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BeiKEtEY

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LIBRARY UNIVERSITY OF CALIFORNIA.

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DIE

VERGLETSCHERUNG

DER

DEUTSCHEN ALPEN,

IHEE URSACHEN, PERIODISCHE WIEDERKEHR

UND IHK

EINPLUS9 AUF DIE BODENGESTALTUNG.

Gekrönte Preisschrift

Dr. Albrecht Fenck

FrlnldoceDt an der kaaigl. baTeriicben L. ». UolTenllit MDncbeo.

Mit 16 HoixmhnHtm, 2 Karten muJ 2 Ti^dn.

Leipzig, JoIiaaD AmbrosiuB Barth.

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PROFESSOR De. KARL A. ZITTEL

IN MÜNCHEN,

SEINEM HOCHVEREHRTEN LEHRER UND FÖRDERER

DANKBARE

VERFA8BEB.

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VORWORT.

Am 26. Juni 1880 stellte die II. Sektion der philoBOphiecfaea Fakultät der Ludmg-Maximilians-Univereit&t in Münchea als Preisauig&be :

„Eine eingehende Beschreibung der diluvialen Olacial- Bildungen und -ETScbeinungen sowohl im Gebiete der süd- ba^erischen Hochebene, als auch in den bayerischen Alpen."

Die nachfolgende Arbeit wurde durch die angeführte Aufgabe angeregt, sie versucht deren Lösung und ist von der Fakultät preisgekrönt worden.

Es bedarf wol kaum einer besonderen Begründung, dasa die Zeit vom 26. Juni 1880 bis 30. April 1881, welche zur Bearbei- tung obiger Aufgabe gewährt war, nicht ausreichte, um eine Speeialuntersuchung über die Glacialbil düngen Südbayems anzu- stellen. Ich musste mich von vom herein darauf beschränken, einen TJeberblick Aber das Ganze zu gewinnen, und musste Einzel- heiten übei^hen. Femer schien es mir geboten, diese Unter- suchungen räumlich zu beschränken, und sie vor allem auf das Bereicb des Inngletschers mit allen seinen Ausläufern zu koncen- trirea, dagegen das Gebiet des Salzachgletschers nicht in meine ' Arbeit zu ziehen.

DaE solchermaassen begrenzte Arbeitsfeld war noch nie zuvor eingehend auf die Glacialbil düngen hin durchforscht worden, und es musste sich daher bald eine Reihe von Ergebnissen darstellen. Zunächst waren es Resultate lokaler Natur, aber am Ende meiner Untersuchungen ergaben sich auch Thatsachen, welche zum Ent- scheide mancher Streitfragen dienen konnten.

Allein da sich eben jene Thatsachen erst im Laufe und gegen Schluss meiner Untersuchungen herausgestellt hatten, so hatte es mir an Zeit gefehlt, sie auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Es war mir daher eine hochwillkommene Förderung, als mir durch eine im Auftrage und auf Kosten des Königlichen Oberbergamtea in München ausgeführte Uebersichtsauinahme zwischen Alpen und Donau im Sommer 1881 Gelegenheit ward, meine von den bis- herigen vielfach abweichenden Anschauungen einer soi^&ltigen Erprobung imterwerfen zu können. Es gereichte mir zu grosser B^iedigung, diese Anschauungen allenthalben bestätigt zu sehen.

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Allerdings machte mich die grösBere Ausdehnung meiner Untw- Buchungen auch mit Tbatsachen bekannt, welche mir früher ent- gangen waren. Dementsprechend wurden meine Erfahrungen er- weitert, und manche Ansichten modificirt, weswegen meine Arbeit einer theilweisen Umgestaltung unterworfen wurde. Dankbar muss ich hervorheben, dasB mir gestattet wurde, mich auf die Erfah- rungen und Resultate von Untersuchungen zu stützen und zu berufen, welche sich über die ganze bayenache Hochebene eratreckt^n.

Das Beatreben, die Ergebnisee früherer Untarsuchuugen möglichst zu würdigen, der sich mir häufig aufdrängende Vergleich der süddeutschen Veigletschenmg mit dem mir nicht unbekannten Glacialphänomen Nordeuropas- und NorddeutBchlands, femer das Eingehen auf die gerade jetzt lebhaft ventilirte Streitfrc^ über die Wiederholung der Veigletscherungen und die bodengestaltenden Wirkungen des Eises, haben der nachfolgenden Arbeit einen grösseren Umfang gegeben, als wol nach ilü«m Gegenstande zu erwarten ist. Es erschien mir jedoch wünachenswerth, die Ergeb- nisse eigner, allerdings räumlich sehr beschränkter Studien zur Sichtung des reichlich angeschwollenen, leider aber vielfach zer- splitterten Materiales über die Verglet«cherung der Alpen und die Fragen der Glacialgeologie zu verwerthen.

Um auch Femerstehendeu die Prüfiing meiner Anaichten zu ermöglichen, habe ich die grundlegenden Profile thunJichst'in der Weise wiedergegeben, wie ich sie gesehen habe, ohne Konstruktionen und Verbesserungen; femer habe ich die Profile, soweit es irgend möglich, in dem richtigen Verhältnis von Höhe zu Länge gezeichnet, sowie auch , um eine Vorstellung über die Grösse zu gewähren, stets den Maassstab beigesetzt. Profile sind ja die Fundamente aller stratigraphischer Geologie, und sie müssen in derselben ungeschminkten Weiae wiedei^geben werden wie Versteinerungen, die Fundamente der Paläontologie. Vorkommende Höhenangaben sind theils den Generalstabskarten entnommen, theils auf Grund eigener Messungen gewonnen, was namentlich von den Höhen der erratischen Vorkommnisse und der Profile (plt

Es sei mir schliesslich gestattet, den Leeer von vom herein auf einige ähnliche Kamen aufruerksam zu machen, welche in den nachfolgenden Untersuchungen häufig wiederkehren, Illerthal im Algäu und lUthal in Vorarlberg, Walchensee in Bayern und Walchee'e bei Eufstein in Tirol, Achenseethal am Achen- see und Achenthai am Chierasee, das Dorf Jenbach und der Jenbach bei Kufstein sind wol zu unterscheiden.

München, November 1881.

Db. Albkecht Penck.

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INHALT.

Kapitel I. EinleituDg. Geschieht« der Gladalgeolog^e ... 1

I Abschnitt. Letzte Vergletschenuig von Oberb&jem und NoidtiToL

I. Unmittelbare GlacialwirkuDgeii 23

Kapitel II. Orographische Skizze des Gebietes der sQdbayeriBchen

GladaUormBtion und historigche Entwicklung von deren

KrantniSB 25

Kapitel III. Die Gnmdmoi&ne 33

Kapitel IV. GlacialerBcbeinuiigen im unteren Innthale .... 48

Kapitel V. GladaleischeinUDgeD am FernpaMe 65

Kapitel Tl. Der Seefelder Fass und Isai^letscher 62

Kapital VII. Ausbrdtung des InDgletechera in den nCrdücben

Kalkalpen zwischen Acbensee und der Chiemseeache ... 69

Kaintel VIII. Gletscher des Ilter. und Lechthales SO

Kapitel IX. üebereloht der Vergletacherung in den nordtdroler

and oberbayeriechen Alpen 89

Kapitel X. Die Vergletscberung der bayerischen Hochebene . . 99 Ka[dt«l XI. Beziehungen zwischen Bodengeetaltung nnd Gletecher-

verbreitung auf der bajerischen Hochebene 113

II. Mittelbare Glacialwirkungen 129

Kapitel XII. Glaciale Schotter in grossen Höhen und in Konnex

mit Grundmoränen 129

Kapi(«l XIII. Untere Gladalschotter der Hochebene .... 142

Kapitel XTV. Untere Gladalschotter des Gebirges . . .' . . 152

Kapitel XV. Der obere Gladalschotter 171

Kt^itel XVI. Das alpine Inlandeis 184

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yni Inhalt

n. Abiolmitt. «*"* Aeltere Yergletschenuigen tod Oberbay em und Kordtirul. K&pitel XYII. BiBherige Theorien Ober mehrere Vergletscheningen

der Alpen 211

Kapitel XVIII. Alte Brecden der nördlichen Ealkalpen ... 238

Kapitel XTT. Intergladale Kohlen des Algäu 251

Kapitel XX. Die alten Anschwemmungen der Alpen .... 266 Kapitel XXI. Gliederung der Schotter im Liegenden der MorSnen

OberbayemB 280

Kapitel XXH. ünprang der diluvialen Nagelfluh 291

Kapitel XXIII. Die ängaere und innere Uoränenztme .... 307

nL Abwhnitt Die Bildung der oberbayeriscben Seen. Kautel XXIV. Veränderungen im Kelief SüdbaTerns und Noid-

tirolB dun^ die diluvialen Veigletacherungen 327

Kapitel XXV. Die Seen Sfldbayema und Nordtirola 345

Kapitel XXVI. Möglichkeit der gladalen Bildung von Seen . . 368 Kapitd XXVTI. Einwände gegen die glaciale Bildung der grossen

Alpenseeu 393

Kapitel XXVIII. Andere Theorien über die Bildung der Alpenaeen 41 2

Kapitel XXIX. Schluss. Ursachen der Eiaxät 433

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Kapitel I. OeBchichte der Glaoialgeolog^e.

Definition des GladslphäDomens. Die ältesten Antchaiimigea tod Pi^ypaib, ESMABK, Bebkhabdi. Stadien von Venetz, J. db Chabpektier und L. Agassiz. Enai von Cbasfeiitibr. Unlenacbmigen von A0AB8IZ. Lehre von der Eiateit, J. A. Dkldc und CdviEB. AoassIz' Studien in Schottland. AsH^MAB'B Anocht über Vergletaehenrngen. Chablbs Mabtiks nnd Disos über Skudinavien. Die glacialen Anachwemmiuigen , J. DE Chabpbntikb, Agassiz, Habtiks and Qabtaldj. A. Favbe über Oladalphinomen der A]p«m. Zweifel gegen dM Qladalpliiiionien im Norden. Drifttbeoiie. Eln- flnn von Kink'b Unteraachongen in Granland. Kjebülf, Tobbu^ Jamib- son und Rambay über VergletKhemng des Nordeni. RQckkehr znr Lehre der EiHzeiC. Spuren Blterer Gletwherwirkimgm. Rausat, Hoblot, Hkkb, CsAiiBEBg, A. Gbixib. LYlei.i:.'B Ansichten hierüber. CBOLL's Theorie der klimaCiMhen Schwankungen. J. GeI£ib'b Arbeiten. Gestaltender HnSun der Vei^letschernngen. An]iänj\mg von Moränen. BambaY aber Seen In Qletwthergebieten. Erodongtheorien von de Mobtillet nnd Bamsay, Kon- servimngltbeorie von Aoabbiz. Feinere Auf^ben.

Ale Glacialformatioii bezeicbneit wir einea Komplex von Bildungen, welche sammt und sonders als die Ablagerungen yon Gletschern betrachtet werden müssen; wir verstehen darunter zu- nächst das Material, welches der Gletscher selbst erzeugt, näm- lich Grundmoränen mit gekritzten Geschieben und den darunter- liegenden geschrammten Felsäächen oder gestauchten losen Schichten, femer die Rest« von Oberflächenmoränen aller Art nebst den erratischen Blöcken, die End- oder Stimmöränen sowie die von Gletscberwässern abgelagerten Suvioglacialen Gebilde. Dazu haben wir femer die orographischen Veränderungen zu rechnen, welche ein Gletscher in der Konfiguration des Landes erzeugt

Diese Gesammtheit von Erscheinungen wurde erst im Laufe anhaltender Untersuchungen in ihrer genetischen Zusammenge- hörigkeit erkannt Einzelne ihrer Züge, und zwar nicht die wesentlichsten , erregten schon frühe die Aufinerksamkeit der

Penck, Me VeiglttMberung. 1

iby Google

2 Kapit«! I.

Forscher. Es waren diea vor allem die erratischen Felsblöcke sowie die geschliffenen und geschrammten Felsoherflächen, dazu gesellten sich später die dgenthümlichen Oberflächenformen der Glacialformation, die Moränenwälle aller Art Aber erst nach- dem man diese Einzelphänomene als verschiedene Werke ein und desselben Agens erkannt hatte, lernte man die Abli^rungen näher würdigen, welche durch den Gletscher selbst erzeugt worden sind, und welche sich nicht nur fast zufallig wie die bisher ange- führten an seine Existenz knüpfen. Es bedurfte langer Erörte- rungen, ehe sich die Anschauung befestigte, dasB Grundmoränen und Gletscherschliffc ganz ausschliesslich und allein nur von Gletschern gebildet werden können, und einem jeden Gletscher angehören müssen, während die Oberflächeiimoränen aller Art nebst den erratischen filöcken häufig den Gletschern fehlen. Aber erst auf Grund dieser Basis ist es möglich, erfolgreich die Ausdehnung früherer Gletscher zu verfolgen, ihre Spuren in älteren Formationen nachzuweisen, und quantitativ und qualitativ ihre gestaltende Wirkung auf der Erdoberfläche zu erkennen.

Die erratischen Blöcke, welche über die Ebenen des nörd- lichen Europa und über die Gehänge des schweizer Jura zerstreut sind, beschäfdgtcD schon im vorigen Jahrhunderte Naturfreunde und Gelehrte. Schon damals erkannt« man die skandinavische Herkunft der Findlinge Norddeutschlands, und de Sausbüre er- mittelte die Heimat der erratischen Blöcke des Jura in den Bergen des Wallis. Hypothesen zur Erklärung dieses Phänomens blieben sieht aus, da jedoch das letztere selbst zu wenig bekannt war, erhoben sich die Ansichten über dessen Ursprung kaum über den Bahmen einer philosophischen Spekulation. Je nach der Neigung und dem Geschmacke des Einzelnen wurden bald gewaltige Wasser- fluthen, bald Eruptionen zur Erklärung herbdgezogen; denn es lag in der Anschauungsweise der frühesten Aera geologischer Forschung, gewaltige Katastrophen als Ursache jedes Phänomens anzunehmen. Noch hatte man die Zdt nicht als geologischen Faktor erkannt, noch war der Weg des Vergleiches geologischer und geographischer Thatfiacfaen nicht betreten.

Doch während jenes Abschnittes der Geschichte der Geoli^e fehlt es nicht an Versuchen, welche auf dem später durch Lyell

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Geschichte der GUdalgeolo^e. 3

zu hoher Blfithe gebrachten Aktualismus begründet sind. Vor allem entwickelte Platpair Bein geologiachea Systtm in dieeem Sinne, und ee ist nicht bloss an Zufall oder ein glücklicher QrifiT, wenn dieser hervorr^^de schottiBche Geologe bereite im Jahre 1815 die erratischen Blöcke seiner Heimat und des schweizer Jura mit dem Moränenechutte der heutigen Qletacher verglich.^) EsHARK^), der Begründer geologischer Forschung in M'orwegen, äusserte eich ganz ähnlich wie Pi-atfaik. Er bekämpfte die An- nahme gewaltiger Flutben, welche man behufs Erklärung des erratischen Phänomens gemacht hatte, und suchte dasselbe auf eine frühere Eisausdehnung zurückzuführen., Er basirte diese Ansicht auf die Art und Weise des Vorkommens der erratischen Blöcke, auf das Auftreten von W&Ilen, die er mit Endmoräncu reiflich, sowie auf gewisse Felsglättungeu, welche er auf Gletscnerwirkungen zurückführte. Bkbnhardi ') endlich, ein sonst nicht bekannter norddeutscher Forscher, verglich die erratischen Blöcke N'orddeutBchlands ebenfalls mit denen der Moränen heutiger Gletscher, und nahm an, dass dieselben einst durch das Polareis bis zur Findlingsgrenze verbreitet worden seien. Unter solchen Umständen mussten auch die ewigen Firne und Gletscher der Alpen eine grössere Ausdehnung besitzen, und durch ate seien die erratischen Blöcke des Jura abgelagert worden. Ein früheres kälteres Klima, welches eine solche Eisentfaltung zur Folge hatte, suchte Berkhakdi durch die Funde von Mammutheu im Eise Sibiriens zu beweisen. So finden sich der Ideengang und die Argumentation von L. AoASSiz schon Vor demselben ausgesprochen. Allein die Ansichten von Playfair, Esmare und Berm- HAKDi kamen nicht zu allgemeinerer Geltung und wurden selbst nicht in wissenschaftliche Diskussion gezogen. Es fehlte ihnen

') Works vol. I. p, XXIX dtirt bei Cearfektieb: Essai sur lea glaciers p. 246.

') Bemarkg tending to explain the Geclogical Hiatory of the Barth. Edinbui^h new Fhilosophical Jonmal III, 1827. p. 107,

*) Wie kamen die aus dem Norden stammenden Felsbruchstücke und Gescliiebe, welche man in Norddeutschland und den benachbarten Ländern findet, an ihre gegenwärtigen Fundorte? Neues Jahrb. f. Min. a. Geol. 1832. p. 257 u, 419,

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4 EapiMl I.

an jener eingehenden Begrändung, welche nur durch das Studium der heutigen Gletech^ gevonaen werden kann. Die Schweiz bot in dieser Beziehung ein ausgezeichneteB Arbdtefeld; Gletecher- wirkungea und erratiachea Phänomen finden sieh hier räumlich dicht nebeneinander. So sehen wir in der That auch von der Schweiz den Hauptimpule zum Studium der Glacialformation ausgehen.

Lange schon hatten Bergbewohner den Transport der erra- tiscben Blöcke in den Alpen auf frühere Gletecherausdehnung zurückgeführt Allein zu wissenschaftlicher Erörterung kam die Frage erst durch Yenetz. 1821 zeigte dieser vortreffliche Beob- achter >), dasB die Gletscher des Wallis während der letzten Jahr- hunderte zwar allgemein weniger ausgedehnt gewesen sind als heute, wohingegen dieselben während einer früheren Periode eine weit bedeutendere Entfaltung besessen haben müssten als jetzt. Als Zeugen hierfür fuhrt er die vielen erratischen Blöcke und Moränenwälle an, welche sich in den Thälero des Gebirges finden. 1828 trug Venetz') gelegentlich der Versammlung der Schweizerischen naturforschenden Gesellachalt auf dem groBsen St Bernhard seine nunmehr erw^terten und bestimmter gewor- denen Anschauungen über eine ehemalige Verbreitung der Gletscher vor. Er behauptete, dass die Gletscher früher allgemein eine be- deutendere Ausdehnung besessen hätten als heute, und dass sie sowohl in den Alpen als auch im Norden Europas enorme Mengen erraÜBcher Blöcke verbreitet hätten. Zuvor hatte er hiervon J. db CüABPEi^TmB in Kenntniss gesetzt. Dieser ausgezachnete Berg- mann und Geolog, ein Deutscher aus der Wemerischen Schule, fand diese Ansichten so absonderlich, dass er beschloss, seinen

') In einer von der Schwdz. naturf. Gesellschaft bei deren 8. Ver- sammlung in Bern 1822 gekrönten Preisschrift, gedruckt als: Memoire snr les vaiiations des tempävture« dans lee Alpes de la Suisse. Denk- Bcbr. d. allg. Schweizer. Geeellsch. f. d. ges. Naturwiesensch. Bd. I. Theil II. 1833.

') Veigl. Mänoire sur reztension des andens gladers. §. 4. Neue Denkecbrüten der allgemeinen Scliweizeriachen Gesellichafc fSr die ge- sammtcn Xaturwiesen Schäften. Bd. XVIII. 1801. Vergl. über VeNetz* Verdienst b«eonders Siegfried, Geschjchtlidie Notizen über die Qlet- ichertheorie. Jahrb. Schweiz. Alpendub. 1875. X. p. 584.

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Qeschichte der Olacialgeolt^e. 5

Freund Venettz von der Unrichtigkeit derselben zu überföbren. Er begann den emitiechen Gebilden groeae AuJhierkBamkeit zu -widmen, uud warde Bchliesslich durch deren Studium zu ganz denselben Ansichten geföhrt wie Venetz, Er vurde überzeugt, dass die grossen erratischen Blöcke nicht durch Wasser trans- portärt worden sein können, er erkannte die Reste von Moränen, er entdeckte, dasa die Felsschliffe ein Werk der Gletscher sind. Er führte das gesammt« erratische Phänomen auf eine frühere Oletscherausdehnimg zurück, diö er durch üne ehemalige grössere Erhebung des Grebtrges zu erklären sucht«. Er trug diese Ergeb- nisse der in Luzem versammelten ßchwdzerischen naturforschen- deo Geeellschait vor. ')

L. AoASSiz wurde durch diese Mittheilungen auf die erratischen Erscheinungen aufinerkaam und während eines Besuches bei J. de Chabpentiee für die neue Lehre gewonnen. Unermüdlich durch- wanderte er Alpen und Jura, überall fand er GletscherschliSe und erratische Blöcke, er erkannte, dass das Eis eine weit bedeutendere Ent&ltung gehabt habe, als man bisher angenommen hatte, und nachdem er in den Alpen das Eis als Verbreiter der erratischen Blöcke, als Ursache der Gletscherschlifie erkannt hatte, war er geneigt, dasselbe auch tüi die Findlinge und Felsschliffe des Nor- dens anzunehmen. Er kam so zu dem Schlüsse, dass das Klima der Erde in der jüngsten Periode ein allgemein kälteres gewesen sein müsse, er entwickelte die Lehre von einer Eiszeit ') und glaubte eine Periodicität in deren Wiederkehr annehmen zu dürfen.

In seinen Untersuchungen über die Gletscher setzte Agassiz ^) seine Ergebnisse ausführlichst ausdnander. Er betonte eine

') Vertiandl. p. 23. Sowie: Snr la cause probable du trausport des blocs erratiques de la Suisse. 'Annales des mines III. S. t VIII. 1835. p. 319. Enchienen deutsch in FkÖhlich'b und Hber's Mit- theUungen aus dem Gebiete der theoretischen Erdkunde. Zürich 1836. p. ^2.

*) Discouis d'onverture des s^ances de la SociSt^ helvötique des Sdenoes naturelles 183T. Actes Soc. helv6t. Neuchdtel 1837. Sur Ics blocs erratiques du Jura. Gomptes rendus de l'Acad. des Sciences. V. 1837. p. 506.

") ^tude BUr lee glaciers. NeuchStel 1840. Untersuchnngen Über die Qletscher. Botoäram 1841.

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6 Kittel I.

irübere gröasere Entwicklung des Eises, aber er glaubte nicht nur nie Yenetz und J. de Charfentier an eine einstinalige grössere Ausdehnung von Gletschern, sondern an eine völlige Uebereisung fast der ganzen nördlichen Hemisphäre,

Bald darauf veröffentlichte J. DE Chakpentier ') seinen „Essai sur les glaciera", ein selten ausgezeichnetes Werk. Es ist schwer zu sagen, was in demselben mehr zu bewundem ist, die Schärfe der Auseinandersetzung oder die Methode der Beweis- führung. £r, ein Schüler WerBer's, Operirt ganz in derselben Art und Weise wie ein moderner Geologe. Beine Behandlung des schwierigen Stoffes ist derselben Art, wie diejenige, welche Lyeli, so erfolgreich anwandte, sie basirt auf dem fortwährendeD Vergleiche der vorweltlichen Erschdnungen mit den heutigen. Mir ist aus jener Zeit kein Werk bekannt, welches diesen Weg mit solcher Konsequenz, mit solchem Bewuestsein verfolgte, wie Charpentieb'b Essai. Chabpbntiee kommt daher auch zu an- deren Ergebnissen als AoASsiz. Er lehrt zwar eine frühere grosse Oletacherverbreitung kennen, aber nicht eine allgemeine Vereisung der einen Hemisphäre. Auch er war geneigt, die Phänomene de» Nordens in ähnlicher Weise zu erklären wie die alpinen, und als er in den Alpen eine gewaltige Gletscherentwicklung kennen ge- lernt hatte, so glaubte er dasselbe auch vom Korden Europas an- nehmen zu können.') Er spricht jedoch nicht von einer Aus- dehnung des Polaxeises, er nimmt nur eine riesige Ausdehnung der skandinavischen Oletscher an. Dennoch aber hielt er die Gletscherausdehnung in Norwegen und den Alpen filr Lokal- phänomene. Er glaubte dieselben anßuiglich durch die Amiahme einer grösseren Höhe des Gebürges erklären zu können, und später durch hypothetische Ereignisse, die sich an die Erhebung der Ge- birge knüpften. Immer aber halt er die Vergletscherungen für die Folge lokaler Veränderungen, und erachtet sie nie als die Folge einer allgemeinen Temperaturemiedriguug. AoAsaiz hingegen entwickelt die Lehre von der Eiszeit, nachdem schon früher

') Essai eur les gUden et sur le tenain erratique du basoin da BhOne. Lausanne 1841.

*) Sur l'application de I'hypothSee de M. Veitetz aux phänom^cs erratiquea du Nord. Bibl. univers. de Genfeve. XXXIX. 1842. p. 327.

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Geachichte der Glacialg«>log;ie. 7

von Jean Andb^ Deluc^) aonie von Cuvibb^ die Annaluiie klimatiBcher Katastrophen auag^procheD worden war, und er sprach den allerdingB nie von ihm betviesenen Gedanken aus, dasa die Abkühlung der Erde unterbrochen verde durch das periodische Hereinbrechen von Kältezeiten, während J. de Charpentier streng an der Theorie von der allmählichen Abkühlung der Erde festhält

£b liegt also ein wesentlicher Unterschied in den Anachauimgen von AoASStz und Charpentier. In den Ansichten von AoASStz sehen wir den Ausdruck der Katastrophen theorien jener Zeit, seine Eiszeiten sind plötzliche Revolutionen. Chabpentieb steht da- gegen auf modernem Boden. Er ist Aktualist, und so überzeugt von der Richtigkeit dieses Weges, dasa er die frühere Eisausdehnung als ein Faktum erachtet, an welchem aus theoretischen Grün- den nicht zu zweifeln ist. Physikalische Bedenken, wie sie gegen ane enorme Gletscherverbreitung häufig genug gemacht sind, klimatologische Bkrupel gegen eine ausgeddmte Eisentwicklung kommen ihm nicht. Allein es ist nicht zu bezweifeln, dass die Ein- wände, welche Aqasbiz gegen Chabfentieb'b Ansichten über die frühere Gletscherverbreittmg äusserte, nicht ganz grundlos waren. Er hebt hervor, dass zwischen der Vertheilung der erratischen Bldcke auf dem Jura und in den Alpen gewisse Verschiedenheiten be- stehen; während in den Alpen die Findlinge in Form von Mo- ränenwällen gelagert äind, treten sie auf dem Jura vereinzelt auf, und sind nicht an so bestimmte Niveaus gebunden, wie die der Alpen. Aber dieser Einwand gegen Chahpentier's Theorie be- ruht nicht auf einer Unrichtigkeit derselben, eondem auf einem Maugel in der Beweisföhrung. Chabpentieb kannte nur die Ob^fiächenmoränen eines Gletschers, dasa ein solcher auch unter sich bedeutendes Material fortbewegte, wusate er nicht; von der Existenz eines Schlammlagers unter dem Eise hat er nie etwas erwähnt, das Vorhandensein von Grundmoränen war ihm nicht bekannt geworden, und die Gletscherechlifie föhrte er lediglich auf

') Sur les gisement des os fossiles d'äl^phans, et sur les catastro- phea qui les ont eufouis. Bibl. univera. de Gengve. Feb. 1822. p. 118.

*} Becherche; sur les ossements fossiles. IV"« dd. p. 241. Ve^l. auch Deutsche Geographische BUtter. Bd. IV. 1881. p. 174 n. 175.

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8 Kapitel I.

gewisBe Geschiebe zurück, welche zufallig unter das Eta gerathen waren. L. Agassiz war berufen, diese hochwichtigen ETBchei- nusgen in ihrer ganzen Tragweite zu erkennen.

Weder Venetz, noch J. de Charpentier, noch endlich AoASBiz^ kannten den Morden Europas aus eigener Anschauung, ale sie dessen Vereisung behaupteten. Doch ea lagen ausföhrliche Berichte von dem Vorkommen von erratischen Blöcken vor, Fels- schliffe waren in Schottland, England und Schweden bekannt ge- worden, noch ehe sich die Crletscherlebre entwickelt hatte, und es lag nahe, dieselben zu Gunsten jener Theorie zu deuten, zumal da man in den Asar Schwedens Moränenwälle zu erkennen glaubte.

L. AoASBiz war der erste, welcher das Olacialphänomen des Nordens kennen lernte, nachdem das der Schweiz studirt worden war. Ein Jahr nach Veröffentlichung seiner Unt«rsuchungen üba- die Gletscher theilte er die Ergebnisse seiner Studien im Norden mit 'X welche seine früheren Ansicht«n theile bedeutend modificirten, theils denselben neue Gründe zuführten. Sein nunmehriger Stand- pimkt BcUiesst sich in vieler Beziehung den Anschauungen Charpentieb's an, und die Gletschertheorie erfuhr auf diese W^se eine ungeahnte Bereicherung. Die Grundzüge, welche AoASBiz in der gedachten Arbeit entwickelt, wurden die wesent- lichste Basis späterer Arbeiten, sie sind heute noch bei Glacial- studien leit^id und haben keine wesentliche Veränderung er&hren. Chabpentieb's „Essai sur les glaciers" und die gedachte Arbeit von Aqabsiz sind die Fundamentalwerke der GlacialgeoIogi&

AoASBiz hielt au der früher schon ausgesprochenen Unter- scheidung zwischen Vereisung und Gletschern fest Während er jedoch in seinen Untersuchungen über die Gletscher die Vereisung in anderer Weise entstehen lässt als die Gletscher, erwähnt er davon nichto mehr; während er &üher annimmt, daes die Alpen unter der Vereisung entstanden, schliesst er sich nun den Voraus- setzungen Chabfenties'e an und hält die Bodenkonfiguration für präglacial; er sieht femer die Vereisung der Alpen nicht mehr für einen Theil der zusammenhängenden Eisbedeckung der nörd-

') The Gladal Theory and its recent Frogresa. The Edtnbur^ new phil. Journal. XXXIII. 1842. p. 217. La th^e des glacee et ees progrä les plus litxnU. Bibl. univers. de Oen^ve. XLI. 1842. p. 118.

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Geschichte der OUdalgeologie. 9

lieben Halbkugel an, sondern erachtet sie aU eine besondere, von der Vereisung des Nordens zu trennende Erscbeinung. Den ein- zigeo Unterschied, welchen man nun noch zwischen der Vereiaung und Gletschern au&t«lleD kann, ist ein quantitativer. Gletscher sind lokale Gebilde, in ihrem Auftreten an eine bestimmte Oert- lichkdt, an dne bestimmte Bodenkonfiguration gebunden. Die Vereisung betriäl ganze Landesstrecken, sie zeigt keine AbhSn^- keit von den Terrain Verhältnissen.

Qietecher und Vereisung wirken in derselben Weise, beide bewegen eich und transportiren Material unter sich fort. Aber an Gletscher trägt auf seinem Rücken Gesteinaachutt, er hinter- lässt Moränenwälle und grosse eckige erradsche Blöcke, während die Vereisung ganzer Landesstrecken nicht oberflächUch mit Trümmern bedeckt ist. Dagegen jnhrt die Vereisung unter sich eine enorme Menge Schuttes mit sich fort

In dem „Till" Schottlands erkannte Aoassiz jene Gesteins- schicht, welche die Vereisung unter eich fortbewegt hat Er findet in demselben die gekritzten Geschiebe, er sagt, „es ist klar, daas diese gekntzten Geschiebe in und mit dem Till bewegt worden sind". Er erkennt so die Bedeutung der gekritzten Ge- schiebe für die Glacialformation, und im „Till", dem Geschiebe- 'oder Blocklehme, das charakteriatische Pro<lukt der Verdsungen, während Gletscher ausser demselben noch Moränenwälle hinter- lassen. Diese Erkenntniss übte eine Rückwirkung auf die Auf- fassung alpiner Gebilde. Die erratischen Ablagerungen auf dem Jura deutete Aoassiz wie früher schon ala einen „Till", d. h, das unter dem Eiae transportirte Gesteinsmaterial, analog dem Gletscher- schlamme, boue glaciaire, und hielt sie für ein Produkt der alpinen Vereisung. Nun fand er im Jura neben diesen Ablagerungen noch grosse, eckige erratische Blöcke, er entnahm daraus im Gegen- satze zu seinen früheren Anschauungen, dass selbst aus der Ver- eisung der Alpen noch Gipfel herausgeragt hätten, wohingegen ihn der Mangel grosser Blöcke im Bereiche der nordischen Ver- eisung vergewisserte, dass das Land gänzlich mit Eis bedeckt ge- wesen sei. Er betont einen quantitativen Unterschied zwischen der alpinen und nordischen Uebereisung.

Fräcisirt solchermaassen Aoassiz seine Ansichten über den

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10 Kapitel I.

Oharaktier der VereiauogeD, bo ertheilt er denaelben eine andere Rolle in der Geologie zu, als früher. Noch hält er sie für perio- ' discbe Ereignisse, aber nicht mehr für Katastrophen, sondern für den Ausdruck kosmischer Voi^nge. Er greift auf die Aneichten Adh^mak's zurück, welcher gelehrt hatte, dass die polaren Eis- massen in ihrer Ausdehnung beeinflusst würden durch die Stellung der Aequiooctialpunkte. Aoabsiz sieht die Vereisung des Nor- dens als einen Theil der ausgedehnten Poiareismassea an, welche bei ihrem Schwinden lokale Gletscher hinterliesscn.

Das Studium des erratischen Phänomens in Skandinavien, welches besonders durch die französische Nordmeerexpedition ge- fordert wurde, hat jedoch die Irrigkeit dieses letzteren Theiles der Ansichten von Aoasbiz erwiesen. Es stellte sich heraus, dass Skandinavien nicht vom Pole aus vereist gewesen ist, sondern das Centrum einer eigenen Vereisung bildete. Es wurde festge- stellt, dass die Schrammen von der skandinaviechen Halbinsel nach allen Seiten ausstrahlten. Unter solchen Umetänden erschien die Vereisung des Nordens nicht anders wie die der Alpen als eine sehr beträchtliche Vergletscherung, es hatte nun keine Be- deutung mehr zwischen einer Vereisung und Gletschern scharf zu scheiden. Chakleb Martins') und De80R*) konnten daher auf die ältere Ansicht J. de Charfe^'Tieb'b zurückgreifen, und von einer enormen Ausdehnung der skandinavischen Gletscher reden, und es wurde als ganz selbstverständlich aufgefasst, dass eine enorme Vergletscherung, welche nur wenig hohe Gipfel un- bedeckt lässt, wenig Material auf ihrem Rücken transportlren kann, um so mehr jedoch auf ihrem Grunde. Charles Martins^) bez^chnete diesen unter dem Eise transportirten Detritus als „Grundmoräne", und seine lebendigen Schilderungen über die Art. und Weise der Bewegung derselben hat wesentlich die Auffassung

') B^poose aux objectiona de M. Durochek contre Tancienne ex- tension des glacien de la Scandinavie. Remarques sur les m^moires d. M. DuROCHEB. Bull. Soc. g&il. II. S. t. IJJ. p. 102, IV. p. 89.

') Ph^om^es erratiqucB ea Scandinavie compar^ ä ceux des Alpes. Bull. Soc. gfol. de France. II. 8. t. IV. p. 182. ]846;47.

>) Bull. Soc. gfel. de France, t XIII. 1841/42. p. 343. Kevuc dee denz mondes 1847. t I. p. 704— TOö.

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Oeechichte der Gladtdgeologie. 11

der GlacialpbäDomene gefördert. Er verglich die Grundmoiäne mit einem Schleüpulver, welches unter dem Eise vorwärta gepreest, geväkt und geschoben wird.

Hatte man in der Gruadmomne mit ihren gekritzten Ge- schieben uod unter lagernden Gletscheracblifien ein charakteristisches Produkt der Gletscherwirkung entdeckt, halt« man in den erra- tischen Blöcke, in den Seiten- und Endmoränen Phänomene er- kannt, welche sich nur durch Gletscherwirkungen erklären lassen, so hatte man damit den Komplex der Glacialphänomene doch noch nicht in seiner Gesammtheit erkannt. An die Gletscher- entfaltung knüpft sich die Thätigkeit des äieesend^ Wassers. An den verschiedensten Theilen eines Gletschers entspringt Wasser, gewaltige Massen desselben entströmen seinem Ende. Mit dem Ende des Gletschers verschiebt sich der Ausgangspunkt der Wasser- wirkungen, Schottennat«riaI muss' mit den Moränen in Konnex treten. So darf man nicht anst«hen, die Wasserwirkungen, welche sich an die Ausbreitung der früheren Gletscher knüpfen, auch der Glacialfonnation zuzuzählen.

J. DE Charpentier^) lenkte die Außnerksamkeit auch auf diesen Punkt Allein unter Glacialanschwemmungen verstand er nur die Ablagerungen, welche in Gletscherseen, d. h. in den durch Eis aufgestauten Wasseransammlungen entstanden, er nannt« solche Ablagerungen „alluvium gladaire", wenn sie an heutigen Gletschern entstehen, dagegen „diluvium glaciaire", wenn sie das Produkt früherer Eisströme sind. Aoassiz lehrte die grosse Bedeutung derartiger Gebilde zuerst kennen; er zeigte'), dass die parallelen Terrassen Schottlands ein solches „diluvium glaciaire" darstellen. Aber weder J. de Charpentier noch L. Aqasbiz kamen zu einer richtigen Würdigung jener Ablagerungen, welche durch die r^eloiäesig entströmenden Gletscherwasser gebildet werden. Beide ä)

') Esaai sur les gjaders. 1841. §. 84.

*) The Qladal Theorf and its recent Frogress. The Edinb. new philo«. Joum. 1842. XXlII. p. 236.

*) J. DE Charpentieb: Bur la cause probable du tnuisport des blocs erratiquH de la Snisse. Annales des mines. III. S. t. VIII. 1835. p. 319. AoASaiz: The Glacial Theory etc. The Edinb. new phU. Jonm. XXIII. 1842. p. 234.

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12 Kapitel I.

BprechcD zwar mehrfach aus, dasB das „diluvium" der Schweiz sowie manche groeae Btrombetten mit der früheren Eiflauuiehnung in Zusammenhang stünden, beide reden mehrfach von den ge- waltigen Mengen von Schmelzwaseem, welche beim Rückzuge der Eisauedehnung entstanden, aber nirgends weisen sie einen be- stimmten Konnex zwischen solchen fiuvioglacialen Gebilden und echten glacialen bin. Erst Charleb MAJiTiNa^) ging weiter. £r suchte die enormen Schottenuassen des Rheinthaies als die Äb- If^nmgen von Qletecberströmen zu deuten, gebildet aus dem Moränenmateriala Später konstatirte er im Verein mit Gastal- di ^ men bestimmten Konnex zwischen den Schottermassen, welche im Liegenden der Moränen auftreten, und diesen letzteren. Er bezeichnete sie geradezu als Olacialanschwemmungen und lehrt zum ersten Male, dass beim Herannahen einer Vergletscherung weit beträchtlichere Schottermassen abgelagert werden, als beim Rückzuge derselben. Dem Beispiele von Makttks und Oastaldi ist eine Zahl namhafter Geologen geibigt, und als Glacialfor- mation werden nun nicht mehr bloss Moränenbildungen aller Art bezelohnet, sondern es werden hierzu auch enorme Schottermassen gerechnet

Mit der richtigen Würdigung der Grundmoräneu mit ihren gekritzten Geschieben und Gletscherschliden, mit Auffindung der gesetzmässigen Beziehung der mächtigen Schotterablagerungen zu der Gletscherausbreitung ist das Glacialphanomen in seinem vollen Umfange erkannt worden. Die Mehrzahl der schweizer Geologen schloss sich unbedenklich der Gletschertheorie an, und indem letzte« herrschend wird, hören die lebhaft Eontrovereen auf, die ihretwegen in den Jahren ISiO 1850 geführt worden waren.

In eingehendster W^se wurden nun die Schweizer Alpen in Bezug auf die glacialen Bildungen untersucht; das schöne Werk von A. Favre') gibt durch seine zahlreichen Literaturangaben

') Snr les formaldons r^Uferes du terrain de transport des vall^ du Ehin. Bull. Soc g^oL I. S. t. XIII. 1841, '42. p. 323—345.

*) Snr les tertain« superficieb de la vall^ du P6. Bull. Soc g^l. II. 8. t VIII. 1849/50. p. 554—603.

°) lUchercbee g^ilogiqnes dans les parties de la Savoie etc. Omf 1867. t. I.

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Qeechidite der Glodalgeologie. 13

ein deutliches Bild von den vielen durch diese Untersuchungen geförderten Arbeiten, und der neuerlich erwachte Eifer, erratische Blöcke zu konserviren, ist wol di&t beate Beveis daiur, dass die Oletachertheorie populär geworden ist.

Allein fand die Annahme einer gewaltigen VergtetBchenmg der Alpen bald allganeine Zustimmung, so verscfaafile eich die Lehre der Eiszeit ^einesw^ Eingang. Man hielt sie iur tönen Widerspruch zu der allmählichen Abkühlung der Erde. Die Ver- gletecherung der Alpen schien nur ein lokales Phänomen zu sein, welches keine Eiszeit voraussetze; die Vei^letacherung Skandi- naviens und GroBsbritanniens hingegen, welche unbedingt auf eine allgemeine Tempera turemiedrigung hinweist, wurde lebhaft In Frage gezogen und schliesslich gänzlich verworfen.

Es fehlte in Nordeuropa an d^ Anregungen, welche das Studium der Gletscher auf die Erkenntoiss der erratischen Phäno- mene ausübt, der Vergleich der letzteren mit beutigen Erschei- nungen war ungemein erschwert Es schien physikalisch unmög- lich, dass sich eine Eismasse von Skandinavien bis nach Nord- deutschland, von Schottland bis zur Themse verbreitete, obwol J. DE Charpentier, dieses gleichsam ahnend, ausdnandergeeetzt hatte, dass eine Gletschermasae sich selbst auf ebenem Terrain bewegen müsse. Vor allem aber schien die gemnümiaasste Aus- dehnung des Eises weit gewaltiger als die Entwicklung der alpinen Gletscher zur DUuvialzeit; sie war unfassbar und wurde nicht durch rez^ite Erscheinungen gestützt Zudem waren die treff- lichen Bemerkungen von L. Aqassiz über den Gesteinstransport unter dem Eise nicht genügend beachtet worden, der in den Alpen nachgewiesene Konnex zwischen Schottern und Moränen wurde überhaupt nicht zur Erklärung mancher Phänomene herbeigezogen; man betonte den Mangel von Seiten- und Endmoränen, die Äsar, welche man anfanglich dafür gehalten hatte, erwiesen sich nicht als solche, und noch 1864 äusserte SirRoDBBiCK Mubchison*}: „Der wahre und unbedingte Zeuge von Wirkungen terrestriecher Gletscher ist die Existenz von Moränen. Nun gibt es keine Spur

') Annivereary Address to the Geographical Societ?. Proc. Hoy. ge<^. aoc VIII. 1863/04. p. 241.

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14 Kapitel I.

dieser absonderlichen ÄnbäufuDgeu im SQden Schwedens und Finnlands, aller Schutt dieser Re^ooen sowie auch der des Nor- dens Russlanda und Deutschlands trägt Spuren von Waaserwirkung an sich". Es war also noch nicht zum allgemeinen Bewussts^n gekommen, dass Moränenwälle nur zufällige Glacialgebilde sind.

Eine Hypothese schien allen Phänomenen des Nordens aus- reichend Rechnung zu tragen. Es ist die alte Anschauung, welche den Transport des erratischen Materials auf schwimmendem Eise geschehen lässt Darwin imd Lyell hatten dieselbe auf die Alpen anzuwenden versucht, Chxrpentter ') hatte hier ihre gänz- liche Unzulänglichkeit gezeigt, aber für die Eracheinungen des Nordens schien sie ungemein passend. Ausgezeichnete englische Geologen, wie Lyell«), Darwik*), Sir Rodebick Mürchison*) und Andere, sowie von den Deutschen vor allem Bronn ^), ferner FoscHHAMMER*)undFHÄPOLLr^ warfen sich zu ihren Verfechtern auf. Ursprünglich nahm man an, dass die Eisberge des Polar- meerea sowie Fackeismassen erraüsches Material zerstreuten und beim Aufbhren auf den Strand Felsschliffe erzeugten; das ganze von erratischen Erscheinungen bedeckte Areal habe unter Meer gelegen. Später führt« jedoch eine erweiterte Kenntniss des erra- tiscl)en Phänomens in den schottischen und skandinavischen Hoch- landen zu einer Modifikation dieser Hypothese. Man nahm an, dass die Beigländer des Nordens Gletscher in ihren Thälem be- herbergt hätten; als Inseln hätten sie in dem nordem-opäi sehen Driftmeere aufgeragt, sie hätten ihre Eisströme in das Meer ge- sandt, dort hätten sieh dieselben in Eisberge aufgelöst Diese

') Eaaai sur les gladers. p. 181.

') On the Boulder-Formation of Eastem Norfolk. Philos. Uagas. 6. 3. vol. XVI. 18J0. p. 351. PriDciplee of Geology etc.

') Notea on the Effecte produced by the ancient glaciers of Caer- narvorshire, and on Boulders transported by floating Ice. The Edinb. new phil. Joum. XXXIII. 1842. p. 352.

*) Olasgow Meeting British Assodaldon. On the Glacial Theory. Anniv. Address pres. geol. Soc. 1841. The Edinb. new philoe. Joum. 1842. XXX. p. 124.

') Neues Jahrb. f. Min. und Geolog. X. p. 70.

") Poggendorff's Aunalen. LVIII. 1843.

Ö Bull. Soc. gfol. de France. II. 8. t TV. 1840/47. p. 416.

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Geschichte der Gladalgeologie. 15

letzteren nun hätten das erratische Material über dee Driftmeer verbreitet, und dasselbe unregelmäBsig abgelagert.

Diese Theorie war in vieler Hinsicht belViedigend ; sie gab eine ganz gute Erklärung der Erscheinungen am Bande des nor- dischen „DriftdistrikUs", und veit«r noch, sie schien auch den Schlüssel mr Erklärung grösserer Gletscherverbreitung zu ge- vähren. Man meinte, allerdings im Gegensätze zu den Ergebnissen meteorologischer Forschung, dass das Meer in Nordeuropa einw abkühlenden Eindusa auf das Klima gehabt habe und somit eine Ausdehnung der Gletscher in den europäischen Bergländem ver- ursacht habe. Aber bald stellte sich die Unzulänglichkeit dieser Drifttheorie heraus. Jene Forscher, welche das erratische Fhäno- inen in den nordischen Hochländern untersucliten, sahen dasselbe ununterbrochen in die Ebenen sich fortsetzen, nirgends fand sich eine Stelle, welche andeutete, dass sich hier die Gletscher der Gebi^e in Eisberge auf losten. Zudem erwuchs der Gletschertfaeorie eine neue Stütze in bis dahin nicht bekannt gewesenen Thateachen der Jetztzeii

RiNK^) lehrte in Grönland ein gänzlich übereistes Gebiet kennen. Was man bis dahin für immöglicb gehalten, war that- sächlich der FalL Man sah hi^ ein Land mit Gletschern gänz- lich und zusammenhängend bedeckt, man sah eine solche Eisfläche vor Augen, wie sie früher als Bedeckmig des Nordens angenommen worden war. So brach sich von neuem die Anschauung Bahn, dass Skandinavien gänzlich vergletschert gewesen sei. Kjerulf*) verfocht dies für Norwegen; Torell^ arbeitete diese Annahme, unterstützt durch reichliche Erfahrungen in den Polarländem, für Schweden aus, nachdem schon früher Hampus von Post gezeigt hatte, dass bei der Bildung mancher schwedischer Ablagerungen

') Om den geographiske BeekafTenhed af de danske Handeis- distrikter i Nord-Grönland tilligemed en Udsigt over Nord-Grönlands GeognoBi. K. Danak Vid. Selskabe. Skr. 5. H. 3. B. 1852. p. 37. Grön- land, geographisk og HtatiBtisk bescrevet. 18ö2. 1855. 1857.

') Jagttagelaer orer den poatpliocene eller glaciale formation i eo del af det sydlige Norge. Univereitetsprogram Chriatiania 1860. p. 6.

■) Btdiag tiU Spetsbergena Mollusttauna. 1859. UndersÖkiiingar Öftrer istiden. 'Öfrers. Vetensk. Akad. Förh. Stockholm 1872.

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16 Kapitel I.

Gletscher thätig genesen seien ^); ^e gänzliche Vereisung Bchott- lauds wurde von neuem besonders durch Jamiebon*) Terfbchten, nachdem Rausay^ zuvor schon ausgesprochen hatte, dass alle „Driftdistrikte" vergletschert gewesen seien.

Bas Btudium der heutigen Gletscher hatte in den Alpen den ersten Impuls zur Lösung des erratischen Phänomens gegeben. In den Alpen befestigte sich die Lehre einer früher»! grossen GletscherentfaltuDg; die Kenntniss der polaren Inlandeismaasen in Grönland, Spitzbergen und auf Island erweiterte diese An- schauung und führte wieder zur Annahme der von Aoasbiz be- haupteten Uebereisung ganzer Landesthdle. Der Schwerpunkt der Glacialforschung verlegte sich aus den Alpen nach dem Nor- den Europas. Schottische und skandinavische Geologen b^^annen ihre Studien weit über die Grenzen ihrer Heimat auszudehnen. Sie fanden allüberall dieselben Phänomene, wie an den Punkten, von welchen sie ausgingen. Vertraut mit den Charakteren der Grundmoräne konnten sie nicht anstehen, den englischen „Beul- derclay", den norddeutschen „Geschiebelehm" auch füi eine solche zu halten, zumal als sich herausetellle, dass unter beiden auch ge- schliffene Felsflächen vorkommen. Die ziemlich beträchtlichen, geschichteten Gebilde, welche in Verbindung mit den Gnmd- moränen auftreten, und welche vor allem der Drifttheorie als Stütze zu dienen schienen, wurden für die Anschwemmungen von Gletscher- bächen erklärt So verfochten nordische Gelehrte eine ähnliche Entwicklung des Eises im Norden Europas, wie einst J. de Char- FBNTiEB, AoABstz Und Veketz, Und in dem Maasse, wie sie diese Annahme befestigten, entzogen sie auch mehr und mehr derDiift- theorie den Boden. Ihre Untersuchungen wirkten be&uchtend auf das Studium der erratischen Phänomene sowol in England als auch in Deutschland, bis sich auch hier Stimmen für Annahme der Gletschertheorie erfolgreich Geltung verschaflien.

') Om krow-ateuBblddar i Bkedvi Socken, öfrera. kgl. vet.-okad. afbandl Stockholm 1S56. p. 235.

*) On the Ice-wom Bocks of BcotUnd. Quart. Jonm. geoi(%. Soc XVIII. 1863. p. 164. On the Hietory of Last geological Changes m Sootland. Quart. Joum. geolog. Soc. XXI. 1864. p. 161.

*) On Qxe Gladal Origin of certain Alpine Lakea. Quart. Jouru. geolog. Soc. London. XVUI. 1862. p. 204.

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Geschieht« der Gladalgedogie. 17

Erst musBte die Unhaltbarkeit der , Drifttheorie Bchlagend . nachgewiesen sein, ehe man völlig den Ausspruch von Aqabsiz würdigen konnte, d&ss gekritzte Geschiebe und geschlifiene Fela- oberflächen, wo auch sie vorkommen, als Bewräse für eine ehe- malige Eisausdehnuiig anzusebeu sind. Dadurch ist sun ein treff- liches Mittel gewonnen worden, die Eiswirkungen in früheren Perioden der Erdgeschichte zu verfolgen, wobei man sich jedoch immer erinnern muss, daes jede Eisausdehnung nicht nur die Bildung 'von Moränen, sondern auch die Ablagerung mächtiger Bchottermassen im Gefolge hat Nur in den Moränen sind ge- kritzte Geschiebe zu erwarten.

Die Drifttheorie setete Veränderungen in der Vertheilung von WasBOT und Land voraus, und durch eben diese Veränderungen glaubte man die Gletschra^ntwicklung in den Alpen und anderen mitteleuropäischen Gebiigen erklären zu können. Indem nun aber gezeigt wurde, dass gerade jene Distrikte, welche einst unt^ dem Meere gelegen haben sollen, vergletschert gewesen sind, ist jener Annahme der Boden entzogen worden; von neuem hat sich die M^u)ig befestigt, dass eine allgemeine Temperaturemiedrigung die Gletscherentwicklung bedingt hat. Kausat ') war es, welcher auch hier fördernd eingriff und Agassiz' Annahme einer Eiszeit neu bdebte. Vielfach, wenn auch keineswegs allgemein, wird diese Meinung getheilt, und selbst der kühne Gedanken von Aqabbiz über die Periodioität solcher Eiszeiten hat wieder Beifall erlangt Agasbiz hat denselben zwar ebensowenig begründet, wie die Vermuthung einer fast gänzlichen Vereisung der nördlichen Hemisphäre. Hogabd*) dürfte der erste gewesen sm, welcher auf Spuren von Gletscherwirkungen in älteren Formationen wenig- stens beiläufig hinweist Er zeigt, daas GeröUe aus dem Vogesen- sandsteine und tertiärer Nagelfluh der Schweiz absolut überdn- stimmen mit Geschieben, deren Zustandekommen er ausschliesslich auf Eiswirkungen zurückfuhrt Heute muss freilich gesagt werden.

*) On the QUcial Origin of certain Lokea in Switzerland. Quart Joum. Geolog. Soc London. XVIII. 1862. p. 185. „The Gladal Period" (p. 204).

') Coup d'oeU sur le terrsin erratique dea Voeges. Epinal 1848. Einidtung.

Psnck, Die VergletacheTODg. 2

D,.-,:cdbvG00gIe

13 Kapitel I.

dasB diese letztere Annahme eine Täuschung var. In ein wesent- lich weiteres Stadium trat jedoch diese Frage, als sich Rahsay >) ihr widmete, auf die grosse Äehnlichkeit mancher Partien des englischen Rothlic^enden mit dem englischen Geschiebelehme, dem Boulderclay, hinwies, und in denselben Spuren von Gladalwirkungen erkannte; als dann in rascher Folge in der ganzen Rdhe der geologischen Formationen besonders durch en|^iscfae Gelehrte Er- scheinungen bekannt wurden, welche man auf Glet«cherthätjgkeit zurückführte. Aber nicht nur in älteren Formationen fand man Gletscherspuren, man gewann auch Anhaltspunkte dafür, dass in der DiluTialzeit alle grösseren Qlet&chergebiete mehrmals hinterein- ander vereist gewesen seien, Venetz, der Vater der Glacial- geologie, hatte dies immer von der Schweiz angenommen, MoRLOT *) glaubte hier in der That zwei Vergletscherungen nachweisen zu können, und schon bevor Ramsay mit seinen epocbemach enden Untersuchungen an die OeSentlichkeit getreten war, hatte Mob- lot °) sich zu Gunsten einer Periodicität der Eiszeit ausgesprochen. Eine Reihe von Autoren kam nach ihm in den Alpen zu dem- selben Ergebnisse. Besonders fSrdemd waren die Arbeiten Hber's *), durch welche eine milde Zwiscbenperiode, mne Interglacialzeit, zwischen zwei Eiszeiten erkannt wurde. Auch das Studium der Olacialphänomene des Nordens scheint nicht bloss zur Annahme einer Eiszät zu fuhren. Chambers^) Euent und später mit grösserer Schärfe Archibald Geikie ^ suchten in Schottland mehre aufdnanderfolgende Vet^letscheningeD nachzuweisen, und Jaices

') On the Occutence of angular, aubangulai, poliabed and striated &i^ment8 and bouldera in the Fermiui Brecds of Sbropahire, Wor- cest«rshire, and on the probable existence of Oladers and Iceberga in the Permian Epoch. Quart. Joum. geol<^. Soc XI. 1855. p, 185.

*) Notice inr le quatemaire en Buisse. Bull. Soc vaud. FV. 18&4. p. 41.

*) Note Bur la eubdivision du terrain quateraüre en Buisse. Arch. d. sdence phys. et nat. Bibl. univers. Gen&7e 1855. 29. p. 33.

*) Urwelt der Schweiz.

') Jaubbon's Edmbur^ phiL Joum. Apr. 1853.

*) On tbe Phenomena of the Gladal-Drift of BcoÜand. Trans- actions geolog. Soc. of Glasgow 1863. voL I. part I.

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Geschichte der Gladalgeolo^e. 10

Geikie') föbrte aus, wie auf den britiachen Ineeln sowie in allen genauer imtersuchten Qletachergebieten verschiedene Gnindmoränen als Zeugen verschiedener Eisausdelmungen während der Diluvial- periode vorfianden sind.

Je nach den Ansichten über die Ursachen der Ye^letsche- rungen hat man den angeführten Beobachtungen verschiedenes Gewicht beigelegt. Lyell, welcher nur allein in geographischen Verhältnissen die Ursachen der Eisausdehnung zu erkennen glaubte, führte Spuren früherer Gletscherentfaltung lediglich auf geogra- phische Veränderungen zurück, in dem Maaaae jedoch, als sich die Lehre einer Eiszeit neue Anhänger gewann, befestigte sich die Anschauung, da^a ii^end welches periodisch wiederkehrende kos- mische Ereigniss die Gletscherentfaltungen bedingt habe. Jähes Cboll*) entwickelte 1864 zuerst den Giedanken, den er apäter weit^ verfocht.'), dasB das Klima fortwährenden Schwankungen unterworfen sei, je nach der Veränderung der Excentricität der Erdbahn und der Stellung der Aequinoctial punkte. Er entklddete 80 die Eiszeit»! ihres katastrophenartigen Charakters, und deutete «e nur als Folge besonders intensiver klimatischer Schwankungen. Dadurch wird die Lehre von der Eiszeit zur Lehre von klimatischen Veränderungen, und Jaheb Geikie*) zeigte neuerlich, dass seit der Gletscherentfaltung zur Diluvialzeit auch noch fortwährende Obcü- lationen des Klimas stattgefunden haben.

Allein wie heute die Dinge liegen, so kann noch nicht ge- sagt werden, dasa die Annahme wiederholter Vereisungen zur Diluvialzeit, oder gar deren AuArelen in früheren Perioden von allen Forschem als unbestreitbare Thatsache angesehen wird, Eme nicht geringe Anzahl von Geologen hat sich entschieden gegen diese Annahme ausgesprochen, und die Stellen, welche von der «inen Seite als beweisend für eine mehrfiwhe Vereisung angesehen werden, werden von der andern in anderer Weise gedeutet Aber

■) Changes of Climate ianug tbe QUdal Feriod. Qeolog. Mag. 1872. The Great Ice Age. 1874. 2. Aufl. 1877.

*) On the Fhjncal Cause of the Change of Climate during Geo- logical Epochs. Fhilos. Magaz. IV S. 28. 1804. p. 121.

•) CUmate and Time. 1875.

*) Frehistoric Europe. 1881,

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20 Kapitel I.

gerade diese Verschiedenheit der Meinungen läset ee wünschenswertfa erscheinen, jedes einzelne einschlägige Phänomen mit besonderer VorMcht zu prüfen, und jedes, wenn auch noch so abgeschlossene, Untersuchungsgebiet kann im Stande sein, Material zur Entschei- dung der Fri^ zu liefern, ob während der Diluvialzeit sich mehre Vereisungen geltend gemacht haben, und ob demnach anzunehmen ist, daas das Klima foitröbrendem Wechsel unterworfen ist Die enorme Entfaltung von ISismaasen während der Giaciaizeit bat dem Olacialstudium einen neuen Impuls gegeben; indem man die Spuren einer Eiszeit erkannte, drängte sich die Frage nach deren Ursachen auf und führte zur Kenntniss eines klimatologischen Problems. AJlein damit ist die Anregung noch nicht abgeachlossen; in Anbetracht einer so gewaltigen Eisentwicklung wird nahe ge- 1^, die Wirkungen derselben auf der Erdoberfläche naher zu v^olgen und vor allem zu entecheiden, ob und ia welcher Weise die Bodengeetaltung durch die Vergletscbemng beeinflusst worden ist '

Orographische Werke der Oletscher regten das Glacial- studiuin zuerst an; das Studium der anhäufenden Wirkungen der- selben, das Studium der Moränenwälle hat den ersten Beweis früherer Gletscherauedehnung geliefert. Die Verfolgung der Gletscherepuren hat gezeigt, dass die Gletscher in derselben Weise allenthalben Material angehäuft und in allen Gletscherbezirk^ eine bestimmte Bodenkonfiguration erzeugt haben, welche Desob kürzlich passend als „Moränen landscbaft" bezeichnete. Allein die alten Gletschei^biete sind auch durch andere orographische ZQge charakterisirt Rambay') ze%te 1862, dass alle alten Gletecher- gebiete durch enormen Seenrelchtbum ausgezeichnet sind, und er erklärte diese Thatsache dadurch, dass er in jenen Seen Werke der Gletschererosion erblickte. Die Fjorde, deren Beschränkung auf die Küsten' höherer Breiten schon Dana*) 1849 hervorhob, wurden von ihm gleichfalls als Werke der nagenden Thätigk^t des Eises gedeutet, und so erklärte sich ihre geographische Lage.

*) Od the Olacial Origio of certain Lakes in Switzerland. Quart Joum. geolog. 8oc. London. XVIII. 1B62. p. 185.

*) U. 8. Ezploring Expedition 183Ü— 1842 under the command of Wilkes. Vol. X. Geology by Dana. 1849. p. C75.

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Geschichte der Qlacüdgeologie. 21

In dm Alpen war G. de Mostillbt^) kurz zuvor zu ein«m ganz ähnlichen Resultat« wie Rahsay gekommen, jedoch auf anderem Wege. Er war nicht von der geographischen Verbrdtung jener Seen ausgegangen, sondern von deren geologischem Älter. Er suchte zu zeigen, dasa ihre Entstehung gerade in die Olaoial- zeit fiele und war demnach geneigt, sie als ein Werk derselben anzusehen. Während jedoch Rausat die Binnenseen und Fjorde der alten Oletschei^biete gänzlicli durch das Eis ausschleifen läset, nimmt de Mortillet nur an, daes sie durch dasselbe wieder ausgehöhlt worden seien, d. h. wo sie heute sieb ausdehnen, waren früher schon Yeiüeinngen, welche durch loses Material aus- gefüllt wurden, das dann durch das Eis wieder ausgepäügt wurd& Jeden&lls führen aber beide, de Mortillet und Ramsay, die Entstehung der Been auf erodirende Wirkungen des Eises zurück. Aber in dieser Annahme fanden sie &at allgemeinen Wider- spruch. Die Gletscher erodiren nicht, sondern kooserviren ihre Unterlage, wurde ihnen entgegnet, und lebhafte Erörterungen werden seither über den Umfang der Wirkungen des Eises auf den Boden gepflogen.

Allein die merkwürdige geographische Beziehung zwisch^i der Verbreitung der Seebecken und Fjorde, welche als supra- und Submarine Gebilde derselben Art zu gelten haben, ist doch zu entschieden, als dass sie rein zufalUg sein könnte, und ee ent- wickelte sich über ihre Ursache eine Anschauung, welche von der RAMSAY'acben diametral abweicht

AoAssiz*) sprach wol zuerst den Gedanken aus, dass die Alpenseen durch die frühere Vei^letscheruDg vor ihrer Ausfüllung bewahrt worden wären, sie seien durch das Eis konservirt Diese Anschauung wurde nun, nadidon Ramsay die geographische Be- ziehung zwischen alten Gletsche^biet«n und Seen und Fjorden nachgewiesen, zunächst wieder auf die Alpenseen durch Desob*)

') Note g^idogique aur Palazzolo et le lac d'Iseo en Lombardie. Bull. Soc. gfol. IL 8. t. XVI. 1858/59. p. 86. Carte des andens gladere da versant Italien des Alpe». Atti Soc. itaL sc. naU vol. III. 1861. p. 44.

*) Unteraucbungen über die Gletscher. 1841. p. 304.

^ De la ph^aioDomie du Ibcb suiseea. Revue Suisse. t. XXIII. 1860. p. 139.

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22 Kapitel I.

sowie ganz allgemein, insbesondere durch Reclds '), auf die Binnen- seen imd Fjorde der alten Gletscbergebiete anzuwenden geaudit. Sie sollen Rest« von Unebenheiten der Erdoberfläche sein, die durch die Vereisung erhalten wurden, während sie anderorte zu- gefüllt und eingeebnet worden sind. Nach dieser Annahme sind die Seebecken die Folge der konservirenden Eigenschaft des Eises.

Heute nun stehen sich die verschiedenen -Ansichten über die Bildung der Binnenseen und Fjorde noch völlig unvermittelt gegenüber. Haben sich nordische Forscher mit Vorliebe den RAHBAY'schen Ideen angeschlossen, und, wie nicht zu leugnen, manche Tbatsache zu dereu Befestigung gewonnen, so sind die Alpengeologen durchwegs anderer Meinung. Es eröfinet sich also auch auf diesem Gebiete der Lokalfoischung wieder die schöne Aussicht, zur Entscheidung lebhaft umstrittener Fragen beitrt^en zu können und den gestaltenden Einfluss der alten Verglet- scherungen zu ermitteln.

Das Studium der erratischen Phänomene lehrte zunächst ein neues Agens kennen, welches in der Erdgeschichte' wirksam ge- wesen. Es bedurfte eines langen Kampfes, bis es gelang das Eis als ausschliessliche Ursache dieser Phänomene zu erkennen. Lange Jahre bat es gebraucht, bis alle die Ablagerungen, welche der Gletscherwirknng zu danken sind, richtig gedeutet wurden, und jetzt handelt es sich darum, die zerstßrenden und destruktiven Wirkungen des Eises zu verfolgen. Aber ein weites Feld öfinet sich nun, nachdem die Frage nach der Ursache der Eiszeit durch Auffindung von Spuren derselben in älteren Fornutionen in eine neue Phase getreten, und sich die Olaoialforschung einem der schwierigsten Gebiete der physikalischen Erdkunde nähert.

Noch sind die Würfel abw nicht gefallen, noch ist es Auf- gabe einer objektiven Forschung, Material zu sammeln und dar- nach den Entscheid zu Gunsten dieser oder jener Meinung zu gewinnen, und in diesem Sinne soll versucht werden, die Glacial- phänomene Oberbayems nicht bloss als Lokalerscheinungen zu betrachten und zu sichten.

') Vergl. RECLre-ÜLE, Die Erde. 1876. Bd. II. p. 105.

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I. ABSCHNITT.

LETZTE VEEGLETSCHERIHSTG

VON

OBERBAYEEN UND NORDTIROL.

I. USMITTEIBABE GLACUlWIBKUHeM.

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Kapitel II.

OrographiBOhe Skizze des OebieteB der sOdbayeii-

sehen Glacialformation und hlBtorische Entwiokliu^

von deren Kenntniss.

Abhingigkeit des Glacialphäuomeiui Ton der BodenkoD^uratioD. On^^raphie der dmtacheii Alpen. Daa Innthal. Thäler der bayeriacheD Alpen. Muth- mauilicbe Gletecherent Wicklung. Vergletschenuig des Lnnthalea von FBIOKET und Moblot angenommeD. Fluththeorie von Pichlbr und UKOBB. Er- klänmgvD da enatiiichirii Phänomeiu auf der Hochebene. Fluththeorien von Wkibb, ScHAvHAMaoRCBKR, GOmbel. Oletschertheoile von Stark, ZiTTBL, GCmbbl.

Eine ehemalige grosse Entfaltung von Gletachem, wie sie von J. DE Cbabpentieb zuerst in einem Theile der Schweiz be- wiesen wurde, ist durch spätere üntersuchuagen allenthalben in den Alpen erkannt worden. Nicht nur alle schweizer Thäler und mit EisBtrömen erfüllt gewesen, dasselbe gilt auch von den Hiälem Savoiens und des Delphinats. S&mmtliche Thäler, welche den Büdabhang dea- Alpen herabsteigen, enthielten Gletscher, welche sich bis weit in die Poebme hin^schoben. Auch die Hiäler der Ostalpen waren vereist Freilich mangelt es gerade hier noch sehr an einschlägigen Beobachtungen, um sich ein ge- naues Bild'Ton der Entwicklung der Gletscher zu schaffen, allein die wenigen vorhandenen Anhaltspunkte bestätigen vollauf den Fundamentalsatz der Lehre CBAKPEimEit's, nämlich den, dasa das erratische Phänomen von der Bodenkonfiguration, von dem Relief des Landes abhängig ist Somit gewährt die Geographie der Alpen die Grundlage zum Verständniss der GlacialerBcheinungen.

Drei grosse Thäler ßihren aus dem centralen Theile dieses Gebiiges bach dem Süden Deutschlands. Es sind dies da« Rhein-,

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26 I. Äbsdmitt Letzt« Vergletechening von Oberbayern u. Nordtirol.

Inn- und Salzachthal. Längst schon bat man denEisetrom des Bhein- thalee verfolgt und seine Beziehungen zum Diluvium des südlichen Schwabens erkannt A. Escher von der Linth >) zeigte, dass sich dieser Gletscher bei seinem Austritte aus den Alpen fächerförmig ausbreitete, deu Bodeneee überschritt und sich bis in das Fluss- gebiet der Donau erstreckte. Wmter nach Osten werden die Ver- hältnisse komplicirter, zufolge der Topographie der Qegend. Es beginnt die Domäne des longletEchers und seiner Dependenzen und Nebengletscher. Daran schlieest sich, nur theilweise in das Gebiet des deutschen Reiches fallend, das Bereich des Satzach- gletechers an.

Während in den westlichen Theilen der Alpen die Querthäler unbedingt vorwiegen und da^ Gebirge auf dem kürzesten Wege dränirt wird, sind die Ostalpen durch zahlreiche, wol ausgebildete Längsthäler charakterisirt Die vielen Adern, welche die Ent- wäBserung der Centralkette besorgen, verlassen das Gebirge nicht auf kürzestem Wege. Sie sind genöthigt, auf mehr oder minder grossen Strecken ihres Laufes jenem grossen Längsthale zu folgen, welches die Centralalpen, also im wesentlichen das Gebiet der krystalliniscben Schiefer, von den nördlichen Kalkalpen scheidet Nur an drü Stellen durchbrechen östlich vom Rhein Abäüsse der Centralkette die nördlichen Kalkalpen, es sind dies Inn, Salzach und Enns. Ausserdem aber werden die nördlichen Alpen von zahlreichen Querthälem durchsetzt, welche jedoch nirgends bis zur Centralkette sich verlängern, wenn sie auch öfters gegen jene gAisse Senkung geöffiiet sind, welche die Centralkette von den Kalkalpen trennt

Tief im Herzen der Centralalpen nimmt das Inothal seinen Ursprung. Von Südwest nach Nordost verläuft das Oberinnthal, bei Landeck jedoch ändert sich die Richtung des Thaies, es bildet nun auf eine Entfernung von ungefähr 150 km die Scheide zwi- schen Centralkette und nördlichen Kalkalpen. Es sammelt die zahlreichen Abflüsse der ersteren. Mit dem Stanzerthale vereinigen

') Ueber die Gegend von Zürich in der letzten Periode der Vor- welt Aus: Zwei geologische Vorttfige von Heer und A. Escheb von SEB LiNTE. Zürich 1852.

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Eap. n. Orograph. Skizze d. Gebietes d. sfldbayer. Glaualfonnation. 27

sich in ihm Waasei der rhäÜBchen Alpen, das Piz- und Oetzthal fOhren ihm die Gewässer der Oetzthaler Gruppe zu, dae vom Brenner kommende Sillthal bringt ihm ZuflüsBe aus der Stubaier Gruppe, das Zillerthal solche aus den Zillerthaler Alpen. Endlich bei Kufstein durchbricht es die Kette der nördlichen Ealkolpen.

Es ist bemerkensnerth, dasa diese letzteren dem Inn kaum irgend einen namhaften Zuäuse senden. Sie werden direkt nach Norden entwässert. Da, wo sie mit den CenCralalpen am nahe- sten zusammentrete D, entspringen ihre Haupt Wasseradern. In der Nähe des Arlbei^es, welcher den höchsten Punkt in dem grossen Längethale zwischen Central- und nördlichen Eolkalpen bildet, entspringen Br^nzer Ach, Hier und Lech, und bilden in sich ab- geschlossene Thäler. Die erstere äiesst dem Bheine zu, die letzteren werden der Donau tributär. Die Thäler hingegen, welche in den Alpen nördlich des Inns entspringen, also die Thäler der nordtiroler und oberbayerischen Alpen, haben meist eine Oeähung nach dem Innthale selbst Sie durchbrechen die Ealkalpen als mehr oder minder tiefe Scharten, welche meist über 1000 m unter der mitt^ leren Kammhöhe liegen und eich nur um 50O 800 m über die Sohle des Innthalea erheben. Diesen Scharten folgen seit alters her Strassen; Fempaas, Seefelderpass, Achenpass und der wenig wegsame Kaieerpass öffiien die Thäler Oberbayems nach dem Inn.

Alle Thäler also, welche zwischen Rheni und Inn die Alpen verlassen, reichen nicht bis zur Centralkette, und, was für das Studium der erratischen Phänomene von besonderem "Werthe ist, sie berühren nirgends das Gebiet der krystallinischen Schiefer. Die westlichsten dieser Thalsysteme sind fast gänzlich in sich abgeschlossen, die östlichen hingegen durch tiefe Pässe nach dem Längsthaie, welches Central- iind nördliche Kalkalpen trennt^ geöfihet

Die Mächtigkeit der diluvialen Gletscher in den Alpentbälern ist überall eine enorme gewesen. Das Wallis war bis zu einer Höhe von 1600 m über den Rhonespiegel vereist, in den Thäleni des Delphinat erhob sich das Eis im Mittel bis zu 1200 m Meeres- höhe, während die Thalsohle sich nicht wesentlich über 200 m erhebt Die Folge dieser erstaunlichen Mächtigkeit ist, dass sich die Gletscher aus dem einen Thalgebiete öfters auf niedrigen

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28 I- AbBchnitt. Letzt« Vergtetscherung von Oberbayem u. Noidüiol.

Päeeen in ein benachbartes ergieeBen konnten. Ein Beispiel hier- jtkr ist der Rheingletsch^. Er theilte sich bei Sai^ana. Ein Arm drang in daa Linththal vor, der andere folgte dem Laufe des Rheines. Der Aaregletscher sandte einen Zweig über den Brüning- poaa in das Flussgebiet der Beuss. Der Is^r^letscher gab bei Albertville einen Zwdg ab, welcher sich in diu schöne Thal von Annecy erstreckte, theilte sich sodann bei Chamb4ry, um einer- seits nordwärts über den See von Bourget nach dem Rhonethal sich zu ergiessen, und um andererseits nach 6üdwest«n dem heu- tigen Is^thale, dem Greeivaudan, bis unterhalb Grenoble zu folgen. Der Gletscher des Etschthales setzte sich durch das Becken des Gardaseee fort. Waren nun die Östlichen Alpen in demselben Maasse vereist wie die westlichen, . so muasten sich ähnliche Phänomene, wie die geschilderten, ungemein oft wieder- holen. Die Gletscher der Centralalpen mussteu im Stande sein, durch die geöffneten Querthäler der nördlichen Kalkalpen vorzu- dringen, und vielfach musaten sie in Ivängethälem mit dnander zu einer einzigen gewaltigen Eismasse verschmelzen. Besase der Gletscher des Innthales nur eine Mächtigkeit von 1000 m, so muest« er über die namhaft gemachten Päese der nordtiroler Alpen geradezu überdiessen, er muaste Arme und Zweige in die Fluss- 8yst«me der bayerischen Alpen senden und sich durch dieee bis auf die bayerische Hochebene erstrecken. Hier mussteu diese Arme in ähnlicher Weise zu einem Eismeere verschmelzen wie die schweizer Gletscher in der schweizerischen Ebene, wie die Glet- scher des Delphinats in der Umgebung Lyons.

Längst schon ist ausgesprochen worden, daes das Innthal in der That in ähnlicher Weise vei^letachert gewesen ist wie die schweizer Thäler. FriqmetI) lernte zuerst die Ausdehnung des erratischen Phänomens daselbst kennen, und nach Moklot^) er- reichte der Inngletecher eine Mächtigkeit von 3000 Fuss. Allein

') Du pb^nomfeDe erratique en Tirol, et particuli^ment dans la vall^ de rinn. Thfese de g^logie pr^nt^ it la facult^ des Bcieaces de Strassboui^. 1846.

*) £rl£ut«rungen zur geologischen Uebetsicbtskarte der Östlichen Alpen. Wien 1847. p. 61.

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Kap. IL OtogtBph. Skizz« d. Gebiet«« d. BUdba:rer. OladalfonnEtion. 29

diese Annahnie fand keines Anklang. Pichleb ^) Buchte die Ver- breitUDg von Findlingen aus den Centralalpen in den nördlichen Ealkalpen durch Fluthungen zu erklären, welche aus dem Inn- tiiale in die Thäler der Ealkalpen eindrangen; Bolehe Fluthungen hatte schon TJnoer') zur Erklärung des Phänomens herbeigezogen. Auf der Büdbayeriachen Hochebene hatten die erratischen Bildung^ Bchon zeitig das Interesse der Forgcher erregt Flurl^ erwähnt ausföhrlieb des erratischen Bchuttee und meint; das Ge- birge müsse früher höher gewesen seon, sonst habe es nicht so viele Trümmer liefern können. J. F. Weiss ^) sagt über die ihm wolbekannten erratischen Blöcke: „Ob die bisherige ErklärungB- weise dass sie auf Eisschollen ber dem hohem Stande der Gewässer aus den entfernten Geburtsstätten an die jetzigen Orte ihres Vorkommens übergeecbifil wurden genügend sey, wage ich nicht zu entscheiden." Er sucht die Anbäuiung dee erratisebeD Schuttes, seiner „aufgeschwemmten Berge", sowie die Bildung mancher Seen Südbajems durch die Annahme zu erklären, dass einst aus den Alpenthälem gewaltige WassermasBen hervor- Btrömten, das Land ibeils aufWählend, theils durch Schuttabtage- Tung erhöhend. ScBämiAiisaRiJBER ^) erkannte zuerst eine be- stimmte Beziehung zwischen der Vertheilung des erratischen Materials am Fusse der bayerischen Alpen und den Thalzügen. Aber auch er war noch in den Fluththeorien befangen, er verwarf die Gletschertheorie sowol iilr unser Gebiet als auch überhaupt und erklärte die Vertheilung des erratischen Schuttes durch eine

') Beiträge zur Qeognosie Tirols. I. 1859.

') üeber den £^nfluss des Bodens auf die Vertheilung der Ge- wächse. Wien 1826. p. 70.

*) Beschreibung der Gebirge von Baiem und der ot)eren Pfalz. MflniAen 1792. p. 20—22.

*) SQdbaiems Oberfläche oncb ihrer äussern Gestalt. München 1820. p. 123.

') Fbiedr. BcbÖkkamboruber : lieber das Gesetzliche in der Ver- hrdtung der Dilnvialfluthen. Corresp, -Blatt d. zoolog.-mineral. Vereios Begensburg. Bd. XI. 1857. p. 121. Die Diluvialflutben des Satzach- gebietes. E^ndaselbst p. 135. Ueber den Ursprung der Homblende- gesteine im Flns^rOHe der Douau bei Ingolstadt. Ebendaselbst. Bd. Xrv. 1860. p. 123.

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30 I- Abschnitt. Letzte Vergletscherung von Oberbayem u. Nordtirol.

2000 3000 Fu98 mächtige WaBHennasBe, welche im lunthale dtLhiaschoss, sich in den Thälem der bayeriBchen Alpen verbreitete und iD deDselben an verschiedenen Stellen das Vorland erreichte. Diese Fluth entwickelte sich also ganz nach der Art eines Glet- schers, sie fand die Thalzüge bereits fertig gebildet vor.

Selbst GUhbel's^) epochemachende Untersuchungen in den bayerischen Alpen brachten noch keine Lösung des erratischen Problems. Auch Gühbel war kein Anhänger der Gletscher- theorie, welche den Schlüssel zum Verständniss jenes Phänomens gewährt. Seinem scharfen Auge entgingen zwar keineswegs die Glacialbildungen, eine Reihe bemerkenswerüier Züge ihrer Ver- breitung wurden von ihm beobachtet, allein er erklärte deren Zu- standekommen gleich&Ils durch eine gewaltige Fluth. Die Oen- tralalpen hätten früher eine grossere Höhe gehabt, sie seien daher in groseartigem Maasse mit Bchnee und Eis bedeckt gewesen. Da senkten sie sich plötzlich, Schnee und Eis schmolzen und ver- wandelten sich in enorme Wassermassen, die sich in der Thäler der Kalkalpen ergossen, selbst über die Pässe anschwollen und sich auf der Hochebene verbrdteten, überall lagerten sie Schutt und erratische Blöcke ab, oder wühlten tiefe Thal&rchen aus. OOmbel theilte also im wesentlichen die Ansicht Elie de BEA.U- mont's, und gleich Weiss nahm er an, dass dasselbe Phänomen,' welches die erratischen Blöcke verbreitete, der Oberfläche Süd- bayems ihre endgültige .Gestaltung gab. Desor^) nun schöpfte aus GChbel's reichen Mittheilut^en, er nahm eine Vergletsche- rung der südbayerischen Hocheb«ie an, aber seine Mittheilungen über diesen Gegenstand geschehen nur ganz beiläufig. F'i sehr ein- gehendes Studium der Terrainverhältnisse in Oberbayem und den nordtiroler Alpen, femer ein genaues Studium des über dieGlacial- verhältnisse in den Alpen Bekannten und eine glückliche Ver- werthuQg des veröffentlichten Materials über die erratischen Erschei- nungen desGebietes führten im Jahre 1873 F.Stark*) zur Kon-

') Gec^oatisdie Beschreibung des bayerischen Alpengebirges und seines Vorlandes. Gotha 18Ö1. p. 805.

') Der Gebirgsbau der Alpen. Wiesbaden 1865. p. 115.

°) Die bayerischen Seen und die alten MorSnen. Erliuterungen zur

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Kap.II. Orognph. Skizze d. GeUetes d. eOdbayer.QlacUlformalion. 31

struktion einer idealen Uebereichtekart« von Oberbayem zur Eis- zeit Dieselbe stellt in ganz ausgezeichneter Weise einerseits die Züge des Inngletschers dar, welche letzterer in die nordtäroler Alpen sandte, und andererseits die Ausbreitung der Gletscher in Oberbayem. Freilich sind es mehr glückliche DiTinationen und Analf^eschlüBse als in der Katur angestellte Beobachtungen, Teiche in dieser Karte niedergelegt sind, und es bedurfte noch eines virklicben Beweises, dass sich Gletscher über die von Stark angegebenen Räume in der von ihm angenommenen Weise ver- breiteten. Dieser Beweis nun ist durch Zitiel ') endgültig geliefert worden.

Zettel erkannte gelegentlich einer Reise nach Skandinavien die ungemeine Aehnlichkeit der Bodenbeschaffenheit und der Ge- steine der bayerischeD Hochebene mit manchen skandinavischen Ablagerungen, und ohne von den Arbeiten Stark's Kenntnisa zu haben, gelang es ihm unzweifelhafte Gletscherspuren auf der bayerischen Hochebene nachzuweisen. Er erkannte unweit Mün- chen im Blocklehme eine echte Grundmoräne, er fand Gletscher- schlifle und gekritzte Geschiebe. Er wies die Spuren eines alten Isargletschers nach. Er fand jedoch in den Moränen desselben ausser Gestdnen des Isai^bietes auch solche der Centralkette; er schlosa daraus, daes die Pässe der Nordalpen von Gletschern überschritten wurden, welche die Urgebii^geschiebe mit eich fiihrten. Schliesslich stellte er eine Gliederung der diluvialen Schichten Oberbayems auf, welche treÖlichst mit den von andern G^enden bekannten harmonirt Er unterschied nämlich von den Moränen, den e^entUch glacialen Schichten, prä- und postglaciale Schotter.

ZiTTEL*) ergänzte seine Beobachtungen durch mige nach-

Kart«: Ideale Uebersicht von Südostbajeni lur Eiszeit Zeitschr. d. deutsch. Alpenvereins. Bd. IV. 1873 und angefahrte Karte.

*) üeber QletachereracheinuDgen in der bayerischen Hochebene. Sitzungsber. d. math. pbye. KlaMe. Akad. der Wissensch. München 1874. p. 252.

*) NachtrSgliche Bemerkungen zu dem Äufeatze über die Gletscher- erscheinungen der bayerischen Hochebene. Verhaudl. d. k. k. geol<%. Rdchsanstolt 1875. p. 46. Ueber Glet«chereTScheinungen der bayeri- schen Hochebene. Ebendaselbst p. Hl.

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32 I- Abcchaitt. Letzte Ve^letachenmg toq Oberbajeni u. Nordtjrol.

tiiglicbe Mittheilungen, und auf Grund der neu aufgefundenen Tbateachen scbloBs sich GChbel der neuen Aufiaeeung rückhalt- los an. In seinem „AbrieB der geognostiechen Yerhältoiase der Tertiärschichten bei Miesbach und des Alpengebirges zwischen T^msee und Wendelstein", welches Werkehen, als Manuskript gedruckt, den Theilnehmem an der Versammlung der Deutschen geologischen Geaellscbaft in München 1875 gewidmet ist, gab er eine Uebersicht des bis dabin bekannten Mat«rialea aber die Ver- gletecberung Büdbayema, welches er durch neue Angaben ver- mehrte. Später gab Gümbel') noch weitere Mittbeilungen über Gletacherspuren in der südbayerischen Hochebene; nachdem luvor Clessin^, an Stask's Arbeit anschliessend, die Moränengrenze westwärts bis zum Lech verfolgt hatte. Einen offenbaren Bück- schritt in der Erkenntniss bekundet ein Vortrag Dübr's^), und Untersuchungen von Grtjber*) fugten dem Bekannten nichts Keues hinzu. Die Fragen, welche Zittel offen lässt, nämlich ob der Inngletecher wirklich auf den angeführten Pässen in die bayerischen Alpen eindrang, femer die Frage nach der Ausdeh- nung der Gletscher auf der Hochebene sind bis heute noch nicht beantwortet worden.

') Die geognostische Durchforschung Bayerns, ßede in der öffeutl. SitzuDg d. k. bayer. Akademie d. WisBeDscb. München 1877. p. 72.

') Der Arapergletacher. Corresp.-Blatt d. zoolog.-mineral. Vereins Regensburg. XXIX. 1875. p. 25. 50.

') Das Alpenvorland zwischen Amper und Mangfall. Augsbutger Allgemeine Zeitung. Beilage. März 1877.

*) Das liiarthal zwischen der Loisach- nnd der Ampereinmündimg. Jahreaber. d. geogr. Gesellsch. München 1877/1870. VI. 1880.

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Ka^t«! III. Die Qnutdmor&ne.

Kapitel III. ' Die Oraudmoräne.

Erradscbe BIScke. ChaKLEs Uabtiks über die Ornndmorinen heutiger Gletscher. Der Blocklefam Büdbayems eine Grundmo^ne. Oekritcte Qeachlebe. Ablngernng der Gniadmoiäne, S^clitiuig und piurallel geschnunmte Geschiebe in dereelben. Glet«herKhtiffe mit gekreniten Schismmeii. An&rbeitimg der Uaterlige, Schichtenitauchungea. Äehnlichkeit des Büddevtscben Blocklehcaes mit dem norddeutscbea Qeschiebeielune. Eiraüsche Bestandtheile der Gnind- morilue. Sclinierigkeit derea Herkunft zu bestimmen.

Das Vorkommen von erraÜGchen Blöcken bat zuerst daa Studium der Glacialerscheinungen angeregt und hat deren Er- kenstniBS wesentlich gefördert. Allein es ist weder anzunehmen, dasa diese Findlinge ganz unbedingt und auBschliesalich auf Glet^ echerwirkungen deuten, noch ist zu denken, dass ihr Studium genau den Umfang und die Ausdehnung der Glacialgebilde er- kennen läesL Streng genommen müsste ein jeder Gesteinsblock auf secundärer Lagerstätte als erratischer gelten, und in solchem Falle kann sein Vorkommen durchaus nicht zur Stütze irgend welcher Theorie über seinen Transport dienen. Von vornherein hat man jedoch als Kriterium der erratischen Blöcke noch zwei Umstände hervoi^boben, nämlich ihre eckige und kantige Ober- fläche sowie ihre Lage und ihre oft absonderliche Stellung. In der Thal, vielen von Gletschern verfrachteten Blöcken kommen diese Eigenschaften zu, jedoch dieselben genügen noch nicht, um den Gletschertransport in jedem Falle bestimmt zu erweisen, denn auch andere Faktoren können die Ver&achtung solcher Blöcke vermittelt haben, wie z. K schwimmendes Eis. Vor allem aber ist zu bemerken, dass keineswegs alle durch Gletscher trans- portirten Blöcke jene Eigenschai^n besitzen. Schon J. i>e Charpentieb') hebt hervor, dass sich in der schweizer Ebene neben grossen, eckigen erratischen Blöcken in überwiegender Zahl kleine gerundete finden. Für diese letzteren ist der Gletscher- transport iur jeden einzelnen Fall zu beweisen. Freilich ist nicht zu leugnen, daea die Art und Weise des Auftretens gerundeter

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S4 I- AbschnitL LetEte Vergletacherung von Oberbayem u, Nordtirol.

Blöcke oft mit grosser Sicherheit auf deren Verfrachtuuga weise achliessen lässt Finden sich einzehie Blöcke über Bei^gehänge zerstreut, also an Stellen, wohin sie durch Wasserwirtung nicht -gebracht sein können, oder ntanimen sie gar aus fremden Flusa- gebieten, so lassen sie sich leicht als Gletschersteine auffassen, und das Vorkommen eines einzigen kleinen Geschiebes leistet die- selben Dienste behufs Konstatirung der Höhe, welche der Gletscher erreichte, wie der grösste erratische Block. Allein alles dies setzt voraus, dass die Existenz firüherer Gletscher mit Sicherheit be- wiesen ist, und so lange dies nicht geschehen, kann das Vor- kommen von erratischen Blöcken nicht als ein Beweis ftOherer Gletecherverbreitung gelten. So sehen wir in der That auch, dass d|i8 Vorkommen der erratischen Blöcke in Oberbayem längst be- kannt und längst studirt war, ehe man eich gezwungen sah, das Eis als deren Verbreiter anzusehen. Es bedarf also zunächst eines Beweises früherer Gletacherausdehnung, und derselbe wird mit gröBster Schärfe durch das Auftret«n von Grundmoränen und der damit verbundenen Erscheinungen geliefert

Während J. de Charpentieh i) nur von Sand und kldnen Steinen redet, welche sich zufallig zwischen dem Eise und dem Gletscher befinden, beschrieb Agassiz') zuerst eine Schlamm- und' Geröllschicht, welche den geschlifFcnen Fels unter dem Eise be- deckt Er hat diese Schicht als Gletscherschlamm, boue glaciaire, bezeichnet, welche Bezeichnung sich auch lange im Gebrauche er- halten hat, bis sie durch den von Charles Martins geschaffenen passenderen .Ausdruck Grundmoräne») verdrängt wurde.

Ueber die Bildung der Gruudmoräneu an heutigen Gletschern hat Charles Martins*) eine ausfuhrliche Schilderung g^eben. Es möge gestattet sein, dieselbe hier wörtlich anzufUhren: „Dringt man zwischen dem Boden und der Unterfläche eines Gletschers vor, die zahlreichen Höhlen, welche sich am Ende des Gletschers öfihen, benutzend, so trifft mau auf ein Lager von Geschieben tmd feinem, mit Wasser imprägnirtem Sand. Entfernt man dieses

') Eaaei sur les glaciere. p. 42.

') Untersuchungen über die Gletscher. 1841. p. 176. ') Bull. Soc göol. d. France, t. XIII. 1841/42. p. 343. *) Berue des deux mondes. 1847. t I. p. 704—705.

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Kapitel III. Die Gnindmoräne. 35

Lager, ao erkennt man, doas das unterliegende Gestein durch die Reibung geglättet, polirt, abgenutzt und mit geradlinigen Rritzen bedeckt ist, welche mit einer Grabstichel oder feinen Nadel ein- gravirt sein könnten. Der Mechaniamua, durch welchen diese Kritz^ eingegraben sind, ist derselbe, den die Industrie anwendet, um Stdne oder Metalle zu poliren. Mit Hilfe eines 8chleitpulvers reibt man die metalliache Fläche und gibt derselben «o eine Politur und einen Glanz, welche von dem Lichtreflexe einer unendlichen Menge feinster Kritzen hervorgebracht werden. Das Lager von Geschiebte und Schlamm zwischen Gleicher und Untergrund ist das Schl^ipulver. Das Gestein ist die metallische Fläche und die Masse des Gletechere, welche das Schlammlager fortwährend drückt und bewegt, indem sie sich abwärts bewegt, ist die Hand des Polirers. Daher sind die in Rede stehenden Kritzen in dem Sinne der Gletscberbewegung gerichtet; aber da dieee letet^e kleinen seitlichen Abweichungen unterworfen ist, kreuzen sich die Schrammen bisweilen und bilden untereinander spitze ^V^nkel." Weiter heisst es über die Bildung der Grundmoräne: ,J)ie Seitenwände des GletBchers stehen nicht in unmittelbarer Berührung mit den Thalwäuden; es ist fast immer ein kleiner Zwischenraum zwischen beiden vorhanden. Zahlreiche Trümmer gerathen zwischen die Eismauer und das Gestein. Einige bleiben in diesem Zwischenräume eingeklenamt, andere gewinnen die XJnter- fläche des Gletschers und bilden die Grundmoräne. Zu diesen Blöcken gesellt sich ein Theil deijenigen, welche in die zahlreichen Spalten und Schächte des Gletschers fallen, die vom Reisenden so gefürchtet werden. Alle diese Trümmer, zwischen Fels und Gletscher eingeengt, werden von dieser unaufhörlich wirkenden Presse gedrückt, gestossen und zerrieben. Sie bewahren nicht die Dimensionen, welche sie besassen, als sie sich vom Felsen los- lösten. Die meisten werden zu dnem undurchdringlichen Schlanune zerkl^ert, welcher mit dem dem Gletscher entströmenden ^yasser gemischt das Schlammlager bildet, auf welchem dieser aufrubt Die anderen bewahren die unauslöschlichen Spuren des Druckes, dem de ausgesetzt gewesen sind. Alle ihre Ecken werden abge- stossen, ihre Kanten verwischen sich, und sie nehmen die Form gerundeter Geschiebe an, oder zeigen ungleiche Flächen, welche

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36 I-Abschnitt Letete Vergletscherong von Oberbafern u.Nordlirol.

von der andauemden Reibung herrflbreti. let das GeBtein weich wie Kalkstein, so wird dae Geechiebe nicht nur abgenindet, aon- dem erhält auch eine Menge sich in allen Richtungen kreuzender Kritzen. Diese gekritzten Geschiebe sind von groBser Bedeutung für das Studium der AusdehDung der alten Gletscher, es sind die abgenutzten Münzen, deren Gegenwart in fast unzweifelhafter Weise die frühere Existenz eines verschwundenen Gletschers an- zeigt In der Tbai, nur ein Gletscher kann in solcher Wdse Geschiebe bearbdten, abnutzen und kritzen."

Der eigenthümliche Umstand, daea über das Wesen der Gnmdmoräne, ihre Beziehungen zu den Gletacherschlifien , sowie die Bildung der gekritzten Geschiebe noch keineswegs allgemeine Klarheit herrscht, hat mich veranlasst, obige Bchildening des aus- gezeichneten französischen Gletscherkwiners hier in voller Aus- dehnung wiederzugeben, umsomehr als der Blocklehm Oberbayems alle die Charaktere besitzt, welche Charles Mabtinb von den Grundmoränen der heutigen Gletscher in so anschaulicher Weise schildert Er stellt eine bald schlammige, bald sandig-grusige Masse dar, in welcher mehr oder minder grosse Blöcke eingebettet sind. Dieselben sind in der angedeuteten Weise bearbeitet 8ie sind mehr oder weniger gerundet; ihre Oberfläche ist geglättet und meist mit unr^elmässig kreuz und quer verlaufenden, also sich häufig schneidenden Schrammen und Kritzen bedeckt N'ur selten sind dieselben untereinander parallel. Am besten lassen sie sich auf Kalksteinen wahm^men, doch fehlen sie keinesw^ auf an- deren Gesteinen, wenn sie auch auf Graniten, Gndssen und ver- wandten Gesteinen häufig undeutlich ausgeprägt sind. Bei einiger XJebung lassen sie sich in der Mehrzahl der Fälle erkennen. Die Grösse dieser Geschiebe ist sehr schwankend. Bei Wallgau an der Isar, also noch im Bereiche der Alpen, sah ich gekritzte Ge- schiebe von 2 4 m Durchmesser, in der Umgebung von Kempten, schon weit vom Pusee des Gebirges entfernt, ringsum geschrammte Blöcke von noch grösseren Verhältnissen. Im allgemeinen be- sitzen die Geschiebe Kopfgrösse. Ihr Volumen nimmt auf der bayerischen Hochebene sichtlich in dem Maaese ab, als man sich vom Gebirge entfernt

Die -eigenartige Verthdlung der Schrammen und Kritxen auf

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Kapitel III. Die Orundmoifine. 37

diesen Geschieben, die regellose Zerstreuung dieser letzleren in dem thoDigen oder grusigen Materiale des Blocklehmes kann nur zu der Meinung fOhren, daea der Blocklehm einen einheitlichen Körper darstellt, und man muss mit Aqab8iz') sagen: „Es ist augenscheinlich, dass mit imd in dieser Masse die gerundeten und gekritztcD Geschiebe ihre Wanderung vollendet haben." In der That, nur indem der ganse Blocklebm als Körper vorwärts bewegt wurde, indem die Geschiebe in unr^elmäastgster Weise aneinander vorbei gepresst wurden, konnten sie rin^um geschrammt werden, wie es thatsächlich der Fall ist Es ist dne häufige, jedoch ' durchaus irrige Vorstellung, die gekritzten Geschiebe seien dadurch entstanden, dass sie im Eise eingefroren über den Untergrund ge- schläft wurden. Auf diesem W^e werden Geschiebe nur auf einer Seite, nie ringsum geecbrammt

Der Blocklehm Südbayems entstand also nicht dadurch, dass beim Abschmelzen der Vergletscherung die im Eise eingefroren gewesenen Gesteinsblöcke zurückblieben und eine besondere Schicht bildeten, wie vielfach angenommen ii-ird, sondern er ist das SchJammlager, welches unter dem Eise und durch das- selbe fortbewegt wurde, er ist eine echte Grundmoräne. Dementsprechend ist er ungemein zähe und der R«^ nach völlig ongeeohichtet.

Allerdings möchte mau viellächt g^^n diese Annahme ein- wenden, dass die Grundmoräne der heutigen Gletscher, welche uns lehrt, wie Geschiebe unter dem Eise transportirt werden, ge- wöhnlich nur dne selir dünne Lage darstellt, wohingegen die Grundmoränen Südbayems, der Blocklehm also, oft in sehr be- trächtlicher Mächtigkeit entwickelt süid, sodass es sich schwer vorstellen läest, wie dieselben als zusammenhängende Masse unter dem Eise vorwärts gewälzt wurden. Dem gegenüber lässt die eben erwähnte höchst beträchtliche Grösse der gekritzten Geschiebe erkennen, dass ein Lager von mehren Metern Mächtigkeit that- sächlich unter dem Eise bew^ wwden konnte. Unt«r keiner an- deren Annahme lässt sich die allseitige Schrammung von einigen

') The Gladal Theory and its re<«nt Progreas. The Edinburgh new fbilix. Joum. 1842. XXXIII. p. 228,

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38 I- AbBchnitt. Letzt« Vergletacherung von Oberbayeni u. Nordtdiol.

Cubikmetem haltenden Blöcken erklären. In der That lässt sich auch leicht vorstellen, daaa in dem Verhättnise, wie die diluvialen Gletscher grösser waren als die heutigen, auch deren Gnmdmoränen mächtiger waren als die jetzigen Eisströme. Die Menge des trans- portirten Materiales richtet sich selbstverständlich nach der Grösse der transportirenden Masse.

Ist nun auch von vornherein anzunehmen, dass die Grund- moränen der gewaltigen diluvialen Gletscher weit bedeutendere waren als die der heutigen, so gibt es doch Vorkommnisse, welche sich schwerlich in der angedeuteten Weise erklären lassen. Es finden sich Grundmoränen von so erstaunlicher Mächtigkeit, dass es sich kaum vorstellen lässt^ wie dieselben als zusammenhängende Masse unter dem Eise fortgeschleppt wurden. Mehrfach treten Grundmoränen von 60 70 m Mächtigkeit auf, am Inn ist unter- halb Wasserburg unweit Gars sogar eine solche von 100 m Mächtig- keit wahrzunehmen. Diese Vorkommnisse dürften darauf deuten, dass stellenweise die Gnmdmoränen unter dem Eise angehäuft, also nach und nach abgelagert wurden. Hiermit steht der bemerkenswerthe Umstand im Einklänge, dass manche sehr mäch- tige Grundmoränen eine gewisse Schichtung erkennen lassen.

So zeigen die Grundmoränen auf der Höhe des Achenpasses zwischen Tegemaee und Ächensee von einiger Entfernung gesehen eine ganz merkwürdige, an Diagonalstruktur erinnernde Schichtung. Tritt man ihnen näher, so verliert sich diese Schichtung gänzlich. Man sieht nur Lagen verschiedener Koragrösse und beobachtet, dass der verschiedene Feuchtigkeitsgehalt derselben sie in der Feme so leicht unterscheiden lässL Unweit Imisbruck, in dem Graben der Weiherburg, läset sich auch eine Art Schichtung in einer mächtigen Moräne erkennen, wie auf Tafel II, Fig. I dar- zustellen versucht ist Gewisse L^en wittern nämlich aus ihr heraus, sie sind resistenzfähiger als ihre Umgebung und es lässt sich ein entschiedener Farallelismus zwischen ihnen erkennen. Eine nähere Betrachtung lehrt, dasa diese Lagen keinesw^ so scharf von ihrer Umgebung geschieden sind, wie es den An- schein hat, ein Geschiebe durchsetzt sie bisweilen, und es findet sich, dass nur ein grösserer Gehalt an feinschlammigen Bestand- theilen ihre Kesistenzfahigkeit bedingt und sie so scharf hervor-

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Kapitel III. Die Orundmoräne. 39

treten läaat. Solche Verechiedenlieit«!! in der Zusammensetzung einzelner Lagen dürften auf gewiase Unregelmässigkeiten in der Ablagerung der Grundmoränen sieh zurückfuhren laeseu.

Auch ein weiterer Umstand dürfte zu Gunsten der allmäh- lichen Anhäufung gewisser sehr mächtiger Grundmoränen deuten. In Bolcheo Ablagerungen findet man bisweileu sehr grosse Gesfeins- blöcke, welche ringstun ganz in der Art der gekritzten Geschiebe geschrammt sind, deren obere Fläche jedoch parallele Schrammen besitzt, wie sie sonst nur dem festen Felsgrunde zukommen. Es ist nun höchst bemerkenswerth, dass die Richtung dieser Schram- men auf den losen Blöcken überdustimmt mit dei^enigen der Schrammen auf festem Gest^e, wie ich an mehreren Stellen in den Algäuer Alpen, vor allem am Böigen und am Imberger Tobel wahr- nehmen konnte. Diese Vorkommnisse scheinen mir darauf zu deuten, dass in manchen mächtigen Grundmoränen die unteren Partien bereits zu Ruhe gekommen waren, als die oberen sich noch fortbewegten, sodass sie den letzteren gegenüber gleichsam die Rolle eines festen Untergrundes spielten.

Höchst charakteristisch ist nun die Beschafienheit der Unter- lage der Gnmdmoräne Südbayems. Feste Gesteine sind unter ihr abgeechlifien, polirt, gekritzt und geschrammt, sie tragen die Glet- scherscbliffe, über deren Eigenschaften selbst heute noch wider- sprechende Ansichten herrschen. Keineswegs richtig ist die ursprüng- liche Annahme J. de Ghakpentier's'), dass die Schrammen durch- aus parallel laufen, wie es allerdings nicht anders erwartet werden kann, wenn man die Schrammung auf die zwischen Eis und Fels zufällig befindlichen Trümmer zurückfuhrt. Ganz willkürlich ist femer die hierauf hasirte Annahme, dass sich kreuzende Schram- men keine Gletecher Wirkungen sein könnten, wie z. B. Sartorius VON Wai-tehshausen *) vor nicht allzulanger Zeit ausgesprochen hat. Es ist vielmehr eine bereits von A0A6SIZ ") erkannte durch- greif^de Regel, dass sich die Schrammen unter mehr oder minder

') Essai 8ur les glaclers. 1841. p. 168.

") Untersuchungen über die Elimate der Gegenwart und Vorwelt. Haarlem 1865.

') Untersuchungen über die Gletscher. 1S41. p. 182. Aoassiz führt diese Erecheiuimg auf die imgleiche Bew^;uQg der Gletscher eurück.

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40 I- Abschnitt Letzte Vei^letscherung von Oberbayern u, NordÜrol.

spitzen Winkeln kreuzen, und nicht selten habe ich ge^hen, wie sie eich eelbst unter einem rechten schneiden. Gtewdhnlich finden sich zviachen den extremsten Sichtungen eine Menge mittlere, intermediäre, sodass eine einzige Stelle meist ein ganzes Reiter von verschiedenen Schrammungsrichtungen ablesen Usst. Nirgends aber habe ich gesehen, dass diese Terschiedenen Schrammen sich auf zwei Terschiedene Systeme vertheilen, wie F. Wahnschaffe ') kürzlich von der Qf^i^end von Magdeburg berichtete. Die stet« Wiederholung dieser Eigentliümlichkeiten dürfte darauf hinweisen, dass dieselben den Gletscherechlifien konstant zukommen, und dass sie in ihrem Auftreten von der Art und Wraee der Ent- stehung der QletBcherschliffe abhängig sind. In der That, nimmt man mit AoAseiz und Chakles Martinb an, dass die Gletecher- schliffe dadurch entstehen, dass die Qrundmoräne über den Felsgrund fortgepresst wird, so muss ee hierbei zu solchen Er- scheinungen kommen. Denkt man sich die sehr unregelmäasig zusammengesetzte Grundmoräne bewegt, so ist ee einleuchtend, dass sie sich nicht vollkon^en gleichmäsBig in allen ihren Theilen bewegen wird. Diese Voraussetzung wird durch die gekrilzten Greschiebe erwiesen, welche lehren, wie ein Block am andern vor- bei geschoben wurde. Diese Unregelmässigkeit in der Bewegung wird sich selbstverständlich auch auf der Unterlage kundgeben. Die einzelnen Geschiebe werden unregelmässig nebeneinander über den Felsgrund gepresst und werden auf demselben verschiedene Schrammun.gBrichtungen gleichzeitig erzeugen. Es dürft« daher nicht erlaubt sein, sich kreuzende Schrammungsrichtungen auf verschiedene Yergletscherungen oder auch nur auf verschiedene Phasen ein und derselben Ver^sung zurückzufahren , wie J. de Cha&pentibr zur Erklärung mancher Vorkommnisse in Skandi- navien Torgeschtagen hat, und wie nach ihm mehrere nordische Ge- lehrt« gethan haben. Beiläufig möge schliesslich erwähnt werden, dass nach den Experimenten Daubr^e's ') keineswegs nur härt«re

') Die Gletecheterscheinungen bei Velpke und Daundorf. ZntBchr. d. Deutsch, geol. GeselUch. XXXII. 1880. p. 774 ff.

*) B^herches exp^ mentales sur le striage des lochee, la formntioD dw eables et les d^compositions chimiquee par les agent« m^caniques. Bull. Soc g6ol. de France. II. S. t. XV. ISöT.oS. p. 250.

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Kapitel III. IHe GrundmorSue. 41

Gesteine auf weicheren Schrenunen hororbringen können. Dav- BB^ Bckrammte einen Gisnit mit einem Stücke lithc^raphischen

Minder feste Gesteine sind unter der Grundmorsne aufge- arbeitet, in dieselbe eingeknetet und einverwebt. Nirgend läset sich dies besser wahrnehmen als auf der Höhe des Haunsrückes, ünes der Salzburger Vorberge. Der Gipfel dieses Berges besteht ans einer mehr aU 20 m mächtigen AnhäuAing von FlyBcbtrOm- mem, dem aufgearbeiteten Mal«riale des Bet^^es, welchem unregel- mässig mehr oder minder grosse alpine Blöcke eingestreut sind. Nicht minder deutlich zeigt sich dies am Passe Gaicht, weicher vom Lechthale nach d^n Tannhömer Thale führt Der dort anstehende, stdl aufgerichtete obe^urasische Kalkstein ist unter der Grund- moräne zertrümmert, und seine Bruchstücke gesellen sich in die- selbe. Hieraus resultirt eine gewisse Abhängigkeit der Zusammen- setzung der Gnindnioräne von ihrem Li^enden. Unverkennbar ist dies, wo dieselbe dem Hauptdolomite auflagert Hier siebt sie fast wie Dolomitgrus aus, ihre Gnindmasse wird grau (Falep, Achenpaas, SchoUstika am Achensee, Bicblbier bei Lermoos, Keutte). Der untere Keuperkalk, der Wettersteinkalk, ist weit härter als der Hauptdolomit. Er bildet daher nicht so feingnisigee Material in der Moräne wie dieser; wo eine solche dem Wetterateinkalke aufliegt, verrath sich dies durch ihre weisse. Färbung auf den ersten Blick (Wettereteinwald, Hohensckwangau, Büdlich Thier- see bei Kufstein). Ueber Liasfieckenmergel wird die Grundmoräne dunkel, fett, thonig (auf dem Wechsel zwischen Falep und Tegem- eee). Die Rossfeldschichten des Neocom geben der Grundmoräne eine graue Färbung (Thiersee bei Ku&tein); über Flysch wird sie dunkel, zähe, thonig (Algäuer Alpen); besonders aufEHUig aber macht sich geltend, ob sie sich auf Diluvialschotter oder Thon lagert Im ersteren Falle wird sie stark kiesig und umschliesst viele Gerolle, welche der Mehrzahl nach weder gekritzt noch ge- sciirammt sind; im letzteren hingegen wird sie ungemein thonig und die Geschiebe nehmen eine lebhafte Politur an. Es schimmert der jewdlige Untergrund gleichsam durch die Moräne hindurcli, und de nimmt über demselben eine eigene Zusammensetzung an. Es dürfte sich empfehlen, f&t solche lokal in ihrer Zuaammen-

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42 I- Abschnitt. Letzte Vergletscheniog von Oberbayeni u. Nordtirol.

Betzung wechselnde Gruudmoränen deu AuBdru<^ „lokale Grund- moränen" aazu wenden, welcher von O. Tokell >) aufgestellt wurde.

So gern ich nun auch diese Bezeichnung an Stelle der von mir früher angewandten, aus dem Schwedischen entnommenen „KrosBstetnsgnis" aimehme, so wenig kann ich mich jedoch den Ansichten Waunschaffe's über die Bildung dieser lokalen Grund- moränett anschliessen. WaiiM8CHAFFE schreibt^: „Der Gletscher war gezwungen, eine geneigte Ebene hinaufzusteigen und schob sich in Folge dessen mit seinem Fusse zwischen die bereits durch Winterfröste gelockerten obersten Schichten, zertrümmerte sie und vermischte damit das mitgeführte nordische Material. Die so ent- standene Moräne schob der Gletscher vor eich her, breitete sie aus und stieg dann über dieselbe hinweg, eine Erscheinung, die nach Mittheilungen von Heim an vorrückenden Gletschern schon oft beobachtet worden ist."

Dem gegenüber möchte ich nun zunächst erwähnen, dass Heim ^ an der von Wahmbchapfe erwähnten Stelle nur davon redet, dass ein voirückeuder Gletscher seine Endmoränen vor sich herschob, einebnete und schliesslich überschritt. Aber wenn mau auch, wie zulässig, an Stelle der Endmoräne jene aufgepäügte Masse setzt, so ist dadurch noch nicht das Wesen der Erscheinung getrofieu. Dies liegt darin, dass durch die unablässige Vorwärts- bewegung des Eises selbst det TJntei^mnd gelockert, zertrümmert und aufgearbeitet worden ist Eine nicht selten zu beobachtende Erscheinung nämlich ist die, dass in der Grundmoräne Geschiebe auftreten, welche nicht nach der gewöhnlichen Art allseitig unregel- mässig geschrammt sind, sondern welche nur eine einzige ge- schliffene Seite aufweisen, welche dann mit parallelen Schram- men bedeckt ist, sowie sie sich nur auf anstehendem Gesteine finden. In der That dürften solche einseitig geschrammte Ge- schiebe nichts anderes sein als losgelöste Stücke von Glet^cher- Bchlifien auf anstehendem Gestme. Sie lehren, dass das Eis unter sich erst eine Felsfläche schrammte, sie dann jedoch zer-

') Verh. d. Berl. Gcsellsch. f. Anthrop., Ethnologie etc. 1880. p. 152. ^ A. a. O. Zeitschr. d. Deutlich, geol. Gesellsch. XXXII. 1880. p. 784. 785.

') Zeitschr. d. Deutsch, geol. Gesellseh. 1880. XXXII. p. 77.

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Kapitel III. Die Grondraoräne. 43

trüramerte, in Stöcke auflöste und unter sich fortschleppte. Dasa dem wirklich so is^ zeigt Wahnschaffe au einem sehr bemerkena- werthen Beispiele. Er berichtet, wie io einem Steinbruche bei Velpke ein Theil der dort geschliffenen Felaoberfläche losgelöst und sich nun, aus seiner ursprün^chen Lage entfernt, als Block in der Grundmoräne findet')

Die auffällige Betheiligung vom Materiale Li^ienden an der Zusammensetzung der Orundmoräne, bez. das Auftreten der lokalen Orundmonlne gibt uns also einen bestimmten Fingerzeig über den Ursprung des Materials der Gruudmoräne. Dieser Um- stand lehrt uns, dass die Grundnoräne zu einem Theile wenigstens aus den durch das sich unablässig vorwärts bewegende Eis vom Untergründe losgelösten Trümmern besteht. Wir müssen daher zu der Ansicht von E. Collomb*) zurückkehren, welcher in der Grundmoräne ein Produkt subglacialer Wirkungen erkennt und sie auf die durch das Eis beirirkt« Abnutzung des Untergrundes zurückfuhrt In wie weit sich neben diesem Materiale noch solches nachweisen lässt, welches in der Weise von der Oberfläche des Eises unter dessen Sohle kam, wie in der oben mitgetheilten Schilderung von Charles Martins im Einklänge mit AuAesiz' Anschauungen angedeutetet wird, können wir erst entscheiden, wenn wir uns vei^wissert haben, ob überhaupt die diluvialen Gletacher in reichlichem Maasse mit Oberflächenschutt bedeckt waren; denn der petrographiache Charakter der Gnindmoräneu, der uns hier beschäftigt^ gibt keinerlei Stütze zur Aufrechterhaltung der Ansicht des französiBchen GletÄcherkenners.

Dagegen lehrt uns die Beschaffenhdt mancher Grundmoränen noch eine Quelle ihres Materiales kennen, welche bisher im allge- meinen wenig berücksichtigt ist Gerade an den peripherischen Theilen des bayerischen Gletechergebietes finden sich bisweilen in den Grundmoränen eckige und kantige Geschiebe, welche aus den centralen Partien des Gebietes stammen, welche also den weitesten Weg zurückgelegt haben. Wenn si& uns nun dennoch

') A. a. O. p. 792.

0 Sur lea d^pfits erratiques des Voages. BuL. Soc. g II. S. t. IV. p. 216. 1840/47.

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44 I- Abschnitt. Leute Vergletschening von Oberbayem u. Nordtirol.

in eckiger, wenige ßpuren von Abnutzung z«igeuder Gest&lt ror- liegen, so dürft« dies ein Hinweis darauf sein, daes sie nicht unter dem Eise, sondern auf demselben transportirt worden sind. Es ist wol anzunehmen, daas diese eckigen Blöcke ursprünglich der Oberfiächenm Diane angehörten, eich dann in der Endmoräne sammelten und in dieser von dem yorwärtsdrängenden Gletscher überschritten und dessen Orundmoräne einverldbt wurden.

Ifeben dem durch das Eis selbst loslösten TheUen besteht die Grundmoräue also auch aus dem Materiale der Endmoränen der vorwärtsschreitenden Vergletscherung, eine Ansicht, die zu- erst von O. GiTHlxJue '} aufgestellt sein dürft«. In der That ist es einleuchtend, daee alle Endmoränen eines vorwärtsschreitenden Gletschers unter denselben gerathen und in seine Orundmoräne verwebt werden. Wir werden allerdings sehen, dass dieser Faktor durchaus nicht me sehr bedeutende Rolle spielt, wenn wir uns erst mit den Endmoränen beschäftigt haben werden.

Ganz im Einklänge mit der hier auseinandergesetzten An- sicht über die Fortbewegung und Entstehung der Grundmoräne zeigen sandige und thonige Schichten unt«r derselben nicht selten Faltungen und Stauebungen, welche wir in Uebereinstimmung init der eben entwickelten Anschauung über die Aufarbeitung des Unter- grundes für das Produkt einer unter dem Eise und zwar durch dasselbe ausgeübten Wirkung halten. Diese unter den Grund- moränen auftretenden Scbichtenstauchungen sind durch den Druck dee vorwärtsschreitenden Eises auf seine Unterlage entstanden. Wir vergleichen sie daher nicht mit jenen häufigen Schicht«n- HtArungen, welche ein Gletscher durch das Zusammenschieben seines Vorlandes eneugt

In Südbajem sind Erscheinungen der letzterwähnten Art weit häufiger als Stauchungen im Untergrunde des Blocklehmes. Der- selbe tritt nur veriiältnissmässig selten über lockereu und losen Schichtai auf. Es möge jedoch nicht unerwähnt. bleiben, dass Stauchungen und Faltungen bisweilen in Schichten vorkommen, welche nicht dem Drucke eines Gletschers ausgesetzt gewesen

') Om mellersta Bveriges glaciala bildningar. I. Om krosstensgrua eta Äftryck ut Bihang tili K. Svenska Vet-Akad. Handl. 1874 p. 33.

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Kapitel III. Die Ornndmorine. 45

siod. Der Vomperbach legt im Innthale eine Ablagerung dilu- vialen Schlammee, eogenannte Kreide, bloss, welcher in einem be- stimmten Horizont« auffällig gefaltet ist, die hangenden und liegenden Partien liegen völlig horizontal (Fig. 1). Die Falten errmchen eine Höhe von über 1 m, sind also beträchtlicher als viele jener 8chicht«nBtÖrungeii im Untergninde des eädidschen Geschiebelehmes, welche Hebm. Credne&i) kennen lehrt«. Auch bd Miesbach sab ich inmitten sonst horizontal lagernder Schichten diluvialen Thones gefältelte und gekräuselte Partien. In den Sdiottem, welche bei Mitt«nwald unter der Grundmoräne auf- treten, bemerkte ich ebenfalls zwischen horizontalen Schichten einige gestört«, gestaute und zusanunengeechobene, desgleichen in einer entsprechenden Sehotterablngenmg böm Forsthause Falep.

Schichtenstörungen im Bänderthon bei Vomperbach. 1:100. a Hoiiiontal gesdiiditeter BioderthoD. b Webaer und graaer Knderthon, in

dnander verknetet, e (JniDer Kudenhon. d Sandiger Thon.

Um die Erklärung dieser Phänomene bin ich einigennaasaen ver- legen. Pbestwich^ welcher ähnliche Stauchungen in den Schot- tern des Sommethales nachwies, ist gendgt, dieselben auf die Wirkungen von Grundeis zurückzuführen. Jedenfalls hat man es mit Erscheinungen zu thun, welche mit den Gletschern nicht in direktem Zusammenhange stehen, und es dürfte sich empfehlen.

■) Ceber Schuiifenstdrungen im Untergründe des Geschiebetehmes. Zeitschr. d. Denfsch. geol. GeBellscb. XXXII. 1880. p. 75.

'} llieoretical ConsideratioDH on the Couditione under which the (Drift) Deposits containing the Remains of Extinct Mammalia and. Flint Implements were nccumulated, and on Üieir Geological Age. Fhiloe. Traniact. Roy. Soc 1864. Vol. 154. Vergl. besonders die Profile p. 269

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46 I- Abschnitt. Leiste Vergletscherung Ton Oberbayern u. Nordtirol.

die Uraacheo von Faltungen und Stauchungen in losem Alateriale von Fall zu Fall zu ermitteln. ') Unbedingt dürfen dieselben also nicht zu den Erscheinungen gerechnet werden, welche ausschlieee- lich auf Oletscherwirknng deuten, oder denselben allenthalben zu- kommen. Sie spielen unter den Glacialformationen dieselbe sekun- däre Rolle wie die erratischen Blöcke.

Passen auf den Blocklehm der bayerischen Hochebene alle die einzelnen Züge, welche Charles Martins von den Gnind- moräneu der heutigen Gletscher schildert, so zeigt er anderereetts auch eine ganz hervorragende Äebnlichkeit mit dem Geschiebe- lehme Norddeutechlands, und diese Äebnlichkeit wird geradezu ü-appant, wenn man Ablagerungen von entsprechender petro- graphischer Zusammensetzung vergleicht Wo der Blocklehm Ober- bayems reichlichst mit Urgebirgsgeschieben ausgestattet ist, vie an den Ufern des Inna, gleichen sie dem Geschiebelehme bez. Mergel am Strande des Sanilandea oder am Eibufer unterhalb Hamburg völlig.

Ausser dem Materiale des jeweiligen Liegenden betheiligt sich aber auch solches von allen den Funkten, welche zwischen Ausgangsort des Gletschers und einem jeden einzelnen Vorkomm- nisse gelegen sind, an der Zusammensetzung der Grundmoräne, und gerade dies Material lässt erkennen, wie bedeutend der Ge- steinstransport ist, welcher unter dem Eise stattfindet Die Grundmoräne stellt demnach ein Gemisch aller jener Gesteinsarten dar, über welche der Gletscher geschrit- ten ist, und ihre Zusammensetzung verräth den Weg, den derselbe zurückgelegt hat Nun ist es in Oberbaj'em ungemein leicht, die Findlingsnatur irgend eines Bestand theile^ der Grundraoräne zu ermitteln. Nur die Centralkette der Alpen besteht aus kry stall iuiachen Schiefergesteinen, ganz untergeordnet finden sich daneben jüngere Sedimente, solche bauen hingegen aus- schliesslich die Kette der nördlichen Kalkalpen auf. Es sind die^ vorzugsweise Gestme der Trias-, Jura- und Kreideformation. An

') Vejgl. besonders die BeobacbtUDgeu von Th, Fcchs: Ueber «igentbümliche Störungen in den Tertiärbildungen des Wiener Beckens ond über eine aelbatständige Bewegung loser Terrainma^^en. Jahrb. ■d. k. k. geol. Beicbsanstalt. 1872. XXII. p. 309.

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Kapitel III. Die Orandmoräne. 47

die nördlichen KalkalpcD I^t sich die Zone der eigeuartigen Fi^BchgeateiDe, an diese wieder eine ^ne von Molaasengest«inen, und die Hochebene endlich wird aus weichen, sandigen und tho- higen Schichten des jüngeren Tertiärs zueammen gesetzt. Da nun die Gletscher von den Centralalpen ausstrahlten, so verbreitet«n sie die kry stallin ischen Gesteine derselben zunächst über die nördlichen Kalkalpen, weiter dann mit Trümmern der letzteren über die Zone des Flyschea; auf dem Molassengebiete lagerten sie das Material der genannten drei Zonen ab, und auf der Hochebene versammelten sie die Trümmer aller älteren Gebiete. Die Zusammensetzung der Gnindmoränen wird also um so bunter, um so mannigfaltiger, je mehi man sich von der Centralkette entfernt

So leicht nun im allgemeinen der Ursprung eines einzelnen Blockes zu ermitteln ist, so schwer ist es den Ort seiner Herkunft au:feufiuden. Die krystallinischeD Bchiefer wechseln in der Central- kette wie andernorts auch sehr rasch ihren Habitus und entfalten überall eine wahre Fülle von Abänderungen auf kurzem Baume. Selbst anfiällige Gesteinsarten, wie Serpentin und Gabbro, kommen an verschiedenen Stellen vor. Zudem hält es oft am einzelnen Blocke schwer, seine petrograpbi scheu Eigenthümlichkeiten zu er^ kennen; es wird schwer Granit von Gneiss, Diorit von Amphibolit zu trennen. Im allgemeinen lässt sich jedoch sagen, dass im Ge- biete der Zillerthale vorzugsweise Fhyllite entwickelt sind, wäh- rend im Oetzthale Glimmerschiefer und Homblendeecbiefer auf- treten und Thouschiefer fehlen. Homhlendegesteine charakterisiren das Engadin und die rhätischen Alpen. Im Engadin finden sich femer Granite, der Julier- und Berninagranit, zwei sehr charakte- ristische Gesteine, sowie mehrere Diorite, welche unter der Fülle von krystall in iechen Gesteinen einige auffällige Typen bilden. Der Juliei^ranit ist ausgezeichnet durch seine grünliche Färbung, seinen hohen Gehalt an Flagioklas; der Beminagranit durch rothen Feldspath, die dioritischen Gesteine durch eine dichte grüne Grundmasse, in welcher grünumrandete Felspäthe, manchmal auch Quarze ausgeschieden sind.

Nicht minder schmerig ist es, Findlinge der Kalkalpen auf «inen bestimmten Ursprungsort zurück zufüiu^u. Die ziemlich rdchhaltige Serie von Gesteinen dieses Gebirgszuges tritt zwar

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48 I- Abschnitt Letzte VergletBcberuog von Oberbajern d. Nordtirol.

nur in schmalen Bändern auf, allm dieBe Zonen haben oft eine sehr bedeutende Länge. Dazu kommt, daaa die am leich- testen erkennbaren, bo der WettersteinLalk und Hauptdolomit, eine ungemeine räumliche Ent&ltung besitzen, während aufTällige Typen in Terschiedenen Horizonten auftreten. Ein rother Kalk- stein kann bald dem Llas, bald dem Tithon entstammen. Be- durfte es bei der grossen Ännuth an Fossilien des scharf^i Augea und des unermüdlichen Fleissea eines Gtühbel, um die a nstehen- den Gesteine richtig zu gruppiren, die vielen ähnlichen ausein- anderzuhalten, im Rahmen einer Formation oft ganz heterogen scheinende Elemente zu vereinigen, welche Aufgabe muss es sein, das Alter und die Herkunft einzelner Blöcke mit Sicherheit zu ermitteln]

Freilich, wenn das Gebirge in regelmässigster Weise von Querthäleni durchsetzt würde, würde es kaum nöthig sein, obiger Aufgabe näher zu treten. Aber, wie erwähnt, die Hauptthäler folgen streckenweise der Längsrichtung des Gebirges und durch- schneiden lange Zonen gleicher Gesteine, und in einem Querthale, wie dem Innthale bei Kufstein vereinigen sich eine Menge ein- zelner Thäler, welche auf einen grossen Raum vertheilt sind. Es wird daher die erste Aufgabe sein, die Glacialphänomene in dem Hauptthale des Gebietes, nämlich dem des Inns, zu verfolgen.

Kapitel rV. Olacialeracheinangen im unteren Innthale.

G««ctiic)itlic)iefl : Unoer, Eschbr vok des Lihth, Friqnet, Moblot,

STOTTER, PlCHLER, SB MOBTILLET, VON HOJSISOVICS, GOMBBL. GletSCheT-

schliffe, e^ratie(^he Blöcke, Grundmorenen. AbniDdung der Gehänge. Höchst« erratiscbe Vorkomoinisse am Nordgehönge. Mäditi^eit des Glelachers.

Schon im Jahre 1836 wies Uhoer^) im unteren Innthale erratische Blöcke nach, welche sich bis zu beträchtlicher Höhe an den Thalgehängen finden. „Einige derselben haben 5 6 Klafter

') F. Uhoer : Ueber dta EinfluBS des Bodens auf die VertbeUang der Gewächse, nacbgewiesen in der Vegetation des noid&stlichen Tirols. Wien 1836. p. 68—70.

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Kapitel IV. Gladalerscbeiii

lügen tat uoteren InntlifCe.

Umfang; die meieten sind scharfkantig, die minder grossen abge- rundet, die kleioBten, etwa einen Fubb laugen, haben die Form von RollBteiseD. An mehreren grossen Blöcken fanden sich Bei- bungeflächen; ea ist anzunehmen, dass dieee letzteren durch Ab- schleifen während des Herabgleitens der Blöcke entstanden. Diese Findlinge sind das oberste Crlied des Terdärs, sie vurdeu wol durch einen FluÜiaischwall aus dem Süden gebracht" Diese Be- Schreibung Usst keinen Zweifel darüber, dass hier wirklich durch Gletscher verfrachtete erratische Blöcke vorliegen; denn in den Blöcken mit Reibungsfläcben erkennen wir unschwer gekritzte und geschrammte Geschiebe, und Ukoer ist demzufolge der erste, welcher in Europa diese Erscheinung beobachtete. 134f> gab A. Escher vom der Linth') Bericht über Gletscherschlifle im oberen Oetzthale und hob die Aehnlichkeit der Entwicklung des Diluvium bei Innsbruck mit dem der Schweiz hervor. Er lehrt, dass ein unteres geschichtetes Diluvium ohne erratische Blöcke vorhanden sei, welchem die letzteren auflagen). 1846 veröfientlichte E. Frig- NET ') seine wenig gekannten Studien über das erratische Phäno- men in Tirol. Er zeigte, dass alle Thäler Gletscberspuren enthiel- ten, und wies mit besonderer Ausführlichkeit die des Innthalee nach. Ohne diese Untersuchungen zu kennen, gab A. von Mor- LOT *) eine Zusammenstellung der Daten über die Vergletscherung des Innthales. Stotter erwähnt, dass im Gebiete des Innthales niemals Geröll der nördlichen Kalkalpen zu finden sei, und be- stätigt die schon von F. Unoer geäusserte Ansicht, dass ein Gesteins- transport von Süden nach Norden stattgefunden habe. Fichler*),

') Beiträge zur Eenntniss der tiroler und bayerischen Alpen. Neue« Jahrb. f. Min. u. Oeol. 1845. p. 538. 540. Zum ersten Male Oberhaupt werden gekritzte Geschiebe envähut von Feter Dobson, American Joum. of ^ence lS2tj.

') Du phäiom^ne erratique en Tyrol et particuli&rement dans la vallfe de rinn. 1846. p. 51— Ü8.

•) Erläuternngen lur geologischen Uebersichtakarte der nordöBt- lichen Alpen. Wien 1847. p. 59.

') Vergl. Pichler: Beiträge zur Geognoeie Tirols. Innsbruck 1859. p.232; femer Jahrb. d. k. k. geol. Keichaanstalt. Bd. IV. 1856. p.73K. &ow!e die Kar1«n: Zur Geologie der nordtirolischen Ealkalpen 1864, und: Zur Ge<^osie der Alpen 186T.

Psock, nie VerglelKhenug. 4

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60 I. Abschnitt. Letito Vergletachening von Oberbayeru u. Nordtirol.

dies erwähnend, bescbreibt fenier mehrmalB „erratische Fundorte" aus dem Innthal und stellt das Vorkommen toq erratischen Bl&cken bis zu einer H&he von 6000 Fuss fest Qabkiel de Mobtillet^) tfaeilt« 1861 mit, dase er im unteren Innthale Spuren von Qletr eohem gefunden habe, und sprach sich allgemein dabin aus, Aaaa Gletscher alle Thäler der österreichischen und bayerischen Alpen erfailt hätten. Mehrfech berichtete sodann E. v. Mo jsieovice ') über erratische Blöcke im Innthale, welche er als Spuren einer Eiszeit betrachtet Derselbe Autor spricht auch von Glacialab- lagerungen. Schliesslich gab GOubel') Nachricht von Gletscher- schliffen unweit Häring im unteren Innthale und fuhrt die Zu- rundung von dessen Gehängen auf Gletscberwirkungen zurück.

Diese zahlreichen Notizen können aber nicht genügen, um eine Vorstellung von den grossartigen Gladal erschein ungen des luQthales zu bilden. Nicht nur zeigen ausser den von Gümbel aufgefundenen Schliffen solche bei Innsbruck und Hall, welche sammt und sondere die lUchtui^ desTbalea besitzen, die Existenz früherer Gletscher an, vor allem wird deren ehemalige Ausdeh- nung durch mächtige Gnmdmoränen voller gekritzter Geschiebe bewiesen. Dieselben lagern sich entweder auf die später zu be- schreibenden Terrassen, oder sie tapeziren die Thalgehänge. In ihnen findet sich eine Sammlung aller der (resteine aus dem Einzugsgebiete des Inns. In der G^end von Nassereith, zwar nicht im eigentlichen Thale des Inns, aber doch in dessem Thal- wege, finden sich neben Kalkstmen und Dolomiten der Trias reichlichst Gneisse, Granite und eine wahre Fülle von Hornblende-

■) Note Bur lee d^pftts gladairea du vereant m^ridional des Alpes. Aroh. d. sdenc. phya. et nat. de Genfeve 1861. X p. 34.

*) Ueber die Gliederung der oberen TTiasbildiutgen in deii östlichen Alpen. Jahrb. d. k. k. geol. Eoichsanstalt 1869. XIX. p. 139. lieber das Gebiet von Thiersee, Kufstein, Walchsee, KSsaen in Nordtirol. Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1869. p. 222. Das Gebiet von Häring und das Kaisergebirge. Verhandl. d. k. k. geol. Beicbsanstalt. 1870. p. 185. Beiträge zur topischen Geologie in deu. Alpen. Jahrb. d. k. k. geol. ReidisanstalU 1871. XXI. p. 198.

■) GletechererecbeinungeD aus der Eiszeit (Gletacherschliffe und Eid- pfnler) im Etsch- und Innthale. Sitzungsber. d. matb.-phys. Klasse d. Akademie MQnchen. 1872. p. 354.

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Kapitel IV. Gladalerschdnuugen im untei«n Innthale. 51

geetem^, deren Heimat im Engadiu und in den rMtischeu Alpen zu Buchen ist. Bei Innsbruck mengen sich Fragmente der höchst charakterietiecheD rothen Brecde bei, welche nördlich dieser Stadt das Thalgehänge flberkleidet, sowie auch Blöcke eines rothen Sandsteiuee. Herr Proftesor Fichler machte mich freundlichst auf einige bei Innsbruck gefundene Geschiebe au&ierksam, welche in der geologischen Sammlung der Universität aufbewahrt werden. Theobald erkannte dieselben als Abkömmlinge des Bngadin. Den grünen Juliergranit, sowie einige der aufliilligen dioritischen Geeteine konnte ich in der That an mehreren Punkten in der Umgebung von Innsbruck nachweisen. Späteren ausfuhrlicheren Untersuchungen ist es vorbehalten, die Vertheilung der Oeschiebe etwas eingehender zu verfolgen, besonders die verschiedene Ver- theilung auf beiden Thalseiteu zu ermitteln. Hier möge nur er- wähnt werden, dass Urgebirgsgescbiebe an den Gehängen der nördlichei Kalkalpen häufigst vorkommen. Ob dieselben ledig- lich von den Theilen des Innthales herrühren, in welchen an den linken Gehängen krjetallinische Schiefer auftreten, wie z. B. von dem Engadin und den rhätischen Alpen, oder ob sie vielleicht auch direkt von der gegen fiberli^enden Thalseite kommen, d. h. ob z. B. Gesteine des Oetz-, Sill- und Zillerthales in reichlicher Zahl -auf dem linken Thatgehänge auftreten, das ist eine Aufgabe, die völlig befriedigend nur durch ^gehende Studien, nicht aber durch ^e flüchtige Durchwandening gelöst werden kann. Fast will es scheinen, als ob die Trennung des Materials an den beiden Ge- hängen des Innthalea nicht so scharf wäre, wie z. B. im Bhone- thale. Es lagern unweit des Acheosees am linken Gehänge Oe- atme, deren Ursprung genau auf der gegenüberliegenden Thalsdte zu suchen ist Dies sind rothe quarzitische Sandsteine. Allein €e bleibt zu ermitteln, ob diese Blöcke direkt durch den Gletscher über das Thal hinweg geschafl^' worden sind, oder ob sie zuvor schon durch fluviatile Wirkungen transportirt wurden. Es wird nämlich zu entscheiden sein, ob die Blöcke nicht vielleicht aus den glacialen Anschwemmungen stammen, welche im Innthale die Moränen unterlagen). Zu bemerken bt schliesslich noch, dass das Massiv des Tschirgant, welches sich gegenüber dem Ausgange des Oetzthales im Thalw^;e des Inns erhebt, vom Inngletacher umflossen gewesen

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53 I- Abschnitt- Letzte Vei^letecherung tod Oberbnyern u. Nordtirol.

ist. In dem Gurglthale, welches eich von Nasaereith nach Imet zieht, eowie in der tiefen Senkung, welche den Tschirgant von den Ketten der nördlichen Kalkalpen trennt, finden sich, wie bereits erwähnt, zahlreiche Geschiebe und grosse Blöcke aus dem lunthale. Bchon GCmbel hob hervor, dass die Gehänge des Inothales jene eigeuthümliche Abrundung erkennen lassen, welche Glacial- distrikten eigen thüml ich ist Jene Abrundung erstreckt sich nur bis zu einer gewissen Höbe und gibt die obere Grenze der früheren Gletscher an. Die zackigen Formen des Tscbirgant (2366 m) machen wahrscheinlich, dass dieser Gipfel im Thalwege dee Inns nicht vom Eise bedeckt gewesen ist, die benachbarte gerundete Kuppe des Simmering (2093 m) hingegen dürfte vereist gewesen sein. Allein es ist immer unsicher, bloss nach solchen allgemeinen Zügen zu urtheilen. Am schär&ten wird die obere Grenze des Eises durch die höchsten erratischen Blöcke markirt Freilieb darf man nicht erwarten, dieselben in den höchsten Regionen, welche das Eis erreicht bat, gerade sehr häufig zu finden. Der Umstand, dass fast alle Findlinge aus OrundmorÜnen stammen, und nicht aus Oberflächenmoränen, deren Reste mangdn, macht vielmehr wahrscheinlich, dass sie von vornherein nicht in allzu- grosser Zahl am oberen Saume des Gletschers vorhanden waren, ausserdem ist aber zu berücksichtigen, dass ihre Lage sie aller- hand erodirenden Prozessen aussetzt Je weiter man daher an den Thalgehängen aufwärts steigt, desto spärlicher werden die Blöcke, und schliesslich findet man solche nur au bevorzugten, be- sonders geschützten Stelleu. So hat es Schwierigkeiten, die obere Gletschergrenze genau zu bestimmen, und es wird vieler Bergbe- steigungen bedürfen, bis die obere Grenze der erratischen Blöcke im Innthale mit wünscbenswerther Genauigkeit ermitt«lt ist Hier ist ein Feld, wo auch Touristen eingreifen können; denn nichts ist leichter, als auf dem Südabfalle der nördlichen Kalkalpen erra- tische Blöcke zu koustatireu. Die Urgebirgsgeschiebe leuchten auf dem mesozoischen Gebiete gleichsam her\'or. Folgende Angaben mögen vor der Hand zur Veranschaulichung der oberen Gletscher- grenze dienen. Am Südwestabfalle des Tscbirgant, jenes mehrfach envähnten Massives im Innthale, verzeichnet Pichler') in be- ') Zur Geognoeie der Alpen. 1807.

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Kapitel IV. Gl aciiü erschein ungen im unteren Inntbale. 53

trächtUcber Höhe, die eich nach der neuen SsterreicbiBcben General- stabskarte auf 1700 m schätzen Iftsst, zabbeiche „erratische Vor- kommnieae". Am Marienberger Jöcbl, welches neben dem Fem- passe die nördlichen Kalkalpen unweit Naesereith durchbricht, fan- den sich Geschiebe bis zu einer Höbe von 1830 ni; die Bund- buckelformen der Berge steigen mindestens noch um 200 m böber an. Weiter abwärts nahm E. vox Barth') auf der Höhe des Mitterberges , einem Vorsprung der Mieminger Berge, erratische Ui^birgsarten wahr. Auf den mir zu Gebote stehenden Karten finde ich diesen Mitterberg nicht ang^;eben. Ich mutbmasse, dass er mit dem über 1550m hohen Henneberge identisch ist Erratische Blöcke sind femer seit langem an den Gehängen der Reither Spitze unweit Seefeld, in 1550 1600m Meereshöhe bekannt Schon Sedowick und Murchison gedenken derselben, und nach A. Escher VON DER LiNTH kommen an den Asphaltschiefei^X^'^c'^ Blöcke bis 5000 Fuss (ca. 1600 m) Höhe vor. Nach einer freundlichen Angabe des Herrn Bei^^eister Abt in Seefeld steigen die Find- linge bis 500 m über Beefeld, also bis 1675 m Meereshöhe an. Diese letztere Angabe erscheint um so glaubwürdiger, als Fichler berichtet, auf den Zirler Madem, also in einer Höhe von 1700 ni, erratische Blöcke gefunden zu haben. Die Zirler Mader li^n etwas weiter thalabwärts als die Reither Spitze. Herr Professor M. Neuuayr in Wien theilte mir sodann freundlichst mit, dass in einer der Schluchten am Südgehänge des Solsteins unweit der Zü-ler Mader in ungefähr 2000 m Hohe ungemein zahlreiche erra- tische Blöcke verstreut liegen. Bei Innsbruck fand ich über der H&tlinger Alm noch ziemlich zahlreiche erratische Geschiebe in 1670m Höhe, 1700m hoch konnte ich nicht ein einziges wahr- nehmen. Nach Pichleb und von Mojeißovics liegen femer unter- halb Innsbruck auf dem Thürl zwischen der Thaurer Ahn und d^n Haller Salzberge erratische Blöcke. Ich verfolgte sie bis 1750 m Höhe, friscbgefallener Schnee hinderte weitere Unter- suchung. Pichler konstatirt weiter thalabwärts am Vomper Joche (1470 m hoch) erratische Blöcke. An der Vorderen Spitz, dem Büdlichstoi Gipfel des Vorderen Sonnenwendgebirges (Rofangmppe),

■) Aus den nSidlichen Kalkalpen. Gera 1874. p. 378.

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54 !■ Absclmitt Letzte VergletBchemng von Oberbayem u. Nordtirol.

kommen über der Aechau-Alm Findlinge bie 1470 m hoch vor. PiCHLEB erwähnt Bchlieeslich erratische Blöcke auf dem Wibner Joche am OstAbfalle des Sonnenwendgebii^es, also 1300 m hoch. In der Gegend von Kufetein endUch konnte ich auf der Höhe de» Gamskogel, welcher als Brandberg auf der neuen österreichischen Generalstabskarte (BL Kuist^) bezdcbnet ist, keine erratiscben Blöcke mehr wahrnehmen, die obei^ten fanden sich hier 90 m unter dem Gipfel, also in einer Höhe von 1360 m. Hiermit harmonirt bestens die Angabe von Gümbel^), daes auf der Hochalm (1350m) zwischen den schroffen Erhebungen des vorderen und hinteren Kaiser- gebii^es Hochgebirgsschotter vorkommt, sodass also in der Gegend von Eu&tein die obere Grenze des Inngletschere iu nicht ganz 1400 m Höhe zu suchen ist Aus diesen noch zu unvollständlgea Daten geht hervor, dass das Niveau des Innthalgletschers sich thal- abwärts senkte und zwar in rascherem Maasse, als derThalbodea selbst Liegen bei Nassereith Geschiebe 1170 m über der heutigen Thalsohle, so konnten sie in der G^end von Kufetein nur bis 850 m aber dieselbe verfolgt werden. Leider aber geuügt das Ma- terial nicht uni näheres über die Neigung der Gletscheroberääche zu folgern. Scheint doch nach den vorliegenden Angaben, als ob das Eis bei Innsbruck nicht die Höhe wie htä Hall erreichte, was uns natürlich nicht auf eine entsprechende Unregelmässigkeit iu der Oberfläche des Gletschers schliessen lässt, sondem nur der Beweis von Unzulänglichkeit und Ungenügenheit unserer An- gaben ist

Bie Erhebung der Geschiebe über die heutige Thalsohle stellt nicht die Mächtigkeit des alten Gletschers dar. Die Moränen und erratischen Geschiebe reichen nämlich fast nirgends bis zum heu- tigen Thalboden herab. Es legte sich der Gletscher auf etae später zu besprechende Schotterterrasse, welche sich bis 3U0m über den Inn erhebt, auf derselben lagern die Moränen; erst von Innsbruck an steigen die Gletscherspuren tieier herab, Damach würde sich die Mächtigkeit des Gletschers unweit der Hauptstadt Tirols auf ca. 1000 m bereolmen, während sie bei Nassereith vor- läufig nur auf 900 bis 1000 m geschätzt werden darf, falls man

') Alpengebirge, p. I

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Eapit«! V. Gladalerechdnungeii am Fernpasee. 55

nicht noch, was wahrscheinlich, auf dem Simmering erratiBchee Material finden aollte. In diesem Falle würde sich die Mächtig- keit des Eiees auf 1200 m angeben lassen. Bei Kufstein dOrfte dieselbe nicht mehr als 800 m betragen haben.

Ist, ^e aus alle dem erhellt, das Wissen Qber die obere Ge- schiebegrenze noch mehr denn lückenhaft, so ist es doch ausrei- chend, um behaupten zu können, daes der Innthalgletacher im Stande war, viele der Pässe nach Oherbayem zu übereohreiten, falls diesdben in ihrer heutigen Gestalt vorhanden waren. Ein Blick auf Tafel I, welche ein Kammprofil der Alpen im Norden des Innthalee darstellt, fuhrt dies vor Ai^n. Es zeigt, wie eine Reihe von Passen sich unter die obere Geschiebegrenze herab- BOnkte. Es wird nun die nächste Aufgabe sein, zu untersuchen, ob diee muthmaasaliche Ueberfliessen wirklich stattgeftmden hat

Kapitel V.

Gladalencheinungen am rempasse.

Altes rhitiKhes Thal, nsae von Naesereith. Feropass. Tiefe Lüge deaaeihea aiit«r den höchsteD errftttEchen Blöcken. Mangel glaeUler Bildangeu &uf d«m Fasse. Marienberger Jochl. Einstan des Ferapaases in der Poatgladal- leil. Dadnrcli bewirkte QuerthalbUdimg. Andere Bergstfine in den Alpen. Einstnmeen. Pätae noch dem Lechthale.

Wie bereits mehrfach erwähnt, erhebt sich im Tbalwege des Inns, ungefähr gegenüber der Ausmündung dea Oetzthales, das Massiv des Tschirgant. Eine Hefe Senkung zwischen Iiust, Nasse- reilh und Telfs tr^uit dasselbe scharf von den nördlichen Kalk- alpen ab, zu welchen der Tschirgant noch zu rechnen ist Dem westlichen Theile dieser Senkung folgt das Imster Gurglthal, der östliche hingegen verläuft in die grosse Terrasse des Inn- thales. Man hat es hier augenscheinlich mit einem ausser G& brauch gesetzten Thale zu thun. Solches drängt sich unwillkür- lich beim Beschauen einer guten Karte auf. Man sieht dann, dass die Richtung des Paznauner und Stanzer Thaies sich in der des Innthalea zwischen Landeck und Imst und datm in der er- wähnten 8enkm]g fortsetzt; während das Engadin sich als Thal-

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56 I- Abachnitt. Letzt« Vcrgletechenmg tod Oberbayera u. Nordtirol.

zug über den Piller Wald in das Pitzthal und dann als heutige« Innthal südlich des Tschirgant verfolgen lägst. So ge^nuut es den Anschein, als ob die Gewäsaer der rhätischen Alpen und des Engadin, welche sich heute bei Laudeck treffen, &üher erst bei Telfe zuBammengeflossen seien, und dass das Innthal zwischen dem Rller Wald und Landeck, sowie unweit Imst erst nachträglich entstandene Bindeglieder zwischen beiden Thalzflgen seien. Sie verstatten dem Inn heute zwischen Lajideck und Imst dem alten rhätischen Thale zu folgen und ermöglichen dann, dass derselbe in sein altes Thal unterhalb Imst zurückkehrt AlleriUngs ist dies nur eine Vermuthung, die sich bloss auf die Konfiguration des Landes stützt Doch dürfte es immerhin wahrscheinlich sein, dass die Eismassen, welche einst von dem Engadin und den rhä- tischen Alpen herabstiegen, sich erst in derG^end von Telfa mit einander vereinigten, nachdem sie bei Landeck und Imst Fühlung

Unter dieser ireilich . noch näher zu beweisenden Annahme würde der eigentliche, aus dem Engadin kommende Inngletscher erst am Südabfalle des Tschirgant die nördlichen Kalkalpen er- reicht haben, während die Eisströme der rhätischen Alpen vom Arlberge an zwischen denselben und den Centralalpen eich aus- dehnten, und zwischen Imst und Teils sogar ausschliesslich in den Kalkalpen flössen. Wie dem auch sei, mögen die Gletscher der rhätischen Alpen sich schon bei Landeck oder erst bei Telfs ge- troffen haben, jedenfalls war denselben erst in der Gegend von Naasereith Gelegenheit gegeben, in die Querthäter der nördlichen Kalkalpen einzudringen. Als ununterbrochene Kette ziehen sich dieselben nämlich vom Arlberge anfanglich am Stanzer, dann am Innthale bis Imat entlang, und erst genau gegenüber dem Tschir- gant werden sie bei Naasereith durch enge tiefe Scharten unter- brochen, wie Tafel I lehrt Dieselben öffnen einerseits das Thal der Loisach, andererseits das des rothen Leches gegen das alte rhä- üsche Thal. Zwei Pässe also treffen sich bei Nassereith. Von diesen ist der eine, welcher nach dem Thale des rothen Leches ftihrt, nur wenig bedeutend, dagegen ist die Oefinung nach d»u Loiaachthale, der Fempass, seit den Zeiten der Römer eine der wichtigsten Alpenstrassen. Derselbe erscheint als tiefes, etwa

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Kapitel V. Oladaleracheinungen am Fernpaue. 57

2 -3 km breitee, von steilen Wänden dngeengtea ThaL Er erhebt sich in seinem böchsteii Punkte 1250 m über das Meer, bleibt somit 600 m unter den höchsten benachbarten erratischen Blöcken im Innthale, und 850 m unter den hÖch8t«n Bundbuckelformen. War er zur Diluvialzeit vorhanden, bo bot er auf eine Fläche von ungeiähr 2^j^ Millionen Quadratmeter dem Eise des Innthales einen Ausweg nach Norden, und es musste ihm ein Oletscheraim von dem angedeuteten Querschnitte folgen. In der That nimmt SChÖnmambohueer an, daee ein Theil der Diluvialfluthen des Inns den Fempass überschritt und im Loisachthale sieb ausbrei- tet«, auch Stark und Zittel vermuthen,, dass ein Zweig des Inn- gletschera eich hier ablöste.

Allein sucht man im oberen Loisachthale nach den Spuren dieses gewaltigen Eisstromes, sucht man in dem Becken von Ler- moos nach den charakteristi sehen Geschieben des Innthalgletschers, so ist man überrascht, von alle dem nichts zu finden. Man sieht zwar Grundmoränen und Glescherschliffe, aber den ersteren man- geln fast durchweg die Urgebirgsarten des Innthales; es fehlen ihnen die grossen Blöcke ron Gnetss, Homblendeschlefer u. s. "k., welche z. B. im oberen Isarthale ganz massenhaft verbreitet sind. Xur hie und da findet man kleine Gerolle dieser Gesteine, diesel- ben beweisen, dass ein Gestein stransport vom Innthale aus doch nicht gänzlich gefehlt hat; aber ihre geringe Zahl lässt erkennen, dass dieser Transport nur ein sehr geringfügiger war; ein Zweig des Innthalgletschers von 2^, Millionen Quadratmeter Durch- messer kann sich hier unmöglich ausgebreitet haben; über den Fempass kann sich kein Arm des Inngletschers geschoben haben. Hit diesem aus dem Befunde des oberen Loisachthales abgeleite- ten Schlüsse steht nun die Erscheinungsweise des Fempasses in vollster .Ueberein Stimmung. Ueberscfareitet man diesen schönen Pass, so findet man nii^ends Spuren einer ehemaligen Vereisung. Die angrenzenden Gehänge zeigen eckige, bizarre Formen, es feh- len Bundbuckelflächen. Durchaus nicht kann die Angabe der von der k. k. geologischen Reichsanatalt in Wien herausgegebenen Karte^) bestätigt werden, dass der Pass von ausgedehnten Moränen

') Umgebungen von Ebnen, Eeutte und Nassereith. Ausg. 1873.

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58 I- Abschnitt. Letzte Vergletscheruug von Obeibayem u. Nordtirol.

fiberdeckt iet, es mangelt jede Andeutung davon. Fast nirgends sieht man ein Urgebii^BgeEchiebe, icb sah überhaupt nur ein mnzigee kleines Gerolle dieeea Materialea, während am Büdlicbeu Eingange deB Passes in erstaunlicher Zahl grosEe Blöcke von Gneis« und Hom- blendegesteinen über die Berglehnen bis weit über die Passhdhe zerstreut sind. Eg findet sich also kein Anhalt daför, dass dn Zweig des Inngletschers, wie gemuthmaasst worden ist, den Fern- pass überschritt Dennoch muss aber einst in dieser Gf^end ein Ausläufer des Inngletschers die Kalkalpen überschritten haben; darauf weist mit grösster Bestimmtheit die wenn auch sehr geringe Zahl von XJi^birgsgeschieben im oberen Loisachthale hin.

Dicht neben dem Fempasse fuhrt ein zweiter Pass aus dem oberen Loisachthale in das Innthal. Es ist dies das Marienberger Jöcbl, welches eine Höhe von beinahe 1800 m besitzt, also dicht unt«r der oberen Gesebiebegrenze des Innthalea liegt Steigt mau aus dem letzteren nach dem Marieube^er Jöchl auf, so bemerkt man big zur Passhöhe ununterbrochen erratische Geechiebe, auf dem Jdchl selbst bekundet ein ungemein frisch erhaltener nord- wärts gerichteter Glescherachliff, dass wirklich Eis den Pass fiber- schritt, und umhergestreute Urgebirgsgeschiebe lehren, daes dieses Eis vom Inngletscher sich loslöste. Nach Lermoos zu lassen sich diese Spuren weiter verfolgen. Man findet auch auf der Nordseite des Passes Gletacherschliffe und darüber Gnmd- moränen mit dem Mat«riale des Innthales. Somit wird erwiesen, dass sich über das Marienbei^er Jöchl ein Zweig des Innthal- gletschers in das obere Loisacfathal ergoss. Die grosse Höhe des Passes gestattete aber nur einem Strome von 130000 Quadrate meter Durchschnitt einen Durchgang (vergl. Tafel I) ; kein Wunder also, wenn in dem Lermooaer Becken nur wenig Material des Inn- thales auftritt

Nmi aber erwächst die Frage, wu'um der Innthalgletscher nicht den Fempaas überschritt, warum er diesen Durchlass von 2'/^ Millionen Quadratmeter Fläche nicht benutzte, sondern den 20 mal kleineren, den 550ln h&her gelegenen des Marienberger Jöchls fiberschritt Es kann hierauf nur eine Antwort geben: Der Fern pass existirte in seinem heutigen Umfang zur Diluvialzeit noch nicht, der Inngletecher &nd diesen

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Kapitel V. Gladaleracheinimgeu am Fenipasse. 59

Ausweg Dach Norden noch nicht vor. Eine Menge Erscheinungen spricht zu O-unsten dieser Annahme.

Wie bereite erwähnt, zeigt der Fernpass keinerld Gletscher- spuren, Tttmn er auch nach der neuen österrd<^schen General- stabskarte die charakteristischen ZQge einer Moränenlandschaft zu besitzen scheint Man bemerkt auf der Karte einige kleine Seen, dazwischen Rücken und isblirte Hügel. Aber die Zusam- mensetzung dieser Gebilde ist weit veracbieden von der der Mo- ränenlandschaft. Der Boden des Fempasses ist übersät mit enormen Blöcken und kleinerem Fdsscbutt und Grus. Alles dieses Material ist eckig und rauh, und es leitet sich nicht aus ii^end welcher Ent^ femung ab, sondern stimmt mit den den Pasa begrenzenden Ge- steinen (Hauptdolomit) vollkommen überein. Dieser Schutt nun thürmt sich zu isolirten, fast kegelfSnuigen Hügeln auf, welche sich 40 bis 60 m hoch auf dgr Passhöhe erheben, er bildet lange, unregel- mässige Bücken und Wälle. Dazwischen dehnen sich die prächtigen, tiefblauen Seen des Fasses aus. Sie besitzen k^neu oberirdischen Abfiuss. Oft meint man anstehendes Gestein zu sehen, allein man hat es nur mit kolossalen, wirr durcheinander gewürfelten Blöcken zu thun. Kurz der ganze Fernpass von Bieberwier bis beinahe Nassereith besteht aus Schutt und Trümmern, welche den Eindruck einer eingestürzten, zusammenge- brochenen Masse machen. Sieht man nun am südlichen Ab- stiege des Passes Gyps anstehen, so kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass man hier die Ursache des Einsturzes vor sich hat Die Auslaugung von unterirdisch anstehendem Gypse hat den Zusammenbruch des darüber liegenden Hauptdolomites ver- anlasst Interessant ist nun^ dass man an dieser Stelle eowol die Ausdehnung als die Zeit des Einsturzes ermitteln kann.

Hätte der Fernpass als einigermaassen beträchtliche Scharte bereit« zur Glacialzeit bestanden, so würde das obere Loisachthal in ähnlicher Weise mit Geschieben des Innthalglet«chers bereichert worden srän, wie das obere Isarthal. Es ist anzunehmen, dass da- mals der Fernpass, falls er überhaupt existirte, nicht viel bedeu- tender als das heutige Marieuherger Jöcbl war. Eine deutlich verfolgbare Terrasse ^bt sich nämlich an seinen Gehängen in 1700 m MeereshJJhe zu erkennen. Eh wird noch zu untersuchen

CO I- Abschnitt Letzte Vei^letscheruiig von Oberbayem ii. Nordtirol

aeiu, ob sich auf dieser TerraBee vielleicht eiratieche Blöcke finden. In diesem Falle würde sich die Höhe dhs Einsturzee auf 450 m berechnen lassen. Es ist bemerkenswerth, dass dieser enorme Zu- sammenbruch in-der Postglacialzeit etattgefunden hat, und zwar nicht nur, weil er ein Beweis von lokalen beträchtlichen W- ändeningen in der Orographie nach dem Rückzüge der Gletscher gibt, sondern weil dadurch auclf Licht auf die Ältersbeziehungen der Thäler geworfen wird.

Der Fempass liegt in einem jener grossen Querthäler, welche die nördlichen. Ealkalpen völlig durchsetzen. Es ist jener Thalzug, desttem nördlichaten Theile die Ammer im Ämmergau folgt; seine mittlere Partie ist dasEUmautbal, weiches in das Ammerthal mündet, aber nach Süden gegen das obere Loisachthal geöfihet ist Dieses letzte nun nimmt die südlichste Partie des Tbalzuges ein, und der Fempass öffnet denselben gegen das grosse Längsthal des Inns. Solches ist aber erst nach der Glacialzeit geschehen, und die auf- falligst« Eigenschaft jenes Thalzuges, seine Oeffnung nach Süden, dalirt also aus jüngster Zeit Dadurch wird der Glaube, dass dieses durchlaufeudc Querthal eine Spalte sei, welche sich an die Erhebung der Alpen knüpft, hinfällig. Es erhellt hieraus femer, dass dieses Querthal nicht etwa eine alte Rinne ist, in welcher zu einer entlegenen Epoche die Centralalpen in gerader Richtung dränirt wurden, dass sie nicht ein Thal ist, welches durch das Längsthal des Inns ausser Funktion gesetzt wurde.

Der Einsturz des Fempasses liefert uns vielmehr ein neues Beispiel lur den sonst auch auagesprocheoen Satz, dass die Quer- thäler jünger sind als die Längsthäler; er lehrt, wie und auf welche Weise die Schranken fallen können, welche zwei Thalsysteme trennen, und dass ein eine Gebirgskette durchschneidendes Quer- thal erst in jüngster Zeit vollendet wurde.

Gewaltige Bergstürze zur Postglacialzeit sind in den oord- tiroler und bayerischen Alpen kaue Seltenheit Es wird sich im weiteren Verlaufe dieser Untersuchungeu zeigen, dass sich der Issrgletscher nördlich des Wettersteingebirges ausbrdtet« und alles Land bis zu einer Höbe von 1500 m vereiste. Das Gebiet nord- westticb der Zugspitze jedoch zeigt, obwol es sich nur 800 900 m hoch erbebt, keine Spur einer Vereisung, weder Rundbuckelformeu,

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Kapitel V. Gladalerecheinaageti am FernpsMe. 61

Qocli Moränen, noch erraliscbe Blöcke. £a gewährt vielmehr einen ähnlichen Anblick vie der Boden des Fempassee. In den Wäl- dern am Ufer des Eibseee sind enorme, hnuehohe Blöcke von Wettereteinkalk wirr zeretreut Daneben finden eich auch Fels- klötze Ton Keuperdolomit Alles besteht aus Schutt und Triam- mem, welche berats von den Gebrüdern Schlaointweit ') be- merkt, und von diesen undGOMB£L^) dem Alluvium beigerechnet wurden. Dazwischen treten wie am F^npasee kleine abflusslose Seen auf, von denen der Eibsee der bedeutendste ist, Zwofellos hat man es hier, wie auch am F^^paese, mit einem Bergsturzgebiete zu thun.

Heim*) berichtet von einer Kalkbreccie bei Flims im oberen Rheiuthale. E> schildert, dass hier einzelne Schutthügel und Wälle auftreten, dass dagegen das erratische Material fehlt Auch hier finden eich klcdue Seen im Bergsturzgebiet«. Es dürfte nach diesem die G^;enwart von Einsturzseen in den Alpen bewiesen zu erachten sein. Der 1,80 qkm grosse Eibsee zeigt, dass nicht un- beträchtliche Becken sich als die Folge von Einstürzen bilden können.

Das obere Loisachthal zeigt also nicht die vermuthete ausser- ordentliche Entfaltimg von Glacialerscheinungen, aber es fehlt andrerseits doch nicht an Beweisen, dass sich hier ein Gletscher ausdehnte. Demselben boten sich zwei Auswege. Durch das Hinterthorenthal konnte er nach Westen vordringen, und in der That lehren Urgebirgsgeschiebe, welche ich im genannten üliale unweit des Weilers Lahn auffand, dass sieh der Loisachgletscher in. dieser Richtung erstreckte. Durch das Loisachthal konnte sich derselbe femer nordwärts ergieseu. Es wird sich später zeigen, dass dieser Arm bei Grieaen auf den Isargletscher edeas und dem- selben tributär wurde, während der Zweig des Hinterthorenthales eich mit dem Lechgletscher vereinigte. So erscheinen die Eis- massen des oberen Loisachbeckens eingeengt zwischen zwei mäch- tige Gletscher, welchen sie nach kurzem Verlaufe zuströmen;

') A. u. H. ScHLAGiBTWEiT, Neue Untersuchungen über die physi- kalische Geologie und Geographie der Alpen, p. 545.

") Geolog. Karte der bayerischen Alpen, Blatt Werdenfels. Vergl. auch das Profil am Fusse des Blattes Lindau.

■) Mechanismus der Qehii^blldnng. Bd. I. p. 204 u. 205.

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62 I- Abschnitt. Letzte Vergletscherung von Oberbayem tt. Nordtirol.

sie Bind zu unbedeutend, um sich ihre Selbstständigkmt wahren zu können. Sie haben nur ein kleines Zuflussgebiet imd erfahren pur unbedeutende Vermehrung seitens dee gewaltigen Eisetromes im Innthale.

Wie bereits erwähnt und aus Tafel I zu ersehen, fuhrt neben dem Fempasse ein zweiter Pass nach dem Thale des rothen Leches. Es ist dies das Tegeethal, dessen höchster Funkt 1580 m hoch liegt. ' Es war mir leider nicht möglich, dasselbe zu besuchen und feststellen zu können, ob ein Zweig des InngletAchersfetemes sich in das Roth-Lechthal drängte. Desgleichen muss ich offen lassen, ob nicht vielleicht von Tarrenz ab durch die 1905m hohe Scharte, welche das Salvesenthal mit dem Bschlabsthal, also zwei dem Inn und Lech tributäre Thäler verbindet, Eismasaen vom alten rh&- tischen Thale in das Lechthal überäossen. Waren die Höhen- verhältnisse zur Glacialzeit den heutigen gleich, so war allerdings an beiden Stellen die Möglichkeit hierfür geboten, wie am besten Tafel I lehrt; allein eine Betrachtung der Gladalerecheinungen im Lechthale wird ei^ben, dass, falls wirklich ein solches Ueber- fliessen stattfand, dasselbe nur zur unbeträchtlichen Vermehrung eines eigenen Lechthalgletschers bdtrug.

Kapitel VI. Der Seefelder Fa» und Isaxgletscher.

Seefelder Füm, Leutagch-, Scharnitz- und Mittenwalder Pasa. Querthal der Alpen. Erschdnangea auf dem Seefelder Tarne, im Schamill-, Leutasch- und Mitlenwalder Pub. GMachereatwicklimg Dördlich des Wetterstein- nnd Kahrneudelgeblrgei. Gletselierarme des Ammer-, Loisach-, Koelielsee- nnd Isarlhnlea. Isar^letecber.

Während der Fempass als zwar tiefe, aber doch verhältniss- mässig enge Scharte am nördlichen Gehänge des Innthales auf- tritt, wird dasselbe in sehr fühlbarer Weise durch den Seefelder Pass unterbrochen. Auf eine Entfernung von lOVjkni setzen die gewaltigen Wände von A Vetters tein kalk, welche das Innlhal gegen Nord maueraitig begrenzen, aus, und machen einer welligen Hoch- ebene Platz, deren Niveau sich bis unter 1200 m herabsenkt, also sich kaum um COO m über den lieutigen Innspiegel erhebt (vergl.

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EapiUt VI. Der Seefelder Pass und Isargletecher. C3

Tafel I). Was aber am bemerkenswerthesten ist, diese Hochebene gehört nicht dem Flusagebiete des Inne an, sondern sie wird nach Norden durch die Isar entwässert. Unmittelbar bis an das lonthal- gehänge erstrecken sich hier die feinen Wasseradern, welche sich im Leutascb- und Lahnbacbe sammeln, um dann in engen Pässen, dem Schauplatze mannigfache Kämpfe zwischen Bayern und Tirolern, die Ketten des Wetterstein- und Kahrwendelgebirges zu durch- brechen. Es sind dies der Leutasch- und Schamitzpass ; zwischen beiden erhebt sich das Massiv der Ahmspitz. Bd Mittenwald treffen diese Pässe zusammen, eine einzige Scharte unterbricht hier Wetterstein und Kahrwendel.

Der Seefeld -Mitten walder Pass ist gleich dem FempEisse das Glied eine« grossen Tbalzuges, welcher die nordtiroler Alpen in ihrer ganzen Breite durchquert Genau nördlich von ihm sind nämlich auch die nördlichen Ketten durch dnen tiefen Pass unter- brochen, dessen Vwlauf durch den Walchen- and Kochelsee an- gedeutet wird. So kommt ee, dass hier eine Strasse die bayeri- schen Alpen in gerader Richtung durchkreuzen kann, es ist der Weg, welcher in gerader Richtung von Kochel über Mittenwald nach dem Innthale fOhrt. Freilich gehört dieses Querthal nicht einem mzigen Flusssysteme an. Die Gewässer, welche ihm fol- gen, verlaufen nur eine kurze Strecke in ihm, um dann, wie es in den Ostatpen allgemein der Fall bt, in Längsthälem weiter zu äieesen. Die Isar, welche den oberen Theil des fraglichen Quer- thalee entwässert, verlässt dasselbe bta Wallgau, um sich ostwärts zu wenden. Die Ot>erach und der Walchensee, welche den mitt- leren Th«l des Thalzuges charakterisiren, werden gleichfalls nach Oäten durch die Jacfaenau entwässert; der Kochelsee endlich, am Kordende der Senkung, gehört einem dritten Flussgebiete an. Dies Verhältniss dürfte darauf hinweisen, dass das geschilderte Hauptquerthal kein einheitliches Ganze repräsentirt, es setzt sich eben aus verschiedenen, einzelnen Querthälem zusammen, deren Zusammenfallen in eine Linie mehr zuiallig ist So dürfte kein Grund zur Annahme vorliegen, dass das Kochel see-Seefelder Thal öne Spalte ist, oder «ne ausser Funktion gesetzte Hinne, durch welche vielleicht früher die Centralalpen dränirt wurden. Wenn aber sich nicht erweisen lässt, dass jenes Querthal flüssigem

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C4 I. Abschnitt. Leute Vergletscherung von Oberbayera u. Nordtirol.

NVaBser eiii«u Durchlaes von dea Centralalpen nach der Hochebene darhot, so war es sicher einer der Hauptwege, auf welchem die Eismassen aus dem Herzen der Alpen nordwärts strömten. Auf eine Entfernung von lO'/jkm senkt sich ja der Seefelder Fass tief unter das obere Niveau des Innthalgletechers, wie aus Tafel I erhellt, er bot demselben einen Durchlaes von 3'/, Millionen Qua- dratmeter Fläche, und selbst der engere Mittenwalder Fase konnte einem Eisstrom vom Niveau des Innthalgletschers än^ Pforte von 2^/^ Millionen Quadratmeter Fläche bieten.

Schon Skdqwick und MuRCHisoy') drücken ihr Erstaunen über das Vorkommen von Urgebirgsbl5ckeu in der Gegend von Seefeld aus. Sie fanden dieselben hier in 5000 Fuss Höhe, sie heben deren Herkunft aus den Centralalpen hervor, und meinen, dass der Raum, dea heute das Inuthal zwischen ßeefeld und den Centralalpen einnimmt, von diesen Blöcken Überschritten worden sei. Auch A. Escheb vom der Linth^) gedenkt dieser Blöcke. GüMBEL verzeichnet femer auf seiner vortrefflichen geologischen Karte des Alpengebietee unweit Seefeld ausgedehnte Ablagerungen von Hochgebirgsschotter, und aus den Beschreibungen dieser Vor- kommnisse ist leicht zu entnehmen, dass es sich hier um Grund- moränen handelt. Als solche werden sie auch neuerlich von GOm- BEL^) angesehen. Auf v. Haues's Uebersichtskarte von Oester- reich-Ungam sind diese Ablagerungen, wie die Hochgebirgsschotter GCmbel'b ganz allgemein als Kalktuff angegeben. E. v. Mojbi- sovice') endlich verfolgte die Urgebirgafindlinge über den Seefel- der Pass in das Flussgebiet der Isar, und äussert die M^ung, dass sie sich in dieser Richtung noch weiter verbreiten dürften. In der That, der Seefelder Pass ist reichlichst mit Glacialerschei- nungen ausgestattet Zunächst fallen die rundhöckerigen Berg-

') A Sketch of the eastem Alps. Proced. geolog. Soc. London, 1831. p. 406. ,

■■■) A. a. O. Neuen Jahrb. I»4ü. p. 541.

") .ibriss der geognoHtischen VerbältDiüse der Tertiärschichten bei Miesbach und des Alpengebietea zwiBchen Tegemeee und Wendelstein, 1875. p. 27.

') Ueber die Gliederung der oberen Triasbild uDgen der Östlichen Alpen. Jahrb. d. k. k. geoL Reichsanstalt. 1869. p. 139. Note.

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Kapitel VI. Der Seefeldei Pass nnd leargletecher. 65

formen auf, welche sich bis über 1700 m Höhe verfolgen lassen. Allenthalben auf der Pasab5he sieht man Gnmdmoräiien, welche unveit Seefeld bis über 60m Mächtigkeit eireichen. Dieaelben sind 80 voller Ui^bii^blöcke, dasa die Bäche fest mehr Gerolle von kr^rstallinischen Schiefem als von Triaskalben fahren. „Man könnte eich fragen", äueeert vom Mojbibovics, „ob man in ein mesozoisches Kalkgebirge oder in ein kiystalliniBchee Bchiefei^ birge einzutreten im Begriffe sei." Schliesslich gibt es noch echte Gletscherschliffe auf der Passhöbe unweit des Weilers Buchen, d^-en Richtung im Verein mit dem Vorkommen von Ui^birgs- geschieben es zweifellos macht, dags ein Zweig des Inngletschera sich hier nach Korden abgelöst hat

Nördlich jener Kalkalpenkette, welche der Seefelder Pass dorchbricht, zieht sich ein scharf ausgesprochenes Längsthal von Seefeld nach dem oberen Loisachthale. Der höchste Punkt dieses „Gaistbales" erreicht an der Pestkapelle von Ehrwald wenig über 1600m Höhe; es musste sich daher fr^^n, ob dn Ast jenes Glet* scherarmes, welcher am Seefelder Passe seine Spuren hinterlassen, nicht vielleicht in das Gaiathal eingedrungen sei und sich nach dem oberen Loisachbecken erstreckt habe. Allein es lassen sich Uigebirgsgeachiebe nur eine Strecke weit in das gedachte Thal ver- folgen. A. und'H. ScHi-AQiNTWEiT ') verzeichnen noch solche un- weit der Wildermieminger Alm in 1340 m Höhe. Weiter westlich jedoch fand ich keine erratischeii Blöcke, überhaupt kein glacia- les Material, weshalb wol nicht anzunehmen ist, dass ein Zweig des Inngletschers dieses öde Thal durchmaass. Dagegen ist der nordwärts gerichtete Lauf des Seefelder Armes deutlich zu verfol- gen. Fehlt zwar. den Engen der Leutasch und Isar zufolge spä- terer Erosion jenes an Gletscherwirkungen unbedingt erinnernde Aussehen, so mangeln doch nirgends Urgebirgsfindlinge, und PiCHLER^ verzeichnet auf den Gehängen der Ahmspitze, welche Leutasch- und Schamitzpass trennt, erratische Blöcke in noch über 1600 m Meereshöhe. Rechlich sind Glacialersoheinungen dann

') Neue Untersuchun^n n. s. w. Atlas. Taf. XIX. Geologische Karte der Umgebuiig der Zugspitze und des Wetterateiues. ' *) Zur Geognosie der Alpen. Karte 1807. '

TeDCk, DI« V«rg]«lKhcmDg. 5

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Ö6 !• Abechnitt Lelat« VergletochMung von Oberbayem «. Nordtirol.

wieder unwdt Mittenwald entwickelt GletscherBchlifie sind auch hier die sichersMii Zeugen dafür, dasa ein Gletscher diese Enge ' durchmaaes;' Blöcke kr7stalliniacher Schiefer sind in ungeheurer Zahl, wie schon von älteren Beobachtern hervorgehoben, über die Gehänge zerstreut; unter diesen Geschieben sah ich auch diori- tische Gesteine aus dem Engadin; die moutonnirten Formen Stei- gal bis über 1600 m an.

Somit ist erwiesen, dasa ein Zweig des Imigletschers die bei- den südlichen Hauptketten der nordtiroler Kalkalpen durchbrach, er konnte sich nun in einem weiten Längstbale ausbrüten, welches sich im Norden jener Ketten erstreckt Es ist dies jenes Thal, in dem Loisacb und Isar ein Stück wdt fliessen, und das sich westwärts über den Plansee bis zum Lechthale verfolgen läset. Eine Reihe von Pforten stellt die Verbindung desselben mit der bayerischen Hochebene dar. Es sind dies von West nach Ost das Ammer-, Loisach-, Kochelsee- und Isarthal, welche die nördlichsten Ketten in einielne Bei^;ruppen zerlegen.

Schon die Gebrüder Schlag intw^it ') konstatirten auf der einen Seite dieses Thalzugee erratische Blöcke. Sie fanden Urge- birgsgeschiebe in bedeutender Hohe am Wettersteingehirge. GCm- BEL hat diese Angaben bestätigt^. In der That finden sich aut dem Hohen Kxanzberge bei Mittenwald Findlinge in 1350 m Höhe. Sie li^en unweit der Wettersteinalp 1410 m hoch; die beiden Schlagintweit notiren solche unter der Alpspitze auf dem Kreuzjöcherl 1500 m hoch. GOhbel erwähnt auch „Hoch- gebirgsschotter" auf dem Thörl unweit des Eibsees; Unwetter hinderte mich, diese Beobachtung zu wiederholen; jedenfalls aber deuten zahlreiche Urgebirgsgeschiebe unweit Griesei, wo die Loi- sach in unser Längsthal einbiegt, daraufhin, dass sich der von Mittenwald kommende Arm des Inngletschers bis hierher erstreckte; nur auf diesen letzteren können die Findlinge von kiystaUinischeu Gesteinen zurückgeführt werden, da nicht anzunehmen ist, dass derselbe Gletscher, der im oberen Loisachhecken nur ganz aus- nahmsweise Urgebirgsgeschiebe ablagerte, an Stück w^ter thalab-

') Neue Unl«rsuchungen. Geolog. Karte der Zugspitze etc. *) Alpengebirge, p. 802.

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Kapit«! VI. Dei Seefelder Pass und laargleUcher. 67

ir&rts dergleichen in groBser Zahl binterliess. Verbreitete eich der- selbe wiiklicb im Thale der Loisach nach Norden, wob noch zu Tofolgen ist, so traf er eben bei Oriesen einen Arm des lunglet- Sehers, der ihn gänzlich absorbirte. Selbst in der Gegend des Plansees, und längs dessen Abflussee bis nach Reutte liegen Ur- gebirgsgeschiebe, welche möglicherweifie auch durch den in Bede stehenden Arm des Innthalgletschers dahin gebracht worden sind. Ausgedehnte Ablagerungen von Orundmoränen nördlich des Wetter- steingebirges, so z. B. auf dem Wetterstein walde, in der Gegend von Partenkirchen und bei Griesen rervollständigen das hier kurs skizzirte ßild von der Verbreitung eines Zweiges des Inngletscbere Id mem Theile der bayerischen Alpen.

Wie sich derselbe aber westlich von Mittenwald an dem Nordabtalle des Wettersteingebirges ausdehnte, so verbreitete er sich auch ostwärts. Muss hier zwar unentschieden gelassen wer- den, ob sieb von Mittenwald unmittelbar am Abfalle des Kahr- wendels ein Gletscberarm über die Vereinsalpe nach dem Eiss- tbale erstreckte, so ist docli sicher, dass sich eine gewaltige Eis- masse ein Stück weiter nördlich ausbreitete und den Thälem der Isar und Jachenau nach Osten folgte. Die niedrigen Bergrücken zwischen diesen beiden Thälem kontrastiren durch ihre eigenthüm- lich gerundeten Formen mit den jähen, schroflen, aber weit höhe- reu Gipfeln des Kahrwendels im Süden und der Benedikteuwand im \orden. Alleutbalhen sieht man auch Grundmoränen in den Senkungen zwisch^i den Gipfeln; Ürgebirgsgesciiiebe werden hier schon von einer älteren geologischen Karte^) verzeichnet, es sollen sich deren auch auf dem Hochkopf südlich vom Walchensee, also in 1500 m H^e finden, ein Gletscherschliff unweit Wallgau end- lich dokumentirt; dass sich Eis wirklich in nordöstlicher Bich- tung bew^;^^.

Es kann nach alledem wol keinem Zweifel unterliegen, dass

') Minerftlogiach-petrographische Karte der bajerischen Alpen zwi- Mhoi der Isar und Wertach nach der unter der oberen Leitung der k. General- Bergwerks- und Saluieiiadministration vollzogenen geognosti- «chen Aufnahme in den Jahren 1840 und 1841. Kunst- und Gewerbe- blatt des polytechn. Vereins f. d. K&nigrdch Bayern. XXIX. 1843.

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$3 I. Abschnitt. Lctete Vergletscherung von Oberbayem u. Notdtirot.

sich ein Zweig des Intithalgletschers, nachdem er den Seefelda" und Mittenwalder Pass überschritten hatt«, in dem grosBen Längs- thale ausbreitete, welches sich am Fusse des Wetterst«n- und Kahrwendelgebirges entlang zieht, und zwar muas er dasselbe bb zu einer Höhe von 1500 m erfüllt haben. Diese EismasEe em- pfing nun jedenfalls Zuflüsse durch lokale Gletscher. So ist ea im höchsten Grade wahrscheii^ich , dass das Wettersteingebirge einen eijgDen Gletscher erzeugte. Befindet sich doch heute noch ein kleiner Gletscher Im obersten Ende des Raintfaales, welches sich in das genannte Gebii^ hineinzieht Nun sah ich bei der Wettersteinalp mächtige Moränen, lediglich aus Wettersteinkalk bestehend, kein einziges Urgebirgsgeschiebe enthaltend, und dar- unter einen GletecherschliäT, welcher nach Norden gerichtet ist, also eine Ablagerung, die sich nur durch einen lokalen Gletscher er- klären lässt Vermuthungeweise sei auch ausgesprochen, dass das Riss- und Pfansthal, welohe aus den wildesten Partien der Kahr- wendelgruppe kommen, lokale Gletscher nährten und dem im Isar- thale strömenden Zweige des Inngletschers zuiuhrten. Jedenfalls wurden diese Thäler, welche beide ihren Ursprung unweit des Achensees nehmen, nicht vom Inn thale aus vergletschert, obwol sie durch nicht allzuhohe Pässe von dem Achenthale getrennt werden, durch welches sich ein Zweig des Inngletschers nach Nor- den erstreckte. Auf der Höhe des einen dieser Pässe, dem Pfanser Joche, nahm ich durchaus keine erratischen Blöcke wahr. Schliess- lich vereinte sich mit der im Isarthale strömenden Eismasse noch ein Zweig des Inngletschers, welcher dem Achenthale folgte.

Das gewaltige Meer von Eis, welches sich in dem Längsthaie nördlich desWetteratein-undKahrwendelgebirges ausbreitete, wurde nun durch die oben bereits genannten kurzen Qucrthäler, welche die nördlichste Alpenkette durchbrechen, entwässert. Durch das Ammer-, Loisach-, Kochelsee- und Isarthal traten seine einzelnen Ausläufer auf die bayerische Hochebene. Zwischen Ammer und Loisach sind Gletscherspuren noch in einer Höhe von 1420 m von den Gebrüdern Schlagintweit verzeichnet und auf dem Et- taler Berge, welcher eine lachte Kommunikation zwischen Loisach- und Ammerthale ermöglicht, zeugt ein Gletscherschliff von dem Eisübergange. An den Gehängen der Scharte zwischen Kochel-

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Kapitel VII. Aiubreitung d«e Inngletschen in den nördl. Ealkalpen. 69

und Walchensee sah ich eiratische Blöcke noöh 1160 m hoch, und GOuBEL gibt „erratischen Schutt" an der Benediktenwand in einer Höhe von 1120 m an.

Der Zweig des Inngletechera, welcher eich bei Seefeld von demselben loslöste, durchschritt also den Mittenwalder Pass, in demselben seine Spuren noch in 1600m Höhe hinterlassend. Dann breitete er sich in dem grossen Läogsthale aus, welches sich am Fusae des Wetteretein-- und Eahrwendelgebirges enüang zieht Westwärt« drang er bis zum Plansee, oatwärta bis znr Umbiegung der Isar an der Eiumündang des Achenthales in demselben vor. Er erfiillt« es bis zu einer Höhe von 1500 m. Durch vier Pforten trat er sodann auf die bayerische Hochebene. Seine obere Grenze 1^ hier immerhin noch 1200m bis über 1400m hoch. Aus diesem gewaltigen Meere von Eis konnten nur. die höchsten Gipfel und Kämme des Gebirges hervorragen, welche die geringste Fläche des- selben einnehmen. Der grösste Theil des Grebirges war vom Eise b^raben. Diese Masse stammte aber nicht ausschliesatich vom Inn- gletscher, sie wurde durch lokale Zuflüsse vermehrt Da sie sich nun wie ein einheitliches Ganze veriiält, und nur theilweise also eine Dependeuz des Inngletschers ist, so dürfte gerechtfertigt sein, sie als besonderen Gletscher zu bezeichnen. Es dürfW sich empfahlen, dieselbe deshalb, weil sie ihre Hauptentwicklung im Isargebiete nimmt, als Isargletscher zu bezeichnen, wie bereits durch ZiT- TEL vorgeschlagen worden ist

Kapitel VIL

Auflbreitiin^ des Inng^letscherB in den nördlichenSalk«

alpen zwischen Achensee und der Chiemseeache.

l«ge dca Achensees am Inuth&le tiiid Entwinerang doselben cur Isar. Findlia^ im Acbenseegebiete. Glet^lierrenweij^Dgen noch dem Isarthalf und Tfgenuee. EntwicUiuig nnterhalb der BFsndenberger Ach. Ueber- flalhuDg dea Thalgehängei. Falepthol. Spitzin||;pBM. Jugeadlichea Alter des- celben. Qaerthller der K&lkalpen. Luidl, AbzveignDg nach dem AVeUsach- thale. Berühmog mit dem Sljzachglctacher. Austritt de« Inngletschers au» den Alpen. Inn- und Prienthal.

Der Seefelder Pase entführte dem Inngletscber einen sehr be- deutaiden Zweig, und wie bereits erwähnt, muss es späteren Unter-

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70 I> Abschnitt Letzte Vergletscherung von Oberbayero u. Nordtirol.

Buchungen vorbehalten eäa, genau den EinäusB zu studiren, wel- chen diese Verminderung der EismasBe auf das Niveau des Inn- gletschers ausübte.

Tafel I läset erkennen, dass unterhalb des Seefelder Passes das Nordgehänge , des Innthalee vieder von mauerartjgen Kett«u da nördlichen Ealkalpen gebildet wird, welche bis zum Achen- seethale keine einzige tiefe nach Norden gerichtete Unterbrechung erfahren. Zwischen Zirl und Jenbach war also dem Inngletecber nirgends Gelegenheit gegeben, nach Norden überzufliessen. Jenbach 5ffiiet sich dann da« Achenseethal, als ein zwar enger, aber sehr üefer Einschnitt in den südlichen Ketten der nordtiroler Kalkalpen. Fast bis an das Qehänge des Innthales rdcht der Sfldzipfel des Achensees, eine Entfernung von* nur 4 km trennt beide, und 400 m erheM sich der Spiegel des letzteren über den Inn. Kein Wall, keine Kette trennt beide, und dennoch strömen die Wasser des Acheneeee nicht dem Inn zu, sondern ziehen es vor, die nordtiroler Alpen in ihitir ganzen Breite zu durchmessen und der Isar zuzufliessen. Wie bei Seefetd so liegt auch am Achensee die WaBserscheide zwischen laar und Inn an den Thal- gehängen des letzteren; ab^ während es bei Seefeld wahrschein- lich ist, dass die Zuflüsse der Isar, ihre Thäler rückwärts verlän- gernd, das Innthalgehänge erreichten, wird sich später zeigen, dass die Sachlage am Achensee eine wesentlich andere ist Es wird sich ergeben, dass der Achensee eigentlich in das Thalsystem des Inns gehört, dass er erst während der Diluvialzeit von demselben losgeschnürt worden ist Die ursprüngliche Wasserscheide zwi- schen Inn und Isar hat tiefer im Gebirge gelegen. Der Um- stand, dass sie heute von dem Abflüsse des Achensees über- schritten wird, ist wol der beste Beweis dafür, wie niedrig dieselbe gewesen ist. Es muss also schon vor der Diluvialzeit ein tiefes Thal die nordtiroler Alpen vom Inn zur Isar durchsetzt haben. Eine solche Depression, welche sich heute an ihrem höchsten Punkte nur wenig Über 400 m über den Inn, und zwar bis 935 m Höhe erhebt, musste dem bis 1500 m hoch anschwellenden Inn- gletscher Gelegenheit geben, einen Zweig nach Korden zu senden. Allerdings wird dieser Arm sich an Bedeutung nicht mit dem bei Seefeld sich einst abzweigenden mess«i können ; wer den Achensee

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Kapitel VII. AuebreitUDg des InDgletachers im den uördl. EaUutlpen. 71

mit Beiner geriDges Breite und eeinen eteilen Felseuafem kennt, wird leicht einsehen, daes ee eich hier nur um eine enge Pforte handelt, welche höchstens einem Eisstrome von einer Million Quadratmetern Durchmesser einen Ausweg geben konnte, falls sich eben das Eis im Innthale bis zu einer Höhe von 1600 m erhob (Tafel I); aber ein solcher Eisstrom muaste immerhin ausgedehnte Spuren hinterlassen.

Längst schon sind in der Tbat durch PichlerI) Findlinge von TJrgebi^arten im Achense^ebiete bekannt geworden. Der tiroler Geolog weist besonders auf einen grossen Gneissblock an den Gehängen des Sonnenwendgebirges in ungeiahr 1470 m Höhe hin, welchen ee als einen Abkömmling der Stubaier Alpen betrach- tet Er berichtet femer, dass am 8onnenwendgebicge die Eiszeit ihre Spuren in Form von GletscherBchlifien zurQckgelassen habe. ^ Auch VON JtfojsisovicB^ verfolgte die erratischen Blöcke in der Achenseegegcnd. In der That beweisen Gletscherschliffe, welche durch einen Neubau an dem bekannten Gasthause „Scholastika" am Achensee blossgelegt wurden, dass ein Gletocher dieses Thal paesirte, und die dort sehr zahlreichen Urgebirgsgeschiebe lehren, dass derselbe ein Zweig des Inngletecfaers war. Nach Norden standen, nach Fassirung des Achensees, diesem Glet«cherzwäge zwei Wege offen. Einmal konnte er, dem Laufe des Achenthales folgend, sich in das Isarthal ergiessen, dann aber brauchte er nur den niedrigen Ächenpass zu überschreiten, um in das Thal der Weissach, des Hauptzuflusees des Tegemsees zu gelangen. Dass er dieses letztere wirklich gethan, beweisen die ausserordentlich be- trächtlichen Grundmoränenmassen auf der Höhe jenes Passee. Ein- geklemmt zwischen die Höhen des Hauptdolomites sind dieselben in einer Mächtigkdt von 40 50m aufgeschlossen. Geschiebe von süd- lich anstehendem Wettersteinkalk, von rothem Sandsteine, wie er im

') Zur Qeognosie der nördlichen Ealkalpen Tirols. Jahrb. d. k. k. geoL Keichsanstalt. 1856. IV. p. 738. Neues Jahrb. f. Min. u. Oeol. 1872. p. 407.

*) Beitrige mt Geognosie Urols. Nr. 8, Vom Scmnenwendjoche. Neues Jahrb. f. Min. n. Geol. 1875.

") Das Kftlkulpen gebiet zwischen Schwaz und WSrgl im Norden des Inns. VerhandluDgen d. k. k. geol. Beichsanstalt 1870. p. 185.

72 !• Abschnitt Letzte Vergletschening von Oberbayem u. NordtiroL

Innthale nur unterhalb Iimsbruck ansteht, ferner die typischen UrgebirgBgeschiebe von HombleudegestcineD aller Art, bald grün- lich, bald BchTärzlich, bald granatretch, eklogitartig, bald diorit- ähnlich, bald gnössig werdend, machen unzweifelhaft, dass ein Ann des Inogletechers den Achenpasa überschritt; die oben (p. 38) schon hervoigehobene bemerken awerthe Schichtung der Moränen lehrt femer, dase er dieselben nach und nach ablagerte. Es war mir leider nicht vergönnt, die obere Geschiebegrenze in der Um- gebung des Passes zu ermitteln. Es will jedoch scheinen, als ob der Crletscher mächtig genug war, um nicht allein im Achenthaie nach der Isar und im Weissachthaie nach dem Tegemsee vorzu- dringen, sondern um auch den ganzen Rücken, welcher den Achen- pass vom Isarthale trennt, als breiter Strom zu überschräten.

Das Weissachthal ist verhältnissmässig arm an Olacial- erscheinungen ; nur sporat^sche Urgebirgsgeschiebe verrathen, dass es das Bett eines Zweiges des Inngletschers war, und denselben am Tegemsee auf die bayerische Hochebene fiihrt«. Nach GCm- BEL^) finden sich auf den Höhen zwischen dem letztgenannten See und dem Schliersee UrgebirgBgeschiebe bis 1200 m Höhe, dies dürfte ungeiahr die obere Gletschergrenze am Rande des Gebirges gewesen sein.

Wie der Isargletscher durch eine Reihe von lokalen Glet- Bchem des Wettersteiu- und Kahnvendelgebirges genährt wurde, so dürfte wol auch der Acheothaler Zweig des Inngletschers lo- kale Zuflflsse besessen haben. So stiegen in dem Falzthumthale vermuthlich Gletscher von der Kahrweudelgruppe nach dem Achen- see herab, wenngleich ich gestehen muss, Spuren derselben bei einem allerdings nur flüchtigen Besuche jenes Thaies nicht gesehen zu haben. Doch konnte ich auch andemseits keinerlei Anhalt da- ftlr gewinnen, dass dieses Thal nicht mit einem Gletscher erfüllt gewesen wäre und \-ielleicht einen Gletschersee während der Dilu- vialperiode beherbergte. Desgleichen werden spätere Untersuchun- gen zu entscheiden haben, ob das Sonnenwendgebirge eigene Glet- scher erzeugte und ob durch das Ampelsbacher Thal und den niedrigen Fass von Ober-Berg (Tafel I) der Achenthaler Gletscher

') Alpengebirge, p. 802.

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Kajutel VII. ÄiubrdtuDg des Inngletachen ia den nördl. Kalkalpen. 73

mit den weiter ÖHtlicIi gelegenen Venwdgungen des Inngletachers zusammenhing. £a sind dies Fragen von nur lokaler Bedeutung. Hier kommt es bloss darauf an zu zeigen, dase sich ein Zweig vom InnthalgletBcher am Acheasee loslöste, sich in den nördlichen Ealkalpen verbreitete, im Westen mit dem Isargletscher vereint bei Tölz die bayerische Hochebene betrat, im Osten dieselbe durch noch zu erwähnende Zu- flüsse verstärkt, am Tegernsee erreichte.

Oestlich vom Ächensee erhebt sich noch ^nmal am Innthal- £ehänge eine Kette der nördlichen Kalkalpen zu der gewöhnlichen Höh& Es ist dies das vordere Sonnenwendgebirge oder die Ko&ngmppe. Dann bricht Jene mauerartige Begrenzung plötzlich schai;f ab, die Nordgehänge des Innthales steigen nicht mehr wie bis dahin fast ununterbrochen bis zu über 2000 m Höhe an, son- dern erheben sich nur im Mittel auf 1300^1400 m. Aber auch die übrigen Ketten der Hordalpen verlieren an Höhe und Zusam- menhang, und werden vielfach von Thälem durchbrochen. Einiger- maassen tritt durch ihren Zusammenhang und ihre Hohe nur jene Kett« hervor, auf welcher die deutsch-österreichische Grenze ver- läuü Ich möchte dieselbe als dleEette des hinteren Sonnenwend- joches bezeichnen. Sie zieht sich fast bis zum lonthale, wobei sie ireilich an Höhe allmählich verliert, wird aber auch an mehreren Stellen durch tiefe Scharten unterbrochen. Während nun in den westlichen Theilen des Gebirges die Lücken in den Kett«n nur dazu dienen, um den Gewässern nach Norden Durbhlass zu ge- währen, wird die Kette des hinteren Sonnen wendgebii^es von süd- lich strömenden Wass^läufen durchsetzt, und die Wasserscheide der nordtiroler Alpen verlegt sich ziemlich nahe an deren Kord- abfall. Der Inn empt&ngt aus dem in Bede stehenden Gebiete den einzigen nennenswerthen Zufiuss von Norden während seines ganzen 150 km langen Laufes zwischen Central- und nördlichen Ealkalpen. Es ist die Brandeuberger Ache.

Wenn nun an den Gehängen des vorderen Sonnenwend- gehirges der Inngletacher seine Spuren noch in einer Höhe von 1450 m hinterliess und femer bei Eufstein noch bis 1360 m Höhe anstieg, so musste er sich in dem erwähnten niedrigen, in viele einzelne Berggruppen zerlegten Theile der bayerischen

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71 I. Abechnitt LeUt« Vergletscherung von Obeibsyem a. Nordtirol.

Alpen sich weit ausbreitet können. Zunächst konnte er das nur 1300 1400 m hohe nördliche Gehänge des Innthalea Qberfluthen, und das ganze Gebiet bis zu der aich im Mittel 1700 m hoch er hebenden Eette des hinteren Sonnenwendjochea überschwemmen. Er muBSte ferner durch die Scharten desselben nordwärts vordrin- gen, die niedrigen Pässe, welche zur nördlichen Abdachung fuhren, überschreiten, und so an verschiedenen Stellen die bayerische Hoch- ebene errächen.

Sind auch die bisher bekannten Thatsachen noch nicht ge- nügend, um eine genaue Schilderung der Vergletscherung des in Rede stehenden Bezirkes zu entwerfen, ao reichen sie doch aus, um obige Yennuthung, das theoretisch konstruirte Bild in seinen Hauptzügen zu bestätigen.

Zahlreiche Urgebirgsblöcke in der Gegend von Brandraiberg, Rietenberg und wie schon von Mojsisovics ') erwähnt, vor allem bei Thiersee bekunden, dass der Inngletscher dieses Gebiet üb^- deckte; GletscherschliSe bei Brandenberg und Thiersee beweisen femer, dass sich diese Eismasse im Sinne des Innthales nämlich nach Nordost bewegte, obwol sie von demselben durch die wahr- scheinlich nicht vergletschert gewesenen Gipfel des Brandenbei^er Joches, Heuberges und Pendlings getrennt war. Bie verhielt sich also zum eigentlichen Inngletscher wie ein ausgetretener Flus.s zum Stammflusse; das Land bis zur hint«ren Sonnenwendjochkette war vom Inngletscher Überschwemmt Bedauerlicherweise n^angeln gerade hier recht sehr Beobachtungen über das obere Niveau des Gletschers, fortwährendes Regenwetter zur Zeit meines Besuches hinderte mich an der Ausführung der nöthigen Bei^besteigungen. PiCHLER*) erwähnt, dass er krystallinische Geschiebe amWibner- joche gefunden habe. Dies würde auf ein Niveau des Eises von über 1300m schliessen lassen, und Beobachtungen über das Auf- treten von Blöcken in der Gegend von Kufstein lassen muth- in, dass das Eis nicht viel höher anstieg. Auf eine weit

') Das Gebiet von Thiersee, Kufstein, Walchsee imd Kössen in Nordtirol. Verhandl. d. k. k. geol. ReichsanBtalt. 1669- p. 222. *) Beiträge zur Qeognosie Tirols. Innsbruck 18r»9. p. 169.

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Kapitel VII. Äiubreitung des Innglelschere in den nördl. Kalkalpen. -TC

gröBBere Erhebung deeaelben deuten jedoch die gerundeten Berg- formen. Alle die Bei^, welche sich am Nordgehänge des Tnn- thales unterhalb Rattenberg erheben, »ind domformige, gerundete Kuppen, obwol sie aus ebendemselben Wettersteinkalke bestehen, dessen groteske Formen dem Wettersteingebirge seinen hohen landschaftlichen Reiz verleihen. Diese Kuppen erheben sich bis nahezu 1600 m Höhe.

Von diesem aus dem Innthale ausgetretenen Gletscher lösten sich Zweige los, welche die Kette des hinteren Sonnen wendjochea durchbrachen. Utgebirgsgeschiebe in dem Thale des Oberlaufes der Brandenberger Ach, nämlich der Falep imweit der Kfdser- klauee (Forsthaus Falep) lehren, dasa ein Zweig des Inntiialglet- schers da» Falepthal verfolgte und sich zwischen das hintere Sonnen- wendjocb und den Schinderberg zwängte. Wenn man nun weiter au^ärts sowol an der weissen als auch an der rotben Falep BlScke von kiystallinischen Schiefem findet, so kann man nicht zweifeln, dasa Bich jener Zweig des Inngletachers theilte. Der westliche Äst, derwdssen Falep folgend, hat seine Spuren noch „auf dem Wechsel" der Passhöbe zwischen deren Thal und dem der Rottach in Ge- stalt von Moränen imd Gletschers chliSen hinterlassen. Es geht hieraus hervor, dass dieser Äst die INordalpen kreuzt; er traf am Tegemsee mit einem Theile des Äcbenthaler Gletachera zusammen, und betrat gemeinschaftlich mit demselben die bajerische Hoch- ebene, Dagegen erreichte der andere Äst, welcher sieb in das Thal der rothen Falep erstreckte, nicht die HocbebeD& Es ist dies um so bemerkenswerther, als ein sebr niedriger Fass das Thal der rothen Falep nach Norden gegen das Äurachthal öänet, 'SO dass hier die Kalkalpen von einem fast gradlinig ver- laufenden Qnerthale durchzogen werden, in welchem nach der Analogie anderer Fälle sich ein grosser Gletscher bewegen konnte. Allein auf jenem, etwa 1100 m sich erhebenden Spitzingpass.e nimmt man keinerlei Spuren glacialer Bildungen wahr, und auch in der Umgebung des unmittelbar benachbarten Spitzingsees sieht man weder Rundbuckelformen noch Grundmoränen. Dementspre- chend mus8 man annehmen, dass der Spitzingpass nicht von einem Zweige dee Inngletschers üherscbritten wurde, und im Einklänge hiermit steht die Thatsache, dass in dem nördlich gelegenen Au-

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7C I- Abschnitt. Letzte Vergletschening tob Oberbayem u. NordtiroL

rachtfaale und dem daran anschlieBHenden Schlierseebecken Ui^- birgageschiebe fehlen.

Diese Thatsache gewinnt an Bedeutung, wenn man in Be- tracht zieht, daaa der Spitzingpaes unter der oberen Geschlebe- greiue der Umgebung liegt Südlich von ihm sah Pichleb auf der Höhe des Wibner Jochea, also 1300 m hoch, erratisches Ma- terial, und nördlich von ihm fand Güubel auf dem Efihzagebat- tel bei Tegernsee 1120in hoch noch Hochgebirgsschotter. Uuter solchen Umständen drängt sich die Frage auf, warum der nur 1100 m hohe Spitzingpass nicht vom Eise überschritten wurde, während der benachbarte Pass „auf dem Wechsel" trotz seiner Höhe von 1200 m vergletschert war.

Die wahrscheinlichste Antwort hierauf dürfte sein, dass der SpitzingpasB gleich dem Fempasse zur Glacialzeit noch nicht in seiner heutigen Gestalt exiatirte, und noch nicht als so tiefe Scharte, wie jetzt, die Kalkalpen unterbrach. In der That liegen auch Anzeigen daiÜr vor, dass in der Nähe des Spitängpassea in jüng- ster Zat namhafte Veränderungen in der Konfiguration des Lan- des geschehen sind. So sieht man am Nordabsti^ des Fasses bei Max-Joseisthal mitten im Thalboden mehrere isolirte Hügel, welche aus einer Kalkbreccie bestehen, wie sie gewöhnlich am Fusse steiler Gehänge als Schutthalde auftritt Bildet diese Brec- cie nun heute isolirte Hügel, lehnt sie sich also nicht an ein be- stimmtes Gehänge an, sondern fallt sie von einem nur ideellen ab, so ist anzunehmen, dass seit der Zeit ihrer Bildung beträchtliche Umgestaltungen der Landschaft erfolgten. Unregelmässige Züge in dem Bodenrelief am Kordabfalle des Passes, kleine Tümpel bei Max- Josefsthal, der Spitzingsee an der Südseite der Poeshöhe lassen muthmaassen, dass es vielleicht Bei^türze ähnlich wie am Fempasse waren, welchen der Spitringpass seine heutige Gestalt zu danken hat

Wie dem auch ad, mag ein Zusammenbrechen unlerwühlter Gehänge, mag Tielleicht ein lokaler Gletscher dem Pass sein jetziges Aussehen gegeben haben, von Belang ist vor allem das jugend- liehe Alter desselben; denn der Spitzingpass verbindet zwei Thäler zu einem tiefen und geradlinigen Querthale, welches die Kalkalpen durchsetzt Dieses Querthal ist also erst in jüngster

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KapitdVII. Anebreituiig deBlnugletecheramdennördl. Eal^alpen. 77

Zeit durch das Fallea der Scheidewand zwischen zwei Thälern entGtanden, es gilt hier daeselhe, was ohen p. 60 Tora Fernpaes- Querthale gesagt wurde. Von den drei hauptaächlichsteH Quer- thälcTD der Kalkalpen, welche in unaer Gebiet fallen, sind also Ewei jugendlichen Alters, sie sind die jüngst«n Bildungen in dem Gehii^; das dritte Quertlial, welches von Seefeld über Mittenwald nach dem Walchen- und Kochelsee fuhrt, setzt sich femer am einer Reihe von Einzelthälem zusammen, deren Zusammenfallen in eine Linie als Zufall zu betrachten ist Dies alles lehrt, dass die grossen Querthäler nichts mit Spalteu zu thuu haben, welche sich bei der Hebung des Gebirges aufUiaten, sie sind vielmehr die jüngsten Erscheinungen in der Bildung der Thäler.

TJrgebirgsgeachiebe zwischen dem „Landl" und Bajerisch Zell zeugen davon, daas auch auf diesem niedrigem Passe ein Zweig des Innthalgletschera die hintere Sonnenwendjochkette durchbrach. Derselbe läast sich wejter in dem Leitzachthale verfolgen, in welchem er die Hochebene erreichte. Dass das Becken des Schliersees und das Äurachthal auch vergletschert waren, das lehren hier verbreitete Moränen; do4;h wie bereits angedeutet, stehen diese Bismassen zu denen des Innthales nicht in direkter Beüehung,

Unentschieden muss schliesslich auch gelassen werden, ob die westlichste, und zugidch am wenigsten tief eingesenkte Scharte der hinteren Sonnenwendjochkette, welche das Bayer- und Langenau- thal verbindet, einem Zweig des Inngletschers als Durchlass nach Norden, und zwar in das Weissachthal diente. Ich habe diesen Paes nicht besucht, um dies konstatiren zu können. Nach analogen 'Fällen zu urtheilen dürfte es jedoch wahrscheinlich sein. Dasselbe gilt, wie oben schon erwähnt, von dem Passe bei Ober-Berg, welcher südlich der hinteren Sonnenwendjochkette nach dem Achenthaie fuhrt

Der Innthalgletscher wurde also, bevor er das Gebirge ver- liess, durch eine Reihe von Abzweigungen geschwächt, welche sich in die nördlichen Kalkalpen ausbreiteten und an verschiedenen Stellen die bayerische Hochebene errichten. In der Gegend des heutigen Fernpasses scHob sich ein kleiner Zweig in das obere Loisachthal, aber jener schönste aller Pässe der nordtiroler Alpen

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78 I- Abschnitt. LetEt« Vergletachening von Oberbafem u. Nordüro].

war damals schwerlich in seiner heutigen Ausdehnung vorhanden. Höchst wahrschwnlich schied noch ein Feleengrat das obere Ixiieachthal von dem Thalnege des Ions. Ein gewaltiger Gletecherzweig trennt« sich voni lDngIetsch«r luu ßeefelder Passe. Wir verfolgten ihn als Isargletscher in dem grossen Längsthale nördlich des Wetterstein- und Kahrwendelgebirges; der kleine Gletscher des oberEm Loisacbbeckens, sowie lokale Eis- atrdme der Kalkalpen wurden ihm tributär, im Ammer-, Loisaeh-, Kocbelsee- und Isartbale erreichte er die Hochebene Eine dritte geringere Abzweigung wurde durch das Achenseethal veruraacbt, dieselbe Hess sich einerseits bis zum Isargletscher, andererseits bis in das Becken des Tegemsee veriblgen. Weiter zeigte sieb, dass unterhalb des vorderen Sonnenwendgebirges der Innglet«cher seine nördlichen Gehänge überfluthete und sich bis an die Kette des hinteren Sonnenwendjoches ausbreitete. Er entsandte durch die Pässe desselben einige Ausläufer direkt nach Norden, welche an verscliie- denen Stellen die bayerische Hochebene erreichten. Die Haupt- masse des über die Thalgehänge ausgetretenen Eisstromes folgte aber dem Laufe des Innthales selbst, um mit demselben die nörd- lichen Kolkaipen zu durchbrechen. Zuvor jedoch gewann sie Be- rühnmgmit dem benachbarten Gletschersysteme der Salzach. Eis- strönie erfüllten nämlich, wie zahlreiche Spuren derselben bekunden, das Elmau- und Brixener Thal, welche die Fortsetztmg jener grossen Senkung bilden, die Central- und nördliche Ealkalpen trennt, und die von Wö^l ab aufhört, den Lauf des Innes zu beherbergen. Jene beiden Tbäler gestatten heute eine lachte Kommunikation zwischen demThale der Cbiemsee-Achen und dem des Inns; folgt doch dem einen ein Theil der an Bauten so reichen Giselabahn. Während der Glacialzeit verknäpften die Eisströme jener Thäler daher den Inn- und Chiomsee-Achen-Gletscher, welch letzterer wiederum als ein Glied des Salzachgletschers erscheint.

So waren denn zur Glacialzeit die nördlichen Kalkalpen vom Arlberge bis zum Tbale der Chiemsee-Achen durch eine zusammen- hängende Eismasse von den Centralalpen getrennt Die einzelnen Gletscher, welche die Ketten der Kalkalpen durchbrechen, er- scheinen nur als Abflüsse dieses Meeres von Eis. Der bedeutendste von ihnen war aber unstreitig der Eisstrom, der im heutigen Inn-

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Kapitel ^11. Ausbreitung des luugletachers in den nördl. Ealk&lpen. 79

thale die Kalkalpen querte. Dereelbe musste sich bei Kufetein durch eine enge Pforte zwischen dem Trainsjoche, dem letzten Ausliufer der hinteren Sonnen wendjochkette, und dem hinteren Kidsei^birge durchzwängen, nachdem er zuvor durch das Längs- thal, welches die beiden Kaisergebirge trennt, einen Arm nach Osten dem Chiemsee-Achen-Gle4«;her zugesandt hatte. Darauf deu- ten die von GOhbel entdeckten Ablagerungen von Hochgebirge- Bchotter auf der Hochalm, der Einsattelung zwischen dem vorderen und hinteren Kaiser. Nach Durchbrechung jenes engen Passes aber konnte sich der Inngletscher weit über das an Höhe stark verlorene Grebirge verbreiten, und besonders war ihm Gelegenheit geboten, nach Osten hin, nach dem Chiemsee-Achen-Gletscher sich auszudehnen. Er drang Eolchermassen durch das Walchseethal vor, in welchem er zahlreiche erratjeche Blöcke und mächtige Gnmdmoränen hint«rlies8, und sandte hier einen mächtigen Zufluss ' dem Chiemsee-Achen-GletBcher. Gletscherschliffe und e^tisches Material bezeugen lemer, dass er such durch das Prientbal nord- wärts vordrang, um sich in den Chiemsee zu ergiessen. Die Hauptströmung des Eises aber folgte dem Innthale selbst Aller- dings dürfte dieselbe schwerlich bei ihrem Austritte aus dem Ge- birge die Höhe erreicht haben, welche der Isargletscher beim Verlassen der Alpen beeass, liegt doch schon innerhalb des Ge- bildes die obere Geschiebegrenze am Innthale bei Kufstein fa^t 200 m niedriger als an entsprechender Stelle des Isargletacher- gebietes bei Qarmisch, imd wenn anzunehmen ist, daas der Isar- gletscher am AJpenrande noch bis ] 400 m anstieg, so dürfte der Inngletscher b^m Verlassen der Alpen kaum über 1300 m hoch angeschwollen gewesen sein.

Dennoch kann es aber keinem Zweifel unterliegen, dass im Innthale der bedeutendste Eisstrom unseres Gebietes die Alpen verliess, darauf weist die enorme Entttieklung hin, die derselbe auf dem nordalpinen Vorlande nahm.

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80 I. Abschnitt Letzte Vergletacherung von Oberbayem u. Nordtirol.

Kapitel VIII. Oletscher des Hier- und Lechthalos.

Westliche Seniung der Scheide iwischen Central- and Kalkalpen. Glefscher des Kloeterlhales. Ausbreitcag des Rheingletsehere in VcFTtrlberg. Pitse zwischen Arlberg und Lechthal, soirie diesem und Bregenicr Ach- und liier- thal. GlaeialeracheinunKen im lUenhale. Urgebii^egeechiebe t>ei Oberet^lorf. Höhe der Gladaleracheuiungen im Illerthale. Mündungen dea Ille^etechers Im Hier-, Slarzlach- und Wertaclithale. Lokale Gleticher dea vorderen Bregenzer Waldes. Lechgletscber , Verzweigungen desselben in das Tbann- heim- und Hinderthorenthal. Loltale Gletscher der Vilgemlpgnippe. Zu- sammenhang der einzelnen Eiaströme.

Die grosse Senkuug, welche im Süden BayernB die Central- alpen von den Kalkalpen trennt, gehört nur zu einem, freilich gröseeren Theüe in daa Fluss- und Thalgebiet des Inn; ihr west- liches Drittel ^enkt sich dem Rheine zu. (Siehe Tafel I.) Es iet dies das Klosterthal, welches bei Bludeuz sich mit dem Illtbale vereinigt. Der sich bis nahe 1800 m erhebende Arlbei^, an und für sich ein Pass, bildet heute die Scheide zw-ischeu den Gewässern des Rheines und denen dea Inns, und er war wol auch zur Eiszeit die Grenze zwischen den beiden entsprechenden Gletscher Systemen.

Dass das Klosterthal nebst den übrigen Thälem der rhädschen Alpen vergletschert gewesen ist, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Freilich mangeln einschlägige Beobachtungen sehr. Frignet') ist meines Wissens nach der Einzige, welcher von Gletscherspuren im Kloster- und Illthale berichtet, dieselben deuten darauf hin, dass sicli in beiden Thälem ein mächtiger Eis*

') Phönomfene erraüque dans la vallfe de l'Inn. 1847. p. 47. 65. Bemerkenswerth ist eine Mittbeilung Qümbel's (Jahrb. d. k. k. geol. Reicbsanstalt. VII. IfiJli, p. 13), der zufolge zahlreiche L'rgebirga- geschiebe die Gehänge des lUthalea bedecken: „Ea sind da meist fein- körnige Gneisse, Aiigengneisae , Byenite und besonders häufig Pistazit führendes Homblendegestein, welche auf einen ahnlichen Ursprung wie am Böigen hindeuten." Am Böigen im Algäu finden eich aus Flysch auswitternde Urgebirgsgeschiebe. Vos MojsiSOVTce, der auch diesen Theil der Alpen untersuchte, gab nur sehr dürftige Mittbeilungen über hier vorkommende erratische Blöcke. Vergl. Jahrb. d. k- k. geol. Keichaanatalt. XXIII. 1873. p. 158. im.

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E&pitel VIII. dletecher de» Hier- und Lechthale«. 81

Strom dem Rheingletscher oäherte, um sich mit diesem vereint aus den Alpen zu ermessen.

Der untere Theil des Rheingletfichers ist voa schweizer Geo- logen schon ausfuhrlich untersucht worden. Hier kann nur die- jenige Partie in Betracht kommen, welche sich in den deutschen Alpen Terbreitete; aber gerade über diese ist das wenigste be- kannt Es möge nur angedeutet werden, dass der Rheingletscher nach Durchquerung der durch den Sentis und Hohen Freschen bedingten Enge sich weit über den vorderen Bregenzer Wald aus- breiten konnte.') Er drang in das Thal der Bregenzer Ach ein, imd verliess dasselbe wieder in den Thälem der Rothach und Weissacb, um sich in diesen auf die Hochebene zu ei^iessen. Davon lehren Urgebirgsgeschiebe und GletscberschliSe bei Ober- staufen unweit des Weieeachtbales, sowie die Zusammensetzung der Moränen des Rothachthalee. Der beide Thäler trennende Rücken des Sulzbergee, sowie der sie vom Bodensee scheidende Zug des Pfaüdler sind übereist gewesen; als zusammenhängende, ununterbrochene Masse überäuthete also der Rheingletscher den nordwestlichen Theil Vorarlbergs. Er empfing hier höchst wahr- scheinlich aus dem Hinteren Bregenzer Wald einen Zufluss im Thale der Bregenzer Ach.

Wie heute die grosse Senkung zwischen Centralalpen und den nördlichen Kalkalpen alle von den erateren kommende Oe- wässer auffängt, und sie th^s dem Rheine, theils dem Inn zu- führt, so ist es zur Glacialzeit auch gewesen. Allein den hoch angeschwollenen Eismassen war mehrfiich Gel^enhdt g^eben, zwischen Rhein und Inn die Ealkalpen zu durchqueren. Wir haben die Durchbrüche vom lunthale aus bereits verfolgt; vom Kloster- und Illthale fanden solche Abzweigimgen vermuthlich nicht statt, da beide Thäler durch ziemlich ununterbrochene Wände gegen Nord begrenzt werden. Nur die niedrigen Pässe zwisohöi dem Walser-Thale und dem der Bregenzer Ache konnten vielleicht sudöstlich vom hohen Freschen eine Verbindung zwischen dem

') Vergl. bierzu die Angaben vouLexz über die erratiachen Blöcke in Vorarlberg. Yerhandl. d. k. k. geol, Reichsan8ta2t. 1874. p. 85, so- wie: Notizen über den alten Gletscher des Rbeinthales. Jahrb. d. k. k. geol. ßeichtsanstalt XXIV. 1874. p. 325.

Prnck, Die VfiglcUcbsiung. Q

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82 I' Abechnitt. Letite V^gletachening tod Oberbajem u. Nordtirol.

Illgletecher und dem der Br^enzer Ach bewerkstelligen, vaa noch näher zu verfolgen ist.

Während aber heute der Arlberg als eine scharfe Wasserscheide zwischen Inn und Rhein entgegentritt, kann solches zur GUcialzeit nicht der Fftll gewesen sein. W^m in der G^end von Nassereith der Inngletscher bis 2000 m ansti^, mussten säoe Zuflüsse aus dem vom Axlberge kommenden Staozerthale noch &ne weit be- trächtlichere Höhe erreichen, und hoch über den nur 1800 m hohen Arlbei^ angeschwollen sein. Die dem Inn- und Rbeingletscber tribu- tären Zuflüsse aus dem Stanzer- beziehentlich Klosterthale mussten demnach über den Arlberg zusammen hängen, derselbe war keine Scheide, aondem der Verknüpfungspunkt der Gkwösser des Inn und Rhön. In der That, dass der Arlbsg vergletschert gewesen, erkannte schon Moblot'), welcher auf dessen HSbe Oletscher- schliffe wahrnahm. Wir haben also von Rhein bis zur Chiemseeache eine wiimterbrochene Eismaese zwischen Central- und Kalkalpen.

An den Xordgehängen des Stanzer- und Klosterthales er- heben sich die Kalkalpea ohne namhafte Unterbrechung durch tiefe Pässe; aber gerade ajn Arlberge, an der Schüde beider Thäler zeigen sie eine tiefe Scharte; es ist dies der Flexenpass, welcher vom Arlbcige und zwar fast genau in dessen Höhe (1761m) in das Lechthal fuhrt, und unweit davon ^^fifaen noch am Bratser Stafel und Formariosee, wie aus Tafel I zu entnehmen ist, zwei Pässe eine Verbindung zwischtti Klosterthal und Lechthal. Dieses letztere ist nun in der Nähe seinerseits wiederum durch die niedrigen Pässe vnn Bchröck^ und Schrofen mit dem Thale der Bregenzer Ach und der lUer verbunden. So sind Lech-, Hier- und Bre- genzerach-Thal durch £inaatt«lungen gegen die Centralalpai ge- Öfiuet und wenn der Arlberg vergletschert war, so mussten jene Ein- sattelungen gleichfalls vereist sein. Der Arlberg wird solchermaassen zu einem Hauptknotenpunkt der EismasBea verschiedener Gebiete.

Ich bfidaure lebhaft, dass es mir nicht möglich war, die ge- nannten Pässe zu besuchen, ihre Bedeutung ist mir erst durch die schöne Karte Waltenberqee's ') über die Oberlechthaler Alpen

*) Erläuterungen eut geognost. Karte der DordOetl. Alpen. 1S47. p '} Die BhStikonkette , Lechtiialer imd Yorailberger Alpen.

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tCapit«! VIII. Gletscher des lUei^ und Lechthales. 83

veranschaulicht worden, zuvor hatte ich aus andern Karten nicht entnehmen kSnueu, dasB der Ärlberg ein solcher Hauptpass der Alpai ist, welcher nicht nur von West nach Ost taue Kommuni- kation vermittelt, sondern auch von Süd nach Nord in die Tfaäler der Kalkalpen einzudringen gestattet. Wenn aber auch am Arl- )>erge die Thäler des Lech, der Hier und Bregenzer Ach gegen die Centralalpen geöffnet sind, so ist doch einleuchtend, dasa die letzteren nie einen irgend wie bedeutenden Gletscher in dieselben ent- senden konnten, selbst zu einer Zeit, als der Arlbei^ flbereist war. Dieser letztere ist ein Sattelpunkt zwischen zwei Längsthäl^m, süd- lich von ihm eriieben sich ununterbrochene Bergwände; es fehlt also an einem Hinterlande für eine Eisentwicklung. Es können über den Arlberg die Gletscher zusammengehangen haben, aber nie von ihm ausgestrahlt sein. Dementsprechend konnten auch nicht bedeutende Kiamassen der Centralalpen über den Flezen- pass in dae Lechthal, und aus diesem in das Hier- und Bre- genzerachthal eindringen, und wenn sich in jenen Thälem aus- gedehnte Gletscherspuren finden, so rühren de Ton ihren eigenen Eisstrdmen her.

Das obere Thal der Bregenzer Ach habe ich nicht besucht; im nier- und Lechthale fand ich reichliche Glacialgebilde, deren Znsammensetzung auf das bestimmteste darauf hinweist, dass sie von d«i Thälem eigenthümlichen EisetrÖmen herrühren, wenngleich diese letzteren vermuthlich untereinander sowie mit den von den Centralalpen kommenden Gletsdiem in Berührung standen, falls die Topographie der G^end von der heutigen nicht abwich.

Die sanfW Gehänge und Terrassen des Illerthales sind in ausgedehntem Maasse mit Gruudmor&nen bedeckt Deutliche GletBcherschlifie Oberstdorf und Tiefenbach bew«sen, dass sich in ihm ein Gletscher nordwärts bewegte. In doa Moränen über- raschen vor allem zahlreich« Urgebirgsgeschiebe, welche in der Oegend von Oberstdorf besonders häufig sind. Auf den ersten Blick möcht« man aus ihnoi folgern, dass der Ille^letscher zahl- reiche Zuflüsse aus den Centralalpen, über den Arlberg her erhielt. Allein wandert man von Oberstdorf in dem Stillachthale aufwärts,

gänzungsheft Kr. 40 von PETERMAyit's Mittbdlungen. Vei^l. auch

' On^iraphie der algäuer Alpen. Augsburg 1873, 2. Aufl. 1381.

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84 I- Abschnitt. Letzte Vergletscherung von Oberbayem u. Nordtirol.

in jenem Thale also, durch welches einzig und allein eiu über den Arlberg kommender Gletscher der Centralalpeu in das Illerthal eindringen konnte, so verliert man die Urgebirgsgeachiebe und trifit allenthalben nur KalkgeröU an. Man erkennt, dass der Urgebirgsgeschiebetraneport nicht von den Centralalpen aus erfolgt ist. Ausserdem bemerkt man auch bei eingehender Betrachtung, dass der petrographiache Charakter der Urgebirgsfindlinge von Oberetdorf ein anderer ist ale der alpiner krystallinischer Schiefer.

Zunächst fallt der Mangel an jenen charakteris tischen grünen Homblendegesteinen auf, welche in der Centi-alkettc eine so grosse Rolle spielen, femer erscheinen die vorkommenden Oneisse viel feldepatbreicher nnd undeutlicher geschichtet als die alpinen, die Granite endlich tragen ein ganz anderes Gepräge als die wenigen Alpengesteine dieser Art Zweifellos hat man es hier nicht mit aus den Alpen stammenden Findlingen zii thun, sondern mit BlScken, welche sich auf tertiärer Lagerstätte befinden und dem Flysche des Algäu entnommen sind, eine Anschauung, die bereits GflMBEL') und Lenz*) äusserten. Wie schon durch A. Escher VON DER LiNTH*) bekannt \nirde und später auch Gümbel^) be- richtete, sind jenem Gesteine an manchen Stellen, vornehmlich am Böigen, Uigebirgsblöcke eingebettet. Während A. Escher von DER LiNTH die Aehnlichkeit mancher derselben mit Schwarzwald- ■geateinen hervorhebt, betont GOmbel die Uebereinalimmung der Augengneiase mit denen des bayerischen Waldes. Diesen Geröll- bänken des Flyaches dürften die Urgebirgsgeschiebe der Moränen des Illerthales entstammen.

Welche Höhe der Gletscher des Illerthales erreicht hat^ konnte ich nicht mit Genauigkeit ermitteln. Während meines 8 taugen Aufenthaltes im Algäu macht« ununterbrochenes Regenwetter jede zu diesem Behufe nöthige Bergbesteigung unmSglicfa. Am Böigen &nd ich eine Grundmoräne noch in 1320 m Meereshöhe, wäh- rend sich am Fusse des Berges in 850 m Höhe Gletscherspuren finden. Das Eis dürfte dem entsprechend eine Mächtigkeit von

') Jahrb. d. k. Ic. geol. Eeichsanatalt VII. 1856. p. 14. ') Verhandl. d. k. k. geol. Reichsanstalt. 1874. p. SC. ') A. a. 0. Neues Jahrb. f. Min. u. Geol. 1845. p. 550. ') Alpeogebirge. p. 626.

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Kapitel \1II. Oletscher des Hier- und Lechthalee. 85

miadeBtene 470 m beseseeD haben. Id dieeem Falle war es stark genug, um die sanft abgedachten Gehänge dea lUerthales zwJBchen Oberetdorf und 8onthofen auf weite Strecken zu bedecken. Aus- gedehnte Moränenmassen am Abfalle des Imberger Homes in über 1200 ^1300 m Höhe legen hiervon beredtes Zei^niss ab. Diesem 5 km breit angeschwollenen Strome war der durch die Kndalphomkette und das Grüntenmassiy eingeengte Ausgang dea Illerthales zu schmal. Er theilte sich am GrQuten, ein Arm folgte dem Illerthale westlich jenes Bei^ies, der andere drang öst- lich desselben durch das Starzlachthal in das Wertachthal vor, wovon ausgedehnte Moränen beredt zeugen. Ausserdem konnte er aber auch sich weiter nach Osten ergiessen, er konnte sich über das Ostrachtbal zwischen Hindelang und Sontholeu hinwegschieben um weiter ostwärts im Wertachthaie die Hochebene zu erreichen. Die Erscheinungeo im Ostrachthale stehen mit dieser Muthmassung im besten Einklänge. GletscherschliSe unweit Hindelang beweisen, dass ein Gletscher das Thal kreuzte; mächtige Grundmoränen voller Illei^i;esteine am Au&tieg von Hindelang nach dem Vorder- joche lehren, daes ein Zweig des lUei^letschers hier passirte; Gletscherschlifie und Grundmoränen mit den Flyschen des Algäu auf der Höhe des Yordeijoches endlich zeigen, dass jener Zweig diesen Pass überschiitt, um sich in das Wertachthal zu ergiessen. Somit erschienen der Grünten und neben ihm wol auch der Ross- kopf als Inseln inmitten des gewaltigen auf die schwäbisch- bayerische Hochebene sich ei^essenden lUergletschers.

Zwischen diesem Ulerglet^cber und dem über die niederen Partien des Br^nzer Waldes ausgebreiteten Rheingletscher dehnt sieh ein Gebiet aus, welches von mehreren tiefen Pässen durch- brochen wird, weswegen sich leicht der Gedanke aufdrängt, dass der Rheingletscher durch dieselben in das Illerthal dndrang. Aber es findet sich hierfür nicht die geringste Andeutung; es muss sich daher fragen, warum solches nicht geschehen. Es scheint mir nur eine Erklärung hierfür zu geben, nämlich die, dass das gedachte Gebiet eigene Gletscher erzeugte, welche theils dem Rhein-, theils dem Illergletscher zuströmten, tmd so den ersteren verhinderten, weiter nach Osten vorzudringen. Allerdings dürften diese Lokal- gletscher des vorderen Bregenzer Waldes nirgends die Hochebene

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86 I. Abschnitt. Letzte Ve^etecbening von Oberbayern a. Nordtirol.

erreicht liaben, gegta dieeelbe situl ai« durch die Kette des Rind- alphomea abgesperrt gewesen.

Nach Osten ist das Illerthal zasammenhängender begrenzt, und scharf war der Ülei^letecher vom benachbai1«ii Lechgletscher getrennt, mit welchem er muthmaasBlicb über den Schroienpass zu- sammenhing.

Das Lechthal beherbergte einen enormen Eisstrom. Das- selbe ist nach SQden, wie bereits ausanaudergeaetzt, dmrch deo FlexenpasB und zwei benachbarte Scharten nach dem Klosterthal geöShet, welches, nach der Bl führend, genau auf der Grenze zwi- schen Central- und nördlichen Kalkalpen liegt Ferner kommunicirtT wie auch schon mitgetheilt, das Thal des hauptsächlichsten Neben- flusses des Leche«, nämlich des rothen Loches, durch einen sich nur 1680m hoch «itebenden Paes im T^esthale mit dem Inntfaale und ein höherer Pass HÜat dahin auch aus dem Bschlabsthale. Es war somit mehrorts und zwar an zwei weit oitlegenen Stellen die Mög- lichkeit geboten, dasB von den Centralalpen kommende Gletscher in das Thalsystem des Lechs ihre Zweige sandten und in dem- selben Ui^birgsgescfaiebe verbreäteten. Falls dies wirklich geschehen Gewissbät über diesen Punkt zu verschaffen war mir unmöglich, da ich die genannten weit eutJegenenPäsae nicht in das Bereich meiner Exkursionen ziehen konnte so muss dieser Geschiebetransport ein sehr unbedeutender gewesen eeia. Die Moränen des unteren Lechthales bei Weissenbadi, Beatte und Füssen, sowie die dortigen Alluvionen, zeichnen sieb durch den fast vollständigen Mangel an krystallinischen Schiefem aus. Ich konnte daselbst nur ganz vereinzelte Gneissgeeteine konstatiren. Zudem sind alle jene Fasse sehr unbedeutend, und nicht zum Durchlasse beträchtlicher Eis- massen geeignet Das Lechthal aber selbst macht den Eindruck eines im Grossen und Ganzen in sich abgeschlossenen Thaies. Darnach dürfte es gerechtfertigt sein, von einem selbstständigen Lechgletscher zu reden, wenn auch derselbe jedenfalls hie und da mit dem grossen Meere von Eis direkt zusammenhing, welches Central- und Kalkalpen trennte, und so Zuflüsse aus dem Gebiete des Rhdn- und Inngletfichers eiUelt

Mit d«n Mangel an alpinen Urgebirgsgeschieben ist nun frei- lich im Lechthale die Bestimmung der oberen Geschiebegrenze sehr

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K&pil«l VIII. OletBcber des Hier- und Lechüialea. 87

erechwerL Ein jedes solches Gteeteinsbröckchen in den Kalk&tpen ist ja unbedingt ein Findling, wo hisgegen die Findlingsnatur der Kalkg^rölle für jeden einzelnen Fall erat zu erweisen ist, was bU- weilen mit grossen Schwierigkeiten verbunden ist. Somit kann ich kein bestimmtes Xiveau für die obere Grenze des Lechgletachers angeben; nach den gerundeten Gehängen xu echliessen, dürfte das- selbe unweit Weissenbach oberhalb Beutte nicht unter 1500 m gesunken sein. Jedenfalls war der Lechgletscher hier mächtig ge- nug, um einen Zweig westwärts über den 1100 m hohen Gaicht- pass in das Thaonheimer Thal zu senden, und um femer den 1200 m hohen Ehrenberger Bchlossberg zu äberfluthcn, wodurch ihm die Möglichkeit geboten wurde, in das Hinterthorenthal und und das Planseethal einzudringen.

Dass das erst«re wirklich der Fall gewesen ist, erhellt nicht nur' aus der Zusammensetzung der Moränen im Passe , sondern auch aus der Richtung der hiw trefTlich aufbewahrten Gletecher- schlifie. Wie weit eich freilich dieser Zweig im Thannheimer Thale verbreitete, werd^i spätere Untersuchungen zu ermitteln haben; ob er bis zum Yordeijoche vordrang, oder ob sich, wie nicht unwahr- scheinlich, ihm hier Gletscher der Vilsalpgruppe entg^enatellten, dies läset eich ohne weitab nicht aus den sehr spärlichen Auf- schlüssen des Thannbeimthales entnehmen. Soviel ist aber sicher, dass während die Grundmoränen auf der westlichen Seite desVor- deijochefl von dem Illergletscher angehäuft wurd«), demnach sich durch die Fuhrung von Flyscbgesteineu auszuchnen, die Moränai des östlichen Abfalls jenes Passes nur mesozoische Kalke mit- halten, also entweder von dnem Zweige des Lechgletschers oder von lokalen Eisströmen des Gebietes abgesetzt wurden, welche hier mit dem lUergletscher zusammentrafen. Jedenfalls ist also hier das ganze Gebiet zwischen Hier- und Lechthal vereist gewesen, und zwar theilweise von Zweigen, welche sich von den Gletschern jen^ Hauptthäler loslösten, theilweise aber wol auch von lokalen Gletschern, welche zwischen den bis über 2000 m auiragenden Gipfeln der Vilsalpgruppe entstanden. Im allgemeinen dürfte wol anzunehmen sein, dass im Wertachthaie ein Zweig des Hier- gJetechers die Hochebene erreichte, während sich durch das Vils- und Engethal dem Lechgletscher tributäre Eisströme nordwärts

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88 I. Abschnitt. Letzte Ye^letachening von Oberb&Tem u. Nordtirol.

ei^asen. Ist es gestattet, nach der Zurundung der Bergformen in diesem Gebiete auf die Höhe der Eisbedeckuug zu schliessen, so dürfte dieselbe zu 1500 m zu veranschlagen eein.

Einer genaueren Untersuchung muss es femer vorbelialten bleiben, zu ermitteln, wie weit sich der Einflugs des Lechgletschers nach Osten erstreckte. Ueberfluthete er den Ehrenbei^r Scbloss- berg, so stand ihm der Eintritt in das Hinterthoreuthal und das Becken des Flanse^ frei. In das Hinterthorentbal aber erstreckte sich, wie aus bei dem Weiler Lahn gefundenen Urgebiigsgeschieben hervorgeht (p. 61), der durch den longletscher genährte Eisstrom des oberen Loisacbthalea. Von Grieaen über den Plansee bis zum Lechthale verfolgbare Geschiebe von krystallini sehen SchieferD machen femer wahrscheinlich, dase sich ein Ausläufer des Isar- gletschers in dieser Richtung bew^te. Sonach dürfe anzunehmen sein, dass Arme des Loisach- und Isat^letschers dem Lechgletseher zuströmten und sich mit ihm vereinten. So viel ist unbedingt sicher, dass in allen den zahlreichen kleinen Länge- und Quer- thälem, welche zwischen Hier, Lech und Loisach auftreten, zu- eammenhängende Eismassen vorhanden waren. Dieselben wurden nach Norden zu durch die grossen Pforten des Hier- und Lech- thales dränirt, durch welche gewaltige Eisströme, deren oberes Niveau auf mindestens 1300 m zu veranschlagen ist, auf die Hochebene gelangten. Bebundäre Eisströme mündeten femer im StftTzlach- (zwischen Grünten und Rosskopf), Wertach-, Vils- und Engethal, welche die Ausläufer einer zusammenhängenden Eismasse zwischen Lech und Hier bilden.

Erscheinen nun auch Hier- und Lechgletscher im Grossen und Ganzen als selbstständige Eisströme der nördlichen Ealkalpeu, 80 sind sie doch vielfach mit den grossen Eismassen der Central- alpen sowie untereinander verbunden. An ihrer Wurzel hingen sie aller Wahrscheinlichkeit nach mit den Gletschern am Arlberge zu- sanunen, weiter abwärts worden sie durch lokale Gletscher des vorderen Bregenzer Waldes mit dem gewaltig ausgebreiteten Rhein- gletscher verknüpft; mehrfach traf der Lechgletscher mit den Ausläufern des Inngletschers zusammen, und abgesehen davon, dass muthmaasslich die obersten Partien des Hier- und Lech- gletschers mit dnander kommunicirten, trafen sie sich wieder am

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Kap. IX. Uebers. d. Vei^letschg. i. d. noidtiroler u. oberbayer. Alpen. 89

Saume des Gebirges. Wie in keinem anderen Tlieile der nord- tiroler Alpen offenbart sich im Algäu die Verbindung der ein- zelnen EisstrSme. Eine einüge Eismasse lässt Bich ron der Bre- genzer Ach über Hier bis zum Lech verfolgen, aus demselben ragen die Häupter der nördlichsten Gebirgskette als einsame Inseln hervor.'

, Kapitel IX.

TTeberücht der Yergletsohenuig in den nordtiioler . und oberbayeriBchen Alpen.

Vutetsdiiede der Vergletscheruiig in den achweiier und deutschen Alpen. ZnBammenhang der einzelnen GlEtsch^r in den l^gtChälem. Zusammen. hangeDde« Ueer von I^s. Direkte Endrässerung dureh QuerthSler. Bolle der Längathäler. Mangel an Zurundung der Gehänge. VereehwiDden tod GleUchencfaUffeii. Uaugel an Endmoränen und OberfläcbenBchutt. Hanpt- gedeinsItaQBpoit nnter den Ei«e. Gesetzmikssige Verbreitung der Grund. moiänen. Hindemissiuoräuen. Anliiufung der Grundmoi^nen, wo das Eis äeb langsam bewegte. Erodirende Wirkungen, wo Oletscher sich schnell bewegten. Entstehung der Grundmoränen. Verschiedene Wirkungen der Eiemasse.

Die nordtiroler und oberbayerischen Alpen gewährten zur Eiszeit nicht genau dasselbe Bild wie cUe der Schweiz. Zwar ent- wickelte sich hier wie Üort das Glacialphänomen in gleicher "Weise, überall folgten die Gletscher den Thälem. Aber gerade die Ver- schiedenheit des orographischen Baues b^der Gebiete bedingte ein verschiedenes Endresultat Man hat in der Schweiz grosse Stamm- thäler, welche die Centralalpen in fast radiärer Sichtung entn-ässem. Es waren daher in der Eiszeit wenige grosse Hauptgletacher, welche jenen Thälem folgten, vorhanden. Die deutschen Alpen hingegen werden von zahlreichen Längs- und Querthälem durchzogen, welche vor allem die nördlichen Kalkalpen in einzelne Berggruppen auf- lösen. Während der Glacialperiode findet man nun in allen jenen Thälem Eismassen , welche gleich denselben mit einander in Vet- bindiing stehen. Ein zusammenhängendes Netz von Eisströmen erfüllt daher die Thäler der Kalkalpen.

Es wurde ausführlich auseinandergesetzt, wie eine einzige zusammenhängende Eismasse vom Rheinthale bis zum Chiemaee- achenthale die Centralkette von den nördlichen Ealkalpen schied,

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90 I- Abschnitt Letzt« Vergletechwang TOn Oberi»;eni n. Ktndürol.

es wurden die Äusläu&r verfolgt, welche dieselbe in die letzteren entsandte; es wurde femer beechrieben, wie diese önzelnen Aus- läufer wieder in Konnex untereinander und mit eignen Gletschern der Kalkalpen traten. Es zeigte sich so, dase das Thanoheimthal eine Verbindung zwischen dem Hier- und Lechgletscher darbot; dos Planseethal verknappe den letzteren mit eiuQn Zweige des Isargletschers, und einen weiteren Zusammenhang zwischen diesen beiden vermittelte der Loisad^letscher. Durch das Hint«rthoren- thal mündete er in den Lechgletscher, durch das heutige Loisach- - thal strömte er vennuthüdi dem Isargletscher zo. In weich' groes- artiger Weise «ch Atx letztgenannte in dem grossen Längstbale nördlich des Wettcratdn- und Kahrwendelgebirges verbrrätete, da- von ist auefOhrlich die Bede gewesen ; es wurde auseinandei^jesetzt, dasB die f^tröme, welche im Ammer-, Loisach-, Kochelsee- und Isarthal die bayerische Hochebene erreichten, nur die Ausläufer jenes grossen Meeres von Eis waren. Wie dasselbe im Westen sich mit dem Lechgletscher berührte, so stand es im Osten in VeHtin- dung mit dem Achenthaler Zweige des Inngtetschers, welcher ihm als breiter Strom zufloes. Dieser letztere Ast erstreckte sich ost- wärts bis zum T^emsee, wo er mit anderen Zweigen des Inn- gletschers zusammentraf Die Verästelungen des letzteren in dem (Gebiete Östlich des Achensees wurden eingehender beschrieben, und es wurde dargethan, wie dieser Gletscher nach Osten mehrfach mit dem Chiemseeachengletscher in Verbindung trat So erscheint unser Gebiet in einheitlicher Weise vergletschert^ und fast möchte man ge- neigt sein, nicht mehr von einzelnen Gletschern desselben zu reden, Bondem von einer zusammenhängenden Eisdecke, welche es iiber- £0g, BodasB nur die höchsten Gipfel und Ketten als Inseln er- schienen. Im Innthale unweit der Einmündung des Oetzthales stieg dieses Meer von Eis bis nahe 2000 m H$he an. In den Thälem der bayerischen Alpen erreichte es ein Kiveau von 1600 m. S^e obere Grenze beim Betreten der bayerischen Hochebene dürfte 1200 m im Mittel Überschritten und im Westen höher als im Osten gelegen haben. Trotz dieses unleug- baren Zasammenhangee dürfte es aber immer noch empfehlene- werth sein, von einzelnen Gletschern des Gebietes zu reden: denn jenes Meer von Eis lag nicht unbeweglich und starr da. Es

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K&p. IX. Uebers. d. Vergletacbg. i. d. noidlaroler u. oberbayer. Alpen. 9 1

Bdrfimte nach gewiesen IU(Jitung«n, wie der Transport des errati- sehen Materiales erweist, und diese Strömungen dürften nach wie vor als Gletscher bezeichnet werden. Die solchergestalt bewirkte Entwässerung des Gebietes folgte aber theilwose anderes BafaDen als die heutige durch das fliesseode Wasser. Sie geschah auf direkterem Wege. Die Eisströme suchtui thunlichst auf den Querth&lem das Gebii^ zu verlassen.. Hie und da folgten sie auch streckenweise den LÄngsthälem, im allgemeinen vennttteltea die in denselben lagernden Eisströme aber wie es scheint nur eine Verknüpfung der verschiedenen in den Querthälem strömenden Gletscher, und es bedarf noch einer genauen Untersuchung darüber, wie und in welcher Bichtung sich das Eis in den Längathülem bew^te. A priori sind drei Möglichkeiten denkbar. Das Eis könnt« nämlich entweder durch ein Längsthal von dnem Quer- thale zum andern «ch bew^en, was in zwei entgi^engesetzten Kichtungen geschehen konnte, oder es strömte aus einem Längs- thaie zwei verschiedenen Querthälem zu. Beispiele für alle diese Fälle konnten bereits nachgewiesen werden. Ea zeigte sich, wie der leargletjsch» sich atu^ Ost und West in dem Langstbale nörd- lieh des Kafarwendel- und Wettersteingebirges ausbreitete; es fand sich, dasB die grosse Senkung zwischen Central- und Kalkalpen the^s nach dem Rheine, theils nach dem Inne entwässert wurde. Diese gewaltige Yergletscherung hat in den nördlichen Kalk- alpen weniger deutliche Spuren hinterlassen, als man nach der Analogie mit andere Ländern erwarten darf. Die Abrundung der Berggehänge ist w^t weniger auäallig als in den norwe^schen Thälem. Rundum abgeschli^ie Felsbuckel, wie sie an den Küsten dieses schärenumsäumten Landes in so erstaunlicher Zahl auf- treten, wie sie über die Ebenen des mittleren Schwedens verbrdtet sind, fehlen fast gänzlich. Gletscherschliffe, wie sie dort auf kahlem Fels prächtig zu sehen sind, erscheinen hier als Seltenheit. Es hängt dies mit den in den nördlichen Kalkalpen herrschenden Gesteinen zusammen, welche ungemein leicht der Zertrümmerung unterworfien werden. Ein jeder Winter nagt an den Wänden des Wettereteinkalkes , lacht löst sich der Hauptdolomit in feinen Grus auf Nicht weil die Yergletscherung weniger intensiv gewesen, sondern weil nach ihrem Ende eine rascher

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92 I.Abschnitt, Letzte Vei^letachenmg tob Oberbavem u. Kordtirol.

wirkende Zerstörung vor eich geht, zeigen die nördlichen Kalkalpen in ihren Ber^ormen weit weniger die Spuren einer früheren Yergletscherung als andere Gebiete. Der G^ensatz zwi- Bchen den leicht zerstörbaren Kalken, Dolomiten und weichen Schiefem einerseits und den harten, festen, schwerrerwitterbaren Urgebii^sarten andererseits bedingt nicht zum geringsten den Unter- schied in der Physiognomie Norw^^u und unseres Gebietes.

Es ist erstaunlich, wie rasch die Spuren der Vergletschenmg auf feBt«m Gesteine, wie schaell z. B. Gletscberschliffe vernichtet werden. Vor kaum zehn Jahren wurden in der Nähe des Schlosses Hohen seh wangau durch die Anlage von Fusewegen Grundmoränen von Felshöckem w^^räumt, und heute zeigen diese letzteren keine •Spur einer Kritzung und Schrammung mehr. Erst wenn man die noch stellenweise erhaltenen Moränen wegschürft, nimmt man deutliche Schrammen wahr. Binnen zehn Jahren also können die charakterisdachten Gletscherspuren allein durch die Wirkung der Verwitterung vernichtet werden. Es ist daher immer ein glück- licher Zufall, einen Gletscherschliff aufzufinden. Nur da, wo ganz kürzlich Moränen w^^eräumt sind, sind sie zu erkennen. Bloss an wenigen Stellen fand ich Schliffe auf natürlichen Entblössungen, die meisten konnte ich erst konstatiren, wenn ich an einer passend «Tscheinenden Stelle die Grundmoränen vom Felsen entfernte. Fast nirgends war dies erfolglos. Dies beweist wol am besten, dass nachträgliche Vorgänge die Wirkungen der Glaciatzeit zerstörten, und unter solchen Umständen kann es nicht Wunder nehmen, dass bisher aus dem Gebiete der nordtiroler Alpen fest keine Gletscherschliffe bekannt waren.

Auäällig ist femer ein Mangel, welcher die vergletscherten Theile unseres Bezirkes von den Gletacherbetten anderer Alpen- gebiete unterscheidet Es fehlen in den Thälern der nord- tiroler Alpen die End- und Seitenmoränen, welche die Thäler der schweizer Alpen auszeichnen. Weder das Hier-, noch das Lech- oder Isarthal oder endlich Innthal werden von End- moränenwällen gekreuzt, nirgends sah ich * Blockauhäufungen, welche unbedenklich ab Reste von Seiten- oder Mittelmoränen gedeutet werden können. Es fehlen ferner jene grossen, eckigen GesteinhlÖcke fast gänzlich, welche in der Schweiz

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Kap. IX. Uebera. d. Vergletschg. i. d. nordtiroler u. oberbayer. Alpen. 03

zuerst das Studium der Gladalphänomene weckten. Dies Gel schon GCmbelI) auf, er bebt hervor, dass es im Gebirge nur- erradschee Geröll, wol zu unterechdden von erratdechen Blöcken, gebe. In der That besitzen die meisten Findlinge vdeihx oder weniger abgerundete Formen und geglättete Oberfläche. Dies gilt selbst von groeeen, mehrere Kubikmeter haltenden Blöcken, welche in grosser Anzahl in der Gegend von Wallgau am Gehänge des Isartlialee umherliegen. Einige dieaer Geschiebe sind jedoch nach- träglich zerborsten, erscheinen daher eckig, ihre Trümmer liegen aber noch zusammen. Es fehlen also Andeutungen darüber, dass die EisBtröme -der nordtiroler-oberbajerischen Alpen Oberfiäch^i- moränen und beträchtliche Mengen Oberflächenschutt trugen, wie die Gletscher anderer Gebiete. Der Hauptgesteinatransport geschah nicht auf dem Rücken der Gletscher, sondern unter deren Sohle durch die Grundmoränen.

Diese Grundmoränen sind nicht gleichmässig über das Gebiet . veri)reitet. Sind sie an «nzetnen Stellen in höchst beträchtlicher ^ächtigkdt entwickelt, so fehlen sie an anderen Orten gänzlich. Sie sind in unr^elmässigster Weise verbreitet Es wird nun zu entecheideu sein, ob diese Unr^elmässigkeit ursprünglich ist, oder ob sie die Folge nachträglicher Erosion ist.

Sicherlich ist nicht zu leugnen, dass der Erosidn eine Menge Moränen zum Opfer gefallen sind. Wenn sie heute in den Thälem des Lechs und der Isar sehr zurücktreten, so dürfte dies zu einem guten Theil die Folge späterer Erosion sein, und wenn dann im Gegenthdle in anderen Thälem, wo nur unbedeutende Wasserläufe wirken, mächtige Grundmoränen angetroffen werden, so ist dies zum Theil sicher durch die geringe, hier wirkende Erosion bedingt. Allein es erscheint nicht gestattet, ausschliesslich auf die Unregel- mässigkeit der Erosion die Vertheilung der Grundmoränen zurück*, zuführen. In manchem Thale wie z. B. dem der Bier gibt es sehr mächtige Moränen, obwol dasselbe von einem nicht unbeträcht- lichen Flusse durchströmt wird, und diese Mächtigkeit verlangt schon eine Erklärung.

Es existirt nun aber eine nicht zu leugnende Beziehung zwi-,

') Alpengebirge. p. 802.

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94 !• Abschnitt. Letzte Vei^letacherung von Oberbajreni n. Noidtirol.

sehen der Vertheilimg der Grundmoränen und dem Glacialphänomen aelbet, eine Beziehung, welche eich un deutlichsten kund gibt, wenn wir die Lage der mächtigen Moränenablagenu^en insAnge foMen.

Vor allem muss bervorgehobeD werden, dass die LängB- tbäler mächtigere Grundmoränen bergen als die Quer- thaler. Diea zeigt rieh besonders deutlich im Algäu. Während das grosse Querthal dur Hier in der O^nd von Oberstdorf nur wenige, untergeordnete Grundmoränen besitzt, sind dieselben in grosser Mächtigkeit da entwickelt, wo Seitenthäler in dasselbe ein- mflnden. 80 schneidet die Breitach, bevor sie die Hier errdcht, 40 m tief in eine Grundmoränent«rniSse ein. Das bei Maiselst«n mündende Längsthal der Bolgenach ist gleichialls mit mächtigen Orundmoränen erfiUlt Zwischen Hindelang und Bonthofen er- scheinen au den Gehängen der Ostrach mächtige Moränen, das LÄngsthal derselben scheint durch die letzteren ein Stück ausge- füllt gewesen zu sein. Das Thannheimu Thal zwischen Hier und Lech ist jedenfaUs mit Grundmoiilaen ausgekleidet, welche durch jüngeren Schutt theilweise verdeckt sind. Der Vilsbach freilich, welcher dies Thal entwässert^ schneidet nirgends merklich in dessen Sohle ein, die Oaicht hingegen, welche sich direkt nach dem Lech erfpesst, hat sich ein tiefes Bett in den Thalboden eiug^raben und zagt, dass derselbe bis zu einer Tiefe von 40 m aus Grund- moranen besteht Ein ganz ähnliches Veriiältniss zeigt sich im Hinterthorenthale, joinu Längsthaie, welches vom oberen Loisach- becken zum Lech, von Lennoos nach Ghrenberg fuhrt. Der ^e AbHuss desselben, der dem Plansee tributäre Grasbach, fliesst mit geringem Gefalle auf der Sohle des weiten Tfaalee, an dessen Fortbildung er nicht arbeitet Der andere Abfluss hingegen, die Loisach, schneidet tief in den Thalboden täa, und entblösst bis über 30 m mächtige Grundmoränen. Der in einem Läagsthale zum Lech strömende Abfluss desFlansces durchbricht, kurz bevor er das Lechthal erreicht, eine 70 m mächtige Grundmoräne, wol die beträchtiichste des ganzen Gebietes. Das Längsthal der Jacfaenau vom Walchensee zur Isar ist auch mit Grundmoränen erfüllt, welche am Bachuier oft 20 m hohe Abstürze bilden, und das Aurachthal endlich, solange es zwischen Max-Josephsthal und

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Kap. IX. Uebets. d. Vergletschg. i. d. nordtiioler u. oberbayer. Alpen. 95

Aurach der Längericbtung des Gebirges folgt, ist mit Grund- moiänen auBgestattet. Nun aber dienten, wie dargethau, die Längs- thäler weit weniger alB Betten der Eisbewegung als die Querthäler, und in Rücksicht hierauf kann man die angeführten Thatsachen inFolgendem nuamniBiCAsaen: Die mächtigeten Grundmorä- nen liegen-ausser den Hauptwegea der Gletscher.

Sind nun zwar die Längsthäler ausgeseichnet durch sehr auB- gedehnt« und mächtig entwickelte Grundmoränen, so fehlen diese letzteren doch keineswegs den Querthälem. Sie stellen Bich in deoselbeD gern da ein, wo sie sich erweitem. So fehlen im Ge- biete des IllergletscherB bei Oberstdorf an den Gehängen des Iller- tbales die Grundmoränen im allgemeinen. Weiter abwärts ver- breitet sich das Thal, seine terrassirten Gehänge, besonders die 4es rechten Ufers, tragen ausgedehnte Moränen, deren Itlächtig- keit 30— 40ni vielfach Übersteigt Wo sich dann zwischen Rind- alpbomketle und Grünten das Illerthal verengt, verschwinden diese mächtigen Ablagerungen wieder. Besonderes Licht Ober diese Verhältnisse wird erhalten, wenn man den Verlauf eines einzigen Gletschers verfolgt. Während im Mittenwftlder Passe der Isar- gletscher nur untergeordnete Grundmoränen hinterliess, lagerte er deren in groaaer Aasdehnung nördlich jenes Passes ab, wo er sich ficherfSrmig nach Ost und West verbreitöi konnte. Es finden sich unteritalb Mittenwald an den Gehängen des hier als Quo- thal verlaufenden Isarthales 30 iO m mächtige Grundmoränen, während solche m dem weiteren Verlaufe des Querthaies, beson- ders in der Enge zwischen Kochel- und Walchensee wieder fehlen. Es ergibt sich aus diesen Beobachtungen, dass die Vertheilung der mächtigen Grundmoränen von der Breite des Glet- acherbettes abhängt Wo sich dasselbe verwgt, treten die Moränen zurück, wo es sich erweitert, stellen sie sich an seinen Gehängen ein.

Nun aber finden eich ja gerade auf Pässen nicht selten Grund- moränen. Auch dies entfpng dem Scharfblicke GCmbel's>) nicht. Er Bi^^, dass Ablieferungen von „HochfluthgeröU", in welchen wir unschwer Grundmoränen erkmnen, „sich auf solche Sattel-

') Alpengebirge, p. 803.

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96 I- Abechnitt. Letzte Vergtetecberuiig von Oberbayem u. Nordtirol.

putikt« beschräuken , die zwar hoch über die jetzigen Thaleohlen erhaben, doch meist benachbarte grössere Thäler auf uäheren Wegen, als bei der jetzigen Thalrichtung, verbinden". Dar See- felder Pass, das Vorderjoch und der Achenpass sind durch mäch- tige Grundmoränen auBgezeiohnet, Diese Thatsache acheint im Widerspruche mit dem oben gewonnenen Resultat« zu stehen, demzufolge gerade auf Passübergängen die Onindmoränen mangeln sollten; denn hier verengt sich ja das Gletscherbett Allein bei näherer Betrachtung zeigt sich dies in einem anderen Lichte. Auf dem f^eefelder pH,Bse erscheinen die Moränen ein- geklemmt zwischen einzelne Kuppen und erfüllen die Boden- senkungen zwischen denselben, sie kleiden alte Thaiachluchten aus. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Seeleider Pass im Ver- gleiche zu dem nördlich vorliegenden Mittenwalder gleichsam als Thalweitung erscheint. Auch am Vordeijoche erscheinen die Grundmoräueu zwischen einzelne Felsvorsprünge eingepresst Des- gleichen sind die prächtigen Grundmoräoen des Achenpasses in fän enges Thal gequetscht, und dasselbe wiederholt sich an der rothen Falep, an deren Ufern die Moränen eine 70 m hoch an- steigende Terrasse oberhalb der Kaiserklause bilden. Diese eigen- artigen an- und eingepressten Moränen entsprechen den Hinder- nissmoränen E. Collohb's') und der italienischen Glacialisten. Ans ihrem Auftreten erhellt, dass sehr mächtige Gruud- moränen in engen Vertiefungen und Schluchten, die- selben ausebnend, auftreten. Diese Thatsache findet sich allenthalben im Gebiete bestätigt

Es lassen sich also folgende Hegeln über die Verbreitung der mächtigen Grundmoränen aufstellen: Dieselben erscheinen vor allem in jenen Läugsthälern, welche ausser der Hauptbewegung des Eises liegen, in welchen gewisEermaassen eine Stagnation der Gletsc herbe wegung herrschte; sie finden sich da, wo sich die Gletscherbetten erweitem, wo also die Geschwindigkeit der Eis- bewegung sich verringern ' mussle; endlich lagern beträchtliche Grundmoränen eingekeilt in Vertiefungen der Gletscherbetten.

') Sur le terraln erratique des Vosges. Bull. Soc. g^l. de France. II. S. t in. 1845/46. p. 147.

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Kap. IX. Ueben. d. Vergletschg. j. d. nordtiToler u. oberbayer. Alpeo. 97

Dieeer letztere Umstand verdient Beachtuag betreffB der von DE MoRTiLLET <) zuerst hervorgebobenen Abneigung der Gletscher io enge Schluchten voizudringeD, Hier finden sie überall Widerstand, der ihre Bewegung verlangBamt, ja hemmt. Kurz, die mächtigen Grundmoränen finden sich da, no die Gletscherbewegung eine langsame war oder sehr ver- langsamt wurde.

DatuDg^en mangeln sie überall, wo die Gletscherbewegung eine nteche war, Sie fehlen im allgemeinen in den Hauptthälem, denen das Eis folgt« ausgenommen natürlich jene Stellen, wo sich diese Hauptthäler beträchtlich verbreitern, oder in Uneben- heiten des Bodens derselben, Sie fehlen daher an Stellen, wo sich das Gletscherbett verengte, ohne jedoch gerade schluchtfönnig lu werden; mächtige Grundmoränen endlich sind nicht in den obersten Enden jener Thäler vorband^, welche eigene Gletscher erzeugten. So fehlen sie im StUlachthale oberDalb Oberstdorf, in welchem zweifellos ein Theil des Blei^letschers entsprang; leb vermisste sie am Vilseralpsee, im Falzthumthale. In jenen ThälOTn musste die Oletscherbewegung eine verhältnissmässig rasche sdn. Es besteht also eine innige Beziehung zwischen der Vertheilung derGrundmoränen und der Schnelligkeit der Gletscherbewegung.

Um diese Beziehung weiter zu verfolgen, möge man sieb an das erinnern, was oben (p. 37) über den Transport d^ Grund- moräne unter dem Gletscher gesagt wurde. Theils auf Grund der Analoge mit der Bew^ung der Grundmot&ne unter den heutigen Gletschern, theils auf Grund ihrer einzelnen Eigen- schaften wurde nachzuweisen gesucht, dass die Grundmoräne unter dem Eise fortgewälzt, fortgepresst und fortgeschoben wurde. Zu- gleich aber wurde hervorgehoben, dass dieses nicht von den sehr mächtigen Vorkommnissen gelten könn^ und es wurde darzuthun versucht, dass die mächtigen Grundmorän^ unter dem Eise nach und nach angehäuft wurden. Sonach hätten die Gletscher Grundmoränen da angehäuft, wo sie sich langsam be-

') Carte des andens gladere du versant meridional des Alpes. Atti Soc. itaL sc nat. III. 1861. p. 56.

F«nck, Die VerglitKhening. 7

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98 I- Abechnitt Letzte Vergletachening von Oberbajvni n. Nordtirol.

wegten, oder wo sich ihre Bewegung verlangaamte, ein Resultat, welches keineswegs besonders überrascht. Fassen wir tiim aber die Stellen ins Auge, wo es nicht zur Anhäufimg Yon Moränen kam. Hier wurde die Grundmoräne unablässig von der vorwärtadräagenden Eismasie Torwärtsgepreset. Fortwährend wurde sie über den FeUgnmd hinw^gescbl^ft. Ein solcher Vor- gang konnte nicht verfehlen, seine Wirkung auch auf das Gletscher- bett auszuüben. Dasselbe musste abgenutzt werden, und dae abgenutzte Material, oder wie wir wol sagen können, abgeschliffene, wurde unaufhörlich fortgeBchafil Dass dem wirklich so ist, lehrt die Zusammensetzung der Gnmdmoräne. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, dass sie sich zu einem grossen Tbdle aus dran Materiale Uires Liegenden zusammensetzt, dass sie wirklich wie ein Bchlei^ulver aussieht Dies gilt namentlich von minder mäch- tigen. Lagen. Wenn nun ^r der Untei^rund fortwährend abge- nutzt wird, wenn seine Trümmer fortgeschafft werden, dann wird er erodirt. An jenen Stellen also, wo der Gletscher keine Moränen anhäufte, musste er erodiren. Somit lehrt uns auch die Verthdlung der Gnmdmoränen, dass dieeelbeD da- durch entstanden, dass der Gletscher seinen Untergrund abnutzte. Beachtet man nun femer, dass gerade nach dem Centrum der Vei^letscherung hin, also da wo die Eisbedeckung am längsten gewährt hat, die eckigen und kantigen Bestandtheile in der Grund- moräjie sich mehreu und mehren , so wird man diesen Umstand nicht anders erklären k&nnen, als durch die Annahme, dass durch das unablässig sich bewegende Eis der Untergrund fortwähraid abgenutzt wurde.

Die Eismaase der nordtiroler Alpen wirkte also zu gleicher Zeit, aber natürlich an verschiedenen Orten, anhäufend und erodirend. Sie wirkte genau ebenso wie ein Strom, welcher an den ruhigen Stellen seines Laufes Material ablagert, dort jedoch, wo er nuch fliesat, erodirt. Die Grundmoräne eines Glet- schers kann man mit dem.GeröUe eines Flusses vergleichen. Wo dies letztere angehäuft wird, spricht man von einer anhäufen- den, anschwemmenden Thätigkeit des Wassers. Niemand aber zieht daraus, dass ein Fluss GeröUe irgend wo anhäuft, den SchluBs, dass die Flüsse nicht erodirteu und ein konBer\'irendes

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Kapitel X. Die Vergletscheniog der baj'eiiscben Hochebene. 99

Etement sind. Jedermann weiss, dass eben jen« GerÖlle irgend vo losgelöst sind, daee sie die Produkte der erodirenden Thgtig- keit des Wassers sind. Ebenso muss man sich gewöhnen, i^e Orundmoränen, auch da, wo sie aagehäuft sind, als Zeugen <ier Qletachererosion auizufaasen.

Die Wasserlüufe der nördlichen Kalkalpen folgen gern der Längserstreckung des Gebildes. Koch sind die Längsthälei die herrschenden, auf die Längsrichtung konzentrirt eich also die Hauptwirkung des Wassers. Die Gletscher dagegen durchquerten das Gebirge. Sie entfalteten ihre erodirende Thätigkeit in den Querthälem, und in den Längsthälaii wirkt«n sie anhäufend. Die ' Eiszeit bedingte also einen Wechsel in der Richtung der Erosion des Geiietes, sie musste in eigner Weise auf die Thalbildung ein- wirken. Einem späteren Abschnitte sei vorbehalten, dies weit«r zu T^olgen.

Kapitel X.

Die Vergletsohenmg der bayerischen Hochebene.

Emtiiche Blöcke. Entwicklung dei Gletacher beim Verlanen der ThSIer. (Intenchied der Vergletoohening der «ohweizer Ebene und der bsjreriwhea Hochebene. Nachweia der Nonlgrenie der VeiftletacheniDg. Verlauf der- «elben. Anntülpungen derselben nördlich vom Rhein-, Lech-, Loisach- und Innthale. Elnstülpang bei Hinbach. Bedehnngeii der AnntQlpnngeii tn ileii südlich liegenden Thälem. Geschiebefühnuig der Bogen. Zugehörigkeit ■derselben ni den Gletschern der Thiler, vor welchen de liegen. Entwicklung -der Gletscher auf der Hochebene. Abhängigkeit ihrer Entwicklung von der OrÖne ihren Einzugsgebietes. Unteiscbied zwischen dar Oletscherentßütung auf der Nord- nnd Südseite der Alpen ein qnauUtittiver.

Die Vergletscberung der Alpen beschränkte sich nicht allein auf die Thäler des Gebirges, die Eisströme desselben breiteten sich auch an deesem Pusse aus. Die einzelnen Gletscher, welche wir in den vorigen Abschnitten bis an die bayerische Hochebene ver- folgten, endeten hier nicht, sondern erstreckten sich gleich denen der Schweiz noch weit über das nordalpine Vorland. Längst schon sind hier erratische Blöcke bekannt. Flioil^), welcher die erste geognostische Beschreibung Bayerns lieferte, er-

') Beschreibung der Oebirge von Buem und der oberen Pfalz- Milnchen 1792. p. 21. 210.

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100 LAbachnitt. LetBteVergletflcheningvonOberbayeniu.NordtiroI.

wähnt ihres Vorkommena zu mehreren Malen ; Ebel^) theilt mit^ Aas» Bie über die Ebenen OeeteirdcbB und Büdbayemg zerstreut sden. Weiss, dem dne vorzügliche Beachrelbung Oberbayems zu danken ist, hebt Bie mefar&ch hervor. Seinem Scharfblicke ent^g auch nicht der unregebnässige Charakter in der Topographie des nord- alpinen Vorlandes; jene Zone, welche wir heute als Moränen- landschafl, bezeichnen, wurde von ihm schon sehr trefflieb als Zone der aufgeschwemmten Bei^ beschrieben und scharf gesondert von der nördlich Uzenden Terdärlandachaft, den Kies- und Sandbügeln. Weibs wussto schon, dasa beide Landschaften nicht bloss durch ihre topographische BeechafiTenheit sich unterscheiden, sondern auch ihrer ZusammeDsetzung nach verschieden sind. Er hatte bereits erkannt, dass die „aufgeschwemmten Bergfe" aua alpinem Schutt, untermengt mit grossen erratischen Blöcken be- Bteheo; während solches nicht von den Kies* und Sandb&geln gilt.^ Bedgwick und Mubchisoti') berichten, dass sie sich an viel^i Stellen längs des nördlichen Abfalles der Alpen finden. Nach ScHKiTZ*) trifll man solche Findlinge vorzüglich an der Abdachung des schwäbischen Hügellandes bis an den Chiemsee. Dieser Autor hebt ihre technische Bedeutung hervor, und be- zeichnet Bie als ehrwürdige Denksteine vorgeBcbichtlicher Erd- revolutionen. GOuBEL gibt die aufiälligsten dieser Findlinge auf seinen prächtigen geoI<^Bchen Karten der bayerischen Alpen an, und hebt eine gewisse Regelmässigkeit in ihrer Verbreitung hervor.^) Dieselbe beschränke sich stets auf das Gebiet vor und zwischen grossen Querspalten des Hochgebiiges, „und zwar lagern die Wanderblöcke zunächst am Alpenrande zur Seite solcher Spaltenthäler in ziemlich unregebnässiger Zerstreuung, weit^ vom Alpenrande entfernt in regelmässig reifaeniijrmigen N. S. Zügoi.'^ Auf Grund dieser Angaben Bprach wie bereite erwähnt, Debor

') Bau der Erde im Alpengebirge. Zürich 1808. Band II. p. 57.

*) Süd-Baiems Oberfläche nach ihrer äusseren Qestalt. München 1820. p. 118—126. 134.

") A sketch of the Stnictnre of tfae eastem Alps. p. 400.

*) Ueber das Vorkommen nutzbarer Fossilien in den bayerischen Alpen. Eunat- und Oewerbeblatt des polytech aiseben Vereins f. d. Königreich Bayern. XXVUI. 1842. p. 292.

") Alpengebii^ p. 800.

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Kapitel X. IMe Vergletscherung der bayeriBcheii Hochebene. 101

fldllBchveigeDd tod einer Ver^letschenmg der bayerischen HocK- «bene.*) ÄUön noch 1872 hob der b«Bte K^mer der Geologe Bayerns den Mangel von Endmoränen in der nordalpinen Hoch- «bene hervor. „Ein dort angestauter ßee habe den Dienst der Ausebnung und scbichtweisen Abl^erung des aus den allmählich anagefurchten Alpenthälem durch Bäche, Flüsse und Oletseher herabgebrachten ungeheuren Materials in Form wolgeschichteten Diluviums besoigt Erst im hdbereD Hügellande zeigen sich hier Spuren von Glacialschutt und mor&naiartige Geröllanhäufitngen, -wie im Algäu und im Gebiete des hohen Vorlandes der Peissen- t>erge Zone."*) Seitdem hat Zittel*) den endgültigen Bewüs geliefert, dass die bayerische Hochebene vergletschert gewesen ist.

In der That findet sich ununterbrochen auf dem nordalpinen Vorlatide eine vahre Fülle der prächtigsten Gladalgebilde. Die ein- zelnen aus den Tbälem der nordtiroler und oberbayerischen Alpen tiervorqueDenden Elsströme müBaen also, nachdem sie im Gebirge bereits vielfach miteinander zusanunengetroffen, sich am Fusse desselben auf der Hocheboie lu «nem mheitliches Meere von Eis vereinigt haben, das heiset bei ihrem Austritte aus den Alpenthälem brüteten sie sich an&nglich fächerförmig aus, bis sie sich trafen und miteinander verschmolzen. Die bayerische Hochebene ist daher in ähnlicher Weise vergletschert gewesen wie die schweizer Ebene. Das sie bedeckende Eis traf im Westen mit den sich weit ausbreitenden Massen des Rhein- gletschers zusammen und wurde durch dieselben mit dem der schw^zeriscben Ebene verbunden. Ein einziges Meer von Eis zog sich also zur Diluvialzeit am Nordfbsse der Alpen entlang. Ununta-brochen ist dasselbe von Lyon bis zum Inn lu verfolgen.

War nun auch die bayerische Hochebene in ähnlicher Weise wie die schweizer Ebene vergletschert, so kam es hier doch nicht zu jener eigenthümlichen Komplikation, welche dort durch Ertliche Verhältnisse bedingt ist Während die schw^zer Gletscher in

') Der Gebirgibau der Alpen. Wiesbaden 1865.

*) OletschereiBcheinungCQ im Etscb- und Innthale. Sitzungsber. d. math.-phfs. Elasae d. Akademie München. IS72. p. 253.

*) Ueber Gletschererscheinungen in der bayerischen Hochebene. Sitzutigsber. d. matb.-phys. Klasse d. Akademie Mfinchen. 1ST4. p. 252.

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102 I.Abschuitt Letzte VergleUcherung von Oberbafem u. Kordtirol.

ihrer Aiubreitung ducch den Jura beechiänkt^ gleichsam eiuge- dämmt wurden, konnten eich die oberbajeriechen ungehindert vom Gebirge entfernen. Die bedeutendsten EieetrÖme der Schweiz konnten sich nioht am weitesten von den Alpen erstrecken, sie stieasen gegen den Jura und wurden durch diesen gezwungen, eich in ganz eigentbümlicher Weise zu verbreiten. Der Rhone- gletscber konnte sich nicht in gerader Linie von den Alpen ent- fernen, er glitt an den Gehängen dea Jura entlang, zur HälAe nach Westen in das Rbonethal sich ergiesscnd, zur Hälile sieb nach Osten wendend. Hier verschmolz er mit den übrigen schweizer Gletschern und erstreckte sich bis in die Gegend von Basel. Weit einfacher gestalten sich die Dinge in Oberbayem. KichtB hemmte hier die ÄiisdehDung der Gletscher, nachdem sie zu einer einzigen Masse verschmolzen, bewegten sie sich insge- sammt nördlich, untereinander parallel, und naturgemässerwdse konntrai diejenige Tbeile dieses Meeres, welche die reichlichsten Zuflüsse genossen, sich am weitesten vorwärts schieben. Das dies wirklich so gewesen, erhellt aus dem Verlaufe der Nord- grenze der Glacialphänomene.

Ausgehend von einer nicht zu leugnenden Beziehung zwischen <len ehemaligen Gletschergebieten und der Terrainkonfiguration hat man neuerlich in Süddeutschland mehrfach, sich lediglich auf die Oberflöchenbeechafienheit des Landes stützend, die Grenzen der Vereisung zu bestimmen gesucht In diesem Sinne verfahren die Arbeiten von Phobbt und Bach in Württemberg, und in Bayern die Untersuchungen von 8ta.bk und Clebsin. Allein es liegt a priori auf der Hand, dass solche Untersuchungen stet» einseitig sind, und nicht inuner zu einem richtigen Eigebnisse fuhren kennen. In der That stellte sich bald heraus, daee sowol Stark als auch Clesbi» in unserem Gebiete auf Grund topo- graphischer Studien nicht den vollen Umfang des Moränen- gebietes kenneu gelernt haben. Die Nordgrenze der Ver- gletscherung muss auf geologischem Wege konstatirt werden; bis dabin, wo sich GnmdmorÖnen mit gekritzten Ge- schieben finden, haben sich einst die Gletscher verbreitet. Es muesten daher die äussersten Moränenablagerungen einzeln auf- gesucht werden, wobei sich herausstellte, dass hier die Topo-

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Kapitel X. Die Vei^lettcbenuig der baj-eiüchen Hochebene. 103

graphie keineewege überall in der gemuthmiuiasten AbhäDgi|^dt voD dem geoli^schen Baue der Gegend steht Vielmehr tragen gerade die äueera^ten MoränenyorpoBten gar nicht mehr das Ge- präge der epät«r zu besprechenden Moräneolandschnö;, und werden häufig von jüngeren Gebilden, dem Löea, fast gänzlich verhüllt, sodass ibr Auftreten oft schwer zu konstadren ist

Wie bereits erwähnt, verschmolzen im Westen die Gletscher der bayerisch-schwäbiacben Hochebene mit jenem gewaltigen Eie- strome, welcher dem Rhdntliale entquoU. Die nördlidie Gletocber- grenze unseres Gebietes scbliesst sich daheo- unmittelbar an die Jenes Gletschers an. Schon A. Escheb ton der XiDirtii') skizzirte dessen Ausdehnung im südlichen Schwaben. Neuere Untereußhungen *) haben dessen Verbreitung näher verfolgt; ea hat eich herausgesteUt, dass die nördliche Grenze des Bheingletschers um den Bodensee einen grossen Bogen beschreibt, welcher bei Schaff- faausen beginnt, BÖnen nördlichsten Punkt zwischen Bigmaringen und Biberach in Württemberg besitzt und sich dann nach der Iller xu zieht Hier wird diese Linie gewöhnlich abgebroch^i. Deutliebe Glacialerscheinongen finden sich jedoch noch halbwegs zwischen Kempten und Irfemmingen, so in der G^end von Legau an der württembergiscb- bayerischen Grenze und bei Grönenbach. Von hier an lassen sich die äussereten Morän«ivoiposten kontjnuirlich La östlicher. Richtung verfolgen. Da nun auch in dem Hügellandf^ welches sich westlich Kempten ausdehnt, allenthalben Gletscher- spuren finden, so ist nicht in Frage zu ziehen, dass zwischen dem Nordftisae der Alpen und der Gebend von Grönenbach an dm tächerförmig ausgebreiteten Rheingletscher 'die aus den bayeiiscbai Alpen kommenden Eisströme unmittelbar aogrenzten (vgL Karte).

Von L^au hält die Nordgrenze der Moränen über Grönen- bach und Obergünzburg bis nach Kaufbeuem eine östliche Richtung an, dann jedoch beschreibt sie eine sdunale, sich weit

') A. a. O. Ueber die G^fend von Zürich in der letzten Periode der VoTwdt. Zürich 1852.

*) BACHr Württemb. naturw. Jahreshefte. XXV. 1869. p. 113— 128. Pbobst: Beitr. zur Topogr, d. Gletscherl. im württemb. Oberacbwaben. Wartt«mb. naturw. Jahreshefte. XXX. 1874. p. 40—85. Vergl. auch Blatt Friedingen und Tuttlingen der geolog. Karte von Württemberg.

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104 I- Alwchnitt. Letzt« Ver^etacherung ron Oberb&yem u. Nordtirol.

nach Konjen richtende Ausstülpung. Durch GCubel') sind schon Gnmdmoränen in dem grossen EisenbahneinachDttte von Raming zwischen Buchloe and Mindelheim nahezu 20 km nörd- lich Kaufbeuero auigeüinden worden, und im Laufe dieses Jahres fand ich selbst noch in der Kähe von Türkheim die typischten Gletscherapuren. Bd Buchloe und Waal hingegen mangeln der- glächen, und im Lechthale treten Moränea erst wenig nördlich Schon- gau auf, sodass wir es hier mit einer schmalen, im Wertachthaie nordwärts vordringenden Zunge des Moränengebietes zu thun haben. Jenseits des Lechs beginnt nun eine zweite Ausbi^ung der Moränen nach Norden. Bis unterhalb Landsberg lagern am rechten Ufer dieses Flusses Moränen, während sie am linken fehlen; von Landsberg aus beschreiben sie um den Ammersee einen ähnlichen Bogen, wie um den Bodensee. Derselbe erstreckt sich bis über die Eisenbahn von München nach Augsburg in das Quellgebiet der Olon, verläuft also um volle 14 km weiter' nörd- licher als die von Clebsc beschriebene äussere Moränengrenze; dann biegt er wieder nach Süd um und zieht sich in gerader Bichtung fast bis zum Würmsee. Das Nordende dieses Sees wird aber noch von Moränen umspannt Von hier an richtet sich die Kordgrenze der letzteren nach Südosten, sie zieht sich zur Isar, welche sie bei dem stattlichen Kloster Schäftlam überschreitet, und hält die genannte Richtung bis zmn Eisenbahnknotenpunkte Holzkirchen dn. Von hier zieht sie sich direkt nach Süden und erreicht die Mangfall dicht unterhalb des T^emsees nahe dem Fusse des Gebirges. Zwischen diesem Punkte und der Schlierach bei Miesbach treten mir ganz sporadische Moränen auf, welche die Grenze der Vei^letscherung nicht mit Genauigkeit verfolgen lassen. Jedenfalls erreichte dieselbe den Taubenbei^ nicht Der- selbe liegt ausserhalb des Gletschergebietes, wenn er auch sich zwischen zwei weit ausgedehnten Eisströmen erhebt; denn von Miesbach an stellen sich am rechten Ufer der Mangfall zu- sammenhängende Glacialgehilde ein, welche sich in gerader Linie nordwärts über Egmaüng, Zomolding und Schwaben bis in die Gegend von Erding verfolgen lassen. Von hier zieht sich die ') Die geognostische Durchforschung Bayerns. Festrede d. Akad. München. 1877. p. 72.

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EajHtel X. Die VergletscheniDg der bayenacben Hochebene. 105

Nordgrenze der Moränen fiber laeo, Wol%ang und Jettenbach bis dicht oberhalb Kniiburg, «ne dstlicbe Richtung innehaltend. Nun wendet sie sich wieder sfidwärts, und verfolgt ungefähr den W^, welchen Stabk auf edner mehrfach erwähnten Karte an- g^i^eben hat Ee beschreiben also die Moränen auch einen grossen Bogen um den Austritt des Inns aus den Alpen, wie es bereits von Stabe ange^ben wurde, weim auch sie sich weit nördlicher erstrecken, als dieser treffliche Topograph Termutiiete; denn erst beim Flecken Kraiburg tritt der Inn aus dem Morünengebiete heraus. Die Nordgrenze der Glacialpfaänomene auf der scbwäbiscb- bayeriachen Hochebene beschrmht also eine Wellenlinie, welche eich in einiger Entfernung vom Saume der Alpen hält, und sich demselben nur Miesbach, zwischen Mangfall und ßchllerach, sehr nähert Diese Linie zdgt in ihrem Verlaufe keine aufiällige Abhängigkeit von der Urographie der Hochebene. Nur ihre kleineren Ausbuchtungen weiden durch Thäler der letzteren bedingt, nnd erstrecken sich nordwärts in dieselben, wie zwischen Hier und Lech. Ihre grossen vier bogenförmigen Ausstülpungen nach Nord hingegen befinden sich genau gegenüb» den Haupt- thälem Alpen und erscheinen somit durch die Urographie ihre« Hinterlandes bedingt. Die westlichste derselben umzieht das Rheinthal, die zweite erstreckt sich nördlich des Lech- austrittes aus dem Gebirge im heutigen Wertachthaie, die dritte liegt genau im Norden der Pforte dcB Loisachthalea , durch die der Isargletscher seiner Hauptmasse nach aus dem Geblige entströmte, die vierte östlichste endlich erreicht ihr Maximum nördlich des Linaustrittes. Weist die Lage dieser bogenförmigen Ausstülpungen schon auf die Zugehörigkeit zu den grössten Eie- Btrömw des Gebietes, so geschieht dies in erhöhterem Maasee noch durch die Geechieb^hrung ihres Bereiches. Ungemdn reichliche Urgebirgsfindlinge charahterisiren den Moräneubogen nördlich des Innauetrittes. Sobald man dieeee Gebiet verlässt und im Westen den Bogen betritt^ welcher sich nördlich des Loieach- austrittes ausdehnt, nehmen diese Geschiebe an Zahl sichtlich ab. Sie bilden zwar noch einen sehr charakteristisch en, aber doch nnr untergeordnetm Gemengtheil der Moränen. Neben dieser quan- titativen Veränderung lässt sich auch eine qualitative bemerken.

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106 I. Abachnitt. Letzte Ver^etechenmg von Oberbayem n. Notdürol.

Im Gebiete Innbogens kommen voizugsweise Quamte, Phyl- Ute, GlimmerBchiefer, ferner rothe Sandsteine vor. Daa eind die Gesteine ies unteren Innthales. Im Bereich des Isarbc^n fehlei diese Gebirgsarten aber fast gänzlich. Hier herrschen Hom- blendegesteine, daneben finden sich Granite des Engadin und von dort stammende DioritTarietäten. Man hat es hier ausachlieftslich mit Abkömmliiigen des oberen Innthales und seiner Nebentliäler zu thuxL N^atürlich fehlen dieee auch nicht in den Moränen des Innbogens. Während man es aber dort mit einer bunten Muster- karte aller Gesteine der Centralkette zu thun hat, wie die Äuf- schlüBEe bei Rosenheim und Wasserburg lehren, hat man im Isar- bogen nur eine beschränkte Auswahl derselben.

Zwischen den beiden grossen AusstülpungeD dee Moränen- gebietes nördlich des Inn< Und Loisachauetrittcs erstreckt dch eine ziemlich brüte Zon^ iu welcher die Moränengreoifl eine beträdit- liche Einbuchtung nach Süden anweist, und wie berdta erwähnt, beinahe den Fuss des Gebii^;es erreicht. BaneriEoisw^ther Woee nimmt jedoch diese Einbi^ung nicht genau die Mitte zwischen den beiden erwähnten Bögen eön. Sie legt sich unmittelbar an den Innbogen an, und lässt zwischen sich und dem Loisachbogen einen ziemlich breiten Raum, auf welchem sich das Gladalphänomen in dem Maasse weiter nördlich vorschiebt, als man westwärts wandert Man befindet sich hier nördlich des Isar- und Kochel- see-Walchensee Thaies, aus welchen während der I^zeit beträciit- liche Arme des Isargletschers hervorquollen. In der That ver- räth die Geschiebeföhrung der dortigen Moränen, dass man sich im Bereiche des Isargletschers befindet Von den drw Haupt- armen, in welchen diea^ Eisstrom also die Hochebene erreichte, schob sich der des Loisachthalee am weitesten nordwärts, weniger vät erstreckte sich der des Eochelsee-Walchenseethales, und am wenigsten drang der des Isarthales nordwärts vor. Derselbe ver- breitete sich jedoch auch nach Osten, nie aus der Geschiebe- f&hrung und der später zu besprechenden Anordnung der End- moränen im Gebiete nördlich des Tegemsees erhellt Die Aus- stülpung nördlich vom Loisachthale erscheint somit nur als ein Theil der Begrenzung des Isargletschers, des grossen Isarbogens, and die geschilderte Einbuchtung ist also die Grenze zwischen

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Kapitel X. Die Vergletscberuiig der baj'eriRcheo Hochebene. 107

Inn- und leai^letBchec; die echmale Zone von Moräne hingegen, welche beide in der Gegend von Mieabach verknüpft, zeichnet sich gegenüber den Ablagerungen der beiden grossen Nachbareisströme durch ihre grosse Armuth sn Urgebirgsgeschieben aus undcharak- teiieirt sich dadurch als das Qebiet des vom Schliersee kommen- den Gletschers. Derselbe erstreckte sich von allen Eisstrßmea Oberbayems am venigsten weit nach N'ordeu, und kann demnach nur eine sehr geringe Masse repräsentirt baben. Dieses Besultat barmonirt bestens mit dem Umatande, daas der Schlierseegletecher keine direkten Zuflüsse vom Inn aus über den Spitzingpass (^eigl. p. 57) erhielt und nur ein sehr kleines Einzugsgebiet besass.

In den Moränen westlich des grossen Isarbogens fehlen die Uigebirgsgeschiebe fast gänzlich. Man erkennt, dass man sich nicht mehr im Gebiete des Isargletscbers befindet, dem ja Zweige des Inngletscher Uigebirgsgeschiebe zuführten. Mau hat die Aus- stülpung oßrdUch des Lechaustrittes, das Bereich des Lecbgletscbers betreten, und es dürfte «päteren Untersuchungen wol gelingen, auf Grund der Urgebii^gesehiebe das Gebiet des Isargletscbers von dem des Lechgletscbers mit grosser Schärfe zu trennen. Eine vom Hohen Bleich sich über Steingaden nach Schwab bnick zieheade Linie dürfte die Grenze darstellen.

Weiter westlieh, in dem Gebiete, welches sich zwischen dem Lech- und Rheinbogen erstroekt, welches also als zum Iller- gletscher gehörig erachtet werden muss, finden sich allerdings wieder krystalliniache Geschiebe, deren Auftreten insofern Über- raschen könnte, als man sich im Bereicbe eines Gletschers befindet, der nicht aus den Centralalpen kam. Allein es ist wol zu be- achten, dass der Flysch des Algäus Urgebii^blöcke enthält, dass ferner Gerolle dieser Gesteine in der bunten Molasse der algäuer Vorberge auftreten und rdchlichst in den miocänen Konglomeraten der Bei^ westlich Kempten vorhanden sind. Die iraglichen Ur- gebirgsgeschiebe dürften daher nicht direkt aus den Centralalpen her- zuleiten sein, sondern wol auf mindestens tertiärer Lagerstätte sich befinden. Ea wird wol möglich sein, später die vom Lech- und Illei^etscher übereisten Gebiete auseinanderzuhalten, wenn man die Verbrdtung der Schrattenkalkgescbiebe des Illergletscbera genau verfolgt Hier ist wieder ein Gebiet fiir Spezialuntersuchungen.

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108 I> Abschnitt Letzte Vergletschening von Oberbayern ti. Kordtirol.

Genau an der Stelle endlicb, wo sich am Weatufer der Hier bei Legau die MorfineBlinie wieder nordwärts bi^, treten reich- lichet Ui^birgsgeflcbiebe auf. Ea sind Findlii^ aus dem Rhein- thale. Es beginnt die Domäne des Kbeingletschers, welchem der grosse den Bodeosee umschlieseende Bogen angehört Das Berg- Und westlich Kempten bildet eine scharf h^rortretende Grenze zwischen dem Rhein- und Illergletecher.

Die GeechiebefQhxung d^ vier grossen Ausstülpungen des Moränengebietea in Südbayem bestätigt die aus d^ Lage der- selben geschöpfte Vermuthung, dass sie den EiBströmen des Ge- bietes angehören, welche sich genau südlich von ihnen auf die Hochebene ei^ssen, uod nunmehr erschränt es gestattet, aus dem Verlaufe der nördlichen Grenze, bis zu welcher die einzelnen Eis- ströme Tordrangen, Rückschlüsse auf diese selbst zu machen.

Zunächst sehen wir, wie im Westen des Gebietes Rhein-, IUa^ und Lechgletscher sich insgesammt weit auf das alpine Vorland erstreckten. Sie müssen unter einander parallel nord- wärts vorgeschritten srän. Solches erweist auch die Richtung der Gletscherschliffe, welche im Hier- und Lechgebiete allgemein eine nördliche ist. Rhein* und Lechgletscher drangen jedoch bedeutend weiter nördlich vor, als der von ihnen eingeengte Illei^letBcher. Rhein- undLechthal sind aber auch weit grösser als das Illerthal und konnten beträchtlichere Eisatröme nähren.

Während der Isargletscher sich im Westen an den Lech- gletscher anlegt und mit demselben parallel sich nordwärts be- wegte, zeigt er im Osten eine andere Entwicklung. Nicht nur er- streckt er sich minder weit nach Norden, sondern braitet sich auch nach Osten aus, und schiebt sich sogar bis vor das Tegemseer Thal, in welchen zur Eiszeit m wenn auch unbedeutender Gletscher lagerte. Der Isargletscher breitete sich im Osten also fächerförmig aus und legte sich selbst vor Thäler, welche gar nicht in sein Be- reich gehörten. Dasselbe gilt vom Inngletscher. Wie der Isargletscher sich vor dem Tegemseer Thal ausbreitet, legt sich der Inngletscher vor das Leitzach thal, und der bogenförmige Verlauf seiner Grenzen läset nicht zweifelu, dass er sich allsütig fächerförmig verbreitete.

Somit scheint ein wesentlicher Unterschied in der Entwicklung des Glacialphänomens im Westen und Osten unseres Gkbietea zu

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Kapitel X. Die Vergletechenug der bayeriecben Hochebene. 109

li^en. Doch derselbe ist geringer, alB auf den er8t«ii Anblick irol vorkommt. Denn daes Inn- und leargletscber an den zuge- wandten Seiten eich fächerförmig ausbreiteten, kann nur die Folge dea Umstandes sein, Aaaa zwischen ihnen kdne beträchtlichen ElS" ströme aus den Thälem des Tegemsee, Scbliersee und der L»tzach entsprangen, und sie in ihrer eeitUcheu Entwicklung hinderten. Wäre solches der Fall gewesen, so . wäre das Ostende des Isar- gletschers weiter nach Nord gedrängt worden.

Die einzelnen Gletscher also, welche die bajerische Hoch- ebene errdchteo, verbreiteten sich nicht in gleichem Maasse über dieselbe. Die einen schoben sich nicht nur ein kleines Stück vorwärts, die anderen hingen dehnten sich weit aus. Alle aber breiteten sich beim Austritte aus dem Gebii^ facherßrmig aus. Wo nun ein kräftiger Eisstrom neben einem schwächeren sich ausdehnte, konnte es geschehen, daes er sich bis vor den letzteren fächer- förmig ausbreitete und sich denselben gleichsam tribulär machte* Eine solche Ausbreitung t&gt die Ostseite des Isargletschers sowie der Inngletscher. Wo aber UDgefabr gleich grosse Eisströme neben einander die Hochebene erreichten, engte der eine den andern ein und machte eine fächerförmige Ausbreitung nach der Seite hin unmöglich. In diesem Falle schoben sich die Gletscher neben einander, also parallel vorwärts. So war es zwischen Rhein-, Iller-, Lech- und Isargletscher. Es hängt daher die Ent- faltung der Gletscher auf der Hochebene von ihrer Grösse ab. Diese letztere aber steht in engster Abhängigkeit von der Grösse des Einzugsgebietes der einzelnen Gletscher. Rhein- und Inngletscher breiteten sich mächtig ans, sie entstammen aus den gröBsten Alpenthälem. Der Isargletscher erlangte eine deutende Entwicklung, da er ausser durch die Eismassen seines Gebietes auch durch den Inngletscher genährt wurde. Nördlich der Stelle, wo er seine Hauptmasse auf die Hochebene ergoss, drang er auf derselben am weitesten vor. Minder grossartig ent- fklteten sich Lech- und Illergletscher, entsprechend der geringeren Grösse ihrer Stammthäler und des mangelnden Zuflusses aus den Centralalpen. In ihrer Entwicklung auf der Hochebene spiegelt sich genau die verschiedene Grösse ihrer Thäler, der Lechgletr scher breitete sich weit mehr aus als der des Illerthales. Am un-

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110 I. Abechnitt. Letzte VergletecheruDg von Oberbayero u. Nordtirol.

bedeutendeten ^areo die Gletscher des Leitzach-, Schliersee- und Tegemseer Thalee, welche nur ganz unbeträchtlich durch Zweige dea InngletBchers Termehrt wurden und über ein geringes und eich nicht besonders hoch erhebendes Einzugsgebiet verfugen. Es er- ^bt sich also Ri die diluvialen Gletscher dasselbe Gesetz, welches die Verbreitung der heutigen beherrscht Wie heute die Gletscher, welche das grösste Einzugflgebiet besitzen, eich auch am tiefsten herabsenken, so entfernten sich diejenigen EiBströme Südbaj'ems, welche die grösste Summe von Zuflüssen in sich ansammeln, am weitesten vom Gebirge,

Zwischen der Entwicklung des Oladalphänomens am Nord- iind BSdfusse der Alpen besteht ein o& schon hervorgehobener Unterschied. Während sich am Nordabhange ein ununterbrochenes Meer von Eis ausbreitete, schoben sich die Gletscher des südlichen Abfalles ein Stück zwar in die Foebene hinein, aber bertthrten sich nicht gegenseitig. Stoppami*) und Desob*) haben auf dies ver- schiedene Verhalten mehrfach aufbiei^sam gemacht Sie haben dasselbe durch die Annahme zu erklären gesucht, dass die Eis- 8tr5me des Pogebietee sich in &n Meer schoben, während sich die des Nordabfalles auf trockenem Lande ausbreiten sollten. In der That, wenn man die Ausdehnung der Gletscher in der schweizer Ebene mit deijenigen der Eisstrßme in Oberitalien vergleicht, wird man ^en scharfen Gegensatz erkennen. Allein derselbe wild sich sehr mindern , wenn man anstatt der schweizer Gletscher die oberbayerischen ins Auge fasst, wo der Jura fehlt, gegen den sich die Ei^assen stauten. Auch hier kann man mit Besob tta,gea: „Was hat die Gletscher gehindert, sich weiter aus- zudehnen, welches HinderaiBS hielt sie in bestimmten Grenzen?" Die Antwort hierauf kann nur lauten: Das alpine Vorland war nicht geeignet zur Erzeugung eigner Gletscher und somit auch nicht passend fßr Erhaltung firemder Gletscher. Selbst ivährend der Eiszeit herrschte hier eine Temperatur, welche die Gletscher

') II mare glaciale a' piedi delle Alpi. Blcordo Congresao Koma. JEteviata ital. aug. 1874. Sui rapporte del terreno glaciale col plio- cemco nei dinlomi dl Como. Atü Soc. ital. sc. nat. XVIII. 2. 1875.

*) Le paysage morainique, son oripne glaciair« et sea rapports arec les fonnations plioc^nes d'Italie. 1875.

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Eftpitel X. Die Vergletechenuig der bayerischen Hochebene. Hl

der Alpeu schmelzen machte. Je bedeutender nun die Eismaasen waren, welche aus den Alpen hervorquollen, desto weiter konnten sich dieselben, nie oben auseinandergesetzt, auf der Hochebene ausbraten. Krhöhte sich aber hier die mittlere Jahrestemperatur, so wurden der Eisrerbreitung engere Grenzen gezc^n. IMe kleineren Oletscher, wie die des Tegemsee- und Schlierseethalee «reichten die Hochebene nicht mehr, Inn- und Isai^letscher hingen nicht mehr zusammen. Ihre Moränenbogen schloBBen sich an das G^ebirge an und die Moränenbogen Oberitaliens sind fertig. Der Unterschied zwischen der Eisverbreitung auf der Xord- und Südseite der Alpen ist nur ein quantitativer, bedingt durch die Verschiedenheit der Temperatur der Gebiete, wie bereits Rütimbyer') so trefflich ausemander gesetzt hat. Wie heut« die Temperatur des nördlichen und südlichen Vor- landes der Alpen verschieden sind, waren sie es auch zur Dilu^ialzeit. Dies kann heute durchaus nicht wunderbar erscheinen in Anbetracht ihrer verschiedenen geographischen Breite und sehr verschiedenen Höhenlage. Würde doch eine Erhebung der Poebene in das Niveau des nordalpinen Vorlandee deren Temperatur schon um 2 3" C. sinken lassen, und würde ihre Versetzung in die BreiteOber- bayems eine wdtere Erniedrigung von mehr als C bedingen. Waren nun schon zur Diluvialzeit grosse Temperaturunterschiede zwischen beiden Gebieten vorhanden, so dürfte auch schon da- mals die Verschiedenheit ihrer Niveaus ausgeprägt gewesen sein. Macht sich also ein beträchtlicher Unterschied in der Ent- wicklung des Gladalphänomens auf der Nord- und Südseite dei' A^ten geltend, so ist auch die Ent&ltung des Eises auf jeder der beideo Seiten nicht überall dieselbe. Mit grosser Deutlichkeit tritt hervor, dass das Olacialphänomen Im West^i stärker ausge- pi^ ist als im Osten, Der Gletscher des Khöne- und Is^re- Thales breitet sich ungleich weiter auf dem alpinen Vorlande, Bowol in der schweizer Ebene als auch in dem Lyoner Becken aus, als der weiter Östlich gelegene Rfadngletscher, und der Inn- gletscher bedeckt« auf der bayerischen Ho<diebene ein geringeres Areal als der Bheingletscher am Fusse der Alpen, obwol er das

') fäszeit iind Pliocen auf beiden Seiten der Alpen. Basel I8T6.

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112 I- Abechnitt Leute Vei^etsdienmg von Oberb&jem u. Nordtiiol.

grÖBBt« Einzugsgebiet beeitzt Dies ist um bo auSalliger, als der Inngletecher gerade die höchatea Partien des nordalpinen Vor- landes bedeckt«, während der Rhöne^letecher die de&ten Partien desselben einnahm. Der Inngletscher war über eine 600 m hohe Fläche gebreitet, der westliche Arm des BhOn^letschers über ein rach nur 200 m erhebendes Hügelland. Mit anderen Worten, die Entfaltung der Gletscher am NordSusse der Alpen nimmt von West nach Oet ab, obwol in dieser Richtung die Einzugsgebiet« der einzelnen Eisströme an Grösse sowie die Bezirke, über welche sie eich yerbreiteten, au Erhebung über den Meeresspiegel zu- nehmen. Man kdnnte diese Thatsache vielleicht dadurch erklüea wollen, dass der RhOnegleUcher vou den höchsten Theilen der Alpen herabsti^; allein der Inngletscher entsprang in nur wenig tiefer gelegenen Partien, und sein Quellgebiet, das Engadin, die Oetz- und Zillertbaler Alpen li^en kaum niederer als die Ursprungsorte des Rheingletschera, und dennoch entfaltet er sich weniger ausgedehnt auf der Hochebene als der letztere. Andere Ursachen dürften daher dieses Yerhältniss bedingt haben.

Seit langem ist bekannt, dass in der Schweiz die Gletscher im allgemeinen groesartiger entfaltet sind als in den tiroler Alpen, Es li^ in der Schweiz die Fimlinie tiefer als in Tirol, die schweizer Gletscher steigen tiefer herab als die üroler, und senken sich in eine bedeutend wärmere Zone, als die letzteren. Die heutigen Gletscher der Schwdz und des Innthalee zeigen also ganz dieselbe verschiedene Entwicklui^ wie die eiszeiUichen. Ganz dasselbe aber er^bt sich auch, wenn man das heutige und das diluviale Glacialphänomen auf beiden Säten der Alpen ver- gleicht; wie heute am Sfidabfalle der Alpen die Gletscher wenig« entwickelt sind als auf der Nordseite, ho war es zur Dilnvialzeit auch. Die Entwicklung der diluvialen Gletscher erscheint somit nur als eine Potenzirung der heutigen, und die- selben Ursachen, welche heute eine verschiedene Entwicklung der Gletscher auf beiden Seiten des Gebürges, welche eme stärkere Ent&ltung der westlichen als der datlichen Gletscher bedingten, erzeugten also auch eine verschiedene Intensität der Vergletscberung in den einzelnen Theilen des Gebirges.

Wenn wir heute in der verschiedenen Temperatur einzelner

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Kap. XI. Beziehungen zw. Bodengeataltnng n, Gletacberverbraitimg. 113

Theüe des Gebirges, in der venicfaiedeiiartigeii Vertheilung der Niederschlagsmeugen den Grund für die verecliiedene Entwick- lung der Gletscher suchen, so müssen wir in diesen Faktoren auch die Ursachen der verschiedenen Intensität der Vergletechenmg einzehier Theile der Alpen suchen. Die Alpen sind also während der Diluvialzeit in einzelnen Partien veiscbieden durch Nieder- schlagsmengen and Temperatur begünstigt gewesen, und zwar in derselben Weise, nie es heule der Fall ist Dies lässt muth- maaasen, dass die Alpen einerseits in ihrer heutigen Gestalt mit ihrer heutigen Umgebung vorhanden waren, dass andererseits ein fremder, äusserer Eingritf, welchem alle Theile des Gebirges gleichmässig unterworfen waren, die enorme Entwicklung der Gletscher während der Eiszeit bedingte.

Kapitel XL

Beziehimgen zwischen BodengeBtaltong a OletBcher- verbreitung auf der bayerischen Hochebene.

ZosMiiaieiihiuig zwigchea Topographie und g«ologischeni Bau auf der lloch- eb«ne. Die Endmoränen. Breite, Höhe, Verlauf derselben. Längsmaiänen. Monnenlandschaft. ZuBammcns^Cznng und Entstehung der Eodmoränen. Errs- üwhe Blöcke. Muränenschutt. Svhichteustöningen. Slaumoisnen. Aeuinere Grenze der Endmoränen. Innere Grenie derselben. Individualisirang der Qletwhergebiete. Centrale Depression. Geitalt derselben. tJDteniche[dnng dreier Zonen im Moränengebiele. Gletachenmphitheater. Verschiedenheiten in der Entiricklnng des Glacialphänomens auf beiden Seiten der Alpen. End- moränen der Diluviatzeit allgemein aus Grundmorilnen gebildet. Die End- moiinen sind in Pausen des Gletscherrückzuges gebildet. Glelacherrückiug in den Alpen allgemeiD elappenformig. Anriöaung der Vergletacherung der Hochebene in einzelne Gletscher.

Zwischen der Entwicklung des Glacialphänomens in den Alpen und auf dem alpinen Vorlande besteht ein bemerkena- werther Unterschied. Im Gebii^ treten die glacialen Bildungen last gänzlich gegen ihre grossartige Umgebung zurück , auf der Hochebene dominiren sie, und während Im Gebii^ die bereits ge- gebenen topographischen Veiliältnisae den Gletschern die Wege zeigten, bekundet umgekehrt die jetzige Topographie des alpinen Vorlandes eine wesentliche Beeinflussung durch das Glacial- phänomen.

Penck, Die Vergleischeiung. 8

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114 I. Abachnitt Letzte Vergletechenmg pon Oberbayera o. Nordtirol.

Der Baum, welchen die Gletscher auf dem alpinen Vorlande annahmen, zeigt einen ganz beatimmten geologischen Bau. Nach oner klar auBgesprochenen Regel sind die Moränen vertheilt, uod wie der Bezirk jedes einzelnen Gletschere charakterisirt ist durch B^e Geachiebefuhrung und durch seine Begrenzung gegen Norden, eo erweist auch sdne Oberflächenkonfiguration seine Individualität.

Die Hochebene erscheint im Grossen und Ganzen als ein Ablagerungsgebiet des Moränenmateriales, aber es ist kdneswegs anzunehmen, dass dasselbe überall in glächer Weise und in gleicher Mächtigkeit angehäuft sei. Die beträch^chst« Ansammlung von glacialem Schutte zeigen die peripherischen Theile des Moränengebietes. Dieselben werden durch das Auftreten von Endmoränen, welche im Gebirge, wie erwähnt, fehlen, charakterisirt.

Die Endmoränen Oberbayems erscheinen als langgedehnte, höchst unregelmässig kouturirte Hügelzüge , deren Längsaxe parallel der äussersten Gletschergrenze verläuft. Die Höhe dieser wallartigen Hügel ist sehr schwankend; sie steigen stellenweise 40 50 m hoch an, im Mittel sind Sie jedoch nur 20 30 m hoch. Auch ihre Breite ist variabel. Dieselbe beträgt in der Regel un- gefähr 0,5 km. Häufig ist ein Hauptwall aus mehreren dicht an- einandergelagerten Hügeln zusammengesetzt, und zeigt dann meh- rere parallele Kämme. Die ränzelnen Hauptwälle lassen sich meist auf ziemlich grosse Entfernungen verfolgen; sie sind durch mehr oder minder breite Zonen verhaltniss massig ebenen Landes der Kegel nach von einander getrennt, bisweilen aber treten zwei benach- bart« Hflgelzüge dicht nebeneinander und verschmelzen sogar.

So zeigt im Grossen und Ganzen die äussere Moränengrenze einen ziemlich einfachen Bau. Sie wird von untereinander parallel verlaufenden Hügelzügen zusammengesetzt, welche um den Punkt, io welchem der betreffende Gletscher das Gebiige Verliese, kon- zentrische Bogen beschreiben. Auf diese Weise erweist der Ver- lauf der Endmoränen die Zugehörigkeit Irgend eines Theiles des Moränengebietes zu einem bestimmten Eisstrome. Man sieht z. B. in dem Gebiet nördlich vom Tegemsee bis nach Holzkirchen hin die Moränen derart angeordnet, dass sie um das bei Tölz auf die Hochebene mündende Isarthal koncentrische Bogen beschreiben. Von dort aus wurde also jenes Gebiet vei^letschert, und nicht

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Eap. XL BeuehuDgeo zw. Bodengestsltung u. Oletscherrerbreituiig, 115

vom Tegemseer Thale her. In gleicher Weise bekundet der Ver- lauf der Endmoräneo östlich von Miesbach, doMS es der Ina- gletecher var, welcher sich bis dahin auebreitete, und dass sich derselbe quer vor das Leitzacbthal legte.

Wo zwei benachbarte Gletscher zusammentreffen, vereinigen sich auch ihre äuseerste Endmoränen zu einem Zuge, welcher der Kordgrenze dee Glacialgebietes ungefähr parallel läuft. Die mehr nach innen gelegenen Moränen Hingegen zeigen an der Be- rührungsBtelle zweier Eisstr5me «one spitze Einbiegung nach Süden, welche um so tiefer ist, je weiter nach innen der be- treffende Moränenzug liegt Die innersten Endmoränen an den umgrenzenden Seiten zweier Gletschergebiete verlaufen sogar fast parallel von Süd nach Nord. Sie gewinnen so die Lage von Seitenmoränen, sind aber in der That echte Endmoränen. Man kann sie mit Mühlbero') als Läugamoränen besonders be- zeichnen. Es individualisiren sich auf diese Weise die Gebiete iler einzelnen Oletscher und so ei^ebt sich, dass während des Bückzuges der Vergletscherung die Eismasse am Fusse der bayerischen Alpen in einzelne Gletscherzungen zerlegt wurde, welche eich vom Ausgange der Hauptthäler nordwärts er- streckten. Alle die erwähnten Verhältnisse sind am deutlichsten im Bereiche dee grossen Isargletscbers ausgeprägt, besonders in der Gegend zwischen Wurm- und Ammersee an der Grenze der beiden aus dem Loieachthale und aus dem Kochelseetbale kom- menden Gletscherarroe, während sie minder deutlich weiter west- wärts zwischen Isar-, Lech- und Illergletscher auftreten, wo die Bodenkonfiguration vorzüglich durch Molassenrücken bedingt ist.

Herrscht also in grossen Zügen eine gewisse Regelmäsaigkeit in dem Aufbau der Randbezirke der Vergletscherung, so zeigt dieselbe im Kiemen eine ganz ausserordentlich verwickelte Zu- sammensetzung. Es ist bereits erwähnt, wie ungemein wechselnd die Höhe und Breite eines einzelnen Hauptmoräuenwalles ist. Der- selbe erscheint aus einer Menge kleiner einzelner Wälle zusammen- gesetzt, welche bald nahe aneinander herantreten, sodass sie sich unmittelbar berühren, bald hingegen sich wieder entfernen. Aber

') Ueber die erratischen fidldungen ün Aargau. 18U9. p. 103. 3"

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116 I-Abedmitt Letzte Vergletachening von Oberbayem n.Nonitirol.

auch die Hauptwälle wechseln ihre Entfernung, und zwischen deu einzelnen Hügelzfigen finden sich bald enge Schluchten, bald ab- flueslose Becken, die einen kleineu See oder ein ttoos beherbergen. So entsteht ein ausserordentlich verwickeltes Bodenrelief, welches Desor') treffend mit dem Namen Moränenlandschait belegt hat. ZiTTEL^) hat die Moränenlandschaft Oberbayeme bereite in leben- digen Worten geschildert, nachdem schon früher Weiss dieselbe scharf charakterisirt hat. Weiss ^) sogt, dass die Hügel dieses Gebietes „regellos als Produiite zufalliger Wasserwirbel dastehen." Die Moränenlandschaft also besteht aus dicht aoeinaodergehäuften Endmoränen, keineswegs ist sie eine der „Erscheinungen, welche zur Grundmoräne eines früheren mächtigen Gletschers gehören", wie LOddecke*) behauptet

Die Zusammensetzung der Endmoränen scheint alle die wechselnden Verhältnisse ihrer Lage zu spi^eln. Auch hier zeigt sich im Grossen und Ganzen eine gross« Begeimäasigkeit; die Endmoränen Südbayems entnehmen nämlich ihr Material sammt und sonders der Grundmoräne; aber in den Einzelheiten gibt sich auch hier ein, wie es scheint, unerschdpflicher Wechsel zu erkennen.

In sehr vielen Fällen ist das Material der Endmoräne kaum zu unterscheiden von dem der Grundmoräne. Sie besteht aus demselben zähen blauen Lehme, aus denselben gekritzten Ge- schieben, welche im ersteren wirr und regellos vertheilt sind. Es sind dann fast ausschliesslich die orographischen Verhältnisse der Ablagerung, welche dieselbe als Endmoräne charakterisiren, aller- dings sind in solchen Anhäufungen geschichtete Einlagerungen meist häufiger als in normalen Grundmoränen.

Wenn man sich die Bildung so zusammengesetzter Moränen- wälle vorstellen will, muss man sich vergegenwärtigen, welch« Rolle die Grundmoräne unter dem Gletscher spielt, wie sie unter demselben unablässig fortbewegt wird. Natürlich muss sich

') Die Moräneslandschaft Verhandl. d, schwK.naturf.Geaeilsch. LVI, 1872 73. Schaffhausen. p. ISl. Sowie: Le Payaage Morainique. 1875.

') Ueber Gletscheteracheinungen in der bayerisdien Hochebene. SitzuDgsber. d. madi.-phyB. Elagaed-AkademieMOnchen. 1874. 3. p. 356.

") Süd-Baierns Oberfläche. München 1830. p. 119.

') lieber Moränenseen. Halle 1881. p. 23.

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Kap. XI. Bedehungen zw. Bodeageetaltung u. Glebdwrrerbrdtung. 117

am unteren GrleUcherende das Moränenmaterial ansammeln und schliesslich zu einem Walle aufstauen. Dieser Wall wird die Lage einer Endmoräne besitzen, wenngleich er sich vou den Endmoränen der heutigen Oletscher durch die Beschaffenheit seines Materiales unterscheiden wird. Diese letzteren bestehen der R^el nach aus dem eckigen Gesteinsschutte und den Fels- trümmem der Oberflächenmomne. Er hingegen setzt sich aue dem zähen Lehme und den gerundeten, gekritzteu und ge- schrammten Geschieben der Grundmoräoe zusammen.

Ein vorwärts schreitender Gletscher wird begreif! icherweiBe an seinem unteren Ende nur höchst selten die Grundmoräne zu einem Walle anstauen, und thut er dies, so wird er doch bald sich über diesen Wall hin wegschieben und ihn bedecken. Auch ein rasch rückwärtsgehender Gletscher kann keinen solchen HQgel erzeugen. Er wird über der Grundmoräne abschmelzen. Nur ein stationär bleibender Gletscher vermag an seinem unteren Ende die Grundmoräne nach und nach zu einem Walle auf- zustauen. Die geschilderten Endmoränen sind also die Zeugen v«n einem Stillstand in der Bewegung des Gletscherendea.

Von ganz abweichender SeschafTenheit ist nun ein anderer, extremer Typus der oberbayerischen Endmoränen. In diesem Falle bestehen die letzteren nämlich fast ausschliesslich aus ge- schichtetem Gerolle und Sand, welche unter einem Winkel von 10 20" von dem Gletecbergebiete nach aussen abfallen. Ge- kritzte Geschiebe mangeln fast nirgends , ebensowenig Ein- lf^;erungen feinen Sandes und von Bänderthon. So zusammen- gesetzte Moränenwälle treten besonders an der westlichen Be- grenzung des Isargletschers in der Gegend von Landsberg auf. üeberall steht hier die Fallrichtung des Schottermaterialee senk- recht auf den Verlauf der Nordgrenze des Moränengebietes, und da diese selbst einen Bogen beschreibt, so besitzen die Fall- richtungen eine radiäre Richtung.

Endmoränen von diesem eben geschilderten Typus sind wol auf folgendem Wege entstanden. Die durch das Eis unablässig herbeigeführte Grundmoräne wurde nahe dem Gletscherende eine Beute der Gletscherwaseer, welche dieselbe auswuschen und in Gestalt von Geröll, Kies, Sand und Schlamm mit sich fort trans-

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118 I. Abschnitt. Letzte Vergletecherung von Oberbayern u. Notdürol.

portirten. Am Ende des Oletechera lagerten üe daB grobe Ma- terial in Gestalt ^es flachen Schuttkegels ab; solches geschah auf grosse Strecken, und dadurch wurde am Gletscherende ein Wall aufgeschüttet, der uns nun heute als Endmoräne vorliegt. Ich glaube bemerkt zu habeu, dass die so entstandenen Moränen- zflge ihren Steilabfall nach dem Gletechercentrum, ihre sanftere Abböschung nach aussen kehren.

Der bei w^tem häufigste Fall ist nun, dass die bdden ge- schilderten Typen sich in mannigfacher Weise kombiniien, sodass die Endmoräne theils aus dem unverletzten, theils aus dem ge- waschenen Materiale der Gnmdmorane besteht, wodurch eine ganze Fülle von Facies Verschiedenheiten bedingt wird. Dazu kommt, dass sich ausser dem abgenutzten Materiale der Grund- moräne auch eckiger Gesteinsschutt in wechselnder Menge ein- stellt. Nirgends aber spielt derselbe, welcher wol aus Ober- fläcbenmoränen herzuleiten ist, -eine sehr beträchtliche JEColle. Er tritt quantitativ stets sehr zurück, und ist meisthin nur durch wenige, aber grosse, eckige Blöcke vertreten, den „erratisoben Blöcken". Solche finden sich besond^s in den Endmoränen des Inngletschers in der Gegend von Wasserburg und Gara und sie werden hier vielfach technisch verwerthet Endmoränen, welche sich auBschliraslich aus eckigen und kantigen TrUmmem aufbauen sind mir in Sfidbayem nicht bekannt geworden.

Wenn also auch in dem einen Extreme die Endmoräne ihrem Materiale nach kaum von der Grundmoräne zu unterscheiden ist, während im andern Extreme sie sich in ihrer Zusammensetzung rün fluviatilen Ablagerungen nähert, so besitzt sie doch in den bei weitem meisten Fällen eine eigenartige Physiognomie, indem sich beide Extreme kombinirfoi und indem sich eckiger Geateinsschutt neben dem abgenutzten der Grundmoränen in ihr einstellt. Der Name Moränenschutt dürfte vielleicht zur Bezeichnung solchermaassen wechselnden Materiales von Endmoränen geeignet sein, und zwar könnte man dasselbe je nach seiner Beschaffenheit bald als thonigen, bald als kiesigen, bald endlich als grusigen Moränenschutt anführen.

Selten nur fehlen Schichten Störungen in den Endmoränen. Die in ihnen auftretenden kiesigen oder sandigen Partien sind häufig zusammengeschoben und ge&ltet, wie es Fig. 2 und 3 z^gen. Bis-

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Kap. XI. Beziehungen zw. Bodengestnltung u. Gletscherverbteitung. HO

weilen ist sogar die ganze Ablagerung zueammengeschoben ; so durcb- »chneidet der Ion unterhalb Waseerbui^ einige Endmoränenwälle, deren kiesiger Moränenschutt stellenweise senkrecht steht, stellen- weise unt«r einem Winkel von 60" einfällt. Es liegt auf der Hand, dass man es hier nicht mit ursprünglichen Unregelmässig- keiten in der Schichtung, sondern mit nachträglichen Störungen

ofil der Endmoräne des Isar-GIetschers nSrdlicli Alt-

hegnenberg, zwischen München und Augsburg.

A MDiÜDenschutt. B Binderthon. C Sand.

Durchschnitt einer Endmoräne bei Mangetsried, westlich vom Wflrmsee.

EU thun hat, und man wird nicht weit fehlen, wenn man in den- selben ein Werk des Gletscherschubes erkennt (vgl, Fig. 6 unt«n). In der That berichtet J. DE Charpentier '}, dass in einem engen Thale vorwärts schreitende Gletscher den Boden vor sich zusammenschieben, und bekräftigt dies durch einige Beispiele. HooARD*) sah, wie der Rhdnegletscher beim Vorrücken seine

') Essai sur les gladers. p. 41.

') Coupd'oeilBurleterTainerratiqnedeeVosgea. Epinall848. Cap. III.

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120 I- AbBchaiK. Letzte Vergletscherung von Obeibayeni a. Xordtirol,

Endmoränen zusammenBchob; Tvndau.') beobachtete ferner, wie der Morterat8chgletBch«r im Engadin einen kleinen bewachsenen Hügel vor sich herechob. Nach einer Notiz von Heim*) staute der PuntaiglaagletBcher in der Tödikett« einst beim Vorwärts- schreiten den vorliegenden Rasen In Falt«n auf, und dasselbe gilt nach übereinstimmenden Mittheilungen vom Buerbrä^) in Norwegen, sowie von verschiedenen anderen Eisetrömen dieses Landes. Es liegen also verschiedene Berichte darüber vor, dass ein vorwärts schreitender Gletscher sein Vorland zusammenschiebt Diese so erzeugte Faltungen und Stauchungen müssen von den unt«r der Gnindmoräne ab und zu auftretenden Schichtenstöniugen wol getrennt werden. Während sie durch Zusammenschieben vor dem Gletficher entstanden, wurden die letzteren durch die unregel- mässige Bewegung der Grundmoräne unter dem Oletscher ge- bildet. Ich kann daher meinem verehrten Lehrer Hebm. Cbedner nicht beistimmen, wenn er als Prototyp der SchichtenstSningen im Untergrunde des sächaischen Geschiebelehmes die Zusammen- schiebungen hinstellt, welche der vorwärts schreitende Buerbrä er- zeugt. Den Schichtenstörungen dieses Gletschers entsprechen vielmehr die Windungen und Faltungen des Moränenschuttes in Oberbayem. So wes^itlich sieh nun auch die Endmoränen Oberbayems durch die Herkunft ihres Materiales von den Endmoränen mancher heutiger Giet«cher unterscheiden mögen, so erscheint mir doch überflüssig, sie durch einen besonderen Namen zu charakterisireu. Denn es li^ auf der Hand, dass in jeder Endmoräne sich da« Material von Grund- und Oberdächenmoräne ansammeln wird. Die in ihnen auftretenden Schiebten Störungen lehren femer, dass sich au ihrem Aufbau auch zusammengeschobenes Gletschen-or- land betheiligt Es dürfte daher nicht räthlich sein, die niedrigen

') On the conformation of the Alps. Philos. Magaz. lA'. S. Bd. 28. 18(54. p. 255.

') Mechanismus der Gebit^bildung. Bd. I. p. 267.

•) Holustböm; Om moräner och terrasBer. Öfvers. af Kgl. Ver- tenskapa. Akad. Förhandl. 1879. Ko. 2. p. 6. Pexck: Die Gletscher Norwegens. Mittheil. d. Vereins f. Erdkunde. Leipzig 1S70. EerU. CsEDNER : L'eber SchichtenstÄmngen u. s. w. Zeitschr. d. Deutsch, geol. Oeeellsch. 1880. p. 70.

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Kap. XI. Beziehungen zw. Bodengestaltung u. Oletacherrerbreitang. 121

Eodmomnen mancher norwegischer Gletscher, welche nur aue zusammeogeschobenem Material« bestehen, eigens als ,3tau- moränen" zu bezeichnen, wie Berehdt^) kürzlich vorschlug. Man erinnere sich nur, was Loris AoASätz über die Endmoränen schreibt „Die Endmoränen", sagt der geniale Urheber derEiszeit- theorie'), „verdanken theilweiae ihre Entstehung den Trümmern, welche von der Oberfläche der Gletscher herab&Uen, und man sieht nicht selten an schönen Sommertagen grosse Blöcke von dem Thalende eich losreisses und über die Eiswände hinab zu dem Schutt an dem Fusse des Gletschers rolleo. GrÖsetentheils aber bildet sich die Endmoräne aus allen beweglichen Massen, welche er beim Vorrücken auf den Felsgrund vor sich herschiebt, sowie aus dem Trümmerschutt,- welcher zwischen dem Gletscher und dem Bodeu, auf dem er ruht, sich befindet." Alles dies gilt in vollem Umfang, wie wir sahen, auch von den Endmoränen Oberbayems.

Längst schon hat man in der Schweiz erkannt, dass die Endmoränen der diluvialen Gletscher nicht die äusserste Grenze des erratischen Gebietes erreichen. L. Aoassiz hat dies zuerst au^efitnden und In dieser Erscheinung eine Stütze seiner Lehre von der Eiszeit gesucht. Spätere Untersuchungen haben diesen Be&nd nur bestätigt, und auch auf der Südseite der Alpen wurde dieselbe Thateache konsUtirt. Neuerdings wurde sie auch auf deutschem Boden nachgewiesen. Die Untersuchungen von Bach und Pkobst lieferten in Württemberg das übereinstimmende Er- gebnies, dasa daselbst eine äussere und innere Moränenzone vor- handen sei, und besonders Bach suchte die Unterschiede dieser beiden Zonen näher zu piäcisiren. In Südbayem kehrt mm eben jene Erscheinung vieder. Die geschilderten Endmoränen bilden nicht den äussersten Saum der Glacialgebilde, sondern auch noch ausserhalb der ersteren treten echte Moränen auf. Allerdinge ist hier der Typus der Moränenland schaft nicht zu erkennen, aber den- noch finden sich echte, normale Grundmoränen, deren Beschaffen- heit keinen Zweifel darüber aufkommen lässt, dass sie in situ sind.

') Vergl. Referat über Pekck: Die Gletscher Norwegens. ] Jahrbuch für Mineralogie u. Geologie. 1881. Bd. I. p. 423. *) rntersuchungen über die Gletscher. 1841. p. 113. 114.

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122 I- Abschnitt. Letite Vergletschening von Oberbayero u. Kordürol.

Stark und Clessin, welche das erratische Gebiet nur durch Verfolgung der MoränenlandBchaft zu begrenzen sucht^i, war diese äussere Moiüneuzone unbekannt geblieben, und hieraus er- klärt sich, warum die genannten Autoren die äuBeerete Motiuien- grenze nicht weit genug nach Norden verlegen. So zieht Stark die Begrenzung dea Inngletachere stellenweiBe volle 15 km zu weit südlich, und erkannte nicht den eigenartigen Vorsprung des GlacialgebietcB bei Erding; CLEaeiN endlich begrenzt das (Tebiet seines Ämpergletschera im Mittel 15 km südlich von der wahren äusseren Gletschergrenze. In einem spateren Abschnitte werden wir uns mit dieser äusseren Zone des Moränengebietes näher be- fassen und deren Bedeutung zu ermitteln suchen.

Lässt sich die Moränenlandschaft nicht bis zu der äueserst£n Grenze des ehemaligen Gietschei^bietes verfolgen, so behält sie auch nach dessen Centrum zu nicht den gleichen Charakter. Man möchte sagen, dasfi sie an Intensität abnimmt, das heisst die ihr eigenthümlichen Züge verberen an Ausdruck und Schärfe. Zu- nächst lässt sich beobachten, wie sich die Höhe der Moränaiw&lle stetig mindert; dieselben verflachen sich allmählich. Dadurch wird die hervorragende orographische Unregelmässigkeit gehoben, welche die Moränenlandschaft charakterisirt Femer aber drängen sich die einzelnen Moränenwälle nicht mehr so dicht aneinander, grdeeere Zwischenräume schalten sich zwischen ihnen ein, und die Haupt- wälle erscheinen nicht mehr als eine unregelmässige Vereinigung zahlreicher paralleler Hügel, sondern nehmen ein regelmäseigeres Querprofil an. Diese Abnahme der Moränenlandschafl an präg- nanten Zügen vollzieht sich nach einer ganz bestimmten B^el Nicht etwa dass sie sich stets in einer bestimmten Entfernung von der äusseren Grenze des Glacialgebietes geltend machte, sodass das gesammte Gletechergcbiet Oberbayerns nach aussen hin eine bestimmte Moränenlandschaftszone besässe, sondern das Gebiet eiues jeden Eiestromes, de.r die bayerische Hochebene erreichte, besitzt seine eigene Zone von Endmoränen, seinen eigenen Saum einer Moränenlandschaft Jeder einzelne Gletscherbeiirk ist also nicht nur uach aussen durch Mo- ränenwälle begrenzt, sondern auch gegen seine Nachbarn hin, und innerhalb eines jeden so iodiTiduaiisirten Gletscher-

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Kap. XI. Beziehungen zw. Bodengeatiütimg n. Oletacberverbreitung. 123

bereiches nimmt die Moräuenlandschaft in radiärer Richtung an Intensität ab.

Jedes einzelne Gletechergebiet besitzt also aein eigenes Sjatem von Endmoränen, welche erst an der äusseren Grenze der ehemaligen Eisbedeckung mit einander zu einer kontinuirlichen Umwallung verschmelzen, und indem nach aussen hin die Moränen mehr und mehr anschwellen, so rauss im allgemeinen das Niveau an den peripherischen Theilen der einzelnen Eisströme höher sein als in deren centralen Partien. Dies ist in der That der Fall; die peripherischen Theile der einzelnen Gletschei^biete liegen hdher als deren centrale Partie, aber sie erheben sich über das Niveau der letzteren nicht bloss um soviel, als die Höhe der Endmoränen beträgt, also um 30 bis 50 m, sondern um ein weit beträchtlicheres Stück. So liegt die centrale Partie des longletschers, das Bosen- heimer Moos, 450 m hoch, während die Peripherie seines Gebietes sich vielfach bis auf 600 m erhebt. Die nürdlichsten Moränen des Isargletschers erheben sieb bis über 600 m, und umschlieaBen ein Gebiet, welches sich im Ammersee bis auf 440 m, im Würm- see bis auf 460 m herabsenkt. Die Endmoränen umgürten also in jedem Gletschergebiete dne centrale Depression, welche sich weit unter ihre Höhe herabsenkt.

Diese centrale Depression ist entwed» unverletzt, das heisst . sie erscheint als ein allseitig von höherem LandeumgebeneH Becken, welches natürlich mit Wasser erfüllt ist, und daher als See ent- gegentritt Die grossen Seen Südbayems sind nichts als solche wassererfüllte Depressionen im Gletschergebiete. In vielen Fallen aber ist die Umwallung einar solchen Depression zerstört, ihr Abfluss hat dieselbe durchbrochen. Sie ist dann trocken gelegt, und er- scheint nicht mehr als See. Aber in der KonfiguratioQ der Gegend tritt sie noch deutlich hervor, sie erscheint als Becken und hydro- graphisches Ceutrum. Das Becken von Roseuheim, die centrale Depression des Inngletschers, ist das beste Beispiel hierfür. Aus- gedehnte Toifl^er verrathen hier noch die frühere Existenz eines Sees, oder es sind in einer Heihe kleinere Wasseransammlungen die Reste eines solchen erhalten, wie im Becken von Füssen, der centralen Depression des Lechgletachers.

Die Gestalt dieser Depression lässt, wie aus dem Vontns-

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121 I- Abschnitt. Letzte Vei^etsdienmg Ton Oberbayem n. NordtiroL

gegaagenen bereits zu aitnehmen ist, dne ausgesprocbene Ab- hängigkeit von der Gestalt der «nzelnen Gletschergebiete erkennen, indem sie dieselbe in verkleinertem Maasse wiederholL Wo also ein Eisstrom sich fächerförmig ausbreitete und söne äussere Grenze men Halbkreis beschreibt, ist die centrale Depression auch halb- kreisförmig. In diesem Falle steigt das Land von diesem Centnmi nach der Peripherie des Gletscheigebietes allseitig sanft an, es scheint m grosses Amphitheater um den Punkt zu bilden, wo der Gletscher die Hochebene errdchte (Rhein-, Inn- und Salzach- glet«cher). Wo hing^en die Gebiete der einzelnen Eisströme die Gestalt schmaler Zungen annehmen, was der Fall ist, wenn ver- schiedene Gletscher sich in ihrer Entwicklung g^enseitig binden und sich untereinander parallel bewegen müssen, dann dehnt sidi auch die Gestalt der centralen Depression, sie wird zu einer mehr oder minder lan^edehnten Mulde (einzelne Ströme des Isar- gletschers). Diese centralen Depressionen lassen sich stets bis zu dem Thale verfolgen, aus welchem der betreffende Gletscher auf die Hochebene trat, und setzen sich häufig ein Stück weit in das- selbe fort. Sie erscheinen somit als die Fortsetzung der Hauptgletscherbetten auf die Hochebene.

Die Konturen des Meeres von Eis, das sich änst am Fusse der deutschen Alpen ausbreit«te, liessen bereits dessen Zusammen- setzung aus mehreren miteinander verschmolz^ien Eisströmen ver- mutben. Die verschiedene Geschiebefnhrung der dnzelnen Be- zirke erhob diese Yermuthung zur Gewissheit. Das Studium der Endmoränen und der Moränenlandschaft führt zu demselben Se- eultate, und die Betrachtung der Niveau Verhältnisse der Gegend endlich lehrt uns ebenfalls das grosse Gletschergebiet in einzelne Individuen zu zerlegen. So stellt sich denn dne grosse Beziehung zwischen Gletscherverbreitung und der Urographie heraus. Wir sehen, dass das Gletschergebiet in drei verschiedene Zonen zer- fallt. In der äusseren ^den sich Moränen, jedoch nicht die dgentliche Moiünenlandschaft. Die charakteristischen Züge der- selben sind verwischt, es macht unwillkürlich den Eindruck, als ob diese Zone weit länger den regelmässig die Erdoberfläche ge- staltenden erodirenden Processen au^;esetzt gewesen sei als die mittlere Zone, die der Moränenlandschaft Hier ist die

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Kap. XI. Be;:iebungen zw. BodengeBtaltung u. GletBcherverbreitung. 125

G^esetzlosigkeit und Unregelmäesigkeit der anhäufenden Thätigkdt des EigeB nocb friacfa erhalten. Die regelmässigen Eroaionsproceele durch rinnendes Waaser sind hier kaum in Wirksamkeit getreten. Unverletzt sind noch alle orographischen Abnormitäten erhalten, man fühlt, dass man sich in einem wdt jugendlicheren Gletscher- gebiete befindet, als es die äussere Zone darstellt Zahlreiche kleine Seen finden sich hier, während sie in der äusseren Zone fehlen. Die dritte innere Zone endlich ist charakterisirt durch das Zurücktreten der Endmoränen, und hebt sich topographisch durch eine tiefe Depression hervor. Hier begegnet man veit weniger den Werken der anhäufenden Thätigkeit des Eises als in den beiden äusseren Zonen, ältere Gesteine sind hier öfters blossgelegt, während sie nach aussen hin unter den mächtigen Moränen ganz verschwinden. Der Habitus der Gegend erinnert an die Strecken des Gebirges, wo die Gletscher nicht anhäufend, sondern erodirend wirkten. So steht denn die äussere Moränenzone, die der verwaschenen Moränen- landschafl^ den beiden inneren g^enüber durch ihr hohes Alter; die innere Zone hing^en, die der centralen Depression, erscheint gegenüber den beiden Zonen der unverletzten und verwaschenen Moränenlandschaft als ein Eroaionsgebiet. Späteren Abschnitten mSge die nähere Würdigung dieser Verhältnisse aufbewahrt sein.

Zu den mannigfachen Unterschieden in der Entwicklung des Glacialphänomens auf beiden Seiten der Alpen musate bisher ausser der bereits erwähnten verschiedenen räumlichen Verbreitung der früheren Gletscher auch der Umstand gezählt werden, daSB auf der italienischen Seite jene merkwürdige topographische Be- ziehung zwischen früherer Gletscherverbreitung und den Niveau- Verhältnissen besteht, , welche Gastaldi') so treffend durch die Be- zeichnung Moränenamphitheater charakterisirte. Das Land steigt nämlich von dem Punkte, wo der Gletscher die Alpen verliess, wie ein Amphitheater nach der Poebene an, und die äussere Um- wallung dieser Amphitheater ist die äussere Moränengrenze,

Ganz eben dieselbe Erscheinung bemerken wir auch auf der Xordseite der Alpen da, wo die Gletscher sich in ähn- licher Weise fächerförmig ausbreiten konnten wie in Oberitalien. 'J Franhnenti di geologia del Piemonte und Atü Soc. ital. di sc., nat V. 1863. p. 240.

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126 I.Abschnitt. Letzte Vergletscbening von Oberbayem u. Nordtirol.

Rhein- und Inngletscher, vor allem aber der Salzachgktecber sind <Iuig1i echte ÄmphitheBter ausgezeichnet Wo hingeg:en die Glet- scher sich in der für die Nordedte ägenthümlichen Weise ent- wickelten, das hdsst wo sie sich gegenseitig in ihrer facherfönnigen Ausbreitung henmit«n und untereinander parallel sich vorwärts bewegten, da findet sich anstatt einer centralen runden Depression, anstatt des Amphitlieaters eine centrale Binne. Das Auftreten von Amphitheatern kommt also nicht ausschliesslich der Südseite der Alpen tu, sondern ist charakteristisch für eine bestimmte Aus- breitung des Eises, nämlich die facherfönnige, während die cen- trale Rinne, wie sie in der Schweiz und im Isargletschei^biete herrscht, auf Parallelität in der GletÄcherausbreitung deutet Die Entwicklung des Glacialphänomena in Oberbayem also, welche räumlich so ziemlich die Mitte hält zwischen der Italiens und der der Schweiz, schlägt auch betrefia der Niveau Verhältnisse der Gletscherlandscbaft die Brücke über die Alpen.

Einen weiteren, dritten Unterschied zwischen dem Glaclal- phänomen auf beiden Seiten der Alpen betonte wol zu^^t GCmbel ') und führte RüTiMEYEit^) in bekannter Gründlichkeit aus. Während man nämlich am Südabfalle enorme Moränenwälle erkennt, sind auf der Nordaeite die Glacialgebilde in weit geringerer Mächtig- keit entwickelt Aber es scheint, als ob auch diese Differenz eine naturgemässe ist, wenn man nur in Betracht zieht, dass auf der Südseite das Ablag^imgsgebiet der Moränen ein weit engeres ist als auf der Nordseite. Hier wurde das Glacialmaterial über grosse Flächen verbreitet, dort in einem kleinen Bezirke angehäuft. Man hat es auf beiden Seiten der Alpen mit gleich in- tensiver Gletscherwirkung zu thun, jedoch mit einer durch Temperaturverscfaiedenheit der beiden Gebiete erzeugten Differenz in der Verbreitung des Phänomens.

Hat also auch in den verschiedenen Theilen der Alpen das Glacialphänomen sich in verschiedener Weise räumlich entfaltet, so hat es sich doch überall in derselben Weise geäussert Es ist eine durdigrnfende Regel für alle alpinen Gletschergebiete,

') A. a. O. GletschererBcheinungen aus der Eiszeit. 1872. p. 253. *) Pliocen und Eisperiode auf beiden Seiten der Alpen. Basel 1875.

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Kik|>. XI. Beziehungen zw. Bodengeetaltung; u. OUtechemrbreitang. 127

dass die peripherischen Endmoränen fast ausschliesB- lich aus dem Materiale der Orundmoräne zusammen- gesetzt werden. Gleichwie in Oberbayem bestehen die End- moränen Württembergs fast durchweg aus GIctscherschlamm und g«kritzten Geschieben nebst geschichteten Einlagcningen. Ebenso verhält ea sich nach den Schilderungen von Mt^HLBEBO ') mit den Moränen des Aai^u, und nach den Miitbeilungen Morlot'b ^) mit denen der Gegend von Lausaime. Ausdrücklich hebt ferner DE Mortillbt') geklotzte Geschiebe als den Hauptbestand theil der Endmoränen Oberitaliens hervor. Rimd um die Alpen findet sich also das Material der Gnuidmoränen in Form von End- moränen aufgestaut. £9 fand also, wie Aoassiz*) zuerst als charakteristisch för das Maximum der Eisausdehnung im Norden Europas hervortiob, der Hauptgesteinstransport allent- halben unter dem Eise statt

Endmoränen, welcher Art und Zusammensetzung sie auch a&n mögen, k&nuen sich nur während eines Stillstandes des Gletscherendee bilden. Findet nach ihrer Anhäufung ein An- wachsen des Gletschers statt, so werden sie eine Zeit lang vor dem Eise hergeschoben werden, bis sie unter dasselbe gerathen und der Grundmoräne einverleibt werden. Nur wenn nach ihrer Anhäufung das Eis sich weiter zurückzieht, werden sie als Wälle erhalten bleiben. Alle Endmoränen bildeten sich daher wäh- rend des Bückzuges der Vergletscherung in Unterbrechungen, in Pausen desselben ; und zwar dürfte es gestattet sein , aus der Grösse des Walles einen Schluss auf die Dauer dieser Pausen und Unterbrechungen zu machen. Die äusseren Wälle werden immer älter als die inneren sein.

Nun findet sich allenthalben in den Alpen, dass ganze Serien von Endmoränen die alten Gletschergebiete auszeichnen,

*) Die erratischen Bildungen im Aargau. Sep.-Abdr. a. d. Fesiscbr. d.aug. naturC Qesellsch. zur Feier ihrer 500. Sitzung. Aarau 1869. p. 105.

*) Bull. Soc. Vaud. d. sc. nat. t IV. p. 42,

^ Carte des anciens glaciera. Attisoc.ital.d.sc.nat tili. 18{>l.p.69.

') The Gladal Theory and ita recent Progress. The Edinburgh new Phik». Jonm. XXXHI. 1842. p. 217. Verg). auch BibÜoth. univeraelle de Genfeve. XLI. 1342. p. 130.

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128 I. Abschnitt. Letzt« Vergletachenmg von Oberbayern u. Nordtdrol.

überall liegen sie wie „Jahresringe"^) hint«reinander. Es ist daher der Rückzug der Vergletßclierung ganz allgemein keiu allmählicher gewesen, sondem wurde durch viele Pausen unter- brochen. Er geachah ruckweise, was jedoch nicht heieeen soll, dass Zeit«n des Stilletaiides durch Perioden gewaltigen Rückzuges unterbrochen wurden. Zukünftige Untersuchungen werden nun noch zu erörtern haben, ob im ganzen Alpen- gebiete die einzelnen Moränennälle genau einander entsprechen, ob also anzunehmen ist, da«3 überall der Rückzug an einer bestimmten Zeit unterbrochen wurde, oder ob, was mir wahr- scheinlicher ist, die Zeiten des Rückganges und Stillstandes der Gletscherbewegung jedem einzelnen Gletscher eigenthümlich waren, und somit lokaler Natur sind. Bis jetzt hat es mir näm- lich nicht einmal gelingen wollen, in Südbayem die Endmoränen der verschiedenen Gletscher mit einander zu paraJlelisiren , ja selbst im Bezirke eines einzigen Eisstromes hält es oft schwer, die einzelnen Moränenwälle fiberall scharf wieder zu erkennen.

Unterrichtet uns die Aufeinanderfolge der Endmoränen über die Art und Weise des Gletscherrückzuges , so lehrt; uns deren Vertheilung kennen, wie die zuBammenhängeude Vergletscherung des nordalpinen Vorlandes sich beim Schwinden in einzelne Eis- ströme auflöste, von dessen ein jeder sich vor dem Ausgange eines Alpenthales ausbreitet«. In diesem Stadium glich die Ver- gletscherung am Nordfiisae der Alpen der Mazimaldsausdehnung am Südabialle des Gebirges. Es bestätigt sich unsere Erfahrung, dass die Veigletschemng uch in der Poebene lediglich auf Grund einer dort herrschenden höheren Temperatur weniger entfaltete als auf dem nordalpinen Vorlande.

Die mächtigsten Endmoränen charakterisiren die äussere Zone der Moränenlandschatt, nach innen nehmen sie an Höhe be- deutend ab. Es ist daher anzunehmen, dasa während des Maximums der Eisen twicklung die Gletscher eine ziemlich be- trächtliche Weile stationär blieben und nur wenig oscillirten, um sich dann, ohne allzulange Unterbrechungen zu erleiden, zurfick- zuziehen.

■) Vergi.BACHMANK: Die Kander im Benier Oberland. 1870. p. 120.

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n.

MITTELBÄBE GLACIALWIRKÜNGEN.

Kapitel XII.

Glaciale Schotter in grosBen Höhen und in Konnex mit Ornndmorftnen.

Oescliichtete AblagenmgeD sit Glied der GladalfonnatioD. ErratisaheB Oe- Bchiebe GOubel'b. Oeechicht«!« EinUgeniDgea in Gruadmoräiien. Profil WuKrbnrg. Konnex zwischen Thonen, Kieaen nud Hoiinen. Thone nnd Kiese als Schlemm prodokte der Moi&nen. IU^(eImismge Aufeituuiderfolge von ScboUeTD, Moiänen und Schottern. Li^ende Schotter mit gdiritzten Geschieben und Torflager. Baogendc Schotter. Liegende und haagende Schotter. Qladal- gcbilde. Au&chlüese bei Gais. Analogien mit NorddeutBahlaiid. Die Qe- schlebeformntion weder in Snd- noch in Norddeutschland ein Choo«.

Wie eich an die heutigen Gletscher nicht nur die Thätigkeit des gefrorenen Waseerg, aondern vor allem auch die des fliessen- den knüpft, wie die Wirkungen dieser beiden Formen des Wassers hier auf die mannigfaltigste Axt ineinander greifen, so erscheinen als Folge der grossen Entfaltung der diluvialen Gletscher nicht bloss Moränen, sondern auch geschichtete Äbl^enmgeD, welche zweifel- los unter Mitwirkung des rinnenden und fliessenden Wassers ge- bildet sind. In dem süddeutschen Gletschei^biete spielen die letzterwähnten Gebilde eine grosse Rolle; ihre Beziehungen zu den Moränen liegen klar da, ein genetischer Konnex zwischen beiden ist unverkennbar. Moränen und geschichtete Ablage- rungen bilden hier ein einheitliches Ganze, sie beide zusammen bauen die Glacialformation auf. So ist es andrerorts zwar auch; aber während z. B. in Norddeutachland die geschichteten Ma- terialien häufig in anderer Bichtung bewegt wurden, als die

Penek, Ms VertleUchernng. Q

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130 I. Abechnitt Letzt« Vergletechenmg von Oberbayem u. NordliroL

Moräoen, fallen in Süddeutechland beide TransportrichtuDgen zu- BBmmen. Das ganze GlocialphäDomeD ist hier ferner auf einen engeren Raum beschränkt, als im Norden Deutechlands, es erecheint kompakter, und vor allem durch tiefe Thalrinnen besser aufge- scfalosaeu. Das Studium der süddeutschen Moränen wurde daher auch von Einöuss auf die Auffassung des Geschieh elehmes Nord- deutachlands, es veranlasst« Zutel'), den Ansichten Tokeli^ beizupflichten, noch als dieselben von der Mehrzahl der Geologen bekämpft wurden, und die Vergletscherung Norddeutschlands im persönlichen Verkehre zu verfechten^; die Eenntniss der süddeut- sdicD Glacialphänome liess Gümbel und Sandberoer die ge- kritzten Geschiebe Norddeutschlands als echt glaciale deuten, welche von Obth nebst den Gletschersohl ifien von Rüdersdorf als Zeugen einer Vereisung Norddeutschlands der deutschen Natur- forscherversamrolung inMünchen 1877 vorgelegt wurden.^ So ist denn nun zu hoffen, dass das Studium der süddeutschen geschich- teten Glai^algebilde auch be&uchtend auf die Auffassung mancher unenträthselter Verhältnisse des Nordens wirke.

Zur Glacialformation möchte ich vor allem jene hochgelegenen Schotter rechnen, welche sich in den nordtiroler und oberbayerischen Alpen mehrorts flndea Dieselben erraten zuerst die Aufmerksamkeit von Schuitz*), imd wurden dann von GOmbel^) als „erratisches Geschiebe" ein- gehend beechrieben. Ldder habe ich solche Ablagerungen selbst nicht gesehen. Sie bestehen nach GOhbel aus stark ali^^ollten Urgebirgsarten, besonders aus Hornblende- haltigen Gesteins arten, und sind horizontal geschichtet. Ihre bedeutende Höhe wird als sehr merkwürdig hervorgehoben, nach GOhbsl finden sie eich am Kreu:goche südwestlich Garmiach in 1300 m, am Hasenjöcherl

') Aus der Urteit 2. Aufi. 1875. p. 512.

*) Nach mündlichen Mittheilungen der Herren Professoren v. Fritsch in Halle und Hebm. Obediter in Ldpzig.

*} AmtUcber Bericht der Versammlnng deutscher Naturforscher und Aerzte. Uflnchen 1877. p. 166.

*) Ueber das Vorkommen nutzbarer Fossilien in den bayerischen Alpen. Kunst- und Qewerbeblatt f. d. Königrdch Bayern. 28. Jahi^. Bd. XX. 1842. p. 292.

') Alpengebilge, p. 802.

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KapiMl XII. Gladale Schotter iii grossen Höhen etc. 131

unweit Obenunmergau in 1400 m, bei der Rohlstattalpe aa der Benedikten wand in lOßO m, am Altlachbe^ ifldlicli vom Walchen- see in 1070 m, am KQhz^elsattel bei Tegenisee in 1050 m und auf der Hochalpe zwischen den beiden Kett«n dee Kaisergebirges in 1350 m Höhe. Ich theile mit GChbel die Ansicht, dasa man, um die Entstehung dieser Ablagenmgen zu erklären, genöthigt ist, „in eine Zeit zurückzugehen, in welcher das Älpengebirge von Fluthungen auf Höhen berührt wurde, die jetzt über alle von Flüssen und Strömungen erreichbaren Orte erhaben sind". Wäh- rend jedoch GüMBEL daraus schliessf, dass die Alpen damals ihre jetdge Gestalt noch nicht gehabt hätten, scheint mir nur nöthig anzunehmen, dass damals die Thäler nicht in ihrer heutigen Form erschienen, sondern mit gewaltigen Eisströmen erföllt waren. Die erwähnten Schotter würden dann zur Zeit des Maximums der Vergletscherung entstanden sein, und würden lokale Zusammen- Bchwemmungen an den Ufern der diluvialen Gletscher darstellen. Sie würden jenen Ablagerungen entsprechen, welche J. de Chak- FEMTiER >) als „diluvium gladaire" bezeichnete.

Weit wichtiger aber als diese immerhin nur lokalen und untergeordneten GlaciaUchotter sind solche, welche in direktem Konnex mit der Grundmoräne auftreten.

Den Grundmoränen mangeln nur selten geschichtete Einlagerungen. Kiessige oder sandige Nester, Schmitzen von Thon fehlen (kat keiner Grundmoräne, wenngleich sie an natür- lichen, gewöhnlich etwas verwaschenen Profilen mebt nicht ganz Idcht zu erkennen sind. Sie lehren, daes auch unter den dilu- vialen Gletschern stellenweise Wasser wirksam war. Ihre Unbe- deutendheit, ihre geringe Ausdehnung, der ihnen mangelnde Zu- sammenhang aber lassen diese Wirkung nur als eine lokale ansehen. Es gibt aber auch Entblössungen , in welchen die Grundmoränen und geschichteten Gebilde ebenbürtig nebeneinan- der auftreten und in vielfältiger Beziehung ineinandei^reüen. Einige Schotteigruben bei Stamberg offenbaren diese Verhältnisse in ausgezdchneter Klarheit Moränen, grobe Schotter, Kiese, Sande und Thone sind auf das Unregelmässigste durcheinander

*) Eesu sur g^aders- p. 67.

9*

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132 I.AbBchnitt Leiste V«rgletechening von Oberbayem n. Nordtirol,

gelagert, wie es Fig. 4 und 5 zeigen. Die augenscheinlich unter der Mitwirkung des WasBeiB abgeUgerten Gebilde iubren gekritzte Geschiebe, welche Licht auf ihre Herkunft werfen. Sie .sind die Schlaumprodukte der Grundmoräae. Der innige Konnex zwischen ihnen und der letzteren kann nur darauf

Schottergrube nördlich Statnberg.

A BanderthoD B Fem h nioD al geschicblele Sud. C Ungeschichtete

umdiger Kies D S h äg geach chteter gewaschen Kiea D Bcfaritg ge-

•chichtete Band g th mger kj«a £ S h 1 od Bfinderth n F Ungeschi h

tcte Seh Ue ml gekritsten Oeschiebeo 0 Gmodmonuie

Schottergrube nördlich Starnberg.

Ä Grundmoräiie. B Orober Kies. C Feioei Sand. D Jüngerer Ki«s,

alter Seeudiotter.

deuten, dass sie gleichzeitig nebeneinander entstanden. In der That sehen wir ja auch in den Hallen und Gewölben, welche die unteren Enden der heutigen Gletscher auszelclmen, die Wir- kungen des Eises und des öieasenden Wassers nicht nur neben- dnander sich äussern, sondern auch mannig&ch ineinandergreifen. Aehnliche Profile sah ich auch bei Kempten.

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Kapitel Xn. Olsdale Schotter in groaaen H6hen etc. 133

Aber nicht überall gescbieht das Ineinandergrei&u der ge- schichteten und imgeschichteten Gladalgebilde in bo unregelmässiger Weise, wie in den berichteten Fällen. Die tief in die Moränen der bayerischen Hochebene cinBchneidenden Thäler der Wertach, des Lech und vor allem des Inn offenbaren eine ganz regel- mässige, stets wiederkehrende Beziehung zwischen Grundmoränen und im Wasser abgelagerten Gebilden. Am besten ist dieselbe am Inn zu beobachten.

In einem Halbkreise um das Städtchen Wasserburg, an der alten Strasse von München nach Salzburg , hat der Ion in aus- gezeichneter Weise sein Thalg^änge angeschnitt^. Auf eine Ent- fernung von über 2 km sind hier glaciale Schichten in 60— 70 m Mächtigkeit vollkommen blossgelegt, als steile, felsähnlicbe Wände treten sie zu Tage, und kein Pflanzenwuchs verhüllt sie. Aehuliche Entblössungen wiederholen sich wenig unterhalb Wasserbui^ unweit des Wdlers Puttraiham, gleichfalls am rechten Innuier, und weiter thalwärts, g^nüber dem Flecken Gars endlich ist durch einen 2 3 km langen Eisenbahnansclmitt abermals der Bau des Tbal- gdiänges au^eBchlosseD, sodasH sich ein ganz vorzüglicher Einblick in den Aufbau der dortigen Glacialgebilde gewinnen lässt

An der „Innleithe" von Wasserburg gewahrt man drei ver- schiedene wolausgeprägte Horizonte. Zuunterst bemerkt man mäch- tige Schottermassen, über denselben folgen Grundmoränen, welche in ihren unteren Partien, wo sie dem Kiese auflagern, stark kieeig sind, während ihre oberen Horizonte vielfach mit Thon- schichten in Berührung treten und demnach eine thonige Fades besitzen. Als oberstes Glied endlich treten abermals Schotter auf, jedoch von geringerer Mächtigkeit als die liegenden.

Der mittlere Horizont zeigt nun eine bemerkenswerthe Ver- knüpfung der Grundmoränen mit allerhand geschichteten Ablager- ungen. Dieselben sind von ungemein wechselnder petrographischer Ausbildung. Bald er^^en sie als grobe Kiese, bald als Bande, bald als feiner, horizontal geschichteter Schlamm, welcher in seinem Aussehen ganz dem norddeutschen Banderthone (Glindower Thone) gleicht, bald endlich als ein ähnlich struirter, ungemein f^er Sand, dem Schlepp der Mark Brandenburg gleichend. Die kiesigen Gebilde treten als langgedehnte* wenig mächtigeE^n-

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134 I. Abschuitt. Letrt« Vergletschening yon Oberbayem u. Nordtirol.

lageningen in den UDt«reD, kiesigen Moränenpartien auf, gegen welche de jedoch sehr Eurficktrelen, sodass diese letzteren einen ada kompakten Eindruck machen. Anders verhält es sich mit den oberffli Partien. Hier necbsellagem Moränen mit Bänder- tlioD, Schlepp und Kiesschichten derart, dass bald die Moränen als Einlagerungen in den genannten Gebilden, bald diese letzteren hingegen den Moränen eingeschaltet erscheinen. Bemerkensw^ther Weise geschieht dieser Wechsel meist in ganz regelmässiger Weis^ ein G^ebilde lagert sich horizontal auf das andere. Verknetungen des Mat«riale8 finden nirgends statt, und SchicbtenstörungeD kommen überhaupt nur selten und in geringem Maasse YOi, Einige Profile mögen diesen Wechsel erläutern. Man beobachtet von oben nach unten z. B.

6 m Bänderthon, dessen untere Lagen gefaltet sind, 4 m thonige Grundmoräjie,

3 m Bänderthon imd Schlepp,

4 m Grundmoräne,

2 m sandiger Bänderthon,

7 m kiesige Grundmoräne;

oder 4 m Bänderthon mit zvei 0,5 m starken langgedehuten Linsen von Grundmoränen,

3 m Grundmoräne,

1 m Bänderthon,

4 m Grundmoräne,

2 m Bänderthon, sich auskeilend, darunter

Grundmoränen ;

oder 10 m Grundmoränen,

3 m grobes Geröll,

I, darunter kiesige Grundmoränen. Es erhellt aus diesen Angaben zur G^Qge, dass sich BändertboD und Grundmoränen hier gegenseitig vertreten, dass sie Aequivalente sind, und der vielfach wiederkehrende Wechsd dieser Gebilde lässt keinen Zweiiel darüber, dass sie gleichzeitig nebeneinander entstviden. Würde man freilich die angeführten

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Kapit«! XII. Gladale Schotter in grotaen Hohen etc. 136

Profile nur isolirt kennen, vielleicht nur durch eine Bohruag, eo könnte man leicht denselben Irrthum begehen, wie ich einat in der Deutung des von Bebendt TeröSentlichten Bohrprofilee vom Glindoneee bei Potsdam, und die einzelnen Glieder derselben Moränenablagerung als veiBchiedeDe Gebilde aufbsaen/) so aber, wo man in trefflichen fort- laufenden EntltlÖBBungen den gegoi- seitigen Verband dieser Gebilde leicht verfolgen kann, drängt sich dne solche Annahme unmöglich auf.

Fetrographisch erscheinen B&nderthon und Schlepp als die Schlemmprodukte der Grundmoräne; dass sie es auch genetisd sind, erhellt aus den gekritzten Geschieben, welche Ihnen nicht selten eingebettet sind. Es liegt nun auf der Hand, nach den gröberen Beetandtheilen der Moränen zu fragen. Höchst wahrscheinlich bilden dieselben irgendwo kiesige Ablagerungen. Wenn wir daher Bäuderthon und Grundmoränen an einer Stelle als äquivalente Bildungen treffen, müssen wir an anderen Auf- schlüssen Moränen und Schotter in ähnlichem Konnexe finden. Solches zeigen in der That die unteren Partien des Moräneohori- zoDtea bei Wasserburg, wo es kiesige Schichten sind, die den MoTÜien ^geschaltet sind; solches lässt sich femer an manchen Stellen des EisenbahnanHehnlttes von Gars wahrnehmen, wo mehr- fach Moränen und Scbotterbänke wechseln; solches endlich ofien- baren die prächtigen Entblössungen von Reichling am Lech, wo Kiesschichten und Grundmoränen nicht nur mit einander wechsel- lagem, sondern sich auch gegeneinander auskeilen und offenbar einander ersetzen. Es bewahrheitet sich vielorts, dass die Grund- moränen mit ihren geschichteten Schlemmprodukten, mit Schotter, Bänderthon und Schlepp ganz unregelmäasig wechsellagem. Die Bildung von Schlemm produkten setzt aber Wasserwirkungen voraus. Häufig kombinirten sich also Eis- und Wasserwirkungen im Bereiche der alten Gletscher, was wol in ähnlicher Weise geschehen ist, wie an den Enden der heutigen Gletscher, wo das Eis Moränen ab- lagert und dicht daneben das Wasser geschichtete Gebilde absetzt. Während aber die Thätigkeit des Eises räumlich auf das Gletscher-

') Die OeschiebefoTmation Morddeutschlandg. Zeit«chr. d. Deutsch, geolog. Gesellsch. XXSI. 1879. p. 158.

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136 I-AbschnitL Letxte Vergletochenmg von Oberbajera u. N'ordtiroL

gebiet beschränkt iet, kann eich die des fliesBenden Wassers um so weiter entfalten und weit über das Gletschergebiet hinaus erstrecken. Wir sehen die GietscberstrÖme besonders vor dem Gletscher "Schotter-, Sand- und Schlamm schichten anhäufen. Schreitet dann der Gletscher vorwärts, so bedeckt er diese Gebilde mit seinen Moränen, und wenn er wieder sich zurückzieht, so häufen die ihm entströmenden Gewässer wieder geschichtetes Material auf den Moränen ab. Ueberall da, wo Wasser aus Gletschern in derselben Richtung hervorströmen, in welcher sich diese letzteren bewegen, wird ein Anwachsen und wieder Zurückziehen dieser Eisströme ein ganz regelmässiges Schichtenaystem hinterlassen. Zuunterst finden sieb fluviatile Gebilde, vor allem Kies und Sand, dann folgen Moränen, auf welche sich abermals Schotter legen. Nun

Ansicht der Puttenhamer Innleithe unterhalb Wasserburg.

A Oberer GlacialBchotter. B Zusammengeschobener kiesiger MarÜDeDsrliuCt.

C ZusammengeechobeDeT, D horizontaler Bäuderthon und Schlepp. B Grund-

momne. F Unlerer GlacialBchotter in den oberen Partien mit gekritzCeD

GtBchieben [F). 0 FlÖtz diluvialer Kohle.

überzeugten wir uns, dass sich an die Gletscherentfaltung in Oberbayem auch die Thätigkeit des fiiessenden Wassers knüpfte; die Niveauverhältnisse sind femer derart, daes die den früheren Gletschern entströmenden Wasser in derselben Richtung äossen, in der das Eis vorwärts schritt, es ist daher a priori zu er- warten, dass die Vergletscberung Oberbayems eine regel- mässige Aufeinanderfolge von Schottern, Moränen und Schottern hinter! iess.

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Kapitel XII. Olaciale Schotter in grossen H&ben etc. 13?

Wirklich sehen wir bei Wasserburg sowie auch bei Putten- bam am Inn unter und über den dortigen Moränen Schotter ent- wickelt, die in solch' unTerk^inbarer Beziehung zu den Moränen stehen, dass wir sie mit zur Glacialformation rechnen müssen. Fig. 6, das Innufer von Futtenham unterhalb Waaaerburg darstellend, m^e anstatt des weit ausgedehnteren, aber minder übersichtlichen Profilea bei Wasserburg zur Veranschaulichung dieser Beziehungen dienen.

Die li^enden Schotter nämlich nehmen nach oben zu ge- kritzte Geschiebe auf. Dies deutet unl>ediDgt darauf, dass diese oberen Fartien der li^^den Schotter in unmittelbarer N^ähe eines Gletschers gebildet wurden. E. Collomb*) zeigte nämlich, dasB schon nach 208tündiger Bew^uDg in Wasser die gekritzten Geschiebe ihre EigenthOmlichkeiten verlieren, und Charles Mar- TiH6^) fand 300 m unterhalb des Fortales des Äaregletschers bereits keine Gletschersteine mehr im Bachbette, dieselben müssen auf dieser kurzen Strecke vollkommen abgerundet worden sein. Auch L. Agabsiz*) betont, dass gekritzte Geschiebe im Wasser ung^uein rasch obliterirt werden. Femer aber lehrt ein Ueber- biick über das ganze Frofil, sowo) bei Wasserburg selbst, als auch unterhalb der Stadt bei Putl«nham, dass, wiewol sich die Moränen im Einzelnen vollkommen konkordant auf den Schotter auflegen, sie doch kein bestimmtes Niveau einnehmen (vergl. Fig. 6). Sie treten bei Wasserburg am unteren Thdle des Profils bereits 10 15 m über dem Inn auf, am oberen dagegen erst 30 m über dem Flusg^ Es dürfte sich dies Verhältniss nicht anders erklären lassen, als dass Moränen ablagerung und Anhäufung der obersten SchotterpartJen gleichzeitig geschahen. Somit erhellt auf dop- peltem W^^, daes die obersten Lagen des Schotters im Liegenden der Moräne in unmittelbarer Nähe des Gletschers gebildet wurden, lind zwar entstanden sie, wie die in ihnen vorkommenden gekritzten Geschiebe lehren, aus dem Materiale der Grundmoräne. Nun aber

') Sur le« galete rt^^s. Bull. Soc. gtelog. de France. II. 8. t. IV. 1846/47. p. 301.

*) Bevue des deux mondes. 1847. I. p. 706.

*) Brief an Dollfvs-Aussst. Mat^riaux pour l'^tude des glacien. t III. p. 260.

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138 I. Abschnitt Letzt« VergletBchemng von Oberbayemu. Nordtirol.

eind jene obersten Lagen von den unteren durchaue nicht Iobzu- trannen, woraue eich ergibt, daas die Schotterablageruag kontinuir- lich geschah. Ee ist daher wol auch auzunebmen, da^s, wenn die obersten Lagen sich in unmittelbarer Nähe des Eises ablagerteo, dt« unteren sich während des Herannaheus der Vergletechening bildeten. Jedenfalls schloss die Bildung des unteren Schotter- horizontea erst mit der Vei^Ietscberung der betreffenden Stelle ab. Da nun Wasserburg nahe an der äusseren .Moränengrenze li^t, BO musB die Anhäufung wenigstens eines grossen Theiles jener Schotter in die Zeit der Herannahenden Vergletscherung fallen, also in die Glactalzeil

Ein Phänomen könnte hierüber vielleicht bestjmnate Aus- kunft geben. Jene mächtigen Schotter bergen dicht über d^n Spiegel des Ins, also vermuthlich nahe ihrer Basis ein etwa Fuss mächtiges Lager einer torfigen Kohle (ver|^,Fig. 6 G). Die Flora derselben kann vielleicht einst Schlüsse auf das Klima jener Zdt ermöglichen, während welcher sich dieee unteren Partien anhäuftoi. Ich fand ausser noch unbestimmten Holzresten und Nadelholz- zapfen verschiedene Moose. Herr Bezirksarzt Dr. Holler in Memmingen hatte die grosse Liebenswürdigkeit, dieselbe dner eingebenden Untersuchung zu unterwerfen. Er bestimmte Hyp- nom aduncum Hedw., H. fiuitans Will., H. intermediiim Lindbg., H. scorpioides L.; H. commutatum Hedw. imd schreibt mir auf die Anfrage, ob arktische Formen vielleicht auftreten: „Was nun den arktischen Charakter der Moose betrifil, eo gibt uns die Moosflora derselben weder Anhaltspunkte ihn anzunehmen, noch ihn sicher zu n^ren. Sämmtliche Moosarten kommen in den Sümpfen der Polarzone eben so gut vor, wie in denen Südbayems."

Es durfte daher noch der Zukunft vorbehalten sein, viell^cht durch die P&anzen der Kohlen von Wasserburg das Klima zu ermitteln, während dessen sich die liegenden Schotter bd Wasser- burg bildeten; einstweilen naüesen wir uns begnügen, wahrschein- lich gemacht zu haben, daes nicht nur ihre oberen Partien, son- dern ihre ganze Masse während des Herannahens der Vei^letache- rung gebildet worden sind, und da«) sie ihr Material aus den Grondmoränen entnahmen.

Die Schotter des oberen Horizontes schneiden scharf g^en

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KB[ät«l Xn. Oladale Sdiotter in grossen HShen etc. 139

ihr Li^eodea ab, mehrfach finden sich Diakordanz«D zniach^ ihnen und den unter ihnen auftretenden Bänderthoneu, Schleppen und Moränen. Zudem fuhren eie keine gekritzten Geschiebe, weoigstenB konnte ich in diesem Jahre (1881) dergleichen nicht aufSnden. Man möchte daher meinen, dass eie dner späteren Periode angehSrten, als ihr Liegendes. Allein bei genauerer Be- trachtung ergibt eich, dass sie in unr^elmässiger Weise ge- schichtet sind und vor allem nicht jene Horizontalität besitzen, wie sie rein fluviatilen Gebilden zuzukommen pflegt Verlässt man dann das Profil, um ihre Lage zu fiberschauen, so si^t man, daas sie bald kleine Hügel bilden, bald wieder Yerüefiingen aus- klmden. Bie gehören augenscheinlich der Endmorinenzone an, und an einer Stelle gelang es schlieaelicfa, über ihnen, auf der Kuppe önea kleinen Hügels noch unverletztes Moränemnaterial zu entdecken. Unterhalb Wasserburg bei Puttenham sieht man endlich diese Schotter allmählich in eine zusammengeschobene Moränenschuttmasse übergehen, wie Fig. 6 zeigt Ganz zweifel- los gehören also diese hangenden Schotter noch zur Gladalfor- mation, und die Diskordanz gegen ihr Liegendes kommt nicht in Betracht, wenn man berücksichtigt, dase sie von einem rasch bewegten Wasser abgelagert worden, welches ihr thoniges und sandiges liegende ^vdiren musste.

Die nähere Betrachtung der Schotter im Liegenden und Hangenden der Wasserburger Moränen lehrt also ganz zweifel- lose ßesiehungen derselben zur Glacialformation kennen, wie wir sie a priori erwarten mussten. Man wird in der Deutung dieser Verhältnisse noch bestärkt, weun man den grpssen Eisenbahn- anschnitt von Gars unterhalb Wasserburg, welcher noch mehr nach äusseren Gletschergrenze hjn liegt, untersucht Man begegnet hier denselb«i drei Horizonten, wie hei Waaserbuig, nur bemerkt man, daas der mittlere in seiner Mächtigkeit arg reducirt ist Die Moränen erlangen kaum noch 10 m Mächtigkeit, wahrend sie Wasserburg 30 40 m mächtig sind; um so beträchtlicher sind die hangenden und liegenden Schotter entwickelt Dieselben sind alao auf Kosten der Moränen angeschwollen, vertreten augenschein- lich dieselben theilweiae, erscheinen demnach als Aequivalente det mangelnden Moränen. Weiter thalabwärta finden sich in der

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140 I. Abschnitt. Letzte Vergletachening von Oberbayern u. NordüroL

Fortsetzung der Aufschlüsse von Gars an den Thalgehängen dee Inne gar k^oe Moränen mehr. Diese Gehänge werden lediglich aus Schottern aufgebaut, welche also die gerammten Moränen ver- treten, und demnach zur Glacialzeit zu rechnen sind.

Wir seh^i also an den lanufem bei Waeeerburg und Gara unter und über den Moränm Schotter auftreten, welche wir zwar insofern als prae- und poetglaciale Gebilde bezeichnen können, als sie thatsächlich vor oder nach der Vt^letscherung der dortigen Gegend entstanden. Dennoch aber müssen wir sie zur Glacialzeit rechnäU und auch als glaciale Gebilde bezeidioen, da' sie aus dem Materiale der Moränen zusammeD gesetzt sind. Wir liaben also untere Glacialscbotter unter den Moränen, und obere Glacial- Bcfaotter über den Moränen, uad eine einfache Erwägung lehrt, dasB das Vor- und Rückwärtsscbreiten dnes Gletschers, „eine Sruption" desselben eine solche Schichten folge hinterlassen muss. Wir haben also das Wasserbui^^er Profil als an normales für die bayerische Hochebene anzusehen, und daee es dieses ist, erhellt aus der häufigen Wiederiiolung der geschilderten Verhältnisse.

Das Profil von Wasserburg erinnerte mich lebhaft an nord- deutsche Vorkommnisse. Ganz überraBchend ist die Aehnlichkeit zwischen den Wasserbui^r Bänderthonlagern und denen der G^end von Potsdam. Während aber die märkischen Bänderthone isolirt auftreten, sodass man lange über ihre Stellung im Unklaren war, und dieselbe heute erst durch das Bohrprofil vom Schwielovsee ahnen kann, ist bei Wasserburg der Konnex zwischen Moränen und Bänderthonen in so unzweideutiger Weise zu erkennen, dass man nicht an ihren gegenseitigen Beziehungen zweifeln darf, £s ist wol gestattet bei der grossen Analogie zwiscben dem gedachten nord- deutschen und dem süddeutschen Verkommnisse das durch Studium des einen gewonnene Resultat auch auf das andere zu Übertrag«). Die Bänderthone der norddeutschen Ebene dürften sammt und sonders, falls sie in derselben Weise wie bei Potsdam entwickelt sind, also als wolgeschichtete, fossilfieie Schlammmassen, für Glacialgebilde, für Aequivalente der Qrundmoräne zu gelten haben, nicht aber, wie ich früher glaubte, als interglaciale Ablagerungen.

Viel Aehnlichkdt hat das Wasserburger Profil ferner mit dem Steilufer des Samlandes in Oetpreussen.

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Kapitel XII. Oladale Säiotter in grossen Höhen etc. 141

Ueber dem am Meereespiegel anetehenden Oligocän, der Bem- iteinerde upd der Braunkohleuformation, häufen aich dort stellen- iruse Hehr mächtige Diluvial abUgerungen an, welche beeonders unweit des kleinen Bades Wamicken in vorzüglicher Weise durch die Wogen entbl&BBt sind. Hier findet sich eine vielfeche Ver- knüpfung zwischen OeröU, Schott«r, Eies, Sand, Bänderthon und der als Geschiebelehm bezeichneten Gnmdmorfine. Diese letztere gleicht fast aufi Haar der Wasserburger; wie denn überhaupt die an Urgebirgsgescbieben reichen Grundmoränen dee lungletschers die grÖBste petrographische Aehnlichkeit mit dem Geachiebelehme Norddeutschlands besitzen. Alle diese Materialien lagern auch im Samlande stellenweise wenigstens vollkommen horizontal, aber wechseln in kürzester EDtfernung mit einander ab, sodass zwei benachbart« Profile gar keine Äehnlichkdt miteinander zu be- sitzen scheinen. Es sind die geschilderten Profile von Wasser- burg also geeignet, manche Verhältnisse in Norddeutschland auf- zuklären, zu beweisen, dass ineinandetgr^ende geschichtete und uugeechichtete Ablagerungen das Werk einer einzigen Verglet- scherung sein können, freilich nicht müssen. Sie sind eine treffliche Illustration zu der Aeusserung Lobsemb')^ „Das Dilu- vium ist ein Chaos", und das Vorwalten thoniger Gebilde im Konnex mit den Moränen bei Wasserburg, sowie das Vorwiegen kiesig-sandiger Materialien in dem Profile von Gars ist vielleicht genau das Aaalc^on zu den entsprechenden Verhältnissen in der Umgebung Berlins, nur dass bei Wasserburg ein einziger, fort^ laufender Aufschluss die gegenseitigen Beziehungen dieser Gebilde auf das Herrlichste ofTenbart.

Ist nun &eilich von gewissen Diluvialablagerungen zu sagen, sei es in Oberbayem oder in Norddeutschland, dass sie ein Chaos daretelleo, so muss ich mich doch ganz entschieden dag^n ver> wahren, dies allgemein auf das Diluvium zu übertragen, und z. B. die Geschiebeformation Norddeutschlands als ein unentziflerbares Gemenge zu bezeichnen, so wie es K Geinitz*) nenerdings thuL

') Zeitachr. d. Deutschen geolog. Geselbch. XXVII. 1875. p. 490. *) Bdtrag zur Geologie Mecklenbui^. II. Archiv d. Vereins d. Freunde d. Natn^esch. m Mecklenburg. Bd. XXXTV- ISSO.

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142 I. Abechnitt Letete Vei^letochenmg von Oberbityer.: u. Nordtirol.

Wenn aicb, wie die Wasserburger Profile zeigen, geschichtete Äb- li^^eruDgen und Grußdmoränen stellenweise Tertreten kSnneii, 80 gelingt ea doch dies stets eu bewies. Es fuhr^i nämlich die erst«ren dann auch Gletschersteine. Andrerseits aber zeigt gerade die G^i^end von Wasserbui^, dass der chaotische Wechsel des Materiales auf einen bestimmten Horizont beschränkt ist, und dasa die Glaräalfonnation in ganz n^elmäesiger Weise aus ver- schiedenen wolunterscheidbaren Gliedern auigebaut ist. Aller- dings sind diese Verhältnisse hier in der wfinBchraswerth besten Weise entblöset, sodass mit einem Male alle Glieder fiberblickt werden können und es unnöthig wird, wie in Korddeutachland, aus einzelnffli Bohrprofilen, von denen keines die Mächtigkeit der Waeserbui^lier Profile erreicht, sich die Scfaichtenfolge zu kon- struiren. Dank der mühevollea und Seissigen Untersuchungen von Beremdt und Jemtzbch sind aber trotz der lokalen Schwierig- kdten in Norddeutschland schon verschiedene Horizonte in der dortigen Glacialformation nachgewiesen. Zwei verschiedene Ge- Bchiebelehme, also zwei verschiedene Grundmoränen sind auf grosse Strecken verfolgt und kartographisch aufgenommen worden. Er hieae dielen älteren grundlf^enden Ärbdten allen Werth ab- sprechen, wenn neuere Theorien Ober die Bildung der norddeutschen Geschiebeformatjon sich nicht auf ihnen aufbauen wollten.

Kapitel XHI. untere G-lacialschotter der Hochebene.

BedCDtnog der Schotter im Isargebiele. Kohlen von Qroae.Wei1 am Kochd-

■ec. Die brei(«ii Stniinbetten der Hochebene entstehen an der onverletzteD

MotSnenluidBChaft. Verbreitong der unteren OlodalBcboUer unter den Moränen.

Verschiedene Entwicklung in den einzelnen Zonen am Qletgchergebietes.

Geschichtete Ab!^:enmgen , wie sie in der G^;end von Wasserburg unter den dortigen Moränen auftreten, sind auf der bayerischen Hochebene von ganz allgemeiner Verbr^tung. In einer R^e von Fällen lässt sich ebenso wie am Inn bei Wasser- burg nachweisen, dass ihre Bildung erst unmittelbar vor Eintritt der Vergletscherung aufhörte, wodurch ihre Zugehörigkeit zur

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Untere Qlftdalsctiottor der Hochebene. 143

OlacialformatioD zwar sehr wahrscheinlich gemacht, aber den- noch nicht bestJmmt erwiesen wird. In anderen Fällen aber lässt sich erkennen, dass die Bildung dieser Schotter erst mit dem Anwachsen der Gletscher begann, indem sie sich aus errati- schem Mfiteriale aufbauen. Dieser Umstand iäaet uns nicht in Zweifel darüber, dass die gedachten Ablagerungen Glieder der Gladalformatdon sind. Besonders sind es Ablagerungen im Ge- biete des Isargletschers, welche in dieser Hinsicht lehrreiche Äuf- BchlüBse gewähren.

In der Gegend von Mumau, und zwar vorzüglich an den Ufern des Staffelsees bis nach Weilheim hin, iemer in dem Loi- sachthale zwischen dem Gachenloher Moose und dem Kochelsee findet sich allentlialben unter einer sdir wenig mächtigen Bedeckung von Moränenschutt ein horizontal geschichteter, stark gewaschener Schotter. An der Basis desselben tritt mehrfach Bänderthon auf, über welchem bei Gross-Weil am Kochelsee eiu Li^er diluvialer Kohlen vorkommt. Dieselben bilden em im Mittd 3 m mächtiges FlÖtz, welches auf eine Erstreckung von 700 m bergmännisch verfolgt isL Sie bestehen aus äuer mulmigen Masse, in welcher zahlreiche leidlich insch aussehende Stämme eingebettet sind. Gregor Kraus ^) erkannte darunter Pinue sjlvetris L. ; ich sah auch Birkenstämme. Vereinzelt finden sich in der Kohle Nadelholzzapfen, ftmer Stengeltheile von Equisetum. Einige gesammelte Moose hatte Herr Dh. Holleb in Memmingeu die Güte zu bestimmen. Er er- kannte Meesa tristicha Funk und Hypnum purum L. Leider geben diese spärlichen Reste durchaus keinen Anhalt, auf das Klima der Periode zu schliessen, während welcher die Kohle entstand. Allein es wird Licht auf dasselbe geworfen durch die Zusammensetzung der 50 m mächtigen Kiesablagerung, welche die Kohle bedeckt. Einen sehr wesentlichen Gemengtheil des Kieses bilden nämlich alpine UrgebirgsgeröUe, unmittelbar über der Kohle finden äcfa solche von über Faustgr6sse. Woher kommen diese Uige- bitgagerölle in das Flussgebiet der Loisacfa, wo selbiges nirgends

') Ueber einige bayerische Terliärbölzer. Wfirzbuiger med. naturw. Z^tacbrift. 1865. OCmbel (Alpengebii^, p, 804) erwShnt auch Pinus

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144 I. Abschnitt. Letzte Vergl«Udienmg von Oberbajera u. NordtitoL

nur im eutfemtesten an die Centralkette reicht? Wenn wir heute in der Loisach und Isar krystallinieche Gesteioe aua den Alpen finden, so wiBsen wir, daee dieselben den Moränen des Isarglet- Bchers entnommen sind. Die Schotter der Gegend, von Mumau aber sind älter als die dortigen Moränen. Ihre Urgebirgsfuhrung lässt aich Dun auf zweierlei Weise erklären. Eatweder fand vor ihrer Ablagerung schon eine VergletecbeniDg statt, aus deren Moränen sie ibr erratisches Material eataahmen, oder sie wurden während des Herannahens jener Vergletscherung gebildet, deren Moränen sie bedecken. Daas in der That vor Ablagerung jener Schotter schon äne Vergletscherung stattgefunden, wird später zu zdgen versucht werden; dennoch aber glaube ich, dass das fragliche erratische Material ausschliesslich jener früheren Vergletscherung zu danken ist In diesem Falle nämlich müssten diese Urgebirgs- gerdlle in ähnlicher Menge in jenen Schottern auftreten, wie in den Alluvionen der Isar oder Loisach. Tbatsächlich aber sind sie viel häufiger, und die Findlinge sind oft von sehr beliächtlicher Grösse, sodass eine direkte Zufuhr derselben angenommen werden muss. Eb ist daher das Wahrscheinlichste, dass während der Ablagerung der fraglichen Schotter ein Geschiebetrans- port Aber die nordtiroler Kalkalpen stattfand, wodurch Gesteine der Centralkette in das Flussgebiet der Loisach gescbaSt wurden. Es muss gefolgert werden, dass die bis ober 50 m mäch- tigen Schotter der Gegend um Mumau abgelagert wurden, als der Inngletscher bereits in das Flusagebiet der Loisach eingedrungen war. Somit erkennen wir in ihnen ein Glied der Glacialfonnation. Hier wird bis zu einem gewissen Grade bewiesen, was bei Wasserburg nur wahrscheinlich wurde, nämlich dass die unter der Gnindmoräne auftretenden Schotter iu ihrer Gesammt- mäcbtigkeit Gebilde der Glacialzeit sind. Nun könnte man freilich einwenden, dass jene Schotter durchaus nicht Glacialwirkung«ai erkcDnen lassen, dass ihnen durchwegs gekritzte Geschiebe fehlen. Man erinnere sich jedoch der erwahoten Experimente von E. GoL- LOMB, sowie der referirten Beobachtungen von L, Aoasbiz und Charles Mabtdis, welche zeigen, wie vergänglich die gekritzten Geschiebe sind, wie rasch sie von Sieseendem Wasser zerstört wer- den. Wenn wir jene Schotter als glacial bezeichnen, so ist damit

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Kapitel XIII. Untere Gladalschotter der Hochebene. 145

□och nicht gesagt, daes sie uomittelbar unter Mitwirkung der Glet- scher entetanden. Denn es können Schotter in ziemlicher Entfernung vom Gletscher durch die Gletscherwässer angehäuft werden, und dieselben müssen, zumal wenn sie sich aus erratischem Materiale aufbauen, als Glacialgebilde bezeichnet werden. Von den Ablage- rungen der Gegend Ton Mumau läset sich nun behaupt«n, dass sie in der Zeit entstanden, während welcher der vom Inngletecher gespeiste Isargletscher sich bis Mumau verbreitete, sie wurden also während der Glacialzeit angehäuft; sie bestehen femer aus erratigchem Materiale, sie gehören also zur Glacialformation.

Diese eigenthfimlichen Beziehungen der die Moränen unter- teufenden Schotter von Mumau lassen sich nun für alle jene aus- gedehnten Schotterablagerungen nachweisen, welche im Bereiche de» leargletschers unter den Grundmoränen auftreten. Sie alle fuhren UigebirgageröUe, wodurch evident gemacht wird, dasa ihre Ab- lagerung erst begann, nachdem der Inngletscher den Seefelder PasB überschritten hatte, nachdem also die Vergletschenu^ schon nahe herangerückt war. Man wird nicht zu kühn spekuliren, wenn man dieses Ergebniss auch auf die in anderen Gletscherge- bieten auftretenden Schotterablagerungen überträgt, welche in ihrem ganzen geologischen Verbände die Schotter des Isargebietes wiederspiegeln, ganz genau an derselben Stelle unter den Moränen auftreten, und wie in der Q^end von Wasserburg mit denselben in innigem Konnexe stehen. Auf Grund dieser letzteren Be- dehung lässt sich ihre Zugehörigkeit ziu: Glacialformation schon vermuthen, der Beweis dafür ist jedoch wegen des schwierigen Nachweises der erratischen Natur ihrer Bestandtheile nicht direkt zu erbringen. Man wird also nicht weit fehlen, wenn man alle die losen Scbottermassen, welche die Moränen unter- teufen, der Glacialzeit zurechnet und sie dementspre- chend als untere Glacialschotter bezeichnet.

Die Verbreitung dieser unteren Glacialschotter wird natur- . gemässer Weise lebhaft von den bereits gegebenen Terrainverhält- nissen beeinflusst, wie es bei jeder fluviatilen Bildung der Fall sein musa. Es ist daher nicht zu erwarten, dase sie in derselben Weise allgem«n verbreitet sind wie die Moränen, und dass sie demnach überall unter densdben auftreten. Andererseite aber

Pentk, Dte ■Vergletacberung. 10

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146 I- Abechnitt Letzte VergtetBcheniug Ton Oberb^yem u. KoMÜrol.

liegt auf der Hand, dass sie eich nicht lediglich auf das Moränea- gebiet beschränken, sondern sie werden sich naturgemäseer Weise Ober dasselbe hinaus erstrecken, denn wenn sie von flieesendem Wasser abgelagert wurden, tnussten sie durch dasselbe weit über die Glelscheigreuzen hinaus verbreitet werden. In der That heben sich an der Nordgreaze der Yergletscherung ausgedehnt« Schotterablagerusgen unter den Moränen hervor. Aber be- merkenawerther Weise beginnen dieselben nicht an der äusseren Moränengrenze, sondern drängen sieb ein Stück weit in das Oletschergebiet hinein genau bis an die unverletzte Moränenlaud- Schaft. 80 sieht man in den Bogen des Lechgletschers eine breite Scbotterfläche bis an die unverletzte Moränenlandschaft andringen, die äussere Moränenzone des Isar- und Inngletscfaers wird ebenialls von breiten Schotterbett«n unterbrochen, welche in die Moränen derselben eingesenkt sind, um dann am Beginne der Moränenlandschaft zu enden. Also hier nehmen zahlreiche Strom- betten und nun verlassene Wasserläufe ihren Ursprung, in welchen wir die Wege alier Gletscherströmo erkennen. Die Schotter dieser Strombetten werden nun von den Endmoränen der unverletzten Moränenlandschaft Überlagert.

Nirgends lässt sich dies deutlicher wahrnehmen, als in dem grossen breiten Thale, welchem die Eisenbahn von Kempten nach Memmingen folgt, und welches heute kein sdner Ausdehnung irgend wie würdiges Oewässer bii^ Bei dem Markte Qrönaibach besitzt dasselbe eine Breite von über 3 km. Sein Boden ist mit Geröllmassen erfüllt, und in seiner Mitte senkt sich eine kl^e Schlucht in diesen Schotter hinein. (Vei^l. Skizze Fig. 7.) Wandert man nun von GrÖnenbach aufwärt«, so bemerkt man einen Wall, welcher sich quer durch das Thal zieht, und auf dessen Sohle aufgelagert ist Und siehe, dieser Wall ist seiner Zusammen- setzung nach eine echte Endmoräne, und zwar die nördlichste des niergletacbers ! Der Schotter des Thalbodens, durch die erwähnte Schlucht in 20 m Mächtigkeit entblösst, bildet das Liegende dieser Moräne, er ist unterer Glacialschott^r.

Ungefähr paraUel mit dem erwähnten Thale verläuft das der westlichen Günz. Auch dieses ist mit Schottermassen erfüllt^ welche sich unter echten Moränenbildungen fortziehen, und zugleich

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EajHtel Xni. Unter« Olacialschotter der Hocbebeoe. 147

durch ihre Führung von gekritzten Geschieben ihre Zugehörigkeit zur Glacialfonnation erweisen. (Vergl. Taf. II Fig. 7.) Im Thale der östlichen Güdz treten gleichfalls mächtige Schotterablagerungen auf, welche unweit Ober-Günzburg sich unter die äussersten Endmoränen verlieren. Weiter östlich erreicht das Mühlbachthal die End- moräne. Dasselbe ist bei Friesenried, an der Strasse von Kempten nach Kaufbeuem, von mächtigen Schotterabl^;erungen erföllt, und wenig oberhalb des genannten Dorfes lagert über den letzteren die äusserste Endmoräne. In deutlichster Weise werden diese Verhältnisse in den Thälem der Wertach und des Lech offenbart In beiden finden sich nahe der Moränengrenze Terrassen; verfolgt man dieselben nach dem Glet«cbergebiete hin, so bemerkt man, wie ihr Material gröber und gröber wird; kopfgrosse, über Fuss

ng. 7.

Endmoräne im Memminger Trockenthale oberhalb

Grönenbach.

V Terrasse der unteren Oladalscbotter. vv Endmodne.

in Durchmesser haltende Geschiebe werden häufig, schliesslich findet man einige gekritzte Geschiebe, und unweit davon sieht man über dem Schotter einen Moränenwall sich erheben. Man betritt die Moränenlandschaft, und in den tief einschneidenden Thälem bemerkt man, dass die Schotter der Terrasse sich weit unter den Moränen fortsetzen; die Gegend von Kaufbeuem an der Wertach und von Scbongau am Lech zdgen diese Verhältnisse sehr gut; bei Bucbloe und Landsberg sieht man dann die Terrassen sich in den Thalboden verflachen; das berühmte Lechfeld li^ auf dem äussersten Ende einer Terrasse von unterem Glacialschotter.

Kurz, alle die südlichen Austäufer des verwickelten Fluss- und Thalsystems von bayerisch Schwaben nehmen ihren Ursprung an der nördlichen Grenze der Moränenlandschaft. Es finden ^ch hier in ihnen beträchtliche Schotterterrassen, welche unter die

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14S !■ Abschnitt. Letzte Vergletecherang von OberlMyem u. Nordtirol.

äuBsersten unzeretörten Endmoränen einfallen, wie Fig. 7 Taf. II zeigt, welche thalabwarte dagegen allmählich sich in den Thal- boden verflachen. Die Thäler Schwabens sind also mit dem unteren Glacüalscbottfir erfüllt, und derselbe läset sich in ihnen bis zur Donau verfolgen. Alle diese Thäler zeichnen sich durch ihre Breite aus, so- wie durch den Umstand, dass sie vielfach miteinander zusammen- hängen und ineinander greifen. Es fehlen ihnen grössere Flüase. Sie machen den Eindruck, als ob sie früher tiefer gewesen seien, und dann erst bia zu einer gewissen Höhe mit Schottern erfüllt worden wären. Dies dürfte sowol ihre Breit« als auch ihren Zusammenhang unter- einander erklären, denn der Umstand, dass sie mehrfach ineinander greifen, dass sich das Mindelthal z. B. in das Lechthal fortsetzt, lässt sich nur durch die Annahme deuten, dass alte Thalrinnen mit Schottern so wdt erfüllt wurden, bis sich die WasserBchdden verwischten. Eine gleiche Aufiutlung möchte man fast vom Donau- thale unterhalb Ulm behaupten, wo sich an den Ufern des Flusses breite, moortragende Bchotterfläolien ausbreiten. Die unteren Olacialschotter dürfen als Ausfullungsmaterial dieser Thäler an- gesehen werden.

Eine ganz besonders grossartige Entwickelung besitzen die unt«ren Olacialschotter zwischen den Bogen des Inn- und Isar- gletschers. Sie bilden die oberste Lage der mehrere Hundert Quadratkilometer messenden Hochfläche, in deren Mittelpunkt München li^t Dem Äuge erscheint diese Hochfläche als Hori- zontalebene, thatsachlich aber steigt sie nicht unbeträchtlich an. Sie erreicht ihren höchsten Punkt in der Gegend von Holzkirchen zwischen Inn- und Isargletscher; von hier fallt sie nach der Art eines dachen Kegels ab. Die Höhenverhältnisse erweisen dies auf das Bestimmteste. In der Mitte besitzt sie bei München ein höheres Niveau als an ihren Rändern, wie die Nivellements der Eisenbahn 'Augsburg— München Wien zeigen.

Diese Schotterfläche drängt sich in mehreren Armen in daa Moränengebiet hinein bis an die äussersten unverletzten End- moränen, unter welche sie ein&llt. Es unterli^ darnach kdnem Zweifel, dass die Oberfläche der Münchener schiefen Hochebene von den unteren Gladalschottem gebildet wird. Diese Ablagerungen senken sich nordwärts bis in die Thalsohle der Isar, wo sie sich

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Kapitel XIII. Untere Oladalschotter der Hochebene. 149

mit deren rezenten Anschwemmungen vermischen. Sie isind des- halb nicht mehr ala Glacialgebilde weiter zu verfolgen, obgleich es wahrscheinlich ist, daee sie unter dem Alluvium sich bis zur Donau ziehen. Es lässt sich daher vom Thale der Isar, wie von den Thälem Schwabens sagen, dasa es mit glacialen Schottern erfüllt ist

Daas endlich auch am Inn sich sehr beträchtliche 6cfaott«r> massen unter den äussersten Moränen befinden, ist schon aus- führlich auseinandergesetzt worden. Hier möge nur noch erwähnt werden, das« die Schotter abi gerungen, welche sich in der Clegend von Gare unter den äusseren unverletzten Moränen hervorheben, am . Inn aufwärts unter den Moränen bis Rosenheim zu verfolgen sind, thalabwärts sich dagegen als Terrassen, anilinglich von beträcht- licher Höhe, fortziehen, und sich dann auch in die Thalsohle verflachen. Dieses geschieht in der Gegend unterhalb Siräbach, also noch ober- halb jenes engen Thaies, in welchem der Inn in das U^birge ein- tritt Dasselbe erscheint demnach als eine alte pr^lacdale Rinne

So sehen wir überall an der Nordgrenze der unverletzten Moränenlandficbaft sich enonne Schotterablagerungen unter den Moränen hervorheben. Die Zusammensetzung dieser Schotter im Isargletschergebiete und ihr Konnex mit glacialen Schichten Hess uns schliessen, dass sie zur Glacialzeit entstanden, und darauf deutet auch ihre L^e. Wir fanden, dass sie die Thäler des bajerischen Schwabens erfüllen, wir sahen sie in grosser Mächtig- teit als Terrassen an der Eier, der Wertach und am Lech; wir bemerkten sie als Decke über die Münchener schiefe Hochebene gebreitet, wir erkannten sie in grosser Mächtigkeit an den Ufern de« Inn.

Betreffs dieser Verbreitung kann vielleicht nur auffallen, dass in bayrisch Schwaben die unteren Glacialschotter auf die Thälw beschränkt sind, während sie um München deckenformig sich atu- breiten. Dieser Gegensatz ist nur ein scheinbarer. In Schwaben war vor der Ankunft der Gletscher bereits ein Thalsystem gebildet, ein solches fehlte dagegen, wie auch heute noch, in der Umgebung von München. In Schwaben wurden daher die Schotter in den Thalläufen konzentrirt, bei München über eine Hochebene ver- breitet, an beiden Orten aber sind sie angehäuft

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150 I- Abechnitt. Letzt« Vei^letschernng Ton Oberbayem u.NoTdtirol.

Man würde sich sicher eine falsche Voratelluug von der Ent- wickelung der unteren Glacialschotter machen, wenn man ledig- lich die Ablagerungen in Betracht ziehen wollte, welche an der äusseren Grenze der unverletzten Moränenland Bchafl ihren Ur- sprung nehmen. Es könnte dauD nämlich scheinen, als ob den diluvialen Gletschern nur während ihrer Maximalentwickelung g^sse Ströme entflossen seien, eine Annahme, die in der That mehrfach geäussert worden ist Thatsächlich aber ist das Ge^n- theii erwiesen. Mächtige Schotterabl^erungen finden sich in aus- gedehnter Weise unter den Moränen entfaltet, wenn sie auch, wie bereits erwähnt, als fluviatile Gebilde sich in ihrem Auftreten auf tieferePunkte beschränken müssen. Allerdings wird ihre Verbreitung durch die hangenden Moränen stark verschleiert und topographisch wird dadurch der Charakter alter Strombetten völlig verwischt Ifur wo tiefe Thäler die Moränen durchschneiden, kann man daher erwarten, jene Schotter zu finden. In der That werden sie durch die schluchtenartigen Rinnen der Hier, der Wertach, des Lech und des Inn unt«r den Moränen der Moränenlandschaft entblösst, und überall stehen sie mit den Moränen in einem solchen Konnex, wie er aus der Gegend von Wasserburg ausführlich beschrieben wurde.

Verfolgt man freilich jene Thäler weiter in das alte Gletscher- gebiet hinein, so sieht man die unteren Glacialschotter allmählich schwinden, und je mehr man sich der centralen Depression nähert, desto mehr treten sie zurück, bis sie endlich fehlen. Auf den ersten Blick möcht« es daher fast scheinen, als ob die unteren Glacialschotter der Zone der unverletzten Moränenlandschaft eigen- thümtich wären, dass sie nur an deren Basis entwickelt seien und solchergestalt die Ursache wären, warum die Zone der unverletzten Moränenlandschaft sich wie ein Wall um die centrale Depression zieht. Allein wenn man die Mächtigkeit der unteren Glacial- schotter berücksichtigt, so ergibt sich, dass sie im Vereine mit den peripherisch stark angeschwollenen Moränen wällen noch keineswegs die ringiormige TTmwallung der centralen Depression bedingen können. So sieht man unterhalb Wasserburg unweit Gare untere Glacialschotter und Moränen in 70 m Mächtigkeit aufgeschlossen; die Peripherie des Inngletschergebietes liegt aber Im Mittel 120 m höher als dessen Centrum bei Rosenheim, und

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Kapitel XIII. Untere Gladalechotter der Hochebene. 151

diesee letztere ist vennuthlich bis za einer hOchst beträchtlichen Tiefe mit jüngeren Gebilden Dachträglich auigefullt worden. Unter Berücksichtigung dieses Umetandes lässt sich selbst sagen, dass die Sohle der unteren Glacialschotter höher liegt als die centrale Depression des Gletechergebietes. Dies gilt auch von den unteren Glacialschottem des Ammerthales unterhalb der oentrslen Depression des Ammerseee und namentlich auch von denen im Würmthale am Abäusse des WOrmsees, deren Sohl« eicbtUch Qber dem Spi^el dieses 120 m tiefen Sees lagert Ausser- dem ist aberwol zu beachten, dass die unteren Glacialschotter hie und da auch im Berdche der centralen Depression auftreten, aller- dings unter Verhältnisaen, welche wenig Analoga mit denen im Grebiete der unverletzten Moränenzone bieten. Es ist bereits der Schotter von Muroau gedacht worden. Dieselben liegen in der centralen Depression, und ihre Zugehörigkeit zu der Glacialforma- tion wird durch ihre Führung erratischer TJrgebirgsgerölle erwiesen. Sie werden von nur sehr wenig mächtigen Moränen bedeckt. Gegen letztere hin nehmen sie keine gekritzten Geschiebe auf, sie treten mit denselben nicht, wie bei Wasserburg, in Wechsellagerung, viel- mehr werdensied iskordant von den hangen den Mor an en abgeschnitten . Hier also sind sie unter den Moränen erodirt, während hingegen in der unverletzten Moränenlandschaft eine vollkommene Konkor- danz zwischen Schottern und Moränen nachweisbar ist, und wie die Wasserburger Aufechlüeee lehren, die Moränen ganz regel- mässig über den unteren Schottern angehäuft wurden.

Auf Grund dieses Ei^bnisses wird man leicht einsehen, warum im Berdcbe der centralen Depression das Auftreten der unteren Glacialschotter ein sehr lokales, ein lückenhaftes ist. Man wird dasselbe durch die Annahme einer Erosion leicht erklären kön- nen, und dementsprechend in der bereits geäusserten Anschauung be- stärkt werden, dass die centrale Depression ein Erosionsgebiet ist

Die verschiedenen Zonen, welche wir innerhalb des alten Gletscberbezirkes in einem früheren Abschnitte unterschieden haben, geben sich also auch in der Vertheilung der unteren Glacialschotter zu erkennen. Dieselben dringen als breite Strom- betten in die äussere Zone, die der verwaschenen Moränenland- schaft ein. Sie werden dann in der unverletzten Moränenland-

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152 I-Abachnitt. Letste Ve^letachemiig ron Oberbayem u. Nordtirol.

schitft konkordant von Moränen bedeckt, im Bereiche der centralen DepreasioQ Bind sie nur lokal nachweisbfu' und unter den hangen- den Moränen erodirL Was wir über die gegensätigen Beziehungen d^ ^nzelnen Zonen gewannen, findet sich wieder bestätift Die ätueere Zone veiiiält sich gegenüber den unteren Glaci&lschottem ganz pasdv, dieselben erecheinen in sie eingesenkt, sie ist älter als dieselben, wohing^en die Moränen der beiden innerrai Zonen die Bchott«r Qb^lagem und somit jQnger als dieselbe sind. Die unteren Glacialschotter wurden zwar überall im Moränengebiete angehäuft, aber im Umkreise der centralen Depression ist ihre Verbreitung durch nachträgliche Erosion sehr beschränkt, und j^e Depression erscheint demnach als ein Erosionsgebiet g^euüber den beiden äusseren Zonen, wo Moränen und Schotter mächtig angehäuft wurden.

Späteren Abschnitten sei die eingehende Würdigung aller dieser Punkte Torbehalten. Zunächst haben wir zu untersuchen, ob auch in den Alpenthälem eine mächtige GeröUanhäufiing der Vergletscherung vorausging.

Kapitel XIV. Untere Glacialschotter des Qebizf:es.

TerrasK de« InntbalcB. Allsenieiner Bau derBelben. Untere Schotler. Konoei

derselben mit den Morinen. Beziehung zu den unteren GlodalBcbottem der Hochebene. Die InonthalterrsKse dringt sich in das Jenbaeh-, Brandenberger und Achenseethtd. Absperrung des Ächensees darch die Terrasse. Analogien mit dem Plansee, Vai Gandino und Seen des Moselthalea. Spärliche recenle Analogieo. Zu»ammeasetzmig der unteren Sehotter im laärgcbiete bei Leutasi'h, Hittenwald, T51z, Mumau und Jachenau. Kreide von MitE«nwBld, Töli und Wallgau. Untere Schotter glanalcn Ur^rungs und glacialen Altera. Unregel- miasigkeiten in ihrer Vertheilung. Zerstückelung der Terrasse.

Eine prächtige Terrasse zieht sich an den Ufern des Inn-s iu den Alpen entlang. Bis zu ^ner Höhe von 400 m schwillt m über dessen Spiegel an. Ihre Breite beträgt bis 4 km. Eine Reihe von Ortschaften krönt ihre Höhe, und Strassen verlaufen auf ihr, räumlich nicht weit von den Wegen der Thalaohle entfernt, aber hoch über denselben. Bei nebligem Wetter scheint sie das Thal- gehäuge zu bilden, Wolken lagern dann auf ihr und verhüllen die

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Kapitel XIV. Untere Olaciulschotter des Gebirges. 153

gew&ldgeii ErhebüDgen der eigeotUcheii Thalwandimg. Es ia diea das Mittelgebirge des Innthalea.

Vor dem Funkte an, wo das Innthal unser Gebiet betritt, ist diese Terrasse entwickelt. Bas mehrfach schon erwähnte Maasiv deg Tsclürgant, jene Bergmasse mitten im Thalwege des Ions erhebt dch aus ihr. Sie ist zwischen demselben und den nSrdlichen Kalkalpen fast unverletzt erhalten. Das Gurglthal zwischen Nassereith und Imat schneidet nur wenig in sie ein, und unter dem Schutze eines Ausläufers des Tschii^nt zieht sie sich in einer Breite von 4 km am linken Innufer bis Telis. Ihr höcheter Punkt, nämlich die Höhe der Strasae zwischen Nasser^th und Telfs bei Holzleithen, liegt 440 m über dem Inn. Weiter thalabwärts ist die Terrasse am rechten Ufer dieses Flussea ent- öltet, und besonders an der Einmüsdung des Sillthales bei Inns- bruck tritt sie scharf in der Thalscenerie hervor. Ihre dunkel bewaldeten Abböschungen kontrasliren echarf mit den lichten Mattel und Alpen der eigentlichen Thalgehänge, und sie hebt sich dadurch sehr deutlich von denselben ab. Ihre mit Feldern bedeckte Höbe war einst der Schauplatz der erbitterten Kämpfe zwischen Bayern und Tirolern im Jahre 1809, und von hier aus oi^aniairtan sich die Angriffe der Bergbewohner auf Innsbruck. Weiter thalabwärts tritt die Terrasse wieder auf das linke Ufer dea Fluaaea. Der Östlich von Ball sich ausdehnende Rücken des Gnadenwaldea bildet ihre Fortsetzung, Sie erhebt sich hier 300 m über den Inn. Besonders von Innsbruck aus gesehen tritt der Terraeaencharakt«r dieses Rückens sehr klar hervor. Unterhalb des Gnadenwaldea verliert aich diese zusammenhängende Terrasse. £b treten nur einzelne, zerstückelte Rudimente auf. So z. B. in der G^end von Jenbach am Ausgange des Achenseethales, und weiter abw&rte in der Gegend von Walchsee unterhalb Kufetein.

Ich muBS bedauern, dasa es mir nicht möglich war, diese Aus- gedehnte Terrasse mit einer ihrer würdigen Ausführlichkeit zu untersuchen. Ich musste mich beschränken, sie an wenigen Punkten ZD kreuzen. Ich erkannte dabei jedoch überall denselben Aufbau. Sie besteht zum grössten Theile aus Schott«m, Kiesen, Sauden Qiid Bänderthonen, welche an ihren Abböschungen ausstreichen. Darüber folgen Grundmoränna in schwankender Mächtigkeit, die

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154 I. Abschnitt, Letzte Vergletschening von Oberbayem n.NordtiroL

Höbe der Terrasse bildeod. Darauf lagern lokal abennale Bchotter. Sie zeigt also genau denselben Aufbau wie die Glacialformalion der Hochebene in ihrer Geeammtheit. Am Abfalle der Terrasse streichen die unteren Schotter aus. So bestehen die Gehänge des Gnadenwaldes bei Hall lediglich aus Schottermassen, deren Mäch- tigkeit sich auf 300 m berechnen lässt Entblössungen von 80 m Höhe im Farbenthale, sowie von über 100 m Höhe im Kasbach- tiiale beiJenbach, lass^i den Aufbau dieser Ablagerung erkennen. Sie setzt sich aus horizontalen Eies- und Geröllbänken mit ein- geschaltet^! sandigen Schichten zusammen. Erst auf der Höhe der Terrasse, dicht an der Thalwand stellen sich Grundmoränen ein. In manchen Fällen, wie z, B. im Gnadenwalde und am Kas- bachthale, welches in die Terrassenreste von Jenbach einschneidet, kann man daher in Zweifel sein, ob diese am Rande der Terrasse auflzetenden Moränen wirklich in deren Hangendes gehören, oder ob sie nicht vielleicht deren Li^endes darstellen, welches sich am Thalgehänge unter den Schotter hervorhebt An anderen Stellen dagegen ist die Ueberlagerung der Grundmoränen über das Ter- rassenmaterial deutlich zu sehen. Selten nur sind über diesen Moränen abermals Schotter entwickelt

Die unteren Schotter ziehen sich in den meisten Fällen bis zur Thalsohle herab, und ihr Li^ndes ist hier nicht entblösst Beachtenswerth ist, dass Ficbler '■) unweit der Mühlauer Ketten- brücke bei Innsbruck in ihren tieiäten Lagen ein Lager diluvialen Torfee entdeckte, dass ferner ihre untersten Horizonte bei Arzl unterhalb Innsbruck durch sehr mächtige Bänderthonm aasen cha- rakterisirt werden.

Die Ueberlagerung der Grundmoränen über diese Schotter ist, wie erwähnt, nur an wenigen Stellen unmittelbar wahrzunehmen. Ich konnte sie bei Xassereith, bei Innsbruck und unweit Walchsee im Thale des Jenbach beobachten; bei Innsbruck fand sich ein ähnlicher Konnex zwischen den Schottern und der Moräne, wie er bei Wasserburg erkennbar ist Nördlich der tiroler Hauptstadt nämlich erscheint ein kleiner Rest der Terrasse über der dort

') Beiträge zur Oeognoeie Urole. Dritte Folge, p. 47. Separat- abdnick ans d. Zeitschr. d. Ferdinandeums Innsbruck.

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Kapitel XIV. Untere Oladalscfaotter des Gebildes. 155

entwickelten, später eingehend zu besprechenden rothen Breccie, welcher von mehreren Schluchten durchfurcht wird. Im Höttinger Graben sieht man nun über der rothen Brecde zunächst einen alt«n Schuttk^^, darüber Schotter in 20 30 m Mächtigkeit, auf welchen Moränen lagern. Ee zeigt sich, dass die letzteren k^ beetimmtes Niveau einnehmen, sondern in verschiedenen Horizonten auftreten, wie aus iFig. 3 Tafel II entnommen werden kann. Schotter und Moränen vertreten sich hier gegenseitig, ganz wie bei AVasserhurg, sie wechsellagem stellenweise mit einander (Profil m Fig. 3 Tafel II), und es geht hieraus hervor, dass die obersten Partien der Scbott«rablagerung üch unmittelbar vor, oder vielleicht schon unter dem Eise anhäuften. Es ging also wie auf der bayerischen Hochebene auch im Innthale der Ablage- rung der Moränen unmittelbar eine Schotteranhäufung voraus. Diese Schotter zeigen an beiden Ort«n eine hervorragende Äehnlichkeit in ihrem Aufbau. Auf der Hochebene gehen sie nach oben in Moränen über, in ihren liegenden Partien, wie bei Wasserburg und zwischen Eschenloher Moos und Kochelsee, ent- halten sie Lager diluvialer Kohle, und genau ebenso verhält es sich mit denen des Innthalee bei Innsbruck. Man hat es also mit zwei ganz gleich zusammen gesetzten Ablagerungen zu thun, welche beide unmittelbar vor derVergletscherung der betrefienden Gegenden gebildet wurden. Man darf daher nicht anstehen, sie als analog zu bezeichnen. Allerdings darf man sie nicht als ab- solut gleichalterige Gebilde aufTassen; denn da im Innthale die Vergletscherung eher eintrat, als auf der Hochebene, so musste hier im Gebirge die Schotterablagerung eher aufhören als auf dem alpinen Vorlande. Während die Schotter der Gegend von Mumau erst abgelagert wurde, nachdem der Inngletecher den Seefelder Pass schon überschritten hatte, war um dieselbe Zeit am Fusse jenes Passes die Anhäufung von einem 200 m mächtigen Schotter- systeme beendet; denn ein solches wird hier von den Moränen bedeckt

Die unter den Moränen auf der Hochebene auilretwden Schotter erwiesen sich als Glacialgebilde in doppeltem Sinne, ein- mal weil sie während des Herannahens der Vergletscherung gebildet wurden, dann aber auch, weil sie sich durch ihre Zusammensetzung,

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156 I. Abschnitt. Letete Vergletschening von Oberbayern u. NprdtäroL

dort wo dies zu erweisen mSglich war, als die Ablagerungen von Gletscherwässem odenbarten. Es liegt nun nahe, dieses Ei^bniss auch auf die liegenden Schotter der Innthalteiraese zu übertragen. In der That, wenn ihre Ablagerung erst mit dem Eintreten der Vergletschening endete, so mussten sich ihre obersten Partien wenigstens beim Herannahen der Vereisung, also schon während der Glacialzeit bilden. Allein sie braucht«n deswegen bei weitem noch nicht Glacialgebilde ihrer Zusammensetzung nach zu sm, es ist deswegen noch nicht nöthig, dass sie von Gletecherwässem abgelagert wurden. Es ist möglich, dass die Vergletscberung der Alpen eingeleitet, vielleicht selbst bedingt wurde durch eine Zeit ausserordentlich reichlicher Niederschläge, welche von den Bergen enorme Scbuttmassen in die Thäler in Form von Schottern schwemmten. In diesem Falle würde die Schotteranhäufung auch erst mit dem Eintritte der Vergletschening geendet haben; dann aber mussten sich in allen Thälem Schotter sammeln, welche lediglich aus dem Gesteinen der Einzugsgebiete jener Tbäler stammen. Im anderen Falle hingegen, wenn die Schotter von Gletecherwässem angehäuft wurden, müssen sie aus erratischem Materiale zusammengesetzt werden. Um also zu erweisen, ob die Schotter in mittelbarem oder unmittelbarem Konnex zu den übrigen Glacialgebilden stehen, ob sie glacialen Ursprungs sind oder nicht, heisst es ihre Zusammensetzung in jenen Thälem studiren, wo erratische Gesteine leicht nachweisbar sind, vornehmlich also da, wo Gletscher in iremde Flusssysteme eindrangen, und hierfür bietet unser Gebiet, wie oben gezeigt, eine Menge von Beispielen.

Zunächst läset sich nun bei Behandlung dieser Frage kon- etatiren, dass eich die Terraeae des Innthalee in jene Thäler der Kalkalpen drängt, durch welche der Inngletscher nach Norden Torschritt. Es können hierbei überhaupt nur drei Thäler in Be- tracht kommen; denn nur so viele jener Pässe, durch welche der Inngletscber nordwärts vordrang, eenken eich in die Höbe derlnn- thalterrasse; es eind dies das Jenbachthal bei Walchsee, das Thal der Brandenbeiger Ache und das dee Acbeneeee.

Sehr trefflich ist die Innthalterrasee im Jenbachtbale unter- halb Kuistein aufgeschlossen, wie man am Wege nach Walchsee sieht Man beobacht«t hier bis 150 m über dem Inne und mehrere

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Kupitel XIV. Untere GUcialschotter des Gebirges. 157

Kilometer von demselben entfernt, horizontal geschichtete Inn- schotter und darüber Moränen. Dasselbe sieht man am Abflüsse des Walchaees, welcher nach Osten zu in das Thal der Chiemaee- Achen fliesat Auch hier findet man Innschotter, sodass wol an- zunehmen ist, der Inn habe das Walchseethal einmal durohfiossen, und hier die Ablagerung eigener Tbalschotter gebindert bat

In enger XUnim naht sich die Brandenberger Ache dem Inn. Hat man diese Schlucht durch schritten, so erreicht man ein weites, flaches, in die Berge eingesenktes Becken, in welchem zahl- reiche Höfe und Weiler zerstreut sind. Dies iet die Gemeinde Brandenhei^. Die Äcbe durchströmt das Becken in einem tiefen Thale. und durch Entblössungen an ihren Gehängen ei^bt sich, dass der Boden des Beckens von ganz denselben Materialien zu- sammengesetzt wird wie die Terrasse des Innthales. Es sind horizontal geschichtete Innschotter, Kiese und Sande, welche bis zu 200 m Mächtigkeit anschwellen, und sich 400 m über den Innepi^I erheben. Bis zum Kaiserbause konnte ich diese Schotter verfolgen. Hier schaltet sich ihnen ein Bändertbonlager ein. Die Horizontalität in der Lagerung dieser Innschotter macht zweifellos, dass es Partien einer alten Inuterrasse sind, welche sich hier in das Brandenberger Thal drängten, denn nur unter der Annahme, dass der Boden des Innthales allmählich erhöht wurde, und dass sich diese Erhöhung auch im Seiteutbale geltend machte, kann das Zustandekommen horizontal geschichteter Schotter im letzteren erklärt werden. Im Innthale gehört nun die Hauptmasse der Terrasse in das Liegende der Moräne, und so möchte ich auch die fast 200 m mächtigen Schotter von Brandenberg hierher rechnen, wenngleich ich bei meiner vom Wetter sehr wenig begünstigten Durchwanderung der Gegend keine dies bestätigenden Beobach- tungen machte. Unter dieser Annahme ei^ht sich, dass es also auch im Thale der Brandenbei^r Äche vor Eintritt der Verglet- Echerung nicht zur Bildung eines eigenen Schotters kam.

An üner irüheren Stelle ist bereits von der meikwürdigen Lage des Achensees die Rede gewesen. Nur 4 km vom Inn, 400 m über demselben gelten und durch einen nur 5 m über seinen Spiegel sich erhebenden Damm von den Zuflüssen des Inn getrennt, enteendet der Achensee seine Gewässer quer durch die

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158 I- Abwdmitt. Letzt« VergletBchening von Oberb&yern u.Nordtüol.

nordtiroler Alpen nach der laar, UebeiraBchender noch als diese hydrc^raphische Thatsache ist aber die Zusammensetzung jenes Dammes, velcher den 130 m tiefen AchenBee vom Inntbale trennt Die tiefe Schlucht des nach dem Inn Itihrenden Kaebaches ent^ blÖHst dessen Aufbau sehr deutlich, und zeigt, dasa diese Barre aue ganz denselben Materialien wie die Terrasse des Innthales besteht Da treten gewaschene, horizontal geschichtete Schott«r, fast ganz aus Urgebii^geschieben bestehend, auf, da finden eich Saode und mehr oder weniger fette Bänderthone. Nirgends streicht im Bachbette älteres Gestein aus, und ich vermag nicht die Be- obachtungen von E. VON Mo JSisoviCB 1) zu bestätigen, dass ein älterer, angeblich terdärer Schotter den Achensee abdämmt Es sind lediglich die Materialien der Ina thalterrasse, welche den Achensee vom Innthal absperren. Denkt man sich dieselben entfernt, so würde sich an Stelle des heutigen Achensees ein tiefes Thal nach dem Inne senken.

Es würde daher hier einer jener Fälle vorliegen, in welchen ein Thal derart zugedämmt worden ist, dass es sich in einer ganz andern Richtung als ursprünglich entwässern muss. Aehnliches wird aua den Vogesen und Pyrenäen berichtet Schon Hooabd *) erkannte, dass der See von Gerardmer in den Vogesen durch Abdämmung eines Thaies entstanden ist, und dass derselbe in ein Thalsystem entwässert wird, zu welchem er söner Lage nach nicht gehört Dasselbe bericht«t Grad^) von dem See von Ivourdea in den Pyrenäen. In diese Kategorie gehört auch der bekannt« kleine Mäijelen-See, welcher durch den Aletechgletacher iur gewöhnlich gehindert wird, sich in der normalen Richtung zu entwässern, und seinen Abfluss in ein ö<emdeB Thal senden muss. Die Terrassen des Glen Roy in Schottland legen, wie Aoasöiz*) zuerst über- zeugend nachgewiesen hat, davon Zeugniss ab, dass früher ein

') Beiträge zur topischen Geologie in den Alpen. Jahrb. der k. t. geol. Eeichsanstalt. XXI. 1871. p. 181. 198.

') Coup d'oeil aur le terrain erratique des Voeges. 1848. Cap. IX,

") Description des formatdons gladaires de la chalne des Vosges en AIsaceetenLorrame. Bull. Soc. göol. de France. S.ni. tl. 1871/72. p.88.

') The Glacial Theory and its recent Progress. The Edinboigb new philo«. Journal. Bd. 65/Ü6. 1842. p. 217. 236.

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Kapitel XIV. Unt«re Glamlscboltor des Gebirges. 159

Gletscher das ThalBystem des Glen Boy abgedämmt hat, sodass sich hier&ecD bildeten, welche in fremde Tfaäler entwässert wurden. Während es nun aber in den beiden ersten Fällen Moränen sind, welche die Seen aufstauen, ivährend in den beiden andern Beispielen Gletscher Thäler abdämmen oder abgedämmt haben, ^drd das Ächenthal durch enorme Schotterablagerungen abgesperrt Der Achensee ist ein durch die anhäufende Thätigkeit des rinnenden Wassers abgedämmtes Seitenthal des Inns, keineswegs ein Clusensee wie von Hochbtettee •) behauptet

Die Zusammensetzung des Dammes, welcher den Achensee vom Innthale absperrt, spricht zu Gunsten dieser Ansicht. In

' Profil TOm Achensee nach Jenbach durch den Damm des

Höhe:LäDge 4 : lO, Höbe 1:10,000. Die beobacbteten Profile maä stark

schraffirt. A HoiixontaleT Schotter der Innthalterrasse. B HoriioDlaler BändertbOD und

Suid (Alter SMgimnd). C Schlag geKUcbteter Schotter (Altes DelU). i> Oberer boriionlaler Schott«r,

«wen unteren Abtheilungen best«ht der Damm aus horizontal geschichtetem Kies, (Vergl, A Fig. 8.) Darüber lagert sich, genau in der Höhe des Seebodens, horizontal geschichteter Bänder* thoD. (B Fig. 8.) Ueber demselben folgt grober Schotter, welcher imter einem Winkel von 30* nach dem See geneigt ist, und zwar lagert derselbe derart, dasa in dem Maasse, wie man eich dem See nähert, sein unteres Niveau ansteigt {C Fig. 8.) Ueber diesem

'} Hanh, HocHSTFrrEB und PokokITY, Allgeweine Erdkunde. I. Aufl. 1881. p. 334.

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1 60 I' AbadiDitt Letzte Vergletschenuig von Oberbajem u. Nordtirol.

geneigten Schotter lagert abermals horizontal geschichteter (D Fig. 8), und ich konnte mich durch barometrische Meeeungen , TergewiBsem, dasB der eteilgeneigte Schotter sich nii^ends wesent- lich über den Seespiegel erhebt. Einen solchen Aufbau musa aber die durch Fluseanschwemmimgen bewirkte Absperrung eines Thaies haben, falls durch dieselbe ein See erzeugt wird.

Es begannen sich im Innthale Schotter anzuhäufen, solches aber geschah nicht in jenem alt«n S^teuthale des Inn, das nun durch den Achensee angedeutet wird. Es bauten sich daher die InDEcbott«r ein Stück weit in das Achenseethal hinein. So ent- standen die untersten horizontalen Sdiotter {A Fig. 8), Aber die Schotteranhäufung hielt im Nebenthaie nicht gleichen Schritt mit der des Hauptthaies, die Anschwemmungen wuchsen im letzteren derart, dass sie schliesslich einen Damm vor dem Seitenthale bil- deten, wodurch in demselben ein See erzeugt wurde.

Auf Orund dieses Sees l^!;ert«n sich die demselben im Wasser suspendirt zugeführten Theilchen ab. Die horizontal geschichteten Thone und feinen Sande (B Fig. 8) repräsentiren diesen alten Seegrund. Doch im Hauptthale dauerte die Schotteranhäuiung fort Höher und höber wurde der Damm vor dem See, und natür- licher Weise hatte derselbe auch das Bestreben, nach dem letzteren zu s^ich auszudehnen. Allein in dem ruhigen Wasser konnten die GeröUe nicht mehr horizontal abgelagert werden, wie ein Delta baute sich der Damm in das durch ihn gestaute Wasserbecken, und so kommt es nun, dass sich über dem alten Seegrunde schräg geschichtete Kiese finden (C Fig. S), über welchen, die jeweilige Dammhöhe andeutend, horizontale Schotter (D Fig. 8) lagern. Diese Abdämmung fiihrte nun endlich dahin, dass der See soweit au%estaut wurde, um sich durch das heutige Achentha] ent- wässern zu können. Dann erhielt er ein konstantes Kiveau, sein Spiegel wuchs nicht mehr mit der Terrasse des Innthales, imd hieraus erklärt sich, wuiun die schräg geschichteten Schotter sich nicht bis über ein bestimmtes Niveau erheben.

Die Absperrung des Achenseea durch die Schotter der Inn- thalterrasse lehrt, dass dieselben in dem Achenseethale nordwärts zu dringen versuchten und dass es hier nicht zur Bildung eigener Schotter kam. Im Achenseethale liegen die Verhältnisse also

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Kapitel XTV. TJDtere GUdalschotter des QebixgM. 161

ganz «nteprecbend wie im Bruidenberger Tbale. In beide baute sich die Innthalterraase hinein, welche, wie wir erkannten, gröeaten- theils während der herannahenden VergletBchaung angehäuft wurde. Allw'n es dringt sich die Frage auf, warum wurde denn das Acheneeethal in einen See Teiwandelt, über welchen die Inn- echotter nicht nordwärts schreiten konnten, wahrend sie das Bran< denberger Thal ganz etfüllten und hier keinen See erzeugten? Ist auch heute ein solcher hieo^ nicht vorhanden, so gibt ee doch Spuren von der früheren Existens eines solchen. Unweit des Kaiserhauses, an der Verdnigung des Ellbaches mit der Branden- berger Äche sab ich honzontal lagernde Thone, einen alten Bee- grund, und darüber schräggeneigte Schotter ein altes Delta. £b wird eine lohnende Aufgabe sein, diese Ablagerungen weiter zu verfolgen; besonders zu untersuchen, ob sie auch im Branden- berger Thale, wie zu erwarten ist, vorhanden sind. Einstweilen sei nur darauf hingewiesen, dass alle Pässe, welche aus dem Braudenberger Thale in benachbarte Entwässenmgsgebieto fuhren, höher als der Spiegel des Acbensees liegen. Das Wasser musste hier also höher au^eataut werden als im Achenseethale, um nach Norden überflieeeen zu können. Es fragt sicli, ob die Anhäufung der Innscfaotter graifigte, um dies bewirken zu können.

Der Fall, dass durch die anhäufende Thätigkeit des Wassers ein See abgedämmt wurde, steht in unserm Gebiete nicht ver- einzelt da. In dem verzweigten Thalsysteme zwischen Lech und Isar li^ der Plansee. Deraelbe empfängt von Süden einen Zu- flnss aus dem Hinterthorenthale. Nach Westen wird ^ durch den Archbach entwässert, dieser Abfluss legt in seinem Bette kontinuirlich festes Gestein bloss, wodurch hier eine massive Barre des Beee angedeutet wird. Niedrige Pässe öflfaen femer von Nord und Ost einen leichten Zugang zum Plansee. Während aber der nördliche einen felsigen Grund besitzt, ist nach Osten der Plansee lediglich durch ein Lager glacialen Schotters abgesperrt. D^^ selbe steigt nur wenige Meter über den Seespi^el an, wird aber durch das Waiderachthai m Stück weiter ostwärts m 70 m Mächtigkeit entblösst Hier zeigt sich, dass er horizontal ge- schichtet ist^ und einige ihm eingebettete gekritzte Geschiebe ver- rathai sein«) glacialen Ursprung. Würde dieses Schotterlager

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162 I- Abschnitt LeUte Veigl^»^nmg Ton Oberbayem u. Nordtirol.

entfernt, bo würde der See nach Osten zur LoiBach abflieBsen, ja vielleicht ganz trocken gelegt werden. Wie fieilich und unter welchen UmBtänden die Bebotter abgelagert wurden, darQber fehlt mir jedes Urlhdl. Jedenialle besteht zwiBchen dieeem Damme und dem deä Achensees der grosse Unterschied, dass am Plansee die Schotter horisontal li^en und nicht, wie am Achensee, den Auf- bau eines alten Delta besitzen, wenn nicht vielleicht solches in den TerBteckten Partien der Ablagenug der Fall ist

Sonst ist mir aus dem Alpengebiete nur ein Fall bekannt geworden, welcher dne Wiederholung der Absperrung des Achen- Bees darstellt oder vielmehr dargestellt hat. Stoppani^) berichtet, dass das Val Gandino, ein Seitenthälchen des Val Serio in der K&he des laeoseee durch äuvio-glaciale Ablagerungen vom Haupt- thale abgesperrt und in einen See verwandelt worden sei Am Boden desselben entstand dann das Lignitlager von LeSe. Jaubs Geikie *) hat neuerdings die Beobachtungen von Stofpaki bestätigt und gefunden, dass das Becken von Leffe in der That durch einen Schuttkegel abgedämmt wird; er nimmt mit Stoppasi an, dass jener Scbuttkegel durch den Serie aufgebaut wurde, ^ubt aber, dass dies nicht wahrend der letzten, sondern während einer früheren VergletecheruDg geschah. Unentschieden muss gdossen werden, ob die kldnen Seen, welche das obere Moad- thal beglut^i, nicht vielleicht auf ähnliche Weise wie der Achen- eee entstanden. Die Dämme, welche diese Seen absperren, sollen nämlich nach den Berichten von HoGABD^) und den jüngeren Mittholungen von Chables Grad*) aus geschichtetem Kiese be- stehen, welcher sich als Terrasse im Moselthale verfolgen läsBL HoaABD und Grad halten den geschichteten Kies fOr eine Seiten- B des Moselgletschers, welche durch kleine lokale Gletscher 1 Ausgange der Seiteothäler zusammen geschoben und in End- I dieser letzteren verwandelt worden sei, eine Annahme,

') CoTSO di geologia. Milano 1873. Bd. H. p. im. § 1214.

*) Prehiatoric Europe. London 1861. p. 306.

") Coup d'oeil sur le terrain enatdque des Vosges. Epinal 1848.

cap. vm.

') DeKripÜon des fonnatjons gUdaires de la chalne des Vosges en AlsBce et en Lorraine. BuU. Soc. g6ol. de France. UI.RtL 1871/72. p.8S.

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Kapitel XIV. Untere Oladatschotter des Gebirges. 163

die mir in Anbettacht der mehrfach erwähnten Schichtung des BchotteTS nicht beeondera wahrecheinlich vorkommt.

Meines Wiseens n&ch kennt man bisher unter den heute von statten gehenden Voi^ngen kein völliges Änalogon zu der wäh- rend der GlfLcialzeit mehrfach bewirkten Absperrung von Thälern durch Flusaschotteranhäuftuigen. Stoppaki citirt zwar die Ein- echnüningen, welche der Corner-See durch in ihn hineinwachsende Deltas erleidet, sowie die Abscbnünmg des Sees von Mezzola durch das Delta der Adda vom Corner-See als entsprechende Fälle, aber man hat es hier immer nur mit Einschnürungen in bereits exiatirenden Seen zu thun, und nicht mit der Umwandlung trockener Thäler in Seebecken. Aus eigener Erfahrung kenne ich nur ein recentes Beispiel, das sich unserem Falle der Seebildung an die Seite stellen lässt, wenn auch nur als eine Miniaturausgabe. Ich beobachtete dasselbe in den Salzburger Alpen. Die Saalach hat dicht oberhalb Saalfelden in ihrem breiten Theile sich einen Damm aufgeschüttet, auf welchem sie dahinflieset, ganz in der Art, wie es eich an vieloi Alpenströmen beobachten läset. Dadurch ist nun ein kleines Seitenthälchen abgedämmt worden, und ee hat sich an dessen unterem Ende eine kleine, jedoch permanente Wasseransammlung unw^t des Hofes Kehlbach gebildet. Möglicher- weise ist der Zeller See in Salzbi^ ein weiteres Analogen. Weniger dürften der Absperrung des Acbensees entsprechen eine Seebildung, welche dadurch bedingt wird, dass sich Schuttkegel in ein grosses Thal faindnbauen, dasselbe abdämmen und so eine Wasseran- sammlung verursachen. Auf diese Weise ist durch das Anwachsen eines Schuttkegels in dem Ursprungsthale unweit des Landl dicht an der bajerisch-töroler Grenze ein See im Hauptthale gebildet, so sind der Weit-, Mittel-, Loden- und Förchensee im Quell- gebiete der weissen Traun, einem südbayerischen Alpenflusse, entstanden, und nach Wallhan^) der .^ntholzer See in Tirol. Eine gewisse Analoge mit der Abdämmung des Acbensees be- sitzt schliesslich der Fall, wo durch Schotteranhäufung im Bette des Hauptflusses der Nebenfluss geradezu abgesperrt wird, sodass er andere Bahnen anschlagen muss. Ein Beispiel hierfür liefert

■) Jahrbuch des Ssterreichisidien Älpenverdns. Bd. IV. 1868. p. 4.

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164 I. Abgcbnitt. Letzte Vei^letacherung toh Oberbayern n. Nordtirol.

das Loisachthal oberhalb WoIfrathshauBen in unserem Gebiete. Es dehnt eich oberhalb der Vereinigung toq Loisach und Isar ein groBBee breites Thal zwiecben bdden Flüaam aus, welchem die Loisach anfänglich folgt, in welchem sie jedoch nicht fort- fliesst, sondern aus welchem sie durch eine Enge bei Beuerberg in ein anderes Thal übertritt Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Loisach früher durch das erwähnte breite Thal der Isar direkt zuströmte, bis die fortwährende Scbotteranhaufiing dieses letzteren Flusses ihre Mündung versperrte und sie nötbigte, die Enge von Beuerberg zu durchbrechen. Der Boden jenes alten Thaies senkt sidi flach der Loisach zu.

Es ergibt sich also, dass Thalabspemmgen durch Scbotter- terraesen heute nur in minimalen Maasse geschehen. Es dürAe der Gnmd hierfür wol in der Thatsache zu suchen sein, dass es in der Gegenwart nirgends zur Anhäuüing so beträchtlicher Schottermassen kommt wie während der Glaci&lzeit

Die Verhältnisse imAcbenthale entsprechen im Allgemeinen denen des Brandenbei^er Thaies. In beide erstreckte sich die Terrasse des Innthales ein Stück weit hinein, in beiden wurde dadurch ein See aufgestaut, und der ganze Unterschied besteht nur darin, dass der See des Brandenbei^er Thaies bereits erloschen ist, während der Acbeneee noch fortexistirt, bis der Kasbach, fortwährend an der Zerstörung des leicht beweglichen Materiales der Terrasse arbdtend, sein Thal bis zum Achenseespiegel ver- längert hat Dann wird der See sich nach dem Inn entwässem, seine reichlichen Wassermengen w^en die erodirende Kraft des Kasbaches potenziren, die den See absperrende Barre wird in kurzer Zeit verschwinden, und die alten hydrographischen Be- ziehungen werden wieder bei^^estellt sein.

Wir sehen also, dass sich die Inntlialterrasse in jene Thäler hineinbaut, durch welche der Inngletscher nordwärts vordrang, und dass es in denselben nicht zur Ablagerung von ihnen eigen- thümlicben Schottern kam. AJIm man könnte dies Verhältniss vielleicht als ein natürliches ansehen, und geneigt sein, demselben keine wätere Bedeutung beizulegen, indem man sagt, dass der grosse Tnnstrom selbstverständlich mehr Schotter anhäufen muss, als sone kleinen Nebenäüsse, dass er deew^en unter allen Um-

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Kapitel XIV. Untere Gladalachotter des Gebirge«. 165

ständen im Stande ist, nicht nur in seinem Tliale, sODdem auch in dem ewiex KebenflQsse den Boden zu erhöhen. Ferner aber liesse sich gegenüber der Frage, die uns beschäftigt, noch geltend machen, dasB es nicht ganz zweifellos durch Beobachtungen be- wiesen ist, dass die Schotter im Brandenbei^er Thale und die- jenigen, welche denÄchensee absperren, älter sind als die Mor&nen, da solche bisher nicht unmitt«Ibar über ihnen gesehen worden. Aus ihrem Auftreten liesse eich, könnte man sagen, noch durch- aus kein Schluss auf die Beziehung der unter den Moränen dee Innthales vorkommenden Schotter zur Glacialzeit machen. Es sind jedoch andere Stellen, welche diese Beziehung auf das Deut- lichst« verrathen.

Der Inngletscher sandte einen Hauptzweig über den Seefielder Pasa in die nördlichen Kalkalpen. Dieser Pass erhebt sich weit über das Niveau der InnÜialterrasse, dieselbe bleibt beinahe 300 m unter ihm. Es ist daher völlig undenkbar, dass jemals der Inn unmittelbar seine Gewässer über den Seefelder Pass geschickt habe. Dennoch aber finden sich auf der FasehShe unter den dorügen Moränen Schotter, welche sich aus Innthalgesteinen zu- sammensetzen. Die Existenz derselben lässt sich nur durch die Annahme erklären, dass durch den Gletscher schon Gesteine aus dem Innthale auf die Passhöhe geschleppt wurden, als die Bildung jener Schotter b^ann. Dieselben erweisen sich dadurch bestimmt als Glacialgebilde. Auf demselben Wege lässt sich nun erkennen, dass sämmtliche Ablagerungen von losem Schotter, welche sich unter den Moränen im Gebiete des alten Isargletschers finden, glacialen Alters und glacialen Ursprungs sind. So finden sich dicht unterhalb Mittenwald unter den Moränen Schotter, deren Mächtigkeit sich auf 100 m beläuft; als ein wesentlicher Bestand- th«I derselben treten in allen Horizonten XJrgebirgsgerdlle auf, welche nur durch einen Gletscher in das Gebiet der Isar gebracht worden s^n können. Es ist höchst beacbtenswerth, dass eich an der Basis dieser Schotter Bänderthonlager einstellen, deren Mate- rial als Anstrichfarbe, als „Kreide" technisch verwerthet wird. Mir ist im Isarthale nur noch eine zweite Lokalität bekannt, wo unter den Moränen Schotter auftreten. Dies ist die Gegend ober- halb Tölz am linken Ufer des Flusses. Auch diese Schotter führen

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166 I. Abeclinitt. Letzt« Ye^letscherung von Oberbayem u. Noidldrol.

zahlreiche Urgebirgegerölle, und an ihrer Buib findet sich wie bd Mittenwald ein L^^ von Bänderthon, welches ebenfalls behufs Gewinnung der Kreide ausgebeutet wird. Die Kreide vonWallgau unterhalb Mittenwald liegt hing^^ unmittelbar unter den Mo- ränen. Im Loisachthale sah ich nirgends Schotter unter den Mo- ränen, erst in der Gegend von Mumau, schon amFusBedesGebirgee, treten solche au^ und dieee Schotter fuhren, wie schon früher ausdn- andn^setzt, zahlreiches erratisches Material. Im Thale der Jache- nau endlich sah ich unweit Jachenau auch GeröUablagerungen mit sehr reichlicher Ürgebirgsfuhrung, ich konnte mich jedoch nicht Tcrgewissem , wie die Lagerung dieser Schotter sei.

Wo auch nur im Isargebiete Schotter im Konnexe mit Mo- ränen auftreten, fuhren sie Urgehirgsgerölle ; in den nördlichen Kalkalpen ist mir überhaupt nur ein Vorkommniss bekannt ge- worden, welches nicht solches Material enthält Im Thale der rothen Falep, oberhalb des Forsthauees gleichen Kamens, lagert unter den dortigen Moränen ein grober Schotter, welcher fast aus- schliesslich aus Dolomittrümmem zusammengesetzt ist. Derselbe findet sich aber bemerkenswertherweiee in einem Thale, von dem nicht erwiesen ist, dass es dem Inngletscher als Durchgang nach Morden diente.

Es kann daher gesagt werden, dase in jenen Thälem, durch welche einst Gletscher der Centraialpen geströmt sind, die unter den Moränen auftretenden Schotter sich durch ihre Ur^biigsgeföU- führung auszeichnen. Vor ihrer Ablagerung muss also schon ein Geschiebetransport aus dem Innthale in die Kalkalpen stattgefun- den haben, und wieder, wie bei Betrachtnng der Schotter von Mumau, haben wir uns zu fragen, ob jener Geschiebetran sport durch eine frühere Vergletscherung geschehen ist, oder ob er durt^ eben jene Vereisung erfolgte, welche dann bei weiterer Ausdeh- nung die Schotter zudeckte.

Bo wenig bestritten werden kann, dass dne der früheren Ver- eisungen, welche später nachgewiesen werden sollen, Material zum Aufbaue jener Schotter geliefert hat, so glaube ich auch hier, dass dennoch keineswegs ausschliesslich diese Annahme das Auftreten der UrgeblrgsgerSlle erklären kann. Dieselben sind z. B. in den Schottern bei Mittenwald so zahlreich, dass man üch in den Cen-

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E^td XIV. Untere QUdal«chotter des OelMrg«a. 167

tralalpen meint, obwol sie nur von einer sehr unbedeutende Fläche gesammelt worden b^ könnten; denn oberhalb Mitt«nwald dehnt sich das Thal der Isar nur noch wenig weit aus. In der That sind denn auch in den heutigen Anschwemmungen der Isar bei Mittenwald die Urgebirgsgerölle recht selten, und wenn de in den unter den Moränen auftretenden Schottern eehr reichlich auf- treten, so kann dies nur durch eine direkte Zuiubr aus den G^- tralalpen erklärt werden. Solche fand statt, als der Inngletscher den Seefelder Fass überschritten hatte und im Isargebiete vordrang. Die ihm entströmenden Wasser bemächtigten sich dann des erra- tischen Materialee, welches er mit sich führte. Die unter den Moränen auftretenden losen Schotter im Isaxgebiete müssen daher als Glacialgebilde au^efasst werden, und was von ihnen gilt, g^t sicher auch von den entsprechenden Ablagerungen des Intithalee. Gleich diesen gehören sie zu den unteren Gladalechottem.

So fügt sich eine Menge Beweise für das Alter und den Ursprung jener mächtigen Massen losen Gerölles zusammen, welche wir in den nördlichen Kalkalpen und auf der nordalpinen Hodi- ebene entwickelt sehen. Lehrt zwar ihre Bedeckung durch die Grundmoränen, dass sie vor der Vergletscherung ihrer L^erstätte angehäuft wurden, so dürfen wir sie doch nicht als prägladal bezeichnen; denn es ergibt sich, dass sie während des Herannahens der Vei^letachenmg entstanden, dass es die den Oletschem ent- strömenden Wasser waren, welche sie abl^i^erten, dass de ihr Material den Grundmoränen der Vei^Ietscherung entnahmen. Wir erkennen in ihnen znr Glacialformation gehörige Gebilde, und ihr bemerkenswerther Mangel an Fossilien ist IMcht erklärbar duich die Annahme, dass sie von den eisigen schlammgetrübten Wassern angehäuft wurden, denen die diluvialen Gletscher Entstehung gaben. Daraus erklärt eich auch, dass an ihrer Basis häufig, tuet regel- mässig Schlammlager, sogenannte Kreide, auftreten. Die schlam- mige Trübung der Gletscheiströme wurde am weitesten ver&achtelv sie leitet die Ablagerung der Schotter daher überall ein. In den grossen Alpenthälem, den Hauptbetten der Gletscher, wurden diese Schotter in erstaunlicher Mächtigkeit aufgethürmt, auf deait AJpenvorlande hingegen wurden sie zwar in geringerer Stärke, aber in um so bedeutenderer Ausdehnung ausgebreitet Allent-

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168 I- Abschnitt Letzte Vergletachefung von Oberbaj-ern u. NonJtirol.

halben lepTÖseDÜT&n sie ein sehr wesentliches Glied der GlacUl- fonnation.

Erwägt man, dase die Ablagerung dieser Schotter unter Mit- wirkung des Eiees geechah, so wird man begreiflich finden, daea sie in ihrer Verbreitung nicht jene Begelmäseigkeit au&uweJBen braachen, wie sie rein fluviatile Formationen besitzen. Es ist beispielsweise nicht gesagt, dass, weil die Schotter auf dem See- felder Passe Urgfibii^gerölle lehren, der Inn den Seefelder Pass Gbersohritten habe, oder dass die Innterraese sich bis zu demselben eriiob^i hätte. Ein jeder Punkt der diluvialen Gletscher konnte unter sonst geeignet«! Umständen ein Waeserrinnsal speisen und durch die Gnindmoräne mit Schottermaterial versorgen. Es können glaciale Schotter, wie die bereits besprochenen Ablagerungen von dem erratischen Geschiebe GOUB£L 's lehren, in allen Niveaus auf- treten, welche im Bereiche der Yerglet«chenuig lagen, und um ihr Auftreten zu erklären, ist es weder nöthig, an eine verändert« Bodenkoniiguration zu denken, noch anzunehmen, dass einst Schotter die Thäler bis zu den höchsten Niveaus einzelner VorkommnisBe erAillt hatten.

Liegt es also in der Katur der Dinge, dass die 'glacialen Schotter von vornherein schon unr^lmässig abgebeert wurden, so zeigen sich doch in ihrem Auftreten gewisse Zflge, welche nicht auf eine Unregelmässigkdt hei ihrer Bildung zurQckgefuhrt werden können. Es lässt sich nicht leugnen, dass sonst regel- mässig TerfolgbareSchotterm aasen oft betiüchtliche Unterbrechungen aufweisen. Besonders ist hervorzuheben, dass die mächtigen Ter- rassen im Gebirge keinen Zusammenhang mit den Ablagerungen der Hochebene besitzen. Theoretisch sollte erwartet werden, dass die Terrasse der Gebirgethäler sich beim Verlassen des Gebirges in Schuttkegel auflösen und in die Hochebene verflachen sollten. Dies ist aber keineswegs der Fall. Gerade beim Austritte der Thäler aus dem Gebirge beginnen 'die centralen Depressionen des Moränen gebietes, also beckenfSrmige Bodensenkungen an Stelle der muthmaasslichen Schuttkegel, und erst unterhalb dieser Becken stellen sich wieder mächtige Schotterablagerungen ein. Besonders eindringlich stellen sich solche Unterbrechungen beim Betrachten r Fälle dar. Zwischen dem Eschenloher Moose und dem

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Kapitel XIV. Untere GlacialBchoHer des Gebirges. 169

Kocbelsee dehnen sich jene mächtigen unteren Glacialechotter aus, welche die Kohlen von (^bbv^ bedecken. Dieselben iallen steil nach dem Kocheleee und dem Eschenloh» Moose ab. Sie erfüllen den Kaum zwischen zwei Depressionen. Durch die eine derselben erhielte sie ihr Material

Diese letztere Depreaeion muss also späteren Datums sein als die erwähnten Schotter. Eine Erosion hat hier die Kontinuität ihrer Ablagerung unterbrochen. Dies ergab sieb ganz allgemdn fax die unteren Glacialschotter, welche auf der Hochebene im Be- reiche der centralen Depression sich ausdehnen, und zwar fand sich, dass diese Erosion ihre Spuren bereite als oamhaA« Diskordanz zwischen den Schottern und den hangenden Moränen äussert. Ebenso verhält es sich nun mit den unteren Glacialscbottem des Gebirges.

Im Innthale erscheinen dieselben zwar im Allgemeinen als zusammenhängende Ablagerung, eine weitgedehnte Terrasse bildend. Alldn es zeigt sieb, dass diese TerrasBe mehrfache Unterbrechungen besitzt, und besonders tbalabwärts löst sie sich in einzelne Vor- kommnisse auf, welche bemerkenswertberweise nur in Theben thälem, nicht aber im Hauptthale selbst aufgeschlossen sind. So finden sich Reste der Terrasse im Achensee- und Brandenbergerthale, sie treten im Jenbachthale unterhalb Kufstein auf, während das Innthal selbst frei von Terrassen ist. Diese Zerstäckelung der Terrasse muss nun bereits vor Ablagerung der Moränen geschehen sein; denn dieselben treten im unteren Innthale tief unter dem Niveau der Terrassen in den Seitentbälem auf. So sah bei Kuf- Btdn MojsiBOvics Moränen im Innthale, und bei Brandenberg, bereits am Fusse des Gebiigee gelten, treten Moränen tief im Innthale am Biberberge auf. Bei Häring sah GOmbel Gletscher- schliffe auf den dortigen Nummulithenachichten tief unter dem Jfiveau der Terrasse.

Bei Innsbruck sind femer die Gehänge der Terrasse mit glacialem Materialc überdeckt Dies zeigt sich besonders am Wege nach den H&ttinger Steinbrüchen. Hier lagern Schotter mit Onmdmoräneneintagerungen an die Böschungen ai^elebnt und fallen in demselben Sinne wie die letzteren ein. Zudem finden sich im Dorfe Höttingen Gletscberechliffe tief unter der

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170 !■ Abschnitt Letzte Vergletschenuig von Oberbayem u. Nordlirol.

Höhe, und unweit Wilthen, au der alten Breunerstraese, in gleichem Niveau mächtige Ablagerungen mit gekritzten Geschieben. Alles dies macht unzweifelhaft, das« die Zerstückelung der Terrasse be- reite vor Ablagerung der Moränen geschehen' war. Ganz dasselbe gilt nun auch von den wenigen VorkommniBsen der unteren Glacialschotter im leai^biete. Sie bilden nur isolirte Ablage- rungen, au die sich Moränen allseitig anschmiegen wie bei Mitten- wald und Tölz. Die Verbreitung der unteren Glacialschotter lehrt eis sehr merkwürdiges Faktum kennen; obwol sie erst beim Herannahen der Ve^letscherung angehäuft wurden, sind sie bereit«

Sfldgebänge der Schlucht bei Holzleithen.

Oeschiebelehm A übergehend in Biodeithon B; darüber Schotter C.

d d Höhe der InntholteirasBe.

unter den Moränen erodirt Diese Erosion kann nur 'durch die Gletscher bewirkt worden sein, wie wir später zu zeigen versuchen werden.

Wenn nun die Innthalterrasse bereits während der Glacial- zeit zerstückelt war, kann man Idcbt über die seltenen Vorkomm- nisse von Schotter über den Moränen der Terrasse ins Klare kommen. Dieselben können unmöglich von postglacialen Ge- wässern abgelagert worden sein, denn dieselben konnten nicht mehr auf der Höhe der Terrasse fliessen, da dieselbe bereits zer- stückelt und von tiefen Thälem durchsetzt war. Nur Wasser,

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Kapitel XV. Der obere Qtamlschotter. i7i

welche auf der H&be der TerrsEse onem Gletscher eatströmten, köimeii die gedachten Schotter angehäuft haben.

Es ist mir nur ein VorfcommniBS dieser Art bekannt ge- worden. Dasselbe befindet sich unweit Holzleithen bei Nassemith (Fig. 9). Eine enge Schlucht 1^ hier auf der H&he der Terrasse dnen Schotter bloss, welcher Bändertbon Überlagert, welch' letzterer nach unten in eine Gnmdmoräne übergeht. Nur als der Gletscher noch in unmittelbarer Nähe war, konnten hier auf der Höhe der Terrasse Wasser fliessen, die von ihnen hinterlasflenen Schotter gehören daher der Glacialformation an.

Kapitel XV. Der obere Olacialsohotter.

Konnex dei oberea Oladaliühotten mit den Endmoränai. Lagerung zwischea den Endmorinen. Beziehung iwischen heutigen and früheren WasBerlänfen d«T Morinenlandschaft. Ob die SchmeUwaeaer von der Peripherie nach der centralen Depression nnter dem Eise floBsen? Dnvsliischeüilichkeit dieser Annahme. Unwahrscheinlichkeit einer am^;edehnten aabgUdalen WaAerdrcu- lation. Aosblldong der üef^n KanUe im Morinengebiete. TrockenthBler. Geringe Aasdehnung des oberen OladaUchotters. VerhUtniss ziriachen Wuser- menge und GerSlIablagemng. Unterschied in der Verbreitung des unteren und oberen Gladalsehotlera erklärt. Ansfurohungen durch Sciinieizwaieer. Mangel an Kifsentöpfea ond Asar. Decksaod NorddentachJande.

Gehen mit der allmählichen Ausbreitung der diluvialen Gletscher in Südbayem ausgedehnte Wirkungen des äieesenden Wassers Hand in Hand, so ist von vornherein zu erwarten, daes auch der Rückzug dieser Eismassen eine mächtige Entfaltung der Thätigkeit des rinnenden Wassers nach sich zt^. Aber ee ist ein- leuchtend, dass die Intensität der Waaserwirkung bei dem An- wachsen der Gletscher eine andere und zwar weit geringere war, als beim Bückzuge der letzteren. Bei der Ausdehnung dee Eises war die demselben entspringende Wasaermenge viel kleiner als bei seinem Rückzuge, und es öt^^ sich nun, auf welche Weise sich die Verschiedenheit in den Wirkungen der beiden ungldch grossen Wassermengen kund gibL

Das Wasserburger Profil hat uns bereits gelehrt, dass über den Grundmoränen Schotter vorkommen, welche sich durch ihren Konnex mit den Endmoränen als Glacialgebilde erweisen, und

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1 72 I. Abechnitt. Letzte VergJetacherung von Oberbayem u. Nordtirol.

solche AblageningeQ finden sich sehr häufig, gewöhnlich den Kaum zwischen den einzelnen Endmoränenwällen einnehmend. Die Zusammeneetzung dieser letzt«ren verrieth bereite eine hervor- ragende Betheihgung des Wassers bd ihrer Entstehung. Kaum je fehlen ihnen geschichtete Einlagerungen, in manchen Fällen sind sie sogar ausschliesslich aus geschichtetem Materiale au^ebaut, und dieser kiesige Moränenschutt könnte bereits als eine Facies des oberen Glamlsdiotters gelten, wenn er nicht unter Verhält- nissen auftreten würde, welche seine Zurechnung zu den End- moränen unbedingt erheischen. Seine Zusammensetzung macht zudem sehr wahrscheinlich, dass er zwar unter Mithilie des Wassers abgelagert wurde, aber dennoch nur wenig dessen Einwirkungen ausgesetzt gewesen ist. Noch lässt sich der Ursprung seines Materiales deutlich erkennen, noch sind die gekritzt«n Geschiebe

unversehrt, noch die eckigen Blöcke nicht at^rundet Die It^el- losigkeit in der Aoordnung deut«t ebenfnÜB darauf, dass eine Sortirung, velche eine längere Wasserwirkung nach sich zieht, noch nicht eingetreten ist, und die häufig wiederkehrenden Schichten- Störungen lehren in Uebereinstimmung damit, dass er unmittelbar vor dem Eise angehäuft wurde. Allein zahlreiche, ganz allmäh- liche Uebergänge verbinden diesen Schutt mit gleichmässiger zu- sammengesetzten und regelmässiger construirten Abl^i^erungen, mit echtem Schotte. Zwischen den Moränenhügeln finden sich oit Schotter, deren glaciales Alter durch vereinzelt eingestreute ge- kritzte Geschiebe erwiesen wird, und welche entweder die unmittel- bare Fortsetzung eines Walles von kiesigem Moränenschutt bilden, oder sich deutlich an die Moränenwälle anlegen. Der Eisenbahn- einschnitt am Bahnhofe Feldafing am Würmsee lässt die Lagerungs-

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Kapitel XV. Der obere QUdalschotter. 173

verhältniBBe einee solchen Schottera erkennen (vei^l. Fig. 10). Derselbe schmiegt aich den Konturen des Moräneuhügels an, fällt von demselben, ab und verflacht sich in eine Ebene, nach welcher zu er sandiger und Ütoniger wird. Man hat es hier also mit einem Schotter zu thuu, welcher während des Rückzuges der Ver- gletecherung abgdagert wurde. Er ist ein oberer Glacial- schotter. Noch verrathen die geklotzten Geschiebe in ihm seine Beziehungen zur Glacialformation, aber meist lassen die Schotter zwischen den einzelnen Moränenwällen durchaus keine Gletsch^- spuren an ihren Gerollen erkennen. Ihre räumliche Lage zwischen den einzelnen Moränen wällen, sowie der Umstand, daas sie, wie tiefe ThabOsse lehren, die Gnmdmoränen überlagern, macht jedoch zwdfellos, dass sie den oberen Glacislschottem zuzurechnen sind.

Die Verbreitung dieser oberen Glacialschotter ist durchaus abhän^g von dem Verlaufe der Endmoränen. Sie ziehen sich zwischen den einzelnen Wällen entlang bis zu irgendeiner Stelle, wo sie dieselben nach aussen durchbrechen. Sie verrathen uns so den Weg, welchen die Schmelzwasser der rückziehenden Verglet- echerang eingeschlagen haben. Da nun jene Schmelzwasa^ unbe- dingt bedeutender waren, als die spärlichen Rinnsale, welche heute im Moränengebiete ihren Ursprung nehmen, so haben sie diesen letzteren den Weg voi^ezeichnet, und das Wassergeäder in der heutigen Moränenlandschaft stellt im Allgemeinen bis auf einige noch zu erwähnende Ausnahmen ein Bild von den Wasserläufen während des Rückzuges der Vergletecherung dar. Es genügt also ein Blick auf eine Karte der heutigen hydrographischen Verhält- nieae, um die früheren zu überschauen; in der That bemerkt man eine ganz Überraschende Abhängigkdt der Wasserläufe in der Moräneolandschaft von der Richtung der Endmoränen. Die Bäche folgen gewöhnlich den letzteren, und durchbrechen dieselben nur an wenigen Stellen. So sieht man parallel der gezogenen Kontur des Inn^etschei^bietes eine Reihe von Bächen verlaufen, zwischen den Endmoränen des Isargletachers äiessen in ausgesprochener Parallelität mit denselben der Keller- und Meieinger Bach an b^den Ufern des Würmsees, sowie die Windach westlich vom Ammersee.

Es ist nun eine beachtenawerthe Thatsache, dass die meisten dieser Bäche nicht die Moiänenlandscfasit nach aussen durch-

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1 74 I. Abschnitt. Letzte VergletecherUDg von Oberbayem u. Nordtirol.

brechon, sondern sieb der centralen Sepreaaion des Moräuen- gebietea zuvendea. So biegt die Mangfall, nachdem sie auf äue groBse Entfernung hin an den Moränen des Inngletschers entlang geflossen ist, plötzlich nach Osten nm, und strömt nach der Mitte der Depression des Inngletschers zu. Bie nimmt die Leitzach, welche ursprünglich iwiBchen den Inngletschermoränen geflossen ist, mit sich in dieser Richtung fort, obwol ein altes Thal sich in der ursprün^chen Richtung der Leitzach verfolgen lässt Die Glon, Braunau und Attel strömen gleichfalls der centralen Depression des Inngletschers zu. Ebenso verhält es sich im Bereiche des laaigletschers. Nachdem der Keller- und Meisinger Bach, so- wie die Windach auf eine grosse Entfernung zwischen den Mo- ränenzügen der einzelnen Zweige des Isargletschers dahingeflossen, münden sie in die centralen Depressionen des Wurm- bez. Ammer- seea. Dass es sich ähnlich in dem Bereiche des alten Rheingletr scbera verhält, hat bereits Pbobst^) hervorgehoben. Die centralen Depressionen erschdnen somit als die Sammelstellen aller der im Moränengebiete entspringenden Grewässer, dieselben strömen ihnen häufig in centripetaler Richtung zu.

Vom rein hydrographischen Gesichtspunkte erscheint dies als die naturliche Folge des Umstandes, dass die centralen Partien des Moränengebietes tiefer liegen als die Peripherie desselben. Allein wenn man in dem jetzigen Laufe jener Wasseradern an Bild der früheren hydrographischen Verhältnisse, vor allem aber die Spuren der beim Abschmelzen der Vergletscherung entstan- denen Ströme erkennen will, so gewinnt dieser Umstand ein ganz besonderes Interesse. Denn eben jene centrale Depression, welcher die Gewässer zuströmen, musste noch unter Eis begraben li^en, als die peripherischen Thüle des Gletschers zu schmelzen b^annen. Wenn nun die Schmelzwasser dieser peripherischen Partien dem Centrum zuströmten, mussten sie imter das Eis ein- und unter demselben for^essen. Entweder geschah also dies, oder die heu- tigen hydrographischen Verhältnisse sind kein genaues Abbild deijenigen während des Abschmelzens der Vergletscherung.

') Beitrag zur Topt^aphie der Qletscherlandschaft in WÜrttemb, OberBchwBben.Wörttemb.naturw. Jahreshefte. Bd.XXX. 1874.p.40— 85.

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■■ : TY Eapitd XV. Der obere Olacialschotter. 1'

Die Frage, ob unter den gewaltigen Eisatrömen dfirDiluTial- zeit eine regelmässige Wasserdrculation stattfand, hat in neuester Zeit besonderes Interesse gewonnen, seitdem von Berekdt ^), Herh, Crednek >) und Jaues Geikie *) die Behauptung verfochten worden ist, daee die grossen Ströme Nordeuropas unter das skandinavische Inlandds einströmten, eine Annahme, die manche Schwierigkeit der Gletschertheorie in befriedigender Weise hebt, andererseits aber auch in sich selbst manche anfechtbare Punkte trägt Es erschien mir daher von grtjsster Wichtigkeit, Material zur prinzipiellen Entscheidung dieser Frage zu gewinnen. Leider gelang dies nur in unvollständiger Weise.

Vor allem konnte ich mich nicht darüber vergewissern, ob während des Äbschmelzens der Vergletschenmg Flüsse unter das Eis einfloBBen. Eine leichte Korrektur der hydrographischen Ver- hältnisse würde bereits die evidentest«n Beispiele beseitigen, welche Ar obige Annahme aus dem Gebiete des Inngletschers ine Feld gefuhrt werden können. Zunächst Hesse sich die Mang&ll durch eine einfache Absperrung der Enge, durch welche sie in das Inn- gletscheigebiet eintritt, nach Norden leiten, wo sich in der Fortsetzung ihrer ursprünglichen Richtung ein Trocken- thal nach Egmating zieht Ein Damm von kaum 20mHöhe unterhalb derUmbiegung der Leitzach würde dieselbe zwingen, in einem tiefen, jetzt trocken liegenden Thale wüter zu äiessen, das sich in der Fortsetzung ihrer ursprünglicben Kichtung nordwärts zieht, und welches sie bei Eirchseon aus dem Inngletsche^biet herausfuhren würde. Unbedeutende Dämme da angebracht, wo die Attel und der Ebracher Bach ihren der Peripherie des Inn- gletschers parallelen Lauf in einen radiären umändern, würden diese Wasser immer parallel den Moränenwällen zu Siessen zwingen, und sie dem Achenbache zuführen. Der Umstand, dass gerade da, wo die erwähnten Flüsse nach der centralen Depres- sion des Moränengebietes einbiegen, Trockenthäler be-

') GletBchertheorie oder Drifttheorie in yorddeutschland. Zeitschr. d. Deutach. geol. Geeelbch. XXXI. 1879. p. 1.

*) Üeber Schichtenatömngen im Untergründe des OcBChiebelehmes. Zeitachr. d. Deutsch, geolog. OesellBch. XXXII. 1880. p. 96.

*) Prdastoric EuTope. 1881. p. 239.

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176 I' Abschnitt. Letste Ve^letwdieruDg von Oberbayern n. Noidtiiol.

ginneo, welche aus dem MoräDengebiete herauBführen, scheint mir ein gewichtiger Fingerzeig dafiir zu am, dase die cen- tripetal gerichteten Theile ihres Laufes erat einer spä- teren Periode ihre Entstehung verdanken, und noch nicht ge- bildet waren, als die Gletecherwasser den peripherischen Theilen jener Thäler folgten.

Auch die Erecbeinungeu im Gebiete des Isargletechers be- weisen keineswegs eine subglaciale Circuladon der Gewässer. Strömen auch Keller- und Meisingei Bach der centralen D^ree- sion des Würmsees za, so fliesgen sie doch während ihres ganzen Laufes ausschliesslich zwischen Endmoränen dahin und erreichen die Depression erst an derem äuseersten Ende, welches vermuth- lich schon ös&ei war, als sich ihr Lauf bildete. Ebenso verhält es sich mit der Windach.

Gtesetzt nun aber doch den Fall, daas die Wasser von der Peripherie nach der centralen Partie des Gletsdiera ^strömten, «o mussten sie dieselben doch wieder an iif;endeiner Stelle zu ver- lassen suchen und ihr in einem tiefen Kanäle entströmen, ftMa es ihnen nicht etwa unter dem Eise möglich war, bei^;an zu äieasen. Nun findet man aber nirgends an der Peripherie des Moränen- gebietes dicÄndeutung eines solchen Kanales, die sohluchtanig«:i Thäler des Inn, der Isar, der Amper, der Wertach und des Lech, welche heute die centralen Depressionen entwässern, haben sich erst nach Rückzug des Gletschers gebildet; sie durchschneiden die Endmoränen, und bei Wasserburg auch, wie das dortige Profil lehrt, die oberen Glacialschotter. Wenn also die Schmelz- wasser wirklich unter das Eis einströmten, so konnten sie aus demselben nicht ohne weiteres wieder heraus- fliessen.

Fehlt es somit an direkten positiven Beweisen für das Ein- strömen von ganzen Flüssen unter die alten Eisströme Oberbayems, so muBB andererseits auch betont werden, dass manche Veriiält- nisse eine ausgedehnte regelmässige subglaciale Wassercircu- lation unmöglich erscheinen lassen.

Wenn man nämlich die Grenze der unverletzten Moränen- landscbaft verfolgt, so sieht man unter den Moränen sehr häufig breite und ausgedehnte Bchotterfiäcben hervortreten, welche lehren,

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Kapitel XV. Der obere OladalBchotter. 177

dasB auf grosse EntfemuBgen hin den Gletschern bedeutende WassemiasBen entströmten. Es findet sich nun, daas diese Schotter- massen, wo sie auch auftreten mSgen, von ziemlich gleicher Ent- nickelung sind, sodass sich schwer entscheiden lässt, ob dieser oder jener Gletecherstrom bedeutender war als andere. Zwar findet man in den Thälem des Gebietes längs den Hauptströmen überall solche unt«re Glacialschotter entwickelt, aber dergleichen treten auch in manchen Thälem auf, wo heute fast alle Spuren rinnen- den Wassers fehlen. Wo nur eine Vertiefung des Bodens an der Gletschergrenze aufixitt, stellen steh glaciale Schotter dn, und die verschiedenen Stimme des Gebietes erscheinen noch nicht indivi- duaÜsirt Wenn somit jede gfinatig gelegene Stelle des Eissaumes einen Gletscherstrom erzeugen konnte, so kann ee keine ausge- dehnte Bubglaciaie Wassercirculation gegeben haben, denn sonst würde die dne oder andere Oertlichkeit einen besonders bedeuten- den Strom entsendet haben. Bas Wasser kann nur den Eand- partien des Eises entflossen sein.

Dieses wird noch besonders einleuchtend, wenn man beachtet^ doss die grossen Gletecherstrombetten in verschiedenen Niveaus entspringen, was unmöglich ist, wenn sie die Ausläufer eines sub- glacialen Strornjictzes sein sollen. Endlich aber verdient berück- sichtigt zu werden, dass sie an der Peripherie des Gletschei^bietes entspringen, also in höherem Niveau als dessen centrale Depres- sion. DieWassermassen, welche in ihnen flössen, können also unmöglich dieÄusläufer ausgedehnter subglacialer Ströme sein, denn dieselben hätten bergauf flieesen müssen und die alpinen Schotter mit sich aus der Depression bergan nach der höher gelegenen Peripherie transportiren. Das alpine Material der Glacialschotter an der Moränengrenze lässt sich nicht andere er- klären, als dass dasselbe über das Bereich der centralen De- pression durch Eis fortgeschafft und erst am Bande des Gletschers eine Beute der Gletscherwasser wurde, Also nur am Rande des Eises können die demselben ent- strömenden Wasser ihren Ursprung genommen haben, sie sind nicht die Fortsetzung grosser subglacialer Ströme. Die Usregelmässigkeit im Verlaufe der Qletacherbetten lässt ee nicht wahrscheinlich erschmen, dass unter dem Eise auf

PtDck, Dtoyn^clKlwnmg. 12

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178 !• Abaclmitt. LetEteVergletschenmg von Oberbayem u. Nordlirol.

groBBe EntfemuDgen hin förmliche Ströme flosseD, die Xiveaurer- hältnisee gestatteten z. K nicht einem Imi auB den Centralalpen bis auf die Hochebene unter dem Eise zu strömen. Damit soll jedoch nicht bestritten werden, Anas auch unter dem Gletscher hie und da, jedoch immer nur lokal, fliesBendee Wasaer in Wirksam- keit war, wie Bolchea mehrfach in Grönland nachgewiesen wurde, wo Wasser in und unter Inlandeise clrculirL ^)

Wie schwer es hält, die Ablagerungen oberen Glacialschot- t^^ zu verfolgen, erhellt wol am besten aus der Thatsache, dass er nicht die Möghchkeit an die Hand gibt, die Richtung der Olet- scherströme zu bestimmen. Ea kommt dies daher, dass die meisten mit oberem Oladalschotter erfüllten Thäler vertorft sind, und der obere Glacialschotter desw^en nur an wenigen Stellen aufge- schlossen ist

In welcher Sichtung aber auch die Schmelzwässer von der Peripherie des Gletschern geäoBsen sind, so viel ist sicher, dass nachdem der letztere sich in das Bereich der centralen Depression zurQckgezc^rai hatte, dieselben sich auf einen Funkt konzentriren mussten. Sie sammelten sich zwischen dem Eisende und der Mo- rSnenumwallung, und entflossen über den niedrigsten Punkt der letzteren nach aussen. Die Bildung der tief einschnddenden IMler, welche die centralen Depressionen der verschiedenen Gletschergebiete entwässern, begann schon wahrend des Rückzuges der Oletscher, wenn auch erst, nachdem das von ihn^ durchsetzte Gebiet eisfrei geworden war. Solches lehrt der Umstand, dass sie tief in die Endmoränen ^schneiden. Es ist daher wol möglich, dass manche hochgelegenen Terrassen im Bereiche jener Thäler schon während des Bückzuges der Vergletscherung entstanden, also aus oberem Gladtdechotter aufgebaut werden. Allein es gelingt meist nicht, einen Konnex dieser hochgelegenen Terrassen mit den Olacial- schichten selbst zu beobachten. Nur an einer Stelle war mir solches möglich. An den Ufern des Lech ziehen sich mehrere Terrassen wtlang. Die oberste fallt bei Schongau unter die Endmoränen

') Rink: Naturh. Tidakr. 3. R. Bd. L p. 4. BbowN: Quart. Joum. Qeolog. 8oc. 1870. p, 681. Helland: Nyt Archiv for Naturv. I. p. 51.

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Kaiätel XV. Der obere Gladalachotter. 179

ein; eine zweit« tie&r gelegene lässt sich hingegen, wie ich bei mönen Au&ahmen füi die gec^osÜBche Untersuchung Bayerns erkannte, durch den Endmoranenwall hindurch und weit in das Monuiengebiet hinein verfolgen, bis sie endlich nahe dem Fusse des Gebirges auch unter Endmoränen einiaUt Diese Terrasse besteht also noch aus oberem Gladalscbottei, welcher mehrfach Orund- moränen, gewöhnlich aber dem unteren aufgelagert ist

Aus dem Gebiete einer centralen Depression führt stets ein tief einschneidender Kanal nach aussen, dessen Bildung während des Gletscherrüokzugee begann, und welche diejenigen Wasser nach aussen zu führen hatte, welche sich beim Abschmelzen der VergletscheruDg im Bereiche jener Depression sammelten. An manchen Stellen haben sich nun seither die hydrographischen Ver- hältnisse geändert. Besondere im Isai^biete sind mehrere einzelne Depressionen jetzt miteinander verknüpft worden und werden nun- mehr nur durch die Isar entwässert, während froher dne jede durch ihren eigenen Eanal dränirt wurde. Einige dieser Kanäle sind daher ausser Betrieb gesetzt worden und erscheinen nunmehr als Trockenthäler. Die Trockenthäler sudöetlicli München, das Gleiesenthal bei Deissenhofen und d^ Teufelsgraben von Holzkirchen sind Kanäle, durch welähe einst die Depressionen des Döninger Filzes und Kircheees entwässert wurden, und zwar die letztere nicht wie heute nach der Isar zu, sondern nach dem Inn hin.

Während der herannahenden Vergletscherung entsprangen Wasseriäufe an allen nur einigermaassen günstig gelegnen Punkten dee Eises, vollständig unabhängig von den heutigen hydrogra- phischen VerhUtnisaen, ja, die bereite ezistirendm Thäler wurden insofern verwischt, als sie mit glacialen Schottern ausgefüllt wurden. Beim Rückzuge der Yei^letecbenmg ändern sich die Verhältnisse. Die Thätigkeit des rinnenden Wassers koncentrirt sich auf einen Funkt in jedem Qletschergebiete, und es kommt zur Ausbildung tiefer Kanäle. Da nun im Allgemeinen jedes grössere auf die Hochebene tretende Alpenthal ein eigenes Glet- Bchergebiet erzeugte, so mueste natürlich vor jedes Alpenthal ein solcher Kanal zu liegen kommen. 80 bildete sich am Schlüsse der Glacialzeit das jetzige Thalsystem heraus, wenngleich es bis auf die heutigen Tage noch manche Modifikation erlitt Auch

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180 I. AbBchnitt. Letete Vei^letecherong von Oberbayem n. Nordtirol.

durfte nicht anzunehmen sein, daes die tiefen Knnen in der Feri- pherie des Glacialgebietee kontinuirlich v^üeft wurden. Im Inn- thaie erecheint 2. B. auf der Hochebene in den tiefen Kanal ein jüngeres Schottersjstein hineingebaut, welches darauf deutet, dasB die Tlialbildung einmal durch ^e Periode unterbrochen wurde, während welcher «n neuer Thalboden Bu%eechüttet worden ist

Es erhellt aus dem bereits Mitgetheilt«n, dass die oberen Glacialschotter auf der Hochebene nur eine unbedeutende Rolle spielen und nur w^ig verbreitet sind. Dasselbe gilt von denen im Grebirge. Ihr Auftreten ist hier ein ganz ausaerordenllich beechr&nktes. Es fallt somit insbesondere gegenüber der Ent- wickelung der unteren Glacialschotter auf, dass die oberen Glacial- schotter im Allgemeinen wenig ausgedehnte und wenig mächtige Ablagerungen darstellen. Man kann nicht sagen, dass sie ange- häuft sind wie die 6chott«r beim Herannahen der Vergletschenmg, und die herannahende Veigletscherung ist gegenüber der sich zurückziehenden durch eine gewaltige Schotteranhäuiung ausge- zeichneL Umgekehrt aber ist der Rückzug des Eises g^enüber dessen Kommen durch eine beträchtliche Anhäufimg von End- moränen charakteriairt. Es dürften vielleicht diese beiden Gegen- sätze eich ausgleichen, wenn man die Endmoränen nicht nur zeit- lich, sondern auch ihrem Materiale nach als Aequivalent der oberen Glacialschotter betrachtet In der That dürfte eine Er- wägung diese Annahme stützen. Beim Herannahen der Yerglet^ scherung konnten Endmoränen, wenn sie auch während einer Pause entstanden, nicht bestehen, sie geriethen unter das Eis und konnten hier von den Gletecherwassem er&sst werden. Bdm RückEuge der Vergletscherung dagegen blieben die Endmoränen bestehen und konnten nicht den Gletscherwa«sem anheimfallen, sodass wol gesagt werden kann, dass sie Ablagerungen der oberen Glacial- schott« ersetzen.

Die verschiedene Entwickelung der im Hangenden und Lie- genden der Moränen auftretenden Schotter kann femer auch eine Folge der verschiedenen Intensität der bei ihrer Bildung thätig gewesenen Kräfte sein. Leider aber sind die verschiedenen Intensi- täten der Waseermengen in Bezug auf die GeiüUablagerung noch

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Kapitel XV. Der obere Olaciabchottei. 181

nicht so genau studirt worden, daes sich ohne Weiteres dn Schluas aus mehr oder minder mächtig augehäuiten Schottern auf die bei ihrer Ablt^nrng thätig gewesenen Wafisermengen machen liesge, und 80 müssen wir etwas bei dieser Frage verweilen.

Ein flieesendes Grewässer häuft da Material an, wo es seine Geschwindigkeit aus ii^nd welchem Grunde verlangsamt, und demnach nicht mehr GerÖlle von bestimmter Grösse zu transpor- tireu verm^. Die Geschwindigk^t des Fliessens hängt aber von der Grösse der in Wirksamkeit tretenden Wassennenge ab. Hat man nun unter sonst glichen VeriiältuiBsea, also gleichem Gefälle u. s. w., zwei verschieden grosse Wassermengen, welche ein und dieselbe Geröllmasse tranaportiren sollen, so wird die grössere Wassennenge dieselbe mit sich fortfuhren, die kleinere wird sie hing^en bald ablagern und anhäuien. Die kleinere Wassermenge wird also unter solchen Umständen die bedeutendste Schicht hinter- lassen, während die grössere nur wenig Ablagerungen erzeugt und vielleicht erodirend wirkt Es ist also durchaus nicht gestattet, die mächtigsten Geröllablagerungen für das Werk der bedeutendsten Ströme zu halten.

Nun ist selbstverständlich, dass bei dem Rückzüge der Ver- gletecherung bedeutendere Wassermengen erzeugt wurden, als dem herannahenden Eise entströmten; die Zufuhr von Material durch den Gletscher, welches dann die Beute der Gletscherwasser wurde, ist ferner in l>eiden Fällen nicht die gleiche, indem während des Rückzuges das Material der Endmoränen den Wassern vorent- halten blieb. Verschieden grosse Wassermengen erfassen also verschiedene Mengen Materiales, und zwar die grössere Wasser- masse die geringere Schuttmasee. Der Fall, den wir oben aus- einandersetzten, dass die kleinere Wassermenge diesen Schutt nur ein Stück weit transportirt und dann anhäuft, während ihn die gröseere weit mit sich fortführt, wird nun noch gest^gert Beim Herannahen der Vergletscherung müss^dieGletscherwasser vor dem Eise Geröll anhäufen, beim Abschmelzen hing^en werden sie das erßiaste Material weit mit sich fortführen, und werden vieUdcbt in der Nabe des Eises erodiren. Ganz im Einklänge mit diesem, auf theoretischem Wege erhaltenen Ergebnisse sahen wir nun die unteren Glacialschotter in der Nähe des Gletschergebietea mächtig an-

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182 I- Abschnitt. Letzte Vergletecherung von Oberbayern u. Nordtirol,

gehäuft, und diese Anhäuiung Dahm &n Intensität sichtlich ab, je mehr wir uns tori Gletechergebiete entfernten. Ee verflachten sich die Terrassen des unteren Gladalschotters in den Thalboden. Dagegen sehen wir den oberen Glacialachotter im alten Gletscher- gebiet« nur wenig entwickelt, und bemerken, wie zur Zeit des Glet- BcherrQckzuges vielbcb Erosionsprocesse durch äiessendee Wasser be^nnen. Es werden die Moränenwälle durchbrochen und Kanäle von den centralen Depressionen nach Norden dngerissen. Es gibt selbst Stellen, welche eine besonders heftige Wasserwirkung bekunden. 80 sah ich in horizontalen Schotterflächen nördlich Gra&ath im Isargletschei^hiete und bei der Königswarther Innbrüche unterhalb Wasserburg im Bereiche des alten longletschers tiefe hesselartige bis muldenförmige Eineenkungen, welche allseilig von den horizontalen Schotterechich ten umgeben werden. Ich wdss nur eine Erklärung (Uesw Erscheinung, nämlich die, dass besonders rasch strömende Wassermengo) diese in ihrer Ausdehnung und Tiefe wenig bedeu- tenden Eineenkungen auswuschen, und möchte als Analogen auf jene tiefen Ausfurchungen hinweisen, die das Wasser manchmal bei Dammbrüchen hinterlässt. 80 gesellen sich zu den Unregel- mäflsigkeiten der Moränenlandschaft, welche durch die wechselnde anhäufende Thätigkeit des Eises erzeig wurden, auch solche, die lokal durch besonders heftig erodirende Wassermengen verursacht wurden. Lehren doch unsere heutigen Gletscher, wie durch sie manch- mal das Wasser aufgestaut wird, um dann mit verheerender Vehe- menz seinen Damm zu durchbrechen, und Aehnliches m^ auch beim Rückzüge der Eisbedeckung mehrfoch vorgekommen sein. Aber es sei nochmals daraufhingewiesen, dass jene Furchen, die durch der- artige Processe entstanden sein mögen, in den vielen Unebenheiten des Moränengebietes beinahe verschwinden, Ihre liefe beträgt bei Grafrath 5, bei der Königswarther Brücke 10 m. Es sind also nur unbedeutende Rinnen, keine Seen, welche das Wasser auswusch.

Weitere Spuren intensiver Wasserwirkungen, die sich an den Gletecherrückzug geknüpft haben könnten, sind mir nicht bekannt geworden. Es sei hervorgehoben, dass ich trotz auftnerksamen Buchens keinen einzigen Rieseutopf in meinem Gebiete an solchen Stellen entdeckte, wo er unter Mithilfe des Eises entstanden sein

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Kapitel XVI. Daa alpine Inlandde. 183

könnte. Desgleichen sah ich nii^eads Gebilde, welche sich den , J*uhleii" und „Sollen" Norddeutschlands an die Seite stellen liessen. Dag^;en traf ich häufig geologische Orgeln, theils im Grebiete diluvialer Schotter, theils auf älteren Gesteinen. Endlich ver- misste ich auch Spuren jener dgenthümlichen Wasserwirkung, die im Norden als Äsar auftreten. Ks wurde mir beim Durchwandern meines Gebietes nirgends ein Longitudinalrücken bekannt, der sieb seiner Zusammensetzung nach den schwedischen Asar vergleichen liesse; sämmtliche Rücken, die man ihrer Lage nach 'vielleicht für Asar halten möcbt«, wie z. B. in der Gegend von Rosenbdm und zwischen Ammer- und Würmsee, erweisen sich als Längs- moränenwälle.

Der obere Gl acialsch Otter, besonders aber der kiesige Moränen- schutt Oberbayems finden in Norddcutschland in dem Decksand ein Änalogon. Allerdings wird unter diesem Namen alles zu- sammengefasst, was an kiesigen Gebilden über dem Geschiebelehme liegt So wird in der G^^end von Berlin als Decksand ein wenig mächtiger Kies bezeichnet, der sich als tia Auswaschungsprodukt der liegenden Grundmoräne deuten lässt Von ganz anderer Ent- wicklung ist hingegen der Decksand auf dem baltischen Land- rücken; er besitzt hier eine höchst beträchtliche Mächtigkeit^ wie ein Bohrversuch in der Nähe von Danzig') kennen lehrte, und seine Oberfläche besitzt alle charakteristischen Züge der Moränen- landschaft. Diese Deckaandablagenmgen, welche ich in der Gegend von Hamburg kennen lernte, sind mäst ungeschichtet, und sie sind es, welche mir das Studium des oberen Olacialschotters und kiesi- gen MoränenBchutt«e in Südbayem ins Gedächtniss zurückrief. Besonda^ hat der letztere manche Züge mit dem Decksande gemein. B^de fuhren grosse eckige Gesteinsblöcke, beide besitzen einen oft verworrenen Aufbau, ich kann mich aber nicht entsinne, ob in den gedachten Decksandahlagerungen auch gekritzte Geschiebe vorkommen, um den Vergleich auch in dieser Richtung durch- führen zu können. Die vielen Angaben über die petrographische

') Jektzch: Berichte über die geolog. Durchforschung derProvini PreuBsen. Schriften d. Phya.-Skon. Oesellscb. Königsberg 1876. p. 146. 1877. p. 215.

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184 I- AbBchnitt. Letete Vei^letscherung von Obarbayern a. Nordtirol.

Beschaffenhät der Schwemmlacdeglieder in Norddeutschland geben leider in dieser Hinsicht keine Auskunft. Sie unterrichten uns zwar genauestens über die Komgrösse der dnzelnen Gebilde, nicht aber welche Ablagerungen durch die Führung g^jitzl«r Geachiebe ausgezdchnet sind.

Kapitel SVL Das alpine Inlandeis.

MnthmsaBiliche Grenze der Pimbadeckong. iDltuideii in den Alpen. B«- ziehm^en zwiachen dem alpiDen und BkAndinaviBchen Inlandeis, Ansteigen de» Inlandeises nach dem Centrunt. Mäclitigkeit dea akandiiuiTischen Inlond- eiaes. Mangel an Oberfl&chenmoriineii auf dem Inlandeise. Utsachen dafür. GestonstiHospoTt unter dem Inlandeiee, Bildung der Gmndmorinen. Ero- dirende und aufbauende Wirkung des Inlandeises. Grösse der Gletscher' eroeion im Isargebiete, aiu Unteraargletacher. Das Eis bew^ Material unter sicli bergan. Schotter als wesentliche Glieder von GUcialformatioDen. Allge- meiner Aufbaa aller Glacialformatiunea.

Die Alpen waren zur Glacialzeit ein Centrum, von welchem nach allen Seiten hin Gletscher ausstrahlten. Dieselben folgten allenthalben den Thälem, wo diese Thäler indDandei^reifea , wie in den deutschen Alpen, kommen auch die einzelnen Gletscher in Berührung und verschmelzen zu einer einhdtlichen Masse. Je nach ihrer Grösse und der Temperatiu* ihrer Umgebung erstrecken sich die einzelnen Gletscher verschieden weit auf das alpine Vor- land ; auf dem wärmeren Südabhange des Gebirges treten sie nur ein Stück weit aus dem Gebirge heraus, auf der kälteren Nordseite treffen sich die einzelnen Eisströme am Fusse des Gebirges und verschmelzen zu einem anheitlichen Meere von Eis. Noch wissen wir zwar nichts über die EntWickelung der Vergletscherung in den Östlichen Alpen und im südwestlichsten Ende des grossen Gebildes, alleia es lässt sich annehmen, dass hier die Verhältnisse den geschilderten völlig analog waren. So erscheinen die Alpen zur Glacialzeit völlig vereist, nur ihre höchsten Gipfel ragen aus dem Meere von Eis hervor, und ihr Nordfuss ist unter einer Eismauer verboi^n, welche jedoch nach Osten und Westen zu sich all- mählich verliert

Bei Betrachtimg einer so enormen Eisbedeckung muss sich wol die Frage aufdrängen, wo denn die Fimmassen lagerten.

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E&pit«l XVI. Das alpine Inlandeia. ^ 185

welche dieselbe epeisten. Es li^ auf der Hand, dase dieselben nicht auf die Mulden und Einsenkungea der Theile des Gebildes beechräukt sdn konnten, welche aus dem Eismeere hervorragten. Diese boten nur viel zu geringen Raum, Ea erhoben sich nur unbedeutende Gebirgeinfieln aus dem Eise. Es muaa der Firn sich auch weit über die Gletsclier selbst auegebreitet und dieselben oberflächlich bedeckt haben, und es ist nun zu entscheiden, bis wohin sich diese Fimbedeckung der dilu- vialen Gletscher erstreckt hat.

Alps. Faybe') ist der erste gewesen, der sich mit Beant- wortung dieser Frage betrefife der schweizer Gletscher beschädigt hat Er fasst den BegrifTGletacher wdter als es J. de Ceabfentier und Ao&BBiz thaten. Er bezeichnet als Gletscher Eiastrom und Fimfeld zusammen und unterschddet demgemäes an jedem Giet^ scher einen nährenden Theil, wo sich die Fimmassen anhäufen und in Eis verwandeln, sowie einen aböiessenden Theil, welcher niemals durch den Schnee vermehrt wird, der auf ihn fällt. Hier- von ausgehend sucht er nun nachzuweisen, dass sich nährender und abfliessender Theil ungefähr die Vfaga halten müBsten, «nd entwickelt, dass diejenigen Theile der diluvialen Gletscher der Schweiz, welche in Tliäler dngesenkt waren, als nährend, während die sich über das ebene Vorland verbreitenden Massen als ab- äiessend anzusehen seien. Er zdgt, dass die so begrenzten nährenden und abSieaaenden Theile beim alten Rhein- und Rhone- gletscher dieselben Flächen bedeckt hätten.

Es scheint mir aber, als ob die Voraussetzung Favbe's, dass der nährende und abfliessende Theil genau gldchgrosse Säume bedecken, nicht ganz richtig sei. Betrachtet man z. B. die norwegischen Gletscher, so findet man, dass der nährende Theil den abfliessenden räumlich weit übertritt. Bei einer Ge- sammtoberfläche von 250 qkm entfallen z. B. beim Folgefond, dem einen Gletacherbezirke Norw^ens, nur höchstens 30 qkm auf Gletscher, das übrige ist Fimfeld, also nährend. Ich glaube, dass man unbedenklich die Verhältnisse, welche unsere heutigen

') Sur la carte des anciens gladers et du t«rrain glaciaire de la Snisse. BulL Soc. gM. de France. III. 8. t 3. 1874/75. p. 715.

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186 LAbachnitt. Letrte VergletBchemng tot Oberbayem n, Nordtirol.

Gletscher in dieser Hinsicht darbieten, auch auf die diluvialen Gletscher übertragen darf. Heute sind die Gletscher bo weit mit ' Firn bedeckt, als de sich über die „Linie des ewigen Schnees" er- hebeD, und so wird es bei den diluvialen Eisströmen auch der Fall gewesen sein. Die Entfaltung gewaltiger Eismasseu zur Diluvialzeit setzt eine Temperaturemiedrigung voraus, und eine solche hat das HerabBinkeu der Grenze des ewigen Schnees oder besser der Firn- linie zur Folge. Nun weiss man aber freilich weder, wie viel die Temperaturemiedrigung zur Diluvialz^t betragen hatte, noch um wie viel die Fimlinie tiefer lag wie heute; denn deren Lage wird ja nicht allein durch die Temperaturemiedrigung bestimmt Heute liegt die Fimlinie in den östlichen Alpen 2800 m hoch, und die untere Gletschergrenze wird im Mitt«! zu 1750 m veranschlagt Zur DUuvialzeit stiegen in Oberbayem die Eisströme im Mittel bis auf 550 m herab. Sollte es nun gestattet s^, anzunehmen, dass sich zur Diluvialzeit die Fimlinie um gleicfaviel gesenkt habe wie die untere Gletschergrenze, so dürfte sie in 1600 m Meeres- hShe gelegen haben; berücksichtigt man aber noch, dass in dem Pogebiete die Gletscher bis auf 50 m MeereshÖfae herabrmchten, BO dürt^ die Höhe der Fimlinie auf 1100 m zu veranschlagen sein. I^ehmen wir an, dass sie den Mittelwerth gehabt habe, dass bIo 1350 m hoch gelegen sei, dn Ergebniss, das mit dem von Höfeb^) erzielten wol nur zufällig übereinstimmt Bei dieser Annahme mussten alle Eisströme, weldie blB über 1350 m ansti^en, mit Firn bedeckt sein, d. fa. das gesammte Eismeer in den nordtiroler Alpen und noch Theile des auf der oberbayerischen Hochebene ausgebreiteten trugen oberflächlich Firn. Sie gehörten demnach zu den nährenden Theilen der Vergletscherung. Allerdings mag die Fimbedeckung nicht so kontinuirllch gewesen sein, wie die in den höchsten Rhenen der Hochgebirge. Sie mag vielfach von Kanälen durchschnitten gewesen sein, vieliach vereist, so wie es heute auf der Eisbedeckung Grönlands der Fall ut Die Alpen müssen eben zur Glacialzeit ein ähnliches Bild gewährt haben wie das heutige

') Gletscher- und Eiszeit-Studien. Sitzungsber. der Akademie der WissraiBcli. I. Abth. LXXIX. Wien, April 1879. VergL Keferat, Neues Jahrb. f. Mm. u. Geol 1881. I. p. 64.

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Kapitel XVL Das alpine InlondeiB. lg?

Grönland. Gleich dieaeiu nährten eie nicht bloes einielne Gletscher, sondern trugen me zusammenhängende Schnee- und Eishülle, aus velcher nur die höchsten Gipfel und BergzQge einsam herauaragt«n, und welche das Gebirge nach aussen gleich einem EisgOrtel um- gab. Die Alpen trugen ein Inlandeis.

Ein Inlandeis ist mehr als ein Gletscher im Sinne von Chab- PENTTER und Agäsbiz. Ein Gletscher ist nach diesen beiden ein Eisstrom, welcher aus einem Fimfelde herausquillt') Das In- landeis umfasst Gletscher und Fimfeld zugldch. Es ist aber dennoch mehr als ein Gletscher im Sinne A. Favre's. Ein solcher besteht, wie es in den Alpen meistens der Fall ist, aus einer zwi- schen hohen Felswänden gelagerten Finunulde, aus welcher das Eis nur an einer Stell^ am unteren Ende der Mulde zu Tage tritt Bas Inlandeis hingegen dehnt sich konlinuirlich aus; überall lagert zuunterst Gletschereis, darüber die allerdings oft imkennt- lich gewordene Fimdecke, und das Gletschereie kommt an ver- schiedenen Stellen mindestens, wenn nicht ganz allgemein, am Rande, normale Gletscher bildend, zum Vorschein. Ein Gletscher A. Pavbe's ist demnach nur ein Theil einer Inlandeismasse. Er erfüllt ein Thal, das Inlandeis umkleidet. ein Gebirge und sendet nach allen Richtungen einzelne Gletscher aus. Ein Gletscher ist also gewissen orographischen Zügen unteigeordnet, das Inlandeis dagegen nicht. Das Inlandeis ist, wie Bine^ sich ausdrückt, eine Ueberschwemmung, oder, um mit Kobdenskjöld b) zu reden, ein Eissee, während ein Gletscher nur der Eisstrom ist, der das Inlandeis entwässert Zwischen einem Inlandeise und einem Gletscher besteht ein quantitativer Unterschied, welcher sich in der Schnelligkeit und in der Grösse der sich bewegenden Masse äussert

AOAsetz war es zuerst, welcher die Existenz eines Inland* eise« muthmaasste. Er flihlt« wol, dass die Voraussetzung blosser Gletscher nicht das Glacialphänomen im Xord^i und io den

■) E^aai aur les gladers. 1841. § 3 und g 4.

^ Orönland, geographisk og etatisijsk beskrevet Bd. I. p. 13. Bd. n Anhang, p. 169.

*) Account of an ezpedition to Oreenland in the jear 1870. Qeolog. Magaz. IX. 1872. p. 363.

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188 I- Absclmitt Letzte Vergletechemog von Oberhayem u. NordtiroL

Alpen erklären könnte. Er griff daher zur Annahme von Eis- decken, welche über jene Gebiete sich verbreiteten. Diese Eis- decken voQ AoABSiz entsprechen genau einem Inland- etse, umsomehr als Aoabsiz von ihnen mittheilt, dass sie von Firn bedeckt gewesen seien. ^) Diese Ansichten von Agassiz haben grossen Widerspruch erfithreD. Aber seitdem haben sich die An- Bchauiingen wesentlich geklärt- Bink beschrieb das grönländische Inlandeis und hob dessen Unterschiede von einem Gletscher her- vor, und Groll ^ stellte Erörterungen über die Theorie dea In- landeises an. , Die Existenz ganzer Eisdecken st«ht nun ausser allem Zweifel. Die Annahme eines alpinen Inlandeises bedeutet also eine Rückkehr zu den früheren, eine Zeit lang verworfenen Ansichten von Aoasbiz. Allerdings sind wir weit davon entfernt, einen tiefgreifenden genetischen Unterschied zwischen einer Eis- decke, also einem Inlandeis, und dnem Gletscher anzunehmen, wie AoAssiz eine Zeit lang, beide sind Phänomene derselben Art, die sich nur durch ihre Entfaltung und Grösse unterscheiden und demnach sich in verschiedener Weise gegenüber dem Belief des Landes verhallen.

Neuere Untersuchungen haben gelehrt, dass sich im Norden Europas eine gewaltige Inlandeismasae zur Glacialzeit ausbreitete. Von Skandinavien strahlte ein Meer von Eis aus bis in das'Herz Russlands, bis in das Flusagehiet des Schwarzen Meeres, es schob sieb über die Ostsee hinweg nach Norddeutschland, es durchmaass die Nordsee, um sich nach England zu erstrecken, wo es mit dem schottischen Inlandeise verschmolz. Die Uebereinstimmung der Moränen dieser Eismaese mit denjenigen der alten alpinen Glet- cher ist geradezu überraschend. Die süddeutschen Grundmoränen tr^^n, wie bereits angedeutet, den Charakter des norddeutschen Geschiebelehmee, sie treten mit ganz ähnlichen geschichteten Ge- bilden auf wie letzterer ; die Bänderthone und Schleppe Brandenbuigs kehren in Sßdbayem wieder, und der dortige Glacialschutt gleicht dem Decksande des preussisch-pommerischen Landrückens. Bei aller Uebereinstimmung, welche in ihren Hauptzügen schon längst von

') Untersuchungen über die Oletcchei. 1841. p. 296. ■) Glimate and Time. 1875. p. 374.

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Kapitel XYI. Das aliniie Inltuidds. 189

Debob^) kouBtatirt ist, köiuit« es aber doch acheinen, ab ob ein wesentlicber Uoterschied in der Bewegung des nordeuropäischeD Inlandeises mit dem alpinen bestanden habe.

Das ganze mittlere Schweden ist mit (xletBcherschliffen äber- EäL Doch sie alle Tcrathen ein und dieselbe Bewegungsricbtung des Eises, unter welchen geographischen Umständen sie auch auf- treten mögen. Die SchrammungarichtuDg kreuzt den Mälaren, sie ist dieeelbe auf den südlich und nördlich dieses Sees sich erheben- den Hügeln, und ändert sich nicht auf dem smäländischen Plateau. Ohne Rücksicht auf da« Becken der Ostsee, auf die Tiefen der Nordsee zu nehmen, verbrdteten die skandinavischen Eismassen sich geradlinig nach Xorddeutachlaud und Groasbritannien, ja erklommen selbst die mitteldeutschen Gebirge. Das skandinavische Inlandeis wurde also in seiner Bewegung nicht von der Boden- kcHifiguration beeinflusst, während dieselbe dem alpinen Inlandeis so scharf sdnen Weg vorzeicbnete.

Doch dieser Unterschied ist nur «n Bcfaeinbarer, er verschwin- det, wenn Entsprechendes verglichen wird. Mit dem Glacial- phänomen der Alpen dürfen wir nicht dasjenige des schwedischen Hügellandes, sondern nur das der skandinavischen Gebirge ver- gleichen. Dann findet eich vollste Uebereinstinmiung. In den norwegischen Bergländem tritt dieeelbe Abhängigkeit der Eisbewe- gung von dem Kelief des Landes auf, wie in den Alpen, auch dies betonte schon Debob bei seinem Vergleich der emtischen Gebilde Skandinaviois mit denen der Alpen. Sobald wir jedoch aus jenen Gebirgen in ebeneres Terrain kommen, so finden wir, dass sieb das Eis nnabhän^g von den OberflächenArmen des Landes bewegte. Dieselben erscheinen zu unbedeutend, um den mächtigen Eiamassen einen Weg vorschreiben zu können. Ganz ebenso verhält es sich aber auch mit den Alpen. Sobald die Eis- ströme das Gebii^ verliessen, breiteten sie sich ohne Bflckaicht auf die Terrainverhältnisse aus und bewegten sich untereinander parallel. Dies lehrte vor allem das Studium der bayerischen Hoch- ebene, während in der Schweiz das Phänomen einige Komplikation

') Ph^nom^es erratiques en Skandinavie comparä k ceux des Alpes. BuU. Sog. gfol. de Fiance. n. g. t IV. 1846/47. p. 1S2.

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190 I.AbachnitL Letzte VerglelBchening ron Oberbajem n. NoidtiroL

erhält Ee besteht lediglich folgender G^ensatz zwischen dieai sksndinaTischen und alpinen Inlandeise, daee das erst^e eich wät aber ebenes Land erstreckte, während das letztere eich im wesent- lichen auf das Gebirge beschränkte. Während von den skandi- navischen Gebirgen das Eis bis an die mitteldeutschen Gebirge reichte, erstreckte sich das alpine hSchetens 70 km weit von den Bergen. Der ganze Unterschied ist ein quantitativer, welcher daiv auf beruht, dssa das Glacialphänomen im Norden eine weit be- deutendere Entwickelung erlangte als im Süden.

Gerade aber das nordeuropäische Inlandeis liefert ein Bei- spiel dafür, dasa nicht bloss die in den Bergen eingeengten Theile als nährend anfgefasat werden düifeii, wie ea A. Faybe für die alpinen Gletscher derDiluvialzeit annünrnt. Man hätte hier einen ungemein kleinen nährenden, einen riesigen abflieesenden Theil, und das läsat sich nicht miteinander vereinbaren.

Das Inlandeis der Alpen erreichte seine grösste Meereshöhe in dem Centrum, von welchem es ausstrahlte, und nach diesem Punkte hin etieg es an. Für die Schweiz haben dies in über- zengendBter Weise die Untersuchungen von Ä. Favre gelehrt A. Favb£1) zeigte, dass der Walliser Gletscher sich bis zu über 3500 m erhoben hat und eich dann allmählich im Sinne des Thaies, jedoch rascher als dasselbe saikte. Dabei ergab sich, dasa der Neigungswinkel der Eisoberfläche dn sehr geringer war, im Maximum betrug er 2,0 "/g, im Mittel unter 1 "/„. Zu einem ganz ähnlichen Ergebnisse führt die Untersuchung der oberen Qeschiebe- grenze in den nordtiroler und oberbayerischen Alpen. Erstreckten sich dieee Studien zwar nicht bis zum Centrum der Eisbewegung, so lassen sich doch em allgemeines Abfallen der Gletscher von diesem Punkte her erkenn^L An der Einmündung des Oetzthalee er- reichte der Inngletacher «D Kiveau von nahezu 2000 m. Im Bee- felder Passe hinterlJese er Spuren in 1600 m, in dem Parten- kirohenet Becken stieg mn Zweig, der Isar^etscher, bis zu 1550 m an, derselbe erreichte nahe am Ab&lle des Gebirges noch 1450 m Höhe, er überdeckte noch den Hohen Peisaenlierg mit beinahe

') Description gäologique du canton de Qen^ve. 1 1. g 134—128. 1S79 (Bull. Soc. des arts de Oengve, clssse d'ogricultuie. No. 79. 1879).

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Kapitel XVI. Da» alpine Inlandeis. 191

1000 m Meereslidhe und endete erst 70 km vom Oebirge entfernt in einer Höhe von 530 m. Er senkte sich also auf dieser Strecke um 000 m, das entapiicht unge&hr einer Ifeigung von 1 : 75. Eine weit geringere Neigung besasBen die Eisstxöme im Qebirge selbst So senkte sich der Inngletscher vom Tschirgant bis zum Achensee auf dne Entfernung von 75 km um 530 m, es ergibt sich daraus m Gefälle von 1:140, imd vom Tschirgant Hb in die Gr^end von Oberammergau, also in einer Entfernung von 60 km, senkte sich das Niveau des Eises von 2000 m auf 1450 m herab, beaaes also eine Neigung von 1:110. Aehnliches ist aus den Berichte von A. Favke, Falsan und Chantbe ') über das Niveau des Rhone- gletschera zu entnehmen. Während derselbe am Molard-de-Don unweit Belley an den Gehängen des Jura noch in 1100 m Höhe Blöcke Etraodete, endete er 60 km davon bei lijon in 200 m Meereshöhe, senkte sich also mit einer Neigung von 1:66%, während er in den Älpenthälem auf grosse Strecken fast horizon- tale Oberfläche und im Mittel ein Gefälle von unter l^/o beeaas. Es finf^et sich also, daas sich das Eis in den Älpen- thälem weit weniger rasch senkte als in dem alpinen Vorlande, und dieser G^ensatz wird noch erhöht, wenn man in BerQckaichtigung zieht^ daes sich im Gebirge die Unterlage des Eises in gleichem Sinne wie dasselbe senkte, während sie auf der Hochebene ziemlich horizontal lag und eher in enlgegengesetztem Sinne als das Eis geneigt war. Es erhellt hieraus, dass die Randpartien des Inlandeises steiler ansteigen als die centralen Partien.

Ganz ebenso, wie es eich mit dem früheren alpinen Inlandeise der Alpen verhielt, ist es heute noch in Grönland.*) Die dänische Expedition des Jahres 1878 fand h& ihrer Wanderung auf das In- landds, dass dasselbe an seinem Saume unter einem Winkel von 2" 14' (1 : 26) ansteigt, während es am äussersten enreichten Punkte, nur unter einem Wmkel von 0" 17' (1:200) anschwillt, ohne hier

') Etüde BUr les anciens gladers et sur le terrain erratique de la partie moyenne du bassin du RbOne. Anoal. d. 1. soc agric. de Lyon. V. 8. t I. 1878. p. 573—883.

') JBKBEK in Meddelelser om Grönland. Heft I. 1879. p. 116.

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192 !• Abschnitt. LeUte Vei^letechenmg von OberbaTora u. Noidtiit^

die gröest« HSIie »reicht zu habeu. Weiter landeinwärts steigt das Inlandeis noch höher an. In dw That berichten auch alle froheren Bdaenden, \rie aus den schätzenswerthen Zusammenatel- lungen von James Groll') deutlich hervoi^ht, dass das grönlän- dische Inlandeis landeinwärts überall ansteigt, und wirklich muss eine jede über eine grosse Fläche gebreitete Inlanddemaase in ihrem Centnun die hfichste Erhebung haben, wenn sie sich in radiärer Richtung bewegen soll. Es ist daher auch anzunehmen, dass das grosae nordeutopäische Inlaadüs in seiner Mitte die grösste Erhebung ühfn den Meereaspi^el erreichte. Nur unter dieser Voraussetzung ist es m^lich, dass es einst an dem mittel- deutschen Gebirge in die Hshe stieg. Wie starb frdlich die Nei- gung seiner Oberfläche gewesen ist, das lässt eich durch direkte Beobachtung nicht entnehmen, und es verbietet dch von selbst, die Resultate, zu welchen das Studium der Oberflächenneigung alpiner Gletscher fahrt, auf das nordische Inlandeis zu über- tragen.

Senkte sich z. B. die Oberfläche desselben in dem Maasse, wie die des Isargletschers auf der bayerischen Hochebene, so müsste sein Centrum, das in den skandinavischen Hochlanden zu suchen ist, ungefähr 15000 m hoch gelten haben. Es ergibt sich dieses aus den folgenden Angaben:

In Mitteldeutschland stieg das skandinavische Inlandeis bis 500 m über den Meeresspiegel an (Rieeengehii^); von diesem Punkt« aus muss es nach dem Centrum der Eisverbrdtung konti- nuirlich angesti^en sdn. Dieses Gentrum liegt mindestenB zehn Breitengrade nördlich vom Rieeengebirge; also 1100 km von dem- selben entfernt. Auf diese Entfemimg senkte sich die Oberfläche des Eises im Verhältniss 1 : 75, auf den km nämlich 13 m, im Ganzen also um 1100 X 13 = 1**30 m. Dazu die Höhe, bis zu welcher es anstieg =i500 m, das gibt als Höhe fOx das Centrum ca. 15000 m. Zu ränem noch grösseren Resultate gelangt man, wenn man von dem Ndgungswinkel ausgeht, welchen die Dänai auf grosse Strecken am grönländischen Inlanddse beobachteten.

*) On the thickness of the antaictic Ice. Quart. Joura. of Science.

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Kapit«! XVL Dm alpine Inlandeis. 193

Dasselbe senkt sich auf eine Strecke von 35 km unter 49', also auf den km um 14,5 m. Unter dieser Vorauesetzung würde das Centnim der Vergletacberung 16600 m hoch gelegen haben. Aber selbst wenn man eine Messung benutzt, welche durch Beobachtungen über den Abfall des Dordischen Inlandeises ge> Wonnen wurde, kommt man zu einem ähnlichen, erstaunlichen Resultate. Jaileb Oeikie's^) ergebnissreiche Studien über die Vergletscherung der äusseren Hebriden zeigen, dass sich das schottische Inlandeis von dem Hauptlande bis zu jenen Inseln im Verhältnisse 1:211 gesenkt hat Unter Voraussetzung dasB die Neigung des grossen nordischen Inlaadeisee durchweg dieselbe wie die des schottischen gewesen was natürlich nur eine Voraus- setzung, nicht dnmal eine Vermuthung ist würde der höchste Punkt des nordischen Eises in

SOO + Ü-^ = 500 -|- 5734^-- ca. 6200m

Meereshdhe, also noch 4000 m über den Gipfeln der skandinavi- achen Bei^ gelegen haben.

Nach den Beobachtungen von CooK^, welche Cboll am angeführten Orte mitgetheilt hat, senkte sich die Oberfläche des nordamerikanischen Inlandeises um 34 engl. Fuss auf die eng- lische Meile, also um 6 m auf den km, ein Ergebniss, welches mit dem von James Geikie gewonnenen fast völlig übereinstimmt. Bei Anwendung desselben auf das nordeuropäische Inlandeis würde dessen höchster Punkt in einer Höhe liegen

500 + 1100. 6 = 7100m Nun rühren allerdings jene Beobachtungen von Geikie und Cook vom Rande des Inlandeises her, wo dasselbe eine steilere Neigung besessen hat, als in centralen Partien, aber selbst, wenn man mit Croll die mittlere Neigung des nordischen Inlandeises auf 12 bis 13 engl. Fuss auf die englische Meile, d. i. auf 2,3 bis 2,6 m auf den km schätzt, also ein Gefalle annimmt, welches weit geringer

') On the gladal Phenomena of the long Islands or outer Hebrides. lind part. Quart. Joura. geol. Soc. 1878. p. SGI. ') Ann. Eep. Geolog. Surrey of New-Jersey. 1878.

Penck. We VerglMscbanuiK. IS

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194 I.Abschnitt Lefcrt« Vergletechening ron Oberbayem u. Nordtiroi.

ist als das der alteD alpinen Eisetrfime und aU die beobachtete Neigung der heutigen Inlandeismaaseo, so erhält man fär das Cen- trum der nordeuFopäiechen Vergletsohenmg eine Meereehöhe von

500 -|- 1 100 . 2.5 = 3250 ra.

Ueber der Ostsee mfisste unt^ dieser Mimmal- Ann ahme das Eis immerhin schon bis auf 1875 m angeetiegen sein, und seine Mäohtigkät mÜBste, da die Tiefe der Oatsee an den betreffenden Stellen, es ist ungefähr die G«^;end der Insel von Boroholm ge- meint, 125 m überoteigt, über 2000 m betragen haben.

Die Betrachtung des grönländischen Inlandeises lehrt, daas ein Inlandeis nach sdnem Centrum zu ansteigt; die Verfolgung von Glacialerscheinungen macht solches für gewisse Theile der grossen Inlandeismaesen des Kordeos, sowie i^ die Alpen sicher, und in seiner mehr&ch erwähnten anregenden Schrift über die Dicke des antarktischen Eises weist Choll nach, dass es so sein muss. Nehmen wir an, dass Norddeutschland von dem skandi- navischen Inlandeise bis zum 51. und 50. Breitengrade bedeckt gewesen ist, so müssen vir dem ausdnandergesetzten Verhältnisse völlig Rechnung tragen und dürfen keine Ausnahmegesetze an- nehmen. Gehen wir von den thatsächlichen Beobachtungen über die Neigung des heutigen grönländischen der früheren alpinen In- landeismassen aus, so erhalten wir für die Höbe des Mittelpunktes der Veigletschening des Nordens eine erstaunliche kaum begreif- liche Zahl. Gdien wir von Messungen aus, welche über das Qe- fälle des nordischen Inlandeises an dessen Spuren haben gemacht werden können, so ei^bt sich zwar eine weit weniger hohe, aber doch noch geradezu unfassbare Zahl für dessen höchsten Punkt Rechnen wir endlich, dem Beispiele Croll's folgend, mit einer Minimalzahl iur den Abfall des Eises, welche uugldch geringer ist, als die entsprechende des grönländischen Inlandeises, der nordischen Eismasse selbst oder gar der alpinen Gletscher, so erhalten wir für das Centnun der nordischen Vergletscherung ^e Höhe, welche die der höchsten Bei^ Skandinaviens noch unter sich läsBt, und für die Mächtigkdt des Eises in der Ostsee zwischen Deutschland und Schweden ergibt sich die Siunme von 2000 m.

Obwol ich weiss, daas alle diese Rechnungeresultate rdn

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Eapitd XVI. Das alpine InUndÖB. 195

hypothetischer Natur nad, indem diejenigen, welche auf Beob- achtungen benihen, einseitig gevonnenes Material verallgemdnem, und Toraiusetxeu, dass die mittlere Keigung des Inlanddses der beobachteten partiellen entspricht^ und indem die Rechnung, welche Ton einer mittleren Neigung dee Inlandeises ausgeht, tüi dieselbe «ine rohe Schätzung zu Grunde 1^, so habe ich sie doch hier ausgeführt, um zu zeigen, daes die Mächtigkeit der Eisbe- deckung in Norddeutechland unter allen Umständen «ine höchst beträchtliche gewesen sein muss. Sicher war sie nicht geringer als die der alpinen Gletscher, und die An- nahme, dass die Mark Brandenburg und der pommersche Land- rücken während des Maximums der Vergletscherung unter einer 1000 m mächtigen Eisdecke b^rabcoi lagen, kann nach obigen Bedmungen idcht nur nicht als extravagant gelten, sondern muss eher als zu niedrig als zu hoch ge^;riffen erscheinen. Nimmt man nun an, dass das nco^deutsche Eis dnmal zum 8<^wimmen kam, wie Bebeitdt') annimmt, so muss man eine Senkung von min- destens 900 ra nachwdsen können, denn Yio einer Eiamasee tauchen unter Wasser, wenn dieselbe schwimmt Eine derartige Senkung müsste zahlreiche Spuren hinterlassen haben, solche aber fehlen. Ob sich dann ferner die Annahme, dass die Eisbedeckung eine lückenhaAe gewesen, dass mitten im Inlandeise eisfreie Inseln existirten, wie Jentzsch annimmt^), mit der erstaunlichen Mächtig- kmt des Eises verträgt, vermag ich nicht zu entscheiden, da ich mir dergleichen eis&eie Inseln überhaupt nicht vorstellen kann.

Es gehört zu den charakteristischen Eigeuthümüchkeiten des grönländischen Inlandeises, dass es fast keine Oberflächenmoränen besitzt, und dass die spärlichen Spuren solcher Bildungen meist auf Grundmoräuen zurückzufilhren sind, wie durch die dänische Expedition erwiesen wurde. ^ Dasselbe gilt, wie ich schon früher hervorhob, von dem Folgefond und Justedalsbrä in Norwegen

') Gletscher- oder Drifttheorie in Norddeutschland. Zeitachr. der Deutsch, geolog. GeMllBch. XXXl. 1879. p. 1.

*) Jentzsch: Ueber die geschichteten Eüüagerungen des Diluviums und deren OTganiecbe EinschlOase. Zeitscbr. d. Deutsch, geolog. Oeaell- schaft. XXXII. 1880. p. 666.

■) Meddelser om Orenland. Heft I. 18T9. p. 139.

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106 LAbschnitt. Letzte Vergletschemng von Oberbayeru u. Nordtirol.

und der Mehrzahl ihrer Gletscher. ') Auch das euorme Inlandeis, welches Nordeiaropa bedeckte, hat keine Reste von Seiten- oder Mittelmoränen hinterlasseti, und eckiges Material, welches auf dem Rücken der Gletscher verfrachtet worden ist, spielt im norddeutschen Diluvium keine besondere Rolle. Die diluviales EisstrÖme der Alpen besaseen gleichfalls keine beträchtlichen Oberflächenmoränen, im Gegensätze zu den jetzigen Gletscbera des Gebirges. Es gelang in 14'ordtirol und Oberbayem nirgends typische Seitenmoräneo aufzufinden, es wurden nur einzelne Findlinge konstatirt, welche von Oberfiächenscbutt herrühren. Nicht anders liegen die Dinge in der Bchwelz und den Yogesen. *) AoASsrz') hat auf diesen Punkt zuerst aufinerksam gemacht und seine „Eisdecken" im Norden und den Alpen ebenso durch den Mangel an Oberflächenmoränen charakterisirt, wie wir das Inland- eis. Der Grund hierfür ist leicht einzusehen. Oberflächenmoränen können nur da entstehen, wo das Gletscherbett von enormen Felswänden begrenzt lEt, wie es bei den heutigen Gletschern der Alpen gewöhnlich der Fall ist Zur Glacialzeit errdchte nun die Vergletecherung eine erstaunliche Mächtigkeit, und in dem Maasse, wie sie anechwol), verringerte sich die Möglichkeit, dass Gesteins- schutt auf sie herabfiel. Bedenken wir nur, dass aus dem Eismeer der nordtiroler Alpen bloss ganz vereinzelte unzusammenhängende Gipfel und Felsrücken aufragten, dass der bei weitem grösste Theil der Oberfiäche des Landes vereist war. Unter solchen Umständen erscheint es ganz natürlich, dass Reste von Ober- flächenmoränen in unsenn Gebiete nicht angetroflen werden, und dass nur vereinzelte erradsche Blöcke den Oberfiächenscbutt des Eises repräsentiren.

Geschah also während des Maximums der Vei^letscherung nur ein sehr geringer Gesteinstran sport auf dem Eise, so wurde umsomehr Material unter demselben verfrachtet. Aqassiz stellte

') Die Gletscher Norwegens. Mittheilungen des Vereins fQr Erd- kunde. Leipzig 1879.

*) E. COLLOMB, Sur les d^pöta erratiques des Vosges. Bull. Soc. g^ol. de France. IL S. t IV. 1846;-17. p. 21G.

') The Glacinl Theory and its recent Progresa. The Edinb. new philos. Journal. Vol. XXXIII. 1842.

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Kapitel XVI. Das alpine. Inlandeis. 197

diese Ansicht zuerst auf, als er die Glacialphänomene Schott- lajids studirte und in dem „Till" jene Oesteinsschicbt erkannt«, welche unter dem Eise vorwärts gepreast worden ist, und alle Autoren, welche nach ihm die Gletschererscheinungen If^ord- europas oder der Alpen studirt haben, sind zu derselben Anschau- ung gelangt Allerdings, wie jene unter dem Eise transportirte Oesteinsschicht entstanden, ist noch nicht endgültig aufgeklärt. AoAseiz >) leitet deren Material aus der Oberflächenmoräne, vor- nehmlich der Bandmoräne her, und hebt ausdrücklich her\'or, dass man sich nicht zu denken habe, dasselbe sei durch Zertrümmerung der Felsen unter dem Gletscher entstanden , wohingegen E. CoL- LOMB^ behauptete, die Gnindmoränen entstehen dadurch, „dass der Gletscher selbst, durch seine unwiderstehliche Stosskraft von «einem Bette Stücke losreisst". Charles Mahtins und A. Favre folgen der Ansicht von Aqassiz; nordische Geologen hingegen stimmen £. Collohb bei, und auch wir sind zu demselben Er- gebnisse durch das Studium der Grundmoränen Südbayems gelangt Folgende Tbatsachen fuhren uns zur Anschauung Collomb's. Wir bemerkten, wie das Material des unmittelbaren Unter- grundes sich an dem Aufbau der Gnindmoräne betheiligt, me dieselbe dementsprechend ihr Aussehen mit ihrer Unterlage ändert. Wir sahen direkt, wie das Gestein des Untergrundes unter der Grundmoräne häufig aufgearbeitet ist und sich in dieselbe verwebt, wie sie auf kiesigem Boden Gerolle aufnimmt, auf.thonigem fett und thonig wird. Es finden sich ferner Gesteine in der Moräne, welche nie über denGletscher aufgeragt haben, sondern stets unter demselben begraben waren. Dies gilt von der Molasse Oberbayems, von den Geschieben der noch zu besprechenden diluvialen Nagelfluh, deren Vorkommen schon ZnTEL^) als merkwürdig hervorhebt, vor allem aber von den Urgebirgsgeröllen der Grundmoräne, welche zweifellos dem unteren Glacialschotter entnommen sind.

') Systeme glad^re. Paris 1847. p. 110. 119.

T Sur les döpOts erratiques de Vosges. Bull. Soc. g^l. de France,

ir. S. t IV. 1840 47. p. 216.

") A. a. 0. GletscherersL-heinungen. p. 263.

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198 LAbechnitt Letete Vergletschening von Oberbayem u. Norftirol,

Zeigt Hich so mannigfach, dasa die Grundmoräne auB dem Materiale ihres Liegenden zusammengeaetKt wird, also aus den TrQmmem besteht, welche die Gletscher unabläesig von ihrem Bodes loalQseQ, BO ist andereiseitB klar, dasa sie nicht in der von Agabsiz imd Chableb Maktims angenommenen Weise aus dem Materiale der Oberflächenmonuie entstand, welches gel^entlich unter den Gletscher kam. Das Inlandeis Oberba^rems I>e8asB eben keine Oberöächenmoränen, zudem war die Mächtigkeit des Eises eine so beträchtliche, dass Schutt kaum von der Oberääche des Gletschers auf dessen Boden gelai^n konnte, selbst wenn er m die Spalten zwischw dem Eise und der Thalwandung fiel. Allerdings &nden wir, dass bei der Ausbreitung der Gletscher das Material der Endmoräne unter das Eis gerieth und in die Grund- moräne verwebt worden ist Unzweifelhaft ist auf diesem Wege mancher Gesteinsblock, der ursprünglich dem Gletscher au&ubte, unter doiselben gelangt Allein ihrer Hauptmasse nach bestehen die Endmoränen der diluvialen Vergletscherung aus dem Materiale der Grundmoränen, und gerietii die Endmoräne bei der Ausdehnung der Gletscher unter dieselben, so war dies nichts anderes als Rückkehr an die ursprüngliche Lagerstätte des Materiales.

Au^liehend von einigen häufig untersuchten Gletschern der Alpen hat man die Bedeutung der OberfiäebenmoräDen vieliach überschätzt Keineswegs jedem Gletscher sind Rand- und Mittel- moränen eigenthümlich, dies ist nur der Ausdruck bestimmter und meist seltener orographiBcber Yerhältuisse; es sei hier nur an das Mer de glace und den Rhonegletscher erinnert, um zwei alpine Gletscher zu nennen, welche fast gar keinen Oberfiächenschutt tragen, es sei femer nochmals darauf hingewiesen, dass den von dem Inlandeise in Skandinavien und Grönland kommenden Glet- schern meist alle Andeutungen von Oberäächenmoränen mangeln. Allen Gletschern aber sind Grundmoränen eigenthümlich, und die Trübung der Gletscherbäche zeugt davon, dass alle Eisströme, mögen sie nun mit Oberfiächenschutt bedeckt sein oder nicht, wie meistens der Fall, in ener^scher Weise an der Abnutzung ihres Bettes arbeiten. Alle diese Thatsachen führen uns zu der Ansicht Collomb's zurück, dass die Grundmoräne durch Abnutzung des Gletscherbettes enutand, sie sind das Schlei^ulver, welches bei

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Kapitel XVI. Dae alpine InlandeiB. 199

der unaufhdrlichea Gletacherbevegung gebildet wurde. Der QletBcher erodirte also seine Unterlage. DieExiateaz der GnmdmoT&iien wird uns zum zwingenden Beweise fBr die vielfach angefochtene Gletschereroeion.

'W'enn man freilich an vielen Stellen unter den Grundmorän«! völlig UDveraehrte lose Materialien, als da sind Lager von Kies, Band und Bänderthongebilden, sieht, so möchte man leicht geneigt sein, die Gletschererosion stark in Frage zu ziehen, wie es in der That auch häufig geschieht Allein Jähes Geikie^) hat mehr- fach gezagt, dass ein solcher Schluas nicht sdchhaltig ist; denn em Gletscher erodirt nicht überall, sondern wirkt wie ein Fluss, hier erodirend, dort anhäufend, und wo er anhäuft, wird er losee Material unversehrt erhalten.

Die Verfolgung der Grundmoränen unawes Gebietes gewährt me BchSne Bestätigung der GElKiE'schen Argumentation. Wir sahen auf der einen Seite , wie durch den Gletscher Material an- gehäuft wurde, während er auf der andern erodiren musste. Im Gebirge fanden wir nur lokal Spuren der anhäufenden Thätigkeit des Eises, und es Hess sich erweisen, dass dieselben dort auftreten, wo die Gletscherbewegung langsam war oder verlangsamt wurde. Auf der Hochebene hingegen wurde zwar im allgemeinen Material angehäuft, in bedeutenderer Mächtigkeit jedoch nur an den Glet- Bchei^prenzen, während mehr nach dem Gebirge zu die centralen Depressionen als Bezirke der Erosion auftreten. Die Hochebene erscheint im Grossen und Ganzen ala das Ablagarungsgebiet des alpinen Inlanddsea, das Gebirge dagegen ala dessen Erosions- gebiet Ganz ähnlich verhält es sich mit dem nordeuropäischen Inlandeise. In Bussland und Norddeutschland wurden die Trümmer skandinavischer Gesteine in enormer Mächtigkeit abgelt^rt, und die skandinavische Halbinsel tritt uns als Erosionsgebiet entgegen. Wir entnehmen hieraus, dass ein Inlandeis in seinen peri- pherischen Theilen anhäufend wirkte, nährend es in seinen centralen Partien erodirte.

Indem er die Menge des an den peripherischen Theilen des nordeuropäischen Inlandeises ang^iäuften Schuttes berechnete,

') pTeservatümofdepositounder„Tlll". Geolog. Uagaz. 1878. No.2.

200 L Abschnitt. Letzte Vei|;letscherung von OberbByem u. Nordtirol.

sachte Hellamd*) deo Betr^ zu ermitteln, um welchen Skandi- navien durch Glacialwirkungen erniedrigt worden ist Kontrolirt man seine Rechnungen, so erkennt man, dass die Grundlagen der- selben eher zu niedrig als zu hoch gegrifien sind, und dennoch stellt sich heraus, dass das Niveau Skandinaviens durch die Thätig- keit des Inlandeises um 255 Fuss, also um ungefähr 80 m er- niedrigt worden ist

Man kann geneigt sein, das HELLAKu'sche Verfahren auch für die Alpen anzuwenden. Allein man stösst dabei auf einige tichvi-ierigkeiten. Während nämlich in den Ablageningsgehieten des skandinavischen Inlandeises die Produkte der Glacialerosion koncentrirt erscheinen, erstrecken sich dieselben in den Alpen weit über das eigentliche Moränengebiet hinaus. Die enormen Massen glacialer Schotter, welche Ihr Material der Gnmdmoräuc entnahmen, lassen sich in Oberbayem bis zur Donau verfolgen, und die lehmigen und thonigen Substanzen, welche bei Abrollung des Schotter- materiales entstanden, entziehen sich gänzlich der Betrachtung und Rechnung. Aber selbst wenn man ausschliesslich die unverletzten Moränen berücksichtigt, erhält man schon eine beträchtiiche Grösse der Gletschererosion.

In dem Isargletscher lernten wir einen Zweig des Inuglet- schers kennen, welcher in den nordtiroler Alpen eine eigene Ent- wicklung nahm und sich als selbstständiger Eisstrom über die Hochebene verbreiteta Derselbe hinterliess hier ungemein mäch- tige Moränen, in welchen Gesteine des Inngletschers zwar auf- treten, aber nur einen zurücktretenden Gemengtheil ausmachen. Wenn wir ihre Betheiligung zu S^/o veranschlagen, so überschätzen wir dieselben reichlich. Der Isai^letscher verbreitete sicli über ein Areal von 4600 qkm, auf einer Fläche von wenigstens 1800 qkrei häufte er Moränen an, wobei jedoch die Moränen im Erosionsgebiete vernachlässigt sind, um die Betheiligung der InngeröUe an ihrem Aufbau zu kompensiren. Die mittlere Mächtigkeit der Gnind- und Endmoränen auf der Hochebene

') lieber die glacialen Bildungen der uordeuropäischen Ebene. Zeit- Bchrift d. Deutach. geolog. Gesellsch. XXXI. 187(i. p. 63,

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Kapitel XVI. Das alpine Inlandes. 201

glaube ich auf 20 m mindestens veranBchlagen zu könneu. Ihre

Masse betrag;! aUo

1800 X 0,02 cbkm = 36 cbkm.

Diese Masse ist von einem Gebiete von 2800 qkm erodlrt worden,

auf dieselben wieder vertheilt, würden sie deren Niveau um 1800 X 0,02 „„ , ' ^SO(r~ " ^ 0,01285 km -= ca. 13 m

erhöhen. Diese rohe Rechnung, bei welcher wir nur das Sloränen- material, nicht die bei weitem ebensogroase Masse des Glacial- schott«rs in Betracht gezogen haben, lehrt, dass der Isargletacher in seinem Erosionsgebiete das Land um 13 m erniedrigte. Ge- nauere Resultate werden erst möglich sein, wenn die einzelnen Moränenablagerungen genau kartirt sind und zahlreiche Angaben über ihre Mächtigkeit vorliegen.

Der Umstand , dass Gletscher ihren Untergrund abnutzen, wird zwar vielfach zugestanden, meist jedoch mit dem Bemerken, dass diese Gletschererofion weit unbedeutender sei, als die durch fliessendes Wasser bewirkte. Allein man vei^leiche nur die Grösse der Gletachererosion mit der durch fliessendes Wasser ausgeübten! HeijiI) hat ermittelt, dass im Thalsysteme der Reuss oberhalb des Umersees, also in einem Gebiete, wo sich die erodirenden Wirkungen des Wassers reichlichst entfalten können, in 4125 Jahren das Niveau des Landes um 1 m erniedrigt wurde. Wür- den die Gletscher in ähnlichem Maasse erodii-en wie das Was- ser in einem der steilsten Theile der Alpen, so brauchten sie 4152 X 80 = 332 000 Jahre, um den Boden Skandinariens um 80m zu erniedrigen, sie hätten 4125 X 13 ^ 53625 Jahre wirken müssen, um das Niveau der uord tiroler Alpen nm 13 m zu verringern. Hätten «ir nun gar noch die mächtigen Glacial- schotter in Betracht gezogen, so würden wir ermittelt haben, dass während der letzten Vergletsclierung das Land im Erosions- bereiche des laargletschers um 20 m abgetragen ist, woran das rinnende Wasser über 100 000 Jahre hätte arbeiten müssen.

') Jlechanismus der Gebirgsbildung. Bd. I. p. 334, A'ergl. auch: lieber die Erosion im Gebiete der Beiiss. Jahrb. d. Schweiz. Alpen- club. Bd. XIV. 1879. p. 371.

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202 I- Abschnitt. Letzt« Vei^letecherong von Oberba;«» u. Nordtirol.

Aber auch die heutigen Gletscher lassen deutlicliBt erkennen, daeB sie erodiren. Mau bedenke nur, daes die Trübung der Glet- acherbäche hervorgerufen wird durch den feinen Schlamm, welchen die Gletscher durch Abnutzung ihres Untergrundes erzeugen. Dollfus-Ausset') fand in 16 Litern Wasser des Gletacherbaches am Unter-Aarglet«cher 2,27G gr Schlamm, also pro Liter 0,132 gr und pro Kubikmeter 132 gr. Er beobachtete femer, dass im Sommer dem genannten Gletscher täglich 1,000,000 cbm Wasser entströmen. Es sei angenommen, dass in einem Jahre die täg- liche Waasermenge nur die Hälfte dieser beobachteten Summen also nur 500000 cbm betrage, da sie im Winter bekanntlich ge- ringer ist als im Sommer. Diese 500000 cbm entfuhren täglich 500000 X 132 gr = 66000 kg Schlamm. Diese 66000 kg repräsentiren , das spezifische Gewicht zu 2,5 angenommen ein

Volumen von -— = 26400 cbdm = 26,4= cbm.

Die Fläche, welche der Unto^-Aai^letacher nebst sdoen Zwd- gen bedeckt, beträgt 15 qkm. Es werden von diesen 15 qkm also täglich 26,4 cbm abgehobelt, von 1 qkm also täglich 1,75 cbm, und jährlich 1,75 X 365 = 638,75 cbm, d. h. dOT Boden

wird um 'innti' ^ ^^ 0,000638 m, also um ungefähr 0,6 mm

jährlich erniedrigt In 1666 Jahren würde demnach eine 1 m starke Schicht entfernt werden, während das Wasser im Gebirge 4125 Jahre braucht, um eine gleich dicke Lage zu erodiren. Dabei ist nun ausschliesslich nur der Gletscherschlamm in Betracht gezogen, welcher sich im Wasser suspendirt findet, und das Gerolle, welches mit dem Gletscherbache entfuhrt wird, gänz- lich ignorirt und doch findet sich, dass der Gletscher 2'/, mal schneller als das rinnende Wasser erodirt

Die angeführten Beobachtungen von Dollfus-Adsset sind nun schon 40 Jahre alt. Seitdem bat man mancherlei Messungen über die Schlammfühmng der Gletschers trßme angestellt, und die gröBste Schlammmenge, welche wol je in rinnendem Wasser be-

*) Matäiaux poor l'^tude des gladeni. Tome I<v. Itee Partie. Paris

1864. p. 276.

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Kapitel XVI. Dm alpine Inlandds. 203

obachtet wurd^ wurde im Strome des Isortok-GIetschers in Grön- land watu^nommen. Im Cubikmeter Wasser fanden eich hier über 0 kg scblammige Beetandtbeile. ') Nie aber ist wiederholt worden, neben der BchlammfQhrung der Gletscherwaaeer auch deren Menge zu beobachten, wodurch doch so leicht der viel- besprochaien Fr^e der Gletacbererosion wichtiges Material zu- gefOhrt worden wäre. Kaum hat man überhaupt der durch Dollfub- AuBBET aufgefundenen Thatsachen gedacht; nur Daubb£e kam in Anbetracht derselben schon 1856 zu der hochwichtigen Fol- gerung, doss „die Vatieiung der Thäler durch die Gletscher w^t beträchtlicher erscheint als diejenige, welche die m^ten Wasserläufe bei glüch grosser Oberfl&che des Einzugsgebietes eraeugen." *)

Die Grösse der Glacialerosion läset sich also ziffermässig er- weisen. —

UnregelmäsBig, wie die anhäufende Th&tJgkeit des lalandeiaes in Südbayem war, waren auch dessen erodirende Wirkungen. Die- selben äusserten sich nicht überall in gleicher Intensität Der Unter- grund muBSte stellenweise mehr, stellenweise weniger abgenutzt wer- den, ebenso wie dies durch einen rasch strömenden Fluse geschieht Während aber die erosive Kraft des rinnenden Wassers vor allem davon abhängig ist, dtvss es den Schutt nur bergab bewegen kann, und somit sein Bett nur derurt einreisst, daes dasselbe ein konti- nuirlicfaes Gefall besitzt, gewinnt die Gletschererosion ein anderes AuBseheo dadurch, dtvss das Eis an seiner Sohle Gegteins- material auch bergan schaffen kann. Die nordtiroler Alpen liefern eine Menge Beispiele hierfür. Mussten doch alle Urgebirgs- geschiebe, welche sich in den nördlichen Kalkalpen finden, das Innthal durchqueren und dessen Nordgehänge erklimmen. Wirkte also das Eis lokal in erhöhtem Maasse erodirend, so war es im Stande, Becken auszuhöhlen. Es wird die Aufgabe eines späteren Abschnittes sein, die centralen Depressionen des Moränengebietes

') Meddelser om Grönland. Heft 2. 1861. p. 145.

*} Daubree: Recherchea ezp^rimentales but le striage des roches, )a formation des sables et les däcompositiona chimiques par les sgents mtorniques. Bull. ßoc. gfelog. 11,8. tXV. 1856/58. p. 250— 267. 261.

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204 I- Abschnitt. Letzte Vei^etscherung von OberbaTcm u. Nordtirol.

TOD Oberbayem mit ihren Seen und Becken, welche bereits durch ihre Beziehungoi zum unteren und oberen GladaWhotter unsere Aufinerksamkeit, weon auch nur flüchtig erraten, ausführlich in Rücksicht auf die Glacialerosion zu betrachten.

Indem unter der unabläaeig strömenden Eismasse fortwährend Orundmoränen bewegt wurden, mussten sich dieselben am unteren Oletscherende unaufhörlich ansammeln. Es sind zwei Möglich- keiten über den Verbleib dieser IVIuräneDausammlung denkbar. Entweder stauten sie sich an, oder sie wurden eine Beute der Schmelzwasser und wurden durch dieselben weiter transportirt. Im ersteren Falle bildeten sie einen Endmoränenwall, welcher nur beim Rückzuge der Vergletscherung erbalten bleibt, während er beim Vorwärtsschreiten derselben wieder unter das Eis geräth. Im letzteren Falle traten die Onindmoränen mit geschichteten Ab- lagerungen auf mannigfache Weise in Verbindung. Beide Fälle wurden in Südbayem beobachtet

Sämmtliche Endmoräneo der Vergletscherung bestehen aus dem Materiale der Gnmdmoräne und weichen daher in ihrer Zu- sammensetzung ab von den Endmoränen neler heutigen Gleti^cher. Da alle diese Endmoränen von den rückziehenden Eismasseu her- rühren, so bekunden sie Pausen in deren Rückgang. Der Rück- zug der Gletscher geschah also nicht kontin uirlich, er wurde durch Zeiten des Stillstandes unterbrochen.

Die prächtigen Profile von Wasserburg am Inn führten uns den anderen Fall vor Augen. Hier zeigt sich eiu intimer Konnex zwischen Grundmoränen und Schottern und ähnlichen geschichteten Gebil- den. Deutlich ist zu verfolgen, wie diese letzteren aus der Moräne entstehen, und gleichsam deren Schlemmprodukte sind. Wirkungen des Eises und des Siessenden Wassers greifen hier eng ineinander und müssen gleichzeitig geschehen sein. Neben den Moränen treten geschichtete Ablagerungen als Produkte der Vergletscherung auf. Diese geschichteten Ablagerungen ^'nl^den in allen Phasen der Vergletscherung gebildet Sie begleiteten das Vorwärtsschreiten und den Rückgang des Eises, und in den Schottermassen im Lie- genden und Hangenden der Moräne erkannten wir Erzeugnisse der Glacialzeit, obwol dieselben vor oder nach der Vergletscherung ihrer Lagerstätte gebildet sein müssen, daher in Hinsicht auf ihre

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Kapitel XVI. Das alpine lulandeia. 205

Lagerstätte ala prä- oder postglacial gelten kÖDueD. Besoudere die unteren GlacialGchotter treten in ganz erstaunliclier Mächtigkdt auf. Sie verleihen der Glacialformalion ein ganz andereB Aussehen, als ihr hisher häufig zugeschrieben wurde. Die Glacialfor- mation baut sieh zum grösserenTheile aus geschichteten Ablagerungen auf, und sind die Moränen auf das eigentliche Gebiet der VergletAchening beschränlct, so lassen sich die Glacial- schotter veit über dasselbe hinaus als Terrassen an den Gletscher- Strömen verfolgen. Sie bieten einen Weg, die ausserhalb des Moränengebietes auftretenden Diluvialgebilde mit der Glacialfor- raation in Beziehung zu setzen.

Geschahen nun auch die Schotteranhäuiung und die Ablage- rung der Moränen gleichzeitig, so ist doch sehr scharf zwischen beiden zu trennen, denn auf der einen Seite hat man es mit in Wasser abgesetzten Gebilden zu thun, auf der andern mit durch Eis bewirkten Ablagerungen. Grundmoräne und Schotter müssen streng auseinander gehalten werden, wenn sie auch gldchzeitig und die einen aus der andern entstanden. Noch kürzlich hat sich Charles Martims^) in diesem Sinne ausgesprochen. Ich kann daher Herm. Crednek^ nicht beipflichten, wenn er neuerdings als Gruudmoräne die Summe von Gesteinsbildungen bezeichnet „deren Absatz unter dem Gletschereise, also auf dem Boden der Eisdecke ungefähr gleichzeitig stattfand, und zwar entweder direkt als Erzeugniss der Gletscherbewegung (Gesciiiebelehm und Kros- steinsgrus), oder mit Hülfe der Gletscherwasser und subglacialen Ströme (Kiese, Sande, Schotter, Bänderthon)". Diese Fassung des Begrifies Grundmoräne steht nicht nur im Gegensatz zu den An- sichten des Autors des Ausdruckes Grundmoräne, sondern kann auch leicht zu miss verständlicher Auflösung Veranlassung geben-

Es erseheint vielleicht auf den ersten Blick wunderbar, dass, wie Martins und Gabtaldi^) zuerst in Oberitalien erkannten.

') Recfaerches räcent«s eur les glaciers actuels et la pöriode glaciaire. Eevue de deux mondes. 1875. 15 avril,

") Ueber Schichtenstorungen im TJntergnmde des Geschiebelehmes. Zeitschr. d. Deutsch- geolog. GesellBch. 1880. XSXII. p. 93.

") Sur les terruns superfidela de la vallfe du Pfl. Bull. Soc g6)l. de France. IL 8. t. VII. 1849/50. p. 554-003.

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206 I. AbBchnitt Letrte Ve^letscherung von Oberbayera u. Nordtirol.

beim Herannahen der Vergletscherung weit bedeutendere Bchotter- massen abgelagert wurden als bei deren Büdtzug. Es stellte sich jedoch heraus, dass dies eine ganz naturgemisse Erscheinung ist. Beim Vorwärtsschreiten der Vergletscherung trat weit weniger Wasser in Thätigkeit als bei deren Bückgang, im ersteren Falle wurde Material angehäuft, im letzteren weit fort transportirt. Dazu kam noch der Umstand, dass beim Ausbreiten der Eismassen die Erhaltung von Endmoränen unmöglich war, und dass alles Mate- rial, was unter dem Oletscher nach dessem Ende geschafil wurde, den Gletscherbächen anheim fiel, während beim Rückzug dieses Material zu Endmoränen aufgestaut und den Gletacherwässem ent- zogen wurde. Unter solchen Verhältnissen genossen die Gletscher- wasser bei der Entwickelung der Gletscher reichlichere Geschiebe- zuiuhi als beim Abschmelzen derselben, und es mussten sich aus doppeltem Grunde beim Herannahen der Vergletschenmg Schotter anhäufen, während der Bückzug derselben durch die Aufthürmung . von Endmoränen ausgezeichnet ist

Das Inlandeis, welches zur Diluvialzeit unser Gebiet bedeckte und bis auf wenig Gipfelzüge gänzlich verhüllte, brachte keinen Stillstand in die auf der Erdoberfläche wirkenden zerstörenden und aufbauenden Processe, sondern dieselben entfalten sich unter und an ihm in besonderer Grossartigkeit Die scheinh&r unbewegliche Eismasse war in fortwährender Strömung, und unablässig ver- änderte sie die Niveauverhältniese, hier erodirend, dort anhäufend. Die als Eis in starre Form gebundenen Wassermassen treten am Ende der Gletscher in den flüssigen Zustand, und das Gletscher- ende wird nun der Ausgangspunkt der Wirkungen des fliessenden Wassers. Das Gletscherende aber ist nicht stabil, fortwährend verl^ eich der Anfang der Wasserthädgkdt, und dieselbe ent- faltet verschiedene Intensität je nach der Menge des frei werden- den Wassers. Der Baum der eigentlichen Gletacherwirkung ist eng begrenzt, weit ausgedehnt aber das Berdch, in welchem die an das Eis sich knüpfenden Wasserwirkungen ausbreiten.

Der geschildert« Aufbau der Glacialformation Oherbayems bietet keine besonderen, ihr eigenthümlicheu Verhältnisse dar; denn es ist selbstverständlich, dass eine jede Formation, welche einem Vor- und Rückgehen eines Gletschers ihren Ursprung verdankt.

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Kapitel XVI. Daa ulfHiie Inlandeis. 207

dieee Zusammensetzimg haben muBB. Als unterstes und oberstes Olledwird man stete Schottern begegnen, welche ein GrundmoräneD- lager ^Bchliessen. Endmoräneo werden ala Äequivalent^ der oberen Schotter sich häufig anstellen. So sehen wir denn in der That, wie Tokell i) neulich erst in bekannter klarer prädser Fonn auadnandergesetzt hat, dass die Glacialformation in Nordeuropa sich ganz aus derselben K^enfolge von Gebilden zuBammensetzt wie die unseres Gebietes, und Jentzsch') hat zifTennässig nach- gewiesen, wie die Geacbiebefonnation der Provinz Freussei, ebenso wie die Oberbayema, zum grössten Tbdle aus geschichteten Ab- lagerungen aufgebaut wird. Aber ein Umstand bewirkt dne grosse Verschiedenhdt in der Entwicklung des Glacialphänomens im Korden und in den Alpen. In den Alpen konnten Kis und Wasser in gldcher Kichtung sich bew^en, am Rande des nord- europuschen Inlanddses gestatteten die Niveauverhältnisse solches nicht Hier bew^te sich das Eis in entgegengesetzter Bichtung wie das Wasaer, und. es musste zu einer Komplikation kommen, deren endgültige Lösung noch nicht gefunden zu sein scheint

Anders Hegen die Verbältniase in Nordamerika. Während des Maximums der Yergletachenmg konnten die den Eismassen entströmenden Wasser der Abdachung des Landes folgen. Und so findet man denn überall ausserhalb des früheren Gletecher- bezirkes an den nordamerikanischen Flüssen Terrassen, welche sich gleich denen in Südbayem in dem Maasse verflachen, als man sich von dem Qletecherbereiche entfernt Diese Terrassen repräsentiren in Nordamerika einen Th^ der Champlaiu-Forma- tion, nnd werden mit dieser als Ablagenmgen aufgefasst, welche sich an den Rückzug der Vereisung knüpfen. Dies scheint aller- dings einen Altersunterschied der nordamerikanischen und sÜd- bayerischen Flussterrassen zu begründen, wenn nicht vielldcht sich doch noch herausstellen sollte, dass in Nordamerika jene

') On the causes of the glncial phenomena etc. Sveriges geologiska nndersökning. Äfh. och uppsatser. Serie C. No. 2G. Kgl. svenaka Vet. Aiad. Handl. Bd. 5. No. I. 1877.

*) Ueber die geschichteteu Ablagerungen des DiluviumB, Z^tschr. d. Deutsch, geolog. Gesellsch. XXXII. 1880. p. 666.

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208 I- Abschnitt Leute Vei^letachertmg von Oberbayemu. Nordtirol,

TeiraBsen dieselbe Stelle in der Reihenfolge der Glacialbildungen einnehmai irie die südbayeriBchen.

War ein Gebiet nun einmal vergletschert, so müssen mit der Au&ählung der unteren und oberen Glaeialschotter, der Grund- uod Endmoränen alle seine Glacialschichten aufgeführt sein. In der That finden eich aber neben den geoannten in allen alten Gletschergebieten noch andere Gtebilde, die sich den glacialen eng aDBchliessen. Auch in Oberbayern finden sich dergleichen, und ihnen haben wir nun unsere Auäuerksamkeit zuzuwenden.

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n. ABSCHNITT.

AELTEEE VERaLETSCHBRUNGEN

VON

OBERBAYERN UND NORDTIROL.

ick, Die VirglMKhenuig.

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Kapitel XVIL

Bisherige Theorien Aber mehrere Vergletsoherungen der Alpen.

Theoretische Bedentang mehret«! Vergletscherungen. Theorieit toh Vbhbtz; von HfHLBERO, Bach ud«! Taraxblli Über ionere und üuiere Horäneu- lone, Hildknbband; HTpothese toh H. HOteb. Andchten von Scipiok Gbas. MOBIXiT über ClärenB am Genferaee und dos Draiuethal bei TboDon. Venehiedene AiuiGht«n über dw Profil im Dranaethale. Herb über die Schiefer- kohlen der Behveic. Gegner Heks'h ond Einw&rfe gegen demen ÄnmchteD. Oeognphiwihe Lage der Kohlen. Deren Bedeutung. Schvierigkeit Im Paralle- lisiren gladaler ond inlergladaler Gebilde. Schlussübeiächt über die Theorien. Hebe's Anschaaungen die einzig stächlialügeD.

ßo alt wie die Lehre Ton der Eiszeit, bo alt auch die An- nahme von deren periodischer Wiederkehr, eo alt aber auch zahl- reiche Protest« nnd Einwürfe gegen dieselbe. Im Verlaufe der letzten Jahre ist man vielfach auf Punkte von Agäsbiz' Theorie, welche früher bestritten, angefochten und verworfen wurden, zurück- gekommen. Kann man zwar auch nicht der ursprünglichen An- nahme einer gänzlichen Vereisung einer ganzen Hemisphäre bei- stimmen, so muss man doch dner Modifikation dieser Anschauung beitret«n, mau redet von Vereisungen ganzer Länder; und die Verfolgung der Glacialphänomene führte wieder auf die Annahme einer Eiszeit zurück. Allein über einen Punkt jener Theorie sind heute noch die Meinungen gänzlich gethdlt Die Annahme einer periodischen Wiederkehr der Eiszdt ist nicht allgemein ange- nommen; sie wird zwar von einer Reihe namhafter Gelehrter ver- fochten, aber auch durch nicht minder zahlreiche und nicht niindei' bedeutende Forscher lebhaft bekämpft Gerade aber auf Ent- scheidung dieser Frage kommt es an, wenn man in das Wesen dei' Eiszeit mdriugen und Licht über ihre Ursachen gewinnen will.

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212 ILAbschn. Aeltere Vei^etachemngen v, Oberbayem u. Nordtirol.

Die Annahme mehrfacher Vet^Ietecherungen der Alpen, 80 oft sie auch bekämpft wird, tAucht immer wieder von neuem auf und findet immer neue Verfechter. Zwar muBB zugestanden ^ werden, dasa jene Annahme häufig nur sehr wenig und ungenügend, oft sogar gar nicht begründet; und dass sie gewöhnlich für irgend eine Gegend ausgesprochen wird, ohne die Konsequenzen für andere Gebiete in Betracht zu ziehen, aber es wurde doch eine Reihe von Thatsachen bekannt, welche sich unter der Voraus- setzung einer einzigen Vergletscherung nicht ohne weiteres er- klären lassen. Mehrere W^ führten unabhängig von einander zur Annahme verschiedener Vergletscherungen, und ee seien die ein- zelnen hierauf bezüglichen Theorien und Hypothesen unter diesem Gesichtspunkte hier angeführt

VenetzI), der Vater der Glacialgeologie, Ist wol da- erste gewesen, welcher eine mehrfache Vergjetscherung der Alpen that- sächlich zu beweisen suchte. Er glaubte in jeder Ueberlagenmg von Moränenschutt auf Gletscherschliffen den Beweis dafür zu finden, dass das Eis zweimal über den betrefienden Funkt hinweg- gegangen sei. Das Eis könne nicht Material an der Stelle ab- lagern, wo es den Untergrund abnutzt, es stosse, wo es den Felsen poUre, allen Schutt vor sich her. Zöge sich dann das Eis wieder zurück, so fielen nur wenige Trümmer auf die geschrammte Fläche; und um das Vorkommen von erratischen Anhäufungen an der- selben zu erklären, sei nöthig anzunehmen, dass der Gletscher sich ein zweites Mal bis dahin ausgedehnt habe. Das Phänomen der Schrammuiig sei also stets älter als die Abl^ening der Moränen. Venetz kannte wie J. de Charpentieb noch nicht die Grundmoränen; erst als Aoasbiz zwischen Eis und Felsgrund dieses Schlammlager entdeckte, wurde erkannt, dass Schrammung und Mo ränenab lagern ng gleichzeitig geschehen, was seitdem allgemein bewahrheitet gefunden wurde. Der eine Theil von Venetz' Be- weisführung beruht also auf heute als unrichtig erkannter Grund- lage. Allein der Begründer der Glaciallehre stützt seine Ansicht

■] Mänoire sur l'extension des andens gladers. Neue Denkschriften der allgem. Schweiz. Oesellsch. f. d. gesammt. Naturwiseensdi. Bd. XVIII. 1861. Die Priorität der Untersuchungen von Venetz wird von Uorlot Bull. Soc. Vaud. d. Sc nat. Bd. IV. 1854. p. 41 hervoi^oben.

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Kap. XVII. KsherigeTheoliealibermelirereVergletachenmgenetti. 213

über die mehnnalige Yergletecherung auch anderweitig, nämlich auf die Yertheiluug des erratiechen Schuttes, besonders auf die Anordnung der Moränen im Khonebecken. Die zur Gletecherzeit mit Schnee und Eis bedeckten Berge sollten durch diese Be- deckung vor allen Zersterungsprozesaeu geschützt sön und nur ganz unbedeutende Veränderungen durch das Reiben des Ebes erleiden. Während des Maximums der Vei^letscheruiig könnten also die Beiggehäoge keine Trümmer liefern, welche die End- moränen aufbauen, und der Rückzug der Vei^letscherung könne dann keine Endmoränen hinterlasaen. Um das Auftreten ver- schiedener, hinterdnanderli^ender Endmoränen zu erklären, Bei nöthjg anzunehmen, dass die Gletscher mehrmals arg reducirt gewesen sden, während welcher Zeiten die Verwitterung an der Zerstörung des Gebirges gearbeitet und neuen Schutt erzeugt habe. Derselbe sd durch das Eis dann verörachtet worden. Jeder End- moränenwall bekunde somit eine besondere Vei^letscherung, welcher unmittelbar eine Zeit geringer Eisauadehnung TOrausg^angen seL Die Zahl der Endmoränenwälle gebe die Zahl der einzelnen Ver- gletsoherungen an. Allein auch dieser zweite Theil der Beweisführung von V^^Ei^ l^BSt sidi heute nicht mehr aufrecht erhalten, nach- dem erwiesen ist, dass es vor allem das Material der Grundmoräne ist, welches die Endmoränen zusammensetzt, dass daher jede Ver- gletscherung, auch wenn sie nicht mit Oberflächenschutt bedeckt ist, doch Endmoränen während Pausen ihres Rückzuges erzeugen kann. Gleichfalls von der Vertheüung des Moräuenmateriales, je doch auf einer ganz anderen Basis als Venetz' Anschauungen beruhen jene Hypothesen über zweifache Vergletscherung der Alpen, welche von der Unterscheidung täner äusseren und inneren Moränenzone ausgehen. Schon AoASSiz bemerkte in den schweizer Alpen, dass die Endmoränen sich nicht so weit erstrecken als das erratische Gebiet, und auf diesen Unterschied hin begründete er die Annahme einer allgemeinen Vereisung, welche das erratische Material überhaupt hinterliess, und einer späteren Vergletscherung, welche die Endmoränen erzeugte. Die Vergletscherung soll aus der reducirten Vereisung hervorgegangen sein. Eine Trennung zwischen äusserer und innerer Moränenzone liess sich in d^ That später In der Schweiz genauer durchführen, und besonders hat

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214 II. Abschn. Aeltere VergletBcberungen y. Oberbayern u. Nordtirol.

sich MOhlbero ') durch deren Verfolgung im Aargau groBBe Verdienste erworben, sie wurde in Württemberg von Bach *) nach- gewiesen und lässt sich auch in Oberbayem erkennen, wie oben dai^legt wurde. In Oberitalien hat neuerdings Taicamelli^ ebenfalls zwischen einer äusseren und inneren Moränenzone unter- Gchieden. Mühlbeko, Bach und Tarahelli erklären diese Erscheinung nun durch Annahme zweier VergletAcherungen. Die erste habe sich am weitesten ausgedehnt und das ausserhalb der Endmoränen auftretende erratische Material abgelt^rt, der zweiten sei die Anhäufung der Endmoränen zu danken. Dieser Annahme schlosBsich auch Hildenbrand *) auf Grund seiner Untersuchungen im südlichen Württemberg an. Allein so sehr auch eingestanden werden muss, dass die äussere Moränenzone weit älter ist als die innere derEndmoränen, so verwischt ihre Züge gegenüber der letzteren sein mögen, so wenig berechtigen diese Thatsachen allein zur An- nahme zweier aufeinanderfolgender Vei^letschenmgen, denn alle die gedachten Verhältnisse lassen steh ungezwungen auch durch eine einzige Vergletscherung erklären, wenn man nur annehmen will, dass dieselbe, nachdem sie ihr Maximum erreicht hatte, sich ein Stück wät zurückzog, um dann lange Zeit stationär zu bleiben. Allerdings ist dies eine Annahme, welche im Grunde genommen ebenso willkfii^ lieh ist, wie die Voraussetzung zweier Vergletscherungen, und welche sich vom geophysischen Standpmikte nicht minder schwierig als dies letztere erklären läast Allein sie genügt zur Deutung der bis- her bekannten Erscheinungen, wenngleich zugestanden werden muss, ä&Bs diese letzteren, falls anderweitige Beweise mehrerer Vergletsche- nmgen beigebracht werden können, sehr zu Gunsten einer solchen

') Ueber die erratischen Bildungen im Äargau. Aarau 1869. Zweiter Bericht über die Üntereuchung der erratischen Bildungen im Aargau. Mittheil. d. naturf. Oesellsch. Aarau 1878. Heft I.

') Beitrag zur Kenntniss der geologischen Yerhältnigse der Eiszeit. Württemb. natarw. Jahreshefte. 1869. p. 113—128.

") II canton Ticino meridionale ed i pfiegi finitimL Spiegadone del folgio XXIV. Duf colorite geologicamente da eprealico, Negri e Steppani 1880. p. 121.

*) Begleitworte znr geognostischen Specialkarte von Württemberg. AtlasbUtt«! Tuttiingea, Friedingen, Schwennigen. Stuttgart 1881. p,32.

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Kap.XVII. Bisherige Theorien aber mehrere VergletBcheningen etc. 215

Annahme Bprechen. In der That hat MOhlberq >) neuerlich eeiner Annahme noch eine Stütze dadurch verliehen, daas er die Fluastei- rossen des Aargau, welche jünger als die äussere Moränenzone sind, bis unter die Endmorän^i der inneren Zone verfolgte, wodurch der unbestreitbare Beweis beigebracht wurde, dass die äussere und innere Moränenzone verschiedenen Bildungapeiioden angehören.

H. HÖFER^ hat nun in £ämt«n gleichfalls zwischen Grund- moränen und Endmoränenwällen unterschieden und. dieselben auf zwei Veigletscherungen zurückgeföhrL, nachdem er jedoch auch in strfltigraphisch^ Beziehung beide Moränengebilde durch Nach- weis einer Zwischenschicht getrennt zu haben glaubte. Eine mehr- malige aufinerksame I^ektüre seiner Abhandlung läest mich jedoch durchaus nicht erkennen, warum die Endmoränen des Mallnitzer- und Möllthales jünger sein sollen als die Schotter, welche an einer dnzigen Stelle die Grundmoränen überlagern. Es scheint dies eine ganz wUlkürliche Annahme zu sein, welche doch in Anbe- tracht der ihr inneliegenden Wichtigkeit und Bedeutung eine aus- führliche Begründung verdient.

Alle die bisher angeffilirten Hypothesen Über mehrmalige Vereisungen der Alpen zur Diluvialzeit beruhen im Wesentlichen auf der geographischen Yertheilung der Moränen und auf ge- wissen Verschiedenheiten, welche sich in räundicher Beziehung geltend machen. Auf anderem Wege kamen Moblot und Bcipiom Gras zu demselben Resultate. Sie verftihren geolo^sch, sie such- ten nicht nur die Produkte verschiedener Glacialzeiten nebenein- ander, sondern auch übereinander nachzuweisen, und beschäftigten sich mit jenen Straten , welche die verschiedenen Gletscberablage- rungen von dnander trennen.

SciPiOM Gras°) glaubte in den „alten Anschwemmungen",

') ZweiterBericht über die Untersuchung der erratischenBildungen im Aargau. Mittheilnngen d. sarg. naturf.Gesellsch. I.Heft. 1878. p.35ii.T4.

*) Studien aus Kärnten. III. Die Eiszeit in Mitt«lkämten. Neue« Jahrb. f. ATm. u. Geolog. 18T3. p. 138.

") Sur la Periode quatemure dans la vall^ du RhAne et sa division en dnq äpoquea distincles. BulL Soc. g^l. de France. II. S. t- XIV. 1856/57. p. 207. Sur U p&iode quatcmaire dane la vaU^ dn BhAne. Arch. bib!. urÜTers. de Genfeve. Mtü 1855. Note sur la necessit^ d'admettre deux äpoques glsdaües. Ardi. bibl. univers. 1858.

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216 II. Abidui. Aeltan Terg^etscberaugen V. OberlM7«m u. NordtiroL

also ScbcHerablKgeniBgeii, und den MoTinen des DdpkinatB «nen imtreutibaTeii Eomplfix zu eriEennoi, welchen er als das Produkt einer Vagletscbemng deutete. Des Löes erachtete er g)«ch&Ils für die Ablagtfong einer Ebzett Da nun Bchotter und Moränen, wdche Obab &1b „unteres Diluvium" zasammen&Bst, sich weit ausbreiten, der Löss hingegen, dem einige erratische Blöcke auf- ruhen sollen , auf die das „untere Diluvium" durchsetzoiden Thä- 1er besohränkt m, so sei die Ablagwung dee unteren Diluvium durch dne ausgeddmte Thidbüdung von der dee Lösaea getrennt, und die gmannten Gebilde BÖen daher die Spuren zweier verschie- dena zeitlich weit getrennter Vergletseheningen. Grab theilt auf Grund dieser Anschauungen die Quartärperiode des Rhonebeckcos in fünf verschiedene Epochen. Die älteste ist ausgezeichnet durch die Thalbildung in dm Alp»i, die zw«te wird charakterisirt durch die Ausbreitung der Gletscher und Ablagerung des „unteren Dilu- vium", d. h. da alten Änsdiwanmungwi und Moränen. Während der dritten Epodie zogen sich i£e Gletscher, geringe Spuren hinter- laseend, zurück; und nun kommt eine neue Epoche der Thal- bildnng, ' welcher dann ale fünfte Epoche eine abermalige Aus- dehnung der Gletscher folgte, durch w^he der Löss und einige erratische Blöcke abgelagert wurden.

Gbab>) bemüht sich, diese Einthdlung des Quartärs auch andrercHls nachzuweisen, allein schon durch Lort^ wurde die Irrigkeit seüier Voraussetzungen erwiesen. Einerseits wurde näm- lich eine gewisse Mangelhaftigkeit in den Beobaditnngen von SciFiON Gras erkannt, indem sich keineswc^ die vorausgesetzte Vertretung von „alten Anschwemmungen" und Moränen bestätigen liess, andrerseits aber zeigten sich auch sdne SchluBsfolgernngw

') Comparaiaon chronologique des terrains quatemairea de l'AUace Bvec ceux de U vall^e du Kh6ne dans le Dauphin^. Ball. 8oc g^ de France. II. S. t XV. p. 14r>. B^nse aux obserratmis de M. KoECHun-ScHLUHBEXOBB, conceraant les däpAts diluviens de TAIaace, et nouvelles considärations eur la säie g^^rftle des teirains quatemairee. BulL Soc g^l. de France. II. S. tXVI. 1858/59. p. 919.

*) Notice sur nne carte gfoloque du Dau{4iin^. BuU. Soc. gkA. de France. II. 8. t. XVI. 1858 59. p. 817. Note but les d^pOtB tertiaira et quaternaiies du bas Danphin€. Bull. Soc. gäol. de France. II. S. t XX. 1862 63. p. 363.

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Kap. XVII. Biahedge Theorien über malirepe Vei|;letacheruDgen etc. 217

als anfechtbar, da mit keiner Silbe bewiesen ist, dass der Löss das Produkt einer Belbat«tändigen Vergletschening sei.

Noch bevor Sopion Gbab mit seinen Ansicht«n an die OeStotlichkeit getreten war, hatte Moklot Beine erfolgreichen Uoterenchungen an den Ufern des Genfer Sees begonnen.^) Dieser ausgeieichnete Kenner dee alpinen DiluviumB hatte die GeröUab- lagtfungen der Alpen, die „alten AnschwenuDungen" stets für älter als die Moränen gehalten und Ton denselben scharf getrennt Nun fand er unter ener Ablagerung, welche er zu den „alten An- scbwenuQungeu " lechnete, unweit Ciarens am G^iiersee eine Mo- räne und glaubte daraus folgern zu dürfen, dass die „alten An- schwemmungen" ganz allgemein zwischen zwei Moränen eingeschaltet seien. Die untere derselben meinte er in dem blauen Gletscher-* Idime zu erkeimeii, die obere hingegen in jenem lössigen Lehm, welcher in der Umgditnng tob Lausanne oberflächlich eine grosse Verbreitung besitzt Die Endmoränen bei Lausanne gehörten eben- falls zur zweiten Veiglet«chvung, und das interglaciale Alter der &It«n Anschwemniungen würde nicht zum mindeeten durch ihre Führung von erratiBcbem Mat«riale unterhalb dee Genferaeee be- wiesen; denn wenn eich hier die Geeteiue des Wallis am unteren Seeende in Geröllabl^erungen ianden, so könne dies nur durch die Annahme erklärt werden, dass ein Gletscher eie über das Becken hinw^^bracht habe.

Später ist Morlot von seiner ursprünglichen Beweisföhrung etwas abgekommen, ohne jedoch amte Ansicht zu ändern. Hatte er uifänglich geglaubt, dass in der Schweiz nur ein einziges „Di- luvium", nur eöne einzige Geröllfonuation vorhanden sei, so fand er an den Ufem des Genfersees nun deren zwei Er entdeckte ausgedehnte Schotterablagenmgen , welche stets jünger als die Moränen sind und io Terrassen am See auftreten. Es scheint, als ob die Schotter von Ciarens, auf deren Ueberlagenmg über die Moräne Moblot früher solches Gewicht legte, diesem jüngeren

') ObservaüoD d'uue euperpoeition du diluvium ä l'erratique. Bull. Soc Vaud. 8c. nat. t. IV. p. 3'J. Notice »ur ie quatemaire en SuiMC. Bull. Soc. Vaud. Sc. nat. t. IV. lS5-t. p. 41. Note Bur la subdivtsion du terrain quatcrnaire en Sui9»e. Ärchivea de sc. phya. et nat. mU. nnirers. de Oen^ve. t. XXIX. 1855. p. 33.

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218 II. Abachn, Aeltere Vergletschenmgen v, Oberbayem u. Nordtirol.

Diluvium, oder wie es toh ä, Favre bezetclmet wird, den „ollu- viODB ii terraBses" angehört Noch hatte auch Moblot nicht ein Profil gefunden, wo er zwei verschiedene Moränen, durch mäch- tige Zwiachenbildungen voneinander getrennt, sah. liin solches entdeckte er nmi im Thale der Dranse unweit Thonon am Genfer- see. 1) Er eah hier wirklich zwei verschiedene Moränen, wdche durch ein 50 m mächtiges Scbottersystem , die „alten Anschwem- mungen", voneinander getrennt werden. Dadurch erhielt die An- sicht einer zweifachen Vei^letacberung des Genferseebeckens eine neue Stütze, allein diese Annahme stless auf den Widerspruch von A. EscuEB von der Linth und Desob *), und wurde vor allem von DE Mortillet') bekämpfb. Letzterer betonte, nirgends ein solches Profil gesehen zu haben, wie es Morlot im Dransethal auffand, und war geneigt, dasselbe auf Rutechungen zurückzu- führen. Die ausgezeichneten UnterBuchungen von A. Favre in Savoyen trugen leider nichts zur Klärung der Sachlage bei, Ä. Favse*) entsinnt sich nicht, die untere Moräne gesehen zu haben, und er ist geneigt, das Auftreten der von Morlot beobachteten Ablagerung ebenfalls durch Rutechungen zu erklären. Seitdem ist das Dransethal von den beiden Favre und Chavanne6 besucht worden, es konnten von den genannten Geologen die Beobach- tungen Moblot's vollauf bestätigt werden *), es findet sich wirk- lich unter einer Eehr mächtigen Ablagerung der alten Anschwemmungen eine wenn auch nur wenig ausge- dehnte Partie von Grundmoränen, und das Profil ist deut-

') Vergl. 8uT le terrain quaternaire du bassin du L6man. Bull. Soc. Vaud. de Sc. nat. t. VI. 1858. p. lOI. lieber die quartären Gebilde des Bhonegebietes. Verbandl. d. Schweiz, uaturf. Oeeellech. 42. Vera. Bern 18ö8. p. 144—150.

') Verhandl. d. Schweiz, naturf. GesellBch. 4S. Vera. Bern 1858. p. 54.

') Compte rendu de la ib^""! eection de la aoci^tä Buisse des scieiices naturelles ä Lausanne. 1861. p. 73. Terrains du vetsaat italien des Alpes compards ä ceux da veraant franjais. Bull. Soc. gtel. de France. II. S. t. XIX. 1861/Ö2. p. 849—907.

*) Becherchee g^logiques dans les parties de la Savoie etc. voisinea du Mont-Blanc. I. Paris 1867. p. 78. 79.

') Veigl. E. Favee: Bevue gfologique Suisse pour V&anie 1877. ArchiveB des sdencee de la bibliotÜque universelle. 18T8. t. LXI. p. 212.

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Kap. XVII. Bisherige Theorien über mehrere Verglelacherungen etc. 219

lieh genug, um erkennen zu lassen, dasa die letzteren wirklich anfit«hend Bind.

Haben sich also ueuerdingB die Beobachtungen Morlot's vollauf bestätigt, so war man doch von vornherein geneigt, die- eelben auf Grund seiner Folgerungen in Frage zu ziehen, und obwol MORLOT in Lyell') einen warmen Verfechter fand, obwol der englische Geolog die Annahme zweier Yergletscherungen all- gemein durchzufuhren suchte, so schien sich dieselbe in den Alpen nicht Bahn brechen zu wollen. In der That muaa auch zugestan- den werden, dass das Moblot' sehe Profil nur eine zweifache Ver- gletscherung der &^lichen 8t«IIe, uicbt aber eine doppelte Ver- gletscherung der Alpen beweist. Allerdings fiihrt aie zur Annahme einer ziemlich beträchtlichen Gletscheroscillation, wie E. Favre selbst hervorkehrt, sodass man deren Spuren auch anderweitig mit Chavanneh*) am Genfersee vermuthen kann, aber an und für sich, ohne Zuhilfenahme anderer Tbatsachen lehrt das Profil im Dransethal noch nicht zwei verschiedene Glacialperiodeu kennen. Eine wesentliche Stütze gewann die Annahme derselben erst, als unter den nordschweizerischen Schieferkohlen Moränen entdeckt wurden, und als Heer deren interglaciales Alter beredt vertheidigte.

Im Jahre 1855 lehrte 0. Heer") zum ersten Male die Flora und Fauna der Schieferkohlen von Utznach und Dämten kennen. Er hielt sie damals für eine präglaciale Bildung, ebenso wie Martins und Gastaldi, sowie Esgher vos der Linth. und sprach sich gegen die Annahme mehrerer Eisperioden aus (a. a. 0. pag 32). Er änderte Jedoch später seine Ansicht^), als J, Mebsi- KouuEB ^) unter den Schieferkoblen von Wetzikon alpine Gesteine auffand, welche alle Merkmale des Gletachertransporles an sich tragen. Diese auffällige Thatsache ist später mehrfach durch die

*) Antiqulty of Man. I. Aufl.

^ Sotice göologique 1878. CitJrtbeiE.FAVRB,IlevuegA)logiquel878.

') Die Scfaieferkohlen von Utznach und Dümt«n. Oeffentlicher Vor- trag. Zürich 1858.

') E^ffnungsrede bei dei 48. Versammlung der Schweiz, naturf. OeselUch. Verhandl. d. Schweiz, naturf. QesellBch. in Zürich. Frao- zöBiBchr Arch. bibl. univere. XXVIII. 1864. p. 335.

') Vergl. Hebb, Urwelt der Schweiz. 2. Aufl. p. 571.

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220 II- Abschii. Aeltere Vergletacheningeu t, Oberbajrem u. Nordtirol.

Geologen bestätigt worden, welche Wetzikon beeucbten, ebe die dortigen Gruben verschüttet wurden. Renetier*) und Heim-) beobachteten eine zweifellose Auflagerung der Kohlen Über Mo- ränen, und bezeichneten daher die ersteren als interglaciale Ge- bilde. Mit dieeem ErAinde bei Wetzikon stimmt nun bestens die Thatsache überdn, dass durch Charles Mayer b) auch bei Utz- nach unter den d<Hligen Schief^kohlen Moränen entdeckt wurden, daes femer auch anter den Schieferkohlen am Bodenaee bei Mörsch- weil durch Deicke') glaciales Material aufgefimden wurde, eine Beobachtung, die von Gutzwiller^) bestätigt wurde. So kann demnach, obwol Charles Grad ^) sich nii^nds vei^wissem konnte, daae die schweizer Schieferkohlen Moränen auflagern, doch auf Grund der angduhrten Zeugnisse als sicher gell«n, dass die Kohlen in einer Periode zwischen zwei aufeinanderfol- genden Vereisungen der Gegend entstanden. Heer lehrte nun, dass diese Periode ein mildes Klima besessen hat, wie die Flora der Kohlen erkennen läset; die Kälteperiodea, welche die Ausdehnung der Gletscher zu Folge hatten, die eine zwieiache Vereisung der Gegend Terursachten, wurden also unterbrochen durch einen milderen Zeitabschnitt Demnach unterscheidet Heer zwei Glacialzeiten, welche durch eine Interglacialzöit mit mildem Klima voneinander getrennt werden.

So wenig auch das thatsächliche Material in Zweifel gezogen wer- den kann, so übereinstimmend auch fast alle Autoren zugeben, dass die nordschweizerischen Schiefer kohlen zwischen zwei Moränen lagern, so sehr werden die Folgerungen Heer's bekämpft Wird zwar zu- gestanden, dass sich die Schieferkohlen zwischen zwei aufeinander- folgenden Vereisungen ihrer L^erstätte gebildet haben, dass sie n1?o ihrer Lagerung nach interglaciale Gebilde sind, so wird doch

') Vergl. Heer, Urwelt der Schweiz. 2. Aufl. p. 571.

*) Archive» des sdences phj-s. et nat LI. 1874. p. 100.

") Ueber das Alter der L'etUbei^ Nagelflub, Vierteljahrsschr. d. imturf. GesellBch. Zürich. XS. 1875. p. 370(372).

*) Nachträge Ober die Quartär-Bildungen zwiBchen Alpen und Jura. Verb. d. Gallischen naturw. Gesellach. 1861.

') Vergl. Heer, Urwelt der Schweiz. 2. Aufl. p. öl9.

') Recherche« sur la formation des charbons feuillet^ interglaciairea de la Suisse. Bull. Soc. dliiatoire nat. de Colmar. 1877.

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Kap. XVII. Bisherige üieorieii Ober mebr€a%Vergtetschenuigen etc. 221

be8tritt«ii, d&BB eie auch zeitlich interglocial, also zwischen zwei Glacialperiodeo gebildet seien. Die MorEnen, zwischen welchen sie lagern, sollen nämlich nicht die Produkt« zweiei verschiedener Gletscherzeiten sein, sondern nur die Zeugen einer beträchtlichen Oscillation ein und d^eelben VergletBcherung, indem man an- nimmt, dass die Pflanzen, welche die Bchieferkohleu zusammensetzen ganz gut in der \ähe eines Gletschers hätten wachsen können, und dafia sie durchaus noch nicht ein mildes Klima beweisen. Die berufensten Kenner der alpinen Glacialgebilde, A, Favre*), LoBY*), Falsan und Chahtre^), de Mohtillet*), Gabtaij>i^, m gewissem Sinne auch Desoh^), femer Cbarleb Gbad ^, £. von MoJBiBOvicB^ urtheilen in diesem Sinne und halten durch die LagerungsverhältnisEe der schweizer Schieferkohlen nur eine Phase der Glacialperiode, nicht aber zwei verschiedene Eiszeiten angedeutet Es will jedoch scheinen, als ob diese letztere Anschauung zu wenig einem sehr wesentlichen Umstände Rechnung trage, nämlich der geographischen Lage der Kohlen, während in Betreff der Lagerung derselben sowie deren Flora zugestanden werden muss, dass beide Umstände noch nicht eine Interglacialzeit beweisoi. So liegt die Entscheidung über die durch Heek angeregte Frage nicht auf dem Gebiete der Geologie, sondern auf dem der Pflanzen- , geographle. Sie ist eine wesentlich botanische, und so dürfte denn nicht wertblos sein zu bemerken, dass, wenngleich die meisten Geologen die Ansichten Heer's bekämpfen, denselben eip eminenter

') A.Fatk£, DeecriptiongtologiqueducantondeGenfeve. t.I. p.U6.

*) Vergl. Lobt, Compte rendu des observationa faitea sur tes alluvions anciennea etc. Bull. Soc g£ol. de France. III. S. t. III. 1874/75. p. 726.

*) FALaAK et Chahtbe, £tude aur lea andens glaciers et sur les terrain erratique de la partde moyenne du bassin du Bhöne. I87S. Femer BuU. Soc göol. de France. III 8. t. III. 1875. p. 733.

*) G. DB Moetillet, Ciaaaification des terrainH quatenuürea. Con- ffhe international de Geologie. Paris 1878. p. 172.

'J Appunti Bulla memoria del Sign. J. Geikie. Atti della Reale Accademia delle Scienze di Toriuo. VIII. Apr. 1872.

*) Le pajsagB morainique. 1875.

') Les charbona fenillel^ etc. a. a. 0.

') Bemerkungen über den alten Gletscher dea Traunthalea. Jahrb. d. k. k. geolog. Bachsanstalt. XVIII. 1868. p. 303.

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222 II. AbBchn. Aeltere Vergletacherungen u. Oberbayem u. Kordtirol.

Botaniker und zugleich berufeaer Kenner der Glacialphänomene, Charles MARTtna') beigetreten ist.

InderThat, die L agerungs Verhältnisse der Bchieferkohleu beweisen noch nicht ihr interglaci&lea Alt^. Dieselben würden Bich ebenso gut durch die Oscillationen einer Vei^let^cherung wie durch die Annahme zweier Terschiedener Vereisungen erklären lassen, wenn auch nicht zu verkennen ist, dass diese OscillatioD ihrem Umfang imd ihrer Dauer nach recht beträchtlich gewesen sein müsste, da sie einen Rückgang der Gletscher von der Bodensee- gegend (Mörschweil) und vom Züricher See (Utznach-Dümten) auf eine sehr lange Zeit erklären soll. Wie Heeb nämlich aus der Mächtigkeit der Kohlen herleitete, bedurftea dieselben zu ihrer Bildung eines Zeitraumes von ungefähr 2400 Jahren.

Auch die Flora der Schieferkohlen kann an und iur sich noch nicht als Beweis fijr eine milde Interglacialzeit geit^. Wenn sie auch nur aus Pflanzen zusammengesetzt werden, welche in einem milden Klima gedeihen, so darf doch nicht vergessen werden, daas sich heutige Gletscher oft bis in bebaute Begioaen ziehen. So ist es in den Alpen, wo unweit des Aaregletschers Weizen wächst, so ist es in Norwegen, wo nur 200m vom Buervrä ein Kornfeld gedeiht, wo in kaum 3 km Entfernung von dem Inland- eise des Folgefondes an den Ufern des Hardanger^ordes Obst gebaut wird. Kurz, ein mildes Klima und die Existenz von Gletschern schliessen sich gegenseitig nicht aus.

Darwin und von Hochstetter erweiseu diesen Satz be- sonders f^r die südliche Halbkugel, wo sich die Gletscher des Feuerlandes in die Region immergrüner Wälder erstrecken, wo Neuseelands Eisströme in einer Zone enden, in welcher sonst eine subtropische Vegetation herrscht, und welcher nach.HANN-) «ne mitÜere Jahrestemperatur von 10" zukommt. Der treffliche Geologe der Novara- Expedition sagt, „dass in kommenden Jahrtausenden und in einem Klima, das durch die physischen Veränderungen, wie sie jetzt auf der südlichen Hemisphäre durch säculare Hebungen und Senkungen vor sich gehen, wesentlich modificirt wäre, müssten die

') Bevue des deux moodes 1875. avril.

*) Klima von Neuseeland. Zdtschr. f. Meteorologie. Bd. VI. IS"].

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Kap. XVII. Bisherige Theorien über mehrere YergktscheningeD etc. 223

WirkungeD, welche die Oletscher hervorgebracht, neben den fossilen Kesten der heutigen Flora und Fauna für jeden unerklärlich sein, der aus geolo^schen Thatsaohen nicht auf frühere Zustände der Erdoberääche zurückzuschlieesen vennöcht«, oder die Möglichkät groBsartiger Niveau Veränderungen an der Erdoberfläche bezweifelte. Er würde vielleicht annehmen zu müssen glauben, daaa eine durch kosmiscbe EreigDisse veranlasste Temperaturkatastrophe jene sub- tropische V^etation vernichtet und eine Eiszeit herbeigeführt habe, und würde damit in denselbenirrthumverfallenwie diejenigen, welche die Eiszeit Europas durch kosmische Einflüsse erklären wollen."')

DieseUeberlegung vor Hochstetteb's weist zweifellos auf sehr beachtenswerthe Verhältniese bin; allein auf die Eiszeit Europas ist sie sicher nicht anwendbar, und zur Erklärung der Beziehungen zwischen nordschw^zerischen Scbieferkobleu und Eiszeit trägt sie nicht nur nichts bei, sondern könnte höchstens verwirrend wirken. Liegt auch auf der Hand, dass Gletacherenden oft in milde Zonen herabsteigen, so erstrecken sie sieb doch nirgends weit in dieselben, und ihr Auftreten in ihnen ist stete auf örtliche Verhältnisse zurückzuführen. So heisst es vor allem neben dem geologischen Auftreten der Scbieferkohlen, neben deren Flora auch deren geo- graphische Lage zu berücksichtigen. In dem Gletecberschutte unter ihnen finden sich Gesteine des oberen Kheintfaalea, derPuntai- glasgranit wurde mit Sicherheit unt«r denselben konstatirt Es geht hieraus hervor, dass bereite vor Ablagerung der Schiefer- kohlen der Kheingletscher sich bis zum Züricher See und Bodensee ausgedehnt hatte, d. h. er hatte eine Länge von weit über 100 km erreicht. Solche Dimensionen besitzen aber heute nirgends die Gletscher der gemässigten Zone, oder gar der subtropischen. Weder die riesigen Eisströme des Himalaja, noch die vielgerübmten Neu- seelands kommen dem erwähnten des Rheinthales nur annähernd gleich. Eme solche Eisentwickelung finden wir nur unt«r arkti- schen Verhältnissen.

Mau weiss, wie sehr sich eine Temperaturemiedrigung während der Diluvialzeit in Flora und Fanna kund gibt Es ist durch die

') Keise der 5st«rreicbi3chen Fregatte Novara. Geologischer ThetJ, Bd. I. I. Abth. VON HocHSTETTBR: Geologie von Neuseeland, p. 258.

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224 II. Abgchn. Aelt«re VergktBchemngen v. Obeibayem u. Norftirol,

Studien von Nathorst') bekannt geworden, dass, nachdem die alpinen Gletscher eich bereits wieder in die Gebirge zurückgezogen hatten, das achweizeriscfae Hügellacd noch mit nordiechen und alpinen Grewächaen besiedelt war; daes, nachdem das ekandina- vieche Inlandeis sich schon aus Schonen zurückgezogen hatte, dort noch arktische Pflanzen die Flora ausmachten; es ist femer längst nachgewiesen, dass nachdem das nonieuropäiecbe iSs berdts auf Bune Centren beschränkt war, an den Kästen noch eine arktische Fauna existirte. Nachdem alsodie Eieverbreitung während der Biluvialzeit längst das Maximum ihrer Entwioke- lung überschritten hatte, nachdem sie schon auf enge Be;drke beschränkt war, bekunden Flora und Fauna noch intensiv glaciale Zustände. Sie waren es aber auch, als das Ek noch im Ausdehnen begriffen war, als es noch bei weitem nicht seine gr&sste Entfaltung erreicht hatte. Noch hatten die skandinavischen Gleicher nicht Norddeutst^land betreten, als an den Küsten der Ostsee sidi schon die hocharktische Yoldia aictica angesiedelt hatte, noch war Ekigland nicht gänzlich überäst, als an den Cromer cUffs schon polare Gewächse ezistirten*), wodurch die Ansicht Debor's^), dass erst nach der Vergletscherung die arkti- schen Elemente der Flora beigesellt worden wären hinfällig wird. So müssen wir auch annehmen, dass die gross artige Ent- faltung des Rheingletschers, welche derselbe bereits vor Bildung der nordschweizerischen Schieferkohlen ge- nommen hatte, Hand in Hand mit der Verbreitung alpiner und nordischer Elemente in der schweizerischen Flora und Fauna gegangen war. Wie nach dem Maximum der Vergletacherung auf der schweizerischen Hügellandschaft noch nordische Gewächse existirteu, so muss es schon vor dem {^treten dieses Maximums der Fall gewesen sein, zu einer Zeit,

'} Förh. kg. Yetensk. Akad. Stockhokn 1873. No. 6. p. 11. Vergl. auch: Sur la dietribution de La v^tation arcüque en Europe, au Nord des Alpes, pendant la p^ode gladaire. Arch. d. sc. phys. et nat Gen^ve. LI. 1874. p. 52.

*) Vergl Naikobst b. a. O.

') Le pajmage morainiqne.

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Kap. XVII. Bisherige Theorien Aber melirere Vetgletechetungen etc. 325

als die Eiaentwictelung schon eine ganz enorme war. Bildeten sich also die nordechweizeriechen 8chiderkohlen während einer Oscilla- tion des RheingletBchers, so mueeten sie sich aus nordischen und alpinen Gewächsen zusammensetzen. Doch solches läset sich nicht beobachten. Sie bewahren die Reste von Pflanzen eines ge- mässigten Klimas, und während dnea solchen entstanden sie. Die Ausdehnung des Rheingletflchers bis in die Bodenaeegegend aber konnte nur bei einem strengen Klima geschehen. Die L^e der Scbieferkohlen zwischen zwei Moränen dieses Gletschers beweist also, dass die Zeitabschnitte, welche denselben ausdehnen hiessen, durch eineFeriodegemässigtenKlima unterbrochen wurden. Sobald man Lagerung, Flora und geographische Lage der schweizerischen Schieierkohlen zusammen berücksichtigt, und nicht nur den einen oder andern dieser Punkte einseitig verwerthet, kann man nur zu dem Schlüsse kommen, dass jene Kohlen zwischen zw^ Gletscher- zdten entstanden, also nicht nur ihrer Lagerung nach, sondern auch hinsichtlich ihrer Bildungszeit intei^ladale Gebilde sind.

Es liegt kein Grund zu der Annahme vor, dass die klimatischen Schwankungen, welche durch die Schieferkohlen der Nordschweiz angedeutet erscheinen, «ich nicht auch durch das ganze Alpengebiet geäussert hätten. Während der Diluvialzeit verhalten sich die Alpen gegenüber klimatischen Verändenmgen wie ein einheitliclies Ganze. Dies erhellt am deutlichsten aus der Allgemeinheit letzten Vergletscherung. Welche Ursachen daher auch die zwei- iache Vergletscherung der uord schweizerischen Alpen gehabt haben möge, so viel ist gewiss, daas sie sich durch das ganze Alpen- gebtrge äussern mussten. Mag man in einer veränderten Yerthei- lung von Wasser und Land, mag man in dem Ausbleiben des Föhn, mag man endlich in einer früheren grösseren Erhebung des Gebirges den Grund fiir die Gletscherverbreitung suchen, so betrifft dies stets das ganze Alpengebiet, denn Bodenschwankungen ein- zelner Theile desselben haben seit der Diluviaizeit nicht statt- gefunden. Deuten also die Schieferkohlen der Schweiz auf eine Interglacialzeit, so werfen sie auch Licht auf jene Ablagerungen, in welchen öne mehrfache Verglet«cberung ein und derselben Stelle angezeigt ist, oder welche uns höchst verschieden alterige Moränen vor Augen fuhren.

PencU, de VerglelKbemug, 15

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226 II- Abachn. Aeltere Ver^etocbenuigeD v. Oberbajem u. Xordtirol.

So liegt unverkennbar eine grosse Analogie Ewischen dem bereits erwähnten Profil im Draneethal am Qenfersee und den LagerungeverhältniBBen der schweizer Schieferkohlen, und wenn an und für sich das genannte Profit nur eine doppelte Vereisung der Gtenferse^egend beweist, so lehrt es unter Berücksichtigung der Schieferkohlen die Spuren zweier verschiedener Glacialzeiten auch am Genfersee kennen. Andrerseits aber könncD die schweizerischen Schieferkohlen auch Licht auf da« g^ens^tige Verhältniss der äusseren und inneren Moränenzone werfen; deren Aufbreten man entweder durch an Pausiren im Bückzuge dbaer Vergletscherung oder durch die T^vchiedene Entwiokelung zw^er in gldch befrie- digender Weise erklären kann. Allein es möge in Berücksich- tigung gezogen werden, daas wenn dnmal zwei aufeinander- folgende Vergletscheruugen bewiesen sind, die Möglichkeit des Vorhandenseios einer dritten zu erwägen ist, weshalb man von vornherein mit dem Farallelisiren von Ablagerungen, welche zwischen zwd Ueberdsungen einer Stelle erfolgten, vorsichtig zu sein hat Will man die G^ensätze der äusseren und inneren Moränenzone durch zwei Yei^letscherungen erklären, so bedarf es immer noch eines besonderen Beweises, dass es dieselben Vergletscherungen waren, deren Spur^ unter und über den schweizer Schieferkohlen zu erkennen sind. Man muss ausserordentlich vorsichtig in der Parallel isirung glacialer Gebilde sein.

Ueberblicken wir nun nochmals die verschiedenen Hj^thesen über die mehrfachen Vergletscherungen in den Alpen, ao müssen wir zunächst denen von Venetz und SciPlON Gbas alle Beweiskraft absprecben, da üe von irrig erkannten Voraussetzungen ausgehen. Femer können wir H. Höfeb'b Anschauung nicht beitreten, da sie nicht genügend begründet ist und zur Zeit noch mehr auf Ver- muthungen als auf Beobachtungen beruht Die auf eine Unter- scheidung der äusseren und inneren Moränenzone ba8irl«n Theorien von MChlbebq, Bach und Takahelli können gl^ehfalls nicht überzeugen, da sie auf Thateachen beruhen, welche mehr als eine Deutung zulassen. Grösseren Werth besitzt Moblot'b Theorie, allein auf Grund ihres Beweismaterial es laset sich nur auf dne doppelte Vereisung der Oenfereeegegend, nicht aber auf dne zweifache Ver- gletscherung der Alpen überhaupt schliesseu. So bleibt denn allein

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Eap.XVII. Bisherige Theorien über mehrere Vei^letscherungen etc. 227

Heer's Beveisfufanmg, welche eine zweifache Vergletficherung in den AJpen sehr wahrscheinlich macht. Aber dw einmüthige Widerspruch, den Heeb'b Äi^umentation und seine SchluBsfolgerungen gefunden haben, lässt uns erkennen, daee dieeelben bisher noch nicht fiber- zeugend gewirkt haben, und daes eie daher nicht die Schärfe eines mathematischen Beweises besitzen. In der Geologie rerßigt man - jedoch selten über wahrhaft unumatöseliche Beweise, und neue Ansichten brechen sich gewöhnlich nicht dadurch Bahn, daas sie Ajahänger imter solchen Forschem gewinnen, welche früher anderer Meinung waren, sondern indem sieb ihnen frische, junge RräfW zu- wenden. Zudem muss hervorgehoben werden, dass die zahlreichen Gegner von Hebb's Folgerungen einen sehr wesentlichen Funkt in dessen Beweisführung völlig übersehen haben, und dass sich ihre Einwürfe nur gegen zwei seiner Gründe, nicht aber den wesent liehen dritten richten. Es ist stets übersehen worden, dass das Vorkommen von Moränenmaterial unter den schweizerischen Schieferkohlen eme Gletscberentwickelung voraussetzt^ wie wir sie heute nur unter arktischen Verhältnissen finden, unter Umständen also, welche die Existenz der Flora änes milden Klimas unmög- lich machen. Findet mau zwar heute die P6anzen der Schiefer- koblen, wie Grad hervorhebt, unter dem 60. Breitengrade in Nor- wegen, findet man sie hier wie in den Alpen in der Nähe von Gletschern, so begegnet man ihnen doch nicht in Grönland, Franz- Josepbs-Land oder Spitzbeinen, selbst nicht einmal in Island in der Nähe der dortigen Gletscher. Aber ehe die Schieferkohlen gebildet, hatten die alpinen Gletscher bereits gewaltige Dim«i- sionen angenommen, sie erAillteD nicht nur die Thäler des Gebirges, sondern erstreckten sich bereits auf das alpine Vorland bis in die Gegend von Zürich und Rorscbach. Schon vor Bildung der Schieferkohlen hatten die Alpen das Aussehen Grönlands gewonnen. Wenn nun aber die Meinungen über einen Gegenstand von grösster Bedeutung getheilt sind, wie es im vorliegenden Bdspiele der Fall ist, wenn dner Begründung von einer Seite Beweiskraft zuerkannt wird, während dies von anderer Seite bestritten wird, so kann eine Förderung oder Lösung der Frage sich nur dann ergeben, wenn neues Material zu Gunsten der einen oder anderen Anschauung gewonnen wird. So war es denn auch mein Hauptbestreben bei

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228 H- Äbschn, Aeltere Vei^etschenmgen v. Oberbayern n. NordtiroL

meinen Untenuchungea in Oberbajem, Tbateaclien zur Lösimg dieser Frage zu gewinnen. Das Qlück war mir günstig. Auf meinen doch nur flilcbtigen Wanderungen fand ich mehrere Stellen, wo verschiedene Moränen unter Verhältnissen auftreten, welche auf dne sehr lang anhaltende Unterbrechung der Vergletscherung deuten. Jene Stellen liegen theils im Gebirge selbst, theils an dessen Fusse theils auf der Hochebene, sodass sich durch Kombi- nirung der aus ihnen sich ergebenden Folgerungen herleiten läset, dass unser Gebiet während der Diluvialzeit mindestens dreimal vergletschert gewesen ist.

Kapitel XVin, Alte Breccien der närdlichen Blalkalpen.

HöttlDger Brecde. Petrographische Bcschafi^nlieit, Bothe und weüse Brecde. Konnex dereelben. Die Hattinger Brfccie ein aller SchnUkt^l. BeceDte Analoga. Die Breccie älter als die Schotter nnd Moränen der letiten Ver- gletaohening. Schntt im HÖttinger Graben. Urgebirgsgerölle in der Breciäe. Motinen nnter der Breccie an der Weiherbui^ und im Höttjnger Graben. Zwei Vereiaungen der G^se»** 'on Innsbruck. Vorgänge iwischen beiden Vereiiungen. Inlergladalzeit, Literatur über die Breecie. Dieselbe nicht tertiär. Erratischee Malerial im Uöttinger Schutte. MuthmaBfialiche dritte Verglelschemng der G^nd von Innsbruck. Chronologie der EreignisBe bei Innsbmck vräbrend der Diluvialzeit. Weitere VorkomjnniBBC alter Breccien am Marienberger Jöchl, am Hsller SalEberge, am Vomperbache, bd Wallgan ao der Isar, bei Weissenbach am Lech und unweit Schliereee. Urgebiig«- gerölle in den Breccien des Vomperbaches nnd bei Wallgau. Zirei Ver- gletachemngen der Kalkalpen getrennt durch eine Interglacialperiode. Prüfling der Voraossetzungen. Bedentüng der Pflanienrtsle in der HöttInger Brecäe.

Bei Innsbruck findet sich am linken Gehänge des Innthales, jedoch erst in einer Höhe von 150 m über der Thalsohle begin- nend, eine rothe Breccie, welche als Baustein in der Stadt vielfache Verwendung findet. PlCHLER^) nannte dieselbe Höttinger Kon- glomerat, nach dem Dorfe Höttingen bei Innsbruck, wo sie beson- ders gut angeschlossen ist. Er fand in ihr einige Pflanzenreste, welche Ungeb untersuchte. Ärundo Goepperti Heer und Acer trilobatum Stb. sp. waren die einzigen mit Sicherheit bestimmbaren Eeete, und Pichler hält die Ablagenmg deswegen für miocän.

') Beiträge zur Geognoeie Tirols. Mitgetheüt von Adolf Pichlek.

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Kapitel XVIII. Alte Brecden der nördlichen Ealkalpen. 229

Seit dieser Zät wird die Breccie als Miocän auf den Karten PiCH- ler's und auf denen der k. k. geologischen Reichsanatalt auf- geföbrt, und auch von von Mojhisovicb als Jungtertiär erwähnt.

An den tiefer gelegenen Theilen des Gehänges besteht die Breccie vorzugsweise aus eckigen Fragmenten eines grauen, oft zelligen Dolomites, sowie eines rothen, mergeligen Sandsteines der Triasformation. (Vergl. Tafel II. Fig 5.) Die Dolomitfragmente erlangen bisw^len bis 1 m Duchmeaeer. Ganz selten nur finden sich Ui^birgsgerSUe. Als Bindemittel tritt ein rother Kalkmergel auf, welcher dem Gesteine seine rothe Färbung verleiht Dasselbe er- scheint in kleineren Partien ungeschichtet, an grösseren EnthlÖs- eungen lässt es eine Absonderungin 2 3 m mächtige Bänke erkennen, welche der Regel nach durch feinkörnige Li^n, meistens dem Bindemittel gleichend, oder auch sandig -schlammiger Natur, von einander getrennt sind. In diesen wohlgeschichteten, meist nur wenige Millimeter starken Lagen finden sich zahlreiche, wenn auch nur sehr undeutliche Pflanzenabdrücke. Unter denselben lassen eich Dikotyledonenblätler, sowie Zweigstücke von Koniferen, ver- muthlich einer Kiefemart, wahrnehmen.

Von etwas abweichendem Aussehen, jedoch von denselben petrographischen Zügen ist ein Gestein, welches sich in den höheren Partien des genannten Gehänges, vornehmlich in der Umgebung der Höttinger Alm, sowie am Abfalle des Rumer Joches findet. Dasselbe besteht gleichfalls aus eckigen Gestein s&agmenten, unter welchen jedoch der erwähnte rothe mergelige Sandstein fehlt, während sich zahlrüche grosse Wetterateinkalkblöcke und kleinerer Schutt dieses Gesteines einstellen. Im Allgemmen sind die Frag- mente grösser als in der Breccie am unteren Thdle des Gehänges, sie erreichen hier sehr häufig weit mehr als 1 m Durchmesser. Das Bindemittel dieser Wettersteinkalkbreccie ist von lichtgrauer bis hellgelblicher Farbe; es ist durchaus nicht gleichmässig durch das Gestein vertheilt, sondern zeichnet nur manche Lagen desselben aus. Letztere machen dann einen sehr kompakten Eindruck, während die übrigen Partien meist nur_ einem iosen Haufwerke gleichen und leicht ausbröckeln. Die Wände dieses Gesteines besitzen daher ein höchst groteskes Aussehen; die loseren Partien sind ausgefallen und nur die festeren sind, Hallen, Bögen und Gewölbe

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230 n. Äbschn. Aeltere Vergletacheruiigen t. Oberbayeni u. Nordtirol.

bildend, erhalten. Bowol durch ihre Bestandtheile, ale auch durch die Färbung ihres Bindemittels unterscheidet eich diese „weisse Breccie" nicht unwesentlich von d^ ,^theu" am tiefer liegenden Gehäuge, sie stimmt mit derselben jedoch durch die Eckigkeit ihrer Fragmente und deren regelloBe Anordnung, sowie auch durch ihre bankionnige Absonderung überein.

Der Hdttinger Graben, welcher die rothe und weisse Breccie durchschneidet, schlieast keinen Konnex derselben auf. Ein solcher wird jedoch erwiesen in der Schlucht, welche vom Rumer Joch durch den Eggenwald nach Afühlau führt An den unteren Partien dieses an malerischen Scenerien reichen Thälchens steht die rothe Breccie an, an den oberen hingegen die weisse, und da, wo der Weg von Arzl nach der Arzler Alm das Thal kreuzt, lagert sich die weisse über die rothe.

Die weisse Breccie lägst gleich der rotheu eine grobe Schich- tung erkennen; während sich jedoch die Bänke der letzteren sanft senken, fallen die Lagen der ereteren steil ein. Die Fallrichtung beider Gesteine wocheelt häufig, im Grossen und Ganzen aber folgt sie dem Gehänge, und wie dieses am Fuese jener Felswände, welche das Thalgehänge b^renzen, st«U ist, so ist auch hier die Neigung der Breccie sehr bedeutend, während dieselbe sich da, wo an seinem Fusse die Böschung des Gehänges nur gering ist, nur flach senkt

Alle die angeführten Thatsachen deuten auf das Bestimmteste darauf hin, dass die lansbrucker weisse und rothe Brecde, welche ich dem Vorgange Pichler's folgend, als Höttinger Breccie bezeichnen möchte, nichts anderes ist als das verfestigte Material eines alten Schuttkegels.

Hiermit steht zunächst die Beschaffenheit ihrer Bestandtheile im Einklang. Dieselben sind eckige oder doch nur wenig gerundete Trümmer und grobe Bruchstücke, wie sie in Schuttkegeln au&utreten pflegen, und sie stemmen, mit alleiniger Ausnahme der später noch ausföhrlich zu besprechenden Ui^birgsgeröUe, lediglich vom Gehänge her. Der Umstond, dass die unteren Partien der Breccie roth, die oberen hinge^n weiss aussehen, wird nun leicht erklärlich. Die rothen mergeligen Sandsteine, welche die Färbung der rothen Breccie bedingen, finden sich nämlich nur in den unteren Partien

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Kapitel XVIII. Atte Brecden der uördlichea KalkEÜpen. 231

des Gehänges und genau bis zu der Stelle, wo jene Sandsteine, welche Pichler dem bunt«n Sandsteine zurechnet, während sie nach voK Mo jBisovics 1) den PartnachBchiefem entsprechen, am Thalge- hänge nach oben enden, läest sich die rothe Breccie verfolgen, und wmter aufwärts b^nnt das Bereich der weissen (vergL Fig. 5, Tafel II.).

Auch die erwähnten Yerschiedenhdten in der Neigung der weieeen und rothen Breccie, sowie die nur kurz angedeuteten Unregelmäe^igkeitea ihrer Fallrichtung finden durch unsere Deu- tung eine Erklärung. Die oberen Partien dnes Schuttkegels, welche sich dem Thalgehänge anl^nen, sind steiler geneigt als die unteren, welche sich in den Thalboden hineinbauen. Die ange- deuteten Verschiedenheiten in der Fallrichtung der Breccie werden schon bei einfachem Betrachten des Gehänges klar. Man sieht deutlich, wie an den höchsten Gipfeln des Gehänges förmliche Schutthalden entspringen, welche durch eingerissene Schluchten, die ihrer Längsrichtung folgen, sehr gut aufgeschlossen sind. Von diesen Schluchten, welche die Mitte der Halde einnehmen, fallen die Schichten der Breccie nach rechts und links steil ab. Es vertheilt sich also die wdsse Breccie auf verschiedene Schutt- halden, welche dem Gehänge angelagert sind, während die rothe Breccie einen einzigen Schuttkegel repräsentirt. Ihre Bänke fallen im Westen schwach nach Westen, im Osten schwach nach dieser Himmelsgegend, in der Mitte senken sie sich nach Süden. Die weisse und roliie Breccie bilden demnach einen einzigen geo- logischen Körper, und wenn die erstere im Mählauer Graben Über der rothen aufgeschlossen ist, so darf dies nicht als die Folge einer Altersverschiedenheit anfgeiasst werden, sondern nur als der Auedruck des Vorganges, dass die bereits gebildeten unteren Partien des Schuttk^ls von der fortwährend anwachsenden oberen zugedeckt wurden.

Es läset sich nach alledem die Bildung der Hötünger Breccie in folgender Weise schildern. Wie heute noch an den jähen Kalk- wänden des Gehänges nördlich von Innsbruck unablässig Frag-

') lieber die Gliederung der oberen Triaabildungen in den östlichen Alpen. Jahrb. d. k. k. geolog. Keicbsanstolt. 1879. p. 91 (140).

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232 II-Ab«chn. AeltereVergletecheruDgea v. Oberbayemu, Nordtirol.

mraite herabbrecben imd eich am Fuase derselben in ßcbutthaldeo aneammeln, ao geachah ea früher in noch ausgedehnterem Maasse. An verechiedene Gipfel legten sich st^ geneigte Bchutthalden an, dieselben treffen eich in der Tiefe und verschmelzen zu ^nem grossen Bchuttkegel, der sich weit in das Thal hinein erstreckt Die Zuiuhr von grobem Material wird ab und zu, wenn auch nur lokal, unterbrochen; in dem an seiner Stelle abgelagerten feinen Schlamme werden die Reste jeuer Zweige und Blätter aufbewahrt, welche die Wildbäche von den Bei^;en in die Thäler führten. Die erwähnten Pflanzenreste in der rothen Breccie sind die Zeugen daför, dass zur Zeit ihrer Bildung das Gehänge bewachsen war.

Schuttkegel, wie der alte von Höttingen, bilden sich heute noch im Innthale. Als Analoga möchten jedoch nicht jene flachen Kegel angesehen werden, welche von Wildbächen am Ausgange von Felsschluchten angehäuft werden, wie z, B. der Schuttkegel bei Kranabit«n unter der Martinswand, oder der bedeutende, welchen der Vomperbach bei seinem Austritte aus dem Vomper- loehe aufgebaut hat. Als reeente Gegenstücke muss man vielmehr jene Schuttkegel anftihren, welche aus Schutthalden entstehen. .Solche sind besonders in der Gegend von Telfs entwickelt, wo sie sich an die steilen Wände des Mieminger Bei^s anlehnen; auaser- halb des Innthales finden sie sich vortrefflich entfaltet an den :8teilen Crehängen des Wettersteingebirges und des Eahrwendel. wie denn überhaupt Schutthalden meist den Fuss jener schrofien Wetteratön kalk wände einnehmen, welche den bayerischen Alpen ihren malerischen Reiz verleihen.

Die Beziehungen der Höttmger Breccie das Gestein ist eine Breccie, kein Konglomerat, wie gewöhnlich geschrieben wird zu der bisher beschriebenen Glacialformation sind scharf aus- gesprochen. Sie iat älter als die geschilderten Moränen und älter als die Schotter im Li^nden derselben. In der G«gend von Mühlau, unterhalb Innsbruck sieht mau die unteren Glacialschotter über der Breccie und in grosser Mächtigkeit deutlich an dieselbe angelagert, indem die Breccie in einer Höbe von fast 200 m über der Thalsohle steil abbricht und sich jene Schotter neben ihr bis zur Thalsoble verfolgen lassen. Dies deutet darauf, dass die Breccie vor Anbäuüing der Schotter eine beträchtliche Erosion

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Kapitel XVIII. Alte Brecden der nördlichen Kalkalpen. 233

erfahren hat, wie es scheint, durch den sein Thal fortwährend ver- tiefenden Imi. In den Höttinger Steinbrüchen überlagern Grund- moränen die Breccie, sie ist unter denselben glatt abgeschliSen und geschrammt, und Blßcke von ihr treten in den hangenden Moränen auf. Die Breccie iat also bereits vor Eintritt der letzten Vergletechenmg, sowie vor Ablagerung der der Vereisung voraus- gehenden Schotter fertig gebildet geweseti. Der Höttinger Graben endlich läset noch eine Zwischenbildung zwischen der rothen Breccie und den Gliedern der Glacialformation erkennen. Es lagert sich hier nämlich über die rothe Breccie eine 50 m mächtige lose verfeetigt« ßchuttmaese, welche sich vom Dorfe Höttingen fast 1 km wdt aufwärts im Graben verfolgen lässt, wo sie th^s über der Breccie liegt, theila aber an dieselbe in ähnlicher Wdae angelagert ist, wie die unteren Glacialschotter bei Mühlau. Ea muBS also auch zwischen der Bildung der Breccie und Ablagerung des Schutt«s eine Erosion stattgefunden haben, und da der letztere sich an eine gegen das Innthai gerichtet« Äbböschung der erster^ anlagert, so ist anzunehmen, dass der Inu es war, welcher die Erosion der Breccie bewirkte (vergl. Tafel II, Fig. 3). Die erwähnte Schutt- masse fuhrt grosse Fragment« der Breccie, und zwar sowol von der rothen als auch von der weissen, zwischen ihr und der Breccie f^d ich an den obersten Häusern von Höttingen einen Schmitzen alpinen Gerölls. Die Breccie ist also schon vor Ablagerung des Schutt« fertig gewesen. Dieser nun besteht gleich der Breccie aus eckigem Gestein smateriale, aus einer wirren Anhäufung grober Trümmer, augenscheinlich ist er die Ablagerung eines Wildbaches, welcher nach Abachluss der Bildung der Breccie einst über das Gehänge strömte und seinen Schutt im Innthale ablagerte, ffur m^beachtet werden, dass auch er gleich der Breccie nicht aus- schliesslich aus dem Materiale des Thalgehänges besteht, sondern dass ihm gldchfalls Urgebirgsgerölle dngestreut sind. Diese aber sind in ihm weit zahlreicher und weit grösser als in der liegenden Breccie.

Die gedachte Sohuttmasse, welche also ihrer Lagerung und ihrer Zusammensetzung nach weit jünger ist als die rothe Breccie, ist aber ihrerseits wiederum älter als die Glacialformation; denn sie wird diskordant von den älteren Glacialschottem auf der

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234 !!■ Abschn. AeltereVergletBcherungen v. Oberbayern a. Nordtirol.

ganzen Strecke überlagert, wo sie ansteht (Fig. 3 Tafel II), und erst über jenen Schottern tret«n Moränen auf. Hieraus erhellt von neuem, dass die rotbe Breccie weit älter sein mues als die letzte Ver- gletscherung; aacbdem ihre Bildung bereita vollendet, nachdem sie zu einer Breccie verfestigt war, häufte ein Wildbadi über ihr seine Bchuttmaseen an, dann erst trat die Veigletscberung ein.

Es ist bisher eines Umstandes nur öüchtig gedacht worden, welcher jedoch für die Auffassung der ganzen Sachlage von grösster Wichtigkeit ist In voller Uebereinstlmmung mit Pichler halt«n wir die Höttinger Breccie für eben alten verfestigten Schuttkegel, wir erkennen in der jüngeren Schuttmaase dann femer die Ab- lagerung eines Wildbaches, welcher vom Gehänge herabströmte, dennoch aber besteben beide Gebilde nicht ausachliesslich aus dem Matenale des Gehänges, sondern zeichnen sich auch durch die Führung von XJrgebirgsgerölIen aus. Urgebirgsfelsarten aber stehen am 14'ordgehänge des Inntbales unterhalb Landeck nirgends melir an. Es entsteht daher die berechtigte Frage, wie jene Ge- rolle in die Breccie und in den Schutt im Hangenden derselben kommen.

Wenn wir heute an irgend einer Stelle am Nordgehänge des Innthales Urgebii^geröJIe finden, ed es in Schutthalden oder in den Anschwemmungen der Bergwasser, so erklärt sieb deren Auf- treten leicht und einfach durch die letzte .Yergletschenmg, welche Findlinge bis zu beträchtlicher Höhe über die Thal- gehänge streute. Die vorliegenden Schichten sind jedoch weit älter als die letzte Yergletscherung, und dieselbe kann das Auftreten von UrgebirgsgeröUen in ihnen nicht erklären. Wenn nun aber das Auftreten von UrgebirgsgeröUen in Gehängebildungen der nördlichen Kalkalpen uns geradezu auf eine vorhei^gangene Yer- gletscherung schliessen lässt, warum sollte es nicht gestattet sein, aus dem Auftreten von UrgebirgsgeröUen in scheinbar präglaci- alen Gchängebildungen des Innthales auf eine frühere Yei^letr Bcheruug zu schliessen? Von dieser Erw^ung ausgehend, wandte ich meine Auöuerksamkeit dem Liegenden der Höttinger Breccie zu, in der Hoffnung, hier vielleicht Moränen einer alten Yer- gletscherung aufzufinden. Reichlicher Erfolg krönte dies Bemühen, an zwei üemlich weit entlegenen Stellen gelang es unzwdfelhaft

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Kapitel XVIII. Alte Breccien der nördlichett Kidkalpen. 235

unter der Breccie MoiÜDen zu enflecken, und zwar konstatirte ich dieselben nicht bloss einmal bei einer flGchtigen Buchung, aondem ich habe jedes Profil dreimal zu verachiedenen Zeiten untersucht Betrachtet man von der Innbrücke in Innsbruck den Abfall der nördlichen Thalterrasse, eo sieht nian die rothe Breccie in den grossen Höttinger Steinbrüchen aufgeschlossen. Unt^ den- selben erblickt man an mehren Stellen triasischen Dolomit in Fels- buckeln anstehen, aber in einigen jener Waeeerrissen, welche den Abfall der Terrasse zerschneiden, nimmt man unmittelbar unter der Breccie ein bläulicfaeB Gestein wahr. Diese YerfaältniBse sind so klar, dasa sie selbst auf Photographien hervortreten. Verf&gt man sich nun in jene Wasserrisse, so erkennt man in dem bläulichen Gesteine eine ganz zweifellose Grundmoräne, welche sich zwischen Dolomit und Breccie einschaltet, wie es auf Tafel II Fig. 1 I und II dar- gestellt ist Doch betrachtet man jene Auischlüsse von der Seite, so könnte es fast scheinen, als ob sich die Moräne nicht weit unter die Breccie erstrecke, denn sie wird schräg durch die han- gende Breccie abgeschnitten, wie Flg. 1 I Tafel II lehrt Könnte nicht vielleicht die Ueberlagerung durch dieselbe nur eine schein- bare sein, könnte die Moräne nicht nachträglich unter die Breccie gepresBt worden sein? Ein genaues Studium der Grenze zwischen Moräne und Breccie lehrt, dass solches nicht der Fall sein kann. Die Moräne hebt sich überall scharf von der Breccie ab, sie greift nirgends in dieselbe hinein, wie es bei ein- und angepressten Mo- ränen häufig vorkommt Vielmehr stellen sich in den obersten Moränen partJen geschichtete Materialien ein, welche ihnen regel- mässig eingeschaltet sind. Solches deutet auf eine allmähliche Ablagerung, nicht aber auf eine eingepresste Masse (vgl. Fig. 2 Tafel II). Vor allem aber ist zu bemerken, dass die Moräne durchaus nicht Fragmente der Breccie fuhrt, dies müsste der Fall sein, wenn sie jünger als die letztere wäre. Die Schichten der Breccie zeigen femer eine bestimmte Abhängigkeit von der Ober- fläche der Moräne. Sie legen sich horizontal auf dieselbe auf, so- dass eine deutliche Diskordanz zwischen beiden hervortritt Vgl. Fig. 1 II, Tafel II. Quellen endlich entspringen an der Grenze zwischen Moränie und Breccie, gleichsam bestätigend, dass sich die erstere unter der letzteren fortzieht Alles dies macht undenk-

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236 ir. Abschn. AeltereVergletschenmgeß v.Oberbayem u. Kordtirol,

bar, daaa die Moräne unter die Breccie eingepreast worden ist Die rothe Breccie von Innsbruck wird von einer Grund- moräne unterteuft Die letztere freilich zeigt auf den ersten Blick hin etwaa AuBBergewöhnlichea, Sie erachrint nämlich ge- schichtet (vgl. p. 38); an den abgewaschenen Abböechungeu ragen parallele Lageu hervor. Dieselben weichen jedoch in ihrer Zu- sammensetzung kaum von ihrer Umgebung ab, und Geschiebe ragen aus letzterer in sie hinein. Sie sind lediglich fester als die umliegenden Partien, was vielleicht sdnen Grund darin hat, dass sie aus sehr feinem Schlamm bestehen. Man wird in diesem Phä- nomen nur wieder einen neuen Beweis für die Anschauung er- kennen, dass mächtige Grundmoränen allmählich abgelagert wurd^i, wobei nicht immer absolut gleiches Material zur Anhäufung kam.

Die geschilderten Profile des Weiherburger Grabens finden sich in einem westlich gelegenen Wasserriese wiederholt, wenn auch minder gut aufgeschlossen. Fig. 4 Tafel II stellt diese Entblössung dar, wobei, wie in allen Profilen, nur das unmittelbar Beobachtete dargestellt ist. Der Höttinger Graben endlich liefert an einer ziemlich weit entfernten Stelle auch das Beispiel einer Ueberlagerung der rothen Breccie über eine Grundmoräue.

Steigt man im Höttinger Graben au^ärts, so erreicht man dicht oberhalb der letzten Häuser von Höttingen die rothe Breccie, welche im Graben unter der schon erwähnten Schuttablagerung bis zu einer Höhe von fast 300 m zu verfolgen ist Dann bricht sie ab. (VgL Fig. 3 Tafel II oberhalb der oberen Brücke.) Wenig oberhalb dieser Stelle zeigt sich folgendes Profil (Fig. 3 Tafel II, Profil II): Unten im Bache eine sehr feste, graue Moräne. Diskordant darüber die Schuttablagerung. Darauf Sand und Kies, und als deren Hangen- des eine mächtige Gnindmoräne, welche von der unteren durch ihr Ausseben verschieden ist. Beide Moränen fuhren Geschiebe von Urgebü^felsarten. Diese Stelle beweist, dass aowol über als auch unter der Schuttmasse des Höttinger Grabens, in welcher wir die Anschwemmung eines Wildbaches erkannten, Moränen auftreten. Es fragt sich nun nur, oh die liegende Moräne die Schuttmasse von der sonst unmittelbar unter ihr auftretenden Breccie trennt, oder ob sie auch unter diese letztere einfallt Mau erhält hierüber Auskunft, wenn man das Thälchen ein Stück weit abwärts ver-

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Kapitel XVIII. Alt« Breccien der nenUichen Ealkalpen. 237

folgt Man sieht dabei im Bachbette imoaterbrochen die untere Moräne, bis man eine Stelle erreicht, wo sich rechts und linke Felsen der rothen Breccie erheben, und zwar Ober der iraglichen Moräne. (Vgl. Fig. 3 Tafel II, ProW II.) Allerdings ist die un- mittelbare Auflagerung durch Rasen verdeckt, sodass man nicht die Hand auf die Grenze beider Gesteine legen kann, allein bei der Steilheit der Gehänge ist nicht zu zweifeln, dass hier eine solche Auflagerung der Breccie über die Moräne statthatt Allerdings könnte man, wenn man die Auflagerung der Breccie auf Moränen durchaus in Zweifel ziehen will, auf diesen Mangel einer unmittel- bar sichtbaren Auflagerung im Höttiuger Graben grosses Grewicht legen, und vielleicht die zu beobachtende Schichtenreihe anders zu erklären suchen. Unter solchen Umständen müsste man &ae höchst absonderliche Einpreseung von Moränen in die Breccie an- nehmen, welche gerade so durch den Bach aufgeschlossen wäre^ dsss die tiefsten Partien der eingepressten Masse noch erhalten sind, während die oberen gänzlich erodirt wurden, sodass jene ersteren nun scheinbar von dar Breccie überlagert würden, in die sie ein- gepresst sind. Für dne solche an und für sich sehr gesuchte Annahme aber liegt nicht der geringst« Grund vor. Nirgends lassen sich Spiu^n einer solchen Einpressung erkennen; im Gegentheil, » finden sich die nothwendigen Konsequenzen einer solchen nicht erfüllt Es finden sich keinerlei Bruchstücke der Breccie in der tiefer als sie lagernden Moräne, was doch der Fall sein müsste, wenn dieselbe jünger als die Breccie wäre. Wollen wir nicht von unbeweisbaren Voraussetzungen höchst komplicirter Voi^nge aus- gehen, sondern die LagerungsverhältniBse so deuten, vie es am natürlichsten und einzig möglich ist, so ergeben die Aufschlüsse im Hötlinger Graben, dass auch hier unter der rothen Breccie eine Grundmoräne auftritt.

Verschiedene Aufschlüsse filhren also in übereinstimmender Weise zu demselben Ergebnisse, welches sich dahjn zusammen- fassen läset, dass die Höttinger Breccie zwischen zwei aufeinander- folgenden Vereisungen der G^end von Innsbruck gebildet wurde. Die Wichtigkeit dieses Ergebnisses, und nicht die Vieldeutigkdt der Aufschlüsse, hat uns veranlasst, für jedes einzelne Profil auch andere Erklörungsweisen zu versuchen. Allein es zeigte eich stete.

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238 n.Absclm. ÄeltereVergletooherungen v. Oberbayern u. Nordtirol.

dasB dieeelben zur ADnahme höchet kompUcirter Voraussetzungen fiÄhren, welche nicht zu erweisen sind und mit den beobachtetea Thataachen sogar in Widerspruch stehen. Schliesslich aber haben wir noch einen PrO&tein iur die Richtigkeit unserer Beobachtungen. Das Auitreten der Urgebirgagerölle in der Breccie ist die natür- liche Konsequenz des Umstandes, dass auch vor Bildung der letz- teren eine Yergletecherung stattfand, es wird dag^;en unter allen anderen Annahmen zu einem völlig rathselhaften Faktum.

Die beiden Vereisungen der G^eod von Innsbruck, welche durch das Auftreten von Moränen im Liegenden und Hangenden der Breccie von Innsbruck angedeutet sind, können schwerlich als der Ausdruck der Oscillation einer grossen Vergletscherung angesehen werden, denn die beiden Vereisungeu werden durch einen langen Zeitfaum voneinander getrennt. Zwischen das Schwin- den der ersten Eisbedeckung und dem Eintreten der neuen fallen folgende Ereignisse:

a) die Bildung eines ausgedehnten Schuttkegels am Kord- gehänge des Innthales, welcher uns heute als Höttinger Breccie ^tgegentritt;

b) die Verfestigung von dessen Material zu einer festen Breccie e) Erosion derselben und Anhäufung von Schutt eines Wild-

bachee im Höttinger Graben,

d) beträchtlicheVeränderungen in derEonäguration des Thaies, bedeutende Vertiefiing desaelhen unter das Niveau der Breccie,

e) Anhäuiung der unteren Glacialschotter in einer Mächtigkeit von 200 m.

Erst nachdem dies alles geschehen, wurde die Gegend von Innsbruck zum zweiten Male mit Eis bedeckt Die beiden Ver- ^etschenmgen werden also getrennt durch eine Periode, in welcher die Ablagerung ganzer mächtiger Schichten, sowie eine namhafte Vertiefung des Thalbodens geschahen. Sie können daher nicht den Ausdruck von Gletscherschwankungen ein und desselben geologischen Zeitabschnittes sein, sie gehören zwei geologisch scharf von ein- auder zu trennenden Perioden an. Die Höttinger Breccie erscheint demnach nicht nur ihrer Lagerung nach als eine interglacinle Bil- dung, sie ist auch eine solche zufolge ihrer Entstehungszeit, sie erscheint als Produkt einer Interglacialzeit zwischen zwei Glacial-

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Kapitel XVIII. Alt« Bteccien der n&rdlichen Ealkalpen. 239

Perioden. Ihr Auftreten kann nur als ein entschiedener Beveis für dieAneicbt Hesb's von einer zweimaligen Vergletscherung der Alpen gelten. Ein solchea ErgebnisB bedurfte einer auafuhrliehen und eingehenden Begründimg. Es veranlasste mich zu mehreren Malen die Gegend von Innabruck zu begehen und alle nur irgend wie denkbaren anderen Deutungen der grundlegenden Aufechlüsse zu versuchen. Als ich später in der Literatur nach Berichten über die Höttinger Breccie suchte, wurde mir dann die Befriedigung zu Theil, dass meine Beobachtungen mit denen älterer Autoren har- rooniren und dass selbst betreffs der Erklärung über die Bildung mancher Gebilde Ueberdnstimmung zwischen irüheren Beobachtern und mir herrscht.

A. Escher von der Linth^) ist meines Wissens nach der Erste, welcher die Höttinger Breccie erwähnt. Er beschreibt sie berdls als Breccie, und erwähnt, daas sie den diluvialen Band- und Gerölllagem des Innthales aufgelagert ist Sie erinnerte ihn „an die mächtigen TravertJobildungen, welche den Boden der Berga- maskischeuThäler erfüllen". Moblot*) gab sodann ein Profil über die Lagerung der Breccie, die er als Konglomerat bezeichnet und nicht von den Schottern der Terrasse trennt Er berichtet, dass ihr erratische Blöcke aufgelagert sind. Später beschrieb Pki»- ziNOER^) die Breccie; er erwähnt, dass sie aus Stücken aller nahe liegenden Gebirgsgesteine besteht Er hält sie für älter als die Diluvialperiode, als deren Repräsentanten er jene mäch- tigen Schotterablagerungen aufiasst, die wir als untere Glacial- schotter bereits beschrieben. Eine ausfuhrliche Schilderung der Höttinger Breccie ist endlich Pichler') zu danken. Er erkannte in diesem Gesteine eine Lokalbildung, welche „aus eckigen oder an den Kanten etwas abgerundet«n Trümmern der älteren Formation

') Beiti^ie zur Eenntniss der Tiroler und Bairiechen Alpen. Neues Jahrb. f. Min. u. Oeol. 1845. p. 540.

*) ErlSutemngen der geolog. Uebersichtskarte der nordöstlichen Alpen. 1847. p. 60.

") Geologische Noüzen aus der Umgebung des Salzbergwerkes von Hall in Tirol. Jahrb. d. k. k. geolog. Eeichaanstalt Bd, VI. 1855. p. 328.

*) Beitrage zur (Geologie Tirols. Aus der Zeitschrift des Ferdi- nandeuma. Innsbruck 1859. p. 167.

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240 II- Abichu, AeltereVergletscheningen v. Oberbayem u, Nordtirol.

der nördlicheQ Ealkkette besteht, je nach dem Orte überwiegt Kalk oder Sandstein." Er bemerkte auch schon abgerundete Geschiebe aus der Centralkette, über deren Bedeutung er jedoch keinerlei Mittheilusgeu macht Die Neigung der Breccie endlich erklärt er „durch keine andere Gründe, als die bei Anlage jeder Schutthalde wirkenden." Er deutet also dieselbe Entstehunge- weise der Breccie an, wie wir sie zu beweisen suchten. Femer hebt er den wichtigen Umstand hervor, dass die Unterlage, alsdie Breccie sich bildete, dieselbe Gestalt gehabt habe wie jetzt, „und seit den Absatz derselben keine Hebung oder anderweitige Störung erfahren." Vor allem aber Ireut mich, Pichler als Zeugen füi die Richtigkeit meiner Beobachtungen über die Lagerungaverhält- nisse der Breccie zu besitzen. Er schreibt: „Die Unterlage der- selben ist verschieden: im Höttinger Graben bunter Sandstein und Kauchwacke, bei Mühlau oberer Alpenkalk, ober Weiherburg sind die Unebenheiten der Unterlage durch glimmerreichen Quarzsand und Letten ausgefüllt, in dem ich wenige verdrückte Beste von Helix fand." Pichleb spielt hier auf dieselbe Stelle an, an welcher ich nahe der Weiherburg die Grundmoränen unter der Breccie sah, und es kann keinem Zweifel unterliegen, besonders wenn man das von ihm gegebene auf Tafel II Fig. 6 wiederholte Profil mit dem meinigeu vergleicht, dass „der glimmerreiche Quarz- sand" Pichler's unserer Grundmoräne entspricht Dass der tiroler Geologe dies nicht erkannte, kann nicht Wunder nehmen, wenn man berücksichtigt, dass er zu aner Zeit seine Beobachtungen anstellte, als in den deutschen Alpen Gletscherspuren kaum nachgewiesen, als die Eigenschaften der Grundmoränen noch nicht allgemeiner zur Kenntniss gelangt waren. Was endlich die von Pichleb er- wähnten Trümmer von Helixschalen betrifft, so will ich noch hin- zufugen, dass auch ich bei meinem jüngsten Besuche des Weiher- burger Profiles solche auffand, dass ich mich jedoch nicht ver- gewissern konnte, ob dieselben aus der Grundmoräne stammten, oder nur, wie mir sehr wahrscheinlich, über die Abbösehungen derselben geschwemmt seien.

Nur in einem, aber höchst wesentlichen Punkte kann ich nicht mit Pichler übereinstimmen, nämlich über das Alter der Höttinger Breccie. Pichler hält dieselbe auf Grund der in ihr

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Kapitel XVIII. Aite Brecden der nördlichea Kidbüpen. 241

gefundenen Pflanzenreste für miocän, ich möchte sie dagegen unter die Diluvial gebilde auf Grund ihrer Ueberlagemng über die Moränen rechneu. Ich erachte zviax im Allgemeinen nicht ftir unwahrscheinlich, dass man später einmal in tertiären Schichten Spuren von Gletecb erwirkungen vorfinden wird, es scheint mir jedoch der Beweis hierfür durch die Höttinger Breccie noch nicht gegeben. Das tertiäre Alt£r derselben ist mir nicht mit genügender Schärfe erwiesen. Unter den Pflanzenresten, welche sie geliefert hat, könnt« Unqer nur zwei Arten mit Sicherheit be- stimmen, nämlich Arundo Oöpperti H. und Acer trilobatum Stb. sp., die übrigen, Cypenis Sirenum Heer, Cyperites canalicnlatus Heer, Cyp. plicatua Heer, Persea speciosa Heer, Ulmus Bronni Heer, Carpinus ? Laurinea gen., Quercua ?, Laurus ? sind tmsicher, und Unoeb selbst bemerkt über die gesammten Reste, „dass die äusserst übele Erhaltung nur eine beiläufige Bestimmung der Art zulässt". Was nun die sicher bestimmten Arten anbelangt, so weiss man, vrie schwer die Bestimmung der Arundo- und Acerarten ist, zumal wenn, wie im vorliegenden Falle, nur unvollständige und schlecht erhaltene Fragmente vorli^i^en. Es ist bekannt, daaa Arundo Oöpperti der Kollektivname für Schilie ist, und es verbietet sich von selbst, auf das Vorkommen einer solchen Form einen Schluss zu basiren. Nicht viel anders verhält es sich mit Acer trilobatum, welches zu den wechselndsten Typen der Tertiärflora geh&rL Zu- dem gibt es einen stratigraphischen Beweis gegen das tertiäre Alter der Breccien des Innthales. Dieselben lagern völlig un- gestört, wie auch Pichler betont Zur Tertiarzeit aber waren die Alpen noch in Faltung begriflen, und es ist nicht denkbar, dass sich gewisse Gesteine des Gebirges dem Faltungsprocesse entzogen hätten. Wir können daher in den Breccien des Innthales nur post- tertiäre Gebilde erblicken.

Nachdem wir also erkannt, daes die Breccien des Innthales in der That posttertiäre Gebilde sind, haben wir noch ein Ver- hältniss näher zu erwägen, nämlich die g^enseitigen Beziehungen zwischen den Breccien und der Schuttablagerung im Höttinger Graben. Dieselbe zeichnet sich gegenüber der in ihrem Liegenden auftretenden rothen Breccie durch die Führung ungemein zahl- reicher und grosser Ui^bii^blöcke aus, während in der Brecde

Peuck, Ms VergtelMtaenuig. IQ

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242 II. Abaclm, Aeltere VergletBcherungen v. Oberbayero u. NordtiroL

Belbat nur wenige Oerölle von kryetallinischen Schiefem auftreten, §odaSB sich in äieaen Hinsicht ein ziemlicher G^eneatz geltend macht. Bei Erwägung derselben drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob die erratischen Blöcke in dem Höttinger Schutte allein anf jene Vergletscbening zurückzuföliTen sind, welche schon vor Ablagerung der Breccie erratisoheB Material" verbreitete, oder ob nicht seit Bildung der letzteren und vor Anhäufung des Schuttes äne neue Zufuhr von solcbem Gesteinsmaterial statt- geftiuden hat. Ea dürfte das letztere nicht unwahrscheinlich sein. Indem sich die Breccie am Gehänge bildete, deckt« sie dasselbe völlig zu und verschütt«te gänzlich die Spuren einer früheren Ver- gletschening. Nachdem sie also angehäuft, konnten Wildbäche nicht mehr erratisches Material erfassen und thalwärts führen. Zwar It^eri. der Schutt, wie wir oben berräts auseinander setzten, eine Strecke weit einer Gnmdmoräne auf, und er kann aus der- selben direkt erratisches Material erbalten haben, aber auch die L^en, welche hoch über der Moräne lagern und nirgends in Berührung mit derselben treten, enthalten reichlichst ft^mde Bei- ' mengungen, sodass ich, um das reichliche Auftreten von solchem Materiale in einer jüngeren Bildung, als die Breccie ist, zu er- klären, geneigt bin, anzunehmen, dass nach Ablagerung der letzteren und vor ihrer Anhäuiusg «ne neue Znftihr von Urgebirgsmaterial stattgefunden hat Nun ist der Höttinger Schutt gldch der Breccie me Bildung des Nordgehänges des Inntbales, es fragt sich daher, wie auf dasselbe nach Ablagerung der Breccie Ge- steine der Centralalpen geschaät werden konnten.

Wenn wir heute am Nordgehänge des Innthales Gesteine der Centralalpen finden, erklären wir uns deren Auf^len durch die letzte Vergletscherung; als wir in der Höttinger Breccie Urgebirgs- geschiebe fanden, muthmaassten wir, dass dieselben durch eine alte Yei^letscherung verbreitet seien; das Auftreten von Moränen unter der Breccie bestätigt« diese Voraussetzung. Jetzt sehen wir uns nun zu der Annahme gezwungen, dass nicht bloss vor Ablagerung der Höttinger Breccie und nach Bildung des Höttinger Schuttee Gesteine der Centralalpen über das linke Inngehänge verbreitet wurden, sondern dass solches auch zwischen der Bildung beider geschah. Drdmal zu verschiedenen Zeiten wurden also Urgebirgs-

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Kapitel XVIII. Alte Brecden der nSTdUchen Kalkalpen. 243

arten an den Gehängen der Kalkalpen verbreitet, wenn dies nun zweimal durch OletBcher geBchah, wie sich durch Spuren derselben nachweisen liess, so ergibt sich hieraus auch eine gewisse Berech- tigung, solches auch für das dritte Beispiel anzunehmen. Der Um- stand, daes wir in dem Hötdnger Schutte, also in einer Oeh£nge- bildung des InnUiala, über dem alten Schuttkegel d^ HSttinger Breccie weit mehr erratisches Material finden als in dieser letzteren, lässt uns also muthmassen, dass die Oegend von Innsbruck auch zwischen Bildung beider vergletschert gewesen, dass sie also während der Diluvialzeit dreimal übereist gewesen ist. Wir ge- winnen demnach folgende Chronologe der Ereignisse in der Gc^nd Ton Innsbruck während der Diluvialperiode.

1) Erste Vergletscherung und Rückzug derselben.

2) Bildung &nes grossen Scbuttkegels. Die Gehänge des Innthales bewachsen. Verfestigung des Schuttes zur Höttinger Breccie. Erosion derselben und Vertiefung des Innthales.

3) Vermuthliche neue Verbreitung von Gesteinen derCentral- alpen Über die nördlichen Kalkalpen, vielleicht durch eine zweite Verglet scher ung,

4) AnhäuAing von dem Schutte eines Wildhaches im Höttinger Graben bis unter das Niveau der Breccie. Wdtere Vertiefiing des Innthales bis zu seiner heutigen Tiefe.

5) Herannabender letzten VergletBcherung; Ablagerung von Bänderthonen ArzI, von Kohlen bei Müfalau (vei^l. p. 154). Anhäufung der unteren Glacialschotter. Ablagerung von Moränen auf der Höhe und an den Gehängen der Terrasse, Rück- zug der Vergletscherung.

6) Erosion des Innthales, Bildung der Sdiluchten in der Terrasse, Ablagerung von Schuttkegeln auf derselben.

Dieser Gang der Ereignisse lehrt uns kennen, -dass die drei verschiedenen Vergletscherungen der Gegend von Innsbruck, von denen wir zwei bestimmt nachweisen und die dritte wenigstens für wahrscheinlich halten, durch Zeitabschnitte nicht geringer Dauer von einander getrennt sind. Es ist daher anzunehmen, dass sie nicht durch Oscillationen ein und derselben Eismasse erzeugt wurden. Allein es fehlt noch jede Andeutung darüber, wie weit die einzelnen Vergletscherungen sich erstreckten und bis wohin 16*

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244 II- Abschn. Aeltete VergletscheruDgen v. Oberbayera u- Nordtirol.

de sich zurückzogen. Es ist daher uneere nächstliegende Aufgabe, hierüber Untersuchungen anzustellen.

Die Schuttablagerung im Höttinger Graben, welche uns zur Yermuthung der zweiten Vergletscherung fiihrte, i£t nur ganz lokal entwickelt 8ie ist lediglich auf den Höttinger Graben be- schränkt, sie gestattet nur, jene Vergletscherung der Gegend von Innsbruck zu muthmaassen, ermöglicht daher auch kdnerlei Folgerungen auf Beziehungen dieser Vergletscherung zu der vor- ausgegangenen und nachfolgenden zu machen.

Grösseres Interesse muss sich daher der Höttinger Bieccie zuwenden, welche als mächtiges und ziemlich ausgedehntes Glied zwischen den Spuren der ersten und letzten Vei^letscherung der Gegend von Innsbruck auftritt Sie könnte ein ziemlich einfaches Mittel gewähren, die Ausdehnung beider Vergletscherungen mit- einander zu vei^leichen. Die in ihr auitret^nden Urgebirgsarten rühren aus den Moränen der ersten Vergletscherung her. Es brauchte daher nur ermittelt zu werden^ bis zu welcher Höhe diese erratischen Gerolle in der Breccie gefunden werden, um so au- nähemd wenigstens die obere Grenze der ersten Vereisung festzu- stellen. Aber leider konnte ich die Urgebirgsgerölle, und zwar schon als Seltenheit, nur in der rothen Breccie am unteren Thdle des Gehänges, nicht aber in den höher gelegenen Partien der weissen Breccie wahrnehmen. Dies ist an und für sich nicht wunderbar; denn Findlinge müssen in demMateriale eines Schutt- kegela wie am Gehänge überhaupt nach oben zu seltener und seltener werden. Sind sie nun schon in den unteren Partien des Schuttkegels eine Seltenheit, so kann ihr Fehlen in den oberen nicht überraschen, umsomehr als dieses Fehlen nur durch eine Süchtige Exkursion, nicht aber durch fortgesetztes Suchen kon- statirt wurde. Dazu kommt noch Eines. Die weisse Breccie besteht aus Schutt, der tui die Et«ilen Felswände nördlich Innsbruck sich anlegt, welche auch während der letzten Ver- gletschenmg eis&ei gewesen sind; er stonunt aus Begionen, in wdchen nie erratisches Material abgelagert wurde, er deckt also vielleicht glaciale Schichten zu, baut dch aber nicht aus deren Beatandtheilen auf, und der Mangel von UrgebiigsgerÖllen in den alten Schutthalden der weissen Breccie kann ebensowenig über-

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Kapitel XVIII. Alte Breccien der nördlichen Kalkalpen. 245

rascfaeD, wie das Fehlen derselben in den Schutthalden am Fuese des Wettereteingebirges ; denn auch diese fuhren, wiewol sie post- glacial sind, wiewol sie sich tief unter die obere Grenze der Glacial- eracheinungen eratrecken, doch kein erratisches Material.

So läset denn der einfachste Weg, die Ausdehnung der beiden Vei^letscherungen zu vergleichen, in Stich. Dagegen fuhrt ein and««H Verfahren zu einem befriedigenderen Ergebnisse, Die Höttinger Breccie ist zwar ein Lokalgebilde, welches auf die Gegend von Innsbruck beschränkt ist, und also nur auf eine kurze Ent- fernung die beiden Moränen von einander zu trennen gestattet, aber es treten im Gebiete der nördlichen Kalkalpen mehrfach Breccien auf, welche wie die Höttinger als alt« Schuttkegel oder Schutthalden zu erklären sind und gleich dieser vor Eintritt der letzten Vergletscherung bereits gebildet waren, von denen sich aber auf Grund ihrer Fährung von erratischem Materiale höchst wahrscheinlich machen lässt, dass ihrer Bildung eine Gletscher- ausdehnung vorausging.

Zunächst findet sich auf der Höhe des Marienberger Jöchls unweit Nasaereith eine, wenn auch nur wenig ausgedehnte Breccie, welche prächtige GletscherschliSe trägt, also vor der letzten Ver- gletscberuug gebildet sein muss; erratisches Material sab ich in ihr nicht. Ein weiteres Vorkommniss fand ich auf der Höhe des Thürl am Haller Salzberge. Dieses ist besonders deswegen interessant, *eil es gerade auf der Passhöhe auftritt und nach Süden zu von einem Punkte abfallt, welcher jetzt als Erhebung nicht mehr vorhanden ist Vielmehr dehnt sich da, wo man die Felsmassen vennuthen sollte, au die sich die Breccie anlagerte, eine tiefe Schlucht aus, die sich nach dem Haller Salzwerke ver- folgen lässt. Es müssen hier beträchtliche Veränderungen in der Konfiguration des Landes seit Ablagerung der Breccie «tattge- iunden haben. Dieselbe ist älter als die letzte Veigetscherung, er- ratische Blöcke sind ihr aufgelagert, ob sie auch erralischeB Material fuhrt, habe ich versäumt zu entscheiden. Endlich tritt im Innthale noch eine mächtige Breccie da auf, wo der Vomperbach aus den Kalkalpen hervoretrömt. Dieselbe legt sich auf Dolomitfelsen auf, und ffillt steil unter einem Winkel von 20" nach Süden. Ihre Machtigk^t beträgt 100 m, Ueber ihr l^em die Gladalschotter

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246 n. Abechn. Aeltere Vergletscheningen v. Oberbayeni u. Nordlirol.

des Gnadenwaldee und Gnmdmoränen erechemen hoch Aber ihr. Sie ist also vor der letzten Vergletschening entstanden. Dennoch aber führt sie GerSUe kiystallinischei Schiefer, was zu deoaelben SchluBsfolgerungen berechtigt, zu welchen die Urgebirgsfelsarten der HöttingeF Breccie iuhrten.

Auch im leargcbiete konstatirte ich eine mächtige Breccie, welche gegenüber den Moränen der letzten Vergletscbemog die Bolle «HCT präglacialen Ablagerung spielt Dieselbe steht am Kordgehänge der Isar dicht unterhalb des Dorfes Wallgau an, an der Stelle, wo die Isar sieb ostwärts wendet Sie besteht toi^ nelunlicb aus den Trümmern von Gesteinen des Gehängee, also aufi eckigen Fragmenten von Hauptdolomit Daneben aber fuhrt sie UrgebirgsgerÖlle in spärlicher * naubl Sie bildet ähnliche

Profil bei Wallgau i

bizarre Felsformen wie die wösse Breccie bei Innsbruck. Sie wird gldch derselben von Moränen diekordant überlagert Eh hat also zwischen ihrer Bildung und der Anhäufung der letzteren eine Erosion stattgefunden, was sich am besten aus Fig 11 entnehmen lässt Der Umstand ferner, daae Fr^;mente von ihr in Form ge- schliffner und gekritzter Geschiebe in der Moräne vorkommen, lehrt, dasB sie bereits vor Eintritt der letzten Vergletacheruag ver- festigt war. Sie ist also weit älter als die letzte Veigletschening und steht zu derselben in ganz demselben Verhältoisse wie die Höttinger Breccie, und wenn sie gleich derselben Gerolle von Gesteinen der Centralalpen enthält, so deutet dies darauf, dass bereits vor ihrer Bildung Urgebirgsgeschiebe im Isai^ebiete ver- breitet wurden. Ich kann mir dies nur durch die Annahme er-

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Kapitel XVIII. Alte fiiecdea der nördlidieii Eulkalpen. 24?

klärea, doss bereits vor Ablagerung der Wallgauer Breccie der Inngletscher sich in das Isargebiet erstreckt batte.

Weiter habe ich noch ein VorkonuuniaB alter Brecden im Lechthale anzuführep. Unweit des Weges von Weissenbach nach dem Fasse Qaicht sieht man am Weisaeubacher Kalvarien- berge öne mächtige Kalkbreccie unter einer Qrundmoräne. Beide führen nicht Ui^birgsgerölle, es kann also nicht konstatirt wer- den, ob der Ablagerung der Breccie, weiche «ich als Gebänge- scbutt chanikterisirt, eine Gletscherausdehnung vorausgegangen ist. Endlich findet sich noch im Gebiete des 8chlieTaeethales unweit Max-Josefsthal eine Dolomitbreccie. Dieselbe bildet im Aurach- thaie einige wallförmige, isollrte Hügel. Ihre Zusammensetzung jedoch und ihre Lagerungsverhältnisse (schräge Schichtung) machen ganz zweifellos, dass sie das verkittete Material von alten Schutt- halden darstellt, seit deren Bildung Veränderungen in der Oro- graphie des Tbalea erfolgt sind, worüber schon p. 76 berichtet wurde. Der Mangel an Moränen in der nächsten Umgebung der Breccie macht unmöglich, deren Alter zu bestimmen, wahr- Hcheinlicb ist jedoch, dass sie den übrigen Breccien der Kalk- alpen entspricht

Es liegt also me Reihe von alten, zu Breccien verfestigten Schutthalden vor, welche eich gleich der Höttinger Breccie in Bezug zur letzten Vergletecherung als piäglaciale Gebilde er- weisen, indem sie von Moränen überlagert ,werden, Gletscher- Bchliäe tragen oder in Form gekritzter Geschiebe in den hangen- den Schichten auftreten. Auf der beigefügten Gletscherkarte sind diese einzelnen Vorkommnisse verzeichnet Es düri^ nun kaum zu bezweifeln sein, dass sie alle gleichalterig sind und einer Bildungsperiode angehören. Allerdings lässt sich solches nicht beweisen, aber das Gegentheil dürfte noch schwerer zu begründen sein, denn unnatürlich wäre es, Gebilde, welche in der Art ihres Auftretens, in ihrem Verhältniss zur Vergletecherung durchaus übereinstimmen, verschiedenen Bildungsperioden zuweisen zu wollen. Unter der sehr wahrscheinlichen Annahme der Gleichalterigkeit dieser Vorkommnisse müssten dieselben sammt und sonders inter- glaciale Gebilde sein. In der That, für zwei der fraglichen Beispiele wird dies auch dureh das Vorkommen von erratiscbem

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248 II- Absohn. Äeltere Vergletscherungen t. Oberbayeni u. Nordtirol.

Materiale in den Breccien mehr aU wahrscheinlich gemacht Jene beiden VorkommniaBe nun, am Vomperbach im Innthale und bei Wallgau an der Isar, liegen am weitesten vom Gletecherherde ent- fernt, die erratischen Gesteine in ihnen lehren, dass sich die erste Vergletacherung bis zu ihnen hin erstreckte, das Vor- kommnias vom Marienberger Jöchl dagegen liegt auf dem Punkte unseres Gebietes, welcher dem Centrura der Vergletscherung am nächsten ist, es zeigt, dass in der Zwischenzeit zwischen bei- den VergletscheruDgen das Land selbst hier eisfrei war. Es erhellt hieraus, dass vor Ablagerung der alten Breccien der Inngletächer sich im Innthale bis mindestens zum Vomperbache erstreckte, daas er mächtig genug war, über den Seefelder Pasa in das Isargebiet vonudringen, dass er sich dann jedoch aua unserem Gebiete wieder entfernte, um es spater erst von neuem zu betreten. Mittlerweile häuften aich an den Gehängen der Kalkalpen mächtige Schutthalden an und verfestigten sich zu Breccien, die Thäler seibat wurden vertieft. So lehren denn die alten Breccien, daas die nördlichen Kalkalpen mindestens zweimal vergletschert waren, sie gestatten die erste Vergletacherung bis nahe an den Fuss des Gebirges zu verfolgen. Sie beweisen, dass in der Zwischenzeit das Gebirge, soweit es in das Bereich unserer Untersuchungen fällt, eisfrei gewesen ist. Die Gletscher müssen eich also min- destens in die Centralalpen zurückgezogen haben. Ferner geben diese Breccien durch sich selbst den Beweis einer langen Zeit, weiche zwischen beiden Vei^letscherungen verstrich. Wir dürfen fuglich zwischen zwei Gletscherzeiten eine Interglacialperiode annehmen.

Auf rein geologischem Wege kommen wir also zu ganz dem- selben Ergebnisse, wie Heek durch pfianzengeographische Er- wägungen; die Stratigraphie fuhrt zu dnem Resultate, welches im Widerspruche mit den Ansichten berufener Geologen steht Unter solchen Umständen können wir nicht vorsichtig genug sein, und es wird unsere Aufgabe schliesslich sein müssen, nochmals die Richtigkeit unserer Anschauungen zu prüfen und andere Erklä- rungen der vorliegenden Thatsachen zu versuchen. Wir haben zunächst unsere Voraussetzungen einer Kritik zu unterwerfen. Wir ^Qgen von der höchst wahrscheinlichen, jedoch nicht beweis-

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Kapitel XVIII. Alt« Breccien der nördlichen Kalkfllpen. 249

baren Annahme aus, daee die Breccien gleichalterig seien. Sehen wir einmal hiervon ab und betrachten nun die Phänomena

Die Brecden von Kassereith, Haller Salzberg, Weiasenbach am Lech und Max-Joeefsthal fallen dann aus dem Bereiche unserer Betrachtungen, well sie keine Spuren einer früheren Verglet«che- ning erkennen lassen. Wir können nur behaupten, dass die Gegen- den von InnBbruck, des Vomperbachea und von Wallgau an der laar zwdmal vergletschert gewesen sind. Dies erheilt aus dem Auftreten von Moränen unter der Höttdn^ Breccie, aus dem Auftreten von erratischem Materiale in den beiden andern Vor- kommnissen, welches wir nur durch Annahme einer früheren Ver- gletecheruDg jener Gegenden erklären können. Aber es ist keines- wegs direkt beweisbar, dass die beiden Ver^letscherungen aller jener Punkte gleichzeitig geschahen. Es wäre z. B. denkbar, dass der lungletscher bei Innsbruck oscillirte, dann beim Vomper- bache und später, als er den Seefelder Pass überschritten hatte, bei Wallgau an der Isar, und dass sich in der Zvdschenzeit zwi- schen den jemalJgen beiden dadurch bewirkten Vereisungen der betreffenden Gegenden die Breccien anhäuften. Schon dies ist eine sehr komplicirte und unwahrscheinliche Annahme. Es wäre höchst sonderbar, dass sich gerade an den Stellen, wo der lun- gletscher oscillirte, Breccien anhäufen musBten. Vor allem sind aber die Konsequenzen wenig befriedigend. Die Anhäufring der Breccien erfordert eine nicht unbedeutende Zeit, sie waren aber bei Wallgau an der Isar und bei Innsbruck schon verfestigt, als die Gegend zum zweiten Male vergletschert wurde, und Spuren einer bedeutenden Erosion sind zwischen beiden Vereisungen wahrnehmbar. Ein langer Zeitraum also verstrich zwischen den- selben. Nehmen wir nun an, dass diese Vereisungen nur durch lokale Oscillationen des Gletschers an der betreffenden Stelle er- zeugt wurden, so müssen wir filr jede Oscillation eine ganz beträcht- lich lange Dauer in E^hnung bringen, und anstatt einer Zeit, während welcher unser Gebiet ganz eisfrei war, nehmen wir für jede Oscillation des Gletschers dne ebensolange in Anspruch. Wir erhöhen solchermaassen die Dauer der Vergletscherung ent- sprechend der Zahl der nachweisbaren Oscillationen derselben in willkürlicher Weise.

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260 II- Abschn. Aeltere Vergletscheningen v. Oberbajem u. Nordtüol.

Daa einfachBt« und uatürlicHste bleibt also untra allen Um- ständen, ansunehmen, dass die Vergletecberuiigen bei Innsbruck, Yomperbach und WsUgau gl«chzeitig waren, und unt«r solchen Umständen zeigt sich doch, dass dnmol der Inngletscher weit vorgedrungen war, um sich dann mindestens bis oberhalb Inna- bnick zurückzuziehen. Wo er endete^ wissen wir nicht; a priori ist es ebenso willkürlich anzunehmen, daas er dicht h& Innsbruck endete, wie dass er wdter thalaufw&rte stehen blieb. Anstatt also durch die Annahme von OacillaUonen das Bild zu vereiniachen, kom- pliciren wir es nur, und anstatt eine längere Znischenzdt zwischen zwei Vei^letscherungen grosser Striche Landes anzunehmen, müssen wir uns ebensoviel solche Zeiträume denken, als einzelne Oscil- lationen nachweisbar sind. Die Annahme von Oscülationen einer Vergletscherung braucht also mehr Zeit als die Voraussetzung zweier verschiedener Vereisungen zur Erklärung der That- Sachen.

Wir haben bisher nur die Breccien allein ins Auge gefasst, und nur aus derem Auftreten Schlüsse abgeleitet Eines sehr beachten swerthen Umstände haben wir noch zu gedenken. Die Breccien des Vomperbaches und von Höttingen bei Innsbruck liegen unter der mächten Terrasse der unteren Glacialschotter, welche das Innthal eriuUt Diese unteren Glacialschotter wurden beim Herannahen der letzten Vergletschenmg angehäuft. Sie ge- statten uns, deren Entwickelung in unserem Gebiete zu verfolgen. Diese Vei^letscherung fand nun berdts ältere Moränen unter den Breccien vor. Wir können hieraus nur entnehmen, dass einst eine Vereisung unseres Gebietes stattgefunden und sich gänzlich wieder zurückgezogen hatte, bevor die letzte Vergletschenmg sich ausdehnte. Wir haben demnach zwei verschiedene Ver^letsche- rungen unseres Gebietes anzunehmen.

Hienuit stimmt nun schliesslich noch das Vorkommen von Pflanzenresten in der Höttmger Breccie überein. Dieselben finden sich in ca. 1000 m Meereshöhe. Können wir auch nicht ent- nehmen, welcher Art sie sind, so lehrt uns doch ihr Auftreten, dass das Gehänge in so beträchtlicher Höbe bewachsen war. Solches ist unvereinbar mit der Nähe von Gletschern. Es läset sich nur dadurch erklären, dass in der Zwischenzeit zwischen

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Kapitel XIX. IntergUinftle Eoblen des AlgSo. 251

beiden Vereisungen der G^end von Innsbruck die starren Es- massen sieb weit zurückgezt^en hatten.

'Wir vir also aucb unsere Voraussetzungen beschränken wollen, 80 kommen wir doch stets zu demselben Resultate. Weisen wir es als unbeweisbar zurück, d&ss die Breccien der Kalkalpen gleich- alterig sind, dflSB die durch mehrere derselben angezeigten zweifachen Vergletscherungeo einander entsprechen, so lehrt uns das Auftreten der unteren Glacialschotter, dass wirklich zwei verBchiedene Ver- gletschenmgen sieb tönst im Innthale ausgedehnt haben, und hier- mit steht bestens im Einklänge das Auftreten von Päanzemresten in der Höttinger Breccie.

Die Annahme blosser Oscillationen ein und derselben Ver- gletflcherung erklärt uns nicht die geechilderten Verhältnisse. Sie komplicirt sowol Voraussetzungen als auch Ergebnisse nur In An- betracht der Breccie. Sie ist unvereinbar mit dem Auftreten der unteren Glacialschotter und dem Vorhandensein von Pflanzenresten in der Breccie von Höttingen. Zudem hat nicht nur das Innthal die Spuren zwder verschiedener Vergletscherungen aufbewahrt; dass Blerthal, eines jener wenigen Thäler der nördlichen Kalkalpen, welche eigene Eisströme erzeugten, ist eben&Ils zweimal ver- gletschert gewesen.

Kapitel XIX. Interglaciale Kohlen des A^u.

Intergladale Brecden bisher unbekannt. latergladale Kohlea. Verbrdtung düuTlftler Kohlen ia den Alpen. Angenommene Oleichallerigkeit denelben. Mangel *ii Moifinen imt«r den meiaten. Ansicliten über LeSe von BOTt- ifEYEit, Saitdbebqeb, Heer und James Geikie. Moränen unter and über den Kohlen des Älgäu. Ao&chliune am Löwen- und Leubache. Pflanzen- reite in den Kohlen. Klima der Zeit ihrer Bildung. Eromon nach ihrer Ablagerung toi der letiten Vergletecherung. Gang der Ereignuee im Iller- thale. Analogie mit den Ereigniaeen des Inntliales. Diakordanz awischen Kohlen und hangenden Morinen nicht durch GlacÜBleniaion eAlärbar. Eromon Ewischen interglactalen Schichten und hangenden Moränen in den übrigen Theilen der Alpen. Bedeutung der räumlichen Lage der intergladalen Vor- kommnisse in den Alpen. Erwagungrai über die etnielnai Ei^länmga- MögUcbkeiteD.

Intei^laciale Breccien, wie wir sie in den nördlichen Kalk- alpen nachwiesen, sind bisher in den Alpen noch nicht bekannt . Wol hat man im Delphinat bei Avignonet im Thale des

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252 II- Abschn. Aeltere VergIetBchening*n v. Oberba^ ern u- NoidtiroL

Drac unter deo dortigen unteren Glacialachottem ÄblageningeD lokalen Schuttes entdeckt '), wol wird Gleiches von mehreren Auto- ren*) aus der Gegend von Lyon berichtet, aber es fehlt der Nach- weis, dasB unter diesem Schutte abermals eine Moräne auftritt, oder dasB derselbe erratisches Material führt Von den zahlreichen Vorkommnissen alter Breccien in den Kalkalpen, welche nach und nach konatatjrt wurden, wird feroer meist gar nicht erwähnt, ob sie älter oder jünger als die Ver^letscherung sind. Es wird daher noch eine lohnende Aufgabe sein, die Ablagerungen von „Hoch- gebii^sBchotter", über welche GCmbel berichtet, näher zu unter- suchen; denn in diesen „Anfaäuiiingen des aus der nächsten Nach- barschaft stammenden Gerölls, welches sich durch einsickernde, kalkhaltige Quellwäaser nach und nach zu festem Gesteine ver- bindet", erkennen wir zweifellos alte Schuttkegel, und es dürften die Vorkommnisse vom Hochvt^el im Algäu, von der Hochalpe und Kreuzbergalpe bei Garmisch, sowie an der Weissbachscharte am Steinernen Meere, welche GCmbel*) erwähnt, noch ein ein- gehenderes Studium verdienen. Desgleichen ist die Kalkbreccie am Wimbachthale in den Berchtesgadener Alpen, welche Hailer *) beecbrieb, in ihren Begehungen zur Glacialperiode noch zu prüfen. Vielleicht stellt eine Ablagerung von Oberwöli in Steiermark, welche Rolle erwähnt, ebenfalls eine alte Breccie dar, darauf deutet wenigstens die Beschreibung ihrer Zusammensetzung und ihrer Lagerungsverhältnisse bestimmt hin. ^) Herr Dr. tox Ahhon endlich zeigte mir eine Kalkbreccie, welche er am Vischbach- graben südwestlich RaibI geftinden, und die in allen Charakteren übereinstimmt mit unsem alten Breccien.

') LoKY, Deecript. g<!olog. du DauphiniS. Fans 1S60.

*) LORY, Deecript gtel(%. du Dauphin^. Paris 1860. p. 63ö. FAL8A.K et Chantre, £tude sur les anciene glaciera.

") Alpengebirge. p. 802.

*) Vergl. ScHAFHÄm,, Get^ostische Untereuchungen des aüd- bayerischen Alpengebii^es, 1881, p. 199.

') Die Braimkoblengebilde bei Eottmann, Judendorf und St Oswald, und die Schotterablageningen im Gebiete der oberen Mur in Steiermark. Jahrb. d. k. k. geolog. Reichaanstalt. VII. 1856. p. 39 (54).

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Kapitel XIX. Interglaciale Kohlen des Algäu. 253

Bislang sind es die diluvialen Kohlen der Kordschweiz allein gewesen, welche eineD Anhalt zur Annahme mehrerer Ver- gletachenugen ergaben und sich als intei^laciale Gebilde erwiesen. Scbieferkohlen kommen nun an mehreren Punkten der Alpen vor und gelten fast allgemein als gleichalterig.

Ausser den bereits erwähnten Vorkommnissen der K'ord- schweiz in der Nähe des Züricher- und Bodensees finden sich auf schweizer Boden noch am Thuner See unweit des Kanderdurch- faruches spärliche Beste diluvialer Kohlen. Femer wurden bei Chamb^ry und Sonuaz in Savoyen solche bergmännisch gewonnen. Ihr Auftreten ist sodann mehrfach am Siidabfalle der Alpen kon- statirt worden. Sie kommen in der Umgehung von Carignano, unwdt Lanzo bei Stura, in dem Thale des Cervo bei Gifflengo, namentlich aber bei Leffe im Val Gandino vor. Durch das schöne Werk GüuB£Ls ') ist ihr Auftreten auch in den bayerischen Alpen an mehreren Stellen bekannt geworden. Gömbel erwähnt ausser der bereits besprochenen Ablagerung von Gross- Weil am Kochelsee auch eine ziemlich ausgedehnte in den algäuer Alpen unweit Sonthofen.

Von allen diesen Vorkommnissen sind nur die der nördlichen Schweiz und das von Leäe in paläontologischer Beziehung genü- gend bekannt Heek weist auf die Aehnlichkeit der Flora bei- der Fundstellen hin, er vergleicht lemer die Schieferkohlen von Utznach-Dümten mit denen Savoyena. Er sucht dadurch nach- zuweisen, dass alle diese erwähnten Lager gleichalterig sind, und hält sie demnach alle sammt dem vom Thuner See für int«rglacial. ^) James Geieie^ folgt ihm in dieser Ansicht und erkennt auch in den oberitalienischen Schieferkohlen den Beweis für eine Inter- glacialzeit, und in einem Briefe, welchen ich ihm danke, äussert et sich ähnlich über die diluvialen Kohlen des Algäu. Karl Haushofer^) hat endlich die Vermutbung ausgesprochen, dass die diluvialen Kohlen, welche wir unter den Schottern bei Gross-

') Alpengebii^e. p. 803.

*) Urwelt der Schweiz. 2. Aufl. p. 532. 540.

*) Oq Changea of Climate during the glacial Epoch. Qeolog. Mag. vol. V3II. 1871. vol. IX. 1872. The Great Ice Age. 1874. 1877.

*) Skizze der geologischen Verhältnisse von Mfinchen und seiner Umgebung. München in natnrw. u. med. Beziehung. 18T7.

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254 II- Abschn. Äeltere Vergletscbeningen v. Oberbayern u, Nordtirol.

Weil am Kochelsee kennen lernten, Aequivftlente der Bcbweize- riechen Schieferkohlen seien, daeselbe behauptet F. Sandberqer i) über die der algäuer Alpen.

Allergings lieferten bieher alle die namhaft gemachten Vor- kommnisse noch nicht dnrcb ihre LagerungsTerhältnisse den Be* weia mehrfacher VergletBcherungen. So konnten wir unter den Kohlen von Groes-Weil am Kochekee keine Moräne auffinden; ausdrücklich hebt S, Bachmann*} hervor, dass sich am Thuner See keine Andeutung der vielbesprochenen zwei Eisperioden be- obachten Hessen; und nach übereinstimmenden Berichten sind bis- her unter den Diluvialkohlen von Savoyen^ nie Spuren irgend welcher Ölacialwirkung gefunden worden. Lory, de Moktillet, Falsan und Chahtre betonen' dies ausdrücklich und wenden sich g^;en die Annahme Hrer'b, dass die Kohlen interglaciale Gebilde seien. Aus gleichen Gründen, wegen mangelnder Moränen unter den Kohlen, bekämpft Gabtaldi*) die Ansicht Jahbs Geieie's betreffs der Diluvial kohlen Oberitaliens.

Wenn nun aber dennoch allgemein zugestanden wird, dass alle die genannten Vorkommnisse gleichalterig mit denen von Utznach-Dümten sind, so müssen sie alle als interglacial gelten, sobald man Jameb Geikie'') beipflichtet, wenn er sagt, dass man betrefis der schweizerischen Kohlen zu keinem anderen Schlüsse kommen könne als Heer, und femer seine Meinung theilt, wenn er äussert, dass der Mangel einer Moräne unter den Kohlen noch keineswegs gegen ihr interglacialcs Alter spricht, denn „in Utznach sah Escher von der Linth bei einem jetzt meder verschütteten Durchschnitt der Strasse nach Gauen ganz entschieden die un- mittelbare Auflagerang der Schieferkohlenbildung auf die Molasse",

') Die Land- und SOsswasser-Conchylien der Vorwelt Wiesbaden 1870—75. p. 830.

*) Die Kander im Beraer Oberland, ein ehemaliges Fluss- und GletBchei^biet Bern 1870. p. Iö7 u. 83.

■) Ausführliche Li teraturan gaben über die Schieferkohlen Savoyena in A. Favre, Becherches gfologiques etc. 1867. t. I. p. 92.

*) Appunti Bulla memoria di Sign. J. Geieie: On changes of cli- mate, Atti Soc. real, di Torino. vol. VIII. 1873,

') The Great Ice Age. 2«^ ed. 1877. p. 431.

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Kapitel XIX. InterglBd&le Kohlen de« AJgäu. 255

ao berichtet Heek^), und doch lagert dieselbe stellenweise, wie später erkaimt wurde, zweifellos auf Moränen auf. Es handelt sich also auch hier wieder einzig darum, welche Ansicht man über die nordechweizer Scbieferkohlen hat; aber gerade über deren geolo- gische Stellung sind die Meinungen, wie wir oben zeigten, sehr getheilt

Stimmen nun also auch die meisten Autoren darin Überun, dass die alpinen Scbieferkohlen einer Bildungsperiode angehören, 80 kam man jedoch neuerlich betreSs des Alters der Kohlen von Lefie im Val Gandino zu einem etwas anderen Resultate als dem bisher angenommenen. RCtimbyer*) erklärt nimlich, dass ihre Säugethierfauna thdls mit der pliocänen des Val d'Ämo, theils mit der postpliocäneo des Val di Chiana übereinstimme, er hält sie daher wol für ältCT als die Ugnite der Nordscbwelz, in welchen ausschliesslich die postpUocäne Fauna des Val di Chiana reprä- sentirt ist (A. a. 0, p. 60.)

Derselben Ansicht huldigt F. Saitdberoeii. b) Er paraUeli- sirt die Ligmte von Leffe mit dem Forest-bed an der Küste Eng- lands und rechnet beide zum unteren Pleistocän, während er die Dordschweizeri sehen Schieferkohlen gleich dem Moebacher Sande zum Mittelpleistocän stellt. Diese aus der Fauna der Kohlen von Leffe gewonnenen Schlüsse stehen nun treiÜch mit der von Heeb aus der Flora derselben hergeleiteten Folgerung in Widerspruch, und in Anbetracht dieser paläontologjschen Differenz verdienen nun die geologischen Beobachtungen von Jähes Geikie*) grosse Beachtung. Geieie tbeilt die Ansicht Stofpani's ^), dass die lignite von Leffe in einem See abgelagert wurden, welcher durch Absperrung des Val Gandino entstand. Der Serio habe in seinem Thale derartige Schottermassen angehäuft, dass er das Val Gandino in ähnlicher Weise in einen See verwandelte, wie

') Urwelt der Schweiz. 2. Aufl. 1879. p. 571.

') Ueber Fliocen und Eisperiode auf beiden Seiten der Alpen. 1878. p. 53.

°) En Beitrag zur Kenntniss der unterpleiatocänen Schichten Eng- lands. Paläontographica. XSVII. 18S081. p. 95.

') PrehiBtoric Europe. 1881. p. 304—316.

') Ooreo di geologia. Milano 1873. Bd. II. p. 665.

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256 II.Ahedm. Aeltere VergleUcherUDgen v. Oberbayera u. Nordtdrol.

Dach imsern Beobachtungen es der Inn mit dem Ächenaeethal that Während nun aber Stofpani annimmt, dass diese Schotter- anhäufung zur letzten Glacialzeit sich ereignete, glaubt Qeikie, dasB dieselbe von einer früheren Vei^letscherung bedingt war. Er lehrt so, dass die Lignite jedenfalls nicht älter sind als die Eiszeit; denn sie lagern ja in einem Becken, das durch die Eiszeit gebildet wurde; sie können also nicht unt^rpleistocän sein. Er fuhrt dann weiter aus, das« sie in der Zeit zwischen zwei Yer- gietschenmgen gebildet sind, und hält sie für interglacial, ebenso wie die Schieferkohlen der Nordschweiz.

Wie es sich nun auch mit den Diluvialkohlen von Savoyen und Oberitalien verhalten möge, die von GChbel au^efundenen Schieferkohlen der algäuer Alpen treten unter ganz denselben

^ Kg. 12,

Qnerprofil des Illerthaiea oberhalb Sonthofen.

AB Hahe:Unge=' 1:1. A'B' HBfie: Länge = 2:1, I I GrDDdmoi&nm. tmmmm Nageläab mit Kohle {D).

Lagerungsverhältnissen auf wie die der Nordschweiz. Sie sind in einer mächtigen Schicht alpinen Gerölls eingebettet, welche von Grundmoränen überlagert und nnterteuft wird, Ihr Vorkommen bestätigt die Ansichten von Heer und J. Geikie über das intei^laciale Alter der alpinen Schieferkohlen,

In den algäuer Alpen verläuft von Nord nach Süd das breite lUerthaL Wie das in Fig. 12 dargestellte Querprofil desselben zeigt, sind die Gehänge flach und verlaufen in ihrem unteren Theile in zwei scharf getrennte Terrassen. Auf der linken Thal- seite werden diese Terrassen aus älterem Gesteine, dem Flasche gebildet, am rechten hingegen besteht wenigstens die obere aus diluvialem Materiale. Mehrere Tobel schneiden unwdt Sonthofen

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Kiipitel XIX. Interglaciale Kohlen des Algän.

257

in diese letztere ein und lehren deren Aufbau kennen. Der 60 bis 80 m tief eingeschnittene Imberger Graben, das Thälchen dee Lövenbaches bei Imberg zeig:t folgende Verhältnisse (vergl. Fig. 1 3) : Oberhalb des genannten Weilers finden sich an den Gehängen des Thälchena 40 60 m mächtige Gnlndmoränen inKonnex mit grobem, wenig deutlich geschichtetem Schotter. Darunter 11^ ein zu einer Nageläuh verfestigtes nier-GeröU. In demselben finden sich, und zwar überall in derselben Meereshöhe von 940m zwei dünne Kohlen- flötzchen, welche durch eine 14'ageläuhbank von einander getrennt werden. Das obere derselben besitzt eine Mächtigkeit von ^/^ m, das untere schwillt bis zu 2 m an und wurde fraher au einer Stelle bei^männisch zu gewinnen gesucht. Unter der Kohle lagern Thone,

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Profil im Imberger Graben oberhalb Imberg bei Sonthofen.

1:5000.

welche Pflauzenreste fuhren, nämlich zusammengedrückte Zweige und Stämmcben. Wenig unterhalb der Stelle, wo sich Flyschfelseo am Bache einstellen, lagert unter jenen Thonen eine 10 m mächtige Grundmoräne, roller gekritzter Geschiebe, welche ungefähr 40 m weit am Gehänge kontinuirlich entblösst ist. Weiter thalabwärts schaltet sich unter die erwähnten Thone eine mächtige Bank alpinen GerSlls ein, welche in dem Maasse, wie man abwärts geht, an Mächtigkeit zunimmt. Unter dieser ist dann, 800 m oberhalb der letzten Häuser von Imbei^, eine dünne Lt^e von Sand und Bänderthon aufgeschlossen, und darunter in deutlichster Weise eine über 10 m mächtige Grundmoräne. Dicht unterhalb dieses Pro- files bricht die Ablagerung alpinen Gerölls sumnt Kohlen plötzlich

P«nck, DIs Verglaticbenuig. 17

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258 H.Abflohn. Aeltere Vergletacherungen t, Oberbayem u. Nordtärol.

ab. Bas Gehänge äea Löwenbachea best^t dann ausschlieaelich aus Moränen mit einzelnen Bcbotterlagen, wie Bie eonet im Hangen- den des alpinen Gerölls eicli finden. Die in ihnen auftretenden Bchottemeater eind oft zu einer loeen Kagelfluli verkittet. Von diesen Bildungen mSgen jedoch grosse Fragmente des ver- kitteten alpinen Gerölls, welche sich auch in den Moränen finden, wol imterschieden werden. Unter diesen letzteren hebt sich dicht am Weiler Imbei^ vneder Flysch hervor.

Ein Stück westlich vom Imberger Tobet schneidet der Schwarz- bachtobel in die Biluvialterrasse ein, aber nirgends tief genug, um die diluvialen Kohlen blossl^en zu können. Dieselben werden erst wieder durch den noch weiter sfldweaüich äiesseodea Leubach duTchBchnitten; hier treten sie, wie sich aus barometrischen Mes- sungen ergibt, in nur wenig höherem Niveau auf als am Löwen- bache bei Imberg, nämlich in 950 m Meereehöba Sie sind bier wie dort von Thonlagem begleitet und werden gleichialle von einem zu Nag^uh verkitteten Geröll überlagert und unterteuft, lieber demselben sind Moränen mehrfach aufgeschlossen, und verfolgt man den Tobel bis nahe an den Häusern von Hohenweiler, so erblickt man an einer Stelle, wo die Wasserleitung des genannten Weilers den Tobel verlässt, auch eine Grundmoräne unter dem Gerolle, doch ist dieser Au&chluss nicht so gut wie die im Im- berger Thale.

Es geht aus den angefilhrten Beobachtungen hervor, dass am rechten Gehänge des Ülerthales unweit Sonthofeu ein Lager diluvialer Kohlen auftritt, welches auf ly, km Ent- fernung zu verfolgen ist. Dasselbe ist eingelagert in ein zuKagelfluh verkittetes, im Mittel 30 40 m, örtlich aber auch 60 m mächtiges alpines GerölL Ueber dem- selben sind allenthalben Moränen aufgeschlossen, und wo dieselbe von Thälern durchteuft wird, erscheinen in ihrem Liegenden ganz tjpische, echte Grundmoränen. Dies Kohlenflötz senkt sich nicht tiefer als 200 m über die Iller bei Sontliofen.

Leider sind die Fflanzenreste dieser Kohlen noch nicht aus- gebeutet worden. Zwar sammelte schon Oppel einige Holzfrag- mente, welche im palaontologischen Museum zu München auf-

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Kapitel XIX. Intergladale Kohlen dee AlgSu. 259

bewahrt werden, aber es Bind nur sehr wenige. Kraus ') unter- suchte einige deraelben. Er erkannte darunter Stammtheile von Pinua BÜveBtris, sowie einige Zapfen dieser Conifere. Mir selbst war leider an jenen intereBsanten Punkten unmöglich, mehr als einige dürftige Beate zu sammeln, fortwährender Rf^n machte den Aufenthalt in den Tobein beinahe unmöglich. Ich fand Zapfen imd Nadeln einer Pinua art

Ist es Bo einstweilen nochyera^, aus der Flora der algäuer DUuvialkoblen Schlfisae auf das Klima der Zeit zu machen, während welcher sie entstanden, so lehrt doch schon ihr Auftreten an und für sich, daas sie nicht während einer Glacialzeit gebildet werden konnten. Sie finden sich in einer Meereshöhe von 940 m. Eine Temperaturemiedrigung von nur drei Grad würde in jener Höhe den Baumwuchs unmöglich machen; es sind aber Baum- stämme, welche die Kohle zusammensetzen. Eine Temperatur- emiedrigung von drei Grad aber, welche die Bildung der Kohlen schon unmöglich, würde doch noch nicht genügen, um in den algäuer Alpen Gletscher zu erzeugen und bis nahe an den Fuas des Gebildes ausdehnen zu lassen, ihnen mindestens dne Länge von 25 km, die heute kein Alpengletacher erreicht, zu verldhen. Um beide Tbatsachen, Kohlenbildung und zweifache Vergletsche- rung zu erklären, muss man annehmen, dass das Klima in der Zwischenzeit zwischen beiden Veigletscberungen &n anderes, mil- deres war als wahrend derselben. Femer aber geht aua den LagerungB Verhältnissen der Kohlen hervor, dass ihre Bildung eine sehr lauge Zeit zwischen zwei Vereisungen des Algäu bezeichnet

Das Illergeröll, in welchem sie auftreten, findet sich nur an den Gehängen des lUerthales, und zwar ist sein Vorkommen auf das rechte beschränkt. Es steigt hier aber nii^nds unter das Niveau der oberen Terrasse herab, es fehlt auf der unteren, und nirgends senkt es- sich bis zur Thalsohle. Seine untere Grenze bldbt vielmehr stets bei 130 m über derselben, während seine obere bis 220 m über letztere ansteigt Fig. 12 pag. 256 föhit diese

') Ueber einige bayerische Tertiärhölzer. Med. natnrw. Verband!. Würzbu^ 1865.

D,g,;,zeclbyG00gIe

260 II- Abscbn. Aeltere Vei^letachemngen t. Oberbayeni u. NoidtiroL

LagerungBvarhältuisse vor AugeD. Mit einer Tertikaien 8triciilage ist hier dies lUergeröll bezeichnet worden. Anders ist das Auftreten der Moränen. Mächtige Grundmoränen überdecken die Thatgehänge, sie ziehen sich aber die Schotterterrasse hinweg bis an die Thal- sohle. Sie tret&x also in tieferem Niveau als die diluviale Nagel- fluh auf. Nun könnte mau vielleicht muthmassen, dass jene Mo- ränen, welche im Imberger Graben unter der Nagelfluh liegen, unter derselben am Thalgebänge ausstreichen, und dass die un- tersten Moränen daselbst ihr Ausgehendes darstellen. Aber schon die Aufechlüsse im Löwenbache bei Imberg lehren, dass solches nicht der Fall ist; es schneiden die bangenden Moränen das alpine Geröll schräg ab und ziehen sich, dessen Abfall überkleidend, von der oberen Terrasse nach der unteren. Ein Profil am Hinnanger Bache, am Abfalle der oberen Terrasse, zeigt dasselbe Verhältniss. Hier lässt sich mit grösster Schärfe verfolgen, dass dieselbe Mo- räne, welche die Nagelfluh auf der Höhe der Terrasse bedeckt, auch deren Abfall überkleidet und sich dann über der nächst tieferen Terrasse ausbreitet Vor allem ist zu bemerken, dass sie sich auch über den Bänderthon hinw^zieht, welcher im Liegen- den der Nagelfluh auftritt, und den ich, nach den VerhälbdsseD im Imberger Toliel zu urtheilen, für einen Kepräsentanten der dort entwickelten unteren Moräne halten möchte.

Alle diese Thateachen beweisen eine Erosion, welche zwi- schen Ablagerung des alten Illerscbotters und deijenigen der hangenden Moränen stattgefunden bat. Es ist das Illerthal in den Schotter eingeschnitten, welcher eine alte Illeranschwemmung, also einen alten Tbalboden repräseutirt, er hat denselben gänzlich durchteuft und sich bis ungeiabr 220 m unter dessen oberes Niveau ^gesenkt Dann erst hat die letzte Ausbreitung der Gletscher stattgeiunden. Das Geröll ist also weit älter als die hangenden Moränen, ein langer Zeitraum verstrich zwischen der Ablieferung beider. Hiermit steht im Einklänge, dass Blöcke des zu Nagel- fluh verkitteten IllerschotterB sich in den hangenden Moränen fin- den, er musB also vor deren Bildung bereits vo'kittet gewesen sein. Die Profile im Imberger Tobel und Schwarzbachthale lehrm nun, dass vor der Anhäufimg jener Illerschotter bereits Gletscher im Itlerthale entfaltet waren und sich bis nahe an den Fuss der

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Kapitel XDC. luteTglaciale Rohlea dea Algäu. 261

Alpen vorschoben, während heul« das Gebiet keinen dnzigea Gletscher erzeugt Folgeoder Gang der Ereignisse wird durch die diluviale ächichteniblge im Illerthale bewiesen:

1. Das Thal wird mit Gletschern eri^llt, welche sich bis in die G^end von Sonthofen ziehen und bis unter 900 m Meeres- höhe herabst^gen. Niedere Temperatur.

2. Die Gletscher ziehen sich zurück; Schott«nnasBen, bis auf 60 m Mächtigkeit anschwellend, werden angehäuft. Tempe- raturerhöhung.

3. Vegetation breitet sich über der gebildeten Schotterfläche aus. Ihr Material sammelt sich in zwei Kohlenflötzchen, welche eine Mächtigkeit von über 3 m erreichen. Diese Anhäufung vege- tabilischer Substanz lässt sich nur durch die Annahme eines längeren Zeitraumes erklären. Die Kohlenflötze werden von Schottern bedeckt

4. Nun erst schneidet das lUerthal ein und zwar um 210 bis 220 m. Temperatur anlialt«nd höber.

5. Zum zweiten Male breiten sich Gletscher aus. Abermalige Temperaturemiedrigung.

Die beiden Vergletscherungen der Gegend von Sontbofen, welche durch das Auftreten von Moiinen im Liegenden und Hangenden der dortigen Schiefeikohlen bewiesen werden, sind also durch einen langen Zeitraum von einander getrennt, während welches eine mächtige Schotterablagerung, eine Bildung diluvialer Kohlen und eine höchst beträchtliche Vertiefung des Thaies statt- fanden. Beide Vergletscherungen werden durch eine ganze Periode der Thalgeschichte von einander getrennt, in welcher anhäufende und erodirende Procesae tbätig waren und während welcher ein Klima herrschte, welches mit einer bedeutenden Eisentwickelung unverträglich ist Man kann die beiden Vei^letschenmgen daher schwerlich als den Ausdruck von Gletscheroscillationen aufiässen, wenn man denselben nicht die Dauer ganzer geologisch sich ener^Hch föhlbar machenden Zeiträume zuweisen will. Ganz ebenso verhält es sich aber auch mit den beiden Veigletscherungen, welche in der Gegend von Innsbruck durch die Lagerungsver- hältniBse der dortigen Brectüen angezeigt sind. Im Hier- und

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262 II- Abeclin. Aeitere Vergletscherungeo y. Oberbayem u. Nordtdrol.

Inntbale aiDd zwei zeitlich scharf getrennte .Vergiet- scherungen nachweisbar.

Im Lmthale ethielt«ii wir durch die Verfolgung der Breccien die Ueberzeugung, daae sich die erste Vergletscherung nachweis- lich bis nahe an den Rand des Gebirges erstreckt und sich darauf aus unserem Grebiete völlig zuriickgez(^n hatte, als die zweit« Vereisung desselben eintrat Im Illerthale liegen die Verhält- nisse nicht- so günstig. Der alte nierschotter ist in seinem Auf- treten auf die Gk^nd von Sonthofen beschränkt Hier aber lässt er sich von Imberg bis gegen SchöUang, also auf eine Ent- fernung von über 4 km verfolgen, und diese Strecke gibt die Minimalentfemung an, auf welche die erste Vergletscherung sich zurückgezogen hatta Allerdings ist dies nur eine kleine Strecke, Aber sie erscheint nicht so unbeträchtlich, wenn man erwägt, dass der Illei^letscher der kleinste unseres Gebietes ist, und während seiner gröBsten Entfaltung &ne Länge von kaum 70 km besass. Geradezu bedeutungsvoll aber wird die doppelte Vergletscberung der Gegend von ßontbofen, wenn wir erwägen, daas der Hlergletecher, der sich zweimal über jenes Gebiet verbreitete, der einzige völlig selbst- ständige Gletscher ist, den wir kennen lernten, und es erscheint hochwichtig, dass wir nicht nur im Inngebiete eine mehrfache Vergletecheruug einzelner Strecken erkennen können, sondern auch in dnem anderen Alpenthaie, welches seinen eigenes Glet- scher erzeugte, und dass hier wie da die beiden Vergletacherungen durdi einen lang anhaltenden Abschnitt in der Bildung der Thäler von einander getrennt werden.

Allerdings kann der Nachweis dieses Zeitabschnittes im Iller- thale nicht mit gldcher Schärfe gefuhrt werden wie im Inntbale, wo die unteren Glacialschotter bis zur heutigen Thaleohle herab- gehen und wirklich beweisen, dass das Thal vor Eintritt der letzten Vei^letschening gebildet war. Im Illerthale fehlen die unt«ren Glacialschotter, und dieser Mangel könnte die Meinung verursachen, dass jene Schotter vielleicht in ebenderselben Weise während der letzten Vei^letacherung entfernt worden sind wie im unleren Inntbale, wo die Schotterterrasse nur in SeitenthälerU er- halten ist^ und diskordant von Moränen bedeckt wird. Wir werden diese Erscheinung im Inntbale später durch die Annahme einer

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Kapitel XIX. Interglacaale Kohlen dea Algäu. 263

höchst betnchtlichen Erosion zu erklären suchen, welche durch die Vergletscherung ausgeübt wurde. Könnte nun nicht auch das untere nierthal eine Ähnliche Glacialerosion erfahren haben? Könnte nicht die Vertiefimg des Thaies nach Ablagerung der kohleu- iuhrenden alten Illerschotter ein Werk des GletacheiB aelbst sein, sodass man nicht eine besondere Zeit der Thalverdefling zwischen Ablagerung der gedachten Schotter und der letzten Vei^letscherung anzunehmen hätte?

Ich bin weit entfernt davon, die Möglichkeit dner solchen Annahme leugnen zu wollen, allein für diesen vorliegenden Fall halte ich sie nicht iUr anwendbar; demi die in grosser Mächtigkeit CDtwickelten Moränen lehren, dass der Gletscher hier nicht ero- dirte, sondern anhäufend wirkte. Möge man auch jene Aunahme machen, es muss selbst dann noch zwischen den beiden Verglet- Bchenmgen der Gegend von Sonthofen eine sehr beträchtliche Zeit verflossen sein, bedeutend genug, um die Anhäufung einea bis 60 m mächtigen Schottersystemes, die Bildung zweier zusammen 3 m mächtiger Kohlenflötzchen, sowie die Verfestigung der Schot- ter zu einer Nagelflnh zu gestatten. Unter allen Umständen drängt sich uns also die Ueberzeugung auf, dass die beiden Ver- gletacherungen bei Sonthofen durch einen langen Zeitabschnitt von einander getrennt waren, während welches die Hier in ahn- . lieber Weise wie heute ihre Thalsohle fortwährend erhöhte, indem sie Schotterschicht auf Schotterschicht häufte.

In zwei verschiedenen Gletschergebieten unseres Untersuchungs- feldes lernen wir also zwei verschiedene Vergletacherungen kennen, deren Spuren nicht nur durch mächtige Zwischenbildungen, son- dern auch durch eine tiefgreifende Erosion von einander getrennt sind. Schon diesen Umstand vermögen wir nicht dtirch blosse Annahme von GletBcheroscillationen analog d^i Schwankungen unserer heutigen Gletscher zu erklären. Dasselbe ist aber nicht allein von den beiden Vergletacherungen im Inn- und Dlerthale zu berichten, sondern von allen jenen Vorkommnissen der Alpen, wo bisher die Spuren zweier verschiedener Vereisungen erkannt wurden. Es möge darauf aufinerksam gemacht werden, dass so- wol am Bodensee, als auch am Wallenstädter und Züricher See die Schieferkoblen wie im Algäu hoch über den heutigen Thal-

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264 II. Abschtt. AeltereVerf^etecherungenT. Oberb&yernu. Nordtörol.

aoUen liegen; wähieDd die Moränen der letzten VergletBchening eich bis zu den heutigm Thalböden herabziehen, aodaas höchst wahrscheintich auch an jenen Lokalitäten der Nordschweiz die beiden Vergletscherungen durch eine Zeit der Thalbildung von einander getrennt sind. Gleiches lehrt der Au&chluss von Thonon im Dransethale am Q^^vee, wie die Profile von A. Fatke er- kennen lassen.

Ich verkenne nicht, dass der Nachweis eines selbst sehr beträcht- lichen Zeitraumes zwischen zwei Vergletscherungen einer Stelle an und ftlr sich noch nicht genügt, um die Annahme zweier verschiedener Vergletscherungen des ganzen Gebietes, die Annahme zweier ISb- zeiten zu beweisen. Es ist immerhin denkbar, dass eine einzige Vei^letschenmg während einer gewissen Phase ihrer Entwickelimg eine sehr lang anhaltende Oscillation erUtt, während welcher die intcrglacialen Schichten gebildet wurden und äne energische Ero- sion stattfand, ohne dass das Eis sich gerade weit zurückgezogen hatte.

Unter dieser Annahme musste sich die OsciUalion überall in einer bestimmten Phase der Gletscherentwicklung geltend machen, und die inteiglacialen Schichten müssen in einer ganz bestimmten EntfemuDg vod dem Oletscherherde auftreten. Solches ist aber nicht der Fall

Wir finden vom Genfersee bis zum Inu an vier weitgetrennten Punkten Spuren zweier verschiedener Vergletscherungen. Diese Stellen liegen theils am Fuase des Gebirges, wie Mörschweil am Bodensee, theiis nahe dessem Rande, wie Sonthofen, theils tief in dessem Inneren, wie Innsbruck, beinahe 100 km vom Rande ent- fernt. Will man diese räumliche Vertheilung der einzelnen Haupt- punkte durch ein und dieselbe Schwankung einer Vei^letscherung des ganzen Gebirges erklären, so muss man annehmen, dass diese Schwankung von solcher zeitlicher und räumlicher Erstreckung gewesen ist, daas sie nicht mehr als Oscillationen einer einzigen Vergletecherung, als Phase einer Eiszeit bezdchnet werden kann. Wir können sie nur für den Ausdruck verschiedener Vergletsche- rungen, fiir die Werke zweier Eiszeiten halten, welche durch me Interglacialzeit mit mild^em Klima von Lander getrennt trind. Eine solche mildere Inteiglacialzdt wies aber Heer

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Kapitd XIX. Intergl&ciale Kohlen dee Algfiu. 265

durch DiskusBion der Flora der echwazerischen Schieferkohlen nach. Sein Ergebnias wurde bekämpft, es fehlt« noch die atrati- graphische Bestätigung. Wir glauben sie durch Verfolgung der interglaciaJen Schichten g^ben zu haben.

Allerdings machten irir eine Annahme, die wir nicht be- weisen können. Die einzelnen VorkommnisBe interglacialer Schichten li^en weit auseinander, und stehen in keinerlei Konnex miteinander. Sind sie wirklich gldchalterig? Wäre nicht vielleicht denkbar, dass ein und dieselbe Vergletscherung während ihrer Entwickelung mehrfach oscilUrte, sodass an mehren Phasen der Eisentwickelung die Bildung int«rglacialer Schichten möglich war, so z. B. zuerst in der Gegend von Innsbruck im Innern des Gebirges, dann bei Sonthofen an dessem Saume, dann bei Mörschw^ und Wetzikon an dessem Fusse?

Denkbar ist eine solche M^lichkeit schon. Aber nicht jede denkbare Möglichkeit ist ohne weiteres als wissenschaftliche Er- klärung anzunehmen. Sie bedarf eines Beweises, und falls ein solcher nicht zu liefern ist, wie es ja leider in der Greolc^e nur zu häufig der Fall ist, bat eine ruhige Erwägung an Stelle desselben ?u treten. Wir haben im vorliegenden Falle auf der einen Seite die Annahme, dass zweimal das ganze Alpengebiet vergletschert gewesen ist, und dass in der Zwischenzeit anhäufende und erodirende Frocesse thätig waren. Auf der anderen Seite die Möglichkeit, dass eine Vetgletscherung während verschiedeuer Phasen ihrer Entwickelimg oscillirte, und zwischen je einem lokalen Rück- und wieder Vorwärtsgehen des Eises dne Periode verstrich von genau ebenso langer Dauer, wie zwischen den beiden durch die andere Annahme geforderten Vergletacherungen. Auf der einen Seite haben wir eine allgemeine Erklärung, welche alle Erscheinungen durch eine Annahme erklärt, auf der andern eine lokale Theorie, welche i^ jede neue EiBch^nung eine neue Annahme machen muss. Die erstere macht also weniger Voraussetzungen als die letztere, sie bringt weniger Zeit fikr die Dauer des Phänomens in Änschli^ als die letztere. Auf der dnen Seite haben wir eine Annahme, welche alle Erscheinungen ungezwungen erklärt, auf der andern eine Hypothese, welche uns zu Widersprüchen ftkhrL Sie verlangt, dass bei Innsbruck in der Nähe gewaltiger Gletscher

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266 n. Abscim. Aeltere VergletecheniogeD v. Oberbafem u. Nordtirol.

sich in fast 1000 m Meereehöhe Gewächse ansiedelten, dase im Algäu in Nähe der Gletscher in 940 m Meereshöhe eine reichliche Nadel- und Laubholzflora existirte, daas am Fusee eines gänzlich mit Eis erfüllten Gebirges Fflauzen unseres Klimas gediehen, deren Beste uns die schweizer Schieferkohlen aufbewahren.

Nach alledem können wir uns nur für die Annahme entscheiden, dass die Alpen während der BUuvialzeit zweimal vei^letschert gewesen sind, und hiennit stimmen die Phänomene des alpinen Vorlandes glänzend überein.

Kapitel XX. Bi« alten Aiuchweinmiingen der Alpen.

ächwieiigkdt die Spuren zweier Vei^eCscherangeii zu verfblgcD. Zweithdlung des alpinen Diluviums. Elie de Brai'momt, Stcdbr, Xeckeb, Moblot, Martins ddiI Gastaldi etc. Alte Ansch Hemmungen and prägladales Dilu- vium. Alter der alten A nach wem muDgen. Präglaciol nach Elib DB Bbaü- UO>T, 9TUDEB, MOHLOT, LORY, ZiTTRL Und VON MOJSISOVICS. Oladol

nach j. DE CuARrENTiEB, Agassiz, Charles Martins, Gastaldi, Hooard, A. und £. Favre, Falhan, Chaktre, Loby. Alluvions glaiialrea. Pliocän nach Stopfani, Desor, RENE^'IBR, Lory, A. Favre, James Gbikib. Da- gegen A. Favre, RDtiubyer, James Geikie, Tarauelu. Interglacinl na«b MORLOT und Heer. VerseMedeneB Verhalten der allen Anscbvem- mungen zu den Moränen. GletschertKihliSe auf alten Anschivemniungen. Boil de la BUie bei Genf. Zweitheilung der alten AnBchwemmangen. KIartiks und Uastaldi, de Mortili.rt, Lorv, James Gbikib. Theils glacial, theili piäglacial (DB M0RTIIJ.ET) oder allgtacial (A. Escbbr von der Linth, MüHLBERO, James Geikib).

Die alten Breccien der Kalkalpen und die Schieferkohlen des Algäu, welche uns zu der Annahme zweier Vergletscherungen führen, gestatten uns die Spuren der erst«ren nur so weit zu ver- fi)lgen, als sich diese Abl^;eningen, erstrecken. Es ist nun nicht gerade wahrscheinlich, dass jene erete Vei^etschenmg genau an den äussersten Vorkommnissen derselben endete, und um ihre grösste Ausdehnung zu ermitteln, müssen wir daher ihre Beste anderweitig aufzufinden suchen. Allein hier steUt sich die grosse Schwierigkeit entgegen, wie dies bewerkstelligen; denn es liegt auf der Hand, dass die Moränen beider Vergletscberungen, wenn sie nebeneinander auftreten, nicht geschieden werden können, falls nicht Zwischen bildungen zwischen ihnen vorkommen. Aber selbst dann ist solches noch schwierig; es wurde oben ausgeführt, dass

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Kapitel XX. Die alten Ansohwemmungeii der Alpen. 267

Bich \a den Moränen einer einzigen Vergletscherung häufig kiesige und thonige EinlageniDgen finden, dasB Moränen mit Schichten YOD Gerön und Bänderthon wechsellagem können, ohne daee man es mit den Resten mehrerer Vereisungen zu thun hat So gewähren denn die Moränen an und für eich nur ein geringea Hilfsmittel, die Spuren Terachiedener Vergletscherungen zu verfolgen,

Wesentüchere Dienste leisten in dieser Beziehung die gla- cialen Schotter. Wir erkannten, dass der letzten Vei^letsche- rung eine ungemeine Bchotteranhäufung vorausging. Würde man nun irgend wo unter diesen unteren Glacialschottem Spuren einer älteren Vergletacherung finden, so würde dadurch ohne weiteres der Beweis einer zweifachen Vereisung des ganzen Gebietes bis zu der betreffenden Stelle hin geliefert werden; denn wir verfolgten die unteren GtacMalschotter durch unser ganzes Gebiet als fast ununterbrochene Ablagerung. Wenn daher irgend wo sich Gletscher- spuren unter ihnen finden, so erhellt, dass dieselben älter sein müssen als das gesanunte System der unteren Schotter. So weit diese sich nach dem Centrum der Vergletscherung verfolgen lassen, ist das Land zwischen der durch jene Spuren an- gedeuteten erstell Vergletacherung und der letzten eisfrei ge- wesen. Es fplt daher vor allem das Lif^ende der unteren Gla- cialschotter zu studiren. Dabei ist jedoch Eines im Auge zu be- halten. Die Höttinger Breccie und die algäuer Kohlen lehren, dass zwischen der ersten und letzten Veigletscherung eine beträchtliche Erosion stattfand, daea die Thäler bedeutend vertieft wurden. Nun aber sind die unteren Glacialschotter in den Tbälem entwickelt. Sie füllen dieselben bis zu einer gewiaeen Höhe aus. Es dürfte daher von vornherein vergeblich sein, unter ihnen nach Moränen der ersten Vergletschening zu suchen. Wahrscheinlicher dürfte es schon ^n, unter ihnen die Anschwemmungen einer früheren Ver- gletscherung zu finden; denn wenn noth wendigerweise, wie wir nachzuweisen suchten, einer jeden Vei^letscherung eine Bchotter- anhäufung vorausging, so muss solches sicher auch vor der ersten Vereisung geschehen sein, imd aind deren Moränen im Thalboden bereits zerstört, so dürfte solches in geringerem Maasae von den Schottern derselben gelten. Es fragt sich also, treten unter den unteren Glacialschottem GeröUablagerungen auf, welche als die

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268 n. Abedm. Aelteie Vergletscherungen t. Oberbayem u. Nordtirol.

Anscbweinmuiig einer firühereiL Vergletochening zu deuten Bind, flind also unter den Moränen der letzten Yergletscherung ran oder mehrere Schottersysteme nachweiBbEir? Indem vir djeee Frage zu beantworten Bucben, treten vir einem der Bcbvierig8t«n I^obleme der Glacialgeologie in den Alpen entgegen.

Wo in den Alpen die Diluvialgebilde genauer untersucht worden sind, ei^ab eich, dass sie aus zwei wesentlich Terschiedenen Schichten aufgebaut werden, und swar fand sich, dass überall als unteres Glied eine mächtige Geröll- und EJeabildung vorhanden ist, während als oberes jene um^elmäsaig Btruirten, ungeschichteten Ablagerungen auftreten, welche als Moränen aller Art zusammen- gefaaat werden. Die gescliicht«t«n Geröllabtagemngen erregten zuerst die Aufinerksamkdt der Geologen, Sie wurden in allen Theilen der Alpen berdts zu An&ng dieses Jahrhunderts nach- gewiesen und meist als „Diluvium" beschrieben. Es fand eich, dass diese Geröllmassen häufig konglomerat^sch verfestigt sind. Leopold ton Buch') verlieh solchen Ablagerungen den Namen diluviale Nageläuh, welcher, obwol leicht zu Verwechslungen Veranlassung gebend, doch bis heute im Gebrauche geblieben ist. Die reinen Gl aci algebilde wurden anfänglich mit diesem ,J)iluvium" zusammengefasst. Die Gebrüder ScHLAOiKTWErr*) und Rolle ^ äusEert«n sich noch in den funiziger Jahren in dieser Bichtung.

Schon 1830 aber konnte Elie DEBEAtntONT^) im Delphinat zwei Abtheilungen der dortigen Diluvialgebilde erkennen, dne ältere Trausportformation und eine jüngere, welch' letztere allein er als Diluvium bezeichnet«. Studer^) fand später gleichialls in

') Beobachtungen auf Keisen. Bd. I. p. 147. 171. 197.

*) Neue TJntersuchungen aber die [diysikalische Gec^raphie und Geologie der Alpen. 1854. p. 544.

•) A a. 0. Jahrb. der k. k. geol(^. Eeicheanstalt. Bd. VII. 1856. p. 39—66.

') Annales des Sciencee naturelles. 1830. XVIII. p. 63 u. 98. Citirt nach A. Favee, Recherche» g6ilo^ques. I. p. 87.

') General View of the Geolc^cal Structure of the Alps. Edinb. new. phiL Joum. XIII. 1842, p. 144. Bibl. univere. äe Genfeve. LXXV.

D,g,;,zeclbyG00giC

Eapit«! XX. Die alten Anscbwemmimgen der Alpen. 269

der Schweiz zwei Äbtheilimgen dea DiluviuiuB, die untere aus GeröU, die obere aue ungeechichtetem Matoriale bestehend, und NeckeeI) unterechied in der Qegend von Genf zwei Glieder, em uiit««s, aus Gerollen sich aufbauendes, welches er als alte An- echwemmung, alluvion ancienne, bezeichnete, während er als dtluvium cataclyBmique dae obere, die eigentlichen Glacialgebilde absonderte. In den östlichen Alpen fand Morlot^) dieselbe Gliederung des Diluviums. Er zeigt, daes die mächtigen Schotter- massen, welche in den Alpenthälem als lan(!^!;edelmte Terrassen auftreten, von den erratischen Gebilden überlagert werden, und sondert sie als „unta«s Diluvium" von den letzteren, seinem „erra- tischen Diluvium" ab. Am Südabfalle der Alpen erkanntai Ch. Mabtinb und Gabtaldi ^ dieselbe Eintbeilung. Die Moräne l^;em dort einer mächtigen Geröllbildung auf, welche bisweilen konglomeratiach verfeatigt ist und dann „ceppo" hdsst Mabtdib und Gabtau)! nennen diese Ger&Uformation alpine« Diluvium, „diluvium alpin", wohingegen sie mit dem NECSEB'scben Ausdruck „altuviosa andennefi" gewisse pliocäne Ablagerungen bezeichnen, zu wichen sie freilich auch die Schieferkohlen der Nordschweiz rechnen. Sie suchen diese Eintheilung auch auf die nördlichen Alpen anzuwenden, und Rozet*) folgt ihnen, indem er in den Hochalpen bei Gap „alpines Diluvium" und Glacialgebilde unter- scheidet E. Colloub') endlich trennte in der Gegend von Lyon das alpine Diluvium ohne gekrilzto Geschiebe von den Moränen mit gekritzten GeechiebeD, und er war der erste, welcher auf die allgemeine Anwendbarkeit dieser Eintheilung in den Alpen und den Vogesen ausdrücklich hinwies. Seitdem haben die Studien

■) £tudea g^Iogiquea dans lea Alpes. 1844. p. 232.

*) Erlfiuteruiigea zur geologischen Uebeiaichtakarte der nordöst- lichen Alpen. 1847. p. 67.

•) Sur les terraim auperädela de la vall6e du Pfl. BulL Soc. gfol. de France. II. S. t VIIL 1849/50. p. 554—603.

*) Preuvea de l'exJstence d'anciens gladers prfea dee vUles de Gap et d'Embnm {Hautes- Alpes). Bull. Soc g6ol. de France. II. S. t. IX. 1851/52. p. 424.

') Notice sur lee blocs erratiquee et les galeta ray^ des enviroua de Lyon. Bull. Soa g^l. de France. U. 8. t. IX. 1851/52. p. 240.

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270 II. Abschn. Aeltere Vei^letsohetungen v. Oberhayem u. Nordtirol.

von LoRY, A. Favee, Falban und Chanthe, die Untersuchungen von DE MosTiLLET, Omboni, Gabtaldi überall unter den Moränen mächtige QeröUbildungen kennen gelehrt, welche gewöhnlich, dem Beispiele Neceer'b entsprechend, sie alte Anschwemmungen be- zeichnet werden. In den deutschen Alpen erkannten ton Moj- sisovics^) und Zittel dasselbe Verhältnissi beide bezeichnen jene Gerdllablagenmgen als präglaciales Diluvium.

Ueber das Alter dieser Geröllformation hat sich eine lebhafte Auseinandersetzung erhoben. Eine Anzahl von Geologen hält nämlich die beiden Glieder des Diluviums für wesentlich alters- verschieden, ßHi zwd ganz getrennte Bildungen, welche gar nichts miteiuander zu thun haben. Andere Autoren hingegen sehen die- selben lur eng mit einander verbunden an, und erachten sie im wesentlichen als gleichalterig.

Elie de Beaumont'^) nimmt an, dass die Hebung der west- lichen Alpen nach der Bildung des unteren Diluviums erfolgt sei; Studeb^) jedoch zeigte, dass Elie de Beatihomt seine Schlüsse auf nicht ganz korrekte Beobachtungen gestutzt habe, indem er terdäre und diluviale Kagelfluh nicht mit genügender Scharfe ge- trennt habe. Seitdem steht fest, dass die „alten Anschwemmungen" erst nach der Hebung der Alpen entstanden, und vielfach wurde die Meinung ausgesprochen, dass sie in der langen Zeit zwischen letzter Hebung des Gebirges und dem Eintritte der Vergletsche- rung abgelagert wurden. So äusserte sich Moblot ^) dahin, dass der Gletscherausdehnung eine Periode kräiUger Strombildungen vorausgegangen sei, und Loby und Gabkiel de Mortillet ver- treten eine ähnliche Anschauung. Sie sagen, dass nach endgültiger Hebung der Alpen die Thalbildung sich entfaltete, und dass der dabei entstandene Schutt als alte Anschwemmung vorliege. Lory spricht daher auch an einer Stelle aus, dass das Alter der alten

') Beiträge zur topiscben Geologie der Alpen. No. 3. Jahrbuch d. k. k. geolog. Rdcbeanstalt. 18Ti. p. 137 (158). Die Dolomitriffe Ton aadtärol. 1878. p. 468.

») A. a. 0.

*) Geologie der westlichen Schweizeralpen. Leipzig 1834. p. 221.

*) Erläuterungen zur geologischen Uebersichtskarte der nordöstlichen Alpen. 1847. p. 67.

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Kapitel XX. Die alten Anschwetoinungen der Alpen. 271

AQBchwenunuDgen des DelphiuAts in weites GrenzeD Bchwanke, dus aie theilweise vielleiclit noch zum Pliocän, und theilweise nur dem Quartär iwgehSrten. ') Jedenfalls halten aber Mohlot und LoRY, wenigatens in ihren älteren Arbeiten, die alten An- schwemmungen lur präglaciale Bildungen, und dies ist auch die Anseht von Zittel ^ und von MojBisovica,

Der auffallende Konnex, welchen jene Qeröllmaseen mit den echten Qlacia^bilden zunächst in räumlicher Beziehung aufweisen, führte jedoch bald zu der Ansicht, dase sie zu deneelben in einem bestimmen genetischen Yerhältnisse stehen. Schon J. de Cbak- I^NTIER^) und AoASBtz waren der Meinung, dass viele Gcröll- schichten der Schwdz von Gletscherwässem abgesetzt worden seien, und Blancbet') war der Erste, welcher ganz bestimmt aussprach, dass die Geröll ablagenmgen und Moränen durch ein und dieselbe Erscheinung verursacht seien. Charles Martinb^) äusserte denselben Gedanken. Die mächtigen Schotterterrassen des oberen Rhdnthales deutete er als umgelagerten Gletscherschutt, die Gletscherwasser haben diese ITmlagerung bewirkt. Im Ver- eine mit Gastaldi führte Ghasles Mabtdib^ diese Anschauung später weiter aus. Beide Geologen weisen darauf hin, dass sich vor jedem Gletscher ein GerSlIfeld bilde; schreite nun der Gletscher vorwärts, so bedecke er dieses Gerdllfeld mit seinen Moränen. Der Moränenablagerung gehe also die Bildung eines Diluviums voraus, und die beiden genannten Autoren erklären das alpine Diluvium iur die Anschwemmungen von Glctscherwassem, be- stehend aus dem Moränenmateriale. Diese Erklärung wurde von

') Note sur les d^pots tertiaires et quatemairea du baa Dauphin^. BuU. Soc g&l. de Franee. II. S. t. XX I8(i2/63. p. 363 (375).

*) A. a. 0. GlettichereracheinungeD.

') Eeaai sur lea gladen. 1841. p. 280.

*) Terrain ernitique alluvien du bassin du L^mau. Lausaane 1844. p. 8.

') Sur les ftirmea i^gulib«s du terrain de transport des vall^ du Khin. BuU. Soc. g4ol. de France, t XIII. 1841/42. p. 322—345.

*) Sur leg tenains aupeificielH de la vall^ du P0. BuU. Soc. g^I. de France. II. 9. t VTI. 1849,50. p. 554.

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272 IT.ÄbacJiii. Aeltere Ve^letschenrngeB v, Oberba;em u. Nordtirol.

einer DamhafWn Zahl von Geologen angenommen. Hogard') ireilich, welcher daa von Wasaer umgelagerte Moränenmaterial immer noch als Grundmoräne hezeichnete, gelangte nicht zu einer klaren AufTasaung der Bachlage. Indem er die alten Anschwemmungen auch ausserhalb des Gletechergebietee als Grundmoräne oder erra> tiBches Gebilde bezeichnete, konnte er nicht zu einer scharfen Be- grenzung der ärüheren Gletechersusdehnung und zu einer genauen Kenntniss der einzelne Phasen der Vereisung kommen. Moränen und Schotter müssen, obwol sie stellenweise in einander zu ver- flieesen acheinen, obwol sie zeitliche Aequivalente sein können, obwol sie endlich aus demselben Material sieb aufbauen, doch stets scharf getrennt werden. Man trennt da« Diluvium nicht, „um eine eingebildete Serie von Oberflächenformationen zu er- gänzen" *), in zwei Etagen, sondern weil es wirklich aus zwei höchst verschiedenen Gliedern aufgebaut wird, und so huldigen deim auch A. und E. Favre, fwner die Erforscher der Diluvialgebilde von Lyon, Falbaj« und Chantre, Bchliesalich Omboni und Andere ganz den von Kaktims und Gabtaldi entwickelten Anschauungen. Falean und Chantbe nennen sogar die alten Anschwemmungen . des Beckens von Lyon, welche häufig konglomeratjsch verfestigt sind und dann als poudingue k Bressan bezeichnet w^en, kurz- weg „alluvions glaciaires", GletscheranHchwemmungen, dne Name, der jedoch insofern unglücklich gewählt ist, als J. de Charpentieb') unter „alluvium glaciaire" die Gebilde verstand, die in Seen und Becken am Bande heutiger Gletscher unt«r Mitwirkung des Wassers oitetehen. Auch Loky*) hält neuerlich einen Theil der älteren AnBchwemmungen iur die Absätze von GIetscherwa§Bem, obwol er sie der Hauptmasse nach noch wie firüher ale pmglacial ansteht Eb herrschen also zwd ganz entgegengesetzte Anschauungen Über die Beziehimgen der „alten Anschwemmungen" zu den darüber-

') Coup d'oeil sur le terrsin enatique des Vosgea. ^A. 1851. Becherches sur les formaldons erratdquee. Paria 1858.

•) KooABD, Coup d'oeiL p. 33.

^ Eeaai sur les glaciera. 1841. p. 67.

'') Compw tendu des observHtionH falteasui les alluvions anciennes et les d^pota gladures du Bois de la Bfitie. Bull. Soc. gfol. de France. III. S. t III. 1674;75. p. 723. Vergl. auch Bull. III. S. t.V. 1876/77. p.468.

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Kapit«! XX Die alten AnBchwemmimgen der Alpen. 273

liegenden Moränen. Nach der einen Ansicht hahen sie mit den- selben gar nichts zu thun, während nach der andern die alten Anschwemmungen und Moränen der verschiedene Ausdruck ein und desselben Phänomens sind. Nach der ersteren Anschauung bilden sie ein selbstetändiges Formationsglied, nach der letzteren sind sie hingegen nur ^e Dependenz der Gladalfonnaüon und sind als Qladalgebilde zu beseichnen.

Ebenso schwierig, wie ihre Grenze nun nach oben festzustellen ist, ist aber auch ihre Beziehung zu den älteren Formationen zu ermitteln.

Solange man in den alten Anschwemmungen lediglich ein Glied der Glacialformation erkennt, wird man sie an derselben Stelle in der geologischen Chronologie einordnen wie die letztere selbst Erachten Stoppani^) und Desos^ die ganze Glacial- formation als ein Aequivalent des italienischen Pliocäns, so ist selbstverständlich auch über das piiocäne Alter der alten An- . ecbwemmungen entschieden. Einen etwas abweichenden Stand- punkt nimmt jedoch Renevieb^ ein; auch er betrachtet die alten Anschwemmungen zwar als Glaci algebilde; aber er sucht nachzuweisen, daes die Eisentwickelung zur Pliocänzeit begann, im Quartär d^j^en endete, und so rechnet er die alten An- schwemmungen, da sie bei dem Herannahen der Vergletscherung gebildet wurden, zum Pliocän, die in ihrem Hangenden auftreten- den Moränen dfm;egen zum Quartär.

Anders gestaltet sich die Frage, wenn man in den alten An- schwemmungen ein selbstständigea Formationsglied erkennt. Auf stratigTapbischem Wege ist ihr Alter dann nur äusserst selten zu bestimmen, da sie in den Alpen gewöhnlich nicht mit] den obersten Schichten des Tertiärs in Berührung kommen, imd ihre Fossil- armuth gestattet keine paiäontetogische Altersbestimmung. Ihr Alter schwankt zwischen dem ihres Li^eoden und Hangenden.

') D mare gladale aj piedi delle AlpL Biviata itaL ag. 1674. Sui rapporti del terreno gladale col pliocenico nei dintemi di Como. Atti Soc. ItaL Sc. nat toL XVIII. II. 1875.

') Le Pajrsage morainique. 1875.

*) Belationa da Plloofene et du Oladaiie auz environe de COme. Bull. Soc. gfol. de France. III. S. t IV. 1875,'76. p. 187.

Penck, Die VergletKhenmg. Ig

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274 II. Äbschn. Äelteie Vergletschenmgen t. Oberbajem u. Nordtirol.

Bo werden sie vod Lobt mehrfach als postmiocäne Gebilde be- z^chnet, und wie bereits erwähnt, spricht der geehrte ErforBcher des Delphinats anmal aus, sie möchten dort dae Aequivalent pliocänw Schichtoi Italiens sein. In ähnlichem ^nne äusaerte dch auch einmal A. Favbe ^) über die alten Anschwemmungen von Genf.

Die Ton Jaues Qeikie*) zuerst angeraten und von Stoppani und Desob in FIuss gebrachten Erörterungen über die Beziehung von Eiszeit zum Pliocän haben auch über das Alter der alten Anschwemmungen erwünschtes Licht gebracht Durch die Unter- suchungen von A. Favre 8) und RCtimeyer*), denen sich neuer- lich Jameb Geikie*), aeine frühere Ansieht ausdrücklich vw laesend, anschloss, ist evident geworden, dass Eiazeit und Pliocäu auf dem Südabfalle der Alpen nichts miteinander zu thun haben. Vor allem aber zeigte sich, wie kürzlich Tabamelli ^ erkannte, dass, wo die alten Anschwemmung^! in Berührung mit Pliocän kommen, sie scharf von demselben getrennt sind. So sehen wir denn A. Favre ^ von seiner oben referirten Ansicht abgehen und die alten Anschwemmungen wieder dem Quartär zurechnen, wie es auch anders nicht zuläsBig sein dürfte.

Bd dieser Bachlage gewinnt nun ein Umstand eriiöhte Be- deutung, nämlich der, daaa an einigen Stellen unter den alten An- schwemmungen Moränen gefimden wurden. Fasst man sie nun als besonderee FormationBgBed auf, so kann man schwerlich zu einem andern Schlüsse kommen als Moblot*) und Heer*), und muss

') Sur lea terrains dea environa de Qenfeve. Bull. 8oc. g&jL de France, in. 8. t. III. 1874/75. p. 658.

I) Ou CUmatic Change during the Gladal Epoch. Geolog. Magaz. 1872. IX. p. 258.

°) Note sur lea terraina gladajies et postglatnaites du revera m6n- dional des Alpee. Arch. d. sc de la bibl. univers. de Genbye. 187G.

*) Ueber Pliocen und Ebperiode auf beiden Seiten der Alpen. 187Ö.

') Prehiatoric EUrope. 1881. p. 324.

") n canton 'Hcino meridionale ed i paesi finildmi. Spiegaräone de fogUo. XXrV. Duf. 1880.

') Deacript. gfol. du canton de Gffli^ve. 1879.

") VergL Kapitel XVH.

") Urwelt der Bchweii^ 1. u. 2. Aufl. I8&4 u. 1879. Vergl. auch Kapitel XVII.

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Kapitel XX. Die alten AnBchwemmungeD der Alpen. 275

sie als iDterglaciale Ablagerungen deuten, welche zwischen zwei aufeinanderfolgenden Vereiiungen entstanden; aber damit ist ihre Bemehung zum Quartär und Pliocän noch nicht bestimmt, selbst dann kann man sie immer noch als ein Äequivalent des italieni- schen Pliocäns erachten, indem man auch dieses tOi int«i^lacial hält, wie es Jaues Qldcie') früher tfaat; ist man d^^egen geneigt, in den alten Anschwemmungen eine Dependenz der Glaeialibrma- tion zu erkennen, so wird man in dem angeführten Umstände etwas ganz Natürliches finden und nur eine Bestätigung der An- sicht daraus abldten, dasa die alten Anschwemmungen und die Moränen gleichalterige Gebilde sind. So knüpft aich die hoch- wichtige Frage, ob eine oder mehrere Glacialzeiten anzunehmen sind, im wesentlichen an die Frage, in welcher Beziehung die alten Anschwemmungen zu den Glacialgebilden stehen.

Ein eingehendes Studium der über diesen Punkt sehr aus- gedehnten Literatur ßtbrt zu keinem befriedigenden Resultate. Bald finden sich nämlich Thatsacben zu Gunsten der einen An- nahme, nämlich der, dass die alten Anschwemmungen ein eigenes, von d^ Gladalformaüon wol zu trennendes Formationsglied bilden ; bald aber ergeben sich Stützen für die andere Anschauung, welche eine enge Wechselbeziehung zwischen beiden Gebilden vertritt A.^ und E.') Favee haben zuerst auf dies verschiedene Verhalt^ hingewiesen.

Eine Reihe gewichtiger Thataachen lehrt, dass die alten An- schwemmungen in keinerlei genetischer Beziehung zu den darüber- lagemden Moränen stehen. Sie müssen nämlich vor deren Ab- lagerung bereits verfestigt gewesen s^, sie zeigen unter denselben eine gesclirammte Oberfläche, sie tragen Gletscherschliffe, und Bruchstücke von diluvialer Nagelfiuh finden sich als gekritzte Geschiebe in den Moränen. Ein gewisser Zeitraum liegt natur-

') On Cbangee of Chmate. Geolog. Hag. IX. 1872. p. 258.

'O Sur les terraina des environs de Gen&re. Bull. Soc. gtol. de France, in. 8. t. III. 1874/75. p. 656. Description g6)logique du conton de Qen^ve. 1879. t I. p. 89.

') Quelques remarques sur l'origine de l'alluvion andenne. Arch. d. sc phya. et nat. de la bibl. univera. 1877. LVIII.

18*

D,g,;,zeclbyG00gIe

27G U.Absclm. AeItereVerglet8chen]i^;6ii.T.Oberbajeniii. Nordtirol.

gemässerweise zwischen der Ablagerung der GerSllmasBeD und deren Verfeetigu&g zu einem festen Koi^lomerate; die Theorie, welche in der diluvialen Kageläuh die cämentirten Olebcher- anBchvemiuungeD erkennt, gibt über diesen Zeitraum nicht Becfaen- scbaft.

60 berichtet Blavchet^), dass die alten Anschw^nmungrä in der Nähe von Nyon am Genferaee oberflächlich geschrammt sind, Roz£T*) fand auf einem „Qompholith", ^er Nagelfluh- abl^erung, welche er zu den alten Anachwemmungen rechnete, bei Embrun GletscherschMe, doch dieser Oompholith gehört nach Debob^) zum Tertiär, imd seine geschrammte Oberfläche kann daher nicht auffallen. Morlot *) fand dag Diluvium im Kander- durchstich am Thunersee deutlich geschrammt. Gabb. de Mob- TtLLET^) betont, dass im Becken des Sees von Iseo die diluviale NageMuh in Form von Rundhöckem auftrete. Zittbl^) endlich erwähnt, dass auf der baTerischen Hochebene SchäfUam der prägladale, zu Nagelfiuh verfestigte Schotter einen Glctscher- schUff trage. Von Geschieben diluvialer Nagelfluh gibt zueist de MoBTiLLET ^ Kunde, er macht darauf aufmerkeam, dass der- gleichen in den Moränen des TagliamentogletBchers vorhanden sind. Schill^) konstatirt solche auch in der Bodenseegegend, und

') Terrain erratique alluvien. LauB&nue 1644. p. 5.

*) Preuvea de Texistence d'anciens gladers prbs dee vUlea de Gap et d'Embnm (Hautea-Alpes). Bull. Boc. göoL de France, n. S. L IX. 1851/52. p. 424.

*) Note sur lea terrains de transport de la vall^ de la Durance. Bull. 80c. g&il de Franca U. S. t XXVH. 1869/70. p. 35.

') OletMheiecUiff auf Diluviun. MittheiL d. natorf. Gesellach. Bern 1855. p. 78.

') Note gfok^que sur Falazzolo et le lac d'Iseo en Lombardie. Bull. Soc. göol. de France. II. 8. t. XVI. 1858/59. p. 888. Carte des andeuB glacien. Atti Soc itaL di sc. nat III. 1861. p. 44 81.

*} Oletschererscheiniuigeii etc. Sitzungsber. d. math.-phjs. Classe d. Acad. München. 1874. p. 266.

') Carte des anciens gladers. Atti Soc ital. di sc. nat. III. 1861. p. 44 (71).

*) Geolog. Beschreib, d. Vmgeb. v. Ueberlingen. B^tr. zur atatist Verw. d. Orossherz. Baden. Heft 8. 1859.

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Kapitel XX. Die alten Anschwemmuiigeii der Alpen. 277

Zittel') &ebt ihr Auftreten auf der bayerischen Hochebene hervor.

Bewdst Bo auf der einen Seit« das .Vorkommen von Gletscher- schliffen auf diluvialer NageUuh und das Vorhandensein von Go- Bchieben der letzteren in den Moränen, dass in einigen Fällen ein gewisser Zeitraum zwischen der Bildung; beider verstrich, so machen andere Erschmungen an anderen Stellen eine gldciuütige Ab- lagerung beider zweifellos. Es ist besonders ein Profil in der Nähe von Genf, welches in neuerer Zeit die Aufinerksamkrät auf diesen Punkt gelenkt hat Am Bois de la B&tie werd^i die alten Anschwemmungen von Grundmoränen überlagert Ist auch die Grenze zwischen beiden ziemlich scharf, so zeigt sich doch in- mitten des liegenden Sehotters eine Bank mit gekritzten Geschieben. Die franzdsiache geologische Gesellschaft hat gelegentlich ihrer Versammlung in Genf im Jahre 1875 dieses Profil besucht, und mit klaren Worten fuhrt Loby aus, dass dasselbe eine glmchzeilige Bildung der alten Anschwemmungen (dieser Stelle) und der Mo- ränen beweise. E. Favbe hat diese Ansicht wmter begründet, und auch A. Faybe ist ihr beigetreten.*)

Diese angeföhrten Thatsachen können nur zu der Anschauung fuhren, dass unt«r dem Namen alte Anschwemmungen ver- schiedene Gebilde zusammengefasst werden, dass es einer- seite Ablagerungen ^bt, welche unbedingt älter als die letzte Ver-

') A. a. O. Gletscbererscheinungen. p. 263.

*) Literatur über das Bois de la BAtie: 1844: Neceeb, ftudes. p. 165. 23ä. 18B7: A. FaveE, Rocherches. t I. p. 89. 1875: A. Favhb, Sur les tetrains des environs de Genfeve. BnJl. Soc. gfol. III. S. t ni. 1874/75. p. 656. 1875: Loky, Compte rendu des observations falte« sur les alluvions andennes et lee d£p6t8 glaciairea du Bois de la Bfttde. Bull. Soc göol. III. S. t III. 1874/75. p. 723. 187G: Tardy, Un ancten ^jider des environs de Oen^re. Bull. Soc. gfoL de France. III. 8. t IV. 1875/76. p. 481. 1876: Ebkay, Etüde des terrains dn Bois de la Bfttie pr^ Qenbve. BolL Soc g^l. de France. III. S. t. V. 1876,/77. p. 115. 1877: Lort, BuU. Soc göol. de France. III. 8. t. V. 1876/77. p. 468. 1877 : E. Favbe, Quelques remarques sur l'origine de l'alluvion andenne. Arch. d. sc. phys, et nat de la bibl. univera. 1877. LVIII, 1880: A. Favre, Descript. gfoL du canten de Genöve. t L

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278 II.AbBchn. Aeltere Vei^letscherungeo v. Oberbayem u. Nordürol.

gletechening sind, v&lirend es aada^neita unter ihnea auch echte Glacialacliotter gibt Schon Mabtins und Gabtauh ^) Kerlegeu zwar die SchottermaBHen im Li^endea der Moräne in zwei Glieder, in das „alpine Diluvium" und die ,^teD AnBchwemmungea mit Kuochen", welche letztere jedoch zum Pliocän gehören; aber gerade ihr „alpi- nes Diluvium", was genau den „alt^i Anschwemmungen" anderer Autoren entspricht, zeichnet dch durch sein verschiedenes Ver- halten gegenüber den Moränen aus. Gabbiel de Moktillet^) zerlegte nun den genannten Schotterkomplex zuerst in zwü Ab- theilungen, in eine untere prägladale, welche er ale „alluvions anciennes" beschrieb, und eine obere, die er „alpines Diluvium" nannte. „Alluvions anciennes" und „diluvium alpin" beiMABTms und Gastaldi decken sich also nicht mit den gleichnamigen Ge- bilden bd DE Mortillet, und die alluvions anciennes dieses Forschers stellen nur eine Abthalung der „alluvions anciennea" der schweizer Geologen dar. Loby^ bekannte sich jüngst zu der Anschauung, daes die -alten Anschwemmungen theils präglacial, dieils glacial seien, allein während de Mostillet seine „alten Anschwemmungen" fiir wesentlich verschieden von dem „alpinen Diluvium" hält, schdnt Loby der Ansicht zu sein, daes die Ab- lagerung der glacialen Schichten der alten Anschwemmungen un- mittelbar derjenigen der prSglacialen folgte. Neuerdings hat aich nun Jähes Geikie*) der Anschauung von de Mortillet an- geschlossen, und zerlegt die Schotter unter den Moränen Ober- italiens in zwei wesentlich altersverschiedene Äbtheüungen. Die obere hält er für die Anschwemmimg der letzten Vergletscherung, die unt«re föhrt er jedoch nicht wie de Mortillet als pr^laciales Gebilde auf, sondern erklärt sie tur die Anschwemmung einer

') Sur lea terrains superfidels de la vall^ du PA. BulL Soc. g^il. de France. II. S. t. VIT. 1849/50. p. 554—603. A. Eöcheb VON DER Lenth veröffentlichte eine ähnlidie Eintheilung der schwdzer QerGllmBBBen. A. a. O. Ueber die Gegend von Zftridi in der letzten Periode der Vorwelt, 1852.

*) Corte des andens glaciere etc. Attj Soc. ital. d. sc. nat III. 1861. p. 44.

■) Bull. Soc. gfol. de France. III. 8. t V. 1870,77. p. 468.

*) PrehiBtoric Euiope. 1881. p. 316.

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Eafätel XX. Die altm AnediwemmUDgeii Alpeo. 279

frühereD Vei^IetBcherung. Er mmmt also zwd verBchiedene Ver- gletacbeniDgen an, von denen eine jede durch ein mächtiges System von Änschweminungen repräaentirt ist

Zu einer ähnlichen Anschauung ist man fi-üher schon auf der Nordseit« der Alpen gekommen. A. Ebcher von der Lottb^) dürfte d^ Erete gewesen b^, welcher im Kanton Zürich zwei diluviale Geröllbildungen untwechied; die eine hielt er lilr die AnBchwemmimg der letzten Yergletscherung; die andere jedoch, als deren Typus er die Nagelfiuh des TJetlibergea bei Zürich an- sah, deutete er als das QerÖlle der erBt£n jener beiden Verglet- scherungen, welche durch die LagerungeveriiältaiBse der Kohlen von Utznach-Dümten angezeigt sind. Ebcher war also der Erste, welcher zwei verschiedene Vei^letscherungen nicht nur in ihren Moränen, sondern auch in ihren Anschwemmiuigen zu unterscheiden suchte, und dadurch gab er einen Weg an, welcher erfolgrdch zur LÖBUDg mancher Probleme fuhrt Ihm folgt« in dieser An- Bchauimg zunächst Möbch^) und später Mühlbebg, Derselbe zeigte, dass im Kanton Aargau die diluviale Nageläuh alle die Eigenschaften besitzt, welche einer glacialen Qeröllbildung zukommen, er fand in ihr unter anderem gekritzte Geschiebe und deutet sie dementsprechend als die Anschwemmung der ersten jener bdden Yei^letscherungen, deren Spuren er im Aai^u nachwies. ^

Diese Auseinandersetzungen, welche in beigefügter Tabelle I übersichtlich dargestellt sind, lehren, wie ausserordentlich dieMei- nungen über die im Liegenden der Moränen auftretenden Schotter auseinandergehen. Die Mehrzahl der Forscher erkennt in den- selben einen einh^tlichen Komplex, welcher bald als seibstständige, präglaciale Formation, bald als iuterglaciale, bald als glaciale Bildung gedeutet wird. Wenige Geologen nur zerlegen jenen Komplex in zwei verschiedene Formationen, welche scharf von

■) Uebersicht der Geologie des Eantoos Zürich. 1862. p. 7.

*) Beschreibimg des Kentons Aargau. 1S67. p. 24.

■) Die erratischen Bildungen im Aargau. 1869. p. 94. 169. Zweiter Bericht über die Untereuchimg der erratischen Bildungen im Aargau. 1878. p. 3ll 67.

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2gO II- Abüchn. Aetteie Vei^letschenmgai t. Oberbajem u. NordtiroL

eisander zu trennen Bind. Stimmen sie zwar darin üfaerein, daee die obere Abtheilung als Depeudenz der letzten Vergletaoherung auizufassen ist, so gehen ihre Meinungen betreu der unteren aus- einander, indem dieselbe entweder als präglaciale oder als inter- ^aciale, oder endlich als altgladale Bildung angesehen wird. Ueberall beg^net man also Meinungsverschiedenheiten. Ea hat daher mehr als Lotalwerth, die unter den Moränen Oberbaj-emB aiiilretfliideii Schotterablagerungen genau zu etudiien.

Kapitel XXL

GUederui^ der Schotter im Liegenden der Moränen Oberbayems.

Aell«re dilnTiale Geröllformatlon unter den aotereo GlscialscfaotEem. Oletscher- BchliSe auf diluvialer Ifagelfluh, Geschiebe diluvialer Nagelfluh. Ueber- lagerung unterer Otadalschutter üiier dilnvialer N^eifluh. Eiuvialiehm and L58B zwiscbcD beiden. ErodoD der diluvialen Nagelfluh vor A.UBbreitnng der Gletscher. Gegend von Raufbeuem nnd Micabach. Profile von WalchMe und Naasereitb. Petrograpbiscbe Aehnllchkeit der diluvialen Nagelflab and anl«Ten Gladalschottcm in Bezog auf ZustunmeuBetauDg und Verkittung. OerSlle mit Eindrücken. Verwitterung und Verkittung. Ausgelaugte Gerolle. Untersdiddnng der älteren und jüngeren GerättfurmatioD dnrcb Niveau - Terhälbuue. Stafe der diluvialen Nagelfluh. Ursache der regelmüaigen Verjesügnog der llterm GerollformatdoD. Allgemeine Zveithellong der alten Anschwemmungen In den Alpen.

In einigen der vorhergehenden Abschnitten sind ausgedehnt« Schotterablagerungen geschildert worden, welche in den Thälem der nordtiroler Alpen in erstaunlicher Mächtigkeit, hohe Terrassen bildend, entfaltet sind, welche femer auf dem nordalpinen Hoch- lande nicht minder grossardg entwickelt sind. Es wurde zu zeigen versucht, dass diese Schottermassen in bestimmten Beziehungen zu den Moränen stehen. Das grosse Profil von Wasserburg am Inn, sowie andere Entblössungen in den Thälem der Hochebene, ferner die Aufschlüsse im Hötünger Graben bei Innsbruck offenbaren ähnliche Verhältnisse wie das Arveufer am Bois de la Baue bei Genf. Es wurde hieraus gefolgert, dass die dortigen Schotter glacialen Ursprungs seien. Femer wurde die petn^raphiacbe Zusammensetzung mancher Schotter Oberbayema untersucht, und aus derselben geschlossen, dass sie während der Qletscherzeit ge-

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Eajüt«! XXI. Qliedemng der li^enden Schotter. 281

bildet sein müBBten. Es wurde also unter den Moränen eine mächtige Ablagerung von glacialen ScbotUm nachgewiesen, deren Entstehung auf dieselben Vorgänge zurückzufuhreii gesucht wurde, wie sie Martihs und Gabtaldi für ihre Erklärung der Bildung ihres alpinen Diluvium annehmen, wie sie die beiden Fayre Sil die alten Anschwemmungen der Qegend von Genf, wie sie Faxban und Chantre für die Glacialanscbwemmungen der G^^d von Lyon supponiren.

Jene „unteren Glacialschotter" bilden aber nur den jüngeren Theil der Geröllmassen, welche in Oberbajem unter den Moränen auftreten und bisher als „präglaciale" Schotter zusammenge&aet wurden. Neben ihnen finden sich noch diluviale Schott«r, welche unbedingt älter als sie sind. Es lässt sich auf das Bestimmteste er- weisen, dass diese letzteren Geröllablagerungen bereits zu einer Nagelfluh cämentirt waren, ehe die unteren Glacialschotter entstanden, ehe die Moränen abgelagert wurden, dass zwischen ihrer Bildung und der nach- folgenden Yergletscherung eine beträchtliche Erosion stattfand.

Es wurde schon die hochwichtige Entdeckung Zittel's er- wähnt, welche in der Auffindung von Gletscherschliffen auf diluvialer Nagelfluh besteht Das Vorkommniss von Schäft- lam steht nicht vereinzelt da. Auch an den Ufern des WOrm- seeß, zwischen Stamberg und Müblthal und bei Tutzing, femer unweit des kleinen Pilsensees beim Dorfe Widdersberg, sowie an den Ufern des Lechs bei Eeichling, und endlich bei Schwabsoien unweit Bchongaii trägt die diluviale Nagelfiuh Gletscherspuren. In olleo diesen Fällen zeigt sich, dass die GerSlle mitten durch- schnitten und in gleicher Weise wie das Cäment geschliffen sind. Nirgends sind sie au^brochen. Es muss also der Schotter A- reits vor der Ve^letscherung zu einer festen Nagelfluh verfestigt wcnrden sein. Hiermit steht das küneewegs seltene Vorkommen zon Geschieben diluvialer Nagelfluh in den Grundmo- ränen im Einklang. Es finden sich deren häufig in den Moränen des Isargletschers, besonders bei Hohen SchäfUam, sowie an den Ufern des Wünnseea und vor allem nördlich vom Ammersee. Sie treten fem» unweit Kempten in den Moränen des Ulergletschers

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282 !!■ Abachn. Aeltere Vergletscherungen v. Oberbayem n. Nordtirol.

auf, sowie in den Moränen des Lechgletechers bei Eaufbeuem. Dieee Geschiebe sind gerundet, die einzelnen QerÖlle sind abge- schliffen und treten nicht sonderlich hervor, Schrammen kreuzen ihre Oberfläche.

Nicht minder deutlich sind die Stellen, welche bewdsen, da^ jene Ablagerungen, die bislang als präglacialer Schotter zusammengefasst wurden, aus mindestens zwei verschie- denen Gliedern bestehen, einem jüngeren und einem älteren, in welch' ersterem wir die bisher als „unteren Glacialschotter" be- zeichneten zu erkennen haben., Am klarsten zeigt diese eine kleine Kiesgrube in der Nähe des Bahnhofes Holzkirchen, 37 km süd- östlich München. Hier ragen Klippen diluvialer Nc^elfluh in einem jüngeren Schotter auf; sie sind oberflächlich abgewaschen, jedoch

derart, dass das Cäment mehr abgenutzt ist als die Gerolle, so- dass die letzteren höckeräbnlich bervorrageQ. In der Nähe jener Klippen finden sich grosse Fragmente von Nagelfluh im jüngeren Schotter (vergl. Fig. 14). Letzterer fallt unweit des gedachten Aufschlusses unter die Moränen ein, er ist ein echter unterer Cflacialschotter. Auch in der Gegend von München lässt sich deutlich verfolgen, dass dort zwei verschieden alte GerÖlIab- l^erungen unter den Moränen des Isargletschers hervortreten. Sie beide bilden die Hochfläche der Umgebung Münchens. Der jüngere Schotter ist gröber und reicher an Ui^birgsgeschieben als der ältere. Der letztere ist häufig stark sandig, in vielen Fällen zu einer Nagelflub verkittet, er gehört der Stufe der diluvialen Nagelfluh an. Bemerkenswerther Weise führt nur der jüngere

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Eapitel XXI. OUedernng der liegende Schotter.

6chotl«r Oerölle diluvialer Kagelflah, DieGrenz« z beiden GeiöUablagerungeo bietet nun häufig intereasante Er- BcheinuDgen. Der ältere Schotter zeigt nämlich unt«r dem jüngeren oft Spuren eingreüender Verwittenuig, nicht selten gebt er ac^ar in einen echten Verwitterungelehni, eine Eluvialbildung über, und Z^fen dieses Verwitterungslehmes, Btellenweise über 8 m liefe „geologische Orgeln" bildend, setzen ein StQck wir in ihn hinein. Erst Über dieses Verwitterungsprodukt folgt der jüngere 6chott«r, welcher als „unterer Glacialschotter" au&u- fassen ist und der seinerseits gleichfalls einen Verwitteniagslehm trägt (Fig. 15). Diese Erscheinungen lehren, dass vor Ablagerung derjüngeren Schotter eine Zeit verstrich, während welcher der ältere sich zu einer Nagelfluh verkittete und oberflächlich verwitterte.

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Kiesgrube unweit Giesing bei München.

A Oberai ElaTtam, B Unterer Olaciabchatler. C Unteres Elnvium.

D Stute der diluTialen Nagelflnli.

An dner Stelle, bei Hellriegelkreut BÜdlich München, sah ich so- gar dn 2 m mächtiges Lösslager zwischen beiden Schottern. Die- selben gehören also verBchiedenen Bildungsperioden an.

Mannigfach sind auch die Spuren einer Erosion zwischen der Bildung der diluvialen Nagelfluh und der Ausbreitung der Glet- scher sowie der damit verbundenen Ablagerung der Glacialscfao^^. Eine groBse Anzahl von Beispielen diskordanter Auflagerung der Grundmoränen auf diluviale Nagelfluh könnte hier angefilhrt weiden. Allein da es sich zeigte, daes mit der Bildung der Gnmdmoiäne erodirende Processe Hand in Hand gehen und nicht selt«n Diskordanzen zwischen GrundmoHlnen und nur wenig älteren Schichten nachwösbar sind, so m^e hier von diesen Beiepielen abgesehen werden und es soll nur von solchen Fällen beTicht«t

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284 II. Abechn. Aeltere Vergletscherungen r. Oberbayem u. KoidlaTol.

waJen, wo zwischen der Ablagerung der in der Regel zu diluvialer Nagelfluh vetkitteteu GerÖllmaBsen und der Ausdehnung der Gletscher eine intensive Thalbildung stattgefunden hat

Zwischen Lech und Iller, ungefähr längs der Strasse von Kaufbeuren nach Kempten lagert über dem Tertiär eine mächtige Decke diluvialer NagelSuh. Zahlreiche, meist parallel mit einander verlaufende Thäler durchschneiden dieselbe und senken sich meist bb zum Tertiär herab (vergl. Fig. 7, Tafel 11). Diese Thäler sind also jünger als die diluviale Ni^lfluh. Sie sind aber älter als die Ausbreitung der Gletscher. Bei Ksufl}euem und Kempten finden sich in den Thälem des Lechs beziehentlich der Iller Grund- moränen, währeild die Gehänge dieser Thäler aus diluvialer Nagel- fluh besteben. Es sind also die Gletscher den Thälern gefolgt Bei Ober-Gunzburg und nahe Friesenried bei Salenwang, vor allem aber im Wertachthaie bei Kaufbeuem lagern Moränen und gla- ciale Schotter eingesenkt in Thälem tief unter den Ausstrichen der diluvialen Nagelfluh, und Gerolle derselben finden sich in jenen Schottern, Es hat also hier zwischen Ablagerung der diluvialen Nagelfluh und der Ausbreitung der Gletsch^ eine beträchtliche Erosion stattgefunden, der die Bildung von über 100 m tiefen Thälem zu danken bt

Äehnliches erweist sich in der G^i^eud von Miesbach. Das neu herausgegebene Blatt Wolfrathshausen der topographischen Karte von Bayern im Maassatabe von 1 : 50.000 stellt eine Reihe von Thälchen dar, welche theils von Westen^ theils von Süden her sich nach der Vereinigung der Mang&Il und Schlierach dehen. Viele derselben bergen kein Gewässer mehr auf ihrem Grunde. Das von diesen Thälchen durchzogene Plateau besteht aus diluvialer Nagelfluh, welche von aUäl aufgerichteten Tertiärschichten unter- teuft wird. Die Terrassen an den Gehängen jener Thälchen aber bestehen aus Schottern, welche steh bis unter die benachbarten Endmoränen verfolgen lassen und sich dadurch als untere Glacial- Schotter erweisen. Es hat also auch hier zwischen der Ablagerung der NageMuh und Anhäufung der unteren Glacialschotter eine Tbalbildung stattgefunden. Bemerkenswerth ist, dass in den unteren Niveaus der letzteren Schotter häufig Bänderthonbildungen auftreten.

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KaiHtel XXI. Oliedening der liegeaden Schotter. 285

In den Alpen Bind die VorkommniBBe diluvialer Nagelfluh Beltener als auf der Hochebene. Aber auch hier muss eine Thal- bildung zwiflchen Ablf^^erung derselben und der Ausbreitung der Gletscher Btattgeiunden haben. Diea erhellt am deutlicheten aus einem Vorkommnisse in der Nähe des Walchsees unweit Kufstein. Hier steht am Thalgehänge bis 840 m Höhe eine mächtige Ab- lagerung diluvialer Nagelfluh an, welche in mehreren Mühlstein- brüchen aufgeschlossen ist Tief unter dieser Ablagerung schneidet der Jenbach durch Moränen in die Terrasse der unteren Glacial- schotter ein, welche zahlreiche grosse Fragmente der erwähnten Kagelfluh führt Seit Abl^ening der letzteren und vor Bildung der unteren Glacialschotter ist das Innthal bis mindestens zu seiner heutigen Tiefe, ca. 470 m, ausgehöhlt worden, denn bis zum Thal- boden setzen sich die Glacialschotter fort Man findet hier also Spuren einer Th^vertiefimg von 370 m zwischen Abl^erung beider diluvialer Gebilde. Aehnliches ergibt sieb in der Gegend von Nasserdth. Auch hier findet sich die diluviale Kagelfluh, Feigen- stein genannt, in höherem Niveau als die InnthalterrasBc; zwischen Ablagerung der Nagelfluh und Anhäu^g der unteren Glacial- schotter iallt also eine sehr bedeutende Erosion. Unwwt Parten- kirchen endlich an den Gehängen des Loisachthales erhebt sich ein Buckel diluvialer Nagelfluh, welche ganz mit Moränen über- kleidet ist, wodurch gleichfalls eine Erosion zwischen Ablagerung beider bewiesen wird.

So zeigt sich auf verschiedenem Wege, dass in Ober- bayern unter den eigentlichen Moränen mindestens zwei verschiedene Schotterablagerungen auftreten. Die eine, jüngere, erscheint als Vorläufer der letzten Ver- gletscherung und tritt mit den Moränen mehrfach in Konnex, weswegen wir sie als unteren Glacialschotter bezeichneten. Die andere, ältere, hingegen war bei Ein- tritt jener Vergletscherung bereits zu einer Nagelfluh verfestigt und oberflächlich in einen zähen roth- braunen Lehm verwittert Eine tiefgreifende Thal- bildung trennt sie von der letzteren. Sie hat zu der- selben also keine genetischen Beziehungen.

Trotzdem nun die beiden Qeröllformationen bo scharf von

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286 n. Abschn. Aeltei« Vergletecberuiigeti v. Oberbayem u. Nordtirol.

einander imterachieden eind, trotzdem sie an manchen Stellen sich * deutlichst von dnander abheben, hält ee doch häufig schwer, sie von mnander zu trenuen, und es gibt Stellen, wo man zweüelhaft sein kann, ob man es mit der älteren oder jüngeren zu thun hat Denn beide zeigen dieselbe Zusammensetzung und dieselbe Struktur. ') Sie beide bestehen aus alpinen Gesteinen, und ee laasen sich weder in der Menge noch in der Art der Oerölle oamhaAe Unterschiede zwischen beiden erkennen. Beide sind horizontal geschichtet, an manchen Stellen freilich erscheint die Schichtung etwas verwischt, dann doch machen sich durch den Wechsel gröberer und fdnerer Partien der Aufbau aus horizontalen Lagen geltend. Bisweilen findet sich eine sehr komplicirte diskordante Parallelstruktur, wie sie auf Fig. 16 dai^estellt ist. Das Korn beider Schotter ist auch das gleiche. Die Gerolle besitzen im Alpengebiete meist

tii- IB.

Struktur der diluvialen NagelfluL Grosaheaselohe bei MQnchen.

einen bedeutenderen Durchmesser als auf der Hochebene und nehmen nach Nord an Grösse ab. Jedoch besitzen sie in d&t Gegend von München immer noch im Mittel 1 dm Durchmesser. Fehlen nun auch niemals feinkörnige, sandige Lagen, so besitzen doch beide Ablagerungen durchwegs den Charakter grober Schotter, wie er noch heute den Anschwemmungen der Flüsse Oberbayemfl zukommt. Man hat es daher in beiden Fällen mit ausgezeichneten Strombildungen zu thun, und die horizontale Schichtung der älteren Schotter, welche meist als Nageläuh vorliegen, im Vereine

*) Eine verschiedene Zusammensetzung, wie sie de MostHiLET für die „alluvions andennes" und das „diluvium alpin" der Poebene an- ffht, konnte ich also in Oberbayern nicht erkennen. Vergl. Carte des anciens glaciers.

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Kapitel XXI. Gliedeniog der liegenden Schotter. 287

mit der GF5sBe ihrer Gerolle, Ifiaat den Gedanken nicht aufkommen, dasB sie vielldcht in mem Bee abgelagert ad. Nie werden in stehendem Wasser horizontale Gerdllschichten sich bilden können.

Das exakteste Hiliämlttel, diese beiden ähnlichen Ablage- rungen za trennen, lässt nur zu leicht im Stich. Das Vorkommen von GerSllen diluvialer Na^eMuh in den unteren Glacialschottem ist einereeita zu selten, um ein bezeichnendes Kriterium derselben abgeben zu können, andererseits aber in den meisten Fällen nur mit Schwierigkeit zu erweisen, da es durchaus nicht Idcht, oft sogar ganz unmöglich ist, von cänem Gerolle zu sagen, ob es von diluvialer oder tertiärer Nagelfluh herrührt Man darf sich femer nicht vorstellen, dass die Ablagerungen, welche sich stellenweise ala diluviale Nagelfluh von den losen Glacialschottem abheben, überall als solche entwickelt sind. Die diluviale Nagelfluh stellt nur feste Partien von Geröllabl^jerungen dar, welche häufig genug auch als lose Schotter entgegentreten, und andererseits sind hie und da die unteren Glacialscbotter auch konglomeratisoh verfestigt und erscheinen als eine diluviale Nagelfluh, welche petrographisch mit der der älteren Geröllablagenmgen grosse Aefaolichkeit hat

Das Cäment aller diluvialen Nagelfluhbildungen besteht nämlich mdst aus späthigem KaJke, welcher die Bäume zwischen den einzelnen Gerollen manchmal völlig einnimmt, oft aber nur theilwdse erfüllt Die diluviale NagelÖuh wurde daher von MovseOM *) im Gegensatze zur miocänen als löcherige bezeichnet Keineswegs selten sind aber auch in ihr, wie schon an mehreren Stellen konstatirt worden ist, und wie es für die bayerischen Ab- lag^imgen Gümbel*) hervorhebt, GeröUe mit Eindriicken. Die- selben bestreu meist aus Kalkstein, seltener aus mergeligen Gesteinen, jedoch fehlen, so weit ich mich erinnern kann, Ein- drücke auf Silikatgestdnen. Auch in den jüngeren Schottern finden sich, falls sie verfestigt sind, kleine Eindrücke auf Ge- rollen. Dieselben sind häufig in ^er cämentirten Bank, welche dicht unter der Oberfläche aufzutreten pfl^;t, und zwar unmittelbar unter dem braunen Verwitterungslehm, der Eluyialbildung des

') Geol<^. Skizze der Umgebung von Baden (Aargau). Zürich 1840. •) Die getrost Duichtbrschnng Bayerns. 1877. p. 74.

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288 n.AbBclui. AelUie Vei^letechenmgen V. Obeibayem u. Notiitirol.

Bchottera. Aehnücbes beobachtete A. Favre') bei Genf. Ea feUen bing^en Eindrücke auf Qeröllen in tmverkitt«teu L^en. leb kann daher nicht glauben, dass jene Eindrücke dadurch ent> standen Bind, dass das obere Geröll durch einen Strudel auf dem unteren hin und her bewegt wurde und so eine Vertiefimg auf demadben aueschlifl'.') Ich muse vielmehr das ganze Phänomen lediglich als die Folge chemischer Procease ansehe. In sehr lose verfestigten Ablagerungen sieht man, wie um die Berührungsstelle zweier GerÖlle sich ein Ring von Kalkspath bildet Auf dem unteren Gerolle lässt sich dann meist schon ein ganz schwacher Eindruck des oberen erkennen. Je feater nun die Ablagerung verkittet ist, desto tieier erBcheint gedachter Eindruck, desto aus- gedehnter der ihm umgebende Kranz des Cämentes. Die Bildung der Eindrücke auf den Ger5Uen geht somit Hand in Hand mit der Verkittuhg der Ablagerung, und sie dürfte wesentlich unter- stützt werden durch das eigene Grewicht der Ablagerung. Gerade diese Yorkommnisse von GerSllen mit Hndrücken in horizontalen Schichten sind um so wichtiger, als sie lehren, dass es keineswegs nöthig iflt, wie LoBif *) und neuerlich auch Rothpletz ') annehmen, die Eindrücke auf jenen Druck zurückzuführen, welcher die Gebirge aufstaute. In Einklang hiermit äuaaert auch Heih^), dass die GrerSndndrücke in der schweizerischen tertiären Xagelfluh schon gebildet waren, bevor selbige gehoben wurde, und dasselbe gilt von den Eindrücken auf den Gerollen der oberbayerischen Molaase. Auch hier finden sich nämlich solche in vollkommen horizontal liegenden Schiebten.

Die Verkittung der Diluvial Schotter ist in vielen Fällen abhängig von der Verwitterung derselben. Häufig bemerkt man in ähnlicher Weise, wie A. Favre aus der Umgebung Gtenfs

') DescriptioQ g^logique du canton de Oen^e. 1879. 1. 1. p. 171.

*) Vergl. Oümbel: Die geognoet DurchiÖTBchung Bayerns. 18T7.

^ Description ggologique du Dauphin^. Paria 1860. p. 410. 420. Note Bur lee d^pAta tertiaires et quaternaires du baa Dauphinä. Bull. 8oc. gfel. de France. II. S. t. XX. 1862/63. p. 353 (370).

*) Ueber mechanische Gesteineumwandlnngen bei Hainichen in BachBen. ZeitBchr. d. Deutach. geol. OeeeUsch. XXXI. 1879. p. 371.

') Heiu, Mechanismus der OebiigabUdung. 1878. Bd. II. p. 9. 26.

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Kapitel XXI. Oliedening der liegenden Schotter. 289

berichtet, dase eine SchotterablageruDg oberflächlich Terwittert ist, das helsst alle Kalkgerölle sind entfernt, und im Veiv wittenmgslehme kommen nur Silikatgerölle vor. Dafür ist nun die nächst tiefere Lage des 8chotterB der Begel nach verkittet. Augenscheinlich hat sich der in der oberen Lage ausgelaugte Kalk hier wieder gesammelt Boch dies ist nur ein specieller Fall; denn meist z^gt sich, dass eine Schotterablagerung in höchst unregelmässiger Wräse verkittet ist, manche Lageu erscheinen als feste NageMub, andere als loses Geröll, und die durch die ganze Ablagerung zerstreuten ausgelaugten Gerdlle (cailloux 6puisfo) beweisen, dass überall Wasser chemisch wirksam gewesen ist

Die besten Mittel, die Geröllformationen im Liegenden der Moränen zu trennen, gewähren unstreitig die Niveauveihältnisse, und an der Hand derselben gelingt es ziemlich leicht, beide kartographisch auseinanderzuhalten. Es zeigt sich dann aller- dinge, dass die ältere Ger&llbildung der Regel nach zu Nagel- fiuh verkittet ist, während die jüngere nur lokal verfestigt ist Ich stehe daher nicht an, jene ältere Formation als Stufe der diluvialen Nagelflut zu bezdchnen, weil sie gerade in dieser Form eich am acbär&ten als eigene Etage charakterieirt Aller- dings soll damit nicht gesagt werden, dass sie allüberall als solche erscheint^ oder dass jeder zur Nagelfluh verkittete Diluvialechotter zu jener Stufe gehört. Ich bezeichne 'als Stufe der diluvialen Nagelfluh einen geologischen Körper ohne Bücksidit auf die ab- weichende petrographische Bescbafienbeit einzelner Partien.

Der Umstand, dass die älteste Geröllformation im Liegenden der Moränen Südbayems der Regel nach zu einer Nagelfluh ver- kittet ist, während die jüngere es nur auenahmgweise ist, kann nur der Auedruck von deren verschiedenem Alter sein; und ich möchte denselben nicht mit de MoBTiLLsr >) auf verschiedenen Druck zurückfiihren, dem sie auegesetzt geweeen sind; denn die Verfestigung ist lediglich chemischen Wirkungen zu danken. So deuten alle Erscheinungen darauf hin, daee in Oberbayem unter

') Terrains du versant Italien de« Alpes compar^ ä ceux du versant fran^ais. fiull. Soc. gtel. de France. II. S. t XIX. 1861/ti2. p. 849—907.

PeoGk, Die Vergletoobsnug. 19

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290 n. Abschn. Aehere Vei^letocheniDgen v. Oberbafem n. Nordtinil.

4en Moränen mindesteos zwd verschiedene Scliotterablagerungen vorhanden sind, zwisch^i deren Bildung ein langer Zdtraum TerBtrich. Ich bin nun weit davon entfernt, Et^bnieae von Lokalbeobach- tongen TeraUgenidnem zu wollen und unbedii^ anzunehmen, daee daqenige, was fOrOberbayem gilt, auch von andern Alpengebieten behauptet werden darf. Aber eine Sichtung der Literatur drängte ganz dieselben Folgerungen auf wie die Lokalforschung. Die- Belben £}tBcheinungen in Oberbayem wie im Alpengebiete über- haupt Unt» den Moränen bald loser Schotter, welcher von ihnen kaum zu trennen ist, bald ein festes Konglomerat mit ge- schliffener Oberfläche. Ea kann darnach wol nicht in Zweifel gezogen werden, dass die „alten Anschwemmungen" be- ziehentlich die „präglacialen ßcbotter" der Alpen aue mindestens zwei wesentlich verschiedenen Gliedern allenthalben aufgebaut werden, und zwar aus einem älteren, welches sich meist als diluviale Nagelfluh darstellt, und einem jüngeren, welches gewöhnlich als loser Schotter erscheint und als Anschwemmung der letzten Vergletscherung zu deuten ist Zu diesen baden Schottern gesellt sich in Südbayran nun stellenweise noch ein deutlich unterHchiedener dritter, wie ich gelegentlich meiner Unter- suchungen füi das Königliche Oberamt in München erkannte. Derselbe schaltet sich ein swischen die Stufe der diluvialen Nagel- fluh und die „unteren Glacialschotter", er möge daher als mitt- lerer li^ender Schotter bezeichnet werden. Petrographisch stimmt er mit den eben erwähnten Gebilden überein, aber er scheidet sich scharf von ihnen durch sein geologiscbee Auftreten und sme Verbreitung, in welchen beiden Eigenschaften er zwischen dem ältesten liegenden Schotter, nämlich der diluvialen Nagelfluh, und dem jüngsten, dem unteren Glacialschotter, genau die Mitte hält

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Kapitel XXII. ürspnmg der diluvialen Nagelflnh.

Kapitel XXII.

Unpnu^ der diluvialen Ifi^elflnh.

KgenKhiAen gladaler Schotter. Verbreitaiig der dilDvialen Nagelflnh. Im Geblige, aaf der Hochebene. Süd- und Nordgrenie der Decke auf der Hoch- ebene. Niveau der Decke. Bildung derselben durch riimeades Wasser. Hin- irelB auf altere FonnatJonen. Mlichti^eit der Decke. AjibäoAmg der dila. rialen Kagelflnh rings nm die Alpen. QeaelE über die Eroticin und An- hlufling dorch rinnende« Wsner. Erkläning der Anhäufung diluvialer Nagel- fluh. Db Mobtillet, Moblot und Lobt hierüber. Diluviale Nagelflnh wie ein gladaler Schotter angehäuft. Veiachiedenhdt in der Eatwickelung der dilnv^en Nagelfluh und unteren GUdaUchotter. ZuBammeusetiaug der diluvialen Kagelduh. Vrgebirgsger611e xwiichen Iller und Lech , xtriichen Lech und Isar. Urgeblrgagerölle im laargebiete erratisch. Die diluviale NEigelfluh führt wie ein Oladalschotter erratüche Gerolle. Oekritite Qe- «chiebe und Gnindmorinen in der diluvialen Nagelfluh. Südgrenie derselben •uf der Hochebene ungeOhre Grenie der enteo Vergletscherung. Zwei ver- Bchicdene Vergletscherungen auf der Bochebene, nicht durch Osciliatjon einer Vergletscherung eneogt. Diluviale Nagelfluh im Gebirge. Erklärung der Urgebirgigeröllverthdlang in verBchiedenen HoriEontm der Decke. Unler- achied in der Eotwickelung der eiiteu and twetten VerglelHCheroi^.

In der „diluvialen Nagelfluh" Südbayems lernten wir eine ausgedehnte Geröllahlagerung kennen, welche beträchtlich älter als die Schotter der letzten VergletecheruDg iet £a fragt sich nun, ob wir in ihr das erkennen, was wir suchten, nämlich die An- schwemmungen einer älteren Vergletscherung. Es wird zu entr scheiden Bein, ob ihre Eigenschaften besdnimt darauf hinweisen, dass sie von GletscherBtrömen abgelagert wurde. Wir werden sie zu diesem Behuie mit den Schottern der letzten Vergletscherung zu vergleichen haben. Als cbarakteristische Eigenthümlichkeiteo derselben lernten wir vor allem den Umstand kennen, dass gie im Gletscher gebiete angehäuft erscheinen, daes aber ausserhalb desselben ihre Mächtigkeit Schritt für Schritt abnimmt. In ihrer Zusammensetzung zeichnen eich die Glacialschdtter durch die Ffthrung von erratischem Materiale aus, was allerdings nur da zu konatatiren ist, wo die Gletscher nicht genau den Thälem folgten, aondem sich aus einem Thalgebiete in ein anderes drängten. Bchllesslich aber stehen die Glacialachotter hie und da in Konnex mit Moränen und enthalten in deren Nähe gekritzte Ge- schiebe. In allen diesen Punkten müssen wir die diluviale Nagelfluh studiren; erst wenn sich in allen eine Uebereinatimmung

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292 Ü- AbBchn. AeltereVeTgletachenmgen v. Oberbayem u. NoidtdroL

mit den Schottern d^ letzten Veigletechening erwdfien läset, Verden wir sie auch als me GJacialanschwemmung betrachten dürfen, und werden uns mit den eich hieraus ergebenden Folgerungen beschäftigen können.

Die diluviale Nc^elf uh besitzt in unserem Gebiete äne be- trächtliche Entfeltung. Im Gebirge ist ihr Vorkommen zwar ein beschränktes. Es finden sich hier nur wenige Geröllablageningen, welche älter als die unteren Glacialschotter sind. Diese wenigen YorkommnisBe bilden im Innthale Terrassen, welche sich über das Niveau der Hauptthalterrasse erbeben, im Allgem^en aber erkennen lassen, dass zur Zeit ihrer Bildung das Relief derGegend bereits gebildet war.

Weit zusammenhängender und grossartiger ist die diluviale NageMuh auf d^n nordalpinen Verlande entwickelt Sie bildet hier eine ausgezeichnete Decke, welche freilich durch spätere Eroüon vielfach zerstückelt und in einzelne Parzellen aufgeldst ist Diese Decke erstreckt sieb nicht unmittelbar bis zum Fusse des Gebirges. Ihre Südgrenze v^läuft vielmehr in einiger Entfernung von den Alpen, eine gewundene Linie bildend, welche vor dem Austritte eines jeden Alpenthalea eine Ausstülpung nach Norden zeigt, wie ich bei mdnen Untersuchungen im Auftrage der geo- logischen Landesuntersuchung von Bayern näher verfolgte^ Nur an einer Stelle lagert die diluviale Nagelfluh an dem Ab&Ile der Alpen. Es geschieht dies in der Gebend von Miesbach.

Nach Norden zu lässt sich die Decke auf dne beträcht- liche Entfernung verfolgeiL Meine Au&ahmen im Interesse der geologischen Untersuchung Bayerns bestätigten mdne Vennuthung, dass sich zwischen Hier und Lech die Decke bis zur Donau erstreckt Sie bildet hier die oberste Schicht des von zahl- reichen Thälem durchfurchten schwäbischen Plateaus und verleiht der Landschaft einen eigenartigen Charakter, indem sie an den Thalgehängen einen Steilab stürz über den sanftabgeböschten unter ihr zu Tage tretenden Tertiärschichten bildet Weiter im Osten besitzt die Decke eine geringere Ausdehnung nach Norden. Zwischen Lech und Amper erstreckt sie sich nicht ganz bis zu dem Thalzuge, dem die Eisenbahn von München nach Augsburg folgt; wdter nordwärts zieht sie sich an der Isar hin ; ihre Verbratung

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Kapitel XXII. Ursprung der diluTialen Nagelfluli. 293

wird bier ziemlich genau durch den Umfang der schiefen Hoch- ebene von München markirt, und wie sich dieselbe zwischen Frei- sing und Landshut in das learthal hineinzieht, so setzt sich die ursprünglich Aber das Land als Decke gebreitete diluviale Nt^l- äuh als Thalterrasse ein Stück weit an der Isar fort Es möge - bemerkt werden, dass die Nageläuh kdneswegs als zusammen- bängende Ablagerung über die Münchener schiefe Ebene verbreitet ist Sie erscheiot nur an deren Rändern und bildet den Unter- grund von deren südlichen Ausläufern. Der Lauf der Isen und weiterhin des Inn bilden weiter ostwärts die Nordgrenze der Decke der diluvialen Nagelflub.

Diese Decke bildet nun keineswegs eine Ebene, sondern schmiegt sich der allgemeinen Abdachung des Landes ul Ihre höchsten Partien liegen daher auf dem höchsten Theile der baye- rischen Hochebene zwischen Hier und Wertach an der Strasse von Kempten nach Kaufbeuem; von hier senkt sie sich tbeils nach Norden, theils aber nach Osten. Während die altere Ab- dachung nach Norden, ungemein regelmässig geschieht, lässt die andere nach Osten gerichtete häufig Unr^elD:iäBsigkeiten erkennen, welche sich darin äussern, dass manche Partien höher oder tiefer liegen, als nach der allgemeinen Abdachung zu venuuthen ist. Leider fehlen in diesem Theile des Gebietes noch genauere Nivelle- meuts, um diese Tbatsache eingehender studireu zu können.

Schon GümbelI) folgert aus diesen geschilderten Ver- schiedenheiten in der Höhenlage der diluvialen Nagelfluh, dass der Absatz derselben „nicht unter alleiniger Vermittlung einer seeartig zwischen Alpen und bayerischem Walde ausgebrüteten Waesermasse stattfand, dass vielmehr in den höheren Verbreitungs- gebieten hauptsächlich und vorzüglich die Flüsse thätig waren". In der That lassen sich die geschilderten Verhältnisse, vor allem aber die petrographische Beschafienheit der diluvialen Nagelfluh nicht anders erklären, als dass dieselbe eine Strombildung ist

Ihre deckenlörmige Ausbreitung beweist, dass an jedem Punkte, wo sie auftritt, mst Wasser geflossen ist Aber es dürite nicht anzunebm^i sein, dass dies fliessende Wasser zu

') Alpengebirge, p. 796.

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294 II> Abecbn. Aelt«re Vergletsclienuigeii v. Oberbayero u. Nordtirol.

gleicher Zeit ebenso ausgebreitet war wie heute seine Ablagerungen. Es ist vielmehr vorzustellen, dass wie heute an dem Fusse steiler Gehänge die _ Schuttkegel immer nur lokal überrieselt werden, Bolches auch mit den Schotterablagerungen der bajerischen Hoch- ebene der Fall gewesen ist. Dieselben sind nach und nach von fortwährend das Bett verlegenden Strömen abgelagert worden. Das Auftreten ausgebreiteter Schotter- und Gerdll- massen läsat sich nur durch eine successive Bildung er- klären. Ihre Verbreitung deutet nicht auf eine zu- sammenhängende Wasserbedeckung, sondern nur auf fortwährendes Oscilliren einer lokalen Ueberrieselung. Die aus Schottern zusammengesetzt« Poebene ist wol am besten geeignet, diesen Satz zu illustriren, und es dürfte sich empfehlen, denselben auch auf die Geröllmassen älterer Formationen anzu- wilden, vor allem auf das Bothliegende.

Die Mächtigkeit der dUuvialen Nageläuh ist in den ver- schiedenen Theilen der Decke schwankend. Im Allgemdnen lisst sich jedoch konstatiren, dass sie am mächtigsten an ihr^n g^en die Alpen gekehrten Südrande ist, und dass sie nach Korden zu allmählich an Mächtigkeit verliert. So schwillt sie in ihren südlicfaBten Ausläufern bis auf 50 m Mächtigkeit an (Peissenberg, Gegend von Kaufbeuem). In Schwaben, wo sie am besten durch zahlreiche Thäler aufgeschlossen ist, ist sie etwa 30 km nördlich von jener Südgrenze nur noch 25 30 m mächtig, an der Donau dann kaum noch 10 15 ra.

Es erhellt aus diesen Angaben über die Mächtigkeit der diluvialen Nagelfluh, sowie aus der vorangegangenen Schildenmg von deren VerbrMtung, dass dieselbe am Fusse der Alpen, jedoch stets in einiger Entfernung vom Gebirge, angehäuft wurde. Ihre Zusammensetzung aus rein alpinem Materiale lässt nun femer keinen Zweifel darüber, daes sie von aus den Alpen kommenden Gewäes^n angehäuft wurde, wenngleich allerdings ihr scharf aus- gesprochenes Abbrechen nach dem Gebirge hin dieser Annahme entgegenzustehen echdnt und beeonders erklärt sein will. Sehen wir einstweilen hiervon sb, so erkennen wir in der diluvialen Nagelfluh eine alpine Schotterformation, welche vor den Alpen in bedeutender Mächti^eit abgelagert worden ist

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Kapitel XXII. Urepmiig der diluvialen Nagelfiiih. 295

Ist nun auch biBheo: im Alpengebiete eine strenge Schei- dung zwischen den glacialen Schott«m und der Stufe der diluvialen N^^lfluh ni]^;ends durchgefilhrt, ao muBS es doch als sehr wahr- scheinlich gelten, dass die letzter« in den alpinen Voriandem überall in einer entsprechenden Entwickelung vorhanden ist, wie auf der bayerischen Hochebene. Der „ceppo" Oberitaliens, der „poudingue i. Breasan" der Umgebung von Lyon, die „löcherige Nagelfiuh" der Schweiz verhalten sich in ihrem geologischen Auf- treten — soweit ee sich eben aus Angaben in der Literatur ent- nehmen läsat ganz ebenso wie die diluviale Nf^elfluh unseres Gebietes. Sie breiten eich deckenfönnig am Fusse des Gebirges aus und sind überall älter als die Glacialgebilde. Die Erschei- nungen in Oberbayem bilden daher einen Theil eines grossai, sich überall in den Alpen äussernden Phänomens. Lange vor Eintreten der letzten Vergletechenmg wurden allenthalben auf dem Vorlande der Alpen mäditige Schotter angehäuft.

Gegenüber einer so allgemeinen mächtiges AnhäuAing von alpinen Schottern im Vorlande des Gebirges drängt sieb mit Recht die Frage auf, welche Ursachen dieselbe gehabt haben mag. Ganz bestimmte Gesetze beherrschen ja die Tbätigkeit des rin- nenden Wassers, dem die Anhäufung jener Ger&llmassen zu danken ist Erosion und Anhäuümg äussern sich an verschiedenen, genau bestimmten Stellen. An jedan r^ulären Gewässer lassen sich drei Abschnitte seiner Tbätigkeit konstatiren. In seinem Obei^ lau& erodirt es, im Mittellaufe ist es im allgemeinen wirkungslos, im Unterlaufe häuft es Material an. Dies dauert solange, bis ein gewisser Ausgleich erzielt ist zwischen Länge des Waeaerlaufea und seinem Gefalle, bis letzteres eine bestimmte Kurve he- schreibt. Freilich ist ja nie Stillstand im Laufe der Gewässer, unablässig verlängern sie denselben rückwärts und verändern da- her stets die Kurve ihres Gefälles. Dieselbe aber bleibt stets der- selben Art und stets beschränkt sieb die anhäufende Tbätigkeit des Wassers auf seinen Unterlauf Finden sich nun uidere Ver- hältnisse, häuft z. R das Gewässer in seinem Oberlaufe Material an, so haben wir auf gewisse störende Einflüsse zu schliessen. Dieselben können zweierlei Katur sein. Sie können durch Niveau- verändenmgen im Laufe des Gtewässers bedingt worden sein, wo-

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296 II- Abachn. Aeltere Vergletscherungen v. Oberbajem u. NorftiroL

durch desBen regelmäBaigee Gefälle unterbrochen worden ist, oder sie kdnneu durch gewisee meteorologische Eingriffe Terureacht Bein, dadurch, dass das Gewäaser nur periodisch flieaat, oder da- durch, dass sich in gewissen Thellen seines Laufes reichliche Wasserzufiihren einstellen, oder endlich dadurch, dase der Lauf des Gewässers theilweise in das Bereich einer Vergletaohenmg geräth.

In Gebieten also, welche noch fortwährenden Niveauveräude- niDgen ausgesetzt sind, oder ee vor kurzem noch gewesen sind, wird die Thätigkeit des rinnenden Wassers eine sehr unregel- mässige sein, Erosions- und Anhäufiingsvorgänge werden dicht nebeneinander geschehen. Von dieeem Gesichtepunkte ffag de MoBTiLLBT^) aus, um die Anhäufung seiner „alt^i Anschwem- mungen" zu erklären, welche ziemlich genau unserer diluvial^i Xagelfluh entsprechen. Er sagte: Gegen Ende der Tertiärzeit wurde die Faltung der Alpen abgeschlossen, und nun begann das rinnende Wasser zu wirken, es griff die aufgethürmten G«stelns- massen an, erodirte sie und häuA« ihren Schutt am Fuese des Gebürges auf.

In der That würde eine plötzliche Erhebung der Alpen allein bedingen, dass die ihnen entströmenden Gewässer am Fusse des Gebirges Material anhäufen würden. Es muss jedoch hervor- gehoben werden, dass die neueren Untersuchungen über die Gebirgs- bildung evident gemacht haben, daas dieselbe nicht in plötzliche Hebungen besteht, sondern in allmählichen Faltungen, welche so langsam vor sich gehen, dass ihnen das fliessende Wasser gewöhn- lich rasch entgegenwirken kann. So können wir uns nicht mit DE MOBTILLET die Alpen am Schlüsse der Tertiärzeit als ein eben zusammengeschobenes Gebirge denken, sondern nehmen an, dass ebenso lange, als sich die Faltung des Gebirges supramarin vollzog unablässig die Gewässer an dessen Zerstörung arbeiteten. Es ist daher nicht denkbar, dass mit einem Male die Wässer an den Alpen zu nagen begannen, und unwehrschdnlich ist es, dass

') Terrains du versant Italien des Alpes compar^ ä ceu2 du rereaut frantais. Bull. Soc. gfol. de France. II. S. t. XIX. 1861/62. p. 899. Carte de» andena glaciers. Atti Soc. ital. Vol. IlL ISöl. No. 2.

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Kapitel XXII. Ursprung der dilavialea Nagelfluh. 2d7

sie deshalb während einer Periode besondere viel Schutt auf derem Vorlande anhäuften.

Aus allgemein theoretischen Gesichtspunkten können wir da- her nicht mit de Mobtillet'b Asaicht überdnstimmen. Aber auch in Praxis erscheint uns dieselbe nicht haltbar. Wir wissen, dass sich die Alpen bereits zur Zeit der Bildung der diluvialen Nagel- fluh längst gehoben hatten, und daas die Thalsysteme bereits in ihren heutigen Zügen Torlagen, wenn auch die einzelnen Thäler nicht in ihrer heutigen Tiefe ausgebildet waren. Solches lehrt der Umstand, dasa wir auch in den Thälem des Gebirges Nagelfluhablagerungen finden, solches erhellt aus dem Auftreten der in Bezug zur letzten Vei^letacherung präglscialen Breccien. Wb- können daher DE Mortillet'b Versuch zur Erklärung der Anhäuiung von Massen diluvialer Nagelfluh nicht annehmen.

Einen etwas anderen, jedoch ähnlichen Weg, die Anhäuiung der „alten Anschwemmungen", also des Komplexes von diluvialer N^elfluh und unteren Glacialechottem zu erklären, schl^en MoRLOT sowie Lobt in einer seiner neuesten Mittheilungen ein. Sie sind beide überzeugt, dass vor Ablagerung der alten An- schwemmungen die Alpenthäler bereits gebildet waren, und lun deren Auhäu&ng zu erklären, greifen sie nicht auf die Hebung des Gebirges zurück, sondern auf eine allgemeine Niveauveränderuug, dne Senkung des Landes. Eine solche Annahme kann in der That in vielen Fällen eine Anhäufung von Schottern erklären; denn taucht ein Wasserlauf unter das Meer, so Ä-ird der Gldch- gewichtszustand seines Gefälles unterbrochen und sein Unterlauf, wo er Material anhäuft, wird aufwärts verrückt So meint denn MoRLOT^), dass durch eine allgemeine Senkung des Landes eine Stauung in den Flüssen bewirkt worden sei, ihre Geschwindigkeit soll sich verringert haben, sie verloren dadurch das Vermögen Grerölle zu transportiren und mussten dieselben anhäufeu. Allein eine solche durch Senkung bewirkte Stauung konnte sich immer nur am Unterlaufe der Flüsse äussern, und hat wirklich, wie Moblot annimmt, auch eine allgemeine Senkung von 200 Fuss zur Diluvial-

') Erliuterungen zur geologischen Uebersicbtskarte der nordöst- lichen Alpen. Wien 1847. p. Ü9.

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298 11. Absctm. AeltereVergletscherungeiiT. Oberbayemu. Nordtirot.

zeit stattgeiunden, so konnte aie den Unterlauf der alpinen Ströme höchstenB um ebenso viel aufwarte Tenücken, also bis auf kaum 400 500 FusB Meereeböhe. Die Hauptscbotteranbäufung fand aber nördlich der Alpen in 1500 1700 Fubb Höbe statt und ninunt an IntMuität thalabwärtB eicbtlich ab, wäbrend dieselbe nach Morlot'b Ansicht zunehmen rnüaste. Lory') hingegen, welcher für die Scbotterabl^erungen der Alpenthäl» die Ansicht DE Mortillet'b tbeilt, glaubt die Anhäufung derselben im Vor- lande der weEtlicbeu Alpen durch die Annahme erklären zu können, dass eich die westlichen Alpen derart gesenkt haben, dass das Meer das Bbonethal einnahm und sich weit in die Alpenthäler hinein erstreckte. In den so gebildeten Aestuarien aollen sich die alten Anschwemmungen abgesetzt haben. Aber Spuren von einer so gewaltigen Senkung, wie sie Loby benötbigt, sind nicht nach- weisbar, und die diluviale Nagelflub ist ein Strom gebilde, subaeril und nicht unter allgemeine Wasserbedeckung entstanden. Zudem würde Loby's Ansicht nur die Anhäuiung der diluvialen Nagelfluh in der Gegend von Lyon, nicht aber allgemein in den Alpen erklären.

Will man durch ViveauTerändenuigen die Anbäuinng der diluvialen Nagelfluh erklären, so muse man annehmen, dass die- selben sich um die Alpen herum überall in gleicher Weise und gleicher Intensität geäussert haben; da die dUuviale Nagelfluh nicht nur auf dem nordalpinen Vorlande entwickelt ist, sondern sich als „poudingue ä Bressan" am Weetfusse des Gebirges, als „ceppo" vor dessen Südabfall findet Die,Ännalune solcher cir- cumalpiner Bodenschwankungeu wäre aber gänzlich aus der Luft g^pdfien; denn keinerlei Anzeichen sprechen dafür, dass während der Diluvialzeit die Alpen als Ganzes gegenüber ihrer Umgebung ihr Niveau verändert hätten. Um die Anhäuiung der diluvialen Nagelfluh zu erklären, müssen wir daher auf jene zweite Kategorie von Einflüssen zurückgreifen , welche ausser Niveau- veränderungeu die Wirksamkeit des rinnenden Wassers beeinflussen, und messen sie als den Ausdruck ^nes meteorologischen Phänomens ansehen.

') DeecripUon ggolt^qne du Dauphin^ 1800. p. 635. Siehe auch Bull. Soc. gfol. de France. UI. S. t V. 1877. p. 468.

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Eftpitel XXU. Ursprung der diluvialen Nagelfluh. 299

Die Verfolgung der Spuren einer letzten Vei^leteclierung liese una erkenneu, dasB eine jede Vergletschenuig zur AnhäuAing mächtigec Schotter führen musa. Wir lernten also do meteoro- l<^BcheB Phänomen kennen, welches überall in den Alpen, sowie vor allem um das Gebirge hemm die Anhäuiung von Schottern verursachte. Könnte nicht auch eine VergletBchemi^ die Anhäufung von diluvialer Nagelfluh rings um die Alpen bedingt haben?

So legt uns berats durch die Art ihres Auftretens die dilu- viale Nf^lfluh nahe, daas sie unt«r Mitwirkung von Gletschern zu Stande gekommen ist. In der That, die diluviale Nageläuh ist gleich den Glacialschottem , welche wir oben beschrieben, ange- häuft, und zwar gleich denselben am mächtigsten in der Nähe der Alpen, und um so minder beträchtlich, als man sich vom Gebii^ entfernt. Allein man könnte einwenden, dass die diluviale Nagel- duh in Form einer Decke ausgebreitet ist, während die Gladal- Schotter nur als br^te Strombetten auftreten. Es wurde jedoch bereits bd Schilderung der letzteren auf einen Unterschied in ihrer £ntwickelung in Schwaben und in der Gegend von München hin- gewiesen. Es wurde hervoi^;efaoben, dass sie in Schwaben nur in Thälem auftreten, während sie bei München eine brdte Hochfläche bedecken. Als Ursache hierfür wurde der Umstand hingestellt, dass in Schwaben bereits vor Ablagerung der Glacialschotter tiefe Thäler existirten, was bei München nicht der Fall war. Derselbe Umstand dürfte auch die Verschiedenheit in der Ausbreitung der Glacialschotter und der diluvialen Nagelfluh erklären. Vor Ab- lagerung der ersteren war die Hochebene bereits von tiefen Thälem durchfurcht, während sie vor Ajihäufung der letzteren noch eine ununterbrochene Ebaie darstellte. Solches wird evident, wenn man die Grenze zwischen der diluvialen Nagelfluh und ihrem Li^^deu untersucht; man bemerkt dann, dass . dieselbe eine äusserst regelmässige Fläche darstellt, welche nur wenige und sehr sanfte Unebenheiten aufwüst

Wir können also sagen, dass die diluviale N^elflub an- gehäuft ist wie ein glacialer Schotter. Es fragt sich nun weiter, ob sie auch die Zusammensetzung eines solchen besitzt

Die diluviale Nagelfluh besteht aus alpinem Materiale, und zwar wird sie in der Regel aus Gesteinen der Thalgebiete auf-

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300 n. Abschn. Aeltere VergletscheningeQ v. Obetbayem u. Noidtirol.

gebaut, nördlich von welche sie 11«^ So beBteht sie nördlich des lunthales aus der bunten Husterkarte von Qeet^en dieses Haupt- thales; nördlich des learthales sind es Gesteine dieses Thaies, welche eie zusammensetzen, und entsprechend verhält es sieh nörd- lich des Hier- und Lechthales. Aber höchst aufiallig sind neben diesen Bestandtheilen im Isar-, Lech- und liiergebiete Ui^birgs- gerölle, irelche der NageUuh hier, wenn auch in geringer Anzahl, eingebettet sind, obwol sich nirgends im Isar-, Lech- oder Eler- thal anstehende Urgebiigsarten finden. Man sieht z. B. solche Gerolle in den \agelä uhfeisen oberhalb Manchen, wo sie mir schon bei dem ersten Spaziergimge, den ich dahin unternahm, auffielen; man bemerkt sie aber auch bei Kaufbeuem, selbst bei Kempten. Woher stammen diese Uigebirgsgerölle?

Ich habe dieser Frage anhaltend Aufmerksamkeit geschenkt, und sie beschäftigte mich vorzugsweise, als ich im Auftrage der geognostischen Durchforschung Bayerns meine Exkursionen über Gebiete ausdehnen konnte, die ich früher nicht in das Bereich meiner Untersuchungen ziehen konnte. Ich gelangte dabei zu dem Resultate, dass zwischen Lech und Hier nur ein ganz be- stimmter Typus von Uigebii^arten in der Nagelfluh zu finden ist, wie er häufig in den dortigen Tertiärschichten auftritt, weshalb ich annehme, dass jene Uigebii^gerÖlle sich mindestens auf tertiärer Lagerstätte befinden und tertiären Schichten entnommen sind. Anders im Isargebiete. Ganz dieselben XJi^birgsgerölle, die in glacialen Schichten auftreten, fmden sich hier in der diluvialen Nagelflub, und zwar sind es vornehmlich Homblendegesteine aller Art, während zwischen Hier und Lech Gndssarten herrschen. Femer ist zu konstatiren, dass hier die Tertiärschichten nicht wie zwischen Lech und Hier Uigebii^arten enthalten, welche das Auftreten von solchen in der diluvialen Xagelfluh erklären könnten. Ea müssen daher die Gerolle von krystallinischen Schiefem in den Nagelfluhbänken des Isargebietes einen andern Ursprung haben.

Eine Erscheinung, auf welche mich Herr Professor Zittel zuerst aufmerksam machte, verdient in dieser Beziehung grosse Beachtung. Ich konnte hei meinen diesjährigen für das geo> gnostische Bureau in München ausgeführten Untersuchungen mi,t Sicherheit an melu^ren Stellen nachweisen, dass die Ablagerungen

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Kaint«! XXII. Uraprung der diluvialen Nagelfluh. 301

der diluTialeD N^ageläuh au ihrer Südgr«nze znischen Lech und Isar in ihren unteren Horizonten keine UrgebirgageröUe fuhren, während sie deren in ihren oberen enthalten. Es b^ann also der Trans- port der UrgebirgsgeröIIe im laai^biete nicht gleichzeitig mit der Ablagerung der diluvialen I^agelfluh, eondem erst ajtäter, während zwischen Lech und Hier Ui^birgsgerölle in der diluvialen Kagel- fluh auch an ihrem Sfldaaume in allen Horizonten auftreten, und gleichzeitig mit ihr begannen abgelagert zu werden.

Es liegen also namhafte Unterschiede in der Ui^birgegeröll- führung der NageUuhmassen zwischen Hier und Lech und jener zwischen Lech und laar. Im ersteren Falle stammen sie entschie- den aus dem Tertiär, im letzteren ist dies unmöglich, und es bldbt dann nur die Annahme, daes sie direkt aus den Alpen herrühren. Es fragt sich nur, wie sie aus denselben in das Isargebiet geriethen.

Die vielleicht nächstliegende Annahme, nämlich die, dass einst die Centralalpen durch das Isargebiet direkt entwässert wurden imd so unmittelbar ihre GeröUe in das letztere verbreiteten, verbietet eich von vornherein; denn wir wissen, dass bereits zur Zeit, als sich die diluviale Nageläuh bildete, die Konfiguration der Alpen fast genau die heutige war, dass vor allem das Innthal schon tief unter jene Pässe eingeschnitten war, welche vom Isargebiete nach Süden führen. Zud^n würde diese Annahme nicht erklären, warum nicht von An&ng an Ui^ebirgegerölle mit der Nagelduh abgelagert worden sind, sondern erst von einer gewissen Zeit an.

Aber vielleicht könnte unter anderen Umständen ein direkter Gest^nstransport aus den Centralalpen durch rinnendes Wasser in das Isai^biet erfolgt sein. Könnte die diluviale Nageläuh, welche, wie erwähnt, im Innthale in sporadischen Resten vorkomml, nicht vielleicht jenes Thal einst bis zur Höhe der Wasserscheiden g^n die Isar angefüllt haben, sodass die Wasser der Centralalpen direkt in die Kalkalpen fiiessen konnten? Uuter dieser Annahme würde sich allerdings der erwähnte Umstand, daes in den unteren Horizonten der diluvialen Kagelfluh UrgebirgsgeröIIe fehlen, leicht erklären lassen. Doch für eine solche Annahme fehlen alle that- sächlichen Grundlagen ; die spärlichen Reste diluvialer kagelfluh erheben sich im Innthale nur höchstens 400 m über den FIubs, und bleiben somit noch 200 m unter dem Seefelder Passe.

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302 II- Abechn. AeltereVergletocheruiigeii t. Oberbajem u. Nordtirol.

Die Urgebii^gerölle in der diluvialen Nagelfluh dee Isai- gebietea können aUo unmöglich durch rinnendee Waeeer über dk Kalkalpen gebracht Bein; sie erBcheinen als erratische Voricomm- nissa Um ihr Vorhandeneein zu erklären, müssen wir annehmen, doea einst ein Gletacher vor oder zur Zeit der Bildung der dilu- vialen If^ageläuh diaKalkalpen überschritten und die Gesteine der Centralalpen im Isargebiet« zeratreut hatte, also längst vor der letzten Vergletscherung, Die Breccien von Wallgau haben una schon zu ganz derselben Vermuthung gefuhrt.

Die diluviale XageUub theilt mit den Schottern der letzten Vergletscherung also nicht bloss die Eigenschaft, dass sie mächdg angehäuft ist, sondern auch die hervorragende Eigentbümlichkeit^ daes sie erratisches Material führt, und zwar enthält sie dasselbe genau an den Stellen, wo es auch in den Glacialscbottem nach- weisbar ist

Diese Beziehungen hatte ich, wenn auch nicht in obiger Aus- führlichkeit, bereits im ersten Jahre meiner Untersuchungen erkannt, und daraufhin die diluviale Nagelfluh als eine Gletscheranschwem- mung gedeutet. Falls sie aber eine solche ist, muss sie auch mit Moränen in Konnex stehen und lokal gekritzte Oee<^iä>e führen, so sagte ich mir. Als daher ein Auftrag vom Oberbergamte in München mir die erwünschte Gelegenheit darbot, meine Untersuchungen in Sudbayem fortzusetzen, so richtete ich meine Aufinerksamkeit besonders auf diesen Punkt hin. Was vermuthet, hat sich bewahr- heitet Es gelang an mehreren Stellen, ^ilich meist ausserhalb meines ers^ährigen Untersuch un gsgebietes , gekiitzte Geschiebe in der diluvialen Nagelfluh aufzufinden, und an einer Lokalität ent- deckte ich selbst eine Wechsellt^nmg zwischen diluvialer Nagel- fluh und Grundmoränen von ganz derselben Art, nie sie dieGlacial- Bchotter mit den Moränen der letzten Yei^letscherung erkennen lassen. Und in allen diesen Fällen gelang der stratigraphische Nachweis, dass man es mit Ausläufern der grossen Decke der diluvialeu Nagelfluh zu thun hat

So gewährten mir die im Auftrage der geognostischen Unter- suchung Bayerns ausgeführten Exkursionen nicht nur eine Be- stätigung meiner früher schon gewonnenen Ansicht über den Ur- sprung der diluvialen Nagelfluh, sondern bekräftigten mich in

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E&pitel XXII. Urapning der diluvialen Nagelflob. 303

dieser Anschauvuig in we§entlicher Weise.' Die diluviale Kagel- fluh besitzt alle chsrakteria tischen Eigen thümlichkeiten einer echten Glacialansctwemmung, muee fuglich als solche gelten. Unter dieser Annahme erklärt sich nun noch ein Phänomen in ungezwungener Weise, welches allen sonst denk- baren Theorien üb«r die Bildung der diluvialen NageMuh ernst- liche Schwierigk^ten bereitet, näml^ph der Umstand, dass sie g^n die Alpen hin scharf abgebrochen ist und sich nbgends in die Alpenthäler fortsetzt

Gelegentlich der Schilderung der letzten Vergletscherung haben wir auf einige charakteristische Züge in der Verbreitung der Glacialschotter hingewiesen. Wir fanden dieselben am be- träch tlichat^n ausserhalb des Gletschergebietes entwickelt, wir verfolgten sie ein Stück weit unter die Moränen als zusammen- hängende Ablagerung, um sie dann sich in einzelne stark erodirte Parzellen auflösen zu sehen. Die Schotter der letzten Yerglet-. scherung fdilen fast durchweg im Gebiete der centralen Depres- sionen, in ihrer Hauptmasse sind sie erst an der Grenze und ausserhalb des alten Gletschergebietes entwickelt, und die Ab- lagerungen auf der Hochebene setzen sich nirgends unmittelbar in die des Gebirges fort Sie sind also gegen dasselbe in ähn- licher Weise abgeschnitten wie die Decke der diluvialen Nf^l- fluh, und die Südgrenze ihrer mächtigen zuaammenhängenden Ab- lagerungen entspricht genau der Grenze der Vergletscherung, welche ihnen Ursprung gab. Uebertragen wir dies Ergebniss auf die diluviale Nagelfluh, so wird uns deren Südgrenze ungefähr die - Linie, bis zu welcher sich die sie verursachende Vergletscherung erstreckte.

Es ist besonders ein Umstand, welcher mich in dieser Auf- fassung bekräftigt Die Punkte, an welchen die diluviale Nagel- fluh gekritzte Geschiebe föhrt oder mit Gnmdmoränen wechsel- lagert, liegen alle genau an der gedachten Südgrenze, nördlich derselben nimmt die diluviale NageMuh einen rein äuvialilen Charakter an, und es fehlen alle Andeutungen, dass sich die Ver- gletscherung, die sie verursachte, darüber ausdehnte.

Der Verlauf der Südgrenze selbst scheint endlich zu Gunsten obiger Annahme zu sprechen. Sie beschreibt nämlioh eine Kurve,

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304 II- Abschn. Äeltete VeigletscherungeD t. Obefb&yern u. Nordtvrol.

«'eiche der äusseren Moränengrenze ziemlich parallel läuft, sie zeigt gleich dieser vor den grösseren Alpenthälem Auabieguugen nach Norden, und wo diese sich dem Gebirge nähert, wie in der Gegend von Miesbuch, da schmiegt sie sich den Alpen selbst an. Ea würde aleo an auagezeichneter Parallelismus zwischen der jetzigen Momnengrenze und dem Gebiete der Vergletecherung existjren, welche die diluviale NagelSuh erzeugte, und diese letztere Yeigletscherung würde nicht die AusdehnuDg der jüngeren er- reicht haben.

In der diluvialen Nagelfluh erkennen wir die Anschwem- mung einer Vergletscherung; früher erwiesen wir, dass sie weit älter als die letzte Vergletecherung ist, daas sie vor Ankiuiit der- selben bereits verfestigt und von tiefen Thälem durchfurcht war. Wir finden also auf der bayerischen Hochebene zwei sehr verachiedenalterige Glacialschotter, welche wir nur als die Spuren zweier verschiedenalterigen Vergletscherungen ansehen können. Allein es ist mir eingewendet worden, dass diese beiden Verglet- Bcherungen nur der Ausdruck von Schwankungen einer einzigen Ver- eisung gewesen sein könnten. Es sei denkbar, dass einst die Alpen während langer Dauer bis wenig über den Fuss des Gebirges hinaus vergletschert gewesen seien, während welcher Zeit die dilu- viale Nageläuh angehäuft worden sei Spät«r hätten sich die Gletscher bis zur äusseren Grenze der Moränen ausgedehnt und hier die Schotter abgelagert, die wir als untere Glacialschotter bezeichneten. Ein kldner Bückgang der Vereisung habe vielleicht unmittelbar vor deren letzten, mächtigen Ausdehnung stattge&nden, und während dieses Rückganges seien die Tbäler in die Decke, der diluvial«! Nagelfluh eingerissen worden, in welchen sich dann die „unteren Gladalschotter" abgelagert hätten.

Diese Anschauung könnte in der That zur Noth die Ver- hältnisse auf der Hochebene erklären, wenn man nämlich iur die erste Station der Vetgletscherung genügend Zeit in Anspruch nimmt, während welcher Oberbajem mit der dUuvialen Nagelfluh überschüttet wurde, wenn man femer die Zeit des kleinen Bück- ganges lang genug hemisst, um wälirend derselben bis über 100 m tiefe Tbäler einreissen zu lassen, wenn man endlich für ihre Maxi- malentwickelung Zeit genug gewährt, damit sich die „unteren Gla-

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Eftpitel XXn. Unpnmg der dilurislen Nagelfluh. 30S

cialBchotter" auf der Hochebene anhäufen konnten, kurz, wenn man ebensoviel Zeitabschnitte für alle dieee Phasen einer Vei^let- scherung in Rechnung bringt, wie wir für zwei verechiedene Ver- gletscheningen und die eie trenn«ide Periode brauchen.

Allein, fasat man nicht bloss die Hochebene ins Auge, son- dern auch ihr alpines Hinterland, dann ändert sich die SachlEm;e. Wir sahen in den Alpenthälem die „unteren Glacialschotter" in gleicher Weise entwickelt wie auf der Hochebene. Wir verfolgt«! fät von dem äusserstoi Ende unseres Gebietes als freilich Öfter unterbRx^ene Ablagerung bis über die alten Gletschei^renzen hinaus, überall begagaaUo wir ihnen in demselben Konnexe mit Moränen, überall zeigte sich, dass sie unmittelbar vor der letiten Vergletecherung durch die Wassermassen derselben angehäuft wurden. Es geben uns die unteren Glacialschotta* solchergestalt ein Mittel an die Hand, den Weg der letzten Vergletscherung zu verfolgen. Wie sehen sie bei Nassereith unser Gebiet betreten, sich im lonthale vorwärte erstrecken, die Pässe der Kalkalpen überfluthen und sich auf die Hochebene ei^essen. Hier nun traf diese neue Vei^letacherung in der diluvialen N^elfluh die Spuren dner älteren Vereisung. Letztere musste aus unserem Gebiete ganz geschwunden sein, ehe die neue Vereisung eintrat, denn sonst würden wir desselbe nicht unser Gebiet betreten und durch- wandern sehen. Die Spuren einer alten Glacialbildung, welche wir auf der Hochebene unter den Anschwemmungen der letzten Vergletscherung auffanden, lehren dne zweimalige Vei^lelsoherung unseres Gebietes kennen, welche sich in beiden Fällen bis aus den Alpen heraus erstreckten.

Wie wir die letzte Ve^letecherung mit Hufe der Schotter derselben genau verfolgen können, so dürfte es wol auch ünst gelingen, der ersten Vereisung unseres Gebietes Schritt für Schritt nachzuspüren. Einstweilen ist dies noch nicht leicht möglich, da wir die Entwickelung der diluvialen N^;elfluh im Gehii^ noch nicht genau genug kennen, um uns ein Bild davon machen zu können. Zudem ist es jetzt noch nicht möglich, den strikten Beweis beizubringen, dass die Vorkommnisse jener zu Nagelfluh verkitteten Geröllbildungen, welche älter als die unteren Glacial- schotter sind, wie die Able^erungen von Nassereith und Walchsee,

Penck, IMs VergletKlienulg. 20

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306 IL Abcchn. Aeltere Vet^etscherungeu t. Oberbayero a. IfordüroL

wirklich genau der Decke der NageMuh auf der Hochebene ent- sprechen. Sollte dies jedoch, wie höchst wahrscheinlich ist, der Fall sein, so würden sie uns lehren, dass aach im Gebii^ Spuren einer älteren Vergletschening vorhanden sind, und einen neuen Beweis iur die zweimalige Vergletschenmg unseres Gebietes liefern. Es möge nun schliesslich nochmals auf den Umstand zurück- gekommen werden, dass am Südeaume der Decke der diluvialen If^ageläufa zwischen Lech und Isar die Urgebirgsgerölle nur in den oberen Horizonten derselben auftreten, beziehungsweise hier weit häu- figer sind als in den unteren. Erkennen wir nun in der diluvialen Nagelfluh einen Glacialechotter, so vermögen wir dies Verhältniss leicht zu erklären. Der Mangel von Urgebiigsgerölleu in den unteren Horizonten der Kagelfluh lehrt, dass zur Zeit der Ablage- rung dieser Niveaus die Gletscher des Innthales die Kalkalpen noch nicht überechritten hatten. Dass demungeachtet Qlacial- ecbotter abgelagert wurden, erklärt sich daraus, dass die Xalkalpen um diese Zeit auch im Isargebiete eigene Gletscher erzeugten, welche später von denen des Innthales überwältigt wurden. Zur ersten Gletscherzeit würde also das leargebiet bereits grosse Gletscher gehabt habeu, ehe der Inngletscher in dasselbe eindrang. Solches war zur letzten Gtetscherzelt nicht der Fall ; denn die Schotterderselben führen im Isargebiete auch nahe den Alpen von unten bis oben gleich- massig durch sie vertheilte Urgebirgsgerölle. Es besteht somit ein Unterschied in der Entwickelung der ersten und der letzten Ver- gletscherung im Isargebiete, den ich darauf zurückfuhren möchte, dass zur Zeit der ersteren es dem Inngletscher noch nicht so leicht gestattet war, in die Kalkalpen einzudringen wie später. Die Pässe der Kalkalpen scheinen während der ersten Vetgletecherung nicht so tief gewesen zu sein wie während der letzten, und diese Annahme gibt hinreichend Erklärung dafür, dass Urgebirgsgerölle in der diluvialen Nagelfluh des leargebietes weit seltener sind als in den unteren Glacialschottem desselben. Es fand eben kein so beträchtlicher Transport von Gesteinen der Centralalpen statt wie später. Ganz im Einklänge hiermit steht der Umstand, dass die muthmaasH liehe Nordgrenze der ersten Vei^Ietscherung im Isar- gebiete weit beträchtlicher hinter der der letzten zurückbleibt, als es in anderen Gletscher bezirken der Fall ist

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Kapitel XXIII. Die äussere und Innere Moränenzone.

Kapitel XXIII. Die äuBBore und innere HorAnenzone.

Unterichiede äei verwaKbeDen und DDTerletxtea Hoitn^uidsoh&ft. Er- klirungiTenucb deraelbea durcb Annahise eluen Sdllstuidea Im Glelaclker-

rückiuge. Die Strombetten im Gletsche^biet« untere Gladabchotter. Aof- Bcblässe bei Kaofbenern. Die Ablagerung der unteren Qlaeialscbottor tUlt iwischen Bildung der TcrTascbeoeD und nDverletiten MoränenlandAchaA. IMeae beiden gehören zvei Terschledenen Vergletacberangen ao. Grenzen deraelben. Beide Jünger als die Stufe der diluvialen Ifagelfluh. Drd Ver- glelaoherungen Südbftjenu. Schottenfgtem der zireltea Vergletscherang. Drei Vergletschemngen aller alpinen Vorländer. Parallelimrung der Ab- ItgeroDgen anf der Hochebene mit denen des Gebirges. Stellung der inter- gladalen Breccien und Kohlen. Zwei Horizonte diluvialer Kohlen. Inter- glaciale Brecden nnd Kohlen zvUchen der ersten und zweiten Vergletsche- mng gebildet. Drei vetschiedene Vergletschemngen. Intergltuäiilieiten PeiiodeD der Erotitm. Ueber den Begriff intetglacial. Drei Verglettcheningeii der Alpen. Analogien mit Nardeuropo. Lössverbreitung. Schluss.

Das Studium der Moränen auf der ba^erisclien Hochebene lehrte uns eine merkwürdige, streng gesetzmässige Yertheilung derselben kennen. Wir sahen eine innere Zone, die der centralen Depression, umgürtet von zwei anderen, in welchen mächtige Moränen angehäuit sind. Die äussere derselben zeichnete sich der inneren gegenüber durch Züge höheren Alters aus. Der Typus der Moränenlandscbaft ist in ihr verwaschen, das wirre Durcheinander von Hügeln und YertieAingen ist ausgeglichen, ein regelmässiges Thalsystem durchsetzt das Ganze. Hierzu geseilt sich der sehr beachtenswerthe Umstand, dass diese äusaerste Moränenzone mit einem Lösslehm oft fast völlig überkleidet ist. Ihre Zusammen- setzung ist daher häufig katun zu erkennen, und die Moränen sind oft nur künstlich blossgelegt. In der unverwaschenen Moränen- zone fehlt hingegen jede Spur eines solchen Lösslebmes; das MoräDenmaterial liegt unbedeckt da, und die Endmoränen be- herrschen durch ihre Regellosigkeit den Charakter der Landschaft.

Es wurde femer bereit« eines weiteren Umstandes gedacht. Wir sahen, dass breite Schott«rbetten sich durch die äussere Moränenzone bis zu der der unverletzten Moränenlandschaft drängen, und wir mu asten hieraus folgern, dass die äussere Moränenzone sich passiv gegenüber diesen Anschwemmungen ver- halte wie ein Giebilde älterer Zeiten.

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308 II> Abachn. AelWre Verglet«chenmg«n t. OberbaTeni n. Nordtirol.

Alle diese Erscbemungeu kannte ich bereite im vorigen Jahre schon, als ich diese Arbät zu schreiben b^&nn. Ich stand ihnen einigermaaseen verlegen gegenüber, da ich wusete, dass sie im höchsten Grade zweideutig sind. Man kann sie ebensogut durch zwei verschiedene Yergletecherungen »klären, wie durch die Annahme einer einzigen. Es erhellt aus ihnen mit BeBtimmtheit nur das Eine, daee die äussere Moränenzone weit älter als die innere ist. Fönende Annahme Bchien mir eine befriedigende Erklärung hierför zu gewähren. Die Ves^letscherung der baye- rischen Hochebene, stellte ich mir vor, hat sich anfänglich bis an die äuBserat« Moränengrenze erstreckt; darauf zog sie sich zurück und blieb während einer langen Zrät auf der Linie stationär, welche die Grenze der unverletzten Moränaüandschait darstellt Während dieser langen Zeit sollten sich die cbarakteristiBchen Züge des ebra veriasBeoen Gletechergebietes verwischen, und tiefe Strom- bette sollten sich in demselben einsenken. Ich glaubte also, dass die Strombetten, welche die verwaschene Moränenlandschaft bis zur Grenze der unverletzten duitlitetxen, während einer Station der rückziehenden Vergletecherung gebildet seien. Bo erklärt» sich sehr wol, warum sie in die äussere Moränenzone eingesenkt sind, aber ich hatte nicht berücksichtigt, dass die Schotter jener Strombetten unter die Moränen der unverletzten Moränenlandschaft einfallen und sich weit unter den- selben verfolgen lassen. Es eiliellt hieraus, dass sie nicht während eines Stilletandes im Bflckzuge dner Yei^letscherung abgelagert wurden, denn in diesem Falle dürAen sie sich gerade nur bis zu den Endmoränen verfolgen lassen, sondern dass sie während desHerannahenseiner Vergletscherung gebildet wurden, welche Schritt für Schritt die vor ihr abgelagerten Schotter zu- deckte. Die Schotter,' welche in die äusserste Moränen- zone eingesenkt sind, gehören also nicht zu den oberen Glacialschottern, wie ich früher annahm, sondern sind den unteren zuzurechnen, wie wir auch bereits thaten.

Ueber diese Verhältnisee gewährte mir das Studium der Gegend von Kaufbeuem, mit dem ich nicht unabsichtlich meine Untersuchungen fiir dae Oberbergamt in München begann, hin- reichend AufechlusE. Ich hatte dort bereits früher eine grosse

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Eapitd XXIII. Die ÄuBseie und inneie Horäoeaxone. 309

Endmoiäne aufgefundeQ, welche dos Wertacbthal dicht unter- halb der Stadt qnert Dieselbe ist aufgesetzt auf eine mäch- tige Schotterablagenmg, velche unter ihr in der Nähe der Stadt durch die Wertach in fcirtlaufenden EntblöHSuugen au^edeckt ist Nördlicb von ihr tritt jene Scbotterabl^;erung als breite Terraase zu Tage, auf welcher keinerlei M^nräenepureii mehr auffindbar sind. Ich erkannt« in diesen Schottern daho- die unteren Olaciabchotter und hielt die Endmoräne Ton Kaufbeuem tur die äusserete Grenze, welche die Yergletacherung hier je errrächt hatte.

Unerklärlich war mir jedoch, dase fast 20 km nördlich jener Endmoräne in einem Eisenbahneinschnitte durch QCmbel^) Mo- ränen aufgefunden waren. Zu meinem grössten Erstaunen fand ich nun noch au einer ganzen Reihe von Stellen nördlich der ge- muthmaaasten äusserstep Crletschergrenze Moränenspuren, welche ihrem ganzen Auftret^i nach znrZone der Terwaschenen Moränen- landschaft gehören. Sie w^en nämlich von Lösa bedeckt und bilden keine Moränenlandschaft. Diese MoEänenreste treten jedoch stets ausserhalb der breiten Fläche der unteren Glacialschotter auf, welche sich bei Kaufbeuem unter den dortigen Endmoränen hervorheben. Jene Schotter lagern vielmehr in einem Tbale, welches in die äusseren, lössbedeckten Moränen einschneidet Sie sind daher jünger als die letzteren, dagegen älter als die ^ äusserete Endmoräne bei Kaufbeuem, welche den letzten Vorposten der unverletzten Moränenlandschaft darstellen. Wir erkennen also «in Schottersystem, welches jünger als die verwaschene, älter als die unverletzte Moränenlandschaft ist; die Bildung der beiden letzteren geschah also nicht unmittelbar, dazwischen fäUt die An- häufung der unteren Gladalsehotter. Früher haben wir nun nach- gewiesen, dass die Anhäufung dieser unteren Glatnalschotter der letzten Ve^letscherung unmittelbar vorausging. Sind nun die Moränen der äussersten Zone älter als die unteren Gladalsehotter, so sind sie auch älter als die letzte Vei^letscheruDg, und müssen daher als die Spuren wier früheren Vereisung des Gebietes auf- gefsest werden.

') Me geognostische Vntersuchong Bayerns. Festrede in d. Acad. Mündien. 1877. p. 72.

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310 !!■ Abschn. AeltereVei^letschemngen v. Oberbayem u. NordtiroL

Bei Kaufbeuem erkannte ich zuerst, daea die bmten Strom- betteD, welche eich in das Gletechergebiet drängen, nicht von den oberen, eondem von den unteren Glacialschottern gebildet wer- den. Nun kann kein Zweifel mehr darüber herrschen, dass die äussere Moränenzone nicht bloss älter ist, Bondau auch einer früheren Vet^leteeherung angehört als die innere. Die letzte Vei^letficherung des Gebietes erstreckte sich selbstverständlich nur bis dahin, wo sich die Anschwemmungen derselben, also die 'unteren Glaeialschotter unter den Moränen hervorheben. Sehen wir nun, dass sich die unteren Glaeialschotter ein Stück weit als unbedeckte Schotterflächen in das alte Gletschergebiet erstrecken, so müssen wir hieraus entnehmen, dass die letzte Yei^letscherung nicht bis zur äussersten Grenze der erratischen Erscheinungen vordrang, und dass diese letzteren älter sind als die jüngste Ver- gletscherung, und eine besondere Verdsung beweisen.

Die letzte Vereisung Oberbayems traf also nicht bloss Spuren einer früheren Veigletscherung in Gestalt von Anschwem- mungen, nämlich der diluvialen Nt^lfluh, sondern fand auch Moränen einer früheren Vergletschenmg vor. Es fragt sich nun, ob Anschwemmungen und Moränen der früheren Vergletacherungen einander entsprechen, ob sie also das Werk ein und derselben Ver- gletschenmg sind, wie Müblbebo in Aargau annimmt. Solches ist in Südbayem nicht der Fall. Die Moränen der äusseren Moränenzone sind gleich der der inneren unbedingt jünger als die Stufe der diluvialen Nagelfluh. Es erhellt dies nicht nur aus dem Umstände, dass sie bdde in Thälem abgelagert sind, welche in die Nagelfluh sehr tief einschneiden, sondern dass sie beide GerSlle derselben in sich eingebettet enthalten. Wir lernen also ausser der Vereisung des Gebietes, welche die diluviale Nagelfluh erzeugte, noch zwei andere kennen, konstatiren also im ganzen drei verschiedene Veigletscherungen der bayerischen Hochebene.

Als muthmaassliche Grenze der ersten lernten wir den Süd- rand der ausgedehnten Decke diluvialer Nagdfluh kennen, welche die Hochebene trägt; die Grenze der zweiten Vereisung wird durch die äussersten Moränenvorposten des Gebietes, die der dritten durch die äussersten zusanunenhängeuden Endmoränen markirt Diese letzteren verlaufen nun in verschiedener Breite südlich der äusseren

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Kapitel XXIII. Die äussere und innere MoiSaenzone. 311

Moräuenreste, und geben eich als das Werk einer wemger aus- gedehDteD Vergletechemng als jene zu erkeDoen, deren Aus- dehnung \rir früher geechildert haben. Die beifolgende Karte zeigt, dass sich Rhein- und Illergletecher während der letzten Yergletscherung liicht auf der Hochebeue getroffen haben, wenig- stens sind nördlich des Hflgellandes westlich Kempten nur Ablagerungen der verwaschenen Moränen landschaft zu erkennen, und von Osten und Westen legen sich die Endmoränen an jenes Hügelland an, welches solchergestalt zu emex scharfen Scheide zwischen Rhein- und Illergletecher wird. Lech-, Isar- und Inngletscher blieben um 20 km im Mittel hinter ihrer früheren Entvickelung zurück, und derGletecher des Schlierseethales, welcher sich früher bis in die Gegend von Miesbach auf der Hochebene verbreitet hatte, trat gar nicht aus den Alpen heraus. Die letzte Vei^letscherung erreichte also nicht <^e Ausdehnung der zweiten, aber sie war immerhin noch bedeutender als die erste, deren wahrscheinliche Nordgrenze im Mittel 16 bis 20 km südlich von der ihrigen verläuit. Wir unterscheiden also in unserem Gebiete zwischen Hier und Inn drei verschieden starke Vergletscherungen des alpinen Vorlandes.

Eine jede Vergletscherung erzeugt mächtige Schotterablage- rungen. In den „unteren Glacialschottem" lernten wir die An- schwemmungen der letzten Vergletscherung kennen, in der dilu- ^•ialen Nagelfluh die der ersten, es fragt sich, ob auch solche der zweiten vorhanden sind. Diese fehlen nicht. Während meiner Aulnahmen für die geologische Untersuchung Bayerns lernte ich, wie schon p. 291 erwähnt, unter den Moränen Oberbayems ausser der Stufe der diluvialen Nagelfluh und den „unteren Glacial- schottern" noch ein drittes Schottersystem kennen und konnte dessen Verbreitung genau verfolgen. Dasselbe ist jünger als die Stufe der diluvialen Nagelfluh, denn es liegt in Thälem, welche in letztere einschneiden; es ist aber auch älter als die unteren Glacial- schotter, denn diese wiederum sind in das fri^liche System ein- gesenkt. An der Moränengrenze sind ihm die Moränen der äusseren Zone in grosser Regelmäsaigkeit aufgelagert Es weisen diese Thatsachen darauf hin, dass dieses Schottersystem die An- schwemmung der zweiten Vergletscherung ist In der That spricht

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312 n.Abachn. AeltereVet^lfitachernngenT. Oberbajemn. Nordtirol.

Bfäae petrographische Beschaffenheit dafür, dasa ea eine fluTio- glaciale BilduDg ist Es enÜiÄlt oämlicfa nicht bloss erratische Oeeteine, sondern auch gekritzte Geschiebe. Es ist daher durch seine Zusammensetzung kaum von den übrigen Geröllablagerungen zn trennen. Es zdchnet sich vor denselben durch sein Niveau aus, ee verflacht sich nicht so rasch wie die unteren Glacialecbotter in die Thalsohie, sondern ueht sich in nunmehr theilweise ausser Funktion gesetzten Thälern Schwabens in Terrassen bis zur Donau, w^irend die Nf^lfluhstufe hier eine durch jene Thäler unter- hroch^ie Decke bildet. Aehnlich ist sdn Auftreten am Inn. Im Isargebiete hingegen konnte ich dieses Schottersystem noch nicht TOD den übrigen trennen; hier sind die TerTainv»hältiiisB6 nicht so günstig wie in Schwaben.

Die grossen Analogien, welche die diluviale Nogelfluh Süd- bayema mit der löcherigen Kagelfluh der Schweiz, mit dem „pou- dingue ä Bre&san" der Gegend von Lyon und endlich mit dem „ceppo" Oberitaliens besitzt, lässt uns muthmaassen, daas jene Gebilde ihr genau entsprechen, weswegen wir auch in ihnen die Spuren einer ersten Vergletschening der alpinen Vorländer er- kennen möchten. In der That wurden die löcherige Ni^elflub, wie Bchoii erwähnt, von Ebcheb von dee Linth und MOhlberq der „ceppo" bereits von Jameb Gbikie fui die Anschwemmung einer erst^i Vergletschening angesprochen.

Jener Komplex von Erscheinungen femer, welcher ^e dritte Vergletscherung Oberbayems beweist, kehrt rings um die Alpen wieder, und so haben wir anzunehmen, dass jene dritte Ver- gletscherung eich auch allgemein auf dem alpinen Vorlande ge- äussert habe. In der That^ die Unterscheidung einer äusseren und üineren Moräneozone gelang im benachbarten Württemberg, und im Anschlnas hieran in der Schweiz, sie wurde von Tabajielli in Oberitalien durchgeführt, und in allen diesen Fällen fllhrte sie zur Annahme zweier Vergletscherungen, ohne dass dieselbe je- doch 80 bewiesen werden konnte, wie wir es in Oberbayem versuchten.

So kehren denn rings am die Alpen jene Erscheinungen wieder, welche uns inOberbayem zwangen, drd verschiedene Ver- eisungen dee alpinen Vorlandes anzunehmen, und es liegt daher

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Kapitel XXIII. Die fiuuere und innere Moränenzone. 313

a&lie, zu sagen, da^jene drei Vergletscbeningen dae ganze Älpen- gebiet betroäen haben und nicht bloss Lokalerscheinungen sind.

Wir haben jetzt auf dem nordalpinen Vorlande eine genaue Chronologie der Olacialzelt gewonnen. Ea liegt die Ursache hier- für sehr nahe. Die alpinen Eisströme wirkten vor dem Gebirge anhäufend. Sie lagerten hier ihre Cteröllmasaen und Moränen ab, einea über das andere, und so sehen wir die Spuren der verschie- denen Vergletscherungen nahe bei emauder aufbewahrt Anders im Gebirge, wo vielfach erodirende Processe, zum Theil durch die Gletscher selbst thätig waren, wo sich die Wirkungen des Eises auf verschiedene Thäler vertheilen, und hier lokale Ablagerungen erzeugten, welche nicht so zusammenhängend sind als die der Hochebene, darum viel schwieriger zu parallelisiren sind. £e bieten daher die peripherischen Theile der alten Gletscherbezlrke immer einen leichten Ausgangspunkt, um eine Uebersicht über ihre Ge- schichte zu erhalten, um endlich Licht über einzelne central- gelegene Vorkommnisse zu gewinnen.

Anderersdits besitzen aber auch die Phänomene, wie sie die centrale Partie der Vergletscherung, nämlich das Gebirge dar- bietet, wesentlichen Werth für Beurtheilung der peripherisch auftretenden. Ea li^ nahe, dieae letzteren gewöhnlich auch nur ola peripheriache Erscheinungen aufzufassen, und die Spuren ver- schiedener Vergletscherungen, welche man hier nachweist, nur ols randliche OscUlationen ein und derselben Eisbedeckung auf- zufassen. Die Peripherie des Gletschergebietes lehrt uns, bis wo- hin sich die einzelnen Vereisungen erstreckten, das Centrum da- gegen bis wohin sie sich zurückzogen. Es heiaet daher die an der Peripherie des Gletecherbezirkes gewonnenen Ergebnisse zu kom- biniren mit den im Centrum derselben erzielten, wenn man äne Chronologie für das Ganze aufteilen will.

Es würde sehr leicht sein, die Glaclalpähnomene der Hoch- ebene in völlige Parallele mit denen des Gebirges zu bringen, wenn ea geatattet wäre, aie unmittelbar in daaaelbe zu verfolgen. Wäre es z. B. möglich, den drei veraobiedenen Schotlersystemen, welche wir in Oberbajem unterschieden und ala die Anschwem- mungen dreier verschiedener Vergletscherungen deuteten, bia zum Centrum der Vei^letscherung ununterbrochen nachzugehen, so

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314 II. Abschn, AeltereVergletecheningen t. Oberbayern u. NordtiroL

würde nicht der geringste Zweifel darüber herrschen können, daes drei verschiedene Yeigletecherungen sich von den höchBten Punkten der Centralalpen über uneer Gebiet vo-breitet hätten. So aber liegen die Sachen anders. Schon auf der Hochebene ist es im Moränengebiete oft schwierig, die einzelnen Bchottersysteme zu trennen, und einem so ausgezeichneten Beobachter wie Gümbel entging nicht, „dase jene Geröllmassen der Hochebene in den meieten Fällen nicht in die Alpenthäler, welche bei den jetzigen Terrain verhältmeBen doch nur als eine unmittelbare Ver- zweigung der Ebene in das Hochgebirge angesehen werden müssen, hinein fortsetzen", i) Allerdings begegnet man im Gebii^ wieder mächtigen Geröll abl agerungen , und es gelingt bisweilen, wie im Innthale, mehrere alterverschiedene Gruppen darinnen nachzuweisen, alldn es fi^t sich dann stets noch, ob dieselben den AbUgeruDgen der Hochebene enteprechen. Es ist zwar im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Mühlstein liefernden Kagelfluhschichten von Walchsee und Nassereith der Stufe der diluvialen Nagelfluh entsprechen, wie sie auf der Hochebene entwickelt ist; aber von anderen isolirten Vorkommnissen, wie z. B. oberhalb des Dorfes Leutasch nach dem Gaisthale zu am Seefelder Passe, wie femer bei Partenkirchen an der Loisach, wie schliesslich am Biberhügel bei Brannenburg, kann man ohne weiteres nicht sagen, wohin sie gehören, und von manchen, wie von der Bihemagelfluh bei Brannen- burg, musE als wahrscheinlich gelten, wie noch gezeigt werden soll, dass sie Formationsglieder darstellen, die wir auf der Hocheb^ie vermissen. So hat es seine grossen Schwierigkeiten, die Schotter- systeme des Gebii^s in Beziehung zu denen der Hochebene zu bringen, und wir müssen froh sein, dass uns wenigstens bei einer Abl^erung gelungen ist, sie sowol im Gebirge als auch auf der Hochebene ^viederzuerkennen. Die unteren Gl acialschotter, von denen wir nachwiesen, dass sie Anschwemmungen der letzten Vergletscherung sind, fanden wir im Innthale und auf dem alpinen Vorlande mit denselben Charakteren entwickelt, sie zeigen uns, dass eine Verglet- scherung unser Gebiet betrat, sich in demselben ausbreitete und dann auf der Hochebene die Spuren zweier verschiedenen früheren Ver-

') Alpengebirge, p. 800.

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Kapitel XXIII. Die finssere nnd innere MoTänenzoDe. 315

gletacherung traf. Dieselben müssen also beide toi ihrem Ein- übten sich TSllig zurückgezogen haben, und so können wir wenig- stens mit Sicherheit nachweisen, dass die letzte Vergletschenmg der Hochebene einer völlig neuen Eisentwickelung in den Alpen ihren Ursprung verdankt Sie kann also nicht zusammen mit den beiden ersten Ve^letscherungen der Hochebene durch An- nahme dner blossen OscUIation einer einzigen Vereisung erklärt «erden. Dag^en können wir nicht unmittelbar beweisen, dass auch die erste und zweite Vergletscherung der Hochebene zwä verschiedenen Vereisungen des ganzen Gebieten ihren Ursprung verdanken, wir können die Bchotterablagerungen derselben im Ge- birge nicht wiedererkennen, um so ihre Entwickelung zu verfolgen. Man könnte daher vielleicht diese beiden Vergletscheningen auf Oscillationen einer einzigen früheren zurückzuführen geneigt sein. Allerdings müsste zugestanden werden, dass diese Oscillation von sehr beträchtlicher Dauer war.

So beweisen die Verhältnisse auf der Hochebene und die Entwickelung der unteren Glacialschotter auf das Bestimmteste zwei verschiedene Vergletscherungen unseres ganzen Gebietes, und machen eine dritte Vereisung desselben höchst wahrscheinlich. In Anbetracht dieses Ergebnisses drängt es sich uns auf, jene SteUen, welche eine zweimalige Vereisung des Gebildes erweisen, einer erneuten PrüAtng zu unterwerfen, Euerseits um zu erfahren, ob sie wirklich gleichalterig sind, andererseits um die Beziehungen der- selben zu den drei Vergletscberungen der Hochebene kennen zu lernen.

Betreffs der interglacialen Breccien lösst sich in der That eine solche Beziehung gewinnen. So bestimmt wir in der G^nd von Innsbruck erwdsen konnten, dass sie in der Zeit zwischen zwei aufön anderfolgenden Vergletscherungen entstanden, so konnten wir doch wiederum erkennen, dass sie längst vor Eintritt der letzten Vei^letscherung fertig gebildet waren. Wir konstatirten zwischen der Höttinger Breccie und den unteren Glacial schottern die Zwiscbenbildung des Höttinger Schuttes. Wir finden also zwei scharf geschiedene interglaciale Bildungen, von welchen die untere bereits längst vor der oberen fertig gebildet war. Weiter aber machte sich wahrscheinlich, dass während der langen Zeit,

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316 II. AbBcho. Aeltere Ve^letacheruDgen v. OberbaTem u.Nordüro1.

welche äie AblageruDg beider Interglacialschichten tromt, ein Qe- scMebetraneport im Itlntli&le, mathmaasBlich eine Vei^letacherun^ stattgefunden habe. Der merkwürdige UmBtand, dass die inter- glacialen Schichten des Innthales so scharf von einander geschieden sind, dasa sie zwei verschiedwen Bildungszeiten angehören, erklärt sich sehr leicht durch die Annahme, dass sie nicht ein und d^- selben Int^glacialzeit^ aondem zwei verschiedenen angehören. Die Gegend von Innsbruck liess uns veimuthen, dass hier drei Ver- gletschenmgen stattgefunden haben (siehe p. 241). Sollte es nun gestattet sein, diese drei Vergletscherungen jenen gleich zu stellen, welche wir auf der Hochebene nachwiesen, so würde die Ab- lagerung der alten Breccien in den Kalkalpen in die Zeit zwischm der ersten und zweiten Veigletsehenmg der Hochebene eu verlegen s^, und sie würden uns beweisen, dass dieselben der Ausdruck von zwei verschiedenen Vereisungen des ganzen Gebietes sind. Wir hätten demnach im ganzen drei verschiedene Vergletscberungen der Alpen und ihres Vorlandes anzunehmen, in der ersten Zwlachen- seit würden sich im Gebiige die interglacialen Breccien abgelagert haben, während die zwäte durch den Höttinger Schutt repräsen- tirt wird.

Noch weniger deutlich sind hingegen die Beziehungen der intergladalen Schieferkohlen des Algäu zu den Ereignissen auf der Hochebene zu erkennen. Es lässt sich mit Bestimmtheit nur sagen, dass sie zwischen der letzten und einer früheren Ver- gletscherung gebildet wurden, und da wir im ganzen drei Ver- eisungen unseres Gebietes anzunehmen uns berechtigt fühlen, so können wir schwanken, ob wir diese Vorkommnisse der ersten oder zw^ten Inteigladalzeit zuweisen sollen. Für wahrscheinlich möchte ich jedoch halten, dasa sie Produkte der ersten Intergladalzeit sind. Folgende Ueberl^ung führt mich zu dieser Annahme.

Wir sehen, dass sowol im Jnnthale als au«^ auf der Hoch- ebene ^e jede Interglacialzeit durch eine Thalbildung ausgezeichnet ist Die Gegend von Innsbruck lehrt, dass nach Ablagerung der Hötting^ Breccie sich das Innthal vertiefte, bevor der Höt- tinger Schutt abgelagert wurde, denn dieser zieht sich in ein tieferes Niveau herab als die erstere. Nach Ablagerung des Höttinger Schuttes und vor Eintritt der letzten Vetgletscherung

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Eafdtel XXIII. Die finuere und inoere Morinenzone. 317

hatte Bich das Iimthal weiter, bis zu seiner heutigen Tiefe minde- stens, eingesenkt Auf der Hochebene wird nach der eisten Ver- gletscherung die Decke der diluvialen Nagelfluh von Tbälem durchfurcht, welche bereits häia Eintritte der zweiten Ye^letsche- rung vorhanden sind. Kach dem Rückzüge dieser letzteren werden die lliäler weiter vertieft, und als zum letzten Male die Gl^«cher sich in Oberbayem verbreiteten, dehnten sie sich in Tb&lem aus, welche in die Moränen und Schotter der zweiten Vei^letscherung eingerissen waren. Jede Interglacialzeit wird charakterisirt durch eine Epoche der Thalbildung; Jede Vergletachenmg dagegen an- geleitet durch eine Auischüttung der Thalb&den mit glacialen Schottern. Beide Faktoren arbeiten sieb entgegen, und man kamt leicht erkennen, dass die Thalbildung unbedingt vor der Thal- aufiuUung vorwi^^ So wird bedingt, dass auf der Hochebene die Schotter der drei verschiedenen Vergletscherungen in verschie- denen Niveaus auftreten, und zwar die älteren in den höchsten, die jüngeren in den tieferen. Im Gebirge acheint es ähnlich zu sein; die Yorkommnisae wenigstens, welche ich im Innthale für Äequivalente der Stufe der diluvialeu Nagelfluh halten möchte, lagern in gröBserer Höhe als die Terrasse der glacialen Schotter.

Die diluvialen Kohlen de« Algäu nun lagern m sehr bedeuten- der H5be über dem heutigen Thalgrunde. Sie gehören der obersten Terrasse des Blerthales an, über dessen Sohle sie sich um 200 m eriteben (vei^L Fig. 12 p. 266). Sie bildeten sich zu einer Zeit, als der Boden des IJlertiialeB noch 200 m höher lag als heute. Unter ihnen liegt nun eine zweite Terrasse, welche nur 100 m über dem heutigen Thalboden liegt und andeutet, daas die ThalBohle einst in dieeer Höhe log. Wir haben also die Spuren zweier verschieden alter Thalboden, von welchen der höhere, ältere die diluvialen Kohlen trägt Will man ntm annehmen, dass während jeder Interglacialzeit das Thal um eine Stufe vertieft wurde, so würde nach der ersten Qletscheizeit die oberste Terrasse erodirt worden sein, nach der zweiten die untere bis zum heutigen Thalgrunde. Nach der letzten Vei^letscherung hat die Vertiefung des Hler- thalee keine Fortschritte gemacht, man sieht vielmehr, wie der Fluaa den Thalgrund fortwährend erhöht

Die Ablagerung der diluvialen Kohlen würde unter dieser

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318 ILAbschn. Aeltere Vd^^etacherungen t. Oberbayem u. Nordtirol.

Annahme in die Zeit unmittelbar nach der ersten Vergletscherung lallen, als der Boden des Illerthales noch 200 m höher lag als heute, und als die Thalvertiefung der Interglacialzeit noch nicht begonnen hatt«. Sie würden am Beginne der ersten Interglacialzeit gebildet worden aein und derselben Bitdungsperiode angehören wie die alten Breccien.

Ich bin weit entfernt, obigen Erwägungen den Charakter eines Beweiees aufzudrüclcen, und das, was ich hier als Vermutbung ausspreche, für unanfechtbar zu halten. Es schien mir uut räthlich, wenigütens zu versuchen, den @chieferkohleu einen Platz in der letzten Periode der Älpengeschichte anzuweisen und die Gründe hierfür darzulegen. Jedenfalls möchte ich auch jetzt noch die Schieferkohlen des Älgäu für gleichalterig mit denen der Schweiz, mit den Vorkommnissen von Utznacb, Dümten, Wetzikon und Mörschwdl halten. Ich habe zwar die Lagerunge Verhältnisse der- selben nicht studirt, möchte aber nochmals hervorheben, daaa auch sie hoch über der heuligen Thalsohle liegen. Die Kohlen von Mörschweil It^em bei 200 m aber dem Spi^l des Bodensees, und nach einem alten Profile Escher'b zu urtheileo, finden sich die Kohlen der Gegend von Zürich hoch über dem Spiegel des Wallenatädter und Züricher Sees, Jene Kohl«i müssen also auch zu einer Zeit eatstanden sm, als die Tbäler noch nicht bis zu Ihrer heutigen Tiefe eingerissen waren. Dagegen entsprechen schwerlich die diluvialen Kohlen von Grossweil am Kochelsee nebat den gleich- alterigen Vorkommnissen von Wasserburg am Inn und Innsbruck denen der algäuerAlpen und der Nordschweiz, wasK.HAUsHOFER') für das Vorkommniss von Grossweil annimmt Während nämlich die algäuer und schweizer Schieferkohlen hoch über den jetzigen Thalzügen liegen, erheben sich die übrigen Ablagerungen kaum über die heutigen Thalsohlen. Sie bildeten sich vor Eintritt der letzten Vergletecherung, also gegen Schluss der letzten Interglacial- zeit, als die Thäler bereits ihre heutige Tiefe erreicht hatten, die algäuer und schweizer Kohlen dagegen entstanden, als die Thäler ihre Böden hoch über den heutigen hatten, vermuthlich am Be-

') Skizze der geologischen VerhSItnisse von Mflnchen und seiner Umgebung. München in nstnrwisc u. medic. Beziehung. 1ST7.

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Kapitel XXIII. Die Susseie und ioDere Morinenzone. 319

ginne der ersten Interglacialzeit. So haben wir denn in den Alpen nicht bloss ^nen Horizont diluvialer Kohlen, es gibt deren zvei, welche sich durch ihre verschiedene Lage in Beziehung zu den heudgen Thalböden auszeichnen, und welche wahrscheinlich zwei verschiedenen Bildungsperioden, zwo verschiedenen Inter- glacialzeiten angehören.

Indem wir die interglacialen Bildungen des Gebii^eB ^er neuen Prüfung unterwarfen, blieb uns als das Wahrscheinlichste, dass sie ein und derselben Bildungsperiode angehören, wie wir früher annahmen; und indem wir uns berechtigt sehen, ihre Ent- stehungszeit zwischen die beiden ersten Vergletacherungen zu ver- legen, welche die Hochebene heimsuchten, haben wir den Schluss- etein in die Argumentation gelegt, welche uns zwingt, drei ver- schiedene Vereisungen uns^^ gesammten Gebietes anzunehmen. Wir erkannten auf der Hochebene die Spuren dreier verschiedener Vergletscherungen, und wir gewannen Anhaltspunkte dafür, dass die letzte dieser drei sich unabhängig von den beiden ersteren entwickelt habe. Dagegen konnten wir die Entwickelung dieser letzteren nicht verfolgen. Wir erinnerten uns, im Gebirge inter- glaciale Bildungen verfolgt zu haben. Wir gewannen in der Gegend von Innsbruck und im Älgäu Anhaltepunkte dafür, dass dieselben höchst wahrscheinlich zwischen den beiden ersten Vergletscherungen sich bildeten, deren Spuren wir auf der Hochebene begegnen. Da- durch vergewissern wir uns, dass auch eine jede dieser beiden erstereu unabhängig von der anderen das Gebiet betreten und sich in demselben verbreitet hat So sehen wir drei verschiedene -Ver- gletscherungen sich von dem äussereten gegen das Centnim der Verglebscherung gekehrten Punkte unseres Untersuchungsfeldes in demselben verbreiten, und es ist uns möglich, die Grenzen dieser Vei^letscheningen zu ermitteln.

Wir verfolgten diese Vergletscherungen an der Hand ihrer Produkte. Die anhäufende Thädgkeit des Wassers, welche sich an das Hereinbrechen der Vergletscherungen knüpft, ermöglichte uns, deren Spuren zu trennen. D^;egen sehen wir in den Zeiten zwischen den ^nzelnen Vei^letecherungen eine Thalbildung rüstig vor sieh gehen; dreimal wurde durch die Gletocher Material ab- gelagert, aber in den beiden Zwischenzeiten wurde es wieder erodirt.

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320 II. AbscliD. Aeltcre VergletBchernngen v. Oberb&yern n. Nordlirol.

80 werden die Oletecherzeiteii durch eine lokal höchst beträcht- liche Aufhäufung von Material charakterieirt, die Interglacial- zeiten hingegen durch erosive Thätigkeit, der das eben angehäufte Material zum Opfer ßiUt Eb ist dies ganz natürlich. Die Alpen sind auch heute noch ein enormes Erosionsgebiet des rinnenden Wassers, und in jeder Zeit, wo nicht eine Vergletscberung ein neues System von Erosion und Anhäufung bildet, muss es so ge- wesen sein.

Wenn aber eine Interglacialzeit gerade so wie unsere heutige mehr durch deetniktive Thätigkeit als durch gesteinsbildende Wirkungen charakterisirt ist, so darf nicht Wunder nehmen, dass sie in der geologischen Scbichtenfblge nicht durch ein mächtiges Schichtensystem repräsentirt ist Der Mangel interglacialer Schichten ist ein ganz begreiflicher und natui^^emässer. Wie wir heute nur an wenigen Stellen in und um den Alpen Material sich ablagern sehen, so war es in jeder Interglacialzeit, und wie sich jene ablagernde Thätigkeit heute auf die Erzeugungen dozeln^ Torflager und Schutthalden beschränkt, so sind uns aus den Inter- glacialzeitec auch nur alte Schutthalden und Torflf^j^er überkommen.

Allerdings wenn wir den Begriff Interglacial in anderer Wöse lassen, als es von uns geschehen, wenn wir nicht bloss diejenigen Schichten als inteiglacial bezeichnen, welche einer besonderen In- terglacialzeit enteprechen, sondern alle Ablagerungen, welche zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Vergletscheningen einer Stelle entstanden, interglacial nennen, so ändern sich diese Ver- hältnisse. Dann werden die Anschwemmungen, welche während des Rückzuges der ersten Vergletscherung und beim Herannahen der zweiten entetanden, interglacial zu nennen sein, und die Interglacialzeit wird durch Anhäufung mächtiger Schotter ausge- zeichnet sein. Allein in diesem Falle verzichten wir darauf, Zu- sammengehöriges zusammenzufasseQ und vereinigen heterogene Ablagerungen in einen Komplex. Wir berücksichtigen nicht den zdtlichen und genetischen Konnex zwischen Oletscherausbreitung und Schotteranhäufung. Fassen wir dagegen als Glacialschichten alle jene Gebilde zusammen, welche einer Vergletscberung ent- stammen, so sehen wir jede Vereisung durch einen einheitlichen Bchichtkomplex charakterisirt; ihre Spuren geben sich in Schottern

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Kapitel XXIII. Die iusaere imd innere MoräiienzoDe. 321

und Moräneii zu erkennen, wie eine vulkanische Eruption durch Äechenschichten und einen Lavaetrom; und von diesen Glaclal- schichten eondern sich streng ab jene Bildungen, welche zwischen zwei GletBcherzeiten entstanden, ebenso wie von vulkanischen Äschen und Laven zweier Eruptionen die Gebilde, welche zwischen daiselben entstanden. Unt«r solchen Umständen ist ea freilich nicht ge- stattet, jede Schotterablagenmg, welche zwei Moränen trennt, ohne weiteres als interglacial zu bezeichnen, ebenso wie das Auftret«D von Schottern unter und über Moränen noch nicht berechtigt, sie prä- oder postglacial zu nennen.

Unser Untersuchungsgebiet ist nur ein kleiner Theil der Alpen; dennoch aber ist es gestattet, die in ihm gewonnenen Ergebnisse auf das Gebirge in seiner Gesammtheit zu fibertragen. Die Entwickelung der Gletscher knQptt sich an das Gebirge als solchem, und jeder Theil desselbeu muss daher eine entsprechende Entwickelung des Glacialphänomens zeigen. Wir dürfen daher von einer dreimaligen Vereisung der Alpen reden. Dieses Ergebniss steht freilich wenig im Einklänge mit früher gewonnenen, allein auch nicht im Gegensatz zu denselben. Heer kam zu der Fol- gerung, dass die Alpen zweimal vergletschert gewesen sein roüssten. Er wies zwei Gletscherperioden und eine mildere Int«i^lacialzeit nach. Diese beiden VergletBcheningen erkannten wir auch in unserem Gebiete, es sind unsere beiden ersten, und die AuiSndung der interglacialen Breccien des Innthales ist wol die beste strati- graphische Bestätigung von Heer's vielfach bekämpften paläonto- logischen Folgerungen. MOhlberg, Bach und Taramelli kamen auf anderem Wege als Heer zu der Annahme zweier Eis- zeiten. Wir schlössen uns ihrer Argumentation an, nicht ohne jedoch die Beweisführung durch eine wesentliche Thatsache ge- stärkt zu haben. Wir erkannten so gleichfalls zwei Eiszeiten, allein es waren nicht dieselben, deren Existenz wir früher nach- gewiesen, nur eine deckte sich mit einer der vorher schon erwiesenen, die andere war eine neue. Die beiden W^, welche früher zu dem schön übereinstimmenden Besultate, zu der Annahme zweier Ve^letscberuugen gefuhrt hatten, fuhren jetzt zur Kenntniss dreier.

Die Entwickelung des Glacialphänomens in den Alpen findet ihr völliges Seitenstück in der Entfaltung derGletschererscheinungen

Paack, Die Vergletocherung. 21

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322 n.Abechn. AeltereVergletBcherungenv. Oberbayemu, Nordürol-

im Nord^ Europaa. Hier wie da lernteD wir äa Inlandeia kennaa, welches in beiden Gebieten petrographiech überänstimmeade Ge- atoneBchtohten hinterlaasen hat, und in beiden Gebieten ist die Ver- theilung derselben die gleiche. Aber die erwähnte Analogie erstreckt sich ftuch weiter. Wie in den Alpen mehrere YergletBcherungen nachweisbar sind, so ist es auch in Nordeuropa, und hier wie da sind die Spuren derselben am Tollständiget«D in den peripherischen Thnlen des Gebietes aufbewahrt So sieht man in Norddeutsch- land am Saume des alten skandinavischen Inlandeises wie in Oberbayem am Rande der alpinen Vergletscherung Spuren mehrerer Yer^Bungen. Während dieselben jedoch im Süden Deutschlands m&at nnr in Bchotterablagerungen zu erkennen sind, haben sich in Norddeutschland die VK^chiedenen Moränen nicht nur neben- MDander, sondern auch übereinander erhalten, und meilenweit kann man zwei Terschtedene Grundmontnen durch Zwischengebilde tod einander getrennt verfolgen. Allerdings dürfte der Beweis einer dritten Vergletscherung Norddentechlands, wie ich ihn froher ge- liefert zu haben meinte, heute noch zu bringen sein, nachdem ich mich überzeugt habe, dass^die Bänderthone nicht, wie ich gemuth- maasst, intergladale Gebilde sind. Allein bisher kann!« man ja auch nur zwei Vergletschwungen der Alpen, und jetzt erst gelang es eine dritte aufzufinden.

In den Alpen sahen wir, dass die letzte Vergletscherung nicht die bedeutendste gewesen ist, sondern in ihrer Ausdehnung hinter der zweiten zurückgeblieben ist Wir erkannten die Spuren dieser letzteren weit ausserhalb des Bereiches der letzten Vereisung, wir sahen dieselben stark erodirt, sie bilden im Aargau wie in Südbayem keine Moränenlandschaft, und sind hier wie da verhüllt unter einer mehr oder minder mächtigen Decke von Löss. Ganz denselben Erscheinungen begegnet man an der Grenze der skandinavischen Veigletscherung. Ich habe früher schon nachgewiesen, dass hier nur eine einzige Moräne zu erkennen ist, während sonst stets zw« auseinanderzuhalten sind. Diese eine Moräne wird aber allenthalben am Rande des skandinavischen Gletschergebietes von L5sb be- deckt Diese Thateache wurde zuerst von österreichischen Geo- lügen in Galizien aufgefunden, Orth erkannte sie in Schlesien,

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Kapitel XXIII. Die Aossere und innere Uorinentone. 323

ich selbst in Sacbsen, Laspeyres schon vorher in der Oegend von Halle, und nördlich des Harzes ist sie auch mehrfach kon- «tatirt worden. Ganz dasselbe kehrt in Nordamerika wieder. Auch hier lagert Löse aber den äusseraten Moränen, gegen welche -eich scharf eine innere Zone abhebt. Dies Verhältnisa bildet augen- «chetnlich einen der charakteriatJachen Züge der LSsaverbreitung, und bei Spekulationen über den Ursprung dieses Lehmes dürfte vor -allem in Betracht zu ziehen sein, dass derselbe die alten Gletscher- gefaiete meidet') und nur an derem Rande, über den Moränen Älterer Vereisungen auftritt, daas er femer inOberbayem nirgends auf den Änscbwemroungen der letzten Vereisung auftritt, während •er die der beiden älteren Vergletscherungen als zusammenhängende Decke überzieht, und an einer Stelle (vei^l. p. 283) sogar zwischen ■der diluvialen Kageläuh und dem „unteren Glacialschotter" auf- .gefunden wurde.

Es lässt eich also in Norddeutscbland ebenso wie in Ober- bayem eine äussere und innere Moränenzone unterscheiden. Be- merkenawerth ist nun, dasa im Gebiete der äusseren Moränen- zone im Norden und Süden Deutschlands mehrfach über deu Olacialgebilden reiche Funde einer echt diluvialen Fauna gemacht -worden sind, ich nenne nur die thüringischen Kalktuffe, die Ab- lagerung von Schuasenried und von Aachau am Inn, während da- .gegen im übrigen Gletschergebiete nirgends eine solche Düu^'ial- fauna über den Moränen erscheint. Es dürfte diese Thataache wol zu beachten sein, wenn es sich um die Altersbestimmung Jener Faimen handelt. Aus dem Umstände, dass sie über Mo- ränen lagern, ist nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass sie post-

'} Es iet mir bisher in der Literatur nur eine Angabe bekannt, welche auf das Auftreten von Liiaa in alten Gletacherge bieten schliessen lassen könnte. GüMbei, berichtet (Alpengebirge, p. 800) von einer Lehmlage über dem Gypsstocke bei Partenkirchen, „welche dem Löes sehr ähnlich ist, zugleich auch Lnudachnecken , namentlich die charak- teristiache Succinea oblonga einschlieast". Mehrfacher Beaueh der ge- nannten Lokalität liess mich daselbst stets nur einen gelben Lehm auf- linden, welcher von Verwitterungslehm nicht zu unterscheiden bt Schnecken reate habe ich nicbt wahrgenommen, und deren Auftreten würde noch nicht genügen, jenen Lehm als Löas zu charakterisiren.

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324 II. Abseht). Äeltere Vergletccherongen v. Oberbareni. u. Nordtdrol.

glacial sind; sie kfiDnen aach interglacialen Alters eein, oder der letzten Gletecberzeit entBtammeD.

Wie in Oberbayem nach dem Centrum der Vergletschenmg' zu die Spuren der einzelnen Vereiaungen schwerer und schwerer zu verfolgen sind, so ist es im Norden auch. Auf den schwe- dischen Hügelländern hat mau nur eine Moräne uiit«rech^den können. Dagegen dürft« zu erwarten sein, daee die tiefen Thäler Norw^ens ebeneo wie die Thäler der Alpen und der echottischen Hochlande hie und da Spuren mehrerer Yergletecherungen er- kennen lassen werden.

Die Annahme dreier Vergletecheningen gibt uns Bet^en- Bchaft über alle Ablagerungen unseres Gebietes; ungezwungen er- klärt sie alle bisher bekannt gewordenen Thatsa<^en aus andern Theilen der Alpen und steht im Einklang mit anderweitig ge- wonnenen Ei^ebnissen. Sie gibt erwünschte Klarheit über die so viel umstrittene Frage nach dem Alter und Ursprung der alten Anschwemmungen, sie erklärt das Auftreten von Schichten mit Pflanzenresten eines gemässigten Elimaa inmitten gladaler Lager. Durch die Annahme drder Vergletscherungen ordnen sich die ver- schiedenen Quartärhildungen der Alpen in ein einheitüches Bild, wie es in der beigefugten Ueberaicht der oberbayerischen und alpinen Quartärbildungen zu entwerfen versucht wurde (vergl. Tabelle II), Dahingegen sehen wir, dass die Annahme von QletBcheroscillationen weder die häufige Wiederkehr von „inter- glacialen Schichten" befriedigend erklärt, noch Rechenschaft über den langen Zeitraum gibt, welcher an jenen Stellen zwischen den beiden Vergletscherungen verstrich. Sie erklärt nicht die Bildung der diluvialen Nagelfiuh und äusseren Moränenzone, und ist un- vereinbar mit der Flora intergjacialer Schichten.

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in. ABSCHNITT.

DIE BILDUNG

DER

OBEEBAYEEISCHEN SEEN.

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Kapitel XXIV.

Terftnderongen im Belief Südbayems und IT ordtlrols durch die diluvialen VergletBcherniigen.

Die Haf dem alpinen Vorlande abgeligerte aetlelmmawe. VerMlIoiB iwiBchen tran8portirend«r Elbigkeit Ate Eiaea aad des Wsgeen. IMe in den Alpen erodirta Oestelnsmasse. Tymdall'b Anmcht, Die Alpcnth&ler pi^l&dal. Verinderangen in den Thälem dnrcfa die Verglelachemi^en. Die tiaträ gebliebenen Thdle anwesentlich zerstört. Erosion durch das Eie selbst. Ab- nutzung der Tbalgehänge. Erodon der anteren GlsciulschoRer. Oentrale Depresdonen dvich die Gletscher erodirt. Uatenchiede der Gletscher- und WassereioriDll. Veränderungen der Alpenthälcr durch die VergletBchemug. Hohes Alter der oentralen Depression.

Der Verlauf unserer Unteisuchungen hat udb mit einer statt- licheii Zahl Terscfaiedener Quartärgebilde bekannt gemacht, welche eich in dem engen Rahmen imsereB Gebietes zusammendtäageo. Wir lernten Grund- und Endmoränen ale die direkten Erzeugnisse von Gletschern kennen ; in enormen Schotteranhäuiungen erbli<^ten wir Anschwemmungen von Gletscherwassem, und alle diese ver- schiedenen Ablagerungen treten uns als der Ausdruck eines grossen Phänomens entgegen, nämlich der Vergletecherung des Gebietes. Dreimal ist dasselhe vereist worden, dreimal wurden Moränen und Schotter angehäuft ; untei^eordnet erschdnen im Vergleiche zu diesen Ablagerungen die Gebilde jener Zwischenperioden, welche die Ver^ gletecherungen von einander trennen, spärlich sind die Produkte der Postglacialperiode gegenüber denen der Eiszeiten. Diese Eis- zeiten erscheinen als Perioden eines gewaltigen Geeteinstransportes, und es muss sich fragen, welche Veränderungen in der Xonfigu- ration des Landes durch die wiederiiolteo Vergletscherungen erzielt worden sind.

Die schwäbisch -bayerische Hochebene hat zweifellos eineErhöh* ung ihres Niveaus erfahren. Die Anschwemmungen der ersten

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323 III- Abschnitt. Die Bildung der oberbayerischen Seen.

Yei^letscheniDg, die diluviale Nagelfluh, bedecken aie in grosser Mächtjgkeit; nicht minder beträchtlich sind die Werke der letzten beiden Vereisungen, Moränen und Schotter, auf dem nordalpinen Vorlande entfaltet Auf eine Breite von im Mittel mehr als 60 km ist dasselbe mit Qlaci algebilden aller Art überdeckt, zwischen Iller und Lech und längs seiner Hauptströme ziehen sich euorme Massen alpinen GctöUb bis zur Donau, ganz zu schweigen von den un- ermeselichen Quantitäten feinen Schlammes, welcher bei der Be- w^ung der Gerolle entstehen musste, und den viele Autoren im Lösse wieder erkennen wollen. Es wird die schöne Aufgabe einer aus- führlichen Untersuchung und Karliruug der bayerischen Hochebene B&n, Schritt für Schritt die Ablagerungen der Olacialzeit zu ver- folgen, die Fläche, welche sie bedecken, auszumessen, ihre Mäch- tigkeit zu bestimmen, um so ihre Masse zu ermitteln. Einstwdleu mögen Schätzungen hierüber genügen, bei welchen wir, wie bereits mehrfach versucht, vorziehen werden, mit Minimalzalilen zu rechnen. Am Nordfusse der Alpen zwischen Hier und Inn, also auf einer Strecke von 150 km Länge, dehnt sich ein 60 km breiter Saum von Glacialbildungen aus. Derselbe bedeckt also ein Areal von 150 X 60 = 9000 D km. Ich bleibe sicher hinter der Wirklich- keit zurück, wenn ich die mittlere Mächtigkeit der Glacialablage- rungen auf diesem Gebiete zu 60 m veranschlage. Besitzt doch die Decke der diluvialen Kageläuh allein schon dme mittlere Mächtigkeit von über 30 m, welche sie an \'ielen Stelleu, so in den Thälem Schwabens, noch uberschrätet, und wo sie fehlt, sind die jüngeren Glacialschichten grossartJg entwickelt, es sei hier nur an die über 70 m hohen Steilufer des Inn bei Wasserburg und Gais, die nicht minder hohen Abböschungen an den Ufern dea Xicch, an die über 50 m mächtige Ablagerung glacialer Schotter zwischen Mumauer Moos und Kocbelsee erinnert Die Gesammtmasse der Glacialgebilde auf jenem Gebiete berechnet sich hiemach 2u

0000X0.06 = 540 Kubikkilometer, und in dieser enormen Summe sind die ausgedehnten Geröll- terraasen längs der Flussläufe bis abwärts nach Passau, sind die kolossalen Schlammmassen, welche bei der Geröllbildung ent- standen, sind endlich die während der beiden Interglacialzeiten erodirten Materialien nicht inbegiiSen. Alles dies entzieht sich

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Eap.XXIV. Ver2n<lerungen im Belief Südbayemau.NordUrolB etc. 329

aller Berechnung. Es sollen uns hier nur die 540 Kubikkilometer beschäftigen, d. h. 540 Milliarden Kubikmeter, welche, daa Bpezi- fieche Gewicht des Ger&lls rund auf 2 veranschlag dne Last von unge6ihr 1080 Billionen (1080 000 000 000 000) Kilogramm aus- machen.

Von dieser gewaltigen Schuttmasse wissen wir, dass sie während dreier Vergletscherungen des Gebietes bewegt wurde. Sie wurde abgelagert theils durch die dem Eise entströmenden Wasser, theils durch das Eis selbst Kun wissen wir, dass während einer Vergletscherung ebensoviel Wasser in flüssiger Form in Wirksamkät trat, wie in fester Gestalt als Eis thätig war. Das grosse Inlandeis thaute an s^en BSndem, und die Wassermenge, welche in fester Form berbeistrSmte, floss hier in flüssiger weiter. So war es wenigstens wiUirend des Maximuras der Vet^letschenmg, wohingegen während des Herannahens derselben mehr Wasser als Eis herbeigeführt wurde, als in flüssiger Form weiter Htrömte, und während des Äbschmelzens der umgekehrte Fall eintrat Wenn nun die tranaportirende Kraft des Wassers und die des Eises sich genau die Wage hielten, so müsste während des Stillstandes einer Vergletscherung das derselben entflieesende Wasser alles das Material weiter transportiren, welches das Eis herbeiführt Aber dies ist nicht der Fall Im G^enthdl, eine stillstehende Ver- gletscherung baut dne Endmoräne auf; das rinnende Wasser vermag also nicht die Menge von Gesteinsmaterial fort- zuschaffen, welche durch eine gleich grosse Masse Eis herbeigeführt wird. Solchergestalt erscheint das Eis als ein wät bedeutenderes transportirendes Medium als das rinnende Wasser. Wenn nun das von den Vergletschenmgen Südbayeros hinterlassene Moränenmaterial mindestens '/g der ganzen trans- portirten Gesteinsroenge ausmacht, so ist anzunehmen, dass sich die transportirende Fähigkeit des Eises zu der des Wassers wie 3 : 2 verhält, also mindestens um die Hälfte grösser ist, während das Volumen des Eises zu einer gleich schweren Waasermenge sich nur wie 10:9 verhält

Jedenfalls ist für unsere weiteren Erwägungen die Erkenntniss wichtig dass die glacialen Schotter aus der Grundmoräne gebildet worden sind, dass also die Gesammtmasse des führend der g

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330 lU. Abschnitt. Die Bildung der oberbareriaclken Seen.

Eiszeit im Südbayeni abgelagerten Materialee eioe Zeit lang irenig- steuB durch das Eis transportirt worden ist Dieses Material besteht fast ausschliesslich aus alpinen Gesteinen, und zwar sind es auf dem grösseren Theile unseres Grebietes vorzugsweise die der nördlichen Ealkalpen, welche sich an Zusammensetzung der Glacial- formatJonen betheiligen. Geschiebe alpiner Urgebirgsfelsarten fehlen ja in dem Gebiete des Lech und der Hier völlig, und sind an der Isar selten. Wenn die Alpen nun solch eine ungeheure Menge Schuttes lieferten, müssen sie während der Gladalzeit eine höchst beträcht- liche Erosion erfahren haben. Der Betrag derselben lässt sich leicht berechnen. Jene Masse von 540 Eubikküometem st^nmt aus den Nordalpen, Nun betr^ deren Brdte 100 km, das Ero- Biossgebiet möge dieselbe Ausdehnung von 150 km habün, wie das Ablagerungsgebiet, also ei^bt sich eine Abtragung von 540 ,

Es wird mm unsere Aufgabe sein, die Spuren dieser Erosion der Glacialzeit zu verfolgen, wie wir bislang uns mit den Ab- lagerungen beschäftigten, welche sie uns hinterlless; und diese Auf- gabewird uns umsomehr fesseln, als sie ein strittiges Gebiet betrifil, über welches die Meinungen in seltenem Maasse getbellt sind. Die Untersuchung über die Erosion der Glacialzeit führt noth- wendigerweise zu einer Betrachtung über die Entstehung der Alpenthäler und AJpenseen.

Die eingangs dieser Untersuchungen als Fundamentalsatz aufgestellte Thatsache, dass das erratische Phänomen eine völlige Abhängigk^t von der Boden konfiguration bekundet, kann die Folge verBchiedener Vorgänge sein. Eiomal nämlich können vor- her existJrende Thäler den Gletschern den Weg gezeigt haben, eine Annahme, die beiläufig fast allgemdn geeilt wird; dann aber ist es ja auch denkbar, dass die Gletscher selbst eich ihre Betten erodirt haben, dass sie die Thäler ausfurcht«n, weswegen es nun kein Wunder ist, wenn sich eine enge Beziehung zwischen ihnen und dem Glacialphänomene ergibt. Tyndall') hat die

') OntheConformationoftheAlpB. Philos.Mag. IV. S. Vol. XXIV. 2. p. 169. IV. 8. Vol. XXVIII. 1864. p. 255.

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Kap.XXIV. VeräDdenmgeaimEeliefBQdbayeinsu.Nordtiroliietc. 331

letztere Mränung wiederholt Teifochtea, und falls sie sich als noh- tig erweist, würden wir in den riesigen Schuttmassen am Fusae des Gebirges das au^epflügte Material der Thäler zu erblicken haben.

Aber schon eine äQcblige Betrachtung überzeugt, dass jene Schuttmaasen, so enorm sie auch sind, doch bei weitem nicht aus- reichen würden, um die Alpenthäler wieder auizuiullen, selbst wenn wir sie verdoppeln und verdreifachen wollten. Ausserdem aber spricht die Entwickeluug des Glacialphinomens in den Alpentbälem entschieden g^en Tyndall's Ansicht

Hätten die Gletscher sich die Thäler selbst gebildet, so müssten sie ihre Spuren überall an deren Geh&ngen hinteriassen haben. Von den Gipfeln der Berge herab bis zur Thalsohle müsate sich jene eigenthümliche Zurundung der Formen zu erkennen geben, welche für üb^relst gewesenes Terrain so charakteristisch ist, und dergleichen musste sich errstischN Material über die Thalgehänge in ihrer ganzen Höhe ausbreiten. AUein solches ist nicht der Fall. Sowol die Bundbuckelformen als auch die erratischen Er- scheinungen haben eine scharf ausgeaprocbesc obere Grenze, über welche sie nie hinaufsteigen. Zwar liegt diese obere Grenze oft sehr hoch, aber selbst im Innthale, wo das Eis eine sehr be- trächtliche Mächtigkeit erreichte, ragten die Bei^ noch 500 bis 700 m über den Gletscher hervor, und weit höher stiegen die Gipfel und Grate der nördlichen Kalkalpen aus dem Elise heraus. Ball') hat diese Verhältnisse scharf betont und ihre Tragweite gegenüber Tyndall's Anschauungen hervorgehoben.

Zeigt eich so, dass die Thäler der Alpen vor der Glacialzeit wenigstens angelegt waren, um den Gletschern als Bett dienen zu können, so lehrt ein anderes Argument, dass sie im Allgemeinen dieselbe Tiefe besessen haben müssen wie heute. Es wurde oben zu zeigen versucht, dass der Vergletscherung eines jeden Punkte im Thale eine Anhäufung glacialen Schotters voraus^g. 250 m hoch erföllten Eiese und Sande das Innthal, ehe der Gletscher kam, und so war es nicht nur zur Zeit der letzten Vereisung;

') On the Formation of Alpine- Valleys and Alpine-Lake«. Fhilos. Mag. IV. a Vol. XXV. 1863. p. 81.

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332 III. Abschnitt Die Bildung der oberbayeriKhen Seen,

ndkoa die Schotter der ersten Glacialperiode liegen in deaThälem und erreichen Btellenveise die beutige Tbaleohle. An den Ge- hängen des Innthalee finden sich ferner jene mächtigen Breccien, welche in der Zeit zwischen zwä aufeintinderfolgeDden Vereisungen entstanden; ihre Lage weist nicht minder bestimmt als das Auf- treten von Schottern in Thaltiefen darauf hin, dass die Thäler bereits vor Eintreten der Yergletscherungen gebildet waren. End- lich läsBt die Verbreitung der Häriuger Schichten deutlich er- kennen, dass das Hauptthal unseres Gebietes, das des Inn, in seinem Unterlaufe bereits zur Oligocänzeit gebildet war. Alles dies lebrt, dass die Thäler nicht mit den Vei^etecherungen in genetischem Zusammenhang stehen.

Es mdge hier darauf aufmerksam gemacht werden, dass Rambay'), sich auf ähnliche Thatsachen, wie die letztgenannten, stützend, Tyndall's Hypothese bekämpfte, Niemand hat seit Charpentier's Tagen klarer und bestimmter ausgesprochen, dass die Alpentbäler präglacial sind als gerade Rambat, und Heuc*) ist offenbar nicht genau unterrichtet, wenn er sagt: Ramsay und Tyndall nehmen an, dass die Alpentbäler durch das Eis aus- gepfiQgt sind. Noch weniger aber zeigt er sich Aber diesen Gegen- stand orientirt, wenn er an einer andern Stelle*) neben Ramsay auch gar Ball, den ersten und eifrigsten G^^er der Glacial- erosion, als einen Anhänger von Tyndall's Ansichten anfuhrt.

Die Alpentbäler sind nicht das Werk der erodirenden Thä- tigkeit der Gletscher, sie sind die ihnen vorgezeichneten Bahnen. Sind sie nun auch nicht während der Gletscherzeit entstand«!, sondern entstammen sie einer früheren Periode, so lehrt doch die ungeheure Menge Schuttes, welche am Fusae des Gebirges ausgebreitet ist, dass sie nicht mehr unverletzt in ihrer präglacialen Form vorliegen. Es muss nun entschieden werden, in welcher Weise sie verändert worden sind. Es fragt sich, ob die unter

') Ilie Eicavatdon of the Valleys of the Alpe. Philos. Magas. IV. S. Vol. XXIV. p. 377. Nov. 1862.

*) Untersuchungen fiber den MecbanismuB der Oebirgsbildung. Bd, I. p. 251.

*) Ueber den Antheil der Gletscher an der Bildung der TUler. Vierteljahrsschrift d. naturforsch, Oesellsch. Zfirich 1875. p. 206.

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Kap-XXrV. VeränderungeniniRdiefSildbaj'ertiiiu.Nordtirolsetc. 333

dem Eise begraben gewesenen Theile ihrer Gehäoge, oder ob die einst aus dem Eise hervorragenden Partien derselben mehr zer- Gt^renden Einflüssen ausgesetzt gewesen sind.

In seiner ungemein anregenden Schrift über Thal- und See- bildung macht ROtiheyeb auf den grossen Einfluss aufmerksam, welchen die Lage der ewigen Schneelinie auf die erodirenden und denudirenden Proceese ausübt. Er schildert, wie sich an diese Linie in erhöhtem Maasse zeratörende Wirkungen knüpfen, und fuhrt aus, wie über derselben, unter anhaltender Schneebedeckung, Süllstand in der Zerstörung eintritt. Alan kann diesen einfachen ÄuseinandersetzuDgen nur beipöichten. Nun wissen wir, dass mit der Entfaltung der diluvialen Gletscher Hand in Hand das Her- abschreiten der Linie des ewigen Schnees gehen musste. Je mehr sich die Gletscher ausdehnen, desto mehr Land verbirgt sich unter ewigem Schnee, desto mehr Land entzieht sieb dem zerstörenden Einflüsse des Wittenmgswechsels. Wir suchten oben nachzu- weisen, dasa während des Maximums der Vergletscherung sich Firn selbst über die Eisströme des Gebirges breitete, wir müssen daher annehmen, dass alle über das Gletschermeer auöragenden Theile des Gebirges von „ewigem Schnee" bedeckt waren und durch diesen vor Zerstörung bewahrt wurden.

Während des Ma]dmums der Vergletacherung waren daher die aus dem Eise aufragenden Partien geschützt vor Zerstörung, und nur während des Herannahens und Rückziehens der Ver- isung, als die Pimlinie sich senkt« und wieder aufstieg, waren ie lebhafter Zertrümmerung ausgesetzt Im Allgemeinen müssen ie aber durch ihre grössere Fimbedeckung mehr vor Auflösung bewahrt gewesen sein, als dies beute der Fall ist So ist anzu- nehmen, dass die aus dem Inlandeise sich erhebenden Gipfel wäh- rend der Eiszeit verhältnissmässig wenig verändert worden sind. Die Schuttmassen , welche am Rande der Vei^letseherung an- gehäuft worden sind, müssen daher grösatentheils von den vereist gewesenen Partien der Thäler herrühren. In der That, ein anderer Weg führte schon zu diesem Ergebnisse. Wir erkannten, dass der Hauptgesteinstransport während der Eiszeit nicht auf deni Rücken der Gletscher, sondern auf derem Boden geschah, die bei weitem grösste Menge des von dem Eise verfrachteten Materiales

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334 HI. Abschnitt. Die Bildui^ der oberbayetischeD Seen.

stammt nicht von den eis&eien Partien d«r Thäler, sondern rührt von den vergletscherten Theilen derselben her. Die unter Eis begraben gewesenen Theile des Gebirges haben also die grSsste Veränderung während der Eiszeit erlitten.

Wenn dies nun der Fall ist, so liegt nichts näher als anzu- nehmen, daes jene Veränderung durch das Eis selbst bewirkt worden ist. Dass dies wirklich so ist, lehrt schon die Zusammen- setzung der Grundmoräne, wir erkannten in derselben das Schleif- pulver, welches büm Gleiten des Eises über den Untergrund ent- steht Allerdings ist nicht zu leugnen, doss das Eintreten einer £älteperiode das alte Gletscherbett bereit« aufgelockert hat, dass in der Zeit vor und zwischen den Vergletscherungen die Gehänge der Alpenthäler vielfach ZeratÖrungsprocesseD ausgesetzt waren. Sie mögen in ähnlicher Weise mit Grus bedeckt gewesen sei wie heute; sodass die eintretende Vergletscherung allerorts bereits einen ge- lockerten Boden vorfand und vieliach nur die Thäler gldchsam auszuputzen hatte. Allein so hoch wir den Betrag der vor Ein- tretm der Vei^letscherung bereits gelockerten Gesteinsmassen auch veranschlagen wollen, so können sie doch keinesfalls genügen, um die Menge des glacialen Materialea am Fusse des Gebirges zu erklären. Durch letztere könnten wir das Niveau des Gebirges um volle 86 m erhöhen, um einen Betrag also, der die Mächtig- keit etwaiger Schutt- und Gnismassen weit, weit hinter sich lösst. Es bleibt also nur die früher schon durch Bel^ gestützte An- nahme, dass das Eis selbst erodirend gewirkt hat, dass durch die Gletscher selbst die Alpenthäler Veränderungen erlitten haben.

In der That zeigt uns das Aussehen der Alpenthäler Spuren solcher Vemnderungen. Ihre Gehänge sind bis zu einer bestimmten Höhe gerundet Dies lässt sich nur durch eine Abnutzung durch das Eis selbst erklären, und ist auch nie anders gedeutet worden, wenngleich auf der andern Seite dem Eise meist alle erodirende Fähigkeit abgesprochen wird. Allein, wenn wir den Betrag dieser Abnutzung untersuchen wollen, stossen wir auf grosse Schwierig- keiten, da wir nicht wissen, wie das Aussehen der Thäler vor der Eiszeit war. Falsch wäre es sicher, wenn wir annehmen wollten, dass die Gletscher überall in gleichem Maasse erodirt und

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£ap.XXIV. Veränderungen im BelicfSadbaremsa-NordtiiolBete. 335

allüberftll eine Niveauvamindening um 36 m erzeugt hätten, eodasB da, vo heute Rundbuckelformen auftreten, das Gehänge früher 36 m höher gele^n hätte. Ausserdem aber laasen una jene Rundbuckelformen nur eine Abnutzung d&! Thalgebange erkennen, nicht aber, ob die Tbäler vertieft worden sind. Sie sind eben gleich den Gnindmoränen nur Spuren von Gletechereroeion, welche une deren lokalen Betrag nicht ermitteln laseen.

Dagegen gibt es eine andere Erscheinung, welche nicht nur zur Erkenntniss des Vorhandenseins einer Gletschererosion fuhrt, sondern auch deren Grösse in ungeahnt klarer Weise ermessen läset. Wir erkannten, dass in unserem Gebiete der Ausbreitung von Gletschern die Anhäufung mächtiger Schottermaseen voraus- . gegangen ist Wir fanden dies als Regel in allen Oletscher- bezirken und erkannten die Ursache, warum dies so ist und nic^t &nderB sm kann. Die unteren Glacialschotter geben daher ein Mittel an die Hand , zu untersuchen, wie die Bodenkonfiguration unmittelbar vor der Vereisung gewesen ist. Sie lehren uns, wie hoch die Thalböden lagen, wie hoch das Niveau der Hochebene war; und da sie eine ausgezeichnete Strombildung sind, gestatten sie auch durch Kombinirung einzelner Aufschlüsse eine grössten- tbeils zerstörte Ablagerung wieder zu restauriren. Vergleichen wir nun die durch die unteren Glacialschotter angedeuteten Niveau- verhältnisse mit den von der Vergletscherung hinterlassenen, so «rhalten wir ein genaues Maass der durch die Gletscher aus- ruhten Erosion.

Gelegentlich der Schilderung der unteren Glacialschotter haben wir bereits mehrere Unregelmässigkeiten in deren Ver- breitung hervorgehoben; jetzt, wo wir deren Bedeutung zu schätzen wissen, müssen wir näher auf dieselben eingehen, und zu diesem Behufe wird es gut sein, uns deren Entwickelung von dem den Centralalpen nächstgelegenen Theile unseres Gebietes bis an die Peripherie der ehemaligen Veigletscbening kurz zu vergegen- wärtigen.

Im oberen Inntliale bilden die unteren Glacialschotter eine deutlich ausgesprochene Terrasse, in welche der Inn 300 300 m tief einschnddet Dieselbe ist ziemlich zusammenhängend, und .alle Erscheinungen deuten darauf, dass sie erst in der Pmt-

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336 ni. Abschnitt. Die Bildung der oberbaTeriachen Seen.

glacialzeit erodirt worden ist. Bereita von lunebruck an lässt eich jedoch eine Aenderung dieses Verhältnis ses bemerken. Die Terrasse rerliert an Zusammenbuig, sie vird zerstückelt, und bezeiclmenderweise treten ihre Beste meist nur in Thalweitungen auf. Höchst aufiallig ist nun, an den Abböecbungen der Terrasse bei Innsbruck Moränen zu finden, und tjef unter ihrer Höhe Gletscherschlifie. Auf der einen Seit« lernen wir, dass die Terrasse unmittelbar vor der Vergletscherung aufgeschüttet wurde, auf der andern sehen wir, dass sie während derselben bereite erodirt war. Dies iässt sich nur durch die Annahme erklären, dass die Glet- scher selbst die Terrasse erodirten.

Das untere Innthal liefert eine Reihe von Bestätigungen dieser Ansicht Ist von Innsbruck an die Terrasse zerstQc^elt, so verschwindet sie unterhalb Jenba«h gänzlich aus dem Thale. Fast bis zur 8ohle desselb^i treten Moränen und Gletsf^erscbliffe auf, und wo bei Brannenbuig das Innthal auf die Hochebene tritt, ziehen sich Moränen bis zum Boden desselben herab. Gänzlich fehlen hier die unteren Glacialschott«r, und doch kann kein Zweifel darüber herrschen, dass auch sie hier früher ent- wickelt waren. Finden wir sie nicht im Innthale selbst, so be- gegnen wir ihnen in dessen Seitenthälera. Ihre Entwickelung vrird in trefiend» Weise durch die Wort« Gümbel's^) charokteri- sirt: „Man gewahrt innerhalb vieler Terrainbuchten in den Alpen hoch über dem jetzigen Flussuiveau oft mehrfach übereinander hinziehende Terrassen." So treffen wir, wie bereits geschildert, Glacialschotter im Thale der Brannenburger Ache; mächtig ent- wickelt sind sie im Thale der Hopfgartener Ache ; sie sind schliess- lich in dem Thale des Jenbaches unterhalb Kufstein 150 200 m über dem Inn aufgeschlossen, und ihre Entwickelung an allen diesen Punkten macht evident, dass sie nur die Beste «ner aus- gedehnten Terrasse des Innthales sind. Die Schotter in jenen Tbälem sind horizontal geschichtet, und da es im Thale der Brandenberger Ache und des Jenbaches Innschotter sind, so lässt sich deren Ablagerung nur unter der Annahme erklären, dass einst im Innthale eine Terrasse so mächtig angeschwollen war.

*} Alpengebirge.

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Kap.XXrV. VerSadernngen im Belief Südba7en]su.NoTdtiTol8 etc. 337

um eich in die Seitenthöler dräog«a zu können. Durchaus nicht kann man das Verhältniea erklären, wenn man e&gt, nie es bis- laug für ähnliche Vorkommnisse gesch^, daee der Gletscher des Hauptthales die Nebenthäler absperrte, sodass hier Eisseen ent- standen, in welchen Schotter abgelagert vurden. In solchen Seen hätten nur geneigte Schotter angehäuft werden können, niemals hori- zontale, wie denn überhaupt die Bildung horizontaler Schotter- ablagerungen nur in rinnendem, nie in stehendem Wasser möglich ist. Auch die Aiihäu&ng der unteren Giacialschotter im Tbale der Hopfgartener Ache läset sich nur erklären, wenn man annimmt, dass der Boden des Innthales sich fortwährend erhöhte, dass sich hier einst eine Terrasse aufbaute.

So lehren jene Vorkommnisse in den Seitenthälem des un- teren Innthales, dass auch in diesem letzteren sich dnst «ne mächtige Terrasse unterer Olacialschotter erhob. Doch bereits während der letzten Vei^letscherung war dieselbe entfernt, wie die bis fast zur Thalsohle reichenden Moränen bezeugen. Wir wissen nun, dass die Anhäufimg der unteren Giacialschotter der Vei^letscherung unmittelbar vorausging. Sind dieselben also nach der Vergletscherung schon entfernt, so müssen sie während der letzteren erodirt worden sein. Diese Erosion kann nur durch das Eis selbst bewirkt worden sein.

Wenn im unteren lonthale die unteren Giacialschotter gänz- lich entfernt sind, so kann nicht Wunder nehmen, dass sie auch vor dessem Austritte aus den Alpen fehlen. Hier dehnt sich eine breite Bodensenkimg aus, in deren Mitte das Rosenheimer Moos liegt Es ist dies die centrale Depression des Inngletschers. Man findet nirgends im Bereiche derselben die unteren Giacialschotter, erst nördlich dieser Senkung stellen sie sich wieder ein, Ihr Auf- treten hierselbst beweist, wie wir wissen, keineswegs, dass sie einer sich einst kontinulrlich bis in die Alpen erstreckenden Ablagerung entstammen. Der Gletscher kann ihr Material über die centrale Depression geschafft haben. So Ist ihr Auftreten an der Peri- pherie des Gletschergebietes in höherem Niveau, als die centrale Depression desselben, nicht wunderbar. Aufiallig bleibt nnr ihr Mangel im Bereiche der centralen Depression. Steher kann nicht angenommen werden, dass sie hier nie zur Entwickelung gekommen

P«iick, nie TergletBCbeniDg. 22

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338 in. Abschnitt. Die Bildung der oberbajeriachen Seen,

sind; denn wenn wir sehen, dasa allenthalben der Vergletschening die Anhäufung von Bcfaott«m vorausgeht, so wäre unerklärlich, wenn diea gerade an einer Stelle nicht geschehen sein sollte. Die Phänomene im unteren Innthale werfen Licht auf dies Verhältnise. Sie lehren, dass der Gletscher jene Ablagerung unterer Qlacial- Schotter zerstört hat, welche sich vor ihm aufgebaut hatte, uad ao ist aDzunehmen, daes auch vor derMünduug des Innthales die unteren Glaciaiachotter erodirt worden sind. Id der That, wenn man berücksichtigt, dass im Imithale 200 m gkcialer Schotter angehäuft worden sind, so muss man erwarten, an dessem Aus- tritte auf die Hochebene einen flachen Schuttkegel vorzufinden. Wenn sich im Gegensatz dazu eine beckenformige Vertiefung ausdehnt, so kann deren Vorhandensein nicht anders als durch eine hier stattgehabte Erosion erklärt werden.

Die Verfolgung der unteren Glacialschotter im Thale dos Inn gestattet uns genau die Wirkungen der Gletachererosion zu erkennen. Wir sehen, wie dieselbe vom Centrum der Gletscher- verbreitung allmählich ztmimmt, wie die Terrasse der unteren Glacialschotter erst zerstückelt und dann ganz entfernt wird, vir verfolgen die Wirkung dieser Erosion aus dem Gebii^ heraus auf die Hochebene bis dahin, wo die anhäufende Thätigkeit des Eises beginnt Auf dem Alpenvorlande stossen also erodirende und anhäufende Wirkungen andnander, und so wird es erklärlich, dass hier die angehäuften MoränenwäUe ein tiefer gelegenes Becken lunschliessen, dessen Zustandekommen nicht bloss durch Au- häufung von Moränen in seiner Peripherie erklärt werden kann. Die centralen Depressionen des alten Gletschergebietes sind die natürlichen Folgen der Gletschererosion, welche an Intensität von dem Gletschercentrum nach aussen bis dahin zunimmt, wo die anhäufende Thätigkeit des Eises beginnt. Nothwendig wird nun, dass a:lle diese centralen Depressionen in der ideellen Fortsetzung von solchen Alpenthäiem liegen, aus welchen Gletscher hen'or- strömten; vollkommen einleuchtend wird die höchst auffällige Ab- hängigkeit ihrer Gestalt und Lage von den Grenzen der Ver- gletscherung. Es erscheinen jene centralen Depressionen, welche Itald als Rinne, bald als Amphitheater entgegentreten, als die Betten der alten Gletscher, welche dieselben sich selbst geschaffen

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Kap. XXIV. Ver&ndeningenimBeliefSQdbayenisu. Nordtirolaetc. 339

haben. Deswegen müssen jene Depressionen in völliger Ab- hängigkeit von der Eisverbreitung stehen, eine Erscheinung, die sonst nnerklärlich ist Keineswegs nämlich kann die An- nahme, dass die Depressionen präglacial sind, diese Thatsachen aufhellen. Allerdinga würden die Oletecher sich in solchen prä- glaciftlen Becken auch verbreitet haben, und diese letzteren würden sogar ihre Entnickelung beeinflusst haben, aber dies alles kann nur in beschränktem Maasse der Fall sein. Wir suchten oben nachzu- weisen, dass die Gletscherverbreitung von ganz bestimmten Vor- aussetzungen abhängig ist. Nach durchgreifenden Regeln ent- wickeln sich die dnzelnen Eisströme, und wenn nun die centralen Depressionen, welche mit jenen Regeln nichts zu thun liaben, eine auffällige Abhän^gkeit von der Oletscherverbreitung zeigen, so muBB diese Abhängigkeit eben durch die Gletscherentwickelung bedingt sein. Ueberdies zeigen die centralen Depressionen selbst ßpuren ausgedehnter Glacialerosioo. Nicht allenthalben sind, wie im Innbecken, die unteren Glacialschotter gänzlich entfernt Im Isargebiete sind sie vorhanden, hier aber schneiden die hangenden Orundmoränen schri^; gegen sie ah, ein Beweis, dass nach ihrer An- häuiung und vor Ablagerung der Moränen eine Erosion stattfand, die eben nur während der Vergletscherung und durch dieselbe ausgeübt worden sein kann.

Der Verlauf der alt«n Qletscherbetten lehrt einen charak- teristischen Zug der Gletscher Wirkung kennen. Die Gletscher erzeugen sich nicht Betten von konstantem Gefälle, wie das fliesaende Wasser. Die zwischen Anfang und Ende des Gletscher- bettes gel^;enen Punkte li^en nicht um so tiefer, je mehr man eich dem Ende nähert, vielmehr liegt das untere Ende des Bettes, die Zone der Endmoränen, höher als die weiter aufwärts gelegene centrale Depression. Ein Gletscher kann Depressionen herausbilden. Der Grund hierfür liegt in der transportirenden Fähigkeit des Gletschers. Dieselbe ist nicht nur, wie wir schon zeigten (pag. 329), grösser als die einer äquivalenten Wasser- menge, sondern auch weit vollständiger. Wir wiesen nach, dass der Gletscher unter sich Material bergan schaffen kann, was das Wasser nie bewirkt Das Wasser kann seine erodirende Thätigkeit nur soweit entfalten, als es mit seinem Ge- 22'

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340 III- Abschnitt Die Bildung der oberbajerificheo Bees.

fälle vereinbar ist. Es erzeugt daher ein Bett mit konstanter Xeigung, einen Lauf mit durchaus gesetzmässigem Gefälle. Das Eis hingegen vermag Material bergan zu schaffen, wie zahlreiche Beispiele beweisen. Seine erodirende Thätigkeit wird nicht durch seine transportirende im Zaume gebalten. So sehen wir denn, dase ein Gletecherbett kein kontinuirliches Gefalle besitzt, sondern in seinem unteren Ende bergan steigen kann. Aber das erwähnte sehr bedeutende und vollkommene traDsportirende Vermögen des Eises gestattet noch eine weitere Entfaltung von dessen erodirender Wirkung. Es ermöglicht ihm, in den verschie- denen TbeOen seines Bettes verschieden stark zu erodiren, je nach der Widerstandsfähigkeit seines Grundes. Es gestattet ihm, die härteren Gesteine seines Bettes aus den weicheren gleichsam heraus zu präpariren, was rinnendea Wasser nur soweit kann, als es mit seinem konstanten Gefalle vereinbar ist, und während sich die erodirende Thätigkeit des Wassers auf die Entfernung einer Barre koncentrirt, kann sich eine solche in einem Gletecherbette, falls ihr eine hohe Resistenzfahigkeit zukommt, erhalten. Ein Gletscher kann daher etwaige Unregelmässigkeiten seines Bettes erhalten, konserviren, nicht aber weil er nicht erodirt, sondern weil er seine eroLirende Wirkung nicht ausschliesslich auf jenes Hindemisa richtet. So kann eineraeita ein Gletscher Unregelmässigkeiten in seinem Bette erzeugen, andererseite solche konserviren. Dement^ sprechend werden die Gletscberbetten nicht die Regelmässigkeit von Strombetten besitzen können, und ihr Gefiille wird keine mathematisch bestimmbare Kurve sein.

Ein weiterer Unterschied zwischen der Erosion durch flüssiges und gefrorenes Wasser besteht in der Art und Weise, wie beide in Wirkung treten. Das flüssige Wasser koncentrirt sich auf den tiefsten Punkt des Thaies, und hier allein erodirt es. Es arbeitet so ausschliesslich an der Tieferlegung des Thaies, und schafft der Verwitterung neue AngrifiTeäächen. Erosion und Verwitterung wirken also gemeinsam an der Ausbildung des Thaies. Andera das Eis. Dasselbe nutzt allerorts die Thalwände ab, und wird dabei nicht durch die Verwitterung unterstützt. Es entfaltet seine erodirende Thätigkeit über ganze Flächen, während sich das Wasser auf einzelne Linien beschränkt Daher sehen wir, wie

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Kap. XXIV. YerSndenmgen im Relief Südbayemsu. Nordtirols ete. 341

durch die Gletschererosion weit auagebreitete Ablagerungen, z. B, die der unteren Glacialschotter stellenweiee gänzlich entfernt werden. Ea dürfte also ein Gletscherbett stets einen anderen Querschnitt annehmen als ein Fluasthal.

Welches Agens stärker erodirl, Wasser oder Eis, lässt sich theo- retisch schwer sagen, und wird so lange unentschieden sein, als man nicht weiss, nie das Wasser erodirt, und welche Faktoren hierbei ins Spiel kommen, solange man nicht kennt, auf welche Weise der Gletscher seinen Untergrund abnutzt. Doch dürfte hierbei Eines wol zu berücksichtigen sein, nämlich die verschiedenen Massen, welche in Wirksamkeit treten. Bas Wasser fliesst rasch dahin, in kurzer Zeit eilen grosse Mengen über einen bestimmten Punkt, ohne sich jedoch jemals in bedeutender Masse über demselben zu entfalten. Das Eis hingegen bewegt sich äusserst langsam; ein einfacher Vergleich zwischen einem Gletscher und einem Flusse lehrt, dass durch den ersteren in gleichen Zeiten weniger Wasser über einen bestimmten Punkt geschafft wird als durch den letz- teren, eben weil das fliessende Wasser sich auf eine Stelle koncen- trirt, während sich das Eis weit ausbreitet. Dahingegen entfaltet ein Gletscher über einem Funkte eine weit beträchtlichere Masse als je das flieesende Wasser. Man denke nur daran, dass die Mächtigkeit des Inngletschers bis über 1000 m anstieg, dass der- selbe also auf einen Quadratmeter Fläche einen Druck von 1 Million Kilogramm ausübte. Sollte, was an und für sich nicht unwahrscheinlich, die erodirende Kraft eines Mediums dessen transportirender Fähigkeit entsprechen, so würden allerdings die Gletscher weit kräftiger erodiren als eine gleiche Menge fliessendes Wasser. Hiermit stehen die über die Grösse der Gletschererosion an heutigen Oletschem gewonnenen Ei^bnisse in bestem Ein- klänge (vergi. p. 202).

XJeberblicken wir nochmals die erodirenden Wirkungen des Eises und des flüssigen Wassers, so tritt uns eine Thatsache scharf ausgesprochen entgegen. Das Wasser wird in seiner ero- direnden Thätigkeit beschränkt und geregelt durch seine mangel- hafte transportirende Fähigkeit Beim Eise ist dies nicht der Fall. Seine transportirende Kraft engt seine erodirende nicht ein, gestattet vielmehr deren freie Entfaltung. Die Grundfaktoren,

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342 in. Abschnitt. Die Bildung der oberbayeriedieii Seen.

welche jede EtobIoq bedingen, können ungehindert in Wirksam- keit tret«n. Die Gröaee derselben wird ausschlieBalich bedingt sein durch den Grad der Festigk^t des Untergrundes, some von der Masse und der ScbneUigkeit der Bewegung des erodirenden Mediums. Dementsprechend sehen wir auch in dem Maasse,. wie die Gletscher sich vergrössem, ihre erodirende Kraft zu- nehmen. Da, wo sie alle ihre Zuflüsse gesammelt, am Austritte aus dem Gebirge, wirken sie am energ^schten, diese kräftige Aktion hält eine Strecke weit auf dem alpinen Vorlande an, erschlafit dann da, wo der Gletscher sich seinem Ende nähert, an Mächtigkeit schnell verliert und sdne Bew^pmg verlang- samt Es erhellt hieraus schon zur Genüge, dass die Gletscher sich andere Betten erzeugen werden als das rinnende Wasser. Aber ein Gletscher ist kein solches permanentes Grebilde wie ein Strom. EineVergletecherung igt ein rascb vorübergehendes klimata- logisches Phänomen, und indem sie sich ausbreitet und wieder zurückzieht, verlegen sich fortwährend die Stellen, wo sie erodirt und anhäuft Beim Anwachsen werden die Erosionsgebiete sich über die Anhäufungebezirke ausdehnen, und das Umgekehrte wird beim Rückzuge stattfinden, und beide Vorgänge werden die ohnehin schon an und iür sich unr^elmässigen erodirenden und anhäufenden Wirkungen einer Vergletscherung noch mehr kompliciren.

Nachdem uns die Zusammensetzung und Entstehung der Grundmoräne bereits gelehrt hatte, dasa die Gletscher wirklieb erodireu, hat uns die Menge des während der Glacialzeit ver- frachteten Materialee einen Einblick in Jie Grösse der Gletscher- erosion gegeben. Die Verfolgung der unteren Glacialschotter, was bisher noch nie unternommen, zeigt uns, in welcher Weise sich diese Erosion entfaltet hat Thatsachen sind es, welche uns lehren, dass die Gletscher in einer ihnen eigenthümlichen Weise die Thalbildung fördern, und uns nicht dem Ausspruche von Rütimeyer') zustinunen lassen: „Mit Vei^Ietscherung wird Thalbildung stille gestellt Gletecherperioden sind Ruhepausen, man möchte fast sagen. Puppenzustände in der Geschichte der Thaler." So ist es nicht Gletscherperioden sind störende £iu-

■) Tbal- und Seebildung. 1869. p. 24.

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Kap.XXIV. Veifindenmgen im Relief Sßdbayen!Bu.NordtJroUete. 343

grilTe in die Entnickelimg der Thäler. Sie verletzea deren regel- mässiges Gefalle, weil sie in anderer Weise erodiren als dieesen- dee Wasser. So beginnt allerdings nach jeder Vergletsdierung die Thalbildung des rinnenden Wassers gleichsam wie nach ^er Ruhepause von Neuem, um zunächst die geschaffenen Ungleich- heiten wieder auszugleichen. Es erodirt die von den Grletscbem angehäuften Materialien, es füllt die von denselben geschaffenen YertieAingen aus.

Dreimal, sahen wir, ist unser Gebiet vergletschert gewesen. Dreimal entfalteten daher die Gletscher ihre erodirende und an- häufende Thätigkeit, dreimal brachten sie Unordnung in das regel- mässige GeJalle der Thäler, und dreimal griff nach ihrem Ver- schwinden das rinnende Wasser ihre Wirkungen an. Wir haben daher anzunehmen, dass die centralen Depressionen des Gletscher- gebietes nicht das Werk allein der letzten Vergletecberung sind, sondern drei verschiedene Vereisungen arbeiteten an ihrer Heraus- bildung, uud dreimal begann das rinnende Wasser ihre Zerstörung. In der That, konstatirten wir eben das jugendliche Alter der cen- tralen Depressionen, so drängen uns nun auch Beweise iiir deren hohes Älter auf.

Zunächst lehrt die Verbreitung der diluvialen Nagelfluh, die wir als Anschwemmung der ersten Vergletscherung deuteten, dass zur Zeit ihrer Bildung schon centrale Depressionen bestanden haben, sonst würden wir sie hie und da in die Alp^itbäler fort- setzen sehen. Femer aber finden sich im Bereiche der centralen Depression ab und zu sdir alte Anschwemmungen, welche tiefer li^en als die alten Anschwemmungen des Gebirges und der Hoch- ebene. GOmbel^) hat ein solches Vorkommniss berdts erwähnt „Nur im Innthale dringt das Diluvialgeröll ganz in der Zusammen- setzung des Hochebenengerölls bis tief in das Gebirge hinein, und in gleicher Weise wiederholt sich diese Erscheinung im Salzach- thale Dort ragen am Biberberge bei Fliuzbach in festen Ge- rüllmassen die Diluvialgebilde weit südwärts ins Innthol hinauf." Das auf der Karte angegebene Niveau dieser Ablagerung lässt keinen Zweifel darüber, dass sie weit tiefer liegt als die Geröll-

') Alpengebirge, p. 800.

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344 lU. Abschnitt Die Bildung der oberbayerischen Seen.

maaeen der Hochebene und des Gebildes. Bemerkenswerth int nun, dass diese Ablagerung eine beträchtliche Neigung nach Nor- den erkennen lässt, eo wie sie eineni Delta etgenthümlich ist, waBGflUBELwenigBteuBTOn dem dem Biberberge analogen Salzburger Vorkommnisse ausdrücklich erwähnt Zweifelloe hat man es mit önem alten Delta an einem nicht mehr existirenden Seebecken zu thun; der Umstand, dass über Abla^ning Grundmoränen auf- tretcD, welche Geschiebe des konglomeratisch verfestigten Gc- rfills enthalten, bewest, dass man es hier mit einer in Bezug zur letzten Vergletecherung präglacialen Bildung zu thun hat. Die- selbe lehrt uns, daaa hier im Bereiche der centralen Depression des Inngletschers schon vor der letzten Vei^letacherung an Wasser- becken existirte. Da wir nun uns zu behaupten berechtigt fühlen, dass die Ausbildung der centralen Depressionen schon zur ersten Vei^letschenmg begann, so haben wir hier eine intergUciale Ab- lagerung vor uns, deren hoher Grad von Verfestigung uns muth- maassen lässt, dass sie schon während der ersten Interglacialzeit entstand. Wir fassen daher das Biberkonglomerat als ein Aequi- valentder Brecden des Innthales, der Schieferkohlen des Algäu auf. Ganz dieselben Verhältnisse wiederholen sich, wie schon GüMBEL hervorhebt, in der centralen Depression des Salzach- gletschers bei Salzburg.

Auch einen weiteren Funkt möchte ich für das hohe Alter der centralen Depressionen geltend machen. Die nach denselben von ihrer äusseren Umwallung sich radial ziehenden Thäler sind schon durch die allgemeine Bodenkonfiguration angedeutet; sie scheinen mir die Spuren einer alten, in Beziehung zur letzten Vergletscherung präglacialen Dränirung zu sein.

Auf der einen Seite sehen wir die centralen Depressionen während der letzten Vergletecherung entstehen, auf der andern erkennen wir, dass sie schon früher ezistirten. Dieser Umstand wird uns zur schönen Beetätigung der Annahme mehrerer Ver- gletscherungen. Unsere Ansicht über die Wiederholung der Ver- eisungen findet hier in unerwarteter Weise eine neue Stütze, und diese wiederum befestigt uns in unseren Anschauungen über das Wesen der Gletscherert^ion.

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Kaptel XXV. Die Seen Büdbayeras und Nordtirols. 345 Kapitel XXV.

Die Seen Südbayems und ITordtirols.

Seenreichthum alter Gletschergebiple. Bescbräukniig der Büdbayerischeu Üeen auf daa MoräoeDgebiet. LOsdeckb über MtnAneneeen. EintheiluDg der Seea. Seen in gänzlicher oder theilweiHer Abbängi^eit vom geologischen Bau der G^end: ErodonB- und Abdämm ongmeen. Beea in Abhängigkeit vom geolo- Ipschen Ban der Umgebung: Umirailnngs-, Einstun- und tektoninbe Seen- Ver- hältnira des rionenden Wassen lur Seebildung. Gmpptrung der Seen des Gebietes. Seen in den Alpen, am Fuwe des Oebirgea, auf der Hoebebeue. Einstarasecn in den Alpen (Eibsee), AbdämmnngSBeen (Achen- und Plansee), Gebirgween. Groii« Seen am Fusie des Qebit^ea im Erosionsgebiele, die kleinen im Auhänfungsgebiete der alten Gletscher. Moränenseen. Seen- mangel in der ätuseren UoiänensoDe. Eromonsseen : Wurm- und Ammersee, alte Seen bei WolGrathsbausen. Aller dieser Seen. Mumauer Uooa, Kochel-, Staffel- und ^egsee. Absperrung dnrdi den MoIasBerücken. Walchensee. Unterbredinng der Seen im Isargebiete. Vnregelmla^ge Vertheilung der Se^ des Gebietes. Erlöschen der Seen. Periodlcität der grossen Seen,

Alle alten GlAschergebiete aind durch groseen Seenreichthuni BUBgezeichnet. Rausay^) ist der Erst« gewesen, welcher diese Thatsache erkannte, und kürzlich hat B. Li^DECK&*) dieselbe in einer besonderen Schrift von Neuem darzulegen versucht Es kann demnach kein Zweifel darüber herrschen, daas irgend welche ur- sächliche Beziehung zwischen der Ausbreitung der Gletscher und Entstehung der Seen besteht Es rechtfertigt sich daher, den Seen des Glet6chei|;ebietes einen besonderen Abschnitt zu widmen.

In seiner rühmlichen Abhandlung über „die bayerischen Seen und die alten Moränen" hat F. Stark*) bereits das sehr auffällige Zusammenfallen der Seen Südbayems mit dem dortigen alten Gletschergebiete hervorgehoben. Er sagt: „Nii^ends liegt «n See ausserhalb der ehemaligen Gletschergrenze, ja ausserhalb derselben ist nicht der kleinste Teich zu finden, der nicht durch Menschen- hand gebildet worden wäre, während innerhalb derselben zahlreiche

') On tiie Glacial Origin of certün Lakes in Switzerlaud. Quart. Jonm. geol. Soc. London. XVni. 1862. p. 185.

*) Ueber Moränenseen. Ein Beitrag zur allgemeinen Erdkunde. Inauguraldissertation. Halle 1881.

•) Zeitschrift des Deutsdien Alpenvereins. Bd. IV. 1873. p. 72,

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316 III- Atwchnitt. lAe Bildung der oberbajeiiscbai Seen.

Seen und -grössore und kJäoere Teiche ougetrofieD werden." Ich kann dieses ErgebnisB nur vollauf bestätigen, und möchte ee «Dgar noch dahin erweitern, dass man nirgends ausserhalb des alten GleUchergebietes die Andeutung eines nuiunehr erloschenen, d. h. trocken gelegten Bees findet Ich muas dieses um so nachdrücklicher betonen, als ich während meiner Untersuchungen für das kgl. Ober- bei^amt in München, die mich ganz Bajem südlich der Dooau kennen lehrten, nirgends in dem Ausser^etschei^biete die Spur eines Sees entdeckte. ÄllaxlingB sieht man sowol im alt«n Gletscbergebiete als auch ausserhalb desselboi grosse Moore. Allein wenn man die- selben auch im Moränenbereiche als erloschene Seen ansehen darf, so ist es nicht gestattet, dasselbe von den übrigen Mooren der Hochebene zu behaupten. Diese letzteren ?ind sammt und son- ders Thalmoore, sie werden bedingt durch einen ausserordentlich hohen Grundwasserstand; die Seen des Gletschei^bietee hing^en sind durchweg Hochmoore. Sie liegen nicht in Thaläächen, son- dern in abgeschlossenen Becken, und danken*einer Ansammlung der oberflächlichen Gewässer ihre Entstehung. Sendtheb') hat diese Unterscheidung der Moore auch in botanischer Hinsicht durchgeiuhrL

Ist nun auch in räumlicher Beziehung zwischen der See- verbreitung und der Ausdehnung der alten Gletscher leicht eine Abhängigkeit zu erkennen, so darf doch nicht ohne Weiteres an- genommen werden, dass diese Beziehung durchwegs dieselben Ur- sachen habe, sonst verlallt man in denselben Fehler, wie neuer- lich R. Lüddecke, welcher als Moränenseen die verschieden- artigsten Gebilde zusammenfasst , ohne auch im entferntesten den Beweis ihrer Zusammengehörigkeit zu erbringen. Zweifel- los ist durch die ungleiche Anhäufimg von Gletschermaterial ein wesentlicher Faktor zur Seebildung gegeben, aber schon ein Blick in die von LCddecke trotz des Mangels eigener Anschauung durchaus nicht ausgiebig benutzte Literatur lehrt, dass z. B. die Seen Skandinaviens, Finnlands und Canadas, welche LI^decke als Moränenseen bezeichnet^ gar nicht solche sind. Lüddecke stellt seine Ansicht in G^ensatz zu der von Rambay geäusserten See-

') Die VegeUtions -Verhältnisse Südbayems. 1854. p. 617.

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Kajätel XXV. Die Seen Södbayerns und Nordtiroli. 347

bildungetheorie. Er schreibt: „Schon Bahsay^) hat auf den engen ursächlichen Zusammenhang zwischen Gletschern und Seen in allen Gletschergebieten, .gegennärügen wie vorzeitlichen, hin- gewiesen; er erklärt diese ErBcheinung so, dass er den Glet«cheni eine aushobelnde Kraft beilegte, vermöge deren sie Seebecken schufen." Ich kann an der von LCddecke citlrten Stelle zunächst nicht die angeführte Arbeit Rahsay's finden. Raksay hat im Quart Journal Bd. VIII zwar eine kleine Skizze der Driftabla^ gerungen in Nord-Wales gegeben, in welcher ausgesprochen wird, daes manche Seen durch Moränen abgedämmt sind, aber von einer Auehobelung der Seebecken durch Gletscher ist nirgends die Bede. In der von LCddecke cldrten Arbeit Rambay's, welche einen Theil von Ball's Werke: Peaks, Passes and Glaciera bildet, und von Dollfcs- AuBSET in den „Mat^riaux pour Itustorie dee glaciera etc., Bd. IIL abgedruckt ist, schreibt hingegen Rahsay doi Gletschern zwar aus- höhlende Wirkungen zu, aber von einem „engen ursächlichen Zu- sammenhang zwischen Gletschern und Seen in allen Gletscber- gebieten" wird keine Silbe gesagt. Diesen Gedanken spricht Rambay wieder an einer diitt«n Stelle') aus, nirgends aber in seinen zahl- reichen Publikationen hält er die Seen der Gletschergebiete für Ge- bilde derselben Art, vielmehr hat er stets betont, daas es neben den durch Glacialerosion entstandenen auch andere gebe, und ich muss der LCDDECXB'schen Behauptung, dass Raksay solches thue, hier ebenso energisch widersprechen, wie oben der Aeusserung Heiu's, dass Ramsay ein Anhänger der TvNDALL'scben Theorie sei.

Ehe wir die Beziehungen zwischen Gletscherverbreitung und Seebilduog erörtern, haben wir zu untersuchen, welcher Art die Seen unseres Gletschei^bietes sind. Es gilt dabei von Fall zu Fall zu entscheiden, welches Phänomen die Seen erzeugt«. .Unsere Aufgabe besteht daher nicht in Betrachtung der Landkarte, welche bisher die einzige Basis der vergleichenden Erdkunde gewesen zu sein scheint, sondern hat von einer natürlichen Syste- matik der Seen auszugehen und diese auf unsere Seen anzuwenden.

') „Bamsay : The Old Glaciera of North Wales im Quarterly Journal of the Geological Society of London; vol. VIII." {Citat von Lüddecke.)

*) On the Oladal Origin of certain Lakea in Switzerland. Quart. Joum. geolog. Soc. VoL XVIII. 1862. p. 185.

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348 III- Abechnitt. Die Bildnng der oberbayerischen Seen.

Bei einer natürlichen Eintbeilung der 8een bat es keine Tragweite, groases Gtewicht auf den Charakter ihres Wagser- inhaltee zu legen. Derselbe bildet .ein schwankendes Moment, ßüasvasserseen salzen eich aus, Salzwaseereeen verlieren ihren Salzgehalt. Das Stabile an den Seen ist der Umstand, daas sie allseitig umgrenzte Depressionen der Erdoberfläche sind, und will man die Entwickelung des stehenden Wassers auf der Erdoberfläche verfolgen, so muss man vor allem die Art der Depression ins Äuge fassen. Dieselbe kann nämlich ent- weder gänzlich ausser Beziehung zum geologischen Bau ihrer Um- gebung stehen, sie kann femer eine tbeilweise Abhängigkeit von demselben erkennen lassen, oder endlich gänzlich durch denselben bedingt sein. Nach diesem Gesichtspunkte kann man versuchen die Seen zu gruppiren.

Gänzliche Unabhängigkei t vom geologischen Bau der Ge- gend können nur solche beckeniormige Vertiefungen aufweisen, welche sich entweder in horizontale oder geneigte Straten einsenken, ohne doch von denselben unmittelbar beeintlusst zu werden, welche also durch irgend welchen Vorgang ausgehöhlt worden sind. Man kann diese Seen als Erosionsaeen bezeichnen. Sie sind Analoga zu den Erosionstbälem, und es wird zu zeigen versucht werden, dass sie grösstentlieils die eigen tbümlichen charakteristischen Pro- dukte der Gletschererosion sind, während fliessendes Wasser nur da, wo es sehr strömt, oder auiprallt, wie bei Wasserfallen, rings abgeschlossene Becken erzeugen kann, welche doch immer klein und unbedeutend sind und kaum je einen See beherbergen.

In theilweiser Abhängigkeit vom geologischen Baue ihrer Umgebung stehen jene Seen, welche durch Abdämmung eines Thalee oder eines Meerbusens entstehen. Ihre Bildung setzt immer die Existenz früherer Unebenheiten voraus, welche durch nachträgliche Ereignisse in eine Depression verwandelt worden sind. Je nach der Art dieses Ereignisses können die so entstan- denen Depressionen eingetheilt werden. Dasselbe kann entweder in einer Anhäufung von Material oder in einer Bewegung des Bodens bestehen. Ein Fluss kann durch seine eigenen An- schwemmungen ein Seitenthal abdämmen (Achensee), oder umge- kehrt kann ein S^tenthal durch die ihm entquellenden Schutt-

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Kapitel XXV. Die Seen Südbayerns und Nordtirola. 340

maesen ein Haupttbal aufdämmeo. ') Ein Strandwall kann einen Meeresarm abtrennen und in einen Binneneee verTrandeln (Küetea- seen), dasselbe können auch Dünen bewirken. Ein Gletscher kann ein Thal absperren und in einen See verwandeln (Mär- jelensee, Gletscher- oder Eiaseen), oder er kamt durch Anhäufung eines Moränenwalles einen Thabiegel erzeugen. Ein Lavastrom kann änen Thalzipfel in einen See umgestalten, und wie Schuttkegel, Muhrbrüche und Bergstürze zu aeedämmenden Thalriegeln werden, können auch windbewegte Massen ein Thal in eine £ette Seen zerlegen (RosenkranzaeenA.v.HuMBOUJT's.)*) Alle so entstan- dene Seen könnte man mit Peschel ") „SoNKLAR'sehe Seen" nennen, wenn es sich nicht empfehlen würde, an Stelle dieser wenig glücklichen Bezeichnung den Ausdruck Abdämmungeseen anzu- wenden.

Schliesslich ist es denkbar, dass bereits vorhandene Un- ebenheiten durch Bodenbewegungen in Depressionen verwan- delt werden. Eine plötzliche Niveau Veränderung kann einen Damm quer durch ein Thal werfen, oder im Laufe langsamer Oscillationen kann der obere Theil eines Thaies sich unter den unteren senken, und sich dadurch in eine Depression umgestalten. Dass die meisten. Seen auf diese Weise entstanden, wird häufig behauptet. Es dürfte jedoch wünschenswerth sein, dies durch einige zweifellose Beispiele zu belegen; ich vermag keine solchen beizubringen,

Seen können endlich drittens in unmittelbarem Zusammen- hang mit dem geologischen Bau ihrer Umgebung stehen und durch denselben bedingt worden sein, Ihre Existenz kann hier eine primäre oder sekundäre sein. Im erstereu Falle können sie z. B. durch die unregelmässige Anhäufung von Sedimenten entstanden sein; Wassermengen können sich zwischen unr^^mäasigangehäuf^Flussanschwemmungensammeln (manche Seen in Deltas), oder können durch wirr abgelagerte Moräneu- massen eingedämmt werden (Moränenseen). Derartige Seen

') Vergt p. 163.

^ Centralasien. Bd. I. S. 515. Citirt in Peschel : Neue Probleme. 1878. p. X73.

") Neue Probleme. 1876. p. 178.

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350 III- Abschnitt. Die Bildung der oberbaferiscben Seen.

stehen den Abdämmungsseen sehr nahe, allein ihre Existent beruht lediglich auf der unregelmäseigeD Anhäufung von Sedi- menten und Betzt nicht vorher gegebene Bodenunebenheiten TorauB. Man könnte solche Seen Urawallungeseen nennen.

Als unmittelbar abhängig vom geologischen Bau der G^end, jedoch als sekundären TTrsprunge haben auch die Einsturz- Seen aller Art an dieser Stelle Erwähnung zu finden. Hierher gehören die Eisaturzseen der bayerischen Alpen (Eibeee), sowie auch die Kraterseen und in gewisser Hineicht auch die Marc, Seen, Trelche auf thonigem Boden entstehen (zahlreiche Teiche in Fran- ken, Wasserbecken in tropischen Zonen), werden hier wo) am passendsten untergebracht In ihrer Erscheinungsweise erinnern die Eineturzseen häufig an Erosionsseen und dürfen bisweilen von denselben schwer zu unterscheiden sein.

Vor allem möchte aber hier der Depressionen gedacht wer- den, welche durch ungleiche Bewegung des Bodens entstehen und insbesondere bei der Faltung der Gebii^ gebildet werden. Der trasimenische See und mehrere andere mittel italienische Becken dürften vielleicht solchen Umständen ihre Existenz danken, möglicherweise auch der Titicaca See zwischen den beiden Andenketten. Dagegen dürfte die Existenz von Spalten- seen und Verwerfungsseen, welche bisher mit grosser Vor- liebe überall angenommen wurden, einstweilen noch zu be- weisen sein, ichkennekeine einzige Wasseransammlung, welche direkt durch Dislokationen bedingt ist, und weiss auch unter den heutigen Phänomenen kein einziges Beispiel einer klaffenden Spalte, irgend einer Zerreissung der Erdkruste. Die vielen Fälle, welche in dieser Weise erklärt werden, lassen durchwegs eine andere Deutung zu.

Einer ungleichen Bewegung der Erdkruste sind schliesslich wol auch jene ausgedehnten Depressionen zu danken, welche sich am Boden der Oceane finden. Denkt man sich den Meeres- grund allmählich, aber gleichmässig gehoben, so werden diese Depressionen in Binnengewässer verwandelt werden uod als Seen erscheinen. Sollten die grossen Seen des äquatorialen Afrika, jene lebenden Pendants zu den tertiären Binnenmeeren Europas, viel- leicht Unebenheiten eines früheren Meeresgrundes sein? Seen,

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Eftpit«! XXV. Die Seen Sadb&feraB und Nordtirols. 351

welche Bolchergestalt der Bewegung des Bodens ihren Ursprung danken, könnt« man als tektonische bez^chnen.

Indem Ich diesen Versuch einer natürlichen Gruppirung der Binnenseen beschliesse, roSchte ich nicht unterlassen, darauf hinzu- weisen, dasB rinnendes Waaser unmittelbar fast nie Seen erzeugt, sondern der Seenbildung vielmehr überall ent- gegenarbeitet. Thäler, in welchen Wasser strömt, lassen sieb nicht dauernd, sondern nur temporär absperren, und im Allgemeinen werden Bodenbewegungen nur dort Depressionen erzeugen können, wo sie an Intensität die Wirkungen des fliessenden Waaaers über- treffen. Bo sehen wir in unserem Klima nirgends Depressionen durch Bodenbewegung entstehen, in Europa ist die Niederschlags- menge zu gross; wo dag^en die jährliche Begenmenge nur eine geringe ist, wo daher die erodirende Thatigkeit des Wassers sich nicht entfalten kann, b^;egnen wir grossen Depressionen verbunden mit Beebildung. Centralasien ist hierfür ein glänzendes Beispiel. Das Herz des Kontinentes birgt weit ausgedehnte isolirte Sen- kungen, weil das Wasser nicht der Bewegung des Festen ent- gegenarbeitete. Wir sehen endlich, wie unter einer Decke stehenden Wassers die Bewegungen der Erdkruste auch zur Beckenbildung führen, davon unterrichten uns die Tiefenstellen der Oceane; und submarine Thäler, wie Buchten und Baien, sind leicht einer Um- wandlung in Depressionen ausgesetzt, weil in ihnen keine belebte Wasserader an der Fortschaflung sich auf werfender Barren arbeitet. Die Seen- und Beckenbüdudg ist wesentlich abhängig von der Gegenwart oder Abwesenheit des fliessenden Wassers, nnd die Seen werden, wie Peschel mehr fühlte als durch Thatsachen bewies, zu ^nem klimatologlschen Phänomen.

Unser Gebiet ist reichlich mit Seen ausgestattet. Allein schon ein Blick auf eine Spedalkarte lehrt die ungleiche Bedeutung dieser einzelnen Seen kennen. Neben dnigen sehr grossen Seen finden sich zahlreiche kleinere, oft nur Weiher oder Teiche, oder gar nur Tümpel, welche gemeinhin w^^ ihrer Kleinhdt auf den gewöhn- lichen Karten fehlen. Weiter lehrt die Karte, dass diese Seen . höchst ungleich vertheilt sind. Im Gebirge fehlen sie im Allge- meine, hier und da nur kommen kleine, unbedeutende Wasser- ansammlungen vor, bloss drei grössere Seen Hegen in den nord-

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352 III- AbBchnitt Die Bildung der oberbayeriacben Seen.

tiroler und bayerischen Kalkalpen; es sind dies der Achen-, Plan- uud Eibsee, deren schon gedacht worden ist. D^i Centralalpen fehlen grössere WaBseransammlungen durchweg. Erst dicht am Rande des Gebirges stellen sich reichlich grAsaere Seen ein. Der Ausgang einer Reihe von Alpenthälem ist charakterisirt durch Seen. So liegen der Schliersee, Tegemsee, Eochelsee und Walchen- see in grossen Thalzügen, welche die Kalkalpen durohsetzen, dicht am Rande desQebh^ges, erstrecken sich sogar ein Stück aus dem. selben heraus, und ausgedehute Moorflächen bei Rosenheim, Mur- nau und Füssen sind die unbestreitbaren Reste von Seen, welche sich einst am Ausgange des Inu-, Loisach- und Isarthales oft weit in die Hochebene hinaus erstreckten. Zwei grosse Seen li^en femer auf dem nordalpinen Vorlande, weit vom Gebirge entfernt; es sind dies der Ammer- und Würmsee, zwischen beiden vermitteln jedoch je zwei kleinere Seen, der Staffel- und Ostersee, eine Ver- bindung mit zwei Randseen der Alpen, nämlich dem erloBchenen Murnauer See und dem Eochelsee. Eine Reihe von Erscheinungen deutet schliesslich darauf, dass östlich des Würmsees einst zwei ziemlich grosse parallele Seen bestanden haben, welche durch die Isar miteinander verbunden und trocken gelegt worden sind. Nörd- lich von jenen grossen Seen, welche sich aus den Aipenthälem heraus bis auf die Hochebene erstrecken, findet sich nun eine Zone, welche ausgestattet ist mit einer ganz erstaunlichen Fülle kleiner Wasserbecken, welche voller Weiher, Teiche und Tümpel ist Die in den zwanziger Jahren 'aufgenommenen Blätter der topographischen Karte Bayerns verzeichnen eine mehr, als heute existiren, dieselben sind in 50— GO Jahren erloschen, und zwar meist durch künstliche Entwässerung trocken gei^;t Dieser Umstand lehrt, dass jene kleinen Seen seicht sind, während die grossen sich durch eine stattliche Tiefe auszeichnen.

Die drei grösseren Wasseransammlungen des Gebirges haben wir bereit« betrachtet Wir haben erkannt, dass der Acben- und Plansee in ursächlicher Beziehung zur Eiszeit stehen. Sie sind durch Glacialschotter abgedämmte Thäler, also Abdämmungsseen. Den Eibsee hingegen vermochten wir nur als Einstuwsee zu deuten, gleich den sieben kleinen Seen des Fernpasses. Ich hin geneigt, ein Gleiches von vielen jener kleinen Seen anzunehmen, welche im

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Kapit«! XXV. Die Seen SüdbayernH und Nordtitok 353

Gebiete des Hauptdolomitee auftreten uod sich häufig hoch oben am Thalgehänge finden. VielieJcUt gilt dasselbe auch vom Spitzing- aee. Andere kleine Seen und Tümpel des Grebirges sind durch 8chuttkegel aufgestaut, andere wieder durch FIuBsanschwemmungen abgesperrt (vergl. pi^. 163). Es lässt sich wol von allen diesen kleinen Waaaeran Sammlungen behaupten, dass sie ausser Beziehung zur Vergletscherung stehen und nur untergeordnete posl^ladale Dependeozen des Gebirges sind. Sie t^ind die Folge der durch die grellen Höhenunterschiede bedingten Entfaltung lokaler Er^gnisse, reine Kinder des Gebirges. Es bleiben nun noch die Seen am Rande des Gebildes und auf der Hochebene. Ueberblickt man dieselben nach ihrer geographischen Entwickelung, so gewahrt man sofort, dass die grossen und kldnen Seen zusammengehörige Komplexe bilden, und zwar feilen die grossen Seen in das Bereich der cen- tralen Depressionen, die kleinen hingegen in die Grenzen der unver- letzten Moränenlandschait. Schon diese rein geographische Be- ziehung lässt einen genetischen Zusammenhang muthmaassen. Im Bereiche der centralen Depression erodirte der Gletscher, seine eigenartige erodirende Fähigkeit bewirkt eine Beckenbildung; die Seen nun sind wassererfüllte Becken, es liegt nahe, dass dieselben ein Werk der Gletschererosion sind. lu der Zone der Moränen- landschaft häuft der Gletscher in unregelmässigster Weise Material an, er gibt dadurch 'Gelegenheit zur Becken- und Seebildung. Es ist daher höchst wahrscheinlich, dass jene kleinen Seen durch Mo- ränen aufgestaut sind, dass sie Moränenseen sind.

Die Eigenschaften der grosaen und kleinen Seen bestätigen in vollkommener Weise die Beziehungen, welche ihre geogra- phische Lage erkennen lässt

Man braucht nur die Zone der unverletzteo Moränenland- schaft zu durchwandern, um einzusehen, dass die kleinen Seen derselben durch die unregelmässige Anhäufung des Gletscher- materiales bedingt sind. Man findet häutig zwischen den Moränen- wällen kleine Wasseransammlungen, die bald als See, bald als Teich bezeichnet werden; nicht minder häufig sind kleine Moose und Filze, aug^scheinlich alte erloschene Seen. Bingsum sieht man nichts als Moräneumaterial. Es gehört eben zu den bezeichnendsten Zügen der Moränenlandschaft, dass sie voller

Penck, Ue VorglelMhaning, ' 23

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354 in. Abschnitt Die Bildung der oberbayeriBcheii Seen.

Seeu ist. Aber alle diese Seen siDd klein und seicht; wie erwähnt, siad in den letzten 60 Jahren bereite mehrere erloBchen, und die zahlreichen Moore bekunden ihre frühere gröBsere Entwickelung. Sie sind rasch vergängliche Phänomene, wie denn überhaupt die UnregelmäsBigkeiten der Moränenlandschaft fortwährend den ero- direnden Wirkungen des Wasaera ausgesetzt sind, und binnen, geologisch gesprochen, nicht allzulanger Zeit ausgeglichen seis werden. Dann werden auch die kleinen Seen verschwunden sein.

Eine d^ auifallendsten Eigenthumlichkeiten der äusseisten Moränenzone ist der Umstand, dass sie völlig &ei von Seen ist. Also nicht das ganze Gletschergebiet ist durch Seenreichthum ausgezeichnet So weit sind die orographiecben Züge der äueserst«D Moränen verwischt, dass man in ihnen nicht einmal mehr Moose imd Filze antrifft. Nur ein Einziges macht hiervon eine Aus- nahme. Es ist das Haspelmoor zwischen München und Augsburg, welches sich als ein einsamer Ueberrest des unregelmässigeu Moränengebietes der zweiten Veigletscherung erhalten hat. Dieser Umstand ist ein neuer Beweis liir das hohe Alter der äussersten Moränenvorposten, femer aber bestätigt er, dass das Seenphänomen auch nur an vorübergehendes in der Geschichte der Alpen ist.

Nicht minder evident aber als die Abhängigkeit der kleinen Seen von der Yergletscherung ist die der grossen. Wie dieersteren den anhäufenden Wirkungen des Eises ihren Ursprung verdanken, 80 sind die letzteren durch dessen Erosion bedingt Es lässt sich nämlich nachweisen, dass sie echte Erosionsseen sind, und dass sie erst während der letzten Vergletscherung erodirt worden sind. Sie fallen ihrer Lage nach räumlich, ihrer Entstehung nach zeitlich zusammen mit der Entwickelung der Glet- scher und darauf hin dürfte nicht zu zwei&lu sein, dass sie durch dieselben geschaffen wurden.

Ungemein leicht ist zu erkennen, dses die beiden grossen Seen der Hochebene Erosionsseen sind. Unter den Moränen des alten Isargletac^ere, in dessen Bereich jene Seen fallen, findet sich die Decke der diluvialen Nagelfluh, und unter dieser wieder lagert das Tertiär. Alle diese Formatianen lagern völlig ungestört, was sich namentlich leicht von der diluvialen Nagelfluh erweisen lässt, deren Bänke sanft in nördlicher Richtung einfallen. Ammer- und

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Kapitel XXV. Die Seea SOdbaj^ems und Nordtirob. 355

Wärmsee sind nun in dieses Schichtensyatem angeaeukt« Ver- tiefuDgeD.

Der Würmsee (Starnbei^er See) fallt nur theiliveise in das Bereich der diluvialen K'agelfluh. Nur seine nördliche Hälfte ist in die Decke derselben eingesenkt Sie streicht hier an seinen Ufern aus, meist jedoch unter so mächtiger Moränenbedeckuug, dass sie nur lokal wahrzunehmen ist Nahe dem Nordende des Sees tritt sie jedoch bei Stamberg zusammenhängend zu Tage, die Wärm durchbricht sie in einem durch Schotter theil- weise erfullt«n Thale. Die Schwelle des Seeabflussee wird aber von Tertiärmei^l gebildet Der See senkt sich also durch die diluviale Nagelfluh, welche an seinen Ufern in ungestörter Leerung auftritt, bis tief in die tertiäre Unterlage. Er steht somit ausser Beziehung zum geologischen Baue der Gegend; er ist ein Ero- sionssee, was schon von DssoR geäussert worden ist.

Der Spi^el des Ammersees liegt etwas tiefer als der des Würmsees. Die diluviale Nagelfluh streicht über ihm aus, seine Ufer fallen in das Niveau des Tertiärs, welches allerdings meist unter Moränen verhallt ist Der Seeabfluss, die Ammer, schneidet nun bei Fürstenfeldbruck in das Tertiär ein, in einem Niveau, welches hoch über dem Seegnmde liegt. Der See ist also eiue tief in das Tertiär eingesenkte Vertiefting, welche keinerlei Abhängig- keit von dem geologischen Baue der Gegend erkennen lässt Auch er ist ein Erosionssee.

Auch die beiden alten Seebecken, welche in der Gegend öst- lich vomWfinnsee existirt haben, sind Erosionsseen gewesen. Die Spuren derselben sind ziemlich verwischt und können nur auf sehr genauen Karten verfolgt werden. Der eine derselben erstreckte sich von Eurasbui^ über Wol&athshausen nach Schäftlam, und witfde durch das heutige Isarthal entwässert, der andere von Kö- nigsdorf über Ascholding bis Deining, und wurde durch das Gleissenthal dränirt Beide Seen sind erloschen, vermutfalich aus- geftillt durch die Isar, welche heut« in jenem Gebiete mächtig Schotter anhäuft und gleichsam eine Au&tauung der Loisach be- wirkt (vergl. pag, 164). Auch diese Becken sind eingesenkt in die Decke der diluvialen Nagelfluh, das westliche durchweg sogar bis ins Tertiär; sein Abflues durchschneidet eine. Tertiärbarre,

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356 III- Abscbuitt. Die Bildung der oberbayerischeD Seen.

während der erloschene des östlichen sich nur bis in die Decke der diluvialen Jiagelfiuh eingrub und diu Gleiasenthal erodirte.

Es erhellt aus diesen Angaben wol zur Genüge, dass die grossen Seen der Hochebene ErosioDSseen sind. Sie waren noch nicht vorhanden, als die Decke der diluvialen Nagelfluh abgelagert wurde, sonst wären sie durch das Material derselben auagefüUj; worden und würden nicht in dieselbe einschneiden. Auch ist nicht etwa denkbar, daes sie die Betten jener Gletscher waren, deren Schmelzwasser die diluviale Nagelfluh absetzten, sodass sie während der Ablagerung dieser letzteren koneervirt wurden. Einerseits ist diese letztere an den Ufern der Seen völlig Irei von gekritzten Geschieben, die unter obiger Annahme zu erwarten wären, und sie erweist sich als rein torentielles Gebilde. Andrerseits aber senkt sidi dieDecke der Nagelflub an den Seeufem um 100m, was mit obiger Voraussetzung ganz unvereinbar ist, und schliesslich ändert sich die Nagelfluh in Bezug auf ihre ZusammensetJiung längs der Seen. Auch dies spricht gegen die Annahme, dass sie von Was- sern abgelagert wurde, welche jenen die Seen erfüllenden Gletschern entströmten. Sind nun also die Seen zweifellos jünger als die ' Decke der diluvialen Nagelfluh, so sind sie doch bereits bei Schluss der letzten Vergletscherung fertig gewesen, Ihre Ufer sind mit Moränen überkleidet', ausgezeichnete Längsmoränen ziehen eich am Ammersee entlang, und dicht am Seeufer finden sich schräg geschichtete Kiese mit gekritzten Geschieben, als sicherster Beweis dafür, dass während des Abschmelzens der Vergletscherung schon Wasseransammlungen vorhanden waren. So lässt eich im All- gemeinen sagen, dass die Seen der Hochebene nach Ablagerung der diluvialen Nagelfluh und vor dem Schluss der letzten Ver- gletscheruug gebildet worden sein müssen.

Für den Wurm- und Ammersee lassen sieh nun die Grenzen ihres Alters noch enger ziehen. Oberhalb des letzteren, bei Weilheim, finden sich untere Glacialschotter, am See selbst fehlen sie, und treten unterhalb desselben wieder auf. Sie bilden hier eine sehr mächtige Ablagerung, welche sich 25 m über den Seespicg^ erhebt und von der Ammer nicht durchschnitten wird. Ganz dasselbe Verhältnise wiederholt sich am Würmsee. Oberhalb desselben liegen in der Gegend von Penzberg mächtige untere Glacialschotter, längs der

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Kapitel XXV, Die Seen ßadbayeros luid Nordürois. 357

Seeufer fehlen dieeelbeo, treten aber am unteren Seeende in 30 m Mächtigkeit an der Wurm wieder auf. Es ist hieraita zu ent- nehmen, dass vor der letzten Vei^Ietscherung an Stelle des Würm- und Äramersees zwar zwei Thäler exlstirten; aber die machtige Entwickelung der Schotter am unteren Seeende lässt keinen Zweifel darüber, dass zur Zeit ihrer Ablagerung keine Seen in jenen Thälem bestanden. Unterhalb derselben hätten aich nämlich nicht so mächtige Glacialscbotter anhäufen können. Unsere frü- heren Betrachtungen haben uns zur Erkenntniss geführt, dass die Bildung der unteren Glacialechotter erst mit der letzten Vei^let- scherung begann, und vor allem lässt sich aus der Zusammen- setzung der Glacialscbotter an beiden Seen mit Bestimmtheit ent- nehmen, dass sie erst abgelagert wurden, als die alpinen Gletscher bereits die Kalkalpen überschritten hatten. So waren denn sicher unmittelbar vor Eintritt der letzten Vergletseherung kein Ammer- udd Wurmaee vorhanden, sie sind jedoch nach derselben bereits fertig, können also nur während derselben entstanden sein.

Man möge nicht einwenden, dass die unteren Glacialscbotter am Abflüsse jener Seen sich erst gebildet hätten, nachdem der Oletscher den ganzen See auBgefiillt hatte. Unter dieser An- nahme müsste die ganze Ablagerung jene charakteristischen Züge aufweisen, welche die Glacialscbotter in der Nähe der Moränen besitzen, d. h. sie müssten ausi>erordentlich grosses Geröll ent- halten und voller gekritzter Geschiebe sein. Aber weder das eine noch das andere ist der Fall, Die Schotter bestehen in ihren unteren Partien aus völlig gerundeten Gerollen, welche auf einen langen Transport durch flieesendes Wasser deuten, dabei li^n sie aber hoch über den Seen und in unmittelbarster Nähe von derem unteren, vertorften Ende. Beide Phänomene lassen sich nur durch die Annahme erklären, dass einst da, wo die Seen sich heute ausdehnen, Schottermassen existirten.

Den Ostersee im Süden des Würmsees habe ich nicht be- sucht, kann also über seinen Charakter nichts sagen. Derselbe erscheint jedoch wie dn vom Würmaee losgelöstes Glied, und dürfte unter demselben Gesichtspunkte wie dieser letztere zu betrachten sein, Dag^en gewährte mir die Untersuchung der Umgebungen des Murnauer Mooses, des Kochel- und Staffelsees reich-

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358 III- Abacbnitt. Die Bilduog der oberbayerischea Seen.

liehen Aufschluas über den Charakter und das Alter dieser See- becken.

Im Süden desWürm- und Ämmereees finden eich die unteren Gladalechotter in höehat beträchtlicher Entwickelung. Dieselben lassen sich unter einer sehr massigen Bedeckung von Grund- moränen bis an den Fuss der Alpen verfolgen, wo an ihrer Sohle das früher erwähnte Kohlenflötz von Gross-WeÜ am Kochelsec auftritt Sie liegen völlig ungestört und lassen meist ein deutliches Einfallen nach Nord erkennen, ganz so we es entsprechend der Ansicht sein muss, dass die unteren Gl acial Schotter am FuBse der Alpen einst flache Schuttkegel gebildet haben. Ihr .Material trägt die deutlichen Spuren von langanhaltcnder Wasser Wirkung, Die einzelnen Gerolle sind wolgerundet und etark abgewaschen, schwach abgenutzte Rollsteine oder gekritite Geschiebe, welche auf einstige Nahe des Gletschers deuten würden, fehlen. In diese im Mittel über 50 m mächtige Ablagerung von Schottern sind nun der alte 'er- loschene Mumauer See, der Kochelsee, sowie vor allem der Stafielsee nebst dem kleinen benachbarten Riegsee eingesenkt An den Ufeni dieser Seen streichen die unteren Glacialschottcr in fast horizon- talen, nur schwach nach Nord geneigten Schichten aus, die Seen erscheinen in Bezug auf sie als Erosionsseen. Folgende An- gaben mögen dies näher begründen.

Wo das Loiaachthal aus dem Gebirge heraustritt, dehnt sich das weite Murnauer Moos aus. Dasselbe ist unzweifelhaft ein altes Seebecken. Dies bezeugen postglaciale Schotter mit Delta-Aufbau am Wege von Mumau nach Schweiganger, Nachdem die Loisach diesen erloschenen See durchströmt hat und den Mola^serücken erreicht, welcher denselben absperrt, wendet sie plötzlich die Rich- tung ihres Laufes und fliesst ostwärts an Jenem Rücken entlang in engem Thale dem Kochelsee zu. Sie legt hier bis zu einer Tiefe von 70 m das Material jener Erhebung bloss, welche sich zwischen Mumauer Moos und dem Kochelsee erstreckt. Dieselbe besteht, wie am Südufer des Flusses zu sehen, lediglich aus den unteren Glacialschottem, welche eowol gegen das Mumauer Moos, als auch gegen den Kochelsee scharf abschneiden und hoch über derem Niveau ausstreichen. Dies lässt sich nicht anders erklären, als dass die Ablagerung sich früher nach beiden See-

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Kapitel XXV. Die Seen Sfldbayema und Noidtirols, 359

becken zu weiter erstreckte. Vor allem ist zu beachten, dass weh unterhalb des Mumauer Mooses nie ein 50 m mächtiges S;st«m alpiner Schotter ablagern konnte zu einer Zeit, als das Becken schon existirte, denn dasselbe liegt gerade an der Stelle, welcher allein die Wasser, welche die Schotter ablagerten, den Alpen en^ strömen konnten. Ee müssen also einst an Stelle des Mumauer Mooses untere Glacialscbotter sich erstreckt haben. Dass dieselben dch auch au Stelle dee Kochelsees ausdehnten, erhellt deutlich aus ihrem Vorkommen am nordwestlichen Theile des Seebeckena. Sie treten hier an den Ufern desselben zwischen Gross -Weil und Sindeisdorf auf, und allenthalben streichen sie hier über dem See- spiegel aus. Sie erscheinen als das Residuum einer bedeutenden Ablagerung, welche im Seegebiete erodirt ist Alles dies fuhrt zu dem einen Ergebnisse: Das Auftreten, die Zusammen- setzung und die Lagerungsverhältnisse der mächtigen Schottermassen zwischen dem Murnauer Seebecken und dem von Kochel lassen sich nicht andere erklären als durch die Annahme, dass jene Schotter der Rest einer früher weit ausgedehnten Ablagerung sind, welche sich thfliaufwärts über das heutige Murnauer Moos, thal- abwärts über den jetzigen Kochelsee verbreitete. An Stelle jener Becken ist sie erodirt worden, erhalten blieb sie zwi- schen denselben, wo sie sich unter dem Schutz steil anstrebender Gehänge lagert, sowie lokal an derem Rande.

Nördlich vom Mumauer Moose und Kochelsee eriiebt sich ein Rücken von Molasse. Jenseits desselben liegt der Staffel - see und östlich von diesem der kleinere Riegsee. Zwischeu diesen beiden Seen, und zwar bis 50 m höher als sie, finden sich längs der Strasse von Mumau nach Spatzenhausen untere Glacialschotter, welche vollkommen horizontal lagern. Unweit des Bahohofes Mumau sind dieselben dicht an den Ufem des Staffelsees durch grosse Gruben aufgeschlossen. Ihre horizontalen Schichten strei- chen deutlichst an den Seegehängeu aus, und hierfür gibt es nur die eine Erklärung, nämlich die, dass die unteren Glacial- schotter sich auch über jene Seen erstreckten, und dieselben in sie später eingesenkt worden sind.

Aus allen diesen Angaben erhellt, dass das Mumauer Moos^

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360 III- Abechnitt, Die Bildung der oberbayeriBchen Seen.

der Kochel-, Staffel- und Riegaee jünger sind als die unteren Glacialechotter. Sie imterbrechen derea Ablageruagen augen- scheinlich. Sie waren also kurz vor Eintritt der letzten Ver- gletschening ah Seen noch nicht vorhanden. Dagegen waren sie gegen deren Schluae schon fertig; denn es werden jene Seebecken gleichsam austapezirt mit Grund moränen , welche diskordant den Ausstrich der unteren Glacialachott«r überdecken. Sie können daher nur während der letzten Vergletacherung entetauden sein.

Auch betreffs der beiden nun noch übrigen Randseen der Alpen in unserm Gebiete kann man zu keinem anderen Ergebnisse kommen. Zwar erscheinen der Tegern- und Schliersee nicht in so ausgezeichneter Weise als Unterbrechungen der unteren Gla- cialBchott«r wie' die eben betrachteten Seen, aber die Verhältnisi>e liegen doch klar genug da, um ein deutliches Bild gewähren zu können. Unterhalb beider Seen stellen sich nämlich mächtige Ablagerungen unterer Glacialscbotter ein, die sich als Terrassen weit an der Mangfall und Schlierach verfolgen lassen, und welche an der erstem dicht am Tegemsee in höherem Niveau als dessen Spiegel anstehen. Ea liegt also dasselbe Verhältniss vor, das wir bereit» am Ausflüsse des Wurm- und Ammersees kennen lernten, und welches ich mir hier wie da nicht anders als durch die Annahme erklären kann, dass während Ablagerung jener Schotter die Seen noch nicht vorhanden waren. Existirten die Seen damals schon, so konnte unterhalb von ihnen nicht ein einziges alpbies Gerolle abgelagert werden. Man denke nicht, dass diese Schwierig- keit gehoben ist, wenn man annimmt, dass die Seen von den Glet- schern koneervirt worden sind, welche Material über ihre Tiefe trans- portirten, und dass dieses erst am unteren Seeende dem Wasser anheim gefallen sei. In beiden Fällen sind es sehr mächtige SchottermaBsen, welche unmittelbar unterhalb der Seen auftreten, welche aber durch ihre Zusammensetzung nicht den geringsten An- halt bieten, auf Ablagerung dicht vor einem Gletscher zu schliessen. Es finden sich durchausnicht solche Verhältnisse, wie z.B. bei Wasser- burg am Inn, welche eine nachbarliche Ablagerung der Moränen und Schotter erkennen lassen. Die Schotter sind vielmehr scharf von den Moränen getrennt, und sieht man am Tegemsee eine mächtige Schotterahlagerung gegen den See hin abschneiden, so kann man

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Kapitel XXV. Die Seen Südbayems und Nordtirols. 361

ücb des Gedankens nicht erwehren, dasB dieÄbl^erung sich einst weit in dae Bereich des letzteren erstreckte.

So ist denn anzunehmen, dase auch derTegem- und Schlier- Bee nicht exiatJrten, als die unteren Glacialschotter abgelagert wurden, also während des Herannahens der Vergletscherung. Aber auch sie sind am SchluBS derselben vorhanden, Moränen umsäumen ihre Ufer, mächtige Wälle sperren sie nach Nor- den ab.

Die betrachteten Bandseen erscheinen aber nicht bloss in Bezug auf die unteren Glacialschotter als Erosionsseen, sondern lassen auch sonst keinerlei Abhängigkeit vom Oebii^bau erken- nen, gleich den Älpenthälem, in welchen sie liegen. Allerdings zeigt ihre Lage insofern eine Abhängigkeit von der Zusammen- setzung ihrer Umgebung, als sie in die Zone des Flvschee fallen, und dies wird namentlich aufiallig, wenn man bemerkt, das» der erloschene Mumauer und der Kochelsee sich genau nur bis an die Nordgrenze des Flysches, nämlich bis zur Molassen- zoDC erstrecken. Dieselbe li^t wie ein Wall vor den Seen, und wo sie am Eochelsee eine eigenartige Biegung beschreibt, be- schreibt die Seebegrenzung dieselbe mit Man könnte hieraus vielleicht entnehmen, dass die betreffenden Seen durch Er- hebungen der Molasee abgedämmt worden seien. Doch wenn man ihre Lage näher untersucht, so erkennt man, dass dies weder der Fall ist, noch je war. Allerdings sperrt der Molasserücken die Seen nach Nord ab, aber der alte Mumauer See kann nach Osten entwässert werden, ohne dass sein Abfluse ältere Gesteine zu durchschneiden braucht Mächtige diluviale Schichten erstrecken sich au dessen Ufern. Das Thal also, welches heut« den alten MumauerSee entwässert, war schon vor der letzten Vergletscherung vorhanden, und damals wie heute wurden die Wasser, welche den Alpen im Loisachthale entströmten, am Fusse desGebii^s in einem Längsthale zwischen Flysch- und Molassenzone ostwärts fortgeführt. Heute durchbrechen sie diese letztere unterhalb des Kochelseee. Ob dies früher auch schon gewesen, weiss ich nicht, jedenfalls lässt sich aber vom Kocbelsee bis zum Isarthale bei Tölz eiii Längstbal zwischen der Mo lassen- und Fljschzone verfolgen, welches mit diluvialem Material theilweise erfüllt ist Möglicher-

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362 III- AbBchnitt. Die Eüldung der oberbayeriBchen Seen.

weise entwäeserte dies einst das Gebiet des beutigeo Eochelsees nebet dem Loisachthale. Wenn also jetzt ein Molasserücken den alten Murnauer und den Kochelsee abzusperren scheint^ so ist dies die Folge des Umstondefi, daes diese Seen sich nur bis zu einem alten Längsthaie eretrecken; kemesw^ aber kann der Molasserücken als Ursache der Seebildung aufgefasst werden. Die Randseen der Alpen sind nichts anderes als Ver- tiefungen in Querthälern der Alpen, und lassen wie diese nur eine sekundäre Abbäni^gkeit vom Baue des Gebirges erkennen.

Wir haben nun noch des Walcheusees zu gedenken. Es ist schwer, demselben einen richtigen Platz in der Geographie der Seen zu geben. Obgleich er rings von Bergen umschlossen ist, liegt er doch dem Rande des Gebirges so nahe, dass er als Rand- see gelten kann. Er zeigt keinerlei Abhängigkeit vom Baue seiner Umgebung, ist daher jedenfalls auch ein Erosioussee, denn ihn als Eiusturzsee zudeuten, li^ nicht der mindeste Grund vor. Ich möchte ihn daher als einen vom Rande des Gebirges wenig entfernten Randsee, und daher als Erosionsgebilde auffassen. Sein Alter konnte ich nicht bestimmen, vermag nur anzugeben, dass er nach Schluss der letzten Vergletscherung bereits vor- handen war.

Eine Musterung der grossen Seen am Rande des Gebii^;es und auf dem alpinen Vorlande hat uns gelehrt, dass dieselben sammt und sonders keine Abhängigkeit vom geologischen Baue ihrer Umgebung besitzen, weswegen sie als Erosionsseen zu gelten haben. Von den meisten konnten wir nachweisen, daes sie vor der letzten Vergletscherung nicht vorhanden gewesen sind, während sie alle nach derselben fertig vorliegen. Sie können also nur während derselben entstanden sein. Sie sind während der- selben erodlrt, und bei diesem zeitlichen Zusammenfallen kann an einer ureächlicben Verknüpfimg nicht gezweifelt werden. Was die allgemeine Lage dieser Seen im Gebiete der centralen De- pressionen andeutet, ist auch klar durch ihre Beziehungen zu ihrer nächsten Umgebung auegesprochen. Die Annahme, dass sie Werke der Gletschererosion sind, erklärt in ungezwungener Weise ihre geographische Lage am Rande des Gebirges und vor demselben, sie erklärt ihre Beschränkung auf das Oletschergebiet, vor allem

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Kapitel XXV. Die Seen Südbayema und Nordtirols. 363

aber ihre Abhängigkeit von dem Laufe der Querthäler, welche sich nicht nur darauf erstreckt, dasB sie am Rande des Gebirges Vertiefiingen in dcDselben bilden, sondern auch in deren ideeller Fortsetzung auf der Hochebene auftreten. Jene Alpenthäler waren die Betten gewaltiger Gletscher, welche sich vor dem Gebirge unabhängig von der bestehenden Bodenkonfiguration ausbreiteten und nicht dt:n Bahnen der heutigen Entwässerung folgten. Jedes Thal entsandte einen eignen Eiastrom, welcher sein eignes Moränen- gebiet) seine eigne centrale Depression erzeugte, Wo sich, wie im Gebiete des laargletschersystems, die einzelnen Eisströme unter- dnander parallel bewegten, erzeugten sie parallele Rinnen als centrale Depressionen; und als solche treten Ammer- und Würm- see entgegen. Wo sie dahingegen sich allseitig ausbrüten konnten, erzeugten sie ein breites Becken, wie ein solches vor Austritt des Innthaies im Rosenheimer Moore vorliegt.

Auflallig mag nur auf den ersten Blick erscheinen, warum im Isargebiete jedes Gletscherbereich anstatt einer einzigen kontl- nuirlichen Rinne eine Reihe von Seen aufweist So hat man im Loisachgletscherbereiche hintereinander das Mumauer Moos, den Stafiel- und Ammersee; in der Bahn des nächstliegenden Eis- etromes den Walchensee, Kocbelsee, Osteraee und schliesslich Würmsee. Wenn nun jene Seen durch die betreffenden Eisströme erodirt worden sind, so drängt sich leicht die Frage auf, warum sie nicht miteinander zusammenhängen, warum der Gletscher nicht in fortlaufender Weise erodirte. Allein auch dieser anscheinend schwierige Punkt erklärt sich nicht nur in beiriedigender W^e, sondern ist geradezu die naturgemässe Konsequenz der Gletscher- erosion. Man muBS nur in Betracht ziehen, dass es der Molaase- rücken ist, welcher die Randseen von denen der Hochebene trennt. Südlich von ihm liegen der alte Mumauer See und Kochelsee, er hildet deren nördliche Grenze; nördlich von ihm erstrecken sich Wflrm- und Ammersee, und wo er bei Mumau am breitesten ist, ist ihm der Staffelsee aufgesetzt Dieser Molasserücken ist, wie wir schon angedeutet haben, ein präglacialer Wall, welcher sich am Fusse der Alpen ausdehnt Die Gewässer werden heute noch durch ihn abgelenkt, der Gletscher jedoch überschritt ihn. So stark man sich nun auch die erodirende Fähigkeit des Eise« vor-

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364 III. Abschnitt. Die Bildung der oberbayerischen Seen,

stellen mag, so wäre es doch sicher unrichtig zu veriangen, dass es alle ihm eutgegen stehenden Hindernisee wegräumen müsste. Gerade das Gegentheil ist der Fall. Die erodirende Thätigkeit des Eises wird, wie wir oben sahen, nicht durch seine transpor- tirende Fähigkeit geregelt und beschränkt. Es niuss daher seioe erosive Kraft, falls sich ihm Hindemisse darbieten, nicht wie das Wasser ausschliesslich auf deren Forträumung koneentriren. Seine vollkommneren transportirenden Fähigkeiten ermöglichen ihm auch oberhalb desselben xa erodiren. Dadurch wird die Barre gleich- sam konaervirt; denn indem das Eis ober- und unterhalb derselben sowie auf ihr erodirt, wird das Niveau des Gletscherbettes allent- halben tiefer gelegt, aber das HiDderoiss nicht entfernt. Der Molasserücken ist ein solches Hindemiss. Der Gletscher hat oberhalb desselben, auf demselben und unterhalb desselben allent- halben erodirt, das Hindemiss ist dadurch nicht entfernt worden, seine Höhe ist nur erniedrigt, aber oberhalb und unterhalb desselben sind Becken entstanden. In ähnlicher Weise erklärt sich auch, warum Walchen- und Kochelsee nebeneinander gebildet werden konnten. Der aiou Mittenwald kommende Zweig des Inn- gletschers drang in das Thal der Jachenau ein, überschritt dann den Kesselberg und ergoss sich in das Kochelsee-Thal. Allenthal- ben erodirte er. Er vertiefte d^ obere Thal der Jachenau zu einem Becken, dem heutigen Walchensee, er erniedrigte den Kesselberg, ohne ihn abzutragen. Es muss als eine ganz allgemeine Regel gelten, dass wenn ein Gletscher in einem grossen Quer- thale mehrere Längsthäler kreuzt, er deren Boden, soweit sie in seiner Bahn liegen, allenthalben in Becken verwandelt, falls jene Längsthäler eben durch sich selbst -und nicht durch das fragliche Querthal ent- wässert werden.

Die Ausbildung von Becken oberhalb des Molaaserückens ist nun durch dnen Umstand noch besonders begünstigt worden. Ks dehnen sich hier die weichen Flyschgesteine aus, welche un- gleich leichter und rascher der Erosion anheimfallen als die nörd- lich vorliegenden Molassegesteinc. Sie sind daher auch stärker von der Glacialerosion angegriffen worden als diese letzteren, und eo erklärt sich denn, warum die Randseeii der baj'enschen Alpen

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K«pit«l XXV. Die Seen Süäbayen» und Kordtjrols. 365

sich vorzugsweise auf das Gebiet der Flyschzone beschränkeu. Dies gilt namentlich von dem erloschenen Lechsee bei Füssen, dem Mumauer Moose, dem Kocbelsee, Tegem- und Schliereee, während der alte Inneee bei Roaenheim eich allerdings weit in die Molasseozone erstreckt.

Das Studium der grossen Seen des Isargletschers gibt einen guten Einblick in das Wesen der Gletschererosion, Es zeigt, in- wiefern dieselbe von der Bodenkonfiguration und Bodeubeschaffen- heit abhangig ist, und zu welchen Wirkungen die Gletscher da führen, wo sie sich unabhängig von den Thalzügen verbreiten. Sie lehren, dass die Seebilduug nur eiiiTheil der Gletschererosion ist. Das Gebiet der centralen Depressionen braucht nicht durch einen einzigen See ausgezeichnet zu sein, und braucht nicht aus einer fortlaufenden, ununterbrochenen Vertiefung zu beatehen. Die centralen Depressionen sind in ihrer Lage und Ausdehnung abhängig von der Entwickelung der Gletscher, von der gegebenen Bodenkonfiguration und Bodeubeschaffenheit

Wenn man die Erosionsseeu Südbayems mustert, findet man, dass sie, soweit sie unserem Gebiete angehören, sich ausschli^slich auf das Bereich des alten laargletschers beschränken, während sie im Inn- und Lechgletscher fehlen. Jedoch auch hier haben frQher Seen existirt Schon Weiss ') hat versucht, die nunmehr erloschenen grossen Seen Südbayerns wieder zu restaurireu, und in der That finden sich Spuren solcher in reichlichem Maasse. Am Ausgange eines jeden Alpentbales begegnet man einem noch existirenden oder trocken gelegten See; so ist es von der Hier bis zum Inn. Es überrascht jedoch, dass man gerade vor den bedeutendsten Thälem keine Seen mehr findet, während vor den kleineren noch existirende auftreten. Inn, Latzach, Isar, Loisach, I>ech und Hier durchströmen entwässerte Seen, welche sich theils als weite Greröll- fläcben, theils, und zwar meist, als Moore repräsentiren. Man würde hierin' vielleicht ein schwerwiegendes Argument gegen die Erosionstheorie erblicken. Man sollte meinen, dass am Ausgange der grössten Thäler die grössten und bedeutendsten 8een auftreten, welche am wenigsten geeignet sind, zu erlöschen. Allein die an-

') Sfld-Baiems Oberfläche nach ihrer Süsseren Gestalt 1820. p. 24Ö.

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3C6 m- Abschnitt. Die Bildung der oberbayerischeu Seen.

geführte Thataaehe gewinnt an anderes ÄDseben, wenn wir die exlBtirenden Seebecken betrachten. Da ist der Schliersee ; er liegt zwar in einem bedeutenden Thale, aber enipiangt fast gar keinen Zuflusa; denn die Aurach, die ihm zuzuflieesen scheint, wendet sich dicht oberhalb des Sees plötzlich nach Osten. Da ist ferner der Tegernsee; ihm strömen in Rothach und Weiasach nur imbe- deutende Gewässer zu. Da ist endlich der KocheUee, welcher zwar in der Richtung des bedeutendsten Querthaies der bayerischen Alpen liegt, aber durchaus keinen Zufluss aus demselben erhält und nur durch die Loisach gespeist wird. Diese aber kann zuvor ihr Schottermaterial im Mumauer Moose zurücklassen, dennoch aber ist der Kocbelsee an ihrer Mündung beräts gänzlich ver- sumpft. Diese Erscheinung liefert den Schlössel zum Verständuiss des Ganzen: Die Seebecken, sehen wir, erhielten sich nur in jenen Thälern, wo ihnen wenig Schottermaterial zu- geführt wurde. Sie sind da erloschen, wo grosse Flüsse unablässig an ihrer Ausfüllung und Tieferlegung ihres Abflusses arbeiten. Ausserdem aber muss noch in Betracht gez(^n werden, dass dem grössten Strome nicht immer der grösste Gletscher entsprochen hat Während die Gletscher des Isar- gebietes einen beträchtlichen Theil ihrer Masse in der Richtung des Thalee von Mittenwald Walchensee Kochelsee vorwärts schob, erreichte nur ein kleiner Theil die Hochebene im eigentlichen laarthale, welches heute die Gesammtwassermenge jenes Gebietes aus den Alpen ho-ausführt.

So sind denn nicht nur die kleinen Seen des alten Oletscher- gebietes vergänglich, sondern auch die grossen Erosionsseen sind ephemerer If atur. Unablässig wird an ihrer Zerstörung gearbeitet, ihr Zuäuss füllt sie zu, ihr Abäuss 1^ ihren Spiegel tiefer. Die grösseren Seen am Rande der Alpen unseres Gebietes sind bereits erloschen, und der bedeutendste noch existirende, der Eochelsee, ist in rascher Ausfüllung begrifien. Zwei grosse Seen haben sich noch auf der Hochebene erhalten. Auch diese sind schon stark reducirt. Der Ammersee hat viel von seiner ursprünglichen Ausdehnung ver^ loren, obwol er erst seit postglacialen Zeiten von der Ammer durch- flössen wird, und selbst der Wurm see, der keinen einzigen namhaften Zufluss erhält, ist bereits an seinem unteren und oberen Ende stark

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Kapitel XXV. Die Seen Sfldb&xeniB und Nordtdrols. 367

veTBumpft. ÄUein erlöschen auch die Seen, der Charakter der Gegend, der sie angehören, bleibt erhalten. In grossen Zügen bewahren sich die Formen der centxaleD Depressionen der einzelnen Oletschergebiete, während die lokalen Seen derselben rasch er- löschen. Das Seephänomen ist nicht der ausschliessliche Ausdruck de^; Gletschererosion, es bt nur ein Beweis von deren geringem Älter, gldchsam ein gewisses Stadium in der Geschichte von deren Werken. ' Nicht die Seen allein also dürfen als Zeugen der Gletschererosion betrachtet werden.

Bind nun auch die grossen wie kleinen Seen alter Gletscber- gebiete vergängliche Zeugnisse eines grossen Ereignisses, so kommt den ersteren doch eine weit grössere Dauer als den letzteren zu. Nicht nur weil sie erhaltungsfahiger sind, soudem weil sie auch in so bestimmter Beziehung zur Vergletscherung stehen, dass sie bei deren Wiederholung von neuem an derselben Stelle ent- stehen kömien. Dies gilt namentlich von den Seen am Bande der Alpen, denn am Fusse dieses Gebirges musste bei jeder Ver- gletacherung, welche die Hochebene erreichte, erodirt werden. So erscheinen jene grossen Seen in gewissem Sinne als lang dauernde, bisweilen sich verjüngende Gebilde, aber nicht vermöge der ihnen inne wohnenden Unvergänglichkwt, sondern weil sie in bestimmter Abhängigkeit zu einem periodisch wiederkehrenden Ereignisse in der jüngsten Geschichte des Gebirges stehen. Sie sind nicht per- manente, sondern periodische Erscheinungen in den Alpenthalem.

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368 III. Abschnitt. Die Bildung der uberbayerischen Seen.

Kapitel XXVI. Möglichkeit der glacialen Bildtu^ von Seen.

Allgemejuheit des Seephönoiijeiu in den Alpen. Beiiehung der grossen Seen znr VergletBohening. Glacialer Ursprung der grossen Alpenseen Buagesprocben vou DB MORTILLBT Und Ba»HaY. TyhdaLL's ErosionBthearie. Gegner der Ermdonatheorie. Anhänger derselben. Fhyükalische Einwürfe gegen die Erodonstheorie. Oldham, Zöppritz, Gurlt. Erodirende Thätigkeit der heatigeD Gletscher. Aufwühlung des Vorlonde«. Entstehung der Gletacher- ■chliffe. Trübung der Gletscherbache. BilduDg der Grundmoräaen. Wirkung der diluvialen Gletseher. Abtrsgung der Alpeu und SksudinavienB. Vor- aprÜDge in alten Gletscherbetten. Auflagerung der Grandmoriuien auf lose Sdiichten. Bewegung des Eises in tiefen Lagen angezeigt durch den Geateina- tranaport unter dem Eise.

In dem Seenreicbthum Sfidbayems erkennen wir die charak* teriBtische Eigenthiimlichkeit eines alten Gletschergebietes. Eine enge ursächliche Beziehung ei^bt eich zwischen der Seebildung und der Gletscherausbreitung. Das Olacialphänomen Südbayerns ist aber nur ein Theil der grossen alpinen Veigletscherung, und wie wir Schritt für Schritt seine Analogien mit den Gletscher- erscheinungen anderer Theile der Alpen verfolgten, wie wir zu- nächst überall in den Alpen eine gleiche Entwickelung der alten Gletscher nachwiesen und dann einer dreimaligen Wiederholimg der Vergletscbening begegneten, so ist auch anzunehmen, daes , sich in den alten alpinen Gletachergebieten allenthalben derselbe Seenreichthum , dieselbe Vertheilung der Seen wiederholen wird wie in Südbayem, falls wirklich eine ursächliche Beziehung zwischen der Seebildung und dem Glacialphänomen existirL

Solches ist in der That der Fall. Die alten Gletschergrenzen ringe um die Alpen sind die Grenzen eines seenreichen Gebietes; innerhalb desselben b^egnen wir wie in dem südbayeriachen der Scheidung von grossen und kleineu Seen, und allenthalben ist es nur der Rand, nicht das Centrum des Gebii^s, welcher durch Seen ausgezeichnet ist.

Schwärme kleiner WasBeransaromlungen charakterisiren die alpine Moränenlandschait. So ist es nicht bloss in Südbayem, so ist es häufig in der Schweiz, so ist es im Khonebecken, wo der

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Kap. XXVI. Möglichkeit der glacUlen Bildung von Seen. 369

Seenreichthum der Dombee in das alte Gletechei^biet tSUt Die Endmomnen Oberitaliens sind gleichfalls durch zahlreiche kleine Seen charakterisirt Es herrscht auch witä den Geologen nicht der geringste Zweifel darüber, daea diese kleinen Wasser- becken der unregelmäsaigen anhäufenden Thätigkeit der alten Gletscher ihren Ursprung danken.

Weniger aUgemein als die kleinen Seen sind in dem eJpioen Oletechergebiete die grossen verbreitet. Dieselben zeichnen dch durch ihr m«st geaelligea Auftreten aus. Sie bilden förmliche Gruppen. Auf dem Nordabfalle der Alpen findet sich zunächst die oberösterreichische und salzburger Seengnippe, daran rdhen sich weiter westwärts die südbayerischen, welche wir mit Ausnahme des Chiemsees >) sammt und sonders besprochen haben, weiter west- lich kommen die zahlreichen schweizer Seen. Drai Westalpen mangeln grössere Seen, es finden sich hier nur der See von Annecy und Bourget. Oberitalien ist durch eine Reihe grosser und sehr bedeutender Seen ausgezeichnet, während sich die Oetalpeo nur durch die Gruppe der kämtener Seen auszeidmen.

Diese grossen Alpenseen besitzen nicht durchw^ dieselbe Lage. Die oberösterreichischen Seen sind auf das Gebirge be- schrankt und treten nirgends aus demselben heraus, wohingegen die südbayerischen nur am äussersten Rande des Gebilde liegdta und sich weit in das nordalpine Vorland erstrecken. Ebenso ver- hält es sich mit den schweizer Seen. Nur der Wallenstädt«r-, Yierwaldstätter-, Thuner- und Brienzer-See 11^^ im eigentlicheit Gebii^, während der Boden-, Züricher-, Hallwyler-, Sempacher* und auch der Genfersee vor den Alpen li^^, und die Neuen- bui^j^er Seengruppe sogar amFusse des Jura. Die beiden grösMarm Seen Savoyens H^n in den Alpen. Ein Gleiches gilt von d«i oberitalienischen Seen. Sie dehnen aitii in der Randzone des Gebirges aus und drängen sich nur um tön Weniges aus dem Gebirge heraus. Auch die kämtener Seen li^en im Gebirge.

Sehen wir nun von den beiden grossen Seen der Westalpen ab, da wir deren engere Beziehungen zur Vei^letseherung nicht

') Vom Cbiemsee gilt Wort für Wort das vom Ammer- und Wünn- see Gesagte.

FeDck, XMe VeiglMKhening. 24

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370 III- Abschnitt I^e Bildnng der obeiba^eriechen Seen.

kennen, obwol von de MoBTiLijrr') deren g;laciftle Bildung be- hauptet wird; laeeen wir ferner die Seen der Oetalpen tmeeer Betracht, da wir die Gletecherentwickelung dieses Gebietes noch nicht kennen, so spiegelt sich in der Terechiedenen £ntwickelung der Seen am Nord- und Südabfalie der Alpen genau die ver- schiedene Entfaltung des Glacialphänomens ab. Wie sich auf der Nordeeite des Gebirges die Gletscher weit auf das Vorland hinausschoben, so erstrecken sich auch hier die Been weit aus den Alpen heraus. In bezeichnender Weise lassen femer die Been des nordalpinen Vorlandes eine weitere Beziehung zur Gtetecherent- wickelung erkennen, nicht nur im P&rallellBmua der südbayerischeu Seen, sondern auch in dem der Nordschweiz spiegelt sich der Parallelismus der Gletscherbewegung in diesen Bezirken;, und wo in der Westschweiz der Rhonegletscher durch den voi^lagerten Jura nach rechts und links abgelenkt wurde, finden sich Seen, welche der Richtung der beiden Gletscherzweige folgen. Der Genfersee richtet sich in seiner unteren Partie nach dem Süd- zweige des Rhonegletschers, während die Neuenburger Seengruppe dem nSrdlichen Arme desselben folgt. Auf dem Südabfalle der Alpen, wo die Oletscher sich nur wenig weit aus dem Gebii^ heraus erstreckten, beschränken sich die Seen auf die Alpent^ler. Ib unverkennbaren Zügen dokumentiren also die Seen der Nord- und Südalpen ihre Beziehungen zu den früheren Gletschern, und in der That ist auch mehr&ch bereits ausgesprochen, dass sie Werke der Gletscher sind.

De Mortillet ^) gebührt das Verdienst, dies zuerst verfochten zu haben. Er wurde zu dieser Ansicht vor allem durch den Um- stand geführt, daes die Seen die Alpenthäler v611ig abaperren, sodass ein Gerölltransport aus denselben nicht möglich ist Da sich nun unterhalb der Seen mächtige Massen präglacialer An-

') Bevne SaToieienae. 1860. p. 90. Stand mir nicht zur VerRlgung.

*) Note gäotogique aur Palazzolo et le lac d'lsto en Lomtwrdie. Bull. Boc. gfol. de France. II. S. t XVI. 1858/59. p. 888. Carte des anciens glaciera du Teisant Italien des Alpes. Atti soc. ital. di sc. nat. III. 1861. p. 44. Terrains du veraant Italien des Alpes com- par^s ä ceux du versant fraofiüa. Bull. soc. g^l. de France. II. S. t XIX. 1861/62. p. 849—907. Revue Savoiaienne. 1860. p. 90.

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Eap. XX.VI. Möglichkeit der gladaleiKBildung Tön Seen. 371

schwemmungen Buden, so könnl^i die Seen zur Zeit, von deren Bildung nicht vorhanden gewesen sein. De Moetillet kam also auf geologischem Wege zur Annahme einer glacialen Bildung der grossen Alpenaeen. Bahsay ^) hing^en kam durch geographische Betrachtungen zu demselben Ergebnisse. Er suchte nachzuweisen, dass Seebecken da liegen, wo die Qletacher in erhöhtem Maasse erodirten. Er war daher der Meinung, dass die grossen Älpenseen das auBBchliessliche Werk der Gletscher seien, während de Mor- tillet') unter dem Einflüsse Gastaldi'b^ später sane Ansicht dahin abänderte, dass die tiefen Beebecken präglacisle VertieiiiBgen seien, welche durch präglaciale Anschwemmungen ausgefüllt und durch den Gletscher wieder ausgehöhlt worden seien. Nur von gewissen Seen des alpinen Vorlandes, denjenigen nämlich, welche von Besor als Erosionsseen bezeichnet wurden, nahm de Mob- TiLLET an, dass sie das ausschliessliche Werk der Gletscher seien.

Tyndall*) endlich ging noch weiter als de Moetillet und Ramsay. Er führte aus, dass nicht bloss die Alpenseen ein Werk der Gletscher seien, sondern dass auch sämmtliche Tbäler durch das Eta ausgepflügt wären, und wenngleich durch eine ein- fache geologische Argumentation sich die Halttosigkdt dieser sehr extremen Anschauung Tyhdall's beweisen lässt, so kommt seinen Ausführungen erhöhter Weith desw^en zu, w^ in den- selben das Gletschereis vom rein physikalischen Standpunkte aus als ein höchst ener^scher erodirender Faktor hingestellt wurde.

Allein die Theorie von der Glaoialerosion wurde lebhaft an- gefochten. Fanden Tyndall's weitgehenden Anschauungen über

') The Old Glaciere of North Wales in Ball: Peaks, Fasses and Olaüers. 1859. On the Olacial Origin of certain Lakes in Switzer- land. Quart. Joum. geol. Soc London. XVIII. 1862. p. 185.

') Snr Taffouillement des andens glaciere. Ätti soc ital. dl sc. nat. V. 1883. p. 248.

*) Sulla escsvazione dei badni lacustri compresi negli anfiteatri

Ätti soc. itaL di sc nat V. 1863. p. 210. •) On the Conformation of the Alps. Phil. Mag. IV. S. XXIV. 2. p. 169. IV. 8. XXVII. 1864. p. 255.

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373 III- Abechnitt- Die Bildung der obeibayerisdien Seen.

di« Bildung der Alpecthäler durch Rahbay ') aelbet eine bestimmt« Widerlqping, so wurden doch die Ansichten von Rahsat und DE MoBTiLLXT Über die Bildung der Alpenaeen sovol von den hervorragendsten Kennern der Alpen, als auch von den namhaftesten Geologen v^worfen, und selbst die Möglich- keit der Gletadier^^sion wurde von PhTsikem in Zweifel ge- zogen.

Ball") trat zuerst gegen Ramsat, deMortillet und Tyn- DALL auf. Von britischen Forschem schlössen sich ihm Lyell '), MuRCHisoN*), Herzog Abgyll*}, Bonney*), Falconeb') aus geolo^Bchen Gründen an, A. Favre*}, Omboni»), Studer»"), Desok 1'), E. V. MojsisoviCB "), Stoppani •'), neuerdings vor allem

>) The excavation of the Valleys of the Alpe. Pbil. Mag. IV. S. XXrV. p. 377. Nov. 1862.

*) On the Formation of Alpine Valleys and Alpine Lakee. Phil. Mag. rV. 8. XXV. 1863. p. 81. On the Fonnation of Alpine Lakes. Phil. Mag. IV. S. XXVI. 1863. p. 48ft.

*) The geolo^caL evidencee of the antiquity of man. London 1863.

*) Änniveraary Address to tie geographica! Society, Proc. Roy. geogr. Soc. VIII. 186.^/04. p. 221.

') The anniversary address of the piesident. Quart Joum. geolog. Soc. London. XXIX. 1873.

") Lakce of the north-enstem Alps and their bearing on glaciei- eroeion theory. Quart. Joura. geol. Soc. London. XXIX. 1873. p 382. Ebenda. XXX. 1874. p. 479.

') Glaciers of the HimalayahB. Proe. Roy. geogr. Soc, VIII. 1863/64. p. 38. Controverse mit Jukes in „ITie Reader". 1863.

^ 8nr l'origi&e des lacs slpins et des vall^es. Archives bibl. nni- vera. de Genfeve. XXII. 1865. p. 273. Phü. Mag. IV. XXTX- 1865. p. 206. Recherchea göologiquea. 1867. Bd. I. p. 201.

") l ghiacojaj antichi etc. Atti soc ital. di sc. nat III. 1864. p. 232. ~ Süll' azione riescavatrice eserdtata dagli antichi ghiacciaj sul fonde delle valh alpine. Atti soc. ital. di sc. nat V. 1863. p. 259.

"} Sur l'origine de lacs suisses. Arch. bibl, uaivers. de Qenbve. XIX. 1863. p. 89. - Phü. Mag. 1864. IV. XXVII. p. 481.

") Ueber die Entst«hung der Alpenseen. Verhandl. d. Schweiz, naturf. Gesellsch. 1863 in Samaden. p. 43.

") Bemerkungen über den alten Gletscher des Traunthales. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanstatt XVIII. 1868. p. 303.

'^ Corso di Geologia.

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Kap. XXVI. Mf^chkeH der gUäalen BUduiig.TO]i Seen. 373

ROtiheyeb^) und Heim*), ferner Charles MABTorsB), Faxsan und Chantre*), Cbuele« Grad '), Viollet-le-Duc ^ und Andere Bind die Alpengeologen und OlacialiBten des KontlnenteB, welche die gladale Bildung der grossen Alpenseen ausdrücklich bestritten; wählend Lyell'), Bonhey^ und Viollet-le-Duc®) wenigstens dl« Aushöhlung kleiner Seen oder Weiher durch Eis zugestanden. Im Norden &nd die Theorie der glacialen Bildung der grossen Binnenseen und Fjorde bei scbwedischen Geologen keinen Ein- gang; sie wurde in Norw^o von Kjerulf'*) auf das Ent- achiedenste bekämpft, tmd Pebchblii) verwahrte sich vom geo- graphischen Standpunkte gegen dieselbe, er, sowie Reclus»'), von

■) Ueber Thal- und Seebildung. Basel 1S69.

■) Antheil der Gletscher bei Bildung da' Thäler. Viert«ljabrs0chr. d. naturi: Gesellsch. Zürich. 1875. XX. p. 205. Untersuchungen fiber den Mechanismus der Oebirgsbildung. 1878. Bd. I. Äbschn. V.

*) Bevue des deux mondes. 1675.

*) ätude sur lea andens gladers du bassin du Bhäne. 1880.

*) Sur le ftottement des glacien et ärosions des Vall^es. Comptee renduB Ac. Sc. LXXVIII. 1ST4. p. 739. Les Oladen et l'origiDe des vall^. Ann. club alp. frantais. 187S. III. p. 474.

■) Le mosuf du Uout Blanc. 1876.

') StudenU Manual of Geolog^. 1671. p. 164

■) Geolog. Magaz. II. Dec. toI. in. 1876. p. 377.

^ Les lacs supärieurs. Annal. club dp. frangais. 1874. I. p. 277.

'*) Norges forherekende P^'eldog SprSkkesystemei. UniTerB. Progr. Christiania. 1871. p. 66. Et Stykke Ge<^rafi i Norge. Kristiania Yidensk. Selsk. Forh. 1876. Zeitschr. d. GeseUsch. f. Etdkunde. Berlin. 1879. XIV. p. 129. Die Eäszelt Sammlung gemein- verständl. Vorträge von Vikchow und Holtzkndohit. 1878. Zuerst erscbieDen als Istiden. Fra VidenslcabeiiB Verden. Kopenhagen. 1877. Stenriget og Fjeldlären. 1878. p. 286. Udsigt over det sydlige Norges Geologi. 1879. p. 258. Fortaatte Bemärkninger om Eelief- forholdöie. Krist. Videnak. Selsk. Forh. 1881.

") Die Fjordbildungen. Ausland. 1866. Neue Problane der yer- gleicbenden Erdkunde. 2. Aufl. 1876. p. 9. Vergl. auch Peschel- Leipoldt: Pb^siBche Erdkunde. Ldpzig. 1879. p. 461.

") RECLrB-ÜLB, die Erde. 1876. Bd. II. p, 100. Eerue des dem mondes. 1867.

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374 ni. Abschnitt. Die Bildung der oberbayeriftchen Seen.

HochstetterI) und G. H. Credker^) meinen, daae Seen und Fjorde durch Gletecher konservirt adeu. Gürlt*), Oujhak*), Zöpfritz ^} und Andere beetritten endlich aus physikalischen Gründen die Möglichkdt der Gletschererosion.

Allerdings fehlte ea auch nicht an Ent^^nungen von Rämbay^ und DE MoKTiLLET '), Und eret«rer fand bald Zustimmung von Sir William Looan*), Haast«), NewberhyI") und Jokes"); Abchibald'*) und James Geikie'b) suchten ferner zu zeigen, dass die acbottischen Binnenseen durch Rauhay's Theorie erklärt werden könnten; Clipton Ward ^^) erklärte die Seen Cumberlands

') Uann, Hochbtetteb, Pokobmv: Allgemdne Erdkunde. 3. Aufl. 1881. p. 335.

^ Verbandl. d. 2. Seutachen Geographentagee. Halle. 1S82.

't Ueber die Entstdiung der Fjorde. Sitzungeber. d. niederrhein. Oesellsch. Bonn. XXXI. 1874. p. 143.

') On the Modules of Cohesion of Ice, and ita bearing on the Theoij of Qlacial Erodon of Lake Baains. FhiloB. Magaz. V. 8. vol. Vn. 1879. p. 240.

') Der gegenwärtige Standpunkt der Qfopbysik. Behu's ge<^. Jahrb. Vin. 1880. p. 74.

°) On the Erosion of Valleys and Lakes. A Reply to Sir Roderick MuKCHiBOn's address to the Geographica! Society. Philos. Magaz. IV. 1864. XXVIII. p. 293, Sir Charles Lyell and the gladal Theory of lÄke-Baaina. Philoa. Magaz. IV. 1865. XXIX. p, 285. Pliysical Geology and Geography of Great Briten, p. 163. (III. Aufl. 1872.)

') Sur I'afTouiUement des anciens giadera. Atd Soc. ital. dl sc nat V. 18Ö3. p. 248.

") Report of the Geology of Canada. 1863.

") Quart«rly Joum. geolog. Soc. London. 1865. XXI. p. 129.

'°) American Annual ofScientiAc Discovery. 1863. Geology of Ohio.

") The Student's Manual of Geology. Vergl. auch The Reader. 1863.

'*) Fhenomena of the Olacial Drift of Scotland. The Scenery of Scotland vieired in Oonnectdon with Its Phyaical Geology. 1865.

") The Great Ice Age. 2. Aufl. 1877. p. 267. Kap. XXIII.

") The Ori^n of some of the Loke-basins of Cumberland. Quart Joum. Geolog. Soc. London. 1874. XXX. p. 96. Tbe Gladation of ihe Bontbem Part of the Lake- Diatrict aad the Glacial Origin of the Lake-basios of Cumberland and Westmoreland. Quart. Joum. Geolog. Soc. London. 1875. XXXI. p. 152.

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Kap. XXVI. Möglichkeit der gladalen Bildung ron Seen. 375

als Gletscherwerke und zeigte, daee deren Tiefe im Vergleiche zur Mächtigkeit der alten Gletecher eine sehr geringe sei; Hugh Millek') wies darauf hin, dass eben jene Seen Erosionsbecken seien, weil sie sich in völlig ungestörte Schichten einsenken, und desw^n seien sie glacialen Urspninge; wiederholt lenkte Akund Hell&kd ^) die Äuünerksamkeit auf die Analogien der Fjorde in Korw^n, Grönland, Island und auf den Färö mit den grossen Alpraseen, und nahm entschieden Partei für Rahbay's Theorie; in den Alpen waren es Lory ^), der ausgezeichnete Erforscher der südwestlichen Alpen, sowie der Piemontese Gastaldi*), welche der Theorie über den glacialen Ursprung der Seen, wenn auch nur in der Form huldigten, welche ihr durch de Moetillet in seinen späteren Arbeiten gegeben worden war; Stabe^) hingegen suchte in einer kleinen, höchst anregenden Schrift endlich die Bildung der südhayerischen Seen sowie die der Konfiguration Oberbayema durch die Annahme dner höchst beträchtlichen Gladalerosion zu erklären und trat den Ansichten Ramsay's hei. Ich selbst habe bereits mehrmals den glacialen Ursprung der Binnenseen und

') Olacial Erosion of Lake-Basms. Geolog. Magaz. I8T6. II. dek. vol. III. p. 286. ConaideratioDB beaiong on Theories of the Formatdon Ol Bock-basins. Geolog. Magaz. IST6. II. S. rol. III. p. 454.

*) Die glaciate Bildung der Fj<>^^ ""<! Älpenseen in Norw^en. Pogqekdohff's Annalen. CXLVI. 1873. p. 538. Om Dannelsen af Fjotdene, Fjorddalene, IndBÖeme og Havbankenie. ÖfVerMgt kgl. Vetenskaps-Akad. FSrhandl. 1876. Om Beliggenbeden af Morfiner og Teirasser foran mange Indsöerue. Öfveraigt kgl. Yetenskaps-Akad. Pörhandl. 1875. Om de isfyldte Fjorde og de glaciale Danneleer i Nordgr&nland. Arch. f. Math, og NBturTidenskg.benie. Bd. I. Om IndsCenie i Italien og Fjordene i Norge. Arch. f. Math, og Natur- Tidenskabeme. 1876. p. 387. -- Om Botner og Säkkedale. Geolog, Foren. Förb. Stockholm. Bd. II. No. 9. Om FärOerenes Oeologi. Geografiak Tidskr. Kopenhagen. 1881. ForsBg paa en geologiak Diskusnon. Arch. f. Math, og Naturv. 1881. p. 171.

•) Geologie du Dauphin^, p. 666.

*) Sulla e«cavazione dei bacini lacustri compreai negli anfiteatri morenicL Atti soc. ital. di ec. nat. V. 1863. pag. 240.

') Die bayerischen Seen und die alten Moränen. Zdtachr. des deutschen Alpenvereins. Bd. IV. 1873.

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376 III' Abiduiitt. Die Bildung der oberbayerischeD Seen.

Fjorde verfochten ^), und zwar meist auf Grund des in dieser Arbeit niedei^l^reu Materialee; F. G. Hahn^) sprach neuerlich aus, dasfi ohne Zuhilfenahme der Theorie glacialer EroRion das Relief ganzer Länder unverständlich bleibe, und Ratzgl^) hat eich schon öfters in dieser Richtung gdLussert Auch Daka*) ist der Ansicht, dasB die Gletscher der Eiszeit Becken ausscbürfen konnten. Groll ^) endlich stellte eine Theorie der Gletsoherbewegung auf, welche erodirende Wirkungen als nothwendigen EinfluHs der Eisströme hinstellt

Aber weder diese E^tg^nungen noch die weiteren Aus- führungen der Anhänger Rausay'b haben die Frage zu einer end- gültigen Lösung gebracht, und hat auch heute die Theorie der Glacialerosion namentlich in England und Kordamerika mehr Anhänger gewonnen, als wir angeftlhrt haben; hat ee selbst nicht an Uebertreibungen derselben gefehlt^}, gegen welche jedoch Rahsay') sich verwahrte, so liegen doch die Dinge kaum anders als vor fast 20 Jal^ren. Ebenso wie damals gehen die Meinungen darüber auseinander, ob die dicht geschaarten Seen in alten Gletechergebieten der erodirenden oder konservirenden Thätig- k^t des Eises zu verdanken seien. Liest man freilich, dass ein so ausgezdchneter Alpenkenner wie E, v. Mojsisovics *) die Theorie von der glacialeu Bildung jener Seen als „abenteuerlich" bezeichnet

') Gletscher und Eiszeit. Vie Formen der Erdoberfläche. Oemein- nütz, Vorträge. Prag. No. 59. 70. 1880/81. Norwegens Oberfläche. Gladale Bodengesialtung. ÄnsUnd. 1882. p. 190, p. 348. Einflara der VergletHchening auf die Bodengestaltung. Jahresber. Geogr. Ge- aellach. München. 1881.

') Aufgaben der Tiefseeforschung. Ausland. 1882.

') lieber f^orde und Moränenlandschaft. Jahresber.^ Geogr. Ge- sdlscL München. VI. 1877—1879. p. 207. Ueber FjordbUdung an Binnenseen. FBTBBMAira's Mittheil. 1880. Heft X. Die Eide. 1881. p. 144.

') Manual of Geology. 2. Aufl. 18TT. p. 539.

') Climate and Time. 1875. p. 514.

*) Campbell : Frost and Rre. 1805. Glaciationof Ireland. Quart. Jomn. Geolog. Soc. London. 1873. XXIX. p. 198.

') Quart Jonm. Geolog. Soc. London. 1873. XXIX. p. 222.

^) Bemerkungen über den alten Gletscher des Traunthales. Jahrb. d. k. k. geolog. Beichsanstalt. Bd. XVIII. 1808. p. 303.

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Kftp.XXVL Möglichkdt der gl&cialen BUdimg von Seen. 377

und behauptet, dose „dieselbe vom physikalischen wie vom geolo-, gischen Standpunkte gleich unhaltbar ist", bemerkt man femer wie ROtimeyeii') sagt, dass „die von Mortillet und Gastaldi befiiTwortete Theorie der ,IWexcation' der Seethäler auf unüber- steig^che HindemigBe stdsst", wenn weiter Heim ^) ganz offen aus- spricht: „Wer indessen von den angeßihrten Stellen einige mit eigenen Augen untersucht hat, für den ist jene Hypotheae, auf die Alpen und auf Norwegen angewendet, eine arge Uebertreibung", wenn endlich gar bedauert wird^ dass Helland die RAMSAY'sche Theorie durch eine gTSssere Arbdt stützen will, dann möchte man &8t zu der Anschauung kommen, als ob die fraglichen Theorien bereits nur historischen Werth besässen, und als ob ea gewagt sdo könnte dieselben abennals verfechten zu wollen. Allein vergebens sucht man bei t. Mojsisovicb, KOtiheyer oder Heim nach einer B^iründung obiger Aussprüche, und wenn man gar liest, wie oben schon erwähnt, dass unter den Anhängern der Erosionetheorie Ball genannt wird, also der Autor, der sich zuerst g^en dieselbe auegeBpruchen hat, dass femer von Kamsay gesagt wird, derselbe lasse die Alpenthäler durch das Eis auapflfigen, eine Anschauung, die von Rahsay stets auf das Entschiedenste bekämpft worden ist, . wenn endlich, wie häufig geschehen, angenommen wird, Bausay lasse alle Seen durch Gletscher auspöügen, so möchte es fast scheinen, als ob dann und wann die wissenschaftliche Erörterung nicht mit völliger Eenntniss gegnerischer Ansichten geführt worden wäre. Sammelt man sorgfaltig alle die Einwürfe, welche gegen die Erosionstheorie gemacht, sammelt man das Material, das zu Gunsten der Konservimngstheorie verwerthet ist, so ej^bt sich jedenfalls, dass die erstere von b^den Theorien nicht auf so schwachen Füssen steht, wie man wol häufig annimmt

Der Hauptmwand gegen die Theorien von Ramsay und DB MoRTiLLET besteht darin und alle Gegner dieser Theorie stimmen darin überein dass die Gletscher nicht erodirten, son-

') Ueber Thal- und Seebildung. Basel 18tt9. p. ÖO. *) Untersuchungen Aber den Mechanismus der Qebirgabildung. Bd. I. p. 251.

■) Die Fortschritte der Geologie. Ko. 4. 1880. p. 121.

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378 III- AbBchnitt. Die Bildung der oberbayerisclien Seen.

.dem einen konBervirenden Einfluss aiuübten. Wird zwar aacb bisweilen dne gewisse erodirende Wirkung den Gletechem zuge- schrieben, 80 wird dann doch gewöhnlich betont, dass ein Gletecher nimmer tiefe Becken erzeugt, weil in solchen das Eis sich über- haupt nicht vorwärts bewegen könne. Ee wird vor allem die phyBikaliHche Mögiichkdt der Glacialerosion und die Möglichkeit der BeckenbilduDg durch Eis in Frage gestellt Wdter aber wird auch aus der Lage und Vertheilung der Seen, aus der Beschaffen- heit der Thäler, in welchen sie lagern, auf die Unhaltbarkeit der Theorien von Bamsat und de Mobtu.let geschlossen.

Selbstverständlich ist jede geologische Theorie unhaltbar, wenn sie den Gesetzen der Physik widerspricht, denn diese Ge- setze sind die Normen, welche alle dynamischen Theorien beherr- schen. Allan darauf hin allen geologischen Theorien Werth ab- zusprechen, weil ihre physikalische Möglichkeit in Frage gezogen, hiesse der Physik alle jene Anregungen und Impulse entziehen, welche ihr durch geologische Forschungen ertheilt werden können. Auch dis Physik ist eine Erfahrungs Wissenschaft, und wenn g^en geologische Theorien, wie nicht selten der Fall, physikalische Be- denken auBgesprochen werden, so hat sich vor allem zu &^en, ob diese Bedenken auf unnrnstössliche Grundgesetze oder auf er- . weiterungsföhige Erfahrungen gründet sind. In dieser Hinsicht erschänt es nun vor allem von Werth, dasB die Physiker nicht dnig sind in der Venirtheilung der Glacialerosionstheorie, und dasB dieselbe in der Person Tywdall's einen Verfechter gefunden hat, welcher nicht nur mit den Gesetzen der Physik, sondern auch mit den heutigen Gletschern sehr vertraut ist. Es sind also wol nur gewisse, vielleicht erweiterungsfähige Erfahrungen dea- Physik, welche gegen die Glacialerosion sprechen.

In der That, wenn man die rein physikalischen Einwürfe prüfl, kommt man leicht zu einer Bestätigung obiger Behauptung. Eb hat z. B. neuerlich Gldhau >) die Theorien von Bamsay auf Grund einiger BeBtimmungen des Kohäsionsmoduls des Eises angegriffen. Er kam dabei zu folgenden Resultaten:

*) On the Modules of Coheeion of Ice, and its bearing on tlie llteory of Olfldal Erosion of Lake-Basins. Phil. Mag. V. S. vol. VII. 1879. p. 240.

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Kap. XXVI. Möglichkeit der gladalen Bildung von Seen. 379

1) Gletscher können im Maximum Becken von 700 engl. FusB Tiefe und 5MilesLänge'erodiren, wdl eine solche Vertiefung dag Maximum einer DepreseioD darstelle, welche von Gletscheni durchmesaen werden kann.

2) Gletscher können sich nicht weiter als 6 Miles über völlig ebenes Land auabreit^i.

3) Dementsprechend kann sich keine Gletschereismaese über grosse Flächen unabhängig von der Bodenkonfiguration ausbreiten.

Von diesen drei Resultaten ist das erste der fragliche Punkt; die beiden andern stehen im vollen Widerspruch mit der Erfahrung. In Südbayem bewegte sich vom Südende des Kochelsees bis über das Nordende des Würmsees, also auf eine Strecke von 40 km das Eis Über äne fest völlig horizontale Flfiche; und die neueren Untersuchungen in Nordeuropa lassen auch darüber gar keinen Zweifel, dass sich die Gletscher über weit ausgedehntere Flächen Landes bewegt haben, ohne sich irgendwie an die gegebene Boden- konfiguration zu stossen.

Wenn nun von drei Beeultaten einer Rechnung zwei der Er- fahrung widersprechen, so err^ dies Mlsstrauen gegen das dritte, und es läsBt muthmaassen, dass die Voraussetzungen der Rech- nung nicht richtig sein können. Wirklich ist Oldham von zwei irrigen Voraus Setzungen ausgegangen. Zunächst bestimmte er den Kohäsionsmodul des Eises, welchen er seinen Rechnungen zu Grunde 1^, nur für festes, starres Eis, nicht fär Gletschereis; er hebt dies im Nachworte seiner Arbdt selbst hervor. Zweitens aber legt er seinen Rechoungen die längst widerl^te Anschauung zu Grunde, dass die Bew^ung der Gletscher ein Gleiten sei. Bei solchen Voraussetzungen ist nicht wunderbar, dass von den Resul- taten zwei der Erfahrung widersprechen, und wir müssen somit auch das dritte von der Hand weisen. Oldham's Rechnungen gelten nur für starres, gleitendes Eis, nicht für Gletscher.

Diesen in ihren Grundlagen und in ihren Resultaten anfechte baren Rechnungen Oldham's wird von Zöppritz ^) grosse Be- deutung beigelegt, und daraufhin die Frage der Gletschererosion

') Der gegenwärtige Standpunkt der Oeof^Tsik. Oeogr. Jahrb. VIII. 1880. p. 74.

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380 I^I> Absdmitl. Die Bildung der oberbayerischen Seen.

als beseitigt betrachtet Aber auch die Argumente, welche nach ZöPPRiTZ weiter noch gegen die ErosionBtheorie sprechen sollen, be- TÜhren nicht deren Wesen. Eine Erosion sei unter allen Umetinden nur dann möglich, wenn ein harter K5rper unter hohem Drucke über einen weichen giftet Im umgekehrten Falle sei eine Eroeion nur denkbar, wenn der weichere mit grosser Schnelligkdt sich über den harten bewege, oder wenn weiches Material harte G^enstände ala Projektil benutzt Daher erodire flieeaendee Wasser, dahev könnten Eisechollen, wenn sie auf den Strand getrieben werden, daselbst erodiren, nimmer aber könne ein. Gletscher tiefe Becken aushöhlen.

Ich kann mich obiger Voraussetzung von Zöpfbitz durchaus anschlieasen , nur die Folgerungen muss ich entschieden zurück- weisen. Das Eis an und fiir sich wird den Felsgrund zwar nicht abnutzen, aber indem es an seiner Sohle Gesteinstrümmer fort- schleift, erhält es die Wirkung einer Feile. Man bedenke nur, dass es eine bisweilen über 1 000 Meter hohe Eissäule ist, welche sich bewc0 und unter sich Gestein sblöcke fortschiebt Unter solchen Verhältniasen ist natürlich gar nicht von Belang, dass das Gletschereis ein plastäscher Körper ist, was nach A. Favbe ') und MüECHiBON*) dem Gedanken an eine erodirende Thäügkeit widerstreben soll Das Eis an und für sich erodirt eben nicht, es ist nur der Kitt, in welchen die Schleüsteine gefasst sind. Dies wird auch gänzlich ausser Acht bei den Erwägungen Gurlt'b^) gelassen. Nach demselben seien die Gletscher nirgends mächtig genug gewesen, um den Untergrund zerdrücken zu können. Es handelt sich aber nicht um eine Zeflrümmerung dieses letzteren durch eine Belastung, sondern um eine Abnutzung durch ^ne mächtige, langsam fliesaende Masse, welche an ihrer Sohle

Wenn man ee femer für unmöglich ball, dass ein

') Compte rendn de la 45°>e sesBion de la ioc suisse de h nat Lausanne 1861. p. 74.

*) AnniTersary Address to the Geograph. Soc. Froceed. geogr. Soc London. VIII. 1863/64. p. 221.

') Ueber die Entat^ung der Ijorde. Sitzungsberichte der nieder- rheiniBch. OeaelUch. Bonn. XXXI. 1874. p. 143.

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Kap. XXVI. Möglichkeit der gladalen Bildung von Seen. 381

aucli in der Tiefe eines ringsum begrenzten Beckens sich bewegt, Bo möge hier auf die Molekular-Theorie von Ckoll ') verwiesen werden, derznlblge das Eis auch in grossen isolirten VertiefVmgen nicht still li^n bleibt ; es sei daran erinnert, dasa daa Wasser zeigt, wie äa flüssiger Körper Seetiefen durchmessen kann und nicht an dem Boden derselben liegen bleibt

Jedenfalls erhellt aus den vorstehenden Auseinandersetzungen, daae mit unserer jetzigen Kenntniss der Gletscher die erodirende Wirkung derselben nicht unvereinbar ist Wenn wir uns aber nicht verhehlen, daes heut« noch viele Eigenschaften der Gletscher ganz ungenügend bekannt sind, dass vor allem deren Bewegung immer noch Bäthsel darbietet, so ist einzusehen, dass unsere Kenntniss der Gletscher überhaupt noch zu ungenügend ist, um einen theoretischen Entscheid über ihre erodirende Wirkung zuzu- lassen. Im Gegentheil, die Theorien haben sich noch den zu machenden Erfahrungen anzupassen. Wir verzichten daher auf Beibringung theoretischer Gründe für und gegen' die Gletscher- .erosion und halten uns an das positive Material, welches die Geo- logie darbietet

Den praktischen Beweis für die Gleteohererosion hat die Geologie beizubringen, indem sie die Wirkungen d^ beutigen Gletscher untersucht, sowie die Spuren der Thätigkeit diluvialer Eiamassen verfolgt Freilich die heutigen Gletscher sind schwer geeignet, Beweismaterial zu Gunsten dieser oder jener Ansicht beizubringen. Einerseits sind sie im Vergleiche zu den diluvialen GletschcTD wahre Zwerge, und andererseits handelt es sich bei der Gletscbereroeion um Vorgänge, welche unter dem Gletscher, zwisch^ Eis und Boden ststtfinden; und hier Untersuchungen anzustellen, gehört nicht in das Bereich der Möglichkeit

Dass die heutigen Gletscher nicht at)diren, hat man be- sonders aus der Thatsache entnehmen wollen,' dass manche Gletscher beim Vorrücken über loses Terrain den Untergrund nicht au^ühlen, sondern vSUig unverletzt lassen.*) So ist es nach dem Berichte von Dseos ') am Morteratscbgletscher im Enga-

') Vei^l. Climate and Time. 1875. p. 515.

•) BCtiheyek, Thal- und Seebildung. 1869. p. '24.

'') Gebirgsbau der Alpen. 1863. p. 11.

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382 III- AbecbDitt. Die Bildung der oberbayerischen Seen.

din zu sehen gewesen, als derBelbe von der in Samaden versam- melten Bchwdzeriachen naturforachenden Oesellschatt besucht wurde. Ja, man berief sich sogar auf die Autorität von J. de Cbarpentier, um zu bew^sen, dass die heutigen Gletscher nicht erodirt«n. Ä. Fatbe >) wies auf eine Anmerkung auf Seite 42 des Essai sur les glaciera hin. Hier ist allerdings zu lesen, dass der Gletscher du Tour der Montblanogruppe im Jahre 1818 vor- rückte, ohne den Boden aufzuwühlen, allein es verbietet sich daraufhin zu sagen, ahnend habe Chabfentier die Gletscher- eiosionstheorie vorausgesehen und derselben gleichsam vorbeugen wollen, denn Charfentier hat diesen Fall als Ausnahme aufgestellt. Mehrmals hat Charpektieb ausgesprochen, dass dn Gletscher beim Vorrücken über lose Schichten dieselben aufwühle, er stellt dies als Regel iilT alle diejenigen Gletscher hin, welche sich in einem eingeengten Bette bewegen, und sagt ausdrücklich,' dass wenn ein Gletscher sich auf äachem Lande ausbreiten könne, er aufhöre, den Boden aufzuechürfen und zu- sammenzuschieben (de creuser et de bouleverser). ^ Schon in seiner ersten Abhandlung über das erratische Phänomen äussert sich Charpentier °) in diesem Sinne, hier sagt er, was er auch später wiederholte *), dasa wenn ein Gletscher über loses Erdreich, über Gerolle wegginge, er dasselbe bis zum festen Felsgrunde entferne. Chabpentier spricht hier also geradezu die Theorie von DE MoRTiLLET aufi, er ist durchaus nicht unter den Gegnern der Erosionstheorie aufzufuhren. Es ist aber nicht allein J. de Char- FEHTIER, welcher angibt, dass Gletscher loses Terrain au^ühlen und zusammenschieben, Venbtz ^) äussert sich ganz in demselben Sinne, und auf Seite 119 und 120 wurden einige einschlägige Bmspiele aus der neueren Literatur aufgeführt. Unter denselben verdient besonders

') Recherehes g&l<^ques etc. 1867. t I. p. 201. § 184.

*) Essai sur lea glociera. p. 41.

") Sur U cause probable dn transport des blocs erratiquea de In gniase. Anntdes des minea. III. S. t. VIII. 183.'i. p. 319 (328).

') 8ur l'applicaüon de l'bjpothese de H.Venetz aus phäiomfenea erratdques du Nord. Bibl. univ. de Oenfeve. 1842. t XXXIX. p. 327.

') Memoire sm l'extension des anciens glocien g 17. Neue Denlc- Bchr. d. Schweiz, naturf. Oeselbch. Bd. XVIII. 18G1.

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Kap. XXVI. M6gUchk«t der glacialen Bildung von Seen. 383

die Angabe Ttndall's '■) Beachtung, der zufolge dereelbe Morte- ratBcbgletscher, welcher nach Debor sich über loses G^eröU hin- wegschiebt, ohne dasselbe aufzuwühlen, einen Trümmerhaufen vor sich herwälzt Nicht mindere Beachtung verdienen aber auch die Beobachtungen über den Buerbrä insofern als sie eine ältere Be- obachtung von J. M. Wilson*) bestätigen, welcher schon 1872 jene Schichtenatönmgen wahrnahm. Es erhellt hieraus, daes der Buerbrä während der ganzen Dauer s^es Vorwärtsachreitens sein Vorland zusammenschob.

Wenn es also dnige Gletscher gibt, welche beim Vorrücten den losen Untergrund unberührt lassen, so ffbt es andererseits auch solche, welche denselben auipflügen und vor eich herscliieben, und wenn man auf erst^« Thatsache Schlüsse basirt, so ver- werthet man nur einseitiges Material. Wie dem auch sei, es will mir schmen, ab ob man das Wesen der Gletschererosion nicht richtig trifit, wenn man dieselbe mit dem Zusammenschieben des Vorlandes eines Gletschers durch den letzteren vergleicht Die Hauptwirkung des Gletschers li^ nicht an seinem Ende. Hier verlangsamt seine Bewegung, wie angestetU« Messungen wiederholt gelehrt haben, und Hallen und Gewölbe trennen das Eis vom Boden, sodass er denselben hier kaum abnutzen kann. Seine Ein- wirkung auf denselben muss sich vielmehr da entfalten, wo er am raschesten strömt und am schnellsten seine Gruudmorän^i über den Felsen hinwegschleift, sie liegt da, wo er die GletscherschÜffe erzeugt Die GletscherachliSe sprechen ganz zweifellos für eine abnutzende Thätigkeit des Eises, wenngleich sie dieselbe quantitativ nicht erkennen lassen. Vielfach wird allerdings be- hauptet, dass jene Abnutzung nur sehr gering gewesen sein könne. So sagt Whymper'), der Umstand, dass an der Leeseite der Oletscherschlifie rauhe Partien auftreten, beweise eine geringe Abnutzung durch das Eis, andernfalls müssten die Rauhheiten entfernt sein. Aber diese Thatsache lässt auch andere Deutungen

') Conformation of the Alps. Philos. Magsz. IV. S. vol. XX. 1864 p. 255.

*) On the Forms of Valleys and Lake-basina in Norway, Geolog. Magaz. IX. 1872. p. 481.

t Berg- und Oletscher&hiten in den Alpen. 18T2. p. 391.

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384 III- Abflchiütt. Die Bildung der oberbaTenechen Seen.

zu. W«m die Felsen in nächster Nähe beutiger Gletscher nur einseitig geschliffen sind, so kann man dies ebensogut auf eine geringe Dauer der Glacial Wirkung £urQckfQhren, wie auf dne schwache Aeusserung derselben; und wenn man die gedachte Erscheinung auch an Schliffen der ehemaligen Gletscher, wie nicht selten der Fall, wahminunt, so vergesse man nicht, dass der Glet- scher nicht bloss den Untei^nind abschleift, sondern auch auf- lockert und aufbricht, was auf Seit« 42 ausführlich geschildert wurde, wodurch er stete neue Unebenheiten und Rauhigkeiten erzeugt Rauhigkeiten neben GletschoBchliffeo beweisen also nichts gegen die Möglichkeit der Glacialerosion.

Häufig findet man auf den Gletscherschliffen Terschiedene Systeme von Schrammen, und es musB dies sogar als B^el bezeichnet werden. Eine Reihe von Forschem hat nun, dem Beispiele J. de Chabpentier's folgend, diese verschiedenen Richtungen auf yer- Bchiedene Phasen ein und derselben Vergletschenmg, ja sogar auf verschiedene Vereisungen zurQckzuftihren gesucht. Kjgrulf') Bchliesst hieraus g^en die erodirende Thätigkeit des Eises, dasselbe kdniie nicht einmal die Merkmale smer früheren Bew^ung aus- löschen, geschweige denn erodiren. Allein es scheint mir, als ob man auf die sich kreuzenden Schrammen zu grosses Gewicht lege. Vor allem ist durchaus nicht bewiesen, daas dieselben verschiedenen Vergletschenmgen oder selbst nur verschiedenen Phasen derselben Vereisung entstammen. Die regelmässige Wiederkehr des Phäno* mens deutet vielmehr bestimmt darauf, dass verschiedene Schram- mungerichtungen im wesentlichen gleichzeitig entstehen. Die Bewegung des Eises braucht femer nicht immer an demselben Punkte die gleiche Richtung besessen zu haben, und indem die heterogen zusammengesetzte Grundmoräne Ober eine Felsfläche gepresst wurde, konnten die verschiedensten Schräm mungssysteme auf derselben entstehen, und solches konnte sich häufig wieder- holen. Helland hat durch passende Vergleiche beleuchtet, dass solche sich kreuzende Schrammen keineswegs gegen die Erosions- theorie sprechen; ebensowenig sei dies der Fall, wie kreuzende

') Die Eiszeit Sammlung gemeinverständlicher wiBsenschaftlicher Vorträge von Vihchow und Holtzendokff. Heft 293/94. Berlin 1878.

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Kap. Xldn. MögUchkeit der giftcialen Bildung von Seen. 385

Linien an einer mit Sand^mpier ausgeschliffenen Vertiefung be- wiesen, dass diese Vertiefung nicht mit jenem Papier ausgeechlifien sei, oder ebensowenig nie einige sich kreuzende MeieeelBpuren in einem ausgehöhlten Baume als beweisend dafiir angefilhrt werden könnten, dass der Baum nicht ausgemeiseelt sei.

Zeigen uns die Gletecherschliffe an, dass der Gletscher seinen Untergnind abnutzt, so lässt uus das abgeschliffene Material die Gröi'se dieser Abnul2utig erkennen. In der Trübung des Gletscher- baches finden wir nun einen Theil des Schieitpulvers, welches der Gletscher bei seiner Ben^ung erzeugt, dasselbe liegt uns ganz vor in der Grundraoräne. Schon wenn wir die Trübung allein in Rechnung ziehen, ergibt sieb für die Gletsehererosion eine sehr bedeutende Grösse.

Forscher, welche hierüt>er Messungen angestellt haben, haben daher auch stets behauptet, dass der Gletscher weit stärk» erodire als fliessendes Wasser. So sagt DoLLFCs-AuasET'): Die Wirkung der Gletscher auf ihr felsiges Bett ist sehr bedeutend und Tiel, unvergleichlich viel stärker als die des rinnenden Wassers. Und Daubr^e^, von den Beobachtungen von Dollfub-Aubset aus- gehend, sehreibt, dass die Thalvertiefuag durch den Gletscher mehr gefördert wird als durch fliessendes Wasser. (Vergl. p. 202. 203.) Freilich steht die Ansicht, dass die Trübung des Gletacherbaches, dass die Grundraoräne das durch den Gletscher abgeschliffene Material darstellen, nicht unangefochten da. Leiten doch AoAssiz^ und mit ihm Chablks Martins ') und A. Favre ^) dasselbe aus den Oberäächenmoränen her, indem sie annehmen, dass der auf dem Gletscher liegende Schutt unter denselben gerathe und hier <]ie Grundmoräne bildet. So wenig dies auch filr gewisse Fälle bestritten werden soll, so wenig ist es allgemein gültig. Besitzen doch Gletscher, welche vollkommen frei von OberflSchenmoränen sind, nie die meisten Iforwegens, Grundmoränen , und sind auch

■) Mat^riaux etc. t. III. p. 579. Not«.

') Recherches esp^rimentales sur les etriage des roches etc. Bull. Soc. g6)L de France. II. S. t. XV. 1857/58- p. 2üO. ^} SjBtime glaciaire. Paria 1847. p. 110. 119. ') Bevue des deux mondes. 1847. I. ') Description g&ilog. du canton de Genfeve.

P»nck, Df« VtrglstMh»rung. 2ft

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386 III' Abechnitt lAe Bildung der obeibAjerischen Seea.

die ihnen entströmeoden Bftche gleich denen, welche dem grön- ländiscfaeQ Inlandeise mtströmen, schmutzig getrübt '). Hier kann also die Gnindmoräne sicher nicht aus Oberflächenschutt ent- standen sön, und iuubb sich durch Abnutzung des Untergrundes gebildet haben.

DasB die Gletscher erodiren, wird selbst von den Gegnern der Theorie über den gladalen Ursprung der mosten Alpeneeen Zugseilen. Aber man hält diese erodirende Thitagkeit für sehr schwach und unbedeutend, öftere ist bemerkt worden, dass durch sie Ewar klmnere Weiher ausgeechürft werden könnten, aber sie sei nicht gross genug, um die Aushöhlung ganzer tiefer Seen zu erklären. Jede Wirkung habe ihre Grenzen. „Wenn man eine Düne an der Küste sieht, 20 30 m hoch, welche durch den Wind zusanunengeweht ist, darf man dann schliessen, dass in Hunderten oder Tausenden von Jahren dieselbe Düne die Höhe des Himalaja eihält?" so fragt A. Fatke. ^) Gewiss nicht, kann nur die Antwort lauten, solange eben die Stärke des Windes nicht grösser wird. Wenn nun aber i«r Wind 100, ja 1000 Mal starker weht aU heute, sollte er nicht ungemein viel höhere Dünen auiwerfen als heute? Die jetzigen Gletscher sind Zwerge im Vergleiche zu den diluvialen, demnach müssen auch ihre Wirkungen im Vei^leiche EU denen der letzteren pygmaeohaft erschmen. Will man sich &u Bild von den erodirenden Wirkungen der diluvialen Gletscher machen, so muss man deren Spuren studiren.

Nun sahen wir die mächtigen Glacialgebilde Oberbajems, Bchott«r und Moränen. Wir erkannten, wie die ersteren aus den letzteren hervorgegangen sind, und in den Grundmoränen mussten wir jenen Detritus erkennen, der durch die fortwährende Bewe- gung des flisefl unter demselben entsteht Nicht bloss der Um- stand, dass die diluvialen Inlandeism aasen keine Oberflächenmo- ränen besassen, sondern vor allem die petrographische Zusammen-

') Pehck: Die Gletscher Norwegens. MitthwI. d. Velins f. Erd- kunde. Lapäg 1879. Qlsdale Bodengestaltung. Ausland. 1882. p. 348.

■) On theOrigin oftfae Alpine Lokes. Fhiloe. Magaz. IV. XXIX. 1865. p. 206.

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E&p. XXVI. U5gli(^eit der glacUden Bildung tod Seea. 387

«etaung der Grundmoräne liera uns in derselben ein ReibtUgs- )m>dukt erkennai, uiMJ die gesammte M&ase des Qlacial- schuttee »m Fuaae des Gebirges wird uns zu einem Resultate der Gletechererosion. Zu demselben Ei^bnisee kamen wir, als wir uns fragten, wob» denn jene Schuttmasse Icam; wir fanden, dass sie nur von den vereist gewesenen Tbeilen der Tbalgehänge herrühren könne. Als wir nur die Moränen de« alten Isargletschers in Betracht z(^n, fanden wir, dass deesen Berdch um 13 m im Mittel erniedrigt worden sei (p. 201), also um «inen Betrag, welober vollauf genügen würde, um die Seen des Gebietes auszuiuUen; nehmen wir hingegen die ge- sammte Schuttmasse der diluvialen Oletecher, weiche sich am Fuaee des Gebildes ausgebreitet findet, und verUieilen dieselbe auf den Nordabfall der Alpen im enlsprecbendeo Gebiete, so würden . wir dessen Niveau um 36 m im Mittel »höhen können, wie wir auf Beite 330 sahen. Dabd haben wir die enormen Massen von Olacialgebilden im Gebirge nicht in Rechnung gezogen, die gewal- tigen Terrassen im Innthale und NebenUiilem ignorirt, und demioch «rg^bt sich, dass das Land im Mittel um 86 m durch Glacial- Wirkungen erniedrigt ist Es sei hier daran erinnert, dase nach Helland') das Niveau Skandinaviens während der Diluvialzeit -durch Gletscherthätigkeit um 255 Fuss, also um 80 m erniedrigt worden ist, was nicht zu hoch gegriflen ist, wenn man berück- aichtigt, dass nach einer Berechnung von Käkiz *) durch die über Pinnland und Esthland verbrateten Gestoinstrümmer, wenn man &uch nur die Hälfte derselben auf Skandinavien zurückfiihrt, die Hochlande jener Halbinsel gar um 335 in erhöbt werden könnten. Wie will man sich gegenüber diesen Z«Umi der Vorstellung ver- schlieseen, dass die Gletaohererosion wirklich ein gestaltender Faktor auf der Erdoberfläche iet^ und dass die Beebecken, welche man ihr zuschreibt, nur einen Tbeil ihrer Werke darstellen!

Es ist also keine übermässige Leistung der Glacialerosion, «inige in ihrer Ausdehnung beschränkte Seebecken auszuschleifen, welche im Vergleich zur Mächtigkät der alten Gletscher wie seichte

') Zeitschrift d. D. geolog. Oesellsch. 18T9. p. 100.

') Mittheil. k. k. geogr. OneUsch. Wien. 1858. p. 242.

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388 III- Abschnitt Die ffilduag der oberbayeiiselien Seen.

PfÜtten erecheineo. Aber die Untersuchung der Betten der alte» Gletscher Echieu Material g^en deren erodirende Thädgkeit zu liefern. Die Alpenthäler, in welchen irOher Eis gelt^rt hat, leigea bald Wettungen, bald Verengungen, vor allem aber ragen nicht seltcu Felsvorsprünge, niedrige Rücken und Buckel quer zur Bewegunga- richtung des Gletschers in das Thal hinein. Dieselben lassen zwar meist intensive Glelsch erwirkung erkennen. Sie sind vollkommeD zugeruudet, allein Ball, nach ihm ROtimeyeb und Heih fragen, warum jene Vorsprünge, jene Hindernisse der Eisbewegung durch den Gletscher nicht fortgeräumt worden sind und ziehen aus ihrer Gegenwart den Schluss, dass das Eis nicht erodire. Diese Beweis- fÜhrung ist nicht gerade zwingend; sie ist ungefähr derselben Art, wie wenn man sagen wollte: Das Wasser kann nicht erodiren, weil es in den Thälem der sächsischen Schweiz oder in den Canons Nordamerikas Felsthürme und Säulen stehen gelassen hat. Man verbinde mit der Glacialerosion nicht immer deo Gedanken, daeg der Gletscher alle ihm entgegenstehen- den Hindernisse fortschaffen müsse. Ein Gletscher wirkt nicht wie ein Pflug, er wirkt in der Art wie rasch fliessendes Wasser, welches im Stande ist, Sand und kleine Gerolle bergan zu rollen, er wirkt wie ein leb- hafter Gebirgsbach. Wie solch' eine Wasserader den Felsen hlosswäscbt und die weicheren Partien desselben mehr abnutzt als die härteren, wie dieselbe bei raschem Gefalle kleine Becken aus- höhlt, so präparirt ein Gletscher die härteren Gesteins massen in grobem Maasse aus den weicheren heraus, weit seine erodirende Kraft nicht durch mangelhafte transportirend^ Fähigkeit gehemmt wird, was noth wendigerweise eine Beckenbildung zur Folge hat. Es gehört zu den charakteristischen Zügen eines Gletscherthaies, dass es bald weit, bald eng ist, dass es mit einzelnen Becken aus- gestattet ist, und es ist ganz natürlich, dass in ein solches Thal oft Felsvorsprünge hineinragen. Es heisst die Gletschereroeion ibrem Wesen nach völlig verkennen, wenn man in den genannten Thatsachen Argumente gegen dieselbe erblicken will. Freilich sagt Heim, er könne keinen Unterschied zwischen der Gesteins- beschaifenheit solcher Felsvorsprünge und der des umliegenden Materiales erkennen, dabei lässt er die Alpenthäler durch Erosion

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Kap. XXVI. Möglichkeit der giacialen Bildung von Seen. 339

entstehen und atösst sich nicht im 'geringsten an diese Felsbuckel. Warum haben dieselben der Thalerosion getrotzt? Weiss man denn Überhaupt etwas Exaktes über die Härte der Gesteine, weiss man, warum manche Granitpartien der Verwitterung als sack- förmige Gestalten trotzen, während andare hinweggewaschen wer- den, weiss man etwas Wesentliches darüber, warum in einer Ge- steinsschicht oft. nur gewisse Partien technisch verwerthbar sind?

A. Favre ^) konstatirt unterhalb Genf eine Grundmoräne über den alten Anschwemmungen und sagt: „Ich glaube, die Wahrhdt liegt in der Thatsache, dass ein Gletscher über ein Kieslager schreiten kann, ohne sich durch dasselbe einen Weg zu bahnen." Ein Beweis gegen die erodirende Kraft des Eises, wie A. Favre annimmt, ist aber hiermit durchaus nicht geliefert Gelegentlich der Untersuchung über die frühere Eisbedeckung Oberbayems fanden wir, dass ein Gletscher in verschiedener Weise auf seinen Untei^rund wirkt. Auf der einen Stelle häuft er Moränen an und läset darimterliegende lose Schichten unberührt, wie wir es iu den peripherischen Theilen des Moränengebietes sahen, wo die Moränen konkordant über den unteren Glacialschottem liegen, während diese letzteren an anderen Stellen wiederum unter den Moränen erodirt Sind, wie es im Bereiche der centralen Depression zu sehen ist Das Material der Grundmoränen selbst lehrt, daes der Gletscher erodirt hat Wir kamen zu der Folgerung von J, Geikie, dass das Eis an verschiedenen Stelleu erodirend und anhäufend zu gleicher Zeit wirken kann. Sf^t man daher, weil ein Gletscher an einer Stelle nicht erodirt, Bundern dnen konser- virenden Einöuss ausgeübt hat, er könne deshalb überhaupt nicht «rodiren, so muss man auch dem Wasser seine thalbildende Kraft absprechen, weil man in Deltas und anderorts B«ne anhäufende Thätigkeit bemerkt

Die beiden Argumente also, welche aus der Beschaffenheit der Gletscherbetten gegen die Aimahme der Gletscbererosion ge- wonnen wurden, erweisen sich durchaus nicht stichhaltig. Sie beruhen auf der Voraussetzung, dass, wenn ein Gletscher erodirt,

') On the Origin of the Alpine Lakes and Valleys. Fhilos. Magaz. rV. XXIX. I8C5. p. 206.

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390 III- Abicbiiitt. Die Kldong der oberbayerischen Seen.

er diese Wirkimg fibendl ausüben mflsee. Das li^ aber dnrcli- auB nicht in der Natnr dvt Sacbe.

Die gewaltige Äiudefanung der diluvialen Gletecher, ihm enorme Mächtigkeit müseten Mgentlich stets deu Gedanken an eine groese Wirkung rege erhalten. Man denke eich nur immer eine 1000 m mächtige Eismasse unaufhaltsam vorwärta bewegt und unabläseig über den Felsgrund schleifend. Allein gerade in Anbeüvcht dieser grosBarttgen M&ohtigkdt sind neue ZväM ent- standen. Mai^let^) äusserte, das Eis kdnne nur so mächtig gewesen sein, dass ee eich nicht selbst lertrflmmerte und dorcfa eigenen Druck in Wasser fiberging, und Wtvillb Thomson*) ist der MeinuDg, dass 1400 (en^ieche) Fuse die aussagte Mächtigkeit ist, welche eine Eismasse erlangen könne. Dem gegenQber hat nun schon Croll^ gelehrt, dass das antarktische Eis weit stärker san mOsse, und die Verfolgung der Olacialschichten unseres Ge- bietes machte uns mit Mächtigkeiten von Gletechereis bekannt, welche die von 1400 englisdi^i Fnis mehr als um das Doppelte übertrefl^. Wdtcr hat man gesagt, die de&t liegenden LageD dieser EiestrSme «ch nieht hätten vorwärts bewegen können, sie muBSten stagnir«i, und zumal in beckenfSrmigen Vertiefungen ganz still liegen infolge des grossen Widerstandes, der sich ihnen aitgegensetzt«. Lagen aber ihre tJeftten Partien still, so konnten sie durch dieselben selbetventindlichst nicht erodiren, und der Gedanke einer Beckenbildung durch die diluvialen Gletscher er- schien ausgeschlossen. Bau. und Ltbll sind zu wiederholten Malen auf diese Argumentation Eurückgekommen, und besonders beeteht der Hwz<^ von Arotll*) in soner Philippika g^;en die Glaeialeroston auf ihr, was ihn ft«ilich nicht hindert, schon zwd Beilen nach der angeführten Btelle lu behaupte, dass ebendie- selben Becken, in welchen das Eis stagniren sollte, doch durch die Wirkungen des Eises vertieft worden seien! Die Annahme,

>) Qnarterlr Jonival geolog. Soc London. XXIX. 1873. p. 223.

*) CondidoD of the Antarctic B^ion. p. 23. Natnre vol. XV. p. 122.

*) On the Thickness of the Antarctic Ice. Quarterly Journal of Science. London 1879 Januar.

*) The anniversaiy address of the president Quart«rly Journal geolog. Soc. vol. XXIX. 1873. p. LXXI.

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Kap. XXVI. M^chkeit der glactelen BUdung von Seen. 391

dass die tiefaten Lagen der diluvialen Gletscher sich nicht hätten vomärta bewegen können, steht aber im Widerspruche mit den ErscheinungeB in der Natur.

Zunächst ist ee, wie IUmsayI) hervorkehrt, physikaliech nicht gut denkbar, daee die untere Eislage bew^ungsloa ein Becken auefilllt und dass die obere in fortwährender Bewegung b^rifien iBt. Freilich ißt bekannt, daas die Bewegung der unteren und seitlichen Partien eines Gletachere durch die Wandungen seines Bette« verringert wird, aber gerade diese Verringerung der Bewegung erscheint somit als Folge der Reibung; Reibung aber erzeugt wne Abnutzung des Untergrundes. ,J>ie Verminderung der Geschwindigkeit eines Gletschers durch sein Bett wird oft als ein Beweis g^en seine erodirende Thät^;keit angefährt", sagt der Physiker Tybdall*), „aber gerade diese Verringerung ist in ge- wisser Beziehung der Ausdruck seiner erosiven Kraft."

Es li^ uns ferne, hier physikalische ErÖTterungoi über diesen Punkt anzustellen. Wir begnügen uns, nochmals auf jene geologischen Thatsachen zurückzukommen, welche unzweifelhaft beweisen, dass die Eisatröme der Quartärzdt sich auch in den tiefsten Lagen bewegt haben, dass ihre untersten Partien durch Becken hindurch geschoben sind, dass sie sich auf grosse Strecken be^an bewegten. Wir greifen auf einen früheren Abschnitt zurück, in velchem zu zeigen versucht wurde, dass in unserem Gebiete der (reschiebetransport fast lediglich unter dem Eise erfolgte und dass die Grundmoräne durch den Gletscher auf nicht unbeträchtliche Höhen bew^ wurde. Es wurde darauf hingewiwen, dass si«^ die Gerolle des untren Glacialschotters im Inntliale den dortigen Gmudmoränen beimengen, ea wurde hervoi^ehoben, dass die Ur- gebirgsgeschiebe auf der Höhe der bayerischen Alpen meist als Gerolle auftreten, welche also nun bis 1000 m höher als im Inn- thale liegen, aus welchem sie genommen wurden. Wie ist es denkbar, dass ein Findling aus dem Oetzthale unter dem Eise bis in die Gegend von München bewegt wurde, ohne anznndmien,

') On the Erosion of Yallers and lAkea. PhüoB. Magaz. IV. 18Ö4. XXVIII. p. 293.

■) PWlos. Magaz. IV. 8. XXVni. 1864. p. 286.

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392 IJI- Abschnitt. Die Bildung der oberbayeriscbea Seen.

dass er das Inothal qu^ überschritten, dessen Südgehänge er- klommen, dann das Becken von Mittenwald durchschnitten, dann nach dem Walcheusee aufwärt« gewandert, dessen Tiefe durchlaufen, dann schliesslich den Keeeelberg und den Kochelsee gekreuzt hat ?

Ich furchte zu breit zu werden, wenn ich auf alle diese That- sachen einzeln zurückkommen wollte. Kur eines will ich noch erwähnen, nämlich dess atle Thäler, in welchen Gletscher auf die Hochebene mündeten, mit einem Becken abschliessen. Alle Geschiebe, welche auf der bayerischen Hochebene verbreitet sind, und die unter dem £ise transportirt wurden, was von der Mehrzahl gilt, mussten diese Becken passiren, mussten deren Tiefe durchmessen. Ist dies nicht ein schöner Beweis dafür, dass sich das Eis selbst in den unteren Partien eines Beckens vomärts bew«^ hat?

Wir haben nun allen den Einwürfen ausführlich zu begegnen gesucht, welche gegen die Glacialbildung der Seen vom allge- manen Standpunkte aus gemacht wurden. Wir unternahmen, zu zeigen, dass weder die heutigen, noch die diluvialen Gletscher Erscheinungen darbieten, welche gegen eine Glacialerosion sprechen. £e ergab sich vielmehr, dass sowol die Eisströme der heutigen Tage, als auch die der Quartärperiode sehr beträchtlich erodirend wirken oder gewirkt haben. Die Beobachtungen über die Bildung der Grundmoränen, zu welchen wir gelangten, liessen uns keinen Zweifel darüber, dass dieselben als ein Produkt der Gletscher- erosion anzusehen sind. Wir kehrten also zu der alten Ansicht von E. CoLLOMB zurück, welche sich im Norden Europas überall als richtig erwies. Dieselbe Anschauung, nämlich die, dass die Grundmoräne durch die abschleifende Thätigkeit des Eises ent- stand und unter demselben körperlich fortbewegt wurde, half uns erkeimen, dass die Eismasse in tiefen Becken nicht stagnirte, son- dern sich auch bewegte, wenn auch wol mit geringerer Intensität. Die Frage nach dem glaeialen Ursprung mancher Seen fuhrt sich auf die nach dem Ursprung der Gnindmoräne zurück.

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Kap. XXVII. Einwäade geg. d. glaciale Bildung d. grossen Alp«nseen.

Kapitel XXVII.

Emw&nde gegen die glaciale Bildung der grossen Alpenseen.

Mangel an Seen in gewissen Alpenthäleni. Thal der Dora Baltea, Istre, BhCne, Th&ler der Hochalpen. Lage det Geafeneee. Bocket. Tniuiport alpinen OeröllB über die Seen. Ansichteii von Agassiz, Morlot, de ItOB- TiLLET, Ombosi, A. Favre. Feliier der Ansicht Ouboni'b. Die Seen Unterbrechungen in den Ablageningen der unteren Olaclalschotter. Unmög- lichkeit der Konserrimng der Seebecken. AlpenBeen periodische Gebilde. VnlerBchiede der Theorien, von Ramoay und de Mostillbt.

Zahlreiche Gründe sind gegen die Möglichkeit der Gletscfaer- erosion ins Feld gefQhrt worden, von Physikern und Geologen ist sie in Frage gezogen, und doch, wenn mau das Für und Wider Qberlegt, wenn man anstatt allgemeiner Betrachtungen Beobach- tungen aus der Natur ins Feld führt, da will der Entacheid nicht schwer fallen; schon das VorhandeuEän der Grundmoräne wird zu einem zwingenden Beweise für die Gletschererosion. Allein ge- steht man deren Möglichkeit auch zu, so muas es sich doch fragen, ob sie genügt, um die Bildung der grossen Alpenseen zu erklären, denn es ist nicht zu verkennen, dasa gerade aus der Lage dieaer Alpenseen Bedenken gegen ihre glaciale Bildung ent- nommen worden sind.

Unzweifelhaft ist zwar die Thatsache, dass die grossen Alpen- seen in das Bereich der früheren Gletscher fallen, aber nicht minder bemerkenswerth ist der Umstand, dass sie kmoeswegs in solcher Regelmässigkeit wie das Glacialphäoomen die Alpen umgürten. Es wurde bereits oben ent'ähnt, dass sie gruppenweise auftreten, an manchen Orten sind sie förmlich gehäuft, an anderen dagegen sind sie seltener oder fehlen ganz, und dieser Mangel ist mehrfach als ein schwerwi^ndes A^ument gegen die glaciale Bildung der Seen ins Feld geführt worden. Wenn die Seen gladalen Ur- sprungs sind, warum bildeten sie sich nicht überall da, wo Glet- scher in den Thäiem gelegen, so fragt Ball, und nach ihm haben Lyell und A, Favre diesen Einwand wiederholt.

Es ist aber eine Verkennung des Wesens der Gletscher- erosion, wenn man allüberall ihre Spuren in Seen vermuthen

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394 lU. Abschnitt. Die BilduDg der obeibayerischen 8e^.

wollte. Seen sind nur der zeitweilige Ausdruck anee bestuumteu Falles der GletscKerthäligkeit, und so hat R&hbay bereits in treffender Weise dem obigen Einwände ent^^net, er habe wol Tereucht die Bildung der Seen zu erklären, nicht aber deren Mangel Seen sind temporäre^ leicht vergängliche Gebilde. Durch mannigfache Voi^änge können eie zum Erlöschen gebracht werden. Die Seen Sfldbayems liefern hierfür ein lehrrdches Beispiel. Alle diejenigen, welche von beträchtlichen Flüseen durchströmt werden, sind erloschen. Soll nun der Mangel von Seen in einer Anzahl von Thäleru wirklich konstatirt werden, so ist vor allem zu ent- scheiden, ob nicht vielleicht erloschene Seen, welche die Land- kari« nicht besonders verzeichnet, vorhanden sind. Indem wir in Südbayem die erloBchenen Seen mit in Betiraebt zogen, zeigte aicb, dase in jedem Thale, m welchem ein Gletscher die Hochebene erreichte, ein Seebecken zu erkennen ist Für Sfldbayem gibt es daher obigen Einwand nicht, die Seen sind regelmässig vertheilt, und jener Einwand fUlIt auch ftir eine Reihe von Beispiel^i hin- weg, auf die er ausdrücklich basirt worden ist

Es wurde besonders hervorgehoben, dass die Thäler der bdden Dors nicht mit einem Seebecken gegen die Poebene abschliessen, obwol man meinen sollte, gerade hier tiefe Depressionen zu finden. Oabtaldi') hat in einem Briefe an Lyell nun berdts darauf auünerksam gemacht, dass gerade am Ausgange dieser Thäler eine breite Zone harter Ampbibolitgestone gelagert sei, welche der erodirenden Thätigkeit ein unübersteigliches Hindemiss dar- böte. Diese Gesteinsbarre wird nur von engen Tbalschluchten durchbrochen. Oberhalb der Barre dagegen sind die Thäler weit und ofi«n, wahrscheinlich sei, dass sich hier früher Seen wstrecktan. Es finden sich hier also ähnliche Verhältnisse wie in Südbayero, wo ein Molasserücken die Gletschererosion am Ausgange manch» Thäler an der Ausbildung von Becken gehindert hat, und wie sich hier oberhalb und unterhalb der Barre Seen ausdehnen, so ist es in den entsprechenden Fällen in Piemont auch gewesen. fTicht nur oberiialb der Amphibolitzone hat im Thale der Dors

') On the effects of glacier erosion in aljäne valleje. Qnarterlj JoumaL Geolog. Soc. London. XXIX. 1673. p. 396.

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Kap.XXVII. Elinwiiiidegeg.d.glBdaleBUduiigd.gToseenAlpKieeen. 395

Baltea ein Bee bestaDden, wie GAarALDi Termuttet, sondern es kann keinem Zwdfet unterliegen, daeB aucli vor diesem Thale ein Seebecken exigtirt hat. Man betrachte das grosBe Amphi- theater Tonivrea, waches vonRünMEYERi) trefflichst abgebildet wurde. Man sieht hier eine grosse DepresHion rings umgeben von Moränenhügeln, durch welche sich die Dora in einem zi^slich tiefen Thale einen Ausweg sucht. Einige kleine Seen li^;en in dem so umgrenzten Becken, und wie Charles Martins und Gabtaldi*) berichten, geht die Sage, dase daaselhe einst von einem See erföllt gewesen sei, dessen Beete in den kleinen Seen von Viverone und Canvia vorliegen würden.

So also steht es mit einem jener ThälerPiemoDte, deren Seen- mangel als ein entschiedener Einwand gegen die Theorie derOIa- cialerosioD betont worden ist Berücksichtigt man nun, dass in die Thal« der Lombardei, welche durch die grossen Se«i aoa- gezöchnet sind, sich die weichen Pliocänschichten ein Btück weit hineinziehen, während solches bei den Thälem Piemonts nicht der Fall ist, so wird man b^;reiflich finden, dase in den lombardischen Thälem die Gletschererosion von vornherein sich weit bedeutender entfalten konnte als in denen Piemonts, und der Gegensatz zwischen den Thälem beider Gebiete ist durchaus nicht so gross, wie man denk^ mSdite.

Der Mangel an Seen in den Thälem der westlichen Alpen ist besonders betont worden. Allein es m$ge daran erinnert werden, dass Lobt") zu wiederholten Malen die firühere Exist^z ^ee Beckens in der Nähe von Grenoble zn beweisen suchte. Der IsSregletscher erodirte nach der Ansicht des ausgezeichneten Geo- logen des Delphinate bei Grenoble um so viel, als das heutige

') Eiszeit und Pliocen auf beden Seiten der Alpen. 1876. Taf. II.

*) Sur les teirains superfidels de la vallte du Po. Bull. See. geoL de France. II. 8. t VII. 1849/50. p. 554. „Puit autem uno tem- pore ab Hipporegja (Jvrea) crritate inferiua tota vallia illa in montibus intMclnsa, lacn magno oniTeream iUam planitiem comprehendente, occupata. Qua« Dum, lacn mizta, ezibat snttus Maxadium (Hazze)." Azarius, de hello camepiciano.

■) Description gtologiqne du Dauphin^ Paris 1860. p. 686. Not« snr lee d^pAts terdaiies et qnatemaires dn bas Daupbjn& Bull. Soc. göol. n. 8. t. XX. 1862/63. p. 363.

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3dG m- Abschuitt. Die Bildung der obeibayeriBchen Seen.

Is^rethal unter dem Trockenthale von St. Anäift Megt, das sich direkt nach der Rhone zieht; das heutige le^rethal unterhalb Gre- noble ist daher ein Werk der Glacialerosion und ist vielleicht auch temporär durch einen See au^;ezeichDet gewesen. Vennuthungs- weise möchte schliesslich ausgesprochen werden, dass mau viel- leicht im Thale der Bhone bei ihrem Austritte aus dem Jura ein erloschenes Seebecken finden wird. Auegedehute Moore zwischen St Genix und Morestel scheinen mir auf ein solches zu deuten. Sollte nicht vielleicht auch das Becken von Belley, welches Faisan' undCHAMTKE mit so lebhaften Farben schildern und welches nach ihnen eine Menge kleiner Seen beherbergt, ein altes Seebecken San? Es wäre wünechenswerth, wenn die genannten LyonerGeo- logen, denen so viele schätzenswerthe Beiträge zur Eenntniss des Glacialphänomens ihrer Heimat zu danken sind, ihre Unter- suchungen auch auf die Frage nach dem glacialen Ursprung der Seen ausdehnen und dieselbe nicht a priori von der Hand weisen wollten.

Der Mangel an Seebecken in den Thälem der Bhone und Is^re ist also wol noch bestimmter zu erndsen, als es bisher durch die blosse Betrachtung der Landkarte geschehen ist, und einst- weilen muss es als sehr wabrschemlich gelten, dass auch diese Thäler am Rande des Gebirges durch Seen ausgezeichnet gewesen sind, welche jedoch, da sie von sehr bedeutenden Flüssen durch- strömt wurden, rasch erloschen sind. In den südlicher gelegenen Thalem der Durance, des Drdme, des Drac oder gar des Var freilich vermigst man jede Spur von Seen. Allein, so wenig man auch bisher Ober die Glacialerscheinungen in jenen Thälem weiss, so ist doch gewiss, dass dieselben dort weder die Bedeutung noch die Ausdehnung wie in den übrigen Alpenthälem klangen, und uuter solchen UmstSnden kann es nicht Wunder nehmen, wenn hier grössere Seen fehlen.

Man sieht, daas der Mangel an Seen in gewissen Thälem ' keineswegs ein so absoluta ist, wie man bei Betrachtung einer Uebersichtskarte der Alpen wol annehmen möchte. Zudem sind ja die Seen nur ein bestimmter Ausdruck eines gewissen Falles der GletBchererosion, dieselbe ist durch Bildung von Amphitheatern charakterlsirt, welche keinem Gletschergebiete fehlen. Der Mangel

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Kap.XXVII. Einwgndegeg.d.glacialeBilduDgd.groeaenAJpenBeen. 397

au grossen 8een in manchen Alpenthälern bildet also durchaus keiueu Einwand gegeu die Ansichten von Rausay und de Mos- TiLLET. Ein anderer, wie es scheint schwerer wiegender, erwächst jedoch aus der Lage und Gestalt des grSsaten Alpenseee, ftir welchen gerade von Ramsay der glaciale Ursprung angenommen worden ist. Fast alle Geologen, welche die Theorie der Glacialerosion bekämpfen, also Ball, Lyell, Mdrchibon, A. Favre und Ändere, tuhren den Genfersee wegen seiner Lage und -mondfcirmigeu Gestalt als einen Beweis gegen die Erosionstheorie auf. Der Bhonegletscher hatte mit dem Walliser Thale bei Martigny seine Richtung geän- dert und sich nach Nordwesten umgebogen. In dieser letzteren Richtung überschritt er nun die schweizer Ebene und schob sich gegen den Jura vor. ErratJsche Blöcke gerade gegenüber Mar- tigny auf den Gehängen des Chasseron zeigen, dass der Rhone- gletscher hier iu seiner grössten Mächtigkeit anprallte, um dann sich an den Gehängen des Jura nach Nord und Süd weiter zu ziehen. Wenn nun der Genfersee ein Werk der Gletschererosion ist, warum liegt er nicht, so fragen Ball, Lyell, Muechison und A. Favre, gerade in der Achtung Martigny-Chasseron, in welcher sich die Hauptmasse des Eises bew^te; warum, fragt Ball weiter, erstreckt sich der Genfersee nicht bis Martigny, wo doch die erodirende Kraft des Gletschers nach Ramsay am beträcht- lichsten im unteren Theile der Alpenthäler ist; warum, fragt end- lich noch A. Favre, hat der Genfersee seine grösste Tiefe in seiner oberen Hälfte, also da, wo am Ufer die härtesten Gesteine anstehen, und nicht dort, wo er in das Gebiet der weichen Molasse fortsetzt?

Dies sind alles, wie es scheint, sehr triftige Einwände, welche noch nicht im Einzelnen zu widerlegen versucht worden sind, und auch ich kann nur mit einem gewissen Zaudern daran gehen, sie zu bekämpfen, da mir leider die Renntniss des Gebietes aus eigener Anschauung fehlt; Dennoch wage ich es zu thun, da mir däucht, als ob obige Fragen keinesw^ so sehiter wiegender Natur sind, nie gewöhnlich angenommen wird.

Wenden wir das, was wir über die Gletschererosion im Innthale kennen lernten , auf das Rhonethal an , so haben wir anzunehmen, dass in dem unteren Theile desselben der Glet-

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398 III- AbachnitL Die Bildung der oberbayerischeD Seen.

scher stark erodirte, und da er sich weit aus den Alpen heraus- erstreckte, Bo musste er vor denselben auch eine centrale Depres- sion erzeugen. Diese letztere muss aber in ihrer Ausdehnung und Gestalt von der Art der Gletscherverbreitung ahhän^g srän, so wie vir es in Südbajem nachwiesen. Nun konnte sich aber der Khon^Ietscher nicht ungehindert im Alpenvorland« verbreiten. Er BÜees auf den Jura, welcher seine Massen ablenkte, deäectirte. Ein Thdl derselben glitt, wie schon mehrfach erwähnt, am Jura nach Süd, der andere nach Nord, und dementsprechend muss auch die centrale Depression sich vom Rhonethal nach dem Jura ziehen und an demselben nach Nord und Süd sich weiter erstrecken; sie muss, falls sie in ihrer Entwickelung von der Gletscherverbreitung abhängig ist^ von T-iormiger Gestalt sein.

Wenden wir uns nach dieser spekulativen Erörterung zur Betrachtung der natürlichen Verhältnisse. Eine breite Alluvial- ebene dehnt sich oberhalb des Genfersees im Rhonethal bis Bei aus. Dieselbe wird allgemein als die AusMllung emes früheren See- theileB angesehen, sie ist das alte Delta, welches die Rhone in 6exi Gknfersee hineingebaut hat Es hatte also der See früher eine bedeutendere Ausdehnung als heute; er erstreckte sich in die Alpen hinein, und zwar gerade bis dahin, wo nach Ball unt^ Voraussetzung der Glacialerosion &n See zu vennuthen wäre. Betrachten wir tun den heutigen See. Derselbe zerfällt in zwei Thdle, einen östlichen tieferen, welcher die lüchtung des Rhone- thales innehält, und einen westlichen seichter^i, welcher senk- recht dazu in der Richtung des Jura verläuft Die erstgenannte Sstliche Seebälfte ist zwischen die Alpen des Chablais und dtaa Molasseplatean des Jurten (Jorat) eingeschlossen. Er ist ein See im Rhonethal«, wie der Thuner- und Brienzersee im Aarethale, man könnte ihn daher als Thalsee bezdchnen. Die westliche Seehälfte hmgf^^ ist sichtlich vom Jura beänflusst, «e folgt dem südlichen Arme des Rhon^letschers und stellt den einen Arm der deäectjrten centralen Depression desselben dar. Es fragt sich nun, ob auch der andere Arm derselben zur Ent- wickelung gekommen ist

Eratreckt sich nun zwar nicht ein Ann des Genfersees nach Norden, so bemerkt man doch in dieser Richtung am Fusee des

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Eap.XXVII. E^wändegeg.d.glacialeBildungd.grosseDAlpenseen. 399

Jura die Seen tob Neueubui^ und Biel, und eine scharf ausge- sprochene Depression, auf die besonders ROtiheyes hingewiesen hat, zieht sich von den genannten Seen nach dem von Genf. Die Scheide zwischen ihnen und dem letzteren erhebt sich nur um 75 m über den Bpiegel desselben, und um blos 16 m über den Neuen- burger See; bequem wird sie von dem Orbekanal Qberschritten. In diesen Seen li^ nun zw^ellos der nördliche Arm d^ deflectirten -centralen Depreesioii des Bhon^letschers vor, und es kann nicht Wunder nehmen, daes derselbe nicht so lief li^ wie der südliche, w^in man berücksichtigt, dass der letztere dem Rhonetbale folgt. Dieses aber war bereite vor der letzten Vergletscherung gebildet, wie die alten Anacfawemm ungen unterhalb Genf lehren. Es legte sich also der südliche Arm der centralen Depression in ein altes Thiü, während der nördliche mch gerade auf der Wasseischeide zwischen Rhone und Rhein entwickelte. Auf derselben konnte er sich nicht als Einsenkung im wahren Binne des Wortes geltuid machen und «racheint erst auf deren nördlichen Abdachung als wahre De- pression in Gestalt der Keuenburger Seengruppe. Nach den UnterBUchungeo von A. Fa.v&£ ist es nun wahrscheinlich, dass der Spiegel des Genferseea nach Ende der letzten Vergletscherung 70 80 m höher lag als heute. Damals konnte derselbe mit der Neuenburger Seengruppe zusammenhängen, und vor dem Rhone- tbale dehnte sich eine Wasserfiäche von T-fiirmiger Gestalt aus, von der Form also, die die centrale Depression des RbonegletscherB unt^ Voraussetzung ihrer glocialen Bildung annehmen musste.

Banerkenswerthe Beziehungen lassen nun die Tiefoi des Genferseea erkennen. Das untere Seeende, das wir als deflectirte centrale Depression deuten, ist im Allgemeinen nur 70 80 m tie£ Tiegt sich also der Abfluss noch um weit«« 70 m tiefer, als seit der Glocialzeit geschehen, so wird der fragliche Theil dee Sees trocken gelegt und es bleibt nur die Partie erhalten, äie wir als Thalsee bezeichnen. Die sonderbare Krümmung des Genfersees verschwindet, derselbe erscheint dann ganz ebenso wie die übrigen schweizer Seen. Nichts ist aber natürlicher, als dass die obere SeehälAe die tiefere ist. Sie liegt im Thale, wo der Oletscher seine erosiven Wirkungen koncentrirte, während auf dem alinnen Vorlande, wo & sich ausbreiten konnte, die

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4Ü0 III' Abschnitt. Die Bildung der oberbayeriechen Seen.

BchÜrfende Thätigkeit naturgemässerweiBe eine geringt^re war. So erklärt sich auch, warum das obere Seeende, trotzdem es in hartes Gestein eiugeaenkt ist, am tiefsten ist

Der Oenfersee ist ein zusammeng;esetzter Erosionssee wie die meisten Seen am Nordabfalle der Alpen. Er besteht zu ein^m Theile aus einem Thalaee, dessen Hälße mindestens schon erloschen ist, da er sich früher bis Bex erstreckte. Zum andern Theile besteht er aus der centralen Depression des alpinen Vor- landes, welche durch den vorliegenden Jura deflectirt ist. JAUE8 Geikie <) nannte solche durch die Lage eines Hindernisses be- <lingte Becken Deflectionsbecken, und als ein solches können wir die untere Hälfie des Genfersees bezeichnen. Die Hefen harmo- niren mit dieser Vorstellung. Somit steht der Genfersee seiner Lage, Gestalt und Tiefe nach in Beziehungen zur Vergletscberung. - Seine Bildung erklärt sich leicht durch Annahme der Glacialerosion, deren Richtung und Intensität durch die präglaciale Konfiguration des Landes bestimmt wurde. Aber er ist nicht das alleinige Werk des RhonegletBchers ; die Spuren dessen erodirender Thätigkeit liegen auch In der Neuenbui^r Seen gruppe vor, und diese, welche gleichfalls als Deäectionsbecken bezeichnet werden können, sind vereint mit dem Genfersee zu be- trachten, wenn man die erodirende Thätigkeit des Rhonegletschera verfolgen will.

DerGenferaeebietetsicherkein Beispiel eines Alpensees, welcher nur widerstrebend sich der Annahme der Glacialerosion fSgt und aus dessen Lage man gegen die letztere argumentiren könnte. Bonket *) hat nun auf Grund der Lage einiger anderer Seen die Glacial- erosion stheorie bekämpft Er weist darauf hin, daes der Königssee und Hallstätter See, der eine südwestlich, der andere südöstlich von Salzburg gelegen, an Enden von Sackthälern auftreten, wäh- rend die grösseren Seen des Salzkammergutes, nämlich der Wolfgang-, Fuschl-, Atter-, Mond-, Irr- und Traunsee, gänzlich ausser den Bahnen der alt«n Gletscher liegen sollen. Es sei

') The Great Ice Age. 2. Aufi. p. 289.

*) Lakes of the north -eastern Alps an their bearing on glader- flion theory. Quart. Jonm. geol. Soc. London XXIX. 1873. p. 382.

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SJip.XXVII.Einwändegeg.d.^acialeBildungd.grbssenAlpenaeen. 4ül

daher undenkbar, dasB diese Seen glacialea Ursprünge vären. Dasselbe gelte vom Zeller See, und die Ansichten Rahsay's seien daher unhaltbar.

Ich kenne die Mehrzahl der genaimten Seen nur durch eine flüchtige Begehung, und den Hallstätter und den Traunsee habe ich gar nicht geflehen; dennoch aber kann ich auf die gänzliche Grund- losigkeit der Schlüsse BomrEY's aufinerksam machen. Königssee und Zellerwe wird niemand iur gltuualen Ursprungs halten, wenn er diese Seen nur flüchtig gesehen hat Der Kdnigssee dürfte ein altes Einsturzgebiet repräaentiren , der Zellersee ein abgedämmtes ThaL Dieser Umstand bedingt keineswegs, dass andere Seen nicht glacialen UraprungB sind. Boxney hätte sich v^gegen- wärtigen sollen, als er Rahsay's Theorie auf Grund dieser That- sachen angri^ dass jene Theorie nur der Entstehtmg gewisser Alpenseen gewidmet ist, dass man daher aus der grossen Zahl alpiner Wasseransammlungen nicht diese oder jene herausgreifen kaun, um an ihnen die Unanwendbarkeit jener Theorie zu be- weisen. Ausser den Seen glatualen Ursprungs gibt es auch andere in den Alpen, und würde Bokney die Literatur über die von ihm durchstreiAe G«^end benutzt haben, so würde ihm nicht ent- gangen sein, dass schon 1861 Hailsb') den Kdnigsee filr einen Ein Sturzsee angesprochen hat

Dass die grossen salzburger Seen, welche sich von den schwdzer und sQdbaTerischen Seen durch ihre Lage am Rande des Gebirges auszeichnen, nicht g^ea die Ansicht Rambay'b ins Feld geföhrt werden können, lehrte mich schon ein flüchtiger Besuch. Sie liegen in alten Gletscherbetten, und an ihren Ufern treten häu£g GlebBcherschlifle auf. Allerdings bestreitet Bonney dies und macht darauf aufmerksam, dass diese Seen zum Theil in Sack- thälem liegen, in welche nimmer hätten Gletscher eindringen können. WQrde Bonney die enorme Entwickelung in Betracht gezc^i^en haben, welche die Alpen gletscher zur Diluvialzeit be- sassen, so wäre ihm sicher der Gedanke gekommen, dass die Gletscher über niedrige Pässe in jene Thäler eindringen konnten, und hätte er den erratischen Gebilden jenes Gebietes nur vorüber-

') Vergl.ecHAFHiüTL.GeogiioBtiache Untersuchungen, 1851. p. 198.

Penck, Die Ver^eUcherung. 26

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402 UI. Abadmitt. IMe Bildung der oberbajeriechen Seen.

gehcDde Äußnerksamkeit geschenkt, bo würde er den thsteäch- lichen Beweis fnr diese von ihm bestrittene Erscheinung ge- funden haben.

In einer andern Abhandlung sucht Bonnet *) die TJnanwend- barkeit von Bamsay's Theorie auf die Seen des Engadin, sowie den Corner- und Orlaaee zu bewosen. Ich kann smer Ai^umen- tation nicht folgen, da ich jene Been nioht kenne; denn Bonney verechmäht es auch hier, die Lage der Been in grossen Zügen zu erfassen, sowie die Gletscherverbreitung in ihrer Allgemeinheit zu betrachten. Nur möchte ich darauf aufmerkaam machen, dass bisher noch Niemand den glacialen Ursprung der Engadiner Seen *) behauptet hat, solches ist nur von den b^den genannten lombar- dischen geschehen, und betrefis des Verhältnisses dieser letzteren zur Vergletscherung sind Bohhet's Mitthdlungea ebenso dürftig, wie sme Berichte über die sahburger Seen.

Verschiedene Wege fiihrten uns zur Ännabrae der glacialen Bildung der Eroaionabecken in Südbay^em. Wir konstatirten ihr Beschränkts^n auf das alte Gletschergebiet, wir fanden, dass sie genau in dem Gebiete 11^^, wo die Gletscher erodirt haben, nftchdem wir uns Tergewissert , dass solches wirklich geschehen, und suchten dann nachzuweisen, dass sie nur während der Glacialzeit entstanden sein könnten. Bamsay begründete seine Theorie besonders auf die Lage der Seen und den Nachweis der Gletschererosion; wir haben jetzt die lUnwände erörtert, welche gegen seine Argumente erhoben worden sind, und müssen be- kennen, dass wir kein einziges derselben irgendwie stich- haltig fanden. Jetzt erübrigt uub noch den Einwänden gegen das junge Alter der Seen zu begegnen, denn es gibt wol keine Thataache, welche bestimmter zu Gunsten der glacialen Bildung mancher Alpenseen spricht, als gerade diese.

Es war das Verhältniss der mächtigen im Konnex mit der OUcialfonnation stehenden Schotterablagenmgen zu den Seen,

') Notfis on the Upper Eng&dine and the Italian Valleys of Monte Kosa, and their Relation to the Glacier-Erosion Theoiy ofLake-basios. Quart. Joum. geolog. Soc London XXX. ]874. p. 479.

') Heim deut«t dieselben als Abdämmerungsseen. Seen des Ober- oigadin. Jahrb. Schweiz. Alpenclub. XV. 1880.

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Kap.XXVII. Einwfindegeg.d.gladaleBUduDgd.gTossenAlpeiiseen. 403

welches uns auf deren junges Alter Bchlieaeen Hess. Die Seen Bperren die AlpenÜiäler ab; wenn aich nun alpines Geröll unter- halb der Seen findet^ so bedarf dessen Auftreten einer besonderen Erklärung. Zwei Ter§chiedene Theorien suchen dieselbe zu geben. Nach der einen sind die grossen Seen präglaciale Becken, welche durch die Vergletscherung konservirt worden sind, nach der andern sind sie ein Werk derselben, sind durch dieselbe erodirt Ea stehen sich hier zwei verschiedene Meinungen schroff g^^enüber, welche den Thatbestand beide zu erklSren vermögen.

AoABSiz 1) war der Erste, welcher Abl^;eningen alpinen Gre- rölla unterhalb der grossen schweizer Seen wahrnahm. Er erklärte das Auftreten desselben durch die Gletechertheorie. Die Gletscher, sagt« er, haben die Alpenseen völlig erfüllt gehabt und Ober dieselben GeHteinsmaterial hinweg geschafil Letzteres wurde dann eine Beute der Gletscherwasser und unterhalb der Seen abgelagert So lehrte Agabsiz zuerst, dass die Alpeneeen durch die Vergletscherung konservirt worden seien, und das Vorkommen von alpinem Geröll unterhalb dieser Seen wurde ihm zur Stütze der Gletschertheorie.

Agasbiz kannte noch nicht das Verhältniss der diluvialen Geröllablagerungen zu den Moränen. Als aich nun herausstellte, dass jene Schotterbildungen, welche gemeinhin als „alluvions anciennes" zusammengefasst wurden, durchweg älter als die Mo- ränen sind, als man in denselben ein eigenes Formationsglied zu erkennen meint«, musste es sich nun von neuem fragen, vrie sich jene Anschauungen erk]Sr«n Hessen. Zwei Theorien suchen nun das Vorhandensein solcher alpinen Geröllmassen unterhalb der Alpeneeen zu deuten.

MoRLOT^) fand in der Gegend des Genfersees in den dortigen alten Anschwemmungen walliser Gesteine. Da er nun in diesen alten Anschwemmungen ein eigenes Fotraationaglied vor sich zu haben glaubte, welches er für eine interglaciale Bildung hielt, so wurde ihm das oben erwähnte Verhältniss zu einer neuen Stutze

') ünteiBuchungsD über die Gletscher. 1S41. p. 304. *) Note Bui la Bubdivision du quaternaire en Suisae. Ärch. bibl. ivera. de Qen^e. XXIX. 1855. p. 33.

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404 ni. Abechnitti. Die Bildung dei oberbajerischen Seen.

seiner Ansiclit«!!. Er glaubte dasselbe durch die Annahme erklären zu können, daes vor Ablagerung der alten Aoscbwem- mungen bereits eine Vergletachenmg stattgefunden habe, welche walliBsr Gesteine über den Oenfereee brachte. Dieser letztere sei während der Vergletscherung konservirt worden.

In der That, diese Annahme Morlot's gibt eine völlige Er- klärung aller Verhältnisse, aber die Fundamentalvoraussetzung, dass nicht nur nach, sondern auch schon vor Ablagerung der alten Anschwemmungen eine Vergletscherung stattgefunden habe, also die Voraussetzung zweier verschiedener Vergletscherungen, fend lebhaften Widerspruch. Besonders war es G. de Mortiu,et >), welcher diese Vorauaeetzung bekämpfte. Da er aber gidch MoKLOT die alten Anschwemmungen für ein besonderes Formations- glied hielt, so musste er nun in besonderer Weise deren Verhält- niss zu den Seen erklären. Er that diee auch unter der Annahme, dass die Seen zur Zeit der Ablagerung jener Schotter noch nicht existirten, bezüglich dass da, wo sie sich heute ausdehnen, früher GerSlltelder sich ausbreiteten. Nun fand die Geröllablagerung vor der Vergletscherung statt, nach derselben sind die Seen vorhanden, diese letzteren können nur während der Verjüng ent- standen s^n.

Solange man mit de Uortillet und Lory annimmt, dass die alten Anschwemmungen die Strombildungen einer besonderen präglacialen Periode sind, muss man in der That die Seen stets för jünger erachten als diese Anschwemmungen und wird geneigt sein, sie auf erodirende Wirkungen des Eises zurückzufuhrai. Allein die Ansichten von de Mortillet und Lobt über das Alter der alten Anschwemmungen werden nicht allgemdn getheilt, vielmehr werden die letzteren fast von allen Seiten für glacialen Alters und glacialen Ursprungs gehalten, und diese Meinung scheint zu anderen Ergebnissen über das Alter der Alpenseen zu führen.

') Note gtologique anr Palazzolo et le lac d'Is^ en Lombardie. BulL Soc. gÄ>l. de France. U. S. t XVI. 1858/59. p. 888. Carte des andens gladers du venaat Italien des Alpes. Atti soc ital. di sc. n&t. L 111. 1861. p. 44.

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Kap.XXVn. Emwäadegeg.d.gl&cialeKIdimgd.grosaeuAlpeiiaeeu. 405

SchoD Blanchgt 1) hatte untornommen, die alten AQschwem- mongen am Genfersee als Glacialgebilde zu deuten , er nahm an, daae ihr Material durch den Gletscher über den Genferaee gebracht worden sei. Dasselbe sei dann theilweise umgelagert worden, dann erscheine es als Geröll, theilweise sei es in seiner ursprünglichen Form erhatten und trete als Moräne entgegen. Diese Moräne könne das Geröll überlagern.

Ohboni ') glaubte unter einer ähnlichen Voraussetzung gleich- falls das Auftreten von alpinen Gerollen unterhalb der Alpenseen erklären zu können, ohne annehmen zu müssen, dass die Seen zur Zeit der Ablagerung jener Gerolle noch nicht ezistirten. Er behauptete, dass die Seen von den alpinen Gleteohem erfüllt wurden; die denselben entströmenden GewSsser bildeten unterhalb der Seen Anschwemmungen, welche sich aus dem durch das Eis über die Seetiefen verfrachteten alpinen Materiale zusammensetzen, später schoben die Gletscher sich noch ein Stück über diese Anschwemmungen hinweg und lagerten Ober denselben Grund- moränen ab. Omboni griff also auf die Ansicht von Aoabbiz zurück, daes die Seen durch das Eis vor Austtlllung geschützt, also konservirt wurden, und bekämpfte die Theorie von deren glacialer Bildung. Er fährte diese Meinung später weiter aus^, und suchte so alle jene Phänome zu erklären, welche Mortillet und sodann Gabtaldi für den glacialen Ursprung der Seen be- tont hatten; es gelang ihm vor allem auch, eine heMedigende Er- klärung über die Bildung der ,A>niphitheater" Gastaldt's, jener Moränenhalhkreise zu gehen, welche das untereEnde der italienischen Seen umschlingen. A. Favbe äusserte betreffs des Genferseee ganz ähnliche Ansichten, wie Ombomi über die oberitalienischen Seen, und weit entfernt^ den L4man durch da« Eis ausschleifen zu lassen, nimmt er an, dass derselbe durch den Gletscher kon-

') Terrain emtique allnvien du basein du h&taaa. Lausanne 1844. p. 8.

*) I ^liacciaj auticbi e il terrmo erratioo di Lombardia. Attd 80C itaL di scienze nat III. 1861. p. 232—299 (287).

■) gull' ozione riescavatrice esercitata dagli antichi ghiacciaj sul fonde delle valli alpme. Atti soc. ital. d. sc. nat. Y. 1863. p. 259.

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406 III- Abechnitt Die Bildung der oberbayeriscben Seen.

Bervirt wurde. Die dem letzteren entatrömenden Gewäeeer hätten die alten AnBchwemmungen bei Genf abgelagert, und der Glet- scher habe dieselben bei späterem Vorwärtsschreiten mit Grund- moränen bedeckt

Ebenso wie es bei EntachBd über die Möglichkeit der Glet^ Bchererosion auf die .Annahmen über die Bildung der Grundmoräne ankommt^ handelt es sich also bd der Theorie über die Bildung der Alpenseeo um das Älter und den Ursprung der alten An- Bchwemmungen, Wir haben in Südbayem und Nordtirol gesehen, dass die „alten Anschwemmungen" aus mehreren, verschieden alten Gliedern bestehen, welche wir fiir die Anschwemmungen von ver- schiedenen Vergletscherungeu halten müssen. Diese Ansicht kann uns wol erklären, warum die einzelnen Glieder dieser alten An- schwemmungen nicht die gesetzmässige Regelmässigkeit in ihrer Verbreitung zdgen wie rein äuviatile Gebilde, sie kann uns vor allem ermöglichen anzunehmen, dass an der Peripherie der alten Gletschei^biete Schotter in höherem Niveau auftreten als näher nach derem Centrum hin, ohne voraussetzen zu müssen, dass sie dort in höherem Niveau entwickelt gewesen sind. Um dies durch ein Beispiel zu beleuchten, so sei erwähnt, dass wir, um das Auftreten der Glacialscbotter an der Peripherie des Inn- gletschers in weit höherem Niveau als dessen centraler Depression zu erklären, keineswegs voraussetzen müssen, das ganze Roaen- heimer Becken sei ndt solchen Schottern bis zur betrefienden Höhe erfüllt gewesen. Aber dennoch kömien wir nicht der Ansicht Omboni's und A. Favbe's über die Erhaltung der Seen bei- pflichten.

Indem wir die unteren Glacialschotter verfolgten, von welchen namentlich das gilt, was Ouboni und A. Fatke von der ganzen Masse der alten Anschwemmungen annehmen, fanden wir dieselben in den Thälem des Gebirges, wir fanden sie auf der Hochebene wieder, nur da, wo sich die seenreichen centralen Depressionen aus- dehnen, setzen sie aus. Soll man nun annehmen, da» ihre Bildung hier überhaupt nicht stattgefunden habe? Gewiss nicht; denn ebenso gut wie sich im Innthale vor dem Eintreten der Verglet- scherung 300 m Schotter aufthürmten, musste solches auch an der Stelle des Rosenheimer Beckens geschehen, und diese Schattmasse

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Eap.XXVII. ElnwIodegeg.d.gladBleBildongd.gnwsenÄlpenseen. 40?

würde vollauf genügen, dieses Becken gänzlich auszufüllen. Ueber diese Schnierigkeit hilft uns nicht der Umstand, dass die Gla- cialschotter in TerBchiedenem Niveau auftreten können, okne dass eine ursprüngliche Koutinuität derselben anzunehmen ist. Es handelt sich nicht allein darum, wie das alpine Material über jene Becken gekommen ist, sondern vor allem darum, warum die Schotterbildung, welche sonst imGebirgekon- tinuirlich zu .verfolgen ist, hier plötzlich aussetzt, um an der Peripherie des Gletscherbereiches von neuem zu beginnen. Ea ist ein FundamentaU^hler der Theorie von Ombohi und A. Fatbe, wie schon von de Mortillet^) hervorgehoben worden ist, dass sie nur die unterhalb der Seen entwickelten alten Anschwemmungen berGcksichtigt Die Glacialschotter sind aber nicht nur am Rande der alten Gletscher abgelagert^ sondern überall vor denselben bei deren Herannaben. Ziehen wir nicht bloss einsdtig, wie Omboni und A. Favbe, diejenigen Glacial- schotter in Betracht, welche unterhalb der Seebecken entwickelt sind, sondern auch die oberiialb derselben entfalteten, so müsseo uns die südbayerischen centralen Depressionen als Unterbrechungen in einer kontinuirliohen Ablagerung erschein^ und sie kSnneu dann nur als Erosionsphänomene gedeutet werden. In der That lehrte uns dann auch die Betrachtung der önzelnen grösseren Seen, dass sie erodirt sind in die Ablagerung der unteren Glacial- schotter, was sich namentlich exakt von den Seen der Isargebietes erweisen liess.

Es zeigte sich, dass überall in den Alpen der Vei^letscherung eine Schotterbildung unmittelbar vorausging, dies lehrt« das Studium der Literatur. Es gelang uns ferner, in Südbayem eine derartige feste Beziehung zwischen deren Ablagerung und der Gletscherausdehnung zu erkennen, dass wir wol sagen können: Ueberall wo sich die diluvialen Gletscher ent&lteten, ^ng ihnen eine Bchotteranhäufung unmittelbar voraus. Dies berechtigt uns anzunehmen, dass alle jene Alpeneeen, deren glacialen Ursprung wir verfochten, und die, wie wir wissen, besonders

*) 8ur l'affoiiillement des anciens glaciera. Atd soc ital. di scienze nat. V. 1883. p. 24a No. 6.

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408 III- AbflchniU. Die Bildimg der oberbayerischen Been.

am Bande des Gebirges entfaltet sind, Unterbrechungen in den fortlaufenden Ablagerungen der Glacialschotter darstellen, also erst nach Bildung derselben eatetandm sein können.

Nun muBB ich freilich bekennen, daas mir keine dir^te Mit- theilung bekannt geworden ist, ob gerade in dem Wallis oberhalb dea Genferseea oder in den Thälem des Tessms oder der Adda oberhalb der italienischen Seen die Glacialschotter in ihrer ge- wöhnlichen Mächtigkeit entfaltet sind. Die Literatur gibt hier- über keine Auskunft, und aus eigner Anschauung kenne ich jene Gegenden nicht Ich wdes nur, dass im Wallis im Thale von Entremont^) enorme Schottermassen entfaltet sind, und gute topo- graphische Karten lassen im oberen Rhonethale deutlichst den Verlauf von Terrassen erkennen. Ich kann also nicht zwei&In, dass die Glacialschotter auch hier vorhanden sind. Nach der EntfUtung derselben im Is^re-, Rhein- und Innthal tu urtheilen, möchte i<^ ihre Mächtigkeit im Wallis auf nicht unter 200 m schätzen. Ist dies der Fall, ging der Ausdehnung des Bhone- gletscbers eine 200 m mächtige Schotferbildung voraus, so musst« dieselbe einen präglacialen Geniersee von der Tiefe und Ausdeh- nung des heutigen völlig ausiiillen. Denn wenn auch heute dieser See eine Maximaltiefe besitzt, die 200 m übertrifit, ao bleibt doch seine mittlere Tiefe weit hinter jener Zahl zurück. Die that- sächlichen Veriiältnisse widersprechen durchaus nicht der An- nahm^ dass die Seebeckeu, falls sie präglacial sind, durch Schotter völlig ausgefllllt wurden, um dann erst wieder durch das Eis aus- gehöhlt zu werden. Eine Konservirung der Seebecken durch das Eis, eine Bewahrung vor Ausföllung ist also selbst bei der An- nahme des glacialen Ursprungs der alten Anschwemmungen durch- aus nicht anzunehmen.

Wir haben bisher nur immer die letzte Vergletschraung in Betracht gezogen. Weit schwieriger, weit unmöglicher erscheint die Konservirung der Seebecken, wenn wir uns erinnern, dass dred- mal die Gletecha- sich in den Alpen entfalteten, dass dreimal enorme SchotterbUdungen ihnen vorausgingen. Auf den ersten

■) A Favbe, Kecheichea g^togiques. 1B67. Bd. I. p. 105. § 91.

La-,:uJbyC00gle

K&p.XXVn. Einwfindeg^.d.gladaleBildungd.grosBenAlpenseen. 409

Blick möchte ea freilich echeinen, als obdurcb die Annahnie zweier Vei^letscherungen sich manches einfacher gestalte. So sagt Morlot'): „Der Umstand, dass die Schotterbildungeu unterhalb dea Oenfersees Gerolle solcher Grateine enthalten, welche oberhalb des Sees anstehen, lisst sich nur dadurch erklären, daas vor Ablagerung des Gerölls bereits durch den Gletscher Material über den See gebracht wurde, welches dann dem GerÖlle einverleibt wurde." Mag sich so vielleicht die ZusammenBelxung mancher Geröll schichten erklären lassen, thatsächlich wird aber die Theorie über die Konservinmg der Seebecken weit schwieriger, weit un- haltbarer, wenn man mehrere Vergletscherungen annimmt Da musst« das Becken bewahrt werden vor Ausfüllung durch die Schotter der ersten Verdsung, ee musste sich während einer langen Interglacialzeit erhalten, es durfte weder von Bergwässem zuge- echQtt«t werden, noch durfte es vertorfen; dann endlich musste es vor den Schottern geschützt werden, welche die zweite Ver- gletscherung einleiteten. Desor*) hat versucht, die Kooservirung der Seebecken mit der Annahme zweier „Glacialphaseo" in Ein- klang zu briDgen. Er macht zu diesem Behufe folgende Voraus- setzungen: 1. Schritt das Eis der ersten Vergletscherung so rasch vorwärts, dass es die (präglacialen) Seen erreichte, bevor diese durch Schotter ausgefüllt wurden, 2. Während der Interglacial- zeit blieb in den Tiefen der Becken eine EisHchicht erhalten, über welche Schotter abgelagert wurden. 3, Nach Rückzug der letzten Verglctseherung thaute da« Eis in jenen Becken, und dieselben' gestalteten sich in Seen um. Ich will nun nicht lange erörtern, was alles der Annahme entgegensteht, dass die erste Vergletacherung so rasch vorschritt, dass sie die Seen erreichte, bevor dieselben aus- gefüllt wurden de Morttllet") hat diesen Punkt schon ein- gehend gegenüber den Ansichten Omboni's beleuchtet , ich möchte nur auf den hohen Grad von Unwahrscheinlichkeit, um nicht ge- rade zu sagen vollkommener Unmöglichkeit, hinweisen, den dieAn-

') Note But la aubdivision du quat«mMre en Suisae. Archives l»bl. universelle de Gen^ve. 1855. XXIX. p. 33.

•) Le Fa^rsage morainique. 1875. p. 77.

') Sui l'afibuiltemeDt des andens glaciers. Atti eoc. ital. d. sdenze natur. V. 1863. p. 248. No. 6.

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410 ni. Abschnitt. Bie Bildung der obetbayeritchen Seen.

nalune mit sich fohrt, dasB eich Eis in den Seetiefen während einer längeren Zeit erhielt, die durch ein mildee Elima ausgezeichnet ist

Allerdings, die Annahme mehrerer Vergletechenmgen kompli- cirt in mancher Hineicht die Sachla^ Jede VergletBcherung erodirt Depressionen, jede Intei^ladalzeit arbeitet an deren Aus- gleichung, und jede herannahende Yergletscherung schüttet sie vollends zu. Aber nur die Annahme mehrerer Vergletecherungen erklärt uns, warum die grossen Seen imd Becken neben Zeichen grosser Jugendlichkeit auch Züge grossen Alters tragen, warum sich auf der einen Seite zeigt, dass k. B. das Rosenheimer Becken bei Eintritt der letzten Vergletgcherung nicht als See bestan- den hat, aber schon früher einen solchen beherberg, warum J. Bachuann 1) am Thunersee ein altes Delta fand, wiewol wir auch diesen See für ein Werk der letzten Vergletscherung halten. Die grossen Alpenseen sind weit davon entfernt, permanente Gebilde zu s^, sie sind periodische Erschdnungen in den Thälem, von neuem gebildet bei jeder neuen Vergletscherung,

Wir haben nun der Reihe nach alle die Einwände betrachtet^ welche gegen die Theorie vom glacialen Ursprung der Alpenseen gemacht worden sind. Zunächst vergewisserten wir uns nochmals, nachdem wir durch das Studium unseres Gebietes auf jedem Schritte dazu geßihrt wurden, dass die Gletscher wirklich erodiren und durch ihre transportirende Thäügkdt in den Stand gesetzt sind, Becken zu erodiren. Wir überzeugten uns von det Möglichkeit der Theorie. Dann suchten wir den Einwänden zubeg^;nen, welche BUB dem Mangel von Seen an gewissen Stellen, aus der Gestalt des Genferseee gegen diese Theorie gemacht wurden. Wir &ndeD, dass der Mangel an Seen sich in einigen der meist betonten Fällen nur eine sekundäre Erschdnung ist, und der Genfersee erschien uns in seiner Gestalt durchaus bedingt durch die Glaöal- erosion. Schliesslich prüften wir die Einwände, welche gegen das jugendliche Alter der Seebecken gemacht wurden, und dabei gelang es uns, deren Alter noch viel präciser zu bestimmen, als es DE MoRTiLLET möglich war. Wir sahen, dass die Seen erat während der letzten Vergletscherung entstanden sein können.

■) Die Eander im Beraer Oberlande. I8T0. p. 58.

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E^XXTII. Einwändegeg.d.gladaleBUdungd.grOBsenAlpenBeea. Hl,

Zischen den Theorien von de Morlillet und Ramsay, welche uhb über den glacialen Ursprung der Seen unterrichteten, gibt es aber einen nicht geringen Unterschied, welcher besonders durch das Eingreifen von GabtauhI) präcisirt worden ist Ramsay, von der geogra^düschen Seite des Phänomens ausgehend, fährt die Seen und Becken ausschliesslich auf die Wirkungen der Oletscher zurück; de Mohtillet und Gabtaldi hingegen nahmen das junge Älter der Seen als Ausgangspunkt, und sie erwiesen nur, dass die Seen, wie sie jetzt vorliegen, ein Werk der Glacialerosion seien. Sie entwickelten die Anschauung, dass an ihrer Stelle von vornherein Becken existirten, welche durch die alten Anschwemmungen ausgefiillt wurden, um durch das Eis wieder ausgeschflrft zu wa^en. Sie lehrten nur eine glaciale Wiederaushöhlung der Seen, und diese Theorie erscheint auch geeignet, sowol das Auftreten dieser Seen in alten Gletscher- gebieten, als auch deren jugendliches Alter, sowie vor allem deren Mangel an gewissen Stellen zu erklären. Dagegen lässt sie nicht die auffällige geographische Abhängigkeit der Seen von der ehemaligen Oletscherverbreitung erkennen, und dieser Umstand dürfte wol zu Gunsten der Theorie Ramsay's reden. Allein es &agt sich, ob nicht vielleicht andere Ursachen die Lage und Ent- stehung dieser Becken passender erklären, als es Rahsay's Theorie thut, ob sich nicht Thatsachen finden, welche die Ansichten DE Uortili.et'b und Gastaldi'b bestätigen, und welche uns lehren, dass die Seen alte präglaciale Becken sind, die während der Diluvialzeit ausgeAlllt und wieder ausgehöhlt worden sind. Unter den sechs Einwänden Ltell'b gegen Rahbay's Aneichten findet sich als letzter der folgende: „Es ^bt auch Erklärungen über die Entstehung der Seen, welche nicht auf die Glacialerosion zurückgreifen, aber dennoch deren Bildung erklären." Dies führt uns zur Betrachtung der Theorien über den Ursprung der AJpenseen.

') Sülls escavazioDe (afibuillement) dei bacini lacustri compreei negli anfiteatri morenid. Ättd coc ital. d. sc. nat V. 1863. p. 240.

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412 III. Abschnitt Die Bildung der oberbayerischen Seen.

Kapitel XXVIII.

Andere Theorien über die Bildong der Alpenseen.

nistoTÜdier Werth der Theorieo tod RaUbaY und KB MOBTILLBT. Alpen- thUer uod Alpenseen. Beide bU Polgen der OebirgsbitduDg, MuBCHISON, Desob, StüDBR. Alpenthäler Erodon^ebilde, Ansichten von RjUISAT und Heim. Alpenseen abgedämmte Thiler, i.vht.i,, Ball, Bohhet, BDnMExot. Widerl«^iig von KCtimeybr'b Aneichlfn. Die Seen periodische BUdnogen. Seen SbandinBTiens. fjorde Bubmorine Seebecken. EJorde litlorale Olacial- bilduDgen. Oeologlscbe Bedeutung der f)|ocdküaten.

Man möge über die Theorien von Rahsay und de Morth.let denken was man will, nie wird man aber verkennen dürfen, dass diese Forscher ee gewesen sind, welche die Frage nach dem Ursprung der Alpenseen ungemein anregten, dass sie dieselben zuerst zu einem besonderen Gegenstände wissenschaftlicher Untersuchungen machten, und dass sie den Anstoas zu einem genauen Studium derselben gaben. Mag man daher ihre Anschauungen jetzt schon für unrichtig halten, mag man glauben, dass die Zukunft die Irrig- keit derselben noch erweisen wird was wol nicht gerade anzu- nehmen ist , den grossen historischen Werth darf man diesen Theorien nicht bestreiten, und schon deshalb Terbiet«t es sich, sie „abenteuerlich" zu nenneh.

Fast sämmtliche Theorien über den Ursprung der Alpenseen, ausgenommen die Glacialtheorie, gipfeln darin, dass die Seen prä- glacial sind. Sie erklären deren Zustandekommen durch Wirkung eben derselben Kräfte, deren Thatigkeit bei Gestaltung der £rd- oberÖäche in Anspruch genommen wird, und zwar zumal durch diejenigen, welche thalbildend wirken. Die Frage nach dem Ur- sprung der Alpenseen verwächst somit innig mit den Ansichten über die Entstehung der Thäler. Aber gerade in diesem Punkte gehen die Meinungen sehr auseinander. Nach der einen Annahme sind die Alpenthäler bei Hebung des Gebirges gebildet worden und sind also primär, nach der andern hingegen sind sie die Werke des fliessenden Wassers, demnach Eroaionsgebilde, und sind sekundär. Beide Anschauungen stehen sich heute schroff g^enüber, doch dürfte die letztgenannte, welche durch Hutton und Pläy-

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Kap. XXVIII. Andere Theorien über die Bildung der Alpenaeen. 413

FAIB begründet wurde, in neuerer Zeit wieder mehr zur Cieltuug gekommen sein.

„Bis vor kurzem schienen die Geolt^en darüber einig zu Bein, daes die zahlrächen tiefen Oeflbungen und Einsenkungen, welche in allen hohen Qebii^;en auftreten, von vomherdn auf Sprünge und Spalten sowie auf Denudation zurückzuführen seien", mit diesen Worten charakterisirt Murchison') die eretcre Annahme. Die- selbe setzt vorauB, dass die heuUge Erdoberfläche noch ziemlich in derselben Weise vor uns liegt, wie sie sich bei Hebung der Gebirge bildet«; dasa die einzelnen Schichtengewölbe als Berg- ketten erscheinen, während die Mulden Thaler sind, dass femer bei der Hebung mannigfache Risse, Sprünge und Spalten ent- standen, welche den Grund zur Bildung der Thalsjsteme legten. Die Seen nun sollen solch tiefb Spalten sdn, welche vor Aus- fiUlung mit losem Schutte bewahrt worden sind.

Allein ea zeigte sich, dass durchaus nicht alle Alpenseen auf diese Weise entstanden sein können. Ein Jahr nachdem G. de MoRTiLLET zum ersten Male*) seine Theorie über die Aushöhlung der Seebecken entwickelt hatte, trat Desos^ mit dem Versuche' einer natürlichen Klassifikation der schweizer Seen an die Oeffent- lichkett. Er unterschied zwei wesentlich verschiedene Arten von Seen, welche &• als orographische und als Erosionsseen bezeichnete. Nur die ersteren hielt er för primär, nämlich bei der Hebung des Gebirges entstanden, wie er später mehr&ch ausdrücklich ausfOhrte; die letzteren betrachtete er lediglich als Erosionserscheinungen. Der unt«re Thöl des Genfersees, die Neuenburger Seengruppe, der Züricher- und Bodensee, sowie der untere Theil des Vierwald- stätter Sees sollten derartige Erosionsseen sein, zu welchen auch der Ammer- und Würmsee Oberbayems gezählt werden. Die Erosionsseen werden dadurch charakterisirt^ dass sie ausser Be- ziehung zum Gebirgsbaue steh^ während die orographischen von

■) Anniversaiy Address to the Geograpliical Sodetj. Gladers. Proceedinga Roj. geogr. Soc Bd. Vin. 1863/64. p. 221.

*) Note gfologique sur Falatzolo et le lac dlsfo en Lombardie. BuU. Soc g^ol. de France. U. 8. t XVI. 1858/59. p. 888.

^ De la phyaionomie des lacs Suisses. Revue Snisee. XIII. 1860. p. 1. 139.

414 ni. Abeclmitt. Die Blldimg der oberbAyeriachen Seen.

denselben abhängig sind. Je nach d^ Art dieser Abhängigkeit unterschied Desoe Clwsen- (Qiiertbal-X Vallon- (Bynklinal-) und Coinl>en- (I()oklinal-)Seen, indem er eine im Jura gewonnene Ein- Üieilung auf die Alpen übertrug. Hiergegen wiea jedoch Stüdeb i) schlagend nach, dass die Alpenthäler und Alpenseen sich nicht ao einfach auf die Typen des Jura zurückiuhren lassen; er zeigte an mehreren Beispielen, dass die schweizer Thäler zusammenge- setzt sind, bald isoklinal, bald synkllnal, bald antiklinal sind, und damit ist die Unhaltbarkeit der DESon'schen Eintheilung der Alpentbäler und AlpensecD völlig erwiesen worden. Studer meinte, dass die Alpenthäler jedenfalls auf sehr unregelmässige Spalten zurückzuführen seien. Die Seen hält Studbe für die Produkte lokaler Senkungen, welche theilweiae vielleicht erst in der Post- glacialzeit entstanden, und hält eine Eintheilung in Clusen-, Vallon- Combenseen für unzuläss^;. Dasselbe lasst sich von den Seen und der bayerischen Alpen behaupten.

Die Ansicht, dass die Alpenthäler ein System von Sprüngen und Spalten seien, hat in neuester Zeit lebhaften Widerspruch erfahren. Zunächst wurde darauf aufinerksam gemacht, dass das Aussehen der Gebirge nicht dasjenige von zerklüAet«n Massen ist Betrachtet man eine Alpenkette, so sieht man die Gipfel wie die Zähne einer Säge aneinandei^ereiht, nicht aber tiefe Bisse zwischen ihnen. Nicht minder widerspricht der Lauf der Thäler jener An- sicht Wenn die Thäler Spalten sind, warum durchsetzen sie nicht quer das Gebirge, warum ist der centrale Theil des Ge- birges im Allgemdnen auch die Wasserscheide ? Wenn die Seen tiefe Spalten sind, warum &iden sie sich denn in der Kandzoue des Gebirges so sehr häufig? Warum fehlen sie dann in Gebieten, welche in lebhafter Gebirgsbildung begriffen sind; warum zeichnet sich nicht die Kette der Anden durch eine reich entwickelte Seen- bildung aus? Warum bilden sich heute keine Spalten mehr? Angestellte Rechnungen lehren des weiteren, dass, wenn ein Distrikt gehoben wird, sich wol kl«ne Risse bilden können, nimmer aber meilenlange breite Thäler.

') Sur l'origine des lacs Suisses. Archives biblioth^ue uuivers. de Genfeve. 1863. XIX. p. 89. On the Oripn of the Snisa I^es. Philos. Magai. IV. S. XXVU. 1864. p. 481.

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£ap. XXVIII. Andere Theorien über die Bildung; der Alpeiiseen. 415

Eb würde zu weit fiihreu, hier auf die zahlreichen Aj^^umeDte einzugehen, welche eich gegen die Spaltentheorie eiteben, es würde dies nur die Wiederiiolung einer Reihe in neueeter Zeit oft geäusserter Bedenken sein. Eingehende Untersuchungen haben ja nun end- gültig das VerhältnisB der Thäler mm Gebirgsbau in den Alpen erkennen lassen.

Glrächeam prophetisch äusserte sich Rambät •) im Jahre 1864 folgendenn&aseen: „Wenn alle Verwerfungen und Faltungen ver- zeichnet sind, wenn geologische Profile im wahren Verhältnisse durch die Alpen angenommen, dann erst wird es möglich sein, ' mit Genauigkeit über die Abtragung der fiei^ zu urtheilen, und ea wird sich zeigen, dass ehe die jetzigen Thäler das Licht er- blickten, ungeheuere Schuttmassen we^etuhrt werden mussten, und dass die Thalbildung lange nach der letzten beträchtlichen Fal- tung der Schichten vor sich ging," Was Rämsay als eine Arbeit der Zukunft bezeichnete, ist heute durch die mühevollen ein- gehenden Untersuchungen Hbtm's^ im Giebiete der Tödi-Wind- . gällen-Oruppe gethan. Mit grösster Genauigkeit ist eine geo- logische Karte des Gebietes entworfen, und im wahren Verhältnisse von Höhe zu Länge sind Profile mitgethdlt worden. Da zeigt sich nun in aufialligater Weise, dass das jetzige Relief der Alpen durchaus nicht derem geolo^schen Bau eutepricht Heute finden sich schroffe Kämme da, wo der Geologe Mulden nachweist^ und umgekehrt erstrecken sich Thäler auf dem Gebiete von Schichten- sätteln. Zwischen Streichungsrichtung und Verlauf der Tbäler gibt sich nur eine ganz sekundäre Beziehung zu erkennen, und reichlichst werden Fälle angeführt, wo Thäler in schräger Rich- tung Mulden und Sättel durchsetzen. Die Meinimg, dass der jetzige Lauf der Thäler der Alpen in Beziehung zur Hebung des Gebirges steht, ist vollständ^t widerlegt Auf der andern Seite bat BCtimeyeb^ schon lange vor Heth die Spuren erodirender Thätigkeit an den Gehängen seibat der grössten, ausgedehntesten

') On Üie Erosion of Valleys and Lakes, a Beply to Sir Bodebick MnRCHisoii's Address te the Oeogmphical Sodety. Philos. Magaz. rv. S. XXVUI. 1864. p. 293.

*) Untetsnchungen über den Mechanismus der Qebirgsbildung. 1878.

■) Ueber See- und ThalUldung. Basel 188d.

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116 ni. Äbechnitt. Die BQdimg der oberbayerisclien Seen.

Alpentbäler erkannt Er wies iu den TerrasBen an den Gehängen mancher Thäler die Spuren eines allmählichen Einschneidens der Thäler nach, und Heim hat die Zahl dieser Beispiele reichlich ver- mehrL Er hat ganze Systeme von alten Terrassen und Tbalböden in dem von ihm trefflichst untersuchten Gebiete nachgewiesen. Kurz, der ausführliche Beweis ist geliefert, daes die Älpenthäler mit dem Oebiigsbau nichts zu thun haben, also nicht ort^ptphische Thäler, sondern Erosionsgebilde sind. Hält man nun die Alpen- seen für Gebilde derselben Natur wie die Älpenthäler, eo müssen begrdflicherweise die Ansichten über deren Natur auch änige ModifikatJonen erleiden. Wenn es keine orographischen Thäler in den Alpen gibt, kann es auch nicht orographische Seen geben.

Von seinen orographischen Seen unterschied Desob die Ero- sionsseen, welche ausser Beziehung zum Gebirgsbsu stehen, wäh- rend die orographiBchen Seen dieselbe Abhängigkeit vom geolo- gischen Bau der Gegend zeigen soll^i wie die Thäler, in welchen sie liegen. Nun wurde eben gezeigt, dass alle grossen Aipen- thäler auaser Beziehung zum Gebirgsbau stehen. Sie sind also nicht orographisch, und dasselbe gilt auch von den in ihnen auf- tretenden Seen. Sollen diese letzteren nurDependenzen der Thäler sein, wie Desor annimmt, somüsstensiefolgerichtigalBEroBionB- seen gelten. Es &agt sich nur, durch welches Mittel sie erodirt sind. Durch Wasser jeden&lls nichts Wasser erzeugt nirgends durch seine wühlende Kn£t ausgedehnte Becken. Zwar nimmt DesorI) an, dass bei Hebung der Alpen eine gewaltige Waeser- fluth in Bewegung gesetzt wurde, welche die Eroaionsseen aus- wusch. Allein es ist schon durch Stcdeb und ds Mobtiixet*) auf die gänzliche Unhaltbarkeit und Unmöglichkdt dieser Ansicht hingewiesen. Erstens fehlen alle Andeutungen der Wasserfluth, zweitens widerspricht es, wie gesagt, den Gesetzen der Hydrostatik, dass Wasser Becken auswühlt, es nivellirt nur. De Mobtu-let^

') Sur l'origine des lacs Suisaea. Atch. bibl. univers. de Qenfeve. 1863. XIX. p. 89.

*) Sur raSbuillement des anciens gladere. Atti soc. ital. di scienze nat V. 1863. p. 248.

' *) Sur l'affouillement des andens gladers. Atti soc. ital. di scienze nat V. 1863. p. 248.

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Kap. XXVIII. Andere Theorien über die BUduiigdetAlpenBeeD. 417

Hess auB &u Stelle des Wassere das Eis treten, er glaubte, dass die Erosionsseen durch Glodalirirkungen ausgehöhlt seien, wohin- gegen er die orographiscfaen Seen Desor's als pr^laciale Becken erachtete und durch das Eis nur wieder äusfurohen Hess. Wenn es nun thatsächlich keine orographischen Seen gibt, und das Eb im Stande sein soll, Erosion gbecken zu erzeugen, könnten nicht vielleicht die bieher als on^raphische Seen bezeichneten Becken auch Werke der Qletsohereroaion eein? Wenn de Mortillet den 300 m tiefen Bodensee durch daa Eis ausschürfen läast, warum soll der Genfereee nicht durch dasselbe Medium erzeugt worden sein, warum nicht auch der Thuner und Brienzer See, warum nicht end- ' lieh auch die oberitalienischen Seen, deren defeter nur etwas über doppelt so tief als der Bodensee ist? Durch den Beweis, dass die Alpenthäler und die in ihnen Uzenden Seen nicht orographisch im Sinne Dbbob'b sind, ist der Theorie von de Moktuxet und Gastaldi in ihrer jetzigen Form der Boden entzogen, und sie kann nur in den Ansichten Kahsay's aufgehen.

Allein wird auch zugegeben, dass die Alpenthäler Werke der Erosion sind, dass die Seen femer keine Spalten sind, so hat man sich doch gegen die Annahme gesträubt, d(ws die letzteren durch das Eis auagt^öhlt worden seien. Es sind Theorien entstanden, welche die Seen als Thäler betrachten, die durch Faltung des Bodens abgedämmt worden sind. Zu ihrer Erklärung werden also ganz dieselben Kräfte zu Rathe gezogen, welche wir als gestalt»id anf der Erdoberfläche kennen, nämlich Crebirgsbildung und Thal- erosion.

Lyell 1) ist wol der ernte gewesen, welcher sich in diesen Sinne äusserte. Er fährte aus, dass eich ein Thal in einen See umwandeln könne, indem sein untres Ende gehoben wird, oder sein oberer Theil sinkt. Unter gewöhnlichen Umständen würde zwar das rinnende Wasser sofort den entstehenden Damm zer- sägen, allein erfüllt Eis solche Thäler, so bleibt durch dessen kon- servirende Wirkung die Barre erhalten, und beim Rückzug der Gletscher muss ein See entstehen. Besasaen nun die Alpen während der Diluvialzeit eine bedeutendere Höhe als heute, so mussten

') Antjquity of Man. London 1

Pinck, Dl< VsBlelKharniig.

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418 nt. Abschnitt. Die Kldni^ der ol^erbayeritchen Seen.

sie sehr beträchtliche Gletscher erzeugen. Senkte sich währenddem die centrale Partie dee Gebirges, so mussten sich alle grösseren Thöler in ihrem unteren Theile in Becken verwandeln, welche uns heute als Thalseen vorliegen. So glaubt Lyell die Bildung der Seen, vor allem aber ihre räumliche Beziehung zu früheren Gletschergebieten erklären zu können. Rahbay ') hat jedoch gezeigt, daaa Lyell's Yoraussetzungen zur Annahme einer froheren enormen Höhe der Alpen fuhren, för welche nicht der germgste Beweis vorliegt ; zudem muBS betont werdea, dass die Verfolgung des Glacialphänomens durchaus keine Niveau Veränderungen der Alpen während der Gla- dalzeit erkennen lässt, und damit wird die LvBLL'sche Aneicht ihrer wichtigsten Vorauesetzung beraubt.

Ball^ hat in ähnlicher Weise wie Lyell die Bildung mancher Becken ans Thälem durch Annahme von Boden- bewegungen erklärt Falteten sich einmal die Alpen quer zu ihrer.LängserstreckuDg, so mussten sich alle Längsthäler in Ketten von Seen verwandeln. Aehnlich ist auch die Ansicht von BoN- MBY^) über die Entstehung der Salzburger Seen. Allein diese Annahmen sind zu wenig ausgearbeitet, um in täna specielle Dis- kussion gezogen werd^ zu können. Sie deuten nur dnen Ideen- gang an, ohne auf besondere Fälle einzugehen. Dahing^en hat in neuerer Zeit ROtimeyer*) in präciserer Form eine auf ähnlichen Grundsätzen fundirte Hypothese über die Bildung der Alpenseeu geäussert.

Dieser ausgezeichnete Geologe und Paläontologe, nachdem er den Beweis geliefert^ dass die Alpenthäler Erosionswerke sind, ist geneigt, deren Ursprung weit in die Tertiärzeit hinein zu verlegen, und mdnt, dass sie berdts in jenes Molassemeer mündeten, welches sich einst zwischen Alpen und Jura ausdehnte. Er schildert dann die Bodenbewegungen, welche das Molassegebiet zur Tertiärzeit

') Sir Charles Ljell and tbe Oladallheory of Lake-Baans. Philoe. Magaz. IV. 8. XXX. 1865. p. 285.

*) On the Formation of Alpine VaUeys and Alpine Lakes. Fbilos. Magaz. IV. XXV. 1863. p. 81.

') Lakes of the north-eaatem Alps and their bearing on glacier- eroeion theory. Quart Jouni. geolog. Hoc. XXIX. 1873. p. 382.

') Thal- und Seebildung. 18Ü9.

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Kap. XXVIII. Andere Theorien über die Bildung der Alpenaeen. 419

betrafen, wie dasselbe bald trocken gelegt, bald unter das Meer getaucht wurde. ROtimeyer nimmt nun an, dass diese Oacilla- tionea nur das Molaseegebiet betrafen und sich nicht auf die Alpen erstreckten. Indem sich nun daaaelbe selbätständig hob, bildete ee gleichsam einen Riegel yot den Älpenthälem, und diese mussten sich in Binnengewässer verwandeln. Ungleiche Bodeabewegungen in der Molasselandschaft erzeugten auf dieser endlich auch ver- einzelte Becken. So weist ROtimeyeb den grossen Alpenaeen, welche er als Randseen g^enüber den kleinen Wasseransamm- lungen im Gebirge, den Bei^een, bezeichnet, ^ne bestimmte Rolle in der Geschichte des Gebirges an, er betrachtet sie gegenüber den „ephemeren" Bergseen als „permanente" Gebilde, imd fasst sie, dem Beispiele von Sabtoriub vox Waltebsbausen folgend, als letzte Reste des Molassemeeres auf

RüTiHEYEB lokalifiirt also das Phänomen der Alpenaeen und betrachtet es lediglich in Beziehung zu den Bodenbewegungen und der Thalbildung des Gebirges. Auf deren Auftreten in alten Gletachergebietcn, gewiss einem der bezüchnendsten geographischen Züge in der Verbreitung der Alpenseen, gr&ft er durchaus nicht zurück, und versucht diesen auffälligen Umstand überhaupt nicht zu erklären. So kann es uns auch durchaus nicht Wunder neh- men, dass Rt)TiMEVER's Theorie der Seebildung für die der Schweiz so benachbarten Seen Südbayems durchaus keine Anwend- barkeit besitzt

Zwar würde der schon hervoi^hobene Umstand, dass die am Saume des Gebirges auftretenden Seen von einem Molasse- rücken b^renzt werden, leicht zu Gunsten von ROtiheyer's An- sicht gedeutet werden können. Ab« es wurde gezeigt, dass dieser Rücken die Seen zwar begrenzt, aber nicht abdämmt, dass dieselben theilwcise in ein durch jenen Rücken begrenztes Längs- thal fallen. Femer ist der Ausnahme, welche unter den Band- seen Oberbayems das Rosenheimer Becken von der angeführten Regel macht, wol zu gedenken. Vor allem aber muss man auch jene Seen in Betracht ziehen, welche sich auf der Hochebene finden. Diese letzteren sind durchaus nicht beeinflusst von ii^nd welcher Schicbtenbewegung, sie senken sich in vollkommen ungestört lie- gende Straten ein, und zwar selbst in diluviale. Ihre Bildung

D,g,;,zeclbyG00g[c I

420 ^^- Abwluiitt. Die Büdoug der oberbaTeriRcheii Seen.

wird weder durch die Annahme von Bodenbewegungen erklärt noch kSDnen sie in Beziehung zum Molassemeere gebracht werdeo.

Aber auch al^eaeheu davon, daaa RCtimeyeb's Theorie nicht das geographisehe Auftreten der Alpenseen in ihren BeEiehuugen zum Glacialphänomen erklärt, abgesehen davon, da«s sie nicht einmal auf die Been Oberbayems anwendbar ist, scheinen sich ihr noch viele Schwierigkdten ectgegcnzuetellen, und zwar Schwierig- taten theüs in ihrer Anwendbarkeit auf die schweizer Seen, theila und zwar vor allem solche, welche aus ihr selbst erwachsen.

An und t&r sich ist der Fall, dsss ein Thal durch Bewe- gungen der Erdkruste in einot 8ee verwandelt wird, vollkommea mögliob, so lai^ nämlich nicht der entstehenden Barre das rin- nende WasB» eotg^enwirkt, denn das Auftreten von Querthälem in Kettengebii^en, sowie der Umataud, dass Flüsse manche Gre- birge durcbbrechoi, welche sie leicht umgehen k&mteo, lehren, dasB die Bodenbewegungen im Allgemeinen so langsam wirken, dass ihnen durch die Thalbildung des rinnenden Wassers entgegen- gearbeitet werden kann. Eine Thalabriegelung ist nur da denkbar, wo die Wirkungen des fliessenden Wassers ausgeschlossen bezüglich minimale sind, so in trockenen Eümaten, so unt«r stehendem Wasser, so vielleicht unter Büs- bedeckung. Dieses Verhältniss hat ROtiiietek bei seinem Ver- suche, die Alpenseen als abgedämmte Tliäler zu erklären, entschieden nicht genug gewürdigt, während es von Lyell in seiner vollen Bedeutung aufgefasst wurde, indem er annahm, dass die Boden- bewegung, welche zur Seebildung führte, untw Eisbedeckung statt- gefunden habe.

Allein Bütiheyeb ^) wollte, um mich seiner dgenen Worte zu bedienen, „eher einen Gesichtspunkt als eine faktische Erkliirung" Bu&telles, und so werden wir vor allem die Begründung seines Geeiditspunktes zu prüfen haben. Dieselbe gipfelt darin, daes erstens die Alpenthäler bereits zur Molassezeit existirten, imd dass zweitens das Molassf^biet in anderer Weise Bodenbewegungen erfuhr als die Alpen. Was die erste Voraussetzung betnfil, so stimme ich ihr gern bd, obwol sie von ROtimsyer nidit besonders

') A a. 0. p. 76.

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Kap.XXVTU. Anden 'DkeoTiai fiber die BUdung der Alpeiueen. 421

begründet wird. Es ersclieint mir wol denkbar, dase die Aipenthäler uralt Bind. Nicht nur sehen wir auf dem Südabhang dee Gebiigee das Pliocän sich in die Thäler ziehen, sondern auf der Nordseite be- Bchränken sich oligocäne Bchicht«n auf die Thäler, namentlich auf das dee Inn, und selbst die kretaceiachen Gosaubildungen zeigen eine Abhängigkeit vom Laufe der Stammthäler. Dagegen ist die andere Vorauesetiung, dase das Molaas^ebiet in anderer Weise NiveauTeränderungen erfuhr als die Alpen, ^e Annahme, deren Beweis Bütikeyeb an kein« Stelle gibt, imd welche überhaupt schwer eu beweisen ist Sein Gesichtspunkt beruht also auf einer unbewiesenen Vermuthung. Aber a& angenommen, diese Vermuthung sei bewiesen worden; angenommen femer, dass uns KCtimeyeb eine befriedigende Erklärung über das Zustande- kommen der Thalabdämmung gegeb«»; angenommen also, die Seen seien in der von ihm vermutheten Weise entstanden, so er- wächst eine neue Schwierigk«t

Sobald die Seen fertig gebildet, begann auch das rinnende Wasser sie auszufüllen. Wie rasch dies geschieht, lehren die Alpenseen selbst Sind doch die grössten Se«i Oberbayems s^t der Glacialzeit schon erloschen, sind doch die grossen schweiier Seen bereits arg reductrt worden. Um ein Viertel ihrer Läi^ sind der Bodensee und Genfersee lugefüllt worden, und es ist wol nicht zu bezweifeln, dass die Trennung des Thuner- und Brieozer- sees, die des Züricher- und Walenseee erst in postglacialen Zeiten geschah. Sind nun die grossen schweizer Seen gleichsam Ueber- reste des Molaesemeeres, so ist zu erklären, wodurch sie während der langen Zeit nach Rückzug dieses Meofes und vor Eintritt der Vergletscherung vor Ausfüllung bewahrt wurden. Welche Kraft schützte sie aber vor den Geröllmassen, welche die Alpenflüsse mit sich führten, während der ganzen Fliocänzat; wie wurdra sie durch Ausfüllung mit glacialen Schottern bewahrt?

Hier begegnet man übrigens einem Widerspruch bei BüTi- MEYBR.^) Zur Zeit der Ueberfluthungen der Holasselandschaft

'] Auch sonst widenpricht sich BümoYEa in der angeffihrtoi, nicht überall leicht Teratindlichen Schrift So ichildert m auf Stite 13 die Molflssethäler als T^pen von Enwonsschlachten, anf Säte 70 hin-

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422 ni. Abflchiiitt Sie Bildung der oberbayerirchea Seen.

Bollen die 6e«n Meeresarme gewesen sein, und in dea Zwiscben- zeiten sollen sie sich als Seen haben erhalten können dennoch aber soll die GeBchiebeausiubr aua den Alpen niemals unterbrochen gewesen sein nnd im Allgemeinen denselben Binnen gefolgt haben. Diese Rinnen aber bergen die Seen. Die Annahme von perma- nenten Seen in den Alpenthälern steht im Widerspruche mit d^n von RCtimeyer selbst hervo^bobenen Auftreten alpiner Gerolle in manchen Stufen der schweizer Molasse.

Würde uns BOtimeter'b Theorie also vielleicht die Ent- stehung der Alpenseen erklären, ao lehrt sie uns doch nicht, warum dieselben fortbestehen konnten, und zu diesen rein theoretischen Schwierigkeiten, welche sie enthält, erwachsen ihr nun noch prak- tische aus dem Auftreten der Seen selbst

Brachten Bodenbewegungen und Dislokationen am Ausgange eines Thaies eme Seestauimg hervor, wie ROtimeyes annimmt, so müssen auch solche Dislokationen naebweiabar sein. Nun ist zwar nicht zu verkennen, dass unterhalb vieler Seen stark dislocirte Schichten auftreten, andererseits senken aber andere Seen sich in vollkommen horizontal lagernde Straten. Es seien hier jene Seen erwähnt, welche Desor als Eroaionsseen beschreibt, und die in horizontalen Molasseschichten aultreten, wie die Neuen- burger Seengruppe und mehrere der kleineren Seen, wie der Hall- wjler-, Sempacher-See und andere, vor allem der Züricher- und

Sind die Seen, wie BOtiheyek mit Debob annimmt, uralte Becken, welche präglacial sein sollen, so müssen sich auch Spuren ihres hohen Alters finden. Bislang hat man aber nur von einem See, dem Tbunersee, bewiesen, dass er, wenigstens in Bezug auf die letzte Vergletscherung, präglacial ist, und von zwei andern nunmehr schon erloschenen Seen Südbayems konnten wir Aehnlicbes erweisen. Dem gegenüber stehen nun zahlreiche Beweise iur das jugendliche Alter der Alpenseen, und gerade auf diesen Funkt legt RCti- MEYEB viel zu geringes Gewicht. Es sind nicht nur de Mobtillet

gegen beschreibt er sie „als Furchen, die sich stärkere Strömungen in der tiefen, schlämm fahrenden WasserflSche offen hielten", hält sie also fOr primäre Gebilde.

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Kap. XXVIIL Andere Theorien Ober die Bildungder Alpeneeeu. 423

und Gastaldi gewesen, welche aus dem Äuftreteu diluvialer Nogel- äuh, oder, wie sich ROtimeyes auBdrücIct, „der nicht unangefoch- tenen und allem Anschein durchaus nicht allgemeinen Anwesen- heit alpiner Gerolle" am Ausgange von Alpenthälem unterhalb der Seen auf ein junges Alter derselben geschlossen haben, sondern auch StuderI) ist dieser Ansicht, er hält die Seen sogar für theilweise poBtglaciale Senkungen, und zu dem gleichen Kesultate kam aus denselben GrQnden Schill*) betreffs des Bodensees, den er als postglaciales £in8tnrzbecken deutet Das Auftreten alpiner Gerolle unterhalb der Seebecken unter den Moränen ist aber dne allgemein nachgewiesene Thatsache, über die nur schlecht begründete Zweifel geäussert worden sind, und wie oben ausgeführt, lehrt die Ver- breitung der Glacialsch Otter, dass die Seen erst nach ihrer Ab- lagerung entstanden sind. Ganz Terschlieast sich ireilicb RCti- HEVEK .der Vorstellung nicht, dass noch während der Diluvialzeit Veränderungen in der Konfiguration des lindes vor sich gegangen sind. Er glaubt, dass auch während dieser Periode Bodenbewe- gungen stattgefunden haben. Er sagt, „dass die Frage, ob die heutige obere Grenze erratischer Blöcke und die heutige Lage mancher sogenannter Moränen die ursprüngliche und nicht schon eine verschobene sei, nicht im mindesten gelöst acheine, und dass manche Verhältnisse eine Lösung eher im letzteren Sinne erwarten lassen". Näheres aber berichtet BOtiheyer nicht über jene Verhältnisse, obwol dieselben im Widarspruohe mit Thatsachen stehen, welche durch eine Reihe ausgezeichneter Geologen während langer Jahre immer wiederholt konstatirt wurden. ^)

■) Bur l'origine de^ lacs Suisses. Archives biblioth. univere. 1863. XIX. p. 89.

*) Geologische Beschreibung der Umgebung von Ueberlingen. Bei- träge zur Statist. Verwalt. d, Orossherzogth. Baden. Heft 8. 1859.

*) RDnuEYen sncbt die groaaen Schottennaesen zwischen Schaff- hausen und Basel in Beziehung zu Bodenbewegungen zu bringen. Das mir Ober diese Ablagerungen bekannt Gewordene lässt mich inuthmaai>sen, dass dieselben Anhäufungen unterer Glacialscbotter sind, Aequivalente der Schotter im Innthale. Ich gebe dieser Anschanimg in Tabelle II Ausdmck.

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424 III' AbecfanitL Die Bildung der oberbaferischen Seen.

So groBse Belehrung ich auch ftue der Schrift RCtwbter'b über Thal- und Seebüdung geschöpft habe, so sehr anregend sie auch auf mich durch die Fülle ihree Inhaltes wirkte, so wenig kann ich der in ihr geäusserten Theorie der Seebildung huldigm. Dieselbe erscheint mir von vomherein auf unbewiesene Ver- muthungen b^ründet, und manche Schwierigkeit ergibt sich bei einer eingehenden Betrachtung schon aus ihr selbst heraus. Es däucht nur zudem, als ob sie ohne wdteres oicbt auf die Bchweiiev Seen anwendbar wäre, und bei alle dem haftet ihr der Mangel an, dass sie die interessanten und wirklich bestehenden Benebuugen Ewisctien Ausbreitung der quartären Gletecbeo: und Verbreitung der Seen durchaus nicht erklärt RCtimeyeb berücksichtigt nicht die hervorragenden geographischen EigentiiQmliohkeiten in der Verbreitung und Lage der Seen, und die deutlichen Fingersäge, welche sich hieraus für deren Geschiclite ergeben, entgehen ihm daher gänzlich. Ich glaube nicht zu w^t zu g^en, wenn idi seinen Versuch einer Seebildungetheorie, dem besonders Heim heä- getreten ist, als gänzlich unhaltbar bezeichne.

Seen und Thäler erscheinen in den Alpen eng aneinander gebunden, und von altera her hat man sie auf dieselben Processe zurückgeftihrt. In denThälem erkannten wirnunErosionsgebilde; alle Versuche, die Seen als modificirte, abgedämmte Thäler zu deuten, konnten uns nicht beftiedigen, und ea bldbt uns nur der Ausw«%, auch sie als Werite einer Erosion aufzufassen. Nun lernten wir ein Material kennen, welches die Alpenthäler zu einer gewissen Zeit erftillte, und wir erkannten die Eigenthümlichkeiten von dessen Wirkungen. Wir fanden dieselben darin bestehend, dass jenes Material im Stande ist, Becken zu erodiren. Wir rufen uns ins Gredächtniss zurück, dass die Seen sich innerhalb der alten Gletschergrenzen halten, dass sie genau während der Enlh faltung des Eisee gebildet wurden, dasa sie an den Stellen li^en, wo sich die erodirende Kraft der Gletscher am beträchtlichsten entfaltete. Wie ist nach alledem zu zweifeln, dass die Seen ein Werk der Glet^cherausbreitung, dass sie die orographischen Zeugen der läszeit sind?

Dreimal mindestens dehnten sich während der Quartärperiode gewaltige Eisströme in den Thälem der Alpen aus. Dreimal

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Kap.XXVm. Ändere Theorien über die Bildung der Alpenseen. 435

konnten de erodiren und denudiren, und beckenformige Verüefiingen auBBchleiien. Es iat uns demiufolge sehr wahrBcheinlicli, daae die Seen und Becken nicht einer einzigen Glacialperiode ent- stammen, sondern dass alle Vei^letBckerungen an ihrer Bildung gearbeitet haben, wennglräch dieser VertieAu^proceaB unterbrochen ward durch Iiiterglacialzeit«n, and veon auch die Bchotterablage- rungen, welche einer Vergletschemng vorauB^ngeo, zweifellos die Beckeo der vorausgegangenen Vereisung voUkommen einebneten und ausltÜlt«[L So begegnen wir in Südbayem neben dem Beweise grosser Jugendlichkeit der Seen auch Züge hohen Alters, und wenn J. Bachhann ^) den Thuner See als einen präglacialen bezeichnete, weil an der Mündung der Kander in den Thuner See unt^ den Moränen der letzten Vergletschening ein Schotter lagert, welcher in BÖner Anordnung durchaus an ein Delta eiiimeit, das in dnen vor der letzten Vei^letscherung bereits exiatirenden See hinein- gebaut wurde, so ist uns dies nur ein neuer Beweis für die Richtig- keit unserer Anschauungen.

Die Alponthäler erscheinen uns in ihrer heutigen Gestaltung lediglich als ein Werk der Erosion, wenn wir auch weit davon entfernt sind, ebenso wie Hem, den Einfluss zu unterschätzen, welchen eine ehemalige, jetzt freilich ganz verwischte, durch die OebirgsfaltuDg bedingte Bodenkoafiguratäon auf ihren Verlauf ausgeübt hat Wasser and Eis haben diese Thäler ausgehöhlt Wenn wir nun vergleichen wollen zwischen dem^ was durch das Wasser, und dem, was durch das Eis erodirt worden ist, so müssen wir dem Wasser die Bildung der Thäler zuscbreib^i, dem Eise hingegen nur eine imAllgemdnen unbeträchtliche Aasweitung der- selben sowie lokale beckenformige Einsenkungen. Das Werk des Wassers erscheint als das weit bedeutendere. Es ist leicht ersicht- lich, warum dies so sein muss. Seitdem die Alpen als Gebirge au&^en, hat das Wasser unablässig an ihrer Abtragung durch Erosion und Denudation gearbeitet Es wirkte jeden&lls schon während der Faltung des Gebildes. Erst nachdem die Thäler bereits ihre heutigen Züge gewonnen hatten, entfalteten sich mehr- mab gewaltige Eismaseen, am in eigner Art an der Weiterbildung

') BAcmumr: Die Eander im Bemer Oberiand. Bern 1870. p. 58.

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426 III' Abschnitt Die Bildung der oberbayeriBchen Seen.

der Thäler zu arbeit^i. Dies waren aber diu kurze, Bchnell vorüber- gehende Phasen in der Geschichte der Thäler, gering daher anch ihre Werke. Unablässig wird an deren Zerstörung gearbeitet; bald werden die Seen ausgeiuUt oder trocken gelegt säu. Sie sind nur vorübergehende Erscheinungen in der Thalbildung, vor- übergehend wie die Ursachen, denen sie ihren Ursprung ver- danken.

Es ist ein schöner Prüfstein fäi die lUchtigkeit dner Theorie, wenn sie auf dem Boden lokaler Untersuchungen entsprungen, sich als anwendbar erweist auf allgemeine Verhältnisse. Das merk- würdige Zusammen&Uen der 8eenre^onen mit den Driftdiatrikten, d. h. jenen Ländern, wo sich Spuren der Glacialwirkung findai, Hess Rausay einen genetischen Zusammenhang zwischen beiden Phänomenen muthmaassen. In den Alpen suchte er einen solchen zu beweisen; allein, wie ausgeführt, seine Anschauungen weckten nur Widerspruch und eine Anzahl neuer Theorien über die Bildung der Alpenseen. Wir suchten nun nachzuweisen, dass die letzteren Theorien nicht befriedigen können, und wir fanden, dass die Ent- stehung der m^ten Alpenseen sich räumlich und zeitlich an die Ausdehnung der Gletscher knüpft, dass ihre Lage von der Richtung und Intensität der Oletscherbewegimg einerseits, von der Ober- äächengestaltung und Beschaffenheit des Gletschergrundee anderer- seits abhängig ist. Mit diesen Ergebnissen wenden wir uns nach dem Korden Europas und versuchen zu erkennen, ob die dort ent- wickelten Seen in ähnlichen Beziehungen zur Vei^letschenmg stehen wie die meisten alpinen.

Das Alter jener Mengen von Seen, welche die akandinavische Halbinsel bedecken, liest sich zur Zeit noch nicht mit der Ge- nauigkeit erweisen wie das der alpinen. Sie stellen Einaenkungen in uralten Gesteinen dar, und sind von Moräneuablagerungen umgeben. Jene ausgedehnten Olacialachotter, welche in den Alpen an das Glacialphänomen geknüpft sind, fehlen in Skandinavien, oder sind, wo sie auftreten, wie z, B. in der Umgebung von Chri- stiania, noch nicht mit genügender Genauigkeit studirL So ver- bietet sich, hier die interessante zeitliche Beziehung zwischen See- bildung und Gletacherausdehnung zu verfolgen. Vielleicht aber gewähre die zahlreichen Seen, welche den preussisch-pommeriechen

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Kap. XXVni. Andere Theorien aber die Bildung der Alpenseen. 427

Landrücken auBzeichnen , in dieser Hinaicht einmal reiche Aus- beute, wenn sich ihnen der Eifer und die Gründlichkeit nord- deutscher Geologen zuwenden sollt«. Unzweifelhaft sind aber die nordiBchen Seen nicht nur in ihrer VerbreituDg an die Auedehnung der Vergletacherung gebunden, sondern auch ihre Lage bekundet eine auffällige Abhängigkeit von derselben.

In den skandinavischen Hochlanden richtete eich die Ent- faltung des Glacialphänomens ganz in derselben Weise nach dem Belief des Landes wie in den Alpen. Es folgte den Thälem. Die Gletscher erzeugten hier wie in den Alpen Thalseen, welche theils Bupramarin als Binnen gewässer erscheinen, theils submaiin als Fjorde. Nirgends ist die oben dargelegte Unregelmässigkeit der alten Gletscherbetten intensiver entwickelt als in den Thälem Norwegens, wo sich See an See wie Glied an GUed einer Kette reiht Ueber die ebeneren Theile der skandinavischen Halbinsel strahlte das Inlandeis radiär aus, nahe aneinander gelegene Punkte desselben bewegten sich nahezu parallel. Ganz im Einklänge hiermit sehen wir die Seen mancher Theile Schwedens, vor allem aber die ineinandei^reifenden Becken Finnlands, von einem ent- schiedenen ParallelismuB beherrscht, und es ist nicht zu verkennen, dass die lUchtung der langgedehnten Been zusammeniallt mit der der Eisbewegung. Der von Rätzel^) jungst hervorgehobene Paralleliamua in der See- und Fjordbildung fuhrt sich also auf ganz bestimmte Ursachen zurück. Er wird zum orographischen Ausdrucke der Gletschererosion auf flachem Lande, wie die Thal- seen deren Spuren im Gebirge sind.

Im mittleren Schweden freilich setzt der Farallelismus der Seenbildung aus, und hier finden sich die breiten und grossen Becken des Mälar, Hjelmar, Wettern und Wenem. Dieselben stehen anscheinend ausser Beziehung zum Gladalphänomen. Aber Helland^ hat uns eines Besseren belehrt. Er berichtet, dass

') Ueber Fjordbildungen an Binnenseen nebst allgemeinen Be- merkungen über die Begriffe Fjord und Fjordstrasse und die nord- amerikanischen KüstenQorde. Pfteruann's Mittheilungen. XXVL 1880. p. 387.

') Üeber die gladalen Bildungen der nordenropäischen Ebene. Zdtschr. d. Deutsch, geolog. Gesellsch. XXXI. 1879. p. 63.

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428 in. AbHcbnitt. Die Bildung der oberbajrerischen Seen.

in der Nähe jener Seen üb^all Reste siluriecher Straten auftreten, und deutet uns die Been als ehemalige Silurbecksn, deren wdehes Material aus der gneiesigen Umgebung erodirt worden ist Mein Freund G. J. Hibde erzählt« mir Aehnliches tod zahlreichen kleineren Seen Kanadas, deren Auftreten Sir Wiijjam Logah zur Annahme von RxuBAY'a Ansichten veranlaaate. Es erhellt hier- aus, dasB die Glacialbecken des Nordens ebenso von der Be- schaflenheit des Untergrundes abhängig sind wie die der Alpen, und der Umstand, dass uns durch J. Oeikie die Entstehung der DeäectionsbeckeD zuerst an nordischen Beispielen erläutert wurde, ist wo! der beste Beweis dafiir, dasa diese Werke der Glacial- erosion im Norden reichlich entwickelt sind.

Dieselben Gesetze, welche dieLc^ derAIpenseen beherrschen, geben sich auch durch die Gest^sbecken des Nordens zu er- kennen, wenn auch die Fülle der Erscheinungen dort eimgermaasaen verwirrend wirkt, und sich nicht von einer gemeinsamen Schablone beherrscht erweist. Man bedenke jedoch immer, dass nur in seltenen Fällen äae einzige Ursache die Bildung eines Sees oder Beckens bedingt bat, und dass oft die wahre Ursache verschleiert sein kann. Ein nunmehr gänzlich verwischtes Thalsystem, gänzlich entfernte weiche Straten, w^geräumte Hindanisse können Ver- anlassung zur Bildung dieses oder jenen Sees gegeben haben, sodass sich nun schwer s^;en lässt, warum derselbe gerade an der betreffenden Stelle existirt Von solchen Fällen darf man jedoch nicht ausgehen und sagen, weil sie das Auftreten des Sees nicht erklären kann, deshalb ist die Theorie der glacialen Bildung un- haltbar. Dieser Einwurf kann einer jeden Theorie gemacht werden; denn nur in den seltensten Fällen ist es der Geologie mSglich, ii^nd welches Phänomen bis auf seine letzten Ursachen zu ver- folgen, und wie man bei allgemeinen Erklärungen lokale Er- scheinungen oft unberücksichtigt lassen muss, so Ist es auch mit der Theorie der glacialen Bildung mancher Seen. Theorien haben vor allem Phänomene in ihrer Gesammthdt zu erklären.

Eine unbestreitbare Thatsache ist die, dasa die Küsten jener Liänder, welche sich durch ihren Beichthum an Binnenseen aus- zeichnen, von zahlreichen tiefen Einschnitten durchsetzt sind, welche man als Fjorde bezeichnet Daraufhin hat man eich auch

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TT ap TTTVTTT Andere Theorien fiber die Mdung der AlpenseeD. 429

eteta gewöhnt, so lange man den geschsarten Binnenfieen und Fjorden Aufmerksamkeit geschenkt hat, dieselben als Gebilde mi und derselben Axt zu betrachten, welche nur in ihrer Eracheinungs- wdse differiren, indem die einen auf festem -Laude auftreten, während die anderen theilweise unter das Meer gesenkt sind. Des öAeren hat man Binnenseen als alte, nunmehr vom Meere abgetrennte Fjorde aufge&est, was namentlich von den oberitalienischen gilt Richtdger scheint uns aber zu sein, weder die Binnenseen als ab- geschnürte Fjorde, noch die Fjorde als untergetauchte Binnenseen zu bezeichnen, sondern beide ganz allgemein aU in Bezug zur Wasserhülle der Erde yerschieden gelegene Aushöhlungen in deren Kruste. Es ei^bt sich hieraus eine wissenschaftliche Erklärung des Begriffes Fjord. Fjorde sind submarine Gesteinsbecken, wie die Binnenseen supramaiine.

Die Eigenschaften der Fjorde stimmen trefflich zu dieser Annahme. Lcthungen ergaben überall, dass die Fjorde ti^ Becken sind, welche g^en die offene See zu abgedämmt sind. Die Tiefenverhältnisse unterscheiden die Fjorde von anderen Küsten- einschnitten, welche mit denselben verwechselt werden könnten, wie E, B. die reichlichen Busen an der Ostküste des adriatiBchen Meeres und die Einbuchtungen QriecheDlands und Kleinasiens. Wenn heute nun fast allgemein die Binnenseen, also die Gesteins- becken auf festem Lande, als ein Werk der Gletscher gelten, sei es von deren konservirender, sei es von deren erodirender Thälig- keit, so hat man die Fjorde gleichfalls als Glacialgebilde anzu- sehen, und zwar kann man sie als die littoraleu Erschei- Bungeu der Gletscherwirkung bezeichnen.

Die Gesetze über die Lage und Entstehung der Alpenseen, welche, wie eben zu z^gen versucht, auf die Binnenseen im Allge- m^en anwendbar sind, müssen unter solchen Umständen auch die Fjorde beherrschen. Nun iand sich, dass da, wo die Boden- koufiguration den Gletschern die Wege wies, die Lage der Seen von dem pr^lacialen Belief des Landes abhängig ist, während da, wo die Gletscherbewegung unabhängig von der Landesober- fläche erfolgte, die Seen einen entschiedenen Paralletiamus auf- weisen. Ln erstereu Falle liegen die Seen in präglacialeo Thälem, im letzteren dagegen erstrecken sie sich auf ebenem

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130 IH- AbschnitL Die BildiiDg der oberbayerischen Seen.

Lande und drücken demeelben die entacheidenden orograplüaclien Züge auf.

Qanz ebenso verhält es sich mit den Fjorden. In gebirgige KüBteu drängen sie sich als thalähnlich verzweigte Buchten, wie z. B. an der Westküste Norwegens, während sie an flacheren Küsten, wie Ratzel besonders von denen Nordamraikas ausfilhrte, einer neben dem andern, alle parallel in das Land ängreüen. An den flacheren Theilen von Norwegens Küsten läset sich gleichfalls ein solcher PanvUelismus der Küstenlinien wahrnehmen, Nun erkannten wir, dass in gebir^gem Terrain die Wirksamkdt der Gletscher sich auf die Verbreiterung und Vertiefimg der Haler beschränkte, somit haben wir auch die Fjorde in gebirgigen Ländern als durch Gletscher ausgeweitete und vertiefte Thäler anzusehen, und nur da, wo der Parallelismus der Küstenlinien uns verrätfa, dass die Bewegung des Fises unabhängig von dem Relief des Landes erfolgte, können die Fjorde als die ausschliesslichen Werke der Gletscher angesehen werden.

Die Fjorde gelten uns also in ihrer Allgemeinheit nicht aus- schliesslich als die Produkte glacialer Wirkungen. Nur theilweise sind sie es, und an der Aiisbildung der vielfach verzweigten Fjorde gebirgiger Küsten haben Wasser und Eis vereint gearbeitet; das rinnende Wasser schuf vor der Veigletscherung die Thäler, das Eis erodirte in diesen Thälem Becken, welche uns heute als die Fjord üefen entgegentreten.

Indem wir submaiiue Becken Fjorde nennen und diese dann als die littoralen Erscheinungen der Glacialerosionsgebiete erklären, Idsten dieselben uns wesentliche Dienste, um die Geographie des Glacialphänomens zu verfolgen. Sie gestatten uns, auf die frühere Entfaltung von Gletschern in Gebieten zu schliessen, welche noch mer geologischen Durchforschung harren, wie z. B. die Südspitze Südamerikas, das Tschuktschenland. Weiter aber gewähren die Qord durchsägten Küsten ein Mittel, die Intensität der früheren Gletscherentwickelung zu beurtheilen. Heute knüpfl sich die Ver- breitung der Gletscher an bestimmte klimatische Zonen- Die klimatischen Verhältnisse eines jeden Ortes werden aber bedingt durch dessen geographischer Breite und Höhe über dem Meeres- spiegel; dieser letztere Faktor wird bekanntlich dann eliminirt,

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Kap. XXVin. Andere llieoriea über die Bildung der Alpenseen. 431

wenn der Ort am Meere liegt. Das EiDmQndeii zahlreicher Gletscher in das Meer wird daher im wesentlichea an gleiche klimatische Verhältnisse gebunden sein. Die Fjordküsten nun lehren uns die Stellen keimen, an welchen frühere Gletscher in das Meer mündeten, und ihr Auftreten an jetzt gletscherfreien LÄndem in ganz bestimmten klimatischen Zonen, was Reclus kennen lehrte, beweist eine allgemeine Verschiebung dieser letzteren seit der Glacialzeit

Die frühere Gletecherentfaltung hat ihre Spuren nicht nur in der Anhäufung von GeHteinsmaterial, in der Ablagerung von Moränen geäussert, Bondem auch, und ohne dies wäre jene An- häufung undenkbar, in Werken der Erosion. Es sind die Gletscher auf der Erdoberfläche gestaltend thätig gewesen, und in der Boden- gestaltung grosser Strecken Landes erkennt man deutlich den EinflusB der Gletscher. 80 ist es in den deutschen Alpen und in derem Vorlande. Die Alpen sind erodirt worden, die Thäler sind vertieft; die Hochebene ist fiberdeckt worden mit Gletscherschutt Die grossen Seen am Alpensaume und auf dem Alpenvorlande treten als die charakteristischen Werke der Glacialerosion ent- g^eu, die Moränenland schaft hingegen ist das eigenartige Produkt der anhäufenden Thätjgkeit des Eises. Mit ebensolcher Sicher- heit, wie in einer einzelnen Ablagerung gekritzte Geschiebe und darunter lagernde Felsschlitfe auf Glet^cherwirksamkeit schliessen lassen, ermöglichen auch orographische Erscbeimingen auf das frühere Vorhandensein von Gletschern zu folgern. Dicht ge- schaarte Seen, sowie die unregelmässige Oberflächenbeschafllenheit einer Moränenlandscfaaft sind die eminent auffälligen geographi- schen, Gletscherschlide und Grundmoränen mit gekritzten Ge- schieben die hervorragendsten geologischen Spuren von Gletscher- wirkung.

Wenn nun die Gletecherentfaltung in charakteristischer Weise bodengestaltend wirkt, so dfirfte auch umgekehrt die Ober- flächenbeschafienheit mancher Länder einen Rückscbluss auf frühere in ihnen entfaltet gewesene Gletscher gestatten. Länder mit dicht geschaarten Seen, mit Fjordküsten erscheinen als alte Gletscherge- biete, und schon an der Hand guter Karten, welche das Relief eines Landes mit hinreichender Genauigkeit wiedei^ben, wird es

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432 III' Abschnitt. Die Bildung; der oberbayenschen Seea.

möglich auf eines der interessantesten Ereignisse eu schlieeseii, welches die Erde in ihrer jüngsten Vergangenheit betroffen hat Orographische Untersuchungen führen hier zu geologischen und meteorologischen Folg^ungeo, und wenn Rbclub ') zeigte, dass das Fjordphäuomen an ganz bestimmte klimatische Zonen gebunden ist, so lieferte er damit einen wichtigen Fingerzeig zur Erkeantniss der Ursachen der Eiszeit

') Kevue des deux mondes I8ti7. La Terre 1869.

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Kapitel Y^fTT ÜTsachen der Eiszeit.

Allgemdnheit des Glaci&lphänomeiiB. Allgemeine E3afeiL VerwerAmg von Lokaltheorien. Abnahme der Vergletacherung von West Dsch Oat in Europa, von Oet nach West in Kordtunerika. Fsjallelümiu zwischen eiazeitlicher nnd heutiger Oletechereotfaltang. Prnbeie GlelBcberentMtung eine Steigemng der heutigen, Mehrmftlige Vei^letschenmgoi. Verwerfting der Theorien über allgemeine Kälteperiaden. Verwerfting der Theorien über Schwanlmngen in der Lage und Stellung der Erdaie. Verwerfung der geographiacheu Wänne- liieorie, EinfluBB der MeereaatrömuDgen auf die Teniperaturvertheilnng. Möglichkeit von Veränderungen in der Wärmecirculation. Versohiebbartteit der Calmenregion und daraus reaultirenden Vcrschiebborbeit der Wärme- circulotion. Allemirende kältere und wärmere Klimate. Croll'« Theorie. PiLAB über Verechiebbarkeit der Culmenione. (ilacial- und Inteij;lacial- telten. WUJ.ACE'fl Theorie. Kältere und wärmere Perioden bei grosser Eieentridlät der Erdbahn. Gietscherspuren in älteren Formationen. Vordcht bei deren Beortheilung, Schwierigkeit eine Eiszeit in den Resten fi^herer Floren and Faunen lu erkennen. Repräsentant einer Eisieit in der marinen Scbichtenfblge. Bchichtweieer Faunen Wechsel. Migrationen. Schlnss.

Selten nur vermag sich die Geologie dem letzten und hSchsten Ziele wieBenschaftlicher Forschung, den Ureprung der sie be- schäftigenden Erscheinungen zu ennitteln, nähern. Nicht nur ist die Fülle der Thateachen, welche ihr als neu gegenüberstehen, &st unerschöpflich, sodass sie in deren Beschreibung schon reich- liche Arbeit findet, sondern vor aUem sind ihre Mittel und Wege, Erklärungen zu geben, beBchränkt und fuhren selten zu einem guten Ergebnisse. Mehr als andere WieBenschaften hat die Geo- logie mit Hypothesen zu rechnen, und darin liegt zweifellos eine grosse Gefahr, zumal da es auch in nicht fachmännischen Kreisen beliebt ist, manchen schwierigen Problemen sich zuzuwenden und deren Lösung mehr zu erratheu als herbeizufuhren. Cierade die Ei^-

PeDCk, DI« Vargletscherang, 28

D.,r„.db,G00glC

434 Kapitel XXTX. Ursachen der Eiszeit

zeit ist ein Spielball der Spekulatioa geworden, und ßeit de Luc's Zeiten sind selten Jahre vergangen, ohne neue Hypothesen über die Ursache der Eiszeiten zu fordern. Gegenüber einer solchen Menge von Erklärungsveraucheii mag es vermessen erscheinen, wenn wir die vorstehenden empirisch gewonnenen Thatsacben mit einem Kapitel über die Ureachen der Eiszeit beschliessen wollen. Allein es drängt uns wenig, auch unserersdte eine Hypothese über die Eiszdt zu äussern, uns liegt vielmehr daran, das reich- liche Material, welche sich im Laufe der Zdten angesammelt hat, übersichtlich zusammenzustellen, um auf Grund dieser Thataachen mehr negativ als positiv mit den bisher geäusserten Hypothesen zu verfahren, und diejenige, welche uns als die wahrscheinlichste vorkommt, in ihren Voraussetzungen und Konsequenzen zu prüfen. Die grosBSJtige Vergletscherung der Alpen steht bekanntlich nicht vereinzelt da. Frühe schon fand man in Nacbbargebieteo Spuren von Gletschern. So bekanntlich in den Vogesen, in den central&anzdsischen Gebirgen; Glacialphänomene wurden im Schwarzwalde entdeckt, und auf den bdchsten Partien des Böhmer- waldes kommen in Gestalt kl^er Seen bezeichnende Werke gla- cialer Thätigkeit vor. Im Verlaufe vorstehender Untersuchungen haben wir mehrfach auf die ungemeine Aehnlichkeit der Diluvial- gebilde Nordeuropas mit den glacialen Formationen der Alpen hingewiesen, und sollte Jemand noch nicht durch den Geschiebe- lehm Norddeutachlands mit semen gekritzten Geschieben, mit seiner geschrammten Unterlage zur Annahme veranlasst werden, dass einst ganz Nordeuropa vergletschert war, so wird er zu der- selben durch den Vergleich der norddeutschen mit den alpinen Quartärbildungen gelangen. Nordamerika besitzt bekanntlich dieselben Glacialablagerungen wie Alpen und Nordeuropa. Es trägt die Werke einer allgemeinen Vereisung im Norden, und Spuren lokaler GletBcherentwickelung finden sich in den All^baniee und Rocky Mount^ns. Dagegen hat man ihren Mangel in Nordasien häu^ betont, aber einige tief eingeschnittene Fjorde lassen uns muthmaassen, dass das Tschuktschenland, sowie Theile des Amurgebietes in analoger Weise vergletschert waren wie andere Fjordküstenländer, und von den hohen central asiatischen Gebirgen, dem Himalaja, Thianschan und der Gruppe des Munku

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KsiHtel XXIX. Uraachen der Eiszeit. 435

Bardyk, läset eich behaupten, daee sie gleich den Alpen einst mächtigere Eisströme erzeugten als heute. Auch auf der süd- iichen Hemisphäre wiederholen sich die Glacialphänomene. Die ßüdinsel NeuseeUuds, welche so gerne wegen ihrer heutigen Glet- scher als ein Seitenatück zu der ehemaligen alpinen Verjüng bezeichnet wird, war einst fast ganz unter Eis begraben. Die tiefen Fjorde Patagoniens sind neben den früher von Daswim beobachteten erratischen Blöcken gleichfalls als Werke einer ehe- maligen Vereisung des südlichen Ausläufers der neuen Welt anzu- sprechen; und wie auf der nördlichen Halbkugel Alpen, Karpathen, Kaukasus und Himalaja lehren, dass in Gebirgen einst Gletscher enorm entödtet gewesen, so bezeugen ein Gleiches die Spuren auf den Gebii^;cn von Natal und Ostbrasilien auf der südlichen Hemisphäre. Die Vergletacberung der Alpen ist unter solchen Umständen kein blosses Lokalphänomen, sie ist nur der lokale Ausdruck einer allgemeinen Erscheinung auf der Erde, einer allgemeinen Eiszeit

Wenn wir von diesem Gesichtspunkte die alpine Vereisung betrachten, so bedarf es kaum eines besonderen Nachweises, dass alle die zahlreichen Hypothesen über ihre Ursachen, welche auf lokalen Verhältnissen basiren, von der Hand zu weisen sind. Solches gilt von der alten Ansicht J. Di; Ghakpentier's, dass die Alpen einst höher gewesen, und höher in das Bereich des „ewigen Schnees" au&agten, solches gilt in noch viel höherem Maasae von der Ansicht Ebchbb's von der Linth, daas der Föhn einst als feuchter Wind während der Quartärperiode aus der da- mals unter Wasser liegenden Sahara kam und die Gletscher an- wachaen lieaa. Nicht nur kommt der Föhn nicht aus der Sahara, sondern diese letztere war auch während der Quartärzeit nicht unter Wasser, wie durch Pomel und Zittel neuerdings erwiesen. Als ungenügend zur Erklärung der alpinen Vergletacberung müssen wir aber auch die Hypothese bezeichnen, welche von Lyell zu- erst geäussert und bis in die neueste Zeit vielfach verfochten wurde. Lyell meinte bekanntlich, dass Nordeuropa während der Quartär- periode unter Wasser lag, und dass da, wo die Drifterscheinungen auftreten, sich m Meer ausdehnte, auf welchem sich Eisberge um- hertummelten. Dieses Meer habe abkühlend auf die umgebenden

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436 Eipit«! XXTX. Ursachen der Eäszeit

Länder gewirkt Hiergegen läaat sich nicht blosa mancherlei Be- denken auf Grund meteorolo^scher Erfahrungen äuaaem, und haupt- sächlich einwenden, dase ein Meer von der Ausdehnung des Lyell '- sehen Driftmeerea, wie alle Meere höherer Brdten, erwärmend auf die benachbarten Länder gewirkt haben mfisete, sondern vor allem ist Lyell 's Ansicht mit der Drifttheorie zu Fall gebracht Eben jene Länder, in deren Ueberfluthung man die Ur- sache der alpinen Vereisung suchte, waren selbst ver- gletschert, und da wo man die Ursache der Biszeit zu erkennen glaubte, sind ihre Werke am enormsten ent- faltet Auch die Annahme grosser Landmaasen zwischen Kor- wegen und Spitzbei^n, einer Arktis, welche nach K. Pettersen') die nordische TJebereisung verursacht haben soll, dient uns nicht zur Erklärung einer Eiszeit, abgesehen davon, daas sie schwerlich eine skandinavische Vergletacherung bedingen wfirde. Nicht minder unhaltbar ist femer jene Hypothese, dasa an und für sich schon die Mehrung der Niederschl^sm engen eine gewaltige Vergletsche- rung erzeugen könnte, und dass die Alpen in maritimer Um- gebung ein eiszeitliches Gewand anlegen würden. Gerade die Sftdinsel Neuseelands, welche zuerst von von Hochstetteb und später von Debor^ zur Begrflndung dner solchen Anschauung herbeigezogen wird, lehrt deren Unbaltborkeit kennen. Diese Insel ist in der denkbar günstigsten Lage zur Erzeugung von Gletschern, und in der That sind dieselben hier gewaltig ent^ talt«t Allein während der Quartärzeit waren sie noch bedeut«3ider entwickelt, und dies überzeugt, dass ein maritimes Elima allein noch keine Eiszeit erzeugt Auch die in vieler Hinsicht sehr beacht£Dswerthe Ansicht vermögen wir nicht zu theilen, dass falls die Landenge von Panama unter Wasser tauchte, der Goli- strom andere Bahnen einschlagen und somit aufliören würde, Europa zu erwärmen, sodass sich hier eine Eiszdt einstellen müsste. Abgesehen davon, dass das Haupterfordemiss jener Theo- rie, die Unterbrechung der Landenge während der Quartärzeit,

') Arktis. I. Geol. Fdr. Töi. Stockholm 1874. Bd. II. II. Arch. f. Math, og Naturv. 1881. p. 46ä. *) Le Paysage morainique. 1S75.

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Kapitel XXIX UraacheD der Eiszeit. 437

nicht erwiesen ist, und dass selbst bei einer Kommunikation des atlantischen und stallen Oceanes der Golfstram nicht ausheben wQrde, so würde jene Hypotheee nur zur Koth die europäische Vei^letflcherung erklären können, nicht aber die allgemdne Eiszeit.

Die Lokaltheorien zur Erklärung der alpinen Vei^letscheruug genügen sammt und sonderB nicht den Anforderungen, welche irir stellen müssen. Nicht nur beruhen sie grösstentheils auf uner- wiesenen Voraussetzungen, wie wir hier nur andeuten konnten, sondern sie betrachten vor allem das Phänomen isolirt, ohne KQcksicht auf die gleichartigen übrigen, sie erklären nur einen Theil, nicht die Oesanuntheit Allein das ist ja eben der strittige Punkt, ist das Gladalphänomen allgemeines oder nur lokales, hat es also allgemeine oder lokale Ursachen gehabt? Vielfach wird die An- sicht geäussert, dass wenn die Eiszeit eine allgemeine Ursache gehabt hätte, sie allenthalben in einer Qletscherbildung sich ge- äussert hätte, und in Deutschland haben vor allem Peschel') und Fs. VON Hauer') ausgeführt, dass die äusserst ungleiche Entwicklung der eiszeitlichen Glatecber in den verschiedenen Theilen der nördlichen alt«n Welt ein entschiedener Beweis gegen jene Theorie über allgemein wirkende Ursachen der Eiszeit sei.

In der That ist nicht zu leugnen, dass das quartäre Gladal- phänomen nicht überall in gleicher Intensität entfaltet ist. Man betrachte die beigefögte Kartenskizze, aufwdcher die hauptsächlich- sten früheren und heutigen Gletscbergebiete der Erde, soweit es der Maassstab erlaubte, darzustellen versucht sind. Gewaltige Eismassen bedeckten Nordamerika und Nordeuropa, aber ßpuren ähnlicher Gletscherenifaltung fehlen im nördlichen Asien. Deutlich sieht man in Europa, wie Peschel^) vor allem betont^ eine Abnahme des Qlacialphänomens von West nach Ost Im Duerobecken, also in einem der südlicheren Thdle Europas, beobachtete Cabral neuerlich Spuren einer Vereisung, welche sich bis ans Meer er- streckte *), die central&anzösischen Gebirge waren beträchtlich

') Völkerkunde. 1877. p. 43. ^ Die Geologie etc. 2. Aufl. 1878. p. 698. ^ Völkerkunde. 1877. p. 43.

'} Estudo de depoaitos superfidaea da bada do Donro. Sectäc trabalbos geotogicos de Portugal. Lisboa 1861. p. 67.

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438 Kafdt«! XXIX. Unachen der EtBidt

vergletachert, dag^en gelang es in Oatouropa noch nicht, alte GletBcherepuren unter gleichen Breiten zu entdecken. Die Öster- reichischen Geologen, welche die Erforechimg der Balkanhalbiued so erfolgreich begannen, haben erst kfiizlich betont, dasa den Hoch- gebirgen jener Halbinsel die Spuren quartärer Gletscher iehlen. Von den drei süddeutschen Mittelgebirgen waren die Vogeeen ent^ schieden am intensivsten verdst, und deutlich lassen die Alpen, wie wir oben darthaten, eine Abnahme der Vergletecherung tod West nach Ost erkennen. Es waren die Westalpen stärker unter Eis b^raben als die östlichen Theile des Gebirges.

Ganz dasselbe wiederholt sich in Nordamerika, hier nimmt das Gladalphänomen von Ost nach West an Intensität ab. Die niedrigen östlichen Theile des Kontinentes waren vereist; die hoch- gelegenen G^ii^regionen der Westküste trugen unter gleicher Breite nur lokale Gletscher. An der Thatsacbe also, daes das Glacialphänomen auf der nördlichen Hemisphäre, wo man sdnen Spuren am besten folgen kann, in ungleicher Intensität entwickelt ist, ist nicht zu zweifeln. Aber daraus ergebt sich noch keines- wegs die Berechtigung zu schliessen, dass das quartäre Glacial- phänomen nicht allgemeine Ursachen gehabt habe. Auch heute sind die Gletscher in ungleichem Maasse entfaltet, und ganz in entsprechender Weise, wie sich auf der alten Welt eine Abnahme des quartären Glaeialphänomens von West nach Ost und auf der neuen Welt in umgekehrter lUchtung geltend macht, nimmt auch heute die Entwickelimg der Gletscher ab. Norwegen trägt unter 60 <* beträchtliche Gletscher, dem Ural fehlen sie. Die Alpen- gletscher steigen im Westen des Gebirges tiefer herab als im Osten, und die des Kaukasus enden, obwol in ziemlich derselben Breite gelten, in weit grösserer Höhe als die alpinen. Die hohen central asiatischen Gebirge sind durchaus nicht in der Weise mit Gletschern ausgestattet, wie man nach ihrer Lage und Höhe im Vergleich mit den Alpen folgern möchte Der nordSstliche Theil von Nordamerika, Grönland, liegt unter Eis begraben, der nord- westliche Theil hingegen trägt trotz beträchtlicher Erhebung in gleicher Brdte nur lokale Gletscher, und weiter noch geht der Parallelismus zwischen dem quartären und heutigen Glacialphä- nomen. Genau in ratsprechender Weise, wie heute die Gletscher

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Kapitel XXIX. Ursachen der Eigzeit. 439

auf der nördlichen Halbkugel in der alten und neuen Welt ver- schieden entwickelt sind, wie ilire Entfaltung auf der nördlichen und südlichen Hemisphäre differirt, war es während der Eiszeit auch. Wie Grönland heute stärker vereist ist als Skandinavien, war Nordamerika mehr unter Eis begraben als Nordeuropa. Er- streckt« sich das europäische Inlandeis bis zum 50. Parallel, so überechritt das nordamerikaniscfae den 39.; wie heute in Pata- gonien die Gletscher in Breitfin sich ins Meer schieben, in welchen wir solches auf der nördlichen Halbkugel nirgends sehen, so erstrecken sich auch saneFjordküsten in niedere Breiten als irgendwo im Norden; wie endlich in Neuseeland heute die Gletscher bis in klimatische Zonen herabreicben, in welchen nirgends auf der nörd- lichen Hembphäre Gletscher enden, so war während der Quartär- zeit Neuseeland in einer Breite gänzlich übereist, wo wir solches bei ^em isolirten Gletachergebiete der nördlichen Hemisphäre kaum sehen. Wie heute auf der Erde die Glet«cherentfaltung unter gleichen Breiten varürt, so war es zur Eisz^t auch, und das ganze quartäre Glacialphänomen erscheint lediglich als eine Steigerung des heutigen. Die heutigen Gletscher waren angewachsen, und zwar proportional ihrer heutigen Ent- wickelung. Wo sie nämlich heute beträchtlich entfaltet sind, waren sie es früher auch, und wo sie heute nur wenig sich ausdehnen, waren sie auch früher wenig bedeutend. In Gebieten, in welchen heute vermöge der herrschenden Trockenheit Gletscher trotz grosser Erhebungen imd hoher Breite mangeln, fehlten sie einst auch, so in den übirischen Gebirgen. Dagegen stellten sie sich aber in solchen Gebirgen ein, welche heute in der Nachbarschaft von Gletachei^bieten sich befinden, allein zur Oletscbererzeugung nicht hoch genug sind, wie in den Yogesen, im Schwaizvalde und Harz. Dies bildet jedoch, wie sich leicht bereiten läset, nur eine scheinbare Ausnahme von der Regel, dass das quartäre Glacial- phänomen eine Steigerung des heutigen darstellt, und wfr können nicht anstehen, dasselbe als ein allgemeines zu bezeichnen. Wir müssen es daher als den Ausdruck einer allgemein wirkenden Ursache betrachten. Ob nun allerdings dieselbe die ganze Erde zugleich oder beide Halbkugeln nach einander betroffen hatte, vermögen wir nicht ohne wdteres zu entscheiden; denn wenugldcli

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410 Kapitel XXIX- UrsBchen der Eissat

die eisz^tlJche Gletscberentfaltung eine derartige ist, daes man an- nehmen muss, sie sei auf je einer Halbkugel gleichzütig gewesen, so fehlen doch noch Anhaitapunkte dafOr, dass sie auf b^den zugleich eich Ahlbar machte. Allein, wie dem auch sei, sehen wir in der quartären Gletscherentfaltuug nur eine Steigerung der heutigen,, so kami die Ursache datur nur in der Steigerung jener Momente liegen, welche zur Gletscb^^rzeugung fuhren.

Oletscher finden sich da, wo die jähriichen Xiederschl^e in Form von Schnee fallen und nicht weggethaut werden können. Eine Vermehrung der Niederschlage mengen fuhrt also nothwen- digerweiee, wie Pohel^) erst neuerlich wiederum so überzeugend nachgewiesen, zu ^em Ausdehnen und Anwachsen der Gletscher. Allein dieses Anwachsen wird gezügelt durch deren Abthauen und Abschmelzen; wenn auch ein Anwachsen der Gletscher durch reichliche Niederschläge bedingt wird, so wird demselben eine Grenze durch deren Abschmelzen gesetzt, und es kann das Anwachsen nur bis zu einer bestimmten Grösse erfolgen. Die Südinsel Neuseelands zeigt nun, dass die reichlichsten Nieder- schlagsmengen doch noch nicht zu eioer eiszeitlichen Gletscher- entwickelung fiihrL Die Gletscher in diesem Gebiete, welches doppelt so reichliche Niederschlagsmengen geniesst, als die Alpen . in irgend welchem Theile, sind zwar ungemein entfaltet, aber erreichen nicht das Maass jener Entwickelung, welche sie einst besassen.

Dieser Umstand lehrt im Vereine mit der Tbatsache, dass das Glacialphänomen in heute trockenen Zonen fehlt, dasa zu einer eiszeitlichen Gletscherentfaltung nicht bloss allgemein rdchlichere Nicdo^chläge, sondern vor allem auch eine Temperaturerniedri- gung gehörte, welche das Anwachsen der Gletscher fördert Zw« Momente müssen wir also zu einer Erklärung der Eiszeit fQr noth- wendig erachten, einerseits Mehrung der schneeigen Niederschläge und andererseits Erniedrigung der Temperatur, mit anderen Worten, einen klimatischen WechseL

') Becherches sur lea variationa pÄriodiqiiea dans Tötat des glaciera de la Suisse. Archive« des sciencesi physiques et naturelle». Genfeve. III. 8. t. VI. 1881.

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Kapitel XXIX. Ursachen der ESszdt. m

Ueber den Umfang eines aolchen klimatiachen Wechsels braucht mau sich keine übertriebenen Vorateüungen zu machen. Wir sind der Meinung, dass schon eine geringe klimatische Schwankung ein beträchtlichea Anwachsen der Gletsch^ bedingen kann, denn die Gletscher selbst, wenn sie einmal wachsen, tragen in sich den Keim zu neuer Vermehrung. Auch dies gezeigt zu haben, ist Forel'b achönea Verdienst Eine Ve^rSaaening ihrer Masse führt zu einer Steigerung ihrer kondensirenden Wirkungen; indem sie ferner auf ihre Umgebung einen abkühlenden Einfluss haben, mehren sie hier die schne^gen Niederschläge und drücken die Schneelinie heijib. Dazu kommt noch eines. Durch das Anwachsen der Gletscher zu ganzen Vereisungen werden Gebiete in das Bereich des „ewigen Schnees" gebracht, welche sonst ausserhalb des- selben lif^en, und es sind nicht mehr bloss die Gipfel des Gebiigee, welche Firn zur Mehrung des Gletschers sammdn, sondern auf diesem selbst häuft sich, wie wir fiir die deutechen Alpen zu zeigen versuchten, Firn an. Die Hauptmasse der Vereisung erstreckt sich schliesslich in Betonen, wo sie fortwährend gemehrt wird. Fobel's Untersuchungen machten evident, wie gering oft die klimatische Schwankung ist, welche heute das Anwachsen der Gletscher nach sich zieht, und in der That erachten wir schon eine geringe Min- derung der Temperatur für genügend zur allgemeinen Steigerung der Gletschereutwickelung. Jede Gletscherentwickelung aber stellt eine Kältecirculation auf der Erde dar, sie bringt Kälte in Ge- stalt von Eis gebunden von einem Ort zum andern, und zieht dadurch eine Verschiebung klimatischer Verhältnisse nach sich, deren Extrem wir als Eiszeit bezeichnen.

Durch seine Allgemeinheit gewährt das quartäre Glacial- pbänomen schon einen wichtigen Wink zu seiner Lösung und Er- klärung. Es lehrt uns eine früher stattgehabte klimatische Ver- änderung kennen. Aber darauf beschränkt sich das Ergeboiss nicht, welches sein Studium liefet. Wol zu beachten ist die That* Sache, dass allüberall da, wo das quartäre Glacialphä- nomen genau untersucht worden ist, sich Andeutungen oder Beweise mehrerer während der Diluvialzeit statt- gehabter Vereisungen ergaben.

Das Material, welches in dieser Hinsicht die Alpen lieferten,

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442 Kapitel XXIX. Uraachen der ESaidL

haben wir einer sorgföltigen Erwägung unterworfen, und uoBer BesuJtat lautete, Dicht bloss einmal, sondern mindestens dreimal sind die Alpen während der grossen Eiszeit ver- gletschert gewesen. Unsere Untersuchung tuhrte uns schon zum Vergleiche mit anderen Gletschergebieten. Wie in den Alpen tritt in Nordeuropa und in Nordamerika eine inqere und äussere Moränenzone auf, und besonders in Nordamerika ist man geneigt; diese beiden (üx veracbiedenalterig, für Produkte verschiedener VergletBcheningen zu halten. Und in der That hat man in den beiden grossen borealen Gletscherbezirken auch sonst reichliche Thateache^aufgeümden, welche die Annahme mehrerer Vereisungen stützen. Ich möcht« hier nur auf die beiden Werke von Jameb Geikie^) hinweisen, welche reichliche Belehrungen über diesen Giegenstand darbieten. Es sei auch gestattet, hier darauf hinzu- weisen, dass eine mehrmalige Vereisung Norddeutschi ands, wie sie durch Hellamd, Gbewinqk und mich verfochten wurde, zwar nicht allgemein adoptirt, aber doch nie widerlegt worden ist. Eine solch konstante Wiederkehr von Erscheinungen kann kein Zu- fall sein, und in der That, wenn vir einmal anzunehmen gezwungen sind, dass die eiszeitliche Entwickelung der Gletscher der Ausdruck . einer allgemein wirkenden Ursadie ist^ so ist an und für sich klar, dass, wenn sich irgendwo Spuren mehrerer diluvialer Veiglet- scherungen finden, dies allenthalben in allen alten Gletecher- bezirken wiederkehren muss.

Zu verkennen ist allerdings nicht, dass die Frage, oh mehrere Vergletscherungen sich während der Diluvialzeit geltend gemacht haben oder nur eine ^nzige mit Oscillationen, noch keineswegs end- gültig gelöst ist^ und wenn wir auch für die Alpen das erstere nachzuweisen suchten, so liegt uns doch fem, die gegnerischen Ansichten völlig unerwähnt zu lassen. Zum Glück konunt es aber hiu' gar nicht darauf an, ob man eine oder mehrere Ver- gletBohenmgen anndunen will, sondern es handelt sich nur darum, und das läset sich nicht bestreiten, dass die eiszeitliche Gletscher entwickelung allenthalben höchst beträcht-

") The Great Ice Age. 1. Aufl. 1874. 2. Aufl. 1877. Prehiatoric Eöiope. 1881.

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KftjMtel XXIX. Uraachen der Eia«dt. 443

lieben SchwanlLungen unterworfen gewesen iet, mag man dieselben fCtr die OscUlationen einer Verdsimg oder für mehrere verschiedene halten. Alle jene beträchtliehen Schwankungen näm- lich können nur durch die Annahme klimatiaeher Veränderungen erklärt werden, und unter allen Umständen führt daa Studium dea quartären Glacialphänomens zur Annahme wiederholter allgemeiner klimatUcher Schwankungen.

Dieses Ergebnise lässt uns nun wiederum aus der Fülle von Hypothesen über die Ursachen der Eiszeit üne Anzahl aueacheiden. Alle jene zahlreichea Änsichteo, welche das Eintreten einer ein- zigen Kälteperiode begründen möchten, entbehren der Bekräftigung durch Thatsachen. Weder Franeland'b AbküMungsÜieorie, noch Balford's Hypothese über plötzlichen Wechsel der von der Sonne ausgestrahlten Wärmemenge, noch die Annahme von kalten Welteu- läumen, durch welche das Bonneneystem eich bewegt, können als erklärend angesehen werden, abgesehen von der ihnen allen man- gelnden positiven Begründbarkeit. Die Cieolo^e verlangt dne Theorie über wiederholte klimatische Schwankungen und lijhtet diese Anforderung an die moderne Meteorologie.

Aber die Meteorologie steht dner solchen Anforderung ziem- lich rathlos gegenüber. Das Beobachtungsmaterial, über welches sie verfügt, erstreckt sich nur auf eine kurze Zeitdauer, welche geologiechen Zeiten gegenüber als ein unnennbarer Bruchtheil er- scheint. Thatsache ist, dass sie während dieses Zeitraumes nir- gends klimatische Veränderungen bat wahrnehmen können, welche hinsichtlich der uns beachättigenden Fragen von Bedeutung wären; und so bleibt denn auch auf meteorologischem Gebiete die Ursache der Eiszeit auf hypothetischem Boden.

Die meteorologische Forschung bat jedoch wenigstens zur Auideckung jener Thatsachen gefuhrt, welche das jetzige Küma der Erde beherrschen, durch deren Veränderungen also auch das Klima der Erde Schwankungen erleiden wird. Deutlich spürt man den Einfluss der Lage der Erdaze auf das Klima, und es hat nicht an Theorien gefehlt, welche durch eine Variabilität der Erdaze klimatische Schwankungen erklären wollen. Aber exakte Berechnungen bähen gezeigt, dass die Erdaze im Allgem^en eine fixe Lage hat, und die Modifikationen der Theorie, welche durch

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444 Kapitel XXIX. Ursachen der Eiszeit

Evans vorgescblagen wurden, vermögen derselben nicht die feh- lende praktische Anwendbarkeit zu gewähren. Die EntwickeluDg des Glacialphänomens während der Diluvialzeit zeigt, wie wir oben darthaten, so viele Harmonien mit den heutigen Verhält- nissen, dasa man nur sagen kann, es entwickelte sich zu einer Zeit, als die Stellung der Erdaxe dieselbe war wie heute. Von un- bestrittenem Einflüsse auf das Klima ist zweifellos die Schiefe der Ekliptik, und auf Veränderungen in derselben hat man gleichfalls das Eintreten der Eiszdt zurückführen wollen. Aber diese Schiefe ist nur geringen Schwankungen unterworfen, und über die Art ihres Einflusses auf das Klima sind die Meinungen getheilt Nach der ^en Ansicht bringt die Vergrössening der Schiefe in hohen Breiten ein kälteres Klima hervor, nach Groll hingegen ein wärmeres. Dass aber das quartäre Glacialphänomen in seinem ganzen Umfange durch Veränderungen in der Schiefe der Ekliptik hervorgebracht wird, ist kaum je verfochten worden. Es wid^- spricht die Gesammtentwickelung des quartären Glacialphänomen s der Annahme irgend welcher Veränderui^ in der Lage der Erd- axe im Erdkörper oder deren Stellung zur Ekliptik; und in der That, haben die engen Grenzen, in welchen, wie Rechnungen lehrten, jene Veränderungen möglich sind, die Meteorologie stets veranlasst, ihnen kein besonderes Gewicht hinsichtlich der klima- tischen Schwankungen zuzuschreiben. Dagegen ist die Meteorologie immer wieder auf einen Faktor zurückgekommen, durch welchen entschied^! klimatische Veränderungen verursacht wa^en können.

Schon dn flüchtiger Blick auf eine beliebige Isothermenkarte lehrt, dass die Vertheilung der Wärme auf der Erde eine andere ist, als man theoretisch verlangen muss. Auf gleichen Breiten triSt man die verschiedensten Temperaturen an, und augenschein- lich ist es die unregelmässige Vertheilung von Wasser und Land, weiche diese Unregelmässigkeit bedingt. So ist denn &ühe schon die Lehre entstanden, dass mit einer Verschiebung der Verthei- lung von Festem und Flüssigem zugleich eine Verschiebung der klimatischen Verhältnisse sich geltend machen müsse. Diese von Lyell zuerst entwickelte Anschauung beruht auf der sicheren Basis der Beobachtung, und bis zum heutigen Tage ist sie ee ge-

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Kapitel XXIX. Ursachen der Eiszeit 445

weaen, welche von meteorologificher Seite aus als Erklärungsver- such der Eiszeit dieneo musste.

80 wenig wir aber auch geneigt sind, den Einflues der Ver- theilung von Wasser und Land auf klimatische Verhältnisse zu unterschätzen, so wenig kann irgend welche hierauf basirende Anschauung die Ursachen der Eiszeit erklären. Denn die quar- tären VergletacheruQgen haben sich auf dem heutigen Boden entwickelt, wie die bestehenden orographischen Ver- hältnisse ihnen die Wege vorBchrieben, so standen sie in ihrer Gesammtentwickelung unter den heutigen physiographischen Zügen. Nachweislich hat seit der Quartärperiode keinerlei namhafte Verschiebung der Grenzen zwischen Wasser und Land stattgefunden, das dnzige, was sich geltend machte, sind lokale, randliche Untertauchungen am Saume der bestehenden Festland- massen. Es drängt uns dies besonders hervorzuheben, als neuer- lich Woeikof'), um die ehemaligen Vergletscherungen zu er- klären, wieder angenommen hat, dass einige Thdie unseres Kon- tinents vor Eintritt der Eiszeit unter Wasser gelegen hätten, und dass darin die Ursache der Vergletecherung zu suchen sei. Es finden sich keinerlei geologische Beweise lur eine solche Annahme, und noch mehr, die Gesammtentwickelung des Glacialphänomens zeigt eine so auffällige Harmonie mit den heutigen Verhältnissen, wie wir oben zeigten, dass man unmöglich zu einem andern Schlüsse kommen kann, als dem: das quaitäre Glacialphänomen entwickelte sich auf dem heutigen Boden.

Der augensc beinliche Eiufluss, welchen die Vertheilung von Wasser und Land auf den klimatischen Zustand der Erde ausübt, ist aber keineswegs als eine unmittelbare Wirkung auizuikssen. Er ist vielmehr der Ausdruck der betmchtlichen Wärmecircu- lation, welche fast ausschliesslich auf den wasserbedeckten Tb eilen der Erdoberfläche stattfindet. Die Meeresströmungen sind es, welche Wärme und Kälte verfrachten und an Stellen hinfuhren, wo sie die theoretische Wärmevertheilung auf der Erde energisch alteriren. Längst schon kennt man die Wirkung des Gol&tromes

') Oletscher und Eiszüten in ihrem Verhältnisse zum E Schrift d. Geselhudi. für Erdkunde. Berlin 1881. Heit 3.

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416 Eaiütel XXIX. Unachen der Eäszeit.

auf das europäische Klima, wenngleich man auch erst in neuest» Zeit sich hat vSllig RecheoBcbaft hinüber geben können. Als Seitenstück zur Wirkung des Gol&tromes kennt man die dee Kuro Siwo im Stillen Ooeane, imd durch Meeresströmungen wird verursacht, daes die Ostküsten auf der südlichen Hemi- sphäre wärmer sind als die Weetküet«n. Die längstbekannte Thatsache endlich, dass die südliche Hemisphäre kälter ist als die nördliche, erklärt sich gleichfalls durch die' beträchtliche Wärmecirculation, welche durch die Meeresströmtmgen bewiritt wird. Man weise, daBS die äquatoriale Strömung des atlantischen Oceans warmes Wasser von der südlichen Halbkugel auf die nördliche Überftihrt, und dass die Wärme, welche der GoUstrom Europa spendet, zum Theil der südlichen Hemisphäre «ntzogen ist Kicht anders liegen die Dinge im StilleQ Oceane, auch hier fühlt die äquatoriale Strömung einen Theil der über die südliche Halb- kugel ausgegossenen Wärme auf die nördliche über. Also nicht die Yertheilung von Wasser und Land ist es direkt, welche den namhaften Binäuss auf die klimatischen Verhältnisse ausübt, sondern es sind vor allem die Meeresströmungen, welche die unregelroässige Wänneverthdlung auf der Erdoberfläche achafien. Würde me Aendening in der Vertheilung von Wasser und Land das Klima energisch beeinflussen, so würde solches in ganz besonderem Maaeee auch durch eine Aenderung in der Wärme- circulation auf der Erde geschehen können. Eine solche Aende- rung ist mehrfach bereits angedeutet worden durch die Annahme, dasB ein Fembleiben dee Golistromes von Europas Küsten eine Eiszeit herbüftibren würde; aber der Grund, welcher gemeinhin für das Ausbleiben des Golistromee angeführt wird, nämlich ein Durchbruch der Landenge von Panama, ist für uns gänzlich un- befriedigend. Was uns nahe liegt, ist zu fragen, ob bei der bestehenden Vertheilung von Wasser und Land die Meeresströmungen Variationen Unterworfensein können. In den Meeresströmungen können wir nur ein Produkt der herrschenden Winde erkennen, was durch Croli, besonders ver- fochten und schliesslich durch ZOppritz bewiesen wurde. Obige Frage fiillt somit mit der zusammen, ob die herrschenden Winde bei gtdchbleibender YerÜteüung von Wasser und Land Verände-

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Kapitel XXES^. Unacheii der f^Bztit. 447

rangen unterworfea sein können. Wir halten eine solche Mög- lichkeit fiir wahrscheinlich. Das grosse herrachende Windsyatem, zugleich dasjenige, welchem die Meeresströmungen zu danken sind, ist das der Passate. Dasselbe erleidet eine Periode alljährlicher Verschiebungen, entsprechend dem Stande der Sonne. Man sollte daher erwarten, dasselbe zu beiden Seiten des Aequators synmie- trisch entfaltet zu sehen. Aber bekanntlich ist dies nicht der FaU. £s wehen die Südostpassate konstant über den Aequator hinweg und die Calmenzone liegt während des ganzen Jahres nördlich des letzteren. Den Grund für diese Erscheinung hat man in der höheren Temperatur der nördlichen Hemisphäre zu erkennen gemeint Allein dies ist uns, gleich wie Pilaü^), nicht recht einleuchtend, uns scheint vielmehr die Ursache hierjui in dem Umstände zu liegen, dass die Sonne länger nördlich des Aequators steht als südlich desselben. Die nördliche Halbkugel hat die Sonne unter jetzigen Verhältnissen sechs Tage länger im Zenith als die süd- liche, sechs Tage länger als die südliche empfängt sie das Maxi- mum der Wärmestrahlung, und zwar kommt dieselbe weniger dem Aequator als höheren Breiten zu. Die Orte, welche das Maxi- mum der Insolation genieesen, liegen also nördlich des Aequators, und sie bedingen die Lage der Calmoizone. Aus diesem Grunde, so nehmen wir an, liegen die Calmen nördlich des Aequators. Aber bekanntlich hat nicht anhaltend die nördliche Halbkugel den längeren Sommer; wenn in 10500 Jahren ihr Winter in das Aphel fillt, ist das Umgekehrte der FaU, dann st^t die 8onne länger über der südlichen Halbkugel als über der nördlichen, dann liegen die Orte grösster Insolation auf der südlichen Halb- kugel, und dann, nehmen wir an, muss eine Verschiebung der Calmen nach Süden angetreten sein. Kurz, wir meinen, dass die Calmen keine konstant« Lage haben, dass sie eine gewisse Be- weglichkdt besitzen, derzufolge sie jeweilig auf die Halbkugel hin- rücken, welche die Sonne die längere Zeit über sich hat

Zufolge der schwankenden Excentricität der Erdbahn ist die Dauer der Jahreezeiten eine verschiedene, es kann der Fall dn- treten, dass die eine Halbkugel 30 Tage länger die Sonne über

') ESn Batrag zur Frage über die Ursachen der Eiszeiten. 1876. p. [il.

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448 E&pitel XXIX. üreacheii der fSezdt.

sich hat als die andere. Da die Sonne am längeteoi im Zenithe jener Orte steht, velche den Wendekreieea näher liegen als dem Aequator, so wird jener UebenchuBB von 36 Tagen Insolation zum^et den höheren Breites zu gute kommen, und demeutaprechend wird die Calmenreg^ou oaeh jenen höheren Brüten zu sich ver- Bchieben.

Wir halten alao die Lage der Calmen für eine variirende, je nach der Dauer, um welche die eine Halbkugel länger die Sonne über sich hat, als die andere. Da jene Dauer vechBelt, und dabd bald iei einen, bald der anderen Halbkugel zu gute kommt, so ergibt sich hieraus eine grosse Veränderlichkeit in der Lage der Calmen. Mit denselben wandern aber die Passate, und mit diesen die Meeresströmungen. So ei^ebt sich eine höchst bedeutende Vsänderlichkeit in der Wärmecirculatiou auf der Erde. Auf die Halbkugel, welche die Calmenregion trägt, wehen die Passate und mit denselben strömen die erwärmten Wasser der and««u über, und in je höheren Breiten die Calmenzone liegt, desto intensiver wird das Uebergreifen der Winde, wi«d das Ueberströmen von erwärmten Wassern sein. Die Halbkugel, welche den längeren Sommer hat, und welche demnach auch, wie wir annehmen, die Calmenr^ou trägt, empfangt durch die Meereeströmungen einen Theil der der anderen Halbkugel gespendeten Wärmemenge. Ihre Meere werden erwärmt, während die der letzteren Wärme abgeben. So erklären wir den Unterschied in der Temperatur der südlichen und nörd- lichen Hemisphäre imd so, meinen wir auch, kann in Perioden grosser Ezcentricität der Erdbahn, wenn also die eine Halbkugel beträchtlich länger beschienen ist, als die andere, eine noch grössere Temperaturdifferenz zwischen beiden entstehen, als wir heute wahrnehmen. Es werden dann die Meere der einen Halb- kugel vorwiegend kalt, die der anderen dagegen warm sein. Die erstere hat dann ein kaltes maritimes Klima. Ein solches ist, wie A. WOEIEOF in seiner angeführten anregenden Schrift zögt, der Gletscherentfaltung günstig ; in der That, es gewährt reichliche Niederschläge und niedere Temperatur, die Existenzbedingungen von Gletschern,

Entfalten sich nun einmal auf einer Halbkugel ausgedehnte Gletscher, so können diese zu einer wahren Eiszeit fuhren. Sie

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EapiUl XXIX. Unachen der Eiszeit 449

bringen Kälte aus höheren Regionen in tiefere, Kälte aus höheren Breiten io niedere, und machen also gemäBBigte Stritte der Kälte theilhaftig, welche andere Kronen erzeugten. An die Gletscher- mtfaltung knüpfen sich intensive Temperaturverschiebungen, und in der Nähe der grossen Eismaeaen muss naturgemäaeer Weise sich eine Yerschärtung der klimatiecfaeD Zustände geltend machea. Wir sind also der Meinung, dase Perioden grosser Exoentri- cität der Eidbabn, während welcher die Differenz zwischen Sommer und Winter sehr bedeutend werden kann, einen merklichen Einfluas auf das Klima ausüben werden. Nach unserer Auseinandersetzung ist jeweilig die Halbkugel die kältere, deren Winter in das Aphel fallt Dies ist auch die Aneicht von Jaheb Croll, welcher zu demselben Resultate bd Verfolgung einer anderen Erwägung gekommen ist Nach ihm äussern sich Perioden hohor Excentri- cität direkt auf die Gletscherentwicklung. Die Halbkugel, deren Winter in da« Aphel fallt, hat nämlich einen langen kalten Winter und einen kurzen hassen Sommer. Nun soll der lange kalte Winter in höheren Breiten der Schneeanhäuiung günstig sein, welche dann solche Dimensionen annimmt, dass sie im kurzen heieeen Sommer nicht getilgt werden kann. Es sammeln sich Schneemasaen in höheren Breiten an, dieselben eraeugen Gletscher, und einem Geschwüre gleich wachsen Schnee und Gletech^ an. Dieselben wirken abkühlend auf das Klima der Umgebung, es entsteht ein verschärfter Temperaturgegensatz zwischen jenen eis- tragenden Breiten und dem Aequator, und demzufolge eine Stei- gerung der Intensität der Passate, welche von der eistragenden Halbkugel nach dem Aequator wehen. Diese Steigerung ihrer Schnelligkeit und Stärke soll bedingen, dass die Pasaate über den Aequator hinweg auf die andere Halbkugel wehen, sodass auf diese letztere die Cabnenzone zu liegeii kommt Croll nimmt also gleichfalls eine Verschiebbarkeit der Calmenzone an, sie ist nach ihm indirekt das Werk einer gesteigerten Ezcentricität der Erdbahn, während sie nach unsco^r Anschauung unmittelbar durch dieselbe bedingt wird. Aber darin stimmen wir mit Croll wiederum völlig überein, daes mit der Yerscbiebung der Passat- und Calmen- zone rine Verrückung in dem System der Meeresströmungen ein- tritt Die MeercBströmungen als Werk der herrschende Winde,

Ptnck, DI« VargleUchemiig. 20

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450 Kapibd XXIX. ÜTsachai der Eäszeit

folgen deoselben in der Veränderlichkeit ihrer Lage, und von der Halbkugel, von welcher die PaBsate überreifen auf die andere, StrSmen auch erwärmte WaBeermassen auf die andere über. Nach CttOLL und una verliert die Halbkugel, deren Sommer in daa Perihel fillt, welche also den längeren Winter hat, Wärme an die andere, nur ist nach CroU dies eine Folge der bereits ein- getretenen Vergletacherung jener Halbkugel, während wir in diesem Wärmeverluste die Ursache der Veigletecherung zu erkennen suchen.

Der ganze Unterschied zwischen Croll'b und unserer Ali- mentation Hegt also darin, daas nach Groll die herrschenden Winde indirekt durch die wechselnde Excentricität der Erdbahn heeinäusst werden, während solches nach unserer Ansicht eine direkte Folge derselben ist Filab^) hat eich bereite in diesem Sinne geäussert; nach ihm liegen die Calmen in jenen Breiten, in welchen die Differenz zwischen sommerlicher und winterlicher Er- wärmung ein Minimum ist, welche also jahraus jahrein eine kon- stante ErwärmuDg gemessen. Pilar zeigt in einer besonder«! Berechnung, dasa diese Breiten durch die Grösse der Escentricität der Erdbahn bestimmt werden. Während des Maximums der Excentricität erreichen sie ^e Grösse von 19^ 36', so dass also eine Verrückung der Calmen in einer Zone von fiist 20* zu beiden ß^ten des Aequators denkbar ist Allein der wesentUche Ein- fluss der Verschiebung der herrschenden Winde auf die Meeres- strömungen und somit auf die Wärmecirculatäon ist von Pilar nicht berücksichtigt worden.

Der jetzige Zustand, dass die sädliche Halbkugel kälter ist als die nördliche, ist nach der hier vorgetragenen Anschauung nnr ein temporärer. Je nachdem bald die eine, bald die andere Halb- kugel den längeren Sommer hat, ist bald die eine, bald die andere wärmer als die andere, und der Grad der Wärmedifferenz zwischen beiden steht in Beziehung zur Grösse der Excentricität der Erdbahn. Somit halten wir bei gleich blähender Vertheilung von Wasser und Land durch Veränderungen in der Wärmecirculation auf der

') Bin Beitrag zur Frage aber die Ursachen der Eiszdten. Agram 1876. p. 51. 52.

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E&pit«! XXIX. Ursachen der Eiszeit. 451

Erde das Klima derselben für Bchw&nkend innerhalb grosser, weit ausgedehnter Zeiträume. Wir glauben also wol, dass die Meteoro- logie die wiedei^ebrenden klimadscben Veränderungen, zu deren Annahme geologische Forschung fiihrt, erklären kann.

Wenn es nun auch im Wesen der hier dai^Iegten An- schauung liegt, dasB sie periodische Veränderungen des Klimas für wahrscheinlich hält, so ist damit doch keinesw^ gesagt, daee auch eine regelmässige periodische Wiederkehr von Vet^let- Bcherungen unbedingt eintreten müsse, denn es ist durchaus nicht zu folgern, dass 'jeder klimatische Wechsel, dase jede kältere Periode auch in einer Eisentwickelung sich äussern müsse. Das Auftreten von Gletschern ist an bestimmte geographische Verhältnisse geknüpft, wie man leicht aus der Verthdlung der heutigen Eisströme entnehmen kann. Gletscher finden sich heute nur in Gebirgen; und selbst die eiszeitlich«! Gletscher gingen stets von Gebirgen aus. Fehlen Gebirge, so fehlt der Aus- gangspunkt irgend welcher Vereisung, würden wir uns die skan- dinavischen und schottischen Hochlande vom Norden Europaa entfernt denken, so würden wir keinerlei quartäre Vergletscherung desselben beobacht«n können, und ebenso wenig würden wir uns eine Vergletscherung Nordamerikas ohne das im Norden gel^ene Grönland vorstellen können. Aber nicht alle Gebirge sind in gleichen Maasse zur Gletschererzeugung geeignet Wir spielen hier nicht auf die verschiedene Höhe an, sondern vielmehr auf ihre geographische Lage. Die in maritimen Klimaten gelf^nen Gebii^ erzeugen die verhältnissmäsaig grössten Gletscher, nur die in 'maritimen Gebieten liegenden Gebirge wurden der Ausgangs- punkt ausgedehnter Vereisungen Fjordküsten knüpfen sich regen- reiche Gebiete, wie Reclus zeigte. So strahlte von Skandinavien das grosse nordeuropäische Inlandeis aus, während die höheren centralasiadschen Gebirge Sibirien nicht zu vergletschern ver- mochten. Abgesehen von einer BtÄnmg in der Wärmecirculation der Erde gehören also bestimmte geographische Momente zur Er- zeugung gewaltiger Vei^letscheningen, zu den Existenzbedingungen von Eiszeiten, und wenn man sich noch erinnert, in welch hohem Maasse diese Wärmecirculation auf der Erde durch geographische Züge bedingt wird, so muss man eingestehen, dass es des wol

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462 Kapitel XXIX. Ursachen der Eiszeit

äuBserst selten vorkommeaden ZuBammenwirkens verBcbledenster theils meteorologi scher, theils geographischer Tfaateachea bedarf, um eine' Eiszeit zu erzeugen, uud dass, wenn auch die eine Ur- sache periodisch wiederkehrt, das Glacialphäuomen nicht in regel- mässigen Intervallen auizutreten braucht.

Sind aber einmal die geographischen Yerhältnisae der Ent- stehung von YergletBcherungen günstig, so ist in den periodischen Schwankungen der Wärmecirculation ein wesentliches Moment för deren Wiederkehr gegeben. Nur möge man, weil in Perioden grosser Excentricität wärmere und kältere Zeiten mit dnander wechseln, nicht ohne weiteres folgern, dass demnach auch Eis- zdten mit besonders warmen Interglacialzeiten wechseln mfisst«n. Man vergeeee nicht, dass wenn einmal enorme Eismassen sich auf dem festen Lande angehäuft haben, deren Al^obmelzen eine grosse Wärmemenge absorbirt, und jener Ueberschuss von Warme, durch welchen die Interglacialzeit bedingt ist, dürfte vollauf zum Thauen der während der Glacialzeiten angesammelten Eismasaen verwendet .werden. Ja, fragen muss man sich mit A. R. Walla.ce wol, ob denn flbei^aupt jene gewaltigen Inlandeis massen, welche einst in Europa 115000Quadratmeilen, in Nordamerika 361 000 Quadrat- meilen bedeckten ^), in einer Interglacialzeit mit einer Dauer von 10500 Jahren gänzlich reducirt werden konnten. A. R.Wallace verneint in seinem neuesten Werke diese Möglichkeit; nach ihm werden die Perioden grosser Excentricität, welche er gleich uns neben den geographischen Verhältnissen für die Ursache der Ver- gletscherungen ansieht, nur anianglich durch Eisanhäufungen aus- gezeichnet, welche auf beiden Halbkugeln altemiren ; später jedoeh, wenn die Eismassen so beträchtlich werden, dass sie in einer Interglacialzeit nicht we^eschmolzen werden können, sammelt sich auf beiden Hemisphären zugleich Eis an, und in ihrem weiteren Verlaufe werden die Period^i grosser Excentridtät durch gleich- zeitige Veigletscherungen auf beiden Halbkugeln charakterisirt.

Mag man nun Okoll's Ansiebt huldigen, daaa während der Interglacialzeiten alle Werke der Glacialzeiten zerstört werden,

') Vergl. Penck, Schwankungen des Meeresspiegels. Jahresber. geogr. Oeeellach. München. ISSl. p. 73.

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Kapitel XXIX. ürsochea der E^Bzdt. 453

oder m^ man durch Wallace's EnräguDgeo für dessen An- schauung gewonnen werden, jedenfalls sind die Perioden hoher Ezcentridtät bei entsprechenden geograptÜAchen YerhältniBBen miodeetene be^higt zur £izeuguDg grosser, in ihrem Umfange sehr schwankender Vei^letecherungen. In der That sehen wir, dass sich unter den heutigen geographischen Verhältnissen dnst Vergletachenmgen bildeten, welche in ihrer Ausdehnung so be- deuteuden Veränderungen unterworfen waren, dass man von mehr- maligen, duroh langdauemde Zeit«n unterbrochenen Vereisungen ganzer Länder reden darf So steht denn der Thatbestaad mit den Anforderungen der Theorie im Einklänge.

Anders gestallet sich fi^lich die Sachlage, vmn in Perioden grosser Excentricität die geographischen Verhältnisse der Erzeugung von Gletschern nicht günstig sind. Dann werden kältere und wärmere Zeiten regelmässig mit einander altemiren, und da der Wärmeüberschuss der wärmeren Zeit nicht zur Zerstörung der während der kälteren Zeit angehäuften Eismaasen verwendet vrird, so wird sich unter solchen Umständen selbst in höheren Breiten ein gemässigtes Klima einstellen. Es äussern sich also nach unserer An- schauung die Perioden grosser Excentricität in verschiedener Weise auf das Klima der Erde je nach den geographischen Veihältnissw, welche sie vorfinden. Bald erzeugen sie in höheren Breiten Ver- eisungen, bald mildere Klimate, ohne dass jedoch beide in der regel- mässigen Weise alt«miren, wie es von Croli. vorausgesetzt wird. Man wird vielleicht in dieser doppelten Wirksamkeit der Perioden grosser Excentricität einen Widerspruch zu erkennen glauben. Denn es firappirt auf den ersten Anschein, dass Zeiten derselben astrono- mischen Verhältnisse bei verschiedenen geographischen Umständen das Klima in entgegengesetzter Weise beeinflussen. Allein man beachte wol, dass ein Theil der Kälte der Eiszdten aus höheren Luftschichten herrührt, und dass die als Eis aufgespeichert« Kälte es ist, welche denEinfluss der wärmeren Perioden absorbirt, welcher sonst, falls das Eis fehlt, sich ungehindert geltend machen kann.

Das an und fiir sich schon selten mögliche Eintreten von EiszeiteD muss man im Auge behalten, wenn man die Annahme jener regeknäesig wiederkehrenden Veranlassungen der Vei^letscherungen und Eiszeiten beetreitet, wie es viel-

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454 ECapit«! XXIX. Ursachen der Eiszeit.

fach geschiebt, weil man in den Schichten keinen Beweis für eine regelmäBsige Wiederkehr der Vergletecherungen findet Nicht jede Feriode groeaer Ezcentricität erzeugt ein Glacisl- phänomen, es gehören dazu noch besondere geographische Verhält- nisse, wie WaiSaA.ce zuerst in seinem anregenden Werke „IsUud Life"^) ausdrücklich herrorhob. Von vornherein ist also nicht häufig die Gelegenheit zur Entwickelung einer Eiszeit günstig. Femer aber ent&ltet sich eine Vergletechening immer nur auf be- Echränktem Boden. Sie ist auf Festländer beschränkt, und hier wiederum nur auf gewisse Theile. Die Spuren, welche sie hier hinterlässt, aber bestehen, wie uns die Vergletscherung da Alpen lehrt, nur zum dritten Theile aus solchen Ablagerungen, welche unbedingt auf Gl aclal Wirkungen schliessen lassen.

Kontinentalbildungen sind jedoch nur in seltenen Fällen er- haltungsfabig. Das feste Land auf der Erde ist unausgesetzten Zerstörungsprocessen ausgesetzt, und alle Ablagerungen, welche auf ihm entstehen, haben nur ein temporäres Dasein. So sehen wir denn in den älteren Formationen nirgends Kontinental- bildungen '), weder begegnen wir alten Eluvialbildungen, noch Spuren TOD Torf- und Moorablagerungen, die ganze geologische Schichten- folge besteht aus Sedimenten und einigen wenigen vulkanischen Gebilden. Nur ganz ausnahmsweise findet man Spuren und An- deutungen alter Kontinente. Es darf daher nicht Wunder nehn^en, wenn man in den Straten keine Spuren JTÜherer Eiswirkungen entdeckt. Es bedürfen also die Vergletscherungei nicht bloss zu ihrem Zustandekommen des seltenen Zusammenwirkens verschiede- ner Faktoren, sondern um die sie beweisenden Spuren zu erhalten, benöthigt es wiederum exceptioneller Vorgänge.

Trotz alledem hat man nun aber auch in älteren Formationen Spuren von Eiswirkung entdeckt. Gekritzte Geschiebe fand Bambay^) zuerst in einer Geschiebelehm ähnlichen Ablagerung des englischen Rothliegenden, und seither hat man in verschiedenen

■) Island Life. London 188L p. 151.

") Die sogenannten Kontdnentalbildungen der oatdndisdieD Halt>- insel sind theile vultaniBcben Ursprungs, tiieüs Sediment«.

■) Quart Joum. Geologie. Soc. London. VoL IX. 1855. p. 197.

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Kapitel XXIX. Ursachen der EisMit. 455

Formationen äbnlicbe Spuren aufgefunden, wie die ZuBammen- stellung^ TOD Crou.^) und James Oeikie^ über die diesbezüg- lichen Funde lehren. Allerdings können wir uns vielen jener Thateachen g^enüber, welche man auf Gletscherwirkung zurück- fuhren möchte, nur sehr zurückhaltend benebmeo. Wir wissen, wie ausserordentlich schwierig der glaciale Ursprung mancher Ablage- rungen zu bestimmen ist. Wir brauchen als Beweis hierför nur an- zuführen, dasB selbst in neuester Zeit im Fuiser Becken Eluvial- bildungen für glaciale gehalten worden sind, und hier handelt es sich um weit verbreitete Oberäächenformationen. Schwinger ge- staltet sich die Frage bei Ablagerungen, welche in die regelmässige Schichtenfolge eingebettet sind, und welche nur in dürAägen Aus- strichen zu verfolgen sind. Was man als entscheidend beweisend für Glacialwirkungen hält, ist eben oft nicht bloss eindeutig. Gletscherschliffe und Hamischbildungen auf Schichtflächen sind nicht immer leicht zu unterscheiden; es gelang mir inmiocänen Ab- lagerungen am Fusse der deutschen Alpen an mehreren Stellen gekritzte und geschrammte Geschiebe au&ufinden, welche vod echt glacialen kaum zu unterscheiden sind, und welche ich doch nicht für solche halten kann; regellos stmirt« Ablagerungen brauchen durchaus nicht Gletacherbildungen zu sein, viele Ver- witterungslehme, wie die Aigüe h ailez, haben käne Schichtung und stelleD eine wirre Ablagerung^) dar; wie selten endlich Bchichtenstauchungen und Riesentöpfe, mit welch letzteren leider immer noch geologische Orgeln verwechselt werden, mit Glacial- wirkungen zu thun haben, lehrt deren massenhaftes Auftreten ausserhalb der alten Gletschergebiete: Die Vieldeutigkeit aller jener Phänomene, die man gern ausschliesslich f^ glaciale hält, kann nicht genug zur vorsichtigen Beurtheilung derselben mahnen, wenn mao sie isolirt, nicht in ihrer Gesammtheit in älteren For- mationen findet. Dahingegen ist der Umstand, dass es gelang,

') aimate and Time. 1875. p. 292.

") The Great Ice Age. 2. Aufl. 1877. Appendix. Note A. p. 566.

') Fast unbegreiflich ht mir, wie zwei so tüchtige Kenner von Oladalerscheinungen, wie Falsan und Chantre, die Argile k sitex im Nordosten Ljrons ffir eine Oladalfbrmatdon halten können. Vei^l. £tnde des andene gladers.

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466 Kapitel XXIX. Unachen der Eiszeit

in einem der beatbekannten und bestuntereuclitoii Gebieten Deutacb- landa gekritzte und geBchrammteGescbiebein miocänen Kon- glomeraten auizufinden, wol ein sprechender Beweis dafür, dass noch vielerlei zur Lösung unserer Trag^ dienende Phänomene auf heimischem Boden zu entdecken sind.

Eiszeiten sind nach unserem Dafürhalten nichts anderes als der durch örtliche Verhältnisse bedingte Ausdruck gewisser, r^el- mässig wiedtfkehrender klimatischer Schwankungen. Zur An- nahme klimaüscher Schwankungen ist aber auch die paläontolo- gische Forschung gelangt, und so schiene unser Ei^bniss völlig mit dem auf anderen Wege gewonnenen zu hannoniren, wenn nicht gerade von paläontolt^scher Seite aus die Annahme früherer Vereisungen lebhaft angegrifien worden wäre. Wie sich nämlich in den verschiedenen Formationen nur selten Spuren direkter Glacialwirkungen finden, so vermiset man meist auch die Fia- wirkungen einer Gletscherperiode auf die in ihnen auftretenden Organismen.

So wenig nun der Einfluss von Gletscherzeiten auf Flora und Fauna unterschätzt werden darf, so 'sehV muss man sich auch hüten, ihn zu vergrössem. Wenn eine jede klimatische Ver- schiebung auch nothwendigerweise eine Verschiebung in der Ver- theilung der Organismen nach sich zieht, so vergesse man nicht, dass dieselbe fast ausschliesslich die Landbewohner üifft In zwei- ter Linie erst werden die Bewohner der Küsten in Mitleidenschaft gezogen, während die Bewohner der üderen und tiefen See im All- gemeinen von klimatischen Veränderungen auf der Erdoberfläche nicht beeinÖuBst werden, wdl sie in Tiefen leben, in welchen sich klimatische Veränderungen auf der Erdoberfläche kaum noch fühl- bar machen. Herrscht doch in jenen Tiefen des Oceans, deren CMnoiden- und Echinidenfauna so manche Aehnlichkeit mit den Tiefseebildui^n älterer Formationen aufweist, eine Temperatur, welche an beinahe arktische V^hältnisse erinnert, und diese Tem- peratur ist in allen Oceanen, und unt«r allen Breiten fast genau dieselbe.

Was nun die Landbewohner anlangt, so hat A. R. Wailace neuerdings als einen der Hauptgrundsätze, nach welchen sich die Thiei^eographie richtet^ die Natur und die Häufigkeit kli-

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Kapitel XXIX. Ureachen der EisEeit. 457

matiBclier Wechsel während geologischer Zeiten hin- geBtellt; er sieht solchergestalt in der heutigen Verbreitung der Landthiere das Endresultat anhaltender khmatiHcber Schwankungen der Vorzeit. ') So beträchtlich nun aber auch die Wanderungen der Land- und Kuatenbewohner zur letzten Glacialzeit gewesen sein müssen, so wenig Spuren finden sich davon in den Schicht«n. Wie spärlich sind doch die Reste einer nordischen Flora im mitt- leren DeutBchland, und doch ist unbestritten, dass sich einst eine solche daselbst ausdehnte. Wie selten und vereinzelt sind die Spuren nordischer und arktischer Thiere, von denen wir doch durch Kombination der Einzeliunde wissen, dass sie sich weit über unser Land verbreitet haben; wie selten endlich sind die Bfist« nordischer Arten in den marinen Ablt^erui^en der Küsten. Welch untergeordnete Rolle spielen die berühmten marinen Glacialthone Skandinaviens und Schottlands, und wie verhältniss- massig aim an Fossilien sind sie. Unseren Küsten fehlen dilu- viale Muschelbänke, dagegen sind sie wieder ac den Gkstaden des Mittelmeeres entwickelt, und thatsächlich hat man in denselben auf Sicilien und Rhodua einige boreale Arten geüinden, alldn die- selben beschränken sich hier, wie unweit Palermo nachgewiesen wurde ^), auf eine specielle, wenig mächtige Schicht, sind also nicht allgemein in den Diluvialbildungen vorhanden. Dabei geniesat man nun des Vortheiles, dass man es mit den Resten noch heute lebender Arten zu thun hat, deren Lebensbedingtmgen bekannt sind. Wie schwierig gestaltet sich aber die Fn^, wenn es sich nicht mehr um lebende, sondern um ausgestorbene Arten handelt. Wie will man ermitteln , ob man es in dieser oder jen^ dünnen ' Schicht, welche als das marine Aequivalent einer Eiszeit auf- zufassen ist, mit den Resten arktischer Formen oder solchen eines gemässigten oder milden Klimas zu thun hat?

Die mächtigen GrestmsschichteD, welche sich unmittelbar oder mittelbar auf Glacialwirkungen zurückfuhren lassen, sind vielleicht

') Island Life. London 1881. p. VIII.

*) M0STERO8AT0: Notizie intorno alle conchigUe fossilj di Monte Pellegrino e Ficarazzi Palermo 1872. Catalogo deUe conchigUe fossili di Monte Pell^^o di Ficsrazzi presso Palermo. Boll. d. com. geolog. dltalia 1877. p. 30.

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468 Kapitel XXIX. Uruchen der Eiszdt

dazu aagethao, die Dau« einer Eiszdt eu überschätzen, da man von vornherein zu Behr geneigt bt, von der Mächtigkeit einer Fonnatioii auf die Dauer ihrer BUdungezeit zu achlieeaen. £e besteht aber ein gewaltiger Unterschied zwischen der Zeit, welche zur Bildung verschiedener Schichten nöttug ist Ein Fluss kann sieber viel schneller 300 m Qerölle anscbwemmen, als diiaB sich in einau See eine gleich mächtige Schlammschicht niederschlägt, und weit längere Zeiträume sind zur Bildung von 300 m Sedimenten in der tiefen See erforderlich. Es ist in dieser Beziehung ausser- ordentlich iehrreich, dass während der diluvialen Eiszeiten im alt«n Gletschergebiete eine ungemeine Menge von Material erodirt,, be- wegt und in mächtigen Straten anderorts wieder angehäuft wurde, wohingegen aueeerhalb jener Bezirke nur eine äusserst geringe Schicbtbildung stattfand. Während der Boden Norddeutscblands um viele Meter erhöbt wurde, bildete sich an den EOsten Siciliens nur ein dünnee Stratum. Nun reebnet man gewöhnlich mit marinen Sedimenten. Wenn nun während einer Eiszeit sich nur dünne Lagen mariner Schichten selbst in iittoralen Bezirken bilden, so muss diese Eiszeit als ein kurzes Phänomen, als ein vorübergebendes Ereigniss im Laufe der geologischen Geschichte erscbeinen. Während sie auf dem festen Lande ihre Wirkungen durch Anhäufung mächtiger Schichten äussert, ist ihr marines Aequivaleut eine dünne Ab- lagerung, und auf diese letztere, eine schwache Bank in der Schichtenfolge, koncentriren sich die Spuren ihrer Einwirkung auf Flora und Fauna.

Man bat bisher immer aus dem G^ammtcharakter der Flora und Fauna eines ganzen Systems oder beträchtlicher Sj^tems- glieder auf die vorweltlichen Klimate geschlossen, und es ist nicht zu bezweifeln, dass man so einige recht annehmbare Besultate gewonnen bat. Nur möge man nicht sagen, dass, weil man das Klima dieser oder jener Periode als ein tropisches oder sub- tropisches erkannt hat, deshalb keine Eiszeit während derselben exisldrt habe. Die Wirkungen der Eiszeit auf die Orga- nismen geben sich nicht in der Gesammt-Flora und Fauna eines ganzen Systems, sondern in den Fosail- resten einer einzigen Bank oder Schicht zu erkennen.

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Kapitel XXIX. Ursachen der Eiazeit. 459

und diese muss man atudiren, diese muea man betonen, wenn es eich um die Frage nach frübereD Eiszdten bandelt. Nun weiss man längst, dasa auieinander folgende Scbichten oft eehr in ihrer Fauna difieriren, und veno man auch nicht mehr geneigt ist, wie ea einige französische Forscher noch heute thun, daraus zu folgern, dass jede Schicht durch eine eigene Schöpfung charak- terisirt sei, so muss man doch aus dieser Thatsache auf grosse Wanderungen der Organismen schliessen. In der That, nur die Annahme einer Migration von Norden her bann das Auftreten borealer Formen im oberen Fliocän Italiens erklären, worauf Neuuatb ') aufmerksam macht, und Sitess lehrte schon vor vielen Jahren, dass der Unterschied der zweiten Mediterranstufe von der garmatischen dadurch b^ründet ist, dase von Norden her eine neue Fauna einwandert«. Gelingt es jetzt in der Kreideformation Etage nach Etage auszuscheiden, von denen eine jede sich ziemlich scharf gegoiQber der anderen nicht nur durch mutirte, sondern auch durch neue Formen auszeichnet, so dürfte diese der Evolu- tionstheorie anscheinend widersprechende Thatsache wol auch auf Wanderungen von Organismen zurückzuführen sein. Zu einer gleichen Folgerung dürfte der oft ganz Überraschende Zonenwechsel im deutschen Lias fuhren.

Jede Wanderung von Organismen setzt eine Aen- derung in deren Existenzbedingungen voraus, und mau hat diesem Umstände auch schon öfters Rechnung getragen, indem man manche Migrationen auf AussOssungen von Meeresbecken zurückfuhrt Oft freilich glaubt man, durch Annahme einer KommunikatiOD zwischen zwei getrennt gewesenen Meerestheüen die Ursache von Wanderungen zu erklären. Doch es ist nicht immer der Fall, dass kommunicirende Meeresbecken dieselbe Fauna haben, und es ist daher nicht unbedingt nöthig, dass durch Oeff- nung einer Verbindung eine Vermenguug der Faunen stattfinden müsse. Nun lernen wir in der diluvialen Eiszeit die Ursache einer tiefgreifenden Migration kennen, wir sehen unter ihrem Ein- flüsse den MoBchusochsen aus den Polarr^onen bis in unsere

') Ueber den geologischen Bau der Insel Eos. Denkschr. d. k. Akad. d. Wiseensch. Wien. mRth.-nRturw. Klasse. Bd. XL. 1880. p. 251.

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460 Kapitel XXIX. Uraachen der Eisxat.

deutechen Länder wandern, wir sehen an den EüBten BchottlandB und Skandinaviens arktische Muscheln eich ansiedeln und die borealen Formen bis Sicilien wandern. Warum soll es nun durch- aus ausgeschlossen sein, daes manche Thierwandeningen, die uns durch plötzlichen Faunenwechsel in den Formationen angezeigt erscheinen, nicht auf ähnliche Ursachen deuten? Wallace lehrt uns, daas die heutige Vertheilung der Organismen das B«Bultat anhaltender klimatischer Schwankungen der Yorzdt ist, warum sollte die frühere Vertheilung von Thieren und Pflanzen nicht durch dieselbe Gmndr^el beherrscht sein?

Die Tbatsachen, welche häufig gegen dne periodische Wieder- kehr von Vergletscherungen ins Feld geführt werden, dürften also schw^lich von grosser Tragweite sein. Allein wir wollen aber auch nicht ihre Bedeutung unterschätzen. Die periodische Wiederitebr von Vereisungen muss eben so wie jedes andere Phänomen bewiesen werden. Und dieses ist sie wol nur iür die Zeit des Rothliegenden ; weitere Forschungen mögen mit Kritik entscheiden, ob die Ab- lagerungen in anderen Formationen, welche man als glaciale an- si^t, es wirklicli sind, und ^er Paläophytologie ist es noch vor- behalten, mit derselben Schärfe, mit welcher sie in hohen Breiten frühere mildere Klimate erkannte, auch frühere Rältezeiten nach- zuweisen.

Das Studium des Glacialphänomena fuhrt weit über die Grenzen hinaus, die ihm ursprünglich gestellt waren. Anfänglich der Erforschung eines Lokalphänomens gewidmet, lehrt« es einen immer grösser werdenden Kreis von Tbatsachen kennen, und führt« schliesslich zur endgültigen Konstatirung einer Eiszeit Anger^ durch das Vorkommen von erratischen Block«), ent- sprang jenem Studium der ^^te richtige Versuch, den Trans- port derselben auf eine natürliche W«se zu erklären, und in dem Maasse, wie sich die Untersuchungen ausbreiteten, wurde ein gewaltiges Transportphänomen bekannt Aus dem Be- streben, den Transport groBser Gest«in8trümmer zu erklärm, ent- wickelte sich die Kenntniss einer Krait; deren Einfluss auf das Belief der Länder früher nicht geahnt wurde, und welche im Stande ist, das Auftreten gewisser Unr^elmässigkeiten auf der Erdoberfläche zu erklären, die man bislang gern als die Werke

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Kapitel XXIX. Ursachen der Eiszeit 461

von Katastrophen bezeichnete. Fjorde und geschaarte Binnenseen werden zu den gec^^phischen Zügen einer Eiszeit Ea war durch den Vergleich mit heutigen Phänomenen, daes Yenetz und J. DE Chabpentieb zur Annahme einer firüheren grossen Oletscherentwickelung kamen. Dieee Gletecherentfoltung schien eine Katastrophe in der Erdgeschichte zu sein, und es dürfte nicht zum mindesten die Abneigung g^en eine solche Annahme gewesen sein, welche den Resultaten des Glacialstudiums die allgem^e Billigung wehrte. Allein mehr und mehr hat neuerlich die Meinimg an Boden gewonnen, dass auch cUe dne grosse, allgemeine Eiszeit keine plötzliche Katastrophe, kein Schüttelfrost in der Erdgeschichte ist Die Versuche, ihr Eintreten zu erklären, fuhren zur Annahme säkularer klimatischer Veränderungen, und die konsequente Verfolgung dieser Ansicht stellt der Meteorologie, Geologie und Paläontologie neue Aufgaben und neue Anfor- derungen. Bisher haben sich jene Wissenschaften ablehnend gegenüber diesem ErgebnisBe verhalten. Manche ihrer Einwände suchten wir zu entkrälten. Es bleibt der Zukunft vorbehalten, den Entscheid zu liefern und die Richtigkeit unseres Resultates zu prüfen. „Wie im Laufe eines Jahres die höheren Braten der Erde den Wechsel von Sommer- und Winterzeiten gemessen, so erlebt unser Planet in grossen Zeiträumen Sommer- und Winter- perioden,"

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ANHANG.

L Veber die Höhe der erratischeii Vorkommnisse.

A. Innthal und Inngletscher. Tachirgant (PiCHLER). Blöcke, ca. 1700 m. Maiienberger Jöchl. Blöcke. 1830 m. Mitterberg an der Mieminger Kette (E. von Barth). Blöcke.

1560 nit?). Beither Spitze. Blöcke. 1570 m. Seither Spitze (Abt). Blöcka 1670 m. Zirler Mader (Pichler). Blöcke, ca. 1700 m. Höttinger ATm bd Innsbruck. Blöcke. 1670 m. Thürl am Haller Salzberg (bestätigt von PiCHLEB und v, Mojraieo-

vicß). Blöcke, 1750 m. Vomper Joch (Pichler). Blöcka 1470 m. Aschenau-Alm an der vorderen Spitz bei Jenbach. Blöcke. 1470 m. Wibner Joch bei Brandenbeig (Pichler). Blöcke, ca. 1300 m. Gamekogel bd Kufatein. Blöcke. 13G0 m.

B. Isargletscher. Rrither Spitze. Blöcke. 1570— 1670 m. Ahm-Spitz (Pichler). Blöcke. 1600 m. Gaisthal bd der Wildermieminger Alm (Gebr. Schlaoottweit).

Blöcke. 1350 m. Hoher Kranzberg bd Mittenwald. Blöcke. 1370 m. WetterBteinwaJd: Fugs des Zinnes Kopfee (Gebr. Schlaointweit).

Blöcke. 1320 m. Weg zur Schachen-Alm vod der Kälberhutte. Blöcke. 1440 m.

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463

Kreuzjocb {Gebr^ ScHLAomTWErr). Blöcke. 1550 m.

Kreuqoch (GOmbel). „Erratiaches Geschiebe". 1420 m.

Thörl am Eibsee (GCmbel), HochgebirgaBcliotter (nicht Bclbat

geeeheti). 1120m. Steppbach-Alm westlich Gannisch (ein vereinzeltes GeHchiebe).

1550 m. HasenjÖcherl zwischen Oberau und Obenunme^au (Gebr. Schlag-

INTWEIT und GCmbel), „Erratiaches Geschiebe." 1450 m. Altlachberg sädlich vom Walchensee (GCubel). „Erratisches

GescMebe." 1200 m. Ji^achloas auf dem Hochkopf, südlich vom Walchensee (Ober-

iorster in Vorder-Rias). Blöcke 1500 m. Weg zwischeu Jacheoau und Vorder-Riss (höchster Punkt). Grund-

moräne. 1200 m. Gehänge des HerzogBtandes am Jagdwege. Grundmoräne. 1160 m. Kohlstattalpe an der Benedikteawand (GOmbel). „Erratisches

Geschiebe." 1120 m.

C. Achenthaler Oletscher. Acheuau-Alm an der Vorderen Spitz. Blöcke. 1470 m. Mauiitzen-Aim am Sonnenwendjoche (Pichler). Blöcke. 1450 m. AchenpasB. Grundmoränen. 900 m.

Kühzagelsattel zwischen Schliersee und T^;ernsee (GObibbl). „Erratisches Geschiebe." 1120 m.

D. Gletscherzweige des hinteren Sonnenwendgebirges. Wibner Joch in Brandenbet^ (Pichler), Blöcke. 1300 m. Forsthaus Falep. Grundmoränen. 1050 m. Auf dem Wechsel zwischen weisser Falep und Rothacb. Grund-

moräneo. ca. 1200 m. Kühzi^;elsattel zwischen Sctüiersee und Tegemsee (GCmbel).

.Erratisches Geschiebe". 1120 m. Südgehänge des Wendelstdn zwischen Bayerisch Zell und Oberau- dorf. Blöcke. 1100 m.

E. Bayerische Hochebene. Hoher Feissenberg. Blöcke, ca. 1000 m.

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REGISTER.

AbdänuDongsseen p. 349.

Achenpasa p. 38. 72.

Achensee; Lage, p. 70. BilduDg p. 157. 352.

Achenthaler Qletocher p. 72. 78.

Acei trilobatum Stbg. ep. p. 241.

Adhemah; citirt p. 10.

AoAsetz, L.: Lehre der Eiazeit p. 5. 6. TJnteiBUcliuiigeii über die Oletechcr p. 5. Glacialphäuomen Nordeuropas p. B. Gekritzte Qe- Bchiebe p. 9. Parallele TenaaBen p. IL Gletscherscblamin p. 34. 37. Gletscherechliffe p. 38. Zu- BammenaetzuDK der Eodmoiüiieii

S. 121. Gesteinatransport unter em Eise p. 127. Zeretörungge- kriteter Geschiebe p. 137. Ter- lassen des Glen Eoj p. 158. Eisdecken p. 188. Mangel an Obei^ächenmorinen auf dem In- landeise p. 196. Geateinstransport unter dem Inlandeise p. 197. Ursprung der Grund moränen p. 197. Konserviruiig der Alpeneeen p. 21. 403.

Algäu; VergletBoherung p. 80. Ur- gebii^blöcke p. 84. Schiefer- kohlen p. 256.

Alluvions anciennes, siehe An- echwemmungen, alte.

AIluTiona gladaires p. 372.

Allurium gladaire p. 11. 272.

Alpen, deutsche: Orographie p. 25. Ueterwcbt der VereletBcherung

?, 90. Abnmdung der Gehänge urch GUdalirirkuiig p. 91. Mangel an E^d- und Beitenmo- ränen p. 92. Vertheilung der Gnmdmor&neo p. 93.

Alpeneeen : Vertheünng p. 306. Bildung der grOBsen Alpenseen p. 370. Theorien über deren Bil- dung p. 412. KonservininE p. 21. 403. 409. Reeicavation p. 371.411.

Alpeuthäler: Alter p. 331. 421. Bildung p. 331. 370. 412. 415.

Ammereee p. 123. 150. 355. 366. 413.

Ammos, L. von: Alte Breccien bei RMbl p. 252.

Amphitheater, gladale, p. 124. 125.

Anschwemmungen, alte, p. 2G6. Gletscherschliffe tragend p. 276. In Fragmenten in Moränen vor- kommend p. 276. Alter: pliocän p. 273, interglacial p. 274, prS- gladal p. 271, gladal p.271, alt- glacial p. 279. Gliederung p. 2rL Verbatniss zu d, Alpenseen p.403. .

Antbolzer See, Entstehung p. 163.

Argile ä silex p. 455.

Argyll, Dnke of : Gegner der Qla- dHlerosinn p. 372. Einwinde gegen die Gladalerosion p. 390.

Arktis p. 436.

Aribei^, Tcrgletschert p. 82.

Anmdo Goepperti Heer p. 24L

Äsar p. 183.

Aschau am Inn p. 323.

Attersee p. 400.

B.

Bach: Beziehungen zwischen To- pographie und Gletscberverbrei- tunf^ p. 102, Nordgrenze des EbeingletHchers p. 103, Zwei Vergletscherungen p. 214.

Bachmann, J.; Lage der Endmo- ränen p. 128. Düuviale Kohlen aro Tbuner See p. 254. Altes Kanderdelta p. 410. Alter des Thuner Seee p.425.

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Balfokd: Eieieittheorie p. 443.

Ball: Alter der Älpenthälerp. 331. Qegner der Qlad&lerosion p. 372. Einwände eegendie GladaUrosion p. 388. 390. Einwände gegen die gladale Bildung der groeaen Al- penseen p. 393. Genfersee p. 397. Bildnng der Alpenseen p. 418.

Bänderthon p. 139. 140.

Bakth, £. T.: Erratische BIScke am Miemi^er Beige p. 53.

Bayeiische Hochebene : Verglet- «cbierung p. 09. Nordgrenze der Vergletochenmg p. 103. Ver- bältniss der Vergletschenmg nun Hinterlande p. 105. Znaammen- hang zwischen Orographie und ^logischem Bau p. 113.124.327. Zonen des Moranengebietesp. 125. Mehrmalige Vergletacherung p. 310. Seen p. 351. Gletscher- ' schliffe p. 4&4.

Bayerthal p. 77.

Bebendt, O.: StaumorSnenp. 121. Subgladale Wasserdrculaaon p. 175. Combinirt« Gletscher- und Drifttheorie p. 195.

Bergstfltze in den Alpen p. 60.

Bernhassi: GladslUieone p. 3.

Biberberg p. 343.

BiberkoDglomerat p. 343. 344.

Blaschet, E.: Gladaler UcHprung der alten Anschwemmungen p. 271. GletecherHchliffe auf alten Anschwemmungen p, 276. Ver- hältniss der alten Anschwemmun- gen zu den Alpenseen p. 405.

Bloclclehm Südbajema p. 36.

Bodensee p. 413. 423.

Bois de la BAtie p. 277.

Bdhmerwald, alte Gletscher p. 434.

BoNJraY, T. G.: Gegner der Gla- cialerosion p. 372. Kleine Seen diirch Eis ausgehöhlt p. 373. Salz- burger Seen p. 400. Seen des Engadin p. 403. Bildung der Alpenseen p. 418.

Brondenberg p. 157.

Brechen, alte: Alter p. 315. Vor- kommen p. 229. 251 ; bei Jaasbrnck p. 229; am Marienberger Jöchl

p. 245; am Haller Salzberge p. 245; am Vomperbache p. 245;

471

Brecden bei Wallgan p. 246; bei W^ssenbach am Lech

p. 247; bei Mas- Josefsthal p. 247 ; am Hochvoeel, p. 252; bei Garmisch p. 252; am Steinernen Meere

p. 252; im Wimbachthale p. 252; von OberwÖlz p. 252; .vom "Viacbbachgraben bei Kaibl p. 252. Bregenzer-Ach-Gletecher p. 83. Bregenzer Wald, lokale Gletecher,

p. 85. Bbonn: Drifttbeorie p. 14. Brown, Rob.: But^adale Wasser- circulaCion in Grönland p. 178. Bschlabetlial p. 62. 36. Bdch, L. V.: Diluviale Nagelfluh

Buerbrä p. 120. 383.

C. Cabral : Gletscher im Duerobecken

p. 437. (Mmenzone.Verschiebbarkut, p.447.

450. Campbell; Uebertreibungd.Tbeorie

glacialer Erosion p. 376. Carpinus ? p. 241. Cbambebs : Mehrfache Verglel>

scherungen p. 16. Champlain-Periode p. 207. Chantke, E. : Gegner der Qladal-

erosion p. 3T3. (Siehe Falsan.) Charpeniter, J. de,: Transport

erratischer Blöcke und Felsschhffe

p. 5. Essai Bur les glaciera p. 6.

Veigletscherung des Nordens p. 6.

GlaaalanschwemmuDgen p. 11.

271. Gegen Drifttheorie p. 14.

Gerundetes erratisches Material

p. 33. Saud uDt«r dem Gletscher

p. 34. Gletscheischliffe p. 39.

Gletscherschub p. 119. Dilnviam

§laciaire p. 11. 130. Defimtdon es Gletschers p. 187. Alluvion glaciaire p. 272. Verhältnisa zur Gladalerosion p. 382. Eiszeit- theorie p. 435.

Chat ANNES: Zwei Vetgletscherun- ^n p. 219.

Chiemsee p. 369.

Chiemsee-Achen -Gletscher p. 78.

Clarens p. 217.

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472 R^

CLBsent: Ampergletecher p. 32. Grenzen der VergletBcbenuig p. 102. 104. 122.

Clmenaee p. 414.

CoLLOUB, £.: Bildung der Grnnd- marSne p. 43. 197. 392. Hio- demisemoTanen p. 96. Zerstörung Kekritzter Geachiebe p. 137. Mangel an OberflSchenmorSneD der'\^gesenve^letscheriuig p. 1 96. Gliederung des alpinen Qu&rtärs bei Lfon p. 269.

Combensee p. 414.

Cook: Abfall dea notdamerikani- gchen Inlandeises p. 193.

Credner, G. R.; libtetehung der Binnenseen und Fjorde p. 374.

Credner, HE3iH. : SchichUnstau- chungenunterGeschiebelehm p.4ü. Gletscherschub p. 120. Sub- giaciale Wasaercirculation p. 175. Definition der Grtmdmoräne p. 205.

Croix, James: Theorie der klima- ti»>chen Schwankungen p. 19 Inlandeis-Theorie p. 188. steigen des grönländiBchen Inland- eises p. 192. Anbänger der Gla- cialerosion p. 376. Theorie der Gletecberbeweeung p, 376. 381. Mächtigkeit des antarktischen Eiaee p. 390. Veränderungen in der Sdiiefe der Ekliptik p. 444. MceresströmuDgen p. 446. luter- glacialzeiten p. 452. Wiederkehr der Eiszeit p. 4."]5.

Cu^nEE: Lehre von der Eiszeit p. 7.

C;]>eriteB canaliculatns Heer p. 241. plicatuB Heer p. 241.

CypeniH Sirenum Heer p. 241, B.

Dana: Besebränkung der Fjorde auf höhere Breiten p. 20. Gla- cialer Ursprung von Seebecken p. 376.

Dabwin, Charles: Drifttheorie p. 14. Gletscher von Feuerland p. 222. Erratische Blöcke in Pa- tagonien p. 435.

Daubr^: GeschrBmnite Oescbiebe p, 40. Ecodirende Wirkung der Gletscher p. 303. 385.

DeflectioDsbecken p. 400.

Deicke: Moränen unter (len Schie- ferkoblen von Mörschwdl p. 220.

DELrc, J. A.: Lehre von der Eis-

Mit p. 7.

Depression, centrale, p. 123. Ero- sionagebiet p. 151. H}'drognphi- sches Centrüm p. 174. Hohes Alt«r 343.

Desob, E.: Vei^lotecherung Skan- dinaviens p. 10. Konservirung der Alpenseen p. 21. Verglet- scherung Oberbaverns p. 30. 100. UnterecKiede der Vergletscherung am Nord- und Südftisa der Alpen p, 110. MorSnenlandschatt p. 116. Vergleich des erratischen Phäno- mens im Norden mit dem alpinen p. 189. Gegner mehrerer Glet- scherperioden p. 218. 221. Ein- wirkung der Vergletscherung auf die Flora p. 224. Glacialforma- tion pUocan p. 273. Gletscher- schljffe auf alten Anschwemmun- gen p. 276. Gegner der Gladal- erosion p. 372. Morterat«chglet- Bcher p. 381. Konservirung der Alpenseen während der Int«r- glacialzeit p. 409. Thal- und 3eebildung p. 413. Eroaionsseen p. 416. Gletscher Neuseelanda p. 437.

Diluvium, p. 268; alpine« p. 268; erratisches p. 269; gladure p. 11. 130; ptBglaciales p. 270; unteres p. 269.

DoBBOH, Peter: Ueber gekritzte Geschiebe p. 49, Note.

DoLLFua-AcRSET: Erosion d.Unter- Aargletacber p. 202. Erodirende Wirkung der Gletscher p. 385.

Dombe.1, Seen, p. 369.

Dransethal p. 218.

Drifttheorie p. 14. 436.

Duerobecken, alte Gletscher, p. 437.

DÜRR, ciCJrt p. 32.

Ebel: Erratische Blöcke auf der

bayerischen Hochebene p. 100. Ebray: Bois de la B&tie p. 277. Eibsee p. Gl. 352. Ein Sturzseen p. 350. Eisdecken entsprechen dem Inland- ^ eise p. 188. Eisseen p. 349. Eiszeit: Geschichtlichee p. 5. 6. 7.

Periodicität p. 17. 453. Theorien

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p. 433. Ursachen p. 433. Folge grosser OletscbereDtwicklung p. 441. 448. Oertlicher Ausdruck klimatischer Schwanlcungen p.

, 455.

Elie de Beaumokt: Zweitheilung des aljäoeD Dituyiums. p. 270. HebnngeD der Alpeo zur Qaar- t&rzeit p. 270.

Eluvium p. 283. 455.

EDdmoränen: Mangel derselben in den deutschen .^pen p. 92; der bayeriBchen Hochebene p. 114.

Engadin, Seen, p. 402.

Erosionaseen p. 348. 413. 416.

Erratische Blöcke p. 2. 33; inOber- bayem p. 29. 93. 100; inGrund- mor&nen p. 46. Höhen p. 4Ü2.

Erratischem Geecbiebe p. 130.

EscHEK, A. VON DEB LiNTH : Rhein- gletscher p. 26.103. Olacialerschei- nungen im Tnnthale p. 49. Erra- tische Bldcke bei Seefeld p. 53. 64. Ur^ebirgsblöcke im Flysch dea Algäu p. 84. Gegen Wieder- holungen der Eiszeit p. 218. Höttiuger Brecde p. 239. Glie- derung der alten AnBcbwemmun- gen p. 270. Eiszeittheorie p. 435.

EsMABK: Glacialtbeorie p. 3.

Evans: Eiszeittheorie p. 444.

Excentiicität der Erdbahn, EinfluEa auf die Wärmecircnlatioii p. 447 ; auf klimatische Schwankungen p. 447, 449. 453.

Falep, Erratische E^rBcheinungen p. 75.

Falconer: Gegner der Gladal- erOBion p. 372.

Falsan, A. : Gegner der Qladal- eroeion p. 373.

Falsa», A. und E. Ckantre: Ge- falle dea alten Bhonegletschen p. 191. Gegner mehrerer Ver- gletacbeningen p. 221. Schutt von Lyon p. 252. Schieferkohlen der Alpen p. 254. Alluvions gla- daires p. 272. Citirt p. 396. Argile i. ailei ala Glacialoildung p. 455.

FavsEjA.: Becherches gtologiquee p. 12. Fimbedeckung während der Eiszeit p. 185. Gefölle dea all6ti

HhonegletBcbers p. 190. UrepruDg der Grundmoränen p. 197. Profil

imDransethalep.218. 264. Gegen zwei Vergletacherungen p. 221. Schieferkohlen von Savoyen p. 251. Beziehungen der Gladal- formation zum PliocSn. p. 274. Verschiedenes Verhalten der alten Anschwemmungen zur Gladal- fonnation p. 275. Bois de la BÄtie p. 277. Gerolle mit Ein- drücken p. 288. Gegner der Gla- dalerodon p. 372. Verhältnise J. DE Chaspentiek's zur Gladal- erosion p. 382. Einwände gegen die Gladalerosion p. 388. 388, 389. Einwände g^n die gladale Bildung der grossen Alpenseen p. 393. Genfersee p. 397. Ver- naltnisB der alten Anscfawemmun-

f'B zu den Alpenaeen p. 405. Ite Anschwemmungen im Wallis p. 408.

Favre, E.: Profil im Dransethale p. 218. Verschiedenes Verhalten der alten Anschwemmungen zur GlacialformatioQ p. 275. Bois de la Bätie p. 277,

Fernpass. Lage am rhälischen Thale p, 55. Mangel au Glodalerachei- nuQgen p. 57. Jugendliches Alter p. 58. Bildung p. 59.

Fimbedeckung in den Alpen zur Ei^eit p. 1B5.

Fjorde: Definition p. 429. Geogra- phische Verbreitung p. 21. 432, Bildung p. 430, FarallelismuB p, 430,

Fluviogiaciale Bildungen siehe Gla- cialanschwemmiingen und Gla- dalschotter.

FLtJKL : Erratisches Phänomen Ober- bayems p. 2ä. Erratische Blöcke auf der bayerischen Hochebene p. 99.

Förchon-See bei Traunsteln, Bil- dung p. 163,

Fobchhammf.r: Drifttbeorie p. 14.

FoaEL: Uraachen der Gletecheraus- dehnung p. 440,

Fortschritte der Geologie; Kritik der Theorie gladaler Erosion p, 377.

Fkankland: Eiszeittheorie p. 443.

Fbapouj: Driittheorie p. 14.

DigiizeclbyGoOglC

474 Eeg

Feioiixt,E. : VeKletscbenmgNord- tJTolB p. 28. Vereletackerung des

EloBterthales p. 80. Fnechl-See p. #0. FüCHS, Th.r Über Bchichtenstaa-

chuDgen p. 46.

G.

Qaichtpase, Aufarbeitung des Unter- XTundes der QruDdmoräiie p. 41. Vei^Ietechert p. 86.

6 ABTAiJ)i:Glticialaii schwere mungen p. 12. Moränen am phiüieater p. 125. Gegen zwei Vergletsche- nmgenp.221. Schieierkoalen. von OberitBlien p. 254. Beexcavadon derAlpenseen p.371. 411. Alter See im Thale der Dorm Baltea p. 394. Vergl. auch Martins, Chables.

Gefälle des alten Rhonegletscbers

p. 190.

des Inngletechers p. 190.

dee Isargletechers p. 191.

deg nordeuropSiscnen In-

landeisea p. 193. des grönländischea Inland- eiees p. 191.

Geisie , Akchibald : Mehr&che Vergletacberongen Schottlands p. 18. Anhänger der Gladalerosion p. 374.

Geieie, James: The Great Ice Age p. 18. 442. Prehistoric Europe

gl9. 442. Absperrung des Val andino p. 162. Subglaciale Wasserdrculatjon p. 175. Abfall des schottischen Inlandeises p. 193. Erhaltung loser Schichten unter der Gnindmorine p. 199. Schieferkohlen der Alpen p. 253. 254. Leffe p. 255. Beziehungen der Glacialformation zum Fliocän p. 274. 275. Gliederung der alten Anschwemmungen p. 278. Qla- dale Bildung der schottischen Binnenseen p. 374. Deflectiona~ becken p. 4O0. Wiederkehr der Eiszeit p. 455.

Geihitz, £.: Diluvium ein Chaoa p. 141.

Geufersee p. 397. 413.

Gerolle mit Eindrücken p. 287.

Geschiebe, gekritzte p. 36. Parallel geschrammt p. 39. Zuerst be~

obacht«t von Dobsoh und Unoek

p. 49. Oblit«rinmg in rinnendem Wasser p. 137. In Schottern p. 135. 137. Nicht gladale p. 455.

Geschiebeformatjon Norddeutsch- lands p. 46. 130. 140. 207. 322. 434.

Geschiebelehm NorddentschlukU p. 46. 434,

Glacialablagemngen, Masse in SQd- bajem p. 328.

Glaoalanscbwemmungen p. 11. Vei^l. auch Gladabchotter.

Glacialerosion p, 98, 334. Anhänger derselben p. 374—376. Gegner derselben p. 372—374. Einwen- dungen dagegen p. 381. Qr&see in Nordeuropa p. 200, im Isar- gletachergebiete p. 200. 387, in den deutschen Alpen p. 330, an heu- tigen Gletschern p. 202. 385. Eigen- thümlichkeiteu p. 340.

Glacialformation: Definition p. 1. Kegel massiger Aufbau p. 137. 141. 206. Zum grCssten Theile aas ge- schichteten Abl^erungen aufge- baut p. 205. E^iehungea zum Pliocän p. 273. 274.

Glacialphänomen : Abhängigkeit von der Bodenkonfiguraüon p. 25. Verhältniss des quartSren zum heutigen p. 439.

Glacialschotter p. 11. 129. 272. Der letzten Vergletacherung p. 129. Oberer p. 140. 171. Unterer: p. 140; Verbreitung im Gebirge p. 152, auf der Hochebene p. 142, unter MoräneD erodirt p. 151. 170, in Konnex mit Moiinen p. 133. Früherer Vergletseherpngen p. 278. 303. 311.

Gl acial Wirkungen, mittelbare p. 129, unmittelbare p. 33, orograpnische p. 20. 113. 199.

Gleissenthal p. 179. 356.

Gletscher, heutige: Erodirende Wir- kung p. 202. 203. 385, schieben das Vorland zusammen p. 119. 120. 382. 383. Ungleiche' Ent- faltung unter glei(£en Breiten und Höhen p. 437.

Gletscberentfaltung bedingt durch die Grösse des Einzug^;ebietes p. 110, durch die geographische Lage p. 437.

Oletacherschliffe: Historischee p. 5.

DgizedbyGoOglC

BUdung p. 39. Vergänglichkeit derselben p. 91. 92: Zeug^ gej^ Gladalerosion p. 383. Ähnlich- keit mit Hamischbildung p. 455. Verzeichnis der sÜdbayenscheD p. 4m.

Oletscherscbnb p. 120. 383.

Gletscherseen p. 349.

Obad, CHARifs: See von Lourdes p. 158. Seen im Uoselthale p. 162. Schieferkohlen der Scbwoz p. 220. O^en zwei Vereletache- ruDgen p. 221. Glegner der Gla- cialerofflon p. 373.

Gkab, Bcipion: Zwei Ver^etsche- rungen p. 215, 216.

Geewinok: Mehnnalige Ve^let- schertiog der Ostseeprovinzen p. 442.

Grönland, veigletschert p. 15. 178. 188. 191. 195. 203. 386. 439.

Grönenbacb, Ekidmoräne p. 146.

Gross- Weil, Kohlen p. 143. 253. 318.

QrDbeb, citirt p. 32.

Grundmoräne p. SS.Transportunter dem GIets<^er p. 37. Entstehung p. 37. Grosse Mächtigkeit p. 38. Anhäufung unter dem Gletecher p. 38, Säichtung p, 38, Auf- arbeitang des Untergrundes p. 41, UrBprongdesMateriales p.43. 197. 392, Material des Liegenden p. 43. Material der Endmoräne p. 43. Schichtenstanchungen im Unter- gründe jp. 44. Erratisches Mate- rial dann p. 46. UnregelmSsBige Vertheilung in den Alpen p. 93. Beziehung zwischen der Ver- thmlung im Gebirge und der Gletscherbewegung p. 97. Zeuge von Gletschererodon p. 99. Ge- schichtet« Einlagerung p. 131. 133. Aequivalent mit g^hich- teten Ahlagerunffen p. 133. 139.

Gnmdmoräne, lokale p. 42.

GüUlLlue, 0.: Material der End- moräne in der Grundmoräne p. 44.

GÜMBEL, C. W.: Erratisches Phä- nomen Südbaycrns p. 30. Ver- gletscherung Oberbajems p. 31. Gletscherspuren im Innthalep. 50. 54. Trümmer am Eibsee p. 61. Grundmoränen bei Seefeld p. 64. Urgebirgsgeschiebe im Illthale p. 80, Not«; im Atgäap.84. Mangel

Bter. 475

erratischer Blöcke im C)ebirge p. 93. Hochfluthgeröll aufpassen p. 95. Erratische Blöcke der bayen- Bchen Hochebenep, 100. Erratische Erscheinungen der bayerisdien Hochebenep. 101. Grundmoränen bei Eaming p. 104. 309. Unter- schiede des Glacislphänoroens am Nord- und Sfldiiias der Alpen p.l26. Gladatgeschiebe Norddeutsch- landsp.lSO. Erratisches Geschiebe p. 130, Kohlen von Gross- Weil p. 143, Note. Gerolle mit Eindrücken in diluvialer Nagelfluh p. 287. Hochgebirgsschotterp, 252. Scbie- ferkohlen des Algpu p. 253. Ur- sprung der diluvialen Nagelfluh p. 293. Abbrechen der Quartär- schotter vor dem Gebirge p, 314. LöBskonchylien im Moränengebiete p, 323. Terrassen in Alpentnälem p. 336. UeberBibemagelfluhp. 343. Gvblt: Gegner der Qlacialeroeion

6 374. E^wände gegen die tacialerosion p. 376.

Gctzwiller: Moränen unter den Bchieferköhlen von MOrechweil p. 220.

H.

Haabt: Anhänger der Gladal- erosion p. 374.

Hahn, F. G.: Anhänger der Gla- dalerosion p. 376.

Haileb; Wimbachbrecde p. 252. Entstehung des KÖnigHseea p. 401.

Haller Salzberg, Alte Brecden, p. 245.

Rann, J.: Klima von Neuseeland p. 222.

Haspelmoor p. 354.

Haijer, f. t.: Localiairung des Gladalphänomens p. 437.

Haubeofes, K. : Alter der Diluvial- kohlen von GroBs-Weü p. 318.

Heer, O.: Intergladalzeit p. 18. Schieferkohlen der Schweiz p, 219. Zwei VergletBcherangen p. 220. Scbieferbohlen von Lefl'e p. 253. Unterlage der Kohlen von Utz- nach p. 255.

Heim, A.: Endmoränenbildung p. 42. Bergsturz von Flims p. 61. Gletscherschub p. 120. Erosion im Gebiete der Reuss p. 201. Moränen unter denSchiefeikohlen

DigiizeclbyGoOglC

476 B«S

TOD Wetzikon p. 220. Gerolle mit Eindrücken p. 288. Raubay und Ball abAnliäiigerTYNDÄLL'B p. 382. Gegner der Glacialerosion p. 373. Kritik der Theorie ela- cialer Beebildung p. 377. ^en im Oberengadin p. 402. BUdung der Älpenthäler p. 415.

Hellamd, A.: Subglaciäle Woaser- drculatioD in Grönland p. 178. Abtragung Skandinaviens wäh- rend der Eiszeit p. 200. 387. Anhänger der Glacialeroflion p. 375. UittelBchwediBche Seen p. 427. Hehrmidige Vergieß scherun g NorddenUchlande p. 442.

Hildenbkand; Zwei Verglet- Bcherungen in Württembeig p. 214.

HiNDE, G. J.: Seen in Kanada p. 428.

HindemisHmoränen p. 96.

Hinterthorenthal p. 61. ST. 86. 94.

Uocbfluthgereil p. 95.

Hochgebirgsschotter p. 252.

HocHSTETTER, F. von: Achensee p. 159. Gletscher Neuseelands p. 222. 437. Entatehnng der Binnenacen und Fjorde p. 374.

HöFEB, H,: Fimlinie zur Eiszeit in den Alpen p. 186. Zwei Ver- gletBcherungen p. 215.

HouARD : GletBcherapuren in Siteren Formationen p. 17. Gletacher- echnb p. U9. See von Gerardmer p. 158. Seen im Moselthale p. 102. Alte Anschwemmungen sind Grundmoräne p. 272. Gliederung des alpinen Diluviuma p. 272.

Holler, A. : Flora der Kohlen von Wasserburg p. 138. Flora der Kohlen von Groas-Weil p. 143-

Holmström: Gletscherschub p. 120.

Höttinger Breccie p. 229. Schutt p. 233.

Humboldt, A. v.; Bosenkranzseen p. 349.

Hypnum aduncum Hedw. p. 138. commutatumHedw.p.I38.

fluitaus Will. u. 138. intennedium Lindbg. p.

138. purum L. p. 143. scorpioides L. p. 138.

Jachenau, Schotter, p. 166.

Jamieson, Th. : Vergletscherung Schottlands p. 16.

Jensen: GefaUe des grönländischen Inlandeises p. 191.

Jektzbch, A.: Eisfreie Inseln in Norddeutacbland p. 195. Ge- achichtete Glieder der Geschiebe- formatioiL p. 207.

Illthal p. 80.

Illergletacher : Entfaltung in den Alpen p. 83. Entfaltung auf der Hochebene p. 107.

Imberg p. 257.

Inlandeis : Uefiniljon p. 187 ; alpinea p. 184; grönländiachee p. 191 ; nordamerikaniaches p. 193; nord- europäisches p. 192.

Inngletscher p. 28. 55. Thalgehänge oBeiäuthend, p. 74. Entfaltung auf derHochebene p. lOö. Gefälle p. 190.

Innsbruck : Geschichtete Grund- moräne p. 3t>. Erratiache Blöcke p. 51. 53. Terraaae p. 153. Koh- len p. 154. Moränen und Schotter p. 155. Breccien p. 228.

Innthal : Glacialerscheinuugen p. 28. 48. Obere Gletschergrenze p. 52. Mächtigkeit der Verglet- acherung p. 54.

Intei^lacial, Definition, p. 320.

Intei^ladale Brecden p. 229; Deltas p. 344; Kuhlen p. 251; Anschwem- mungen p. 320.

Interglacialzeit p. 217. 220. 452.

Irraee p. 400.

Isargleificher, im Gebirge p. 69. 78; auf der Hochebene p. 106. Ge- lalle p. 191.

Jukeb: Anhänger der Glacialerovoa p. 374.

K.

Kalktnffe von Thüringen p. 323.

KlMTZ: Abtragung Skanoinaviens während der Eiszeit p. 387.

Kaufbeuem p. 147.

Kjeedlp, Th.: Vei^letscberung Skandinaviens p. IG. Gegner der Glacialeroaiou p. 373. Einwände ^gen die Olacialerosion p. 384.

Klima: Theorie über Schwan kungoi p. 441. Schwankungen durch

DigiizeclbyGoOglC

Veränderlichkeit der Wärmedr- 'Colatioii erklärt p. 451.

Elosterthal p. 80.

Kochetsee p. 359. 361. 366.

Kocheleee-Seefelder Thal p. 63.

Eoblen, diluviale: bei Wasserburg p. 138, bei G rose -Weil p. 143, bei Innsbruck p. 154, der Nord- schweiz p. 219. 318, am Thunw- see p. 253, in Oberitalien p, 253, im Älgäu p. 253. 256. 317. Ver- schiedene Horizont«, ältere und jQngere p. 319.

K5iiigs»ee p. 401.

Krat«reeen p. 350.

Ebaüs, Gb.: Hölzer von Qrora- Weil p. 143. Hölzer von Imberg p. 259.

Kreide p. 165.

Krosaateinsgrus p. 42.

KQstenaeen p. 349.

Landl p. 77.

L^gamoränen p. 115.

LA3PEYHEa: Lösa Ober nordischem DüuTinm p. 323.

Laurinea, p. 241.

Laurua? p. 241.

Ledifeld p. 147.

Lechgletscber: Kntfaltung im Ge- birge p- 36. Entfaltung auf der Ht^eWne p. 107.

Lechsee p. 352. 365.

Leffe, Sdiieferkohlen p. 253. 255.

Lenz , 0. : Erratische Blöcke in Vorarlberg p. 81. Urgebirgafind- lioge des Algäu p, 84.

Löden-See; Bildung, p. 163.

LooAS, Sir Wii.ijjji: Anhänger der GlacialercwiDn p. 374. Citirt ^. 428.

Loiaachgletacher p. 61.

LoRY, Gh.: Ansichten ron Sc. Gras p. 216. Gegen zwei Ver- gletacheningen p. 221. Schutt von Avignonet p. 252. Schutt von Lyon p. 252, Schjeferkohlen der Alpen p. 254. Alter der alten Anachwemmnngen p. 271. Gla- cialer Ursprung der alten An- sctiwemmungcn p. 272. Bois de la Eätie p. 277. Gliederung der alten Anschwemmungen p. 278.

Bter. 477

Gerolle mit Eindrücken p. 288, Anhäufung der alten Anschwem- mungen p. 298. Anhänger der Olacialerosion p. 375. Becken bei Grenoble p. 395.

LösB zwischen diluvialer NageUuh und unteren Olacialachottem p. 283. Verhältnisa zn den Gla- dalformationen p. 323.

LossEN : Diluvium ein Chaos p. 141.

LOddecke. R.: Ursprung der Mo- ränenlandachaft p. 116. Moränen- seen p. 345. 346.

Lyell, Sir Charles: Drifttheorie p. 14. Theorie klimstiscber Schwankungen p. 19. 435. 444. Zwei Vergletacheningen p. 219. Ge^er der Oladalerosion p. 372. Kleine Seen durch Eie aushöhlt p. 373. Einwände gegen <£e Gla- daleroaion p. 3w. Einwände gegen die glaciale Bildung der ^xissen Alpenseen p. 393. 411. Genferaee p. 397. Bildung der Alpenseen p. 417.

Mallet: Maxim almächtigkeit von

Gletschern p. 390.

Mare p. 350.

Marienbe^er Jöcbl : Von Gletschern pasairt p. 58. Alte Breccien p. 245.

Martihb, Cbari^s: Grundmoräne p. 10. 34. Vergletacherung Skan- dinaviens p. 10. Fluvioglaciale Schichten p. 12. Zerstörung ge- kritzter Geschiebe p. 137. Ur- sprung der Grundmoränen p. 197. Verhältnisa geschichteter AbU- genmgen zurGrundmorBnep.205. Zwei vergletacberungen p. 222. Glacialer Ursprung der alten An- schwemmungen p. 271. Gegner der Glacialeroaion p. 373.

Martins, Charles, undGABTALDi: AnhäuAing von Schottern beim EintrittderVergletscherungp. 205. Eintheilung des alpinen Quartärs p. 269. Glacialer Ursprung des alpinen Diluviums p. 271. Glie- derung der Schotter im Liegen- den der Moränen p. 278. Alter See bei Ivrea p. 395.

La-,:.tll:yG00gIC

Max-Josefsthal: Alt« Breccieo p.

76. 247.

Mayer, Kat».: Moränen unter den Schieferkohlen von Utznach p. 220.

Meddeleiaer om QrtJnliuid p.l95. 303.

Meeeea tristich» Funk p. 143.

Mebsikouhek: UorSDen unter den Schieferkohleo von Wetzikon p. 219.

MiLLEB, HtJOH: QUciale Bildung der Seen von Nordengland p. 375.

Mittel-See, Bildung, p. 163.

Mittenwald, Kreidelager, p. 165.

MojBiBOVica, E. V.: Gladalerschei- nungen im InnÜiaile p. 50, aa See^lder Passe p. 64, im III- gebiete p. 80, Note. Abdämmung deG Achecsees p. 158. Cl^en znei VergletBcherongen p. 221. Höttinger Breccie p. 228. Part nachschiefer bei Innsbruck p. 231. Prägladales DiluTium p, 270. 271. Gegner der Gladalerosion p. 372. . Kritik der Theorie glacialer Bee- bildung p. 376.

Mondaee p. 400.

MoNTEROBÄTO : Boieole Formen im italieniBchen Fliocän p. 457.

Moränen, eiebe: Endmoräne, Grand- moräne, E in derDiBsmoräne,Län ge- morane, Beitenmoräne, Btaumo-

MoräneDEimphitlietiter p, 125. Moränenlana Schaft p. 116. Ent-

Btebung, Grenzen p. 122. Moränenschutt p. 118. Moränenseen p. 349. Moränenzonen _ in Oberbajem: Äussere p. 122, Alter p. 308, Seenmangel

§. 354, von Löse Be- eckt p. 322. Innere p. 121, Älter p. 308; in Württemberg p.

121. 214; im Aargau p. 214.

in Norddeutechland

. £■■

1. 442;

inNordBmerikap.442;

in Oberitalien p. 214.

MoRLOT, A.: Feriodicität der Eis- zeit p. 18. Vergletschenmg des Inntbalea p. 28. 49, desArlbei^ee p. 82. Endmoränen von Lausanne

p. 127. VEHErz'PrioritätderAn-

nahme mehrerer Vergletschemn- gen p. 213, Note. Profil von Ciarens p, 217. Zwei Verglet- scheningen p. 217. Profil im DransetLale p. 218. Höttineer Brecde p. 239. Zweitbeilung des alpinen Quartärs p. 269. Periode der Strombildungen p. 270. Olet- scherBchlüFe auf alten Anschwem- mungen p. 276. Anhäufung der alten Anschwemmungen p. 297. Verhältniss der Alpenseen m den alten Anschwemmungen p. 404. 40Ö.

MCrschweil , Bcbieferkohlen von, p. 220.

Morteratechgletscherp. 120.381.383.

MoRTiLLET, G. de: Bildung der Alpenseen p. 20. Gletscherapuren in den Östlichen Alpen p. 50. Ab- neiffung der Gletscher in engeu ScMuchten vorzudringen p. 97. Endmoränen Oberitahens p. 127. Gegen Wiederholung der Ver-

flet8cherungp.218.22I. Schiefer- ohlen der Alpen p. 254. Rund- h&cker von alten Anschwemmun- gen p. 276. Geschiebe von alten Anscnwemmungen ^. 276. Glie- deiung der Schotter im Liegenden der Moränen p. 278. Fetrogra- phische Verschiedenheiten der Schotter im Liegenden der Mo- ränen p. 286. ^. Anhäufung der alten Anschwemmungen p.295. Lac d'Annecy und lacdeBourget p. 370. Erosion der Alpenseen p. 370. Reexcavation der Alpen- seen p. 371. Vertheidigung der Glacialeroaion p. 374. Konser- virung der Aipenseen p. 407. 409, Verhaitnjsa der Alpenseen zu den alten Anschwemmungen p. 404. Entstehung der Alpenseen p. 413. Bildung der Erosionsseen p. 417.

MÖscH, Cas.: Zweitheilung der alten Anschwemmungen p. 279.

MonssON : Löcherige Nagelfluh p. 287.

MOhlbero, F.: Längsmoränen p. 115. Endmoränen des Aaigau p. 127. Zwei Vergletschenmgen p. 214. FluBsterrassen im Aaigau

DigizedbyGoOglC

p. 215. Zweitheilimg der alten . AnschwemmiiDgeD p. 279.

MOnchen p. 282.

UüRcmsoN, Bm Bodekick: Ver- gletscbeniDg Nordeuiopaa p. 13. Drifttheorie p. 14. O^er der Glacialeroaion p. 372. Genfer See p. 307. I^- und Seebil- duDg p. 413. (Vergliche auch Sedgwick.)

Muraauer Moos p. 352. 357. 361.

K.

NagelfltUi, diluviale : In Oberbayem p. 281; geechrammt p. 281; als Geschiebe in den Moränen p. 281 ; diskordant gegen untere Gladal- achotter aliacluieidenii p. 282; oU GerOlle in letzteren p. 283; Thai- bildung nach ihrer Ablagerang vor Ausbrütung der letzten Ver- gletecherung p. 284; Ursprung p. 291; Verbreitung p. 292; et- ratiache fiestandtheile p. 300; gekritzte Geschielt p. 302 ; fluvio- glsdale Entstehung p. 303.

Nagelfluh, l&cherige, p. 287.

Nathorbt: Arktische Flora zur Glacialzeit p. 224.

Neckek: Eintheilung dea alpinen Diluviums p. 269. Boia de U Bätie p. 277.

Neuenburger Seen p. 413.

Neumayk, M.: Boreale Formen im italienischen FUocän p. 459.

Neuseeland, heutige (iletBcher p. 222. 435; frühere Gletscher p. 436. 439.

Newbekby: Anh&ngei derGladal- erosion p. 374.

Nordamerika, vergletschert p. 193; 442; Schotterterraaaen an Flüssen p. 207; Seen p.428; Fjorde p. 430.

NorddeutschlandjVergletscliert p.l6. 130. Inlandeis p.l92. Geacfaiebe- fonnation p. 46. 130. 140. 434. Aebnlichkeit derselben mit der BüddeutBchen p. 46. 140. 434. Auf- bau derselben p. 207. Moränen- zonen p. 322. 442. Mehrmals vergletschert p. 140. 322. 442. Seen p. 426.

NoRUENBEJÖLD, A. E.: Inlandeis ein See von Eis p. 187.

0.

Ober-Berg Paaa p. 72. 77. Olchah: Gegner der Gladtderosion

p. 374. Einwürfe gegen die Gla-

dalerosion p. 376. OHBom, G.: Gegner der Glaöal-

erosion p. 372. Verhältniss der

alten Anschwemmungen zu den

Alpenscen p. 405. Opfel: Fflanzenreate hfä Imberg

p. 258. Orgeln, geolonsche, p. 183. 455. Orograpiue der deutschen Alpen p. 25. der bayerischen Hoch-

ebene p. 113. Obth: Lobs Über nordischem IM-

Invium p. 332. Ostersee p. 357.

P.

Pariser Becken, vergletschert p. 455.

Patagonien, vergletstdiert p. 435.

Pdissenberg, hoher, vergletschert p. 190.

Pesck, A.: Gletscherscbub p. 120. BSndertbone NorddeutadilandB p. 135. 140. Gletscher Norwegens p. 196, Anh&nger der Gladal- eroMon p. 375. Areal der Ver- gletscherung p. 452.

Pereea spedoea Heer p. 241.

Pbschel, O.: SoNXLAs'ache Seen p. 349. Gegner der Gladaleiosion p. 373. Locftlisirung des Gladal- phSnomens p. 437.

PETTER8EN, K.; Arktis p. 436.

P1CH1.EB, A. Edler von Rattthn- kaar: Erraüsches Phänomen im Innthale p. 29. 49. 53. Erra- tische Bl&cke an der Ahmspitze p. 65. Findlinge und Gletecher- BcblifTe am Achensee p. 71. Diluvialer Torf bei Innsbruck p. 154. Höttinger Brecde p. 228. 239.

Pilar: Lage der Calmenzone p. 447. 450.

Pinus aylvestria p. 143. 259.

Plansee, Absperrung durch Schotter p. 161. 352.

PuL,YFAm: Gladaltheorie p. 3.

Plioc&n p. 272. 273. 487. 459.

DigizedbyGoOglC

480 Regi

Pomzl: Saharuneer p. 435.

Post, H. von: Vergletecherung Schwedens p. 15. '

Poudisgue ä Bresaan p. 272.

Prestwich : Schieb tenstaiKdiungen p. 45.

Prienthal p. 79.

Prinzinoer: Höttinger Brecde p. 239.

Pkobst: Beziebunfen iwischen To- pographie und Gletscherverbrei- tung p. 102. Nordgrenie des RhemgtetBchers p. 1Ü3. Wasser- läuie im Ciebiete des alten Rhein-

S'etechers p. 174. le p. 183.

Querthalbildnng durch Vereinigung

zwder Thäler p. 60. 77. Qnerthäter derKalkalpen p.60. 63.

IT). 76. 77. Quercus? p. 241.

Ramsay, A. C: Annahme emer Eiszeit p. 17. Veigletschening des Noroena p. 16. Gletscher- Bpnren in älteren Fonnationen p. 17. 459. Seen der Qletacher- gebiete p. 20. 345. 347. Alter der AlpentMIer p. 332. ErosioD von Seebocken p. 371. Bildung der AJpenthäler p. 372. Vertheidi- gung der Oläcialeroaioa p. 374. Grenzen der Glacialerosion p. 376. Bewegung des Eiaes in Becken p. 391. Bildung der Alpenthäler

S. 415. Gegen Lyell's Seebil- ongstlieorie p. 418.

Randseen p. 360. 419.

Ratzbl, Fk. : Anhänger der Glacial- erosion p. 376. PÜallelismus der Seen und Fjorde p. 427.

Reci.us , R : Eonservirung der Fjorde p. 22. Entstehung der Buinenseen und Fjorde p. 373. Geographie des Fjordphänomens p. 431. 432. 451.

Rene vier: Moränen unter den Schieferkohlen tob Wetzikon p. 220. Alte Anschwemmungea plio- cän p. 273.

Rbätisches Thal p. 55.

er p. 26. 81. Nord- grenze p. 103. 108.

RoiK, H.: Vergletscherung Grön- lands p. lü. Bubglaciale Waflser- circulation in Grönland p. 178. Inlandds eine UcbcrschwemmuDg p. 187.

Rinne, centrale, p. 126.

Riegsee p. 359.

Riesentöpfe p. 183. 455.

Rolle, F.: Breccie von OberwSlz p. 2,i2. Alpines Diluvium p. 268.

EoBenheinier Moos p. 123. 150. 337. 352. 419.

Roseukransseen p. 349.

RoTHPLFTZ, A.: GeröIIe mit Ein- drücken p. 288.

Bozsr: Gliederung des alpinen Quartäni bei Gap p. 269. ÖIe^ scherschlille angeblich auf alten Anschwemmungen p. 276.

RüTiMEYER, L.: Unterschiede des Glacial Phänomen 8 am Nord- und SüdfiiBs der Alpen p. 12G. Kohlen von Leffe p. 25"). Beziehungen der Glacialfonnation zum Fliocän p. 274. Gegner der Glacialerosion p. 373. Kritik der ITieorie gla- daler Seebildung p. 377. En- wände gegen die Glacialerosion p. 381. 3S^. Amphitheater von Ivrea p. .^95. Puppenzuatände der Thäler p. 342. Bildung der Alpenthäler p. 415. Bildung der Alpenseen p. 419.

Snharameer p. 433. Saizachgletsdier p. 78. Saliburger Koi^lomerftt p. 344. Sasdbebger, Fr.: Ueber Glacial- geschiebeNorddeutsohlandsp. 1 30.

254.

Schieferkohlen desAlgäu p Kohlen von Leffe p. 255.

SaRTORIDS von WALTEKBHArSEN:

Gletscherschliffe p. 39. Alpen-

seen p. 419. Schichtenstauchungen im Liegenden

der Gnindmoräne p. 44. In losem

Hat^ale p. 45. 455. Schieferkohlen der Schweiz p.

219—225. 318, des Algäu p-

254. 2.'.«. 318. Schill : Geschiebe diluvialer Nagel-

DigizedbyGoOglC

fluh p. 276. Junges Alter des Bodensees p. 423. Schlag ISTWEIT, Ä. und H, : Trüm- mer am Eibaee p. 61. Erratische BlScke im GÜBtliale p. 65. Erra- tische Blöcke am WetterateiD- gehirge p. 66. Alpines Dilonum

Schiepp p. 133. Schliereee p. 360. 366. Schlierseegletscher p. 107. Entfal- tung auf der Hochebene p. 107. Schmitz: Erratische Blöclte der bajerischen Hochebene p. 100. Hochgelegene Oladalachotter der Alpen p. 130. Schongau, p. 147. BcHÖSJJAMSGKOBER: Vertheüfing des erratischen Materiales in Ober- bayem p. 29. Schotter im Liegenden der Moränen Oberbayenis: Gliederung p. 280. Beziehungen zu VergletBCherungen p. 311, älteste p. 290, mittlere p. 290, jQngEte p. 290. Schrammen p. 40. 333. Schrofenpase p. S2. 86. Schrdkeuitass p. 83. SchuBsenried p. 323. Schuttk^l. Alte im Inntbale p. 230. Recente im Innthale p. 232. Sedgwick und MmiCHiBosf: Er- ratische Blöcke bei Seefeld p. 53. 64. Erratische Blöcke der baye- rischen Hochebene p. 100. See von Annecy p. 369. Bonrget p. 369. Lourdes p. 58, Qerardmer p. 158. Seefelder Pass p. 62. MScbtJKe Grundmoranen p. 96. Glaciale Schotter auf der PaashÖhe p. 16ö. Seen: Klassificirung p. 347. Ab- hänngkeit Ton Idimatischen Yeruiltnissen p. 351. Kurze Daner p. 367. tektonische p. 351. orographische p. 413. Südba^ems und Nordtirola: Verthmungp. 351, theilwdae auf die Fljscnzon e beschränkt p. 365, im Gebiete kleiner FlÜBEe erhalten p. 365, fehlen ausserhalb des Gletocherge- bietes p. 346.

PcDck, Die TsriletKhenuiE.

ister. 481

[Seen: in Oletschergehiet^m p. 20.

845. 426, im Moselthale p.

162, kleine der Ealkalpen

p, 353, der Dombe« p. 369,

in Kärnten p. 369, in Salz-

bu^ p. 369. 400, im En-

gadmp.402, in Norddeutsch-

land p. 426, in Skandinavien

p. 427, in Kanada p. 428.

erloschene im Val Oandino

p. 162. 255, bei Wolfraths-

tiausen p. 355, bei Muniau

p. 358, bei Eoeenheim p. 365,

im Thale der l>ora Baltea

p. 394, der Is&re p. 395, der

Bhone p. 396.

Seenbildung durch Thalabsperruug

I p. 163, durch Einstürze p. 61,

durch Gletscher p. 353. 368.

Seitenmoräuen : Maneel derselben

in den deutschen Alpen p. 92. Sendtneb: Moore Südbayems p.

346. Siegfried: Geschichte der Glet-

scbertheorie dtirt p. 4. Skandinavien, vergletschert p.6. 10. 15. 189. 324; AiJbau der Glacial- fbrmation p. 207. 324; glaciale Schotter p. 426; Abtragung wäh- rend der Eiszeit p. 200. 387. Solle p. 183.

SONKLAK'sche Seen p. 349. Sonnenwendjochkette, hintere, p. 73. I Spitzingpass: Nicht von Gletschern ' überscnritten p. 75. Jugendliches

Alter p. 76. Spitzingsee p. 75. Staffelaee p. 359.

Stakk, f.: Veivletscherang SKd- bayems p. 30. Grenzen der Vergletscherung p. 102. 105. 122. Seen Südbayems p, 345. Glaciale Bildung der Seen Ober- bayems p. 375. Stamberger See (Würmsee) p. 123.

150. 355. 413. Staumoränen p. 121, Stoppami, ä.: Unterschiede der Yergletscherung am Nord- und Südfusse der Alpen p. 110. Ab- sperrung dee Val Gandiuo p. 162. Kohlen von Lefie p. 255. Gla- cialformatdon pliocän p. 273. Geg- ner der Glacialeroeion p. 372.

H;-,:.tll:yG00gIC

482 It«gii

Stottee: 'Emtiecfaea Material in

den Kalkflipen p. 49. Stui)ER,B.: EintheilmiKdeflalpiiieQ

DiluriumB p. 268. HebuDg der

Alpen cur Quartäizeit p. 270.

Gegner der QUcialeroeioD p. 372.

Alpenseen und Äipenthfiler p.

414. SeebilduoK dntch Fluthen

p.416. Junges Alter der ich weiier

Seen p. 423. SubgkcialeWaaBercircnlationp.176. SrEsa, E.: Migrationen im Wiener

Becken p. 459.

ibmiBtion z

iPSoci

Tardy, M.; Bois de la Bfitie p. 277.

Tegernsee p. 360. 366.

Tegesthal p. 62. 66.

TeufeUgraben p. 179.

Thalbildung p. 80. 77. 412.

Tfaalsee p. 398.

Thannheimthal p. 87. 04.

Thombon.Wytille : Maximalmäch- tigkeit von Gletschern p. 390.

Thimer See p. 425.

Terrasse im Innthale p. 152, drfingt sich in Seitenthäler p. 156, Zer- stückelung derselben p. 169; poHt- glaciale im Innthale od Waseer- burg p. 180.

Terrassen in den Thälem Schwa- bens p. 148.

Taiz, Krddelager p. 165.

Torf, diluvialer p. 138. 143. 154.

ToßELL, O. : Ve dinaviens p. '. moräne p. '. Aufbau der Gladi p. 207.

Trsuneee p. 400.

Tysdäll, JoHNr GletBcbereohub p. 120. 382. Bildung der Alpen- thSler p. 330. 371. Morteratsch- gletecher p. 120. 382. Verlang- samung der Oletscherbeivegung in tieferen Lagen p. 391.

UlmoB Bronni Heer p. 241.

ümwallungBseen p. 350.

ÜKOEB, F.: Erratischee Phänomen

Im Innthale p. 29. Gelmttte Ge- schiebe p. 48. Pflanzen der Höt- tineer Breccie p. 241.

Urgebirg»findlinge des Algäu p. 84.

Utznacb: Schie&kohlen p. 220.

Val Gandino, alter See p. 162 ; Koh- len p, 253. 255. Vallonsce p. 414.

VEKffiz, J. : Ausbreitung der Glet- scher in den Alpen p. 4. Meh- rere Vei^letschemngen der Alpen p. 18. 212. Aufwühlende Wirkung der Gletscher p. 382. Vergletscherung der Alpen p. 4. 25. 211. 231 ; der nordtiroler u. ober- bayerischen Alpen p. 89. 266 ; der bayerischen Hochebene p, 99. 312; der schweizer Alpen mit der der deutschen Terglichen p. 89 ; Ober- italiens mit der Oberbayems ver- elichen p. 111; Unterschiede in der VerEletscherimg der Schweiz und Südbayems p. 111; Unter- schiede der früheren und heutigen Vergletscherung der Alpen p. 112; der Vergletacherung am Nord- und Südfusse der Alpen p. HO. 126. Ungleiche Intensität der Ver- gletscheruDg p. 112. 438. 439. Vergletscherung : der Balkanhalb- insel p. 438. desBöbmerwaldes p.434, Brasiliens p. 435. der centralfranzCsischeQ

Gebirge p. 434. 437. des Duerogebietes p.437. ,. des Hara p. 439. des Himalaja p. 435. ., de8MuDkuSardjkp.435.

Xatals p. 435. Neuseelands p. 436. 439. Nordamerikas p. 434. ,, Nordeuropas p. 3. 5. 13. 15, verglicben mit der alpinen p. 189. 434, Ausdehnung p. 439. der nördlichen Hemis- phäre, ungleiche Ent- wicklung p. 439. Patagoniens p. 430. 435.

439. der Rocky Mountains p. 434.

jdbyGoOglc

VergletscheruDg des ThianBcbaD

p. 435. i

dea TflchaktechenluideB

p. 430. 434. ,

der Vogcaeu p. 434. ;

438. 439. I

des Schwarzwaldea p. |

435. 439. i

Vilsalpgruppe , lokale Gletscher

ViOLLET-LE-DüC : Gegner der gla- dalen Bildung grosser AI peaseen p. 373. Kleine Seen durch Eis auBgetiShlt p. 373. l

Vomperbach: Alte Brecden p. 245. i Scnichtenstdrungen p. 45. .

Vorderjoch vom iflergletscher über- 1 deckt p. 85. 87. MSchtige Grund- i morfinen p. 96.

Wahhbchaffe, f.: Kreuzende gehrammen p. 40. Bildung der lokalen Grundmoräne p. 42.

Walchensee p. 362.

Walchsee p. 156.

Walchseethal p. 79.

Wallace, A. S.: Eiazeittheorie

L452. 454. Zooget^iaphische leutung klimatlKber Wechsel

p. 457. Wallgau, Kreidelager p. 166. Alte

Breccien p. 246. Walser Thal p. 81. Waltenbkrqer: Orographie des

Algäu p. 82. Ward, Cufton: Gladale Bildung

der Seen von Nordengland p, 375. Wasserball, Inaleitbe, p. 133. Wasserwirkung, anhäufende und

erodirende, p. 181. Weibs, J. F. : Erratisches Hiänomen

Oberbayems p. 29. Orographie

Bter. 483

der bayerischen Hochebene p. 100. Moränenlandschaft SQdbajenis j,. 116. ErloBchene Seen Sad- Dayeras p, 365,

Weissenbacn am Lech.Alte Breccien p. 247.

Wdt-See, Büdung p. 163.

Wetterateingebirge, lokale Gletscher p. 68.

WetzikoD, Schieferkohleu p. 219.

Whympek: Einifürfe g^en die Glacialeioeion p. 383.

WiuoN: Schieb tenstjtrungen am BuerbrS p. 383.

WoEiKOF, Ä. : Glaciale Submeraion p. 445. Bedeutung kalter mari- timer Klimate für die GletKher- entwicklung p. 448.

Wolfgangsee p. 400.

Wolfretbehausen, alte Seen p. 355.

WRrmsee p. 123. 150. 355. 413.

Z.

Zeller See p. 401.

ZiTTEL, K. A.; VergietscheruDg Oberbayerm p. 31. Verglet- Bcherung der bayeriachen Hoch- ebene p. 101. Uoränenlandacbaft SQdbayema p. 116. Verglet- scherunKNorddeutscUandep. 130. Geschiebe diluvialer Nagelfluh p. 197. 277. Prägliid#lea Dilu- vium p. 270. 271. Gletscher- schliffe auf diluvialer NageUuh p. 2"6. 281. Urgebirp^geröUe in der dUuvialen >iagelniih p. 300. Saharameer p. 435.

Zonen des Moränengebietea p. 125.

ZöFPBiTZ : Gegner der Olacial- eroeion p. 374. Einwürfe gegen die Glacialerosion p. 375. Meeres- »trömungen p. 446.

Züricher See p. 413.

DgizedbyGoOglC

Drnckffililer.

Seite 313, Zeile 7 von unten liee OUdalphinomene. Säte 352, Zeile 11 von oben lies statt Isarthal: Leclithal.

Atif der beigefügten Oletscherkute von Südbaveni ist durch ein Versehen nach der Korrektur unweit OroBsbessellohe unmittelbar südlich Tou MOnchen verwaschene Moräuenlandschaft angegeben worden. Es findet sich dort lediglich Löss.

DigizedbyGoOglC

lY 1878. ioe. gtol. de

MÜHLBKRO I8G9. I8T8.

Ueber die eiratlHChen 1 BilduDgen i. Aorgau 1866. I

Zweitpr Berieht 1878. I

Hrbr 1864. 1879.

cliotter, I •Jagel- }

MotÄnen, '

Moore |

arktischer

Flon. ■Geschich- tetem Dilu-

See.

Schiefer- kohlen,

"Nord- scbweiz u

Sftvoien.

Morfinen unter

Schiefer- kohlen

Ikonen.

Oberer Olacial-

Schotter.

Unterer Gliicial-

Schotter.

E)iluviale fagelfluh. JatMorä- jinebruck

Mittlere liegende Schotter. Interglaciales Delta von Braunen - bürg.

i geben die Beiteichnung dieser Komplexe, ea bedeutet:

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PraHl am oberen Ende des WeiherburjgerGrabens bei Lyoh der Seite, nvoDTixTL.

ProRI de« Höttinger

Grenre twiachen rother Breccie und Grundmoräne.

iiiBChHiale obarhalb Kaunwuarn nach dem Lechttiale untarHalb Schon jau

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