Alllyamohngen der schweizerischen paläontologischen Gesellschaft. Yol. XXXYVLHI. 1912. em Die Säugetiere des schweizerischen Eocaens. Critischer Catalog der Materialien H. 6. Stehlin. Sıebenter Teil, erste Hälfte: Adapis. Mit 46 Figuren im Text. Zürich Druck von Zürcher und Furrer 1912. Einleitende Bemerkungen zum Genus Adapis etc. 1165 Einleitende Bemerkungen zum Genus Adapis und zu der Gruppe des Adapis parisiensis Blainville. Im Jahre 1873 beschrieb Delfortrie') unter Beigabe von Abbildungen einen kleinen Säugetierschädel aus dem Phosphorit von Sainte-Neboule de Beduer (Lot.). Er erkannte in dem Fossil einen Halbaffen und legte ihm den Namen „Palaeolemur Betillei* bei. Gaudry?), an den Delfortrie den Schädel, sowie eine kurz nachher gefundene, dazu passende Mandibel zur Prüfung einsandte, bestätigte die Zugehörig- keit des Tieres zu den Halbaffen und sprach sich zugleich dahin aus, die Materialien von Beduer seien spezifisch identisch mit der Mandibel aus dem Pariser Gips, welche Gervais’) unter dem Namen „Aphelotherium Duvernoyi“ beschrieben und zu den „omnivoren Pachydermen“ gerechnet hatte, und höchst wahrscheinlich auch mit den Ober- und Unterkieferfragmenten gleicher Provenienz, welche schon früher von Cuvier‘) unter der Bezeichnung „Adapis“, von de Blainville’) unter der Bezeich- nung „Adapis parisiensis“ abgebildet und gleichfalls zu den „Pachydermen“ gestellt worden waren. Gervais®) und Filhol’) pflichteten alsbald diesen Anschauungen bei und seitdem sind die als Adapis, Aphelotherium und Palaeolemur bezeichneten Tiere allgemein unter dem Genusnamen Adapis, der die Priorität hat, zusammen- gefasst worden. !) Delfortrie, Un singe de la famille des Lemuriens ete. Actes de la Societe Linneenne de Bordeaux XXIX, 1873. 2) Ididem, nachträglicher Zusatz. ®) P. Gervais, Z. et P. fr. II Ed. 1859, p. 170, Pl. XXXIV, Fig. 12—13, Pl. XXXV, Fig. 10. *) G. Guvier, R. s. o. f. II Ed. 1823, p. 265, Pl. LI, Fig. 4, °) de Blainville, Osteographie, G. Anoplotherium, p. 112, 151, Pl. IX. °) P. Gervais, Remarques au sujet du genre Palaeolemur. — Journal de Zoologie II, 1873 Pl. XVII, Fig. 14. °”) H. Filhol, Nouvelles observations sur les mammiferes des gisements de phosphates de chaux, Lemuriens et Pachyl&muriens, Bibliotheque de l’&cole des hautes etudes. Sc. n. IN, 1874. l 1166 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Adapis erwies sich bald als ein durchaus nicht seltenes Glied der Phosphorit- fauna und auf Grund der breiten Materialien, welche in den siebziger und achtziger Jahren in die Sammlungen gelangten, konnten Gervais'), Filhol”), Gaudry‘°), Lydekker‘), Schlosser’) und Zittel”) die Kenntnis des Genus wesentlich vervoll- ständigen. In jüngster Zeit sind dann zu diesen älteren Darstellungen noch — zum Teil sehr wichtige — neuere von Winge”), Leche‘), Forsyth Major”), Grandidier!®) und wiederum von Schlosser!!) hinzugekommen. Darüber, auf wie viele Arten und Varietäten diese Adapismaterialien aus den Phosphoriten zu verteilen sind, gehen die Ansichten der Autoren etwas aus- einander. Die Mehrzahl derselben!?) stimmt aber darin überein, dass sie zunächst in zwei Gruppen zu trennen seien, die man als Gruppe des Adapis parisiensis Bl. und Gruppe des Adapis magnus Filhol bezeichnen kann. Wir verschieben die 1) P. Gervais, Z. et P. gen. Il, 1876, p. 31—37, Pl. VI. ?) H. Filhol, Recherches sur les phosphorites du Quercy ete. 1877, p. 293—326, Fig. 21S—233. — Idem, Memoires sur quelques mammiferes fossiles des phosphorites du Quercy. Annales de la soc. des Sc. phys. et nat. Toulouse. 1882, p. 131. — Idem, Observations relatives au memoire de M. Cope intitul&: Relation des horizons renfermant des debris d’animaux vertebres fossiles en Europe et en Amerique. Annales des sciences geologiques XIV, 1883, Pl. X—XIl. — Idem, Obser- vations sur le m&moire de M. Cope intitule: Relations des horizons ete. Annales des sc. geol. XVII, 1885, p- 17. °) A. Gaudry, Sur quelques pieces de mammiferes fossiles qui ont ete trouves dans les phosphorites du (uercey. Journal de Zoologie IV, 1875, p. 521. — Idem, Enchainements etc. Mammiferes tertiaires 1877, p. 224, Fig. 296—302. *) R. Lydekker, Catalogue of the fossil mammalia in the B.M. I, 1885, p.8,262; V. 1887, p. 299. °) M. Schlosser, Beiträge zur Kenntnis der Stammesgeschichte der Huftiere ete. Morpholog. Jahrbuch XII, 1856, p. 118, 133, Tab. V, Fig. 33. — Idem, die Affen, Lemuren ete. 1, 1887, 19 bis 31, 40—54, Tab. I, Fig. 1—28, 30—-31, 33, 35—36, 38—39; III, 1890, p. 65. — Idem, Die fossilen Affen. Archiv f. Anthropologie, XVII, 1887, p. 280 ff., Tab. XI, Fig. 8, 12, 14. %) K. v. Zittel, Handbuch der Palaeontologie, IV, 1891—1893, p. 686 ff., Fig. 573, 574. ‘) H. Winge, Jordfundne og nulevende Aber. E Museo Lundii. 11, 2, 1895 —1896, p. 14, 37. >) W. Leche, Untersuchungen über das Zahnsystem lebender und fossiler Halbaffen. Fest- schrift für C. Gegenbaur. 1896. °) F. Major, Skulls of foetal Malagasy Lemurs. — Proc. Zool. Soc. London 1899, p. 987—8. — Idem, On some characters of the Skull in the Lemurs and Monkeys. — Ibid. 1901, p. 134, Fig. 30. 10) G. Grandidier, Recherches sur les Lemuriens disparus. Nouvelles Archives du Museum (4) VI, 1905, p. 11—23, Fig. 1—4. '!) M.Schlosser, Beitrag zur Östeologie und systematischen Stellung der Gattung Necrolemur etc. N. J. f. Mineralogie ete. Festband 1907, Fig. 6—7. 12) Eine Ausnahme machte Gaudry (1877), der (Enchainements p. 227) A. Duvernoyi und A. parisiensis auseinander hielt, dagegen letztern mit Adapis magnus zusammenzog. Filhol hat (1883, p. 19) dem gegenüber mit Recht betont, dass die beiden letzteren Formen in der Grösse viel zu sehr differieren, um einer Species angehören zu können, dass dagegen der Grössenunterschied zwischen A, Duvernoyi und A. parisiensis minim ist, Adapis parisiensis, definitives Gebiss. 1167 Besprechung der letzteren, welche Gervais (1876) unter der Bezeichnung „Leptadapis“ von Adapis sensu strictiori abgetrennt hat, auf einen spätern Abschnitt und be- fassen uns hier zunächst mit derjenigen des Adapis parisiensis. Ausser den breiten, aber hauptsächlich aus Kiefern bestehenden, hiehergehörigen Phosphoritmaterialien des Basler Museums habe ich fünf, gleichfalls aus dem Quercy stammende Schädel studieren können, von denen drei dem Museum von Montauban, zwei der palaeontologischen Sammlung in München gehören. Den Herren Albert Brun in Montauban und Max Schlosser in München, die mir diese wertvollen Objekte auf längere Zeit anvertraut haben, spreche ich für ihre Liberalität meinen verbindlichsten Dank aus. Auf Grund dieser abundanten Documentation bin ich in der Lage, die all- gemeine odontologische und eraniologische Characteristik der Gruppe in manchen Punkten zu ergänzen und den Varietätenreichtum, den sie umfasst, einlässlicher bekannt zu machen. Definitives Gebiss. Die Kronen der Maxillarmolaren (Figur CCXLIV) sind in der Adapis parisiensis-Gruppe ungefähr gleich breit wie lang; ihr Vordercontour ist zum Aussencontour etwas schräg gestellt und ihre vordere Aussenecke infolgedessen spitzer als ein rechter Winkel. Die Aussenhügel sind bis in beträchtliche Höhe über der Basis zu einer Aussenwand verschmolzen, welche auf der Aussenseite abgeplattet, aber unter den Spitzen mit Rippen versehen ist; mit einer stärkeren unter der Vorderspitze, mit einer schwächeren, oft sehr verwischten, unter der Hinterspitze. Die Basis der Aussenwand ist von einem Cingulum umzogen, das sich vorn zu einem Parastyl verdickt. Auf der Innenseite erhebt sich auf breiter Basis, etwas zurückgeschoben gegenüber dem vordern Aussenhügel, der kegel- förmige vordere Innenhügel, der sich mit dem Parastyl durch einen etwas ge- schwungenen Vorjochgrat verbindet. In diesem Grate markiert sich, bald deut- licher, bald weniger deutlich, aber an M, und M, immer deutlicher als an M,, ein Zwischenhügel. Hinten aussen an der Spitze des Innenhügels ist meistens eine Andeutung der hinteren Trigonumkante nachzuweisen, aber nur gelegentlich lässt sich dieselbe bis an die Basis des hintern Aussenhügels verfolgen und von einem hintern Zwischenhügel ist keine Spur zu entdecken. Das gut markierte Vordercingulum zieht sich um den Innerhügel herum und erhebt sich in der 1168 Stehlin, Eocaene Säugeliere. Figur COXLIV. Adapis parisiensis Bl., Var. efr. Schlosserj. — Schädel Montauban 7, Reconstruction der Untenansicht. — *ı. — J. Jugale. — I. Ineisur für einen Zweig A. palatina descendens. — P. j. sq. Processus jugalis squamosi. — Pa. Pterygoidfortsatz des Palatinums. — Al. Pterygoidfortsatz des Alisphenoids, an der Bullagrenze vom Foramen pterygospinosum durch- brochen. — Pt. Pterygoideum. — Au. Ohröffnung. — T. Tubaöffnung. — F. gl. Fossa glenoidalis. — P. gl. Processus postglenoidalis. — Mst. Mastoid. — Th. Grube für das Tympanohyale.. — Ex. Exoceipitale. — F. ce. Foramen condylare. — F. ]. p. Foramen lacerum posterius. Adapis parisiensis, definitives Gebiss. 1169 hintern Innenecke, wo es mit dem weniger deutlichen Schlusscingulum zusammen- trifft, in einen Hypoconus von sehr variabler Stärke, aber immer nur mässiger Höhe, der manchmal durch eine kleine Brücke mit der Trigonumkante in Ver- bindung tritt. Der Trigonumtrichter ist wenig tief und ohne Kerben. Die Krone sitzt auf zwei Aussenwurzeln von rundem und einer Innenwurzel von länglichem Querschnitt. An M, ist der hintere Aussenhügel mehr oder weniger verkümmert, die hintere Innenecke abgerundet, der Hypoconus gar nicht oder blos sehr schwach entwickelt, der Querschnitt der Innenwurzel weniger gestreckt. 5 Die Variation, auf die wir unten noch zurückkommen, betrifft den Umriss, namentlich den der Innenseite, die Ausbildung der hintern Trigonumkante, des Hypoconus, des vordern Zwischenhügels, der Aussenwandrippen, der Cingula. Von den oberen Praemolaren kommt P, — im Gegensatz zu seinem Homologon bei Lemur ete. — in Umriss und Structur den Molaren ziemlich nahe. Er ist aber beträchtlich kleiner als M, und unterscheidet sich von demselben durch folgende Details. In der Aussenwand ist der vordere Hügel deutlich stärker als der hintere und die beiden Spitzen liegen näher bei einander. Der vordere Zwischenhügel und das Parastyl sind schwächer markiert. Spuren der hinteren Trigonumkante lassen sich kaum nachweisen. Der Hypoconus fehlt meistens völlig und die hintere Innenecke ist immer abgerundet. Der Querschnitt der Innenwurzel ist weniger gedehnt. P, bis P, sehen einander sehr ähnlich. Ihr länglicher Kronenumriss bildet ein unregelmässiges, vorn zugespitztes Oval mit stark convexem Aussencontour und schwächer convexem Innencontour. Der Haupthügel, der fast die ganze Krone einnimmt, hat eine kürzere und steilere Vorderkante und eine gedehntere Hinter- kante; er ist vorn dick und verschmächtigt sich nach hinten zu, zu Gunsten eines grubigen Talons, der sich auf der Innenseite entwickelt. Die ganze Innenseite ist von einem scharfen Cingulum umzogen, das hinten am Talon in die nach innen abbiegende Kante des Haupthügels übergeht. Das Aussencingulum ist in gleicher Stärke wie an den hinteren Zähnen ausgebildet. Weder ein Parastyl noch ein Talonhügel macht sich deutlich bemerkbar. Von P, zu P, nehmen die Breite und die Länge der Krone, sowie die Stärke des Talons ab; zugleich wird der Profil- contour unsymmetrischer, indem sich die Vorderkante steiler stellt, die Hinterkante dehnt, die Spitze also nach vorn rückt. Der Übergang erfolgt in allen diesen Beziehungen stetig, so dass P, nicht mehr von P, abweicht als dieser von P;. Dagegen ist die Spitze von P, gewöhnlich eine Spur höher als die von P, und die von P,, welch’ letztere ihrerseits P, und die Molaren etwas überragt. Die 1170 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Krone von P, ruht auf einer schwächeren vorderen und einer stärkeren quer- gedehnten hinteren Wurzel. An P, nähern sich diese Wurzeln einander, an P, sind sie unvollständig verschmolzen und zugleich etwas schief nach hinten oben gerichtet. An P, und noch mehr an P, hängt die Krone nach vorn etwas über die Wurzel hinaus. Von P, an sind die Praemolaren so in den Kiefer eingepflanzt, dass sich jeweilen das Vorderende des hinteren Zahnes aussen an das Hinterende des nächst vorderen schiebt. Desgleichen greift das Vorderende von P, aussen über das Hinterende des satt anschliessenden Caninen. P, ist wie die Molaren ziemlich variabel, namentlich in der speciellern Configuration des Umrisses. Die Gestalt der vordern Praemolaren dagegen variiert sehr wenig. Einige Variabilität zeigt sich in der Stärke der Praemolaren im Ver- gleich zu den Molaren. Der obere Canin liest mir in 10 Exemplaren vor, die sich durchweg noch in situ befinden. An allen ist die Krone — im Gegensatz zu derjenigen des Maxillarcaninen von A. Magnus — annähernd gleich hoch wie lang; nach relativer Stärke und Praemolarenähnlichkeit der Modellierung lassen sich aber — soweit meine Erfahrung reicht ziemlich scharf — zwei Categorien auseinander halten. In die Categorie der schwächeren und praemolarenähnlicheren Exemplare gehört dasjenige des Schädels Montauban 7 (Figur CCXLIV und CCLV]). Die Krone ist hier nur um ein weniges höher als diejenige von P,, wie diese compress und mit zwei ziemlich scharfen Kanten versehen. Die Vorderkante ist etwas convex und weniger gedehnt als die Hinterkante, der Profilcontour mithin unsym- metrisch. Das Aussencingulum markiert sich weniger als an den Praemolaren, manchmal überhaupt kaum. Das Innencingulum ist gut entwickelt und die ganze Innenseite zeigt noch etwas von der für P, bis P, charakteristischen Modellierung; insbesondre eine dem 'Talon dieser letztern entsprechende kleine Ausbauchung, die aber kaum mehr die Bezeichnung Talon verdient. Das Exemplar an Montauban 7 gehört zu den kräftigeren der Categorie; seine Länge übertrifft diejenige des P.,. Es liegen mir andre Exemplare vor, die gleich lang wie P, sind (Basel, Q. D. 57, Q. J. 48) und sogar eines das kürzer als dieser ist (Q. D. 78). In die Categorie der stärkeren und progressiveren Exemplare gehört das, noch nicht ganz in seine definitive Stellung gerückte des Schädels Montauban 4 (Figur CCLIV, CCLIX). Diese überragen die Praemolaren um ein beträchtliches; sie sind dicker als die vorigen und ihre Kanten infolgedessen weniger scharf; ihr Profileontour ist symmetrischer und die Ausbauchung hinten innen hat sich nahezu oder völlig verloren, während sich die Cingula ungefähr gleich verhalten. Adapis parisiensis, definitives Gebiss. 1171 Bald etwas deutlicher, bald nur undeutlich ist innen an der Vorderkante — mit dieser eine Verticalrinne begrenzend — eine Falte entwickelt, welche am Cingu- lum ziemlich dick beginnt und sich gegen die Spitze zu verjüngt und verliert. Wir werden dieser Structur in schärferer Ausprägung bei Adapis magnus wieder begegnen. Auch diese progressiveren Exemplare variieren etwas in der relativen Stärke. Ihre Wurzel ist länger und kräftiger als die der vorigen und, wie mir scheint, auch etwas senkrechter eingepflanzt. Es liegt nahe die primitiveren Exemplare auf weibliche, die progressiveren auf männliche Individuen zu beziehen, die kleineren Differenzen innerhalb der beiden Categorien dagegen auf Rechnung der Rasse oder einfach der individuellen Variation zu schreiben. Die Maxillarincisiven von Adapis parisiensis liegen mir an dem Schädel Montauban 7 (Figur CCXLIV und CCLVI) in vorzüglicher Erhaltung und völlig ungestörtem Situs vor.!) Adapis hat, wie schon von Filhol angegeben worden ist, blos zwei Incisiven in jeder Kieferhälfte. Welcher von den dreien weggefallen ist, wird sich erst feststellen lassen, wenn ältere Formen des Adapisphylums mit unverkürzter Formel vorliegen. Ich nehme bis auf bessere Belehrung an, die beiden vorhandenen Zähne seien J, und J,. J, erinnert sehr an P,, doch ist die von P, zu P, verfolgbare morpho- logische Umwandlung noch um einen Grad weiter gediehen. Die einfache rund- liche Wurzel ist noch schiefer eingepflanzt als die des P, und das vordere Kronen- ende hängt infolgedessen noch mehr nach vorn über als an diesem. Dabei verläuft die Längsachse der Krone, conform dem bogenförmigen Alveolarrand der Intermaxilla, schräg von hinten aussen nach vorn innen. Die Krone ist länger als die des P,, aber sie hat wie diese eine deutliche Spitze mit steilem, kurzem Vorderabhang und gedehntem Hinterabhang. Die Aussenseite ist convex, die Innenseite stark abgeplattet, aber gegen hinten an der Basis noch mit einer Andeutung des Talons versehen. Das Inneneingulum ist gut entwickelt, das Aussen- eingulum nur ganz vorn noch schwach angedeutet. J,, ungefähr gleich lang wie J,, entfernt_sich einen Schritt weiter vom Praemolarentypus. Seine Wurzel ist noch schräger eingepflanzt und die Längs- !) Figur 4 bei Filhol 1883 1. c. Pl. 10, giebt J, im Profil annähernd richtig wieder. Figur 1 ebenda, angeblich C—J, darstellend, ist dagegen, wie Grandidier mit Recht bemerkt, irreführend. Nach der Figur lässt sich nicht wohl darüber urteilen, ob das Object nur höchst ungenau gezeichnet ist, oder ob es überhaupt nicht von Adapis herrührt. — Bessere Figuren haben Schlosser (1887) und y, Zittel gegeben. 1172 Stehlin, Eocaene Säugetiere. axe seiner Krone weicht noch mehr von der Richtung der Backenzahnreihen ab, ohne es indessen zur Querstellung zu bringen. Das überhängende Kronenende ist sehr zugespitzt. Die Kronenspitze ist noch deutlich, aber abgestumpft und niedrig, im Vergleich zu J, weiter nach vorn gerückt. Die Hinterkante verläuft nicht geradlinig auf das Kronenende zu, sondern biegt kurz bevor sie dasselbe erreicht stumpfwinklig nach innen ab, was sich übrigens spurweise auch an J, feststellen lässt. Aussen- und Innenseite verhalten sich ähnlich wie an J,, aber das Talon- rudiment ist noch undeutlicher als an diesem. Das Inneneingulum ist gut ent- wickelt, vom Aussencingulum ist kaum mehr etwas wahrzunehmen. J, schliesst satt an den Caninen an. Zwischen den Kronen von J, und J, besteht eine kleine Lücke, die sich wurzelwärts, entsprechend der Kronengestalt von J, erweitert. Die beiden J, nähern sich einander mit ihrem überhängenden vordern Kronenende unter spitzem Winkel — am vorliegenden Fundstück ohne es ganz zur Berührung zu bringen; ihre Alveolarränder stehen etwa zwei Mili- meter von einander ab. Ausser an diesem Hauptdocument und an München II liegen mir die J sup. noch an dem stark gequetschten Schädel Q. W. 1 der Basler Sammlung in stark gestörtem Situs und unvollständig freigelegt vor. J, scheint sich hier gestalt- lich etwas mehr J, zu nähern. Die beiden vordern Mandibularmolaren differieren nur in der Grösse voneinander (Figur COXLVI und GCXLIX). Ihr länglicher Kronenumriss verjüngt sich etwas nach vorn zu und ist vorn innen schräg abgeschnitten. Von den vier spitzen Hügeln, welche das Kronenrelief bilden, stehen die beiden innern weiter hinten als die beiden äussern. Jedes Hügelpaar ist zu einem Joch verbunden, dessen , scharfe Kante sich in A der Mitte etwas ein- senkt. Das hintere Joch ist breiter und eine Spur niedriger als das vor- dere. Es verläuft nicht p ganz geradlinig; seine Kante strebt vom Aus- 1 senhügel einem etwas Figur CCXLV. Adapis parisiensis Bl. var. — A N, inf. sin. i von normaler Structur (Länge 0,0064). Basel Q. J. 10. — B Man- innerhalb der Mitte dibelfragment mit M,—P, sin. und Alveolen von P, sin. -—P, dext. gelegenen Punkte des Von aberranter Structur.‘ Basel ©. J. 13. — Phosphorite von Bach (Quercy). — NM; — P,—= 0,0245. — hintern Kronenrandes . Adapis parisiensis, definitives Gebiss. 1173 zu und biegt dann ziemlich abrupt zur Spitze des hintern Innenhügels!) nach vorn innen ab. Wir werden unten bei Adapis Rütimeyeri sehen, dass dieses Detail als letzter Überrest eines Nachjochzwischenhügels oder Hypoconulides zu interpretieren ist. Jedes Joch biegt an der Spitze des Aussenhügels halbmondförmig nach vorn um in einen schräg gerichteten Grat. Der vom hintern Aussenhügel ausgehende Grat läuft auf die Mitte des Vorjoches zu und setzt sich in einigem Abstand unter der Schneide an dasselbe an. Der vom vordern Aussen- hügel ausgehende Grat weicht weniger von der sagit- talen Richtung ab, ist kürzer und verbindet sich etwas ausserhalb der Mittellinie mit dem Vordercingulum. Immer ist die Kante dieses vordern Grates etwas ein- gesenkt (Figur COXLVII, A) und zuweilen kommt es zur Entwicklung einer Querkerbe. Infolgedessen erscheint das vordere Ende desselben am frischen Zahne zu einer Art Vorderknospe (Paraconid) abgegliedert. Im Gegen- satz zu andern Primaten, von denen im folgenden die Figur CCXLVI. Adapis pa- A “ risiensis Bl. var. Mandibelfrag- Tendenz, sich an den vordern Innnenhügel an- ment mit M-Pyu Cd, h-h "Rede sein wird, zeigt dieses Element hier keinerlei zuschmiegen. Von der Spitze des vordern Innen- sin. und J,-J.-Cg' dext., von oben.- Phosphorite des Querey. hügels steigt nach hinten innen — die Öffnung des hin- Basel Q.W. 5. ®ı. Figur CCXLVII. Adapis parisiensis Bl. var. — Mandibelfragment mit M, —J, sin. und J;— € dext. — A von links, B von unten, C von vorn. — Phosphorite des Querey. Basel Q.W.5. — !/ı. tern Tales etwas einengend — eine scharfe Kante nieder, in deren Verlauf sich in sehr variablem Deutlichkeitsgrade eine Hinterzacke ausgliedert (Figur CCLXXT); !) Dieses Delail ist in Figur GGEXLVI nicht gut wiedergegeben. 1174 Stehlin, Eocaene Säugetiere, wir kennen dieses Blement von den Equiden und verschiedenen Artiodactylen- gruppen her und werden ihm später bei den Nagern wieder begegnen. Ein mehr oder weniger stark ausgebildetes Cingulum umgiebt die Aussenseite der Krone und endigt, um die hintere Aussenecke herumbiegend, an demjenigen Punkte der Nachjochkante, an welchem die erwähnte Knickung stattfindet. Ein Inneneingulum ist nicht entwickelt. Die Ähnlichkeit dieser beiden Zähne mit ihren Homologen bei Palaeohippiden ist so gross, dass Verwechslungen vorkommen konnten.!) M, (Figur CCXLV) ist mit einem Talon versehen, wie sein Homologon bei Perissodactylen. Er ist aber darum leicht von demselben zu unterscheiden, weil seine Hinterhügel sich nicht zu einem Querjoch verbinden. Sein hinterer Aussenhügel hat die Gestalt eines gespreizten Halbmondes, dessen Vorderarm sich wie der Quergrat am Nachjoch von M, verhält, während der Hinterarm sich in eine Kante fortsetzt, die den Talon umzieht, sich am Hinterende desselben in eine Spitze erhebt und auf der Innenseite der Krone in dem sehr niedrigen und redu- cierten hinteren Innenhügel endigt. Dieser ist, wie an M,, gegenüber dem hinteren Aussenhügel etwas zurückgeschoben. Die Kronenbreite von M, ist vorn eher etwas geringer als die von M, und erfährt in der Regel im Gebiet der Hinterhügel keine Steigerung. Das Ausseneingulum verliert sich am Talon. Hinterhügel und Talon werden von einer starken, transversal compressen Hinterwurzel getragen, die stark nach hinten ausspreizt, etwas nach aussen gebogen und auf der Aussen- seite mit einer Rinne versehen ist. Die Variation betrifft an den Mandibularmolaren das Verhältnis von Länge zu Breite, den’Grad der Schrägstellung des Vorjoches, die Stärke der Hinterzacke am vordern Innenhügel, das Ausseneingulum und an M, die Stärke von hinterm Innenhügel und Talon. Von den unteren Praemolaren (Figur CCXLVI) nähert sich P,, wie sein Antagonist, structurell stark den Molaren. Die Punkte in denen er noch von M, abweicht sind folgende: Der Kronenumriss ist kürzer und zwar auf Kosten der Hinterhälfte; er spitzt sich nach vorn etwas zu. Die Einbuchtung des Aussen- contours zwischen den beiden Hügeln markiert sich schwächer oder gar nicht. Das Vorjoch ist schmäler und etwas schiefer gestellt, zugleich dem Vorderrand der Krone etwas weniger genähert; der Grat der vom vorderen Innenhügel nach vorn absteigt, dem entsprechend gedehnter. Die Nebenzacke hinten am vorderen !) S. unten „Adapis parisiensis von Mormont“ und oben p. 447. Adapis parisiensis, definitives Gebiss. 1175 Innenhügel markiert sich immer weniger deutlich als an den zugehörigen Molaren. Hinten am vorderen Aussenhügel ist manchmal eine Kante angedeutet. Die Höhe des Nachjoches bleibt noch etwas mehr hinter der des Vorjoches zurück, der hintere Innenhügel erreicht nur ausnahmsweise die Stärke seines Äquivalentes an den. Molaren. Die Basis der Innenseite hat die Tendenz ein Cingulum zu entwickeln. Die vordern Praemolaren sind bedeutend einfacher gebaut. P, hat einen scharfkantigen Haupthügel mit convexer Aussenseite und abgeplatteter, vorn etwas concaver Innenseite. Das Vorderende der Krone ist wie an P, erhöht und die Vorderkante steht daher wenig steil, immerhin etwas steiler als die jenes. Nur selten ist die Vorderknospe deutlich ausgegliedert. Nach hinten fällt der Haupt- hügel zu einem niedrigen und ganz kurzen Talon ab, auf dem die Hinterkante, etwas nach innen biegend, weiter läuft und ein winziges, das Äquivalent des hintern Aussenhügels darstellendes, Talonhügelehen entwickelt. Innen an der hintern Hauptkante steigt von der Spitze des Haupthügels eine zweite Kante hernieder, die aber auf halber Höhe abrupt — manchmal in einem kleinen Vor- sprung — endet; sie entspricht dem Vorjoch und dem vordern Innenhügel von P,. Innen- und Aussenseite haben ein continuierliches Cingulum; dasjenige der letztern ist aber manchmal nur sehr schwach skizziert. P, weicht wenig von P, ab; er ist etwas kürzer und schmäler, seine Vorder- kante stellt sich meistens noch etwas weniger steil. Talon und Talonhügel sind weniger deutlich markiert, ebenso die Nebenkante hinten am Haupthügel. Wie im Öberkiefer nimmt gewöhnlich die Höhe des Haupthügels von P, zu P, um eine Spur zu. P, ist beträchtlich kleiner, niedriger, insbesondere auch kürzer als P,, dazu — im Gegensatz zu den vorigen — einwurzlig. Der Talon ist nur noch auf der Innenseite etwas angedeutet und kommt in der Profilansicht nicht mehr zur Geltung. Die hintere Nebenkante markiert sich nicht. Die untern Praemolaren sind coulissenartig eingepflanzt wie die obern P,—P,; das Vorderende des hinteren Zahnes schiebt sich etwas aussen an das Hinterende des nächstvordern. Doch ist diese Erscheinung in ziemlich variabelm Grade ausgeprägt. P, ist meistens etwas querer orientiert als P, und P,, aber trotzdem gelegentlich durch ganz kleine Diastemen isoliert. Die Variation betrifft in der unteren Praemolarreihe die Grösse im Ver- hältnis zu den Molaren, den Molarisationsgrad von P,, die speciellere Form des Umrisses von P,—P,, die Stärke des Talons von P, und P,, die Deutlichkeit der Vorderknospe an P,—P,, die Stärke von P,, die Cingula, 1176 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Der untere Canin (Figur CCXLVI, COXLVII) liegt mir an zehn Mandibeln in situ vor. Ausserdem umfasst mein Material diverse Fundstücke, an welchen die Alveole desselben zu sehen ist. In der Structur zeigt der Zahn noch einen sehr ausgesprochenen Anklang an die vordern Praemolaren. Man kann seine Gestalt aus der des P, ableiten, wenn man sich die Kronenbasis desselben nach vorn zu gehoben. die Krone selbst gestreckt und, besonders nach vorn zu, erhöht denkt. Indem dadurch die vordere Ecke der Krone nahezu ins Niveau der Hauptspitze emporgetragen wird, kommt die Vorderkante in beinahe horizontale Lage. Infolgedessen endigt die Canin- krone, anstatt in einer Spitze, in einer sagittal gestellten Schneide, was eine Specialität von Adapis ist, die ihn sowohl zu den Affen als zu den Halb- affen in Gegensatz stellt. Auf die functionelle Bedeutung dieser Einrichtung werden wir sofort, bei Besprechung der unteren Incisiven, zurückkommen. Mit der Ver- zerrung der Krone geht eine kleine Veränderung im Hinterabhang derselben Hand in Hand. Zwischen Aussenfläche und Innenfläche bildet sich eine abgeplattete dreieckige Hinterfacette aus. Die Kante, welche diese Hinterfacette gegen die Innenseite begrenzt, ist nichts anderes als das Äquivalent der an P, und P, beschriebenen hintern Nebenkante. Die Knickung, vermittelst welcher die Hinter- facette in die Aussenfläche übergeht, ist eine Specialität des Caninen. Über die Mitte der Hinterfacette läuft ein schwaches Grätchen von der Spitze zum hintern Kronenende: das Äquivalent der eigentlichen Hinterkante der Praemolaren, die hier ihre ursprüngliche, schneidende Function völlig eingebüsst hat. An der Basis dieses Grätchens findet sich eine bald stärker, bald schwächer entwickelte talon- artige Anschwellung. Die Innenseite ist von einem Cingulum umzogen, das sich vorn immer scharf markiert, gegen hinten aber manchmal verwischt. Ein Aussen- cingulum ist nur vorn gelegentlich schwach angedeutet. Wie unter den oberen Caninen lassen sich starke, vermutlich männ- liche, und schwache, vermutlich weibliche, Exemplare unterscheiden. Die erstern, zu denen das in Figur CCXLVI wiedergegebene gehört, sind bedeutend dicker und voluminöser als P, und überragen die Praemolarreihe beträchtlich; ihre Hinterfacette ist gut markiert. Die schwachen Exemplare haben ungefähr die Stärke von P, und überragen die Praemolarreihe nur um ein weniges, aus- nahmsweise (Basel @. J. 23) überhaupt nicht; ihre Hinterfacette ist meistens nur undeutlich ausgebildet, das Talonrudiment dagegen stärker entwickelt als an den starken. Sie sind also mit anderen Worten praemolariformer, Adapis parisiensis, definitives Gebiss. 1177 Der Mandibularcanin schliesst bei manchen Individuen unmittelbar an P, an und zwar so, dass sich sein Hinterende etwas innen an das Vorderende des letztern schiebt (Figur CCXLVI). Bei andern ist er durch eine kleine Lücke von diesem getrennt. Die kleinern Exemplare pflegen etwas procliver einge- pflanzt zu sein als die grössern. Die vollständige Reihe der Mandibularincisiven liegt mir an zwei Fund- stücken in ungestörtem, an einem‘ in gestörtem Situs vor. Ausserdem verfüge ich über diverse Mandibeln, an welchen blos ein Teil der Ineisiven oder die Alveolen derselben erhalten sind. e Adapis hat im Unterkiefer wie im Oberkiefer blos zwei Incisiven jeder- seits. Ich nehme bis auf weiteres an, auch sie seien als J, und J, zu deuten. Wie bei vielen Huftierstämmen sind die Mandibularineisiven stärker diffe- renziert, d. h. weniger praemolariform als ihre Antagonisten. Ihre Kronen sind kurz und ausgesprochen ‚schaufelförmig, an der Basis etwas verdickt, ihre Wurzeln in entgegengesetztem Sinne wie die Kronenenden mässig comprimiert. Die Aussen- fläche der Krone ist etwas convex, die Innenfläche abgeplattet, mit einer vagen Anschwellung an der Basis, die sich längs den Rändern gegen die Schneide aus- zieht und dem Cingulum der Praemolaren entspricht. Die J, sind grösser als die J,, ihre Kronen unsymmetrisch gebaut; die hintere (oder äussere) Kronenecke ist mehr oder weniger bogenförmig abgerundet, die vordere Kronenecke bildet einen spitzen Winkel. Die Schaufel von J, ist symme- trischer gestaltet und hat auch hinten (oder aussen) eine deutliche Ecke; immer- hin ist die vordere Ecke etwas spitzer als die hintere. Die Schaufelschneide ist im frischen Zustand — an J, in der Mitte, an J, etwas vor derselben — ein- gekerbt, so dass die Krone mehr oder weniger zweilobig erscheint. An J, ist ferner in der Mitte der Hinterfläche ganz leicht eine Rippe angedeutet, das Aequi- valent der Innenfalte der Praemolaren. Im Kiefer sind die Mandibularincisiven bogenförmig angeordnet und zwar so, dass auch die Schneiden der J, nicht ganz transversal stehen. Sie sind — der gänzlich abweichenden Gestaltung des Kinns entsprechend — viel steiler ein- gepflanzt als bei Lemur und Indris, ungefähr so wie bei Pithecia, und reihen sich lückenlos aneinander und an den Caninen. Durchaus eigentümlich und sehr cha- racteristisch ist die Einrichtung, dass die Alveolarränder der Incisivregion in höherm Niveau liegen als diejenigen der Backenzahnregion, wobei der schief nach vorn ansteigende Rand der Caninalveole zwischen beiden vermittelt. Sie hat zur Folge, dass die Incisiven und Caninen zusammen eine continuierliche, 1178 Stehlin, Eocaene Säugetiere. segen hinten etwas ansteigende Schneide bilden (Figur CCXLII). Dieselbe kommt zu stande ob der Canin schwach oder stark ist, denn je stärker der Canıin ist, desto mehr accentuiert sich die Differenz im Niveau der Alveolarränder vor und hinter demselben. Offenbar hat der Canin seine eigentümliche Gestalt in strieter Anpassung an diese Einrichtung erworben. Beim Beissen wirkt J, inf. gegen den hintern Teil von J, sup. und die Vorderkante von J, sup., der Mandibular- canin mit seiner Schneide gegen die Hinterkante von J, sup., mit seinem Hinter- abhang gegen die Vorderkante des Maxillarcaninen. Sehr beachtenswert ist endlich der Umstand, dass an allen Mandibeln die Zahnreihe vorn einen viel spitzern Bogen bildet als an den Schädeln (Montauban 7, München 2). Die Mandibel musste zu beträchtlichen Seitenbewegungen befähigt sein, um ihre Incisiven und Caninen mit denjenigen des Oberkiefers in Antagonie zu bringen. Bei geschlossenen Kiefern können die mandibularen Vorderzähne, mit Ausnahme der J, ihre Antagonisten kaum berührt haben. Milchgebiss. Adapis ist vorderhand — soviel mir bekannt — der einzige Primate der Eocaenzeit, dessen Milchgebiss sich einigermassen reconstruieren lässt. Umsomehr verlohnt es sich, dasselbe genau ins Auge zu fassen. Die Basler Sammlung besitzt zwei Maxillarfragmente von Adapis parisiensis, welche noch Milchzähne tragen: Q. J. 58 mit D, —D, und P, nebst © m alveolo (Figur CCXLVII )und Q.D. 107 mit D,—D, und P,. Ausserdem liegt mir ein zerquetschter Schä- del, ©. W. 1, mit Milchbacken- zähnen vor, die aber nur von der Aussenseite freigelegt sind. Ä A D, hat bei geringerer Höhe Figur CCXLVIII. Adapis parisiensis Bl. var. Frag- ı = z ment der rechten Maxilla mit D,—D;, P, und Keim des und schwächerer Querdehnung die männlichen Caninen in alveolo; von unten und von aussen. Structur eines Molaren. Die hin- Phosphorite des Querey. Basel. Q. J. 58. — ?/ı. tere Trigonumkante ist an den vorliegenden Exemplaren ziemlich schwach, der vordere Zwischenhügel deutlich, das Innencingulum stark markiert. D, stimmt durchaus nicht so nahe mit seinem Nachfolger überein wie be- hauptet worden ist. Gleich dem D, der Artiodactylen und dem D, der Perisso- Adapis parisiensis, Milchgebiss. 1179 dactylen gehört er, seiner Function nach, offenbar teilweise zum molaren und teil- weise zum praemolaren Teil des Milchgebisses und durch dementsprechende Structur- specialitäten erweist er sich wie jene als ein Gebilde sui generis, das sich im Dauergebiss nicht wiederholt. Mit dem D, gewisser eocaener Palaeohippiden, wie z. B. Propalaeotherium besitzt er eine frappante Ähnlichkeit. Vor allem ist die Krone hinten bedeutend mehr quer gedehnt als diejenige von P,. Ihr Umriss bildet ein gleichschenkliges rechtwinkliges Dreieck, dessen rechter Winkel in der hintern Aussenecke liegt. Diese ist also nicht abgerundet wie am Praemolaren. Sodann ist der scharfkantige Aussenhügel auf seiner Aussen- seite nicht regelmässig convex wie an letztern, sondern abgeplattet und mehr wie an D, und Molaren modelliert. Seine Hauptspitze liest vor der Mitte und im ge- dehnten Hinterabhang derselben ist eine Nebenspitze!) markiert. Vorn am Aussen- hügel sitzt ein schwaches Parastyl. Auf der Innenseite der Krone erhebt sich, auf breiter Basis, ein niedriger Innenhügel und gegen das Parastyl zu zieht sich derselbe in einen Vorjochgrat aus, in welchem ein Zwischenhügel angedeutet ist. Das Cingulum ist längs diesem Vorjoch nur skizziert, dagegen. auf Aussen- und Hinterseite gut markiert. Die Krone sitzt, entsprechend der starken Querdehnung ihrer Hinterhälfte und im Gegensatz zu P,, auf drei wohl getrennten Wurzeln. Erst D,, der ganz zum praemolaren Teil des Milchgebisses gehört, folgt im Bauplan den vordern Praemolaren. Er hat zwei Wurzeln und unterscheidet sich von P, nur dadurch, dass er etwas schmächtiger, scharfkantiger, niedriger ist und dass sich seine Längsaxe etwas weniger schräg einstellt. Schon Schlosser und Leche haben festgestellt, dass Adapıs — wie die Artiodactylen und viele Perissodactylen — keinen D, entwickelt.) Dass der an den vorliegenden Belegstücken vor D, stehende Zahn in der Tat P, und nicht D, ist, ergiebt sich aus verschiedenen Umständen des deutlichsten: Seine Krone ist etwas höher als die des D,, die Längsaxe derselben verläuft schräger, ihre Basis ist noch nicht ganz in das Niveau derjenigen von D,—D, gerückt. Die maxillaren Vorderzähne des Milchgebisses liegen mir von Adapis parisiensis nicht vor. Der CD wird sich wohl kaum viel von seinem Homologon bei Adapis magnus (Figur CCLXXII), das weiter unten beschrieben wird, unter- scheiden. An dem Fundstück Q. D. 107 hat sich die Alveole desselben grössten- ‘teils erhalten; sie deutet auf ein Zähnchen von etwas geringern Dimensionen als P.. !) In der 'Obenansicht, Figur GCXLVIII, etwas zu stark angegeben. ®) Dass der Adapisstamm während der eutherischen Phase seiner phyletischen Entwick- lung einen D, besessen hat — wie Leche (p. 148 ]. ce.) anzunehmen scheint — wäre erst nach- zuweisen. Der Fall liegt ähnlich wie bei Artiodactylen (s. oben p. 1151). 1180 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Die Zahl der obern Milchineisiven wird wohl zwei betragen haben, wie die der untern. Es liegen mir 14 Mandibeln von Adapis parisiensis mit Milchbackenzähnen vor, aber nur an sechs derselben ist D, erhalten. D, inf. (Figur COXLIX) unterscheidet sich von M, nur durch seine geringere Höhe und seinen im Verhältnis zur Länge schmälern Umriss. Die Details, ins- besondere die Hinterzacke am vordern Innenhügel, sind ebenso scharf ausgeprägt. Der untere D, (Figur COXLIX und CCL, B) differiert von seinem Nach- folger zunächst gleichfalls durch geringere Breite und Höhe. Er hat, wie immer, ein etwas weniger specielles Gepräge als D, sup., was damit zusammenhängt, dass er ja nur mit seiner hintern Hälfte zu diesem in Antagonie steht, mit der vor- Figur CCXLIX. Adapis parisiensis Bl. var. Fragment der linken Mandibel mit M.—D, und Alveolen von M, und P,. — Phosphorit von Bach (Lot). — Basel Q. W. 11. — /ı. dern dagegen zu D, sup. Immerhin zeigt sich im feinern Detail seiner Structur, das freilich nicht an allen Exemplaren gleich scharf ausgeprägt ist, ein viel deut- licherer Anlauf zur Molarisierung als an P,. Vor allem entwickelt sich aus der hintern Nebenkante des Haupthügels ein feiner, aber oft sehr deutlicher vorderer Innenhügel, dessen Spitze von der des Haupthügels nur um ein weniges überragt wird. Sodann erleidet die hintere Hauptkante in ihrem obern Teil eine Ab- schwächung. Der Talon andererseits erscheint entwickelter als an P,. Der niedrige Talonhügel gewinnt an gut ausgebildeten Exemplaren (Figur CCL, B) die Gestalt eines Halbmonds, dessen Hinterarm in der hintern Innenecke der Krone mit einer kleinen Anschwellung endigt, welche den hintern Innenhügel ankündigt. Endlich biegt sich die Vorderkante des Haupthügels an ihrem Ende etwas nach innen um, wodurch auch das vordere Kronenende etwas mehr Molarenhabitus gewinnt. Die Vorderknospe gliedert sich meistens deutlich aus. Zuweilen kommt es zur Ver- wischung der hintern Aussenkante des Haupthügels. Cingula sind aussen und innen entwickelt. Alles in allem ist die Molarisierung etwas weiter fortgeschritten Adapıs parisiensis, Milchgebiss. 1181 als an den D, inf. derjenigen Perissodactylen, deren D, sup. wir oben (p. 1179) mit dem von Adapis verglichen haben. Ausgesprochene Praemolargestalt zeigt wiederum erst D,. Er unterscheidet sich von semem Nachfolger kaum anders als durch geringere Höhe und Breite und etwa durch deutlichere Markierung einer Vorderknospe. Wie dieser ist er zwei- wurzlig. Im Gegensatz zu P, ist er nicht höher als sein hinterer Nachbar. D, reiht sich auf gleiche Weise an D, an wie P, an P,, doch ist die Coulissenstellung etwas weniger accentuiert. Das Hinterende von D, schiebt sich dagegen nicht innen an das Vorderende von D,. Der untere Milchcanin von Adapis parisiensis ist mir blos an der Mandibel aus dem Pariser Gips, die Gervais unter der Bezeichnung „Aphelotherium Duvernoyi“ abgebildet hat (Figur CCLXXXIV), zu Gesicht gekommen. Er zeigt keine greifbare Abweichung gegenüber dem unten zu beschreibenden CD von Adapis magnus. Seine Alveole, die an mehreren Mandibeln der Basler Sammlung erhalten ist, finde ich immer kleiner als diejenige des P, (Figur CCL, B). Über die Zahl der unteren Milchincisiven liegen Angaben von Schlosser und von Leche vor, welche sich widersprechen. Schlosser versichert es existieren deren drei und beruft sich auf eine Mandibel, an welcher die Alveolen der Ineisiv- region erhalten sind. Er schreibt wörtlich: „Die Zahl der JD ist, trotzdem nur zwei .) im definitiven Gebiss vorhanden sind, doch noch drei, und zwar erscheint der erstere !) aus der Reihe gedrängt, wie bei den meisten Fleischfressern“. Leche dagegen bestreitet dies auf Grund einer Mandibel, an welcher der satt an den Caninen anschliessende JD, und der Stumpf von JD, erhalten sind. Seine Beob- achtungen beziehen sich aber auf A. magnus, der sich, wie er übrigens selbst einräumt, möglicherweise an- ders verhalten könnte als A. parisiensis. Ich habe ebenso wenig als meine Vorgänger Gelegenheit gehabt diese Zähne selbst zu beobachten. Figur CCL. Adapis parisiensis Bl. var. — A D; inf. dext. — Ba- sel Q. W. 14.— B Fragment der vor, welche bis ans Vorderende — von ganz kleinen linken Mandibel mit D,-D; u. Al- veolen von M,, M,, D;, P,, CD, C 3 ; ä Ko 1 JD,, Js, JD,, Jı.— Basel Q.W.9' intact ist (Q. W. 9, Figur CCL, B). Sie trägt D, und _ 1/ı, — Stark vergrössern. — D,, dahinter die Alveole des schon durchgebrochenen Phosphorite des Quercy. M, und die des noch im Keimzustand befindlichen M,. Vor D, folgen zunächst Dagegen liegt auch. mir eine jugendliche Mandibel Defectchen der zarten Alveolarränder abgesehen — !) Lapsus calami? Bei Fleischfressern ist der zweite Incisiv aus der Reihe gedrängt. 2 2] 1182 Stehlin, Eocaene Säugetiere. die zwei Alveolen des D,, dann die weite rundliche des P, und auf diese die des CD. Vor der Alveole des Milchcaninen sind nun noch vier — nicht drei — weitere Löcher sehr deutlich sichtbar. Sie sind paarweise hinter einander geordnet, so dass zwei derselben dem hintern, zwei dem vordern Alveolarrand der Mandibel anliegen. Da es von vorneherein klar ist, dass Adapis nicht vier Milchincisiven, die paarweise hinter einander standen, gehabt haben kann, so liegt die Deutung dieses Befundes auf der Hand: zwei der vier Löcher werden die Alveolen der JD, und JD, sein, zwei die obern Öffnungen der Alveolen von J, und J,. In der Tat müssen an diesem Kiefer, an dem M, und P, im Gebrauch standen, die Keime der Ersatzincisiven schon ziemlich entwickelt gewesen sein, da, wie wir unten noch näher sehen werden, der Durchbruch derselben vor dem Ausfall der Milchbackenzähne erfolgt. Wenn man sich zu einem mechanischen Eingriff entschliessen wollte, so wären zweifellos die Keime im Innern zu finden. Ich nehme an, die hintern Löcher seien auf die Ersatzinceisiven zu beziehen und stütze mich dabei einerseits auf die Verhältnisse an recenten Affenkiefern, welche sich im Incisivenwechsel befinden, andererseits auf die Wahrnehmung, dass auch hinten innen an der Milchcaninalveole des vor- liegenden Adapiskiefers ein ganz kleines Löchchen vorhanden ist, welches nicht wohl etwas anderes sein kann als der Anfang einer Öffnung der Ersatzeaninalveole. Im Gegensatz zu Schlosser gelange ich also zu dem Schlusse, dass Adapis parisiensis im Milchgebiss wie im Ersatzgebiss blos zwei Paare von Mandibularincisiven hatte. Der Befund Schlossers steht damit nicht im Widerspruch, er bedarf nur einer Umdeutung. Eine unten noch zu besprechende Mandibel von Adapis magnus, Q.D.42 der Basler Sammlung, zeigt ganz analoge Verhältnisse, nämlich vor dem Milchcaninen einen Wurzelstumpf und symphysenwärts von diesem zwei Löcher. Aus der Vergleichung mit Q. W. 9 ergiebt sich ohne weiteres, dass der Wurzel- stumpf derjenige des JD,, die beiden Löcher die Alveolen des JD, und des J, sind. J, ist offenbar in der Entwicklung hinter J, etwas im Rückstand, seine Alveole öffnet sich daher etwas später. Die Individuen, von welchen die Mandibel Q. D. 42 und diejenige der Münchner Sammlung herrühren, waren um ein weniges jünger als dasjenige, welchem die Mandibel Q@. W.9 gehört hat. Bei alledem bleibt selbstverständlich eine grosse Wahrscheinlichkeit dafür be- stehen, dass Adapis auf Vorfahren zurückgeht, welche drei Incisiven hatten und dass dieselben diese Einrichtung im Milchgebiss länger festgehalten haben alsim Ersatzgebiss. Adapis parisiensis, Milchgebiss, Zahnwechsel. 1183 Vergleicht man das Milchgebiss von Adapis in Bezug auf die Grenze zwischen molarem und praemolarem Teil der Backenzahnzähne mit demjenigen von Huf- tieren, so zeigt sich sowohl gegenüber Perissodactylen, als gegenüber Artiodactylen eine wesentliche Differenz. Im Oberkiefer der Perissodactylen!) greift der molare Teil von vornherein, d. h. schon im heterodonten Stadium über den D, hinaus in den D, hinein, er umfasst vier wohl ausgebildete Joche und etwas mehr. Bei den Artiodactylen liegt seine Vordergrenze in der Mitte des D,, er umfasst genau drei Joche. Bei Adapis greift er in ganz analoger Weise in den D, hinein, wie bei Perissodaetylen in den D,, er umfasst also zwei Joche und eine Kleinigkeit mehr, d. h. genau zwei Joche oder den Betrag eines ganzen molariformen Zahnes weniger als bei Perissodactylen. Im Unterkiefer umfasst der molare Teil bei primitiven Perissodactylen den zweijochigen D, und den mehr oder weniger dreijochigen D,, also wiederum an- nähernd fünf Joche; bei Artiodactylen den dreijochigen D, ; bei Adapis den zwei- jochigen D, und ein weniges von D,, d. h. wiederum zwei ganze Joche weniger als bei Perissodactylen. Ein Element das in der Complication über die Molaren hinausgeht, wie der untere D, von Artiodactylen und der untere D, primitiver Perissodactylen besitzt das Milchgebiss von Adapis nicht. Die Milchbackenzahnreihe von Adapis ist also nach einem wesentlich anderen Plane angelest als diejenige der Artiodactylen und diejenige der Perissodactylen; der characteristische Zug derselben liegt in der geringeren Ausdehnung des functionell molaren Teiles. Höchst wahrscheinlich gilt dieser Plan für alle Primaten des Kocaens, Zahnwechsel. Der Zahnwechsel ist ein durchaus nicht unwesentlicher Factor in der Organi- sation eines Säugetieres. Es erscheint daher in keiner Weise gerechtfertigt, dass die palaeontologische Litteratur sich sehr oft auch da über denselben ausschweist, wo die Documentation zu einschlägigen Beobachtungen gute Gelegenheit bietet. An die Anordnung desselben bei eocaenen Primaten knüpft sich selbstverständlich ein besonderes Interesse. Das mir vorliegende Belegmaterial gewährt uns folgende ziemlich erschöpfende Auskunft über den Zahnwechsel von Adapis parisiensis, !) Siehe oben pag. 580, 1184 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Diverse der oben zum Studium des Milchgebisses benutzten Kiefer lehren, dass von den Ersatzzähnen zunächst M, und B, — so ziemlich gleichzeitig — durchbrechen und dass diesen, während noch sämtliche Milchzähne in Function stehen, M, folgt. Ein weiteres Stadium der Gebissentwicklung führt uns die unten in anderm Zusammenhang noch zu erwähnende Mandibel aus dem Pariser Gips vor, auf welche Gervais seinerzeit das Genus „Aphelotherium“ (Figur COLXXXIV) begründet hat!). Sie trägt M, nahe dem Durchbruch, M,., M,, D,, D,, D,, P,, CD; die Region der Incisivalveolen gestattet leider keine sicheren Feststellungen. Wichtiger für unseren Zweck ist der schon oben erwähnte zerquetschte Schädel mit Mandibeln in situ, @. W. 1 der Basler Sammlung, der von einem um ein weniges älteren Individuum herrührt als diese Mandibel. Sein Zahnbestand ist unten und oben; M,, M,, M,, D,, D,, D,, P,, Cd, Js, Jı. Über den oberen D, ist infolge von Verletzungen links und rechts der Keim von P, wahrzunehmen. Die Caninen sitzen noch ziemlich tief in den Alveolen; ihre Spitze liegt, wenigstens im Oberkiefer, noch nicht ganz im Niveau derjenigen des P,. Die CD scheinen aber nicht erst postletal ausgefallen zu sein. Dass die vorhandenen Incisiven, — vier oben und vier unten — Ersatzincisiven sind, schliesse ich aus folgenden Umständen: sie gleichen in jeder Hinsicht den Ersatzincisiven anderer Kiefer, während Milchincisiven wohl etwas zarter sein werden; ihre Kronen sind frisch, während diejenigen der Milchincisiven an einem Schädel, dessen M, schon in Function steht, eine deutliche Abnützung zeigen müssten; ihre Wurzeln sind lang und unversehrt, was sie an Milchineisiven, die dem Ausfall nahe stehen, nie sind; endlich müssten — nach dem Caninen und dem P, zu schliessen — wenn wir Milchineisiven vor uns hätten, die Keime der Ersatzincisiven schon ziemlich entwickelt sein und der eine oder andre dieser Keime müsste irgendwo zu Tage treten, da der Kieferknochen in dieser Region oben und unten aufgebrochen und der Situs stark gestört ist. Der Befund an @. W. 1 lehrt uns also, dass nach dem Erscheinen von M, zunächst M,, J, und J, durchbrechen und dass zugleich der Canin zu stossen beginnt. Dass dabei J, vor J, etwas im Vorsprung ist, haben wir schon oben, anlässlich der Er- örterung über die Zahl der Ineisiven, festgestellt. Ob M, mehr mit J, oder mehr mit J, Schritt hält, muss ich dahin gestellt sein lassen. Wahrscheinlich werden bei Adapis, wie es anderwärts der Fall ist, in solch’ untergeordneten Punkten kleine Schwankungen von Individuum zu Individuum vorgekommen sein. !\ Z. et P. fr. Pl. 34, Fig. 12—13. Gervais hat die Milchbackenzähne als Praemolaren miss- deutet. Seine Angabe, dass die Inceisivalveolen auf das Vorhandensein von drei Ineisiven jederseits hinweisen, ist unzutreffend, Adapis parisiensis, Zahnwechsel. 1185 Um die weitern Vorgänge zu verfolgen, müssen wir einen Kiefer von Adapis magnus zu Hilfe nehmen, was mir, so weit es sich um die Backenzähne handelt, durchaus unverfänglich scheint. Wie bemerkt ist an @. W. 1 über dem oberen D, der wohlausgebildete Keim von P, zu sehen. Das Maxillarfragment Q. D. 3 von Adapis magnus lehrt, dass P, sup. mit P, sup. gleichen Schritt hält. Es ist hinter M, abgebrochen und zeigt die in Gebrauch stehenden M,—M, und die gerade im Durchbruch begriffenen P,—P,. D, und D, sind sehr wahrscheinlich erst postletal ausgefallen. Vor P, sind die völlig intacten Alveolen des D, zu sehen, der offenbar noch festsass. Durch einen Eingriff in die Wangenfläche konnte ich mich überzeugen, dass der Keim von P,, noch völlig in seiner Alveole eingeschlossen, bedeutend höher oben liest als diejenigen von P, und P,. Dass die untern Praemolaren gleichzeitig mit ihren Antagonisten in Funktion traten, kann ich nicht direct nachweisen; es ist aber a priori mehr als wahrscheinlich. Das nächste Ereignis nach dem Durchbruch von M,, J, und J, ist also der Ersatz von D, und D, durch P, und P,. Als letztes Element des Milchgebisses bleiben die D, übrig. Doch scheint ihr Ersatz durch P,, wenigstens bei männ- lichen Individuen, sich zu vollziehen bevor der Canin völlig in seine definitive Stellung eingerückt ist, denn an dem Schädel Montauban 4, an welchem — nach den Alveolen zu schliessen — auch P, in Function gestanden hat, befindet sich die Kronenbasis der Caninen noch immer nicht ganz im Niveau des inneren Alveolarrandes. Der Modus nach welchem der Zahnwechsel erfolgt. ist also bei Adapis parisiensis folgender: 1. M, und P,; 2. M,; 3. M,, Ersatz von JD, und JD, durch J; und J,, wobei J, vor J, etwas im Vorsprung ist; CD fällt aus und der Ersatz- canin beginnt zu stossen; 4. Ersatz von D, —D, durch P,—P;; 5. Ersatz von D, durch P,: der Canin rückt in seine definitive Stellung ein, wohl beim Weibchen etwas früher als beim Männchen. Materialien, welche Aufschluss darüber geben in welcher Reihenfolge die Milchzähne durchbrechen, liegen mir nicht vor; vermutlich ist es dieselbe in der sie ausfallen, nämlich: JD und CD; D, und D,; D,. Die ermittelte Ordnung der Durchbruchszeiten ist wahrscheinlich in einem Punkte nicht mehr ganz die primitive: die späte Beendigung des Durchbruches, die wir beim männlichen Öaninen beobachten, wird wohl eine Neuerung sein, welche mit der Erstarkung dieses Zahnes in Correlation steht. Ich schliesse dies aus dem Umstande, dass der Canin von Adapis magnus, welcher noch beträchtlich mehr verstärkt ist als der männliche von Adapis parisiensis, auch noch später 1186 Stehlin, Eocaene Säugetiere. als dieser in seine definitive Stellung einrückt. An dem bereits erwähnten Maxillar- fragment Q. D. 42 von Adapis magnus ist der Canin nämlich noch mehr im Rück- stande als an dem Schädel @. W. 1 von Adapis parisiensis, obwohl die Vorgänge in der Backenzahnreihe an demselben um einen kleinen Schritt weiter gediehen sind als an diesem; die Caninspitze reicht erst bis ins Niveau des Alveolarrandes und ausserhalb derselben steht die Alveole weit offen, als hätte dort noch die Wurzel des Milchcaninen gesteckt. In allen übrigen Beziehungen dürften dagegen die Verhältnisse bei Adapis noch den ursprünglichen entsprechen; sie können uns daher als ein Maasstab dienen, nach dem sich beurteilen lässt, was in der Zahnwechselord- nung der recenten Primaten primitiv und was secundär ist. Für die neuweltlichen Affen hat unlängst Bluntschli'), auf Grund aus- gedehnter Materialien. die Reihenfolge: M,; M,, J, und J,; PR—P,; M,; C an- gegeben. Für die altweltlichen Affen stellt Weber?) das Schema: M,; J,; Js; M,; C; P,; P,; M, auf, beifügend, dass bei den Anthropomorphen der Wechsel des Caninen weiter hinausgeschoben ist. Nach meinen eigenen Beobachtungen kann ich diese Angaben bestätigen mit dem Vorbehalt, dass bei schwachbewehrten Neuweltaffen (Cebus) der Canin wenigstens gelegentlich früher durchbricht als Bluntschli angiebt und dass umgekehrt bei stark bewehrten niedrigen Affen der alten Welt der Caninwechsel gar nicht selten später beginnt als nach dem Weber'schen Schema und namentlich oft erst sehr spät perfect wird. Für den Menschen gilt bekanntlich die Reihenfolge: M,; J,; Js; C; P, und P,; M,; M,. Alle drei Schemata weichen, wie man sieht, ganz erheblich von dem für Adapis ermittelten ab. Allen dreien gemeinsam ist die Hinausschiebung des Durchbruches von M, gegenüber dem Wechsel der vordern Backenzähne. Beim Menschen ist ferner auch der M, sehr deutlich retardiert. Die Entwicklung des Caninen hat sich — im Grossen und Ganzen, wenn auch nicht genau — nach Maassgabe seiner Verstärkung verzögert, wesshalb der Mensch in diesem Punkte der ursprünglichen Ordnung treuer geblieben ist als andre Formen. Bemerkenswert ist endlich auch, dass sich der bei Adapis beobachtete Unterschied im Verhalten von P, einerseits und P,—P, andererseits bei den Neuweltaffen — die in dieser Beziehung allein noch mit ihm vergleichbar sind — verwischt hat. Da weder beim Menschen noch bei Affen das Milchgebiss in evidenter Rückbildung begriffen ist (wie etwa ‘) H. Bluntschli, Das Platyrhinengebiss und die Bolk’sche Hypothese von der Stammes- geschichte des Primatengebisses. Verhandl. der Anat. Ges. 1911. 2) M. Weber, Die Säugetiere 1904, p. 794, 802, S10. Adapis parisiensis, Zahnwechsel. 1187 bei Chiromys), so haben wir es bei dem vergleichsweise verspäteten Durchbruch von M,, M, und € offenbar wirklich mit einer Retardierung dieser letztern und nicht etwa mit einem frühzeitigern Durchbruch der Praemolaren infolge kürzerer Functionsdauer der Milchbackenzähne zu tun. Höchst wahrscheinlich steht diese Veränderung mit einem spätern Eintritt der Geschlechtsreife und mit langsamerer Entwicklung überhaupt in Correlation. Viel nähere Analogien zu Adapis finden sich bei den recenten Halbaffen. Leider existiert — meines Wissens wenigstens — noch keine umfassendere Zu- sammenstellung über die Zahnwechselverhältnisse in dieser Gruppe. Da das Material der hiesigen Sammlung fast gar keine Gelegenheit zu einschlägigen Beobachtungen bietet, so muss ich mich mit einigen wenigen Nachweisen aus der Litteratur begnügen. In seiner Figur 14, p. 139 1. ce. bildet Leche einen Oberkiefer von Lepidolemur mustelinus ab, der M, M, M, D, D, D, CD JD trägt. Dieser Zahnbestand, der bei Affen nie beobachtet wird, ist genau derjenige, den die obenerwähnte Adapis- mandibel aus dem Pariser Gips zeigt. Die übrigen Lemuriden werden sich wohl analog wie Lepidolemur verhalten und es scheint demgemäss, dass diese Gruppe das Schema von Adapis in Bezug auf M, bis auf den heutigen Tag festgehalten hat.') Nach einer Figur bei de Blainville (G. Lemur Pl. XI) gilt diess offenbar ‚auch für Loris. Dagegen hat es den Anschein, dass die P, der recenten Halb- affen, die ja — wenigstens im Unterkiefer — eine wesentlich andere Function haben als ihre Homologa bei Adapis, sich in Bezug auf die Durchbruchszeit mehr dem Caninen anschliessen. Darauf weist für Loris die eben citierte Figur bei Blainville und für Chirogaleus ein von Major?) mitgeteilter Befund. Nach einer Beobachtung von Leche ist bei Chirogaleus auch D, vor den andern D im Vorsprung. Wenn bei den Indrisinae, wie Mivart angiebt, die P vor M, durchbrechen, so dürfte sich diess daraus erklären, dass in dieser Gruppe die Functionsdauer der sehr kleinen Milchbackenzähne secundär reduciert ist. Höchst abgeleitete Verhält- nisse zeigt selbstverständiich Chiromys, über dessen Zahnwechsel wir durch Peters’) genau informiert sind. Es wäre endlich von grossem Interesse, Vergleiche zwischen der Zahn- wechselordnung von Adapis und derjenigen eocaener Huftiere anzustellen. Leider !) Vergl. hiezu St. G. Mivart, Notes on the erania and dentition of the Lemuridae. — Proc. Zool. Soc. 1864, p. 633. 2) C. J. F. Major, Über die madagassischen Lemuridengattungen Mierocebus, Opolemur und Chirogale. — Novitates Zoologicae 1894, p. 24. 3) W. Peters, Über die Säugetiergattung Chiromys. — Abh. K. Akad. der W. Berlin, 1866. 1188 Stehlin, Eocaene Säugetiere, ist mir diess zur Stunde nicht möglich, da die mir vorliegenden Daten über den Wechsel des Vordergebisses dieser letztern noch gar zu dürftig sind. Ich muss mich mit dem Hinweis begnügen, dass auch bei eocaenen Artiodactylen M, relativ früher durchbricht als bei ihren recenten Verwandten, was sich sehr deutlich aus der Häufigkeit von Kiefern, an welchen dieser Zahn neben den Milchbackenzähnen in Function steht, ergiebt. Schädel. Unsere bisherige Kenntnis des Schädels von Adapis parisiensis s. 1. basiert auf folgenden sechs Documenten: 1. Typusschädel von „Palaeolemur Betillei Delfortrie“ im Museum von Bordeaux; verschiedentlich beschädigt. In diversen Ansichten abgebildet bei Delfortrie 1873 1. e., P. Gervais 1873 1. e., Filhol 1874 und 1877 1. e., P. Gervais 1876 1. c., Gaudry 1878 ]. c. (hier mit unrichtiger linearer Ergänzung des rechten Jochbogens). Alle diese Figuren, von denen die Gervais’schen den zuverlässigsten Eindruck machen, lassen in Beziehung auf Wiedergabe der feinern Details zu wünschen übrig, gleich wie auch der weitverbreitete bemalte Gipsabguss, von dem die Basler Sammlung ein Exemplar besitzt. Leider habe ich das Original nur flüchtig untersuchen können. 2. Schädel der Sammlung Filhol, jetzt wahrscheinlich im Besitz des Museum d’histoire naturelle zu Paris. Abgebildet von Filhol 1883 1. c., im Profil, von hinten, von unten und von oben. In allen Ansichten sind die fehlenden Joch- bogen nach dem Vorbild von Lemur — d.h. durchaus unrichtig — ergänzt, ohne dass dies durch andere Tönung angedeutet oder im Text erwähnt wird.!) Ob noch andre Teile ergänzt sind, weiss ich nicht, da ich das Original nicht gesehen habe. 3. Schädel der Münchner Sammlung, im folgenden als „München II“ bezeichnet. In Oben- und Profilansicht abgebildet bei v. Zittel, Handbuch Fig. 573. Dieses Fundstück ist mir von Herrn Prof. Schlosser zur Untersuchung anvertraut worden. Die eigentlichen Defecte sind nicht gross, sie betreffen die Pterygoidal- partie, den hintern Teil des Sagittalkammes, links den Jochhogen von der Orbita bis zum Processus postglenoidalis, rechts die Bulla, das Mastoid und den Processus postglenoidalis; aber durch Quetschung von oben nach unten ist die Gesamt- form entstellt und insbesondere die Gehirnschädelbasis so zerdrückt worden, dass !) Filhols Abbildungen dieses Schädels sind in diverse Hand- und Lehrbücher übergegangen; es ist hohe Zeit, dass sie aus denselben verschwinden. Adapis parisiensis, Schädel. 1189 sie sich wenig zum Studium eignet. An den Occipitalcondylen sitzt, etwas aus dem Situs gerückt, der stark beschädigte Atlas. Zittels Figuren, die den Schädel in der Gestalt, wie er vorliegt, wiedergeben, sind mit Vorsicht zu benützen. 4. Schädel M 1345 der Sammlung des britischen Museums. Der Gesichtsschädel desselben, vorn defect, ist in der Ansicht von links oben wieder- gegeben bei Major |. c. 1901, Fig. 30, p. 134. Wie der folgende mir nicht aus eigener Anschauung bekannt. 5. Schädel der Pariser Sammlung, am Vorderende und am Sagittal- kamm beschädigt; in Profilansicht abgebildet bei Grandidier 1905 1. c. 6. Weiterer Schädel der Münchner Sammlung, im folgenden als „München I‘ bezeichnet. Die Untenansicht des Gehirnschädels ist von Schlosser 1907 1. c. in Figur 7, Tafel X wiedergegeben worden. Auch dieses Document habe ich dank freundlichem Entgegenkommen von Herrn Professor Schlosser einlässlich unter- suchen können. Es ist bedeutend unvollständiger als die obigen. Vom Gesichts- schädel liest blos ein Stück des linken Oberkiefers mit M,— P,, dem Unterrand der Orbita und der Jochbogenpartie vor; am Gehirnschädel fehlt, von einigen kleinern Defecten abgesehen, die grössere vordere Hälfte des Daches; beide Frag- mente berühren sich blos im linken Jochbogen. Gleichwohl ist mir gerade dieser Schädel von grösstem Werte gewesen. Was davon vorliegt ist tadellos erhalten und durch keinerlei Quetschung entstellt. Der Knochen hat eine harte glasige Beschaffenheit angenommen. Die Einbettungsmasse war ein weicher Bolus, der sich ohne die geringste Schwierigkeit entfernen liess. Auf diesen Schädel München I beziehen sich unsere Figuren COLII, CCLV, GOLVII, CCLXIL CCLX. Ausser den sub 3 und 6 aufgeführten Schädeln habe ich nun bei meiner Untersuchung noch folgende inedite Materialien benutzen können: 7. Schädel „Montauban 4°. Es fehlt an demselben die Intermaxillar- partie des Oberkiefers, jederseits ein Stück im hintern Orbitalrand, linkerseits der hintere Teil des Jochbogens, die ganze otische Partie mit Einschluss des Exocci- pitale und eines Teiles des Basioceipitale. Auch der rechte Occipitalcondylus, sowie die Pterygoidpartie sind beschädigt und von den Maxillarzähnen sind P,—P, dext. und sin. ausgefallen, © dext. abgebrochen. Was vorhanden, ist dagegen vorzüglich erhalten und, von ganz kleinen Verschiebungen an einigen Suturen abgesehen, in keiner Weise entstellt. Nur ist die Umhüllungsmasse, zumal in den Vertiefungen, ausserordentlich hart, so dass sich einige interessante Details blos unvollständig oder gar nicht herauspraeparieren liessen. Der durch den Defect links hinten ge- A 1190 Stehlin, Eocaene Säugetiere. währte Einblick in die Gehirnhöhle ist von keinem Nutzen, da die Wände der- selben von einer dicken Phosphatschicht überzogen sind. Auf diesen Schädel be- ziehen sich unsere Figuren CCLI, CCLIV, CCLVII, CCLIN. S. Schädel „Montauban 7°. Es fehlt, von kleinern Defecten abgesehen, der Hinterrand der rechten Orbita, der Unter- und Hinterrand der linken Orbita und ein grosses Stück der Gehirnkapselwand, umfassend das linke Parietale und Squamosum, sowie die anstossenden Teile des linken Alisphenoids, der linken Bulla, des linken Exoceipitale, des Supraoccipitale, des rechten Parietale mitsammt dem Sagittalkamm. Der Schädel hat eine Quetschung von oben nach unten erlitten, die zwar seine Gesamtform nicht wesentlich entstellt, aber viele Sprünge und kleine Verschiebungen längs Sprüngen und Suturen erzeugt hat. Infolgedessen musste von der Praeparation mancher Details, insbesondre von einer Ausräumung der Gehirnhöhle abgesehen werden. Vorzüglich und besser erhalten als an allen obigen Stücken sind der, von der vollständigen und nur schwach angebrauchten Zahn- reihe umgebene, Gaumen und die Pterygoidpartie. Figur CCXLIV, CCLIH, CCLVI. 9. Schädel „Montauban S“. Viel unvollständiger. als die vorigen. Die Schnauze vor den Orbiten, das Occiput und die Gehirnschädelbasis (mit Einschluss der otischen Knochen) bis ans Praesphenoid, der rechte Jochbogen und der grösste Teil der rechten Orbita, der mittlere Teil des linken Jochbogens sind weggebrochen, von den Zähnen sind blos M,‚—M, sin. und M,— M, dext. erhalten. Die erhaltene Schädelpartie hat keine Entstellung erlitten. Die Umhüllungsmasse ist hart und schwer zu entfernen. Ich habe dieses Fundstück, auf das wir bei Erörterung der Varietäten zu sprechen kommen werden, nicht abgebildet. 10. Schädel „Basel Q W. 1°, mit Mandibel in situ, durch seitlichen Druck gänzlich plattgequetscht und in craniologischer Hinsicht nur zur Feststel- lung einiger Details verwertbar. Von der noch halb aus Milchzähnen bestehenden Bezahnung ist oben bei Erörterung des Zahnwechsels die Rede gewesen. Ausserdem befinden sich in der Basler Sammlung noch ein durch Quetschung etwas entstellter Gesichtsschädel mit Orbiten und Stirnfacette — Q. D. 102 — und einige wenig sagende Fragmente eines weitern Schädels — Q. D. 84. — ‘Zwei fernere Schädel, die ich aber nur flüchtig habe besichtigen können, befinden sich in der Sammlung der Faculte des sciences in Marseille, diverse noch inedite eraniologische Materialien ferner im Museum d’histoire naturelle zu Paris, im Museum zu Kopenhagen (Winge 1. ce. p. 37) und, wenn ich nicht irre, in der Rosenberg’schen Sammlung in Dorpat. Im ganzen mögen etwa 20 Schädel von Adapis parisiensis s, ]. aus den Phosphoriten in die Sammlungen gelangt sein, Adapis parisiensis, Schädel. 1191 Der Schädel von Adapis parisiensis hat im ganzen gerade so viel vom Typus der Halbaffen an sich, dass man eher versucht ist ihn mit diesen als mit andern, benachbarten Säugetiergruppen in Beziehung zu bringen. In allgemein- physiognomischer Hinsicht klingt er indessen an keine der recenten Halbaffen- formen besonders stark an. Vielmehr besitzt er seinen besondern Stempel, der in erster Linie durch die relativ geringe Ausdehnung der Gehirnkapsel, dann aber auch durch die Stärke der Jochbogen und durch die relative Kleinheit der Orbiten bedingt ist. Die geringe Ausdehnung der Gehirnkapsel hat einerseits eine starke Einschnürung hinter den Orbiten zur Folge, andererseits die Entwicklung eines starken Sagittalkammes zu Gunsten der Temporalmuskeln, welche an der Gehirn- kapselwand keine genügende Ansatzfläche finden; und mit der Entwicklung des Temporalkammes steht dann wiederum die Ausbildung einer grubigen viereckigen Stirnfacette in Zusammenhang. Dieser Complex physiognomisch auffälliger Eigen- tümlichkeiten kehrt bei keiner der recenten Formen wieder. Nur für die ein- zelnen Componenten desselben finden sich da und dort Analogien. So haben die Temporalcristen bei Lepidolemur, bei gewissen Arten des Genus Lemur, bei Nycticebus eine Tendenz sich zu einer Sagittalerista zu vereinigen und bei Oto- lemur kommt sogar eine solche zu Stande. Aber keine dieser Formen bringt es zu einem so starken Kamm und zu einer so scharf ausgebildeten grubigen Stirnfacette wie sie bei Adapis vorliegen. Einen gewissen Grad von Einschnürung hinter den Orbiten beobachtet man bei Nycticebus, Otolemur, Chirogaleus u. s. f., aber nirgends ist die- selbe so accentuiert wie bei Adapis, weil nirgends die Gehirnkapsel relativ so klein ist. In der Ausbildung des Jochbogens stehen die Indrisinae, speciell Indris, Adapis nicht allzuferne; aber bei letzterem ist derselbe bei ähnlicher Höhe doch wesentlich mas- siver; auch springt er mehr vor. Die Orbiten endlich sind bei allen recenten Formen, die grössten nicht ausgenommen, relativ bedeutend umfangreicher als bei Adapis. Der Gesichtschädel ist mässig gedehnt und erinnert insofern mehr an Indris oder Lepidolemur als an Lemur. Die stark vorspringenden Jochbogen fallen steiler als bei letzterm gegen die Maxillarfläche ein. Die Ebene des Orbitalrandes steht etwas schiefer als bei Lemur, so dass die Öffnung zwar wie dort nach vorn aussen, aber zugleich etwas mehr nach oben schaut. Die Schnauze verjüngt sich bis zu den Eckzähnen nur mässig und schliesst dann in ogivalem Bogen ab. Das Riechrohr hat einen schmalen Rücken; sein Profilcontour senkt sich von den Orbiten weg gegen die Nasenöffnung ähnlich wie bei Lemur, Lepidolemur ete. in gerader oder nur schwach convexer Linie. Das Lumen der vordern Nasenöffnung ist ziem- lich gering und nur unbedeutend höher als breit. 1192 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Die Intermaxillen spielen im Aufbau des Gesichtsschädels eine grössere Rolle als bei den recenten Halbaffen, wo sie im Zusammenhang mit der Reduction der Incisiven verkümmert sind.') Nur Indris, bei dem diese Reduction sich wenig geltend macht, zeigt in dieser Partie einige Analogie zu Adapis. Der schräg an- steigende Vorderrand des facialen Astes ist etwas concav gestaltet, die Maxillar- Figur CCLI. Adapis parisiensis Bl, var. Bruni n. var. — Schädel Montauban 4, Reconstruction der Frontalansicht — °/2. — V.c. Venenemissar in der Squamoso-parietalsutur. — P. gl. Processus postglenoidalis. — Al. Alisphenoid, einen Teil der Kante in der Verlängerung des Gelenk- flächenrandes bildend. — Fr. Frontale. — Pt. Pterygoidalwand. — F. m. Foramina malaria. — F. 1. Foramen laerymale. — F. i. Foramen infraorbitale. — Gr. Grube vor der Orbita. . sutur desselben beschreibt eine ähnliche, aber nicht ganz identische Curve; der Nasalfortsatz keilt sich ziemlich weit zwischen Maxillare und Nasale ein und !) Von dem in dieser Beziehung völlig aberranten Chiromys abgesehen. Se: I; .tr3r R Adapis parisiensis, Schädel. 1193 nähert sich dem Vorderende des Frontale mehr als bei recenten Formen, ohne es indessen zu einer Berührung mit demselben zu bringen. Das faciale Maxillare hat infolgedessen eine relativ kurze Berührung Figur CCLO. Adapis pariensis Bl., var. Schlosseri n. var. — Schädel München I. Reconstruction der Stirnansicht. — °/e. mit dem Nasale, tritt aber andererseits, bei der starken Reduction des Lacrymale, ausgiehiger als bei recenten Formen mit dem Frontale in Contact; sein oberer 1194 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Teil biegt sich stark medialwärts. Das Foramen infraorbitale ist gewöhnlich doppelt; die grössere vordere Öffnung pflegt über der Grenze von P, und P, oder über PB; zu liegen. Gelegentlich geht die Auflösung noch weiter; an dem Schädel Montauban 7 sind rechterseits hinter der, hier etwas weiter als sonst nach vorn geschobenen, Hauptöffnung drei weitere festzustellen. Der vorderste Punkt des Orbitalrandes liegt über P,. Der Jugalprocess erhebt sich auf weitausgreifender Basis, die ihr Hinterende über M,, ihr Vorderende in der Gegend der Foramina infraorbitalia erreicht. Die Nasalien sind schmal wie bei Lemur, im grössten Teil ihrer Er- streckung parallelrandig, transversal mässig gewölbt, in der Längsrichtung an Montauban 7 etwas convex, an Montauban 4 fast ganz gerade. Ihre Wurzel zieht sich in eine Spitze aus, die wenig seitwärts von der Mittellinie des Schädels liegt. Auf der Grenze von Frontale und Maxillare entwickeln sie eine vorspringende Ecke. Ihr Vorderende, das mir an keinem der untersuchten Schädel intact vor- liegt, scheint quer abgestutzt und um ein unbedeutendes verbreitert zu sein; den Vorderrand der Intermaxilla scheint es nicht zu überragen. Die Frontalien sind auffallend klein und nur in äusserst geringem Maase an der Umhüllung des Grosshirns beteiligt. Die Coronalsutur nimmt einen etwas unregelmässigen Verlauf, indem sich die Parietalien — an Montauban 7 freilich nur in einem schmalen, oberflächlichen Streifen — längs den Temporaleristen weiter nach vorn drängen, als auf dem Scheitel und auf den Seitenflächen der Ge- hirnkapsel. Der Stirnteil der Frontalien bildet, zwischen den aufgeschlagenen Orbital- und Temporalrändern, die für Adapis so charäcteristische concave Facette, welche mit ihren seitlichen Ecken in die Processus postorbitales, mit ihrer Hinter- ecke in den Sagittalkamm ausläuft und nach vorn zu, mehr geöffnet, vermittelst einer Anschwellung in den Nasenrücken übergeht. Die Sagittalsutur ist an Montauban 7 noch bis an die Coronalsutur offen, an Montauban 4 dagegen in ihrem hintern Teil verwachsen. Der am Vorderende des Gehirnkapseldaches partieci- pierende Teil der Frontalien ist stark verdickt (7 mm an Basel Q.D. S4), aber nicht sinös. Der scharfe Oberrand der Orbita zeigt etwas vor der Mitte eine In- eisur, die sich an Montauban 4 nur schwach markiert, an Montauban 7 dagegen sehr stark ausgebildet ist. Gegen die Berührung mit dem Maxillare hin verflacht er sich ziemlich abrupt zu einer vagen Anschwellung, welche in den Vorderrand überleitet. Im Bereich dieser Anschwellung sitzt an dem Schädel Montauban 7 satt über dem Foramen lacrymale ein Knötchen, das an Montauban 4 fehlt. Die zunächst etwas über die Stirnfläche ansteigenden und dann zur Verbindung mit Adapis parisiensis, Schädel. 1195 dem Jugale abwärts biegenden Processus postorbitales sind kräftig und haben an der Wurzel einen dreieckigen Querschnitt. Das Jugale erinnert, wie bemerkt, in seinen Contouren an dasjenige von Indris, ist aber noch robuster und dicker. Es sieht also demjenigen von Lemur, das durch grosse Gracilität aus- gezeichnet ist, sehr unähnlich. Sein Unterrand und der untere Teil sei- ner Aussenfläche sind rauh be- schaffen, zum Ansatz des Masseter; der erstere verbreitert sich nach vorn zu und geht in einen mäch- tigen, nach unten bis ins Niveau des Alveolarrandes und manchmal (München 2, Montauban 7) darüber hinaus vorspringenden Masseter- höcker über, an dessen Bildung der Processus jugalıs des Maxil- lare mitbeteiligt ist. Hinten reicht das Jugale wie bei Propithecus bis über den Vorderrand der Ge- lenkfläche hinaus. Sein Processus postorbitalis verbindet sich, wie bei allen Primaten, mit demjenigen des Frontale. Die Naht zwischen den beiden Processus postorbitales habe ich an keinem der vorlie- genden Schädel feststellen können, da die Partie an allen verletzt ist.!) Es sind zwei Foramina ma- larıa vorhanden, eines etwa unter der Mitte der Orbita und in 2 bis 3 mm Abstand von deren Rand, ein zweites im Bereich des Pro- Figur CCLIII. Adapis parisiensisBl, var. cfr. Schlosseri. — Schädel Montauban 7, Reconstruction der Frontalansicht. — ®/2.. — V.e. Venenemissar in der Parieto-Squamosalsutur. — Pt. Pterygoidalwand. — Fr. Frontale. — Al. Alisphenoid. — F.1. Foramen lacrymale. cessus postorbitalis, satt am hintern Orbitalrand, zuweilen (München I und Mont- auban 4) blos als Incisur entwickelt. !) s, Major 1. c. 1901, Fig. 30. 1196 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Die eigentümliche und unerwartete Ausbildung der Lacrymalpartie von Adapis ist durch Forsyth Major in seiner ausgezeichneten Studie über die Orbital- region der Primaten (1901 1. c. p. 134) einlässlich erörtert worden. Während das Lacrymale bei den madagassischen Halbaffen einen ansehnlichen Anteil an der Bildung der Gesichtsfläche nimmt, ist es hier von derselben ausgeschlossen. Der vordere Orbitalrand zwischen der vorhin erwähnten, noch auf frontalem Gebiet befindlichen, vagen Anschwellung und dem Vorderende des Jugale wird ausschliess- lich vom Maxillare geliefert und das Foramen lacrymale liegt unmittelbar hinter demselben, so dass also die crista anterior, die es nach vorn begrenzt, zugleich ein Stück des maxillaren Orbitalrandes darstellt. Erst die obtuse, kaum als crista posterior zu bezeichnende, hintere Umgrenzung des Foramens liegt auf lacrymalem Gebiet. In der vordern innern Orbitalwand besitzt das Lacrymale nach Majors Ermittlungen eine nicht unbeträchtliche Ausdehnung. An den mir zur Verfügung stehenden Schädeln des Adapis parisiensis lässt sich nicht die ganze Umgrenzung des Knochens feststellen; wir werden dieselbe unten, bei Adapis magnus, kennen lernen. Auch über die Frage, ob bei Adapis parisiensis ein os planum existiert, bin ich nicht in der Lage Feststellungen zu machen. Nach Figur und Beschreibung von Major schiebt sich am Londoner Schädel auf der Medialseite des Tränenloches zwischen Laerymale und Maxillare ein schmaler Fortsatz des Frontale ein, während andererseits das Jugale nicht ganz bis an das Frontale reicht, sondern durch eine kleine Strecke maxillaren Orbital- randes von demselben getrennt bleibt. Der Schädel Montauban 4 verhält sich in Figur CCLIV. Adapis parisiensisBl., var. Bruni n. var. — SchädelMontauban 4, Profilansicht. — ®/a. — F. o. Foramen ovale. — P. gl. Processus postglenoidalis. — B. Bulla mit Gehöröffnung und rauhem Vorsprung unter derselben. — M. Mastoid. — C. o. Con- dylus oceipitalis. Adapis parisiensis, Schädel. 1197 Figur CCLV. Adapis parisiensis Bl, var. Schlosseri n. var. — Schädel München I. Reconstruction der Profilansicht. — ®/s.. — F.1. Foramen lacrymale. — F. m. Foramina malaria. — S. Sutur zwischen Maxillare und Palatinum. — .'F. r. Foramen rotundum. — F. a. Foramen pterygospinosum (mit Durchblick in das Foramen ovale). — P. gl. Processus postglenoidalis. — F. pg. Foramen postglenoidale. — Au. Ohröffnung. — M. Mastoid. — F. c. Foramen condylare. — C. Gondylus oceipitalis. Figur CCLVI. Adapis parisiensis Bl., var. .cfr. Schlosserj. — Schädel Montauban 7, Reconstruction der Profilansicht (Gonturen von Sagittalkamm und Oceiput frei ergänzt). — °/2. — F. 1. Foramen lacrymale. — Pa. Palatinum. — Al. Pterygoidal- fortsatz des Alisphenoids. — V. Stelle, wo sich die Bulla mit dem alisphenoidalen Teil der Pterygoidalwand verbindet. — F. gl. Fossa glenoidalis. — P. gl. Processus postglenoi- dalis. — Au. Ohröffnung. — B. Bulla. — C. Condylus oceipitalis. — M. Mastoid. 1198 Stehlin, Eocaene Säugetiere. diesen beiden Punkten abweichend. Das Jugale, das beiderseits, aber nur sehr wenig, verschoben ist, hat offenbar ganz bis an das Foramen gereicht und die laterale Umgrenzung desselben gebildet, wie an dem unten zu besprechenden Schädel von Adapis magnus; der erwähnte Fortsatz des Frontale andererseits ist nicht entwickelt. An Montauban 7 (Figur CCLIII) dagegen, wo freilich die ganze Schädelpartie viel mehr entstellt ist, liegt das Jugalende so weit hinten, dass es Foramen und Os lacrymale nicht ganz erreicht haben kann.!) Vor dem Foramen lacrymale liegt in der Gesichtstläche eine seichte Grube (Gr., Figur CCLI). Ich vermute, sie habe einem Bündel von Muskelfasern zum Ansatz ge- dient, welches — ohne dass eine Grube entwickelt wäre — bei Lemur in dieser Gegend entspringt und nach rückwärts zum Orbicularis palpebrarum zieht. Der Verlauf der Suturen im Hintergrund der Orbita ist an den mir vor- liegenden Belegstücken von A. parisiensis, infolge von Incrustationen (Montauban 4) oder von Verletzungen nicht wohl festzustellen. Er wird sich ähnlich verhalten wie bei A. magnus (s. unten). Die Gehirnkapsel scheint sich, von oben betrachtet, infolge der Pneu- matisierung des Mastoids, bis ans Occiput zu erweitern; tatsächlich ist sie im Gebiet des Kleinhirns beträchtlich verengert. Ihre Basis steht nahezu parallel mit der Gaumenfläche. Der durch den Sagittalkamm gelieferte Profilcontour des Gehirnschädels beschreibt von der frontalen Depression nach dem Occiput einen stark convexen Bogen. Das letztere ist durch eine, hinten ob der Öhröffnung beginnende, zuerst auf der Grenze von Squamosum und Mastoid, dann flügelartig verstärkt auf der- jenigen von Parietale und Supraoccipitale verlaufende Kante scharf gegen das Schädeldach abgetrennt und hängt beträchtlich nach hinten über. Die Ebene des Foramen magnum bildet mit derjenigen der Gehirnschädelbasis einen noch etwas stärkern Winkel wie bei Lemur. Weitaus der grösste Teil des Gehirnschädeldaches wird von den Parietalien gebildet, die überdiess insofern auch seitlich weiter ausgreifen wie bei Lemur, als ihre Aliısphenoidgrenze im Niveau der Gelenkfläche verläuft. Ob in der Jugend ein Interparietale zur Entwicklung gelangt, habe ich nicht feststellen können. Auf der Sagittalnaht erhebt sich der mächtige Muskelkamm, der, wie bemerkt, !) Schlosser (p. 206 1. ec.) bemerkt, das Vorderende des orbitalen Jugale sei zu „einem förm- lichen Knopf“ angeschwollen. Ich kann an keinem der mir vorliegenden Schädel eine solche An- schwellung bemerken. Dass die Partie an München II etwas mehr vorspringt als an andern Schädeln, scheint mir lediglich an einer Verschiebung zu liegen. Adapis parisiensis, Schädel. 1199 immer viel stärker ist als bei den wenigen recenten Halbaffen, die es zu einem solchen bringen, aber innerhalb der Gruppe noch sehr bedeutende Stärkendifferenzen zeigt, auf die wir unten, bei Erörterung der Varietätenfrage, zu sprechen kommen werden. Das Squamosum hat auf. der Schläfenfläche eine relativ grössere Ausdehnung als bei Lemur und Indris; im Oceipitalrand reicht es mehr als halbwegs die Strecke zwi- schen Ohröffnung und Sagit- talkamm scheitelwärts. Aufder Squamosoparietalgrenze öffnet sich unweit ihrem Hinterende ein ansehnliches Venenemis- Figur CCLVII. Adapis parisiensis Bl., var. Bruni n. var. — Schädel Montauban 4, Reconstruction der Hinten- mehrere Öffnungen auflöst. Der ansicht (der Umfang der Defecte auf der linken Seite ist aus Figur GCLI und CCLIX zu ersehen). °/2.. — P. gl. Processus postelenoidalis. — Au, Ohröffnune. — M. Mastoid.— B. Bulla. sarıum, das sich zuweilen in Jugalfortsatz ist, wie der vor- dere Teil des Jochbogens, dem- — T. h. Grube für das Tympanohyale. — F. p. Foramen post- jenigen von Indris vergleich- 2lenoidale. — J. Jugale. Figur CCLYIII. Adapis parisiensis Bl., var. Schlosserin. var. — Schädel München I, Reconstruction der Oceipitalansicht. °/.. — Sq. Squamosum. — J. Jugale. — P. gl. Processus post- glenoidalis. — T. h. Grube für das Tympanohyale. — Ex. Exoccipitale. — Gr. Grube für die Nacken- muskeln (und Foramen A. meningeae posterioris?) — M, Mastoid, — Au. Ohröffnung. 1200 Stehlin, Eocaene Säugetiere. bar, aber noch kräftiger. Seine Basis beginnt schon hinten ob der Ohröffnung, gewisser- massen als Abzweigung der Occipitalkante. Sie ist zu hinterst. vom benachbarten Mastoid aus, pneumatisch gebläht und bildet dann einen Boden unter der Schläfe auf mehr als die Hälfte ihrer Längserstreckung, ähnlich wie bei gewissen alten Artiodactylen (Mixtotherium z. B.). Die verticale Lamelle des Fortsatzes ge- winnt ihre grösste Höhe etwas hinter dem Vorderrand der Gelenkfläche — d.h. an demselben Punkte, wo das Jugale endigt — und behält sie ein Stück weit bei, um sich dann gegen den Processus postorbitalis des Jugale, den sie nicht ganz er- reicht, auszuspitzen. Ihr Oberrand beginnt sich über der Ohröffnung zu deta- chieren und beschreibt einen stark convexen Bogen; er ist hinten scharf und wird nach vorn zu stumpfer. Ihr Unterrand zeigt vor dem Processus postglenoidalis eine Einbuchtung und verläuft dann am Contact mit dem Jugale annähernd gerad- linig. Der Processus postglenoidalis ist noch bedeutend kräftiger als bei Indris, aussen und unten sehr rauh, innen satt an die Bulla angeschmiegt, so dass nur sein unterster Drittel frei vorragt. Die Gelenkfläche ist quer gedehnt, hinten längs dem Processus postglenoidalis rinnenartig vertieft und daher in sagittalem Sinne etwas convex. Sie gleicht mehr derjenigen von Lemur und Lepidolemur als derjenigen von Indris, indem ihr der, für letztere Form characteristische, Höcker auf der Aussenseite, der sie in eine Ärt Grube umwandelt, abgeht; wie denn auch der Unterkiefergelenkkopf von Adapis die quergedehnte, dattelkernartige Gestalt von Lemur und Lepidolemur und nicht die knopfförmige von Indris besitzt. Der scharfe, eine concave Linie beschreibende, Vorderrand der Gelenkfläche setzt sich nach vorn innen als Kante auf der Gehirnkapselwand fort, wie bei Lemur und namentlich bei Indris. Aber diese Kante ist bei Adapis noch kräftiger entwickelt als bei den recenten Formen, mehr oder weniger flügelartig; sie tritt vom Squa- mosum auf das Alisphenoid über und reicht — der hier, wie bemerkt, bedeutend weiter unten als bei Lemur gelegenen Alisphenoideoparietalnaht folgend — bis an das Orbitosphencid. Das scharf umrandete, nach hinten überhängende Occiput ist niedrig und breit, in der Mitte mit einer, als kräftiger Grat entwickelten, Linea nuchae mediana versehen, links und rechts von derselben, ob den Condylen, grubig vertieft. In der Tiefe dieser Gruben scheint, an München I (Figur CCLVIII) wenigstens, ein Foramen zu liegen; dasselbe dürfte der Arteria meningea posterior zum Eintritt gedient haben. Aussen an Supraoceipitale und Exoccipitale ist das pneumatisch geblähte Mastoid mit einem unregelmässig rechteckig umgrenzten Felde in aus- giebigem Maasse am Oceiput beteiligt. Ein Processus paramastoideus ist — im N Adapis parisiensis, Schädel. 1201 Gegensatz zu Indris — nicht entwickelt; die Partie des Exoceipitale, die ihn liefern würde, legt sich — wie andererseits eine hinter der Ohröffnung nach unten vor- springende, dem „Processus posttympanicus“ entsprechende Lamelle des Squamosum, an den Mastoidhöcker an. Figur CCLIX. Adapis parisiensisBl., var. Bruni n. var. — Schädel Montauban 4, Reconstruction der Unten- - ansicht. °/2. — J. Ineisur zum Durchtritt eines Zweiges der Arteria. palatina descendens. — Au. Ohröffnung. — Mst. Mastoid. — Ex. Exoccipitale. — F. c. Foramen con- dylare. — F. 1. p. Foramen lacerum posterius. — T.h. Grube für das Tympanohyale. — P. gl. Processus post- glenoidalis. — F. gl. Fossa glenoidalis. — T. Tubaöffnung. a) Figur CCLX. Lepido- lemur microdon F. Major. A) — M;—-C sup. sin. — an Basel GC. 2949. — ?/ı. DasMastoid ist durch und durch pneumatisiert wie bei Lepidolemur, nimmt aber nicht wie bei diesem die Gestalt einer Blase an. Durch die Dicke sei- ner Aussenwand und die kräf- tigen Sculpturen, welcke sie trägt, ist vielmehr seine Durch- lüftung nach aussen gut mas- kiert. Über seine Unterfläche läuft ein S-förmig gebogener Grat, der — gewissermassen als nach hinten umbiegende Ver- längerung der Occipitalkante — hinter der Ohröffnung auf squa- mosalem Gebiete beginnt und am Foramen lacerum posterius, auf exoceipitalem Gebiete, endigt. In der vordern Schlinge des S senkt sich eine tiefe Grube ein (Figur CCLXT). 1202 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Die Unterseite des Schädels erhält ihr besondres Gepräge durch die Stärke der Bullae und der mit denselben in engen Contact tretenden Pterygoid- fortsätze der Alisphenoide. Der Gaumen ist transversal mässig concav. Die vordern Palatinforamina haben ähnliche Gestalt wie bei Lemur. Die Palatina reichen in der Mittellinie bis zum Hinterrand oder bis zur Mitte von M,. Ihre vordere Umgrenzung bildet einen ziemlich regelmässigen, stark gezackten Bogen. Die hintern Palatinforamina liegen wenig hinter der Maxillarsutur ungefähr in gleichem Abstand zwischen Mittel- linie und Alveolarrand und ziehen sich nach vorn in eine Rinne aus, die sich manchmal (Montauban 7) bis in die Gegend von P, bemerkbar macht. Hinter ihnen folgt zuweilen ein ganzer Schwarm von Nebenforamina (München I, Montau- ban 4). Die Spina nasalis posterior!) (zum Ansatz des M. azygos uvulae) ist zapfen- artig und viel massiver ausgebildet als bei Lemur, Indris ete. Sie geht seitwärts in starke Wülste über, die sich auf dem Unterrand der Pterygoidalwand fortsetzen bis zu der Stelle, wo die beiden Flügel auseinander treten. Zwischen dem Ursprung des Processus pterygoideus und dem von Palatinum und Maxillare gemeinsam ge- lieferten spitzen Vorsprung hinten innen an M, ist eine tiefe Incisur entwickelt. Bei Lemur findet man an dieser Stelle ein völlig abgeschlossenes Foramen. Das- selbe dient einem, dem Hauptstamm gleichwertigen Aste der Arteria palatina des- cendens zum Durchpass, den diese unmittelbar vor ihrem Eintritt in den hintern Palatincanal abgiebt und der dann auf dem Gaumen lateralwärts von ihr und satt an der Zahnreihe nach vorn verläuft. Die Incisur bei Adapis hat zweifellos die gleiche Bedeutung wie das Foramen bei Lemur. Zu unterst in der Orbita liegt, in ganz geringer Distanz vorn ob dieser Ineisur, die hintere Öffnung des Canalis palatinus posterior; weiter vorn in gleichen Niveau unter dem Vorderende des Jugale die hintere Öffnung des Infraorbitalcanales. Die Pterygoidalwände stehen nicht annähernd parallel wie bei Lemur und Indris, sondern sehr gespreizt, entsprechend der Breite des Gehirnschädels. Da sie dünn sind, findet man sie immer mehr oder weniger beschädigt. Relativ am besten erhalten liegen sie mir an Schädel Montauban 7 vor. Hier sind auch die Suturen zwischen den drei sie aufbauenden Knochen wenigstens zum Teil noch zu verfolgen. Man sieht, dass der Alisphenoidfortsatz sich aussen auf eine be- trächtliche Strecke über den Palatinfortsatz legt und dass das Pterygoid an der !) Nach Grandidier (l. ce. p. 22) bestünde eine solche Spina blos bei Adapis magnus. Ich finde sie aber an allen mir vorliegenden Schädeln von Adapis parisiensis: München, 1, 2, Montau- han 4, 7, Ss. Am „Palaeolemur“-Schädel ist die Partie verletzt, Adapis parisiensis, Schädel. 1203 Schädelbasis bis nahe an die Tubaöffnung reicht. Die obere Umgrenzung des Pterygoids ist auch hier nicht mehr festzustellen, die vordere nur ein Stück weit (s. Figur CCXLIV). Der vom Pterygoid gelieferte innere Flügel, an Montauban 7 auf der rechten Seite intact erhalten, ist sehr schwach und entwickelt keinen eigentlichen Hamulus. Infolgedessen ist auch die Fossa pterygoidea — im Gegen- satz zu Lemur und Indris — sehr schwach markiert und seicht. Umso stärker ist der äussere, vom Alisphenoid gelieferte Flügel ausgebildet, dessen Ende sich — wie bei Lemur und Indris — mit spitzen Fortsätzen vorn aussen an der Bulla verkeilt. Sein etwas verdickter Unterrand hält sich von der Fossa pterygoidea weg noch ein Stück weit im Niveau der Gaumenfläche und biegt sich dann, erst allmählig, schliesslich, durch Vermittlung einer stumpfen Ecke, abrupt nach oben zur Bulla. Die hintere Choanenöffnung ist noch niedriger als bei Lemur. Das Dach der Fossa mesopterygoidea engt sich zwischen den schief einfallenden Pterygoid- wänden etwas ein, relativ wenig an München I, sehr stark dagegen an Montau- ban 7. Die Umgrenzung des Vomer vermag ich an keinem der mir vorliegenden Schädel mehr zu erkennen. Den Bullae fehlt der knöcherne äussere Gehörgang vollständig. Sie sind relativ voluminöser als diejenigen von Lemur, haben aber wie diese zwei vordere Fortsätze, einen innern, der sich an Basioccipitale und Basisphenoid anlegt, und einen äussern, frei vorragenden. Der letztere läuft in einige unregelmässige Zacken (Processus styliformes) aus, von denen die äussern die Verkeilung mit der Ptery- goidalwand vermitteln. Der Apex der Bulla liegt immer weit nach aussen, so dass ihre Wand unter der Ohröffnung steil absteigt, auf der Medialseite dagegen sehr allmählig in die Ebene der Gehirnschädelbasis übergeht. Im übrigen ist ihre Gestalt einer beträchtlichen Variabilität unterworfen, auf die wir bei Erörterung der Vaarietätenfrage zu sprechen kommen werden. Der Processus postglenoidalis ist in seinen obern zwei Dritteln mit der Bullawand verwachsen. Vor demselben legt sich eine absteigende Lamelle des Squamosum an die letztere an. An dem Schädel München I lässt sich feststellen, dass diese Lamelle auch an der Verkeilung von Bulla und Pterygoidalwand beteiligt ist. Unter der Gehöröffnung ist ein Stück weit eine vertical verlaufende Sutur in der Bullawand feststellbar, an Montauban 4 inmitten einer rauhen streifenförmigen Vorragung. Wir werden auf dieselbe bei Besprechung der periotischen Höhle zurückkommen. Die Suturen zwischen den Basalknochen sind an keinem der vorliegenden Schädel mit Sicherheit zu erkennen. An Montauban 7 hat die Gehirnschädelbasis 1204 Stehlin, Eocaene Säugetiere. etwas hinter dem Vorderende der Bullae einen Quersprung erlitten, welcher der Basioceipito-Basisphenoidalsutur zu folgen scheint. Zwischen den Vorderhälften der Bullae sind die Basalknochen sehr eingeengt, so dass das Compositum aus Basioc- cipitale und Basisphenoid ausgesprochene Keilgestalt annimmt. An München I haben die Longusansätze auf diesem Keil ein ziemlich deutliches Relief erzeugt; man unterscheidet einen vom Foramen magnum ausgehenden, sich nach vorn zu auskeilenden Mittelgrat, flankiert von zwei seichten Gruben und davor von zwei platten Höckern. An Montauban 7 sind diese Sculpturen weniger deutlich und an Montauban 4 sind sie kaum angedeutet. Die Condyli sind gegen hinten aussen etwas mehr verbreitert als diejenigen von Lemur. Das Praesphenoid ist bei Adapis, wie bei Lemur, von der Nasenhöhle aus pneumatisiert. Der Schädel München I gewährt einen Einblick in das innere desselben von der Vorderseite. Es sind zwei grosse, den ganzen Körper ein- nehmende, durch eine verticale Sagittalwand von einander getrennte Sinus an- gelegt. Jeder derselben wird unvollständig in eine geräumigere obere und eine kleinere untere Hälfte geteilt, dadurch, dass von den Lateralwänden die Röhren in sie vorspringen, in welchen die divergierenden Nervi optici zwischen Schädel- höhle und Orbitagrund verlaufen. Die obern Hälften dringen in das Dach vor, welches das Praesphenoid über den cranialen Öffnungen der Foramina optica bildet (s. unten). Der den Hintergrund der Orbita bildende Teil der Gehirnkapselwand ist an München I wie bei Lemur von vier Foramina durchbrochen, die sich sehr schön prae- parieren liessen: F.opticum, lacerum anterius, rotundum und cranio-orbitale. Dieselben sind blos etwas anders angeordnet als bei der recenten Form. Während bei Lemur Foramen opticum, lacerum und rotundum in einer Linie übereinander liegen, und die beiden letzteren mitunter nur unvollständig voneinander getrennt sind, er- scheint bei Adapis das F.rotundum etwas zurückgeschoben und in den spitzen Winkel verlegt, den die erwähnte, von der Gelenkfläche herkommende, vom Spuamosum auf das Alisphenoid übertretende flügelartige Kante mit der Pterygoidalwand einschliesst. Es liegt ca. 3 mm hinter F. lacerum anterius. Andererseits ist das F. cranio- orbitale, auf das wir noch zurückkommen werden, den andern etwas mehr genähert als bei Lemur; sein Oberrand liegt etwas höher als der des F. opticum. An den Schädeln des Museums von Montauban sind diese Foramina infolge von Inceru- stationen nicht so genau controllierbar; ich kann daher keine Auskunft darüber erteilen, ob in der Disposition derselben Variationen vorkommen. Adapis parisiensis, Schädel. 1205 In dem Winkel zwischen Pterygoidalwand und Bulla liegt das Ostium Tubae, gegen das sich auf der Medianwand der Bulla eine flache Concavität emporzieht. Unmittelbar vor demselben ist die, hier alisphenoidale, Pterygoidalwand von einem Foramen Civininii oder pterygospinosum durchbrochen und satt neben diesem öffnet sich auf der Aussenseite der Wand das Foramen ovale; das nämliche "Grätehen, welches den Innenrand des Foramen ovale bildet, bildet auch den Ober- rand des Foramen pterygospinosum!). Diese Details sind also, mit andern Worten, genau so disponiert wie bei Lemur und den übrigen madagassischen Halbaffen, während bei Galaginae und Lorisinae das Foramen ovale auf der Innenseite der Pterygoidalwand liest. Bei den letztern wird, nach den Autoren, das Foramen pterygospinosum von dem, durch das F. ovale austretenden dritten Ast des Tri- genimus (N. maxillaris inferior) durchsetzt; die Beschreibungen lauten daher mit- unter dahin, „das Foramen ovale durchbreche den Pterygoidalfortsatz des Alis- phenoids“. Bei Lemur etc., wo das Foramen ovale ausserhalb der Pterygoidalwand liest, hat das Foramen in der letztern mit der Bahn des genannten Nerven nichts zu tun. Es gewährt hier einem rückläufigen Zweig der Maxillaris interna, den diese kurz vor dem Austritt der Temporalis profunda abgiebt, Durchtritt in ent- gegengesetztem Sinn, nämlich nach der Fossa pterygoidea und zum Musculus pterygoideus internus.”) Bei Adapis, wo die Lage des Foramen ovale dieselbe ist wie bei Lemur, ist offenbar auch die Bedeutung des Foramen pterygospinosum die nämliche. An dem Schädel München I ist dieses Foramen sehr geräumig; in der Untenansicht sieht man durch dasselbe das weniger weite Foramen ovale. An den Schädeln Montauban 4 und 7 habe ich es der Incrustationen wegen nicht in befriedigender Weise praeparieren können; es scheint hier beträchtlich kleiner zu sein. Vielleicht ist die Grössenvariation desselben innerhalb der Gruppe des Adapis parisiensis ebenso gross, wie innerhalb des Kenus Lemur. Schlosser sagt in seiner Beschreibung des Schädels München I: „An der Grenze von Bulla tympanica und Pterygoid befindet sich das Entocarotidforamen, dicht neben der ungefähr gleich grossen Tuba Eustachii und wie diese im Foramen ovale mündend.“ Ich kann diesen Befund nicht bestätigen. Von einem aus der sogenannten Fossa basilarıs nach der Gehirnhöhle führenden Entocarotidforamen !) Schlossers Angabe „Die Tuba Eustachii münde im Foramen ovale“ ist in diesem Sinne zu berichtigen. ?2) Beim Menschen treten nach Le Double (Traite des variations des os du cräne de l’homme 1903. p. 286) ausser dieser Arterie der Nervus pterygoideus internus, der Nervus petrosalpingo- staphylinus und einige kleine, die Plexus pterygoidei internus und externus verbindende Venen durch das Foramen Civininii. Ob diess auch bei Lemur der Fall ist, habe ich nicht feststellen können. 6 1206 Stehlin, Eocaene Säugetiere. (F. lacerum medium), wie es die Galaginae, Lorisinae und Chirogaleinae besitzen, vermag ich an den mir vorliegenden Adapisschädeln ebensowenig eine Spur zu entdecken als bei Lemur und Indris. Der feine Canal, durch den die unten zu besprechende Carotis interna aus der Pauckenhöhle in die Gehirnhöhle gelangt, verläuft zweifellos, wie bei Lemur, im Innern der Bulla und des Basisphenoids. An München I zieht sich vorn längs der Basis des Pterygoids von der Choane gegen die Tubaöffnung zu eine feine Rinne, die sich ein Stück weit zum Canale schliesst. Auch an Montauban 7 lässt sich dieselbe, wenigstens im hintern Teil ihres Verlaufes feststellen, während sie sich an Montauban 4 nicht bemerklich macht. Ich vermute, sie sei als Canalis vidianus zu deuten. Hinter dem Processus postglenoideus öffnet sich am Vorderrand der Gehör- öffnung das geräumige Foramen postglenoidale oder jugulare spurium, an München I und Montauban 4 in der Seitenansicht des Schädels sichtbar, an Montau- ban 7 infolge etwas abweichender Modellierung des Processus durch diesen verdeckt. An der Stelle, wo die Basis der Bulla mit derjenigen des Processus post- glenoidalis zusammenstösst, senkt sich schräg nach hinten oben eine trichterför- mige Vertiefung ein, in deren Grund wohl die Fissura Glaseri zu suchen sein wird. Hinten aussen an der Bulla — bei München I und Montauban 7 durch ein kleines Bulladivertikel, bei Montauban 4 blos durch einen soliden Vorsprung von der Gehöröffnung getrennt — ist eine Einbuchtung entwickelt, in der sich satt vor dem Mastoid die Grube des Tympanohyale einsenkt; am Hinterrand der- selben öffnet sich das Foramen stylomastoideum, am Vorderrand das Foramen caroticum, auf das wir bei Besprechung der Paukenhöhle zurückkommen werden. An Montauban 4 sind die beiden Foramina infolge von Incrustationen, an Montau- ban 7 infolge kleiner Verletzungen nicht sauber darzustellen; an München I da- gegen sind sie sehr scharf und klar zu sehen.') Bei Lemur sind diese Details etwas anders angeordnet. Das Foramen stylomastoideum liegt hier satt hinter der Gehöröffnung, die Tympanohyalegrube unterhalb desselben in der Bullawand, das Foramen caroticum etwas weiter hinten in der Rinne zwischen Bulla und Mastoid, je nach der Species bald mehr in der Höhe von Foramen stylomastoi- deum, bald mehr in der Höhe der Tympanohyalegrube. Vor dem Oeceipitalcondylus liegt das Foramen condylare. An München I und an Montauban 7 zieht von demselben aus zwischen Condylus und Mastoid eine breite Rinne nach hinten. An Montauban 4 ist dieselbe nicht entwickelt. !) Ich hebe diess ausdrücklich hervor, weil Schlosser in seiner Beschreibung desselben Ob- jektes sagt, die Existenz eines Carotidcanals an der Hinterseite der Bulla, wie er bei Lemur besteht, lasse sich bei Adapis blos vermuten. Adapis parisiensis, Schädel. 1207 Dem Foramen condylare gegenüber sind an München I im der Bullasutur zwei Foramina vorhanden, so angeordnet, dass sie mit demselben ein gleichseitiges Dreieck bilden. Diese beiden Foramina, von denen das hintere das grössere ist, sind offenbar denjenigen homolog, welche bei Lemur unter etwas abweichender Modellierung der Umgebung!) in der nämlichen Anordnung wiederkehren.’) Nach Wortman°), dem Schlosser bei seiner Interpretation des Schädels München I ge- folgt ist, wäre bei Lemur das hintere dieser Foramina als F. lacerum posterius, das vordere dagegen als Carotis-durchpass zu deuten. Diese letztere, offenbar nur auf Vermutung beruhende, aber gleichwohl ohne allen Vorbehalt gemachte Angabe ist jedoch irrig. Aus den wertvollen Darlegungen Tandler’s‘), mit wel- chen mein eigener Befund an einem Injectionspraeparat von Lemur varius?) überein- stimmt, geht hervor, dass bei Lemur überhaupt keine Arterie im Bereiche des Innenrandes der Bulla die Gehirnhöhle betritt, indem die ganze Blutversorgung des Gehirns — von dem kleinen, die Pauckenhöhle durchsetzenden Gefässe abge- sehen — durch die starken Arteriae vertebrales besorgt wird, welche durch das Foramen magnum eintreten. Wortmans Deutung der Verhältnisse bei Lemur ist nur in Bezug auf das hintere der beiden Foramina zutreffend; dasselbe ist in der Tat als Foramen lacerum posterius anzusprechen, d. h. es dient zum Durch- tritt des IX, X und XI Nerven. Das vordere ist die Ausmündungsstelle des Sinus petrosus inferior, dessen Verlauf auf der Innenseite durch einen vom Dorsum ephippü längs der Petrobasilarsutur nach hinten ziehenden, tief eingegra- benen Sulcus sehr deutlich bezeichnet ist. Es ist daher als eine abgetrennte Partie des Foramen lacerum posterius zu betrachten. Auch bei Adapis wird dement- sprechend das vordere Foramen dem Sinus petrosus inferior, das hintere den ge- nannten Nerven gedient haben. Das kleine vordere Nebenforamen, das sich am Schädel München I rechts unvollkommen, links vollkommen vom hintern der beiden Foramina abgliedert, könnte dem Nervus glosso-pharyngeus gedient haben, dessen Durchtritt auch beim Menschen etwas abgesondert zu erfolgen pflegt. !) Bei Lemur senkt sich vor dem Gondylus ein Grübchen ein, nach welchem sich von hinten her das Foramen condylare, von vorn das vordere der beiden „Foramina in der Bullasutur“ öffnet. 2) Auf diese Analogie hat F. Major schon 1899 1. e. p. 988 hingewiesen, ohne sich indessen auf einen genauern Nachweis einzulassen. ®) J. L. Wortman, Studies of Eocene Mammalia in the Marsh Collection II Primates. — American journal of Science XV—XVII 1903—1904, p. 151. *) J. Tandler, Zur vergleichenden Anatomie der Kopfarterien bei den Mammalia. — Denkschr. der K. Akad. d. W. in Wien 1898. >) Herrn Prof. H. K. Corning, der .die Güte gehabt hat, dieses Praeparat für mich herzu- stellen und mich auch durch diverse Ratschläge und Litteraturnachweise verpflichtet hat, bitte ich, meinen verbindlichsten Dank entgegen zu nehmen, 1203 Figur CCLXI. (Erklärung s. p. 1210). Stehlin, Eocaene Säugetiere. Adapis parisiensis. | Var, Schlosseri n. var., Schädel München I, von unten ER I er „ Fi Figur CCLXII, Adapis parisiensis, Schädel. Ep. Bi rl p Lemur fulvus E, Geoffr., von unten. Basel C. 1955. 1209 Erklärung s, p. 1210), SS. D 1210 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Erklärung zu den Figuren CCLXI u. CCLXII (p. 1208 u. 1209). J. Jugale. — Ma. Maxillare. — F. ml. Foramen malare. — F. a. Foramen pterygospinosum (bei Adapis ist durch dasselbe das Foramen ovale sichtbar, bei Lemur nicht, weil es etwas weiter hinten liegt). — F. gl. Fossa glenoidalis. — Cr, Crista in der Verlängerung des Vorderrandes der Gelenkfläche, — P. gl. Processus postglenoidalis. — B. Bulla. — Au. Ohröffnung. — Sq. Squamosum. — Mst. Mastoid. — Ex. Exoccipitale. — Fe. (bei Adapis) Foramen condylare. — Fe. + F.].p. (bei Lemur) Grube nach der sich von hinten das Foramen condylare, von vorn das vordere Foramen lacerum posterius öffnet. — F.1. p. (bei Lemur) hintere Hälfte des F. lac. post. — F. |. p. (bei Adapis) Hintere und vordere Hälfte des Foramen lacerum posterius. — Vc. Foramen meningeae posterioris in der Exoccipito-mastoidsutur. — F.'st. Foramen stylomastoideum. — Th. Grube für das Tympanohyale. — F. ca. Foramen caroticum. — Ca. (bei Adapis irrtümlicherweise Cr.) Canal der Carotis interna. — Pr. Promontorium des Felsenbeins. — A. Annulus tympanicus (bei Adapis unvollständig). — M. (bei Lemur) von der Annulusmembran überspannte Lücke. — Sp. Spalte (Foramen pneumaticum), die aus dem Sinus hypotympanicus in die Pauckenhöhle führt. — T. Tuba ossea, innere und äussere Öffnung derselben. — D,, D,, D, (bei Adapis) Divertikel des Sinus hypotympanicus. — S, Septum in. der Verlängerung des Aussenrandes des Promontoriums. — S, Septum an der vordern Aussen- wand der Bulla, bei Adapis bis an die Carotisröhre reichend. — S;, Querseptum unter der Gehör- öffnung. — (In Figur CCLXH sind im Choanendach und in der Umgebung des Foramen magnum Defecte des Originals ergänzt; sie ist daher in diesen Beziehungen nicht massgebend). Sehr interessant ist es nun, ‚dass sich die an München I beobachtete Zwei- teilung des Foramen lacerum posticum nicht bei allen Adapis der parisiensis- Gruppe findet. An dem Schädel Montauban 4 vermag ich keine Spur des vordern Foramen zu entdecken, obwohl die in Betracht kommende Partie durchaus intact ist. An Montauban 7 lässt sich, infolge kleiner Verschiebungen der Exoceipitalien nicht mit Sicherheit feststellen, ob das vordere Foramen vorhanden war oder fehlte. Es scheint mir aber, es könnte jedenfalls nur sehr klein gewesen sein. Der Schädel München I gewährt, dank dem Umstande, dass an seinen beiden Bullae die Unterwand. grossenteils weggebrochen ist, einen Emblick in das Bulla- innere, den man’sich — so belehrend er ist — an einem intacten Objecte nur ungerne durch einen mechanischen Eingriff verschaffen würde. Forsyth Major hat vor einigen Jahren die wichtige Entdeckung gemacht und in einer kurzen Notiz mitgeteilt (1899 1. c.), dass der Annulus tympanicus bei Adapis im Wesentlichen dasselbe aberrante Verhalten zeigt, welches ihm bei den madagassischen Lemuriden eigen ist und sonst nur noch bei der kleinen In- sectivorengruppe der Tupajiden (Tupaja und Ptilocereus) beobachtet wird. Ich kann nach dem mir vorliegenden Document diese Angabe nicht nur bestätigen, sondern Adapıs parisiensis, Schädel. 1311 dahin erweitern, dass die ganze Structur der Paukenhöhlenregion, mit Einschluss der Arterienbahnen, bei Adapis — von einigen Detaildifferenzen abgesehen — dem Plane der Lemurinen und Indrisinen folgt. Um diess im einzelnen nachzuweisen ist der Untenansicht des Schädels München I (Figur CCLXTI) in Figur CCLXII diejenige eines Lemurschädels gegenübergestellt, an welchem die rechte Bulla durch Entfernung der Unterwand in gleicher Weise wie an dem Fossile geöffnet ist. Man blickt in Figur CCLXII auf das sehr unebene Dach eines Neben- raumes der Pauckenhöhle, den wir kurzweg als Sinus hypotympanicus bezeichnen wollen, obwohl er sich nicht nur unten an der eigentlichen Pauckenhöhle, sondern auch innen an derselben ausbreitet.') Etwa in der Mitte zeigt dieses Dach eine längliche, nach hinten sich ausspitzende Spalte, deren Ebene von hinten-innen und oben nach vorn-aussen und unten geneigt ist. Diese Spalte ist das Foramen pneu- maticum, durch welches der Sinus hypotympanicus mit der eigentlichen Paucken- höhle communiciert. Hinten innen von der Spalte ist, als annähernd eiförmiger, - mit der Längsaxe von hinten aussen nach vorn innen orientierter Vorsprung, das Promontorium des Felsenbeins zu sehen. Hinten innen, innen und vorn vom Pro- montorium wird das”Sinus hypotympanicus durch eine Partie des Petrosums, die zu einer blossen Knochenlamelle verdünnt ist, von der Gehirnhöhle getrennt. Auf der Aussenseite ist die nach der Pauckenhöhle führende Spalte vom Annulus be- grenzt, der, schräg zur Richtung des Gehörgangs, als freier Halbring in der Bulla hängt; hinten solide mit der Bullawand, weiter nach oben zu mit dem Squamosum verwachsen und an der Umrandung der Gehöröffnung beteiligt; vorn lose an die vordere Aussenwand der Bulla geheftet, in ziemlichem Abstand vor dem Vorder- rand der Gehöröffnung. Ausserhalb des Annulus klafft am macerierten Schädel eine weitere Lücke; beim lebenden Tiere ist dieseibe aber von einer, den Unter- rand der Gehöröffnung mit dem Annulus verbindenden und somit den Boden des Gehörgangs in die Bulla hinein verlängernden, derben Membran überspannt, welche wohl als ein nicht verknöcherter Überrest der juvenilen häutigen Bulla aufgefasst werden darf. Nach vorn zu endigt das Sinus hypotympanicus in zwei Divertikeln. Das innere und grössere liegt in dem Fortsatz der Bulla, wel- cher sich den Basalknochen anschmiegt und grenzt mit seinem Dache an die Ge- hirnhöhle; seine Unterwand ist an unserm Praeparate nicht entfernt. Das kleinere äussere liest in dem frei vorragenden Fortsatz der Bulla, welcher mit dem alis- phenoidalen Teil der Pterygoidalwand in Verbindung tritt. An ihrem Ursprung !) Vergl. Van Kampen, Die Tympanalgegend des Säugetierschädels. Morpholog. Jahrbuch XXXIV, 1905, p. 335 ff., p. 694. 19312 Stehlin, Eocaene Säugetiere. sind die beiden Divertikel durch einen convexen Rücken voneinander getrennt, der nichts anderes ist als die Unterwand des röhrenförmigen Vorderendes der eigentlichen Pauckenhöhle, durch welchen die Tuba verläuft (Pars ossea tubae). Im Hinterrande dieses Rückens — welcher zugieich den Vorderrand des Foramen pneumaticum bildet — vereinigen sich zwei kleine Septen. Das eine derselben springt vertical vom Dache des Sinus hypotympanicus, in der Flucht der Aussen- seite des Promontoriums, vor; das andre annähernd horizontal von der vorderen Aussenwand der Bulla. Das letztere verlängert das Dach des äussern Divertikels etwas nach hinten zu und dient, vorderhalb der Gehöröffnung, der nach dem Annulus hinübergespannten Membran zur Anheftung. Die Carotis interna gelangt durch das in der hintern Bullawand gelegene Foramen caroticum in den Sinus hypotympanicus. Die knöcherne Röhre, in die sie eingeschlossen ist, folgt, in nach innen concaven Bogen der hintern Aussenwand der Bulla, gewinnt hinten innen, nahe dem Punkte wo der Annulus sich anheftet, Contact mit dem Promontorium und läuft diesem entlang ein kurzes Stück nach vorne. Hier gabelt sich die Carotis- in zwei Äste, welche noch ein kurzes Stück in geschlossenem Rohr, dann aber in offenen Rinnen verlaufen. Der äussere Ast, die Arteria stapedia, wendet sich auf der Aussenseite des Promontoriums nach oben in die eigentliche Pauckenhöhle, tritt durch die Öffnung des Stapes, steigt — in einem die Pauckenhöhle quer- teilenden Septum wiederum allseitig umschlossen — zum Tegmen T'ympanı empor, durchbohrt dasselbe in einem kleinen, etwas hinten innen am Foramen postglenoi- deum in die Gehirnhöhle einmündenden Löchchen, giebt gleich beim Eintritt nach hinten die Meningea media ab und wendet sich längs einem tiefen Venensulcus nach vorn, um durch das obenerwähnte Foramen cranioorbitale in die Orbita zu gelangen. Der schwächere innere Ast, den Tandler als Hauptstamm der Carotis interna betrachtet!), läuft dem Aussenrand des Promontoriums, dem in der Ver- längerung desselben vorspringendem Septum und der Aussenwand des innern der beiden Bulladivertikel entlang nach vorn und tritt schliesslich, schräg durch den Körper des Basisphenoids hindurch, vermittelst eines kleinen im Seitenrand der Sella gelegenen Foramens in die Gehirnhöhle, wo er sich alsbald mit der Arteria ophthalmica vereinigt. !) Winge, der die arteriellen Blutbahnen der Pauckenhöhlenregion von Lemur gleichfalls untersucht hat, nennt dieses Gefäss Arteria promontorii und nimmt an die eigentliche Carotis in- terna fehle (H. Winge, Jordfundne og nulevende Aber. E Museo Lundii II, 2, 1895—6 p. 37). Warum es gegenwärtig noch schwer fällt, sich für die eine oder die andere Auffassung zu ent- scheiden, hat van Kampen 1. c. p. 671—2 auseinandergesetzt. Ich halte es aber doch für wahr- scheinlicher, dass schliesslich Tandler Recht behalten wird, wesshalb ich mich in der Bezeichnungs- weise bis auf weiteres an ihn anschliesse. N Adapis parisiensis, Schädel. 1213 Vergleicht man nun das Bullainnere von Adapis (Figur COLXI) mit dem- jenigen von Lemur, so springt eine weitgehende Übereinstimmung in den Grund- zügen sofort in die Augen. Wir können uns daher auf eine Hervorhebung der grössern und kleinern Detaildifferenzen beschränken. Der hinter dem Promontorium liegende Teil des Sinus hypotympanicus entwickelt einige kräftige Septen oder Balken, von welchen man bei Lemur nur schwache Andeutungen beobachtet. Die ganze der Schädelbasis anliegende Partie des Sinus mit Einschluss des vordern innern Divertikels ist, der Grösse der Bulla entsprechend, geräumiger als bei Lemur. Das spaltförmige Foramen pneumaticum reicht bis nahe an das vordere Bullaende; die Tuba ossea, in welche die Paucken- höhle sich nach vorn auszieht, ist daher sehr kurz bemessen, während die beiden Septen, welche sich im Hintergrund derselben vereinigen, im Gegenteil gedehnter sind als bei Lemur. Der vordere äussere, frei vorragende Fortsatz der Bulla ist sehr reduciert und das in ihm liegende Divertikel daher unbedeutend. Dagegen gewinnt weiter hinten die ganze äussere Partie des Sinus hypotympanicus eine be- trächtlichere Ausdehnung, entsprechend der starken Ausbauchung, welche die Bulla nach dieser Richtung zeigt. Infolgedessen ist auch das hintere Ende des Annulus ganz in das Innere der Bulla geraten und participiert nicht wie bei Lemur an der hintern Umrandung der Ohröffnung. Die wesentlichste Abweichung von dem recenten Genus besteht aber darin, dass sich die Bullawand im Unterrand der Gehöröffnung nach innen zu umschlägt, um sich bis an den Annulus fortzu- setzen oder — was das gleiche besagt — dass sich das Septum an der vordern Aussenwand der Bulla (S,) nach hinten zu bedeutend vergrössert hat durch totale Verknöcherung der zum Annulus hinübergespannten Membran. Indem sich der Innenrand dieses Septums etwas nach unten umbiegt, wird aus dem obern Teil des Sinus hypotympanicus ein, nach unten offener, Nebenraum aus- gegliedert, der vom Ostium Tubae unter dem intrabullaren Teil des Gehörganges durch bis an die Carotisröhre reicht und gewissermassen als Verlängerung des kleinen Diverkels im freien vordern Bullafortsatz erscheint. Ganz hinten sendet dieser Nebenraum ein Divertikelchen (D,) in den kleinen Vorsprung der Bulla zwischen Ohröffnung und Tympanohyalegrube. Unter dem Gehörgang wird er durch em Querseptum ($S,) in eine grössere vordere und eine kleinere hintere Hälfte geteilt. Dieses Querseptum besteht bemerkenswerterweise aus zwei Lamellen und der Grenze dieser Lamellen entspricht die oben erwähnte Sutur auf der Aussenseite der Bulla. Es scheint somit, dass die Verknöcherung der .Bullawand, von zwei Ausgangspunkten vordringend, in dieser Partie zum Abschluss gelangt ist. Vom 7 1214 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Annulus ist beiderseits nur der hinterste Teil erhalten; offenbar war er also auch bei Adapis vorn nur lose befestigt. Seine relativen Dimensionen werden ungefähr die gleichen gewesen sein wie bei Adapis magnus (s. unten). Er legt sich dem Septumrande satt an, verwächst aber nicht mit ihm. Die Carotisröhre nimmt von ihrem Ursprung an der Bullawand nach dem Promontorium hinüber einen geradern Verlauf als bei Lemur, entsprechend der mehr nach aussen geschobenen Lage des Foramen caroticum. Gegenüber dem Punkte, wo sich der Annulus anheftet, ist die Stelle, an der die Abzweigung der Arteria stapedia stattfindet, durch eine abrupte Verjüngung der Röhre sehr deut- lich bezeichnet. Etwas weiter vorn öffnet sich die verjüngte Röhre dann zu einer Rinne, die sich noch ein Stück weit in der Richtung nach dem Septum verfolgen lässt. Auch der noch als Röhre entwickelte Anfang der Bahn der Arteria stapedia ist bei genauer Betrachtung festzustellen; an Schädel München II, wo das Promontorium mehr von der Aussenseite freiliegt, noch deutlicher als an München I. Er schlägt die gleiche Richtung ein wie bei Lemur. Alles spricht mithin dafür, dass die arteriellen Blutbahnen hier ganz nach dem Plane des letztern eingerichtet sind. Der Einblick in die eigentliche Pauckenhöhle ist sehr beschränkt. Durch ein von ihrem Dache vorspringendes Querseptum wird dieselbe unvollständig in zwei Abteilungen geteilt. Die vordere gegen die Kieferfläche zu liegende ist länglich und untief; sie endigt nach vorn zu in der Tuba ossea. Die hintere senkt sich aussen ob dem Promontorium tief ein (Recessus epitympanicus), ist aber nicht näher unter- suchbar; von ihr aus muss, wie bei Lepidolemur etec., die Pneumatisierung des Mastoids stattgefunden haben, denn der Sinus hypotympanicus besitzt bestimmt keine Communi- cation mit den Mastoidsinus. Die Gehörknöchelchen sindnicht erhalten. Über die Frage, ob die Verknöcherung der Bulla bei Adapis vom Mastoid, vom Petrosum oder von einem besondern Kern, einem „os bullae“ ausgeht, giebt mein, ausschliesslich aus adulten Schädeln bestehendes, Material natürlich keinen Aufschluss. Sicher ist nur, dass sich der Annulus dabei völlig passiv verhält, wie bei den recenten madagassischen Prosimiern. Über die Beschaffenheit der Mastoidsinus ist an München I nichts fest- zustellen, wohl aber an München II, wo rechterseits die äussere Partie des Mastoids weggebrochen ist. Die erhaltene Innenwand desselben lehrt, dass es einen einzigen grossen Sinus birgt, der durch ein vom hintern Teil des Unterrandes nach vorn oben vorspringendes Septum in seinem untern Teil in zwei Abteilungen gegliedert wird. Nach oben zu scheint der Sinus in das Squamosum vorzudringen, ohne dass sich die Grenze der beiden Knochen markierte, Adapis parisiensis, Schädel. 1215 Zusammenfassend können wir sagen: dem Bau der Pauckenhöhlen- region liegt bei Adapis derselbe Plan zu Grunde wie bei Lemur etec., aber das fossile Genus ist in der Differenzierung einen Grad weiter fortgeschritten als die recenten. Für die Beurteilung der genealogischen Stellung von Adapis fällt dieser Befund selbstverständlich sehr ins Gewicht. Von grossem Interesse ist es, dass das subfossile Genus Megaladapis seine Bulla im wesentlichsten Punkte nach derselben Richtung wie Adapis differenziert hat. Auch hier ist nämlich, nach der Darstellung von Lorenz!), die Membran, welche den im Bullainnern hängenden Annulus mit der Aussenwand verbindet, zu einem Septum verknöchert. Megaladapis geht indessen noch einen Schritt weiter, indem bei ihm der Annulus mit dem Septum verwächst, während er bei Adapis frei bleibt und sich blos an dasselbe anlegt.”) Auch in anderer Beziehung ist die Region bei Megaladapis noch differencierter als bei Adapis: die Bulla zieht sich nach aussen in einen langen knöchernen Gehörgang aus; im Pauckenhöhlendach, unmittelbar innerhalb des Annulus, öffnet sich eine Spalte, die in einen grossen Sinus des Squamosum führt. Andererseits fehlt bei Megaladapis das Querseptum unterhalb des intrabullaren Gehörgangs, das freilich, wie wir sehen werden, auch bei Adapis magnus nicht zur Entwicklung kommt. Die Schädel München I und Montauban 8 gewähren endlich auch Einblick in einen Teil der Gehirnhöhle. An Montauban 8 ist freilich die ganze Innen- seite von einer harten, festanhaftenden Kruste überzogen, welche alle feinern Details überdeckt. An München I dagegen ist dieselbe vollkommen gereinigt. Leider habe ich erst nach der Zeit, da dieses Document in meinen Händen war, Gelegenheit gefunden, mich über diverse Structurdetails der Gehirnhöhlenwand von Lemur an Hand eines Injectionspraeparates näher zu orientieren. Meine Be- obachtungen an dieser Partie des Adapisschädels sind daher sehr ergänzungsbedürftig. Ich teile sie gleichwohl mit in der Hoffnung, sie geben den Anstoss zu einer er- !) S. Lorenz von Liburnau, Megaladapis Edwardsi. — Denkschriften der K. Akademie der Wissenschaften XXVI, 1905, p. 463. Tab. Il, Fig. 4—5. — Lorenz sagt, der Annulus sei mit dem „lateralen Teile des Daches der Pauckenhöhle verwachsen“; allein seine Figur 5a zeigt deutlich, dass derselbe mit dem Septum, welches unter dem Gehörgang vorspringt und einen Teil des Daches des Sinus hypotympanicus — aber nicht der eigentlichen Pauckenhöhle — bildet, verwachsen ist. ?2) Van Kampen (l. e. p. 658) bemerkt zu Megaladapis: „Ob die Verknöcherung (der Annulus- membran) vom Tympanicum oder von der Bulla ausgeht, oder auch eine selbständige ist (analog den Gehörgangsknöchelchen der Rodentia u. a.), ist nicht zu ersehen.“ Nach Analogie des Befundes bei Adapis glaube ich mich zu dem Schlusse berechtigt, dass der Annulus sich auch bei Megal- adapis vollkommen passiv verhält. Lorenz’s Vergleichung der Verhältnisse bei Megaladapis mit denjenigen bei Wiederkäuern scheint mir daher unzutreffend. 1216 Stehlin, Eocaene Säugetiere. schöpfenderen Untersuchung; durch Herstellung eines Ausgusses könnte eine solche wesentlich erleichtert werden. Die Gehirnhöhle als Ganzes ist, wie bereits bemerkt, relativ bedeutend kleiner als diejenige von Lemur. An München I zeichnet sie sich auch durch ihre Niedrig- keit aus; an Montauban S ist, entsprechend der abweichenden äusseren Form, diese Eigentümlichkeit weniger aus- geprägt. Seitenwände und Oberwand sind dicker als bei Lemur und auf- fallend glatt. Der Übergang von der Fossa cerebralis zur Fossa cerebelli erfolgt abrupter als bei Lemur und die über das Petrosum in das Parie- tale hinemlaufende Tentorialkante ist verticaler gerichtet, entsprechend der geringern Überlagerung des Figur COLXIII Adapis pariiienes Bl, Ver: Kleinhirns durch das Grosshirn. Die Schlosseri u. var., Phosphorit des Querey. — Skizze der vordern Hälfte des Gehirnhöhlenbodens nach Schädel München I. — F.rh. Fossa rhinencephalica.- Pr. Praesphenoid mit dachartigem Vorsprung über den Foramna Die nur optica (F. opt.) und Foramina lacera anteriora (F.1.a). — OF-n. Naht zwischen Orbitosphenoid und Fron- Fossa cerebelli ist sehr eng, was aber äusserlich durch die Pneumati- sierung des Mastoides maskiert wird. unvollständig erhaltene Fossa rhinencephalica ist gleich- tale. - F.co. Foramen cranioorbitale. - F.r, Foramen rotundum. — F. o Foranıen ovale. — S Sattelgrube mit schwach angedeutetem Dorsum Ephippii (D) und Canalis craniopharyngeus medianus (nahe dem Vor- derrand). —B Vorderesinneres, an die Basalknochen angelegtes Divertikel der Bulla. — V.S. Venensnlei falls enger, wohl auch niedriger als bei Lemur; ihr Boden liegt etwas höher über den Foramina optica und die Siebplatte ist weniger schräg gestellt. Die Knochen, welche die innere längs der Petrobasilarnaht (Sulcus petrosus inferior) Foramina eranioorbitale und Gehirnkapselwand bilden, sind die Das Mastoid ist, wie bei diesem, durch das vorgelagerte Petrosum von derselben aus- und zwischen den postglenoideum. — Yı. nämlichen wie bei Lemur. geschlossen. Das Squamosum, so ausgedehnt es auf der Aussenseite ist, beteiligt sich mit einem relativ kleinern Felde als bei Lemur, was mit der geringern Ent- wicklung des Grosshirns zusammenhängt. Auch das Orbitosphenoid nimmt ver- gleichsweise geringern Anteil. Dagegen spielen die verdünnten, gegen die Basal- knochen zu das Dach des Sinus hypotympanicus und seines vordern innern Divertikels bildenden, Partien des Petrosum eine grössere Rolle. Adapis parisiensis, Schädel. 1217 Die Foramina optica liegen näher bei einander als bei Lemur und haben eine Art gemeinsamen Vorhof; derselbe kommt dadurch zustande, dass das Prae- sphenoid über den Foramina einen dachartigen Vorsprung bildet, welcher bei Lemur vollkommen fehlt. Dieses Dach reicht seitwärts, auf orbitosphenoidales Gebiet übergehend, bis an die Seitenwände, an welche es sich, satt unter der Orbitosphenoideofrontalsutur, bis an die Alisphenoidgrenze ansetzt. Gleich seit- wärts von den Foramina optica ragen von demselben zwei zapfenartige Aus- wüchse vor, die vielleicht als Homologa der Processus clinoides anteriores auf- gefasst werden dürfen. Unter diesen Auswüchsen öffnen sich die Foramina lacera anteriora. An dem Punkte, wo sich das Dach an die Seitenwand an- setzt, liegen unter dem Rande desselben, auf alisphenoidalem Gebiet, aber satt an der Grenze von Örbitosphenoid und Parietale, die Foramina cranioorbitalia. Die Foramina rotunda öffnen sich in beträchtlichem Abstand hinter dem Rande des Praesphenoidaldaches. Die Sattelgrube ist länger, etwas weiter und etwas tiefer eingesenkt als bei Lemur. Die Leisten, welche sie seitlich begrenzen sind etwas kantiger. Der Sattelknopf, auch bei Lemur nur schwach angedeutet, markiert sich gar nicht und das Dorsum Ephippü bildet eine weniger scharf modellierte Schwelle als bei diesem. Die Grenze von Praesphenoid und Basisphenoid ist auch auf der Innenseite nicht sichtbar; diejenige zwischen Basisphenoid und Basioccipitale liegt eine Spur näher beim Rande des Praesphenoidaldaches als bei demjenigen des Foramen magnum. Die Cranialseite des Petrosum zeigt im ganzen ein ähnliches Relief wie bei Lemur. Wie bei diesem (und im Gegensatz zu Megaladapis) senkt sich in dieselbe oberhalb von Meatus acusticus internus und Aquaeductus vestibuli eine geräumige Fossa subarcuata ein. Dagegen fehlt dem Adapis-petrosum voll- ständig die für Lemur characteristische Crista petrosa, d. h. die kammartige Verstärkung der Tentorialkante, welche die Trigenimusbahn und weiter vorn und innen, nach dem Processus clinoides posterior des Dorsum ephippii hinübergreifend, den Sinus petrosus inferior überbrückt; während bei Megaladapis wenigstens ein Rudiment derselben vorhanden ist. Auch der hintere Vorsprung des Alisphenoides, welcher bei Lemur, über dem Foramen ovale nach dem Petrosum hinübergebogen, dieses Foramen in ein kurzes Canalstück auszieht, fehlt bei Adapıs. Der vom Dorsum Ephippii längs der Petrobasilarsutur nach dem vordern Teilstück des Foramen lacerum posticum ziehende Sulcus petrosus inferior ist weniger weit als bei Lemur und bis ans Ende als offene Rinne entwickelt, indem 1218 Stehlin, Eocaene Säugetiere. das Foramen die Schädelbasis in verticaler, nicht wie dort in schräger Richtung durchbohrt. Wie bei Lemur münden im Foramen postglenoidale zwei weite Venen- sulci; ein von vorn kommender, welcher vom Foramen cranio-orbitale weg (neben der Arteria stapedia) der Seitenwand der Fossa cerebralis entlang läuft und ein von hinten kommender — der auch aus der menschlichen Anatomie bekannte Suleus petrosquamosus — welcher dem Aussenrande des Petrosum folgt. In der speciellern Ausbildung dieser Sulci sind indessen einige Abweichungen zu verzeichnen. Der vordere folgt bei Adapis dem äussersten Rande der Fossa cere- bralis, während er bei Lemur ungefähr die Grenze zwischen Boden und Seiten- wand derselben bezeichnet; er zieht zwischen Foramen cranio-orbitale und Squamosal- sutur über parietales Gebiet, wenngleich satt an der Alisphenoidalsutur, während er bei Lemur auf dieser Strecke dem Alisphenoid angehört. Während bei Lemur nur ein vier Milimeter langes, über der Fossa subarcuata befindliches, Stück des Sinus petrosquamosus durch sich vereinigende Leisten des Parietale und Petro- sum zum Canale abgeschlossen ist, erstreckt sich diese Abschliessung an dem vor- liegenden Adapisschädel — offenbar im Zusammenhang mit der geringeren Aus- weitung der Fossa cerebralis — bis fünf Milimeter über das Foramen postglenoidale hinaus nach vorn und auf eine Gesamtlänge von 13—14 Milimetern. Das Foramen postglenoidale ist infolgedessen bei Adapis von der Schädelhöhle aus nicht zu sehen, während es bei Lemur in beträchtlicher Entfernung vor dem vordern Canalende liegt. Wahrscheinlich communiciert der Sulcus petrosquamosus wie bei Lemur von der hintern Öffnung des Canales aus mit dem Sulcus lateralis (transversus); ich habe indessen diese Verbindung nicht sicher feststellen können. Sehr deutlich verlängert er sich dagegen andererseits von der genannten Stelle weg — wie bei Lemur — in einen Suleus occipitalis superior!), welcher den Hinterrand des Petrosums umzieht und sich dann abrupt dem Foramen magnum zuwendet. Gleich wie bei Lemur ist demnach bei Adapis ein ansehnlicher Teil des cerebralen Venen- blutes durch das Foramen magnum nach den Venae vertebrales abgeleitet worden. Eine Überbrückung des Endstückes des Sulcus oceipitalis superior zum Canale, wie sie bei einigen Lemurarten vorkommt, findet nicht statt. Dagegen mündet in diesen Suleus ein anderer ein, der vom hinteren Foramen lacerum posterius her- !) Diese Verhältnisse sind denjenigen beim Hunde analog. Vergl. W. Ellenberger und H. Baum, Systematische und topographische Anatomie des Hundes. 1891. Adapis parisiensis, Schädel. 1219 kommt. An dem vorliegenden Schädel communiciert derselbe nicht mit dem Suleus petrosus inferior (der, wie bemerkt, am vordern F. lacerum posterius sein Ende erreicht); ich vermute aber an den Schädeln, an welchen das vordere Foramen lacerum posterius fehlt!), bestehe eine solche Verbindung und das Blut des Sinus petrosus inferior sei in diesem Falle nach der Vena vertebralis ab- geleitet worden. Leider bin ich nicht in der Lage Auskunft darüber zu geben, ob die win- zigen Foramina, durch welche Carotis interna und Arteria stapedia in die Gehirn- höhle eintreten an den Stellen, wo sie nach Analogie von Lemur zu erwarten wären, nachzuweisen sind*); ich glaube aber bestimmt, dass sie bei sorgfältigem Suchen dort zu finden sein werden. Vorn in der Sattelgrube habe ich ein unpaares Löchchen festgestellt, das wohl mit Landzert's „Canalis cranio-pharyngeus medianus“ identisch sein wird’). Die Mandibel von Adapis parisiensis ist ein viel häufigeres Fundobject als der Schädel und daher auch schon besser bekannt. In unseren Figuren CCLXIV—CCLXVI sind drei von einander etwas differierende Exemplare von der Aussenseite wiedergegeben, in Figur CCLXVII ein viertes von der Innenseite. Der Mandibularknochen als ganzes ist massiv gebaut, wie der Jochbogen, und zeigt daher, wie dieser, wenig Analogie mit Lemurinen. Von den Indrisinen, von Nycticebus und namentlich von Perodicticus weicht er, zumal in den Um- rissen, weniger weit ab. Sehr verschieden von Indrsinen wie von Lemurinen ist, infolge der abwei- chenden Einpflanzungsart der Vorderzähne, die Symphysalpartie gestaltet. Ihre Vorderseite ist in verticalem und transversalem Sinn sanft gebogen und erinnert eher an gewisse Affen, besonders an die Jugendstadien derselben. Vor mir liegt zum Beispiel der Schädel eines neugebornen Mycetes, an dem diese Partie vorn noch nicht abgeplattet ist wie beim erwachsenen und ziemlich genau die Wölbung zeigt, welche für Adapis characteristisch ist. Die Dehnung der Symphyse ist etwas variabel; gewöhnlich liegt das Ende derselben unter P,, gelegentlich aber etwas weiter hinten. Die Symphysalnaht verwächst -— im Gegensatz zu den re- 1) S. oben p. 1210. 2) S. oben p. 1212. ®) P. Sokolow, Der Canalis eranio-pharyngeus. J.-D. Basel 1904. 1220 Stehlin, Eocaene Säugetiere. centen Halbaffen — früh, so dass man sie schon bei Individuen, welche den Zahn- wechsel noch nicht beendigt haben, geschlossen findet. Das Kinn markiert sich in der Profilansicht nur sehr schwach. Figur CCLXIV. Adapis parisiensis B]., var. — Linke “Mandibel mit Ms—C von aussen. Montauban 5. Yı. — H. Hackenförmiger Fortsatz des Unterkieferwinkels. T, Mi, Me Ansatzflächen von Temporalis, Masseter internus, Masseter externus. Figur CCLXV. Adapis parisiensis Bl., var. — Rechte Mandibel mit M,-C und Wur- zeln der J von aussen. Das Vorderende ist durch Druck entstellt. — Basel Q0.D. 72. — Phosphorite des Querey. — '/ı. S Beat Figur CCLXVI. Adapis parisiensis Bl., var. — Rechte Mandibel mit M;—P, von aussen. — Basel Q. D. 101. — Phosphorite des Querey. — !ı. Der Horizontalast ist dick, unten unscharf, auf der Aussenseite mehr oder weniger stark convex und erhöht sich vom Kinn gegen das Zahnreihenende zu unter leichter Convexbiegung des Unterrandes annähernd stetig. Höhe und Erhöhung nach hinten zu variieren innerhalb weiter Grenzen. Der Übergang zum Adapis parisiensis, Schädel. 1221 Winkel erfolgt durch eine stark markierte, bei kräftigen Individuen abrupte, Ein- biegung nach oben. Winkel und Ramus ascendens zeichnen sich durch bedeutende, aber wiederum innerhalb weiter Grenzen variierende Sagittaldehnung aus. Der erstere lädt nach hinten manchmal stark, manchmal nur mässig aus und schlägt sich, offenbar zu gunsten des Pterygoideus internus, etwas nach innen um. Die Ein- biegung nach vorne, welche den Übergang seines convexen Hinterrandes in den, geradlinig und annähernd vertical verlaufenden, Hinterrand des Ramus ascendens vermittelt, beginnt — wie bei Perodieticus — mit einer Ecke. Zuweilen, wie in Figur CCLXIV, bildet sich diese Ecke zu einem eigentlichen Hacken aus. Der Ramus ascendens verjüngt sich nach oben zu, infolge der schiefen Stellung seines Vorderrandes. Dieser detachiert sich von der Aussenseite des Ramus horizontalis um ein Merkliches unter dem Alveolarrand und nimmt einen stark gebogenen Verlauf. Wie bei Mixtotherium und Hyrax umschliesst er mit einer vom Zahnreihenende ausgehenden Linea obliqua eine ansehnliche Grube. Der Processus coronoides ist an seinem Ursprung sagittal sehr gedehnt und erhebt sich, etwas schmäler werdend und nach hinten biegend, hoch über die sehr eingeschränkte Incisur. Der Gelenkk opf hat eine quer- gedehnte Gestalt, überragt die Incisur nur unbedeutend und springt nach in- nen beträchtlich mehr vor als nach aussen; hinter ihm fällt der Kieferrand sofort steil ab. Die vordere und untere Grenze er des Masseteransatzes ist nicht be- If sonders deutlich; dagegen bildet die \ -— DD hintere eine scharfe Crista, die in eini- TE RER Figur CCLXVII. Adapis parisiensis Bl., gem Abstand dem Hinterrande der Man- var. — Linke Mandibel mit sehr abgenützten dibel folst, so dass dieser vom Condylus M;—P, von innen. — F. a. Foramen alveolare. — T. Ansatzfläche des M. temporalis. — R.. 1 1 oe- bis zum Unterrande von einem abge Wulstige Erhebung, welche dieselbe nach unten schrägten Borde umsäumt ist. Etwas unterhalb des Condylus entwickelt sich in dieser Crista ein — zuweilen (Figur CCLXIV) sehr spitzer — Höcker, an dem sich ein schwächerer Grat abzweigt; begrenzt. — P.i. Ansatzfläche für den M. ptery- goideus internus. - R,. Wulstige Erhebung, welche dieselbe nach vorn begrenzt. — Mh. Grube am Unterrand des Ramus horizontalis, wahrschein- lich dem M. mylohyoideus zum Ansatz dienend. — Phosphorite des Querey. Basel Q. W.620. — !ı S 1293 Stehlin, Eocaene Säugetiere, derselbe läuft in nach oben convexem Bogen in die Masseterfläche hinein, um sich dort bald zu verlieren. Ich vermute er bezeichne die Grenze von Masseter externus und internus. Hinter dem Vorderrand des Ramus ascendens ist die Masseterfläche manchmal grubig vertieft (Figur CCLXV]). Eine ebenso scharfe Crista bezeichnet am Processus coronoides die Grenze des Temporalisansatzes; so dass derselbe nach vorn oben von einem ähnlichen Bord umsäumt erscheint wie der hintere Winkelrand. Auf der Innenseite der Mandibel liegt das Foramen alveolare ungefähr in der Flucht der Zahnreihe, etwas näher an M, als am hintern Kieferrand. Die Ansatzflächen von Temporalis und Pterygoideus internus sind grubig vertieft. Die erstere ist nach unten begrenzt durch eine bald deutlicher bald weniger deut- lich markierte wulstige Erhebung, die über dem Foramen alveolare etwas schräg von vorn unten nach hinten oben auf den Condylus hinzieht. Der Pterygoideus internus-Ansatz endigt nach oben zu offenbar an einem scharfen Grat, der von der Ecke hinten oben am Unterkieferwinkel gegen das Foramen alveolare gerichtet ist, nach vorn zu an einer wulstigen Erhebung, welche vom Winkelrande auf das Zahnreihenende zuläuft. Vor diesem Rücken ist eine längliche Grube entwickelt, die dadurch, dass sich der Unterrand der Mandibel in der Gegend unter M, und M, nach innen um- schlägt, eine beträchtliche Tiefe gewinnt. Leche hat dieselbe als Ansatzgebiet des Mylohyoideus gedeutet; vielleicht kommt nur ihrem obern Rande diese Bedeutung zu. Selbstverständlich markieren sich die Muskelansätze bei verschiedenen In- dividuen verschieden stark, bei alten insbesondre stärker als bei jungen. Auf die sehr namhafte Variabilität der Mandibel werden wir in deın Ab- schnitt „Varietäten“ kurz einzugehen haben. Skelet. Durch Gaudry!), namentlich aber durch Filhol?) und Schlosser”) sind diverse Teile des Skeletes von Adapis parisiensis beschrieben worden, nämlich: sämtliche Langknochen mit Ausnahme der Fibula, der Calcaneus, sämtliche Metapodien, 5 .l.c.p. 521 und 1 c. p. 228, Fig. 301. SS2 1. c. p. 131 und 1 c. p. 43, Fig. 1—4, 9—12. 7. 1.c.p. 25 f£., Tab. I und 1907 ].c., Tab. X, Fig. 6. Adapis parisiensis, Skelet. — Varietäten. 1223 einige erste und zweite Phalangen, der Atlas und der erste Dorsalwirbel. Nach den genannten Autoren besteht in allen diesen Teilen nahe Übereinstimmung mit Lemur. Die wesentlichste Abweichung der Extremitäten gegenüber letzterem liegt darin, dass die Langknochen plumper und gedrungener sind und dass die Hinter- extremität bedeutend kürzer ist. Das Verhalten von Pollex und Hallux hat noch nicht sicher festgestellt werden können, da Trapezium und Cuneiforme I noch nicht nachgewiesen sind. Schlosser vermutet nach den von ihm untersuchten Metapodien sie seien opponierbar gewesen. Ich habe den Feststellungen meiner Vorgänger vorderhand nichts neues beizufügen. Varietäten. Während einige Autoren die sämtlichen kleinen Adapis der Quercy kurz- weg als specifisch identisch betrachten, hat Filhol 1877 und namentlich 1883 auf allerlei, mehr oder weniger grosse, Differenzen — hauptsächlich in der Gestalt der Mandibeln und der untern Backenzähne — hingewiesen und auf Grund derselben eine Reihe von Varietäten unterschieden. Das mir vorliegende Material lehrt, dass innerhalb der Gruppe weit bemerkenswertere Gegensätze als die damals von Filhol hervorgehobenen vorkommen. \ Wir wenden uns zunächst zur Betrachtung der Variabilität in Schädelbau - und Maxillarbezahnung und beginnen dieselbe am passendsten mit einer Verglei- chung der im obigen in je vier Ansichten dargestellten Schädel München I und Montauban 4, die am stärksten von einander differieren. München I rührt vor allem von einem grösseren Tiere her als Montauban 4; er repräsentiert, soweit meine Erfahrung reicht, das Maximum der innerhalb der Gruppe festzustellenden Grössenvariation. Die obern M,—P, messen 0,0185 gegen 0,017 an Montauban 4, der Abstand zwischen dem Unterrand des Foramen magnum und der Intermaxillaspitze mag ca. 0,08 betragen haben, gegen ca. 0,065 an Montauban 4. Sodann ist der Gehirnschädel bei München I breiter und niedriger, was besonders bei Vergleichung der Occipitalansichten in die Augen springt. Die Pneumatisierung von Mastoid und Squamosum macht sich sehr bemerklich, wäh- rend sie sich bei Montauban 4 in bescheidenen Grenzen hält. Die Jochbogen springen an München I bedeutend mehr vor und ihr Oberrand hängt nach aussen, während er bei Montauban 4 im Gegenteil nach innen hängt (s. Oceipitalansichten). Im Zusammenhang mit diesem verschiedenen Verhalten des Jochbogens ist auch 1934 Stehlin, Eocaene Säugetiere. die Kiefergelenkfläche an München I transversal etwas gedehnter als an Montauban 4. Die fHügelartig vorspringende Kante, in die sich der Vorderrand der Gelenkfläche auf der Seitenwand der Gehirnkapsel fortsetzt, ist an Montauban 4 weniger stark entwickelt als an München I. Mit der relativ grössern Höhe der Gehirnkapsel wird es zusammenhängen, dass bei Montauban 4 das Squamosum, wenigstens in der Richtung nach vorn oben, etwas weniger weit an der Umwandung derselben beteiligt ist. Ferner ist der Sagittalkamm bei München I ganz bedeutend höher. Seine maximale Erhebung über das Schädeldach, die er dort, wo sich die innere Gehirnkapselwand gegen das Foramen magnum zu senken beginnt — also kurz vor dem Oceiput — erreicht, beläuft sich bei demselben auf ca. 0,011, bei Montauban 4 nur auf etwa 0,0045. Auch greift bei München I, wie aus unseren Profil- und Ocei- pitalansichten zu entnehmen ist, im Gegensatz zu letzterem, der Kamm noch weit über die Oceipitalkante hinaus. Die Occipitalkante selbst ist bei München I bedeutend mehr unterhölt und das Grubenpaar in der Occipitalfläche, aussen ob den Condylen, das man bei Montauban 4 nur leicht angedeutet findet, ausserordentlich tief ein- gesenkt. Weitere Differenzen sind in der Gestalt der Bulla zu constatieren. Bei Montauban 4 reicht das platte, dem Basioccipitale und Basisphenoid anliegende Divertikel derselben weniger weit nach vorn als bei München I. Sodann hat der nach unten vorspringende Teil bei jenem eine ganz abenteuerliche, fast mit einem Horne vergleichbare Gestalt. Sein Apex hat einen von hinten aussen nach vorn innen orientierten Rücken, von dessen Vorderende eine convexe Linie in ungefähr transversaler Richtung gegen das Basioccipitale emporzieht, um dort in einem stumpfen Höckerchen zu enden. An München I ist freilich die Bulla auf beiden Seiten stark beschädigt; aus der Richtung der vorhandenen Wandteile ergiebt sich aber doch mit Bestimmtheit, dass sie weniger stark vorsprang und rundlicher gestaltet war, ungefähr so wie es die linearen Contouren in Figur CCLV und CCLVIII andeuten. Immerhin kann sie keine so einfache Kugel dargestellt haben wie etwa bei Indris; ihre Wölbung war unregelmässiger, insbesondre macht sich die gegen das Basioccipitale emporziehende stumpfe Knickung auch hier etwas bemerklich. Endlich sind auch noch einige Differenzen im Verhalten der Foramina hervor- zuheben. Der Sinus petrosus inferior hat an München I ein eigenes Foramen, an Montauban 4 nicht. Das F. magnum ist bei Montauban 4 relativ kleiner und dasselbe gilt von dem Foramen pterygospinosum. Zu diesen craniologischen Differenzen gesellen sich nun aber auch’ noch odontologische. Die Molaren von München I haben nichts extravagantes an sich. Adapis parisiensis, Varietäten. 1225 M, und M, nähern sich in ihrem Umriss stark der Quadratform, ihre Innenecken sind gut markiert und ihre vordere Aussenecke mässig zugespitzt. Ihr hinterer Innenhügel ist gut entwickelt. Die hintere Trigonumkante markiert sich nur an M,. Montauban 4 dagegen hat die aberrantesten Molaren, die mir innerhalb der Gruppe vorgekommen sind. Die vordere Aussenecke derselben ist beträchtlich zu- gespitzt, die hintere Innenecke wenig markiert und abgerundet, von M, zu M, in immer stärkerem Maasse. Die hintere Trigonumkante ist an allen drei Zähnen gut ausgebildet, der hintere Innenhügel ‘an M, äusserst schwach und schon an M, gar nicht entwickelt. Auch P, weicht von München I ab durch schiefern Vordereontour, stärkere Verjüngung des Umrisses nach innen zu und relativ schwächern hintern Aussenhügel. Montauban 4 ist diejenige Adapisvarietät, welche sich in der Molarstructur am meisten Lepidolemur (rfigur CCLX) nähert, dem einzigen recenten Halbaffen, welcher in dieser Hinsicht näher an Adapis anklingt. Der von Delfortrie als „Palaeolemur Betillei“ beschriebene Schädel im Museum zu Bordeaux weicht von beiden vorigen ab. In der Länge dürfte er ziemlich genau mit Montauban 4 übereingestimmt haben, in den Gebissdimensionen bleibt er etwas hinter demselben zurück: M,— M, = 0,012 gegen 0,013. Auch in der Ausbildung des Sagittalkammes, der, wie ich mich am Original überzeugt habe, niedrig und wulstig ist, stellt er sich entschieden auf Seite von Montauban 4. Aber in der Gestalt der Gehirnkapsel wie im Pneumatisationsgrad von Mastoid und Squamosum gleicht er durchaus München I. Genaue Angaben über die sonstigen Schädelmerkmale mitzuteilen, bin ich leider nicht in der Lage. Die Molaren, in allen oben citierten Figuren mangelhaft wiedergegeben, stimmen structuell mit denjenigen des in Figur CCLXVIII dargestellten Kieferfragmentes überein; M, und M, haben subquadratischen Umriss und einen kräftig ausgebildeten hintern Innen- hügel. Sie differieren somit stark von Montauban 4 und erinnern, von der viel geringern Grösse abgesehen, sehr an München 1. Der Schädel Montauban 7 hält in den Dimensionen etwa die Mitte zwi- schen Montauban 4 und München I. Der Abstand zwischen dem Unterrand des Foramen magnum und der Intermaxillaspitze misst 0,072 gegen ca. 0,065 und ca. 0,08 bei jenen. M,—M, messen 0,0135, M;—P, 0,0265. Die Gestalt der Gehirnkapsel, der Pneumatisierungsgrad von Mastoid und Squamosum stimmen nahe mit München I überein. Der Jochbogen lädt wie bei diesem stark aus, fällt aber etwas weniger abrupt gegen die Gesichtsfläche ein; auch hängt sein Ober- rand nicht nach aussen, sondern eher etwas nach innen, wenn auch nicht so stark 1226 Stehlin, Eocaene Säugetiere. wie an Montauban 4. Der Processus postglenoidalis hat eine unregelmässige, aberrante Gestalt und verbindet sich daher auch in etwas andrer Weise als an den übrigen Schädeln mit der Bulla (s. Untenansicht Figur CCXLIV). Das Jugale reicht im Orbitalrand entschieden weniger weit nach vorn als an München I und Montauban 4; es endigt in beträchtlichem Abstand vom Foramen lacrymale und dürfte das os lacrymale, dessen Umgrenzung freilich nicht festzustellen ist, kaum erreicht haben. In der Form der Bulla, welche rechts ziemlich intact erhalten ist, scheint keine sehr wesentliche Abweichung gegenüber München I bestanden zu haben. Sie springt, wie aus den Profilfiguren zu ersehen ist, ganz bedeutend weniger nach unten vor als diejenige von Montauban 4. Immerhin scheint sie sich in der Modellierung etwas weniger von letzterer zu entfernen als diejenige von München I. Der Sagittalkamm ist nicht erhalten; da aber die Temporalecristen, so weit sie vorliegen, bedeutend energischer modelliert sind als an Montauban 4 und bei Palaeolemur, dürfen wir wohl annehmen, dass er ähnlich entwickelt war wie bei München I. Das Oceiput, das stark beschädigt ist, scheint weniger als bei letzterm nach hinten übergehangen zu haben. Die Nasalien reichen etwas weniger weit rückwärts als an Montauban 4 und sind in der Längsrichtung deut- lich convex, während sie bei jenem annähernd gerade verlaufen. Die Incisur im obern Orbitalrand markiert sich ausserordentlich stark. Die Molaren haben eine spitzere vordere Aussenecke und eine abgerunde- tere hintere Innenecke als an München I. Auch ist an den M, und M, im Gegen- satz zu letzteren die hintere Trigonumkante deutlich markiert, wie an Montauban 4. Aber diese Zähne haben einen gut ausgebildeten, wenn auch nicht besonders starken hintern Innenhügel. Alles in allem steht also Montauban 7 Palaeolemur näher als Montauban 4 und München I näher als Palaeolemur. Der Schädel Montauban 8 stimmt craniologisch sehr gut mit Montauban 4 überein; die Grösse, die Gestalt der Gehirnkapsel, das Verhalten des Jochbogens sind nahezu identisch, der Sagittalkamm ist. ebenso niedrig, wenngleich etwas dünner, weniger wulstig. Aber M, und M, haben einen gut entwickelten hintern Innenhügel und weichen von denjenigen des Palaeolemur Betillei nur dadurch ab, dass ihre vordere Aussenecke eine Spur spitzer, ihre hintere Innenecke eine Spur gerundeter ist. Der Schädel München II hat dieselben Dimensionen wie München I und stimmt auch morphologisch sehr nahe mit demselben überein. Gehirnkapsel und Mastaoidregion verhalten sich durchaus analog und der Sagitalkamm ist wie dort \ Adapis parisiensis, Varietäten. 1927 stark entwickelt und dünn. Der Jochbogen lädt ebenso stark aus, ist aber samt seinen Annexen noch mächtiger ausgebildet. So springt zum Beispiel der Masseter- höcker bis über das Niveau der Zahnreihe nach unten vor; der Abstand seines Unterrandes vom Orbitalrand. beträgt 0,02 gegen 0,016 bei München I. Die Höhe des hintern Fortsatzes des Jugale beträgt bei München II gleich hinter der Orbita 0,0105 gegen 0,009 bei München I; diejenige des Jugalfortsatzes des Temporale an ihrer höchsten Stelle (2 mm vor dem Hinterende des Jugale) 0,011 gegen 0,0075 bei München I. Auch der Processus postglenoidalis springt nach unten und aussen mehr vor als bei München I. Die Bulla, die linkerseits ziemlich gut er- halten ist, hat, ähnlich wie bei Indris, eine auffallend kuglige Gestalt, die sie an München I nicht in so ausgeprägtem Masse besessen haben kann.!) Ihr Apex liegt dabei weiter vorn als an Montauban 4 und 7. Die Molaren haben eine etwas spitzere vordere Aussenecke, eine gerundetere hintere Innenecke, eine deutlichere hintere Trigonumkante und ein deutlicheres Innencingulum als an München 1. P, ist sagittal etwas weniger gedehnt. | Im ganzen darf man die Differenzen zwischen den beiden Münchner Schädeln als geringfügig bezeichnen. Der von Filhol 1883 1]. e. mit unrichtig ergänztem Jochbogen wieder- gegebene Schädel stimmt offenbar am nächsten mit Montauban 7 überein. Er hat dieselbe Grösse und, nach der Oceipitalansicht zu schliessen, dieselbe niedrige und breite Gehirnkapsel; dazu einen hohen und dünnen Sagittal- kamm. Der bei Grandidier |. ce. in Profilansicht abgebildete scheint in die nämliche Categorie zu gehören. Der zerquetschte Schädel @. W. 1 der Basler Samm- lung dagegen besitzt einen niedrigen Sagittalkamm und scheint sich in der Gehirnkapselform an Montauban 4 und 8 ange- Figur CCLXVID. schlossen zu haben. Adapis parisiensis Bl. Endlich verdient in diesem Zusammenhang das in Figur "“" DraEn Un .der rechten Maxilla mit CCLXVII wiedergegebene Maxillarfragment Q. W. 3 der Basler M,-P,. — Phosphorit von Bach (Lot.). Basel 2 z i \ : 0. W.3.— !ı (M,-P, duum herrührt als die kleinsten der obigen Schädel. M,-M, _oo195). — messen 0,011 gegen 0,012 bei Palaeolemur, M,—P, 0,0195. Die Molaren stimmen structurell, wie bereits bemerkt, sehr nahe mit denjenigen von Palaeolemur überein; Jochbogen und Masseterhöcker sind auffallend kräftig. Sammlung Erwähnung, weil es von einem noch kleineren Indivi- !) In der Untenansicht von München I bei Schlosser (l. ce.) ist die linke Bulla nach München II ergänzt. 1228 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Die Variation von Mandibel und Mandibularbezahnung ist, wie ein- gangs erwähnt, schon von Filhol beachtet worden und hat ihm Anlass geboten in der Analyse etwas weiter zu gehen als audere Autoren. 1877 beschreibt er neben Adapis parisiensis (mit dem er Aphelotherium und Palaeolemur vereinigt) einen „Adapis minor“, characterisiert durch stärkere Dehnung aller Backenzähne ausser dem M,, starke Entwicklung des Talons von M,, schiefere Stellung des Vorjochs und starke Ausbildung der Hinterzacke am vordern Innenhügel der Molaren und des P,, geringe Höhe des Ramus horizontalis. Ausdehnung der Symphyse bis unter P, (anstatt blos bis unter P,). 1883 unterscheidet er folgende sechs Varietäten: 1. Adapis parisiensis, Typus. Hinterer Teil der Mandibel stark ent- wickelt; Molaren schmal, Hinterzacke des vordern Innenhügels schwach, Vorjoch mässig schräg gestellt; Talon von M, mässig gedehnt. Praemolaren schmal, mit schwach entwickeltem Talon. 2. A.p. var. angustidens. Molaren breiter, Hinterzacke am vordern Innen- hügel stark, Vorjoch sehr schräg gestellt; Talon von M, sehr gedehnt; Praemo- laren mit gut entwickeltem Talonhügel. 3. A.p. var. crassa. Mandibel ungewöhnlich hoch und dick. Gebiss ähn- lich wie A. p. Typus. 4. A.p. var. curvirostris. Ramus horizontalis der Mandibel nach hinten stark erhöht. 5. A. p. var. mutans. M, mit sehr kurzem Talon, Hinterzacke am vor- dern Innenhügel der Molaren blos angedeutet, sonst wie A. p. Typus. 6. A. p. var. mutata. M, ohne Talon, sonst wie mutans. Der Adapis minor von 1877 wird bei diesem Anlass mit Stillschweigen übergangen; die Diagnose desselben deckt sich, wie man sieht teilweise, aber nicht vollständig, mit der des Adapis parisiensis angustidens. Unter den Mandibeln der Basler Sammlung finde ich zwar keine, die der Definition der Varietas mutata entspricht, auch keine, die genau dieselbe Combi- nation von Characteren aufweist, durch welche die Varietas angustidens charac- terisiert ist, wohl aber solche, die man auf die vier andern Varietäten Filhols verteilen könnte. Andererseits liegen mir indessen auch Varianten vor, welche keinem der.aufgezählten Typen angehören und eventuell ebenso gut wie diese zu Varietäten erhoben werden könnten. Die in odontologischer Beziehung bemerkenswerteste der letzteren ist in Figur CCXLV, B wiedergegeben. Das Fundstück rührt von emem kleinen Indivi- Adapis parisiensis, Varietäten. 1229 duum, etwa von den Dimensionen des „Palaeolemur Betillei* her und ist aus- gezeichnet durch plumpe, die feinern Details schlecht erkennen lassende Gebiss- structur und besonders durch ungewöhnlich starke Reduction des M, in toto. Ob- wohl sein Talon nicht besonders kurz ist, übertrifft derselbe seinen vordern Nach- barn in der Länge nur unbedeutend; dazu ist er sehr schmal, was umso mehr auf- fällt, als M, und M, relativ breit sind; sein hinterer Innenhügel ist gänzlich verwischt. Zu. den Beobachtungen Filhols über die Variation in der Gestalt des Mandibelknochens habe ich ergänzend folgendes beizufügen: Die Höhe des Ramus horizontalis und die Erhöhung desselben nach hinten zu stehen in keiner, oder wenigstens in keiner engen, Correlation zur Grösse des Indivi- duunıs, wie folgendes Beispiel zeigen mag. Zwei vor mir liegende Mandibelfragmente stimmen in den Gebissdimensionen überein: M,—P,= 0,017. An dem einen — Q.J.26 — misst die Höhe des Ramus horizontalis unter P, 0,0095, unter dem Hinterlobus von M, 0,0105; an dem andern — Q. D. 65 — dort 0,01, hier 0,0127. Eine nicht weniger auffällige Variabilität als die Gestalt des Ramus hori- zontalis zeigt diejenige des, leider nur selten in einigermassen intactem Zustande vorliegenden, Ramus ascendens. An der, in Figur CCLXV wiedergegebenen, Man- dibel Q. D. 72 entspricht der Sagittaldurchmesser desselben im Niveau der Zahn- reihe der Strecke M,—P,; an den in den Figuren CCLXIV, CCLXVI, CCLXVI wiedergegebenen dagegen kommt dieser Durchmesser der Länge der ganzen Backenzahnreihe — M,—P, — gleich.!) Die Individuen mit gedehntem Ramus ascendens zeigen hinwiederum beachtenswerte Differenzen unter sich. Während an dem Exemplar in Figur CCLXVII das Ende von M, wie in Figur CCLXV hinter dem Vorderrande des Ramus ascendens liegt, ist an den andern Exemplaren die ganze Zahnreihe vor den Ramus ascendens geschoben. Während ferner in Figur CCLXIV der Condylus, wie in Figur CCLXV, in mässiger Höhe über der Zahnreihe liegt, ist er in Figur CCLXVI und in Figur CCLXVII höher hinauf gerückt. In Figur CCLXVI hat überdiess der Vorderrand des Ramus ascendens eine bedeutend verticalere Stellung angenommen. Da @. D. 72 Figur CCLXV von einem kleinen Individuum herrührt, die andern Exemplare dagegen von grossen, ist kaum daran zu zweifeln, dass die Dehnung des Ramus ascendens, wenigstens bis auf einen gewissen Grad, der Grösse entsprechend zunimmt. Diese Differenzen in der Ausbildung des Ramus ascendens müssen not- wendigerweise ihre Correlate in der Gestaltung des Schädels haben. Ich vermute !) Ich erinnere an die analogen Differenzen die wir oben (p. 832) bei Mixtotherium fest- gestellt haben. 9 1230 Stehlin, Eocaene Säugetiere. desshalb es komme ihnen eine grössere systematische Bedeutung zu als denjenigen im Zuschnitt des Ramus horizontalis und in der Dehnung der Symphyse. Aus all’ dem geht, wie mir scheint, des deutlichsten hervor, dass „Adapis parisiensis“ nicht eine Species im Sinne der modernen Zoologie ist, sondern ein dem recenten Genus Lemur im Range kaum nachstehender Formen- kreis. So leicht es ist diesen Sachverhalt zu erkennen, so schwer fällt es in- dessen — beim gegenwärtigen Stande der Documentation — ihm einen befriedigenden und unverfänglichen Ausdruck im zoologischen System zu geben. Um zu diesem Ziele zu gelangen müssten wir nämlich erst folgende drei Vorfragen lösen, von denen jede ihre besondern Schwierigkeiten bietet: 1. Wie sind die verschiedenen Typen von Mandibeln und Mandibular- bezahnungen mit den verschiedenen Typen von Schädeln und Maxillarbezahnungen zu combinieren ? 2. Was ist männlicher, was weiblicher Sexualcharacter? Was ist Species- oder Varietätscharacter, was blos individuell? 3. Zu welcher der festgestellten Varianten gehören die Typen des Adapis parisiensis aus dem Pariser Gips? Bei der Combination von Mandibeln und Schädeln sind selbstver- ständlich in erster Linie die Dimensionen der Zahnreihen und ihrer Componenten maassgebend; einem letzten Mandibularmolaren mit langem Talon wird ein letzter Maxillarmolar mit mässig reducierter Hinterhälfte, einem starken Mandibular- caninen ein starker Maxillarcanin entsprechen u. s. f£ Nach der Art und Weise wie obere und untere Zahnreihe ineinander greifen, könnten ferner dem Grade ihrer Markierung nach mit einander correlativ sein: die „Hypoconulid“-Spur an den Mandibularmolaren und die hintere Trigonumkante an den Maxillarmolaren ; der hintere Innenhügel an jenen und der hintere Innenhügel an diesen, die Zacke hinten am vordern Innenhügel jener und das Cingulum an der vordern Innenecke dieser. Ob in diesen Beziehungen eine genaue Correlation besteht, ist indessen beim gegenwärtigen Stande der Documentation schwer zu sagen; ich habe eher den Eindruck, es sei nicht der Fall. Versucht man an den besterhaltenen der untersuchten Schädel, Montauban 4, Mandibeln, die noch mit dem Gelenkkopf versehen sind, anzupassen, so zeigt sich, dass derselbe mit solchen vom .Typus der in Figur COLXIV, CCLXVI, CCLXVH Adapis parisiensis, Varietäten. 1231 wiedergegebenen nicht zu combinieren ist; er verlangt vielmehr eine Mandibel mit kurzem Ramus ascendens wie die in Figur CCLXV dargestellte. Fügt man diese an ihn an, so greifen der Condylus und die Fossa condylaris einerseits, die Zahnreihen andererseits ziemlich genau so, wie sie sollen, ineinander; zwischen dem Vorderrand des Ramus ascendens und dem Jugalfortsatz -des Oberkiefers bleibt ein Spielraum von fünf Milimetern. Mit diesem Befund steht im Einklang, dass an dem zerquetschten Schädel Basel Q. W. 1, der dem Typus Montauban 4 anzugehören scheint, die in situ erhaltene Mandibel ziemlich genau den Zuschnitt von Figur CCLXV zeigt. Für den Schädel Montauban 8 dürfte dasselbe gelten wie für Montauban 4. Der Schädel Montauban 7 weist auf eine Mandibel mit etwas gedehnterem Ramus ascendens hin, die aber doch dem Typus von Figur CCLXV wesentlich näher steht als dem von Figur CCLXIV etc. Dagegen hat Filhol (1883) an den von ihm abgebildeten, in den Dimensionen und in ändern Beziehungen sich nahe an Montauban 7 anschliessenden Schädel — wie es nach seiner, freilich kein unbedingtes Vertrauen einflössenden Figur 4 scheint — eine Mandibel mit stark gedehntem Ramus ascendens anfügen können. Jedenfalls gehören Mandibeln von diesem letztern Typus zu den Schädeln München I und München II. Weiteres über die Combination von Schädeln und Mandibeln festzustellen vermag ich nicht. Suchen wir uns über den systematischen Rang der verschiedenen Varianten Rechenschaft zu geben, so ist in erster Linie die Frage nach den Geschlechtsunterschieden ins Auge zu fassen. Im Gebiss kommt in dieser Hinsicht die Differenz in der Stärke der Caninen in Betracht, im Schädelbau diejenige in der Stärke des Sagittalkammes. Bemerkenswerterweise gelangt man nun aber zu ganz verschiedenen Ergebnissen, je nachdem man die nach diesen beiden Richtungen characterisierten Documente auf Grund der Caninen oder auf Grund des Sagittalkammes gruppiert. Der Schädel München II allerdings ver- bindet mit starken Caninen einen starken Kamm. Aber Montauban 4 und Basel Q. W.1 wären nach den erstern zweifellos als männlich, nach dem letztern ebenso zweifellos als weiblich zu betrachten, Montauban 7 umgekehrt nach den erstern als weiblich, nach dem letztern höchst wahrscheinlich als männlich; und das näm- liche scheint auch von dem bei Filhol (1883 1. ce.) abgebildeten Schädel zu gelten. Ich schliesse daraus, dass nur eine der beiden Differenzen sexueller Natur sein kann und halte es für kaum zweifelhaft, dass diese eine diejenige in den Caninen ist. 1982 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Rein individuell sind die so auffälligen Differenzen in der Ausbildung des Sagittalkammes gewiss nicht. Können sie aber, nach dem eben gesagten, auch nicht sexueller Natur sein, so werden wir sie wohl als Varietäts- oder Species- merkmale zu betrachten haben. Da es nun ferner sehr unwahrscheinlich ist, dass den Unterschieden in der Schädelform, welche zwischen „Palaeolemur“ einerseits und Montauban 4 ete. andererseits bestehen, blos sexueller oder individueller Wert zukommt, so gelangen wir auf Grund des Schädelbaues dazu, innerhalb der Adapis parisiensis-Gruppe zunächst drei Unterabteilungen zu unterscheiden: 1. Schmal- köpfe mit niedrigem Sagittalkamm (Montauban 4, 8; Basel Q. W. 1); 2. Breit- köpfe mit niedrigem Sagittalkamm (Palaeolemur); 3. Breitköpfe mit hohem Sagit- talkamm (München I, II, Montauban 7, Schädel bei Filhol und Grandidier).') Weit schwerer fällt es zu der Frage Stellung zu nehmen, ob innerhalb der Gruppe der hochkämmigen Breitköpfe wiederum zwei Unterabteilungen nach der Körpergrösse zu unterscheiden sind. Da Montauban 7 von einem weiblichen, München II von einem männlichen Individuum herrührt, an den übrigen Schädeln der Categorie aber die Eckzähne nicht erhalten sind, so müssen wir vorderhand mit der Möglichkeit rechnen, dass diesem Grössenunterschied blos sexuelle Be- deutung zukommt. Andererseits ist aber auch die Möglichkeit des Gegenteils auf Grund der mir zur Verfügung stehenden Documentation nicht auszuschliessen. Gleichermassen sind wir auch gegenüber den übrigen oben aufgeführten Differenzen auf ein mehr oder weniger vages Dafürhalten angewiesen. Anhalts- punkte für ein sicheres Urteil werden sich hier vielleicht einmal auf Grund um- fassenderer Materialien von Fundstätten des stratificierten Eocaens gewinnen lassen. Bis auf weiteres möchte ich vermuten, dass die Stärke und Ausladung des Joch- bogens, die speciellere Gestalt der Bulla, die Anordnung der Details in der Lacrymal- gegend, die Dicke und der Umriss des horizontalen Mandibelastes von Individuum zu Individuum beträchtlich variieren können und dass das nämliche auch von der Länge des Talons am untern M, und von den meisten übrigen Gebissdifferenzen gilt. Die stärkste unter den beobachteten odontologischen Abweichungen scheint mir diejenige zu sein, welche der Schädel Montauban 4 in der Structur seiner Maxillarmolaren zeigt; aber auch ihr wage ich vorderhand keine systematische Bedeutung beizumessen. Das gänzliche Fehlen des Talons am letzten Mandibular- ') Wenn keine Schmalköpfe mit hohem Sagittalkamm vorkommen — wie es nach den bis- herigen Erfahrungen den Anschein hat — so liegt diess vielleicht daran, dass bei schmaler und relativ hoher Anlage der Gehirnkapsel die steil gestellte Schläfenfläche auch ohne eine solche Er- weiterung nach oben eine hinlänglich günstige Ansatzfläche für den Temporalis darbietet. Adapis parisiensis, Varietäten. 1233 molaren, welches Filhol zur Aufstellung seiner Varietas mutata veranlasst hat, wird schwerlich etwas andres als eine individuelle Abnormität sein. Aus dem Verhältniss, in dem der unten zu besprechende Adapis Rütimeyeri von Egerkingen zu Adapis magnus steht, ergiebt sich eine gewisse Wahrscheinlich- keit dafür, dass auch in der Adapis parisiensis-Gruppe starke Querdehnung der obern M‚»—P, und Fehlen der Hinterzacke am vordern Innenhügel der Mandibular- molaren als altertümliche Merkmale zu betrachten sind. Dass einer starken Aus- prägung der hintern „Trigonumkante“ und des sogenannten „Hypoconulids“ diese Bedeutung zukommt liegt ohnehin auf der Hand. Da wir nach unsern bisherigen Erfahrungen über das Alter der Quercysedimente erwarten müssen, dass ein Teil der denselben entstammenden Adapis parisiensis-Materialien ältern Niveaux als dem obern Ludien, nämlich dem untern Ludien, vielleicht sogar dem Bartonien angehört, so liegt es nahe an Hand dieser Gebissmerkmale primitivere Mutationen auszuscheiden. Allein solche altertümliche Züge bleiben unter Umständen lange im Bereiche der individuellen Variation. Überdiess wissen wir durch unten!) zu besprechende Funde aus den Sanden der Castrais, dass die Hinterzacke an den Mandibularmolaren in der Adapis parisiensis- Gruppe schon im Bartonien auf- taucht. Ich glaube daher vorderhand von einem Versuch in genannter Richtung absehen zu sollen. — Endlich bleibt die Frage zu erörtern, welcher der verschiedenen Varianten die Typen des Adapis parisiensis aus dem Pariser Gips angehören. Cuvier's Beschreibung liegen drei Belegstücke zu Grunde. Mit gütiger Er- laubniss von Herrn M. Boule habe ich im Jahre 1906 was davon noch übrig ist einer Prüfung unterziehen können. Das Hauptdocument ist ein zerquetschter Schädel der in den Recherches in Figur 4 A—B Pl. LI (132), in Blainville’s?) Osteographie Pl. IX von Anoplo- therium rechts unten abgebildet ist. Man sieht an demselben gegenwärtig noch von der rechten Oberkieferreihe: den.vorn aussen beschädigten M, (u bei Cuvier), die Aussenwand des M, (t), den P, von der Innenseite (g), die Spitze des Caninen (b) und einen Incisiven; von der rechten Unterkieferreihe: den P, (k) und den Caninen (d) in Innenansicht. Zu Cuviers Zeit war die Bezahnung wesentlich vollständiger. M,, M, und C des rechten Oberkiefers waren ganz; ausserdem lagen teils intact, teils in beschädigtem Zustand vor M,—P, und P, sup. dext. (s, r, p), der zweite J sup. dext., die beiden J sup. sin., sowie die Alveole des ‘) s. das Capitel über die Phylogenese des Genus Adapis. ?) Figur 6 u. 7 bei Gervais Z. et P. fr. Pl. 35 sind nach Blainville copiert. 123 Stehlin, Eocaene Säugetiere. C sup. sin.; M, inf. dext. von der Innenseite sichtbar; endlich ein Fragment der linken Mandibel (a) mit P,—J, (k, i, h, c, g). Das letztere liegt in Figur 4A dem Schädel noch an, ist dagegen in Figur 4B abgehoben: es ist auch in der Östeographie in isoliertem Zustand wiedergegeben. Ebenda sind M, inf. und M, sup. isoliert und in vergrössertem Maasstab abgebildet. Cuviers Vermutung, es habe im Oberkiefer hinter dem Zahne «, d. h. dem unzweifelhaften M,, ein weiterer gestanden, ist unbegründet. Der P, der Masillarreihe scheint aus seiner Stellung gepresst gewesen zu sein, so dass oben scheinbar blos drei Praemolaren vor- handen waren. Die beiden andern Documente sind von Cuvier nicht abgebildet worden. Das eine derselben ist eine sehr defecte linke Mandibel, die mit der Aussenseite dem Gesteine aufliest. Vom Knochen ist nur ein Teil des Ramus ascendens deut- lich. Von den Zähnen sind P,—P, und davor in einigem Abstand ein weiterer Zahn, der mir der aus dem Situs verschobene P, zu sein schien, erhalten. Hinter P, sind vage Negative von M,—M, erkennbar. Zu Cuviers Zeit war noch M, und weiterer Zahn aus dem vordern Teil der Reihe vorhanden. Das dritte Document ist ein Maxillarfragment mit Jochbogenanfang, Gaumen- ende, Wurzeln von M, und Alveolen von M;—M,. Zu Cuviers Zeit war M, er- halten. Blainville sagt er finde dieses Stück nicht mehr; er hat es indessen ab- gebildet, nur in ganz heterogener Gesellschaft, bei Dichobune leporina (Anoploth. Pl. V, Mitte oben). Später ist dann zu diesen drei Belegstücken aus dem Pariser Gips als viertes noch die Mandibel hinzugekommen, auf welche Gervais sein Aphelotherium Duvernoyi begründet hat (Z. et P. fr. Pl. 34, Fig. 12, 13; unsere Figur CCLXXXIV). Ich habe sie gleichfalls untersucht und mich überzeugt, dass kein stichhaltiger Grund vorliegt, sie von jenen zu trennen. Sie trägt, wie oben (p. 1184) schon bemerkt wurde, noch Milchzähne, was vielleicht zu der irrigen Meinung, sie rühre von einer andern Tierform her, verleitet hat. Der erhaltene Zahnbestand ist rechter- seits M‚— M,, D,, linkerseits M, (in statu nascendi), M;—M,— D,— D,, P,— CD. Leider ist dieser kümmerlichen Documentation nur sehr wenig specielleres zu entnehmen. Die an erster und zweiter Stelle genannten Belegstücke rühren von etwas stärkeren Individuen her als die beiden andern, aber die Differenz ist so gering, dass keine Veranlassung vorliegt, auf zwei Varietäten zu schliessen; jene gehen etwas über die Dimensionen des Schädels Montauban 7 hinaus, diese bleiben um ein Minimes hinter denselben zurück. Da der an dem Schädel erhal- tene Canin stark ist, könnte die Differenz geschlechtlicher Natur sein. Adapis parisiensis, Varietäten. 1235 Der Pariser Adapis ist also einerseits stärker als Palaeolemur und Montau- ban 4, aber andererseits merklich schwächer als München I und II. Damit steht in Einklang, dass der Ramus ascendens an Fundstück 2 sich nahe an den Mandibel- typus Figur CCLXV anschliesst und von dem Typus Figur CCLXIV erheblich ab- weicht. In odontologischer Hinsicht ist etwa hervorzuheben, dass der obere M, dem von Montauban 7 sehr ähnlich sieht und wie dieser hinten innen mit einer kleinen, den Hypoconus andeutenden, Verdickung des Cingulums versehen ist; dass die untern Molaren nur eine mässig markierte Hinterzacke am vordern Innenhügel haben und dass der Talon des M, von mittlerer Länge ist. Es erscheint somit am wahrscheinlichsten, dass die Pariser Ma- terialien dem Typus Montauban 7 angehören, aber einen zuverlässigen Schluss gestatten die vorhandenen Anhaltspunkte nicht. Aus den dargelesten Umständen ergiebt sich, dass wir uns bis auf weiteres mit einer sehr provisorischen Systematik der Gruppe begnügen müssen. Ich schlage vor alle Varianten unter der traditionellen Bezeichnung Adapis parisiensis zusammen- zufassen, innerhalb dieser weitgefassten Art aber drei Varietäten oder Subspecies zu unterscheiden: Adapis parisiensis Betillei: Kleine Breitköpfe mit niedrigem Sagittalkamm; Typus „Palaeolemur Betillei Delfortrie“. Adapis parisiensis Bruni: Kleine Schmalköpfe mit niedrigem Sagittalkamm; Typus Montauban 4; ferner vorderhand Montauban 8, Basel ©. W. 1. Adapis parisiensis Schlosseri: Breitköpfe mit hohem Sagittalkamm; Typus München I; ferner München II. Montauban 7 und die ihm nahestehenden Schädel können vorläufig an diesen Typus angeschlossen werden. Dass diese „Varietäten“ oder „Subspecies“ den Arten des recenten Genus Lemur im systematischen Rang nicht nachstehen, scheint mir allerdings nicht zweifelhaft und dass umfassendere Materialien einmal zu verschiedentlichen weitern Spaltungen führen könnten, sehr wohl möglich. Andererseits halte ich aber dafür, dass die von Filhol vorgeschlagenen Namen, als gar zu ungenügend begründet, vorderhand füglich ausser Gebrauch gesetzt werden dürfen. 1236 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Adapis parisiensis Blainville var. von Mormont. Lophiotherium Laharpei Pictet et Humbert 1869, Pl. XXIII, Fig. 6a—e, p. 166. Lophiotherium Laharpei Major 1873, Tab. VI, Fig. 61, p. 124. Unter den Mormontfossilien der Lausanner Sammlung ist die Adapis pari- siensis-Gruppe durch ein Mandibelfragment mit M,—M, und durch das Bruch- stück eines Maxillarmolaren vertreten. Das erstere Document ist durch F. Major Ende der sechziger Jahre untersucht und als „Lophiotherium Laharpei n. sp.“ zu den Perissodactylen gestellt worden. Pictet und Humbert haben es dann 1869 unter diesem Namen abgebildet und beschrieben; und Major selbst hat 1873, in seiner Arbeit über die Nagerüberreste aus den Bohnerzen, eine vergrösserte Figur der drei Molaren mitgeteilt, unter Verweisung auf die Beschreibung der Genfer Autoren. Pietet und Humbert haben schon hervorgehoben, dass das Fossil viel- leicht ebenso gut als mit Lophiotherium mit dem, damals noch zu den Huftieren gerechneten, Genus Aphelotherium Gervais (also mit Adapis) in Beziehung gebracht werden könnte und Major hat bei einem spätern Besuch der Lausanner Sammlung die generische Bestimmung auf der Etiquette richtig gestellt. Lausanne L. M. 1261. Fragment der linken Mandibel mit M,—M,. — Länge M,—M, 0.0184, M, 0,0075. — Pictet et Humbert 1869, Pl. XXIII, Fig. 6a—e. — Major 1873, Tab. VI, Fig. 61. — Tafel XXII, Figur 15. Alle drei Zähne sind ausgezeichnet durch ungewöhnlich starke Längsdehnung, ungewöhnlich geringe Breite im Verhältnis zur Länge und fast völliges Fehlen der Hinterzacke am vordern Innenhügel. An M, kommt zu diesen Specialitäten noch die weitere, dass sich der hintere Innenhügel nur äusserst schwach und auf- fällig weit hinten markiert. Unter den Quereyfundstücken der Basler Sammlung finde ich keines, das diese Combination von Merkmalen aufweist und überhaupt Adapıs parisiensis. 1237 keines mit so gedehnter Molarreihe. Auch Filhol (1883) scheint nichts analoges gekannt zu haben. Die von ihm als „Adapis parisiensis angustidens“ bezeichnete Variante!) hat einen nahezu gleich langen M, (0,007), aber kürzere und relativ breitere M, und M, und stark ausgebildete Hinterzacken. Das Mormont-Fundstück steht also innerhalb der Gruppe etwas isoliert. Das Fehlen der Hinterzacken könnte möglicherweise ein Anzeichen relativ hohen Alters sein (s. unten: Adapis Rüti- meyeri). Gleichwohl würde ich es für verfrüht halten, es etwa als „var. Laharpei* systematisch abzusondern; umso mehr als es mir nicht ganz ausgeschlossen scheint, dass die Form der Zahnkronen etwas durch Druck entstellt ist. Vom Mandibularknochen ist nur eine kleine nichts sagende Partie erhalten. Lausanne L. M. 1262. M, (M,?) sup. sin.; Aussenhälfte von 0,0042 Länge. Die genauere Herkunft von L. M. 1262 ist nicht angegeben. L.M. 1261 stammt von der Fundstelle bei der Station Eclepens, scheint also dem Bartonien oder dem untern Ludien anzugehören. !) s. oben p. 1228. 10 1238 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Einleitende Bemerkungen zu der Gruppe des Adapis magnus. (Subgenus Leptadapis Gervais.) Die Species „Adapis magnus“ ist von Filhol 1874 (1. p. 1165 ec.) auf- gestellt und von Gervais 1876 (]. ec.) zum Typus eines neuen Genus „Leptadapis“ erhoben worden. Das diesen ersten Publikationen zu Grunde liegende Fundstück war ein etwas beschädigter Schädel ohne Mandibel aus dem Phosphorit von Saint- Antonin. Nach weitern Materialien aus den Phosphoriten haben dann Filhol (1877, 1883, 1885), Gaudry (1877), Schlosser (1887 und 1887 bis), Leche (1896) und Grandidier (1905) die Speciescharacteristik vervollständigt. Meiner eigenen Untersuchung habe ich ausser der ziemlich umfangreichen, aber nur aus Bruchstücken bestehenden, Documentenserie des Basler Museums, wertvolle Schädelmaterialien des Museums von Montauban zu Grunde legen können, für deren Mitteilung ich dem Vorsteher dieses Institutes, Herrn Albert Brun, meinen wärmsten Dank ausspreche. Adapis magnus unterscheidet sich von Adapis parisiensis vor allem durch seine beträchtlich stärkern Dimensionen.!) Ausserdem zeigt er aber in Gebiss und Schädelbau auch eine Reihe von morphologischen Abweichungen, die ich im Folgenden etwas vollständiger und praeciser nachweisen möchte, als es in der bisherigen Litteratur geschehen ist. Gebiss. Die Maxillarmolaren (Figur CCLXXIX, CCLXXX) sind gegenüber den- jenigen der kleinern Form hauptsächlich durch ihren mehr in die Breite gezogenen Umriss ausgezeichnet. Das Fehlen des vordern Zwischenhügels ist mit Unrecht als ein Characteristicum derselben angegeben worden. Nur an M, vermisse ich !) s. die Maassangaben bei den Figuren. Adapis magnus, Gebiss. 1239 dieses Element zuweilen völlig; an den beiden vordern Molaren finde ich es immer deutlich, wenngleich — wie bei Adapis parisiensis — in etwas variabelm Grade, ausgebildet; an M, immer etwas deutlicher als an M,. Der Hypoconus ist meistens stark entwickelt, am stärksten immer an M,; nicht selten markiert er sich an M, noch ziemlich deutlich. Die hintere Trigonumkante hat sich im ganzen bei Adapis magnus besser erhalten als bei A. parisiensis; an ganz frischen Exem- plaren von M, (Figur CCLXXIII) findet man sogar zuweilen im Verlauf derselben eine ganz schwache Andeutung eines Zwischenhügels. Die Haupthöcker sind relativ eher etwas höher als bei A. parisiensis, die Modellierung der Aussenwand ist energischer durchgeführt. Stärkere Abweichungen von Adapis parisiensis sind an der Reihe der obern Praemolaren zu beobachten. P, zeigt nicht selten das Cingulum hinten innen zu einem rudimentären Hypoconus verdickt, verhält sich aber im Umriss und in der Ausbildung der Aussenwand entschieden weniger molariform als sein Homologon bei jenem. Er ist beträchtlich breiter als lang; sein Aussencontour beschreibt einen etwas unregelmässigen Bogen; seine Aussenwand ist weniger ab- seplattet, sein hinterer Aussenhügel weniger entwickelt und weniger detachiert. Den vordern Zwischenhügel findet man nur ausnahmsweise ganz verwischt. Auf der Hinterseite des Innenhügels ist eine Kante angedeutet. Die auch bei A. parisiensis nicht ganz fehlende Erhöhung der Aussenhügel von P, zu P, ist bei A. magnus bedeutend auffälliger. P, variiert stark. Sein Talon ist immer entwickelter als der des P, von Adapis parisiensis, aber je nach den Individuen doch in sehr verschiedenem Grade. Bei starken Individuen nähert sich der Zahn im Kronenumriss dem P, und an solchen progressiven Exemplaren verstärkt sich das Cingulum vorn und innen zu einem Vorjoch mit wohlentwickeltem Innenhügel, aber meistens ohne Zwischenhügel; zugleich zeigen dieselben eine Tendenz im Hinterabhang des Aussenhügels eine hintere Spitze auszugliedern und in der vordern Aussenecke ein kleines Parastyl zu entwickeln. Bei weniger kräftigen Individuen ist dagegen die Kronenstructur, von der etwas stärkeren Entwicklung des Talons abgesehen, dieselbe wie bei Adapis parisiensis und zur Ausbildung eines Vorjoches kommt es nicht. An den pro- gressiven Exemplaren ist die Hinterwurzel in eine hintere Aussenwurzel und eine Innenwurzel gespalten, wie an P,. Ob diess auch bei den primitivern Exemplaren der Fall ist, gestattet mir mein Material nicht festzustellen. P, sup. hat gleichfalls einen stärkern Talon als sein Homologon bei Adapis parisiensis, entwickelt aber kein Vorjoch und überhaupt keine Structurcomplicationen. 1240 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Leche hat auf die beträchtliche Variabilität dieses Zahnes in der Kronenlänge und in der Höhe des Aussenhügels aufmerksam gemacht. Eine Spaltung der Hinter- wurzel findet an P, nicht statt. Dagegen hat der eben genannte Autor ein sehr kurzes und hohes Exemplar des Zahnes beobachtet, an welchem die Hinterwurzel mit der Vorderwurzel verschmolzen ist. Mir ist kein solcher Fall vorgekommen. Während bei A. parisiensis die Grössenabnahme von P, zu P, eine stetige ist, ist bei Adapis magnus der Unterschied zwischen P, und P, viel grösser als der zwischen diesem und P,. Trotz der starken Reduction hat aber auch P, noch einen stärkern Talon als sein Homologon bei A. parisiensis. Er ist wie dieses einwurzlig. Die Einpflanzung ist dieselbe wie bei A. parisiensis, doch springt die Cou- lissenstellung infolge der stärkern Entwicklung der Talons noch mehr in die Augen. Der Maxillarcanin (Figur CCLXIX) geht in der Differenzierung weit über die progressivern, von uns als männliche ange- sprochenen, Exemplare von Adapis parisien- sis hinaus. Er ist vor allem bedeutend hö- her und spitzer. Die Höhe seiner Krone übertrifft immer deren Längsdurchmesser an der Basis; sie beträgt das doppelte der Figur CCLXIX. Adapis magnus Filh., Kronenhöhe von P, und mehr. Die Breite linker oberer Canin von aussen, vorn und des Kronenquerschnittes ist nicht gar viel innen. — Phosphorit von Bach (Lot). — Bone, geringer als die Länge desselben. Der Profil- contour ist leicht unsymmetrisch, indem die Hinterkante einen etwas gebogenern Verlauf nimmt als die Vorderkante. Die Innenseite, in toto, ist convexer als die Aussenseite und zwar so, dass das Maxi- mum der Biegung näher bei der Vorderkante liegt. Beide Seiten zeigen ener- gische Modellierungen. Innen an der Vorderkante ist die schon bei Adapis pari- siensis erwähnte Rinne zu einem eigentlichen Graben vertieft. Eine ähnliche, breitere, aber weniger tiefe Rinne hat sich innen an der Hinterkante entwickelt, eine dritte in der Mitte des convexen Rückens, der Vorder- und Hinterrinne von einander trennt. Desgleichen ist auch die Aussenseite hinten und vorn mit je einer solchen Rinne versehen, von welchen die vordere die seichtere ist. Der Querschnitt der Krone in halber Höhe stellt infolge dieser Sculpturen einen fünf- strahligen, stumpfspitzigen Stern dar (Figur CCLXXIX). Aussenseite und Innen- seite der Krone sind an der Basis von einem Cingulum umzogen. Adapis magnus, Gebiss. 1241 Die Wurzel ist anderthalb mal so lang als die Krone und satt vor P, vertical eingepflanzt. Sie hat einen gebogenen Vordercontour, einen fast geraden Hintereontour und einen unregelmässig kurzovalen Querschnitt. Auf der Vorder- seite ist sie mit einer Rinne versehen, welche die Fortsetzung der vordern Innen- rinne der Krone bildet. Die Kronenbasis rückt beim alten Tier ziemlich weit über den Alveolarrand vor. So starke Differenzen in der Ausbildung des Maxillarcaninen, wie wir sie bei Adapis parisiensis beobachtet haben, kommen, meines Wissens wenigstens, bei Adapis magnus nicht vor. Morphologisch stimmen alle mir vorliegenden Exemplare (2 in situ, 4 isolierte) überein, nur in der Stärke differieren sie etwas. Es er- scheint nicht unmöglich, dass sich bei Adapis magnus eine früher vorhandene Geschlechtsdifferenz in den Caninen durch Übertragung der männlichen Charactere auf das Weibchen schon wieder ausgeglichen hat. Die Maxillarcaninen von Adapis magnus haben sehr wenig Analogie mit denjenigen der recenten Halbaffen, dafür umsomehr mit denjenigen mancher Affen, die bekanntlich mit emem ähnlichen Rinnensystem versehen sind. Bei diesen ist freilich die Krone immer mehr oder weniger wie an Raubtiereckzähnen gebogen. Adapis magnus am nächsten kommen einige südamericanische Formen, bei welchen diese Biegung nur sehr schwach ist, insbesondre Chrysothrix. Vor dem Caninen folgt bei Adapis magnus, im Gegensatz zu A. parisiensis, ein kleines Diastema von etwa 2 mm Länge, das grössern Teils dem Intermaxillar- knochen angehört. Es dient dem verstärkten Mandibularcaninen, der hier in die Maxillarreihe eingreift. Die obern Incisiven — auch hier je zwei jederseits — sind infolge der Kürze der Intermaxillen in einem Bogen von grösserm Radius angeordnet als bei Adapis parisiensis; sie stehen also etwas transversaler. Ihre Wurzeln sind in analoger Weise eingepflanzt wie dort. J,, der mir an einem Kieferfragment in situ vorliegt, hat genau dieselbe Gestalt wie sein Homologon bei A. parisiensis; seine Innenspitze trägt eine Usur, welche beweist, dass sie sich mit der des andern J, berührt hat. Js, liegt mir nicht vor. An den Mandibularmolaren von Adapis magnus (Figur CCLXX) ist der Höhenunterschied zwischen Vorjoch und Nachjoch der M, und M, eher etwas stärker als bei Adapis parisiensis. Hauptsächlich aber erscheint der hintere Innen- hügel geschwächt, was namentlich bei Betrachtung der Zähne von der Innenseite (Figur CCLXXT) auffällt. Während bei den meisten Varietäten von Adapis pari- 1942 Stehlin, Eocaene Säugetiere. siensis dieser Hügel sich mit seiner Vorderseite deutlich über den Abhang des Nachjoches vorwölbt und sich dadurch einen gewissen Grad von Individualität wahrt, zeigt er bei A. magnus die Tendenz völlig im Joche aufzugehen; und zwar ist diese Tendenz an M, immer ausgesprochener als an M,. Dafür entwickelt sich auf der Vorderseite des Hügels eine Kante, welche in der Taltiefe in die hinten am vordern Innenhügel niedersteigende übergeht. An M, ist die Schwächung des hintern Innenhügels noch weiter gediehen als an M,; Exemplare, an denen über- Figur CCLXX. Adapis magnus Filhol, Fragment der linken Mandibel mit M;—C. — Phosphorit von Larnagol (Lot), Basel Q. D. 50. — °/ı. haupt noch eine ganz schwache Spur desselben wahr- IF ee A zunehmen ist, bilden die Ausnahme; auf zwölf finde ich deren zwei. Die Hinterzacke am vordern Innen- hügel der M inf. ist bei manchen Individuen sehr stark N \% Y je») entwickelt; übrigens immer an M, stärker als an M, =: und an diesem stärker als an M,. Aber als ein con- Figur CCLXXI. M,-—M;, inf. sin., von der Innenseite. S 2 — A. Adapis parisiensis Bj, eines sehr beschränkten Materiales angenommen wor- Basel Q. J. 19. — B. Adapis den ist — kann die starke Markierung dieses Details magnus Filhol. Basel Q.D. 41. — Phosphorite des Querey.- ?/ı. stanter Character des A. magnus — wie auf Grund nicht gelten. Es giebt vielmehr auch Individuen von Adapis magnus mit schwacher, ja mit sehr schwacher Hinterzacke. Unter andern liegen mir sogar einige Mandibeln vor, an welchen der Hinterabhang des vordern Innenhügels überhaupt blos mit einer scharfen Kante, ohne Zacke, versehen ist. Doch ist zu bemerken, dass diese Mandibeln zu den kleinsten gehören und sehr wahrschemlich auf eine etwas ältere Mutation des Phylums zu beziehen sind, worauf wir unten noch zurückkommen. Die Vorder- knospe, das sogenannte Paraconid, der Molaren markiert sich durchschnittlich weniger deutlich als bei A. parisiensis. Am letzten Mandibularpraemolaren ist der hintere Innenhügel noch schwächer als an M, und M,; an den meisten Exemplaren kommt er überhaupt Adapis magnus, Gebiss. 1243 nicht zur Entwicklung und der Nachjochgrat sinkt dann vom hintern Aussenhügel nach innen zu ins Niveau der Kronenbasis herab. P, inf. ist also deutlich um einen Grad weniger molariform als sein Homologon bei A. parisiensis. Die Tendenz den Haupthügel gradweise zu erhöhen macht sich an den untern P, und P, von Adapis magnus wie an ihren Antagonisten merklich stärker geltend als bei A. parisiensis und die Vorderkante dieser beiden Zähne ist dementsprechend steiler gestellt. Der einwurzlige P, ist wie sein Antagonist bedeutend reducierter als sein Homologon bei A. parisiensis, zeigt aber gleichwohl die den Talon markierende Ausbauchung der Kronenbasis nach hinten innen im allgemeinen stärker entwickelt. Die Coulissenstellung der vordern Mandibularpraemolaren ist accentuierter als bei A. parisiensis und am ausgesprochensten bei dem zwischen P, und dem Caninen eingeklemmten P,. Der untere Canin ist relativ stär- ker als bei den oben als männliche ange- sprochenen Individuen von Adapis parisiensis und überragt zweifellos die Incisivenkronen. Damit wird es zusammenhängen, dass seine Spitze schräger abgestutzt, d.h. seine Vorder- kante (im Sinne der Praemolaren) weniger Figur CCLXXII. Adapis magnus Filhol, wagrecht gestellt und dass in der Ober- linker unterer Ganin von innen, hinten und kieferreihe eine Lücke für ihn ausgespart a in ans. . D. 50. — °/a ist. Im übrigen ist seine Structur die näm- liche. Die Affenähnlichkeit der Bewehrung von Adapis magnus be- schränkt sich daher auf den Maxillarcaninen. In der Stärke zeigt der Mandibularcanin eine ähnlich beschränkte Varia- bilität wie sein Antagonist. Von den Mandibularincisiven liegen mir blos die satt aneinander ge- schlossenen Alveolen an einigen Fundstücken vor und auch diese nur in mehr oder weniger beschädigtem Zustande. Dagegen hat Leche (Figur XIX |. c.) die Obenansicht einer Mandibel mitgeteilt, an der die J, und die Stümpfe der J, er- halten sind. In der relativen Grösse und in der Gestalt scheinen die beiden Zähne nicht von ihren Homologen bei A. parisiensis abzuweichen, dagegen sind sie gleich ihren Antagonisten etwas transversaler angeordnet. Dass der Alveolarrand vor dem untern Caninen auch bei Adapis magnus höher liegen muss als hinter dem- selben, glaube ich aus dem Verlauf des intermaxillaren Alveolarrandes schliessen zu dürfen (Figur CCLXXVII). 1244 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Obere Milchbackenzähne liegen mir an vier Kieferfragmenten von A. magnus vor; das vollständigste derselben (Figur COLXXIII) trägt M,—D, und CD, ein andres M;—M,, D,—D,, P,, € in Alveolo. D, steht im gleichen Verhältniss zu den Molaren wie bei Adapis parisiensis. In seiner hintern Trigonumkante markiert sich gewöhnlich ein kleiner Zwischenhügel. An D, ist die Spitze im Hinterabhang des Aussenhügels schärfer entwickelt als bei der kleinern Form; hinten an der Basis des Innenhügels sitzt eine niedrige Knospe, welche ‘A. parisiensis fehlt und vielleicht als Keim eines hintern Innen- hügels gedeutet werden darf. Diese kleine Complication ist offenbar in Parallele zu setzen mit der Tendenz des P, einen ru- dimentären Hypoconus zu entwickeln.) D, hat einen etwas stärkern Talon als sein Homologon bei A. parisiensis und beginnt 7x an seiner vordern Ecke ein Parastyl aus- | zugliedern. Das eine der mir vorliegen- den Exemplare weist die Andeutung einer - Hinterzacke im Hinterabhang des Haupt- hügels auf. Die Spitze des D, überragt diejenige des D, um ein weniges, con- form dem Verhalten von P, gegenüber P,. Figur CCLXXIIH. Adapis magnus Filhol, Fragment der rechten Maxilla mit M‚—D;, Al- \ veole von P, und CD, von unten und von aus- chen sich also auch im praemolaren Teil sen. — Phosphorit von Larnagol (Lot). Basel der Milchzahnreihe etwas geltend. 0. D. 6. — ?ı. Die Speeialitäten der Praemolarreihe ma- Die Einpflanzung der Milchbacken- zähne ist genau die gleiche wie bei A. parisiensis. Der obere Milchcanin nimmt sich aus wie ein mässig verkleinerter, ver- zerrter D, mit nach vorn ansteigender Basis und geschwächtem Talon. Die Spitze des Haupthügels liegt weiter vorn als an D,, die Hinterkante ist daher gedehnter, !) Leche, der sich bemüht eine durchgängige Progressivität des Gebisses von A. magnus gegenüber dem von A. parisiensis nachzuweisen, hebt hervor der P, des letztern gleiche dem D, von A. magnus mehr als dessen P,. Mir scheint der D, sehe dem P, der einen Species so unähn- lich als dem der andern. In Anbetracht der speciellen Rolle, welche er im Milchgebiss spielt (s. oben p. 1178), ist er überhaupt nicht wohl mit Ersatzzähnen zu vergleichen. Jedenfalls kann seine Gestalt nicht als Maasstab zur Entscheidung der Frage dienen, was an Praemolaren primitiv und was progressiv ist. Adapis magnus, Gebiss. 1245 die Vorderkante kürzer und steiler. Ein Parastyl markiert sich kaum (an dem von Leche untersuchten Exemplar, wie es scheint, etwas deutlicher als an dem mir vorliegenden), wohl aber eine kleine Hinterspitze am Ende des Hinterabhangs. Der Talon ist blos noch angedeutet, das Innencingulum stark entwickelt, das Aussencingulum völlig verwischt. Das Vorderende der Krone hängt beträchtlich über die mässig schief eingepflanzte, völlig einfache Wurzel über. Die Spitze überragt die des D, nur um ein weniges. Der Zahn erinnert an die primitiveren, oben als weibliche angesprochenen, Ersatzcaninen von Adapis parisiensis, stimmt aber nicht mit ihnen überein. Er ist compresser, scharfkantiger, im Profilcontour unsymmetrischer, namentlich auch infolge der Complication am Hinterende weniger caniniform. Obere Milchincisiven liegen mir nicht vor, auch sind an keinem der Kieferfragmente die Alveolen derselben erhalten. Leche bildet in seiner Figur XI einen Maxillarschneidezahn ab, den er, weil im Connex mit Milchbackenzähnen gefunden, als JD deutet. Derselbe hat völlig die Gestalt eines J,. Da er frisch ist und da die Ersatzincisiven schon neben den Milchbackenzähnen fungieren, scheint mir seine Zugehörigkeit zum Milchgebiss nicht ausser Zweifel zu stehen. Zum Studium der untern Milchbackenzähne steht mir, aus- ser zwei ‚kleinen Fragmenten mit D, und D, — D,, das schon erwähnte Mandibulare Q.D.42 (Fig. CCLXXIV) - u a Le) Figur CCLXXIV. Adapis magnus Filhol, Frag- ment der rechten Mandibel mit D,—D;, CD, Alveolen CD und der Wurzelstumpf JD, EI- yon M, G P,, Stumpf von JD, und Alveolen von JD, halten sind. D, ist in der Vorder- und J,. — Phosphorit von Larnagol (Lot). Basel QO.D. 20 2. zur Verfügung, an dem D,—D,, hälfte aufallend stark verschmälert; sein hinterer Innenhügel markiert sich, aber schwach; die Hinterzacke am vor- dern Innenhügel ist gut ausgebildet.!) D, lässt die diversen bei A. parisiensis erwähnten Details gut erkennen. Der Haupthügel von D, überragt, wie im Öber- kiefer, denjenigen seines hintern Nachbarn etwas, im Analogie mit P, und im Gegensatz zu A. parisiensis. Der einwurzlige untere Milchcanin ist noch weniger caniniform als die weiblichen Ersatzcaninen von A. parisiensis. Seine Krone ist niedriger, sein Talon stärker entwickelt und mit einem deutlich halbmondförmigen Hügel versehen. 1) Die Basis derselben ist, wie ich zu spät bemerke, in Figur GGLXXIV etwas zu breit dargestellt, 11 1246 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Die Nebenkante hinten innen am Haupthügel markiert sich sehr stark, die äussere Abgrenzung der Hinterfacette dagegen nur undeutlich. Die Wurzel ist sehr schräg eingepflanzt, noch schräger als die der primitivsten (Co von Adapis parisiensis. Von der Beschaffenheit der Ineisivalveolen, die an dem Kiefer Q. D. 42 vor CD zu sehen sind, ist oben (p. 1182) schon die Rede gewesen. Leche hat in seiner Figur XIII eine Mandibel von A. magnus abgebildet, an welcher der zweite untere Milchincisiv und der Stumpf des ersten in un- gestörtem Situs erhalten sind. Die Krone des JD, scheint nicht wesentlich von der des J, abzuweichen. Leche hebt hervor, dass die Milchineisiven procliver ein- gepflanzt sind als ihre Nachfolger, was ich nach dem mir vorliegenden Document bestätigen kann. j Der Zahnwechsel folgt bei Adapis magnus dem selben Schema wie bei Adapis parisiensis mit der kleinen Abweichung, dass der Canin etwas stärker re- tardiert ist (s. oben p. 1185). Schädel. Es sind bis jetzt zwei Schädel von Adapis magnus abgebildet worden, einer durch Filhol (1874 und 1877 1. ce.) und Gervais (1876 1. c.), der andre durch Grandidier (1905). Der erstere, welcher das Typusstück der Species Adapis magnus Filhol und des Genus Leptadapis Gervais ist, rührt von einem relativ schwachen Individuum her. Er ist an den Jochbogen, an der Schnauzenspitze, am Sagittal- kamm und an den Pterygoidalwänden beschädigt, aber, wie es scheint, nicht durch Druck entstellt. Filhol und Gervais haben ihn von oben, unten und im Profil wiedergegeben; der erstere Autor ausserdem von hinten. Der von Grandidier publicierte Schädel hat einem sehr starken Indi- viduum angehört und zeigt blos kleinere Defecte an den Pterygoidalwänden, an der Schnauzenspitze und hinten am linken Jochbogen. Grandidier giebt eine Unten- und eine Profilansicht desselben, die leider an Deutlichkeit der Details zu wün- schen übrig lassen. In der Profilansicht ist dem Schädel eine nur wenig beschädigte Mandibel angefügt, die in einer weitern Figur auch von oben wiedergegeben wird Ich kenne diese Documente nicht aus eigener Anschauung; dagegen stehen mir drei in die Gruppe des Adapis magnus gehörige Schädel aus dem Museum von Montauban zur Verfügung. Von diesen besitzt nun aber einer (Montauban 3) Adapis magnus, Schädel. 1347 so auffallend geringe Dimensionen, dass ich ihn nicht auf die Species Adapis magnus beziehen kann und vorziehe seine Besprechung erst unten, nach der Be- schreibung von Adapis Rütimeyeri, zu bringen. Hier soll also zunächst nur von den beiden andern, Montauban 1 und Montauban 2, die Rede sein. _ Der Schädel Montauban 1 rührt von einem starken Individuum her. Die Distanz zwischen Foramen magnum und Intermaxillaspitze misst an demselben ca. 0,105. Die Beschädigungen, welche er erlitten hat, sind ziemlich umfangreich. Weggebrochen sind: rechts die postorbitale Partie des Jochbogens bis zur Gelenk- fläche und die Wand der Bulla; links der Hinterrand der Orbita, der postorbitale Jochbogen, das Squamosum, das Mastoid, die Bulla; ferner ein grosser Teil des Occiputs und der Pterygoidalwände, sowie kleine Partien des Sagittalkammes. Durch Druck entstellt sind der Hinterrand der rechten Orbita, der hintere Teil des Schädeldaches, die vorhandene Partie des Occiputs (mit Ausnahme des linken Mastoids und der unmittelbar angrenzenden Teile des Exoccipitale) und die vor- handene Partie der Gehirnschädelbasis. Von der Umgebung des Foramen magnum ist nur der rechte Condylus in stark beschädistem Zustande erhalten. In vor- züglichem Erhaltungszustande liegen dagegen der Gesichtschädel mit Einschluss der wichtigen Lacrymalpartie und die vordere Gehirnkapselwand vor. Am Gaumen ist blos die Spina nasalis posterior abgebrochen. Die Bezahnung ist intact mit Ausnahme der Incisiven, die ausgefallen sind und des rechten Caninen, der seine Spitze verloren hat. Unsere Figuren CCLXXVI, GCLXXVIL, CCLXXIX geben diesen Schädel von oben, im Profil und von unten wieder. Zur Reconstruction der Profilansicht sind beide Seiten benutzt worden. In der Oben- und Untenansicht sind sehr de- fecte Partien gleich den fehlenden blos linear eingezeichnet worden. Für einige dieser linearen Ergänzungen boten Montauban 2 und 3 und die Figuren bei Gran- didier die erforderlichen Anhaltspunkte. Die Ineisiven in Figur CCLXXIX sind nach dem Kieferfragment @.:D. 9 der Basler Sammlung eingezeichnet, der rechte Canin ebenda ist nach dem linken ergänzt. Der Schädel Montauban 2 rührt von einem schwächern Individuum her; der Abstand zwischen dem Unterrand des Foramen magnum und der nicht erhal- tenen Intermaxillaspitze mag 0,096 betragen haben, M,—P, sup. messen 0,028 (gegen 0,032 an Montauban 1). Es fehlen: die Intermaxillen fast vollständig, die Vorderenden der Nasalien, ein Stück aus der Mitte des rechten und der grösste Teil des linken Jochbogens, die hintere Umrandung der linken Orbita, der grösste Teil des Sagittalkammes und des linken Oeccipitalflügels, ein Stück der rechten 1248 Stehlin, Eocaene Säugetiere. und kleinere Partien der linken Pterygoidalwand. Der Gesichtschädel ist ziemlich entstellt durch Quetschungen vor den Orbiten, der Gaumen von Sprüngen durch- zogen und stellenweise eingetrieben, aber im ganzen nicht schlecht erhalten. Von 1 EERE | Figur CCLXXV. Adapis magnus Filhol. — Schädel Montauban 2, Reconstruction der Stirnansicht. !h2— Ne. Venenemissar. — Fr. Frontale. — Al. Alisphenoid. — Pt. Pterygoidalwand. — C.i. Infraorbitaleanal. — La. Lacry- male mit Foramen lacrymale, davor die praeorbitale Grube. — F. m. Foramen malare. — F.i. Foramen infraorbitale. den Zähnen sind M,—P, sin, M,—P, dext und die Hälfte von M, dext vor- handen. Die linke Bulla ist nur in transversalem Sinn etwas zusammengepresst, die rechte dagegen eingetrieben. Die Gehirnschädelbasis mit Einschluss der Con- dyli, der Mastoide sowie der erhaltenen Teile der Pterygoidalwände haben kaum Adapis magnus, Schädel. 1249 Entstellungen erlitten, die erhaltenen Teile der Jochbogen nur geringfügige. Da- gegen ist die obere Hälfte des Oceiputs, soweit überhaupt erhalten, stark defor- >) miert und die Gehirnkapsel von vielen Sprüngen durchzogen. Die Auffindung von Figur CCLXXVI. Adapis magnus Filhol. — Schädel Mont- auban 1, Reconstruction der Stirnansicht. }/ı. — Ve. Venenemissar in der Squamoso - parietalsutur. — Cr. Grat in der Verlängerung des vordern Randes der Gelenkfläche. — Al. Alisphenoid. — Fr. Frontale. — Pt. Pterygoidalwand. — C. i. Infraorbitalcanal. — La. Lacrymale, — F.1. Foramen lacrymale. — F. ii. Foramen infraorbitale. — Gr. Praeorbitale Grube. Suturen und Foramina wird wesentlich erschwert durch eine eristalline Kruste, die härter ist als der Knochen selbst und nicht überall, wo es wünschbar gewesen wäre, entfernt werden konnte. 1250 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Zur Wiedergabe in Profil eignet sich dieses Fundstück nicht. Ich habe in Figur CCLXXV seine Obenansicht und in Figur CCLXXX seine Untenansicht zu reconstruieren versucht. In letzterer Figur ist die rechte Bulla nach der linken ergänzt. Eine Reihe der für Adapis magnus characteristischen Züge sind an dem grössern Schädel, Montauban 1, stärker ausgeprägt als an Montauban 2. Ich werde mich in der allgemeinen Characteristik daher vorwiegend an erstern halten und nachher die Punkte hervorheben in denen Montauban 2 von ihm abweicht. Der Schädel von Adapis magnus unterscheidet sich von demjenigen des Adapis parisiensis zunächst durch Abweichungen in der Lage und in der Grösse der Gehirnkapsel, sowie in den Umrissen des Gesichtschädels. Die Gehirnkapsel liegt, wie aus Figur CCLXXVII zu ersehen ist, etwas höher über dem Niveau der Gaumenfläche als bei der kleinern Species. Sie ist ferner relativ kleiner als bei letzterer, conform der bekannten Regel, dass inner- halb eines bestimmten Tiertypus die relativen Dimensionen des Gehirns in um- gekehrtem Verhältnis zur Körpergrösse stehen. Eine unmittelbare Folge dieser Kleinheit der Gehirnkapsel ist es, dass sich die, dem Genus eigentümliche, Ein- schnürung hinter den Orbiten noch mehr accentuiert. An dem Schädel Montauban 1 ist die Partie des Frontale über der Siebplatte nicht nur relativ, sondern absolut mehr zusammengekneift als an den verschiedenen mir vorliegenden Schädeln der kleinern Species. Der Gesichtsschädel andererseits ist höher und nach vorn, sowohl in der Profil- als in der Stirnansicht weniger zugespitzt als bei Adapis parisiensis. Mit der abweichenden Gestalt des Gesichtsschädels stehen wiederum ziem- lich auffällige Abweichungen in der Form seiner Componenten zusammen. Die Intermaxilla hat einen transversaler orientierten Alveolarteil als bei A. parisiensis. Ihr aufsteigender Ast ist sagıttal weniger gedehnt, aber zwischen Nasale und Maxillare in einen längern Fortsatz ausgezogen. Die Nasalien stossen, anstatt sich flach nebeneinander zu legen, unter einem nahezu rechten Winkel zusammen, wodurch das Nasendach höher und steiler wird. Sie endigen hinten, an Montauban 1 wenigstens, weniger spitz als bei Adapis parisiensis und verbreitern sich, nach einer leichten Einbuchtung des Aussenrandes vor der Ecke an der Maxillo-Frontalsutur, gegen vorn zu beträcht- lich. Ihr Vorderende ist transversal, aber in etwas geschwungener Linie, ab- sestutzt. Der Profilcontour des Nasendaches ist hinten etwas concav, in den vordern drei Vierteln seiner Erstreckung leicht convex. Adapis magnus, Schädel. Figur CCLXXVII. Adapis magnus Filhol. — Schädel Montauban 1, Reconstruc- tion der Profilansicht. — !/,. — La. Lacrymale mit Foramen lacrymale und Knötchen über demselben. — Max. Maxillare. — Pa. Palatinum. — Al. Alisphenoid mit Foramen pterygospinosum; satt hinter dem Foramen die Sutur zwischen Alisphenoid und Squamo- sum. — Sq. Squamosum. — F. gl. Fossa glenoidalis. — P. gl. Processus postglenoidalis. — B. Bulla. — Au. Öhröffnuug. — Sq. Squamosum. — F. c. Foramen condylare. — C. Condylus oceipitalis. — Mst. Mastoid. — Ve. Venenemissar. Das Lacrymale, das wir an allen oben be- sprochenen Schädeln von A. parisiensis beschädigt ge- funden haben, liest an Montauban 1, sowie auch an dem Gesichtschädelfragment Q. D. 13 (Fig. CCLXXVIII) intact vor. Es reicht im Orbitalrand weiter nach oben als bei jenem. Seine Frontalsutur verläuft infolgedessen in beträchtlichem Abstand über dem Foramen und das sehr gut ausgebildete, ob diesem gelegene Knötchen (für das Ligamentum palpebrale?) wird von ihm ge- liefert, anstatt wie an Montauban 7 (p. 1194) vom Frontale. Unten stösst es an das Jugale, das den Von der Gesichts- fläche ist es insofern etwas weniger gründlich ausge- Unterrand des Foramens bildet. schlossen, als es sich wenigstens an der Crista anterior mitbeteiligt und die vordere Wand des Tränentrichters liefert. Er Figur CCLXXVII. Adapis magnus Filhol, linkes Ober- kieferfragment mit Lacrymal- region und M;——P, (= 0,0315). — La. Lacrymale. — Fr. Fron- tale. — Max. Maxillare. — Pa. Palatinum. B. Bruchfläche im Jochbogen, ungefähr der Maxillojugalsutur folgend. — Phosphorit von Larnagol. Basel 0. D. 13. — In der vordern Orbitalwand breitet es sich zu einem ansehnlichen Felde aus, das höher als lang 1252 Stehlin, Eocaene Säugetiere. ist und einen unregelmässigen viereckigen Contour besitzt. Mit seinem schräg nach hinten absteigenden Oberrand stösst dieses Feld an das Frontale, mit seinem annähernd verticalen Hinterrand an das Maxillare; nach unten aussen steht es mit dem Jugale in Contact. Seine hintere untere Ecke ist zwischen Jugale und Maxillare in einen schmalen Streifen ausgezogen, der satt über dem Eingang des Infraorbitalcanales endigt. In das Ende dieses Ausläufers senkt sich ein Grübchen ein, das ich als Ansatzstelle des Obliquus bulbi glaube deuten zu sollen. Von der hintern obern Ecke des Lacrymale an stossen Maxillare und Frontale unmittelbar aneinander; sollte in der Jugend ein os planum vorhanden gewesen sein, so muss es sich mit dem einen oder dem andern dieser beiden Knochen vereinigt haben. Bemerkenswert ist, dass die von Forsyth Major bei vielen recenten Pri- maten beobachtete Variabilität des Lacrymale sich auch bei Adapis magnus fest- stellen lässt. An Q. D. 13 ist nämlich das intraorbitale Feld, wenngleich immer noch höher als lang, um ein beträchtliches mehr nach hinten ausgedehnt als an Montauban 1; zugleich hebt sich die vage Schwelle, welche der Crista posterior entspricht, mehr hervor als bei diesem, so dass man die Grenze der Orbita ebensogut hinter als vor dem Foramen laerymale annehmen könnte. Auch die Beteiligung des Lacrymale an der Crista anterior ist an Q. D. 13 etwas ausgiebiger. Der Hintergrund der Orbita ist an Montauban 1 gleichfalls besser unter- suchbar als an den diversen Schädeln von A. parisiensis. Die untere Grenze des Frontale läuft von der Stelle, wo sie das Maxillare verlässt, ungefähr in gleicher Höhe, aber in etwas gewellter Linie bis an den Punkt der Gehirnkapsel, wo der sehr starke von der Kiefergelenkfläche herkom- mende Grat sein Vorderende erreicht und stösst successive an Palatinum, Orbito- sphenoid und Alisphenoid, an das erstere und das letztere nur auf kurze Strecke, an das Orbitosphenoid in längerer Ausdehnung. Das Orbitosphenoid greift weiter nach oben aus als das Alisphenoid, aber beide sind relativ niedriger als bei Lemur. Die Parietalsutur des Frontale strebt, von dem vorhin genannten Endpunkt seines Unterrandes, in annähernd verticaler Richtung vorn aussen an der Gehirnkapsel- wand nach oben zur Basis des Sagittalkammes und biegt dann abrupt nach vorn um zur Wurzel des Processus postorbitalis. Wie bei Adapis parisiensis ist das Frontale also nur ganz vorn, in der unmittelbaren Umgebung der Siebplatte, an der Gehirnkapselwand beteiligt. In der orbitalen Platte des Palatinums liegt ganz unten und etwa zwei Milimeter hinter der Maxillarsutur eine kleine Grube, in deren Grund sich die Öffnung des hintern Palatincanals und satt darüber das Foramen spheno- Adapis magnus, Schädel. 1253 palatinum befinden. Das Foramen opticum erscheint gegenüber F. lacerum anterius und F. cranio-orbitale etwas mehr vorgeschoben als bei Adapis pa- risiensis, das Foramen rotundum im Gegenteil noch mehr zurückgeschoben. Das letztere liegt hier eine Spur näher bei F. ovale als bei F. opticum. Am Jochbogen springt der Masseterhöcker etwas weniger stark nach unten vor als bei A. parisiensis. Das Jugale besitzt blos ein einfaches Foramen malare in Form einer Incisur im untern Orbitalrand, etwas hinterhalb der Mitte. Die obern Orbitalränder sind weniger aufgeschlagen und die Stirnfacette infolge- dessen flacher als bei Adapis parisiensis. Die bei letzteren manchmal (Montauban 7, Figur CCLII) so scharf ausgebildete Incisur am Vorderende des Orbitaldaches ist kaum angedeutet. Der Sagittalkamm ist hoch und dünn wie bei Adapis pari- siensis Schlosseri, greift aber nicht wie bei diesem über das Occiput hinaus. Die Oceipitalkanten springen medialwärts mehr vor und ziehen sich flügelartig am Ende des Sagittalkammes bis zur Kante desselben empor, was dem hintern Teil des Schädeldaches und dem Occiput ein etwas andres Gepräge giebt als bei den hochkämmigen A. parisiensis (vergl. Figur CCLXXVI und CCLII). Das Oceiput, an beiden mir vorliegenden Schädeln ziemlich mangelhaft erhalten, scheint im übrigen näher mit München I als mit Montauban 4 übereinzustimmen, da- die g, wenn auch nicht in so extremem Maasse wie bei Gehirnkapsel breit und niedri jenem, ist. Die Gruben auf der Mastoidgrenze sind tief eingesenkt. Der Gaumen schliesst wie der ganze Gesichtschädel nach vorn weniger spitz ab als bei A. parisiensis. Er ist bedeutend mehr ausgehölt als bei letzterm und der seinem Hinterrand aufgesetzte, lateralwärts mit eckiger Biegung in den Unterrand der Pterygoidalwände übergehende Wulst markiert sich sehr kräftig. An Montauban 1 haben die Gaumenleisten auffällig tiefe Eindrücke hinterlassen. Stärkere Abweichungen gegenüber A. parisiensis zeigt der hintere Teil der Unterseite. Die Bulla (Figur CCLXXX) ist wesentlich anders geformt als bei jenem. Sie entwickelt auch hier zwei vordere Fortsätze, einen an die Basalknochen an- geschmiesten und einen frei vorragenden. Aber der letztere ist viel voluminöser als dort, liegt weiter medialwärts — ziemlich direct unter dem erstern — und tritt daher auch nicht mit der Pterygoidalwand in Verbindung. Infolge der starken Ausbildung dieses Fortsatzes praesentiert sich die Bulla als Ganzes in der Unten- ansicht als ein unregelmässig eiförmiger, mit der langen Axe von hinten aussen nach vorn innen orientierter Körper. Nach unten zu ist sie transversal etwas zusammen- gekneift, so dass eine Linie stärkster Biegung der Länge nach über sie wegläuft. 12 Stehlin. Eocaene Säugetiere. gur CCLXXIX, Fi Adapis magnus, Schädel. 1355 Figur CCLXXIX. Adapis magnus Filhol. — Schädel Montauban I, Reconstruction der Unten- ansicht. — °/s.. — Ma. Maxillare. — J. Jugale. — I. Ineisur für einen Zweig der Arteria palatina descendens. — Pt. Pterygoid. — F. p. Fossa plerygoidea. — Cr. Grat, der den Vorderrand der Ge- lenkfläche nach vorn fortsetzt. — F. gl. Fossa glenoidea. — P. gl. Processus postglenoidalis. — F. a. Foramen pterygospinosum mit Durchblick auf das Foramen ovale. — B. Bulla. — Au. Ohr- öffnung. — T. Tubaöffnung. — Ann. Annulus tympanicus. — Pr. Promontorium. — €, Röhre für die Carotis interna. — F. stm. Foramen stylomastoideum, Tympanohyalegrube und Foramen caroticum. — F. l. p. Foramen lacerum posterius. — Fe. Foramen condylare. — F. wm. Foramen magnum. — Sq. Squamosum. — Mst. Mastoid. Figur CCLXXX. Adapis magnus Filhol. — Schädel Montauban 2, Re- construction der Untenansicht. — !/ı, Ma. Maxillare. — J. Jugale. — I. In- eisur für einen Ast der A. palatina descendens. — Pt. Pterygoidalwand. — F. p. Fossa pterygoidea. — F. gl. Fossa glenoidalis. — Cr. Grat in der Verlängerung des Vorderrandes der Ge- lenkfläche. — F. a. Foramen pterygo- - spinosum-. — T. Tubaöffnunge. — B. Bulla. — Au. Ohröffnungs. — T. h. Tympanohyalegrube. — F. 1. p.? Stelle andersich ein vorderes Foramen lacerum posterius befunden haben könnte. -— F.c.—+-1.p. Foramen condylare vereinigt mit der hintern Hälfte des Foramen lacerum posterius. — Mst. Mastoid. — Ex. Exoceipitale. Ihr wenig markierter Apex liest etwa gegenüber dem Processus postglenoidalis. Nach aussen baucht sie sich vor der Gehör- öffnung ziemlich stark aus. Ihre Innenwand steigt steil gegen die Schädelbasis an, so dass die sogenannte Fossa basilaris ein wesentlich andres, viel engeres, Figur CCLXXX. Querprofil erhält als bei A. pari- siensis. Man vergleiche in dieser Beziehung die Hintenausicht bei Filhol 1877 1. e. Fig. 233 mit unsern Figuren CCLVII und COLVIM. Die Pterygoidalwände — an Montauban 1 und 2 stark beschädigt, aber an Montauban 3, Figur CCLXXXVII, gut erhalten — stehen weniger gespreizt als bei Adapis parisiensis. Die vom Pterygoid gelieferte Ala interna ist beträcht- 1256 Stehlin, Eocaene Säugetiere. lich stärker als bei diesem und die Fossa pterygoidea dementsprechend besser ausgebildet. Die Fossa mesopterygoidea erscheint dagegen vergleichsweise ein- geengt, zumal nach hinten zu. Das Hinterende der Pterygoidalwand hat, im Gegensatz zu A. parisiensis, keine Beziehung zum frei vorragenden Fortsatz der Bulla, sondern legt sich vorderhalb des Processus postglenoidalis an die vorge- bauchte Aussenwand derselben an. Es wird bei Adapis magnus überdiess nicht mehr von Alisphenoid, sondern von jener absteigenden Lamelle des Squamosum gebildet, die wir auch bei A. parisiensis, aber dort blos als Überzug der Bulla- wand, beobachtet haben. Die Sutur zwischen absteigendem Alisphenoid und Squa- mosum ist an München I (Figur CCLXXVII) sehr schön zu sehen; sie verläuft satt hinter dem Foramen pterygospinosum. Das Mastoid verhält sich im Blähungsgrad und in der äussern Sculptur sehr analog wie bei München I: Das Foramen lacerum posterius ist an Montauban I wie an letzterm in zwei Hälften geteilt, die in ganz analoger Weise wie dort angeordnet sind. Auf das in diesem Punkte abweichende Verhalten von Montauban 2 werden wir sofort zu sprechen kommen. Das Foramen magnum ist relativ klein. Der Einblick in das Innere der Bulla, den Montauban I auf der rechten Seite gewährt, ist infolge von Beschädigungen, zumal vorn und innen am Pro- montorium, weniger klar als der an München I gewonnene. Die Wiedergabe der eben genannten Partie ist in unserer Figur etwas schematisch gehalten und viel- leicht nicht ganz zuverlässig. In den Hauptzügen — Passivität des Annulus und Ver- lauf der arteriellen Gefässe — besteht völlige Übereinstimmung mit A. parisiensis; im Detail sind jedoch einige bemerkenswerte Eigentümlichkeiten hervorzuheben. Der Sinus hypotympanicus reproduciert selbstverständlich alle Abweichungen, welche die äussere Gestalt der Bulla gegenüber A. parisiensis aufweist; insbesondre ist sein unteres vorderes Divertikel — in Figur CCLXXIX blos durch ein Stück seines Daches repräsentiert — geräumiger und mehr medialwärts gelegen. Die Tympanohyalegrube und die benachbarten Foramina stylomastoideum und caroti- cum liegen näher an der Gehöröffnung. Diese selbst ist enger und ihr Unterrand schlägt sich weniger weit nach innen um, so dass das intrabullare Stück Gehör- gang sehr kurz ausfällt. Das unter diesem gelegene Fach des Sinus hypotym- panieus hat seine Hauptausdehnung vorn aussen und reicht nicht über den Gehör- gang hinaus nach hinten; das bei Adapis parisiensis beschriebene doppelte Quer- septum (S,) fehlt ihm; auch von der Naht in der Aussenwand der Bulla ist nichts wahrzunehmen. Der Annulus, den wir an München I beiderseits beschädigt ge- Adapis magnus, Schädel. 1257 funden haben, ist hier ganz erhalten. Seine hintere Anheftungsstelle ist weniger weit ins innere geschoben als dort. Er beschreibt einen bedeutend weitern Bogen als der Querschnitt der Gehöröffnung und seine Ebene stellt sich infolgedessen sehr schräg zu der Gehörgangsaxe, offenbar noch schräger als bei A. parisiensis. Er legt sich erst gegen vorn zu satt an das benachbarte Septum an, bleibt dagegen hinten durch eine kleine Lücke von demselben getrennt, d. h. die Verknöcherung der Annulusmembran war noch nicht zu Ende gediehen. Die Pauckenhöhlenregion von Adapis magnus ist also um einen deutlichen Grad weniger differenziert als diejenige von Adapis parisiensis. Einen Einblick in die Gehirnhöhle gewähren die mir vorliegenden Docu- mente nicht. Der einzige Autor, der Gelegenheit gehabt hat diese Schädelpartie bei Adapis magnus zu untersuchen, ist Filhol. An sehr verstecktem Orte, näm- lich in einem Anhang zu seiner oben (p. 1166) eitierten Arbeit von 1885, in der sonst nicht von Adapis die Rede ist, giebt er die summarische Beschreibung eines von ihm hergestellten Schädelausgusses, leider ohne sie durch Abbildungen zu verdeutlichen. Da die Notiz, wie es scheint, allgemein übersehen worden ist, setze ich sie in extenso hieher: : „Le cerveau..... me parait remarquable par suite de l’atrophie tres avancee de son lobe posterieur, en meme temps que par la rarete de ses circonvolutions. Il a beaucoup d’analogie a ce dernier point de vue, avec les formes inferieures de Lemuriens vivant a Madagascar, surtout avec les Lepilemur. Le lobe anterieur porte a peine l’empreinte d’un sillon infero-frontal. Le sillon temporal superieur est au contraire bien developpe. La scissure de Silvius est nettement accusee, et toute la portion du cerveau situee en arriere d’elle est, comme sur les Lepi- lemur, completement depourvue de sillons, tant sur ses parties laterales, que sur les parties superieures. Par suite de l’atrophie du lobe posterieur, le cerveau est completement a decouvert. Le maximum de largeur du cerveau correspondrait & la partie moyenne du lobe temporal.* — Der von Grandidier abgebildete Schädel stimmt sehr nahe mit Montauban 1 überein, doch springen an demselben die Jochbogen um einen Grad mehr vor. Auch scheint. eine kleine Differenz in der Stellung der Orbiten zu be- stehen, die zur Folge hat, dass die Hinterränder derselben in der Untenansicht mehr hinter dem Maxillare hervortreten. Grössere morphologische Abweichungen von Montauban I zeigt Montauban 2. Zunächst ist in Zusammenhang mit der geringern Körpergrösse die Gehirnkapsel 1258 Stehlin, Eocaene Säugetiere. desselben relativ grösser; sie dürfte, bei etwas mehr abgeplatteter Gestalt, un- gefähr das gleiche absolute Volumen haben wie die von Montauban 1. Sodann ist die Einschnürung hinter der Orbita um einen Grad weniger accentuiert. Auch streben die Temporaleristen, von ihrem Ursprung an den Processus postorbitales weg, etwas weniger direct der Mittellinie zu. Ob der Sagittalkamm weniger stark ausgebildet war, lässt sich nicht beurteilen, da er grösstenteils weggebrochen ist; jedenfalls war er auch hier hoch und dünn. Weiterhin laden die Jochbogen merk- lich weniger aus und fallen dementsprechend weniger steil gegen den Gesicht- schädel ein. Zu diesen stark in die Augen springenden Hauptdifferenzen gesellen sich weitere im craniologischen Detail. Die Nasalien sind schmäier und weichen in ihrem ganzen Zuschnitt weniger von Adapis parisiensis ab; ihr Hinterende ist wie bei letzterm sehr zugespitzt. Im Occiput sind die Gruben über den Condyli weniger tief eingesenkt; in der Untenansicht fällt besonders die geringere Wölbung des Gaumens auf. Die Nähte sind an diesem Schädel infolge der Quetschungen und Sprünge viel schwerer zu verfolgen; diverse Foramina habe ich wegen der harten Incru- stationen nicht freilegen können und daher auch in den Figuren nicht eingezeichnet. Eine merkwürdige Abweichung gegenüber Montauban I besteht in der Anordnung der Foramina hinten innen an der Bulla. Es war dort ein Foramen sehr klar praeparierbar; dasselbe liegt weder an der Stelle des hintern F. lacerum posterius noch an derjenigen des Foramen condylare von Montauban 1, sondern weiter innen als jenes und weiter vorn als dieses, satt an der Bullasutur. Wahrscheinlich war weiter vorn in der Bullasutur noch ein zweites Foramen vorhanden, doch lässt sich dasselbe infolge von Beschädigungen nicht mit völliger Sicherheit feststellen. Von einem dritten Foramen aber ist keine Spur wahrzunehmen. Dieser Befund lässt sich kaum anders als dahin deuten, dass hier das Foramen condylare mit der hintern Hälfte des Foramen lacerum posterius verschmolzen und dass somit der Hypoglossus durch dieselbe Öffnung wie Glossopharyngeus, Vagus und Accessorius Willisii ausgetreten ist. Der von Filhol und Gervais abgebildete Typusschädel des Adapis magnus, der genau die gleichen Dimensionen hat wie Montauban 2, scheint demselben auch in den Formverhältnissen nicht fern zu stehen. — Es liegt nahe den Schädel Montauban 1 und den von Grandidier abgebil- deten dem männlichen, Montauban 2 dagegen und den Typusschädel dem weib- lichen Geschlechte zuzuweisen und der Umstand, dass an den beiden letztern die Adapis magnus, Schädel. — Skelet, 1259 Caninalveolen!) auf Caninen von relativ eher etwas geringern Dimensionen als die an den beiden erstern erhaltenen schliessen lassen, ist dieser Vermutung nicht ungünstig. Da aber die Differenzen in der Eckzahngrösse doch nur geringfügig sind, so lässt sich auf Grund der vorliegenden Documentation kein bündiger Schluss in dieser Richtung ziehen. Die Mandibel von Adapis magnus liegt mir in keinem Exemplare von der Vollständigkeit des bei Grandidier abgebildeten vor; insbesondre bin ich für Winkel und Ramus ascendens nur mangelhaft documentiert. Der Ramus horizontalis zeigt in Höhe und Dicke eine beträchtliche Varia- bilität; allgemein aber ist er dicker und massiver als derjenige von Adapis pari- siensis und nach hinten zu nur unbedeutend erhöht. Die Einbuchtung des Unter- randes auf der Grenze von Ramus horizontalis und Winkel markiert sich manchmal, insbesondre bei kräftigen Individuen, sehr stark. Der nach hinten vorspringende Teil des Winkels ist relativ niedriger als bei der kleinern Species. Die Ansatz- flächen der Muskeln sind im ganzen weniger scharf umgrenzt als bei dieser. Die Symphysalnaht erlischt offenbar später als bei Adapis parisiensis, denn es liegen mir verschiedene Mandibelhälften adulter Individuen vor, an welchen die Ver- waschung eben erst begonnen hat. Das Symphysenende liest bald unter der vordern, bald unter der hintern Wurzel von P;,. Skelet. Vom Skelet des Adapıs magnus ist weniger bekannt als von demjenigen des Adapis parisiensis. Gaudry?) und Filhol®) haben den Astragalus abgebildet und beschrieben, der sehr nahe mit demjenigen von Lemur übereinstimmt, Schlosser‘) einige Metapodien (Me Il, V; Mt III) und Phalangen, die sich, wie es scheint, nicht von denjenigen der kleinern Art unterscheiden. Ich kenne auch den Calcaneus, der wie derjenige des Adapis parisiensis einen kürzern Gelenkteil und einen ge- strecktern Höcker hat als der von Lemur. ') Filhol hat in den Figuren von 1877 in die rechte Ganinalveole einen Ganinen eingefügt, der aber offenbar nicht mit dem Schädel gefunden ist. 2) 1877 1. c. Fig. 302. ®) 1883 1. c. Fig. 6—7 Pl. 12. E.1SSZ.1. cH pe 31, Tab, 1: 1260 Stehlin, Eocaene Säugeliere. Ob man Adapis magnus im Genus Adapis belassen oder nach Gervais’ Vor- schlag zum Typus eines besondern Genus „Leptadapis“ erheben will, ist gewisser- massen Geschmacksache. Die dem Sachverhalt am besten gerecht werdende Aus- kunft ist vielleicht die, ihm den Rang eines Subgenus zuzusprechen. Im schweizerischen Bohnerzgebilde ist Adapis magnus bisher nicht beob- achtet worden. Dagegen liegt von Egerkingen eine ihm sehr nahestehende, aber primitivere Species vor. Adapis Rütimeyeri. 1261 Adapis (Leptadapis) Rütimeyeri n. sp. von Egerkingen. Adapis Duvernoyi Rütimeyer (nec Gervais) 1888, Figur 3, 4, und 1891, Tafel VIII, Figur 2, 5, 10. Adapis parisiensis Rütimeyer (nee de Blainville) 1891, Tafel VIII, Figur 6, 9, Dichobune Mülleri Rütimeyer 1891 (nee 1862) p. p. sel. Tafel V, Figur 12, Rütimeyer hat das Vorkommen von Adapisresten in Egerkingen zum ersten Mal in seiner Arbeit von 1888 signalisiert. Er bildet daselbst zwei Maxillarfragmente, das eine mit M,— P,, das andre mit M.— P,, ab und bezieht dieselben mit einigem Vorbehalt auf Adapis (Aphelotherium) Duvernoyi Gervais. Bei dieser Bestimmung beruft er sich aber nicht sowohl auf das Typusstück der genannten Species — das eine Mandibel ist — als auf die, offenbar sehr ungenaue, Abbildung einer Ober- kieferreihe aus dem Lignit von Perreal, Fig. 8 Pl. 35 der Zoologie et Palaeontologie francaises!), die Gervais selbst zu Adapis parisiensis rechnet; überdiess scheint er zu übersehen, dass diese Abbildung im Maasstab 2:1 gehalten ist. Die specifische Identification stand daher auf sehr schwachen Füssen. 1891 unterscheidet Rütimeyer in Egerkingen zwei Adapis-Species, A. Duver- noyi und A. parisiensis. Als Beleg für den erstern bildet er ausser den beiden Maxillarfragmenten von 1888, die neuerdings wiedergegeben werden, noch einen Mandibularmolaren ab; als Beleg für den letztern im Maxillarfragment mit M,— M, und einen untern D,, den er als Molaren missdeutet. Ausserdem ist in dieser Arbeit eine hiehergehörige Unterkieferreihe, M,—P, umfassend, wiedergegeben, seltsamerweise unter der Bezeichnung „Dichobune Mülleri“. Ich halte alle die von Rütimeyer abgebildeten Belegstücke — sowie diverse von ihm übergangene oder inzwischen erst hinzugekommene — für specifisch identisch; beziehe sie aber weder auf Adapis parisiensis noch auf Adapis Duvernoyi?”), !) Wahrscheinlich sind die vier Zähne, von denen nur der zweitvorderste intact ist, als M;—D, zu deuten. Das Original scheint verloren zu sein. Wenigstens war es in der Sammlung des Museum d’histoire naturelle nicht aufzufinden. *) Wie wenig Existenzberechtigung dieser Name hat, haben wir oben (p. 1234) gesehen. 13 1262 Stehlin, Eocaene Säugetiere. sondern auf eine neue Species, Adapis Rütimeyeri, die, wie wir im folgenden sehen werden, überhaupt keine nähern Beziehungen zur parisiensis-Gruppe hat, sondern in sehr nahem Verwandtschaftsverhältniss zu Adapis magnus steht und also in das Subgenus Leptadapis gehört. Maxillarbezahnung. Basel Ef. 411. Fragment der rechten Maxilla mit M.—M,.. — Länge M,—M, 0,015. — M, Aussenwandlänge 0,0058, Breite vorn 0,008. — Tafel XXI, Figur 31. Basel Ef. 417. Fragment der linken Maxilla mit M.;—M,. — Länge M,—M, 0,0104. — M, Aussenwandlänge 0,0056, Breite vorn 0,0066. — Rütimeyer 1891, Tafel VII, Figur 6 als „Adapis parisiensis“. — Tafel XXI, Figur 5. Basel Ef. 410. Fragment der linken Maxilla mit M,—P, und Alveole von M.. — Länge M,—P, 0,014. — Rütimeyer 1888, Figur 3, 3a und 1891, Tafel VIII, Figur 2 als „Adapis Duvernoyi“. — Tafel XXI, Figur 29. Basel Ef. 415. Fragment der rechten Maxilla mit M,-P,. — Länge M,-P, 0,0094. — Rütimeyer 1838, Figur 4, 4a und 1891, Tafel VIII, Figur 5 als „Adapis Duvernoyi“. — Tafel XXI, Figur 27. Basel Ef. 400. Fragment der rechten Maxilla mit P,—P, und Alveolarspur von P,. — Länge P,—P, 0,0074. — Tafel XXI, Figur 18. Mit Ausnahme von M, an Ef. 410 und P, an Ef. 415 sind alle Zähne dieser Reihen etwas beschädigt. Kleine Schmelzdefecte sind in den Figuren er- gänzt worden: vorn aussen an M,, M,, M, und vorn innen an M, von Ef. 411, aussen an M, von Ef. 417, innen an M, und P, von Ef. 410, vorn und aussen an P, und P, von Ef. 400. Basel Ef. 950, 951. Fragmente von rechten Maxillen mit M‚—M.. Basel Ef. 954. Fragment der rechten Maxilla und M,—M.. Basel Ef. 955. Fragment der linken Maxilla mit M, und Spuren von M,. Basel Ef. 952, 955. Fragmente von rechten Maxillen mit M,—P.. Basel Ef. 970. Fragment der linken Maxilla mit M,—P,. — Die Zähne dieser nicht abgebildeten Fundstücke sind durchschnittlich noch mehr beschädigt als die der ohigen, Adapıs Rütimeyeri. 1263 Basel Ef. 408. M, sup. dext. — Breite vorn 0,0065, Aussenwandlänge 0,0045. Tafel XXI, Figur 28. Basel Ef. 405. M, sup. sin. — Breite vorn 0,009, Aussenwandlänge 0,0058. — Tafel XXI, Figur 23. Basel Ef. 409, 412. P, sup. dext., sin. — Aussenwandlänge 0,0045 und 0,0048, Breite vorn 0,006. — Tafel XXI, Figur 30, 22. Ef. 408 und Ef. 409 sind innen etwas beschädigt. Basel Ef. 962. M, sup. sin. Basel Ef. 961. P, sup. sin. Der Grösse nach stellen sich diese Zäkne etwa in die Mitte zwischen Adapis parisiensis und Adapis magnus, structurell schliessen sie sich entschieden näher an letztern an. Die Molaren treten zu Adapis parisiensis in scharfen Gegensatz durch die starke Querdehnung ihrer Umrisse, welche bei den meisten Individuen noch über das bei A. magnus zu beobachtende Maass hinausgeht. Doch sind, wie aus unsern Figuren zu ersehen, in dieser Hinsicht ziemlich beträchtliche Schwankungen festzu- stellen. Zähne wie die in Figur 5 wiedergegebenen würden den Umrissen nach voll- ständig in den Variationskreis von Adapis magnus passen. Rütimeyer scheint haupt- sächlich durch diese Umrissdifferenzen der Maxillarmolaren veranlasst worden zu sein, das Material auf zwei Arten zu verteilen. Ich halte dieselben für rein individuell. Zur weitern Characteristik der Maxillarmolaren ist Folgendes beizufügen. Die Aussenwand von M, und M, sup. ist bald ähnlich wie bei A. magnus ge- richtet (Figur 23), bald etwas schiefer (Figur 51); die vordere Aussenecke der Krone bildet daher einen, bald etwas weniger, bald etwas mehr zugespitzten Winkel. Die Rippen der Aussenwand markieren sich eher etwas stärker als bei Adapis magnus. Der vordere Zwischenhügel ist an M, nie ganz verwischt und an M, manchmal sehr gut entwickelt (Figur 27, 31), aber die Individuen verhalten sich etwas verschieden. Ähnliches ist bezüglich der hintern Trigonumkante zu sagen. Sie hebt sich manchmal, an M, zumal, sehr scharf hervor (Figur 31), erscheint aber zuweilen doch auch schon ziemlich verwischt (M, in Figur 29). Wenn sie stark entwickelt ist, lässt sie meistens auch eine vage Andeutung des hintern Zwischenhügels erkennen. Der Hypoconus, obwohl immer niedriger als der vordere Innenhügel, ist an M, und M, stärker entwickelt als bei den meisten Individuen von Adapis 1264 Stehlin, Eocaene Säugetiere. magnus. Auch die mir vorliegenden Exemplare von M, zeigen alle eine kräftige Andeutung desselben. Das Cingulum am vordern Innenhügel, das bei Adapis magnus zwar manchmal geschwächt, aber nie ganz unterdrückt ist, fehlt an M, und M, vollständig; nur an den M, ist es mehr oder weniger deutlich skizziert. Der obere P,, der mir in acht Exemplaren vorliegt, ist stark quergedehnt wie die Molaren und entfernt sich im Verhältnis von Breite zu Länge noch etwas mehr als derjenige des Adapis magnus von dem des Adapis parisiensis. Sein vor- derer Zwischenhügel ist immer deutlich, aber in wechselnder Stärke, sein hinterer Aussenhügel gewöhnlich beträchtlich schwächer als der vordere und sehr unvoll- ständig von demselben losgegliedert. An allen Exemplaren markiert sich hinten innen ein Hypoconrudiment und an allen fehlt das Cingulum am vordern Innen- hügel. Beachtenswert ist das Exemplar Ef. 412 (Figur 22), dessen Umriss weniger kurz ist als der der andern und dessen hinterer Aussenhügel, vorderer Zwischen- hügel und Hypoconus ungewöhnlich kräftig entwickelt sind; auch die hintere Trigonumkante ist an demselben auffallend deutlich markiert. Für P, und P, lässt die Documentation zu wünschen übrig. Von dem P, an Fundstück Ef. 970 ist blos die Innenhälfte vorhanden. P, und P, an Fund- stück Ef. 400 — Figur 18 — sind gleichfalls sehr beschädigt; ihr Schmelzbelag musste stark ergänzt werden, um die Figur verständlich zu machen. Immerhin genügt das Fragment um zu beweisen, dass Adapis Rütimeyeri sich auch in diesen beiden Zähnen entschieden an A. magnus und nicht an die parisiensis- Gruppe anschliesst. P, ist hinten stark quergedehnt und seine Innenwurzel hat sich von der hintern Aussenwurzel losgegliedert. Sein Umriss kommt dem von P, zwar nicht so nahe wie bei den stärksten Exemplaren von A. magnus, aber immerhin näher als bei manchen schwächern Individuen dieser Species. Aus dem Vordercingulum hat sich ein deutliches Vorjoch mit kräftigem Innenhügel entwickelt. Der Aussenhügel ist einfach. Das Exemplar an Fundstück Ef. 970 scheint sich gestaltlich P, eher etwas mehr genähert zu haben als das an Ef. 400. P, an Ef. 400 hat immer noch einen stark entwickelten Talon, entbehrt aber, wie ja auch bei Adapis magnus, des Innenhügels. Vor P, ist an Ef. 400 etwas undeutlich die Alveole mit dem Wurzelstumpf des P, zu sehen. Dieser Zahn scheint weniger reduciert als bei Adapis magnus, aber einwurzlig gewesen zu sein. Der Maxillarknochen ist am wenigsten unvollständig an Ef. 410, Figur 29 erhalten. Der Jochbogen entspringt, wie bei Adapis magnus, über M,, aber eher Adapis Rütimeyeri. 1365 etwas näher beim Alveolarrand als bei diesem; sein Vorderrand stellt sich etwas steiler zur Wangenfläche, was auch an Fundstück Ef. 411, Figur 31 festzustellen ist.) Die Palatinsutur ist nicht sichtbar, das Hinterende- des Palatinums zeigt eine analoge Sculptur wie bei den andern Arten. Die Gestalt der Backenzähne lässt darauf schliessen, dass der Gesichts- schädel von A. Rütimeyeri kürzer war als der von A. magnus. Basel Ef. 971. C.sup. sin. — Länge an der Basis 0,0045, Höhe an der Aussen- seite gemessen 0,008. — Figur GCLXXXI. Die Wurzel ist nur teilweise erhalten, die Kronen- spitze nicht ganz intact. Kleine Schmelzdefecte auf der Aussen- und Innenseite sind in den Figuren ergänzt. Die Ähnlichkeit dieses Zahnes mit dem Maxillar- caninen von Adapis magnus ist so gross, dass seine Hieher- —\ Figur CEXXXI: Ada- pis Rütimeyeri n. spec., gehörigkeit als sicher gestellt gelten kann. Die Krone ist linker Maxillarcanin von aussen, vorn und innen. — beträchtlich höher als lang und hat einen sehr ähnlichen Egerkingen Ef.971. _ *f. Profileontour wie bei A. magnus. Die vordere und die hin- tere Rinne der Innenseite sind gut entwickelt, die hintere der Aussenseite schwach angedeutet; dagegen fehlen noch die mittlere der Innenseite und die vordere der Aussenseite. Die Aussenfläche ist in verticalem Sinn etwas gerippt, wovon Adapis magnus höchstens eine Spur erkennen lässt. Das Aussencingulum markiert sich leicht, das Inneneingulum kräftig; beide ziehen sich, mit der Kronenbasis, vorn etwas spitzenwärts. Basel Ef. 403. D, sup. dext. — Aussenwandlänge 0,004, Breite hinten 0,0047. — Tafel XXI, Figur 17. Der Zahn ist hinten aussen beschädigt. Kleine Schmelzdefecte vorn aussen und hinten innen sind in der Figur ergänzt. Der Umriss ist wie derjenige von P, im Verhältnis zur Länge stärker quer- gedehnt als bei Adapis magnus. Die Hinterzacke der Aussenwand ist ebensogut entwickelt wie bei letzterer Species. Im Vorjoch sind ziemlich deutlich eine stärkere Innenspitze und eine schwächere Zwischenspitze ausgegliedert. Dagegen ist von jener dritten hintersten Spitze, die sich bei Adapıs magnus feststellen lässt, nichts zu bemerken. !) An Ef. 417, Figur 5, ist die Partie schlechter erhalten und unzuverlässig. 1966 Stehlin, Eocaene Säugetiere, Mandibularbezahnung. Basel, Ef. 401. Fragment der linken Mandibel mit M,—P, und einem Teil des Ramus ascendens. — Länge M,—P, ca. 0,023. — Rütimeyer 1891, Tafel V, Figur 12 als „Dichobune Mülleri“. — Tafel XXI, Figur 8, 12. .Basel Ef. 418. Fragment der rechten Mandibel mit M—P,. — Länge M, —P, 0,019. — Tafel XXI, Figur 24. Basel Ef. 416. Fragment der linken Mandibel mit M,—P,. — Länge M,—P, 0,02. — Tafel XXIL, Figur 17. An Ef. 401 sind innen an M,, M, und M,, an Ef. 418 hinten aussen an M,, an Ef. 416 innen an P, in der Figur Schmelzdefecte ergänzt worden. Basel Ef. 9635. Fragment der rechten Mandibel mit M,—P,. — Basel Ef. 964. Fragment der rechten Mandibel mit M,—P,. — Basel Ef. 968. Fragment der linken Mandibel mit M,—P,. — Basel Ef. 966, 967. Fragmente von rechten Mandibeln mit M,—M,. — Basel Ef. 402. Fragment der linken Mandibel mit PR,—P,;. — Die Zähne dieser nicht abgebildeten Fragmente sind grösstenteils etwas beschädigt. Basel Ef. 407. M, inf. sin. — Länge 0,0076. — Tafel XXI, Figur 14. Basel Ef. 413. M, inf. sin., Keim. — Länge 0,006. — Tafel XXI, Figur 21. Basel Ef. 414, M, inf. sin. — Länge 0,0055. — Rütimeyer 1891, Tafel VIII, Figur 10 als „Adapis Duvernoyi“. — Tafel XXI, Figur 16. Basel Ef. 969. M, inf. sin. — Die Mandibularmolaren von Adapis Rütimeyeri sind kurz und breit im Ver- gleich zu denjenigen des Adapis magnus, eine Eigentümlichkeit, die mit der starken Querdehnung der Maxillarmolaren in Correlation steht. Strueturell zeichnen sie sich vor allem dadurch aus, dass ihnen die Hinterzacke am vordern Innenhügel vollständig fehlt. Die Hinterseite dieses Hügels ist mit einer Kante verselhen, die aber manchmal so stumpf ausfällt, dass man sie kaum bemerkt und nie die Schärfe erlangt, die sie an den oben (p. 1242) erwähnten, aberranten Molaren aus den Phosphoriten besitzt. Der Höhenunterschied zwischen Vorjoch und Nach- joch ist derselbe wie bei A. magnus. Der hintere Innenhügel hat an M, und M, mehr Individualität als bei letzterm. An M, ist er regelmässig vorhanden; er Adapis Rütimeyeri. 1267 steht hier etwas weiter vorn als bei A. parisiensis. Die Vorderknospe der Mo- laren, das sogenannte Paraconid, ist wie bei A. magnus durchschnittlich schwächer markiert als bei A. parisiensis. Unter den M, und M, befinden sich verschiedene, deren Nachjochkante — wie schon Rütimeyer aufgefallen ist — an der Stelle, wo sie die Knickung erfährt, eine Zwischenspitze (Hypoconulid) entwickelt (Figur 16, 21); andre Exemplare lassen jedoch dieses, zweifellos altertümliche, Detail nicht mehr erkennen. Das Ausseneingulum ist vorn schwächer ausgebildet als bei A. magnus und am Nachjoch überhaupt nicht. Auch die Praemolaren haben, der Gestalt ihrer Antagonisten entsprechend, relativ kurze Umrisse. Die Art wie sie sich aneinanderreihen ist die nämliche wie bei A. magnus. Die gradweise Erhöhung der Hauptspitze von P, zu P, ist deutlicher angebahnt als bei A. parisiensis, wenngleich nicht so accentuiert wie bei A. magnus. An P, ist die Talonpartie etwas niedriger und schmäler als bei letzterm. Den hintern Innenhügel finde ich an drei der sechs mir vorliegenden Exemplare deutlich ausgebildet, obgleich sehr niedrig, an den übrigen (Ef. 963, 968, 402) dagegen kaum angedeutet. Der Kronenumriss spitzt sich au einigen Exemplaren (Tafel XXI, Figur 24; Tafel XXI, Figur 29) nach vorn etwas weniger zu als bei A. magnus. Das Ausseneingulum ist der ganzen Länge nach angedeutet. P, und P, differieren structurell kaum von ihren Homologen bei A. magnus. An denjenigen von Ef. 418 (Figur 24) ist auffallend deutlich eine Vorderknospe markiert, aber andern Exemplaren fehlt diese Eigentümlichkeit. Aussen- und Inneneingulum sind an beiden Zähnen der ganzen Länge nach entwickelt. An Ef. 418 ist vor P, noch die rundliche Alveole des, auch hier einwurz- ligen, P, sowie die Hinterwand der Caninalveole zu sehen. P, scheint etwas we- niger reduciert gewesen zu sein als bei Adapis magnus, Der Mandibelknochen liegt am wenigsten unvollständig an Ef. 401 (Figur 12, Tafel XXI) vor. Er hat hier zwar durch Druck eine Entstellung erlitten, dieselbe ist aber derart, dass man sie in der Profilansicht kaum bemerkt. Die Einbuch- tung des Unterrandes hinterwärts von M, markiert sich weniger stark als bei Adapis magnus. Das Symphysenende liest (Ef. 418, Ef. 963) eher etwas weiter vorn als bei diesem, in der Gegend der Hinterwurzel von P;,. Basel Ef. 404. M, (M,) inf. sin. — Länge 0,005. — Tafel XXI, Figur 7. Dieser Zahn ist um ein weniges kleiner als die kleinsten mir in situ vor- liegenden M, und hinten relativ eine Spur weniger breit. Da er aus Bolus von 1268 Stehlin, Eocaene Säugetiere. aberranter Facies stammt, während die sämtlichen übrigen aufgeführten Documente den Erhaltungszustand von Aufschluss « zeigen, könnte er möglicherweise von einer andern Form oder Mutation herrühren. Als M, gedeutet wäre er vielleicht nicht zu gross für einen Lutetien-Vorläufer des A. parisiensis. Basel Ef. 391. D, inf. dext. — Länge 0,0055. — Rütimeyer 1891, Tafel VIII, Figur 9 als „Adapis parisiensis“. — Tafel XXII, Figur 19. Das Zähnchen hat seit 1891 vorn aussen eine Beschädigung erlitten. Rütimeyer hielt dasselbe mit Unrecht für einen Molaren. Er zeigt gegenüber M, alle die Abwei- chungen die für D, characteristisch sind: schmälerer Umriss, geringere Höhe, dünneren Schmelz. Die Kante hinten am vordern Innenhügel ist ziemlich Figur CCLXXXII. Rütimeyeri n.spec., rechter unterer Canin von innen, hinten und aus- Basel Ef. 972. € inf. sin. — Kronenhöhe aussen sen. — Egerkingen Ef. 972. — ?/s- 0,006. — Figur COLXXXI. scharf, aber die Hinterzacke fehlt. Adapis Auffallend ähnlich dem © inf. von Adapis magnus, nur die Hinterfacette etwas weniger scharf umgrenzt. Dimensionen denjenigen starker © inf. von Adapis parisiensis entsprechend. Auf Grund der gewonnenen Anhaltspunkte lässt sich, wie mir scheint, die systematische Stellung des Adapis Rütimeyeri in sehr befriedigender Weise prae- eisieren. Nähere Beziehungen zu A. parisiensis hat er offenbar nicht, denn in einem Hauptzuge seiner Bezahnung —- Querdehnung der Backenzähne — weicht er noch mehr von demselben ab als Adapis magnus und in andern — Gestalt des Caninen, Schwächung der P,, Teilung der Hinterwurzel von P, — zeigt er sich wenigstens deutlich in der Entwicklungsrichtung dieses letztern engagiert; wie. er ja auch, obwohl zweifellos älter, Adapis parisiensis in der Körpergrösse übertrifft. In weitaus den meisten Beziehungen entspricht er durchaus den Erwartungen, die man apriori von einem Lutetien-Ahnen des Adapis magnus hegen konnte. Ein Bedenken gegen die Hypothese eines direeten Zusammenhangs könnte — so weit unsere gegenwärtige Kenntnis seiner Organisation reicht — höchstens etwa aus dem constanten Auftreten eines Hypoconusrudimentes am obern P, und aus der Adapis Rütimeyeri. 1269 grössern Selbständigkeit des hintern Innenhügels der Mandibularmolaren abgeleitet werden. Angesichts der vielen Momente, die für die Hypothese sprechen, liegt jedoch die Vermutung nahe, es haben in diesen Punkten bei A. magnus secundäre Verwischungen oder Reductionen stattgefunden.) Mit Ausnahme des Mandibularmolaren Ef. 404, der aus Bolus von aberranter Facies stammt, zeigen, wie bemerkt, alle aufgeführten Documente den für Auf- schluss @ characteristischen Erhaltungszustand. Die Species wird also dem obern Lutetien zuzuweisen sein. !) Wir werden unten sehen, dass auch bei dem kleinen Adapis aus- dem Bartonien des Castrais, der zur parisiensis-Gruppe gehört, der Hypoconus von P, sup. auffallend deutlich ist. 14 1270 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Adapis? spe. von Egerkingen. Unter der provisorischen Bezeichnung „Adapis? spec.“ führe ich zwei eigentümliche Maxillarmolaren von Egerkingen auf, die zu dem alten, Cartier’schen Kern der Sammlung gehören, aber von Rütimeyer nicht erwähnt worden sind. Sie stimmen in den allerallgemeinsten Grundzügen der Structur mit Adapis über- ein, so dass ihre Primatennatur kauın zweifelhaft erscheint, zeigen aber im ein- zelnen so viel eigentümliches, dass sie gewiss Anspruch auf einen besondern Genusnamen hätten. Nur aus Abneigung gegen allzu inhaltsarme Genusdefinitionen sehe ich davon ab, schon jetzt einen solchen vorzuschlagen. Basel Ef. 390. M, oder M,.? sup. dext.; Aussenwandlänge 0,0068, Breite vorn 0,0082. — Figur CCLXXXIL, A. Basel Ef. 339. M,? sup. sin.: Aussenwandlänge ca. 0,007, Breite vorn ca. 0,0085. -—— Figur CCLXXXILL, B. | Leider sind beide Zähne beschädigt. An Ef. 390 ist, wie in der Figur angedeutet, der vordere Aussen- hügel völlig, der hintere zum grössten Teil seines Schmelzbelages entkleidet; ausserdem zeigt er einen kleinen Schmelzdefeet in der hintern Innenecke der Figur CCLXXXIM. Ada- Krone, der aber in der Figur, im Interesse der Deut- pis (?) spec. von Egerkingen. — A. M.sup.dext. Ef. 390. — B. M. lichkeit ergänzt worden ist. An Ef. 389 ist der grösste Sup an BR a Teil des vordern Aussenhügels weggebrochen, während sich der Rest der Krone in gutem Zustand befindet. Den Dimensionen nach würden diese Zähne in den Variationskreis des Adapis magnus passen; sie sind also um ein merkliches grösser als die Maxillar- zähne von Adapis Rütimeyeri, mit denen sie die starke Querdehnung der Krone gemein haben. Unter sich stimmen sie so weit überein, dass man sie zuversicht- lich der nämlichen Tierart zuweisen darf, wenn auch nicht mit derselben Ziffer. Ef. 390 trägt Usuren, Ef. 389 ist kaum angebraucht. Adapis? spec. von Egerkingen. 1271 Kanten und Spitzen verhalten sich durchweg stumpfer als bei Adapis. Der Aussencontour ist zwischen den Aussenhügeln stark eingebuchtet, das Aussencin- gulum unscharf und mehr nur angedeutet.!) Die Aussenhügel sind etwas unabhängiger, conischer und die über sie weglaufende Kante schlägt eine weniger gerade Rich- tung ein, indem sie sich zwischen Vorder- und Hinterhügel etwas nach innen, hinten am letztern stark nach aussen biegt. Die niedrige, vom Innenhügel auf die, an beiden Zähnen defecte, Parastylecke zulaufende Vorjochkante lässt nur die ganz ephemere Spur eines Zwischenhügels erkennen. Die hintere Trigonumkante markiert sich von der Spitze des Innenhügels in abnehmender Deutlichkeit bis an die Basis des hintern Aussenhügels. Das Vordercingulum ist an Ef. 389 schwach angedeutet, das Innencingulum fehlt beiden Zähnen völlig. Dagegen haben beide ein wulstiges Hintereingulum, das in der hintern Innenecke anschwillt. In der Stärke dieser Anschwellung besteht zwischen Ef. 389 und Ef. 390 eine beträcht- liche Differenz. Am erstern erlangt dieselbe die Bedeutung eines zwar niedrigen, aber ansehnlichen und mit einer stumpfen Spitze versehenen Hypoconus, der an Selbständigkeit noch gewinnt durch starke Einbuchtungen des hintern und des inneren Kronencontours. An Ef. 390 ist sie schwächer und die Einbuchtung des Innencontours markiert sich nur wenig, diejenige des Hintercontours gar nicht. An beiden Zähnen springt die Kronenbasis hinten mehr nach innen vor als vorn und an beiden zieht sich der Schmelzbelag — im Gegensatz zu Adapis — in der hintern Innenecke etwas mehr wurzelwärts als am Rest der Krone; eine Erschei- nung, die an Carnivoren erinnert. Da bei Primaten allgemein der Hypoconus an Stärke von M, zu M, ab- nimmt, wird Ef. 389 weiter vorn in der Molarreihe gestanden haben als Ef. 390. Ich vermute jener sei als M, zu deuten, dieser als M, oder vielleicht als M,. Beide Fundstücke haben schwärzlichen Schmelz und stammen aus grauem Huppersand. Sie dürften zum ältern Element der Egerkinger Fauna gehören, t) Es ist in Figur CCLXXXHI etwas zu stark hervorgehoben. Stehlin, Eocaene Säugetiere. Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. Leche!) sucht in seiner mehrfach citierten Arbeit nachzuweisen, dass das Gebiss von Adapis parisiensis sich in jeder Hinsicht primitiver verhalte als das- jenige von Adapis magnus. Er spricht es nicht direct aus, der erstere sei die Stammform des letztern; aber alle seine Ausführungen zielen darauf ab, die An- nahme eines solchen Zusammenhanges plausibel zu machen. Schlosser?) hat schon gleich beim Erscheinen von Leche’s Arbeit mit Recht darauf hingewiesen, dass diese Auffassung auf stratigraphische Schwierigkeiten stösst. Aus unserer obigen Untersuchung ergiebt sich, dass dieselbe auch aus morphologischen Gründen unhaltbar ist. Adapis magnus verhält sich gewiss in einer Reihe von Eigentümlichkeiten progressiver als Adapis parisiensis, so vor allem in der Körpergrösse, in der Ausbildung des Maxillarcaninen, in der starken Reduction der P,, weiterhin auch in einigen Merkmalen seiner P, und P, und seiner Mandibularmolaren. Aber er ist schon in der Gebisstructur nicht durch- weg vor Adapis parisiensis im Vorsprung. Die starke Querdehnung seiner obern Molaren und P,, die starke Höhendifferenz zwischen Nachjoch und Vorjoch seiner Mandibularmolaren, die relativ deutlichere Ausprägung der hintern Trigonumkante an seinen Maxillarmolaren sind zweifellos Züge, in denen er sich als die primi- tivere der beiden Formen erweist. Und dazu kommt nun, dass er auch in der Verknöcherung der Annulusmembran, in der Complication des Sinus hypotym- panicus, in der Verwachsung der Mandibularsymphyse ein jugendlicheres Verhalten zeigt als sein kleinerer Verwandter. Ist aber von benachbarten Formen die eine in diesen, die andre in jenen Beziehungen evoluierter, so haben wir daraus zu schliessen, dass sie in keinem directen Verwandtschaftsverhältnisse zueinander stehen, sondern zwei verschiedene Phyla repräsentieren. !) Vergl. insbesondre p. 163 1. c. 2) Referat, Archiv f. Anthropologie XXV, p. 214, Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden, 1273 Der Nachweis des wirklichen Vorläufers von Adapis magnus in der Gestalt des Adapis Rütimeyeri hat diese Auffassung in willkommener Weise bestätigt. Es erübrigt nun noch zu zeigen, dass die Daten zur Geschichte des Genus Adapis, welche das stratificierte Tertiaer geliefert hat, durchweg mit derselben in Einklang stehen. Adapis parisiensis ist zuerst im Gips von Paris und dann in der Folge noch an zwei weitern Fundorten des obern Ludien, nämlich in den lignitösen San- den von Perreal (Vaucluse) und im Gips von Mormoiron (Vaucluse), gefunden worden. Von den kümmerlichen Documenten aus dem Gips von Paris ist oben!) schon einlässlich die Rede gewesen. Aus dem Lignit von Perreal hat Gervais (Z. et P. fr.l. ce.) vier Belegstücke abgebildet, die sich ebensowenig als jene einer bestimmten Subspecies zuweisen lassen, nämlich 1. ein Mandibelfragment mit M,—P,, als „Aphelotherium Duvernoyi“ bezeichnet, Pl. 35, F. 10; 2. ein Maxillarfragment mit vier, viel- leicht als M‚— D,°) zu deutenden Zähnen, Pl. 35, F.S; 3. einen obern Praemolaren, als P, gedeutet, Pl. 35, F. 9; 4. ein sehr problematisches Maxillarfragment E mit vier Zähnen (M,—P, ?) in Aussenansicht, in der ea ersten Auflage als Mandibel, in der zweiten Auflage ı überhaupt nicht näher gedeutet, Pl. XV, F. 11°). Aus dem Gips von Mormoiron hat Herr Deperet vor Henne op parisiensis Bl. var, aus dem einigen Jahren einen zerquetschten Schädel erhalten, Pariser Gips (Museum d’histoire der sich bei näherer Untersuchung vielleicht praeeiser naturelle in Paris), Typus von „Aphelotherium Duvernoyi Ger- vais“. Mandibelfragment mit Im stratifizierten untern Ludien ist das Phyjlum M,—M, D,—D;. P,--CD sin. und Ms-M,, D, dext. — (M;-M, 0,015). rubricieren lässt. des Adapis parisiensis bisher nicht nachgewiesen; wir dürfen aber mit ziemlicher Bestimmtheit annehmen, dass es auch zu dieser Epoche Europa bewohnt hat, weil es uns schon eine Stufe tiefer, in den Bartoniensanden des Castrais, -entgegentritt. Es ist hier schon vor längerer Zeit von Filhol*) beobachtet worden. Die Materialien, welche dieser 12) 9-21233: 2) s. oben p. 1261. ®) Bei diesem Fundstück ist als Provenienz „La Debruge“ angegeben. La Debruge, Barthel- emy, Saint-Saturnin sind Bezeichnungen für einzelne Fundpunkte an der „butte de Perreal. de Sainte- Radegonde ou de Gargas*. *) Teste Vasseur, Notice explicative de la feuille de Castres. — Vergl. oben p. 1006, Anm. I und Stehlin, Bull. soc. geol. de France (4) IV, 1904 p, 470, 474 Anm. 1274 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Autor untersucht hat, kenne ich nicht. Dagegen habe ich, mit gütiger Erlaubnis von Herrn Liosu, einige dem Museum von Albi gehörige Belegstücke, die Caraven- Cachin bei Lautree in den genannten Schichten gesammelt hat, untersuchen können; nämlich ein Maxillarfragment mit M,—P, und Alveolus von P,, ein andres mit M, —M, nebst Alveolen von M,—P,, drei Mandibularfragmente mit M,—M,, eines mit M,—P, und eines mit M.—P.. Das Material macht einen durchaus einheitlichen Eindruck. \ Die Länge der obern M,—M, beträgt 0,0132, die der untern 0,0145 —0,015; die Dimensionen sind also mittlere und stimmen mit denjenigen des Schädels Montauban 7 überein. Die Mandibeln Figur CCLXXXV. Sind niedrig, nach hinten wenig erhöht (Höhe beim Vorderlobus Adapis efr. parisien- von M, 0,01). An den Mandibularmolaren vermag ich gar nichts sis Bl. aus dem Bar- tonien von Lautree (Tarn). Fragment Jochen ist die bei A. parisiensis übliche, der Talon von M, zeigt der linken Maxilla mit M,;—P,. Samm- R > : \ 3 ; lung Caraven-Ca- markiert sich — im Gegensatz zu A. Rütimeyeri — deutlich. auffälliges zu entdecken; die Höhendifferenz zwischen den beiden eine mittlere Dehnung, die Hinterzacke am vordern Innenhügel Shin im Mu eumyon Am untern P, ist der Innenhügel etwas schwach entwickelt. ae Die Maxillarmolaren haben, wie an München I, fast rechteckige, aber dazu etwas mehr quergedehnte Umrisse. Der hintere Innenhügel ist an M, und M, stark ausgebildet und auch an M, noch deutlich, das Cingulum an der vordern Innenecke auffallend kräftig. Die hintere Trigonumkante ist an M, deut- lich, an M, und M, gradweise verwischter, im ganzen nicht stärker markiert als an vielen Exemplaren aus den Phosphoriten. An P, ist die Querdehnung noch auffälliger als an den Molaren; ausserdem erinnert er auch durch die ungewöhnlich kräftige Andeutung eines hintern Innenhügels an A. Rütimeyeri. Im ganzen steht also diese Bartonienmutation dem typischen Adapis pari- siensis des obern Ludien schon sehr nahe. Doch könnten immerhin die Eigen- tümlichkeiten des obern P,, die Querdehnung der obern Molaren, die Schwäche des hintern Innenhügels am untern P, chronologisch etwas zu bedeuten haben. Vielleicht werden breitere Belegmaterialien einmal genügende Anhaltspunkte zur Aufstellung einer besondern Species liefern. Vorderhand bezeichne ich das Tier als „Adapis efr. parisiensis“. Unter den einschlägigen Materialien aus den Phosphoriten des Querey sind mir keine Maxillarzähne zu Gesicht gekommen, die genau mit denjenigen von Lautrec übereinstimmen. Da die Phosphorite einige Reste andrer Bartonienarten geliefert haben, ist es indessen sehr wohl möglich, dass auch bartonische Vertreter Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1975 des Adapis-parisiensis-phylums in ihnen vorkommen. Die Hauptmasse der Querey- belegstücke wird aber wohl dem Ludien angehören. Zu einer Verteilung derselben auf das untere und das obere Ludien fehlen uns vorderhand alle Anhaltspunkte. Aus dem stratificierten Oligocaen liest bis jetzt keine Spur des Phylums vor; es scheint mit dem obern Ludien — in Europa wenigstens — erloschen zu sein. Ob es schon vor dem Bartonien, im Lutetien, den Continent bewohnt hat, ist vorderhand sehr unsicher. Neben dem oben (p. 1267) bei A. Rütimeyeri auf- geführten Zahn Ef. 404 von Egerkingen, kommen als eventuelle Spuren einer solchen Lutetienmutation die Materialien in Betracht, auf welche Noulet!) seinerzeit sein „Aphelotherium Rouxi‘ begründet hat. Dieselben waren von Leonce Roux in einem lignitführenden Tone gefunden worden, der im Weichbild der Stadt Castres, bei der „Fontaine de Sagne‘‘ im Bette des Agout, ansteht und nach Vasseur (l. e.)?) dem Niveau des Süsswasserkalkes vom „Rocher de Lunel“°), also dem obern Lutetien angehört. Ob sie wirklich von einem „Aphelotherium‘“, d.h. von einem Adapis, herrührten, erscheint indessen fraglich, weil was Noulet über ihre Dimensionen mitteilt nicht ganz mit der Vorstellung in Einklang steht, die man sich — nach analogen Fällen — a priori von dem unmittelbaren Vorläufer des „Adapis cfr. parisiensis“ von Lautrec machen kann, und weil die von diesem Autor gegebene Beschreibung überhaupt nichts hervorhebt, was geeignet wäre, die Richtig- keit der generischen Bestimmung zu verbürgen. Leider scheinen diese wertvollen Documente zu Grunde gegangen zu sein; wenigstens habe ich sowohl die Samm- lung Roux im Museum von Castres, als die Sammlung Noulet im Museum von Toulouse vergeblich nach ihnen durchsucht. Da Noulets Arbeit in einer wenig verbreiteten Zeitschrift erschienen ist, copiere ich — pro memoria — den auf „Aphelotherium Rouxi“ bezüglichen Passus in extenso: „Cet animal, de moitie plus petit que l’Aphelotherium Duvernoyi, ne depassait guere la taille de notre ecureuil, rongeur auquel Leonce Roux crut pouvoir attribuer l’important fossile qu'il venait de decouvrir. Il faut probablement rapporter au m&me pachyderme la couronne d’une septieme molaire inferieure, ayant un fort talon a deux tuber- cules en avant, que Leonce Roux signale comme une dent de carnassier, de Mustela suppossait-il. Il en est de m&me de deux molaires anterieures, a quatre tubercules ') J. B. Noulet, Etude’ sur les fossiles du terrain &ocene superieur du baessin de l’Agout (Tarn). — Mem. acad.. Toulouse, VI ser., t. I, 1863 p. 181—206. 2) Vergl. auch: A. Caravin-Cachin, Description geographique, g&eologique etc. des departements du Tarn et de Tarn-et-Garonne 1898, p. 252. ®) s. oben p. 94, 562. 1276 Stehlin, Eocaene Säugetiere. disposes deux aA deux en collines, sans talons en avant, prises par lui pour des molaires d’un rat voisin de l’espece ordinaire.*!) — Vom Phylum des Adapis (Leptadapis) magnus ist im stratificierten obern Ludien bisher keine Spur zum Vorschein gekommen. Es scheint mithin schon vor dem Ende des Eocaens und vor dem Verschwinden des Adapis parisiensis er- loschen zu sein. Der typische Adapis magnus ist, ausser in den Phosphoriten des Quercy, in Saint-Hippolyte-de-Caton, in Hordwell und im phosphatisierten Süsswasserkalk von Lamandine nachgewiesen; er kann als ein Leitfossil des untern Ludien gelten. Bei Saint-Hippolyte-de-Caton sind schon lange vor der Entdeckung der Phosphorite zwei Belegstücke von Adapis magnus gefunden worden. Das eine derselben, ein Mandibelfragment mit M,—P,, hat Gervais (Z. et P. fr. Pl. XI, F. 11) unter der Bezeichnung „Lophiotherium cervulum“ abgebildet.”) Das andre, ein Mandibularfragment mit M, ist an die Vorderhälfte einer Mandibel von Hyaenodon minor angesetzt und von demselben Autor als Typus eines neuen Subursengenus „Tylodon* beschrieben und abgebildet worden (ibid. F. 7 „Tylodon Hombresi“?). In neuerer Zeit hat Herr Deperet an dieser Fundstelle vollständigere Materialien ausgegraben. Ein Mandibelfragment mit M,—P, und defectem P,, das derselbe der Basler Sammlung verehrt hat, ist durch seine Dimensionen ausgezeichnet, welche die der stärksten mir vorliegenden Documente aus den Phosphoriten noch übertreffen (M,—P, = 0,0325). Von Hordwell führt der Catalog des britischen Museums*) diverse Beleg- stücke auf. Eine Maxillarreihe von dort ist bei Flower und Lydekker abgebildet.?) In Lamandine scheint die Form, nach dem was ich in verschiedenen Museen gesehen habe, ziemlich häufig zu sein. Die Basler Sammlung besitzt blos einige kleinere Fragmente von diesem Fundort. Adapis Rütimeyeri, den wir, nach dem oben ausgeführten, mit ziem- licher Zuversicht in die Ascendenz des Adapis magnus einreihen dürfen, ist bisher nur von Egerkingen bekannt und, nach den Fundumständen unter denen er dort vorkommt, dem obern Lutetien zuzuweisen. Er kann aus morphologischen !) Vergl. Leonce Roux du Carla, Geologie du bassin de l’Agout. Nouvelle edition, annotee par L. Mengaud. Revue du Tarn 1910, p. 21—22. 2) s. oben p. 447. ' ) s. Gaudry, Bull. soc. geol. de France (3) XII, 1884 p. 137. !) R. Lydekker, Catalogue of the Fossil Mammalia in the British Museum I, 1885 p. 262; V, 1887 p. 299. °) W. H. Flower and R. Lydekker, An Introduction to the Study of Mammals living and extinct. 1891, Fig. 333, p. 698. Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1277 wie aus chronologischen Gründen nicht der unmittelbare Vorläufer des typischen Adapis magnus sein. Vielmehr muss sich zwischen beide eine in Grösse und Structur vermittelnde Bartonienmutation einschieben. An den Fundorten des stratifi- cierten Bartoniens ist bisher noch keine Spur dieser Zwischenform zum Vorschein gekommen; dagegen könnten gewisse Documente aus den Phosphoriten des Querey auf dieselbe zu beziehen sein. In erster Linie kommen hier einige schon oben (p. 1242) erwähnte Man- dibeln der Basler Sammlung (Q@. D. 28, 30—32, 39, 53) von der Localität Bach in Betracht, welche sich vom typischen A. magnus durch geringere Dimensionen, geringere Dicke, sowie durch die Eigentümlichkeit unterscheiden, dass der vordere Innenhügel ihrer Molaren auf der Hinterseite keine Zacke, sondern nur eine mehr oder weniger scharfe Kante besitzt. Sie entsprechen ziemlich genau der Vor- stellung, die man sich a priori von einem Bindeglied zwischen A. Rütimeyeri und A. magnus machen kann. Sodann liegt es nahe auch jenen dritten „Leptadapis“-Schädel des Museums von Montauban — Montauban 3 -— dessen oben (p. 1255) blos beiläufig gedacht worden ist, dieser Zwischenform zuzuweisen. Er ist relativ sehr vollständig er- halten. Es fehlen ihm nur die Intermaxillen, die Nasalien bis auf ein kleines Fragment des rechten, ein Teil des Sagittalkammes, ein kurzes Stück im Hinter- rand der rechten Orbita und kleine Randpartien an den Pterygoidflügeln. Dagegen hat er durch Quetschung ziemlich stark gelitten. Der Gesichtschädel mit Einschluss der Lacrymalpartie ist stark entstellt, der obere Occipitalrand ist nach unten ge- drückt, die Gaumenhälften sind etwas übereinander geschoben, die Bullae trans- versal zusammengepresst und etwas eingetrieben, die Exoccipitalien an der Mastoid- sutur etwas verschoben, der Hinterrand der linken Orbita eingedrückt. Immerhin sind gewisse Partien, wie die Pterygoidalwände und die Jochbogen, besser erhalten als an den oben beschriebenen Schädeln des typischen Adapis magnus. Die Er- haltungsart ist im übrigen der von Montauban 2 analog: harte Incrustationen widersetzen sich der saubern Praeparation mancher interessanter Details. Vom Gebiss sind rechterseits M,— P, und der defecte Canin, linkerseits M‚—M, und der Canin erhalten. Versuche die Oben- und die Untenansicht des interessanten Documentes zu reconstruieren sind in Figur COLXXXVI und CCLXXXVI wiedergegeben. In allen wesentlichen Punkten ein Mittelding zwischen den beiden zu ver- bindenden Formen ist dieser Schädel freilich nicht. In zwei Beziehungen, nämlich in der Grösse und in der Structur des Maxillarcaninen steht er A. Rütimeyeri näher als A. magnus. Der Abstand vom Unterrand des Foramen magnum bis zur 15 1278 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Intermaxillaspitze, welcher als Ausdruck für die Schädelgrösse gelten kann, misst blos ca. 0,078 gegen 0,098 an Montauban 2 und 0,105 an Montauban 1. Der Canin zeigt wie bei A. Rütimeyeri von den verschiedenen Rinnen erst die vordere der Innenseite scharf ausgebildet. Die Umrisse der Molaren und des P, dagegen sind weniger quer gedehnt als bei manchen Individuen des typischen Adapis magnus und haben nichts besonders altertümliches an sich. Die auffälligste Eigentümlich- Figur CCLXXXVI. Adapis magnus Filhol, var. Leenhardti n. var. — Schädel Montauban 3, Reconstruction der Stirnansicht. — Yı. keit der Backenzahnreihe ist mir bisher weder bei einem Adapis Rütimeyeri noch bei einem Adapis magnus vorgekommen. Sie besteht darin, dass M, in ganz unge- wöhnlichem Maasse reduciert und M, — entgegen der sonstigen Regel — kaum grösser als M, ist. Ich nehme bis auf weiteres an diese Schwächung der hintern Molaren, die sich selbstverständlich auch im Unterkiefer geltend gemacht haben muss, sei als individuelle Aberration zu beurteilen. Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1279 In eraniologischer Hinsicht kehren an Montauban 3 die meisten Eigentümlich- keiten, welche Montauban 2 von Montauban 1 unterscheiden, in noch stärkerer Aus- prägung wieder: die Gehirnkapsel ist relativ noch grösser, die Einschnürung hinter den Orbiten noch schwächer (so schwach wie bei A. parisiensis), die Temporalcristen ver- Figur COLXXXVII. Adapis magnus Filhol, var. Leenhardti n. var. — Schädel Montauban 3, Reconstruction der Untenansicht. — !/ı. — Ma. Maxillare.e — J. Jugale. — F. gl. Fossa glenoi- dalis. — Cr. Grat in der Verlängerung des Vorder- randes der Gelenkfläche. — P. gl. Processus post- glenoidalis. — Pt. Pterygoid. — F. P. Fossa ptery- goidea.. — B. Bulla. — Au. Ohröffnung. — T. Tubaöffnung. — Th. Tympanohyalegrube. — Mst. Mastoid. — F. c. + 1. p. Foramen condylare ver- einigt Foramen lacerum posterius. laufen noch schräger, die Jochbogen springen noch etwas weniger vor. Der Sagittal- kamm, der freilich in sehr defectem Zustand überliefert ist, scheint bedeutend niedriger als bei Montauban 2, wenngleich immer noch höher als bei A. parisiensis 1280 Stehlin, Eocaene Säugeliere. Bruni und Betillei gewesen zu sein. Ein Foramen malare ist überhaupt nicht vor- handen. Die Region hinten innen an der Bulla ist infolge von Verschiebungen und Incrustationen etwas unklar; doch glaube ich feststellen zu können, dass Foramen lacerum posterius und Foramen condylare wie an Montauban 2 verschmolzen sind. Von der Pterygoidalpartie, die sich besonders gut erhalten hat, ist schon oben (p. 1255) bei A. magnus die Rede gewesen. Da dieser Schädel hinlänglich vom typischen Adapis magnus differiert um einen eigenen Namen zu verdienen, bezeichne ich ihn als „Adapis magnus var. Leenhardti“. — Das kümmerlich belegte Tier von Egerkingen das oben unter der Be- zeichnung ,„?Adapis spec.“ aufgeführt ist, gehört zweifellos weder in das Phy- lum von Adapis parisiensis noch in dasjenige von Adapis magnus. Ob es ein drittes Adapisphylum repraesentiert oder ob es Anspruch auf einen eigenen Genus- namen hat (was ich für wahrscheinlicher halte) müssen vollständigere Funde lehren. Die folgende Tabelle fasst die bis heute vorliegenden Daten zur Geschichte des Genus Adapis in gewohnter Weise zusammen: & | Oligocaen | Ausgestorben | | | | | Adapis parisiensis | var. div. | Oberes | 2 > | | Lndi | Paris, Perreal- Ausgestorben 5 | ussen LaDebruge, Mormoiron Quercey | Adapis parisiensis Leptadapis magnus Unteres | var. div. | Saint-Hippolyte, Ludien | Mormont-Eclepens | Hordwell, Lamandine, | Querey | Quercy | | | ] l | | Adapis efr. parisiensis | Leptadapis magnus Bartonien | Lautree, .| Leenhardti | - Quercy Querey | | | | | Adapis Ef.441? „‚Aphelothe- Leptadapis Oberes Egerkingen riame | Rütimeyeri Lutetien Rouxi‘? Egerkingen | Castres | . Unteres | B | ? Adapis spec. Lutetien Egerkingen Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1281 Zunächst sehen wir uns nun vor die Frage gestellt, ob sich für die Adapiden des mittleren Eocaens eine untereocaene Wurzelform nachweisen lässt. Aus dem europäischen Untereocaen sind bis jetzt zwei Primatengenera'), Plesiadapis und Protadapis, signalisiert. Beiden hat Osborn?) schon 1890 nähere Beziehungen zu Adapis abgesprochen. Dass Plesiadapis in der Tat keine solchen besitzt, ist bei der völlig divergenten Differenzierung seines Vordergebisses ohne weiteres evident. Dagegen ist es vielleicht nicht überflüssig noch etwas einläss- licher nachzuweisen, warum auch Protadapis nicht als untereocaener Vorläufer der Adapiden gelten kann. Das Genus ist auf Mandibelfragmente begründet worden’) und auch heute nur in Bezug auf Mandibel und Mandibularbezahnung characterisierhar. Lemoine hat ihm allerdings später‘) auch einige isolieıte Maxillarmolaren zugewiesen; ob dieselben ihm wirklich angehören, ist indessen sehr fraglich und da sie überdiess schlecht zueinander zu passen scheinen, lassen wir sie besser ausser Betracht. Die mandibulare Zahnformel wird von Lemoine und Osborn als 2J, 16, 3P, 3M angegeben; ausnahmsweise soll sich in den kurzen Zwischenraum zwischen P, und (© ein rudimentärer P, einfügen. Die Incisiven sind nach Osborn schwach, der Canin ziemlich stark, die Molaren haben in der Vorderhälfte noch die ursprüng- lichen drei Hügel. In der Gestalt des Mandibularknochens stimmen die von Lemoine abgehildeten Stücke unter sich nicht ganz überein. 1880 unterschied dieser Autor -—- ohne Diagnosen mitzuteilen — vier Protadapisarten, nämlich eine, P. Copei, aus dem obern Thanetien von Cernay, drei, P. crassicuspidens, recticuspidens und eurvicuspidens aus dem obern Ypresien der Umgebung von Epernay. In der zu- sammenfassenden Arbeit von 1891 dagegen versichert er, das Genus komme nur im letztern Niveau vor’); auch nennt er hier nur noch zwei Arten: P. recticuspidens und P. curvicuspidens, die, wie es scheint, hauptsächlich im untern M, von einander abweichen sollen. Eine sehr praecise Vorstellung vermitteln diese knappen Angaben nicht und den schwer verständlichen Abbildungen bei Lemoine (1891) ist leider nicht !) Dass Creoadapis Lemoine (1893) ein Primate ist, halte ich für unerwiesen. 2) H.F.Osborn, A Review of the CGernaysian Mammalia. Proc. Philad. Acad. Nat. Se. 1890, p.55. °) In einer mir nicht zugänglichen Arbeit: Communication sur les ossements fossiles des terrains tertiaires inferieurs des environs de Reims 1878. *) V. Lemoine, Communication sur les ossements fossiles des terrains tertiaires inferieurs des environs de Reims. Association francaise pour l’avancement des sciences 1850 — id., Etude d’ensemble sur les dents de mammiferes fossiles des environs de Reims. Bull. soc. g&ol. de France (3) XIX, 1891, p. 281, Fig. 71—78. pP S °) Osborn’s Angabe, Protadapis sei älter als Plesiadapis, ist irrig. 1382 Stehlin, Eocaene Säugetiere. viel weiteres zu entnehmen. Glücklicherweise ist aber Figur 71 ]. ce., den letzten Mandibularmolaren von P. reetieuspidens darstellend, hinlänglich deutlich um den Schluss zu gestatten, dass unter diesem Namen diejenige Tierart zu verstehen ist, von welcher das in nebenstehender Figur CCLXXXVIII wiedergegebene Mandibel- fragment mit M,—P, nebst Wurzeln von P, und © herrührt, so dass ich in der Lage bin die obige Characteristik etwas zu vervollständigen. Das Fundstück stammt wie die Lemoine'schen aus den Teredmasanden der Gegend von Epernay und befindet sich im Besitze der Ecole des mines in Paris. Den Herren Grandjean und Laville, welche es mir zur Untersuchung anvertraut haben, spreche ich meinen verbindlichsten Dauk für ihre Liberalität aus. Figur CCLXXXVIII. Protadapis recticuspidens Lemoine, aus den Teredinasanden der Gegend von Epernay. — Mand. dext. mit M;—P,, Stümpfen von P, und C, Alveolen von P;; von oben (*/ı), von innen/!/ı und von aussen (!/ı). Die Länge der vier erhaltenen Zähne beträgt 0,0195; die Dimensionen entspre- chen also ungefähr denjenigen des Adapis parisiensis. Die Primatennatur des Tieres wird ausser Zweifel gestellt durch die Structur der Molaren, welche — dem Grund- plane nach — mit Adapis übereinstimmt. Das ganze Kronenrelief dieser Zähne ist stumpfer und plumper als bei letzterm; das Aussencingulum markiert sich an denselben nur gegen vorn zu deutlich. Der Höhenunterschied zwischen Vorjoch und Nachjoch verhält sich ungefähr wie bei Adapis Rütimeyeri. Der hintere Innenhügel ist klein und niedrig. Die Vorderhälfte der Krone erweist sich bei genauem Zusehen an M, als etwas gestreckter wie an M, und an diesem als etwas gestreckter wie an M.. In der Ausbildung des Vorderarms des Vorder- Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1253 halbmonds und in der Art und Weise wie sich am Ende desselben eine rudimen- täre Vorderknospe („Paraconid“) markiert, besteht eine bemerkenswerte Differenz gegenüber Adapis. Bei diesem ist, wie wir oben (p. 1173) gesehen haben, der Vorderarm kurz, fast sagittal gestellt; die Ausgliederung des „Paraconid“-rudi- mentes erfolgt durch eine Einsenkung der Kante, die sich bei gewissen Exemplaren von Adapis parisiensis zu einer Einkerbung verschärft; vom vordern Innenhügel (Metaconid) steht das „Paraconid‘-rudiment weit ab. Bei Protadapis ist der Vorder- arm gedehnter; er biegt sich nach innen um und endigt vorn an der Basis des vordern Innenhügels; an M, zeigt er hier noch eine knospenartige Anschwellung, welche das „Paraconid* repraesentiert; an M, ist diese kaum mehr, an M, gar nicht mehr wahrzunehmen. Diese Differenz zwischen den drei Mola- ren steht offenbar mit derjenigen in der Dehnung der vordern Kronen- hälfte in Zusammenhang. Der vor- dere Innenhügel ist auf der Hinter- seite mit einer stumpfen Kante versehen; von einer Zacke ist, wie bei Adapis Rütimeyeri, keine Spur zu bemerken. Die Nachjochkante von M, und M, zeigt eine etwas i Figur CCLXXXIX, Protadapis brachyrhynchus n.sp., Fragment der linken Mandibel mit M;>—P, und Alveolen schenhügel ist nicht vorhanden. von M,, P,—-P, und C; von oben (vergrössert) und von RE FSBIt der hintere Innenhiisel aussen (t/ı). — Phosphorit von Prajous (Lot.). — Basel = = Q. V. 619. — undeutliche Knickung; ein Zwi- völlig; eine stumpfe Kante zieht sich vom Talonhügel nach der Basis des vordern Innenhügels, wie diess auch Lemoine in seiner Figur angiebt. Der Talon ist kurz und das Gesamtvolumen der Krone kaum grösser als das von M,. P, ist bedeutend einfacher gebaut als der von Adapis. Sein Haupthügel dominiert die Krone und überragt die Molarreihe um ein merkliches. Hinten innen an demselben detachiert sich auf halber Höhe ein kleiner Innenhügel. Der Talon ist sehr kurz bemessen und niedrig. Ausser einer stumpfen Fortsetzung der hinten am Haupthügel absteigenden Kante und einem wulstigen Schlusseingulum zeigt er kein Relief. Das Aussenemgulum markiert sich der ganzen Länge nach, aber nicht sehr scharf; das Inneneingulum blos vorn. Die ziemlich scharfe Vorderkante des Haupthügels biegt am Ende, in das Cin- gulum übergehend, nach innen um, aber zur Entwicklung einer Vorderknospe 1284 Stehlin, Eocaene Sängeliere. kommt es nicht. Aus den Wurzelstümpfen von P,, an denen vorn noch eine Spur der Krone erhalten ist, lässt sich entnehmen, dass dieser Zalın ungefähr gleich lang wie P,, aber etwas schmäler war und dass sich die Basis seiner Krone nach vorn etwas hob. Vermutlich war er etwas höher als sein hinterer Nachbar. Während die Axe des letztern wie die der Molaren sagittal gestellt ist, ist die- jenige von P, etwas schräg von hinten innen nach vorn aussen orientiert. Vorn an P, reihen sich, satt anschliessend, zwei rundliche Alveolen. Die Beschaffen- heit der Wand, welche sie trennt, lehrt deutlich, dass sie auf ein und denselben Zahn, also auf einen zweiwurzligen P, zu beziehen sind. Derselbe war offenbar kürzer und schwächer als P,, seine Axe gleichfalls schräg orientiert. Ein P, war nicht vorhanden. Vor P, folgt ein kleines Diastema von ca. 1,5 mm und dann das Ende der schief abgebrochenen Caninwurzel. Diese ist kräftig und transversal stark comprimiert, nicht rundlich wie bei Adapis. Der Ramus horizontalis der Mandibel erscheint im: Verhältnis zum Gebiss massiv. Er ist niedrig und erhöht sich von P, bis M, nur ganz unbedeutend; sein Unterrand ist schwach gebogen. "Der Vorderrand des Ramus ascendens ist weniger scharf als bei Adapis parisiensis und nimmt einen schiefern Verlauf. Ein kleines Foramen mentale liegt unter der Vorderwurzel von P,. Die Mylohyoideus-Rinne markiert sich schwach. Die Symphyse endigt unter der Mitte von P, mit einer scharf ausgebildeten Digastricus- Grube. Die Symphysalnaht steht offen. Die gewonnenen Anhaltspunkte gestatten uns mit voller Bestimmtheit fest- zustellen, dass Protadapis rectieuspidens nicht in die Ascendenz von Adapis ge- hört. Entscheidend ist vor allen Dingen das Fehlen des P,, mit dem schon Osborn sein negatives Urteil begründet hat. Aber verschiedene structurelle Ab- weichungen drängen zu demselben Schlusse. Nach dem Befunde an Adapis Rüti- meyeri müssen wir annehmen, noch ältere Glieder des Adapisphylums haben im Nachjoch ihrer Mandibularmolaren constant einen Zwischenhügel besessen; bei P. recticuspidens fehlt ein solcher. Ferner ist bei letzterm die „Paraconid*-Spur anders beschaffen als bei Adapis und auf M, beschränkt, während sie bei diesem auch an M, und M, noch vorkommt. Weiterhin stimmt die Beschaffenheit der Caninwurzel nicht zu den Erwartungen, die man sich von einem Vorläufer der Adapiden bilden kann. Hat dieser Zahn vollends eine nach Affen- oder Carnivoren- art zugespitzte Krone besessen, wie es nach Lemoine’s Figuren den Anschein hat, so zeugt er erst recht gegen einen Zusammenhang mit Adapis. Speciell für einen untereocaenen Ahnen von Adapis parisiensis sind wohl auch die Dimensionen des P. recticuspidens zu stark. Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1285 Ob alle Materialien aus den Teredinasanden, welche Lemoine unter der Bezeichnung „Protadapis“ zusammengefasst hat, mit dem eben beschriebenen Fundstück generisch identisch sind, erscheint übrigens fraglich. Die von Lemoine in Figur 71 und 76 wiedergegebenen Mandibeln stimmen, zumal in der Symphysal- partie, nur mangelhaft mit der unsrigen überein und die Beobachtung, dass die Vorderhälfte der Mandibularmolaren drei Spitzen trägt, kann sich, nach dem eben gesagten, nicht wohl auf die Form beziehen von der diese herrührt. Es ist darum wohl möglich, dass sich unter dem Namen Protadapis noch ein zweites Genus verbirgt. Nichts weist indessen vorderhand darauf hin, dass dieses besser in die Ascendenz der Adapiden passt. Der Schluss, dass das von uns als „Protadapis recticuspidens“ bestimmte Tier keine directen Beziehungen zu Adapis hat, erhält nun noch eine weitere Stütze durch den Umstand, dass eine demselben sehr nahe stehende Species in den Phosphoriten des Quercy, also gleichzeitig mit Adapis, vorkommt. Dieselbe ist belegt durch das in Figur CCXXXIX wiedergegebene Mandibelfragment Q. V. 619 mit M,—P,, das von der Localität Prajous (Lot) stammt. M,—P, messen 0,0175 gegen 0,014 an der Mandibel von Epernay; das Tier von Prajous ist also um ein merkliches grösser als P. recticuspidens. An M, und M, ist die Höhendifferenz zwischen Vorjoch und Nachjoch etwas geringer, der hintere Innenhügel etwas stärker als an ihren Homologen bei letzterm, sonst stimmen sie mit denselben, speciell auch in Bezug auf den Vorderarm des Vorder- halbmonds, überein. Die Alveole hinter M, lässt darauf schliessen, dass M, auch hier relativ klein und schmal war. An P, kann ich. keine irgend nennenswerte Abweichung bemerken. Vor demselben folgen drei satt aneinander schliessende Alveolen, von denen die zwei hintern offenbar auf P,, die merklich kleinere vor- dere auf P, zu beziehen ist. Dieser war also einwurzlig und überhaupt reducierter als bei P. recticuspidens. P, scheint eher etwas länger als P, gewesen zu sein; sein Vorderende hat sich, der Anordnung der Alveolen nach, auch hier aussen an das Hinterende von P, geschoben. Wegen Beschädigung des Alveolarrandes lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob vor P, ein sehr kleines Diastema bestanden, oder ob sich derselbe unmittelbar an den Caninen angeschlossen hat. Die unvoll- ständig erhaltene Alveole des letztern deutet auf eine Wurzel von analoger rela- tiver Stärke und analoger Abplattung wie diejenige von P. recticuspidens; der lange Durchmesser ihres Querschnittes ist etwas schräger — von hinten innen nach vorn aussen — orientiert. Über die Incisiven giebt auch dieses Fundstück keine Auskunft. Die Mandibel ist vorn etwas abgeplattet, wie bei Affen. Der 16 1286 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Ramus horizontalis ist dicker und plumper als bei der kleinern Species und hat einen etwas stärker gebogenen Unterrand. Die Symphyse endigt, der stärkern Verkürzung der Praemolarreihe entsprechend etwas weiter hinten als bei jener, unter der Hinterwurzel von P,. Es sind drei kleine Foramina mentalia vorhanden, das hinterste unter der Vorderwurzel von M,, das zweite unter der Mitte, das dritte unter dem Vorderende von P,. Masseter- und Digastricusansatz markieren sich in analoger Weise wie bei P. recticuspidens; von einer Mylohyoideusrinne ist nichts zu bemerken. Ob das Tier von Prajous ein Descendent des P. recticuspidens ist, lässt sich auf Grund der vorliegenden Documentation nicht wohl entscheiden; vorder- hand müssen wir uns begnügen festzustellen, dass unter den gegenwärtig nach- weisbaren Differenzen keine ist, welche der Hypothese eines directen Zusammen- hangs widerstritte. Jedenfalls sind die Beziehungen zwischen den beiden Formen so nahe, dass es ungerechtfertigt wäre für diejenige aus den Phosphoriten ein neues Genus aufzustellen. Ich schlage für dieselbe daher den Namen „Protadapis brachyrhynehus“ vor. Sehr wahrscheinlich gehört diese Species nova dem Bar- tonien an, denn einerseits lassen die Beziehungen zu einer Ypresienspecies ver- muten, sie gehöre zum ältesten Element der Phosphoritfauna, andererseits sind in der Spalte, aus der sie stammt, Reste von Pachynolophus cayluxi!) gefunden worden, der schwerlich einem jüngern Horizonte als dem Bartonien zuzuweisen ist. P. recticuspidens und brachyrhynchus scheinen sich in der Structur ihrer untern M,—P,, so weit sich nach den Abbildungen bei Grandidier darüber urteilen lässt, dem gleichfalls aus den Phosphoriten der Gegend von Prajous (von Memerlein) stammenden Pronycticebus Gaudryi Grandidier zu nähern. Dass dieser gleich- wohl einen andern Stamm repräsentiert, ergiebt sich aber schon daraus, dass er einen reducierten P,, einen durch Diastemen isolierten P, und vor diesem noch einen kleinen P, besitzt. Im nordamerieanischen Untereocaen sind die Primaten durch die Stämme der Microsyopiden, der Anaptomorphiden und der Notharctiden vertreten.’) Die Microsyopiden, deren Primatennatur übrigens neuerdings bestritten wird’), zeigen !) s. oben p. 538. — Die Belegstücke von Prajous, die mir vorliegen sind: ein Mandibel- fragment mit Ms—P, und Alveolen von P,s—P,, ein isolierter M, inf. und ein isolierter P, sup. 2) H. F. Osborn, Cenozoie Mammal Horizons of Western North-America. U. S. geol. Survey, Bulletin 361, 1909. ») H. F. Osborn, American Eocene Primates. Bull. Am. Mus. Nat. Hist. XVI, 1902. — J. L. Wortman, ]. c. 1903 p. 215. — W.D. Matthew, The-Carnivora and Insectivora of the Bridger Basin. Mem. Am. Mus. Nat. Hist: IX, 6, 1909, p. 546 —549. — Die Hyopsodontiden, welche Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1287 in den Backenzähnen einige vage Anklänge an die Adapiden, weichen aber in der schon im Wasatch weitgediehenen, an Chiromyiden und Nager erinnernden, Differen- zierung ihres Vordergebisses so weit von ihnen ab, dass sie als Wurzelgruppe derselben unter keinen Umständen in Betracht kommen können. Auch die win- zigen Anaptomorphiden, die unzweifelhafte Primaten sind, zeigen so wenig spe- ciellern Anklang an die Adapiden und treten namentlich durch Reduction der Praemolarformel so früh in einen entschiedenen Gegensatz zu denselben, dass wir uns nicht bei ihnen aufzuhalten brauchen. Dagegen liest einiger Anlass vor die Gruppe .der Notharetiden näher ins Auge zu fassen, die im Wasatch mit dem Genus Pelycodus beginnt, in der Wind- riverstufe die Eigentümlichkeiten des Genus Notharctus erwirbt und sich dann durch die Bridgerstufe hindurch weiterentwickelt, um während der Uintaepoche zu erlöschen.') Cope?) hat seinerzeit Adapis direet mit Notharctus identificieren wollen, weil er !in der Mandibularbezahnung keine Differenzen finden konnte. Filhol (1883 1. ec.) hat dann zwar diese Identification mit Recht abgelehnt; aber alle Autoren seit Cope haben doch eine nahe Verwandtschaft zwischen Notharctiden und Adapiden angenommen und noch jüngst hat Schlosser die Vermutung ge- äussert, Notharetus sei vielleicht die Stammform von Adapis.”) Ich glaube daher die Erwägungen, welche mich zu einer entgegengesetzten Auffassung geführt haben, etwas einlässlicher darlegen zu sollen. Dank der Liberalität der Herrn Osborn und Granger bin ich in der Lage auch über die americanischen Genera, wenigstens bezüglich der Backenzähne, aus eigener Anschauung zu urteilen. Von den Eigentümlichkeiten, in welchen die Notharetiden mit den Adapiden übereinstimmen, beweisen diejenigen, welche wir bei den Wurzelformen aller Primatenstämme erwarten müssen, sehr wenig für das Vorhandensein eines nähern Zusammenhangs; diejenigen, welche sich noch nicht mit Bestimmtheit als Differen- zierungsmerkmale erwiesen haben, vorderhand kaum mehr. Zu den erstern gehört die Vollständigkeit der Praemolarreihe, die Existenz einer Berührung zwischen Alisphenoid und Parietale*), das Fehlen eines knöchernen Gehörgangs und ziemlich gleichfalls in den Backenzähnen einige vage Anklänge an die Adapiden zeigen, glaube ich über- gehen zu dürfen, da Wortmann und Matthew an Hand ihres Skeletbaues überzeugend dargetan haben, dass sie keine Primaten sind. 1) H. F. Osborn, 1. c. 1902. 2) E. D. Cope, The Relation of the Horizons of Extinct Vertebrata of Europe and North- America ibid. 1379, p. 43. 3) K. von Zittel, Grundzüge der Palaeontologie, neu bearbeitet von Broili, Koken u. Schlosser. II. 1911 p. 547. *) Einzelne Notizen über den Schädelbau der Notharctiden giebt Wortmann 1903 1. c. 172-174. 1285 Stehlin, Eocaene Säugetiere. sicher auch der transperiotische Verlauf der Carotis interna; zu den letztern glaube ich die Kleinheit des facialen Laerymale und die intraorbitale Lage des Thränen- loches rechnen zu sollen. Sehr wenig zu bedeuten hat ferner auch die Übereinstim- mung in solchen Differenzierungsmerkmalen, welche, wie die starke Blähung der Bullae, die starke Entwicklung der Pterygoidalflügel, die Preisgabe eines Incisivenpaares, unter niedrigen Primaten überhaupt verbreitet sind. Eher liesse sich Gewicht darauf legen, dass beide Gruppen ihr mandibulares Vordergebiss nicht nach Lemuren- art, sondern mehr nach Affenart differenziert haben und dass beide die, unter Primaten seltene, Tendenz zeigen, die hintersten Praemolaren zu complicieren. Aber auch diese Specialisierungen sind nicht beweisend für einen nähern Zusam- menhang, denn sie können separatim erworben sein, und dass sie es tatsächlich sind, ergiebt sich, wie ich glaube, mit Bestimmtheit aus der folgenden Reihe von Gebissdifferenzen zwischen den beiden Gruppen, in der ich die fundamentaleren voranstelle: 1. Bei Adapis ist der hintere Innenhügel der Maxillarmolaren evidenter- massen ein Derivat des Cingulums. Bei den Notharctiden ist derselbe ebenso evidentermassen ein Derivat des vordern, ursprünglich einzigen Innen- hügels. Noch bei Notharetus ist er bis in halbe Höhe mit dem letztern ver- bunden und bei Pelycodus steht er eben erst im Begriffe sich aus dem Hinter- abhang desselben auszugliedern.) 2. Im Verhalten des Vorderarms des Vorderhalbmonds und des „Paraconids“ der Mandibularmolaren weichen die Notharctiden noch stärker von Adapis ab als Protadapis (s. oben p. 1283). AnM, von Pelycodus (und, wie es scheint, zuweilen auch an demjenigen von Notharctus) ist das „Paraconid“ noch ein ansehnlicher Hügel, der sich am Ende des nach innen gebogenen, ziemlich gedehnten Vorder- arms des Vorderhalbmonds, fast direct vor dem vordern Innenhügel (Metaconid), erhebt. An M, ist er kleiner und halbwegs mit dem letztern verschmolzen, an M, nur noch durch eine ephemere kleine Spitze im Vorderabhang desselben an- gedeutet. Das „Paraconid“ schwindet also bei den Notharctiden, indem es — wie bei den Artiodactylen — mit dem „Metaconid“ verschmilzt, - während es bei Adapis durchaus unabhängig von dem letztern bleibt und auch bei Protadapis sich blos an dasselbe anlegt. 3. Bei Adapis endigt die Krone des Mandibularcaninen in einer sagittal ge- stellten Schneide, die, wie wir oben (p. 1176) gesehen haben, der Vorderkante !) Osborn 1. e. Fig. 20, p. 191. — Ferner: Cope, The Vertebrata of the Tertiary. Forma- tions of the West. 1885, Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 5 1289 der Praemolaren homolog ist. Den Notharctiden ist diese sehr specielle Differen- zierung durchaus fremd. Ihr Mandibularcanin ist spitz und im Princip wie bei Affen und Carnivoren gebaut.!) 4. An den Maxillarmolaren von Adapis ist die zwischen den Spitzen ge- legene Partie der Aussenwand vollkommen glatt. Diejenigen der Notharctiden besitzen von der Windriverstufe an ein regelrechtes. Mesostyl und zeigen schon im Pelycodusstadium eine unverkennbare Tendenz ein solches zu entwickeln. 5. Der Maxillarcanin von Adapis ist dolchförmig d. h. von symmetrischem Profilcontour, derjenige der Nothard] iden?) biegt sich nach hinten wie ein Affen- oder Carnivorencanin.°) ‚. Die Entwicklungsbahn der Notharctiden divergiert also stark von derjenigen der Adapiden und das Wasatchstadium derselben, Pely- codus, welches aus chronologischen Gründen allein allenfalls als Wurzelform der letztern in Betracht kommen könnte, zeigt sich schon so deutlich in dieser Bahn engagiert, dass es sich unmöglich mehr in der Richtung des euro- päischen Genus weiter entwickelm konnte. Ob Adapiden und Notharctiden überhaupt durch ein engeres Band als das- jenige, welches alle Primaten verbindet, mit einander verbunden sind, halte ich für fraglich. Jedenfalls lässt sich die Berechtigung einer systematischen Categorie, welche die beiden Gruppen zusammenfasst, auf Grund unserer heutigen Kennt- nisse nicht erweisen. Es erscheint vielmehr vorderhand ebensowohl möglich, dass dieselben schliesslich ihren Platz an ziemlich weit von einander entfernten Stellen des Primatensystems finden werden. Weit eher als zwischen Notharctiden und Adapis könnte sich eine nähere Verwandtschaft zwischen erstern und Protadapis herausstellen. In der „Paraconid‘“- Partie der Mandibularmolaren steht letzterer dem americanischen Stamme, wie wir gesehen haben, bedeutend näher als Adapis. Sein unterer P, unterscheidet sich von demjenigen von Notharetus nur durch das Fehlen einer deutlichen Vorder- !) J. Leidy, Contribulions to the extinet Vertabrate Fauna of the Western Territories. 1573 p- S6, Pl. VI, Fig. 36. 2) Cope ]. c. Pl. XXVa, F. 1. ?) Zur weitern Characteristik des odontologischen Gegensatzes zwischen den beiden Stämmen wäre etwa noch beizufügen: 6. Die Complication der P, gedeiht bei den Notharctiden, wenigstens im Unterkiefer, weniger weit als bei den Adapiden und setzt, wie es scheint, bei denselben auch später ein. 7. Die Adapiden verlieren den hintern Zwischenhügel, während ihn die Notharetiden beibehalten. 8. Die jüngern Adapiden erwerben eine Hinterzacke am vordern Innenhügel der Mandibularmolaren, die Notharctiden zeigen keinerlei Tendenz ein solches Element zu entwickeln. — Für die obige Erörterung fallen diese Punkte nicht in Betracht. 1290 Stehlin, Eocaene Säugetiere. knospe. Auch sein Mandibularcanin scheint in keinem prineipiellen Gegensatz zu demjenigen der Notharctiden zu stehen und die Umrisse der Mandibel von Prot- adapis recticuspidens erinnern sehr an diejenigen von Notharctus. Jedenfalls liegt vorderhand mehr Grund vor, den Anschluss von Protadapis bei den Notharctiden zu suchen als bei den Adapiden. Aber zur Formulierung eines zuverlässigen Schlusses bietet unsere gegenwärtige Kenntniss des Genus noch nicht hinlängliche Anhaltspunkte. Weder im europäischen noch im nordamericanischen Untereocaen ist also vorderhand die Wurzelgruppe der Adapiden zu finden; die Frage nach der Herkunft derselben bleibt bis auf weiteres unbeant- wortet. ER Auch wüsste ich unter den Formen, die erst im Mittelmiocaen, d. h. gleich- zeitig mit den Adapiden auftauchen, keine namhaft zu machen, welche deutliche Anzeichen einer nahen Beziehung zu denselben an sich trüge. Am ehesten könnte sich mit der Zeit ein Zusammenhang mit der, wie wir sehen werden, jetzt auch in Europa nachweisbaren Gruppe der Omomyiden und mit dem dieser Gruppe allem Anschein nach nicht fernstehenden, bereits erwähnten, Genus Pronycticebus herausstellen. Wir werden diese Möglichkeit unten zu erörtern haben. Hier sei blos vorweg genommen, dass auch die Beziehungen zu den Omomyiden unter allen Umständen keine sehr nahen sein können. Endlich haben wir zu der Frage nach dem Verhältnis von Adapis zu den neogenen Primaten Stellung zu nehmen. Dieselbe ist bekanntlich schon viel discutiert und bis in die neueste Zeit von verschiedenen Autoren in verschiedenem Sinne beantwortet worden. Für Filhol war Adapis ein Mittelding zwischen Halbaffen und „Pachydermen‘“, Typus einer besondern Ordnung, der „Pachylemuriens“. Gaudry rechnete ihn zu den Halbaffen, ohne indessen die Beziehung zu den „Pachydermen“ ganz in Abrede zu stellen. Flower!) sah in ihm einen zweifellosen Halbaffen und glaubte ihn speciell den indoafricanischen Vertretern der Gruppe nähern zu sollen. . Schlosser (1886) machte ihn zum Typus einer besondern Primatengruppe, der „Pseudolemuridae‘“, welche zwischen Halbaffen und Affen die Mitte halten und nachkommenlos er- 1) W..H. Flower, Extinet Lemurine. Annals and Magazine of Natural History. (4) XVII, 1876, p. 323. Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1291 loschen sein sollte. Leche und Major!) dagegen vertraten die Ansicht, Schlosser habe die Differenzen, welche Adapis von den recenten Halbaffen trennen, über- schätzt; es liege kein triftiger Grund dagegen vor denselben unter diese einzu- reihen. Major im besondern zog aus dem Ergebniss seiner Untersuchung der Ohrregion (l. ec. 1899) dann noch den weitergehenden Schluss, Adapis stehe in nahen Beziehungen zu den madagassischen Halbaffen und neuerdings hat Schlosser?) — seine frühere Ansicht preisgebend — denselben geradezu als Stammform der letztern in Anspruch genommen. Anderseits hat Wortmann die Adapiden zu seinen „Neopithecini“ d.h. zu den Affen gestellt und desgleichen hat ihnen auch Standing?) jede nähere Beziehung zu den — nach seiner Ansicht von den Cebiden des süd- americanischen Tertiaers abstammenden‘) — recenten Lemuriden abgesprochen. Winge endlich fasste Adapıs mit Tarsius etc. in eine Gruppe „Tarsiidae* zu- sammen, die er den ächten Halbaffen, den „Lemuridae* gegenüberstellt; betrachtete aber „Tarsiidae“ und „Lemuridae“ als Unterabteilungen emer Ordnung „Lemuroidei* und nahm an sowohl die „Lemuridae“ als die ächten Affen seien aus „Tarsiidae“ hervorgegangen. Zur Darlegung meiner eigenen Ansicht übergehend möchte ich vor allem betonen, dass, solange Adapis von den neogenen Primaten durch einen so weiten Hiatus wie gegenwärtig getrennt ist, an eine definitive Klarlegung seines Ver- wandtschaftsverhältnisses zu denselben gar nicht zu denken ist. Beim jetzigen Stande unserer Kenntnisse kann es sich vielmehr nur darum handeln das Problem dadurch der Lösung näher zu bringen, dass wir den Kreis der Möglichkeiten auf Grund sorgfältiger Abwägungen etwas einschränken. Dass die Ansicht Filhols, Adapis sei ein Mittelding zwischen Pachyderm und Halbaffe, jeder ernsthaften Begründung entbehrt, ist von Schlosser (18871. c. p. 20) und von Major (1894 1. c. p. 27) einlässlich gezeigt worden, so dass wir uns nicht lange bei derselben aufzuhalten brauchen. Irgend ein specifisches Huftiermerkmal !) C. J. Forsyth Major, On Megaladapis madagascariensis etc. Philosophical Transactions of the R. S. of London, vol. 185, 1894, p. 27. ?) K. v. Zittel, Grundzüge ete. II, zweite Auflage, 1911, p. 580. ) H. F. Standing, On recently discovered subfossil Primates from Madacascar. Trans. Zool. soc. XVIII, 1908. *) Diese Hypothese Standings ist eine mehr als gewagte Weiterentwicklung gewisser Er- wägungen F. Majors, welche wohl ihrerseits eine etwas vorsichtigere Formulierung gefunden hätten, wenn den Folgen mehr Aufmerksamkeit geschenkt worden wäre, welche die Steigerung der Körper- grösse immer und überall für das Verhältniss der Gehirnkapsel zu den peripheren Teilen des Schädels und für alles, was damit zusammenhängt, mit sich bringt. Es ist hier nicht der Ort auf diesen Gegenstand näher einzutreten. 1292 Stehlin, Eocaene Säugetiere. ist bei Adapis nicht nachzuweisen. Die Eigentümlichkeiten, welche Filhol im Auge hatte, sind teils phylogenetische Jugendmerkmale genereller Natur, die nur von Huftieren länger festgehalten worden sind als von den Primaten; teils wirkliche, mehr oder weniger auffällige Anklänge an Huftiere, welche sich indessen auch bei recenten Halbaffen finden und daher keinen Gegensatz zwischen Adapis und diesen begründen. Der Begriff „Pachylemuriens“!) ist daher, als verwirrend, aus der Systematik, in der er immer noch gelegentlich auftaucht”), definitiv zu beseitigen. Zu einer Annäherung der Adapiden an die Affen haben die geringe faciale Ausdehnung des Lacrymale (mit intraorbitaler Lage des Foramen), das frühe Ver- wachsen der Symphysalnaht und vor allem die Differenzierung des Vordergebisses Anlass gegeben. Welches bei Primaten der ursprüngliche Zustand des Lacrymale ist, ob der bei Lemur vorliegende oder der ziemlich extrem entgegengesetzte, den wir bei Adapis beobachten, oder vielleicht ein intermediaerer, lässt sich gegenwärtig überhaupt nicht mit Sicherheit feststellen. Wortman vertritt die erstere Ansicht und beruft sich dabei (l. ec. p. 169) auf den Umstand, dass die Marsupialier und andre für primitiv geltende Gruppen eine grosse Pars facialis besitzen. Major, dem wir die einlässlichsten Untersuchungen über den Gegenstand verdanken, neigt da- gegen zu der entgegengesetzten Ansicht, hat aber für dieselbe keine wirklich entscheidenden Gründe beibringen können. Ich habe für mein Teil Mühe zu glauben, dass die Verhältnisse bei Adapis durchaus primitiv sind.’) Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls ergiebt sich aus den Untersuchungen Majors, dass in Bezug auf Ausbildung des Lacrymale unter den recenten Halbaffen grosse Mannig- faltigkeit herrscht und dass der Zustand. in dem wir diesen Knochen bei Adapis treffen, nicht als triftiger Grund gelten kann um diesen von den Halbaffen zu trennen una zu den Affen zu verweisen oder auch nur als ein Mittelding zwischen beiden zu classifizieren. !) Die Bezeichnung ist überdiess auch darum unglücklich gewählt, weil sie sich an den durchaus verfehlten Begriff „Pachyderm“ anlehnt, der rach der vernichtenden Kritik, welche Kowalevsky (Anthr. p. 133 ff.) und andre vor Jahren an ihm geübt haben, füglich aus der wissen- schaftlichen Litteratur hätte verschwinden dürfen. 2) Grandidier 1. c. 3) Major hat (l. c. 1901, p. 135) angedeutet wie das Lacrymale von Lemur aus dem von Adapis entstanden sein könnte. Es ist nicht zu leugnen, dass die phyletische Entwicklung in diesem Sinn erfolgt sein kann. Es erscheint aber vorderhand ebenso möglich, dass dieselbe sich in genau entgegengesetztem Sinne vollzogen hat. Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1295 Die Symphysalnaht bleibt bei allen recenten Halbaffen offen, während sie bei Adapis, wie bei den Affen, mehr oder weniger!) frühzeitig verwächst. Die Übereinstimmung in diesem relativ geringfügigen Terminalmerkmal, das von Adapis gewiss unabhängig erworben worden ist, kann jedoch unter keinen Umständen als triftiger Grund gelten um denselben bei den Affen einzureihen. Überdiess hat das Argument alle Kraft verloren seitdem wir subfossile unzweifelhafte Halbaffen kennen, bei welchen die Naht sich gleichfalls schliesst. In der Differenzierung des Vordergebisses zeigen die Adapiden un- streitig viel mehr Übereinstimmung mit Affen als mit Halbaffen. Eine Gewähr für nähern Zusammenhang würde dieselbe aber doch nur bieten, wenn wir irgend einen Grund hätten anzunehmen, dass Adapiden und Affen ihr Vordergebiss, be- reits in den Grundzügen differenziert, von einem gemeinsamen Vorfahren ererbt haben. Einen solchen Grund haben wir aber nicht. Vielmehr müssen wir allein schon aus der Gestalt des Mandibularcaninen der Adapiden, dessen Eigenart oben einlässlich gewürdigt worden ist, schliessen, dass dieselben ihr Vordergebiss unab- hängig von den Affen differenziert haben. Unter diesen Umständen liefert aber das Vordergebiss keinen stichhaltigen Grund Adapis an die Affen anzuschliessen. Auch die Annäherung von Adapis an Tarsius, die sich überhaupt auf nichts andres stützen kann, als auf eine sehr vage Ähnlichkeit in der Differen- zierung des Vordergebisses, halte ich aus analogen Erwägungen für ungenügend begründet. Zu Gunsten der Annahme einer nähern Beziehung von Adapis zu den Halb- affen spricht in odontologischer Hinsicht besonders die Molarstructur, in osteo- logischer Hinsicht fast der ganze Schädelbau, im speciellen aber die Differenzierung der Ohrregion mit Einschluss des Entocarotisverlaufes, die Ausbildung der Ptery- goidalregion, die Pneumatisierung des Mastoids; weiterhin auch der Bau der Ex- tremitäten. Freilich besteht auch hier bei jedem einzelnen Punkte, im welchem Übereinstimmung herrscht, die Möglichkeit, dass dieselbe blos auf paralleler Differenzierung beruhen könnte. Aber der Umstand, dass sich die Analogie über einen ganzen Complex von Merkmalen erstreckt, bürgt doch in weitgehendem Maasse dafür, dass diessmal ein näherer Verwandtschaftsgrad wenigstens mit im Spiele ist. Bemerkenswert ist nun aber weiterhin, dass sich Adapis in einigen wesent- lichen Punkten sehr bestimmt zu der einen der beiden recenten Halbaffengruppen in !) s. oben p. 1259. 1994 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Gegensatz stellt und sich ebenso bestimmt an die andre anschliesst. Das Verhalten von Annulus und Bulla, der Entocarotisverlauf, die Lage des Foramen ovale, die Un- abhängigkeit des Foramen rotundum, die für ihn characteristisch sind, finden sich nur bei den madagassıschen Halbaffen oder Lemuridae und desgleichen hat auch seine Molarstructar nur unter diesen ein nahes Analogon. Wir werden also schwerlich fehlgehen, wenn wir annehmen, dass die Adapiden speciell mit den Lemuriden in näherem geneolagischen Zusammenhang stehen. Eine sehr delicate Sache ist es nun aber diesen Zusammenhang zu praeci- sieren. Wie oben bemerkt haben einige Autoren Adapis direct als Stammform der recenten und subfossilen Lemuriden angesprochen (Schlosser!) oder ein solches Verhältniss wenigstens als möglich betrachtet (Leche, Major”). Da sich — meiner Überzeugung nach — ein direeter Zusammenhang zwischen zwei, durch weite Zeit- räume von einander getrennten, Tierarten überhaupt nur durch den Nachweis einer chronologisch und morphologisch geschlossenen Reihe von Übergangsgliedern sicher- stellen lässt, beschränke ich mich in dieser Hinsicht auf die Erörterung der Frage: Weist Adapis irgend welche Differenzierungen auf, welche eine Weiterentwicklung in der Richtung der recenten und subfossilen Lemuriden ausschliessen ? Diese Frage darf, wie ich glaube, des entschiedensten bejaht werden. Als in derselben vorzugsweise entscheidende Punkte betrachte ich: 1. das frühzeitige Ver- wachsen der Symphysalnaht, 2. die Verknöcherung der Annulusmembran und dieComplication des Sinush ypotympanicus,3.die Complication der letzten Prae- molaren, 4. die Ausbildung des Vordergebisses. Der erste Punkt ist nicht aus- schlaggebend in Bezug auf einige subfossile Formen, wohl aber in Bezug auf alle recenten. Der zweite Punkt ist nicht ausschlaggebend in Bezug auf das subfossile Genus Megaladapis, das eine sogar noch etwas terminalere Differenzierung der periotischen Höhle zeigt als Adapis; wohl aber in Bezug auf alle recenten Lemu- riden. Der dritte Punkt ist nicht ausschlaggebend in Bezug auf das recente Genus Hapalemur, das eine analoge Complication des P, wie Adapis aufweist; wohl aber in Bezug auf alle übrigen recenten und subfossilen Lemuriden die Beweiskraft des vierten Punktes, auf den ich auch das Hauptgewicht lege, erleidet dagegen keine Einschränkung.°) Besteht auch die Möglichkeit, dass der untere P, von 1) 1907 1. e. p. 224: „Die Adapiden endlich sind zweifellos die Ahnen der ausgestorbenen Megaladapinen Madagascars ....“ — 19111. c. p. 580: „Dagegen lassen sich sowohl die noch lebenden als auch die ausgestorbenen, zum Teil riesigen Lemuriden nur von den Adapiden des europäischen Eocaens ableiten.“ 2)21.8e219015p:2135: : ®) Auch dem Vordergebiss von Archaeolemur liegt der Plan des Lemuridenvordergebisses zu Grunde. Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1295 Adapis sich mit der Zeit in ein eckzahnähnliches Gebilde wie der P, von Lemur verwandelt haben könnte, so erscheint es doch völlig ausgeschlossen, dass die schaufelförmigen untern Incisiven und insbesondre der verstärkte und so speciell differenzierte Mandibularcanin desselben später die pfriemenförmige Gestalt der untern J,—C von Lemuriden angenommen haben; und ebenso wenig ist daran zu denken, dass der, namentlich bei Adapis magnus, schon so terminal differenzierte Maxillarcanin sich nach dem Eocaen in der Richtung des sensenförmigen Maxillar- caninen der Lemuriden weiter entwickelt haben sollte. Die tiefgreifende Differen- zierung des Lemuridenvordergebisses hat zweifellos, wie alle tiefgreifenden Differen- zierungen von Vordergebissen, schon sehr früh angehoben und wir können mit Bestimmtheit darauf rechnen, dass die wirklichen mittel- und obereocaenen Ahnen der Lemuriden schon einen deutlichen Anfang derselben zeigen. Leche hat allerdings geglaubt, durch gewisse Untersuchungsergebnisse an den Milchvorderzähnen von Adapiden und Lemuriden diesen Hauptgrund gegen die Annahme eines directen Zusammenhangs der beiden Gruppen entkräften zu können.!) Seine Argumentation ist indessen unstichhaltig. Was er tatsächlich nachgewiesen hat, ist lediglich, dass die Adapiden den Lemuriden in der Ausbil- dung und Einpflanzung der Milchvorderzähne weniger fern stehen als in der Aus- bildung der Ersatzvorderzähne. Das ist aber was wir bei verwandten Stämmen immer finden und somit genau das, was a priori und normalerweise zu erwarten war. Dass dagegen das Milchvordergebiss von Adapis irgend ein Merkmal auf- weist, welches als Anfang einer Differenzierung nach der Richtung des Lemuridenvordergebisses hin gedeutet werden könnte, muss ich des entschie- densten bestreiten.°) Es wäre ja auch gegen alle Regeln, dass sich eine solche Entwicklungstendenz eher im Milchgebiss als im Ersatzgebiss geltend macht. Die Ausbildung des Vordergebisses der Lemuriden stellt eine Anpassung an die Lebens- und Ernährungsweise des erwachsenen oder wenigstens des selbständig gewordenen !) 1. e. p. 161: „Bei den alttertiaeren Formen (gemeint ist Adapis) hat sich die starke Differenzierung, welche den vordern Teil des Gebisses der heutigen auszeichnet, noch nicht aus- gebildet. Dagegen sind bei jenen bereits Anzeichen nachzuweisen, durch welche diese Differen- zierung angebahnt wird. Für eine solche Auffassung sind in erster Linie die Befunde im Milch- gebiss leitend und massgebend.“ S. auch Weber, Die Säugetiere 1904 p. 761—762. 2 ?) Die „Längsleiste* auf der Lingualseite der Ineisiven, auf deren Vorhandensein Leche p. 150 Gewicht legt, ist kein Differenzierungsmerkmal, sondern im Gegenteil ein Erbstück aus einer Zeit, da die Incisiven praemolariformer waren; sie zeugt also in keiner Weise für einen directen Zusammenhang. Wenn wir aus dem Umstande, dass die Milchvorderzähne bei Adapis inclinierter (l. e. p- 150), bei Lemur dagegen steiler (l. ec. p. 142) eingepflanzt sind als ihre Nachfolger, über- haupt einen Schluss ziehen dürfen, so ist es der, dass die Ersatzgebisse in divergenten Riehtungen differenziert sind; also das Gegenteil von dem, was Leche daraus schliesst. 1296 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Tieres dar. Solehe Anpassungen ergreifen aber immer und überall zuerst das Ersatzgebiss, während sie im Milchgebiss nur nachträglich und in gemässigter Form zur Durchführung gelangen. Eben darauf beruht es ja, dass verwandte, aber divergent entwickelte Formen sich im Milchgebiss weniger stark von ein- ander unterscheiden als im Ersatzgebiss. — Noch um einen Grad weiter praecisieren dürfen wir nun aber vielleicht die systematische Stellung des Genus Adapis auf Grund seiner Molarstructur. Dieselbe hat wenig Ähnlichkeit mit derjenigen der Indrisinen und der Chiromyinen; dagegen erinnert sie an die der Lemurinen sowie auch an die des Genus Megal- adapis, welches sich in allen, nicht mit dem hiesenwuchs in Conxex stehenden, Teilen seiner Organisation — u. a. auch im Lacrymale — aufs engste an die Lemurinen anschliesst und daher ganz wohl unter dieselben eingereiht werden könnte. Besonders starke Anklänge an Adapis zeigt das scharfgeschnittene Molar- sehiss von Lepidolemur, welcher ja in der Pneumatisierung des Mastoids auch eine craniologische Specialität mit demselben gemein hat. Die Maxillarmolaren von Lepidolemur (Figur CCLX p. 1201) weichen von Adapis fast nur durch die völlige Verwischung des vordern Zwischenhügels und durch das gänzliche Fehlen des Hypoconus ab, die: Mandibularmolaren nur durch die völlige Verwischung des Paraconids, eine über das, bei Adapis magnus beobachtete, Maass noch um ein beträchtliches hinausgehende, Schwächung des hintern Innenhügels und durch eine excessive Detachierung der Hinterzacke am vordern Innenhügel. Bei Megaladapis, bei den übrigen recenten Lemurinen, insbesondre bei Lemur (der unter anderm den Talon des untern M, eingebüsst hat) sind die structurellen Anklänge vager, aber immerhin unbestreitbar. Es liegt somit nahe Adapis im System speciell den Lemurinen zu nähern. Doch ist wohl zu beachten, dass wir damit voraussetzen, dass 1. Adapis und Le- murinen länger eine Einheit gebildet haben als Lemurinen, Indrisinen und Chiro- myinen, dass 2. die Abzweigung der Chiromyinen und Indrisinen von den Lemu- rinen sehr tief im Eocaen und mithin viel früher stattgefunden hat, als gemeinhin angenommen wird, und dass 3. Lemurinen und Indrisinen die ihnen gemeinsame Differenzierung des Vordergebisses unabhängig von einander erworben haben. Das sind sehr einschneidende Consequenzen. Ein Argument, durch welches sie mit Ent- schiedenheit zurückgewiesen werden könnten, vermag ich indessen vorderhand nicht zu finden. Vielmehr fehlt es nicht an anderweitigen Tatsachen und Er- wägungen, welche zu ihren Gunsten sprechen. Einmal nämlich glaube ich in einem spätern Abschnitt dieser Arbeit nachweisen zu können, dass die specifische Verbreitung, Alter und Phylogenese der Adapiden. 1297 Differenzierung der Chiromyinen tatsächlich schon sehr tief im Eocaen eingesetzt hat; da nun aber, allem Anschein nach, die Indrisinen mindestens so nahe Bezie- hungen zu den Chiromyinen als zu den Lemurinen haben, so wäre es sehr wohl möglich, dass auch die Indrisinen schon sehr lange ihre eigenen Wege gegangen sind. Hinwiederum erscheint es bei dem Gegensatz, der zwischen Lemuriden und Nycticebiden im einem so tief liegenden craniologischen Detail wie die Ausbildung von Annulus und Bulla besteht, gar nicht unwahrscheinlich, dass diese Stämme die fast identische Differenzierung ihres Vordergebisses unabhängig von einander erworben haben; verstehen wir uns aber einmal zu der Annahme, eine so eigen- artige Differenzierung sei in zwei Entwicklungsbahnen zu stande gekommen, so ist der Schritt zu der Annahme, sie habe sich auch noch in einer dritten — der der Indrisinen — unabhängigerweise herausgebildet, nicht mehr gross. Immerhin möchte ich die Annäherung der Adapiden an die Lemurinen vorderhand blos mit einigem Vorbehalt befürworten. Wir sind damit hart an der Grenze angelangt, jenseits welcher die Speculation den Boden unter den Füssen verliert. Das Ergebniss unserer Vergleichung von Adapis mit den neo- genen Primaten lässt sich folgendermassen zusammenfassen: Adapis ist zweifellos in die Ordnung der Halbaffen einzureihen; er schliesst sich innerhalb dieser Gruppe sehr entschieden den madagassischen Halbaffen oder Lemuriden an und hat wahrscheinlich zu den Lemurinen nähere Verwandtschaftsbeziehungen als zu den Indrisinen und Chiro- myinen; doch steht er zu keiner recenten oder subfossilen Form in directem genealogischen Verhältniss, sondern ist als ein erloschener Zweig des Primatenstammes zu betrachten. Schreiben wir Adapis nähere verwandtschaftliche Beziehungen zu den Le- muriden zu, so nehmen wir damit implieite an, sein Verbreitungsgebiet — das ja sowieso über Westeuropa hinausgereicht haben wird. — habe irgend einmal mit Madagascar in Verbindung gestanden. Dass eine solche Verbindung über den africanischen Continent geführt haben muss, erscheint nicht zweifelhaft. Unter diesen Umständen sollte man denken, dass sich an den altoligocänen Fundstätten des Fayüms Tiere, die in Bezug auf die ebenerörterten Fragen von grösstem In- teresse sind, finden könnten. Schlosser, der kürzlich die ersten dort geborgenen 1298 Stehlin, Eocaene Säugetiere. Primatenreste einer sehr einlässlichen Bearbeitung!) unterzogen hat, versichert, es befinde sich nichts unter denselben, was sich auf eine solche Tierart beziehen liesse. Allein das, freilich schlecht erhaltene, Mandibelfragment mit M,—M,, das er in Figur 4 seiner Tafel IX unter der Bezeichnung „Gen. et spec. indet. Ana- ptomorphide? Mixodectide?“ abbildet, hat, nach der Abbildung zu urteilen, doch so viel lemuriden- oder adapidenartiges an sich, dass mir eine Beziehung zu diesen Gruppen nicht ausserhalb des Bereiches der Möglichkeit zu liegen scheint. — Die Ausführungen über den Schädel von Adapis waren bereits gedruckt, als Herr Doctor E. Stromer in München die Freundlichkeit hatte, mich darauf aufmerksam zu machen, dass der Gehirnhöhlenausguss des Schädels München ], dessen Herstellung ich oben (p. 1216) als wünschenswert bezeichnet habe, bereits existiert und von Dr. Neumayer beschrieben worden ist. Ich bedaure diese Arbeit übersehen zu haben und möchte hier wenigstens noch auf dieselbe hinweisen: L. Neumayer, Über das Gehirn von Adapis parisiensis, Neues Jahrbuch für Mineralogie etc. 1906, II, p. 100—104, Tab. V. !) M. Schlosser, Beiträge zur Kenntnis der oligocaenen Landsäugetiere aus dem Fayüm. Beitr. z. Pal. u. Geol. Östreichs u. d. Orients XXIV, 1911. ||| LIND) 00016 al NSTITUTION LIBRARIES