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Die Vereinigten Staaten von Amerika

Die Vereinigten Staaten von Ameril<a

als politische und wirtschaftliche Weltmacht geographisch betrachtet

Von

Kurt Hassert

Tübingen

Verlag von J. 0. B. Mohr (Paul Siebeck) 1922

LIBRARY

UNIVERSITY OF CALIFORNIA DAVIS

Alle Rechte vorbehalten.

Diack von H. Laupp jr in Tübingen.

Vorwort

Unter allen außereuropäischen Ländern, die eine eingehendere geographische Betrachtung verdienen und über die wir auf dem Laufenden bleiben müssen, stehen die Vereinigten Staaten obenan. Der große Krieg hat sie zu einer Weltmacht emporgehoben, deren genauere Kenntnis nicht zum wenigsten für uns Deutsche wichtig ist. Der Gang der Ereignisse hat aber gezeigt, wie un- zutreffende Vorstellungen in weiten Kreisen über Amerika und die Amerikaner verbreitet sind. Vor allem geht es nicht an, das transatlantische Riesenreich mit einem der kleinräumigen europäischen Staaten auf eine Stufe zu stellen. Vielmehr kann es in einzig richtiger Weise nur mit der Gesamtheit der euro- päischen Staaten, also mit ganz Europa verglichen werden. Ferner ist die Union dasjenige Land, das im deutschen Wirt- schaftsleben schon seit langem die Hauptrolle spielt und es auch in Zukunft in maßgebender Weise beeinflussen dürfte.

Die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Vereinig- ten Staaten auf geographischer Grundlage zu schildern und sie dem allgemeinen Verständnis näher zu bringen, ist daher die Aufgabe dieses Buches, das sich an einen breiteren Leserkreis wendet. Seine Anfänge reichen schon vor den Krieg zurück. Auf seine Fortführung und Ausgestaltung haben aber natürlich die späteren Ereignisse entscheidend eingewirkt. Ohne sich zu sehr auf Einzelheiten einzulassen, versucht es eine zusammen- fassende Darstellung des Gesamtgebietes der Union unter Be- tonung der wirtschaftHchen Gesichtspunkte zu geben. Zugleich ist es bestrebt, den wegen seines massenhaften Zahlenballastes als spröde verschrieenen wirtschaftsgeographischen Stoff mög- lichst lesbar zu gestalten. Zu diesem Zwecke sind die Zahlen- angaben auf das zur Veranschaulichung und Begründung Not- wendigste beschränkt und in besondere und besonders ausge- wählte Diagramme und Tabellen verwiesen. Ein umfangreiches

- VI

Kapitel beschäftigt sich mit der räumHchen Entwicklung der Union. Die folgenden Abschnitte behandeln die geographischen Gnindtatsachen des Wirtschaftslebens, dessen Zweige und Lei- stungen dann nach ihren wesentlichsten und charakteristischsten Merkmalen betrachtet werden. Das Schlußkapitel beleuchtet die gegenseitige Stellung der Union und Europas.

Das Buch beruht auf umfassenden literarischen Studien und auf zwei Reisen durch einen großen Teil der Union von der atlantischen bis zur pazifischen Küste und von Quebec, Montreal und Ottawa in Kanada bis Orizaba in Mexiko. Auf diesen Kreuz- und Querfahrten habe ich durch die besondere Gunst der Ver- hältnisse viel sehen und hören können. Gar manche Reiseerinne- rung ist bei der Niederschrift wieder lebendig geworden, und die Versenkung in die Literatur hat manchen Namen wieder auf- gefrischt, besonders den meines unvergeßlichen Lehrers Fried- rich Ratzel, dessen » Vereinigte Staaten von Amerika« noch immer ein unübertroffenes Standwerk sind. Herzlichen Dank für wichtige Hinweise und für wertvolle Mithilfe bei der Korrektur schulde ich aber auch meinen einstigen Leipziger Schülern Herrn Oberstudienrat Prof. Dr. Wilhelm Genthe und seiner Gemahlin Frau Dr. Martha K. •Genthe in Chemnitz, die durch langjährigen Aufenthalt in der Union zu den besten deutschen Kennern dieses Landes gehören. Ebenso bin ich Herrn cand. math. et geogr. Arno Müller in Dres- den für den Entwurf der statistischen Diagramme und für das Mitlesen der Korrekturen zu besonderem Dank verpflichtet. Auf- richtiger Dank gebührt nicht zuletzt den Herren Verlegern, die trotz der für den Verlagsbuchhandel nicht leichten Zeitverhält- nisse bereitwiUigst die Herausgabe des gut ausgestatteten und immerhin umfangreichen Werkes übernommen haben.

Dresden, Ende November 1921.

Kurt Hassert.

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Inhalt.

Seite

1. Einleitung I

2. Die Entwicklung der Vereinigten Staaten zur politischen Weltmacht . . 5

3. Lage und Küsten 36

4i Oberflächengestalt 43

5. Bewässerung, Binnenwasserstraßen und Binnenschiffahrt 53

6. Das Klima und sein Einfluß auf das Wirtschaftsleben . 67

a) Klima und Oberflächengestaltung 67

b) Klimatische Gliederung 69

c) Temperatur und Jahreszeiten 70

d) Luftfeuchtigkeit und Niederschläge 73

e) Luftströmungen und Stürme 78

7. Volkszahl und Volksdichte 81

8. Die Indianer 89

9. Die Neger 97

10. Die Mongolen . . ' 108

11. Die weiße Bevölkerung und die europäische Einwanderung iii

12. Das Deutschtum in den Vereinigten Staaten 123

13. Die Amerikaner 133

14. Das Wirtschaftsleben (Allgemeines, Raubbau, Wirtschaftsgeographische Gliederung) 142

15. Die Landwirtschaft 154

16. Künstliche Bewässerung und Entwässerung 177

17. Viehzucht und Fischerei 182

18. Wald und Waldverwüstung 190

19. Der Bergbau * . . . . 199

20. Die Industrie 212

21. Trusts und Unions 225

22. Der Verkehr 229

* a) Allgemeines 229

b) Binnenschiffahrt 230

c) Landstraßen und Kraftwagen 230

d) Die Eisenbahnen 232

e) Elektrischer Nachrichtenverkehr 241

23. Handel und Handelsflotte 242

24. Europa und die Vereinigte^ Staaten von Amerika 253

25. Anmerkungen 270

26. Zahlentabellen 292

27. Zur Literatur '. . . 300

Geographisches und Personen Verzeichnis 3*^9

- VIII Verzeichnis der Diagramme.

Seite

Räumliches Wachstum der Union 1 1

Wachstum der Volkszahl der Union von 1790 bis 1920 106

Baumwolle in den Vereinigten Staaten 174

Stein- und Braunkohlenförderung 206

Eisenerzgewinnung und Roheisenerzeugung 221

Außenhandel der Union 244

Getreide- und Kartoffelernte in der Union und in Europa 261

Gesamte Welternte an Getreide, verglichen mit Europa und der Union . . 262

Viehbestand der wichtigsten Viehzuchtländer 264

I

I. Einleitung.

Abneigung der Amerikaner gegen Deutschland, Hinneigung zu England. Deutschland als Nebenbuhler der Union, die im Weltkriege die erste Welt- handelsmacht geworden ist. Amerikas Eintritt in den europäischen Krieg. Das Deutsche Reich und die Vereinigten Staaten.

Zu den schmerzlichsten Ueberraschungen, die der Weltkrieg uns gebracht hat, gehörte die deutschfeindliche Haltung der Vereinigten Staaten von Amerika. Man hatte gehofft, daß die freundschaftlichen Gefühle, die wir für das amerikanische Volk hegten, und die der eingeleitete Professoren-Austausch auf wissenschaftlichem und geistigem Gebiete noch enger gestalten sollte, ihre Früchte tragen würden. Man berief sich auf die starke Zunahme des beiderseitigen Güteraustausches, der im vereinsstaatlichen Außenhandel Deutschland und im deutschen Außenhandel der Union die zweite Stelle nach England ein- räumte und durch den Krieg aufs schwerste geschädigt werden mußte. Allerdings hatte es auch an politischen Reibungen und Verstimmungen nicht gefehlt. Gute Kenner der Verhältnisse hatten schon lange betont, daß die große Masse der Amerikaner uns keineswegs wohlgesinnt war, während der aus der Zeit des Unabhängigkeitskrieges stammende Haß gegen das britische Mutterland ebenso erloschen war wie die Erinnerung daran, daß die britische Politik in entscheidenden Abschnitten der vereins- staatlichen Geschichte stets auf der Gegenseite gestanden hatte ^). Umgekehrt besaß das Deutsch-Amerikanertum durchaus nicht den Einfluß, den es zahlenmäßig haben sollte und den man ihm bei uns zuschrieb.

Welche Gründe bestimmten das Verhalten der Amerikaner und der vereinsstaatlichen Politik?

Die maßgebenden Kreise der Union gehören den Anglo- Amerikanern an, die sich durch die Gemeinsamkeit der Sprache und Herkunft, der Sitte und Lebensgewohnheiten und durch

H a s 3 e r t , Vereinigte Staaten. I

enge verwandtschaftliche Beziehungen zu England hingezogen fühlen. Trotz aller Gegensätze haben sich die Bande des Blutes als stärker erwiesen, und in geistiger Beziehung ist die Union noch heute eine englische Provinz. Wie man die Deutsch-Ameri- kaner geringschätzig als Bindestrich-Amerikaner bezeichnete, so hätte man folgerichtig auch die englisch fühlenden Anglo- Amerikaner so nennen müssen Ihr bekanntester Vertreter ist der während des Weltkrieges regierende Präsident Wilson gewesen ^) . Von Anfang an hat er in einseitigster Weise gegen Deutschland Partei ergriffen, und an seinen Namen knüpfen sich für uns die bittersten Erinnerungen.

Anglo-amerikanisch ist auch die vereinsstaatliche Pluto- kratie. Sie setzt sich aus den Kreisen der Großindustrie und Hochfinanz zusammen und bildet nur eine dünne Oberschicht, die aber durch die Zusammenhäufung riesenhafter Vermögen entscheidenden Einfluß auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet gewonnen hat. Diese Geldaristokratie neigt durchaus zu England und Frankreich. Auch die ihr willfährigen führenden Tageszeitungen vertreten in der Hauptsache englische Interessen, um so mehr, als England und Frankreich durch geschickte Maßnahmen, an denen man es deutscherseits nur zu sehr fehlen ließ, nachhaltigen Einfluß auf den überseeischen Nachrichten- dienst und auf die Presse gewonnen hatten. Da jedoch die öffent- liche Meinung durch die Presse gemacht wird und da die meisten Amerikaner nur englisch verstehen, so sehen sie das Ausland lediglich durch die britische Brille.

Bei der gewaltigen Bedeutung des kirchlichen Lebens in Amerika darf man auch nicht vergessen, daß die Geistlichen und die gesellschaftlich einflußreichsten Kiichen in England wurzeln. Da überdies in der Union noch von der Kolonialzeit her das englische Recht gilt, so knüpfen die amerikanischen Juristen am liebsten an England an. Die Juristen aber führen nach A. Penck im vereinsstaatlichen Kongreß das Wort, und Drei- viertel der amerikanischen Berufspolitiker sind nach F. R a t z e 1 Advokaten und Zeitungsschreiber. Bemerkenswert ist noch, daß unter den 29 Präsidenten der Vereinigten Staaten von W a- shington bis Harding bloß VanBuren und R o o s e- v e 1 1 nicht-englische Namen tragen ^) . Endlich sagten, die Staatsformen der fühlenden Verbandsmächte dem demokrati- schen Sinn der Amerikaner viel mehr zu als die Einrichtungen

der Mittelmächte. Namentlich im Deutschen Reiche sah man die Verkörperung einer mit den amerikanischen Ueberlieferungen unvereinbaren Staatsauffassung, obwohl die demokratische Re- gierung in der Union viel weniger eine Herrschaft des Volkes als eine Interessenvertretung der großen Parteien und ihrer Führer, sowie der kleinen, aber allmächtigen Gruppe der Multi- millionäre ist.

Zu diesen Gefühlswerten gesellten sich nüchterne geschäft- liche Erwägungen, wirtschaftliche Gewinnsucht und Rück- sichten auf den eigenen Vorteil. In dem Maße nämlich, in welchem Deutschland eine Welthandelsmacht wurde, erschien es nicht allein den Briten, sondern durch seine Fußfassung in Ostasien und in der Südsee und durch die Zunahme seiner südamerika- nischen Interessen auch den Nordamerikanern als ein unbe- quemer Nebenbuhler, der bei Zeiten unschädlich gemacht werden mußte. Denn der Traum der englischen und vereinsstaatlichen ImperiaHsten geht dahin, daß die Welt angelsächsisch werden, d. h. unter britischen und amerikanischen Einfluß geraten soll. Die Amerikaner hoffen indes, daß ihnen einmal die Führerschaft zufalle, die ihnen im Grunde nur zwei ebenbürtige Gegner, England und Deutschland, streitig machten. Der schwächere Rivale, Deutschland, ist niedergekämpft. Aber auch für Groß- britannien, das sonst die Rolle des wirtschaftlichen Kriegs- gewinnlers zu spielen pflegte, bedeutet der Ausgang des Welt- krieges ein schlechtes Geschäft, während die Union und Japan die eigentlichen Sieger geblieben sind. Ohne erhebliche Opfer zu bringen und ohne schwere Verluste zu erleiden, ohne zerstörte Städte und verwüstete Landschaften aufzuweisen, haben die Vereinigten Staaten in Europa die Entscheidung gebracht und ihren Einfluß in demselben Maße ausgedehnt, in welchem die europäischen Länder sich gegenseitig aufrieben *) . Vor dem Kriege war England der Hauptbankier der Welt und der Geld- geber der Union, die bis dahin ein Schuldnerstaat Europas war. Jetzt ist sie der Gläubigerstaat unseres Erdteils und eine Welt- finanzmacht. Der Schwerpunkt des internationalen Geldmarktes hat sich von London nach New York verschoben, und der bri- tische Außenhandel ist von dem der Union überflügelt worden. Die vereinsstaatliche Handelsflotte hat sich während der Kriegs- jahre erstaunlich schnell zur zweitgrößten auf Erden entwickelt und ist der britischen Handelsmarine immer näher gekommen.

In absehbarer Zeit soll ihr auch eine den englischen Seestreit- kräften ebenbürtige Kriegsmarine zur Seite treten ^) .

Anfangs wollte die amerikanische Geschäftswelt nur die glänzende Konjunktur ausnutzen, die der europäische Krieg darbot. Daher war seine möglichst lange Dauer den vereins- staatlichen Großkapitalisten erwünscht, die nicht wenig zur Verlängerung des Massenmordes beigetragen haben. Weil aber die Herstellung von Kriegsbedarf die verschiedensten, ganz auf Kriegslieferungen eingestellten Industrien belebte und einen wahren Goldstrom in diese riesige Waffenschmiede der Entente brachte, so wuchsen die amerikanischen Interessen immer tiefer in die Sache der Verbandsmächte hinein, denen man auch große Barsummen vorgeschossen hatte. Als nun der zur Sicherung der Milliarden notwendige Sieg der Entente ausblieb ^) und als das Deutsche Reich sich endlich zur Erklärung des uneinge- schränkten Unterseebootkrieges aufraffte, der die amerikanischen Seetransporte bedrohte, da ließ das uns längst feindlich gesinnte Land, das bereits Tausende von Freiwilligen an die Westfront gesandt hatte, die Maske der verbandsfreundlichen Neutralität fallen. Am 5. Februar 1917 wurden die diplomatischen Beziehun- gen zu Deutschland abgebrochen, und 8 Wochen später, am 5. April, erfolgte die Kriegserklärung.

Leider haben unsere maßgebenden Kreise die Waffenhilfe, die militärischen und technischen Machtmittel und den festen Siegeswillen der Amerikaner ebenso unterschätzt wie ihre wirt- schaftlichen Leistungen. Es war ein verhängnisvoller Irrtum, daß man allzuleichten Sinnes über diese schwerwiegenden Tat- sachen hinwegging. Darum müssen wir unsere Anschauungen über die Union gründlich ändern. Wir müssen umlernen wie in so vielen Dingen, die sich durch den Weltkrieg ganz anders dargestellt haben, als man vorher anzunehmen pflegte. Auch in Zukunft bleiben die Amerikaner ein ausschlaggebender Faktor in der großen Politik und in der Weltwirtschaft, weshalb wir alle Ursache haben, ihnen ganz besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Deutschlands Schicksal liegt nicht zum wenigsten in Amerika, das uns aber nicht eher helfen wird, als bis wir uns durch eigene Kraft wieder aufgerichtet und den Amerikanern gezeigt haben, daß ihre Hilfe ihnen selbst reichen Vorteil bringt. Denn niemand kann nehmen, der nicht auch gibt.

2. Die Entwicklung der Vereinigten Staaten zur politischen Weltmacht.

Die Entstehung der neu-engländischen Kolonien. Der Unabhängigkeits- krieg. Räumliches Wachstum der Union bis zur Erwerbung Louisianas und Floridas. Die Monroe-Doktrin. Der Oregon-Vertrag und der Krieg gegen Mexiko eröffnen der Union den Zutritt zum Stillen Ozean und bringen die räumliche Entwicklung des Hauptlandes zum Abschluß. Innere Gegensätze zwischen Norden und Süden. Die Sklaverei. Freie Staaten und Sklaven- staaten. Der Bürgerkrieg und seine innerpolitischen Folgen. Mexiko und die Erweiterung der Monroe-Lehre. Erwerbung Alaskas. Die Besiedlung des Westens. Die fortschreitende Umwandlung der Union zum Industriestaat lenkt sie in die Bahnen des Imperialismus. Der spanisch-amerikanische Krieg. Die Union und Japan. Der Panama- Kanal. Fußfassung der Union im Lateini- schen Amerika. Europa und die Union. Die Vereinigten Staaten als Welt- macht und die Ursachen ihrer Stärke. Die politischen Grenzen und die ver- wundbaren Stellen U.S.Amerikas. Die britische Nebenbuhlerschaft. Latein- Amerika und der Panamerikanismus. Inneres Gefüge und Zukunft der Union. Größe und Zerfall.

Von drei Seiten her sind die ersten europäischen Pioniere ins heutige Unionsgebiet eingedrungen. Im Osten erschienen die Briten und neben ihnen die Niederländer ^) und Schweden. Im Süden saßen die Spanjej, und von Norden her schoben sich die Franzosen im Mississippi-Tal bis zum Mexikanischen Golf vor. Am wichtigsten sind die englischen Niederlassungen ge- worden, die seit dem Ende des i6. Jahrhunderts an verschiedenen Stellen des atlantischen Gestades besonders von Walter Raleigh, William Penn, Lord Baltimore und den puritanischen Pilgervätern gegründet wurden. Unter Aufsaugung der holländischen und schwedischen Erwerbungen und unter langen Kämpfen gegen die Franzosen wuchs der britische Besitz, und der Siebenjährige Krieg begründete die britische Vorherr- schaft in Nordamerika.

Nach und nach waren an der Ostseite Nordamerikas 13 Ko- lonien entstanden, die der eigentliche Kein des vereinsstaatlichen Riesenreiches geworden sind. Ihr Wirtschafts- und Haaddsr- leben unterlag zugunsten des Mutterlandes manchen Beschrän- kungen, die allerdings nur zum Teil lästig waien und überdies durch einen umfangreichen und einträglichen Schmuggel um- gangen wurden. Vor allem trugen jedoch Verfassungsstreitig- keiten zur Verschärfung des Gegensatzes gegen England bei. Den Kolonien wurden gegen ihren Willen Negersklaven aufge-

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drungen und Kriegssteuern auf ei legt. Auch diese Veipflich^ , tungen waren an sich nicht drückend. Allein sie verstießen gegen die von den Eingewanderten hochgehaltenen Grundsätze^ der Selbstverwaltung, und Selbstbesteuerung.

Schließlich gab der bekannte Teeputsch zu Boston 1773. das Zeichen zum Befreiungskampfe, und am 4. Juli 1776, der seitdem als Unabhängigkeitstag (Independence Day) der größte Nationalfeiertag der Union ist, erklärten sich die 13 Kolonien Massachusetts, New Hampshire, Connecticut, Rhode Island, New York, New Jersey, Pennsylvanien, Delaware, Maryland, Virginia, Nord- und Süd-Carolina und Georgia für unabhängig ^). Sie werden fortan als »Alte Staaten« bezeichnet. In zwei Män- nern, die als Väter der Fieiheit noch jetzt hoch verehrt werden, fanden sie ausgezeichnete militärische und politische Führer: //George Washington und Benjamin Franklin. Aber erst nach siebenjährigem Wechsel vollem Ringen und nicht ohne einen starken Druck Frankreichs auf England erfolgte die Anerkennung der Selbständigkeit. Als einer der ersten europäischen Staaten erkannte auch Preußen die Unabhängigkeit des neuen Staates an und schloß mit ihm einen Handels- und Freundschaf tsvertrag. Die ehemaligen Kolonien nahmen, obwohl sie bloß einen Teil der Ostküste Nordamerikas umfaßten, den Namen Vereinigte Staaten von Amerika (United States of America, abgekürzt U.S.A.) an. Deshalb ist es nicht richtig, Vereinigte Staaten von Nord amerika zu sagen ^) .

Mit erstaunlicher Schnelligkeit hat sich die Union aus be- scheidenen Anfängen zu ihrer gegenwärtigen Riesengröße und zu ihrer politischen und wirtschaftlichen Weltmachtsstellung emporgeschwungen. Ist sie doch von 1783 1853, d. h. in der Zeit vom Frieden von Versailles bis zum Gadsden-Kauf (vgl. S. 11) täglich um 260 qkm gewachsen!

Als der junge Freistaat ins Leben trat, besaß er eine Fläche von 1,1 Million qkm oder das Doppelte des Deutschen Reiches mit 2,3 Millionen Einwohnern, etwa so vielen, wie 1910 in Baden lebten. Abgesehen von einigen bis zum Eriesee und ins Ohiotal vorgeschobenen Posten reichte er nur wenig über den schmalen Landstreifen zwischen dem Atlantischen Ozean und dem wegen seines dichten Urwaldes und seiner weglosen Täler schwer über- schreitbaren Gebirgsdamm der Appalachen hinaus *) . Damals war die Union viel mehr ein Küstenstaat mit überseeischen

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Interessen und mit engen Beziehungen zu Europa als ein ameri- kanischer Festlandsstaat mit binnenländischen Belangen^). Sie beanspruchte indes auch das einst von Großbritannien er- worbene Hinterland bis zum Mississippi und den großen St. Lo- renzseen, das schon während der zweiten Hälfte des i8. Jahr- hunderts an einzelnen Stellen, den Keimzellen späterer Unions- staaten, in Besiedlung genommen war. Nachdem es 1794 end- gültig in ihren Besitz übergegangen war, hatte sie ihre Flächen- größe und Menschenzahl verdoppelt.

Noch aber hielten Sp.anier und Franzosen die Küste des Mexikanischen Golfes und die nordwärts anstoßenden Binnen- gebiete in ihrer Hand. Da brachte den nächsten Landzuwachs, der zugleich die Beseitigung einer schon lange als drückend empfundenen Umklammerung und Abschließung vom Innern des Erdteils bedeutete, der 1803 mit Frankreich abgeschlossene Loui- siana-Kauf, dessen hundertjährige Wiederkehr durch die Welt- ausstellung in St. Louis gefeiert wurde. Er überließ den Amerika- nern für den geringen Preis von 15 Millionen Dollars den ganzen ungeheuren Raum zwischen dem Mississippi und dem Felsen- gebirge und sicherte ihnen im Stromgeäder des Mississippi- Systems eine Reihe natürlich vorgezeichneter Verkehrswege, denen später die große Westwanderung und die pazifischen Ueber- landbahnen folgten. Nachdem die junge Republik an der Missis- sippi-Mündung Fuß gefaßt und von Spanien 1819 die Abtretung der Halbinsel Florida durchgesetzt hatte, war sie aus einem atlantischen Staat zugleich ein Golfstaat geworden, dem die weit nach Süden vorspringende Halbinsel die Ueberwachung des wichtigsten Zuganges zum Mexikanischen Golf, der Florida- straße, sicherte. Erst 35 Jahre war die Union alt, und schon kam sie mit fast 5 Millionen qkm Fläche dem räumlich größten euro- päischen Staat, Rußland, nahe.

Die rasche Erwerbung eines so ausgedehnten und immer noch ungeheuer ausdehnungsfähigen Gebietes war nur dadurch möglich, daß es sich zum Unterschiede vom dicht bevölkerten Europa mit der Vielzahl seiner alten, fest umgrenzten Staaten um ein weithin noch unerforschtes und von Weißen kaum be- tretenes Neuland handelte. Es öffnete bei der Unbestimmtheit der Grenzen und Eigentumsansprüche Streitigkeiten Tür und Tor und forderte zur Geltendmachung immer neuer Besitz- anrechte auf. Seine überaus dünne, kulturlich niedrig stehende

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Indianerbevölkerung war in eine Menge uneiniger Stämme zer- splittert, die zwar ihre Jagdgründe hartnäckig gegen die weißen Eindringlinge verteidigten, aber ihren ununterbrochenen Zuzügen keinen nachhaltigen Widerstand zu leisten vermochten. Infolge- dessen konnte sich der Heißhunger nach neuem Land ungehindert und rücksichtslos geltend machen. Wer weiß, welchen Verlauf die Besiedlungsgeschichte in einem dicht bewohnten Unionsgebiet genommen haben würde. So brauchte ein wagemutiges, nach Ausbreitung drängendes Volk bloß zuzugreifen, um Flächen von in Europa unerhörten Ausmaßen in seine Hand zu bringen. Die Jagdgründe der Indianer wurden als herrenlos angesehen und zu Regierungseigentum erklärt, dessen Ausbreitung mit der Ausdehnung des Staates nach Westen immer mehr wuchs. Diese Maßnahme sicherte der Bundesregierung ungeheure Län- dereien, die den Bahngesellschaften und vielen Tausenden von Farmern umsonst oder gegen geringe Entschädigungen über- lassen wurden und einen gewaltigen Völkerstrom anlockten. Wandertrieb und Abenteuerlust sind darum schon früh cha- rakteristische Eigenschaften der Amerikaner geworden. Sie haben auch späterhin die Unionsgeschichte stark beeinflußt, die in ihren Hauptzügen eine fortdauernde Westwanderung gewesen ist und binnen kurzem zur Besiedlung weiter Räume geführt hat. Es konnte nicht wundernehmen, daß die leichten Erfolge gegen die größten Mächte Europas, England, Frankreich und Spanien, das Macht bewußt sein des jugendkräftigen Staates mächtig steigerten. Schon strebte er nach der Führerrolle in der Neuen Welt und warf sich zum Verfechter allamerikanischer Interessen auf. Das beweist die stolze Erklärung des Präsidenten

James Monro e vom 2. Dezember 1823, die seitdem so

berühmt gewordene Monroe^oktrin. Sie wurde durch den Freiheitskampf der spanisch-amerikanischen Kolonien veranlaßt, deren Unabhängigkeit die Union ausdrücklich anerkannt hatte, und sollte zugleich der Zurückweisung der russischen Ansprüche auf die pazifische Küste Nordamerikas dienen. Denn für die Vereinigten Staaten machte es einen wesentlichen Unterschied aus, ob sie ein starkes europäisches Reich oder eine Anzahl schwacher, im Innern uneiniger Republiken, die ihnen nicht gefährlich werden konnten, zu Nachbarn hatten. Daher stellte idie Monroe-Lehre den Grundsatz auf, daß^Amenka^dem E^^^ ^ Europa gegenüber als gleich wertj.g_^ekei]L_m^ iQXtan

nicht mehr als Kolonisationsgebiet europäiscJier-jMLächte.^ziL b^r trachten sei. Vielmehr müßte ihre Einmischung in amerikanische Angelegenheiten und der Versuch, ihre Herrschaft oder ihre »politischen Systeme« auf irgendeinen Teil der Neuen Welt aus- zudehnen oder Kolonien zurückzuerobern, die sich vom Mutter- lande lostgelöst und die Anerkennung der Union gefunden hätten, als eine Gefahr für die Sicherheit und den Frieden Amerikas angesehen werden. Trug die Botschaft des Präsidenten Mon- roe zunächst noch den Charakter der Abwehr, so war sie doch ihrem ganzen Wesen nach gegen Europa gerichtet, indem sie künftighin kolonialen Landerwerb und etwaige Einmischungen europäischer Staaten in Amerika unmöglich machen sollte. So brachte sie die Forderung »Amerika den Amerikanern« scharf zur Geltung, betonte aber zugleich ausdrücklich die Uninteres- siertheit der Vereinigten Staaten an europäischen Dingen ^) .

Die Monroe-Lehre wurde rasch ein Kernpunkt der aus- wärtigen Unionspolitik. Sie hat aber unter steter Anpassung an die jeweiligen Erfordernisse der amerikanischen Diplomatie wiederholte Ergänzungen und Erweiterungen erfahren, weil sie wegen ihrer unbestimmten Fassung und der dadurch bedingten Dehnbarkeit ihres Inhaltes vielfache Auslegungen gestattete und eine erwünschte Grundlage für die Geltendmachung weiterer Ansprüche darbot. Die europäischen Staaten haben sich nur zögernd zu ihrer Anerkennung verstanden oder sich stillschwei- gend mit ihr abgefunden. Denn es dürfte ihnen schwer fallen, gegen den Willen der Vereinigten Staaten Kolonien in Amerika zu erwerben. Was das Endziel der Monroe-Lehre ist, das haben nordamerikanische Politiker deutlich ausgesprochen, nämlich die Erwartung, daß die Zeit kommen werde, wo Ameiika wieder ganz amerikanisch sei. So ist die Monroe-Doktrin die erste- panamerikanische Kundgebung gewesen, die von Anfang, .au auch den Anspruch der Union auf die Vorherrschaft in der Neuen Welt zum Ausdruck brachte.

Als Nordgrenze gegen Kanada war bis zum Felsengebirge der 49. Breitengrad festgesetzt worden. Dagegen blieb die Frage der staatlichen Zugehörigkeit des westlich anstoßenden Gebietes noch offen. Die Amerikaner verlangten die gesamte Küste des Stillen Ozeajis bis zu der damals noch russischen Halbinsel Alaska unter 54° 40' N, und bei der Unnachgiebigkeit Englands wurde der Drohruf »Fifty four forty or fight « (54® 40' oder Krieg)

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immer lauter. Schließlich fand der lange Streit unter beider- seitigem Entgegenkommen durch den QrjsgQnryertrag von i846_ ein Ende, indem die Grenze längs des 49. Breitengrades bis zum Stillen Ozean vorgeschoben wuide'). Damit waren die Ver- einigten Staaten auch eine pazifische Macht geworden. Sie hatten an dem dritten der ihr Hauptland bespülenden Meere Fuß gefaßt und eine neue Gebietsei Weiterung von 300 000 qkm eingeheimst, der bald eine noch viel größere folgen sollte.

Da der Baumwollbau, die wirtschaftliche Grundlage des Südens, durch seine raubwirtschaftliche Betriebsweise den Boden rasch aussaugt und zur Inangriffnahme immer weiteren Landes zwingt, so waren die Südstaaten stets eifrige Verfechter einer tatkräftigen Ausbreitungspolitik. Landhungrige Kolonisten wan- derten in steigender Zahl in die nordmexikanische Provinz Texas ein, wo sie unter Duldung, wenn nicht unter Ermächtigung der Union einen Streit mit den Mexikanern vom Zaune brachen, der 1835 zur Eirichtung eines unabhängigen Freistaates führte. 10 Jahre später wurde er unter Nichtachtung der mexikanischen Oberhoheitsansprüche unter die Unionsstaaten aufgenommen und die Monroe-Lehre dahin erweitert, daß fortan eine euro- päische Einmischung in das Selbstbestimmungsrecht amerika- nischer Staaten unzulässig sei. Schon damals sprach C h a n n i n g das prophetische Wort aus: »Die Einverleibung von Texas wird nur der Anfang von Eroberungen sein, die erst am Isthmus von Darien ihr Ende finden werden. Unser Adler wird mit dem ersten Opfer seinen Appetit reizen, ihn aber nicht stillen, und in jedem neuen Gebiet, das er nach Süden hin erspäht, wird er eine verführerische Beute wittern.« Das ist nackte Eroberungs- politik, wie auch der Feldzug gegen Mexiko, die unvermeidliche Folge der Annektierung von Texas, ein unverhüllter Raub- und Eroberungskrieg war. Er endete 1848 mit dem Siege der Ver- einigten Staaten und brachte ihnen das ganze mexikanische Staatsgebiet nördlich des jetzigen Grenzstromes Rio Grande del Norte bis zum Stillen Ozean ein. x\us diesem das Deutsche Reich ums Dreifache übertreffenden Landzuwachs sind die heutigen Staaten Neu-Mexiko, Arizona, Utah, Nevada und Kali- fornien hervorgegangen. Und doch war der ungeheure Land- verlust vielleicht ein Glück für Mexiko ! Denn aus eigener Kraft hätte es jenes Gebiet, fast die Hälfte des Staates, wohl niemals erschließen und behaupten können, so daß es, wie noch heute

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der Norden der Republik, als schwer erreichbarer Außenposten stets eine Quelle ernster Beunruhigung gewesen wäre. _i85^ wurde in dem nach dem amerikanischen Unterhändler benannten Gadsden-Kauf die Südgrenze gegen Mexiko abgerundet und ein neuer Xandstreifen von 115 600 qkm Fläche den Vereinigten Staaten einverleibt (vgl. Tabelle i).

Damit hatte in der kurzen Zeitspanne von sieben Jahr- zehnten die staunenswerte territoriale Entwicklung des Haupt- landes (Continental U.S. America) ihren vorläufigen Abschluß ge- funden (s. Diagramm). Aus der kleinen atlantischen Küsten- kolonie war ein zwischenozeanischer Ueberlandstaat geworden, der mit 7839000 qkm hin- ter dem Erdteil Europa bloß um 1,7 Millionen qkm oder um die dreifache Fläche der Iberischen Halbinsel zurück- bleibt. Zwischen Kanada im Norden und Mexiko im Sü- den reicht er vom Atlanti- schen Meer bis zum Stillen Ozean und umfaßt in breiter Ausdehnung auch den ge- samten Nordrand des Mexi- kanischen Golfes.

Je größer aber die Union wurde, um so schärfere For- men nahmen die tiefgreifen- den wirtschaftlichen und ge- sellschaftlichen Unterschiede an, die schon zur Kolonial- zeit zwischen dem Norden und Süden bestanden. Sie waren

tischen Verschiedenheiten beider durch den Potomac getrennten Landesteüe bedingt. Im europaähnlichen Norden hatten sich kleinbürgerliche Puritaner niedergelassen. Das rauhe Klima und der wenig fruchtbare Boden verlangten ausdauernden Fleiß und harte Arbeit. Für große Pflanzungen wertvoller Handelsgewächse mit Scharen farbiger Zwangsarbeiter war hier kein Raum, und Sklaven fanden nur in geringer Zahl als Hausgesinde Verwendung. Dafür war der Norden der Hauptsitz einer aufstrebenden Indu-

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R^iimliches Wachstum der Union, ren in letzter Linie durch die klima-*^

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strie und einer auf mittleren und kleineren Betrieben beruhenden Farmwirtschaft mit einer strebsamen weißen Bevölkerung und einer freien weißen Arbeiterschaft. Der halbtropische Süden dagegen war ein ausgeprägtes Landwirtschaftsland, das sich vor allem für Großgrundbesitz und Plantagenbau eignete. Hier waren von Anfang an meist Söhne vornehmer englischer Adels- familien eingewandert, aus denen mit der Zeit eine großgrund- besitzende Pflanzeraristokratie hervorging. Die wirtschaftliche Kraft des Südens beruhte auf der Massengewinnung einiger weniger pflanzlicher Stapelerzeugnisse, zuerst des Tabaks, dann der Baumwolle, und war ganz auf Großbetrieb und billige Sklavenarbeit eingestellt. Das starke Negerelement hielt jedoch weiBe Einwanderer fern, teils aus Rassenabneigung, teils weil ein Wettbewerb mit den anspruchslosen schwarzen Zwangs- arbeitern von vornherein ausgeschlossen war. Am entscheidend- sten war jedoch der soziale Gesichtspunkt. Denn die stolze und standesbewußte Pflanzeraristokratie, die dem Lande die besten Staatsmänner und Heerführer schenkte, blickte mit Verachtung auf alle körperliche Arbeit herab, gleichgültig ob sie von Weißen oder Farbigen geleistet wurde. Der auf der Arbeit lastende Fluch der Unfreiheit hemmte die Heranbildung eines erwerbs- tätigen Mittelstandes aus weißen Handwerkern und Bauern und veranlaßte viele der sogenannten )>armen Weißen«, welche die Hauptmasse der weißen Bevölkerung des Südens ausmachten, zur Abwanderung. Denn bei dem Mangel an eigenem Grund- besitz und ohne die Möglichkeit, sich Sklaven halten zu können, lebten sie in kümmerlichen geistigen und wirtschaftlichen Ver- hältnissen, arbeiteten vielfach als Sklavenaufseher oder als Hörige auf den Pflanzungen der Großgrundbesitzer und waren völliger gesellschaftlicher Mißachtung verfallen. Wählend daher der Norden dank lebhaftem weißem Zuzug und fortschreitender Industrialisierung sich rasch entwickelte, blieb der Süden weit zurück. Sein ganzes Wirtschaftsleben war so einseitig auf die Baumwollkultur zugeschnitten, daß Bergbau, Handwerk und Gewerbe kaum ausgeübt wurden. Die Baumwolle ging zur industriellen Veredlung außer Landes, und die Handelsvermitte- lung lag fast ausschließlich in der Hand nordstaatlicher Kauf- leute und fremder, meist englischer Reeder. Alle Fabrikate und selbst die meisten Nahrungs- und Genußmittel mußten eingeführt werden. Deshalb huldigte der Süden ebenso ent-

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schieden dem Freihandel, wie der Norden gleich allen Industrie- ländern — stark schutzzöUnerisch gesinnt war.

Ursprünglich war die Sklaverei in allen Teilen Britisch- Amerikas gesetzlich erlaubt, und die neu-engländischen Städte haben sich am Sklavenhandel eifrig beteiligt. Neben der Neger- sklaverei gab es in geringerem Umfange auch eine Indianer- sklaverei und eine weiße Sklaverei. Die stets lebhafte Nach- frage nach Arbeitskräften war nämlich der Anlaß, daß sich die Spekulation schon im 17. Jahrhundert der europäischen Aus- wanderung bemächtigte. Weiße Zwangsarbeiter stellten einen gewinnbringenden Handelsgegenstand dar und gaben Anlaß zu einem Geschäftszweig, der viele Unternehmer zu reichen Leuten machte, bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts seine Ab- schaffung gelang. Verbrecher und Landstreicher wurden scharen- weise zu mehrjähriger Zwangsarbeit im Dienste der Großgrund- besitzer ins englische Amerika gebracht und dort wie die Neger- sklaven öffentlich dem Meistbietenden zugeschlagen. Daneben bestand eine verkappte 'Sklaverei, die nicht zum wenigsten auch Deutsche betraf. Teils gerieten mittellose Auswanderer gewissen- losen Menschenhändlern in die Hände, oder Auswanderungs- lustige, die zur Aufbringung der Reisekosten zu arm waren, ließen sich auf Grund eines Vertrages aus freien Stücken gegen Vergütung der Ueberfahrt nach Amerika verkaufen. Dort mußten beide Gruppen den Kaufpreis abarbeiten, worauf sie die Frei- heit erhielten, mit Geld oder Land entlohnt wurden und nun- mehr den freien Einwanderern völlig gleichgestellt waren. Die Stammeltern eines großen Teiles der »armen Weißen« des Südens (vgl. S. 12), aber auch viele angesehene Familien sind aus solchen einstigen weißen Sklaven hervorgegangen, deren Los sich von dem der Neger bloß dadurch unterschied, daß der Schwarze zeitlebens unfrei blieb, während der Weiße nach jahre- langer Knechtschaft wieder frei wurde.

Auch die Negersklaverei entwickelte sich nur in denjenigen Staaten zu einer dauernden Einrichtung, deren geographische Bedingungen ihr günstig waren. Sie verschob sich also aus klimatischen und wirtschaftlichen Gründen immer mehr nach Süden, weil sie in erster Linie für Kulturen in Betracht kam, die, wie Baumwolle, Tabak, Reis und Zuckerrohr, ein feucht- warmes Klima und eine große Menge billiger Arbeiter verlangten. Die nördliche Verbreitungsgrenze dieser Nutzgewächse war zu-

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gleich die Nordgrenze der Sklaverei und fand auch einen äu- ßeren Ausdruck als Mason and Dixon Line. So hieß ursprüng- lich die heutige Grenzlinie zwischen den Staaten Pennsylvanien und Maryland nach den beiden Feldmessern, die mit ihrer Ab- steckung betraut waren. Alle Staaten nördlich dieser Linie hatten bis zum Jahre 1804 die Sklaverei aufgehoben, während sie in den Südstaaten noch fortbestand. Bis zum Bürgerkriege war die Zahl der »freien « Nordstaaten auf 18 und die der sklavenhaltenden Südstaaten auf 15 gestiegen Erstere blieben an Raumgröße weit hinter den letzteren zurück, übertrafen sie aber erheblich an Bewohnerzahl. Der Norden forderte nun die Abschaffung der Sklaverei für das ganze Bundesgebiet ebenso dringend, wie der Süden für ihre Beibehaltung eintrat, weil er durch den Verlust seiner vornehmsten Arbeiterquelle den wirtschaftlichen Ruin befürchtete.

Zu den wirtschaftlichen Erwägungen kam noch ein politischer Gesichtspunkt Bei den Wahlen der Kongreßabgeordneten, deren Zahl sich nach der Menge der wahlberechtigten Bürger richtete, erlangte die rasch wachsende Bevölkerung des Nordens ein immer größeres Uebergewicht. Dagegen war für die Zusammen- setzung des Senates, in den jeder Staat ohne Rücksicht auf seine Bewohnerzahl zwei Vertreter entsandte, lediglich die Zahl der Staaten maßgebend. Der Süden wachte daher eifersüchtig darüber, daß zur Aufrechterhaltung des politischen Gleich- gewichtes einem neu gegründeten ,, freien'* Staate stets ein neu zu errichtender Sklavenstaat entsprach. So oft nun ein Terri- torium zum Staat erhoben wurde, entbrannte ein erbitterter Kampf, ob es ein freier oder ein Sklavenstaat sein sollte ^) . Jahr- zehntelang dauerte der unerquickliche innere Zwist im Schöße des Staatenbundes, bis sich der Süden auf den Standpunkt stellte, daß jeder Staat, dessen Lebensinteressen durch Maßnahmen der Bundesregierung bedroht seien, das Recht zum Ausscheiden aus dem Bunde, zur »Sezession« habe. In diesem Sinne voll- zogen die Südstaaten 1861 ihren Austritt aus der Union und gründeten einen neuen selbständigen Bundesstaat, die Kon- föderation.

So hatte der unüberbrückbare Gegensatz zwischen freier weißer Arbeit und der Sklavenarbeit der Schwarzen, zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen Schutzzoll und Frei- handel den Bürgerkrieg unvermeidlich gemacht. In dem wirt-

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schaftlich wie der Volkszahl nach stärkeren Teile des Landes war indes der Einheitsgedanke so mächtig, daß von vornheiein das Kräfteverhältnis zugunsten der Nordstaaten verschoben war. Denn die ausgeschiedenen ii Si3dstaaten zählten noch nicht 9 Millionen Einwohner, darunter 3% MiUionen Farbige, gegen 22 Millionen in den 23 Nord- und Grenzstaaten ^) . Der Süden verfügte zwar über einen vorzüglichen Stamm von Offizieren und berittenen Truppen ; aber er hatte keine Waffen- und Muni- tionsindustrie und nur eine unzureichende Getreideversorgung. Der Norden war dank der hohen Entwicklung seiner Kapital- kraft, Gewerbtätigkeit und Nahrungsmittelerzeugung viel lebens- kräftiger und schlagfertiger und gewann in demselben Maße an Stärke, in welchem der Widerstand des für einen so langen Krieg nicht gerüsteten Südens erlahmte. Als die Nordstaaten durch strenge Blockierung der Küsten und durch Besetzung der Mississippilinie dem Gegner alle Zufuhren unterbunden und emen regelrechten Aushungerungskrieg begonnen hatten, war die Entscheidung nicht mehr zweifelhaft.

Natürlich boten die Südstaaten alles auf, um über See Verpflegung und Kriegsbedarf zu erhalten und ihre Baumwolle nach Europa zu bringen, wo sie dringend gebraucht wurde. Namentlich die englische Gewebeindustrie war durch die »Baum- wollhungersnot« (Cotton Famine), die das Ausbleiben des unent- behrlichen Rohstoffes verursachte, aufs schwerste bedroht. Ueber- dies waren die Südstaaten Englands gute Kunden, die Nord- staaten dagegen seine Nebenbuhler, und der von ihnen durch- gesetzte hohe Zolltarif lastete schwer auf den britischen Fabri- katen. Deshalb bestand in England_dne starke Strönmng_für die Südstaaten^ die man trotz öffentlich verlEundeter Neutralität mit allem zum Kriege Notwendigen versorgte und deren Kaper- schiffe in den englischen Häfen weitgehende Unterstützung fanden. Die nordstaatliche Handelsflotte erlitt dadurch so schwere Verluste, daß es zu ernstlichen Auseinandersetzungen mit der britischen Regierung kam, die sich schließlich zur Zahlung einer hohen Entschädigungssumme herbeiließ. Da indes auch nord- staathche Kaper unter den Handelsschiffen der Konföderierten gründlich aufräumten, so war die vereinsstaatliche Handelsmarine, die vor dem Bürgerkriege den zweiten Platz hinter der eng- Hschen erreicht hatte, derart zusammengeschmolzen, daß sie sich von diesem »Aderlaß« nur langsam wieder zu erholen vermochte.

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Erst nach vierjährigem wechselvollem Kampfe (1861/64) konnte der ganz von der Außenwelt abgeschnittene Süden be- zwungen werden. Aber der Sieg war teuer erkauft. 800 000 Menschenleben waren verloren gegangen, die allerdings durch die Einwanderung rasch wieder ersetzt wurden, und den vorher schuldenfreien Staat drückte eine für die damahge Zeit ungeheure Schuldenlast von 3 Milliarden Dollars. Dennoch ging die Union aus dieser schwersten innerpolitischen Krise, die jemals ihren Bestand bedrohte, neu gekräftigt hervor. Politisch war der Bürgerkrieg ein reinigendes Gewitter, wirtschaftlich war er eine Notwendigkeit und zugleich eine soziale Revolution. Denn er beseitigte die jeder gedeihlichen Entfaltung abträgliche Sklaverei und stellte die Neger gesellschaftlich den Weißen gleich. Aller- dings schlug die Sklavenbefreiung, die den Pflanzern die bilHgen Arbeitskräfte nahm, dem ohnehin furchtbar verwüsteten Süden tiefe Wunden. Die Pflanzungen waren fast völHg zugrunde ge- richtet, und das ausgesaugte und erschöpfte Land, das den Haupt- kriegsschauplatz abgegeben hatte, geriet in eine schlimme Krise. Es fehlte an Geld, an Arbeitskräften und an Arbeitswillen, weil die falsche »Rekonstruktions« -Politik des Nordens die Weißen für ihre Teilnahme an der Sezession entrechtet und damit die Träger des geistigen und wirtschaftlichen Wiederaufbaues aus- geschaltet hatte. Erst als ein besseres gegenseitiges Einvernehmen Platz griff und nordstaatliches Kapital anlockte, schlug der Krieg für den Süden zum Segen aus, indem eine völlige Er- neuerung seines Wirtschaftslebens einsetzte.

Vor allem war aber der Bürgerkrieg die Feuerprobe auf die politische Lebensfähigkeit des Staates. Indem er die Sou- veränität des Bundesstaates über die Einzelstaaten und die Nichtteilbarkeit der Union verwirklichte, schuf er aus dem lockeren Staatenkonglomerat, bei dem bis dahin die Betonung mehr auf dem Worte »Staaten« als auf dem Worte »Vereinigt« lag, durch Blut und Eisen das neue Amerika mit seiner gesicherten politischen Einheit. Jetzt erst waren die Unionsstaaten in Wahrheit »Vereinigte Staaten« geworden, indem ein festes Band gemeinsamer Interessen sie eng verknüpfte ^°). Heute besteht der Gegensatz zwischen dem Norden und Süden bloß in dem immerhin bedeutenden Unterschiede des Klimas und in der starken Negerbevölkerung der ehemaligen Sklavenstaaten. Auch die wirtschaftliche und politische Machtstellung der Union

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vermochte der Bürgerkrieg so wenig zu beeinträchtigen, daß noch während seiner Dauer mit dem Bau der ersten großen Ueberlandbahn der Welt, der Union and Central Pacific Railroad, begonnen und unmittelbar nach Friedensschluß unter Berufung auf die Monroe-Doktrin die Zurückziehung der französischen Truppen aus Mexiko erzwungen wurde.

Die überraschend schnelle räumliche Entwicklung der Union war in Europa nicht unbeachtet geblieben, und man benutzte die Schwierigkeiten des Bürgerkrieges, um ihrer weiteren Macht - entfaltung einen Damm entgegenzustellen. Zu diesem Zwecke wollte Napoleon III., anfangs von England und Spanien unterstützt, ein mexikanisches Kaisertum unter französischer Schutzherrschaft errichten. Dadurch wäre bei der Lage jenes Landes an der Schwelle zwischen Nord- und Südamerika die aufstrebende Kraft der Vereinigten Staaten gelähmt worden. Die Amerikaner erkannten jedoch sofort die ihrer künftigen Ausbreitungspolitik drohende Gefahr und beugten ihr durch stärksten diplomatischen Druck, der selbst vor Kriegsdrohungen nicht zurückschreckte, und durch unmittelbare Unterstützung der mexikanischen Republikaner vor. Der kurze Kaisertraum des österreichischen Erzherzogs Maximilian fand dadurch ein tragisches Ende. Gleichzeitig erfuhr die Monroe-Lehre eine neue erweiterte Auslegung dahin, daß keine europäische Macht ihre amerikanischen Kolonien an einen andern europäischen Staat veräußern dürfe. Mit andern Worten: den europäischen Kolonialstaaten wurde das Verfügungsrecht über ihren west- indischen Besitz entzogen. Sie waren nur noch Platzhalter für die Union, da im Falle einer Veräußerung sie allein als erwer- bende Macht in Frage kommen konnte.

Eine Vergrößerung des Unionsgebietes erfolgte in den näch- sten Jahrzehnten bloß 1867, indem die Halbinsel AlaskaL^ von . Rußland käuflicli„erworben wurde. Wegen ihrer polaren Nach- barschaft liegt sie bereits außerhalb des Getreidebaugürtels und des Bereiches dichterer Bewohntheit. Deshalb wurde sie anfangs für ertraglos und des Kaufpreises von 7,2 Millionen Dollars nicht für wert gehalten. Heute ist das lange verkannte Alaska ein wichtiges Holz- und Fischereigebiet und eines der ersten Goldländer der Erde und bedeutet politisch eine Flankierung des kanadischen Westens. Auch für die vereinsstaatlichen Interessen im nördlichen Eismeer bietet es eine wertvolle Stütze dar.

Has s e rt, Vereinigte Staaten. 2,

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Im übrigen war die Zeit nach dem Bürgerkriege für die Union eine Zeit innerer Sammlung und beispielloser wirtschaft- licher Erstarkung. In diesen 33 Friedens] ahren wurde als wichtig- stes Geschehnis der neueren vereinsstaatlichen Geschichte mit Hilfe der europäischen Masseneinwanderung die Besiedlung des Westens durchgeführt. Neben der Ausbreitung des Russentums über Osteuropa ist die Ausbreitung der Amerikaner die groß^ artigste Tatsache der modernen Kolonialgeschichte. Sie erfüllte in wenigen Jahrzehnten einen Raum von ungeheurer Weite und Entwicklungsmöglichkeit mit Millionen Menschen und machte || U.S.Amerika zu einer großen Korn-, Fleisch- und Erzkammer Rder Erde. Die Landnahme beschäftigte Volk und Staat in solchem Maße, daß überseeische und außenpolitische Interessen ganz zurücktraten, obwohl wiederholt begehrliche Blicke auf Kuba und San Domingo gerichtet wurden.

Aber der Ausbreitungsdrang der Amerikaner verlangte nach neuer Betätigung, als nach der Vergebung des anbaufähigen Bodens die Besiedlung im großen Ganzen beendet war. Die steigenden Bodenpreise und die Schwierigkeit, freies Ackerland zu erhalten, zwangen einen immer größeren Teil der Bevölkerung, sich der Industrie zuzuwenden, so daß sich die Union aus einem Nahrungsmittel und Rohstoffe ausführenden Landwirtschafts- staat immer mehr in einen Fabrikate erzeugenden Industrie- staat verwandelte. Die industrielle Massenfabrikation war jedoch dank hohen Schutzzöllen und überreichlich vorhandenem Roh- material so mächtig aufgeblüht, daß sie weit über den eigenen Bedarf des Landes erzeugte und auf die Ausdehnung ihrer Absatz- gebiete durch Gewinnung überseeischer Märkte bedacht sein mußte. Auch das gewaltig angewachsene Kapital glaubte im eigenen Lande nicht mehr genug Betätigungsmöglichkeiten zu finden, während noch um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Ver- einigten Staaten finanziell so schwach waren, daß sie nicht ohne Mühe in Europa, namentlich in England, Geld aufnehmen mußten. Aus diesen gänzlich veränderten wirtschaftlichen Voraussetzungen entstand der Gedanke, zunächst die amerikanische Welt ziel- bewußt für die vereinsstaatlichen Interessen auszunutzen. Damit gewannen imperialistische oder Weltmachtsbestrebungen immer mehr an Boden und leiteten einen ganz neuen Abschnitt der Unionsgeschichte, das bewußte Hinausgreifen über das Haupt- land, ein. »Die Vereinigung des politischen Weltmachtgedankens

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des Staates mit den materiellen Absichten der Volkswirtschaft gibt dem amerikanischen Imperialismus sein eigentümliches Gepräge« (Ratzel).

Unter abermaliger Erweiterung der sehr auslegungsfähigen Monroe-Lehre beansprucht nunmehr die Union ganz Amerika für die Amerikaner, d. h. letzten Endes für sich selbst, und ihr Wille soll in der Neuen Welt Gesetz sein. »Heute sind die Ver- einigten Staaten praktisch souverän über diesen Kontinent, und ihr Fiat ist Gesetz bezüglich der Gegenstände, auf die sie ihr Eingreifen erstrecken.« Immer schärfer tritt also der Macht- gedanke hervor, der aus Amerika ein von Europa unabhängiges Wirtschaftsreich unter vereinsstaatlicher Vorherrschaft machen will. Während aber die U.S.Amerikaner eifersüchtig darüber wachen, daß kein europäischer Staat ihre Kreise in Amerika störe, sind sie keineswegs gewillt, sich von außeramerikanischen Angelegenheiten fernzuhalten. Eine Großmacht, deren Volks- zahl der des größten europäischen Staates gleichkommt und deren rasch steigender Außenhandel in die Milliarden geht, kann bei ihrer zunehmenden Verflechtung in die Weltwirtschaft auf die Dauer nicht isoliert bleiben. Es würde auch eine völlige Verkennung der Tatsachen bedeuten, wenn man in der trans- atlantischen Republik einen vorbildlichen Friedensstaat sehen wollte. In Wirklichkeit ist sie ein ausgeprägter Machtstaat gewesen, der als solcher bloß deshalb nicht so scharf hervortrat, weil er seine Ziele meist auf friedlichem Wege oder durch Schieds- sprüche erreichen konnte. Eine Besitzergreifung zog aber gleich- sam mit Naturnotwendigkeit eine andere nach sich, so daß der größere Teil der Vereinigten Staaten aus erobertem oder durch Kriegsdrohungen erworbenem Land besteht.

Schon 1835 hatte ein starkes Kriegsgeschwader die nord- afrikanischen Seeräuberstaaten für ihre Uebergriffe gegen ameri- kanische Kauffahrteischiffe gezüchtigt. 1854 wurde was bis dahin keiner europäischen Macht gelungen war das ver- schlossene Inselreich Japan gezwungen, seine Pforten den Frem- den zu öffnen und den ersten Handelsvertrag mit einem abend- ländischen Staat einzugehen. Es ist freilich eine Ironie der Welt- geschichte, daß der von den Amerikanern gewaltsam aus sei- nem Sonderdasein herausgerissene Staat ihr unbequemster Neben- buhler geworden ist, wenngleich er andererseits zu den wichtigsten Handelsländern der Union gehört. Die Weigerung der Vereinigten

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Staaten, den Sundzoll an Dänemark zu entrichten, war der Anlaß, daß die am Ostseehandel beteiligten Länder die Aufhebung dieser drückenden Abgabe durch eine Geldablösung erwirkten. Den entscheidenden Wendepunkt in der auswärtigen Politik und den Bruch mit den politischen Ueberlieferungen der Vergangen- heit bezeichnete jedoch das Jahr iSgS. Um dem Vordringen

Japans im Stillen Ozean entgegenzutreten, wurde der wirt- schaftlich wie durch seine vorgeschobene Lage wichtige Hawaii- Archipel besetzt, der einen natürlichen Brückenpfeiler zwischen Nordamerika und Ostasien bildet und schon seit langem als zukünftige vereinsstaatliche Kolonie galt. Der Außenhandel und die Zuckerpflanzungen der Inselgruppe befanden sich größten- teils in nordamerikanischer Hand, so daß eine von England und Frankreich beabsichtigte Einverleibung an der drohenden Hal- tung der Union scheiterte.

Seitdem die Vereinigten Staaten an der Golfküste und in Florida Fuß gefaßt hatten, waren sie auch ein Anlieger der westindischen Inselflur geworden, mit der sie von der Kolonial- zeit her rege wirtschaftliche Beziehungen unterhielten. Im Brenn- punkte ihrer Interessen stand die Hauptinsel Kuba. Solange sie dem schwachen Spanien gehörte, war nichts zu befürchten. Wie aber, wenn ein kräftiger Staat, vielleicht gar der biitische Wettbewerber, die fast ununterbrochenen Aufstände zum Vor- wand nahm, um sich auf der Insel festzusetzen, die nur durch einen schmalen Meeresarm von Florida getrennt wird! Durch ihre Schildwachstellung am Eingang der Floridastraße bedeutet sie eine Bedrohung der Union, für die sie zugleich als wichtigster Zuckerlieferant und als natürliche Sperrfestung einen gar nicht hoch genug anzuschlagenden Wert besitzt. Nordamerikanische Geldleute hatten erhebliche Kapitalien in den kubanischen Pflanzungen und Zuckermühlen angelegt, die durch die fort- währenden Unruhen bedroht waren. Daher machten die Ver- einigten Staaten wiederholt den Versuch, die als ein natürliches Zubehör ihres Gebietes angesehene Insel zu erwerben. Zuerst boten sie einen Kaufpreis von 50 Millionen und schließlich von 200 Millionen Dollars, den jedoch Spanien stets ablehnte und mit Kriegsrüstungen beantwortete.

Da kam es 1898 unter einem nichtigen Verwände zum Kriege, der wiederum ein reiner Raub- und Eroberungskrieg war. Er endete mit dem Zusammenbruch der völlig unzuläng-

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liehen spanisehen Seemaeht und sieherte dem Sieger die Vor- herrschaft in Westindien. Denn von den spanischen Antillen wurde Puerto Rico, das eine ähnlich günstige Lage wie Kuba aufweist und ähnlich reich an pflanzlichen Rohstoffen ist, eine amerikanische Kolonie. Kuba wurde in eine selbständige Republik umgewandelt, die indes der Union bestimmte Vorrechte mili- tärischer und wirtschaftlicher Art einräumen und mehrere Flottenstützpunkte überlassen mußte, so daß sie in entscheidenden Fragen auch hier das Regiment führt. Derselbe Krieg brachte den Amerikanern eine erhebliche Machterweitung im Stillen Ozean durch die Einverleibung der Philippinen und der Haupt- insel der Marianengruppe, Guam. Im folgenden Jahre erwarben sie unter Ausnutzung der Verlegenheiten, in die England durch den Burenkrieg geraten war, einen Teil der Samoa-Inseln, auf denen sie ebenfalls schqn seit längerem Fuß gefaßt hatten.

Das Zurückweichen der Großmacht Frankreich in Mexiko, die Nachgiebigkeit der Weltmacht England in der Oregon- und Samoafrage und der leichte Sieg über die alte Kolonialmacht Spanien hatten das Selbstbewußtsein der Amerikaner gewaltig gesteigert. Auf einer Reise ans Stille Meer streckte Präsident Roosevelt die Hand über das Wasser und betonte, daß die Vereinigten Staaten hier den Anspruch auf eine Vormachts- stellung hätten. Während nämlich ihre atlantische Stellung durch die Nachbarschaft der europäischen Staaten beeinträchtigt wird, können sie sich am Stillen Ozean und im pazifischen Ame- rika um so mehr als Herren fühlen, als es hier mit Ausnahme von Britisch -Columbia keinen europäischen Kolonialbesitz gibt. Für die Westseite Amerikas ist Ostasien genau so ein Gegen- gestade wie Europa für die atlantische Küste. Da jedoch die Entfernungen im Stillen Ozean viel größer sind als im Atlan- tischen, so war die Erwerbung insularer Stützpunkte die Vor- bedingung für die Ostasienpolitik der Vereinigten Staaten. Frei- lich sind die uralten Kulturvölker am Ostrande der Alten Welt von ähnlichem Ausdehnungsdrang beseelt. Für ihren Menschen- überfluß ist Amerika ein erstrebenswertes Wanderziel geworden, und Japans kolonialer Ehrgeiz, der durch die Festsetzung der Union auf Hawaii und auf den Philippinen schwer verletzt wurde, findet seine Ergänzung in der zunehmenden Ausdehnung des japanischen Handels über die pazifischen Küstenländer und Inseln. Seitdem Deutschland seinen chinesischen Stützpunkt

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Kiautschou und seine Südseekolonien eingebüßt hat und Ruß- land als ostasiatische Macht ausgeschaltet ist, stehen sich die englischen, französischen, amerikanischen und japanischen In- teressen gegenüber. Besonders tiefgreifend sind die geographisch begründeten und durch die Rassenverschiedenheit verschärften Gegensätze zwischen Japan und der Union. Sie müssen zwar nicht notwendig zum Kriege führen, schließen aber ein Zu- sammengehen aus. Denn die fortschreitende Japanisierung Hawaiis und die dem vereinsstaatlichen Ausbreitungsdrang ent- gegenwirkenden Expansionsbestrebungen des Mikadoreiches, das Ringen um den pazifischen und ostasiatischen Markt und die Vergrößerung des japanischen Kolonialbesitzes, die anti japa- nischen Maßnahmen in den pazifischen Küstenstaaten U.S.- Amerikas: alle diese Tatsachen verstärken zusammen mit dem beiderseits herrschenden Selbstgefühl die Abneigung und das Mißtrauen. Daher gab die Kriegserklärung an das Deutsche Reich der Union erwünschte Gelegenheit, ihre militärischen Machtmittel in einer Weise auszugestalten, die sonst sofort den Argwohn des ostasiatischen Nebenbuhlers erregt haben würde.

Je großzügiger sich der amerikanische Ausbreitungstrieb ent- faltete und je mehr die Westseite der Neuen Welt an Bedeutung gewann, um so lästiger erwies sich der ungeheure Umweg, den die vereinsstaatlichen Schiffe um den ganzen Erdteil herum aus dem Atlantischen in den Stillen Ozean einschlagen mußten. Aus geographischen Gründen ist die Herstellung einer Wasser- verbindung zwischen beiden Meeren innerhalb der Unions- grenzen unmöglich. Sie mußte außerhalb derselben gesucht wej'den, und die natürlich vorgezeichnete Linie führte über die schmale Landbrücke von Mittelamerika. Das nächste Ziel der vereinsstaatlichen Pohtik mußte es demgemäß sein, den zukünftigen Weltmeerkanal in das eigene Oberhoheitsgebiet ein- zubeziehen. Denn er verhieß nicht allein eine gewaltige Ver- kürzung der zeiträumlichen Entfernungen, sondern er war auch aus dem Grunde notwendig, weil die Westküste der Union viel ärmer an brauchbaren Hafen als die Ostküste ist und daher der Begründung einer militärischen Machtstellung weniger entgegen- kommt als die atlantische Seite ^^).

Bald nach der Erwerbung Kaliforniens tauchte zwecks schnellerer Erschließung des damals noch eisenbahnlosen und zu Lande wie zur See nur schwer und mit ungeheurem Zeit-

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Verlust erreichbaren Goldlandes der Plan auf, einen Seeschiff- fahrtskanal durch die Landenge von Nicaragua oder Panama zu legen. England erkannte sofort die Bedeutung, welche die Wasserstraße im Alleinbesitz der Union haben mußte, und er- reichte es 1850 im Clayton-Bulwer- Vertrage, daß beide Staaten den Kanal gemeinsam bauen, verwalten und beaufsichtigen sollten. Weil die Amerikaner das Werk unter diesen Umständen nicht ausführen wollten und die Briten erst recht kein Interesse an ihm hatten, so war es auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben ^^). Erst 1880 nahm der berühmte Schöpfer des Suezkanals, Ferdinand von Lesseps, den Bau des mittelamerika- nischen Weltmeerkanals wieder auf. Aber schon nach wenigen Jahren brach die von ihm ins Leben gerufene Panama-Gesellschaft finanziell zusammen und mußte ihre Arbeiten einstellen. Die Vereinigten Staaten, die in dem Lesseps sehen Unternehmen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Monroe-Lehre gesehen und es keineswegs wohlwollend aufgenommen hatten, griffen nunmehr von neuem ein. Der erste Schritt, den wiederum die durch den Burenkrieg bedingte Lähmung Großbritanniens er- möglichte, war die Beseitigung des lästigen Clayton-Bulwerr Vertrages. Der unvollendete Wasserweg wurde samt allen Rech- ten der französischen Gesellschaft abgekauft, während es nicht gelang, die Republik Colombia, deren staatlicher Oberhoheit das Kanalgebiet unterstand, zu dessen pachtweiser Abtretung zu veranlassen. Da erfolgte 1903 mit Wissen und mit Unterstützung der Union die Losreißung der Provinz Panama vom Mutterlande Colombia. Die neue Republik, deren Selbständigkeit freilich nur Schein ist, trat sofort ihrer Beschützerin einen je 8 km breiten Landstreifen beiderseits der Wasserstraße als unmittel- baren Besitz, also nicht mehr bloß pachtweise ab, wodurch das Staatsgebiet von Panama in unnatürlicher Art zerrissen wurde. Nun hatten die Amerikaner gewonnenes Spiel. Unter völliger Ausschaltung des britischen Nebenbuhlers und des europäischen Einflusses waren sie die unbeschränkten Eigentümer jener wichtigsten Stelle der Neuen Welt geworden, die trotz des Wett- bewerbes der Tehuantepecbahn eine gewaltige Stärkung ihrer militärischen und wirtschaftlichen Stellung bedeutet. Bei Aus- bruch des Weltkrieges war der Wasserweg nach Ueberwindung gewaltiger Bauschwierigkeiten vollendet und trotz wiederholter Erdrutsche betriebsfertig.

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Der Panama-Kanal ist ein hochwichtiges Werkzeug für die Durchführung der amerikanischen und pazifischen PoHtik der Vereinigten Staaten und hat ihre Uebermacht ganz wesent- Hch gesteigert. Er stellt aber zugleich eine Gefahren- und Schwächezone dar. Darum ist er stark befestigt, und die Ameri- kaner streben mit verblüffender Folgerichtigkeit darnach, auch die Nachbargebiete und Zwischenländer zwischen ihm und dem Hauptlande der Union unter ihren Einfluß zu bringen, um alle Zufahrten zu überwachen und in weitem Umkreise jeder Be- drohung vorzubeugen, die sich aus der Fußfassung einer fremden Macht ergeben könnte. Da ferner die Ueberlegenheit des Kanals bloß dann gewährleistet ist, wenn ihm kein Konkurrenz-Unter- nehmen erwächst, so haben für die Vereinigten Staaten die- jenigen Gebiete besonderen Wert, die wegen ihrer verhältnis- mäßigen Schmalheit am meisten für die Anlage einer Ueberland- bahn oder eines Durchstichs von Meer zu Meer in Betracht kom- men. Das sind vor allem Mexiko als Besitzerin der Landbrücke von Tehuantepec, Nicaragua als Trägerin des wiederholt in Aussicht genommenen Nicaragua-Kanals und Colombia als Be- herrscherin des Isthmus von Darien.

Unter diesem Gesichtswinkel sind die Bemühungen der U.S.- Amerikaner verständlich, eine Vormachtstellung über die west- indische Inselflur und über alle Durchgangsländer der mittel- amerikanischen Landbrücke von Mexiko bis ins nördliche Süd- amerika zu erringen. Die Kleinstaaten Mittelamerikas sind viel zu schwach, um diese Pläne zu durchkreuzen, die schon erheb- liche Fortschritte gemacht haben und auch die Unabhängigkeit Mexikos gefährden ^^). Eine weitere Handhabe zum Eingreifen gewährt das Anwachsen der wirtschaftlichen Interessen als Folge des Einst r Omens amerikanischer Bürger und Kapitalien nach Westindien und Latein- Amerika. Gerade diese »Dollar-Diplo- matie« hat die finanzschwachen Kleinstaaten unrettbar zu Va- sallen der Union gemacht, indem sie ihnen mit der wirtschaft- lichen Erschließung zugleich die Schuldknechtschaft brachte. Dadurch haben die U.S.Amerikaner auch ohne eigentliche Besitzergreifung zunehmenden Einfluß auf die inneren Ange- legenheiten dieser Länder gewonnen. Denn die wirtschaftliche Durchdringung und die engere kommerzielle Angliederung, finanzielles Protektorat und politische Ueberwachung genügen, während, wie W. Drascher bemerkt, eine staatsrechtliche Ein-

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Verleihung die Zahl der Farhigen in unerwünschter Weise ver- mehren würde. Die amerikanischen Mittelmeerländer sind für die Vereinigten Staaten in erster Linie wirtschaftliche Aus- beutungsgebiete, deren Erzeugungs- und Kaufkraft sie auch ohne politische Fußfassung in weitestem Maße ausnutzen. Europa greift zur Verwirklichung politischer Ziele vornehmlich zu mili- tärischen Machtmitteln. Die Union hat wirtschaftliche Maß- nahmen und die Macht des Geldes in den Dienst des Expansions- gedankens gestellt.

Es war vorauszusehen, daß die Vereinigten Staaten sich mit Kuba und Puerto Rico nicht begnügen, sondern zur Erweiterung ihrer westindischen Stellung auf neue Landerwerbungen be- dacht sein würden. 1907 mußte sich die durch Mißwirtschaft und innere Wirren zerrüttete Dominikanische Republik der ZoU- und Finanzkontrolle U.S.Amerikas unterwerfen. Während des Weltkrieges hat sich das finanzielle Protektorat in ein politisches verwandelt, indem sich die Union umfassende Aufsichtsrechte über die inneren und äußeren Angelegenheiten der Republik einräumen ließ. Ein ähnliches Schicksal erlitt die nicht minder zerfahrene Nachbarrepublik Haiti, die seit 1916 ebenfalls unter nordamerikanischer Schutzherrschaft steht.

Puerto Rico entbehrt guter Häfen für die Aufnahme einer großen Kriegsflotte, während der Hafen Charlotte Amalie der dänischen Nachbar insel St. Thomas diesen Anforderungen um so mehr entspricht. Im Weltkriege gingen daher auch die kleinen, wirtschaftlich wertlosen, aber verkehrsgeographisch durch ihre Lage an der wichtigsten Zufahrtslinie zum Panama-Kanal be- deutsamen Jungferninseln St. Thomas, St. Croix und St. John gegen die beträchtliche Summe von 25 Millionen Dollars an die Union über, nachdem frühere Erwerbungsversuche bald nach dem Bürgerkriege, dann 1892 und 1902 nicht zum Ziel ge- führt hatten ^*). Mit der Preisgabe des dänischen Besitzes ist wieder eine europäische Kolonialmacht aus Westindien ver- schwunden, und unwillkürlich fragt man sich, ob der Prozeß des Hinausdrängens fremder Staaten aus Amerika fortgehen wird. Der Weltkrieg hat durch Lähmung der europäischen Handels- beziehungen die Bande zwischen den Antillen-Kolonien und ihren europäischen Mutterländern gelockert und die schon vor- her lebhaften Beziehungen zur Union noch mehr gefestigt, so daß sie in Schiffahrt, Handel und Kapitalunterbringung an

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allererster Stelle steht ^^). Von den westindischen Inseln hat sie die wertvollsten besetzt, und die andern sind wirtschaftlich mehr oder minder von ihr abhängig. Schon hat Onkel Sam als Entgelt für geleistete Kriegshilfe seinen Verbündeten England und Frankreich die Abtretung ihrer westindischen Kolonien in Vorschlag gebracht. Auch die holländischen Inseln vor der Küste Venezuelas dürften über kurz oder lang ein ähnliches Schicksal haben. Denn solange ein Teil Westindiens noch euro- päischen Mächten gehört, solange beherrschen sie einen Teil der Ein- und Ausgänge des Antillenmeeres, solange überwachen und stören sie die Verbindung zwischen Nord- und Südamerika und solange bedrohen sie den Panama-Kanal. Daher muß die Union um ihres eigenen Schutzes willen die Europäer aus Westindien herausdrängen. Sie befindet sich hier, wie Kj eilen treffend sagt, im Zustande der offensiven Defensive. Langsam, aber sicher wachsen die Inseln und Randländer des amerikanischen Mittel- meeres in das vereinsstaatliche Weltreich hinein und geben ihm die Anwartschaft auf ein zukunftsvolles tropisches Kolonial- gebiet, das den Vorzug hat, viel näher zum Mutterlande zu liegen als der afrikanische Ueberseebesitz der europäischen Kolonialmächte.

Aber nicht bloß die westindischen Gewässer sollen ein nold- amerikanischer Binnensee werden, sondern es galt für die Union auch, den Bau eines Konkurrenzkanals zum Panama-Kanal zu verhindern. Hierbei handelte es sich in erster Linie um den Nicaragua-Kanal, über dessen etwaige Herstellung die Republik Nicaragua der Union schon 1900 erhebliche Zugeständnisse machen mußte. 1911 und 1916 mußte sie gegen die Gewährung dringend notwendiger Anleihen so drückende Verpflichtungen eingehen, daß sie wirtschaftlich ebenfalls der großen nord- amerikanischen Schwesterrepublik ausgeliefert ist. Vor allem sicherte sich diese als eine Vorsichtsmaßnahme gegen eine Ent- schädigung von 3 Mülionen Dollars das alleinige Recht zur Anlage oder richtiger zur Nichtanlage des Nicaragua- Kanals. Außerdem wurde ihr zur Errichtung von Kohlenstationen die Große und Kleine Korninsel an der atlantischen Küste Nicaraguas und ein neuer Flottenstützpunkt an der Fonsecabai, dem weitaus besten Naturhafen Mittelamerikas am Stillen Meer, zugesprochen. Um- gekehrt gelang es den Amerikanern, die einer Bedrohung des Panama-Kanals gleichkommende Festsetzung der Japaner in

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der Magdalenenbai auf der mexikanischen Halbinsel Nieder- Kalifornien zu hintertreiben^^). Präsident Porfirio Diaz hatte Japan die Magdalenenbai als Flottenstation zugesichert. Der Geheimvertrag kam jedoch zur Kenntnis der Vei einigten Staaten. Die Folge war der Sturz des um sein Land hochver- dienten Mannes und der Bürgerkrieg, der von der Union aus unterstützt das unglückliche Land jahrelang nicht zur Ruhe kommen ließ. Die amerikanische Politik hat diesen Anlaß zu einer abermaligen Erweiterung der Monroe-Doktrin benutzt, indem künftighin kein amerikanischer Staat sich in einer der Union unerwünschten Weise mit einer fremden Macht einlassen darf. Ja er soll ohne ihre Genehmigung nicht einmal das Recht haben, wirtschaftliche Verträge mit fremden Staaten zu schließen. In der Tat liegen die Dinge heute so, daß ausländische Unter- nehmer, die in Mittelamerika wirtschaftliche Gerechtsame er- werben wollen, sich vorher unter der Hand nach Washington wenden müssen, wenn sie nicht gewärtig sein wollen, daß die Amerikaner sich einmischen unter dem Verwände, einer Schä- digung ihrer Rechte vorzubeugen.

So hat sich die Union durch die Uebermacht ihres Kapitals, durch die Gewalt der Waffen und durch geschickte Methoden in der Angliederung schwächerer Staaten binnen zwei Jahrzehnten ein westindisch-mittelamerikanisches Kolonial- und Einflußgebiet geschaffen. In zielbewußtem Fortschreiten hat sie bereits die Hand nach Südamerika ausgestreckt, dessen wirtschaftliche Be- herrschung als neues Problem am politischen Horizont auftaucht. Hier eröffnet sich eine unerschöpfliche Rohstoffkammer ge- waltigster Art mit größtenteils noch ungehobenen Schätzen. Wenn eines Tages die vereinsstaatliche Landwirtschaft für den eigenen Bedarf nicht mehr ausreicht, so sollen die Ackerbau- und Viehzuchtgebiete des außertropischen Südamerika aushelfen. Die tropischen Striche dagegen sollen alle diejenigen Produkte liefern, die U.S.Amerika dringend braucht, aber entweder nicht selbst oder nicht in ausreichender Menge gewinnen kann. Eine wert- volle Ergänzung der vereinsstaatlichen Mineralreichtümer sind die altberühmten Erzlagerstätten Südamerikas, neben denen sich das Petroleum Mexikos bereits den zweiten und sein Silber den ersten Platz in der Weltwirtschaft erobert hat. Latein-Amerika ist zugleich ein zukunf tsvoller Abnehmer industrieller Erzeugnisse. Darum kann man es verstehen, daß die Amerikaner sich eifrig

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um die Fußfassung in dem für sie so günstig gelegenen Erdteil bemühen. Vor dem Weltkriege neigte Südamerika in seinen Außenhandelsbeziehungen viel mehr zu Europa, besonders zu England. Seitdem haben sich hier die U.S.Amerikaner so fest eingenistet, daß Europa Mühe haben dürfte, seine alte Ueber- legenheit wiederzugewinnen. So scheint der Name »Vereinigte Staaten von Amerika«, den die Gründer der transatlanti- schen Republik wählten, seiner Verwirklichung entgegenzugehen. Allerdings dachte man damals an einen Bund gleichberechtigter Staaten, während heute die Union unbedingt die Führerrolle beansprucht.

So sehr jedoch das Schwergewicht ihrer überseeischen In- teressen im Lateinischen Amerika und in der Südsee liegt, so haben die Vereinigten Staaten erst durch Einsprüche gegen Judenpogrome in Rußland, Rumänien und Galizien oder gegen Armeniergemetzel in der Türkei, dann durch die Teilnahme an der Marokko-Konferenz in Algeciras und schließlich durch ihre Stellungnahme im Weltkriege immer entscheidender auch in europäische Angelegenheiten eingegriffen, bis der Weltkrieg sie im Sturmschritt in imperialistische Bahnen lenkte. Nicht bloß, daß ihre Industrie durch Kriegslieferungen für die europäischen Verbündeten märchenhafte Gewinne erzielte, während ihre nicht für den Krieg arbeitenden Großgewerbe die Lähmung des euro- päischen Wettbewerbes benutzten, um sich auf dessen Kosten auf dem Weltmarkte, besonders im romanischen Amerika, aus- zudehnen. Auch die Anleihen an die Alliierten brachten große wirtschaftliche Vorteile. So steht die Union im internationalen Wettbewerb viel stärker da als früher. Obwohl als selbständiger Staat einer der jüngsten auf Erden, ist sie in erstaunlich schneller Entwicklung nächst dem britischen Weltreiche die zweite Welt- macht geworden, die in der großen Politik eine immer gewichtigere Sprache führt. Die Entscheidung weltgeschichtlicher Fragen liegt fortan nicht mehr bei den europäischen Großmächten allein, sondern auch bei Japan und noch mehr bei U.S.Amerika.

Nach Raumgröße, Volkszahl und Machtstellung muß die Union ebenfalls unter die Riesenreiche der Erde gezählt werden. Umfaßt sie doch einschließlich ihres Ueberseebesitzes 9,7 Mil- lionen qkm Fläche mit 118 Millionen Einwohnern, wovon 7,84 Millionen qkm mit 106 Millionen Einwohnern auf das Haupt- land entfallen ^'). Mit Alaska nimmt das Gebiet der Vereinigten

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Staaten die knappe Hälfte des nordamerikanischen Festlandes ein. Von dieser Raumgröße machen wir uns kaum eine richtige Vorstellung. Das geht schon daraus hervor, daß wir U.S.Amerika meist mit einem der engräumigen europäischen Großstaaten auf eine Stufe stellen, statt es als erdteilgroßen Staat mit ganz Europa zu vergleichen (vgl. S. ii). An Volkszahl steht zwar die jungbesiedelte Union hinter dem altbesiedelten Europa noch erheblich zurück. Dafür übertrifft sie die Bevölkerung der beiden unmittelbaren Nachbarländer Kanada und Mexiko um mehr als das Vierfache und die Bewohnerschaft Mittel- und Südamerikas ums i34fa-che ^^). Schon infolge dieses ungeheuren Uebergewichtes der Union über die andern amerikanischen Staaten kann von einem Gleichgewicht keine Rede sein, sondern als volkreichster, mächtigster und lebenskräftigster Organismus und als Hauptträger des kulturlichen, politischen und wirtschaft- lichen Lebens stehen die Vereinigten Staaten in der Neuen Welt weitaus obenan. Sie sind die amerikanische Vormacht und Großmacht schlechthin und haben, durch Areal und Geschlossen- heit, Ausstattung und Weltlage, Bevölkerungsmenge und Kultur- entwicklung gleich begünstigt, die Anwartschaft auf die Welt- beherrschung erlangt.

Diese glänzenden Fortschritte sind nicht zum wenigsten die Früchte einer geschickten und rücksichtslosen Politik, der glücklichen geographischen Lage des Landes und des unbeirrten Vorwärtsstrebens der Bevölkerung. Von Europa sind die Ver- einigten Staaten weit genug entfernt, um sich seinem Einflüsse zu entziehen. Das Weltmeer aber, das sie auf drei Seiten um- spült, ist zugleich der Wassergraben, der sie gegen einen über- seeischen Gegner schwer angreifbar macht. Alle wehrhaften Nationen, mit denen U.S.Amerika in Zwist geraten könnte, sind Tausende von Seemeilen entfernt. Der Weltkrieg hat gezeigt, welche ungeheure Aufgabe es ist, ein starkes Heer mit allem, was zu seiner Ausrüstung und Verpflegung gehört, übers Meer zu schaffen, die Schiffstransporte und Nachschübe unbehelligt durchzuführen und trotz feindlicher Kriegsschiffe, Unterseeboote und Luftfahrzeuge in dauernder Verbindung mit der Heimat zu bleiben.

Die Widerstandsfähigkeit wird dadurch erhöht, daß die Union ein Land von kontinentaler Flächenausdehnung ist. Schon in ihrer Geschlossenheit und Großräumigkeit besitzt sie einen

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natürlichen Schutz, während das britische Weltreich aus einer zusammenhangslosen Reihe weit zerstreuter kleiner und großer Bruchstücke besteht, die schwer zusammenzuhalten und gegen eine ebenbürtige Seemacht nicht leicht zu verteidigen sind. Ferner haben es die Vereinigten Staaten verstanden, starke Nachbarn, die ihre Entwicklung beeinträchtigen und ihnen ge- fährlich werden könnten, fernzuhalten. Denn sie erkannten richtig, daß ihre eigene Ueberlegenheit nicht zum wenigsten in der Schwäche der andern amerikanischen Staaten beruht, die es ihnen gestattet, auch ohne die kostspielige Bürde eines großen Heeres in Amerika am stärksten zu sein. Wären sie ähnlich wie Deutschland zwischen eine Vielzahl von Nachbarn, darunter mehrere Großmächte, eingezwängt, so wäre ein so schnelles und riesenhaftes Wachstum undenkbar gewesen. Folgerichtig arbeitet daher die Unionspolitik durch Ausschaltung der europäischen Kolonialländer an der weiteren Verminderung und Vereinfachung der politischen Nachbarschaften.

Durch strenge Beschränkung auf amerikanische und Nicht- einmischung in europäische Angelegenheiten wurden die Ver- einigten Staaten in den Stand gesetzt, ihr stehendes Heer auf einen Bruchteil zu verringern und ihre Kriegsrüstung zu ver- einfachen. So konnten sie die Milliarden, die das gegenseitige Mißtrauen der europäischen Staaten für miUtärische Lasten ausgeben mußte, zu produktiver Arbeit und zur Erweiterung der wirtschaftlichen Machtstellung verwenden. Das Schwergewicht lag in der Kriegsflotte, deren Vermehrung und Vervollkommnung die notwendige Folge der imperialistischen PoHtik mit ihren überseeischen Unternehmungen und Besitzergreifungen war. Schon vor dem Weltkriege war die Union die zweite Seekriegs- macht geworden und ist auf dem Wege, die erste zu werden. Aber auch eine beträchtliche Erhöhung der Landstreitkräfte war nicht mehr zu umgehen, weil der aus seiner schützenden Isolierung herausgetretene und immer mehr in die Welthändel verstrickte Staat längst nicht mehr so unverwundbar ist wie früher. Die Vervielfältigung der politischen Berührungsflächen, die stets zugleich Reibungsflächen sind, steigert die Möglichkeit kriegerischer Verwicklungen und hat den Riesenstaat mit seiner ursprünglich zwerghaft kleinen Wehrmacht immer mehr in die Bahnen des von ihm bekämpften Müitarismus gedrängt. Mit Recht sagt Kj eilen; »Die Zeiten sind vorüber, wo man in

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Amerika die auswärtige Politik und den Militarismus zu den schlimmsten Uebeln der Alten Welt zählte.«

Nicht unwichtig für die Verteidigungsfähigkeit eines Landes ist die Beschaffenheit seiner Grenzen. Gute natürliche Grenzen besitzt die Union in ihren Küstenstrecken, in den großen St. Lorenzseen und in dem mexikanischen Grenzstrom Rio Grande de! Norte. In einem schroffwandigen Canon durchschneidet er eine menschenarme Halbwüste. Doch wird er an mehreren Stellen von Eisenbahnen gekreuzt und ist bei Niederwasser vielerorts bequem zu durchfurten. Dagegen besteht die ihn zum Stillen Ozean fortsetzende »trockene« Grenze aus einer gebrochenen Linie, deren Verlauf in keiner Weise durch die Naturverhältnisse bedingt ist. Viel länger und verwundbarer ist die kanadische Grenze. Den St. Lorenzstrom berührt vereins- staatliches Gebiet nur im Mittel- und Oberlaufe Die »nasse« Grenze der nach ihren Ausdehnungsverhältnissen mit euro- päischen Randmeeren vergleichbaren St. Lorenzseen kann dort, wo kurze Flußstrecken die einzelnen Seebecken trennen ^^), leicht überschritten werden, während die keilförmige Halbinsel Ontario einen britischen Vorstoß gegen Chicago und den Missis- sippi begünstigt. Eine bedrohliche Einbruchsstelle ist auch die vom St. Lorenzstrom durch den Champlainsee und das Hudsontal nach New York ziehende Grabensenke, die ins Herz des vereinsstaatlichen Industriegebietes führt und schon im Unab- hängigkeitskriege und im Kriege von 1812 14 eine Rolle spielte. Der starke Kriegshafen Halifax an der atlantischen Seite Britisch- Nordamerikas findet sein Gegenstück in dem pazifischen Kriegs- hafen Port Esquimault, der den Eingang zu einem der wichtig- sten Handelsgebiete der Union, dem Puget-Sund, überwacht. So steht den vereinsstaatlichen Einbruchsstellen nach Kanada auch eine Reihe guter Einfallspforten in die Union gegenüber. Im übrigen ist die Nordgrenze eine rein künstliche Scheidelinie, die weithin offenes Land durchzieht und deshalb für beide An- lieger eine strategische Schwäche bedeutet. Der 49. Breitenkreis bildet westlich der St. Lorenzseen als eine 2000 km lange gerade Linie die längste mathematische Staatsgrenze auf Erden.

Aber auch die Außenländer der Union bieten leichte An- griffspunkte für einen seetüchtigen Gegner dar. Die britischen Bahamas sperren die wichtigsten Eingänge {Floridastraße, Wind- ward-Passage) ins Amerikanische Mittelmeer. Die starke eng-

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lische Seefestung Port Royal auf Jamaica beherrscht inmitten der westindischen Gewässer die Zufahrtswege zum Panama- Kanal. Weiter draußen im Atlantischen Ozean liegt als Hauptpfeiler der geradezu uneinnehmbare britische Flottenstützpunkt der Bermudas. Diese Nachbarschaft ist um so unangenehmer, als sie eine Beengung der vereinsstaatlichen Bestrebungen bedeutet, wenn auch England aus verschiedenen Gründen ernstliche Rei- bungen mit der Union möglichst zu vermeiden sucht. Der dunkle Punkt in dem guten Einvernehmen zwischen beiden angelsäch- sischen Riesenreichen ist die kanadische Frage. Denn der Ein- verleibung Britisch-Nordamerikas wird in der Union offen das Wort geredet, da man in diesem Lande mit seinen glänzenden landwirtschaftlichen Fortschritten einen nicht zu unterschätzen- den Nebenbuhler sieht, während es andrerseits als ein Besitz gilt, der den U.S.Amerikanern mit der Zeit von selbst zufallen dürfte. Bei den engen Beziehungen zwischen beiden Ländern beherrscht die Union unter Ueberflügelung Großbritanniens die Hälfte des kanadischen Außenhandels. Ein lebhafter Aus- wandererstrom flutet von beiden Seiten über die Grenze, und vereinsstaatliches Kapital nistet sich im Nachbarlande immer fester ein. Begreiflicherweise wird diese Entwicklung, die einer staatlichen Vereinigung vorarbeitet, von England mit Miß- behagen betrachtet, weil Kanada wirtschaftlich und politisch ein wertvolles Glied Größer-Britanniens ist.

Aber auch das Lateinische Amerika steht der Bevormundung' durch den großen nordamerikanischen Bruder nicht freundlich gegenüber, der unter dem Deckmantel des Panamerikanismus oder des allamerikanischen Gedankens seine egoistischen Pläne weiter verfolgt. Seit die panamerikanische Union sämtlicher Republiken der Neuen Welt mit dem ständigen Zentralbureau in Washington ins Leben getreten ist, haben wiederholt pan- amerikanische Kongresse stattgefunden mit dem Ziel, die Staats- einrichtungen und die wissenschafthchen Bestrebungen in ganz Amerika zu vereinheitlichen. Auch durch Studienfahrten und Vortragsreisen, durch Professoren- Austausch und durch Heran- ziehung südamerikanischer Studierender an die vereinsstaat- lichen Hochschulen sucht man die geistigen Bande zwischen dem allamerikanischen Völkerbunde enger zu knüpfen. Ferner denkt man daran, die getrennten Stücke des neuweltlichen Schienen- netzes zu einer riesigen panamerikanischen Längsbahn von

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New York bis Buenos Aires zusammenzufassen, die gleichsam ein Symbol der staatlichen Zusammengehörigkeit des ganzen Erdteils sein soll.

Ob sich das Romanische Amerika auf die Dauer der Vor- machtsstellung der Union wird entziehen können oder ob die kräftigeren Staaten des außertropischen Südamerika einen wirk- samen Gegendruck auszuüben vermögen, sind Zukunftsfragen. Aber sie werden sich aufrollen. MoritzWagner hat das Wort geprägt, daß es das unabwendbare Verhängnis der spanisch- amerikanischen Völker sei, unter den Schatten des riesigen nordamerikanischen Freiheitsbaumes gestellt zu werden, um darunter zu verkümmern und in ihrer Eigenart zugrunde zu gehen. Der frühere Präsident Rcosevelt hat sogar kein Hehl daraus gemacht, daß die tatsächlichen Grenzen der Ver- einigten Staaten erst an der Südspitze Amerikas enden. Doch dürfte dafür gesorgt sein, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen und daß die Zukunftsträume der vereinsstaatlichen Politiker sich nicht ins Uferlose verlieren. Die klimatischen und wirtschaftlichen, die völklichen, sprachlichen, religiösen und geistigen Unterschiede zwischen beiden Erdteilhälften sind viel zu tiefgehend, und die Rassenabneigung des romani- sierten Mischlingstums Mittel- und Südamerikas gegen das rein gebliebene anglisierte Nordamerikanertum, ist viel zu groß, um eine engere Verknüpfung wünschenswert und dauerhaft er- scheinen zu lassen. Ueberdies hat die Vergewaltigung Colombias in der Panama- Angelegenheit, die Schädigung der Hoheitsrechte Nicaraguas und das wenig freundnachbarliche Vorgehen der Union gegen Mexiko durch die Unterstützung der Revolutionäre und durch zeitweilige Besetzung mexikanischen Gebietes den andern Staaten Latein- Amerikas die Augen geöffnet. Es hat in ihnen mit dem Gefühl der Abwehr und des Bedrohtseins das Gefühl der Zusammengehörigkeit erweckt und unter den stärkeren von ihnen, wie Argentinien und Chile, eine Gegenströmung gegen die Vorherrschaftsgelüste der Vereinigten Staaten entstehen lassen. Dazu kommt, daß die Länder des gemäßigten Südamerika als Ackerbau- und Viehzuchtgebiete ihre Erzeugnisse nicht an die Union absetzen können, die selbst ein landwirtschaftliches Land ersten Ranges und somit ihr Mitbewerber ist. Vielmehr sind sie auf das getreidehungrige West- und Mitteleuropa ange- wiesen, von dem sie dafü^ Fabrikate unter eben so günstigen

H a s s e r t , Vereinigte Staaten. 3

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oder noch günstigeren Bedingungen beziehen als aus den Ver- einigten Staaten. Jedenfalls erkennt man im Lateinischen Amerika immer deutlicher, daß trotz der Betonung der gemein- samen Interessen und aller schönen Worte vom allamerikanischen Gedanken die Politik des Panamerikanismus nur darauf hinaus- läuft, den Einfluß der Nordamerikaner zu stärken.

Daß Japan der entschiedenste Widersacher einer »Ameri- kanisierung« der Südsee ist, wurde bereits (vgl. S. 22) erwähnt.

Und wer weiß schließlich, ob nicht die übermäßig große Ausdehnung der Union selbst den Zusammenhalt des Gesamt- staates beeinträchtigt? Zwar hat der Bürgerkrieg, dieses ent- scheidendste Ereignis in der innerpolitischen Geschichte U.S.- Amerikas, dem Gedanken der Unauflöslichkeit der bundesstaat- lichen Einheit zum Siege verhelfen, und bei dem vorbildlichen Patriotismus der Amerikaner und ihrem unverwüstlichen Glau- ben an die zukünftige Größe ihres Landes darf man sich nicht etwa trügerischen Erwartungen über ein Auseinander fallen der Union hingeben. Auch die Einfachkeit der Oberflächengestaltung, die dem Verkehr keinerlei Hindernisse bereitet, ist der staatlichen Zusammenfassung und nationalen Vereinheitlichung viel gün- stiger als die Vielartigkeit der Landschaften und Völker Europas, zumal ein dichtes Netz von Eisenbahnen und Wasserwegen die einzelnen Landesteile fest miteinander verknüpft. Auf der andern Seite wird jedoch durch die fortschreitende Bevölkerungszunahme das Gefüge großräumiger Staaten dadurch nachteilig beeinflußt, daß Hunderte von Millionen kulturlich hochstehender Menschen ~ so viele sollen dereinst nach dem Wunsche der Amerikaner ihr Land bewohnen mit ihren sehr verschiedenen Interessen und Bedürfnissen nicht als »Masse Mensch «, sondern individuell behandelt und regiert werden müssen. Das schheßt nach Karl Dove (Allgemeine Politische Geographie, Sammlung Göschen 1921, S. II 12) die Form eines straff zentralisierten Einheits- staates aus und begünstigt eher eine Art von Bundesstaaten. In dieser Beziehung hat die Union das schwierige Problem der staatlichen Zusammenfassung eines Riesenlandes und -Volkes bisher glänzend gelöst und zwar durch weitgehende staatliche Dezentralisierung und eine auf breiter demokratischer Grund- lage ruhende Verfassung 2°).

Dennoch sind auch in den Vereinigten Staaten die geogra- phischen Richtlinien für ein Auseinandergehen der Interessen

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deutlich vorgezeichnet. Trotz seines wunderbar raschen Wachs- tums ist U.S.Amerika noch ein jugendliches, unfertiges Ge- bilde, in vielen Beziehungen noch ein Kolonialland. Wie leicht können in einem solchen Bau bei den wirtschaftlichen Ver- schiedenheiten und Sonderinteressen seiner Teile Risse und Sprünge entstehen ! Der Nordosten entwickelt sich unverkennbar zu einem reinen Fabriklande. Ebenso schreitet im Baumwolle bauenden Süden dank den billigen Arbeitskräften der Neger und dem im eigenen Lande gewonnenen Rohstoff die Indu- strialisierung fort'. Die nördlichen Zentralstaaten werden immer mehr die Hauptsitze der Farmwirtschaft und der darauf ge- gründeten landwirtschaftlichen Industrien. Die Felseng ebirgs- und Plateaustaaten dürften nach wie vor die vornehmsten Träger des Bergbaues bleiben, da ihr trockenheißes Klima und ihre Wasserarmut der Einbürgerung des Ackerbaues entgegen- stehen. Die durch Hochgebirge und Halbwüsten isolierten pazi- fischen Küstenstaaten endlich bilden ein selbständiges Wirt- schafts- und Verkehrsgebiet, dessen überseeische Interessen in ganz anderer Richtung liegen als diejenigen des atlantischen Ostens. Die Scheidung der Union und der Neuen Welt überhaupt in eine atlantische und pazifische Seite war bisher weniger bedeut- sam, weil der Stille Ozean politisch und verkehrsgeographisch Jahrhunderte hindurch tatsächlich ein stilles Meer war. Seit jedoch seine Randländer erwacht sind und sich rasch entwickeln, kommt trotz Pacificbahnen und Panama-Kanal die trennende Wirkung des Cordillerenwalles immer schärfer zur Geltung. Damit tritt an die Stelle des alten Gegensatzes zwischen Nord und Süd ein solcher zwischen dem Osten und dem äußersten Westen, d. h. zwischen altem Mutterland und jugendkräftigem, nach wirtschaftlicher Selbständigkeit strebendem Kolonialland. Nicht zu übersehen sind auch die Unterschiede zwischen den vorwiegend kontinentalen Interessen der Binnenstaaten und den Seeinteressen der Küstenstaaten ^^) . Wie aber der Gegensatz zwischen Nord und Süd zugleich einen Rassengegensatz zwischen Weiß und Schwarz bedeutet, so bezeichnet der Gegensatz zwischen Ost und West einen solchen zwischen Weiß und Gelb. Der Nordosten und die östliche Mitte sind das Hauptland der Weißen, der Süden ist das Hauptverbreitungsgebiet der Neger und Negermischlinge, und der Westen lockt den mongolischen Einwanderer an. Doch auch der Zustrom der Europäer hat

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infolge der starken Verschiebungen in der Volkszugehörigkeit die Befürchtung einer »schmutzigweißen« Gefahr hervorgerufen. Rechnet man zu diesen schwierigen Rassen- und Einwanderungs- problemen noch die unerfreuliche Entwicklung der sozialen Fragen, den Geburtenrückgang, die Bestechlichkeit der Ver- waltung und die drohende Erschöpfung wichtiger Naturschätze, so zeigen die Vereinigten Staaten neben viel Licht auch mancher- lei Schattenseiten und Krankheitserscheinungen. Die Stunde der Prüfung, des Kampfes um Sein oder Nichtsein, ist bisher keinem Staate erspart geblieben. Auch für U.S.Amerika wird sie einmal schlagen.

3. Lage und Küsten.

Günstige Weltstellung. Breitenlage. Mittellage zum Weltmeer und im Vergleich zu Europa. Zeiträumliche Entfernungsverkürzung durch Pacific- bahnen und Panama-Kanal. Geringe Küstenentwicklung und beträchtliche Meerferne. Eigenart der atlantischen, Golf- und pazifischen Unionsküste.

Welches sind nun die natürlichen Grundlagen für die Welt- machtstellung der Vereinigten Staaten? Worauf beruht ihre große wirtschaftliche Selbständigkeit und ihre gewaltige, immer noch wachsende Kraft? Der eine Hauptbestandteil der geo- graphischen Ausrüstung ist das Land mit allen Eigenarten seiner Lage, seiner Oberflächengestalt und seines inneren Baues, also der Boden. Der zweite Hauptbestandteil ist das Klima. Den dritten machen die Menschen als wertvollstes Kapital eines jeden Landes, namentlich eines wirtschaftlichen Neulandes, aus.

Die Weltstellung der Union, d. h. ihre Lage innerhalb des Gradnetzes der Erdkugel, ist für Wirtschaft und Handelsverkehr nicht minder günstig wie die geographische Nachbarschaft zu den übrigen Festländern und den umgebenden Meeren. Im zugehörigen Erdteil Nordamerika ist sie ein Reich der Mitte, da sie eine ausgesprochene Mittellage zwischen Kanada im Norden und Mexiko im Süden besitzt. Damit nimmt sie zugleich das kulturlich und wirtschaftlich wichtigste Stück Nordamerikas ein, ohne dabei unter einem so allseitig wirkenden Druck zu stehen, wie ihm das zentralst gelegene, aber auch nachbarschafts- reichste Land Europas, Deutschland, ausgesetzt ist.

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Der geographischen Breite nach fällt U.S.Amerika in die nördliche gemäßigte Zone und zwar hauptsächlich in ihren wärmeren südlichen Abschnitt, während umgekehrt Europa zum größeren Teile dem kühleren nördlichen Abschnitt angehört. Die Union reicht also nicht so weit nordwärts wie die meisten euro- päischen Staaten, dringt aber dafür um so tiefer in die Subtro- pen ein. Allerdings ist das vereinsstaatliche Klima rauher und gegensatzreicher, als man nach der geographischen Breite er- warten sollte. Das ist der Grund, warum man sich die Lage der Union meist viel nördlicher vorstellt, als sie in Wirklichkeit ist. Denn polwärt s geht sie nirgends über 49 ^ N, d. h. nicht über die Breite Süddeutschlands, hinaus. Am Michigan- und Eriesee weicht die Nordgrenze sogar bis in die Breite Roms zurück. New York liegt auf demselben Parallel wie Neapel und Konstantinopel, New Orleans aber in gleicher Höhe wie Kairo. Die Südgrenze der Vereinigten Staaten verläuft somit unter nordafrikanischer Breite. Ihre beiden südlichsten Vorposten, die Mündung des Rio Grande del Norte und die Südspitze Flo- ridas mit den Key-Inseln, dringen sogar bis 25^ N oder in die Breite der mittleren Sahara vor. Infolgedessen ist die Ent- fernung vom Wendekreis, der mathematischen Grenzlinie der heißen Zone, nicht mehr sehr groß, wenn auch die Union die Tro- pen selbst nicht berührt. Immerhin liegt sie den fruchtbaren Tropenländern Mittelamerikas und Westindiens viel näher als die europäischen Mutterländer ihren afrikanischen Tropen- kolonien. Nur eine 250 km breite Meeresstraße, die eine Eisen- bahn-Dampffähre überbrückt, scheidet die Südspitze Floridas von der reichen Insel Kuba. Wesentlich weiter liegt U.S.Amerika vom unwirtlichen Polargebiet ab, obwohl es auch an ihm durch das Außenterritorium Alaska unmittelbaren Anteil hat. Im übrigen sind die Vereinigten Staaten unter allen fremden Ländern nach Klima und Natur Europa am ähnlichsten, weshalb sie der wichtigste Ableger der europäischen Bevölkerung, Kultur und Wirtschaft geworden sind.

Von den vier Seiten der U.iion sind drei dem Weltmeer zugekehrt, dem Stillen Ozean im Westen, dem Atlantischen Ozean im Osten und seinem Nebenmeer, dem Mexikanischen Golf, im Süden. Selbst die vierte Seite trägt ein halb maritimes Gepräge, indem die Osthälfte der sonst rein binnenländischen Nordgrenze von dem Binnenmeere der Kanadisch-Amerikanischen

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Seen und ihrem mächtigen Auslaß, dem St. Lorenzstrom, ein- genommen wird. Die Golfküste stößt fast rechtwinklig mit der atlantischen zusammen, wird aber von ihr durch den Halbinsel- vorsprung Floridas scharf geschieden Als Anrainer des Mexi- kanischen Meerbusens schaut die Union nach Südamerika und worauf sie auch die Ausmündung des mächtigen Binnen- schiffahrtssystems des Mississippi besonders hinweist ins Amerikanische Mittelmeer mit seinen Inselguirlanden im Osten und seiner Festlandsumrandung im Westen Nach der Lage zum Meer werden die westlichen Staaten als pazifische, die öst- lichen als atlantische, die südlichen als Golf Staaten und die den Ozean nirgends berührenden Binnengebiete als Zentral-, Felsen- gebirgs- und Plateaustaaten bezeichnet.

Vor allem ist jedoch die Union durch ihre Mittellage zwischen den beiden größten Ozeanen, dem Atlantischen und Stillen, be- vorzugt. In dieser Beziehung steht Amerika weit über Europa, dessen vielgerühmte zentrale Lage praktisch gar nicht in dem Maße wirksam werden kann, wie man sie über Gebühr zu betonen pflegt. Europa hat nämlich bloß nach Westen hin die Möglich- keit geradliniger Seeverbindungen. Dagegen zwingt die östlich angrenzende Landmasse Asiens die Schiffahrt zu einem ge- waltigen Umweg um die Südspitze Afrikas, den erst der Bau des Suezkanals herabgemindert hat. Nach Norden hin schließt die Eisschranke des Polarmeeres einen regelmäßigen Seeverkehr überhaupt aus. Wollte man von Europa kürzesten Weges nach Ostasien gelangen, so müßte man das kulturarme und verkehrs- feindliche Innerasien durchqueren. Ganz anders Amerika, von dem die geradesten, also kürzesten Schiffskurse sowohl nach Europa und Ostasien wie nach Südamerika ausgehen. Nicht Europa, sondern Amerika ist daher der Erdteil der Mitte, zentral gelegen zum europäischen Westrande, dem wichtigsten Industrie- und Handelsgebiet der Erde, und zum asiatischen Rande der Alten Welt, die im Zeitalter des Dampfes als Gegenküsten der Union gelten müssen.

Allerdings wird diese günstige Verkehrslage dadurch beein- trächtigt, daß vor der Vollendung des Panama-Kanals die durch- gehende Schiffahrt den ungeheuren Umweg um die Südspitze Amerikas einschlagen mußte, um von der Ost- zur Westküste des Erdteüs zu gelangen. Der läumlich viel kürzere Landweg aber war vor der Zeit der Eisenbahnen überaus beschwerlich,

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gefährlich und zeitraubend, weil eine nicht leicht überschreitbare Schranke von Hochgebirgen und wüstenhaften Hochflächen und die Feindseligkeit der Indianer die pazifische Rückseite völlig gegen die atlantische Seite isolierte. Demgemäß führte jede der beiden Küsten ein Sonderdasein, und lebhaftere Verkehrs- beziehungen zwischen ihnen waren ausgeschlossen Die zwischen- ozeanische Lage der Vereinigten Staaten verlangte indes ge- bieterisch eine bessere und schnellere Verbindung von Meer zu Meer, einmal durch die Pacificbahnen für den Land verkehr und dann durch eine Wasserstraße für die Seeschiffahrt. Eben so verständlich war es, daß die U.S.Amerikaner alles aufbieten mußten, um in den Besitz des für sie so wichtigen Wasserweges, des Panama-Kanals, zu kommen. Seitdem ist für die von der europäisch-atlantischen Kultur und vom Hauptkörper des eigenen Landes so entlegenen pazifischen Staaten eine neue Zeit ange- brochen, obwohl die Entfernungen zur See noch immer beträcht- lich sind. Denn während New York von den nordwesteuro- päischen Welthäfen 3000 3500 Seemeüen (zu 1852 m) abliegt, ist es von San Francisco 5300 und von Seattle 6100 Seemeilen entfernt. Der Ueberseeweg nach Europa ist also fast ums Dop- pelte kürzer als die eigene Küstenschiffahrt nach dem Westen. Dabei hat die Durchstechung der mittelamerikanischen Land- brücke die See-Entfernungen zwischen New York und San Fran- cisco schon um 8000 Seemeüen oder um 60% der früheren Strecke verkleinert !

Dagegen sind für die Amerikaner die Entfernungen nach den mittel- und südamerikanischen Häfen und vom pazifischen Gestade aus nach Ostasien und den Südsee-Inseln viel kürzer als von Europa aus, das dafür über den »Großen Teich« des At- lantischen Ozeans in kürzester Verbindung mit der Ostseite der Union steht. Diese Seite ist aber die geschichtlich bedeutsamste Seite Nordamerikas, weil sie demjenigen Eidteil gegenüberliegt, von dem die Entdeckung und Kolonisierung der Neuen Welt überhaupt erst ausging. Auch die Union ist eine atlantische Schöpfung Die 13 alten Staaten, die ältesten, Volks- und ver- kehrsreichsten, geschichtlich, kulturlich und wirtschaftlich her- vorragendsten Unionsstaaten, gehörten ursprünglich dem küsten- nahen Hügel- und Tiefland zwischen den Appalachen und dem Atlantischen Ozean an. Bis zum Anfange des 19. Jahrhunderts waren die Vereinigten Staaten als politisches Gebilde überhaupt

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im wesentlichen auf diesen Streifen beschränkt, der mit Euiopa noch heute die lebhaftesten Beziehungen unterhält und von ihm die Hauptmasse der Einwanderer empfängt. Daher enden hier die meisten und wichtigsten Dampferrouten und Eisenbahn- linien. Je weiter die Küste nach Norden vordringt, um so mehr nähert sie sich dem europäischen Gegengestade, so daß der nörd- liche Teil des Atlantischen Ozeans am schnellsten durchfahren werden kann. Da überdies an der Nordostküste U.S.Amerikas sich die meisten und besten Naturhäfen zusammendrängen, so wird ihre Handelsüberlegenheit wohl für alle Zeiten bestehen bleiben.

Im übrigen ist die Küstenentwicklung viel weniger günstig als die geographische Lage der Union. Gegenüber dem reich- gegliederten Europa mit seiner innigen Durchdringung von Land und Meer und selbst gegenüber Kanada hat die amerikanische Nachbarrepublik eine viel geschlossenere Gestalt, und ihre Küstenlänge ist im Vergleich zur Flächengröße des Landes nicht beträchthch. Sie beträgt mit Einrechnung der kleinen Ein- schnitte, Buchten und Inseln 22 700 qkm, so daß auf 1000 qkm Landfläche noch nicht 3 km Küstenlänge kommen gegen 8 km in Europa. Von dieser Zahl entfällt die Hälfte auf das reich- geghederte atlantische Gestade, während die beiden andern Küstenstrecken sich ungefähr gleichmäßig in die andere Hälfte teilen. Diese geringe Küstenentwicklung ist die Folge des Fehlens bedeutenderer Halbinseln, Inseln und Buchten, die räumlich zu klein oder zu wenig scharf abgegrenzt sind, um selbständig hervorzutreten. Nur der Mexikanische Golf bildet einen tief eindringenden Meereseingriff von gewaltiger Ausdehnung, dem Europäischen Mittelmeer vergleichbar. Bloß die Halbinsel Florida springt weit über den Festlandsrumpf vor, und neben ihr ist innerhalb der vereinsstaatlichen Grenzen noch die Delaware- Halbinsel zwischen der Delaware- und Chesapeakebai erwäh- nenswert. Unter den Inseln ist lediglich Long Island vor den Mündungen des Hudson und Connecticut durch eine nicht ganz und gar hinter der Festlandsmasse zurücktretende Größe aus- gezeichnet.

Der Mangel an größeren Halbinseln und Buchten bedingt auch die massige, gedrungene Gestalt des Riesenreiches. Die Längenausdehnung von Osten nach Westen beträgt zwischen 3500 und 4600 km, die Breite von Norden nach Süden schwankt

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zwischen 1300 und 2600 km. Denkt man sich zur Veranschau- lichung dieser Entfernungen die Vereinigten Staaten über Europa gelegt, so würden sie im Westen durch die Westseite Irlands und der Iberischen Halbinsel, im Osten durch den Ostrand des Schwarzen Meeres, im Norden durch die Linie Kap Landsend- Prag ^Charkow und im Süden durch Nordafrika begrenzt werden. Die beträchtliche Ost West-Erstreckung der Union kommt auch in dem durch sie bedingten Zeitunterschied zur Geltung. New York und San Francisco sind rund 48 Längen- grade voneinander entfernt, was einem Zeitunterschied von mehr als drei Stunden entspricht. Ist es in New York 12 Uhr mittags, so ist es in San Francisco %9 Uhr vormittags.

Die geringe horizontale Gliederung der Union kommt auch in den weiten Entfernungen der Binnenlandschaften von der Küste zum Ausdruck. Im reich gegliederten Europa liegen nur wenige, räumlich unbedeutende Gebiete mehr als 600 km vom nächsten Meere ab. In U.S.Amerika dagegen gibt es ausge- dehnte Flächen, deren Küstenferne ein Mehrfaches der euro- päischen Zahl beträgt. Das ist für die Beziehungen der Binnen- staaten zum Seewesen nicht belanglos und bedeutet einen Nach- teil, der auch durch die Vervollkommnung, Verbilligung und Beschleunigung der Verkehrsmittel nicht ganz beseitigt wer- den kann. Andrerseits erklärt der weite Raum das groß- zügige Denken und Handeln der Amerikaner in politischen und wirtschaftlichen Dingen, das in der Riesenhaftigkeit der vereinsstaatlichen Ueberlandbahnen einen sinnfälligen Ausdruck findet.

Aber nicht in der Küstenentwicklung an sich, deren Einfluß man bei anthropogeographischen Untersuchungen wohl zu hoch eingeschätzt hat, sondern in der allgemeinen Natur der Küste und in ihrer Lage zum Weltverkehr ist in erster Linie ihr Kultur- und Verkehrswert begründet. Kanada z. B. hat wegen seiner nördlichen, dem großen Verkehr entrückten Lage und wegen seines langen, strengen Winters von seiner reichen horizontalen Gliederung nur geringen Vorteil. Wenn ferner in der Union die großen Züge der Küstengliederung schwächer ausgeprägt sind, so ist dafür die kleine GHederung und die dadurch bedingte Aufgeschlossenheit des Gestades durch eine Vielzahl von Buchten und durch die Mündungen weit hinauf schiffbarer Ströme um so bemerkenswerter. Gerade die wichtigste Gestadestrecke U.S.-

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Amerikas, die von Nordost nach Südwest ziehende atlantische, ist in dieser Beziehung am besten ausgestattet und am leichtesten zugänglich. Das gilt vor allem von ihrem nördlichsten Ab- schnitt, wo die Felsgrundlage des Appalachengebirges das Meer erreicht und eine vielgestaltige Fjordküste schafft. Eine Fülle ausgezeichneter Naturhäfen gehört ihr an, und die seetüchtigste Bevölkerung der Union hat hier ihre Heimat. SüdHch vom Hudson, an dessen Mündung in unvergleichlicher Lage, gleich bequem von der Seeseite wie von der Land seit e aus erreichbar, der Welthafen New York emporgeblüht ist, entsteht durch das Zurückweichen der Appalachen ins Binnenland eine aus lockeren Ablagerungen aufgebaute Flachküste. Sie ist ebenfalls noch überaus buchtenreich, weil infolge positiver Strandverschiebungen die Flußmündungen untergetaucht oder ertrunken sind und sich in vielverzweigte, tief eingreifende Meeresbuchten ver- wandelt haben, deren längste die Delawarebai und die austern- reiche Chesapeakebai sind.

Dagegen ist das südatlantische Gestade der Union eine in ständiger Um- und Neubildung begriffene Haff-, Watten- und Dünenküste, ein halb amphibisches Gebilde mit langgestreckten Nehrungen und schmalen Sandinseln, zwischen denen enge, veräxiderliche Einfahrten oder Inlets in die dahint erlieg enden Strand Seen und Küstensümpfe führen. Noch verkehrsfeindlicher und hafenärmer ist die Ost- West verlaufende Golfküste. In ihrer ganzen Erstreckung ist sie eine schwer zugängliche Doppelküste, flach und weithin versumpft, mit endlosen Reihen von Lagunen und langgestreckten Düneninseln.

Auch die im allgemeinen von Südost nach Nordwest ge- richtete pazifische Küste entbehrt der reichen Gliederung und ist von Natur verkehrsabweisend. Aber zum Unterschied von der südlichen atlantischen und von der Golfküste ist sie eine felsige Steilküste, die nur an wenigen Stellen von flachem An- schwemmungsland unterbrochen wird. Doch öffnet sie sich in der Bai von San Francisco und im Puget Sund in ungemein glücklicher und großartiger Weise dem Verkehr. Das ist um so wichtiger, als gerade der vereiasstaatliche Küstenbesitz den kulturlähigsten Abschnitt der ganzen Westküste Nordamerikas darstellt. Denn in Süd-Kalifornien und weiter nach Süden breitet sich eine öde, trockenheiße Steppe aus, und im Norden, noch innerhalb der vereinsstaatlichen Grenzen, tritt ein schwer

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überschreitbares Hochgebirge unmittelbar ans Meer, während ein übermäßig feuchtkühles Klima mit langen, schneereichen Wintern dem Ackerbau und der Besiedlung entgegensteht.

4. Oberflächengestalt.

Einfache Oberflächengestaltung mit drei großen Tiefenfurchen und zwei Haupterhebungssystemen. Gliederung in drei Großlandschaften. Pazifische Westseite oder Cordillerenland, Großes Tal des Mississippi und atlantische Ostseite oder Appalachenland mit ihren Unterlandschaften.

Der Boden ist der Schauplatz menschlicher Siedelung und Betätigung, die Grundlage des Verkehrs und der Träger der wirtschaftlichen Naturschätze.

Die Union wiederholt in ihrem Ober flächenbau die Grund- gestalt Nordamerikas, die in ihrer Gesamt anläge sehr einfach ist und aus drei breiten, sich wirtschaftlich vortrefflich ergänzenden Streifen besteht, dem Osten, der Mitte und dem Westen. Zwei die atlantische und pazifische Küste begleitende Erhebungs- systeme, deren Kern die Appalachen und Cor diller en bilden, schließen ein der Mittelachse folgendes weites Tiefland ein, das Große Tal des Mississippi und der St. Lorenzseen ^) . Das westliche Erhebungssystem wiederholt diesen allgemeinen Grund- bau in kleinerem Maße, indem ein ungeheures Hochland, einem Becken vergleichbar und wohl auch in seiner Gesamtheit als Großes Becken bezeichnet, beiderseits von meridional gerichteten Hochgebirgen umsäumt wird. Im äußersten Westen tritt noch eine dritte große Tiefenfurche hervor, das Oregonisch-Kali- fornische Längstal mit seinen Randgebirgen. Das Cordilleren- land ist viel höher, breiter und massiger als sein atlantisches Gegenstück. Zwischen beiden bestehen tiefgreifende Unter- schiede im geologischen Bau und in der geologischen Geschichte, in der Ober flächengest altung und Bewässerung, im Klima und im Pflanzenkleid, in der Besiedlung und in den wirtschaftlichen Hilfsquellen. Aber beide Landeshälften verknüpft ein die Gegen- sätze ausgleichendes Uebergangsland. Zum Unterschiede von den auf engem Raum rasch wechselnden Landschaftsbildern West- und Mitteleuropas behält die nordamerikanische Landschaft auf Hunderte von Kilometern dieselben Züge, so daß man ganz unmerklich und allmählich aus einem Naturgebiet ins andere

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gelangt. Die großartige Einfachheit und EinheitHchkeit der orographischen Verhältnisse, die viel mehr zur Verbindung als zur Trennung neigt, erleichtert den Verkehr und hat dadurch auch zur politischen Zusammenfassung des weiträumigen Landes nicht wenig beigetragen. Nur die pazifischen Randgebiete werden durch die massige Hochlandsschwelle isoliert und vom Haupt- körper der Union abgetrennt.

Das Cordillerenland bringt den bezeichnendsten Zug in die Oberflächengestaltung U.S.Amerikas. Es erfüllt das ganze westliche Drittel des Staates und erreicht im kali- fornischen Hinterlande mit mehr als 2000 km (== Luftlinie Rhonemündung Donaudelta) seine größte Breite. Orographisch bildet es eine nach Höhe und Ausdehnung gleich mächtige An- schwellung, die 1000 m Höhe meist beträchtlich überschreitet zum Unterschied vom appalachischen Osten, bei dem die Höhen unter 1000 m entschieden überwiegen. Das Hochland ist reich an Naturwundern verschiedenster Art, an Canons und vul- kanischen Springquellen, an Riesenbäumen und Riesenwasser- fällen. Aber auch wasser- und pflanzenarme, menschenfeindliche Wüsten nehmen weite Räume ein. Die Binnenhochfläche wird, abgesehen von den beiderseitigen Randgebirgen, im Innern von Gebirgsketten durchzogen, die mit Ausnahme des Ost- West verlaufenden Uintah- Gebirges eine meridionale Streichrichtung einhalten. Ihre 4400 m überschreitenden Gipfel kommen unsern höchsten Alpenzinnen fast gleich ^), während die bis 2400 m hinaufreichenden Pässe unsere wichtigeren Alpenübergänge an Höhe übertreffen. Herrschte hier ein ähnlich schneereicher Winter wie in den europäischen Hochgebirgen, so würde der Bahnbetrieb wesentlich schwieriger und kostspieliger sein. Da auch die An- und Aufstiege viel sanfter sind, so war die Ueber- windung der Hochgebirge leichter und erforderte viel weniger und viel kürzere Tunnelanlagen als der Bau unserer Alpen- bahnen.

Da die Hochgebirge des Westens einen Teil des gewaltigen Gebirgsrückgrates bilden, das unter dem Namen Cordilleren den gesamten Erdteil Amerika vom äußersten Norden bis zum äußersten Süden durchzieht, so kann man den Westen die cor- dillerische Seite oder, weil ihn der Stille Ozean bespült, die pazifische Seite nennen. Die Gebirge bestehen hauptsächlich aus alten Gesteinen, die im Bereiche der Tafelländer weithin von

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jüngeren Formationen überlagert werden. Seine heutige Aus- gestaltung als Falten- und Schollenland hat der cordillerische Westen im Gegensatze zum viel älteren atlantischen Osten erst in junger geologischer Vergangenheit, im mittleren Tertiär, erhalten, wenngleich die erste Anlage beider Landkerne bis in die archäische Zeit zurückreicht. Die gebirgsbildenden Kräfte verursachten neben der starken Faltung, welche die Gebirgs- ketten schuf, auch zahlreiche Verwerfungen, an denen große Schollenstücke der Erdkruste einsanken. Häufige und heftige Erdbeben beweisen, daß die tektonischen Verschiebungen noch nicht zur Ruhe gekommen sind. Aus den Bruchspalten aber drangen ungeheure Mengen jungvulkanischer Ergüsse empor, die das alte Grundgerüst vielerorts vollständig verhüllen. Die Basaltdecke des Columbia und Snake River (Schlangenfluß) übertrifft mit 600 000 qkm Fläche das Deutsche Reich ums i^fache an Ausdehnung und ist eines der gewaltigsten Ueber- gußtaf elländer der Erde ^) .

Der Gesteinszusammensetzung und den starken tektonischen Störungen verdankt der Westen auch seinen in absehbarer Zeit kaum zu erschöpfenden Reichtum an Mineral Jen und Erzen. Weltruf haben die Goldschätze Kaliforniens und des Cripple Creek in Colorado sowie die Gold- und Silbermengen des Com- stock Lode in Nevada erlangt. Dazu kommen Petroleum, Quecksilber, Kupfer und andere Bergwerkserzeugnisse, die den Westen zu einem Bergbaugebiet ersten Ranges machen. Der Bergsegen hat ihm überhaupt erst seine Menschen gebracht und ernährt den größten Teil der Bewohner der Felsengebirgs- und Plateaustaaten. Denn abgesehen vom ständig feuchten Nordwesten ist in dem heißtrockenen, verdunstungsreichen Klima der Ackerbau ohne künstliche Bewässerung nicht mehr möglich, und der Wald beschränkt sich auf die höheren Gebirgs- lagen.

Zur kühleren und dadurch der Feuchtigkeitsanhäufung günstigeren Eiszeit, die viele Spuren ihrer einstigen Anwesenheit zurückgelassen hat, war das Cor diller enland ungleich schnee-, eis- und wasserreicher als heute. Die Hochgebirge trugen mäch- tige Gletscher, und die Flüsse entfalteten eine starke Erosions- tätigkeit. Damals wurden die für jenes Gebiet so bezeichnenden Canons ausgenagt. Ihre schroffwandigen Schluchten, die bis 1800 m tief in die Hochfläche eingeschnitten sind, rufen groß-

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artig wilde Landschaftsbilder hervor. Sie machen aber die von ihnen durchzogenen Plateaugebiete im höchsten Maße unweg- sam, da auch hier der Satz gilt, daß in Plateauländern nicht die Erhebungen, sondern die Täler die größten Verkehrshindernisse sind. Jetzt führen die Canons nur wenig Wasser. Die meisten von ihnen liegen für gewöhnlich trocken und füllen sich bloß nach Wolkenbrüchen vorübergehend mit reißenden Wildbächen. Auch die Riesenseen der Eiszeit, die als Bonneville- und La- hontansee im Großen Becken einen Raum von der Fläche Bayerns einnahmen, sind mit dem Trockenerwerden des Klimas bis auf geringfügige Reste verschwunden, deren ausgedehntester der Große Salzsee von Utah, das »Tote Meer Amerikas«, ist. Dürre und Wüstenhaftigkeit sind weithin an die Stelle der früheren Wasserfülle getreten.

Unmittelbar am Stillen Ozean verlaufen die niedrigeren Ketten des Küstengebirges (Coast Ranges) und be- dingen eine ausgesprochene Längsküste, deren geschlossene Mauer nur in der geräumigen Bucht von San Francisco und im Puget-Sund vom Meere durchbrochen sind.

Die Innenseite des Küstengebirges begleitet eine tiefe tek- tonische Grabensenke, indem hier eine lange, schmale Scholle an Bruchlinien absank. Das ist, das Oregonisch-Kali- fornische Längstal. An zwei Stellen wird es durch breite, gebirgige Querriegel unterbrochen, in denen die Küsten- ketten mit den pazifischen Randgebirgen des inneren Hochlandes verwachsen. Durch diese orographische Unterbrechung wird im Norden das Oregonische Tal abgetrennt, während im Süden der Kalifornische Golf die untermeerische Fortsetzung der erdbeben- reichen Graben Versenkung bildet. Das nördlichste Stück des Meerbusens wurde durch die Aufschüttungen des hier ausmün- denden Colorado-Flusses vom Meere abgetrennt und verwandelte sich unter dem trockenheißen Wüstenklima in eine bis 90 m unter den Meeresspiegel hinabreichende Depression.

Mit steilem Abfall endet an dem großen Längstal die west- liche Sperrmauer des Hochlandes. Der nördhche Abschnitt des mächtigen Hochgebirgswalles, das Kaskaden-Gebirge, gehört bereits der kühlgemäßigten Zone an und fängt wegen seiner meeresnahen Lage die feuchten Seewinde auf. Darum trägt es in seinen unteren Teilen unabsehbare Urwälder, in denen freilich die gefräßigen Sägemühlen schon ihr Vernichtungswerk

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begonnen haben. Gut erhaltene Domgipfel erloschener Riesen- vulkane, Mount Rainier, Mount Shasta und andere, sind den niedrigeren Rücken aufgesetzt, die sie um mehr als 1500 m überragen. Ihr weiß leuchtender Schnee- und Eispanzer ent- sendet zahlreiche Gletscherzungen und hebt sich wirkungsvoll vom dunkelgrünen Waldmantel ab.

Die südliche Verlängerung der Cascade Range ist die S i e r r a Nevada. Ihr zackiger Kamm ist schneereich daher der Name Sierra Nevada = beschneite Säge. Gletscher fehlen so gut wie ganz, weil der trockene kalifornische Sommer und die Nachbarschaft der heißen Wüste die Firnbildung verhindern. Doch weisen die breiten Böden der Trogtäler und viele Hochseen auf die starke eiszeitliche Vergletscherung hin.

Jenseit des pazifischen Hochgebirges setzt das große Binnenhochland des Westens ein. Den Norden erfüllt das basaltische Tafelland des Columbia und Schlangen- flusses. In der Mitte breitet sich das abflußlose Große Becken (Great Basin) aus. Den Süden nimmt das Colorado-Plateau, das Land der Mesas und Canons, mit den eigentümlichen tisch- artigen Formen der Tafelberge und den schauerlich wilden Schluchten des Colorado und seiner Zuflüsse ein*). Da die beiderseits des Hochlandsrandes verlaufenden Hochgebirge die von den umgebenden Meeren kommende Feuchtigkeit festhalten, so können die Seewinde nur noch als trockene Luftströmungen landeinwärts gelangen. Dementsprechend sind die im Regen- schatten der Hochgebirge gelegenen Binnengebiete nieder- schlagsarme Halbwüsten, die weithin nur von locker zerstreutem Gestrüpp oder von Wasser aufspeichernden Saftpflanzen bedeckt werden. Die Bodengestaltung bereitet dem Bahnbau keine Schwierigkeiten, während die Menschenarmut und Verkehrs- feindlichkeit, die der drückende Wassermangel verursacht, um so größer sind. Oft bleibt der Niederschlag jahrelang aus, und wenn es einmal regnet, so handelt es sich meist um plötzlich und ungestüm herniederrauschende, aber rasch wieder ver- dunstende oder abfließende Wolkenbrüche. Mancherorts kün- digen Warnungstafeln an, daß es auf Hunderte von Kilometern im Umkreise kein Wasser gibt ^). Bloß dort ist Anbau mögHch, wo höhere Gebirge wie Wahsatch- und Uintahgebirge als Feuch- tigkeitssammler aufragen und grüne Oasen hervorzaubern oder wo künstliche Berieselung Eingang gefunden hat. Da jedoch

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deren Ausführbarkeit beschränkt ist, so schließt der trockene Westen eine ausgedehntere Bodenkultur aus. Nur im kühleren Norden reihen sich längs der Flüsse größere Oasenketten an- einander und ziehen in den nördlichen Felsengebirgs- und Plateaustaaten ein Band ausgiebigerer Besiedlung und Acker- bewirtschstftung durch das Steppenland. Die Unzuverlässigkeit der Wasserkräfte beeinträchtigt auch die stärkere Einbürgerung der Industrie.

Die östliche oder innere Gebirgsumgrenzung des Hochlandes bilden die Rocky Mountains, kurz Rockies genannt, oder das Felsengebirge. Es besteht aus vielen, im einzelnen sehr un- regelmäßig angeordneten Ketten, deren Gipfel durch die Tempe- raturgegensätze des trockenen Klimas stark zerklüftet und mit Felsmeeren bedeckt sind. Im übrigen können sie selbst zu Pferde leicht erstiegen werden, und auf den Pike's Peak führt eine Zahnradbahn. Die Lufttrockenheit erklärt auch die Schneearmut der Hochregionen. Nur im Norden sind kleine Gletscher als dürftige Ueberbleibsel der einst auch hier großartig entwickelten eiszeitlichen Vergletscherung vorhanden. Zwischen den Berg- kämmen breiten sich schutterfüllte Ebenen oder rings umwallte Einbruchskessel, die Parke, aus, deren bekanntester der Yellow- stone Park mit seiner vulkanischen Wunderwelt ist.

Den Ostrand des Cor diller enlandes begleitet als Uebergangs- gebiet zur Mississippi-Niederung die große schiefe Ebene (The Great Incline) der Plains und Prärien. In einem Längsbruche setzt an der Außenseite der Rocky Mountains die Prärien- tafel gegen das Gebirge ab und sinkt in breiten Stufen mit teils ebener, teils flachwelliger Oberfläche ganz langsam und unmerklich ohne Landmarken, unabsehbar und grenzenlos wie das Meer, von 1500 m bis auf 300 m ab. Nahe dem Gebirge ist sie völlig baumlos. Je weiter aber nach dem feuchteren Osten, um so mehr beginnt sie sich, zunächst längs der Flüsse, dann auch abseits derselben als freundliche Parklandschaft mit Baum- gruppen zu bedecken, bis schließlich das einst zusammenhängende Waldland des Ostens erreicht ist.

Nunmehr betreten wir die nur wenig über dem Meeres- spiegel gelegene Längsachse der Union, die ursprünglich ein tief landeinwärts eingreifender Ausläufer des Mexikanischen Golfes war. Doch wurde die Meeresbucht mit der Zeit zuge- schüttet und verlandete, wodurch die von Haus aus getrennten

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alten Landkerne des Westens und Ostens miteinander ver- wuchsen. Die weite, meridional gestreckte Mulde führt ihren Namen Großes Tal (Great Valley) mit Recht und ist das Entwässerungsgebiet des Mississippi. Im Süden geht sie in die Atlantische und Golfniederung über, und der flache Norden, der aber nicht mehr aus Schwemmland, sondern aus alten, von eiszeitlichem Schutt überlagerten Gesteinen besteht, schlägt eine Brücke zu den Großen Seen. Der Westen leitet durch die Prärientafel zum Cordillerenland hinüber, und im Osten taucht allmählich das innere Fußhügelland des Appalachen- Systems auf. So wird das Mississippi-Tiefland zu einer oro-hydrographischen Zusammenfassung gewaltigster Art Die Landesmitte nebst ihren Uebergangslandschaften ist zugleich recht eigentlich der »nährende Magen« der Union. Die fruchtbaren Ebenen und Hügelländer, die den tief landeinwärts wehenden Seewinden ihre reichlichen Sommer niederschlage verdanken und auch durch hohe Sonnen wärme ausgezeichnet sind, tragen unabsehbare Weizen- und Maisfelder, zu denen im Süden noch Baumwolle, Reis und Tabak hinzukommen, Dank ihrem Graswuchs und dem ausgedehnten Anbau von Futtergewächsen sind sie auch eine riesige Fleischkammer mit Millionen von Haustieren.

Die Ostseite der Vereinigten Staaten, nach ihrer Lage am Atlantischen Ozean die atlantische und nach ihrem wichtigsten Erhebungssystem die appalachische genannt, ist ein mäßig hohes Mittelgebirgs- und Hügelland aus alten archäischen und paläozoischen Gesteinen, die im Südosten und Süden ein Gürtel jüngerer tertiärei Schichtgesteine und jugend- licher Schwemmlandsbildungen umsäumt. Die ungeheure Ent- wicklung der paläozoischen Formationen bedingt den Ueberfluß an nutzbaren Mineralien und Erzen, besonders an Steinkohlen, Petroleum, Naturgas und Eisenerzen, die den bergmännischen Hauptreichtum der Vereinigten Staaten ausmachen und neben der Baumwolle die Haupthebel der gewaltigen industriellen Ent- faltung des Ostens geworden sind. Dagegen fehlen die Edel- metalle des pazifischen Westens.

Der Osten gliedert sich ebenfalls in mehrere streifenförmig angeordnete Landschaften, ohne jedoch die äußerliche Einheit- lichkeit des Westens zu besitzen, da die Appalachen den Ge- samtbau bei weitem nicht so uneingeschränkt beherrschen wie die Cordilleren den Westen.

Hassert, Vereinigte Staaten. - 4

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Aus dem Schwemmland des Großen Tales tauchen ostwärts allmählich die flach gelagerten Gesteinsschichten der westlichen Fußhügelregion der Appalachen oder des westlichen Pied- m o n t s hervor und bilden ein von breiten Flußtälern zer- schnittenes Tafelland, das Alleghany- und Cumberland-Plateau. Ihm entspricht weit jenseit des Mississippi das niedrige Ozark- Bergland, das durch Brüche und Absenkungen vollständig aus dem Verbände mit dem ihm geologisch und tektonisch durchaus entsprechenden Appalachen-System gelöst wurde. Brüche und Verwerfungen haben auch den scharfen Gegensatz zwischen dem Appalachen- Gebirge und dem es beiderseits begleitenden Fußhügelland hervorgerufen.

Das eigentliche Grundgerüst des Ostens ist ein 2500 km langer und 300 km breiter Gebirgszug. Für ihn ist in Europa die Bezeichnung AUeghanies üblich geworden, obwohl dieser Name bloß einem Teil, aber nicht dem gesamten Gebirge zu- kommt, das die Amerikaner vielmehr als Appalachen zu- sammenfassen. Das von Nordost nach Südwest streichende Ge- birge beginnt in Neufundland und ist in seinem nördlichen Abschnitt durch Längs- und Querbrüche in einzelne Stücke aufgelöst, die das Hinterland viel weniger scharf vom Meer trennen, als es die geschlossene Mauer der Süd- Appalachen tut. Besonders wichtig ist eine Reihe tektonisch er Grabensenken, die durch das Hudsontal und seine Verlängerungen, den Cham- plainsee und das Mohawktal, angedeutet werden. Ihnen folgen vielbefahrene Schienenwege und Binnenschiffahrtskanäle, die den Atlantischen Ozean mit dem St. Lorenzstrom und den Großen Seen verknüpfen.

Südlich vom Hudson weichen die Appalachen immer weiter -landeinwärts zurück und enden schließlich inmitten des Tief- landes von Alabama. Auf dieser ganzen Strecke kommt ihr Faltengebirgscharakter aufs deutlichste zur Geltung und zeigt eine Entwicklung, wie wir sie in Europa nur beim Schweizer Jura kennen Die steü aufgerichteten Faltenzüge drängen sich so dicht nebeneinander, daß eine Vielzahl schmaler Parallelketten ent- steht, die Hunderte von Küometern lang fast geradlinig ver- laufen und als schwach geschartete Mauerkämme eine ein- förmige, selten von Gipfeln und Einsenkungen unterbrochene Linie am Horizont bezeichnen Die Pässe liegen somit verhältnis- mäßig hoch. Die Flüsse begleiten die einzelnen Gebirgszüge in

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den dazwischen verlaufenden Längstälern, unter denen eines ganz besonders auffällt, da es das gesamte System der Länge nach durchzieht. Weil es von keiner bedeutenderen Bodenanschwel- lung unterbrochen wird, so heißt es das Große Tal der AUegha- nies, während es im einzelnen verschiedene Namen führt. Als Verkehrsvermittler zwischen Norden und Süden ist diese große Längsfurche überaus wichtig. Um aus den Längstälern heraus- zukommen, durchbrechen die Flüsse in schmalen Breschetälern, die Wohl durch tektonische Querbrüche vorgebildet waren, die hindernden Gebirgswälle. Das sind die von den Eisenbahnen mit Vorliebe benützten Gaps oder Watergaps.

Schon in ferner geologischer Vergangenheit, wahrscheinlich am Ende der Steinkohlenzeit, wurden die Appalachen zu einem Hochgebirge aufgefaltet. Abgesehen von den in späterer Zeit erfolgten tektonischen Einwirkungen durch Brüche und Ver- schiebungen ist es aber durch unendlich lange wirkende Ab' tragungs- und Einebnungsvorgänge zu einem flachwelligen Mittelgebirge erniedrigt worden. Darum fehlen seiner zahmen, abgerundeten Umrißgestalt die schroffen Formen, spitzen Gipfel und scharfen Kämme der viel jüngeren und darum der Ver- witterung noch viel weniger zum Opfer gefallenen Cor diller en, mit denen sich die uralten Appalachen auch an Länge, Breite und Fläche, an Meereshöhe und landschaftHcher Großartigkeit nicht vergleichen können. Kühne Erhebungen sucht man hier vergebens, und selbst die höchsten Gipfel gehen im Mount Mitchell oder Black Dome nicht über 2044 m hinaus, so daß die Grenze des ewigen Schnees nirgends erreicht wird. Doch zeigen die nördlichen Appalachen ausgedehnte Spuren eiszeitlicher Vergletscherung. In der älteren Kolonialzeit, als die Appalachen noch ein wegloses, unterholzreiches Waldgebirge waren, bereitete seine Ueberwindung außerordentliche Schwierigkeiten. Seit der Eisenbahnzeit kann es aber nicht mehr als störendes Verkehrs- hindernis gelten. Es ist auch keine scharfe Naturschranke und Klimascheide. Denn seine beiderseitigen Abhänge sind infolge ihres meridionalen Verlaufes den klimatischen Einflüssen von Süden und Norden her gleichmäßig zugänglich. Auch ist es nicht hoch genug und wird zu stark von Quersenken unterbrochen, um die atmosphärische Zirkulation in Ost Westrichtung zu be- einflussen. Immerhin sind die Appalachen die markanteste Oberflächen-Erscheinung des vereinsstaatli:hen Ostens, zumal

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sie unsere Alpen immer noch ums Doppelte an Länge über- treffen.

Die atlantische Abdachung des Gebirges begleitet das östliche Piedmont. Luft und Wasser haben es ebenfalls zu einem niedrigen, flachwelligen Hügelland abgehobelt, in dem jedoch Stromschnellen und Fälle auf eine jüngere Neu- belebung der Erosion hinweisen. Mit einer nicht sehr hohen Steilstufe setzt das Hügelland gegen die atlantische Küsten- niederung ab, und da an dieser Bruchlinie zugleich weichere Tertiärgesteine mit dem harten, schwer angreifbaren Granit zusammenstoßen, die rascher beseitigt werden als dieser, so ist die orographische und geologische Grenzlinie durch eine lange Reihe von Schnellen und Fällen ausgezeichnet, die mit dem Zurückweichen des Hügellandes sich nach Süden hin immer weiter vom Gestade entfernen. Das ist die auch siedlungs-, wirt- schafts- und verkehrsgeographisch bemerkenswerte »Fall-Linie« (vgl. S. 54).

Während nördlich des Hudson das östliche Fußhügelland unmittelbar ans Meer tritt und das flachhügelige, an Seen, Moränen und andern Glazialspuren überreiche Granitgebiet Neu Englands bildet, schiebt sich südlich des Hudson die A t- lantische Küstenniederung zwischen das Piedmont und den Atlantischen Ozean ein. Die Küste begleitet ein mehr oder minder breiter Streifen jugendlichen Schwemmlandes, der allerdings durch eine bis in die Gegenwart anhaltende positive Strandverschiebung wieder starke Einbuße erfahren hat. Durch die Senkung sind namentlich im Norden die ertrunkenen Fluß- mündungen in vielverzweigte Meeresbuchten verwandelt worden. Infolge des Zurückweichens der Appalachen und ihres östlichen Hügellandes wird die Küstenniederung nach Süden hin immer breiter. Schließlich biegt sie um das Südende des sich immer mehr verflachenden Gebirges nach Westen um und verwächst mit den die Golfküste breit umsäumenden Tertiärbildungen und Schwemmlandmassen zu dem weiten Tiefland der Golf- niederung.

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5. Bewässerung, Binnenwasserstraßen und Binnen- schiffahrt.

Günstige Naturbedingungen erklären Nordamerikas Reichtum an fließen- den und stehenden Gewässern. Drei hydrographische Hauptabteilungen. Die atlantischen Küstenflüsse. Die Fall-Linie. Der Hudson. Die Zuflüsse des Stillen Ozeans. Die Golfflüsse. Das Mississippi- System und seine Bedeutung für die Union. Die St. Lorenzseen, das größte Binnenschiffahrtsgebiet der Erde. Das abflußlose Binnengebiet des Großen Beckens. Wandlungen der vereinsstaatlichen Binnenschiffahrt. Flüsse, Kanäle und Eisenbahnen.

Dem einfachen Bodenbau der Union entsprechen die großen Züge des Bewässerungsnetzes. Der ungewöhnliche Reichtum an fließenden und stehenden Gewässern darunter einer der Riesenströme und das größte Süßwasser-Binnenmeer der Erde weist auf günstige natürliche Vorbedingungen für eine vielseitige Ausstattung des Landes mit Binnen Wasserwegen hin. Die beider- seitigen, meridional streichenden Randgebirge fangen die von den umgebenden Meeren kommende Luftfeuchtigkeit auf. Da- durch werden sie die Erzeuger der Hauptströme und zerlegen als vornehmste Träger der Wasserscheiden die Union hydro- graphisch in drei Abteilungen. Die Hauptwasserscheide zwischen den Flußgebieten des Atlantischen Ozeans und Mexikanischen Golfes einerseits und des Stillen Ozeans andrerseits geht mitten durch den cordillerischen Westen hindurch und folgt im wesent- lichen dem Kamm des Felsengebirges. Daran schließt sich zwischen den Kämmen des Wahsatch-Gebirges und der Sierra Nevada in breiter Ausdehnung ein abflußloses Gebiet. Der küstennahe Verlauf der Appalachen und Cordilleren bringt es aber mit sich, daß die von ihren Außenseiten unmittelbar dem Meer zugehenden Flüsse und ihre Flußgebiete nur klein sind. Viel länger sind die der Innenabdachung folgenden Adern des breiten Binnentieflandes, die teils vom Mississippi aufgenommen werden, teils selbständig in den Mexikanischen Golf münden.

Am kleinsten sind mit Ausnahme des St. Lorenzstroms in Anbetracht der weiträumigen amerikanischen Verhältnisse die atlantischen Zuflüsse des appalachischen Ostens ^) . Aller- dings gewinnen sie mit dem Zurückweichen des Gebirges land- einwärts nach Süden immer mehr an Länge, so daß ihr größter, der Potomac, mit 880 km der Oder gleichkommt. Aber dank dem Niederschlagsreichtum ihres Entwässerungsgebietes übertreffen

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sie an Wasserfülle und an Gleichmäßigkeit des Wasserstandes gleichlange europäische Ströme bei weitem. Da sie Gegenden durchziehen, die zu den dichtest bewohnten, industriereichsten und wirtschaftlich wichtigsten in Nordamerika gehören, so stehen sie an Verkehrsbedeutung hoch über den viel längeren Flüssen des pazifischen Westens und haben in der Geschichte des Landes eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Sie durch- brechen, zum Teil mit Schnellen, die Parallelketten des Appa- lachen-Systems und müssen auch beim Eintritt in die Küsten- niederung den scharfen Steilabfall des Gebirgsfußes, die »Fall- Linie« (vgl. S. 52), in Schnellen und Fällen überwinden. Wird dadurch ihre Schiff bar keit unterbrochen, soweit nicht Um- gehungskanäle die Hindernisse ausschalten, so sind ihre unter- getauchten und seeartig verbreiterten Mündungsstücke durch ihre Tiefe und durch das weite Eindringen der Flut großen See- schiffen zugänglich, denen die reichgegliederten Küsten gute Naturhäfen darbieten Da die starken Wasserkräfte der Fall- Linie in hohem Maße der Gewerbtätigkeit dienstbar gemacht worden sind, so blühte an diesen Endpunkten der Seeschiffahrt eine lange Reihe lebhafter Handels- und Industriestädte auf, z. B. Paterson (bei New York), Trenton, Philadelphia, Baltimore, Washington, Richmond, Augusta, Montgomery.

Die Hauptflüsse der atlantischen Abdachung sind Connecti- cut, Delaware, Susquehanna, Potomac, James, Roanoke, Santee und Savannah, vor allem aber der Hu d s o n , der Fluß des Staates und der Riesenstadt New York. Obwohl nicht mehr als 520 km lang und im Jahresdurchschnitt drei Monate vom Eise gesperrt^ ist er eine der wichtigsten Verkehrsadern Nordamerikas, mit der sich der Riesenstrom Mississippi in keiner Weise messen kann. Einmal ist der Hudson an sich der Schiffahrt günstig, indem er, ein Mittelding zwischen Fluß und Meeresarm, mit den Gezeiten Seeschiffe bis Albany vordringen läßt. Dann setzt er sich in zwei vielbefahrenen Kanälen, dem Erie- und Champlain- Kanal, fort, die quer durch das Gebirgshindernis der Nord- Appalachen den Atlantischen Ozean kürzesten Weges mit dem reichen Uferland der Großen Seen, dem wichtigsten Binnen- schiffahrtsgebiet der Welt, und dem St. Lorenzstrom verknüpfen. Ein Heer von Personen- und Frachtdampfern, von Schleppern und Lastkähnen belebt darum den von sechs Schienenstraßen begleiteten Strom.

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Ganz anders geartet sind die Zuflüsse des Stillen Ozeans. Von ihnen spielen die meisten als Binnenwasserwege überhaupt keine Rolle, so daß sie das Hinterland längst nicht in solchem Maße erschließen können wie die viel kürzeren atlanti- schen Zuflüsse. Ihre zerstörenden Wirkungen sind viel beträcht- licher als ihre wirt seh af tlichen und kulturlichen Leistungen - Soweit sie in schwer zugänglichen oder ganz unpassierbaren Schluchten dahineilen, kommen sie auch als Kraft spender für die Industrie und als Lieferanten von Berieselungswasser für die Landwirt- schaft nicht in Betracht. Die Wasseradern des Colorado Pla- teaus, auch die nur vorübergehend Wasser führenden, sind sämt- lich in tiefe Canons eingesenkt, deren großartigster der Colorado- Canon ist. Wegen des trockenen Klimas des Westens sind die pazifischen Flüsse für gewöhnlich wasserarm. Gelegentliche Wolkenbrüche führen ihnen jedoch so gewaltige Wassermassen zu, daß starke und unberechenbare Schwankungen ein bemerkens- wertes Kennzeichen ihrer zügellosen, heimtückischen Natur sind. Zwischen verheerendem lieber fluß und hochgradigem Wasser- mangel hin- und herpendelnd, schwellen sie binnen wenigen Stunden zu reißenden Wildströmen an, worauf die Flut sich eben so rasch wieder verläuft und eine lang anhaltende Trocken- periode einsetzt ^). Endlich sind die pazifischen Flüsse fast bis zur Mündung echte Gebirgsflüsse mit starkem Gefäll und häufigen Unterbrechungen durch Schnellen und Fälle, während die Ungunst der Oberflächengestaltung die Stromentwickhmg hemmt. Nur wenige Flüsse durchbrechen das hart am Meere verlaufende Gebirge und erreichen unmittelbar das Meer.

Die Hauptentwässerer des pazifischen Westens, die zugleich streckenweise der Binnenschiffahrt dienen, sind die Felsen- gebirgsflüsse Columbia und Colorado und die gemeinsam in die Bucht von San Francisco mündenden Flüsse des Kalifornischen Tales, Sacramento und San Joaquin. Der ruhigere Unterlauf des Colorado wird mit Dampfern befahren. Doch ist die Schif- fahrt wegen der Versandung des Flußbettes und wegen der Menschenarmut der Uferlandschaften von geringer Bedeutung. Die Flüsse des Kalifornischen Tales sind zusammen auf etwa 400 km der kleineren Schiffahrt zugänglich, und ihr oregonisches Gegenstück, der bei Portland in den Columbia mündende Wil- lamette, steht auf 260 km dem Dampferverkehr offen., Der un- gleich mächtigere Hauptstrom kann nach Durchführung umfang-

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reicher und kostspieliger Verbesserungen 535 km aufwärts bis zu den Schnellen und Katarakten der Dalles von Dampfern be- fahren werden. Seeschiffe dringen auf seinem Unterlaufe bis Portland vor. Auch der Hauptzufluß des mittleren Columbia, der Snake River, ist ein Stück für flache Dampfer zugänglich. Der Columbia selbst sammelt die gesamte Wassermasse des vereins- staatlichen Nordwestens, da die unmittelbare Entwässerung dieses ausgedehnten Binnengebietes durch den absperrenden Riegel des Kaskadengebirges verhindert wird.

Alles in allem werden nur 15% des Unionsgebietes unmittel- bar zum Atlantischen Ozean und etwas mehr zum Stillen Ozean entwässert. Der ganze große Rest, der das weite Tiefland und Stufenland zwischen den Appalachen, dem Felsengebirge und der kanadischen Seenplatte umfaßt, gehört zu 40% dem Strom- gebiet des Mississippi und im übrigen den zu selbständiger Ent- wicklung gelangten Stromsystemen der unmittelbar ins Meer mündenden Golfflüsse an. Von ihnen kommen die östlichen Tieflandsflüsse, deren größte Chattahoochee und Alabama sind, vom Südrande der Appalachen. Die Golfflüsse westlich des Mississippi, Sabine, Brazos, Texanischer Colorado und Rio Grande del Norte, haben ihre Quellen auf der Hochfläche der Ljano Estacado oder im Felsengebirge. Die Tieflandsströme des mitt- leren Unionsgebietes sind ebenfalls starken Wasserstandsschwan- kungen unterworfen. Aber ihr Hochwasser fällt in ziemlich regelmäßiger Wiederkehr mit der Zeit der Frühlingsregen und der winterlichen Schneeschmelze zusammen, und sie haben ein geringes Gefäll, so daß ihr wirtschaftUcher und Verkehrswert viel höher ist als derjenige der pazifischen Flüsse. Immerhin stehen die westlichen Niederungsströme infolge der Boden- gestalt, des wesentlich trockeneren Steppenklimas und der stark wechselnden Wasserführung als Binnenschiffahrtswege schon er- heblich hinter den östlichen Tieflandsflüssen zurück. Auch der Mississippi läßt diesen Uebergang deutlich erkennen, indem seine rechtsseitigen Prärie- und Felsengebirgszuflüsse an Verkehrs- brauchbarkeit weit hinter seinen linksseitigen Appalachen- Zuflüssen zurückstehen.

Der Hauptentwässerer des vereinsstaatlichen Mittellandes ist der Mississippi-Missouri, mit 7000 km der längste Strom der Erde. Sein Stromgebiet ist mit 3 275 000 qkm das drittgrößte auf unserm Planeten und stellt zugleich ein Binnenschiffahrts-

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System ersten Ranges dar, weil es fast in seiner ganzen Aus- dehnung durch reichliche, gleichmäßig über das Jahr verteilte Niederschläge und durch die orographischen Verhältnisse be- günstigt erscheint. Das gilt allerdings weniger vom Missouri nebst seinen Nebenflüssen und seinen getreuen Abbildern Ar- kansas und Red River, die aus dem trockenen Westen kommen und auf ihrem Wege viel Wasser durch Verdunstung verlieren. Auch durch Sandbänke und Geröllinseln, die ihre Lage und Gestalt unaufhörlich wechseln, durch ständige und beträchtliche Tiefen- und Umrißänderungen des Bettes, durch ungeheure Schlammführung bei Hochwasser und durch lange winterliche Eisbedeckung wird der Verkehr auf ihnen beeinträchtigt. Ob- wohl daher der Missouri der Hauptarm des Mississippi ist und einst eine der wichtigsten Eingangsstraßen nach dem fernen Westen war, wird er seit Vollendung der Eisenbahnen überhaupt nicht mehr für die regelmäßige Frachtschiffahrt benutzt, weil er den heutigen Anforderungen an eine brauchbare Wasserstraße in keiner Weise entspricht Kürzer, aber wesentlich besser sind die östlichen Mississippi-Zuflüsse, unter denen» hydrographisch und verkehrsgeographisch der Ohio obenan steht. Er muß als Haupternährer des Mississippi gelten, dem er fast ein Drittel seiner Wasserzufuhren liefert. Auf seine Rechnung kommen in erster Linie auch die gewaltigen Frühlingshochwasser des Haupt- stromes 3). Der Ohio befindet sich größtenteils noch im Natur- zustande. Doch wird die Schiffahrt durch Geländehindernisse mit Ausnahme der durch einen Seitenkanal umgangenen Schnel- lenstrecke bei Louis ville in Kentucky nicht gestört. Um so unangenehmer macht sich die Trockenzeit bemerkbar. Denn dann ist der Oberlauf so seicht, daß er für den Schiffsverkehr kaum noch genügt. Bei den riesigen Mengen an Koks, Kohlen und Eisenerzen, die der Ohio zur Versorgung seines industriell hoch entwickelten Stromgebietes herbeischaffen muß, wird dieser Nachteil doppelt fühlbar.

Das Mississippi- System gehört bis auf einige unbedeutende Zuflüsse ganz der Union an und entwässert reichlich ein Drittel des Staates. Es erfüllt die gesamte Mitte des Riesenreiches und greift tief ins Herz des nordamerikanischen Erdteils ein, indem der Ohio und sein ihm erst im Unterlauf zugehender Nebenfluß Tennessee das Appalachengebiet erschließen, während der Mis- souri und die westlichen Zuflüsse mit ihren Quelladern die ent-

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legensten Täler des Felsengebirges eröffnen. Im Norden trennt nur eine flache Wasserscheide das Gebiet der Großen Seen ab und bereitet dem Kanalbau keine Schwierigkeiten. Aus diesen Grün- den ist der Mississippi die eigentliche Lebensader des Landes und der hervorragendste Verkehrsvermittler zwischen Nord und Süd, Ost und West geworden. Ihm ist nicht zum wenigsten auch die schnelle Entwicklung der neu gegründeten Binnenstaaten und ihr rasches Hineinwachsen in das Staatsganze zu danken. Umfaßt doch das riesige Stromgeäder nicht weniger als 54 schiff- bare Nebenflüsse mit mehr als 22 000 km fahrbarer Länge ! Indem es aber als ein unzerreißbares Band die drei natürlichen Groß- landschaften der Union, den appalachischen Osten, den cor- dillerischen Westen und das Große Tal in der Mitte, fest zu- sammenhält, ist es neben der Gleichartigkeit der Oberflächen- gestaltung einer der wichtigsten Vereinheitlichungsfaktoren für das politische Leben der Union geworden.

Die Zentralrinne ist der Mississippi, der »Vater der Ge- wässer«. Er entsteht aus der Vereinigung des Missouri mit dem oberen Mississippi oberhalb St. Louis, zu denen sich bei Cairo der Ohio hinzugesellt. Bereits von den Anthony-Fällen (bei St. Paul-Minneapolis) ab, in Luftlinie noch 1800 km vom Meere entfernt, wird er für Dampfer fahrbar. Als ein ausgeprägter Tief- landsstrom, dessen vorwiegend meridionaler, im einzelnen jedoch vielgewundener Lauf den Weg über Gebühr verlängert, wälzt er seine schmutziggelben Wassermassen mit ganz geringem Gefäll zwischen reizlosen, mit Buschwerk und Auenwäldern bedeckten Lehmufern träge dahin und macht trotz seiner majestätischen Breite von 600 800 m landschaftlich keinen überwältigenden Eindruck. F. Ratzel nennt ihn einen der großartigst einförmi- gen Flüsse. Vor der Eisenbahnzeit war seine Verkehrsbedeutung viel größer als heute. Zwar wird er einschließlich seiner Neben- flüsse von etwa 3000 Dampfern befahren. Aber als Schiffahrts- straßen übertreffen ihn Hudson und Rhein bei weitem, obwohl sie dem Riesenstrom gegenüber als Zwerge erscheinen. Denn wenngleich der Mississippi die Hauptkornkammer und das große Baumwollgebiet der Union erschheßt, so haben doch die Eisen- bahngesellschaften alle Versuche vereitelt, ihn der durchgehenden Frachtschiffahrt dienstbar zu machen. Man hat ihn auch mit viel zu niedrigen Brücken überspannt und dadurch die Ver- wendung von Schiffen mit hohen Aufbauten ausgeschaltet.

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Dazu kommen noch andere Ursachen. Der Mississippi verläuft senkrecht zur Hauptverkehrsrichtung, die in den Vereinigten Staaten ganz ausgeprägt von Ost nach West zieht und die kür- zesten Wege zwischen Atlantischem und Stillem Ozean ein- schlägt. Der größte Teil des Verkehrs zieht also quer über den Strom hinweg. Dann mündet der Mississippi nicht unmittelbar in den offenen Ozean, sondern in ein von den atlantischen Haupt- schiffahrtslinien abgelegenes Nebenmeer, den Mexikanischen Golf. Endlich erschweren die dem stark versumpften Delta vorgelagerten Schlammbänke die Einfahrt. Erst durch lang- wierige Regulierungsarbeiten konnte einer der Mündungsarme, der Südpaß, Seeschiffen bis zu 7 m Tiefgang geöffnet und New Orleans zum eigentlichen Seehafen des Mississippi-Gebietes ge- macht werden.

Aber auch mancherlei Mängel des Fahrwassers bedürfen dringend der Abhilfe. Es hat sich gezeigt, wie kurzsichtig es war, die Flüsse der Verwilderung preiszugeben, indem man ihre Pflege und Ueberwachung vernachlässigte. Infolgedessen wird der Mississippi von ständig wechselnden Untiefen, Sand- und Geröll- bänken, Gestrüpp- und Treibholzinseln erfüllt, und das Hoch- wasser reißt ganze Stücke der Uferwände heraus. Die lockeren Lehmmassen lösen sich allmählich auf oder werden fortgeführt. Die Stämme dagegen fahren im Sand und Schlamm der Fluß- sohle fest und werden bei Niederwasser sichtbar. Das sind die Snags. In die Strömungsrichtung geneigt und vom Wasser all- mählich zugespitzt, bedeuten sie eine ernstliche Gefahr für die Schiffe, denen sie gleichsam den Boden aufreißen. Zur Beseitigung der Hindernisse sind daher besondere Snagdampfer tätig. Die nördlichen Stromabschnitte sind auch mehrere Monate durch die winterliche Eisdecke oder durch Eisgang unbenutzbar.

Neuerdings hat man indes der Wiederbelebung dei Mississippi- Schiffahrt erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt und stromaufwärts bis St. Louis eine durchgängig 2,4 m tiefe Fahrtrinne ausge- baggert, so daß nicht mehr, wie früher, wiederholte, zeitraubende und f rächt verteuernde Umladungen erforderlich sind. Auch ein Großschiffahrtsweg von Chicago nach New Orleans ist ge- plant, der größeren Schiffen den Durchgang vom Atlantischen Ozean über die St. Lorenzseen bis zum Mexikanischen Golf gewähren und im Zusammenhang mit der Fertigstellung des Panama-Kanals dem Riesenstrom wenigstens einen Teil seiner

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einstigen Verkehrsbedeutung zurückgeben soll. Zur Verwirk- lichung dieses Zieles ist man dem gewaltigen Werk der Mississippi- Regulierung nähergetreten, um die den geordneten Fahrtbetrieb schwer beeinträchtigenden Schwankungen zwischen ausgepräg- ten Niederwasserperioden und ungeheuren Ueberschwemmungen auszugleichen. Bei einem Mittelwert von i8 800 cbm in der Sekunde wechselt die Wasserführung an der Mississippi-Mündung zwischen 5000 und 51 000 cbm ! Der sehr beträchtliche Unterschied zwischen Höchst- und Niedrigstwasser geht auch daraus hervor, daß das Hochwasser am Ohio bei Cincinnati schon bis auf 21,7 m und am Mississippi bei Vicksburg bis auf 16V2 ni gestiegen ist. Alljährlich führt der »Vater der Gewässer« 400 Millionen Tonnen Sinkstoffe ins Meer und überschwemmt im Frühling einen 25 50 Kilometer breiten Uferstreifen von der Ausdehnung Bayerns, obwohl ein ganzes Netzwerk von Dämmen das Unterlaufgebiet zu schützen sucht. Das immer wiederkehrende Hochwasser macht nicht bloß die Ausnutzung des fruchtbaren Stromanlandes unmöglich, sondern es erklärt zugleich die auffallende Armut an Flußsiedlungen. Sie finden sich nur dort, wo feste Hoch- ufer, die sogenannten Bluffs, unmittelbar an den Strom heran- treten.

An Raumgröße kommt das Gebiet der St. Lorenzseen, das den nördlichen Teil des Großen Tales entwässert, dem Mississippi- System bei weitem nicht gleich. An Großartigkeit des Binnenverkehrs steht es indes viel höher, weil die Uferumgebung mit ihrem Reichtum an Kraft- und Rohstoffen, an Handels- plätzen und Fabrikstädten einen ungeheuren Verkehr nährt. Die fünffach gegliederte Gruppe der Kanadisch-Amerikanischen Seen an der Nordostgrenze der Vereinigten Staaten bildet mit 247 000 qkm Fläche die größte zusammenhängende Süßwasser- ansammlung auf Erden, deren Entstehung teüs mit tektonischen Wirkungen, teils mit der eiszeitlichen Vergletscherung zusammen- hängt. Auf einer ausgedehnten, leicht welligen Hochfläche, welche die Anhäufung stehenden Wassers begünstigt, reiht sich die Kette jener durch schmale Zwischenglieder verbundenen Binnenseen aneinander, deren ausgedehntester der Lake Superior oder Obere See und deren kleinster der Ontariosee ist. Durch den majestätischen St. Lorenzstrom, der dadurch ebenfalls einer der wichtigsten Wasserwege Nordamerikas wird, haben sie einen natürlichen Auslaß zum Atlantischen Ozean. So liegt eine ins-

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gesamt 4000 km lange Wasserstraße vor, die der Luftlinie Bor- deaux— Nishnij Nowgorod entspricht und von der allein auf die fünf Seen eine über die Raumgröße Deutschlands hinausgehende Längenerstreckung entfällt. Das tief ins Herz des Erdteils ein- greifende Wassersystem läßt mitten im Landinnern eine reich- gegliederte Binnenküste entstehen und nimmt nach seinen kulturlichen und wirtschaftlichen Leistungen die Stellung eines wirklichen Meeres ein, weshalb es im amerikanischen Recht grund- sätzlich als »Hohe See« gilt.

Von Hause aus war das Gebiet der St. Lorenzseen eine Wildnis und der Tummelplatz schweifender Indianer. Erst spät wurde es unter Zuhilfenahme ausgiebiger wasserbautechnischer Arbeiten in den Dienst der Kultur und des Verkehrs gestellt. Die Seen sind die einzige Wasserstraße der Union geblieben, die dauernd in brauchbarem Zustand gehalten und durch groß- artige Verbesserungen immer mehr vervollkommnet wurde, weil hier die Eisenbahn nicht mit den billigen Wasserfracht- sätzen in Wettbewerb zu treten vermochte. Als das erste Dampf- boot auf dem See erschien, war ihr Verkehr noch sehr gering. Denn die natürlichen Verkehrshindernisse zwischen den einzelnen Wasserbecken und auf dem St. Lorenzstrom waren noch nicht beseitigt und machten eine durchgehende Schiffahrt unmöglich. Zur Umgehung der Schnellen und Fälle des St. Mary's-Flusses, des Verkehrshindernisses der oberen Landstufe zwischen dem Oberen und Huronsee, wurde der Sault St. Mary's-Kanal, kurz- weg Soo genannt, erbaut. Die Niagara-Fälle, das Verkehrshinder- nis der unteren Höhenstufe zwischen Erie- und Ontariosee, um- geht der Welland-Kanal. Sieben Seitenkanäle schalten die Stromschnellenstrecken des St. Lorenz im Bereiche der Tausend Inseln und bei Montreal aus, und Ausbaggerungsarbeiten haben die seichten Stromverbreiterungen großen Seeschiffen zugänglich gemacht. Von Buffalo am Ostausgange des Eriesees bis nach Duluth im äußersten Westwinkel des Obern Sees können heute Schiffe bis zu 14 000 Tonnen Tragfähigkeit gelangen *) . Durch fortgesetzte Vertiefung hat man die verbindenden Fluß- und Kanalstrecken und die Hafenbecken für Fahrzeuge bis zu 4,3 m Tiefgang zugänglich gemacht, und der bereits bestehende Ueber- seeverkehr mit Europa und New York, der Duluth zum fernsten Punkte transatlantischer Schiffahrt macht, soll auf Fahrzeuge mit immer größeren Abmessungen ausgedehnt werden. Dann

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könnten aus dem Herzen der Alten Welt (Schwarzes Meer) See- schiffe bis ins innerste Nordamerika eindringen.

Durch Scheitelkanäle hat man die Großen Seen auch mit den benachbarten Stromsystemen in Verbindung gebracht und dadurch ihre Verkehrsbeziehungen wesentlich erweitert. Der 164 km lange und 1,8 m tiefe Illinois-Michigan-Kanal verknüpft über einen ganz flachen Landrücken hinweg das Südende des Michigansees mit dem Mississippi, während drei Kanäle den Eriesee mit dem Ohio verbinden. Die Anlage dieser Kanäle war um so leichter, als nur niedrige Landschwellen das Mississippi- und Ohiosystem vom Seengebiet trennen und obendrein alte, eiszeitliche Urstromtäler den Kanälen ihren natürlichen Weg vorzeichneten. Von Buffalo nach Albany am Hudson führt der Eriekanal, den seinerseits wieder der 131 km lange und '^,'] m tiefe Champlain-Kanal an den St. Lorenzstrom anschließt. Auf diese Weise erhält die Seenplatte im Hudson gleichsam einen zweiten atlantischen Mündungsarm, der ganz innerhalb der vereinsstaatlichen Grenzen liegt, während der St. Lorenz- strom größtenteils zu Britisch -Nordamerika gehört. Der wich- tigste und bekannteste dieser Zufahrtswege ist der Eriekanal, der dem Querbruch des Mohawktales folgt und an seiner höch- sten Stelle bloß 132 m über dem Meere liegt. Er wurde 1825 vollendet und hat in erster Linie das unerwartet rasche Aufblühen New Yorks veranlaßt, weil dadurch die Mündungsstadt am Hudson am frühesten und lange Zeit allein unter den nördlichen und südlichen Nachbarhäfen eine unmittelbare Großverkehrs- straße nach dem schon damals wirtschaftlich nicht unbedeuten- den Seengebiet erhielt. Aber mit der Zeit genügte der Kanal trotz wiederholter Verbreiterung und Vertiefung den wachsenden Bedürfnissen der Binnenschiffahrt nicht mehr und wurde von den ihn begleitenden Eisenbahnen im Frachtverkehr weit über- flügelt. Daher wurde er einer durchgehenden Erneuerung unter- zogen, die 1917 vollendet war. Seitdem ist der New York State Bärge Canal, wie er jetzt heißt, eine durchaus moderne W^asser- straße von 622 km Länge und 3,7 m Tiefe, die 3000 t-Schiffen zugänglich ist.

So ist durch das Zusammenwirken von Natur und Technik im Innern Nordamerikas ein Seeverkehrsgebiet entstanden, wie es auf Erden nicht seinesgleichen mehr gibt. Hat doch der Sault St. Mary's-Kanal einen Frachtendurchgang zu bewältigen, der

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den des Suezkanals weit übertrifft. Dabei ist der Suezkanal das ganze Jahr hindurch benutzbar, während die Großen Seen im strengen nordamerikanischen Winter 4 5 Monate, von Mitte November bis in den April hinein, vom Eise blockiert werden. Außer diesem größten natürlichen Hindernis suchen auch häufige Stürme das Seengebiet heim, da es im Bereiche einer von den wandernden Zyklonen mit Vorliebe benutzten Zugstraße liegt. Den gesamten Frachtverkehr auf den Großen Seen veranschlagt man auf rund 100 Millionen Registertonnen, und zwar bestehen die beförderten Güter überwiegend aus Rohstoffen, Getreide, Mehl, Holz, Kohlen und Eisenerzen. Nicht mit Unrecht hat man die Seenstraße die Schlagader der nordamerikanischen Eisen- industrie genannt. Denn am Lake Superior liegen die reichsten Eisenerzlager der Union, an den Michigansee grenzen die er- giebigsten landwirtschaftlichen Bezirke der Vereinigten Staaten, die Halbinsel Ontario ist der große Obstgarten Kanadas, und südlich des Erie- und Ontariosees breitet sich eines der dichtest bevölkerten und städtereichsten Industriegebiete aus. Darum sind an den Seen die wichtigsten Binnenhäfen Nordamerikas emporgeblüht, die zugleich lebhafte Industriestädte sind, und der erstaunlichen Leistungsfähigkeit der Uferumgebung ent- spricht die gewaltige Zunahme des Schiffsbestandes.

Ein kleiner Rest von etwa 600 000 qkm, im wesentlichen das Große Becken umfassend, wird überhaupt nicht zum Meer entwässert, sondern bildet ein abflußloses Binnengebiet. Die hohen Randgebirge fangen alle Feuchtigkeit auf und bedingen in dem von ihnen umschlossenen Hochland die Entstehung von Kontinentalflüssen, die durch die starke Verdunstung am Ab- fließen nach außen gehindert werden. Die trockene Luft und der durstige Boden entziehen ihnen das Wasser, so daß sie schließlich an den tiefsten Stellen in Salzsümpfen oder Salzseen enden. Der ausgedehnteste von ihnen, der Große Salzsee von Utah, ist nur noch das kümmerliche Ueberbleibsel eines eiszeitlichen Riesensees, des Bonnevjlle-Sees, der einen offenen Abfluß zum Snake River besaß. Der seichte, stark salzige Endsee hat bloß örtliche Verkehrsbedeutung. Er wird von kleinen Dampfern befahren.

Alles in allem weist die Union nach E. Deckert 295 schiff- bare Flüsse mit rund 43 000 km fahrbarer Länge auf, wovon die Hälfte allein auf das Mississippi- System oder das Zentralgebiet

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der Vereinigten Staaten entfällt ^). Dazu kommen 5600 km benutzte und 4000 km verfallene oder brachliegende Kanäle. Die östliche Landeshälfte besitzt ein ausgedehntes Netz weit verzweigter und tief landeinwärts eingreifender Wasseradern. Ihre hydrographische Ueberlegenheit gegenüber dem Westen wird dadurch veranschaulicht, daß dem Atlantischen Ozean und dem Golf über 255 Flüsse mit 39 400 km schiffbarer Länge an- gehören, während dem Stillen Meer nur 38 Flüsse mit 2600 km schiffbarer Länge zugehen ^) .

Die fließenden und stehenden Gewässer haben für das amerikanische Wirtschafts- und Kulturleben, besonders für die rasche Erschließung und Besiedlung des Innern, eine hohe Be- deutung gehabt. Die meisten großen Städte der Union sind als Furt-, lieber fahrts-, Brücken- oder Mündungsorte, als Wasser- fallstädte oder als Tragstellenplätze (Portagen) entstanden oder als Umschlageplätze an den Endpunkten oder Wechselstellen der Schiffahrt aufgeblüht. Sie wuchsen mit der Zunahme des Binnenwasserverkehrs und der Vervollkommnung der Binnen- wasserstraßen, bis später die Neugründung und Entwicklung von Städten den Bahnlinien folgte. Die Täler der großen Ströme waren die natürlichen Eingangstore ins Innere und die Wander- wege für die westwärts vordringenden Kolonistenscharen, so daß auf älteren Volksdichtekarten ähnlich wie in Sibirien schmale Siedlungsstreifen längs der Flüsse die menschenleeren Räume unterbrechen. Auch als Kraftspender für elektrische Anlagen und für die Industrie, als Träger der künstlichen Bodenberiese- lung im trockenen Westen und zur Wasseraufspeicherung in den Talsperren spielen die Flüsse und Seen eine wichtige Rolle und tragen durch ihren Fischreichtum in erheblichem Maße zur Volks- ernährung bei. Ihre Hauptbedeutung beruht aber doch in ihrer Stellung als Binnen Verkehrswege, die in dem pfadlosen Lande mit seinen ungeheuren Entfernungen schon zur Kolonialzeit die Hauptträger des Groß- und Fernverkehrs waren. Nachdem Robert Fulton das Dampfschiff erfunden hatte, belebten sie sich rasch mit dem neuen Verkehrsmittel. Damals kam auch der charakteristische Typus der amerikanischen Fluß- und Küstendampfer auf, der von der europäischen Bauart nicht unerheblich abweicht. Es sind flachkielige Raddampfer, die nur wenig tief eintauchen, um bei den örtlich und zeitlich sehr schwankenden Wasserständen über die Untiefen hinwegzukom-

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men. Für den Personenverkehr sind sie mit mehrstöckigen Aufbauten versehen, die zwei schmale, hohe, nebeneinander stehende Schornsteine überragen. Heute gibt es eine ganze Flotte solcher schwimmender Paläste, deren jeder bis zu 2000 Menschen und beträchtliche Gütermengen aufnehmen kann. Ne- ben den Flußdampfern dringen auf den Großen Seen, auf dem Hudson und Mississippi auch Seeschiffe weit landeinwärts vor.

Weil das ebene oder flachhügelige Gelainde mit seinen meist niedrigen Wasserscheiden der Binnenschiffahrt keine ernst- lichen Schwierigkeiten entgegensetzt und weil andrerseits in dem weiträumigen Lande die billige Versendung der Massengüter eine Lebensfrage bedeutete, so ging man im vereinsstaatlichen Osten schon früh daran, die natürlichen Wasserstraßen durch ein ausgedehntes Netz künstlicher Wasserwege zu ergänzen '). In regem Wetteifer waren private Körperschaften, die Einzel- staaten und die Bundesregierung bemüht, ein großzügig ge- plantes Kanalsystem zu schaffen. Man wollte die einzelnen Fluß- gebiete von den Endpunkten der Schiffbarkeit ab durch Ver- bindungskanäle untereinander und mit den Großen Seen in Zusammenhang bringen und die unschiffbaren Schnellen- und Fallstrecken durch Umgehungskanäle ausschalten.

Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts stand der Wasser- verkehr in der Personen- und Frachtenbeförderung weitaus an erster Stelle. Noch im Bürgerkrieg waren die Ströme als Zu- fahrtswege und Gefechtshnien so wichtig, daß alle größeren Heereskörper die Namen von Flüssen führten. Aber die natür- lichen Mängel der Wasserstraßen, Gefällshindernisse und die leichte Beeinflussung durch die Wechselfälle des Klimas, be- sonders durch Winter eis. Regen- und Trockenzeit, die oft genug störend in den geordneten Betrieb der Binnenschiffahrt ein- greifen, ließen die Flüsse in der Folge hinter den schneller und zuverlässiger arbeitenden Eisenbahnen zurücktreten. Da auch die große Energie der amerikanischen Klimafaktoren wasserbau- technische Arbeiten viel schwieriger gestaltet als in Europa, so trat eine rasche Verwilderung der unreguliert bleibenden Wasserläufe ein, während die meist aus älterer Zeit stammenden Kanäle mit ihren unzulänglichen Abmessungen dem wachsenden Verkehr bald nicht mehr genügten. So gewannen die viel vollkommeneren und anpassungsfähigeren Eisenbahnen immer mehr die Ober- hand und rissen den größten Teil der Verkehrsaufgaben der

Hasser t, Vereinigte Staaten. 5

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Binnenschiffahrt an sich. Die Fortsetzung der Kanalpläne ge- riet ins Stocken, und die bereits in Angriff genommenen Strecken wurden als Schienenwege weitergebaut. Die einflußreichen Bahn- gesellschaften waren zugleich mit Erfolg bemüht, den wegen der billigen Wasserfrachten lästigen Mitbewerber zu unter- drücken. Sie setzten dem Ausbau und der Unterhaltung der Wasserstraßen alle möglichen Hindernisse entgegen, legten Parallelbahnen längs^der Flüsse und Kanäle an oder kauften letztere auf, um sie verfallen zu lassen oder um sie trocken zu legen und zuzuschütten und als Bahnkörper zu verwenden. Nur wenige Kanäle haben ihre alte Bedeutung bewahrt oder noch gesteigert ^). Im übrigen spielt die Binnenschiffahrt gegenüber dem mächtigen Wettbewerb der Eisenbahnen bloß noch eine untergeordnete Rolle.

Neuerdings bringt man indes der lange über Gebühr ver- nachlässigten und unter einseitiger Bevorzugung der Schienen- wege in den Hintergrund gedrängten Binnenschiffahrt wieder lebhafteres Interesse entgegen und hat dem neuzeitlichen Aus- bau der Wasserstraßen größere Aufmerksamkeit geschenkt. Denn auch in der Union ist die Verkehrsentwicklung längst über die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen hinausgegangen, die für sich allein nicht mehr imstande sind, den gewaltig gestiegenen Güterumlauf zu bewältigen. Die Unzulänglichkeit der meist eingleisigen Bahnlinien, der Wagenmangel, die hohen Fracht- sätze und die häufigen Verkehrsstockungen machen sich immer unangenehmer fühlbar und verlangen dringend nach Abhilfe. Aus diesen Gründen hat man den Eriekanal umgebaut und eine großzügige Mississippi-Regulierung ins Auge gefaßt. Die »Wasser- politik« der Vereinigten Staaten ist jedoch nicht allein auf die Wiederbelebung der Binnenschiffahrt, sondern auch auf die ausgiebige Heranziehung der Wasserkräfte gerichtet. Man will der Allgemeinheit Millionen von Pferdestärken nutzbar machen, die bisher wegen des Reichtums an Kohle und Petroleum ver- nachlässigt wurden. Auch die unterirdischen Wasser Vorräte hat man immer mehr schätzen gelernt. Für die systematische Untersuchung der Wasserfragen ist daher eine besondere Behörde als ein Zweig des U.S. Geological Survey errichtet worden.

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6. Das Klima und sein Einfluß auf das Wirtschafts- leben.

Das Klima in seinen Beziehungen zu Lage, Gliederung und Oberflächen- gestaltung. Kontinentaler Klimacharakter Nordamerikas. Klimatischer Ein- fluß der meridionalen Anordnung der Gebirge. Hitze- und Kältewellen. Fröste. Klima des Ostens, des Cordillerenlandes und des pazifischen Westens. Verlauf der Isothermen. Sommer- und Wintertemperaturen und extreme Temperaturschwankungen. Die Jahreszeiten. Indianersommer. Menge und Verteilung der Niederschläge nach Ort und Zeit. Feuchte, halbtrockene und trockene Gebiete. Niederschlagstypen. Wolkenbrüche. Lufttrockenheit, Be- wölkung und Sonnenschein. Schneefall und Schneelagerung. Die Luftdruck- Unterschiede neigen zu stürmischem Ausgleich. Stürme. Glutwinde. Der Chinook. Wirtschaftliche Charakteristik des vereinsstaatlichen Klimas.

a) Klima und Oberflächengestaltung.

Der Boden ist das Schloß, das Klima aber ist der Schlüssel, der den Boden aufschließt und nutzbar macht, da die Güter- erzeugung viel mehr durch die Eigenart des Klimas als durch die Bodenbeschaffenheit bestimmt wird. Das Klima eines Erd- raumes ist das Ergebnis der Breitenlage, der Nachbarschaftslage zu kalten und warmen Meeresströmungen und der Lage zu den vorherrschenden Winden, die je nach ihrer Herkunft warm oder kalt, trocken oder feucht sind. Auch die Oberflächengestaltung übt durch die Abnahme der Temperatur mit der Höhe, durch den Verlauf der Gebirge und durch die Lage der Schneegrenze einen entscheidenden Einfluß aus. Das Klima U.S.Amerikas ist entsprechend der gewaltigen Ausdehnung des Landes, seiner Erstreckung über 25 Breitengrade und der Mannigfaltigkeit der Ober flächenformen, besonders im Westen mit seiner Wechsel volle- ren und energischeren Höhengliederung, in den einzelnen Landes- teilen sehr verschieden. Daraus ergeben sich wiederum tiefgreifende Unterschiede in den landwirtschaftlichen Kulturen und Betriebs- arten, im Erwerbsleben und in der Bevölkerungsverteilung.

Durch ihre geographische Lage zwischen 49 und 25^ N gehört die Union der Südhälfte der nördlichen gemäßigten Zone an (vgl. S. S7)- Dennoch ist ihr Klima entschieden kontinental mit bemerkenswerten jahreszeitlichen Gegensätzen, plötzlichen schroffen Temperatursprüngen und weit auseinanderliegenden Temperatur extremen, einem langen, strengen Winter und einem kurzen, rauhen Frühling, einem warmen, im Osten niederschlags- reichen Sommer und einem langen, schönen Herbst.

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Die starken Schwankungen des nordamerikanischen KUmas sind die Folge der Massigkeit des wenig gegliederten Landes und des Zurücktretens trennender und schützender Gebirgsschranken zwischen dem stark erwärmten Süden und dem stark abgekühlten Norden. Es fehlen die Ost- West streichenden Hochgebirgswälle der Alten Welt, die, wie Alpen und Himalaya, den rauhen Nord- winden das Vordringen nach Süden verwehren und die warmen Südwinde zurückhalten. Vielmehr gelangen in Nordamerika mit der ausgesprochen meridionalen Anordnung seiner Gebirge die eisigkalten, trockenen Nord- und Nordwestwinde des tief landeinwärts eingreifenden arktischen »Eiskellers « der Hudsonbai durch das Große Tal des Mississippi ungehindert bis zum Golf. Umgekehrt wehen die feuchtwarmen Süd- und Südwestwinde des Amerikanischen Mittelmeers ebenso ungehindert bis in hohe Breiten. Dieser ungehemmte Luftaustausch zwischen dem polaren Norden und dem tropischen Süden erklärt die scharfen und unberechenbaren Gegensätze zwischen Erwärmung und Abkühlung, zwischen Feuchtigkeit und Trockenheit, die mit dem Wechsel der Windrichtungen Hand in Hand gehen. Un- vermittelte Temperaturänderungen von beträchtlichem Ausmaß treten mit sprunghafter Schnelligkeit ein ^). Man kann es er- leben, daß an einem Tage eine drückende Schwüle herrscht und am andern ein durchdringend kalter Wind durch die Straßen fegt. Derartige Wetterumschläge sind eine charakteristische, aber wenig angenehme Begleiterscheinung des nordamerikanischen Klimas. Sie bedingen die starken Verwitterungserscheinungen in den pflanzenarmen, schutzlosen Trockengebieten des Westens, indem die ständige Ausdehnung und Zusammenziehung des Gesteins durch Hitze und Frost schließlich selbst den festesten Fels lockert und zersprengt Durch den auf die Nerven gehenden Wetterwechsel und durch die Gegensätze zwischen heißem, er- schlaffendem Sommer und strengem Winter will man neben dem aufreibenden »Arbeitsfanatismus« auch die innere Unrast des Amerikaners erklären.

Unter besonderen klimatischen Voraussetzungen verlängern sich im atlantischen Osten die hohen Sommertemperaturen zu langanhaltenden Hitzeperioden oder heißen Wellen (Hot Waves), die dem hochgelegenen Westen fehlen, weil in seinem wolken- armen Klima die Nächte stets Abkühlung bringen. Die Hitze- wellen wirken unerträglich weniger durch die hohen Temperatur-

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maxima als vielmehr durch die Tag und Nacht gleichmäßig hohe Wärme und Luftfeuchtigkeit. Sie mindern die körperliche Leistungsfähigkeit und Arbeitskraft stark herab und haben in den die Wärme festhaltenden Häusermeeren der Großstädte zahlreiche Todesfälle durch Hitzschlag und Sonnenstich zur Folge 2). Ihr Gegenstück sind die durch grimmige Kälte be- rüchtigten kalten Wellen (Cold Waves), die allwinterlich 3 4mal den Osten heimsuchen. Sie dringen bis tief ins subtropische und tropische Amerika vor ^) und haben trotz ihrer kurzen Dauer unter der frostempfindlichen immergrünen Vegetation, z. B. unter den Südfruchtpflanzungen Louisianas und Floridas, wiederholt schweren Schaden angerichtet. In den Südstaaten muß die Baumwolle meist jedes Frühjahr neu gepflanzt werden, weil die Kältewellen sie töteten*). Wenn strenger Winteifrost die feuchtwarme Seeluft ablöst, so brechen unter der Last des gefrorenen Regens die Aeste ab, und ganze Bäume werden vom Rauhfrost umgeknickt.

b) Klimatische Gliederung.

Klimatisch gliedert sich die Union in drei große Längs- zonen von wesentlich verschiedener Eigenait, den Osten, die Hochflächen und Hochgebirge des Cordillerengebietes und das pazifische Küstenland.

In dem ganzen ungeheuren Raum vom Atlantischen Ozean bis zum Fuße des Felsengebirges und vom Golf bis zu den Großen Seen ist das Klima wegen der orographischen Eintönigkeit des Ostens fast gleich. Die Appalachen sind nur mäßig hoch. Darum werden sie von den trockenen Landwinden ebenso überweht wie von den feuchten Seewinden und vermögen einen entschei- denden Einfluß auf das Klima nicht auszuüben. Bloß der äußerste Nordosten steht bereits stark unter dem Einflüsse der kalten nordatlantischen Seewinde, des kalten Küstenwassers und der eisbeladenen Labrador Strömung, die sich als »Kalte Mauer« (Cold Wall) noch weit nach Süden verfolgen läßt. Dagegen weist die bis fast zum Wendekreis reichende und vom warmen Golfstrom bespülte Halbinsel Florida fast tropische Witterungsverhältnisse auf und ist wegen ihres milden Winterklimas ein Gebiet viel- besuchter Winterkurorte geworden. Einen örtlichen klimatischen Einfluß auf die Uferlandschaften übt das große Binnenmeer der St. Lorenzseen aus, vor allem dadurch, daß es durch Früher-

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legen des letzten schädlichen Frühlingsfrostes und durch Hinaus- schieben des ersten tödlichen Herbstfrostes die frostfreie Zeit verlängert ^). Im übrigen hat die ganze Osthälfte ein kontinen- tales Klima, das allerdings durch reichliche Niederschläge aus- gezeichnet ist. Das Klima des Südens (genauer des Südostens) ist von dem des Nordens (genauer des Nordostens) nicht dem Wesen, sondern lediglich dem Grade nach verschieden.

Vom 100. Längengrad ab nach Westen nimmt das Klima einen vom Osten durchaus abweichenden Charakter an. Die feuchte Golfluft dringt nicht mehr über diese Grenzlinie hinaus, und die atlantischen Luftströmungen, die ohne allzustarken Verlust an Wasserdampf den niedrigen Gebirgswall der Appa- lachen überwehen, regnen sich an der Ostseite der Cordilleren ab, während die pazifischen Hochgebirge den ausgleichenden Einfluß des Stillen Meeres ausschließen. Daher kommt in dem niederschlagsarmen, aber im Sommer stark durchwärmten Gebiet das gegensatzreiche Hochlands- und Steppenklima mit seinen starken täglichen Temperaturschwankungen und seiner großen Lufttrockenheit immer entschiedener zur Geltung ^) . Die im Wind- und Regenschatten der beiderseitigen Randgebirge gelegenen Binnenhochländer des Westens haben sogar ein echtes Wüstenklima und einen ihm entsprechenden, überaus dürftigen Pflanzenwuchs.

Klimatisch ganz anders geartet ist wieder der schmale Streifen des pazifischen Küstenlandes. Da es durch Hoch- gebirgsriegel (vgl. S. 46 fg.) vor den rauhen Nordwinden und vor den im Sommer heißen, im Winter bitterkalten Landwinden des Cordilleren-Hochlandes geschützt ist, so weist es als bevor- zugteste, wenngleich räumlich kleinste Klimaprovinz der Union ein dem gleichmäßig milden Klima Südeuropas ähnelndes Mittel- meerklima mit dem Gegensatz trockener Sommer und feuchter Winter auf. Die an Seebädern reiche Steilküste Süd-Kaliforniens, die eine farbenprächtige immergrüne Mittelmeervegetation ver- schönt, wird gern als Mediterranean Shore of America oder als Amerikanische Riviera bezeichnet.

c) Temperaturund Jahreszeiten.

Die Union wird durch die Jahres-Isothermen der gemäßigten Zone begrenzt, im Norden durch die Wärmelinie von 10° und im Süden durch die WärmeHnie von 20® C. Nur das südlichste

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Florida liegt noch innerhalb der Jahres-Isotherme von 25° oder innerhalb des Tropengürtels, Viel bedeutsamer für das Kultur- und Wirtschaftsleben sind indes die mittleren Temperaturen des wärmsten und kältesten Monats. Namentlich die Sommer- temperaturen werden für das Leben der meisten Pflanzen ent- scheidend. Die Juli-Isotherme von 20° dringt bis nach Kanada vor, weicht aber längs des pazifischen Küstenrandes wegen des hier aufquellenden kalten Tiefenwassers und des kühlen Kali- fornischen Stromes und der dadurch bedingten Temperatur- Erniedrigung äquatorwärts bis nach Süd-Kalifornien zurück». Die o ^-Isotherme des Januar reicht in Nordamerika südwärts bis 40^ N, also bis in Breiten, unter denen in West- und Süd- europa bereits ein Januarmittel von -j- 10° herrscht. Im allge- meinen hat die südliche Union wegen der Nachbarschaft des stark erwärmten Golfes heiße Sommer und milde, schneefreie Winter. Die mittlere Union hat noch heiße Sommer, aber schon kalte Winter, und die nördliche Union hat gemäßigte Sommer und strenge Winter.

Im Winter lagert über dem stark durchkälteten arktischen Nordamerika ein Gebiet hohen Luftdruckes, während die den Erdteil im Osten, Süden und Westen umgebenden Meere ver- hältnismäßig warm sind und daher Gebiete niedrigen Luftdruckes darstellen. Infolgedessen fließt aus dem binnenländischen Hoch- druckgebiet die kalte, schwere Luft gegen die ozeanischen Nieder- druckgebiete ab und bedingt die Herrschaft eisiger Nord- und Nordwestwinde, die selbst im milden Winterklima des subtropi- schen Südens die Temperatur an einzelnen Tagen ausnahmsweise tief unter Null sinken lassen. Die absolut niedrigsten Winter- minima aber finden sich auf der Prärientafel, besonders in den Binnenstaaten Montana, Dakota und Minnesota, weil zwischen dem Missouri und den Großen Seen die Einbruchspforte für die eisigen Nordwinde liegt. In Poplar River (Montana), dem käl- testen Orte der Vereinigten Staaten, sind schon Wintertempe- raturen bis 54° C beobachtet worden, so daß man hier von sibirischer Kälte reden kann. Das Cordilleren-Hochland ist trotz der beträchtlichen Meereshöhe bei weitem nicht so kalt. Denn es wird durch die Gebirgsumwallung gegen die Nordwinde abge- sperrt, denen das viel tiefer gelegene Missouri- Gebiet schutzlos offensteht. Den niedrigen Wintertemperaturen dieses exzessiv kontinentalen Klimagebietes stehen jedoch so hohe Sommer-

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temperaturen gegenüber, daß die absoluten Temperaturschwan- kungen zwischen höchster Sommerhitze und tiefster Winter- kälte bis zu 100^ C erreichen können.

Bei der Allgewalt des Winters läßt der Frühling lange auf sich warten. Er ist nur von kurzer Dauer und setzt unvermittelt gleich mit hohen Wärmegraden ein, wird aber öfters von jähen Temperaturstürzen und scharfen Frösten unterbrochen oder fehlt auch ganz, so daß sich der Uebergang von der kalten zur warmen Jahreszeit rasch und unter schroffen Temperatursprüngen vollzieht. Der obere Mississippi bleibt zuweilen bis in den April hinein gefroren, und die Großen Seen werden der Schiffahrt durchschnittlich erst von Mitte April ab voll und ganz dienstbar.

Wirtschaftlich viel bedeutungsvoller als die mittlere Jahres- temperatur ist die hohe Sommerwärme Nordamerikas, weil sie für das üppige Reifen der Feldfrüchte in erster Linie entscheidend ist und auch in den Gebieten langer Winterkälte reiche Weizen- ernten ermöglicht. Durch ihre südlichere Lage hat die Union einen viel wärmeren Sommer als Europa. Da er zugleich die niederschlagreichste Zeit ist, so entspricht das feuchtwarme Klima des Ostens dem ostasiatischen Monsuntypus mit der hohen Trieb- kraft der Pflanzen, die, vom rauhen Winter in ihrer Entwicklung zurückgehalten, sich nunmehr rasch entfalten. Bis in den Bereich der Großen Seen macht sich die drückende Schwüle des fast tropischen Sommers bemerkbar. Dann versteht man die Vor- liebe des Amerikaners für Eiswasser und eisgekühlte Getränke und lernt die nachahmenswerte Einrichtung amerikanischer Hotels doppelt schätzen, daß zu jedem Zimmer ein Bad gehört, das man sich selbst bereiten und nach Belieben benutzen kann.

Im regenarmen Westen freilich trägt die hohe Sommer- wärme viel zur Verstärkung der Wüstenhaftigkeit bei. Weite Flächen des cordillerischen Binnenlandes, die durch hohe Rand- gebirge gegen den kühlenden, feuchten Hauch des Ozeans ab- gesperrt sind, haben als heißeste Landschaften der Union ein afrikanisches Julimittel von 30 37°, während in Europa nur ein kleines Gebiet Süd- Spaniens von der Juli-Isotherme von 30^ umschlossen wird. Auch die absolut höchsten Hitzegrade stehen nicht hinter denen der Sahara zurück. In der Mojavewüste und im süd-kalifornischen Todestal (Death Valley), den Glutöfen Nordamerikas und den heißesten Strichen der Erde, hat man bei einem Julimittel von 37,7° C sommerliche Schattentempe-

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raturen bis zu 56 und 58° und in der Sonne Hitzegrade bis über 85 ö C gemessen. Im übrigen dürfte es kaum ein Gebiet, in den Vereinigten Staaten geben, das nicht schon sommerliche Schatten- temperaturen bis zu 40° zu verzeichnen gehabt hätte. Im trocken- heißen Südwesten verdunstet das Wasser so schnell, daß hier Talsperren nur in den Betten ausdauernder Flüsse Wert haben. Sonst muß man zu Brunnengrabungen greifen.

Die schönste Jahreszeit ist der Herbst mit seiner anhaltend ruhigen und sonnigen Witterung, dem denkbar besten Ernte- wetter. Berühmt ist die wunderbare Blatt färbung der Laub- bäume, die an leuchtender Pracht und Buntheit der Farben- mischung das herbstliche Farbenspiel unserer Wälder weit über- trifft und manchem Maler als Vorwurf gedient hat ''). Das ist der oft geschilderte Indianersommer, ein Name, der wahrschein- lich erst am Ende des 18. Jahrhunderts in der nordöstlichen Union von den Weißen eingeführt wurde und die Zeit bezeichnete, in der die Indianer das trockene Gras abzubrennen pflegten. Klimatisch ist er durch ein prächtiges Herbst wett er mit warmen, heiteren Tagen und blauem, wolkenlosem, wenngleich etwas verschleiertem Himmel charakterisiert.

d) Luftfeuchtigkeit und Niederschläge.

Auch in der Luftfeuchtigkeit und im Niederschlag kommt der Gegensatz zwischen dem feuchten Osten und dem trockenen Westen scharf zur Geltung und beeinflußt die Landwirtschaft in tiefgreifender Weise. Einzelne Striche haben eine fast tro- pische Regenfülle, andere sind fast regenlose Wüsten. Doch findet ein allmählicher Uebergang statt, so daß man feuchte, halbtrockene und trockene Gebiete unterscheiden kann. Die feuchten Gebiete mit mindestens 750 mm Niederschlägen und ausreichender Luftfeuchtigkeit nehmen die ganze Osthälfte und den äußersten Nordwesten ein, wobei von den Hauptursprungs- stätten des Wasserdampfes, den drei die Vereinigten Staaten umgebenden Meeren, aus landeinwärts eine deutliche Abnahme der Niederschlagsmenge stattfindet. Die halbtrockenen oder semiariden Gebiete mit 750 500 mm Niederschlagshöhe und geringerer Luftfeuchtigkeit umfassen die Prärien und die höheren Erhebungen der Randgebirge des Westens. Der ganze große Rest des Cordülerenlandes ist ein Trockengebiet mit niedrigem Wasser- dampfgehalt der Luft und mit weniger als 500 mm Regenhöhe.

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Im atlantischen Osten sind die Niederschläge unter dem Einflüsse der feuchten Seewinde, die im Sommer vom kühleren Atlantischen Ozean und namentlich vom Golf in das stark er- wärmte Binnenland hineinwehen s), das ganze Jahr hindurch reichlich und gestatten alle der Wärme entsprechenden Kulturen. Die bedeutendste Regenmenge hat die der Feuchtigkeitsquelle nächstgelegene Golfgegend. Aber auch im breit zum Mexikani- schen Meerbusen geöffneten Mississippi-Tal zieht sich ein nieder- schlagsreicher Gürtel mit über 1500 mm und mehr Regenhöhe tief ins Binnenland, und in den Appalachen wird eine Regen- menge von etwa 2000 mm erreicht. Im Ohiobecken und an den St. Lorenzseen sinkt sie auf ein geringeres Maß, das jedoch im Vergleich zu Europa immer noch als ziemlich hoch gelten kann. Freilich ist hier auch die Verdunstung viel stärker als bei uns. Ueberaus niederschlagsreich ist dann erst wieder das von den Seewinden befeuchtete Kaskadengebirge nebst dem vorgelagerten Abschnitt der Coast Ranges, so daß der Nordwestwinkel mit einer jährlichen Niederschlagssumme bis zu 3300 mm die feuch- teste Ecke der Vereinigten Staaten darstellt.

Jenseit des Mississippi nimmt die Regenhöhe rasch ab. Die Prärientafel vermittelt den Uebergang zum trockenen Westen. Die östlichen Prärien erhalten noch ausreichende Niederschläge, die sich in vorteilhafter Weise auf die für die Ernteaussichten wichtigste Zeit, den Frühsommer, zusammendrängen, während der steppenhafte Hoch- und Spätsommer Trockenheit und reichliche Wärme bringt. Dadurch wird die östliche Prärie dank ihrer fruchtbaren Schwarzerde eines der ergiebigsten Weizen- länder Nordamerikas. Die westliche Prärie hat zwar noch die- selbe Niederschlagsmenge wie Deutschland außerhalb der feuch- teren Mittelgebirge. Weil jedoch in der sonnigen und windigen Luft und bei der Durchlässigkeit des Präriebodens das Wasser- bedürfnis der Pflanzen und die Verdunstung viel stärker ist als bei uns, so reicht der Niederschlag zur Tränkung der an- spruchsvolleren Holzgewächse nicht mehr aus. Daher die Baum- armut der weiten Grasmeere, die nach Westen hin immer mehr zur Baumlosigkeit wird. Zwischen 97 und 100^ W. breitet sich ein Gürtel aus, dessen Regenfall in manchen Jahren für den Ackerbau ausreicht, während er in andern Jahren völlig unge- nügend ist. Der 100. Längengrad, der ungefähr die Mittellinie der Union bezeichnet imd das Wald- und Steppenland von-

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einander scheidet, ist die äußerste Westgrenze des für die Boden- bebauung unumgänglich notwendigen Niederschlags mit einer jährlichen Regenhöhe von 500 mm. Unter dieser Grenze sind sichere Ernteerträge nur unter Zuhilfenahme künstlicher Be- rieselung zu erwarten (vgl. Kap. 16).

Der gesamte Westen der Union, etwa zwei Fünftel des Staates, kann landwirtschaftlich als der Bereich künstlicher Be- rieselung betrachtet werden, weil seine Niederschläge unter 500 rnm bleiben und obendrein sehr ungleichmäßig über das Jahr verteilt sind. Meist drängen sie sich auf wenige Tage zu- sammen, zwischen denen monatelange Trockenperioden liegen. Reichliche Tau- und Nebelbildung vermag den mangelnden Regen eine Folge der Lage des cordillerischen Binnenlandes im Regenschatten der westlichen und östlichen Randgebirge --- nicht zu ersetzen (vgl. S. 47). Auch der Einfluß der Binnen- gebirge, die ihre trockene Umgebung als Feuchtigkeitssammler und Regeninseln überragen, ist nicht sehr erheblich. In ausge- dehnten Gebieten, die deshalb geradezu als Wüsten gelten müssen, geht der jährliche Niederschlag unter 250 mm herab, um in den regenärmsten Durststrecken der Union, Fort Yuma in der Gilawüste und Volcano Springs in der Mojavewüste, auf 78 und 43 mm zusammenzuschrumpfen. Beide Landschaften sind manches Jahr völlig regenlos und haben zugleich die ge- ringste Luftfeuchtigkeit, die im Sommer oft kaum 10% beträgt.

Wichtiger als die Gesamtsumme des Niederschlages ist seine jahreszeitliche Verteilung und die Art seines Fallens. In erst er er Beziehung darf man nicht übersehen, daß eine an sich geringere Niederschlagsmenge, wenn sie auf den für die Pflanzen so wich- tigen Sommer fällt, für deren Fortkommen mehr zu leisten ver- mag als eine größere Regenmenge, die aber entweder über einen zu langen Zeitraum verteilt ist oder sich binnen kürzester Frist in wolkenbruchartigem Ueberfluß erschöpft, worauf dann eine langdauernde Trockenperiode einsetzt. Nach der jahreszeit- lichen Anordnung unterscheidet A. W. Greely 6, R. De C. Ward 14 und Henry 10 Niederschlagstypen, die sich teilweise decken oder kombinieren und durch Uebergänge miteinander ver- bunden sind. Greely s Typen sind:

Der atlantische Typus zwischen dem Atlantischen Ozean und den Appalachen mit gleichmäßiger Verteilung der Niederschläge über alle Monate des Jahres.

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Der Tennessee- Typus jenseit der Appalachen und süd- lich des Ohio. Der Niederschlag verteilt sich über das ganze Jahr, weist aber im Vorfrühling die größte und im Herbst die geringste Menge auf.

Der Golf- Typus im Umkreise des Mexikanischen Golfes hat ebenfalls Niederschläge in allen Monaten. Doch ist hier gerade umgekehrt der Herbst am regenreichsten und der Vor- frühling am regenärmsten. Reichliche Befeuchtung und hoher Dampf gehalt der Luft, halbtropische Sommerwärme und milde Winter bedingen die erstaunliche Fruchtbarkeit der Südatlanti- schen und Golfniederung einschließlich des unteren Mississippi- Tieflandes und haben zur Einbürgerung eines ausgedehnten Plantagenbaues halbtropischer Handelsgewächse geführt.

Nicht, minder günstig für das Pflanzenwachstum und für die Landwirtschaft ist der über das ganze mittlere und nördliche Mississippi-Becken westwärts bis zum Felsengebirge verbreitete Missouri- Typus. Er hat reichliche Niederschläge im Spät- frühling und Frühsommer, wo die heranwachsende Vegetation der Feuchtigkeit am dringendsten bedarf, zeigt aber ein starkes Nachlassen der Niederschläge gegen den Herbst hin, so daß dann ein geradezu ideales trockenes Erntewetter herrscht. Die glück- liche Vereinigung von Wärme und Feuchtigkeit macht dieses Gebiet zu einer der großen Kornkammern der Erde.

Der mexikanische Typus im Binnenhochlande des südlichen Westens. Hier geht der größte Teil der ohnehin nicht sonderlich ergiebigen Niederschlagsmenge während des Sommers in wenigen Wolkenbrüchen nieder. Der Winter ist fast regenlos.

Der pazifische Typus des westlichen Küstenlandes, besonders Kaliforniens, entspricht der Regenverteilung unseres Mittelmeergebietes. Reichhche Winter- und Frühlingsnieder- schläge stehen einem regenarmen oder völlig regenlosen, trocken- heißen Sommer gegenüber, der für landwirtschaftliche Zwecke künstliche Berieselung notwendig macht.

Aus dieser kurzen Uebersicht ergibt sich, daß im ganzen Westen der Sommer regenarm und die Mitte im Sommer be- sonders regenreich ist, während sich im atlantischen Osten der Niederschlag gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt. Aller- wärts in den Vereinigten Staaten fällt er aber in heftigen und ausgiebigen Güssen, die oft von starken elektrischen Entladungen begleitet sind und namentlich im Westen einen ungestümen

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Charakter haben. Sie zaubern hier in kürzester Zeit reißende Wildströme hervor, die aber durch Verdunstung und Boden- versickerung ebenso schnell wieder verschwinden. Im allge- meinen stiften diese wolkenbruch artigen Regenfluten, die man treffend als Washouts bezeichnet, mehr Schaden als Nutzen. Denn sie zerreißen weithin den durch die Temperaturgegensätze aufgelockerten und durch die Hitze ausgedörrten Boden, über- schütten ihn weithin mit Geröllmassen und geben durch Unter- spülung der Bahngleise und Brücken zu umfangreichen Ver- kehrsstörungen Anlaß. Da auf einen ausgiebigen Regen gewöhn- lich eine längere Trockenzeit folgt und da die vorherrschenden trockenen Landwinde eine starke Verdunstungswirkung aus- üben, so ist in der Union die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit trotz der beträchtlicheren jährlichen Niederschlagsmenge viel geringer als in Europa und greift tief ins wirtschaftliche und häus- liche Leben ein. Sie begünstigt die Herstellung von Dörrgemüsen, Rosinen, Feigen und andern Trockenfrüchten. Das Brot und die Wäsche trocknen schneller als bei uns, frisches Fleisch geht nicht so leicht in Fäulnis über, und beim Einzug in ein neu- gebautes Haus braucht man nicht erst das Austrocknen der Wände abzuwarten. Andrerseits reißt jedoch das übermäßig ausgedörrte Holz viel mehr als bei uns und wirft sich, die Haut springt auf und blutet, und das Wasser der Flüsse und des Bodens verschwindet rasch. Selbst im feuchteren Osten kann anhaltende Lufttrockenheit unter Umständen zu Dürren und Mißernten führen ^).

Der Wasserdampfgehalt der Luft bestimmt die Stärke der Bewölkung und, die Sonnenscheindauer. Stärkste Bewölkung und kürzeste Sonnenscheindauer gehen in den ständig feuchten Gebieten Hand in Hand, besonders an den Großen Seen und im feuchten Küstenlande des Nordwestens. Die geringste Be- wölkung und längste Sonnenscheindauer weist das Kalifornische Tal auf. In Süd-Kalifornien, das den schmückenden Beinamen ,,Das Land des Sonnenscheins" erhalten hat, scheint die Sonne im Jahresdurchschnitt mindestens während 70% der Tagesdauer gegen nur 32,4% in Bremen. Bei genügender Bodendurchfeuch- tung ist natürlich das sonnig-warme Klima der Landwirtschaft überaus günstig. Im Sonnenlande Kalifornien hat man auch versucht, die Kraft der Sonnenstrahlung der Technik dienstbar zu machen, indem Maschinen mit Sonnenkraft versorgt und

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durch sie getrieben werden. Diese Kraftquelle dürfte für den kohlenarmen, aber an Sonnenschein reichen Westen eine nicht zu unterschätzende Zukunftsbedeutung haben. Einmal erhöht hier die niedrige geographische Breite die Stärke der Sonnen- strahlung, und dann erreicht gerade im wölken- und wasser- dampfarmen Westen die Sonnenscheindauer ihre höchste Stun- denzahl und damit ihre größte Ausnützungsmöglichkeit.

Schnee fällt in allen Teilen U.S.Amerikas mit Ausnahme der Südhälfte Floridas und der Ebenen Süd- Kaliforniens. Auch in der Golfgegend fehlt er nicht ganz, obgleich er nur selten und in geringer Menge niedergeht und als Ausnahme-Erscheinung bloß ganz kurze Zeit liegen bleibt. Im größeren Teile des Staats- gebietes beträgt die mittlere Schneehöhe nicht mehr als 25 bis 125 cm. Dagegen schütten im Nordosten bis tief hinein ins Seengebiet die feuchten Meereswinde Schneemassen aus, die bis über 250 cm Mächtigkeit erreichen und in dem kalten Winter- klima eine langdauernde Decke bilden. Am beträchtlichsten sind Schneefall und Schneelagerung im Kaskadengebirge. Hier hält sich der Schnee in den höheren Lagen das ganze Jahr hindurch und verwandelt sich in Firn und Gletscher, deren weißleuchtende Haube die Hochgipfel tief hinab verhüllt. In den andern Hoch- gebirgen des Westens ist die Luftfeuchtigkeit zu gering und der Schneefall nicht ausgiebig genug, als daß es hier zu umfang- reicherer Vergletscherung kommen könnte. Dennoch wird der Schnee für die trockenen Binnenhochländer des Westens wirt- schaftlich hochwichtig, weil er sich schützend über die Winter- saaten breitet, die Quellen und Wasserläufe speist und eine natürliche Reserve für die künstliche Berieselung schafft. Die langsam abschmelzenden Schneevorräte des Hochgebirges tragen das meiste zur Füllung der Flußbetten und Bewässerungskanäle bei, während die wenigen sommerlichen Platzregen fast wirkungs- los verdunsten oder im Boden verschwinden.

e) Luftströmungen und Stürme.

Der Ausgleich zwischen der kalten, schweren Luft aus dem stark durchkälteten arktischen Norden und der warmen, leichten Luft aus dem tropisch-warmen Süden einerseits und der Luft- austausch zwischen dem Cordilleren-Hochland und dem At- lantischen Ozean andererseits erfolgt in den weiten, schütz- und hindernislosen Ebenen mit ungeheurer Schnelligkeit und Gewalt.

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Daher die häufigen Stürme, die oft mit schroffen Temperatur- sprüngen nach oben und unten und mit heftigen elektrischen Entladungen verknüpft sind und je nach Herkunft und Jahres- zeit gewaltige Staub-, Regen- oder Schneemassen ausschütten.

Wie Europa liegt auch die Union im Bereiche ostwärts fortschreitender, nicht selten stürmischer Luftwirbel. Die meistbenutzte Wanderstraße zieht zum Schaden der Schiffahrt aus der nördlichen Felsengebirgsgegend über die Großen Seen zum Atlantischen Ozean und erklärt die häufig wiederkehrenden Nachrichten über schwere Schiffsverluste auf den Kanadisch- Amerikanischen Seen. Zuweilen treten auch die Wirbelstürme Westindiens, die Hurricanes, auf die atlantische und Golfküste über und rufen hier, hohe Sturmfluten hervor, deren einer im Jahre 1900 die Stadt Galveston zum Opfer fiel. Noch viel gefurcht et er sind die Tornados, verheerende Wirbel- stürme, die mit 150 m Umdrehungsgeschwindigkeit in der Sekunde dahinbrausen, so daß ihre Kraftäußerungen kaum ein Seitenstück haben. Sie werfen schwere Eisenbahnzüge um und haben wieder- holt ganze Ortschaften vom Erdboden weggefegt. Zum Glück bewegen sie sich nur lii ganz schmalen, nicht über 500 m breiten Bahnen und erschöpfen sich meist nach Zurücklegung eines ver- hältnismäßig kurzen Weges. Als eine Eigentümlichkeit des nordamerikanischen Sommers sind diese unheimlichen Zerstörer im ganzen Osten der Union heimisch, besonders im Mississippi- becken und in der Prärie. Der Tornado vom 27. Mai 1896 in St. Louis verursachte einen Sachschaden von 13 Millionen Dollars und forderte 306 Menschenleben.

Schwere Nordweststürme, gleichsam boraähnliche Fallwinde gewaltigsten Ausmaßes, sind die B 1 i z z a r d s und Northers (Nortes). Diese eisigkalten Winde, die bis zu 80 km Stunden- geschwindigkeit erreichen und die Lufttemperatur rasch und beträchtlich sinken lassen, entstehen, wenn sich über dem stark durchwärmten Golf ein ausgeprägtes Tiefdruckgebiet bildet, in das die kalten nördlichen Luftströmungen ungestüm einbrechen. Im Winter treten sie als Schneestürme auf, deren mehlfeiner Eis- und Schneestaub hart und trocken wie Sand ist und jede Orientierung unmöglich macht, so daß man sich schon wenige Schritte von einem Hause entfernt verirren kann. Darum ist derjenige meist verloren oder zieht sich eine oft tödliche Lungen- entzündung zu, den ein solcher Orkan auf offenei Flur fernab von

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^ jeder menschlichen Wohnstätte überrascht. Denn der durch- dringende Eishauch bläst immer wieder die warme Lufthülle weg, die der Körper in ständiger Wiedererneuerung um sich herum erzeugt, und diesen großen Wärmeverlust kann der Orga- nismus auf die Dauer nicht ertragen ^°). Geradezu verheerend räumen aber die Nordstürme unter den sommers wie winters im Freien bleibenden Herden auf. Millionen von Haustieren fallen alljährlich den Schnee-Blizzards zum Opfer. Hält ihre Kraft länger an mancher Schneesturm hat loo Stunden hindurch ununterbrochen gewütet , so türmen sich die Schnee- wehen zu hohen Mauern auf, die den Verkehr in empfindlichster Weise stören, da selbst die stärksten Schneepflüge das Hindernis nicht immer beseitigen können. Man sucht deshalb die Bahn- gleise durch viele kilometerlange Schneeschutzdächer freizu- halten. Auch in den Städten legen die Blizzards unter Um- ständen tagelang allen Straßenverkehr lahm.

Eine Eigentümlichkeit der Plains sind die trockenheißen Wüstenwinde, die im Sommer gelegentlich aus dem überhitzten Binnenhochlande her aus wehen. Da sie die Wärme bis über 50° C steigern und die Luftfeuchtigkeit bis unter 10% heiab- drücken, so trocknen die Pflanzen außerordentlich schnell aus, während die Halme versengt und die Baumfrüchte förmlich gebraten v/erden. Glücklicherweise erstrecken sich die Wirkungen dieser die Ernten gefährdenden Glutwinde nie über größere Flächen.

Dagegen ist ein wirtschaftlicher Wohltäter der trocken- warme. Fallwind des nördlichen Felsengebirgs- und Prärie- gebietes, der C h i n o o k. Er tritt während des Winters in unregelmäßigen Zwischenräumen auf und hält bald mehrere Tage, bald bloß einige Stunden an. Nach Entstehung und Cha- rakter entspricht er dem Föhn und wird gleich ihm durch das unmittelbare Nebeneinandertreten hohen und niedrigen Luft- druckes hervorgerufen. Mit dem Alpenföhn hat er das rasche Wegschmelzen des Schnees und plötzliche starke Temperatur- erhöhung gemeinsam. Daher schätzen ihn die Viehzüchter als Erhalter ihrer Herden, weil er den strengsten Winter rasch in warmen Frühling verwandelt und als Schneefresser dem Weide- vieh zum Futter verhilft.

Alles in allem sind schroffe Wetterumschläge und unzeitige Fröste, Hitze- und Kältewellen, Wolkenbrüche und Orkane

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durch den Schaden, den sie alljährlich anrichten, eine Schatten- seite des vereinsstaatlichen Klimas. Auf der andern Seite ist es ähnlich günstig wie das Klima Europas und weist so viele wirt- schaftliche Vorteile auf, daß die Millionenwerte an Verlusten durch die Milliardengewinne reichlich wieder aufgewogen werden. Ueberhaupt bietet U.S.Amerika trotz mancher Einschränkung überschwenglicher Anschauungen ausgezeichnete natürliche Vor- bedingungen für eine vielseitige wirtschaftliche Entwicklung. Allein die indianischen Urbewohner, die im wesentlichen auf der Kultur- und Wirtschaftsstufe von Jägervölkern stehen ge- blieben waren, vermochten die reichen Naturgaben nicht zu heben, zumal ihnen das Verständnis für ihre Bedeutung und ihre Verwendungsmöglichkeiten fehlte. Erst der Weiße mußte kommen, um durch seine überlegene Kultur und Kapitalkraft, unterstützt durch die Zwangsarbeit der Neger und durch die Emsigkeit chinesischer Kulis, die schlummernden Schätze der Allgemeinheit dienstbar zu machen. Namentlich seit der Er- ringung der staatlichen Selbständigkeit setzte ein beispielloser Aufschwung ein, mächtig gefördert durch das rasche territoriale Wachstum, durch den immer mehr anschwellenden Einwanderer- strom und durch die Technik. Die Erschließung der neu erworbe- nen Gebiete stellte immer neue Aufgaben und verlangte immer neue Menschenmassen, während die Ueberwindung der Ent- fernungen die Vervollkommnung des Verkehrswesens unabweis- bar machte, um die Verbilligung der Zufuhren, den Absatz der Erzeugnisse und den politischen Zusammenschluß des weiten Reiches zu ermöglichen.

Unterziehen wir daher nach der Charakteristik des Landes auch seine Menschen als Träger und Entwickler des politischen und Wirtschaftslebens einer zusammenfassenden Betrachtung!

7. Volkszahl und Volksdichte.

Verschiebung der städtischen und ländlichen Bewohnerschaft. Rasche Menschenzunahme der Union und ihre Ursachen. Die Volksdichte U.S.Ameri- kas im Vergleich zu derjenigen Europas. Absolute und relative Zahlen in der Wirtschaftsgeographie. Volkszahl und Volksdichte im vereinsstaatlichen Osten, Süden und Westen. Binnenwanderungen. Bevölkerungsmittelpunkt. Zukünftige Menschenzahl der Vereinigten Staaten.

Has se rt, Vereinigte Staaten. 6

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Die erste Volkszählung, die 1790 in der Union stattfand und sich seitdem alle 10 Jahre wiederholte, ergab für den jungen Staat 3,93 Millionen Menschen. Die Amerikaner waren' damals ein fast noch ganz ländliches Volk, Denn die städtische Bevölkerung belief sich bloß auf 3,4%, und die größte Siedlung, die alte Bundeshauptstadt Philadelphia, umschloß nicht mehr als 42 000 Einwohner. Mit der Zunahme des Handels und Großgewerbes ging aber eine unaufhaltsame Verschiebung der ländlichen und städtischen Bewohnerschaft Hand in Hand. Die Landflucht, die mit dem Zuge in die großen und größeren Städte verknüpft ist, hat sich in Amerika als Folgeerscheinung der fortschreitenden Industrialisierung ebenso bemerkbar gemacht wie in Europa. Nach Beendigung der Landnahme blieb das Wachstum der ländlichen Bevölkerung erst recht hinter dem der städtischen Bevölkerung zurück, und in einigen Bezirken der Neu-Englandstaaten fand ein sichtlicher Rückgang statt. Nicht wenige Gemeinden haben hier jetzt eine geringere Bewohnerschaft als nach dem Unab- hängigkeitskriege, und viele Farmen stehen leer, weil ihre In- sassen ausgewandert oder in die Städte gezogen sind. 1870 machte die ländliche Bewohnerschaft noch 79% aus. 1920 entfiel die größere Hälfte (51,9%) der gesar^ten Seelenzahl der Union auf die städtische Bevölkerung in Orten von mehr als 2500 Ein- wohnern, hinter der die Landbevölkerung (48,1%) um etwa 2 Millionen Köpfe zurückstand ^). Dörfer in unserm Sinne gibt es übrigens in Nordamerika kaum. Selbst solche Orte, die ur- sprünglich als Dörfer gegründet waren, haben schon früh einen städtischen Charakter erhalten. Die typische ländliche Siedlungs- form ist die Farm, d. h. der inmitten des zugehörigen Land- besitzes frei stehende Einzelhof.

1821 hatte die Unionsbevölkerung die zehnte Million er- reicht, und 1870 entsprach sie mit 39,8 Millionen bereits der- jenigen der mitteleuropäischen Großmächte. 1880 war die Volks- zahl des Deutschen Reiches überschritten, und 1920 waren 105,7 Millionen Seelen festgestellt, was gegen die Zählung von 1910 eine Zunahme um 13 Millionen bedeutet. (Vgl. Tabelle i). Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten hat sich somit in 130 Jahren ums 26fache vermehrt. Ein solches Wachstum hat auf Erden nicht seinesgleichen ^) . Freilich konnte es sich nur da- durch vollziehen, daß Ueberfluß an unbesiedeltem Grund und Boden vorhanden war, der durch seine natürlichen Reichtümer und

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seine verhältnismäßig leichte Erschließung immer neue Einwan- dererscharen anlockte und ihnen die Möglichkeit ungehinderter Entfaltung gab. 1790 war erst der schmale atlantische Küsten- streifen, also ein Bruchteil des heutigen Unionsgebietes, von Europäern besiedelt. Mit der politischen Ausdehnung des Riesen- staates ist die weiße Einwandererwelle bis zum Stillen Ozean vorgedrungen, wenn auch der Westen noch sehr schwach be- siedelt ist. Immerhin saßen 1920 bloß noch 70% der Be- völkerung U.S.Amerikas östlich des Mississippi gegen 91% im Jahre 1850.

Trotz des staunenswerten Bevölkerungswachstums ist die Union noch immer ein dünn bewohntes Land. Selbst der volk- reichste Staat, New York, weist erst 10,4 Millionen Einwohner auf, und die nächstfolgenden, Pennsylvanien mit 8% Millionen und Illinois mit 6^ Millionen, bleiben noch mehr zurück. Den letzten Platz haben als menschenärmste Bundesstaaten Wyoming mit 194000 und Nevada mit 77000 Einwohnern^). An ab- soluter Menschenzahl steht die transatlantische Republik aller- dings hoch über ihren Nachbarn Kanada und Mexiko und über allen Ländern der Neuen Welt. Dagegen bleibt sie hinter den 469 Millionen des nicht viel größeren Europa weit zurück. Nun hat freilich die Volksmenge unseres Erdteils in demselben Zeit- raum, in dem die Unionsbevölkerung ums 26fache wuchs, sich bloß verdreifacht, und amerikanische Statistiker haben mit Genugtuung betont, daß die Bevölkerung ihres Landes seit 1840 jährlich um 6,9%, die Europas aber nur um 1,2% gestiegen sei. Man darf indes die wichtige Tatsache nicht übersehen, daß viele Gebiete unseres Erdteils sehen stark bewohnt waren zu einer Zeit, in der die Union sich überhaupt erst mit Menschen zu füllen begann. Ebenso ist nicht zu vergessen, daß erst die gewaltige Einwanderung, für die Europa der gebende Teil war, den Ver- einigten Staaten die Hauptmasse ihrer Bewohner gebracht hat und immer noch bringt. Denn durch die natürliche Vermehrung allein, wie sie für Europa fast ausschließlich in Betracht kommt, wäre der gegenwärtige Stand der Unionsbevölkerung niemals erreicht worden. Das Bild verändert sich auch sofort, wenn wir statt der Relativzahlen die absoluten Zahlen einsetzen. Aus ihnen ergibt sich, daß von 1790 1920 die Bevölkerung Europas im Jahresdurchschnitt trotz des starken Auswanderungs Verlust es um mindestens 2,4 Millionen Köpfe zunahm, während diejenige

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U.S.Amerikas trotz der starken Einwanderung jährlich nur um 800000 Seelen gestiegen ist.

Hier sei eine grundsätzliche Bemerkung eingeflochten. Die Angaben absoluter Werte, sei es in Zahlentabellen oder in gra- phischen Darstellungen, sind ein Spiegelbild der Wirklichkeit. Die Relativzahlen dagegen sind ein abgeleiteter Wert, der er- klärend wirken soll, indem er die Schlußfolgerungen veranschau- licht, die aus den absoluten Zahlentatsachen gewonnen weiden können. So sehr nun die Verhältniszahl durch ihre Sinnfälligkeit, ihre leichtere Behaltbarkeit und ihre bessere Vorstellbarkeit sich empfiehlt, so gibt doch ihre ausschließliche Verwendung durchaus nicht immer ein klares Wirklichkeitsbild, weshalb man sie der absoluten Zahl gegenüber nicht überschätzen darf. Beide sind vielmehr in gegenseitiger Ergänzung und Vergleichung aufeinander angewiesen, wenn nicht die einseitige Bevorzugung relativer Werte zu Fehlschlüssen führen soll. So kann ein kleines, dicht bevölkertes Land, dessen Bewohner auf einer hohen Wirt- schaf tsstufe stehen, zwar auf die Raumfläche bezogen eine hohe landwirtschaftliche Erzeugung haben. Auf den Kopf der dicht gedrängten Bevölkerung berechnet erscheint sie aber gering, so daß sie größtenteils im Lande selbst verbraucht wird oder gar noch Einfuhren notwendig macht. Umgekehrt kann ein weiträumiges, dünn besiedeltes Land, dessen Kultur und Wirtschaft noch unentwickelt ist, trotz geringer Durchschnitts- erträge so gewaltige Mengen landwirtschaftlicher Produkte liefern, daß ein erheblicher Ueberschuß zur Ausfuhr gelangt. Hier entscheidet also die absolute Zahl, die Menge des Erzeugten. Ebenso ist für die Beurteilung der Macht eines Staates die Volks- dichte von untergeordneter Bedeutung. Auch hier kommt ledig- lich die absolute Zahl in Betracht, die bei einem dünn bewohnten Staat mit 100 Millionen Menschen ganz anders ins Gewicht fällt als bei einem dicht besiedelten Staat mit nur 10 Millionen Men- schen. Wenn schließlich die vereinsstaatliche Statistik lehrt, daß die Bevölkerung des Westens von 1870 1920 ums Qfache, die des Nordens aber nur ums 2%fache zugenommen hat, so gewinnt diese Tatsache ein ganz anderes Gesicht durch die Hinzu- fügung, daß die absolute Menschenzahl des Westens bloß von 990 500 auf noch nicht 8 Millionen, dagegen die des Nordens von 28 Millionen auf fast 70 Millionen gestiegen ist. Den Aus- schlag gibt also die Höhe der absoluten Anfangszahl, weil auf ihr

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sich die weiteren Berechnungen aufbauen. Bei einer rasch wach- senden kleinen Anfangszahl müssen begreiflicherweise ganz andere Verhältniswerte hervorgehen als bei einer langsamer wachsenden großen Anfangszahl.

Die durchschnittliche Volksdichte des Hauptlandes der Union beträgt erst 13 und entspricht derjenigen Schwedens. Sie ist also noch sehr gering im Vergleich zu Europa, wo 47 Menschen auf I qkm kommen, und bleibt selbst hinter der Volksdichte kulturlich und wirtschaftlich mäßig entwickelter europäischer Staaten zurück. Als einziges Land unseres Erdteils hat das von der Natur sehr stiefmütterlich ausgestattete Norwegen eine geringere Volksdichte als die Vereinigten Staaten. Nur wenige Unionsstaaten, die ausschließlich im altbesiedelten Nordosten liegen und eine für amerikanische Raumverhältnisse geringe Flächenausdehnung haben, zeigen mit einer Volksdichte von mehr als 100 Anklänge an West- und Mitteleuropa, nämlich New Jersey dank der Anziehungskraft der Riesenstadt New York mit 149, Massachusetts mit 180, der Zwergstaat Rhode Island mit 187 und der Kleinstaat Connecticut mit 107 Einwohnern auf I qkm. Andererseits geht bei sieben Bundesstaaten, darunter den beiden Wüstenstaaten Wyoming (0,8) und Nevada (0,4), die Volksdichte nicht über 2.

Aber auch die Bevölkerungsverteilung im vereinsstäatlichen Osten, Süden und Westen ist je nach der geographischen Aus- stattung, der Stärke des Wirtschaftslebens und dem Beginn der Erschließung und Kolonisierung sehr verschieden und wird dadurch zum Spiegelbilde der kulturlichen Entwicklung dieser Großlandschaften *) . Absolut und relativ am stärksten bewohnt ist der Nordosten, das geschichtlich älteste Unionsgebiet, dem auch die meisten und größten Städte ^), das dichteste Verkehrs- netz und die größte Vielseitigkeit in der Entfaltung des Wirt- schaftslebens eigen sind. Dazu kommt, daß ein sehr erheblicher Teil des gewaltigen europäischen Einwandererstromes gleich an der atlantischen Küste oder in deren Nachbarschaft sitzen bleibt. Infolgedessen wohnen noch immer 40% der Unionsbevölkerung (gegen 46% im Jahre 1870) in den atlantischen Küstenstaaten von Maine bis Florida. Die Bevölkerung, unter der das städtische Element überwiegt, drängt sich am dichtesten im Bereiche der großen Küstenplätze und an den Großen Seen zusammen, die eine ähnliche, Menschen zusammenfassende Wirkung ausüben wie

So- das Meeresgestade. Auch die Flußtäler des Mississippi und Ohio sind dicht bewohnt. Nur die Appalachen schieben sich als eine langgestreckte Insel dünnerer Besiedlung zwischen die stark und gleichmäßig über die Fläche bewohnten Landschaften ein.

Wesentlich geringer ist die Volkszahl und Volksdichte des Südens, dessen klimatische und wirtschaftliche, völkliche und soziale Zustände bis zum Bürgerkriege die Weißen nicht an- lockten. Vielmehr wanderten die hier heimischen »armen Weißen « (vgl. S. 12) massenhaft in die Nordstaaten ab, wo sie viel bessere Daseinsbedingungen fanden. Auch im ersten Jahrzehnt nach dem Bürgerkriege dauerte das starke Abströmen der Weißen fort, an deren Stelle Farbige traten. Erst nach der Festigung der innerpolitischen Verhältnisse und mit fortschreitender In- dustrialisierung ist der europäische Zuzug in die Südstaaten und damit ihre Bevölkerungszunahme stärker geworden.

Je mehr aber der Osten sich mit Menschen füllte, um so größer wurde der Ueberschuß, der nicht mehr genügend Nah- rungsspielraum und Ellenbogenfreiheit fand und landeinwärts zog. Zunächst wurde das Ohio- und Mississippibecken oder der »alte Westen« aufgesucht. Denn hier gab es Ackerland in Fülle, mit dessen riesigen Getreideerträgen die ältere Landwirtschaft des Nordostens nicht wetteifern konnte. In rascher Folge ent- standen die neuen politischen Gebilde der Zentralstaaten, die an Fläche die engräumigen Nordoststaaten weit übertreffen und ihnen auch an absoluter Bevölkerungszahl immer näher kommen.

Seit den 40er Jahren leitete der Goldreichtum Kaliforniens auch die Besiedlung des »fernen Westens« jenseit des Mississippi - Tieflandes ein. Die eindringende Menschenwelle schob ihre Wachstumsspitzen vor allem in den Qiiertälern des Felsengebirges vor und gewann in demselben Maße an Boden, als die Eisen- bahnen dem Stillen Ozean zustrebten. Die Bevölkerung des Westens ist indes viel dünner gesät und viel lückenhafter ver- teilt als im Osten. Der klimatisch und wirtschaftlich so bedeut- same 100. Meridian bildet zugleich die Westgrenze der zusammen- hängenden Besiedlung. Eine Volksdichtekarte läßt unschwer erkennen, wie gegenüber der geschlossenen Bewohntheit des Ostens die stärker besiedelten Striche des Westens als lange, schmale Streifen den Tälern und Schienenwegen folgen. Gleich den Maschen eines Netzes umziehen sie die menschenleeren oder dünn bewohnten Halbwüsten, die den größten Teil der Felsen-

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gebirgs- und Plateaustaaten erfüllen und bloß dort punkt- oder linienartig von besser bevölkerten Oasen unterb ochen werden, wo Flüsse, Quellen und Bohrbrunnen Acker- und Gartenbau ermöglichen oder wo der Bergbau eine größere Menschenzahl anlockte. Aber der Westen ist nicht allein aus klimatischen Gründen, sondern auch deshalb noch menschenarm, weil er viel später als der Osten erschlossen wurde und weil ihn die europäische Einwandererwelle zuletzt und nur in ihren äußersten Ausläufern erreicht.

Der schmale pazifische Küstensaum weist dank seiner natür- lichen Begünstigung wieder eine stärkere Volksdichte auf. Berg- bau und Industrie, Fischfang, Waldausbeutung und Landwirt- schaft vervielfältigen hier die Daseinsbedingungen, und auch der Ueberseehandel mit Asien und dem westlichen Amerika wirkt menschenanziehend. Obwohl aber die drei Küstenstaaten am Stillen Ozean über ^j^ der Gesamtbewohnerschaft des Westens besitzen und die weitaus stärkste prozentuale Bevölkerungs- zunahme in der Union zeigen, geht ihre Volksdichte noch nicht über 6,6 hinaus.

Fassen wir zusammen, so nehmen die Nord- oder richtiger Nord )ststaaten 33,5% oder V3 des Unionsgebietes ein und bergen 65,5% oder % der Gesamtbevölkerung. Ihre Volksdichte über- trifft mit 26,5% den Gesamt durchschnitt für die Vereinigten Staaten ums Doppelte, kommt jedoch erst der Volksdichte mäßig bewohnter europäischer Länder gleich. Auf die Süd- oder rich- tiger Südoststaaten entfallen 27% der Raumfläche und 26% dei Bevölkerung, und ihre Volksdichte entspricht mit 12,7 ziem- lieh genau dem Durchschnitt für das ganze Land. Die West- staaten nehmen 39,5% U.S.Amerikas ein, weisen aber nicht mehr als 8,5% der Gesamtbevölkerung auf und haben die sehr geringe Volksdichte 2,9.

Die heutige Bevölkerungsverteilung innerhalb der Union ist das Ergebnis ausgedehnter Binnenwanderungen, die zugleich ein starkes nationales und politisches Bindemittel geworden sind. Sie erklären sich aus der Leichtigkeit, mit der die Amerikaner Wohnsitz und Beruf wechseln, wenn sie dafür bessere Nieder- lassungs- und Erwerbsmöglichkeiten eintauschen können. In- folge dieser tiefgreifenden Umschichtung spielt in den mittleren und westlidien Staaten das von auswärts eingewanderte, also nicht im Staate selbst geborene Element eine bemerkenswerte

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Rolle. In einigen der neuesten Staaten bilden die Zuwanderet sogar die Mehrzahl der Bewohner. Mit der deutlich ausgeprägten Ost- Westrichtung der Binnenwanderungen hat sich auch der von den vereinsstaatlichen Statistikern gern berechnete Bevölkerungs- schwerpunkt von der atlantischen Küste immer mehr landein- wärts verschoben. Man versteht unter ihm den Punkt, in dem das Gleichgewicht erreicht wird, wenn man sich die Bevölkerung mit gleichem Gewicht jedes Einzelindividuums gleichmäßig über die ganze Landfläche verteilt denkt. 1790 lag das Bevölke- rungszentrum (Center of population) noch unmittelbar am Meere bei Baltimore. Heute nähert es sich bereits dem Mississippi.

Die geringe Volksdichte der Union läßt ohne weiteres er- kennen, wie ,auf nahmefähig für Menschen das jugendliche Ko- lonialland noch ist. Entfällt doch hier auf jeden Bewohner mehr als das Neunfache an Raum gegen einen Bewohner des Deut- schen Reiches, yy 000 gegen 8000 qm ! Selbst bei einer Verdoppe- lung der gegenwärtigen Bevölkerung U.S.Amerikas würde für den einzelnen immer noch ein so großer Spielraum vorhanden sein, daß man noch lange nicht von einer Uebervölkerung zu reden brauchte. Man muß sich jedoch davor hüten, für das mögliche Weiterwachsen des amerikanischen Volkskörpers die Menschen- zahl und Volksdichte Europas zugrunde zu legen. Man darf also nicht behaupten, daß die Vereinigten Staaten ebensoviele oder noch mehr Menschen aufnehmen könnten als das gleichgroße Europa. Einmal weichen die Einzellandschaften U.S.Amerikas nach Naturausstattung und wirtschaftlichen Hilfsquellen viel mehr voneinander ab als die Landschaften unseres Erdteils. Dann nähert sich in den meisten nord- und mittelatlantischen Staaten die Volksdichte mit 75 187 Einwohnern bereits west- und mitteleuropäischen Verhältnissen. Hier kann daher die Zu- nahme nur langsam fortschreiten und im wesentlichen bjoß durch stärkere Auffüllung der schwächer besiedelten Striche erfolgen. Aber auch im Westen sind die für eine größere Menschenanhäu- fung geeigneten Gegenden bereits besetzt, und der noch vor- handene weite Raum erschwert durch die Armut und Einseitig- keit seiner Hilfsquellen und durch seine klimatische Ungunst die Besiedlung, soweit ihr nicht künstliche Berieselung zu Hilfe kommt. Wohl schreitet die Eroberung des trockenen Westens durch eine großzügige Wassererschließung fort. Aber an Volks- zahl, Volksdichte und zusammenhängender Besiedlung wird er sich

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nie mit dem Osten messen können, da weite Flächen dauernd unter dem Fluche der Unbewohnbarkeit stehen. Wenn jedoch in einem so ausgedehnten Gebiete der Menschenaufnahmefähigkeit viel rascher eine obere Grenze gesetzt wird als in Europa, so erscheint es fraglich, ob die Union als Ganzes jemals die Volksmenge unseres Erdteils erreichen wird, die namentlich in Ost- und Südosteuropa noch erheblicher Steigerung fähig ist. Daß die Vereinigten Staaten bis zu 700 Millionen Menschen aufnehmen könnten, ist eine amerikanische Phantasterei ohne greifbare Unterlagen. Vorsichtige Schätzungen kommen mit 250 300 Millionen Menschen der Wahrheit sicherlich viel näher ^).

8. Die Indianer.

Gliederung des Volkskörpers der Vereinigten Staaten. Stammeszersplitte- rung und Kulturstufe der Urbewohner. Der Kampf zwischen Rothäuten und Weißen ist ein Kampf um den Raum. Die Gründe für das Unterliegen und den Rückgang der Indianer. Die Schwäche ihrer politischen Organisation er- leichtert das Vordringen der Weißen. Die geringe Gesamtzahl der Indianer einst und jetzt. Die Reservationen und die vereinsstaatliche Indianerpolitik. Die heutige Stellung der Indianer und ihre Beziehungen zu den Weißen.

Der Volkskörper der Vereinigten Staaten hat sich in wenigen Jahrhunderten aus den fremdartigsten ethnischen Bestandteilen entwickelt. Wie die Bewohnerschaft ganz Nordamerikas gliedert er sich in die beiden großen Gruppen der Ureinwohner oder Indianer und der Eingewanderten, zu denen die Mongolen, Neger und Weißen gehören. In scharfem Gegensatze zu Europa ist also die Union weit davon entfernt, ein reines Land der Weißen zu sein, wenn diese auch unter den vier Rassen zahlenmäßig, kulturlich, wirtschaftlich und politisch entschieden das Ueber- gewicht über die drei andern Rassen besitzen, die als Farbige oder Colo(u)red People zusammengefaßt werden und etwa 13% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Obwohl sie durch die »Farbenlinie« (Color Line) scharf von den Weißen getrennt sind, haben sie die Geschichte des Landes stark beeinflußt. Mit der großen Westwanderung der europäischen Kolonisten ging die Zurückdrängung der Rothäute Hand in Hand. Der Bürgerkrieg wurzelte letzten Endes in der Negersklaverei, und wie die Neger- frage zum schwersten völklichen und gesellschaftlichen Problem

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des vereinsstaatlichen Südens geworden ist, so sind die Mongolen nicht ohne Einwirkung auf den Westen geblieben.

Bis ins i6. Jahrhundert war das ungeheure Land ausschließ- lich von Indianern bewohnt, die mancherlei Ueberreste in Gestalt von Grabhügeln und Felszeichnungen, von Höhlenwohnungen und Ueberbleibseln von Steinbauten zurückgelassen haben. Das eigenartigste Zeugnis ihrer einstigen Anwesenheit sind aber die Erdaufwürfe (Mounds) von teilweise sonderbarer Umriß- gestalt und bemerkenswerter Größe, die den verschiedensten Zwecken dienten. Ihre vorgeschichtlichen Erbauer waren un- zweifelhaft Rothäute, die auf derselben Kulturstufe wie die von den Weißen angetroffenen Indianer standen. Die Einge- borenen waren in viele Stämme und Stammesgruppen mit ver- schiedenen Sprachen und stark abweichenden Mundarten zer- splittert. Genannt seien nur die Delawaren, Mohikaner i), Tscherokesen, Huronen, Komantschen, Apatschen und Navakoes, Die mächtigste und kriegerischste Gruppe der Prärie-Indianer waren die Dakota oder mit ihrem Spottnamen die Sioux (Schwarz- füße), deren Jagdgebiet die ganze nördliche Prärie umfaßte.

Bei ihrer Berührung mit den Weißen waren die meisten Indianer dank dem Wild- und Fischreichtum Nordamerikas kulturlich nicht sehr hochstehende Jäger und Fischer. Daneben bestimmten Raub und Krieg ihre schweifende Lebensweise und ihre körperliche und geistige Ausbildung. Viehzucht, Eisen und Ausnutzung der mineralischen Bodenschätze waren unbe- kannt, und Ackerbau wurde bloß in beschränktem Umfange ge- trieben. Durch Einführung des Pferdes waren die Prärien- und Steppenbewohner gewandte Reiter geworden, während die Indianer des Felsengebirges und des Großen Beckens von dieser Neuerung unberührt blieben. Nur wenige Stämme hatten sich schon vor Ankunft der Weißen zu seßhaften Ackerbauern auf- geschwungen, die Mais, Bohnen und Tabak gewannen. Zu ihnen gehörten vor allem die Irokesen im Nordosten, die vorsorglich Wintervorräte ansammelten und in kriegerischer und staatlicher Organisation unter den Rothäuten obenan standen. Die Tschero- kesen trieben mit Hilfe von Negersklaven ebenfalls Feldwirtschaft. Von den Stämmen des für Landbau minder geeigneten Westens haben sich die friedlichen Pueblos und Hopis (Mokis) in den Oasen Neu-Mexikos und Arizonas unter Anwendung künstlicher Berieselung zu tüchtigen Acker- und Gartenbauern aufgeschwun-

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gen. Sie sind wohl die Reste einer in diesen Gebieten einst viel weiter verbreiteten Bevölkerung, die um des besseren Schutzes willen ihre Siedlungen auf schwer ersteigbaren Tafelbergen oder in noch leichter zu verteidigenden Höhlenwohnungen (CHff DweUings) anlegte. Ihre fleißigen Nachkommen wirtschaften noch heute in derselben Weise und wohnen moch in denselben würfelförmigen, meist mehrere Stockwerke hohen, Wand an Wand gebauten Adobehäusern aus lufttrockenen, ungebrannten Lehmziegeln mit plattem Dach. Auf den Bahnstationen bieten die bunt gekleideten Frauen und Kinder Obst oder Erzeug- nisse des Gewerbefleißes feil, namentlich hübsch gefärbte und gemusterte Tonwaren, Flechtarbeiten^ und Decken.

Das Eindringen der Weißen hat für die Urbewohner Nord- amerikas verhängnisvolle Folgen gehabt, da bei den unverein- baren Gegensätzen der Lebensinteressen und Lebensgewohn- heiten ein friedliches Nebeneinander auf die Dauer unmöglich war. Die einwandernden Kolonisten heischten immer mehr Acker- und Siedlungsland, und jede Preisgabe desselben be- deutete für die Rothäute eine Schmälerung ihrer Daseinsbe- dingungen durch Verminderung des Nahrungsspielraumes. Fast vom Anbeginn der europäischen Einwanderung ab führten Haß und Abneigung zu ununterbrochenen Feindseligkeiten, und eine endlose Reihe von Indianerkriegen begleitet die Geschichte der vereinsstaatlichen Kolonisation.

Die Indianer selbst aber haben die unaufhaltsame Aus- breitung der anfangs sehr geringzähhgen Weißen erleichtert. Die ewigen Zwistigkeiten um die Jagdgründe führten zur Ver- folgung kurzsichtiger Sonderinteressen, um derentwillen die Rot- häute sich aufs blutigste befehdeten. Der dauernde Kriegs- zustand entsprang der Bevölkerungszunahme und damit dem Kampf um den Raum, der zur gewaltsamen Erweiterung der Jagdgründe führte, weil Jägervölker zu ihrem Unterhalt großer Landflächen bedürfen. Bei der grausamen Art der Kriegführung waren zweifellos schon in voreuropäischer Zeit viele Stämme ausgerottet. Dazu kam die unstäte Lebensweise, die weitgehende Stammeszersplitterung und die Zerstreuung ^iner nicht sehr großen Volksmenge über eine weite Fläche. Damit fehlte ein festerer politischer Zusammenschluß und eine gemeinsame Zu- sammenfassung aller Kräfte, die allein einen nachhaltigen Wider- stand gewährleistet haben würden. Mehrere größere Verbände

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waren nicht von Dauer. Der stärkste und best organisierte war der Bund der Irokesen oder der Fünf (später Sechs) Stämme zwischen dem Hudson und dem Ontariosee. In den langen Kämpfen zwischen Engländern und Franzosen stand er stets auf Seiten der letzteren und hat den ersteren viel zu schaffen gemacht, obwohl 'er höchstens lo ooo Krieger stellen konnte. Trotz heldenmütiger Tapferkeit und hartnäckigsten Widerstandes mußten die Indianer Schritt für Schritt vor der zahlenmäßigen Uebermacht und den überlegenen Kriegsmitteln der verhaßten »Blaßgesichter« zurückweichen und ihnen ein Stück Land nach dem andern überlassen. Bei diesem Zusammenstoße handelte es sich nicht bloß um den ^Zusammenprall einer veralteten und einer neuen poHtischen Organisation, sondern auch um den Widerstreit zweier Kulturen. Es ist aber ein unabwendbares Naturgesetz, daß in dem ungleichen Kampfe zwischen den Völ- kern höherer und niedrigerer Kultur, der ein Kampf um den Raum ist, die niedrigere Kultur, die den Boden nicht genügend auszunutzen vermag, der höheren Kultur weichen muß, die den Raum als Wirtschafts- und Siedlungsland ganz anders be- wertet. In diesem Ringen nimmt der kulturlich schwächere Teil auch an Zahl immer mehr ab.

Der Rückgang des roten Mannes ist jedoch durch eine rücksichtslose Verdrängungs- und Vergewaltigungspolitik wesent- lich beschleunigt worden. Der Gedanke einer Zivilisation der Indianer lag den Briten und ihren Nachfolgern fern. Sie hielten es für besser, die Rothäute auszurotten. Als die Seminolen ihre Heimat in Florida nicht gutwillig räumen wollten, wurden sie mit Bluthunden gehetzt und in einem jahrelangen Kriege bis auf einen kleinen Rest vernichtet, der noch heute in den Sumpf- wäldern Floridas ein Jäger- und Fischerleben führt. 1838 wurden die Tscherokesen mitten im Frieden aus ihren Wohnsitzen in der südlichen Appalachengegend vertrieben, und bei der zwangs- weisen Umsiedlung nach dem Indianer-Territorium gingen fast 4000 Menschen, ein Viertel des Stammes, zugrunde. Doch ist die Kopfzahl allmählich wieder bis auf 25 000 gestiegen.

Indem die wachsenden Scharen der westwärts vordringenden Einwanderer und die landhungrigen Eisenbahngesellschaften den Urbewohnern die Jagdgründe wegnahmen und ihnen durch massenhaftes Abschießen der Jagdtiere, besonders der für ihr Wirtschaftsleben vielseitig nützlichen Büffel, die Daseinsmög-

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lichkeiten untergruben, trieben sie die Rothäute zum Verzweif- lungskampfe, der auf beiden Seiten mit erbitterter Grausamkeit geführt wurde. Fortwährende Ueberfälle und Mordtaten seitens der Indianer entwickelten sich zu einer solchen Plage, daß die Kolonisten zur schnelleren Vertilgung des »roten Ungeziefers« förmliche Treibjagden veranstalteten und Skalpprämien aus- setzten, indem für jede abgezogene Kopfhaut eines getöteten Indianers eine Belohnung gezahlt wurde. Auch die Rothäute kannten diesen barbarischen Brauch, der schon vor dem Er- scheinen der Europäer in Nordamerika verbreitet war. Anfangs war das Abschneiden des Kopfes die Regel, bis die mit dem Fortschaffen der Köpfe verbundenen Umständlichkeiten zum Abziehen der leichter in Sicherheit zu bringenden Kopfhaut veranlaßt en. Jedenfalls ist die Meinung irrig, daß das Skalpieren nicht von Hause aus eine indianische Sitte gewesen und erst von den Weißen übernommen worden sei. Um das Verschwinden der Eingeborenen zu beschleunigen, gewöhnte man sie an das leider nur zu gern genommene »Feuerwasser«, den Branntwein, gegen dessen übermäßige Einfuhr durch weiße Händler die Häuptlinge schon früh bittere Beschwerden erhoben. Ferner schleppte man teils unabsichtlich, teils absichtlich, z. B. durch Verteilung verseuchter Decken, ansteckende Krankheiten ein. Branntwein, Gewehre, Blattern und Eisenbahnen haben erfolg- reich an der Ausrottung der Indianer gearbeitet, unter denen bei ihrer auffallend geringen Widerstandsfähigkeit gegen Krank- heiten Schwindsucht und Rheumatismus viele Opfer fordern. So ist die Gesamtzahl der vereinsstaatlichen Indianer immer kleiner geworden. 1920 betrug sie 333 702 Köpfe gegen 237 196 im Jahre 1900 und 329 421 im Jahre 1860 ^). Das bedeutet eine leichte Zunahme, da der Rückgang in den dazwischenliegenden Jahrzehnten mehr auf mangelhafte Zählungen zurückzuführen sein dürfte oder sich daraus erklärt, daß man die nicht geringe Zahl der Mischlinge bald den Weißen und bald den Indianern zurechnete. Dennoch erscheint es fraglich, ob man das Aus- sterben der Urbevölkerung wird aufhalten können, da ihr Bestand lediglich durch das Verhältnis zwischen Geburten und Todes- fällen bestimmt wird. Bei den Indianern ist aber wie bei den Weißen und zum Unterschiede von den Negern das männliche Geschlecht zahlreicher als das weibliche, und das Mischlings- element spielt eine bedeutende Rolle. Einwanderung kommt

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nicht in Betracht. Vielmehr sind noch neuerdings Unions- Indianer in größerer Zahl nach Mexiko und Kanada abgewandert. Viele Stämme sind ganz oder bis auf geringe Reste ausgestorben, die sich mit andern Stammesresten verschmolzen oder mit den Weißen vermischt haben. Allein schon vor Ankunft der letzteren war die Menge der Indianer wegen der schweifenden Lebens- weise und wegen der übermäßigen Raumansprüche eines Jäger- volkes niemals so übertrieben hoch, wie man auf Grund falscher Voraussetzungen vielfach behauptet hat. Auf unbewohnte Jagd- gründe und absichtlich menschenleer gelassene breite Grenz- säume kamen weite Flächen. Das vorwiegend auf Sammelwirt- schaft gegründete Dasein bedingte eine sehr dünne Bewohntheit, und die dauernden Fehden mit ihren Menschen Verlusten trugen dazu bei, die Volkszahl niedrig zu halten. Nach einer sorgfältigen Berechnung dürfte die Gesamtmenge der Indianer, die beim Beginn der europäischen Kolonisation innerhalb des heutigen Unionsgebietes lebte, 850 000 Köpfe nicht überschritten haben. F. Ratzel kommt unter Zugrundelegung der der Kulturstufe entsprechenden Volksdichte von 0,5 auf i qkm und unter Be- rücksichtigung der unbewohnten Räume auf 1% 2 Millionen Seelen in einem Lande, das heute 106 Millionen Menschen be- herbergt !

In erster Linie trachteten die Weißen darnach, sich in den Besitz des Landes der Eingeborenen zu setzen. Ohne Betrüge- reien und grobe Rechtsverletzungen ging das bei den unklaren Eigentums- und Grenz Verhältnissen nicht ab. Aber auch wenn die Verträge ordnungsgemäß abgeschlossen waren, kam ihre Trag- weite den Indianern meist erst zu spät zum Bewußtsein, so daß ihnen kein anderer Ausweg als freiwillige oder unfreiwillige Auswanderung blieb. So wurden die ursprünglichen Besitzer des Bodens in demselben Maße von der angestammten Scholle verdrängt, in welchem die europäische Besiedlung f ortschritt. Schließlich wurden die Indianer des Ostens bis auf wenige gering- fügige Ausnahmen im Tausche gegen ihre früheren Wohnsitze im Indianer-Territorium gesammelt, oder sie wurden, soweit sie ihre Stammeszugehörigkeit noch aufrecht erhielten, in be- sonderen Reservationen untergebracht. Obwohl ihnen die neu zugeteilten Ländereien vertragsmäßig für »ewige Zeiten« zuge- sichert waren, haben sie späterhin noch wiederholte Verkleine- rungen erfahren, sobald sich ihr ackerbaulicher Wert für die

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Weißen herausstellte. So wurde aus dem Indianer-Territorium erst die ganze Westhälfte für landsuchende Kolonisten heraus- geschnitten und zum Staate Oklahoma erhoben, in dem wenige Jahre später auch der Rest aufging. Abgesehen vom damahgen Indianer-Territorium gab es 1890 noch 370 000 qkm Indianer- land, 1919 dagegen bloß noch 143 900 qkm, weil inzwischen viele Reservationen aufgeteilt oder zusammengelegt und viele Stammes- verbände aufgelöst wurden. Die noch vorhandenen Reserva- tionen sind in vielen kleinen Flächen über den ganzen Westen zerstreut, während im alten östlichen Siedlungsgebiet nur an wenigen Stellen spärliche Stammestrümmer zurückgeblieben sind. Weiße dürfen innerhalb der den Indianern vorbehaltenen Landstriche nicht wohnen oder Grund und Boden erwerben. Umgekehrt ist den Rothäuten der Wegzug nur mit Einwilligung das die Aufsicht führenden Agenten gestattet.

Da die Eingeborenen nicht bloß aus größeren in immer kleinere Gebiete verpflanzt, sondern zugleich aus besseren in immer schlechtere Gegenden gedrängt wurden, so haben sich ihre Lebensbedingungen verschlechtert. Denn die Reservationen bestehen vielerorts aus wenig brauchbarem Boden, ja weithin aus völligem Unland und reichen zur Gewinnung des Unter- haltes nicht aus. Daher fristen die ehemaligen Herren des Landes ein kümmerliches Dasein. Sie müssen als Staatspensionäre gefüttert werden, indem die Bundesregierung sie mit Kleidern, Decken, Geld, Nahrungsmitteln und Ackergeräten unterstützt. Unvollständige oder unregelmäßige Lieferungen, Betrügereien und Beamten Willkür haben wiederholt zu Aufständen geführt. Die letzte große Indianer erhebung erfolgte 1876, als die Sioux sich unter ihrem Häuptling Sitting Bull (»Sitzender Stier«) auf den Kriegspfad begaben. Hierbei wurde eine ganze Kavallerie-Abteilung unter General C u s t e r bis auf einen einzigen Ueberlebenden niedergemetzelt, und fast die Hälfte der vereinsstaatlichen Truppen mußte zur Niederwerfung des kriegerischen Stammes aufgeboten werden.

Erst spät hat man sich der aus ihren Wohnsitzen Vertriebenen und aus ihrer altgewohnten Lebensweise Herausgerissenen ange- nommen. Vor allem ist ihnen die Mission eine menschenfreund- liche Helferin geworden. Ebenso sind die Deutsch- Amerikaner für eine würdigere Behandlung der Bedrängten eingetreten. Vielfach kommt freüich die Hilfe zu spät, oder sie scheitert an

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der Gleichgültigkeit und dem berechtigten Mißtrauen der Indianer, die sich zur Verbesserung ihrer geistigen und wirtschaftlichen Lage zu einer eigenen Vereinigung, dem Amerikanischen In- dianerverein, zusammengeschlossen haben. Ein wichtiges Glied des vereinsstaatlichen Kultur- und Wirtschaftsorganismus sind sie aber ungleich den Negern längst nicht mehr. An der Zusammensetzung des Volkskörpers haben sie ebenfalls nur in verschwindendem Maße, mit 0,4% der Gesamtbevölkerung, Anteil. Bloß noch im Indianer-Territorium, wo etwas mehr als ein Viertel der Unions-Indianer wohnt, spielen sie zahlenmäßig eine gewisse Rolle, obwohl sie auch hier schon stärker mit Weißen durchsetzt sind, als ihre eigene Zahl beträgt. Die meisten be- kennen sich zum Christentum und sind friedliche, seßhafte Ackerbauer, Händler und Handwerker oder stehen als Hirten Fuhrleute, Polizisten usw. im Dienste der Weißen, von denen sie sich in Kleidung und Lebensweise kaum unterscheiden. Viele sind in den Kreis der amerikanischen Zivilisation eingetreten und unter die vollberechtigten Unionsbürger aufgenommen, da man gegen sie nicht das gleiche Rassenvorurteil hegt wie gegen die andern Farbigen, die Neger und Mongolen, freilich nur des- halb, weil seitens der zur Unbedeutendheit zusammengeschmol- zenen Rothäute wirtschaftlich und völklich nichts zu befürchten ist^). Mischheiraten mit ihnen gelten nicht als anstößig. Wäh- rend die Negermischlinge zu den Negern gezählt werden, selbst wenn sie kaum noch einen Tropfen schwarzes Blut enthalten, rechnet man die Indianermischlinge, die Mestizen oder Half- breeds (Halbblut), nicht selten zu den Weißen, zumal sie ohnehin ein Schwinden des Indianertypus erkennen lassen und immer mehr im europäischen Element aufgehen. Viele Indianer des Ostens und Südens weisen auch einen nicht unerheblichen Anteil Negerblut auf. So arbeitet die rasch fortschreitende Blutmi- schung an dem allmählichen Aussterben der Urbewohner und erschwert die genaue Ermittlung ihrer Zahl.

Weniger an ein zivilisiertes Wesen haben sich die Indianer des Westens gewöhnt. Stammesweise führen sie in den ihnen zu- gewiesenen Reservationen noch das alte schweifende Jägerleben, so daß man gelegentlich die runden, leicht abzubrechenden Zelte mit Stangengerüst und bemalter Tierhaut erblicken oder die malerisch aufgeputzten Gestalten über die Steppe galoppieren sehen kann. Doch sind sie den Weißen nicht mehr gefährlich.

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Am spätesten und erst nach erbitterten Kämpfen konnten die kriegerischen Apatschen unschädHch gemacht werden, die in ihrem schwer zugängHchen, wüstenhaften Wohngebiet und in der leicht erreichbaren mexikanischen Grenze einen natürhchen Rückhalt besaßen. Ein gemeinsames Kesseltreiben vereinsstaat- licher und mexikanischer Truppen war notwendig, um sie zu bezwingen. Es ist ein Zeichen der Zeit und der immer mehr ver- blassenden Indianer-Romantik, daß diese einst wildesten, grau- samsten und unbändigsten Rothäute bei den großen Bewässe- rungsarbeiten im trockenen Westen als Arbeiter treffliche Dienste geleistet haben.

g. Die Neger.

Die Einführung und Entwicklung der Sklaverei hat die Union zum neger- reichsten Lande außerhalb Afrikas gemacht. Zunahme der amerikanischen Negerbevölkerung durch Sklaveneinfuhr und natürliche Vermehrung. Die Negeremanzipation und ihre Folgen. Charakteristik des freien Negers, Minder- wertigkeit und Rückständigkeit auf der einen, materieller und geistiger Fort- schritt auf der andern Seite. Die Erziehungsfähigkeit des Negers. Die strenge Einhaltung der Farbenlinie macht Neger und Mulatten zu Bürgern zweiter Klasse. Kriminalität unter den Negern. Die Negerfrage das schwierigste Zukunftsproblem U.S.Amerikas. Geburten und Sterblichkeit, Zahl und Ver- breitung der Neger in der Union. Die Vernegerung des Südens.

Vom Anbeginn der Besiedelung Nordamerikas ab verwen- deten die weißen Kolonisten Negersklaven. Denn die Zahl der Europäer war viel zu gering, und in dem dünn bevölkerten Lande fehlte es an ausreichenden einheimischen Arbeitskräften. Ur- sprünglich wurden die Indianer zu Frondiensten gepreßt, indem man Kriegsgefangene als Sklaven benutzte oder Eingeborene kaufte. Erst gegen das Ende des i8. Jahrhunderts fand die Indianersklaverei und etwas später die weiße Sklaverei (vgl. S. 13) ein Ende. Für viele Zwecke waren aber die Weißen und die Indianer nicht verwendbar. Die Rothäute waren entweder nicht kräftig genug, oder sie hielten jede Beschäftigung außer Jagd und Krieg für entwürdigend, und den Europäern verbot das Klima des subtropischen Südens anstrengende Arbeit. Daher mußte man, um dem drohenden Arbeitermangel vorzubeugen, auswärtige Hilfskräfte heranziehen, und hierfür erschienen die Eingeborenen Afrikas besonders geeignet, weil sie zu den kör-

Hassert, Vereinigte Staaten. 7

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perlich leistungsfähigsten Menschheitsgnippen gehören. Da sie jedoch ihre Heimat freiwillig nicht verließen, so mußte man zur zwangsweisen Uebersiedlung greifen. 1620 brachte ein holländi- sches Schiff die ersten 20 Negersklaven nach Virginia Damit begann der zwei Jahrhunderte hindurch andauernde Ski .ven- handel mit dem heutigen Unionsgebiet, der als ein gewinnbringen- der Erwerbszweig auch von den neu-engländischen Kolonisten eifrig betrieben wurde. Er hat die schwarze Rasse in solchem Maße in den Vereinig ::en Staaten eingebürgert, daß sie zahlen- mäßig weit über der indianischen Urbevölkerung steht und wenngleich in erhebhchem Abstand am zweiter Stelle hinter den Weißen folgt. Wahrscheinlich gibt es in U.S.Amerika mehr Neger als in irgendeinem andern Lande außerhalb Afrikas.

Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts vermehrten sich die vereinsstaatlichen Neger besonders durch unmittelbare Zu- fuhr aus ihrem heimatlichen Erdteil. Nach der Unterdrückung des Menschenhandels (1808) versiegte indes diese Quelle. Doch hatten die Staaten mit großem Sklavenbedarf schon vorher durch Mehreinfuhr von Negern vorgesorgt. Noch lange fand auch ein regelrechter Schmuggel aus Westindien statt, der einen gewissen Zuwachs an schwarzer Menschenware brachte. Daneben ent- wickelte sich ein lebhafter innerer Sklavenhandel, indem die Grenzstaaten, namentlich Virginia, eine förmliche Sklavenzüch- tung betrieben. Negerkinder wurden groß gezogen, um später als Sklaven verkauft zu werden. Doch hörte dieses einträgliche Geschäft auf, als 1865 alle Neger der Union für frei erklärt wur- den. Seitdem war die schwarze Rasse auf sich selbst und auf ihre natürliche Vermehrung angewiesen und ist trotz kümmer- licher Lebensbedingungen immer fester im Boden eingewurzelt.

Die Aufhebung der Sklaverei hat jedoch die Negerfrage durchaus nicht gelöst und ist in ihrer übereilten Durchführung ein Fehler gewesen. Einmal zwang sie den plötzlich frei gewor- denen Neger, der bisher Not kaum kennen gelernt hatte, aber wirtschaftlich und geistig nie selbständig geworden war, sich eine eigene Ernährungsgrundlage zu schaffen. So standen die völlig unmündigen Menschen, die weder zur wirtschaftlichen noch zur sozialen und politischen Freiheit reif waren, vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Auch ihre Nachkommen fristen ihr Dasein meist in untergeordneten Stellungen und niedrigen Dienst- leistungen als ungelernte Gelegenheitsarbeiter, als Straßenreiniger,

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Kutscher und Bedienstete verschiedenster Art in Gast- und Privat- häusern oder bei Schiffahrts- und Bahngesellschaften und bilden vielfach das Proletariat. Diese Rückständigkeit führt man darauf zurück, daß der Neger zwar die Sprache und viele Lebensgewohn- heiten, nicht aber den Tätigkeitsdrang und die Arbeitslust des Amerikaners angenommen hat. Es fehlt ihm an Initiative und an dem Willen, das einmal Begonnene zu vollenden. Dieser Mangel an Energie soll der Grund sein, warum er aus Berufen, in denen er früher die Hauptrolle spielte, immer mehr verdrängt wird, z. B. aus dem Schuhputzer-, Fruchtverkäufer- und Kellnerge- werbe. Ferner wollen gute Kenner Nordamerikas unter der großen Masse der frei, aber auch faul gewordenen Neger eher einen wirtschaftlichen und kulturlichen Rückschritt wahrgenom- men haben. Unbekümmert um die Zukunft und mit Wenigem zufrieden, leben sie als geborene Optimisten in den Tag hinein und faulenzen, bis sie die Not wieder für einige Zeit zur Arbeit zwingt. So kommt es, daß die Mehrheit der Farbigen durch die kulturlichen Anläufe einer noch sehr kleinen Minderheit nicht veredelt worden ist. Sämtliche Neger sind zwar Christen und unterhalten ihre Kirchen selbst. Doch stellen die farbigen Ge- meinden, die sich der Leitung weißer Geistlicher entzogen haben, teilweise Zerrbilder christlichen Wesens dar.

Dieses harte Urteil kann vor einer leidenschaftslosen Prü- fung nicht in allen Punkten bestehen oder muß wenigstens ge- mildert werden. Wenn der Neger als Sklave mehr leistete denn als Freier, so darf man nicht vergessen, daß er stets gewohnt war, unter Aufsicht und Anleitung zu arbeiten. Auf der andern Seite lassen die Bemühungen um die geistige und mateiielle Hebung der Farbigen keinen Zweifel darüber, daß sie an Bega- bung den Weißen nicht nachstehen. Die lange Rückständigkeit des Südens gegenüber dem Norden erklärt sich wohl weniger aus der Geringerwertigkeit der Schwarzen als daraus, daß sie absichtlich in Unkultur und Abhängigkeit gehalten wurden und daß die Weißen vor der Einwanderung in das vernegerte Land zurückschreckten. Immerhin haben die Farbigen bei der land- wirtschaftlichen Erschließung des Südens nicht zu unterschät- zende Dienste geleistet, da im feuchtheißen Tiefland die Bewirt- schaftung der Baumwoll-, Tabak- und Zuckerrohrpflanzungen größtenteils von ihnen ausgeführt wird. Auch für andere Zwecke stellen sie eine Menge büliger und brauchbarer Hilfskräfte, so daß

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sie zu einem unentbehrlichen Faktor geworden sind, dessen Ausfallen eine fühlbare Schädigung bedeuten würde. Ferner ist ein schwarzer Mittelstand von Kaulleuten, Gewerbetreibenden und gelernten Arbeitern in der Bildung begriffen, der etwa 40 000 selbständige Geschäfte zählt. Am besten scheint jedoch der Neger als Kleinfarmer vorwärtszukommen. Deshalb geht das Streben einsichtsvoller weißer und farbiger Kreise dahin, ihn zur Landwirtschaft zu erziehen und zu einem auf eigener Scholle seßhaften Kleinbauern zu machen.

Ueber dem materiellen Fortschritt sind auch die geistigen Errungenschaften nicht zu übersehen. Auf dem Gebiete der Journalistik haben die Farbigen so tüchtiges geleistet, daß über 200 von ihnen geleitete und gedruckte Zeitungen in der Union erscheinen. Als Aerzte und Apotheker, als Lehrer und Geistliche, als Ingenieure und Architekten, als Rechtsanwälte und als Mitglieder der südstaatlichen gesetzgebenden Körperschaften sind sie nicht besser und schlechter wie ihre weißen Amts- und Fachgenossen. Einzelne können sogar der europäischen Geistes- aristokratie als gleichwertig zur Seite gestellt werden, z. B. der 1915 verstorbene Volkswirt Booker T. Washington, der Verfasser des vielgelesenen Buches »Vom Sklaven empor «i) imd einer der hervorragendsten geistigen Führer seiner Rasse, die Dichter Charles Chestnut, Paul Dunbar und Dr. W. E. Burghardt du Bois und der Maler Henry T a n n e r. Allerdings sind sie und andere, die sich im öffent- lichen Leben und in der Literatur oder als Künstler hervorgetan haben, keine reinen Neger mehr, sondern, wie ihre edleren, durchgeistigten Gesichtszüge verraten, Mischlinge oder Mulatten mit einem nicht unerheblichen Zusatz europäischen Blutes. Sie beweisen zugleich die Unrichtigkeit der weit verbreiteten Anschauung, daß die Mulatten ausnahmslos nur die schlechten Eigenschaften ihrer Erzeuger erben sollen. Angeboren sind dem Farbigen Rednergabe und musikalisches Talent. WohlkHngende Negermelodien, die sogenannten Nigger Songs meist begleitet von einem volkstümlichen Musikinstrument, dem Banjo sind die Grundlage für viele amerikanische Lieder. Auch der bekannte amerikanische Varietetanz Cake Walk mit seinen zappeligen Arm- und Beinbewegungen kommt vom Neger.

Zeigen schon diese Tatsachen, daß man den Schwarzen unrecht tut, wenn man ihnen jede Büdungsfähigkeit und allen

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Fortbildungstrieb abspricht, so mögen noch einige Zahlen be- weisen, mit welcher Beharrlichkeit und mit welchem Erfolg die Farbigen an ihrer Weiterentwicklung gearbeitet haben. Bei ihrer Befreiung nannten sie so gut wie keinen Grund und Boden ihr eigen. Jetzt bewirtschaften sie einen Landbesitz etwa von der Fläche der Neu-Englandstaaten, freilich meist in recht ur- sprünglicher Weise und bloß zum kleinsten Teile als Eigentum. Denn Dreiviertel aller Neger sind Pächter oder ländliche Tage- löhner und bebauen nur zu einem geringen Prozentsatz als selbständige Besitzer die Scholle. Bei ihrer Freierklärung hatten die Neger keine Versicherungsgesellschaften. Jetzt gibt es deren 85, zu denen noch eine Anzahl Negerbanken hinzukommt. Kaum 3 % der frei gewordenen Schwarzen konnten lesen und schreiben. Denn sie waren von ihren früheren Herren in Un- wissenheit gehalten worden, weil der Ungebildete leichter zu beherrschen ist als der Aufgeklärte. Von einem Schulbesuch der heranwachsenden Jugend war keine Rede. Jetzt werden 500 öffentliche Schulen und 41 000 Sonntagsschulen mit 4 Millionen Schülern gezählt. Wenn auch der Anteil der des Lesens und Schreibens Unkundigen mit 30 % gegen 5 % der weißen Unionsbevölkerung immer noch hoch ist, so bleibt' er doch hinter dem Prozentsatz der Analphabeten in Italien, Spanien, Portugal und Rußland nicht unerheblich zurück. Musteranstalten wie das von dem weißen General S. C. Arm- strong gegründete und ausschließlich mit weißen Lehrern besetzte Neger-Erziehungsinstitut in Hampton (Virginia) und die nach seinem Vorbilde von Armstrongs bedeutendstem Schüler Booker T. Washington ins Leben gerufene, ausschließlich von Farbigen geleitete Neger-Erziehungsanstalt in Tuskegee (Alabama) sind mit Erfolg bemüht, die Farbigen vor allem zu tüchtigen Landwirten und Handwerkern zu er- ziehen, weil diese Tätigkeiten dem Neger aus der Sklavenzeit am besten zusagen. Die aus beiden Instituten hervorgegangenen Zöglinge zählen bereits nach Tausenden. Obwohl sie in der Masse ihrer Volksgenossen noch verschwinden, können sie doch durch ihr Vorbild und durch ihre den Weißen ebenbürtigen Leistungen der Sauerteig für die ganze Rasse werden. Bedenkt man, daß die Neger vor 60 Jahren in allen Beziehungen noch tief unter den Weißen standen, so muß man F. v. Luschan beipflichten, wenn er eine solche Aufwärtsbewegung geradezu

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beispiellos nennt. Sie wäre wahrscheinlich noch größer ge- wesen, wenn nicht die Weißen den frei gewordenen Negern die Möglichkeit zur Weiterbildung lange genug geflissentlich vor- enthalten hätten.

Aber vom geistigen, sittlichen und wirtschaftlichen Auf- schwung bis zur gesellschaftlichen Anerkennung ist es noch ein weiter Schritt, und die scharfe Scheidewand, die der egoistische Rassenstolz der Weißen in den Vereinigten Staaten errichtet hat, macht alle Versuche der Farbigen zur Erringung einer besseren sozialen Stellung zuschanden. Denn trotz der frei- heitlichen demokratischen Grundsätze, deren die Amerikaner sich so gern rühmen, sind die Colored People d. h. in der Haupt- sache die Neger und die aus ihrer Vermischung mit den Weißen hervorgegangenen Mulatten eine verachtete Bevölkerungs- gruppe geblieben. Sie sind Staatsbürger zweiter Klasse und viel schlimmer daran als zur Sklavenzeit. Nirgends tritt nämlich der Unterschied der Hautfarbe, die Color Line oder Farbenlinie, schärfer hervor wie in der Union, Namentlich im Süden, dem Hauptlande der Neger, wird ihnen niemals die Gleichberech- tigung mit den Weißen eingeräumt werden, die hier freilich den Herrenstandpunkt betonen müssen, um sich gegen die Ueber- zahl der Farbigen durchsetzen zu können. In vielen südstaat- lichen Städten darf kein ortsfremder Schwarzer übernachten. In Schulen und Kirchen, in Krankenhäusern und Armenhäusern, in Gasthäusern und Theatern, auf der Eisenbahn und in der Straßenbahn sind die Rassen vollständig voneinander getrennt, und selbst in den Blindenanstalten wird die Farbenlinie streng eingehalten. Allerdings hat nicht bloß die völkliche und gesell- schaftliche Kluft, sondern auch die unter den Farbigen herr- schende Unsauberkeit dazu geführt, daß ihnen besondere Eisen- bahnwagen, Straßenbahnabteile, Hospitäler, Gasthäuser usw. zugewiesen wurden. Auch in den Nordstaaten, wo sich die Neger wegen ihrer Minderzahl ungehinderter bewegen können, gewinnt ihre Mißachtung an Boden. In den Gewerkschaften der Industriearbeiter finden sie keine Aufnahme, und selbst der reichste und gebildetste Neger es gibt unter ihnen mehrere hundert Familien mit einem Jahreseinkommen von lo ooo bis 100 000 Dollars steht gesellschaftlich unter dem Weißen. Diese Zurücksetzung wird von den befähigteren und geistig höherstehenden Farbigen bitter empfunden. Der frühere Prä-

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sident Roosevelt wurde scharf angegriffen, als er es wagte, während seiner Amtszeit dem Vorurteil zum Trotz den wiederholt genannten Booker T. Washington als Gast ins Weiße Haus einzuladen. Zum Teil hat, wie bei der Mongolenfrage, der Brotneid den Rassenhaß geschürt, da der anspruchslose und deshalb billige Schwarze dem weißen Arbeiter unerwünschten Wettbewerb bereitet.

Im staatlichen Leben sind die Farbigen nach dem Buchstaben der Verfassung den Weißen gleichgestellt. In Wahrheit aber sind die freien Neger in ihren staatsbürgerlichen Rechten nicht frei. Denn diese Rechte stehen entweder bloß auf dem Papier, oder man hat sie teils durch List und Einschüchterung, teils durch Sonderbestimmungen über Besitz und Büdung, die nur die wenigsten zu erfüllen vermögen, unwirksam gemacht. Während Mischehen mit Indianerinnen zulässig sind, ist in den meisten Unionsstaaten die Ehe zwischen Weißen und Negern ungültig. Der Schwarze, der sich erkühnen wollte, eine weiße Frau zu ehelichen, hat Zuchthausstrafe zu gewärtigen, und der Weiße, der eine Farbige heiratet, verfällt samt seiner Nachkommen- schaft der gesellschaftlichen Aechtung. Selbst auf Personen, die nur im entferntesten eine schwarze Abstammung vermuten lassen oder einen Tropfen Negerblut besitzen, findet dieses harte Gesetz Anwendung, weil zwischen dem Vollblut neger und dem Mischling, selbst dem »Beinahe Weißen«, kein Unterschied gemacht wird ^) . Reichlich 2 Millionen Mischlinge sind so hellfarbig wie die Südeuropäer. Allein sie gelten als Neger. Darum findet man in den Negerschulen viele Kinder, die auf den ersten Blick kaum eine Spur afrikanischer Abstammung ver- raten. Ueberhaupt kreist in vielen weißen Familien, ohne daß sie es wissen, ein Tropfen Negerblut. Sie haben blonde, blau- äugige Kinder, bis plötzlich ein dunkles Kind mit den charakte- ristischen Negermerkmalen, wulstigen Lippen und krausem Wollhaar, sich einstellt und den Rückfall ins Negerhafte zeigt.

Trotzdem vollzieht sich infolge der starken außerehelichen Vermischung ein stetig fortschreitender Durchdringungsprozeß zwischen Weißen und Schwarzen, weshalb das Mischlingsele- ment in unzähligen Farbenabstufungen an Kopfzahl viel stärker ist als die unvermischt gebliebenen Neger. Anthropologisch ist ein reiner Negertypus in der Union überhaupt kaum noch vorhanden, und es ist nicht abzusehen, wie die Bevölkerung

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des Südens einmal aussehen wird, wenn sie sich immer mehr mit weißem Blute kreuzt. Nach E. Deckert dürfte dieses sich allmählich entwickelnde Mischvolk große Aehnlichkeit mit den Hindus Vorderindiens haben, die auch aus einer Durchmischung weißer und schwarzer Elemente hervorgegangen sind.

Ueber die Kriminalität unter den Negern gehen die Urteile auseinander. Die einen meinen, daß sie nicht wesentlich höher sei als unter den Weißen und daß es sich meist um leichtere Gesetzesübertretungen handle. Nach anderer Ansicht ist die Zahl der Verbrechen, namentlich schwerer Vergehen, unter den Negern viel höher. Teils trägt hierzu die den Farbigen ent- gegengebrachte Mißachtung bei. Teils mißbrauchen sie aber auch die ihnen gewährten Rechte, da infolge der langen Knecht- schaft und ihrer Nachwirkungen das Gefühl der Freiheit nicht selten in Zügellosigkeit umschlägt. Hieraus erklärt sich wohl das oft freche und plumpvertrauliche Benehmen der Neger, die dort, wo sie in der Ueberzahl sind, leicht zu Gewalttätigkeiten neigen und namentlich die Ehre weißer Frauen bedrohen. Weil aber nur ein scharfes, rasches Vorgehen Eindruck macht, so greifen die Weißen gern zur Selbsthilfe und gehen bei dem nun einmal bestehenden Haß nichts weniger als glimpflich vor. Daher die furchtbaren Lynchgerichte, die sich in erster Linie gegen die Farbigen richten und als Auswirkungen einer brutalen Volks- justiz ohne lange Voruntersuchungen vollzogen werden. Durch solche Zwischenfälle i§t die Kluft zwischen hüben und drüben noch mehr erweitert worden, und da Druck Gegendruck erzeugt, so beginnen die Farbigen sich in festerem Zusammenschluß wirtschaftlich und völklich zu organisieren. Es ist ein Zeichen erwachenden Rassenbewußtseins, daß sie sich jetzt häufiger als Neger bezeichnen, während sie diesen Namen früher mög- lichst zu vermeiden suchten. Dadurch werden sie noch mehr zu einem Fremdkörper und zu einem Pfahl im amerikanischen Fleisch. Ob nicht vielleicht einmal der Grimm gegen die Weißen und das Gefühl zahlenmäßiger Stärke die entrechteten Schwarzen zur Gewalt greifen lassen wird ? »Negerschlachten« hat es neuer- dings schon wiederholt in der Union gegeben.

Die Negerfrage hat sich überhaupt zum größten und schwie- rigsten Zukunftsproblem U.S.Amerikas entwickelt, von dem wir uns gar keine richtige Vorstellung machen können, weil wir etwas ähnliches bei uns nicht haben. Doch braucht man

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nur an die Polenfrage zu denken, die uns so viel zu schaffen gemacht hat. In der Union gehen die Meinungen über die Lösung des Rätsels weit auseinander, das darum eine reiche, freilich sehr widerspruchsvolle Literatur hervorgerufen hat. Inzwischen ist das farbige Element ständig gewachsen, wenn es auch absolut und relativ hinter den Weißen beträchtlich zurücksteht. Bei der ersten Volkszählung 1790 stellten die Neger mit 757 000 Köpfen bereits 19 % oder den fünften Teil der damaligen Ge- samtbevölkerung dar. 1860, vor Ausbruch des Bürgerkrieges, gab es 414 Millionen und 1910 9,82 Millionen Neger und Neger- mischlinge. Ihre Zahl hat sich also in 50 Jahren mehr als ver- doppelt, so daß auf die Farbigen 10,7 % der vereinsstaatlichen Bevölkerung entfallen. Von 1000 Einwohnern waren 889 Weiße und 107 Farbige. Das bedeutet trotz starker absoluter Zunahme einen relativen Rückgang gegenüber den Weißen, deren Anteil innerhalb des Zeitraumes von 1790 1910 von 81 auf 89 % gestiegen ist (vgl. Tabelle i).

Diese für die Weißen günstige Erscheinung ist jedoch in erster Linie die Folge der fortgesetzt starken Einwanderung und erst an zweiter Stelle das Ergebnis der natürlichen Zunahme durch den Geburtenüberschuß. Umgekehrt fällt bei den Negern der Zuwachs durch Einwanderung weg, und es herrscht eine große Kindersterblichkeit, während unter den Erwachsenen Darm- und Lungenkrankheiten, besonders die Schwindsucht, viele Opfer fordern. Es ist noch eine strittige Frage, ob die größere Sterblichkeit unter den Farbigen auf die unbefriedigenden Wohnungs- und Ernährungsverhältnisse zurückgeführt werden muß oder ob sie durch die natürliche Anlage bedingt ist. Bei Negern, die in gesünderen Quartieren wohnen, unterscheidet sich die Sterblichkeitsziffer nicht wesentlich von derjenigen der Weißen. Andererseits ist jedoch auch bei günstiger Lebens- haltung die Wiederstandsfähigkeit der Farbigen gegen Krank- heiten geringer als die der Weißen. Daher lehnen die Versiche- rungsgesellschaften den Schwarzen als zu großes Risiko meist ab oder nehmen ihn nur zu höheren Tarifen auf, obwohl bloß Gut- gestellte sich versichern lassen.

^ Am dichtesten sitzen die Farbigen in den ehemaligen Sklaven- staaten des Südens, namentlich im Black Belt oder Schwarzen Gürtel. Ursprünglich galt diese Bezeichnung dem dunklen Flußniederungsboden der östlichen Golfstaaten ; mit der Zunahme

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der Neger ist sie jedoch auch ein ethnographischer Begriff ge- worden. Sie drängen sich um so stärker in diesem Gebiet zusam- men, als sein heißfeuchtes KHma und seine sozialen Verhältnisse

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den Weißen wenig zusagen. Statt ihrer sind, als die Emanzi- pation dem bisher an die Scholle gefesselten Sklaven auch die Freizügigkeit brachte, immer mehr Farbige aus andern Staaten eingewandert, weil sie sich wegen der ihnen überall entgegen-

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tretenden Mißachtung unter ihresgleichen am wohlsten fühlen. Hier wohnt darum eine geschlossene Negerbevölkerung, die etwa ^/lo aller Farbigen umfaßt. In den Staaten Mississippi und Süd-Carolina macht sie die größere Hälfte, in Louisiana, Georgia, Alabama, Florida, Virginia, Nord-Carolina und im Bundesdistrikt Columbia die knappe Hälfte bis ein Drittel der gesamten Bewohnerschaft aus. Auch in einigen Städten ist ihre Zahl sehr erheblich. 1910 gab es in 32 Unionstädten mehr als 10 000 Farbige. Die Bundeshauptstadt Washington dürfte mit rund 95 000 Negern oder 29 % der Einwohner die neger- reichste Stadt der Welt sein, während die 92 000 Neger New Yorks nur 1,9 % der Bevölkerung der Riesenstadt darstellen. Dafür gehört in Savannah, Charleston, Jacksonville und Montgo- mery über die Hälfte der Stadtbewohner den Negern und Mu- latten an. Ihre hauptsächlichsten Wohngebiete sind indes die ländlichen Bezirke der Südstaaten. Hier ist in über 100 Counties das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen wie 2:1, ja in sieben Counties wie 7:1. Da aus diesen »vernegerten « Strichen die Weißen in zunehmender Menge fortziehen, so entwickelt sich hier ein wirkliches »Klein-Af rika «, in dem das Negertum schon so stark geworden ist, daß es der Einfluß der Weißen nicht mehr zu durchdringen vermag. Nach F. R a t z e 1 bedeutet das die Unzurückdrängbarkeit einer der weißen Bevölkerung fremden Rasse innerhalb des von ihr eingenommenen Gebietes, das damit unaufhaltsam der Afrikanisierung entgegengeht. Denn der Vorschlag, die Neger wieder in ihre afrikanische Urheimat zurückzubringen, wo schon 1807 von einer philanthro- pischen amerikanischen Gesellschaft die Republik Liberia zur Aufnahme befreiter Negersklaven gegründet wurde, ist eben- so undurchführbar wie die Anregung, die Farbigen nach Art der Indianer in besonderen Reservationen einzusperren. Dazu sind sie schon viel zu fest eingewurzelt und über das ganze Land verbreitet, wenngleich in sehr verschiedener Dichte, weil der schwerfällige Neger an den großen Binnenwanderungen längst nicht in dem Maße beteiligt ist wie der leicht bewegliche Weiße. Erst als der Weltkrieg die europäische Einwanderung ins Stocken brachte und im industriellen Nordosten eine lebhafte Nachfrage nach Arbeitskräften wachrief, sind die sonst so seßhaften Schwar- zen zu Hunderttausenden dorthin abgeströmt. Doch bilden sie im Süden noch immer 32 % der Gesamtbevölkerung, so daß hier

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jeder dritte Mensch ein Farbiger ist, gegen nur 1,2 % in den Nordstaaten und 0,4 % in den Weststaaten. Für den Westen ist das freilich immer noch dasselbe, als wenn unter der Bevölkerung des Freistaates Sachsen 19 000 Schwarze lebten. Im Süden wohnen die Farbigen als Kleinfarmer hauptsächlich auf dem Lande; im vereinsstaatlichen Norden und Westen dagegen lockt sie die Anziehungskraft der Städte. Darum ist es ein sehr be- merkenswerter Zug in der Physiognomie der Bevölkerung, daß der Neger, wie F. R a t z e 1 sich treffend ausdrückt, »dazu ge- hört «. Er ist viel mehr als der Indianer und Mongole ein charak- teristischer und untrennbarer Bestandteil der Bewohnerschaft U.S.Amerikas geworden.

10. Die Mongolen.

Verbreitung und Absonderung der Mongolen in der Union. Anschwellen und Abebben der chinesischen Einwanderung. Hauptbeschäftigung der Chi- nesen und unerwünschter Wettbewerb gegen die weißen Arbeiter. An die Stelle der Chinesen sind als noch unerwünschtere Konkurrenten die Japaner getreten. Die Mongolen frage.

Das zweite und jüngste Element der fremden Einwanderer sind die Vertreter der gelben Rasse, die allerdings nur einen Bruchteil der Unionsbevölkerung ausmachen. Denn sie sind nicht mehr als 145 602 Köpfe (1910) stark und bestehen je zur Hälfte aus Chinesen und Japanern. Wegen der Nachbarschafts- lage ihrer Heimat wohnen sie meist in den westlichen Küsten- staaten und zum kleineren Teile in den Großstädten des Ostens, während ihre Zahl in den Südstaaten ganz gering ist. Dem Geschlecht nach bestehen sie überwiegend aus Männern.

Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts setzte die mongolische Masseneinwanderung, ein, indem die neuentdeckten Goldfelder Kaliforniens und der Bau der Pacificbahnen ganze Scharen chinesischer Arbeiter anlockten. Damals war der vereinsstaat- liche Westen noch fast menschenleer, und weil der Bahnbau viele Arbeitskräfte brauchte, so waren die billigen und fleißigen Chinesen sehr willkommen. Zunächst hielt sich der Zudrang in mäßigen Grenzen, und alljährlich kehrte eine Anzahl wieder nach Ostasien zurück. Seit 1870 wuchs jedoch der Zuzug derart, daß »John Chinaman« bald eine bemerkenswerte Erscheinung

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in dem noch dünn besiedelten Staat wurde. Während aber die weißen Einwanderer rasch im Nordamerikanertum aufgehen und sich meist zu Staatsbürgern naturaHsieren lassen, halten die Chinesen zäh an ihren Gewohnheiten und- Anschauungen fest. Sie passen sich den Landessitten in keiner Weise an, fügen sich bloß äußerlich den Gesetzen und sind dort, wo sie in ge- schlossener Masse sitzen, ein außerhalb der Gesamtheit stehen- der Fremdkörper mit fest organisierten Geheimbünden, gleich- sam ein Staat im Staate. Sie verschmelzen sich auch nicht mit den übrigen Landesbewohnern, sperren sich vielmehr streng gegen sie ab und hausen, geradezu gesundheitsgefährlich eng zusammengedrängt denn der Chinese »wimmelt« in be- sonderen, meist wenig sauberen Gassen oder Stadtvierteln. Ferner bleiben sie nur so lange in der neuen Heimat, bis sie sich ein kleines Vermögen erworben haben. Ist ihnen die Rück- kehr nicht möglich, so sorgen sie dafür, daß wenigstens ihre Leiche nach China geschafft wird oder daß sie auch im fremden Lande in heimischer Erde begraben werde. Särge, mit chinesischer Erde gefüllt, sind deshalb ein nicht unwichtiger Handelsgegen- stand. Als fleißige, anstellige und überaus bülige Arbeiter sind die Chinesen ein nützliches Element, das, wenn man es plötzlich ausschalten wollte, eine fühlbare Lücke hinterlassen würde. Sie sind aber zugleich verachtet und gehaßt, weil sie durch Lohn- unterbietung und übergroße Anspruchslosigkeit den weißen Arbeitern empfindlichen Wettbewerb bereiten. Denn bei ihrer Sparsamkeit und ihrer erbärmlichen Lebensweise geben sie sich mit einer Bezahlung zufrieden; mit der kein Weißer auszukommen vermöchte.

Die Chinesen betätigen sich besonders in solchen Wirtschafts- zweigen, die Fleiß und Ausdauer verlangen, ohne raschen und glänzenden Lohn abzuwerfen. Sie sind Wäscher und Schuh - flicker, Köche und Kellner, Gärtner und Dienstboten und nehmen selbst Beschäftigungen an, die, wie das Kinderwarten, für Männer etwas ungewöhnlich sind. Ein Teil beschäftigt sich auch mit dem Kleinhandel. Seit sie durch Gründung eigener Unterneh- mungen die weißen Geschäftsleute schwer zu schädigen und ihre Nebenbuhler aus einer Reihe von Betrieben, z. B. Wäscherei und Gärtnerei, zu verdrängen begannen, wurde die Bewegung gegen sie immer schärfer und führte zu feindseligen Kundgebungen. 1882 in welchem Jahre die Zahl der Mongolen auf 288 000

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angewachsen war (gegen 35000 im Jahre 1860) wurden die ersten Ausnahmegesetze und Einwanderungsbeschränkungen er- lassen. Das immer wieder erneuerte Einwanderungs verbot, das erst im Weltkriege unter dem Drucke des Arbeitermangels einige Milderungen erfuhr, richtete sich lediglich gegen die chinesischen Kulis, wurde aber auch gegen andere Klassen schroff gehandhabt. Die chinesischen Regierungsvertreter für die Weltausstellung in St. Louis mußten sich Demütigungen gefallen lassen, die einen ernstlichen diplomatischen Einspnich Chinas und die zeitweilige Boykottierung amerikanischer Waren durch die chinesische Kaufmannschaft zur Folge hatten.

Im großen Ganzen ist es gelungen, den chinesischen Zuzug einzudämmen und der Zahl nach beträchtlich herabzumindern, weil eine nahezu familienlose, daher nicht zur Einwurzelung führende Einwanderung durch Gesetze leichter reguliert werden kann. Dafür haben die Japaner immer mehr zugenommen. 1869 kamen die ersten 63 Japaner ins Land, und 1880 waren sie noch nicht 150 Köpfe stark. 1910 dagegen hatten sie mit 72 157 Seelen die Chinesen um einige hundert Köpfe überflügelt, und der Weltkrieg brachte eine immerhin lebhafte japanische Einwanderung, die in den vier Jahren 1915 19 von 8600 bis auf 22 000 Personen stieg. Dazu kommen 109 000 Japaner (1920) im vereinstsaatlichen Territorium Hawaii gegen 12 630 im Jahre 1890. Wie diesem wirtschaftlich und strategisch gleich wichtigen Kolonialgebiet eine japanische Ueberschwemmung droht, so sind die Amerikaner auch über den japanischen Zu- strom nach den Philippinen beunruhigt. Denn gegen die Ange- hörigen dieses kräftig aufstrebenden, wehrhaften Staates können sie nicht so rücksichtslos vorgehen wie gegen die Angehörigen des politisch und militärisch schwachen China. Immerhin hat das unwillkommene Anwachsen des Japanertums in den pazifi- schen Küstenstaaten ebenfalls eine feindselige Bewegung hervor- gerufen. Denn die Japaner sind ähnlich genügsam und mit geringer Entlohnung zufrieden wie die Chinesen, so daß auch sie als unbequeme Lohndrücker erscheinen. Die japanischen Einwanderer sind vornehmlich Farmer und Gärtner. Sie haben aus diesen und andern Berufen sowohl die Chinesen wie die Weißen verdrängt und durch Eröffnung billiger Ladengeschäfte viele kleine Kaufleute brotlos gemacht. Auch die Japaner passen sich der neuen Heimat nicht an, beanspruchen aber gleich-

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wohl alle Rechte amerikanischer Bürger. Die Schwierigkeiten werden dadurch erhöht, daß die Nachkommen der Eingewander- ten gesetzlich amerikanische Staatsbürger sind, während sie die japanische Regierung als ihre Untertanen betrachtet und zum Heeresdienst heranzieht. Die Folge dieser Spannung war die Erschwerung des Grunderwerbes durch Japaner und ihre Ausschließung aus den für weiße Kinder bestimmten Schulen Kaliforniens. Diese Maßnahmen haben jedoch im Verein mit mancherlei Zwischenfällen und genährt durch die Interessen- gegensätze auf politischem Gebiet die Kluft erweitert, die ohne- hin durch die in der Union herrschende Farben- und Rassen- scheidung verschärft wird. Man fürchtet in den jetzigen Einwan- derern die Vorläufer einer Mongolenflut und hat schon an einer fremden Rasse, den Negern, genug. Denn was die Negerfrage für den Süden, das ist die Mongolenfrage für den Westen.

Ein drittes, ebenfalls unerwünschtes asiatisches Einwanderer- element sind die Inder oder Hindus. Sie zählen indes bloß wenige tausend Köpfe und spielen im Wirtschaftsleben keine sonderlich hervortretende Rolle.

II. Die weiße Bevölkerung und die europäische Einwanderung.

Gesamtzahl und Stellung der Weißen. Zahlenmäßiges Ueberwiegen der Männer. Herkunft der Weißen Nordamerikas. Vorwiegend englisches Gepräge der Unionsbevölkerung und ihre sonstigen ethnischen Hauptelemente. Die rasche Zunahme der europäischen Einwanderung und ihre Bedeutung für die Gesamtentwicklung der Union. Die wichtigsten Einwanderungsgebiete. Rückwanderung nach Europa. Die Amerikanisierung der Einwanderer. Glie- derung des Volkskörpers. Die alte und neue Einwanderung. Wachsender Widerstand gegen letztere. Italiener und Juden. Die Einwanderung ist die Hauptursache für das rasche Wachstum und die Verjüngung des vereins- staatlichen Volkskörpers, der sich durch den Geburtenüberschuß nur wenig vermehrt.

Das älteste und wichtigste Element der eingewanderten Bevölkerung sind die Weißen. Mit 90 Millionen oder Vio ^^^ gesamten Bewohnerschaft gegen 3,2 Millionen oder ^/g im Jahre 1790, 19,6 Millionen im Jahre 1850 und 67 Millionen im Jahre 1900 stehen sie der Zahl nach weitaus an erster Stelle. Weil sich der größte Teil des Staatsgebietes klimatisch zur Massen-

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ansiedlung und zu ausgiebiger körperlicher Betätigung der Europäer eignet, so sind sie zugleich die Hauptträger des wirt- schaftlichen, kulturlichen und politischen Lebens. Ihr bevor- zugtestes Wohngebiet ist der Norden und Westen, während der Süden in hohem Maße auch ein Land der Neger ist.

Der Jugend des amerikanischen Volkskörpers entspricht ein entschiedenes Ueberwiegen der Männer über die Frauen. 1870 war durch die Verluste des Bürgerkrieges das Gleichgewicht der Geschlechter nahezu erreicht. Seitdem hat es sich jedoch wieder stark verschoben. 191 o gab es 2,7 Millionen Frauen weniger als Männer, so daß bei einem Verhältnis von 51,4 zu 48,8 auf 100 Frauen 106 Männer oder auf 100 Männer 94,3 Frauen kamen. Nur in einigen älter besiedelten Oststaaten, Massachu- setts, Rhode Island, Maryland und den beiden Carolinas, haben die Frauen das Uebergewicht, ebenso ganz allgemein beim irischen Element und bei der Negerbevölkerung. Dafür ist im spät besiedelten und noch in der Entwicklung begriffenen Westen der Ueberschuß an Männern um so beträchtlicher. Man führt die geringere Zahl des weiblichen Geschlechtes darauf zurück, daß die Bewohnerschaft der Union im wesentlichen durch Ein- wanderung gewachsen ist und daß unter den Einwanderern das männliche Geschlecht stark überwiegt. Diese Erklärung genügt indes nach Kuczynski nicht, weil auch bei den im Lande geborenen Weißen die Zahl der Männer größer ist.

Der Nationalität nach stellt die weiße Bevölkerung ein buntes Gemisch dar, da sie aus den Abkömmlingen aller auch kulturlich und religiös so verschiedenen Völker Europas besteht. Der Grundstock stammt aus der älteren Kolonialzeit und umfaßt die Bewohnerschaft der 13 alten Staaten, deren europäische Besiedlung schon im 16. Jahrhundert einsetzte und seitdem ständig angehalten hat ^) . Unter den Einwanderern hatte trotz holländischen, schwedischen und deutschen Ein- schlags und trotz der alten französischen und spanischen Sied- lungsgebiete in ausgedehnten Strichen der heutigen Vereinigten Staaten von Anfang an das Angelsachsentum die Oberhand. Die Briten fanden namentlich im Nordosten ähnliche Lebensbe- dingungen wie im Mutterlande, so daß sich in den Neu-England- staaten ihr Volkstum am meisten durchzusetzen vermochte. Die holländischen Ansiedler, die 1613 an der Hudson-Mündung die Kolonie Neu -Nieder land gegründet hatten, und die Schweden,

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die 1638 am Delaware, dem zweit wichtigsten Eingangstor der mittel-appalachischen Landschaft, die Kolonie Christina an- legten, sind mit der Zeit im Angelsachsentum aufgegangen.

Vor allem erhielt die nordamerikanische Bevölkerung ihr englisches Gepräge, als in der langen Periode der fast ununter- brochenen Revolutions- und Napoleonischen Kriege die nicht- englische Einwanderung aus Europa völlig ins Stocken geriet. Während dieser Zeit erstarkte das Angloamerikanertum in sol- chem Maße, daß es die später wieder lebhaft zuströmenden Abkömmlinge anderer Nationalitäten aufsaugte. Die älteren französischen Niederlassungen aus dem 17. Jahrhundert, die aus Neu-Frankreich oder Kanada von den Großen Seen bis zur Mississippi-Mündung reichten, sind zwar noch heute an ihren Namen kenntlich, z. B. Detroit, St. Louis, New Orleans. Aber nur in New Orleans und seiner Umgebung hat sich innerhalb der Unionsgrenzen das französische Kreolentum erhalten, und in die Nordoststaaten wandern neuerdings französische Kanadier ein (vgl. S. 116). Hispano-Amerikaner und spanisch sprechende Indianermischlinge sitzen vor allem in Florida und im früheren mexikanischen Nordwesten, wo noch immer die spanische Sprache zur Geltung kommt und viele Bewohner nicht Englisch verstehen. Auch zahlreiche Städte verraten hier durch ihre Namen, daß sie altspanische Gründungen sind, z. B. Santa Fe und Albuquerque in Neu-Mexiko, San Francisco, Los Angeles und San Diego in Kalifornien und St. August ine in Florida, die älteste, schon 1565 entstandene Stadt der Vereinigten Staaten. Im übrigen haben Spanier und Franzosen wegen der Geringfügigkeit ihrer Ein- wanderung auf die Zusammensetzung des Volkskörpers der Union kaum irgendwelchen Einfluß ausgeübt. Dafür treibt die französi- sche Regierung im Bunde mit der Alliance Frangaise eine ge- schickte Kulturpropaganda namentlich auf den Gebieten der Politik, Kunst und Mode, während die Kulturbedeutung des Spaniertums in U.S.Amerika gering ist.

Die Union ist ein klassisches Land der Einwanderung. Doch bewegte sie sich in den ersten Jahrhunderten in mäßigen Grenzen. Zur Kolonialzeit erfolgte das Bevölkerungswachstum viel mehr durch den Geburtenüberschuß. Auch für die Zeit vom Un- abhängigkeitskriege bis 1820, in welchem Jahre die erste ge- nauere Einwanderungsstatistik durchgeführt wurde, nimmt man nur eine Einwanderung von 250 000 Köpfen an. Den Charakter

H a s s e r t , Vereinigte Staaten. 8

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der gewaltigsten Völkerwanderung der Weltgeschichte, hinter der die mittelalterlichen Völkerwanderungen in Europa weit zurückbleiben, erhielt sie erst in den 40er Jahren des 19. Jahr- hunderts. Handelskrisen und Mißernten, staatlicher und reli- giöser Druck riefen damals in Europa eine Massenflucht hervor, die durch die Verbesserung und Verbilligung des Verkehrs und die Einrichtung regelmäßiger transatlantischer Schiffsverbin- dungen erleichtert wurde. Seitdem suchten alljähilich Hundert- tausende das jugendliche Land auf, dessen ungeheuere menschen- leere Räume ihnen willkommene Siedlungs- und Arbeitsgelegen- heiten boten. Die Menschen sind das wertvollste Geschenk, das Europa sehr zu seinem eigenen Schaden der Neuen Welt gemacht hat. Es kam in allererster Linie der Union zugute, die sofort die Notwendigkeit der Einwanderung erkannte und sie mit allen Mitteln förderte. Denn die Fülle der Pionieraufgaben erheischte eine Fülle werktätiger Hände, welche die natürliche Bevölkerungs- vermehrung nie hätte stellen können. Lediglich dem Menschen- Überflusse Europas verdanken die Vereinigten Staaten ihre politische und wirtschaftliche Großmachtstellung. Ohne ihn wären sie vielleicht ebenso rückständig geblieben wie das reiche, aber menschenarme Südamerika.

Noch immer ist die Union das Hauptziel europamüder Auswanderer, während die andern Erdteile nur einen geringen Prozentsatz der Einwanderung stellen ^) . Von 1821 1921 haben rund 34,3 Millionen Menschen, davon über 30 Millionen aus Eu- ropa, die Vereinigten Staaten aufgesucht, die man daher ihrer Bevölkerung nach nicht mit Unrecht ein »ausgewandertes Europa « genannt hat. 1821 1850 betrug der europäische Zustrom erst 2% Millionen. Besonders stark aber wurde er seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, indem die jährliche Einwandererzahl rasch auf 100 000 300 000 Seelen anwuchs und nach dem Bürger- kriege im Jahresdurchschnitt bis auf 900 000 Köpfe anschwoll. In manchen Jahren landeten in der Union sogar über i Million Menschen, deren Menge in den Jahren der stärksten Auswan- derungswellen, 1907 und 1910, bis auf 1,3 und 1,4 Millionen stieg. Die Jahre mit starker Einwanderungsziffer entsprachen meist Jahren wirtschaftlicher und poHtischer Mißstände in Europa. Umgekehrt ließen Wirtschaftskrisen und politische Störungen in der Union (Bürgerkrieg) den Einwandererstrom abebben. Auch der Weltkrieg hat ihn aufs stärkste beeinflußt

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und ihn, soweit er aus Europa kam, zeitweise ganz zum Still- stand gebracht. In den Jahren 1915 20 wanderten insgesamt bloß 678 000 Personen ein, denen obendrein eine fast gleich hohe Rückwanderungszahl gegenüberstand.

Im Zusammenhange mit der Hauptrichtung der Einwande- rung macht sich der Zufluß vor* allem in den mittelatlantischen Staaten von Massachusetts bis Maryland bemerkbar, die um New York, die hauptsächlichste Eingangspforte des Landes und den ersten Einwandererhafen ganz Amerikas, sich ausbreiten. Auch im Gebiete der Großen Seen und des Ohiobeckens oder in den nördlichen Zentralstaaten von Michigan bis Montana erreicht er noch erhebliche Beträge. In de^i atlantischen Staaten gewähren die großen Handels- und Fabrikstädte den neuen Ankömmlingen vielfache Arbeitsgelegenheiten, während die Zentralstaaten das gelobte Land der Farmer sind. In den abge- legenen West Staaten ist die Menge der Einwanderer schon viel kleiner geworden, und der Süden hat wegen seines Klimas und seiner Negerbevölkerung lange Zeit die geringste Anziehungskraft auf die Weißen ausgeübt. Doch hat seine fortschreitende Indu- strialisierung in den letzten Jahrzehnten einen lebhafteren Zustrom, namentlich aus Italien, angelockt. Immerhin erhalten gerade die aufnahmefähigsten jüngeren Landesteile, der Westen und Süden, die geringste Zahl von Einwanderern. Die große Mehl zahl bleibt in den Fabrikstädten des Nordostens zurück und vermehrt hier die industrielle Arbeiterschaft, um bei un- günstiger Wirtschaftslage die Masse des arbeitslosen Proletariats ungeheuer wachsen zu lassen.

Der starken Zuwandeiung steht indes auch eine nicht geringe Abwanderung gegenüber. Schon zur Zeit des Unabhängigkeits- krieges siedelten die englisch Gesinnten scharenweise in die britischen Nachbarkolonien über. Besonders auffällig ist aber die Rückwanderung seit dem Ende des Weltkiieges in die Er- scheinung getreten. Sie geht teils auf wirtschaftliche Gründe zurück, teils ist sie die Folge des neu erwachten oder durch den Kriegsausgang gesteigerten nationalen Selbstgefühls, das vielen die geringschätzige Behandlung seitens der Amerikaner uner- träglich macht. Es wird verstärkt durch die niedrige Valuta der meisten europäischen Länder, indem der hohe Kursstand des Dollars vielen die Möglichkeit gibt, sich mit ihren in euro- päisches Geld umgewechselten Ersparnissen in der alten Heimat

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ein selbständiges Dasein zu gründen. Zahlreiche Mißvergnügte treibt auch das Alkoholverbot und die Scheelsucht der ameri- kanischen Arbeiter-Organisationen fort. Beachtenswert ist end- lich zum Schaden der vereinsstaatlichen Landwirtschaft die starke Abwanderung amerikanischer Farmer in den kanadischen Westen, wo ihnen fruchtbares Ackerland noch reichlich und billig zur Verfügung steht, während es in der Union im wesentlichen vergeben oder durch Raubbau erschöpft ist oder erst durch Be- wässerungsanlagen brauchbar gemacht werden muß. Der Zuzug französich-kanadischer Fabrikarbeiter in die Neu-Englandstaaten kann diesen Verlust nicht ersetzen (vgl. S. 113).

Die weiße Einwanderung stellt der Nationalität nach ein bunt zusammengewürfeltes Völkergemisch dar, wie es in keinem anderen Staate zu finden sein dürfte. V\^enn jedoch in der Union die Menschen und Kulturen fast aller Länder der Erde zu- sammenfließen, so kann von Rasseneinheit keine Rede sein. Vor allem ist Nordamerika gleichsam die Gesamtkolonie von Europa, in der freilich die Eingewanderten den staatlichen Zu- sammenhang mit ihren Mutterländern rasch verlieren. Am stärksten ist noch das geistige Band, das die Union mit England verknüpft, weil seine Bevölkerung den Kern des amerikanischen Volkes ausmacht. Wenn aber auch das Angelsachsentum ent- schieden überwiegt und in Einrichtungen, Sprache und Sitte und im politischen Leben unbedingt die Führung hat, so daß es dem ganzen Lande seinen Stempel aufprägt, so darf doch das amerikanische Volk in seiner Gesamtheit nicht als ein englisches Tochtervolk angesprochen werden. Vielmehr ist ganz Europa die Mutter der weißen Unionsbevölkerung, und ihre Kultur ist ein Zweig der europäischen. Schon bei den britischen Einwan- derern ist scharf zwischen dem englischen, schottischen und irischen Element zu unterscheiden^). Aber auch die Nicht- Briten üben eine weitgehende Rückwirkung auf den amerikani- schen Volkskörper aus, da es kein Land Europas gibt, dessen Vertreter nicht in den Vereinigten Staaten lebten. Ueber den Umfang der Völkervermischung gibt die seit 1820 bestehende amtliche Einwandererstatistik Aufschluß. Sie ist allerdings nicht eingehend genug, so daß sich nicht genau feststellen läßt, wieviele Slaven oder Nichtslaven an der russischen, österrei- chischen, ungarischen und südosteuropäischen Einwanderung beteüigt sind.

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Wer einmal Gelegenheit hatte, in dem »grausamen Ein- wanderersieb « (M a r c k s) Ellis Island im Hafen von New York einen Blick in das Nationalitätengewimmel zu tun, das hier von den Einwanderungsbeamten genau gemustert wird, oder wer es in den Riesenstädten New York und Chicago an sich vorüberfluten läßt und die vielsprachigen Bekanntmachungen in den großen Industriebetrieben liest, der möchte leicht glauben, daß das mosaikartige Völkerkonglomerat wieder auseinander- fallen und durch das Auseinandergehen der nationalen Bestre- bungen ähnlich unerfreuliche Reibungen heraufbeschwören müßte wie im alten Oesterreich-Ungarn und Rußland. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Union ist ein riesiger Mischkessel und Schmelztiegel der Völker, in dem eine ganz neue Nation, die amerikanische, zusammengebraut wird.- Man muß geradezu staunen über die starke und schnelle Vereinheit- lichungstendenz, die aus geographischen, geschichtlichen, poli- tischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen in U.S.Amerika obwaltet, und über das wunderbare Einerlei in Sprache und Kleidung, in Sitte und Lebensgewohnheiten, im Städte- und Straßenbau, das im Osten wie im Westen, im Süden wie im Norden des weiten Landes herrscht und den Eindruck seiner staatlichen Einheit noch vermehrt. Auch die politische Gruppierung der Nation in nur zwei große Parteien, Demokraten und Republikaner, trägt viel zur staatlichen Vereinheitlichung bei. Wie ganz anders ist es in Europa und in den europäischen Einzelstaaten !

Der Gründe für diese Erscheinung gibt es mancherlei. Zu- nächst liegen sie in der leichten Ueberwindbarkeit des Raumes, in dem seit langem ein dichtes Spinngewebe von Eisenbahnen den Amerikaner rasch und bequem aus einem Teile des Landes in den andern gelangen läßt. Ferner fehlt es in dem weithin gleichartigen Räume an wirksamen Naturschranken, unter deren Schutze sich ein besonderes Volkstum zu entwickeln vermochte. Weil dann der Menschenüberschuß, der aus den älteren Ost- staaten in die jüngeren Zentral- und Weststaaten weiterzog, seine sozialen, politischen und religiösen Einrichtungen und Anschauungen mitnahm und in den jüngeren Staaten genau so leble wie in den älteren, so sind erster e in allen Beziehungen nur die Ableger oder die getreuen Spiegelbilder der letzteren. Daher die überraschende Gleichartigkeit, die man überall in

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dem weiten Reiche antrifft, lieber dies sind stärkere Nachbar- völker nicht vorhanden, die nationaler Eigenbrödelei in den Grenzlandschaften Vorschub leisten könnten. Der unendliche Raum war von geringzähligen, schnell ausgerotteten Indianer- stämmen dünn bewohnt, so daß hier nicht wie im Lateinischen Amerika eine Ueberzahl von Eingeborenen einer weißen Minder- zahl gegenübertrat. Andrerseits war die Trennung, die der Ozean bewirkte, nachhaltig genug, um die engere Verbindung der Einwanderer mit ihrer europäischen Heimat aufzuheben. Dadurch wurde der Verschmelzungsprozeß der verschiedenartigen Volkselemente begünstigt.

Als aber die europäische Masseneinwanderung einsetzte, waren Staat und Gesellschaft in Nordamerika schon so in sich gefestigt, daß das englische Element, das bereits bei der Be- gründung des jungen Staates die zahlenmäßige Ueberlegenheit besaß und von Anfang an eine starke Aufsaugungskraft ent- faltete, der werdenden Nation das Gepräge gab. Vor allem ist die jedermann frei zugängliche Volks- und Fortbildungsschule das wichtigste Hilfsmittel für die Amerikanisierung der Eingewan- derten und für die Einhämmerung des Zusammengehörigkeits- gefühls aller Bewohner der Union. Diesem Zwecke dient auch die alleinige Anwendung des Englischen, der zum Fortkommen unbedingt notwendigen Umgangs- und Verkehrssprache, mit der die neuen Ankömmlinge zugleich einen neuen Geist und neue Anschauungen in sich aufnehmen*). Da die Einwanderer rasch und leicht das amerikanische Bürgerrecht mit allen seinen Rechten und Vorteilen erlangen und da das Heimstättengesetz ihnen die Möglichkeit zu billiger Erwerbung von Grundbesitz gab, so fesseln auch persönliche Interessen sie an das neue Vater- land. Endlich fehlt in dem jugendlichen Lande die enge Ver- wachsung zwischen Mensch und Boden, indem die Bewohner oft den Aufenthaltsort wechseln und dadurch viel mehr als in Europa mit Angehörigen andrer Nationen in Berührung kommen. Hierbei ist die Aufsaugungskraft des angloamerikanischen Volks- kernes so stark, daß die Nachkommen der dauernd im Lande bleibenden Einwanderer meist schon in der zweiten oder dritten Generation im Amerikanertum aufgegangen sind, allerdings nicht, ohne gewisse Rückwirkungen auf dieses auszuüben. Na- mentlich seitens des Deutschtums ist das in bemerkenswertem Maße der Fall gewesen.

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Die weiße Unionsbevölkerung scheidet sich in die beiden Hauptgruppen der im Lande Geborenen und der Fremdgeborenen. Die im L^nde geborenen und von einheimischen Eltern stammen- den Weißen (Native White of native parentage) bilden mit 54 % der weißen Bewohnerschaft den eigentlichen Stamm, der die andern Gruppen allmählich in sich aufnimmt. Das sind zunächst, 15,8 % der weißen Bevölkerung ausmachend, die im Lande geborenen Weißen, deren beide Eltern aber noch außerhalb der Union geboren wurden (Native White of foreign parentage). Zwischen ihnen und den einheimischen Weißen stehen als dritte Gruppe mit 7,3 % die Native White of mixed parentage, von deren Eltern entweder der Vater oder die Mutter außerhalb der Union geboren war. Die beiden letzten Gruppen umschließen im wesentlichen das zweite Geschlecht der Einwanderer, das meist schon als mehr oder minder amerikanisiert gelten kann oder wenigstens die Spuren des Assimilierungsprozesses deut- lich zeigt. Der Rest der weißen Bevölkerung besteht aus den im Auslande geborenen, also erst kürzlich eingewanderten Euro- päern.

In den letzten Jahrzehnten, etwa seit 1882, hat der Charak- ter der Einwanderung einen tiefgreifenden Wechsel erfahren, der gar nicht scharf genug hervorgehoben werden kann. Im Volkstum der Einwanderer ist nämlich eine merkliche Verschie- bung eingetreten, indem mit dem Ende der Landnahme, d. h. mit dem Aufhören der Vergebung billigen Ackerlandes, der Zustrom des keltisch-germanischen, vorwiegend landwirtschaft- lichen Elements aus Nordwest-, Nord- und Mitteleuropa auffällig zurückgegangen ist. Dafür hat der Zustrom jlus Ost- und Süd- europa unverhältnismäßig zugenommen ^). Die neuen An- kömmlinge stammen größtenteils aus Italien, dem slavischen Ost- und Südosteuropa und aus der breiten Schicht der osteuro- päischen Juden ^) . Diese nationale Umschichtung bedeutet zugleich eine erhebliche Verschlechterung in der Qualität der Einwanderer und eine Erschwerung der Verschmelzung mit dem amerikanischen Volkskörper, dem das Kelten- und Germanen- tum oder die »alte« Einwanderung viel mehr entsprach. Ist doch der Aufsaugungsprozeß nicht zum wenigsten dadurch erleichtert worden, daß neben den Briten vornehmlich nahe verwandte und kulturlich hochstehende nord- und mitteleuro- päische Stammesangehörige wie Iren, Deutsche,- Holländer,

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Schweizer und Skandinavier ins Land kamen, unter denen es manches Vermittelnde und die Assimilierung Fördernde gab. Dagegen halten wie schon früher die spanischen und fran- zösischen Kreolen die Italiener, Slaven und Juden als Haupt- vertreter der »neuen« Einwanderung zäh an ihrer nationalen Eigenart fest und bilden in Sitte und Denkweise einen dem Amerikaner tum wesensfremden Volksbestandteil. Er zeigt auch geistig und kulturlich eine gewisse Minderwertigkeit und stellt einen sehr bedeutenden Prozentsatz der Analphabeten ') . Ferner sind die neuen Einwanderer nicht, wie die alten Einwanderer, landsuchende Farmer, die meist ihre Familien mitbrachten und die neue Heimat mit der Absicht betraten, sich dauernd in ihr niederzulassen. Die Masse der jetzt ins Land kommenden Europäer besteht aus ungelernten Arbeitern, die in der Industrie und im Bergbau Beschäftigung suchen und vorwiegend im industriellen Nordosten bleiben, wo sie dicht zusammengedrängt in den Armenquartieren wohnen und durch ihre Abgeschlossen- heit die Verschmelzung mit dem übrigen Volkskörper erschweren. Farmer sind unter ihnen nur in geringer Zahl vorhanden, obwohl sie vornehmlich aus ländlichen Bezirken stammen und in der alten Heimat hauptsächlich Landarbeiter waren. Aber sie haben nicht die Mittel zum Kauf einer eigenen Scholle. Sie kommen auch viel häufiger ohne Familie, um nach Erwerb eines kleinen Ver- mögens wieder zu ihren Angehörigen zurückzukehren. Wegen ihrer niedrigen Lebenshaltung und der dadurch bedingten Ge- nügsamkeit gelten sie den gut geschulten, gewerkschaftlich organisierten Fabrikarbeitern als Lohndrücker. Der Amerikaner dünkt sich aber auch vom sozialen Standpunkt aus erhaben über diese minderwertigen Vertreter der europäischen Kultur und will keine Gemeinschaft mit ihnen haben. Infolgedessen ist die Aufsaugungskraft des Amerikanertums ihnen gegenüber nicht mehr wirksam genug und läßt in demselben Maße nach, als die schwer verdaulichen Elemente durch den Geburtenüber- schuß wachsen. Der Weltkrieg hat obendrein gezeigt, daß die Verschmelzung der Fremdvölker zu einer nationalen Einheit durchaus nicht so reibungslos erfolgt, wie man meist annahm. Vielmehr standen die Deutsch- und Irischgesinnten den England- und Verbandsfreundlichen schroff gegenüber, und nie zuvor gab es eine deutsch-amerikanische und eine irisch-amerikanische Frage von solcher Schärfe wie in der jüngsten Vergangenheit.

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Alles in allem übt die »neue« Einwanderung längst nicht einen so günstigen Einfluß auf die ethnische und moralische Weiterentwicklung der Unionsbevölkerung aus wie das keltisch- germanische Element, und es ist für die Amerikaner eine ernste Frage, ob ihnen die Aufsaugung und Angleichung der Süd- und Osteuropäer ebenso gelingen wird wie die der Nord- und Mittel- europäer. Man redet darum nicht mehr einer hemmungslosen Einwanderung das Wort, sondern erörtert schon die Frage, ob die Armenier, Gritchen, Syrer, Juden usw. unter den Begriff der farbigen Rassen fallen und als solche von der Einwanderung auszuschließen seien. Teils aus wirtschaftlicher Selbstsucht, teils um der Rassenverschlechterung vorzubeugen und Amerika nicht zur »Ablagerungsstätte für die untersten Volksklassen Europas « werden zu lassen, ist der Widerstand gegen unerwünsch- ten Zuzug immer stärker geworden ^). Denn außer der schwarzen und gelben Gefahr droht noch eine »schmutzigweiße Gefahr« (Kj eilen). Auf den neuen Menschenzustrom, der in der Bevöl- kerungszusammensetzung der atlantischen Staaten bereits sicht- liche Wandlungen unter Zurückdrängung des Angloamerikaner- tums hervorgerufen hat, finden besonders die immer mehr ver- schärften Einwanderungsbestimmungen Anwendung. Das Kopf- geld, das jeder Einwanderer zahlen muß, ist erhöht worden. Verbrecher, Anarchisten, Kommunisten und Bolschewisten, Arbeitsunfähige, Kranke und Mittellose werden von vornherein zurückgewiesen, ebenso Kontraktarbeiter, d. h. Personen, die schon vor ihrer Landung eine Stelle in der Union angenommen haben. Große praktische Erfolge haben diese Maßnahmen bisher allerdings nicht gehabt. Denn wenn auch die süd- und osteuro- päischen Ankömmlinge als Bürger nicht wülkommen sind, so braucht man sie als Arbeiter für körperlich anstrengende Indu- strien, die, wie Bergbau, Eisen- und Stahlfabrikation, bei der amerikanischen Arbeiterschaft nicht gerade geschätzt sind.

Im übrigen kann die Bedeutung der europäischen Millionen- Einwanderung gar nicht hoch genug veranschlagt werden. ^Ein- mal liefert sie vornehmlich Leute im besten Mannesalter, so daß, wie in allen kolonialen Neuländern, der Prozentsatz der jüngeren und mittleren Altersstufen und damit der arbeitskräfti- gen, erwerbs- und wehrfähigen Männer zwischen 15 und 45 Jahren viel größer ist als in Europa. Dann hat die Einwanderung der Union einen in die Milliarden gehenden Geldzufluß gebracht.

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Das wertvollste Kapital ist aber die Arbeitskraft und Erfahrung der Eingewanderten selbst. Die meisten von ihnen sind nicht aus Abenteuerlust, sondern zur Verbesserung ihrer wirtschaft- lichen Lage in dieses Land der Sehnsucht für viele jugendkräftige Menschen gekommen, deren Betätigungsdrang die alte Heimat zu wenig Spielraum bot, so daß lange Zeit die tüchtigsten und leistungsfähigsten Vertreter der europäischen Nationen die Neue Welt aufsuchten. Somit bedeutet die starke Einwande- rung auch eine wertvolle Stärkung der amerikanischen Volks- wirtschaft vom Standpunkte des Erzeugers wie des Verbrauchers.

Die Hauptbedeutung der Einwanderung liegt jedoch darin, daß erst durch sie die Amerikaner ein Weltvolk geworden sind. Durch eigenes Vv^achstum hätte die ursprünglich kleine Kolo- nistenschar in so kurzer Zeit niemals ein loo Millionenvolk werden können, um so weniger, als die natürliche Zunahme der weißen Bevölkerung durch den immer geringer gewordenen Geburten- überschuß durchaus nicht so stark ist, wie man es von einer jungen Nation erwarten sollte. Kinderreich ist bloß das Prole- tariat und der neue Zuzug der Fremdgeborenen. Allein gerade darin liegt eine gewisse Gefahr, weil diese Unterschicht sich immer mehr aus unwillkommenen, schwer assimilierbaren Ele- menten zusammensetzt, die der angelsächsische Sauerteig nicht mehr recht zu durchdringen vermag. Dagegen ist für die drei Viertel der Unionsbevölkerung umfassende Mittelschicht eine auffällige Beschränkung der Kinderzahl festgestellt, weil die dünne plutokratische Oberschicht ihren Reichtum vor allem aus der Mittelschicht herausgezogen hat und ihr dadurch den Kampf ums Dasein außerordentlich erschwert. Kinder werden deshalb als Last empfunden, und die Abtreibung hat einen großen Umfang angenommen. Auch das zunehmende Frauenstudium hat den weiblichen Teil der Bevölkerung der Ehe entfremdet. Bloß der kleinere Teil der studierenden Frauen heiratet, und viele dieser Ehen bleiben kinderlos. In den älter besiedelten Neu-Englandstaaten herrschen beinahe schon französische Zu- stände. Das Keinkindersystem hat hier solchen Anhang ge- funden, daß die Geburten hinter den Todesfällen zurückbleiben und der tatsächliche Zuwachs fast ganz von der Einwanderung getragen wird.

Die Einwanderung ist also der Jungbrunnen, der eine ständige Verjüngung des amerikanischen Volkskörpers bewirkt, da der

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Kinderreichtum der Fremdgeborenen größer ist als derjenige der schon länger im Lande ansässigen Familien. Die geringere Bevölkerungszunahme im letzten Jahrzehnt ist einerseits dem starken Rückgang der Einwanderung infolge des Weltkrieges und andererseits der geringen natürlichen Vermehrung durch den Geburtenüberschuß zuzuschreiben. Sollte der Zuzug ins Stocken geraten sei es, daß die europäischen Länder wegen der unge- heuren Menschen Verluste im Weltkrieg ihre eigenen Volksgenossen selbst brauchen oder daß Amerika aus wirtschaftlichen und eth- nischen Gründen seine Pforten einer allzustarken Einwanderung absichtlich verschließt , so würde das für die Weiterentwick- lung der noch unfertigen und im Werden begriffenen amerika- nischen Nation wahrscheinlich wenig erfreulich sein. Neben der Negerfrage gehören daher die fremde Einwanderung und die langsame natürliche Vermehrung des eigentlichen Amerikaner- tums zu den entscheidungsvollsten Zukunftsproblemen für die Weiterentwicklung der Vereinigten Staaten.

12. Das Deutschtum in den Vereinigten Staaten.

Geschichte und Statistik der deutschen Einwanderung in die Union. Hauptverbreitungsgebiete und Gesamtzahl der Deutsch-Amerikaner. Die zahlenmäßige Stärke des deutschen Elementes kommt im öffentlichen Leben U.S.Amerikas nicht zur Geltung. Der Rückgang des Deutschtums und seine Ursachen. Die Beziehungen zwischen den Deutsch-Amerikanern und dem deutschen Mutterland. Der Nationalbund der Deutschen in -Amerika. Die Deutsch-Amerikaner im Weltkriege. Der kulturliche Einfluß des Deutsch- tums und die Bedeutung des deutschen Elementes für die staatliche und wirtschaftliche Entwicklung der Vereinigten Staaten. Mangelnde Würdigung seitens der Amerikaner.

Beträchtlich ist die Zahl der Amerikaner, in deren Adern deutsches Blut fließt, und rühmlich ist der Anteil, den das Deutschtum an der staatlichen und wirtschaftlichen Entwick- lung des Riesenreiches wie am Werdegang des amerikanischen Volkes und seiner geistigen und materiellen Kultur genommen hat. Schon ehe die deutsche Masseneinwanderung begann, waren einzelne Deutsche in nicht geringer Zahl nach Nordamerika gegangen. Mehrere von ihnen leben in der Geschichte fort, z. B. Peter Minnewit aus Westfalen, der Begründer des heutigen New Yorks. In den schwedischen und holländischen Nieder-

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lassungen an der atlantischen Küste war ihre Menge fast bedeu- tender als die der Schweden und Niederländer. Nach dem Elend des Dreißigjährigen Krieges setzte ein stärkerer Nachschub ein. 1683 gründeten 13 Krefelder Mennonitenfamilien unter Führung von Franz Daniel Pastorius als erste geschlossene deutsche Siedlung auf amerikanischem Boden den Ort German- town, jetzt eine Vorstadt von Philadelphia. Vor allem wurde dann dank der Tätigkeit William Penns, den K. Lamp- recht den ersten wirklichen Auswanderungsagenten und Auswanderungs-Agitator für die Deutschen nennt, Pennsyl- vanien in solchem Maße das Ziel unserer Landsleute, daß eng- lische Kreise deren Ueberhandnehmen mit Besorgnis betrach- teten und es durch Gesetze einzudämmen suchten ^). Denn damals verließen viele Tausende von Deutschen, wiederholt in förmlichen Massenauszügen, um der Glaubensfreiheit willen oder um Steuerdruck und wirtschaftlichem Elend, Kriegsnöten und politischer Bedrängnis zu entgehen, freiwillig die Heimat oder wurden durch die Lockungen britischer Anwerber zur Auswanderung veranlaßt. 1709 folgte die erste Massenein- wanderung aus der durch die Franzosen verwüsteten Pfalz und führte im Hudsontale zur Entstehung blühender Niederlassungen, z. B. der Städte Newburgh (Neuburg) und Rhinebeck (Rhein- beck). Im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts haben deutsche Kolonisten auch das bis dahin fast unbekannte Shenandoah- Tal in Virginia erschlossen. Sie sind allerdings mit der Zeit völlig anglisiert. Doch ist bei genauerer Untersuchung der deutsche Ursprung der jetzt englischen oder schottischen Familien meist noch festzustellen 2). 1734 siedelten 8000 lutherische Salzburger nach Georgia über. Endlich blieben viele der von ihren Lan- desherren an die Engländer verkauften deutschen Soldaten nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges in der neuen Hei- mat. Alles in allem war hier das Deutschtum bereits zur engli- schen Kolonialzeit in Stärke von etwa 225000 Köpfen vertreten und lockte einen ständigen Zuzug von Landsleuten an. Die Verbreitung der ersten deutschen Kolonisten fiel entweder mit der Verbreitung des Kalksteins zusammen, dessen ackerbau- lichen Wert namentlich die eingewanderten schwäbischen Bauern zu schätzen wußten, oder sie deckten sich mit der jeweüigen Siedlungsgrenze, weil die verhältnismäßig armen Kolonisten den Grund und Boden dort kaufen mußten, wo er am billigsten,

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aber auch am entlegensten und durch die Indianer am meisten bedroht war. So wurden die deutschen Bauern in den schweren Zeiten der Indianer- und Franzosenkriege zugleich Schutz- wächter an der Grenze des Kulturlandes.

Im nordamerikanischen Befreiungskriege und in den jahre- langen europäischen Kriegsstüimen der Napoleonischen Zeit geriet die deutsche Einwanderung fast ganz ins Stocken, während die englische und irische stark zunahm. Infolgedessen drängte sie das deutsche Element und die andern fremdsprachigen Min- derheiten in den Vereinigten Staaten zurück und wurde schließ- lich so mächtig, daß die deutsche Einwanderung, als sie seit den 2oer Jahren des 19. Jahrhunderts wieder erstarkte, gegen den gefestigten Einfluß des Angelsachsentums nicht mehr auf- kommen konnte. Anfangs hielt sich der deutsche Zustrom noch in mäßigen Grenzen, indem er bis in die 40er Jahre hinein die Zahl von 25 000 Köpfen im Jahre nie erreichte. Im Mißernte- und Revolutionsjahr 1848 schwoll er jedoch aus politischen, religiösen und wirtschaftlichen Gründen zur Flut an, um 1854 auf den hohen Betrag von 215 000 Seelen zu steigen. Wieder- holte Versuche, auf amerikanischem Boden ein neues, idealeres Deutschland zu gründen, waren natürlich von vornherein aus- sichtslos. Sie führten aber zu einer ausgedehnten deutschen Besiedlung des mittleren Westens. Auf ein starkes Fallen der deutschen Auswanderungsziffer folgte in der Zeit der wirtschaft- lichen Notlage seit dem Ende der 70er Jahre eine neue Hochflut. 1881 und 1882 hatte sie mit 250 000 und 232 000 Seelen den höchsten Stand der deutschen Einwanderung in die Union zu verzeichnen und brachte es mit sich, daß bis zum Einsetzen der süd- und osteuropäischen Einwanderungswelle die Kurve der Gesamteinwanderung fast immer gleichsinnig mit der Kurve der deutschen Einwanderung verlief. Seitdem ebbte infolge der wesent- lich verbesserten wirtschaftlichen Daseinsbedingungen im Mutter- iande der deutsche Menschenabfluß wieder erheblich ab. 1908 sank er zum ersten Male unter 20 000 Köpfe und war 1909 mit II 315 Seelen auf seinem tiefsten Stande angelangt, während gleichzeitig die Rückwanderung aus Amerika nach Deutschland zunahm. Das Nachlassen des Zuzuges aber, aus dem das amerika- nische Deutschtum hauptsächlich die Quellen seiner Verjüngung schöpfte, schwächt seine Widerstandskraft und läßt es zahlen- mäßig hinter dem Angloamerikanertum immer mehr zurücktreten.

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Der Haupteinbruchsrichtung von New York aus landein- wärts folgend, haben sich unsere Landsleute mit Vorliebe den atlantischen Staaten New York und New Jersey und den nörd- lichen Zentralstaaten, besonders Illinois, Wisconsin und Minne- sota, zugewendet. In diesen Staaten, die durch reichlich vor- handenes Ackerland den deutschen Landwirt anlockten, ent- fallen auf die Deutschen lo bis über 20 % der Gesamtbevölkerung. Ebenso machen sie in einer Anzahl großer Städte, darunter New York, Philadelphia, St. Louis, Chicago und Milwaukee, einen besonders hohen Anteil der Bewohner aus. In Milwaukee, das man darum die »Deutscheste Stadt« der Union genannt hat, kommt auf sie etwa die Hälfte der Bevölkerung, und New York ist mit 842 000 Deutschen nach Berlin und Hamburg die drittgrößte deutsche Stadt, wie es freilich auch die größte jüdische und irische Stadt und eine der größten italienischen Städte ist. In manchen Straßen dieser Städte findet man Haus für Haus fast ausschließlich deutsche Namen auf den Firmenschildern. Dagegen sind die Neu-Englandstaaten und die Südstaaten nur in geringem Maße von Deutschen aufgesucht worden, so daß das Deutschtum in den einzelnen Unionsgebieten sehr verschieden stark verteilt ist.

Man schätzt die Zahl der Deutsch-Amerikaner, d. h. der deutsch sprechenden Unionsbürger aus dem Reiche, Deutsch- Oest erreich und der deutschen Schweiz, auf 11 Millionen Seelen, so daß sie mit 12 % der Gesamtbevölkerung nach dem Angel- sachsentum den zweiten Platz unter der weißen Bewohnerschaft der Vereinigten Staaten einnehmen. A. B. Faust berechnet die Unionsbevölkerung deutscher Abkunft sogar auf 18,6 Millionen Köpfe. Doch sind hierbei alle diejenigen mit einbezogen, die längst im Amerikanertum aufgegangen sind. Obendrein fällt das Ergebnis anders aus, je nachdem man den Geburtsort oder die Muttersprache zugrunde legt, da viele mit dem Deutschtum auch ihre Sprache abgestreift haben. Die amtliche Statistik weist darum die Nachkommen der Einwanderer schon von der zweiten Geschlechtsfolge ab den Amerikanern zu. Wären alle Deutschen samt ihren Nachkommen ihrem Volkstum treu ge- blieben, so müßte es mindestens 25 30 Millionen deutsche Unionsbürger geben.

Leider kommt die zahlenmäßige Stärke der Deutschen im öffentlichen Leben aus verschiedenen Gründen kaum zur Gel-

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tung. Zwar drängen sich '/lo unserer Landsleute in den Nord- staaten zusammen. Doch sind sie meist nur einzeln oder gruppen- weise über das ungeheure Land zerstreut, so daß ihnen der Rück- halt fehlt, den eine fest zusammenhängende Volksmasse dar- bietet. Ueberdies brauchen sie zu ihrem Fortkommen unbedingt die englische Landessprache und werden von der englischen Kultur umflutet. Man darf aber nicht vergessen, wie schwer es in der Vereinzelung ist, rings von Fremdstämmigen umgeben und ständig eine fremde Sprache um sich, die eigene Sprache und Sitte* zu bewahren. Unter so ungünstigen Vorbedingungen würde auch ein anderes Volkstum seinen Bestand schwerlich erhalten haben. Persönliche Vorteile dürften durch den Wider- stand gegen die Amerikanisierung kaum erwachsen, im Gegen- teil, er ist in wirtschaftlicher Beziehung eher hinderlich. Da endlich die Kinder in den öffentlichen Schulen nur Englisch lernen, so ist es kein Wunder, daß die Erhaltung des Deutsch- tums über das dritte Geschlecht meist nicht hinausreicht. Die Eltern reden noch deutsch. Die Kinder sprechen es auch noch, ziehen aber bereits das Englische vor, und die Enkel wissen von ihrer Muttersprache nichts mehr oder wollen nichts mehr von ihr wissen. So werden die Nachkommen dem Deutschtum immer mehr entfremdet. Ja, sie blicken nicht selten geringschätzig auf die Heimat ihrer Vorfahren herab. Viele deutsche Körper- schaften verlieren allmählich ihr nationales Gepräge, weil sie sich wegen der mangelhaften deutschen Sprachkenntnisse der jüngeren Mitglieder genötigt sehen, zu besserer Verständigung das Englische als Versammlungssprache einzuführen. Wo noch Deutsch gesprochen wird, dort ist es vielfach mit englischen Worten durchsetzt wie das bekannte Pennsylvania-Deutsch, das sich über ein Jahrhundert im östlichen Pennsylvanien er- halten hat. So ist die Union ein Massengrab des deutschen Volkstums. Eine rühmliche Ausnahme machen die zahlreichen deutschen Landgemeinden des mittleren Westens, wo die Farmer in größerer Menge und Geschlossenheit zusammenwohnen und sich deutscher Seelsorge und Schule erfreuen. Hier werden die Kinder ganz deutsch erzogen, und hier hat das Deutschtum, durch regelmäßigen Nachschub aus der Heimat verstärkt, schon seit Geschlechtern an der angestammten Eigenart festgehalten. Zur Ueberlegenheit des Angelsachsentums auf der einen Seite kommt auf der andern Seite die Tatsache, daß die große

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Mehrzahl der Deutsch-Amerikaner den breiteren Schichten der sogenannten »Kleinen Leute« angehört, die nur geringes politisches Interesse und viel zu wenig staatsbürgerliche Schu- lung mitbringen. Sie finden in der neuen Heimat genau so wie zu Hause in Gesang-, Turn-, Schützen- und Kriegervereinen oder in landsmännischen und Berufsvereinen Genüge. Diese Vereine tragen in Gemeinschaft mit den deutschen Zeitungen und den von den deutschen Kirchengemeinden zahlreich unter- haltenen Schulen gewiß nicht wenig zur Belebung nationaler Eigenart bei. Sie befehden sich aber nicht selten auch in klein- lichem Eigensinn oder stehen einander gleichgültig gegenüber. Das unausrottbare Erbübel der deutschen Uneinigkeit wuchert üppig auch auf amerikanischem Boden und läßt die Zersplitterung des dortigen Deutschtums als traurige Nachwirkung der elenden deutschen Kleinstaaterei mit ihren kurzsichtigen Kirchturms- interessen erscheinen. Dem Deutschtum fehlt jedoch auch deshalb die nachhaltige Wirkung, weil bloß eine kleine und meist nicht dauernd im Lande bleibende Oberschicht von Großindu- striellen, Geistlichen, Journalisten, Aerzten, Rechtsanwälten, Ingenieuren und Chemikern vorhanden ist, die durch höhere Bildung oder durch die Macht des Geldes der großen Masse die Wege weist und tieferes Verständnis für nationale Fragen besitzt. So sind die Deutsch -Amerikaner bei dem Mangel an leitenden Persönlichkeiten ein »Heer ohne Offiziere«. Wohl sind viele von ihnen zu Ansehen und Wohlstand gelangt. Allein nur wenige haben sich der Politik und Verwaltung gewidmet, nicht zuletzt wegen der Schwierigkeit, die englische Sprache in Wort und Schrift völlig zu beherrschen. Unter mehreren hundert vereinsstaatlichen Ministern sind bloß zwei, Karl Schurz und Georg von Lengerke-Meyer, Deut- sche gewesen, und außer ihnen und Oswald Ottendor- f e r haben sich in der Union nicht allzuviele Deutsche als politi- sche Führer ihrer Volksgenossen hervorgetan.

Aber auch die Fäden zwischen den Deutsch-Amerikanern und der alten Heimat waren nach dem Urteil eines guten Landes- kenners, Albrecht Penck, schon seit langem viel mehr gerissen, als man bei uns glaubte. Diese scheinbar befremdliche Tatsache erklärt sich aus verschiedenen Gründen. Die in früheren Jahren Ausgewanderten verkörperten das Deutschtum vor der Zeit der staatlichen Einigung unseres Vaterlandes, so daß der

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jetzt mehr und mehr aussterbende Stamm der alten 1848er dem neuen Deutschen Reich fremd gegenüberstand. In den trüben Tagen staathcher Zerrissenheit und unbefriedigender innerpo- litischer Verhältnisse hatten viele mit Groll im Herzen die Enge des heimischen Polizeistaates verlassen. Das alte Vaterland aber hatte schnell seine übers Meer gegangenen Söhne vergessen und sich kaum um sie gekümmert. »Bekennen wir es nur, wir haben für diese Menschen nichts getan 1 « ruft E. Kühnemann aus. Nach wenigen Jahren verloren sie ihre Staatszugehörigkeit, und die kulturliche Verknüpfung mit der Heimat war ganz un- zureichend. Auch unsere Diplomatie hat sich der Ausgewanderten nicht ernstlich angenommen. Sie hätte es allerdings kaum tun können zu einer Zeit, als es ein einiges und starkes Deutschland noch nicht gab, das seine geringschätzig behandelten Auswan- derer vor fremder Willkür zu schützen vermochte. Die Nach- kommen der älteren Generation aber, die dauernd in der Neuen Welt blieben, hatten nicht die Mittel oder nicht den Willen, das Mutterland wieder zu besuchen, so daß durch die ständige Tren- nung allmählich eine Entfremdung eintrat. Daß man bei uns Amerika lange als eine Unterbringungsstätte für Tunichtgute und gescheiterte Existenzen ansah, die natürlich leichten Herzens im Amerikanertum untertauchten, hat der deutschen Sache auch nicht gerade genützt. Wer indes Deutschland aus irgend- einem Grunde verließ, fand in der Union so viele Vergünstigungen und staatsbürgerliche Freiheiten, daß ihm die Eingliederung in das neue Volks- und Staatswesen nicht schwer fiel.

Erst neuerdings sind Reisen der ehemaligen Auswanderer nach Deutschland häufiger geworden, und umgekehrt haben Gelehrte, Künstler, Musiker und Geschäftsleute des Mutter- landes zahlreicher als früher die Union aufgesucht, um die gei- stigen Bande zwischen hüben und drüben wieder enger zu knüp- fen. Auch unter den Amerika-Deutschen war seit der Reise des Prinzen Heinrich in die Vereinigten Staaten 1901 der Wunsch rege geworden, an Sitte und Sprache festzuhalten und zu retten, was noch zu retten war. Dieses Streben führte zur Gründung des Nationalbundes der Deutschen in Amerika, Er umfaßte wenngleich in ziemlich lockerer Zusammenfügung alle größeren deutsch-amerikanischen Vereine und Verbände und zählte etwa 2 Millionen Mitglieder. So war zum ersten Male ein Band geschaffen, welches das Deutschtum in der Union

Hassen, Vereinigte Staaten. 9

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einigend umschloß. Der Bund verfolgte keine politischen Ziele, sondern suchte seine Betätigung lediglich in der Pflege deut- scher Sprache und Kultur und in der Zusammenfassung der zahllosen deutschen Körperschaften zu einer größeren und da- durch wirkungsvolleren Einheit.

Da kam der Weltkrieg und enthüllte mit erschreckender Deutlichkeit den Haß, der in der Union gegen die Staatsbürger deutscher Abkunft herrschte. Man beschuldigte dieselben Leute, die man vorher nicht laut genug als gute Untertanen und nützliche Träger des amerikanischen Wirtschaftslebens rühmen konnte *), der Illoyalität, verunglimpfte sie als Bindestrichler oder Binde- strich-Amerikaner und machte viele durch Massenentlassungen deutscher Angestellter oder durch Arbeitsverweigerung brotlos. Seit dem Kriegsende ist die feindselige Stimmung zwar im Abflauen begriffen; aber in weiten Kreisen besteht sie, von außen genährt, immer noch fort.

Durch reiche Geld- und Nahrungsmittelspenden haben die Deutsch-Amerikaner in der auch für sie nicht leichten Kriegs- und Nachkriegszeit ihre Anhänglichkeit an das Mutterland warm zum Ausdruck gebracht, und ihre Blätter traten mannhaft gegen feindliche Verdächtigungen ein. Was wollten indes die knapp 700 deutschen Zeitungen und Zeitschriften mit ihrem auf den deutschen Volksanteil beschränkten Leserkreis gegen die 17 000 englischen Zeitungen der Union besagen? Zur wirklichen Ab- wehr und Aufklärung fehlte den Deutsch- Amerikanern eine einflußreiche, in der englischen Landessprache geschriebene Presse. Dagegen war es von vornherein undenkbar, daß unsere amerikanischen Landsleute uns Waffenhilfe oder sonstige un- mittelbare Kriegsunterstützung leisten würden. Bloß naive Gemüter konnten sich in diesem Traume wiegen. Denn durch ihren Bürgereid sind die Deutsch-Amerikaner an das neue Vater- land gekettet, das zugleich das Geburtsland ihrer Nachkommen ist. Ihm konnten sie ebensowenig die Treue brechen wie die Nachfahren eingewanderter französischer Hugenotten dem Deut- schen Reiche gegenüber, dessen Bürger sie und ihre Kindeskinder geworden sind. Aus Furcht vor pöbelhafter Belästigung haben viele Deutsch-Amerikaner ihr Deutschtum nicht zur Schau zu tragen gewagt. Das kann man noch eher verstehen als die Art und Weise, wie sich 1918 der Deutsch- Amerikanische National- bund auflöste. Dieser Schritt geschah mit der öffentlichen Er-

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klärung, daß es die vornehmste Pflicht eines jeden amerikanischen Bürgers sei, die Regierung in der erfolgreichen Durchführung des Krieges rückhaltlos zu unterstützen und daß bei der Ver- teidigung des Landes gegen den inneren und äußeren Feind auch die amerikanischen Staatsbürger deutschen Blutes nicht fehlen wollten. Ob dieser moralische Verrat an der deutschen Sache und die bedientenhafte Verbeugung vor dem amerikani- schen Chauvinismus die Hochachtung der Yankees vor ihren deutschen Mitbürgern gesteigert hat, möchte bezweifelt werden.

So sehr das Deutsch-Amerikanertum politisch in den Hin- tergrund getreten ist, so hat es andererseits einen unverkenn- baren kulturlichen Einfluß auf die Gestaltung des amerikani- schen Lebens ausgeübt, nicht zum wenigsten durch den Zufluß deutscher Intelligenz. Solange das amerikanische Schulwesen noch unentwickelt war, galt Deutschland als Vorbild in allen Erziehungs- und Unterrichtsfragen. Auch von unserer Hoch- schulbildung ist vieles in den amerikanischen Wissenschafts- betrieb übergegangen. Vor allem hat das Deutschtum zwei den englischen Ueberlieferungen fremde Elemente eingebürgert, Musik und Turnen. Das Interesse für gute Musik in weite Kreise ge- tragen zu haben, ist ein allseitig anerkanntes Verdienst der Deutsch-Amerikaner, die auch das Verständnis für Kunst und Theaterwesen geweckt haben. Das in keiner patriotischen ame- rikanischen Familie fehlende Bild »Washingtons Uebergang über den Delaware« stammt von dem deutsch-amerikanischen Maler L e u t z e. Auch einen Zug größerer Heiterkeit und Lebensfreude haben die Deutschen in das durch puritanische Unduldsamkeit verdüsterte Dasein der Amerikaner hineinge- tragen und ihm noch manchen andern, auf das Gemüt wirkenden Einschlag gebracht, z. B. den Weihnachtsbaum.

Am wirtschaftlichen Aufschwung der Union sind die Deut- schen ebenfalls nicht unbeteiligt gewesen, besonders auf den Gebieten der Landwirtschaft und des Handwerks. Schon ihre ersten Pioniere haben viel zur Urbarmachung des damals noch kaum erschlossenen Bodens beigetragen und manche reiche und fruchtbare Landschaft des Ostens der Allgemeinheit nutzbar gemacht. In ständigem Kampfe mit den Indianern wurden die deutschen Grenzwächter zugleich das kriegstüchtigste Element des amerikanisthen Volkskörpers. Sie sind im Unabhängig- keitskampf tapfer für ihr neues Vaterland eingetreten und waren

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wegen ihrer militärischen Eigenschaften wie wegen ihrer Zu- verlässigkeit gleich geschätzt. Washington bildete seine Schutzwache vornehmlich aus Deutschen, und ehemalige fride- rizianische Offiziere, vor allem Baron Friedrich Wilhelm V. Stauben, Baron v. Kalb und v. Mühlenberg, schufen aus den fragwürdigen, entmutigten und undisziplinierten Milizen der aufständischen Kolonien überhaupt erst ein schlag- fertiges Heer. Auch im Bürgerkriege haben die Deutschen wacker für den Gedanken der Unteilbarkeit der Union und für die Antisklavereibewegung gefochten. Der zehnte Teil der nord- staatlichen Truppen bestand aus Deut seh- Amerikanern, die 225 000 Mann aufbrachten und 80 % mehr stellten, als es ihrer damaligen Zahl entsprach, ganz abgesehen von den geschulten Offizieren und Unteroffizieren, die sie dem anfangs an kriegeri- scher Tüchtigkeit den Südstaatlern weit unterlegenen Unions- heere zuführten. Im spanisch-amerikanischen Kriege waren 15 % aller Freiwilligen Deutsche, abgesehen von den Tausenden derjenigen, die in der Kriegsflotte und regulären Armee dienten. Wie groß mag im Weltkriege die Zahl von Deutsch- Amerikanern gewesen sein, die uns auf dem französischen Kriegsschauplatze entgegentraten ?

Dennoch hat die amerikanische Literatur und öffentliche Meinung die Verdienste der Deutschen nicht nach Gebühr ge- würdigt oder die deutschen Namen in englischer Entstellung wiedergegeben. Trotz aller Anerkennung sind die Amerikaner ihren deutschen Mitbürgern im allgemeinen nicht wohl gesinnt und blicken auch in sozialer Beziehung auf die »Dutch« (vgl. Kap. 2, Anm. i) herab. Die Rolle, die sie lange im ameri- kanischen Lustspiel und in der komischen Literatur spielten, war nicht erhebend, indem der Deutsche den gutmütigen Michel verkörperte, der überall zu spät kommt, viel will und wenig erreicht und deshalb von den andern gehänselt wird. Den- noch kann keine ehrliche amerikanische Geschichtsschreibung an dem Deutschtum in den Vereinigten Staaten vorübergehen. Denn was sie heute sind, sind sie nicht zum wenigsten durch die Deutschen geworden.

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13- Die Amerikaner.

Die Amerikaner eine werdende Nation. Typus und Charakter der Yankees. Dienstbotenmangel, religiöse Freiheit und Sektenwesen als Ausfluß stark ausgeprägten Unabhängigkeitssinnes. Bevorzugte Stellung des weiblichen Geschlechts. Temperenz. Kaufmännischer, praktischer Sinn und Betätigung des Erwerbstriebes. Das Geld als Maßstab persönlicher Tüchtigkeit. Seifmade Men und Captains of Industry. Hang zur Uebertreibung und Vorliebe für große Zahlen. Ueberhebung und Ueberlegenheitsgefühl der Amerikaner gegen- über Europa. Materielle, geistige und wissenschaftliche Interessen. Pflege der Wissenschaften und Wohltätigkeitssinn. Erfindungsgabe und Erfindungen. Großräumiger Sinn und Raumüberwindung.

Aus der Verschmelzung aller Nationen und Rassen, die auf dem Boden der Union zusammentrafen und sich hier in völlig andere Verhältnisse einleben mußten, sind binnen weniger Jahrhunderte als eine neue Nation die Amerikaner hervorgegan- gen. Man kann sie am besten als eine Spielart des Angelsachsen- tums bezeichnen, obwohl außer den Briten auch die andern Weißen darunter nicht zuletzt die Deutschen eine ethnische Wandlung in der Richtung auf das Amerikanertum hin durchge- macht haben. Weil jedoch Großbritannien, Deutschland und Skandinavien die größte Masse der Einwanderer gestellt haben, so liegt der Haupteinfluß der Blutmischung auf der germanischen und keltischen Seite, während die romanische Blutmischung und noch mehr die Einwirkung der andern europäischen Nationen vorläufig wenigstens stark zurücktritt. Nach R. Jannasch vereinigen sich im Amerikaner die Heuchelei und der kühne Unternehmungsgeist des Angelsachsen und die Zähigkeit und Verschlagenheit der niederdeutschen Bauern, schottischer Geiz und irische Störrigkeit, spanische Grausamkeit, französische Leichtlebigkeit, slavische Sorglosigkeit und spekulativer Semit is- mus. In ähnlicher Weise urteilt H. v. Barnekow: »Das eigene Etwas, das der Amerikaner verkörpert, das sich aus dem Geiste der Unabhängigkeit, aus Fleiß, Tatkraft, Großherzigkeit, Intelli- genz und Ausdauer und einer gehörigen Dosis Oberflächlichkeit, Selbstüberhebung, Ruchlosigkeit und Leichtsinn zusammensetzt, ist aus der Mischung von Angelsachsen und Germanen mit einem kleinen Zusatz anderer Rassen entstanden«. Wie weit auch die geographische und klimatische Eigenart ihm besondere geistige und körperliche Merkmale aufgeprägt hat, ist noch eine offene Frage. Immerhin haben die Untersuchungen von F.Boas nach-

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gewiesen, daß die veränderte Landesnatur schon nach verhältnis- mäßig kurzer Zeit bei den Nachkommen der Eingewanderten meßbare körperliche Veränderungen erzeugt.

Am ausgeprägtesten vereinigen sich die guten und schlechten Eigenschaften der werdenden amerikanischen Nation im Yankee, dessen eigentliche Heimat die Neu-Englandstaaten sind ^) . Sonst spricht man noch vom Südländer (Southerner) und Westländer (Westerner), die sich durch mundartliche Eigentümlichkeiten in der Aussprache des Englischen wohl voneinander unterscheiden. Der Yankee ist ausgezeichnet durch hageren Körperbau und hohen Wuchs, lange Beine, große Hände und langgestrecktes Gesicht mit scharfen Zügen, die an die Gesichtsbildung der indianischen Urbewohner erinnern, ohne daß doch eine nennens- werte Blutmischung mit ihnen Platz gegriffen hätte. Aus den Karrikaturen der politischen Witzblätter ist der Typus des echten Yankees wohlbekannt. Auch die Frauen zeigen scharfe, eckige Züge, und auffallend sind unter ihnen die vielen ßrillen- trägerinnen. Amerika ist ferner das gelobte Land der Zahnärzte, weil die vielen eiskalten Speisen und Getränke, die im schwül- heißen Sommer genossen werden, dazu die massenhafte Ver- tilgung von Süßigkeiten und der leidenschaftlich benutzte Kau- gummi Magen und Zähne angreifen. An seinem hastigen Gang und seiner unruhigen Haltung ist der Amerikaner ebenfalls leicht kenntlich. Aber in sonderbarem Gegensatz zu dieser nervösen Unrast, die man teils der Ueberarbeitung, teüs dem Klima zuschreibt (vgl. S. 68), steht der ausgesprochene Sinn für geduldiges Warten, z. B. beim Barbier, beim Schuhputzer oder im Speisewagen. Auch die oft sehr erheblichen Zug Verspätungen nimmt er mit einer dem Europäer unbekannten und unbegreif- lichen Gleichmütigkeit hin.

Dem stark ausgeprägten Unabhängigkeitssinn des Ameri- kaners, der schon zur Kolonialzeit deutlich hervortrat, entspricht es, daß dienende Stellungen, z. B. als Hausgesinde, nicht sehr gesucht sind, weshalb man sie meist den Farbigen oder den Eingewanderten überläßt. Weil Dienstboten schwer zu haben und teuer sind, so sind die Einrichtungen der Wohnhäuser auf möglichste Ersparung von Hilfskräften zugeschnitten. Dennoch ziehen viele Familien den dauernden Aufenthalt in Gasthäusern und Pensionen einer eigenen HäusHchkeit vor. Die Betonung der persönlichen Selbständigkeit hat auch zu weitestgehender

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Glaubens- und Kultusfreiheit und zu völliger Trennung zwischen Staat und Kirche geführt. Die Folge ist ein buntes Durchein- ander der religiösen Bekenntnisse. Da jedoch amthche Religions- zählungen nicht stattfinden, so ist es schwer, den Bestand der einzelnen rehgiösen Gemeinschaften anzugeben, deren es nicht weniger als 150 mit zum Teil merkwürdigem Charakter gibt ^). Dem Chaos der protestantischen Sekten tritt die katholische Kirche als eine machtvolle Einheit gegenüber, da sie etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung umfaßt und an Anhängerzahl und Bedeutung ständig gewinnt. Ihre Hauptträger sind die Iren, die französischen Kanadier, die Hispano-Amerikaner und die von ihnen beeinflußten Indianer, zum Teil auch die Deutschen und neuerdings die Italiener, die Polen una die österreichisch- ungarischen Einwanderer. Nächstdem zählen die Methodisten und Baptisten die meisten Anhänger unter den Weißen sowohl wie unter den Negern.

Wie in jedem jugendlichen Koloniallande hat in der Union die Frau wegen des herrschenden Männerüberschusses eine bevorzugte Stellung. Das weibliche Geschlecht ist darum sehr selbständig und besitzt in vielen Staaten Wahl- und Stimmrecht. Die Frauen sind die hauptsächlichsten Vorkämpferinnen für die Temperenzbewegung gewesen, die dem Genuß geistiger Getränke mit allen Mitteln entgegenzuwirken sucht. Die Mäßig- keitsvereine (Temperance Societies), die Millionen von Mitglie- dern umschließen, haben das meiste zur Durchbringung jenes Gesetzes beigetragen, das im Weltkriege die ganze Union in ein »Dry Country« verwandelt hat. Trotz aller Heuchelei, zu der die Mäßigkeitsbewegung Anlaß gibt, hat sie bei der Nei- gung weiter Kreise zu übermäßigem Alkoholgenuß einen guten und berechtigten Kern. Auch der Unterricht liegt größtenteils in den Händen von Frauen. Damit hängt das Umsichgreifen der gemeinsamen Erziehung beider Geschlechter zusammen. Ob freilich die Erziehung der männlichen Jugend durch weibliche Lehrkräfte als wünschenswert gelten kann, ist eine in Amerika selbst viel erörterte Frage.

Der Charakter des Amerikaners, der viel Licht, aber auch viel Schatten in sich vereinigt, ist das Ergebnis geschichtlicher Entwicklung. Die europäischen Ankömmlinge mußten das noch völlig unerschlossene Land in schwerem Ringen mit Natur und Menschen und unter Einsetzung ihrer ganzen Persönlichkeit

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erst erobern. So erwuchs ein selbstbewußtes, an Unabhängigkeit und eigenes Zugreifen gewöhntes Geschlecht, dessen Leitspruch noch heute das »Help your seif « ist. Kurz angebunden und wenig mitteilsam, bekundet namentlich der Yankee kühnen Unter- nehmungs- und Spekulationsgeist. Unermüdliche Schaffenslust paart sich mit einem unverwüstlichen Optimismus, der durch die noch lange nicht erschöpften Reichtümer des Landes genährt wild. Mit Selbstvertrauen und unbeugsamer Willenskraft nimmt man den Kampf gegen alle Hindernisse auf und läßt sich auch durch Mißerfolge nicht leicht einschüchtern. Hat ein Weg nicht zum Ziel geführt, so versucht man es auf einem andern. Sehr förderlich sind hierbei praktischer Sinn, kühl berechnender Er- werbstrieb und bewundernswertes organisatorisches Geschick im Entwerfen und Durchführen großzügiger Pläne. Wo der Europäer mit großen Kosten ein altes Haus ausflickt, um es zu modernisieren, reißt es der Amerikaner kurzerhand weg, wenn es seinen Zwecken nicht mehr entspricht, und errichtet einen praktischeren Neubau. Kein Kaufmann der Welt übertrifft den amerikanischen an Wagemut. Keiner freilich ist auch so auf die eigenen Interessen bedacht wie dieser. Daher die Unbedenk- lichkeit in der Wahl der Mittel und der hart an Brutalität gren- zende Egoismus, skrupellose Gewinnsucht, die über Leichen geht, und leidenschaftliches Trachten nach Geld, das zugleich am besten dem puritanischen Grundsatz von der Notwendigkeit ununterbrochener Arbeit Rechnung trägt. , »Make money, my son, honestly, if you can, but make money! « (Mache Geld, mein Sohn, ehrenhaft, wenn Du's kannst, aber mache Geld!), so läßt das geflügelte Wort einen amerikanischen Geschäftsmann zu seinem Sohn sprechen. Rücksichtslose Betätigung des Erwerbstriebes auf Kosten der Allgemeinheit hat auch zur Gründung der alles umspannenden Trusts geführt (vgl. Kap. 21). Das Streben, auch den glücklichen Zufall in den Dienst des »Geldmachens um jeden Preis« zu stellen, erklärt endlich die unüberwindliche Neigung des Amerikaners zu Wetten und Glücksspielen ^) . Selbst der leidenschaftlich betriebene Sport muß diesem Zweck dienen. Doch würde man dem Amerikaner unrecht tun, wenn man das Streben nach Reichtum lediglich um seiner selbst willen als maßgebende Triebfeder seines Handelns betrachten und die »Jagd nach dem Dollar« als den Hauptinhalt seines Lebens ansehen wollte. Das Geld gilt vielmehr als Maßstab für die per-

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sönliche Tüchtigkeit und ist bei der in Amerika herrschenden sozialen Gleichheit, die keine durch Geburt oder Stand bevor- rechtigten Klassen kennt, neben der Erziehung die einzige Quelle gesellschaftlicher Unterscheidung und Auszeichnung. Neuerdings ist freilich eine allmächtige plutokratische Ober- schicht entstanden, die als Trägerin riesenhafter Kapitalzusammen- ballungen immer größeren Einfluß gewinnt und weite Bevölke- rungskreise sich Untertan gemacht hat. Die Mehrzahl der Be- gründer und Leiter gewaltiger Geschäftsunternehmungen und überhaupt die meisten, die etwas im wirtschaftlichen Leben bedeuten, sind »Seifmade men« im besten Sinne des Wortes. Manche Trustmagnaten, Eisenbahnkönige und Multimillionäre, deren Töchter heute Europas adelsstolzer alter Aristokratie als begehrenswerte Gemahlinnen erscheinen, und die ganze Schar hervorragender Großkaufleute und Großindustrieller, denen Thomas Carlyle schon 1850 den Ehrennamen »Captains of Industry« gab, haben sich aus den bescheidensten Anfängen zur Macht und zu fabelhaftem Reichtum emporgearbeitet.

Bekannt ist die Kunst und Kühnheit, aber auch die markt- schreierische Aufdringlichkeit der amerikanischen Reklame, die eine wahre Plage geworden ist und selbst vor der Verschan- delung der Naturschönheiten nicht zurückschreckt. Ihr wesens- verwandt ist der Hang zur Uebertreibung, das Schwelgen in Superlativen und die Vorliebe für große Zahlen oder riesige Aus- maße, kurz das, was K. Lamprecht das quantitative Urteil des Amerikaners nennt. Denn bei jedem Dinge sagt oder fragt man, wieviel es gekostet hat oder wie groß seine Abmessungen sind. Diese Eigenschaft ist wohl ein Ausfluß der Weiträumigkeit, die den Unionsbürger aber auch zur selbstgefälligen Ueber- schätzung des eigenen Landes und zu der meist auf mangelnder Kenntnis beruhenden Geringschätzung des Auslandes geführt hat. Versichert doch der Amerikaner jedem, der es hören will, mit ernsthaftester Miene und aus voller Ueberzeugung, daß die Union die größten Städte und höchsten Häuser, die großartigsten Naturwunder und die riesenhaftesten Wirtschaftsunternehmungen, die längsten und höchsten Brücken, die meisten Eisenbahnen und selbst die besten Zigarren der Welt habe und daß einige der vereinstsaatlichen Präsidenten die »prominentesten« Männer auf Erden gewesen seien. Mit den Schlagworten »The biggest thing in the world« oder »The largest thing of the world« darf

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man es natürlich nicht zu genau nehmen, wenngleich nicht zu leugnen ist, daß ihre ständige Wiederholung dem Fremden oft genug ein Lächeln abzwingt und auf die Dauer unangenehm wirkt. Denn in stark ausgeprägtem Nationalgefühl, das sich mit einem glühenden Patriotismus paart, aber auch leicht zu Chauvinismus neigt, blickt der Unionsbürger stolz auf die andern Amerikaner und auf die Europäer herab. Da der Einwanderer es möglichst bald den Amerikanern gleichzutun sucht, so wird ihr Ueberlegenheitsgefühl dadurch gehoben, um so mehr, als die große Masse, die nicht außer Landes kommt, alle Europäer unwillkürlich auf gleiche Stufe mit den oft ärmlichen Einwan- derern stellt. Dank ihrer hohen Kultur und Wirtschaft erfreut sich die Unionsbevölkerung eines viel größeren materiellen Wohlstandes als die breiten Schichten der europäischen Be- wohnerschaft, die namentlich in Ost- und Südeuropa in sehr einfachen, ja dürftigen Verhältnissen leben. Der leichte Sieg über Spanien und die entscheidende Rolle der Vereinigten Staaten im Weltkriege haben das Selbstgefühl der Amerikaner mächtig gesteigert, so daß sie in ihrem Staat ohne jede Einschränkung das erste Land der Welt sehen und gegen abfäUige Kritik sehr empfindlich sind. »How do you like America?« (Wie gefällt Ihnen Amerika ?) ist eine stehende Frage, die einem schon auf dem Schiff entgegentritt, wenn man den amerikanischen Boden noch gar nicht betreten hat, und die sich im Lande fast tagtäglich wiederholt. Selbstverständlich wird eine lobende und aner- kennende Antwort erwartet. Denn diese Frage verrät den Stolz des, Amerikaners auf sein Land und den Wunsch, daß es jeder möglichst vollkommen finden möge.

Gegenüber der nervenaufreibenden Dollarjagd, die den einzelnen nicht einmal in Ruhe sein Mittagessen einnehmen Und keinen rechnen Lebensgenuß aufkommen läßt selbst »die Kultur des Magens und der Zunge« ist nicht besonders aus- gebildet *) sind künstlerische und wissenschaftHche Interessen lange zurückgetreten. Freüich ist die nüchterne Betonung des Materiellen und die übertriebene Wertschätzung praktischer Tätigkeit nicht zum mindesten auf den harten Kampf zurück- zuführen, den die wirtschaftliche Eroberung des erdteilgroßen Landes verlangte und der die Kraft der Bewohner Jahrzehnte hindurch vollständig in Anspruch nahm, so daß die ästhetische Seite des Lebens und das Bedürfnis für höhere geistige Güter

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notwendig zu kurz kommen mußten. Das Niveau des Kunstge- nusses in Theatern, Konzerten usw. ist noch nicht sehr hoch. Die einzige Kunst, die zu neuer, eigenartiger Wirkung gebracht worden ist und zweifellos hervorragende, freilich mehr auf tech- nischem Gebiet liegende Leistungen zu verzeichnen hat, ist die Baukunst. Sie gipfelt in den Riesenbrücken und Unterwasser- tunnels und in den mächtigen Eisen- und Betonmassen der Wolkenkratzer oder Turmhäuser.

Schon 1893 hat aber F. Rat zel gesagt: »Die wissenschaft- lichen Leistungen der Amerikaner kann heute nur der gering an- schlagen, der mit dem Stand der wissenschaftlichen Arbeit unserer Zeit nicht vertraut ist« ^). Denn seit dera Ende der Landnahme und der wirtschaftlichen Durchdringung des Raumes sind Wissen- schaft, Literatur und Kunst immer mehr gewürdigt und um ihrer selbst willen gepflegt worden. Eine selbständige, sich immer mehr erweiternde und vertiefende amerikanische Literatur ist herangewachsen, und ein tüchtiger Gelehrtenstand ist in der Entwicklung begriffen. Die geistige Bildung hat ihre Haupt- stütze und ihre wesentlichste Förderung in den Nordstaaten. Sie sind das Geburtsland der meisten als Dichter, Schriftsteller und Gelehrte berühmt gewordenen Amerikaner, während der Süden, die alte Heimat der Pflanzer-Aristokratie, vor allem hervorragende Heerführer, Offiziere und Staatsmänner hervor- gebracht hat. Für das Bildungswesen sorgen die Bundesregierung und die Regierungen der Einzelstaaten, Gemeinden, Religions- gesellschaften und die Privat -Initiative der Bürger in rühmlichem Wetteifer und wenden hierfür gewaltige Summen auf. Hoch- schulen und andere Schulen verschiedenster Art, öffentliche Bibliotheken, Sammlungen, Museen, Forschungsinstitute usw. erfreuen sich einer geradezu glänzenden Unterstützung durch reich gewordene Mäzene^).

Denn trotz des stark aufs Materielle gerichteten Lebens haben von jeher auch mächtige sittliche Gedanken die Ameri- kaner bewegt, und ihre offene Hand füi gemeinnützige und wohl- tätige Zwecke ist weltbekannt. Derselbe Mann, der im Kampfe ums Dasein den Schwachen erbarmungslos an die Wand drückt, ist gutmütig und hilfsbereit, sobald geschäftliche Interessen nicht in Frage stehen. Stark ausgeprägt ist auch der kirchliche Sinn. Streng hält man an der Sonntagsheiligung fest, zumal der Sonntag der einzige wirkliche Rasttag in dem ruhelosen Hasten

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und Treiben ist. Regelmäßiger Kirchenbesuch gehört zum guten Ton. Sonntags ist auch der Bahnverkehr auf das Not- wendigste beschränkt, und in vielen Hotels und Pensionen sieht man es nicht gern, wenn Gäste am Sonntag kommen oder gehen. Wie in Amerika diejenigen Wissenschaften am meisten geschätzt sind, die unmittelbaren praktischen Gewinn versprechen und einen geldlichen Nutzen abwerfen, so gehört auch die aufs Praktische gerichtete Erfindungsgabe zu den hervorragendsten Eigenschaften der Amerikaner. Nicht mit Unrecht hat man sie die besten Mechaniker der Welt genannt. Wichtige Erfindungen, hauptsächlich auf technischem Gebiet, sind von ihnen gemacht oder bereits bestehende wesentlich verbessert worden, z. B. Dampfschiff, Telegraph, Unterseekabel und Fernsprecher, elek- trisches Licht und elektrische Straßenbahn, Schreib-, Rechen- und Nähmaschinen, die Baumwoll-Entkörnungsmaschine, dazu industrielle und landwirtschaftliche Maschinen der allerver- schiedensten Art. Wenn man jedoch gern die amerikanische Technik als der europäischen überlegen hinstellt und den Stand- punkt vertritt, daß nicht mehr England, sondern die Union das Land sei, von dem der deutsche Ingenieur das meiste lernen könne, so darf man nicht vergessen, daß der amerikanische Er- findungsgeist sich mit einer gewissen Einseitigkeit, wenngleich in geradezu unerschöpflicher Weise mit Zeit und Hände sparen- den Maschinen beschäftigt hat, die geeignet sind, die Massen- erzeugung zu fördern und die teure und nicht immer, in ausrei- chender Menge vorhandene Menschenkraft zu ersetzen. Edison ist einer der bekanntesten und typischsten Vertreter amerikani- scher Erfinder höheren Stiles. Der Amerikaner hält auch nie- mals zäh am Alten fest, sondern ist rastlos bemüht, an die Stelle des Guten das Bessere zu setzen, um durch fortschreitende Ver- vollkommnung dem Ziel größtmöglicher Arbeits- und Arbeiter- ersparnis immer näher zu kommen. Hieraus erklärt es sich, daß von 1852 1920 das Patentamt in Washington 3 656 076 Patente erteilt hat. In diesem 68jährigen Zeitraum entfallen somit im Durchschnitt auf das Jahr 53 766 Patente ! Aber auch diese Tatsache, die gern als ein beredtes Zeugnis für den ame- rikanischen Erfindungsgeist hingestellt wird, wirkt weniger überraschend, wenn man die große Zahl ausländischer Patent- sucher berücksichtigt, die ihr geistiges Eigentum in Amerika schützen wollen. Obendrein sind in den Vereinigten Staaten

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viele fremde Ingenieure, Techniker und Mechaniker tätig, deren Erfindungen ebenfalls ohne weiteres den Amerikanern zugute gerechnet werden.

Endlich hat das weite Land seinen Bewohnern einen aus- gesprochenen Raumsinn verliehen und sie daran gewöhnt, sich von den riesigen Entfernungen, den Magnificent Distances, wie sie der Amerikaner mit einem gewissen Stolz nennt, und den dadurch bedingten Schwierigkeiten der Raumüberwindung nicht abschrecken zu lassen. Denn das dünn besiedelte Land, das gegenüber der Menschenzusammendrängung in Europa eine viel größere Ellenbogenfreiheit gestattet, regt nicht bloß zu stärkerer Bewegung an, sondern macht sie geradezu notwendig. Nirgends entschließt man sich leichter und schneller zu ausge- dehnten Reisen wie hier. Was im engräumigen Europa eine große Reise ist, zu der man umständliche Vorbereitungen trifft, ist drüben »a httle trip«. Für eine tief im Binnenlande woh- nende Familie macht es wenig aus, ein mehrere tausend Kilo- meter entferntes Seebad aufzusuchen, und Geschäftsreisen, die uns vom Westen Europas bis tief hinein nach Asien führen wür- den, sind nichts Ungewöhnliches. Der Wille zur Ueberwindung von Entfernungen, die in den kleinräumigen europäischen Einzel- staaten undenkbar sind, hat die bequemen amerikanischen Reise- methoden geschaffen und die staunenswerte Entwicklung des vereinsstaatlichen Schienennetzes veranlaßt, hinter dem das europäische nicht unerheblich zurückgeblieben ist. Die groß- räumige Auffassung erklärt auch die Großzügigkeit im wirt- schaftlichen und politischen Denken'), die wesentlich von der Kleinlichkeit und Aengstlichkeit abweicht, mit der man in Europa an solche Dinge heranzugehen pflegt, freilich nicht zum wenig- sten deshalb, weil hier eine Vielzahl von Staaten mit einer Viel- zahl von Reibungsflächen und Interessengegensätzen hart auf- einanderstößt. Der Wagemut der Amerikaner und ihr weiter Blick verdienen ungeteilte Bewunderung. Nur dadurch waren sie befähigt, sich den riesigen Raum zu unterwerfen, dessen UebermacKt sonst allzuleicht ein Volk und einen Staat be- herrscht.

So tritt uns in den Amerikanern ein Volk entgegen, kraft- voll und eigenartig, sympathisch und abstoßend und in wesent- lichen Zügen weit verschieden von den europäischen Nationen. »Die originellste Blüte der europäischen Kolonisation, eine

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Welt voll innerer und äußerer Freiheit, voll Unternehmungskraft, gewaltig im Denken und Streben, jugendlich optimistisch, hart und praktisch, ein Leben, das laut, rastlos, marktschreierisch und rücksichtslos ist, das Reklame, Schwindel, Luxus in uner- hörten Größenverhältnissen erzeugt hat. das Menschen empor- trägt und niederschlingt, das aber auch aristokratische Bildungen entwickelte«^): das ist Amerika und der Grundzug amerikani- schen Wesens.

14. Das Wirtschaftsleben.

(Allgemeines, Raubbau, Wirtschaftsgeographische Gliederung).

Der rasche und gewaltige wirtschaftliche Fortschritt der Union und seine Ursachen. Systematische Arbeitsteilung und Verwendung zeit- und hände- sparender Arbeitsmaschinen. Ausnutzung der Naturkräfte. Dank vielseitigen Hilfsquellen ist die Union ein autarkisches Wirtschaftsgebiet. Extensive Be- triebsweise. Raubbau, Vergeudung wirtschaftlicher Werte, Menschenverluste, Wirtschaftsgeographische Gliederung der Union. Wirtschaftsgeographische Eigenart des Nordostens, mittleren Westens, Südens, Westens und des pazi- fischen Küstenstreifens.

Als die Union am Ende des 18. Jahrhunderts als selbstän- diger Staat ins Leben trat, war sie wirtschaftlich noch ganz unentwickelt. Urwälder, nur spärlich von kleinen Rodungen und Siedlungen unterbrochen, erfüllten das Land, der Bergsegen war noch ungehoben, und die Industrie zeigte erst bescheidene Anfänge, weil es an Geld, Erfahrungen und Menschen zur Nutz- barmachung der natürlichen Reichtümer fehlte. Heute, nach noch nicht 150 Jahren, sind die Vereinigten Staaten eine wirt- schaftliche Großmacht, die in manchen Zweigen das alte Europa überflügelt und in andern geradezu ein Weltmonopol erlangt hat. Wenn Nordamerika gegenwärtig die hauptsächlichste Nährmutter Europas und einer der wichtigsten Rohstoff ver- sorger des Weltmarktes ist, so entfällt der Löwenanteil auf die Union, die auch dieselben Massenfabrikate erzeugt wie unser Eidteil und dadurch in immer schärferen Wettbewerb mit ihm tritt. Das erstaunliche Anschwellen sämtlicher statistischer Daten beweist, zu welch riesigem Organismus sich dieses wirtschaftliche Wunderland entfaltet hat.

Die wirtschaftliche Stärke der Union, zu der Europa teils mit Bewunderung, teils mit Furcht und Neid aufblickt, beruht

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eben so sehr auf der Tüchtigkeit der Bevölkerung wie auf der Fülle und Vielseitigkeit der Erzeugnisse aus allen drei Natur- reichen. Darunter befinden sich Rohstoffe ganz besonderer Art, durch die sich U.S.Amerika weit über andere Gebiete heraushebt. Zur reichen wirtschaftsgeographischen Ausrüstung gesellt sich der weite Raum, der zugleich einen politisch einheitlichen Riesen- staat mit überaus günstiger zwischenozeanischer Weltlage um- faßt. Entscheidend ist aber die Tatkraft und Rührigkeit der weißen Einwanderer und die ständige Zufuhr von Arbeitskräften aus Europa. Hierbei brachte jeder Zweig der großen europäi- schen Völker familie einen Schatz von Erfahrungen mit, aus denen man die besten auswählen und durch neue vollkommenere Me- thoden vermehien konnte. Unbehindert durch einengende Ueberlieferungen und veraltete Vorurteile der Vergangenheit und durch ein Rankenwerk polizeüicher Vorschriften, aber von Jahrhunderte alten Kultur-Errungenschaften zehrend und ge- fördert durch die Vervollkommnung der technischen und wissen- schafthchen Hilfsmittel der Neuzeit, konnten die Weißen auf einem jungfräulichen, ihnen durchaus zusagenden Boden ohne zeitraubende und mühsame Vorversuche eine ganz neue Wirt- schaft aufbauen. Infolgedessen drängte sich in der Union wie in allen jugendlichen Kolonialländern der wirtschaftliche Aufstieg in eine viel kürzere Zeitspanne zusammen als im alten Europa, indem in wenigen Jahrzehnten dieselben Fortschritte erzielt werden konnten, zu denen unser Erdteil Jahrhunderte gebraucht hatte 1).

Je mehr aber die der Erschließung harrenden Räume wuch- sen, um so notwendiger wurde im Interesse ihrer Beherrschung die Vermehrung und Verbesserung der Verkehrsmittel. Es war überhaupt ein glückliches Zusammentreffen, daß die Eroberung des Hinterlandes mit dem zu Anfang des 19. Jahrhunderts ein- setzenden Siegeszuge der neuzeitlichen Technik zusammenfiel. Ohne diesen mächtigen Bundesgenossen wäre die überraschend schnelle Entwicklung undenkbar gewesen. Da der weiträumige, aber dünn bevölkerte Staat viel mehr Aufgaben stellte, als Ar- beiter und zwar besonders geschulte Arbeiter vorhanden waren, so mußte man ihre Kraft in möglichst großem Umfange durch Maschinen vervielfältigen und verbilligen zumal die Löhne bei der starken und ständigen Nachfrage eine in Europa unbekannte Höhe erreichten. Darum legte sich der Amerikaner mit hervor-

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ragendem Erfolg auf die Erfindung und Verbesserung Zeit und Hände sparender Maschinen (vgl. S. 140) und verwendete sie in einem vorher noch nie dagewesenen Umfang. Ganze Maschinen- reihen führen automatisch den Veredlungsprozeß des Rohstoffes bis zum Fertigfabrikat durch und ermöglichen zugleich die sau- berste und gleichmäßigste Ausführung der Ware. Die Folge dieser »Mechanisierung der Wirtschaft « war der Uebergang zum maschinellen Großbetrieb. Das Streben nach technischer Vervoll- kommnung der Herstellungsmethoden im Zusammenwirken mit weitestgehender Arbeitsteilung hat die Leistungsfähigkeit der Amerikaner vervielfacht. Ganz allgemein hat sich in diesem Lande der praktischen Maschinen auch der Grundsatz Geltung verschafft, keine Vorrichtung, für die eine Maschine verwendet werden kann, Menschen zu übertragen. Darum trachtet man bei jeder noch so kleinen Betätigung darnach, die menschliche Arbeitskraft zu vermindern oder auszuschalten. Selbst für das Oeffnen und Schließen von Briefumschlägen, für das Aufkleben der Marken, für gewisse Bureau- und Buchhaltungsarbeiten usw. sind Maschinen im Gebrauch. Die große Verbreitung aber, die amerikanische Fabrikationsmethoden, Arbeitseinrichtungen und Betriebs-Organisationen auch außerhalb ihres Ursprungslandes gefunden haben, ist der beste Beweis für ihre Brauchbarkeit.

Die Naturkräfte sind ebenfalls ausgiebig in den Dienst der menschlichen Arbeit gezwungen worden. Die größte Wasser- kraftanlage der Neuen Welt findet sich bei Keokuk (Jowa) am Mississippi 2). Leider tritt hinter dem praktischen Zweck und dem persönlichen Vorteil die Rücksicht auf landschaftliche Schönheiten imd einzigartige Naturdenkmäler nur allzusehr zurück. Was nützt mir der Wasserfall, wenn keine Fabrik an ihm steht? sagt der nüchtern rechnende Amerikaner. Darum sind die prächtigen St. Anthony-Fälle des Mississippi bei St. Paul, einst eine landschaftliche Idylle, der Industrie völlig zum Opfer gefallen. Am Niagarafall entstand ein elektrisches Kraft- werk nach dem andern, so daß die beiden Anliegerstaaten Kanada und die Union schützend eingreifen und die gewaltigsten Fälle Nordamerikas samt ihrer Umgebung zum Nationalpark erklären mußten.

Ihren vielseitigen Hilfsquellen verdankt es die Union, daß sie wie wenige Länder den namentlich zur Kriegszeit unschätz- baren Vorzug besitzt, ein sich selbst genügendes oder autar-

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kisches Wirtschaftsgebiet zu sein. Wenigstens können die lebens- notwendigsten Rohstoffe für die Ernährung und wirtschaftliche Betätigung der Bevölkerung im Lande selbst in ausreichender Menge und völlig unabhängig von fremden Zufuhren gewonnen werden. Sie werden in zunehmendem Maße auch innerhalb der eigenen Grenzen verarbeitet, da die Union in glücklichster Weise den Charakter eines ungeheuren Landwirtschafts- und Indu- strielandes trägt, während die Industrie- und Lebensmittel- versorgung der meisten europäischen Staaten von auswärtigen Bezugsquellen abhängig ist. Trotzdem U.S.Amerika selbst einen ungeheuren Eigenverbrauch hat, kann es noch Nahrungs- und Genußmittel, Rohstoffe und Fabrikate im Ueberfluß ab- geben. Wir dürfen eben nie vergessen, daß wir es mit einem erdteilgroßen Lande zu tun haben, dessen Ausbeutungsmöglich- keit ihren Höhepunkt noch lange nicht überschritten hat. Aller- dings ist auch die Leistungsfähigkeit der Union nicht unbegrenzt. In wichtigen tropischen Erzeugnissen wie Kakao, Zucker, Kaffee und Kautschuk und in manchen Bergbauprodukten wie Zinn und Kali ist sie auf fremde Zufuhren angewiesen.

Neuerdings sind die Vereinigten Staaten immer schärfer als industrielle Weltmacht aufgetreten, wenngleich ihre wirt- schaftliche Bedeutung für Europa auf der Landwirtschaft beruht. Aber mit dem Ende der Landnahme hat der Ackerbau eine obere Grenze erreicht, von der ab eine Steigerung der Erträge bloß noch durch den Uebergang von der extensiven zur inten- siven Bodenausnützung möglich ist. Die extensive Betriebs- weise gibt jedoch dem Wirtschaftsleben zur Zeit noch das Gepräge. »Die Nordamerikaner wirtschaften bis heute wie Besitzer, die ihre großen Güter mit wenigen Kräften und daher nicht er- schöpfend, aber schwungvoll und daher mit raschem Ei folge bearbeiten und ausbeuten. Sie lassen viel einstweilen noch liegen, nehmen nur die ergiebigsten Strecken vor, gewinnen aber dabei viel mehr und mit leichterer Mühe als andere, die auf engen, viel durchwühlten Boden ein viel größeres Maß von Emsigkeit verwenden. Das ist das System, auf dem vor allem das uner- hörte Wachstum der Weizen- und Baumwollernten beruht « ^) .

Hand in Hand mit einer solchen Wirtschaftsweise geht eine ungeheure Verschwendung, weil die Amerikaner in dem Streben nach Rekordleistungen und nach Gewinn einen unglaub- lichen Raubbau treiben. Unbekümmert um die Zukunft, um

Hass ert, Vereinigte Staaten. lO

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ihre Nachfolger und Nachkommen denken sie lediglich daran, aus dem gerade in Ausbeute genommenen Bodenstück soviel als möglich herauszuziehen. Ist dann das Land bergbaulich oder ackerwirtschaftlich erschöpft, so verläßt man es leichten Sinnes und setzt an andrer Stelle das alte Spiel fort. Mit welcher Verschwendung ein derartiger Betrieb verknüpft ist, geht daraus hervor, daß man Kohlenflöze unter i m Mächtigkeit nur selten in Angriff nimmt und daß man die unteren Schichten zuerst abbaut, wodurch die oberen nachbrechen und verkommen. Auch Erze, die einen bestimmten Metallgehalt nicht erreichen, werden wie totes Gestein behandelt oder vorläufig liegen ge- lassen, so daß die reicheren und besseren Erze sich allmählich erschöpfen. Fließt ein Petroleumbrunnen zu langsam, so sprengt man die tiefer liegenden Adern mit Dynamit. Dadurch wird das Rohöl oft so schnell und massenhaft an die Oberfläche ge- bracht, daß ein großer Teil nicht aufgefangen werden kann und nutzlos versickert. Der niedergeschlagene Wald bleibt un- beachtet, obwohl er sich bei einiger Pflege leicht erneuern ließe und dauernd eine reiche Einnahmequelle werden könnte. Aus Spekulationszwecken werden selbst die einzigartigen Riesen- bäume Kaliforniens nicht geschont, so daß ihnen, soweit sie nicht unter staatlichen Schutz gestellt sind, dasselbe Schicksal droht wie dem. einst unerschöpflich scheinenden Wildbestand, besonders den Büffeln, Wandertauben und Alligatoren*).

Da die Vergeudung wirtschaftlicher Werte nicht ins Un- gemessene fortgehen kann, so richtet sich der Blick verständiger Männer mit Sorge auf die Zukunft, und der Ruf nach staatlichem Eingreifen ist immer lauter geworden. Schon 1908 wurde auf Veranlassung des damaligen Präsidenten Roosevelt die National Conservation Commission zum Schutze der natürlichen Hilfsquellen und zur Vorbereitung gesetzlicher Maßnahmen zur Eindämmung der Raubwirtschaft gegründet. Ein merklicher Erfolg ist jedoch nicht zu verzeichnen, weil das Spekulant entum lediglich auf seinen eigenen augenblicklichen Vorteil bedacht ist. »Nie- hat, sagt K. Lamprecht, ein Volk mit stärkeren Zerstörungsmitteln herzloser an seinem Lande gehandelt als die Amerikaner, so daß Jahrzehnte vergehen werden, ehe die Ameii- kaner ihm, dem sie den Zauber der Urnatur genommen haben, die zarteren Reize eines vollen Kulturlandes zu verleihen ver- mögen.« Immer mehr aber machen sich die Folgen der Rück-

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sichtslosigkeit und Kurzsichtigkeit bemerkbar, mit der man den Ackerboden erschöpft, ohne ihn durch Düngung neu zu kräftigen, mit der man die Wälder niederschlägt, ohne an Aufforstung zu denken, und mit der man die Petroleum- und Erzschätze un- wiederbringlich vernichtet. Wenn keine neuen Hilfsquellen er- schlossen werden, dürften die Forsten in einem oder zwei Menschen- altern, das Naturgas in 40 Jahren, Petroleum in 50 Jahren, die Eisenerze in 100, Kupfer in 125 und die Kohle in 150 200 Jah- ren oder noch früher ausgebeutet sein^). So beginnt die bisher allgemein auch von den Amerikanern gehegte Anschauung von der Unerschöpflichkeit der natürlichen Reichtümer des Landes schwankend zu werden. Das jetzige Geschlecht kann unter ihnen noch wüsten. Dann aber muß an die Stelle der bloß ausbeutenden Raubwirtschaft die sorgsam an die Zukunft denkende und nicht bloß nehmende, sondern auch gebende Bewirtschaftungsweise treten. Mancher leichtsinnig und leicht- herzig vergeudete Rohstoff dürfte jedoch bis dahin in nicht wieder gut zu machender Weise vermindert oder ganz verschwun- den sein.

Auch sonst macht man sich bei uns kaum einen Begriff von den Unsummen wirtschaftlicher Werte, die in den Ver- einigten Staaten verloren gehen. Flußüberschwemmungen, die durch Eindeichungen erheblich eingeschränkt werden könnten, bringen einen jährlichen Verlust von rund i Milliarde Mark. Die Waldbrände verursachen einen Jahresschaden von durch- schnittlich Too Millionen Mark. Durch Feuersbrünste wird all- jährlich Eigentum im Werte von mehr als i Milliarde Mark zerstört. Der Riesenbrand von Chicago legte 1871 17 000 aller- dings meist hölzerne Häuser in Asche und richtete einen Sach- schaden von 740 Millionen Mark an. Die außerordenthche Häufig- keit von Schadenfeuern erklärt sich aus der ausgedehnten Ver- wendung des Holzbaues und aus der überraschenden Tatsache, daß vielleicht die größere Hälfte von ihnen absichtlich angelegt wird. Die Brandstatistik kann geradezu als ein wirtschaftlicher Gradmesser gelten, indem sich jede Periode wirtschaftlichen Niederganges oder sinkender Konjunktur durch plötzliches An- wachsen der Feuersbrünste ankündigt^).

Nicht einmal das kostbarste Gut, der Mensch, wird geschont, da mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und Schutzmaßnahmen viele Tausende von Opfern fordern. Doch gehen die Angaben

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im einzelnen stark auseinander. Bei Feuersbrünsten verlieren im Jahresdurchschnitt 7000 Menschen das Leben. Auf Bergbau und Industrie kommen 20 000 Tote nebst einer viel größeren Zahl von Verwundeten und ganz oder teilweise arbeitsunfähig Gewordenen. Die Menge der im Bergwerks- und Steinbruchs- betrieb Umgekommenen wird für die beiden Jahrzehnte 1890 bis IQ09 auf rund 100 000, die Zahl der Verletzten auf das Drei- bis Fünffache geschätzt. Die amerikanischen Eisenbahnen hat man geradezu ein großes Schlachtfeld genannt, und die Union hat den zweifelhaften Ruhm, unter den Eisenbahnländern der Erde die weitaus größte Zahl getöteter oder verletzter Bahn- angestellter, Reisender und anderer Personen und die meisten Eisenbahnunfälle aufzuweisen. Durch Zugentgleisungen, Zu- sammenstöße oder fahrlässiges Betreten des Bahnkörpers, der im wegearmen Westen oft als Wander pf ad dient, werden im Jahresdurchschnitt gegen 10 000 Menschen getötet und 70 90000 mehr oder minder schwer verwundet.

Die Vereinigten Staaten gehören verschiedenen Natur- und Klimaregionen an und liefern schon dadurch ganz abge- sehen von ihrer Weiträumigkeit und ihrer mannigfachen geo- logischen Zusammensetzung eine Fülle von Erzeugnissen. Zunächst gliedert sich die Union in zwei große Hauptlandschaften, den niederschlagsreicheren atlantischen Osten und das ihm scharf gegenüberstehende trockene Hochland des pazifischen Westens, die sich wiederum in Untergruppen zerlegen lassen. Mit dieser Gliederung haben sich namentlich H. Gannett, J. D. Whit- ney, C. R. Dyer, F. Ratzel und E. Deckert beschäftigt. Allgemein üblich ist in der Union die Einteilung in nord-, mittel- und südatlantische Staaten, in nordöstliche und nordwestliche, südöstliche und südwestliche Zentralstaaten, in Felsengebirgs-, Plateau- und pazifische Staaten. E. Deckert unterscheidet drei, durch scharfe natürliche, kulturliche und wirtschaftliche Gegen- sätze voneinander abweichende Großlandschaften, den Norden, Süden und Westen '^), die Dyer durch weitere Unterteilung in folgende fünf Hauptgruppen zerlegt: i. das Industriegebiet des atlantischen Nordostens, zugleich Hauptträger des Ueberseever- kehrs mit Europa; 2. das Ackerbau- und Viehzuchtgeljiet des mitt- leren Westens; 3. das subtropische Plantagengebiet des Südens; 4. den Bergbaugürtel des inneren Westens; 5. die Küstenländer am Stillen Ozean, zugleich die Hauptträger des pazifischen

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lieber Seeverkehrs. Natürlich sind die einzelnen Landschaften nicht durch scharfe Grenzen voneinander geschieden, sondern werden durch breite Uebergangsgürtel miteinander verknüpft.

Am vielseitigsten ausgestattet ist der Nordosten, der im wesentlichen die Neu-Englandstaaten und die mittel- atlantischen Staaten umfaßt. Durch seinen Reichtum an Kohle, Eisenerzen, Petroleum und Naturgas und durch seinen Ueber- fluß an Wasserkräften ist er das Hauptland der Großindustrie, unter deren mannigfachen Zweigen die Baumwoll- und Metall- verarbeitung obenan stehen. Dieses wichtigste Industrieland der Vereinigten Staaten kommt mit seinen Wasserstraßen, die in dem dichtesten Schienennetz Amerikas ihre Ergänzung finden, dem Binnenverkehr sehr entgegen. Das buchten- und hafenreiche atlantische Gestade aber macht infolge seiner nach Nordwesten vorgeschobenen Nachbarschaftslage zu den hervor- ragendsten und dichtest besiedelten Wirtschaftsländern Europas den Nordosten zum vornehmsten Vermittler des vereinsstaat- lichen Ueberseehandels. Von hier gehen die meisten Verkehrs- beziehungen mit Europa aus, und von hier spinnen sich die meisten und ältesten geschichtlichen und Kulturfäden über das Meer. Die Ueberlegenheit des Nordostens über die andern Ge- biete der Union wird dadurch gesteigert, daß ihm der führende Seehafen der gesamten Neuen Welt und die zweitgrößte Stadt der Erde, New York, angehört. Die kühlen Küstengewässer sind zugleich durch eine ergiebige Seefischerei ausgezeichnet.

Aus allen diesen Gründen sammelte sich im Nordosten viel Unternehmungsgeist und Kapital an, die ihn zum Sitze der Hochfinanz und zur »great investing region« Nordamerikas gemacht haben. Von hier stammen nicht zum wenigsten die in den Fabriken des Südens und Westens und in außerameri- kanischen Unternehmungen angelegten Riesensummen, und hier haben die das Wirtschaftsleben des ganzen Landes beherr- schenden Trusts ihren Hauptsitz. Von hier geht in erster Linie das wirtschaftliche, geistige und politische Leben der Union aus, und seine führende Stellung in den Vereinigten Staaten, ja in ganz Amerika werden ihm die andern Gebiete trotz unleug- barer Fortschritte nicht so bald und nicht so leicht entreißen können. Als ältestes und volkreichstes Kulturland und als Hauptziel der Einwanderung ist der Nordosten auch bestimmend für den amerikanischen Nationalcharakter geworden. Da Handel

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und Industrie die städtische Entwicklung mächtig fördern, so ist er zugleich das städtereichste Gebiet der Union, dem die meisten Großstädte angehören und in dem die städtische Bevölkerung entschieden überwiegt. Weil indes dafür der Land- bau nicht unerheblich abgenommen iiat zumal sich Boden und Klima zum Ackerbau größeren Umfanges weniger eignen , so ist der Nordosten bereits in starkem Maße auf Lebensmittel- zufuhren angewiesen.

Der mittlere Norden oder mittlere Westen um- faßt die nordöstlichen und nordwestlichen Zentralstaaten im Bereiche des oberen und mittleren Mississippi, der Großen Seen und des Ohiobeckens. Ebenfalls städtereich und dicht bevölkert, war er einst ein gewaltiges Waldland, dessen Nutzholzschätze mit der Zeit freilich stark zurückgegangen sind. Die offenen Grasfluren der Prärien aber bieten die beste Naturweide für Millionen von Haustieren und dank dem fruchtbaren Schwarzerde- boden das beste Ackerland dar. Hier hat sich darum das größte Landwirtschaftsgebiet der Union und eine der ersten Korn-, Heu- und Fleischkammern der Erde entwickelt. Die leichte Zugänglichkeit des von einem dichten Wasserstraßen- und Schienennetz durchzogenen Landes und die Reichtümer an Kohle, Petroleum und Eisen haben auch eine gewaltige Groß- industrie entstehen lassen, die ursprünglich an die Verarbeitung der landwirtschaftlichen Rohstoffe anknüpfte, um sich mit der Zeit immer selbständiger und vielseitiger zu gestalten. So be- findet sich der mittlere Westen in einem Uebergangszustande. Die wirtschaftliche Sonderung vollzieht sich derart, daß im mineralreichen Ohiobecken immer mehr die Industrie Fuß faßt, während die an Mais, Weizen und Vieh reichen westlichen Staaten um den Mississippi sich zum landwirtschaftlichen Herzen der Union entwickeln.

Der Süden ist durch Klima, Besiedlung und Wirtschaft eine Welt für sich, deren natürliche Nordgrenze die Landschaften mit wenigstens sieben frostfreien Monaten im Jahre bilden. Sein , feuchtheißes, niederschlagsreiches Klima und der frucht- bare Humusboden sind dem Anbau tropischer und halbtropischer Nutzgewächse wie Zuckerrohr, Tabak, Reis und Baumwolle, der vier Stapelartikel des Südens, günstig. Da jedoch das Klima lange als nicht zuträglich für weiße Arbeiter angesehen wurde und weil die billige Fronarbeit der Farbigen jeden Wettbewerb

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weißer Lohnarbeiter ausschloß, so entwickelten sich die Süd- staaten zum Hauptsitz des auf Sklavenarbeit gegründeten plantagenmäßigen Großbetiiebes und traten als Neger- oder Sklavenstaaten in scharfen Gegensatz zu den freien, weißen Nordstaaten. Bis zum Bürgerkriege beruhte die Wirtschaft des Südens ganz einseitig auf dem Baumwollbau, der zwar noch heute durchaus überwiegt, aber längst nicht mehr eine so aus- gesprochene Monokultur ist wie früher. Durch die Ausbeutung seiner Holz- und terpentinreichen Kiefernbestände hat der Süden auch hervorragenden Einfluß auf die Waldwirtschaft gewonnen. Ebenso hat sich in den letzten Jahrzehnten die Baumwoll- und Eisenindustrie immer mehr eingebürgert und eine ständige weiße Einwanderung angelockt, die aus klimatischen Gründen meist aus Italienern besteht. Während nämlich die jugendlichen Schwemmlandsniederungen arm an Mineralschätzen sind, ist der gebirgige Südrand der Appalachen im Ueberfluß mit Kohle und Eisenerzen ausgestattet. Sie haben namentlich die erst 1871 gegründete und heute schon 180 000 Einwohner zählende Stadt Birmingham in Alabama zum Mittelpunkte einer blühenden Eisen-, Stahl- und Baumwollmanufaktur ge- macht. Die Großindustrie hat hier den Vorteil, sich in nächster Nachbarschaft der zu verarbeitenden Rohstoffe zu befinden und in den Negern über billige Arbeitskräfte zu verfügen, wenn auch als Fabrikarbeiter in erster Linie Weiße in Betracht kommen. Die starke Zunahme der vereinsstaatlichen Textilindustrie ist darauf zurückzuführen, daß die Baumwolle im Süden jetzt fast in eben so großem Umfange verarbeitet wird wie im Norden. Die Viehzucht tritt zurück, weil das feuchtwarme Klima den Rindern und Schafen nicht zusagt. Nur die höheren Bergland- schaften und namentlich die weiten Hochflächen von Texas, das klimatisch bereits ein Uebergangsland nach Westen darstellt, umschließen gute Natu.weiden als Träger einer ausgedehnten Viehhaltung. Nicht unwichtig ist die Aufzucht und der Bestand an Maultieren und Eseln, weil sie die meistbenutzten Last- und Zugtiere im subtropischen Süden sind. Mit Wasserstraßen sind die Südstaaten ähnlich gut ausgestattet wie der Norden, und, der Ausbau des Eisenbahnnetzes hat sichtliche Fortschritte gemacht. Alles in allem ist nach Ueberwindung der Folgewir- kungen des Bürgerkrieges im Süden neues Leben eingezogen. Die einst so stillen Pflanzerstädte verwandeln sich in lebhafte

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Fabrikörte, und die Menschenmenge hat sich seit 1870 verdrei- facht. Weil indes die Landwirtschaft noch immer obenan steht, so tritt die städtische Bevölkerung und die Zahl der großen Städte hinter der ländlichen Bewohnerschaft und Siedlungsweise zurück, wie sich auch Volkszahl und Volksdichte mit der des räumlich nur wenig ausgedehnteren Nordens nicht messen können. Da endlich die Küstenbeschaffenheit dem Seeverkehr nicht sonder- lich entgegenkommt, so hat der Ueberseehandel trotz der Nähe des Panama-Kanals und der westindisch-mittelamerikanischen Tropen in den südatlantischen und Golfhäfen nicht die Bedeu- tung erlangt wie in den nordatlantischen Küstenplätzen.

Früher galt das Land jenseit der Appalachen als der W e- s t e n. Allmählich ist dieser Begriff aber immer weiter westwärts gerückt und schließlich bis über den Mississippi gewandert. Heute sieht man als seine natürliche Grenze den 100. Längenkreis an, weil westlich von ihm der Niederschlag für Ackerbau und Wald- wuchs nicht mehr ausreicht. Wegen der Ueber fülle an Erzen und Mineralien ist diese ungeheure Großlandschaft ein blühendes Bergwerks- und Hüttengebiet, das als hauptsächlichster Gold-, Silber-, Kupfer- und Bleilieferant der Union und durch den Reichtum an Petroleum eine wertvolle Ergänzung des kohlen- und eisenreichen Ostens bildet. Die entscheidende Rolle, welche die fast ganz auf den Westen beschränkten Edelmetalle für seine Erschließung und Besiedlung gespielt haben, ist allbe- kannt. Ist er auch längst nicht mehr ein so einseitiges Bergbau- gebiet wie früher, so ernähren doch die auf den Bergsegen ge- gründeten Industrien den größten Teil der Bevölkerung, zumal den Binnenhochländern fast alle andern Voraussetzungen für eine selbständige wirtschaftliche Fortentwicklung fehlen. Denn indem die hohen Randgebirge den günstigen klimatischen Ein- fluß des Meeres fernhalten, ist das ganze Innere eine trocken- warme, wasserarme Steppe und Halbwüste. Ohne künstliche Bewässerung, die aber schon ausgedehnte Anwendung gefunden hat, bleibt der Boden dem Ackerbau ebenso verschlossen, wie der Wassermangel die Entfaltung vieler Industrien beeinträch- tigt. Das Großgewerbe dürfte auch in Zukunft keine stärkere Entwicklung erfahren, weil die Ungunst des Klimas und Wassers, die dünn gesäete Bevölkerung und die geringe Zahl von Ab- satzmärkten dem entgegenstehen. Von der Landwirtschaft gilt ähnliches, da weite Flächen für immer ertragslos bleiben

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werden oder höchstens als magere Weiden für eine extensive Viehhaltung, besonders für die genügsamen, ein trockenes Klima liebenden Schafe dienen (vgl. Kap. i6). Wegen der Ungunst des Klimas und der Oberflächengestaltung sind schiffbare Binnen- wasserstraßen mit Ausnahme des Columbia und des unteren Colorado nicht vorhanden, während die Hochgebirge und noch mehr die tiefen Canonschluchten den Bahnbau erschweren. Teils deshalb, teils aus anthropogeographischen Gründen ist das Schienennetz noch sehr weitmaschig und lückenhaft. Die Jugend der Einwanderung und die Schwierigkeiten der Erschlies- sung erklären es endlich, daß die Bewohnerzahl des Westens noch überaus dünn gesäet und in oasenhafter Zerstreuung an die bewässerten Gebiete und Bergbaubezirke gebunden ist. Auch in Zukunft wird der Westen stets hinter dem menschen- reicheren, vielseitigeren und von der Natur viel mehr bevor- zugten Osten zurückstehen und trotz Panama-Kanal und Pacific- bahnen eine trennende Schranke zwischen der atlantischen Hälfte und dem pazifischen Küstenland bilden.

Der schmale Küstenstreifen am Stillen Ozean schiebt sich als ein feuchteres Gebiet zwischen das Trockenland des inneren Westens und das Meer und geht kulturlich und wirtschaftlich seme eigenen Wege. Da die beiden nördhchen Staaten Washington und Oregon ganz anders geartet sind als Kalifornien, so ist der pazifische Anteil des Westens ein Land der Gegensätze, in dem die trockensten und niederschlagreichsten, sowie die höchsten und niedrigsten Gebiete liegen und undurch- dringliche Urwälder, üppige Kulturlandschaften und trostlose Wüsten sich gegenüberstehen. Ursprünglich war auch hier der Beigbau die einzige Wirtschaftsform. Unerwartet reiche Gold- funde lockten eine wahre Völkerwanderung nach KaHfornien, dessen Edelmetalle, Quecksilber und Petroleum noch immer eine \^^chtige Rolle spielen, wenngleich Weizen-, Wein-, Obst- und Südfruchtbau entschieden die Oberhand gewonnen haben. Kalifornien erzeugt heute die Hauptmenge des amerikanischen Weines und Edelobstes und hat als Apfelsinen- und Zitronenland die Halbinsel Florida überflügelt. Die feuchten Striche Oregons und Washingtons zwischen dem Meer und dem Kaskadengebirge tragen unabsehbare Nadelholzforsten und sind die zukunftsvoll- sten Wald-, Wiesen und Ackerbaubezirke des vereinsstaatlichen Nordwestens, dessen kühle Küstengewässer auch einen erstaun-

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liehen Reiehtum an Laehsen aufweisen. Alle diese Rohstoffe bilden die Grundlage für eine rasch fortschreitende Großindustrie. So erscheint der pazifische Küstenrand zur Herrschaft über den übrigen Westen und zum Hauptträger des Verkehrs mit den Inseln und Randländern des Stillen Ozeans berufen, dem er sein Antlitz zukehrt. Allerdings bietet die pazifische Längsküste der Union der Großschiffahrt nur wenige, aber in der herrlichen Bucht von San Francisco und im Puget-Sund um so brauchbarere Naturhäfen dar. In seiner Gesamtheit ist das pazifische Küsten- land eine Welt für sich, deren glänzende Entwicklung nur durch die Besorgnis getrübt wird, daß hier einmal ein mongolisches Nordamerika heranwachsen könnte.

Die Verschiedenheiten der wirtschaftsgeographischen Ge- biete und das Streben nach wechselseitiger Ergänzung rufen eine wirtschaftliche Spannung hervor, die zum Ausgleich durch den Verkehr strebt. Ein ungeheurer Binnenhandel ist die Folge, während der nicht im Lande verbrauchte Ueberschuß einen nicht minder gewaltigen Außenhandel nährt. Das Zusammen- spiel der Kräfte, die Natur und Volk der Union darbieten, und der angesammelte Reichtum, der immer neuen Unternehmungen dienstbar gemacht wird, haben zu einer überwältigenden Ge- samtwirkung geführt, die allen Zweigen des vereinsstaatlichen Wirtschaftslebens ihren Stempel aufprägt.

15. Die Landwirtschaft.

Reiche und vielseitige landwirtschaftliche Erzeugung der Union. Die natürlichen Bedingungen der Landwirtschaft: Klima, Schädlinge, Boden- arten. Die Union als Korn- und Fleischkammer der Weltwirtschaft. Farmer und Grundbesitz. Fabrikmäßige landwirtschaftliche Betriebsmethoden. Wald-, Prärie- und Steppenland. Raubwirtschaft und extensive Bodenaus- nutzung müssen mit dem Ende der Landnahme der intensiven Betriebsweise weichen. Wichtigste Nutzpflanzen des Ackerbaues. Die Getreidearten. Kar- toffel und Batate. Gemüsebau und Handelsgärtnerei. Obst und Südfrüchte. Wein- und Hopfenbau. Zuckergewinnung. Tabak. Faserpflanzen, besonders Baumwolle. Oelfrüchte. Tropische Nutzgewächse.

Die Union ist nach Menge und Wert der Erzeugnisse das erste Landwirtschaftsland der Erde, während sie sich an inten- siver und sachgemäßer Bodenausnutzung nicht mit West- und Mitteleuropa vergleichen kann. Dennoch hat kein Staat so

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rasche und glänzende landwirtschaftliche Fortschritte gemacht wie sie. Zunächst bedingt die große räumliche Ausdehnung des Landes und die daraus entspringende Mannigfaltigkeit des Bodens und Klimas eine reiche und vielseitige landwirtschaftliche Produktion. Die klimatischen Verschiedenheiten der wechseln- den Breiten- und Höhenlage und die starken Abweichungen in der Menge und Verteilung der Niederschläge gestatten die Ein- bürgerung fast aller für die Wirtschaft eines großen Volkes unentbehrlichen Nutzgewächse der gemäßigten und subtropischen Zone. Hierbei geht mit den Veränderungen des. Klimas ein Wechsel der angebauten Fläche vor sich. Von Süd nach Nord wird er durch die Abnahme der Wärme, von Ost nach West durch die Abnahme der Niederschläge bedingt. Der tropischen Klima- und Wirtschaftszone gehört die Union nur mit der Südspitze Floridas an, weshalb Rohrzucker, Kaffee, Kakao und Kautschuk wichtige tropische Einfuhrgegenstände sind. Die Osthälfte der Vereinigten Staaten, das »Gottesland« der Amerikaner, ist durch reichliche und gleichmäßig über das Jahr verteilte Niederschläge vor dem südhchen Nachbar Mexiko und durch wärmere, längere Sommer vor dem nördlichen Nachbar Kanada begünstigt. Der monsunartige, feuchtheiße Sommer bedingt eine große Trieb- kraft und Ueppigkeit der Pflanzen. Freilich fördert er auch das Gedeihen der Unkräuter und Schädlinge in solchem Maße, daß der nordamerikanische Farmer gegen sie einen viel härteren Kampf führen muß als der europäische Landwirt. Getreiderost- pilz, Apfelfäule, Kartoffel- und Rübenfäule und ein ganzes Heer schädlicher Insekten richten alljährlich ungeheure Verheerungen an^). Auch harte Spätfröste und zur Unzeit einsetzende Kälte- rückfälle werden den Kulturen nicht selten zum Verhängnis. Wolkenbrüche, Orkane, Ueberschwemmungen und stark aus- gesprochene Dürre- oder Nässeperioden haben ebenfalls schwere Schädigungen der Pflanzenwelt zur Folge.

Mannigfach sind die der Landwirtschaft dienenden Boden- arten. Namentlich in der Osthälfte sind die jüngsten Bildungen, die man wohl auch als geologische Brotformationen bezeichnet, in großer Ausdehnung vorhanden: Humus, Lehm, Löß und Schwarzerde, Geschiebemergel und Geschiebelehm, Schwemm- landsböden der Tieflandsflüsse, roter Eluvialboden des appala- chischen Berglandes usw. Nördlich der Linie Missouri-Ohio überwiegen die glazialen Aufschüttungsböden. Südlich dieser

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ehemaligen Vergletscherungsgrenze handelt es sich um Ver- witteningsböden, die an Ort und Stelle entstanden sind oder vom Wasser fortgeführt und anderwärts wieder abgelagert wur- den. Ein großer Teil der Böden ist so tiefgründig und nährstoff- reich, daß Jahrzehnte hindurch ohne Düngung reiche Ernten erzielt werden konnten, indem man beim Pflügen immer neue, nährkräftige Schichten emporbrachte.. Durch die Verbesserung der Verkehrsmittel wurde das Absatzgebiet der landwirtschaft- lichen Produkte erweitert, namentlich seit die Vervollkommnung der Kältetechnik durch Kühlhäuser, Kühlwagen und Gefrier- methoden auch dem wärmeren Süden und dem entlegenen Westen die Ausbreitung der Landwirtschaft ermöghcht hat. Endlich widmet der Staat der Landwirtschaft ausgedehnte Fürsorge, vor allem durch das mit großen Mitteln arbeitende Landwirtschafts-Ministerium, durch das Bodenuntersuchungs- amt (Bureau of soils) und die keinem Einzelstaat fehlenden landwirtschaftlichen Versuchsstationen. Auch der vorbildliche Wetterdienst nützt in erster Linie der Landwirtschaft.

Schon zur Kolonialzeit waren Landwirtschaft. Fischerei niiä Waldausbeute die Hauptbeschäftigung der Bewohner, die bereits Getreide nach Europa und Westindien zur Ausfuhr brachten. Aber bis ins 19. Jahrhundert hinein spielte die Union in der Nahrungsmittelversorgung Europas noch keine bemer- kenswerte Rolle. Erst seit den 40er Jahren des vorigen Jahr- hunderts wurde sie die erste Kornkammer der Welt, als schwere Mißernten unsern Erdteil heimsuchten. Seitdem hat sie ihm in scharfem Wettbewerb mit der europäischen Landwirtschaft ungeheure Mengen an Getreide und Mehl, Fett und Fleisch- waren geliefert. Infolgedessen haben sich auch die landwirt- schaftlichen Industrien, d. h. diejenigen Gewerbszweige mächtig entwickelt, die unmittelbar auf der Verarbeitung landwirtschaft- licher Rohstoffe beruhen, vor allem die Müllerei und Fleisch- verwertung. Die Staaten, in denen der Weizenbau seine Haupt- verbreitung hat, besitzen auch die meisten Großmühlen und erzeugen die größten Mehlmengen. In den Maisgebieten sind die Versandschlächtereien zu Hause, weil der Mais hauptsächlich zur Viehmast Verwendung findet. Chicago ist die Lebensmittel- zentrale und der größte Getreidemarkt der Erde. Die Produkten- börse dieser Stadt bestimmt die Brot- und Fleischpreise der Welt. Denn die Union bringt viel mehr landwirtschaftliche Produkte

hervor, als sie selbst verbraucht, so daß sie auf deren Ausfuhr angewiesen ist. Hauptabnehmer sind die dicht bevölkerten Industriestaaten -Europas. Doch ist U.S.Amerika längst nicht mehr so ausschließlich wie früher die Nährmutter Europas, weil mit der Zunahme der eigenen Bevölkerung immer größere Mengen von Nahrungsmitteln als Ausfuhrgegenstände ausscheiden.

Die Landwirtschaft ist der älteste und wichtigste Wirt- schaftszweig der Union, die trotz des gewaltigen Anwachsens von Bergbau und Industrie noch immer ein Land mit starkem landwirtschaftlichen Gepräge ist. Obwohl die ländliche Be- völkerung von der städtischen überflügelt worden ist und die Landwirtschaft wie in Europa unter dem Drucke der Menschen anlockenden Großindustrie an Arbeitermangel leidet, nimmt der Landwirt odei Farmer unter der berufstätigen Bevölkerung und im Wirtschaftsleben noch immer die erste Stelle ein. Dennoch gibt es in Nordamerika keinen eigentlichen Bauernstand und auch keine Dörfer in unserem Sinne, weil der amerikanische Landwirt längst nicht in dem Maße wie unser Bauer mit der Scholle verwachsen ist.

Während in Europa der landwirtschaftliche Kleinbetrieb überwiegt, herrschen in der Union mittlere und Großbetriebe vor ^) . Doch zeigt die Größe der Farmen enge Beziehungen ^ur Volksdichte. Kleine Betriebe sind für den dicht bewohnten Nordosten bezeichnend, weil hier die hohen Arbeitslöhne der Industrie und das Abströmen der ländlichen Bevölkerung in die Fabriken oder nach dem günstigere Aussichten bietenden Westen die Bearbeitung größerer Flächen mit fremden Hilfs- kräften fast unmöglich machen. Da der Nordosten als wenig fruchtbares Gletscherschuttland auch in .der Güte des Bodens mit dem mittleren Westen nicht wetteifern kann, so ist die Land- wirtschaft immer mehr zurückgegangen. In den stark industria- lisierten Neu-Englandstaaten hat seit 1860 das Kulturland um mehr als 2 Millionen Hektar oder um die Hälfte des früheren Bestandes abgenommen! Tausende verlassener Farmen stehen hier zum Verkauf, und Fabrikarbeiter sind an die Stelle der Landwirte getreten. Aber auch im agrarischen Süden und Süd- westen ist der Mangel an Arbeitskräften empfindlich fühlbar. Im Süden und im Mississippi-Tal haben die Farmen im allge- meinen eine mittlere Größe, während im dünn besiedelten Westen der Großgrundbesitz hervortritt. Hier, wo er durch den Wasser-\

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mangel auf weiträumigen Betrieb angewiesen ist, wird er aus klimatischen Gründen wohl auch in Zukunft bestehen bleiben müssen, um die Unsicherheit der Ernteerträge auf nicht be- wässertem Boden auszugleichen. Dagegen könnten im klima- tisch begünstigten Osten durch Aufteilung des noch sehr exten- siv ausgenutzten Bodens in kleine, aber intensiv bewirtschaftete Farmen noch Millionen von Menschen untergebracht werden. Immerhin ist die Durchschnittsgröße der Farmen 1850— 1880 von 202,6 Acres auf 134 Acres zurückgegangen, nicht zum wenig- sten wegen der Zerschlagung des Großgrundbesitzes des Südens nach dem Bürgerkrieg. Bis 191 o ist allerdings die mittlere Farm- größe wieder auf 138,1 Acres gestiegen, da sich besonders in den Weizen- und Maisbaugebieten der Prärie wieder eine Neigung zur Herausbildung größerer Farmen bemerkbar macht ^) .

In den baumarmen und steinlosen Prärien (No stumps, no stones !) mit ihrer weithin gleichmäßig ebenen oder flach welHgen Oberfläche sind zur Bodenbestellung, Ernte und Verladung Maschinen in außergewöhnlichem Umfang herangezogen worden. Die nordamerikanische Landwirtschaft wird überhaupt unter ausgiebiger Verwendung fabrikmäßiger Arbeitsmethoden und maschineller Hilfsmittel durchgeführt, die sogar den alten Acker- bauländern Europas ein mustergültiges Vorbild geworden sind. Denn bei den unzureichenden und teuren Arbeitskräften war man schon früh gezwungen, zu Zeit und Menschen sparenden Maschinen zu greifen, die es den Farmern überhaupt erst er- möglichten, ausgedehnte Feldfluren in Kultur zu nehmen. Weite Verbreitung besitzt der Motorpflug, und mit Dampf betriebene oder von einer Schar von Pferden gezogene Maschinen, die nur wenige Leute zur Bedienung brauchen, erledigen an einem Arbeitstage die Aberntung einer 8 ha umfassenden Fläche, indem sie die Halmfrüchte zugleich mähen, in Garben binden,, aus- dreschen, von der Spreu reinigen und in Säcke füllen. Scheunen wie unser Landwirt kennt der amerikanische Farmer nicht. Das Getreide wird vielmehr auf freiem Felde ausgedroschen und sofort zur nächsten Bahn- oder Schiffsstation gebracht, wo es in großen Lagerhäusern gesammelt wird. Daher gehören in den Getreidegebieten praktisch eingerichtete Speicher oder Ele- vators von zum Teil riesigen Ausmaßen zu den charakteristisch- sten Erscheinungen der Bahnhofsanlagen. Sie vertreten die Stelle unserer Scheunen und sind für schnelle und massenhafte

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Verladung der aufgehäuften Vorräte eingerichtet. In den- jenigen Landschaften, in denen das Vieh das ganze Jahr hin- durch auf der Weide bleibt und das trockene Winterklima die Aufstapelung von Stroh und Heu im Freien gestattet, gibt es auch keine Ställe. Dafür sind Windmotoren geradezu ein Wahr- zeichen nordamerikanischer Farmen, weil in der Union die Kraft des Windes im landwirtschaftlichen Betrieb viel mehr ausge- nutzt wird als bei uns.

Die klimatische Zweiteilung der Union in den feuchten Osten und trockenen Westen beeinflußt entscheidend auch die Landwirtschaft. Das anbaufähige Land liegt nämlich größten- teils östlich vom loo. Längenkreis., weil die Osthälfte überall dem Anbau zugänglich ist, soweit nicht Fels oder Sumpf ihn ausschließen. Wo heute die Feldfluren unabsehbar weit sich dehnen, breitete sich einst endloser Urwald oder die grenzlose Wiesenflur der Prärie aus. Während der Wald mühsam gerodet werden mußte, konnte die Prärie ohne weiteres unter den Pflug genommen werden. Den Hauptsitz landwirtschaftlicher Hoch- kultur, der zugleich der bäuerlichen Einwanderung den Weg vorzeichnete und die amerikanische Konkurrenz auf den euro- päischen Märkten fühlbar werden ließ, bilden die nördlichen Präriestaaten um den oberen Mississippi und den Missouri und die nördlichen Zentralstaaten um die Großen Seen und im Ohio- becken, deren warme, niederschlagsreiche Sommer das günstigste Wetter für das Gedeihen der Feldfrüchte darbieten. Der im Großen betriebene Mais- und Weizenbau wie die im Großen be- triebene Heugewinnung und Viehzucht sind in diesem Gebiet zu Hause, das mit Recht als Fertile Belt oder Fruchtbarer Gürtel bezeichnet wird. Im südatlantischen Küstenland nehmen Mo- räste und unfruchtbare, mit Kiefernhainen bedeckte Sand- flächen weite Räume ein. Im wenig fruchtbaren Gletscher- schuttland des klimatisch rauhen, aber siedlungsreichen Nord- ostens, wo die Bedürfnisse der großen Städte die Milch Verwertung lohnend machen, tritt das Weideland stärker hervor. Ebenso beherrscht es in Gestalt ausgedehnter Steppenweiden dort die Landschaft, wo Wassermangel oder unergiebiger Regenfall den Bodenbau einschränken. In den Steppen und Halbwüsten der Felsengebirgs- und Plateaustaaten oder des Arid West sind bloß noch oasenhafte Kulturflächen vorhanden, namentlich dort, wo das Trockenfarmen oder die Schaffung künstlicher Bewässe-

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rungsanlagen möglich ist. Erst im pazifischen Küstenland, das klimatisch eine Sonderstellung einnimmt, finden wir wiederum ein Gebiet ausgedehnter Bodenbewirtschaftung. Aber es ist räumlich viel zu beschränkt, als daß es eine ähnliche Rolle wie der Osten zu spielen vermöchte.

In demselben Maße, als neues Land urbar gemacht wurde, sind die Erträge gestiegen, wenn auch die reichsten Ernten erst in den Jahren 1912 und 1913 erzielt wurden *), da klimatische Wechselfälle und andere Ursachen wiederholt starke Schwan- kungen und empfindliche Rückschläge brachten. Die Ertrags- steigerung ist bisher vor allem durch die zunehmende Ausdeh- nung des Ackerlandes bewirkt worden, das von 113 Millionen Acres im Jahre 1850 auf 478,5 Millionen Acres im Jahre 1910 gewachsen ist. In den letzten Jahrzehnten ist aber die jährliche Zunahme des Farmlandes viel geringer gewesen als in früheren Jahrzehnten: ein deutlicher Hinweis darauf, daß der einstige Landüberfluß dem Ende entgegengeht und daß sich die räumliche Ausdehnung der Landwirtschaft einer Grenze nähert, die nicht mehr überschritten werden kann. Damit scheidet ein wichtiger Faktor aus, der immer wieder die Menschen anlockte und das meiste zur raschen Erschließung des Binnenlandes beigetragen hat. Bei dem riesenhaften räumlichen Wachstum der Union wurde nämlich das fast unbesiedelte Jagdgebiet der Indianer nach Verdrängung derselben zum Bundeseigentum erklärt. Da- mit fiel dem Staate ein ungeheurer Vorrat an öffentlichen Län- dereien zu, über den er im Interesse der Besiedelung frei und freigebig verfügen konnte. Jeder Kolonist erhielt ein ansehn- liches Stück Land umsonst oder für einen geringen Preis zur Errichtung einer Heimstätte und einer Farm. Große Land- schenkungen wurden auch den Bahngesellschaften gemacht, die ihre Linien durch die noch unbewohnte Wildnis legten, um sie mit wirtschaftlichem Leben zu erfüllen. Solange Raum reich- lich vorhanden war, erfolgte die Ertragssteigerung einfach da- durch, daß man den je nach der natürlichen Fruchtbarkeit 5 20 Jahre hindurch ausgenutzten und dann erschöpften Boden liegen ließ und ein neues Stück Land in Angriff nahm. Die Gewinnung unberührten Neulandes war daher eine der Haupt- triebfedern der großen amerikanischen Westwanderung. Raub- bau und Spekulation sind ja typische Merkmale der vereins- staatlichen Landwirtschaft. Der amerikanische Farmer ist genau

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derselbe berechnende Geschäftsmann wie der Kaufmann und Fabrikant. Er klebt auch nicht zäh am Alten und Veralteten wie der europäische Bauer. Vielmehr wendet er zur Erzielung eines hohen Augenblicksgewinnes und um möglichst schnell reich zu werden, alle technischen Fortschritte und die neuesten und wirksamsten Wirtschaftsmethoden an, wobei der das ganze Wirtschaftsleben beherrschende fabrikmäßige Massenbetrieb auch in der Landwirtschaft ausgiebige Anwendung findet. Da man aber die Felder bloß aussaugt, ohne ihnen durch Düngung neue Kraft zuzuführen und ohne ihnen durch Fruchtwechsel Er- holung zu gönnen, so gehen die durchschnittlichen Erträge allmählich zurück. Infolgedessen hat namentlich beim Baum- wollbau, der den Boden stark in Anspruch nimmt, vielfach schon künstliche Düngung Platz gegriffen.

Die Zeiten der schrankenlosen Ertragssteigerung durch Ein- beziehung immer neuer Bodenflächen in den raubbaumäßigen Betrieb sind seit dem Ende der Landnahme im großen ganzen vorüber. Neues Ackerland ist jetzt nur noch dadurch zu ge- winnen, daß man Viehweiden in Felder verwandelt oder den Sumpf-, Wüsten- und Steppenboden durch Entwässerung oder Bewässerung dem Ackerbau zugänglich macht. Denn der größte und beste Teü des Bodens befindet sich in festen Händen oder im Besitze von Spekulationsgesellschaften, die ihn nur für teures Geld verkaufen oder verpachten. So findet die Nachfiage nach Land in der Union keine Befriedigung mehr. Darum die starke Abwanderung von Farmern in die fruchtbaren Ackerbaupro- vinzen Kanadas, wie auch die Vereinigten Staaten als Weizen- versorger überseeischer Märkte hinter Kanada und Argentinien zurückzubleiben beginnen. Jedenfalls kann der bisher im Ver- trauen auf die Unerschöpflichkeit des Bodens geübte Raubbau nicht lange mehr fortgesetzt werden. Die Zukunft liegt in der intensiven und sachgemäßen Ausnutzung des bereits vorhandenen Ackerlandes. Nur unter dieser Voraussetzung ist bei der riesigen Ausdehnung der Anbauflächen noch eine gewaltige Ertrags- steigerung zu erwarten.

Ursprünglich gab es in Nordamerika nicht viele einheimische Nutzpflanzen von hervorragender Bedeutung, die schon vor Ankunft der Europäer angebaut und von ihnen übernommen wurden, vor allem Baumwolle, Mais, Tabak, Kartoffeln, Batate und Tomate. Heute spielen die aus Europa eingeführten Kultur- Hasse r t , Vereinigte Staaten. 1 1

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gewächse und Haustiere die Hauptrolle, die hier die besten Be- dingungen für ihr Fortkommen fanden. Freilich haben auch die ihnen folgenden Unkräuter sich schnell und massenhaft eingebürgert, so daß sie vielerorts zur Landplage geworden sind. Nach den Verschiedenheiten des Bodens und Klimas lassen sich verschiedene landwirtschaftliche Gebiete unterscheiden. Der kühlfeuchte Nordosten und Nordwesten ist die Haferzone, die landeinwärts mit zunehmender Wärme und Trockenheit in die Weizen- und Gerstenzone übergeht. Südwärts schließt sich im Bereiche der subtropischen Sommerregen der Mais- und Wein- gürtel an. Ihm reiht sich der Tabak- und Baumwollgürtel an, und den äußersten Süden kann man als Zuckerrohr- und Reis- zone bezeichnen.

Aufgabe dieses Kapitels kann es nicht sein, eine auch nur annähernd vollständige Aufzählung aller angebauten und wild wachsenden, einheimischen und eingeführten Nutzgewächse zu geben. Lediglich um eine Uebersicht der wichtigsten kann es sich im folgenden handeln.

Der Getreidebau hat sich über die gesamte Union ausge- dehnt und ist mit Hilfe richtiger Sortenwahl, des Trockenfarmens und künstlicher Berieselung immer tiefer in den trockenen Westen vorgeschoben. Sein Schwergewicht liegt aber in den nördlichen Zentralstaaten oder im Fertile Belt. Gegenüber dem Mais, Weizen und Hafer haben die übrigen Getreidearten eine untergeordnete Stellung (vgl. Tabelle 2). Weitaus obenan steht nach Umfang der Anbaufläche und nach Menge der Erträge der Mais, der auch an Vielseitigkeit der Verwendung unerreicht ist. Mit 90% der Produktion ist die Union unbestritten das erste Maisland der Weltwirtschaft. Allerdings kommt bloß ein sehr kleiner Teil der Ernten zur Ausfuhr, weil der Inlandsverbrauch ungeheuer ist. Als erste Körnerfrucht U.S.Amerikas wird der Mais kurz- weg als (Indian) Corn bezeichnet, wie auch die andern ger- manischen Völker ihre Haupt brotfrucht Korn nennen. Während der Mais im größten Teile Europas nicht mehr reift, sagt das heiße, niederschlagsreiche Sommerklima der Wärme und Feuch- tigkeit liebenden, aber zur Reife trockene Hitze verlangenden tropischen Körnerfrucht sehr zu und bedingt ihre üppige Ent- wicklung. Dank seiner Anpassungsfähigkeit ist der Mais in vielen Abarten über das ganze Land verbreitet. Seine Haupt anbau- gebiete hat er jedoch im oberen Mississippi-Becken vom mitt-

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leren Ohio bis ins mittlere Kansas und nach Texas, während er in den Südstaaten nicht annähernd in solchem Maße vor- herrscht wie im Corn Belt des Nordens. Der Ueberfluß an Kör- nern, Blättern und Stengeln dient in erster Linie als Viehfutter, namentHch zur Rinder- und Schweinemast, und hat eine Vieh- haltung größten Maßes hervorgerufen. Auf dem Mais beruht der ungeheure Schweinebestand der Vereinigten Staaten und die riesige Erzeugung und Versendung von Schinken, Speck und Schmalz. An ihn knüpfen sich auch mancherlei Industrien, wie die Herstellung von Maismehl, Maisstärke und Whisky, Traubenzucker und Sirup. Vom Menschen wird er geröstet, gekocht und als Mehl genossen und ist im weizenarmen Süden der wichtigste Brotstoff für die Negerbevölkerung geworden.

Ebenfalls in allen Teilen des Landes wird der Weizen kultiviert. Doch sind in den Südstaaten außer Texas die Er- träge aus klimatischen Gründen unbedeutend. Dafür gewinnt sein Anbau im Columbia-Tafelland immer mehr an Ausdehnung. Sein Hauptgebiet, das noch über die Nordgrenze der Union nach Kanada hineinreicht, sind aber Kalifornien ^) und die östlichen Prärienstaaten. Unabsehbar breiten sich hier in ähnlicher Aus- schließlichkeit wie im Süden die Baumwollpflanzungen die Weizen- felder aus und sind die Trägei einer großartigen Mühlenindustrie, weil Weizenmehl der vornehmste Brotstoff der Angloamerikaner und Engländer ist. Schon zur Kolonialzeit fand daher der Weizen in den atlantischen Kolonien Eingang, und seit den 40er Jahren ist er auch für die Ausfuhr die erste Körnerfrucht Nordamerikas geworden.

Der Hafer wird wegen seiner Wichtigkeit als Pferde- futter und wegen der Bedeutung der Haferpräparate für die menschliche Ernährung in solchem Umfang angebaut, daß er gleich hinter dem Mais folgt und die Union zum ersten Hafer- land der Erde macht. Doch wird die Konkurrenz Argentiniens und Kanadas hier in ähnlicher Weise fühlbar wie beim Weizen. Der Hafer ist als Getreideart der nördlichen gemäßigten Zone vor allem in den kühlfeuchten Strichen des vereinsstaatlichen Nordostens und Nordwestens heimisch. Auch im oberen Missis- sippi-Gebiet und bis tief hinein in die Prärie ist er zu Hause.

Gerste wird hauptsächlich in der nördlichen Prärie und in Kalifornien gewonnen. Noch vor wenigen Jahrzehnten war ihie Anbaufläche kleiner als die des Roggens, den sie jedoch infolge

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der gesteigerten Nachfrage zu Futter- und Brauereizwecken überholt hat.

Der Roggen tritt ganz zurück, weil er nicht, wie in Ost- und Mitteleuropa, das bevorzugte Brot körn ist. Er findet sich im wesentlichen bloß dort, wo Deutsche, Russen und Skandi- navier in größerer Anzahl siedeln oder wo ursprünglich deutsche Niederlassungen gegründet waren. Der Amerikaner dagegen schätzt den Roggen nur als Rohstoff für den Kornbranntwein. Seit nun die Mäßigkeitsbewegung den Roggenbau zur Brannt- weinbereitung unlohnend gemacht hat, ist die Landwirtschaft in den Neu-Englandstaaten stark zurückgegangen, weil deren Klima anderen Getreidearten weniger zusagt.

Auf magerem Boden gedeiht der Buchweizen, der in den Nor dost Staaten, besonders in New York und Pennsylvanien, als Nebenfrucht gebaut wird. Im Süden und Westen hat er sich trotz starker Nachfrage nach Buchweizenmehl und -grütze nicht eingebürgert. Auch aus vielen Gegenden des Nordens, in denen er früher häufiger war, ist er wieder verschwunden.

In den Südstaaten spielt seit langem der Reis eine Rolle. In Süd-Carolina wurde er bereits zu Ende des 17. Jahrhunderts angepflanzt, und sein Anbau hat in den sumpfigen, feuchtwarmen Schwemmländern der Atlantischen und Golfniederung eine beträchtliche Ausdehnung erfahren. Auch in der dem Hoch- wasser ausgesetzten und ständiger Bewässerung zugänglichen Mississippi-Niederung breitete er sich aus, so daß der Süden bis zum Bürgerkriege ansehnliche Reisernten erzielte. Weil aber die Malaria in den sumpfigen Anbaugebieten weiße Arbeit aus- schaltete und farbige Hilfskräfte verlangte, so ging die Reis- kultur nach Aufhebung der Sklaverei stark zurück. Seit jedoch die texanische Prärietafel, Arkansas und Kalifornien unter Zu- hilfenahme künstlicher Bewässerung dem Reisbau erschlossen wurden und zum Unterschied von den urwüchsigen Methoden und Werkzeugen der chinesischen Reisbauern die vervollkomm- neten maschinellen Hilfsmittel der amerikanischen Landwirt- schaft zur Anwendung gelangten, sind die Erträge rasch über die vor dem Bürgerkriege gewonnenen Mengen hinausgegangen und können für die Zukunft noch wesentlich gesteigert werden. Obwohl die Union wegen der starken Nachfrage noch viel Reis einführen muß und im Ertrage hinter Ostasien weit zurück- bleibt, ist sie das wichtigste Reisbauland des europäischen Kul-

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turkreises geworden. Die Hauptstätten der Gewinnung sind aber nicht mehr die beiden Carolinas und Georgia, sondern Loui- siana und Texas, Im nördlichen Unionsgebiet ist der Wasser- reis (Zizania aquatica) nicht selten, der neben dem Mais das einzige einheimische Getreide der Ureinwohner war. Er bevor- zugt den schlammigen Boden der seeartigen Ausweitungen der Flüsse des Seen- und oberen Mississippi- Gebietes, wo er von den Indianern alljährlich geerntet wird.

Dem Kartoffel bau haben klimatische Unbilden und mancherlei Schädlinge, namentlich Coloradokäfer und Fäulnis pilze, große Schwierigkeiten bereitet. Dennoch sind die Anbau- flächen und Erträge ständig gewachsen, wenn es auch die Union mit Europa in keiner Weise aufzunehmen vermag. Denn ähnlich wie in ItaHen wird die Kartoffel in einem Lande, das Brotgetreide überreichlich hervorbringt, viel weniger genossen und tritt daher in der Volksernährung zurück. Im trockenen Westen ist die Be- deutung der Kartoffel ganz gering. Ihr Hauptgewinnungs- gebiet ist der Nordosten, wo sie etwa dieselbe Verbreitung hat wie der Hafer. Im Süden wird sie durch die Batate oder Süß- kartoffel ersetzt, die der Hitze und dem Sandboden der Atlan- tischen und Golfniederung gut angepaßt ist. So steht der nördlichen Kartoffelzone eine südliche Batatenzone gegenüber, deren nahrhafte und wohlschmeckende Früchte auch im Norden viel verzehrt werden.

Sehr ausgedehnt und vielseitig ist ferner der Gemüse bau, der trotz des starken Verbrauches im eigenen Lande auch den Weltmarkt mit getrockneten oder in Büchsen und Gläsern ein- gelegten Erzeugnissen versorgt. Das Hauptanbaugebiet ist neben Kalifornien die atlantische Küstenniederung, weil hier die billige Wasserverfrachtung nach den Orten des stärksten Absatzes, den großen Städten des Nordostens, am leichtesten durchführbar ist. Indem nun die verschiedenen Landesteile nach Austausch streben, ist neben der in der Umgebung aller größeren Siedlungen blühenden Handelsgärtnerei eine groß- artige Versandgärtnerei (Truck Farming) entstanden, die auch die Gewinnung von Früh- und Wintergemüsen betreibt und sich sehr spezialisiert hat. Besondere Farmen von zum Teil riesiger Ausdehnung befassen sich nur mit einer oder einigen wenigen Gemüsearten. Auch die einzelnen Staaten haben charakteristi- sche Spezialkulturen. So sind Georgia, Süd-Carolina und New

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Jersey berühmt durch ihre Gurken und Melonen. Maryland und Delaware liefern geschätzte Tomaten. Michigan ist bekannt durch Erbsen und Sellerie und Virginia durch Spinat. Long Island und Staten Island leisten Hervorragendes in der Aufzucht von Spargel, Bohnen und Blumenkohl.

Die Vereinigten Staaten sind ferner ein Obst land ersten Ranges. Gewaltig ist die Menge der Beerenfrüchte, von denen die Erdbeeren in ausgedehnten Kulfuren gezogen werden, und der Obstbäume verschiedenster Art. Alle wertvollen Obst arten sind eingeführt und haben sich trefflich entwickelt. Immerhin ist die Zahl der Stein- und Kernobstbäume mit 440,3 Millionen Stück (1910, geg^n 193,5 Mülionen im Jahre 1890) nur reichlich doppelt so groß wie diejenige Deutschlands, das 1913 196,1 Milli- nen Kernobstbäume aufwies, so daß der Erdteil Europa an Obst- baumbeständen U.S.Amerika weit übertiifft. Trotzdem ist der amerikanische Obstbau bewundernswert, weil er in der Nord- hälfte der Union sehr stark von der Ungunst der klimatischen Verhältnisse beeinflußt wird und abgesehen von Schädlingen hart gegen Frühlingsfröste und nicht immer ausreichende Sommerwärme zu kämpfen hat. Gleich allen Zweigen der ameri- kanischen Landwirtschaft wird er in' fabrikmäßigem Großbe- trieb und mit allen technischen Hilfsmitteln für Lagerung, Ver- packung und Versand durchgeführt und liefert über den Eigen- verbrauch hinaus dem Welthandel gewaltige Mengen frischer, getrockneter, eingemachter oder zu Mus verarbeiteter Früchte. Demgemäß hat auch die Obstkonserven-Industrie einen immer größeren Umfang erlangt.

Mit 217,1 Millionen Bäumen, wegen seines guten Gedeihens und seiner reichlichen Erträge ist der Apfelbaum der wichtigste amerikanische Obstbaum. Seine wohlschmeckenden Früchte gelangen in frischem Zustande bis auf die europäischen Märkte. In den Nordstaaten sind sie so billig und massenhaft, daß sie oft kaum die Ernte lohnen. Nächst dem Apfel muß der Pfirsich (136,8 Millionen Bäume) als die nationale Frucht der Ameri- kaner und als verbreit etste Obstart in der Union gelten. Die Schnelligkeit, mit der die aus Kernen gezogenen Bäume zu voller Tragfähigkeit heranwachsen, ihre verhältnismäßig geringen Bo- denansprüche und die riesige Nachfrage nach den gern genossenen Früchten haben die Pfirsichkultur überaus lohnend gemacht. Die übrigen Obstarten treten nach Menge und Verbreitung ent-

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schieden zurück. Sie haben vornehmUch in den pazifischen Küstenstaaten und in den Berieselungsgebieten der südHchen Felsengebirgstäler Eingang gefunden. Vor allem ist Kalifornien, das »Land der Früchte und des Sonnenscheins«, wegen seines trockenwarmen subtropischen Klimas neben den Staaten New York und Washington und der Halbinsel Florida das erste Wein- und Obstland der Vereinigten Staaten und eines der ersten Obstbaugebiete der Erde geworden. Es ist der Hauptsitz der amerikanischen Fruchtkonserven-Erzeugung, da die durch Größe und Wohlgeschmack ausgezeichneten, saft- und zucker- reichen kalifornischen Früchte sich auch in Europa besonderer Wertschätzung erfreuen. Für Feigen, Mandeln und Oliven ^) hat das trockenwarme Süd-Kalifornien ein natürliches Monopol, und seine Wüstensteppen mit ihren dem Klima der Sahara ent- sprechenden Lebensbedingungen haben bei künstlicher Be- wässerung auch die Einbürgerung der Dattelpalme be- günstigt. Da hier und in Arizona die Dattelerträge gut und reichlich sind, so schreibt man dieser Kultur eine gute Zukunft zu.

Als Land der Agrumen oder Sauerfrüchte ') hat Süd- Kalifornien die nächstwichtigen subtropischen Landschaften Florida und Louisiana weit überflügelt. Die Agrumen wurden schon am Ende des 16. Jahrhunderts von den Spaniern nach Florida gebracht. Aber schwere Kälterückfälle, die jedes Jahr- hundert mehrmals eintreten, haben die frostempfindlichen, immergrünen Bäume vernichtet, so daß sie neu angepflanzt werden mußten ^). Doch gestatten jetzt die Warnungen des öffentlichen Wetterdienstes, rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu treffen. Namentlich durch Schutzbauten sucht man Schädigungen nach Möglichkeit einzuschränken. Doch ist inzwischen Kali- fornien an die erste Stelle getreten, weil hier die Fröste viel milder und kürzer sind, also auch viel weniger Schaden anrichten. Süd-Kalifornien weist heute drei Viertel aller vereinsstaatlichen Apfelsinen- und Zitronenbäume auf, und die Erträge sind so reichlich, daß die Einfuhr aus Südeuropa kaum noch in Betracht kommt. Aus Abfall-Zitronen wird auch die bisher aus Europa bezogene Zitronensäure hergestellt.

Der Südfruchtbau Süd- Kaliforniens hat wegen der trockenen Hitze des regenarmen oder regenlosen Sommers die Schaffung eines ausgedehnten Berieselungsnetzes erforderlich gemacht. Soweit das Wasser nicht aus den Randgebirgen kommt, wird es

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in den Ebenen durch Windmotoren oder Dampfpumpen an die Erdoberfläche gehoben und in Brunnen geleitet, aus denen es in lange, schmale Furchen zwischen den Baumreihen abfließt. Um die kostspieligen Bewässerungsanlagen zu schaffen und bei der Wasserzuführung einheitlich vorzugehen, haben sich die Pflanzer zu Genossenschaften vereinigt, die auch den Frucht- verkauf durch zahlreiche Agenten regeln, nicht ohne sorgsame Berücksichtigung der Wetterlage. Der Wetterdienst findet in Amerika überhaupt viel größeres Interesse und Verständnis als bei uns. Kündigt z. B. das Wetteramt eine Kältewelle für irgendeine Stadt an, so werden die Fruchtsendungen dorthin sofort verringert. oder eingestellt, weil das Verlangen nach ihnen voraussichtlich nicht groß sein wird. Steht dagegen eine länger anhaltende Hitzewelle in Aussicht, so gehen unverzüglich einige Sonderia düngen Apfelsinen und Zitronen ab.

Weiter Verbreitung erfreut sich auch der Wein bau, der teils von den Spaniern, teils von deutschen und französischen Winzern eingeführt wurde. Er reicht nordwärts bis zum Ontario- see, schneidet den unteren Missouri bei Kansas City und berührt den Atlantischen Ozean unter 41 ^ den Stillen Ozean unter 39 ^ N, 30 daß er ungefähr dieselbe Verbreitungsgrenze wie der Mais be- sitzt. Infolge der gefährlichen Kältewellen hat er jedoch in den nördlichen Landschaften des Ostens nur an den das Klima mil- dernden Wasserflächen der St. Lorenzseen und den durch ihre Tafeltrauben berühmten Fingerseen größere Bedeutung erlangt. Hier werden die klimahärteren einheimischen Reben ange- pflanzt, während die europäischen Reben nicht fortkommen. Doch ist es gelungen, durch die Veredlung einheimischer mit europäischen Reben brauchbare Gewächse zu erzielen. Das weitaus wichtigste Weinbaugebiet ist aber dank seinem milden Mittelmeerklima wiederum Kalifornien, auf das zwei Drittel der (1910: 284 Millionen zählenden) Weinstöcke entfallen. Hier haben vor allem europäische Reben Eingang gefunden. Die Ernten an Tafeltrauben und Rosinen und die Weinkelterei sind so beträchtlich, daß Kalifornien allein die gesamte Rosinen- bereitung, sowie 80% der Trauben- und Weingewinnung trägt. Das Antialkoholgesetz hat natürlich die Weinerzeugung schwer geschädigt. Es dürfte auch auf den Hopfen bau nicht ohne Einfluß bleiben, der sich so entwickelt hatte, daß U.S.Amerika in erfolgreichem Wettbewerb mit Europa der wichtigste Hopfen-

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lieferant der Weltwirtschaft geworden war. Trotz starker jähr- licher Ertragsschwankungen gelangten viel beträchtlichere Men- gen zur Ausfuhr, als die Bierbrauerei des eigenen Landes be- nötigte. Der Schwerpunkt des Anbaues lag lange im Staate New York, hat sich aber immer mehr ins Kalifornisch-Orego- nische Längstal verschoben und Oregon zum führenden Hopfen- staat gemacht.

Die transatlantische Republik ist bei dem starken Zucker- bedürfnis ihrer Bewohner und ihrer Industrie einer der gewaltig- sten Zuckerverbraucher. Zuckerrohr und Zuckerrübe, Zucker- hirse, Zuckerahorn und Mais sind die wichtigsten Versorgungs- quellen. Aber das Zuckerrohr beschränkt sich als eine sehr frost- empfindliche und einen sehr nährstoffreichen Boden verlangende Pflanze der feuchtwarmen Tropen in ähnlich enger Verbreitung wie der Reis auf die küstennahen Marschenländer von Louisiana, Florida und Texas, ohne daß seine Kultur zu einer sonderlich herrschenden Stellung gelangt wäre. Denn in diesem nördlich- sten Verbreitungsgebiet des Rohrzuckerbaues reift nur ein Teil der Stengel soweit aus, daß er sich zum Auspressen eignet. Der Ertrag ist daher viel geringer als in den Tropen, und dasselbe Gewächs, das im benachbarten Westindien ausdauernd ist, muß hier wegen der tödlichen Winterkälte alljährlich neu gepflanzt werden. Daher vermag die Union den Rohrzucker nur zum kleinsten Teil durch eigene Erzeugung zu gewinnen, weshalb er der erste und wichtigste Einfuhrgegenstand ist, der das Streben der Amerikaner nach einer maßgebenden Stellung in den benachbarten Zucker ländern Kuba, Puerto Rico und Hawaii und auf den Philippinen erklärt. Nicht minder eifrig hat man sich dem Zuckerrübenbau zugewendet, der nach anfänglichen Mißerfolgen eine lebenskräftige Industrie hervorgerufen hat, seitdem der trockenwarme Westen ausgiebiger zum Anbau herangezogen wurde und künstliche Bewässerung die Abhängig- keit von den Niederschlägen ebenso ausgeschaltet hat wie die Gefahr allzugroßer Nässe. Colorado und Kalifornien sind neben Utah und Michigan die Hauptsitze dieses Wirtschaftszweiges geworden, nachdem deutsche Firmen die ersten Zuckerfabriken in der Union errichtet hatten. Die durch den Weltkrieg mäch- tig gesteigerte Rübenzucker-Erzeugung der Union deckt bereits 20% des Verbrauches. Schreitet die durch hohe Abwehrzölle geschützte Zuckerindustrie in gleichem Maße fort wie bisher, so

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wird die Union ihren Bedarf in absehbarer Zeit selbst bestreiten können. Schon jetzt sind die Erträge viel höher als in den besten Zeiten der Neger sklaver ei.

Hinter dem Rohr- und Rübenzucker, deren Abfälle als Vieh- futter, Feuerungsmaterial und Rohstoff für die Papierverfertigung dienen, tritt die Zuckerhirse (Sorghum) zurück. Sie wurde erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführt, hat aber weite Verbreitung gefunden, namentlich im Ohio- und Mississippital. Viel geringer ist die Bedeutung des Ahornzuckers, obwohl Buch- weizenkuchen mit Ahornsirup eine der beliebtesten nordameri- kanischen Süßspeisen sind. Der Ahornzucker wird durch An- zapfen und Eindampfen des Saftes des Zuckerahorns gewonnen, der waldbildend etwa im Gesamtbestand von 19 Millionen Bäumen vornehmlich in den Staaten Vermont, New York, Pennsylvanien und Ohio heimisch ist.

Die wärmeren Landesteile sind auch die hauptsächlichsten Anbaugebiete des Tabaks, von dem das Hauptland der Union mehr als das gesamte Europa, rund ein Drittel der Weltpro- duktion, hervorbringt. Da U.S.Amerika aber nicht bloß einer der ersten Tabaklieferanten, sondern zugleich einer der größten Tabakverbraucher ist, so ist neben der Ausfuhr auch die Ein- fuhr, vorzugsweise besserer Sorten, ständig gestiegen. Der Tabak war der erste und wertvollste Handelsgegenstand, der schon zur Kolonialzeit in reichlicher Menge nach Europa gelangte. Der älteste Tabakbau fand in Virginia statt, dessen frühe Ent- wicklung und Besiedlung ganz auf ihm beruhte. Von hier breitete er sich allmählich über seine heutigen Kulturgebiete aus. Da er plantagenmäßig im Großen angepflanzt wurde, so hat er nicht zum wenigsten die Einbürgerung der Negersklaverei veranlaßt und beherrschte den Süden solange, bis das Aufkommen des noch lohnenderen Baumwollbaues seine Vormachtstellung brach. Doch ist der Tabak nach wie vor eines der wichtigsten Handels- gewächse der Union und nährt eine bedeutende Industrie. Aller- dings sind die Ernten und damit die Ausfuhrmengen je nach dem Klima starken Schwankungen unterworfen. Auch die Güte des Blattes tritt hinter der Massenerzeugung zurück, weil die regenreichen Sommer des vereinsstaatlichen Ostens der Er- zielung feiner Sorten nicht günstig sind. Die Hauptmasse des nordamerikanischen Tabaks stammt aus der östlichen und west- lichen Fußhügelregion der Appalachen, vor allem aus Kentucky,

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das mit de^ Zeit der erste Tabakstaat der Union geworden ist und in Louisville den größten Tabaksmarkt Nordamerikas be- sitzt. Doch ist der Anbau heute nicht mehr auf den wärmeren Süden beschränkt, da er auch in Washington und in den Neu- Englandstaaten Fuß gefaßt hat. Gerade die besten Sorten, die sogenannten Seedleaf-Tabake, werden in den Tälern des Connec- ticut und des unteren Susquehanna gezogen. Durch ihre Fest- setzung in Kuba, Puerto Rico und auf den PhiHppinen ist die Union auch ein wichtiger Lieferant edler Tabake geworden.

An Gespinstpflanzen ist U.S.Amerika nicht arm. Vor der Zeit des Baumwollbaues spielten Flachs und Hanf eine wichtige Rolle und wurden in ausgedehntem Maße angebaut. Weil sie jedoch eine ziemlich intensive Kultur verlangen, für die nach dem Aufhören der billigen Sklavenarbeit die Kräfte fehlen, und weil auch das Klima einer für feine Gewebe brauchbaren Faser entgegensteht, so ist die Anbaufläche sehr zurückgegangen. Der Lein oder Flachs wird heute nicht wegen seiner Fasern, sondern wegen der ölhaltigen Leinsaat hauptsächlich in den westlichen Zentralstaaten, also in der Prärie angebaut. Der Hanf gibt nur eine grobe Faser für die Herstellung von Tauen. Feinere Sorten müssen eingeführt werden. Doch hat die zu- nehmende Nachfrage nach Sisalhanf dazu geführt, daß man in, Florida mit der Einbürgerung der Sisalagave begonnen hat.

Die vornehmste Gespinstpflanze aber und neben dem Ge- treide das wichtigste Handelsgewächs der Union ist die Baum- wolle, als Träger eines gewaltigen Wirtschaftslebens nicht mit Unrecht als King Cotton oder König Baumwolle gepriesen. Aus klimatischen Gründen sind ihr Anbaugebiet die Südstaaten, die darum auch Baumwollstaaten heißen. Schon 1607 war die erste westindische Baumwollsaat nach Virginia gebracht worden, wo sie so gute Entwickelungsbedingungen fand, daß der Anbau sich allmählich über die südatlantische Niederung ausbreitete. Aber noch 1790 beschränkte er sich auf einen schmalen Küsten- streifen, und die Gesamterzeugung erreichte kaum 4000 Ballen ®). Der großartige Aufschwung wurde erst dadurch angebahnt, daß 1793 Eli Whitne y'eine gute Entkörnungs- oder Egre- niermaschine (Saw-Gin) erfand ^°) und daß die gleichzeitige Er- findung der Spinnmaschine und des mechanischen Webstuhles in England eine gewaltige Nachfrage nach gereinigter Baum- wolle hervorrief. Nur durch diese technischen Errungenschaften

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und die dadurch bewirkte Verbilligung und Massensteigerung der Rohstoff gewinnung konnte die damals noch sehr dünn be- wohnte Union der erste BaumwoUversorger der Weltwirtschaft werden, weil nunmehr das erstaunlich schnelle Wachstum der Produktion und mit ihr die Ausbreitung des Baumwollbaues übei immer neue Gebiete, besonders über die Golf- und untere Mississippi-Niederung; einsetzte. Sie gab den folgenschwersten Anstoß zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung der Südstaaten, die freilich zugleich bis zum Bürgerkriege die Neger sklaver ei immer enger mit ihnen verknüpfte und ihre Wirtschaft durch- aus einseitig gestaltete, weil sie ausschließlich auf die Gewinnung von Rohbaumwolle eingestellt war. Noch heute bestimmt der Baumwollbau die Landwirtschaft des Südens, dessen typische Kulturlandschaft die von meist arg gelichteten Kiefernwaldungen umrahmten Baumwollfelder mit ihren schwarzen Arbeiter- scharen und den landesüblichen Mault ierkairen sind.

Das Gebiet, in dem die an ein tropisches und subtropisches Klima gebundene Pflanze allein angebaut werden kann, heißt Cotton Belt oder Baumwollgürtel. Er ist dreimal größer als das Deutsche Reich, aber nur zum Teil wirklich mit Baumwolle be- pflanzt. Außerhalb des Cotton Belt findet sie nicht mehr die ihrem Gedeihen zusagenden Klimabedingungen, starke Nieder- schläge und hohe W^ärme zur Wachstumszeit, Hitze und Trocken- heit zur Reifezeit, wenn die Kapseln aufspringen. Unzeitiger Regenfall und unzeitige Fröste sind daher neben mancherlei pflanzlichen und tierischen Schädlingen die Hauptfeinde dieses empfindlichen und in den jährlichen Ernteerträgen stark schwan- kenden Nutzgewächses, das in seiner tropischen Urheimat baumartig und ausdauernd ist, während es in der Union eine krautartige, einjährige Pflanze ist, die wie das Zuckerrohr jedes Jahr neu gepflanzt werden muß.

Die Grenzen des Baumwollbaues werden im Osten und Süden durch das Meer bestimmt. Im Norden reichte er früher bis Illinois, konnte sich aber wegen der Ungunst des Klimas nicht dauernd behaupten und keinen größeren Umfang annehmen. Auch aus größeren Meereshöhen hat er sich wieder zurückge- zogen. Heute gilt der 37. Breitengrad als äußerste, nur an wenigen Stellen überschrittene Nordgrenze des lohnenden Baumwoll- baues. Dafür hat innerhalb der Süd Staaten eine allmähliche Ver- schiebung der Kulturen nach Westen hin stattgefunden. Dank

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ihrem fruchtbaren Boden wirft nämlich die »Schwarze Prärie« des südöstlichen Texas seit langem die reichsten Ernten ab und hat dadurch Texas zum ersten nordamerikanischen Baumwoll- staat gemacht, hinter dem der nächst wichtige, Georgia, erst in weitem Abstand folgt. Neuerdings haben sich auch Arizona und Süd-Kalifornien unter Zuhilfenahme künstlicher Bewässerung dem Baumwollbau zugewendet. Der texanische Haupthafen Galveston ist der erste Baumwollausfuhrplatz der Welt geworden und hat den zweitbedeutendsten, New Orleans, weit überholt. An dritter Stelle folgt das einst obenan stehende Savannah. Die anderen Hafenstädte der Südstaaten dienen ebenfalls vor- nehmlich der Baumwollausfuhr.

Arizona und Süd-Kalifornien bauen wegen ihres wüstenhaf- ten Klimas vorwiegend ägyptische Baumwolle an. In den Süd- staaten sind zwei tropische Arten eingebürgert, die sich durch einen verschieden langen Stapel voneinander unterscheiden. Gossypium Barbadense, die westindische oder Barbados-Baum- wolle, mit gelben Blüten und nackten Samen, ist die lang- imd feinstapelige Sorte. Ihre feinste Abart, die salzhaltige Luft liebende Sea Island Cotton oder Meerinselbaumwolle, gedeiht ausschließlich im Seeklima der atlantischen Strandinseln und der unmittelbar anstoßenden Küstenniederungen von Süd- Carolina und Georgia. Sie liefert wegen ihrer beschränkten An- baufläche bloß einen kleinen, aber den bestbezahlten Teil der Ernte. Gossypium hirsutum oder die Strauchbaumwolle mit weißHchen bis rötlichen Blüten, behaarten Samen und mittel- langem Stapel bringt in mancherlei Spielarten die Hau^tmenge der vereinsstaatlichen Baumwolle hervor. Weil sie meist im Binnenland kultiviert wird, heißt sie Upland Cotton oder Ober- landbaumwolle.

Zur Versendung gelangt die Baumwolle in mächtigen, durch eiserne Reifen zusammengehaltenen und außerordentlich fest zusammengepreßten Ballen. 1830 wurde knapp i Million er- reicht. 1864 sank der Ertrag infolge des Bürgerkrieges bis unter 300 000 Ballen und gewann erst 1879 mit 5 Millionen Ballen wieder die Höhe von 1860. Die ersten 10 Millionen Ballen wurden 1894 überschritten. Aber erst seit 1902 blieb die Ernte dauernd über dieser Zahl und erreichte 1912 den Höchststand von 16,25 Millionen Ballen. Obwohl der vereinsstaatliche Baumwollbau seit dem Bürgerkriege von Jahr zu Jahr an Ausdehnung ge-

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Wonnen hat, könnte er bei genügenden Arbeitskräften noch wesentHch gesteigert werden, so daß der Produktionszunahme noch lange keine Grenzen gesetzt sind. Der Baumwollhandel ist im wesentlichen an der New Yorker Börse zentralisiert, die den Welt mar ktspreis bestimmt. Da über Menge und Güte der Ernte das Wetter entscheidet, so ist in einer Ecke des Börsen- saales eine große Wetterkarte angebracht, die fleißig betrachtet wird, Der wichtigste Baumwollmarkt Europas, über den an- fangs ausschließlich der Bedarf unseres Erdteils bezogen wurde, ist Liverpool. Erst als der Baumwollverbrauch des europäischen

Festlandes denjeni- gen Großbritan- niens überflügelt hatte, traten die Kontinentalhäfen mit Nordamerika in unmittelbare Ver- bindung. Seitdem ist neben Liverpool die Bremer Baum- wollbörse maßge- bendgeworden (vgl. Tabelle 3).

Die britische Baumwollindustrie stützte sich von

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Baumwolle in den Vereinigten Staaten.

Ernte, Eigenverbrauch und Ausfuhr in Ballen.

(i Ballen = 500 engl. Pfund = 233 kg).

Hause aus auf Westindien und Brasilien, weil nur diese Gebiete mit ihrer billigen Sklavenarbeit einen gewinnbringenden Baumwoll- bau für Ausfuhrzwecke treiben konnten. Die nordamerikanische Baumwolle gewann erst dann Bedeutung für den Außenhandel, als auch hier Negerarbeit die Ausfuhr lohnend machte. Rasch schwang sich nunmehr die vereinsstäatliche Baumwolle zur Beherrscherin des Weltmarktes und zur Versorgung aller Textil- industrieländer auf, bis der Bürgerkrieg sie für mehrere Jahre wieder vollständig aus ehalt et e. Die Folge war eine ungeheure Preissteigerung und schließlich das gänzliche Ausbleiben des Rohstoffes. Um die Wiederkehr einer so gefährlichen Bedrohung des europäischen, besonders des englischen Baumwollgewerbes zu verhüten, einer Krise, die als Baumwollhungersnot (Cotton Famine) bekannt geworden ist, wandte man nunmehr die Auf-

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merksamkeit den lange vernachlässigten indischen und ägyp- tischen Anbaubezirken zu. Auch Rußland bürgerte später in seinen zentralasiatischen Besitzungen und Einflußgebieten die wertvolle Gespinstpflanze ein. Eine Zeitlang schien die Vor- herrschaft der vereinsstaatlichen Baumwollkultur bedroht zu sein, weil man glaubte, daß die Sklavenbefreiung ihr die billigen Arbeitskräfte geraubt hätte. Indes das Gegenteil ist der Fall gewesen. Zwar kann der Neger in den Pflanzungen noch heute nicht entbehrt werden. Aber neben ihn sind immer mehr weiße Arbeiter und Maschinen getreten, so daß die Produktion weit über die vor dem Bürgerkriege gewonnenen Mengen hinaus- gegangen ist. Heute sind die Vereinigten Staaten wieder un- bestritten das erste, größte und wichtigste Baumwolland, das über die Hälfte bis Zweidrittel der in den Welthandel gelangen- den Rohbaumwolle liefert, so daß die Abhängigkeit der euro- päischen Gewebe-Industrie von der Union nach wie vor fortbe- steht. Seit dem Bürgerkriege setzte auch eine nicht unerheb- liche Einfuhr "fremder, meist feiner ägyptischer Baumwolle in die Vereinigten Staaten ein. Nachdem sie lange unter lo ooo Ballen geblieben war, begann sie von 1889 ^^ rasch zu steigen, um seit 1895 über 100 000 Ballen hinauszugehen und 1906 200 000 Ballen zu überschreiten.

In U.S.Amerika selbst wurde die Baumwolle bereits zur Kolonialzeit für den häuslichen Bedarf verarbeitet. Dagegen nahm die fabrikmäßige Industrie erst 1790 ihren Anfang und hielt sich Jahrzehnte hindurch in bescheidenen Grenzen, Die BaumwoU- und Wollmanufaktur war zuerst in Neu-England zu Hause, wo sie Ueberfluß an billigen Wasserkräften und ein feuch- tes, für die Erzeugung feiner Gewebe günstiges Klima fand, während die Nachbarschaft des Meeres den überseeischen Versand erleichterte. Mit dem Fortschreiten der Technik hat der Einfluß der geographischen Faktoren abgenommen. Man zieht jetzt die künstlich erzeugte und regulierte Feuchtigkeit der natür- lichen vor, und der Dampf ist an die Stelle der Wasserkraft getreten. Doch sind die Neu Englandstaaten immer noch die Hauptsit^e der Baumwollindustrie. NamentHch in den Städten Lowell und Fall River in Massachusetts sind Fabriken ent- standen, die zu den größten ihrer Art gehören. Allmählich hat sich jedoch die Baumwoll Verarbeitung über den ganzen Nord- osten und immer mehr auch über den Süden ausgebreitet. Hier,

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wo sie noch nach dem Bürgerkriege völlig unbekannt war, hat sie seitdem die größten Fortschritte gemacht. Denn hier ist sie dem Rohstoff am nächsten, veifügt über die Neger als Hüfs- kräfte, und der Panama-Kanal eröffnet ihr in den pazifischen Randländern bequeme Absatzgebiete. Alles in allem steht die Baumwollindustrie der Vereinigten Staaten nur hinter der bri- tischen zurück ^^).

Diese gewaltige Entwicklung ist auf Europa nicht ohne Einfluß geblieben. Denn während früher der weitaus größte Teil der vereinsstaatlichen Rohbaumwolle in unserm Erdteil verarbeitet wurde, gehen jetzt etwa zwei Fünftel der Ernte nicht mehr außer Landes. Sie bilden die Grundlage einer groß- artigen Textilindustrie, die auf den Weltmärkten in immer fühlbareren Wettbewerb mit Europa tritt. Die Hauptabnehmer der amerikanischen Baumwollfabrikate sind China, Mittel- amerika und Westindien. Dabei hat die Union vor Europa den gewaltigen Vorteil voraus, daß sie im Bezug des unentbehrlichen Rohstoffes nicht vom Ausland abhängig ist. Da auch die Trusts einen maßgebenden Einfluß auf die Baumwollpreise gewonnen haben, so streben die europäischen Kolonial- und Industrie- länder nach der Gewinnung eigener Anbaugebiete, um sich vom amerikanischen Baumwollmonopol und von den Preistreibereien der Spekulation frei zu machen i^).

Außer der Baumwolle werden auch die früher sehr vernach- lässigten Nebenprodukte in wachsendem Umfang ausgenutzt, namentlich seit Maschinen das schnelle Schälen der bisher als wertlos weggeworfenen Baumwollsamen besorgen. Aus ihnen wird das zur Speiseöl- und Margarineherstellung hochwichtige Baum- wollöl gepreßt. Die Stickstoff reichen Rückstände dienen als Kunstdünger oder werden zu Oelkuchen und Baumwollsaat- mehl als Kraftfutter für das Vieh verarbeitet. Deutschland war bis zum Weltkriege der beste Abnehmer.

Zu den vornehmlich, wenngleich nicht ausschließlich im Süden gedeihenden Oelfrüchten gehört auch die Erdnuß. Im Küstenlande Virginias wird sie im Großen angebaut und in ausgedehntem Maße zur Bereitung von Speiseöl verwendet. Erstaunliche Mengen dienen ferner roh und geröstet als mensch- liches Nahrungsmittel, und bei den Mahlzeiten wird gern ein Schüsselchen mit Erdnüssen »zum Knabbern« neben den Teller gestellt 13).

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Der Anbau der Nutzgewächse der heißen Zone beschränkt sich auf den tropischen Teil der Vereinigten Staaten, nämUch auf das südHchste Stück der Halbinsel Florida. Hier hat die Ananas kultur eine solche Ausdehnung erlangt, daß sie den Bedarf der Union bereits zu decken vermag. Dagegen muß trotz aller Fortschritte der Bananen kultur der gewaltige Bananen- verbrauch U.S.Amerikas fast ganz durch Zufuhren aus den amerikanischen Tropenländern bestritten werden. Die Mono- pclgesellschaft der U.S.Fruit Co., die den Bananenhandel in der Hand hält, gewinnt in Westindien und Mittelamerika immer mehr eine beherrschende wirtschaftliche Stellung, die sie sogar schon politisch auszuspielen vermag. Endlich sind in einigen Südstaaten Anbauversuche mit Tee gemacht worden und nicht ungünstig ausgefallen. Doch stehen einer umfassen- deren Einbürgerung die hohen Löhne für geschulte Arbeitskräfte entgegen.

i6. Künstliche Bewässerung und Entwässerung.

Das halbtrockene und trockene Gebiet des Westens. Einbürgerung der künstlichen Bewässerung durch Indianer und Weiße. Der Reclamation Service, Ausdehnung des Bewässerungslandes und Arten der künstlichen Berieselung. Brunnen und Talsperren. Geringfügigkeit der bewässerbaren Räume und Zukunft des Steppenlandes. Das Trockenfarmen. Entwässerung der Sumpf- gebiete.

Im weitaus- größten Teile Europas kann der Landwirt auf künstliche Bewässerung verzichten. Dagegen spielt sie in der Union mit ihren ausgedehnten Trockenräumen eine um so ent- scheidendere Rolle. Vor allem bedeutet sie eine Lebensnot- wendigkeit für den halbtrocknen und trocknen Westen (Semi- arid und Arid West), dem über ein Drittel des Staatsgebietes angehört. Hier reicht die Regenmenge für Ackerbau und selbst für Viehzucht nicht aus, so daß das spärlich vorhandene Naß viel wichtiger ist als der im Ueberfluß vorhandene Boden, mit dem man ohne ersteres nichts anfangen kann. War daher die Erschheßung des Ostens ein Kampf mit dem Walde, so ist die Eroberung des Westens ein Kampf mit dem Wassermangel. Je weiter nach Westen, um so mehr nimmt mit dem Sinken der Niederschläge die Anbaufähigkeit ab, wobei die Bodenbeschaffen-

Hassert, Vereinigte Staaten. 12

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heit, das Verhältnis zwischen Wärme und Verdunstung und die Art der jahreszeitHchen Regen Verteilung im einzelnen den Ver- latff der äußersten Grenze des zusammenhängenden Ackerbau- gebietes bestimmen. Ein Streifen vom 97. Meridian ab etwa sechs Längengrade westwärts ist strittiger Boden (Debatable Ground, vgl. S. 74), dessen Niederschläge für ackerbauliche Zwecke nicht immer ausreichen. Jenseit des 100. Längen- grades geht die jährliche Niederschlagssumme unter 500 mm herab, und ihre Geringfügigkeit wird verschärft durch die be- trächtliche Verminderung der Luftfeuchtigkeit im trockenheißen Sommer und durch die lange Dauer des Sonnenscheins, denen ein erheblicher Teil des fallenden und fließenden Wassers zum Opfer fällt. An sich ist der Wüstenboden zum Unterschied vom unfruchtbaren, fast nur aus Quarzkörnern zusammenge- setzten Sandboden des feuchten Klimas nicht unergiebig, weil seine mineralischen Nährstoffe bei der Zersetzung vom Wasser nicht fortgeschwemmt werden, sondern an Ort und Stelle zu- rückbleiben. Sie bedürfen lediglich der Beseitigung des Salz- gehaltes und der Wassererschließung des unzureichend durch- feuchteten Bodens, um reiche Ernten abzuwerfen^).

Einige seßhafte Indianerstämme des Westens, vornehmlich die Zufii und Pueblos in Neu-Mexiko und Arizona, kannten schon lange vor der europäischen Kolonisation die künstliche Bewässerung und haben sie bis heute erfolgreich angewendet. In den nördlicheren Staaten aber ist sie erst spät von den Euro- päern eingebürgert worden. Vor allem haben die Mormonen durch ihr bahnbrechendes Vorgehen die neue Bewässerungs- wirtschaft eingeleitet. Als sie in den wüstenhaften Strichen von Utah neues Siedlungsland suchten, haben sie mit den Quellen des Gebirges die Einöden am Großen Salzsee zuerst entsalzt und dann mit glänzendem Erfolg in eine lachende Kulturland- schaft mit Feldern und Fruchtgärten verwandelt. Nach ihrem Beispiel haben Farmergenossenschaften und kapitalkräftige Pri- vatgesellschaften ähnliche Unternehmungen geschaffen. Wegen der Kostspieligkeit größerer Wasser erschließungsanlagen mußte jedoch die Finanzkraft des Staates eingreifen. Nach der Ver- gebung des leicht zu bearbeitenden Ackerlandes handelte es sich darum, der bereits einsetzenden Abwanderung von Farmern durch Eröffnung neuer Siedlungsmöglichkeiten entgegenzu- treten, die nach Lage der Dinge bloß noch im Westen gegeben

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waren. Zu planmäßigem Vorgehen wurde eine neue Bewässe- rungsbehörde, das Bureau für Urbarmachung (Reclamation Service), gegründet. Sie bildet einen Teil des vereinsstaatlichen Geological Survey und hat neben der Regelung der Wasserver- teilung durch Festsetzung eines besonderen Wasserrechtes vor allem dafür zu sorgen, daß die Ansiedler nicht in die Abhängig- keit von großkapitalistischen Landgesellschaften geraten. Der Reclamation Act von 1902, eines der wichtigsten Unionsgesetze, bestimmt, daß alle Einnahmen aus dem Verkauf öffentlicher Ländereien in den 16 trockenen und halbtrockenen Staaten west- lich der Staatenreihe von Nord-Dakota bis Texas voll und ganz der Wasser erschließung dieser Gebiete zugewendet werden sollen. Die Ausführung dieses Gesetzes muß als eine Kulturleistung ersten Ranges gelten, weil es von der Fruchtbarmachung des Westens abhängt, ob er jemals imstande sein wird, eine größere Menschenzahl aufzunehmen.

1910 gab es im trockenen Westen bereits 19,3 Millionen Acres Bewässerungsland gegen noch nicht 4 Millionen Acres im Jahre 1890. Da der Berieselungsboden infolge hoher Unkosten viel teurer ist als der unbewässerte, aber auch viel reichere Ernten abwirft, so wird er in erster Linie für lohnende Spezialkulturen benutzt, z. B. für Südfrüchte, Wein, Obstbäume, Zuckerrüben und vor allem für die Futterpflanze Alfalfa, eine Luzerneait, die nach Menge und Wert das wichtigste Nutzgewächs des Be- wässerungslandes darstellt. Denn der natürliche Graswuchs der Steppe ist gering und in den verschiedenen Jahren sehr un- gleich, so daß die kümmerlichen Heuerträge sehr bald aufge- zehrt sein würden.

Bei der künstlichen Bewässerung handelt es sich entweder darum, durch Brunnenbohrungen das Grundwasser aus der Tiefe an die Erdoberfläche zu bringen oder das oberirdisch ab- rinnende Wasser der Quellen, Flüsse und Seen durch Talsperren und Staubecken aufzuspeichern ^) . Meist wird das Berieselungs- wasser aus Hochgebirgsflüssen abgeleitet, deren Ergiebigkeit hauptsächlich vom Schneevorrat der höheren Erhebungen ab- hängt und deshalb im trockenheißen, regenarmen Sommer rasch nachläßt. Von manchen Flüssen wird schon mehr Wasser ver- langt, als sie zu liefern vermögen. Zur Steigerung und Regu- lierung des Wasserstandes ist somit die Aufforstung wichtig. Weite Flächen liegen jedoch außerhalb der Flüsse und Kanäle,

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so daß das durch Pumpbrunnen und durch artesische Brunnen emporgebrachte Grundwasser eintreten muß. Allein auch dieses Verfahren hat seine Grenzen, indem dort, wo die unterirdischen Vorräte allzusehr angezapft wurden, der Grundwasserstand nicht unerheblich gesunken ist. Wegen der Beschränkung der verfügbaren Wasser verrate ist also die Ausdehnung des be- rieselbaren Landes beschränkt. Zwar werden in Zukunft noch viele blühende Gefilde dem Ackerbau gewonnen werden, und man veranschlagt das kulturfähige Land auf insgesamt 60 Millio- nen Acres. Das ist indes im Verhältnis zum Ganzen nur ein Bruchteil, vielleicht 5 10%, des ungeheuren, überhaupt vor- handenen Raumes, und die Bewässerungskulturen werden immer bloß punkt- und strichartig in einer Vielzahl von Oasen in das wertlose Trockenland eingestreut sein. In der nördlichen Hälfte ist die Ausdehnung des anbaufähigen Bodens und die Nieder- schlagsmenge beträchtlicher. Dagegen wird der weitaus größte Teil der Südhälfte wohl für alle Zeiten wüst bleiben und niemals die Volksdichte des vereinsstaatlichen Ostens erreichen.

Neben der Berieselung hat in den Trockengebieten ein an- deres landwirtschaftliches Verfahren Eingang gefunden und Bedeutung gewonnen, das schon vorher in Indien und Rußland erprobt war und 1890 von russischen Einwanderern zum ersten Male in die Union übertragen wurde. Es ist das seitdem immer mehr vervollkommnete Trockenfarmen (Dr}^ Farming), das auch auf trockenem Boden und bei geringem Regenfall große Getreide- und Luzerneernten einbringt. Eine unbedingte Sicherheit des Ertrages ist natürlich nicht gegeben. Man muß vielmehr damit rechnen, daß bei den starken Schwankungen der Regenergiebigkeit stets ein Teil der Jahre ohne Ernteer- gebnisse bleibt. Doch ist der Gewinn insofern erheblich, als der- selbe Boden, der früher als unbewässert überhaupt nicht be- nutzt werden konnte, in mittleren und guten, d. h. nicht gar zu niederschlagsarmen Jahren reiche Mengen an Ackerfrüchten liefert, ohne daß man zu kostspieligen Berieselungseinrichtungen zu greifen braucht. Der Ernteausfall hängt nicht zum wenigsten von der Bodenbeschaffenheit ab, welche die eingedrungene Feuchtigkeit in verschiedenem Maße festhält. Ebenso darf das Mindestmaß des Niederschlags nicht unter 250 mm herabgehen. Denn das Trockenfarmen arbeitet ohne künstliche Bewässerung, lediglich mit dem im Boden vorhandenen Wasservorrat. Es

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beruht auf dem Grundgedanken, daß dort, wo die Niederschläge eines Jahres zur ausreichenden Durchfeuchtung des Ackers und damit zur Erzielung einer Ernte nicht genügen, die Regen- menge von zwei oder mehreren aufeinanderfolgenden Jahren für eine Ernte aufgespeichert wird. Zu diesem Zweck wird durch wiederholte Beackerung nach Regenfall auf dem unbe- stellten Feldstück eine trockene Oberfläche erzeugt und dadurch eine Unterbrechung der Kapillarität des Bodens bewirkt, während man durch tiefes Pflügen zugleich das Einsickern des Wassers in möglichst große Tiefe zu fördern sucht. Bringt man dann die Saat in den Boden, so steht ihr die Feuchtigkeit zweier oder mehrerer Jahre zur Verfügung.

Sucht man den Trockengebieten das fehlende Naß künst- lich zuzuführen, so ist man bei der Nutzbarmachung der über- mäßig durchfeuchteten und dadurch ebenfalls unfruchtbaren Striche auf die Beseitigung des schädigenden Ueberflusses be- dacht. Die Entwässerungs frage ist um so brennender geworden, als durch Berieselung und Trockenfarmen bloß der kleinste Teil des Trockenlandes urbar gemacht werden kann. Daher hat eine Bewegung zur lange vernachlässigten Trocken- legung der Morastlandschaften eingesetzt und schon zu wert- vollen praktischen Ergebnissen geführt. Nimmt man doch an, daß auf der Halbinsel Florida Sand und Sumpf die Hälfte alles Landes dem Ackerbau entziehen, während die Sumpf gebiete des atlantischen Ostens auf 60 80 Millionen Acres geschätzt werden. Durch Ent sumpf ungsarbeiten, die freilich ebenfalls ziemlich kostspielig sind, hofft man wenigstens einen Teil dieses Unlandes in besiedlungs- und anbaufähige Fluren, namentlich in Reisland, zu verwandeln, indem man den Boden dräniert, die verstopften Flußrinnen ausbaggert und Entwässerungskanäle anlegt, die gleichzeitig der Binnenschiffahrt und der Eindäm- mung des Hochwassers dienen. In Betracht kommen die aus- gedehnten Küstensümpfe (Swamps) des Südens, die periodischen Sümpfe (Bottoms), die Sumpf becken (Fonds), die Gezeiten- marschen und die alljährlich von umfangreichen Ueberschwem- mungen heimgesuchten Flußniederungen.

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17. Viehzucht und Fischerei.

Einbürgerung der europäischen Haustiere. Wirtschaftliche Bedeutung der vereinsstaatlichen Viehzucht. Die Großschlächterei. Geflügel-, Rinder-, Pferde-, Schweine- und Schafzucht. Viehwirtschaft und Klima. Rancho- wirtschaft der Steppengebiete. Zahlenmäßige Zunahme der Haustierbestände. Die Viehhaltung nähert sich der oberen Grenze ihrer räumlichen Ausdehnung. Ihre Zukunft beruht daher vornehmlich auf sachgemäßem Betrieb. Bedeutung und Entwicklung der Seefischerei. Hauptgebiete der Küstenfischerei. Austern und Lachs. Die Binnenfischerei.

Die Indianer besaßen keine Haustiere. Ihr bevorzugtestes Jagdwild, den Büffel, der ihnen Fleisch, Kleidung, Decken und Zelte lieferte, haben sie nie gezähmt, und auch die von den Weißen angestellten Züchtungsversuche sind erfolglos geblieben. Außer dem Truthahn hat Nordamerika keine eigenen Haustiere hervorgebracht. Sie stammen sämtlich aus Europa, fanden aber in der Neuen Welt ähnlich günstige Daseinsbedingungen wie in der alten Heimat, zusagendes Klima und Futter und ausge- dehnte Naturweiden, so daß sie sich rasch und massenhaft ver- mehrten. Die Viehzucht, dieses neue wertvolle Geschenk Eu- ropas an Amerika, ist so alt wie die europäische Besiedlung des Erdteils. Aber erst mit der Erschließung des vereinsstaatlichen Westens und mit der Ausrottung der die Weidegründe weg- nehmenden einheimischen Wildtiere begann jener staunens- werte Aufschwung, der weit über den eigenen, sehr aufnahme- fähigen Markt hinaus von entscheidender Bedeutung für die Fleisch Versorgung Europas wurde. Ist doch der Wert der ver- einsstaatlichen Ausfuhr an Fleisch und Fleischprodukten, Schmalz und Meierei-Erzeugnissen Leder und Schafwolle nicht gerechnet von 138 Millionen Dollars im Jahre 1872 auf 1192 Millionen Dollars im Jahre 1919 gestiegen, zum Zeichen, wie gewaltig sich in dieser Zeit abgesehen von der PreissteigeruHg die Haustierbestände der Union vermehrt haben!

An wirtschaftlicher Bedeutung steht die Viehzucht hinter dem Pflanzenbau kaum zurück und hat sich gleich ihm zum Großbetrieb entwickelt. Einmal waren die europäischen Ein- wanderer schon an die enge Zusammengehörigkeit beider Land- wirtschaftszweige gewöhnt. Dann machte die zunehmende Nachfrage die Viehzucht und alle mit ihr zusammenhängenden Gewerbe immer lohnender. Wie also die Union zu den ersten Kornkammern der Erde gehört, so ist sie auch eine der ersten

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Fleischkammern der Welt geworden, deren Fleischindustrie 191 7 nicht weniger als 63,44 Millionen Rinder, Kälber, Schafe und Schweine verarbeitete. Dieses großartige Gewerbe, das hauptsächHch im Norden seinen Sitz hat, war von Haus aus durch die Bedürfnisse des Südens hervorgerufen, da Salzfleisch, Speck und Bohnen die Grundlage für die Ernährung der Neger- sklaven bildeten. Sie hat sich jedoch längst zu einer vielseitigen Weltindustrie entwickelt, deren ursprünglicher Mittelpunkt Cin- cinnati aus jener Zeit den Beinamen Porcopolis führt. In dem- selben Maße aber, als die Viehzucht in die Prärie eindrang, ver- schoben sich die Zentren der Großschlächterei landeinwärts, so daß heute die Staaten des mittleren Westens Dreiviertel alles amerikanischen Fleisches verarbeiten. Eine beherrschende Stel- lung erlangte Chicago, das seinerseits wieder in Kansas City, Omaha, St. Joseph und St. Louis Nebenbuhler erhalten hat. Wegen der leichten Verderblichkeit ihrer Erzeugnisse ist die vornehmlich für den Versand liefernde »Fleischpackerei« auf ausgiebige Verwendung von Gefrieranlagen und Kühlwagen an- gewiesen und hat durch die Fortschritte der Kältetechnik und Fleischkonservierung eine gewaltige Erweiterung ihres Absatzes erfahren. Die Verfrachtung beschränkt sich nicht mehr wie früher auf den Winter, sondern findet das ganze Jahr hindurch statt. Im übrigen spielt auch bei diesem Industriezweig weitest- gehende Arbeitsteilung, verbunden mit dem Ineinandergreifen vieler Maschinen und Handreichungen, eine bemerkenswerte Rolle.

Betreten wir eine der großen Versand Schlächtereien (Packing Houses). Zahllose Bahngleise durchziehen die von kahlen Fa- brikkasernen umrahmten Viehhürden, von denen aus die Tiere zur Schlachtstätte getrieben werden. Aus der Halle, in der die Schweine ihr Leben lassen müssen, schallt einem schon aus der Ferne ein markdurchdringendes Geschrei entgegen. In dem Raum befindet sich ein großes, mit Ketten versehenes Rad. Ein Mann packt mit raschem Griff ein Schwein nach dem andern, um es mit einem Hinterfuße an einer Kette zu befestigen, worauf es von dem sich langsam drehenden Rade emporgehoben wird, bis es zu dem auf einem erhöhten Podium stehenden Schlächter gelangt. Ein rascher Längs- und Querschnitt durch den Hals, ein leichter Stoß, und das getötete Tier gleitet über eine schräge Eisenstange weiter. Nachdem in einem Bade kochenden Wassers

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die erste Reinigung vorgenommen ist, wird der Körper auf einen langen Tisch gehoben und durch Maschinen von den Borsten befreit. Die weitere Zerlegung geht so schnell von statten, daß binnen einer Stunde der gesamte Verarbeitungsprozeß beendet ist. Fast alle Bestandteile der Tiere werden verwendet. Auch die Abfälle und die Nebenprodukte bringen ungeheure Summen ein. Der Verbrauch an Pökelfleisch, Schinken, Corned Beef, Talg, Schweinefett ^) usw. im Inland wie im Ausland ist ge- waltig. Der Hauptabnehmer, Großbritannien, bezieht seit dem Weltkriege auch fast die Hälfte des Schweinefettes, das sich bis dahin in England nur geringer Beliebtheit erfreute. Es ging hauptsächlich nach Deutschland, das dafür die Einfuhr von amerikanischem Büchsenfleisch durch Zollerschwerungen und Verbote einschränkte.

Bei der Vorliebe der Amerikaner für Hühnerfleisch hat die Geflügelzucht, namentlich die Hühnerhaltung, eine rie- sige Ausdehnung gewonnen und erstreckt sich ziemlich gleich- mäßig über das ganze Land. Der Truthahn ist der nie fehlende Vertreter eines amerikanischen Geflügelhofes, während die Gans weniger geschätzt und verbreitet ist. Schärfer umgrenzt sind die Verbreitungsgebiete der größeren Haustiere.

Die Rinderzucht tritt im Süden zurück, weil das feuchtwarme Klima den Tieren nicht günstig ist und das Texas- fieber eine hohe Sterblichkeit unter ihnen verursacht. Um so weiter verbreitet ist sie in den Prärie- und Felsengebirgsstaaten bis hinein nach Texas. Auch der dicht bewohnte, städtereiche Nordosten, dessen kühlfeuchtes Klima den Wiesenwuchs fördert, ist ein wichtiges Gebiet der Rinderzucht. Doch steht hier nicht die Fleischgewinnung, sondern wegen der lebhaften Nachfrage nach Butter und Käse, frischer und kondensierter Milch die im Großen betriebene Molkereiwirtschaft mit regelmäßiger Stall- fütterung im Vordergrunde. Mit der zunehmenden Rinderzahl hat auch die Leder- und Schuhindustrie eine immer breitere Entwicklungsgrundlage erhalten. Doch reichen die im eigenen Lande gewonnenen Häute seit langem nicht mehr aus, woraus sich die starke Häuteeinfuhr erklärt.

Die Pferdezucht hat ihre Hauptsitze im Ohiogebiet, besonders in Kentucky, und in Kalifornien. Der Grundstock des nordamerikanischen Pferdes war das spanische, das durch die Zwischenstufe des verwilderten Präriepferdes hindurchge-

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gangen ist und mancherlei Kreuzungen erfahren hat. Schon die Indianer züchteten eine kleine, aber ausdauernde Rasse, und bei der Vorliebe des Amerikaners für edlere Pferde gehört ihre Zucht zu den höchstentwickelten Zweigen der vereinsstaatlichen Vieh- wirtschaft. Unübertroffen sind die amerikanischen Traber, und im Getreidebaugürtel tritt das schnellere Pferd immer mehr an die Stelle des langsameren Arbeitsochsen. Andrerseits schränkt jedoch das Fehlen einer starken Armee und die zunehmende Einbürgerung mechanischer Fuhrwerke den inländischen Be- darf ein, weshalb die Pferdezucht nicht zum wenigsten für die Ausfuhr arbeitet. Im feuchtheißen Süden kommt das Pferd nicht recht fort. Hier ist wie im wärmeren Südeuropa neben dem Esel und neben dem Zugochsen das Maultier das bevorzugteste Arbeitstier.

Der hervorragendste Zweig der Viehzucht ist die Schweine- zucht. Einst bot die Eichelmast der noch ungeliebt et en Wälder den Tieren reichliche Nahrung. Jetzt stützt sich die Fütterung auf die Molkereiabfälle und noch mehr auf die ungeheuren Mais- vorräte, für die es beim Mangel naher Märkte und guter Wege früher kaum eine andere Verwendungsmöglichkeit gab. Oft erntet man den Mais gar nicht erst ab, sondern treibt die Schweine einfach in die Felder. Im großen Maisgürtel des mittleren Westens liegen die Hauptstätten der Schweinehaltung und Großschlächterei.

In den dünn besiedelten Steppen des trockenen Westens ist statt der sehr geringfügigen Schweinezucht die ein trocken- warmes Klima bevorzugende, mit wenig Wasser und geringem Futter vorlieb nehmende Schafzucht zu Hause, so daß über die Hälfte des vereinsstaatlichen Schaf best andes auf den Westen entfällt. Fleisch- und Wollegewinnung sind die Haupt- sache. Doch wird der Bedarf der einheimischen Wollindustrie bei weitem nicht gedeckt. Auch der dichtbesiedelte Nordosten ist zur Erleichterung der Ernährung seiner Bewohner zur aus- gedehnten Aufzucht von Fleischschafen übergegangen. Dagegen ist ihre Zahl im feuchtwarmen Süden wiederum gering.

In den Wüstensteppen von Süd-Kalifornien, Arizona, Neu-Mexiko und Texas haben sich die eingeführten Drome- dare und Strauße gut akklimatisiert. Doch ist die Zucht über die Anfangsstadien des Versuches noch nicht hinausge- langt.

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Die Viehzucht ist vom Klima weniger abhängig als der Ackerbau. Immerhin wechselt ihr Charakter nach der klima- tisch bedingten Verschiedenheit der Daseinsbedingungen.

In den menschenarmen Steppen, die außerhalb des Bereiches der künstlichen Bewässerung den Ackerbau ausschließen, herrscht die spanisch-amerikanische Rancho- (Ranch) Wirtschaft. Da das Vieh das ganze Jahr hindurch im Freien bleibt und sich sein Futter im Weidegang selbst suchen muß, wodurch kostspielige Unterbringungs- und Verpflegungseinrichtungen wegfallen, so ist der Betrieb ziemlich billig. Als extensive Wirtschaftsform beansprucht er indes so ausgedehnte Flächen, daß er nur in dünn besiedelten Gegenden möglich ist und mit großen Viehverlusten rechnen muß. Einige wenige Cowboys, gut bewaffnete und wohl berittene Hirten, genügen, um Tausende von Rindern, Pferden und Schafen zu überwachen. Die Rancho Wirtschaft liefert vor- nehmlich Jungvieh, das zur Weitermast in die Maisgebiete ge- bracht wird. Die gesamte Westhälfte von Texas ist eine einzige ungeheure Ranch. Der Maisgürtel ist das Hauptgebiet der inten- siven Viehzucht und des Futterbaues und damit der Tummel- platz für Schlachtvieh jeglicher Art.

1860 betrug der Bestand der Union an Rindern und Schwei- nen, Schafen und Ziegen, Pferden und Maultieren 89 Millionen. 1870 war er durch den Bürgerkrieg auf 85,7 Millionen zurück- gegangen. Dann setzte mit der zunehmenden Erschließung des Westens und dem wachsenden Fleischbedarf Europas ein un- geahnter Aufschwung ein. 1880 wurden 131 Millionen, 1910 aber 224,5 Millionen und 1920 203 Millionen gezählt (vgl. Tabelle 4)^). U.S.Amerika wird in der Menge der Schafe nur von Australien und Argentinien übertroffen, im Rinderbestand steht es bloß hinter Indien und im Pferdebestand hinter Rußland zurück, während es als schweinereichstes Land jeden Einzelstaat der Welt überragt. Dagegen ist der Viehstand der Union nur etwa halb so groß wie derjenige ganz Europas und bleibt auch in der Viehdichte ein Beweis für die noch sehr extensive Wirtschaft erhebhch hinter derjenigen Europas. Allerdings kommen in unserem dicht bevölkerten Erdteil auf den Kopf der Bevölkerung bloß 0,83 Stück Vieh. Allein auch in der wesentlich dünner bewohnten Union beträgt der Durchschnitt nicht mehr als 1,98, und die Haustierzahl kann nicht ins Unge- messene weiterwachsen.

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Denn schon nähert sich die vereinsstaatliche Viehzucht der oberen Grenze ihrer räumhchen Ausdehnung. Der vor- dringende Ackerbau engt das ihr bisher vorbehaltene Gebiet ein und entzieht der den Raum übermäßig beanspruchenden Ranchowirtschaft den Boden, der allmählich in Feldflur um- gewandelt wird. Das frei umherschweifende Weidevieh muß dem Pfluge weichen. Ferner beginnen sich die Naturweiden des Westens dichter mit Herden zu bevölkern, als es der Gras- und Wasservorrat gestattet. Allerdings ist hier die Unergiebigkeit der Schneedecke, die den Ackerbau beeinträchtigt, weil sie den Untergrund nicht genug durchfeuchtet, der Viehhaltung günstig, indem die Tiere unter der dünnen Schneeschicht im Winter leichter zum Futter gelangen können. Dafür wird ihnen die harte Eiskruste verderblich, bei deren Durchbrechung sie sich Hufe und Schnauze beschädigen. Zum Nahrungsmangel kommen Seuchen und klimatische Unbilden. Namentlich die eisigen Schnee-Blizzards verursachen allwinterlich schwere Verluste, weil die halbwild herumstreifenden Herden abgesehen von Hürden (Fence), leichten Schuppen und einfachen Ställen schutzlos der Witterung preisgegeben sind. Allein in den beiden Wintern 1884 85 und 1890 91 fielen in. Texas, Oregon und Washington 4 Millionen Rinder der Kälte und dem Hunger zum Opfer. Diese Verluste bedingen die starken Schwankungen der Haustierzahl, wenngleich andererseits die durch das Klima be- wirkte Auslese die Herausbildung abgehärteter Rassen fördert.

Die Fortentwicklung und eine erhebliche Ertragssteigerung der Viehzucht wird vor allem auf sachgemäße Betriebsweisen mit Stallfütterung und Aufspeicherung von Wintervorräten und auf die Erzielung höherwertiger Rassen bedacht sein müssen. In den Nordoststaaten ist dieser Weg bereits eingeschlagen; doch überwiegt noch die Massenzucht. Im trockenen Westen wird die Ausbreitung der künstlichen Bewässerungsanlagen mit ihren Rieselwiesen und Kleefeldern zur Vermehrung der Herden beitragen. Ebenso hat man sich, weil der natürliche Graswuchs zur Ernährung der Bestände nicht mehr genügt, in den Paupt- viehzuchtsgebieten dem systematischen Anbau von Futter- pflanzen zugewendet und zwar mit solchem Erfolg, daß nirgends so viel Heu geerntet wird wie in den Nord- und Oststaaten, deren regenreiche Sommer den Wiesenwuchs begünstigen. Daneben hat der Anbau nahrhafter, meist eingeführter Futtergewächse

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wie Luzerne (Alfalfa), Rotklee und Lupine seinen Einzug ge- halten. Mit echt amerikanischem Weitblick haben aber die Großschlächtereien ihr Augenmerk bereits auf die Steppen Südamerikas gerichtet. Sie haben dort ausgedehnte Weide- gründe erworben, mit Vieh besetzt und schon mit der Fleisch- verarbeitung begonnen.

Die Seefischerei ist in der Union stets ein wichtiges und blühendes Gewerbe gewesen, das nicht nur zur Volkser- nährung viel beiträgt, sondern auch der Kriegs- und Handels- flotte allezeit die meisten und besten Matrosen gegeben hat. Sie beschäftigt 200 000 Menschen und steht durch den Jahres- wert ihrer Erträge (1917 einschließlich Alaskas 125 Millionen Dollars) an zweiter Stelle hinter der britischen Seefischerei. Das erste Fangrevier und eines der hervorragendsten Seefischerei- gebiete der Erde ist das Nordostgestade südwärts bis zum Kap Hatteras, überreich an Dorschen, Schellfischen und Heringen, an Menhaden (zur Bereitung von Fischöl und Fischguano die- nend), Flundern, Heilbutten, Blaufischen, Makrelen, Hummern und Austern. In Maiae hat auch die Sardinen-Industrie Fuß gefaßt. An der Küstenfischerei sind besonders die Neu -Eng- landstaaten beteiligt. Sie war schon zur Kolonialzeit die Trägerin eines bedeutsamen Wirtschaftszweiges, der bei dem Mangel an ergiebigem Ackerboden vor dem Aufblühen der Gewerbtätigkeit die Hauptrolle spielte und zu einer lebhaften Fischausfuhr nach dem katholischen Südeuropa und dem sklavenreichen West- indien führte. Trotzdem suchte ihn das Mutterland, dem der amerikanische Wettbewerb unbequem war, in jeder Weise zu unterdrücken, wie auch späterhin die vereinsstaatliche See- fischerei noch oft genug das Ziel englischer Uebergriffe war. In Neu-England ist noch heute die tüchtigste Seemannsbevölke- rung zu Hause, und Eastport, New Bedford, Gloucester und Boston gehören zu den wichtigsten Fischereihäfen U.S.Amerikas.

Die reich gegliederte mittelatlantische Küste ist ebenfalls durch eine Vielzahl von Fischern und Fischereifahrzeugen und durch beträchtliche Fangergebnisse ausgezeichnet. Die Chesa- peakebai ist der größte Austerngrund der Erde, dessen teils natürliche, teils »gepflanzte« Austernfelder mit 8000 qkm Fläche halb so groß sind wie Sachsen und Tausenden von Menschen Unterhalt gewähren. Aus Baltimore kommen nicht weniger als 64% aller vereinsstaatlichen Austernkonserven zur Ausfuhr. Auch

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im Long Island- Sund und an der pazifischen Küste wird eine ausgedehnte Austernzucht betrieben. Dagegen haben die Süd- staaten so gut wie keine Austernfischerei. Man schätzt die jähr- liche Austernausbeute der Vereinigten Staaten auf 23 Millionen Bushel (zu rund % hl). Infolgedessen ist das bei uns so teuer bezahlte Schaltier . und als sein Ersatz die in ungeheuren Mengen vorkommende Clam-Muschel in U.S.Amerika zur Volksnahrung geworden.

Für die Ausfuhr ist der Lachs der wertvollste Fisch der pazifischen Fischerei. Seine Hauptfangplätze sind die Küsten- gewässer und Flüsse des Nordwestens, besonders der Columbia, die Zuflüsse des Puget- Sundes und die Wasserläufe der Halb- insel Alaska. Zahlreiche Konservenanstalten oder Canneries bringen trotz des starken Verbrauches im Lande selbst große Mengen konservierten, gefrorenen und gesalzenen Lachses zum Versand ins Ausland. Gesalzener Lachs ging namentlich nach Deutschland, wo er in den Seefischräuchereien geräuchert und im Binnenlande als Rhein- oder Weserlachs verkauft wurde.

Auch die Binnengewässer des Ostens und Südens sind reich an Nutzfischen und Muscheltieren. Doch werden letztere fast nur von den Indianern und Negern verzehrt. Die launischen Flüsse des Cordillerenlandes kommen für die Binnenfischerei kaum in Betracht, um so mehr das Mississippi- System und die St. Lorenzseen, das größte Süßwasser fischereigebiet der Erde. Gefangen werden vornehmlich Seeforellen, Weißfische, Hechte und Karpfen. Durch Einführung von Schonzeiten und durch künstliche Fischzucht sucht man die Erträge der Binnenfischerei zu heben. Alljährlich werden MiUiarden von Fischeiern aus zahlreichen Fischbrutanstalten ausgesetzt, um der rücksichts- losen Raubfischerei entgegenzuwirken.

Außer der Küstenfischerei in den eigenen Gewässern be- teiligt sich die Union auch eifrig am Fischfang auf den nahe- gelegenen Neufundlands-Bänken, am Robbenschlag im Bering- meer und am Walfischfang. Doch ist die einst im Großen be- triebene Walerei nicht mehr bedeutend, weil die atlantischen, pazifischen und polaren Fanggründe durch Raubjagd stark erschöpft sind.

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i8. Wald und Waldverwüstung.

Wald Verbreitung und Niederschlags verteilung. Das Waldland des Ostens und seine Charakterbäume. Die Uebergangslandschaft. Die Prärien und Steppen und die Ursachen ihrer Waldlosigkeit. Die Halbwüsten des Westens und ihre Vegetation. Die Gebirgswälder des Westens und ihre Charakter- bäume. Riesenbäume. Die kalifornische Flora. Vordringen von Ackerbau und Besiedlung auf Kosten des Waldes. Die wichtigsten Nutzhölzer. Holz verbrauch, Holzhandel und Holzindustrie in der Union. Waldverwüstung und Wald- brände, ihre Ursachen und Folgen. Neuanpflanzungen von Wald. Trotz Schaffung von Waldreservationen und Staatsforsten sind die Holzverluste größer als der natürliche Zuwachs. Die Zukunft der Vereinigten Staaten als Waldland und Holzversorger.

Die Waldverbreitung in den Vereinigten Staaten ist eng an die Verteilung der Niederschläge und der Bodenfeuchtigkeit geknüpft, so daß der klimatischen Dreiteilung in feuchte, halb- trockene und trockene Gebiete die waldreichen, waldarmen und waldlosen Landschaften entsprechen. Die niederschlagreichsten Striche sind die waldreichsten. Daher sind die Osthälfte und die Nordwest ecke die eigentlichen Waldländer U.S.Amerikas. Da- gegen sind die trockenen Binnenhochflächen des Westens aus natürlichen Gründen waldarm oder waldlos. Im atlantischen Osten überwiegt ein vielgestaltiger Laubwald, in den höheren, feuchteren Lagen des Westens herrscht der hochwüchsige Nadel- wald. Beide Gebiete verschmelzen im kanadischen Norden miteinander, während sie nach Süden hin durch die baumlosen Grasfluren der Prärien und Plains und der Halbwüsten des pazi- fischen Binnenlandes voneinander getrennt werden.

Bei Ankunft der Europäer war der ganze Osten der Union ein zusammenhängendes Waldland, eines der größten auf Erden. Aber wie in allen Kulturländern des kühl-gemäßigten Klima- gürtels mußte es größtenteils dem Ackerbau weichen. Die seit langem von der Landwirtschaft in Anspruch genommenen, dicht bevölkerten Staaten des Nordostens sind dadurch künstlich waldarm geworden. Im übrigen bedingen die Verschiedenheiten des Klimas und der geographischen Breite, der Boden- und Höhenverhältnisse innerhalb des weiten Raumes zwischen dem Atlantischen Ozean und dem Mississippi und vom Golf bis zum St. Lorenzstrom beträchtliche Unterschiede im Aussehen der Bestände, die durch ihren Artenreichtum unsern europäischen Laubwald weit übertreffen. 40 einheimischen europäischen

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Laubbäumen stehen dort etwa 400 waldbildende Arten gegen- über. Die immergrüne Pflanzenwelt der feuchtwarmen Golf- küste erhält durch das Auftreten von Palmen und Mangroven und durch die strotzende Ueppigkeit des Unterholzes einen tro- pischen Anstrich. Tulpenbäume, Magnolien, virginische Eben- holzbäume und Trompetenbäume dringen nordwärts noch bis nach Kanada vor. Sonst sind immergrüne Bäume auf die sub- tropischen Striche des Südens beschränkt. Die nährstoff armen Sandflächen der Südatlantischen und Golfniederung tragen auch unabsehbare Wälder der wirtschaftlich wertvollen Terpen- tinkiefer, während undurchdringliche Dickichte von Sumpf- zypressen die Küstensümpfe oder Swamps Floridas und der at- lantischen Flachküste erfüllen. In den nördlicheren Strichen besteht der Wald des Ostens aus einer Fülle der verschiedensten sommergrünen Laubbäume, deren Hauptvertreter Eichen, Lin- den, Ahorne, Birken, Ulmen, Eschen, Platanen und Hickory- nußbäume sind. Nach Norden hin und in den höheren Lagen stellen sich wiederum Nadelbäume ein, unter denen vor allem die freilich stark gelichteten Forsten der Weymouthskiefer be- merkenswert sind.

Westlich des Mississippi nimmt der Wald an Ausdehnung und Ueppigkeit ab und weicht schließlich dem unendlichen Grasmeer der Prärien oder Wiesen, des größten natürlichen Wiesenlandes der gemäßigten Zone, und den Gestrüppfluren der völlig waldlosen Steppen oder Plains. Zunächst stellt sich statt der geschlossenen Bestände in den östlichen Prärien ein Uebergangsland in Gestalt einer freundlichen Parklandschaft ein, bis in dem Wechselspiel lichter Waldflecken und offener Grasfluren die letzteren immer mehr überhand nehmen und endlich ausschließlich vorherrschen. Die Waldarmut oder Wald- losigkeit erklärt sich aus der weiten Verbreitung des stark durch- lässigen und daher dem Baumwuchs nicht günstigen Löß- und Schwarzerdebodens. Sie ist ferner die Folge der geringeren Niederschlagshöhe und der zunehmenden Trockenheit des Som- mers. Auch mögen die häufigen Präriebrände und die Hufe der früher zu Millionen hier weidenden Büffel, an deren Platz unab- sehbare Herden von Haustieren getreten sind, das Heranwachsen des jungen Waldes verhindert haben. Vor allem ist jedoch die Baumlosigkeit der Prärie klimatisch bedingt durch die kräftige Verdunstungswirkung der trockenwarmen sommerlichen Süd-

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winde und der durch sie verursachten ausgiebigen Bodenaus- trocknung, die dem Gedeihen des Baumwuchses abträgHch ist. Wo Verdunstung und Austrocknung weniger beträchthch sind, dort Hegt der Wald oft unmittelbar neben der baumlosen Gras- flur, während die mäßig befeuchtete östliche Prärie einst wohl im wesentlichen ein Waldland war und der Wiederaufforstung zugänglich ist. Von den weißen Einwanderern ist sie indes in ein einziges Weizen- und Maisfeld verwandelt worden, dessen Einerlei nur kleine Haine und die Farmgehöfte unterbrechen. Dagegen ist die westliche Prärie in ihrer ursprünglichen Gestalt als ein endloses Grasmeer erhalten geblieben, frischgrün und von Blumen bunt durchwirkt nach den Frühsommerregen, grau und verbrannt zur Trockenzeit, aber der Träger einer gewaltigen Viehzucht. Denn ihre nahrhaften Grasarten behalten auch in dürrem Zustand als Heu auf dem Halme ihre Nährkraft.

Wie sich nach Süden hin mit der Zunahme der Wärme das Pflanzenkleid ändert, so ändert sich seine Zusammensetzung nach Westen hin infolge der steigenden Trockenheit. Je weiter landeinwärts, um so spärlicher wird mit dem Niederschlag der Baumwuchs. Er tritt nur noch an bevorzugten Standorten in kleinen Gruppen auf oder begleitet in schmalen Streifen als Ufer- oder Grundwasserwald die vom Schnee des Hochgebirges ge- speisten Wasserläufe, die einsam durch die Steppe ziehen. Schließ- lich ist auch der dünne Uferwald verschwunden, und wie aus dem Walde die Prärie hervorging, so wird sie westwärts zur baumlosen Steppe, während gleichzeitig die bisher zusammen- hängende Grasnarbe immer lückenhafter wird. Zwischen die zerstreuten Grasbüschel drängen sich Kakteen, Wermut- sträucher und Salbeigestrüpp. Doch kommt überall zwischen ihnen der nackte Untergrund zum Vorschein. Jenseit des loo. Meridians reicht der Niederschlag für Ackerbau und Waldwuchs nicht mehr aus i) .

Besonders heiß und trocken sind die rings von Gebirgen umwallten und durch sie vom feuchten Hauch des Meeres ab- gesperrten Hochflächen des Großen Beckens. Da ein solches Klima im Verein mit der Durchlässigkeit des durstigen Bodens das Wasserbedürfnis der Pflanzen in keiner Weise zu befriedigen vermag, so wird die Landschaft zur trostlosen Einöde, deren Gewächse der lang anhaltenden Hitze und Trockenheit ange- paßt sind. Die Salzsümpfe umsäumt ein Kranz salzliebender

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Pflanzen, soweit die Salztonebenen nicht überhaupt vöUig vege- tationslos sind. Doch treten echte Wüsten, wie die Mohave- und Gilawüste, zurück, weil die Trockengebiete des pazifischen Westens etwas Steppenhaftes an sich haben und deshalb besser als Wüstensteppen oder Halbwüsten zu bezeichnen sind. Neben grobem Büschelgras überwiegen dürre Dornstrauchdickichte oder Chaparrals, deren bekannteste Vertreter der mattgrüne Wermut oder Sagebrush (mehrere Art emisia- Arten) , der Kreosotstrauch und im Süden das hellgrüne Mezquitegestrüpp (Algarobia) sind. Es sind immergrüne, schönblütige Hartlaubgewächse, die ein unentwirrbares Durcheinander kleiner Sträucher und verkrüppel- ter Bäumchen bilden und mit ihren dornenbewehrten Zweigen ein Hindernis für das Eindringen von Menschen und Tieren sind. Ueber ungeheure Flächen sich ausbreitend, rufen sie überall dieselben Landschaftsbilder hervor und bedingen dadurch die ermüdende Eintönigkeit der Wüstensteppe.

Andere Pflanzen speichern die Feuchtigkeit der gelegentlich niederrauschenden Regengüsse in ihren Geweben auf und schützen sich so vor Austrocknung. Das gilt von den seltsamen busch- und baumartigen Yuccas oder Bajonettbäumen mit ihren langen, stahlharten, spitz zulaufenden Blättern, den allerdings schon unter 35° N endenden Agaven und dem vielgestaltigen Heer der Kakteen, von denen der bis 20 m hohe Riesenkaktus (Cereus giganteus) und die durch ihre eßbaren Früchte nützlichen Opun- tien genannt seien. An Höhe und Stattlichkeit immer mehr ab- nehmend, werden noch nördlich des Missouri die Kakteen mit ihren lebhaft roten und weißen Blüten angetroffen. Aus dem Auftreten solcher Saftpflanzen kann man mit Sicherheit auf ge- ringen Regenfall und langdauernde Trockenheit schließen, was bei landwirtschaftlichen Unternehmungen wohl zu beachten ist. Hätte nicht der Bergsegen die Menschen angelockt, so würden die Einöden unbewohnt oder ganz dünn besiedelt sein, da sie im wesentlichen bloß einer extensiven Viehzucht Raum bieten. Nur dort, wo das belebende Naß in Brunnen erbohrt ist oder in Quellen und Flüssen freiwillig zutage tritt, sind freundliche Kulturoasen entstanden. Wo aber das Wasser fehlt, dort stößt unvermittelt und übergangslos die menschenfeindliche Wüste an ertragreiches Kulturland.

Die untern Teile der Gebirge des Westens und ihre im Wind- und Regenschatten liegenden Innenseiten sind waldlos. Nur die

Hass ert, Vereinigte Staaten. 13

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reichlicher durchfeuchteten höheren Erhebungen tragen einen artenarmen, nach Ausdehnung und Zusammensetzung nicht sonderlich wertvollen Nadelwald. Oberhalb der in dem trocknen Klima hoch hinaufreichenden Waldgrenze fehlen auch die frisch- grünen Alpenmatten der europäischen Hochgebirge, weil weder Firnschnee noch Gletscher einen Ersatz für die Regenarmut des Sommers darbieten. Das gilt besonders vom Felsengebirge, dessen Charakterbaum die Gelbkiefer ist, und vom größten Teil der Sierra Nevada. Erst in den dauernd regen- und schneereichen Gebirgen des kühlfeuchten Nordwestens erlangt der Baumwuchs eine solche Ueppigkeit, daß hier das reichste Waldgebiet der Vereinigten Staaten liegt. Die dunklen, unabsehbaren Forsten des Kaskadengebirges und der nördlichen Sierra Nevada tragen einen nordischen Charakter. Sie bestehen, da der Laubwald ganz zurücktritt und sich auf die Flußtäler beschränkt, aus dicht- gedrängten, wirtschaftlich wichtigen Nadelbäumen, die sich durch erstaunliches Dicken- und Höhen Wachstum und eine gewaltige Fülle schlagbaren Holzes auszeichnen und darum bereits das Angriffsziel zahlreicher Sägemühlen geworden sind. Haupt- vertreter der Nadelbäume sind hier Zuckerkiefern, Oregon- zedern und die bis 90 m hohen Douglastannen. Am berühmtesten aber, weil an mächtiger Entwicklung kaum ihresgleichen habend, sind die auf Kalifornien beschränkten uralten Mammutbäume (Sequoien oder Wellingtonien), die sich in entlegenen Tälern der nördlichen Sierra Nevada aus der Tertiärzeit bis in die Gegen- wart hinein erhalten haben. Einige dieser Baumgiganten, die älter als die christliche Zeitrechnung sein sollen, erreichen bis 150 m Höhe (Turm des Ulmer Münsters 161 m), und entsprechend ist ihr Umfang und Durchmesser. Sie bilden jedoch bloß kleine Haine, die als Naturdenkmäler unter staatlichen Schutz gestellt und der Ausbeutung entzogen sind.

Nach Süden hin macht der Wald mit zunehmender Hitze und Trockenheit wieder der Steppe Platz, die indes durch künst- liche Bewässerung in eine lachende Kulturlandschaft mit Weizen- feldern, Weingärten, Obst- und Südfruchtpflanzungen ver- wandelt ist. Man glaubt sich im Klima, Pflanzenleben und Land- schaftsbild des pazifischen Küstenlandes in unser Mittelmeer- gebiet versetzt. Die Berieselungskulturen, die palmenumsäumten Promenaden und der entzückende Blumenflor der Häuser und Gärten stehen in scharfem Gegensatze zu den kahlen, hellgrauen

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Kalkgebirgen und den eintönigen Chaparralflächen der Halb- wüste, die nach Süden und landeinwärts immer mehr die Ober- hand gewinnt.

Das ist in großen Zügen der Ueberblick über die Verbreitung der bewaldeten und waldlosen Unionsgebiete. Für die Urbe- wohner Nordamerikas war der Wald ein schwer zu bewältigen- des Hindernis in der Kulturentfaltung. Für die weißen Ein- wanderer bedeutete er ein wertvolles Naturgeschenk und eine Quelle vielseitiger Ausnutzung. Die unvermeidliche Folge war der Rückgang der Bestände, der dadurch gefördert wurde, daß geldgierige Spekulanten, unbekümmert um die Zukunft und die nachfolgenden Geschlechter und durch gesetzliche Vorschriften nicht gebunden, sich lediglich von kapitalistischen Interessen leiten ließen und den Wald in unvernünftiger Weise nieder- schlugen. Da man überdies den Holzvorrat des weiten Landes für unerschöpflich ansah und darum Wiederaufforstungsarbeiten zur Neuschaffung von Nachwuchs für unnötig hielt, so setzte eine sorglose und rücksichtslose Verwüstung ein. Denn war "^eine Gegend abgeholzt, so konnten anderwärts immer wieder neue, noch unberührte Waldflächen in Ausbeutung genommen werden.

Zunächst wurde der Wald in demselben Maße zurückge- drängt, als Ackerbau und Besiedlung f ortschritten. Ihr Vor- dringen hatte die schärfsten Eingriffe in das natürliche Pflanzen- kleid des Ostens zur Voraussetzung. Viel größer als in Europa ist ferner der Verbrauch an Bau-, Nutz- und Brennholz. Vieler- orts wird hauptsächlich mit Holz und Holzkohle geheizt, und der Hausbau ist noch in erheblichem Umfang Holzbau. Auch die Bürgersteige der Straßen bestehen oft aus Holzbelag. Ferner haben Bergbau, Hüttenbetrieb und Verkehrswesen einen sehr starken Holzbedarf. Ungeheure Mengen beansprucht allein das riesige Eisenbahnnetz der Union für Bahnhöfe, Bahnsteige, Schwellen, Schneeschutzgalerien und für die früher fast aus- schließlich aus Holz hergestellten Brücken. Die amerikanische Handelsflotte besteht noch zum guten Teil aus Holzschiffen. Unglaubliche Holzmassen verschlingt die Kisten-, Zellstoff- und Papier fabrikation. Mit der mächtigen Entwicklung des amerikanischen Zeitungswesens geht ein unermeßlicher Papier- verbrauch der nach vielen Tausenden zählenden und zum Teil in riesigen Auflagen erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften

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Hand in Hand, so daß bereits ein großer Teil des erforderlichen Papiers und Holzstoffes eingeführt werden muß.

Aus allen diesen Gründen kann man es verstehen, daß Holz- handel und Holzindustrie mit allen ihren Zweigen im W irtschafts- leben der Union stets einen hohen Rang eingenommen haben. Sie beschäftigen Hunderttausende von Menschen und liefern über den starken Eigenbedarf des Landes hinaus noch erheb- liche Mengen von Holz für die Ausfuhr, weil die vielen ausge- zeichneten Holzarten Nordamerikas auch in Europa und anderen außeramerikanischen Ländern zunehmenden Absatz finden 2). Außer der Holzgewinnung ist die Erzeugung von Pech, Harz, Teer und Terpentin ein wichtiger Zweig der ebenfalls zum Groß- und Massenbetrieb fortgeschrittenen Waldwirtschaft geworden. Beim Fällen, Verladen, Fortschaffen und Verarbeiten der Stämme finden die vollkommensten Maschinen der neuzeitHchen Technik Verwendung. Andererseits ist der Schnittverlust im Sägewerk und durch die am Fällungsorte zurückbleibenden Ueberreste so groß, daß nur etwa die Hälfte eines Baumes verwendet wird. Erst neuerdings hat man mit der sachgemäßen Verwertung der Abfälle begonnen, die früher einfach verbrannt wurden, weil man mit ihnen nichts anzufangen wußte. Ungeheure Holz- mengen sind dadurch unbenutzt verloren gegangen! Denn von allen Seiten her dringen die Holzfäller und die Sägemühlen in den Wald ein und fressen ihn förmlich auf. Eine der großen Ausbeutungsgesellschaften, der fast die Hälfte der Waldungen Floridas angehört, ist auf einen täglichen Abtrieb von 10 ha eingerichtet.

Zu dem Vernichtungswerk der Menschen kommen die geradezu ungeheuerlichen Verheerungen, welche die jedes Jahr wiederkehrenden und aus verschiedenen, schwer zu beseitigen- den Ursachen entstehenden Waldbrände anrichten. Meist sind sie auf Leichtsinn und Fahrlässigkeit zurückzuführen, indem Waldarbeiter und Reisende die Lagerfeuer nicht genügend be- aufsichtigen oder nicht ordentlich auslöschen, so daß die Flammen zur trockenen Jahreszeit rasch um sich greifen können. Der Funkenflug der Lokomotive verursacht ebenfalls vielen Schaden, oder die Waldbrände werden absichtlich zur Gewinnung neuen Acker- und Weidelandes angelegt. In manchen Jahren zählen sie nach Tausenden. Oft kann man im trockenen Spätsommer, in dem die Waldbrände am häufigsten entstehen, durch den

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Rauch brennender Forsten fahren, während nachts blutroter Feuerschein das unheimHche Element verrät. Die Buschfeuer haben nicht bloß viele Ortschaften zerstört und Tausende von Menschenleben weggerafft 3), sondern auch Millionen an Na- tionalvermögen auf Jahrzehnte hinaus vernichtet, da sie in manchen Jahren den zehnjährigen Holzverbrauch der gesamten Union in Asche legen*). Die durch die Waldbrände bewirkte Geldeinbuße an entgangenem Holz beläuft sich im Jahresdurch- schnitt auf 25 Millionen Dollars für 1908 werden sogar 100 Mil- lionen Dollars angegeben , während Insekten und Baumkrank- heiten, die dem Feuer folgen, einen jährlichen Schaden von 50 Millionen Dollars anrichten. Durch die Waldbrände wird jedoch nicht allein der alte Baumbestand schwer geschädigt, sondern auch der junge Nachwuchs getötet und die Humus- decke zerstört. Wind und Regen führen nach dem Verschwin- den des schützenden Pflanzenkleides die lockere Erdkrume fort, so daß Jahre vergehen, ehe der Boden sich wieder neu bewaldet. Das ist indes meist kein Hochwald mehr, sondern bloß noch ein dichter Gestrüpp- und Busch wald. Vielerorts hat die Ent- waldui% schon zu schnellem Fortschreiten der Erosion und zur Steigerung der Hochwassergefahr geführt. Ein warnendes Bei- spiel sind die Appalachen. Bis weit hinaus ins Vorland sind hier die Vermurungen und Abschwemmungen vorgedrungen und haben kostspielige Wiederaufforstungen, Wildbachverbauungen und Hangbefestigungen notwendig gemacht.

Weil die unpflegliche Behandlung des Waldes schließlich zu seiner völligen Ausrottung führen müßte, so hat die Bundes- regierung durch Errichtung eines Forstamtes, einer Unterab- teilung des Landwirtschafts-Ministeriums, und durch Schaffung staatlicher Reservationen, die über das ganze Land zerstreut sind, durch Einführung eines Feuer Überwachungsdienst es und durch sachgemäße Bewirtschaftung mit der lange vernachlässig- ten Erhaltung und Wieder erneuerung des Waldes begonnen. Diese Maßnahmen, um die sich der deutsch-amerikanische Mini- ster Karl Schurz besonders verdient gemacht hat, gelten jedoch nur für die der Bundesregierung und den Einzelstaaten gehörenden öffentlichen Forsten, während Dreiviertel der Be- stände sich in der Hand von Privatbesitzern befinden, die den Wald in erster Linie als rasche Einnahmequelle ansehen. Um so notwendiger ist es, die Staatsforsten der raubbaumäßigen

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Ausbeutung zu entziehen und in geordnete Pflege zu nehmen, teils im Interesse der Quellhaltung der Flüsse und um deren starken Wasserstandsschwankungen oder einer Verminderung der Niederschläge vorzubeugen, teils aber auch, um das National- vermögen zu vermehren und die zukünftige Holzversorgung sicherzustellen. In den waldarmen Staaten sind auch sogenannte Baumfeiertage (Arbor Day) eingeführt, die darin bestehen, daß durch die Schuljugend im Frühling junge Bäumchen angepflanzt werden. Millionen von Bäumen sind dadurch in der östlichen Prärie bodenständig geworden. Auf dem verlassenen Farmland der Neu-Englandstaaten und auf unbenutztem Baumwollboden des Südens ist allmählich auch von selbst wieder Kiefern- und Buschwald herangewachsen und wirft bereits Erträge ab. Da- gegen wird in den Trockengebieten des Westens ein wirklicher Wald aus klimatischen Gründen nicht aufkommen können.

Alles in allem sind in der Union die jährlichen Holzverluste 2 3mal größer als der natürliche Zuwachs. So rückt der Zeit- punkt, an dem U.S.Amerika sich aus einem Holzausfuhrland in ein Holzeinfuhrland verwandelt, immer näher, während eine geordnete Forstwirtschaft ihm dauernd reiche Einnahmen 'sichern könnte. Die großen Sägereien haben bereits den Höhepunkt ihrer Entwicklung überschritten. Denn noch nicht vergebene schlagbare Waldungen von einer Ausdehnung, wie sie ein solches Riesenwerk verlangt, sind nicht mehr vorhanden, und die in festen Händen befindlichen Bestände dürften in absehbarer Zeit abgeholzt sein. Das ist um so bedauerlicher, als umfang- reiche Flächen absolutes Waldland sind, das sich nach Klima und Bodenbeschaffenheit für den Ackerbau wenig eignet. Schon müssen nicht unerhebliche Holzmengen aus Kanada bezogen wer- den, das neben Sibirien das größte Waldland der Erde ist und im internationalen Holzhandel immer mehr als Wettbewerber der Union auftritt. Es wird sie überflügeln, falls nicht inzwischen ein geregeltes Forstwesen seinen Einzug gehalten hat.

Zur Zeit gehört allerdings die Union noch zu den hervor- ragendsten Holzversorgern der Weltwirtschaft. Denn der Wald bedeckt ein Viertel, nach anderen Angaben sogar ein Drittel der Landfläche, was bei der Raumgröße des Staates Mülionen von Quadratkilometern ausmacht. Ein großer Teil der raubwirt- schaftlich mißhandelten Bestände verdient freilich den Namen Forst nicht mehr. Waldreich sind noch der Nordosten und Süden.

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Das erste Nutzholzland (Lumber Region) ist jedoch der pazifische Nordwesten, vor allem der Staat Washington. Gleich hinter ihm folgt dank den ausgedehnten Laub- und Nadelholzbestän- den des Ozark-Berglandes der Staat Arkansas, und durch die großen Forsten der Atlantischen und Golfniederung müssen auch Mississippi, Louisiana und Florida als wichtige Waldstaaten gelten. Die Wiege der vereinsstaatlichen Holzindustrie war die einst waldreiche Umgebung der Großen Seen, weil der Brand von Chicago 1871 eine riesige Nachfrage nach Bauholz zur Folge hatte. Heute weist hier bloß noch Wisconsin ausgedehnte Wal- dungen auf. Ein neuer zukunf tsvoller Holzlieferant ist aber das lange verkannte Alaska geworden. So hat sich der Schwer- punkt der vereinsstaatlichen Waldausbeute aus dem atlantischen Osten immer mehr nach Süden und Nordwesten und in die Nachbarschaft des Polarkreises verschoben.

19. Der Bergbau.

Reichtum und Mannigfaltigkeit des Bergsegens. Rasche bergbauliche Entwicklung. Einfluß der Edelmetalle auf die Entfaltung des Westens. Raub- bau und Spekulation. Die Union ist der erste Salzerzeuger der Weltwirtschaft. Die Vereinigten Staaten als wichtigstes Kupferland der Erde. Die Bedeutung des Ueberflusses an Kohle und Eisen für die vereinsstaatliche Großindustrie. Verbreitung der Eisenerze und wichtigste Eisenbergbaugebiete. Die Kohlen- felder. Vorkommen und Ausbeute des Petroleums. Naturgas. Die Edel- metalle. Wichtigste Gold- und Silberfundstätten des Westens. Andere Erze und Mineralien. Mangel an Kalisalzen und die Kalinot während des Weltkrieges.

Nicht minder riesenhaft wie die land- und forstwirtschaft- liche Erzeugung ist der Bergsegen, der durch seine Fülle und Vielseitigkeit ebenfalls in hohem Maße zur wirtschaftlichen Machtentfaltung und Selbständigkeit der Union beigetragen hat. Denn gerade in den wichtigsten mineralischen Rohstoffen ver- fügt sie über ungeheure Mengen. In Kupfer besitzt sie ein natür- liches Monopol. In Petroleum wetteifert sie erfolgreich mit Rußland. In der Goldgewinnung folgt sie nach Australien und Südafrika und als Silberland nach Mexiko. Die führenden Kohlen- und Eisenländer Europas, England und Deutschland, hat sie überholt, und auch in der Bleigewinnung ist ihre über- ragende Stellung unbestritten. Nur an Nickel, Zinn und Kali ist sie arm und daher von fremden Zufuhren abhängig.

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Wegen des jugendlichen Alters der Erschließung U.S.- Amerikas hat der Bergbau trotz Spuren älterer Bearbeitung erst gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts jene großzügige Ent- wicklung genommen, welche die Vereinigten Staaten zu einem der ersten Mineral- und Erzlieferanten des Welthandels machte ^). 1844 begann die Ausbeute der reichen Kupferlager am Obern See, und vier Jahre später wurde der erstaunliche Goldreichtum Kaliforniens entdeckt. 1851 setzte der regelmäßige Queck- silberabbau in Kalifornien ein, und 1856 wurde man auf die Eisenerzschätze am Obern See aufmerksam. 1859 erhielt die Silberförderung einen ungeahnten Aufschwung durch die In- angriffnahme des berühmten Comstock Lode in Nevada, und im gleichen Jahre war den die ersten Petroleumquellen Penn- sylvaniens erbohrt. Dank ihrer Raumgröße und ihrem geo- logischen Bau wird die Union stets ein mineralreiches Land sein. Alte Gesteine und jungvalkanische Bildungen, die erfahrungs- gemäß die Hauptträger des Erzreichtums sind, haben hervor- ragenden Anteil an der geologischen Zusammensetzung des Landes, das sich bergmännisch in zwei große Gebiete gliedert. Der Osten ist vor allem ein Land der Kohle und des Eisens und birgt außerdeni Salz, Naturgas und Petroleum in ungeheuren Mengen. Der Westen ist fast ausschließlich das Gebiet der Edelmetalle, ohne die er bei der Ungunst seines Klimas und seiner geringen Eignung für den Ackerbau wohl kaum seine heutige Entwicklung und Bewohnerzahl erhalten haben würde. Denn wenn auch die leichter ausnutzbaren Edelmetallvorkomm- nisse meist rasch erschöpft werden, so legen sie doch den Grund für andere Wirtschaftszweige, die sich auf dieser ursprünglichen Grundlage kräftig weiter entwickelten. Die Bevölkerung der öden Binnenhochländer ist in ihrem Dasein noch heute im wesent- lichen vom Bergbau und Hüttenwesen abhängig. Der Westen ist aber auch nicht arm an Kohle, Eisenerzen, Petroleum, Soda, Borax und anderen unedlen Bergbaustoffen. Dagegen sind die jungen Ablagerungen des Südens viel dürftiger mit Mineral- schätzen ausgestattet, obwohl unter günstigen Voraussetzungen Kohle, Eisenerze und Phosphate hier ebenfalls nicht fehlen.

An der Förderung der Bodenschätze sind allerdings in sehr verschiedenem Grade alle Unionsstaaten beteiligt. Penn- sylvanien, der reichste Bergbaustaat, hat die Führung in Kohle und Natuigas, Oklahoma in Petroleum, Arizona in Kupfer,

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Minnesota in Eisenerz, Colorado in Gold und Silber, Missouri in Blei und Zink. Doch haben sich die hauptsächlichsten Ge- winnungsstätten öfters verschoben und dürften sich auch in Zukunft noch verschieben. Die Ausbeutung des Bergsegens steht in voller Blüte, und man kann immer noch mit Ueber- raschungen rechnen, da weite Räume des Westens bergmännisch kaum bekannt oder erst oberflächlich erforscht sind. Auf der andern Seite zeigen sich bereits die Folgen des verlustreichen Raubbaues, die um so verhängnisvoller sind, als die einmal er- schöpften Bodenschätze sich nicht wieder erneuern, sondern für alle Zeit verloren sind. Bei der Art des vereinsstaatlichen Wirtschaftslebens nimmt es nicht wunder, daß der Bergbau auch zu ungesunden, betrügerischen Spekulationen und zu ge- wagtestem Börsenspiel Anlaß gegeben hat '^).

Die Union steht an der Spitze aller Salz erzeugenden Länder der Weltwirtschaft. Wie aber schon zur Kolonialzeit der größte Teil des Bedarfes durch Einfuhr gedeckt werden mußte, so macht die gesteigerte Nachfrage jetzt erst recht starke Zufuhren notwendig. Das Salz ist im ganzen Lande weit ver- breitet, teils als Steinsalz und Solsalz oder als Meersalz und Steppensalz. Im feuchteren Osten überwiegen unterirdische Steinsalzlager und Solquellen. In der Umgebung der Großen Seen werden starke Solen aus tiefen Bohrlöchern heraufgepumpt, und zwar sind die Staaten Michigan und New York die haupt- sächlichsten Salzlieferanten. An der trockenwarmen Küste Kali- forniens wird das Meersalz in Salzgärten durch Verdunsten des Meerwassers gewonnen. Der trockene Westen birgt ausgedehnte, frei zutage liegende Salzschätze in Gestalt von Salzausblühungen und mächtigen Salzrückständen in trocken liegenden, abfluß- losen Sümpfen und Endseen.

Mit zwei Dritteln der Kupfer erzeugung der Welt läßt die Union alle andern Erdräume weit hinter sich, so daß s i e vor allem den gewaltigen Kupferbedarf deckt, den der Auf- schwung der Elektrizitätsindustrie verursachte. Namentlich Deutschland war dadurch in enge Abhängigkeit von U.S.Amerika geraten, und wir haben im Weltkriege das Ausbleiben der Kupfei- zufuhren bitter empfunden. An Deutschlands Stelle traten die Verbandsmächte, die zur Munitionsherstellung ungeheure Mengen amerikanischen Rohkupfers abnahmen. Für die Entwicklung des vereinsstaatlichen Kupferbergbaues kam lange die nasen-

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förmig in den Obern See vorspringende Halbinsel Keweenaw im Staate Michigan in Betracht. Hier fanden sich unter den eiszeitlichen Schuttmassen riesige Blöcke gediegenen Kupfers, die man zur Verwertung bloß von der Oberfläche wegzunehmen brauchte. Schon die Indianer kannten und benutzten diese Vorräte. Späterhin wurden die Blöcke und reiche Erzgänge aus der Tiefe ausgegraben, und mehrere Jahrzehnte hindurch war die weltberühmte Grube Calumet und Hecla die erste Kupfer- lagerstätte der Erde. Heute werden die Fundstätten durch tiefe Schächte erschlossen, deren einer bereits bis 2000 m herab- reicht. Allmählich gewann indes der Staat Montana die Ober- hand, als im wüstenhaften Kessel von Butte unerwartet groß- artige Lager silberhaltiger Schwefelkupfererze entdeckt wurden. Die ganze Stadt Butte steht auf Kupfergruben, und von den Höhen grüßen überall die Schornsteine, Türme und Förder- anlagen der Bergwerke herab. Anfangs wurde das Erz im Orte selbst verhüttet. Weil jedoch die giftigen Gase allen Pflanzen- wuchs töteten, so wurde in der Nachbarschaft das riesige Ana- conda- Schmelzwerk, die größte Kupferschmelze der Welt, mit einer täglichen Erzeugungsmöglichkeit von 11 000 Tonnen Rein- kupfer errichtet. Noch reicher erwiesen sich schließlich die Kupfererzlager des Colorado-Plateaus. Namentlich der Bezirk Bisbee lieferte so ungeheure Mengen sulfidischer Kupfererze, daß heute Arizona das erste Kupferland der Erde ist. Auf Arizona, Montana und Michigan entfallen drei Viertel der vereins- staatlichen Kupfergewinnung.

Den Löwenanteil an -der mineralischen Gesamtproduktion haben jedoch Kohle und Eisen, so daß die Ausbeute der Schwarz- mineralien und Schwarzmetalle den vornehmsten Zweig des vereinsstaatlichen Bergbaues ausmacht. Denn sie sind diejenigen Kraft- und Rohstoffe, auf denen die großgewerbliche Blüte eines Landes in erster Linie beruht und die darum auch die wirt- schaftliche Vormachtsstellung der Union bedingen. Seit langem haben die Vereinigten Staaten das alte Kohlen- und Eisenland Großbritannien überflügelt und schließlich auch Deutschland überholt, das bis zum Weltkriege in Kohle und Eisen ebenfalls den britischen Wettbewerb geschlagen hatte. Deutschland und England zusammen erzeugten allerdings vor dem Weltkriege mehr Kohlen als U.S.Amerika, das ihnen dafür in der Eisenerz- förderung und Roheisengewinnung überlegen war (vgl. Tabel-

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len 6 8 und die Diagramme auf S. 206 und 221). Dem billigen Wassertransport dei Eisenerze und der billigen Kohlengewinnung verdankt die Union den großartigen Aufschwung ihrer Stahl- und Eisenindustrie. Ohne den gewaltigen Vorrat an Eisenerzen wäre wohl der Ausbau ihres riesigen Schienennetzes und die Entwick- lung eines so gigantischen Unternehmens wie der Stahltrust un- denkbar gewesen. Der Eisenerzreichtum hat die Union auch zur großen Waffenschmiede des Verbandes gemacht und die zahllosen Flugzeug- und Tankgeschwader nebst ungeheuren Mengen von Munition und anderweitem Kriegsbedarf für den Entscheidungs- kampf an der Westfront geliefert. Dennoch haben warnende Stimmen die vereinsstaatlichen Eisenerzlager nicht als un- erschöpflich bezeichnet. Darum haben sich die Amerikaner be- reits nach ausländischen Erzen umgesehen und mit der Einfuhr europäischer Eisenerze begonnen. Ferner ziehen sie Eisenerze unter 50% Metallgehalt zur Verhüttung heran, die sie in früheren Zeiten der Verschwendung unbenutzt gelassen hatten.

Eisenerze liommen in allen Unionsstaaten vor, wenn auch nicht überall in einer die Ausbeute lohnenden Menge und nicht gleich günstig zu den Kohlengebieten und Wasserstraßen gelegen. Reich an leicht abzubauenden Eisenerzen sind vor allem die Appalachen. Hier treten Kohle und Eisen weithin in so naher Vergesellschaftung auf, daß die Kosten für die Zufüh- rung des einen Produktes zum andern geringfügig sind. Magnet-, Spat-, Rot- und Brauneisenstein birgt die Steinkohlenformation Pennsylvaniens und des Ohiobeckens. Diese einst wichtigsten Eisengruben, die lange fast ausschließlich die Werke des Pitts- burger Fabrikbezirkes speisten, hat mittlerweile der Südstaat Alabama überflügelt. Er ist heute das zweite vereinsstaatliche Eisenland und hat sich, weil er auch Ueberfluß an Kohlen besitzt, zum ersten Industriegebiet des Südens entwickelt. Früher kamen die Braun- und Roteisensteine Alabamas meist als Schiffsballast zur Ausfuhr, weil es ein nennenswertes Großgevverbe im Süden nicht gab. Jetzt nähren sie die Hochöfen, Stahl- und Walzwerke der rasch aufgeblühten Fabrikstadt Birmingham, des wichtigsten Mit- telpunktes der südstaatlichen Eisen- und Baumwollverarbeitung.

Die Eisenerzfunde der Appalachen werden aber völlig in den Schatten gestellt durch die Lagerstätten am Oberen See, die über 90% der in der Union verhütteten Eisenerze liefern. Südlich des Seebeckens sind die Menominee-, Marquette- und

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Gogebic Range die Hauptträger des schwarzen Metalls. Das ergiebigste Abbaugebiet liegt jedoch nordwestlich vom See in der Vermillionkette und vor allem in der Mesabikette, dem ersten Eisengebirge der Welt mit seinen unschwer zu gewinnenden Schätzen. Unter einer durchschnittlich 15 m mächtigen Schicht von Gletscherschutt ist hier in muldenförmigen Vertiefungen des archaischen und präkambrischen Gesteinsuntergrundes ein durch ungewöhnlich hohen Eisengehalt (52 65%) ausgezeich- neter Roteisenstein oder Hämatit eingebettet. Er bildet braun- rote, körnige, bröckelige Massen, die man auf den ersten Blick kaum für ein Eisenerz halten würde. Die Gewinnung erfolgt im Tagebau. Zunächst räumen mächtige Dampf schaufeln die über- lagernde Schuttdecke weg. Ist das Erz erreicht, so wird es in der- selben Weise abgeschaufelt und sofort in offene Güterwagen verladen, deren jeder durch 7 8 Bewegungen der Dampf- schaufeln in eben so vielen Minuten gefüllt werden kann. Zeit, Menschen und Unkosten sparende Maschinenarbeit spielt auch beim Grubenbetrieb eine Rolle, so daß eine tägliche Förderung von 1000 Tonnen Erzen nicht mehr als 100 Menschen beschäftigt. Da in der Umgebung des Obern Sees Kohlen fehlen, so werden die Erze zur Verhüttung in die kohlenreichen Staaten Ohio und Pennsylvanien gebracht. Sie liege a zwar über 1500 km von den Erzgruben entfernt, d. h. eben so weit wie die schwe- dischen Eisenerze von den deutschen Kohlen- und Industrie- gebieten. Aber auf der billigen Wasserstraße der Großen Seen sind die Verfrachtungskosten überaus niedrig, und um die teurere Bahn f rächt auszuschalten, hat der Stahltrust am Ufer des Michigansees östlich von Chicago die »Eisenstadt« Gary be- nannt nach dem Präsidenten des Stahltiustes gegründet. Hier werden die Erze verhüttet, soweit sie nicht nach Pittsburg, dem alten Mittelpunkte der vereinsstaatlichen Eisen- und Stahl- industrie, bestimmt sind.

Auch die Erzverladung überrascht durch ihre eben so ein- fachen wie praktischen Methoden. Eine Reihe langer, hoher Holzbrücken, die unter unglaublicher Holz Vergeudung her- gestellt sind, läuft bei Duluth und den andern Erzhäfen vom Bergfuße bis weit in den Oberen See hinaus. Zahlreiche Schienen- gleise führen über sie hin, und unter den Schienen sind große Behälter oder »Taschen« angebracht, die den Inhalt von je 6 Güterwagen aufzunehmen vermögen. In diese Taschen lassen

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die sich selbsttätig öffnenden Güterwagen die Erze hineinfallen, worauf sie mittels eiserner Schütten in den Rumpf der längs- seit liegenden Schiffe gefüllt werden. Die praktischen Verlade- einrichtungen ermöglichen es einer kleinen Schar von Arbeitern, einen der bis 14 000 Tonnen fassenden Erzdampfer in 5 10 Stun- den zu beladen. In besonders günstigen Fällen ist ein 10 000- Tonnenschiff sogar schon in 25 Minuten und ein 12 000-Tonnen- schiff in 42 Minuten beladen worden. Eigenartig ist das Aus- sehen dieser an Größe mit den Ozeandampfern wetteifernden Schiffe, die als Rückfracht gewöhnlich Kohlen mitnehmen. Die Kommandobrücke liegt ganz vorn am Bug und der Maschinen- raum mit dem Schornstein ganz hinten am Heck, so daß der Laderaum ungeteilt durch den ganzen Schiffskörper läuft. In den Umladeplätzen am Eriesee wird das Erz wiederum unter Vermeidung überflüssiger Hände auf rein mechanischem Wege durch riesige Dampfschaufeln aus dem Dampfer in die bereit- stehenden offenen Güterwagen geschüttet.

An der Spitze aller Bodenschätze der Vereinigten Staaten steht infolge der gewaltigen Ausdehnung der produktiven Karbon- formation die Kohle. Ihr Verbreitungsgebiet übertrifft mit schätzungsweise 820 000 qkm ausbeutungsfähiger Fläche das Deut- sche Reich ums Doppelte, und ihr Förderungswert ist größer als derjenige aller nicht-metallischen Bergwerksprodukte zusammen, obwohl man bisher nur die besten, leichtest zugänglichen und für die Verfrachtung günstigst gelegenen Flöze in Abbau ge- nommen hat. 27 Unionsstaaten weisen Kohlen Vorkommnisse von erheblicherer Bedeutung auf. Karbonkohlen sind im all- gemeinen auf das Gebiet östlich des 100. Meridians beschränkt. Kreidekohlen sind zwischen 100 und 115°, tertiäre Kohlen west- lich davon vorhanden. Braunkohlen finden sich besonders reich- lich im Westen, während Torfmoore auf den glazialen Böden des Nordostens und in den vei sumpften atlantischen Küstenniede- rungen südwärts bis Florida heimisch sind. Dagegen fehlen dem trockenheißen Westen die Torfbildungen ganz mit Ausnahme der feuchten Nordwest ecke.

Nur China dürfte durch größere Kohlenschätze ausgezeich- net sein. Sie sind aber erst zum kleinsten Teil erschlossen, so daß heute der vereinsstaatliche Osten das erste Kohlenberg- baugebiet der Welt ist. Die »schwarzen Diamanten« verteilen sich auf sechs große und eine Reihe kleinerer Reviere, deren

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wichtigstes, weil ergiebigstes und umfangreichstes, das appa- lachische Kohlenfeld ist. Als Träger des wertvollen Anthra- zits ^) steht es auch an GiJte der Kohle obenan. Längs der west- lichen Abdachung der Appalachen reicht es in wechselnder Breite vom Staate New York bis nach Alabama und liefert nahezu zwei Drittel der gesamten vereinsstaatlichen Kohlen- ausbeute. Die Flüsse haben das Cumberland Plateau mit seinen

fast horizontal ge- schichteten Flözen in tiefen Tälern zer- schnitten, an denen die Kohlenlager aus- streichen, so daß sie ohne sonderliche Schwierigkeiten und Kosten abgebaut werden können, wäh- rend die schiffbaren Wasserstraßen den Abtransport erleich-

Stein- und Braunkohlenförderung in looo Meter- tern.

tonnen in den Jahren 1870 und 1913. Kleiner ist das

Michiganfeld auf der Halbinsel zwischen dem Michigan- und Huronsee. Viel ausgedehnter ist wiederum das östliche zen- trale Kohlenbecken von Illinois und das obere Missouri-Revier oder das westliche zentrale Becken von Iowa bis Texas. Beide werden durch das mittlere Mississippital voneinander getrennt. Horizontale, tektonisch wenig gestörte Flöze, die bis zu 6 m und stellenweise bis 12 m mächtig werden, nehmen hier in viel- facher Uebereinanderlagerung fast ununterbrochen weite Flä- chen ein. Der Westen ist kohlenärmer. Doch birgt er ebenfalls ansehnliche Lagerstätten, die allerdings an Ausdehnung denen des Ostens nicht gleichkommen, aber für die wirtschaftliche Entwicklung des Cor diller enlandes von hoher Bedeutung sind. Außer den Lagerstätten im Felsengebirge gibt es zahlreiche kleine Flöze einer weniger guten, jüngeren Kreide- und Tertiär- kohle. Am wertvollsten sind wegen ihrer meeresnahen Lage die Kohlenflöze am Puget-Sund für die Industrie der dortigen Großstädte und für den überseeischen Absatz nach den Rand- ländern und Inseln der kohlenarmen Südsee.

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Der vereinsstaatliche Kohlenbergbau nahm schon 1750 in Virginia seinen Anfang. Weil jedoch Brennholz im Ueberfluß vorhanden war, so begann erst von 1840 ab die bisher kaum berührte Steinkohle die Holzkohle zu verdrängen und einen gewaltigen Aufschwung der Großindustrie einzuleiten. Die Kohle wird größtenteils im Lande selbst verbraucht, weshalb ihre Verfrachtung etwa ein Drittel des Eisenbahngüterverkehrs aus- macht. Ueber See geht sie weniger, weil zum Unterschied von den meist unmittelbar ans Meer stoßenden britischen Kohlen- lagern die meisten Flöze von den Häfen zu weit entfernt sind, wodurch die Verschiffung ins Ausland verteuert wird. Dafür kön- nen die amerikanischen Gruben dank ihren günstigen Lagerungs- verhältnissen billig abgebaut werden. Sie sind mit den modern- sten Maschinen ausgestattet, so daß die Leistungsfähigkeit der amerikanischen Grubenarbeiter dreimal größer als die der eng- lischen ist. Die noch vorhandenen Vorräte dürften unter Zu- grundelegung der bisherigen Verbrauchssteigerung in rund 150 Jahren erschöpft sein (vgl. S. 147). Durch sachgemäßere Ausnutzung der Heizkraft, durch Einschränkung der übermäßigen Verluste bei dem sehr unwirtschaftlichen Abbau und Versand und durch stärkere Heranziehung kohlensparender Wasserkräfte, von denen erst etwa 16,5 % ausgebeutet werden, könnte die Lebensdauer der Kohlenschätze nicht unerheblich verlängert werden.

Das Gegenstück zur Kohle büdet das in der Union ebenfalls weit verbreitete Petroleum. Es war schon den Indianern bekannt und wurde gelegentlich auch von den älteren weißen Ansiedlern benutzt. Doch diente es ihnen lediglich als Medizin zum Einreiben und wurde dort, wo es reichhcher floß, eher als eine lästige Verunreinigung des Wassers empfunden. Der hervor- ragendste Bergbaustaat des Ostens, Pennsylvanien, war lange auch der wichtigste Erdölstaat, bis er durch die viel ergiebigeren Petroleumquellen Süd-Kaliforniens und durch die Erdölfelder des Staates Oklahoma in den Schatten gestellt wurde. Das Schwergewicht der Erdölerzeugung U.S.Amerikas ist daher immer mehr nach Westen gerückt. Noch 1901 deckte der Osten ^5% der Erdölausbeute. Jetzt kommen 86% derselben aus KaHfornien und Oklahoma. Ganze Wälder mit Hunderten von Bohrtürmen geben diesen Gegenden ihr charakteristisches Aus- sehen.

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Die Petroleumgewinnung begann 1859 mit der Erbohrung der ersten artesischen Erdölquelle bei Titusville in Ohio und rief einen ähnlichen »boom« hervor wie das Gold Kaliforniens. Geradezu großartig entfaltete sich der Betrieb, als man das in Becken gesammelte Rohöl in langen Röhrenleitungen, den Pipe Lines, nach den Raffinierungs-, Verbrauchs- und Verschif- fungsplätzen führte und es, soweit es über See ging, in besondere Spezialschiffe, die Tankdampfer, pumpte*). Das Petroleum des Ostens liefert vornehmlich Leuchtöl, Gasolin und Paraffin und gelangt als Leuchtpetroleum ins Ausland. Das Erdöl des Westens und Südens eignet sich mehr zur Herstellung von Schmieröl und zu Heizzwecken. Darum sind im kohlenarmen Westen die Loko- motiven und Dampfer für Oelfeuerung eingerichtet, die sich auch in der Industrie an Stelle der Kohlenheizung einbürgert. Auch zur Straßenasphaltierung wird das Petroleum verwendet, indem man die Wege, um sie staubfrei zu machen, mit Petroleum übergießt.

Den Wettbewerb des russischen Petroleums von Baku, dessen Ertrag eine Zeitlang den amerikanischen übertraf, hat die Union seit 1902 weit überholt, so daß sie heute zwei Drittel der Weltausbeute liefert. Dafür wird sie in Zukunft mit der ernstlichen Nebenbuhlerschaft der mexikanischen und persisch- mesopotamischen, vielleicht auch der kanadischen*) Erdölfelder rechnen müssen. Die mexikanischen, die während des Weltkrie- ges das zweite Petroleumgebiet der Erde geworden sind, sucht in scharfem Ringen mit dem englisch-europäischen Großkapital die vereinsstaatliche Hochfinanz unter ihre Kontrolle zu bringen. Die vorderasiatischen Petroleumvorkommnisse sind ganz unter britischen Einfluß geraten. Trotzdem übt die amerikanische Standard Oil Co. (der Rockefeiler sehe Petroleumtrust) mit ihren ausländischen, darunter auch deutschen Tochtergesell- schaften in den meisten Staaten der Erde noch die Vorherr- schaft aus und hält auch den größten Teil des vereinsstaat- lichen Petroleumgeschäftes in der Hand.

Aber die Erdöllager U.S.Amerikas sind nicht unerschöpf- lich. Kalifornien und Oklahoma weisen zwar noch eine beträcht- liche Ertragssteigerung auf. Dafür zeigen die alten, stark aus- gebeuteten Bohrbrunnen Pennsylvaniens und des Ohiobeckens infolge der jahrzehntelangen Abzapfung und der dabei getrie- benen unsinnigen Vergeudung bereits einen starken Rückgang und lassen trotz zahlreicher Neubohrungen keine Zunahme, sondern

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eher eine Abnahme der Ergiebigkeit erkennen. Viele Brunnen liefern nur noch die Hälfte bis ein Drittel der früheren Höchst- leistung. Die anfangs so reichlich fließenden Erdölquellen von Texas haben ebenfalls nicht vorgehalten. Daher wird in wachsen- der Menge Petroleum aus Mexiko und Niederländisch-Indien eingeführt. Diese Tatsache erklärt das Streben der Amerikaner, gegenüber den britischen Nebenbuhlern einen maßgebenden Ein- fluß auf diese zukunftsvollen Erdölgebiete zu erlangen.

Den Petroleumfeldern gehören auch Tausende von Natur- gasbrunnen an. Besonders reichlich entströmen sie bei Pittsburg, im Ohiobecken und in Oklahoma dem Boden und stellen als Lieferanten von Heiz-, Koch- und Leuchtgas eine wichtige, weil billige Kraftquelle für die Haushaltungen und für die Gasversorgung zahlreicher Städte und Fabriken dar. Viele Industrien verwenden statt der Kohlen in ausgedehntem Um- fange Naturgas, dessen einst gewaltige Menge aber infolge rück- sichtsloser Verschwendung ebenfalls unwiederbringlich dahin- schwindet und sich schon so vermindert hat, daß man immer mehr zur Kohlenfeuerung greifen muß. So dürfte die Ausnutzung dieses natürlichen und wirtschaftlichen Wunders mehr nur eine vorübergehende Episode bezeichnen.

Hochbedeutsam ist der Reichtum an Edelmetallen. Ihre Auffindung war meist mit einem schnellen Aufblühen der neu entstandenen Bergwerksorte und mit der raschen Besiedlung der Edelmetalle führenden Staaten verknüpft, während das Nachlassen der Gold- uild Silberausbeute oder unerwartete technische und finanzielle Schwierigkeiten beim Abbau einen ebenso raschen Rückgang zur Folge hatten. Nach der Erschöp- fung seines hauptsächlichsten Bergbaurevier es, des Comstock Lode, verlor der fast ausschließlich auf die Mineralschätze an- gewiesene Wüstenstaat Nevada die Hälfte seiner ohnehin sehr spärlichen Bevölkerung. Andererseits sind aber die Erträge an Edelmetallen gewaltig gewesen **). Sie haben auch zur Entstehung einer besonderen Menschenklasse Anlaß gegeben, deren Ver- treter zu den charakteristischsten Erscheinungen des Westens gehören. Das sind die Prospektors, deren Aufjgabe das Auf- spüren wertvoller Erze ist.

Gold wurde schon zur Kolonialzeit in den Appalachen geschürft und führte in Nord-Carolina zum ersten größeren »Mining boom«. Die Erträge blieben jedoch verhältnismäßig

Hassert, Vereinigte Staaten. I4

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gering. Erst die kalifornischen Goldfunde wurden zu einem weltwirtschaftlichen Ereignis und gaben den folgenschwersten Anstoß zur Entwicklung des Westens. Im Januar 1848, un- mittelbar vor dem Frieden von Guadalupe Hidalgo, der die bis dahin mexikanische Provinz Kalifornien der Union zusprach, hatte ein Angestellter des schweizerischen Farmers S u 1 1 e r am American River die bekannten Goldfunde gemacht, die das kalifornische Goldfieber hervorriefen und in kürzester Zeit eine kleine Völkerwanderung von vielen Tausenden verwegener Aben- teurer anlockten. Mit der Zeit ließ allerdings die Ergiebigkeit der leicht gewinnbaren, aber auch rasch erschöpflichen Wasch- goldseifen (Alluvialgold, Placer Gold) nach, und der viel schwie- rigere und kostspieligere Abbau der zweiten Form des Gold- vorkommens, des fest im Muttergestein sitzenden Berggoldes (Reef Gold), vermochte die Einbuße nicht wettzumachen. Wenn auch Kalifornien noch ansehnliche Goldmengen fördert, so ist es doch inzwischen hinter Nevada und Colorado, den Staaten des Comstock Lode und Cripple Creek, weit zurückgeblieben. Als Goldlieferant hat der Westen stets mit Australien und Süd- afrika, den Hauptgewinnungsstätten des gelben Metalls, ge- wetteifert. Jetzt ist er von ihnen überflügelt, da auch die neu entdeckten Goldschätze im vereinsstaatlichen Territorium Alaska im Ertrag schnell zurückgegangen sind. Obendrein muß es dahingestellt bleiben, ob das Hauptland der Union noch für längere Zeit lohnende Goldvorräte birgt.

Der Westen ist auch das Hauptland des Silbers, mit dessen Erträgen sich der appalachische Osten in keiner Weise messen kann. Doch hat die Gewinnung durch das in den 70er Jahren einsetzende Sinken des Silberpreises einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Nevada, einst der erste Goldstaat der Union, ist dank dem Comstock Lode auch der erste Silberstaat. Zur Zeit steht Colorado durch den Silberreichtum von Leadville obenan. Hier und bei Frisco in Utah sind mit dem Silber auch reiche Bleivorkommnisse verknüpft. Außerdem gibt es im Mississippi- Gebiet noch silberhaltige Bleierze, vor allem im nördlichen Ozark-Bergland mit dem Mittelpunkt Joplin in Missouri. Hier und anderwärts kommen in enger Vergesell- schaftung mit dem Blei auch Zink erze vor, so daß fast zwei Drittel des vereinsstaatlichen Zinkes und die knappe Hälfte des Bleies auf den Bezirk von Joplin entfallen.

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Als Lieferant von Quecksilber wetteifert U.S.Amerika mit Spanien und Italien. Doch sind die vielgenannten Zinnober- lager von New Almaden und New Idria im kalifornischen Küsten- gebirge sehr zurückgegangen, so daß jetzt das meiste Queck- silber aus Texas kommt.

Erwähnenswert sind ferner die mannigfachen Bau- und Schmucksteine, besonders Granit, Marmor und ein fein- körniger, rotbrauner Sandstein, der den Straßenbildern von Boston, New York und Philadelphia das Gepräge gibt. Die steinbruchmäßige Gewinnung dieser Gesteine ist vornehmlich in den mittleren und nördlichen Appalachen-Landschaften zu Hause. Berühmt sind die Marmorbrüche von Rutland in Ver- mont und die Granitbrüche von Quincy in Massachusetts, die das Ziel einer der ersten Eisenbahnen in Nordamerika waren.

Ergiebige Schwefel lager bergen Louisiana, Texas und mehrere West Staaten. Die Ausbeute wird im Gegensatz zu dem veralteten, gesundheitsschädlichen Abbau in Sizilien mit allen Errungenschaften der neuzeitlichen Technik und Hygiene be- trieben und hat die Union zu einem gefährlichen Nebenbuhler Italiens gemacht, dessen Schwefel bereits in erheblichem Maße vom amerikanischen und ostasiatischen Markte verdrängt worden ist.

Der in den Wüsten Kaliforniens gewonnene Borax deckt den Gesamtbedarf der Vereinigten Staaten. Sie bestimmen den Weltmarktspreis, seit sie die kleinasiatischen Boraxfelder an- gekauft und damit ihren schärfsten Wettbewerber ausgeschaltet haben.

Die Bauxitlager des südhchen Ozark-Berglandes in Arkansas liefern ein reichliches Drittel des Aluminiums der Union. Große Fabriken, denen die Niagarafälle als Kraftquelle dienen, sind mit der Aluminium-Erzeugung beschäftigt, die sich aus bescheidenen Anfängen mächtig entwickelt hat. Innerhalb der Landesgrenzen gibt es auch Tausende von Thermal- und Mineralquellen. Ihre Ausnutzung hat durch die Tem- per enzbewegung zunehmende Bedeutung erlangt.

Wertvoll sind endlich wegen des fortschreitenden Rück- ganges der natürlichen Bodenfruchtbarkeit die ausgedehnten Phosphat lager in Tennessee, Süd-Carolina und Florida. Als begehrte Lieferanten mineralischen Kunstdüngers sind sie schon sehr stark ausgebeutet, während die Fundstätten im Westen noch der Erschließung harren.

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Dagegen fehlt fast ganz ein anderes künstliches Düngemittel, das auch für die verschiedenen Zweige der chemischen Industrie hochwichtig ist und von der Union in großen Mengen eingeführt werden muß. Das sind die Kali salze, deren Zurücktreten bei dem Reichtum an gewöhnlichem Salz um so auffälliger erscheint. Vor dem Kriege war U.S.Amerika der Hauptabnehmer des deutschen KaHs. Aber schon damals waren Bestrebungen im Gange, sich von dessen Bezug frei zu machen. Während des Weltkrieges hat dann das deutsche Kaliausfuhrverbot das eifrige Suchen der Amerikaner nach eigenen Kaliquellen gesteigert. Zahlreiche Patente auf die Herstellung dieses wertvollen Abraum- salzes aus einheimischen Rohstoffen, z. B. aus Seetang, Feld- spat, Alaunstein, Borax, natürlicher Sole, Zementmühlen- Gichtstaub und anderen industriellen Abfallprodukten wurden erteilt und die Kalischätze des Searlessees in Kalifornien in Abbau genommen, um wenigstens die dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen. Man vermochte jedoch kaum ein Fünftel des normalen Verbrauches zu erzeugen, und die Unkosten waren so hoch, daß sie bloß durch die außergewöhnlichen Kriegs- verhältnisse getragen werden konnten. Trotz erheblicher Auf- wendung an Mitteln sind jedoch die Kaiig ewinnungss^ersuche erfolglos geblieben, weil die hierfür verwendbaren Rohstoffe bloß in begrenzter Menge vorhanden waren und sich bald erschöpft haben würden. U.S.Amerika wird also nach wie vor gezwungen sein, Kali aus Europa zu holen und zwar hauptsäch- lich aus Deutschland, dessen Kalimonopol durch den Verlust der elsässischen Lagerstätten zwar durchbrochen, aber dank den überreichen mitteldeutschen Kalilagern noch lange nicht er- schüttert worden ist.

20. Die Industrie.

Die Union verwandelt sich aus einem landwirtschaftlichen Land immer mehr in einen Industriestaat. Ursachen der gewaltigen Entwicklung des vereinsstaatlichen Großgewerbes. Die Wasserkräfte. Bescheidene Anfänge der Industrie zur Kolonialzeit und rascher Aufschwung nach Erringung der staatlichen Selbständigkeit. Staatliche Schutzzollpolitik. Geographische Verbreitung der Industrie. Standortsverteilung und Wanderungen einzelner Industriezweige. Arbeitermangel führte zu ausgiebiger Heranziehung von Hilfsmaschinen und zu weitgehender Arbeitsteilung. Die amerikanische

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Fabrikation ist auf Massenartikel und Großbetriebe zugeschnitten. Die in- dustrielle Massenerzeugung verlangt nach neuen Absatzmärkten auf Kosten der europäischen und bedingt den Imperialismus der Unionspolitik. Haupt- zweige der Gewerbtätigkeit : Metallindustrie und Maschinenbau ; Textilindifstrie ; Gerberei und Lederverarbeitung; Industrie der Fette und Oele; Kautschuk- industrie.

Die Krönung der vereinsstaatlichen Volkswirtschaft bildet die Großindustrie, die sich in demselben Maße entfaltet hat, als ihr die ständig wachsende Bevölkerung gleichzeitig Arbeits- kräfte und Abnehmer, Erzeuger und Verbraucher zuführte. Seit die Vergebung der öffentlichen Ländereien der weiteren Aus- dehnung der Landwirtschaft ein Ziel gesetzt hat, ist die wirt- schaftliche Fortentwicklung der Union in erster Linie durch die Industrie bestimmt und auch auf diesem Gebiet rasch zu fabel- hafter Höhe gebracht worden. Der Wert der industriellen Pro- duktion ist jetzt viel größer als derjenige der landwirtschaft- lichen Produktion, und infolge der fortschreitenden Umwandlung U.S.Amerikas in einen Industriestaat hat auch die Ausfuhr von Fabrikaten entsprechend zugenommen. Der Eigenverbrauch an industriellen Erzeugnissen ist bei der hohen Lebenshaltung und der raschen Vermehrung der vereinsstaatlichen Bevölkerung und begünstigt durch die ununterbrochene Erweiterung des Verkehrs- netzes ebenfalls ungeheuer gestiegen. Eine Industrie aber, die für das Wirtschaftsleben eines loo-Millionen Volkes zu sorgen hat und schon aus der BeHeferung des Inlandsmarktes gewaltige Einnahmen zieht und Anregungen empfängt, wird leichtbe- greiflicherweise darnach trachten, sich von fremder Bevormun- dung zu befreien und alles das, was das eigene Land unbedingt braucht, selbst herzustellen. Sie muß sich daher sowohl durch Massenhaftigkeit wie durch Vielseitigkeit der Erzeugung aus- zeichnen, und das Großzügige, das der amerikanischen Wirt- schaft das Gepräge gibt, kommt aufs stärkste auch auf indu- striellem Gebiet zur Geltung.

Allerdings sind alle Vorbedingungen für eine rasche und gewaltige Entfaltung der Industrie in dem Riesenstaat mit seinen reichen und vielseitigen Naturschätzen und seinen rührigen, aufnahmefähigen Bewohnern in seltener Weise vereinigt. Der Ueberfluß an veredelungsfähigen Rohstoffen, ein dichtes Netz von Schienenwegen und Binnenwasserstraßen, das unter be- quemer Ueberwindung der Entfernungen eine billige und aus- giebige Gut er Verfrachtung ermöglicht, der sprichwörtliche Er-

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findungs- und Unternehmungsgeist der Amerikaner, und der Vorteil, sich in dem weiten Lande in einer Unbeengtheit, frei von Zollschranken, Vorurteilen und veralteten Ueber Heferungen, zu entfalten, die im staatenreichen, vielfach noch am Altüber- kommenen festhaltenden Europa undenkbar war: alle diese Gründe sind von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung einer ungeahnt leistungsfähigen Großindustrie geworden. Sie ist nicht zum wenigsten auch durch das Vorhandensein unerschöpf- licher Kraftquellen gefördert worden. Kohle, Petroleum und Naturgas sind noch im Ueberfluß vorhanden, und ihre Ergänzung bilden die »weißen Diamanten«, die Wasserkräfte, die zwar sehr unregelmäßig über das Land verbreitet und auch nicht immer leicht zu bändigen sind, die aber doch nicht minder segensreich gewirkt haben wie die »schwarzen Diamanten«, die Kohlen. Welche Fülle von Energie bieten allein die Niagarafälle dar! Zum Glück sind sie noch nicht so zum Sklaven des neuzeitlichen Großgewerbes gemacht worden wie die Anthonyfälle des Missis- sippi bei St. Paul-Minneapolis, die durch industrielle Ausnutzung landschaftlich vollständig verunstaltet sind. Das einst prächtige Waldbild hat häßlichen Fabrikanlagen Platz machen müssen, und um ein Zurückweichen des Falles durch die ausnagende Arbeit des stürzenden Wassers zu verhindern, ist die Fallstrecke mit einer schrägen Holzrampe überspannt, auf der das über- schüssige Wasser ohne eigentlichen Fall hinabgleitet. Obwohl die Fälle bis fast zum letzten Tropfen ausgenutzt sind, wurden in ihrer Nachbarschaft noch viele Dampfbetriebe eingerichtet, weil bei dem ungeheuren Energieverbrauch die Wasserkräfte nicht ausreichen.

Die industriellen Leistungen der Amerikaner müssen um so höher bewertet werden, als die meisten Gewerbszweige noch sehr jung sind. Allerdings waren einzelne, die sich auf einhei- mische Rohstoffe stützten, schon zur Kolonialzeit zu einer gewissen Entfaltung gelangt. Im Ganzen blieben sie jedoch von untergeordneter Bedeutung, weü die merkantilistische Handels- politik des Mutterlandes die gewerbliche Entwicklung der Kolo- nien absichtlich hemmte und alle nicht örtlich gebundenen Gewerbe verbot, um den eigenen Fabriken den Absatz der Fertigwaren zu sichern. Im übrigen stellten die Farmer alle die Gegenstände, die sie brauchten, selbst im Hausfleiß her. Einige der ältesten Gewerbe aus dieser Zeit, besonders Müllerei,

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Schlächterei und Schuhmacherei, haben eine überragende Stel- lung in der Weltwirtschaft gewonnen. Aber erst die Erringung der staatlichen Selbständigkeit, die zugleich die wirtschaftlichen Fesseln beseitigte, schuf der Industrie freiere Bahn. Denn der Unabhängigkeitskampf und der zweite Krieg gegen England 1812/14 zwangen infolge der Unterbindung des gesamten Außen- handels die Amerikaner, Ersatz für die fremden Fabrikate zu suchen. Nunmehr begann der Erfindungsgeist sich mächtig zu regen. Damals entstanden die ersten Baumwollspinnereien, die ersten mechanischen Webereien und die ersten Dampf mühlen.

Dennoch war die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Union noch für viele Jahrzehnte auf die Landwirtschaft gegrün- det, während die Industrie nur mäßige Fortschritte zeigte. Zwar hatte sich von 1850 1880 der Wert der Industrie-Erzeugnisse verfünffacht (von 1,02 Milliarden auf 5,4 Milliarden Dollars), nicht zum wenigsten wegen der hohen Anforderungen, die der Bürgerkrieg an den Bahnbau und an die Ausrüstung und Ver- pflegung der Truppen stellte. Aber erst wenige Industriezweige vermochten den Bedarf an Fabrikaten zu decken, so daß die Union noch durchaus von der europäischen Industrie abhängig war. Noch 1890 war die Einfuhr fremder Fabrikate fast dop- pelt so groß wie die Ausfuhr amerikanischer Manufakturen.

Aber schon auf der Weltausstellung von Philadelphia (1876) wurden die Fortschritte U.S.Amerikas auf industriellem Gebiet offenbar, und seit dem Ende der Landnahme, seit der Aenderung des Charakters der Einwanderung, die sich jetzt vorwiegend den Industriegebieten zuwendet, und wegeii der besseren Ver- zinsung des in der Industrie angelegten Kapitals ist das Groß- gewerbe immer mehr in den Vordergrund getreten. Seine Ent- wicklung wurde dadurch mächtig gefördert, daß immer stärkere Zollschranken und immer höhere Einfuhrzölle den billiger ar- beitenden ausländischen Wettbewerb fern hielten. Den Höhe- punkt dieser Schutzzollpolitik bezeichneten die vom Präsidenten Mc. Kinley erlassene und nach ihm benannte Bill und der D i n g 1 e y - Tarif. Sie haben die früher übermächtige Einfuhr fremder Fabrikate erheblich eingeschränkt und für gewisse Zweige überhaupt ausgeschaltet. Unter einem so strengen zoll- politischen Abschlußsystem haben viele, wenngleich noch nicht alle Industrien, sich zu so riesenhaften Verhältnissen entfaltet, daß sie nicht bloß den gewaltigen Inlandsmarkt mit den gangbar-

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sten Artikeln beliefern, sondern auch für die Ausfuhr arbeiten ^), Rasch nähert sich die Union dem Zeitpunkte, wo sie in der Industrie ebenso wie in der Landwirtschaft in allen wesentlichen Dingen als Selbstversorger gelten kann, zumal sie zum Unter- schied von den europäischen Industriestaaten sich in erheb- lichem Maße auf die Veredelung einheimischer Rohstoffe stützt. So hat sich dasselbe Land, das noch vor wenigen Jahrzehnten als ausgeprägter Ackerbaustaat der beste Abnehmer europäischer Fabrikate war, immer mehr von deren Bezug frei gemacht und ist ein ernstlicher Mitbewerber unseres Erdteils auf den außer- europäischen, ja selbst auf den europäischen Märkten geworden» Bis zum Weltkriege stand die Fabrikatenausfuhr weit hinter derjenigen Englands und erreichte auch diejenige Deutschlands noch nicht. Heute hat U.S.Amerika in der Industrieausfuhr den ersten Platz unter allen Einzelstaaten erreicht. Hinter ganz Europa bleibt es aber noch weit zurück.

Der Hauptindustriebezirk waren von Haus aus die Neu-Eng- landstaaten, in denen die weißen Einwanderer am frühesten ein- wurzelten. Die gewerbliche Entfaltung beruhte zunächst auf der Verwertung der reichlich vorhandenen Wasserkräfte und zog erst durch den Kanalbau und später durch den Eisenbahn- bau die Roh- und Kraftstoffe der Nachbargebiete heran. All- mählich griff die Großindustrie auf die eisen-, kohlen- und petroleumreichen mittelatlantischen und nördlichen Zentral- staaten über, deren dichtere, durch die europäische Zuwanderung ständig verstärkte Bevölkerung zugleich die meisten Arbeits- kräfte zu stellen vermochte. Der appalachische Nordosten be- schäftigt zwei Drittel aller Industriearbeiter und erzeugt drei Viertel des Gesamtwertes aller vereinsstaatlichen Fabrikate. Dieses dichtest bevölkerte Gebiet umschließt auch die meisten und größten Industriestädte, und alle Zweige des Großgewerbes sind hier zu Hause. Aber durch die Wanderbewegung der Indu- strie, die der Verschiebung des Bevölkerungsschwerpunktes und damit der Verschiebung ihres Hauptabsatzgebietes, des Binnen- marktes, landeinwärts folgen muß, sind neben dem Nordosten noch andere große Industriezentren entstanden. Selbst in dem ursprünglich rein landwirtschaftlichen Süden hat die Eisen- und Baumwollverarbeitung einen erheblichen Umfang angenom- men. Damit verliert der Nordosten allmählich sein industrielles Uebergewicht.

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Geographische Gesichtspunkte kommen auch sonst bei der Standortsverteilung der vereinsstaatlichen Industrien in mannig- facher Weise zur Geltung. Die Eisenindustrie hat. ihre Haupt- sitze im appalachischen Osten, weil diesem kohlenreichen Gebiet der Eisenerzreichtum des Oberen Sees und überseeischer Länder leicht und billig zugeführt werden kann. Hier sind daher die gewaltigsten Hochöfen, Stahl- und Walzwerke zu finden. In den warmen Südstaaten sind Baumwolle, Zuckerrohr und Tabak die Grundlagen der Gewerbtätigkeit. In Kalifornien nimmt, gestützt auf die fabrikmäßig betriebene Gartenkultur, die Be- reitung von Frucht- und Gemüsekonserven eine führende Stel- lung ein. Im holz- und wasserkraftreichen pazifischen Nord- westen breiten sich Holzindustrie und Papier fabrikation aus, die ursprünglich in den Neu-Englandstaaten zu Hause waren, aber mit dem Rückgang des Waldes ihren Schwerpunkt immer mehr nach Westen verlegt haben. In den Städten der Wald- gebiete hat auch die Möbelverfertigung ihren Hauptsitz. In der großen Korn- und Fleischkammer des Mississippi-Beckens und der Prärien haben die auf der Landwirtschaft beruhenden Industrien, Müllerei, Versandschlächterei, Gerberei und Schuh- fabrikation, ihre hauptsächlichste Verbreitung, und die Her- stellung von Ackergeräten hat hier überragende Bedeutung er- langt. Sperrige Güter müssen wegen der für sie besonders hohen Frachtkosten möglichst in der Nähe ihrer Absatzmärkte ver- fertigt werden. Das gilt nicht zum wenigsten von den landwirt- schaftlichen Maschinen, deren Bau in demselben Maße nach Westen rückte, als das Hauptgebiet des Getreidebaues sich in dieser Richtung ausbreitete. Noch 1890 erzeugten die Staaten New York und Ohio mehr landwirtschaftliche Maschinen als der Staat Illinois, wo jetzt und zwar vornehmlich in Chicago die größere Hälfte aller landwirtschaftlichen Maschinen in der Union hergestellt wird.

Wie bei der Landwirtschaft, so machte sich auch bei der Industrie der Mangel an Arbeitern, nicht zum wenigsten an ge- schulten Facharbeitern, empfindlich fühlbar und führte zur ausgiebigen Heranziehung Zeit und Hände sparender Maschinen. Beispielsweise geht ein Schuh bis zu seiner Vollendung durch eine lange Reihe von Maschinen, deren Tätigkeit bereits mit dem Sortieren des Leders einsetzt. Von Maschine zu Maschine und durch etwa 300 Hände weiterwandernd wird das Rohleder so

2i8 ^ .

rasch in einen Schuh verwandelt, daß eine der großen Schuh- fabriken in St. Louis tägHch bis zu 22 000 Paar fertigstellen kann. In ähnlicher Weise werden in den riesigen Sägemühlen alle Handgriffe vom Herausziehen der Stämme aus dem Wasser bis zu ihrer Zerschneidung in Bretter, Schindeln, Kistenbrettchen usw. und bis zur Beiseiteschaffung der Abfälle von Maschinen ausgeführt, die mit ihren riesigen Eisenhänden und Eisenfingern unwillkürlich an die geheimnisvolle Tätigkeit menschlicher Wesen erinnern und nur wenige Leute zu ihrer Bedienung verlangen. In welchem Maße Bergbau und Versandschlächterei auf Ma- schinenarbeit zurückgreifen, wurde bereits erwähnt (vgl. S. 204,

183).

Die allgemeine Verwendung vervollkommneter Hilfs- und Arbeitsmaschinen erklärt die gleichmäßig gute Ausführung der amerikanischen Fabrikate. Auf der andern Seite hat sie freilich die Vernachlässigung aller feineren, bloß mit geduldiger Hand- arbeit möglichen Tätigkeiten zur Folge gehabt. Denn zur Deckung der hohen Unkosten für Löhne und Maschinen und zur nutz- bringenden Verwendung ungelernter Kräfte ist nur die Massen- erzeugung lohnend. Daher ist der Fabrikationsbetrieb auf die Herstellung gangbarer Massenartikel zugeschnitten, während feinere Qualitätswaren, namentlich solche, bei denen aus irgend- einem Grunde die Handarbeit die Hauptrolle spielt j im allgemeinen dem Ausland überlassen werden. Alle Arbeiten, die individuelle Be- handlung und Zeit erfordern, haben in Amerika eben so wenig eine Stätte gefunden wie das Kleingewerbe, das hier nie die Bedeutung gewinnen konnte wie in Europa, weil die amerikanische Industrie vornehmlich auf den Gebieten der maschinellen und mechani- schen Massenerzeugung in ihrem Element ist und weil eine solche Betriebsweise notwendig zur Großindustrie führen mußte. Es gibt deshalb kaum ein Gewerbe, das in Amerika nicht zum Großbetrieb geworden wäre. Auch Ausbesserungen sind un- verhältnismäßig viel teurer als Neuanschaffungen. Um die Bühgkeit und Massenhaftigkeit der Erzeugung zu steigern, wirken die Fabrikanten dadurch erzieherisch auf die Käufer ein, daß sie durch Beschränkung auf eine kleinere Anzahl von Typen eine möglichst weitgehende Gleichartigkeit der An- sprüche anstreben. Von dieser Vereinfachung, der Typisierung oder Standardisierung, sollte auch unsere Industrie mehr Ge- brauch machen.

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Zur ausgiebigen Verwendung mechanischer Hilfskräfte kommt eine bis ins kleinste durchgeführte Arbeitsteilung. Die gesamte Arbeit wird in möglichst viele und einfache Teilarbeiten und Einzelleistungen zerlegt, die der Mensch oder richtiger die von ihm bediente Maschine rein mechanisch in kürzester Zeit vollbringen kann. Jeder Arbeiter hat bloß einen ganz bestimmten Handgriff zu leisten, eine ganz bestimmte Tätigkeit auszuüben und eine ganz bestimmte Maschine zu bedienen, so daß er mit der Zeit eine erstaunliche Fertigkeit erlangt und in der ihm zugewiesenen Beschäftigung zum Spezialisten oder richtiger selbst zur Maschine wird. Durch eine auf die Spitze getriebene Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft strebt man darnach, mit geringstem Aufwand an Zeit und Muskelkraft größte Lei- stungen zu erzielen. Das ist der Grundgedanke des vielgenannten Taylor Systems, das freilich oft nichts anderes als eine raffi- nierte Kraftauspressung und einen Raubbau an menschlicher Arbeitsfähigkeit bedeutet. Umgekehrt ist es mit Arbeiterschutz, Arbeiterversicherung und andern Wohlfahrtseinrichtungen noch recht schlecht bestellt. Auch die vielerorts bis zum äußersten ausgenutzte Kinderarbeit ist ein wenig erfreuliches Kapitel im amerikanischen Wirtschaftsleben. So sehr durch die Einseitig- keit der Ausbildung die Genauigkeit und Schnelligkeit der Leistungen gesteigert wird, so verdient doch die vielseitigere Schulung unserer heimischen Arbeiter den Vorzug. Denn sie befähigt sie, in der Regel alle in ihr Fach schlagenden Arbeiten auszuführen, und macht sie dadurch viel brauchbarer als den amerikanischen Arbeiter, dem sie auch auf allen Gebieten tech- nischer Feinheit weit überlegen sind 2). Im übrigen ist ein Unter- schied zwischen europäischer und amerikanischer Arbeitsweise vielfach kaum noch vorhanden, da unsere Großindustrie sich ebenfalls den modernsten Arbeitsmethoden zuwendet.

Aber die amerikanische Massenfabrikation ist schon viel größer als der inländische Verbrauch. Um daher den unerwünsch- ten Folgen der Ueberproduktion zu entgehen, muß sie mit allen Mitteln und auf Kosten des europäischen Wettbewerbes sich neue Absatzmärkte eröffnen, indem sie durch Preisunterbietung oder durch Errichtung von ausländischen Filialen die fremden Fabrikate zurückdrängt. Dieser Beweggrund hat nicht zu- letzt die Weltmachtsbestrebungen oder den Imperialismus der Amerikaner veranlaßt und ihre Industrie zum gefährlichsten

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Nebenbuhler der europäischen gemacht. Ist doch in dem Zeit- raum von 1872 1913 der Ausfuhrwert der vereinsstaathchen Industrie von 6% auf 46% gewachsen und der Anteil der Roh- stoff- und Nahrungsmittelausfuhr trotz gewaltiger Steigerung der absoluten Werte entsprechend zurückgegangen! Für Europa selbst bedeutet allerdings die amerikanische Industrie-Ausfuhr noch keine unmittelbare Gefahr, weil sie ihm in erster Linie Halbfabrikate zur Weit er Veredelung liefert. Dagegen ist sie auf den überseeischen Märkten eine Bedrohung geworden. Schon in den letzten Friedens] ahren war der scharfe Wettbewerb der Vereinigten Staaten im Lateinischen Amerika zu verspüren, dessen viel weniger tüchtige und tatkräftige Bevölkerung auf allen Gebieten des Wirtschaftslebens weit hinter den Nordamerikanern zurücksteht. Vor allem aber gab ihnen der Weltkrieg, der die altgewohnten Handelsbeziehungen Latein- Amerikas und Ostasiens mit Europa unterband, eine einzigartige, wohl nie wiederkehrende Gelegenheit, ihre Fabrikate an die Stelle der europäischen zu setzen und ihren Einfluß so zu festigen, daß er nicht so leicht wieder verdrängt werden kann.

Soweit die mannigfachen Gewerbszweige nicht schon bei der Landwirtschaft und dem Bergbau Erwähnung gefunden haben, sei über sie zusammenfassend folgendes gesagt: Die leistungsfähigsten Industrien, die in erster Linie die Vormachts- stellung der Union bedingen, sind die Metall-, Textil- und Nah- rungsmittel-, Kleider- und Schuhindustrie. Die wichtigsten Großgewerbe beruhen also auf den landwirtschaftlichen und bergbaulichen Rohstoffen des eigenen Landes.

Im Zusammenhang mit der Metallindustrie, die dem Ueberflusse an Kohlen und Erzen ihre Riesengröße ver- dankt, stehen die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen und Stahl, Werkzeug- und Kurzwarenfabrikation, Maschinenbau und Herstellung von Verkehrsmitteln. Bis 1894 überwog die Einfuhr, weil die Union innerhalb der eigenen Grenzen nicht genug Roheisen und Stahl erzeugte. Jetzt steht sie in diesem Fabrikationszweig an der Spitze aller Länder und hat während des Weltkrieges die europäische Gesamtproduktion überflügelt, so daß sie die Hälfte der gesamten Roheisenerzeugung der Erde liefert. Ihre haupt- sächlichsten Anregungen erhielt die Eisen- und Stahlindustrie durch die rasche Entwicklung des vereinsstaatlichen Eisenbahn- netzes mit seinem ungeheuren Bedarf an Schienen und Brücken,

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Lokomotiven, Personen- und Güterwagen usw. Hieraus erklären sich die riesigen Anlagen der B a 1 d w i n sehen Lokomotiven- fabrik in Philadelphia, die jährlich über 3000 Lokomotiven fertigstellt, und der P u 1 1 m a n sehen Eisenbahnwagen- und Schlaf Wagenfabrik in dem gleichnamigen Vororte von Chicago. Dem Verkehr dienen ferner die Herstellung von Kutsch- und Lastwagen, von Fahrrädern und Automobilen und die im Welt-

Union Deutöchid Großbritanien Übn Europa

f.

1870

J9J3

13S/

R.

^o^zs

Eisenerzgewinnung (E) und Roheisenerzeugung (R) in 1000 Metertonnen in den Jahren 1870 und 19 13.

kriege riesenhaft gewachsene Tätigkeit der Schiffswerften. Der Bau von hölzernen und stählernen Schiffen hat seinen Sitz im hafenreichen Nordabschnitt der atlantischen Küste, in den pazi- fischen Küstenstädten und in den Uferorten der Gioßen Seen. Nächst den Aufgaben, die das Verkehrswesen stellt, spielt in dieseiTi Lande der praktischen Maschinen der Maschinenbau eine bemerkenswerte Rolle, weil er derjenige Zweig des Großgewerbes

222 ' *

ist, der dem Erfindungsdrang der Amerikaner am meisten zusagt. Er erzeugt alle die Hilfsmaschinen, die zum Ersatz und zur Stei- gerung der menschlichen Arbeitskraft bestimmt sind. Auch in der Anfertigung landwirtschaftlicher Maschinen nimmt die Union eine beherrschende Stellung ein. Im Nordosten hat sich die Uhrenindustrie zur ersten ihrer Art entwickelt und weist die größten Fabriken der Welt auf. Sie arbeitet durchweg mit auto- matischen Maschinen und liefert deshalb eine sehr gleichmäßige, gute Ware, die zum Schaden der schweizerischen Uhrenindustrie imimer mehr in den überseeischen Märkten Fuß faßt. Ein wich- tiger Zweig der Metallindustrie ist schließlich die vielseitig aus- gebildete elektrische Industrie, die durch den Kupferreichtum der Union und durch die großen Anforderungen des Telegraphen- und Kabelbaues begünstigt wurde. Weit bekannt durch ihre elektrischen Apparate, Telegraphen und Fernsprecher ist die Edisonstadt Schenectady am Mohawk.

Nicht minder rasch emporgeschnellt ist die Textil- industrie, deren Hauptzweige BaumwoU- und Wollver- arbeiturg, Seidenmanufaktur und Leinweberei sind. Die mäch- tige Entwicklung der Bau mwoll Verarbeitung beruht auf dem starken Absatz innerhalb der Union selbst und darauf, daß der Rohstoff im eigenen Lande überreich vorhanden ist. Im übrigen vgl. S. 171 f. Die Verbreitungsgebiete der Baumwollindustrie sind zugleich diejenigen der Woll Verarbeitung. Der zunehmende Wohlstand der Bevölkerung hat auch einen steigenden Verbrauch an Seidenstoffen im Gefolge gehabt, der lange ausschließlich aus fremden Bezugsquellen gedeckt werden mußte. Nach wie vor müssen Kokons und Rohseide von auswärts bezogen werden, so daß die vereinsstaatliche Seidenmanufaktur nicht boden- ständig ist. Das Klima der Südstaaten und Süd- Kaliforniens sagt zwar dem Maulbeerbaum zu. Allein die anspruchsvolle Seidenraupe verlangt zu ihrer sorgsamen Pflege viele und billige Arbeitskräfte, die seit Aufhebung der Sklaverei nicht mehr zur Verfügung stehen. Dennoch ist in den Nordoststaaten, nament- lich in der Stadt Paterson, N.Y., eine großartige Seiden- industrie aufgeblüht, die in erfolgreichen Wettbewerb . mit der französischen getreten ist. Bloß die allerfeinsten Gewebe müssen noch eingeführt werden. Während des Weltkrieges hat sich zum Schaden des europäischen Industriezweiges auch die Er- zeugung von Kunstseide eingebürgert. Dagegen ist die Leinen-

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Industrie und der Verbrauch leinener Stoffe verhältnismäßig gering, weil man im Lande der Baumwolle der Leinwand im allgemeinen baumwollene Stoffe vorzieht. Die Hanf- und Jute- industrie tritt ebenfalls zurück.

Hervorragende Bedeutung hat bei der Fülle pflanzlicher und tierischer Rohstoffe die Gewinnung von Nahrungs- und Genußmitteln. Früher gelangten sie meist in rohem Zustande zur Ausfuhr. Mehr und mehr sind sie indes in verarbeiteter Form hinausgegangen, da mittlerweile eine gewaltige Nahrungs- mittelindustrie entstanden ist. Unter ihren Zweigen stehen die Herstellung von Mehl und Backwaren, die Verarbeitung von Zucker und Tabak, die Obst- und Gemüsekonservenindustrie und die Versandschlächterei obenan. In den wichtigeren Küsten- plätzen des Nordostens, Nordens und Westens blüht auch die Fischkonservenindustrie. Der Getreidebau hat eine großartige Müllerei hervorgerufen. Gewaltige Mühlenwerke, unerreicht an Leistungsfähigkeit und mit allen neuzeitlichen Einrichtungen ausgestattet, sind namentlich in St. Paul-Minneapolis, der größten Mühlenstadt der Erde, und in den Hauptorten des Seengebietes zu Hause. Die nicht minder riesige Entwicklung der Getränke- industrie ließ in den Vereinigten Staaten die größten Brauereien der Welt entstehen. Wie ihre Namen verraten Anhäuser- Busch-Brauerei in St. Louis, Pabst- und Schlitzbrauerei in Milwaukee sind sie deutsche Gründungen. Die allgemeine Durchführung der Temperenzgesetze und des Verbots alko- holischer Getränke hat indes weittragende Folgen für die Bier- brauerei, Weinbereitung und Branntweinbrennerei gehabt. Die meisten Betriebe sind zur Fabrikation alkoholfreier Getränke übergegangen und beschäftigen nach amerikanischen Angaben jetzt mehr Angestellte als früher.

In der starken Viehzucht wurzeln die Großschlächterei (vgl, S. 183), Molkereiwirtschaft (vgl. S. 184) und Gerberei. Auf den Gebieten der Handschuh- und Schuhfabrikation ist die Union ein gefährlicher Nebenbuhler Europas geworden. Die größere Hälfte aller amerikanischen Handschuhe wird in Glo- versville und Johnstown, zwei Städten des Staates New York, verfertigt. Die Schuhindustrie zeigt eine ausgesprochene Speziali- sierung und Lokalisierung, indem einige Fabriken, z. B. in Brock- ton, Mass., nur Herrenstiefel, andere in Lynn, Mass. ausschließlich Damenstiefel und wieder andere, besonders in

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Haverhill, Mass., bloß Damen- und Kinderschuhe herstellen. Die größten Schuhfabriken der Welt besitzt St. Louis.

Nicht minder großartig hat sich die Industrie pflanzlicher und tierischer Fette und Oele zur Seifen- und Kerzen- fabrikation und zur Gewinnung von Speiseöl, Schmieröl usw. entfaltet. Ihre Hauptgrundlage bildet die Verwertung der un- geheuren Mengen von Schweineschmalz und Baumwollsamen, zu denen teils angebaut, teils eingeführt Leinsaat, Erdnüsse, Sojabohnen und Kopra hinzukommen (vgl. S. 176). Vor dem Weltkriege ging fast alle Kopra Südasiens und der Südsee- Inseln nach Europa. Als jedoch die zunehmende Schiffsraumnot und die Unterseebootgefahr die Verfrachtung dorthin fast unmöglich machten, während sie nach der Westküste Amerikas nicht be- droht war, nahm sie ihren Weg nach den Häfen San Francisco und Seattle, die sich zu wichtigen Handels- und Verarbeitungs- plätzen der Kopra aufgeschwungen haben. Heute wird die Einfuhr von Kopra und Kokosöl in die Union auf die Hälfte der Welterzeugung veranschlagt. Aber auch im eigenen Lande ist der Anbau ölhaltiger Pflanzen rasch gestiegen. Denn die Ver- einigten Staaten sind nicht bloß der größte Erzeuger und Ver- braucher von Oelen und Fetten geworden, sondern sie tragen auch in immer stärkerem Maße zur Versorgung Europas und des Welt- marktes mit Oel und Fett und ihren Kunstprodukten Palmin, Margarine, Oleomargarine usw. bei. Der Weltkrieg hat ihr auch in diesem Wirtschafts- und Handelszweig eine überragende Stellung verschafft.

Die Herstellung von Fahrrädern, Kraftwagen, Autoreifen, Kabeln und Gummiwaren der verschiedensten Art Gummi- schuhe, Gummistoff, Gummisohlen und Gummiabsätze, Trans- missionsriemen, chirurgische Artikel, Kautschukröhren usw. hat auch die Kautschukindustrie mächtig empor- blühen lassen. Sie ist indes ganz auf die Einfuhr des Rohmaterials angewiesen. Schon vor dem Weltkriege verbrauchten die Ameri- kaner 44%, 1919 dagegen über 64% der Welterzeugung an Kaut- schuk. Daher ihre Bemühungen, die Gewinnung des wichtigen Rohstoffes selbst in die Hand zu bekommen und sich im Handel mit ihm selbständig zu machen. Dieser Plan ist durchaus ge- lungen. Heute bezieht die Union bloß noch einen kleinen Teil ihres Kautschuks über den Londoner Markt. Der weitaus größte Teil kommt unmittelbar aus den Erzeugungsländern, und New

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York ist der Hauptumschlagsplatz für Kautschuk geworden. Zwar suchte England sich dadurch vor dem amerikanischen und ja- panischen Wettbewerb zu schützen, daß es mehrere Jahre hin- durch alle Nichtbriten und alle Nichtmalayen vom Eiwerb größerer Kautschukpflanzungen auf der Halbinsel Malakka aus- schloß. Dafür haben vereinsstaatliche Gesellschaften in Indo- china und namentlich auf Sumatra ausgedehnte Plantagen an- gelegt. Auf Sumatra besitzt eine amerikanische Gesellschaft bereits die größte Kautschukpflanzung der Welt, und auch die Eignung der südlichen Philippinen für den Kautschuk ist nach- gewiesen. Ebenso nimmt der brasilianische Kautschuk seinen Weg meist in die Vereinigten Staaten.

21. Trusts und Unions.

Das Kolossale in der Union kehrt auch im Unternehmertum mit seinen tingeheuren Geschäfts-Organisationenund Kapital-Zusammenballungen wieder. Name, Wesen und Ziele der Trusts. Ihr Einfluß auf Politik und Wirtschafts- leben. Monopolisierung und Vertrustung aller wichtigen Warengattungen und Gewerbe. Die mächtigsten Ringbildungen. Der Kampf gegen die Auswüchse der Trusts. Arbeiter-Organisationen.

Am auffälligsten in der Union ist das Kolossale, und wie im Verkehr, so hat das amerikanische Unternehmertum auch die verschiedenen Industriezweige mit Hilfe ungeheurer Kapitalien zu riesigen Einkaufs-, Fabrikations- und Verkaufsgenossen- schaften zusammengefaßt. Das sind die unseren Kartellen und Syndikaten vergleichbaren Trusts. Diesen Namen legte sich zuerst die in den 8oer Jahren vom Petroleumkönig Rocke- feiler gegründete Standard Oil Co. bei, die darum als erste jener merkwürdigen Erscheinungen des nordamerikanischen Wirtschaftslebens gelten kann. Weit ausgreifende Geschäft s- tmd Industrie-Organisationen sind zwar der gesamten heutigen Weltwirtschaft nicht fremd. Aber die amerikanischen lassen, der räumlichen Größe des Landes und den dadurch bedingten Auf- gaben und Absatzmöglichkeiten entsprechend, ähnliche Unter- nehmungen in Europa weit hinter sich. Sie sind der unmittel- bare Ausdruck des gewaltig entwickelten amerikanischen Wirt- schaftslebens, und in ihnen bekundet sich zugleich der weit- schauende, aufs Große gerichtete Blick des Amerikaners.

H a s s e r t , Vereinigte Staaten. 15

226

Die Trusts sind mächtige Kapitalvereinigungen auf gesell- schaftlicher Grundlage, aber mit einer führenden Persönlichkeit an der Spitze. Sie streben in irgendeinem Gebiete der Industrie oder des Verkehrs eine Monopolstellung zu erlangen und durch Zusammenfassung der zugehörigen Einzelbetriebe möglichst den ganzen Herstellungsgang einer Ware vom Rohstoff bis zum Fertigfabrikat, sowie alle Einkaufs- und Absatzquellen in ihre Hand zu bekommen. Eine solche Kombination ermöglicht es, durch Verringerung der Erzeugungskosten mittels einheitlicher, verbilligter und vereinfachter Verwaltung und zweckmäßiger Verteilung der Produktion auf die der Vereinigung angeschlossenen Werke, unter Umständen auch durch Einschränkung der Er- zeugung und dadurch bedingte Hochhaltung der Preise höhere Verdienste zu ei zielen als beim Einzelunternehmen und bei gegen- seitiger Unterbietung. Das gibt den vereinigten Industrien eine hohe, in wenige Hände gelegte Macht und gestattet die Auf- stellung von Monopolpreisen. Voraussetzung ist freilich die Unterdrückung aller Konkurrenz. Darum werden die Wett- bewerber zum Anschluß gezwungen oder, wenn sie sich dem Willen der Trusts nicht fügen, sich ihnen nicht angliedern oder ihren Preisen nicht anbequemen wollen, rücksichtslos vernichtet. Hierbei scheuen die Trusts auch zeitweilige eigene Opfer nicht, um durch Unterbietung den kapitalschwächeren Gegner nieder- zuringen. Schonungslos waltet die Macht des Stärkeren, und kaltherzig werden die Kleinen von den Großen unterdrückt, wobei viele tüchtige, aber schwächere Existenzen zugrunde gehen. Noch 1850 verteilte sich die Fabrikarbeit auf eine Vielzahl kleiner Betriebe, deren jeder nur w^enige Arbeiter beschäftigte. Seitdem ist eine zunehmende Konzentrierung der Fabriktätigkeit zu großen Betrieben und die Zusammenfassung der großen Einzelbetriebe zu riesigen Geschäfts-Organisationen eingetreten. Die Privatmonopole, wie sie die Trusts darstellen, lassen sich auch bloß dann erfolgreich durchführen, wenn fremde Einfuhren und fremder Wettbewerb durch einen schwer überschreitbaren Damm hoher Schutzzölle fern gehalten werden. Die Trusts haben es daher verstanden, einen maßgebenden Einfluß auf die Politik zu gewinnen und sie ihren Zwecken dienstbar zu machen. Beim Spanisch-Amerikanischen Kriege und den ihn einleitenden Auf- ständen in Kuba hatte der Zuckertrust die Hand im Spiele. An den Schwierigkeiten in Mexiko ist der Petroleumtrust nicht

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unbeteiligt, und der Gummitrust suchte, wenngleich vergebens, aus einem grenzstreitigen südamerikanischen Gebiet die politisch selbständige, wirtschaftHch aber ganz von ihm abhängige Repu- blik Acre zu machen.

Den nachhaltigsten Einfluß haben die Trusts als höchst entwickelte Formen privatwirtschaftlicher Machtfülle auf das Wirtschaftsleben des eigenen Landes erlangt. Nach und nach sind fast alle Warengattungen und Gewerbe »vertrustet« worden, von den Streichhölzern, Zigarren und der Seife, den Schulbüchern und Theatern bis zu den Eisenbahnen und Straßenbahnen, der städtischen Beleuchtung, dem Telegraphen- und Fernsprech- wesen. Jetzt sind eifrige und erfolgreiche Bemühungen im Gange, auch den Kleinhandel immer mehr unter die Kontrolle der Trusts zu bringen. So gibt es kaum noch einen lebenswichtigen Gegenstand, der nicht dem Einflüsse der Trusts unterworfen wäre. Hunderte von Industrie- und Verkehrstrusts spannen ihre Netze über das weite Land, darunter als bekannteste und mächtig- ste der Stahl-, Petroleum- und Kupfertrust, der Fleisch-, Zucker- j| und Tabakstrust, der Bananentrust (United States Fruit Co.), der -l Ledertrust, der Mehl- und Erntemaschinentrust (Harvester Co.). |^

Die U.S. Steel Corporation oder der Stahltrust ist die ge- waltigste Trustbildung und das riesigste Wirtschaftsunternehmen der Gegenwart, obwohl die Hälfte der amerikanischen Stahlwerke ihm noch nicht angehört. Er verfügte vor dem Kriege über ein Kapital von lo Milliarden Mark und hatte Jahresumsätze, welche die jährlichen Einnahmen manches fremden Staates übertrafen. Er erzeugte im Jahresdurchschnitt 70% alles Eisens und Stahles der Union und beschäftigte trotz weitgehender Verwendung von Maschinen 280 000 Arbeiter. Er besaß 227 Hochöfen und Eisen- hütten, 36 000 ha Kohlenfelder, den größeren Teil der Erzlager am Obern See, 125 Erz- und Kohlendampfer und 800 km Eisen- bahnen. Der Kupfertrust (Amalgamated Copper Co.) hat die gesamte Kupfererzeugung und den Kupferhandel der Vereinigten Staaten an sich gerissen, während die American Smelting and Refining Co. 85% der vereinsstaatliehen Bleiproduktion hervor- bringt. Der Zuckertrust (American Sugar Refining Co.) erzeugt über die Hälfte des raffinierten Zuckers und betreibt zugleich ein lebhaftes Kaffeegeschäft. Der Petroleumtrust (Standard Oil Co.) beherrscht außer dem amerikanischen Markt auch einen großen Teil des europäischen und asiatischen Petroleumgeschäftes

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und hat es zu einem Petroleunimonopol für den halben Erdball gebracht. Er verarbeitet 88% der vereinsstaatlichen Gesamt- gewinnung an raffinierten Oelen, stellt eine Vielzahl von Neben- produkten aus dem Petroleum her und kontrolliert eine ganze Anzahl von Gas- und Elektrizitätsanstalten, Straßen- und Eisenbahnen und eine Menge Banken. Endlich befinden sich drei Viertel aller Unionsbahnen in der Hand einiger weniger Ge- sellschaften und Eisenbahnkönige.

Das in den Trusts zusammengefaßte Kapital ist zu riesen- haften Summen angeschwollen der Weltkrieg hat uns ja die Milliarden geläufig gemacht und hat dadurch maßgebenden Einfluß gewonnen. Denn die Trusts und die an ihrer Spitze stehenden Persönlichkeiten sind die eigentlichen Herren im Lande, so daß eine kleine, aber überaus mächtige Zahl von Fi- nanzleuten das vereinsstaatliche Wirtschaftsleben in der Hand hält und ihre Stellung nicht selten zum Schaden der Allgemein- heit ausnutzt, Ihre Macht gegenüber der Gesamtheit liegt nicht bloß in der monopolartigen Beherrschung vieler Gewerbs- und Wirtschaftzsweige, sondern nicht minder in den willkürlichen Preisfestsetzungen und Preistreibereien, denen sich die große Masse fügen muß. Sie ist daher für die wichtigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens in die Abhängigkeit vom organisierten und kon- zentrierten Großkapital geraten. Wenige Großunternehmer und Großbanken beherrschen ein Hundertmillionenvolk und sind in hervorragendem Maße auch an wirtschaftlichen Unternehmungen außerhalb des Landes beteiligt. Dadurch sind die finanzschwachen Republiken Latein-Amerikas und die durch den Weltkrieg in finanzielle Bedrängnis gekommenen Staaten Europas ebenfalls stark von ihnen abhängig geworden. Die Zusammenballung des Kapitals in wenigen Händen ist jedoch zugleich ein ernstes so- ziales Problem, da es eine zunehmende Ungleichheit in der Ver- teilung des Nationalreichtums schafft und zur Entwicklung einer Geldaristokratie geführt hat, welche die von Hause aus rein demokratische Grundlage der nordamerikanischen Gesellschaft allmählich zu verändern droht. Verfügen doch 9% der Unions- bevölkerung über 71 % des Nationalvermögens, während sich die übrigen 91 % der vereinsstaatlichen Bürger mit 29 % be- gnügen müssen.

Aus diesem Grunde ist in Amerika selbst die Bewegung gegen die Trusts immer schärfer geworden, und der Staat hat es an

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Versuchen nicht fehlen lassen, die Auswüchse der Trusts zu be- schneiden. Doch hat dieser Kampf, den namentlich der verstor- bene Präsident Roosevelt energisch aufnahm, einen durch- greifenden Erfolg nicht gehabt. Die Ringbildungen haben viel- mehr durch immer neue Kapitalkombinationen ihren Einfluß er- weitert. Auf der andern Seite steht indes der Zusammenfassung des Großkapitals die Vereinigung der gewerkschaftlich organi- sierten gelernten Arbeiter gegenüber, so daß der in der Union besonders auffällige Gegensatz zwischen Reichtum und Armut durch den Widerstreit zwischen Kapital und Arbeit verschärft wird. Die Arbeiter-Organisationen (Trades Unions), deren bedeu- tendste die über das ganze Land verbreitete American Federation of Labor ist, bilden den Gegenpol gegen die Trusts und Unter- nehmerverbände. Sie üben scharfe Aufsicht über die von ihnen erlassenen Vorschriften und Lohnbestimmungen und scheuen zur Durchsetzung ihrer Forderungen auch vor schweren Lohn- kämpfen und Massenstreiks nicht zurück. Wegen ihrer gestei- gerten Lebensansprüche, die eine Folgewirkung der hohen Löhne sind, stehen die gelernten Arbeiter aber auch der Massenein- wanderung wenig freundlich gegenüber und sind aus Besorgnis vor Lohndrückerei stets für die Erschwerung der Einwande- rungsbestimmungen eingetreten.

22. Der Verkehr.

Weiträumigkeit und Verkehrsfragen. Die verkehrstechnischen Leistungen der Amerikaner. Binnenschiffahrt. Mangelhafter Zustand der Landstraßen. Landstraße und Eisenbahn. Außerordentliche Entwicklung des Automobil- wesens in der Union. Bedingungen und Aufgaben des Schienennetzes. Die Bedeutung der Eisenbahnen für die Ueberwindung der Entfernungen und die Erschließung des Landes. Welche Tatsachen förderten und hemmten den Bahnbau ? Wettbewerb und wirtschaftliche Monopolstellung der Bahngesell- schaften. Eisenbahnstatistik. Besonderheiten im amerikanischen Bahnbetrieb. Vorzüge und Schattenseiten des amerikanischen Eisenbahnwesens. Verkehrs- unsicherheit und Menschenverluste. Fahrtgeschwindigkeiten und Zughäufig- keit. Eisenbahngeographie der Union. Die Pacificbahnen. Telegraph und Fernsprechwesen. Kabel- und Funkspruchverbindungen. Luftpost.

a) Allgemeines.

Zwischen der Riesengröße der Vereinigten Staaten und ihrem Verkehrswesen besteht ein enger Zusammenhang. Wenn ein

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ausreichendes Netz von Verkehrswegen die unerläßliche Voraus- setzung für wirtschaftHche Weiterentwicklung und politische Zusammenfassung ist, so nötigte die Uebermacht des Raumes von selbst zu seiner Bezwingung. Denn für ein weiträumiges Land haben Verkehrsfragen eine ganz andere Bedeutung als für engräumige Länder, weshalb in dem europagroßen Einheitsstaat der Union viel umfassendere Aufgaben zu lösen waren als in unserm, viele engräumige Staaten umschließenden Erdteil, wo jedes einzelne Land sich vor wesentlich einfachere Verkehrspro- bleme gestellt sah. Es galt jedoch nicht bloß die Ueberwindung gewaltiger Entfernungen, sondern man mußte in dem jugend- lichen, weithin noch unerschlossenen Lande ebenso an die Zukunft wie an die Gegenwart denken und in vielen Gegenden Verkehrs- linien gleichsam ins Leere bauen, um durch sie Besiedlungs- und Ausnutzungsmöglichkeiten überhaupt erst zu schaffen. Zur Ver- wirklichung dieser Ziele scheute man vor keiner Entfernung und keiner Naturschranke zurück, zumal ähnlich wie in Ost- europa — die natürlichen Hindernisse mit Ausnahme der Ströme gering waren. Das meist ebene oder flachwellige Gelände er- leichterte den Ausbau der Eisenbahnen. Tief ins Gebirge ein- greifende oder die Gebirgsketten vollständig durchbrechende Täler zeichneten der Einwanderung die Wege vor, und auf den Flüssen, die zur Kolonialzeit die Hauptverkehrsadern waren, ent- wickelte sich eine rege Binnenschiffahrt. Da die Erschließung des Innern mit dem Zeitalter der modernen Verkehrsvervoll- kommnung zusammenfiel, so gehören die verkehrstechnischen Leistungen der Amerikaner zu den großartigsten Unternehmun- gen. Allerdings wurden in der Folge die Binnenschiffahrtswege und die Landstraßen über Gebühr vernachlässigt, während man den Eisenbahnen und Telegraphen um so mehr Beachtung schenkte.

b) Binnenschiffahrt (vgl. Kap. 5) .

c) Landstraßen und Kraftwagen.

Wie die Weiterentwicklung der Wasserwege ist auch der Ausbau der Landstraßen zurückgeblieben. Zunächst wurde er durch das Einsetzen der Fluß dampf erfahrt beeinträchtigt. Denn solange die stehenden und fließenden Gewässer allen Verkehrs- ansprüchen genügten, dienten die wenigen Kunst str aßen ledig-

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lieh zur Verbindung und Ergänzung der Schiffahrtsstrecken. Nur das an Binnenwasserstraßen arme Neu-England besaß ein dichteres Netz brauchbarer Straßen, die im städte- und industrier reichen Nordosten bis in die Gegenwart hinein in gutem Zustande gehalten worden sind. Dagegen waren die einst viel genannten Einwandererstraßen nach dem Westen, der Missouri-, Oregon-, Santa F6-, California- und Spanish Trail, nichts anderes als dürf- tig gebahnte Naturpfade, auf denen aber ein lebhafter Fracht- wagenverkehr stattfand.

Später trat als siegreicher Wettbewerber gegen Wasser- und Landwege die Eisenbahn auf. Bei der Größe der zu über- windenden Entfernungen ließ man sich nicht erst auf die Anlage zeitraubender und teurer Kunst straßen ein, die überdies wegen der bodenzerstörenden Wirkungen und der starken Verwitterungs- kraft des amerikanischen Klimas besonders durch Fröste und wolkenbruchartige Regen kostspieliger Unterhaltung und Ausbesserung bedürfen. Vielmehr brachte man gleich das jüngste und wirksamste Hilfsmittel der Raumbezwingung, die Eisenbahn, zur Anwendung, welche die Bedeutung der Land- wege fast ganz auf den Nachbarschafts- und Kleinverkehr be- schränkte. Selbst bei ihm nehmen die Eisenbahnen in viel größe- rem Umfang als bei uns den Fahrwegen die Rolle des Verkehrs- vermittlers ab. Wo nämlich der Europäer eine Landstraße für ausreichend erachtet, dort baut der Amerikaner gleich eine Bahn, weshalb man die Eisenbahnen als die Landstraßen Nordamerikas bezeichnet hat. Mit F. Ratzel kann man geradezu sagen, daß die Vereinigten Staaten kein Landstraßen-Zeitalter gehabt haben und daß das Zeitalter der Kanäle gleichsam verstümmelt war. Denn von der Binnenschiffahrt ging die Union unter Ueber- springung der Periode des Straßenbaues fast unmittelbar zum Bau der Eisenbahnen über, deren Zukunft man sofort erkannte. Kein Wunder, daß die amerikanischen Landstraßen im allge- meinen schlecht und wenig leistungsfähig sind und nur mit Wa- gen leichter Bauart befahren werden können. Auch bestehen nicht unerhebliche Unterschiede der Wegdichte zwischen den stärker und schwächer besiedelten Gebieten.

Die staunenswerte Entwicklung des Automobilwesens in den Vereinigten Staaten leitet jedoch in der Gegenwart, die man mit einem ihrer vielen Beiworte auch das Zeitalter des Kraft- wagens nennen kann, für die lange vernachlässigten Landstraßen

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eine neue Blüte ein. Sind doch gute, dauerhafte Straßen die unbedingte Voraussetzung für die allgemeine Einbürgerung des Automobils. Während es in der Union 1912 etwas über i Million Personen- und Lastkraftwagen gab, war ihre Zahl 1918 auf 4% Millionen gegen bloß 522 000 in Europa gestiegen! In U.S.Amerika kommt ein Automobil schon auf 14,14 Einwohner, in England erst auf 180 und in Deutschland auf 866 Köpfe. Besonders ausgiebige Verwendung findet es in den mittleren und westlichen Staaten, weil hier die Entfernungen zu weit sind, als daß sie zu Pferd zurückgelegt werden könnten, während täglich nur wenige Züge fahren. Da schafft der jederzeit verfüg- bare Kraftwagen eine gewisse Unabhängigkeit, soweit die im Westen noch sehr mangelhaften Wege seine Benutzung über- haupt gestatten.

Die rasche Zunahme der Automobile ist ebenso eine unmittel- bare Folge des Weltkrieges und der durch ihn bedingten Nach- frage wie die ungeahnte Entwicklung der vereinsstaatlichen Automobil-Industrie. Noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts mußten die meisten Kraftwagen aus dem Auslande eingeführt werden. Heute ist die vereinsstaatliche Automobil-Fabrikation maßgebend für den Weltmarkt und erzeugt 80% des gesamten Weltbedarfes 1).

d) Die Eisenbahnen.

Die Bedingungen und Aufgaben des Eisenbahnwesens waren in Amerika ganz andere als in Europa. Hier galt es lediglich, den schon bestehenden Verkehr zu vervollkommnen und zu steigern. Der Schienenweg folgte der Kultur. In der Neuen Welt dagegen sollte er als Vorläufer der Kultur weite Landstriche erst aufschließen und ihnen Menschen, Siedlungen und Verkehr bringen. Noch heute werden von den Bahngesellschaften zur Beschleunigung der Besiedelung und Ausbeutung ihres ausge- dehnten Landbesitzes die ersten Bauten als Ansatzstellen und Keimzellen für neue Ortschaften errichtet. Als die Eisenbahnen in der Union ihren Einzug hielten, war das Hinterland des Mis- sissippi noch das wirtschaftlich unergiebige Jagdgebiet schwei- fender Indianer, und die wüstenhaften Binnenplateaus waren Jahrzehnte hindurch nur das an sich wertlose Durchgangsgebiet für die von der Natur begünstigteren, rasch aufblühenden Ge- stadeländer am Stillen Ozean. Viele Eisenbahnen Amerikas

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sind daher als Kultur pioniere und Wirtschaftserwecker der Entwicklung weit vorausgeeilt, und der größte Teil der Union verdankt ihnen recht eigentlich erst seine Erschließung.

Wenn aber die vereinsstaatlichen Eisen Straßen so rasch das Rückgrat des Verkehrs und der Volkswirtschaft geworden sind, so haben andererseits verschiedene Ursachen ihre staunenswerte Entfaltung beschleunigt. Ein wesentlicher Antrieb lag in der unbedingt gebotenen Ueberwindung der Entfernungen, die dem Wagemut, der Kapitalkraft und der Technik ganz andere Auf- gaben stellten als das staatenreiche Europa. Zwar besitzt auch unser Erdteil ähnlich lange Schienenstrecken wie die Pacific- bahnen. Aber sie wurden nicht in einem Zuge und nicht vqn einem einheitlichen Willen geschaffen, sondern gleichsam stück- weise von jedem einzelnen Lande gebaut^). Dafür schaltete die staatliche Einheit der Union mancherlei Hindernisse aus, die im politisch zersplitterten Europa der Ausführung großer Durch- gangsbahnen entgegenwirkten. Die Steigerung der Absatz- möglichkeiten verlangte gebieterisch die Verbesserung der Ver- kehrsmittel, um die weit auseinanderliegenden Wirtschafts- gebiete miteinander zu verknüpfen und den Güteraustausch zwi- schen dem industriellen Osten, dem landwirtschaftlichen Süden und mittleren Westen und dem bergmännischen Fernen Westen zu ermöglichen. Denn bei der gewaltigen Ausdehnung des Unions- gebietes wäre eine lohnende Verfrachtung der Massengüter we- gen der hohen Transportkosten undenkbar gewesen, und die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich trotz der natürlichen Reichtümer des Landes ohne die Schienenstraßen niemals zu ihrer heutigen Großartigkeit entfalten können. Indem aber die Bahnen Erzeuger und Verbraucher einander näher brachten und den Ausgleich von Ueberfluß und Nachfrage bewirkten, haben sie zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes erheblich beigetragen und vor allem den staunenswerten Aufschwung des Ackerbaues erst möglich gemacht. Auch vom politischen Standpunkte aus waren sie notwendig, da nur durch sie die einzelnen Teile des Riesenreiches zu einem Ganzen zusammengefaßt werden konnten. Sie erst haben den spröden Westen fest mit dem östlichen Haupt - land verknüpft und sind dadurch die stärkstenTräger des inneren Zusammenhaltes der Union geworden. Nicht zu vergessen ist endlich der strategische Gesichtspunkt. Durch ihr dichteres Schienennetz waren die Nordstaaten im Bürgerkriege den Süd-

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Staaten überlegen, die bei allen größeren Unternehmungen vor- nehmlich auf die viel weniger leistungsfähigen Wasserwege an- gewiesen waren.

Die Bezwingung der Entfernungen ist durch die günstige Oberflächengestaltung wesentlich erleichtert worden. Das Vor- herrschen weiter Ebenen mit geringen Steigungen verringert die technischen Schwierigkeiten, und wie in den Breschetälern der Appalachen, so fanden die Bahnen auch in den Hochgebirgen des cordillerischen Westens einander zustrebende Quertäler, die in sanfterem Auf- und Abstieg über wenige Pässe hinweg verhältnismäßig bequeme Zugänge zum Stillen Ozean dar- bieten. An sich ist der Bahnbau im stark gebirgigen, weithin Wasserarmen und wüstenhaften Westen schwieriger als im atlantischen Osten. Doch können es die vereinsstaatlichen Ge- birgsbahnen an Kühnheit der Anlage und an landschaftlicher Schönheit ihrer Umgebung mit unsern Alpenbahnen nicht auf- nehmen. Das Haupthemmnis für den Bahnbau sind in Nord- amerika die Riesenströme, die durch Brücken und Dampffähren überwunden werden. Ein Hauptgebiet des Fährverkehrs sind die St. Lorenzseen. Da sie im Interesse der ungehinderten Schiffsbewegung nicht überbrückt werden dürfen, so werden sie von mächtigen Trajekt schiffen gekreuzt, die 2 ^3 Eisenbahn- züge auf einmal aufnehmen können und auf dem Michigansee bis 400 km zurücklegen. Vor allem gehören jedoch die Brücken zu den hervorragendsten technischen Leistungen der Amerikaner. Im Westen sind vielfach noch primitive hölzerne Fachwerk- brücken (Trestles) üblich, die den nordamerikanischen Bahnbau in seinem früheren Entwicklungsstadium charakterisieren. Im Osten haben sie immer mehr kühnen Stein- und Eisenbrücken Platz gemacht. Eine untergeordnete Rolle spielen dagegen die Tunnels, die sich mit den europäischen in keiner Weise messen können^). Statt ihrer machen die winterlichen Schneestürme, die zu den ärgsten Feinden der noidamerikanischen Bahnen gehören, meilenlange hölzerne Schutzdächer notwendig.

Staatsbahnen gibt es in der Union nicht, und gegen den Gedanken einer Eisenbahnverstaatlichung hat man sich aus verschiedenen Gründen stets ablehrend verhalten. Um so mehr haben die Bundesregierung und die Einzelstaaten den Bahnbau durch Landüberweisungen gefördert. Die Bahngesellschaften haben indes durch die ihnen gewährten Vergünstigungen einen

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allzugroßen Einfluß erlangt. Zügellose Spekulation, rück- sichtslose Ausbeutung ihrer Monopolstellung und ein ungesunder Wettbewerb waren die Folge. Jede Gesellschaft verfolgte egoistisch ihre eigenen Ziele und suchte die Nebenbuhler mög- lichst zu schädigen, so daß der Bahnbau in manchen Beziehungen eine schwere Vergeudung des Volksvermögens bedeutete. Denn wenn eine Strecke sich als einträglich erwies, so erwuchsen ihr bald Konkurrenzbahnen. Daher laufen zwischen denselben Orten oft mehrere Linien in geringem Abstand nebeneinander her, die ihre Anlage nicht Verkehrsbedürfnissen, sondern dem Wett- bewerb verschiedener Gesellschaften verdanken und es mit sich bringen, daß schon in amerikanischen Mittelstädten mehr Bahnen zusammentreffen als in vielen europäischen Großstädten *) . In dem erbitterten und nicht immer mit ehrlichen Waffen ausge- fochtenen Rivalitätskampfe sind viele Gesellschaften zusammen- gebrochen, indem die schwächeren von den stärkeren unterdrückt öder aufgesogen wurden^). Schließlich trat an die Stelle der Tarif unterbietung der Zusammenschluß, indem die räumlich und wirtschaftlich zusammengehörigen Linien sich zu großen Ver- bänden vereinigten, um innerhalb ihres Verkehrsbereiches ein um so unanfechtbareres Monopol auszuüben. Zwar gab es 19 17 immer noch 1874 Bahngesellschaften. Von ihnen waren aber bloß 860 selbständig, und unter ihnen beherrschten wiederum vier große Gesellschaften nebst sechs Eisenbahnkönigen, Hill, Vanderbilt, Gould, Rockefeiler, Morgan und H a r r i m a n , über zwei Drittel des Schienennetzes und üben einen unbedingten Einfluß auf das Wirtschaftsleben aus. Die Tarife werden öfters willkürlich verändert, und viele Wirtschafts- zweige müssen sich dem Willen der Eisenbahnen beugen. Sie schreiben den Farmern die Abnahmepreise und die Frachtsätze für das abgelieferte Getreide vor. Willigt der Landwirt nicht ein, so wild sein Korn nicht befördert. Versuche des Staates, eine Einwirkung auf die Eisenbahnen zu gewinnen, sind ohne rechten Erfolg geblieben, obwohl durch die Interstate Commerce Bill von 1887 eine eigene Aufsichtsbehörde in Gestalt der zwischen- staatlichen Handelskommission eriichtet wurde ^).

Die Entwicklung des vereinsstaatlichen Eisenbahnnetzes ist nach Länge und Dichte viel schneller fortgeschritten als die des europäischen. Der Bahnbau begann um dieselbe Zeit wie in England, dem Mutterlande der Dampfbahnen, indem 1830 die

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erste Lokomotivenbahn im Staate New Jersey gelegt wurde. Die ersten längeren Strecken waren die Baltimore-Ohiobahn und die Linie von Charleston nach Augusta. 1841 waren bereits 4531 km Schienenwege im Betrieb gegen 3406 km in Europa. Zunächst war man darauf bedacht, die weiten Lücken zwischen den noch stark befahrenen Wasserwegen auszufüllen und letztere selbst zu ergänzen, Daher schritt der Bahnbau erst verhältnis- mäßig langsam fort und kam durch den Bürgerkrieg ganz ins Stocken. Dann aber setzte bis in die goer Jahre ein gewaltiger Aufschwung ein. 1881 gab es 151 000 km Schienenwege gegen 180 000 km in Europa. Wenige Jahre später war unser Erdteil dauernd überholt, und Ende 1917 standen 352 000 km Schienen- wegen in Europa 418 000 km oder 66 000 mehr in der Union (Hauptland) gegenüber (vgl. Tabelle 9).

Mit der zahlenmäßigen Ueberlegenheit allein ist es jedoch noch nicht getan. Viele Linien laufen als überflüssige Konkur- renz-Erzeugnisse einander parallel. Dann fällt im reich geglieder-r ten und durch das Meer tief landeinwärts aufgeschlossenen Europa ein großer Teil des Verkehrs, den in der viel kontinenta- leren Union die Eisenbahn übernehmen muß, der Küsten- schiffahrt zu, während die vereinsstaatlichen Schienenwege um- gekehrt viele Aufgaben des Orts- und Nahverkehrs übernehmen, die in Europa der Landstraße überlassen bleiben. Ferner sind nur 56 129 km oder 13,4% des Schienennetzes 2 ^4gleisig, und auch die Zahl der Lokomotiven (1917: 64508) und Wagen (2 250 000, darunter 2 391 000 Güterwagen) steht weit hinter den Beständen Europas zurück, zum Zeichen, daß der Verkehr und das Bedürfnis nach Verkehrsmitteln in ausgedehnten Gebieten der Union geringer ist als in Europa (vgl. Tabelle 10) ''). Dafür ist allerdings die Tragfähigkeit und damit auch die Leistungsfähig- keit der amerikanischen Güterwagen viel beträchtlicher. Sie be- wegt sich zwischen 25 und 50 Tonnen und erreicht in einigen Bergbaubezirken bis zu 90 Tonnen Fassungsvermögen^). Die amerikanischen Güterwagen sind auch mit einfachen und prakti- schen Vorkehrungen zu schnellerer Selbstentladung versehen, und den Reisenden sucht man die lange, ermüdende Bahnfahrt durch entsprechende Einrichtungen und äußerst ruhigen Gang der Personenwagen angenehm zu machen. Speise- und Schlafwagen sind amerikanischen Ursprungs. Die bekannten Pullmanwagen dienen tagsüber als Personenwagen und können für die Nacht

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rasch in Schlafwagen umgewandelt werden. Bequem sind ferner die Fahrkartenbeschaffung, die Platzbelegung und die Gepäck- besorgung.

Ueber den Vorzügen darf man aber auch die Schattenseiten des amerikanischen Eisenbahnwesens nicht übersehen. Um das kostspielige Menschenmaterial zu sparen, hat ein kunstvolles automatisches Signalwesen Eingang gefunden. Bahnwärter und Schranken gibt es nicht, sondern Pfähle mit zwei gekreuzten Brettern und der kurzen Aufschrift Railroad Crossing oder Look out mahnen bei Bahn- und Straßenkreuzungen zur Vor- sicht. Um für die fehlende Bewachung einigen Ersatz zu schaffen, sind die Lokomotiven mit einer Glocke und einer großen, die Strecke weithin ableuchtenden Laterne versehen. Außerdem besitzen sie im Cow Catcher oder Kuhfänger eine Vorrichtung, mittels deren sie Vieh, Steine, Stämme und andere Hindernisse vom Bahnkörper wegräumen können ^). Für etwaige Betriebs- störungen sind längs der Gleise in gewissen Abständen Schienen und Schwellen aufgestapelt. Ferner kreuzen sich zwei Bahnen nicht wie bei uns in verschiedenem Niveau, sondern meist in Schienenhöhe. Mangelhafte Schutzvorkehrungen, das nirgends ausreichende Personal (1916 1,7 Millionen Köpfe) und leicht- fertiges Spielen mit Menschenleben beeinträchtigen auch die Verkehrssicherheit. Kein Land der Erde hat eine so große Zahl von Eisenbahnunfällen und opfert dabei so viele Menschenleben wie die Union. Beläuft sich doch im Jahresdurchschnitt die Zahl der bei Bahnkatastrophen Getöteten und Verwundeten auf 80 100 000 ! In dieser Aufstellung sind die verunglückten Bahnbeamten nicht mit einbegriffen. Die Statistik zeigt indes, daß jeder Bahnangestellte im Laufe von 10 Jahren einmal ver- wundet wird und daß er bei 40 Dienst jähren die Wahrscheinlich- keit von I : 3 hat, in seinem Berufe getötet zu werden (vgl. S. 14S).

Etwas ganz Gewöhnliches sind ferner mehrstündige Zug- verspätungen. Sie erklären sich aus den meist eingleisigen Schienenwegen und den weiten Entfernungen oder werden durch Elementarereignisse verursacht, indem ungeheure Schneemassen die Gleise überschütten oder Wolkenbrüche (Washouts) durch Dammrutschungen, Unterwühlen des Bahnkörpers und Zerstören der Brücken tagelang allen Verkehr unterbinden. Solche Zer- störungen führen im bahnarmen Westen unter Umständen zu

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unliebsamen Aufenthalten und zur Versäumnis wichtiger Bahn- und Schiffsanschlüsse, während man im bahnreichen Osten die Möglichkeit hat, auf einem andern Wege sein Ziel zu erreichen. Die Stationsnamen sind meist sehr undeutlich angebracht und oft vor lauter Reklameschildern kaum zu erkennen. Gesetzlich gibt es bloß eine Wagenklasse. Dazu kommen jedoch Salon-, Aussicht s- und andere Spezialwagen, die nur gegev Zahlung eines Zuschlages benutzbar sind. Sonntagszüge werden, wie in Kanada und England, nicht gefahren. Vielmehr verkehren an Sonntagen lediglich die unbedingt notwendigen Fernzüge. Ab- gesehen von einigen »Parade- oder Renommierzügen« wie dem Atlantic Flyer zwischen Philadelphia und dem Seebad Atlantic City und dem Empire State Express zwischen New York und Chicago, sind die Fahrgeschwindigkeiten nicht übermäßig hoch. In den entlegeneren Gebieten des verkehrsärmeren Westens sind die Schienenwege sehr leicht und schlecht gebaut und als rasch und billig hingeworfene Pionierbahnen auf keinen großen Ver- kehr eingerichtet. Die Zughäufigkeit ist gering, und auf vielen Linien läuft täglich bloß e i n verhältnismäßig langsam fahrender Zug in jeder Richtung. Doch wird die Leistungsfähigkeit mit zu- nehmendem Verkehr und wachsender Bevölkerung durch Umbau und anderweite Vervollkommnungen gesteigert. Auf den vor- züglich angelegten und mit guten Signaleinrichtungen versehenen östlichen Bahnen, die einen starken Verkehr mit rascher Zug- folge zu bewältigen haben, ist die Fahrtgeschwindigkeit dieselbe wie in Deutschland.

Wenn auch die Schienenwege alle Teile des weiten Landes überspannen, so besitzt doch der wirtschaftlich hochstehende Osten mit seinem regen Industrie- und Handelsleben ein viel dichteres und gleichmäßiger über die Fläche verteiltes Schienen- netz als der Westen. Dort drängen sich die kreuz und quer ver- laufenden Schienenstränge stellenweise enger zusammen als in den bahndichtesten Gebieten Europas. Das gilt namentlich vom Nordosten und der atlantischen Mitte als den Gebieten größter Menschen-, Städte- und Industrieanhäufung. Geringer ist die Eisenbahndichte im Süden, der erst nach dem Bürgerkriege durch große Durchgangslinien zwischen den Hauptstädten des Nor- dens und den Golfhäfen inniger mit dem Norden verknüpft wurde. Mit der wirtschaftlichen Neuorientierung des Südens und der Zunahme des Golfhandels hat aber das südliche Bahn-

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System immer mehr an Bedeutung und Ausdehnung gewonnen. Am dünnsten und weitmaschigsten ist das Schienengeäder des Westens infolge der einseitigeren Naturausstattung, der geringe- ren wirtschaftlichen Entwicklung und der viel schwächeren Volksdichte seiner erst spät erschlossenen Räume. Diese Ur- sachen lassen das Bedürfnis nach Bahnen hier lange nicht so dringend erscheinen wie im Osten. Die Hauptlinien entbehren noch ausreichender Querverbindungen, und es fehlt ihnen die wichtige Ergänzung durch die den feuchteren Osten durchziehen- den Wasserstraßen. Im Durchschnitt kommen in den Vereinig- ten Staaten auf loo qkm Fläche 5,4 km Eisenbahnen gegen 3,6 km in Europa.

Der alte Drang nach Westen, der den Gang der Besiedlungs- und Wirtschaftsgeschichte Nordamerikas beherrscht, ließ bald nach der Erwerbung Kaliforniens den Gedanken einer Bahnver- bindung zwischen Atlantischem und Stillem Ozean lebendig wer- den, um die ungeheuren Entfernungen zwischen beiden Welt- meeren zeitlich zu verkleinern. Erst 20 Jahre später kam dieser Plan zur Verwirklichung und führte zur Schaffung riesiger Ueberlandbahnen. Das sind die den alten Auswandererwegen folgenden Pacificbahnen, die man unbedingt als technische und finanzielle Großtaten bezeichnen muß. Mit kühnem Wagemut und vor nichts zurückschreckendem Unternehmungsgeist wurden sie gleichsam ins Unbekannte und ins Leere gebaut und zu einer Zeit in Angriff genommen, in der die wirtschaftlichen Erschlie- ßungsmöglichkeiten des Westens noch völlig ungeklärt waren. Heute gehören sie nicht bloß zu den Hauptschlagadern des ver- einsstaatlichen Binnenhandels, sondern auch zu den großen Ver- mittelungsgliedern des Weltverkehrs. Freilich war die Schaffung dieser zunächst unlohnenden Linien bloß dadurch möglich, daß die Bundesregierung die Bahngesellschaften durch umfangreiche, Landschenkungen in den Stand setzte, Auswanderer anzusiedeln und dadurch Wirtschaft und Verkehr überhaupt erst ins Leben zu rufen. Die Pacificbahnen haben darin beruht ihre kultur- liche und wirtschaftliche Bedeutung dem Westen überhaupt erst seine Menschen gebracht und seine Erschließung vorbereitet. Aber auch ihre politische Bedeutung ist nicht gering, weil sie die eisernen Klammern sind, die den durch Hochländer und Hoch- gebiige abgegliederten Westen fest mit dem Osten zusammenfas- sen. Bei 5300 6000 km Länge können sie in 4% 6 Tagen von

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Ozean zu Ozean durchfahren werden. Ihre Haupt ausgangs- punkte sind die atlantischen und Golfhäfen, ihre Zielpunkte die Küstenplätze am Stillen Ozean, deren jeder von mehreren Ueber- landbahnen erreicht wird. Als eigentliche Pacificbahnen begin- nen sie jedoch erst in der Landesmitte und durchkreuzen das Land unter verschiedener geographischer Breite, wobei sie sich mannigfach verzweigen und durch Querlinien miteinander zu- sammenhängen.

Die älteste in der Reihe ist die Union- und Zentralpacific- bahn von Chicago über Salt Lake City nach San Francisco. Ihre Ausführung wurde wegen der Schwierigkeiten, die Hoch- gebirge und wasserlose Wüstensteppen und die Feindseligkeit der Indianer bereiteten, für unmöglich gehalten. Die Rothäute er- kannten instinktmäßig die Gefahr,'^die durch das Vordringen der Eisenstraße ihren Jagdgründen und ihrem Dasein drohte. Aber allen Hindernissen zum Trotz wurde diese erste große Ueberlandbahn der Welt schon nach fünfjähriger Bauzeit 1869 vollendet und wies im Verein mit dem im gleichen Jahre er- öffneten Suezkanal dem Weltverkehr ganze neue Richtungen. Auch ihre anfangs bezweifelte finanzielle Entwicklung war so befriedigend, daß sofort zwei Konkurrenzlinien, die Nord- und Südpacificbahn, in Angriff genommen wurden, zu denen sich später noch andere hinzugesellten. Von Nord nach Süd sind es folgende :

Great Northern von St. Paul über Spokane nach Seattle. Ihr Erbauer Henry Willard war ein Pfälzer namens H i 1 g a r d.

Northern Pacific von Duluth nach Portland und Tacoma.

Chicago-Milwaukee-Pugetsund-Bahn.

Union and Central Pacific von Chicago nach San Francisco, mit einer Zweiglinie von Salt Lake City nach Los Angeles.

Western Pacific von Kansas City nach San Francisco.

Atchison, Topeka and Santa Fe Pacific von Kansas City nach Los Angeles.

Atlantic and Pacific von St. Louis nach Los Angeles.

Texas Pacific.

Southern Pacific von New Orleans nach Los Angeles.

Kansas City-, Mexiko- und Orientbahn von Kansas City nach Topolobampo in Mexiko.

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e) Elektrischer Nachrichtenverke h r.

Die Forderungen des Wirtschaftslebens und des Raumes verlangten auch auf den Gebieten des Nachrichtenwesens gute Einrichtungen. Als daher der Morsesche Apparat sich auf der ersten vereinsstaatlichen Telegraphenlinie zwischen Wa- shington und Baltimore 1844 bewährt hatte, entstand rasch ein Netz von Landtelegraphen. 1858 legte anierikanische Zähigkeit das erste Unterseekabel durch den Atlantischen Ozean, das freilich erst seit 1866 in dauernder Tätigkeit blieb, und 1862 war die erste Ueberlandlinie zwischen New York und San Fran- cisco vollendet. Der elektrische Nachrichtenverkehr ist Sache des privaten Unternehmungsgeistes. Nur die Post ist als Staats- einrichtung der Bundesregierung unterstellt, weist aber die Paketbeförderung ebenfalls einer Reihe von Expreßkompagnien zu. Die meisten Telegraphenlinien sind in den Besitz der West- lichen Union-Telegraphengesellschaft (Western Union Telegraph Co.) übergegangen, während das Fernsprechwesen vornehmlich von der Amerikanischen Telephongesellschaft (American Bell Telephone Co.) beherrscht wird. Einige wenige großkapitalisti- sche Trusts üben also auf dem wichtigen Gebiete des Nachrichten- verkehrs ein fast unbeschränktes Monopol aus.

Mehr noch als im telegraphischen Verkehr nimmt die Union im Fernsprechwesen einen weit überragenden Platz ein. Auf sie entfallen (1914) 43 % oder 30 Millionen km der Drahtlänge aller Telephonverbindungen der Erde und 67 % oder 14 Millionen aller Fernsprechstellen gegen 26 % in Europa. In keinem andern Lande findet daher das Telephon eine so ausgiebige Verwendung wie in den Vereinigten Staaten, wo im Tagesdurchschnitt gegen 38 Millionen Ferngespräche geführt werden. Dagegen ist der Brief- verkehr im Vergleich zu Europa viel geringer. Das ist nicht zum wenigsten auf die großen Entfernungen zurückzuführen, die eine rasche Abwicklung der Briefübermittelung erschweren. Der Fernsprecher aber vermag im Augenblick die größten zeit- räumlichen Entfernungen zu überbrücken ^°). Die längste Tele- phonverbindung der Erde, die dank der Vollkommenheit der ver- wendeten Apparate die gleichzeitige Uebertragung von drei Ge- sprächen und die Versendung von Telegrammen gestattet, ist mit 5419 km die Linie New York-Pittsburg-Chicago-Denver- Salt Lake City-San Francisco, hinter der die längste europäische

H a s s e r t , Vereinigte Staaten. I 6

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Fernsprechlinie Berlin-Rom mit 2000 km weit zurückbleibt. Die Rolle, die der elektrische Nachrichtenverkehr in den Vereinigten Staaten spielt, kommt auch in der Verunstaltung des Stiaßen- und Landschaftsbildes durch die vielen schlecht btäauenen und wenig sorgsam eingesetzten Telegraphen- und Telephonmasten mit dem dichten Gewirr der Leitungsdrähte zum Ausdruck.

Auch die überseeischen Kabel- und Funkspruch Verbindungen der Union sind in demselben Maße gewachsen, in dem sie immer entschiedener zum Welthandel und zur Weltpolitik überging. Diese Maßnahme erwies sich im Interesse eines nicht von andern Mächten, besonders von England, überwachten ausländischen Nachrichtendienstes als unbedingt notwendig. Früher mußte eine Depesche von der Union nach den Philippinen den Umweg über den Atlantischen und Indischen Ozean nehmen und dabei i5mal umtelegraphiert werden: eine umständliche und fast ganz auf fremde Kabel angewiesene Verbindung. Heute sind die Ver- einigten Staaten die einzige Großmacht, die in ihrem Kabelwesen einigermaßen von England unabhängig ist. Namentlich im telegraphischen Verkehr mit allen amerikanischen Staaten ist sie völlig selbständig. Außer mit dem übrigen Amerika steht sie auch durch zahlreiche Kabel mit Europa in Verbindung, wäh- rend das Südseekabel von San Francisco über die amerikanischen Inselgebiete Hawaii, Guam und Philippinen einen eigenen Nach- richtenaustausch mit Ostasien sichert. An der Ergänzung dieses Netzes durch zweckmäßig verteilte Funkspruch Stationen wird eifrig gearbeitet.

Der schnellen Ueberwindung der weiten Räume dient end- lich wegen ihrer großen Geschwindigkeit die Luftpost mit Luft- schiffen und Flugzeugen. Eine Reihe von Luftpostlinien, z. B. von New York nach Chicago, St. Louis und San Francisco, ist bereits eingerichtet, und für den großzügigen Ausbau dieses neuesten und zukunftsvollsten Verkehrsmittels ist Sorge getragen. Vorbereitungen, mit Riesenluftschiffen den Atlantischen Ozean zu überfliegen, sind im Gange.

23. Handel und Handelsflotte.

Der Binnenhandel und seine wichtigsten Austauschgegenstände. Die Umsätze des Binnenhandels sind viel größer als die des Außenhandels. Ent- wicklung und Statistik des Außenhandels. Handelsbeziehungen zwischen der

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Union und Europa. Verhältnis der Einfuhr zur Ausfuhr. Großbritannien und Deutschland als Haupthandelsländer der Vereinigten Staaten. Hauptgegen- stände des Außenhandels. Wichtigste Handelshäfen der Union. Viel stärker als der durch die Eisenbahnen vermittelte Landhandel ist der vereinsstaatliche Seehandel. Ueberwiegen der Küsten- und Binnenschiffahrt. Lange Rück- ständigkeit der vereinsstaatlichen Ueberseeflotte und ihre Ursachen, Ge- waltiges Wachstum der eigenen Hochseeschiffahrt seit dem Weltkrieg. Schiff- fahrtsbündnisse zwischen vereinsstaatlichen und deutschen Reedereien.

Der Handel ist das Spiegelbild der wirtschaftlichen Gesamt - entwicklung eines Landes. Da die Union ein gewaltiger wirt- schaftlicher Organismus ist, der auf allen Gebieten der Roh- stoffgewinnung und -Veredlung eine staunenswerte Entfaltung erkennen läßt, so nehmen auch die riesigen Handelsumsätze nicht wunder. Schon die englischen Kolonien in Nordamerika trieben einen lebhaften Handel mit England und Westindien, indem sie die Erzeugnisse ihrer Fischerei, Wald- und Landwirt- schaft gegen Fabrikate und Kolonialwaren austauschten. Seit der Erringung der politischen Selbständigkeit zeigte der Handel eine stetige Zunahme, die nur durch den Bürgerkrieg eine mehr- jährige Unterbrechung erfuhr, um in der Gegenwart gefördert durch ein vorbildliches Bank-, Scheck-, Versicherungs- und Spe- ditionswesen — nach Menge und Wert zu ungeheuren Zahlen anzuschwellen.

Während in den engräumigen europäischen Ländern alle lebensnotwendigen Dinge meist in buntem Durcheinander auf einer bestimmten Fläche gewonnen und innerhalb derselben um- gesetzt werden, baut man in Amerika über ausgedehnte Räume hinweg meist bloß eine oder zwei Nutzpflanzen an. Die Pro- duktionsgebiete aber liegen so weit auseinander, und die Ver- brauchsorte sind oft so weit von den Produktionsstätten ent- fernt, daß der vereinsstaatliche Binnenhandel sich über ganz andere Entfernungen erstreckt als der europäische. Bei- spielsweise wird ein sehr erheblicher Teil der in den Südstaaten geernteten Baumwolle in den Neu-Englandstaaten verarbeitet. Die Präriestaaten des mittleren Westens bringen viel mehr Ge- treide und Vieh hervor, als sie selbst verbrauchen, so daß der Ueberschuß in die Nordoststaaten geht, die nicht genug Weizen und Fleisch zur Ernährung ihrer starken Bewohnerzahl haben. Aus Florida und Süd-Kalifornien werden Südfrüchte und zwar wegen ihrer leichten Verderblichkeit gewöhnlich mit der Eisen- bahn — nach allen Landesteilen versandt. Ein nicht minder

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wichtiger Gegenstand des Binnenhandels ist das Holz, das aus den Waldgebieten möglichst auf dem biUigen Wasserwege den Verarbeitungsstellen zugeführt wird. Die Eisenerze, die wegen ihres höheren Wertes die Verfrachtungskosten für einen weiten Transport tragen können, wandern aus ihrem Hauptabbaugebiet, dem Anland des Oberen Sees, über die St. Lorenzseen zu den Kohlen ihres pennsy Ivanischen Verhüttungsgebietes. Als Ge- genleistung für die Rohstoffe und Nahrungsmittel liefern die Industriestaaten des Nordostens Fabrikate.

Bei der Riesengröße des politisch einheitlichen Landes und seiner ständig wachsenden kaufkräftigen und austauschbedürfti- gen Bevölkerung ist der vereinsstaatliche Binnenhandel viel ge-

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Außenhandel der Union in Millionen Dollars (zu 4,25 Mk.).

waltiger als der Außenhandel. Er ist aber statistisch nicht erfaß- bar. Doch soll er soweit die von den Eisenbahnen, der Binnen- schiffahrt und der Küstenschiffahrt beförderten Gütermengen eine Abschätzung gestatten den an sich schon erstaunlichen Wert des Außenhandels um das 10 I3fache übertreffen! Den- noch ist bei einer ganzen Reihe von Gütern das Angebot viel größer als die Nachfrage. Hier tritt der Außenhandel ein. Dank dem kaufmännischen Sinn des Amerikaners und dank der Fürsorge der Bundesregierung, die den wirtschaftlichen Aus- landsdienst trefflich organisiert hat, während hohe Schutzzölle

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unbequeme Nebenbuhler fernhalten, hat er sich ebenfalls zu imponierender Großartigkeit aufgeschwungen (vgl. Tabelle ii).

1789 wertete der Außenhandel des jungen Staates erst 42 Millionen Dollars. 1800 war er bereits auf das Vierfache dieser Summe gestiegen. 1870/71 war die erste Milliarde Dollars fast er- reicht, 1899/1900 die zweite Milliarde überschritten, schon sechs Jahre später die dritte und wiederum fünf Jahre später {1912/13) die vierte Müliarde, worauf der Weltkrieg und die Nachkriegszeit eine ungeheure Steigerung brachten. Allerdings geht die stän- dige Zunahme der Handelswerte nicht bloß auf die Vermehrung der Warenmenge, sondern auch auf die inzwischen eingetretenen erheblichen Preissteigerungen zurück. Dennoch hatte die Union 1891 alle europäischen Staaten außer Großbritannien und Deutsch- land überflügelt und den dritten Platz im Welthandel errungen. Bei den beiden europäischen Ländern war aber wegen der starken Nachfrage nach Lebensmitteln und industriellen Rohstoffen zum Unterschiede von der Union die Einfuhr viel größer als die Aus- fuhr. Deutschland ist infolge des Kriegsausganges als Handels- großmacht vorläufig ausgeschieden. Allein auch Großbritannien ist 1919/20 von der Union überholt worden, die damit an die erste Stelle unter den Welthandelsmächten gerückt ist. Es fragt sich bloß, ob dieser Zustand von Dauer sein wird, da er nicht durch die Auswirkungen innerer, im Rahmen der Volks- wirtschaft liegender Kräfte bedingt war, sondern lediglich auf den äußeren Anstoß des Krieges zurückzuführen ist. Eine ganze Reihe von Fabrikaten, die nur für den Krieg Bedeutung hatten, sind mit seinem Aufhören wieder aus der Ausfuhr verschwunden, z. B. die Explosivstoffe. Andererseits darf man nicht vergessen, daß die Union noch im Anfang ihrer weltwirtschaftlichen Be- tätigung steht, die sie, wie die zielbewußte Verstärkung der Handels- und Kriegsflotte dartut, mit aller Energie weiter zu entwickeln strebt.

Der vereinsstaatliche Außenhandel erstreckt sich über die ganze Erde, aber in sehr verschiedenem Maße. Vor dem Kriege entfielen nicht weniger als 64% desselben auf den Güteraustausch mit Europa, davon allein 50% auf den Handel mit England, Deutschland und Frankreich. Unser Erdteil ist darum mit Nordamerika durch das stärkste Verkehrsband auf Erden ver- knüpft, das über die Hälfte des gesamten Weltverkehrs ver- mittelt und das wirtschaftliche Uebergewicht der atlantischen

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Unionshäfen über die pazifischen und Golfhäfen erklärt. Sie werden ihre überragende Stellung behalten und die Hauptver- mittler des vereinsstaatlichen Ueberseehandels bleiben, solange der Nordatlantische Ozean die Hochstraße des Seeverkehrs ist. Trotz starker absoluter Zunahme hat sich allerdings im euro- päisch-amerikanischen Güteraustausch ein verhältnismäßiger Rückgang gegenüber dem Handel der Union mit den amerikani- schen und pazifischen Ländern bemerkbar gemacht: ein Zeichen, daß sie immer mehr in den wirtschaftlichen Bannkreis der Union einbezogen werden. Entfallen doch auf Amerika außerhalb der Vereinigten Staaten 21%, wobei der Austausch mit Kanada be- sonders lebhaft ist, und auf die drei Erdteile Asien, Australien und Afrika 15% des Außenhandels der Union. Im Außenhandel Kanadas, Mexikos, Mittelamerikas und Japans steht sie weitaus an erster Stelle. In Südamerika, wo sie noch in den letzten Friedensjahren den europäischen Haupthandelsmächten den Vortritt lassen mußte, gab ihr der Weltkrieg durch das Ver- schwinden der deutschen Schiffe und das Ausbleiben der eng- lischen und französischen Schiffe die Möglichkeit, an die Stelle der altweltlichen Nebenbuhler zu treten. Wenn die Amerikaner auch auf den anderen Weltmärkten die gefürchteten Konkur- renten Europas sind, so hat vor allem der britische Handel den Schaden zu tragen.

Bis 1872/73 stand im vereinsstaatlichen Außenhandel die Ausfuhr erheblich hinter den Einfuhren zurück. Seitdem ist sie mit Ausnahme der Jahre 1888, 1889 und 1893 stets größer ge- wesen als letztere. Bis in die 90er Jahre war der Einfuhrüber- schuß noch gering. Dann aber setzte eine anhaltende Auf- wärtsbewegung der Ausfuhr ein, die seit 1896/97 dauernd über I Milliarde Dollars blieb, während die erste Milliarde der Einfuhr erst 1902/3 erreicht wurde. Im Weltkrieg hat der Aus- fuhrüberschuß und damit die aktive Handelsbilanz einen gewalti- gen Umfang angenommen. Denn da die Union von der Kriegs- furie nicht betroffen wurde und aus dem europäischen Massen- mord reichen Gewinn zog, so wurde sie zum ersten Versorgungs- land für unsern friedlicher Arbeit abgewendeten Erdteil. Nur so ist es zu erklären, daß der vereinsstaatliche Außenhandel 1919/20 die fabelhafte Höhe von 13,4 Milliarden Dollars erreichte, wovon V5 (8,1 Milliarden) auf die Ausfuhr und (5^3 Milliarden) auf die Einfuhr kamen. Infolge der wirtschaftlichen Erschütterung

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Europas ist ü. S.Amerika heute überhaupt das erste Ausfuhrland der Erde und behauptet in der Weltwirtschaft einen viel hervor- ragenderen Platz, als es ihn vorher inne hatte. Hand in Hand mit der gewaltigen Handelssteigerung ging ein starkes Anwachsen des nationalen Wohlstandes und der Staatseinnahmen, so daß sich die Union aus einem Schuldnerstaat in einen Gläubigerstaat Europas verwandelt hat. New York ist im Begriff, an Stelle Londons der finanzielle Mittelpunkt der Welt zu werden.

Das Haupthandelsland der Union ist Großbritannien, das sowohl in der Einfuhr wie in der Ausfuhr alle andern Staaten weit hinter sich läßt. Macht doch Englands Warenumsatz mit U.S.Amerika den vierten Teil des britischen und ein Viertel des vereinsstaatlichen Außenhandels aus! Die Union gibt fast die Hälfte ihrer europäischen Ausfuhr an England ab und liefert ihm viel mehr, als sie selbst von ihm bezieht. Großbritannien ist also weit mehr von U.S.Amerika abhängig als dieses von ihm.

Vor dem Kriege stand auch das Deutsche Reich mit der Union in lebhafter Handelsverbindung. Es nahm in ihren Ein- fuhrlisten die zweite Stelle und in der Ausfuhr die dritte Stelle ein. Für Deutschland selbst waren die Vereinigten Staaten seit 1898 das wichtigste Bezugsland geworden. Wir erhielten von ihm vornehmlich Nahrungsmittel und industrielle Rohstoffe wie Petroleum und Kupfer, Schmalz, Baumwolle und Getreide und lief erten dafür Industrie-Erzeugnisse der verschiedensten Art. Bis 1892 war die Einfuhr Deutschlands in die Vereinigten Staaten größer als deren Ausfuhr nach Deutschland. Seitdem haben letztere in rasch wachsendem Maße viel mehr nach Deutschland eingeführt, so daß in den letzten Friedensjahren der Wert der vereinsstaatlichen Einfuhr nach Deutschland fast doppelt so hoch war wie der Wert unserer wesentlich langsamer gestiegenen Industrie-Einfuhr in die Union. Da jedoch der Warenaustausch größtenteils durch deutsche Schiffsgesellschaften vermittelt wurde, so war die Bilanz unseres Handels mit U.S.Amerika nicht ungünstig, indem ein erheblicher Teil des Geldverlustes durch die Einnahmen aus dem Frachtgeschäft wieder eingebracht wurde. Für uns liegen die Schwierigkeiten vor allem darin, daß die Union uns Rohprodukte sendet, die wir unbedingt brauchen, während sie unsere Fabrikate auch anderwärts erhalten und unter Umständen leichter entbehren kann. Jedenfalls haben wir im Weltkriege das Ausbleiben der amerikanischen Rohstoffe und

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Nahrungsmittel viel bitterer empfunden als die Amerikaner das Fehlen unserer Manufakturen.

Was aber für Deutschland gilt, trifft mehr oder minder für ganz Europa zu. Wegen der Zollschranken, die überall der Wett- bewerb der Industriestaaten errichtet, sind Fabrikate im Aus- land viel schwerer abzusetzen als Rohstoffe, die vielen Landein willkommen und unentbehrlich sind. Die Union könnte ohne die europäischen Fabrikate zur Not auskommen, nicht jedoch Europa ohne die amerikanischen Lebensmittel und Rohprodukte. Wenn trotzdem die absoluten Werte der europäischen Industrie- Ausfuhr in die Union immer größer geworden sind, so lag das nicht zum wenigsten an der wachsenden Kaufkraft der Ameri- kaner und daran, daß sie viele europäische Erzeugnisse nehmen mußten, weil ihre eigene Industrie die starke Nachfrage noch nicht zu befriedigen vermochte. Mit der zunehmenden Erstarkung der eigenen Großgewerbe ist indes die amerikanische Ausfuhr nach Europa viel stärker gestiegen als die Einfuhr Euro- pas in die Union. Daher ist die Außenhandelsbilanz der euro- päischen Haupthandelsländer mit U.S.Amerika seit langem pas- siv. Diese Passivität ist in den Kriegs- und Nachkriegsjahren immer größer geworden, weil den amerikanischen Zufuhren eine wesentlich geringere europäische Ausfuhr gegenüberstand.

Noch vor wenigen Jahrzehnten spielten in der vereinsstaat- lichen Ausfuhr die Nahrungsmittel und Rohstoffe und in der Ein- fuhr die Industrie-Erzeugnisse die Hauptrolle, so daß der Außen- handel den Stempel des kolonialen Handels Austausch von Rohprodukten gegen Fabrikate trug. Immer mehr haben jedoch die Manufakturen den Rohstoffen den Rang streitig gemacht, namentlich seit eine gewaltige und vielseitige Industrie- Entwicklung das Land in den Stand setzte, nicht nur einen er- heblichen Teil der benötigten Fabrikate selbst herzustellen, sondern darüber hinaus noch auszuführen. 1860 trug die Roh- produktion 87 % zur Ausfuhr bei, 1920 bloß noch 34 %, während der Ausfuhrwert der Halb- und Ganzfabrikate entsprechend gestiegen war. Dennoch wird die Landwirtschaft dem Außen- handel mit Europa wohl noch lange das Gepräge geben und seinen Gang durch den Ernteausfall wesentlich mit bestimmen.

Die Hauptausfuhren aus der Union bilden landwirtschaftliche Rohstoffe und die aus ihnen hergestellten Erzeugnisse: Getreide und Brotstoffe, Fleisch und Fleischprodukte, Schiffsproviant

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(Provisions), Rohbaumwolle, Tabak, Holz und Walderzeugnisse, Petroleum und Bergbauprodukte, besonders Kupfer, Ins Ausland gehen aber in wachsendem Maße auch Fabrikate, vornehmlich Woll-, BaumwoU- und Lederwaren, Eisen- und Stahlwaren, Maschinen und landwirtschaftliche Geräte. Während des Krieges nahm die Ausfuhr von Kraftwagen, Kriegsbedarf, Explosivstoffen und Chemikalien einen gewaltigen Umfang an. Zu den bemerkens- wertesten Einfuhrgütern gehören Rohrzucker, Kaffee, Tee und Kautschuk, Kakao und tropische Früchte, in erster Linie die zur Volksnahrung gewordenen Bananen. Die Erschließung ihrer Kolonien und Einflußgebiete wird die Union immer unabhängiger im Bezüge der vielbegehrten Tropenprodukte machen, die sie aus klimatischen Gründen entweder gar nicht oder nur in unzu- reichender Menge zu gewinnen vermag. In Wolle, Häuten und Rohseide findet wegen der Entwicklung der auf ihnen beruhenden Industrien ebenfalls eine gewaltige Einfuhr statt, weil die eigene Erzeugung die Nachfrage nicht im entferntesten zu decken ver- mag. Die stark gestiegene Einfuhr gewerblicher Rohstoffe ist überhaupt der beste Beweis für die rasch fortschreitende Selb- ständigkeit der vereinsstaatlichen Industrie. Heute besteht aller- dings noch die Hauptmasse der europäischen Einfuhren aus Ganz- und Halbfabrikaten, die insofern eine bemerkenswerte Wandlung durchgemacht haben, als die Einfuhr notwendiger Massengegenstände des täglichen Bedarfes stark zurückgegangen ist, während mit der Zunahme des Wohlstandes die Einfuhr von Luxuswaren, Seidenstoffen und Juwelen beträchtlich gewachsen ist. Die Union ist seit längerer Zeit der Hauptabnehmer für Dia- manten !

Der Entwicklung des Binnen- und Außenhandels entspricht die Vielzahl wichtiger Binnenverkehrsplätze und Seehäfen. Weitaus an erster Stelle steht New York. Obwohl der wachsende Einfluß der anderen Haupthäfen die überragende Stellung der »Empire City« beeinträchtigt hat, vermittelt sie noch immer 60% der gesamten Einfuhren* und 38% der Ausfuhren und ist das Haupteinwanderungstor für die Neue Welt. Nach amerikani- scher Auffassung war sie schon vor dem Weltkriege im Schiffs- verkehr unter Ueberflügelung Londons, des größten Stapelplatzes Europas, der erste Hafen des Welthandels geworden. Hinter New York folgen in beträchtlichem Abstände Boston, Phila- delphia, New Orleans, Baltimore, San Francisco und Galveston.

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Diese sieben Haupthäfen der Union vermitteln zusammen 8i% der Einfuhren und 71% der Ausfuhren, so daß sie die großen Ein- und Ausgangspforten des Vereinsstaat hohen Außenhandels darstellen.

Die nördlichen atlantischen Küstenplätze bis zur Chesa- peakebai (Portland, Boston, Providence, Newhaven, New York, Philadelphia, Wilmington, Baltimore) sind in erster Linie Ein- fuhrplätze. Dagegen sind die südatlantischen und Golfhäfen {Charleston, Savannah, Mobile, New Orleans, Galveston) wegen der reichen Baumwollerträge ihres Hinterlandes vorzugsweise Ausfuhrhäfen. Von Europa sind sie schon weiter entfernt, wäh- rend das mittelamerikanische Gegengestade mit seinem wirt- schaftlich rückständigen Hinterland noch weniger Anziehungskraft ausübt und den Golfhäfen nicht genug Waren zuführen kann. Seit aber das Amerikanische Mittelmeer auf dem besten Wege ist, wirtschaftlich und politisch ein nordamerikanischer Binnen- see zu werden, seit vereinsstaatliche Energie und Kapitalkraft sich den mittelamerikanischen und westindischen Tropenländern zugewendet hat und der Panama- Kanal neue, kurze Verbindungs- wege mit der Rückseite Amerikas eröffnet, steht den Golfhäfen unzweifelhaft eine glänzende Zukunft bevor. Die neue W^asser- straße wird auch den abgelegenen pazifischen Häfen (San Pedro für Los Angeles, San Francisco, Astoria für Portland, Tacoma, Seattle) zugute kommen und sie viel fester mit der atlantischen Seite der Union verknüpfen. Charakteristisch kommt die verschiedene Verkehrsstärke und Verkehrsbedeutung der Unionsküsten darin zum Ausdruck, daß von den 72 größeren Häfen 55 dem atlanti- schen Gestade, aber bloß 11 der Golfküste und 6 der pazifischen Seite angehören.

Nicht unbedeutend sind endlich die Landverkehrsbeziehun- gen mit den unmittelbar anstoßenden Nachbarstaaten Kanada und Mexiko. Doch bleibt der durch die Eisenbahnen vermittelte Landhandel über die Binnengrenzen weit hinter der überseeischen Verkehrsvermittelung zurück, auf die nicht weniger als 94% des vereinsstaatlichen Außenhandels entfallen. Die günstige Mittel- lage Amerikas zwischen den beiden wichtigsten Weltmeeren und zwischen den höchstentwickelten Wirtschafts-, Handels- und Kulturländern am West- und Ostrande der Alten Welt (vgl. Kap. 3) fordern zu großzügiger Ueberseeschiffahrt geradezu auf.

Trotzdem entsprach die Hochseeflotte diesen Vorbedingun- gen in keiner Weise, Als der junge Staat 1789 die Unabhängigkeit

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erlangte, umfaßte sein Schiffsbestand 202 000 Reg.-Tonnen. Seit- dem entwickelte er sich trotz einzelner Schwankungen so kräftig, daß er 1861 5,54 Millionen Reg.-Tonnen erreicht hatte. Auch weiterhin ging die gesamte Tonnage nur wenig zurück. Wohl aber zeigte der Anteil der dem Ueberseehandel dienenden Schiffe ein ständiges Sinken. Zunächst räumten die nord- und südstaat- lichen Kaper im Bürgerkriege gewaltig unter den beiderseitigen Seeschiffen auf. Die Hauptleidtragenden waren die Nordstaaten, weil sie hauptsächlich den Ueberseeverkehr vermittelten. Viele nordstaatliche Schiffe tra.ten damals unter den Schutz der eng- lischen Flagge. Mit den Kriegsverlusten fiel etwa gleichzeitig der Niedergang des Baues hölzerner Schiffe zusammen, die in zunehmendem Maße durch Eisen- und Stahlschiffe ersetzt wurden. Hohe Unkosten und eine ungünstige Gesetzgebung verhinderten jedoch das Wiederaufblühen der Ueberseeflotte. Denn nur im Inland gebaute und mindestens zu % mit Amerikanern be- mannte Fahrzeuge durften das Sternenbanner führen, während Ankauf und Einfuhr fremder Schiffe verboten waren, um den einheimischen Schiffbau vor dem übermächtigen Wettbewerb des viel billiger arbeitenden Auslände^ zu schützen. Infolge- dessen zeigte der vereinsstaatliche Schiffbau gegenüber dem englischen und deutschen eine auffällige Rückständigkeit und Passivität, und der Ueberseehandel mußte immer mehr den Aus- ländern überlassen werden. Die fremde Flagge war in den Unions- häfen weitaus überwiegend anzutreffen. Der atlantische Verkehr wurde nicht zum wenigsten von britischen und deutschen Schiffen besorgt, und auf dem Stillen Ozean machte sich englische und japanische Konkurrenz unangenehm fühlbar. Der Mangel an eigenen Schiffsverbindungen war so groß, daß vereinsstaatliche Waren und Postsendungen, um Südamerika zu erreichen, auf fremden Fahrzeugen über Europa gehen mußten!

Bis zum Weltkriege war die vereinsstaatliche Handels- marine mit 7,93 Millionen Brutto-Registertonnen die zweit stärkste nach der britischen geworden. Aber ihre Bedeutung beruhte im wesentlichen auf der gut entwickelten und gut organisierten Küstenschiffahrt, die sich zu erheblichem Teil noch der Segler bedient, und auf der nicht minder lebhaften Binnenschiffahrt auf den St. Lorenzseen, die Schiffe bis zu 14 000 Tonnen tragen und im amerikanischen Staatsrecht als hohe See gelten (vgl. S. 61) ^), Für die eigentliche Hochseefahrt kam jedoch kaum

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der sechste Teil des Schiffsraumes in Betracht, so daß der eigene Ueberseedienst mit der sprunghaften Zunahme des Wirtschafts- lebens nicht im Einklang stand. Keine einzige amerikanische Schiffahrtsgesellschaft, deren angesehenste die American Line, die Ward Line und als Hauptträgerin des Südseeverkehrs die Pacific Mail Steamship Co. waren, konnte sich mit den führen- den deutschen und englischen Reedereien messen.

Schon lange trachtete man indes darnach, am Hochseever- kehr stärkeren Anteil zu gewinnen, um durch Vermehrung der eigenen Handelsflotte von fremder Vermittelung unabhängig zu werden und namentlich den Seeverkehr mit Westindien und Latein-Amerika in die Hand zu bekommen. Dieses Ziel verfolgte zunächst die 1902 ins Leben gerufene International Merchants Marine Co. oder der atlantische Schiffahrtstrust der Amerikaner, nach seinem Gründer auch Morgantrust genannt. Er umfaßte eine Reihe amerikanischer und europäischer Schiffahrtslinien, die zwar ihre bisherigen Flaggen beibehielten, aber zur Stärkung des amerikanischen Einflusses im atlantischen Schiffsverkehr beitrugen. Ein voller Erfolg wurde allerdings nicht erreicht.

Da gab der Weltkrieg erwünschte Gelegenheit, das Versäumte nachzuholen und den Traum einer mächtigen vereinsstaatlichen Handelsflotte zu verwirklichen. Die Unterbrechung der alt- gewohnten Schiffsverbindungen führte den Amerikanern die starke Abhängigkeit ihres Ueberseehandels von fremder Ver- mittlung greifbar deutlich vor Augen. Nunmehr wurden die einer raschen Vermehrung des Schiffsbestandes hinderlichen Gesetze aufgehoben oder gemildert. Dann wurden umfangreiche Aufkäufe neutralen Schiffsraumes vollzogen. Der Eintritt in den Krieg brachte durch die Beschlagnahme der in den Unionshäfen liegenden deutschen Handelsschiffe und durch die Auslieferung eines Teiles der deutschen Handelsflotte beim Friedensschluß neuen Zuwachs. EndHch hat die fieberhafte Tätigkeit der eigenen, immer mehr vergrößerten und vermehrten Werften die Erhöhung des Schiffsraumes mächtig gefördert ^). So hat die vereinsstaat- liche Kauffahrteiflotte in wenigen Jahren eine geradezu bei- spiellose Entwicklung genommen. Am 30. Juni 1921 verfügte sie über 28500 Schiffe mit 18,35 Millionen Brutto-Registertonnen, wovon 13,23 Millionen seegehend waren. Das sind 27% der Welthandelsflotte gegen 9,2% im Jahre 1914^)! Mußten früher die Amerikaner ihre Waren auf ausländischen Schiffen ver-

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flachten, so übernehmen sie jetzt den Transport auf eigenen Fahrzeugen für fremde Rechnung*). Zahlreiche DampferHnien nach den verschiedensten Ländern Europas und des Mittelmeer- beckens, nach Indien und Australien, West- und Südafrika und vor allem nach dem Lateinischen Amerika sind eingerichtet.

Einen neuen wesentlichen Fortschritt und zugleich einen erfreulichen deutschen Erfolg bedeutet das zunächst auf 20 Jahre abgeschlossene Uebereinkommen, das seit 1920 die Ham- burg-Amerika-Linie mit dem Harriman-Kerr-Konzern und den Norddeutschen Lloyd mit der U.S.Mail Steamship Co. ver- knüpft. Der Vertrag stellt unsere beiden größten Reedereien, die der Weltkrieg schwer geschädigt hat, wieder in den Dienst des Weltverkehrs und macht es auch der seit Kriegsbeginn fast ver- schwundenen deutschen Flagge möglich, wieder in größerem Umfang auf dem Ozean zu erscheinen. Der entscheidendste Schritt zur Stärkung der vereinsstaatlichen Seegeltung dürfte jedoch die Merchants Marine Bill von 1920 sein. Das offen aus- gesprochene Ziel dieses neuen Schiffahrtsgesetzes ist es, die fremde Schiffahrt, in erster Linie die englische und japanische, mit allen Mitteln zugunsten des Sternenbanners zu verdrängen und ein Monopol der amerikanischen Seeschiffahrt nach und von allen Häfen des Unionsgebietes herbeizuführen. So ist an die Stelle des deutschen Nebenbuhlers als ein viel gefährlicherer Wettbewerber der britischen Vorherrschaft zur See das vereins- staatliche Riesenreich getreten, das sich zum stärksten Handels- konkurrenten Englands entwickelt hat.

24. Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika.

Ein wirtschaftlicher Vergleich.

Günstige Weltstellung und geographische Lage der Union. Ueberfluß an lebenswichtigen Rohstoffen für Eigenverbrauch und Ausfuhr. Man hüte sich vor Unter- und Ueberschätzung der Wirtschaftskraft der Union. Sind die Vereinigten Staaten wirklich ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten ? Stärke des Erwerbslebens in der Union und in Europa. Richtige Bewertung der technischen Leistungen und der riesigen geschäftlichen Organisationen der Amerikaner. Bei Vergleichen mit Europa ist die Union als Erdteil zu betrach- ten und nicht einem europäischen Einzelland, sondern ganz Europa gegenüber- zustellen. Europa besitzt ähnlich günstige Wirtschaftsbedingungen wie die

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Vereinigten Staaten. Wenn diese auch in der Gewinnung wichtiger Rohstoffe einen hervorragenden Platz einnehmen, so können sie sich dem Wettbewerb anderer Gebiete doch nicht entziehen. U.S.Amerika und Europa als Getreide- lieferanten. Die Hauptviehländer der Erde. Die Union und Europa als Berg- baugebiete. Europäische und amerikanische Industrie. Das Handelsüber- gewicht Europas. Voraussichtlich wird die Union nie die Menschenzahl Europas erreichen. Die Bedeutung der Einwanderung für die wirtschaftliche Entwicklung und das politische Uebergewicht der Union. Die Vereinigten Staaten von Europa als Gegengewicht gegen die Vereinigten Staaten von Amerika.

Wir haben die Naturbedingungen kennen gelernt, die Boden und Klima U.S.Amerikas der Ausbreitung und Einwurzelung des Menschen gewährten, und haben dann die geographischen Grund- lagen und die Entfaltung des Wirtschaftslebens verfolgt. Im Schlußkapitel seien unter gelegentlichen Hinweisen auf das früher Gesagte die wichtigsten Ergebnisse nochmals kurz zu- sammengefaßt ^).

Seit Max Goldberger die Vereinigten Staaten das Land der unbegrenzten Möglichkeiten genannt hat, ist dieses Schlagwort in den verschiedensten Abwandlungen zum geflügelten Wort ge- worden. Und in der Tat hat die Union durch ihre politische Machtentwicklung, ihre räumliche Riesengröße und ihren einzig- artigen wirtschaftlichen Aufschwung in immer stärkerem Maße die Aufmerksamkeit Europas auf sich gezogen. Weiten Kreisen und nicht zum wenigsten den Amerikanern selbst gilt sie als das Land der Zukunft und als die kommende Weltmacht schlechthin, und alle geographischen Bedingungen sind für diese Aussicht günstig. Seine Weltstellung macht den nordamerikanischen Rie- senstaat recht eigentlich zum Reich der Mitte auf Erden. Er wird auf drei Seiten von der großen Verkehrsstraße des Meeres umspült und besitzt daher nach allen Richtungen hin die kürze- sten Seewege, die ohne zeitraubende Umfahrungen ganzer Erd- teile geradeswegs zum Ziel führen. Das ist ein nicht gering zu bewertender Vorzug, wenn man bedenkt, daß der heutige Welt- verkehr zu Vs Seeverkehr ist. Ferner vereint die Union durch ihre geographische Lage und durch ihre gewaltige Ausdehnung innerhalb ihrer Grenzen alle Klimabedingungen und Erzeugnisse der gemäßigten und subtropischen Zone und gestattet die Ein- bürgerung der verschiedensten Kulturgewächse. Dank der Mannigfaltigkeit ihrer Produktion umschließt sie alles, was ein Volk braucht, um zur Not auch ohne fremde Zufuhren seine

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wirtschaftliche Selbständigkeit zu behaupten. Denn ohne Zwei- fel gehört dieses Land, das der Amerikaner Ralph Waldo Emerson mit dichterischer Uebertreibung, wenngleich nicht ohne innere Berechtigung, als »Gottes letztes und größtes Geschenk für die Menschheit« gepriesen hat, zu den hervorragendsten Weltwirtschaftsgebieten. Gleich stark durch Landwirtschaft wie durch Industrie, durch Rohstofferzeugung und Rohstoffverarbei- tung, vermögen die Vereinigten Staaten nicht bloß ihren unge- heuren Eigenbedarf zu decken, sondern sie können aus ihrem Ueberfluß noch Nahrungs- und Genußmittel, Kraft- und Roh- stoffe in Fülle ans Ausland abgeben. Macht man sich aber klar, was sie noch hervorzubringen vermöchten, wenn eine verständ- nisvolle Ausnutzung an die Stelle der bisherigen Raubwirtschaft tritt, so eröffnen sich ganz außerordentliche Zukunftsmöglich- keiten. Unter solchen Umständen ist es zu verstehen, wenn man in Europa nicht bloß mit steigender Bewunderung, sondern zu- gleich mit wachsender Beunruhigung auf den jungen Empor- kömmlingblickt, der die Alte Welt schon in manchen Beziehungen überflügelt hat. Auch der Warnruf vor der »amerikanischen Ge- fahr« hat immer lauteren Widerhall gefunden, und es wird eine der schwierigsten Aufgaben der europäischen Politik sein, das drohende Uebergewicht U.S.Amerikas nicht zur Weltbeherr- schung werden zu lassen. .- So groß aber die natürlichen Reichtümer der Union sind^ so staunenswert die sprunghafte Entfaltung ihrer wirtschaft- lichen Kräfte gewesen ist und noch sein kann, so führt doch eine unbefangene Prüfung zu der Ueberzeugung, daß die Ansichten von den märchenhaften Schätzen der Vereinigten Staaten und die Befürchtung einer »Americanisation of the World«, einer »Amerikanisierung der Welt«, nicht übertrieben werden dürfen. Die Amerikaner haben es trefflich verstanden, den Glauben an ihre unüberbietbare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit den euro- päischen Ländern einzuhämmern, so daß man ihre zunehmende Ueberlegenheit als ein unabänderliches Schicksal hinnehmea zu müssen glaubte. Andere freilich hatte gerade umgekehrt amerikanische Uebertreibung und Reklamesucht verleitet, vieles von dem, was jenseit des Atlantischen Ozeans vorging, als Hum- bug anzusehen und geringschätzig oder ungläubig darüber hin- wegzugehen. Diese Auffassung hat sich bitter gerächt. Denn, durchaus nicht alles, was man für Bhiff hielt, war ein solcher^

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sondern es war nur der selbstgefällige Ausdruck für den unbeug- samen Wagemut und die glänzenden Erfolge der Amerikaner, die auf die in kleinräumigen Vorstellungen befangenen Europäer allerdings verblüffend wirken mußten. Wenn vor Amerikas Ein- tritt in den Krieg das Wort gefallen ist: »Gewogen und zu leicht befunden«, so war das eine verhängnisvolle Selbsttäuschung unserer führenden militärischen Kreise, die wie so viele andere über Amerika nur ungenügend unterrichtet waren und daher den neuen Gegner gewaltig unterschätzten.

Obwohl wir in Amerika und den Amerikanern heute das wirtschaftlich leistungsfähigste Land und Volk vor uns haben, so kann doch ihr Wettbewerb nicht bis ins Unendliche wachsen. Er muß mit manchem einschränkenden »Wenn« und »Aber« rechnen, so daß die »amerikanische Gefahr« nicht unbekämpfbar erscheint. Vor allem bedrohen Raubbau und Verschwendungs- sucht die gedeihliche Weiterentwicklung, da die Hilfsquellen des Landes durchaus nicht so unerschöpflich sind, wie seine Be- wohner gern meinen und wie sie andere glauben machen möchten. Die Zeiten sind vorüber, wo man in der Union von unversieglichen Rohstoffen und von schrankenlos verfügbaren Besiedlungsflächen reden konnte. Schon zeigen sich die Wirkungen der unglaublichen Kurzsichtigkeit und Leichtfertigkeit, mit der man die Natur- schätze vergeudet hat. Man wird auch hier das Haushalten lernen und, statt bloß auszubeuten und aus dem Vollen zu schöpfen, in absehbarer Zeit zur sorgsam und methodisch vor- gehenden intensiven Wirtschaft greifen müssen, wie sie in den alten Kulturländern Europas längst geübt wird, während sie in der Union noch stark zurücktritt. Sie ist natürlich viel teurer als der wesentlich einfachere extensive Betrieb. Darum weist ein genauer Landeskenner, der 1916 verstorbene Emil Decker t, mit Recht darauf hin, daß die Vereinigten Staaten vielleicht nicht mehr denselben Grad von Kraftüberfülle an den Tag legen werden, sobald einmal die Forderung der Intensität ge- bieterisch an sie herangetreten ist.

Die nächste Folge des verteuerten Wirtschaftsbetriebes wird eine Preissteigerung für alle Erzeugnisse sein. Damit ver- mindert sich aber die Wettbewerbsfähigkeit der Union gegenüber ihren gefährlichsten amerikanischen Nebenbuhlern Kanada und Argentinien. Ueberdies ist in beiden Staaten der Ackerboden, der die Hauptgrundlage für ihre wirtschaftliche Entfaltung bil-

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det, erst wenig erschöpft und weithin überhaupt noch nicht ausgenutzt. Große Flächen ausgezeichneten Farmlandes sind hier noch billig zu haben. In der Union dagegen sind die frucht- baren Landstriche vergeben, und ländlicher Eigenbesitz ist zu erschwinglichen Preisen kaum noch käuflich. Hieraus erklärt sich die lebhafte Abwanderung vereinsstaatlicher Farmer in die Getreideländer des kanadischen Westens. Allerdings sucht die Bundesregierung durch systematische Bewässerungsaibeiten im trockenen Westen und durch Entwässerung der ausgedehnten Sumpfflächen des Südostens neues Ackerland zu gewinnen. Es wird indes bloß einen Bruchteil des dauernd unproduktiv blei- benden Raumes ausmachen und demgemäß nur eine verhältnis- mäßig bescheidene Zahl von Farmern aufnehmen können. Je- denfalls zeigen diese Tatsachen, daß die »unbegrenzten Möglich- keiten« U.S.Amerikas doch ihre Grenzen haben.

Der gewaltige Pulsschlag des vereinsstaatlichen Wirtschafts- lebens macht auf den Reisenden einen tiefen Eindrück. Trotz- dem braucht Europa den Vergleich mit ihm nicht zu scheuen. Beträgt doch der Anteil der Erwerbstätigen in Deutschland und Frankreich, deren Bevölkerung etwa derjenigen der Vereinigten Staaten entspricht, 48,5% gegen 41,5% in der Union. Man darf indes nicht vergessen, daß hier die menschlichen Arbeitskräfte in außergewöhnlich hohem Maße durch Maschinen ersetzt wer- den, so daß sich die Arbeitsleistungen vervielfachen. Darum hat amerikanischer Erfindungsgeist gerade auf dem Gebiet zeit- und händesparender Maschinen, die eine schnelle Massenfabrikation gestatten, Hervorragendes geleistet. Aber er hat sich mit einer gewissen Einseitigkeit auf üiesen Zweig beschränkt, so daß man die amerikanische Technik nicht in Bausch und Bogen als der europäischen überlegen hinstellen darf. Dem steht aus den früher (S. 140) angegebenen Gründen auch die Tatsache nicht entgegen, daß in der Union jetzt jährlich über i Mülion Patente erteilt werden.

Die technischen Leistungen der Amerikaner, die Riesen- brücken, Wolkenkratzer, Pacificbahnen usw., und ihre wirt- schaftlichen Riesenunternehmungen sind mit Recht angestaunt worden. Rückhaltslose Bewunderung darf jedoch nicht zur kritiklosen Ueber Schätzung führen. Auch wir könnten Wolken- kratzer bauen, wenn sie nicht bisher durch unsere Bauord- nungen verboten gewesen wären. Die vielgerühmten Pacific-

Hassert, Vereinigte Staaten. 17

- 258

bahnen konnten dank den freigebigen Landschenkungen der Bundesregierung an die Bahngesellschaften verhältnismäßig billig hergestellt werden und halten technisch keinen Vergleich mit den kühnen Anlagen unserer Alpenbahnen aus, weil die Gunst des Klimas und Geländes die Bauschwierigkeiten wesentlich verringerte. Wenn es schließlich bei uns nur wenige den unge- heuren Organisationen der amerikanischen Trusts vergleichbare Geschäftsbetriebe gibt man denke an Krupp oder an die Hamburg- Amerika-Linie und den Norddeutschen Lloyd, die bis zum Weltkriege die beiden größten Schiffahrtsgesellschaften der Welt waren , so erklärt sich das daraus, daß für die meisten von ihnen in den engräumigen, durch wirtschaftliche Sonder- interessen getrennten und durch Zollschranken abgesperrten Staaten Europas die Absatzmöglichkeiten fehlen. Der zuneh- mende Vorsprung und das bedrohliche Uebergewicht der Ver- einigten Staaten beruhen ja nicht zum mindesten darin, daß sie nicht bloß ein von der Natur reich und vielseitig ausgestatteter Erdraum, sondern zugleich ein einheitlicher staatlicher Organis- mus von nahezu der Raumgröße unseres politisch zersplitterten Erdteils Europa sind.

Im Hinblick auf altweltliche Verhältnisse kann also die Union nur als ein Erdteil betrachtet werden. Deshalb ist es falsch und muß ein ganz schiefes Bild geben, wenn man wie das so oft geschieht die y,8 Millionen qkm umfassenden Vereinigten Staa- ten mit irgendeinem europäischen Einzellande, z. B. mit dem nur 475 ooo qkm großen Deutschen Reiche, auf dieselbe Stufe stellt. Innerhalb der Grenzen U.S.Amerikas könnten i6 Staaten wie Deutschland Platz finden! Wir müssen daher die Union ganz anders wägen als einen europäischen Staat außerhalb Rußlands, d. h. wir müssen sie der Volkszahl nach mit dem Russischen Reiche (vor dem Weltkrieg), der Fläche nach aber mit ganz Europa vergleichen, von dessen Raumgröße sie ^/g einnehmen. Denn leichtbegreif lieh erweise steht jeder der klein- räumigen europäischen Staaten für sich allein an Fläche und Menschenmenge, an Mannigfaltigkeit der Naturerzeugnisse und an wirtschaftlicher Bedeutung weit hinter dem Riesenreiche jenseit des Atlantischen Ozeans zurück, dessen ungeheure Ueber- legenheit dann natürlich leicht nachgewiesen werden kann. Dagegen übertreffen alle europäischen Staaten zusammen oder schon einige von ihnen zusammengefaßt den amerikanischen

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Nebenbuhler auf vielen Gebieten des Wirtschaftslebens und könnten erfolgreich mit ihm in die Schranken treten, weil auch unser Erdteil durch Klima und geologischen Bau, Oberflächen- gestaltung und Bevölkerung die günstigsten wirtschaftsgeo- graphischen Voraussetzungen aufweist.

Will man also die transatlantische Republik zu einer Größe in Beziehung setzen, die eine richtigere Anschauung vermittelt, so kann das nur das räumlich gleichwertige Europa sein. Frei- lich, jeder Vergleich hinkt, und seine strenge Durchführung wird dadurch erschwert, daß die Union als eine staatliche Einheit der staatlichen Vielheit Europas gegenübersteht. Sie kann also im Ernstfalle die Hilfskräfte und den Druck eines über reiche Macht- quellen verfügenden erdteilgroßen Staates gegen ein kleines euro- päisches Teilland aufbieten. Hätte unsere Politik diese Tatsachen besser gewürdigt, so würde sie vielleicht doch versucht haben, den Krieg mit dem an Menschen und Mitteln gewaltig über- legenen Gegner zu vermeiden.

In der Gewinnung weltwirtschaftlich hochwichtiger Roh- stoffe nimmt die Union einen hervorragenden Platz ein. In Kupfer, Petroleum, Baumwolle und Mais hat sie ein unbestreit- bares Uebergewicht über Europa, ja geradezu ein Weltmonopol. Auch in der Erzeugung von Rohrzucker, Reis und Tabak ist sie Europa überlegen, weil sie viel weiter als dieses in die subtro- pische Klima- und Wirtschaftszone hineinreicht. Wohl vermögen auch die Vereinigten Staaten nicht alle pflanzlichen Produkte wärmerer Klimate oder andere für ihre Industrie dringend not- wendige Rohstoffe, wie Schafwolle und Häute, tr^tz starker Eigenerzeugung restlos innerhalb der eigenen Grenzen zu ge- winnen. Dafür liegt indes ihr westindisch-mittelamerikanisches Kolonial- und Einflußgebiet viel näher vor ihren Toren als das tropische Afrika vor den Küsten der europäischen Kolonialstaaten, Die unmittelbare Nachbarschaftslage zwischen Mutterland und Kolonien ist aber ebenfalls ein Faktor von nicht geringer Wich- tigkeit.

Ferner hat die Union den unschätzbaren Vorteil, daß die ausgedehnteste aller Webindustrien, die Baumwollverarbeitung, den erforderlichen Rohstoff im eigenen Lande vorfindet, wäh- rend ihn Europa unter großen Mühen und Kosten einführen muß. Dadurch ist es ganz vom Ausland abhängig und zwar in erster Linie von U.S.Amerika, dem hauptsächlichsten BaumwoU-

17*

26o

Lieferanten der Weltwirtschaft. Der zunehmenden Nachfrage unseres Erdteils steht aber die ebenfalls gewaltig angewachsene vereinsstaatliche Baumwollindustrie gegenüber, die immer grö- ßere Roh Stoff mengen für ihre Zwecke zurückbehält. Ueberdies hat es die Union in der Hand, durch zollpolitische Maßnahmen, die Baumwollausfuhr zu verteuern oder zu erschweren und da- durch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Baumwoll- industrie auf den Weltmärkten gegenüber der amerikanischen Konkurrenz ernstlich zu bedrohen. Wie das Ausbleiben der Baumwolle während des nordamerikanischen Bürgerkrieges in England, damals dem Hauptsitz ihrer Verarbeitung, eine schwere wirtschaftliche Krise verursachte, so war es für Deutschland nicht minder bitter, als der Weltkrieg durch Sperrung der über- seeischen Zufuhren seinem Textilgewerbe die Baumwolle ent- zog. Auf der andern Seite hat der Zwang, die infolge des Krieges ausgebliebenen Rohstoffe zu ersetzen, zur Erfindung und Ein- bürgerung einer Anzahl brauchbarer Ersatzstoffe geführt. So ist es in Deutschland gelungen, die Bastfaser von Flachs und Hanf, für die es in unserm Erdteil ausgedehnte Anbauflächen gibt, zu kotonisieren, d. h. sie in allen wesentlichen Eigenschaften der Baumwollfaser ähnlich zu machen. Da auch in Asien, in Afrika und im tropischen Amerika der Baumwollbau sich immer weiter ausbreitet, so erscheint das vereinsstaatliche Baumwollmonopol nicht mehr unbestritten (vgl. Tabelle 3).

In andern Wirtschaftszweigen wird die Union ebenfalls nicht ohne scharfe Nebenbuhler bleiben und ihren Ruhm, der Hauptversorger anderer Wirtschaftsgebiete zu sein, allmählich einbüßen. Europa kann sich in demselben Maße unabhängiger machen, als es seinen Ueberseebesitz stärker für die Rohstoff- gewinnung heranzieht. Dadurch wäre es sogar imstande, einen Druck auf den Nebenbuhler auszuüben, indem es seine Märkte durch ähnlich hohe Schutzzölle gegen ihn absperrt, wie er es heute Europa gegenüber tut. An die Stelle der drohenden welt- wirtschaftlichen Vormachtsstellung Amerikas würde dann ein Gleichgewicht zwischen den beiden Hauptwirtschaftskörpern der Zukunft, dem altweltlich-europäischen und dem neuweltlich- amerikanischen, treten. Freilich wird unser Erdteil niemals er- folgreich gegen den vereinsstaatlichen Wettbewerb ankämpfen können, solange zwei Staaten, England und Frankreich, Drei- viertel Afrikas, des wichtigsten europaiscEen^ltDtollatgebie^^^

26l

mit Beschlag belegt haben. Denn mit ihren Menschen und Kapitalien können sie diesen riesigen Raum gar nicht ausreichend entwickeln. Mit dem Rest müssen sich vier andere europäische Kolonialstaaten begnügen, und alle andern europäischen Han- dels- und Industrieländer gehen leer aus.

An Mais erzeugt die Union % % der Welternte.^ Diese ungeheuren Mengen dienen hauptsächlich zur Stütze einer ge- waltjgeii_.JViehzucht, vornehmlich zur Schweinemast. Sein^ Qßgeö&tÖGk- aber und einen gewissen Ausgleich findet der Mais in dem nicht minder beträchtlichen Kartoffelüberfluß Europas, der ebenfalls großenteils als^yiehfutter verwendet wird. Ent-

Union

Europa

Weizen Roggen Hafer Gerste Mais I Kartoffeln

annnir

Gesemternfe

18 689

887

16 419

3 960 68 79A-

9 706

778 ^55

52 698 ^2 759 39 622 23 397 75 366 737 790

305 632

Getreide- und Kartoffelernte in der Union und in Europa im Jahresdurchschnitt 1909 13 (in Mill. Tonnen).

fallen doch auf unsern Erdteil über 90% der Welternte an Kartof- feln, ganz abgesehen davon, daß in Süd- und Südosteuropa der Maisbau noch erheblicher Ausdehnung fähig ist. Denn nur in der Südhälfte unseres Erdteils, die der geographischen Breiten- lage der Union entspricht, gelangt aus klimatischen Gründen der Mais zur Reife, so daß auch die riesige Maisgewinnung die Gunst der südlicheren Lage U.S.Amerikas gegenüber Europa deutlich widerspiegelt. Wir wollen nicht vergessen, daß die Nordgrenze der Vereinigten Staaten, 49° N., in Europa der Linie Paris- Karlsruhe-Regensburg-Lemberg folgt, während die südhchsten Grenzpunkte fast bis zum Wendekreis vorgeschoben sind, so daß sie in Afrika den ersten Nil-Katarakt bei Assuan erreichen würden.

202

Alles in allem bringt jedoch die Union bei weitem nicht so viel Getreide hervor wie ganz Europa. Letzteres lieferte vor dem Weltkriege fast die Hälfte der Weltproduktion (ohne Reis) ^) ; die Vereinigten Staaten brachten es bloß auf 31%. Allerdings kommt in unserem dicht bewohnten Erdteil auf den Kopf der Bevölkerung ein viel kleinerer Durchschnittsertrag an Brotkorn als in der viel weniger stark besiedelten Union, so daß die meisten europäischen Staaten schon seit langem auf Nahrungsmittel- zufuhren angewiesen sind. Aber auch in U.S.Amerika hat die starke Einwanderung und die durch sie bedingte rasche Volks-

WeltprodukHon

' 1 1

J5S MUl.t

da\^on duf Europa .

f^v^

173.6 " » ^^B,7%

^ die Union .

■■

106.8 " ' = 30.6%

106fi f^ilff

r73,9 Mi//.r

356 Milt.t

Gesamte Welternte an Getreide {Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Mais) im Jahresdurchschnitt 1909—13, verglichen mit Europa und der Union.

zunähme den inländischen Verbrauch immer mehr gesteigert und den Ausfuhrüberschuß trotz Vergrößerung der Ackerbaufläche ent- sprechend herabgemindert. Auf den Kopf der Bevölkerung kam hier in den letzten Friedensjahren nur eine Getreideausfuhr von 42 kg gegen 818 kg in Argentinien, 427 kg in Rumänien, 342 kg in Kanada und 80 kg in Rußland. Jedenfalls dürften die Ver- einigten Staaten ihren Höhepunkt als Ausfuhrgebiet landwirt- schaftlicher Erzeugnisse überschritten haben, wenngleich eine sachgemäße Bewirtschaftung aus dem Boden noch viel mehr

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herausholen könnte als bisher. Dem Uebergang zur intensiven Wirtschaft stehen jedoch trotz stärkster Heranziehung hände- sparender Maschinen die Schwierigkeiten der Arbeiterbeschaf- fung entgegen. Denn die neuerdings einströmenden Einwan- derer wenden sich meist der Industrie zu, während der frühere Zuzug landwirtschaftlicher Hilfskräfte erheblich nachgelassen hat, seitdem das brauchbare Ackerland im großen Ganzen ver- geben ist. So nähert sich die Union allmählich dem Stadium, wo ihre Landwirtschaft bloß noch den Bedarf des eigenen Lan- des zu decken vermag und nur in günstigen Erntejahren einen Getreideüberschuß für die Ausfuhr abwerfen kann. Ja, der Gedanke liegt nahe, ob nicht einmal die Zeit kommen könnte, daß der mit Menschen gefüllte Riesenstaat überhaupt keine Nahrungsmittel mehr abgibt, sondern vielleicht selbst ein Nah- rungsmittel einführendes Land wird.

Dagegen ist in den dünn bevölkerten und wirt^^chaftlich rückständigen Gebieten der unteren Donauländer und des süd- russischen Schwarzerdebodens, die schon jetzt ebenbürtige Ne- benbuhler der verehisstaatlichen Kornkammer sind, die Land- wirtschaft noch solcher Vervollkommnung fähig, daß ihre Ge- treideausfuhr erheblich gesteigert werden kann. Rußland war überhaupt bis zum Weltkriege, der die staatlichen und wirt- schaftlichen Verhältnisse Osteuropas vollständig über den Hau- fen geworfen hat, der erste Getreideversorger der Welt, indem es freilich nicht zum wenigsten auf Kosten des Wohlergehens der eigenen Bevölkerung im Jahresdurchschnitt 10,7 Millionen Tonnen Getreide in den Welthandel brachte. Dann folgte Ar- gentinien mit 6 und erst an dritter Stelle die Union mit 4 Millionen Tonnen. Hinter ihr blieb Rumänien mit 3% Millionen Tonnen nicht weit zurück, während Kanada 2 % Millionen Tonnen lieferte. Die beiden europäischen Kornkammern führten somit der Welt- wirtschaft mehr Getreide zu als die drei amerikanischen. Kehren erst geordnete Zustände wieder, so werden sich Südrußland und Rumänien immer mehr zu den großen Getreidespeichern Europas entwickeln.

Der Viehbestand unseres Erdteüs an Pferden, Maultieren und Eseln, an Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen war mit 382,2 Millionen Stück vor dem Kriege fast doppelt so groß wie der vereinsstaatliche mit 209,5 Millionen. Somit hat auch in dieser Beziehung Europa einen gewaltigen Vorsprung, den die

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Union nicht so leicht wird einholen können. Da nämlich ihre

riesigen Weideflächen im- mer mehr in Ackerland verwandelt werden oder, wie im trockenen Westen, nur eine extensive Vieh- haltunggestatten, so kann die Vermehrung der Her- den lediglich durch stärke- re Ausnützung der vorhan- denen Grasfluren, nicht aber durch schrankenlose Ausbreitung über immer neue Weidegebiete erfol- gen. Die Bedeutung de^j Viehzucht für die Welt Wirtschaft liegt indes we^ niger in der Größe det absoluten Zahl als im Verl hältnis des Tierbestande^ zur Volksmenge, so daß viehreiche, aber dünn be- wohnte Staaten die eigent- lichen Viehausfuhrländer sind. Denn wenn auch ihre Bewohner meist starke Fleischverbraucher sind, so bleibt doch ein sehr erheblicher Ueberschuß für die Ausfuhr übrig. Im dicht besiedelten Europa dagegen kommen auf den Viehbesfand auf den Kopf der Bevölkerung bloß Hopf de, Bevölkerung ^^§3 jjaupt Vieh, und je

mehr seine Bevölkerung

vi*.>.K«e+o«^ ^ i,x- ^ ^r- ^ . wächst, um so stärker wird

Viehbestand der wichtigsten Viehzuchtländer . ^ r, c

in den Jahren 1908-1917. ^^^ ^^^ ^^^ Zufuhr tieri-

scher Rohstoffe abhängig. Aber auch in der Union entfallen bei ihrer raschen Menschen- zunahme noch nicht 2 Haupt Vieh auf einen Bewohner gegen

Schweine

Scfidfe u Ziegen

I

265

8,4 Stück im Südafrikanischen Staatenbund, 21 Stück in Au- stralien und' Neuseeland und 12 Stück in Argentinien. Diese Länder und nicht die Vereinigten Staaten, die obendrein immer größere Mengen an Fleisch und Fett, Wolle und Häuten für den eigenen Verbrauch zurückhalten, sind daher die eigentlichen Viehausfuhrländer und die zukünftigen Fleischversorger der Weltwirtschaft (vgl. Tabelle 5).

^JlSf!!^!^"^ yi^1^^iti^l<^^^^_^PT ])^iTiera1s(;hqt?;f wettf^iff^rt die Union mit Europa, ja sie übertrifft es wahrscheinlich. Denn der größte Teil feuropas ist geologisch und bergmännisch so genau durchforscht, daß seine Erz- und Mineral Vorkommnisse bekannt sind. Dagegen ist die geologische und bergbauliche Untersuchung der Vereinigten Staaten bei der Jugend ihrer wissenschaftlichen Erkundung noch lange nicht in gleichem Maße fortgeschritten. Doch steht so viel fest, daß nur wenige Berg- baustoffe wie Kali und Zinn nicht in ausreichender Menge vor- handen sind, während andere in solchem Ueberfluß auftreten, daß sie weit über den gewaltigen Inlandsbedarf hinausgehen. Allein gerade beim Bergbau zeigen sich die verhängnisvollen Folgen der Raubwirtschaft am deutlichsten. Denn die einmal ausgebeuteten Bodenschätze erneuern sich nicht wieder wie die organischen Rohstoffe des Pflanzen- und Tierreiches und sind unwiederbring- lich verloren. Zur Zeit hat allerdings die Union in Kupfer und Petroleum noch die unbestrittene Führung 3), während sie in der Kohlengewinnung hinter derjenigen des gesamten Europa noch zurücksteht. Dafür ist in der Eisenerzförderung und in der Roh- eisenherstellung ihre Ueberlegenheit immer größer geworden, und im Weltkrieg hat U.S.Amerika unter erheblicher Ueber- flügelung sämtlicher Eisen erzeugender Länder Europas den ersten Platz in der Eisen- und Stahlgewinnung errungen (vgl. Tabellen 6 8 und die Diagramme auf S. 206 und 221). li Kohle und ^sen sind auch die Haupthebel für die mächtige ^Entfaltung der vereinsstaatlichen Großindustrie, die an Aus- dehnungsfähigkeit und Absatzbedürfnis der Landwirtschaft weit überlegen ist und in demselben Maße für die Ausfuhr Bedeutung gewinnt, in welchem die Union als Nahrungsmittelspender all- mählich zurücktritt. Sie hat die europäische Industrie zwar noch lange nicht erreicht, wetteifert aber mit ihr auf vielen Ge- bieten und sucht unter Zurückdrängung der europäischen Waren Q immer neue Weltmärkte zu erobern. Vor allem hat sie während

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des Weltkrieges im Lateinischen Amerika in solchem Maße Fuß gefaßt, daß man hier geradezu von einer amerikanischen lieber- - schwemmung sprechen kann, die eine zunehmende Erschwerung des europäischen Wettbewerbes im Romanischen Amerika be- deutet. Schon beginnen amerikanische Fabrikate auch die euro- päischen Märkte zu überfluten. Vergleicht man die statistischen Zahlen aus dem Kindesalter der vereinsstaatlichen Industrie mit den heutigen Riesenziffern, so ergibt sich daraus ohne weiteres das Bild einer machtvoll und scheinbar unaufhaltsam fort- schreitenden Aufwärtsbewegung, weshalb die Amerikaner gern mit solchen Gegenüberstellungen spielen. Vergleicht man da- gegen die Zunahme der industriellen Erzeugung U.S.Amerikas mit derjenigen der alten Industrieländer Europas, so zeigte z. B. das deutsche Großgewerbe eine eben so rasche, wenn nicht noch schnellere Entfaltung, zum Beweis, daß auch die industrielle Leistungsfähigkeit Europas nicht gering ist.

Ganz unverkennbg.r bildet sich in Amerika ein zweiter Brennpunkt der Weltwirtschaft und des Welthandels neben dem ^ europäischen heraus *). Dennoch wird das ungeheure Handels- ubergewicht unseres Erdteils von der Union wohl nicht so bald eingeholt werden können. Denn der europäische Außenhandel wertete im Durchschnitt der letzten Friedensjahre über loo Milliarden, derjenige der Vereinigten Staaten in weitem Abstände hinter dem englischen und deutschen Außenhandel erst i8 Milliarden Mark. Doch ist das gewaltige Ueberwiegen Europas bis zu gewissem Grade eine Täuschung, die nicht zu falschen Folgerungen verleiten darf. Denn auf demselben Raum, den in Europa rund 25 selbständige Staaten einnehmen, breitet sich der riesige nordamerikanische Einheitsstaat aus und eröffnet der einheimischen Produktion ein ungeheifres inländisches Absatz- gebiet, das fremden Erzeugnissen um so leichter durch Schutz- zölle verschlossen werden kann, als es fast alle wirtschaftlich wertvollen Roh- und Kraftstoffe selbst gewinnt. Der größte Teil des europäischen Außenhandels jedoch vollzieht sich zwischen den durch Zollschranken abgesperrten Einzelländern unseres Erdteils, und sein Wert erscheint in den statistischen Anschrei- bungen doppelt, indem di jenigen Waren, (di(e~DeutschiaTKi bei-^— spielsweise"1fräch Frankreich sendet7Tn~linseref"'"'StS[tistik als-^-- AtiSfuKfwerte verzeichnet Mnd und in der französischen Statistik als Einfuhrwerte wiederkehren. In der vereinsstaatlichen Han-

267

delsstatistik dagegen fehlen die entsprechenden Zahlen, weil hier der Güteraustausch zwischen den 49 Gliedstaaten der Union einem durch keinerlei Zollschranken beeintrlchtigtennBrniien--* handel angehört, den man auf das 10 I3fache des Außen- handels schätzt (vgl. S. 244). Trotz seines gewaltigen Umfanges tritt er jedoch statistisch eben so wenig in Erscheinung wie etwa in der deutschen Reichsstatistik der Warenverkehr zwischen den deutschen Einzelstaaten. Um also zu einer einigermaßen richtigen Auffassung zu kommen, dürfen wir lediglich den Außen- handel Europas mit den außereuropäischen Staaten uud Kolo- nien zum Vergleich heranziehen und dem Außenhandel U.S.- Amerikas gegenüberstellen. Allein selbst mit dieser sehr erheb- lichen Einschränkung war der europäische Außenhandel vor dem Kriege mit 38,3 Milliarden Mark immer noch mehr als doppelt so hoch wie derjenige der Union.

Allerdings ist in unserm dicht bewohnten, riesiger Mengen an Nahrungsmitteln und industriellen Rohstoffen bedürfenden Erdteil die Ausfuhr viel kleiner als die Einfuhr, während die Ver- einigten Staaten seit 1894 dauernd die umgekehrte Erscheinung aufweisen. Besitzt doch Europa 469 MiUionen Menschen gegen, 106 Millionen in der UnionTsö^däß die Volksdichte hier erst 13, dort aber~47"l^op7e*auT I qkm beträgt. Allerdings ist der größte Teil U.S.Amerikas als Besiedlungsland der weißen Rasse kaum ein Jahrhundert alt und daher für neue Einwanderer viel auf- nahmefähiger als Europa. Aber im vereinsstaatlichen Westen, i j der ein reichliches Drittel des Staatsgebietes einnimmt, über- 1 / wiegen trockene '"Steppen und Halbwüsten, die selbst durch ( I künstliche Bewässerung nur zum kleinsten Teü einer stärkeren | j Besiedlung zugänglich gemacht werden können. Da die wirt^j schaftsgeographische Ausstattung des Westens auch sonst vie^j einseitiger als die des Ostens ist, so erscheint es zweifelhaft, di^ die Vereinigten Staaten als Ganzes jemals die Menschenzald \ und Volksdichte Europas erreichen werden (vgl. S. 89).

Außerdem muß abgewartet werden, ob nach dem Welt- kriege die Einwanderung in die Union und die Rückwanderung aus ihr in gleichem Maße anhalten wird wie bisher. Um einen zur Zeit unerwünschten europäischen Zustrom fernzuhalten, ist für die nächsten Jahre die Zahl der zur Einwanderung Zugelasse- nen erheblich eingeschränkt worden. Das Vorhandensein aus- reichender Arbeitskräfte ist indes die unerläßliche Voraussetzung

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für jede Weiterentwicklung. Den^ was nützen alle Schätze, wenn es zu ihrer Hebung an Menschen fehlt! Lediglich dem Zustrom des europäischen Bevölkerungsüberschusses verdankt U.S.Amerika die Ausbeutung seiner Naturgaben und damit seine wirtschaftliche Großmachtsstellung und seine Wettbewerbs- befähigung gegenüber Europa.

Bei der langsamen natürlichen Vermehrung der einheimischen Weißen ist die Einwanderung zugleich der Jungbrunnen, aus dem die Union immer wieder neue Kräfte schöpfte. Sie ist gleichsam eine Menschenkolonie Europas. Das konnte sie nur dadurch werden, daß das weite Land, von den geringzähligen Indianerhorden abgesehen, bei seiner Erschließung praktisch fast unbewohnt war. Hätte die europäische Einwanderung eine ähnlich dichte Bevölkerung vorgefunden und wäre sie auf den- selben hartnäckigen Widerstand gestoßen wie die mittelalterliche deutsche Kolonisation in Osteuropa, wer weiß, wie es heute in Nordamerika aussehen würde. So konnte sich dank der Auf- saugungskraft des Angelsachsentums ein neuer Ableger der weißen Rasse entwickeln, der trotz scharfer Interessengegensätze zwischen dem Norden, Süden und Westen den großen Vorteil einer einheitlichen Nation gegenüber der Vielheit und Feind- schaft der Nationen Europas hat. Ein Land und ein Volk kommen hier in glücklichster Weise zur Geltung. Darum fallen bei politischen und kriegerischen Verwicklungen die von einem einheitlichen Willen geleiteten io6 Millionen Amerikaner ganz anders ins Gewicht als die durch Uneinigkeit in ihrer Macht- entfaltung geschwächten 469 Mülionen Europäer.

In überraschend kurzer Zeit ist der jugendliche nordameri- kanische Riesenstaat der größte und gefährlichste Nebenbuhler Europas geworden, vor dessen Unterschätzung wir uns um so mehr hüten müssen, als semeAüfw^ftsFewegung offenbar noch lange nicht abgeschlossen ist ^). Auf der andern Seite dürfen wir aber die Stärke der Vereinigten Staaten auch nicht kleinmütig überschätzen. Wir sollten uns bei ruhiger Abwägung der Tat- sachen vielmehr daran gewöhnen, uns selbst unter größeren europäischen Gesichtspunkten zu betrachten, damit wir uns der eigenen Kräfte deutlicher bewußt werden und den Amerika- nern mit mehr Selbstvertrauen entgegentreten. Denn wäre ganz Europa eine staatliche Einheit wie die Union, so würde es von wenigen Stapelartikeln abgesehen den Wettbewerber

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jenseit des Atlantischen Ozeans in allen wichtigen Belangen des 2*-,,.*-'»^ Wirtschaftslebens erreichen oder übertreffen. Das dürfte auch» «

aus den angeführten Zahlenbeispielen hervorgehen. /hf^^-^

Hieraus eigibt sich das Vorgehen, das künftighin die euro- päische Politik U.S.Amerika gegenüber einschlagen müßteTTTT läuft darauf hinaus, daß die uneinige europäische Staatengesell- ^ Schaft endlich einmal der Stimme der Vernunft folgen und sich wenigstens wirtschaftlich zu einem Ganzen zusammenschließen sollte. Der große Fortschritt der Vereinigten Staaten ist ja nicht zum wenigsten durch die Zwietracht der europäischen Völker und Staaten begünstigt worden. Möchten namentlich die euro- päischen Festlandstaaten erkennen, daß sie, wie so oft, so auch jetzt wieder für englische und dazu für nordamerikanische In- teressen geblutet haben. Die vereinsstaatlichen Imperialisten streben aber darnach, ihr Land zur Vormacht der Welt zu ma- ^ chen. Bei dem brennenden Betätigungsdrang, dem glühenden Ehrgeiz und dem vorbildlichen Patriotismus, der das jugend- kräftige Volk beseelt, und bei der Riesenhaftigkeit des amerika- nischen Kapitals sind sie auf dem Wege, unter Beiseiteschiebung des alternden Europas ihr Ziel zu erreichen. Denn bei seiner staatlichen Zerrissenheit muß unser Erdteil stets hinter dem riesigen nordamerikanischen Einheitsstaat zurückstehen, von dem er wie die Kriegs- und Nachkriegszeit dargetan hat bereits stark abiiängig geworden ist, während ihm ein ganz oder teilweise geeintes Europa mit viel größerem Erfolg begegnen könnte ^).

Der- Gedanke der Vereinigten Staaten von Europa in Form einer engeren Zusammenfassung der europäischen Länder zu grö- ßeren, durch eine gemeinsame Zollschranke verbundenen Wirt- schaftsräumen ist übrigens der praktischen europäischen Politik nicht neu. Er wurde schon von einem der hervorragendsten Staatsmänner des 18. Jahrhunderts, dem Kardinal Alberoni, ausgesprochen und ist seitdem immer wieder aufgelebt '). Jetzt freilich scheinen wir von der Verwirklichung dieses politischen Zukunftsideals weiter entfernt zu sein als je. Will jedoch unser Erdteil seine Vormachtsstellung oder auch nur seine Gleich^ berechtigung auf weltpolitischem und weltwirtschaftlichem Ge^ biet behaupten, so bleibt kein anderer Ausweg, als daß die Vereinigten Staaten von Amerika ein Gegengewicht finden in den Vereinigten Staaten von Europa.

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25. Anmerkungen.

I. Einleitung.

i) Die seebeherrschenden Briten bereiteten dem Handel des unabhängig gewordenen Landes schwere Hindernisse und fügten ihm ungeheuren Schaden EU, indem sie viele amerikanische Schiffe wegnahmen und ihre Bemannung in englische Seedienste preßten. Britische Sendboten wühlten in den Neu- Englandstaaten und hetzten die Indianer auf, so daß schließlich der zweite britisch-amerikanische Krieg von 1812 14 ausbrach. In seinem Verlauf wurde die amerikanische Handelsflotte fast vernichtet, während die Eng- länder eine Reihe atlantischer Küstenplätze einäscherten und das Kapitol in der jungen Bundeshauptstadt Washington zerstörten. Ferner haben die Briten die Entwicklung der vereinsstaatlichen Seefischerei, die ihnen schon zur Kolonialzeit ein Dorn im Auge war, lange durch Uebergriffe und Verbote beeinträchtigt. Allerdings riefen auch die deutschen Söldner, die von ihren Landesherren als Kanonenfutter an die Engländer verkauft wurden, durch ihr rohes Benehmen einen langdauernden Deutschenhaß hervor. Andererseits sind sie aber auch scharenweise zu den Amerikanern übergelaufen und haben in ihren Reihen gegen die Briten gekämpft.

2) »Er (Wilson) ist englisch durch Geburt, Bildung und Ueberzeugung, Seine vier Großeltern sind alle noch in England geboren. Seine Mutter war noch in England geboren. Sein ganzes Leben lang hat er außer der ameri- kanischen Geschichte nur englische Geschichte und englisches Recht erforscht. Die Ferienzeiten verbrachte er, sofern es nur anging, in England. Er liest nur englische Bücher, englische Literatur. Deutschland kennt er kaum, Deutsche Bücher liest er nicht.« E. Kühnemann, Deutschland und Amerika. München 191 7, S. 80. Aehnlich urteilen A. Penck und E. Meyer.

3) Es wird allerdings behauptet, daß einer der hervorragendsten und volkstümlichsten Präsidenten, Abraham Lincoln, deutscher Ab- kunft gewesen sei, indem sein Großvater, der sich in Kentucky niederließ, ursprünglich den Namen Linkhorn geführt habe. Nach andern hat jedoch die Familie stets Lincoln geheißen und stammte aus Massa- chusetts.

4) Wie gewaltig der Weltkrieg die wirtschaftliche Vormachtstellung der Union gefördert hat, geht daraus hervor, daß im letzten Friedensjahr 1913/14 erst der achte Teil, 1917 aber bereits die Hälfte der Industrie-Erzeug- nisse des Welthandels auf die Vereinigten Staaten entfiel, während der Anteil

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Europas entsprechend zurückgegangen war. Stellten auch die Kriegsliefe^ rungen bloß eine vorübergehende Absatzsteigerung dar, so hat doch die Er- oberung fremder Märkte durch die amerikanische Industrie- Ausfuhr sichtliche Fortschritte gemacht. Doch beginnt der Wettbewerb Europas und nicht zum wenigsten Deutschlands sich bereits wieder bemerkbar zu machen.

5) Schon vor mehreren Jahrzehnten sprach Gladstone die Be- fürchtung aus, daß künftighin die Union der Hauptlieferant der Welt werden würde. Noch früher hatte H. v. Treitschke behauptet, daß die Ver- einigten Staaten dereinst an Englands Stelle als erste Seemacht treten würden. Die erste Voraussage ist bereits zur Tatsache geworden, und die zweite kommt ihrer Verwirklichung immer näher.

6) M. J. Bonn (Amerika als Feind. München 191 7, S. 100) behauptet allerdings, es sei töricht, anzunehmen, daß die Union lediglich zur Sicherung ihrer den Alliierten gegebenen Vorschüsse in den Krieg eingetreten sei. Diese Anleihen waren durch Rückgabe der in Europa befindlichen amerikani- schen Wertpapiere und durch andere erstklassige Schuldverschreibungen gedeckt.

2. Die Entwicklung der Vereinigten Staaten zur politischen

Weltmacht.

i) Weil neben den Holländern schon früh auch viele Deutsche nach Nordamerika kamen und weil die Engländer keinen Unterschied zwischen beiden stammesverwandten Völkern machten, so bürgerte sich damals für die Gesamtheit der deutschen Einwanderer die Bezeichnung Dutch = Hol- länder ein. Sie ist noch heute als eine mehr geringschätzige Benennung der deutsch-amerikanischen Bevölkerung üblich.

2) Natürlich gab es unter den Ansiedlern auch viele Anhänger der briti- schen Regierung, die jedoch im Gegensatze zu den breiteren Volksschichten unorganisiert waren und sich passiv verhielten. Die Revolution, wie man in Amerika den Krieg gegen England nannte, war daher trotz der zum Teil aristokratischen Führer auch eine Erhebung der Massen gegen die Besitzenden, die eingeschüchtert und terrorisiert und beim Kriegsende mit schweren Strafen belegt wurden, so daß viele verarmten oder auswanderten. E. Meyer, Die Vereinigten Staaten von Amerika. Frankfurt a. M. 1920, S. 19, 22, 24, 27. Der lange Krieg hatte aber auch die Finanzkraft des wirtschaftlich noch schwachen Landes, das heute der Krösus unter den Weltmächten ist, so schwer erschüttert, daß es tief verschuldet war und oft kaum die Mittel zur Bezahlung der Beamten und Soldaten aufbringen konnte. Eine starke Entwertung des ausgegebenen Papiergeldes war die Folge. In demselben Maße jedoch, in wel- chem die räumliche Erweiterung fortschritt, wuchsen die Einnahmen aus dem Verkauf der öffentlichen Ländereien und brachten so reichen Gewinn, daß schon 1835 alle Staatsschulden getilgt waren.

3) Die Bürger der Vereinigten Staaten nennen seitdem ihr Land schlecht- hin Amerika und sich selbst Amerikaner. Außerdem ist die Bezeichnung Union allgemein gebräuchlich. Neuerdings ist vorgeschlagen, zum Unterschied von den übrigen Ländern Amerikas und um einen eindeutigen Namen zu haben, die Vereinigten Staaten als Usamerika (U.S. America) und ihre Bewohner als

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Usamerikaner (U.S.Amerikaner) oder Usaner zu bezeichnen. F. Ratzel, Die Vereinigten Staaten von Amerika, Bd. 2 (2. Aufl. München 1893), S. 597 bis 598. 5. Schwarz, Usa ? Geogr. Anzeiger 16 (1915), S. 305; 18 (1917), S. 325. C. Nörrenberg, Aussprache über Amerika U.S.Amerika. Geogr. Mittlgn. 63 (1917), S. 306 309. A. Penck, U.S.Amerika. Stuttgart 1917, S. 8.

4) Die Appalachen sind längst kein Verkehrshindernis mehr und werden von zahlreichen Eisenbahnen durchzogen.

5) »Die Geschichte der Vereinigten Staaten begann sich eigentlich erst nach dem Unabhängigkeitskrieg, also nach 200 Jahren, von der Küste los- zulösen.« Ratzel, a. a. O. II, S. 63.

6) Schon der erste Präsident, der in politischen Fragen als maßgebend geltende George Washington, hatte mit klarem Blick für die geographische Lage seines Landes in seiner Abschiedsadresse, mit der er sich vom politischen Leben zurückzog, die Amerikaner vor der Einmischung in europäische Angelegenheiten nachdrücklich gewarnt und ihnen geraten, den Schwerpunkt ihrer überseeischen Beziehungen in Handelsverbindungen zu suchen. Ein Jahrhundert lang hat man den Willen des großen Staats- mannes befolgt.

7) 1873 wurde durch schiedsgerichtliche Entscheidung des deutschen Kaisers auch das Uferland des Puget-Sundes und der Juan de Fuca-Straße zwischen der Union und Kanada aufgeteilt und 1903, wiederum zugunsten der ersteren, die letzte Grenzberichtigung gegen Britisch-Columbia durch- geführt.

8) Durch tendenziös gefärbte Romane, deren bekanntester »Onkel Toms Hütte« von Harriet Beecher Stowe geworden ist, suchte man die öffentliche Meinung gegen die Sklaverei aufzupeitschen. G^wiß ließ die Be- handlung der Arbeitssklaven durch die rohen weißen Aufseher viel zu wünschen übrig, und mohammedanische wie heidnische Herren haben sich ihren Sklaven gegenüber meist milder gezeigt als christliche Herren. Andererseits hat aber der Bürgerkrieg dargetan, daß man die vorgekommenen Grausamkeiten nicht verallgemeinern darf. Denn als alle Männer im Felde standen, fand nirgends eine Auflehnung der Sklaven gegen die zurückgelassenen Familien statt. Viel- mehr sind viele Fälle rührender Anhänglichkeit zu verzeichnen, und nach dem Kriege kehrten nicht wenige der ehemaligen Sklaven freiwillig zu ihren alten Herren zurück.

9) Von den Südstaaten waren die sogenannten Grenzstaaten Maryland, Delaware, Kentucky, Missouri und West- Virginia der Union treu geblieben, Missouri nicht zum wenigsten dank den hier in großer Zahl angesiedelten Deutschen. West- Virginia, dessen überwiegend bäuerliche Bevölkerung nur wenig Sklaven aufwies, löste sich vom sezessionistisch gesinnten Ost- Vir- ginia ab.

10) Bezeichnenderweise wird der Name The United States jetzt durchweg als Einzahl gebraucht H. Gannett schreibt: The United States has etc. , während man früher in der Mehrzahl von These United States redete.

11) Die buchtenreiche Fjordküste Alaskas bietet zwar viele treffliche Häfen dar. Sie scheidet jedoch wegen ihrer Abgelegenheit und wegen der geringen Nahrungsquellen des Hinterlandes für die Schaffung seestrategischer Stützpunkte vorläufig aus.

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12) Als Ersatz wurde von einer amerikanischen Gesellschaft die Panama- bahn hergestellt, die als erste Pacificbahn wie als erster durch den tropischen Urwald gelegter Schienenstrang viel Aufsehen erregte.

13) Wie sehr die zentralamerikanischen Republiken durch finanziellen und politischen Druck gefügige Gefolgsleute Onkel Sams geworden sind, zeigte sich, als sie nach Eintritt der Union in den Weltkrieg von ihr gezwungen wurden, die diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reiche abzubrechen oder ihm den Krieg zu erklären. Von den 20 Republiken Latein-Amerikas mußten nicht weniger als 12 meist gegen ihren Willen und zum Teil erst nach heftigem Sträuben sich zu diesem Schritt verstehen, weil ihnen sonst die dringend notwendigen Anleihen von den Vereinigten Staaten gesperrt worden wären.

14) 1868 galt die Abtretung von St. Thomas bereits als so gewiß, daß das Geographische Jahrbuch Bd. 2 (1868), S. 74 die Insel den Vereinigten Staaten zuwies. 1902 scheiterte das Kaufangebot an der Ablehnung des däni- schen Parlaments; doch durften die Dänen ihren westindischen Besitz an keine europäische Macht veräußern. Weil indes die von der Natur wenig begünstigten Inseln für das Mutterland schon lange eine Last waren und Amerika einen immer stärkeren Druck ausübte, so wurde schließlich aus Gründen politischer Klugheit mit großer Stimmenmehrheit der Verkauf gutgeheißen.

15) Im Jahre 1900 wertete der Außenhandel der Union mit den Randlän- dern und Inseln des Amerikanischen Mittelmeers noch nicht 200 Millionen, 1919 dagegen über i Milliarde Dollars, so daß heute die Vereinigten Staaten mit 70 % an den Ein- und Ausfuhren dieser Länder beteiligt sind. Ihren starken Bedarf an tropischen Rohstoffen und Genußmitteln beziehen sie vorwiegend aus dem amerikanischen Mittelmeergebiet, weil Frachtkosten und was für leicht verderbliche Früchte nicht belanglos ist Frachtdauer hier am geringsten sind. Umgekehrt sind sie die Hauptversorger dieser Länder mit Fabrikaten und mit den Erzeugnissen der außertropischen Landwirt- schaft.

16) Dafür trachtet die Union nach dem Besitz der zu Ecuador gehörenden Galapagos-Inseln im Stillen Ozean, die in der Hand einer fremden Macht eben- falls stets eine Bedrohung des Panama-Kanals bedeuten, während sie für die Vereinigten Staaten ein vorgeschobener Brückenkopf zum Schutze der Wasser- straße sind. Im Weltkriege setzte auch die »Amerikanisierung« der Azoren ein. Sie sind nicht bloß eine wichtige Kabel- und Funkspruchzentrale, sondern die Gunst der geographischen Lage macht sie zugleich zu einem wertvollen Beobachtungsposten vor der europäischen und afrikanischen Küste.

17) Der Gesamtbesitz der Union gliedert sich in das Hauptland (Con- tinental U.S. America), die drei nicht zusammenhängenden Territorien (Non Contiguous Territories) Alaska, Hawaii und Puerto Rico und die Kolonien. Gegenüber dem Riesenkörper des Hauptlandes fallen die von ihm durch breite Meeresflächen oder fremde Staatsgebiete getrennten Außenländer mit 1,9 Millionen qkm Gesamtfläche, davon 1 14 Millionen qkm allein auf Alaska, und 12,2 Millionen Einwohnern, davon 9,1 Millionen auf die Philippinen, nicht sonderlich ins Gewicht. Trotzdem sind sie der sinnfällige Ausdruck «iner Weltmachtstellung.

Has s ert, Vereinigte Staaten. 18

274

ihr der

Fläche

Einwohnerzahl

Werbung

in qkm

1920

7 839 064

105 708 779

1867

I 530 327

54899

1898

16 702

255912

1898

9314

I 299 809

1898

297 904

10 350 640

1898

544

13275

1899

199

8056

1903

I 128

22 858

1917

397

26 051 117 238

9 695 579

117 857 517

Land

Hauptland

. { Alaska Tern- I

, . < Hawaii tonen 1 _ _.

\ Puerto Rico

Philippinen

Guam

^ . I Samoa Kolonien! ^,

Kanalzone

Jungferninseln

Soldaten

18) Britisch-Nordamerika ist räumlich viel größer als die Union. Die Nachbarschaft des Polargebietes und die Ungunst des E^limas bedingen indes einen gewaltigen Abstand in der Besiedlungsfähigkeit und beschränken den für wirtschaftliche Ausnutzung geeigneten Raum auf den unmittelbar an die Vereinigten Staaten angrenzenden südlichen Streifen. Weite Flächen im po- laren Norden sind unbewohnbar und menschenleer.

19) Die politische Trennungslinie beläßt nur das südlichste Wasserbecken, den Michigansee, ganz bei den Vereinigten Staaten. Im übrigen führt sie durch die Längsmitte der Seen, deren größerer Anteil somit der Union zufällt.

20) Gleich Mexiko, der Schweiz und dem Deutschen Reiche ist die Union eine Bundesrepublik von 48 gleichberechtigten Staaten und dem Bundes- distrikt Columbia. Der 181 qkm große Bezirk steht unmittelbar unter der Bundesregierung. Er wurde 1790 vom Staate Maryland abgetreten, damit die neu zu gründende Bundeshauptstadt Washington auf einem für alle Unionsstaaten neutralen, d. h. keinem von ihnen gehörenden Boden läge. Neu zu erschließende Gebiete, die staatlich noch nicht organisiert sind, aber von Anfang an nicht als koloniale Anhängsel, sondern als werdende Staaten galten, heißen Territorien. Sie sind ebenfalls unmittelbar der Bundesregierung unterstellt, können aber die Rechte eines Staates verlangen, sobald sie 60 000 stimmberechtigte Bewohner besitzen und in ihrer Verfassung keine den Bundesgesetzen zuwiderlaufende Bestimmungen enthalten. In das Sternen- banner wird dann ein neuer Stern aufgenommen, so daß die Zahl der Sterne die Anzahl der Unionsstaaten andeutet. Seit der Erhebung Arizonas und Neu- Mexikos zu Staaten gibt es innerhalb des Hauptlandes keine Territorien mehr.

Die Einzelstaaten sind in ihren inneren Angelegenheiten völlig selbstän- dige Republiken mit eigener Regierung und Verfassung, so daß sie im Rahmen des Gesamtstaates die Befugnisse eines souveränen Staates mit Ausnahme der an die Bundesregierung abgetretenen Rechte ausüben. In allen äußeren Angelegenheiten stehen sie jedoch als ein geschlossenes Ganzes der uneinigen europäischen Staatengesellschaft machtvoll gegenüber. Aeußere Politik und diplomatische Vertretung, Krieg und Heerwesen, Post und Handelsverträge gehören zu den ausschließlichen Obliegenheiten der Bundesregierung, an deren Spitze der auf vier Jahre gewählte, aber nach altem Herkommen nur ein zweites Mal wieder wählbare Präsident steht.

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Flächeninhalt, Bewohnerzahl und VoUcsdichte der Einzelstaaten sind sehr verschieden. Doch wird die Fläche nach Westen hin immer größer und die Volksdichte immer geringer. Die beiden kleinsten Staaten, Rhode Island (3233 qkm) und Delaware {6138 qkm), können nach amerikanischem Maßstab als Zwergstaaten bezeichnet werden, obwohl sie etwa Braunschweig und Olden- burg entsprechen. Die Staaten östlich des Mississippi kommen bereits den süddeutschen Staaten oder ihrer Gesamtheit gleich, und westlich vom Mississippi werden die Ausmaße europäischer Großstaaten erreicht. Texas, der größte Unionsstaat (688 644 qkm), übertrifft das Deutsche Reich fast ums i ^fache. 14 Unionsstaaten sind zwischen 400 000 und 200 000 qkm, 21 zwischen 200 000 und 100 000 qkm groß. Die Durchschnittsfläche der Unionsstaaten beträgt 167 500 qkm oder etwas mehr als die Fläche von England und Wales. Der volkreichste Staat, New York, umschließt mit 10,4 Millionen Einwohnern erst den zehnten Teil der Gesamtbevölkerung der Union. Da aber hier nicht der größte oder bevölkertste Staat die politische Oberleitung hat, sondern alle Staaten einander gleichberechtigt sind, so ist der überragende Einfluß eines Einzelstaates, wie ihn im Deutschen Reiche Preußen besitzt, in U.S.- Amerika ausgeschlossen.

Die Namen der Unionsstaaten rühren teils von berühmten Personen her (Washington, Pennsylvanien), teils gehen sie auf Indianernamen zurück (Utah, Dakota) oder sind geschichtlich-geographische Bezeichnungen (Carolina, Virginia). Sie haben bestimmte Abkürzungen erhalten, die im Verkehr ständig angewendet werden, z. B. Mass, = Massachusetts, Md. = Maryland, Me. = Maine, Mich. = Michigan, Minn. = Minnesota, Miss. = Mississippi, Mo. = Missouri, Mtn. = Montana. Die Grenzen der Einzelstaaten verlaufen meist als gerade, rechtwinklig oder schiefwinklig sich schneidende Linien, die oft einfach den Breitenkreisen folgen und auf die natürlichen Gegebenheiten keine Rücksicht nehmen. Dieser einfache geometrische Umriß ist der äußere Aus- druck geschichtlicher Jugend. Dennoch hat sich in den Staaten rasch ein besonderer Partikularismus herausgebildet.

21) Während die 13 alten Staaten ausgesprochene Küstenstaaten waren, berühren von den heutigen 48 Staaten nur 21 das Meer, das nicht wenige von ihnen bloß mit einem ganz schmalen Zugang erreichen.

4. Oberflächengestalt.

i) Diese drei Streifen gliedern sich innerhalb der Union wiederum streifen- förmig in folgende Unterlandschaften:

I. Cordillerengebiet des Westens: a) Küstengebirge, b) Oregonisch- Kalifornisches Längstal, c) Kaskadengebirge und Sierra Nevada, d) Binnen- hochland (Columbia-Plateau, Großes Becken, Colorado-Plateau), e} Felsen- gebirge, f) Prärientafel.

II. Großes Tal der Mitte: Mississippi-Tiefland und Golfniederung.

III. Appalachengebiet des Ostens: a) Westliches Piedmont, b) Appalachen- gebirge, c) Oestliches Piedmont, d) Atlantische Küstenniederung.

2) Auf Grund neuer Höhenmessungen ist der 4420 m hohe Mount Whitney in der Sierra Nevada der höchste Punkt der Vereinigten Staaten, nachdem bis dahin wegen der Ungenauigkeit der Höhenbestimmungen der nicht viel

18*

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niedrigere Bianca Peak im südliichen Felsengebirge und die Vulkandome des Kaskadengebirges ihm den Rang streitig gemacht hatten.

3) Die vulkanischen Kräfte des Westens gelten als erloschen oder sind im Erlöschen begriffen. Doch erwachten sie 1914 im Lassen Peak in der nördlichen Sierra Nevada überraschend zu neuem Leben, indem eine Dampfexplosion mit Stein- und Aschenauswürfen erfolgte und eine neue Krateröffnung entstand. 191 5 fanden noch einige stärkere Eruptionen statt.

4) Aus den wagerecht lagernden Gesteinsschichten hat die Erosion schroffwandige Tafelberge mit scharf abschneidender horizontaler Oberfläche, die Mesas oder Tische, herausgearbeitet. Sie zeigen die frühere Höhe des Tafel- landes an, von dem sie einst einen Teil bildeten, und sind wegen ihrer leichten Verteidigungsfähigkeit von den Indianern gern als natürliche Bergfestungen benutzt worden.

5) Auf einer Strecke von 24 Stunden Eisenbahnfahrt von Los Angeles bis fast zum Colorado-C^non muß das Speisewasser für die Lokomotiven von weither zugeführt und in großen Behältern aufgespeichert werden.

5. Bewässerung, Binnenwasserstraßen und Binnenschiffahrt.

i) Die Gewässer der Halbinsel Florida nehmen eine Sonderstellung ein. Unter ihnen ist der wasserreiche Hauptfluß St. Johns wegen des dem Bahn- und Straßenbau wenig günstigen Sand- und Sumpfgeländes der Halb- insel eine wichtige Binnenwasserstraße.

2) Gelegentlich eines solchen Hochwassers durchbrach der untere Colorado 1905 seine Ufer und erfüllte eine tiefe Depression in Süd- Kalifornien, die verlandete nördlichste Fortsetzung des Golfes von Nieder- Kalifornien, mit einem See, dem Saltonsee. Dagegen trocknete der Fluß im Unterlauf fast ganz aus und konnte erst nach langen Bemühungen wieder in sein altes Bett zurückgeleitet werden.

3) Die Frühlingsflut des Ohio von 1913 verursachte einen Sachschaden im Werte von 200 Millionen Dollars und forderte gegen 500 Menschenleben. Aehnliche Flutkatastrophen sind im Ohiogebiet wiederholt zu verzeichnen gewesen.

4) Wie sehr mit fortschreitender Verkehrssteigerung und mit der da- durch bedingten Verbesserung der Wasserwege die Größe der auf dem St, Lorenzstrom und den Kanadisch-Amerikanischen Seen fahrenden Schiffe zugenommen hat, zeigt folgende Gegenüberstellung:

Jahr Durchschnittliche Schiffslänge Ladegewicht bis

1869 64,3 m I 000 t

1912 187,2 m 14 000 t

5) Nach H. Fehlinger hat die Union 215 natürliche Wasserwege. Von ihnen gehen 89 unmittelbar dem Atlantischen Ozean und 24 unmittelbar dem Stillen Ozean zu. 27 münden selbständig in den Golf, 60 sind dem Missis- sippi tributär, und 15 gehören dem St. Lorenzgebiet an.

6) Soweit der vereinsstaatliche Osten zur Eiszeit unter einer mächtigen Binneneisdecke begraben war, sind seine Ströme fast durchgängig Seen- und Kataraktenflüsse. Die Moränen riegelten als natürliche Talsperren die Täler ab und stauten ihre Abflüsse zu Seen auf, während die sie verbindenden

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Flußstücke auf ihrem Wege durch festes Gestein von Schnellen und Fällen unterbrochen werden. Geschenke der Eiszeit sind auch zahllose Seen, deren es in Maine rund 1600 und in Minnesota gegen 10 000 gibt. Das nördliche New York und der Staat Wisconsin sind ebenfalls sehr reich an ihnen. Südlich der ehemaligen Vergletscherungsgrenze, die bis zum Ohio und untern Missouri reichte, überwiegen die Rinnenflüsse mit gleichmäßig ausgearbeitetem Bett, und die Seen beschränken sich auf die den Flachküsten eigentümlichen seichten Strandlagunen. In ihrer Größe und Umrißgestalt sehr veränderlich, sind sie oft mehr Sümpfe (Swamps) als offene Wasserflächen.

7) Ihre Vorläufer waren die Schleppwege oder Portagen, indem man an denjenigen Stellen, wo zwei schiffbare Flüsse einander am nächsten kamen, die Waren und die leichten Boote aus einer Wasserstraße nach der andern hinübertrug. Nicht wenige von ihnen sind später durch Kanäle ersetzt worden.

8) Das gilt namentlich von den Umgehungs- und Verbindungskanälen der St. Lorenzseen (vgl. S. 60 63) und von den die Küstenschiffahrt ver- kürzenden tiefen Küstenkanälen, z. B. dem Delaware-Chesapeake- Kanal und dem Chesapeake-Albemarle- Kanal. Die Hauptgebiete der vereinsstaat- lichen Binnenschiffahrt sind zur Zeit die Großen Seen, die atlantischen Küsten- flüsse, besonders der Hudson, das Mississippi-System und der Columbia.

6. Das Klima und sein Einfluß auf das Wirtschaftsleben.

i) In Denver fiel am 15. Januar 1875 das Thermometer binnen fünf Minuten um 20*^ und im Verlaufe einer Stunde um 27° C. Umgekehrt stieg es in Bannock City (Montana) am 27. Dezember 1894 binnen sieben Stunden von 40° bis auf + 7>2° C.

2) 1901 wurden in New York bei einer Hitzewelle binnen vier Tagen 1200 Todesfälle durch Hitzschlag festgestellt!

3) Die Kältewelle vom g. 14. Februar 1881 erstreckte sich durch ganz Nordamerika bis ins nördliche Mittelamerika, wo die Frost Wirkungen noch stark genug waren, um die Kaffee- und Zuckerrohrpflanzungen Mexikos und Guatemalas schwer zu schädigen.

4) Atlanta am Südfuß der Appalachen hat meist ein Januarmittel von -f- C. Doch ist hier das Thermometer schon bis auf 22" gesunken. Auch New Orleans weist regelmäßig Frosttage auf, obwohl es bereits unter 30" N liegt. Bei einem Januarmittel von + 12,1" ist die Temperatur hier bis auf 14» gefallen. Tampa in Florida hat bei einer mittleren Januartemperatur von 4-15^ bereits Kältegrade von 7,5" erlebt.

5) Man unterscheidet in der Union leichte, schwere und tödliche (killing) Fröste. Für die Landwirtschaft ist am entscheidendsten der Eintritt des ersten und letzten Schadenfrostes, weil sich darnach die Auswahl der anzu- bauenden Kulturgewächse richtet. Denn es können nur klimaharte oder solche Pflanzen gewählt werden, deren Wachstumsperiode dem Zeitraum zwischen dem letzten schädlichen Frühlingsfrost und dem ersten tödlichen Herbstfrost angepaßt ist. Im Norden reichen jedoch die letzten Frühlings- fröste zuweilen bis in den Juni hinein, und die ersten Herbstfröste stellen sich unter Umständen schon im August wieder ein. Außer dem südlichsten Florida und den vorgelagerten Key-Inseln ist kein Gebiet der Vereinigten Staaten

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vor Frost sicher. Deshalb sind eine genaue Froststatistik und ein trefflich ausgebildetes Frostwarnungswesen wichtige Einrichtungen des vorbildlichen vereinsstaatlichen Wetterdienstes, der sich durch seine Prognosen und durch sonstige wertvolle Uebermittlungen dem Farmer unentbehrlich gemacht hat. Durch dichte Rauchwolken der in den Feldern und Gärten angezündeten Feuer sucht man in klaren Frostnächten die Kulturen vor dem Erfrieren zu schützen.

6) »Das Klima der Plains bewegt sich in Extremen: Wenn es heiß ist, ist es sehr heiß, wenn kalt, sehr kalt; die Regen sind Sündfluten, die Winde Wirbelstürme.« {F. Ratzel, Die Vereinigten Staaten von Amerika, Bd. I [München 1878], S. 308).

7) Den Grundton in das farbenfrohe Bild bringen die amerikanischen Eichen und Eschen, die alle Abstufungen von Gelb und Orange bis zum Rot und Rotbraun zeigen. Im hellsten Gelb erstrahlen Tulpenbaum und Birke, während der Rotahorn in tiefem Purpur leuchtet. Scharlachfarbig erscheinen die wilden Reben und der Essigbaum, und in ein violettes Gewand hüllen sich Giftsumach und Schneeball. Dazwischen liegen die dunkelgrünen Flächen der Tanne und die mattbläulichen Bestände der Weymouthskiefer. Zur größeren Farbenpracht des amerikanischen Herbstes gesellt sich noch der Vorzug, daß seine Herrlichkeit länger dauert als bei uns. Denn schon im August setzt die Laubfärbung ein, und erst Ende Oktober fallen die letzten Blätter.

8) Der Einfluß des Atlantischen Ozeans tritt zurück, weil Ostwinde in der Union seltener sind. Dagegen ist dank der Ost- Westrichtung der Golf- küste und dem Vorherrschen südlicher Seewinde das Amerikanische Mittel- meer, eines der wärmsten und verdunstungsreichsten Meere der Erde, der große Wärme- und Feuchtigkeitsspender für die Vereinigten Staaten. Der tief landeinwärts wehende Sommermonsun bestimmt die klimatische und wirtschaftliche Eigenart des Südens.

9) 1881 verursachte im ganzen Osten eine dreimonatliche Dürre ein umfangreiches Austrocknen der Quellen und Bäche und einen außergewöhnlich niedrigen Wasserstand der Flüsse, womit schwere Beeinträchtigungen für Landwirtschaft und Industrie verknüpft waren. 1886 suchte eine 4i4nioiiat- liche Sommerdürre die Staaten Dakota und Minnesota und 1894 eine vier- monatliche Herbstdürre den Südosten heim.

10) Auf den Plateauländern des Westens kommt auch eine Art gefrorener Nebel vor, der durch seinen Eishauch ebenfalls tödliche Lungenentzündungen hervorrufen kann. Er wird darum von den Indianern als »Weißer Tod« be- zeichnet.

7. Volkszahl und Volksdichte.

i) 1920 gab es in der Union 68 Großstädte, die zusammen ein Viertel der Gesamtbevölkerung bargen, während 1890 in 28 Großstädten ein Siebentel der Staatsbevölkerung wohnte. Unter 12 Riesenstädten von über 500 000 Ein- wohnern befanden sich drei Millionenstädte (New York, Chicago, Philadelphia) und eine Fastmillionenstadt (Detroit).

2) Die hauptsächlichste Zunahme der Unionsbevölkerung fällt in die Zeit von 18 10 1860. Seitdem schritt der Zuwachs langsamer fort, blieb aber

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immer noch größer als in den anderen Ländern der Erde. Die Bevölkerungs- zunahme zeigt den kolonialen Wachstumstypus, bei dem die Einwanderung eine wesentliche Rolle spielt.

3) Der wüstenhafte Staat Nevada, dessen Wohl und Wehe ganz durch den Bergsegen bestimmt wird, zeigt auffallende Schwankungen in der Zu- und Abnahme seiner ohnehin geringzähligen Bevölkerung, je nachdem die berg- baulichen Erträge wechseln oder neue Gebiete durch künstliche Berieselung erschlossen werden. Es wurden gezählt: 1880 62 266 E., 1890 45 761 E., 1900 42 335 E., 1910 81 875 E. und 1920 77 407 E.

4) M. Jefferson hat versucht, die Volksdichte mit gewissen Kultur- stufen in Einklang zu bringen. Die geringste Dichte- und Kulturstufe ist nach ihm die der Jäger und Fischer, der Hirten und Holzfäller mit weniger als IG Köpfen auf i qkm. Die landwirtschaftliche Stufe weist in verschiedenen Abtönungen 10 100 Menschen auf i qkm auf, und die höchste Stufe umfaßt die Industriegebiete mit überwiegend städtischer Bevölkerung. M. Jefferson, The anthropogeography of North America. Bull. Amer. Geogr. Soc. 45 {1913), S. i6i— 180.

5) 1920 kamen von den 68 Großstädten der Union nur 12 auf den Süden und 8 auf den Westen.

6) Der Statistiker A. P. Brigham glaubt, daß die Union bis zu 305 Mill. Menschen aufzunehmen vermöchte. H. S. Pritchett bat aus den vereins- staatlichen Volkszählungs-Ergebnissen eine mathematische Formel abge- leitet, nach der sich die Entwicklung der Unionsbevölkerung vollzieht und nach der ihr mutmaßlicher zukünftiger Zuwachs ermittelt werden könne. Pritchett erkennt an, daß außergewöhnliche Umstände wie Krieg, Hungersnot und Auswanderung den regelmäßigen Gang stören können und daß auch Einzel- momente, die zu verschiedenen Zeiten verschieden wirken, sich im voraus nicht bestimmen lassen. Trotzdem glaubt er, eine rechnerische Formel ge- funden zu haben, die auf der Annahme beruht, daß die Bevölkerungszunahme U.S.Amerikas in einem sich stetig vermindernden Verhältnis fortschreitet. Tatsächlich betrug der durchschnittliche zehnjährige Bevölkerungszuwachs bis 1860 34,6 %, von 1860/70 bis 1900/10 ging er von 26,6 auf 20,7% herab, und für das Jahrzehnt 1910/20 war er infolge der Geburtenabnahme und der durch den Weltkrieg stark beeinträchtigten Einwanderung auf 14,94 % ge- sunken. Pritchetts immerhin sehr anfechtbare Berechnungen, die natürlich mit den Zensus-Ergebnissen niemals genau übereinstimmen, stellen für 1920 136,9 Millionen (gegen 105,7 Millionen in Wirklichkeit!), für 1950 190,7 Millionen und für das Jahr 2000 385,9 Millionen Einwohner in Aussicht. R. Zimmermann, Wie wird sich die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Nordamerika im 20. Jahrhundert und darüber hinaus vermehren ? Globus 79 {1901), S. 78 80. Andere wesentlich vorsichtigere Schätzungen veranschlagen die zukünftige Vermehrung der Unionsbevölkerung für 1920 auf 104 Millionen, für 1950 auf 150 Millionen und für das Jahr 2000 auf 249 Millionen Köpfe.

8. Die Indianer.

i) Der aus Coopers Romanen wohlbekannte Stamm ist in der Union ausgestorben, während er in Kanada noch 2400 Köpfe aufweist.

28o

2) Die erste sorgfältige Schätzung aller Unions-Indianer, die School- craft vornahm, ergab am Ende der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts etwas über 400000 Seelen. Erst seit 1860 besteht eine regelmäßige Indianerzählung,, deren Genauigkeit aber zu wünschen übrig läßt. Bis 1880 wurden die in den Reservationen und im Indianer-Territorium wohnenden Rothäute nicht mit- gezählt. Seit 1890 findet eine Zählung sämtlicher Indianer statt, wobei jedoch die Frage der Zugehörigkeit der Mischlinge Schwierigkeiten bereitet,

3) Dagegen ist im Lateinischen Amerika (Mexiko, Mittel- und Südamerika) der Einfluß der Indianer und Halbindianer als wirtschaftliches und politisches Element und als Hauptmasse der Bevölkerung bis heute maßgebend geblieben,

9. Die Neger.

i) B. T. Washington, Vom Sklaven empor. Deutsche Uebersetzung, Berlin 1902. Seine Fortsetzung bildet das die Erfahrungen beim gewerblichen Unterricht in Tuskegee schildernde Buch desselben Verfassers: Handarbeit. Deutsche Uebersetzung. Berlin 191 3.

2) Das lehrte das tragische Geschick des Deutschen v. Bülow. Er war in glücklicher Ehe mit einer Witwe verheiratet, die etwas Negerblut besaß,, ohne daß man es ihr und ihren Ejndern ansah. Durch Zufall wurde das ängst- lich gehütete Familiengeheimnis bekannt, und weil nunmehr v. Bülow und die Seinen in der weißen Gesellschaft unmöglich geworden waren, nahm er sich aus Verzweiflung selbst das Leben. Als ein brasilianisches Kriegsschiff eines der vornehmen atlantischen Seebäder der Union anlief, verweigerten die Hotels den Offizieren, die wie die meisten Luso-Brasilianer Mischlinge zwischen Weißen und Negern waren, die Aufnahme, die eist nach diplomatischem Ein- spruch erwirkt werden konnte.

II. Die weiße Bevölkerung und die europäische Einwanderung.

i) Wenn man die Union gern als ein Land ohne geschichtliche Ueber- lieferungen bezeichnet, so sollte man nicht vergessen, daß die europäischen Einwanderer die Träger einer Jahrtausende alten Geschichte waren. Außer- dem blicken die atlantischen Randlandschaften Nordamerikas und die einst zum spanischen Vizekönigreich Mexiko gehörenden Unionsstaaten auf eine mehrhundertjährige Geschichte zurück.

2) Neuerdings hat der Zuzug aus Britisch-Nordamerika, Mexiko und Westindien eine bemerkenswerte Zunahme erfahren, die freilich hinter dem europäischen Zustrom noch immer weit zurückbleibt.

3) Ende der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts veranlaßten anhaltende Mißernten und staatsbürgerliche Bedrückung die Hälfte der Bevölkerung Irlands zur Auswanderung in die Vereinigten Staaten, und der spätere irische Zuzug dorthin wurde nicht zum wenigsten durch die für ihn hier besonders guten Aussichten des Fortkommens gefördert. Denn die Iren paßten sich dank der englischen Sprache rasch dem AmerikaAertum an und werden anderer- seits durch das katholische Glaubensbekenntnis zusammengehalten. Trotz gleicher Sprache hegen sie infolge völklicher Abneigung und abweichender Religion einen erbitterten Haß gegen die Engländer, Alle Bestrebungen, die der Befreiung der heimatlichen Insel vom englischen Joch galten, haben die

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weitestgehende Unterstützung der amerikanischen Iren gefunden, die auch nicht wenig zur Forterhaltung der ursprünglich in der Union vorhandenen Abneigung gegen Großbritannien beigetragen haben. Die Iren sind überdies geborene Politiker und spielen im vereinsstaatlichen Parteileben eine große Rolle, zumal für sie die Schwierigkeiten der Sprache wegfallen.

4) Immerhin gibt es viele Gegenden, in denen das Englische kaum ge- sprochen oder verstanden wird, z. B. in den geschlossenen russischen, skan- dinavischen und deutschen Kolonien der westlichen Zentralstaaten, in den alten französischen Sprachinseln des südlichen Louisiana und im ehemals spanisch-amerikanischen Südwesten.

5) 1820 lieferte Nordwest-, Nord- und Mitteleuropa der Union 93% ihrer Einwanderer, 1910 bloß noch 49,9 %. In demselben Zeitraum stieg die Ein- wanderung aus Süd- und Südosteuropa von 2,8 auf 37,4 %.

6) Während dem seit langem in Nordamerika heimischen Franzosentum die Bildung eines nationalen Ablegers wie in Unter-Kanada auf vereinsstaat- lichem Boden nicht gelungen ist, hat das Italienertum binnen kurzem eine überraschend schnelle Zunahme erfahren. 1878 wanderten erst 434 Italiener ein, und bis in die 80er Jahre kam der italienische Zustrom kaum in Betracht. Jetzt nimmt er die erste Stelle ein und erreichte 1907 den Höchststand mit 286 000 Seelen. Die Italiener gehen nicht zum wenigsten .in die Südstaaten, weil ihnen deren subtropisches Klima besser zusagt als den Nordeuropäern und weil sie nicht jene Abneigung gegen das Zusammenleben mit den Farbigen haben wie die germanischen Einwanderer. Heute wird z. B. die Arbeit in den Baumwollpflanzungen in erheblichem Umfang von Italienern besorgt. Zur Vermehrung der Verbrechen haben sie erschreckend beigetragen. Namentlich die Süditaliener haben die Erpressungs- und Terrorisierungssysteme ihrer Heimat, Mafia und Camorra, mitgebracht.

Neben dem italienisch-slavischen Charakter der heutigen Einwanderung wird auch das Anwachsen des Judentums -mit Sorge betrachtet. Die ersten Juden kamen 1654 aus Brasilien in das damals noch holländische Neu- Amsterdam und zogen eine größere Anzahl portugiesischer Glaubensgenossen nach sich. Späterhin bestanden die jüdischen Einwanderer vornehmlich aus jiddisch (jüdisch-deutsch) sprechenden Israeliten, weshalb ihre Sprache und jiddische, mit hebräischen Buchstaben gedruckte Zeitungen in der Union weite Verbreitung gefunden haben. Um 1800 lebten erst 3000 Juden in den Ver- einigten Staaten. Ein halbes Jahrhundert später waren es schon 50 000 und 1880 etwa 230 000. Seitdem folgte eine außerordentliche Zunahme durch den Massenzuzug österreichisch-ungarischer und namentlich russischer Juden. Von 1881 1910 betrug die Zuwanderung der letzteren, die häufig wiederholte blutige Pogrome forttrieben, 71,6% der jüdischen Gesamteinwanderung in die Union und 48,3 % der gesamten Auswanderung aus Rußland. Heute dürfte es in der Union 2^4 Millionen Israeliten geben, von denen allein in Greater New York, dem größten Ghetto der Welt, 1,1 Million wohnen. Dagegen sind sie in den Ackerbau Staaten viel seltener, weil sie nicht gern Landarbeiter werdea. Vor allem sammeln sie sich in den Küstenstädten und in den großen Handels- und Industrieplätzen des Ostens, wo sie in den Proletariervierteln ein arm- seliges Dasein fristen. Mit Vorliebe suchen sie ihren Erwerb durch Handels- geschäfte, namentlich durch Kleiderhandel, und durch Arbeit in jüdischen

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Fabriken und Konfektions Werkstätten. Allmählich steigen aber die Kinder der Eingewanderten zu höheren Stellungen auf, vertauschen die jiddische Sprache mit der englischen und passen sich äußerlich dem Amerikanertum an, während ihre eigentliche Assimilierung nur sehr langsam erfolgt. So gibt es schon Tausende jüdischer Rechtsanwälte und Aerzte, viele einflußreiche jüdische Geschäftsleute, und die jüdische Finanz ist, wie überall, eine Macht geworden. Daher gewinnt auch in der Union, obwohl das Judentum offiziell eine religiöse Genossenschaft ist und als solche den Staat nichts angeht, der Antisemitismus an Boden, und man spricht bereits vom jüdischen Parasitentum.

7) Die Zahl der des Lesens und Schreibens Unkundigen ist überhaupt unter den Fremdgeborenen viel beträchtlicher als unter den eingeborenen Weißen. Auf Rechnung der ersteren kommt auch eine viel größere Zahl von Todesfällen und Vergehen, und die Armen und der öffentlichen Mildtätigkeit zur Last Fallenden sind unter ihnen viel stärker vertreten als unter den ein- geborenen Weißen.

8) Die vereinsstaatliche Statistik unterscheidet drei Gruppen von Ein- wanderern: erwünschte, weil sie sich leicht mit dem amerikanischen Volks- körper verschmelzen, weniger erwünschte, weil nicht so leicht aufsaugbare Ele- mente und unerwünschte oder gar nicht verschmelzbare Einwanderer. Gerade nach der Richtung der beiden letzten Gruppen hin hat die Einwanderung sich verschoben.

12. Das Deutschtum in den Vereinigten Staaten.

i) Eine Legende ist es allerdings, daß in Pennsylvanien die deutsche Sprache beinahe zur Staatssprache erhoben worden wäre und daß nur mit einer Stimme Mehrheit und zwar mit der Stimme eines deutschen Geist- lichen 1783 dieser Antrag abgelehnt worden sei. Selbst wenn die Tatsache geschichtlich beglaubigt wäre, müßte die Ablehnung als ein Glück bezeichnet werden. Denn alle andern neu-engländischen Kolonien hatten eine englisch sprechende Bevölkerung, die auch in Pennsylvanien überwog, so daß sich das Deutsche auf die Dauer nicht hätte . durchsetzen können.

2) /. W. Wayland, The German element of the Shenandoah Valley of Virginia. Charlotte ville 1907.

3) So sagt ein vorurteilsfreier Amerikaner, Fullerton: »Sein dem Gesetz sich fügender, ordentlicher, arbeitsamer Sinn hat den Deutschen geschätzt gemacht. Es wird nur eines bedauert, daß die Deutschen jetzt in so geringer Zahl zu uns kommen. Die Zahl der deutsch-amerikanischen Bürger hat in nicht geringem Maße zuni Wohlstande unseres Landes beigetragen. Sie sind gute und nützliche Bürger.« Und Emil Deckert, wohl der beste deutsche Kenner Nordamerikas, fügt hinzu (Nordamerika S. loi): »Daß dem großen nord- amerikanischen Staatswesen irgendeine politische Gefahr daraus erwachsen sollte, wenn der nationale Sinn auch unter den Deutschen entschiedener und ^folgreicher lebendig erhalten würde, ist nicht gut zu glauben. Ihre Kultur- wirkung auf das Ganze würde sich wohl unter dieser Voraussetzung zweifellos viel besser geltend machen können.«

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13. Die Amerikaner.

i) Der Name Yankee wird in Amerika den Neu-Engländern beigelegt, während man ihn in Europa in erweiterter Ausdehnung auf die Nordamerikaner überhaupt anwendet. Sein Ursprung ist unklar. Nach einigen geht er auf die verderbte indianische Aussprache des Wortes Anglais (Engländer) zurück. Nach andern kommt er von Jankin, mit welchem Worte die englisch redenden Bewohner der späteren Neu-Englandstaaten von den niederländischen An- siedlern bezeichnet wurden.

2) Bekannt durch ihre Vielweiberei sind die lange einen Staat im Staate bildenden Mormonen, die Gründer des Staates Utah, dessen Wüsteneien sie durch vorbildliche Bewässerungsanlagen in blühende Gärten verwandelt haben. Trotz starker Zuwanderung von Andersgläubigen (Gentiles, d. h. Heiden) und trotz äußerer Fügsamkeit gegen die Gesetze üben sie durch feste Organi- sation und geschickte Politik immer noch einen gewissen Einfluß aus.

3) Nach Mitteilung von Frau Dr. Martha K. Genthe ist der Amerikaner aller- dings nicht spielwütiger als andere Völker. In erster Linie dürfte das all- gemeine staatliche Lotterie verbot für seinen Spieltrieb verantwortlich zu machen sein, der in Ermangelung der Lotterie im Wetten eine andere, mehr ins Auge fallende Betätigung sucht.

4) Das schließt nicht aus, daß die Bewohner der Vereinigten Staaten die größten Fleischesser, Milchtrinker und Butt er verbrau eher der Welt sind und daß auch der Genuß von Tee, Kaffee, Zucker und neuerdings Kakao das in Europa übliche Maß weit übersteigt.

5) F. Ratzel, Die Vereinigten Staaten von Amerika Bd. 2 (2. Aufl. Mün- chen 1893), S. 671.

6) Dennoch ist die Zahl der Analphabeten noch immer beträchtlich, obgleich sie größtenteils auf die Neger und auf die eben erst eingewanderte (Foreign bom) weiße Bevölkerung, besonders auf die Italiener, Slaven und Juden, entfällt. Auf sie kommen n%, auf die im Lande geborenen Weißen (Native White) 4% der des Lesens und Schreibens Unkundigen. Dieses auch für die einheimischen Weißen immerhin noch ungünstige Verhältnis ist darauf zurückzuführen, daß die große Masse der Amerikaner schon mit jungen Jahren die Schule verläßt, um ins praktische Leben einzutreten. Unter den Weißen und Farbigen des Südens ist die Zahl der Analphabeten am größten, weil hier öffentliche Schulen bis zum Bürgerkriege kaum vorhanden waren.

7) Hiermit hängt freilich auch die große Oberflächlichkeit des Urteils zusammen, die es verschmäht, sich mit »Kleinigkeiten« abzugeben, und da- durch schon viel Unheil angerichtet hat (Mitteilung von Frau Dr. Martha K. Genthe).

8) V. Valentin, Kolonialgeschichte der Neuzeit. Tübingen 1915, S. 178,

14. Das Wirtschaftsleben.

i) In diesem Sinne ist Goethes Gedicht zu verstehen: Amerika, du hast es besser Wie unser Kontinent, das alte, Hast keine verfall'nen Schlösser Und keine Basalte.

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Dich stört nicht im Innern zu lebendiger Zeit Unnützes Erinnern und vergeblicher Streit.

2) Der den Strom durchquerende Staudamm ist 1535 m lang, 17,5 m hoch und hat 119 verschließbare Durchlässe. Eine riesige Schleusentreppe dient zur Aufrechterhaltung der Schiffahrt. Die 30 Turbinen der Kraftstation erzeugen insgesamt 300 000 Pferdekräfte, die durch Fernübertragung nach allen Himmelsrichtungen geleitet werden und das 230 km entfernte St. Louis mit Licht und Kraft versorgen.

3) F. Ratzel, Die Vereinigten Staaten von Amerika. Bd. 2 (2. Aufl. Mün- chen 1893), S. 97.

4) Der Büffel oder Bison (Bison americanus, der Buffalo der Amerika- ner) durchzog einst in unabsehbaren und unzählbaren Scharen das weite Gebiet von den atlantischen Staaten bis tief ins CordilleVenland und vom Großen Sklavensee bis zum Mississippi-Delta und ins nördliche Mexiko. Er war das hauptsächlichste, vielseitig nützliche Jagdtier der Indianer, dessen Erlegung wegen seiner Furchtsamkeit und wegen der Stumpfheit seiner Sinne kaum mit erheblichen Gefahren verknüpft war. Die landeinwärts vordringenden Weißen drängten den Büffel immer mehr zurück, und schließlich begannen große Ge- sellschaften seine Abschlachtung systematisch durchzuführen, um die Weide- gründe dem Ackerbau und der Viehzucht dienstbar zu machen. Oft wurden die Bisons auch aus reiner Mordlust oder um der Häute und Zungen willen ab- geschossen. Infolgedessen sind die Herden, die in den 60er Jahren noch auf 8 JMillionen Stück geschätzt wurden und deren Kopf an Kopf gedrängte Tiere ein großes Wandbild im Naturhistorischen Museum zu New York charak- teristisch wiedergibt, bis auf einen kümmerlichen Rest zurückgegangen. 1889 zählte man in der Union und in Kanada kaum noch 1 100 Büffel, die sich, seit- dem sie unter staatlichen Schutz gestellt worden sind und sorgsam gehütet werden, in den vereinsstaatlichen Schonrevieren wieder bis auf rund 3500 Stück vermehrt haben. Auch die Wandertauben, deren Nistplätze einst viele Tausende von Hektaren umfaßten, sind fast verschwunden. Der Alli- gator war früher in den Gewässern des Südens überaus häufig. Seit jedoch seine Haut zu Schuhen, Sätteln, Taschen, Leder- und Galanteriewaren ver- arbeitet wird, hat rücksichtslose Verfolgung ihm so zugesetzt, daß er in Kroko- dilfarmen künstlich gezüchtet werden muß.

5) A. Carnegie schätzt den ursprünglichen Kohlenreichtum der Union auf 2000 Milliarden Tonnen, von denen bis zum Jahre 1820 fast nichts ver- braucht war. Von 1820 1895 wurden 4 Milliarden Tonnen Kohle gewonnen, aber in so unzweckmäßiger und verlustreicher Weise, daß dabei 6 Milliarden Tonnen vernichtet oder unbrauchbar gemacht worden sein sollen. Dieser un- wirtschaftliche Abbau hat seitdem eher noch zugenommen, so daß die Kohlen- reichtümer der Vereinigten Staaten in 75 Jahren erschöpft sein dürften, wenn nicht sparsamere Ausnutzungsmethoden zur Anwendung gelangen.

6) Als 1909/10 die Bauindustrie schwer zu kämpfen hatte, überstieg die Zahl der Brände das Doppelte des gewöhnlichen Durchschnittes. Mit dem Rückgang der Bautätigkeit verloren aber zugleich viele Holzindustrien ihren Absatz, so daß die Zahl der Feuersbrünste sich hier ebenfalls verdoppelte. Als 1910/ir die Damenkleider einfacher wurden und die Federnmode zurückging, brannte eine Anzahl Federnfabriken und Werkstätten für die Herstellung von

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Besatzartikeln und Stickereien ab. Sommerhotels brennen meist im Oktober ab, wenn die »Season« vorüber ist, und Winterhotels aus gleichem Grunde im Spätfrühling. Aber auch die Versicherungsgesellschaften gehen nicht leer aus. Denn je mehr Feuerschäden eintreten, um so größer ist der Zulauf zur Versicherung und um so höher steigen die Versicherungsprämien.

7) Erdgeschichtlich ist der Norden (genauer Nordosten) ein Gebiet der Eiszeit, die hier kahle Felsböden und fruchtbaren Geschiebelehm, sowie eine Vielzahl von Seen und Kataraktenflüssen zurückgelassen hat. Klimatisch ist der Norden durch heiße Sommer und strenge Winter charakterisiert. Der Süden (genauer Südosten) ist ein eisfrei gebliebenes Tiefland mit jugendlichen Schwemmlandsbildungen, seearm, aber reich an Rinnenströmen. Sein feucht- warmes Monsunklima zeigt einen allmählichen Uebergang zu fast tropischen Klima- und Wirtschafts Verhältnissen. Die Unterscheidung zwischen Nord- und Südstaaten ist auch geschichtlich am bedeutungsvollsten geworden. Der durch mächtige jung vulkanische Gesteinsbildungen ausgezeichnete Westen steht oro-hydrographisch und klimatisch der Osthälfte scharf gegenüber. Er stellt ein mächtiges Hochgebirgs- und Hochplateauland mit unschiffbaren Wildströmen dar und ist nach Klima und Anbau ein wasserarmes Trocken- gebiet.

15. Die Landwirtschaft.

i) Der Coloradokäfer ist genugsam bekannt. Die Larve einer Maikäferart wird den Wiesen und Feldern gefährlich. Die Zuckerrohr- und Kürbispflan- zungen bedroht ein kleiner Rüsselkäfer. Bohrlarven von Holzkäfem richten unter den Forsten große Verwüstungen an. Der Cutworm, die Raupe eines Nachtschmetterlings, schädigt die jungen Maispflanzen. Kapselkäfer (BoU Weewill) und Cottonworm, die Raupe einer Mottenart, richten alljährlich in den Baumwollplantagen einen Millionenschaden an. Gefräßige Heuschrecken- schwärme sind der Schrecken der Prärie- und Steppenfarmer. Die Hessen- fliege ist der gefährlichste Feind des jungen Weizens.

2) 1910 gab es in der Union 6,4 Millionen Farmen (gegen 1,45 Millionen im Jahre 1850), darunter nur 0,5 % Großfarmen über 1000 Acres Fläche (i acre = 40,47 ha = 4047 qm). 85,5% der Farmen waren von Weißen, die übrigen von Farbigen bewirtschaftet.- Auf die Neger- und Negermischlinge entfielen 839 370, auf die Indianer 24 251, auf Japaner und Chinesen 3262 Farmen.

3) Aber durchaus nicht das ganze Farmland, sondern bloß ein Teil des- selben ist wirklich in Kultur genommen (Improved Land). In den Felsen- gebirgs- und Plateaustaaten beträgt dieser Anteil wegen der Wüstenhaftig- keit des Bodens oft kaum 1% des Farmlandes.

4) 1912 wurden 20,6 Millionen Tonnen Hafer und 1913 20,8 Millionen Tonnen Weizen geerntet.

5) Hier hat namentlich der ertragreichere Makkaroniweizen der Mittel- meerländer 3£ingang gefunden.

6) Der Oelbaum wurde von spanischen Mönchen nach Süd- Kalifornien verpflanzt und in den Missionsgärten gepflegt. Der Anbau, der neuerdings auch in Arizona und Neu-Mexiko Fuß faßte, gewann aber erst in den letzten

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Jahrzehnten an Ausdehnung und kann trotz seiner Jugend als einer der aus- sichtsreichsten Zweige der vereinsstaatlichen Landwirtschaft angesehen werden. Infolge der starken italienischen Einwanderung ist freilich der Verbrauch von Olivenöl viel größer als die eigene Erzeugung.

7) Apfelsinen, Zitronen, Mandarinen und c^ie selten bei einem amerika- nischen Frühstück fehlende Pompelmuse oder Grape Fruit.

8) Namentlich durch die Fröste von 1835, 1894 95 und 1899, welche die Temperatur bis auf 10 und 13,5 '' C unter Null sinken ließen, wurden die Apfelsinenpflanzungen Louisianas und Floridas schwer geschädigt und auf Jahre hinaus zerstört.

9) I Ballen zu 500 englischen Pfund oder 233 kg.

10) Die Entkörnungs- oder Entsamungsmaschine befreit die Rohbaum-. wolle so rasch von den Samenkörnern, daß derselbe Arbeiter, der mit der Hand täglich nur wenige Pfund fertig machen konnte, in der gleichen Zeit mehrere hundert Pfund von den Samen zu befreien vermag.

11) 1840 gab es in der Union erst 28 Millionen Baumwollspindeln, 1914 aber 31,6 Millionen gegen 56 Millionen in Großbritannien.

12) Schwankte doch der Preis für ein englisches Pfund (zu 453,5 Gramm) vereinsstaatlicher Rohbaumwolle i8io 1913 zwischen 4,9 und 20,5 Cents, um unter dem Einflüsse des Bürgerkrieges 1861 66 von 31 bis auf loi ^ Cents hinaufzugehen.

13) Seit sich das Rizinusöl neben seinen sonstigen Gebrauchszwecken als Schmieröl für Flugzeuge hervorragend bewährte, ist seine Benutzung unge- heuer gestiegen. Um sich von der Einfuhr aus Britisch-Indien, dem Haupt- erzeugungslande, frei zu machen, wurden in acht Südstaaten und in Kalifornien umfangreiche Anbauversuche vorgenommen, die sich indes als ein Fehlschlag erwiesen haben.

16. Künstliche Bewässerung und Entwässerung.

i) Der Wüstenstaat Nevada ist am dürftigsten mit nutzbarem Wasser ausgestattet, und wo es sich findet, ist es wegen seines starken Salzgehalles oft nicht verwendbar. In diesem Lande geringster landwirtschaftlicher Mög- lichkeiten ist darum auch die Volkszahl und Volksdichte am niedrigsten.

2) Die vier größten vereinsstaatlichen Talsperren sind zur Zeit der Arrow- rookdamm in Idaho, der Rooseveltdamm bei Phönix in Arizona, der Pathfinder- und Shoshonedamm in Wyoming. Der Arrowrookdamm ist 318 m lang, an der Sohle 82 m dick und mit 106 m Höhe die höchste Sperrmauer der Welt. Er staut das Wasser eines Canons zu einem 32 km langen See auf, der eine 100 000 ha umfassende Fläche 33 cm tief unter Wasser setzen kann. Der 207 m lange Rooseveltdamm staut einen 649 qkm großen und 25 m tiefen See auf, der inmitten der Wüste ein 960 qkm einnehmendes Gebiet in ein Kulturland mit Dattelpalmenhainen verwandelt hat und 9000 Pferdestärken elektrische Kraft abgibt.

17. Viehzucht und Fischerei.

i) Vor dem Aufkommen des Petroleums war das aus Schweinespeck hergestellte Oel das verbreitetste Leuchtmittel in den ländlichen Bezirken der Union.

28;

2) Ihre Höchstzahl erreichten die Rinder 1900 mit 87,4 Millionen, die Pferde 191 7 niit 21 Millionen, die Schafe 1903 mit 65 Millionen und die Schweine 1918 mit 71,4 Millionen. Doch ist die vereinsstaatliche Viehstatistik unvoll- ständig, weil sie nur die Bestände der Farm- und Ranchowirtschaft, nicht aber das in den Städten gehaltene Vieh umfaßt. Aber nicht bloß in der starken Zunahme der Stückzahl, sondern auch in der Erhöhung des Durchschnitts- gewichtes der Tiere, in der Veredelung der Rassen und in der Vervielfältigung der Verwendungsmöglichkeiten der Tierprodukte sind die Fortschritte augen- fällig.

^ 18. Wald und Waldverwüstung.

i) Im einzelnen bildet die Grenze zwischen dem bewaldeten Osten und dem waldlosen Westen eine vielfach ein- und ausspringende Linie zwischen 95 und 100® W.

2) Zu den wirtschaftlich und technisch wichtigsten Nadelhölzern gehören die Gelbkiefer (Yellow Pine), Douglastanne (Red Fir, Pseudotsuga Douglasii), Weymouths- oder Weißkiefer (White Spruce, Pinus strobus), Schierlingstanne (Abies canadensis), Zuckerkiefer, Schwarz- und Weißfichte. Für die Waldwirt- schaft des Südens sind Sumpfzypresse und Terpentinkiefer von besonderem Wert. Die durch sehr widerstandsfähiges Holz ausgezeichnete Sumpfzypresse (Taxo- dium distichum) ist der charakteristische Waldbaum der Küstensümpfe. Die langnadelige Terpentinkiefer (Longleaf Pine) bildet den vorherrschenden Nadelbaum, der trockenen Sandböden der Atlantischen und Golfniederung, wo sie in einem bis 300 km breiten Gürtel in stark gelichteten Beständen wald- bildend auftritt. Der genügsame, aber stattliche Baum liefert Terpentin, Harz, Teer und Pech und deckt auch den größten Teil des europäischen Terpentin- bedarfes. Die raubbaumäßig angezapften Bäume gehen jedoch bald ein, und ihr Harz Vorrat erschöpft sich rasch, so daß alljährlich neue Strecken in »Ter- pentingärten« umgewandelt werden müssen. Daher hat sich die Terpentin- gewinnung aus den beiden Carolinas, wo sie ursprünglich ihren Hauptsitz hatte, nach Süden verschoben. Georgia, bisher der erste »Terpentinstaat« der Welt, bleibt neuerdings hinter Florida zurück. Von Laubbäumen stehen nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen Eiche, Ahorn, Zuckerahorn, Esche, Wal- nuß- und Hickorynußbaum obenan.

3) Ein gewaltiger Waldbrand, der aus 50 75 kleineren Einzelbränden zusammenwuchs, suchte im Oktober 1918 das nordöstliche Minnesota heim. Er kam mit i6 km breiter Front erst am Oberen See bei Duluth zum Stehen, nachdem er ein Gebiet von mehr als 21 000 qkm (größer als Württemberg) heimgesucht, über 30 Ortschaften ganz oder teilweise eingeäschert und 400 Menschenleben gefordert hatte. Im feuchteren Klima Mitteleuropas sind so ungeheure Waldbrände zum Glück nicht möglich.

4) Was für Massen das sind, geht daraus hervor, daß der jährliche Holz- verbrauch der Vereinigten Staaten auf 450 676 Millionen cbm geschätzt wird. Nicht eingerechnet sind die Verluste, die beim Fällen und Zersägen der Bäume und dadurch entstehen, daß Hochwasser den Boden unterwühlt, den Wald entwurzelt und die aufgestapelten Holzvorräte fortschwemmt.

288 19. Der Bergbau.

i) Der Gesamtwert der bergbaulichen Förderung in U.S.Amerika zeigt eine freilich wiederholt von starken Schwankungen unterbrochene rasche Aufwärtsbewegung. Für 1870 wurde er zu 219 Millionen Dollars, für 191 2 aber zu 2244 Millionen Dollars geschätzt, wobei neben der gewaltigen Zu- nahme der Ausbeute allerdings auch die inzwischen eingetretene nicht un- erhebliche Preissteigerung zu berücksichtigen ist.

2) Da die Fachliteratur ungeheuer angeschwollen jst, so sei hingewiesen auf das die Ergebnisse übersichtlich zusammenfassende Buch des Deutsch- Amerikaners C. L. Henning, Die Erzlagerstätten in den Vereinigten Staaten von Amerika (Stuttgart 191 1).

3) Die vereinsstaatliche Steinkohle ist vorzugsweise bituminöse Weich- kohle (Soft Goal), eine kohlen Wasserstoff reiche Gaskohle. Der Rauch, der alle größeren Fabrikstädte erfüllt und verschmutzt, und der scharfe Schwefel- geruch in den Bahnhofshallen ist auf die stark rußende Weichkohle zurück- zuführen. Viel wertvoller ist die magere Hartkohle oder der Anthrazit, ein nahezu reiner Kohlenstoff, der sehr hohe Hitzegrade fast ohne Rauch ent- wickelt und daher überaus heizkräftig ist. Der Anthrazit ist fast ausschließlich auf die durch den Gebirgsdruck stark gestörten Lagerstätten des nordöst- lichen Pennsylvaniens (Schuylkill-, Lehigh- und Lackawannabecken) be- schränkt.

4) Die vereinsstaatliche Tankflotte hat die britische fast eingeholt. Von den 915 Tankdampfern mit 7,56 Millionen Registertonnen, die es 1921 gab, entfielen 403 auf die Union und 512 auf alle andern Länder, vornehm- lich auf Großbritannien.

5) In dem zur Zeit noch völlig unerschlossenen und außerhalb des großen Verkehrs liegenden Gebiet von Fort Norman im nordwestlichen Kanada sind neuerdings reiche Petroleumlager festgestellt worden.

6) Der 1859 entdeckte Comstock Lode, der von seinem ersten Besitzer für die bescheidene Summe von 11 000 Mark weiterverkauft wurde, hat in den vier Jahrzehnten seines Abbaues für 1 700 Millionen Mark Gold und Silber eingebracht. Der 1891 entdeckte Cripple Creek-Bezirk ergab bis 1910 über 900 Millionen Mark Gold. Das sind geradezu märchenhafte Schätze.

20. Die Industrie.

i) Einige Zahlen mögen als beredte Zeugen die gewaltig fortgeschrittene Industrialisierung der Union veranschaulichen. 1850 betrug die Gesamt- menge der Industriearbeiter 957 000, 1920 dagegen trotz stärkster Heran- ziehung von Maschinen 6 800 000. Die Gesamtzahl der in der Industrie tätigen Pferdestärken ist von 1870 1910 von 2,3 Millionen auf 18,7 Millionen ge- stiegen. Der Wert der jährlich im Lande erzeugten Fabrikate bezifferte sich 1810 auf 199 Millionen und 1850 auf 1019 Millionen, 1910 aber auf 20672 Millionen Dollars. Wenngleich diese Wertzunahme nicht bloß auf vermehrter Produktion, sondern auch auf der in der Zwischenzeit erfolgten Preissteige- rung beruht, so ist die Entwicklung des Großgewerbes doch fast beispiellos. 2) Ein Beispiel: Die Leistungsfähigkeit der vereinsstaatlichen Wirk- / und Strumpf Warenindustrie hängt in solchem Maße von deutschen Nadeln

289

ab, daß im Weltkriege deren Einfuhrbewilligung dringend verlangt wurde, weil englische und amerikanische Ersatzfabrikate sich als unzulänglich er-

22. Der Verkehr.

i) 1914 wurden 569000 Kraftwagen fertiggestellt, 1919 dagegen i 974000, von denen 83000 (1920 sogar 140000) zur Ausfuhr gelangten. Die vereins- staatlichen Automobilfabriken, deren größte die Ford Motor Co. ist, brachten es im Tagesdurchschnitt auf 6600 Stück! Diese Uebererzeugung hat' aber bereits zu starken Absatzstockungen und Preisherabsetzungen geführt.

2) Erst viel später ist die Alte Welt mit einer großen, nach einheitlichem Plan ausgeführten Ueberlandlinie, der Sibirischen Eisenbahn, nachgefolgt.

3) Am längsten ist mit 7645 m der Hoosac-Tunnel im Staate Massachusetts.

4) Chicago ist mit 32 Bahnlinien der größte Eisenbahnstern Nord- amerikas, weil nach einem alten Staatsgesetz in Illinois keine Bahn gebaut werden darf, die Chicago nicht berührt.

5) Innerhalb 40 Jahren, von 1875 1915, kamen 1802 Bahnen mit 17,4 Milliarden Dollars Kapital in Konkurs oder zum Zwangsverkauf. Das, gesamte Anlagekapital der Unionsbahnen betrug 191 7 19,77 Milliarden Dollars und ergab eine Verzinsung von 4,24 %, weil namentlich die Bahnen des Westens, die meist mit Rücksicht auf ihre zukünftige Entwicklungsfähigkeit erbaut sind, erst geringen Gewinn abwerfen. 36,68 % des in den Bahnen angelegten Kapitals erzielten überhaupt keine Dividenden. Wenn man indes bedenkt, daß der Anlagewert der vereinsstaatlichen Eisenbahnen etwa ein Achtel des Nationalvermögens ausmacht, so muß jeder Pulsschlag des Wirtschaftslebens vom Kursstand der Bahnaktien empfindlich beeinflußt werden.

6) Nur während der Dauer des Weltkrieges wurde das Verkehrswesen unter staatliche Oberleitung gestellt.

7) Immerhin hat sich in den letzten 47 Jahren der Personenverkehr mehr als vervierfacht, und der Güterverkehr ist ums 6i4fache gewachsen. 1880 belief sich die Zahl der beförderten Reisenden auf 250 Millionen und die Güterverfrachtung auf 350 Millionen Tonnen. 1917 waren es 11 10 Mil- lionen Reisende und 2270 Millionen Tonnen Frachten.

8) Mit zunehmender Größe wird das Eigengewicht der Wagen im Ver- hältnis zur Nutzlast verringert, was wieder eine Verkürzung der Zuglänge und eine Verminderung der Zugkraft gestattet.

9) Anfangs kamen in der Union englische Lokomotiven zur Verwen- dung. Bald aber nahm der Lokomotivenbau eine selbständige Entfaltung, besonders durch die berühmte Baldwinsche Lokomotivenfabrik in Phila- delphia (vgl. S. 221).

10) Ein besonderes Kennzeichen des amerikanischen Fernsprechwesens ist die weite Verbreitung des Farmtelephons auf dem Lande. Der ameri- kanische Landwirt kann bei den großen Entfernungen seine Zeit nicht auf Reisen verschwenden und mu& doch als tüchtiger Geschäftsmann über die Marktpreise Bescheid wissen. Der Farmer führt aber nicht bloß seine Ge- schäfte mittels des Fernsprechers, sondern er ist für ihn auch von Wert, um bei Feuersgefahr oder räuberischen Ueberfällen Hilfe herbeizuholen.

Hasscrt, Vereinigte Staaten, I9

290 23. Handel und Handelsflotte.

i) Die Küsten- und Binnenschiffahrt ist der eigenen Flagge vorbe- halten. Wie weit aber die amerikanische Auffassung des Begriffes der Küsten- fahrt geht, ersieht man daraus, daß als solche auch die Frachtfahrt von einem Unionshafen nach Hawaii und den Philippinen gilt und demgemäß für fremde Flaggen verboten ist. Aus der Miteinrechnung der Binnenschiffahrt erklärt sich die durchschnittliche Kleinheit der Fahrzeuge. Eine verhältnismäßig stattliche Tonnage kommt auf die Frachtschiffe, die auf den großen Seen und Strömen Verwendung finden. Ein besonderer Typ ist das dem Erz- und Weizen transport dienende ,, Walfischrückenboot" der St. Lorenzseen, ein schwimmender Eisen- und Stahlzylinder mit eingebauten Maschinen, der wie ein Schraubendampfer benutzt werden kann,

2) Heute besitzt die Union weit über die Hälfte (417) aller Schiffs- werften der Erde mit einer Leistungsfähigkeit von 7 Millionen Tonnen, während Großbritannien nur 120 Werften mit 3 Millionen Tonnen jährlicher Leistungs- fähigkeit aufweist. Der Uebererzeugung von Schiffsraum ist aber ein Rück- schlag gefolgt. Viele Werften sind nur noch teilweise beschäftigt oder ganz stillgelegt.

3) Großbritannien besaß 1921 7685 Handelsschiffe (über 100 Brutto- Registertonnen) mit 19,57 Millionen Tonnen Gehalt. Ein unmittelbarer Ver- gleich ist aber nicht möglich, weil die amerikanische Statistik auch die Schiffe unter 100 Tonnen einbezieht und nicht bloß die Seeschiffe, sondern auch sämtliche Fahrzeuge der Küsten- und Binnenschiffahrt mit einrechnet. Trotzdem ist die Tatsache beachtenswert, daß der Tonnengehalt der vereins- staatlichen Handelsflotte bereits 96% des Tonnengehaltes der britischen Handelsmarine ausmacht.

4) Vor dem Weltkriege hatte der amerikanische Außenhandel unter nationaler Flagge mit 9,7 % der gesamten Ausklarierungen seinen tiefsten Stand erreicht. Seitdem ist er bis zum Jahre 1920 auf 48,8 % emporgeschnellt!

24. Europa und die Vereinigten Staaten von Amerika.

i) Die statistischen Angaben beziehen sich, wenn nichts anderes be- merkt ist, im allgemeinen auf die letzten Friedensjahre. Denn der Weltkrieg und die Nachkriegszeit haben eine völlige, bis heute noch nicht behobene Störung und Umwälzung des internationalen Wirtschaftslebens . verursacht, so daß die statistischen Zahlen für diesen Zeitraum als unnormal gelten müssen.

2) Auf Europa kamen Vs der Welternte an Hafer und Gerste, die Hälfte der Welternte an Weizen und über %o ^^ Joggen und Kartoffeln.

3) 1920 betrug die vereinsstaatliche Petroleumförderung 443, die mexi- kanische 160 und die der übrigen Länder zusammen noch nicht 100 Millionen Barrels. Doch wird die Union in Zukunft sehr stark mit dem Wettbewerb des mexikanischen und englischen Petroleums (Persisch-Mesopotamische und Nordwest-Kanadische Erdölfelder) rechnen müssen. Er wird um so schärfer werden, als in der Seeschiffahrt die Oelfeuerung immer mehr an die Stelle der Steinkohlenfeuerung tritt.

4) Auf die Vereinigten Staaten entfallen je 50% der Welterzeugung an Eisenerzen, Roheisen und Stahl, je 60 % der Weltproduktion an Petroleum,

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Kupfer und Baumwolle und über 70 % an Mais. Die Union liefert 25 % der landwirtschaftlichen, 40% der mineralischen und 34% der industriellen Er- zeugnisse der Weltwirtschaft. Dabei macht ihre Bevölkerung erst 6 % der gesamten Menschheit aus.

5) Schon vor Jahrzehnten sah Fürst Bismarck in dem Aufstieg der Union eine Tatsache, mit der Europa zu rechnen haben würde, indem er sagte : »Bei der Erörterung künftiger Ereignisse dürfen wir auch die Vereinigten Staaten nicht außer acht lassen, die in ökonomischer und vielleicht auch in politischer Beziehung sich zu einer größeren Gefahr auswachsen werden, als die meisten Leute für möglich halten.« Andrerseits hat er aber auch die Ame- rikaner viel zu sehr unterschätzt, als er einmal achselzuckend über sie be- merkte: »Amerika? Ach, das sind die Leute, die mit einem großen Wort anfangen und mit einem kleinen enden.« (G. Biietz, Die Aussichten des ameri- kanischen Strebens nach der Handelsvormachtsstellung. Weltwirtschaft 6 [1916], S. 18).

6) Schon ein mitteleuropäischer Staatenbund würde genügt haben, um eine den Vereinigten Staaten gleich kräftige Macht aufzubringen. Wäre das Wirtschaftsbündnis der Mittelmächte einschließlich der osteuropäischen und Balkanstaaten zur Tatsache geworden, so hätte dieses Gebiet fast % der Ge- treide- und Kartoffelernten ganz Europas eingebracht und seine Bewohner durch sachgemäße Ausbeutung der galizischen, rumänischen und südrussischen Erdölquellen vom amerikanischen Petroleummonopol befreit. Der glückliche Ausgang des Weltkrieges hätte dem neuen Mitteleuropa wahrscheinlich eine ähnliche autarkische Wirtschaftsstellung verliehen, wie sie die Union besitzt, da Mittel- und Osteuropa sich wirtschaftlich in jeder Weise ergänzen.

7) A. Supan, Leitlinien der allgemeinen politischen Geographie. Leipzig 1918, S. 48.

292 26. Zahlentabellen.

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27- Zur Literatur.

Die Vereinigten Staaten sind ein europagroßes Land, dessen Erforschung durch den Staat wie durch wissenschaftliche Institute und Körperschaften seit langem systematisch gefördert wird und große Fortschritte gemacht hat. Infolgedessen ist die Literatur so überreich und weitschichtig, daß ein auch nur annähernd vollständiger Ueberblick ausgeschlossen erscheint. Er würde Bände füllen und trotzdem ein Torso bleiben, da das Material viel zu zer- streut und oft schwer zugänglich oder ganz unauffindbar ist. Zwecks Raum- ersparnis ist daher nur eine kleine Auswahl der benutzten oder ein- gesehenen Literatur zusammengestellt. Nicht genannt sind von wenigen Ausnahmen abgesehen die langen Reihen der amtlichen Veröffentlichungen (U.S. Geological Survey, dem auch die geographische Landesuntersuchung obliegt, Wirtschaftsministerium, Wetteramt, Smithsonian Institution usw.). Nicht aufgezählt ist ferner die Fülle der kleinen Mitteilungen, Neuigkeiten und Auszüge in den geographischen, wirtschaftlichen und verwandten Zeit- schriften, obwohl sich darunter viele von mehr als »Eintagswert« befinden. Ebenso konnte aus der Flut der während des Weltkrieges entstandenen Kriegs- schriften bloß ganz weniges berücksichtigt werden. Abgesehen wurde endlich von der Einzelaufzählung der in folgenden Zeitschriften enthaltenen Aufsätze, obwohl namentlich die amerikanischen geographischen Zeitschriften eine Fundgrube landeskundlichen und wirtschaftlichen Materials sind: Archiv für Eisenbahnwesen. Berlin.

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Geographisches und Personenverzeichnis.

Abbe 301

Acre 227

Adler 301

Adobe 91

Alabama, Fluß 56

Alabama, Staat 50, 107, 203, 206

Alaska 9, 17, 28, 37, 188, 189, 199, 210, 272, 273, 274

Albany 54

Alberoni 269

Albuquerque 113

AUeghanies 50

Alliance Frangaise 113

Alter Westen 86

Amalgamated Copper Co . 227

American Bell Telephone Co. 241

American Federation of Labour 229

American Line 252

American River 210

American Smelting and Refining Co. 227

American Sugar Refi- ning Co. 227

Amerikanischer India- nerverein 96

Amerikanische Riviera 70

Anaconda 202

Anhäuser-Busch 223

Apatschen 90, 97

Appalachen 6, 39, 42, 43, 49 fg., 56, 69, 70, 74fg., 86,151,197,203, 206, 211, 234, 272

Arbor Day 198

Archer 301

Argentinien 33, 161, 163,

256, 262, 263, 264 Arid West 159, 177 Arizona 10, 90, 167, 173,

178, 185, 200, 202, 274,

285 Arkansas, Fluß 57 Arkansas, Staat 164, 199 Arme Weiße 12, 13 Armstrong loi Arrowrookdamm 286 Astoria 250 Atchison, Topeka and

Santa F6 Pacific 240 Atlanta 277

Atlantic and Pacific 240 Atlantic Flyer 238 Aubert 301 Augusta 54, 236 Azoren 273

Baedeker 301 Bahamas 31 Baker 301 Baldwin 221, 289 Baltimore, Lord 5 Baltimore 54, 88, 188,

241, 249, 250 Baltimore-Ohio-Bahn

236 Bananen trust 227 Banjo 100 Bannock City 277 Baptisten 135 V. Barnekow 133, 301 Baum 301 Beecher Stowe 272 Beeson 301 Beringmeer 189 Bermudas 32

Bindestrich-Amerikaner

2, 130 Birmingham 151, 203 Bisbee 202 Bismarck 291 Black Belt 105 ' Black Dome 51 Bianca Peak 276 Blizzards 79, 187 Blondel 301 Bluff 60 Blum 301 Boas 133 Boerker 301 Bogarth 301 Böhler 301 Bonn, M. J. 271 Bonnevillesee 46, 63 Boom 208, 209 V. Bosse 301 Boston 6, 188, 211, 249,

250 Bottoms 181 Bracht 301 BraÄvley 301 Brazos 56 Brigham 279, 301 Britisch-Nordamerika s.

Kanada Brockton 223 Bruce 302 Bruncken 302 Bryce 302 Buetz 291 Buffalo 61 Bureau of Solls 156 Burghardt du Bois 100,

302, 308 Butler 302 Butte 202

310

Cairo 58

Canneries 189

Cake Walk 100

Captains of Industry 137

Canons 47

California Trail 231

Carlyle 137

Carnegie 284

Carolina 112, 165, 275,

287 Calumet und Hecla 202 Center of Population 88 Champlainkanal 54, 62 Champlainsee 31, 50 Channing 10 Chapparal 193, 195 Charleston 107, 236, 250 Charlotte Amalie 25 Chattahoochee 56 Chesapeake-Albemarle-

Kanal 277 Chesapeakebai 40, 42,

188 Chestnut 100 Chicago 31, 59, 117, 126,

147,156,183,199,217,

221, 240 fg., 278, 289 Chicago-Milwaukee-Pu-

getsundbahn 240 Chile 33 Chinook 80 Christina 113 Cincinnati 60, 183 Clapp 302 Clayton-Bulwer- Vertrag

23 Cliff Dwellings 91 Coast Ranges 46, 74 Cold Wall 69 Cold Waves (Kältewel- len) 69 Colombia 23, 24, 33 Colorado, Fluß 46, 47,

55, 153, 202, 276 Colorado, Texanischer 56 Colorado, Staat 169, 201,

210 Color Line 89, 102 Colored People 89, 102 Columbia,Bundesdistrikt

107, 274 Columbia, Strom 45, 47,

55, 56, 153, 163, 277

Commons 302

Comstock Lode 45, 200, 209, 210, 288

Connecticut, Fluß 54, 171

Connecticut, Staat 6, 85

Continental U.S. Ameri- ca II, 273

Coolidge 302

Cooper 279

Copeland 302

Cordilleren 35, 43, 44,

5r, 53, 70, 189, 206

Com Belt 163

Cotton Belt 172

Cotton Famine 15, 174

Cowboys 186

Cripple Creek 45, 210, 288

Cronau 302

Cumberland-Plateau 50, 206

Custer 95

De C. Ward 75

Daenell 302

Dakota, Indianer 90

Dakota, Staat 71, 275, 278

Dalles 56

Darmstädter 302

Death Valley 72

Debatable Ground 178

Deckert 63, 148, 256, 282, 302

Delaware, Fluß 54, 113

Delaware, Staat 6, 166, 272, 275

Delawarebai 40, 42

Delaware-Chesapeake- Kanal 277

Delawaren 90

Denver 241, 277

Detroit 113, 278

Diaz 27

Diercks 302

Dingley-Tarif 215

Dominikanische Repu- blik 25

Dominian 302

Dove 34, 302

Drascher 24, 302

Droonberg 302

Dry Farming i8o Duluth 61, 204, 240, 287 Dunbar 100 Dutch 132, 271 Dyer 148

Eastport 188 Edison 140 Elevators 158 Ellis Island 117 Emerson 255 Empire City 249 Empire State Expreß

238 Erenyi 302 Eriekanal 54, 66 Eriesee 6, 37, 62, 63, 205 D'Estournelles de Con-

stant 302 Evans 302

Fall-Linie 52, 54

Fall River 175

Farbenlinie 89, 102

Faust 126, 302

Fehlinger 276, 302

Felsengebirge 7, 9, 48, 53, 56, 76, 194, 206, 276

Fence 187

Femer Westen 86, 233

Ferrabino 302

Ferreri 303

Fertile Belt 159, 162

Fingerseen 168 ,

Fischer 303

titzner 303

Florida 7, 37, 40, 69, 71, 78, 85, 92, 107, 113, 153,155,167,169,171, 177, 181, 191, 196, 199, 205,211,243,276,277, 286, 287

Floridastraße 7, 20, 31

Fonsecabai 26

Ford Motor Co. 289

Fort Norman 288

Fort Yuma 75

Franklin 6

Fried 303

Friederici 303

Frisco (Utah) 210

Fullerton 282, 305

311

Fulton 64

Fußhügelregion s. Pied- mont

Gadsden-Kauf 11 Gage 303

Galapagos-Inseln 273 Galveston 79, 173,. 249,

250 Gannett 148, 272, 303,

307 Gaps 51 Gary 204 Gehler 303 Genthe 283 Gentiles 283 Georgia 6, 107, 124, 165,

173, 287 Gerhard 303 Germantown 124 Gila- Wüste 75 Gladstone 271 Gloucester 188 Gloversville 223 Göbel 303 Goethe 283 Gogebic Range 204 Goldberger 254, 303 Golf 303 Gottesland 155 Gould 225 Great Basin s. Großes

Becken Great Incline 48 Great Northern 240 Great Valley s. Großes

Tal Greely 75 Grinnell 303 Groß 303 Großes Becken 43, 46,

47, 63, 192 Großer Salzsee 63, 178 Große Seen s. St. Lo- ren zseen Großes Tal 49, 50, 68 Großes Tal der AUegha-

nies 51 Guadalupe Hidalgo 210 Guam 21, 242, 274 Guatemala 277 Gummitrust 227

Haas 303

Haiti 25

Halfbreeds 96

Halifax 31

Hall 303

V. Halle 303

Hamburg-Amerika-Linie

253, 258 Hanausek 303 Hann 303 Harding 2 Harrer 303 Harriman 235 Harriman-Kerr- Konzern

253 Harvester Co. 227 Hassert 303 Hatteras, Kap 188 Haverhill 224 Hawaii 20, 22, iio, 169,

242, 273, 274, 290 Heinrich, Prinz 129 V. Hellwald 303 Hennig 303 Henning 288, 303 Henry 75, 304 Hersch 304 V. Hesse- Wartegg 304 Hilgard 240 Hill 235 Hindu 171 Hoffman 304 Hohenwart 304 Holitscher 304 Holländer 5, 271 Hollister 304 Hoosac-Tunnel 289 Hopis 90 Hot Waves (Hitzewellen)

68 Hudson 31, 42, 50, 52,

54, 58, 62, 65, 277 Hudsonbai 68 Huronen 90 Hüronsee 206 Hurricanes 79

Idaho 286

Illinois 126, 172, 206,

217, 289 Illinois-Michigankanal62 Improved Land 85 Independence Day 6

Inder iii

Indianersommer 73 Indianer-Territorium 92,

94 fg., 280 Inlets 42 International Merchants

Marine Co. 252 Interstate Commerce

Bill 235 Iowa 206 Iren 280 Irokesen 90, 92 Italiener 281 Jackson ville 107 Jamaica 32 James, Fluß 54 James, G. W. 304 Jannasch 133 Jannet 304 Japan 3, 19 fg., 27, 28,

34» 246 Jefferson 279 Jenks 304 Johnstown 223 Joplin 210 Joseph 304

Juan de Fuca-Straße 272 Juden 281 Junge 304 Jungferninseln 274

V. Kalb 132

Kalifornien 10, 42, 45, 70, 71, 76 fg., 86, 108, III, 146, 153, 163 fg., 167 fg., 173, 184, 185, 194, 200, 201, 207 fg., 217,222,239,243,285, 286

Kalifornischer Strom 71

Kalifornisch-Oregoni- sches Längstal 43, 46, 55, 77, 169

Kalte Mauer 69

Kämpfe 304

Kanada 29, 32, 36, 41,

83, 94, 113, 155, i^i, 163, 191, 198, 246, 250, 256, 262, 263, 274, 279, 281, 288 Kanadisch- Amerikani- sche Seen s. St. Lo- renzseen

312 -^

Kanalzone 274

Kansas 163

Kansas City 168, 183,

240 Kansas City-, Mexiko-

und Orientbahn 240 Kaskadengebirge 46, 56,

74» 78. 194, 276 Kemp 304

Kentucky 170, 184, 272 Keokuk 144 Keweenaw 202 Key-Inseln 37, 277 King Cotton 171 Kjellen 26, 30, 121, 304 Klittke 304

V. Knebel-Döberitz 304 Knortz 304 Komantschen 90 Konföderation 14 Komin sei 26 Kreolen 113, 120 Krupp 258 Kuba 18, 20, 21, 37, 169,

171, 226 Kuczynski 112, 305 Kühnemann 129, 270 Kummer 304 Kupfertrust 227 Küstengebirge s. Coast

Ranges

Laas 304

Lackawanna-Becken 288 Lahontansee 46 Lake Superiof s. Oberer

See Lamprecht 124, 137, 146,

304 Lassen Peak 276 Latan6 304 Lauber 304 Lauck 304 Laughlin 304 Law 304 Leadville 210 Ledertrust 227 Lehigh-Becken 288 V. Lengerke-Meyer 128 Leroy-Beaulieu 304 V. Lesseps 23 Lettenbaur 305 Leutze 131

Levasseur 305 Liberia 107 Lichtenstein 302 V. Lignitz 305 Lincoln 270 Ljano Estacado 56 Long Island 40, 166 ' Long Island- Sund 189 Los Angeles 113, 240,

250 Louisiana 69, 107, 165,

167, 169,199,211,281,

286 Louisiana-Kauf 7 Louis ville 57, 171 Lowell 175 Lumber Region 199 V. Luschan loi Lynn 223

Macco 305 Magdalenenbai 27 Maine 85, 188, 277 Marcks 117, 305 Marquette Range 203 Maryland 6, 112, 115,

166, 272, 274 Mason and Dixon Line

14

85,

Massachusetts 6,

112, 115 Matschoß 305 Maximilian 17 Mayr 305 Mc Cormac 305 Mc Gee 305 Mc Kinley 215 Mediterranean Shore of

America 70 Meißner 305 Melick 305

Menominee Range 203 Merchants Marine Bill

253 Merriam 305 Mesabikette 204 Mesas 47, 276 Mestizen 96 Methodisten 135 Mexiko 10, 24, 27, 29,

33, 36, 83, 94, 155,

199, 209, 226, 246, 250,

277, 280

Mexikanischer Golf 5, 7,

II. 37, 48, 53, 59, 74,

76 Meyer, E. 270, 271,

305 Michigan 115, 166, 169,

201, 202, 206 Michigansee 37, 62, 63,

234, 274 Miller 305 Millis 305

Milwaukee 126, 223 Minnesota 71, 126, 201,

277, 278, 287 Minne wit 123 Mississippi, Staat 107,

199 Mississippi-Missouri 5,

38, 43, 49, 53, 56 fg., .62 fg., 71, 72, 76, 79,

86, 88, 150, 152, 159,

162 fg., 170, 172, 189,

193, 206, 232, 275,

276, 277 Missouri, Staat 201, 272 Missouri Trail 231 Mitchell 305 Mobile 250 Mohawktal 50, 62 Mohikaner 90 Mojavewüste 75 Mokis 90 Mondaini 305 Montgomery 54, 107 Montreal 6i Monroe 8 Monroe-Doktrin 8 fg., 17,

19, 27 Montana 71, 115, 202 Moore 305 Morgan 235 Morgantrust 252 Mormonen 178, 283 Mounds 90 Mount Mitchell 51 Mount Rainier 47 Mount Shasta 47 Mount Whitney 275 V. Mühlenberg 132 Mulatten 100, 102 Münsterberg 305

Napoleon III. 17

3^3

Nationalbund der Deut- schen in Amerika 129, 130

National Conservation Commission 146

Native White 119

Navahoes 90

Neu-Amsterdam 281

Neufundland 50, 189

Neu-Mexiko 10, 90, 178, 185, 274, 285

Neu-Niederland 112

Nevada lo, 45, 85, 200, 209, 210, 279, 286

New Almaden 211

New Bedford 188

Newburgh 124

Newell 305

New Hampshire 6

New Haven 250

New Idria 211

New Jersey 6, 85, 126, 166, 236

New Orleans 37, 59, 113, 173, 240, 249, 250, 277

New York, Staat 6, 83, 164, 167, 169, 170, 201, 206, 217, 275, 277

New York, Stadt 37, 39, 41, 42, 62, 107, 117, 123, 126, 149, 174, 211, 225, 241, 242, 247, 249, 250, 277, 278, 281

New York State Bärge Canal 62

Niagara-Fälle 61, 144, 211, 214

Nicaragua (-Kanal) 24, 26, 33

Niederländer s. Hollän- der

Niederländisch-Indien 209

Nigger Songs 100

Non Contiguous Terri- tories 273

Nord -Carolina 6, 107, 209

Nord -Dakota 179

Norddeutscher Lloyd 253, 258

Nörrenberg 272

Northern Pacific 240 Northers (Nortes) 79

Oberer See 60, 63, 200, 203, 204, 217, 244

Ock 305

Oetken 305

Ohio, Staat 170, 204, 208, 217

Ohio, Strom 6, 57 fg,, 74, 86, 150, 159, 163, 170, 184, 203, 208, 209, 276, 277

Oklahoma 95, 200, 207fg.

Omaha 183

Ontario, Halbinsel 31,

63 Ontariosee 60, 63, 168 Oppel 305

Oregon 153, 169, 187 Oregon-Veitrag 10 Oregon Trail 231 Ost- Virginia s. Virginia Ottendorf er 128 Ozark-Bergland 50, 199,

210, 211

Pabst 223 Pacificbahnen 232, 239,

240, 257, 273 Pacific Mail Steamship

Co. 252 Packing Houses 183 Panama 23 Panama-Kanal 24 fg., 38,

39, 59, 152, 153, 176,

250, 273 Panamerikanismus 32,

34 Parke 48 Parker 305 Pastorius 124 . Paterson 54, 222 Pathfinderdamm 286 Patton 305 Peez 305 Penck 2, 128, 270, 272,

306 Penn 5, 124 Pennsylvanien 6, 83, 124,

164, 170, 200, 203, 204,

207, 208, 275, 282,

288

Pennsylvania-Deutsch

127 Peterffy 306 Petroleumtrust 208, 226,

227 Philadelphia 54, 82, 126,

211, 215, 221, 249,

250, 278 Philippinen 21, no, 169,

171, 225, 242, 273,

274, 290 Phönix 286 Piedmont 50, 52, 170 Pike's Peak 48 Pilgerväter 5 Pipe Lines 208 Pittsburg 203, 204, 209,

241 Plains 48, 80, 190, 191,

278 Plehn 306 Plummer 306 V. Polenz 306 Ponds 181 Poplar River 71 Porcopolis 183 I Portagen 64, 277 Port Esquimault 31 Portland 55, 56, 240, 250 Port Royal 32 Potomac II, 53, 54 Prärien 48, 7ifg., 79, 150,

158, 159, 163, 164,

171,190, 191, 198, 217 Pritchett 279 Prospektors 209 Providence 250 Provisions 249 Pudor 306 Pueblos 90, 178 Puerto Rico 21, 169, 171,

273, 274 Puget-Sund 31, 42, 46,

154, 189, 206, 272 PuUman 221 Puritaner 11

Quandt 306 Quick 306 Quincy 211

Raleigh 5 Ramm 306

Hassen, Vereinigte Staaten.

314

Ranchowirtschaft i86,

187, 287 Range, P. 306 Ratzel 2, 58, 94, 107,

108, 139, 148, 231,

272, 278, 283, 284,

306 Reclamation Act 179 Reclamation Service 178 Reclus 306 Red River 57 Reiche 306 Renner 306 Rhinebeck 124 Rhode Island 6, 85, 112,

275

Richmond 54

Ries 306

Rio Grande del Norte 10, 31, 37, 56

Ripley 306

Roanoke 54

Roberts 306

Rockefeiler 208, 225, 235

Rocky Mountains s. Fel- sengebirge

Roman 306

Roosevelt 2, 21, 33, 103, 146, 229

Rooseveltdamm 286

Roß 306

Russell .306

Rutland 211

Sabine 56

Sacramento 55

Salt Lake City 240, 241

Saltonsee 276

Samoa-Inseln 21, 274

San Diego 113

San Domingo 18

San Francisco 39, 41, 42, 46, 113, 154, 224, 240 fg., 249, 250

San Joaquin 55

Santa Fe 113

Santa Fe Trail 231

San Pedro 250

Santee 54

Sartorius 306

Sault St. Mary's Kanal 61, 62

Savannah, Fluß 54

Savannah, Stadt 107,

173, 250 Schäfer 307 Schanz 307 Schenectady 222 Schlangenfluß s. Snake

River Schleppwege 277 Schlitz 223 Schomerus 307 Schönfeld 307 Schoolcraft 280 Schuchart 307 Schultze 307 Schumacher 307 Schurz 128, 197 Schuylkill-Becken 288 Schwarz, A. 307 Schwarz, S. 272 Schwarzer Gürtel 105 Schwarze Prärie 173 Schweden 5 Shaler 306, 307 Shenandoah-Tal 124 Shoshonedamm 286 Sea Island Cotton 173 Searlessee 212 Seattle 39, 224, 240, 250 Seedleaf-Tabak 171 Semiarid West 177 Seminolen 92 Semple 306 Sering 306 Sierra Nevada" 47, 53,

194, 275, 276 Simmersbach 307 Sioux 90 Sitting Bull 95 v. Skal 307 Sloane 307 Smythe 307 Snags 59,

Snake River 45, 47, 56,63 Soft Goal 288 Soo 61

Southerner 134 Southern Pacific 240 Spanish Trail 231 Spokane 240 V. Srbik 307 Stahltrust 227 Standard Oil Co. 208,

225, 227

Staten Island 166

Steiner 307

V. Steuben 132

Stone 307

St. Anthony-Fälle 58,

144, 214 St. Augustine 113 St. Croix 25 St. John 25 St. Johns-Fluß 276 St. Joseph 183 St. Lorenzseen 7, 31, 43,

46, 60 fg., 69, 71, 72,

74, 77, 113, 115, 150,

159, 169, 189, 199,201,

204, 221, 234, 244,

251, 290 St. Lorenzstrom 31, 38,

53, 54, 60 fg., 276 St. Louis 7, 58, 59, HO,

113, 126, 183,218,223,

224, 240, 242, 284 St. Mary's Fluß 61 St. Paul-Minneapolis 58,

144, 223, 240 St. Thomas 25, 273 Südamerika 27, 29, 188,

246 Süd-Carolina 6, 107, 164,

165, 173, 211 Südpaß 59 Sumatra 225 Sundzoll 20 Supan 290, 307 Susquehanna 54, 171 Sutter 210 Swamps 181, 191, 277

Tacoma 240, 250 Tafel 307 Tampa 277 Tanner 100 Tarr 308

Tausend Inseln 61 Taylorsystem 219 Tehuantepecbahn 23 Temperance Societies

135 Tennessee, Fluß 57 Tennessee, Staat 211 Texas 10, 151, 163, 165, 169, 173, 179, 184 fg., 206, 209, 211, 275

315

Texas Pacific 240 Thomas, W. H. 308 Titusville 208 Todestal 72 Topolobampo 240 Tornado 79 Trades Unions 229 Trails 231 V. Treitschke 271 Trenton 54 Trestles 234 Truck Farming 165 Trusts 13O, 149, 176,

225 fg., 241 Tscherokesen 90, 92 Tuskegee loi, 280

Uintah-Gebirge 44, 47

Union and Central Paci- fic 17, 240

Uphof 308

Upland Cotton 173

U.S. Fruit Co. 177, 227

U.S.Geological Survey 66, 179, 300

U.S. Steel Corporation 227

Usamerika 271

Usamerikaner 272

Usaner 272

Utah IG, 46, 169, 178,

275, 283 Utchormansky 308

Valentin 283 Van Buren 2 Vanderbilt 235 Van Dyke 302 Van Hise 308 Vermillionkette 204 Vermont 170 Vetillard 308 Viallate 308 Vicksburg 60 Virginia 6, 98, 107, 166, 170, 171, 176, 207, 275 Vogelstein 305 Volcano Springs 75

Wagner, M, 33 Wahsatch- Gebirge 47, 53 Ward Line 252 Washington, G. 2, 6, 132,

272 Washington, B. T, 100,

loi, 103, 280, 308 Washington, Staat 153,

167, 171, 187, 199, 275 Washington, Stadt 32,

54, 107, 241, 270, 274

Washout 77, 237 Watergaps 51 Wayland 282 Wehberg 301 Welland-Kanal 61 Western er 134 Western Pacific 240 Western Union Tele- graph Co. 241 West- Virginia s, Virginia Whitney, E. 171 Whitney, J. D. 148, 308 Wilda 308 Willamette 55 Willard 240 Willson 308 Wilmington 250 Wilson 2, 270 Windward -Passage 31 Wisconsin 126, 199, 277 Wright 308 Wyoming 83, 85, 286

Yankee 134, 136, 283 Yellowstone Park 48

Zimmermann 279, 308 Zuckertrust 226, 227 Zuni 178

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I Die Vereinigten I Staaten von Amerika.

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