an andere Pferde, Wider— willen gegen einen beſonderen Weg; eingebildete Furchtſam— keit, indem ſie glauben, daß ſie, wenn ſie einmal umkehren konnten, das nun allemal thun müſſen 20-5; 3) in ſolche, welche zwar bis zu einem gewiſſen Grade gearbeitet ſind, aber geſchickt die Schwäche des Reiters zu benutzen wiſſen, um Richtung und Zügel verlaſſen und gewiſſe Unarten treiben zu können; 4) in ſolche, denen der Widerſtand zur anderen Natur geworden iſt und die beliebten Manövers ohne alle Veranlaſſung beginnen und zu jedem Dienſte unbrauch— bar ſind. Was die Pferde der 1. Claſſe anbelangt, ſo ſind ſie es nicht, welche der Correction bedürfen, ſondern der Reiter iſt es. Sie werden nicht nur unter dem guten Reiter nicht wi— derſtreben, ſondern hierzu auch durch den ſchwachen nicht ver— ſucht werden, wenn er fie nicht mißhandelt und quält. 224 Vierter Abſchnitt. Die der 2. Claſſe bedürfen in der Regel nur einiger— maßen umſichtige und erfahrene Reiter, welche ſie nicht un- nöthigerweiſe in Verſuchung führen, Geduld und Strenge rechtzeitig anzuwenden wiſſen. Sie werden darum nicht am Stalle aufſitzen, nicht bis zum Stalle zurückreiten, ſondern das Pferd auf den Reitplatz, in die geſchloſſene oder offene Bahn hin und wieder zurückführen laſſen. Hat es die Hül— fen der Zügel und Schenkel ꝛc. kennen gelernt, und ift es fügſam geworden, dann erſt werden ſie den Reitplatz oder die Bahn verlaſſen dürfen, wenn ſie es länger daſelbſt nicht aus— halten können. Je weiter das Pferd auf der Bahn in der Dreſſur vorſchreitet, um ſo zuverläſſiger kann man mit ihm dieſelbe verlaſſen. Iſt der Reiter nicht ſo verfahren, hat er ſein Pferd verdorben, indem es ſeinen Eigenwillen durchzuſetzen weiß, ſo wird ihm vorerſt nichts Anderes übrig bleiben, als wie angegeben zu verfahren. Erreicht er jedoch auch hier ſeinen Willen nicht, ſo wird er wol ſeine Schwäche ein— ſehen, und das Pferd einem tüchtigeren Reiter übergeben müſſen. Früher iſt für das junge und rohe Pferd die Longen— arbeit empfohlen worden; und in der That iſt ſie eine präch⸗ tige Vorbereitung zum Anreiten, ſie gewöhnt das Pferd an einen Platz, auf welchem es arbeiten muß, erweckt Vertrauen, unterdrückt Eigenwillen und Ungehorſam, lehrt Zügel und Sattel, und durch das Ueben des Aufſitzens die Schwere des Reiters kennen. Vom rohen Pferde wird aber zu oft das Un— mögliche verlangt; es ſoll nicht nur den Reiter tragen, ſondern auch ſogleich überall hingehen und alle Hülfen befolgen, gleich einem alten Pferde. Thut es das nicht, ſo wird es geſtraft, ja mißhandelt. — Zur Charakteriſtik des Pferdes. 225 Die Pferde der 3. Claſſe verlangen, wenn ſie corrigirt werden ſollen, unbedingt einen Reiter, der allen Forderungen der Kunſt in höherem Grade entſpricht. Uebereinſtimmend in Hand und Sitz, Kenntniß ſämmtlicher Hülfen und ihrer Wirkungen auf das Pferd, Beurtheilung deſſelben und rich— tiges und gutes Gefühl, um ſofort zu wiſſen, wo der Fehler liegt und wie ihm abzuhelfen iſt, ſind unerläßlich; denn die Untugenden dieſer Pferde ſind recht eigentlich auf die Mängel des Reiters baſirt, z. B. wenn er die Richtung des ganzen Pferdes nicht herzuſtellen, oder nicht in allen Fällen zu un— terhalten und daſſelbe nicht an die Zügel und in Anlehnung zu bringen oder zu unterhalten verſteht, wenn er bei feſter Hand mit dieſer oder mit den Sporen, oder zugleich mit Hand und Sporen, oder überhaupt unzeitig ſtraft. Das Pferd mit Character wird wol durch ſolches Verfahren zu Unge— zogenheiten herausgefordert, beſeitigt aber können ſie nicht werden, weil die Hülfen und Strafen des Reiters oft ſo ver— worren und unrichtig ſind, ſo ſehr dem Character und Bau des Pferdes widerſprechen, daß es unmöglich wiſſen kann, was es thun und laſſen ſoll. Wer ſo mangelhaft verfährt, wird auch in der Bahn nichts ſchaffen. Die meiſten Pferde werden durch unzeitige und überdies noch unrichtige Strafen mit den Sporen verdorben. Wie nun aber ein anfänglich geringer Fehler unter dem Reiter, welcher ihn nicht erkennt und darum nicht abſtellen kann, mehr und mehr wächſt, möge durch Nachfolgendes deutlicher werden. Kann ſich das Pferd z. B. frei vom rech— ten Zügel machen, und auf den linken auflehnen oder auf— Käſtner, Reitkunſt. 15 226 Vierter Abſchnitt. legen, ſo vermag es ſeinen Eigenwillen, nicht weiter gehen zu wollen, dadurch geltend zu machen, daß es ohne gehin— dert werden zu konnen plötzlich links, und fo umgekehrt rechts wendet. Wüßte nun der Reiter die den Eigenwillen unter— ſtützende Veranlaſſung, ſo würde er einfach ſeine Aufmerk— ſamkeit dahin richten, denjenigen Zügel, welchen das Pferd nicht annimmt und von welchem es ſich frei macht, in rich— tige Wirkung zu verſetzen. Da er aber weder die Veranlaſſung erkennt, noch ſie zu beſeitigen verſteht, ſo läßt er dem Pferde entweder den Willen, oder er bringt es endlich wieder herum, oder er will es durch Strafen zwingen und Gehorſam lehren. Im erſteren Falle wird der Eigenwille von Tag zu Tag zu— nehmen, im anderen nicht beſeitigt werden, und im dritten Falle wird das Pferd, welches vielleicht ganz ruhig und ohne beſondere Ungezogenheiten wendete, zu neuen und ſtärkeren Widerſetzlichkeiten z. B. zum Steigen, Ausſchlagen ꝛc., und zum Umkehren aus Furcht gebracht. Wäre nun anfänglich die Correctur eine ſehr einfache geweſen, hätten blos die Zügel einfach in richtige Wirkung geſetzt werden müſſen, ſo ſind jetzt außerdem noch Furcht vor den Strafen, oft vor den geringſten Hülfen und andere Widerſetzlichkeiten zu be— ſeitigen, und das Pferd wird baldigſt zu denen der 4. Claſſe gezählt werden können, welche den Widerſtand beginnen, ſo— bald nur der Reiter aufgeſeſſen iſt. Dieſe können nur von einem wirklich guten Reiter corrigirt werden, welcher durch Güte und ruhige Strenge, richtige und angemeſſene Hülfen, Weglaſſung dieſer und Anwendung jener Hülfen, durch Un— terlaſſung aller etwa nachtheiligen Strafen, das Vertrauen des Pferdes, und mittels guter Richtung, Hals- und Genick— Zur Charakteriſtik des Pferdes. 227 ſtellung den Gehorſam deſſelben herzuſtellen und zu erzwin— gen weiß. Das durch die Sporen und wol oft zugleich durch die Ruthe oder Peitſche verdorbene Pferd, welches ſchon auf eine geringe Schenkelhülfe, endlich ohne alle Veranlaſſung ſtehen bleibt, ſteigt, ausſchlägt oder unaufhaltſam zurück— läuft, muß lediglich durch die Zügel mit möglichſter Weg— laſſung jeder Schenkelhülfe gebeſſert werden. Das beſte und wirkſamſte Mittel bleibt das Zurücktreten mit guter Richtung. Ohne Richtung läuft das Pferd ohne große Anſtrengung rückwärts, mit Richtung jedoch wird ihm jeder Tritt ſauer, und gern und bald wird es zum Vortreten bereit ſein. So— bald das der Reiter fühlt, muß er auch ſofort in den Willen des Pferdes, vielleicht auch durch Zungenſchlag mit Weg— laſſung jeder Schenkelhülfe, eingehen, und es beim Vortreten loben, um ihm zu erkennen zu geben, daß es das ſei, was er verlange. Recht bald wird es den Reiter verſtehen, das Zurücktreten als Zurechtweiſung anſehen, ſchon die Andeu— tung reſpectiren, und ebenſo endlich die Schenkel beachten und ihnen nachgeben lernen. Anhang. Ueber den Reitanzug. Der beſte Anzug für den Reiter find Lederhoſe und ſchlaffe Stolpenſtiefel, den ſchlechteſten bedingen der ungariſche Bock und der deutſche Sattel, ſobald deren Seitenblätter gewichſt werden, weil ſonach die Reithoſen mit Leder, welches eben— falls gewichſt wird, beſetzt ſein müſſen. Geſtattet nun erſterer Anzug einen natürlichen, elaſtiſchen Sitz und freie, ungezwungene Bewegungen, übt er den Rei— ter beſtändig und ununterbrochen in der Erhaltung des eigenen Gleichgewichtes, und erleichtert ſomit dem Pferde die Schwere deſſelben, ſo klebt in letzterem derſelbe ſowol mit Ober- als Unterſchenkeln am Sattel. Hierdurch wird er über— haupt, ſpeciell aber mit ſeinen Hülfen unbehülflich, das Ge— fühl vom Pferde kann er nur mangelhaft aufnehmen, und in der Erlernung der Geſchicklichkeit, ſich ſelbſt, ohne Mithülfe der Hoſe, im Gleichgewicht zu erhalten, was doch vor Allem nothwendig iſt, wird er gehindert. Vorſtehende Nachtheile, zu welchen noch das häufige und ſtarke Auf- und Durchreiten gehört, können dadurch gemindert werden, daß vom Wichſen der Sattelblätter und des Lederbeſatzes der Reithoſe abge— ſehen wird. Nächſt dem erſtangegebenen Reitanzuge iſt der in der öſterreichiſchen Armee eingeführte, Tuchhoſen mit einem Leder— ſtiefel bis unter das Knie, der beſte zum Reiten. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. ea Ei; April.] Verlagsbuchhandlung von Z. J. Weber in £ eipzig. 1860. Unter der Preſſe! Die Turnſchule des Soldaten. Syſtematiſche Anleitung zur Körperlichen Ausbildung des Wehrmannes, insbeſondere für den Feld- und Kriegsdienſt. | Von Dr. Moritz Kloſſ, Director der Königl. Sächſ. Turnlehrer-Anſtalt in Dresden. — ä — Motto: Uebungen, welche als allgemein menſchliche Uebungen für die Bildung und Schönheit der Leiber und Geiſter betrachtet werden können, ſind zugleich kriegeriſche Uebungen. Alles, was die Leiber ſtark und geſchwind und die Geiſter frei und entſchloſſen macht, ſchafft auch treff— liche Krieger. Ernſt Moritz Arndt. Mit ca. 100 in den Text gedruckten Abbildungen. | — — — | Teipzig, Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber. 1860. LE: Inhalts-Ueberſicht. Erſter Theil. I. Geschichte und Literatur des EAlehrturnens. Helleniſche Gymnaſtik. — Militärgymnaſtik der Römer. — Turne⸗ riſche Ausbildung der deutſchen Jugend im Mittelalter. — Ent— wicklung einer deutſchen Turnkunſt. Guts Muths. — Jahn. — v. Schmeling. — v. Selmnitz. — Moung. — Maßmann. — Werner. Wehrturnen in Preußen. v. Olberg. — v. Frankenberg. — Mönnich. — Rothſtein. — v. Görne. v. Scherff und Mertens. — v. Linſingen. — Keil. — A. Spieß. Das Turnen in außerdeutſchen Ländern. N Nachtegall (Dänemark). — Ling (Schweden). — Clias (Schweiz un England). Amoros (Frankreich). — Rußland. — Sardinien. Nachtrag: Fechten, Bajonettfechten und Schwimmen. II. Aufqabe und Behandlung des Qdlehrturnens. Allgemeiner Zweck des Wehrturnens. — Methode des Militärtur— nens. — Aeußerung eines Officiers über Methode des Soldaten— turnens. — Die Bedeutung des Maſſenturnens für militäriſche Zwecke. — Eintheilung der Mannſchaften für den Turnunterricht. Einrichtung einer Soldatenturnſtunde. — Aeußere Einrichtungen und Erforderniſſe für das militäriſche Turnen. — Zeit und Klei— dung für den Turnunterricht. — Das Turnen mit Rückſicht auf die Truppengattungen. Zweiter Theil. Erſter Abſchnitt: Dus Turnen in den Freiübungen. Vorbemerkung. — Betreibung der Freiübungen in Verbindung mit den Ordnungsübungen in zehn Lectionen. — Nachtrag. Zweiter Abſchnitt: Das Taufen. — Vorbemerkung. — Die Betreibung der Laufübungen. 5 = I. Vorübungen zum Laufen. Gehen und Taftlaufen auf der Stelle. — Gehen und Taftlaufen von Ort. — Kurzlauf mit Wendungen. — Kurzlauf in Schlängel— und Kreislinien. — Laufen mit Schwenkungen in geſchloſſenen Reihen. II. Eigentliche Laufübungen. Der Lang- oder Dauerlauf. — Der Schnell- oder Wettlauf. — Der Laſtlauf. — Der Springlauf. — Vorſichtsregeln und allgemeine Bemerkungen über den Lauf. Dritter Abſchnitt: Das Springen. Vorbemerkung. — Die Betreibung der Sprungübungen. . I. Vorübung zum Springen. Schlußſprung an Ort und von Ort. — Schlußſprung mit Drehungen. — Verbindung des Schlußſprunges mit Freiubungen. — Der Schrittſprung. II. Eigentliche Sprungübungen. Sprung über die Schnur. — Uebungen am Sprunggraben. — Sprung von der Höhe in die Tiefe. — Sprung von der Tiefe in die Höhe. — Sprung am Sprunglaufbret. — Das Springen mit Gewehr in der Hand. III. Das Stabſpringen. Vorübungen zum Stabſpringen. — Das eigentliche Stabſpringen am Graben. Vierter Abſchnitt: Die Turnübungen mit gegenseitiger Jülke. Vorbemerkung. — Bewegungen mit einfacher Hülfe. — Bewegungen mit doppelter Hülfe. — Steig- und Sprungübungen mit gegen— ſeitiger Hülfe. g Fünfter Abſchnitt: Das Vingen. Vorbemerkung. — Vorübungen zum freien Ringen. — Frei- und Ringeübungen. — Ringeübungen mit Hülfsmitteln. Sechſter Abſchnitt: Murfübungen. Das Gerwerfen. — Das Steinſtoßen. Fb | & W Siebenter Abſchnitt: Dus Turnen in den Nüstübungen. Vorbemerkung. I. Das Turnen am Barren. Barrenübungen im Streckſtütz. — Barrenübungen im Liegeſtütz. — Barrenübungen im Unterarmſtütz. — Barrenübungen im Knick⸗ ſtütz. — Nachtrag. II. Das Turnen am Stangengerüſt. Klimm⸗- und Kletterübungen: a) an den ſenkrechten Klimmſtangen; b) an den ſchrägen Klimmſtangen; c) an der ſchrägen Leiter und am Tau. Achter Abſchnitt: Ans Schwingen oder Voltigiren. Vorübungen zum Schwingen. — Eigentliche Schwinguͤbungen: a) Hinterſprünge; b) Seitſprünge. — Nachtrag. Neunter Abſchnitt: Turnspiele. Vorbemerkung. — Das Barlaufen. — Der Hinkkampf. — Der gymnaſtiſche Tanz. — Der Geſellſchaftsſprung. — Der Schwebe— kampf. — Der Seilziehkampf. — Der Radtanz. — 9 82000 — Die „Turnſchule des Soldaten“ oder die „körperliche Ausbildung des Wehrmannes“ von Dr. Moritz Kloſſ, mit ca. 100 in den Text gedruckten Abbildungen, erſcheint im Juni d. J. zum Preiſe von Thlr. 1 und werden Beſtellungen auf dieſes Werk in allen Buchhand— lungen angenommen. g Leipzig, J. I. Weber. Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig. 2 Druck von Breitkopf und Härtel in Leiz