NRÜN ITIRRÄNRRRRQQQQQT N RN N N N N T Ss SIND G 2 G Pin cc N u j KRADRE N DR Ki LER ‘ DIE REIZLEITUNGSVORGÄNGE PFLANZEN. EINE PHYSIOLOGISCHE MONOGRAPHIE VON Dr. HANS FITTING, DOZENTEN DER BOTANIK IN TÜBINGEN. MIT 15 ABBILDUNGEN IM TEXT. SONDERABDRUCK AUS: ERGEBNISSE DER PHYSIOLOGIE, HERAUSGEGEBEN VON L. ASHER UND K. SPIRO, IV. UND V. JAHRGANG. | WIESBADEN. VERLAG VON ]J. F. BERGMANN. 1907. ° Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Ergebnisse der Physiologie. Bearbeitet von Olof Hammarsten, Upsala; W.D. Halliburton, London; A. Noll, Jena; Paul Th, Müller, Graz; A.. Heffter, Bern; P. Morawitz, Marburg; H.Zwaardemaker, Utrecht; R. Tigerstedt, Helsingfors; A. Tschermak, Halle a. S.; K. Wessely, Berlin; H,. Fitting, Tübinger; 0, Langendorff, Rostock ; CS. Sherrington, Liverpool; Leo Langstein, Berlin: Herausgegeben von L. Asher und K. Spiro Bern Strassburg i. E. Vierter J ahrgang. I. und II. Abteilung: Biochemie, Biophysik und Psychophysik. Mit 49 Abbildungen im Text. Preis Mk. 25.60. Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis: I. Abteilung: Biochemie. I. Zur Chemie der Galle. Von 0. Hammarsten, Upsala. II. Die Biochemie der peripheren Nerven. Von W. D. Halliburton, London, III. Die Sekretion der Drüsenzelle. Von A. Noll, Jena. 1V. Die allgemeinen Lebensbedingungen der Mikroorganismen. Von P. Th. Müller, Graz, V. Die Ausscheidung körperfremder Substanzen im Harn. Von A. Heff- ter, Bern. VI. Die "Chemie der Blutgerinnung. Von P. Morawitz, Marburg. IT. Abteilungf: Biophysik und Psychophysik. VII. Die physiologisch wahrnehmbaren Energiewanderungen. VonH.Zwaar- demaker, Uirecht. VIII. Die Geschwindigkeit des Blutes in den Arterien. Von R. Tiger stedt, Helsingtfors, IX. Über die Grundlagen der optischen Lokalisation nach Höhe und Breite. Von A. Tschermak, Halle. X. Der Flüssigkeits- und Stoffwechsel des Auges mit besonderer Berück- sichtigung seiner Beziehungen zu allgemein-physiologischen und bio- logischen Fragen. Von K. Wessely, Berlin, Mit vier Abbildungen im Text. XI. Die Räizieltungsvorgänge, Bei den Pflanzen. Von H. ‚Fitting, Tü- bingen, Mit zehn Abbildungen im Text. XH. Neuere Untersuchungen über die Ursache des Herzschlages. Von O. Langendortf, Rostock. XIII, Über das Zusammenwirken der Rückenmarksreflexe und das Prinzip der gemeinsamen Strecke. Von Ü. 8. Sherriugton, Liverpool, Mit sechs Abbilduugen im Text. XIV, Die Energiebilanz des Säuglings. Von L. Langstein, Berlin. DIE REIZLEITUNGSVORGÄNGE BEI DEN IEEBANZEN. EINE PHYSIOLOGISCHE MONOGRAPHIE Dr. HANS FITTING, DOZENTEN DER BOTANIK IN TÜBINGEN. MIT 15 ABBILDUNGEN IM TEXT. SONDERABDRUCK AUS: ERGEBNISSE DER PHYSIOLOGIE, HERAUSGEGEBEN VON L. ASHER UND K. SPIRO, IV. UND V. JAHRGANG. WIESBADEN. VERLAG VON J. F. BERGMANN. 1907. ES: n nr ‚907 z ui k Nachdruck verboten. Übersetzungen, auch ins Ungarische, vorbehalten. x Druck der Kgl. Universitätsdruckerei von H. Stürtz in Würzburg. Vorwort. In den Jahrgängen 1905 und 1906 der „Ergebnisse der Physiologie“ habe ich einer Aufforderung der Redaktion, im besondern des Herrn Prof. Dr. L. Asher, zufolge zwei grössere Essays über die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen veröffentlicht. Ich war bestrebt, über das Tatsachenmaterial unter möglichst vollständiger Berücksichtigung der Literatur und mit kriti- scher Behandlung alles Hypothetischen so zu berichten, dass auch weitere biologische Kreise sich ein Urteil über die bisherigen Forschungsergebnisse zu bilden vermöchten und dass den Fachgelehrten brauchbare Grundlagen für weitere Untersuchungen erwüchsen. Da es eine entsprechende Zusammen- fassung bis jetzt nicht gibt und da die „Ergebnisse der Physiologie‘ begreif- licherweise einen verhältnismässig kleinen Leserkreis, namentlich auch unter den Botanikern, besitzen, so hat sich die Verlagsbuchhandlung auf meine Bitte entschlossen, die beiden Aufsätze im Zusammenhange auch als Mono- graphie, selbständig, erscheinen zu lassen. In meine Darstellung, die der Hauptsache nach analytischen Charakter trägt, sind hier und da noch nicht anderwärts veröffentlichte eigene Be- obachtungen eingeflochten. Wesentlich neue Tatsachen, die hier nachgetragen werden müssten, haben sich seit der Abfassung des ersten, 1905 erschienenen Teiles nicht ergeben. Einige Kleinigkeiten mögen bei der ausserordentlich ausgedehnten Literatur und bei der Kürze der Zeit, die mir zur Verfügung gestellt war, übersehen worden sein: so hätte bei der Besprechung der Kor- relationen, die zwischen den Teilen der bestäubten Blüte bestehen (Ab- schnitt Il, 1), auch die Arbeit von L. Guignard, Sur la polinisation et ses effets chez les Orchidees in den Annales des sciences naturelles 7. ser. Botanique, Bd. 4, 1886, S. 202 ff. erwähnt werden sollen. Herr Verlagsbuchhändler J. F. Bergmann hat mir jederzeit so viel Entgegenkommen bewiesen, dass es mir ein Bedürfnis ist, ihm an dieser Stelle bestens dafür zu danken. Tübingen, im Dezember 1906. H. Fitting. MAD 2 1007 Er Me PA) N u Pa lE! ° I kn u] Dell y Da "r \ B D er aa I m. 6 Inhalt. Zitierte Literatur Einleitung . 1 Abschnitt 1. Be eongen nal sch Kae A. Reizleitungsvorgänge bei vielzelligen Pflanzen 1. Leitung von Stossreizen und ähnlichen Reizen . a) Mimosa (Mimosaceen) . b) Biophytum (Oxalidaceen) . c) Ranken Tr d) Dionaea, Aldrovands e) Blütenteile . EN i 2. Leitung von Kontaktreizen und chemischen Reizen a) Drosera . b) Andere naktenfiesuende Pilenzen 3. Leitung tropistischer Reize «) Tropismen an oberirdischen Organen 3 a) Haptotropismus und Chemotropismus bei Den b) Haptotropismus der Ranken. c) Haptotropismus bei Pilzen d) Phototropismus 8) Tropismen der Wurzeln . a) Phototropismus b) Traumatotropismus . c) Haptotropismus d) Hydrotropismus ) Galvanotropismus f) Rheotropismus h 5 g) Thermotropismus, Cham h) Geotropismus . 4. Leitung des Wundreizes a) Auslösung von Hemmungen en Henchlenskenern b) Auslösung von Traumataxis c) Auslösung von Plasmaströmung d) Auslösung formativer Prozesse B. Reizleitungsvorgänge bei einzelligen Pflanzen Abschnitt II. Reizleitungen veranlasst durch Innenreize . 1. Bei Korrelationen zwischen den Teilen der bestäubten Blüte . VI Inhalt. 2, Bei Umstimmungen der tropistischen Eigenschaften von Pflanzenorganen durch Änderung der inneren Beziehungen zu anderen Organen . a) Gelenkpflanzen b) Graskeimblätter ; c) Blüten- und Fruchtstiele d) Seitenorgane «) Seitensprosse . #) Nebenwurzeln y) Blätter ö) Exotropie 3. Bei Auslösung formativer Prozesse a) „Morphästhesie“ 3 b) Polarität (Vertieibasalität) ) Andere Regenerationsvorgängs . d) Innere Ausbildung der Organe. 4. Bei Wachstumskorrelationen. 5. Bei Korrelationen zwischen den Teilen der Zelle Abschnitt III. Gründe für eine weitere Verbreitung der Reizleitungsvorgänge in der Pflanze Abschnitt IV. Die Reizleitungsbahnen hei den Pflanzen * Allgemeines . Die möglichen Bahnen, a Beizleitansen Be den Plinsan A. Lebende Bahnen a) Plasmaverbindungen a ; n Siebröhren . B. Nicht lebende Bahnen a erde NE ARE Me 3. Die durch Versuche ermittelten Bahnen der BB bei den Pflanzen A. Reizleitungsbahnen der Aussenreize 5 : 1. Gruppe. Der Reiz wird im Grundgewebe ebenso gut geleitet wie in den (sefässbündeln Einrichtungen zur Erleichterung der une im u Grundgewehe (Fibeil- läre Strukturen) . i f 2. Gruppe. Der Reiz wird dicht im et nenn nur in de Ge- (Gefässbündeln. geleitet B. Reizleitungsbahnen der Innenreize . Abschnitt V. Länge der erregten Strecke und Geschwindigkeit der Reizleitungsvorgänge 1. Länge der eıregten Strecke 2. Geschwindigkeit der Reizleitung . : 3. Ungleich schnelle Geschwindigkeit der Reisleitune in versehen Richie und einseitiges Leitungsvermögen Abschnitt VI. Abhängigkeit der Reizleitungsvorgänge von den Aussenbedingungen 1. Allgemeines s 2. Reizleitungen, die nur er 1: Gefässbündel tel en i 3. Reizleitungen, die auch im Grundgewebe stattfinden Abschnitt VII. Elektrische Spannungsänderungen, die einige Reizleitungsvorgänge begleiten 1. Allgemeines R 2. Elektrische kenne in Maslesin en Aloe von Ri A. Muskeln B. Nerven 105 103 104 106 108 108 109 109 11% "2 0 2 42 Inhalt. 3. Elektrische Spannungsänderungen in Pflanzenteilen, die mit anderweitig nachweis- baren Reizvorgängen verbunden sind Ar B; Blatt von Dionaea a) Die elektrischen Ströme im ungereizten Blatt. : b) Die elektrischen Spannungsänderungen im gereizten Blatt N c) Beziehungen der Spannungsänderungen zur Reizreaktion . d) Ursachen der Spannungsänderungen Andere Fälle . 4. Elektrische Spannungsänderungen in Pflanzenteilen, die nicht mit anderweitig nachweisbaren Reizvorgängen verbunden sind . iM. B. Elektrische Spannungsänderungen an der Reizstelle Ausbreitung der Spannungsänderungen von der Reizstelle Abschnitt VIII. Das Wesen der Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen 1. Allgemeines b 2. I. Gruppe: Die long rer nur in lan Aenenden Zellen al Gefässbtindel A. Gründe, die für eine grob mechanische Übermittelung des Impulses durch lebende Zellen sprechen . : B. Gründe, die gegen eine grob acBanische Ühsreiktelnne Has Tmaaes Anreh lebende Zellen sprechen . : C. Kommt die Reizleitung iälleichei unter ulehver Beksilisube tebender Zellen zustande?. EEE EN RE rs . 3. II. Gruppe. Die Reizleitung erfolgt auch in den lebenden Zellen des Grund- gewebes Ge er a AR WAR a se REN ERERABEEN Sara A. 1. Untergruppe. Die Reizleitung löst nicht eine tropistische Reizreaktion aus B. 2. Untergruppe. Die Reizleitung löst eine tropistische Reizreaktion aus . 4. Begriffsbestimmung der Reizleitungsvorgänge Abschnitt IX. der Ban zu den anderen Teilen des Reiz- vorganges $ 1. Direkte Reizung oder Retlex?- 2. Beziehungen der Reizleitungsvorgänge zum Den A zum ee prozesse . A. Reiztransmissionen von Aussenreizen unter aktiver Beteiligung kontinuier- licher lebender Substanz a) Nicht tropistische Reize b) Tropistische Reize . . Reiztransmissionen von Innenreizen unter aktiver Beteiligung kontinuierlicher lebender Substanz . . Reiztransmissionen ohne A Betkiligang könbingienltähe: Ilander Substanz a) Durch Ausbreitung der Reaktion 2 b) Durch Flüssigkeitsbewegung in lebenden Zellen 2 Schlusswort . v2 Seite 112 112 112 113 115 116 119 120 120 122 2 he, iu? ji N . AN 4 ® BT 57 | 4 ak vr Beer ie‘ ra EI: Zrtierterkbitberatur zum 1. Teık Die mit einem Stern versehenen Arbeiten konnte ich mir trotz mancher Bemühungen nicht im *1891. 1876. 189. 1871. 1877. 1904. 1866. 1887. 1897. 1899. 1904. Original zugänglich machen. Ihr Inhalt wurde nur nach Referaten berücksichtigt. Acqua, C., Contribuzione alla conoscenza della cellula vegetale. Malpighia. 5, 3 ff. 1891. Balfour, Thos. A.G., Account of some experiments on Dionaea muscipula. 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Die Zeiten sind längst vorbei, in denen man der Ansicht war, dass die Lebenserscheinungen der Pflanzen und der Tiere eine voneinander völlig unabhängige Erforschung erheischten. Der Eintwickelungsgedanke hat wie in der Morphologie so auch auf allen Gebieten der Physiologie zwischen den beiden Organismenreichen zahllose Brücken geschlagen und kein geringerer als Ch.Darwin hat in einer Reihe hervorragender pflanzenphysiologischer Ar- beiten durch Entdeckungen von weittragender Bedeutung gezeigt, von welchem ausserordentlich grossen heuristischen Werte die einheitliche Auffassung und die vergleichende Betrachtungsweise der Lebensverrichtungen bei Pflanzen und Tieren für die Einsicht in ihr Lebensgetriebe ist. In dem Stande der Forschung war es begründet, dass die Pflanzen- physiologie in vieler Hinsicht äus diesen neuen Gesichtspunkten zunächst den grösseren Nutzen gezogen hat. Eines der Hauptergebnisse von fundamen- taler Wichtigkeit war die, übrigens schon durch vereinzelte Beobachtungen und Versuche aus früherer Zeit angebahnte und neuerdings auch durch histo- logische Befunde gestützte, Erkenntnis, dass der Körper der Pflanze nicht nur eine morphologische, sondern auch eine physiologische Einheit ist: ein Organismus mit funktionaler Abhängigkeit seiner Organe und ihrer Teile voneinander und vom Ganzen, im Dienste und zum Nutzen des Ganzen. In der Tat: ebenso zahlreich wie mannigfaltig sind die Beziehungen, welche die Forschung in den letzten Jahrzehnten zwischen den verschiedenen Or- ganen und Organteilen der Pflanze kennen gelehrt hat, Beziehungen, die man in ihrer Gesamtheit ganz allgemein als Korrelationen bezeichnen kann. Wenn wir auch noch weit davon entfernt sind, alle die Wechsel- beziehungen zu überschauen, welche die Organe des Pflanzenkörpers zu einem jederzeit und unter sehr verschiedenen Bedingungen einheitlich arbeitenden Organismus machen, so können wir doch schon jetzt soviel sagen, dass kaum eine Veränderung in einem Organe oder in einem seiner Teile ohne grösseren oder geringeren korrelativen Einfluss auf andere Organe und auf den ganzen Organismus ist. Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 1 2 H. Fitting, Solche lokale Veränderungen in einem Pflanzenteile, die in nachweis- barer Weise auf andere Teile korrelativ einwirken, können durch recht ver- schiedene Anlässe ausgelöst werden: bald sind massgebend äussere Ur- sachen, eine Variation der Aussenbedingungen, in denen sich das Organ gerade befindet (äussere oder externe Reize, Pfeffer, 1904, 8. 163); bald ist der Anlass gegeben durch eine Variation der sogenannten Innen- bedingungen, die in dem Organe herrschen (interne oder mutualistische oder innere Reize, Pfeffer), wie z.B. durch eine Gestalts- oder Funktions- änderung, die in den Gesetzmässigkeiten der ontogenetischen Entwiekelung begründet ist, oder durch die Störung oder Aufhebung des normalen Zu- sammenhanges, in dem sich das Organ mit anderen Teilen befindet, oder durch die Störung der Funktionen, die es auszuüben hat. Unter denjenigen korrelativen Wirkungen eines Organes auf ein anderes, die in Veränderungen durch Aussenreize ihren Anlass haben, nimmt nun eine Anzahl eine Sonderstellung ein und ist von besonderem Interesse. Bei vielen korrelativen Wirkungen nämlich sieht es aus, als ob die Wirkung gar nicht durch eine korrelative Verkettung mit einem anderen Organe zu- stande gekommen sei, sonder als ob sie eine direkte Reaktion auf den Aussenreiz sei, obwohl der Reiz doch nachweislich nicht das reagierende Organ, sondern einen ganz anderen, mit dem Reaktionsorgane nur irgendwie korrelativ verketteten Teil betroffen hatte. In der Tat entsprechen viele (doch nicht alle) dieser Art von korrelativen Wirkungen an Pflanzenorganen in jeder Hinsicht nach Qualität und Quantität den Reaktionen, die an ihnen derselbe Aussen- reiz auslöst, wenn er die reagierenden Organe direkt trifft, also auf sie nicht nur indirekt durch ihre korrelative Verkettung mit anderen Organen ein- wirkt, die er beeinflusst. Es sind dies diejenigen korrelativen Wirkungen, bei denen man aus der Trennung der Perzeptions- und Reaktionszone vornehm- lich auf das Vorhandensein von Reizleitungen im Pflanzenreiche hat schliessen können. "Es wäre aber durchaus verfehlt, wollte man annehmen, dass nur bei diesen korrelativen Beziehungen Reizleitungsvorgänge im Spiele seien. Gerade die typischen Fälle von Reizverkettungen machen es höchst wahrscheinlich, dass auch sonst bei korrelativen Beziehungen anderer Art zwischen Pflanzen- teilen, soweit sie nicht allein auf Ernährungseinflüssen beruhen, oft Reizleitungen massgebend sind. Wenn wir auch zurzeit vielfach noch nicht in der Lage sind, dieselben im einzelnen nachzuweisen, ihre Bahnen und ihr Wesen zu präzisieren, so dürfen wir nach den bisherigen Erfahrungen der Forschung doch jetzt schon sagen, dass offenbar in der Pflanze wie im Tiere Reiz- leitungsvorgänge der allermannigfaltigsten Art, die zum Teil den Trans- missionen in den tierischen Nerven entsprechen dürften, zwischen allen Or- ganen stattfinden und zur Unterhaltung des Lebensgetriebes von grösster Bedeutung sind. Dass auch in dieser Hinsicht zwischen Pflanze und Tier Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 3 weitgehendste Übereinstimmung besteht, ist lange Zeit, besonders auch in den Kreisen der Tierphysiologen, gänzlich übersehen worden, indem man der Meinung war, dass eine funktionelle Verkettung, wie sie beim Tiere vornehm- lich durch das Nervensystem bewirkt wird, bei der Pflanze nicht möglich sei, weil ihr die den Nerven entsprechenden histologischen Differenzierungen völlig fehlen. Unter diesen Umständen dürfte es auch für den Tierphysiologen nicht ohne Interesse sein, zu sehen, welche Ergebnisse die bisherige Forschung über die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen gezeitigt hat, zwischen welchen Pflanzenteilen und mit welchen Methoden sich solche Reizleitungen mit Sicherheit haben nachweisen lassen, auf welchen Bahnen die Leitung statt- findet, mit welcher Geschwindigkeit sie erfolgt und was wir über das Wesen der verschiedenen Leitungsvorgänge wissen. Könnte es doch sein, dass durch eine solche Zusammenfassung auch die Forschung am Tierorganismus in dieser oder jener Hinsicht Anregungen fände, Da aber bisher eine zusammenhängende Darstellung der Reizleitungs- vorgänge bei den Pflanzen überhaupt nicht gegeben wurde!), so ist diese Zusammenstellung nicht nur für den Tierphysiologen, sondern auch für den Pflanzenphysiologen bestimmt. Deshalb wurde möglichste Vollständigkeit in der Aufzählung der sicher festgestellten Tatsachen und eine kritische Be- handlung einander bekämpfender Hypothesen und Meinungen angestrebt, Wenn meine Darstellung also auch darauf ausgeht, die Tatsachen, aus denen mit Sicherheit auf das Vorkommen von Reizleitungsvorgängen bei den Pflanzen geschlossen werden konnte, möglichst erschöpfend zu behandeln, so habe ich eine gleiche Vollständigkeit gegenüber solchen Beobachtungen, aus denen sich nur vermutungsweise auf Reiztransmissionen schliessen lässt, nicht im Auge gehabt. Das gilt vor allem für alle korrelativen Beziehungen, die auf Innenreizen beruhen. Bei ihnen werden noch langwierige, mühsame Forschungen dazu nötig sein, bis sich ein sicheres Urteil über die Vermit- telung der Korrelationen wird fällen lassen. Ich habe mich deshalb darauf beschränkt, aus der grossen Zahl solcher korrelativer Beziehungen durch Innenreize diejenigen herauszugreifen, bei denen reifliche Überlegung die Annahme von Reiztransmissionen nahelegt, um mit ihrer Hilfe zu zeigen, wie notwendig Reizleitungsvorgänge für die verschiedensten Lebenserschei- nungen bei den Pflanzen sein dürften. — !) In dem gross angelegten Handbuche Pfeffers (1904), das für lange Zeiten die Grund- lage weiterer pflanzenphysiologischer Forschungen bilden wird, sind die Reizleitungsvorgänge nicht im Zusammenhange behandelt, so dass es nicht leicht ist, aus ihm einen Überblick über die bisherigen Forschungsergebnisse zu bekommen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass Pfeffer der erste Sewesen ist, der in der ersten, im Jahre 1881 erschienenen Auflage dieses Werkes im Anschlusse an die Beobachtungen von Darwin mit Nachdruck auf die grosse Bedeutung der Reizleitungsvorgänge für das Lebensgetriebe der Pflanzen hingewiesen hat. = 4 H. Fitting, Absehnittll. Reizleitungen veranlasst durch Aussenreize. A. Reizleitungsvorgänge bei vielzelligen Pflanzen. 1. Leitung von Stossreizen und ähnlichen Reizen. a) Mimosa (Mimosaceen). Zu den auch in tierphysiologischen Kreisen am längsten bekannten. Beispielen von Reizleitungserscheinungen bei Pflanzen gehört die Mimose oder Sinnpflanze, Mimosa pudica. Die Vorgänge, die man an ihr beob- achtet hat, seien deshalb zuerst beschrieben. Diese Pflanze besitzt eine Blätter von Mimosa pudica; A in ungereiztem, B in gereiztem Zustande. Nach Duchatre (aus Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie). hohe Empfindlichkeit für Erschütterungen und Stossreize, die sich in höchst charakteristischen und auffälligen Bewegungen der Blätter äussert. Die Einzel- blättehen der doppelt gefiederten Blätter sind in ungereiztem Zustande zu einer nahezu horizontalen Blattfläche ausgebreitet, die von dem unter einem Winkel von etwa 30° mit dem Horizonte schräg nach aufwärts gerichteten Hauptblattstiele getragen wird (Fig. 1A). Die Fiederblättchen sind aber, wie es der doppelten Fiederung des Blattes entspricht, nicht direkt an diesem Hauptblattstiele, sondern paarweise in grösserer Zahl (15—25) unter Winkeln von 90° an zwei Paaren von Sekundärblattstielen (oder F iederstrahlen) befestigt. Diese Sekundärblattstiele spreizen von dem Hauptblattstiele so, dass jeder Strahl des unteren Paares annähernd unter rechtem Winkel von dem Primär- blattstiele absteht, die Strahlen des oberen, apikalen Paares aber nach vorne zusammenneigend etwa einen Winkel von 60° miteinander bilden. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 5 Wird eine solche Mimose, die sich in günstigen Aussenbedingungen be- findet, wie sie bei uns etwa in einem Warmhause gegeben sind, durch eine Er- schütterung gereizt, so tritt eine plötzliche Veränderung des Bildes ein (Fig. 1B): Der Hauptblattstiel führt sofort eine energische Abwärtsbewegung um 80 bis 100° aus, die in der gelenkartigen Verbindungsstelle zwischen Blattstiel und Sprossachse, dem sog. „Hauptgelenke“, erfolgt; die Sekundärblattstiele (oder Fiederstrahlen) bewegen sich in ähnlichen, an ihrer Basis ausgebildeten Ge- lenken ebenso schnell nach vorwärts, die Winkel, die sie miteinander bilden, verkleinernd, so dass sie sich in Verlängerung des Hauptblattstieles einander nähern, und die Fiederblättchen klappen nach aufwärts zusammen, indem sie sich gleichzeitig schräg nach der Blattspitze hin bewegen, bis sie sich dachziegelig decken. Es ist nun nicht nötig, die ganze Pflanze oder auch nur einen ihrer Zweige zu erschüttern, um diese mit grosser Geschwindigkeit eintretenden und ablaufenden Reizbewegungen auszulösen. Es genügt, wenn man eines der Be- wegungsgelenke an dem zusammengesetzten Blatte auf derjenigen Seite be- rührt, nach welcher hin die Reizbewegung erfolgt: entweder das Hauptgelenk an der Basis des Primärstieles oder die Sekundärgelenke an der Basis der Sekundärstiele (siehe dazu z. B. Haberlandt 1890, S. 59ff.). Doch nimmt die Reaktion alsdann einen lokalen Charakter an; sie bleibt auf das be- rührte Gelenk beschränkt. Trotzdem geht auch aus diesen Versuchen ganz augenscheinlich hervor, dass von der berührten Stelle eine Reiztransmission in das Innere des Gelenkes, die Bewegung auslösend, erfolgt; denn empfind- lich für den leichten, durch die Berührung gegebenen Stossreiz sind nur die direkt berührten Zellen (Pfeffer 1873, S. 37). Berührt man dagegen eines der kleinen Gelenke, welche die Fieder- blättehen mit den Sekundärblattstielen verbinden, so kann man namentlich an jugendlichen, lebensfrischen Blättern leicht sehen, dass die Reaktion nicht nur das berührte Gelenk ergreift: Kurze Zeit, nachdem sich das berührte Blättchen aufgerichtet hat, folgt das andere Blättchen des Paares nach, als- dann klappen sich nacheinander in schneller Folge die sämtlichen anderen Blättehenpaare desselben Fiederstrahles in basifugaler und basipetaler Rich- tung, die zu einem Paare gehörenden meist gleichzeitig, zusammen, zuletzt tritt die entsprechende Reaktion auch in dem Gelenke des Sekundärblatt- stieles ein. Die Reaktion bleibt aber gewöhnlich auf den einen Sekundär- blattstiel beschränkt (Pfeffer 1873a, S. 310). Ist das zusammengesetzte Blatt aber ganz besonders empfindlich, so kann die Bewegung nun weiterhin auch noch die übrigen Fiederstrahlen ergreifen, an denen die Fiederblättchen sich nacheinander in basifugaler Richtung zusammenlegen; ja nach einiger Zeit kann wohl auch eine Senkung des ganzen Blattes in dem Primärgelenke erfolgen. Es ist überaus instruktiv, diese Bewegungen zu beobachten, da man an dem Fortschreiten der Reaktion mit den Augen direkt zu verfolgen 6 H. Fitting, vermag, wie sich der Reiz von dem berührten Fiederblättchen aus nach allen Seiten hin ausbreitet!). — Man kann diese Reizfortpflanzung aber zu einer viel grossartigeren machen, wenn man an Stelle der Berührung eines Fiederblattgelenkes für eine stärkere Reizung der Pflanze sorgt. Dazu ist es nur nötig, eines ihrer Organe in entsprechender Weise zu verwunden. Wenn man vorsichtig ein Stück von einem Fiederblättehen mit der Schere abschneidet oder wenn man mit einem Brennglase eines oder mehrere der Fiederblättchen ansengt (letztere Art der Reizung wirkt am intensivsten, Dutrochet 1824, S. 56; Meyen 1839, S. 525), so richtet sich sofort das verletzte Blättchen auf, gleich danach das andere Blättchen des Paares und nun schreitet die Reaktion in der schon beschriebenen Weise wiederum über den Sekundärblattstiel und stets auch über das ganze übrige Blatt fort (Meyen 1839, S. 522ff., Pfeffer 1873a): Zuerst senkt sich der Primärblattstiel, nachdem sich die Blättchen an dem verwundeten Fiederstrahl zusammengelegt haben (Pfeffer 1873a, S. 310, 318 ff.), hierauf erst beginnen die Blättchen entweder des nächst unteren oder des opponierten Fiederstrahles oder beide gleichzeitig sich in basifugaler Richtung zusammenzulegen. Die Auslösung der Reizbewegung in den (Ge- lenken der sekundären Blattstiele geschieht kurze Zeit, nachdem ihre Fieder- blättchen angefangen haben, sich zusammenzuklappen (Pfeffer 1873a, 8. 319). Die Reaktion bleibt jetzt aber nicht auf das eine Blatt beschränkt: Der Senkung des Primärblattstieles folgt nach kurzer Zeit eine entsprechende Senkung der Primärblattstiele benachbarter Blätter und zwar annähernd in der Reihenfolge, in welcher sie oberhalb und unterhalb des verwundeten Blattes am Stengel befestigt sind. Schliesslich können sich auch die Fieder- blättchen dieser Blätter zusammenklappen, so dass die sämtlichen Blätter eines oder mehrerer Zweige in die Reizstellung übergehen. Freilich müssen die Pflanzen besonders empfindlich und nicht zu hell beleuchtet sein, soll der Reiz sich soweit ausbreiten (Pfeffer 1873a, S. 319). Um einen solchen Effekt zu erzielen, ist es nicht nötig, gerade ein Fiederblättehen zu verwunden. Die Reaktion breitet sich sogar noch weiter, eventuell auch über die ganze Pflanze aus, wenn man vorsichtig, ohne die Pflanze zu erschüttern, einen tiefen Einschnitt in den Stengel der Pflanze macht (Meyen 1839, S. 520) oder wenn man ein ganzes Blatt abschneidet oder wenn man einen Teil des Stengels oder Blattstieles durch Abbrüben 1) Diese Angaben über die Reizfortpflanzung von dem einen Fiederstrahl auf die übrigen Teile des Blattes, nach Berührung eines Blättchengelenkes, beziehen sich auf gelegentliche Beobachtungen von mir. Seltsamerweise findet man in der Literatur genaue Beschreibungen nur über die Art und die Ausbreitung der Reizleitung nach Verwundung eines Blattes, während die Reizausbreitung nach Berührung eines Fiederblattgelenkes immer bloss nebenher erwähnt wird. Eine genauere Untersuchung der Reizausbreitung nach Berührung bei optimalen Aussen- bedingungen wäre sonach, namentlich auch zur Beurteilung des Verhältnisses dieses Reiz- leitungsvorganges zu dem nach Verwundung eintretenden, recht wünschenswert. _ Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 7 oder Verbrennen tötet (Dutrochet 1824, S. 80; Bert 1866, 8. 25ff.). Ja, bei besonders empfindlichen Pflanzen soll sogar eine Verletzung der Wurzel (Dutrochet 1824, S. 76), selbst der Nebenwurzeln (Dutrochet 1837, S. 274; Borzi 1899, S. 2ff.), genügen, um die Reaktion an den Blättern auszulösen. Dasselbe tritt ein, wenn man mit einem Brennglase die Blütenknospen oder die geöffneten Blüten sengt (Dutrochet 1824, S. 68). — Wo eine Ausbrei- tung der Reizreaktion bei Mimosa beobachtet wird, erfolgt sie stets in der Weise, dass sie zunächst in der Nähe der gereizten Stelle eintritt und allmäh- lich, allseitig fortschreitend, weiter entfernte Teile ergreift. — Mimosa pudica ist nicht die einzige Pflanze, bei der wir eine Reizleitung nach einem Stossreize oder nach Verwundungen kennen. Vielmehr gibt es, wie ich noch zeigen werde, bei zahlreichen Pflanzen eine Menge ähnlicher Fälle nicht nur an Blättern, sondern auch an sehr verschiedenen anderen Organen. Immerhin sind bisher nicht allzu viele Objekte bekannt geworden, welche die Erscheinung in so grossartiger Weise wie Mimosa zeigen. Direkt an Mimosa pudica schliessen sich im Verhalten gegen Stossreiz und Verwun- dung andere Arten derselben Gattung an, wie z. B. M. sensitiva, Spegazzinli u. a. (vgl. Haberlandt 1890, S. 82ff.). Ähnlich scheinen sich auch die, der Gattung Mimosa nahestehenden, Mimosaceen Desmanthus plenus und Neptunia oleracea zu verhalten; doch wurden sie in dieser Hinsicht bisher ebensowenig näher untersucht wie die Papilionaceen: Aeschynomene sensi- tiva, Smithia sensitiva u. a., die ebenfalls nach Berührung und, wie es scheint, auch nach Verwundung ihre Fiederblättchen zusammenklappen (Meyen 1839, S. 539 ££.). b) Biophytum (Oxalidaceen), Einige interessante Abweichungen zeigen dagegen die Oxalideen, die ihre Fiederblättechen unter dem Einflusse eines Stossreizes bewegen. Von ihnen wurde namentlich Biophytum sensitivum, und zwar ‚von Haber- landt (1898), näher untersucht. Die Blätter dieser Pflanze sind nur ein- fach und zwar paarig gefiedert. Die Fiederblättchen heben sich nach einer Reizung nicht, sondern legen sich nach unten zusammen. Die Bewegung erfolgt wiederum in den gelenkartig ausgebildeten kurzen Stielen der Fieder- blättchen, nicht aber ausserdem im Gelenke des Hauptblattstieles, das kein Bewegungsvermögen besitzt. Die Reizreaktion tritt wie bei Mimosa sowohl nach Erschütterung der ganzen Pflanze, als auch nach Berührung der Bewegungsgelenke ein. Doch scheint die Reaktion bei Reizung durch Be- rührung meist auf das gereizte Gelenk und das des anderen zum Paare gehörenden Blättchens beschränkt zu bleiben. Manchmal pflanzt sich der Reiz freilich noch auf 2—3 Blättchenpaare fort, die sich aber weniger senken als das berührte. Eine Reizleitung über grössere Strecken lässt sich nur nach Verwundung eines der Fiederblättchen beobachten. Schneidet man ein 8 H. Fitting, Endblättchen ab, so senkt es sich mit dem anderen Paarling nach 4—10 Se- kunden, aber nur teilweise. Hierauf senken sich in entsprechender Weise von diesem Blattpaare aus nacheinander die sämtlichen anderen Fiederblättchen des Blattes. Nach 10—20 Sekunden pflanzt sich der Reiz auch auf die übrigen Blätter fort, deren Fiederblättchen sich nun in basifugaler Richtung teilweise senken. Nach kurzer Zeit aber beginnen die Blättchen an dem verwundeten Blatte sich wieder zu heben. Dieser Vorgang wird nach 1 bis 3 Minuten plötzlich unterbrochen: Von der Reizstelle aus senken sich die Blättchenpaare der Reihe nach ebenso rasch wie das erstemal von neuem, ohne eine weitere Reizung durch den Experimentator. Diese sekun- dären Senkungen breiten sich ebenso wie die primären auch in den benach- barten Blättern aus. Noch ein drittes, ja viertes Mal kann sich dieser selt- same Vorgang in abgeschwächtem Masse und nach längeren Pausen wieder- holen. Da aber die sukzessiven Senkungswinkel stets kleiner sind als die Hebungswinkel, so ist der Schlusseffekt die Rückkehr der Blättchen in die Normalstellung. Nach stärkerer Reizung als sie durch Zerschneiden eines Fiederblätt- chens zustande kommt, so z. B. nach Durchschneidung des Mittelnervs, er- folgen ähnliche Reaktionserscheinungen; nur sind alsdann die sukzessiven Senkungswinkel grösser als die Hebungswinkel, so dass die Blättchen durch die aufeinander folgenden Senkungsbewegungen schliesslich in die vertikale Reizstellung gelangen, in der sie sich mit ihren Unterseiten berühren. Die Reizbewegung tritt an den Blättern übrigens auch dann ein, wenn die In- floreszenzachse abgeschnitten wird. Ob ähnliches auch für die Verwundung der Wurzeln gilt, wurde bisher nicht untersucht. Während also bei Mimosa die Fiederblättchen nach der Reizung sofort die ganze Amplitude der Bewegung ausführen, zerfällt bei Biophytum die sesamte Reizbewegung in eine Anzahl von Teilbewegungen kleiner Amplitude, die mit Zwischenpausen aufeinander folgen, indem immer neue Bewegungs- wellen von der Reizstelle ausgehen. Es ist aus diesen Beobachtungen natür- lich sehr schwer zu entnehmen, ob diese Wellen durch eine Anzahl von der Reizstelle nacheinander ablaufender Leitungsprozesse zustande kommen oder aber ob sie durch einen einzigen Leitungsvorgang ausgelöst werden. Es könnte ja sehr wohl sein, dass die Rhythmik lediglich in der Reaktion gegeben sei, also dass die Gelenke, nachdem sie durch einen zugeleiteten Reiz erregt sind, die eigentümliche Befähigung haben, die Bewegung nicht wie bei Mimosa auf einmal, sondern eben als mehrere durch Pausen bestimmter Länge getrennte Teilbewegungen auszuführen. — Ganz ähnlich wie B. sensi- tivum verhält sich nach meinen Beobachtungen auch B. proliferum. Auch für einige Oxalisarten könnte ähnliches gelten (siehe z. B. Molisch 1904, S. 372ff.). Doch fehlen hier entsprechende Untersuchungen. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen, I c) Ranken. Bei den reizbaren Mimosaceen und Oxalidaceen kann man also vor allem durch eine stärkere Verwundung irgend eines ihrer Organe eine Reizausbreitung über srössere Teile der Pflanze beobachten, die sich in einer sehr auffallend schnell auf die Reizung folgenden Reaktion äussert. Eine derartige Erscheinung ist nun aber, wie ich zeigen konnte (Fitting 1904, S. 426 ff.), nicht auf diese Pflanzen beschränkt. Sie lässt sich auch bei einer Reihe anderer Pflanzen aus ganz verschiedenen Familien beobachten und zwar bei solchen, die keine ausgesprochene Empfindlichkeit für Erschüt- terungs- und Stossreize besitzen. Ein Unterschied gegenüber den bisher be- sprochenen Fällen besteht nur insofern, als die Reiz- beantwortung eine völlig andere ist. Eine solche Reizleitung findet sich nämlich auch / bei vielen Ranken. Die Ranken sind eigentümliche, mit besonderer Funktion begabte Organe verschiedener MOr- phologischer Dignität, die bei sehr vielen Kletterpflanzen vorkommen. Es sind oft bis zu 30 cm lange, verzweigte oder unverzweigte, fadenförmige Gebilde, die von den Kletterpflanzen als Greif- und Befestigungsorgane aus- gebildet werden, um die schwanken Stengel an Stützen, wie z. B. an anderen Pflanzen usw., zu befestigen. Diese Ranken haben für Berührung, für „Kontakt“ wie man Fig. 2. auch sagt, eine ausgesprochene Empfindlichkeit, die in Ranke von Passiflora vieler Hinsicht der Tastempfindlichkeit unserer Haut coerulea, die zwei Mi- entspricht (Pfeffer 1885); sie haben aber keine Emp- an on Auvoren des Eau: : abgeschnitten worden findlichkeit für Stossreize. Kommen sie mit irgend war. einem Gegenstande in Berührung, etwa mit einem dünnen Nach Fitting, 1904. Stabe, so krümmen sie sich unter dem Einflusse der Berührung schon nach kurzer Zeit, den Stab fest umwickelnd. Ganz ähnliche Krümmungsreaktionen können an den Ranken aber auch durch andere Reiz- anlässe ausgelöst werden, so z.B. durch Erwärmung oder Abkühlung, durch gewisse chemische Körper und, wie ich gezeigt habe, auch durch hinreichende Verwundung. Wenn man nämlich z.B. eine wohl ausgebildete, 15—20 cm lange Ranke einer Passionsblume (Passiflora coerulea) an ihrer Basis vorsichtig abschneidet oder auch durch einen tiefen Schnitt verwundet oder abtötet, so beginnt die Rankenspitze schon nach 1—2 Minuten sich mit ziemlicher Schnelligkeit einzukrümmen und einzurollen (Fitting 1904, $, 427 ff). Es ist mit Sicher- heit der Eingriff an der Basis, der diese Reaktion zur Folge hat (Fig. 2). Eine ganz ähnliche Reaktion tritt nach entsprechenden Eingriffen auch bei einer Kletterpflanze aus der Familie der Cucurbitaceen, Actinostemma. (1904, 10 H. Fitting, S. 457 ff.), sowie einer solchen aus der Familie der Papilionaceen, Lathyrus latifolius L. (1904, S. 460) ein. Während aber bei Passiflora und Actinostemma die Reaktion nach meinen Beobachtungen nur dann erfolgt, wenn man die Ranke selbst, sei es nun an der Basis oder an der Spitze oder an einer anderen Stelle, verwundet, und stets auf die eine Ranke beschränkt bleibt, tritt sie bei Lathyrus auch ein, wenn man den Ranken tragenden Spross durehschneidet: Sie ergreift in diesem Falle nicht nur die der Wundstelle nächste Ranke, sondern, ähnlich wie bei den Blättern von Mimosa, auch andere Ranken, die dem verletzten Sprosse entspringen. Eine solche schnelle Reizausbreitung infolge schwererer Verwundung kommt aber nicht nur bei den drei erwähnten Pflanzen vor. Ich fand sie auch, allerdings eine Trans- mission über kleinere Strecken, bei einer ganzen Anzalhıl anderer Gattungen aus der Familie der Cucurbitaceen (z. B. Cueurbita, Thladianthe, Pilogyne, Sieyos, Momordica 1904, S. 448 #f.), ferner bei Vitis und Cobaea (1904, S. 462 ff.). Es ist nicht anzunehmen, dass die Reizausbreitung und die Reaktion, die infolge von Verwundungen erfolgen, irgendwie für die Rankenpflanzen zweckmässig sein könnten (vgl. Fitting 1904, 8. 498), dass sie eine An- passung bedeuten. Dasselbe gilt auch für Mimosa und Biophytum. Gerade dadurch aber gewinnen alle diese Beobachtungen ein besonderes Interesse: Lässt sich doch danach vermuten, dass eine ähnlich schnelle Reizleitung nach Verwundungen bei den Pflanzen überhaupt weit, vielleicht allgemein, ver- breitet ist. Nur fehlt im allgemeinen ein „Indikator“, um sie mit Sicherheit nachzuweisen. Ein Glückszufall ist es, dass wir wenigstens bei einigen besonders empfindlichen Pflanzen einen solehen in einer sichtbaren Reaktion haben). d) Dionaea, Aldrovanda. Vielleicht noch grösseres Interesse als die bisher besprochenen bieten einige weitere, auch dem Tierphysiologen gut bekannte Beispiele von Reiz- leitungen, die durch Stossreiz ausgelöst werden. Es sind das jene Reizleitungsvorgänge, die man an den Blättern einiger insektenfressender Pflanzen, nämlich denen von Dionaea und der Wasserpflanze Aldrovanda, beobachten kann. Diese Pflanzen fangen sich bekanntlich mit ihren Blät- tern Insekten ein, deren Fiweisssubstanzen sie mit Hilfe von Enzymen in lösliche Form überführen und absorbieren (Literatur und Historisches über ı) Erwähnt sei in diesem Zusammenhange, dass nach Ch. Darwin 1876 S. 31 ff. eine Reizkrimmung an der Basis der Blatttentakeln von Drosera (siehe weiter unten!) eintritt, wenn man die Tentakelköpfchen abschneidet. Dagegen erfolgt an den Staubfäden von Ber- beris und an denen der Cynareen keine Reizbewegung, ‘wenn man die Blütenachse oder die Korollenröhre dicht an der Insertionsstelle der Staubfäden oder die Antheren durchschneidet. Entsprechendes gilt für die Narben von Martynia (Pfeffer 1873 a, Ss, 317). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 11 Dionaea siehe z. B. bei Munk 1876, S.1 ff, Goebel 1891, 8. 53 ff). Die bei Dionaea auf geflügelten (Fig. 3), bei Aldrovanda auf verbreiterten Stielen sitzenden Blätter sind ungeteilt und haben annähernd kreisförmigen Umriss. In ungereiztem Zustande sind sie flach ausgebreitet. Sowie sich aber ein Insekt auf das Blatt setzt, klappen die bei Dionaea am Rande mit steifen Borsten bewimperten Blatthälften plötzlich durch eine energische Bewegung nach oben zusammen, das Insekt zwischen sich festhaltend. Diese Bewegung wird hauptsächlich in der dicken Zellschichte ausgeführt, welche in der Mittel- tippe dem zentralen Gefässbündel auf- liegt (Ch. Darwin 1876, $. 286); doch ist auch das Gewebe der Blattflügel an der Reaktion aktiv beteiligt (vgl.z.B.Ch.Dar- win 1876, S. 277). Die Reaktion wird durch Stossreiz ausgelöst. Empfindlich für den Stoss ist bei Dionaea die ganze obere und untere Blattfläche: Es genügt eine nicht sehr starke Reibung der Blatt- F ober- oder -unterseite mit einem festen Blatt von Dionaea muscipula in ungereiztem Gegenstande, um die Blätter zum Zusam- Zustande. (Nach Darwin 1876.) menklappen zu bringen (Meyen 1839, S. 545; Ch. Darwin 1876, S. 266; Munk 1876, S. 102 ff. hält nur die Ober- seite für empfindlich; Balfour 1876, 8. 365 f£.; Goebel 1891, S. 68 und S. 201 ff.; Macfarlane 1892, S. 14 ff.). Besonders empfindlich aber sind starre Borsten, die in der Mitte der Oberseite jeder Blatthälfte in Dreizahl mit Gelenken befestigt sind (Fig. 3)!)., Diese sog. „Fühlborsten“ wirken ge- wissermassen als Stimulatoren (Goebel 1891, S. 201; Haberlandt 1901b, S. 108 ff.)?2). Sowie nämlich eine der Borsten durch leichte Stösse ein wenig in dem basalen Gelenke gebogen wird, klappen die Blatthälften zusammen. (Über die zur Auslösung nötigen Bedingungen vgl. namentlich Macfarlane 1892.) Es muss also sowohl von jeder dieser Borsten, als überhaupt von jedem Punkte der reizbaren Blattfläche eine Reizleitung nach der Mittelrippe und in die übrigen Teile der Blattfläche, so auch von einer Blatthälfte in die an- dere (Ch. Darwin 1876, 8. 284) mit grosser Geschwindigkeit stattfinden, da ohne eine solche die Reaktion nicht erfolgen könnte. Wie ein Stossreiz wirkt übrigens auch die Verwundung der Blattfläche, was nicht wundernehmen kann. Jedoch !) Vielfach wurden nur diese Borsten für empfindlich gehalten; so von Sydenham Edwards, Curtis, Lindley,Oudemans (1859), Balfour (1876, S. 336), Batalin (1877, S. 148) u. a. 2) Sehr interessant ist übrigens die Beobachtung Ch. Darwins (1876, S. 268 ff.), dass die Aufsaugung einer‘ minimalen Menge stickstoffhaltiger Substanz durch die Drüsen der Blatt- oberseite die Blattfläche viel empfindlicher macht als es sonst der Fall ist. Es genügen als- dann wie sonst nur bei Reizung der Fühlborsten ganz wenige, geringe Stösse, um die Reak- tion auszulösen. 12 H. Fitting, hat die Verwundung des Blattstieles keinen Erfolg (Oude mans 1859, 5. 330 ff; Munk 1876, S. 102 f£.; Darwin 1876, S. 267)}). Ganz ähnlich wie Dionaea verhält sich Aldrovanda (siehe z. B. Stein 1874, Cohn 1875, Ch. Darwin 1876, S. 290 ff, Goebel 1891, 8.71 ff., Haberlandt 1901b, S. 103 ff, Fenner 1904, S. 363 ff... Auch bei ihr sind besonders reizbar Haare, die auf der Blattoberfläche in grösserer Zahl inseriert sind. Doch kann die Reaktion auch allein durch Reizung der Blattoberseite ausge- löst werden (Goebel 1891, 8. 71). Analoge Reizleitungsprozesse wie bei diesen insektenfressenden Pflanzen scheinen übrigens auch sonst noch bei Pflanzen vorzukommen. Wenigstens findet man bei Darwin (1881, S. 105 ff.) die Angabe, dass die Keimblätter einiger Cassiaarten, sowie von Smithia sensitiva sich durch eine Reaktion in den Blattstielen heben, wenn die Kotyledonarflächen gerieben werden. Es scheint sich um eine Reiztransmission von der Blattfläche zum Stiele zu handeln. Näher untersucht ist die Erscheinung nicht. e) Blütenteile. Ein Reaktionsvermögen und eine Empfindlichkeit für Stoss- und Er- schütterungsreiz sowie eine entsprechende Reizausbreitung von der gereizten Stelle aus findet sich vielfach auch in der Blütenregion, namentlich an Staub- gefässen und Narben von Griffeln. Es gibt eine Anzahl derartiger Organe, die bei Berührung bestimint gerichtete, im Dienste der Bestäubungseinrich- tungen stehende Reizbewegungen ausführen (Literatur und Fälle bei Kabsch 1861; Pfeffer 1873, $S. 151; Hansgirg 1890, 1893; Haberlandt 1901). Bei den Staubgefässen pflegt die Reaktion auf die berührte Stelle beschränkt zu bleiben; doch müssen auch hier vielfach von den berührten Zellen aus Reizleitungen in das Innere des Gewebekörpers stattfinden, soll die Reizbewegung zustande kommen. Dies dürfte z. B. gelten für die Staubgefässe der Cynareen (Centaurea), von Berberis, Mahonia und manchen anderen, namentlich für diejenigen, bei denen besondere „Sinneszellen‘“ zur Perzeption des Reizes ausgebildet sind (Haberlandt 1901b). Doch fehlen hier ein- gehendere Untersuchungen. Eine Fortleitung des Reizes von einem Staubgefässe auf andere nicht gereizte Staubgefässe scheint nur bei der Tiliaceengattung Sparmannia, im be- sonderen bei Sp. africana beobachtet zu sein (Morren 1841; Hansgirg 1893, $. 144; Haberlandt 1901 b, S. 48 ff... Ob bei dieser Pflanze auch am einzelnen Staubgefässe eine völlige Trennung der Perzeptions- und Reaktions- 1) Erwähnt sei weiter, dass die Blätter von Dionaea sich auch unter dem Einflusse einer chemischen Reizung schliessen. Im Gegensatze zu der Reaktion nach einer Stossreizung erfolgt diese Schliessbewegung ganz langsam und allmählich, so dass sie oft erst nach ‚24 Stunden beendigt ist. Diese Reaktion wird auch ausgelöst durch Zuleitung eines Reizes von der Blattfläche zu den Bewegungsgelenken (Ch. Darwin 1876, S. 269 ff.; 1881, 8. 204). er Ber. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen, 13 zone besteht, wie z. B. Morren annahm, ist nach den Beobachtungen Haber- landts (1901b, S. 49 ff.) recht zweifelhaft. Überhaupt muss darauf hinge- wiesen werden, dass wir über den ganzen Reizvorgang bei den Staubgefässen und Griffeln noch recht unvollkommen unterrichtet sind. Bei den auf Stoss- und Berührungsreiz reagierenden Griffeln (Literatur auch bei Oliver 1887a, 8.165 und Hansgirg 1893, $. 146 ff.) scheint da- gegen eine Reizausbreitung recht häufig zu sein. Bei einigen Scrophulariaceen, Bignoniaceen und Pedaliaceen besteht die Narbe aus zwei Lappen, die in ungereiztem Zustande weit auseinander klaffen, sich aber sofort schnell fest zusammenlegen, wenn eine von ihnen auf der Innenseite gereizt wird. Bei Martynia lutea, proboseidea und Mimulus cardinalis u. a., nicht dagegen bei Mimulus luteus wird durch die Reizung des einen Narbenlappens auch im anderen Lappen die Reaktion ausgelöst (Heckel 1874, S. 702 ff.; Hans- girg 1893, S. 147; vgl. namentlich für Mimulus auch die zahlreichen Versuche Gärtners 1844, S. 254 ff.), indem eine Reizleitung vom einen zum andern besteht (Oliver 1887 a, S. 167 ff.). Aber auch bei den Blütenblättern, die mit Bewegungsvermögen aus- gestattet sind, sind Reiztransmissionen beobachtet worden. Ja bei den Blüten- blättern einiger der in jeder Hinsicht so überaus interessanten Orchideenblüten scheint sogar eine völlige Trennung der Perzeptionszone und der Reak- tionszone vorzukommen. Bei Masdevallia muscosa z. B. besteht (Oliver 1887 S. 242 ff.) die Unterlippe der Blüte (das „Labellum“) aus einem fleischigen Halsteile und einem verbreiterten, mit Kamm versehenen Endblatte. Reizt man durch Stoss oder Berührung diesen Kamm, so wird das Endblatt durch eine Krümmung des Halses nach aufwärts geklappt. Der motorische Teil selbst, der Hals, ist gegen Berührung oder Stoss nicht empfindlich. Ähnlich verhält sich die Orchidee Pterostylis (Oliver 1887, S. 246). Ob bei der Auslösung der „Pollenschleuder“ bei einigen tropischen Orchi- deen aus der Gruppe der Catasetidae (Catasetum, Mormodes, Cyenoches) eben- falls eine Reizleitung von anderen Blütenteilen her (nämlich von den Antennen der Säule) von Bedeutung ist, wie Darwin (1877, 8. 152 ff.) nach eingehender Untersuchung annimmt, lässt sich vorläufig noch nicht sicher beurteilen. Nach Hart (1896, S. 225 ff.) handelt es sich bei der Polienentleerung um einen rein mechanischen Vorgang. Auch lässt sich nach den bisherigen Beobachtungen noch nicht klar übersehen, ob bei den Grasblüten, bei denen durch mechanische Erschütte- rungen der verschiedensten Art die Öffnung der Spelzen und das Wachstum der Staubgefässe ausgelöst wird, Reizleitungen irgend welche Art an der Ein- leitung der Reaktion beteiligt sind (siehe dazu Tschermak 1904, S. 445 ff., dort auch die weitere Literatur). 17 W H. Fitting, 2. Leitung von Kontaktreizen und chemischen Reizen. a) Drosera. Wie bei Dionaea und Aldrovanda, so sind auch bei dem Sonnentau, Drosera, Reizleitungsvorgänge für die Einrichtungen zum Insektenfange dienstbar gemacht. Wir werden bei dieser Pflanze eine Anzahl ganz neuer g Fig. 4. Blatt von Drosera rotundifolia in ungereiztem Zustande. Seitenansicht. (Nach Ch. Darwin 1876.) Tatsachen kennen lernen, die von grosser theoretischer Bedeutung und auch für den Tierphysiologen von Interesse sind. Wir verdanken ihre Kenntnis den Untersuchungen Nitschkes (1860) und namentlich Ch. Darwins (1876). Als Beispiel sei D. rotundifolia gewählt, an die sich viele andere Arten im wesentlichen anschliessen (Ch. Dar win 1876, S. 252 ff.). Wie Dionaea, so fängt sich auch Drosera mit den Blättern Insekten ein, um sie zu verdauen. Bei D. rotundifolia sind die Blätter kreisrunde, gestielte Scheiben, oberseits dicht bedeckt mit haarartigen Ge- bilden, die von der oberen Blattfläche und vom Blatt- rande entspringen (Fig. 4). Diese von Darwin Ten- takeln genannten, nach allen Seiten vom Blatte ober- seits ausstrahlenden Haare, die im Zentrum der Blatt- fläche sehr kurz sind, nach dem Blattrande zu immer länger und länger werden, tragen je am apikalen Ende Fig. 5. ein Drüsenköpfchen, das ein einem Tautröpfchen nicht Blatt von Drosera rotundi- unähnliches Tröpfchen klebrigen Sekretes sezerniert. folia,ingereiztem Zustande. D)jese Tentakeln dienen zum Einfangen der Insekten. Flächenansicht. (HachCh- Wenn nämlich ein kleines Insekt mit einem oder Darwin 1876.) mehreren dieser Tentakeln in Berührung kommt, so bleibt es an dem klebrigen Sekrete hängen. Kurze Zeit darauf tritt eine merk- würdige Erscheinung ein: Die Tentakeln krümmen sich an ihrer Basis sämtlich radial nach innen, wodurch die Beute, an welchem Tentakelköpfchen sie auch hängen geblieben ist, in das Zentrum der Blattscheibe und mit fast allen übrigen Drüsenköpfchen in Berührung gebracht wird. Darauf ist es offenbar abgesehen; denn die Tentakeln fangen nun an, das Insekt zu verdauen (Fig. 5). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 15 Verfolgt man die Einwärtskrümmung der Tentakeln genauer, so sieht man, dass ein Unterschied in dem Vorgange besteht, wenn das Insekt sich auf einem der zentralen Tentakeln und wenn es sich auf einem solchen am Blattrande gefangen hat. Ist das Tier, nämlich an einem zentralen Ten- takel hängen geblieben (Nitschke 1860, S. 231 ff.; Ch. Darwin 1876, 8. 8 ff.), so bleibt dieser ungekrümmt. Aber die sämtlichen, weiter nach dem Blatt- rande hin gelegenen sowie die peripherischen Tentakeln machen eine Krüm- mung um 180—270° nach der Blattmitte hin, bis sie mit ihren Drüsenköpfchen die Beute berühren. Es geht also von dem Köpfchen des zentralen "Tentakels, das durch die Berührung mit dem Insekte gereizt ist, ein Impuls aus, der sich radial über das ganze Blatt ausbreitet und in den übrigen Tentakeln die Krümmungsreaktion auslöst. Dabei kann man beobachten, wie zunächst die der Reizstelle benachbarten, dann die weiter und weiter entfernten Tentakeln die Reaktion ausführen. Übrigens pflegt sich auch die Blattscheibe selbst in- folge des zugeleiteten Impulses am Rande etwas konkav zu krümmen (Ch. Darwin 1876, S. 10). Anders und zwar komplizierter verläuft der Vorgang, wenn das Insekt sich an einem Randtentakel gefangen hat. Alsdann ist es zunächst die Basis dieses Randtentakels, durch deren Krümmung das Drüsenköpfchen in radialer Richtung nach der Blattmitte hin bewegt wird. Diese Krümmung kann nach 10 Sekunden beginnen und manchmal schon nach 17—18 Minuten vollendet sein (Ch. Dar win 1876, S. 10 u. 22). Die Bewegung bleibt zunächst stets auf den einen Randtentakel beschränkt (Ch. Darwin 1876, S. 212 ff.). Sie schreitet so- lange voran, bis das eingefangene Tier mit einem oder mehreren Drüsen- köpfehen der Blattmitte in Berührung gebracht is. Nun erst geht von ihnen aus ein Impuls über das Blatt, wodurch auch die übrigen Rand- tentakeln usw. sich nach der Blattmitte krümmen (Ch. Darwin 1876, S. 10). Häufig bleibt allerdings die Krümmung des Tentakels auf die eine Blatthälfte beschränkt (1876, 8. 19). Durch Ch. Darwins Untersuchungen (1876) wissen wir auch, durch welche Reizanlässe die Tentakelköpfchen gereizt werden. Dieselben Erscheinungen, wie sie durch das Insekt veranlasst werden, treten nämlich auch dann ein, wenn man die Drüsenköpfchen durch Berührung mit irgendwelchen festen Körpern oder durch bestimmte gelöste chemische Körper reizt. Die Emp- findlichkeit gegen Berührung (Kontakt) ist wie bei den Ranken der Tastemp- findlichkeit unserer Haut ganz ähnlich (Pfeffer 1885, S. 511 ff... Von chemi- schen Körpern wirken am intensivsten stickstoffhaltige organische und an- organische Verbindungen. Von ganz besonderem Interesse ist aber weiter die ebenfalls von Ch.Darwin zuerst festgestellte (1876, S. 17 ff., S. 208 ff.) Tatsache, dass ganz allein das ' Drüsenköpfehen und ein ihm nächstgelegener kleiner Teil der Tentakeln den Reiz perzipieren kann, die an der Basis der Trentakeln gelegene Reaktions- 16 H. Fitting, zone dagegen keine Empfindlichkeit besitzt. Nach entsprechender Reizung der Reaktionszone tritt die Bewegung nicht ein‘). Darwin hatte durch diese Beobachtung den ersten sicheren Fall einer völligen Trennung der Perzeptions- und der Reaktionszone bei Pflanzen ermittelt. Jetzt steht Drosera in dieser Beziehung, wie wir schon sahen (vergl. S. 13), nicht mehr ver- einzelt da. Da bei Drosera also allein von den Drüsenköpfchen die Reiztrans- mission ausgeht, so entstand die weitere Frage von grösster Bedeutung: Wirkt der Reiz, der von einem zentralen Tentakel auf die übrigen Tentakeln aus- strahlt, direkt auf deren Reaktionszone oder wirkt er durch den Basalteil der Tentakeln aufsteigend nur auf deren Drüsenköpfchen und schreitet ein „Be- wegungsreiz“ alsdann erst von den Köpfchen der Tentakeln nach unten fort ? mit anderen Worten: haben wir es bei Drosera mit einer Umsetzung des Reizes in den Drüsenköpfchen zu tun, mit einem „Reflexbogen“, bestehend aus sensiblem und motorischem Aste und Zentralorgan? Wiederum war es Darwin, der sich diese Frage vorgelegt und sie in ersterem Sinne be- antwortet hat. Dass es sich nicht um einen Reflexvorgang handelt, geht nämlich aus einem sehr einfachen Versuche hervor: Schneidet man von einigen Tentakeln die Drüsenköpfchen ab, so krümmen sie sich wie bisher, wenn von anderen Tentakeln ein Reiz zugeleitet wird (Ch. Darwin 1876, 8.208, :8.:219 f.). = Die Krümmung der Tentakeln ist nun nicht die einzige Reaktion, die durch die Reizung der Drüsenköpfchen ausgelöst wird. Es gibt auch noch andere Reaktionen, die nicht weniger unser Interesse verdienen. Beobachtet man nämlich einen Tentakel nach Reizung des Köpfchens aufmerksam mit blossem Auge oder mit einer Lupe, so sieht man, wie nach einiger Zeit der zunächst ziemlich gleichmässig rot gefärbte Tentakel ein geflecktes Aussehen bekommt: Diese Verfärbung wird durch eigentümliche Veränderungen in den Zellen hervorgerufen, die als Folge der Reizung zunächst im Drüsenköpfehen auftreten und sich alsdann auf den Tentakelstiel und von ihm aus auch auf andere Tentakeln ausbreiten. Diese Veränderungen, die sowohl durch chemische wie auch durch mechanische Reize ausgelöst werden, sind wiederum von Darwin entdeckt (1876, S. 34 ff.) und von ihm als Aggregation bezeichnet worden. Sie bestehen im wesentlichen darin, dass das Plasma an Volumen (durch Wasseraufnahme?) zunimmt, die Zellsaftvakuolen aber sich verkleinern. Gleichzeitig beginnt eine lebhafte Plasmaströmung. Die zusammengeballten Vakuolen vermehren sich und verändern fortgesetzt ihre Gestalt (siehe über Aggregation auch Fr. Darwin 1876; Schimper 1882, S. 233 ff.; Gardiner 1886, 8. 229 fi.; De Vries 1886, S. 1 ff.; Goebel 1891, S. 198 ff.). Ausser 1) Nitschke hielt das ganze Blatt für empfindlich: die beiden Seiten der Spreite, sowie die Tentakelstiele. Die Angaben Darwins wurden durch Batalin (1877, S. 65 ff.) bestätigt. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 17 dem kann, allerdings nur nach starker chemischer Reizung, namentlich nach- solcher mit kohlensaurem Ammonium (Ch. Darwin 1876, S. 38, 42), in dem Zellsafte eine Ausfällung (Granulation) eintreten !), Da die Aggregation nicht auf den direkt gereizten Tentakel beschränkt bleibt, sondern sich, wie gesagt, auch auf die anderen Tentakeln erstreckt, so könnte es zunächst so scheinen, als ob man in der Ausbreitung der Aggrega- tion von Zelle zu Zelle und von einem Tentakel zum anderen die Ausbreitung desjenigen Impulses zu sehen hätte, durch den auch die Krümmung der Tentakelu veranlasst wird. Die Beobachtungen Darwins machen es aber sehr wahrscheinlich, dass wir es mit zwei verschiedenen Leitungsprozessen zu tun haben, die unabhängig nebeneinander herlaufen. Die Aggregation kann nämlich unabhängig von der Krümmung vorkommen und sich aus- breiten (Ch. Darwin 1876, 8.34; Gardiner 1886, S. 233); sie kann sich ferner langsamer oder auch schneller über die Tentakeln eines Blattes verbreiten als der Impuls, der die Krümmung auslöst. Weiter beginnt sie, wie wir gleich noch näher sehen werden, stets, auch in den sekundär durch Reiz- transmission gereizten Tentakeln, in den Drüsenköpfehen und ist oft noch nicht bis zu den Basalteilen der Tentakeln fortgeschritten, wenn dieselben schon ausgesprochen gekrümmt sind. Dem entspricht es, dass die Zusammen- ballung in einem sekundär gereizten Tentakel, dem das Drüsenköpfchen ge- nommen ist, wenigstens dann, wenn die primäre Reizung nicht allzu intensiv war), ausbleibt, obwohl die Krümmungsreaktion erfolgt. Die Aggregation scheint vielmehr mit einer gesteigerten Sekretionstätig- keit der Tentakelköpfchen zusammenzuhängen. Dann müsste freilich eine solche Sekretion von dem primär gereizten Tentakel aus durch Reizleitung in den übrigen Tentakelköpfchen ausgelöst werden. Dies ist nach Darwins Beobachtungen in der Tat der Fall: Kurze Zeit, nachdem die durch Reiz- zuleitung gereizten Tentakeln begonnen haben, sich einzukrümmen, fangen ihre Köpfchen, ehe sie noch mit dem reizenden Gegenstande in Berührung gekommen sind, an, in verstärktem Masse Sekret auszuscheiden (Ch. Darwin 0916, 8. 12,.8. 76 ff.), das sich durch ausgesprochen saure Reaktion von dem ursprünglichen Sekrete unterscheidet. Ob diese Sekretionstätigkeit der Drüsen- köpfechen, die nach jeder Art von Reizung, mechanischer sowohl wie chemischer, 1) Nur nebenbei sei erwähnt, dass in den Drüsenzellen des Tentakelköpfchens infolge chemischer Reizung, die zur Aufnahme von Substanzen führt, noch weitere interessante Ver- änderungen eintreten: Der Kern verkleinert sich, dagegen nimmt das Chromatin zu und diffe- renziert sich in Fäden, die sich ähnlich gruppieren wie vor den Zellteilungen. Ausserdem soll in denselben Zellen der Köpfchen das Plasma infoige der Reizung an Menge abnehmen, die Vakuolen aber zunehmen (Huie 1897, 1898, 1899; Rosenberg 1899). 2) Wird dagegen ein Drüsenköpfchen sehr intensiv gereizt, so kann die Aggregation auch in einem benachbarten dekapitierten Tentakel erfolgen. Dies ist, worauf schon Pfeffer (1904, S. 468) hingewiesen hat, wohl begreiflich, da die Ausbreitungsgrenze der Aggregation stets von der Intensität der Reizung abhängt. Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 2 1S H. Fitting, eintritt, durch dieselben Reizleitungsvorgänge wie die motorische Reaktion ausgelöst wird, wissen wir zunächst natürlich nicht. Immerhin dürfte es recht wahrscheinlich sein. Jedenfalls kann die erhöhte Tätigkeit der Drüsen nicht schlechthin eine Folge der Krümmung in den Tentakelstielen sein; denn sie erfolgt auch an zentralen Tentakeln, die sich nicht krümmen (Ch. Dar- win 1876, S. 219). Ist die ausgesprochene Vermutung richtig, so würden die beiden Reiz- leitungsvorgänge, die wir alsdann im Blatte von Drosera zu unterscheiden hätten: nämlich der die Krümmung und die Sekretion auslösende einerseits, der die Aggregation bewirkende andererseits, in höchst merkwürdiger Weise, gewissermassen reflektorisch, verkettet sein (Ch. Darwin 1876, 5.48, 5.220). Der eine Teil des „Reflexbogens“ würde bestehen in der Leitung vom perzi- pierenden Drüsenköpfcehen eines Tentakels der Blattmitte zu den anderen Tentakelköpfehen; hier würde durch den Beginn der Sekretionstätigkeit in den Drüsenzellen der zweite Teil des Reflexbogens ausgelöst werden, der nach abwärts fortschreitend die Aggregation bewirkt. Für diese Auffassung '), dass die Zusammenballung mit der Sekretions- tätigkeit der Drüsen direkt in Beziehung steht, spricht auch die Tatsache, dass die Aggregation nicht nur bei Drosera, sondern auch bei vielen anderen insektenfressenden Pflanzen vorkommt, die andere oder gar keine Bewegungen mit den Blättern ausführen, so z. B. bei Dionaea (Ch. Darwin 1876, 271 30% Aldrovanda (Ch. Darwin 1876, 8. 295; Fenner 1904, S. 376); Drosophyllum (Ch. Darwin 1876, S. 306; Fenner 1904, S. 421); Sarracenia (Schimper 1882, S. 231 ff.; Fenner. 1904, S. 354) u. a. b) Andere insektenfressende Pflanzen. Übrigens muss hier erwähnt werden, dass Drosera nicht der einzige Fall unter den insektenfressenden Pflanzen zu sein scheint, wo sich durch den Beginn einer gesteigerten Sekretionstätigkeit in Drüsen, die von der Perzeptions- stelle des Reizes entfernt sind, eine Reizleitung bemerkbar macht. So wird z. B. durch die Reizung, welche ein Insektenkörper bewirkt, auf den Blättern von Pinguicula vulgaris nicht nur in den direkt mit dem Tiere in Kontakt befind- lichen Drüsen die Sekretion angeregt, sondern, in konzentrischen Kreisen fort- schreitend, auch in denen der umliegenden Blattpartien (Fenner 1904, S. 350). Ferner soll nach Fenner (1904, 8. 419 ff.) die Sekretions- und Absorptionstätigkeit der sitzenden Drüsen auf den Blättern von Drosophyllum ı) Freilich muss darauf hingewiesen werden, dass manche Beobachtungen Darwins mit ‚dieser Auffassung in Widerspruch zu stehen scheinen. Darwin hebt nämlich verschiedent- lich hervor, dass die Zusammenballung nicht von der vermehrten Sekretionstätigkeit der Drüsen abzuhängen scheine (vergl. Ch. Darwin 1876, S. 49, 53, 241). Doch dürften wohl diese Wider- sprüche ihre Erklärung darin finden, dass Darwin nicht scharf zwischen Granulation und Aggregation unterschieden hat. Neue Untersuchungen wären hier sehr erwünscht. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 19 lusitanieum z. T. durch eine Reizleitung von den Blatttentakeln aus ver- anlasst werden. Doch sind diese Versuche nicht ganz einwandfrei. Bei Pinguieula, welche nach mechanischer und chemischer ‚Reizung ihre Blattränder nach oben einrollt, kann auch diese motorische Reaktion nach Ch. Darwin (1876, S. 339 ff.) durch einen von der Blattmittelrippe in querer Richtung nach den Blatträndern zugeleiteten Impuls ausgelöst werden. Doch ist die Reaktionszone auch selbst zur Perzeption befähigt. Über die Blatt- bewegungen bei Dionaea, die durch einen zugeleiteten chemischen Reiz ver- anlasst werden, vergl. Anm. 1 auf Seite 12. 3. Leitung tropistischer Reize. a) Tropismen an oberirdischen Organen. a) Haptotropismus und Chemotropismus bei Drosera Wir müssen an den Blättern von Drosera noch einer sehr merkwürdigen Tatsache gedenken, die festgestellt zu haben ein Verdienst Nitschkes ist (1860, S. 231, S. 239 ff.; siehe auch Ch. Darwin 1876, S. 221 ff.). Sie wird uns zu den weiterhin zu behandelnden Fällen von Reiztransmissionen hinüberleiten Nitschke und Darwin haben nämlich beobachtet, dass nicht nur von den genau zentralen Tentakeln des Droserablattes, sondern überhaupt von allen Tentakeln, die auf der Blattscheibe befestigt sind (dagegen nicht, wie wir sahen, von denen des Blattrandes), die übrigen Tentakeln des Blattes durch Reizleitung veranlasst werden können, sich zu krümmen. Diese Einkrümmung erfolgt aber nicht genau in der Richtung des Blattscheiben- radius, wie es bei der Reizung eines zentralen Ten- takels der. Fall war, sondern die Richtung wird beeinflusst durch den Ort, von dem aus der Reiz sich ausbreitet (vol. F ig. 6). Mit anderen Worten: bei Reizung des Köpfchens eines exzentrischen Ten- Fig. 6. takels krümmen sich die übrigen Blatttentakeln Blatt von Droserarotundifolia. nicht nach dem Zentrum der Blattscheibe, sondern Nach Reizung eines Tentakels, nach demjenigen Tentakel hin, der von dem Aussen- Es ne en a reiz primär betroffen wurde. Reizt man also zwei Tentakeln, die in einiger Entfernung vom Blattzentrum auf der Blattscheibe einander gegenüber liegen, so krümmen sich die Tentakeln der einen Blatt- hälfte nach dem einen gereizten Tentakel, die der anderen Hälfte nach dem anderen, indem sich mit Darwins Worten auf einem solchen Blatte gewisser- massen zwei Räder bilden, deren Speichen von den Tentakelstielen, deren 2* (E) 2) H. Fitting Achsen von den zu einer Masse bei einander liegenden Drüsenköpfchen der gekrümmten Tentakeln gebildet werden. Wir sehen aus diesen Tatsachen, dass der Bsp in unserem Falle nicht schlechthin eine in den Eigenschaften des Reaktionsorganes, der Tentakelbasis, fest begründete Reaktion auszulösen vermag, sondern dass die Reiztransmission, je nach der Richtung, in der sie sich im Blatte ausbreitet, auch die Riehtung der Krümmung bedingt, so dass sich also manche Tentakeln gerade in entgegengesetzter Richtung krümmen können wie nach Reizung eines zentralen Tentakels. Der Reizanlass oder die Richtung der Reizausbreitung bestimmt also nicht nur die Quantität, sondern in gewissem Sinne auch die Qualität der Reizreaktion. Gerade solche qualitätsbestimmenden Reizleitungsvorgänge, wie sie bei den tropistischen Reizvorgängen vor- kommen, sind es, die das Interesse des Reizphysiologen ganz besonders in Anspruch nehmen müssen. Nach den mitgeteilten Beobachtungen an den Droserablättern war es selbstverständlich, dass sich Darwin schliesslich die Frage vorlegte, ob auch schon an dem primär gereizten Tentakel die Krüämmungsrichtung durch den Ort der Reizung beeinflusst werden kann. Merkwürdigerweise fielen solche Ver- suche stets ganz negativ aus: Die Reaktion erfolgte bei den primär ge- reizten Tentakeln stets genau in Richtung des Blattradius, mochte nun die Reizung des Tentakelköpfehens auf der Oberseite, auf der Unterseite oder auf einer der beiden Flanken erfolgt sein. b) Haptotropismus der Ranken. Durch den Reizanlass verwandt mit der tropistischen Beeinflussung der Tentakelkrümmung bei Drosera sind die Reiztransmissionen, die sich bei den Ranken leicht feststellen lassen. Die Ranken (vergl. auch S. 9) besitzen nämlich eine ausserordentlich grosse Empfindlichkeit für Berührung oder Kontakt, eine Empfindlichkeit, welche ganz der Tastempfindlichkeit unserer Haut zu entsprechen scheint (Pfeffer 1885). Wird eine Ranke durch Be- rührung gereizt, so macht sie an der geyeizten Stelle eine Krümmung, so dass die Reizstelle konkav wird. Diese Reaktionsbefähigung setzt die Ranke in den Stand, andere Pflanzenteile, Holzstäbe u. dgl. als Stützen zu um- wickeln. Die Krümmung bleibt indessen niemals ganz genau auf die be- rührte Zone beschränkt, sondern breitet sich nach oben und unten über die lokale Reizstelle um einige Millimeter bis zu einem Zentimeter aus (De Vries 1873, S. 305 ff.; Pfeffer 1885, S. 509 ff). Dies dürfte nur durch eine Transmission des Reizes möglich sein. Aber nicht nur nach oben und unten breitet sich der Reiz aus; von der Reizstelle aus muss ein Impuls die Ranke auch in der Querrichtung durchsetzen, soll überhaupt die haptotropische Reaktion zustande kommen. Wie meine eingehenden Untersuchungen der Krümmungsmechanik ergeben haben (Fitting 1902, S. 373 1.772903 Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 21 S. 569 ff.), kommt die Krümmung nämlich dadurch zustande, dass die der Reizstelle abgewendete, konvex werdende Seite der Ranke anfängt, sehr schnell zu wachsen und zwar viel schneller als die berührte, konkav werdende Seite. Da die Krümmung schon wenige Sekunden nach der Reizung be- einnen kann, so muss die Reiztransmission, welche dieses beschleu- nigte Wachstum auslöst, sehr schnell durch den Rankenkörper hindurch stattfinden. Ferner gelang es mir, bei den Ranken noch einen weiteren Fall von Reizleitung festzustellen, der deshalb besonders interessant ist, weil er sich nicht direkt in einer Reaktion äussert. Es gibt nämlich zwei Sorten von Ranken, einmal solche, die befähigt sind, nach entsprechender Berührung sich nach allen Radien ihres Querschnittes zu krüm- men, sodann solche, die vorzüglich nur nach einer ‘Seite reaktionsbefähigt sind. Deshalb sprach man früher von allseits empfindlichen und. von einseits empfindlichen Ranken, indem man glaubte, aus einer einseitigen Reaktionsbefähigung auf eine einseitig lo- kalisierte Perzeptionsbefähigung schliessen zu können. Ich konnte nun aber beweisen (Fitting 1902, S. 373 ff. ; 1903, S. 557 fi.), dass auch an den einseits reaktions- befähigten Ranken gleichwohl alle Seiten den Be- Fig. 7. rührungsreiz perzipieren, ja dass sogar alle Seiten Kanken zwischen den Mar- annähernd gleich kontaktempfindlich sind. Wenn man K® ONSESEN un nu SE 3 $ i BA F \ durch je einmaliges Reiben nämlich die reaktionsbefähigte Seite, d. h. also die. sereizt. a Passiflora coe- jenige, die bei der Krümmung konkav wird, reizt und rulea, b Pilogyne suavis. gleichzeitig ebenso stark die entgegengesetzte Seite, (Nach Fitting, 1903.) die sogenannte „Oberseite“, so tritt keine Krümmung ein; mit anderen Worten: die Reizung dieser Oberseite löst zwar keine Krümmung aus, veranlasst aber, dass die bei alleiniger Reizung der reak- tionsbefähigten Unterseite eintretende Krümmung gänzlich ausbleibt (vergl. Fig. 7). So können wir also das Perzeptionsvermögen der Zellen an der Oberseite nur erschliessen aus der Hemmung einer anderen Reaktion. Es ist aber weiter klar, dass aus diesem Erfolge nicht nur das Empfin- dungsvermögen der Oberseite zu entnehmen ist, sondern gleichzeitig auch eine entsprechende Reizleitung von der Oberseite ins Rankeninnere. Ohne sie könnte ja die Krümmungsreaktion nicht völlig aufgehoben werden (Fit- ting 1903, S. 626 ff). So kann denn auch die Ausbreitung einer Reizung der Rankenoberseite von einer lokal berührten Stelle nach aufwärts und nach abwärts am Rankenkörper ganz ebenso beobachtet werden wie bei der Reizung der Unterseite (Fitting 1903, S. 564). Dieser Fall von Reizleitung, auf die keine sichtbare Reaktion folgt, ist deshalb von Interesse, weil er zeigt, dass es offenbar am Pflanzenkörper auch Perzeptionsprozesse und 22 . Fitting, Reiztransmissionen gibt, die sich nicht durch Reaktionen verraten und die wir nur indirekt erschliessen können. Ich werde später darauf noch einmal zurückkommen müssen. Übrigens können wir nicht nur aus der Krümmung, die bei einer Ranke als Folge einer Kontaktreizung an der berührten Stelle eintritt, oder aus der Hemmung einer solchen Reaktion nach gleichzeitiger Reizung der Oberseite sondern auch aus anderen Reizreaktionen auf Reizleitungsvorgänge besonderer Art bei den Ranken schliessen. Nachdem sich nämlich eine Ranke mit ihrer Spitze um eine Stütze gewickelt hat, rollt sich nach einiger Zeit (einigen Stunden oder Tagen) der oft bis zu 10 oder 20 cm lange basale, zwischen Sprossachse und Stütze gelegene Teil der Ranke, der niemals mit der Stütze in Berührung gekommen ist, von der Stütze aus schraubenförmig zusammen Dadurch wird der Spross näher an die Stütze herangezogen. Ich konnte nun zeigen, dass diese Reaktion, in manchen Ranken wenigstens (z. B. denen von Actinostemmna), ebenfalls durch eine von der Stütze ausgehende Reiztransmis- sion ausgelöst wird (Fitting 1904, S. 481 fi.), wobei es zunächst unentschieden bleibt, ob diese Reizleitung mit der des Kontaktreizes identisch ist. Eine Reizleitung macht sich bei den Ranken ferner darin geltend, dass schon kurze Zeit nach Umwickelung der Stütze das Wachstum der basalen, freien, Rankenzone retardiert und schliesslich ganz gehemmt wird (Fitting 1903, S. 608; 1904, 8. 474 ff.) und dass unter dem Einflusse der Stützenumwicke- lung die Gewebe in den federartig eingerollten freien Rankenteilen sehr ver- festigt werden. Eine solche Verfestigung der Gewebe, verbunden mit Neu- bildung von Gewebeschichten, durch gesteigerte Tätigkeit des Cambiums findet auch in den Rankenteilen statt, welche die Stütze erfasst haben (vgl. dazu 2. ,B.! Mohl 1827, 8. 70 £.; Pfeffer 1871 ,.8.. 9. f.; Darwınzaee S. 35 f£.; v. Derschau 189: Treub 1883, 8.44 £f.;'v. Lengerken dl 8.837 ff.;O. Müller 1887, 8. 97: f£.; Worgitzky 1837, 8.2 1 Sscaezeer 1892, S. 240; Ewart 189, S. 187 £f£.). ec) Haptotropismus bei Pilzen. Eine Leitung des haptotropischen Reizes wurde ferner auch beobachtet bei den Sporangienträgern einiger Schimmelpilze. Diese Sporangienträger sind lange, zylindrische, einzellige Gebilde, die sich senkrecht von dem Sub- strat in die Luft erheben und am apikalen Ende ein kugelförmiges Spor- angium tragen. Diese Träger sind z. B. bei Phycomyces haptotropisch empfindlich. Die Reaktion erfolgt in seinem obersten, allein wachstums- fähigen Teile, einige Millimeter unterhalb der Ansatzstelle des Sporangiums. Die Krümmung tritt in der wachstumsfähigsten Zone nicht nur dann ein, wenn diese Stelle gereizt wird, sie wird auch ausgelöst durch Berührung anderer Stellen in der Wachstumszone (Errera 1884, S. 363; Wortmann 1887, 8. 803 ff.), ja sogar durch einseitige Berührung des Sporangiumk öpf- Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 23 chens (Trzebiäski 1902, 8. 123 ff). Wird das Köpfchen dagegen nicht einseitig, sondern allseitig oder am apikalen Pole berührt, so unterbleibt zwar die Krümmung, gleichwohl aber wird auch jetzt ein Reiz nach der Wachs- tumszone der Träger geleitet, der sich in einer Wachstumsverlangsamung, bei ganz kurzer Berührung eventuell auch in einer Waehstumsbeschleunigung äussert (Trzebinski 1902). d) Phototropismus. Wenn ich mich nun von der Transmission des haptotropischen Reizes zu den anderen exquisiten Fällen der Leitung tropistischer Reize wende, d. h. solcher Reizleitungsvorgänge, die in der motorischen Zone nicht allein eine Krümmung auslösen, sondern auch deren Richtung bestimmen, so wäre zu- vörderst wiederum Darwins als desjenigen Forschers zu gedenken, der zum ersten Male die Aufmerksamkeit der Pflanzenphysiologen auf solche Reiz- transmissionen gelenkt hat. Seinem Verdienste tut es keinen Eintrag, dass trotz vieler darauf verwendeter Mühe nicht alle von ihm angeführten Fälle Bestätigung gefunden haben. Dies gilt namentlich für die Wurzelspitze. Auf oberirdische Pflanzenteile erstrecken sich nur seine Beobachtungen über die Transmission des phototropischen Reizes. Eine solche Leitung stellte Darwin (1881, S. 400 ff.) bei einer Anzahl von Keimlingen aus den Klassen der Monokotylen und Dikotylen fest. Ja er schloss aus seinen Versuchen sogar, dass für den Lichtreiz Perzeptions- und Reaktionszone völlig getrennt seien. Er untersuchte namentlich die „Keimblätter‘ einiger Gräser, von Phalaris canariensis und Avena sativa. Dieses Keimblatt, eine zylindrische, geschlossene, innen hohle Scheide, die das erste Laubblatt in längs zusammen- gefaltetem Zustande umschliesst, ist das Organ, das bei der Keimung der in der Erde eingeschlossenen Samen sich in die Luft erhebt. Wenn man es einseitig beleuchtet, so krümmt es sich schnell und sehr intensiv nach dem Lichte hin. Der „Zweck“ dieser Reizbewegung leuchtet ohne weiteres ein: Es soll dadurch das erste Laubblatt, welches die Keimblattscheide stets am oberen Ende durchbricht, in möglichst günstiges Licht gebracht werden. Darwin (1881, S. 405 ff.) beobachtete nun an Keimlingen von Pha- laris, die in feinem, feuchtem Sande kultiviert wurden, dass sich auch die unterirdischen, nicht vom Licht berührten Basalteile der Keimblätter deut- lich lichtwärts krümmten. Als er (1881, S. 405 ff.) aber die Spitze des Kotyledo z. B. durch eine aus Stanniol angefertigte Kappe oder durch eine geschwärzte Glaskappe verdunkelte, blieb das ganze Keimblatt selbst bei langer einseitiger Beleuchtung meist gerade. Aus ähnlichen Versuchen mit den Keimlingen des Hafers (Avena), des Rotkohles (Brassica oleracea) und der Rübe (Beta vulgaris) schloss er (1881, S. 414), dass bei sehr verschiedenen, vielleicht sämtlichen Keimlingen allein die Spitze lichtempäündlich sei und dass von ihr 24 H. Fitting, aus ein Impuls in die nicht phototropisch empfindliche Basis des Keimblattes oder des Keimsprosses geleitet werde. Obwohl diese Angaben Darwins über die Fortleitung des heliotro- pischen Reizes nicht unwidersprochen blieben und namentlich in Wiesner (1881, S. 60 ff.) einen heftigen Gegner fanden, sind sie doch der Hauptsache nach durch die überaus exakten und umfassenden Versuche Rotherts be- stätigt und erweitert worden (1892, besonders 1394). Ihm gelang es, nach- zuweisen, dass nicht nur bei Keimlingen der Monokotylen und der ver- schiedensten Dikotylen, sondern auch in den zylindrischen Sämlingsblättern der Zwiebel (Allium Cepa), in verschiedenen Blattstielen (z. B. von Tropae- olum minus 1894, S. 115 ff.) und in sehr verschiedenen Stengelorganen ent- wickelter Pflanzen (1894, S. 125 ff.) der phototropische Reiz geleitet wird. Vöchting zeigte weiterhin (1888, S. 521 ff.) durch Versuche, die Rothert (1894, S. 122; vergl. auch Krabbe 1889, S. 254 ff.), wie mir scheint ohne genügenden Grund, nicht für einwandfrei hält, dass auch bei den Blättern von Malva eine solche Reizleitung von der Blattfläche nach dem zwischen ihr und dem Blattstiele gelegenen Bewegungsgelenke und nach dem Blatt- stiele, deren Krümmung dirigierend, stattfinde. Über ähnliche Versuche, die z. T. nicht beweiskräftig erscheinen, an den Blättern von Tropaeolum !), Humulus, Corylus, Aesculus u. a., berichtete neuerdings auch Haberlandt (1904, S. 105 ff.; 1905, S. 9 ff.)2). Es scheint demnach, als sei die Leitung des phototropischen Reizes eine bei den höheren Pflanzen recht weit ver- breitete Erscheinung. | Dagegen vermochte Rothert die weitere Angabe Darwins, dass bei den Keimlingen ganz allgemein nur die Spitze oder der oberste Teil photo- tropisch empfindlich ist, die motorische Zone aber eine solche Empfindlich- keit völlig entbehrt, nicht allgemein zu bestätigen (1894, S. 34 ff). Eine solche völlige Trennung der Perzeptions- und der Reaktionszone konnte er vielmehr nur für die Keimlinge gewisser Gräser aus der Gruppe der Paniceen (Pani- cum miliaceum, sanguineum, Setaria viridis) nachweisen (Rothert 1894, S. 67 ff.). Bei ihnen ist nur der (übrigens in geringem Grade auch photo- tropisch krümmungsfähige) Kotyledo heliotropisch empfindlich. Das nur bei dieser Gruppe der Gräser ausgebildete Stengelglied dagegen, auf dem das Keimblatt befestigt ist, das sog. Hypokotyl, krümmt sich nur unter dem Einflusse eines vom Kotyledo (also eines morphologisch andersartigen Organes) aus zugeleiteten Impulses. Kann also auch sonst keine Rede von einer völligen Trennung der Perzeptionszone und der Reaktionszone für den phototropischen Reiz sein, 1) Gegenteilige Angaben für Tropaeolum siehe bei Darwin 1881, S. 414; Rothert 1894, 8. 121. 2) Die Versuche von v. Guttenberg (1905, 8. 265 ff.) mit den Blättern von Adoxa und Cynocrambe sind ebenfalls nicht eindeutig. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 25 so ist doch seltsamerweise vielfach die phototropische Empfindlichkeit ungleichmässig verteilt: In allen sicher bekannten, derartigen Fällen ist es eine kurze, nur wenige Millimeter (beim Kotyledo von Avena z. B. 33mm, Rothert 1894, S. 49) lange Spitzenregion des Organes, die durch besonders grosse phototropische Empfindlichkeit ausgezeichnet ist, während der ganze übrige, basale Teil in geringerem, oft sehr viel geringerem Grade heliotropisch empfindlich ist. Dies lässt sich durch folgende Versuchsanord- nung leicht nachweisen (Rothert 1894, S. 57 ff): Beleuchtet man den be- sonders empfindlichen Spitzenteil einseitig, den weniger empfindlichen Basalteil ebenso intensiv oder auch etwas intensiver einseitig allein von der genau entgegengesetzten Seite (vergl. Fig. 87), so tritt die Krümmung im unteren Teile zwar zunächst im Sinne des direkten Lichteinfalles ein (Fig. 8 IT), schlägt aber einige Stunden nach Ver- suchsbeginn in eine genau entgegengerichtete Krümmung um, im Sinne des Lichteinfalles auf die einseitig beleuchtete Spitze (Fig.8 IIT). Solche Fälle einer ungleichmässigen Verteilung der helio- tropischen Empfindlichkeit sind offenbar Über- gangsglieder zwischen der gleichen Verteilung der Empfindlichkeit und der völligen Trennung der Perzeptions- und Reaktionszone. Erwähnt sei hier, dass nicht nur der tro- pistisch wirkende Lichtreiz in den Pflanzen ge- leitet wird. Die photische Reizung scheint auch noch duktorische Vorgänge einzuleiten, die an- ders geartete Reaktionen auslösen. Doch sind sie bisher nicht näher untersucht worden. . So soll z. B. nach Batalin (1871, S. 244; 1877, S. 147 ff.) die photonastische Bewegung, welche die Schlafstellung herbeiführt, > Fig. io} Keimling von Avena sativa, bei dem Spitze und Basis des Keim- blattes mit gleicher Intensität, aber von entgegengesetzter Seite (im Sinne der Pfeilrichtungen) beleuchtet wurde. Das von der einen Seite einfallende Licht wurde von der Spitze, bezw. Basis durch eine an dem Keimblatte befestigte schwarze Papierschürze abgeblen- det, deren Form aus dem Grund- riss (rechts) und Aufriss (links) in Abbildung I ersichtlich ist. Im übrigen vergl. man den Text. (Nach Rothert, 1894). Entlehnt aus Jost, Vorlesungen über Pflan- zenphysiologie. G. Fischer, Jena 1904. in den Gelenken der Blätter von Oxalis Aceto- sella auch dann erfolgen, wenn man nur die Blattspreite, aber nicht die Gelenke verdunkelt. Nach Schelle nberg (1902, S. 20 ff.) hemmt bei den Keimlingen einiger Gräser (Hafer, Weizen, Gerste) schon die Beleuchtung der Kotyledonarspitze sowie die Beleuchtung der Blattspitzen das Wachstum der zu den betreffenden Blättern gehörigen, aber nicht belichteten Internodien (vergl. auch Massart 1902, S. 24). Ob bei den perennierenden Pflanzen, den unterirdischen Sprossteilen, die eine ganz bestimmte Tiefenlage im Boden einnehmen (Rimbach 1899) eine Transmission des Lichtreizes von den ober- irdischen Teilen aus zur Erreichung dieser normalen Tiefenlage behilflich ist, ist noch gänzlich unentschieden (vergl. Massart 1903, S. 27 f£.; Raun- 26 H. Fitting, kiaer 1904, S. 345). Auch wäre weiter zu untersuchen, ob bei den klet- ternden, dorsiventralen Sprossen einiger Ficusarten, bei denen durch einseitige Beleuchtung eine exzentrische Tätigkeit des Kambiums in der Weise einge- leitet wird, dass der stärkste Zuwachs des Holzes und des Bastes sich auf der am wenigsten intensiv beleuchteten Seite befindet (Massart 1902, S. 35 ff.), eine Reizleitung von der beleuchteten Stelle aus in der Querrichtung des Stengels an der Auslösung dieses Erfolges beteiligt ist!). Ferner ist noch völlig unbekannt, ob in jenen Fällen, wo die Wurzeln auf der am wenigsten belichteten, die Sprosse auf der am hellsten beleuchteten Seite eines Organes hervorwachsen (Literatur siehe bei Pfeffer 1904, S. 107), eine Unterschieds- empfindlichkeit verbunden mit Reizleitungen massgebend ist?). 6) Tropismen der Wurzeln. a) Phototropismus. Darwin (1881, 8.412 ff.) hatte auch für die negativ phototropischen Wurzeln von Sinapis alba behauptet, dass der heliotropische Reiz geleitet werde und zwar von der Wurzelspitze nach der Streckungszone. Er glaubte dies daraus schliessen zu können, dass Wurzeln, deren Spitzen mit Höllen- stein angeätzt waren, sich nicht phototropisch krümmten. Wir wissen jetzt, dass solche Versuche nicht eindeutig sind. Auch die Versuche, die Kohl (1894, S. 25 ff.) bei einer Nachprüfung der Darwinschen Angaben anstellte, erscheinen nicht einwandfrei?). Damit kommen wir zu der überaus wichtigen und viel umstrittenen Frage, ob an der Wurzel die Wurzelspitze ganz allgemein auch für die an- deren Reize, für welche die Wurzel empfindlich ist, das Perzeptionsorgan ist, wie Darwin (1881) auf Grund einiger Versuche glaubte annehmen zu dürfen, die ihn veranlassten, von einer „Gehirnfunktion“ der Spitze zu sprechen. Dass in der Tat manche Reize in der Wurzelspitze perzipiert und von ihr in die Streckungszone geleitet werden, davon kann man sich leicht überzeugen. Wiederum war es Darwin, der hier bahnbrechend vorgegangen ist. Zum Verständnis des Weiteren wird es zunächst nötig sein, einen Blick auf den Bau und auf die Wachstumsweise der Wurzel zu werfen. Die Wurzel ist bekanntlich ein zylindrisches, am apikalen Ende konisch sich verjüngendes ı) Nach Massart (1902, S. 38 fi.) ist der kambiale Zuwachs in Dunkelheit ebenso stark wie bei allseits gleicher Beleuchtung. Auslösend wirken soll nur die Lichtdifferenz. Eine Reizleitung von einseits beleuchteten Sprossstücken zu allseits verdunkelten beobachtete Massart ($. 42) nicht. 2) Über die angebliche Leitung des geotropischen Reizes in oberirdischen Organen vergl. S. 30. 3) Czapek (1895 a, S. 1246) beobachtete an Seitenwurzeln die sonst nach Belichtung eintretende Umstimmung der geotropischen Eigenschaften nicht, als er Stanniolkäppchen auf die Wurzelspitze setzte. Er glaubt, dass diese Tatsache für die Lokalisation der Licht-. perzeption in der Spitze spricht. Die Reizleıtungsvorgänge bei den Pflanzen. 27 Organ. An der Spitze befindet sich das embryonale Gewebe, der Vegetations- punkt, durch dessen Zellteilungen die Zellen des Wurzelkörpers gebildet werden. Dieser Vegetationspunkt ist aussen von einer Kappe von Dauerzellen um- geben, dersog. Wurzelhaube, die ebenfalls durch die Tätigkeit der embryonalen ‚Zellen des Vegetationspunktes gebildet werden. Sie ist ein Schutzorgan des Vege- tationspunktes gegen Verletzungen durch die Bodenpartikelchen, zwischen denen sich die wachsende Wurzel hindurchzwängen muss. Das eigentliche Längen- wachstum der Wurzel, durch das ihre Spitze im Boden vorwärts geschoben wird, geschieht vornehmlich durch die Streckung der im Vegetationspunkte gebildeten Zellen. Während aber diese Streckungszone bei oberirdischen Organen bekanntlich viele Zentimeter lang sein kann, pflegt sie bei Erd- wurzeln nur eine Strecke von 3—10 mm Länge direkt hinter dem Vegetations- punkte zu umfassen. Diese Zone ist es ganz allein, in der tropistische Krümmungen stattfinden können. b) Traumatotropismus, Darwin also fand zunächst durch folgende Versuche, dass von der Wurzelspitze ein tropistischer Impuls nach der Streckungszone geleitet werden kann: Als er den Vegetationspunkt einseitig verwundete, erfolgte nach einiger Zeit eine von der Wundstelle hinweg gerichtete Krümmung in der Strek- kungszone (Darwin 1881, S. 197 ff.;;, Wiesner 1881, S. 141; 1884a; Det- lefsen 1882, S. 642; Spalding 1894). Die Krümmung blieb aber aus, als er den Vegetationspunkt allseitig in gleicher Weise verwundete. Obwohl dieser traumatotropische Reizvorgang nach Darwin verhältnismässig oft unter- sucht worden ist, so lässt sich doch aus den bisherigen Versuchen nicht klar ersehen, ob, wie Spalding (1894, 8. 452) sagt, der Schnitt den Vegeta- tionspunkt einseitig treffen muss, damit die Reaktion ausgelöst werde, oder ob auch schon die Verwundung der Wurzelhaube genügt (dies behaupten Detlefsen 1882, S. 642 und Nömec 1900, S. 244) und ob allein die Läsion dieser Wurzelteile die Krümmung in der Wachstumszone zur Folge hat oder ob auch die Streckungszone selbst in entsprechender Weise für Verwundung empfindlich ist!), Deshalb ist es auch noch fraglich, ob beim traumatotropen Reizprozesse die Perzeptions- und die Reaktionszone völlig getrennt sind. c) Haptotropismus. Darwin glaubte bei den Wurzeln im Anschlusse an Sachs auch eine haptotropische Reaktionsbefähigung beobachtet zu haben und die Wurzelspitze !) Nach Spalding (1894, S. 424) und Pollock (1900, S. 1 ff.) ist nur eine 1,5 mm lange Zone (von der Spitze gemessen) empfindlich. Detlefsen (1882, S. 642) erhielt noch eine Reaktion, als er in 5 mm Entfernung von der Spitze einen Schnitt in die Wurzel machte Auch Mac Dougal (1897, S. 321) gibt an, empfindlich sei nicht allein der Vegetations- punkt. Dafür sprechen auch gelegentliche Beobachtungen, die ich gemach habe, 28 H. Fitting, als das Perzeptionsorgan des Reizes ansprechen zu können (1881, S. 111 ff). Doch wurden seine Angaben von Wiesner (1881, S. 141 ff.), Burgerstein (1882, S. 16 ff.), Detlefsen (1882, S. 631) und Spalding (1894, S. 429) nicht bestätigt. Auch Newcombe (1902 b, 1904) fand neuerdings keinen ausge- sprochenen Haptotropismus bei Erdwurzeln. In den Fällen, wo er einen geringen Haptotropismus beobachten konnte, erwies sich als empfindlich so- wohl die Wurzelspitze als auch die Streckungszone. (Nicht beweiskräftige Versuche siehe auch bei N&ömec [1904, S. 52)). d) Hydrotropismus. Als richtig hat sich dagegen die auf nicht einwandfreie Versuche ge- stützte Angabe Darwins (1881, S. 154 ff.) erwiesen, dass die hydrotropische Empfindlichkeit in der Wurzelspitze lokalisiert sei. Molisch (1883a, 5. 924 ff.) konnte zeigen, dass die hydrotropische Krümmung, die durch eine ungleich- mässige Verteilung des Wasserdampfgehaltes der Umgebung ausgelöst wird, auch dann erfolgt, wenn man die Aktionszone in feuchtes Seidenpapier einwickelt und den Reizanlass nur auf die Wurzelspitze wirken lässt. Da- gegen bleibt nach Pfeffer und Czapek (1900, S. 316; siehe auch Rothert 1894 a, S. 212 ff.) die Reaktion aus, wenn man umgekehrt die Spitze in feuchtes Seidenpapier wickelt und allein die Reaktionszone dem Reizanlasse aussetzt; (siehe auch Detlefsen 1882, S. 646 ff.). e) «alvanotropismus. Dagegen ist für den Galvanotropismus nur erwiesen, dass der Impuls auch von der Wurzelspitze nach der motorischen Zone geleitet werden kann, nicht dagegen die Lokalisation der Empfindlichkeit in der Wurzelspitze. Die Wurzeln machen nämlich in Wasser, das. von einem galvanischen Strome durchflossen wird, negativ galvanotropische Krümmungen. Von Müller- Hettlingen (1883, $. 208) sowohl, als auch von Brunchorst (1854 b, S. 214 ff.) ist nun gezeigt worden, dass die Krümmung auch dann eintritt, wenn nür die Wurzelspitze gereizt wird. Dies war z. B. der Fall, als allein die Wurzelspitzen in das Wasser tauchten, durch das der Strom hindurch- floss. (Gegenteilige Angaben bei Elfving 1882, 8. 262.) Ob die Beobach- tungen der genannten Autoren ganz eindeutig sind, ist mir allerdings zweifel- haft, um so mehr als es noch keineswegs entschieden ist, ob nicht der positive und negative Galvanotropismus der Wurzeln auf traumatischen Einflüssen beruht (vgl. auch Plowman 1904). | f) Rheotropismus, Wir kennen weiter bei den Erdwurzeln eine höchst merkwürdige Reaktions- befähigung gegenüber fliessendem Wasser, den sog. Rheotropismus. Für ihn haben es Juel (1900, 8. 518 ff.) und Newcombe (1902, S. 341 ff.) sehr Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 29 wahrscheinlich gemacht, dass die Reaktion sowohl durch direkte Reizung der Streckungszone, als auch durch Reizleitung von der Wurzelspitze her veranlasst wird. Ja nach Newceombe (1902) nimmt der Rheotropismus inso- fern eine Ausnahmestellung unter den Tropismen der Wurzel ein, als die Krümmung auch durch eine Reizleitung von den ausgewachsenen Teilen der Wurzel in die Wachstumszone erfolgen kann. Als rheotropisch eınp- findlich erwies sich nämlich ein 15—-20 mm langer Spitzenteil der Wurzel, wovon 10—15 mm auf ausgewachsene Teile entfallen (siehe auch Newcombe 1902a). Die Empfindlichkeit nimmt von der Wurzelspitze nach oben hin allmählich ab. g) Thermotropismus, Chemotropismus. Ob diese beiden Reaktionen von der Wurzelspitze her induziert werden können, wissen wir nicht. Jedenfalls ist die Wurzelspitze nicht allein emp- findlich. Denn thermotropisch (positiv und negativ) krümmen sich nach Wortmann (1885, S. 232 ff.) auch Wurzeln, denen die Spitzen (in einer Länge von I—2 mm) genommen sind. Gleiches gilt nach Lilienfeld (1905, S. 96) und Sammet (1905, S. 620) für den Chemotropismus (und A&rotro- pismus Sammet 1905, S. 640)'). — Überblicken wir nun alle die mitgeteilten Tatsachen, so sehen wir, dass eine Reizübertragung von der Wurzelspitze auf die Aktionszone mit Sicherheit nachgewiesen werden konnte: 1. für den Traumatotropismus, 2. den Hydro- tropismus, 3. den Rheotropismus (Haptotropismus ??) und mit Wahrschein lichkeit für den Galvanotropismus, wogegen eine völlige Trennung der sensorischen und der motorischen Zone bisher nur wahrscheinlich gemacht ist für den Hydrotropismus. Dagegen erwies sich auch die Krümmungszone empfindlich beim Rheotropismus, Thermotropismus, Chemotropismus, Hapto- tropismus und vielleicht beim Traumatotropismus. h) Geotropismus. Es war notwendig, diese Tatsachen hervorzuheben, bevor wir uns der wichtigsten Frage zuwenden, ob diejenige Reizerscheinung, welche die charak- teristischste und auffälligste bei den Wurzeln ist, nämlich die geotropische Krümmung, in der Aktionszone nur durch Zuleitung von der Wurzelspitze (die übrigens selbst etwas krümmungsfähig ist, vgl. z. B. Czapek 1900, S. 361 ff.) ausgelöst werden kann, oder auch durch direkte Reizung der Streckungszone. Die erstere Annahme hatte Darwin (1881, S. 448 ff.; siehe auch Ciesielski 1373, S. 21) gemacht, und zwar einmal auf Grund seiner traumatotropischen Versuche, sodann auf Grund der Beobachtung, dass eine ihrer Wurzelspitze durch Dekapitation beraubte Wurzel die geotropische Reaktionsbefähigung verloren hat, während die Krümmung erfolgt, wenn die ;) Siehe dagegen Bennett 1904. 30 H. Fitting, Dekapitation einige Zeit nach zuvoriger Induktion vorgenommen wird. Dar- wins Behauptung, dass die Perzeption der „Schwerkraftrichtung“, kurz ge- sagt die Geoperzeption, nur in der Wurzelspitze erfolge, rief in der Folgezeit eine wahre Flut von Arbeiten für und wider diese Auffassung hervor (vgl. z.B. Detlefsen (1882), Wiesner (1881, 1884, 1884a), Fr. Darwin (1882), Kirchner (1882, 1883), Krabbe (1883, 1884), Brunchorst (1884a), Bur- gerstein (1882), Firtsch (1884), Molisch (1883), die, wie Rothert ganz richtig sagt (1894a, S. 179), „nicht eine Klärung der Ansichten, sondern eher eine Verschärfung der ursprünglichen Gegensätze‘‘ brachten. Rothert hat diese Arbeiten in einer kritischen Studie beleuchtet (1894 a). Zunächst wird man sich wohl die Frage vorlegen müssen, ob denn für andere Pflanzenorgane eine Fortleitung des geotropischen Reizes festgestellt werden konnte. Sicher erwiesen ist kein einziger Fall. Die Angaben über die geotropische Reizleitung bei Gelenkpflanzen, die Kohl (1900, siehe auch 1894, S. 21 ff.) gemacht hat, sind durch eingehende Versuche von Miehe (1902) widerlegt worden (vgl. auch Barth 1894, S. 18 ff.) und die Versuche von Francis Darwin über die Lokalisation der geotropischen Empfindlichkeit in den Keimblattspitzen der Paniceen, eben jener Gräser, für die Rothert die Lokalisation der phototropischen Empfindlichkeit für denselben Ort nachge- wiesen hatte, sind nicht eindeutig, F. Darwin (1899, S. 569 ff.; Massart 1902, S. 12 ff., 23) steckte nämlich die Spitzen der abgeschnittenen Keimlinge in ein enges Glasröhrchen und legte dasselbe horizontal. Es trat nun in den nicht in die Röhrchen eingeschlossenen Hypokotylen die geotropische Auf- wärtskrümmung ein, die aber nicht, wie es sonst bei horizontal gelegten Keim- lingen der Fall war, aufhörte, als die Senkrechte erreicht war, sondern immer weiter und weiter fortschritt, bis das Hypokotyl mehrere schraubenförmige Windungen gemacht hatte. Dieses Versuchsergebnis glaubt F. Darwin nur so erklären zu können, dass von der dauernd in horizontaler Lage festge- haltenen Keimlingsspitze fortwährend ein geotropischer Impuls nach dem Hypokotyle geleitet wird, der es zwingt, die Reaktion ständig zu verstärken. Ein solcher Erfolg könnte aber, wie nähere Überlegung zeigt, auch dann ein- treten, wenn die Aktionszone selbst empfindlich ist, ohne jede Zuleitung eines Impulses von der Spitze (vergl. auch Miehe 1902, S. 584). Ferner hat Rothert (1894, S. 187 ff.) auf eine Tatsache aufmerksam gemacht, die es möglich erscheinen lässt, dass die Spitze mancher Graskeimblätter (z. B. von Avena) besonders geotropisch empfindlich ist: Obwohl die Spitze weniger krümmungsfähig ist als andere Teile des Keimblattes, so krümmt sie sich doch früher als diese, wenn man den Keimling aus der normalen Wuchs- richtung ablenkt. Eine Fortleitung des Reizes von der Spitze ist damit . natürlich nicht erwiesen). ı) Eine geotropische Transmission wird auch nicht durch einige Versuche von Czapek (1898, S. 254 ff, S. 274) und Massart (1902, S. 13 ff.) sicher gestellt. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 38 Somit ist es bisher nicht gelungen, einen geotropischen Reizleitungs- vorgang an Sprossen sicher festzustellen. Auch für die Wurzeln musste von vornherein ein zwingender Beweis für das Vorhandensein einer Reizleitung von der Spitze als recht schwierig erscheinen, einmal deshalb, weil bei ihnen die Aktionszone so ausserordentlich kurz ist und direkt in die Wurzelspitze über- geht, sodann aber auch deswegen, weil es, wie jeder weiss, der mit Wurzeln reizphysiologische Versuche angestellt hat, keine Objekte gibt, die so launisch sind und so viele unkontrollierbare Krümmungen ausführen. Erst als im Jahre 1895 Czapek seine Versuche veröffentlichte (1895, 8. 255 ff.; siehe auch Pfeffer 1894; 1894 a), schien die Frage nach der Geo- perzeption in der Wurzelspitze zu Darwins Gunsten entschieden zu sein. Czapek liess. nämlich Wurzeln von Lupinus albus, Vicia Faba, Phaseolus multiflorus, Pisum sativum und Zea Mays, die der einseitigen Schwerewirkung entzogen waren, in kleine, gebogene Glaskäppchen in einer Länge von 1,5—2 mm hineinwachsen (über die Herstel- lung der Käppchen vergl. auch Czapek 1900, S. 339 ff.), so dass die Wurzelspitze scharf recht- winklig aus der normalen Wuchsrichtung der Wachstumszone abgelenkt wurde (Fig. 9a). Als er nun diese Wurzeln so aufstellte, dass die Wurzelspitze in der normalen Lage nach abwärts : a b gerichtet, die Reaktionszone also unter einem rechten Winkel aus ihr abgelenkt war, erfolgte in der Aktionszone keine Krümmung. Wurde Fig. 9. jedoch die Wurzelspitze rechtwinklig zur nor- Keimwurzeln von Lupinus albus. malen Wuchsrichtung gestellt unter Belassung der (Nach Czapek, 1900.) Wachstumszone in der Normallage (Fig. 9a), so erfolgte in der Streckungszone eine entsprechende Krümmung, die so lange fortschritt, bis die Wurzelspitze sich wieder in die normale Lage eingestellt hatte (Fig. 9b). Czapek hat später (1900, S. 355 ff.) gezeigt, dass sich ganz ähnliche Erfolge mit Wurzeln erzielen lassen, an denen nach aufgezwungener Ablenkung der Wurzelspitzen die Glaskäppchen entfernt worden waren. Er schloss aus seinen Versuchen, dass die reizperzipierende Zone der Wurzel- spitze von Vicia Faba und Lupinus albus 1,5 mm (mit Ausschluss der Wurzel- haube; dieselbe eingeschlossen 2 mm) lang sei. Diese Versuchsergebnisse Czapeks konnten nun aber von anderer Seite keineswegs bestätigt werden. Durchaus negative Erfolge erzielte zunächst Wachtel (1899; siehe auch Czapek 1900, $. 319 ff.). Er beobachtete an den Wurzeln nur Krümmungen im Sinne der durch die Käppchen aufge- zwungenen Biegung, für die er die Käppchen verantwortlich machte. Ozapek suchte in einer Entgegnung (1900, S. 335 ff.) diesen Misserfolg mit einer ab- 32 H. Fitting, weichenden Gestalt der Glaskäppchen in Wachtels Versuchen zu erklären. Daraufhin wurden die Versuche nochmals mit allen Kautelen von Richter (1902, S. 38 ff.) wiederholt, wiederum ohne dass es gelungen wäre, Czapeks Ergebnisse auch nur in bescheidenem Umfange zu bestätigen. Ja, Richter erhielt sogar bei horizontal gelegten Wurzeln, deren Spitzen durch das Glas- käppchen in die normale Lage nach unten abgelenkt waren, nach Entfernung der Glaskäppchen eine geotropische Krümmung in der horizontalen Strek- kungszone (ob einwandfrei?). Somit können wir die Methode Özapeks nicht als geeignet ansehen, das Problem zu lösen. Auch ich habe bei gelegent- lichen, übrigens unveröffentlicht gebliebenen Versuchen, bei denen ich die Spitzenablenkung nach einer anderen Methode bewirkt habe, nur negative Er- folge erzielt!) (siehe auch Nömec 1904, S. 51; seine Versuche mit invers gestellten Wurzeln 1904, S. 47 ff. beweisen nichts). . Da sonach die Versuchezapeks die Fragenicht gelösthaben, so wurde mit anderen Methoden versucht, eine Lösung anzubahnen. F. Darwin (1902, S. 266) griff zu derselben, die er bei Graskeimblättern zum Nachweise der Spitzenperzeption verwendet hatte: Wurzeln, deren Spitzen in einem Glas- röhrchen horizontal festgehalten wurden (die komplizierte Versuchsanordnung, die dabei notwendig wurde, vergl. in der Arbeit), krümmten sich nicht nur bis zur Vertikallage, sondern über sie hinaus. Freilich zeigten nur 6—8 von 44 Versuchswurzeln ein solches Verhalten. Darwin scheint selbst Misstrauen gegen die Beweiskraft dieser Versuche gehabt zu haben. In der Tat lassen die wenigen positiven Erfolge recht viele Erklärungen zu. Dasselbe gilt für ähnliche Versuche Massarts (1902, S. 21 ff.). Von umso grösserer Wichtigkeit ist es, dass ganz neuerdings Piccard 1904, S. 94 ff.) eine Methode ersonnen hat, die vielleicht in der Hand eines exakt arbeitenden Pflanzenphysiologen berufen ist, die Frage nach der Be- teiligung der Wurzelspitze an der Geoperzeption zu lösen. Seit Knight (1806) wissen wir, dass die Pflanzen unter dem Einflusse von Zentrifugalkräften mit allen ihren Organen genau entsprechende Krümmungen machen wie unter dem Einflusse der Schwerkraft. Deshalb nimmt man mit Recht an, dass in beiden Fällen die Auslösung auf gleiche Weise, nämlich durch eine Massen- wirkung, zustande kommt. Piccard hat nun die Schwerkraft durch die Zentrifugalkraft ersetzt und zwar folgendermassen: Er befestigt die Wurzel schräg so an dem Zentrifugalapparat, dass die ideelle Verlängerung der Dreh- achse die Wurzel etwa 1 bis 2 mm hinter der Spitze schneidet. Dadurch wird bei der Rotation die Massenwirkung in den Spitzenteilen in entgegengesetzter Richtung zur Geltung kommen wie in der Streckungszone. Wäre nun in der letzteren nur derjenige Impuls für die Richtung der Krümmung von 1) Die Versuche von N&meec (1901 b, S. 91 ff.) zeigen, dass die Wurzelspitze den geo- tropischen Reiz perzipiert, nicht aber, dass von ihr eine Reiztransmission nach der Aktions- zone stattfindet. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 33 Bedeutung, der von der Spitze zugeleitet wird, so müsste die Krümmung genau entgegengesetzt gerichtet sein wie in gewöhnlichen Zentrifugalversuchen, in denen sich die Massenwirkung in der ganzen Wurzel auf ein und derselben Seite geltend macht. Piccard versichert, dass ein solcher Erfolg in seinen Versuchen niemals eingetreten sei, dass vielmehr die Wachstumszone sich stets so krümmte, als ob die Zentrifugalkraft allein auf sie gewirkt habe. Piccard schliesst daraus, dass die Geoperzeption in der Streckungszone selbst erfolge und dass eine Reizfortpflanzung von der Spitze aus nicht bestehe. Leider sind die Versuche nicht zahlreich genug, um völlig überzeugend zu sein. Man darf aber wohl aus einer exakten Fortsetzung derselben wichtige Aufschlüsse erwarten. Dies muss namentlich gegenüber Nömec (1904a, S. 10) betont werden, der mit Unrecht der Meinung ist, die Methode Piccards sei bedeutungslos, weil in den Versuchen bei den angewendeten Zeutrifugal- kräften die Massenwirkung sehr viel grösser sei als die Massenwirkung, welche die Schwerkraft auf der Erde verursacht. Ist die Wurzelspitze in besonders hohem Grade zur Geoperzeption befähigt, so wird sie zweifellos eine solche Befähigung auch grösseren Massenwirkungen gegenüber behalten. Würde also nach der Geoperzeption von ihr aus ein Impuls zur Streckungszone ge- leitet, so wäre nicht einzusehen, warum derselbe nicht auch bei Reizung durch grössere Massenbeschleunigungen die Krümmungsrichtung ebenso beein- flussen sollte, wie bei den Keimblättern der Gräser der von der Spitze zuge- leitete Impuls die Richtung der phototropischen Krümmung bestimmt, wenn die Spitze und der übrige Teil von entgegengesetzten Seiten gleich intensiv einseitig beleuchtet werden. Vorläufig also wissen wir noch nichts Sicheres darüber, ob nur die Wurzelspitze den geotropischen Reiz perzipieren kann oder ob auch die Ak- tionszone zur Geoperzeption befähigt ist, ja ob überhaupt von der Wurzel- spitze ein Impuls nach der Reaktionszone ausstrahltt). Die vorliegenden Ver- suche machen das letztere zum mindesten zweifelhaft. Diese Tatsache kann nicht scharf genug betont werden. In neuester Zeit hat nämlich die Frage, ob die Wurzel allein das Perzeptionsorgan der Wurzel sei, ganz besonderes Interesse auch in anderer Hinsicht gewonnen. Diese Frage ist nämlich von grösster Bedeutung für die sog. Statolithenhypo- these, die von Haberlandt (z.B. 1903) und N&mec (z. B. 1901 b) aufgestellt wurde, um die Tatsache der Geoperzeption unserem Verständnisse näher zu- bringen. So wie die Geoperzeption bei vielen, doch nicht bei allen Tieren durch den Druck von Statolithen auf ein Sinnesepithel vermittelt wird, so soll sie auch bei den Pflanzen durch den Druck von besonders schweren Körperchen auf das Zellplasma zustande kommen. Als solche Statolithen 1) Copeland (1901, 8. 413 ff.; 1903, 8. 62 ff.) nimmt sogar an, dass bei Lupinus albus von der Wurzelspitze ein Reiz zu dem Hypokotyle geleitet wird, der seine positive geotro- pische Krümmung auslösen soll. Bewiesen ist diese Annahme nicht. Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 3 34 H. Fitting, glauben die genannten Forscher namentlich grosse und leicht bewegliche Stärke- körner ansehen zu können, die in Stengelorganen in der sog. Stärkescheide, in den Wurzeln mit grösster Konstanz in den zentralen Zellen der Wurzel- haube (der sog. Columella) und nur in diesen, nicht aber in dem Vegetations- punkte und auch nicht in der Streckungszone, vorkommen. Andert man die Lage der Organe, so wandern die Stärkekörner schon nach ziemlich kurzer Zeit auf die jeweils untere Zellwand hinüber. Es würde den Rahmen dieses Be- richtes überschreiten, wollte ich hier über die Wandlungen berichten, welche die Statolithenhypothese schon in kurzer Zeit erfahren hat. Nur darauf sei hinge- wiesen, dass die Annahme, die Stärkekörner seien Statolithen und die Statolithen- stärke sei als Anpassung an die Geoperzeption ausgebildet worden, bei manchen Fachgenossen Anklang, bei anderen dagegen Widerspruch gefunden hat. Ich persönlich habe mich nicht mit der Hypothese befreunden können, dass be- sonders schwere Körperchen, wie z. B. die leicht beweglichen Stärkekörnchen, in den Dienst der Geoperzeption gestellt seien !); einmal, weil manche niedere Pflanzen (wie auch manche Tiere) sich ohne entsprechende Statolithen gegenüber der Schwerkraftrichtung orientieren könmen, zweitens, weil die stille Voraus- setzung der Hypothese, dass die Geoperzeption der Wurzel nur in der Spitze und noch dazu nur in einem kleinen Teile derselben, nämlich der Wurzel- haube, erfolge, durch keinerlei Versuche, wie wir sahen, bisher wahrschein- lich gemacht, geschweige denn bewiesen ist, drittens weil es mir bedenklich erscheint, anzunehmen, dass die Pflanze so grobe Mittel, wie die leicht beweg- lichen Stärkekörner es sind, zur Geoperzeption nötig habe (Fitting 1905, S. 387 ff), und nicht zuletzt auch deshalb, weil eine grosse Reihe von Ver- suchsergebnissen (siehe namentlich bei Fitting 1905) der Hypothese nicht günstig sind ?). So wäre also die Entscheidung der Frage, wo in der Wurzel die Geo- perzeption erfolgt, auch für die Beurteilung der Statolithenhypothese von grosser Wichtigkeit. Es kann sonach nicht wundernehmen, dass der eine Be- gründer dieser Hypothese, nämlich Nömee, viele Mühe darauf verwendet hat, dieses Problem zu lösen, leider ohne allzuviel Erfolg. Abgesehen von nicht eindeutigen Versuchen, in denen Wurzeln mit entstärkten Wurzelhauben der Schwerkraftwirkung ausgesetzt wurden, sind hier vor allem seine Ver- suche mit Wurzeln zu erwähnen, denen die stärkehaltigen Wurzelhauben vor der Reizung durch Dekapitation der Spitze genommen waren. Solche Wurzeln waren nicht mehr imstande, sich geotropisch zu krümmen. Die geotropische Empfindlichkeit kehrte erst dann wieder, wenn an der Wunde eine neue stärke- 1) wenn ich auch mit den meisten Pflanzenphysiologen der Meinung bin, dass eine Gewichtswirkung im Plasma die Geoperzeption vermittelt. Diese Ansicht ist nicht der Statolithenhypothese eigentümlich. 2) So auch die Versuche von Noll, Kritische Versuche zur Stärke-Statolithenhypothese. Sitzungsber. d, Niederrhein. Gesellsch. f. Natur- u. Heilkunde. Bonn 1905. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 35 haltige Haube regeneriert oder wenigstens ein Callus mit leicht beweglichen Stärkekörnern in den Zellen gebildet war (N&mec 1900, 8. 244; 1901 b, $. 98, S. 134 ff.; 1904, S. 46 ff., S. 55 ff). Verhältnismässig bald nach der Ver- wundung krümmten sich nur ganz wenige Wurzeln unter dem Einflusse der Schwerkraft, nämlich jene, in denen spezifisch schwerere Stärkekörner auch in den Zellen des Wurzelvegetationspunktes vorhanden waren (1901.b, 8:137; 1902, 5. 340). Dass diese Hemmung der geotropischen Krümmungsfähigkeit nicht auf dem Wundshocke beruhe, sondern eben auf der Entfernung des Perzeptionsapparates, meint N&mec aus anderen Versuchen schliessen zu können, in denen Wurzeln nach entsprechend schwerer Verwundung, durch welche aber die stärkehaltige Wurzelhaube nicht ampuliert wurde, sich viel früher geotropisch krümmten als die dekapitierten (1901 b, 8. 97 ff., 8. 134 ff. ; 1902, S. 340; 1905, S. 115; siehe z. B. auch F. Darwin 1882). So bestechend auch diese Versuche auf den ersten Blick erscheinen mögen, so wenig können sie einer Kritik standhalten). Zunächst gibt es eine grosse Anzahl von Angaben anderer Forscher, die mit den Beobach- tungen N&mecs nicht übereinstimmen. So sollen einerseits nach Darwin (1881, S. 449), Wiesner (1881, S. 105 ff.), Wachtel (1899), Czapek (1895, S. 247 ff.; 1898, S. 230 ff.; 1901, S. 117 ff.), und Richter LI02ES. 12H, S. 26 ff.) bei verschiedenen Pilanzen auch solche Wurzeln, denen die (stärke- haltigen) Spitzen amputiert waren, sich verhältnismässig bald nach der Ver- wundung, jedenfalls vor der Regeneration der Hauben, geotropisch gekrümmt haben. Freilich wurde dabei auf die Verteilung der Stärke in dem Stumpfe nicht geachtet. Andererseits soll aber nach Brunchorst (1884a, S. 89), Uzapek (1898, S. 202; 1900, S. 314) und Richter (1902, S. 25 ff.) der Wundshock an Wurzeln, denen ohne Amputation der Wurzelhaube ent- sprechend schwere Wunden beigebracht worden waren, die Krümmung an- nähernd ebensolange gehemmt haben wie bei den dekapitierten Kontroll- wurzeln. Hiernach wäre es überaus wünschenswert, wenn die Frage nach dem Einflusse verschiedenartiger Verwundungen auf den geotropischen Reiz- prozess von neuem einer umfassenden und eingehenden Untersuchung unter- zogen würde, bei der auch kritisch die Möglichkeit andersartiger Krüm- mungen (z. B. durch traumatotropische Reizung) in Betracht zu ziehen wäre. Aber auch dann, wenn Nömec mit seinen Angaben recht haben sollte, so wäre er doch nicht berechtigt, aus der Gesamtheit seiner Versuche mit verwundeten Wurzeln den Schluss zu ziehen, dass bei den der Hauben be- raubten Wurzeln die geotropische Krümmung nur infolge der Entfernung des Perzeptionsapparates, nicht aber schon infolge des Wundshockes besonders lange ausbleibe. Denn für die Grösse des Wundshockes kommt nicht allein 1) Wie weit die neuen Versuche Nömecs (1905) einwandfrei sind, wird sich erst aus der angekündigten ausführlichen Arbeit ersehen lassen. 3* 36 H. Fitting, die Ausdehnung der Wunde, sondern auch der Ort, wo sie geschlagen, und die Art, wie sie beigebracht wird, in Betracht. So konnte Rothert (1894, S. 204 ff.) die interessante Beobachtung machen (die weiterhin noch eingehen- der zu besprechen sein wird), dass bei den Keimblättern einiger Gräser, wie z. B. von Avena, die phototropische Empfindlichkeit (vergl. in meiner Arbeit S. 38) im unteren Teile nur dann vorübergehend durch Wundreiz völlig aufgehoben werden kann, wenn die Spitze des Keimblattes durch einen Querschnitt abgetragen wird, während ein solcher Erfolg durch jede andere Art der Verwundung, mag sie noch so schwer sein, nicht erzielt wird, falls dabei nur die Kontinuität zwischen Spitze und Basis teilweise bestehen bleibt. Es ist also sehr wohl möglich, ja wahrscheinlich, dass auch in der Wurzel ganz ähnliche korrelative Beziehungen zwischen Spitze und Streckungszone bestehen, welche es bewirken, dass der Wundshock nach Spitzenamputation weit grösser ist als nach jeder anderen Verwundung. Schliesslich aber sind die Versuche von Nömec auch deshalb nicht beweiskräftig, weil wir nicht wissen können, in welche Teile des Reizprozesses der Wundshock hemmend eingreift. Ne&emec hat sich zwar bemüht, durch eingehende Versuche zu zeigen (1901 a), dass der Wundshock in der Wurzel nur die geotropische Reaktionsfähigkeit, nicht dagegen auch das geotropische Perzeptionsvermögen hemme. Seine Beweisführung ist aber nur für den Fall zwingend, dass die Geoperzeption allein der äussersten Spitze der Wurzel zukommt, was ja aber eben bisher nicht bewiesen werden konnte. Vor der Hand ist es nach den Beobachtungen an andersgearteten Reizvorgängen jedenfalls wahrscheinlicher, dass durch den Wundshock auch die geotropische Empfindlichkeit vorübergehend herabgesetzt wird. So müssen wir also betonen, dass auch die Versuche N&emeecs den Sitz des geotropischen Perzeptionsvermögens in der: Wurzel nicht aufzudecken vermochten. Leider sind auch einige Reizerfolge und Reiztransmissionen besonderer Art, die man neuerdings in den Wurzeln aufgedeckt hat, nicht geeignet, dieses Problem wesentlich zu fördern. Sie sind aber an und für sich inter- essant genug, um hier eine Berücksichtigung zu verdienen. ÜUzapek zeigte nämlich, dass in verschiedenen Organen der Pflanze, so auch in der Wurzel nach einer tropistischen Reizung, und zwar nur nach einer solchen, nicht aber nach einer andersartigen Reizung, der Gehalt an Homogentisinsäure, einem Abbauprodukte des Tyrosins, zunimmt, indem ein Antienzym gebildet wird, welches die unter dem Einflusse einer Oxydase sonst stattfindende Oxydation dieser Säure hemmt. Der Gehalt an Homogentisinsäure soll in Wurzeln nach geotropischer Reizung auch dann zunehmen, wenn die stärkehaltige Wurzel- spitze vor der Reizung amputiert wurde. Die Antifermentreaktion soll da- gegen in dem Stumpfe nicht mehr eintreten, wenn man von der Spitze eine 2 mm lange Zone entfernte (Czapek 1897; 1902, S. 468; 1905, 8. 93 ff.). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 37 Czapek schliesst daraus, dass die Wurzelspitze allein den Schwerereiz perzipieren kann, dass aber die Geoperzeption nicht in der stärkehaltigen Wurzelhaube lokalisiert sei. Doch muss demgegenüber betont werden, dass (die bisherigen Angaben Uzapeks eine Einsicht in die Art des Zusammen- hanges zwischen der „Antifermentreaktion“ und dem geotropischen Reiz- prozesse durchaus nicht erlauben und dass die durch Titration gewonnenen Ergebnisse zum Teil wohl noch der Bestätigung bedürfen, da die gefundenen Zahlen den Fehlergrenzen bedenklich naheliegen. Auf jeden Fall aber sind Czapeks Befunde von höchstem Interesse, weil sie uns einen ersten Ein- blick in Stoffwechseländerungen gestatten, die unter dem Einflusse von Reizen eintreten. Ob sie auch die tropistischen Reizleitungen begleiten, lässt sich vorläufig meiner Meinung nach nicht mit Sicherheit sagen. Ferner beobachtete N&ömec (1900, S. 245; 1901 b, S. 147 ff.), dass nach Ablenkung einer Wurzel aus der normalen Lage in den „Statolithenzellen‘ der Wurzelhaube an derjenigen Zellwand, wo in der Ruhelage die leicht beweg- lichen Stärkekörner gelegen hatten, eine Plasmaansammlung eintritt. Sie soll bald darauf in den stärkefreien Zellen des Vegetationspunktes sichtbar werden und sich allmählich auch auf die Zellen der Krümmungszone fort- pflanzen. N&meec ist der Meinung, die Plasmaansammlung sei eine Reaktion auf die Lagenveränderung der spezifisch schwereren Körperchen, die durch Verschiebung des Organes aus seiner Ruhelage bewirkt wurde, und die Fortleitung dieser Reaktion sei innig verknüpft mit der Fortleitung des geotropischen Impulses. Doch hat Nömec weder bewiesen, dass die Plasmaansammlung in den stärkefreien Wurzelzellen überhaupt durch eine Reiztransmission von den stärkehaltigen aus veranlasst wird, noch, dass die Fortleitung dieser Reaktion direkt etwas mit dem geotropischen Reizvorgänge zu tun hat, noch schliesslich, dass die Ansammlung durch die Lageverände- rung der spezifisch schweren Körperchen ausgelöst wird. Aus der Tatsache, dass die Plasmaansammlung bei geotropischen Farnwurzeln nicht vorkommt (N&mec 1904, S. 55), geht vielmehr hervor, dass sie mit der geotropischen Reaktion nicht direkt zusammenhängt. Und da in transversal geotropischen Wurzeln die Plasmaansammlung dauernd auch in der Ruhelage vorhanden sein soll (Nömec 1901b, S. 162), so kann sie nicht immer Folge der Stärke- umlagerung sein. Zudem haben die Abbildungen, die N&ömec gibt, um die Plasmaansämmlung zu demonstrieren, nicht recht überzeugend auf mich gewirkt. So bedürfen also auch. diese Beobachtungen in vieler Hinsicht noch der Vervollständigung durch eingehende, kritische Studien, ehe aus ihnen Schlüsse auf die Verteilung der geotropischen Empfindlichkeit in den Wurzeln gezogen werden können. 38 | H. Fitting, 4. Leitung des Wundreizes. a) Auslösung von Hemmungen und Beschleunigungen, Schon mehrfach wurde in den früheren Abschnitten meiner Abhandlung auf Reiztransmissionen hingewiesen, die durch traumatische Einflüsse veran- lasst werden (vergl. bei Mimosa S. 6, Biophytum S. 8, den Ranken 8. 9, ferner S. 10, Anm. 1; Traumatotropismus bei Wurzeln S. 27). Es sind dies nicht die einzigen Fälle, wo sich eine Reizleitung nach Verwundungen beob- achten lässt. Vielmehr sind solche Reizübertragungen der wannigfaltigsten Art bei Pflanzen weit verbreitet. Doch geben sie sich vielfach nicht direkt durch eine Reaktion zu erkennen. Man kann auf sie oft nur daraus schliessen, dass sie Hemmungen oder Beschleunigungen irgendwelcher Art zur Folge haben (vgl. dazu auch die ähnlichen Beobachtungen für Kontaktreizung bei Ranken S. 21). So wird z. B. bei den Keimlingen der Gräser, wie schon erwähnt wurde, die phototropische und geotropische Empfindlichkeit des Keimblattes vorübergehend, für einige Stunden, völlig aufgehoben, wenn man die Spitze des Kotyledo abschneidet (Rothert 1894, S. 191 ff... Dagegen wird die Befähigung, den phototropischen Reiz zu leiten, und das phototropische Reaktionsvermögen des Kotyledo durch den Schnitt nicht wesentlich beein- flusst (Rothert 1894, S. 196, S. 200). Die Aufhebung der Empfindlichkeit wird, wie Rothert zeigte, nicht durch die Entfernung der besonders photo- tropisch empfindlichen Spitze bewirkt. Doch ist es nicht eine Verwundung schlechthin, die einen solchen Erfolg hat: Nur eine völlige Kontinuitäts- trennung der Spitze von dem übrigen Teile des Kotyledo hebt die Emp- findlichkeit auf, während jede andere, selbst viel schwerere Wunde die Empfindlichkeit nur herabsetzt (Rothert 1894, S. 204 ff). Auch an Diko- tylenkeimlingen hat die Dekapitation einen ähnlichen Einfluss (Rothert 1894, S. 206 ff... Er braucht übrigens nicht auf das verwundete Organ be- schränkt zu bleiben, sondern kann sich auch auf andere Organe erstrecken, so z. B. bei den Paniceenkeimlingen vom Kotyledo auf das hypokotyle Stengel- glied (Rothert 1894). Es dürfte nur wenige Pflanzen geben, bei denen eine Verwundung nicht in geringerer oder grösserer Entfernung von der verletzten Stelle den Ablauf von Reizvorgängen störend beeinflusst, wobei es freilich zunächst unentschieden bleibt, welcher Teil des Prozesses gestört wird. Entsprechende Beobachtungen an Wurzeln wurden früher schon mitgeteilt (vgl. S. 34 ff. und Rothert 1894a). Dagegen scheint die Hemmung der Reizvorgänge in manchen Sprossen ver- hältnismässig gering (vgl. z. B. Czapek 1895, S. 264 ff., S. 266; Richter 1902, S. 28 ff.) und von der Länge des dekapitierten Stückes abhängig zu sein. Doch fehlen hier eingehende kritische Untersuchungen. Bei Dionaea scheint eine genügend grosse Beschädigung der einen Blatthälfte ihre Reak- Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 39 tionsfähigkeit, nicht dagegen ihre Empfindlichkeit für Stossreize, das Leitungs- vermögen des perzipierten Reizes und die Reaktionsfähigkeit der anderen Blatt- hälfte aufzuheben (Balfour 1876, S. 344 ff... Bei den Ranken hemmt eine Verwundung den Ablauf, des haptotropischen Reizvorganges wie auch des- jenigen, der durch die Durchschneidung der Basis ausgelöst wird. Doch er- streckt sich der Einfluss dieses hemmenden Wundreizes bemerkenswerterweise nur auf wenige Millimeter (5—10 mm; vgl. Fitting 1904, S. 433, S. 448 ff.). Aber nicht nur induzierte Reizvorgänge, auch die verschiedensten anderen Lebensprozesse können fern von den Wundstellen durch das Trauma beein- flusst werden. So beobachtete Rothert (1894, S. 193 ff.), dass die Dekapitation des Graskotyledo die Wachstumsintensität des Stumpfes vorübergehend mehr oder weniger herabsetzt. Dieser Erfolg ist allgemein verbreitet: Auch bei Wurzeln (Literatur siehe bei Rothert [1894a]; Czapek [1895, S. 246 ff.]; Nemec [1905, S. 117]) uud Sprossen (Sachs [1873, S. 329]; Wiesner [1881, S. 61ff.]; Rothert [1894, S. 208); Czapek [1895, S. 264 ff.]) wird das Wachstum durch die Dekapitation vorübergehend verlangsamt oder dauernd aufgehoben (vergl. Scholtz [1892, S. 387]. Das Mass dieser Hemmung scheint wiederum von der Länge der dekapitierten Strecke abhängig zu sein (vergl. dazu für Wurzeln z. B. Firtsch [1884, S. 248 ff.]. Der Einfluss des Wundshocks kann sich sogar in Organen der Pflanze bemerkbar machen, die von der Wundstelle ziemlich weit entfernt sind (Townsend 1897, S. 509 ff.). Namentlich gilt dies für Keimpflanzen, bei denen z. B. die Verwundung der Wurzel das Wachstum des Keimsprosses vorübergehend stört. Ist die Wunde geringfügig, so folgt dem Eingriffe an vielen verwundeten und namentlich an den mit ihnen in Zusammenhang stehenden Organen eine Wachstums- beschleunigung. Ist die Verwundung schwer, so geht der Beschleunigung eine Wachstumsverlangsamung voraus. So wird auch das Wachstum der Spross- achsen älterer Pflanzen durch Entfernung einer Anzahl von Wurzeln oder von Blättern vorübergehend beschleunigt. Ebenso kann das Wachstum eines Blattes (Calla) nach Verletzung eines anderen beschleunigt werden. Die Wurzeln scheinen von den übrigen Organen der Pflanze im allgemeinen weit unabhängiger zu sein. Bei allen diesen Einflüssen, die der Wundreiz fern von der Wundstelle ausübt, lässt sich schwer übersehen, wie weit sie auf einer direkten Trans- mission des Wundreizes und wie weit sie auf einer Störung innerer korrelativer Beziehungen beruhen. Dass durch eine solche Störung in der Tat auffallende Reaktionen veranlasst werden können, werden wir später sehen. Weiter wird durch eine Verwundung in den verwundeten Organen meist die Atmungsintensität (Boehm 1897, S. 685 ff.; Stich 1891, S. 15 ff.; Pfeffer 1896; Richards 1896) und in Abhängigkeit davon auch die Wärmeproduktion, jedoch nur bis zu etwa 2 cm Entfernung von der Wunde Richards 1897, S. 29 ff), durch den Wundreiz vorübergehend gesteigert. 40 H. Fitting, N Auch elektrische Störungen sind Folge von Verletzungen (Kunkel 1882, S. 5ff.)‘). In Blättern scheinen die Chloroplasten (nach eigenen Beobach- tungen, die noch weiter verfolgt werden sollen) bis zu 1—2 mm Entfernung von einer Wundstelle vorübergehend die Fähigkeit der Stärkespeicherung zu verlieren. Umgekehrt scheint im Winter an immergrünen Blättern, in denen unter dem Einflusse der niederen Temperatur eine Auflösung der Stärke stattgefunden hat, durch den Wundreiz in den Chloroplasten die Fähigkeit zur Stärkebildung wieder geweckt zu werden und zwar nicht nur in den Zellen, die der Wunde direkt benachbart sind, sondern von der Wunde aus- gehend auch in weiter entfernten Zellschichten (Lidforss 1896, 8. 39; Czapek 1%1la, S. 120 ff.). - b) Auslösung von Traumataxis. Neben solchen Hemmungen und Beschleunigungen mancher Lebens- prozesse gibt es aber auch einige andere Auslösungsvorgänge, die direkt als Reaktionen auf den Wundreiz eintreten und sich von der Wundstelle ausbreiten. Sie sind allerdings nur mit dem Mikroskope sichtbar zu machen. In sehr vielen Pflanzenorganen nämlich stellen sich nach. einer Verletzung zunächst in den der Wunde benachbarten, unverletzt gebliebenen Zellen eigentümliche Umlage- rungen des Plasmas ein: es sammelt sich (einige Stunden nach dem Eingriffe) in dichter Masse au derjenigen Zellwand, die der Wunde zugekehrt ist, und auch der Zellkern wandert nach jener Zellwand hinüber. Ähnliche Umlage- rungen erfolgen alsdann auch in den Zellen, die weiter von der Wundstelle entfernt sind. Doch bleibt diese Reaktion auf ziemlich kleine Strecken be- schränkt, indem sie sich höchstens bis zu 1,6 mm von der Wunde aus- breitet (Tangl 1884, S. 25 ff.; Nestler 1898; N&ömec 1901c, 8.8 ft; Miehe 1901, S. 129 ff). Nach N&ömec (19%01e, S. 18 fi., S. 30 ff.) zerfällt die ganze traumataktische Umlagerung bei den Wurzeln in zwei Vorgänge. Der Umlagerung des Plasmas und des Kernes soll nach einiger Zeit eine Veränderung der Plasmastruktur und eine Verschmelzung und Vergrösse- rung der Vakuolen folgen. Diese zweite Reaktion pflanze sich viel langsamer fort als die erste. Auch die Chlorophylikörner in den Blattzellen können durch eine Ver- wundung des Blattes sehr auffallende Umlagerungen erfahren, die schon nach wenigen Minuten beginnen und sich allmählich in allen Zellen des Blattes, von der Wundstelle aus fortschreitend, einstellen sollen (Frank 1872, S. 220ff.; Schimper 1885, S. 227 £f.). e) Auslösung der Plasmaströmung. Zusammen mit diesen traumataktischen Vorgängen tritt nach einer Verwundung meist noch eine weitere Reaktion ein, nämlich eine lebhafte 1) Vergl. den zweiten Teil dieser Abhandlung (1906). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 41 Plasmaströmung, die sich von der Wundstelle aus sehr viel weiter, oft sogar durch die ganze Pflanze ausbreitet. Dadurch gewinnt diese Erscheinung ganz besonderes Interesse. (Die Auslösung der Plasmaströmung durch Wund- reiz wurde entdeckt von Frank 1872, S. 235 ff.; Velten 1872, S. 652 und Prillieux 1874, S. 750 ff.; siehe ferner z. B. Keller 1890; Hauptfleisch 1892, S. 196; Kretzschmar 1904; weitere Literatur bei Ewart 1903.) Einige Zeit nach der Verwundung, im Sommer bei 19--23° schon nach 2—3 Minuten (Kretzschmar 1904, S. 279 ff.), beginnt das Plasma, das sich in den unverwundeten Blättern von Vallisneria, Flodea, Hydrocharis u. a. meist nicht bewegt, in den der Wunde benachbarten Zellen lebhaft zu strömen. Bald darauf breitet sich diese Strömung weiter aus. Sie pflanzt sich eventuell durch alle Teile der Pflanze bis in die Wurzeln fort, wenn man ein Leit- bündel, sei es im Blatte oder im Stengel oder in der Wurzel, durch Schnitt oder Stich verwundet, bleibt dagegen auf eine kleinere Strecke beschränkt, wenn keine Leitbündelzelle verletzt wird. In beiden Fällen hört sie nach Ablauf einer gewissen Zeit wieder auf. Erwähnt sei, dass eine begrenzte Reizausbreitung der Plasmaströmung auch dann erfolgte, als das Strömungs- phänomen nicht durch Wundreiz, sondern durch Berührungsreiz (durch Reiben der Epidermis eines Vallisneriablattes mit einem Pinsel) ausgelöst wurde (Kretzschmar 1904, S. 284). d) Auslösung formativer Prozesse. Ferner dürften durch den Wundreiz auch formative Prozesse mannig- faltiger Art in einiger Entferzung von der verletzten Stelle geweckt werden können. So werden vielfach die Zellen, welche nicht direkt an die Wunde an- grenzen, zu neuem Wachstume und zu Zellteilungen angeregt (vgl. Massart 1898, S. 10, S. 38ff., S. 40 ff.; Molisch 1888; Miehe 1902, 8. 547 ff.; Küster 1903, S. 91 ff., S. 153 ff.; dort auch die weitere Literatur), Vor- gänge, durch die der Wundverschluss unterstützt, die Verstopfung von Inter- zellularen (Mellink 1886, S. 745 ff.) und Gefässen (durch Thyllen) oder die Zerdrückung der Gefässe bewirkt!) wird. So wurde ferner beobachtet, dass Parenchymzellen in einiger Entfernung von der Wunde sich zu Kollenchym umbilden. Mit diesen formativen Prozessen können auch chemische Ver- änderungen der Zellmembranen, so z. B. eine Gummibildung, Hand in Hand gehen. Doch ist es für alle diese Prozesse nicht leicht, mit Sicherheit zu zu sagen, wie weit dabei Reizleitungsvorgänge des Wundreizes, wie weit andere Anlässe auslösend beteiligt sind. Es muss hier noch eines besonders interessanten, mit Zellteilungen ver- knüpften formativen Vorganges gedacht werden, an dessen Auslösung höchst- ') Namentlich bei Ulmus und Populus macht sich der Wundreiz noch in beträcht- licher Entfernung von der Wunde durch Zellteilungen im Kambium geltend (Küster 1903, S. 168). 42 H. Fitting, wahrscheinlich ebenfalls Reizleitungen von Aussenreizen. beteiligt sind: näm- lich der Gallenbildung durch Gallinsekten. Die Gallen sind Geschwulstbil- dungen der Pflanze von durchaus spezifischem, oft sehr kompliziertem Baue, die entstehen, nachdem ein Gallentier sein Ei auf oder in das Gewebe einer Pflanze abgelegt hat. Die komplizierteren dieser Geschwülste kommen durch sehr lebhafte Zellteilungen in der Nachbarschaft des Eies und durch anomale Ausbildung dieser Gewebe zustande. An dieser Tätigkeit beteiligen sich nicht nur die Zellen, die sich in nächster Nähe des Eies befinden, sondern auch weiter von ihm entfernte, zu denen irgend ein Reiz geleitet wird: Es bildet sich, wie man sagt, ein grösseres „Reizfeld“. Welcher Art die Leitungs- vorgänge sind und wodurch sie ausgelöst werden, ob etwa der Wundreiz da- bei von Bedeutung ist, ist zunächst gänzlich unbekannt. Jedenfalls hat man Grund zu glauben, dass chemische Einflüsse besonderer Art, die von der Larve des Gallentieres oder in selteneren Fällen auch von einem aus dem Legestachel des Muttertieres mit dem Ei ausgestossenen Gifte ausgehen, in erster Linie zu der Geschwulstbildung Anlass geben. Im übrigen aber ist die Ätiologie der Gallenbildung noch wenig geklärt (Literatur siehe z. B. bei Küster 1903, $. 189 ff.). I B. Reizleitungsvorgänge bei einzelligen Pflanzen. Wie bei den mehrzelligen Pflanzen, So fehlen auch bei den einzelligen Pflanzen, wie z. B. bei den mit Lokomotionsorganen versehenen, frei beweg- lichen Formen, den Bakterien, Flagellaten, Volvocaceen, den Schwärmsporen und Spermatozoiden vieler Algen, Pilze, Moose und Farne, Reizleitungen, wenn auch in kleinstem Raume, nicht. Namentlich dürften die lokomotori- schen Richtungsbewegungen dieser Zellen, die sog. Taxien, die den Tropismen der festgewachsenen Pflanzen entsprechen, ohne Einschaltung von Reiztrans- missionen zwischen Perzeptions- und Reaktionsvorgang kaum verständlich werden. Jedoch ist es begreiflicherweise bisher nur in seltenen Fällen mög- lich gewesen, solche Reizleitungsvorgänge bei einzelligen Pflanzen exakt fest- zustellen. So beruht es meist auf Vermutungen, die nicht durch Versuche gestützt sind, wenn man die sog. roten Augenflecke (Literatur siehe 2. B. bei Kolkwitz 1897, 8. 187) oder in anderen Fällen die Geisseln und Cilien als Perzeptionsorgane anspricht und eine Reizleitung in die anderen Zellenteile annimmt. Dass z. B. der Augenfleck nicht das alleinige Perzeptionsorgan für das Licht ist, geht aus Versuchen Engelmanns (1882, S. 395) an Euglena hervor, die zeigen, dass eine Beleuchtung des vorderen, hyalinen Körperendes zur Auslösung der photischen Bewegung notwendig ist. Diese Versuche lehren gleichzeitig, dass die Beleuchtung der Cilie wirkungslos ist und dass eine Reiztransmission von dem Vorderende des Körpers nach der Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 43 Cilie besteht. Ferner kennen wir eine Anzahl lokomotorischer Organismen, die des Augenfleckes wie auch sonstiger Pigmentflecke gänzlich entbehren und doch phototaktisch empfindlich sind. In anderen Fällen kann jedoch kein Zweifel darüber bestehen, dass die Cilien selbst empfindlich sind. So genügt es z. B. bei dem thigmotaktisch empfindlichen Chlamydomonas pulvisculus zur Auslösung der Schreckbewegung, wenn die Spitzen der Geisseln mit irgend einem festen Körper in Berührung kommen (Pfeffer 1884, S. 444). Alsdann tritt sofort infolge Geradestreckung der Geisseln die rückwärts gerichtete Schreckbewegung ein. Sonach muss eine Reizleitung und zwar sehr schnell von der Spitze der Öilien nach ihrer Basis erfolgen. In ähnlicher Weise scheinen auch die Cilien bei thigmotaktisch reizbaren Infusorien reizbar zu sein (Pfeffer 1904, S. 761). Ob die Geisseln auch bei der galvanotaktischen Empfindlichkeit selbst emp- findlich sind, wie es wahrscheinlich ist, lässt sich aus den bisherigen Ver- suchen noch nicht mit Sicherheit entnehmen. Über den Ort der Perzeption bei anderen Reizbarkeiten wissen wir bis jetzt nichts. — Bei lokomotorisch beweglichen Zellkolonien, wie z. B. bei Volvox, wird das harmonische Zusammenarbeiten der Geisseln aller Zellen bei den autonomen und auch bei den Reizbewegungen ebenfalls nur durch die Annahme mannig- faltiger Reizleitungsprozesse zwischen den Einzelzellen der Kolonie verständlich (Gruber 1887, S. 95 ff). Neben den Aussenreizen kommt hier auch der Einfluss von Innenreizen in Betracht. Versuche über die Reiztransmissionen fehlen vollständig. Sie dürften in Anbetracht der Grösse der Volvoxkolonien nicht ganz aussichtslos sein. Abschnitt IL. Reizleitungen veranlasst durch Innenreize. Schon in der Einleitung zu dieser Abhandlung wurde darauf hingewiesen, dass nicht nur jene korrelativen Beziehungen, die sich nach einer Erregung eines Organes durch Aussenreize in Reaktionen anderer Organe kundgeben, durch Reizleitungen bedingt werden, sondern aller Voraussicht nach auch viele derjenigen Korrelationen, die auf Innenbedingungen oder Innenreizen beruhen, durch Reizverkettungen zustande kommen dürften. Freilich hat die Forschung hier bisher, wenn man von einigen Fällen absieht, zu keiner tieferen Einsicht geführt. Lange Zeit hindurch hat man zur Erklärung dieser auf Innenbedingungen beruhenden Korrelationen, namentlich jener, die sich in formativen Prozessen äussern, wohl in allzu einseitiger Weise geglaubt, die massgebenden Ursachen dieser Beziehungen in Ernährungseinflüssen (z. B. in der Richtung der Stoffwanderung) und in der Bildung und der Wande. rung spezifischer formbildender Stoffe erblicken zu können. Es kann ja kein 44 H. Fitting, Zweifel darüber bestehen, dass solche Ernährungseinflüsse für viele Korrela- tionen von grösster und massgebender Bedeutung sind. Es hiesse aber die Beobachtungen über die Reizleitungen von Aussenreizen ignorieren, wollte man leugnen, dass auch bei den durch Änderung von Innenbedingungen sich ergebenden Beziehungen zwischen den Organen der Pflanze Reiztrans- missionen der mannigfaltigsten Art vielfach beteiligt sein können. In der Tat scheinen neuere und eindringendere Forschungen immer deutlicher zu zeigen, dass das Innengetriebe der Pflanze, soweit es un- abhängig ist von direkten Aussenreizen, auch in vielen solcher Vorgänge, zu deren Erklärung man Ernährungseinflüsse glaubte heranziehen zu können, durch mannigfaltige Reizverkettungen gelenkt wird. Es hätte natürlich bei dem heutigen Stande der Forschung keinen Zweck, hier alle die auf Innen- reizen beruhenden Korrelationen durchzusprechen, bei denen eine Beteiligung von Reizleitungsvorgängen möglich ist. Ich muss mich auf einige Beispiele beschränken, für die nach den bisherigen Beobachtungen die Annahme von solchen Reizverkettungen besonders nahe liegt. 1. Bei Korrelationen zwischen den Teilen der bestäubten Blüte. Dahin gehört vor allem eine Gruppe von Erscheinungen, die sich un- gezwungen an die Besprechung der Reizleitungsvorgänge von Aussenreizen anschliessen lässt, weil man bei ihr vielfach darüber in Zweifel sein kann, welcher Vorgang durch Leitung eines Aussenreizes und welcher durch eine solche von Innenreizen ausgelöst wird. Es handelt sich um die formativen Prozesse, die infolge der Bestäubung und Befruchtung an den Teilen der Blüte ein- treten. Die Eizelle ist bekanntlich bei den höheren Pflanzen, den Angio- spermen, in einen von Hüllen umgebenen Gewebekörper, die Samenknospe, eingeschlossen, die ihrerseits wieder in Ein- oder Mehrzahl in einem beson- deren Gehäuse, dem Fruchtknoten, befestigt ist. Der Fruchtknoten wird von Griffel und Narbe gekrönt. Zur Vollziehung der Befruchtung ist es nötig, dass der Pollenstaub zunächst auf die Narbe gelangt („Bestäubung“), wo er keimt. Die Pollenschläuche wachsen durch den Griffelkanal zu den Samen- knospen und zu den Eizellen hin. Hier wird durch den Übertritt der männ- lichen Kerne aus den Pollenschläuchen in die Eizellen die Befruchtung voll- zogen. Nach der Verschmelzung des männlichen und weiblichen Kernes beginnt sogleich die Entwickelung des Embryo. Wenn die Bestäubung oder die Befruchtung erfolgt ist, werden auch an anderen Teilen der Blüte Veränderungen bemerkbar: die Blüten- und Kelch- blätter fallen eventuell ab, ebenso die Staubgefässe; die Fruchtknotenwandung fängt an zu schwellen und sich zur Fruchtwandung umzubilden; die Hüllen der Samenknospen wandeln sich zur Samenschale um. Vielfach erfolgen auch im Blütenstiele und im sog. Blütenboden anatomische Veränderungen, die Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 45 mit der Ausbildung der Frucht in Beziehung stehen (Reinke 1878; Vöch- ting 1884, S. 8; Reiche 1887, S. 316; dort weitere Literatur. Müller- Thurgau 1898, S. 173 ff.). Sie können sich auch auf den Kelch erstrecken, wenn er nach der Bestäubung oder Befruchtung nicht abgestossen wird (vgl. z. B. Gärtner 1844; 1849, S. 66 ff.; Reiche 1885). Ausserdem treten bei manchen Pflanzen an den Blütenstielen Krümmungen verschiedener Art auf, die durch eine der Befruchtung folgende Veränderung der tropistischen Be- fähigungen bewirkt werden, so z. B. dadurch, dass ein negativ geotropischer Stiel an seinem oberen Ende positiv geotropisch wird oder ein positiv photo- tropischer Stiel negative Reaktionsbefähigung (bei Linaria Cymbalaria, Hot- meister 1868, S. 292) erlangt (Beispiele siehe u. a. bei Darwin 18831, ‚8.439 ff.; Vöchting 1882, S. 124 ff., S. 171 ££., 8.172 ff.; Hansgirg 1890a)'). Es liegt nun der Gedanke nahe, dass diese Veränderungen, die an den Blütenteilen nach der Befruchtung eintreten, allein durch die Befruchtung und ihre Folgen, d. h. durch die Entwickelung des Embryos aus der Eizelle, ausgelöst werden. Für manche dieser Reaktionen dürfte diese Annahme auch richtig sein, wobei es jedoch zunächst unentschieden bleiben muss, wie weit Reiztransmissionen an der Auslösung beteiligt sind. Für einen Teil dieser Veränderungen aber, namentlich solcher, die der Fruchtknoten selbst erleidet, liess sich bei einer ganzen Reihe von Pflanzen aus verschiedenen Familien zeigen, dass der Anstoss nicht durch Innenbeziehungen von dem heranwachsenden Embryo ausgeht, sondern von einem Aussenreize, der durch die Übertragung des Pollens auf die Narbe und die Ausbildung der Pollen- schläuche gesetzt wird. Es gibt nämlich eine Anzahl von Kulturgewächsen, die normale Früchte, aber ohne Samen, tragen. Dies ist z. B. der Fall bei einigen Sorten von Äpfeln, Birnen, Orangen und Trauben (vgl. dazu Müller- Thurgau 1898, S. 135 ff). Müller-Thurgau hat gezeigt, dass diese Früchte nur dann ausgebildet werden, wenn eine Bestäubung stattgefunden und der Pollen Pollenschläuche in den Griffelkanal und in die Fruchtknoten- höhlung hineingetrieben hat. Dagegen erwies sich der Fruchtansatz unab- hängig davon, ob eine Samenknospe befruchtet wurde oder nicht. Ganz ähnliche Erfahrungen hat man auch bei anderen Pflanzen machen können, so z.B. bei vielen Orchideen (vgl. dazu Hildebrand 1863, S. 329 ff.; Hofmeister 1868, S. 637; Strasburger 1886, S. 50 ff.). Bei ihnen be- steht insofern eine Besonderheit, als in ihren Fruchtknoten zur Blütezeit, d.h. zu der Zeit, wo die Bestäubung erfolgt, die Samenknospen, ja manchmal sogar 1) Bei Digitalis und anderen Pflanzen scheint ein besonderer Einfluss von den befruch- teten Blüten auch auf die Blütenstandsachse auszugehen. Die Achse krümmt sich lebhaft negativ geotropisch nach aufwärts, nachdem man sie horizontal gelegt hat. Diese Aufrichtung unlerbleibt aber, wenn die Blüten schon befruchtet sind. Ist ein Teil der Blüten noch unbe- fruchtet, so richtet: sich nur jener Teil der Infloreszenzachse auf, der die unbefruchteten Blüten trägt (vgl. Wiesner 1901, S. 803). 46 H. Fitting, die Plazenten, an denen die Samenknospen ansitzen, noch gar nicht ausgebildet sind. Erst nachdem die Narbe bestäubt ist und die Pollenschläuche ange- fangen haben zu wachsen, wird die vor dem Aufblühen ins Stocken ge- kommene Weiterentwickelung des Fruchtknotens!) und seiner Teile wieder aufgenommen. Der Anstoss zu diesem Vorgange geht wiederum von dem gekeimten Pollen aus, nicht aber von der befruchteten Samenknospe: denn letztere muss ja erst ausgebildet sein, damit die Befruchtung vollzogen werden kann. Die Wirkung des Pollens und der Pollenschläuche macht sich nicht nur an denjenigen Stellen des Fruchtknotens geltend, die direkt mit dem ge- keimten Pollen in Berührung sind?). Die Ausbildung der Plazenten und der Samenknospen kann vielmehr schon beginnen, ehe die Pollenschläuche zu ihnen gelangt sind: Es genügt dazu also schon die Anregung, welche die Pollen- schläuche durch ihre Berührung mit einigen Teilen des Fruchtknotens auf alle seine Teile ausüben (Hildebrand 1863, S. 337 £f.). Ebenso lässt sich aber bei den Orchideen auch leicht nachweisen, dass die Veränderungen, die in anderen Blütenteilen nach der Bestäubung eintreten, nicht Folge der Be- fruchtung sind, sondern direkt oder indirekt durch Reize ausgelöst werden, die von dem keimenden Pollen ausgehen. Wenige Tage nach der Bestäu- bung welkt und vertrocknet nämlich bei den meisten Orchideenblüten die Blumenkrone. Wäre die Bestäubung verhindert worden, so hätte sie sich vielleicht noch Wochen oder gar Monate frisch erhalten. Dieses Abblühen der Blume erfolgt schon vor der Ausbildung der Samenknospen, also vor der Befruchtung. Ob es wie das Schwellen des Fruchtknotens durch den keimen- den Pollen oder aber indirekt durch das Schwellen des Fruchtknotens aus- gelöst wird, wissen wir bis jetzt noch nicht. Wie dies auch sein mag, ohne eine Reizverkettung dürfte diese Reaktion kaum erklärt werden können. Dass der Entwickelungsanstoss zur Ausbildung einer Frucht vielfach durch Reize unabhängig von der Befruchtung und dem Wachstume des Em- bryos gegeben wird, liess sich auch noch auf andere Weise zeigen. Bei einigen Orchideen beispielsweise (vgl. Hildebrand 1865, S. 246; Strasburger 1886, S. 50ff.) kann der Anstoss zur Weiterentwickelung des Fruchtknotens, d. h. zur Ausbildung der Plazenten und der Samenknospen, nämlich auch durch Bestäubung der Narbe mit ganz fremdem Pollen erfolgen, der über- haupt nicht imstande ist, die Eizellen zu befruchten; vorausgesetzt nur, dass er keimt und Pollenschläuche in den Fruchtknoten treibt. So konnte z. B. 1) Weitere Fälle ähnlicher Art aus anderen Familien siehe bei Hofmeister 1868, S. 637 und Goebel, K. Organographie der Pflanzen 1898/1901 S. 793: Bestäubung der Coni- feren-Ovula ist nötig zur Ausbildung der © Prothallien und Archegonien; Bestäubung der Narben von Corylus, Fagus, Quercus und einigen Oleaceen zur Ausbildung des Fruchtknotens und der Ovula. 2) Hier wäre auch auf die Beobachtung Müller-Thurgaus (1898, S. 161 ff.) hinzu- weisen, dass bei der Weintraube die Samenknospen etwas weiter wachsen, nachdem ein Pollenschlauch in sie eingedrungen ist, und zwar auch dann, wenn die Eizelle nicht be- fruchtet wird, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 47 Strasburger die Weiterentwickelung des Fruchtknotens bei Orchis Morio und mascula durch Bestäubung mit dem Pollen von Fritillaria, einer Liliacee, anregen; Hildebrand bei Orchis mascula durch den Pollen einer anderen Orchidee, Cypripedium parviflorum; ferner bei Cypripedium Calceolus durch Pollen von Orchis mascula usw. Doch kam es in beiden Fällen bloss bis zur Ausbildung der Samenknospen und des Eiapparates; alsdann fielen die Früchte, ohne weiter zu wachsen, ab (vgl. auch Hofmeister 1868, S. 637). Auch in anderen Familien werden manchmal durch eine Bestäubung mit ganz fremdem, zur Befruchtung untauglichem Pollen, taube Früchte ausgebildet, die an Grösse den, normale Samen tragenden, Früchten nur wenig nachzustehen brauchen (vgl. dazu z. B. Gärtner 1844, S. 558 ff.; Darwin 1878, 8. 452; Hildebrand 189, S. 324 ff., dort einige Beispiele, die vielleicht hierher gehören; Massart 1902a, S. 90). Doch fehlen kritische Studien (vgl. ferner die interessanten Angaben Massarts 1902a über die Wirkung des Pollens auf den Fruchtknoten derselben Blüte bei Kürbissen). Besonders interessant ist es nun, dass der Einfluss des eigenen oder des fremden Pollens in einigen Fällen durch andere Aussenreize ersetzt werden konnte. So berichtet Darwin (1878, S. 452) über eine Beobachtung von Smith, dass bei der Orchidee Bonatea speciosa die Weiterentwickelung des Fruchtknotens durch mechanische Reizung der Narbe hervorgerufen werden könne. Gärtner (1844, S. 580ff.) beobachtete bei einigen Aquilegiearten ein Schwellen des Fruchtknotens nach Bestäubung der Narbe mit Sporen von Lycopodium clavatum. Doch sind diese letzteren Versuche nicht völlig beweis- kräftig. Massart (1902a, S. 94) konnte bei Kürbissen durch Verwundung des Fruchtknotens sein Wachstum wenigstens etwas anregen. Treu b (1883a) sah bei der Orchidee Liparis den Fruchtknoten anschwellen, die Plazenten und die Samenknospen sich durch einen Reiz ausbilden, der von Parasiten im Fruchtknoten, nämlich irgend welchen Larven (eines Gallinsektes?), aus- ging, ohne dass eine Bestäubung stattfand. Alle die mitgeteilten Beobachtungen erlauben nun eine interessante Pa- rallele zu ziehen zwischen dem Verhalten des unbestäubten Fruchtknotens und der unbefruchteten Eizelle: Bei beiden ist die Weiterentwickelung in der Regel an einen von aussen kommenden Reizanlass gebunden, und zwar meist an einen Anstoss durch den Pollen (vgl. z. B. Massart 1902a) oder die Spermatozoen derselben oder doch einer sehrnahe verwandten Art. In manchen Fällen ist aber sowohl bei den Fruchtknoten als auch bei den Eizellen das Gleichgewicht so labil, dass die Entwickelung auch durch andere Aussenreize (wie z. B. mechanische oder chemische) angeregt wird. Bei der Eizelle spricht man dann von künstlicher Parthenogenesis; bei dem Fruchtknoten könnte man von künstlicher Parthenokarpie (der Name stammt von Noll 1902a) reden. Schliesslich sind eine Reihe von Fällen bekannt, wo es zur Weiter- entwickelung überhaupt keines äusseren Anstosses bedarf, so bei der natür- 48 H. Fitting, lichen Parthenogenesis und bei der natürlichen Parthenokarpie, die dadurch charakterisiert ist, dass taube Früchte ohne jeden auf den Fruchtknoten aus- geübten Aussenreiz ausgebildet werden. (Zahlreiche Fälle bei Pflanzen aus den verschiedensten Familien findet man u. a. bei Gärtner 1844, S. 558 ff.; Hof- meister 1868, S. 637 ff.; Strasburger 1878, S. 664; vgl. auch Noll 1902a.) Man sagt von diesen Pflanzen wohl auch, sie hätten ein „Fruchtungsvermögen“. Da man jetzt weiss, dass bei besonders empfindlichen Eizellen eine künstliche Parthenogenesis auf die allerverschiedenste Weise erzielt werden kann, so wäre es von grossem Interesse zu sehen, ob bei solchen Fruchtknoten, die beson- ders empfindlich (,labil‘‘) sind, durch entsprechend verschiedene Mittel auch eine Parthenokarpie ausgelöst werden kann und ob etwa die Narben als haupt- sächliche Perzeptionsorgane für die betreffenden äusseren Reizanlässe funk- tionieren. In den wenigen, oben mitgeteilten Fällen, wo eine künstliche Partheno- karpie beobachtet wurde, so besonders bei Bonatea, bei der die Entwickelung des Fruchtknotens durch mechanische Reizung der Narbe ausgelöst wird, dürfte die Parthenokarpie jedenfalls nur durch eine Reiztransmission von der Narbe oder doch wenigstens vom Griffel nach dem Fruchtknoten ver- ständlich werden. Wie sehr man sich aber gerade hier vor Verallgemeine- rungen hüten muss, lassen am besten die Beobachtungen Massarts (1902a) ersehen, dass bei normal, aber mit wenig Pollenkörnern bestäubten Kürbiss- fruchtknoten die Anregung zur Weiterentwickelung im wesentlichen auf die- jenigen Fruchtblätter beschränkt bleibt, deren Samenknospen befruchtet worden sind, nicht aber auf benachbarte Fruchtblätter übergreift!). Diese Tatsache weist auf die Möglichkeit hin, dass in vielen Fällen das Wachstum des Fruchtknotens doch durch die Befruchtung der Eizellen und durch die Ent- wickelung der Samen (eventuell infolge von Reizverkettung durch Innen- reize) geweckt werden könnte. Dafür spricht auch die Beobachtung, dass nach der Entfernung der befruchteten Samenknospen vielfach die Fortbil- dung des Fruchtknotens eingestellt wird (Pfeffer 1904, S. 198). Eingehende Studien wären hier sehr erwünscht. Auch ist die Frage noch nicht ent- schieden worden, ob bei denjenigen Angiospermen, bei denen eine natürliche Parthenogenesis oder auch eine „Polyembryonie‘“ ohne jede Bestäubung (Caele- bogyne) eintritt, etwa die Weiterentwickelung der Fruchtknotenwandung die 1) Auch Müller-Thurgau (1898, S. 161 ff.) konnte zeigen, dass das Wachstum der Weintraubenbeere nicht allein durch den Pollenreiz, sondern auch durch einen „Wachstums*- reiz seitens der heranwachsenden Samen ausgelöst wird. Dies ist daraus zu ersehen, dass die tauben Beeren stets viel kleiner bleiben als diejenigen, die Samen einschliessen. Die Grösse der Beeren steht in direkter Abhängigkeit von der Zahl ausgebildeter Samen. Auch für die Intensität des Dickenwachstums, das nach der Befruchtung in den Stielen der Wein- beeren eintritt, konnte Müller-Thurgau (1898, S. 173) eine enge Beziehung zu der Anzahl der Samen in der Beere nachweisen. Je mehr „Kerne“ die Beere umschliesst, um so dicker wird der Beerenstiel. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 49 Parthenogenese der Eizelle oder die Ausbildung der Adventivkeime auslöst, oder ob umgekehrt die parthenogenetische Entwickelung der Eizellen oder die Bildung der Adventivkeime Anlässe zum weiteren Wachstume der Frucht- wandung sind. Bei Caelebogyne spricht manches für die erstere Möglichkeit: es besteht nämlich bei ihr auch ein Fruchtungsvermögen (eine Partheno- karpie) ohne die Ausbildung von Adventivembryonen (Strasburger 1878, S. 664). Eine künstliche Parthenogenesis durch künstlich ausgelöste Par- thenokarpie ist aber bisher nicht gelungen !), Schliesslich wäre hier noch einiger merkwürdiger Angaben zu gedenken, wonach bei Kreuzungen der fremden Pollen seinen Einfluss nicht nur auf den durch die Kreuzbefruchtung entstehenden Embryo, sondern auch auf den Fruchtknoten, also auf einen Teil der Mutter, auf dessen Narbe er gebracht wurde, ausüben soll. Solche Beobachtungen sind z. B. bei Darwin (1878, 3. 445 ff.) und Tschermak (1902, S. 7 ff.) zusammengestellt. Es sollen da- durch Früchte entstehen, die sich durch einige Merkmale von den normalen Früchten der Mutterpflanze unterscheiden und eventuell Eigenschaften haben, die den Früchten der Vaterpflanze zukommen. Da auch hier kritische Studien völlig fehlen, so lässt sich nicht sagen, ob Reizleitungsvorgänge dabei im Spiele sind. 2. Bei Umstimmungen der tropistischen Eigenschaften von Pflanzen- organen durch Anderung der inneren Beziehungen zu anderen Ürganen. a) Gelenkpflanzen, Noch bestimmter als die vorstehenden dürften die in den weiteren Ab- schnitten mitzuteilenden Tatsachen auf Reizleitungsvorgänge hinweisen, die durch Innenreize, d. h. durch eine Änderung der Beziehungen zwischen den benachbarten Organen, bedingt werden. Als erstes Beispiel wähle ich eine „Gelenkpflanze‘, Tradescantia, weil an ihr die eingehendsten Untersuchungen über solche Korrelationen angestellt worden sind. Bei Tradescantia fluminensis und einigen anderen Arten, beliebten Ampelpflanzen, ist das Streckungs- wachstum in den Internodien auf ganz kurze Zonen oberhalb der Ursprungs- stelle der Blätter, d. h. der Knoten, lokalisiert. Diese Zonen bezeichnet man als die Gelenke, weil die tropistischen Krümmungen auf sie beschränkt bleiben. 1) Wohl aber gibt es einige Pflanzen, bei denen durch die Bestäubung mit arteigenem Pollen die Bildung von „Adventivembryonen“ aus vegativen Zellen der Samenknospe angeregt wird (Apogamie durch Bestäubung). Doch scheinen die Teilungsvorgänge in den betref. fenden Zellen meist erst durch die Befruchtung der Eizelle ausgelöst zu werden (Stras- burger 1878, S. 662 fi.; Tretjakow 1895; Hegelmaier 1897, 8. 135; Ernst 1901, 8.62 ff). Dagegen scheint bei Opuntia vulgaris schon das Eindringen des Pollenschlauches in die Samen- knospe ohne Befruchtung der Eizelle zu genügen (Ganong 1898, S. 224 ff.). Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 4 50 H. Fitting, Ein Spross einer solchen Pflanze wird demnach bei der geotropischen Reak- tion nicht in einer kontinuierlichen Kurve, sondern in den Gelenken knie- förmig gekrümmt. Kohl (1894, S. 22 ff., 1900, S. 5 ff.; siehe auch Barth 1894 und Miehe 1902, $. 534 ff.) beobachtete nun, dass die Stengelgelenke die Be- fähigung sich geotropisch zu krümmen, verlieren, wenn man den nächst- höheren Stengelknoten abschneidet. Er glaubte aus diesen und einigen anderen Versuchen schliessen zu können, dass bei diesen Gelenkpflanzen der geotropische Impuls immer vom höheren Knoten zum nächst unteren Gelenke geleitet werden müsse. Miehe (1902) hat diese Frage weiter verfolgt und gefunden, dass die Annahme Kohls nicht zutreffend ist. Die Aufhebung der geotropischen Krümmung in einem Gelenke nach Entfernung des nächst ‘höheren Knotens beruht nicht in der Entfernung des geotropischen Perzep- tionsorganes, auch nicht in der Verwundung, sondern in komplizierteren kor- relativen Beziehungen zwischen den Gelenken und den Knoten. Es ist im wesentlichen die Aufhebung der normalen Innenbeziehungen, welche die Herabsetzung der geotropischen Reaktionsfähigkeit zur Folge hat. Miehe gelang es, auch den Ort, von dem die massgebenden Innen- beziehungen ausgehen, genauer festzustellen. Es ist nicht der Knoten schlecht- hin, sondern vielmehr am Knoten die Achselknospe des Blattes, von der der Einfluss auf das nächst untere Gelenk ausgeht (Miehe 1902, S. 547 fl.). Nur wenn man bei der Operation diese Knospe entfernt, bleibt die Krümmung im Gelenke des angrenzenden unteren Internodium aus 1). Aber nicht nur die Entfernung der Knospe hat diesen Erfolg (Miehe $. 555 ff). Auch wenn man sie bis auf 0°—1°C abkühlt, sie in Wasserstoff oder Kohlensäure bringt oder ihr Wachstum durch Eingipsen hemmt, wird die geotropische Reaktionsfähigkeit des entsprechenden Gelenkes bedeutend herabgesetzt oder aufgehoben. Zur normalen Reaktionsbefähigung eines Gelenkes ist also nicht die Existenz der nächsthöheren Achselknospe, sondern ihre Tätigkeit ‘vor allem notwendig. Dass diese Korrelation nicht allein auf Ernährungs- einflüsse, etwa auf die Stockung des Nahrungsstromes zurückgeführt werden kann, dürfte schon aus der Tatsache hervorgehen, dass die Achselknospen vielfach ruhen, d. h. zunächst nicht namhaft wachsen. Es scheinen hier also irgendwelche sonstige Wechselbeziehungen im Spiele sein?), die vielleicht mit Reiztransmissionen im Zusammenhange stehen. 1) Doch hemmt auch die Entfernung der Blattspreite ein wenig die geotropische Krüm- mung des nächstunteren Gelenkes (Miehe 1902, S. 548 ft.). 2) Leider wurde nicht untersucht, wie sich ein Gelenk verhält, wenn man den Stengel intakt lässt und nur die nächst höhere Achselknospe entfernt. Alle Versuche Miehes wurden mit dekapitierten Stengeln ausgeführt. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 51 b) Graskeimblätter. Korrelationen ganz ähnlicher Art dürften weiter verbreitet sein. Hin- ‚gewiesen sei auf die schon früher erwähnten (S. 38) eigenartigen Bezie- hungen zwischen der Spitze und der Basis der Graskeimblätter, die Rothert (1894) aufgedeckt hat: Die Empfindlichkeit der Basis konnte nur aufge- hoben werden durch völlige Kontinuitätstrennung von Basis und Spitze, nicht aber durch andere, selbst viel schwerere Wunden. Es müssen sonach besondere korrelative Beziehungen zwischen Basis und Spitze durch den Schnitt gestört werden. Diese Beziehungen lassen sich wiederum nicht auf den Stofftransport allein zurückführen ; denn die Entfernung der Kotyledonar- spitze ist auch dann verhängnisvoll für den Basalteil, wenn die Spitze ihr Wachstum schon längst eingestellt hat. e) Blüten- und Fruchtstiele'), Auch zwischen den Teilen der Blüte oder der Frucht und dem Blüten- oder Fruchtstiele kommen, wie Vöchting (1882; siehe auch Scholtz 1892) gezeigt hat, bei manchen Pflanzen solche Korrelationen vor, so z. B. beim Mohn, Papaver, zwischen Fruchtknoten und Blütenstiel. Der untere Teil des Blütenstieles ist beim Mohn durch negativen Geotropismus senkrecht nach aufwärts gerichtet. Der obere Teil verhält sich verschieden, je nachdem die Blüte sich im Knospenstadium oder im Blühstadium befindet. Solange die Blüte nicht aufgeblüht ist, ist der oberste Teil des Stieles nämlich haken- förmig so gekrümmt, dass sich die Blütenknospe in einer senkrecht nach abwärts gerichteten Lage befindet. Ehe die Knospe sich öffnet, wird diese Krümmung des Stieles ausgeglichen, der ganze Stiel gerade gestreckt und dadurch die Öffnung der Blüte nach aufwärts gewendet. Die hakenförmige Krümmung kommt durch positiven Geotropismus des oberen Stielteiles zu- stande, nicht dagegen durch das Gewicht der Kuospe. Die Ausgleichung der Krümmung geschieht dadurch, dass der obere Stielteil seinen positiven Geotropismus in negativen umwandelt. Wodurch im normalen Entwickelungsgange der Anstoss zu dieser Um- stimmung gegeben wird, ist noch nicht festgestellt worden. Aber soviel wissen wir durch Vöchting, dass dieselbe Umstimmung auch vorzeitig dadurch ausgelöst werden kann, dass man die Jugendliche Blütenknospe ab- schneidet. Diese Umstimmung ist aber, wie es scheint (eingehendere Unter- suchungen darüber fehlen), nicht schlechthin die Folge der Verwundung, sondern wird durch die Aufhebung der inneren Beziehungen bedingt, die zwischen Knospe und Knospenstiel bestehen. Doch sind es nach Vöch- tings Beobachtungen nicht die Beziehungen zwischen der ganzen Knospe und dem Stiele, sondern nur die zwischen dem Fruchtknoten und dem I) Vergleiche dazu auch die Angaben auf Seite 44 ff. 4* 52 H. Fitting, Stiele, deren Unterbrechung die Umstimmung zur Folge hat. Denn Stiele, an denen die sämtlichen Blütenteile bis auf den Fruchtknoten entfernt wurden, . zeigten keine vorzeitige Geradestreckung, wohl aber jene, bei denen nur der Fruchtknoten entfernt wurde, nicht aber die übrigen Blütenteile. Ja nach Scholtz (1892, S. 383) ist es nicht einmal der ganze Fruchtknoten, sondern sind es nur die Samenanlagen in ihm, die für die korrelativen Beziehungen zum Stiele massgebend sind. Es knüpft sich an diese Beobachtung die ungelöste Frage an: Welcher Art sind die Beziehungen zwischen Frucht- knoten (Samenanlagen) und Blütenstiel, die es bewirken, dass der obere Stiel- teil zunächst positiv geotropisch ist, und deren Unterbrechung die Reaktions- befähigung des Stieles umwandelt? Vöchting spricht an verschiedenen Stellen seiner Arbeit die Vermutung aus (z. B. 1882, S. 60, 8. 127, S. 195), dass die positive Krümmung des oberen Stielteiles durch eine tropistische Reizleitung des Schwerkraftreizes vom Fruchtknoten aus in ähnlicher Weise ausgelöst werde, wie nach Darwin die geotropische Krümmung der Wurzel durch Perzeption in der Spitze bewirkt wird. Durch Versuche irgendwelcher Art erhärtet wurde diese Annahme bisher aber nicht. Auch wäre mit ihr das Problem keineswegs gelöst. Denn, falls die Beziehungen in der Tat durch eine Transmission des Schwerkraftreizes vom Fruchtknoten aus zustande kämen, so müsste vom Fruchtknoten nicht nur ein tropistischer, sondern auch ein diffuser Schwerkraftreiz ausgehen. Letzterer wäre notwendig, um die positive Stimmung der Stielspitze zu erhalten, ersterer um die Krümmungs- reaktion auszulösen. Es ist aber sehr wohl möglich, dass die auf dem Zu- sammenhange von Fruchtknoten und Knospenstiel beruhende positive Reak- tionsbefähigung des oberen Stielteiles durch ganz anders geartete korrelative Beziehungen zwischen Fruchtknoten und Stiel unterhalten wird, durch Be- ziehungen, die nicht in einem Aussenreize, sondern wie in den bisherigen Fällen in irgendwelchen Innenreizen ihren Anlass haben könnten. Solche Beziehungen zwischen den Fruchtknoten und den Blütenstielen, durch deren Unterbrechung die tropistische Reaktionsbefähigung geändert wird, konnte Vöchting ausser bei Papaver auch bei Tussilago Farfara (S. 124 ff), Erodium eieutarium (S. 171 ff.) und Geranium pyrenaicum (S. 172 ff.) feststellen !) (vgl. auch Scholtz 1892, S. 387). d) Seitenorgane. a) Seitensprosse. In ähnlicher Weise kann bei vielen Bäumen durch Unterbrechung der Beziehungen zwischen dem Hauptspross und den Seitenzweigen die tropistische 1) Einen ähnlichen Einfluss wie der Fruchtknoten auf den Blütenstiel scheint nach Miehe (1902, S. 590) auch die Terminalknospe auf den überhängenden Apikalteil des Keim- sprosses von Phaseolus multiflorus auszuüben. Der Spross streckt sich nach Dekapitation der Terminalknospe gerade. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 53 Stimmung der Seitenzweige geändert werden. Bei den Koniferen, wie z. B. bei der Tanne oder Fichte, wächst bekanntlich der senkrechte Hauptstamm an seiner Spitze unbegrenzt weiter. Au ihm entstehen zu gewissen Zeiten in Scheinquirlen Seitenzweige, die aber nicht senkrecht aufwärts, sondern in horizontaler Richtung wachsen. Sie sind nämlich nicht negativ, sondern transversal geotropisch. Schneidet man nun die Spitze des Hauptstammes ab, so richten sich nach einiger Zeit einer oder mehrere der horizontalen Seiten- zweige des obersten Scheinquirles auf, stellen sich in die Richtung des Haupt- stammes und setzen sein Wachstum fort (Kunze 1851, S. 145 ff.; C, Kraus 1878, S. 326, Sachs 1879, S. 280 fi.; Vöchting 1884, S. 32 ff.; Busse 1893, S. 144 ff.; französische Literatur bei Boirivant 1897, S. 343 ff). Auch diese Bewegung beruht auf einer Umstimmung, und zwar der transversal geotropischen in die negativ geotropische Reaktionsbefähigung der Seiten- zweige, die ausgelöst wird durch eine Störung des Systems, nämlich durch die Aufhebung des Zusammenhanges zwischen Hauptstamm und Seiten- zweigen. Ebenso kann man sagen, dass der Transversalgeotropismus der Seitenäste im ungestörten Systeme durch die normalen Beziehungen zwischen Hauptstamm und Seitengliedern bewirkt wird. Man hat auch hier wohl geglaubt, diese Beziehungen auf Ernährungs- einflüsse zurückführen zu können, indem man meinte, die Seitenzweige seien nur deshalb transversal geotrop, weil sie weniger gut ernährt würden als der Hauptstamm. Dass diese Erklärung nicht ausreichend ist, darauf haben schon Sachs (1879, S. 280 ff.) und Noll (1900a, S. 407) ausdrücklich hin- gewiesen. Eine andere an die Stelle zu setzen, ist freilich zurzeit nicht möglich, . da weitere Untersuchungen fehlen. Von grossem Interesse ist die Beobachtung Strasburgers (1901, S. 587 fi.; vgl. auch C. Kraus 1878, S. 326), dass sogar Seitenzweige, die in horizontaler Lage auf dekapitierte Tannen gepfropft werden, negativ geotrop werden und sich allmählich aufrichten. Leider fehlt der Gegenversuch, bei dem entsprechende Seitenzweige auf nicht entgipfelte Tannen gepfropft werden müssten. Solange man nicht weiss, wie sich solche Seitenzweige verhalten, lässt sich nicht beurteilen, ob die Umstimmung des aufgepfropften Seitenzweiges durch Einflüsse vom Hauptstamme aus eingeleitet wird oder ob sie nur deshalb erfolgt, weil der gepfropfte Seitenzweig von seinem Hauptstamme abgelöst wurde. Auch die interessante Beobachtung Strasburgers, das zwischen den Zellen des Pfropfreises und der Unterlage neue Plasmaverbindungen ausgebildet wurden, vertieft unsere Einsicht nicht. Immerhin ist es nicht gerade un- wahrscheinlich, dass im normalen Systeme die Beziehungen zwischen Haupt- stamm und Seitenzweigen, die in der geotropischen Reaktionsbefähigung zum Ausdrucke kommen, durch Reiztransmissionen von Innenreizen bedingt werden. 54 H. Fitting, ß) Nebenwurzeln. In derselben Weise hängt nun auch die transversalgeotropische Reak- tionsbefähigung der Seitenwurzeln von dem Zusammenhange mit der unge- störten Hauptwurzel ab. Wird die Hauptwurzel abgeschnitten, so können sich die untersten, jüngsten Seitenwurzeln aus der normalen, horizontalen Richtung nach abwärts krümmen und sich positiv geotropisch in die Wachs- tumsrichtung der Hauptwurzel einstellen (Sachs 1874, S. 622; Darwin 1881 S. 157 1i.; Vöchting 1884, 8..22; Boirivant 1897,88 31272 Noll 1900a, 8. 388 ff.; Bruck 1904). Ähnliche Beziehungen bestehen auch zwischen Seitenwurzeln niederer und höherer Ordnung; ferner bei manchen Pflanzen (z. B. Circaea, Sparganium, Sagittaria, der Kartoffel u. a.) zwischen dem negativ geotropischen Luftsprosse und unterirdischen, trans- versal geotropischen Rhizomsprossen (C. Kraus 1878; 1880, S. 76; EIf- ving 1880, S. 492; Goebel 1880, S. 814 ff.; Sachs 1880, S. 477; Stahl 1884, S. 392; Vöchting 18%, S. 94 ff.): nach Dekapitation des Luftsprosses wandelt sich einer der Erdsprosse in einen negativ geotropischen Luftspross um. Schliesslich kommen derartige Korrelationen auch in der Blütenregion zwischen den Blütenstielen und der Infloreszenzachse vor (vgl. Noll 1885, S. 337, S. 346 ff.; Meissner 1894, S. 12 ff.). Aber nicht nur zwischen den Seitengliedern und den relativen Haupt- gliedern bestehen solche Beziehungen. Sie müssen auch zwischen den Seiten- gliedern gleicher Ordnung untereinander ausgebildet sein. Dies ergibt sich z. B. aus der Tatsache, dass nach Dekapitation eines Tannenstammes nur die obersten Seitenzweige, aber nicht die übrigen, sich aufrichten (vgl. dazu auch Goebel 1880, S. 820). In allen diesen Fällen wissen wir leider nichts Sicheres darüber, wie weit Transmissionen von Innenreizen an den Korrelationen beteiligt sind. Nur darauf sei hingewiesen, dass bei manchen von ihnen für die Umstim- mung der Seitenzweige nicht die Entfernung des Hauptsprosses nötig ist: es genügt, um diese Reaktion auszulösen, wenn man die Funktionen des Hauptsprosses unterbindet, z. B. indem man das Wachstum des Sprosses durch Eingipsen unmöglich macht (für Wurzeln vgl. z. B. Darwin 1881, S. 157 ff.; Bruck 1%4). y) Blätter. Beobachtungen von De V ries (1872, S. 272 ff.) zeigen, dass entsprechende Korrelationen auch zwischen den Blättern und dem Muttersprosse bestehen können. Bei einer Anzahl von Pflanzen werden die Blattflächen durch nach- trägliche Torsionen der Internodien sämtlich in eine Ebene gebracht. Diese Torsionen scheinen von der Schwere- und von der Lichtrichtung abzuhängen. Es sind Reaktionen, die den geotropischen und phototropischen Krümmungen Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 55 direkt an die Seite gestellt werden können. Als De Vries an horizontalen Zweigen von Philadelphushirsutus, Deutzia crenata und Rhodotypus Kerrioides, an denen die Blätter paarig in alternierenden Wirteln (dekussiert) angeordnet sind, die zu einem Paare gehörenden jungen, eben aus der Knospe hervor- tretenden Blätter entfernte, blieb diese Stengeltorsion aus. Sie blieb aber auch nach Entfernung des einen, und zwar des oberen Blattes des Paares aus, erfolgte dagegen in fast ungeschwächtem Masse, als nur das untere Blatt weggenommen wurde. Durch entsprechende Torsionen werden die Blätter oft auch an invers horizontal gelegten Zweigen in die normale Stellung zurückgebracht. An invers horizontal fixierten Zweigen von Ulmus campestris, Celtis australis, Rhodotypus Kerrioides u. a. trat diese Torsion aber nicht mehr ein, als De Vries die Blätter abschnitt. Die Zweige krümmten sich nun nach aufwärts. Welcher Art die Korrelationen in diesen Fällen sind, lässt sich zunächst nicht übersehen; ebensowenig, ob die Leitung eines Aussenreizes dabei von Bedeutung ist. 0) Exotropie. In diesem Zusammenhange muss noch einer besonderen Beziehung ge- dacht werden, die zwischen Haupt- und Seitengliedern bestehen und den sog. Exotropismus bedingen soll. Bekanntlich wird die Form einer Pflanze, ihr Habitus, besonders durch die Stellungs- und Richtungsverhältnisse ihrer Organe zueinander bestimmt. Diese Richtungsverhältnisse beruhen unter nor- malen Bedingungen besonders auf der verschiedenen tropistischen Reaktions- befähigung der einzelnen Organe gegenüber dem Lichte und der Schwerkraft. Sie kommen aber auch dann zum Ausdrucke, wenn man die Pflanze der ein- seitigen Wirkung dieser Kräfte entzieht. Noll (z. B. 1885, 1894, 1900, 1900 a) glaubt nun aus einigen Versuchen schliessen zu können, dass für die Wuchs- richtung der Seitenglieder im Verhältnisse zum Muttersprosse ein ganz beson- derer, von diesem Muttersprosse aus zugeleiteter Impuls von Bedeutung sei. Dieser Einfluss soll es z. B. veranlassen, dass eine Nebenwurzel, die senk- recht von der Hauptwurzel wegwächst, ihre Spitze, nachdem sie aus dieser normalen Wuchsrichtung seitlich abgelenkt worden ist, durch eine Gegen- krümmung in der Wachstumszone wieder in die normale Wuchsrichtung ein- stellt (vergl. Noll 1894, S. 129; 1900; 1900a, S. 403). Czapek (18%, S. 1197 ff.) konnte diese Angaben freilich nicht bestätigen. Derselbe Einfluss soll es nach Noll (1885, S. 201 fi.; 1892, S. 276) bedingen, dass Blüten, die ihre Öffnung bei normaler Stellung nach aussen (von der Mutterachse der Infloreszenz hinweg) kehren, durch Krümmungen oder Torsionen des Stieles in diese Stellung zurückstreben, weun durch irgend- welche Einflüsse ihre Apertur eine andere Richtung gegenüber der Mutter- achse erhalten hat. Ähnliches soll auch für Blätter gelten (Noll 1885, S. 354 ff; 1892). 56 H. Fitting, Diese Befähigung der Pflanzenorgane, ihre normale Richtung gegen- über dem Mutterspross immer wieder anzunehmen, bezeichnet N oll als Aussen- wendigkeit oder Exotropie. Die Richtung dieser 'exotropen Bewegung wird nach ihm durch eine Reiztransmission bestimmt, die von der Mutterachse ausgeht. Schwendener und Krabbe (1892, S. 294 ff., S. 304 ff.) haben nun aber gezeigt, dass diese Krümmungen und Torsionen der Blütenstiele auch ohne Annahme einer solchen Exotropie erklärt werden können. Wenn auch Noll (1892) und Meissner (1894, S. 1 ff.) versucht haben, die Ein- wände dieser Forscher zu entkräften, so scheint mir doch die Frage nach dem Vorhandensein der Exotropie noch weiterer eingehenderer Untersuchungen sehr bedürfiig zu sein. 3. Bei Auslösung formativer Vorgänge. a) „Morphästhesie‘. Ebenso wie sich die Teile der Pflanzen gegenseitig in ihren tropisti- schen Eigenschaften und Reaktionen durch Innenbeziehungen auf mannig- faltigste Weise beeinflussen, so machen sich auch bei formativen Vor- gängen vielfach Korrelationen geltend, die durch Innenreize bedingt werden. Wenn man mit Noll der Ansicht zuneigt, dass die Exotropie aus dem „Form- gefühl“, der „Morphästhesie‘‘ des Pflanzenorganismus hervorgeht), so lassen sich an dieser Erscheinung einige formative Prozesse direkt anschliessen, die ebenfalls Folge der Morphästhesie sein könnten und die, falls diese Annahme richtig ist, auf besondere Reiztransmissionen hinweisen würden. Wenn z.B. Wurzeln an gekrümmten Organen hauptsächlich au der konvexen Seite ent- stehen (Noll 1900a, S. 390 ff.; für Seitenzweige von Mycelien, Moosproto- nemen Noll 1900a, S. 411 ff.; für Seitenzweige an Sprossen Vöchting 1884, S. 45 ff.), so dürfte bei der Auslösung dieses Erfolges wohl sicher eine Wechselbeziehung zwischen der konvexen und der konkaven Seite in Be- tracht kommen. Eine solche dürfte auch nötig sein, um zu veranlassen, dass das sog. „Stemmorgan“ der Kürbisskeimlinge, welches dazu dient, die Kotyledonen aus der Samenschale herauszuziehen, stets auf der konkaven Seite des Hypokotyls gebildet wird (Noll 1902, S. 157 ff). Ob diese einseitige Reaktionsbefähigung auch noch in einiger Entfernung von der gekrümmten Stelle vorhanden, also eine Reiztransmission von den gekrümmten auf die gerade gebliebenen Teile ausgebildet ist, lässt sich aus den vorliegenden Ar- beiten nicht ersehen. Auch wissen wir nicht, ob der Eigenwinkel der Seitenorgane (d. h. der Winkel, den sie mit der Mutterachse bilden), der am reinsten hervortritt, 1) womit eine kausale Einsicht nicht angebahnt ist (vergl. auch. Klebs 1903, S. 94 fl.). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 57 wenn man die Pflanze der einseitigen Licht- und Schwerewirkung entzieht, durch einen auf der Morphästhesie beruhenden Einfluss, durch eine Reiz- transmission, die von der Mutterachse ausgeht, ausgebildet und erhalten wird. Weiterer Untersuchungen bedarf ferner die Frage, ob die von Wiesner als Exotrophie!) bezeichnete Erscheinung (Literatur vgl. bei Noll 1900a, S. 404), die darin besteht, dass die, eine Pflanzenform nach aussen begren- zenden Organe manchmal eine auffallende Wachstumsförderung zeigen (vgl. z. B. die Randblüten in den Dolden von Umbelliferen, in den Körbchen der Dipsaceen und Compositen), durch Reizleitungsvorgänge bedingt wird. Durch Ernährungseinflüsse allein dürfte sich die Exotrophie kaum erklären lassen. Einer Lösung sieht auch noch ein Problem von allgemeinster Bedeutung entgegen, nämlich durch welche Innenbedingungen die so auffällige Sym- metrie des Organismus bewirkt wird, wodurch es z. B. veranlasst wird, dass bei bilateralen Organen (den Blättern, den zygomorphen Blüten) die linke und die rechte Hälfte nach Form und Dimensionen einander spiegelbildlich gleich werden. b) Polarität (Vertieibasalität). Sehr auffällige Korrelationen zwischen den Seitenorganen und dem Mutter- Sprosse sowie zwischen den Seitenorganen untereinander konnten auch von Vöchting (siehe namentlich 1878, 1884) für das Austreiben der angelegten Knospen und Wurzelanlagen und für den Entstehungsort von Adventivwurzeln und -sprossen festgestellt werden. Sie geben sich dadurch kund, dass z. B. an einem Sprossstecklinge, der der einseitigen Licht- und Schwerewirkung entzogen ist, Wurzeln nur oder vorzugsweise an der organischen Basis ge- bildet werden, umgekehrt die Sprosse vorzugsweise an der organischen Spitze austreiben. Bei Wurzelstecklingen entstehen die Wurzeln besonders am api- kalen, die Sprosse am basalen Ende. Diese fast ausnahmslose Gesetzmässig- keit wurde von Vöchting Polarität, von Pfeffer Vertieibasalität genannt a) Wenn auch die meisten Forscher darin übereinstimmen, dass die Erschei- nungen der Polarität durch die Richtung des Nahrungsstoffstromes nicht erklärt werden können, so ist man doch von einer kausalen Einsicht noch weit entfernt. Die Möglichkeit, dass Reizleitungsvorgänge irgendwelcher Art die Reaktion vermitteln, darf zunächst nicht ausser acht gelassen werden). ') Nicht zu verwechseln mit der Exotropie, 2) Über Polarität an Blättern vergl. Vöchting 1878, S, 99 ff.; bei Lebermoosen Vöchting 1885: über Polarität siehe ferner z. BR. Vöchting 1837, $, 14, 23; Goebel 1902, 8. 488 ff.; Klebs 1903, S. 110 ff.; über Polarität der Zellen Vöchting (1892). Die Pola- rität spricht sich an Stecklingen übrigens auch in der an beiden Enden ungleichmässigen Ausbildung des Kallus aus; vergl. dazu Küster 1903, S. 169 ff.; dort auch die weitere Literatur, 3) Wie weit bei anderen Korrelationen zwischen Seitenorganen: Blättern und Knospen, Knospen, Sprossen und Blättern untereinander Reiztransmissionen in Betracht kommen 58 H. Fitting, Das eilt auch für eine weitere Beobachtung Vöchtings (1900, 8. 98 ff.), dass bei Oxalis crassicaulis an Stecklingen Wurzeln nur dann gebildet werden, wenn der obere Teil des Stecklings beleuchtet ist. c) Andere Regenerationsvorgänge. Schliesslich wäre hier noch eines weiteren, sehr interessanten Regenera- tionsvorganges zu gedenken, für den es ganz besonders wahrscheinlich ist, dass ausser Ernährungseinflüssen noch andere, bis jetzt nicht näher präzisier- bare Einflüsse an der Auslösung beteiligt sind. Es ist dies die von Hilde- brand entdeckte, von Goebel 1902, S.435 ff. und besonders H. Winkler (1902) näher untersuchte Regeneration der Keimblattspreite bei dem Alpenveilchen (Cyclamen persicum). Wenn man an dem Keimlinge dieser Pflanze die Spreite des Primärblattes abschneidet, so werden wenige (1—2) Millimeter unterhalb der Wundstelle aus den Flügeln des Blattstieles neue Spreiten (event. mit Stiel) regeneriert. Es ist nicht der Wundreiz, der diesen Erfolg zeitigt. Die Regeneration der Spreite tritt nämlich am Stiele auch dann ein, wenn man die alte Spreite nicht abschneidet, sondern durch Eingipsen oder Überziehen mit Schellack oder Kollodium an der Ausübung ihrer Funktionen hindert (Winkler 1902, $. 86 ff... Aus diesen Beobachtungen geht offen- sichtlich hervor, dass hier die Störungen der Innenbeziehungen zwischen Stiel und Spreite durch Aufhebung der Blattfunktionen massgebend für die Auslösung der Regeneration sind. Man vermag sich nicht vorzustellen, wie hier Ernährungseinflüsse in erster Linie bedeutungsvoll sein sollten. Weit näher liegt es, an komplizierte Reizverkettung des Innengetriebes zu denken. Es ist möglich, dass gerade dieses Objekt geeignet wäre, die Fragestellung in dieser Richtung weiter einzuengen. Ganz ähnliche Innenbeziehungen und Störungen von solcher, bei denen Reiztransmissionen und nicht nur Ernährungseinflüsse im Spiele sein dürften, sind zweifellos auch bei vielen sonstigen Regenerationserscheinungen: bei der könnten, entzieht sich vorläufig jeder Beurteilung. Solche Korrelationen sind in grosser Zahl bekannt. Hier einige Beispiele: Durch Entblätterung oder Entgipfelung eines Sprosses werden die für das nächste Jahr bestimmten Knospen veranlasst auszutreiben; die Blattanlagen, die normalerweise zu Knospenschuppen geworden wären, wachsen zu Laubblättern aus (Goebel 1880, S. 803 ff.; weitere Literatur siehe bei Pfeffer 1904, S. 196). Ähnliche Korrelationen bestehen auch zwischen den Blättern ein- und desselben Sprosses (Goeb el 1880, S. 811 ft.). Über Korrelationen zwischen Sporangienausbildung und Sporangienstand bei Selaginella vergl. Goebel 1880, S. 821; über Korrelationen bei habitueller Anisophyllie Goebel 1880, S. 839. Wenn man die Stengelspitze eingipst, so treiben die Seitenknospen aus, jedoch langsamer als nach Dekapitation (Hering 1896, S. 156). Ebenso wird das Hervorbrechen und das Wachs- tum der Nebenwurzeln beschleunigt, wenn man die Spitze der Hauptwurzel eingipst oder das Dickenwachstum der Wurzel hemmt. Bei diesen Korrelationen könnten vielleicht Ernährungs- einflüsse beteiligt sein. Jedoch scheinen nach Jost (1891, 8. 545) Ernährungseinflüsse nicht die Ursache dafür zu sein, dass die Knospen unserer Bäume sich normalerweise erst im Jahre nach ihrer Anlage entfalten. Weitere Korrelationen zwischen Seitenorganen findet man z. B. bei Vöchting 1884 mitgeteilt. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 59 Bestimmung des Ortes und der Beschaffenheit des Regenerates sowie überhaupt bei allen Eingriffen in den Organismus, durch welche seine formative Tätig- keit quantitativ oder qualitativ in abnorme Bahnen gelenkt wird, wesentlich beteiligt (vgl. z. B. auch Nömec 1905, S. 119)'). Es hätte jedoch keinen Zweck, auf die vorliegenden Tatsachen näher einzugehen, da ihre kausale Erklärung noch zu wenig vorangeschritten ist. Nur darauf möchte ich hier hinweisen, dass meiner Meinung nach eine kausale Analyse der Entwicke- lungsvorgänge — der normalen sowohl wie der anormalen — überhaupt nur dann Aussicht auf Erfolg haben kann, wenn die mannigfaltigen, vielfach auf Reizverkettungen beruhenden Wechselbeziehungen näher verfolgt werden, die zwischen den Organen des ganzen einheitlichen Organsystemes lediglich durch die Innenbedingungen, durch die Anlage, Ausbildung und Tätigkeit seiner Glieder, zustande kommen. d) Innere Ausbildung der Organe. Dass solche Wechselbeziehungen nicht nur für die äussere Ausgestaltung, sondern auch für die innere histologische Differenzierung bedeutungsvoll sind, dafür hat Jost (1891, 8. 509 ff.; 1893, S. 89 ff.) ein interessantes Beispiel kennen gelehrt. Er zeigte, dass zwischen dem Blatte und den zu dem Blatte gehörigen Gefässbündeln besondere Korrelationen bestehen. Schneidet man nämlich an einem jugendlichen, im Dunkeln erwachsenen Keimstengel, z B. von Phaseolus multiflorus, ehe die Gewebe ausgebildet sind, ein Blatt ab, so werden die sämtlichen zu dem Blatte gehörenden Gefässbündel im Stengel nicht normal ausgebildet. Sie bleiben dauernd gegenüber den anderen in ihrer Ausbildung zurück. Derselbe Erfolg tritt aber auch dann ein, wenn man das Blatt an der Pflanze lässt und nur die Gefässbündel durchschneidet. Interessanterweise aber erfolgt die Ausbildung der Bündel oberhalb des Schnittes bis zum Blatte hin ganz normal und zwar auch dann, wenn man den Stengelteil, der das Gefässbündel enthält, durch einen Längsschnitt vom übrigen Gewebe des Stengels trennt; nur unterhalb des Schnittes macht sich die Entwickelungshemmung bemerkbar. Aus diesen Versuchen geht offen- sichtlich hervor, dass die Hemmung der Ausbildung nicht durch die Funk- tionsstörung des Gefässbündels: durch die Aufhebung des Nahrungs- und Wasserstromes durch das Bündel zum und vom Blatte, ausgelöst wird (Jost 1891, S. 542), sondern dass es sich um kompliziertere Beziehungen, eventuell auch um besondere Reizverkettungen (Jost 1891, S. 544) handelt. !) Selbstverständlich weisen gerade alle durch solche Eingriffe in das System des Or- ganismus hervorgerufenen Störungen, welche eigenartige Reaktionsvorgänge, wie z. B. Rege- nerationen, auslösen, auf die normalen ungestörten Innenbeziehungen hin, durch welche die formative Tätigkeit des normalen ungestörten Organismus gelenkt wird. Solche Störungen sind meist das einzige Mittel, mit dessen Hilfe sich die normalen Innenbeziehungen er- schliessen lassen. 60 H. Fitting, Besondere Beziehungen zu den Blättern scheinen auch die Tätigkeit des Kambiums zu regulieren, durch die bekanntlich das sekundäre Dicken- wachstum unserer Bäume bewirkt wird. Damit die Zellteilungen im Kambium stattfinden, muss nämlich das Kambium nach Jost (1891, S. 589 ff. und 1893, S. 90) in ununterbrochener Verbindung mit höher am Stengel entspringenden Organen (Blättern) sein, die in Entwickelung begriffen sind. Ohne Wechselbeziehungen besonderer Art dürften ferner die Ausbildung der Verwachsungsgewebe bei Verwachsung von Pfropfreis und Unterlage und die Neubildungen im Reis und in den Geweben der Unterlage, durch die z. B. die Gefässbündel des Reises an die der Unterlage angeschlossen werden, nicht erklärt werden können. Welche Vorgänge es bewirken, dass die Tüpfel benachbarter Zellen stets aufs genaueste korrespondierend ausgebildet werden, sowohl im normalen Gewebe, wie auch zwischen den Zellen des Pfropfreises und der Unterlage (Vöchting 1892, S. 119 u. S. 126) und wenn Thyllen- zellen aufeinanderstossen (vgl. Molisch 1888, S. 10 u. 14; dort auch die weitere Literatur), ist bis jetzt ebensowenig aufgeklärt, wie die Frage, wie die Pflanze es fertig bringt, in nachträglich verwachsenden Zellwänden korre- spondierende Plasmaverbindungen auszubilden (Strasburger 1901, S.583 ff.). 4. Bei Wachstumskorrelationen. Eine weitere wichtige Gruppe von Wechselbeziehungen, die allein durch die Innenbedingungen zustande kommen und bei denen Reiztransmissionen beteiligt sein dürften, geben sich durch Beeinflussungen der Wachstums- intensität wachsender Pflanzenteile kund. Schon an anderer Stelle (S. 38 ff.) wurde von den interessanten Einflüssen gesprochen, welche das Trauma oft weit von der Wundstelle ausübt. Es ist bei den Erfolgen, die dort angeführt wurden, nicht immer leicht, zu entscheiden, ob sie direkt in dem Wundreize als solehem oder in den durch die Wunde gestörten wichtigen Beziehungen zwischen den Organen ihren Anlass finden. Dass wirklich vielfach nicht der Wundreiz das auslösende Moment ist, konnte an verschiedenen Beispielen gezeigt werden. Das dürfte auch für viele jener Fälle gelten (vgl. S. 38 ff.), bei denen durch das Trauma die Wachstumsintensität anderer Organe oder desselben Pflanzenteiles vorübergehend verlangsamt oder beschleunigt wird. In der Tat lassen sich ganz ähnliche Erfolge auch durch anderweitige Störungen der normalen Wechselbeziehungen erreichen, die zwischen den Pflanzenteilen bestehen. So beobachtete z. B. F. Hering (1896, $. 157 ff.), dass infolge Ein- gipsens eines Stengelteiles und dauurch behinderter Wachstumstätigkeit in die Länge und Dicke auch die nicht eingegipsten Teile eine Wachstumshemmung erfahren!). Ferner tritt bei Keimpflanzen nach Eingipsung des Sprosses oder !) Bleibt diese Verlangsamung auf die Zonen desselben Internodiums, von dem ein Stück eingegipst wurde, beschränkt, oder greift sie auch auf andere Internodien uud auf die Blätter über? Darüber finde ich bei Hering keine klaren Angaben. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 61 der Wurzel eine Wachstumsverlangsamung an den nicht eingegipsten Teilen des Systemes (im ersteren Falle an der Wurzel, im letzteren am Sprosse) ein, für die nicht der Sauerstoffmangel der eingegipsten Teile verantwortlich gemacht werden kann (Hering 1896, S. 139 ff.). Gipst man ein Stück der Wurzel ein, das sein Längenwachstum schon abgeschlossen hat und an dem normalerweise Nebenwurzeln hervorwachsen, so wird das Wachstum der Wurzelspitze ver- langsamt; dagegen wird oberhalb des Gipsverbandes das Wachstum der Neben- wurzeln dermassen beschleunigt, dass sie bald an Länge der Hauptwurzel gleichkommen (S. 149 ff.). Aus allen diesen Versuchen wird man schliessen können, dass für den Einfluss eines Organes auf ein anderes weniger sein Vorhandensein als seine Funktion von Bedeutung ist: Wird die normale Funktion gestört, so genügt dieser Eingriff, um auch die normalen Wechsel- beziehungen zu anderen Organen zu stören. Über ähnliche Versuche, bei denen der Erfolg durch Entfernung von Organen erzielt wurde, hat z. B. auch Kny (1894, 1901) sowie Townsend (1897) berichtet. Eine solche korrelative Beeinflussung der Wachstumsintensität kann auch durch andere Einflüsse zustande kommen. Sehr interessant und merkwürdig sind z. B. die Beziehungen, die bei manchen Wasserpflanzen zwischen der Fläche und dem Stiele des Blattes bestehen. Ranunculus sceleratus und Hydro- charis Morsus Ranae u. a. verlängern den Stiel so lange, bis die Blattfläche die Oberfläche des Wassers erreicht hat. Die Lamina muss es irgendwie emp- finden, ob die Oberseite mit Wasser benetzt ist oder nicht (vgl. Frank 1872a, S. 32 ff.;, Karsten 1888, S. 565 ff... Von der Blattfläche dürfte also ein Reiz nach der Wachstumszone des Stieles geleitet werden; doch ist noch völlig unentschieden, ob ein Aussenreiz oder ein Innenreiz die Reiztransmission veranlasst. Ähnliche Verhältnisse scheinen für andere W asserpflanzen Gültig- keit zu haben (vgl. Massart 1894, S.43ff.; Goebel 1891, S. 283 £f., S. 325 £f.). Es wäre denkbar, dass auch bei Landpflanzen ähnliche Beziehungen zwischen den unterirdischen und den oberirdischen Teilen vorhanden sind (vgl. Frank 1872a, S. 72 f£f.). Korrelationen bestehen vielfach auch zwischen der Sprossspitze und der Sprossbasis (vgl. dazu auch die Ausführungen auf $. 38). G. Hering (1904) zeigte, dass Pflanzenteile, die normalerweise senkrecht aufwärts (orthotrop oder parallelotrop gegenüber der Schwererichtung) wachsen, nach Inversstellung (wenn man sie „auf den Kopf stellt“) eine Wachstumshemmung erfahren, dass umgekehrt aber das Wachstum gegenüber der Norm beschleunigt wird, wenn man sie nach einiger Zeit in die Normalstellung zurückbringt. Gibt man nun nach Inversstellung z. B. der Keimpflanzen von Phaseolus multiflorus oder von Ricinus allein der Sprossspitze Gelegenheit durch geotropische Krümmung in die Normallage zurückzukehren, so wird nicht nur in diesem Spitzenteil nach der Rückkehr in die Normallage das Wachstum wesentlich beschleunigt, sondern seltsamerweise auch in dem invers gehaltenen Basal- 62 H. Fitting, teile. Dies ist nur dadurch möglich, dass der Basalteil ‚‚empfindet“, welche Lage die Spitze einnimmt. Ferner tritt in dem Basalteile nach der Invers- stellung die Wachstumshemmung nicht ein, wenn vor dem Beginne des Versuches schon durch eine entsprechende Biegung des Spitzenteiles dafür gesorgt wurde, dass die Keimlingsspitze normal orientiert blieb!) (Hering 1904, S. 536 ff.). Wie bei vielen der anderen mitgeteilten Korrelationen, die durch Innen- bedingungen bewirkt werden, so dürften auch diese Beziehungen, die sich in einer Störung oder auch in einer Unterhaltung des normalen Wachstums äussern, nur verständlich werden, wenn man Reizleitungsvorgänge in Betracht zieht. Überall muss bei diesen Korrelationen die nächste Aufgabe die sein, die Anlässe, durch welche die korrelativren Auslösungen bewirkt werden, näher zu präzisieren. Erst dann wird es möglich sein, ein sicheres Urteil über die Beteiligung vor Reiztransmissionen und über das Wesen der duk- torischen Vorgänge abzugeben. 5. Korrelationen zwischen den Teilen der Zelle. Ohne die Annahme solcher Reizverkettungen bleiben nicht nur viele Korrelationen zwischen verschiedenen Organen unverständlich, sondern ebenso die Beziehungen der Organteile zueinander bis herab zu deren Elementen, den Zellen. Und auch in diesen selbst sind Reizleitungen der mannigfaltigsten Art in kleinstem Raume am harmonischen Zusammenarbeiten aller Teile sicherlich beteiligt. Besonderes Interesse ist von je her denjenigen Wechsel- beziehungen in der Zelle entgegengebracht worden, die zwischen dem Zell- kerne und den übrigen Zellbestandteilen bestehen. Gerade diese Korrelationen boten der Forschung verhältnismässig geringe Schwierigkeiten dar. Auf tier- physiologischem und zoologischem (vgl. z. B. die Arbeiten Grubers, Nuss- baums, Balbianis, Korschelts, Verworns u. a. [Literatur bei Ver- worn 1892]) wie auch auf botanischem Gebiete ist viel und oft über diese Fragen gearbeitet worden, so dass sich nun ein gewisses Urteil darüber ge- winnen lässt, welche Zellfunktionen ohne den Zellkern und welche nur bei seiner Gegenwart möglich sind. Wenn auch nur das dauernde Zusammensein von Plasma und Kern eine stetige Lebenstätigkeit verbürgt, so wissen wir doch durch die bisherigen Forschungen, dass eine grosse Anzahl sehr wichtiger Lebensprozesse im Plasma auch ohne den Kern lange Zeit fortbestehen kann. Der Kern darf also nicht als das zur Lenkung des Lebens- getriebes in der Zelle unbedingt notwendige Zentralorgan angesehen werden (vgl. Klebs 1887, S. 161 ff). So können z. B. kernlose Teilstücke der Zelle (Klebs 1887, 1888) noch wochenlang am Leben bleiben?), sich bewegen 1) Die Versuche scheinen mir freilich nicht völlig einwandfrei zu sein. 2) Kernlose Protoplasten von Konjugaten blieben 6 Wochen am Leben (Klebs 1888, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen, 63 (Pfeffer 1890, S. 279; Hauptfleisch 1892, S. 215)'), event. Pseudopodien bilden (Verworn 1892), in den Chlorophylikörnern am Lichte den Kohlen- stoff der Luftkohlensäure assimilieren (siehe dazu auch Haberlandt 1887, S. 117), Stärke bilden, die gebildete Stärke wieder auflösen und atmen (Klebs 1888, Gerassimoff 1890, S. 548 ff.; Verworn 1892, S. 71; 1904, S. 563 ff.; vgl. auch die Arbeit von Prowazek 1903). Der Kern kann also nicht, wie Loeb (1899) es wollte, das Oxydationsorgan der Zelle sein. Kernlose Plasma- stücke bleiben ferner reizbar, führen Reizbewegungen aus, nehmen Nahrung auf und können kleinere Nahrungsballen auch verdauen (Hofer 1890, S. 162 ff.; Verdauung beobachtete nicht Verworn 1892, S. 30). Sie vermögen weiter eventuell zu wachsen ?), in Bildung begriffene Zellorgane fertig aus- zugestalten (Gruber 1886, S. 14 ff.), (bei Amoeba proteus) neue pulsierende Vakuolen zu bilden (Gruber 1886, Hofer 1390, S. 171 ff.), schliesslich (bei Amöben) auch das zur Vorwärtsbewegung auf dem Substrate nötige Sekret auszuscheiden. Dagegen fehlt solchen Plasmabrocken die Fähigkeit sich zu teilen, zu regenerieren und vor allem neue Zellhaut zu bilden (Klebs 1883, gegen- teilige Behauptungen von Palla 1889, S. 330 ff.; 1890, S. 316 ff. und Acqua 1891, S. 24 wurden von Townsend 1897a widerlegt; vgl. auch Clark 1892)?). Wern man einen Plasmakörper einer Pflanzenzelle plasmo- lysiert, so zieht er sich bekanntlich von der Zellmembran zurück. Nach einiger Zeit bildet er an seiner Peripherie eine neue Zellwand aus Zellulose, aber nur dann, wenn sich in dem Plasma ein Kern befindet oder wenn ein kernfreier Plasmaballen des bei der Plasmolyse oft in mehrere Teile zer- fallenden Protoplasten mit einem kernhaltigen Teile durch ein, auch noch so feines und langes Plasmafädchen in Verbindung bleibt (Townsend 1897 a, S. 487 ff.). Die Zellwandbildung erfolgt auch dann, wenn das kernfreie Stück durch die Zellmembran mittelst eines Plasmafädchens mit der kern- haltigen Nachbarzelle verbunden ist. Stets ist lebende Kontinuität zwischen kernlosem und kernhaltigem Plasma Erfordernis. Berühren sich beide Teile bloss innig, so kommt es nicht zur Ausbildung einer Zellmembran um den kernfreien Ballen (Pfeffer 1896a, S. 508; Townsend 1897a, S. 495). Gerassimoff z.B. 1892), desgleichen solche von Moosen (Klebs 1388, 8. 555 ff... Dagegen gehen kernlose Teilstücke von Siphoneen schnell zugrunde (vergl. z. B. Schmitz 1879, S. 305; Haberlandt 1887, S. 83). Vergl. auch Townsend 1897, S. 505. 1) Auch isolierte Geisseln und Cilien können noch eine zeitlang weiter schlagen (siehe Literatur bei Kolkwitz 1897, S. 185 und bei Pütter, A., Die Flimmerbewegung, in den „Ergebnissen der Physiologie“ 2, 2. Abtlg. 1903. 8, 40. 2) So bei Actinophrys nach Gruber (1886). Nach Klebs 1888, S. 554 ff. wachsen kernlose Plasmateile der untersuchten Pflanzenzellen nicht. 3) Die Angaben über das Wachstum von Zellulosemembranen in kernfreien Zellen (vergl. Gerassimoff z. B. 1892 und Acqua 1891) erscheinen recht wenig begründet. Siehe dazu auch Haberlandt 1889, S. 190 ft. 64 H. Fitting, Bei lebender Kontinuität durch Plasmafäden konnte Townsend noch bis zu 3,7 mm Entfernung vom Kerne Zellwandbildung beobachten (S. 502). Man könnte meinen, der Einfluss des Kernes auf die Zellhautbildung beruhe darin, dass in dem Kerne die zur Wandbildung nötige Substanz gebildet werde. Davon kann aber keine Rede sein. Die Wandbildung unterbleibt nämlich sowohl in der Nähe wie auch in grösserer Entfernung vom Kerne stets gänzlich, wenn man die lebende Kontinuität zwischen Plasma und Kern erst ganz kurze Zeit vor dem voraussichtlichen Beginne der Zellwandbil- dung unterbricht. Aus dieser interessanten Tatsache geht hervor, dass es sich bei dem Einflusse des Kernes auf das Zellplasma nicht nur um die Übermittelung materieller Teilchen handeln kann. Es dürften vom Kerne auch gewisse „Bewegungs- und Schwingungszustände“ (Pfeffer 1896a, S. 508), also Reizleitungsprozesse, ausgehen, die während der Bildung der Zellmembran fortdauern müssen. Ihre Unterbrechung hindert die Zellhautbildung. Diese Überlegungen und Beobachtungen sprechen entschieden gegen eine andere Auffassung, die z. B. Verworn (1892, $. 114) vertritt, wonach die Beziehungen zwischen dem Zellenkerne und dem Protoplasma nur in einem Stoffaustausche bestehen sollen. Dass ein solcher Stoffaustausch vor- handen ist, soll damit natürlich keineswegs geleugnet werden; haben doch, um nur auf sichtbare Vorgänge hinzuweisen, histologische Forschungen ge- lehrt, dass z. B. häufig die Nukleolarsubstanz aus den Kernen in den Plas- makörper übertritt (vgl. z. B. Strasburger 1901, S. 542; v. Derschau 1904, S. 400 ff., hier die weitere Literatur). Dass diese Substanz als Re- servekörper bei der Bildung der Zellmembranen oder „kinoplasmatischer“ Differenzierungen verwendet wird, ist aber bisher durch keinerlei Versuche auch nur wahrscheinlich gemacht worden. Neben diesen Stoffwechselbezie- hungen werden wir vielmehr nach den bisherigen Beobachtungen wie für den Gesamtorganismus so auch für die Organe der Zelle noch andere Bezie- hungen, d. h. Reizleitungsvorgänge, anzunehmen haben), wollen wir in ein Verständnis der Lebensvorgänge eindringen. Lang ist freilich der Weg, der zu diesem Ziele führen wird. Auf die weiteren Fragen von grösster Bedeutung, ob der Kern der alleinige Träger der Vererbung sei (eine Ansicht, die mir durch keinerlei 1) Haberlandt zeigte (1887), dass vielfach die Lage des Zellkernes in der Nähe der Wachstumsstelle der Membran auf eine Beziehung zu dem Membranwachstume hinweist. Doch hat diese Regel viele Ausnahmen (vergl. die Angaben bei Küster 1903 S. 101. Hier weitere Literatur). Auch zeigen die Beobachtungen von Townsend, dass der Kern selbst in weiter Ferne Membranwachstum auslösen kann. 2) Ob die Reiztransmissionen, die z. B. zwischen dem Zellkern und der Plasmamembran bestehen, auf besonders ausgebildeten Bahnen stattfinden, darüber wissen wir gar nichts. Strasburger (1888, S. 181; 1897, S. 383 ff), Miehe (1899, S. 389 ff.) und Nemec (1901 c, S. 146) sind der Meinung, dass vielleicht die Kinoplasmafäden, die oft zwischen Kern und Hautschichte des Plasmas ausgespannt sind, dieser Funktion dienen könnten (vergl. auch Koernicke 1903). Bewiesen ist diese Annahme nicht. PT Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 65 Beobachtungen erwiesen erscheint, siehe z. B. auch Verworn 1892) und in welcher Weise er bei Annahme dieser Hypothese auf das Plasma, dyna- misch oder auch durch Ausstossung bestimmter Teilchen, so einwirkt, dass die spezifische Gestaltung durch die Lebenstätigkeit des Plasmas zustande- kommt, näher einzugehen, würde den Rahmen dieser Abhandlung über- schreiten. Zudem liegen Versuche nicht vor. Abschnitt II. Gründe für eine weitere Verbreitung von Reizleitungsvor- gängen in der Pflanze. Wenn man alle die Reizleitungsvorgänge überblickt, über die ich in dieser Abhandlung berichtet habe, so kann, denke ich, kein Zweifel mehr darüber sein, dass Reiztransmissionen im Pflanzenkörper weit verbreitet und in der verschiedensten Weise an der Lenkung des Lebensgetriebes beteiligt sind. Ein solcher Schluss drängt sich einem auch dann auf, wenn man zunächst nur die Leitungsvorgänge der Aussenreize berücksichtigt, die durch Innenreize bedingten Korrelationen aber ausser acht lässt, bei denen es durch Überlegungen wohl wahrscheinlich gemacht, bis jetzt aber durch Versuche nicht exakt bewiesen werden kann, dass sie durch Reiztrans- missionen zustande kommen. Ich habe mich bemüht, alle bisher sicher festgestellten Transmissionen aufzuführen, die durch Aussenreize bedingt werden; es wäre aber durchaus falsch, . wollte man annehmen, dass mit diesen Fällen die Reizverkettungen im Pflanzenkörper auch nur annäherungs- weise erschöpft seien. Im Gegenteile weist gerade die stattliche Schar duk- torischer Prozesse, die durch die bisherigen Forschungen ermittelt worden sind, darauf hin, dass es nur ein kleinerer Teil aller Reizleitungsvorgänge in der Pflanze ist, der sich uns bisher bemerkbar gemacht hat. In der Tat ist nur wenig Nachdenken dazu nötig, um einzusehen, dass bei sehr vielen Lebensvorgängen auch noch andere Reizverkettungen beteiligt sein müssen, die wir vorläufig nur nicht näher präzisieren können. So waren ja die zahlreichen Fälle von Reizleitungsprozessen der Aussenreize eine wesentliche Stütze für die Annahme, dass auch bei vielen durch Innenreize ausgelösten Korrelationen, welche durch Ernährungseinflüsse allein nicht erklärt werden können, Reiztransmissionen von grosser Bedeutung seien. Ferner sind duktorische Vorgänge z. B. nicht nur bei jenen Reizkrümmungen nötig, bei denen die Reaktion an einem dem Reizanlasse nicht ausgesetzten Organteile eintritt, sondern stets auch dann, wenn die Reaktion an der ge- teizten Stelle selbst erfolgt (vgl. dazu auch Czapek 1898, 8. 180, 8. 216; Fitting 1903, S. 619). Denn viele Reizanlässe, wie z. B. Berührungsreize, Licht, Feuchtigkeit, Gase, gelöste chemische Körper, fliessendes Wasser, die, Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. b) 66 H. Fitting, bei ungleicher Verteilung an den verschiedenen Organseiten, Tropismen aus- lösen, treffen nur die peripherischen Zellen des Organes, während die Reak- tionen von sämtlichen Zellen des ganzen Organquerschnittes ausgeführt werden. Zudem sind diese tropistischen Krümmungen vielfach die Folge der Unterschieds- empfindlichkeit, d. h. der Vergleichung der Intensität, mit welcher der Reizanlass an den verschiedenen Organseiten perzipiert wird. Eine solche Ver- gleichung ist ohne duktorische Prozesse ganz undenkbar. Aber auch dann, wenn jede Zelle des ganzen Organquerschnittes den Reizanlass zu perzipieren vermag, wie es bei der Geoperzeption keineswegs ausgeschlossen ist, können wir der Wechselbeziehungen zwischen den Einzelzellen zum Verständnisse des einheitlichen Zusammenarbeitens aller Zellen bei der Reaktion nicht entraten. Diese Überlegungen gelten übrigens für alle Auslösungsreaktionen. Die Auslösungen werden ohne Annahme der verschiedensten Reiztrans- . missionen nicht verständlich. Aber auch von anderen Erwägungen aus dürfen wir annehmen, dass Reizleitungen viel allgemeiner bei den Pflanzen vorkommen und viel zahl- reicher sind, als wir heute wissen. Diejenigen Reizleitungsprozesse nämlich, die wir bisher auffinden konnten, sind mit ganz wenigen Ausnahmen solche, die in den Dienst ganz bestimmter, als Anpassungen erworben zu denkender Reaktionen des Pflanzenorganismus gestellt sind, von solchen Anpassungen, die darauf abzielen, die normale Funktionstüchtigkeit des Organismus oder eines seiner Teile beim Wechsel der Aussenbedingungen so schnell, als es für die Pflanze nötig ist, wieder herzustellen, oder von solchen, die der Pflanze sonst zum gedeihlichen Leben erforderlich und dienlich sind. Alle die anderen Reiztransmissionen aber, die mit solchen Anpassungen nicht verkettet sind und auffällige Reaktionen nicht auslösen — und dies ist vielleicht die Mehrzahl! — sehen wir nicht; oder es bedarf doch besonders glücklicher Konstellationen, um auch nur auf einige von ihnen aufmerksam zu werden. So ist es mit den Beeinflussungen mancher Lebensvorgänge durch Wundreiz und so ist es auch mit den duktorischen Vorgängen, die bei den einseitig reaktiousfähigen Ranken nach Reizung der Rankenoberseite die durch Reizung der Unterseite angestrebte haptotropische Reaktion hemmen (Fitting 1902, 8. 373 fi.; 1903, S. Bhatk., 8. 622 ff.). Gerade diese Fälle sind von besonderem Interesse, weil sie uns auf ein ganzes Heer von Reizleitungsprozessen hinweisen, die im Pflanzenkörper statt- finden, ohne sich selbst durch die Auslösung direkt sichtbarer Reaktionen zu verraten. In der Tat kann man sehr wohl die Frage aufwerfen, ob nicht jede durch Perzeption eines Reizanlasses ausgelöste Erregung sich im Plasma von der gereizten Stelle durch einen kleineren oder grösseren Teil der Pflanze fortpflanzt. Wo im Pflanzenkörper Reizleitungen in den Dienst von auffälligen Anpassungsreaktionen gestellt wurden, da liesse sich diese Tatsache leichter verstehen mit der Annahme, dass schon bestehende Reiz- Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 67 leitungen in besonderer Weise weiter ausgebildet wurden, als mit der Auf- fassung, dass solche Reiztransmissionen jedesmal erst neu geschaffen werden mussten. Die Frage, ob nicht jede durch einen Aussenreiz perzipierte lokale Er- regung sich durch einen grösseren Teil der Pflanzen fortpflanzt, steht in engstem Zusammenhange mit einer anderen Frage, die ebenso wie jene nur theoretische, aber keine praktische Bedeutung hat, ob nämlich die Perzeptions- fähigkeit bei den Pflanzen in jenen Fällen, wo man eine völlige Trennung der Perzeptionszone und der Reaktionszone glaubte nachweisen zu können, tat- sächlich auf die Zellen der sensorischen Zone beschränkt ist. Eine solche völlige Trennung der sensorischen und der motorischen Zone ist ja, wie wir gesehen haben, bisher nur in verhältnismässig wenigen Fällen erwiesen worden. Die Droseratentakeln, die Keimlinge einiger Gräser aus der Gruppe der Pani- ceen, die Wurzelspitze (nur für ganz wenige Reizanlässe), schliesslich die Blüten einiger Orchideen sind Beispiele dafür. Bei den meisten Reizvorgängen, bei denen Transmissionen von Aussenreizen beteiligt sind, ist dagegen die Reaktionszone auch selbst empfindlich. Was wir von denjenigen Reizprozessen, bei denen die Perzeptions- und Reaktionszone getrennt sind, wissen, ist ja zunächst weiter nichts, als das, dass zur Einleitung der Reaktion die Transmission eines Impulses von der Perzeptions- zone nach der Reaktionszone nötig ist. Aus dieser Tatsache darf aber nicht ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass die Zellen in der Reaktionszone die Fähigkeit nicht besitzen, den Reizanlass zu perzipieren. Es geht aus ihr viel- mehr nur soviel hervor, dass die Erregung der Zellen in der motorischen Zone, falls sie den Reiz perzipieren, nicht imstande ist, die Reaktion zu veranlassen. Warum es einer Zuleitung des Impulses von anderer Stelle bedarf, darüber wissen wir freilich nichts. Es gibt in der Tat einige Tatsachen, die es durchaus nicht unwahr- scheinlich machen, dass die Zellen in der Reaktionszone auch bei völliger Trennung der „Perzeptionszone“ und der motorischen Zone den -Reiz zu perzipieren vermögen, wenn auch die Perzeption dieser Zellen eine Reaktion nicht nach sich zieht. Ein Indizienbeweis dafür ist zunächst in dem Verhalten der einseitig krümmungsfähigen Ranken gegeben, die man früher für einseitig empfindlich hielt, bis es gelang zu zeigen (Fitting 1902, S. 373 ff.; 1908, S. 553 ff.), dass auch die Zellen auf den bisher als unempfindlich geltenden Seiten eine nicht geringere Kontaktempfindlichkeit als die Unterseite besitzen, obwohl durch die Perzeption auf diesen Seiten eine Kontaktkrümmung nicht ausgelöst werden kann. Aber auch folgende Erwägungen sind einer solchen Annahme günstig. Die meisten Pflanzenteile pflegen neben derjenigen be- sonders augenfälligen Reaktion gegen einen Reizanlass, für die sich hat nach- weisen lassen, dass sie nur durch Zuleitung eines Impulses von der „Per- zeptionszone“ eintritt, auch noch andere Reaktionsbefähigungen gegen den- 5* 68 H. Fitting, selben Reizanlass zu besitzen, für die es bisher nicht bewiesen, ja sogar wenig wahrscheinlich ist, dass sie ebenfalls durch eine Transmission des Reizes von der „Perzeptionszone‘“ ausgelöst werden. So wird z. B., um nur ein Beispiel zu nennen, in belichteten Pflanzenteilen das Wachstum gehemmt, in verdunkelten beschleunigt. Ob bei denjenigen Graskeimlingen aus der Gruppe der Paniceen, bei denen für die phototropische Empfindlichkeit die Perzeptionszone und die Reaktionszone nach den Beobachtungen Rotherts völlig getrennt sind, eine solche Trennung auch für die Beeinflussung der Wachstumsintensität durch den Lichtreiz gilt, scheint doch recht zweifelhaft. Jedenfalls liegen bisher keine Versuche darüber vor, ob das Wachstum im hypokotylen Gliede durch alleinige Beleuchtung oder Verdunkelung der Spitze ebenso beeinflusst wird wie durch Beleuchtung oder Verdunkelung des ganzen Keimlings, und ob Belichtung des Keimlings mit Ausnahme der Spitze einen anderen Erfolg hat als Beleuchtung der Spitze allein. Einige Versuche, die ich in dieser Richtung angestellt habe, sind bisher leider noch nicht ent- scheidend ausgefallen. Doch werde ich diese Fragen, die wegen ihrer theo- retischen Bedeutung nicht ohne Interesse sind, weiter verfolgen, sobald es moine Zeit mir erlaubt. Ferner wäre es nach Analogie mit den Ranken sehr wohl denkbar, dass die phototropische Reaktion, die durch alleinige einseitige Beleuchtung der Keimlingsspitze in dem hypokotylen Gliede eintritt, mit ge- ringerer Intensität als gewöhnlich erfolgt, wenn man das hypokotyle Glied nicht verdunkelt, sondern allseitig mit derselben Lichtintensität beleuchtet, mit der die Spitze einseitig beleuchtet ist. Auch darüber fehlen uns leider die Erfahrungen völlig. Sollten die angedeuteten Versuche positiven Erfolg haben, so würden sie beweisen, dass auch die Zellen in der Reaktionszone eine Perzeptions- befähigung für das Licht besitzen. Selbstverständlich läge keinerlei Grund vor, anzunehmen, dass diese Perzeption in anderer Weise erfolge als in der sog. „Perzeptionszone“. Es bliebe alsdann die weitere Frage zu lösen, weshalb für einige, aber nicht für alle Reaktionsbefähigungen gegenüber ein- und demselben Reizanlasse eine Trennung der sensorischen und der mo- torischen Zone durchgeführt wurde und wie es kommt, dass in diesen Fällen nur die indirekte, aber nicht die direkte Erregung der motorischer Zone eine Reaktion zur Folge hat. Die Notwendigkeit eines von anderer Stelle zuge- leiteten Impulses trotz ungeschwächten Perzeptionsvermögens der Reaktionszone wäre jedenfalls ebenso wie die Reaktion selbst als eine Anpassungserschei- nung anzusehen. Ich halte einen positiven Ausfall solcher Versuche für sehr wohl möglich, weil ich glauben möchte, dass die Erregbarkeit durch Reize, falls nur die Bedingungen für die Perzeption erfüllt sind, eine der Haupteigenschaften jedes so wenig differenzierten Plasmas ist, wie wir es in den Pflanzenzellen ohne Ausnahme vor uns haben. Stimmt man aber dieser Ansicht zu, so wird man kaum umhin können, auch die Folgerung mit mir Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 69 für wahrscheinlich zu halten, dass jede Erregung eines Plasmakörpers nicht auf die Perzeptionszelle beschränkt bleibt, sondern sich in ihm ausbreitet und sich auch über eine grössere oder kleinere Strecke in andere Zellen fort- pflanzt, falls nur für lebende Brücken zwischen ihnen gesorgtist. Diese Folgerung hätte aber, da solche lebende Brücken, wie ich weiter zeigen werde, bei den höheren Pflanzen zwischen allen Zellen bestehen, die Annahme der weitesten Verbreitung von Reiztransmissionen bei den Pflanzen zur Folge, von Reiz- leitungsvorgängen, die zum Teil sichtbare Reizreaktionen nach sich ziehen, zum Teil aber auch solche nicht auslösen. Vielleicht gelingt es noch einmal, auch die duktorischen Prozesse der letzteren Art durch Auffindung der un- sichtbaren Prozesse zu erschliessen, von denen sie begleitet sind und die sie veranlassen. Es schien mir nicht unzweckmässig, die Frage nach der allgemeinen Verbreitung der Reizleitungen und der Perzeption für Reize bei den Pflanzen hier von z. T. neuen theoretischen Gesichtspunkten aus zu behandeln, da auch in tierphysiologischen Kreisen Stimmen laut geworden sind, die sich eben alls für eine Perzeption der Reizanlässe, z. B. des Lichtes, ausserhalb der- spezifischen Sinnesorgane aussprechen (vgl. z. B. Nagel 1896). Sollten die theoretischen Betrachtungen, die ich auf den letzten Seiten angestellt habe, in der Folgezeit durch die Erfahrung Bestätigung finden oder nicht —, so genügen doch schon die bisher ermittelten Reizleitungsvorgänge, um die Auffassung fest zu begründen, dass die Organe der Pflanze ebenso wie beim Tier nicht nur in morphologischen Verbande miteinander stehen, sondern auch physiologisch zu einer in sich geschlossenen Lebenseinheit ver- einigt sind, zu einem einheitlichen Systeme, dessen Getriebe im Ganzen oder in allen oder in vielen seiner Teile durch jede Änderung auch nur an einem einzigen seiner Organe in der verschiedensten Weise gestört und beeinflusst wird. Nur diese Auffassung, die in der Deszendenzlehre ihre festeste Stütze findet, befähigt uns, das Lebensgetriebe der Pflanze in seinem ganzen Umfange zu begreifen. Sie ist heuristisch noch für lange Zeiten eines der wertvollsten Prinzipien der pflanzlichen Reiz- und Entwickelungsphysiologie. Für jeden einzelnen Reizleitungsvorgang, der bei der Pflanze mit Sicher- heit nachgewiesen werden konnte, ist nun selbstverständlich die wichtige Frage aufzuwerfen, ‚wie er zustande kommt und ob und in welcher Weise lebende Elemente an der Leitung beteiligt sind. Die Tatsachen, die bei den Pflanzen bisher über den Ablauf und über das Wesen der Reizleitungsprozesse ermittelt worden sind, sollen Gegenstand des zweiten Teiles meiner Abhandlung sein. 11. Teil. Der Ablauf der Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. Abschnitt IV. Die Reizleitungsbahnen bei den Pflanzen. 1. Allgemeines. Im ersten Teile meiner Abhandlung habe ich versucht, aus der grossen Zahl der Korrelationen, die zwischen den Organen oder Organkomplexen der Pflanze bestehen, diejenigen nach dem Stande unserer heutigen Kenntnisse herauszugreifen, die auf besonders nahe und innige Beziehungen zwischen den Pflanzenteilen hinweisen, mit anderen Worten diejenigen Wechselbezie- hungen zusammenzustellen, von denen man in Anlehnung an die Termino- logie der Tierphysiologen zu sagen pflegt, dass sie durch Reizleitungs- vorgänge vermittelt werden, ohne diesen Begriff zunächst genauer bestimmen zu können. Dazu gehörten in erster Linie diejenigen durch Aussenreize ausgelösten korrelativen Wirkungen eines (perzipierenden) Organes auf ein anderes (reagierendes Organ), bei denen es so aussieht, als ob die Reaktion des letzteren die Folge einer direkten Reizung durch den Aussenreiz und nicht, wie es doch tatsächlich der Fall ist, einer in direkten Reizung (näm- lich des Perzeptionsorganes) sei. Diesen Korrelationen konnte man, dem Vor- gange Pfeffers (1381, 1904) folgend, eine ganze Anzahl weiterer, aber auf Innenreizen beruhender Korrelationen anschliessen, bei denen die Bezieh- ungen nicht weniger innig zu sein scheinen. Der Übersicht über die Verbreitung solcher, vorläufig als Reiztrans- missionen bezeichneter Vorgänge bei den Pflanzen muss nun notwendiger- weise eine Zusammenstellung der Forschungsergebnisse über den Ablauf und das Wesen dieser so verschiedenartigen Prozesse folgen. Denn es gilt, eine genauere Üharakterisierung dieser Vorgänge zu versuchen und ein Urteil darüber zu gewinnen, ob es wirklich berechtigt ist, für alle die erwähnten Korrelationen eine Vermittelung durch ähnliche Vorgänge in den lebenden Zellen anzunehmen, wie sie in der Tierphysiologie unter den Begriff „Reiz- transmission“ fallen, und ob in der Tat auch in diesen engen Wechselbezie- hungen, die in erster Linie das Individuum zu einem Organismus, d. h. einer physiologischen Einheit, machen, zwischen Pflanze und Tier eine so weit- gehende Übereinstimmung besteht, wie ich in der Einleitung behauptet habe. Der erste Schritt, den man tun muss, um eine Einsicht in die Reiz- leitungsvorgänge zu gewinnen, ist die Ermittelung der Reizleitungsbahnen. Überblickt man alle die Fälle von Reiztransmissionen, die bei den Pflanzen entweder mit Sicherheit erwiesen oder doch mit Wahrscheinlichkeit anzu- nehmen sind, so kann man sich in Anbetracht der Mannigfaltigkeit dieser zu "u Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. vol Beziehungen zwischen ganz verschiedenen Organen von vornherein dem Ge- danken nicht verschliessen, dass möglicherweise recht verschiedene Wege be- stehen, auf denen sie vermittelt werden, und dass auch ihr Wesen recht ver- schiedenartig ist. Unter diesen Umständen wird man für jeden einzelnen Fall eingehend prüfen müssen, ob die „Reiztransmission* überhaupt durch Vermittelung lebender Zellen zustandekommt. Nur in diesem Falle würde man ja, wie gesagt, bei Tieren von Reizleitung sprechen. 2. Die möglichen Bahnen der Reizleitungen bei den Pflanzen. A. Lebende Bahnen. a) Plasmaverbindungen (Plasmodesmen). Da nun bekanntlich besondere, den Nerven der Tiere entsprechende Reizleitungsbahnen bei den Pflanzen nicht vorhanden sind und ausserdem die Pflanzenzellen durch tote Zellmembranen voneinander getrennt sind, so entsteht die wichtige Vorfrage, ob denn bei den Pflanzen eine Reizleitung durch die aktive Tätigkeit lebender Zellen überhaupt möglich ist. Viele der Reizleitungserscheinungen, über die ich im ersten Teile meiner Abhandlung berichtet habe, machen eine solche Annahme wenn auch nicht notwendig, so doch von vornherein recht wahrscheinlich. In der Tat haben denn auch genaue histologische Forschungen gezeigt, dass die einzelnen Plasmakörper der Pflanzenzellen durch die oft recht dieken Zellulosemembranen nicht völlig voneinander isoliert sind, sondern dass sie durch äussert feine, die Zellhäute durchsetzende Plasmafädehen, die sogenannten Plasmaverbindungen oder Plasımodesmen (dieser Name von Strasburger 1901, S. 503, eingeführt), mit- einander in lebender Verbindung stehen (Fig. 10). Während man anfangs, nach der Entdeckung solcher Plasmodesmen zwischen den Endospermzellen einiger Samen durch Tangl] (1880), die Plasmaverbindungen für eine seltene Aus- nahmeerscheinung glaubte ansehen zu müssen, dürfen wir doch jetzt dank den Forschungen namentlich von Tangl (1880, 1884), Gardiner (1883, 1884), Russow (1883), Moore (1886), Kienitz-Gerloff (1891, 1902), A. Meyer (z. B. 1897), Kuhla (1900) und Strasburger (z. B. 1901) annehmen, dass alle lebenden Zellen des ganzen Pflanzenindividuums durch solche feinste Plasmabrücken zu einer Lebenseinheit verbunden sind. Diese Plasmaverbindungen sind meist so fein und zart, dass ihr Nach- weis zu den schwierigsten Aufgaben der Pflanzenhistologie gehört!). Es ist 1) Über die Methoden zum Nachweis der Plasmaverbindungen orientiert A. Meyer (1897). Zur Fixierung der Plasmodesmen eignet sich vorzüglich 1° Osmiumsäure. Hierauf pflegt man die Zellmembranen durch 25 - 50°/o Schwefelsäure zur Quellung zu bringen und die Plasma- fäden, am besten nach vorhergehender Beizung mit Jod, mit entsprechenden Farbstoffen zu färben. Nach der von A. Meyer angegebenen Methode (vergl. auch Kuhla 1900, S. 30) ver- fährt man bei unverholzten Zellwänden am besten so, dass man das lebende Material mit 1°/ Osmiumsäure fixiert, hierauf die Schnitte nach dem Auswaschen 5 Minuten mit Jodjod- 72 H. Fitting, deshalb bisher nur bei besonders günstigen Objekten (z. B. Viscum album Kuhla 1900, .Pinus silvestris und Pinea Hill 1901, S. 83 ff.) gelungen, ihre Allverbreitung zwischen den lebenden Zellen durch Untersuchung aller vor- kommenden Zellenformen und -gewebe nachzuweisen. Sind schon mit dieser Feststellung bei den meisten Pflanzen sehr grosse Schwierigkeiten verbunden, so erhöhen sie sich noch bedeutend, wenn es gilt, die zahlenmässige Verteilung der Plasmodesmen in den verschiedenen Zell- wänden einer und derselben Zelle und in den verschiedenen Geweben zu be- urteilen und zu ermitteln, ob sie überall denselben Querdurchmesser haben IT, Ze nn | \ m Y Fig. 10. Querschnitt durch eine Rindenparenchymzelle von Viscum album. c, d gefelderte Tüpfel mit Plasmaverbindungen quer geschnitten; bei «a, b die Plasmaverbindungen von der Fläche gesehen. Nach Kuhla 1900, Taf. Ill, Fig. 3. oder ob ihre Dicke Variationen unterworfen ist. Damit hängt es zusammen, dass wir über diese Verhältnisse fast gar nicht unterrichtet sind. Genauere Untersuchungen würden gerade mit Rücksicht auf manche Reizleitungsvor- gänge von grosser Wichtigkeit sein können: wenn wir genauer über die Ver- teilung, die Zahl und die Dicke der Plasmodesmen unterrichtet wären, SO kalium (Jodjodkalium 1, Jod 1, Wasser 200) behandelt, dann seitlich an das Deckglas 25 °o Schwefelsäure, die mit pulverisiertem Jod versetzt ist, zufügt. Um möglichst wenig Membran- färbung zu erhalten, empfiehlt es sich, das Jodjodkalium möglichst vollständig von den Schnitten abzusaugen. Diese kommen dann in eine Mischung von 1 Tropfen 25/0, mit Jod versetzte, Schwefelsäure und 1 Tropfen einer Pyoktanin(Merck)-lösung in Wasser (1: 30), worin sie höchstens 5 Minuten bleiben. Zu dem in einem grossen Uhrglase befindlichen Gemisch wird hierauf viel Wasser gegeben, alsdann die Schnitte in Glycerin eingelegt. Diese Methode lässt die Plasmaverbindungen in schwarzblauer Färbung, wie ich mich selbst überzeugt habe, sehr gut hervortreten. Zum Nachweis der Plasmaverbindungen in verholzten Membranen eignet sie sich indessen nicht. Geeignete Vorschriften dafür findet man bei Kuhla 1900 (8. 30). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. id würden uns vielleicht manche Beobachtungen über ungleich schnelle oder über- haupt ungleiche Reizausbreitung, über die im nächsten Abschnitte berichtet werden soll, leichter als es bisher der Fall ist, verständlich werden. Vielfach gibt die Grösse und die Verteilung der Tüpfel in den Zell- membranen einen Anhalt für die Beurteilung der Verteilung der Plasmaver- bindungen, da die Plasmodesmen im Falle der Tüpfelung der Zellhaut nur in den Schliesshäuten der Tüpfel — aber aller Tüpfel — ausgebildet zu sein oder doch (vergl. Tangl 1880, Gardiner 1883 und Kohl 1900a) in ihnen besonders zahlreich (oft mehr als 20) vorzukommen pflegen. Aber auch die nicht getüpfelten Zellmembranen werden von Plasmodesmen durchsetzt. Von Interesse ist der Nachweis von Kuhla (1900), dass bei der Mistel (Viscum) die langgestreckten Zellen die reichste Tüpfelung und damit die meisten Plasmaverbindungen auf denjenigen Querwänden besitzen, die senk- recht zur längsten Achse der Zellen orientiert sind, so dass also in der Längsrichtung dieser Zellen die Kommunikation besonders innig ist; sowie ferner, dass die Dicke der Plasmaverbindungen in allen Zellen von Viseum im wesentlichen gleich ist. Beachtenswert ist auch die Angabe von Hill (1901, S. 119), dass bei Pinus die Plasmodesmen in besonders grosser Zahl die radialen Zellwände des Stengels durchziehen. Selbstverständlich aber ist es nicht angängig, diese Beobachtungen zu verallgemeinern. Wenn also auch alle lebenden Zellen eines Individuums durch sehr zahlreiche, feinste, homogene!) Plasmafädchen verbunden zu sein scheinen, so darf man doch nicht ohne weiteres annehmen, dass etwa alle Zellhäute, die lebendes Plasma trennen, von Plasmodesmen durchsetzt würden. So beob- achtete schon Kuhla (1900, 8.45), dass die Plasmaverbindungen bei Viscum zwischen den sogenannten Siebröhren (vergl. weiter unten) und den soge- nannten Kambiformzellen ziemlich spärlich sind, und Hill (1901, S. 110), dass sie bei Pinus silvestris zwischen Siebröhren und Bastparenchym- oder stärke- haltigen Markstrahlzellen völlig fehlen. Von ganz besonderem Interesse ist in dieser Hinsicht aber die Angabe von Rumpf (1904, 8. 25), dass es ihm und A. Meyer bei Pflanzen aus ganz verschiedenen Gruppen des Systems nicht gelungen sei, in den Zellwänden der Wurzelendodermis, d. h. desjenigen aus einer Zellenschichte bestehenden Hohlzylinders, der die Rinde von dem Gefässbündelzylinder trennt, irgendwelche Plasmodesmen nachzuweisen, auch nicht in denjenigen Zellmembranen, welche die Endodermiszellen gegen die Rinden- und Zentralzylinderzellen abgrenzen. Sollten diese Beobachtungen Be- stätigung finden ?), so würde aus ihnen hervorgehen, dass in der Wurzel eine 1!) Für unseren Zweck hat es kein besonderes Interesse, weiter darauf einzugehen, dass z. B. von Strasburger 1901, S. 569 die Vorstellung vertreten wird, „dass die von den angrenzenden Zellen entsandten Plasmodesnien nicht eine Einheit darstellen, vielmehr inner- halb der Mittellamelle mit ihren Enden nur aufeinander stossen und dort sich innig vereinigen.“ 2) die nach der Auffindung von Plasmaverbindungen in der Endodermis unterirdischer Monokotylen-Sprossachsen (Paris quadrifolia) durch Heinr. Müller (1906, S. 68) doppelt wünschenswert wäre, 74 HA. Fitting, direkte lebende Kommunikation zwischen den Zellen der Rinde und denen des Gefässbündelzylinders nicht besteht, beide Gewebesysteme vielmehr dureh die Endodermis streng isoliert sind. Weiteren Untersuchungen bleibt es vorbehalten, festzustellen, ob Ähnliches etwa auch für andere Gewebe- systeme gilt!). Bei der Mistel sind aber nach Kuhla im Stamme die Zellen aller Gewebe untereinander durch Plasmafäden verbunden. Andererseits muss auf die sehr beachtenswerte Tatsache hingewiesen werden, dass Plasmodesmen nachträglich in Zellmembranen ausgebildet werden können, in denen sie zunächst fehlen (vergl. dazu z. B. Strasburger 1901, S. 506 ff... Ja sogar zwischen den Zellen des Pfropfreises und der Unterlage werden bei der Verwachsung nachträglich Plasmaverbindungen hergestellt?), wie Strasburger (1901, S. 583 ff.) bei der Piropfung von Abies nobilis auf Abies pectinata und Picea pungens auf Picea excelsa fand, nachdem bereits früher Vöchting (1892, S. 119) ermittelt hatte, dass in den miteinander verwachsenden Zellhäuten der beiden Symbionten korrespon- dierende Tüpfel ausgebildet werden, die ihn Plasmodesmen vermuten liessen. Durch solche Plasmodesmen, die sich bei höheren und bei niederen Pflanzen in gleicher Weise finden und die oft Hunderte von Brücken zwischen den benachbarten Zellen bilden, ist bei den Pflanzen Gelegenheit zur Leitung von Reizen auf lebenden Bahnen gegeben. Es kann auch keine Frage sein, dass viele Reize im Pflanzenkörper mit ihrer Vermittelung geleitet werden, sei es nun, dass die Reizleitung rein dynamisch oder durch chemische Umsetzungen oder durch Übertritt von Stoffen erfolgt. Dass die Plasmaverbindungen in erster Linie die Funktion der Reizübertragung haben, darüber hat bei den Forschern, die sich mit ihnen beschäftigt haben, denn auch niemals ein Zweifel obgewaltet (vergl. ausser der oben zitierten Literatur z. B. auch Klebs 1884). Nur darüber sind Meinungsverschiedenuheiten entstanden, ob den Plasmo- desmen auch noch andere Funktionen, namentlich die, den Stofftransport zu erleichtern, zugeschrieben werden dürfen. Die ausserordentliche Feinheit der Fäden scheint darauf hinzuweisen, wie meist, mit Recht, geltend gemacht wird, dass sie dafür im allgemeinen wohl nur wenig Bedeutung haben (vergl. dazu auch Pfeffer 1897, S. 97). Für die Auffassung der Plasmodesmen als Reizüberträger ist es wichtig, dass bei einer ganzen Anzahl jener Fälle, wo von der Perzeptionszone ein Reiz auf andere Organteile übermittelt wird, der Nachweis von Plasmodesmen zwischen den lebenden Zellen noch besonders erbracht worden ist, so z. B. für das Gelenkpolster von Mimosa (Gardiner 1884, S. 65 ff.), für das Parenchym der Ranken (Pfeffer 1885, S. 524), für die Blätter von Dionaea 1) Haberlandt (1890, S. 25) bestreitet das Vorkommen von Plasmodesmen zwischen den „Reizleitungszellen“ (vgl. weiter unten) und dem Kollenchym bei Mimosa. Kienitz-Gerloff (1891, S. 25) fand aber auch hier Plasmodesmen. 2) Vergl. dazu im ersten Teile meiner Abhandlung S. 53. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 75 (Gardiner 1884, S. 67 und Macfarlane 1892) und Aldrovanda (Haber- landt 1901b, S. 106), für die Staubfäden von Berberis (ebenda S. 30) und Centaurea Jacea (Kienitz-Gerloff 1902, S. 107), schliesslich für die Wurzel- spitze (Czapek 1898, S. 218 und Hill 1901, S. 103). Doch machte schon Gardiner (1884, S. 65 ff., vergl. auch Kienitz-Gerloff 1902, S. 107) dar- auf aufmerksam, dass es in den reizbaren Pflanzenteilen nicht mehr Plasma- verbindungen gibt als in den nicht reizbaren. Das Gegenteil behauptet nur Hill für die Wurzelspitze. So viel Wahrscheinlichkeit auch, schon von allgemeinen physiologischen Erwägungen aus (vergl. Pfeffer 1897, S. 97), von vornherein der Gedanke hat, dass die Plasmodesmen als Reizüberträger das harmonische Zusammenwirken aller Glieder der Pflanze zu erzielen und zu erhalten haben, so schwer ist es doch, den exakten Nachweis dafür im allgemeinen oder für besondere Fälle durch direkte Versuche zu erbringen. Er ist denn auch bisher nicht ge- lungen. Entsprechende Versuche von Strasburger (1901, S. 577 ff), in denen mit Salpeterlösung plasmolysierte (zur Zerreissung der Plasmodesmen) und dann wieder turgeszent gemachte Wurzeln und Sprosse sich nicht mehr geotropisch krümmten, beweisen für die Funktion der Plasmodesmen als „Reizleitungsorgane“ deshalb nichts, weil das Ausbleiben der Reizreaktion sehr wohl mit einer allgemeinen Schädigung der Plasmakörper durch die Plasmolyse in Verbindung stehen kann. Aber auch ohnedies werden wir auf jeden Fall an der Möglichkeit fest- halten müssen, dass mittelst der Plasmodesmen Reize auf lebender Bahn von einer Zelle zu allen anderen in ähnlicher Weise wie beim Tier geleitet wer- den können. Nur würde die Frage entstehen, ob sich darauf die Ähnlichkeit in der Reiztransmission zwischen Pflanze und Tier beschränkt, ob alle leben- den Zellen des Pflanzenkörpers in gleicher Weise und mit gleicher Schnellig- keit befähigt sind, Reize zu leiten, oder ob nicht vielleicht wie beim Tiere manche der lebenden Zellen, besondere Zellenzüge, deren Elemente sich etwa durch langgestreckte Form von den übrigen Zellen unterscheiden, in beson- derem Masse zur Reizleitung geeignet sind, so dass wir diese Zellstränge den Nerven der Tiere vergleichen könnten? Diese Frage liegt deshalb nahe, weil wir im Körper der höheren Pflanzen solche Zellstränge, die sich gegen das übrige Gewebe scharf abheben, überall finden. Es sind die Gefässbündelstränge. Sie bestehen aus lebenden und toten Zellelementen und dienen vornehmlich der Leitung von Wasser und anderen Nahrungsstoffen. Die toten, miteinander in offener Kommunikation stehen- den Elemente, deren Wände verholzt sind, die sogenannten Gefässe, leiten das Wasser samt den Nährsalzen aus der Wurzel in die Blätter; die leben- den Elemente transportieren namentlich die organischen Baustoffe, die in der Pflanze selbst gebildet werden, die Kohlenhydrate und Eiweissstoffe, Alle Zellen, welche die Gefässbündel zusammensetzen, sind in der Leitungsrich- 76 H. Fitting, tung, d. h. parallel zur Längsachse der Pflanze, beträchtlich in die Länge gestreckt. b) Siebröhren. Unter den lebenden Zellen der Gefässbündel fallen besondere Zellenzüge auf, die sich von den übrigen, zwischen die sie eingestreut sind, sowohl durch Cucurbita Pepo. Verbin- dungsstellen von Sieb- röhrengliedern in Flä- chenansicht, die Durch- bohrung der Querwände zeigend. In den beiden Abbildungen rechts sind die Zellhäute (links mit h, h’ bezeichnet) der Siebröhre durch Schwe- felsäure aufgelöst wor- den. s Der schleimige Inhalt der Siebröhre, o und « Anhäufung des- selben auf der Ober- und Unterseite der Quer- wand; p die Plasma- und Schleimstränge, welche diese Anhäu- fungen verbinden und die Poren der Siebplat- ten ausfüllen. Aus Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysio- logie. Il. Aufl. Leipzig 1887, S. 147. durch ihre Gestalt nicht unwesentlich unterscheiden: die oft mit Eiweissstoffen angefüllten Siebröhren, die ebenfalls aus langgestreckten Zellen zusammengesetzt sind. Die Plasmaleiber dieser Zellen kommunizieren meist nicht nur durch die feinen Plasmodesmen, welche die Zellwände der übrigen leben- den Zellen durchsetzen. Die Querwände, welche die einzelnen Zellen, die „Siebröhrenglieder“ trennen, sind vielmehr in der Regel mit einer Menge grösserer Poren, ihren Inhalt als namentlich die sich leicht sichtbar machen lassen, wie ein Sieb durchlöchert. Plasmakörper der Siebröhrenglieder miteinander in offener Kommunikation (vergl. Fig. 11), so dass ein solcher Zellen- strang, eine solche Siebröhre, die sich von der Wurzel bis zum Sprossgipfel hinziehen kann, eine geschlossenere lebende Einheit bildet als die übrigen lebenden Zellen. Die Funktion dieser auffälligen lebenden Zelien- stränge, mit der sich viele Forscher beschäftigt haben, ist noch immer nicht völlig aufgeklärt. Doch nimmt man allgemein an, dass die Siebröhren der Leitung der plastischen Eiweissstoffe dienen, die man denn in den Siebröhren vielfach (doch nicht bei allen höheren Ge- wächsen !) in Menge findet. Aber auch andere Hypo- thesen sind ausgesprochen worden. So meinte z. B. Hanstein (1880, 8. 296), die Siebröhren dürften wohl in erster Linie der Reizleitung dienen und den Nerven der Tiere zu vergleichen sein. Doch vermochte er diese Idee durch keinerlei Beobachtungen auch nur wahrschein- . lich zu machen. Jedenfalls aber muss man vorläufig mit der Möglichkeit rechnen, dass bei den Pflanzen eine Reizleitung in der Längsrichtung besser in den langge- streckten Zellen der Gefässbündel, im besonderen der Siebröhren, vor sich geht als in den übrigen lebenden Zellen, womit auch die Beobachtung von Kuhla, die oben schon (8. 73) erwähnt wurde, harmonieren würde, dass, wenigstens bei der Mistel, die Querwände langgestreckter Zellen von besonders vielen Plasmodesmen durch- setzt werden. Durch diese Poren hindurch stehen die - «) f Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. Fr B. Nicht lebende Bahnen. Eine, sogar ziemlich schnelle, Vermittelung zwischen den verschiedenen Teilen der Pflanze wäre aber bei den höheren Gewächsen auch ohne die aktive Beteiligung der lebenden Zellen sehr wohl denkbar: zunächst in dem kommunizierenden Kanalsysteme der Interzellularräume durch Veränderung der Temperatur, des Druckes oder der Zusammensetzung der in ihnen vor- handenen Gase oder durch Einpressung von Flüssigkeiten in diese Räume; weiter in dem mit wässeriger Flüssigkeit und verdünnter Luft erfüllten Röhrensysteme der toten Gefässe durch eine Variation des Gasdruckes oder der Zusammensetzung oder der Strömungsgeschwindigkeit der Flüssigkeit; ferner durch Bewegung von Wasser in den Membranen der lebenden oder toten Zellen; schliesslich auch in dem lebenden Zellgewebe durch die Ver- änderung der normalen Gewebespannung, wie sie Folge der Vermehrung oder Verminderung des osmotischen Druckes in einigen Elementen des Gewebes sein kann. Eine weniger schnelle Vermittelung ohne aktive Beteiligung lebender Zellen wäre in der Pflanze auch dadurch möglich, dass Lösungen durch lebendes oder totes Zellgewebe hindurchdiffundieren oder dass der Zustrom oder Abfluss der organischen Baustoffe in irgend einer Weise gestört oder überhaupt geändert wird oder auch noch auf andere Weise. >. Die dureh Versuche ermittelten Bahnen der Reizleitungen bei den Pflanzen. Aufgabe einer exakten Erforschung der Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen muss es im Hinblick auf die vielen Möglichkeiten, die in Betracht zu ziehen sind, natürlicherweise sein, für jeden einzelnen Fall durch ein- gehende Versuche festzustellen, auf welchem Wege die beobachtete Ver- mittelung zustande kommt. Zugleich werden es diese Versuche erlauben, Anhaltspunkte zur Beurteilung des Wesens der Vermittelung zu gewinnen. Wenn man nun freilich die bisher getane Arbeit daraufhin überblickt, in wie weit der hier aufgestellten Forderung genügt wurde, so ist das Ergebnis nicht allzu befriedigend. Für sehr viele jener Vorgänge, die ich im ersten Teile meiner Arbeit als Reiztransmissionen zusammengestellt habe, ist der Nachweis noch nicht gelungen, dass sie durch Vermittelung lebender Zellen zustande kommen. Dies wird begreiflich, wenn man sich die grossen, aus dem Vorstehenden ersichtlichen Schwierigkeiten vergegenwärtigt, die hier zu überwinden sind. Deshalb war ich genötigt, für den ersten Teil meiner Abhandlung aus der grossen Zahl der beobachteten Korrelationen diejenigen auszuwählen, bei denen mir die Wahrscheinlichkeit besonders gross zu sein scheint, dass wir es bei ihnen mit Reizleitungsvorgängen in’lebenden Zellen oder doch wenigstens mit Beteiligung lebender Zellen zu tun haben; ein 78 H. Fitting, Vorgehen, das im Stande der heutigen Forschung seine Entschuldigung findet, das aber Anspruch auf sonderliche Exaktheit kaum machen darf. Namentlich die Ermittelung der Leitungsbahnen für die Innenreize stösst meist auf grosse Schwierigkeiten. Da nun schon eine flüchtige histologische Untersuchung des Pflanzen- körpers lehrt, dass die — lebenden oder toten — Zellen der Gefässbündel ganz besonders in den Dienst von verschiedenartigen Leitungszwecken gestellt sind, so kann es nicht wundernehmen, dass zunächst meist die verhältnis- mässig leicht lösbare Frage zu beantworten versucht wurde, wie weit die Gefässbündel an den verschiedenartigen Reiztransmissionen beteiligt sind. Ergebnis dieser Forschungen ist, dass wir vorläufig bei den höheren Pflanzen nach den Leitungsbahnen zwei Gruppen von Reizleitungen unterscheiden können, nämlich eine 1. Gruppe. Der Reiz wird im Grundgewebe ebensogut geleitet, wie in den Gefässbündeln, wenn auch in manchen Fällen mit grösserer Ge- schwindigkeit in den Bündeln. 2. Gruppe. Der Reiz wird nicht im Grundgewebe, sondern nur in den Gefässbündeln geleitet. Der Begriff „Gefässbündel“ ist bei dieser Einteilung insofern in weiterem Sinne gefasst, als zum Gefässbündel auch die dasselbe umhüllenden, lang- gestreckten, lebenden Parenchymzellen (die sog. Gefässbündelscheide) ge- rechnet sind. Freilich kann die Untersuchungsmethode, die zur Ermittelung der Leitungsbahnen dient, darin bestehend, dass die Kontinuität gewisser Gewebe- teile durch entsprechende Einschnitte unterbrochen wird, in manchen Fällen ein Urteil darüber nicht erlauben, ob ein Reizleitungsvorgang zur 1. oder zur 2. Gruppe gerechnet werden muss. A. Reizleitungsbahnen der Aussenreize. 1. Gruppe. Der Reiz wird im Grundgewebe ebensogut geleitet wie in den Gefässbündeln. Zu dieser Gruppe gehört, soweit man nach den vorliegenden Beobach- tungen urteilen kann, die Mehrzahl der Reizleitungsvorgänge, über die ich im ersten Teil meiner Abhandlung berichtet habe. Wenigstens wird in sehr vielen Fällen die Reizausbreitung durch die Durchschneidung der Gefäss- bündel nicht gehemmt. Dies gilt für die Leitung des Stossreizes in der Blattläche von Dionaea (Ch. Darwin 1876, S. 284 ff.; Balfour 1876, S. 344 ff.; Batalin 1877, S. 148 ff.), in den Blüten von Sparmannia (Morren 1841, $. 38%)), in den Narbenlappen von Mimulus und Martynia ı) Die Reizleitung erfolgt hier nach Morren im Grundgewebe, das die Gefässbündel umgibt. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 79 (Oliver 1887a, S. 167 ff.t)); für die Leitung des Kontaktreizes und der chemischen Reize in den Blättern von Drosera (Ch. Darwin 1876, S. 227 £f.; Batalin 1877, S. 69 ff£., besonders S. 71), ferner für die Leitung des tro- pistischen Reizes bei Drosera (Ch. Darwin 1876, S. 227 ff.) und sämtlicher tropistischer Reize bei anderen Pflanzen (vergl. für den Phototropismus der Graskeimlinge Rothert 1894, S. 63 ff.; für den Traumatotropismus der Wurzeln Pollock 1900, S. 14 ff.?)), sofern die Verwundungsversuche bei den Wurzeln als einwandfrei angesehen werden dürfen. In anderen Fällen lässt sich ohne Durchschneidung der Gefässbündel aus der Art der Reizausbreitung mit Sicherheit feststellen, dass der Reiz auch oder allein im Grundgewebe geleitet wird. So muss die Leitung des Stossreizes in den empfindlichen Gelenken von Mimosa und Biophytum von den berührten Epidermiszellen ins Innere des Bewegungsgewebes ohne Be- teiligung der Gefässbündel erfolgen, weil hier solche Bündel nicht in ent- sprechender Weise ausgebildet sind. Das gleiche gilt für das Blatt von Al- drovanda, in dem die Gefässbündel völlig fehlen (Cohn 1875, S. 77), für manche Blütenteile, ferner für den Haptotropismus der Ranken (Fitting 1903, S. 545 ff.), für den Haptotropismus bei Pilzen, und für die mannig- faltigen Reizleitungsvorgänge, die wir aus theoretischen Gründen (vergl. Ab- schnitt III) bei jedem tropistischen Reizvorgange annehmen müssen, wenn wir das einheitliche harmonische Zusammenarbeiten aller Zellen verstehen wollen. Aber auch die mannigfaltigen Reizleitungsvorgänge, die durch den Wundreiz ausgelöst werden, lehren durch die Art ihres Ablaufes, dass die Vermittlung nicht an die Gefässbündel gebunden ist: die Ausbreitung der Traumataxis hängt ebensowenig von den Gefässbündeln ab, wie die der Plasmaströmung. Dies geht schon daraus hervor, dass man sie auch beobachten kann, wenn man kein Gefässbündel verletzt hat. Ähnlich scheint es mit manchen der Hemmungen oder Beschleunigungen und der formativen Prozesse zu stehen, die durch Wundreiz in einiger Entfernung von der Wunde aus- gelöst werden. Selbstverständlich ist auch in den einzelligen Pflanzen die Reizleitung nicht an Gefässbündel gebunden, da bei ihnen solche völlig fehlen. | Wenn nun auch in allen diesen Fällen die Gefässbündel nicht für die Reizausbreitung massgebend sind, so wäre es doch sehr wohl denkbar, dass die Reizausbreitung in den Gefässbündeln mit grösserer Geschwindigkeit und über weitere Strecken erfolgte als in dem Grundgewebe, da ja, wie er- 1) Gegenteilige, aber bedeutungslose Angaben siehe bei Heckel (1874, S. 704). 2) Für den Geotropismus der Wurzeln vergl. Czapek 1898, S. 216 ff., vorausgesetzt, dass die Trennung der Perzeptions- und Reaktionszone als exakt bewiesen angesehen werden könnte (vergl. auch Nemec 1901, S. 133 ff., der demgegenüber aus Versuchen glaubte folgern zu können, dass der geotropische Reiz allein im Pleronı geleitet wird). 80 H. Fitting, wäbnt, die langgestreckten lebenden Zellen im Gefässbündel durch ihre Form die Reizleitung erleichtern könnten. In der Tat gibt es einige Beispiele, die diese Annahme unterstützen, wenn auch die Mehrzalıl der Reizleitungsvor- gänge bisher nicht nach dieser Richtung genauer untersucht worden ist. Eine derartige Begünstigung der Reizleitung längs der Gefässbündel ist be- sonders auffallend für die Auslösung der Plasmaströmung (vergl. Prillieux 1874, S. 750; Keller 1890, S. 17; Hauptfleisch 189, 8. 1925; Kretzschmar 1904, S. 279 ff.), der Traumataxis (vergl. z. B. Nömee 1901, S. 33 ff.) und der Verlagerung der Chlorophylikörner (Frank 1872, 8. 237 ff.) durch Wundreiz. Sie könnte aber nach den Angaben von Ch. Darwin (1876, S. 227 ff.) auch für die Reiztransmissionen im Blatte von Drosera und nach denen von Batalin (1877, S. 148 ff.) für das Blatt von Dionaea mög- licherweise von Bedeutung sein. Dass andererseits in einigen der Reizleitungsvorgänge, die zu dieser Gruppe gehören, die Gefässbündel nicht an der Reiztransmission beteiligt sind, dafür haben sich bisher keine Anhaltspunkte finden lassen. Einrichtungen zur Erleichterung der Reizleitung im Grund- gewebe. (Fibrilläre Strukturen). Für viele der erwähnten Reiztransmissionen ist es von vornherein wahr- scheinlich, dass die Leitung im Grundgewebe unter aktiver Beteiligung der lebenden Substanz erfolgt. Welche Leitungsvorgänge in dieser Weise zustande kommen, kann erst im VIII. Abschnitte meiner Abhandlung be- handelt werden. Aber hier, bei Besprechung der Reizleitungsbahnen, bleibt noch die Frage zu erörtern, ob im Grundgewebe der höheren Pflanzen nicht vielleicht besondere Einrichtungen ausgebildet sind, um die Reizleitungen nach Möglichkeit zu erleichtern. Die Antwort darauf lautet, um das Ergebnis vorwegzunehmen, wenigstens nach den bisherigen Untersuchungen verneinend. Weder sind im Grundgewebe (abgesehen von den Gefässbündeln) besondere Stränge langgestreckter Zellen ausgebildet, die der Reizleitung in besonderem Masse dienen, noch haben sich in den Zellen des Grundgewebes besondere histologische Strukturen („Organellen‘‘) auffinden lassen, die mit der Reiz- leitung in Beziehung stehen. Bekanntlich haben ja auf tierphysiologischem Gebiete vornehmlich Max Schultze, Bethe und von Apäthy in den Ganglienzellen Fibrillensysteme aufgefunden, die sich in die Fibrillen der Nervenfasern fortsetzen. Sie nehmen an, dass ausschliesslich diese Fibrillensysteme der Reizleitung dienen. Auf botanischem Gebiete hat neuerdings Nömee (1901c, S. 71 ff.), veranlasst durch diese Entdeckungen, nach solchen fibrillären Strukturen gesucht und behauptet auch, sie im Plerom und Periblem der Wurzelspitzen von Allium Cepa und vielen anderen Gefässpflanzen, sowie im Mesokotyl und in der Coleoptile von Panicum miliaceum gefunden zu haben. Sie sollen sich bei Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 81 Vitalfärbung mit Methylenblau') (besonders nach Zusatz einiger Tropfen Ammoniak) und namentlich bei Fixierung mit Pikrineisessig - Schwefelsäure, Flemmingschem Gemisch oder Chromessigsäure sowie Färbung mit Flem- mings Dreifarbengemisch und Überfärbung mit Fuchsin S nach 1—2 monat- licher Belichtung leicht nachweisen lassen (1901 ec, S. 71 ff). Nach Nemecs Angaben finden sich die Fibrillen in grosser Zahl in Plasmasträngen, welche die Zellen in der Längsrichtung axillär durchziehen, in den aufeinander- folgenden Zellen genau korrespondieren und meist die Querwände zentrisch berühren (vergl. Fig. 12). Das Plasma der Stränge bilde um jede der homo- genen Fibrillen eine feine, aber scharf differenzierte Hülle oder Scheide. Die Fibrillen selbst sollen kontinuierlich von einer Querwand zur anderen verlaufen, direkt bis in die sog. äussere Plasmahaut der Zellen sich erstrecken und in den benachbarten Zellen miteinander korrespondieren. Eine direkte Kontinuität der Fibrillen in den aneinander grenzenden Zellen soll aber nicht bestehen. | Irgend einen experimentellen Beweis dafür, dass die „Fibrillen“ tatsächlich mit der Reizleitung in Beziehung stehen, hat Nemec aber nicht erbracht. Denn die Angabe, dass die Fibrillen durch äussere Eingriffe, so z. B. durch hohe oder niedrige Temperaturen, durch Chloroform, Äther- dämpfe und durch Wundreiz, desorganisiert werden und dass das Aufhören und Wiedereinsetzen der Reizleitung mit der Degeneration und Regeneration der Fibrillen gleichen Schritt hält (N&mec 1901c, S. 110 ff. u. S. 128 ff.), kann als solcher nicht angesehen werden, da die Desorganisierung der Fibrillen auch der Ausdruck einer tiefgreifenden, vorübergehenden Schädigung der ganzen Zelle ist, mit der der Ausfall der Reiztransmission verkettet sein könnte. Es lassen sich aber noch ganz andere Bedenken gegen Nömecs An- gaben geltend machen. Haberlandt (1901 b, S. 569 ff.) hat die Befunde N&mecs nachgeprüft und bestreitet mit guten Gründen die Fibrillennatur der „Fibrillen“. Beobachtung an lebenden Objekten zeigte ihm, dass die „Fibrillen“ nichts anderes sind als Fäden und Lamellen strömenden Plasmas. Dass das strömende Plasma „faserigen Aufbau“ hat, wurde schon öfters be- obachtet (Literatur bei Haberlandt 1901 b, S. 572 ff.).. Auch die fixierten Objekte bestätigten Haberlandts Befund an lebenden Zellen. N&ömees Abbildungen sind schematisiert. Das Fibrillensystem ist ein Maschenwerk. Korrespondieren der Fibrillen ist selten und nur Zufall. Deshalb erkennt Haberlandt die Strukturen nicht als reizleitende Organellen an (siehe auch 1%1a, S. 371 ff). Seine Einwände erhalten um so mehr Gewicht, als „eine Anzahl in den cytologischen Untersuchungsmethoden sehr bewanderter !) In vivo lassen sich die Fibrillen nach Nemee (1901, S. 537) am besten in wässeriger 2° Traubenzuckerlösung bei den grossen Pleromzellen der Adventivwurzeln von Aspidium deeussatum sehen, Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen, 6 3 [57 H. Fitting, Forscher“ (Koernicke 1903, S. 81) ebenfalls nicht imstande war, die Fibrillen N&mecs zu finden. WO nn FE Fig. 12. Fibrillen in den Zellen der Wur- zelspitze von Allium Cepa, 0,9mm vomV ege- tationspunkt (Obj. imm. "/ıs, komp. Ok. 4). Nach Nemec 1901c, Taf. ], Fig. 9. Auch ich habe trotz Anwendung der von N&mee angegebenen Methoden die Fibrillen weder in den Wurzelspitzen von Vicia faba noch in den Coleoptilen der (Gräser gefunden. Haberlandt hat dann weiter (1901a, S. 375 ff.; 1901, S. 149) Pflanzenteile untersucht, bei denen die Reizleitung ganz besonders schnell erfolgt: so die Blätter von Aldrovanda, die Ranken von Cucurbita Pepo und die reizbaren Staub- fäden von Opuntia vulgaris, ohne in den Zellen Fibrillen zu finden. Weiter würden in den Organen, in denen Nömee Fibrillen gesehen haben will und in denen die Reizleitung ausserordentlich viel langsamer vor sich geht als in den von Haberlandt studierten Pflanzenteilen, die der Längsachse parallelen Fibrillen nur dann als eigentliche Reizleitungs- bahnen in Betracht kommen, wenn die Reize in den Organen ausschliesslich oder doch vorzugsweise in der Längsrichtung geleitet würden. Dies anzunehmen liegt aber nach meinen Beobachtungen gar kein Grund vor: Der tropistische Reiz, um den es sich hauptsächlich handelt, wird ebensogut in der Querrichtung wie in der Längsrichtung transmittiert. Des- halb ist auch gar nicht zu verstehen, warum nach Nömec die Fibrillen als reizleitende Strukturen nur da vorkommen sollen, wo es sich um die Leitung „polarisierter“ (d. h. tropi- stischer) Reize handelt. Und da nach Nömec keine Kon- tinuität zwischen den Fibrillen benachbarter Zellen bestehen soll, eine solche Kontinuität aber zwischen den Protoplasten benachbarter Zellen durch die Plasmodesmen hergestellt ist, so ist auch gar nicht einzusehen, warum diese Strukturen für die Ausbreitung von Reizen auch nur das allergeringste vor dem übrigen Plasma voraus haben sollten. Schliesslich aber scheint es mir überhaupt bedenklich, Analogieschlüsse nach den Verhältnissen im tierischen Organis- mus für die Pflanze zu machen. Denn die Reize werden beim Tier doch meist ausserordentlich viel schneller geleitet als bei der Pflanze. Auch scheint es mir bisher für das Nervensystem keineswegs exakt bewiesen (vergl. dazu z. B. Bethe 190%), dass die Reizleitung im Nerven sich immer nur innerhalb der Fibrillen vollzieht. Nach alledem bedarf es anderer Grundlagen, um behaupten zu können, dass die Reizleitung in lebenden Pflanzenzellen eventuell durch Fibrillen vermittelt wird. Da, wo sich Plasmastränge mit fibrillären Differenzierungen in Pflanzen- Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 83 zellen finden, hat es sehr viel mehr Wahrscheinlichkeit für sich, dass sie der intrazellulären Reizvermittelung zwischen Zellkern und Plasmakörper dienen (Strasburger 189, S. 98 ff., Haberlandt 1901a, 5. 378, Nömec 1901, S. 146), als dass sie für die Fernleitung von Zelle zu Zelle in Betracht kommen. Falls die Fernleitung der Reize nicht innerhalb des gesamten Plasma- körpers sollte stattfinden können, etwa deshalb, weil die inneren Schichten in Strömung befindlich sind, so würde in der äusseren, ruhenden Grenzschicht des Plasmakörpers, der sogenannten äusseren Plasmahaut, ein Organ gegeben sein, das infolge seiner Stabilität zur Transmission vorzüglich geeignet wäre. Darauf hat wiederholt und mit Nachdruck Noll (z. B. 1903 b) hingewiesen. Doch ist auch diese Annahme weit davon entfernt, exakt durch Versuche bewiesen zu sein (vergl. Fitting 1905, S. 391 ff.). 2. Gruppe. Der Reiz wird nicht im Grundgewebe, sondern nur in den Gefässbündeln geleitet. Man wird zu dieser Gruppe alle diejenigen Reiztransmissionen rechnen müssen, die nur solange erfolgen, als die Gefässbündel intakt sind, und die durch Einschnitte ins Grundgewebe nicht gehemmt werden. Dieser Typus scheint sehr viel weniger weit verbreitet zu sein als der andere. In dieser Weise wird nach Oliver (18387, S. 247 ff.) der Stossreiz in der Unterlippe (dem „Labellum“) der Blüten von Masdevallia muscosa geleitet. Als klassisches Beispiel dieses Typus darf aber Mimosa gelten: Das Zusammenklappen der Blättchen infolge einer Verwundung tritt nur dann ein, wenn irgend ein Gefässbündel, sei es nun im Stengel, im Blattstiele, in den Fiederblättchen oder auch in der Wurzel, verletzt wird (vergl. z. B. Dutrochet 1824, S. 69 ff., Pfeffer 1873a, S. 312 ff.), dagegen nicht bei noch so ausgedehnter Verwundung des Grundgewebes. Das gleiche gilt für die entsprechende Reaktion bei Neptunia (Borzi 1899, S. 2 ff. und nach eigenen Beobachtungen) und Biophytum (Haberlandt 1898), ferner für die als Folge einer Verwundung eintretende Einkrümmung an Ranken, wie z. B. von Passiflora, Lathyrus und vielen Oucurbitaceen (Fitting 1904). Bei Mimosa lässt sich diese Tatsache ganz besonders anschaulich erweisen: Durch- trennt man nämlich nur ein Gefässbündel, z. B. im Blattstiele, so klappen (hauptsächlich: Pfeffer 1873a, S. 324, Haberlandt 1890, S. 74; nur: Fitting 1904, S. 518, vergl. auch Meyen 1839, S. 527 ff.) die Blättchen derjenigen Fiederstrahlen zusammen, deren Gefässbündel mit dem verletzten in Verbindung stehen. Ähnliches gilt für weniger empfindliche Pflanzen bei Durchschneidung einiger Stengelgefässbündel (Pfeffer 1873a, S. 322). Selbstverständlich liegt es nach der Feststellung der Tatsache, dass bei Mimosa und Biophytum (und ähnlichen Pflanzen) die Reiztransmission nach einer Verwundung hauptsächlich in den Gefässbündeln erfolgt, nahe, an- 6* 84 H. Fitting, zunehmen (Pfeffer 1873a, 8. 309), dass auch die Reizleitung, die nach der Berührung eines Fiederblättchen-Polsters im Blatte erfolgt, hauptsächlich in den Gefässbündeln stattfindet. In der Tat tut dies Haberlandt (1390), der sich in neuerer Zeit hauptsächlich mit diesem Problem beschäftigt hat, während Pfeffer (1873a, $. 308) auf die Möglichkeit hinwies, dass die letztere Reiztransmission in ganz anderer Weise zustande kommt. Näher untersucht wurde diese Frage bisher nicht. Wenn es sonach für den Verwundungsreiz erwiesen, für den Stossreiz sehr wahrscheinlich ist, dass die Reizleitung bei diesen Pflanzen über grössere Strecken nur durch die Vermittelung der Gefässbündel (oder der sie direkt umhüllenden langgestreckten Parenchyinzellen) erfolgen kann, so darf doch nicht übersehen werden, dass, innerhalb der Reaktionszone selbst, zur Aus- lösung der Reaktion, irgend eine Reizleitung auch vom Gefässbündel in das umliegende Grundparenchym erfolgen muss, da das Grundparenchym es ist, in dem die Reaktion abläuft. Da nun das Gefässbündel eine ganze Anzahl von Zellen verschiedener Art enthält, so bleibt noch die wichtige Frage zu entscheiden, welche Zellen des Bündels es denn sind, in denen die Leitung des Reizesvor sich geht). Die älteren Forscher wie (D utrochet)?), Meyen (1839, S, 520) und namentlich Brücke (1848, S. 444 ff.) (vergl. auch Sachs 1865, S. 482 ff. und den historischen Abschnitt bei Haberlandt 1890, S. 3 ff.) glaubten, ohne freilich exakte Beweise dafür zu erbringen, dass es die toten Elemente des Gefässbündels, die Gefässe, seien, in denen der Reiz ge- leitet werde, indem man annahm, dass die Reiztransmission nicht durch Ver- mittelung lebender Zellen, sondern durch die Druckschwankungen des (Grefäss- wassers bedingt werde. In der Tat beobachtete Meyen, dass der Wundreiz bei Mimosa nur dann geleitet wird, wenn der Schnitt in dem Stengel oder in dem Blattstiel so lange vertieft wird, bis er den Holzkörper erreicht hat und ein Flüssigkeitstropfen aus der Wunde herausschiesst, von dem Meyen annahm, dass er den Gelässen entstammte. Doch wies schon Haberlandt (1890, S. 4 ff.) darauf hin, dass Meyens Kenntnisse des Gefässbündelbaues nicht so korrekt waren, dass diese Annahme als berechtigt erscheinen könnte. In der Tat konnte Pfeffer zeigen (1873a, 8. 313 ff.), dass eine Reiz- fortpflanzung bei Mimosa auch unter Verhältnissen zustande kommt, wo eine Kommunikation durch offene Röhren, wie sie bei den Gefässen vorkommt, überhaupt nicht möglich ist. So rufen Einschnitte in einen Blatt- ı) Für das Labellum von Masdevallia nimmt Oliver (1887, S. 249 fl.) an, dass der Reiz in den lebenden Zellen der Gefässbündelscheide geleitet werde, ohne dies freilich be- wiesen zu haben. 2) Dutrochets Standpunkt ist nicht so klar, wie es nach den Zitaten in der Literatur scheinen könnte, 1824, S. 73 ff. sagt er, dass nicht die 'T'yacheen für die Reizleitung in Be- tracht kommen können, sondern nur die „tubes corpuseuliferes“. 1837, S. 548 hält er die ganze Frage nach den eigentlichen Reizleitungsbahnen noch für sehr wenig geklärt. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 835 stil an sehr empfindlichen Objekten eine Reizung der Gelenke opponiert stehender Blattstiele hervor, obgleich die Gefässteile der aus dem Zweig in die Blattstiele ausbiegenden Gefässbündel in keiner Weise in Verbindung stehen. Ich selbst habe (Fitting 1904, S. 504 ff.) kürzlich eine ganze An- zahl Versuche mitgeteilt, die ebenfalls die Beteiligung der toten Gefässe und einer Flüssigkeitsbewegung in ihnen (1904 8. 515) an der Reizleitung gänzlich ausschliessen. Da nun Pfeffer (1873a, S. 313 ff.) feststellen konnte, dass bei seinem Versuche eine direkte V erbindung zwischen opponierten Blättern nur durch den aus Bastzellen bestehenden, allseitig geschlossenen Gewebe- zylinder gebildet wird, der die Holzteile der Gefässbündel aussen umschliesst, so sprach er die Ansicht aus (1873, 8. 314), dass die Reizleitung in diesen allseits geschlossenen, safterfüllten Zellen durch Wasserbewegung in longitu- dinaler und seitlicher Richtung erfolgen müsse. Weitere Beweise für diese Anschauung brachte er aber nicht bei. Sie bedarf auch infolge von Versuchen von mir (Fitting 1904, S. 508 ff.) insofern einer Einschränkung, als für die Reizleitung im Gefässbündel (wenn man von dem Gefässteil absieht, der, wie schon gezeigt, nicht in Betracht kommt) der ganze Bastring nicht we- sentlich sein kann, sondern nur sein innerer Teil, der sog. Siebteil des Bün- dels, da eine Reizbewegung nicht eintritt, wenn man nur die äusseren — Hartbast- — Schichten des Bastringes verwundet (siehe auch Pfeffer 1873, S. 32). Auch das Hervorquellen des Tropfens ist an die Verletzung des Sieb- teiles gebunden. Wenn somit auch feststeht, dass die Reizleitung im Siebteile der Gefässbündel erfolgt, so sind damit doch die Reizleitungsbahnen noch keines- wegs präzisiert. Denn an der Zusammensetzung des Siebteiles sind immer noch recht verschiedenartige Zellen beteiligt. Immerhin ist aber insofern viel gewonnen, als sämtliche Zellen im Siebteil lebend sind, wir also sagen können, dass bei Mimosa die Reiztransmission durch Vermittelung lebender Zellen zustande kommen dürfte, | Von Haberlandt (1890) sind nun ganz bestimmte Zellen des Siebteiles als die eigentlichen Reizleitungsbahnen angesprochen worden. Er glaubte nämlich, beweisen zu können, dass der aus der Wunde herausschiessende Flüssigkeitstropfen, den auch er in Verbindung mit den Reizleitungsvorgängen bringt, allein aus eigentümlichen Zügen lebender, nur durch überaus feine Plasmodesmen verbundener Zellen stammt, welche in den Siebteil eingestreut die Gefässbündel in allen oberirdischen Organen der Pflanze und in den Hauptwurzeln der Keimlinge, nicht aber in den Nebenwurzeln begleiten (Haberlandt 1890, S. 16 u. 8. 32). Diese lebenden Zellen, die bei anderen Pflanzen nicht vorkommen und die von Haberlandt als Schlauchzellen be- zeichnet werden, sollen nun seiner Meinung nach, obwohl sie nicht offen mit- einander kommunizieren, das Reizleitungssystem bei Mimosa bilden und eigens für die Reiztransmission bestimmt sein. Die Reizleitung komme durch 86 -H. Fitting, die Druckschwankung zustande, die mit dem Austritt des Flüssigkeitstropfen verbunden sei. | Wenn nun auch Haberlandt zweifellos darin Recht hat, dass die Hauptmenge des Flüssigkeitstropfens, der bei der Verwundung eines Gefäss- bündels hervorquillt, aus diesen Schlauchzellen stammt, so hat er doch weder gezeigt, dass alle Flüssigkeit nur aus diesen Zellen herausschiesst, noch die Funktion der Zellen als Reizleitungssystem durch irgend eine andere Tatsache als ihren anatomischen Nachweis zu stützen vermocht (vergl. dazu Fitting 1904, S. 508 ff... Schwerwiegende Bedenken machte schon Borz\ (1899, S. 2 ff.) gegen Haberlandts Auffassung der Schlauchzellen als Reizleitungszellen geltend, indem er auf die von Dutrochet (1837, S. 274) ermittelte und von ihm bestätigte Tatsache hinwies, dass auch durch Verwundung der Nebenwurzeln, in denen doch nach Haberlandt die reiz- leitenden Schlauchzellen ganz fehlen, die Reaktion in den Blättern ausgelöst werden kann), und indem er zeigte, dass bei der verwandten Gattung Nep- tunia eine ganz ähnliche Reizausbreitung wie bei Mimosa vorkommt, ohne dass entsprechende Schlauchzellen im Siebteile der Gefässbündel ausgebildet wären. Mit dieser Beobachtung, die icb durch eigene Untersuchung von Neptunia bestätigen kann, verliert eine von Haberlandt gelegentlich aus- gesprochene gegenteilige Vermutung (1890, S. 82 ff.; 1904, S. 555) ihre Be- deutung. Aber nicht nur bei Neptunia, auch in aller den anderen Fällen, in denen eine ähnlich schnelle Reizleitung wie bei Mimosa nur durch Ver- mittlung der Gefässbündel beobachtet wurde, so von Haberlandt (1898) bei Biophytum, von mir (Fitting 1904) bei Ranken aus ganz verschiedenen Familien, fehlt ein entsprechendes Zellensystem vollständig. Somit liegt es jedenfalls sehr nahe, anzunehmen, dass auch bei Mimosa pudica die Schlauchzellen, die bei anderen Arten reichlich Milchsaft ent- halten, für die Reizleitung nicht wesentlich oder doch wenigstens nicht die alleinigen Bahnen sind. Ja ich halte es nach dem Befunde bei Neptunia garnicht für unmöglich, dass noch Mimosaarten ohne solche Milchsaft- schläuche gefunden werden, bei denen gleichwohl eine Reizleitung besteht. Übrigens ist es von vornherein nicht recht verständlich, warum Mimosa pudica, wie Haberlandt will, als Anpassung ein besonderes reizleitendes 1) Haberlandt (1890, S. 62) suchte zwar nachzuweisen, dass die Versuche Dutrochets (1837, 8. 274) nicht gegen ihn ins Feld geführt werden könnten. Dutrochet habe erst einige Stunden nach Tötung eines kleinen Teiles des Wurzelsystems mit Schwefelsäure eine Senkung der Blätter beobachtet. Man dürfe also in diesem Falle nicht von einer Reiz- leitung sprechen. Demgegenüber hebt Borzi „in omaggio alla verita“ mit Recht hervor, dass Dutrochet ausdrücklich sagt, er habe die Reaktion in den Blättern sofort („sur le champ“) nach dem Begiessen der Wurzeln mit Schwefelsäure beobachtet. Borzi (1899, S. 2 ff.) hat diese Versuche auch so angestellt, dass er die Pflanzen in Nährlösungen zog und die Wurzeln verwundete. Er bemerkt ganz ausdrücklich, dass die verwundeten Wurzeln der Haberlandt- schen Schlauchzellen ganz entbehrten. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 87 Zellensystem ausgebildet haben sollte, da man nicht einzusehen vermag, in welcher Hinsicht eine so schnelle Reizleitung für diese Pflanze von auch nur einiger Bedeutung sein könnte. Auch eigene Versuche Haberlandts (1890, S. 63 ff.) stehen mit seiner Hypothese nicht recht in Einklang. Haberlandt sagt, es sei ihm gelungen, nach Entfernung der Rinde und des Leptoms durch Einschnitte in den Holz- teil die Reizleitung über die entrindete Zone zu bewirken. In diesem Falle soll die Transmission in den Gefässen erfolgen. Ich (Fitting 1904, S. 515) habe freilich bei ähnlichen Versuchen keine positiven Resultate erhalten. — Gleichwohl bleibt Haberlandt das Verdienst, nachdrücklich die An- sicht vertreten zu haben, dass die Reizleitung bei Mimosa nicht in toten, sondern in lebenden Zellen abläuft, wenn er dies auch nur aus dem Vorkommen der Schlauchzellen und aus dem Tropfenaustritt aus der Wunde schloss, aber nicht durch sonstige Versuche erhärtete. Dass in der Tat nur lebende Zellen für die Reizleitung in Betracht kommen, habe ich durch eine Anzahl von Versuchen sehr wahrscheinlich gemacht (Fitting 1904, S. 504 ff.). Auch bei den von mir untersuchten Ranken kann keine Rede davon sein, dass etwa das Röhrensystem der toten Gefässe als Reizleitungsbahn funktioniert. Wie bei Mimosa dürften auch bei ihnen nur lebende Zellen des Gefässbündels in Betracht kommen (Fitting 1904, S. 488 ff.). Ver- mutungsweise habe ich (S. 493 ff.) auf die Siebröhren hingewiesen, weil sie die einzigen Zellenzüge sind, in denen eine so schnelle Übermittelung des Impulses nach entfernten Organen, wie sie uns in diesen Fällen tatsächlich entgegentritt, ohne aktive Beteiligung der lebenden Substanz (vergl. dazu den nächsten Abschnitt) möglich wäre. Welche Zellen in den Gefässbündeln von Neptunia und Biophy- tum als die Reizleitungswege anzusehen sind, lässt sich vorläufig nicht be- urteilen, da entsprechende Untersuchungen fehlen. B. Reizleitungsbahnen der Innenreize. Über sie sind wir sehr viel schlechter unterrichtet als über die Reiz- leitungswege der Aussenreize. Denn es sind kaum die ersten schüchternen Versuche zu ihrer Ermittelung unternommen worden. Infolgedessen ist es auch bis jetzt nicht möglich, die Innenreize in solche einzuteilen, die in den Gefässbündeln, und solche, die auch im Grundgewebe geleitet werden, wenn auch bereits manche Tatsachen dafür sprechen, dass künftig einmal auch für die Innenreize eine solche Zweiteilung wird durchgeführt werden können. Nicht unmöglich, ja aus verschiedenen Gründen sogar wahrscheinlich ist es aber, dass vielleicht diese oder jene Innenbeziehung auf mehreren, vielleicht ganz verschiedenen Bahnen und auf ganz verschiedene Weisen unterhalten wird. Dieser Gesichtspunkt ist jedenfalls bei der Feststellung der Reiz- 88 H. Fitting, leitungskahnen von Innenreizen stets im Auge zu behalten. Einer tieferen Einsicht könnten sich somit leicht grössere Schwierigkeiten in den Weg stellen. Es wird deshalb am besten sein, in der Aufzählung des Bekannten der Disposition zu folgen, die dem Abschnitt II meiner Abhandlung zugrunde gelegt wurde. Bei den Korrelationen zwischen den Teilen der bestäubten Blüten scheinen (Untersuchungen fehlen) die Gefässbündel nicht immer unbedingt zur Vermittelung notwendig zu sein. Denn der durch den Pollen ausgeübte Reiz kann auch durch Gewebeteile sich geltend machen, in denen Gefässbündel nicht ausgebildet sind. Auf recht verschiedenartigen Bahnen scheinen die Reize geleitet zu werden, durch welche die inneren Beziehungen zwischen den Organen so geändert werden, dass eine Umstimmung der tropistischen Eigen- schaften eintritt. Nach Miehe (1902, S. 568 ff.) werden bei Tradescantia die inneren Beziehungen zwischen der Achselknospe eines Blattes und dem nächst unteren Gelenke nur durch die Durchschneidung der Gefässbündel, nicht aber durch einen Einschnitt in das Grundgewebe, sei es nun der Rinde, sei es des Markes, so gestört, dass die geotropische Reaktion in diesem Ge- enke gehemmt wird. Sonach kommen diese Beziehungen durch die Gefäss- bündel zustande. Dagegen wird bei den Graskeimblättern, z. B. von Avena, nach Rothert (1894, S. 191 ff.) die Empfindlichkeit und das Wachstum der ba- salen Teile nur durch völlige Trennung der Kontinuität zwischen Basis und Spitze, nicht aber durch die Durchschneidung der Gefässbündel aufgehoben, woraus ersichtlich ist, dass diese Beziehungen zwischen Basis und Spitze durch das Grundgewebe und nicht durch die Gefässbündel unterhalten werden. Die Korrelation zwischen Haupt- und Seitensprossen bei den Coniferen, welche es verhindert, dass die Seitensprosse sich geotropisch aufrichten, wird nach Errera (1905, S. 30 ff.) durch eine sog. Rinden- ringelung des Hauptsprosses, d. h. durch die Entfernung der Rinde samt Siebteil der Gefässbündel bis zum Holzkörper, nicht gestört. Aus diesem Versuche, der freilich nur bei einer Pflanze ausgeführt wurde und des- halb kaum als entscheidend anzusehen ist, würde hervorgehen, dass die Korrelation durch das Holz oder das Mark vermittelt wird. Die Vermutung Erreras, dass als Korrelationsbahnen die lebenden Zellen des Markes oder der Markstrahlen in Betracht kämen, da seiner Meinung nach die Veränderung des Wasserstromes in dem Holz nicht massgebend sein kaun, ist nur schwer mit der Beobachtung Goebels (1905, S. 394) in Einklang zu bringen, dass bei Fichten das Einknicken des Gipfeltriebes, wodurch dieser Spross nicht abgetötet wird, ‚genügt, um die Aufrichtung der Seitentriebe auszulösen. Dass lebende Zellen samt den Plasmodesmen ausschlaggebend sind, anzunehmen, liegt trotz einiger im ersten Teil meiner Abhandlung mitgeteilter Beobachtungen Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 89 Strasburgers (1901, S. 587 ff.) über nachträgliche Ausbildung solcher Plasmaverbindungen bei Pfropfung von Koniferenzweigen auf Koniferen- bäume vorläufig kein zwingender Grund vor, wenn auch manches darauf hinweist. : Den Erscheinungen der Polarität lassen sich einige Tatsachen an- gliedern, die im ersten Teile meiner Abhandlung nicht erwähnt worden sind, weil ihnen erst ganz kürzlich grössere Aufmerksamkeit zugewandt wurde. Es ist eine bekannte Tatsache, dass, solange der Gipfelvegetations- punkt einer Keimpflanze oder sonst eines Sprosses kräftig weiterwächst, die in den Achseln der Blätter gelegenen Vegetationspunkte, die sogen. Achsel- knospen, nicht austreiben. Wird dagegen der Gipfelvegetationspunkt ab- geschnitten oder in seiner Wachstumsfunktion gehemmt, so fangen sofort einige dieser Achselknospen an, auszuwachsen (Mac Callum 1905). In ähn- licher Weise verhindern die an der Basis abgeschnittener Sprossstücke ent: stehenden Wurzeln, dass weiter spitzenwärts am Spross noch weitere Wurzeln hervorbrechen. Für die Beziehungen, die durch diese Versuche zwischen dem Gipfelvegetationspunkt und den Achselknospen festgestellt sind, können nach Mac Callum die Gefässbündel nicht verantwortlich gemacht werden (1905, S. 241). Denn das Austreiben der Achselknospen tritt nicht ein, wenn man sämtliche Gefässbündel durchschneidet, einen Teil des Grundgewebes aber intakt läss. In ähnlicher Weise beobachtete Errera (1905, S. 32), dass bei der Konifere Araucaria eine Rindenringelung des Hauptsprosses genügt, um das Austreiben von Knospen unterhalb der Operationsstelle zu veranlassen, wie sie sonst nach Entfernung des Haupttriebes zum Ersatz auszutreiben pflegen. Die Korrelation, die normalerweise das Austreiben der Knospen hemmt, kann sonach, nur durch das Grundgewebe (oder die Siebteile der Gefässbündel) unterhalten werden. Dagegen soll nach Mac Callum (1905, S. 252) der Einfluss, der „von den Wurzeln ausgeht‘ und die Ausbildung anderer Wurzeln oberhalb am Spross verhindert, in den Gefässbündeln vermittelt werden: Werden sie durch- schnitten, so brechen oberhalb der Wunde neue Wurzeln hervor. Doch könnten hier die Gefässbündel als Stoffleitungsbahnen von Bedeutung sein. Welche Bahnen beim Regenerationsvorgang unterbrochen oder gestört sein müssen, damit der Regenerationsprozess ausgelöst wird, ist noch so gut wie unbekannt, soweit nicht eine Unterbindung der Zufuhr von Wasser oder plastischen Bildungsstoffen in Betracht kommt. Von Interesse sind hier nur einige Beobachtungen und Versuche von Simon (1904) und N&mec (1905 b) über die Regeneration der Wurzelspitze. Bekanntlich kann die Wurzelspitze nach der Amputation sehr leicht regeneriert werden, voraus- gesetzt, dass die Dekapitation nahe der Spitze im Wurzelmeristem vor- 90 H. Fitting, genommen wird. Die Regeneration geht von einer Zellenschicht aus, die als Ausgangspunkt von Neubildungen bei Wurzeln ganz besonders ‘wichtig ist und den Gefässbündelzylinder gegen die Rinde abgrenzt, dem sogen. Peri- cambium (Simon 1904, S. 116 ff.). Eine Neubildung der Wurzelspitze wird aber auch durch eine genügend grosse Hemmung oder eine gänzliche Unter- brechung des korrelativen Zusammenhanges zwischen den Zellen in der äussersten eigentlichen Wurzelspitze, der sogen. Initialengruppe, und dem übrigen Wurzelmeristem ausgelöst. Dieser korrelative Zusammenhang wird aber merkwürdigerweise nicht durch alle lebenden Zellen des Wurzelquer- schnittes, sondern nach Nömec (1905b, S. 235 ff.) nur durch die Zellen des Pericambiums vermittelt. Wird die Vermittelung. durch eine ungenügende Anzahl dieser Zellen, weniger als die Hälfte des Pericambiumumfanges, unterhalten oder ganz unterbrochen, so werden regenerative Prozesse ober- halb der Schnittwunde ausgelöst. Die Beziehungen zwischen Blatt und Gefässbündelaus- bildung, deren Aufhellung wir Jost (1891 u. 1893) verdanken, scheinen durch Reizübermittelung in den Gefässbündelanlagen zustande zu kommen (Jost z. B. 1891, 8. 542 ff.).') | Durch welche Zellen schliesslich die Wachstumskorrelationen vermittelt werden, lässt sich infolge Mangels entsprechender Untersuchungen noch gar nicht übersehen, ebensowenig, ob das Grundgewebe oder die Gefäss- bündel hauptsächlich daran beteiligt sind. Doch möchte ich im Hinblick auf die Beobachtungen Rotherts über die Aufhebung des Wachstums in Graskeimlingen (vergl. S. 88) und auf diejenigen Mac Callums über die Be- ziehungen zwischen Endknospe und Achselknospen (vergl. S. 89) glauben, dass die Gefässbündel für die Wachstumskorrelationen nicht immer massgebend zu sein brauchen. Was die Wechselbeziehungen zwischen den Teilen der Zelle betrifft, namentlich zwischen Kern und peripherischen Plasmateilen, so lehren ja die Beobachtungen von Townsend (1897 a) augenscheinlich, dass sie durch die plasmatische Kontinuität im Plasma selbst unterhalten werden. Gleiches wird schliesslich anzunehmen sein für alle die zahllosen Reiz- verkettungen, mit Hilfe deren allein wir die Wechselbeziehungen zwischen den Einzelzellen bei ihrem einheitlichen Zusammenarbeiten während der Reizreaktionen verstehen können (vergl. Abschnitt II). 1) Montemartini (1904) hält die Erklärung von Jost nicht für richtig. Er glaubt, dass die Störungen in der Gefässbündelausbildung Folgen eines Wundreizes seien, der sich nur basalwärts fortpflanze (?). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. gr Abschnitt V, Länge, der erregten Strecke und Geschwindigkeit der Reiz- leitungsvorgänge. 1. Länge der erregten Strecke, ‘ Für sehr viele Reizleitungsvorgänge bei Pflanzen ist es im Gegensatze zum Tier charakteristisch, dass sich die Transmission nur über ganz kleine Strecken nachweisen lässt. In den meisten Fällen der Leitung von Aussenreizen nämlich, be- sonders denen, die nicht ausschliesslich durch die Gefässbündel, sondern auch durch das Grundgewebe vermittelt werden, erfolgt die Reaktion nur bis zu ganz wenigen Millimetern oder Zentimetern Entfernung von der gereizten Stelle: so in den Blättern von Drosera, Dionaea und Aldrovanda, bei den Staubfäden und Griffeln. Gleiches gilt für fast alle Tropismen: für die Leitung der verschie- denen tropistischen Reize in der Wurzelspitze, für die des haptotropischen Reizes bei den Ranken und bei den Pilzen. Auch die Reaktion auf den phototropischen Reiz erstreckt sich bei den Graskeimlingen nicht über 3—5 cm von der gereizten Stelle. Ferner breiten sich einige Reaktionen, die durch den Wundreiz aus- gelöst werden, nur wenig aus. Die Hemmung tropistischer Reaktionen durch das Trauma ist meist auf mehr oder weniger kleine Zonen beschränkt, z. B. die Hemmung des Haptotropismus der Ranken auf 5-10 mm von der Wund- stelle (Fitting 1904, S. 433, S. 448 ff.); die Aufhebung der phototropischen Empfindlichkeit der Keimlinge durch die Spitzendekapitation erstreckt sich nicht immer bis zur Basis der Keimlinge (Rothert 1894, S. 203 ff.): als Rothert bei Avena eine Amm lange Zone dekapitierte, krümmte sich ein 5 cm langer Kotyledo noch an der Basis. Bei Brassica Napus-Keimlingen (Rothert 1894, S. 206 ff.) wird die phototropische Empfindlichkeit durch Dekapitation nur in einer ganz kleinen Zone unterhalb der Wundstelle auf- gehoben. Auch die traumataktische Umlagerung des Plasmas pflanzt sich meist nur ganz wenig, 1—2 mm, von der Wunde aus fort (0,5—0,8 mm nach Tangl 1884, S. 26; Nestler 1898, S. 721 fi.; 1,6 mm in den Wurzeln von Allium Cepa nach N&ömec 1901c, S. 28; 1,85 mm in den Blättern von Tinantia fugax Miehe 1901, S. 128), ausserdem verschieden weit in den verschiedenen Geweben (vergl. Nömec 1901c und Miehe 1901). Bei den meisten aller dieser Reizleitungsvorgänge ist es aber natürlich sehr schwer, zu sagen, ob die Grenze der Reaktion auch die Grenze der Reizausbreitung anzeigt, da ja eben meistenteils die Reaktionszone sehr be- schränkt ist. Es wäre also sehr wohl denkbar, dass der Reiz sich in vielen 92 H. Fitting, Fällen viel weiter von der gereizten Stelle aus fortpflanzt, als wir aus der Reaktion schliessen können. Vielleicht gelingt es später einmal, besondere Reaktionen in den Zellen, z. B. Stoffwechseländerungen, Bildung chemischer Körper u. dergl.!), nachzuweisen, die uns über die wahren Grenzen der Reiz- ausbreitung belehren. Wenn also auch die Möglichkeit vorläufig bestehen bleibt, dass sich viele Reize weit über die vorhandene Reaktionszone hinaus ausbreiten, so ist immerhin zu beachten, dass z. B. bei Drosera und Dionaea die Reizung eines Blattes niemals eine Reizreaktion in einem benach- barten, nächst älteren oder jüngeren Blatte auszulösen vermag. Daraus lässt sich aber deshalb noch keine Sicherheit über die Ausbreitungsgrenzen eines Reizes gewinnen, weil es sehr wohl so sein könnte, dass der Reiz sich, wie es tatsächlich bei manchen Reiztransmissionen der Fall ist (vergl. weiter unten), nur einseitig ausbreitet oder dass durch Anpassungen besonderer Art dafür gesorgt wird, dass die Reizzuleitung von einem anderen Blatte keine Reiz- reaktion auslöst. Übrigens machen theoretische Betrachtungen die Annahme unabweisbar, dass der Reizleitungsvorgang schliesslich doch, in grösserer oder geringerer Entfernung von der gereizten Stelle, aufhört. In dem Masse nämlich, wie die Erregung mit wachsender Entfernung von der Perzeptionsstelle geringer wird, nehmen die Widerstände, die sich der weiteren Fortleitung entgegen- stellen, an Wirksamkeit beständig zu, bis sie schliesslich so gross werden, dass der Reizleitungsvorgang ganz gehemmt wird. Diese Erwägungen lassen aber die Möglichkeit offen, dass vielleicht in einigen Fällen die Reizleitungs- geschwindigkeit erst in einiger Entfernung von der gereizten Stelle ihre maximale Grösse erreicht. Dass sich aber Reize in der Pflanze sehr viel weiter als bei den bis- her besprochenen Reizvorgängen fortpflanzen können, lehrt z. B. die Aus- breitung des phototropischen Reizes in Stengeln und Blattstielen (Rothert 1894) — hier kann die erregte Strecke 10—20 cm betragen —; ferner die des Berührungsreizes bei den Blättern von Mimosa, Neptunia und Biophytum, welche sich über 10 cm grosse Zonen erstrecken kann. Das zeigt ferner die traumatische Plasmaströmung, die sich bei ent- sprechender Verwundung eines Pflanzenteiles insämtlichen anderen Pflanzen- organen einstellen kann und die Ausbreitung des „Wundreizes“ bei Mimosa, Biophytum und den Ranken, infolge deren bei Mimosa die sämt- lichen Blättchen eines Zweiges oder gar der ganzen Pflanze sich zusammen- klappen, bei den Ranken aber die von der Wunde bis zu 20cm entfernten Spitzenteile sich einzurollen beginnen (Fitting 1904, S. 481 ff). Auch die Wachstumsbeschleunigung, die infolge einer Verwundung eines Organes oft in anderen Teilen des Pflanzenorganismus eintritt, kann unter Umständen, ') oder auch elektrische Spannungsänderungen. Über die Ausbreitungsgrenzen derselben vergl. Abschnitt VII. cu Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. | 93 z. B. bei Phaseoluspflanzen (Townsend 1897, S. 528 ff.), sich bis zu 26 cm von der Wundstelle aus bemerkbar machen. Bei manchen dieser Transmissionen sind die Gefässbündel allein oder doch hauptsächlich an der Reizausbreitung beteiligt. Auch die Reizverkettungen, die auf Innenreizen beruhen, können vielfach Reaktionen in Organen zur Folge haben, welche viele Zentimeter weit von dem primär veränderten oder beeinflussten "Teile entfernt sind. Doch sind wir über diese Reizverkettungen noch viel zu schlecht unterrichtet, als dass sich ein Urteil über die Länge der „erregten Strecke“ fällen liesse. Der Einfluss des Kernes, der in der Zellwandbildung durch das Plasma zum Ausdrucke kommt, kann sich bei lebender Kontinuität noch bis zu 3,7 mm Entfernung vom Kern geltend machen (Townsend 1897 a, S. 502). — Bei ein- und derselben Pflanze scheint die Länge der erregten Strecke, soweit sie nach einer Reizreaktion bemessen werden kann, mit den jeweils obwaltenden Bedingungen veränderlich zu sein. Dies ist leicht ver- ständlich. Sie variiert mit den Aussenbedingungen: je günstiger diese sind, um so weiter pflegt der Reiz geleitet zu werden. Ausserdem aber ist die Reiz- ausbreitung, wie es scheint, meist auch abhängig von der Stärke der Reizung und damit der Erregung. So werden z. B. am Droserablatte bei schwacher Reizung eines Tentakels nur wenige, benachbarte, Tentakeln erregt (Nitschke 1860, S. 245 ff., Ch. Darwin 1876, S. 212). Endlich hängt die Länge der erregten Strecke auch noch ab von dem Orte der Reizung, sei es nun des- halb, weil das Perzeptionsvermögen an verschiedenen Punkten verschieden ist, sei es, weil andere Umstände, wie z. B. einseitiges Reizleitungsvermögen sich geltend machen. Auch hier genüge es in Ermangelung eingehenderer Untersuchungen auf ein Beispiel hinzuweisen: Nach Ch. Darwin (1876, S. 214) werden durch eine Reizung eines zentralen Tentakels des Drosera- blattes weit mehr andere Tentakeln veranlasst, sich zu krümmen, als durch Reizung eines exzentrischen Tentakels. 2. Geschwindigkeit der Reizleitung. Ebenso wie die Länge der durch eine Reiztransmission erregten Strecke bei den Pflanzen oft sehr klein ist, soweit die Reizreaktionen ein Urteil zu- lassen, so scheint auch, nach dem Ablauf der Reaktionen zu urteilen, die Ge- schwindigkeit der Reizleitung vielfach recht klein zu sein. Doch muss man bei einem solchen Schlusse aus der Geschwindigkeit des Reaktionsbeginnes infolge einer lokalen und von der Reaktionszone entfernten Reizung ganz besonders vorsichtig sein. Einmal nämlich tritt die Reaktion nach einer Reizung im allgemeinen so schnell ein, wie es für den mit der Reaktion „beabsichtigten‘‘ Erfolg nötig ist. Man muss ja stets im Auge behalten, dass die allermeisten Reiz- 9 H. Fitting, reaktionen Anpassungserscheinungen sind, die für den Organismus irgend- welche Funktionen (wie man auch sagt, irgend einen „Zweck‘) erfüllen. 'So klappen z. B. die beiden Blatthälften bei Dionaea, der Venusfliegenfalle, nach Reizung der „Fühlborsten‘“ fast momentan (nach Burdon-Sanderson 1877, S. 466 ff. im günstigsten Falle nach 1—2 Sekunden) zusammen, da nur durch eine solche, der Reizung sofort folgende Bewegung ein Insekt gefangen werden kann. Dagegen tritt bei Drosera, auf deren Blättern die Insekten schon durch das klebrige Sekret der Drüsenköpfchen festgehalten werden, die Einwärtskrümmung viel langsamer ein (nach Ch. Darwin 1876, S. 10 u. 22 im günstigsten Falle nach 10 Sekunden) und schreitet auch sehr viel langsamer fort, weil eben eine schnellere Bewegung zum Insektenfang nicht nötig ist. Weiter aber wäre es unrichtig, anzunehmen, dass die Reizreaktion sofort nach der Übermittelung eines Impulses begänne. Selbstverständlich muss vielmehr noch eine gewisse, je nach der Mechanik der Reaktion ver- schiedene Zeit verstreichen, bis der Reizerfolg sich einstellen kann. Vorsicht bei der Beurteilung der Reizleitungsgeschwindigkeiten ist aber auch deshalb am Platze, weil es-in vielen Fällen infolge der geringen Länge der erregten Zone nicht möglich ist, so vollkommene Methoden wie bei den Nerven der Tiere anzuwenden. Nur selten hat man es bei Pflanzen versucht, nach der bekannten Helmholtzschen Methode Annäherungs- werte für die Geschwindigkeit der Reizleitung zu ermitteln. Sehr oft muss man sich, vorausgesetzt, dass eine direkte Reizung der Reaktionszone möglich ist, damit begnügen, einen unteren Wert zu ermitteln, der sich aus der Differenz der Reaktionszeiten bei indirekter Reizung eines von der Reaktions- zone entfernten Punktes und bei direkter Reizung der Reaktionszone ergibt. Doch dürfte sich zweifellos die eigentliche Methode von Helmholtz, die darauf hinausläuft, dass die zur Fortleitung des Reizes über eine bestimmte Strecke der Leitungsbahn notwendige Zeit bestimmt wird, für viel mehr Reiz- transmissionen bei Pflanzen mit Erfolg anwenden lassen, als es bisher ge- schehen ist. Übrigens gibt es auch Reizleitungsvorgänge, für deren Leitungs- geschwindigkeit sich nicht einmal Anhaltspunkte gewinnen lassen: wenn nämlich die Reaktionszone und die Perzeptionszone völlig getrennt sind und, wie es alsdann bei Pflanzen der Fall zu sein pflegt, durch keinerlei teizung der Leitungsbahn zwischen Perzeptions- und Reaktionsorgan der Reaktionseffekt ausgelöst wird, so gibt es bis jetzt keine Methode, um in die Transmissionsgeschwindigkeit einen Einblick zu tun. Aus dem Gesagten ist zu entnehmen, dass die meisten der bisher er- mittelten Werte nur untere Grenzwerte sind, und dass möglicherweise die teizleitung vielfach weit schneller erfolgt, als diese Werte angeben. Im übrigen wurden bisher alles in allem nicht allzu viele Zahlenwerte ermittelt, aus denen sich etwas für die Reizleitungsgeschwindigkeit entnehmen lässt. Im. Blatte von Dionaea tritt, wie schon erwähnt, nach. Burdon- a Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 95 Sanderson (1877, S. 466 ff.) die Reizbewegung im günstigsten Falle 1—2 Sekunden nach Berührung der Fühlborsten ein: der Reiz braucht demnach zur Ausbreitung über den Teil des Blattes, der zwischen der Bewegungszone und den Borsten gelegen ist und etwa 4—-5 mm lang ist, weniger als diese Zeit; d. h. in 1 Sekunde pflanzt sich der Reiz über mehr als 2—5 mm fort. Ähnlich wird wohl die Reizleitungsgeschwindigkeit des Stossreizes in den Blütenteilen (Staubfäden, Narbenlappen und den Unterlippen mancher Orchideen- blüten) zu beurteilen sein. In den Blättern von Drosera dauert es im günstig- sten Falle 10 Sekunden, bis der Reiz von dem Drüsenköpfchen eines Rand- tentakels aus die Einkrümmung der Tentakelbasis auslöst. Der Reiz muss während dieser Zeit nach Ch. Darwin (1876, S. 229) eine Strecke von 1/go Zoll Länge (= 1,53 mm) durcheilen. Demnach ist die Reizleitungs- geschwindigkeit im Droseratentakel grösser als 0,13 mm in 1 Sekunde. Der haptotropische Reiz pflanzt sich in den Ranken von Cyclanthera pedata mindestens um 18 mm in 5 Minuten oder um 3,6 mm in 1 Minute (Fitting 1902, S. 379; 1903, $. 610), bei Berücksichtigung der schrägen Reizleitung wohl um das Doppelte in der gleichen Zeit (Fitting 1903, S. 610) fort, der phototropische Reiz nach den Messungen Rotherts (1894, S. 137) in den Sprossen von Brodiaea congesta mindestens um 2 cm in der Stunde oder 0,3 mm in der Minute, der geotropische Reiz in der Wurzelspitze um 1 mm in 5 Minuten!) (Czapek 1898, S. 219). Für die Hemmungen und Beschleunigungen durch Wundreiz hat sich die Reizleitungsgeschwindigkeit bisher nicht ermitteln lassen. Doch sei er- wähnt, dass Townsend (1897, S. 528 ff.) bei Phaseoluspflanzen die Wachs- tumsbeschleunigung nach 6 Stunden in Pflanzenteilen bemerkte, die 260 mm von der. Wunde entfernt waren. Die Traumataxis breitet sich nach Tangl (1884) bei den Zwiebelschuppen von Allium Cepa in 12—15 Stunden um 0,5 mm, nach Nömeec (1901e, S. 24) bei Wurzeln in 15 Minuten um 1,1 mm, nach Miehe (1901, S. 128) bei Blättern von Tinantia fugax in der Stunde um 0,08—0,09 mm aus. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Traumataxis scheint mit der Entfernung von der Wunde bedeutend abzunehmen (N&ömec 1901e, S. 32), direkt an der Wundstelle aber äusserst gross zu sein. Umgekehrt pflanzt sich die durch Wundreiz ausgelöste Plasmaströmung, wie aus den Versuchen Kretzschmars (1904, S. 287 ff.) zu ersehen ist, mit steigender Entfernung von der Wundstelle mit immer grösserer Ge- schwindigkeit fort. Das zeigen folgende Zahlen, die gleichzeitig ein Urteil über die Reizleitungsgeschwindigkeit erlauben. In einem 12 cm langen, an 1) Diese Angabe ist übrigens methodisch sehr anfechtbar: Die Wurzel wurde während der Präsentationszeit gereizt und hierauf dekapitiert. Es trat keine Krümmung ein. Wurde aber 5 Minuten länger gereizt, so erfolgte die Krümmung. Auch wissen wir nicht, ob allein die Wurzelspitze den Reiz perzipiert. 96 H. Fitting, der Basis abgeschnittenen Blatte von Vallisneria war die Strömung bei 15° und einer Reaktionszeit von 8 Minuten nach 18 Minuten 3 em, nach 23 Minuten 6 cm, nach 26 Minuten 9 cm und nach 28 Minuten 12 cm weit auf- wärts fortgeschritten. Die grösste Schnelligkeit kann auch erst im Nachbar- blatte erreicht werden. So hatte sich die Strömung in einem an der Spitze verwundeten, 21 cm langen Blatte von Vallisneria bei 23° und einer Reak- tionszeit von 3 Minuten nach 7 Minuten 6 cm, nach 10 Minuten 12 cm, nach 12 Minuten 13 cm abwärts, nach 18 Minuten 12 cın, nach 30 Minuten 16 cm im Nachbarblatte aufwärts fortgepflanzt. Daraus ergibt sich für die Reizleitungsgeschwindigkeit im Durchschnitt 1 cm pro 1 Minute oder 0,17 mm pro Sekunde. Weit grösser als bei den bisher besprochenen Reiztransmissionen ist die Reizleitungsgeschwindigkeit des „Verwundungsreizes‘ bei Mimosa, bei den Ranken und, wie es scheint, auch bei Biophytum. Nach Dutrochets Be- obachtungen (1824, 5. 77 ff.) ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Wund- reizes bei Mimosa in den Blattstielen gewöhnlich mindestens 8—15 mm pro Sekunde, in dem Stengel 2—3 mm pro Sekunde. Haberlandt (1890, S. 71) gibt für den primären Blattstiel 8,5 mm, für den Stengel 6,5 mm, für das Hypokotyl und die Hauptwurzel der Keimpflanze 0,2—1,3 mm pro Sekunde (bei 22°C.) an. Kleinere Werte für das Blatt erhielt Bert (1870, S. 45 ft.), der einzige Forscher, der sich zur Messung der Reizleitungsgeschwindigkeit bei Mimosa der Helmholtzschen Methode bediente. Bert bestimmte die Zeitdifferenz der Senkung des Blattstielhauptgelenkes bei Verwundung des letzten und bei Verwundung des ersten Blättchens eines sekundären Fieder- strahles und bestimmte danach für den Blattstiel des sekundären Fieder- strahles die Geschwindigkeit zu 2-5 mm pro Sekunde. Doch ist bei allen diesen Zahlen, worauf schon Pfeffer (1873a, S. 325) hingewiesen hat, zu beachten, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Reizes von verschiedenen Umständen, namentlich aber von der Grösse der Verwundung abhängig ist. So dauerte es z. B. bei Einschnitten in ein Endblättchen eines Fiederstrahles 20 Sekunden, bis der primäre Blattstiel sich senkte, während dies bei Durch- schneidung der Spitze der sekundären Blattstiele schon nach 3—4 Sekunden geschah. Die mitgeteilten Werte gelten sonach für einen Modus der Ver- suchsanordnung, die Art und Stelle der Verwundung. Verhältnismässig recht langsam scheint der Reiz im Wurzelsystem von Mimosa geleitet zu werden. Nach Verwundung einer Seitenwurzel dauerte es nach Beobachtungen von Borzi (1899, S. 3) 3—5 Minuten, bis das unterste Blatt am Stengel, das 15—20 cm von der Wundstelle entfernt war, die Reiz- reaktion ausführte. Demnach wurde der Reiz in 1 Minute um 4—5 cm geleitet. In den Blättern von Biophytum ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Wundreizes nach Haberlandt (1898, S. 37) in der Blattspindel . min- Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 97 destens 2,5—3 mm pro Sekunde, in dem Mittelnerv eines Fiederblättchens 0,5—1 mm, in den Ranken nach eigenen, mit Helmholtzs Methode aus- geführten Messungen (Fitting 1904, S. 487) 10—20 mm pro Sekunde. Gleichzeitig lehrten die Beobachtungen an Mimosa, dass die Reizleitungs- geschwindigkeit in den verschiedenen Teilen der Pflanze recht verschieden gross sein kann. Das dürfte auch für andere Reizarten und bei anderen Pflanzen gelten. Vergleicht man nun die mitgeteilten Werte der Reizleitungsgeschwindig- keiten mit den Längen der erregten Strecken für die verschiedenartigen Reiz- transmissionen, so sieht man, dass diejenigen Reizleitungsvorgänge, bei denen die erregte Strecke besonders laug ist, wie z. B. für den Wundreiz bei Mimosa, bei Biophytum und bei den Ranken, auch mit der grössten Geschwindig- keit ablaufen. Und wenn wir die Reizleitungsbahnen berücksichtigen, so können wir sagen, dass diejenigen Reize mit der grössten Geschwindigkeit im Pflanzenkörper geleitet zu werden scheinen, die nur in den Gefässbündeln transmittiert werden. Immerhin sind, verglichen mit den Reizleitungsvorgängen in den meisten Nerven und Muskeln!) der Tiere, die Reizleitungsgeschwindigkeiten bei den Pflanzen recht klein. Ausgeschlossen ist es aber nicht, dass manche Reize auch in der Pflanze sehr viel schneller geleitet werden, als die mitgeteilten Zahlen angeben. Darauf lassen vielleicht manche Beobachtungen schliessen, die man bei der Reizperzeption über die Empfindlichkeit des pflanzlichen Plasmas gegen äussere Reizanlässe gemacht hat. Während man nämlich früher aus der bei vielen, namentlich tropistischen Reizreaktionen äusserst langen Reaktionszeit (/„—2 Stunden) und aus der ebenfalls langen „Präsen- tationszeit“‘ glaubte schliessen zu können, dass die Empfindlichkeit des Plasmas der Pflanzen recht gering sei und dass der Reizanlass längere Zeit darauf ein- wirken müsse, bis der Reiz wahrgenommen würde, haben neuere Untersuch- ungen mit intermittierender Reizung aufs deutlichste gezeigt, dass die zur Wahrnehmung nötige Zeit, die sog. Perzeptionszeit, unmessbar klein ist. So genügten zur Wahrnehmung des Lichtreizes bei Versuchen, die Pfeffer in !) Allerdings gibt es auch Muskeln, bei denen der Unterschied in der Reizleitungs- geschwindigkeit gegenüber der Pflanze nicht allzu gross ist. So pflanzt sich der Reiz im Muskelschlauch des Ureters beim Kaninchen nach Engelmann nur um 20—30 mm pro Sekunde fort. In der Muskulatur des Froschherzens beträgt nach demselben Forscher die Lei- tungsgeschwindigkeit 10-30 mm in der Sekunde. Ähnliches scheint für die glatte Muskulatur des Darmes vieler Säugetiere zu gelten. (Vergl. Biedermann, Elektrophysiologie 1895, 8.139 ff.) Demgegenüber kann die Reizleitungsgeschwindigkeit in den quergestreiften Muskeln der Warmblüter 5—12 m in der Sekunde betragen. Freilich ist es nicht unmöglich, dass es sich in vielen dieser Fälle nicht um eine muskuläre, sondern um eine nervöse Reizleitung handelt (vergl. dazu z. B. Bethe 1903, S. 111, 122 fi.). Auch sie kann überaus langsam er- folgen: so bei Eledone 40 cm — 1 m pro Sekunde, im Olfactorius des Hechtes 0,06—0,24 m pro Sekunde, ja im Kommissurnerven von Anodonta sogar nur 0,01 m pro Sekunde! (Bethe 1903, S. 321.) Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 7 98 H. Fitting, seinem Laboratorium ausführen liess (vergl. Pfeffer 1904, S. 621) die kürzesten Lichtblitze und zur Wahrnehmung des Schwerereizes nach eigenen Beobachtungen (Fitting 1905, 8. 291 ff.) ebenfalls äusserst kurze Ab- lenkungen aus der normalen Ruhelage. Aus diesen Versuchen ist also zu entnehmen, dass der Zeitschwellenwert für die Erregbarkeit des Plasmas’ bei Pflanzen in vielen Fällen äusserst klein ist, vielleicht ebenso klein wie beim Tier. Diese Beobachtungen legen aber den Gedanken nahe, dass möglicher- weise auch die Fortleitung der Erregung in Plasma von der Perzeptions- stelle aus vielfach sehr viel schneller erfolgt, als unsere sehr unvollkommenen Messungen uns vorläufig ermitteln lassen. Vielleicht wird es mit einigem Nachdenken noch gelingen, Methoden zur Entscheidung dieser Frage auf- zufinden. Übrigens sprechen auch einige Beobachtungen über die Ge- schwindigkeit der Ausbreitung der elektrischen Spannungsänderungen nach einer Reizung für diese Auffassung. Man findet sie in Abschnitt VII zu- sammengestellt. Ja es ist gar nicht ausgeschlossen, dass die Untersuchung dieser elektrischen Erscheinungen noch einmal das wertvollste Hilfsmittel zur Ermittelung der eigentlichen Reizleitungsgeschwindigkeiten wird. Ebenso wie die Länge der erregten Strecke, so scheint auch die Reiz- leitungsgeschwindigkeit von sehr verschiedenen Umständen, so von den Aussenbedingungen (vergl. Abschnitt VI), aber besonders auch von der Intensität der Reizung (der Erregung) und von dem Orte der Reizung abhängig zu sein. Auch hierüber fehlen aber eingehendere Studien. Da, wo besondere Reizleitungsbahnen, wie z. B. die Gefässbündel, bestehen, ist es begreiflich, dass die Schnelligkeit der Reizleitung auch durch die Aus- bildung dieser Bahnen, ihre Weite und ihre Zahl, sehr beeinflusst werden kann. Dies scheint namentlich bei Mimosa der Fall zu sein: Schon Dutro- chet (1824, S. 79 ff.) führte die verschiedene Geschwindigkeit der Reizleitung im Blattstiel und im Stengel darauf zurück, dass der Querschnitt der Gefäss- bündel im Stengel grösser ist als in den Blattstielen, indem er glaubte an- nehmen zu dürfen, dass mit dem zunehmenden Durchmesser die Reizleitung an Geschwindigkeit verliere. So einfach scheinen aber doch auch bei Mimosa die Beziehungen nicht zu sein (vergl. dazu auch Haberlandt 18%, S. 67 ff.). Schliesslich ist, wie leicht zu verstehen, die Transmissionsgeschwindig- keit an verschiedenen Orten desselben Pflanzenkörpers auch eine Funktion der Entfernung eben dieser Orte von der gereizten Stelle. Soweit sich die spärlichen Beobachtungen darüber verallgemeinern lassen, scheint die Ge- schwindigkeit meistenteils mit Zunahme der Entfernung von der Perzeptions- zone abzunehmen (ein solches Dekrement scheint zu bestehen für die Trauma- taxis vergl. Nömec 1901c, $. 32; für die Reizleitung bei Mimosa Haber- landt 1890, S. 72). Dass aber auch das Gegenteil möglich ist, darauf weisen die schon erwähnten Beobachtungen Kretzschmars (1904, S. 237 ff.) über die durch Wundreiz ausgelöste Plasmaströmung hin. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 99 3. I eleich le inindiskt ‚der Reizleitung in verschiedenen Richtungen und einseitiges Leitungsvermögen. Es ist von sehr grossem Interesse, dass manche Beobachtungen dafür zu sprechen scheinen, dass die Reizleitungen nicht immer. gleich schnell und gleich weit nach allen Richtungen von der Perzeptionszone aus oder über- haupt nicht in allen Richtungen, sondern nur in einer Richtung erfolgen. Dass die Reiztransmission manchmal in den Gefässbündelsträngen schneller verläuft als im übrigen Gewebe, darauf wurde ja schon an anderer Stelle hingewiesen (vergl. $. 80) und wahrscheinlich gemacht, dass die Gestalt der Zellen in den Strängen diese Verschiedenheit zur Folge hat. Eine verschieden schnelle und verschieden weite Ausbreitung von Reizen in verschiedenen Richtungen wurde in folgenden Fällen beobachtet. Sie ist ganz besonders auffällig für einige Reaktionen, die durch Wundreiz ausgelöst werden: so für die Traumataxis. In den Wurzeln von Allium Cepa z. B. pflanzt sich die traumataktische Umlagerung des Plasmakörpers viel schneller akrofugal fort als akropetal (N&mec 1901c, S. 43 ff.)‘). Ausserdem breitet sich der Reiz transversal weit langsamer aus als longitudinal (N&mec 1901c, S. 44 ff., S. 66; vergl. auch Nestler 1898, Miehe 1901, S. 128 ff). Für die grössere Langsamkeit der Reiztransmission in querer Richtung kann aber die grössere Zahl der Zellwände, die vom Reiz durchsetzt werden muss, nach N &mee nicht ausschlaggebend sein. Ferner pflanzt sich die durch Wundreiz veranlasste Plasmaströmung bei Verletzung des Parenchyms von Vallisneria oder Elodea oder des Parenchyms im Blattstiel von Hydrocharis akropetal langsamer fort als basipetal (Kretzschmar 1904, $. 293). Auch in trans- versaler Richtung lässt die Ausbreitung der Plasmaströmung eine bedeutende Verlangsamung erkennen, die ebenfalls, wie es scheint, nicht allein auf die grössere Zahl der zu passierenden Zellwände zurückgeführt werden kann (Kretzschmar 1904, S. 295). Da die Reaktionszeit für die 'Traumataxis und die Plasmaströmung in allen Zellen ziemlich gleich zu sein scheint, so können diese Differenzen nur auf eine verschiedene Geschwindigkeit der Reiztransmission in den verschiedenen Richtungen zurückgeführt werden’), Aber nicht nur für die Geschwindigkeit der Ausbreitung besteht ein Unterschied zwischen akropetaler und akrofugaler Richtung: Der Reiz pflanzt sich bei unbedeutenden Verletzungen basalwärts auch iminer viel weiter fort als spitzenwärts (Beispiele beiHauptfleisch 1892, S.196 und Kretzsch- 1) In der Epideımis der Zwiebelschuppen von Allium Cepa pflanzt sich dagegen nach Tangl (1884, S. 31) der Reiz nach beiden Seiten gleich schnell fort. 2) Ich möchte nicht verfehlen, hier darauf hinzuweisen, dass in neuerer Zeit auch auf tierphysiologischem Gebiete einige Beobachtungen über ungleiche Ausbreitung von Er- regungen in Muskeln von L. Asher gemacht wurden (vergl. Biedermann 1902, S. 146 ff.), Im übrigen vergleiche man auch Anm. 3 auf der nächsten Seite. 7* 100 H. Fitting, mar 1904, S. 282 ff.: In einem durch Nadelstiche verletzten Blatte von Vallisneria pflanzte sich der Reiz akropetal um 1,6cm, basipetal um 5cm fort; in einem zweiten Blatte 0,5 bezw. 4 cm; im Blattstiele von Hydrocharis 0,6 cm bezw. 1,5 cm)!). Weiter gibt es aberauch Beispiele dafür, dass Reize über- haupt nur in einer Richtung geleitet werden. So breitet sich der Dekapitationswundreiz, der in den Graskeimblättern die Wachstumsintensität vermindert und die phototropische Empfindlichkeit und Krümmungsfähigkeit zeitweilig ganz aufhebt, fast nur basipetal, aber nicht akropetal aus (Rothert 1894, S. 63)?2). Auch für die phototropische Reizleitung in denselben Pflanzen- teilen hat Rothert (1894, S. 63)?) nur eine basipetale Ausbreitung ermitteln können. Ebenso soll die sekundäre traumataktische Reaktion, die Nömec bei der Traumataxis unterscheidet, nur basalwärts sich fortpflanzen (N&mec 1901c, S. 66). Wie weit bei denjenigen Tropismen der Wurzel, die durch Zuleitung von der Wurzelspitze her ausgelöst werden können, nur eine basipetale Reiz- transmission vorkommt, lässt sich nach den vorliegenden Beobachtungen noch nicht beurteilen. Jedenfalls kann sich der traumatotrope Reiz (Detlefsen 1882, S. 644 und Nöämec 1%5b, S. 350 ff.) sowohl akrofugal wie akropetal ausbreiten. Gleiches gilt für den rheotropischen Reiz (Newcombe 1902; 1902 a). Interessante Verschiedenheiten der Reizausbreitung in verschiedenen Richtungen bestehen ferner im Blatte von Drosera. In den randständigen Tentakeln kann der motorische Reiz bloss von dem Drüsenköpfehen zur Basis, nicht aber weiter ins Blatt zu anderen Tentakeln geleitet werden. Von den Tentakeln der Blattfläche vermögen die äusseren Reihen den motorischen Reiz nur zentripetal und seitlich, nicht aber zentrifugal zu leiten (Ch. Darwin 1876, Ss. 213 ff., S. 229). Ausserdem pflanzt sich der motorische Impuls besser longitudinal als quer im Blatte fort, während er von der Spitze zur Basis und umgekehrt gleich gut transmittiert wird®). Die Bevorzugung der longitu- !) Über die ungleiche Ausbreitung desjenigen Wundreizes, der den sog. Harzfluss ver- anlasst, in longitudinalen Richtungen vergl. man Tschirch (1904, S. 179 ff.) und Beijerinck (1905, S. 366 ft.). 2) Die Beobachtungen Rotherts kann ich nach eigenen Versuchen bestätigen. 3) Man wird bei diesen Beobachtungen unwillkürlich an die ganz bestimmten Irradia- tionen im Zentralorgane erinnert, die den Reflexvorgängen beim höheren Tier eigentümlich sind und es bewirken, dass die Reizbewegungen normalerweise streng koordiniert sind (d. h. dass die Gruppen der gleichzeitig erregten motorischen Nervenfasern stets physiologisch zu- sammengehörig sind). Die Erfolge der Strychninvergiftung: Der Übergang der koordinierten Bewegungen in nicht koordinierte beim Strychninkrampf sowie andere Beobachtungen scheinen nämlich zu beweisen, dass die Wege, welche die Erregung im unvergifteten Zentralorgane ein- schlägt und durch welche die koordinierten Bewegungen allein ermöglicht werden, nicht des- halb beschränkt sind, weil sie durch eine bestimmte Anordnung des Verlaufes der Nerven- fasern im Zentralorgane vorgeschrieben sind, sondern nur aus dem Grunde, weil die Erregung, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 101 dinalen vor der queren Richtung kommt oft dadurch zum Ausdruck, dass durch Reizung der scheibenständigen Tentakeln auf der einen Blatthälfte die andere Hälfte nicht motorisch beeinflusst wird (Roth 1782, S. 60 ff.; Nitschke 1860, S. 232, S. 241; Ch. Darwin 1876, S. 215 ff). Darwin neigt dazu, anzunehmen, diese letzteren Verschiedenheiten in der Reizleitung ständen in Zusammenhang damit, dass die Zellen im Blatte in longitudinaler Richtung gestreckt seien. Diese Erklärung kann aber nicht für alle Verschiedenheiten genügen. In querer Richtung habe der Reiz viermal so viele Wände zu durchsetzen als in der Längsrichtung. Mit der Gestalt der Zellen soll es auch zusammenhängen, dass der Reiz in den Randtentakeln ganz besonders schnell geleitet wird. Viel weniger Interesse als die bisherigen Reiztransmissionen, bei denen eine Bevorzugung gewisser Richtungen gegenüber anderen vorkommt, bieten die Reizleitungen, die durch die Gefässbündel vermittelt werden. Bei ihnen wird selbstverständlich die Reizleitung von der Anordnung und dem Verlauf der Gefässbündel abhängen müssen, womit alsdann Verschiedenheiten in dem Ablauf der Reiztransmission nach verschiedenen Richtungen notwendig ver- knüpft sind. Solche Beobachtungen wurden namentlich an Mimosa gemacht: Ist an einem Exemplar die Reizfortpflanzung weniger energisch nach Ver- wundung eines Fiederblättchens, so werden nur die weiter unten am Stengel befestigten Blätter motorisch gereizt (Bert 1866, S. 27; Pfeffer 1873a, S. 319), niemals aber eines der oberen Blätter. Dagegen haben Einschnitte in die Gefässbündel der Stengel an genügend beleuchteten, übrigens sehr reizbaren Pflanzen gewöhnlich nur eine Reizung der höher am Zweige stehenden Blätter zur Folge (Pfeffer 1873a, S. 320 ff.). Die Reizfortpflanzung ist also das eine Mal in basifugaler, das andere Mal in basipetaler Richtung am aus- giebigsten. Dass der Reiz bei Mimosa vorzugsweise longitudinal geleitet wird (Dutrochet 1824, S. 81; Meyen 1839, S. 520; Pfeffer 1873a, S. 320 ff.), findet ebenfalls in den Bahnen der Reiztransmission seine Erklärung. Ob es in gleicher Weise auf die Gefässbündel als die Bahnen der Reiz- übermittelung zurückzuführen ist, dass die Achselknospe bei Tradescantia nur das geotropische Verhalten des nächst unteren, nicht aber des nächst höheren ohne auf bestimmte Fasern beschränkt zu sein, innerhalb der Nervenzellen des Zentralorgans in bestimmten Richtungen leichter von statten geht als in anderen. Es bestehen gewisser- massen „Entladungslinien“, längs deren aus unbekannten Ursachen, unabhängig vom Faser- verlaufe, das Plasma erregbarer ist oder der Erregungsfortpflanzung geringere Widerstände ent- gegenstellt als in anderen Richtungen. Diese Entladungslinien sind von teleologischen Ge- sichtspunkten aus als eine überaus zweckmässige Einrichtung zu bezeichnen. Von grossem Interesse ist es nun, dass sich während des individuellen Lebens neue reflektorische Be- wegungskombinationen, also neue „Entladungslinien“, ausbilden können. (Vergl. Biedermann, Elektrophysiologie 1895, S. 501 ff,, Wundt 1902, S. 89 ff.) Man könnte daran für Pflanzen die Frage knüpfen, ob es in gewissen Fällen vielleicht möglich sei, durch oftmalig wieder- holte Reizung die Unterschiede zum Verschwinden zu bringen, die bezüglich der Reizleitung in verschiedenen Richtungen bestehen. 102 H. Fitting, Gelenkes beeinflusst (Miehe 1902), entzieht sich vorläufig ganz der Beur- teilung. Während also die verschieden weite und verschieden schnelle Reiz- leitung bei Mimosa und anderen Pflanzen, bei denen nur die Gefässbündel die Reiztransmission vermitteln, eben in dem Verlauf dieser Gefässbündel eine genügende Erklärung findet, ist dies nicht der Fall für jene zuerst ‘besprochenen Reizleitungsvorgänge, die durch das Grundgewebe vermittelt werden. Bei ihnen wird man zwar, für einen Teil der beobachteten Diffe- 'renzen wenigstens, die Gestalt der Zellen, ihre verschiedene Längenausdehnung in verschiedenen Richtungen, wie wir schon sahen, und, falls diese Erklärung etwa, wie es scheint, nicht hinlänglich sein sollte, für die Verschiedenheiten der Reizausbreitung in der Längs- und Querrichtung die verschiedene Zahl ‚der Plasmodesmen in den Längs- und in den Querzellwänden vielleicht mit Erfolg verantwortlich machen können; für die Verschiedenheiten der Reiz- leitung in longitudinalen Richtungen aber, in basipetaler einer-, in basifugaler andererseits, würden solche Annahmen, wie auf der Hand liegt, nicht ausreichen. Freilich wird man sich zunächst fragen müssen, ob die entsprechenden Beobachtungen mit Sicherheit auf eine einseitig bevorzugte Reizleitung schliessen lassen. Was man in allen den erwähnten Fällen beobachten kann, ist ja nur das, dass durch die Reiztransmission die Reaktion nur nach einer Seite oder nach einer Seite (basipetal) bevorzugt ausgelöst wird, nicht aber oder weniger schnell und weniger weit nach der anderen (z. B. akropetal). Es wäre also sehr wohl denkbar, dass sich der Reiz zwar gleichsinnig und gleichmässig nach allen Richtungen (basipetal und akropetal) ausbreitet, dass aber die als Anpassung aufzufassende Reaktion nur dann ausgelöst wird, wenn der Reiz von bestimmter Richtung herkommt. Diese An- nahme liegt nicht ausserhalb des Bereiches der Möglichkeit. Sehen wir doch z. B., dass die Reaktion in manchen Fällen intensiver oder allein ausgelöst wird, wenn der Reiz von anderer Stelle zugeleitet wird und nicht die Reak- tionszone selbst betroffen hat (vergl. meine Ausführungen in Abschnitt III). Stellt man sich aber auf den anderen Standpunkt, dass diese Beobach- tungen auf eine einseitige Reizausbreitung hinweisen — und vieles spricht für diese Auffassung —, so bleibt eine solche selbstverständlich noch zu erklären und, da sich solche Verschiedenheiten der Ausbreitung gerade bei solchen Reizerscheinungen nachweisen lassen, bei welchen die Reizleitung so gut wie sicher durch die lebende Substanz vermittelt wird, festzustellen, wie es kommt, dass der Reiz in den Plasmaverbindungen zwischen Zelle A und B wohl von A nach B, nicht aber, oder doch schlechter und langsamer von B nach A geleitet wird. An anderer Stelle (Fitting 1903a) habe ich einmal versucht, diese „polaren“ Differenzen mit einer „polaren“ Struktur der Zellen in Verbindung Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. : 103 zu bringen, wie sie namentlich bei Transplantationsversuchen (Vöchting 1892) auffällig hervortritt. Bemerkenswerterweise sind solche polaren Diffe- renzen auch für die Stoffwanderung nachgewiesen worden (vergl. z. B. Purie- witsch 1898, 8. 47 ff., S. 69 ff). Ob alle diese polaren Verschiedenheiten auf ein und denselben Ursachen, etwa einer „polaren Struktur“ der lebenden Zellsubstanz, oder auf verschiedenen Ursachen beruhen, wissen wir vorläufig nicht. Deshalb ist mit dem Ausdruck Polarität keine Erklärung, sondern nur eine Umschreibung der Tatsachen gegeben, da wir das Wesen der Er- scheinung vorläufig nicht durchschauen können. Jedenfalls lehrt tieferes Nach- denken, dass es vorläufig noch nicht angängig ist, wie ich es a. a. O. (1903 a) tat, die einseitige Reizausbreitung als Stütze der „Zellenpolarität‘‘ hinzustellen. Wie weit die Polarität, die sich im Austreiben von Knospen und Wurzeln und bei der Regeneration bemerkbar macht (vergl. Abschnitt II, 3b u. c) auf gleichen oder ähnlichen Ursachen wie die erwähnten polaren Erscheinungen beruht, entzieht sich ebenfalls noch völlig jeder Beurteilung !), Abschnitt VI Abhängigkeit der Reizleitungsvorgänge von den Aussenbedingungen. 1. Allgemeines. Über die Abhängigkeit der Reizleitungsvorgänge von den Aussenbedin- gungen sind wir bei den Pflanzen erst sehr mangelhaft unterrichtet. Die Untersuchung bietet ja wegen der meist recht kleinen Strecke, über die sich die Reiztransmissionen in nachweisbarer Weise ausbreiten, grosse Schwierigkeiten dar. Aber auch für die kleinere Zahl der Reizleitungen, bei denen die Erregung sich von der Perzeptionsstelle weiter fortpflanzt, liegen nur recht wenige Versuche vor, die sich mit Leichtigkeit noch bedeutend vermehren liessen. Es wäre wünschenswert, dass dies bald geschähe, da die ı) Jedenfalls ist so viel sicher, dass ein ungleiches Reizleitungsvermögen nach ver- schiedenen Richtungen nicht aller lebenden Substanz zukommt. So scheint es derartige Unter- schiede nicht bei den Nerven der Tiere zu geben, was um so wunderbarer erscheint, als jeder Nerv in der phylogenetischen und ontogenetischen Entwickelung fast stets einseitig in An- spruch genommen wird, entweder zentripetal oder zentrifugal. Für niedere tierische Organismen ist hinsichtlich gleicher Befähigung der Reizleitung in entgegengesetzten Richtungen lehrreich ein Versuch von Gruber (1887, S. 94 ff.): Zwei Stentor- längshälften wuchsen verkehrt zusammen. Nach der Verwachsung schlugen die Peristom- eilien, die sich nun sowohl am vorderen wie auch am hinteren Ende befanden, durchaus synchron und wurden ganz gleichmässig von Aussenreizen beeinflusst. Daraus geht aber hervor, dass mit der Verwachsung auch neue „Reizleitungsbahnen“ zwischen beiden Teilen hergestellt wurden, deren einer Teil normal, deren anderer anomal, verkehrt, orientiert war. Auch bei Pflanzen gibt es genug Reizleitungsvorgänge, die gleichmässig nach allen Richtungen erfolgen. 104 | H. Fitting, Ergebnisse solcher eingehender Versuche für die Beurteilung des Wesens der Reizleitungsvorgänge von grösster Wichtigkeit sein könnten. Bei weitem die meisten Versuche, die über den Einfluss einer Variation der Aussen- bedingungen angestellt wurden, beziehen sich auf den gesamten Reizvorgang, aber nicht auf seine einzelnen Teile, so dass es äusserst schwer ist, aus ihnen irgendwelche Schlüsse auf die Beeinflussung gerade der Reiztransmissionen zu ziehen. Das ist bei manchen Angaben zu beachten, die ich in diesem Abschnitte notgedrungen berücksichtigen musste. Ganz allgemein erlauben die bisherigen Beobachtungen so viel zu sagen, dass die Reizleitungen bei den optimalen Lebensbedingungen und in den lebensfrischesten Pflanzenexemplaren oder -teilen am besten vor sich zu gehen pflegen: die erregte Strecke wird unter solchen Umständen am längsten und die Reizleitungsgeschwindigkeit am grössten. Doch scheint es von dieser Regel Ausnahmen zu geben. So beobachtete Kretzschmar (1904, 5. 285), dass junge, lebenskrältige Blätter der Ausbreitung desjenigen Reizes, der die Plasmaströmung auslöst, grösseren Widerstand entgegensetzen als etwas ältere. Ob dies auch für andere durch den Wundreiz ausgelöste Reaktionen, wie z. B. die Traumataxis, gilt, lässt sich jetzt noch nicht beurteilen. Im übrigen sind aber die verschiedenartigen Reizleitungsvorgänge in recht verschiedener Weise, manche in sehr geringem, andere in sehr hohem Grade, von den Aussenbedingungen abhängig. 2. Reizleitungen, die nur durch die Gefässbündel vermittelt werden. Zur ersteren Gruppe gehören hauptsächlich diejenigen Reiztransmissionen, die durch die Gefässbündel vermittelt werden. Ihre Abhängigkeit von Aussen- umständen ist weitaus am besten bekannt. Dies gilt namentlich für Mimosa. Schon Dutrochet (1824) machte darüber Beobachtungen, freilich nur in recht unvollkommener Weise, indem er den Ablauf der Reaktion verfolgte. So schien ihm die Lufttemperatur keinen Einfluss auf die Transmissions- geschwindigkeit zu haben (1824, S. 77 ff), wenn auch der Reiz sich bei 10° über eine geringere Strecke als bei höherer Temperatur fortpflanzt, ebensowenig die Herabsetzung der Beweglichkeit in der Dunkelheit und die eigentliche Dunkelstarre (1824, S. 82 ff. Da aber die Empfindlichkeit der Gelenke sehr von der Temperatur und von der Beleuchtung abhängt, so sind diese Versuche mit grosser Vorsicht zu beurteilen (Pfeffer 1873 a, S. 326). Den einzig exakten Weg, der zum Ziele führen kann, schlug zum ersten Male Pfeffer (1873 a)!) ein, indem er den Einfluss gewisser Aussen- !) Über die Einzelheiten der Methodik unterrichtet Pfeffer (1873a), Haberlandt (1890, S. 85 ff.) und Fitting (1904, S. 438 ff.). Letzterer verwendete im Anschluss an eine Angabe Czapeks (1897 a S. 141 ff.) zwei Glasröhren, an deren glatten Schnittflächen mit der Feile je zwei kleine, diametral gegenüberliegende, halbkreisförmige Ausschnitte angebracht Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 105 umstände, nämlich der Narkotisierung, auf eine kleine Zone der Reizleitungs- bahn untersuchte. Da sich der Reiz bei Mimosa über so grosse Strecken ausbreitet, so macht dies keine grossen Schwierigkeiten. In der Folgezeit ist alsdann diese Methode, Aussenumstände nur auf einen kleinen Teil der Reizleitungsbahn einwirken zu lassen, mehrfach mit verschiedenen Variationen bei Mimosa angewendet worden (vergl. Haberlandt 1890; Mac Dougal 1896; Fitting 1904). Folgendes sind die Ergebnisse: Durch lokale Ätheri- sierung oder Chloroformierung (Pfeffer 1873 a. S. 309), durch lokale ein- bis zweistündige Abkühlung einer 2—3 cm langen Strecke auf 0°—-2° (Fitting 1904, S. 502) wird die Reizleitung nicht beeinflusst. Ja sogar durch ab- getötete Stengel- und Blattstielteile bis zu 3em Länge kann unter Um- ständen der Reiz noch „geleitet“ werden (Haberlandt 1890, S. 35 ff.; Cunningham 1887; 1895, S. 122; Mac Dougal 1895; 1896, $. 296 ff.; Fitting 1904, S. 511 ff). Es machen sich aber zwischen dem Verhalten der lokal narkotisierten oder abgekühlten Pflanzen und denen, bei welchen ein Teil der Reizleitungsbahnen abgetötet wurde, in der Reiztransmission, wie es scheint, bedeutende Unterschiede geltend, auf die ich hingewiesen habe (1904). Während im ersteren Falle schon ein Einschnitt in ein Fieder- blättehen oder eine Durchschneidung eines lebenden Teiles des Blattstieles genügt, um die Reizleitung in basifugaler oder basipetaler Richtung über die narkotisierte oder abgekühlte Strecke zu veranlassen, ist im letzteren Falle eine Reizleitung durch die abgetöteten Zonen stets nur dann zu be- obachten, wenn ein Teil der lebenden Blättchen abgesengt oder abgebrüht wird!). Diesen Beobachtungen von mir stehen freilich ältere gegenteilige Angaben von Haberlandt (1890, S. 37 ff.) und Mac Dougal (1896, 8. 296 ff.) gegenüber. Mit meinen Beobachtungen stimmt aber die Angabe von Haberlandt (1890, S. 47) überein, dass sich der Stossreiz nicht über abgebrühte Zonen fortpflanzt. Deshalb wäre eine neue, eingehende Untersuchung dieser Frage dringend erwünscht, wobei auch die Differenzen in der Versuchsanordnung berücksichtigt werden müssten. Ganz ähnlich wie abgetötete Stengel- oder Blattstielteile verhalten sich nach meinen Beobachtungen (Fitting 1904, S. 503, S. 518) auch, wie hier noch erwähnt sein mag, langsam plasmolysierte Pflanzenteile, in denen nach- träglich der Turgor wiederhergestellt wurde. waren. Diese Röhren wurden von beiden Seiten an den Pflanzenteil herangebracht und die aufeinandergepassten Schnittflächen mit einem Mantel eines frisch bereiteten Gipsbreies oder Klebwachs umgeben, durch den auch gleichzeitig der Pflanzenteil luftdicht in die Röhre einge- kittet wurde. Diese Versuchsanordnung bewährte sich sehr gut. !) Überhaupt ist sehr beachtenswert, dass die Abtötung durch Hitze einen sehr viel inten- siveren Reiz darstellt, d. h. die Reizleitung über sehr viel grössere Strecken der Mimosapflanze auslöst, als z. B. Abtötung mit Chloroformwasser oder Durchschneidung des Sprosses. (Vergl. z. B. Haberlandt 1890, 8. 562 ff, Fitting 1904, S. 516 ff.). 106 H. Fitting, Ähnlich wie Mimosa scheint sich Biophytum sensitivum zu verhalten. Doch wurde für diese Pflanze bisher nur festgestellt, dass der Reiz auch durch eine 5—10 mm lange, abgetötete Zone eines Fiederstrahles geleitet werden kann (Mac Dougal 1896, S. 297; 1899, S. 297 ff., nachdem Haber- landt 1898, S. 38 das Gegenteil angegeben hatte). Endlich schliesst sich auch die Leitung des Verwundungsreizes bei den Ranken hier an. Auch bei ihnen (Passiflora coerulea, Actinostemma pani- culatum) wird die Reizleitung durch längere lokale Abkühlung einer 1—2 cm langen Zone auf 0°—2° C nicht beeinflusst (Fitting 1904, S. 440 ff.), eben- sowenig, wie es scheint, durch Chloroformierung (S. 441). Dagegen war es mir nicht möglich, eine Reizleitung durch abgetötete (S. 439 ff.) und durch langsam oder schnell plasmolysierte und dann wieder turgeszent gemachte (S. 443 ff.) Zonen zu beobachten. Vielleicht wird aber auch dies bei ge- eigneter Ver$uchsanordnung noch möglich sein. >. Reizleitungen, die auch im Grundgewebe stattfinden. Viel weniger wurde die Abhängigkeit derjenigen Reizleitungsvorgänge von den Aussenbedingungen untersucht, die unabhängig von den Gefäss- bündeln durch das Grundgewebe vermittelt werden, obwohl z. B. die Leitung des Wundreizes infolge der Länge der erregten Strecke einer Untersuchung gar keine Schwierigkeiten entgegensetzen würde. Unsere Kenntnisse be- schränken sich darauf, dass intensives Licht einen fördernden Einfluss auf die Ausbreitung der Plasmaströmung hat (Kretzschmar 1904, S. 285) und dass die Ausbreitung der Strömung auch noch in plasmolysierten Blättern von Vallisneria möglich ist, die mit 15°/o Rohrzuckerlösung plasmolysiert worden waren (Kretzschmar 1904, S. 298 ff... Es wäre sehr wünschens- wert, dass diese letzteren Versuche weiter fortgeführt würden, namentlich auch unter Berücksichtigung der sehr wichtigen Frage, wie weit die Konti- nuität des Plasmas vermittelst der Plasmaverbindungen durch die Plasmolyse unterbrochen wurde. Zweckmässig würde es in solchen zukünftigen Versuchen wohl auch sein, nicht das ganze Blatt, sondern nur eine kleine Zone zu plasmolysieren. Gar keine Versuche liegen darüber vor, wie die verschiedenen Reiz- leitungsvorgänge beeinflusst werden, wenn man einen galvanischen Strom durch das leitende Organ hindurchströmen lässt, dasselbe also in „Elektro- tonus‘“ versetzt. Auch über die Abhängigkeit tropistischer Reizleitungsvorgänge von äusseren Umständen wissen wir fast gar nichts. Wenn Czapek (1898, S. 222) sagt, die Einwirkung äusserer Faktoren auf die Reizleitung des geotropischen Reizes in der Wurzelspitze sei ganz analog derjenigen, die dieselben Umstände auf die geotropische Sensibilität haben, so stützt er diese Angabe nicht durch irgendwie einwandfreie Versuche, selbst wenn wir die unbewiesene in Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 107 Annahme machen, dass in der Tat der geotropische Reiz von der Wurzel- spitze in die Wachstumszone geleitet wird. ') Was schliesslich die mannigfaltigen Transmissionen von Innenreizen betrifft, so wissen wir über ihre Abhängigkeit von den Aussenbedingungen überhaupt gar nichts. Dies ist ganz besonders bedauerlich, weil durch ent- sprechende Untersuchungen höchstwahrscheinlich unser Einblick in das Wesen dieser Innenbeziehungen ganz wesentlich vertieft werden könnte. Zudem lassen die grossen Strecken, über welche diese Innenbeziehungen unterhalten werden, solche Versuche bei einer zweckmässig gewählten Me- thodik als sehr aussichtsreich erscheinen. Ich würde mich nicht wundern, wenn solche Untersuchungen unter anderem das Ergebnis hätten, dass auch die Reizleitungsvorgänge der Innen- reize in zwei Gruppen geteilt werden können, einmal nämlich in solche, die von den Aussenbedingungen mehr oder weniger unabhängig sind, sodann in solche, die in sehr hohem Masse von äusseren Umständen beeinflusst werden. — Auch weitere, sehr wichtige Fragen, die hier berührt werden müssen, sind noch nicht näher verfolgt worden, nämlich die, in welcher Weise die Leitung eines Reizes beeinflusst (gehemmt oder verlangsamt) wird, wenn die Pflanzenteile, durch die der Reiz geleitet werden soll, sich infolge einer anderen Reizung schon in einem Erregungszustande befinden, und ob zwei: verschiedenartige oder auch gleichartige Reizleitungsvorgänge, ohne sich gegenseitig zu stören, nebeneinander oder gegeneinander ein Organ durch- fliessen können. Die Analyse der Reizvorgänge ist im allgemeinen noch nicht so weit gediehen, dass mit Sicherheit die Beeinflussung der Transmissions- vorgänge von der Beeinflussung der Perzeptions- und Reaktionsvorgänge ab- getrennt werden könnte. Deshalb lässt sich auf die aufgeworfenen Fragen auch noch keine klare Antwort geben. Jedoch spricht allerdings Manches, dafür, dass sich zwei heterogene oder auch gleichartige Reizleitungsvorgänge in einem Organe nebeneinander abspielen können, ohne sich gegenseitig zu benachteiligen und dass auch eine Reiztransmission durch eine andersartige Erregung nicht gehemmt wird. So wurden ja schon im ersten Teile dieser Abhandlung bei Besprechung der durch Wundreiz ausgelösten Hemmungen und Beschleunigungen Fälle erwähnt, wo eine Verwundung in geringerer oder grösserer Entfernung von der verletzten Stelle zwar den Ablauf von Reizvorgängen, nicht aber der Reiztransmissionen beeinflusst. Z. B. hebt die Dekapitation des Kotyledo bei den Graskeimlingen nur die phototropische Empfindlichkeit vorübergehend auf, nicht aber die Befähigung, den photo- tropischen Reiz zu leiten (Rothert 1894, S. 196; S. 200). Bei Dionaea 1) Falls ein Analogieschluss nach dem Verhalten tierischer Nerven erlaubt wäre, so müsste man weit eher erwarten, dass die Erregungsleitung in anderer Weise wie die Sensi- bilität durch Aussenumstände beeinflusst wird. Jedenfalls lehren uns die Nerven, dass eine solche Möglichkeit bestehen kann. (Vergl. Biedermann Elektrophysiologie 1895, S. 493 ff.) 108 H. Fitting, scheint eine gewisse Beschädigung der einen Blatthälfte wohl das Reaktions- vermögen, nicht aber das Leitungsvermögen des perzipierten Reizes aufzu- heben (Balfour 1876, $. 344 ff.). Jedoch soll damit nicht gesagt sein, dass dies immer so sein müsste. Dass auch diejenigen Reizleitungsvorgänge, die in den Gefässbündeln geleitet werden und in hohem Masse von den Aussenbedingungen unab- hängig sind, durch eine andersartige Erregung der zur Leitung dienenden Pflanzenteile nicht beeinflusst werden, kann nicht wundernehmen. Das zeigen ja schon die eingangs dieses Abschnittes mitgeteilten Versuche. Ausserdem wird z. B. weder bei Mimosa, noch bei Biophytum oder den Ranken die Transmission durch eine noch so schwere Verwundung des Grundgewebes irgendwie gehemmt, bei den Ranken auch nicht durch lokale haptotropische Reizung (Fitting 1904, S. 435). Einwandfreie Beispiele dafür, dass heterogene oder auch gleichartige Reizleitungsvorgänge in einem Organe nebeneinander oder auch gegenein- ander ablaufen, lassen sich bis jetzt nicht anführen. Gleichwohl wird man berechtigt sein, solches aus theoretischen Gründen zu fordern. Würde näm- lich ein Reizleitungsvorgang den Ablauf aller anderen stören, so könnte durch eine Reiztransmission das harmonische Zusammenarbeiten aller Teile, wie es für den Organismus nötig ist, vorübergehend leicht in zweckwidriger Weise gehemmt werden. Weiterhin fehlen uns alle Erfahrungen darüber, ob und in welcher Weise ein Reizleitungsvorgang eine zweite gleichartige Transmission in ihrem Ablauf verändert, die kurze Zeit nachher und in gleicher Riehtung durch ein Organ hindurchläuft: ob sie mit grösserer oder geringerer Geschwindigkeit und über eine grössere oder eine kleinere Strecke als die erste stattfindet und wie sich ihre Intensität, gleich starke Reizung vorausgesetzt, zur ersten verhält. So sehen wir denn, wenn wir diesen ganzen Abschnitt überblicken, dass die Mehrzahl der Probleme, die in ihm berührt wurden, noch sehr weit von einer auch nur einigermassen befriedigenden Aufhellung entfernt sind. Weitere Untersuchungen dürften hier überall noch reiche Früchte tragen. Abschnitt VlM. Elektrische Spannungsänderungen, die einige Reizleitungs- vorgänge begleiten. 1. Allgemeines. Da der Chemismus des Stoffwechsels in den verschiedenen Teilen der Pflanze wie beim Tiere recht grosse Verschiedenheiten nach seiner Qualität und Quantität aufweist, so kann es nicht wundernehmen, dass mit den chemischen Differenzen und Umsetzungen, sowie mit den bestehenden Kon- Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 109 zentrationsunterschieden in der Pflanze ebenso wie im tierischen Organismus reichliche Gelegenheit zur Ausbildung elektrischer Spannungen gegeben ist. In der Tat sind elektrische Potentialdifferenzen in vielen Pflanzenteilen nach- gewiesen worden. Selbstverständlich würde es den Rahmen meiner Abhand- lung überschreiten, wenn ich hier auf die Produktion von Elektrizität in der Pflanze und die Bedingungen ihres Zustandekommens eingehen würde. Auch findet man das Wesentliche darüber in Pfeffers Handbuch (1904, S. 861 ff.) und in der Elektrophysiologie von Biedermann (1895) zusammengestellt. Unser Interesse muss dagegen hier im höchsten Masse die weitere Be- obachtung fesseln, dass vielfach in der Pflanze, ebenfalls in Übereinstimmung mit dem Tiere, infolge irgendwelcher lokaler Reizungen an zwei von der Reizstelle verschieden weit entfernten Punkten vorübergehende Ände- rungen derjenigen elektrischen Spannungsdifferenzen auftreten, die vor der Reizung dort bestanden. Diese Beobachtung ist deshalb für uns von so grosser Wichtigkeit, weil sie auf irgendwelche Zustandsänderungen hinweist, die von der lokalen Reizung abhängig sind und von der gereizten Stelle aus den einen oder auch die beiden Punkte nacheinander in zeitlicher Folge betreffen, und weil sich mit dieser nachweisbaren Zustandsänderung eventuell Reizleitungsvorgänge erschliessen lassen, die von der gereizten Stelle aus sich über einen kleineren oder grösseren Teil der Pflanze ausbreiten. In der Tat sind denn solche Änderungen der elektrischen Potentialdifferenzen mit einigen der Reiztransmissionen verknüpft, die in meiner Abhandlung bereits von anderen Gesichtspunkten aus behandelt wurden. Von noch grösserer Be- deutung aber sind vielleicht jene Änderungen der elektromotorischen Wirkungen obengenannter Art in Pflanzenteilen, die nicht einen durch sonstige Reak- tionen nachweisbaren Reizleitungsvorgang begleiten. Sie erlauben nämlich wahrscheinlich einen Schluss auf neue, bisher noch nicht besprochene Reiz- transmissionen, für deren Nachweis uns bisher jedes andere Mittel fehlt, vorausgesetzt natürlich, dass die darauf gerichteten Untersuchungen mit der nötigen Kritik und unter Berücksichtigung aller sonstigen Möglichkeiten zweckentsprechend geleitet werden. Zum Verständnis der Tragweite dieser Vorgänge, mit denen eine Er- zeugung elektromotorischer Kräfte einhergeht, wird es notwendig sein, die entsprechenden Beobachtungen am Nerven und Muskel zu berücksichtigen, deren Hauptergebnisse zunächst in aller Kürze für den Pflanzenphysiologen zusammengestellt seien. 2. Elektrische Spannungsänderungen in Muskeln und Nerven infolge von Reizungen. A. Muskeln. Wird ein parallelfaseriger Muskel an einem Ende, sei es vom Nerven aus, sei es irgendwie direkt durch einen Einzelimpuls gereizt, so kontrahiert 110 H. Fitting, er sich bekanntlich nach Ablauf der Latenzzeit zunächst an der gereizten Stelle. Diese Kontraktion pflanzt sich alsdann mit grosser Geschwindigkeit von dem Reizorte durch die ganze Länge des Muskels hindurch fort und zwar so, dass auseinander liegende Punkte nacheinander sich kontrahieren. Je stärker die Reizung, um so kürzer ist die Reaktionszeit und um so weiter pflanzt sich der Reiz fort. Dieser Kontraktionswelle, die über den Muskel läuft, eilt eine Erregungswelle voraus. Die Erregung besteht wohl in irgend einer unbekannten chemischen Veränderung der reizbaren Muskelsubstanz. Sie beginnt an der Reizstelle allen Erfahrungen zufolge unmittelbar im Momente der Reizung, also ohne merkliches Latenzstadium, oder äusserst kurze Zeit später und steigt ebenda ziemlich rasch zu einem Maximum an, um endlich langsamer wieder abzuklingen. Dieser zunächst zunehmenden, dann abnehmenden chemischen Verän- derung der erregbaren Substanz, die am Reizort beginnt und sich von dort durch die Muskelfaser fortpflanzt, geht ein entsprechendes elektrisches Negativ- werden der Muskelsubstanz gegenüber den nicht erregten Teilen der Faser parallel. Da nun diese Veränderung, wie gesagt, nicht lokal beschränkt bleibt, sondern sich in der Regel mit messbarer Geschwindigkeit vom Reiz- orte aus über die ganze Muskelfaser fortpflanzt, aber an der Reizstelle schon längst vor dem Ablaufe der fortschreitenden Erregungswelle wieder abge- klungen ist, so ist, so lange die Erregung sich ausbreitet, ein von der Reiz- stelle sich fortgesetzt weiter entfernender, kürzerer oder längerer Abschnitt des Muskels gleichzeitig elektrisch negativ und zwar an seinen verschiedenen Punkten in verschiedener Intensität. Diese elektrische Negativität läuft mit anderen Worten in Form einer „Reizwelle“ über den Muskel. Reizwelle und Erregungswelle lassen sich nach den vorliegenden Beobachtungen identi’ fizieren. Dass diese Erregungswelle wenigstens teilweise der Kontraktions- welle des Muskels voranläuft, wird ohne weiteres durch die Tatsache bewiesen, dass die Muskelkontraktion, nicht aber die Reizwelle eine grössere Reaktions- zeit hat. Die elektrischen Spannungsänderungen, die durch die Negativität be- dingt werden, lassen sich mit geeigneten Apparaten (z. B. mit Lippmann’'s Kapillarelektrometer und mit Bernsteins Differential -Rheotom) jederzeit leicht nachweisen. Nimmt man einen unversehrten (stromlosen) Muskel und legt man an zwei beliebigen, aber genügend weit voneinander ent- fernten Punkten A und B seiner Längsoberfläche unpolarisierbare Blek- troden an, die durch einen Draht mit einem dieser Messinstrumente zu einem ableitenden Bogen verbunden sind, so machen sich kurze Zeit nach der Reizung des einen, der Stelle A am nächsten gelegenen Muskelendes in dem ableitenden Bogen nacheinander z wei Ströme bemerkbar. Diese beiden Phasen des sogenannten Aktionsstromes sind einander gerade entgegengerichtet. Die erste, im ableitenden Bogen von B nach A, im Muskel demnach von A nach B Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 111 gerichtet, wird während der Zeitspanne nachweisbar sein, während deren die Reizwelle die Stelle A passiert und damit A negativ gegen die noch nicht erregte Stelle B macht; die zweite, im ableitenden Bogen von A nach B, im Muskel folglich entgegengesetzt von B nach A gerichtet, wird sich dagegen geltend machen während der Zeit, während deren die Reizwelle sich in B befindet und damit B negativ gegen den bereits nicht mehr erregten Punkt A macht. Die erste Phase des phasischen „Aktionsstromes“ bezeichnet man auch als negative, die zweite als positive Schwankung. Der der zweiten Phase ent- sprechende Strom im ableitenden Bogen ist stets schwächer als der erste, woraus hervorgeht, dass die Reizwelle bei ihrer Fortpflanzung in der Muskel- faser an Intensität (Höhe) abnimmt. Bemerkenswert ist es, dass es auch einige Muskeln zu geben scheint, bei denen die erregte Stelle sich nicht negativ, sondern im Gegenteil positiv gegen den übrigen nicht erregten Teil verhält. B. Nerven. Am Nerven gibt es keine direkt sichtbare Reaktion (wie die Kontraktion beim Muskel), die es erlaubte, ohne weiteres den reizleitend tätigen Zu- stand vom reizlosen zu unterscheiden. Nur am Erfolgsorgan (z. B. dem Muskel) lässt sich darüber ein direktes Urteil fällen, vorausgesetzt, dass der Nerv mit ihm verbunden ist. Von um so grösserer Wichtigkeit ist es, dass wiederum das elektromotorische Verhalten eine sichere Entscheidung ermög- licht: Der Nerv verhält sich nämlich elektrisch in ganz gleicher Weise wie der Muskel. Reizt man ihn an irgend einer Stelle durch einen Einzelreiz, so wird der erregte Punkt negativ zu den nicht erregten und diese Negativität pflanzt sich mit grosser Geschwindigkeit nach beiden Seiten von dem Reizort über den ganzen Nerven in Gestalt einer Reizwelle genau wie beim Muskel fort. Auch beim Nerven vergeht zwischen dem Momente der Reizung und dem Beginne der Spannungsänderung an der gereizten Stelle keine merkliche oder nur eine äusserst kurze Zeit. Ferner stimmt, was von grösstem Interesse ist, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reizwelle mit der der Erregung überein, so dass die Spannungsänderung einer Nervenstrecke das Indieium ihrer Er- regung ist. Wieder besteht der Aktionsstrom aus zwei entgegengerichteten Phasen: einer ersten negativen und einer zweiten positiven Schwankung. Nur folgen beide entsprechend der viel grösseren Leitungsgeschwindigkeit sehr viel schneller aufeinander als beim Muskel. Gleichgültig ist es beim Muskel wie beim Nerven für den Ausfall des Aktionsstromes, ob er sich vor der Reizung in stromlosem Zustand befindet oder ob bereits elektrische Ströme (Ruheströme) in ihm kreisen. — Die Beobachtungen über vorübergehende elektrische Spannungsände- rungen, die man an Pflanzen infolge von Reizungen gemacht hat, lassen sich nun in vieler Hinsicht an die besprochenen Befunde bei tierischen Prä- 142 H. Fitting, paraten anschliessen. Ich beginne mit denjenigen elektrischen Erscheinungen, die sich beim Ablauf auch anderweitig nachweisbarer Reizvorgänge äussern, 3. Elektrische Spannungsänderungen in Pflanzenteilen, die mit ander- weitig nachweisbaren Reizvorgängen verbunden sind. A. Blatt von Dionaea. a) Die elektrischen Ströme im ungereizten Blatt. Das klassische Beispiel dafür ist das Blatt von Dionaea. Die einschlägigen Beobachtungen verdanken wir neben Munk (1876) hauptsächlich Burdon- Sanderson (1873, 1877, 1882, 1882a, 1888, 1889). Beide Forscher haben uns auch zuerst mit den merkwürdigen elektrischen Spannungsdifferenzen im ungereizten Blatte bekannt gemacht, deren Kenntnis natürlich zum Ver- ständnis der elektrischen Vorgänge bei einer Reizung durchaus notwendig ist!). Diese Spannungsdifferenzen am ungereizten Blatt lassen sich wie am Nerven oder Muskel mittelst eines aus unpolarisierbaren Elektroden, Draht und Kapillarelektrometer gebildeten ableitenden Bogens leicht nachweisen. Sie sollen hier nicht im einzelnen besprochen werden. Für unseren Zweck ge- nügt es, zu wissen, dass nach Munk symmetrisch gelegene Punkte der Blatt- fläche meist isoelektrisch sind (1876, S. 37 ff.) und dass die verschiedenen Punkte der Blattoberseite entweder dieselbe Spannung haben wie die ent- sprechenden Punkte auf der Blattunterseite (was Munk 1876, 8. 42 als die Regel bezeichnete) oder aber eine verschiedene Spannung. Nach Burdon- Sanderson (1877, S. 417 ff.; 1882, S. 38 ff.) ist dies sogar meist der Fall. Die Unterseite ist nämlich an Blättern, die zuvor gereizt worden waren, sich aber schon lange wieder geöffnet haben, positiv zur Oberseite. Der Grad der Positivität, die Grösse des Potentials, ist wesentlich abhängig vom physio- logischen Zustande des Blattes (vergl. Burdon-Sanderson 1888, $. 447; 1889, S. 4 ff) und zwar vor allem von vorhergehenden Reizungen: Lässt man z. B. mechanische oder andersartige Reizungen in ziemlich schneller Folge auf ein Blatt einwirken, so nimmt die Positivität der Blattunterseite stets bedeutend zu. Hört man auf, zu reizen, so nimmt nur ganz allmählich der Strom im ableitenden Bogen ab, bis endlich nach längerer Zeit die Blatt- unterseite negativ zur Oberseite wird, ein Zustand, den man als normal für ein ausgeruhtes Blatt ansehen muss (Sanderson bezeichnet ihn als durch Reizung „nicht modifiziert“). In ihm ist also der Ruhestrom im Blatte auf- steigend. Während aber dieser Umschlag im elektrischen Verhalten der beiden Blattseiten nach einer Reizung nur ganz allmählich erfolgt, tritt ein entgegengesetzter Umschlag bei einer Reizung, wie schon hier erwähnt -), Eiti6 ausführliche Darstellung aller elektrischen Erscheinungen bei Dionaea findet man in Biedermanns Elektrophysiologie 1895, 8. 446 ff, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 113 sein mag, plötzlich ein: die zuvor positive Oberseite wird ganz plötzlich negativ gegen die Unterseite, wodurch der Ruhestrom des Blattes wieder längere Zeit, gewissermassen als länger dauernde Nachwirkung der Reizung, absteigend wird (durch Reizung „modifizierter‘‘ Zustand). Von grossem Interesse ist die Beobachtung Sandersons, dass bei elektrischer Reizung schon ganz schwache Stromschwankungen, durch die keine sichtbare Spur einer Reizreak- tion erfolgt, elektrisch modifizierend wirken. In diesem Falle bleibt die Modi- fikation lokal, ohne fortgeleitet zu werden, so dass ein Blattflügel oder ein Stück von ihm allein modifiziert sein kann (Burdon-Sanderson 1883, S. 423 ff., S. 430 ff.; 1889, S. 13). Alle diese elektrischen Spannungen sind Lebenserscheinungen (Munk 1876, S. 43 ff.). b) Die elektrischen Spannungsänderungen im gereizten Blatt. Wie schon aus dem eben Mitgeteilten hervorgeht, erfahren die Span- nungen des ungereizten Blattes durch eine Reizung merkwürdige Schwankungen. Von ihnen kann man sich, wie Burdon-Sanderson (1873, S. 495 ff.) fand und Munk (1876, S. 128 ff.) bestätigte, am leichtesten dadurch über- zeugen, dass man die Elektroden des ableitenden Bogens dem apikalen und dem basalen Ende der Blattfläche, oberseits oder unterseits, anlegt und das Blatt mechanisch oder elektrisch reizt: Stets tritt alsdann eine Doppelschwan- kung des Elektrometers ein, deren erstere Phase Sanderson als negative Schwankung bezeichnet. Burdon-Sanderson hat das Verdienst, diese Spannungsänderungen eingehender analysiert zu haben !). Er beobachtete zunächst, dass eine solche Doppelschwankung an aus- geruhten oder durch vorherige Reizungen modifizierten Blättern auch dann auftritt, wenn man von einem und demselben Punkte der einen Blatthälfte so ableitet, dass die eine Elektrode der Blattoberseite, die zweite der Blatt- unterseite anliegt, und wenn man denselben oder den anderen Blattflügel mechanisch oder elektrisch reizt (vergl. Fig. 14), (Burdon-Sanderson 1889, 8. 6 ii.). Die erste Phase der Schwankung, die äusserst schnell abläuft, ist stets entgegengesetzt gerichtet wie der Ruhestrom, die zweite sehr langsam er- folgende Phase ist gleichgerichtet: Daher wird im ausgeruhten Blatte, bei dem die Oberseite positiv zur Unterseite ist, die Oberseite vorübergehend negativ zur Unterseite; im modifizierten Blatte dagegen, bei dem die Oberseite negativ zur Unterseite ist, die Oberseite vorübergehend positiv zur Unterseite. Die erste Phase beginnt etwa '/2o Sekunde nach der Reizung und erreicht unge- fähr 1/2 Sekunde nach der Reizung ihr Maximum. Dann setzt die zweite !) Er bediente sich dazu solcher Blätter, bei denen durch Gipsbandagen die sichtbaren Reizbewegungen der Blattfläche ausgeschlossen waren (vergl. 1882, 8. 12). Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 8 114 HA. Fitting, Phase ein, die 11/e Sekunde nach der Reizung ihren höchsten Wert annimmt (Burdon-Sanderson 1882, S. 23). Burdon-Sanderson hat nun weiter eine wichtige Tatsache entdeckt, die für uns vor allem von Bedeutung ist, nämlich, dass die phasische elek- trische Schwankung zeitlich eine Funktion der Lage des Reizortes ist, mit anderen Worten also Zeit braucht, um sich vom Reizort aus über das Blatt aus- zubreiten. Das lässt sich leicht beobachten, wenn man die beiden ableitenden Elektroden an symmetrisch gelegene Punkte der Blattober- oder unterseite anlegt, die im ungereizten Zustande des Blattes, wie wir sahen, isolektrisch sind, und nun die eine Blatthälfte, etwa durch einen Öffnungsschlag, reizt (vergl. Fig. 13), Burdon-Sanderson 1882, S. 36 ff.; 1882a, S. 491). In diesem Falle beobachtet man stets vorübergehende elektrische Spannungs- änderungen: die gereizte Blatthälfte wird zuerst negativ, dann positiv gegen die ungereizte. Wir finden hier also einen ganz ähnlichen phasischen Fig. 13. Fig. 14. Fig. 13. Nach Sanderson 1882, S. 21 Fig. 10 entlehnt aus Biedermann, Elektrophysio- logie 1895, S. 458, Fig. 143. Fig. 14. Nach Sanderson 1882, S. 36, Fig. 13. Entlehnt aus B edermanns Elektro- physiologie 1895, S. 462, Fig. 147. Aktionsstrom wie beim Muskel oder Nerven. Burdon-Sanderson zeigte 1889, S. 3), wie auch alle anderen Tatsachen darauf hinweisen, dass die stärker erregten Teile des Dionaeablattes negativ zu den weniger erregten werden. Wie viel Zeit braucht nun die Veränderung, die dem Auf- treten der plötzlichen Spannungsdifferenzen an symmetrischen Blattpunkten zugrunde liegt, um sich über das Blatt auszu- breiten? Auch darüber geben Versuche Sandersons (1877, S. 430 ff.; 1882, S. 38 ff.; 1882 a, S. 493 ff.) Aufschluss. Sie wurden so angestellt, dass die Ableitung von ein- und demselben Punkte einer Blatthälfte, nämlich der Oberseite und der Unterseite, erfolgte (vergl. Fig. 14). Die Reizung fand elektrisch statt, und zwar so, dass in der einen Versuchsreihe die Reiz- elektroden auf der gleichen Blatthälfte oberseits (zu beiden Seiten der ab- leitenden Elektroden), in der zweiten auf der entgegengesetzten Blatthälfte angelegt wurden. In der ersten Reihe begann die erste Phase der Reiz- schwankung, des „Aktionsstromes‘‘, im Mittel 0,041 Sekunden, in der zweiten Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 115 aber 0,073 Sekunden nach der Reizung. Da der Abstand der beiden Reiz- ‚stellen 6 mm betrug, so ergibt sich für die Veränderung, die sich in dem Aktionsstrom ausspricht, eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 200 mm pro Sekunde bei einer Temperatur von 30—32° OÖ, in dampfgesättigter Luft. Man wird nicht fehl gehen, wenn man die Ausbreitung dieser Ver- änderung, die in einem chemischen Vorgange beruhen dürfte, wie beim Muskel und Nerven als einen „vitalen“ Vorgang ansieht, die Veränderung ‚selbst als eine durch den Reiz ausgelöste Erregung. Dann würde also die fortschreitende Veränderung als ein Reizleitungsvorgang besonderer Art auf- zufassen sein, der vielleicht mit dem die Reizreaktion auslösenden identisch ist, als ein Reizleitungsvorgang, der mit einer für Pflanzen ganz ausserordent- lichen Geschwindigkeit abläuft. Leider sind wir bei Dionaea noch nicht in der glücklichen Lage wie beim Nerven, dass wir die Fortpflanzungsgeschwindig- keit der Erregung, durch welche die Reizreaktion ausgelöst wird, auf andere Weise ermitteln können. Dies ist auch der Grund, weshalb sich vorder- hand nicht exakt feststellen lässt, ob die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Veränderung der Ausbreitungsgeschwindigkeit der Erregung entspricht. . e) Beziehungen der Spannungsänderungen zur Reizreaktion. Zur Beurteilung der Veränderung, die sich in den Aktionsströmen. be- merkbar macht, ist es selbstverständlich von grösster Wichtigkeit, festzu- stellen, in welcher Beziehung sie zu der sichtbaren Reizreaktion, dem Zu- sammenklappen des Blattes, steht. Auch diese Frage hat Sanderson zu lösen versucht. Er fand zunächst, dass die Aktionsströme unabhängig sind von den wahrnehmbaren Bewegungen der Blatthälften (1882a, S. 495 £f.): Sie lassen sich sowohl am offenen, aber durch F ixierung an der Bewegung gehemmten, wie auch am gänzlich geschlossenen Blatte nachweisen, das nach mehrfacher Reizung keine merklichen Bewegungen mehr ausführt. Die erste, besonders auffällige Phase des Stromes läuft unter allen Umständen zeitlich viel früher ab, als die Reizbewegung beginnt (Burdon-Sanderson 1877, S. 429, 435): während die erste Phase des Aktionsstromes nach der ersten halben Sekunde beendigt ist, beginnt die Reizbewegung erst 1—1!/z Sekunde nach der Reizung (Burdon-Sanderson 1882, S. 48.ff.). Diese Tatsache zeigt, dass die Spannungsänderung von dem Flüssigkeitsaustritt aus den Zellen, der die Reizbewegung bewirkt, und der damit verbundenen Flüssigkeitsbewegung in den Interzellularräumen unab- hängig ist. Die erste Phase des Stromes kann auch schon deshalb nicht mit einer Wasserverschiebung im Innern des Blattes zusammenhängen, weil es nicht denkbar ist, dass eine Wasserverschiebung sich in der kurzen Zeit, die zur Fortpflanzung der Veränderung von der einen Seite des Blattes zur anderen nötig ist, nämlich in weniger als !/so Sekunde, von dem einen Blattflügel zum anderen ausbreitet Burdon-Sanderson 1882, S. 55; 8*+ 116 H. Fitting, 1882 a, S. 500; 1888, S. 444 ff... Zudem werden schon durch ganz schwache Reize, die keine Spur einer sichtbaren Reizreaktion auslösen, die charak- teristischen Aktionsströme, wenn auch in schwächerem Masse als durch starke Reize, ausgelöst (Munk 1876, 8. 129 f£.; Burdon-Sanderson 1882, S. 38; 1882a, 5. 495). Es wäre von grösstem Interesse, festzustellen, ob durch äussere Einflüsse, welche die Reizreaktion unmöglich machen, stets auch die Aktionsströme aufgehoben werden, was übrigens wenig wahrschein- lich ist, und in welcher Weise die Aktionsströme von Aussenbedingungen abhängig sind. d) Ursachen der Spannungsänderungen. Aus allen diesen Gründen ist Burdon-Sanderson der Meinung (1882, S. 55; 1882 a, S. 500; 1888, 8. 444 ff), dass die erste Phase des Aktionsstromes bei Dionaea das sichtbare Zeichen einer explosionsartigen Veränderung des Protoplasmas ist, die durch die Reizung ausgelöst wird. Diese Annahme hat in der Tat die denkbar grösste Wahırscheinlichkeit für sich. Soviel ist jedenfalls klar, dass notwendigerweise irgend eine Ver- änderung in dem Blatte erfolgen muss, damit eine elektrische Spannungs- änderung sich geltend machen kann. Sie könnte physikalischer oder chemischer Natur sein. Nach allen unseren Kenntnissen über das physiologische Ver- halten der histologischen Bestandteile der Pflanze ist nun von allen den Teilen, die das Blatt zusammensetzen, allein das Protoplasma befähigt, in so schneller und leichter Weise durch solche Veränderungen auf irgendwelche Reizungen zu antworten. Auch dürfen wir weiter sagen, dass nach der Beschaffenheit des Plasmas mit grösster Wahrscheinlichkeit die Veränderung, die Anlass zu den Aktions- strömen gibt, chemischer (oder besser: physikalisch-chemischer) Natur ist. Ist dies aber der Fall, so würden sich die elektrischen Spannungsdifferenzen in ungereizten oder gereizten Organismen- (Tier- oder Pflanzen-)teilen viel- leicht mit dem Prinzip der Konzentrationsketten erklären lassen, wie es in neuerer Zeit verschiedentlich von Tierphysiologen geschehen ist. Bekanntlich werden überall da, wo in einer Lösung von Elektrolyten eine osmotische Potentialdifferenz besteht, elektromotorische Kräfte wirksam. Nach der Theorie von Nernst findet diese wichtige Tatsache darin ihre Erklärung, dass die Wanderungsgesehwindigkeit der positiv und negativ geladenen Ionen, die durch eine vom Gefälle des osmotischen Druckes herrührende Kraft von Orten höherer zu Orten niederer Konzentration hingeführt werden, meist verschieden ist. Ist z. B. die Wanderungsgeschwindigkeit der positiv ge- ladenen Ionen grösser als die der negativ geladenen, so wird der weniger konzentrierte Teil der Lösung positiv zu dem konzentrierteren werden. Ebenso werden elektromotorische Kräfte infolge von osmotischer Arbeit in Lösungen von Elektrolyten, in denen ein Gefälle des osmotischen Druckes herrscht, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 117 bei gleicher oder ungleicher Wanderungsgeschwindigkeit der Ionen dann entwickelt, wenn die Lösungen verschiedener Konzentration etwa durch eine semipermeable Membran voneinander getrennt sind, die nur die positiv oder die negativ geladenen Ionen diffundieren lässt (OÖstwald 1890, S. 71 FR.). Mit Hilfe dieser Tatsachen lassen sich die Möglichkeiten der Schaffung elektromotorischer Kräfte am Reizorte im Plasma nach dem Prinzip der Konzentrationsketten ableiten, wenn wir an der sehr wahrscheinlichen An- nahme festhalten, dass Änderungen im Plasma Anlass zu den Aktionsströmen geben. Erstens nämlich würde eine elektrische Potentialdifferenz zwischen dem Reizorte und den anderen nicht gereizten Teilen dadurch möglich sein, dass durch den Zerfall oder irgendwelche andere Veränderungen des Plasmas an der gereizten Stelle die Konzentration desselben an Elektrolyten gegen- über den nicht gereizten Teilen sich irgendwie verändert, zweitens allein dadurch, dass Plasmamembranen oder überhaupt Plasmateile, die zwischen dem Plasma der Reizstelle und dem Plasma der nicht gereizten Organteile eingeschaltet sind, infolge der Reizung semipermeabel werden oder dass semi- permeable Plasmamembranen entsprechend gleicher Lage infolge der Reizung ihre Semipermeabilität verändern, drittens auch allein dadurch, dass die semi- permeable Plasmamembran, welche an der Reizstelle das Plasma nach aussen hin abschliesst („die äussere Plasmamembran“), durch die Reizung ihre Semipermeabilität ändert und schliesslich auch dadurch, dass zwei oder auch alle drei der erwähnten Möglichkeiten sich kombinieren. Welche dieser Möglichkeiten verwirklicht ist, lässt sich leider vorläufig nicht entscheiden und leider auch ebensowenig, ob die bei einer dieser Möglichkeiten nach dem Prinzip der Konzentrationsketten entwickelten elektromotorischen Kräfte irgend wie den wirklich beobachteten und gemessenen entsprechen. Diese letzte Bedingung müsste aber unbedingt erfüllt werden, um in exakter Weise die elektrischen Potentialdifferenzen gereizter Organismenteile mit Hilfe der Konzentrationsketten erklären zu können. Denn das Prinzip der Kon- zentrationsketten ist nicht das einzige, das unter Annahme von chemischen Veränderungen im Plasma durch eine Reizung zur Erklärung der elektrischen Spannungsänderungen herangezogen werden kann. Auch auf andere Weise kann durch die verschiedensten chemischen Umsetzungen eine Um- wandlung von chemischer in elektrische Energie stattfinden. Wenn auch jener Forderung vorläufig nicht genügt werden kann, so hat doch der Versuch einer Zurückführung der elektrischen Erscheinungen an gereizten Organismen auf chemische Veränderungen deshalb sehr viel für sich, weil die dabei in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerade lauter solche sind, die wir über- haupt, nach allen unseren Kenntnissen, bei den Veränderungen infolge von beliebigen Reizungen im Plasma anzunehmen haben. Mit dieser Hypothese würden also die elektrischen Spannungsänderungen infolge von Reizungen in der Tat ein Ausdruck der Erregung sein. Damit steht aber die Tat- 118 H. Fitting, sache in bestem Einklang, dass nach Ansicht der meisten Forscher im Nerven die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der elektrischen Reizwelle der der Erregungswelle entspricht. Da es für Pflanzen und Tiere Regel zu sein scheint, dass die gereizte Stelle sich negativ zu den nicht gereizten verhält, so darf man vorderhand jedenfalls soviel sagen, dass die Potentialdifferenz im allgemeinen durch die angestrebte Wanderung positiv geladener Ionen zustande kommt. Die Hypothese, dass die elektrischen Spannungsänderungen durch die Erregung des Plasmas bedingt werden, würde für das Blatt von Dionaea bedeutend an Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn es gelänge zu zeigen, dass die Spannungsänderungen durch alle die Aussenumstände vergrössert oder ver- kleinert werden, durch welche die Erregbarkeit des Plasmas vergrössert (wie z. B. optimale Temperatur, manche Gifte) oder vermindert (wie z. B. Kälte, supra- optimale Temperatur, Narkotika) wird. In dieser Hinsicht felılen uns leider alle Beobachtungen. Nur bei Munk findet man die durch keineswegs hin- reichende Versuche gestützte Angabe, dass die elektrischen Spannungen im Blatte von Dionaea ‚„Lebenserscheinungen“ seien (1876, 8. 43 ff.). — Einer Erklärung bedürftig ist nun nicht nur die Tatsache, dass im Blatte von Dionaea am Reizorte sofort nach der Reizung eine elektrische Spannungsänderung sich geltend macht, sondern auch, dass eine solche sich von der Reizstelle mit eminenter Geschwindigkeit über Punkte des Blattes ausbreitet, die vom Aussenreize gar nicht direkt betroffen wurden. Man kann diese Tatsache nur mit der Annahme verstehen, dass diejenige durch den Reiz geschaffene Veränderung, welche elektromotorische Kräfte wirksam macht, sich vom Reizorte mit so grosser Geschwindigkeit über das ganze Blatt aus- breitet. Denn überall, wo fern von der Perzeptionsstelle elektromotorische Kräfte infolge einer Reizung durch einen ableitenden Bogen nachgewiesen werden können, sind sie der Ausdruck irgendwelcher sonstiger Veränderungen, die durch den Reiz an dem betreffenden Punkte durch Zuleitung ausgelöst sind. Die ausserordentlich grosse Geschwindigkeit, mit der sich die den Span- nungsänderungen zugrunde liegende Reaktion über das Blatt ausbreitet, würde ebenso wie die grosse Geschwindigkeit, mit der die Änderung am Reizorte selbst eintritt, am leichtesten verständlich werden, wenn man annimmt, dass die Ausbreitung der Veränderung im lebenden Protoplasma erfolgt. Selbstverständlich könnte die Ausbreitung der Veränderung vom Reiz- orte darauf beruhen, dass die nicht direkt gereizte lebende Substanz eben durch den Kontakt mit der durch den Aussenreiz erregten Substanz auch in den Erregungszustand übergeht. Den Anstoss zu dieser chemischen Ver- änderung könnte direkt die chemische Veränderung der lebenden Substanz am Reizorte geben, gerade so, wie die entsprechende Veränderung am Reiz- orte durch den Aussenreiz direkt veranlasst wird. Die Tierphysiologen scheinen demgegenüber, wie mir scheint ohne triftige Gründe, vielfach an- Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 119 zunehmen, dass der eigentlich primäre Vorgang bei der Reizleitung in den elektrischen Strömen zu suchen ist, die, infolge der Spannungsänderung am Reizorte, von der Reizstelle auf die übrige lebende Substanz ausstrahlen ; erst diese Ströme sollen dann die chemische Veränderung der Erregung nach sich ziehen. Die Pflanzenphysiologen, die gewohnt sind, die Reizleitungs- vorgänge ohne die, in vielen Fällen vielleicht gänzlich fehlenden, elektrischen ‚Begleiterscheinungen zu betrachten, werden zweifellos stets der ersten Auf- fassung den Vorzug geben. Eine solche Fortpflanzung einer plasmatischen Veränderung auf lebenden Bahnen ist aber durch die Plasmaverbindungen, die sich im Dionaeablatte zwischen den Zellen nachweisen lassen (Gardiner 1884 S. 67 und Macfarlane 1892), sehr wohl möglich. | So sehen wir denn, wie eine Beurteilung der elektrischen Spannungs- änderungen, die sich infolge von Reizungen am Blatte von Dionaea nach- weisen lassen, mit grosser Wahrscheinlichkeit zu der Annahme führt, dass die elektrischen Erscheinungen der Ausdruck einer Erregung und der Fort- leitung einer Erregung sind. Machen wir somit diese Annahme, die aber, wie gesagt, durch weitere Versuche an Dionaeablättern auf ihre Richtigkeit noch weiter geprüft werden müsste, indem wir es aber zunächst unentschieden lassen, ob diese Erregung identisch ist mit derjenigen, welche die sichtbare Reizreaktion auslöst, so hätten wir in der elektrischen Schwankung ein überaus wertvolles Mittel, die Geschwindigkeit der Fortpflanzung einer solchen Änderung (Erregung) bei Pflanzen nachzuweisen. Dieses Mittel wäre um so wertvoller, als es uns mög- licherweise gestatten könnte, andere Reizleitungsvorgänge und ihre Geschwin- digkeiten zu ermitteln, die der Beobachtung sonst entweder durch Reizreak- tionen nur indirekt oder überhaupt ganz unzugänglich sind. Und die für Pflanzen ausserordentlich grosse Geschwindigkeit der Erregungsleitung wäre ein weiterer interessanter Beweis dafür, dass die Reizleitung auch bei den Pflanzen sehr viel schneller erfolgt, als aus den Reizreaktionen zu entnehmen ist, die ja nur als Anpassungen gedeutet werden können (vergl. dazu Ab- schnitt V). B. Andere Fälle. Die Beobachtungen an den Blättern von Dionaea legen die Frage nahe, ob nicht auch andere Reizleitungsvorgänge bei Pllanzen von ähnlichen elek- trischen Spannungsänderungen begleitet werden. Man könnte namentlich dort auf positive Erfolge hoffen, wo die Reiztransmission sich, wie aus anderen Beobachtungen zu entnehmen ist, mit verhältnismässig grosser Geschwindig- keit abspielt. Leider liegen nur ganz wenige, vereinzelte Beobachtungen vor, aus denen sich aber nur wenig entnehmen lässt. So beobachtete Kunkel (1881, S. 368 ff.; 1882, S. 11 ff.,; siehe auch Haake 1892, S. 459; Dubois 1899, S. 924) elektrische Spannungsänderungen 120 H. Fitting, am Blattpolster von Mimosa infolge von mechanischen Reizungen. Als er von der Oberseite des primären Blattstielgelenkpolsters und von einem der beiden Stacheln ableitete, die an der Insertionsstelle des Blattstieles dem Stengel ansitzen, beobachtete er zunächst einen sehr starken Ruhestrom: Der Stachel war meist positiv gegen das Polster. Reizte er nun die Unterseite des Polsters, so traten mehrphasische alternierende Stromschwankungen in dem Augenblicke auf, wo die Reizbewegung des Blattstieles im Gelenke begann. Ob diese Beob- achtung des Zeitpunktes richtig ist, scheint mir fraglich. Ein grosser positiver Ausschlag, der auf einen kurzen, entgegengerichteten, kleinen Vorschlag folgt, ist Kunkels Meinung nach (1881, S. 378; 1882, S. 14 ff.) der Ausdruck der Wasserverschiebungen, die während der Reizreaktion im Gelenke statt- finden. Freilich aber ist Kunkel nicht imstande, die komplizierten Strom- schwankungen „auf einzelne Phasen prävalierender Wasserverschiebung zurück- zuführen“ (Kunkel 1881, S. 378). Ob die Deutung Kunkels glücklich ist, ist auch schon deshalb fraglich, weil Kunkel solche elektrische Schwankungen auch dann nach Berührung der unteren Polsterhälfte beobachten konnte, wenn am Blatt zu Zeiten, wo die Mimosen „schlecht reizbar“ waren, keine oder nur minimale Bewegungen eintraten. Weiter hat ÖÜzapek (1897, S. 517) untersucht, ob nicht mit der geo- tropischen Reizleitung, die seiner Meinung nach zwischen der Wurzelspitze und der Wachstumszone der Wurzel besteht, elektrische Spannungsänderungen ähnlicher Art wie mit der Erregungsleitung im Muskel und Nerven verbunden sind, doch ohne jeden positiven Erfolg. 4. Elektrische Spannungsänderungen in Pflanzenteilen, die nicht mit anderweitig nachweisbaren Reizvorgängen verbunden sind. Ob elektrische Spannungsänderungen nach irgendwelchen lokalen Reizungen eines Pflanzenteiles auch dann von der Reizstelle sich ausbreiten, wenn Reizleitungsvorgänge nicht auf andere Weise nachgewiesen werden können, diese Frage wurde bisher nicht zum Gegenstande eingehender Unter- suchungen gemacht. Nur einige gelegentliche Beobachtungen liegen in der Literatur vor, die aber noch keine ganz sichere Entscheidung darüber erlauben, ob wir aus der Ausbreitung solcher elektrischer Spannungsdifferenzen vom Reizorte auf unsichtbare Reizleitungsvorgänge schliessen dürfen. Sollten sie als eindeutig angesehen werden, so würden sie als geeignete Ausgangspunkte für weitere Untersuchungen von grosser Wichtigkeit sein. A. Elektrische Spannungsänderungen an der Reizstelle. Die meisten Beobachtungen beziehen sich nur auf solche elektrische Spannungsänderungen, die infolge von irgendwelchen Eingriffen und Reizungen Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 121 an der gereizten Stelle selbst sich geltend machen. So beobachteten schon Buff (1854, S. 82), Jürgensen (1861, S. 103 ff), Hermann (1871, S. 157 ff.), Velten (1876, S. 279 ff., Kunkel (1881, S. 362 ff.; 1882, S.5 ff.), Dubois 1899, S. 924), Tompa (1902, S. 125 ff.) und Plowman (1903, S. 102 £f.), dass infolge von Verwundungen die Wundstelle im allgemeinen!) elektro- negativ wird zu den unverwundeten Teilen des Organs, ferner Kunkel (1881, S. 364; 1882, S. 7 ff.), dass durch mechanische Biegungen an der ge- bogenen Stelle eine ganz entsprechende Spannungsänderung auftritt, jedoch nur, wenn die Biegung plötzlich erfolgt (vergl. auch die bestätigenden An- gaben von Haake 1892, S. 458). Ferner berichtete Waller mehrfach (1901, 1901a) in vorläufigen Mit- teilungen, denen leider die ausführlichen Arbeiten nicht gefolgt sind, über Untersuchungen, aus denen hervorgeht, dass lokale mechanische, thermische, chemische und elektrische Reizung von Pflanzenteilen den Reizort elektro- negativ (wie oben auf den ableitenden Bogen bezogen) zu den nicht gereizten Teilen macht. Die Spannungsänderung bleibt aber aus in hoher und niederer Temperatur und in der Narkose. Ihre Intensität hängt ausser von der „Lebens- frische“ des Pflanzenteiles auch von der Grösse des Reizes ab. Je grösser der mechanische Reiz, um so grösser wird die Spannungsänderung. Von grossem Interesse ist aber namentlich die Beobachtung, dass schon eine ganz leichte Berührung einer Bohnenwurzel, die von der Haut des Handrückens kaum wahrgenommen wird, mit einer Borste oder einem Haar, genügt, um ausgesprochene elektrische Ausschläge im ableitenden Bogen zu geben). Plow- man (1903, S. 101 ff.) hat bei seinen Objekten diese letzte Angabe freilich nicht bestätigen können; dagegen liegen ähnliche, sehr interessante Beobach- tungen von Buchanan für Desmodium vor, die weiter unten noch ein- gehend besprochen werden sollen. Auch haben die von Waller beobachteten elektrischen Spannungsänderungen Nachwirkungen zur Folge, die sich bei Wiederholung der Reize summieren können. Oftmalige Wiederholung be- wirkt Ermüdungserscheinungen. Diese Angaben Wallers haben, wenigstens soweit sie sich auf elektrische Spannungsänderungen infolge von mechanischer Reizung und von Verwundung beziehen, in ganzem Umfange durch eine eingehende Untersuchung von Bose (1902, 1902a) au sehr verschiedenen Pflanzenteilen Bestätigung gefunden. Bose stellte auch Potentialdifferenzen !) Einige Ausnahmen siehe bei Hermann (1871, S. 158) und Tompa (1902, S. 126). Ranke (1872, S. 133 ff.) behauptet sogar, der Strom sei immer (in der Pflanze) entgegenge- setzt, d. h. zur Wundstelle hin, gerichtet. Um dies zu sehen, müsse man nur die Epidermis von dem Versuchsspross abziehen. ?) Tompa spricht auf Grund von Versuchen mit ungekeimten Samenkörnern die Ansicht aus (1902, S. 116), die elektrischen Erscheinungen, die man nach lokalen Stössen oder Be- rührungen wahrnelıme, beruhten nicht auf der Auslösung neuer elektrischer Ströme, sondern auf der Veränderung der inneren Widerstände in den Samen. — Doch bedürfte ja auch diese Veränderung wieder einer Erklärung! 122 H. Fitting, fest, als er Pflanzenteile lokal tordierte (1902, S. 282 ff.; 1902a). Plowman dagegen (1903, S. 102 ff.) will wiederum bei seinen Objekten elektrische Span- nungsänderungen infolge von heftiger thermischer oder mechanischer Reizung nicht beobachtet haben. Alle diese Beobachtungen scheinen mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit dafür zu sprechen, dass die elektrischen Spannungsänderungen auf physio- logischen, durch die Reizung ausgelösten Vorgängen beruhen !). Ist dies wirklich so, so sind sie deshalb von grösstem Interesse, weil wir alsdann das Auftreten von elektrischen Potentialdifferenzen als vorläufig einziges In- dieium für die hochgradige Empfindlichkeit auch solcher Pflanzenteile gegen die verschiedenartigsten Reizanlässe ansehen dürften, die nicht befähigt sind, irgendwelche sichtbare Reizreaktionen auszuführen. B. Ausbreitung der Spannungsänderungen von der Reizstelle. Wie weit nun alle diese Spannungsänderungen lokal auf den Reizort beschränkt bleiben, ob und wie weit sie sich von ihm aus fortpflanzen, lässt sich leider aus den meisten der erwähnten Arbeiten nicht ersehen, da darauf die Aufmerksamkeit nicht gerichtet worden zu sein scheint. Nur Kunkel (1881, S. 363 ff.; 1582, S. 6) erwähnt, dass die Spannungs- änderung, die infolge von Verletzungen an der Reizstelle eintritt, auch dann noch nachweisbar ist, wenn man nicht direkt von der Wundstelle ableitet, sondern wenn man die Elektrode bis zu 5--6 cm von ihr entfernt. Doch zeigen verschiedene Stengel bedeutende quantitative Verschiedenheiten. Sehr saftreiche, frische Pflanzenteile lassen die Potentialdifferenz noch in grösserer Entfernung von der Wundstelle erkennen als weniger lebenskräftige. Auch die Potentialdifferenz, die nach plötzlichen starken Biegungen auftritt, bleibt nicht ganz auf die gebogene Stelle beschränkt (Kunkel 1881, S. 364 ff.; 1882, S. 8 £f.). Waller dagegen sagt (190la, S. 26), die Spannungsänderung, die in- folge lokaler elektrischer Reizung eintritt, bleibe lokalisiert. In Anbetracht dieser spärlichen Beobachtungen ist eine kürzlich er- schienene Untersuchung von Buchanan (1905) von grösstem Interesse, aus der hervorgeht, dass durch Berührungen im Blatte von Desmodium gyrans sehr auffällige elektrische Spannungsänderungen zunächst an der Reiz- stelle, hierauf auch in anderen Teilen des Blattes sich einstellen. Diese Spannungsänderungen dürfen aber nicht mit den von Bose (1903, $. 405) entdeckten, ebenfalls sehr auffälligen periodischen Spannungsänderungen ') Kunkel (1881, 1882) glaubte die von ihm beobachteten Spannungsänderungen auf kapillare Wasserbewegung zurückführen zu können. Doch zeigte schon Haake (1892, S. 484 ff), dass dieser Erklärungsversuch missglückt ist. Auch Plowman (1903, S. 94 ff.) scheint, wenn ich ihn recht verstehe, die elektrischen Erscheinungen bei Reizungen nicht als „physiologische“ Vorgänge anzusehen. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 123 verwechselt werden, die in dem Gelenke der zu autonomen periodischen Bewegungen befähigten Fiederblättchen auftreten und diese autonomen Be- wegungen begleiten. Buchanan beobachtete nämlich, dass nach Berüh- rung der Fläche oder des Stieles eines der seitlichen Fiederblättchen sich eine elektrische Potentialdifferenz zwischen der Reizstelle und den nicht gereizten Teilen des Hauptblattstieles oder des Endblattes geltend macht, die sich von dem Reizorte in kürzester Zeit über die ungereizten Teile des ganzen Blattes, bis zu einer Entfernung von 3 cm von der gereizten Stelle, ausbreitet. Legt man also an den Hauptblattstiel zwei ableitende Elektroden an, von denen die eine dem gereizten Seitenblättchen näher ist, als die andere, so wird die erstere elektronegativ zur letzteren. Ob der Aktionsstrom aus zwei Phasen besteht, wurde nicht untersucht. Zur Auslösung dieses elektrischen Effektes genügt schon die leiseste Berührung mit einem Kamel- haar. Eine genauere Untersuchung dieser auffälligen Erscheinung wäre dringend erwünscht!). Wie im Blatte von Dionaea, so setzen auch in allen diesen Fällen, wo eine Ausbreitung von Spannungsänderungen vom Reizorte sich nachweisen lässt, die auftretenden Potentialdifferenzen irgendwelche andere — physika- lische oder chemische — Veränderungen voraus, die sich von der Reizstelle aus über die ungereizten Pflanzenteile fortpflanzen. Wiederum entsteht die Frage, ob diese Veränderungen und ihre Ausbreitung an die lebende Sub- stanz gekettet sind oder nicht. Wäre dies so, so würden wir auch aus diesen elektrischen Vorgängen auf sonst unsichtbar bleibende Reiztransmissionen schliessen können. Die vorliegenden Beobachtungen erlauben eine Ent- scheidung nicht. Auch ist Vorsicht bei ihrer Beurteilung schon deshalb am Platze, weil Bose (1902a) an Metalldrähten infolge von mechanischen „Schlag- oder Drehungsreizen“ ganz ähnliche Spannungsänderungen be- obachtet haben will, wie an lebenden Tier- und Pflanzenteilen. Auch soll der Einfluss von Giften sich bei Metallen in ganz gleicher Weise wie bei lebenden Organismenteilen geltend machen. Diese seltsamen Beobachtungen bedürften wohl dringend einer kritischen Nachuntersuchung, bei der auch die von Bose nicht berührte Frage zu entscheiden wäre, ob sich an solchen Metalldrähten auch eine Ausbreitung der Spannungsänderungen vom „Reiz- orte“ über nicht „gereizte“ Teile wie bei den Organismen nachweisen lässt. Ferner wäre zu untersuchen, ob die Spannungsänderungen in den „gereizten“ Metallen in gleicher Weise wie bei den Organismen durch hohe und tiefe Temperaturen, sowie durch Narkotika beeinflusst werden können. Nur in diesem Falle würden ja die Beobachtungen an den Metalldrähten mit denen ı) Nach Dubois 1899, S. 924 bleibt ferner bei Mimosa Spegazzinii die Spannungsände- rung, die nach Reizung eines Blattstielgelenkes nachweisbar wird, nicht lokalisiert, sondern breitet sich zu beiden Seiten des Gelenkes aus. Auch diese Angabe regt zu weiteren Unter- suchungen an. 124 H. Fitting, der lebender Organismenteile vergleichbar sein, während andernfalls die Ähnlichkeit doch nur rein äusserlich wäre. | Wenn man also auch vorläufig sehr vorsichtig bei der Beurteilung aller der erwähnten Spannungsdifferenzen sein muss, die bei Pflanzen infolge von Reizungen auftreten, so scheinen mir doch die wenigen Beobachtungen sehr entwickelungsfähige Keime zu enthalten. Ich bin überzeugt davon, dass eine kritische, sachgemäss geführte Untersuchung dieser elektrischen Phä- nomene, die von einem geschulten Pflanzenphysiologen in die Hand zu nehmen wäre, noch reiche Früchte auch für die Reizphysiologie tragen wird. Methodische Schwierigkeiten wären dabei wohl kaum noch zu überwinden, da die für solehe Untersuchungen notwendigen Apparate seitens der Tier- physiologen in grösster Vollkommenheit ausgearbeitet worden sind. Abschnitt VII. Das Wesen der Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 1. Allgemeines. Das Endziel aller Untersuchungen über die Reiztransmissionen kann selbstverständlich kein anderes sein, als das Wesen jedes der Reizleitungs- vorgänge näch Möglichkeit aufzuhellen. Zur Erreichung dieses Zieles ist zweierlei anzustreben: nämlich durch richtig geleitete Versuche die Frage- stellungen so weit einzuengen, dass ein sicheres Urteil darüber möglich ist, erstens ob der betreffende Reizleitungsvorgang durch diejenigen wissen- schaftlichen Bilder richtig dargestellt werden kann, die wir uns auf Grund unserer Erfahrung und der Eigenschaften unseres Geistes von den Gegen- ständen und Vorgängen der anorganischen Erfahrungswelt in zulässiger, zweckmässiger und richtiger Weise so gemacht haben, „dass die denknot- wendigen Folgen der Bilder stets wieder die Bilder seien von den natur- notwendigen Folgen der abgebildeten Gegenstände‘‘!) (wie man gewöhnlich zu sagen pflegt, ob der Vorgang „physikalisch-chemisch“ erklärt werden kann) oder ob dies nicht möglich ist; und zweitens, falls ersteres zutrifft, in welcher Weise er durch jene Bilder eindeutig dargestellt werden kann, falls ersteres aber nicht zutreffen sollte?), in welcher Weise unsere Vorstellungen von der anorganischen Aussenwelt durch neue Bilder ergänzt werden müssten, um diesen Vorgang der organischen Aussenwelt mit zu umfassen. Man braucht die bisherigen Leistungen auf dem Gebiete der Reiz- transmissionen nur kurz zu überblicken, um zu sehen, wie weit wir noch !) Vergl. Hertz 1894, Einleitung. 2) Eine Annahme, von der ich fast glaube, dass sie aus erkenntnistheoretischen Gründen logisch unzulässig ist. Ist dies so, so würde selbstverständlich eine experimentelle Pıü- fung der Alternative sinnlos sein. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 125 von diesen Zielen entfernt sind. Immerhin haben sie doch schon einige Ergebnisse gezeitigt, die von grosser Wichtigkeit sind. Sie lassen nämlich mit Sicherheit zunächst so viel ersehen, dass die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen offenbar auf verschiedene Weise bewerkstelligt werden. Sie erlauben uns aber weiter, die im ersten und zweiten Teile meiner Abhandlung besprochenen Reiztransmissionen der Pflanzen in Hinblick auf ihre Ver- schiedenheiten in einige Gruppen zu teilen, bei deren jeder die Transmis- sionen in ihrem Wesen der Hauptsache nach übereinstimmen oder doch eine gewisse Ähnlichkeit haben dürften. Damit ist insofern viel gewonnen, als die weitere Forschung voraussichtlich nun für jede dieser Gruppen ihre eigenen Wege wird einschlagen können. Diese Gruppen, die im folgenden gesondert besprochen werden müssen, lassen sich auf Grund der Tatsachen, die in den verschiedenen Abschnitten des zweiten Teiles meiner Abhandlung kritisch zusammengestellt sind, folgendermassen leicht charakterisieren: I. Gruppe. Die Reizleitung erfolgt in lebenden Zellen. Leitungs- bahnen sind nur die Gefässbündel. Die Reizleitung läuft mit einer für Pflanzen sehr grossen Geschwindigkeit und über eine verhältnismässig recht grosse Strecke ab. Sie wird durch Aussenumstände so gut wie gar nicht beeinflusst. II. Gruppe. Die Reizleitung erfolgt in lebenden Zellen. Die Leitung findet auch durch Vermittelung der Zellen des Grundgewebes statt. Sie läuft, soweit sich dies nachweisen lässt, meist mit geringerer Geschwindigkeit als bei Gruppe I und über eine weit kleinere Strecke ab und scheint von den Aussenbedingungen sehr abhängig zu sein. Diese zweite Gruppe lässt sich in zwei Untergruppen teilen: 1. Untergruppe: Die Reizleitung löst nicht eine tropistische Reiz- reaktion aus. 2. Untergruppe: Die Reizleitung löst eine tropistische Reaktion aus. Da nun aber ein Teil der Korrelationen, die ich in meiner Arbeit zu- nächst einmal als Reizleitungsvorgänge bezeichnet habe, in ihrem Ablaufe noch nicht näher untersucht wurde, so ist die Frage aufzuwerfen, ob man nicht diesen beiden Hauptgruppen eine dritte gegenüberstellen muss, für die es charakteristisch wäre, dass die Korrelation nicht durch lebende Zellen vermittelt wird. Alle die Wechselbeziehungen, die sich dieser Gruppe zu- teilen liessen, würden meiner Meinung nicht weiter zu den Reizleitungs- vorgängen zu rechnen sein. Denn es empfiehlt sich nicht, diesen Begriff unnötig weit zu fassen, sondern ihn von vornherein auf diejenigen Vorgänge zu beschränken, die durch lebende Zellen vermittelt werden, unter dem Vor- behalte, ihn, nachdem eine gewisse Einsicht in das Wesen der so als Reiz- transmissionen bezeichneten Wechselbeziehungen gewonnen ist, eventuell noch enger zu umgrenzen. Von diesen Gesichtspunkten habe ich mich bei der Zusammenstellung des ersten Teiles meiner Abhandlung leiten lassen, also 126 H. Fitting, von vornherein unter anderem alle die Wechselbeziehungen unberücksichtigt gelassen, bei denen es meiner Meinung nach keinem Zweifel unterliegt, dass sie nicht durch lebende Zellen vermittelt werden. Der Versuch einer genaueren Begriffsbestimmung der Reizleitungsvor- gänge bei den Pflanzen wird aber erst dann von Erfolg gekrönt sein, wenn eine Übersicht über das Wenige gegeben ist, das uns bei den vorhin unter- schiedenen Gruppen über das Wesen der Reiztransmissionen bekannt ist oder darüber hypothetisch geäussert wurde. 2. I. Gruppe. Die Reizleitung erfolgt nur in den lebenden Zellen der Gefässbündel. Zu dieser Gruppe würden nach den Ausführungen der vorhergehenden Abschnitte mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit, wenn nicht mit Sicherheit, zu rechnen sein die mit grosser Geschwindigkeit über weite Strecken ablaufende Reizleitung, die infolge von Verletzung der Gefässbündel bei den Arten der Gattungen Mimosa, bei Biophytum, bei Neptunia und bei den Ranken ver- schiedener Pflanzen eintritt. Ob auch die Leitung des Berührungsreizes über grössere Strecken bei Mimosa, Biophytum und Neptunia hierher zu ziehen ist, was nach Pfeffers Angaben (1873a, S. 309) für Mimosa sehr wahr- scheinlich ist, und ob noch andere Reiztransmissionen dieser ersten Gruppe zugeteilt werden können, entzieht sich vorläufig ganz der Beurteilung. Von diesen Reizleitungsvorgängen war es bis vor kurzem nur der des Verwundungsreizes bei Mimosa, mit dessen Wesen sich eine ganze Anzahl von Forschern beschäftigt haben: Wurde doch dieser Vorgang lange Zeit geradezu als klassisches Beispiel aller Reiztransmissionen bei den Pflanzen betrachtet! Schon in Abschnitt IV habe ich gezeigt, dass die älteren Forscher vergl. die Literaturangaben auf S. 84) der Meinung waren, der Reiz werde bei Mimosa grob mechanisch durch Druckschwankungen und Bewegungen des Gefässwassers, also in toten Zellen, „geleitet“!). Diese Ansicht lag ja auch deshalb nahe, weil man in jener Zeit das Empfindungsvermögen und die Reizbarkeit der Pflanzen überhaupt ganz anders als beim Tiere glaubte beurteilen zu müssen. A. Gründe, die für eine grob mechanische Übermittelung des Impulses durch lebende Zellen sprechen. Wenn es nun auch nach den neueren Untersuchungen, über die an jener Stelle ebenfalls eingehend berichtet wurde, kaum mehr einem Zweifel !) Zur Stütze dieser Annahme weist Sachs (1865, z. B. S. 482 ff.) verschiedentlich ganz besonders darauf hin, dass bei Mimosa eine Reizfortpflanzung nur in sehr turgeszenten Pflanzen in ausgiebigem Masse stattfindet, deren Holzkörper viel Wasser enthält; vergl. auch Pfeffer (1873 a 8. 315). Demgegenüber habe ich festgestellt (Fitting 1904, S. 504 ff.\, dass der Reiz auch noch in fast ganz vertrockneten Pflanzen, ja sogar in welken Sprossen namhaft ge. leitet wird. | | Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 127 unterliegen kann, dass der Reiz bei allen den zu dieser Gruppe gezählten Reiztransmissionen ganz im Gegensatz zu jener Annahme ausschliesslich in irgendwelchen lebenden Zellen des Gefässbündelsiebteiles übermittelt wird, so würde doch die weitere Frage zu lösen sein, ob die Transmission nicht gleichwohl ohne aktive Beteiligung der lebenden Substanz, etwa allein durch ähnliche Druckschwankungen und Bewegungen von Flüssig- keit, wie sie von jenen älteren Autoren angenommen wurden, also grob- mechanisch zustande kommt. In der Tat hat für Mimosa Pfeffer diese Ansicht verfochten (1873a, S. 309, Haberlandt (1890) eine solche Hypothese eingehend zu begründen versucht und habe ich selbst (Fitting 1904, 8. 493 ff.) für alle die zu dieser Gruppe gezählten Reizleitungsvorgänge wenigstens nachdrücklich diese Möglichkeit betont, die mit den meisten, aber doch nicht allen Beobachtungen im Einklang steht. Manches verführt von vornherein zu einer solchen Auffassung: Zunächst einmal macht es die weitgehende Unabhängigkeit von solchen Aussen- bedingungen, durch welche die lebende Substanz in ihrer Tätigkeit erfahrungs- gemäss gehemmt wird, wie Narkotisierung, Abkühlung und dergl., und eben- so die für Pflanzen verhältnismässig grosse Geschwindigkeit, mit der der Reiz über grosse Strecken geleitet wird, nach unseren sonstigen Erfahrungen nicht gerade wahrscheinlich, dass die lebende Substanz an der Reizübermitte- lung aktiv beteiligt ist. Sodann aber zeigen die Abtötungsversuche mit Mimosa und Biophytum (vergl. S. 105), augenscheinlich, dass der Reiz selbst über ab- getötete Strecken ohne die Möglichkeit der aktiven Beteiligung von lebender Substanz mit Leichtigkeit .„‚geleitet“ werden kann, woraus natürlich nicht ohne weiteres gefolgert werden darf, dass er über die abgetötete Zone in gleicher Weise wie durch lebende Pflanzenteile transmittiert werde, wie es z. B. Haberlandt (1890, S. 37 ff.) tut (vergl. dazu Fitting 1904, S. 516 ff). Tatsächlich scheinen doch gewisse Verschiedenheiten in dem Leitungsvorgang zu bestehen (ebenda 1904, S. 511 ff.). Gibt man aber zu, dass wirklich vieles dafür spricht, der Reiz werde bei dieser Gruppe und im besonderen bei Mimosa nicht unter aktiver Be- teiligung der lebenden Substanz, gleichwohl aber nur in lebenden Zellen ge- leitet, so bleibt nichts anderes übrig als die Annahme einer grob mechanischen Vermittelung der Reizleitung. Sie könnte einmal auf chemischen, sodann auf physikalischen Vorgängen im Zellsaft beruhen. Jedoch lässt sich von vorn- herein so viel sagen, dass die Transmission weit eher durch physikalische Vorgänge als durch chemische Veränderungen im Zellsafte zustande kommen kann. Und zwar deshalb, weil wir für explosionsartig im Zellsaft erfolgende und nach Art einer Welle von Zelle zu Zelle im Zellsaft sich fortpflanzende chemische Veränderungen bei den Pflanzen keine Beispiele kennen!) und weil !) Das wäre übrigens nur möglich in solchen Zellenzügen, in denen die Zellsafträume miteinander kommunizieren. 128 H. Fitting, Diffusionsvorgänge chemischer Körper viel zu langsam von statten gehen. Zudem würde diese erstere Hypothese durch die Tatsachen sich nicht stützen lassen, die über die Reizleitungsvorgänge bei dieser Gruppe bekannt geworden sind. Die Reizausbreitung wird nämlich bei den Ranken von Passiflora und bei Mimosa ausgelöst, wenn man eine Zone der Reizleitungsbahnen schnell, mit 15°/o Salpeterlösung, plasmolysiert, nicht dagegen, wenn man die Zone langsam zunächst mit 5°/o, dann 10°, schliesslich 15°/o Salpeterlösung plasmolysiert (Fitting 1904, S. 442 ff. und S. 517 ff.). Da nun sicherlich bei einer lang- samen Plasmolyse ganz ähnliche Störungen, z. B. Zerreissungen der Plasmo- desmen und des Plasmaleibes der Zellen, erfolgen, wie sie Durchschneidung oder schnelle Plasmolyse eines Pflanzenteiles nach sich zieht, so sollte man meinen, es müsste langsame Plasmolyse die Reizleitung ebensogut auslösen können wie die Durchschneidung, wenn nämlich die Reizleitung wirklich auf der Fortpflanzung einer Umsetzung im Zellsafte beruhte, die durch solche Störungen ausgelöst würde. Sonach bleiben also für die grob mechanische Erklärung der Reizleitung in den lebenden Zellen nur physikalische Vorgänge übrig. Von ihnen aber kommen bei dem Bau der Zellen nur Druckschwankungen und Be- wegungen des Zellsaftes von Zelle zu Zelle in Betracht. Solche Bewegungen, die wir bei gewöhnlichen, ringsum durch Zellwände gegeneinander abgeschlossenen und nur durch Plasmodesmen verbundenen Zellen nicht kennen, sind nur dann mit der durch die Reizleitungsgeschwin- digkeit notwendig vorauszusetzenden Schnelligkeit und über grössere Strecken möglich, wenn die als Reizleitungsbahnen anzusehenden lebenden Zellen irgendwie miteinander kommunizieren, also ein einheitliches osmotisches System bilden. Es würde zunächst also die Frage entstehen, ob es solche Zellen- systeme bei den in Betracht kommenden Pflanzen gibt und ob eine Saft- bewegung von der geforderten Art hier oder in anderen Fällen tatsächlich nachweisbar ist. Beide Fragen lassen sich bejahend beantworten. Erstens nämlich wissen wir, dass überall in den Siebteilen der Angio- spermengefässbündel Züge sehr auffallender Zellen ganz allgemein ver- breitet sind, die in sehr innigem Zusammenhange untereinander stehen. Es sind dies die Zellen, welche die sogenannten Siebröhren bilden. Ihr Zu- sammenhang vermittelst der sogenannten Siebtüpfel in den Querwänden scheint, wie aus dem Folgenden zu ersehen ist, derartig zu sein, dass nicht jede Sieb- röhrengliedzelle für sich, sondern die ganze Siebröhrengliederreihe, die Sieb- röhre, ein einziges, osmotisches System bildet (vergl. z. B. Hill 1903, S. 265 ff.). Zweitens ist nachgewiesen, dass der Inhalt der Siebröhren bei Ver- wundungen auf weite Strecken hin leicht in Bewegung gerät. Gerade dies spricht für die Einheitlichkeit der ganzen Siebröhre als osmotisches System. Es bilden sich infolge der Strömung, die nach der Wundstelle hin gerichtet Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 129 ist, an den Querwänden der Röhrenglieder durch Stauung des weniger be- weglichen Inhaltes die sehr charakteristischen „Schlauchköpfe“, bei manchen Pflanzen selbst noch in ziemlicher Entfernung von der Wunde (A. Fischer 1885, S. 230 ff.). Drittens schiesst, wenigstens bei einigen derjenigen Pflanzen, die zu den ersten Gruppe gerechnet wurden, nämlich in allen Organen von Mimosa, den Ranken von Passiflora und einigen Cucurbitaceen (z. B. Sicyos und Bryonia) (Fitting 1904, S. 436 ff., S. 449 ff.), tatsächlich ein grosser Flüssigkeits- tropfen bei Durchschneidung eines Gefässbündels aus der Wunde heraus, der nur durch eine Saltbewegung über grössere Strecken zustande gekommen sein kann. Von diesem Tropfen lässt sich an ausgewachsenen Pflanzen- teilen!) nachweisen, dass er der Hauptsache nach aus dem Siebteile der Gefässbündel herrührt (vergl. für die Ranken von Passiflora Fitting 1904, S. 437; für die Cucurbitaceen ebenda S. 449 ff.; für Mimosa Haberlandt 1890, S. 11 fi.; Fitting 1904, S. 508 ff.). Ausser den Siebröhren findet man übrigens in den Siebteilen bei den Arten der Gattung Mimosa — und nur bei dieser Gattung, nicht aber bei dem nahestehenden Genus Neptunia, ebensowenig bei Biophytum und bei den Ranken — eigentümliche safterfüllte Zellenzüge, Haberlandts Schlauch- zellen (1890), die den gegliederten Milchröhren bei anderen Pflanzen zu ent- sprechen und, obwohl ihre Gliederzellen nicht offen miteinander kommuni- zieren, doch eine Saftbewegung über grössere Strecken zu ermöglichen scheinen, da sie wesentlich zu dem aus einer Wunde herausschiessenden Flüssigkeits- tropfen beitragen (Haberlandt 1890, S. 11 ff.). Sie bilden nach Haber- landt das eigentliche reizleitende Gewebesystem bei Mimosa. Doch wurde schon im vierten Abschnitt meiner Abhandlung (S. 86) an dieser Auffassung Kritik geübt und darauf hingewiesen, dass ihr manche Schwierigkeiten ent- gegenstehen. Sonach sehen wir, dass bei allen unseren Pflanzen, deren Reizleitungs- vorgänge zur ersten Gruppe gerechnet wurden, jedenfalls die Möglichkeit für eine grob mechanische Erklärung der Reiztransmissionen durch Druck- schwankungen und Bewegungen des Zeilsaftes kommunizierender lebender Zellen gegeben ist. Es würde sich nun weiter darum handeln, zu unter- suchen, ob alle bisherigen Beobachtungen und Versuche mit dieser Hypothese im Einklange stehen oder nicht. Das ist nun bei den allermeisten in der Tat der Fall, sowoh] bei den Ranken als auch bei Mimosa (Fitting 1904, S. 496 ff.): so die Schnelligkeit der Reizleitung, ihre Ausbreitung über verhältnismässig grosse Strecken, ihre Unabhängigkeit von Aussenbedingungen (Narkotisierung, Abkühlung), die Notwendigkeit der Verletzung der Gelfässbündel zur Aus- !) In nicht ausgewachsenen Pflanzenteilen könnte Flüssigkeit auch aus den noch lebenden, unausgebildeten Gefässen hervorquellen. Dies hat Irgang (1902, S. 823 ff.) kürzlich bei Tropaeolum beobachtet. Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. ) 130 H. Fitting, lösung der Reizleitung. Leicht erklärlich wäre es ferner mit dieser Hypothese, dass die Reiztransmission auch durch Abtötung in Chloroformwasser oder Wasserdampf zustande kommt, sowie durch schnelle Plasmolyse, nicht dagegen bei langsamer Plasmolyse, weil in diesem letzten Falle erstens die Strömung zu langsam erfolgt, zweitens nicht Anlass zu einer plötzlichen Druckschwankung gibt und eines von beiden wohl sicher notwendig ist, damit der übermittelte Reiz in der Reaktionszone die Reizschwelle überschreitet. Leicht zu verstehen wäre es auch, warum durch eine zuvor plasmolysierte, aber hierauf wieder völlig turgeszent gemachte Zone der Reiz nicht mehr geleitet wird: durch die Plasmolyse wird nämlich die Verbindung der in normalem Zustande mit- ‘einander kommunizierenden Zellen (Siebröhrenglieder) aufgehoben. Auch die von mir festgestellte Tatsache, dass ein neuer Reizleitungsvorgang ausgelöst wird, wenn man sofort oder einige Zeit nach einer Durchscheidung einer Ranke (Fitting 1904, S. 431 fi.) oder eines Sprosses oder Blattstieles von Mimosa (1904, S. 506 ff.) in der Nähe der Schnittwunde einen neuen ge- nügend tiefen Einschnitt macht, würde mit der ausgesprochenen Hypothese nicht in Widerspruch stehen. Alle diese Erwägungen gaben mir den Anlass, die obige Hypothese (1904, S. 497 ff.) als eine Möglichkeit hinzustellen!). B. Gründe, die gegen eine grob mechanische Übermittelung des Impulses durch lebende Zellen sprechen. Nur eine und noch dazu sehr wichtige Tatsache steht mit ihr in, Widerspruch, nämlich die, dass durchaus nichts) allen den Reizleitungsvorgängen, die zur ersten Gruppe ge- rechnet wurden, ein Tropfenaustritt aus der Wunde verbunden ist?). Dies gilt nach eigenen unveröffentlichten Beobachtungen für Neptunia, die doch mit Mimosa so nahe verwandt ist, nach den Angaben Haber- landts (1898, S. 38 ff.) für Biophytum, nach eigenen Beobachtungen (1904 z. B. S. 497) für die Ranken einiger Oucurbitaceen (so 'IThladianthe, Momor- ') Sie würde als eine Weiterentwickelung der Ansicht älterer Forscher, so auch Haber- landts aufzufassen sein. 2) Schon Pfeffer wies (1873a, S. 312) darauf hin, dass bei Mimosa eine Reizfort- pflanzung schon dadurch veranlasst wird, dass man eine feine Nadel in einen primären Blatt- stiel bis zum Gefässbündel einsticht, ja selbst dann, wenn das Einstechen nicht einmaldas Hervortreten einer wahrnehmbaren Flüssigkeitsmenge zur Folge hat. Pfeffer schliesst daraus, dass schon eine sehr geringe Wasserbewegung imstande ist, eine Reizung selbst ziemlich entfernter Gelenke zu bewirken. — Da diese minimale Wasserbewegung sicher nicht plötzlich, sondern allmählich wird erfolgen können, so ist mir nicht recht klar, wie die namentlich in grösserer Entfernung von der Wundstelle damit verbundene Druckänderung eine Reizbewegung in den Blattgelenken sollte auszulösen vermögen. Auch muss man sich, wenn in der Tat schon eine so minimale Wasserbewegung imstande ist, den Reiz weithin zu leiten, wundern, dass alsdann, wie Pfeffer selbst angibt (1873 a, S. 314), starke Biegungen der Gefässbündel in den Gelenken und die dadurch veranlasste Flüssig- keitsbewegung keine Reizfortpflanzung zur Folge hat. "Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 131 dica Charantia und Actinostemma paniculatum), bei denen der Reiz sich über weit grössere Strecken ausbreitet als bei den Ranken jener Cucurbitaceen, die einen Tropfenaustritt zeigen, und schliesslich auch für die Ranken von Vitis vinifera, Cobaea scandens und der Hauptsache nach auch von Lathyrus lati- folius, einer Pflanze, bei welcher der Reiz sich wie bei Mimosa sogar über mehrere Internodien ausbreitet (Fitting 1904, S. 460 ff.). Wie sollte aber ohne Hervorschiessen eines wenn auch nur kleinen Tropfens eine Flüssig- keitsbewegung über grössere Strecken möglich sein?!). Die Reizleitungs- vorgänge bei diesen Pflanzen stimmen aber bezügiich Schnelligkeit, Unab- hängigkeit von den Aussenbedingungen, Beschränkung der Reizleitungsbahnen auf die Gefässbündel sowie nach allen sonstigen beobachteten Erscheinungen so völlig mit denen bei Mimosa und bei den anderen Rauken überein, dass es gauz willkürlich wäre, anzunelımen, was für jene recht sei, sei für diese nicht billig. Will man also den Tatsachen nicht Gewalt antun und nur auf Grund des Vorkommens oder Fehlens des Flüssigkeitsaustrittes aus den Wunden be- haupten, das Wesen der Reizleitung sei in beiden Fällen verschieden, so wird man schliessen müssen, dass die Reizleitung nicht grob physikalisch durch Flüssigkeitsbewegung in lebenden Zellen zustande kommen kann. Der Ge- danke liegt nahe, ob es nicht möglich sei, experimentell diese Frage endgültig zu entscheiden. Man könnte ja daran denken, den Erfolg künstlich erzeugter Druckschwankungen und Flüssigkeitsbewegungen zu untersuchen. In der Tat sind solche Versuche mit Mimosasprossen von Mac Dougal (1896; vergl. auch Bonnier 1892) gemacht worden, leider mit einer unzureichenden Methode, wie ich dargetan habe (Fitting 1904, S. 513 fi... Mac Dougal presste nämlich mit plötzlichem starken Druck Wasser durch die basale Schnittfläche in abgeschnittene Mimosastengel ein, das aus einer oberen Schnitt- fläche wieder heraustrat. Er beobachtete dabei keine Reizbewegung in den Blättern. Ich konnte nun aber zeigen, dass mit dieser Methode das Wasser nur durch die toten Gefässe gepresst wird, die, wie wir wissen, bedeutungslos für die Reiztransmission sind, nicht aber durch etwaige lebende Reizleitungs- bahnen, weshalb solche Versuche offenbar nichts beweisen. Will man also solche Druckversuche ausführen — und es wäre erwünscht, wenn dies ge- schähe —, so wird man nicht mit abgeschnittenen Sprossen arbeiten dürfen, sondern wird an geeigneten unverletzten Objekten (z. B. den Ranken von Passiflora) den Erfolg eines plötzlichen Druckes auf eine Strecke eines ent- sprechenden Pflanzenteiles studieren müssen. Freilich werden viele Fehler- quellen sich dabei herausstellen und exakte Schlüsse eventuell unmöglich machen. 1) Im Abschnitt IX wird für die Ranken noch ein weiterer Einwand gegen die Annahme einer Reizübertragung durch Flüssigkeitsbewegung hervorgehoben werden, der mir sehr wichtig zu Sein scheint. 9* 132 H. Fitting, C. Kommt die Reizleitung vielleicht unter aktiver Beteiligung lebender Zellen zustande? Da nun also für eine ganze Reihe der Reizleitungsvorgänge dieser ersten Gruppe eine grob physikalische Transmission wegen des Fehlens eines Flüssig- keitstropfens an der Wundfläche zum mindesten wenig wahrscheinlich ist und da, wie wir sahen, auch eine grob chemische Transmission durch Ausbreitung irgend einer Umwandlung oder der Diffusion eines chemischen Körpers im Zell- saft nicht durch irgendwelche analoge Vorgänge als wahrscheinlich hingestellt werden kann, so wird nichts anderes übrig bleiben als die Frage zu prüfen, ob nicht doch vielleicht die Leitung unter aktiver Beteiligung der lebenden Substanz zustande kommen könnte. Die Gründe, die oben (vergl. A) dagegen vorgebracht wurden: die verhältnismässig grosse Geschwindigkeit der Leitung, die Reizausbreitung über grössere Strecken, die weitgehende Unabhängigkeit von Aussenbedingungen, dürfen ja, bei Licht betrachtet, durchaus nicht als vollgültige Beweise fürs Gegenteil angesehen werden; namentlich nicht, so- lange noch bei den Pflanzen unsere allgemeinen Kenntnisse über die Ab- hängigkeit derjenigen Reizleitungsvorgänge, die mit Sicherheit durch aktive Beteiligung der lebenden Substanz zustande kommen, so im argen liegen wie es augenblicklich leider noch der Fall ist. Und die positiven Erfolge der Reizleitungsversuche an abgetöteten Zonen bei Mimosa und Biophytum be- weisen eben doch nur, dass ein Reiz auch über tote Strecken „geleitet“ werden kann, nicht aber, dass der Reiz in lebendem Gewebe ebenso wie in totem geleitet werden muss. Die Ausbreitung des Reizes im toten Gewebe könnte ja in ganz anderer Weise als im lebenden erfolgen. Um diese Annahme kommen wir auch dann nicht herum, wenn wir uns auf den Boden der Hypothese stellen, dass der Reiz grob physikalisch durch Flüssigkeitsbewegung in lebenden Zellen geleitet werde. Denn es bereitet grosse Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass die Strömung von Flüssigkeit auch noch durch die toten „Reizleitungszellen“ hindurch, die ihren Turgor durch die Tötung ver- loren haben, wie vor der Tötung erfolgen könne (Fitting 1904, S. 516 ff.), dies um so mehr, als meine oben erwähnten Druckversuche zeigen, dass von toten Reizleitungszellen aus (seien es nun die Siebröhren oder die Schlauch- zellen!) Haberlandts) selbst unter Druck von mehreren Atmosphären keine Flüssigkeit in und durch lebende Leitungszellen gepresst werden kann?). Aus ı) Für die Schlauchzellen werden diese Schwierigkeiten noch dadurch erhöht, dass nach Haberlandts Beobachtungen (1890, S. 19) die lebenden Schlauchzellen sich gegen die ange- schnittenen oder abgetöteten durch einen Pfropf von harzartiger Masse abzuschliessen pflegen, der in den der abgetöteten Zelle zugewendeten Zellenden sich bildet. 2) Auch gibt Mac Dougal (1899, S. 297) an, bei Biophytum sei die Reizleitung noch durch solche abgetötete Strecken möglich, die stark ausgetrocknet sind. Ich habe wegen der Schwierigkeiten, welche anderen Erklärungsversuchen der Erfolge an abgetöteten Stengelteilen entgegenstehen, auf die Möglichkeit hingewiesen, dass bei der Reizübermittelung über die toten Strecken vielleicht Druckschwankungen der Interzellularenluft beteiligt sein könnten (Fitting 1904, S. 516). Diese Vermutung fordert weitere Untersuchungen. Be Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 153 alledem ist zu entnehmen, dass die Erfolge mit abgetöteten Zonen vorläufig ganz für sich betrachtet werden müssen und vorderhand ein Urteil über den Leitungsvorgang im lebenden Gewebe nicht gestatten. Auch die sonstigen Beobachtungen und Versuche (vergl. S. 129 ff. und Pfeffer 1873a, Haberlandt 1890, Fitting 1904) an Mimosa und den Ranken schliessen sämtlich die Möglichkeit einer aktiven Beteiligung der lebenden Substanz an der Reizleitung nicht aus. Mit dieser Annahme würden auch die schon früher erwähnten Beobachtungen Haberlandts in Einklang zu bringen sein, wonach die Reizleitung gelegentlich auch nach Entfernung der Rinde und des Siebteiles durch Einschnitte in den Holzteil ausgelöst werden kann; vorausgesetzt, dass diese Angaben richtig sind. Mir sind solche Versuche nicht gelungen (Fitting 1904, S. 515). Selbst die Tatsache, dass nur durch plötzliche, nicht aber durch langsame Plasmolyse eine Reizaus- breitung ausgelöst werden kann, würde bei dieser Auffassung verständlich sein. Wissen wir doch, dass, ganz allgemein, langsam an Intensität zu- nehmende Aussenanlässe einen viel geringeren Reizerfolg in der lebenden Substanz zur Folge haben als plötzliche Änderungen der Aussenbedingungen ; gleiches könnte für die der langsamen Plasmolyse entsprechende allmähliche Schädigung im Gegensatz zu der der schnellen Plasmolyse entsprechenden plötzlichen Schädigung sehr wohl Geltung haben. Die Auffassung, dass die Reizleitung durch aktive Beteiligung der lebenden Substanz zustande kommt, würde selbstverständlich nicht dazu nötigen, in den Siebteilen der Sprossachsen und Blattstiele ähnliche sensitive Zellen anzu- nehmen, wie sie im Blattgelenkpolster vorkommen. Hiergegen würde abge- sehen von vielen anderen Tatsachen auch schon die Beobachtung Pfeffers (1873a, S. 312) sprechen, dass durch starke Biegungen und Quetschungen der Sprossachsen und Blattstiele selbst die benachbarten Blätter nicht ge- reizt werden können. ‚alas Gegen die Annahme einer aktiven Beteiligung der lebenden Substanz könnte man schliesslich mit Pfeffer (1885, S. 526) die Tatsache geltend machen, dass durch Einschnitte in das Parenchym des Blattstieles oder Stengels niemals eine Reizung der Gelenke erzielt wird, obwohl doch auch in diesen Geweben Plasmodesmen zwischen den Zellen vorkommen. Doch lässt sich zurzeit nicht übersehen, ob dieser Einwand stichhaltig ist. Es wäre ja möglich, dass die Leitung dickere Plasmastränge beanspruchte als die Plasmodesınen, Plasmastränge, wie sie z. B. in den miteinander kommuni- zierenden Siebröhren vorkommen. Wie dem auch sein mag, auf jeden Fall ‚müsste die Transmission in anderer Weise durch die lebenden Bahnen ver- mittelt werden, als bei denjenigen Reizleitungsvorgängen, die auch im Grund- gewebe zustande kommen. Ziehen wir schliesslich aus allen den vorhergehenden theoretischen Erör- terungen das Fazit, so können wir, wenn wir ehrlich sein wollen, nur sagen: 134 H. Fitting, Alles spricht dafür, dass die Reizleitung bei den Reiztransmissionen dieser ersten Gruppe durch lebende Zellen vermittelt wird; über das Wesen der Leitung aber vermag man nach den vorliegenden Beobachtungen und Ver- suchen keiner einzigen mit dieser Voraussetzung als möglich erkannten Hypo- these den Vorzug zu geben. Das gilt auch von der Hypothese Haber- landts, dass die Reizleitung bei Mimosa auf Druckschwankungen von Flüssigkeit in den Schlauchzellen beruhe. Ja von ihr muss man sogar in Frage ziehen, ob sie überhaupt möglich ist, da, wie im vierten Abschnitte (S. 86) erwähnt, Bcrzi (1899, S. 2 ff.) gezeigt hat, dass bei Mimosa die Reiz- leitung auch durch Verwundung solcher Organe ausgelöst werden kann, die nach seinen und nach Haberlandts Beobachtungen der Schlauchzellen völlig entbehren. Zudem leidet diese Hypothese an Einseitigkeit, da sie höchstens für Mimosa, aber sonst für keine einzige der zahlreichen ähnlichen Reiz- transmissionen bei anderen Pflanzen, nicht einmal bei der nahen Verwandten Neptunia, passt. Die Schwierigkeiten, die uns bei der richtigen Ausdeutung der Reiz- leitungsvorgänge der ersten Gruppe entgegengetreten sind, sind deshalb lehrreich, weil es von vornherein so leicht schien, diese Reiztransmissionen ihrem Wesen nach aufzuhellen, und weil aus ihnen hervorgeht, wie wenig in dieser Hinsicht durch die viele darauf verwendete Mühe bis jetzt wirklich erreicht ist. Diese Einsicht wird uns von vornherein zwingen, vorläufig auf eine Ergründung des Weseus der meisten anderen Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen zu verzichten, da diese Transmissionen viel weniger zum Gegen- stand der Untersuchung gemacht worden sind. Das gilt aber von fast allen Transmissionen der zweiten Gruppe. 3. II. Gruppe. Die Reizleitung erfolgt auch in den lebenden Zellen des Grundgewebes. Welche Reiztransmissionen der Pflanzen ich glaube zu dieser Gruppe rechnen zu dürfen, darüber habe ich mich schon im vierten Abschnitt auf S. 78 ff. für die Aussenreize, auf S. 87 ff. für die Innenreize ausgesprochen. Es erübrigt sich also, darauf nochmals zurückzukommen. Ich glaube wohl mit Recht, dass auch manche oder gar alle der Reizleitungsvorgänge, die sich in der Änderung der elektrischen Spannungen äussern, hierher zu rechnen sind (vergl. Abschnitt VD). Selbstverständlich geschieht die Zuteilung aller dieser Reizleitungen zu dieser zweiten Gruppe mit dem Vorbehalt, diesen oder jenen Reizleitungs- vorgang später wieder aus dieser Gruppe herausnehmen zu können, falls ein- gehende Untersuchung lehren sollte, dass lebende Zellen doch nicht an der Übermittelung beteiligt sind. Dies könnte z. B. möglicherweise zutreffen für diejenige „Reiztransmission“ in den Blättern von Drosera, durch die die Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 135 Aggregation ausgelöst wird, für die Leitung des Wundreizes, welche die Traumataxis und manche formative Vorgänge zur Folge hat, schliesslich auch für manche Korrelationen zwischen den Teilen der bestäubten Blüte. Alle diese Vorgänge könnten etwa durch Diffusion irgendwelcher chemischer Körper vermittelt werden. Doch halte ich dies nicht für wahrscheinlich, glaube viel- mehr, dass auch hier echte Reiztransmissionen vorliegen. Wenn man nun alle die Reizleitungsvorgänge überblickt, die der zweiten Gruppe zugeteilt wurden, so wird man, auch ohne tiefere Einsicht, die Ver- mutung nicht unterdrücken können, dass sie auf recht verschiedene Weise vermittelt werden dürften. Die tropistische Reizleitung beispielsweise, durch welche die Reaktionszone veranlasst wird, sich in ganz bestimmter, von der Angriffsrichtung des Reizanlasses am Perzeptionsorgane abhängigen Weise zu krümmen, setzt ganz andere Bedingungen der Vermittelung voraus, wie etwa die Reizleitung, welche die Plasmaströmung auslöst. Aber selbst, wenn man zunächst einmal von den tropistischen Transmissionen absieht, könnte man doch von vornherein recht grosse Verschiedenheiten im Wesen der übrigen Reizleitungsvorgänge annehmen, wenn man auch von der Voraus- setzung ausgeht, dass sie alle durch Vermittelung lebender Zellen zustande kommen. A. 1. Untergruppe. Die Reizleitung löst nicht eine tropistische Reizreaktion aus. Über keine der Reiztransmissionen, die hierher zu rechnen sind, liegen irgendwelehe Untersuchungen vor, aus denen wir etwas über ihr Wesen ent- nehmen könnten. Denn aus ihrem äusseren Ablaufe lassen sich höchstens Vermutungen darüber ableiten, in welcher Richtung künftige Forschungen etwa zu dem erstrebten Ziel gelangen könnten. Zunächst findet sich unter diesen duktorischen Prozessen kein einziger, von dem sich annehmen lässt, dass er durch Vermittelung der lebenden Zellen auf grob mechanische Weise, etwa durch Druckschwankungen und Bewegungen des Zellsaftes, zustande kommt, wie es oben für die zur ersten Gruppe gerechneten Reizleitungsvorgänge als eine Möglichkeit hingestellt wurde. Wohl aber ist es für eine ganze Reihe dieser Vorgänge möglich, dass die Leitung zwar nur durch Vermittelung der lebenden Zellen geschieht, ohne dass aber die Übertragung von Zelle zu Zelle unter aktiver Beteiligung der die Zellen verbindenden lebenden Substanz, d. h. der Plasmaverbindungen, erfolgt. Dies könnte vor allem gelten für die Leitung des Stossreizes in den Blättern von Dionaea, Aldrovanda, in den Gelenken der Blätter von Mimosa (Pfeffer 1873a, S. 314ff.), Neptunia und Biophytum und schliesslich auch in den verschiedenen Blütenteilen. Wir wissen nämlich, dass der Stossreiz wenigstens bei vielen dieser Reizvorgänge eine Erschlaffung der berührten Zellen infolge von Flüssigkeitsaustritt aus den Zellen zur Folge hat. Es wäre 136 H. Fitting, nun möglich, dass diese plötzliche Erschlaffung auf die benachbarten, aber durch den Stoss nicht direkt betroffenen Zellen infolge der eintretenden Deh- nungen und Zerrungen ähnlich wie ein Stossreiz wirkt, mit anderen Worten, dass in allen derartigen Reizleitungsvorgängen die Ausbreitung des Reizes nur ‘darauf beruht, dass sich die Reaktion, das Erschlaffen der Zellen, von Zelle zu Zelle fortpflanzt. Es fragt sich nur, ob eine solche Auffassung viel Wahrschein- lichkeit für sich hat. Ich glaube nicht, dass dies für alle diese Vorgänge der Fall ist, da es einige Beobachtungen gibt, die durch sie nicht ihre Erklärung finden. Sie beziehen sich freilich nur auf eines der erwähnten Objekte, näm- lich auf die Blätter von Dionaea. Wäre die oben ausgesprochene Hypothese für den Reizleitungsvorgang richtig, so sollte man erwarten, dass nach Reizung der „Fühlborsten“* auf nur einer Blatthälfte des Dionaeablattes zunächst diese Blatthälfte und erst nach Ablauf eines, wenn auch noch so kleinen Zeit- raumes die andere Blatthälfte die Reizreaktion ausführen würde. Ein solcher zeitlicher Unterschied, der mit dem Auge würde verfolgt werden können, ist aber nicht bemerkbar, vielmehr klappen beide Blatthälften immer zu gleicher Zeit zusammen. Ausserdem aber weisen die vorübergehenden elektrischen Spannungs- änderungen, die infolge einer Reizung sich von der gereizten Stelle mit sehr grosser Geschwindigkeit über das ganze Blatt ausbreiten und zum Teil schon wieder abgeklungen sind, ehe die am Blatte sichtbare Reizreaktion beginnt, mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit, wenn nicht mit Sicherheit dar- auf hin, dass irgendwelche chemische Veränderungen, die von der eigentlichen Reizreaktion unabhängig sind, aber durch die Reizung ausgelöst werden, sich mit sehr grosser Geschwindigkeit über das Blatt ausbreiten. Nichts würde im Wege stehen, in der Fortpflanzung dieser chemischen Veränderungen die eigentliche Reizausbreitung zu erblicken und den dadurch geschaffenen Erregungszustand des Plasmas als ein Mittelglied zwischen Perzeption und sichtbarer Reaktion aufzufassen. Mit dieser Annahme würde es auch ver- ständlich werden, dass sich die beiden Blatthälften immer zu gleicher Zeit zusammenklappen. Da nun aber, wie im Abschnitt VII gezeigt wurde, alles dafür spricht, dass diese chemischen Änderungen nur in der kontinuierlichen lebenden Substanz sich so schnell ausbreiten können, so würde man bei der Reizleitung im Blatte von Dionaea wohl kaum ohne die Annahme einer Be- teiligung der lebenden Substanz auskommen können !). Vielleicht lassen sich auch in Verbindung mit den Reizleitungsvorgängen, die durch Stossreiz bei den anderen erwähnten Pflanzen ausgelöst werden, ähnliche vorübergehende elektrische Span- nungsänderungen nachweisen und gelingt es zu zeigen, dass diese elektrischen 1) Übrigens kommt das Zusammenklappen der Blatthälften bei Dionaea nach den Be- obachtungen von Batalin (1877, 8. 129 ff.; auch Munk 1876, S. 114 ff.) nicht allein durch Erschlaffung von Zellen, sondern auch durch Wachstum zustande. Das würde freilich nicht die Annahme der Ausbreitung des Reizes durch Erschlaffung der Zellen verhindern. u ee re Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 137 Vorgänge in der Tat mit dem Reizleitungsprozesse eng verknüpft sind. Im übrigen ist es sehr wohl möglich, dass wenigstens einige Transmissionen des Stossreizes die Frage noch in anderer Weise weiter einzuengen erlauben, ob die Reizleitung allein in der Ausbreitung der Reaktion oder auf anderen Vorgängen beruht. Namentlich scheinen mir die Blüten der Orchideen, Mas- devallia, Pterostylis u. a., dazu geeignet!), in deren Labellen die gegen Stoss- reiz empfindliche Perzeptionszone und die Reaktionszone völlig getrennt sind. Käme die Leitung des Reizes hier allein durch die Ausbreitung einer Erschlaffungsreaktion zustande, so müsste sich offenbar auch in der Perzeptionszone infolge der Reizung eine solche Erschlaffung nachweisen lassen. Versuche wurden in dieser Richtung bisher nicht angestellt. Vielleicht gelingt es auch noch, durch entsprechende Variation der Aussenbedingungen eine Erschlaffungsreaktion an der Perzeptionsstelle unmöglich zu machen, ohne dass damit die Reizleitung aufgehoben wird ?). Alle die angestellten Erwägungen zeigen, dass für die Leitung des Stoss- reizes in manchen Fällen die aktive Beteiligung der lebenden Substanz durch- aus nicht ausgeschlossen ist. Höchstwahrscheinlich werden ohne eine solche auch die übrigen Leitungsvorgänge, die zu dieser Untergruppe zu rechnen sind, nicht verständlich werden: nämlich die Reizleitungen des Wundreizes, durch welche die Plasmaströmungen und die mannigfaltigen Hemmungen und Beschleunigungen ausgelöst werden, die Leitung des Kontaktreizes und des chemischen Reizes im Blatte von Drosera und anderen insektenfressenden Pflanzen, schliesslich die Mehrzahl derjenigen durch Innenreize?) veranlassten 1) Ob übrigens bei diesen Pflanzen die Reaktion überhaupt auf Erschlaffung der Zellen’ beruht, ist noch ganz unbekannt. 2) Selbstverständlich darf nicht auf eine Reizausbreitung ohne Vermittelung der von Zelle zu Zelle fortschreitenden Erschlaffungsreaktion aus Versuchen etwas geschlossen werden, in denen die bewegungsfähigen Organe (oder ein Teil von ihnen) in der reizlosen Ausgangslage festgehalten werden. Denn bei Bewegungen durch Erschlaffung muss die Reaktion trotzdem, wenn auch dem Auge nicht sichtbar, erfolgen. Deshalb ist der Schluss Haberlandts (1901, S. 51), dass bei den Staubfäden von Sparmannia der Reiz im sensiblen Plasma und nicht durch die Ausbreitung der Reaktion sich fortpflanze, in keiner Weise zwingend. 3) Ich glaube also nicht, dass die Mehrzahl derjenigen auf Innenreizen beruhenden Transmissionen, die ich im ersten Teile meiner Abhandlung zusammengestellt habe, auf Er- nährungsvorgängen oder auf dem Wassertransport in den toten Gefässen beruhen. Dieser Meinung habe ich ja an jener Stelle schon verschiedentlich Ausdruck gegeben. So kann ich mich auch nieht der Ansicht Miehes (1902, S. 577) anschliessen, dass die „tiefgreifende Ver- schiebung der Stoffleitungsvorgänge“ es sei, auf der an dekapitierten Tradescantiasprossen der hemmende Einfluss der Entfernung der obersten Blattachselknospe auf das nächst untere Ge- lenk (vergl. Abschnitt II 2a) beruht. Dagegen scheint mir die schnelle Wirkung des Sauer- stoffentzugs, der Kohlensäure, Kälte usw. zu sprechen. Auch wäre erst noch zu untersuchen, wie die Entfernung einer Achselknospe am nicht dekapitierten Spross auf das nächst untere Gelenk wirkt. Dass die Beziehungen durch die Gefässbündel vermittelt werden, erlaubt eine Entscheidung in diesen und anderen Fällen nicht. Denn auch bei Mimosa, Biophytum und den Ranken sind die Gefässbündel die Reizleitungsbahnen, ohne dass das Wesen der Be- ziehungen hier in Stoflleitungsvorgängen gesucht werden könnte. 138 H. Fitting, Reiztransmissionen, die ich im ersten Teil meiner Abhandlung zusammen- gestellt habe (vergl. die Abschnitte II und III). Das Wesen aller dieser Reiz- leitungsvorgänge wird ohne die Annahme der aktiven Beteiligung der lebenden Substanz wohl ebensowenig eine richtige Deutung erfahren können wie etwa die Reizleitung im Nerven oder Muskel!). Wenn wir nun auch im Hinblick auf unsere mangelhaften Kenntnisse der chemischen Vorgänge im Plasma keine Aussicht haben, sobald einen Ein- blick in die Art und Weise der aktiven Beteiligung der lebenden Substanz bei diesen Vorgängen zu tun, so darf man sich doch die Frage vorlegen, ob wir nicht physikalisch-chemische Prozesse kennen, mit denen die Fort- leitung des Reizes in der lebenden Substanz eine gewisse Ähnlichkeit haben könnte. Diese Frage lässt sich unbedingt bejahen, worauf wohl zuerst Pfeffer (1904, S. 226) hingewiesen hat. Wir kennen nämlich in reaktions- fähigen Körpern oder Gemischen solche von lokalen Ursachen eingeleitete Umwandlungen, die sich durch die ganze Masse hindurch fortpflanzen (vergl. van t’Hoff, 1901). Die Möglichkeit einer derartigen Fortpflanzung ist z. B. dadurch gegeben, dass eine Reaktion Erscheinungen oder Änderungen her- vorrufen kann, die umgekehrt imstande sind, die Reaktion einzuleiten oder zu beschleunigen. Von besonderer Bedeutung sind in dieser Hin- sicht Temperatur und Druck. So kann sich durch eine reaktionsfähige Mischung oder Substanz eine Welle von hoher Temperatur (Verbrennungs- welle) oder von hohem Druck (Explosionswelle) fortpflanzen. Die Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der ersteren ist nicht allzu gross, z. B. für Knall- gas 34 m pro Sekunde, bei einer Mischung von Kohlenoxyd und Sauerstoff 30—91 m pro Sekunde. Sehr viel schneller schreitet die Explosionswelle fort: nach Berthelot und Dixon in Mischungen von Sauerstoff und Wasser- stoff um 2810 m, mit Methan 2427 m, mit Kohlenoxyd 1940 m pro Sekunde. Ferner breitet sich auch die Kristallisation in einer unterkühlten oder übersättigten Flüssigkeit von einem Punkte aus fort, wenn man z. B. ein auch noch so kleines Kristallstück der gelösten Substanz einführt, ebenso schliesslich die Umwandlung des metastabilen Zustandes eines polymorphen 1) Übrigens gibt es vielleicht bei den’ Tieren eine ganze Anzahl von Reizleitungsvor- gängen, die insofern mit den Reiztransmissionen bei den Pflanzen grösste Ahnlichkeit haben, als die Reizleitung sich ohne nervöse Vermittelung über mehrere Zellen ausdehnt. Man kennt nämlich recht viele Muskeln, für die dies der Fall zu sein scheint: z. B. für den Herzmuskel, für die quergestreifte Muskulatur des Darmes der Insekten und Myriapoden, für die Verbände glatter Muskulatur im Ureter der Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten und anderer Säuge- tiere, wahrscheinlich auch im Darm, Magen und Ösophagus vieler Vertebraten, und schliess- lich auch für das kontraktile Gewebe gewisser Medusen (vergl. Biedermann 1895, 8. 138 fl.). Freilich gibt es Forscher, die die Verhältnisse, z. T. wohl mit Recht, anders auffassen und, mit Hinweis auf das Vorhandensein nervöser Leitungsbahnen, in allen diesen Reiztransmis- sionen nur eine nervöse Vermittelung erblicken (vgl. z. B. Bethe 1903, S. 90, S. 107 ff, 8. 122 fi., S. 432 £f.). ESTER) NEW ARE RT ELTBTEN TPEG 0 - Bu TS AFWENZ u u en 5 Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 139 Körpers in den stabilen, wenn man die metastabile Masse an einer Stelle mit einer Spur stabiler Substanz berührt. Wenn auch nicht behauptet werden darf, dass diese physikalisch- chemischen Prozesse mit den Reizleitungsvorgängen in der lebenden Substanz direkt vergleichbar seien, so sind die ihrer Natur nach ganz verschiedenen Ausbreitungserscheinungen doch deshalb sehr lehrreich, weil sie es als möglich erscheinen lassen, dass die Reizleitungen unter aktiver Beteili- gung der lebenden Substanz in recht verschiedener Weise, je nach der Beschaffenheit des Reizanlasses, bewirkt werden könnten (Pfeffer 1904 S. 229). In einer Hinsicht scheinen aber diese Reizleitungsvorgänge doch von jenen physikalisch - chemischen Vorgängen verschieden zu sein, nämlich darin, dass durch den Reizanstoss nicht eine vollständige Umwandelung statthat, sondern nur eine Veränderung, die in bestimmter Weise der Inten- sität des Reizanlasses proportional ist. Auch müssen jedenfalls die Vorgänge bei der Reizleitung entweder reversibel oder doch wenigstens reparabel sein, da die zugeleitete Erregung meist schon nach kurzer Zeit wieder abklingt. Die Annahme, dass viele Reizleitungsvorgänge dieser Gruppe auf Prozessen beruhen, die den eben erwähnten irgendwie analog sind, würde aber wohl nur dann möglich sein, wenn die Plasmodesmen aus kontinuierlichen Strängen lebender Substanz bestehen. In der Tat konnte z.B. für den Ein- Auss des Zellkernes auf die Zellhautbildung von Townsend (1897a, S. 495) die wichtige Tatsache festgestellt werden, dass dieser Einfluss sich selbst durch den dünnsten Plasmafaden, Kontinuität der lebenden Substanz vorausgesetzt, niemals aber bei noch so inniger Berührung lebender Plasmateile durch die Kontaktstelle geltend macht (vergl. auch Pfeffer 1896a, S. 508). Nicht ausgeschlossen ist es aber, dass eine genauere Untersuchung der Reizleitungsvorgänge auch noch ganz andere Prozesse als entscheidend für diese oder jene Transmission kennen lehrt. Da, wo sich der Reiz nur über eine ganz kleine Stelle vom Reizorte ausbreitet, könnte die Übertragung eventuell z. B. durch Übertritt von lebender Substanz aus einer Zelle in die andere mittelst der Plasmaverbindungen zustande kommen. Dies wäre nament- lich bei der Reizleitung des Wundreizes möglich: Haben doch Miehe (191, S. 115 ff.) und andere Forscher (vergl. die Literatur bei Koernicke, 1903, S. 100 ff.) gezeigt, dass bei einer Verwundung, allerdings nur in nächster Nachbarschaft der Wunde, die Kerne blitzartig schnell in benachbarte Zellen hbinüberschlüpfen können. Aber auch auf andere Weise wäre es möglich, dass durch Übertragung von Substanz in lebenden Zellen eine Reizleitung vermittelt würde, freilich nur in sehr langsamer Weise, weshalb diese Art der Übertragung höchstens bei einigen Innenreizen in Betracht kommen dürfte. Wir kennen nämlich eine sehr merkwürdige Art von Infektionskrankheiten bei Pflanzen, die sog. in- fektiöse Chlorose, bei der die Infektion nach allen Beobachtungen wohl sicher 140 H. Fitting, nicht durch einen organisierten Infektionserreger zustande kommt, sondern durch Übertragung irgend eines krankhaften Stoffwechselproduktes solcher Art, dass es erstens in den bisher nicht befallenen Organteilen die Chlorose hervorruft und zweitens hier auch die Zellen veranlasst, dasselbe Stoffwechsel- produkt von neuem zu bilden. Alles spricht dafür, dass dieses krankheits- erregende „Gift‘‘ nicht auf toten Bahnen, sondern durch die lebenden Zellen übermittelt wird. Doch scheint es sich bei dieser Übermittelung nicht schlechthin um eine Diffusion zu handeln, sondern um irgend einen „vitalen“ Vorgang, der unter aktiver Beteiligung der lebenden Substanz erfolgt. Die Literatur über diese Krankheit findet man bei Baur (1904, 1906) zusammen- gestellt). Wie weit dieser Vorgang den Erscheinungen der Stoffwanderung an die Seite gestellt werden kann, bei denen ebenfalls lebende Zellen be- teiligt sind, entzieht sich vorläufig noch der Beurteilung. Über die Vorgänge, die der Fortleitung elektrischer Spannungsänderungen bei den Pflanzen zugrunde liegen könnten, habe ich mich schon im VII. Ab- schnitte auf S. 116 ff. geäussert und dort auch die Ansicht ausgesprochen, dass die elektrischen Spannungsänderungen möglicherweise, ja sogar wahr- scheinlicherweise, nichts anderes als eine Begleiterscheinung der fortschreitenden Erregung sind, ohne selbst für die Reizausbreitung massgebend zu sein. Übrigens dürfte ohne weiteres aus dem Vorstehenden auch hervor- gegangen sein, dass keinerlei Grund vorliegt, anzunehmen, die so ver- schiedenen Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen seien sämtlich auf elektrische Phänomene zurückzuführen. B. 2. Untergruppe. Die Reizleitung löst eine tropistische Reiz- reaktion aus. Die tropistischen Reizleitungsvorgänge sind zweifellos die interessantesten Transmissionen, die es bei den Pflanzen gibt. Denn von ihnen hängt in ganz auffälliger und noch dazu ganz besonderer Weise die Qualität der Reizreaktion ab, in einer Weise, wie es bei keinem anderen Reizleitungs- vorgange der Fall ist. Bei den tropistischen Reizvorgängen wird nicht nur durch die Qualität der Transmission bestimmt, ob die Reaktion eine geo- tropische, phototropische, traumatotropische usw. ist, sondern jedesmal auch, in welcher Richtung die Krümmung erfolgen soll: Die Richtung der Krümmung nämlich hängt davon ab, auf welcher Seite des Perzeptions- organes der Reizanlass hauptsächlich angreift. Danach ist also die tropistische Reaktion eine Funktion sowohl der sensorischen als auch der duktorischen 1) Eine Annahme von Nägeli (z. B. 1884, S. 57), dass manche Reiztransmissionen auch in geschlossenen lebenden Zellen durch besondere „Schwingungszustände“ der Cellulosezell- membranen geleitet werden könnten, hat wohl nach unseren heutigen physikalisch-chemischen Kenntnissen keine Bedeutung mehr (vergl. dazu auch Strasburger 1882, S. 249; Pfeffer 1885, 8. 528). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 141 Prozesse des ganzen Reizvorganges. Diese Erwägungen weisen schon darauf hin, dass bei der Leitung tropistischer Vorgänge interessante Besonderheiten obwalten müssen. Seltsamerweise wurde dieses, auch für andere reizphysiolo- gische Fragen bedeutungsvolle Problem bisher nicht weiter aufzuklären ver- sucht. Einige mehr nebenher angestellte Versuche von Czapek (1898, S. 216 ff.), N&mec (1901 a, b, c) und Pollock (1900, S. 14 ff.), durch die eigentlich nur ermittelt werden sollte, ob die tropistische Reizleitung eine reine Längsleitung ist oder ob auch eine Querleitung möglich ist, haben den Kern des Problems nicht berührt. Czapek beobachtete an Wurzeln geotropische Krümmungen, die, mit einem in 2 mm Entfernung von der Spitze bis zur Mitte des Wurzelkörpers versehenen queren Einschnitt, horizontal gelegt worden waren. Diese und die ähnlichen Experimente Nömecs sind schon deshalb nicht einwandfrei, weil wir ja nicht sicher wissen, ob nicht auch in der Wachstumszone der Wurzel eine geotropische Perzeption möglich ist. Auch die Versuche Pollocks über die Leitung des traumatotropen Reizes in der Wurzel, aus denen er schliesst, dass die Reizleitung in der Längsrichtung ebensogut möglich sei wie in der Querrichtung, gestatten noch keinen Ein- blick in die Reizverkettung. Gerade diejenigen Fragen, die für die Aufhel- lung des Problems am wichtigsten sind, wurden durch diese Versuche weder präzisiert noch auch wurde ihre Lösung angestrebt. Alle diese Gründe veranlassten mich in Anbetracht des grossen Interesses, welches das Problem der tropistischen Reizverkettung bietet, durch eigene Untersuchungen!) die Lücke nach Möglichkeit auszufüllen. Wenn irgendwo, so war am ehesten bei dieser Art von Reizleitungsvorgängen Aussicht vor- handen, die Fragen, die zur Aufhellung des Wesens der Transmission gelöst werden müssen, wenigstens bis zu einem gewissen Grade zu klären, wenn es nur gelang, geeignete Versuchsobjekte zu finden. Von vornherein liess sich sagen, dass die Wurzeln keine günstigen Objekte sind. Dagegen er- wiesen sich die Keimlinge des Hafers als sehr geeignetes Versuchsmaterial, vor allen Dingen deshalb, weil sie im Gegensatz zu fast allen sonst in Be- tracht kommenden Pflanzen sehr unempfindlich gegen fast jede Art der Ver- wundung sind. Bei ihnen ist es bekanntlich die Leitung des Phototropismus, die sich an dem hohlzylindrisch gestalteten Keimblatt sehr leicht beobachten lässt. Über die Mechanik der Reizreaktion, deren Kenntnis zum Verständnis des folgenden übrigens nicht unbedingt nötig ist, sei vorausgeschickt, dass die phototropische Krümmung durch ungleich intensives Wachstum einander gegenüberliegender Seiten des reagierenden Organs zustande kommt. Es bereitete keine grossen Schwierigkeiten, exakt nachzuweisen, dass der phototropische Reiz von der einseits beleuchteten Spitze des Keimblattes zu der verdunkelten Basis auch dann ungehindert geleitet wird, wenn man, natürlich innerhalb der verdunkelten Zone, das Keimblatt in querer Richtung 1) Ihre Veröffentlichung wird in nächster Zeit erfolgen. 142 H. Fitting, halb durchschneidet. Dabei ist die Tatsache von besonderer Wichtigkeit, dass es ganz gleichgültig ist, ob der Einschnitt auf der gleichen Seite oder auf der entgegengesetzten Seite wie der Lichteinfall oder rechtwinklig dazu ge- macht wird: In jedem Falle ist die Richtung der Krümmung unterhalb der Wunde allein von der Richtung abhängig, von der die Spitze einseitig beleuchtet wird. Auch dadurch wird an dem positiven Erfolge nichts ge- ändert, dass man den etwaigen Einfluss eines Kontaktes der Wundränder dadurch aufhebt, dass man ein Stanniolplättchen in die Wunde einschiebt oder ein I—2 mm breites Stück des Keimblatthohlzylinders von der Länge des halben Umfanges auf der einen Seite mit einem Messer wegnimmt. Selbst wenn man überhaupt jede geradlinige Leitung des Reizes durch z wei quere, an entgegengesetzten Seiten in 1—2 mm Entfernung voneinander angebrachte Einschnitte, je bis über die Mitte, unmöglich macht, wird der phototropische Reiz gleichwohl noch immer über die Wundstellen hinaus basalwärts geleitet ; dabei ist wiederum die Orientierung der Einschnitte gegenüber der Richtung des Lichteinfalles völlig gleichgültig. Ja, die Reiztransmission scheint durch alle diese Eingriffe nicht einmal namhaft verlangsamt zu werden; wenigstens beginnt die Krümmung in den Basalteilen der verwundeten Keimblätter ebenso oder annähernd ebenso zeitig wie in entsprechend an der Basis verdunkelten, aber nicht verwundeten Vergleichskeimlingen. Aus allen diesen Versuchen ist zunächst einmal zu ersehen, dass der Reiz nicht allein in der Längsrichtung sich fortpflanzt, sondern dass er ebensogut auch in querer Richtung geleitet werden kann; ferner, dass die Krümmung unterhalb der Operationsstelle auch dann stets ihre ganz be- stimmte Orientierung gegenüber dem Lichteinfalle auf die Spitze behält, wenn man den Reiz zwingt, sich streckenweise in querer Richtung, von vorn nach hinten, von hinten nach vorn oder auch seitlich, auszubreiten. Durch diese Tatsachen werden aber einige Vorstellungen über die Art der Reizver- mittelung, die man sich wohl von vornherein machen könnte, als unmöglich von der Hand gewiesen. Man könnte etwa zunächst, ohne weitere analytische Studien, meinen, bei der Reizvermittelung seien vielleicht Diffusionsvorgänge von wesentlicher Bedeutung, in der Weise, dass in den belichteten Stellen der Spitze infolge der Reizung chemische Umsetzungen statthätten, deren Bildungsprodukte in das nicht direkt gereizte Gewebe diffundierten. Ihre in verschiedenen Richtungen ungleich schnell fortschreitende Ausbreitung könnte alsdann die Reaktionszone über die Lage des Reizortes „orientieren“ und irgendwie Anlass zu der bestimmt gerichteten Krümmungsreaktion geben. In der Tat hat Czapek verschiedentlich (1898, S. 218), namentlich im An- schlusse an seine Homogentisinsäurestudien (1902, S. 467) auf diese Möglich- keit hingewiesen. Ebensowenig genügt aber zur Erklärung der Reizverkettung die Vorstellung, dass eine durch den Lichtreiz veranlasste chemische Ver- änderung des Plasmas sich von der am intensivsten beleuchteten Stelle des Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 143 Perzeptionsorganes innerhalb der lebenden Substanz allmählich über die nicht direkt gereizten Teile des Keimblattes ausbreitet und, in ähnlicher Weise wie oben, durch ungleich schnell vom Reizorte aus stattfindende Fortpflanzung die Reaktionszone über die Angriffsrichtung des Reizanlasses „informiert“. Ohne weiteres von der Hand zu weisen ist schliesslich durch meine Beob- achtungen auch die weitere, naheliegende Annahme, dass ein Erregungs- zustand von der am hellsten beleuchteten Seite der Spitze nur longitu- dinal — einseitig — nach der Basis geleitet werde und dass die dadurch geschaffene Verschiedenheit zwischen erregter Seite und nicht erregter Seite der Reaktionszone Anlass zu der bestimmt gerichteten Krümmung gäbe. Da- gegen spricht übrigens ausserdem noch die Beobachtung, dass Keimlinge, deren Spitzen allseitig gleichmässig beleuchtet werden, sich niemals in der verdunkelten Basis phototropisch krümmen, wenn man am oberen Ende des verdunkelten Teiles einen queren Einschnitt bis zur Mitte macht. Alle meine Versuche weisen vielmehr auf das Bestimmteste darauf hin, dass in irgendwelcher Weise schon innerhalb der Perzeptionszone, unab- änderlich so lange die Reizung währt, durch den einseitigen Angriff des Reiz- anlasses und die davon abhängige Perzeption festgelegt wird, in welcher Richtung sich die Reaktionszone krümmen soll, und dass diese induzierte „phototropische Besonderheit“ es ist, die durch Transmission dem Reaktions- organ übermittelt wird. Diese Übertragung wäre auf verschiedene Weise denkbar. Einmal näm- lich könnte eine Art „polarer Gegensatz‘ im Perzeptionsorgane von vVorn- herein vorhanden sein, zweitens könnte ein solcher Gegensatz in ihm durch den einseitigen Angriff des Reizanlasses auch erst ausgebildet werden. Das erstere wäre, ganz schematisch, in folgender Weise vorstellbar: In der Perzep- tionszone sind die über den ganzen Umfang verteilten Zellen a, b, c, d usw. jede in anderer Weise „abgestimmt“. Fällt das Licht auf Zelle a, so wird der Reizzustand des ganzen Perzeptions- und Reaktionsorganes, durch Aus- breitung der Erregung von a, ein anderer wie wenn das Licht auf b oder c fällt; die Reaktionszone krümmt sich nach a, wenn sie in den Reizzustand a, nach b, wenn sie in den Reizzustand b versetzt wird.. Durch weitere Ver- suche musste ich mich aber leider überzeugen, dass auch diese Annahme nicht zutreffend sein kann. Wenn man nämlich die Perzeptionszone halbiert, die eine Hälfte entfernt und in zweckentsprechender Weise die Austrocknung der anderen Hälfte verhindert, so beobachtet man bei einseitiger Beleuchtung, dass sich die übrig gebliebene Hälfte stets ausgesprochen phototropisch krümmt, wie sie auch dem Lichte gegenüber orientiert sein mag, ja sogar, dass wie sonst, wenn auch schwächer, noch eine Reizleitung nach der unver- letzten, verdunkelten Basis besteht. Da also die eine Hälfte (ja noch ein grösserer Teil) des Umfanges für den positiven Erfolg unwesentlich ist, so kann jene Annahme nicht richtig sein. Gleichzeitig lehren diese Versuche 144 H. Fitting, augenscheinlich, dass auch die Annahme eines „polar gebauten‘ Perzeptions- organes innerhalb einer jeden Zelle weder die Perzeption noch auch die Reiztransmission verständlich macht. Sonach bleibt also nichts anderes übrig, als anzunehmen, dass durch die ungleichmässige Beeinflussung des Perzeptionsorganes durch die Belichtung während oder nach der Perzeption ein „polarer Gegensatz‘ in den Zellen des Perzeptionsorganes erst geschaffen, induziert wird, der sich ins Reaktionsorgan fortpflanzt. Gleichzeitig lässt sich aus meinen sämtlichen Versuchen ent- nehmen, dass dieser ‚„polare Gegensatz‘ nicht schlechthin zwischen belichteter und nicht belichteter Hälfte der Perzeptionszone ausgebildet werden kann, sondern dass er notwendigerweise mindestens in einer jeden Zelle hergestellt werden muss; sonst wäre es ja gar nicht zu verstehen, wie der phototropische Reiz in Koleoptilen mit solchen doppelten Quereinschnitten, die von entgegen- gesetzten Seiten bis über die Mitte gemacht sind, „um die Ecke“ geleitet wird. Ja, man muss die Frage eingehend prüfen, ob nicht sogar der induzierte „polare Gegensatz“ innerhalb des Plasmas jeder Zelle für diskrete Plasma- teilchen angenommen werden muss, um die Mechanik der Reizleitung ganz verständlich zu machen. Doch kann ich an dieser Stelle darauf nicht weiter eingehen. Auf jeden Fall muss gefordert werden, dass der induzierte „polare Gegensatz“ sich in seiner Orientierung erhält, mag er nun bei der Reiz- ausbreitung über ungereizte Stellen von hinten nach vorn, von vorn nach hinten oder aber seitlich (von rechts nach links oder von links nach rechts) übertragen werden. | Schon alle diese Erwägungen machen bei unseren heutigen allgemeinen Kenntnissen die Annahme unabweislich, dass die tropistische Reizleitung nur durch aktive Beteiligung der lebenden Substanz zustande kommen kann. Gleichwohl schien es mir wichtig genug, dieser Frage besondere direkte Untersuchungen zu widmen. Es wurde zu dem Zwecke eine lokale Zone der Reizleitungsbahn durch einige Aussenumstände in verschiedener Weise beeinflusst. Soweit diese, noch nicht abgeschlossenen, übrigens sehr zeit- raubenden Versuche ein Urteil gestatten, wird die Reizleitung in Tempera- turen, die, unterhalb des Supramaximums gelegen, erfahrungsgemäss Wärme- starre zur Folge haben (383—40°), aufgehoben, ebenso in Kohlensäure. Schon durch diese Beobachtungen wird die aktive Beteiligung der lebenden Substanz an der Reistransmission ausser Frage gestellt. Die im vorhergehenden versuchte Präzisierung, dass nämlich durch die phototropische Reizursache ein „polarer Erregungszustand“ der lebenden Substanz in der Perzeptionszone induziert wird und dass das Wesen der Reizleitung in der Ausbreitung eben dieses polaren Erregungszustandes inner- halb des Plasmas von Zelle zu Zelle oder von Plasmateilchen zu Plasma- teilchen beruht, gibt selbstverständlich noch keine restlose Erklärung des Reizleitungsvorganges, sondern nur eine möglichst kurze, prägnante Um- Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 145 schreibung der gesamten, von mir beobachteten Tatsachen. Eine Erklärung wäre erst dadurch möglich, dass es gelänge, diese geforderte, in der lebenden Substanz induzierte „Polarität“ auf uns sonst bekannte Vorgänge zurück- zuführen. In dieser Hinsicht lassen sich aber leider vorläufig keinerlei An- haltspunkte gewinnen, da analoge physikalisch-chemische Vorgänge bis jetzt ganz unbekannt sind. Dieser Versuch einer Analyse des phototropischen Reizvorganges, der in meiner ausführlichen Arbeit noch weiter ausgeführt werden muss, scheint mir deshalb lehrreich, weil er uns wieder einmal bei einem Vorgange, dessen Erklärung unbefangenen Beurteilern so einfach erscheinen könnte, auf die ungeheure Kompliziertheit der „vitalen“ Prozesse hinweist, eine Kompliziert- heit, die vorläufig jeder tieferen Einsicht spottet, weil wir die physikalisch- chemischen Bedingungen des plasmatischen Systems noch gar nicht durch- schauen. Dies bedeutet wohl eine genügende Mahnung zur Vorsicht bei allen Versuchen, die gemacht werden, um die „vitalen“ Vorgänge schon jetzt unter Heranziehung analoger physikalisch-chemischer Vorgänge erklären zu wollen. Ob die Leitung anderer tropistischer Reize in ähnlicher Weise vor sich geht, entzieht sich der Beurteilung. Schon für die Untersuchung des photo- tropischen Transmissionsvorganges war kein anderes der zahlreichen, geprüften Objekte ausser den Keimlingen des Hafers geeignet. Auch über die Leitung des traumatotropen Reizes in der Wurzel habe ich fast keine entscheidenden Versuche anstellen können, da sich die Wurzeln als sehr empfindlich gegen entsprechende Verwundungen erwiesen. Nur soviel glaube ich mit Sicher- heit sagen zu können, dass eine traumatotrope Reizleitung auch dann noch möglich ist, wenn die Wurzel auf der Seite der Reizung unterhalb der Spitze bis zur Mitte quer durchschnitten wird (vergl. über ähnliche Ergebnisse Pollock 1900, 8. 14 ff.). 4. Begriffsbestimmung der Reizleitungsvorgänge. Schon verschiedentlich habe ich darauf hingewiesen, dass meiner Abhand- lung nach dem Stande unserer heutigen Kenntnisse nicht wohl ein anderer als ein analytischer Charakter gegeben werden konnte. Sonach liess es sich nicht umgehen, zunächst mit einer provisorischen Definition dessen auszu- kommen, was unter Reizleitungsvorgängen bei den Pflanzen verstanden werden sollte. Nun, nachdem alle Tatsachen mitgeteilt sind, die über den Ablauf der Reiztransmissionen vorliegen, entsteht aber für uns die Pflicht, zu untersuchen, ob nicht mit Hilfe aller dieser Tatsachen eine, wenigstens für die Bedürfnisse der nächsten Zukunft genügende, schärfere Begriffsbesimmung der Reiz- leitungsvorgänge möglich ist oder ob die provisorische Definition auch weiter- hin zweckmässigerweise beizubehalten ist. Fitting, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 10 146 H. Fitting, Nach der vorläufigen Definition, die meiner Abhandlung zugrunde gelegt wurde, sind alle jene Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Organen oder Organteilen der Pflanze als Reizleitungsvorgänge bezeichnet worden, bei denen die Vermittelung durch lebende Zellen erfolgt, unter Ausschluss aller derjenigen Wechselbeziehungen, die allein auf Ernährungseinflüssen und Stoff- leitungsvorgängen beruhen, also der Ernährungskorrelationen. Diese Begriffs- bestimmung weicht, wie man sofort sieht, nicht unwesentlich von derjenigen ab, die die Tierphysiologen für den tierischen Organismus eingeführt haben. Danach würde man als Reizleitungsvorgänge nur diejenigen Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Organen oder Organteilen eines Organismus bezeichnen können, die durch Vermittelung lebender Zellen unter aktiver Betei- ligung kontinuierlicher lebender Substanz!) zustande kommen. Es entsteht sonach die Frage, ob es nicht möglich, ja sogar zweckmässig wäre, den Begriff Reiztransmission auch für die Pflanze entsprechend eng zu fassen. Darauf ist die Antwort nicht schwer, wenn man meine theoretischen Erörterungen über das Wesen der Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen ver- folgt hat. Wollte man den Begriff in dieser Weise einengen, so würde eventuell eine ganze Anzahl höchst auffälliger Vorgänge, ja sogar gerade jener, die man seit langer Zeit für die charakteristischsten Reizleitungsvorgänge der Pflanzen gehalten hat, nieht unter den Begriff Reiztransmissionen fallen, so vor allem die nach Verwundungen auftretenden Wechselbeziehungen bei Mimosa, Biophytum, Neptunia und den Ranken; vorausgesetzt, dass diese Beziehungen zwar in lebenden Zellen, aber in grob mechanischer Weise durch Flüssigkeitsbewegung und dadurch bedingte Druckschwankungen zu- stande kommen, eine Auffassung, die, wie ich zeigte, noch durchaus hypo- thetisch ist. Aber auch die Leitung des Stossreizes im Blatte von Dionaea, im Bewegungsgelenk von Mimosa usw. würde alsdann möglicherweise streng genommen nicht als Reizleitungsvorgang bezeichnet werden dürfen, falls nämlich die Ansicht als richtig erwiesen werden könnte, dass in diesen Fällen die Wechselbeziehung nur durch Fortpflanzung der Stossreizreaktion von Zelle zu Zelle bewirkt wird. In diesem Falle wären an der „Leitung“ zwar wiederum nur lebende Zellen beteiligt, ja sogar unter aktiver Betei- ligung ihrer lebenden Substanz, aber die Transmission würde sich doch ganz wesentlich dadurch von der beim Tiere unterscheiden, dass von einer Zelle zur anderen kein Erregungszustand in den Plasmaverbindungen von der Perzeptions- stelle aus fortgeleitet wird, sondern die Übermittelung nur dadurch veranlasst wird, dass die Zellen nacheinander durch die Stossreizreaktionen in den vorher- gehenden, nämlich durch ihre Erschlaffung, also wiederum durch eine Art 1) Ob in den Reizleitungsbahnen der Tiere wirklich überall echte Kontinuität, oder an manchen Stellen nur sehr innige Berührung der lebenden Substanz besteht, diese schwierige Frage braucht hier nicht berücksichtigt zu werden. Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 147 von Stossreiz, gereizt werden. Die Plasmaverbindungen würden dabei also gar nicht beteiligt sein. Diese beiden Beispiele zeigen schon, dass es vorläufig nicht zweckmässig wäre, den Begriff „Reiztransmission“ bei der Pflanze so eng zu fassen wie beim Tiere. Eine entsprechende Einengung kann vielleicht später einmal von Bedeutung werden, wenn nämlich durch weitere Untersuchungen sich heraus- stellen sollte, dass die Reizleitung bei Mimosa und die Leitung des Stoss- reizes bei Dionaea usw. doch nur durch die Annahme einer aktiven Betei- ligung kontinuierlicher lebender Substanz verständlich wird. Sollte aber für diese Wechselbeziehungen das Gegenteil als richtig erwiesen werden, so würde auch in Zukunft eine weitere Fassung des Reizleitungsbegriffes als bei den Tieren empfehlenswert sein. Man könnte ja alsdann vielleicht die Reizleitungs- vorgänge, die in lebenden Zellen ohne aktive Beteiligung kontinuierlicher lebender Substanz ablaufen, als „unechte“ oder mit A. Meyer (1902, S. 168 £f.) als „Anstossleitungen“ den „echten“ gegenüberstellen. Vorläufig also wird die Begriffsbestimmung, die meiner Abhandlung zu- grunde gelegt wurde, wohl als die allein brauchbare und zweckmässige ge- wählt werden müssen. Und damit habe ich, denke ich, die Auswahl der _Wechselbeziehungen genügend gerechtfertigt, die in meiner Abhandlung statt- gefunden hat. Da, wo sie sich als fehlerhaft erweisen sollte, liegt dies weniger an der Methode der Auswahl als an der Lückenhaftigkeit unserer Kenntnisse. Es wäre erfreulich, wenn durch weitere Untersuchungen bald weiteres Licht auf alle diese, auch für die allgemeine Biologie so interessanten Erscheinungen fallen würde. Abschnitt X, Beziehungen der Reizleitungsvorgänge zu den anderen Teilen des Reizvorganges. 1. Direkte Reizung oder Reflex ? Zur Ergründung der Reizleitungsvorgänge ist nicht nur eine genaue Kenntnis der Reizleitungsbahnen und des äusseren Ablaufes der Transmissions- prozesse nötig, sondern auch eine Einsicht in die Beziehungen erforderlich, die zwischen jedem Reizleitungsvorgange und den übrigen Teilen des Reiz- prozesses, der Perzeption und der Reaktion, bestehen. Leider lassen sich diese Beziehungen bisher ebensowenig hinreichend durchschauen wie so viele ‚andere Erscheinungen, die mit den Reizleitungsvorgängen verbunden sind. Wenn man die Reizleitungsvorgänge bei Pflanzen und Tieren (Metazoen) in ‚ihrer Gesamtheit vergleicht, so tritt namentlich ein grosser Unterschied sofort deutlich hervor: Während nämlich bei den charakteristischsten normalen 10* 148 H. Fitting, Reiztransmissionen der Tiere (Metazoen) zwischen dem Perzeptiönsorgan und der Reaktionszone nicht eine einfache Reizleitungsbahn eingeschaltet ist, sondern eine zusammengesetzte, bestehend aus sensorischer Bahn, Zentralorgan und motorischer Bahn, infolgedessen bei ihnen auch von einer zusammengesetzten Leitung gesprochen werden kann, finden wir bei den Pflanzen solche Differenzierungen nicht: Bei ihren Reizvorgängen ist allem Anscheine nach fast stets die Perzeptionszone durch eine einfache Bahn und eine einfache Leitung mit der Reaktionszone verbunden. Jedenfalls liegt zunächst keinerlei Beobachtung vor, die dazu nötigte, bei den meisten dieser Reizverkettungen, wie z. B. der Leitung des Stossreizes bei Mimosa, Biophytum, Dionaea, den Ranken und Blütenteilen, bei der Leitung des Wundreizes, den Reiztransmissionen der Innenreize und den Reizleitungs- vorgängen bei einzelligen Pflanzen, ein distinktes Zentralorgan anzunehmen. Alles spricht dafür, dass alle diese Vorgänge im wesentlichen ebenso zu be- werten sind, wie die Reizleitungen, die durch eine direkte Reizung des mit dem Erfolgsorgane verbundenen motorischen Nerven oder durch eine direkte Reizung des Muskels ausgelöst werden. Dass die Gesamtheit der tropisti- schen Reizvorgänge, auch jener, bei denen, wie bei dem phototropischen Reizprozesse mancher Graskeimlinge, die Perzeptionszone und die Reaktions- zone völlig getrennt sind, in ihrem Verhalten den tierischen Reflexvorgängen irgendwie ähnlicher sind als die übrigen Reizvorgänge der Pflanzen, lässt sich aus den bisherigen Beobachtungen nicht entnehmen). So haben wir denn gar keinen Grund, diejenigen Reizvorgänge der Pflanzen und Protozoen, bei denen Reizleitungsprozesse beteiligt sind, oder gar die Reizleitungsprozesse der Pflanzen überhaupt, als ‚„Reflexvorgänge‘“ zu bezeichnen, wie es z.B. von Oltmanns (1892, S. 265) und Czapek (1898, S. 178 ff.) vorgeschlagen wurde und seitdem in der Literatur hie und da immer wieder geschieht. Ja, im Interesse einer klaren und prägnanten Begriffs- bildung und Begriffsbestimmung in der Reizphysiologie ist sogar dringend zu wünschen, dass die Reizvorgänge der Pflanzen nicht als Reflexvorgänge bezeichnet werden, der Begriff Reflexvorgang vielmehr für alle die Reiz- prozesse reserviert werde, bei denen die Reizleitung zusammengesetzt und ein „Zentralorgan“ in sie eingeschaltet ist, im besonderen für diejenigen Reizprozesse, bei denen die Reizleitung nur durch Vermittlung besonders differenzierter Bahnen, der Nerven, zustande kommt. Darauf ist von seiten der Tierphysiologen öfters mit Nachdruck hingewiesen worden, so z. B. von Beer, Bethe und Uexküll (1899, S. 517 fi.), die auch den ‚Vorschlag machten, diejenigen Reizreaktionen, die auf protoplasmatischem Wege ohne Vermittlung differenzierter Elemente eingeleitet werden, also die Reizreak- tionen der Pflanzen und einzelligen Tiere, als Antitypien, diejenigen da- 1) Dies gilt auch für die Wurzelspitze. Gegenteilige Auffassung bei Czapek (1898, S. 216 £f.). Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 149 gegen, die durch differenzierte Elemente, die Nerven, vermittelt werden, als Antikinesen zu bezeichnen. Wenn ich auch nicht geneigt bin, mich diesem Vorschlag anzuschliessen, so scheint mir doch soviel sicher, dass die meisten Reizvorgänge der Pflanzen zwar die grösste Ähnlichkeit mit dem- jenigen Reizvorgange besitzen, der durch eine direkte Reizung des Muskels oder durch direkte Reizung des mit dem Muskel verbundenen motorischen Nerven ausgelöst wird, gar keine Ähnlichkeit dagegen mit einem echten Reflexvorgange. Ein „Organ“, „in welchem der Umsatz der zugeführten Er- regung in die aktive Bewegung erfolgt‘ (Özapek 1898, S. 180), oder anders gesagt eine solche Stelle müssen wir selbstverständlich im Muskel überall da annehmen, wo die zugeleitete Erregung sich in die kontraktorische Bewegung umsetzt. Daraus schon ist zu ersehen, dass ein solches Organ nicht dem tierischen Reflexzentrum entsprechen kann, wie Czapek als Ausgangspunkt seiner Begriffsbestimmung der pflanzlichen Reizvorgänge als Reflexvorgänge annimmt (1898, S. 180. Zudem wird im tierischen Reflexzentrum nicht die zugeführte Erregung in aktive Bewegung, sondern die sensorische in die motorische Leitung „umgesetzt‘‘!). Bezeichnet man die Reizvorgänge der Pflanzen schlechthin als Reflexvorgänge, so muss man auch den Reizprozess, der durch direkte Reizung des Muskels ausgelöst wird, als Reflex bezeiehnen. Das wird aber wohl keinem Tierpbysiologen einfallen. Nur ein einziger Reizvorgang ist bisher bei Pflanzen beobachtet worden, der in mancher Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit mit einem echten Reflex- vorgang haben könnte. Dies ist, wie ich im ersten Teile meiner Abhandlung schon zeigte, der Reizvorgang im Blatte von Drosera. Und zwar beruht die Ähnlichkeit auf der Zusammensetzung des Reizleitungsvorganges aus zwei Teilen, von denen der eine in den anderen in einem besonderen Organe „um- gesetzt“ wird. Dagegen haben wir hier keine besonderen nervenartigen Lei- tungsorgane wie beim echten Reflex. In dem Blatt von Drosera hat nämlich die Reizung eines zentralen Blatttentakelköpfchens eine Ausbreitung des Reizes über das ganze Blatt zur Folge, durch die erstens die Krümmung der übrigen Tentakeln, zweitens auch die Sekretionstätigkeit der Köpfchendrüsen ausgelöst wird. Die Sekretionstätigkeit veranlasst ihrerseits in den Zellen des Köpfchens die Aggregation, die sich basalwärts mehr oder weniger aus- breitet. Zwischen die Aggregation in einem exzentrischen Tentakel und der Reizung eines Zentraltentakels ist also als ‚Zentralorgan‘“ das Drüsenköpf- chen des exzentrischen Tentakels eingeschaltet. Der „sensorische Teil“ des 1!) Neuerdings ist übrigens verschiedentlich von Tierphysiologen die Ansicht ausgesprochen worden, dass das Zentralorgan keine spezifische Bedeutung beim Reflexvorgange besitze, dass in ihm nicht die sensorische in die motorische Leitung „umgesetzt“ werde, so B. von Loeb 1899, S. 5 und von Bethe 1903, S. 105, 8. 249, S. 327 ff. Aus den Polemiken, die sich an diese Arbeiten angeschlossen haben, habe ich aber doch das Urteil gewonnen, dass das Zen- tralorgan im allgemeinen als ein recht wichtiger Teil der Reflexvorgänge angesehen wird. 150 H. Fitting, „Reflexbogens‘‘ besteht gewissermassen in der Leitung des Primärreizes vom primär gereizten Zentraltentakel zu den Drüsenköpfchen der exzentrischen Tentakel. Durch die Auslösung der Sekretionstätigkeit in den sekundär gereizten Drüsenköpfchen der exzentrischen Tentakeln erfolgt alsdann die Umsetzung in den „motorischen Teil des Reflexbogens“; als Folge der motorischen Leitung tritt schliesslich die Aggregation ein. Freilich werden wir diesen Reizprozess trotz mancher Ähnlichkeit mit den echten nervösen Reflexen nur als einen analogen Vorgang zu diesen Reflexen betrachten dürfen. 2. Beziehungen der Reizleitungsvorgänge zum Perzeptions- und zum Reaktionsprozesse. Bei der mangelhaften Einsicht, die wir zurzeit in das Wesen aller Reiz- leitungsvorgänge bei den Pflanzen besitzen, darf es nicht wundernehmen, dass wir über die Beziehungen der Reiztransmissionen zur Perzeption und Reaktion so gut wie nichts wissen. Unter diesen Umständen kann es hier nur darauf ankommen, einige allgemeinere Gesichtspunkte zu entwickeln und die Hypothesen in aller Kürze zusammenzustellen, die man, im Anschlusse an bestimmte Annahmen über das Wesen einiger der Reizleitungen, aus- gesprochen hat. Der Kern aller der Fragen, die bei einer Analyse der Beziehungen zwischen Perzeption, Transmission und Reaktion auftauchen, besteht natürlich in dem Problem, wie der „Erregungsvorgang* im Perzeptionsorgan so auf das Reaktionsorgan übertragen werden kann, dass eine adäquate Reizreaktion in ihm erfolgt. Dieses Problem entsteht immer wieder von neuem, so oft wir es mit verschiedenen Arten der Reizübermittelung zu tun haben. A. Reiztransmissionen von Aussenreizen unter aktiver Beteiligung kontinuierlicher lebender Substanz. a) Nicht tropistische Reize. Verhältnismässig am einfachsten scheint seine Lösung für diejenigen Reiztransmissionen von Aussenreizen, für die wir annehmen dürfen, dass sie unter aktiver Beteiligung kontinuierlicher lebender Substanz zustande kommen, mit Ausnahme der tropistischen Reizleitungen. In diesem Falle werden nämlich binreichende Beziehungen zwischen den Endgliedern des Reizprozesses, der Perzeption und der Reaktion, durch die Ausbreitung der Erregung vom lokalen Reizorte über die lebende Substanz bis zum Erfolgs- organ gegeben sein. Am einfachsten könnte man sich diese Beziehungen in der Weise denken, dass diejenige durch den Aussenreiz ausgelöste, chemische Veränderung an der Reizstelle, die wir als Erregung des Plasmas bezeichnen, Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 151 vom Reizorte aus nach und nach auch die übrige, nicht direkt gereizte, lebende Substanz bis zum Reaktionsorgan ergriffe, indem die chemische Veränderung an der einen Stelle eine gleiche Veränderung an den benachbarten Stellen des Plasmas nach sich zöge. So würde also die Erregung des Reaktions- organes dieselbe sein wie die der Perzeptionszone. Diese Annahme ziebt aber mit Rücksicht auf unsere sonstigen Kennt- nisse von den Perzeptionsvorgängen eine Reihe wichtiger Konsequenzen nach sich. Wir haben nämlich allen Grund anzunehmen, dass die Erregungen, d. h. die chemischen Veränderungen infolge der Reizung, im Perzeptions- organe je nach der Natur der Reizanlässe ganz verschieden sind, dass also nicht allen Reizanlässen ein und derselbe Erregungsvorgang entspricht. So- nach wäre da, wo die Erregung der Reaktionszone durch Ausbreitung der Er- regung vom Perzeptionsorgane aus über ungereizte lebende Substanz zustande käme, auch zu fordern, dass so viele verschiedene Reizleitungsprozesse aus- einandergehalten werden müssten als es verschiedene Arten der Erregung im Perzeptionsorgane gäbe. Da nicht jeder dieser Erregungen, die zum Erfolgs- organe gelangt, eine und dieselbe Reaktion zu entsprechen braucht, sondern wit jeder Erregung eine andere Reaktion verknüpft sein könnte, so würde es mit dieser Vorstellung leicht verständlich werden, dass der äussere Reiz- anlass unter Umständen über die Art der Reaktion entscheidet. Wenn man sich die Beziehungen zwischen Perzeption und Reaktion bei einigen Reiz- transmissionen in dieser Weise vorstellt — und für den Pflanzenphysiologen, der bei seinen Objekten keine differenzierten Reizleitungsstrukturen, sondern in allen Zellen mehr oder weniger gleich gestaltete Protoplasten findet, ist diese Vorstellung für viele Reiztransmissionen sicherlich auch’ schon deshalb am naheliegendsten, weil bei den Pflanzen die Perzeptionszone und die Reak- tionszone meist nicht scharf getrennt sind, sondern die Reaktion auch in der Perzeptionszone bereits eintritt — so würde nur noch die Frage zu entscheiden sein, ob und wie es kommen kann, dass die lokale Erregung eine gleiche Erregung in der benachbarten lebenden Substanz nach sich zieht. Die Mög- lichkeit eines solchen Vorganges wird uns durch physikalisch-chemische Prozesse vor Augen geführt, die ich schon in Abschnitt VIII besprochen habe. Wie dieser Vorgang aber zustande kommt, darüber wissen wir leider zurzeit nichts. Aber auch in anderer Weise könnten unter Annahme einer Erregungs- leitung die Beziehungen zwischen Perzeption und Reaktion gedacht werden. Es könnte nämlich auch so sein, dass nicht die primäre Erregung im Per- zeptionsorgan bis zur Reaktionszone geleitet wird, sondern dass die primäre chemische Veränderung des direkt gereizten Plasmas, die verschieden zu denken ist je nach der Natur des Reizanlasses, selbst wieder wie eine Art Reizanlass auf die nicht direkt gereizte lebende Substanz so einwirkt, dass sich in ihr eine anders als in dem direkt gereizten Plasma geartete chemische 152 H. Fitting, Veränderung bis zum Erfolgsorgane ausbreitet. Dabei könnte, ähnlich wie der äussere Reizanlass auf die Natur der chemischen Veränderung im Per- zeptionsorgan, so auch die Natur dieser primären chemischen Veränderung am Reizorte auf die Art der Erregung in den Reizleitungsbahnen einen Ein- fluss haben. Vorstellbar ist es aber auch, dass durch alle verschiedenen Arten der Erregung im Perzeptionsorgan stets nur ein und derselbe Erregungs- vorgang in den Reizleitungsbahnen ausgelöst wird. Ob es Reizleitungsvor- gänge, die in dieser Weise vermittelt werden, bei den Pflanzen gibt, lässt sich nicht übersehen. Möglicherweise aber kommen sie beim Tier, z. B. in den Nerven, vor. b) Tropistische Reize. Beziehungen ganz besonderer Art müssen es sein, die bei den tropisti- schen Reizvorgängen zwischen dem Perzeptionsvorgang und der Transmission und zwischen Transmission und Reaktion bestehen. Nach meinen noch un- veröffentlichten Untersuchungen muss man annehmen, dass in irgendwelcher Weise die ungleichmässige Beanspruchung der Perzeptionszone durch den Aussenreiz einen polaren Gegensatz in den Zellen des Perzeptionsorganes zur Folge hat. Dieser polare Gegensatz muss aber in dem Plasma einer jeden Zelle ausgebildet werden und sich longitudinal, seitlich und quer durch die Plasmaleiber der Transmissions- und Reaktionszone in der Weise fortpflanzen, dass im Plasma auch der nicht direkt gereizten Zellen dieselbe Polarität wie im Perzeptionsorgan ausgebildet wird. Eine eingehendere Analyse des Vor- ganges im Perzeptionsorgane lässt leicht einsehen, dass die Schaffung dieses polaren Gegensatzes kaum etwas mit der allerersten Erregung des Plasmas durch den Aussenreiz zu tun haben kann. Dafür scheint auch die Trennung der Perzeptionszone und der Reaktionszone zu sprechen, wie sie bei einigen Graskeimlingen vorkommt. Darauf hat zuerst Rothert (1894, S. 164 ff.) hin- gewiesen: „Hier liegt es auf der Hand, dass der zugeleitete Impuls eine Ver- änderung im Protoplasma des Hypocotyls hervorruft, welche durch directe einseitige Beleuchtung in diesem Organ nicht bewirkt werden kann; das Hypokotyl ist zwar.heliotropisch reizbar, aber nicht heliotropisch empfind- lich. Heliotropische Reizbarkeit und heliotropische Empfindlichkeit sind so- mit zwei verschiedene Eigenschaften, welche auf verschiedenen, miteinander nicht nothwendig verbundenen Fähigkeiten des lebenden Protoplasmas beruhen.“ Worin nun freilich dieser induzierte polare Gegensatz beruht, darauf lässt sich vorläufig noch keine Antwort geben (vergl. dazu Abschnitt VIII, 3b). B. Reiztransmissionen von Innenreizen unter aktiver Beteiligung kontinuierlicher lebender Substanz. Schwieriger gestaltet sich schon das Problem, wenn es gilt, einen Ein- blick zu gewinnen, wie die Leitungsvorgänge von Innenreizen gedacht werden Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 153 können, die durch aktive Beteiligung von lebender Substanz vermittelt werden. Man wird sich hier vorläufig darauf beschränken müssen, zu sagen, dass ebenso, wie jeder lokale Lebensvorgang des Plasmas in einer Zelle von seinem Erregungszustand abhängt und umgekehrt auch jeder Lebensvorgang lokal wieder den Erregungs- und Gleichgewichtszustand des Plasmas beeinflusst, so auch diese Beeinflussung des Erregungs- und Gleichgewichtszustandes durch lokale Betätigung sich von der lokalen Betätigungsstelle mehr oder weniger weit über benachbartes Plasma ausbreiten kann, vorausgesetzt, dass eine lebende Kontinuität besteht. Wird also z. B. durch Resektion die lokale Betätigungs- stelle eines Lebensvorganges entfernt oder die Betätigung sonstwie unmöglich gemacht, so bleibt die Ausbreitung des durch den betreffenden Lebensvor- gang modifizierten Erregungs- oder Gleichgewichtszustandes im Plasma aus. Dieses Ausbleiben hat alsdann Änderungen der Lebensvorgänge in anderen Örganteilen zur Folge, die mit der entfernten lokalen Betätigungsstelle „korrelativ verkettet“ sind. C. Reiztransmissionen ohne aktive Beteiligung kontinuierlicher lebender Substanz. a) Durch Ausbreitung der Reaktion. Bei allen denjenigen Reizleitungsvorgängen, die nicht durch die aktive Tätigkeit kontinuierlicher lebender Substanz vermittelt werden, versagen natür- lich alle die bisher besprochenen Erklärungsmöglichkeiten vollkommen. Bei ihnen müssen die Beziehungen zwischen Perzeption, Transmission und Reak- tion ganz anders geartet sein. Sehr einfach wären sie z. B. bei denjenigei. Reizleitungen des Stossreizes, die durch die Ausbreitung der Reaktion von der Perzeptionsstelle bis zur Reaktionszone zustande kommen (vergl. Ab- schnitt VIII2), vorausgesetzt, dass es solche Transmissionen überhaupt gibt. In diesem Falle würde sich eben die Reaktion von Zelle zu Zelle fortpflanzen. b) Dureh Flüssigkeitsbewegung in lebenden Zellen. Sehr viel komplizierter wären die Beziehungen zu denken bei denjenigen Reizleitungsvorgängen, für die die Möglichkeit verfochten wurde, dass sie zwar nur in lebenden Zellen, gleichwohl aber grob mechanisch durch Be- wegungen und Druckschwankungen des Zellsaftes vermittelt werden, wie es bekanntlich hauptsächlich für Mimosa der Fall gewesen ist. Stellen wir uns einmal auf den Boden dieser Auffassung, so ist der einfachste Fall solcher Reizvorgänge der, dass die „Reizung“ durch Verwundung der Reiz- leitungszellen erfolgt, wie es bei Mimosa, Neptunia, Biophytum und bei den Ranken vieler Pflanzen vorkommt. Von einem eigentlichen Perzeptions- prozesse könnte hier natürlich nicht die Rede sein. Die Reizleitung würde 154 H. Fitting, vielmehr direkt durch die der Verwundung folgende Flüssigkeitsbewegung eingeleitet werden. Und von der Druckschwankung, die damit verbunden wäre, müsste man annehmen, dass sie irgendwie, etwa durch eine Art von Stossreiz, die angrenzenden lebenden Zellen in der Reaktionszone so in Reiz- zustand versetze, dass sie zusammen mit den übrigen Zellen des Reaktions- organes die sichtbare Reaktion ausführen. Man müsste also den Zellen in der Nachbarschaft der Reizleitungsbahnen eine Empfindlichkeit für eine Art von Stoss- oder Erschütterungsreizen zuschreiben, und zwar müsste man diese Empfindlichkeit sehr gross an- nehmen, da bei allen diesen Pflanzen schon eine „minimale Flüssigkeits- bewegung“ die Reaktion in der Reaktionszone auslöst (vergl. Sachs 1865, S. 482ff.; Pfeffer 1873a, S. 314; Haberlandt 1890, S. 52, 58ff.). Diese Annahme einer hohen Empfindlichkeit für Stossreiz würde bei Mimosa, Nep- tunia und Biophytum gar keine Schwierigkeit machen, da bei diesen Pflanzen für das Reaktionsorgan ja gerade die hohe Empfindlichkeit gegen Stoss- und Erschütterungsreiz so charakteristisch ist. Ganz anders ist das aber bei den Ranken. Sie sind zwar im höchsten Grade thigmotropisch empfindlich, krümmen sich aber nicht, wenn man sie heftig mit Glasstäben schlägt, die mit Gela- tine überzogen sind, wenn man einen Quecksilberstrahl unter ziemlichem Drucke auf sie prallen lässt oder wenn man sie stark hin- und herbiegt (Pfeffer 1885). Und doch wird durch die geringste Verletzung der Gefäss- bündel in weiter Ferne von der Reaktionszone eine Krümmungsreaktion in ihnen ausgelöst! Ich muss gestehen, dass mir schon diese Tatsachen ein sehr gewichtiges Beweismittel gegen die Vorstellung der grob mechanischen Vermittelung des Reizes zu sein scheinen. Unendlich viel schwieriger wird aber die Erklärung der Beziehungen zwischen Perzeption, Transmission und Reaktion für die Leitung des Stoss- reizes bei Mimosa, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass auch diese Transmission grob mechanisch durch Druckschwankungen von Flüssigkeit in den lebenden „Reizleitungszellen“ erfolgt. Pfeffer, der sich zum ersten Male eingehend mit der Reizleitung bei Mimosa beschäftigt hat, stellte sich vor (1873a, S. 308ff.), dass ein Teil der Flüssigkeit, der durch die Stoss- reizreaktion aus den erschlaffenden Zellen des Gelenkpolsters herausdringt, irgendwie in die Gefässbündel des Gelenkes gelange und in den Gefäss- bündeln sich alsdann weiter verbreite (ähnlich auch Sachs 1865, S. 482 ff.). Da wir aber jetzt allen Grund haben, anzunehmen, dass die Reiztransmission nur in lebenden Zellen erfolgt, so ist diese Hypothese Pfeffers nicht mehr plausibel. Denn wir würden selbst unter der Voraussetzung einer hohen osmotischen Leistungsfähigkeit der Reizleitungszellen nicht verstehen, wie das Wasser mit der notwendigen Geschwindigkeit in diese lebenden Zellen sollte eindringen können. Deshalb nahm Haberlandt (1890, S. 55 ff.) an, die Flüssigkeitsbewegung Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 155 in den Reizleitungszellen komme nach einer Stossreizung durch die Volum- und Gestaltsänderungen und durch die Pressungen zustande, die mit der Er- schlaffung der reizbaren Gelenkhälfte direkt verbunden sind, also durch einen Druck, der von aussen her auf die sehr turgeszenten Reizleitungszellen ausgeübt wird. Dieser Hypothese ist nur leider wieder eine Beobachtung Pfeffers (1873a, S. 314) nicht günstig, wonach man Gelenke, die von dem Reaktionsgewebe befreit sind oder auch durch Äther reaktionsunfähig gemacht worden sind, z. B. die Gelenke der Fliederblättchen, lebhaft hin und her biegen kann, ohne eine Reizbewegung benachbarter Polster zu veranlassen ! Ausserdem würde sie zwar bei Mimosa eine Erklärung für die Beziehungen zwischen der Perzeption des Stossreizes und der Reiztransmission geben, nicht aber bei der nahe verwandten Gattung Neptunia und bei der Oxalidee Bio- phytum, bei denen eine Flüssigkeitsbewegung in irgendwelchen Zellen in- folge von Stossreiz oder Verwundung nicht nachweisbar ist. Ohne die Be- rücksichtigung der Verhältnisse bei diesen Pflanzen und bei den Ranken wird man aber nicht zu einer Aufhellung der Reizleitungsvorgänge bei Mimosa gelangen können. Da wo eine Vermittelung von korrelativen Beziehungen ohne Be- teiligung lebender Zellen, also in grob physikalischer oder chemischer Weise, vorkommt, wird die Beziehung zwischen dem vermittelnden Vorgang und der Reizreaktion selbstverständlich keine andere sein wie zwischen einem Aussenreiz und dem Reizvorgang, der durch ihn ausgelöst wird. Darauf weiter einzugehen, würde also den Rahmen meiner Abhandlung überschreiten, Schlusswort. Ein Leser, der den Ausführungen meiner Abhandlung bis zum Schlusse gefolgt ist, dürfte sich des Eindruckes nicht haben erwehren können, dass die Lehre von den Reizleitungsvorgängen bei den Pflanzen doch in vieler Hinsicht noch recht lückenhaft ist. Fast überall fehlen noch kritische Untersuchungen und eindeutige Versuche. Dadurch wird ein tieferes Ein- dringen in das Wesen der Erscheinungen vielfach sehr erschwert. Auch ist der Stoff so spröde, dass im allgemeinen wenig Aussicht vorhanden ist, das Hypothetische bald durch wohl fundierte Tatsachen ersetzen zu können. So kann es nicht ausbleiben, dass der Gesichtspunkt, von dem aus ich das ganze Problem zu überblicken versucht habe, subjektiv ist und dass es manche Forscher geben wird, die nicht geneigt sein werden, ihn mit mir zu teilen. Heute, wo eine grob mechanistische Anschauungsweise sich wieder grosser Beliebtheit in weiten Kreisen der Biologen erfreut, könnte es vielerorts als unbequem, ja vielleicht sogar als „einseitig“ empfunden werden, wenn 156 H. Fitting, man eine ganze Anzahl von Vorgängen auf das grosse unbekannte x der Plasmatätigkeit zurückzuführen sucht, deren Ablauf noch nicht unmittelbar zu einer solchen Annahme nötigt. Viele Biologen dürften es ihrer besonderen biologischen Denkart entsprechend weit vorziehen, derartige Vorgänge, von denen sich höchstens mit Wahrscheinlichkeit sagen lässt, dass sie der Tätig- keit des Plasmas ihre Entstehung verdanken, in irgendwelcher Weise „physi- kalisch-chemisch“, d. h. nach den vorliegenden Tatsachen der Physik und Chemie, zu erklären. So ist ja oft genug versucht worden, die Innen- korrelationen (also die Leitung von Innenreizen) samt und sonders auf Er- nährungseinflüsse, auf die Wasserbewegung in der Pflanze oder wohl gar auf die Wirkung von Aussenumständen zurückzuführen und damit also das Plasma möglichst zu umgehen. Freilich ist es charakteristisch für alle diese Forscher, dass sie es meist nicht versucht haben, diese Vorgänge einer tieferen Analyse zu unterziehen, oder wenn sie es taten, dass sie fast stets zuletzt auf die unbekannten Eigenschaften des Plasmas stiessen, die eine eigentliche restlose Erklärung dann doch nicht ermöglichten. So glaube ich denn, dass bei Licht betrachtet die Entscheidung darüber nicht schwer ist, welcher Stand- punkt als der heuristisch wertvollere bezeichnet werden muss, der desjenigen Forschers, der von vornherein die Berücksichtigung der Plasmatätigkeit nach Möglichkeit als unbequem meidet, weil wir vom Plasma nichts wissen, und versucht, mit unseren heutigen physikalisch - chemischen Kenntnissen das Lebensgeschehen restlos zu begreifen, oder der Standpunkt desjenigen Ge- lehrten, der vorsichtig auf Grund der vorliegenden Untersuchungen abzu- wägen sucht, welche Lebenserscheinungen einer restlosen physikalisch- chemischen Erklärung schon jetzt zugänglich sind und welche nur unter Berücksichtigung der noch unbekannten Verhältnisse im Plasma verstanden werden können, und der dann weiter geht und durch eingehende Analyse scharf zu präzisieren sucht, wie die besonderen physikalisch-chemischen Be- dingungen im Protoplasma beschaffen sein müssten, um das vitale Geschehen restlos begreiflich zu machen. Nur durch einen solchen Versuch einer mög- lichst weitgehenden Einengung der Probleme lassen sich ja die Fragestellungen schliesslich präzisieren, die eine künftige physikalische Chemie befähigen werden, die Eigenschaften eines so komplizierten physikalisch - chemischen Systems, wie es das Plasma ist, „physikalisch-chemisch‘“ zu beschreiben und die Gesetze der „vitalen‘‘ Vorgänge festzustellen. Wenn ich es also vor- gezogen habe, von diesem letzteren Standpunkte aus die Probleme der Reizleitungsvorgänge zu betrachten, so geschieht es übrigens nicht, ohne dass ich mich in guter Gesellschaft weiss: Fast alle diejenigen Forscher, die gerade am tiefsten über vitale Vorgänge nachgedacht haben, wie z. B. auch Pfeffer, haben diesen Standpunkt zu dem ihrigen gemacht. Aber weiterhin dürfte wohl auch durch meine Darstellung hervorgetreten sein, dass es in der Lehre von den Reiztransmissionen bei Pflanzen und Die Reizleitungsvorgänge bei den Pflanzen. 157 Tieren im Grunde genommen ganz die gleichen Probleme sind, die der Lösung harren, und die gleichen Schwierigkeiten, die dabei zu überwinden sind. Deshalb werden die Physiologen beider Richtungen immer grosses Interesse daran haben, sich gegenseitig über die Fortschritte ihrer 'Tätig- keit zu unterrichten. Das wird das beste Mittel sein, um Vorurteile als solche zu erkennen und zu beseitigen, die aus einseitiger Betrachtungs- weise erwachsen sind und eine für diese Probleme förderliche Fragestel- lung erschweren. =— MR 9) 4.2 —— Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Soeben neu erschienen: € — er Lehrbuch der Physiologischen Chemie Olof Hammarsten, o.ö, Professor der medizinischen und physiologischen Chemie an der Universität Upsala. Sechste völlig umgearbeitete Auflage. Preis Mk. 19.60, geb. Mk. 21.60. ... Es ist ein Vergnügen, sich an der Hand eines so klar geschriebenen Buches, wie das vorliegende, über beliebige physiologisch-chemische Fragen zu orientieren, Selbst so komplizierte Vorgänge, wie die Blutgerinnung, über welche die verschiedensten Meinungen bestehen, werdenso klar und ruhig auseinander- gesetzt, dass jeder danach eine Vorstellung der wirklich feststehenden Tatsachen bekommt. Möge das Buch zu den Freunden, welche es schon hat, noch recht viele neue hinzuerwerben. COhemiker- Zeitung. ... Zweifellos wird sich das treffliche Werk auch in seiner neuen, erweiterten Form eines grossen Leserkreises erfreuen, Münchener med. Wochenschrift. ... Rasch folgen die Auflagen dieses unter Ärzten so beliebten Werkes aufeinander, Und mit Recht! Greifen doch die Kenntnisse, die hier dargestellt werden, ebenso in die letzten Fragen des Lebens ein, wie sie Anweisungen geben, von denen der Praktiker täglich Gebrauch machen muss, In lichtvoller Schilde- rung findet man diese Materien hier wiedergegeben und nirgends vermisst man den Eindruck der meisterhaften Beherrschung des Stoffes. Deutsche Medizinal- Zeitung. Über die Art und Wirkung der auslösenden Kräfte in der Natur. . Eine physikalisch-biologische Studie von Dr. R. Sleeswijk. | Nervenarzt in Bloemendaal (Holland). Mit 8 Abbildungen. Ik. Be Verlag von J. F. Bergmann in Wiesbaden. Soeben erschien: Physiologisches Praktikum für Mediziner. Von Dr. med. R. F. Fuchs, Privatdozent der Physiologie an der Universität Erlangen. Mit 93 Abbildungen. == Mk. 6.60, geb. Mk. 7.50. Nach der obligatorischen Einführung des physiologischen Praktikums für Studierende der Medizin besteht zweifellos das Bedürfnis nach einer Anleitung, aus der sich der Praktikant über Anordnung, Ausführung und Zweck der Ver- suche orientieren kann, namentlich an grösseren Universitäten, wo die Leiter des Kurses sich nicht so eingehend mit den Einzelnen beschäftigen können. Das Buch von Fuchs erfüllt nun diese Forderungen in ausgezeichneter Weise. Ohne überflüssigen Ballast gibt es in klarer ansprechender Form doch so viel, dass der Praktikant sich im Notfalle auch ohne mündliche Unterweisung orientieren kann. .... 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